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German Pages [425]
Freiburger Rechtsgeschichtliche Abhandlungen Neue Folge · Band 70 Abt. A: Abhandlungen zum Römischen Recht und zur Antiken Rechtsgeschichte
Sprachliche Indizien für inneres System bei Q. Cervidius Scaevola Von
Julia Maria Gokel
Duncker & Humblot · Berlin
JULIA MARIA GOKEL
Sprachliche Indizien für inneres System bei Q. Cervidius Scaevola
Freiburger Rechtsgeschichtliche Abhandlungen Herausgegeben vom Institut für Rechtsgeschichte und geschichtliche Rechtsvergleichung der Albert-Ludwigs-Universität, Freiburg i. Br.
Neue Folge · Band 70 Abt. A: Abhandlungen zum Römischen Recht und zur Antiken Rechtsgeschichte
Sprachliche Indizien für inneres System bei Q. Cervidius Scaevola
Von
Julia Maria Gokel
Duncker & Humblot · Berlin
Gedruckt mit Unterstützung des Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG WORT Die Juristische Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg hat diese Arbeit im Jahre 2012 als Dissertation angenommen. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
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© 2014 Duncker & Humblot GmbH, Berlin
Fremddatenübernahme: Fotosatz Voigt, Berlin Druck: CPI buch.bücher.de, Birkach Printed in Germany ISSN 0720-6704 ISBN 978-3-428-14112-8 (Print) ISBN 978-3-428-54112-6 (E-Book) ISBN 978-3-428-84112-7 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Meinen Eltern und Geschwistern Im Gedenken an meinen Großvater Dr. Willy Gokel
D.1.3.24 (Celsus 9. dig.) „Incivile est nisi tota lege perspecta una aliqua particula eius proposita iudicare vel respondere“. „Es ist ungebührlich, ohne genaue Prüfung des ganzen Gesetzes nach Vorlage von bloß irgendeinem Teilstück davon ein Urteil zu fällen oder ein Gutachten zu erteilen“.
„Letzten Endes ist das Rechtssystem der Versuch, das Ganze der Gerechtigkeit im Hinblick auf eine bestimmte Form des gesellschaftlichen Lebens in einer Summe rationaler Prinzipien zu erfassen. Daß aber eine vernünftige, dem Denken erfaßbare Struktur die geistige und die materielle Welt beherrsche, ist die unaufgebbare Grundhypothese aller Wissenschaft“. Helmut Coing (Geschichte und Bedeutung des Systemgedankens in der Rechtswissenschaft)
Vorwort Diese Arbeit stellt die überarbeitete Fassung meiner Dissertation dar, welche der Juristischen Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg im Sommersemester 2012 vorlag. Mein Dank gilt in erster Linie meinem verehrten Lehrer, Prof. Dr. Christian Baldus, der das Entstehen dieser Arbeit als mein Doktorvater mit vielseitigen Anregungen begleitet und mich stets persönlich gefördert hat. Durch seine spannenden Vorlesungen und Seminare hat er bereits mit Beginn des ersten Semesters mein großes Interesse am römischen Recht geweckt. Bedanken möchte ich mich auch bei Herrn Prof. Dr. Christoph Krampe, der die Arbeit als Zweitgutachter betreut hat. Großen Dank schulde ich dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) für die finanzielle Förderung, die mir einen sechsmonatigen Forschungsaufenthalt in Italien ermöglicht hat. Ebenso bedanke ich mich beim Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG Wort für die Gewährung eines großzügigen Druckkostenzuschusses. Den Professoren Emanuele Stolfi (Siena), Gianni Santucci (Trient) und Massimo Miglietta (Trient) möchte ich an dieser Stelle für die hervorragende Betreuung und einzigartige Gastfreundschaft während meines Forschungsaufenthalts in Italien danken. Herzlich bedanken möchte ich mich auch bei Herrn Dr. Joachim Huber für seinen unermüdlichen Rat in philologischen Fragen. Mein ganz besonderer Dank gilt abschließend meiner Bologneser Lehrerin, Dott.ssa Simona Tarozzi, bei der ich einst das Römische Recht am Ort seiner Wiedergeburt lernen durfte und deren ansteckender Enthusiasmus für das Römische Recht mich nachhaltig geprägt hat. Ohne ihre Unterstützung und Förderung wäre ich heute nicht das, was ich bin. Mannheim, Januar 2014
Julia Maria Gokel
Inhaltsverzeichnis 1. Kapitel Einführung und Hintergründe
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§ 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zum Thema der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zum Forschungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Methodologisches caveat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Sprachliche ,Individualität‘? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Die Aufgabenstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Auswahl des Juristen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Auswahl der Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Suchkriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Strukturierung der Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Anordnung der Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Ziel der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21 21 24 26 28 31 34 36 36 38 40 40
§ 2 Ein inneres System im römischen Recht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zum Systembegriff im römischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zur Herkunft des Systembegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ansätze zu Systembildung im römischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zum äußeren System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Systematisierungstendenzen des Kaisers Justinian . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Modelle für äußeres System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Der Systemvorstoß Ciceros . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Spannungsverhältnis zwischen Kasuistik und System . . . . . . . . . . . . b) Spannungsverhältnis zwischen ius controversum und System . . . . . c) Spannungsverhältnis zwischen Topik und System . . . . . . . . . . . . . . . d) Spannungsverhältnis zwischen regulae iuris und System . . . . . . . . . 5. Zum inneren System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bestimmung eines inneren Systems im römischen Recht . . . . . . . . . b) Die Institutiones des Gaius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
43 43 45 47 47 48 50 53 55 56 57 59 60 61 64
§ 3 Leben und Werk des Quintus Cervidius Scaevola . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Lebensdaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Lehrer Cervidius Scaevola . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis III. Der Respondent Cervidius Scaevola . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Das Werk des Cervidius Scaevola . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zu den einzelnen Werken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Digesta und Responsa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Responsenaufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Schriftlichkeit oder Mündlichkeit der Konsultationspraxis? (2) Blankettnamen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Breite Sachverhalte und knappe Antworten . . . . . . . . . . . . . . (4) ,Geteilte Autorenschaft‘ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) „Kurze Notizen“/,Regestentheorie‘? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die sog. „Doppelüberlieferungen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die jüngeren Digesta sind aus den älteren Responsa hervorgegangen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die Responsa sind eine Epitome der Digesta . . . . . . . . . . . . . (3) Digesta und Responsa stammen von einer dritten Quelle . . (4) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Quaestiones . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Der ,individuelle‘ Stil von Scaevola . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Lakonie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schroffe Zurückweisung und Ironie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Stereotype, verba und Gräzismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
75 78 78 81 81 83 83 91 96 97 99 101 102 103 104 105 107 114 115 118 120
2. Kapitel Exegesen § 4 Systembildung durch Konjunktion der Negation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Das argumentum per duplicem exceptionem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Sprachgebrauch von „nec . . . nec“ bei Scaevola . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Exegesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. D.14.3.20 (Scaev. 5. dig.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einordnung der Quelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Protagonisten des Falles . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Blankettnamen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Drei oder fünf Protagonisten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die bonorum venditio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Das Vertragsverhältnis mit der Bank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) depositum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) mutuum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
126 126 126 127 131 131 132 132 133 134 135 136 137 138 139
Inhaltsverzeichnis
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cc) depositum irregulare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) „penes“ als Indiz für ein depositum (irregulare)? . . . . . . . . . (2) „quos denarios“ bzw. „numerare debebo“ als Indiz für ein mutuum? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Zinsen als Indiz? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Die Konsulenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Mögliche Klagen gegen Terminalis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Eigenhaftung des institor? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Rechtliche Einordnung des Briefes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) stipulatio debiti . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Exkurs: obligatio litteris . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) constitutum debiti . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Das Handeln „ad fidem mensae“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Das responsum des Juristen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zum Sprachgebrauch der Begriffe „ius“ und „aequitas“ bei Scaevola . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Übertragung auf den konkreten Fall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Wertungen der Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . i) Systembildung durch „nec . . . nec . . . superesse“? . . . . . . . . . . . . . . . j) Ergebnis zu D.14.3.20 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. D.5.2.20 (Scaev. 2. quaest.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einordnung und Aufbau der Quelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Rechtsproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Systembildung durch „nec . . . nec“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Ergebnis zu D.5.2.20 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung der Exegesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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§ 5 Systembildung nach der Art . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Das argumentum ad modum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zum Sprachgebrauch von huiusmodi/eiusmodi bei Scaevola . . . . . . . . . . . . III. Exegesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. D.33.7.27 (Scaev. 6. dig.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einordnung der Quelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Struktur der Quelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Der Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Die Anfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Nur vorübergehende Tätigkeit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
142 143 144 145 146 146 149 150 151 154 157 158 159 160 161 162 163 165 166 166 168 170 171 172 173 173 174 180 180 182 182 183 185 186
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Inhaltsverzeichnis bb) Mitvermachte Früchte? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Mögliche Prozesssituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Auslegung des Grundstücks-Fideikommisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) fundus cum instrumento? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) fundus instructus? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) „cum omnibus rebus“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) „cum mancipiis“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) „cum reliquis colonorum“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Das responsum von Scaevola . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Exkurs: Die Auslegung von Rechtsgeschäften in Rom . . . . . . . . . . . . h) Systembildung durch „huiusmodi scriptura“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . i) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. D.34.1.13.1 (Scaev. 4. resp.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einordnung und Aufbau der Quelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Klausel ,quoad cum Claudio Iusto morati essetis‘ . . . . . . . . bb) Die Klausel ,et tecum sint semper volo‘ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung der Exegesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
187 187 189 189 191 191 192 193 194 195 196 198 200 200 201 202 202 204 206
§ 6 Systembildung durch Gattungsbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Das argumentum ex genere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zum juristischen Sprachgebrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Exegesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. D.18.6.11 (In libro septimo digestorum Iuliani Scaevola notat) . . . . . . . a) Einordnung der Quelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Fälle von höherer Gewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Systembildung durch „aliove quo casu“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. D.18.3.6 (Scaev. 2. resp.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einordnung der Quelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Überblick über den Quellenbestand zur Arrha . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Aufbau der Quelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) D.18.3.6 pr. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) D.18.3.6.1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) D.18.3.6.2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Vergleich der Satzstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Das Principium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Die Arrha . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Die lex commissoria . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
207 207 207 209 209 209 210 210 211 212 213 214 216 216 218 218 219 220 220 224 224
Inhaltsverzeichnis
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h) Die Kombination von Arrha und lex commissoria . . . . . . . . . . . . . . . i) Das responsum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . j) Systembildung durch „vel alio nomine“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zum juristischen Sprachgebrauch von „nomen“ bei Scaevola . . bb) „arrae vel pignoris nomine“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) „unter anderer Benennung“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . k) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung der Exegesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
227 228 230 231 233 237 240 241
§ 7 Systembildung durch Konsequenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Das argumentum per consequentiam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zum Sprachgebrauch von „consequens“ bei Scaevola . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Exegesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. D.36.1.80.4 (Scaev. 21. dig.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einordnung und Struktur der Quelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Das responsum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Das Konsequenzargument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. D.50.1.24 (Scaev. 2. dig.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einordnung und Aufbau der Quelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Inhalt der Quelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Das responsum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Das Konsequenzargument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Systembildung durch consequens? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. D.21.2.69.4 (Scaev. 2. quaest.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einordnung der Quelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Struktur der Quelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Der Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die mögliche Prozesssituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Das Konsequenzargument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung der Exegesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
242 242 243 244 244 244 246 247 247 249 249 252 254 257 259 260 261 262 264 264 270 272 275
§ 8 Systembildung durch Absurditätsschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Das argumentum ad absurdum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zum Sprachgebrauch von „alioquin“ bei Scaevola . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Quelle D.40.9.6 (Scaev. 16. quaest.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einordnung und Aufbau der Quelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kommentierung von D.40.9.5.2 (Iul. 64. dig.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die obligatio alternativa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Entscheidung des Julian . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
277 277 279 280 281 282 283 284
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Inhaltsverzeichnis a) Die Voraussetzungen der lex Aelia Sentia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Mögliche Gründe für die Unwirksamkeit der Freilassung . . . . . . . . . aa) Verletzung des Gläubigerinteresses an der Auswahl . . . . . . . . . . bb) Erhöhung des Risikos der Zahlungsunfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . c) Haftung des Schuldners? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Stellungnahme des Scaevola . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Scaevola zitiert Julian . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Abgrenzung von Wahl- und Gattungsschuld . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Entscheidungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Die Kommentierung des Ulpian . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Systembildung durch alioquin? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
285 286 286 286 287 288 289 291 293 294 295 296
§ 9 Systembildung durch Generalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Das argumentum per generalem modum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Sprachgebrauch bei Scaevola . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Exegesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. D.22.2.5 (Scaev. 6. resp.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einordnung und Aufbau der Stelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das fenus nauticum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Das Principium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) „et insuper aliquid praeter pecuniam“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) „si modo in aleae speciem non cadat“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) „veluti ea, ex quibus condictiones nasci solent . . .“ . . . . . . . . . . . dd) Die Darlehen für Fischer und Athleten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) D.22.2.5.1: usurae ex pacto? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Systembildung durch „in his omnibus“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. D.28.2.29 (Scaev. 6. quaest.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kontext und Struktur der Quelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Inhalt der Quelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die clausula Aquiliana . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) D.28.2.29.1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) D.28.2.29.2–4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) D.28.2.29.5–6: Die Erweiterung der Formel auf andere Fälle des Erlöschens der patria potestas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) D.28.2.29.10: Allgemeine Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Systembildung im Recht der postumi? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung der Exegesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
297 297 298 303 303 304 306 309 311 312 314 316 317 322 323 323 327 328 328 333 334 336 341 342 343 344
Inhaltsverzeichnis § 10 Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Ergebnisse der einzelnen Exegesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zum inneren System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Innere Systembildung und Sprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. „Werktypen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Das Juristenprofil Scaevolas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17 346 346 347 349 350 352 354
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402 Quellenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411
Abkürzungsverzeichnis ad Plaut. ad Sab. ad Vitell. a. E. aed. cur. African. Alf. allgem. Aufl. Bd. Begr. BGB bspw. bzw. C. Callist. C.I.C. D. decret. def. ed. EP epist. epit. excus. f./ff. fideicomm. Florent. Fn. FS Fut. grds. Hrsg. Iav. ICtus i. d. R. i. e. S.
ad Plautium ad Sabinum ad Vitellium am Ende aedilium curulium Africanus Alfenus allgemein Auflage Band/Bände Begründer (deutsches) Bürgerliches Gesetzbuch beispielsweise beziehungsweise Codex Iustinianus Callistratus Corpus Iuris Civilis Digesten decretorum definitionum edictum Edictum Perpetuum epistularum epitomatorum excusationum folgende Seite(n) fideicommissarum Florentinus Fußnote Festschrift Futur grundsätzlich Herausgeber Iavolenus iuris consultus in der Regel im eigentlichen Sinne
Abkürzungsverzeichnis Ind. Itp. insbes. Inst. Iul. Konj. Lab. lib. lib. sing. ench. lib. sing. quaest. pub. tract. membr. Mod. m.w. N. n. Chr. Nerat. o. ä. OIR p. a. Paul. Pomp. pr. prov. PS quaest. rer. cott. resp. Rn. rust. Scaev. sing. sog. stipul. SZ tab. TR u. a. Übers. Ulp. v. Chr. vgl. vorauss. z. B.
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Index Interpolationum insbesondere Institutiones/Institutionen Iulianus Konjunktiv Labeo liber liber singularis enchiridion liber singularis quaestionum publice tractatarum membranarum Modestinus mit weiterem Nachwort nach Christi Geburt Neratius oder ähnliche(s) Orbis Iuris Romani, Journal of Ancient Law Studies per annum Paulus Pomponius principium provinciale Pauli Sententiae quaestionum rerum cottidianarum responsorum Randnummer rustica Scaevola singularis sogenannte stipulationibus Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Romanistische Abteilung tabula(e) Tijdschrift voor Rechtsgeschiedenes unter anderem/und andere(s) Übersetzer Ulpianus vor Christi Geburt vergleiche voraussichtlich zum Beispiel
1. Kapitel
Einführung und Hintergründe § 1 Einleitung I. Zum Thema der Untersuchung Die Fortentwicklung des römischen Rechts, ausgehend von einem primitiven Fallrecht zu einem hoch technisierten Recht der klassischen Zeit, gilt als wissenschaftliche Glanzleistung der Römer1. Bis heute prägt das mehr als zweitausend Jahre alte römische Recht die Privatrechtsordnungen Europas nachhaltig2. Für die römischen Juristen, welche in einer nicht kodifizierten Rechtsordnung lebten, war Recht nicht etwas Gegebenes, sondern etwas ab ovo3 Gestaltbares. Indem der römische iuris prudens4 einen Rechtsfall entschied, schuf er zugleich neues Recht5. Dabei ging er meist vom konkreten Problem aus und suchte 1
Vgl. Schiavone (Ius, S. 5 f.). Dazu nur Mayer-Maly (JZ 1 (1971), S. 1–3); Zimmermann (JZ 62 (2007), S. 3–6). 3 Die römischen Juristen gelten insoweit als Schöpfer des römischen Rechts. Ob sie darüber hinaus auch als „Erfinder“ des Rechts angesehen werden können, ist eine philosophische Frage, die hier nicht beantwortet werden kann. Zur umstrittenen Frage nach der Ontologie des römischen Rechts siehe statt aller Orestano (Introduzione, S. 15 ff.) sowie Schiavone (Ius, S. 176 ff.). Nach Schiavone, welcher von der „grande invenzione del pensiero romano“ (S. 176) spricht, waren die „concetti giuridici“ der römischen Juristen nicht einfach nur „categorie del pensiero“, sondern konnten metaphysische Bedeutung erlangen, „dove l’esperienza concreta della vita si riduceva entro un numero definito di modelli archetipici: una vera e propria ontologia, che si poneva come il motore di ogni sviluppo del ius“. Da es in Rom – worauf noch zurückzukommen sein wird – kaum Gesetze gab und die früheren Entscheidungen der Juristenkollegen keine Präzedenzwirkung entfalteten, konnten die Juristen jedenfalls relativ zukunftsfrei entscheiden. 4 Bemerkenswert ist, dass außer der lateinischen keine andere antike Sprache einen Begriff für die Rechtsexperten kennt; vgl. Schiavone (Ius, S. 5). Beispielsweise für das griechische Recht spricht Stolfi (Introduzione, S. 23) insofern von einem „vuoto terminologico estremamente significativo“. Siehe auch Zimmermann (JZ 62 (2007), S. 7). 5 Da die römischen Juristen, wie Giaro (Röm. Rechtswahrheiten, S. 197 f.) bemerkt, den Gesetzgeber weitgehend ersetzen mussten, fielen Rechtserkenntnis und Rechtsproduktion in ihren Aufgaben zusammen: „Eine scharfe Trennung zwischen Recht und seiner Dogmatik war damit ausgeschlossen“. Auch wenn die Rechtsschöpfungsfreiheit der römischen Juristen mit der Kaisergesetzgebung im 2. Jh. n. Chr. zunehmend einge2
22
1. Kap.: Einführung und Hintergründe
idealerweise nach der gerechtesten6 Lösung für den jeweiligen Interessenkonflikt7. schränkt wurde, konnten diese die Entscheidungen des Kaisers noch relativ frei interpretieren. Dazu Baldus (GS Franciosi, S. 167–189, insbes. S. 186 f.). Ein Beispiel für jurisprudentielle Auslegung kaiserlicher Entscheidungen bietet die Scaevola-Quelle D.50.1.24 (Scaev. 2. dig.). Zur Exegese siehe § 7 III. 2. Zum „iura condere“ insbes. in Verbindung mit dem ius respondendi ex auctoritate principis siehe Crifò (Lezioni di storia, S. 356 ff.). 6 Man denke nur an den berühmten Ausspruch des Celsus in D.1.1.1 (Ulp. 1. inst.): „ius est ars boni et aequi“. 7 So zumindest nach der klassischen, im Wesentlichen von Kaser begründeten Linie. Die Frage nach der Methode der römischen Juristen wird in der Literatur noch immer unterschiedlich beantwortet. Nach Kaser (Zur Methode, S. 54 ff.) stand bei der jurisprudentiellen Rechtsfindung der Römer die Intuition als ein nahezu genialer „sensus iuridicus“ im Vordergrund, welchen der Autor auch als das „spontane Erschauen der richtigen Lösung“ bezeichnete. Dass diese „intuitive Rechtserkenntnis“ nicht in uferlosen Subjektivismus ausartete, hatte die römische Rechtswissenschaft nach Kaser (Zur Methode, S. 57) vor allem der Tatsache zu verdanken, dass sie im Wesentlichen eine „Honoratiorenjurisprudenz“ war, welche sich aus einem kleinen, gesellschaftlich eng verbundenen Kreis von Persönlichkeiten der Oberschicht zusammensetzte. Ähnlich v. Lübtow (FS Wenger I (1944), S. 231), nach welchem das Recht von den römischen Juristen gehandhabt wurde, „wie das Volk seine Sprache meistert mit instinktiver Sicherheit auch ohne methodisches Bewußtsein“. Auch nach der Ansicht von Crifò (Lezioni di storia, S. 381) wurde die Falllösung von den römischen Juristen „in modo intuitivo“ gefunden, „nel senso che il giurista, persona eminente per attività politica, per cultura, per esperienza di vita, sa di che cosa si tratta, che cosa va detto, come bisogna agire“. Der von Kaser vertretenen Ansicht folgen ferner Waldstein (ANRW 15 (1976), S. 4 ff.) und Bund (Studi Volterra I, S. 572), welcher es als gesichert ansieht, dass der „rationale Bau des römischen Privatrechts in beträchtlichem Ausmasse durch näher nicht aufklärbares Judiz und einen intuitiven Spürsinn für die Fortbildung des Rechts, also mit irrationalen Mitteln errichtet wurde“. Bei den Gegnern führte die Vorstellung vom genialen „sensus iuridicus“ hingegen zu Polemiken wie z. B. der von Riccobono (BIDR 53/54 (1948), S. 76): „. . . ai giuristi romani si negò [. . .] ogni attitudine teorica e sistematica, giudicati semplicemente come praticoni, che avevano l’intuito del diritto, trovando le soluzioni giuste a lume di naso, ma privi di ogni luce teorica non erano in grado a darne la esatta motivazione“. Gegen das Vorurteil von der intuitiven Rechtsfindung zu Recht kritisch Harke (zuletzt am Beispiel von Celsus und Julian in Argumenta Iuventiana – Argumenta Salviana, S. 341 sowie in Riesenhuber, Europ. Methodenlehre, S. 11 Rn. 4), welcher annimmt, dass die Rechtsfindung selbst im Falle unbegründeter Entscheidungen nicht intuitiv, sondern planmäßig erfolgte, „weil sich der Jurist, der einen Vergleichsfall heranzieht, ja von der Prämisse leiten lässt, dass wesentlich Gleiches gleich, wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln ist“. Auch Knütel (GS-Heinze, S. 476 f.) hält die Leitvorstellung von der genialen Intuition der römischen Juristen für nicht überzeugend. Seiner Ansicht nach (GS-Heinze, S. 477) widerspricht diese der Tatsache, dass die Juristen von den Glossatoren bis heute ihre rationale Rechtsfindung im Wesentlichen auf das römische Recht zurückführen. Dennoch will Knütel (GS-Heinze, S. 498) die Intuition, welche die Rechtsfindung der Römer habe beflügeln, nicht aber ersetzen können, nicht gänzlich ausschließen; sie sei vielmehr „rational kontrolliert“ gewesen. Kritisch zur intuitiven Rechtsfortbildung auch Giaro (SZ 105 (1988), S. 247– 256). Seiner Ansicht nach folgt auch die „inventio“ des Rechts einem stark schematisierten Denken, welches sich mehr oder weniger immer aus dem Kreis derselben allgemeinen Gesichtspunkte speist. Deswegen haben die juristischen Entdeckungen seiner Ansicht nach intellektuell etwas von einem „déjà vu“. Am ehesten wird man die römi-
§ 1 Einleitung
23
Wenn diese vorwiegend am konkreten Problem orientierte jurisprudentielle Rechtsschöpfung jedoch keine willkürlichen Entscheidungen hervorbringen, sondern Akzeptanz schaffen wollte, musste sie nach bestimmten internen Grundlinien – verstanden als in sich nicht widersprüchliche Entscheidungslinien (nicht etwa als der juristischen Arbeit vorausliegende Grundsätze) –, nach einem ihr immanenten inneren System, fortschreiten. Wie sich dieses innere System anhand der uns überlieferten Quellen in den Entscheidungen eines römischen Juristen konkret nachweisen lässt ist, ist Thema der vorliegenden Untersuchung. Genauer gesagt geht es um die Frage, ob man in den Entscheidungen des hochklassischen Juristen Quintus Cervidius Scaevola eine bewusste systematische Argumentation ausfindig machen kann und welche Funktion derselben zukommt8. Dafür werden anhand einer empirischen Untersuchung bestimmte Worte und Ausdrucksweisen im juristisch-philologischen Kontext9 der Entscheidungen Scaevolas auf einen möglichen Systembildungscharakter hin untersucht. Hierbei soll auch ermittelt werden, ob der Jurist selbst mit der Absicht der Systembildung vorging oder ob Systembausteine in den Quellen – wie früher oft angenommen – Interpolationen indizieren10, es sich also gegebenenfalls um justi-
sche Rechtsfindung wohl mit Horak (Rationes decidendi, S. 17 ff.) in einen mehr intuitiv gesteuerten Entdeckungszusammenhang („context of discovery“) und einen von rationalen Argumenten getragenen Begründungszusammenhang („context of justification“) unterteilen können. So schon Wieacker (FS-Kaser, S. 13), welcher den Entdeckungszusammenhang auch als „erste Stufe des wissenschaftlichen Erkenntnisprozesses“ bezeichnete. 8 Es wird mithin in einer rein historischen Betrachtung der expliziten und impliziten Entscheidungsbegründungen das systematische Bewusstsein des Juristen untersucht. 9 Denn die Bedeutung der Worte kann insbes. von ihrer Verwendung innerhalb des jeweiligen Satzes und dessen Struktur abhängen. Nach Hartmann (ZPhonetik 21 (1968), S. 211) können „Sprachzeichen nur textuell gebunden vorkommen, können so auch nur als gebundene Sinn und Erfolg haben“. Die Funktion eines Zeichens kann daher nur nach seiner „Teilhabe an der Gesamtwirkung des Textes“ bestimmt werden, so der Autor (ZPhonetik 21 (1968), S. 212). Siehe auch Riesenhuber (in Riesenhuber, Europ. Methodenlehre, S. 326 Rn. 22): „Für die Auslegung eines Wortes ist der Satzzusammenhang, für das Verständnis eines Satzes der Textzusammenhang entscheidend.“ Zur philologischen Frage, was überhaupt einen juristischen ,Text‘ ausmacht siehe Baldus (SCDR 23–24 (2010/11), S. 87 f.). 10 Die Interpolationenforschung, welche in Deutschland in den 80er Jahren des 19. Jh. mit den Namen Gradenwitz und Lenel begann, machte es sich zur Aufgabe klassische Quellen von nachträglichen Änderungen (sog. „emblemata Triboniani“) zu reinigen. Mit ihren Auswüchsen und Übertreibungen bei der Erklärung interpolierter Stellen drohte die Erforschung der römischen Quellen jedoch bald in eine nahezu nihilistische Richtung abzudriften. (Wieacker [Textstufen, S. 11] spricht in diesem Sinne von einem „Entlarvungspathos“). Inzwischen ist an die Stelle der einst radikalen Textkritik eine maßvollere Einstellung getreten, welche sich von vorschnellen Unechtheitskriterien distanziert hat und textkritische Forschung mit größerer Zurückhaltung betreibt. Siehe etwa den Tagungsband „Problemi e prospettive della critica testuale“ (Trient, 14.–15.
24
1. Kap.: Einführung und Hintergründe
nianische Bearbeitungen zur Durchsetzung kaiserlicher Systematisierungstendenzen handelt11.
II. Zum Forschungsstand Die der Arbeit zugrunde liegende Frage nach einem inneren System im römischen Recht ist keineswegs neu, sondern beschäftigt die Rechtsromanistik seit langem. Mit seinem grundlegenden Aufsatz, der 1962 unter dem Titel „Zur Methode der römischen Rechtsfindung“ erschien, widmete sich vor allem Max Kaser diesem Problemkreis12. Kaser war der Überzeugung, dass die „systematischen Ansätze“ 13, die auch in einer kasuistischen14 Rechtsordnung wie der römischen wirksam sind, nicht unterschätzt werden dürfen und dort nicht im äußeren, wohl aber im inneren System liegen15: „Denn auch in diesen Ordnungen müssen die Sätze und Begriffe, die der Kasuistik zugrunde liegen, wenn sie einer sinnvollen Einheit der Rechtsordnung genügen sollen, aufeinander abgestimmt sein“ 16.
Dezember 2007). Denn auch wenn wir wissen, dass Kaiser Justinian seine Kompilatoren ausdrücklich zu Textveränderungen und Kürzungen aufforderte (vgl. Const. Tanta § 10: „vel adiectionem vel deminutionem necessariam accipiat . . .“ sowie „quia multa et maxima sunt, quae propter utilitatem rerum transformata sunt“), sind natürlich nicht alle Interpolationen justinianischen Ursprungs. Vielmehr muss i. S. d. Textstufenforschung eine Differenzierung zwischen klassisch, nachklassisch und justinianisch erfolgen. Dazu Wieacker (Textstufen, insbes. S. 14 ff.). Auch wenn es zur Feststellung von Interpolationen keine verbindliche Technik gibt, haben sich einige Orientierungskriterien herausgebildet, anhand derer eine Interpolation wahrscheinlich gemacht werden kann. Siehe etwa die Auflistung bei Arangio-Ruiz (Storia, S. 393 ff.). Diese betreffen in erster Linie sprachliche und juristische Argumente. Nichtsdestotrotz können diese Kriterien niemals mit hinreichender Sicherheit eine Interpolation belegen. Dies kann nur durch eine direkte Konfrontation mit dem Originaltext erfolgen, was wiederum nur in einem minimalen Prozentsatz der Fälle möglich ist, in denen uns die Originaltexte außerhalb des C.I.C. erhalten sind. Es gilt daher die Grundregel, dass es, soweit dem Text ein vernünftiger Sinn abzugewinnen ist, methodologisch unzulässig ist, Interpolationen zu behaupten. Ähnlich zurückhaltend in der Annahme nachklassischer Eingriffe ist z. B. auch Bund (Methode Julians, S. 8 f.) und zuletzt speziell für Scaevola Spina (Ricerche sulla successione, S. 592 f.). 11 Siehe zu diesem Problemkreis die Ausführungen in § 2 III. 2. 12 Dazu kritisch Giaro (SZ 105 (1988), S. 181 ff.). 13 Kaser (Zur Methode, S. 70) spricht von „systematischen Inseln in dem auch weiterhin noch ungeordneten Meer der Erscheinungen“. 14 Vgl. Kaser (Zur Methode, S. 54): „Die Art der Römer, ihr Recht kasuistisch, also aus der Perspektive spezieller Fallprobleme zu sehen, beherrscht alle Perioden ihrer Rechtsgeschichte“. 15 Kaser (Zur Methode, S. 53). Siehe auch Kaser/Knütel (Röm. PrivatR, S. 30 f.). 16 Kaser (Zur Methode, S. 53). Gegen die Vorstellung auch eines inneren Systems im römischen Recht siehe dagegen die Monographie „Sistema jurídico y Derecho romano“ von Cuena Boy. Siehe dazu die Besprechung von Baldus (Labeo 47 (2001), S. 122–134).
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Auch Franz Wieacker17, welcher der Vorstellung von einem inneren System im römischen Recht insgesamt eher kritisch gegenüberstand18, räumte ein, dass sich das römische Recht nicht allein in pragmatischer Kasuistik erschöpft19, sondern einen „inneren Bauplan“ 20 erkennen lässt. Der interessanten und für aktuelle Systemfragen auf nationaler wie auf internationaler Ebene höchst relevanten21 Frage, wie dieser „innere Bauplan“ 22 des römischen Rechts am Übergang von 17 Zu Wieackers Bild von der Pandektistik siehe Haferkamp in Behrends/Schumann (Franz Wieacker, S. 181, S. 212). Zu Leben und Werk von Franz Wieacker siehe Liebs in Behrends/Schumann (Franz Wieacker, S. 23 ff.). 18 So stellte Wieacker (Vom röm. Recht, S. 150) 1961 fest: „Vor allem fehlt ihm [dem klassischen römischen Juristen] das innere Privatrechtssystem, das der (in seiner Fallentscheidung verborgenen hypothetischen) Einzelnorm einen bestimmten Stellenwert im Gesamtzusammenhang der Rechtsordnung zuordnen könnte; noch mehr, es fehlt das uns selbstverständliche Werkzeug des zusammengesetzten Rechtsbegriffs“. Zwar sah Wieacker (RRG II, S. 45) die Juristen der späten Republik „im Begriff, sich nicht mehr an der Entscheidung von Einzelfällen auf dem Boden von Tradition, Autorität und eigener Empirie genügen zu lassen, sondern durch Systematisierung der im konkreten Sachverhalt verborgenen quaestio iuris zu einem sich allmählich steigernden allgemeineren Erkenntniszusammenhang zu gelangen“. Dennoch hätte seiner Ansicht nach (RRG I, S. 639) „der volle Sieg einer systematischen Lehrbuchwissenschaft der öffentlichen Stellung, den praktischen Aufgaben und der Konzentration der Juristen auf die konkrete quaestio iuris geradezu widersprochen und die spätere Blüte einer so eminent praktischen Rechtskunst wie der hochklassischen schon im Keim geschädigt“. 19 Siehe Wieacker (RRG II, S. 45). Als ,kasuistische‘ sei die Methode der römischen Juristen, als ,case law‘ sei das Juristenrecht jedenfalls nicht hinreichend beschrieben (RRG II, S. 47). Darüber hinaus unterscheidet sich das römische Recht trotz seines fallrechtlichen Charakters insofern vom angelsächsischen, als jenes rein formal gesehen Juristenrecht und kein Richterrecht war. Zu den Grenzen des üblichen Vergleichs zwischen römischem Prätor und englischem Richter siehe Maschi (RIDA 6 (1959), S. 343 f.). Zudem stand das römische Recht im Rahmen des ius controversum über Juristengenerationen hinweg zur Diskussion und kannte im Gegensatz zum englischen Recht keine „stare decisis“-Bindung. (Dass die Entscheidungen der römischen Juristen, insbes. derjenigen mit ius respondendi ex auctoritate principis, trotzdem faktische Bindungswirkung erzielen konnten, legt Santucci [in Vincenti, Inchiesta sulla legge, S. 45] dar). Siehe zum viel bemühten Vergleich zwischen römischem und englischen Recht statt aller Peter (Actio und Writ). Knütel (GS-Meinze, S. 478) führt zudem an, dass das englische case law wirkliche und richterlich entschiedene Fälle betrifft, wohingegen das römische Fallrecht weitgehend aus theoretisch gebildeten Fällen bestanden habe. Zum Problem der Unterscheidung der beiden Fallrechtsordnungen siehe auch Vacca (Metodo casistico, S. 129–135) sowie Kaser (Zur Methode, S. 73). 20 Siehe Wieacker (RRG I, S. 639): „Diejenigen allgemeinen Begriffe, die die Einsicht in den inneren Bauplan des Zivilrechts wirklich förderten, wie contractus und conventio, die genera obligationis, die credendi generalis appellatio und das conventionis nomen generale, scheinen zudem erst Entdeckungen der frühen Klassiker“. Zur Entwicklung des Begriffes contractus von Gaius bis Justinian siehe insbes. Paricio (Contrato, S. 25 ff.). 21 Dazu Zimmermann (JZ 62 (2007), S. 3–7). Dass es sich bei der rechtsgeschichtlichen Frage nach System nicht um eine „pandektistische Spielerei“ handelt, stellt Baldus (Labeo 47 (2001), S. 122, S. 131) klar. 22 Der von den Italienern im Zusammenhang mit Systemfragen häufig verwendete Begriff der Konstruktion eines „edificio scientifico“ [siehe z. B. La Pira (BIDR 42
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1. Kap.: Einführung und Hintergründe
der Hoch- zur Spätklassik23 konkret ausgesehen hat und wie er sich anhand der uns überlieferten Quellen nachweisen lässt, wurde bisher jedoch kaum nachgegangen. Dagegen lagen Systemfragen im Hinblick auf die spätrepublikanische und vorklassische römische Jurisprudenz seit jeher im Interesse der Forschung24. Zwar folgten in den letzten Jahrzehnten zahlreiche monographische Arbeiten auf dem Gebiet der methodologischen Erforschung einzelner römischer Juristen, nur wenige beschäftigten sich jedoch explizit mit Systemfragen25. Die vorliegende Untersuchung will hier ansetzen. Sie fußt auf der Überzeugung, dass sich die Frage nach einem inneren System im römischen Recht nur sinnvoll beantworten lässt, wenn man sich ad fontes begibt und exegetisch untersucht, wie die römischen Juristen einzelne Rechtsfälle gelöst und damit zugleich neues Recht geschaffen haben.
III. Methodologisches caveat Auf der Suche nach dem „inneren Bauplan“ der römischen Rechtsordnung besteht die wohl größte Herausforderung für den am BGB und dessen System ausgebildeten Juristen in der Notwendigkeit, seine „pandektistische Brille“ abzusetzen und die Quellen so unvoreingenommen und kritisch wie möglich im Lichte der ihren Autoren jeweils eigenen Denkweise zu untersuchen26. (1934), S. 336, S. 344)] betrifft dagegen eher das äußere System. Vgl. auch die Feststellung von La Pira (BIDR 44 (1936/37), S. 131), dass die römische Rechtswissenschaft „le basi ed i muri maestri del primo e più grande edificio scientifico del diritto“ aufgestellt habe. 23 Zur klassischen deutschen Dreiteilung in Früh-, Hoch- und Spätklassik, welche in anderen romanistischen Kulturen, in denen die Epochen in Anlehnung an die politischen Entwicklungen bestimmt werden, unüblich ist, siehe Baldus (in Harke, Facetten des römischen ErbR, S. 11). 24 Insbes. Okko Behrends hat sich in mehreren Werken mit dem System des Servius beschäftigt. Nach seinem Modell (in Avenarius/Meyer-Pritzl/Möller, Institut und Prinzip I, S. 45) führte Servius Sulpicius Rufus (gest. 43 v. Chr.), bei dem es kein normatives Naturrecht mehr gegeben habe, als Erster das „institutionelle Denken“ ein. Das von ihm und seinen Schülern vorgelegte „System präzis umschriebener und durchgeplanter Rechtsinstitute“ habe nicht nur das klassische römische Recht, sondern in seiner begriffsproduktiven Art noch das BGB bestimmt. Insbesondere seien Institute des Schuldrechts wie der Kauf, das Darlehen, die Leihe, die Miete etc. vom „institutionellen Denken“ geprägt. Dieser Forschungsansatz wird am Beispiel der Servituten von Möller (Die Servituten, S. 14 ff.) fortgeführt. Zum Einfluss des Servius auf die Systembildung bei Donellus siehe auch Avenarius (TR 74 (2006), S. 76 ff.). 25 Zu nennen sind im Wesentlichen die Monographien von Horak (Rationes decidendi) und Harke (Argumenta Iuventiana, insbes. S. 47–57). Zur allgemeinen Zurückhaltung der methodologischen Forschung am römischen Recht, siehe Horak in der Einleitung seines Werkes „Rationes decidendi“. 26 Zu diesem Zentralproblem rechtsgeschichtlicher Arbeit siehe Orestano (Introduzione, S. 409 f., S. 420 f.) und Baldus (in Harke, Facetten des römischen ErbR, S. 3). Andererseits kann die Rekonstruktion von Systemelementen im römischen Recht, wie
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Um nicht in die von v. Lübtow treffend beschriebene „Gefahr ein System von außen her an die Dinge heranzutragen und so die Wirklichkeit zu vergewaltigen“ 27 zu geraten, muss man sich deshalb stets vor Augen halten, dass das römische Recht nicht aus einem Guss, sondern historisch gewachsenes und historisch bedingtes28 Recht ist, das wir – um einen Ausdruck von Cannata29 zu gebrauchen – aus einer „visione panoramica di posteri“ sehen. Zu den Aufgaben der Rechtsromanistik gehört es deshalb, die Quellen in ihrer historischen Bedingtheit zu untersuchen und den Blick für die spezifischen Eigenarten des römischen Rechts durch neu formulierte Fragestellungen weiter zu öffnen30. Bekanntermaßen war es die deutsche Pandektistik, welche im 19. Jahrhundert unter dem Einfluss des Naturrechts aus dem reichen Fallmaterial des römischen Rechts dogmatisch-systematische Schlüsse zog und diese in ein System, das sog. „Pandektensystem“, goss31. Diese pandektistische Rezeption hat ein großes Insauch Giaro (SZ 105 (1988), S. 191) feststellt, nicht einfach in der schlichten Umkehrung der von der Pandektistik geprägten Systemvorstellung liegen. Dies gilt auch für die bereits angesprochene „pandektistische Brille“. Denn da man ohne Brille schlecht oder gar nicht sieht, wäre es jedenfalls für juristische Zwecke ebenso unzweckmäßig, auf jegliche dogmatische Auswertung der römischen Rechtsfiguren zu verzichten und reine Geschichtswissenschaft zu betreiben. Zum (unvermeidlichen) Problem der Übertragung moderner dogmatischer Kategorien auf die römischen Quellen siehe auch Betti (in Questioni di metodo I, S. 43 ff., S. 60 f.) und Orestano (Introduzione, S. 406 ff.). 27 Siehe v. Lübtow (FS Wenger I (1994), S. 231). 28 Wieacker (FS-Kaser, S. 27) benutzt in diesem Zusammenhang die anschauliche Metapher von einem „Korallenriff“, welches „über unzähligen einst lebenden und dann petrifizierten Einzelorganismen [. . .] immer höher aufgestiegen“ sei. Auf seine historische Bedingtheit zielt die Warnung von Bretone (Einleitung zu Tecniche e ideologie): „La giurisprudenza romana è un fenomeno storico che i moderni osservano, non di rado, attraverso la lente deformante della tradizione romanistica, attenduandone o annulandone le disparità e i contrasti in un disegno uniforme, grandioso e fittizio“. 29 Siehe Cannata (in Ferrary, Leges publicae, S. 262), welcher diesen Ausdruck im Rahmen seiner Untersuchung zur Bedeutung der lex in Rom gebraucht. Dazu mehr in Fn. 124. 30 Vgl. Avenarius (Hermeneutik, S. 29). Der Forscher muss insofern einen reflektierten Mittelweg einschlagen, auf dem er sich weder anmaßt, das römische Recht in moderne Rechtstheorien zu zwängen, noch dieses als bloßes Zeugnis der Vergangenheit zu bewahren. Vgl. die Einleitung bei Bretone (Tecniche e ideologie): „respingere, da un lato, la pretesa di attualizzarli [il diritto e la scienza del diritto romano] (l’illusione del Savigny), dall’altro la pretesa di ereditarli e custodirli semplicemente come traduzione“. 31 Dazu Wieacker (Gründer, S. 187): „So blieb die Aufgabe, das Corpus iuris nicht als Geschichte zu verstehen, sondern mit unhistorischem Rüstzeug zu praktikablen Begriffen zu kommen; diese Mittel sind Begriff und System. Man darf nicht vergessen, daß das Corpus iuris ein wesentlich unsystematisches und kasuistisches Entscheidungsmaterial bietet; es war stets eine schöpferische Leistung, daraus ein System zu machen“. Nach pandektistischer Vorstellung war der sog. „organische Zusammenhang des Rechts“ nicht erst ein Erkenntnisprodukt der Wissenschaft, sondern bereits ontologisch vorhanden. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass es bei den einzelnen Pandektisten wesentliche Unterschiede hinsichtlich des Verständnisses dieses sog. „organischen
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1. Kap.: Einführung und Hintergründe
trumentarium von Systembegriffen hervorgebracht, das wir jedoch nicht unreflektiert auf die römischen Quellen übertragen dürfen32. Denn die meisten uns vertrauten Systemelemente wurden bei den Römern nicht einheitlich als solche verwendet33. Nicht auszuschließen ist deshalb ein für unsere Systemvorstellung unbefriedigendes negatives Ergebnis, wonach sich in den römischen Quellen eine verwertbare innere Systematik möglicherweise nicht finden lässt34.
IV. Sprachliche ,Individualität‘? Das einzige, was einem Exegeten bei seinem Versuch, Einsicht in das Denken und die Methode der römischen Juristen zu bekommen, heute noch zur Verfügung steht, sind die Worte in den uns überlieferten Texten, in welchen das römische Recht bis heute fortlebt35. Ansatz der vorliegenden, im Schwerpunkt klassisch-exegetischen Untersuchung ist daher ein philologischer.
Zusammenhangs“ und seiner äußeren Darstellung gab. Zu den unterschiedlichen Auffassungen von Puchta und v. Savigny siehe Mecke (Begriff und System, S. 651 f.) sowie zur Hermeneutik bei Savigny und Puchta siehe ebenfalls Mecke (in Meder/Carlizzi/ Mecke/Sorge, Juristische Hermeneutik, S. 37 ff.). Speziell zu v. Savignys Vorstellung eines „objektiv wirklichen Rechts“ im Rahmen seiner historischen Methodenlehre siehe zudem Reutter („Objektiv Wirkliches“, S. 443 ff., S. 461 f.). 32 Dagegen richten sich auch die meisten Systempolemiken. Dazu Vacca (Metodo casistico, S. 36): „Alcuni romanisti moderni rivolgono frequentemente l’accusa di dogmatismo alla romanistica di tipo pandettistico; talvolta si può tuttavia avere l’impressione che questa critica non sia del tutto consapevole del fatto che il rifiuto del modello pandettistico non significa il rifiuto della concettualizzazione giuridica, anche se di diverso tipo. È innegabile infatti che i giuristi romani abbiano costruito un sistema giuridico rigoroso e raffinato, anche se la sua logica e le sue modalità di espressione si esplicano su linee differenti da quelle della logica del razionalismo tedesco. Negare cioè che i giuristi romani abbiano utilizzato una dogmatica dei concetti non significa negare che abbiano utilizzato un apparato logico e scientifico di costruzione razionale del diritto“. Auch wenn wir demnach eine begriffliche Dogmatik für das römische Recht verneinen müssen, gilt es diesen „apparato logico e scientifico“ der römischen Juristen genauer zu untersuchen. Nach Giaro (SZ 105 (1988), S. 196) müssen sich die Verneiner eines Systems in Rom zumindest fragen, ob das römische Recht tatsächlich als „asystematisch“ oder nur als „apandektistisch“ zu verstehen ist. 33 Dazu Baldus (Leges sapere, S. 90 f.). So mahnte Kaser (Ein Jahrhundert Interpolationenforschung, S. 113) im Jahre 1979 an, dass „unsere Disziplin immer noch zu stark vom ,Systemdenken‘ der Pandektistik des 19. Jahrhunderts abhinge“. Als Beispiele führte Kaser Begriffe wie ius civile, ius gentium, ius honorarium, ius publicum oder ius privatum an, welche von der Rechtsromanistik als Systembegriffe verwendet werden, im römischen Recht nach herrschender Meinung als solche ursprünglich aber keine oder eine nur sehr begrenzte Rolle gespielt haben. Für die Begriffe ius civile und ius gentium am Beispiel der bei der Stipulation zulässigen Sprachen unter philosophischen Gesichtspunkten siehe dagegen Behrends (FS-Liebs, S. 59 ff.). 34 Die Frage hängt nicht unwesentlich von der Definition des Systembegriffs ab. Siehe dazu § 2 I. und II.
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Da Recht in der Sprache, ohne die es nicht kommuniziert werden kann, entsteht und lebt36, wird im exegetischen Hauptteil der Arbeit besonderes Augenmerk auf den juristischen Sprachgebrauch Scaevolas gelegt37. Ob die Sprache der klassischen Juristen in ihrer ,Individualität‘ bedingt oder gar „fungibel“ war, ist zudem Thema einer noch immer aktuellen Forschungsfrage, zu deren Diskussion die vorliegende Arbeit einen Beitrag leisten will38.
35 Natürlich stellt sich bei einer sprachlichen Analyse insbesondere die Frage nach der Echtheit der uns von Justinian im C.I.C. überlieferten Worte. Man muss sich bewusst machen, dass die Perspektive auf die Quellen, welche durch die Hände der Kompilatoren gegangen sind, stets eine justinianische bleibt – und zwar sowohl in sprachlicher Hinsicht als auch in Fragen der (äußeren) Systematik, wovor Amarelli/Schiavone/ Stolfi (SDHI 71 (2005), S. 6) warnen, wenn sie von der Gefahr sprechen „prigionieri dell’architettura giustinianea“ zu bleiben. Zum römischen Juristen „in gabbia del Digesto“ siehe Baldus (in Baldus/Miglietta/Santucci/Stolfi, Dogmengeschichte, S. 7 ff.). Es geht nicht darum, bestimmte Formulierungen einem monolithischen klassischen Stilideal folgend als „unklassisch“ zu brandmarken, sondern darum, die sprachlichen und inhaltlichen Eigenarten einzelner Juristen aufzudecken. Schon 1963 verlangte deshalb Seidl (FS-Maridakis I, S. 231), dass zuerst der Klassiker in seiner Methode erfasst wird, bevor man zu dem Urteil kommen darf, ihm den einen oder anderen Gedanken abzusprechen. Dieser Verstehensprozess wird wiederum zum besseren Identifizieren der Bearbeiterhand und somit zu mehr Tiefenschärfe beim Blick auf die römischen Quellen verhelfen. Die Rede ist vom in der Rechtsgeschichte bekannten textkritischen Zirkel des Verstehens; vgl. Avenarius (Hermeneutik, S. 9–29, insbes. S. 20 ff.). 36 Vgl. Orestano (Introduzione, S. 385): „La riflessione del giurista continuamente riduce e ,traduce‘ in un mondo di parole il mondo della realtà, della realtà concreta, di quella che potremmo dire la ,realtà umana‘ (intendendo quanto gli uomini di una determinata esperienza vivono, fanno, perseguono, pensano, soffrono: una realtà, sia detto una volta per tutte, mai statica“). Vgl. etwa auch den Ansatz von Müller (in Müller/ Wimmer, Neue Studien zur Rechtslinguistik, S. 17) aus der neueren Rechtslinguistik: „Sprache ist kein dem Denken und Handeln vor-geordnetes System; sie vollzieht sich vielmehr auf jeder Stufe: im Gebrauch, als Gebrauch. Auch Recht (das nur als Sprache sein kann) wird vollzogen: die den Fall tatsächlich dirigierende, entscheidende Norm ist nicht präexistent. Sie muß im Fall durch konkrete Rechtsarbeit, eine Sonderform von kommunikativem Handeln, geschaffen werden“. 37 In Letzterem könnte sich die Denkweise des Juristen, aber auch seine Prägung und Vorbildung spiegeln. Vgl. Baldus (Studi Martini I, S. 146 f.). 38 Zur Frage nach der „Fungibilität“ oder Individualität klassischer Juristen siehe den Tagungsband von Baldus/Miglietta/Santucci/Stolfi, Dogmengeschichte und historische Individualität der römischen Juristen, Trient 2012. Siehe aus der neueren Literatur vor allem Franciosi (Storia, S. 237 f.); Avenarius (Hermeneutik, S. 12, S. 117 f.); Capogrossi Colgnesi (in Stolfi, Dieter Nörr e la romanistica europea contemporanea, S. 80, S. 85, S. 94 f.); Klami (Studi Biscardi IV (1983), S. 215 ff.). Bedeutende Werke zu diesem Problemkreis sind insbes. die Monographien von Bretone (Tecniche e ideologie) und Schiavone (Ius). Aus der älteren Literatur sind Bekker und Seidl (FS-Maridakis I, S. 231) hervorzuheben, welche die Frage beschäftigte, wie sich die einzelnen klassischen Juristen in ihrer Methode voneinander unterscheiden. So stellte Bekker (SZ 6 (1885), S. 77 f.) schon 1885 fest: „Leider glauben unter den Juristen noch immer Einzelne an die fungiblen Personen Savignys; und wenn dieser Gläubigen auch nur noch eine kleine Minderzahl ist, so sind doch andererseits derer noch wenigere, die was erhebliches getan haben um die Individualitäten der einzelnen Konsulenten ins Licht zu
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1. Kap.: Einführung und Hintergründe
Ausgangspunkt dieser Streitfrage war die bekannte These von v. Savigny39, wonach die römischen Juristen nur „fungible Personen“, mithin gegeneinander austauschbar waren: „Diese [römische] Methode ist keineswegs das ausschließliche Eigentum eines großen oder weniger großen Schriftstellers, sie ist vielmehr Gemeingut aller, und obgleich unter sie ein sehr verschiedenes Maß glücklicher Anwendung verteilt war, so ist doch die Methode überall dieselbe. Selbst wenn wir ihre Schriften vollständig vor uns hätten, würden wir darin weit weniger Individualitäten finden, als in irgendeiner anderen Literatur, sie alle arbeiten gewissermaßen an einem und demselben großen Werke, und die Idee, welche der Kompilation der Pandekten zugrunde liegt, ist darum nicht ganz zu verwerfen. Ihre ganze juristische Literatur war ein organisches Ganzes; man könnte (mit einem Kunstausdruck der neueren Juristen) sagen, daß damals die einzelnen Juristen fungible Personen waren“ 40.
Den Gedanken der „Fungibilität“ griff nach v. Savigny u. a. Fritz Schulz41 auf. Bei Schulz stand er aber in engem Zusammenhang mit dem von ihm postulierten Prinzip der „Isolierung“, wonach die römischen Juristen eine von anderen Wissenschaften weitgehend „isolierte“ Gruppe Rechtskundiger waren: „In dem kleinen, vornehmen, in fester handwerklicher Tradition gebundenen Kreise der führenden Juristen lebt noch der alte republikanische Corpsgeist. Der einzelne wünscht nicht, aus diesem Kreise herauszutreten oder sich allzuweit zu entfernen“ 42.
Weil diese homogene Gruppe nach seiner Ansicht derart spezialisiert und isoliert war, sah Schulz die ihr zugehörigen Personen offenbar in ihrer Funktion als Juristen für untereinander austauschbar an. Man müsste – anders als v. Savigny, welcher von „fungiblen Personen“ sprach – nach Schulz insofern präziser von
stellen. Und freilich, wo man noch keine Individuen vor sich sieht, da kann man sich auch dafür wie sie geworden nur wenig erwärmen“. Die Frage speziell nach der sprachlichen Individualität beschreibt schon Kalb (Roms Juristen, S. 2) folgendermaßen: „Zunächst sind sachliche Vorkenntnisse nötig, um die Kunstausdrücke zu verstehen, ja schon um auseinanderhalten zu können, was Juristenlatein und was Latein eines Juristen ist, d. h. was allen Juristen gemeinsam zukommt und was aus Zeit und Individualität des einzelnen herzuleiten ist“. Schulz (Prinzipien, S. 72 Fn. 90) will die „angeblichen sprachlichen Besonderheiten“ einzelner Juristen dagegen schlicht auf nachklassische Bearbeiter zurückführen. Zu dem italienischen Projekt namens CSIR (Corpus scriptorum iuris Romani) siehe Amarelli/Schiavone/Stolfi (SDHI 71 (2005), S. 3–14). 39 Siehe v. Savigny (Vom Beruf, S. 157). 40 Zur Interpretation dieser viel zitierten Aussage vor ihrem geschichtlichen Hintergrund siehe Santucci (in Baldus/Miglietta/Santucci/Stolfi, Dogmengeschichte, S. 133 ff.). 41 Schulz (Geschichte, S. 4, S. 147; Prinzipien, S. 73). 42 So Schulz (Geschichte, S. 147; Prinzipien, S. 73).
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„fungiblen Juristen“ sprechen, welche als solche (nämlich innerhalb ihrer Gruppe) austauschbar waren43.
V. Die Aufgabenstellung Nimmt man an, dass die Kriterien einer juristischen Entscheidung (auch ohne explizite Begründung)44 in irgendeiner Form in den Worten der Entscheidung anklingen müssen45, kann man mithilfe der Worte als Träger der Entscheidungsfindung und/oder -begründung versuchen, den juristischen „Gedankengang“ 46 des Entscheiders zu entschlüsseln47. Denkinhalt und Sprachform stehen insoweit eng miteinander in Verbindung48. 43 Ähnlich v. Lübtow (FS Wenger I (1944), S. 229), der eine „Homogenität der Typen“ annahm und die Besonderheiten der klassischen römischen Juristen demzufolge nur für „Varianten eines Grundtypus“ hielt. Schulz’ These von der „Isolierung“ der römischen Juristen ist in ihrer radikalen Form heute jedenfalls ebenso wenig haltbar wie die zahlreichen Versuche zur Erstellung einer Schablone dessen, was „klassisch“ ist. Die römischen Juristen waren eben keine reinen Techniker, welche einem abstrakten Ideal folgend eine konstante Leistung erbrachten, sondern schon aufgrund ihrer unterschiedlichen Herkunft und Kultur geprägte Individuen. Inwieweit sich diese Individualität konkret in ihrem juristischen Denken niederschlägt, wird die weitere Forschung zu einzelnen Juristenpersönlichkeiten zeigen. 44 Die Entscheidung ist nach Anderheiden (Rechtsphilosophie, S. 35 f.) als rechtlich relevantes, vielleicht sogar prägendes Moment getrennt von der Begründung zu sehen, weil sie eine eigenständige, an die Person des Entscheidenden gebundene Bedeutung hat. 45 Vgl. die Bemerkung von Bund (Studi Volterra I, S. 572): „Die intuitive Rechtserkenntnis der römischen Juristen entzieht sich einer Analyse, so viele Vermutungen man auch darüber anstellen kann. Es gilt daher mit der Methodenforschung bei dem anzusetzen, was von der Tätigkeit der römischen Jurisprudenz gegenständlich geworden ist; dies sind die Aussprüche der römischen Juristen in ihrem Inhalt, ihrem Aufbau und in den bisweilen überlieferten Begründungen“. Zur Sprache als Medium siehe Busse (Semantik, S. 23). 46 Der „Gedankengang“ eines Juristen ist nach Talamanca (IURA 24 (1973), S. 365) die Art und Weise, auf welche der Jurist zu einer bestimmten Lösung des konkreten Falls gelangt, „il retroterra culturale ed ideologico di tutto il suo discorso“. Möglicherweise übernahm Talamanca diesen von ihm häufig benutzten deutschen Begriff von Fritz Schulz; siehe z. B. Schulz (Prinzipien, S. 71). Zum Gedankengang als „Problemlösung“ siehe auch Heck (Begriffsbildung, S. 149). 47 Denn auch die scheinbar unbegründeten Entscheidungen können nach Harke (in Riesenhuber, Europ. Methodenlehre, S. 10 Rn. 2) „einen Beitrag zur planmäßigen Rechtsfindung leisten, sofern sie nur von Fachkollegen rezipiert werden, für die sich alle oder zumindest die meisten Schritte der Falllösung von selbst verstehen“. Die große Herausforderung besteht also darin, die unausgesprochenen Denkschritte der römischen Juristen aufzudecken. 48 Man könnte auch von einer Art „juristischer Grammatik“ sprechen. Vgl. z. B. Lantella (Il lavoro sistematico, S. 18): „. . . una delle caratteristiche più importanti della lingua è la sua ,linearità‘. Ciò significa che la emissione di un messaggio linguistico si snoda in un ordine, in una disposizione, in una sintassi, in una sequenza (o temporale, o spaziale, o spazio-temporale) . . .“. Siehe auch Scarpelli (NNDI 16 (1969), S. 995) und Orestano (Introduzione, S. 398 f.).
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1. Kap.: Einführung und Hintergründe
Auch wenn Scaevola seine Entscheidungen selten formal begründete49, schließt dies nicht zwingend aus, dass in den Worten seiner Entscheidungen ein heuristischer Entscheidungsprozess angedeutet ist50. Gegenstand der vorliegenden Untersuchung sind daher nicht nur – wie etwa in den Arbeiten von Horak oder Harke – die expliziten, vom Juristen als solche gekennzeichneten, rationes decidendi51, sondern gerade die kleinen, auf den ersten Blick eher unscheinbar wirkenden Worte und Konjunktionen, welche möglicherweise systembildende Entscheidungsgrundlagen verschlüsseln könnten52. Dabei geht es nicht um juristische Definitionen oder Begriffe, sondern um kleine Wörter53, mit denen der Jurist seine Entscheidungen sprachlich vernetzt und juristisch in einen inneren Zusammenhang stellt54. Dieser kann z. B. genera49 D. h. diese selten mit expliziten Worten wie „nam“, „ideo“, „cum“, „enim“ etc. als Begründungen kennzeichnete, sondern – vor allem auf die praktischen Anfragen in seinen Responsensammlungen – anscheinend allein kraft seiner auctoritas entschied. Zur auctoritas des Scaevola als Entscheidungsgrundlage siehe unter § 3 V. 1. Harke (in Riesenhuber, Europ. Methodenlehre, S. 10 Rn. 2) spricht für die Responsen des Scaevola insofern von einer regelrechten „Begründungsabstinenz“. 50 Es geht um den bereits in Fn. 44 angesprochenen, in der Rechtstheorie diskutierten Unterschied zwischen dem Grund und der (schriftlich fixierten) Begründung einer juristischen Entscheidung. Natürlich ist Horak (Rationes decidendi, S. 5 f.) darin zuzustimmen, dass man vernünftigerweise zunächst die eigenen Aussagen der Juristen über die Gründe berücksichtigt, welche sie bei ihrer Entscheidung geleitet haben: „So scheint es seine Vorzüge zu haben, die Auswahl den römischen Juristen zu überlassen: wo sie eine Begründung geben, haben sie ihren Wert oder Unwert selbst zu vertreten“. Daher macht Horak nur die expliziten Begründungen zum Auswahlkriterium seiner Untersuchung. Selbstverständlich räumt er aber ein, dass auch da, wo eine Begründung nicht explizit angegeben ist, dennoch ein Grund bestehen muss, will man den römischen Juristen nicht Willkür unterstellen. 51 Horak (Rationes decidendi, S. 5) stellt in seiner argumentationskritischen Analyse nochmals klar, dass er nicht die „Gründe“, sondern die „Begründungen“, d. h. die Gründe, die die römischen Juristen ihren Entscheidungen selbst gegeben haben, untersucht. 52 Zum Aussagecharakter dieser „nicht-nennenden“ Wörter aus philologischer Sicht siehe Hartmann (ZPhonetik 21 (1968) S. 209). Siehe schon Isidorus (Etymologiae I.XII.1): „Coniunctio dicta, quod sensus sententiasque coniugat. Haec enim per se nihil valet, sed in copulatione sermonum quasi quoddam exhibet glutinum“. Zur coniunctio als Terminus technicus für sprachliche Verbindungsformen im klassischen römischen Recht siehe jetzt Lösch (Die coniunctio, S. 135 ff.). 53 Nach der vorstrukturalistischen Sprachwissenschaft gilt das einzelne Wort als der kleinste, relativ selbstständige Bedeutungsträger; vgl. Busse (Semantik, S. 41). Zur Unterscheidung zwischen „Wort“ und „Begriff“ siehe Busse (in Müller/Wimmer, Neue Studien zur Rechtslinguistik, S. 49 f.). Nach de Saussure (Grundfragen der allgem. Sprachwissenschaft, S. 136) gilt die Sprache als „ein System, dessen Glieder sich alle gegenseitig bedingen und in dem Geltung und Wert des einen nur aus dem gleichzeitigen Vorhandensein des andern sich ergeben“. Zum Systemgedanken in der Sprache siehe auch Trier (Der deutsche Wortschatz, S. 4 ff.). 54 Durch die Fallvergleichung mit Parallel- und Gegenfällen gewinnt der Jurist quasi differentialdiagnostisch die für die Abgrenzung der quaestio iuris erheblichen Gesichts-
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lisierender, vergleichender oder (schluss-)folgernder Art sein: Wo Scaevola beispielsweise eine kaiserliche Entscheidung mit den Worten „cui consequens55 est“ auf die Zukunft ausdehnt oder eine Testamentsklausel ihrer Art nach als „huiusmodi scriptura“ auslegt, sollen diese auf dahinterstehende Systemerwägungen untersucht werden. Besonders interessant für die Frage nach jurisprudentieller Systembildung sind auch mit „vel alio“ bzw. „aliove“ oder „nec . . . nec“ verbundene Entscheidungen, in denen der Jurist Parallel- und Gegenfälle zur Verknüpfung des jeweiligen Rechtsproblems heranzieht. Ebenso können mit „alioquin“ eingeleitete Absurditätsargumente sowie durch die Worte „generaliter“ bzw. „in omnibus his (speciebus)“ indizierte Generalisierungen eventuell juristische Systemerwägungen verschlüsseln. Die Suchmethode für Systemrelevanz der Worte war insofern eine induktive. Konkretes Ziel der Untersuchung war es, anhand dieser Worte soweit wie möglich Einblick in die juristische Denk- und Arbeitsmethode von Scaevola zu bekommen56. Natürlich können wir nicht in den Kopf des vor fast zweitausend Jahren in Rom wirkenden Juristen schauen. Dennoch muss gerade der psychologische Hin-
punkte. Zur differentialdiagnostischen Methode im römischen Recht siehe vor allem Giuffrè (in Vincenti, Diritto e clinica, S. 45 ff.): „Altrettanto ovvio il parallelismo tra la tecnica medica e quella del giurista che si accinge a reperire la regolamentazione di un accadimento concreto con le sue implicazioni di situazioni subiettive correlate tra loro“. Auch für Knütel (GS-Meinze, S. 497) ist es „eine vor allem in den Geisteswissenschaften oft zu beobachtende Strategie, dass komplexe Aufgaben und Probleme, für deren Lösung ein bestimmendes Prinzip oder ein leitender Plan noch nicht bekannt ist, dadurch bewältigt werden, dass man die Alternativen, die sich auf den jeweiligen Gedankenebenen stellen, an Beispielen durchspielt und damit den Suchraum für die richtige Lösung kontinuierlich einschränkt, bis das einschlägige Prinzip ermittelt ist. Entsprechendes gilt, wenn zwar das möglicherweise einschlägige Prinzip oder Gesetz bekannt ist, nicht aber dessen Tragweite. Ganz in diesem Sinne verfahren die römischen Juristen, wenn sie [. . .] ihren Ausgangsfall variieren, wenn sie Parallelfälle bilden oder Gegenfälle oder wenn sie allgemeine Aussagen anhand von Beispielen einschränken oder ausdehnen“. Knütel (GS-Meinze, S. 498) spricht diesbezüglich auch von einem „fortwährende[n] Überprüfen, Ausloten“ und „Abtasten“ der Prinzipien in ihren Konturen. Meist sagt der römische Jurist jedoch nicht ausdrücklich, worin die für die Abgrenzung der quaestio iuris erheblichen Gesichtspunkte bestehen, sondern überlässt es dem Forscher das Abgrenzungskriterium aus der Zusammenstellung der Entscheidungen implizit herauszulesen. 55 Bei kursiven Hervorhebungen in lateinischen oder griechischen Texten handelt es sich im Folgenden um solche des Autors. 56 Dies war im Übrigen das, was v. Savigny (Vom Beruf, S. 29 ff.) an den römischen Juristen am meisten verehrte: ihre vortreffliche Methode. Da die römischen Juristen ihr methodisches Vorgehen jedoch nicht ausdrücklich dokumentierten, besteht eine wesentliche Aufgabe rechtsromanistischer Forschung darin, ihre methodische Vorgehensweise aufzudecken; vgl. Böhr (Verbot der eigenmächtigen Besitzumwandlung, S. 10).
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1. Kap.: Einführung und Hintergründe
tergrund der jeweiligen Entscheidung mit in die Betrachtung einfließen57. Da der Jurist – damals wie heute – nicht losgelöst von seiner Umwelt58, sondern stets in seinem eigenen Entscheidungs- und Erlebnishorizont entscheidet, beeinflusst die Erfahrungswelt des Entscheidenden naturgemäß auch seine Entscheidung59. Dieses „Gepäck“ aus Erfahrungen und juristischem Vorverständnis60 sowie den historischen und sozialen Kontext der jeweiligen Entscheidung gilt es besonders zu berücksichtigen61. 1. Die Auswahl des Juristen Als Gegenstand der Untersuchung wurde das Werk des Quintus Cervidius Scaevola, eines im 2. Jh. n. Chr. wirkenden und über Rom hinaus hochangesehenen Juristen, ausgewählt62. Der als lakonisch bekannte Respondent Scaevola eignet sich – im Gegensatz zu vergleichsweise weitschweifigen Juristenkollegen – besonders gut für eine philologische Untersuchung, da die wenigen Worte, die uns von ihm überliefert sind, eine größere Prägnanz und Genauigkeit des Ausdrucks erwarten lassen63. Dass Scaevola besonders lakonisch respondierte, können wir aufgrund der uns überlieferten Fassung seiner Responsen64 natürlich nur vermuten. Denn diese 57
Vgl. Bund (Methode Julians, S. 180). Zur im Wesentlichen von Schulz begründeten These der „Isolierung“ der römischen Juristen siehe dagegen § 1 IV. 59 Dieser Ansatz wird in der modernen Rechtsphilosophie unter dem Begriff des „Entscheidungsrahmens“ diskutiert. An dieser Stelle sei nochmals auf die neu belebte Diskussion zur „Individualität“ oder „Fungibilität“ der römischen Juristen verwiesen. Siehe dazu den bereits zitierten Tagungsband von Baldus/Miglietta/Santucci/Stolfi, Dogmengeschichte und historische Individualität der römischen Juristen. 60 Insbesondere die Interaktion mit anderen Juristen und vorhergegangenen Entscheidungen. Daneben könnte man noch die Interessenperspektive des jeweiligen Juristen berücksichtigen. 61 Zur „valigia dell’interprete“ im modernen Recht siehe Lantella/Caterina (Se X allora Y I, S. 208 f.), wo es u. a. heißt: „L’interprete appartiene a una cultura; quella cultura gli insegna molte cose; quelle conoscenze lo aiutano a comprendere il testo; spesso, l’interprete appartiene alla stessa cultura di chi formula le regole, e ciò facilita la comunicazione“. Die Besonderheit des römischen Rechts besteht darin, dass der iuris consultus, wie bereits erwähnt, zugleich Interpret und Rechtssetzer war. 62 Zu Leben und Werk des Juristen siehe § 3 der vorliegenden Untersuchung. 63 Wir sind hier also besonders nah dran am Denken des Juristen. Natürlich gelten derartige Annahmen wieder nur unter der Prämisse, dass sich die Worte des Scaevola als ,echt‘ erweisen. Zumindest für den Bereich von Systemfragen sind Erhaltungen des Originaltextes seitens der systemfreundlichen Kompilatoren grundsätzlich wahrscheinlicher als Kürzungen; vgl. Schulz (Prinzipien, S. 39). Zu Systematisierungstendenzen des Kaisers Justinian siehe § 2 III. 2. 64 Im Folgenden werden mit Digesta und Responsa die beiden Responsensammlungen Scaevolas bezeichnet. Wo vom responsum (oder den Responsen) die Rede ist, sind hingegen einzelne Rechtsauskünfte gemeint. 58
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Annahme gilt nur unter der Prämisse, dass seine Antworten nicht nachträglich wesentlich verkürzt wurden65. Selbstverständlich ist auch der Gebrauch bestimmter, möglicherweise systembildender Worte keine Besonderheit von Scaevola66. Denn Worte, die sich für eine philologische Untersuchung auf ihre systembildende Funktion hin eignen, findet man bei allen römischen Juristen. Gerade die kleinen hier untersuchten Wörter und Partikeln könnten bei einem für seine Wortkargheit bekannten Juristen wie Scaevola aber eine Schlüsselstellung einnehmen. Zudem wird man bei einem Juristen, der noch in der Regierungszeit der Severer lebte, schon ein gewisses Abstrahierungs- und Systematisierungsinteresse in Bezug auf den zuvor gesammelten Rechtsstoff vermuten dürfen. So zeichnet sich unter den Juristen der Severerzeit nach Stolfi/Lantella67 ein großer Umbruch ab: „Al contempo, però, gli stessi autori mostrano una notevole predisposizione verso formulazioni a carattere più generale e astratto [. . .] secoli di impegno giurisprudenziale su una miriade di casi non vengono accontentati; quella tradizione costituisce piuttosto il punto di avvio, esplicito o meno, da cui si prende adesso le mosse, e i cui esiti vengono ora disposti entro un discorso di più vasto respiro“ 68.
Da das Wirken von Scaevola – wie bereits erwähnt – in die Epochengrenze69 von der Hoch- zur Spätklassik fällt, ist dieser „giurista di frontiera“ 70 für die Systemforschung also ausgesprochen interessant.
65 Zu diesem Problemkreis, insbes. zur sog. ,Regestentheorie‘ siehe § 3 IV. 2. a) aa) (5). 66 Im Gegenteil, so dient gerade Scaevola stets als Paradebeispiel für die angebliche Begründungsarmut der römischen Juristen; vgl. Kaser (Zur Methode, S. 55). Zur oft unterschätzten Begründungsdichte bei den römischen Juristen allgemein siehe aber Harke (in Riesenhuber, Europ. Methodenlehre, S. 11 Rn. 3). 67 Siehe Stolfi/Lantella (Profili diacronici, S. 211). 68 Vor allem zur Zeit der Spätklassik bekam die systematische Lehrbücherliteratur in Rom Zuwachs. Nach dem Pionierwerk des Gaius entstanden weitere Institutionenwerke, u. a. von Paulus, Ulpianus, Marcianus und Florentinus. Man denke nur an die Systemansätze von Paulus im Besitzrecht oder an seine Abhandlung zur datio ob rem in D.19.5.5 pr.-5 (Paul. 5. quaest.). Paulus verfasste mit seinen Institutionum libri II nicht nur ein didaktisches Werk, sondern arbeitete in seinen mannigfachen Monographien auch ganze juristische Bereiche durch und verfeinerte diese; vgl. Liebs (HLL 4, S. 128). Auch Ulpian verfasste Institutionenbücher, welche von zahlreichen Einteilungen und Schemata durchzogen sind. Man denke nur an Systematisierungen wie seinen Traktat im Bereich der Verträge und pacta in D.2.14.1/5/6 (Ulp. 4. ad ed.). 69 Siehe erneut Baldus (in Harke, Facetten des römischen ErbR, S. 11) zu den verschiedenen Epocheneinteilungen. 70 So bezeichnet ihn Masiello (Le Quaestiones publice tractatae, S. 9) in Bezug auf die literarischen Aspekte wie auf die juristischen Inhalte seines Werkes.
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1. Kap.: Einführung und Hintergründe
Sein auffallend lakonischer Stil und das oft sehr hohe juristische Niveau seiner Entscheidungen71 machen die Erforschung seines Werkes besonders reizvoll72. 2. Die Auswahl der Quellen Bei der Auswahl der Quellen wurde bewusst keine Beschränkung auf bestimmte Werke des Juristen vorgenommen. Es erwies sich jedoch als unmöglich, im Rahmen der vorliegenden Arbeit alle dreihundertvierundvierzig Titel, welche die Palingenesie zu Scaevola verzeichnet, im Einzelnen exegetisch zu behandeln. Um die Fehlerquellen einer reinen Stichprobenauswahl zu vermeiden, wurde daher zunächst das gesamte palingenetisch verzeichnete Corpus des Scaevola auf sprachlich unter Systembildungsgesichtspunkten einschlägige Worte durchgemustert. Da der hier verfolgte philologische Ansatz, wie bereits dargelegt, ein detailliertes exegetisches Studium einzelner Worte erfordert73, musste der exegetische Hauptteil der Arbeit auf ausgewählte Quellenstellen beschränkt werden, welche exemplarisch auf systemrelevante Aspekte untersucht werden. Die ausgewählten Quellen fungieren insofern als ,Modelle‘, anhand derer die Suche nach Spuren eines inneren Systems im römischen Recht plausibel gemacht werden soll. a) Suchkriterien Das erste Suchkriterium für Systemrelevanz bestand darin, die bereits angeführten kleinen Wörter aufzuspüren, in denen sich eine über den Einzelfall hinausgehende Verknüpfung der juristischen Entscheidung abzeichnet – Wörter, anhand derer der Jurist den konkreten Fall in den Kontext der Rechtsordnung und in den Diskurs der Juristenmeinungen einbettet. Dabei stellt sich insbesondere die Frage, ob Scaevola, wenn er in einer Entscheidung über den Einzelfall hinausgeht, dessen Bedeutung auch für künftige 71 Hierbei ist zu beachten, dass sich das juristische Niveau der von Scaevola entschiedenen Fälle mit der jeweiligen ,Werkgattung‘ verändern kann: Während das juristische Niveau der Anfragen und Rechtsprobleme in den praktisch ausgerichteten Responsensammlungen meist eher niedrig ist, zeigt sich ein deutlich anspruchsvolleres Niveau vor allem in den didaktisch orientierten Quaestiones. Zur ,Werktypenlehre‘ von Fritz Schulz siehe § 3 V. 72 Zuletzt lobte Spina (Ricerche sulla successione, S. 593) Scaevola in ihrer conclusio als „giurista di notevole personalità, dotato di una precisa consapevolezza storica, giuridica ed umana, autorevole maestro, seguito e ricordato negli scritti dei suoi discepoli, interprete efficace della propria epoca . . .“. 73 Die hier vorgeschlagenen Übersetzungen der lateinischen Texte orientieren sich dementsprechend eng am Wortlaut.
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Fälle statuieren oder ob er den Vergleich mit anderen Fällen ohne weitere Reflexion lediglich „ad hoc“ für die konkrete Falllösung fruchtbar machen wollte74. Von Interesse ist auch, ob sich Unterschiede in der Anwendung verschiedener Rechtsquellen und Rechtsschichten (z. B. im Vergleich ius civile/ius honorarium)75 zeigen und ob Ansätze eines inneren Systems vielleicht überwiegend in bestimmten Rechtsgebieten76 vorkommen. Zu betonen ist an dieser Stelle erneut, dass die Erforschung von innerer Systembildung natürlich nicht an die hier untersuchten kleinen Wörter gebunden ist. Da im Rahmen der vorliegenden Arbeit jedoch nicht alle denkbaren Ausdrücke und Konjunktionen auf Systembildung untersucht werden konnten, beschränkt sie sich auf die Untersuchung einiger modellhafter Ausdrücke und Konjunktionen, anhand derer der Gedankengang des Scaevola erforscht werden soll. Als ein weiteres Auswahlkriterium galt, dass die systemrelevanten Wörter, soweit erkennbar, von Scaevola selbst stammen (ihm also zumindest im Rahmen seines eigentlichen responsum zugeschrieben werden) und nicht etwa nur in der quaestio der Parteien vorkommen77. Um die Quellen nicht mit Spekulationen über mögliche Motive des Respondenten Scaevola zu überfrachten, gehören nicht an Worten festzumachende Entscheidungsgründe nicht zum Gegenstand der vorliegenden Untersuchung. Quellen, in denen der Jurist – wie bei Scaevola häufig anzutreffen – also beispielsweise nur mit einem Wort entscheidet78, schieden insofern von vornherein aus der Untersuchung aus.
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Siehe hierzu Baldus (Studi Martini I, S. 149). Die „Einheit der Rechtsordnung“ kann aufgrund der Mehrschichtigkeit des römischen Rechts – anders als die innere Folgerichtigkeit – aber gerade kein Systemkonstitutivum sein. Vgl. Waldstein/Rainer (Röm. RG, S. 113 f.): „Im Laufe der Republik trat in steigendem Maße eine Aufgliederung des Rechts in drei verschiedene, nebeneinander stehende oder des öfteren auch sich überschneidende Rechtsschichten ein: ius civile, ius gentium und ius honorarium“. 76 So zeigt z. B. Apathy (SZ 110 (1994), S. 151) speziell für den Bereich des Kaufrechts, wie sehr es die römischen Juristen verstanden haben, im Streben nach sachgerechten Entscheidungen durch schrittweise Verfeinerung des Rechts von Fall zu Fall dogmatische Fortschritte zu machen. 77 Die juristisch meist laienhaft formulierten Anfragen stammten mit großer Wahrscheinlichkeit von den Konsulenten und können daher nicht als Gedankengut Scaevolas untersucht werden. Zur unterschiedlichen Autorenschaft der Responsen des Scaevola siehe § 3 IV. 2. a) aa) (4) sowie Sigel (Rechtsgutachten, S. 22 f.); Bretone (Labeo 11 (1965), S. 194 Fn. 4). Zu den Konsulenten des Scaevola siehe § 3 III. und IV. 2. a) aa). 78 Wie z. B. in D.33.5.22 (Scaev. 17. dig.): „respondit posse“; D.17.1.60 pr. (Scaev. 1. resp.): „respondi posse“; D.26.7.58 pr. (Scaev. 11. dig.): „respondit debere“; D.32.102.3 (Scaev. 17. dig.): „respondit danda“; D.33.2.38 (Scaev. 3. resp.) „respondit posse“; D.36.1.82 (Scaev. 5. dig.): „respondit non posse“. 75
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1. Kap.: Einführung und Hintergründe
Hervorgehoben sei an dieser Stelle erneut, dass Gegenstand der vorliegenden Untersuchung keineswegs die Erforschung eines inneren Systems im Sinne eines dem Aufbau der einzelnen Werke zugrundeliegenden inneren Ordnungsschemas (etwa eines ordo iuris79) ist, sondern allein die konkrete juristische Entscheidung im Kontext der Rechtsordnung im Vordergund steht. b) Strukturierung der Quellen Das vorgestellte, weite Suchkriterium erforderte eine Strukturierung der einschlägigen Quellen nach Gruppen. Da die Verschiedenartigkeit der einschlägigen Wörter und sprachlichen Strukturen jedoch keine Bildung randscharfer Gruppen zuließ, wurden die Quellen lediglich nach ,Typen‘80 gruppiert81. Auf die Bildung moderner juristischer Kategorien wurde dabei bewusst verzichtet, da diese stets die Gefahr in sich bergen, die Denkweise der römischen Juristen verzerrt abzubilden82. Stattdessen wurden die Quellen in offenen Relationen83 gruppiert und den folgenden, verschiedenen juristischen Argumentationsformen zugeordnet: aa) ,Abgrenzung‘/,Konjunktion der Negation‘ („nec . . . nec“)84, bb) ,Art‘ („huiusmodi/eiusmodi“)85, cc) ,Gattung‘ („vel alio“/„aliove“)86,
79 Zum „ordine delle materie“ der Quaestiones des Scaevola vgl. etwa die Untersuchungen von Masiello (Le Quaestiones, S. 89 f.). 80 Zum Begriff des ,Typus‘ vgl. Andrés Santos (in Andrés Santos/Baldus/Dedek, Vertragstypen, S. 1 ff.). 81 Zu den verschiedenen ,Typen‘, die sich in der Struktur der einzelnen Beispielsquellen abbilden, siehe die Einleitung des jeweiligen Paragraphen. 82 Zum klassischen Streitthema des Verhältnisses zwischen moderner Dogmatik und Geschichte in der Jurisprudenz siehe erneut Orestano (Introduzione, S. 406 ff.); Betti (in Questioni di metodo I, S. 41 ff., S. 48 ff.) sowie De Francisci (in Questioni di metodo I, S. 14), welcher die „insidie che si nascondono nella dogmatica“ (S. 17) u. a. wie folgt beschreibt: „esiste il pericolo, che si abbia a precludere la conoscenza piena dell’ogetto studiato, a costringere in una visione angusta dei fenomeni, ad arrestarsi a costruzioni che della vita del diritto offrono solamente – e perciò molte non hanno nemmeno valore pratico – un’immagine deformata: e che, anzichè sintesi esatte della realtà giuridica, non ne sono che rappresentazioni relative e incompiute, ottenute mediante schemi approssimativi e simboli quasi convenzionali“. Zu den methodologischen Reflexionen Bettis über das problematische Verhältnis von „storia e dogma“ und dessen Auswirkungen auf die italienische Rechtsromanistik des 20. Jahrhunderts siehe auch Nardozza (Tradizione romanistica, S. 10 ff.). Siehe dazu die Rezension von Baldus (SZ 128 (2011), S. 725–732). 83 Die Übergänge sind wie gesagt fließend. 84 Siehe § 4 zum argumentum per duplicem exceptionem. 85 Siehe § 5 zum argumentum ad modum. 86 Siehe § 6 zum argumentum ex genere.
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dd) ,Folge‘ („cui consequens est“/„alioquin“)87, ee) ,Verallgemeinerung‘ („generaliter“/„in omnibus his speciebus“)88. Keine eigene Gruppe wurde dagegen für die Untersuchung der Argumentationsform des ad similia procedere, des Heranziehens von Vergleichsfällen zur Lösung eines Rechtsproblems, welche man unter methodologischem Vorbehalt auch als „Analogie“ im römischen Recht bezeichnen könnte89, gebildet90. Nach moderner Vorstellung setzt die Analogie, welche in unseren kodifizierten Rechtsordnungen vornehmlich zur Lückenschließung dient, ein geschlossenes System voraus. In einer nichtkodifizierten Rechtsordnung wie der römischen kann sie dagegen – je nach Definition91 – jedenfalls aber im weitesten Sinne als Universalform „fallanknüpfenden Denkens“ 92 verstanden werden. Eine sinnvolle Beschränkung auf bestimmte Worte, welche eine derart weite und umstrittene93 juristische Argumentationsform wie die der ,Analogie‘ indizieren, war im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht möglich94. 87 Siehe § 7 zum argumentum per consequentiam und § 8 zum argumentum ad absurdum. Da sowohl das Konsequenz- als auch das ihm nahestehende Absurditätsargument eine Folgenrelation ausdrücken, wurden die beiden §§ hier in der Darstellung unter der Relation ,Folge‘ zusammengefasst. 88 Siehe § 9 zum argumentum per generalem modum. 89 Als „Analogie“ im römischen Recht kann man im weitesten Sinne die Fortbildung des Rechts verstehen, die sich – ausgehend von einem bestimmten Fall – in der rechtlichen Gleichbehandlung vergleichbarer Tatbestände durch die Juristen vollzog. Zur Analogie im römischen Recht aus methodologischer Sicht siehe statt aller Baldus (in Riesenhuber, Europ. Methodenlehre, S. 36 ff. m.w. N.). 90 Vgl. auch Harke (Argumenta Iuventiana, S. 33), welcher gerade Konjunktionen aus seiner Untersuchung der Analogieschlüsse bei Celsus ausscheiden lässt, weil sie seiner Meinung nach als bloße Anknüpfung keine explizite ratio decidendi tragen. 91 Vgl. etwa die Gegenüberstellung der verschiedenen Analogiekonzepte Kasers (Zur Methode, S. 59 insbes. Fn. 45) und Horaks (Rationes decidendi, S. 242 ff.) nach Giaro (SZ 105 (1988), S. 191 Fn. 38). Zur Analogie als „strumento metodologico dell’elaborazione giurisprudenziale“ einerseits und als „strumento di integrazione“ andererseits siehe insbes. Vacca (Metodo casistico, S. 57 ff.). 92 Vgl. die Kategorien, welche Bund (Methode Julians, S. 10 ff.) seiner Untersuchung der Methode Julians zugrunde legt. 93 Nach Steinwenter (Studi Albertario II, S. 107 und Studi Arangio-Ruiz, S. 171), welcher die Analogie allein unter dem Gesichtspunkt der Lückenschließung betrachtete, war diese für das römische Recht mangels umfassenden Rechtssystems von vornherein ausgeschlossen. Ein solcher Analogiebegriff ist für das römische Recht aber inadäquat; siehe Horak (Rationes decidendi, S. 244 f.). Gegen die Systemabhängigkeit der Analogie spricht nämlich zum einen, dass die Lückenfüllung nur eine von mehreren Funktionen der Analogie als heuristisches Denkverfahren im Recht ist. Zum anderen bedarf es, wie Bund (Methode Julians, S. 104) feststellte, keines die ganze Rechtsordnung durchziehenden, geschlossenen Gesamtsystems, um eine systematische Gleichlage von Fällen oder Begriffen konstruieren zu können, sondern es genügen bereits einzelne Teilsysteme oder „Systembruchstücke“, innerhalb derer einer bestimmten Gattung zugehörige und insoweit untereinander vergleichbare Begriffe einem Oberbegriff zugeordnet werden können.
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c) Anordnung der Quellen Die Anordnung der ausgewählten Quellen innerhalb des jeweiligen Paragraphen erfolgte nach Werken (beginnend mit den Responsensammlungen der in der Darstellung relativ ausführlichen Digesta einschließlich der notae zu Julian95 – absteigend über die komprimierteren Responsa – bis hin zu den Quaestiones des Scaevola). Die Rangfolge der Einzelexegesen innerhalb eines Werkes bestimmt sich nach der palingenetischen Nummerierung der Quellen. Im Laufe der Untersuchung trugen die Teilergebnisse der Einzelexegesen in einem ständigen Prozess des Abgleichens und Präzisierens dazu bei, die Kriterien der Auswahl und Gruppierung der Quellen weiter zu verfeinern. Im Ergebnis sind die hier vorgestellten Exegesen also Früchte eines langwierigen Verstehensprozesses. Sie behandeln die verschiedensten Institute und Rechtsgebiete des römischen Rechts. So geht es z. B. um Spezialprobleme aus dem Bereich des römischen Erb- und Kaufrechts, um „Banken“ 96- bzw. „Handelsrecht“ 97, um Seerecht sowie um die Auslegung von Gesetzen, Testamenten und Vertragsklauseln, bei denen nicht selten griechische Rechtsanschauungen anklingen. Diese bunte Vielfalt der Rechtsprobleme sowie die verschiedenen Werke98, aus denen die Quellen stammen, eignen sich hervorragend, um Systemstrukturen möglichst breit zu untersuchen.
VI. Ziel der Untersuchung Es gehört nicht zu den Zielen der vorliegenden Untersuchung eine statistische Aussage darüber zu treffen, wie viel inneres System im Werk des Scaevola verborgen ist, oder gar eine allgemeingültige Aussage zum System im römischen Recht zu treffen. 94 Schon Horak (Rationes decidendi, S. 261) verwies in diesem Zusammenhang auf die unschematische und variable Ausdrucksweise der römischen Juristen, welche neben Worten wie „et“ und „etiam“ z. B. auch „sic et“, „quoque“, „sicut“, „proinde“, „atque“, „quemadmodum“ etc. als typische Ausdrücke für Analogieschlüsse gebrauchten. 95 Die Anordnung folgt insoweit der Palingenesie von Lenel. 96 Zu Begriff und Entstehung des Bankwesens bei den Römern siehe Gröschler (Die tabellae-Urkunden, S. 38 ff.). 97 Zum Begriff eines „Römischen Handelsrechts“ siehe Petrucci (Dir. commerciale rom., S. 3–35). 98 Zur Hermeneutik der Quellen anhand der spezifischen Eigenart einzelner ,Werkgattungen‘ siehe Avenarius (Hermeneutik, S. 10). Zur ,Werktypenlehre‘ von Fritz Schulz siehe § 3 V. Wie bereits erwähnt, geht es bei der vorliegenden Untersuchung jedoch nicht um die Erforschung eines inneren Systems im Sinne eines inneren Ordnungsschemas der einzelnen Werke (ordo iuris), sondern um einzelne Entscheidungen im Kontext der Rechtsordnung.
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Ein derartiges Vorhaben müsste schon an der geringen Anzahl und Verschiedenartigkeit der ausgewählten Quellen scheitern. Selbst wenn man alle dreihundertvierundvierzig Quellen exegetisch behandeln würde, käme man aber aufgrund des bekannten Problems der Überlieferungszufälligkeit zu keinem sicheren Ergebnis. Deshalb setzt die vorliegende Arbeit auf wenige, jedoch vollständige Exegesen. Natürlich können auf diese Weise nur fragmentarische Einsichten in den „inneren Bauplan“ des römischen Rechts gewonnen werden. Primäres Ziel der Untersuchung ist es jedoch anhand der ausgewählten Quellen anschaulich zu machen, wie sich mögliche Systemansätze juristisch-philologisch untersuchen lassen und vielleicht eine vorsichtige Vorstellung davon zu vermitteln, wie „systematisch“ Scaevola als Jurist dachte und entschied. Am Ende wird man sich der generellen Frage stellen müssen, ob es auch in Rom eine Form von systematischer Auslegung99 gab oder ob Ansätze zu innerer 99 Bejahend jedenfalls Harke (in Riesenhuber, Europ. Methodenlehre, S. 18 Rn. 15). Nach moderner Methodenlehre ist die systematische Auslegung der wichtigste Indikator für systematische Elemente einer Rechtsordnung. Zur systematischen Auslegung unter besonderer Berücksichtigung des Gemeinschaftsrechts siehe Riesenhuber (in Riesenhuber, Europ. Methodenlehre, S. 326–340 Rn. 22–46). Die systematische Auslegung gehört ihrem Ursprung nach zu den auf v. Savigny zurückgehenden vier Auslegungselementen. Diese bestehen aus einem grammatischen, einem logischen, einem historischen und einem systematischen Element. Die teleologische Auslegung kommt in den Auslegungselementen von Savigny dagegen nicht vor, weil die Teleologie des Gesetzes (ratio legis) von ihm nur als Hilfsmittel zur Auslegung „unbestimmter Gesetze“ in Betracht gezogen wurde; vgl. Huber (JZ (58) 2003, S. 8 f.). Nach v. Savigny (Methodologie 1809, S. 141) sind die genannten Elemente aber nicht viererlei Interpretation, sondern „immer nur Eine Interpretation, immer componiert aus diesen vier Elementen – indessen kann in einzelnen Fällen ein Element vorherrschend seyn, besonders schwierig und wichtig“. Aufgabe der systematischen Auslegung ist das Vermeiden von Auslegungs- und Wertungswidersprüchen innerhalb der Rechtsordnung; vgl. Schmalz (Methodenlehre, S. 91). Zu den Fallgruppen der systematischen Auslegung gehört daher die Bestimmung des Inhalts einer Vorschrift nach ihrem systematischen Standort im Gesetz sowie nach ihrer begrifflichen Systematik. Allerdings ist bei der Auslegung nach der „begrifflichen Systematik“ zu beachten, dass dieselben Begriffe und Regelungen des Gesetzes nicht immer den gleichen Inhalt haben müssen, d. h. unter Umständen eben keine Systembegriffe sind. („Einheit der Rechtsordnung“ bedeutet nämlich nicht, dass dieselben Begriffe in jedem Rechtsgebiet dasselbe bedeuten müssen, da jedes Rechtsgebiet sein eigenes telos hat, nach dem es interpretiert wird; vgl. nur den unterschiedlichen Bedeutungsgehalt des Begriffs „Eigentum“ in § 903 BGB und in Art. 14 GG). In der praktischen Anwendung des systematischen Instrumentariums wird die auszulegende Rechtsnorm mit anderen Vorschriften und allgemeinen Prinzipien, die der Rechtsordnung zugrunde liegen, verglichen. Dann kann sich ergeben, dass sie einem Prinzip entspricht oder eine Ausnahme enthält. Hierher gehört z. B. die auf das römische Recht zurückgehende Auslegungsregel, dass Ausnahmevorschriften grundsätzlich eng auszulegen sind („singularia non sunt extendenda“ oder „exceptio est strictissimae applicationis“). Dazu Schilling (EuR (2006) 44 ff.); Baldus (Regelhafte Vertragsauslegung I, S. 120 ff.). Nach überwiegender Ansicht haben die römischen Juristen jedenfalls keine einheitliche Me-
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1. Kap.: Einführung und Hintergründe
Systembildung – wenn sich solche denn ermitteln lassen – untrennbar mit der ,individuellen‘ Methode des jeweiligen Juristen verbunden waren.
thode der Interpretation von Gesetzen gekannt; vgl. statt aller Wesel (Rhetorische Statuslehre, S. 133). Zur Gesetzesauslegung in Rom siehe auch Harke (in Riesenhuber, Europ. Methodenlehre, S. 16 Rn. 12), nach welchem die – modern gesprochen – objektivteleologische Interpretation des Gesetzes im Vordergrund stand. Denn der konkrete Wille des Gesetzgebers war den späteren Juristen, wie Harke anführt, mangels Dokumentation kaum mehr greifbar und allenfalls aus dem sozialen Kontext der Gesetzgebung erschließbar. Die römischen Juristen sahen sich aufgrund ihrer Zurückhaltung in der Kodifikation meistens Fällen gegenüber, für die sie auf keine gesetzliche Regelung zurückgreifen konnten. Im Zentrum der Entscheidungsfindung standen nach Harke (in Riesenhuber, Europ. Methodenlehre, S. 24 Rn. 34) daher die einem ständigen Wandel ausgesetzten Juristenregeln, welche „ein dichtes Netz subsumtionsfähiger Sätze bildeten“. Da die systematische Auslegung den Sinn einer Norm eben nicht nur aus ihrer Stellung in der äußeren Gliederung des Gesetzes, sondern ebenso aus ihrer Stellung im gedanklichen System, auf dem das Gesetz beruht, erschließt, kommt sie auch in nicht kodifizierten Rechtsordnungen wie der römischen vor – wenn auch in anderer Form; vgl. etwa Vacca (in Storti, Ragionamento analogico, S. 74), nach welcher nicht nur „i limiti formali entro i quali l’interprete può svolgere la sua opera di raccordo fra il sistema giuridico e la realtà dei casi concreti“ verschieden sind, sondern auch das „procedimento logico-argomentativo attraverso cui egli attua questo raccordo“. Da systematische Auslegung zudem selbst in der Gegenwart nur unvollständig stattfindet, „kann aber das (perfekt) systematische Gesetz keine condicio sine qua non der systematischen Interpretation sein“, wie Baldus (Labeo 47 (2001), S. 125) feststellt. Das Vorherrschen systematischer Auslegung ist doch vielmehr ein Zeichen dafür, dass eine Rechtsordnung widersprüchlich ist, dies aber nicht sein sollte. Siehe zur Widersprüchlichkeit der Rechtsordnung Höpfner (Systemkonforme Auslegung, S. 15 ff.). Zum seit den Anfängen des römischen Rechts bestehenden „paradigma alternativo legge/diritto“ siehe die Verweise im Tagungsbericht von Santucci (Labeo 50 (2004), S. 380) sowie seine Untersuchung zur Bedeutung der lex in Rom (in Vincenti Inchiesta sulla legge, S. 33–59).
§ 2 Ein inneres System100 im römischen Recht? I. Zum Systembegriff im römischen Recht „System“ ist ein vielschichtiger, in der Rechtsromanistik nahezu inflationär gebrauchter Begriff 101. Wie bereits festgestellt wurde102, ist er wesentlich von der Pandektistik geprägt und erst nachträglich in das römische Recht hineingedacht worden103. 100 Im Rahmen der vorliegenden Arbeit geht es allein um den juristischen Systembegriff. Andere Systembegriffe, wie etwa der philosophische, mathematische oder soziologische (siehe vor allem die Theorie der sozialen Systeme von Niklas Luhmann), sind nicht Gegenstand der Untersuchung. 101 Wie schon Kaser (Röm. Rechtsquellen, S. 89 Fn. 11) anmerkte, ist der Systembegriff besonders in der italienischen Literatur beliebt, wird dort aber oft in einem weniger technischen Sinne gebraucht. Orestano (,Diritto‘, S. 13 f. Fn. 14) spricht für die Verwendung des Systembegriffs in der Romanistik zu Recht vom „uso indiscriminato“ und vermeidet ihn in Bezug auf das römische Recht daher gänzlich. Siehe auch Orestano (Introduzione, S. 133), nach welchem der Begriff „System“ durch „dispositio“ ersetzt werden soll: „L’idea di ,sistema‘ è infatti solo una delle soluzioni date modernamente, e sotto determinati presupposti, al ,problema della disposizione‘, che è un problema permanente, e quindi d’ogni tempo, qualunque idea si abbia del diritto e dei suoi contentuti“. Der Begriff dispositio ist auf die vorliegende Untersuchung des inneren Systems aber nicht anwendbar, da Orestano damit vor allem die äußere (An-)Ordnung bezeichnet: „,disposizione‘ come modo di collocare gli argomenti in una successione del tutto estrinseca, variamente determinata“, so Orestano (Introduzione, S. 134). Auch Lantella (Il lavoro sistematico, S. 24 ff.) spricht von einer „parola in crisi“ und schlägt eine fruchtbarere „ridefinizione estensiva“ wie z. B. unter dem Begriff der „struttura“ vor. Giaro (SZ 105 (1988), S. 191) stellt treffend fest, dass „. . . der wohlbekannten Vieldeutigkeit und Breite des Systembegriffes wegen [,] seine Verwendbarkeit leicht zu einer Geschmacksfrage werden kann“. Wie auch Höpfner (Systemkonforme Auslegung, S. 9) bemerkt, gibt es „nicht den allgemeinen Systembegriff, sondern mehrere in Konkurrenz oder gar in Widerspruch stehende Systembegriffe“. Siehe nur seine Aufzählung der verschiedenen Systembegriffe (S. 3) oder die Darstellung bei Canaris (Systemdenken, S. 19 ff.). 102 Siehe oben unter § 1 III. 103 So geht z. B. die heute übliche Trennung zwischen innerem und äußerem System ursprünglich auf den Tübinger Zivilrechtsdogmatiker Philipp Heck zurück. Nach Heck (Begriffsbildung, S. 142 f.) betrifft das äußere System, welches er auch als „Ordnung der fertiggestellten Gedanken, die der Forscher im Darstellungsinteresse vornimmt, durch Bildung von Ordnungsbegriffen, Einteilungen, Reihenfolge der Erörterungen usw.“ bezeichnet, die bloße Anordnung des Rechtsstoffes. Das innere System bestimmte er dagegen als „den sachlichen Zusammenhang zwischen den hervorgebrachten Gedanken“. Auch Canaris (Systemdenken, S. 91) unterschied zwischen der Auslegung nach dem äußeren und der nach dem inneren System: „Während nämlich die Auslegung aus dem äußeren System lediglich gewissermaßen die Fortsetzung der grammatischen Auslegung ist, so ist die Auslegung aus dem inneren System die Fortsetzung der teleologischen Auslegung oder besser nur eine höhere Stufe innerhalb dieser, – eine Stufe, auf
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1. Kap.: Einführung und Hintergründe
Da die Begrifflichkeit insofern keine genuin römische ist104, muss man fragen, inwiefern in Bezug auf das römische Recht berechtigterweise von „System“ gesprochen werden kann. Einigkeit herrscht heute jedenfalls darüber, dass das begrifflich-deduktive Systemverständnis der Pandektistik mit seinem Hang zum statischen Denken der Natur des römischen Rechts nicht gerecht wird105. Denn aufgrund des diesem zugrunde liegenden Problemdenkens lässt es sich in kein axiomatisches106 Begriffssystem fassen, innerhalb dessen man mit mathematischer 107 Genauigkeit widerspruchsfrei ableiten könnte. Eine logische, hierarchische und lückenlose der von der „ratio legis“ zur „ratio iuris“ fortgeschritten wird; und wie der teleologischen Auslegung ganz allgemein so kommt somit der Argumentation aus dem inneren System des Gesetzes der höchste Rang unter den Auslegungsmitteln zu“. Daneben stellte Heck (Begriffsbildung, S. 143) eine dritte Kategorie auf: den Denkvorgang des Wissenschaftlers, die Methode. Nach Heck (S. 143) entsteht das innere System nicht „durch eine ordnende Tätigkeit des Forschers, sondern automatisch durch den Inhalt der Forschungsergebnisse“. Im Gegensatz zum äußeren System stellt es die „Beschaffenheit des Inhalts“ dar und lässt sich von diesem nicht trennen; vgl. Heck (Begriffsbildung, S. 144). Ein begrifflich-deduktives System, wie es die Begriffsjurisprudenz voraussetzte, lehnte Heck (S. 165 f., S. 170 f.) zwar ab, er sah die Aufgabe allgemeiner Begriffsbildung aber auch für die Interessenjurisprudenz gegeben. Zum inneren System des Rechts in der juristischen Methodenlehre des 19. Jahrhunderts siehe Schröder (Recht als Wissenschaft, S. 247 f.). Zur Unterscheidung von innerem und äußerem System in der Tradition von Heck siehe Wieacker (in Buccellato, Sistematica giuridica, S. 63 f.) und allgemein Larenz (Methodenlehre, S. 437–460, S. 474–490) sowie Engisch (Begriffseinteilung, S. 121). Zum Verdienst von Heck als großer Methodendenker und Anhänger der Interessenjurisprudenz, der zu Unrecht aus dem gegenwärtigen Rechtsbewusstsein nahezu verschwunden ist, siehe Auer (ZEuP 2008, S. 517–533). Zu Begriffsbildung und Systemfragen bei Heck siehe vor allem Schoppmeyer (Juristische Methode, S. 135 ff., insbes. S. 140 ff.). Zur Interessenjurisprudenz in ihrer klassischen Fassung durch Heck siehe Wieacker (PrivatRgeschichte, S. 574 ff.). 104 Dazu ausführlicher unter § 2 II. 105 Siehe statt aller Wolff (FS-v. Hippel, S. 691 ff.). Zum Systemverständnis der Pandektisten siehe zudem Wieacker (PrivatRgeschichte, S. 430 ff.) und Capogrossi Colognesi (in Stolfi, Dieter Nörr e la romanistica contemporanea, S. 85). Der vielfach erhobene Vorwurf der „Pandektenharmonistik“ drückt die Polemik gegen das übermäßige Harmonisierungs- und Systematisierungsinteresse der Pandektisten im Umgang mit den römischen Quellen zutreffend aus. 106 Schulz (Prinzipien, S. 12) sprach in Bezug auf das römische Recht vielmehr von einem „ungemein elastischen, unstarren System“, mit dem „eine große Rechtsunsicherheit notwendig verbunden war“. Nach herrschender Ansicht kann das aristotelische Ideal eines axiomatischen Systems aber selbst in geschriebenen Rechtsordnungen nicht vollkommen verwirklicht werden; vgl. dazu Engisch (Sinn und Tragweite, S. 89, S. 96 f.); Horak (Rationes decidendi, S. 40 ff.); Viehweg (Topik, S. 81–94). Da es dieser streng systematisch-mathematischen Methode nicht auf materielle Erkenntnis ankommt, kann sie – im Gegensatz zu anderen Wissenschaftszweigen – im Recht ohnehin nur ein Gedankengerüst darstellen. 107 Schulz (Prinzipien, S. 23) spricht von einer „fast logischen Geschlossenheit“, mit der die Klassiker das Privatrecht beinahe „mathematisch“ darstellten. Offenbar wollte er diese Behauptung nicht im Widerspruch zu dem von ihm gezeichneten Bild der Flexibilität und Rechtsunsicherheit des römischen (Fall-)Rechts sehen.
§ 2 Ein inneres System im römischen Recht?
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Ordnung des Rechts gehörte aber nicht zu den Zielen der römischen Rechtswissenschaft. In der Lehre wird behauptet, die Römer hätten im Gegensatz zu den Griechen zwar kein äußeres Rechtssystem – verstanden als eine systematische äußere Darstellung des Rechtsstoffes – gehabt, jedoch habe es in Rom ein inneres Rechtssystem gegeben – verstanden als eine flexiblere, praxisnähere Form vernetzten juristischen Denkens, also etwa als ein System von inneren Leitlinien, welche, den einzelnen Entscheidungen zugrunde liegend, die Rechtsordnung durchziehen. So wie das zweitausend Jahre alte römische Recht jedoch kein einheitliches, sondern ein über Jahrhunderte gewachsenes, historisches Gebilde ist, muss auch ein dieses durchdringendes inneres System unterschiedlichste Facetten haben108. Da die Bestimmung dessen, was man unter innerem System im römischen Recht versteht, die Weichen für die vorliegende Untersuchung stellt, sollen im Folgenden die wichtigsten Aspekte des Systembegriffs in seiner historischen Entwicklung und spezifischen Ausprägung für das römische Recht umrissen werden.
II. Zur Herkunft des Systembegriffs Das Wort „System“ kommt von dem altgriechischen „tÎ sýsthma“ und bedeutet so viel wie „Zusammenstellung, Vereinigung“. In der hellenistischen Kultur war der Begriff vor allem für die stoische Logik bedeutsam, nach welcher der Schluss (lügoò) als „ein System von Voraussetzungen und Schlussfolgerung“ („sýsthma k lhmmÜtwn kaÍ pifor@ò“ 109) definiert wurde. Auch die Wissenschaft (tÝxnh110) als solche wurde nach stoischer Lehre als ein „System aus Erkenntnissen“ („P@sa tÝxnh stÍ sýsthma k katalÞyewn“ 111) definiert. 108 Zur Frage des Verhältnisses von Geschichte und System siehe Giaro (BIDR 90 (1987), S. 44 f. m.w. N. in Fn. 151). Siehe dort insbes. den Verweis auf Wieacker (Gründer, S. 187 f.). 109 Hülser (Fragmente der Stoiker Bd. 1, Frg. 33). 110 Nach antiker Konzeption reichte der Begriff der tÝxnh bzw. ars von der handwerklichen Tätigkeit bis hin zur Wissenschaft; vgl. Allen (NP, Bd. 6, Sp. 915 ff.). Siehe zum Begriff der ,ars‘ allgemein Lausberg (Handbuch der lit. Rhetorik, S. 25 ff.), welcher diese als „eine von einem vernünftigen Wesen (Mensch) planvoll ins Werk gesetzte Handlung“ bezeichnet. Nach dem hier zugrunde gelegten ciceronianischen Verständnis umfasste die ars, zu deren wesentlichen Merkmalen ihre Lern- und Lehrbarkeit zählten, in erster Linie die wissenschaftliche Methode bzw. das Wissen selbst. Bezogen auf die (praktische) Wissenschaft ist der Begriff daher als äquivalent zum griechischen Wissenschaftsbegriff der tÝxnh zu verstehen; siehe Lorenz (in Mittelstraß, Philosophie und Wissenschaftstheorie I, S. 185 f.). Zum Verständnis der ars iuris civilis bei Cicero siehe vor allem Bona (SDHI 46 (1980), S. 327 f.). Waren die einzelnen Künste (insbes. Grammatik und Rhetorik) einmal in ein System von Regeln gebracht, konnten sie in
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1. Kap.: Einführung und Hintergründe
Griechenland war zudem der Ort, an dem die Kultur des systematischen Lehrbuchs entstand112. Bekanntermaßen wurde das hellenistische Wissenschaftsmodell von den Römern in vielen Fachbereichen rezipiert113. Für die spezifisch römische Fachkunde der iurisprudentia gab es jedoch kein griechisches Vorbild114. Das griechische Recht war im Gegensatz zum römischen mangels einer eigenen Schicht von Juristen, welche dieses hätten fortbilden können, nie zu einer Rechtswissenschaft gelangt115. Insofern besteht ein bahnbrechendes Verdienst der römischen Juristen darin, auch der iurisprudentia die Form einer hellenistischen tÝxnh verliehen zu haben. Bezeichnenderweise gibt es im Lateinischen kein eigenes Wort für „System“. Der Begriff wird in den juristischen Quellen meist mit ordo (iuris) (Anordnung) oder ars (iuris) (Lehrgebäude116 /Methode des Rechts) umschrieben. Diese terminologische Leere könnte auf ein geringes Abstrahierungsinteresse117 sowie auf einen gewissen Mangel an selbstreflektierendem Methoden- und Systembewusstsein seitens der römischen Juristen zurückzuführen sein118. Handbücher aufgenommen werden. Zu Wieackers Verständnis der ars als Lehnübersetzung von tÝxnh siehe Avenarius (in Meder/Carlizzi/Mecke/Sorge, Juristische Hermeneutik, S. 80 f.). Nach Aristoteles unterschied sich die tÝxnh als auf das Erzeugen eines Produkts zielende Fähigkeit des Verstandes aber von der erkennenden Einsicht (pistÞmh) als Fähigkeit, ewige Wahrheiten zu betrachten; vgl. Aristoteles (Eth. Nic. VI. i. 6–ii 2). Dazu Allen (NP, Bd. 6, Sp. 916 f.). Zu den verschiedenen epistemologischen Reflexionen in der Antike siehe ebenfalls Detel (NP, Bd. 4, Sp. 74 ff.). 111 Hülser (Fragmente der Stoiker Bd. 2, Frg. 378 = Sextus Empiricus Adv. math. VII, 109). Siehe auch Behrends (Wissenschaftslehre, S. 40). Weitere Quellennachweise bei La Pira (BIDR 44 (1936/37), S. 150 ff.). 112 Diese entwickelte sich zunächst im Bereich der Rhetorik. Fuhrmann (Systematisches Lehrbuch, S. 123 f.) führt den Dialog zwischen Sokrates und Phaidros (Phaidros 257 B ff., insbes. 266 C–267 D) als den ältesten zusammenhängenden Bericht über rhetorische Lehrbücher an. Zur Rhetorik als Kunst der systematischen Darstellung der Redemittel siehe auch Ueding/Steinbrink (Grundriß der Rhetorik, S. 25). 113 Zu den hellenistischen Ursprüngen des systematischen Lehrbuchs siehe Fuhrmann (Systematisches Lehrbuch, S. 122–156). 114 Nach Fuhrmann (Systematisches Lehrbuch, S. 156 f., S. 162, S. 181) galt dies ebenso für die systematische Darstellung der Feldmesskunst, welche Frontin ihre originär römische Entwicklung verdankt. Anders war dies in den Bereichen der Grammatik und Rhetorik, in denen die Römer das System und den methodologischen Apparat der Griechen weitgehend übernehmen konnten. 115 Zu Ciceros vernichtendem Urteil gegenüber dem ius civile eines Lykurg, Drakon oder Solon siehe etwa Cicero (De orat. 1,197): „. . . quantum praestiterint nostri maiores prudentia ceteris gentibus, tum facillime intellegetis, si cum illorum Lycurgo et Dracone et Solone nostras leges conferre volueritis; incredibile est enim, quam sit omne ius civile praeter hoc nostrum inconditum ac paene ridiculum“. Wie bereits erwähnt, ist es bezeichnend, dass das Griechische kein eigenes Wort für die iuris prudentes ausbildete. Dazu erneut Stolfi (Introduzione, S. 23). 116 Siehe speziell zu dieser Bedeutung Egelhaaf-Geiser (NP, Bd. 6, Sp. 917). 117 Vgl. Kaser (Röm. PrivatR. I, S. 182). Schulz (Prinzipien, S. 28, S. 30) betonte, dass diese „Abstraktionsfeindschaft“ nicht etwa der primitiven Unfähigkeit der Römer
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Um sich ein konkretes Bild vom Verhältnis der römischen Juristen zum Systemdenken machen zu können, sollen im Folgenden die wichtigsten Ansätze zu juristischer Systembildung bei den Römern vorgestellt werden.
III. Ansätze zu Systembildung im römischen Recht 1. Zum äußeren System Im Gegensatz zu Griechenland, wo der ,Nümoò‘ – verstanden als Komplex der einzelnen nümoi – die einzige Rechtsquelle darstellte119, waren die römischen Juristen dem Kodifikationsgedanken gegenüber grundsätzlich eher abgeneigt. Ihre skeptische Zurückhaltung gegenüber der Abstraktion drückt sich u. a. in der bekannten Definition des Javolen aus: „Omnis definitio in iure civili periculosa est“ 120. Als möglichen Grund dafür führte schon Schulz121 an: „. . . die Kodifikation verleitet zur Wortinterpretation und lenkt ab von der Betrachtung der Natur der Sache; sie täuscht eine Geschlossenheit und Vollständigkeit vor, die sie nicht hat; sie fordert eine den Römern gefährlich dünkende abstrakte Formulierung der Rechtssätze, legt auch die Rechtsordnung zu stark für die Zukunft fest“. Dies fasste Schulz122 in seinem bekannten Ausspruch „Das Volk des Rechts ist nicht das Volk des Gesetzes“ zusammen. Wie jedoch Paricio123 betont, ist damit keineswegs gemeint, dass dem Gesetz in Rom geringe Bedeutung zukam, oder dass es eine untergeordnete Rolle gespielt habe. Vielmehr sei das Gesetz in Rom – was schon seine Erwähnung an erster Stelle in den klassischen Rechtsquellenkatalogen nahelegt – „fuente primordial del derecho“ gewesen124. geschuldet sei, sondern auf der klaren Erkenntnis der Gefährlichkeit jeglicher Abstraktion beruhe. 118 Eine grundsätzlich andere Ansicht hierzu vertritt vor allem Behrends in mehreren Werken; siehe u. a. Behrends (in Avenarius/Meyer-Pritzl/Möller, Institut und Prinzip I sowie Wissenschaftslehre). Da es, wie bereits gesagt, jedoch allein um die Aussagekraft bestimmter „kleiner“ Wörter geht und gerade nicht die Systemfrage als solche im Zentrum der Untersuchung steht, kommt es auf eine grundlegende Auseinandersetzung mit dieser differenzierten Ansicht im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht an. 119 Siehe Pringsheim (Ausbreitung und Einfluss des griech. R., S. 9). Zu den unterschiedlichen Begriffen nümoò, qesmüò und yÞfisma siehe Stolfi (Introduzione, S. 123 ff.). Zum Unterschied zwischen nümoò und lex siehe ebenfalls Stolfi (in Stolfi, Il diritto, la genealogia, la storia, S. 46 ff.) sowie Stolfi (SDHI 70 (2004), S. 441–479). Grundlegend dazu siehe zudem die aktuelle Monographie von Stolfi „Quando la Legge non è solo legge“, Neapel 2012. 120 D.50.17.202 (Iav. 11. epist.). 121 Schulz (Prinzipien, S. 9). 122 Schulz (Prinzipien, S. 4). 123 Paricio (El legado, S. 22). 124 Der Stellenwert der lex im römischen Recht ist Gegenstand einer neu belebten Diskussion in der romanistischen Forschung, die vor allem von italienischer Seite be-
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Dennoch hat das römische Recht in seiner tausendjährigen Geschichte mit den XII-Tafeln125 im 5. Jh. v. Chr. und dem Corpus Iuris Civilis im 6. Jh. n. Chr. insgesamt nur zwei umfassende Gesetzeswerke hervorgebracht. 2. Systematisierungstendenzen des Kaisers Justinian Die Frage nach Systematisierungstendenzen des Kaisers Justinian ist eng verbunden mit der Frage nach einer „Verfälschung“ der klassischen Juristenschriften126. Da Justinian die Klassikertexte in ein umfassendes Gesetzbuch gießen wollte, mussten er und seine Kompilatoren versuchen, die überlieferten Einzelfälle der reichen Kasuistik so abstrakt wie möglich zu fassen. Auch wenn wir darüber nicht im Einzelnen informiert sind, kann man vermuten, dass Generali-
trieben wird. Siehe hierzu insbes. den CEDANT-Band „Leges publicae“ mit einer Rezension von Baldus (Der Staat 52 (2013) S. 331 ff.). Nach Cannata (in Ferrary, Leges publicae, S. 258 ff.) kommt der lex im Rechtsquellenkatalog des Gaius ein „valore . . . come parametro“ zu „disponendo le altre entità secondo l’attenuarsi del loro valore rispetto a quello del parametro scelto“. Zur (unterschätzten) Rolle der leges publicae im römischen Privatrecht siehe insbes. Mantovani (in Ferrary, Leges publicae, S. 710 ff.). Wie der Autor – in kritischer Stellungnahme zu Rotondi (S. 721 ff.) – anhand nichtjuristischer wie juristischer Quellenzeugnisse nachweist, war nicht nur der Stellenwert der leges publicae im römischen Privatrecht, sondern auch deren Anzahl wesentlich höher als viele Quellen bezeugen und als lange Zeit in der Forschung angenommen. Nach der These von Mantovani (in Ferrary, Leges publicae, S. 747 ff.), welcher auch von einer „delegificazione“ spricht, sind die meisten Erwähnungen der leges von den Kompilatoren aus den Quellen gestrichen worden. Zu den (möglichen) Gründen siehe Mantovani (in Ferrary, Leges publicae, S. 745 f.). Für einen eher geringen Stellenwert der lex im ius privatum Romanum spricht sich dagegen Santucci (in Vincenti, Inchiesta sulla legge, S. 36 ff.) aus. Wie der Autor (S. 39) feststellt, berührten die leges (von Ausnahmen wie etwa der lex Aquilia de damno abgesehen) selten große Themen des römischen Privatrechts, sondern regelten überwiegend Situationen „di chiara valenza politica e pubblicistica“. Auch die den Römern eigene Klassifikation in leges perfectae, leges minus quam perfectae und leges imperfectae behinderte nach Ansicht von Santucci (in Vincenti, Inchiesta sulla legge, S. 39) die Entwicklung des Zivilrechts auf dem Weg der leges. Zur Rolle des Gesetzes im Prinzipat siehe ebenfalls Santucci (S. 42 ff.). Giaro (Röm. Rechtswahrheiten, S. 197) spricht für die Prinzipatszeit von einem „zwar nicht normenarmen, so doch eindeutig normtextarmen Raum“. 125 Pringsheim (Ausbreitung und Einfluß des griech. R., S. 10 f.) vermutete, dass es stets der griechische Einfluss war, welcher die kodifikationsscheuen Römer zu Einzelkodifikationen bewegte. So führte er als Beispiel den Gang der Zehnmännerschaft nach Athen an, welcher im XII-Tafel-Gesetz gipfelte. Siehe dazu Cannata (in Ferrary, Leges publicae, S. 260 f.). Der nächste Plan, das ius civile zu kodifizieren, war nach Ansicht von Pringsheim von Iulius Caesar, dem unter allen Römern am meisten griechisch Denkenden, gefasst worden. Schließlich sei die Kompilation des edictum perpetuum unter Kaiser Hadrian, welcher bekanntermaßen starkem hellenistischem Einfluss unterlag, in Auftrag gegeben worden. 126 Dieser Frage kann im Rahmen der vorliegenden Arbeit leider nicht im Einzelnen nachgegangen werden. Auf sie wird im exegetischen Hauptteil in angemessenem Umfang und an geeigneter Stelle zurückzukommen sein. An dieser Stelle werden hingegen nur einige wichtige Punkte angerissen.
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sierungen und Verallgemeinerungen in gewissem Umfang zum notwendigen Programm der Kompilatoren gehörten127. Obwohl die Kompilatoren bei der Schaffung des Corpus Iuris Civilis schon aufgrund der kurzen Zeit von nur drei Jahren sicher nicht mit systematischer Stringenz vorgehen konnten, lassen sich doch einige systematische Überlegungen u. a. in den Einführungskonstitutionen des Kaisers Justinian nachweisen128. Wie wir aus der Einleitungskonstitution Deo auctore wissen, wollte der Kaiser das klassische Recht auch zu innerer Harmonie führen129. Da der kasuistische Stil der Klassikerschriften jedoch nicht vollkommen beseitigt werden konnte, ließ Justinian einzelne Quellen kürzen oder an anderer Stelle zusammenfassen, wodurch diese sehr häufig „dekontextualisiert“ wurden130. In § 6 der Konstitution Deo auctore wird zudem ausdrücklich gesagt, dass die Klassikerschriften den kaiserlichen Konstitutionen angeglichen werden sollten, gleichsam als kämen sie aus dem Munde des Kaisers: „quasi et eorum studia ex principalibus constitutionibus profecta et a nostro divino fuerant ore profusa“. Dass Justinian darüber hinaus in seinen Konstitutionen generalisierende Formulierungen wie z. B. „in omnibus autem huiusmodi casibus“ 131 oder „in huiusmodi venditionibus“ 132 sowie Aufzählungen wie „sin autem sub condicione vel sub incerta die fuerit relictum legatum vel fideicommissum universitatis vel speciale vel substitutione vel restitutione, melius quidem faciat, et si in his casibus caveat . . .“ 133 gebrauchte, zeigen schon wenige hier nur aus dem sechsten Buch des justinianischen Codex herausgegriffene Beispiele. Auch Formulierungen wie „quod similiter censemus in huiusmodi legatis“ in C.6.43.3.3b (Imp. Iustinianus A. Iohanni pp.) oder „vel alio quocumque modo“ 127 Vgl. dazu etwa die Äußerungen von De Francisci (in Questioni di metodo I, S. 393 ff.): „La scienza del periodo romano-ellenico, in parte per lo sviluppo dato alla filosofia nelle scuole orientali, in parte per le attitudini dialettiche dei giuristi bizantini, ha una spiccata tendenza per la costruzione di teorie generali, di definizioni, di distinzioni, di categorie e si mostra preoccupata, molte volte, più dell’architettura logica che dei fini pratici ed essenziali“. 128 So etwa Const. Deo Auctore § 5 zum äußeren System der Digesten. Bonini (Lineamenti, S. 641) spricht in diesem Zusammenhang von der „architettura“ des Werkes, welche in besagter Konstitution auch als „sanctissimum templum iustitiae“ bezeichnet wird. Diese äußere Neuordnung hatte nicht zuletzt für das Rechtsstudium entscheidende Bedeutung – zur Studienreform des Kaisers Justinian siehe Const. Omnem (§§ 1–7). 129 Vgl. Const. Deo Auctore § 4: „ut ex his omnis materia colligatur, nulla (secundum quod possibile est) neque similitudine neque discordia derelicta, sed ex his hoc colligi quod unum pro omnibus sufficiat“ und Const. Deo Auctore § 2: „et colligere et emendare et tot auctorum dispersa volumina uno codice indita ostendere“. 130 Vgl. Lantella/Stolfi (Profili diacronici, S. 212). 131 Siehe C.4.43.1.5 (Imp. Iustinianus A. Demostheni pp.); C.4.43.3.1 (Imp. Iustinianus A. Iohanni pp.); C.4.43.3.3b (Imp. Iustinianus A. Iohanni pp.). 132 Siehe C.4.21.17 pr. (Imp. Iustinianus A . Menae pp.). 133 Siehe C.6.43.3.3 (Imp. Iustinianus A. Iohanni pp.).
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in C.5.9.9 pr. (Imp. Iustinianus A. Menae pp.) kommen in den Konstitutionen von Justinian vor134. Prominentestes Beispiel für die Generalisierungstendenzen des Kaisers sind sicher die allgemeinen Titel D.50.16 und D.50.17, in denen er bestimmte Rechtssätze für beschränkte Tatbestände erweiterte135. Verallgemeinerungen zeigen sich aber z. B. auch in der berühmten Gleichstellung von Fideikommiss und Legat in C.6.43.1 (Imp. Iustinianus A. Demostheni pp.) und C.6.43.2 (Imp. Iustinianus A. Iuliano pp.)136. Wie Bretone137 betont, gelangten jedoch weder die Digesten noch der Codex Justinians zu einer systematischen Einheit, sondern blieben stets ein zusammengesetztes Werk: „Come il Codice, il Digesto non nasconde la sua struttura composita. Se gli architetti bizantini seppero unire la tradizione monumentale romana con la tradizione greca del pensiero matematico, realizzando in Santa Sofia una chiesa nuova e rivoluzionaria, i giuristi (professori o avvocati, e burocrati) seguirono una strada diversa nell’erigere il loro edificio. Non meraviglia che esso apparisse manchevole e criticabile allo spirito euclideo di Leibniz e al giusrazionalismo sei-settecentesco.“
3. Modelle für äußeres System Ein äußeres System138 ist nach überwiegender Ansicht für das römische Recht kaum nachweisbar139. Man könnte allenfalls sagen, dass es in Rom erste Vorläu-
134 Zum äußeren, chronologischen System“ des Codex siehe Bretone (Storia, S. 395). Zur „reverentia antiquitatis“ des Kaisers siehe insbes. § 10 der Konstitution Tanta. Dazu Bonini (Lineamenti, S. 651 f.). Kritisch zur „reverentia antiquitatis“ in Bezug auf Kaiserkonstitutionen, in denen klassische Juristen zitiert werden, Di Maria (La cancelleria imperiale, S. 176). 135 Vgl. Kaser (Ein Jahrhundert Interpolationenforschung, S. 104). 136 Hierzu wurde von Bonini (Lineamenti, S. 650) die Hypothese vertreten, dass Justinian möglicherweise, anstatt alle Texte einzeln zu ändern, nur an entscheidenden Knotenpunkten eines jeden Titels interpolierte und dies durch generalisierende Formulierungen deutlich machen wollte: „Ci si può chiedere [. . .] se i compilatori, anziché modificare un gran numero di testi aventi ad oggetto casi di specie (per rovesciare singole norme o soluzioni di portata ristretta), non abbiano preferito concentrare le interpolazioni nei punti nodali di ciascun titolo (o almeno di una parte dei titoli)“. 137 Bretone (Storia, S. 384). 138 Wieacker (in Buccellato, Sistematica giuridica, S. 63 f.) bezeichnete das äußere System auch als „eine konventionelle Darstellungsform der Gegenstände einer Wissenschaft, wie etwa in der Geographie die topographische Beschreibung der Erdteile, in der Zoologie die Kreise, Ordnungen, Gattungen und Familien . . .“, und fasste hierunter für das römische Recht z. B. das XII-Tafel-System, das System des Q. Mucius sowie das Ediktsystem und die Legalordnung des Kaisers Justinian. 139 Vgl. statt aller Kaser/Knütel (Röm. PrivatR, S. 31). Dagegen ist Scherillo (Studi Arangio-Ruiz, S. 446) der festen Überzeugung, dass es in Rom sogar ein einheitliches
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fer und ,Modelle‘ für äußere Systeme gab. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang insbesondere das XII-Tafel-Gesetz140 aus dem Jahre 450 v. Chr. sowie das ius civile des Q. Mucius Scaevola141, welcher das Zivilrecht der Überlieferung des Pomponius nach als erster in genera ordnete142. Auch das Sabinussystem143 und das Ediktsystem144 können zu diesen ersten „Systemmodellen“ 145 gerechnet werden. „zivilistisches System“ gab. Auch wenn – wie der Autor (S. 447, S. 450) einräumt – die Anordnung derselben Institute und Rechtsmaterien von Jurist zu Jurist und von Werk zu Werk schwanken kann, besteht seiner Ansicht nach doch insofern in allen Werken eine substanzielle Einheit des Systems, als die Darstellung stets mit den Lehren zum Testament („de testamentis“) und Legat („de legatis“) beginnt. 140 Wobei schon aufgrund der spärlichen Überlieferung höchst fraglich ist, ob man bei diesem überhaupt von einer „systematischen Ordnung“ sprechen kann. Dazu Scherillo (Studi Arangio-Ruiz, S. 464). Zur unità und esaustività der XII-Tafeln siehe Humbert (in Humbert, Le Dodici Tavole, S. 32 ff.). Wieacker (SCDR 3 (1991), S. 12) zählt das „System der XII-Tafeln“, das „System des Quintus Mucius“, das „System des Edikts“ und das „System der Gesetzgebung Justinians“ zu den unproblematischen und trivialen Systemen. Wie die Beschreibung von Kontinenten und Subkontinenten in der Geographie folgten die aufgezählten „Systeme“ einer äußeren, nur assoziativen Einteilung der Objekte. Zur Zwölftafelgesetzgebung allgemein siehe Waldstein/Rainer (Röm. RG, S. 44 ff.). Zur besonderen Rolle der XII-Tafeln für die römische Gesetzgebung siehe Schiavone (in Ferrary, Leges publicae, S. 293 ff.). 141 Dieser war Konsul im Jahre 95 v. Chr.; vgl. Kunkel (Römische Juristen, S. 18). 142 Vgl. D.1.2.2.41 (Pomp. lib. sing. ench.): „ius civile primus constituit generatim in libros decem et octo redigendo“. Zur Ordnung dieses sog. „Mucianischen Systems“ siehe z. B. Orestano (Introduzione, S. 136 Fn. 7) und Wieacker (RRG I, S. 633 ff.). Q. Mucius Scaevola unterteilte beispielsweise die tutela und die possessio in genera, verfolgte dabei aber keine strenge Systematik. Dies beklagte schon Cicero (De leg. 2, 47 und Brut. 152). Vgl. auch Schulz (Prinzipien, S. 38). Nach Schiavone (Ius, S. 169) folgt das Mucianische System keinen logisch-klassifikatorischen Gesichtspunkten, sondern nur „gerarchie funzionali della società romana“. Auch Behrends (Wissenschaftslehre, S. 288, S. 293) kommt zu dem Ergebnis, dass die genera des Q. Mucius kein wirkliches Klassifikationssystem bildeten, sondern seine Methode in der Reflexion über innere juristische Sinnbezüge des Zivilrechts bestand (S. 291). Dazu habe Mucius als erster der Stoa ihre Methode vertiefter Begriffsbildung entlehnt und diese auf den Stoff des ius civile angewandt (S. 298). Zum stoischen Sondergebrauch des Terminus genus siehe die Ausführungen von Behrends (Wissenschaftslehre, S. 286 f.), wonach dieser nicht die geläufige Einteilung nach Gattung und species, sondern nach Erkenntnisstufen bezeichnet. Das institutionelle juristische Klassifikationssystem sieht Behrends dagegen erst mit Servius verwirklicht. Siehe dazu Fn. 160. 143 Das sog. „Sabinussystem“ wird im Wesentlichen aus den iuris civilis libri III des Massurius Sabinus, den libri iuris civilis des Q. Mucius Scaevola sowie des Cassius, den Digesta des Alfenus Varus (gemäß der ursprünglichen – uns in der Epitome des Paulus überlieferten – Anordnung), den pithana und den libri posteriores des M. Antistius Labeo sowie den Quaestiones des Afrikan und verschiedenen Werken von Julian und Javolen rekonstruiert; vgl. Scherillo (Studi Arangio-Ruiz, S. 446; zum Aufbau siehe dort S. 458). Aufgrund der Überlieferungen in den großen Sabinuskommentaren des Pomponius, Ulpian und Paulus gilt es als das Bekannteste. Scherillo (Studi Arangio-Ruiz, S. 446) unterstreicht, dass der Name „Sabinussystem“ nicht korrekt ist, da dieses „System“ schon Labeo bekannt war und in seinen Ursprüngen auf Q. Mucius Scaevola zurückgeht. Schulz hält Scherillo (S. 464) vor, er habe versucht das „Sabinus-
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In Anbetracht der genannten Systemansätze wird man nicht gänzlich verneinen können, dass die Römer Interesse an der Abstraktion zeigten146. Bei den genannten Systematisierungsversuchen handelt es sich jedoch nicht um konsequent durchgebildete juristische Konstruktionen. Für die innere Systembildung können sie daher auch nur erste Anhaltspunkte von symptomatischer Bedeutung sein147.
system“ in seiner Isolation und ohne Berücksichtigung seiner historischen Entstehung zu erklären, was zu der falschen Behauptung seitens Schulz (Geschichte, S. 186 f.) geführt habe, das „Sabinussystem“ sei eine posthume Redaktion, die auf Mitschrieben der Schüler des Sabinus basiere. Nach Scherillo (Studi Arangio-Ruiz, S. 446) ist das „Sabinussystem“ kein autonomes, dem Ediktsystem entgegenzusetzendes System, sondern nur einer der Aspekte, welche im „zivilistischen System“ vereinigt werden. Seiner Ansicht nach unterscheidet sich das „zivilistische System“ wiederum streng vom gaianischen sowie von anderen „Institutionensystemen“, welche Scherillo als eigene Kategorie neben das „Edikts-“ und das „Sabinussystem“ stellen will. Anders wiederum Schulz (Geschichte, S. 191 f.), welcher behauptete, dass die Institutiones des Gaius in der Abgrenzung des Stoffes wie im System vom ius civile des Q. Mucius Scaevola beeinflusst seien. 144 Auch bezüglich des Ediktsystems ist mehr als fraglich, inwiefern man überhaupt von einem „System“ sprechen kann. Jedenfalls liegt seiner hadrianischen Fassung eine Fülle systematischer Überlegungen zugrunde. Nach Lenel (EP, S. 10) war der Inhalt des Edikts dennoch großteils „durch historische Zufälligkeiten bestimmt“ und bestand dafür, „dass man das Edict unter eine begriffliche Einheit zwänge, [. . .] keinerlei innere Notwendigkeit“. Vielmehr habe die historische Entwicklung sehr entschieden gegen eine solche a priori gestellte Forderung gesprochen (S. 10). Zu Recht wies Schulz (Geschichte, S. 178) darauf hin, dass das Edikt zur Zeit des Julian bereits von den Juristen kommentiert war und man die Benutzung der älteren Ediktskommentare erschwert hätte, wenn man tiefer in das System eingegriffen hätte. Lenel (EP, S. 28) bezeichnete das Ediktsystem als ein „nach ökonomischen Gesichtspunkten beherrschte(s) System“ und stimmte insofern mit Rudorff (ZS 3 (1864), S. 63) darin überein, dass sich die Klassifikation der Klagen im Wesentlichen auf die Wichtigkeit und den Geldwert der materiellen Gegenstände gründet, „dergestalt, daß die Erbschaft als Vermögensganzes dem Grundstück: das Grundstück als sicherstes und unbewegliches einzelnes Vermögensstück den Sklaven, der Sklav als vernunftbegabtes Wesen dem Thier und dieses als Organismus der leblosen beweglichen Sache voraufgeht“. Nach Scherillo (Studi ArangioRuiz, S. 464) ist das Ediktsystem ein Beispiel dafür, dass die Römer ihre großen Werke vorzugsweise auf „qualcosa di esterno“ fixierten. Schulz (Geschichte, S. 178) betonte, dass die Ordnung des Edikts, welche seiner Ansicht nach vor allem auf „primitive assoziierende Systematik“ zurückging, „alles andere als ein systematisches Meisterwerk“ war, sondern „sichtlich ein Werk von Generationen“. 145 So sind etwa die Titel der Digesten – wenn auch mit mehr Freiheit als bei den Kommentaren ad edictum – zweifellos nach dem Ediktsystem geordnet; vgl. Lenel (EP, S. 4). Bezeichnend ist auch, dass Justinian ausdrücklich anmerkt, wo er sich erhebliche Abweichungen vom Ediktsystem gestattete; vgl. Const. Omnem, § 4; Const. Tanta § 5. 146 Besonders um das 1. Jh. n. Chr. kam mit dem griechischen Einfluss ein größeres Systematisierungsinteresse nach Rom, welches bald das Recht beeinflusste. Zur „hellenistischen Periode der römischen Rechtswissenschaft“ siehe statt aller Schulz (Geschichte, S. 44 ff., insbes. S. 70 ff.). 147 Natürlich ist die Grenze zwischen innerem und äußerem System nicht immer ganz eindeutig zu ziehen. Je mehr sich der äußere Aufbau einer Rechtsordnung am inneren orientiert, desto größer wird jedenfalls die Überschneidung; siehe dazu Höpfner (Systemkonforme Auslegung, S. 83).
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Nicht umsonst beklagte sich der große Redner und Philosoph Cicero zeitlebens über die unendlichen juristischen Fälle ohne abstrakte Zusammenfassung148, bei denen die Juristen nicht einmal die Parteinamen aussparten149, und postulierte in seinem uns nicht überlieferten Werk mit dem Titel „De iure civili in artem redigendo“ 150 als einer der ersten die Konstruktion eines allumfassenden systematischen Aufbaus des römischen Rechts in programmatischer Weise151. 4. Der Systemvorstoß Ciceros Wie Cicero, der im Unterricht selbst noch die XII-Tafeln auswendig lernen musste152, sich den systematischen Aufbau des römischen Rechts im Einzelnen vorstellte, erläutert er in seiner Schrift „De oratore“ 153 anhand der folgenden drei Schritte154: – „primum omne ius civile in genera digerat, quae perpauca sunt“, zuerst sollte das gesamte ius civile in ganz wenige Gattungen gegliedert werden, – „deinde eorum generum quasi quaedam membra dispertiat“, danach sollten von diesen Gattungen gewisse Glieder abgeteilt werden, – „tum propriam cuiusque vim definitione declaret“ 155, 148 Cicero (De legibus 2, 47): „Sed iuris consulti, sive erroris obiciundi causa, quo plura et difficiliora scire videantur, sive, quod similius veri est, ignoratione docendi – nam non solum scire aliquid artis est, sed quaedam ars est etiam docendi – saepe, quod positum est in una cognitione, id in infinita dispertiuntur“. 149 Cicero (De orat. 2, 142): „. . . video enim in Catonis et Bruti libris nominatim fere referri, quid alicui de iure viro aut mulieri responderit“. Siehe auch den ironischen Zusatz: „credo, ut putaremus in hominibus, non in re consultationis aut dubitationis causam aliquam fuisse; ut, quod homines innumerabiles essent, debilitati iure cognoscendo voluntatem discendi simul cum spe perdiscendi abiceremus“. Dementsprechend abfällig ließ Cicero seinen Redner Crassus über die Juristen sprechen, welche den Stoff des ius civile aus Nachlässigkeit und Trägheit (De orat. 1, 185: „castigemus etiam segnitatem hominum atque inertiam“) niemals in eine systematische Ordnung gebracht hätten (De orat. 1, 186: „. . . nulli fuerunt, qui illa artificiose digesta generatim componerent . . .“). 150 Die Existenz des Werkes ist uns allerdings von Gellius (Noct. Att. I, 22, 7) überliefert. Zum rhetorischen Ideal des „ius civile in artem redigere“ siehe Bona (SDHI 46 (1980), S. 282 ff.). Dazu Baldus/Miglietta (Rivista di dir. rom. 6 (2006), S. 1–13). 151 Man kann also keineswegs von einem durchweg fehlenden Bewusstsein der Römer hinsichtlich der Frage nach der Systematisierung im Recht sprechen. Zum Einfluss dieses Werkes auf die Systembildung bei Donellus siehe Avenarius (TR 74 (2006), S. 67 ff.). 152 Cicero (De legibus 2, 59). 153 Zum Verhältnis der beiden Werke siehe insbes. Bona (SDHI 46 (1980), S. 372 ff.). 154 Dazu im Einzelnen auch Wieacker (RRG I, S. 628 f.). 155 Siehe Cicero (De orat. 1, 190). Zu der Vermutung, dass Cicero im vorhergehenden § 189 divisio und partitio durcheinander brachte, vgl. Nörr (Diviso und Partitio, S. 39 f.).
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und schließlich sollte die spezifische Bedeutung eines jeden Teiles durch Definition geklärt werden. Ziel dieses ,perfekten Gebildes vom ius civile‘ („perfecta ars iuris civilis“) war nach Cicero vor allem, das „schwierige und dunkle“ („difficilem et obscuram“) Recht klarer und übersichtlicher zu gestalten. Der Lernende sollte das Recht in den vorgegebenen Schemata schneller und effizienter überblicken, erfassen und reproduzieren können156. Der Nutzen der von Cicero angestrebten Systematisierung des Zivilrechts war folglich weniger dogmatischer als funktionaler Art157. Die Systematisierung verfolgte nicht etwa den Selbstzweck abstrakte wissenschaftliche Lehrsätze aufzustellen, sondern sollte die praktische Anwendung des Rechts erleichtern. Dies hatte sicher damit zu tun, dass Ciceros Zielgruppe nicht die Juristen, sondern in erster Linie die Redner waren, denen er den Zugang zum ius civile vereinfachen wollte158.
156 Nach Ciceros Vorstellung sollte das Studium des Rechts durch die angestrebte Systematisierung nicht nur leichter werden, sondern sogar erfreuen, was zumindest in Rednerkreisen bezweifelt wurde; siehe Cicero (De orat. 1, 193): „Accedit vero, quo facilius percipi cognoscique ius civile possit, quod minime plerique arbitrantur, mira quaedam in cognoscendo suavitas et delectatio“. 157 Vgl. auch die interessante Metapher zum System in der Sprache, mit welcher Cicero (De orat. 2, 130) anführte, dass wir uns auch nicht jedes Mal, wenn wir ein Wort schreiben, in Gedanken die Buchstaben dieses Wortes zusammensuchen: „Neque enim quotiens verbum aliquod est scribendum nobis, totiens eius verbi litterae sunt cogitatione conquirendae; nec quotiens causa dicenda est, totiens ad eius causae seposita argumenta revolvi nos oportet, sed habere certos locos, qui, ut litterae ad verbum scribendum, sic illi ad causam explicandam statim occurrant“. Zu einem vergleichbar funktionalen Systemverständnis siehe auch Cuena Boy (Sistema, S. 31), nach welchem das System nicht „imprescindible para el derecho“ ist, „sino útil, a lo sumo, para un mejor conocimiento de éste: su función es por tanto instrumental“. Das System habe mithin nur eine dienende (Ordnungs-)Funktion zur besseren Rechtserkenntnis. Zum Systemgedanken in der Sprache siehe auch Trier (Der deutsche Wortschatz, S. 4 ff.). Dass Cicero überwiegend für Praktiker schrieb, zeigen zudem seine Topica. Dieses Werk, welches er kurz vor seinem Tod für den befreundeten Juristen C. Trebatius Testa schrieb, ist anders als das gleichnamige Werk des Aristoteles keine philosophische Abhandlung, sondern ein für die Praxis geschriebenes Handbuch der Argumentation mit festem Topoikatalog; dazu Viehweg (Topik, S. 29). 158 Siehe etwa Cicero (De orat. 1,197): „. . . eis, qui perfecti oratores esse vellent, iuris civilis esse cognitionem necessariam“. Zu dem Ergebnis, dass sich Ciceros Programm an das Idealbild eines Redners, an den „perfectus orator“, richtete, für welchen die cognitio iuris unerlässlich war, kommt u. a. Bona (SDHI 46 (1980), S. 381 f.). Diese (nicht die peritia iuris) wollte Cicero mit seinem Programm erleichtern. Vgl. auch Baldus/Miglietta (Rivista di dir. rom. 6 (2006), S. 5) und Baldus (in Leible/Lehmann/ Zech, Unkörperliche Güter im ZivilR, S. 20). Nach Cicero (De orat. 2,146) bestand die wahre Methode des Redners nämlich darin, das Rüstzeug allgemeiner und grundsätzlicher Aspekte („instrumentum causarum et generum universorum“) stets auf das Forum mitzubringen, um so zu vermeiden, dass man für jeden neuen Fall die Quellen, aus denen man seine Argumente zog, aufs Neue durchforsten musste („neque, ut quaeque res
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Die römischen Juristen jedenfalls schwiegen zu diesem Postulat von Cicero, und so geriet sein Anliegen bald in Vergessenheit159. Die Gründe für das Scheitern seines Plans vom „ius in artem redigere“ sind umstritten160. Dass es letztlich nie zur Umsetzung kam, könnte mit einigen im Folgenden anzusprechenden Besonderheiten161 des römischen Rechts zusammenhängen, aus denen sich gewisse Spannungsverhältnisse zur Systemidee ergeben: a) Spannungsverhältnis zwischen Kasuistik und System Wie bereits angesprochen, war das römische Fallrecht im Wesentlichen Juristenrecht, welches von den iuris periti genannten Juristen fortgebildet und stets verbessert wurde162. Auf der Suche nach der gerechtesten Falllösung orientierte sich der römische Jurist dabei idealerweise „am Problem selbst, am Vergleich mit anderen entspre-
delata ad nos erit, tum denique scrutari locos, ex quibus argumenta eruamus“). Seiner Ansicht nach (De orat. 2,147), bestand die ganze Kunst einer Wissenschaft letztlich darin, die Gefilde zu kennen, in denen man sich bewegte („nosse regiones, intra quas venere et pervestiges, quod quaeras . . .“). Gerade die systematische Aufarbeitung des Rechtsstoffes sollte es den Rednern – vielleicht in Anknüpfung an die bereits bestehenden Systematisierungen nach der rhetorischen status-Lehre (siehe dazu Ueding/Steinbrink, Grundriß der Rhetorik, S. 31) – ermöglichen, die einschlägigen Rechtsnormen leichter aufzufinden und besser zu verstehen. Zu den Beziehungen zwischen Rhetorikunterricht und praktischer Rechtsanwendung am Beispiel des Deklamationswesens siehe insbes. die Monographien von Wycisk (Quidquid in foro fieri potest) und Langer (Declamatio Romanorum). 159 Die Quellenlage indiziert, dass es in der Literatur offenbar keine Resonanz fand. 160 Behrends (Wissenschaftslehre, S. 270) nimmt z. B. an, dass das gewaltige Werk des Servius, welchen er als geistigen Weggefährten Ciceros für den eigentlichen Begründer der neuen klassischen Privatrechtsprudenz hält (siehe Behrends in Dilcher/ Horn, Röm. PrivatRordnung, S. 17, S. 24), die Absicht des ciceronianischen Programms bereits überholt hatte. Nach Schulz (Geschichte, S. 84) erklärt sich das Scheitern des Plans vom ius in artem redigere u. a. damit, dass Cicero ein geschlossenes System mit elementaren Distinktionen, Definitionen und Prinzipien anstrebte, wohingegen die iuris consulti seiner Zeit gerade das Gegenteil wollten, nämlich ein „offenes System“ mit systematischer Forschung, welche die Fülle des Einzelnen dialektisch durchdringen konnte. Nach Wieacker (RRG I, S. 639) wiederum hätte der Sieg einer systematischen Lehrbuchwissenschaft der öffentlichen Stellung, den praktischen Aufgaben und der Konzentration der Juristen auf die konkrete quaestio iuris widersprochen und die spätere Blüte einer so eminent praktischen Rechtskunst wie der hochklassischen schon im Keim geschädigt. 161 Der folgende Katalog erhebt natürlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Es sollen lediglich einige wichtige Spannungsverhältnisse gegenüber der Idee vom System im römischen Recht herausgearbeitet und kurz problematisiert werden. 162 Dies ergibt sich zumindest aus D.1.2.2.13 (Pomp. lib. sing. ench.): „. . . quod constare non potest ius, nisi sit aliquis iuris peritus, per quem possit cottidie in melius produci“. Zum „carattere creativo dell’interpretazione giurisprudenziale“ siehe Vacca (La giurisprudenza, S. 57 ff. und 86 f.).
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chenden, schon feststehenden Lösungen, an den Ergebnissen von – abgelehnten – Lösungsalternativen sowie am consensus der Autoritäten“ 163. Dieser problemorientierte Charakter des römischen Rechts zeigt sich deutlich in der engen Verbindung zur ständigen Praxis, aus der sich die Kasuistik speiste164. Da somit stets die Rechtsfortbildung anhand des Einzelfalls im Vordergrund stand165, waren die römischen Juristen hinsichtlich juristischer Begriffsbestimmungen eher zurückhaltend166. b) Spannungsverhältnis zwischen ius controversum und System Der Begriff ius controversum167 bezeichnet das „streitige Recht“ 168 der Römer und hat mit der eigentümlichen Entwicklung des römischen Rechts als einer von Fachjuristen geprägten Rechtskultur zu tun.
163 Siehe Nörr (Rechtskritik, S. 121). Nach Schmidlin (Rechtsregel und Rechtsfall, S. 314) erschöpft sich die Arbeit der römischen Juristen eben nicht allein im logischen Kalkül einer Subsumtion, „sondern erfordert [. . .] eine ständige Konfrontation des im Gesetz oder im Rechtsinstitut enthaltenen Normzwecks mit dem bereits ausgeformten Fallrecht. In dieser Konfrontation schwingt eine Fülle von Rechtsregeln, Rechtsprinzipien, Standards, Leitsätzen und in Leitfällen abgelagerte Rechtserfahrung mit, die das Gesetz oder das Rechtsinstitut rückinformieren und seine sinngemäße Anwendung lenken“. 164 Vgl. etwa Bretone (Storia, S. 300): „Fra la casistica e la prassi corre un filo ora visibile ora segreto, ma sempre delicatissimo, perché la riflessione giuridica, se si nutre della prassi, la supera riducendola alle sue strutture formali“. Diese Alltagsnähe zeigt sich vor allem auch in der kasuistischen Literatur der Klassik. Nach Schulz (Prinzipien, S. 35) erschöpfen sich die Darstellungen der Klassiker im bloßen Aneinanderreihen von Fällen, in denen die Rechtsregel zum Ausdruck kommt, ohne jedoch ein theoretisches Fazit zu ziehen. Nach Ansicht von Sallmann (HLL 4, S. 100) wurde die kasuistische Form in den Werken bedeutender Juristen wie Julian, Papinian, Afrikan, Marcellus oder Scaevola bevorzugt, weil sie große Variationsmöglichkeiten bot und insgesamt die freieste Form war, juristische Leistungen Literatur werden zu lassen. 165 Schulz (Geschichte, S. 85) beschrieb das Verhältnis der römischen Juristen zur Kasuistik mit folgenden Worten: „Sie stehen den Dingen zu nahe, leben und handeln mitten im römischen Staats- und Rechtsleben und kommen daher gar nicht dazu, ihre eigenen Rechtseinrichtungen als Gegenstand rein theoretischen Interesses zu behandeln . . .“. 166 Siehe etwa die Aufzählung von fehlenden (technischen) Ausdrücken und Definitionen bei Schulz (Prinzipien, S. 30 f.). 167 Giaro (Röm. Rechtswahrheiten, S. 215) betont, dass der Begriff ius controversum zwar von Cicero, Quintilian und Aulus Gellius gebraucht wurde, aber nicht zum Wortschatz der römischen Juristen gehörte. Zum Verhältnis zwischen ius controversum und kasuistischem Rechtsdenken der Römer siehe Vacca (in Marotta/Stolfi, Ius controversum, S. 61 ff.). Speziell zum ius controversum bei Gaius siehe Brutti (AUPA 55 (2012), S. 96 ff.). Zum ius controversum allgemein siehe u. a. Paricio (SCDR 22 (2009), S. 543–553) und Cantarone (Scritti Franciosi 1, S. 405–463). 168 Brutti (AUPA 55 (2012), S. 77) spricht auch von der „dialettica delle opinioni“.
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Nach Bretone169 entsteht ius controversum „when a legal question receives more than one answer from the experts, and it gives rise to different, objectively relevant, points of view within the system“. Wie wir aus den Quellen wissen, kam es nicht selten vor, dass ein Jurist eine andere Meinung als ein Kollege oder etwa die Anhänger einer bestimmten „Schule“ 170 vertrat. Wollte er seiner abweichenden Ansicht zur Durchsetzung verhelfen, musste er sie von den übrigen abgrenzen und überzeugend begründen. Denn im Interesse der Rechtssicherheit wichen die römischen Juristen in der Regel nicht ohne gute Gründe von der Rechtsmeinung eines Vorgängers ab171. Die Meinungsverschiedenheit musste zudem prinzipieller Art sein172. Kam es etwa aufgrund sich wandelnder gesellschaftlicher Verhältnisse zu neuen Interessen- und Schutzgesichtspunkten und entfachte sich hieran ein Meinungsstreit um die beste Lösung, konnte ius receptum jederzeit zu ius controversum werden173. Im Rahmen des ius controversum stand das römische Recht somit über Juristengenerationen hinweg zur Diskussion. Als ,Motor‘ des römischen Rechtslebens beflügelte das in der fachlichen Auseinandersetzung entstehende ius controversum die juristische Diskussion und Argumentation unter den Juristen. Es stand insofern in enger Verbindung zur bereits beschriebenen kasuistischen Methode der Rechtsentwicklung174. c) Spannungsverhältnis zwischen Topik175 und System Als Zweig der Rhetorik kann die Topik (von griechisch „ tüpoò“, der Ort, Gemeinplatz) – verstanden als Gemeinplatz des Denkens – dem Auffinden (in169
Bretone (Ius controversum, Abstract, S. 1). Zum berühmten Schulenstreit der Sabinianer und Prokulianer siehe etwa Schulz (Geschichte, S. 141 ff.). 171 Vgl. Hausmaninger/Selb (Röm. PrivatR, S. 74). 172 Vgl. dazu Bretone (Ius controversum, Abstract, S. 1): „A temporary divergence of opinions is not sufficient to produce a ius controversum; there must be a conflict of doctrines and tendencies, which is of consequence on a practical level. Its outcome, in any positive development, would be the prevalence of one doctrine, or tendency, over another, or at least a systematic conciliation between the two . . .“. 173 Vgl. Brutti (AUPA 55 (2012), S. 77); Bassanelli Sommariva (Lezioni I, S. 260): „La dialettica fra i giuristi contemporanei, ma molto spesso anche con opinioni espresse nelle opere di giuristi precedenti, era dunque un modo per adeguare continuamente le soluzioni giuridiche alle esigenze sociali: un modo di crescita ed evoluzione del diritto vigente“. 174 Siehe hierzu Talamanca (in Vacca, Diritto romano, tradizione romanistica, S. 360): „Al ius controversum [. . .] era d’altronde coessenzialmente connessa la metodologia casistica, perché in un tale sistema non esistono le norme astratte e generali tipiche di un sistema chiuso, ma i modelli di comportamento, cui inersice tuttavia il carattere dell’astrattezza, sono rappresentanti dalle decisioni sui singoli casi concreti“. 170
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ventio176) juristischer Argumente dienen. Als „tÝxnh des Problemdenkens“ orientiert sie sich an anerkannten Leitgedanken und bestimmten allgemeingültigen Prinzipien177. Bekanntermaßen wurde auch das römische Recht als ein geistiges Gebäude auf bestimmten „Grundprinzipien“ 178 (z. B. bona fides, aequitas oder boni mores) er-
175 Was man unter den Begriff des „tüpoò“ („locus communis“) fasst, ist Definitionssache; vgl. etwa die Auflistung bei Horak (Rationes decidendi, S. 55 f.). 176 Zum Auffinden des Stoffes (inventio) als Produktionsstadium der Rede siehe Ueding/Steinbrink (Grundriß der Rhetorik, S. 214 f.). 177 Vgl. Viehweg (Topik, insbes. S. 46–61), nach dessen Ansicht sie der ,Denkstil‘ der römischen Juristen war. Dazu kritisch Otte (in Lieberwirth/Lück, Akten des 36. dt. Rechtshistorikertages, S. 427–438) und Horak (Rationes decidendi, S. 45–64). Ablehnend auch Bund (IURA 21 (1970), S. 202 f.). 178 Nach der abgrenzenden Definition von Vincenti (Categorie, S. 207) sind Prinzipien „massime normative di portata tendenzialmente generale che, a differenza delle categorie, non costringono, ma orientano; e possono orientare anche verso direzioni tra loro opposte, a seconda del punto di vista in cui ha scelto di collocarsi il decisore“. Prinzipien werden hier in diesem Sinne als eine flexibel handhabbare Orientierungshilfe verstanden, da sie sich im Gegensatz zu Kategorien, welche starr und scharf voneinander abgegrenzt sind, durch ihre Offenheit und wechselseitige Bedingtheit auszeichnen. Siehe zur Wirkungsweise von Prinzipien Höpfner (Systemkonforme Auslegung, S. 97 ff.). Nach dem Modell von Behrends (in Avenarius/Meyer-Pritzl/Möller, Institut und Prinzip, S. 16 ff.), welchem die Unterscheidung von prinzipiellem und institutionellem Denken zugrunde liegt, stellt das juristische Prinzip den Widerpart des rechtlichen Instituts dar. Während das Institut nach seiner These Rechte unter präzise formulierten juristischen Bedingungen zuweist, nimmt das Prinzip die Rechte „mit einer gewissen notwendigen Unbestimmtheit“ in die Pflicht. In der klassischen römischen Jurisprudenz sei das Denken in Instituten, „in präzis gefaßten juristischen Kunstgebilden, die über Rechte und Pflichten genau Auskunft gaben“, vorherrschend gewesen (S. 19). Behrends sieht diesen Gegenpart im Schulengegensatz der Sabinianer und Prokulianer verkörpert, welchen er auf zwei „grundverschiedene rechtliche Kulturanthropologien“ (in Avenarius/Meyer-Pritzl/Möller, Institut und Prinzip, S. 39) zurückführen will. Während die Prokulianer, welche der skeptischen Akademie gefolgt seien, das institutionelle Denken verkörperten, glaubten die von der stoischen Sozialphilosophie geprägten Sabinianer „die Aufgabe der Jurisprudenz jedenfalls für das Verkehrsrecht besser zu erfüllen, wenn sie zugleich den Gesichtspunkt, daß menschliche Beziehungen nach einem prinzipiellen Maßstab pflichtenhaltig werden können, zur Geltung brächten“ (S. 38). Nach Behrends’ Vorstellung (in Avenarius/Meyer-Pritzl/Möller, Institut und Prinzip, S. 27) zeigt sich noch heute im deutschen Schuldrecht „eine prokulianische oder klassisch institutionelle Kodifikation und eine sabinianische Privatrechtsjurisprudenz, die das Gesetz überarbeitet“. Eine klare Darstellung des Forschungsansatzes von Behrends findet sich bei Avenarius (Der pseudo-ulpianische liber singularis, S. 87 ff.) und Möller (Die Servituten, S. 14 ff.). Kritisch gegenüber seinem Werk „Institut und Prinzip“ jetzt Harke (RabelsZ 72 (2008), S. 226 ff.), welcher Behrends u. a. vorwirft, dass dieser die sachliche Differenz von System und Wertung durchweg personengebunden beurteilt. Zu Recht stellt Harke (RabelsZ 72 (2008), S. 228) fest, dass sich weder die römischen noch die späteren Gelehrten auf eine der beiden philosophischen Haltungen reduzieren lassen und es zudem widersprüchlich ist, den Schulengegensatz einerseits mit Celsus und Julian als beendet anzusehen, andererseits aber aus den Schriften späterer Juristen das Fortwirken desselben weiterhin belegen zu wollen.
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richtet179. Diese oft stichwortartigen Topoi oder favores konnten die juristische Argumentation als Maximen im Einzelfall leiten180 und als kritisches Auslegungs- und Fortbildungskriterium des ius strictum dienen. Mit der Topik hat das römische Rechtsdenken insofern gemeinsam, dass es vom Einzelfall ausgeht und sich zunächst innerhalb kleinster Systemzusammenhänge bewegt181. d) Spannungsverhältnis zwischen regulae iuris und System Unter den regulae iuris versteht man wörtlich die „Regeln des Rechts“ 182, welche sich mit der Zeit aus der Erfahrung der römischen Juristen herauskristallisiert haben183. Als Beispiel seien hier nur einige der bekanntesten angeführt: etwa „nemo pro parte testatus, pro parte intestatus decedere potest“, „superficies solo cedit“, „ex nudo pacto actio non nascitur“ oder „alteri nemo stipulari potest“ 184. Sie verleihen der römischen Kasuistik „Profil und Relief und bilden gleichsam Haltepunkte der kasuistischen Argumentation, die doch im Fluß der Entwicklung immer wieder versetzt werden können“ 185. Da sie dem inneren Ordnungsbedürfnis des römischen Rechts die passende Form geben und sich sowohl für prakti-
179 Bund (Studi Volterra I, S. 586) bestreitet zwar zu Recht die Existenz von festen Topoikatalogen für das römische Recht, geht aber von einem über Generationen überlieferten Formenschatz von Begründungen aus. 180 Dazu Giaro (Röm. Rechtswahrheiten, S. 204). 181 Bund (Studi Volterra I, S. 586). Zum Gegensatz von Problem- und Systemdenken siehe Viehweg (Topik, S. 32 ff.). Gegen diesen idealtypisch gezeichneten gegensätzlichen Charakter von Systemdenken und topischem Denken siehe vor allem Otte (in Lieberwirth/Lück, Akten des 36. dt. Rechtshistorikertages, S. 427–438) und Ueding/Steinbrink (Grundriß der Rhetorik, S. 187). 182 Zum Vorurteil, die römischen Juristen hätten den Begriff regula wie der moderne Jurist den Ausdruck „Regel“ verwendet, siehe Nörr (SZ 89 (1972), S. 30 f.). Wie der Autor darlegt, verstanden die römischen Juristen unter dem wissenschaftlichen Terminus regula – neben der aus dem Standard gewonnenen Einzelregel – entsprechend dem griechischen kanþn auch das Instrument der Erkenntnis (Erkenntniskriterium) sowie den dadurch gewonnenen Maßstab (Standard). 183 Schmidlin (Rechtsregel und Rechtsfall, S. 325) unterscheidet für das römische Recht u. a. drei verschiedene Arten von regulae, welche die drei methodischen Hauptströmungen der römischen Jurisprudenz widerspiegeln sollen: 1) die zwingenden regulae iuris aus den Spruchformeln der veteres, 2) die begrifflichen regulae der dialektisch aufgebauten hellenistischen Wissenschaft und 3) die inventiven regulae des aktionenrechtlichen Fallrechts als neuer heuristischer Regeltyp. 184 Wie Krampe (SZ 100 (1983), S. 227) feststellt, gehört auch die ambiguitas-Regel, welche von Fall zu Fall angewendet wurde, als „kasuistischer Regeltyp“ zu den regulae iuris. Zu einer von Scaevola zitierten regula iuris in didaktischem Kontext siehe § 7 III. 3. b) und c) aa) a. E. sowie § 9 III. 1. f) und IV. 185 So Schmidlin (Rechtsregel und Rechtsfall, S. 326).
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1. Kap.: Einführung und Hintergründe
sche als auch für didaktische Zwecke eignen, sind sie geradezu typisch für eine kasuistische Rechtsordnung wie die römische. Nach Crifò186 sind sie „il condensato . . . di una certa verità giuridica, di una opinione condivisa che diventa normale criterio di orientamento del quale è agevole servirsi“. In einer Rechtsordnung wie der römischen, in der gesetzliche Vorschriften weitgehend fehlten, kam den regulae iuris daher Maßstabswirkung zu187. Nörr188 stellt die Hypothese auf, dass die Kasuistik, wenn sie nicht nur intuitiv vorgehen will, der Regeln bedarf, um überhaupt Fixierungspunkte zu schaffen. Aufbauend auf dieser Hypothese will er in den erfolgreichen Bemühungen der hochklassischen Juristen um Einschränkung mancher regulae sogar ein Indiz für eine höhere Entwicklung des inneren Systems des römischen Rechts sehen. Die regulae iuris wurden von den römischen Juristen jedoch lediglich als – ohne systematische Ordnung nebeneinander bestehende – Orientierungshilfen verstanden und nicht als abstrakte Normen. Wie Schmidlin189 ausführt, entstand die römische regula iuris nicht aufgrund einer systematisierenden, begrifflichen Abstraktion, sondern wuchs im Prozess des Zusammenschließens, Ausscheidens, Vereinfachens oder Verkürzens konkreter Fallelemente heran. Da die regulae anhand konkreter Fälle entstanden, sollten sie diesen auch in Zukunft wieder dienen. So erklärt sich, dass das ius nach römischem Verständnis bereits vor der regula bestand. Da die regulae iuris insofern nur Mittel der Rechtsfindung waren190, musste der römische Jurist ihnen im Einzelfall nicht zwingend folgen191. 5. Zum inneren System Die angeführten Beispiele haben aufgezeigt, auf welch verschiedene Formen von Spannungsverhältnissen die Systemidee im römischen Denken stoßen muss186
Crifò (Lezioni di storia, S. 382). Vgl. Böhr (Verbot der eigenmächtigen Besitzumwandlung, S. 50) und Wacke (OIR 5 (1999), S. 180), welcher vom „Richtungsweisende[n] und darum Verbindliche[n], an das man sich hält“, spricht. 188 Nörr (SZ 89 (1972), S. 72). 189 Schmidlin (Rechtsregel und Rechtsfall, S. 324). 190 Man denke nur an den viel zitierten Ausspruch des Paulus in D.50.17.1 (Paul. 16. ad Plaut.): „Regula est, quae rem quae est breviter enarrat. non ex regula ius sumatur, sed ex iure quod est regula fiat“. Siehe dazu vor allem Böhr (Verbot der eigenmächtigen Besitzumwandlung, S. 17 ff.). 191 Nach Kaser (Röm. Rechtsquellen, S. 148) lag die Begrenzung der Juristenregeln in der Hand der Juristen, womit sich auch erklärt, dass die Regeln von vornherein unvollständig sein konnten und Ausnahmen zuließen. Nach unserem Quellenstand blieb die Zahl der regulae im römischen Recht insgesamt eher bescheiden. 187
§ 2 Ein inneres System im römischen Recht?
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te. Mögliche Ansätze eines inneren Systems im römischen Recht lassen sich daher nur schwer ausmachen192. Es stellt sich insbesondere die historisch interessante Frage, wie wir uns dieses innere System vorzustellen haben – als (ontologische) Rechtsquelle, aus der die römischen Juristen im Einzelfall neues Recht schöpften oder etwa als eine Art dialogisch begründetes System aus Erfahrungen, welches die römischen Juristen wie eine „griglia“ 193 in ihrem Unterbewusstsein mit sich trugen und ihren Entscheidungen zugrunde legten194. a) Bestimmung eines inneren Systems im römischen Recht Eine Bestimmung dessen, was inneres System im römischen Recht bedeuten kann, erschließt sich gerade nicht auf den ersten Blick195. Um das römische Recht aber in allen seinen Facetten erfassen zu können, wird man einen breiten Systembegriff 196 anlegen müssen197. Im weitesten Sinne kann man sich dabei am Systembegriff von Immanuel Kant orientieren, wonach das System als „ein nach Prinzipien geordnetes Ganzes der Erkenntnis“ 198 verstanden wird199. Im Unterschied etwa zum äußeren System, 192 Denn gerade das innere System einer Rechtsordnung ist oft nicht in allen seinen Teilen greifbar, sondern muss durch wissenschaftliche Erkenntnis in unser Bewusstsein gehoben werden; vgl. Engisch (Sinn und Tragweite, S. 103). 193 Vgl. Lantella (Il lavoro sistematico, S. 15): „. . . un insieme di parole vien considerato come una griglia che istituisce una tipologia dell’esperienza: il lessico giuridico è dunque una sistematica dell’esperienza giuridica, così come il lessico complessivo di una lingua è una sistematica del mondo“. 194 Nach Giaro (OIR 11 (2006), S. 38) „konstruierte die römische Rechtsdogmatik eine bestimmte Ontologie juristischer Gebilde, die den logischen Denkgesetzen zufolge in ein System organisiert wurden“. Siehe zur umstrittenen Frage nach der Ontologie des römischen Rechts allgemein bereits Fn. 3. 195 Nicht selten bleibt unklar, was einzelne Autoren, die vom „System“ im römischen Recht sprechen, überhaupt darunter verstehen wollen. In der italienischsprachigen Literatur taucht gelegentlich – entgegen dem idealtypisch gezeichneten Gegensatz von Problem- und Systemdenken – die Begriffskombination „sistema casistico“ auf. Die anhaltende Unklarheit hinsichtlich des Systembegriffs beschreibt Cuena Boy (El sistema, S. 20, S. 31) zutreffend: „en la actualidad todavía no se ha alcanzado una definición suficientemente precisa y, lo que es mas importante, suficientemente compartida de lo que debe entenderse por sistema jurídico . . .“. 196 Der Begriff des inneren Systems im römischen Recht soll hier lediglich in seinem Begriffskern umrissen werden. Die Verifizierung wird in den folgenden Paragraphen anhand der einzelnen Quellenexegesen erfolgen. 197 Zur Vielschichtigkeit des juristischen Systems siehe etwa Cuena Boy (El sistema, S. 19): „. . . el sistema jurídico no puede ser un sistema sólo de normas o sólo de valores, no puede ser un sistema de un único aspecto o elemento de la realidad jurídica, sino de toda ella, pues el derecho es valor y es norma, es conceptos y principios, pero también es fuerza, decisión, poder, previsión, organización, interés, etc.“. 198 Kant (Metaphys. Anfangsgründe der Naturwissenschaft, Vorrede, S. IV).
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1. Kap.: Einführung und Hintergründe
welches primär Darstellungszwecke verfolgt, dient das innere System demnach vor allem (dogmatischen) Erkenntniszwecken. Wieacker definierte das innere System auch als den Inbegriff der gedanklichen Operationen, mit denen die römischen Juristen die Kohärenz der einzelnen Elemente ihres Wissensbereichs (d. h. ihre Entscheidungen und Entscheidungsregeln) sicherten und diesen zu einem fortschreitend konsistenten Erkenntniszusammenhang ausbauten200. Nach Wieacker ergaben sich daraus im Wesentlichen drei Funktionen eines inneren Systems im römischen Recht: – die Bestimmung der inneren Struktur des Rechts und die in ihm vorhandenen Kombinations- und Vernetzungsmöglichkeiten der juristischen Figuren. – die Sicherung der „Kohärenz“ der Lösungen einzelner Fälle, indem sich diese weder logisch noch wertungsmäßig widersprechen. – die Förderung eines „fortschreitend konvergierenden Erkenntniszusammenhang[s]“, indem der Jurist jedem einzelnen neuen Fall durch systemimmanente Wertungen und logische Schlüsse seinen bestimmten Platz innerhalb der Rechtsordnung zuweist201. In Bezug auf die kasuistische Mentalität und das empirische Rechtsverständnis der Römer kann man für das klassische römische Recht202 am ehesten von einem problemorientiert-offenen System sprechen203, das sich als innere Ordnung der
199 So auch Wieacker (SCDR 3 (1991), S. 11 und RRG II, S. 51), der sich zudem auf die Kant’sche Formel der „geistigen Ordnung aller Gegenstände eines Erkenntnisbereichs unter dem Gesichtspunkt einer leitenden Idee“ stützte. 200 Siehe Wieacker (RRG II, S. 51 und in Buccellato, Sistematica giuridica, S. 73 f.). Vgl. die Abgrenzung zwischen der „organizzazione esterna“ und der „organizzazione intrinseca“ des juristischen Systems bei La Pira (BIDR 44 (1936/37), S. 132). Erstere bestehe „nell’ampia membratura delle sue divisioni, partizioni etc.“, letztere dagegen „nel rigoroso concatenamento interno dei principi che dà al sistema una perfetta coerenza interiore e che, nonostante la sua ampiezza, gli conferisce il sigillo più prezioso della scienza: quello dell’unità“. 201 Franz Wieacker (SCDR 3 (1991), S. 11 f.) definiert „System“ zudem unter den drei Voraussetzungen, dass es 1. alle Elemente seiner Klasse aufnehmen kann, 2. allen systemfremden Phänomenen gegenüber geschlossen ist und 3. im Inneren kohärent und konsistent ist. Schulz (Prinzipien, S. 36) sprach dagegen von einem System, „bei dem bestimmte Grundbegriffe und Grundeinteilungen dem einzelnen seinen Platz zuweisen“. 202 Mit Recht betont Crifò (Lezioni di storia, S. 401), dass man von einem „sistema aperto“ nur in Bezug auf die klassische römische Jurisprudenz sprechen kann, denn „la tarda età imperiale avvia infatti man mano verso l’unitarietà della produzione normativa e, in questo senso, verso una chiusura del sistema“. 203 Für ein „sistema scientifico aperto“ im römischen Recht spricht sich auch Vacca (in Storti, Ragionamento analogico, S. 71) aus. Dieses stellt sie als „sistema giurisprudenziale ,aperto‘“ dem „sistema codificato ,chiuso‘“ gegenüber (S. 74). Giaro (SZ 105
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Rechtsgedanken parallel zur Rechtsfindung entwickelte und mit dieser ständig fortentwickelte204. Für die römischen Juristen konnte ein abgeschlossenes inneres System schon aufgrund der Offenheit der römischen Rechtsordnung und deren innerem Motor, dem ius controversum, wodurch es ständig im Fluss war, nur schwerlich a priori vorhanden sein. Auch konnte es – jedenfalls bis zu seiner äußeren Kompilation durch Kaiser Justinian – vorerst nicht abgeschlossen sein205. Verstanden als juristische Denkform, welcher eine pragmatisch-empirische Methode zu Grunde lag, ging die römische Systembildung insofern weniger deduktiv206 (von oben nach unten), sondern – mit dem Entstehen des Rechts selbst – gleichsam induktiv (von unten nach oben) vor207. Dieser induktive Prozess führte dazu, dass die Juristen vornehmlich mit eher „horizontal ausgebildeten, untereinander koordinierten Kleinsystemen“ arbeiteten, welche von einem „lose verstandenen, nicht ausdrücklich fixierten Gesamtsystem“ 208 abhingen. (1988), S. 199 f.) differenziert zwischen einem festen Systemkern und offenen Systemrändern als Sitz der problematischen Kasuistik. 204 Hier sei erneut an die anschauliche Metapher von Wieacker (FS-Kaser, S. 27) erinnert, wonach das ius Romanum im Laufe der Zeit wie ein „Korallenriff“ über den Sedimenten des alten Rechts gewachsen sei. 205 Giaro (SZ 105 (1988), S. 195) spricht für das römische Recht insofern vom „nie fertigen System“. Nach Talamanca (in Vacca, Diritto romano, tradizione romanistica I, S. 360) unterscheidet sich das ius controversum als „offenes System“ von einem „geschlossenen“, welches nur noch durch interpretationes controversae gekennzeichnet sei. 206 Dass deduktive Rechtsfindung in Rom ebenso möglich war und häufig vorkam – allerdings als Deduktion von Juristenregeln und nicht von Gesetzen –, betont Harke (in Riesenhuber, Europ. Methodenlehre, S. 13 Rn. 8). Der Autor räumt aber ein (S. 19 Rn. 18), dass die römischen Juristen, um überhaupt zu den Regeln gelangen zu können, von denen sie später deduzierten, zunächst einer rechtsschöpferischen Tätigkeit bedurften, „die auf die Herausbildung neuer oder die Falsifizierung alter Juristenregeln angelegt war“. 207 Entstanden sind Systemansätze in Rom jedenfalls nicht durch die Gliederung eines bereits vorhandenen Ganzen (wie etwa im Fall des C.I.C., bei dessen Entstehung der Kaiser Justinian das gesamte klassische Recht vor sich hatte und es aus der Makrospektive wie auf dem Reißbrett neu ordnen konnte), sondern allenfalls durch die punktuelle Vernetzung einzelner Entscheidungen eines im Entstehen begriffenen Rechts. Vgl. etwa Schiavone (Diritto priv. rom., S. 343 f.): „Il ius, nella lente dei giuristi, era una sorta di cartografia analitica radente rispetto alla realtá sociale: una mappa puntuale e aperta, in continuo accrescimento: una serie definita di enti – che non occoreva connettere esplicitamente fra di loro, in quanto lo erano già a priori nella mente dell’interprete – intorno a cui ruotava una serie potenzialmente infinita di casi“. 208 So Giaro (SZ 105 (1988), S. 196). Auch Harke (Argumenta Iuventiana, S. 48) will eher von „Teilsystemen“ oder „Teileinheiten“ als von einem System als großem Ganzen sprechen. Nach Giaro (S. 192) kommt hinzu, dass die Systemgrenzen nach Qualität (Strenge) und Quantität (Umfang) des vorausgesetzten Idealmodells variieren können, wobei mit dem Umfangszuwachs zwangsläufig auch die Strenge des Systems abnimmt.
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1. Kap.: Einführung und Hintergründe
b) Die Institutiones des Gaius Erste Ansätze zu einem inneren System im römischen Recht lassen sich in der Lehrbuchjurisprudenz erkennen. Das bekannteste Beispiel stellen die um 160 n. Chr. entstandenen Institutiones des Gaius dar. Die berühmte Trichotomie des Rechtsstoffes in personae (1. Buch) – res (2. und 3. Buch) – actiones (4. Buch), auf welche sich das aus vier Büchern bestehende Werk zurückführen lässt, wurde von Kaiser Justinian als sog. „Institutionensystem“ übernommen und später als sog. „gaianisches System“ vielen modernen Zivilrechtskodifikationen zu Grunde gelegt209. Die Institutiones des Gaius werden immer wieder als erstes „systematisches“ Anfängerlehrbuch des römischen Privatrechts angeführt210. Wie Wolff 211 bemerkt, gab es Vorstöße in Richtung einer ersten Systematisierung auch im griechischen Recht etwa von Hippodamos von Milet und Aristoteles. Als Reflexionen von Theoretikern hatten die Zusammenstellungen von dßkai oder sunallÜgmata aber keinen gestaltenden Einfluss auf das Recht212. In der Forschung gilt es heute als sicher, dass die gaianischen Institutionen auf ältere Ursprünge zurückgehen213. Fuhrmann214 nimmt z. B. an, dass einige wich-
209 Vgl. Gai. 1.8: „Omne autem ius, quo utimur, vel ad personas pertinet vel ad res vel ad actiones“. Charakteristisch für das „gaianische System“ ist die Folge des Erbrechts (4. Buch) auf das Sachenrecht (3. Buch), wodurch die Gesamtrechtsnachfolge in die res der Einzelrechtsnachfolge gegenüber gestellt wird. Auf die vom Naturrecht geprägte Historische Schule geht demgegenüber die Verbindung von Erb- und Familienrecht zurück, wie wir sie im Pandektensystem finden. 210 Vgl. Kaser (Röm. PrivatR. I, S. 5); Hausmaninger/Selb (Röm. PrivatR., S. 80); Schulz (Geschichte, S. 191). 211 Wolff (Symposion 4 (1979), S. 12). 212 Siehe insbes. die Gegenüberstellung von freiwilligen (koýsia) und unfreiwilligen (koýsia) menschlichen Beziehungen bei Aristoteles (Nic. Eth. V. ii 13 Rn. 1131 a). Nach Wolff könnte diese vielleicht eine entfernte Anregung zur späteren summa divisio des Gaius (Gai. 3.88) gewesen sein, jedenfalls aber nicht ihr dogmatischer Vorläufer, da die aristotelische Unterteilung ohne juristischen Wert ist. Dazu auch Wolff (FSv. Hippel, S. 697 f.). Zur Frage, ob Gaius der Erfinder dieses systematischen Aufbaus war, eingehend Krüger (Geschichte der Quellen, S. 209 ff.). 213 Avenarius (AUPA 55 (2012), S. 16) nimmt an, dass Gaius sein System des Privatrechts auf der Basis einer Aktualisierung des überlieferten Materials mit besonderer Berücksichtigung der Lehre des Julian zusammenstellte. Am Beispiel von cretio und pro herede gestio will der Autor (S. 17 ff.) Veränderungen im Text der Institutiones belegen, welche Gaius selbst nachträglich vorgenommen haben könnte: „L’idea che l’integrazione sia stata aggiunta da Gaio molto tardi si dimostra dunque corretta, se si guarda al contesto scientifico. Nel reinterpretare le fattispecie Gaio poteva ricorrere a un patrimonio di idee ancora relativamente recente, che non aveva ancora potuto fissarsi nel materiale di insegnamento tradizionale. Gaio, infatti, trae evidentemente le conseguenze di un’innovazione dogmatica ricca di effetti, sostenuta dal suo maestro Giuliano“; siehe Avenarius (AUPA 55 (2012), S. 33 f.). 214 Fuhrmann (Systematisches Lehrbuch, S. 185).
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tige Einteilungen und Schemata des gaianischen Werkes als Versatzstücke aus anderen Disziplinen entlehnt wurden und mehr oder weniger harmonisch in das selbst hervorgebrachte System eingefügt wurden. Es habe somit ein „seit langem tralatizisches Gut“ 215 bestanden216. Als Belege für die Existenz von Vorläufern des Werkes führt Avenarius217 an, dass Gaius die berühmte Trichotomie personae – res – actiones seinem Werk ohne weitere Begründung wie selbstverständlich zugrunde legt und dass die zur Zeit von Gaius längst als Realverträge anerkannten Vertragstypen des depositum, commodatum und pignus in seinem Werk fehlen218. Für seine berühmten summae divisiones bediente sich Gaius vor allem der Klassifikationsbegriffe genus und species219. So unterscheidet er z. B. im Personenrecht (summa divisio de iure personarum) nach Sklaven (servi) und Freien (liberi), von denen er Letztere wiederum in Freigeborene (ingenui) und Freigelassene (libertini) unterteilt. Die libertini spaltet er ihrerseits in drei Subgruppen (genera sunt tria) auf 220. 215
Fuhrmann (Systematisches Lehrbuch, S. 186). Wie Avenarius (AUPA 55 (2012), S. 16) ausführt, wurde das Lehrmaterial über Jahrzehnte tradiert und mehrfach aktualisiert. Der Autor gebraucht insoweit den von Behrends geprägten Begriff der ,inneren Schriftlichkeit‘ für die Überlieferung der Texte innerhalb des geschlossenen Kreises der Rechtsgelehrten. Zur inneren Schriftlichkeit bei den pontifikalen Juristen siehe Behrends (in Avenarius/Meyer-Pritzl/Möller, Institut und Prinzip I, S. 172). 217 Avenarius (Der pseudo-ulpianische liber singularis, S. 97). 218 Avenarius stimmt ferner mit Behrends (Wissenschaftslehre, S. 267, S. 276) darin überein, dass auch er das gaianische Darstellungssystem, welches durch die Tradition der klassisch-prokulianischen Rechtsschule vermittelt wurde, auf Servius zurückführt. Beide Autoren vermuten sogar, dass Gaius einige Werke des Servius aus erster Hand kannte. Nach Guzmán Brito (REHJ 5 (1980) S. 18) ist das Besondere am Werk des Gaius nicht die Systematisierung an sich, welche bereits Juristen vor ihm verfolgt haben, sondern die Art des Systems als ein dialektisches. Gaius sei der erste gewesen, der es verstanden habe, die dialektische Methode, welche zuvor nur zur Problemlösung konkreter Fälle genutzt worden sei, zum Aufbau des Rechts fruchtbar zu machen. Es ist jedoch zu beachten, dass die Institutionen des Gaius nur der älteste uns erhaltene Text mit diesen Merkmalen sind. Eingehend zum Problem der dem Überlieferungszufall geschuldeten, „gaiozentrischen“ Wahrnehmung des Rechts siehe Avenarius (Hermeneutik, S. 97 ff.). 219 Wie jedoch Fuhrmann (Systematisches Lehrbuch, S. 111 f. Fn. 4 und Fn. 5) an zahlreichen Beispielen feststellen konnte, verwendet Gaius die Begriffe genus und species teilweise synonym. Insbesondere die Adjektive generalis, specialis und die Adverbien generaliter, specialiter haben „niemals die Funktion, logische Beziehungen innerhalb des juristischen Begriffsnetzes aufzuhellen“. Fuhrmann (S. 113) kommt deshalb zu dem Ergebnis, dass sich der terminologische Gehalt der Wörter genus und species nach Gaius nicht präzisieren lässt, sondern unklar bleibt. Zur Klassifikation nach Gattungen (argumentum ex genere) bei Scaevola siehe § 6 der vorliegenden Untersuchung. 220 Siehe dazu Gai. 1.8–12. Vgl. auch die Einteilung der res in Gai. 2.2–14 in solche göttlichen (res divini iuris) und menschlichen Rechts (res humani iuris), in körperliche (res corporales) und unkörperliche (res incorporales) Sachen, sowie die sich anschließende Einteilung („Est et alia rerum divisio“) in res mancipi und res nec mancipi (Gai. 216
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1. Kap.: Einführung und Hintergründe
Inwiefern dieser stark gegliederten äußeren Anordnung jedoch ein dogmatisch fruchtbares inneres System zugrunde liegt, ist fraglich221. Denn es zeigen sich z. B. erhebliche Mängel in der Verbindung von Inhalt und äußerer Darstellung222. Oft erfolgt ein abrupter Übergang zwischen den einzelnen Kapiteln und die behandelten Materien wirken teilweise ohne geistige Verbindung eher assoziativ aneinander gereiht223. Hinzu kommt, dass die einzelnen Materien unterschiedlich stark abstrahiert und ausdifferenziert sind224. Meist wird nur ein Ast der vorgenommenen Unterteilung weiter verfolgt, während der andere als „systematische Leerstelle“ außerhalb der Betrachtung bleibt225. 2.14 a ff.). Zur Einteilung der Sachen in corporales und incorporales in der römischen Didaktik siehe jetzt Baldus (in Leible/Lehmann/Zech, Unkörperliche Güter im ZivilR, S. 17 ff.). 221 Behrends (Wissenschaftslehre, S. 268) stellt in diesem Zusammenhang fest, dass die „in der Regel von vordergründigen und zutageliegenden Eigenschaften bestimmten Einteilungen von sehr unterschiedlicher Sachhaltigkeit sind und die Unterscheidungen bisweilen sogar, wie im Falle der Entgegensetzung von res corporales und incorporales, fachlich wertlos sind“. Nach Ansicht von Scherillo (Studi Arangio-Ruiz, S. 465) ist das Institutionensystem – in Abgrenzung zu den Systemkategorien Edikts- und Sabinussystem – dagegen „su basi razionali“ gegründet. Vgl. auch Scherillo (in Guarino/Bove, Gaio nel suo tempo, S. 151 ff.). 222 So war es beispielsweise nach Schulz (Geschichte, S. 192) eine „unglückliche Idee“, das Erbrecht zusammen mit dem Obligationenrecht hinter das Sachenrecht zu stellen und im „ius quod ad res pertinet“ die „heterogensten Dinge“ zu vereinigen. Auffallend ist auch, dass Gaius – wie Coing (Geschichte und Bedeutung des Systemgedankens, S. 35) feststellte – mit der Anknüpfung an Person und Vermögen seine obersten Einteilungsgesichtspunkte teilweise sozialen Gegebenheiten entnahm. 223 Vgl. nur Gai. 1.142: „transeamus nunc ad aliam divisionem“ oder Gai. 3.88: „nunc transeamus ad obligationes“. Weitere Stellen sind z. B. Gai. 1.50 („videamus nunc de his“); Gai. 1.108 („nunc de his personis videamus“); Gai. 1.124 („videamus nunc“). Schulz (Prinzipien, S. 38) spricht insofern von „systematischer Lässigkeit“, welche seiner Ansicht nach daher rührt, dass das Interesse am einzelnen „übermächtig“ ist. Vgl. auch Fuhrmann (Systematisches Lehrbuch, S. 121): „Bisweilen vermisst der Leser Plan und Methode völlig; die Assoziation des Verfassers oder gänzliche Willkür scheinen hier Stoff über Stoff gehäuft zu haben“. 224 So zeigt etwa die Abhandlung des Schuldrechts im Gegensatz zum Aktionenrecht eine ziemlich gut ausgebildete und kontinuierlich eingehaltene Struktur; dazu Fuhrmann (Systematisches Lehrbuch, S. 110). Liebs (HLL 4, S. 195) erklärt die vielen ungefähren Angaben und unfertigen Skizzen mit dem Aufenthaltsort des Schuljuristen fern des Macht- und Rechtssetzungszentrums in Rom. 225 Fuhrmann (Systematisches Lehrbuch, S. 107). Ein Beispiel dafür ist die Unterscheidung zwischen den personae alieni iuris und den personae sui iuris (Gai. 1.48– 49). Nur erstere werden weiter unterteilt, wer zu letzteren gehört, soll sich dann negativ daraus ergeben (Gai. 1.50). Eine solche „systematische Leerstelle“ verneint Falcone (AUPA 55 (2012), S. 159 f.) hingegen für die gaiansiche Unterteilung der res nach Sachen „in nostro patrimonio“ und Sachen „extra nostrum patrimonium“ in Gai. 2.1. Auch wenn diese einleitende Unterteilung keinen klassifikatorischen Wert für die weitere Entwicklung der unmittelbar folgenden §§ mit der Einteilung der Sachen in res divini/humani iuris habe, kündige sie „a mo’ di cornice introduttiva dell’intera trattazione de rebus“ an, „che quest’ultima avrà come punto di riferimento il fenomeno della circolazione delle res [. . .], le quali, in un determinato momento e in forza di una con-
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Aufgrund der genannten Mängel konnten die Institutiones des Gaius trotz ihrer systematischen Anordnung des Rechtsstoffes nicht zu einem begriffsproduktiven inneren System gelangen. Wahrscheinlich war dies aber auch gar nicht beabsichtigt. Denn die gaianische Darstellung verfolgt in erster Linie didaktische226, weniger anwendungsorientierte, Interessen227. Es handelt sich mithin um eine Stoffsammlung von stark eisagogischem Gepräge228, über die das Werk letztendlich nicht hinaus gelangte229. Oder um es mit den Worten von Crifò zu sagen: „Si tratta [. . .] di un sistema ,aperto‘ [. . .], il quale si sviluppa secondo una logica del concreto, condotta sulla scorta di esigenze di ragionevolezza, di argomentazioni topiche, di profili ermeneutici, del resto scoperti anche nelle valutazioni attuali del pensiero giuridico. E tutto ciò è anche alla base del generale lavoro giurisprudenziale, tra l’altro anche nella costruzione di nuove categorie“ 230. Wie sich diese Systemaspekte „alla base del generale lavoro giurisprudenziale“ im Fall des Juristen Scaevola darstellen, wird Untersuchungsgegenstand der folgenden Exegesen sein.
creta vicenda, o ,sono presenti nel nostro patrimonium‘ o ,si trovano fuori dal nostro patrimonium‘“. 226 Wie Baldus (AUPA 55 (2012), S. 47) betont, wäre es aber verfehlt, die anderen Juristen als „Praktiker“ und Gaius schlicht als „Didaktiker“ zu bezeichnen, denn auch Gaius beteiligte sich am ius controversum seiner Zeit. 227 Der Stoff sollte nach Vorbildern aus der griechischen Philosophie und Grammatik für den Unterricht aufbereitet und durch seine Gliederung „lehrbar“ gemacht werden; vgl. Schulz (Geschichte, S. 193), welcher den „Vorlesungsstil“ des Werkes betont. Die Institutiones des Gaius stehen somit im Zentrum des im 2. Jh. n. Chr. zunehmenden Bedürfnisses nach didaktischer Literatur; vgl. Baldus (in Leible/Lehmann/Zech, Unkörperliche Güter im ZivilR, S. 20). Zur didaktischen Form des Werkes siehe Quadrato (Le Institutiones, S. 1 ff.). 228 Kaser (Röm. PrivatR. I, S. 188); Coing (Geschichte und Bedeutung des Systemgedankens, S. 35). Casavola (in Guarino/Bove, Gaio nel suo tempo, S. 3) betont, dass die Lehre des Rechts zur Zeit des Gaius in gut strukturierten Elementarkursen organisiert war, wo die Studenten „i rudimenti, quasi una grammatica, del diritto“ erlernten. Dem didaktischen Charakter tragen nicht zuletzt die vielen adhortativen Formen wie videamus (Gai. 1.8, 124, 142 und Gai. 2.1) oder dispiciamus (Gai. 1.12, 51, 125, 143 und Gai. 2.86) Rechnung. 229 Nach dem von Liebs aufgestellten Vergleich zwischen Gaius und Pomponius erreichte jener nicht einmal das „bescheidene Niveau“ von diesem: „In allen seinen Schriften war er in erster Linie bestrebt, in leicht fasslicher Form Ergebnisse mitzuteilen, wobei er im wesentlichen Erlerntes reproduzierte“; siehe Liebs (in Guarino/Bove, Gaio nel suo tempo, S. 73). Nicht umsonst wird Gaius von den Späteren nicht zitiert. Nach Kaser (in Guarino/Bove, Gaio nel suo tempo, S. 49) richtet sich dieses Schweigen gerade gegen die Methode des Gaius, nicht gegen seine Person oder soziale Stellung. Wie Liebs (in Guarino/Bove, Gaio nel suo tempo, S. 62) annimmt, war Gaius nicht der einzige Jurist in Rom, dem die Anerkennung bei den maßgeblichen Fachgenossen versagt war. 230 Crifò (Lezioni di storia, S. 406).
§ 3 Leben und Werk des Quintus Cervidius Scaevola I. Lebensdaten Quintus Cervidus Scaevola231 war ein hochangesehener232 Jurist, der in der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts n. Chr. in Rom lehrte und respondierte233. Seine Herkunft war lange Zeit umstritten und ist bis heute nicht sicher geklärt234. Wie zuletzt von Spina235 festgestellt, ist eine eindeutige Zuordnung aufgrund des uns überlieferten Materials nicht möglich. Die Autorin kommt zu dem Ergebnis, dass die uns zur Verfügung stehenden Daten mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit den Schluss zulassen, dass Scaevola aus der Provinz stammte. Aufgrund der zahlreichen Gräzismen und Afrikanismen, die man im Werk des Scaevola zu entdecken glaubte, wurde überwiegend vermutet, dass der Jurist aus Griechenland oder Afrika stammte236.
231 Zum Namen siehe D.28.6.38.3 (Paul. lib. sing. de secundis tabulis): „Quintus Cervidius Scaevola“, wobei „Quintus Cervidius“ hier von Krüger für ein Glossem gehalten wird. Siehe auch die Quellen D.27.1.13.2 (Mod. 4. excus.): „Kerbßdioò Skaßbolaò“ und D.40.5.50 (Marcianus 7. inst.): „Cervidius Scaevola“. Vgl. CIL XIV 4502. Liebs (HLL 4, S. 114) vermutet, dass Scaevola sich sein Cognomen erst in reiferen Jahren zulegte. 232 Modestin zählt Scaevola in D.27.1.13.2 (Mod. 4. excus.) neben Paulus und Ulpian zu den „korufa¦oi tµn nomikµn“. Die Tatsache, dass Modestin den Scaevola an erster Stelle – vor Paulus und Ulpian – nennt, ist vermutlich weniger eine Wertung, als vielmehr der chronologischen Reihenfolge geschuldet. Der Cod. Theod. 4.4.3.3 (Impp. Arcadius et Honorius) bezeichnet Scaevola auch als „auctor prudentissimus iurisconsultorum“. 233 Wahrscheinlich hatte Scaevola als einer der ersten dem Ritterstande angehörigen Juristen seit Sabinus auch das Privileg des ius respondendi; vgl. Waldstein/Rainer (Röm. RG, S. 204). Zu den ersten Juristen mit ius respondendi siehe Paricio (Studi Labruna VI, S. 4007 ff., inbes. S. 4012, S. 4016 f.). Im Gegensatz zu Cannata nimmt Paricio an, dass Sabinus als erster Jurist überhaupt mit dem kaiserlichen Privileg ausgestattet war und nicht nur der erste Jurist aus dem Ritterstand mit ius respondendi war. 234 Zu den beiden am häufigsten vertretenen Hypothesen, wonach Scaevola aus Gallien oder Afrika stammte, siehe die ausführliche Prosopographie von Parma (Studi Labruna VI, S. 4019 ff.) sowie die Darstellung des Meinungsstreites bei Spina (Ricerche sulla successione, S. 15 ff.), auf die hier verwiesen wird. 235 Spina (Ricerche sulla successione, S. 22). 236 Zu Details siehe die im Folgenden angeführten Nachweise.
§ 3 Leben und Werk des Quintus Cervidius Scaevola
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Die sprachlichen Indizien allein sind jedoch nicht geeignet, seine Herkunft mit Sicherheit zu bestimmen. Dies liegt einerseits daran, dass viele der behaupteten Afrikanismen oder Gräzismen wohl eher dem Anfragenden als dem Respondenten zuzuschreiben sind. Andererseits lassen sich viele Ausdrücke schon aufgrund ihrer weiten Verbreitung nicht auf eine bestimmte Region festlegen237. Schon nach Kalb 238 war Scaevola nicht zwingend „Ausländer“. Allein aufgrund der Gräzismen anzunehmen, dass Scaevola Grieche war, lehnte der Autor bereits deshalb ab, weil Griechisch damals Weltsprache war. Eine afrikanische Herkunft schien Kalb dagegen plausibler239. Auch Krüger240 wollte aus den vielen in griechischer Sprache formulierten Anfragen nicht zwingend schließen, dass Scaevola in der Provinz lebte, sondern dass er vielmehr „einer der gesuchtesten Respondenten“ war241, was auch der Umfang seiner Responsensammlung bestätigt242. Vermutlich stammte der dem Ritterstand angehörige243 Jurist ursprünglich aus Karthago, wo er um 135 n. Chr. geboren wurde244. In seiner Stellung als praefectus vigilum, die für das Jahr 175 n. Chr. bezeugt ist245, war er einer der wichtigsten Konsiliare des Kaisers Marcus Aurelius246. Zudem war Scaevola Patron von Nîmes, wo er wahrscheinlich auch Schüler hatte247. Seine Gutachtertätigkeit, die nicht nur in Rom, sondern, wie man aufgrund der vielen auswärtigen Anfragen annimmt, auch im Osten des Reiches sehr gefragt war, ist bis um 200 n. Chr. bezeugt248. 237
Vgl. Parma (Studi Labruna VI, S. 4023). Siehe Kalb (Roms Juristen, S. 100). Zustimmend Schulze (SZ 12 (1891), S. 123 f.). 239 Siehe Kalb (Roms Juristen, S. 102). 240 Siehe Krüger (Geschichte der Quellen, S. 217). 241 Spina (Ricerche sulla successione, S. 591) vermutet sogar, dass dem Scaevola in Anbetracht der vielen uns in den Digesten des Kaisers Justinian überlieferten ScaevolaQuellen mit griechischem Hintergrund „una competenza specifica, più approfondita magari rispetto a quella di altri suoi colleghi, proprio del diritto provinciale“ zugekommen sei. 242 Ausführlich zur Herkunft des Juristen siehe Sigel (Rechtsgutachten, S. 5–7). 243 Kunkel (Herkunft, S. 217); Stein (Prosopographia II, Nr. 681). 244 Die 1957 in Banasa gefundene tabula Banasitana von 177 n. Chr. verzeichnet Scaevola als Angehörigen der u. a. im nordafrikanischen Raum verbreiteten tribus Arnensis. Dazu Liebs (SZ 93 (1976), S. 295 f.); Kunkel/Schermaier (RRG, S. 145, S. 157); Honoré (SDHI 28 (1962), S. 20); Sigel (Rechtsgutachten, S. 5 ff.). 245 Siehe CIL. XIV, 4502. 246 Siehe SHA Marcus Antoninus 11.10: „. . . usus autem est Scaevola praecipue iuris perito“; siehe auch D.36.1.23 pr. (Ulp. 5. disput.): „Scaevola divum Marcum in auditorio de huiusmodi specie iudicasse refert“; Liebs (HLL 4, S. 114). 247 Siehe Liebs (HLL 4, S. 113 f., S. 115 f.). 248 Krüger (Geschichte der Quellen, S. 217); Liebs (HLL 4, S. 114). 238
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1. Kap.: Einführung und Hintergründe
Das Wirken von Scaevola fällt demnach in die Übergangszeit von der antoninischen (138–192 n. Chr.) zur severischen Periode (193–235 n. Chr.)249. Sein Name wirkte noch unter den Juristen des 3. und 4. Jh. n. Chr. – nach den uns überlieferten ausdrücklichen Zitaten zitieren Paulus und Ulpian den Scaevola am häufigsten und etwa gleich oft250 – verblasste aber im 5. Jh. n. Chr.251.
II. Der Lehrer Cervidius Scaevola Man nimmt gemeinhin an, dass Scaevola Lehrer von Iulius Paulus252 und Claudius Tryphoninus war253. Ob Scaevola – wie in einer Notiz aus der Vita Caracallae254 überliefert – auch Lehrer von Septimus Severus und Papinian war, ist hingegen umstritten255. Ebenso ungeklärt ist die Frage nach dem Lehrer von Scaevola256. Teilweise wird behauptet, dass Scaevola ein Schüler des Julian257 war. Andere halten dage249 Zur sog. „svolta burocratica“ in der Severerzeit siehe etwa Lantella/Stolfi (Profili diacronici, S. 161) oder Maschi (ANRW 15 (1976), S. 671 ff.). Zu Scaevolas literarischem Einfluss auf die Juristen der Severerzeit siehe Masiello (Le Quaestiones publice tractatae, S. 139 ff.). 250 Paulus zitiert Scaevola außer in den in Fn. 270 angeführten Stellen noch in D.5.1.49.1 (Paul. 3. resp.); D.7.1.50 (Paul. 3. ad Vitell.); D.28.2.19 (Paul. 1. ad Vitell.); D.33.4.16 (Paul. 2. ad Vitell.); D.33.7.18.4–9 und 13–14 (Paul. 2. ad Vitell.); D.34.2. 32.3–4 und 7–9 (Paul. 2. ad Vitell.). Ulpian zitiert Scaevola in D.1.6.6 (Ulp. 9. ad Sab.); D.7.3.1.4 (Ulp. 17. ad Sab.); D.12.1.17 (Ulp. 1. disput.); D.23.3.43 pr. (Ulp. 3. disput.); D.23.5.13.4 (Ulp. 5. de adulteriis); D. 24.3.7 pr. (Ulp. 31. ad Sab.); D.28.2.3.4 (Ulp. 1. ad Sab.); D.29.5.1.12–13 (Ulp. 50. ad ed.); D.29.5.3.30 (Ulp. 50. ad ed.); D.35.2.35 (Ulp. 6. disput.); D.36.1.23 pr. (Ulp. 5.disput.); D.37.8.1.6 und 16 (Ulp. 40. ad ed.); D.41.1.33 pr. (Ulp. 4. disput.); D.47.4.1.10 und 15 (Ulp. 38. ad ed.). Ulpian zitiert Scaevola mehrfach auch indirekt über Marcellus, und zwar in D.24.11.6 (Ulp. 32. ad Sab.); D.23.3.12.1 (Ulp. 34. ad Sab.); D.15.2.1.8 (Ulp. 29. ad ed.). Daneben wird Scaevola in D.30.114.7 (Marcianus 8. inst.) und D.40.5.50 (Marcianus 7. inst.) von Marcianus sowie einmal in Cod. Theod. 4.4.3.3 (Impp. Aracadius et Honorius) und einmal in den Institutionen (I.1.25.16) zitiert – in allen angeführten Stellen jedoch ohne Quellenangabe. 251 Liebs (HLL 4, S. 116) vermutet, dass er bereits im Zitiergesetz von 428 n. Chr. nicht mehr gemeint ist. Wie Giaro (RJ 8 (1989), S. 53) feststellt, gehörte Scaevola zu den am meisten benutzten Autoren der Nachklassik. 252 Vgl. Kunkel (Die röm. Juristen, S. 244); Krüger (Geschichte 216); Frezza (SDHI 43 (1977), S. 216 Fn. 7). 253 Spina (Ricerche sulla successione, S. 15); Liebs (HLL 4, S. 116, S. 125); Giaro (NP, Bd. 11, Sp. 131); Honoré (SDHI 28 (1962), S. 181 und Gaius, S. 40); Klami (Studi Biscardi IV, S. 224). 254 SHA Antoninus Caracalla 8.3. 255 Schon Mommsen (SZ 11 (1890), S. 30 ff.) hielt diese Nachricht für eine Fälschung. Dagegen glaubten Fitting (Alter und Folge, S. 63) und Honoré (SDHI 28 (1962), S. 205) an deren Echtheit. 256 Dieser für die Bestimmung der juristischen Individualität Scaevolas wichtigen Frage kann im Rahmen der vorliegenden Arbeit leider nicht nachgegangen werden. Gerade im Hinblick auf die Frage nach dem Profil einer Juristenpersönlichkeit ist jedoch zu berücksichtigen, wie sehr ein Lehrer-Schüler-Verhältnis den einzelnen Juristen so-
§ 3 Leben und Werk des Quintus Cervidius Scaevola
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gen Pomponius258 oder Marcellus259, welcher als unmittelbarer Vorgänger von Scaevola noch im consilium des Marc Aurel wirkte, für seinen Lehrer260. Unsicher ist zudem, ob Scaevola seine didaktische Tätigkeit in einer Schule i. e. S., also in einer Institution für den Lehrbetrieb, ausübte oder den qualifizierten Nachwuchs außerhalb des Lehrbetriebs praktisch anlernte261. Jedenfalls bestreitet Liebs262, dass die großen Juristen, welche von den Kaisern in der Reichsverwaltung eingesetzt wurden, keine Zeit mehr für das Unterrichten des Nachwuchses gehabt hätten: Die Statthalterschaften, zu welchen einige Juristen eingesetzt wurden, seien schließlich nicht ohne längeren Zwischenaufenthalt in Rom erfolgt und neben den Regierungsaufgaben in der Hauptstadt habe sich die eine oder andere Unterrichtsstunde abzweigen lassen263. wohl hinsichtlich seiner Sprache als auch hinsichtlich seines (tradierten) Gedankenguts prägen konnte. 257 Nach Giaro (RJ 8 (1989), S. 54) ist dies zumindest vorstellbar. Vgl. etwa D.2.14.54 (Scaev. apud Iulianum 22. dig. notat) und D.18.6.11 (In libro 7. dig. Iuliani Scaevola notat) sowie D.28.6.48.1 (Scaev. lib. sing. quaest. pub. tract.): „Iulianus quoque [. . .] probat“. 258 Vgl. Kalb (Roms Juristen, S. 95): „Wenn man nach der Sprache urteilen dürfte, so könnte er am ehesten ein Schüler des Pomponius gewesen sein“. Dass Scaevola dem Pomponius sprachlich nahe stand, wollte Kalb z. B. mit Wendungen wie „utrumne“ (S. 95) oder „alias quam“ (S. 18, S. 96) belegen. 259 Liebs (HLL 4, S. 114) hält dies mit Kalb (Roms Juristen, S. 95 f.) für möglich. 260 Dass Scaevola Schüler des Pomponius oder Marcellus war, bezweifelt dagegen Masiello (Le Quaestiones, S. 29). Er hält die sich mit „Scaevola: immo puto“ in D.3.5.8 (Scaev. 1. quaest.) oder „Scaevola autem notat“ in D.23.3.12.1 (Ulp. 34. ad Sab.) kritisch abgrenzende, wenn auch in wissenschaftlichen Diskussionen übliche Formulierung für ein Indiz, dass gerade keine Gefolgschaft im Geiste bestand. Es ist jedoch zu beachten, dass Scaevola an diesen Stellen stets von Ulpian zitiert wird, das „Scaevola autem notat/ scribit/putat“ mithin auch Ulpian zuzuschreiben sein könnte; vgl. erneut die Quelle D.23.3.12.1 (Ulp. 34. ad Sab.) sowie die Quellen D.31.24 (Ulp. 2. fideicomm.) oder D.41. 3.10.2 (Ulp. 16. ad ed.). Daneben führt Masiello (Le Quaestiones, S. 33) die unterschiedliche „sensibilità nell’utilizzazione di tipi letterari codificati“ an. Den Einfluss des Maecian auf die juristische Ausbildung Scaevolas bestreitet Masiello (S. 34) hingegen nicht. 261 Vgl. Frezza (SDHI 43 (1977), S. 253). Zu der vor allem in der spätrepublikanischen Juristenausbildung üblichen Unterrichtsweise des docere respondendo, wobei die Schüler einem Juristen zunächst zuhörten, während dieser sein responsum gab, und die Falllösung anschließend mit ihm diskutierten (dazu allgemein Stolfi in Baldus/Finkenauer/Rüfner, Juristenausbildung in Europa, S. 14 f.), haben wir bei Scaevola kaum Information. Zu den einzelnen Phasen des instituere, instruere und docere (audiendo) in der Rechtsdidaktik der klassischen Zeit siehe Stolfi (in Baldus/Finkenauer/Rüfner, Juristenausbildung in Europa, S. 18 ff.). Wie der Autor (S. 20 f.) feststellt, galt den römischen Juristen die Phase des audire als die wichtigste, da die jungen Männer hier nicht einfach nur zuhörten, sondern sich aktiv an der Debatte beteiligten und den Lehrer um weitergehende Erklärungen und Vertiefungen bitten konnten. 262 Liebs (ANRW 15 (1976), S. 221). 263 Über Labeo wissen wir z. B. aus D.1.2.2.47 (Pomp. lib. sing. ench.), dass dieser nur ein halbes Jahr in der Stadt unterrichtete und das andere halbe Jahr auf seinem Landgut wissenschaftlich arbeitete.
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1. Kap.: Einführung und Hintergründe
Man darf deshalb wohl annehmen, dass auch Scaevola – wie insbesondere seine beiden didaktischen Werke, die Quaestiones und der Liber singularis quaestionum publice tractatarum264, belegen – neben seinem Amt als kaiserlicher Berater und praefectus vigilum noch Zeit für seine Schüler aufbringen konnte. Sein Schüler Tryphonin, welcher die Digesta und Responsa mit Anmerkungen versah265, nennt ihn wiederholt „Scaevola noster“ 266. Wie Sixto feststellen konnte, handelt es sich bei diesen notae des Tryphonin nicht – wie sonst üblich – um kritische Anmerkungen eines Adnotators, sondern um Erklärungen dessen, was Scaevola in seinen Rechtsgutachten entschieden hatte267. 264 Nach Masiello (Le Quaestiones publice tractatae, S. 36) wird mit dem seltenen Titelzusatz „quaestionum publice tractatarum“ auf die Anwesenheit von Hörern angespielt, welche nicht zu den „Stammhörern“ Scaevolas zählten. So schon Frezza (SDHI 43 (1977), S. 215 f.). Für die Echtheit des Titels führt Giaro (RJ 8 (1989), S. 54) weitere Beispiele öffentlicher Rechtsdisputationen an wie z. B. die in C.9.41.11.1 (Impp. Diocletianus et Maximianus) erwähnten „publicarum disputationum libri“ des Ulpian. Dafür, dass die Probleme im Unterricht behandelt wurden, spricht auch der im Titel des Werkes enthaltene Ausdruck „tractatarum“. Nach Liebs (ANRW 15 (1976), S. 220) ist dies ein Beleg dafür, dass Scaevola selbst unterrichtete. Zur Organisation der Rechtsschulen und zu den Lokalitäten des Unterrichts allgemein siehe Liebs (S. 236 ff.). 265 Es handelt sich um insgesamt dreiundzwanzig Anmerkungen, von denen eine ohne Namensangabe Tryphonins (nämlich D.32.39 pr. [Scaev. 20. dig.]) und nur eine zu den Responsa (nämlich D.31.88.12 [Scaev. 3. resp.]) erhalten ist. Die Anmerkungen finden sich in folgenden Quellen: D.18.7.10 (Scaev. 7. dig.); D.26.7.58 pr. (Scaev. 11. dig.); D.31.88.12 (Scaev. 3. resp.); D.32.36 (Scaev. 18. dig.); D.32.37.4 (Scaev. 18. dig.); D.32.38 (Scaev. 19. dig.); D.32.39 pr. (Scaev. 20. dig.); D.32.41.13 (Scaev. 22. dig.); D.33.2.32.1 (Scaev. 15. dig.); D.34.1.15.1 (Scaev. 17. dig.); D.34.1.16.2 (Scaev. 18. dig.); D.34.2.16 (Scaev. 18. dig.); D.34.3.28. 7 (Scaev. 16. dig.); D.34.9.26 (Scaev. 30. dig.); D.35.1.109 (Scaev. 20. dig.); D.36.1.79.1 (Scaev. 20. dig.); D.36.1.80.6 und 9 (Scaev. 21. dig.); D.36.1.82 (Scaev. 5. dig.); D.40.4.59.1 (Scaev. 23. dig.); D.40.5.17 (Scaev. 21. dig.); D.46.3.88 (Scaev. 5. dig.); D.46.7.20 (Scaev. 29. dig.). Schulz (Symb. Frib., S. 179 ff.) bezweifelte die Echtheit dieser Anmerkungen. Er hielt sie für Noten eines Nachklassikers (S. 200). Wie Kunkel (Herkunft, S. 231 Fn. 460) feststellt, wurde vor allem die „durchschnittliche Dürftigkeit und Geistesarmut dieser Noten“ verdächtigt. Dagegen verteidigen Sixto (Las anotaciones II, insbes. S. 74 f.), Klami (Entscheidung und Begründung, S. 92) und Archi (FS-Rabel II, S. 31) die Echtheit des Anmerkungsapparats von Tryphonin. Zu Details des Streitstandes wird auf die ausführliche Darstellung bei Spina (Ricerche sulla successione, S. 64 ff.) verwiesen. 266 Dies ist die unter den römischen Juristen übliche Bezeichnung für einen Lehrer im Geiste. Auffallend ist, dass Tryphonin diese Bezeichnung nicht etwa in seinen Anmerkungen, sondern in seinem eigenen Werk wählte; vgl. etwa D.20.5.12.1 (Tryph. 8. disput.); D.49.17.19 pr. (Tryph. 18. disput.). Bemerkenswert ist zudem, dass Tryphonin in seinen Anmerkungen zu Scaevola stets mit seinem Geschlechtsnamen „Claudius“ angeführt wird (eine Ausnahme stellt die Quelle D.26.7.58 pr. [Scaev. 11. dig.] dar, wo er „Claudius Tryphoninus“ heißt), während er in den Inskriptionen seiner Disputationen stets unter dem Namen „Tryphoninus“ auftaucht. 267 Siehe Sixto (Las anotaciones I, S. 115). Wie die Autorin (Las anotaciones II, S. 73) ausführt, zeigen die Noten – auch wenn sie im Einzelnen unterschiedliche Nuancen aufweisen – eine „naturaleza meramente aclaratoria“. Auffällig sei jedenfalls, dass Tryphonin, anders als bei notae zum Werk eines Juristen üblich, keine kritische Korrektur, sondern nur erläuternde Ausführungen beabsichtigte; vgl. Sixto (Las anotaciones II,
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Dieser offensichtliche Begründungsbedarf könnte möglicherweise daher rühren, dass die Entscheidungen von Scaevola – vorausgesetzt, dass sie schon Tryphonin in der uns überlieferten apodiktischen Form vorlagen – zu dessen Zeit nicht mehr richtig verstanden wurden und daher erklärende Anmerkungen verlangten268. Auch Tryphonins Mitschüler Paulus, welcher ebenfalls Anmerkungen zu den Responsa des Lehrers verfasste269, bezeichnet diesen sehr häufig als „Scaevola noster“ 270. In D.28.2.19 (Paul. 1. ad Vitell.) berichtet Paulus sogar, dass Scaevola seiner Entscheidung „in disputando“ etwas hinzufügte („respondit et in disputando adiciebat“). Diese Stelle wird allgemein als Beleg dafür gesehen, dass Scaevola mit seinen Schülern Fälle löste oder zumindest in deren Beisein diskutierte271. Die Position von Scaevola im Schulenstreit zwischen den zu seiner Zeit nicht mehr bestehenden272 Rechtsschulen273 der Sabinaner und Prokulianer lässt sich S. 74). Dies zeige insbes. D.18.7.10 (Scaev. 7. dig.), wo Tryphonin, anstatt das aufgrund inzwischen neu ergangener Rechtsprechung veraltete Gutachten des Lehrers zu kritisieren, dieses nur aktualisiere. Auch Liebs (HLL 4, S. 126) nimmt an, dass die mitunter Jahrzehnte alten Rechtsgutachten des Lehrers Scaevola neueren Rechtsentwicklungen angepasst werden mussten, wenn sie der Öffentlichkeit der Zeit nützen sollten. 268 Dafür spricht auch, dass sich von den insgesamt dreiundzwanzig notae zweiundzwanzig zu den Digesta und nur eine nota zu den Responsa des Scaevola finden. Auffällig ist jedenfalls, dass die notae des Tryphonin nur zu den Responsensammlungen des Scaevola ergingen, in denen dieser häufig sogar in nur einem Wort respondierte. 269 Von diesen sind uns nur zwei erhalten, nämlich in D.5.2.13 (Scaev. 3. resp.): Paulus notat: „probat autem nec fideicommissa ab intestato data deberi, quasi a demente“ und in D.40.9.26 (Scaev. 4. resp.): Paulus: „soluta ergo pecunia ex illa voluntate liber fit“. Liebs (HLL 4, S. 154) vermutet, dass diese anlässlich eines Lehrgangs verfasst wurden. Ebenso wie die Anmerkungen von Tryphonin wurden auch die Anmerkungen des Paulus von Schulz (Symb. Frib., S. 179 ff.) als nachklassischen Ursprungs verdächtigt. 270 Siehe die Quellen D.2.14.27.2 (Paul. 3. ad ed.); D.3.5.18.1 (Paul. 2. ad Neratium); D.4.4.24.2 (Paul. 1. sent.); D.10.2.46 (Paul. 7. ad Sab.); D.23.3.56.3 (Paul. 6. ad Plaut.); D.27.1.32 (Paul. 7. quaest.); D.28.6.38.3 (Paul. libro singulari de secundis tabulis); D.37.11.10 (Paul. 8. ad Plaut.); D.42.5.6.2 (Paul. 58. ad ed.). 271 Genaueres zu dieser Stelle – insbesondere vor dem Hintergrund der Frage nach einer mündlichen oder schriftlichen Konsultation – siehe unter § 3 IV. 2. a) aa) (1) a. E. 272 Nach überwiegender Ansicht in der Literatur verlor die berühmte Schulkontroverse nach Julian – also etwa ab der zweiten Hälfte des 2. Jh. n. Chr. – wesentlich an Bedeutung; siehe dazu statt aller Stolfi (in Baldus/Finkenauer/Rüfner, Juristenausbildung in Europa, S. 27). Wie Honoré (Gaius, S. 39 f.) betont, war es dennoch „possible to trace pedagogic groups in the Severan age and, though it would be misleading to call them Proculian and Sabinian, they retain some of the characteristics of the old schools“. Behrends (Index 12 (1985), S. 211 Fn. 7), welcher die Fortdauer des Schulengegensatzes sogar noch in spätklassischer Zeit für erwiesen hält, spricht insofern von einer „prosecuzione esteriore delle scuole, unita ad una certa e perdurante predilezione per una delle tradizioni metodologiche“. Während Liebs (ANRW 15 (1976), S. 283) die sabinianische Tradition in spätklassischer Zeit von Ulpian, die prokulianische hingegen
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1. Kap.: Einführung und Hintergründe
anhand des uns zur Verfügung stehenden Quellenmaterials nicht eindeutig bestimmen. Zwar könnte die Tatsache, dass Scaevola die Anhänger der Sabinianer insgesamt häufiger zitiert als die der Prokulianer274, ein Indiz dafür sein, dass er der sabinianischen Tradition insgesamt näher stand als der prokulianischen.275 Andererseits bekennt sich Scaevola bisweilen – wie z. B. in D.29.7.14 pr. (Scaev. 8.
von Paulus fortgesetzt sieht, nimmt Behrends umgekehrt an, dass die sabinianische Linie von Paulus und die prokulianische von Ulpian fortgeführt wurde. So auch Möller (FS-Liebs, S. 458 ff.) am Beispiel einiger repräsentativer Streitfragen. Zu der von Betti entworfenen Etikettierung von Paulus und Ulpian als „Neosabinianer“ siehe dagegen Giaro (RJ 11 (1992), S. 544). Zum Meinungsstreit über das Ende des Schulenstreits sei hier auf die ausführliche Darstellung bei Stolfi (SDHI 63 (1997), S. 105 Fn. 475 m.w. N.) verwiesen. Auch auf die alte Streitfrage, wie sehr die beiden Schulen von philosophischen Strömungen beeinflusst waren, kann hier nicht weiter eingegangen werden. Siehe dazu nur Liebs (ANRW 15 (1976), S. 279) sowie die Nachweise bei Stolfi (in Baldus/Finkenauer/Rüfner, Juristenausbildung in Europa, S. 23 Fn. 60). Überwiegend anerkannt ist jedenfalls, dass der Einfluss der Philosophie für den Schulengegensatz – bis auf einige wenige Bereiche (etwa in der Streitfrage um die juristische Behandlung der specificatio in D.41.1.7.7 [Gai. 2. rer. cott.] oder um den error in substantia in D.18.1.9.2 [Ulp. 28. ad Sab.] etc.) – weit weniger Bedeutung hatte als lange Zeit angenommen; vgl. zum Problem erneut Stolfi (SDHI 63 (1997), S. 97 ff.). Siehe auch Crifò (Lezioni di storia, S. 364 f.). Für verschiedene philosophische Einflüsse dagegen vor allem Behrends in mehreren Aufsätzen (insbes. in Avenarius/Meyer-Pritzl/Möller, Institut und Prinzip I sowie in SZ 125 (2008), S. 25 ff.). Der Ansicht von Behrends im Wesentlichen folgend Möller (FS-Liebs und Die Servituten). 273 Dabei handelte es sich anerkanntermaßen nicht um institutionalisierte Unterrichtsanstalten, wie wir sie etwa von den byzantischen Rechtsschulen kennen, sondern eher um lose Gruppierungen von durch persönliche Loyalität miteinander verbundenen Juristen; siehe Giaro (RJ 11 (1992), S. 512). Man denke etwa an heutige wissenschaftliche Zirkel. 274 In den Quaestiones werden zehnmal Juristen aus dem Lager der Sabinianer und nur viermal Prokulianer zitiert; vgl. die Übersichtstabelle bei Frezza (SDHI 43 (1977), S. 252), welcher von einer „prevalenza notevole degli autori sabiniani“ bei Scaevola spricht. Als Grundlage für eine statistisch fundierte Aussage reichen die angeführten (ausdrücklichen) Zitate jedoch keineswegs aus. Wie Möller (FS-Liebs, S. 456) zu Recht hervorhebt, sind statistische Auswertungen von Stellungnahmen zu Streitfragen der beiden Schulen schon insofern methodisch bedenklich, als nicht alle zwischen den Schulen streitigen dogmatischen Positionen in eine klare Kontroverse münden müssen. Sie unterliegen zudem stets dem Überlieferungsdefizit der justinianischen Kompilation. Um eine gesichertere Basis und mehr Klarheit über die Position von Scaevola zu bekommen, müsste man sämtliche Entscheidungen – also auch und gerade die stillen Zitate sowie die von Scaevola oft erwähnten „quidam“, von denen Liebs (ANRW 15 (1976), S. 284) feststellt, dass sie bei Scaevola zum Teil noch eindeutig in die Gegenwart nachwirken – auf sabinianisches bzw. prokulianisches Gedankengut hin untersuchen. Dies kann die vorliegende Untersuchung leider nicht leisten. Sie wird jedoch besonders auf die geistige Nähe zwischen den Entscheidungen des Scaevola und denen seines Vorgängers Julian zu sprechen kommen. 275 Dies vermutet auch Masiello (Le Quaestiones publice tractatae, S. 142): „Allievo di Giuliano, Scevola non nasconde le sue simpatie sabiniane [. . .] ma senza che lo schema della scuola [. . .] ne condizioni il pensiero“.
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quaest.)276 oder in D.46.3.93.3 (Scaev. lib. sing. quaest. pub. tract.277) – aber auch offen zur Meinung der Gegenseite278. Im Ergebnis scheint sich Scaevola eine kritische Unabhängigkeit im Urteil bewahrt zu haben279.
III. Der Respondent Cervidius Scaevola An den stadtrömischen Juristen Scaevola wurden Anfragen aus nahezu allen Teilen des Reiches gerichtet280. Die meisten ,ausländischen‘ Anfragen kamen aus den griechisch-sprachigen Provinzen281. So finden sich in den Digesta282 und Responsa283 des Scaevola insgesamt siebzehn Fälle, von denen Teile in griechischer Sprache wiedergegeben werden284. 276
„. . . quod Sabinum et Cassium respondisse aiunt Proculo dissentiente [. . .] ego autem ausim sententiam Proculi verissimam dicere . . .“. 277 Siehe D.46.3.93.3 (Scaev. lib. sing. quaest. pub. tract.): „confundetur obligatio secundum Sabini sententiam, licet Proculus dissentiat“. 278 Siehe auch D.47.6.6 (Scaev. 4. quaest.); vgl. dazu die Tabelle von Honoré (Gaius, S. 40), aus welcher hervorgeht, dass z. B. auch Paulus und Marcianus Juristen aus beiden Lagern gleichermaßen zitieren. Dass die Sabinianer bei Scaevola häufiger zitiert werden, kann – wie schon Frezza (SDHI 43 (1977), S. 252) vermutete – zudem schlichtweg damit zusammenhängen, dass die sabinianischen Werke in der juristischen Kultur seiner Zeit weiter verbreitet waren als die der Gegenseite. 279 Vgl. Masiello (Le Quaestiones, S. 56): „Il modello delle scuole mostra di essere un canone vincolante di scrittura delle Quaestiones, a condizione che non lo si interpreti come adesione acritica ad un indirizzo dottrinale“. Dass Scaevolas kritische Grundhaltung – Masiello (Le Quaestiones publice tractatae, S. 143) spricht auch vom „grande senso di autonomia di giudizio“ – über den Schulengegensatz hinaus für ihn nicht untypisch ist, zeigen z. B. auch seine kritischen Äußerungen zum Edikt des Prätors in D.37.6.10 (Scaev. 5. quaest.). 280 Dies stellt Schiller (American Experience, S. 126 ff.) z. B. auch für den aus der Provinz stammenden Papinian fest. Nach Mitteis (ReichsR u. VolksR, S. 157) war es den Provinzbewohnern in schwierigen Rechtsfällen sehr zu raten, sich nach Rom zu wenden, da die einheimischen Gelehrten oftmals keine hinreichenden Rechtskenntnisse hatten. 281 Dass dies kein Zufall sein kann, sondern im Zusammenhang mit der Frage nach der Herkunft des Juristen zu sehen ist, hat zuletzt Spina (Ricerche sulla successione, S. 22) festgestellt. 282 Die meisten betreffen erbrechtliche Fragen. Am häufigsten kommt die griechische Sprache in Kodizillen bzw. Testamenten vor; vgl. z. B. D.32.37.5 (Scaev. 18. dig.); D.32.37.6 (Scaev. 18. dig.); D.32.101 pr. (Scaev. 16. dig.); D.33.4.14 (Scaev. 15. dig.); D.33.8.23.2 (Scaev. 15. dig.); D.32.39.1 (Scaev. 20. dig.); D.34.4.30.4 (Scaev. 20. dig.); D.40.4.60 (Scaev. 24. dig.). Daneben findet man die griechische Sprache auch in der wörtlichen Wiedergabe einiger epistulae: D.20.1.34.1 (Scaev. 27. dig.); D.34.1.16.1 (Scaev. 18. dig.); D.34.4.30.1 (Scaev. 20. dig.). Auch in D.44.7.61 pr. (Scaev. 28. dig.) wird ein Schreiben und in D.50.9.6 (Scaev. 1. dig.) sogar eine lex municipii auf Griechisch zitiert. Zu D.50.9.6 (Scaev. 1. dig.) siehe Staffhorst (SZ 123 (2006), S. 315 ff.) und Talamanca (in Archi, Istituzioni giuridiche, S. 120 ff.). 283 Siehe D.17.1.60.4 (Scaev. 1. resp.); D.26.7.47 pr. (Scaev. 2. resp.); D.31.88.15 (Scaev. 3. resp.); D.40.5.41.4 (Scaev. 4. resp.).
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1. Kap.: Einführung und Hintergründe
In einigen dieser Fälle geht es um die Auslegung griechischer Willenserklärungen285 oder um die Behandlung originär griechischer Rechtsinstitute286. Im exegetischen Hauptteil der Arbeit werden beispielsweise ein Fall zur Arrha287
284 Wie in den beiden vorhergehenden Fn. angeführt, stammen dreizehn davon aus den Digesta und nur vier aus den Responsa. Wie zuletzt Talamanca (BIDR 103/104 (2000/01), S. 545) nachgewiesen hat, geht es in der Mehrzahl der Fälle um die Auslegung griechischer Vertragsklauseln. Wie der Autor betont, macht es einen wesentlichen Unterschied, ob eine Vertragsklausel oder etwa ein Testament bzw. ein Munizipalgesetz in griechischer Originalsprache überliefert ist. Seiner Ansicht nach kommt es nämlich bei letzteren eher auf den Originalwortlaut („esatto tenore letterale“) an. Dieser kann aber auch zur Auslegung von unter den Parteien streitigen Vertragsklauseln entscheidend sein. Dass die Anfragenden auf ihre Muttersprache zurückgriffen, obwohl Bestimmungen in griechischer Sprache zumindest für Rechtsakte nach ius civile unwirksam waren, zeigt nach Talamanca (BIDR 103/104 (2000/01), S. 576) den starken Bezug zur eigenen Sprache und Kultur. Nach Kübler (SZ 28 (1907), S. 175), welcher noch vermutete, dass Scaevola diese Fälle im Unterricht behandelte, war es zweckmäßig dem meist unkundigen Publikum griechische Originaltexte vorzulegen, da jede Übersetzung bereits eine Interpretation und gerade nicht mehr die ursprüngliche Willenserklärung darstelle, um deren Auslegung es sich handelte. 285 Vor allem in Erbrechtsfällen werden diese relevant. Welche Schwierigkeiten die fremden Rechtsvorstellungen für den römischen Juristen mit sich bringen konnten, legte schon Kübler (SZ 28 (1907), S. 175) am Beispiel der Vor- und Nacherbschaft dar. Dieses den Römern aufgrund der Regel „semel heres, semper heres“ unbekannte Rechtsinstitut war in griechischen Testamenten weit verbreitet und konnte nach römischem Recht – wie z. B. in D.36.1.76 pr. (Paul. 2. decret.) – nur als Universalfideikommiss aufrechterhalten werden, zumal für Fideikommisse als Institute des ius gentium die Sprachenfrage belanglos war; vgl. Gai. 2.281: „Item legata Graece scripta non valent; fideicommissa vero valent“. Ein praktisches Beispiel für ein griechisches Fideikommiss bei Scaevola findet sich z. B. in der Quelle D.32.39.1 (Scaev. 20. dig.). Weitere Verkehrsgeschäfte, für welche die griechische Sprache ausdrücklich zugelassen war, waren u. a. die stipulatio und die acceptilatio. Siehe dazu insbes. Wacke (SZ 110 (1993), S. 23 ff. sowie SZ 130 (2013), S. 234 ff.). Zur Zweisprachigkeit in den Fideikommissen unter besonderer Berücksichtigung der an Scaevola gerichteten Anfragen siehe Scarcella (AUPA 55 (2012), S. 6, S. 26 ff.). Zur Sprachenfrage bei der stipulatio unter philosophischem Aspekt siehe Behrends (FS-Liebs, S. 59 ff.). 286 Bekanntermaßen übernahm das römische Recht zahlreiche Institute aus dem hellenistischen Rechtsraum. Man denke nur an die lex Rhodia de iactu, das fenus nauticum (siehe dazu § 9 der vorliegenden Untersuchung), den Litteralkontrat und das chirographum (siehe dazu § 4 der Untersuchung) oder die Arrha (siehe dazu § 6 der Untersuchung); vgl. Waldstein/Rainer (Röm. RG, S. 118) und Kaser/Knütel (Röm. PrivatR, S. 3). Auch das römische „Bankrecht“ (siehe dazu § 4 der Untersuchung) ist wesentlich vom griechischen beeinflusst worden. Das bekannte Problem des Verhältnisses von römischem Reichsrecht zu den Rechtsvorstellungen und eigenen Instituten der Provinzialbevölkerung betrifft, wie Wolff (Konkurrenz von Rechtsordnungen, S. 13, S. 66) feststellt, nicht die Frage des Konflikts von Rechtsordnungen, sondern die der Duldung „von bloßen örtlichen Gewohnheiten durch die übergeordnete Macht“. Kritisch zu Wolff siehe Cotton (in Haensch/Heinrichs, Herrschen und Verwalten, S. 234–255). Siehe zum Problem auch Talamanca (in Diritto generale e diritti particolari, S. 263 ff. und in Archi, Istituzioni giuridiche, insbes. S. 225 ff.); Amelotti (SDHI 65 (1999), S. 211–215) und Migliardi Zingale (SDHI 65 (1999), S. 217–231). 287 Siehe § 6 der Untersuchung.
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sowie Fälle aus dem Bank-288 und Seerecht289 (insbes. zum Urkundenwesen) vorgestellt. Dabei ist besonders zu untersuchen, inwiefern es sich tatsächlich um griechische Anfragen handelt und wie Scaevola ,ausländische‘ Rechtsvorstellungen in der Praxis berücksichtigt290. Scaevolas Responsen291 eignen sich insofern hervorragend, um zu untersuchen, wie die Juristenpraxis des 2. Jh. n. Chr. das römische Recht in Form des ius gentium292 gegenüber Römern und Peregrinen anwandte. Besonders unter den philhellenischen Kaisern Hadrian und Marc Aurel293 entstand eine globalere Perspektive mit immer größerem Interesse am Gesamtreich und einer zunehmend bilingualen Kultur294. Zur vornehmen römischen Erziehung gehörten Latein und Griechisch gleichermaßen295. Jedenfalls legt die Tatsache, dass Scaevola derart viele griechische Anfragen behandelt, nahe, dass auch er Latein und Griechisch gleichermaßen beherrschte. 288
Siehe § 4 der Untersuchung. Siehe § 9 der Untersuchung. 290 Auffällig ist die Ähnlichkeit vieler Entscheidungen Scaevolas mit Entscheidungen von Gaius zum Provinzialedikt; vgl. etwa die Parallele der Sachverhalte in D.15.1.51 (Scaev. 2. quaest.) und D.15.1.27.8 (Gai. 9. ad ed. prov.); D.21.2.69.4 (Scaev. 2. quaest.) und D.21.2.54.1 (Gai. 28. ad ed. prov.) sowie D.28.5.84.1 (Scaev. 18. quaest.) und D.36.1.65.15 (Gai. 2. fideicomm.). Eine genaue Untersuchung der festgestellten Parallelen ist im Rahmen der vorliegenden Arbeit leider nicht möglich. Darauf hoffe ich in einer künftigen Forschungsarbeit zurückkommen zu können. 291 Auffallend ist jedenfalls, dass außer in den Digesta und Responsa in keinem anderen Werk Scaevolas Griechisch zitiert wird. Dies könnte ein weiteres Argument für die These sein, dass die Responsensammlungen tatsächlich praktische Anfragen enthielten. Jedenfalls kann nicht angenommen werden, dass die griechische Sprache hier nur aus stilistischen Motiven gewählt wurde; vgl. Sigel (Rechtsgutachten, S. 124). 292 Denn das ius gentium, das ,Völkergemeinrecht‘, d. h. das allen Völkern gemeinsame Recht, war seinem Ursprung nach römisches Recht; siehe Waldstein/Rainer (Röm. RG, S. 118). Zur Frage, ob sich das ius gentium überhaupt als ein einheitliches Institut darstellt und welche Funktion es im römischen Recht hatte, siehe demnächst Baldus (in Gröschler/Milazzo, Quaderni Lupiensi, Lecce, vorauss. 2014). Wie der Autor betont, scheint ein ausdrücklicher Rekurs auf das ius gentium in der Mehrzahl der uns überlieferten Fälle von den Juristen jedenfalls als nicht notwendig oder hilfreich empfunden worden zu sein. Dies bestätigen auch die in § 6 und § 9 der vorliegenden Untersuchung exegetisch behandelten Rückgriffe von Scaevola auf Institute des griechischen Rechts, wo der Jurist nicht ausdrücklich vom ius gentium spricht. 293 Wie die Literaten Sueton, Fronto und Apuleius publizierten diese in griechischer und lateinischer Sprache; vgl. Sallmann (HLL 4, S. 5). 294 Die unermüdlichen Inspektionsreisen des Kaisers Hadrian, auf welche er vierzehn seiner einundzwanzig Regierungsjahre verwandte, und die Öffnung gegenüber neuen Religionen aus dem Osten wie etwa dem Mithras-Kult sind nur einige Beispiele dafür. Dazu Sallmann (HLL 4, S. 1, S. 3, S. 58). Nach Sallmann (S. 58) vollzog Hadrian „modellhaft für das ganze folgende Jahrhundert die gleichberechtigte Verschmelzung der lateinischen und der griechischen Welt“. 295 Wie Wacke (SZ 110 (1993), S. 17) feststellt, war es ein von früher römischer Jugend an verfolgtes Erziehungsziel „utriusque linguae“ mächtig zu sein. 289
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1. Kap.: Einführung und Hintergründe
Aufgrund der verbreiteten Zweisprachigkeit und der fortschreitenden „Globalisierung“ der römischen Welt ist es jedoch problematisch, die Herkunft der Anfragenden allein anhand ihrer Sprache zu bestimmen296. Auch nicht-römische Parteinamen sind kaum dazu geeignet den Herkunftsort des Anfragenden mit Sicherheit zu ermitteln, zumal griechische Namen bei den Römern schon vor der constitutio Antoniniana (212 n. Chr.) sehr beliebt waren297. Zudem enthalten selbst die in griechischer Sprache überlieferten Quellen teilweise lateinische Blankettnamen298 wie z. B. „Titia“ in D.32.37.6 (Scaev. 18. dig.) oder „Seius“ in D.17. 1.60.4 (Scaev. 1. resp.). Die lateinischen Blankettnamen deuten jedenfalls darauf hin, dass auch die anscheinend griechischen Originalanfragen – zumindest was die Parteinamen betrifft299 – nachträglich überarbeitet wurden. Folglich lässt sich zwar einerseits sagen, dass die in griechischer Originalsprache überlieferten Quellen für tatsächlich praktische Anfragen aus der Provinz sprechen, diese uns andererseits aber nicht im Original, sondern offensichtlich auch nur in überarbeiteter Form300 vorliegen.
IV. Das Werk des Cervidius Scaevola 1. Bestand Zum Gesamtwerk des Juristen, welches im Wesentlichen Privatrecht, insbesondere Erbrecht behandelt301, zählen vierzig libri digestorum, sechs libri responsorum302, zwanzig libri quaestionum, vier libri regularum und der Liber singularis quaestionum publice tractatarum303. 296
Vgl. Talamanca (BIDR 103/104 (2000/01), S. 543). Siehe Talamanca (BIDR 103/104 (2000/01), S. 543). Die Klienten des Scaevola gehörten nach dem, was wir den Anfragen entnehmen können, jedenfalls oft zur reichen Oberschicht. 298 Auf den Problemkreis der Blankettnamen wird in § 3 IV. 2. a) aa) (2) gesondert eingegangen. 299 Talamanca (BIDR 103/104 (2000/01), S. 548). Die Frage, ob die einzelnen Anfragen nur entpersonalisiert oder auch inhaltlich bearbeitet wurden, wird im Rahmen der Einzelexegesen näher beleuchtet. 300 Zur viel diskutierten Frage der Bearbeitung der Digesta und Responsa des Scaevola siehe die Darstellung ab § 3 IV. 2. a) bb). 301 Siehe dazu die einleitenden Bemerkungen von Spina (Ricerche sulla successione, S. 3 f.). 302 Wie die Übersicht sämtlicher in den Digesten überlieferter libri responsorum bei Zülch (Der liber sing. resp. des Marcellus, S. 25) ergibt, liegt Scaevola damit deutlich unter dem Umfang der libri responsorum eines Labeo, Papinian oder Paulus. 303 Nach Masiello (Le Quaestiones publice tractatae, S. 15) haben die Quaestiones und der Liber singularis quaestionum publice tractatarum eine „impostazione e contenuti assolutamente simili“. Aufgrund des abweichenden Stils und einiger Mängel in Argumentation und Sprache wurde der Liber singularis teilweise als nachklassische Epitome von Scaevolas Quaestiones angesehen; so z. B. durch v. Beseler (SZ 44 (1924), S. 359) und Schulz (Geschichte, S. 295). Auch Talamanca (BIDR 91 (1988), S. 844) 297
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Daneben wird Scaevola vom Index Florentinus ein weiteres Werk namens „de quaestione familiae liber singularis“ 304 zugeschrieben, von welchem uns nur der Titel überliefert ist305. Anmerkungen306 schrieb Scaevola zudem zu Marcellus307 und zu Julian308. Es fällt auf, dass Scaevola nach unserem Überlieferungsstand keine Monographien309 oder gar Kommentare, sondern schwerpunktmäßig Fallsammlungen für die Praxis verfasste. Nach diesem Verhältnis sind auch die von den Kompilatoren im C.I.C. exzerpierten Quellen gewichtet: Von insgesamt dreihundertvierundvierzig Scaevola-Stellen, welche die Palingenesie von Lenel zählt, entfällt mehr als ein Drittel (hunderteinunddreißig Quellenstellen) auf die Digesta und etwas weniger (hundertundeins Stellen) auf die Responsa des Juristen. Die Quaestiones sind dagegen mit zweiundsechzig Quellen, die libri regularum mit nur siebzehn vertreten. Zu den sog. „loci incerti“ zählt die Palingenesie neunundzwanzig Quellenstellen310. vermutete, dass diejenigen Teile der Quaestiones, welche „de iure hereditario“ und „de legatis“ handelten (liber V bis liber VIII), epitomiert wurden. Johnston (On a Singular Book, S. 97) behauptet dagegen radikal: „Scaevola did not write a liber singularis quaestionum publice tractatarum“. Vielmehr handele es sich um ein eigenständiges Werk eines nachklassischen Lehrers. Gegen diese „wholly spurious“-These von Johnston siehe Giaro (RJ 8 (1989), S. 51–60). Liebs (in Lieberwirth/Lück, Akten des 36. dt. Rechtshistorikertages, S. 52 f.) glaubt allerdings nicht, dass die Stellen aus dem Liber singularis quaestionum publice tractatarum – so wie sie uns überliefert sind – von Scaevola selbst stammen. Aufgrund des bescheidenen Niveaus der Fälle hält der Autor es vielmehr für wahrscheinlich, dass ein (unbekannter) Zeitgenosse – möglicherweise ein Hörer, der sich mit dem Cognomen der berühmten Juristensippe schmückte –, das Werk herausgab. 304 D. Index 18.5: „Kerbidßou Skaibülou De quaestione familiae biblßon Òn“. Gegenstand dieser Schrift war das förmliche Verhör von Sklaven; vgl. Liebs (HLL 4, S. 114). 305 Wieacker (RRG II, S. 106) hielt es für unwahrscheinlich, dass Scaevola dessen Autor war, und vermutete einen späten nachklassischen Auszug, vornehmlich aus den Digesta. 306 Diese könnten nach Wieacker (RRG II, S. 106) und Krüger (Geschichte der Quellen, S. 216) Scaevolas erste Arbeiten gewesen sein. Zustimmend Honoré (SDHI 28 (1962), S. 204). 307 Siehe D.35.2.56.2 (Marcell. 22. dig.); Ulp. frg. Vat. 82. Liebs (HLL 4, S. 114) stellt fest, dass Scaevola in diesen Anmerkungen den Ausgangsfall durch Varianten bereichert und „bisweilen in schroffem Ton“ auch Kritik übt. 308 Siehe D.2.14.54 (Scaev. apud Iulianum 22. dig. notat); D.18.6.11 (In libro 7. dig. Iuliani Scaevola notat). 309 Diese werden hier mit Liebs (HLL 4, S. 127) im weiteren Sinne als Schriften zu einzelnen Rechtsinstituten oder besonderen Rechtsgebieten verstanden. 310 Diese Zahl belegt, dass Scaevola verhältnismäßig oft ohne Quellenangabe zitiert wird. (Vgl. z. B. die im Verhältnis zu seinen fast dreitausend Stellen in der Palingenesie geringe Anzahl von Zitaten „ex libris incertis“ bei Ulpian [Lenel, Palingenesie II, Sp. 1198–1200]. Auch Papinian, auf den mehr als das Doppelte der Stellen [siebenhundertneunundvierzig] kommt, wird zumindest in den Digesten und Institutionen des Justinian seltener ohne Quellenangabe zitiert; siehe Lenel [Palingenesie I, Sp. 946]. Die
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1. Kap.: Einführung und Hintergründe
Es sind mithin die beiden Responsensammlungen Digesta und Responsa, aus welchen die Kompilatoren die meisten Stellen exzerpiert haben311. Aus dem Gesagten ergibt sich folgende Übersicht über den unter dem Namen des Scaevola überlieferten Werkbestand: Werk libri digestorum
Bücher Quellen in D. 40
Massenzuordnung312
131 (dazu 22 Anmerkungen von Tryphonin)
Appendixmasse
101 (dazu 1 Anmerkung von Tryphonin)313
Papiniansmasse
libri responsorum
6
libri quaestionum
20
62 (Davon 6 Zitate bei Ulpian, ein Zitat bei Marcian)
Papiniansmasse
libri regularum
4
18 (Davon 5 Zitate bei Paulus „ad Vitellium“)
Sabinusmasse
liber singularis quaestionum publice tractatarum
1
9
loci incerti
–
29
–
liber singularis de quaestione familiae
1
0
–
Notae zu
–
Marcellus: 2 Julian: 2
Appendixmasse
–
„unsicheren Bücher“, aus denen Paulus zitiert wird, sind bei fast zweitausendeinhundert Stellen in der Palingenesie am geringsten; siehe Lenel [Palingenesie I, Sp. 1308]). Am häufigsten wird Scaevola in den „loci incerti“ von seinem Schüler Paulus und von Ulpian zitiert. Man könnte deshalb darüber spekulieren, ob die beiden ihn hier aus dem Unterricht bzw. vom Hörensagen und daher bewusst nicht mit Quellenangaben zitieren. 311 Nach Jörs (Geschichte und System des röm. PrivatR, S. 26) tragen beide Schriften den gleichen Charakter: „Kaum ein anderes Werk stellt uns die Tätigkeit des Respondenten so lebendig vor Augen als diese unmittelbar aus der Praxis schöpfenden Bücher“. 312 Nach der Tabelle von Mantovani (Digesto e masse bluhmiane, S. 90–102). Diese Zuordnung der Massen wird von der neueren Scaevola-Literatur weitgehend geteilt. Vgl. z. B. Wolf (SDHI 73 (2007), S. 7, S. 70), nach welchem die libri responsorum ebenfalls zur Papiniansmasse und die libri digestorum zur Appendixmasse gehören. Dagegen gehören nach Ansicht von T. Honoré (Justinian’s Digest, S. 125) die ersten beiden Bücher der Digesta des Scaevola wahrscheinlich noch zur Papiniansmasse, während die übrigen achtunddreißig Bücher zur Appendixmasse zählen. 313 Nicht berücksichtigt sind hier die Erwähnungen von Scaevola-Responsen bei Paulus. Zu weiteren denkbaren „stillen Zitaten“ siehe Liebs (SZ 120 (2003), S. 247).
§ 3 Leben und Werk des Quintus Cervidius Scaevola
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Ein Vergleich mit anderen Juristenkollegen wie z. B. mit Julian, welcher allein neunzig libri digestorum verfasste, oder mit Pomponius, von dem uns dreiundachtzig libri seines Ediktskommentars bekannt sind, ergibt, dass Scaevola mit seinen insgesamt zweiundsiebzig libri jedenfalls nicht zu den fleißigsten Schriftstellern gehört314. Wie sein über Rom hinausgehender Ruf als Respondent bestätigt, lag sein Schwerpunkt auf der praktischen und nicht auf der literarischen Tätigkeit. 2. Zu den einzelnen Werken Im Folgenden soll ein kurzer Überblick über diejenigen Werke gegeben werden, aus denen die im exegetischen Hauptteil der Arbeit näher behandelten Quellen stammen. Dies sind die Digesta, Responsa und die Quaestiones von Scaevola. Die libri regularum, eine Sammlung allgemeiner Rechtssätze von Gesetzen, Kaiser- und Juristenrecht, werden hier dagegen nicht näher behandelt, da dieses – wahrscheinlich für den juristischen Unterricht gedachte – regulae-Werk keines der untersuchten Schlüsselworte enthält und zudem weitgehend auf Begründungen für die knappen Rechtsregeln verzichtet315. a) Digesta und Responsa316 Als letztes uns bekanntes Werk mit dem Titel „digestorum libri“ unterscheiden sich die Digesta des Scaevola deutlich von ihren Vorgängern317: Im Unterschied zu den Digestenwerken des Julian oder Celsus werden in den libri digestorum – wie auch in den libri responsorum – des Scaevola überhaupt keine Juristen zitiert318. In anderen Werken von Scaevola – wie z. B. in den Quaestiones – werden dagegen reihenweise Juristen zitiert319. 314 Natürlich gilt dies nur unter dem allgemeinen caveat des Überlieferungsdefizits des C.I.C. 315 Zu den libri regularum des Scaevola siehe Bremer (Rechtslehrer, S. 55 f.); Karlowa (Röm. RG II, S. 735). Zu den regulae-Werken allgemein siehe Liebs (ANRW 15 (1976), S. 225 ff.). 316 Zur Grundform der responsa, die natürlich nicht nur in den libri responsorum vorkommen, siehe Baldus (SCDR 23–24 (2010/11), S. 92). 317 Was dagegen ihren Einfluss auf die Werke der Juristen der Severerzeit betrifft, siehe insbes. Masiello (Le Quaestiones publice tractatae, S. 139 ff.). 318 Was nach Frezza (SDHI 43 (1977), S. 210) „una accentuazione del carattere professatamente professionale dei suoi scritti“ bedeutet. Denn seiner Ansicht nach schließt der Autor auf diese Weise „i boccaporti delle citazioni per accrescere l’autonomia e la responsabilità del suo libro navigare“ (S. 212). 319 Siehe nur D.3.5.8 (Scaev. 1. quaest.): „Pomponius scribit“; D.13.1.18 (Scaev. 4. quaest.): „Pomponius [. . .] ait“; D.47.6.6 (Scaev. 4. quaest.): „Labeo putat“; D.29.7.14 (Scaev. 8. quaest.): „sententiam Proculi verissimam dicere“; D.35.2.20 (Scaev. 9. quaest.): „. . . negat Maecianus“; D.41.3.10.2 (Scaev. 11. quaest.): „Marcellum existi-
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1. Kap.: Einführung und Hintergründe
Während etwa in die Digesten von Julian theoretische und kommentierende Traktate eingeflochten sind320 und auch die Digesten von Papinian allgemeine Erörterungen enthalten321, zeigen die Digesta des Scaevola ein einheitlich kasuistisches Bild322. Wie in seinen Responsa lassen sich auch dort kaum abstrakte Ausführungen oder allgemeine Lehren finden323. Dies leuchtet umso mehr ein, wenn man bedenkt, dass die meisten Konsulenten als juristische Laien sicher nicht am dogmatischen Hintergrund der Entscheidungen interessiert waren, sondern möglichst schnell eindeutige Rechtsauskunft verlangten324. Es handelt sich bei den responsa des Scaevola also überwiegend um Rechtspraxis im konkreten Fall325.
masse“; D.33.5.18 (Scaev. 13. quaest.): „Neratius ait“; D.45.1.131 (Scaev. 13. quaest.): „Iulianus scripsit“; D.40.9.6 (Scaev. 16. quaest.): „Iulianus de eo loquitur“. 320 Vgl. Liebs (HLL 4, S. 101); Bund (ANRW 15 (1976), S. 444). Wie schon Krüger (Geschichte der Quellen, S. 184 f.) feststellte, enthält das neunzig Bücher umfassende Werk Julians „großenteils Kasuistik in der Art der Quaestiones [. . .] und auch dogmatische Erörterungen“. 321 Liebs (HLL 4, S. 121). Nach Liebs (in Vogt-Spira, Strukturen der Mündlichkeit, S. 13) sind die Digesten Papinians am stärksten redigiert. In ihnen sei die Gutachtenstruktur der einzelnen Stellen gänzlich verwischt (S. 9). 322 So auch Spina (Ricerche sulla successione, S. 25), welche feststellt, dass die Digesta des Scaevola – im Gegensatz zu den als Modell fungierenden gleichnamigen Vorgängerwerken des Celsus und Julian – mehr wie „una sorta di collezione di casi, piuttosto che come trattazione generale di tutto il diritto“ daherkommen. 323 Vgl. etwa die Auswertung der responsorum libri des Papinian bei Zülch (Der liber sing. resp. des Marcellus, S. 36 ff.). Wie der Autor (S. 36) feststellt, schreitet die Darstellung dort „gelegentlich nach Art eines Traktats zur Erörterung verwandter Probleme fort“. Selbst in den Antworten des Paulus in den responsorum libri sind nach Zülch (Der liber sing. resp. des Marcellus, S. 39) teilweise „ausführliche Erläuterungen, Begründungen oder auch vergleichbare Fälle“ enthalten. Der Autor bescheinigt Paulus zudem eine auffällige Neigung „den für die Entscheidung maßgeblichen allgemeinen Grundsatz in seiner Antwort herauszustellen“. Dagegen soll in den Gutachten Scaevolas nach Klami (Studi Biscardi IV, S. 227) „eine gewisse Neigung zur Auflockerung der klassischen systematischen Denkweise zutage“ treten. 324 Ähnlich unvorstellbar bei der täglichen Respondierpraxis ist etwa eine historische praefatio, wie Giaro (BIDR 90 (1987), S. 41) feststellt: „Man kann sich die Ungeduld der Interessenten vorstellen, die sich statt der knappen Antwort quid iuris eine Ausführung über die geschichtliche Entwicklung des Problems ab urbis initiis anhören müßten“. Zum Desinteresse an historischer Darstellung bei den Römern allgem. siehe Schulz (Prinzipien, S. 69 ff.). Zum Verhältnis der römischen Juristen zur Geschichte und Historiographie am Beispiel des Pomponius siehe grundlegend Nörr (ANRW 15 (1976), S. 498 ff.). Kalb (Roms Juristen, S. 103) hingegen nahm an, dass Scaevola seine Antworten unter gegebenen Umständen mündlich erweiterte und begründete. Ähnlich Klami (Studi Biscardi IV, S. 228), welcher annimmt, dass Scaevola mit einer „decision first, rationalization to follow“-Argumentationslehre operierte. Der Jurist zeige eine „instinktive, undogmatische Denkweise“ (S. 232). 325 So auch Zülch (Der liber sing. resp. des Marcellus, S. 32).
§ 3 Leben und Werk des Quintus Cervidius Scaevola
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aa) Responsenaufbau Den meisten Quellen der Digesta und Responsa liegt eine gut erkennbare Trichotomie aus narratio-quaestio-responsum zugrunde. Während die Anfragen der Konsulenten meistens mit „quaero“ oder „quaesitum est“ beginnen326, werden die Antworten des Juristen mit „respondit“, gelegentlich auch mit „respondi“ 327 eingeleitet 328. Hierzu stellen sich vor allem zwei eng mit der Responsenform zusammenhängende Fragen, nämlich, ob Scaevola in der Praxis eher mündlich oder schriftlich konsultiert wurde bzw. Rechtsrat erteilte und, ob Scaevola – wie vor allem Schulz329 vermutete – ursprünglich nur „kurze Notizen“ neben die Anfragen der Konsulenten notierte und diese von späteren Bearbeitern zu ,Regesten‘ verarbeitet wurden. (1) Schriftlichkeit oder Mündlichkeit der Konsultationspraxis? Eng mit der Frage nach dem Responsenaufbau verbunden ist die Frage, ob Scaevola von seinen Klienten überwiegend schriftlich oder mündlich konsultiert wurde330.
326 Zur Frage, ob es sich dabei – wie bisher angenommen – tatsächlich um die Auflösung von Siglen handelt, zuletzt kritisch Wolf (SDHI 73 (2007), S. 66 ff.), der dagegen insbes. die konsequente Missachtung der Regeln der consecutio temporum in der (scheinbaren) Auflösung der Fragesätze anführt. 327 Dass die Verwendung der einen oder anderen Form „vollkommen planlos“ erfolgt, stellte schon Schulz (Symb. Frib., S. 165) fest. Der Autor (S. 151) deutete die Tatsache, dass allein die Formen „respondi“ und „respondit“, nie jedoch „respondeo“ vorkommen, übrigens im Sinne seiner ,Regestentheorie‘ als ein sprachliches Indiz dafür, dass hier (wohl durch die Herausgeber) von „etwas in der Vergangenheit Liegendem berichtet“ wurde. Zur ,Regestentheorie‘ siehe § 3 IV. 2. a) aa) (5). Auch wenn Schulz einräumte, dass derartige Formen in antiken Handschriften oft mit der Sigle ,R‘ abgekürzt wurden, sollte dies für die Responsen des Scaevola seiner Ansicht nach gerade nicht zutreffen. 328 Zur Responsenform ,casus-quaestio iuris-responsum‘, welche schon Servius verfolgte, siehe Miglietta (Servius respondit, S. 216 ff.). In den gründlich redigierten Digesten Papinians ist die Trennung von consultatio und responsum dagegen äußerlich nicht mehr erkennbar; vgl. Liebs (HLL 4, S. 121). 329 Siehe den grundlegenden Aufsatz zur Überlieferungsgeschichte der Responsen des Scaevola von Schulz (Symb. Frib., S. 143–244), in welchem der Autor im Wesentlichen seine ,Regestentheorie‘ begründete. 330 Die Frage der Schriftlichkeit oder Mündlichkeit römischer Juristenresponsen wird in der Forschung seit langem kontrovers diskutiert. Siehe aus der neueren Literatur etwa Baldus (SCDR 23–24 (2010/11), S. 81 f. m.w. N.); Crifò (Lezioni di storia, S. 366–372) oder Liebs (in Vogt-Spira, Strukturen der Mündlichkeit, S. 1 ff.). Während Liebs sehr häufig von einem mündlichen responsum ausgeht, vertritt Zülch (Der liber sing. resp. des Marcellus, S. 202 ff.) dagegen kritisch die Schriftlichkeit. Siehe auch die Rezension zu Zülch von Liebs (SZ 120 (2003), S. 243–262).
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Nach Bretone331, welcher das responsum der römischen Juristen mit dem „responso religioso“ der Auguren vergleicht, war dieses jedenfalls ursprünglich „un atto fondamentalmente orale“. Fraglich ist, ob dies auch noch zu Scaevolas Zeit zutrifft. Ihrer äußeren Form nach scheinen die auffällig redigierten Responsen des Scaevola jedenfalls keine mündliche consultatio abzubilden. Denn dass eine (mündliche) Konsultation in der Praxis nach dem Schema der dreigliedrigen Responsenform (narratio-quaestio-responsum) verlief, erscheint äußerst unwahrscheinlich332. Von den Befürwortern der Mündlichkeit wird deshalb teilweise die Ansicht vertreten, dass das technische responsum nicht einfach eine (mündliche) consultatio abbildet, sondern vielmehr eine stilisierte literarische Darstellungsform ist, welche den Sachverhalt unter objektive Kategorien zu fassen sucht333. Wie jedoch Talamanca334, der insofern von einem „mito dell’oralità“, spricht, überzeugend dargelegt hat, geht die rigorose Dreiteilung der Responsen eher auf einen schriftlichen Austausch von Anfrage und Antwort zurück als auf die „Protokollierung“ einer mündlichen Konsultation. Schon die Tatsache, dass Scaevola in der Hauptstadt residierte, spricht dafür, dass ihn die vielen auswärtigen Anfragen überwiegend in schriftlicher Form erreichten335. Denn dass die vielen auswärtigen Klienten des Scaevola, welcher zunehmend in die Verwaltungs- und Regierungsorganisation des Kaisers eingebunden war, für eine Rechtsberatung extra nach Rom reisten, ist unwahrscheinlich336. 331 Siehe Bretone (Storia, S. 199). Vgl. auch Bretone (in Bretone, Diritto e tempo, S. 23). 332 So vor allem Wolf (SDHI 73 (2007), S. 65), welcher diese Vorstellung für „künstlich und lebensfremd“ hält. 333 Siehe Wolf (SDHI 73 (2007), S. 65 und Studi Labruna VIII, S. 5935 f.); Frezza (SDHI 43 (1977), S. 207). Zur Verbindung von „oralità e forma letteraria“ siehe auch Bretone (Storia, S. 198–202). Kritisch dazu Talamanca (Studi Labruna VIII, S. 5564 und Fn. 223). Wie Liebs (in Vogt-Spira, Strukturen der Mündlichkeit, S. 2) anführt, entstand die Literaturgattung der responsorum libri verhältnismäßig spät. Sie ist erstmals im 1. Jh. n. Chr. belegt. Gegen die Verbindung, welche nach Liebs zwischen der speziellen Form der Responsen bzw. der darin enthaltenen Umgangssprache und der Mündlichkeit besteht, siehe Talamanca (BIDR 103/104 (2000/01), S. 513 ff., S. 517). Denn wie Talamanca (Studi Labruna VIII, S. 517) zu Recht feststellt, ist auch die Vulgarität des Ausdrucks keine Frage von Mündlichkeit oder Schriftlichkeit der Anfrage. Ähnlich offenbar noch Sigel (Rechtsgutachten, S. 90), welche die mündliche Anfragesituation ohne weitere Begründung mit den „umständlichen und zum Teil widersprüchlichen quaestiones“ erklären will: „. . . die niedergeschriebenen Rechtsfragen weisen noch Spuren einer vom anfragenden Laien gebrauchten Formulierung auf“. Dass derartige Ungereimtheiten auch (und gerade) aus einer schriftlichen Anfrage herrühren könnten, berücksichtigt die Autorin jedoch nicht. 334 Siehe Talamanca (BIDR 103/104 (2000/01) S. 519). 335 Vgl. Talamanca (BIDR 103/104 (2000/01), S. 508 Fn. 110, S. 519). Auch Schulz (Symb. Frib., S. 151) ging offenbar von einer brieflichen Konsultation aus.
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Was den praktischen Ablauf der (schriftlichen) Rechtsraterteilung betrifft, nimmt Talamanca337 an, dass das responsum des Juristen – ähnlich den Reskripten der kaiserlichen Kanzlei a libellis338 – als subscriptio unter die jeweilige Anfrage (supplicatio) geschrieben und diese mit dem responsum subscriptum als versiegelte339 Kopie an den Konsulenten zurückgeschickt wurde, während das Originalresponsum im Archiv des Juristen verblieb340. Für diesen schriftlichen Ablauf der Konsultationspraxis sprechen u. a. Quellen wie z. B. D.33.2.38 (Scaev. 3. resp.)341 oder D.33.8.23.3 (Scaev. 15. dig.)342, in denen Scaevola schlicht auf seine oben („supra“) erteilte Antwort verweist. In solchen Fällen handelt es sich offenbar um ein mehrstufiges schriftliches responsum, für das der Konsulent vorausschauend gleich mehrere Fragen auf einmal an Scaevola gerichtet hatte.
336 Vgl. erneut Talamanca (BIDR 103/104 (2000/01), S. 524) und allgem. für die Juristen des Prinzipats auch Zülch (Der liber sing. resp. des Marcellus, S. 203). 337 Siehe Talamanca (BIDR 103/104 (2000/01), S. 526, S. 528). 338 Auch die kaiserlichen Reskripte ergingen auf private Anfragen im Einzelfall (vgl. Lambertini [Introduzione, S. 42]) und zeigen insofern eine innere Verwandtschaft zu den Responsen. Siehe dazu die Nachweise bei Arcaria (in Palazzolo, IUS E TEXNH, S. 137); vgl. auch Spina (Ricerche sulla successione, S. 34). Zur Reskriptenpraxis der Kaiserzeit siehe die grundlegende Untersuchung von Nörr (SZ 98 (1981), S. 1–46). 339 Liebs (in Vogt-Spira, Strukturen der Mündlichkeit, S. 1) will der Überlieferung des Pomponius in D.1.2.2.49 (Pomp. lib. sing. ench.) entnehmen, dass die Juristen seit Augustus ihre Gutachten siegeln mussten. Diese sog. „responsa signata“ waren nach Talamanca (BIDR 103/104 (2000/01), S. 506, S. 508) in erster Linie eine Formvorgabe, ohne deren Einhaltung ein juristisches Gutachten vor Gericht keine Geltung hatte. Wenn Scaevola also – wie Talamanca (S. 518) vermutet – das kaiserliche Privileg des ius respondendi ex auctoritate principis genoss, mussten seine Responsen in der Form des responsum signatum ergehen. In republikanischer Zeit „schrieb“, wie Bretone (Storia, S. 200) feststellt, dagegen entweder noch der Jurist selbst an den Richter, oder es sicherte sich der Anfragende „per mezzo di testimoni, la possibilità di dimostrarne il carattere autentico“ des Gutachtens. Nörr (SZ 98 (1981), S. 13) vermutet, dass das Original des libellus (mit der subscriptio) zu den Kanzleiakten kam und sich der Petent von dem proponierten Reskript eine Abschrift machte, die mittels testatio beglaubigt werden konnte. Nach Kunkel (Herkunft, S. 339 Fn. 719), welcher sich ebenfalls auf die Quelle D.1.2.2.49 (Pomp. lib. sing. ench.) beruft, handelt es sich bei den responsa signata um vom kaiserzeitlichen Respondenten ausgestellte, versiegelte Urkunden, die dem Richter vorgelegt wurden. Talamanca (Studi Labruna VIII, S. 5561 Fn. 214) hält diese – wie einst Kunkel – für versiegelte Doppelurkunden mit offener Außenaufschrift. Der geänderten Ansicht von Kunkel (Herkunft, S. 339 Fn. 719), wonach der Inhalt eines responsum signatum dem Konsulenten bis zur Eröffnung durch den Richter unbekannt blieb, folgt Talamanca nicht, sondern betont, dass die ,Versiegelung‘ römischer Schriftstücke nur die Authentizität des Dokuments garantieren, nicht aber dessen Geheimhaltung sicherstellen sollte. 340 Siehe Talamanca (BIDR 103/104 (2000/01), S. 530 und Studi Labruna VIII, S. 5564). 341 „respondit ex his, quae supra responsa essent, intellegi differentiam“. Siehe zu dieser Quelle auch § 3 IV. 2. a) aa) (2) a. E. 342 „respondit supra responsum“. Siehe zu dieser Stelle Fn. 528.
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Aber auch wo sich der Anfragende – wie z. B. in D.32.39 pr. (Scaev. 20. dig.) – auf die oben geschriebenen Worte („verbis supra scriptis“ 343) einer testamentarischen Anordnung bezog, liegt es nahe anzunehmen, dass Scaevola schriftlich konsultiert wurde. Wie das Beispiel zeigt, schilderten die Konsulenten dem Juristen offenbar zunächst den Sachverhalt (evtl. mit Kopie eines Testaments- oder Vertragstextes) und notierten darunter ihre konkreten Anfragen. Der Schriftweg hatte für den Anfragenden jedenfalls den Vorteil, dass er alle Sachverhaltsinformationen sorgfältig darlegen konnte344. Aufschluss über den Weg der Konsultation könnten zudem gerade solche Quellen geben, in denen der Anfragende entsprechend dem von Scaevola erteilten (ersten) responsum eine Anschlussfrage („item quaero“ oder „item quaesitum est“) stellte. Ein Beispiel für diese Praxis findet sich etwa in D.7.1.58.1–2 (Scaev. 3. resp.)345: D.7.1.58.1–2 (Scaev. 3. resp.) (1) „,Sempronio do lego ex redactu fructuum holeris et porrinae, quae habeo in agro Farrariorum, partem sextam‘. quaeritur, an his verbis usus fructus legatus videatur. respondi non usum fructum, sed ex eo quod redactum esset partem legatam. (2) Item quaesitum est, si usus fructus non esset, an quotannis partem sextam redactam legaverit. respondi quotannis videri relictum, nisi contrarium specialiter ab herede adprobetur“. (1) „,Dem Sempronius gebe und vermache ich von dem Ertrag der Früchte von Kohl und Lauchgemüse, die ich auf dem farrarischen Feld habe, den sechsten Teil‘. Es wird angefragt, ob mit diesen Worten ein Nießbrauch vermacht zu sein scheine. Ich habe geantwortet, es sei kein Nießbrauch vermacht, sondern ein Teil dessen, was an Ertrag erzielt werde. (2) Desgleichen wurde angefragt, ob er, wenn kein Nießbrauch vorliege, alljährlich den sechsten Teil des Ertrags vermacht habe. Ich habe das Gutachten erteilt, es scheine alljährlich hinterlassen, sofern nicht das Gegenteil vom Erben ausdrücklich nachgewiesen werde“.
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Zur Wendung „supra scriptus“ bei Scaevola siehe schon Kalb (Roms Juristen,
S. 7). 344 So lässt sich auch manch überflüssige Mitteilung im Sachverhalt erklären. Ein juristisch ungebildeter Konsulent wusste eben nicht, worauf es für die juristische Beurteilung seines Falles im Einzelnen ankam, und wollte sicher gehen, keine möglicherweise wichtige Information ausgelassen zu haben. Eine Besonderheit ist zudem, dass die Konsulenten ihr Anliegen meist chronologisch, also so wie es wahrscheinlich abgelaufen ist, vortragen; vgl. Samter (SZ 27 (1906), S. 160). Zur Genauigkeit, mit der die Anfragenden sich mitteilen mussten, siehe Talamanca (BIDR 103/104 (2000/01), S. 522 f.). Zur Rechtsunkenntnis vieler Provinzbewohner siehe Mitteis (ReichsR u. VolksR, S. 156 f.). 345 Vgl. auch die kaskadenartige Stelle D. 33.2.38 (Scaev. 3. resp.), welche unter § 3 V. 2. näher besprochen wird.
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Ohne näher auf den Inhalt dieser Responsa-Stelle einzugehen, lässt sich eine consultatio in schriftlicher Form hier schon anhand des Aufbaus der Quelle plausibel machen. Der Anfragende wollte zunächst wissen, ob ein Nießbrauch vorlag („quaeritur, an his verbis usus fructus legatus videatur“)346. Auf die verneinende Antwort von Scaevola („respondi non usum fructum“) stellte er eine entsprechende Anschlussfrage („Item quaesitum est, si usus fructus non esset, an . . .“). Man könnte annehmen, dass der Konsulent die zweite Frage als Reaktion auf die Entscheidung von Scaevola stellte: entweder indem er einen neuen Brief schrieb oder indem er im Falle einer mündlichen Konsultation nachhakte. Das Wort „item“, mit welchem die zweite Frage hier eingeleitet wird, gibt allein nur wenig Aufschluss. Zwar werden unter Verweis auf „quaeritur“ zwei gleiche Dinge (nämlich zwei Fragen) aneinandergereiht, unsicher bleibt aber, ob damit bloß eine lockere Beziehung („desgleichen“) oder ein enger Bezug der Fragen („im gleichen Zug“) zueinander ausgedrückt ist347. Wahrscheinlicher ist hier jedoch schon aufgrund des Konjunktivs („si non . . . esset“ 348), dass es sich um eine hypothetische zweite Frage handelte349, welche der Anfragende gleich für den Fall mitgeschickt hatte, dass der Jurist entschied, dass kein Nießbrauch vorliege. Insofern ist eine mündliche Konsultation eher unwahrscheinlich350. Für eine schriftliche Konsultation sprechen zudem solche Quellen, in denen Scaevola die Anfrage offensichtlich nicht klar war und er diese deshalb umformulierte351. Seine Antwort erteilte er dann auf die von ihm präzisierte Frage.
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Sprachlich auffällig ist das „videatur“ in der Anfrage. In der Formulierung „his verbis [. . .] legatus videatur“ scheint ein Interesse des Anfragenden dahingehend durchzuschimmern, dass er in den Worten augenscheinlich ein Nießbrauchsvermächtnis erkennen wollte. 347 Ein ähnliches Problem stellt sich in Fällen, in denen die Folgefrage mit „Idem quaesiit“ o. ä. eingeleitet wird. Meist steht das Personalpronomen für denselben Anfragenden, es kann aber auch, wenn demselben Subjekt ein neues Prädikat zugeordnet wird, „zugleich/gleichfalls/ebenso“ bedeuten. Es ist daher im Einzelfall inhaltlich zu prüfen, ob die Anschlussfrage noch von derselben Partei stammen kann. 348 Der Konjunktiv Imperfekt („esset“) im Konditionalsatz („si“) drückt hier den Irrealis der Gegenwart aus. Die Regeln der consecutio temporum fallen dagegen wegen des Konjunktiv Perfekts im direkt vom Perfekt („quaesitum est“) abhängigen indirekten Fragesatz („an [. . .] legaverit“) aus. 349 Zülch (Der liber sing. resp. des Marcellus, S. 30) will insofern von einem „fünfgliedrigen“ Responsenaufbau sprechen. 350 „Item quaesitum est“ wäre hier folglich in engem Bezug zur Vorfrage als „im gleichen Zug wurde angefragt“ zu verstehen. 351 Schon Schirmer (SZ 8 (1887), S. 101 mit Beispielen) stellte fest, dass man bei Scaevola nicht selten auf Ergänzungen des unvollständigen oder Präzisierungen des ungenauen Tatbestandes trifft.
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Ein Beispiel für einen solchen Fall ist D.5.2.13 (Scaev. 3. resp.)352: D.5.2.13 (Scaev. 3. resp.) „Titia filiam heredem instituit, filio legatum dedit: eodem testamento ita cavit: ,Ea omnia quae supra dari fieri iussi, ea dari fieri volo ab omni herede bonorumve possessore qui mihi erit etiam iure intestato: item quae dari iussero, ea uti dentur fiantque, fidei eius committo‘. quaesitum est, si soror centumvirali iudicio optinuerit, an fideicommissa ex capite supra scripto debeantur. respondi: si hoc quaeratur, an iure eorum, quos quis sibi ab intestato heredes bonorumve possessores successuros credat, fidei committere possit, respondi posse“. „Titia setzte eine Tochter zur Erbin ein, dem Sohn gab sie ein Vermächtnis. In demselben Testament bestimmte sie folgendes: ,All das, was ich oben zu geben und zu tun bestimmt habe, soll nach meinem Willen von jedem Erben oder Nachlassbesitzer, den ich auch nach gesetzlichem Erbrecht haben werde, gegeben und getan werden. Ebenso vertraue ich es seiner fides an, dass das, was ich zu geben bestimmt habe, gegeben und getan wird‘. Es wurde gefragt, ob, wenn die Schwester vor dem Hundertmännergerichtshof obsiegt, die Fideikommisse aus dem oben wiedergegebenen Testamentsabschnitt geschuldet werden. Ich habe geantwortet: Wenn danach gefragt wird, ob jemand rechtswirksam denen ein Fideikommiss auferlegen kann, die er als gesetzliche Erben oder Nachlassbesitzer für seine möglichen Nachfolger hält, so habe ich geantwortet, er könne“.
Diese Quelle zeigt wiederum deutlich, dass der Anfragende zum Entscheidungszeitpunkt nicht anwesend gewesen sein konnte, denn sonst hätte Scaevola seine Unklarheit353 bezüglich der Anfrage sicher sofort durch Nachfragen beseitigt. Stattdessen erteilte Scaevola seine Antwort hier unter Präzisierung der Fragestellung („respondi: si hoc quaeratur, an [. . .] possit, respondi354 posse“). 352 Vgl. auch D. 32.37 pr. (Scaev. 18. dig.): „respondit, si de legati iure fideique commissi quaereretur . . .“. 353 Dass es sich bei der Formulierung „si hoc quaeratur, an . . .“ um eine Einleitungsfloskel handelt, ist zwar nicht mit Sicherheit auszuschließen, zumal Scaevola seine Antworten nicht selten ausdrücklich auf Grundlage des vorgetragenen Sachverhaltes („secundum ea quae proponerentur“) erteilt. Hier jedoch wiederholt er in seiner Antwort die komplette Frage („. . . an iure eorum, quos quis sibi ab intestato heredes bonorumve possessores successuros credat, fidei committere possit“), weshalb anzunehmen ist, dass er diese präzisieren und eine eindeutig auf diese abgestimmte Antwort erteilen wollte. 354 Auffällig ist das wiederholte „respondi“. Man könnte darüber spekulieren, ob etwa der Herausgeber der Responsa dieses zweite „respondi“ übersehen hatte, als er die Antwort des Juristen mit dem stereotypen „respondi/respondit“ einleitete. Entgegen der Übersetzung von Behrends/Knütel/Kupisch/Seiler (Corpus Iuris Civilis II, S. 501) mit „so ist zu antworten“, kann es sich bei „respondi“ jedenfalls nicht um ein Gerundivum handeln. Es scheint eher, als wollte der Herausgeber die direkte Abfolge von „possit“ und „posse“ durch den Einschub des sich auf die konkrete Frage („si quaeratur“) rückbeziehenden „respondi“ vermeiden. Im Ergebnis lautet die bejahende Antwort des Juris-
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Ein weiteres Indiz für eine schriftliche Konsultationspraxis geben die vielen Sachverhaltsdistinktionen, mit denen Scaevola seine Antworten unter einer einschränkenden Bedingung erteilte bzw. den Fall durch Einführung eines weiteren Tatbestandsmerkmales ausdifferenzierte. Diese Distinktionen werden meist durch konditionale si- oder nisi355-Sätze eingeleitet. Im Unterschied zu eher schulmäßigen Sachverhaltsdistinktionen, die – wie etwa in den Quaestiones des Scaevola – überwiegend als Argumentationsfigur dienten356, hatten derartige Unterscheidungen in praktischen Fällen wohl meistens eine andere Ursache. Krampe erklärt sie z. B. mit der Streitigkeit des Sachverhaltes unter den Parteien357. Dies liegt bei Scaevola vor allem dann nahe, wenn man die vielen Fälle bedenkt, in denen der Jurist eine Partei an den iudex verwies358, welcher über die quaestio facti entscheiden sollte359.
ten dann schlicht: „respondi posse“. Die Stelle könnte also ein Beleg dafür sein, dass das stereotype „respondit/respondi“ den Antworten des Juristen im Rahmen der bereits angesprochenen Responsentrichotomie (narratio–quaestio–responsum) erst nachträglich vorangestellt wurde. Siehe dazu bereits § 3 IV. 2. a) aa). 355 Siehe z. B. die Quelle D.4.4.39.1 (Scaev. 2. dig.). In Erbrechtsfällen folgt häufig der stereotype Vorbehalt „nisi manifestissime probetur aliud testatorem sensisse/voluisse“ auf das Gutachten des Juristen (vgl. z. B. D.33.2.32.6 [Scaev. 15. dig.]). Diese Stellen galten seit Gradenwitz (Interpolationen, S. 189 f.) als interpolationsverdächtig. Dazu Baldus (in Baldus/Kronke/Mager, Heidelberger Thesen, S. 207 ff.). Eine umfassende Untersuchung dieser Stellen – insbesondere unter Berücksichtigung der Frage nach der Verschiebung materieller Rechtsprobleme ins Prozessrecht – steht noch aus. 356 Vgl. z. B. die in § 7 III. 3 besprochene Quelle D.21.2.69.4 (Scaev. 2. quaest.) und ihre didaktischen Zwecken dienenden Tatbestandsvarianten. 357 Z. B. für verschiedene Gutachten des Alfenus siehe Krampe (FS-Spruit, S. 139; FS-Mayer-Maly, S. 357 ff.; FS-Wacke, S. 249). Der Jurist habe seiner Entscheidung entsprechend den gegensätzlichen Parteibehauptungen bald die eine, bald die andere Sachverhaltsversion zugrunde gelegt und am Ende ein „Alternativgutachten“ erstellt. Die distinctiones bei Alfenus erklären sich nach Krampe also überwiegend „gutachtentechnisch“, weniger didaktisch; siehe Krampe (FS-Mayer-Maly, S. 361 f.). Dagegen sind die vielen distinctiones bei Proculus nach Krampe (Proculi Epistulae, S. 61 ff.) der theoretischen Problemerörterung geschuldet, welche den Lehrcharakter der Proculi Epistulae kennzeichnet. Zur begriffsbildenden distinctio bei Servius siehe wiederum Miglietta (Servius respondit, S. 70 ff.). Wie Miglietta (S. 71 Fn. 63) am Beispiel von D.34.2.19.17 (Ulp. 20. ad Sab.) ausführt, hatte die dort von Servius vorgenommene distinctio zwischen den gemmae und den lapilli als „operazione logico-giuridica“ im Gegensatz zur partitio nicht die Funktion, die res (hier die gemmae) in ihre Einzelbestandteile aufzuteilen, sondern die Einzelteile zu identifizieren (distinguere bedeutet, wie der Autor anführt, nämlich eigentlich „punktieren“, also „kennzeichnen“) und richtig zu benennen („nel dare il nome giusto alle cose“). Bei dieser Operation diente die distinctio folglich der „attribuzione dei nomina (iuris) appropriati“. 358 Dass Scaevola am Übergang vom Formularprozess zur cognitio extra ordinem stand, ist eine Besonderheit, die vor allem Baldus (in Harke, Facetten des röm. ErbR, S. 27 ff.) für Systemfragen in prozessualer Hinsicht fruchtbar macht.
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Wie Zülch360 feststellt, sind solche Verweise als Indiz für einen praktischen Fall zu werten. Denn ein theoretischer Fall, in dem der Jurist den Anfragenden an den iudex verwies, etwa weil er keine eigene Lösung bieten konnte, sei doch kaum denkbar. Zwar ist – wie der Autor zu Recht einräumt – das Herausarbeiten bestimmter Kriterien, die der iudex bei seiner Ermessensentscheidung zu beachten hatte, nicht ohne allgemeinen Erkenntniswert, dennoch liegen derartige Fallbildungen zu akademischen Zwecken eher fern. Denkbar ist, wie bereits gesagt, aber auch, dass die Distinktionen der Tatsache geschuldet sind, dass Scaevola nicht persönlich, sondern schriftlich konsultiert wurde und Unklarheiten im Sachverhalt361 deshalb nicht direkt aufklären konnte362. Wenn Scaevola nämlich eine schriftliche Anfrage vorlag, die er mangels ausreichender Information nicht abschließend beantworten konnte, lag es nahe ein Alternativgutachten zu erteilen. Im Ergebnis scheint auch in solchen Fällen eine schriftliche Konsultation wahrscheinlicher als eine mündliche. In der Tat wurden die meisten römischen Rechtsgutachten der Kaiserzeit schriftlich abgefasst363. Die von den Befürwortern der mündlichen Konsultationspraxis oft angeführte Quelle D.28.2.19 (Paul. 1. ad Vitell.), in der Paulus berichtet, dass Scaevola in einer Diskussion seinem responsum nachträglich eine Begründung hinzufügte („respondit et in disputando adiciebat “) ist hingegen schon aufgrund der fehlenden Angabe, in welchem Buch364 bzw. in welchem Kontext Scaevola hier antwortete, kein ausreichendes Indiz für die Mündlichkeit. Denn dass Scaevola den konkreten Fall direkt mit seinem Konsulenten diskutierte, erscheint mehr als unwahrscheinlich. Vor allem stellt sich dann die Frage, wieso Paulus gerade an dieser Stelle die mündliche Stellungnahme von Scaevola sprachlich hervorhob, wenn doch sonst auch mündlich respondiert wurde. 359 Vgl. auch D.34.1.15.1 (Scaev. 17. dig.), D.34.3.28.9 (Scaev. 26. dig.), D.34.3.31. pr. (Scaev. 3. resp.) oder D.44.7.61.1 (Scaev. 28. dig.): „respondit ex personis causisque eum cuius notio sit aestimaturum, an actio danda sit“. 360 Zülch (Der liber sing. resp. des Marcellus, S. 221). 361 Mit der Unklarheit des Sachverhalts erklärt Krampe (FS-Ankum I, S. 212 f.) beispielsweise die Distinktion in D.45.1.122.1 (Scaev. 28. dig.). 362 Liebs (SZ 120 (2003), S. 260) will die Vorbehalte wegen unvollständiger Tatsachengrundlage dagegen mit der einem jeden Anwalt vertrauten Konsultationssituation erklären, bei der „auch die im Sprechzimmer erscheinenden Klienten nicht alle relevanten Tatsachen beisammen haben“. 363 Und sei es, wie Liebs (in Vogt-Spira, Strukturen der Mündlichkeit, S. 1) vermutet, als Niederschrift eines mündlichen Vortrags. 364 Nach Liebs (SZ 120 (2003), S. 247) könnte sich Paulus in seinem Zitat auf die libri responsorum des Scaevola bezogen haben. Dagegen spricht jedoch, dass Paulus nach hier vertretener Ansicht weder die Responsa noch die Digesta des Scaevola, sondern vermutlich eine „Erstausgabe“ der Digesta des Scaevola, in welcher Wolf (Studi Nicosia VIII, S. 474) die den beiden Responsenwerken gemeinsame Urquelle sieht, beim Zitieren vor sich hatte. Siehe dazu § 3 IV. 2. a) bb).
§ 3 Leben und Werk des Quintus Cervidius Scaevola
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Nahe liegt vielmehr, dass sich eine Diskussion über die bereits ergangene, wie immer lakonische Entscheidung („Scaevola respondit non videri“) des Lehrers erst anschließend im Unterricht ergab und der Schüler Paulus diese hier referierte365. Natürlich ist trotz der vielen angeführten Textbeispiele nicht mit Sicherheit auszuschließen, dass Scaevola seine Konsulenten hin und wieder persönlich empfing und mündlich respondierte366. Aufgrund der spärlichen Quellenlage zur Respondierpraxis der Juristen der Kaiserzeit367 können wir letztendlich nur vermuten, dass der Weg der Rechtsberatung bei Scaevola eher ein schriftlicher als ein mündlicher war. (2) Blankettnamen Selbstverständlich bedeutet auch eine schriftliche Konsultationspraxis nicht, dass die Originalgutachten des Juristen völlig unbearbeitet in die Responsensammlungen übernommen wurden. Wie Frezza feststellt, war es gerade im Gegensatz zur Literaturgattung der epistulae368 Aufgabe des technischen responsum die Struktur des Sachverhalts zu analysieren „cercando di ricondurla sotto categorie sistematiche oggettivanti e depersonalizzanti“ 369. Dies zeigt schon die bereits angesprochene Tatsache, dass die Originalnamen der Parteien in zahlreichen Sachverhalten durch Blankettnamen wie „Lucius Titus“ und „Publius Maevius“ für einen Protagonisten oder „Stichus“ und „Pamphilus“ für einen Sklaven ersetzt wurden370. 365 Warum die Enterbung des Sohnes im konkreten Fall ungültig sein sollte, erklärt Scaevola hier anhand des Beispiels eines Grundstücks („ideo non valere, quoniam nec fundi exheres esse iussus recte exheredaretur . . .“). Diese Begründung wird kaum für einen anfragenden Laien formuliert gewesen sein. Sie spricht vielmehr für einen didaktischen Diskurs. 366 Offen lässt die Streitfrage offensichtlich Masiello (Le Quaestiones publice tractatae, S. 140): „Gli interlocutori di Scevola sono sempre ,clienti‘ più o meno lontani, che, a voce o per lettera, ne richiedono il parere“. 367 Eine der wenigen uns überlieferten Quellen ist die bereits erwähnte Quelle D.1.2.2.49 (Pomp. lib. sing. ench.). Zur Interpretation dieser Stelle, insbes. zur Interpretation der Worte „neque responsa utique signata dabant, sed plerumque iudicibus ipsi scribebant aut testabantur qui illos consulebant“ siehe Talamanca (Studi Labruna VIII, S. 5499 ff., insbes. S. 5551–5565). 368 Die libri epistularum sind nach Frezza (SDHI 43 (1977), S. 207) jedenfalls mit den epistulae des Afrikan als juristische Literaturgattung ausgestorben. Nach Ansicht des Autors könnten für das Verschwinden dieses Titels „che mal ricopre una raccolta di responsi o dibattiti tecnici“ eine „progressiva professionalizzazione della attività dei maestri, e la corrispondente struttura delle opere da loro prodotte“ verantwortich sein. 369 Siehe Frezza (SDHI 43 (1977), S. 207). 370 Zur Verwendung der Originalnamen in den libri responsorum allgemein siehe Bretone (in Bretone, Diritto e tempo, S. 25). Nach Ansicht des Autors ist diese Praxis vor allem „nella volontà di riprodurre fedelmente il caso accaduto“ begründet. Die Ent-
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1. Kap.: Einführung und Hintergründe
Die Blankettnamen sind nach Talamanca371 gewählt worden, um die wirklichen Namen der in der consultatio namentlich angeführten Personen zu verschleiern. Neben der Anonymisierung, die außer im Fall bekannter Namen von Persönlichkeiten, die unerkannt bleiben wollten, kaum eine Rolle gespielt haben dürfte, könnte man auch vermuten, dass die Bearbeiter die vielen Einzelfälle abstrahieren wollten und die Blankettnamen wählten, um die Sachverhalte zu entpersonalisieren372. So vermutet z. B. Lamberti 373, dass auch die Verwendung der Blankettnamen mit der Zielgruppe der Publikation zu tun hatte: „L’eliminazione di riferimenti concreti deve essere stata operata nell’intento di favorire una più ampia diffusione e fruizione di entrambe le opere“ 374. Die ,abstrahierten‘ responsa hätten insofern die Aufgabe von exempla erfüllt und insbesondere den Rechtspraktikern (auch denen in der Provinz) ein nützliches Repertoire praktischer Falllösungen an die Hand gegeben. Anders als z. B. in den dialogisch aufgebauten Responsen des Javolen375 werden die Parteien bei Scaevola jedenfalls so gut wie nie mit „ego“ und „tu“ bezeichnet376. Überhaupt lässt die Verwendung von Original- und Blankettnamen in den Responsen des Scaevola keine Ordnung erkennen. Bereits Schulz377 stellte fest, dass die beiden Responsensammlungen von der Verwendung der Blankettnamen „völlig planlos“ Ausnahmen machen und stellenweise die Originalnamen verwenden. So findet sich z. B. in der Begrüßungsformel eines scheinbar im Original zitierten Briefes in D.44.7.61.1 (Scaev. 28. dig.) der Blankettname „Lucius Titius“ 378. Andererseits wird z. B. in D.16.3.28 (Scaev. 1. resp.) ein Brief wahrpersonalisierung erinnert an die Blankettnamen, welche sowohl in den Responsen der pontifices als auch in den Klageformeln der Prätoren vorkamen. Man könnte darüber spekulieren, dass ähnlich, wie die Kläger- und Beklagtenrolle eines Aulus Agerius (A. A.) und Numerius Negidius (N. N.) in der „formula“ für den konkreten Fall schablonenhaft ersetzt wurde, auch die Responsen, welche unter Justinian Gesetzeskraft erhielten, in vergleichbarer Form ihre generelle Geltung nicht nur für den Einzelfall ausdrückten. Nach Schulz (Geschichte, S. 37 f., S. 101, S. 398, S. 418 ff.) folgt zumindest der für Scaevola typische Zusatz „secundum ea quae proponerentur“ den responsa pontificum und soll die Beeinflussung durch das ius vetus und die Tradition zeigen, welcher Scaevola unterlag. Auffallend ist neben dieser Parallele die Tatsache, dass auch die pontifices keine Begründung für ihre Entscheidungen gaben. Diese interessante, aber spekulative Parallele wäre gesondert zu klären. 371 Talamanca (BIDR 103/104 (2000/01), S. 543). 372 Ähnlich den Klageformeln der actiones konnte man so quasi die jeweiligen Parteinamen einsetzen. 373 Lamberti (Studi Labruna IV, S. 2739). 374 Zur Verwendung der Blankettnamen bei Scaevola siehe zudem § 3 IV. 2. aa) (2). 375 Siehe etwa D.39.5.25 (Iav. 6. epist.); D.45.1.105 (Iav. 2. epist.). 376 Eine Ausnahme stellt z. B. die Quelle D.22.2.5 pr. (Scaev. 6. resp.) dar, wo die Parteien ausschließlich in der ersten und zweiten Person genannt werden; siehe zu dieser Quelle § 9 III. 1. 377 Siehe Schulz (Symb. Frib., S. 160). 378 Siehe zu dieser Quelle Sigel (Rechtsgutachten, S. 126 ff.).
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scheinlich mit den Originalnamen „Caecilius Candidus“ und „Paccius Rogatianus“ zitiert, welche sowohl in der Einleitung beibehalten als auch außerhalb des vermeintlichen Originalbriefwortlautes unverändert bleiben. Besonders interessant ist, dass teilweise sogar in den Quellen, in denen griechische Schriftstücke mit Parteinamen zitiert werden, die lateinischen Blankettnamen auf Griechisch wiedergegeben werden. Beispiele dafür sind etwa die Stellen D.17.1.60.4 (Scaev. 1. resp.): „SeÀÃw“ oder D.26.7.47 (Scaev. 2. resp.): „Maibßou“. Umgekehrt wird teilweise aber auch der griechische Originalname ins Lateinische übernommen, wie dies z. B. in D.40.4.60 (Scaev. 24. dig.): „Eudo“ 379 oder in D.33.4.14 (Scaev. 15. dig.): „Theopompus“ und „Pollianus“ der Fall ist. Mitunter finden sich sogar beide Formen nebeneinander, wie z. B. in D.32.37.6 (Scaev. 28. dig.): „Titßa“ und „KallimÜxÃw“. Insofern muss auch bei scheinbar wörtlich überlieferten consultationes – insbesondere bei den zahlreichen Zitaten aus Testamenten oder anderen Schriftstücken, welche aus der Originalanfrage stammen dürften – stets berücksichtigt werden, dass diese, wie die vielen Blankettnamen zeigen, zumindest in ihrer äußeren Form nachträglich bearbeitet sein können380. Ein anschauliches Beispiel für eine solche Bearbeitungshypothese bietet der Fall D.14.3.20 (Scaev. 5. dig.)381: „Lucius Titius mensae nummulariae quam exercebat habuit libertum praepositum: is Gaio Seio cavit in haec verba: ,Octavius Terminalis rem agens Octavii Felicis Domitio Felici salutem. habes penes mensam patroni mei denarios mille, quos denarios
379 Dafür, dass es sich zumindest in diesem Fall jedoch um eine Originalanfrage gehandelt haben dürfte, spricht der Wortlaut des auf Griechisch wiedergegebenen Testaments in D.40.4.60 (Scaev. 24. dig.): „Testamento ita cavit: ,Ejdoni boýlomai doqnai nomßsmata xßlia, peÍ æfqasen gennhqnai metJ tÎ tÌn mhtÝra ato¯ genÝsqai leuqÝran`. quaero, an, si Eudo non probet se post manumissionem matris suae natum, possit his verbis testamenti libertatem consequi . . .“. (Siehe zum Inhalt Fn. 810). Wie Scarcella (AUPA 55 (2012), S. 651) betont, hatte der griechische Originaltext den Vorteil, dass die mens des Erblassers besser zum Ausdruck gebracht und dementsprechend berücksichtigt werden konnte. Entgegen der lateinischen Übersetzung des Passus nach Mommsen/Krüger ist „æfqasen gennhqnai“ nicht einfach mit „natus est“ wiederzugeben. Das griechische Verb „fqÜnein“ (hier im Aorist „æfqasen“) drückt vielmehr ein Zeitverhältnis aus und bedeutet so viel wie „zuvorkommen, früher kommen“. Das Testament, von dem uns hier sicher nur ein Ausschnitt – nämlich der rechtlich relevante Passus mit dem in Frage stehenden peÍ-Satz – überliefert ist, regelte also offenbar zuvor noch etwas anderes (vermutlich die Erbeinsetzung und deren Reihenfolge). Jedenfalls zeigen diese Reste des Originalwortlauts deutlich, dass der Konsulent das Zitat aus dem Testament nicht umformulierte, sondern wohl unverändert vom Original abschrieb und so an Scaevola schickte. 380 Vgl. Talamanca (BIDR 103/104 (2000/01), S. 545 Fn. 241). 381 Zur ausführlichen Exegese dieser Quelle siehe § 4 III. 1.
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1. Kap.: Einführung und Hintergründe vobis numerare debebo pridie kalendas Maias.‘ quaesitum est, Lucio Titio defuncto sine herede bonis eius venditis an ex epistula iure conveniri Terminalis possit. respondit . . .“. „Lucius Titius betrieb eine Wechselbank, an deren Spitze er einen Freigelassenen eingesetzt hatte. Dieser gab dem Gaius Seius gegenüber folgende Erklärung ab: ,Octavius Terminalis, welcher die Geschäfte des Octavius Felix führt, grüßt den Domitius Felix. Du hast bei der Wechselbank meines Patrons eintausend Denare, welche ich euch am 30. April auszuzahlen schulden werde‘. Es wurde angefragt, ob Terminalis, nachdem Lucius Titius ohne einen Erben verstorben war und seine Güter verkauft waren, aufgrund des Briefes nach dem Zivilrecht verklagt werden könne. Er antwortete . . .“.
Geht man, wie hier vertreten382, davon aus, dass es sich bei den überlieferten Namen „Lucius Titius“ und „Gaius Seius“ um Fiktivnamen handelt, die anstelle der wahren Parteinamen „Octavius Felix“ und „Domitius Felix“ verwendet werden, stellt sich vor allem mit Blick auf die quaestio die Frage, wieso diese hier nebeneinander gebraucht werden. Wenn man nämlich annimmt, dass die Blankettnamen durch nachträgliche Bearbeitung eingesetzt wurden und die vermeintlichen Originalnamen Relikte der Original-quaestio sind, könnte man sogar so weit gehen darüber zu spekulieren, ob diese nicht vielleicht das Zusammentreffen zweier verschiedener Textschichten (Original und Bearbeiterhand) innerhalb der vorliegenden quaestio indizieren383. Ließe man also die Original-quaestio erst nach der Subjunktion „an“ beginnen („an ex epistula iure conveniri Terminalis possit“), könnte sich der vorhergehende Part („quaesitum est, Lucio Titio defuncto sine herede bonis eius venditis“) als möglicherweise auf die Bearbeiter des Werkes zurückgehende Prolepse darstellen, durch welche die fallrelevanten Sachverhaltselemente – der Tod des Bankiers, die Erbenlosigkeit und die bonorum venditio – in geraffter Form vorgezogen wären. Man könnte also darüber spekulieren, dass, wenn der Anfragende diese wichtigen Informationen in seiner quaestio (anstatt in seiner narratio) mitgeteilt hätte, diese womöglich mit „quaesitum est, an Lucio Titio defuncto sine herede bonis eius venditis ex epsitula iure conveniri Terminalis possit“ wiedergegeben worden wäre. Andererseits kommt es bei Scaevola auch nicht selten vor, dass wichtige Sachverhaltsinformationen in die quaestio gezogen sind. Ein anschauliches Bei382 Zur Vermutung, dass es sich hier nur um drei und nicht wie teilweise angenommen um fünf verschiedene Protagonisten handelt, siehe § 4 III. 1. b) bb). 383 So vermutete z. B. Schulz (Symb. Frib., S. 218), dass sich im Nachlass des Scaevola Originalanfragen der Parteien befanden, welche den Herausgebern als Vorlage dienten. Siehe zur ,Regestentheorie‘ von Schulz § 3 IV. 2. a) aa) (5).
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spiel384 dafür ist die Quelle D.33.1.18.1 (Scaev. 14. dig.). Hier werden die Elemente des Sachverhalts in einem untergeordneten cum-Satz385 wiedergegeben: „quaesitum est, cum Sempronia, cuius fidei commissum sit, abstinuerat se hereditate antequam secundum voluntatem defuncti perciperet pecuniam alumnis relictam, an Sticho de legatis actio etiam ante vicesimum quintum annum competat“.
Nach der oben dargestellten Bearbeitungshypothese würde sich die Quelle – in Übereinstimmung mit dem Gebrauch der Blankett- und Originalnamen – also aus mehreren Textschichten zusammensetzen, deren Überreste vielleicht wie folgt zu rekonstruieren wären (Originaltext kursiv gedruckt): „Lucius Titius mensae nummulariae quam exercebat habuit libertum praepositum: is Gaio Seio cavit in haec verba: ,Octavius Terminalis rem agens Octavii Felicis Domitio Felici salutem. Habes penes mensam patroni mei denarios mille, quos denarios vobis numerare debebo pridie kalendas Maias.‘ quaesitum est, Lucio Titio defuncto sine herede bonis eius venditis an ex epsitula iure conveniri Terminalis possit. respondit nec iure his verbis obligatum nec aequitatem conveniendi eum superesse, cum id institoris officio ad fidem mensae protestandam scripsisset“.
Auf die verallgemeinerte Einleitung (von „Lucius Titius mensae nummulariae“ bis „cavit in haec verba: . . .“) würde demnach als Herzstück der Quelle die Überlieferung des Originalbriefes mit Details wie der Begrüßungsformel (von „Octavius Terminalis rem agens“ bis „kalendas Maias“) folgen. Dem würde sich die wohl ebenfalls bearbeitete – weil teilweise anonymisierte – Anfrage (von „quaesitum est“ bis „an“) und der Rest der Original-quaestio (von „ex“ bis „possit“) anschließen. Schließlich würde die Quelle mit dem responsum (von „respondit“ bis „superesse“) inklusive Begründung (von „cum“ bis „scripsisset“) enden. Letztlich handelt es sich bei dieser Rekonstruktion aber nur um einen spekulativen Versuch, den unterschiedlichen Gebrauch von Blankett- und (vermeintlichen) Parteinamen innerhalb derselben Quelle mit verschiedenen Textstufen zu erklären. Warum wir jedoch in einigen386 Stellen auf das auffällige Nebeneinan384 Dieselbe Struktur findet sich z. B. noch in D.3.3.70 (Scaev. 1. resp.); D.4.4.47 (Scaev. 1. resp.); D.27.1.37 pr. (Scaev. 2. resp.); D.33.7.27.5 (Scaev. 16. dig.); D.32.35.1 (Scaev. 17. dig.); D.34.1.15.2 (Scaev. 17. dig.) oder D.36.1.77 pr. (Scaev. 18. dig.) etc. Schon bei Gradenwitz (SZ 7 (1886), S. 71) heißt es insofern: „Scävola ist bekannt wegen der Eigenthümlichkeit, alles Faktische möglichst in die Frage zu drängen, und die Antwort in prägnantester Kürze erscheinen zu lassen“. 385 Zu den cum-Sätzen in den Responsen des Scaevola siehe auch Sigel (Rechtsgutachten, S. 86 ff.), welche diese für rationes dubitandi der Anfragenden hält. 386 Dass in ein- und derselben Quelle verschiedene Namen für dieselben Parteien verwendet werden, ist zwar selten, kommt bei Scaevola aber durchaus vor. Vgl. etwa den Fall zum Seedarlehen des Callimachus in D.45.1.122.1 (Scaev. 28. dig.), wo der Darlehensgläubiger mit verschiedenen Blankettnamen bezeichnet wird; siehe dazu Krampe (FS-Ankum I, S. 208). Ein Wechsel vom Originalnamen des Konsulenten Largius Eurippianus in die folgende Anonymität des Sachverhalts findet sich z. B. auch in
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der von Blankett- und Parteinamen stoßen – ob es sich dabei vielleicht um einen Abschreibe- oder um einen Verständnisfehler der Bearbeiter handelt –, darüber können wir nur noch spekulieren. (3) Breite Sachverhalte und knappe Antworten Darin, dass neben der Ersetzung der Parteiennamen auch Angaben zu Geldbeträgen durch glatte Summen ersetzt wurden387, zeigt sich die – insbesondere in den Responsa deutlich nachweisbare – Tendenz, alle für die juristische Fragestellung unerheblichen Informationen wegzulassen388. Auffällig ist jedoch, dass die Responsen von Scaevola einerseits dieser Tendenz folgen und den Sachverhalt von allem Konkreten und Individuellen zu entlasten suchen, sich unter den Entscheidungen andererseits aber nicht selten (insbes. bei erbrechtlichen Fragestellungen) sehr detaillierte und bunte Sachverhaltsschilderungen finden389. So klingt z. B. in der Quelle D.40.4.29 (Scaev. 23. dig.) ein Familiendrama an, bei dem der Ehemann seine schwangere Frau verstieß, woraufhin diese ihren Sohn nach der Geburt aussetzte390 oder es wird – wie z. B. in D.38.8.10 (Scaev. 2. resp.)391 – von höchst komplizierten Verwandtschaftsverhältnissen berichtet. Nicht selten werden derartige Sachverhalte breit geschildert und für die juristische Fragestellung überflüssige Informationen mitgeteilt. Schon Schulz bemerkte daher, dass kein Problem des Zivilrechts zu klein oder zu singulär sei, als dass es D.33.1.21.4 (Scaev. 22. dig.) – hier wurden jedoch keine Doppelnamen verwendet. Dazu Wolf (Studi Labruna VIII, S. 5939 ff.). 387 Vgl. nur die Quelle D.24.1.64 pr. (Scaev. 9. dig.): „donavit tot aureos“ oder D.40.4.60 (Scaev. 24. dig.), wo diese sogar im griechischen Text vorkommen: „nomßsmata xßlia“ sowie den in § 4 III. 1. zu besprechenden Fall D.14.3.20 (Scaev. 5. dig.), wo es um die glatte Summe „denarios mille“ geht. Vgl. zudem die „tria denaria“ in D.31.88.10 (Scaev. 3. resp.). Siehe dazu Baldus (in Harke, Facetten des römischen ErbR, S. 13 Fn. 39). 388 Wie Wolf (SDHI 73 (2007), S. 65) feststellt, bewirkt diese konsequente – teilweise radikale – Reduktion des Sachverhalts auf die entscheidungserheblichen Fallelemente eine Abstraktion „zugunsten einer fast normähnlichen Falldarstellung“. 389 Es finden sich viele Fälle mit großer Liebe zum Detail und mit Erhaltung der Originalnamen der Parteien; vgl. z. B. die Quellen D.16.3.28 (Scaev. 1. resp.); D.34.3.28 pr. (Scaev. 16. dig.); D.48.10.24 (Scaev. 22. dig.). Diese zahllosen Geschichten aus der Lebensfülle des Alltags sind nicht zuletzt sozialgeschichtlich von Bedeutung; vgl. Wolf (Studi Labruna VIII, S. 5936). 390 Siehe zu dieser Stelle die Exegese von Ankum (in Słuz ˙ ewska/Urbanik, Marriage, S. 1–5). 391 Hier verstarb offenbar eine Schwester testamentslos und hinterließ ihre von einem anderen Vater gezeugte Schwester sowie ihre von einem anderen Mann schwangere Mutter. Sigel (Rechtsgutachten, S. 126) sieht in den vielen zwischenmenschlichen Interaktionen einen weiteren Beweis für die praktische Relevanz der Anfragen. Bretone (Storia, S. 302) will in den Gefühlsregungen und detaillierten Schilderungen dagegen „un fenomeno stilistico non privo di fascino“ erkennen.
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nicht von Scaevola aufmerksam und freudig behandelt worden wäre: „Und wie viele kleine, praktisch unbedeutende Fragen sind darunter! Man lese die erbrechtlichen Abschnitte in den Digesta oder Responsa des Cervidius Scaevola [. . .]. Eine unendliche Fülle von feinen Einzelbeobachtungen und Einzelbemerkungen über verschrobene Testamentsklauseln oder über unglückliche Gebilde wie die quarta Falcidia, die Pupillarsubstitution oder das Universalfideikommiss“ 392. Wie Lamberti393 betont, werden die Sachverhalte zudem nicht unter Verwendung der korrekten juristisch-technischen Terminologie, sondern meist so wiedergegeben, wie sie wahrscheinlich vom Anfragenden formuliert wurden. Das bisweilen apodiktische responsum kontrastiert insofern mit der Tendenz zu einer abundanten narratio394. Es drängt sich daher die Frage auf, wie sich diese scheinbaren Widersprüche im Duktus der Responsen des Scaevola erklären lassen. (4) ,Geteilte Autorenschaft‘ Zumindest innerhalb einer Quelle könnte man den nicht einheitlichen Duktus mit einer unterschiedlichen Autorenschaft erklären. Demnach stammten die Schilderungen und Anfragen meistens von (juristisch nicht vorgebildeten) Konsulenten, während die Antworten auf Scaevola zurückgehen395. Wie sich diese ,geteilte Autorenschaft‘ konkret darstellt, soll hier zunächst am Beispiel der Quelle D.24.1.66 pr. (Scaev. 9. dig.) näher erläutert werden. In dem dort geschilderten Fall trug der Anfragende vor, dass Sempronius und Seia396 heiraten wollten und Seia ihrem künftigen Mann, bevor sie in dessen Haus geführt und die Mitgifturkunde gesiegelt wurde, einen bestimmten Betrag aurei geschenkt hatte. 392 Schulz (Geschichte, S. 149). Dazu formulierte Schulz die provokante Frage: „War es wirklich richtig, soviel Zeit und Kraft diesen diffizilen, überspitzten Fragen zu widmen, deren praktische Bedeutung doch höchst bescheiden war?“ Man sollte stattdessen doch eher fragen, warum gerade diese Fälle ungekürzt in die Digesten Justinians aufgenommen wurden und welche Rolle sie im 6. Jh. n. Chr. noch spielten. 393 Lamberti (Studi Labruna IV, S. 2739 f.). Die Autorin weist aber darauf hin, dass es sich hierbei nicht um eine Besonderheit von Scaevola handelt, sondern dass untechnisch formulierte Anfragen z. B. auch in den responsa des Marcellus überliefert sind. 394 Dass diese oft nur auf den ersten Blick überflüssig erscheint, stellt Spina (Ricerche sulla successione, S. 591) klar. 395 Vgl. schon Krüger (Geschichte der Quellen, S. 219). Sigel (Rechtsgutachten, S. 86) spricht insofern von „Spuren des Konsulenten in der narratio und der quaestio“. Dafür untersucht die Autorin (Rechtsgutachten, S. 86–105) im Besonderen die stilistisch auffälligen cum-Sätze im Aufbau der Anfrage als rationes dubitandi des Anfragenden. 396 Hierbei handelt es sich wiederum um typische Blankettnamen.
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Da Schenkungen unter Ehegatten nach römischem Recht grds. nichtig waren397, stellte sich offenbar die Frage, ob die Schenkung wirksam war („quaero, an ea donatio rata sit“). Scaevola berichtigte die consultatio des Anfragenden hier mit dem Hinweis, dass es für die Wirksamkeit der Schenkung weder auf den Zeitpunkt des „domum deducere“ noch auf den der „tabularum consignatarum“ ankam, sondern allein auf den consensus der beiden künftigen Ehegatten: „(respondit) non attinuisse tempus, an antequam domum deduceretur, donatio facta esset, aut tabularum consignatarum, quae plerumque et post contractum matrimonium fierent, in quaerendo exprimi: itaque nisi ante matrimonium contractum, quod consensu intellegitur, donatio facta esset, non valere“ 398.
Das Beispiel zeigt deutlich, wie sehr sich der juristische Laie bemühte dem Juristen möglichst alle Informationen mitzuteilen, die in seinen Augen für die Entscheidung relevant sein könnten. Scaevola stellte aber klar, dass die ihm mitgeteilten Informationen irrelevant waren und es für die Wirksamkeit der Schenkung juristisch allein darauf ankam, dass sie vor der Eheschließung, also noch vor dem Konsens der Ehegatten, erfolgt war399. Weitere Beispiele für eine ,geteilte Autorenschaft‘ sind zudem Quellen, in denen der Konsulent juristische Begriffe anders gebraucht als Scaevola in seiner Antwort. Teilweise lässt sich diese untechnische Verwendung bestimmter Rechtsbegriffe auf dahinter stehende fremde Rechtsvorstellungen zurückführen. Ein Beispiel für einen solchen Fall ist die Anfrage in D.33.7.27.2 (Scaev. 6. dig.). Sprachlich auffällig an der hier überlieferten zweiten400 quaestio ist der Terminus possessio („reliqua colonorum eiusdem possessionis“), welcher offenbar als Synonym für den zuvor in D.33.7.27.1 (Scaev. 6. dig.) genannten „fundus“ gebraucht wurde401. Wahrscheinlich machte der Anfragende (als juristischer Laie) keinen Unterschied zwischen dem juristischen Terminus der possessio und dem des fun397
Siehe Kaser/Knütel (Röm. PrivatR, S. 345 f.). Vgl. die Geminata in D.35.1.15 (Ulp. 35. ad Sab.)/D.50.17.30 (Ulp. 36. ad Sab.). Zum Grundsatz consensus facit nuptias allgem. siehe z. B. Eisenring (Die römische Ehe, S. 37 ff., insbes. S. 42 f.) und aus der älteren Literatur Rasi (Consensus facit nuptias, S. 32 ff.). 399 Ein weiterer Fall, in dem Scaevola das Entscheidungskriterium entgegen der Anfrage korrigiert, ist z. B. D.4.3.32 (Scaev. 2. dig.). Nach Ansicht von Schulz (Symb. Frib., S. 163) war das, was in diesen Fällen gefragt wurde, inhaltlich teils selbstverständlich oder unverständlich. 400 Der Anfragende hatte in § 1 der Quelle bereits eine quaestio formuliert. Zur Exegese siehe § 5 III. 1. 401 Vgl. Bretone (Labeo 11 (1965), S. 194 und Fn. 4), nach welchem derartige „contenuti ,volgari‘“ ganz evident in den Responsa und Digesta von Scaevola vorkommen. 398
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dus402. Man könnte auch darüber spekulieren, ob in dieser Anfrage nicht vielleicht griechische Rechtsvorstellungen zum Ausdruck kommen. Denn nach hellenistischer Vorstellung wurde nicht streng zwischen Eigentum und Besitz unterschieden, sondern ersteres wurde nur als eine Art qualifizierten Besitzes verstanden403. In den Provinzen gab es daher die (untechnische) Bezeichnung possessio vel ususfructus404 für die praedia provincialia als einer Art „provinzialen Eigentums“ 405. Jedenfalls ist dieser unterschiedliche Sprachgebrauch ein weiteres Indiz dafür, dass die Schilderungen und Anfragen wohl überwiegend von (juristisch nicht vorgebildeten) Konsulenten stammen, während die Antworten auf Scaevola zurückgehen. Vieles spricht mithin dafür, dass es sich um eine ,geteilte Autorenschaft‘ handelt. (5) „Kurze Notizen“/,Regestentheorie‘? Nach der auf Fritz Schulz zurückgehenden ,Regestentheorie‘ waren die ursprünglichen Responsen „kurze Notizen Scaevolas auf oder bei den Anfragen, in welcher Weise die Antwort erfolgt war oder erfolgen sollte“ 406. Dieses „handschriftliche Material“ 407, das also noch aus der Feder von Scaevola selbst stammte, soll sich nach Schulz zusammen mit den Originalanfragen der Parteien oder Abschriften davon im Nachlass des Juristen befunden haben. Daraus sollen dann in einem weiteren Schritt „systematisch geordnete Regesten“ 408, also Berichte über die Originalresponsen des Scaevola erstellt worden sein. Dabei soll es sich nach Schulz allerdings nicht um wortgetreue Abschriften der Antworten, sondern um verkürzte409, dreigliedrig gestaltete Berichte410 über Scaevolas Gutachten gehandelt haben. 402 Weitere Scaevola-Stellen, in denen der Begriff possessio im Rahmen der Anfrage in der Bedeutung von „Grundstück“ vorkommt, sind z. B. die Quellen D.32.41.6 (Scaev. 22. dig.) und D.33.7.20.7 (Scaev. 3. resp.). 403 Siehe dazu Kaser (Röm. PrivatR. I, S. 403); Wolff (SZ 81 (1964), S. 337 f.). 404 Vgl. Gai 2.7. Schanbacher (in Jung/Baldus, Differenzierte Integration, S. 31) spricht auch von „Quasieigentum“ am Provinzland. 405 Vgl. Talamanca (Istituzioni, S. 399). Zum Erwerb von Liegenschaften in der Provinz siehe Schanbacher (in Jung/Baldus, Differenzierte Integration, S. 30 f.). 406 Siehe die Überschrift bei Schulz (Symb. Frib., S. 218). 407 Siehe Schulz (Symb. Frib., S. 218). 408 Siehe Schulz (Symb. Frib., S. 150). 409 Dies sagt Schulz zwar nicht ausdrücklich, er legt es seiner ,Regestentheorie‘ aber an mehreren Stellen zugrunde. So wollte der Autor (Symb. Frib., S. 151) z. B. die „übergroße Kürze der Antworten, die mitunter einen Teil der Anfragen ganz unbeantwortet läßt“ aus dem Regestencharakter der Texte erklären. 410 Dies will Schulz (Symb. Frib., S. 150 f.) u. a. mit dem ständig wiederkehrenden „respondi/respondit“ in der dritten Person belegen.
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1. Kap.: Einführung und Hintergründe
Grundsätzlich ist zu sagen, dass es durchaus plausibel erscheint, dass sich Scaevola in einem ersten Schritt zu den bei ihm eingegangenen Anfragen – entsprechend der heutigen Gutachterpraxis – Notizen machte und Antwortskizzen anfertigte. Unklarheiten scheinen jedoch zum Verhältnis zwischen diesen „Gedankennotizen“ und den an die Parteien weitergeleiteten Antworten zu bestehen. So vermutete zuletzt vor allem Sigel 411, dass Scaevola Auskünfte wie „cur non“ 412 oder „supra responsum“ 413 nicht an den Anfragenden weiterleitete, es sich bei derartigen Antworten also nur um „interne Gedankennotizen“ handelte, zumal deren Inhalte „weniger zur Information des Konsulenten als vielmehr zu seiner Brüskierung beigetragen“ hätten. Das tatsächlich an die Rechtssuchenden gerichtete Gutachten sei dagegen länger gewesen und habe nur in seinem inhaltlichen Ergebnis dem in den Digestenbescheiden überlieferten responsum entsprochen414. Zu diesen Annahmen ist zunächst zu sagen, dass wir nicht wissen, ob Scaevola dermaßen auf die Brüskierung seiner Klienten Rücksicht nahm oder nicht. Sein mitunter ironischer415 Ton zeigt sich jedenfalls nicht nur in den von Sigel angeführten Antworten. Auffällig ist zudem, dass kurze Antworten wie z. B. „cur non?“ sowohl in den komprimierteren Responsa als auch in den ausführlicheren Digesta vorkommen416. Am meisten drängt sich zu dieser Hypothese jedoch die Frage auf, wieso uns von den angeblich längeren Gutachten, welche tatsächlich an die Konsulenten gerichtetet gewesen sein sollen, nichts überliefert ist417. Plausibel wäre dieser Befund nur unter der Annahme zu erklären, dass Scaevola sein Originalgutachten an die Konsulenten zurückschickte und – außer den Notizen – selbst weder das Original noch eine Abschrift archivierte. Für eine derartige Annahme haben wir aber keinerlei Anhaltspunkte. Sie steht zudem in Widerspruch zur gängigen Responsenpraxis, nach welcher die Juristen ihre Originalgutachten archivierten und den Konsulenten nur eine beglaubigte Abschrift derselben zukommen ließen418. 411
Siehe Sigel (Rechtsgutachten, S. 84 m.w. N. in Fn. 426). Vgl. aus den Responsa etwa D.33.4.17.1 (Scaev. 3. resp.) mit der Antwort „respondit nihil proponi, cur non possit“ und aus den Digesta D.34.1.19 (Scaev. 22. dig.) mit der rhetorischen Frage: „respondit: cur non?“. 413 Siehe dazu auch § 3 V. 2. 414 Siehe Sigel (Rechtsgutachten, S. 85). 415 Zur Ironie des Scaevola siehe § 3 V. 2. 416 Zum Verhältnis der beiden Werke siehe § 3 IV. 2. a) bb). 417 Dies natürlich stets unter Berücksichtigung des allgemeinen Überlieferungsdefizits. 418 Wie bereits dargelegt, nimmt Talamanca (BIDR 103/104 (2000/01), S. 530 und Studi Labruna VIII, S. 5564) an, dass das responsum des Juristen unter die jeweilige Anfrage geschrieben und diese mit dem responsum subscriptum als versiegelte Kopie an den Konsulenten zurückgeschickt wurde, während das Originalresponsum im Archiv des Juristen verblieb. 412
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Selbst wenn man aber annimmt, dass der Jurist das Original zurückschickte und darauf eine ausführlichere Antwort formuliert hatte, scheint es unwahrscheinlich, dass er gerade dieses juristisch relevante Detail nicht noch einmal abschreiben ließ, bevor er die Anfrage zurückschickte. Darüber hinaus finden sich auch längere Antworten und sogar Begründungen, welche über eine bloße „Randnotiz“ hinausgehen. Diese müsste der Jurist dann aber (in inkonsequenter Weise) ausformuliert haben. Die These vom Nachlass nur „kurzer Notizen“, welche im Wesentlichen Ausgangspunkt der ,Regestentheorie‘ ist, scheint insofern eher unwahrscheinlich. Schon Schirmer419 hielt die Annahme, dass der Jurist „die ihm vorgelegten Anfragen nur mit einer dürren Notiz über den bejahenden oder verneinenden Inhalt seines responsum versehen und die so entstandene Zettelsammlung einfach über das Publicum ausgeschüttet habe“, für irrig. Wie Scaevola seine Responsen dagegen eher verfasst und seinen Konsulenten geantwortet haben könnte, soll im Folgenden dargestellt werden. bb) Die sog. „Doppelüberlieferungen“ Die Frage, wie stark die beiden Responsensammlungen des Scaevola tatsächlich stilisiert wurden420, hängt eng mit der Frage nach der Entstehung der beiden Werke zusammen. Aufschluss über mögliche Spuren verschiedener ,Textstufen‘421 könnten die viel diskutierten Doppelüberlieferungen bringen. Dabei handelt es sich um achtzehn in den Digesten von Justinian überlieferte Quellen, deren Inhalt sowohl in den Digesta als auch in den Responsa des Scaevola verarbeitet ist422. 419
Siehe Schirmer (SZ 8 (1887), S. 102). Wie Talamanca (BIDR 103/104 (2000/01), S. 495) betont, lässt sich diese Frage ohnehin nicht generell beantworten, sondern variiert von Quelle zu Quelle und von Fall zu Fall. 421 Zur Erweiterung des Textstufenmodells von Wieacker um erste Textveränderungen bereits in klassischer Zeit („versiones embrionales“) am Beispiel der Doppelüberlieferungen im Werk des Scaevola siehe Baldus (SCDR 23–24 (2010/11), S. 75–102). 422 D.15.1.58 (Scaev. 5. dig.) entspricht D.15.1.54 (Scaev. 1. resp.); D.15.3.21 (Scaev. 5. dig.) entspricht D.15.3.20 pr. (Scaev. 1. resp.); D.20.5.14 (Scaev. 6. dig.) entspricht D.20.5.11 (Scaev. 1. resp.); D.34.3.28.4 (Scaev. 16. dig.) entspricht D.34.3.31.2 (Scaev. 3. resp.); D.34.3.28.6 (Scaev. 16. dig.) entspricht D.34.3.31.4 (Scaev. 3. resp.); D.34.3.28.13–14 (Scaev. 16. dig.) entspricht D.32.93.1 (Scaev. 3. resp.); D.33.1.19 pr. (Scaev. 17. dig.) entspricht D.34.1.20.2 (Scaev. 3. resp.); D.32.36 (Scaev. 18. dig. – nota von Tryphonin) entspricht D.5.2.13 (Scaev. 3. resp. – nota von Paulus); D.32.38.4 (Scaev. 19. dig.) entspricht D.32.93 pr. (Scaev. 3. resp.); D.32.38.8 (Scaev. 19. dig.) entspricht D.32.93.5 (Scaev. 3. resp.); D.36.1.80 pr. (Scaev. 21. dig.) entspricht D.31.89.3 (Scaev. 4. resp.); D.33.1.21.1 (Scaev. 22. dig.) entspricht D.35.2.25.1 (Scaev. 4. resp.); D.34.2.18.2 (Scaev. 22. dig.) entspricht D.34.2.38 pr. (Scaev. 3. resp.); D.33.7.28 (Sacevola 23. dig.) entspricht D.36.2.28 (Scaev. 4. resp.); D.42.1.64 (Scaev. 25. dig.) entspricht D.49.1.24 (Scaev. 5. resp.); D.26.7.59 (Scaev. 26. dig.) entspricht D.2.14.44 420
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1. Kap.: Einführung und Hintergründe
Obwohl die meisten dieser Doppelstellen inhaltlich weitgehend übereinstimmen, lassen sich vor allem in ihrer äußeren Form gravierende Unterschiede erkennen. So zeigt sich bereits auf den ersten Blick die Tendenz, dass die Texte der Responsa gegenüber denen der Digesta umgeformt und wesentlich verkürzt wurden. Dabei ist – wie Wolf 423 feststellen konnte – in den Responsa-Texten durchgehend der Sachverhalt verkürzt, oft auch die quaestio, selten jedoch das responsum. Diese Kürzungen führen zwar insofern zu einem Gewinn für den juristischen Leser, als sich dieser – anders als in den Digesta – nicht mit (scheinbar) überflüssigen Sachverhaltsdetails aufhalten muss. Andererseits haben die Stellen aufgrund ihrer extremen Kürze oft auch an Deutlichkeit eingebüßt. Die Fassung der Digesta ist insoweit meist umständlicher, aber genauer424. Wo in den entsprechenen Doppelstellen aus beiden Sammlungen dasselbe Problem behandelt wird, sind die jeweiligen Quellentexte keineswegs identisch. Dies zeigt sich schon an den unterschiedlichen Blankettnamen, welche einerseits in den Digesta, andererseits in den Responsa-Texten vorkommen425. Trotz der relativ günstigen Quellenlage ist es der Forschung bisher nicht gelungen, eindeutig zu klären, in welchem Verhältnis die beiden Responsensammlungen zueinander stehen. Die seit Jahrzehnten anhaltende Werkkritik beschäftigt sich im Wesentlichen426 mit zwei eng zusammenhängenden, aber nicht stets voneinander getrennten Fragen: Der Frage nach der Entstehungszeit der beiden Werke und der Frage nach deren Autorenschaft. Zu diesen Fragen werden im Wesentlichen drei Theorien427 vertreten, die im Folgenden nur verkürzt wiedergegeben werden sollen: (1) Die jüngeren Digesta sind aus den älteren Responsa hervorgegangen Nach einer Ansicht sind die Digesta als Erweiterung aus den weniger umfangreichen Responsa hervorgegangen428. Demnach sind die Responsa das ältere, die (Scaev. 5. resp.); D.36.3.18.2 (Scaev. 29. dig.) entspricht D.26.9.8 (Scaev. 5. resp.); D.42.8.23 (Scaev. 32. dig.) entspricht D.40.4.54.1 (Scaev. 4. resp.). Vgl. die synoptische Darstellung bei Schulz (Symb. Frib., S. 228 ff.). 423 Siehe Wolf (SDHI 73 (2007), S. 62). 424 Eine Ausnahme, bei der die Responsa-Doppelstelle den Sachverhalt ausführlicher wiedergibt, ist D.34.3.31.4 (Scaev. 3. resp.). 425 In D.34.3.28.4 (Scaev. 16. dig.) heißt die Protagonistin z. B. „Maevia“, in der Doppelstelle in D.34.3.31.2 (Scaev. 3. resp.) dagegen „Titia“, in D.33.1.21.1 (Scaev. 22. dig.) „Pamphila“, in D.35.2.25.1 (Scaev. 4. resp.) hingegen „Seia“. 426 Für Detailfragen des Meinungsstreits wird insoweit auf die ausführliche Darstellung bei Spina (Ricerche sulla successione, S. 35 ff.) verwiesen. 427 Siehe die Darstellung der älteren Literatur bei Schulz (Symb. Frib., S. 147).
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Digesta hingegen das jüngere Werk. Die Frage nach der Autorenschaft der Werke wird von den Anhängern dieser Meinung jedoch unterschiedlich beurteilt. Nach der Mehrheit der dieser Ansicht folgenden Autoren hat Scaevola seine Responsa selbst bearbeitet und herausgegeben, die Digesta hingegen sollen erst posthum aus seinem Nachlass herausgegeben worden sein429. Gegen diese Ansicht spricht u. a., dass sie nicht zu erklären vermag, warum gerade die knappere Version der Responsa durch Hinzufügen von juristisch unerheblichen Einzelheiten zu den weitschweifigeren Digesta nachträglich erweitertet worden sein soll. Die Zusätze in den Digesta betreffen ja gerade nicht die juristisch relevanten, sondern meist nur die narrativen Aspekte eines Falles. Zudem stellt sich die Frage, wie man nachträglich von einem nur sechs Bücher umfassenden Werk zu einem mehr als sechsmal so großen, nämlich zu vierzig Büchern Digesta gelangen konnte. (2) Die Responsa sind eine Epitome der Digesta Nach einer anderen Ansicht sind die Responsa aus den Digesta hervorgegangen, d. h. die kleinere Sammlung stellt eine Epitome der größeren Sammlung dar430. 428 Samter (SZ 27 (1906), S. 199); zustimmend H. Peters (SZ 32 (1911), S. 213); Koschaker (Studi Bonfante 4, S. 9 Fn. 26); Kübler (SZ 28 (1907) S. 174 f.); Wieacker (Lex Commissoria, S. 7); Klami (Studi Biscardi IV, S. 225). 429 Mommsen (Jur. Schriften II, S. 94 f.) folgerte dies u. a. aus der Tatsache, dass von den Späteren nur die Responsa, nicht aber die Digesta Scaevolas zitiert werden. Teilweise wird angenommen, dass die Digesta erst in nachklassischer Zeit herausgegeben wurden. So argumentierte z. B. Samter (SZ 27 (1906), S. 154), dass die Digesta „nach Form und Inhalt zu sehr von der Schreibweise der juristischen Klassiker abstechen, um Scaevola als literarisches Eigentum zugesprochen werden zu können“. Dagegen muss eingewandt werden, dass wir es sehr wahrscheinlich mit einer zweigeteilten Autorenschaft zu tun haben, wonach die meisten Anfragen vom juristisch nicht vorgebildeten Konsulenten stammen und nur die Antwort auf Scaevola zurückgeht. Zur ,geteilten Autorenschaft‘ siehe § 3 IV. 2. a) aa) (4). Die Ansicht, welche von einer nachklassischen Herausgabe der Digesta ausgeht, ist, wie bereits Frezza (SDHI 43 (1977), S. 212) anführte, jedoch schon deshalb abzulehnen, weil der Titel „Digesta“ in nachklassischer Zeit längst außer Gebrauch geraten war. Liebs (in Vogt-Spira, Strukturen der Mündlichkeit, S. 8, S. 14 sowie in HLL 4, S. 116) vermutet, dass Tryphonin die Digesta seines Lehrers etwa 225 n. Chr. herausgab. Nach Talamanca (BIDR 103/104 (2000/01), S. 491 f.), welcher dieser Ansicht weitgehend folgt, ist die Herausgabe hingegen frühestens auf 250 n. Chr. zu datieren. Jedenfalls stellt sich die Frage, wo und wie die Gutachten im Nachlass des Juristen fast fünfzig Jahre aufbewahrt werden konnten. Schulz (Symb. Frib., S. 218) nahm an, dass sie in der Hand eines Erben liegengeblieben waren. Samter (SZ 27 (1906), S. 174, S. 197) hingegen glaubte, dass die Gutachten im kaiserlichen Archiv der Hofkanzlei aufbewahrt wurden. Gegen beide Meinungen siehe Talamanca (BIDR 103/104 (2000/01), S. 493 f.). 430 Krüger (Geschichte, S. 219); Honoré (SDHI 28 (1926), S. 204); Floría Hidalgo (SDHI 70 (2004), S. 376). Nach den Datierungsversuchen Krügers (Geschichte der
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1. Kap.: Einführung und Hintergründe
Auffällig ist jedenfalls, dass die Responsa den Text nicht nur verkürzt, sondern gerade auch verändert wiedergeben, die Versionen der beiden Sammlungen, wie bereits erwähnt, also keineswegs identisch sind431. Dass sich der Epitomator der Responsa diese Änderungen aber ausgedacht hätte, scheint absurd. Näher liegt deshalb mit der im Folgenden dargestellten Ansicht anzunehmen, dass die beiden Sammlungen auf eine unabhängige dritte Quelle zurückgehen. (3) Digesta und Responsa stammen von einer dritten Quelle Nach einer dritten Ansicht sind die Digesta und Responsa aus einer gemeinsamen dritten Quelle hervorgegangen und voneinander insoweit unabhängig432. Schon Schulz hielt die Digesta und Responsa des Scaevola für frühnachklassische Auszüge aus einem gemeinsamen, posthum herausgegebenen Urmanuskript433. Wie bereits dargestellt, war dieser „Archetypus“ nach der von Schulz vertretenen, hier jedoch nicht befürworteten Ansicht eine „Regestensammlung“ von Scavolas Responsen434. Ausgehend von den Rekonstruktionsversuchen von Schulz hat jedoch zuletzt Joseph Georg Wolf die Scaevola-Zitate in den libri ad Vitellium des Paulus im Hinblick auf das Verhältnis einer möglichen Urquelle zu den beiden ResponsenQuellen, S. 217 f.) sind die Digesta zwischen 169 und 177 n. Chr., die Responsa hingegen erst nach 180 n. Chr. entstanden. Zustimmend Honoré (SDHI 28 (1962), S. 204). 431 Eine derartige Epitome konnte nach Schulz (Symb. Frib., S. 148) aber nicht das Werk der Kompilatoren sein, weil diese die klassischen Texte zwar grundsätzlich zusammenstrichen, sie aus Zeitmangel aber nicht umformen konnten. 432 Wolf (Studi Nicosia VIII, S. 435); Schulz (Symb. Frib., S. 150 ff.) – zustimmend Wieacker (Textstufen, S. 88); Spengler (SZ 101 (1993), S. 641 ff.). 433 Schulz (Symb. Frib., S. 209 ff.). Dieser Meinung folgte auch Wieacker (Textstufen, S. 16, S. 88), welcher die These von Schulz als „wirklich erwiesen“ (S. 285 Fn. 31) ansah. Was die Entstehungszeit der Werke angeht, so datierte Schulz (Geschichte, S. 294 f.) eine Erstausgabe der Digesta in die Zeit nach Ulpian und eine zweite, gekürzte Ausgabe, aus welcher die Exzerpte der Kompilatoren stammen sollten, spätestens in die erste Hälfte des 4. Jahrhunderts. 434 Digesta und Responsa waren nach dieser Theorie wie der Archetypus also Regesten über Scaevolas Gutachten; siehe Schulz (Symb. Frib., S. 150 f.). Zur ,Regestentheorie‘ siehe § 3 IV. 2. a) aa) (5). Zunächst sollte dieser Archetypus nach Meinung von Schulz seinerseits wieder auf eine ,Erstausgabe‘ zurückgehen. Dass Schulz diese Unterscheidung bereits in seiner ,Geschichte der römischen Rechtswissenschaft‘ aufgab und stattdessen nur noch von einer posthumen editio princeps ausging, hebt Wolf (SDHI 73 (2007), S. 4) hervor. Jedenfalls stand der Archetypus nach Schulz (Symb. Frib., S. 157, S. 162) der Fassung der Digesta bis auf wenige Ausnahmen näher. So zeigten die Tatbestandserzählungen des Archetypus „jene breite Ausführlichkeit und Ungewandtheit, wie sie uns noch in unserer Überlieferung, namentlich in den Digesta-Stellen, so häufig entgegentritt, und die sich wohl aus dem engen Anschluss des Berichts an die Eingabe der Partei erklärt“.
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sammlungen untersucht435 und überzeugend dargelegt, dass weder die Responsa noch die Digesta des Scaevola – jedenfalls in der Form, in der sie uns im C.I.C. überliefert sind – als Vorlage für die Zitate in den libri ad Vitellium gedient haben können436. Wolf vermutet vielmehr, dass Paulus eine Erstausgabe der Digesta des Scaevola, in welcher er die den beiden Responsenwerken gemeinsame Urquelle sieht, beim Zitieren des Juristen vor sich hatte437. Seiner Ansicht nach stellen die Scaevola-Zitate in den libri ad Vitellium neben den Digesta und den Responsa also ein „drittes Derivat der Erstausgabe“ dar. Damit bestätigt Wolf im Wesentlichen die Grundthese von Schulz, wonach weder die Responsa von den Digesta abhängen noch umgekehrt, sondern beide auf eine dritte, unabhängige Quelle zurückgehen. (4) Stellungnahme In ihrem Ausgangspunkt ist die dritte Ansicht vorzugswürdig. Wie diese gemeinsame „Urquelle“, die wir letztlich nur indirekt erschließen können, konkret aussah, bleibt freilich ungewiss. Auch darüber, ob Scaevola noch selbst begann, die in seinem Archiv lagernden Originalgutachten zu einer „editio princeps“ zu redigieren, oder ob diese in unbearbeiteter Form in seinem Nachlass verblieben, kann man nur spekulieren438. Wolf 439 vermutet jedenfalls, dass die gemeinsame Vorlage der Digesta und Responsa keine bloße Vorarbeit für die beiden Sammlungen war, sondern vielmehr 435 Schon Schulz (Symb. Frib., S. 218 ff.) stellte dazu erste Untersuchungen an, kam aber noch zu dem Ergebnis, dass die Scaevola-Zitate in den libri ad Vitellium nicht von Paulus selbst stammten, sondern spätere Nachträge seien. Vgl. zudem den Problemaufriss bei Zülch (Der liber sing. resp. des Marcellus, S. 33 ff.). 436 Dies gelingt ihm für die Digesta mit der Gegenüberstellung von D.32.78.3 (Paul. 2. ad Vitell.) und D.32.101.1 (Scaev. 16. dig.), an denen sich seine These hervorragend demonstrieren lässt, zumal die Paulus-Stelle Details des Sachverhalts ausführlich wiedergibt, zu welchen die Digesta-Stelle dagegen schweigt. Im Fall der Responsa belegt er seine These mit einem Vergleich von D.32.78.2 (Paul. 2. ad Vitell.) und D.32.93.2 (Scaev. 3. resp.), wo ebenfalls das Paulus-Zitat – diesmal in der Antwort von Scaevola – wesentlich wortreicher ausfällt. 437 Wolf (Studi Nicosia VIII, S. 474). Was die Entstehungszeit der Werke betrifft, so vermutet Wolf, dass die Digesta und Responsa zur Zeit der Abfassung der libri ad Vitellium noch nicht vorlagen. 438 Nach Schulz (Symb. Frib., S. 225) hat es einen „Urtext des Scaevola“ nie gegeben, sondern stammten sowohl der Urtext (nach Schulz’ ursprünglicher Terminologie der ,Archetypus‘) als auch die Erstausgabe von einem anonymen nachklassischen Herausgeber. 439 Siehe Wolf (SDHI 73 (2007), S. 60). Nach Ansicht des Autors (S. 64) dokumentierte diese Vorlage zusammen mit den beiden aus ihr hervorgegangenen Responsensammlungen „drei Stufen fortschreitender Abstrahierung“.
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1. Kap.: Einführung und Hintergründe
„eine professionelle literarische Darstellung von Fallmaterial aus Scaevolas eigener Respondierpraxis“ 440 darstellte. Nach der hier vertretenen These von einer überwiegend schriftlichen Konsultation441 des Juristen scheint es jedoch wahrscheinlicher, dass Scaevola selbst nur eine lose Sammlung des schriftlichen Austausches von Anfrage und responsum und keine selbst erstellte „Erstausgabe“ hinterließ442. Insgesamt scheint eine literarische Bearbeitung durch Scaevola selbst also ausgeblieben zu sein. Denn gerade die Tatsache, dass die geringfügigen Bearbeitungen scheinbar planlos und uneinheitlich erfolgten, legt doch nahe, dass es nicht der Jurist selbst war, der diese vornahm443. Jedenfalls kann man vermuten, dass eine – wie auch immer geartete – „Urquelle“ in Form und Inhalt noch sehr nah an den im Archiv des Juristen verbliebenen Originalgutachten orientiert war und sich ihre Bearbeitung zunächst auf ein Minimum beschränkte. Auch die Herausgeber der Erstausgabe der Digesta – möglicherweise Schüler Scaevolas, welche die Originalgutachten wohl als Erste im Nachlass des Lehrers fanden – scheinen bis auf die Redigierung der Form kaum bedeutende Veränderungen vorgenommen zu haben444. Sehr wahrscheinlich wurden die Digesta, zu denen uns zweiundzwanzig Anmerkungen von Scaevolas Schüler Tryphonin erhalten sind, von diesem posthum herausgegeben445. Jedenfalls spricht das Interesse der Schüler an einer Veröffentlichung der Werke ihres Lehrers für eine zeitnahe Herausgabe nach Scaevolas Tod. Da die umfangreichere Version der Digesta sprachlich und inhaltlich näher an der „Urquelle“ zu sein scheint, ist es sehr wahrscheinlich, dass das Werk vor den Responsa herausgegeben wurde. Aufgrund der festgestellten Unterschiede können Letztere aber nur schwerlich eine Epitome der Digesta sein. Im Ergebnis müssen wir uns, was das Verhältnis der beiden Werke angeht, – nicht zuletzt aufgrund der unsicheren Überlieferungslage – mit Plausibilitäten 440 So Wolf (SDHI 73 (2007), S. 60): „Was wir rekonstruieren können oder für den Text der Vorlage halten dürfen, ist Scaevola, ist sein Text“. 441 Siehe § 3 IV. 2. a) aa) (1). 442 Dagegen vermutet Lamberti (Studi Labruna IV, S. 2741), dass Scaevola selbst der erste Herausgeber gewesen sein könnte: „il giurista, nel predisporre il materiale in funzione della pubblicazione, avrà dovuto riassumere i casi“. 443 Nach Giaro (RJ 8 (1989), S. 56) stellt sich Scaevola in seinen Schriften als ein Mann dar, „der etwas anderes zu tun zu haben glaubt, als seine Werke am Schreibtisch zu polieren“. Deshalb sei ein „literarischer Glanzeffekt“ von vornherein nicht zu erwarten gewesen. 444 So auch Klami (Entscheidung und Begründung, S. 11). Jedenfalls dürfte das bereits genannte Ersetzen der Parteinamen durch Blankettnamen sowie die Schulsummen auf die Herausgeber zurückgehen. 445 Dies vermutet auch Wolf (SDHI 73 (2007), S. 60 Fn. 228).
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zufrieden geben und die zahlreichen Zweifel akzeptieren, die trotz allem verbleiben und die auch diese Arbeit nicht auszuräumen vermag446. b) Quaestiones447 Die Quaestiones sind – neben den Responsenzitaten des Paulus in seinem Werk „ad Vitellium“ 448 und vorbehaltlich der loci incerti sowie eventueller stiller Zitate – das einzige Werk des Scaevola, welches von anderen Juristen zitiert wird449. Interessant ist zudem, dass in diesem Werk wiederum sehr häufig andere Juristen zitiert werden450, während dies, wie bereits festgestellt, weder in den Responsa noch in den Digesta des Scaevola der Fall ist451. Auch die Struktur der Quaestiones-Stellen unterscheidet sich deutlich von derjenigen der Responsa und Digesta. Anstelle des für die Responsensammlungen typisch dreigliedrigen Aufbaus aus narratio-quaestio-responsum liegt den Quaestiones überwiegend ein zweiteiliger Aufbau aus quaestio-responsum zugrunde. In den meisten Quellen fallen nämlich die Schilderung des Sachverhaltes und die juristische Fragestellung zusammen. Zudem fehlt die klare sprachliche Zäsur, welche die quaestio („quaesitum est“) in den Responsensammlungen gewöhn-
446 So kommt auch Spina (Ricerche sulla successione, S. 593) nach umfangreichem Quellenstudium in ihrer Untersuchung zu keinem eindeutigen Ergebnis. 447 Der Titel des Werkes, welches uns in achtundfünfzig Fällen als „quaestiones“ bezeugt ist, ist unsicher. Als „variarum quaestionum“ wird es z. B. in D.20.3.1.2 (Marcianus lib. sing. ad formulam hypothecariam) zitiert. Nach der Lesart der Florentina müsste es in D.20.3.1.2 (Marcianus lib. sing. ad formulam hypothecariam) hingegen „variorum quaestionum libri“ (Bücher über Fragen von Varia) heißen, was vermutlich ein Schreibfehler sein dürfte. Einmal wird das Werk auch als „variae quaestiones“ angeführt, was Liebs (HLL 4, S. 115) für den authentischen Titel hält. Zum Titel Quaestiones allgem. siehe Frezza (SDHI 43 (1977), S. 213). Zum Titel Quaestiones im gleichnamigen Werk des Papinian siehe Babusiaux (Papinians Quaestiones, S. 263 f.). 448 Siehe D.7.1.50 (Paul. 3. ad Vitell.); D.28.2.19 (Paul. 1. ad Vitell.); D.33.4.16 (Paul. 2. ad Vitell.); D.33.7.18.4–9 und 13–14 (Paul. 2. ad Vitell.); D.34.2.32.3–4 und 7–9 (Paul. 2. ad Vitell.). 449 Auffälligerweise stammen die Zitate durchweg von Ulpian: Siehe D.7.1.25.6 (Ulp. 18. ad Sab.) mit der dazugehörigen Quelle D.41.1.23.3 (Ulp. 43. ad ed.); D.4. 4.11.1 (Ulp. 11. ad ed.); D.13.4.2.3 (Ulp. 27. ad ed.); D.28.6.10.6 (Ulp. 4. ad Sab.) und D.41.3.10.2 (Ulp. 16. ad ed.). Nur einmal wird Scaevola in D.20.3.1.2 (Marcianus lib. sing. ad formulam hypothecariam) von Marcian zitiert. 450 An einigen Stellen ergibt sich die „Zitierkette“ Julian-Scaevola-Ulpian bzw. Marcellus-Scaevola-Ulpian; so z. B. in den Quellen D.7.1.25.56 (Ulp. 18. ad Sab.); D.41. 3.10.2 (Ulp. 16. ad ed.) oder in D.13.4.2.3 (Ulp. 27. ad ed.) – siehe zu dieser Stelle die Exegese in § 8 III. 6. 451 Zitiert werden u. a. namhafte Juristen wie Labeo, Julian, Pomponius, Maecian, Marcellus, Vivianus (und dort indirekt auch Sabinus, Cassius und Proculus) oder Neratius.
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lich452 vom responsum („respondit“) trennt. Meist gehen die Fragen nahtlos in die Antwort des Juristen über. Nur in wenigen Quellen findet sich ein ausdrückliches „Scaevola respondit“ 453. In den komprimierteren Quellen aus den Quaestiones werden die Fragen meist nur noch mit einem Konditionalsatz eingeleitet, die Antworten – im Gegensatz zu den eher begründungsarmen Responsensammlungen – aber oft ausdrücklich begründet454. Ein solcher Fall, in dem die ursprüngliche Dialogstruktur nicht mehr richtig erkennbar ist455, sieht typischerweise folgendermaßen aus: D.28.3.18 (Scaev. 5. quaest.) „Si qui heres institutus est a testatore adrogetur, potest dici satis ei factum, quia et antequam adoptetur, institutio ut in extraneo locum habebat.“
Daneben finden sich zahlreiche Beispiele, in denen von einer Juristenmeinung oder von einer Rechtsvorschrift ausgegangen und der Fall anschließend – wahrscheinlich im Unterricht456 mit den Schülern457 – gelöst wurde. 452 Vgl. dagegen z. B. die Responsen des Paulus, wo die Antwort des Juristen ebenfalls mit dem stereotypen „respondit“ wiedergegeben wird, die Zäsur zwischen quaestio und responsum allerdings nicht so deutlich ist wie bei Scaevola. 453 Z. B. in D.47.6.6 (Scaev. 4. quaest.). 454 Auffallend sind die vielen Begründungen in den Quaestiones: Durch „quia“ eingeleitet: D.3.5.34.3 (Scaev. 1. quaest.); D.14.6.4 (Scaev. 2. quaest.); D.14.6.6 (Scaev. 2. quaest.); D.21.2.69.2–3 (Scaev. 2. quaest.); D.24.1.56 (Scaev. 3. quaest.); D.28.2.29.8/ 10/14 (Scaev. 6. quaest.); D.28.3.19 (Scaev. 6. quaest.); D.28.5.84.1 (Scaev. 18. quaest.); D.29.7.14 pr.-1 (Scaev. 8. quaest.); D.33.4.10 (Scaev. 8. quaest.); D.35.2.20 (Scaev. 9. quaest.); D.37.8.6 (Scaev. 5. quaest.); D.40.9.6 (Scaev. 16. quaest.); D.45.1.131.1 (Scaev. 18. quaest.); D.45.3.19 (Scaev. 13. quaest.). Verbunden mit „enim“ in: D.3.5.34 (Scaev. 1. quaest.); D.12.1.38 (Scaev. 1. quaest.); D.24.1.56 (Scaev. 3. quaest.); D.28.2.29.5/8/ 12/14–15 (Scaev. 6. quaest.); D.28.3.19 pr. (Scaev. 6. quaest.); D.35.1.80 (Scaev. 8. quaest.); D.45.1.127 (Scaev. 18. quaest.); D.45.1.131 (Scaev. 18. quaest.) und „ergo“ in: D.15.1.51 (Scaev. 2. quaest.); D.28.2.29.9 (Scaev. 6. quaest.); D.45.1.131 (Scaev. 18. quaest.) und „nam“ in: D.3.5.8 (Scaev. 1. quaest.); D.28.2.29.6/10/12/16 (Scaev. 6. quaest.); D.28.5.84.1 (Scaev. 18. quaest.); D.40.9.6 (Scaev. 16. quaest.); D.45.1.131.1 (Scaev. 18. quaest.); D.45.3.19 (Scaev. 13. quaest.) und „igitur“ in: D.3.5.8 (Scaev. 1. quaest.); D.28.5.84.1 (Scaev. 18. quaest.); D.29.7.14 pr. (Scaev. 8. quaest.); D.45.3.19 (Scaev. 13. quaest.). Begründungen kommen auch im Liber singularis quaestionum publice tractatarum in großer Zahl vor: z. B. mit „quia“ in D.32.103 pr.-1 oder mit „enim“ in D.32.103.3; D.36.1.81; D.44.3.14 pr.-1/5, sowie mit „quoniam“ in D.42.8.24; D.46.7.21; D.28.6.48.1. Mit „nam“ in D.44.3.14.3; D.46.3.93 pr. oder mit „itaque“ in D.44.3.14.2 und mit „ergo“ in D.46.3.93.3. 455 Lamberti (Studi sui postumi 2, S. 168 Fn. 20) spricht insofern von einem „processo di scarnificazione“ der Inhalte der juristischen Debatte, welcher wahrscheinlich teilweise noch im Moment der Veröffentlichung des Werkes von den klassischen Juristen selbst vorgenommen und dann in nachklassischer Zeit umso intensiver verfolgt wurde. 456 So auch Spina (Ricerche sulla successione, S. 25): „ben si coglie come essi scaturiscano dall’insegnamento e rivelino una solida padronanza della letteratura giuridica, da Aquilio Gallo a Servio e sino a Marcello“.
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In einigen dieser Fälle lässt sich die Dialogstruktur458 des wissenschaftlichen Diskurses noch gut erkennen459. Dort wird die quaestio häufig (indirekt) mit dem Zitat eines anderen Juristen eingeleitet (siehe z. B. „Pomponius scribit, si . . .“ 460 oder „Labeo putat, si . . .“ 461), zu dessen Ansicht Scaevola dann kritisch Stellung bezieht („Scaevola: immo puto“ 462; „Scaevola respondit: verius puto . . .“ 463 oder „ego autem ausim sententiam Proculi verissimam dicere“ 464). In der Quelle D.37.6.10 (Scaev. 5. quaest.) kommentiert Scaevola sogar das Edikt kritisch465: „et ita edictum se habet. sed magis sentio, ut . . .“ 466. Diese Struktur des wissenschaftlichen Erörterns eines Falles anhand der Meinung eines anderen Juristen zeigt sich auch sehr deutlich in folgendem Beispiel: D.28.2.29.15–16 (Scaev. 6. quaest.) (15) „. . . Iuliano tamen videretur duobus quasi capitibus legis commixtis in hoc quoque inducere legem, ne rumpantur testamenta. (16) Quaeremus tamen, cum recepta est Iuliani sententia, an, si nascatur nepos vivo patre suo, deinde emancipetur, sponte adire possit hereditatem. quod magis probandum est: nam467 emancipatione suus heres fieri non potuit.“
Ohne hier näher auf den Inhalt der Stelle einzugehen, kann man bereits aufgrund der äußeren Struktur deutlich erkennen, dass zunächst die Meinung von Julian referiert wurde und der Lehrer diese für die Praxis wichtige Meinung dann 457 Es könnte, wie Masiello (Le Quaestiones, S. 90 f.) annimmt, ein auditor gewesen sein, welcher die Rechtsfrage formulierte, worauf der Lehrer die juristisch relevanten Kernelemente des Falles herausarbeitete. Man kann, wie Lamberti (Studi sui postumi 2, S. 164 Fn. 5) zu Recht anmerkt, aber nicht ausschließen, dass die Fragen zum Teil auch vom Lehrer an die Schüler gestellt wurden. Nach Masiello (Le Quaestiones, S. 90 f.) stammen jedenfalls die Zitate anderer Juristen nicht von Scaevola selbst, sondern waren sehr wahrscheinlich die lectio eines Schülers. Diese Vermutung begründet Masiello damit, dass ansonsten die mit der Antwort der Lehrers eingeleitete Zäsur („Scaevola: immo puto“) keinen Sinn ergibt. 458 Allgemein zur Dialogform als Medium der Wissensvermittlung siehe Föllinger (Gymnasium 113 (2006), S. 455 ff.). Speziell zur Form des „Lehrbriefes“, welcher sich aus dem wissenschaftlichen Dialog entwickelte und diesen bei Fehlen einer wirklichen Korrespondenz ersetzen konnte, siehe Krampe (Proculi Epistulae, S. 46 ff.). 459 Siehe D.3.5.8 (Scaev. 1. quaest.); D.28.2.29.15–16 (Scaev. 6. quaest.); D.29.7.14 pr. (Scaev. 8. quaest.); D.37.6.10 (Scaev. 5. quaest.); D.47.6.6 (Scaev. 4. quaest.). 460 D.3.5.8 (Scaev. 1. quaest.). 461 D.47.6.6 pr. (Scaev. 4. quaest.). 462 D.3.5.8 (Scaev. 1. quaest.). 463 D.47.6.6.1 (Scaev. 4. quaest.). 464 D.29.7.14 pr. (Scaev. 8. quaest.). 465 Zur juristischen Unabhängigkeit, die sich Scaevola in seinem Urteil bewahrte, siehe bereits § 3 II. a. E. 466 Wobei nach der Lesart der F2 – wie in D.3.5.8 (Scaev. 1. quaest.) – vor „sed“ das Wort „Scaevola“ zu ergänzen ist. 467 ex ins. Mo.
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mit seinen Schülern erörterte („quaeremus tamen, cum recepta est Iuliani sententia“)468. Meist diente die zitierte Juristenmeinung der Entwicklung einer Gegenansicht, der Fortbildung eines Prinzips oder der konkreten Falllösung469. Sie konnte aber auch ein argumentum ex auctoritate470 begründen. Dass Scaevola bzw. sein Schüler Tryphonin471 offenbar sogar die Autorität des Kaisers zur Begründung („quia“) seiner eigenen Entscheidung heranzog, legt die Quelle D.32.39 pr. (Scaev. 20. dig.) nahe, wo es heißt: „. . . quia in simili specie et imperator noster divus Marcus hoc constituit“ 472.
468 Vgl. auch das in § 8 III. 4. ausführlich besprochene Julian-Zitat der Quelle D.40.9.6 (Scaev. 16. quaest.). 469 Siehe zu dieser Technik Schmidlin (Rechtsregel und Rechtsfall, S. 322): „Die einzelne Entscheidung verliert ihr individuelles Gesicht, wird im freien Spiel erweitert, vereinfacht, variiert und mit Gegenfällen verbunden“. 470 Dazu allgemein Stolfi (in Lovato, Tra retorica e diritto, S. 85 ff.). Diese Argumentationsform, welche die Darlegung sachlicher Entscheidungsgründe überflüssig zu machen scheint, ist nach Bund (Studi Volterra I, S. 573 f.) nicht so sehr eine römische als eine juristische Eigenart. Im Vergleich mit anderen Wissenschaftszweigen – wie z. B. in rhetorischen Schriften oder im Landbau – ergebe sich nämlich, dass die Römer kaum auf Autoritäten ihres Faches verweisen. 471 Die Stelle wurde vielfach für interpoliert gehalten; vgl. Gradenwitz (SZ 9 (1888), S. 101); Krüger (SZ 19 (1898), S. 37); v. Beseler (SZ 56 (1936), S. 53); Johnston (SZ 102 (1985), S. 282 Fn. 221). Insbes. der Schlusssatz mit der für Scaevola untypisch langen Begründung und den Worten „satis inhumanum est“ galt lange als verdächtig. Sixto (SDHI 66 (2000), S. 436 f.) hält diesen Teil für eine von den Kompilatoren in das Responsum des Scaevola integrierte nota seines Schülers Tryphonin. So habe Tryphonin – wie z. B. in D.18.7.10 (Scaev. 7. dig.) – die Entscheidung seines Lehrers nachträglich aktualisieren wollen. Nach der Untersuchung von Sixto (SDHI 66 (2000), S. 442) ist insbes. das Adverb satis typisch für Tryphonin, bei dem es u. a. als „satis consultum“ in D.40.4.59.1 (Scaev. 23. dig.), „satis factum est“ in D.36.1.79.1 (Scaev. 20. dig.) und „satis fideicommissum“ in D.32.37.4 (Scaev. 18. dig.) häufig vorkommt. Nach dieser Interpretation ließe sich zumindest der inhaltliche Widerspruch der beiden Entscheidungen erklären (siehe dazu die folgende Fn.). Auch Knütel (SCDR 20/21 (2007/08), S. 276 f.) stellt zu einem ähnlichen Fall in D.32.37.2 (Scaev. 18. dig.) – hier geht es um den verdächtigen Zusatz „maxime post constitutionem divi Pii, quae hoc induxit“, der an die Entscheidung von Scaevola „angehängt“ ist – die Vermutung auf, dass es sich um eine (als solche nicht kenntlich gemachte) Anmerkung des Scaevola-Schülers Tryphonin handelt. Knütel hält das „Anhängsel“ in D.32.37.2 demnach für eine seiner Substanz nach klassische Bearbeitung und vermutet, dass Scaevola auch ohne diese „Absicherung durch das Pius-Reskript“ zu seiner Lösung gelangt wäre. In der Tat hat man auch in D.32.39 pr. den Eindruck, dass die kaiserliche Entscheidung lediglich verstärkt, was Scaevola bereits entschieden hat; vgl. auch Baldus (Scritti Franciosi I, S. 185). Dafür spricht zum einen die Stellung des Zusatzes am Ende der Entscheidung, wodurch dieser wie eine nachgetragene Rechtfertigung anmutet. Zum anderen zeigt das Beispiel von Sixto aus D.18.7.10 (Scaev. 7. dig.), dass Tryphonin, welcher die Entscheidungen des Lehrers ergänzt, auch von Scaevola nicht berücksichtigte Kaiserkonstitutionen nachtrug. 472 Siehe zur Stelle ausführlich Spina (Ricerche sulla successione, S. 446 ff.); Baldus (Scritti Franciosi I, S. 182 ff.). Es scheint sich um dasselbe Reskript zu handeln, wel-
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Auch die häufig vorkommenden Flexionsformen von „videre“ (z. B. „Nunc de lege Vellaea videamus“ 473 oder „videndum, si procurator suos nummos solvat, an ipsi furtum fiat“ 474) sowie eine Bewertung wie „ille casus in difficili est“ 475 sind starke Indizien für einen didaktischen Diskurs476. Die Quaestiones entstanden sehr wahrscheinlich im Unterricht und dienten überwiegend didaktischen Zwecken477. Dies bedeutet jedoch keinesfalls, dass die von Scaevola in den Quaestiones entschiedenen Problemfälle nicht zum dogmatischen Erkenntniszusammenhang der römischen Rechtsordnung insgesamt gehören konnten. Der Anlass, aus welchem der Jurist entschied, war jedoch sehr wahr-
ches auch Papinian in D.31.67.10 (Pap. 19. quaest.) lobt. Papinian assoziiert dieses aber mit der „summa utilitas“. Inhaltlich fällt auf, dass Scaevola, der sonst dafür bekannt ist tendenziell zugunsten der Fideikommisse zu entscheiden, ein Fideikommiss hier in Bezug auf die „verba testatoris“ zunächst verneint („respondit secundum ea quae proponerentur non videri quidem, quantum ad verba testatoris pertinet, fidei commissum Pamphili, ut centum restitueret“). In dem sich anschließenden „sed“-Satz kommt der Jurist dann aber zu dem Ergebnis, dass die Hundert doch geschuldet sind („sed cum sententiam defuncti a liberto decipi satis inhumanum est, centum ei relictos filiis testatoris debere restitui“). Dieses Ergebnis führt Scaevola nun ausdrücklich auf die Ähnlichkeit mit einem vom Kaiser entschiedenen Fall zurück. Zur Frage der Auslegung nach dem historischen Gesetzgeberwillen im römischen Recht siehe Giaro (BIDR 90 (1987), S. 51). 473 Siehe D.28.2.29.11 (Scaev. 6. quaest.). 474 Siehe D.13.1.18 (Scaev. 4. quaest.) oder auch die Quellen D.28.2.29.14 (Scaev. 6. quaest.) und D.35.2.23 (Scaev. 15. quaest.). 475 Siehe D.28.2.29.15 (Scaev. 6. quaest.). 476 So schon Frezza (SDHI 43 (1977), S. 216), welcher die Dialogstruktur besonders in den Fällen nachweisen will, wo der Vortrag des Lehrers mit dem Namen Scaevola eingeleitet wird. Die Dialogstruktur ist auch im Liber singularis quaestionum publice tractatarum zu erkennen: Die meisten Sachverhalte werden in diesem Werk wie in den Quaestiones mit einem hypothetischen „si“ eingeleitet. Auch das für den wissenschaftlichen Diskurs typische „videndum (est,) an“ kommt dort häufig – z. B. in D.46.3.93 pr. (Scaev. lib. sing. quaest. pub. tract.) – vor. Die Quelle D.28.6.48.1. (Scaev. lib. sing. quaest. pub. tract.): „in hac quaestione in primis quaerendum est . . .“ belegt anschaulich, wie der Lehrer die auditores an das Rechtsproblem heranführte. Der Fall wurde in allen seinen Varianten gelöst, indem man ihn hypothetisch fortbildete („. . . sed si sub condicione [. . .]: sed si exstiterit . . .“) und wie in D.46.3.93 pr. (Scaev. lib. sing. quaest. pub. tract.) differenzierte: „atquin magna est huius rei differentia“. Auch die mit „quid ergo“ bzw. „quid ergo, si“ eingeleiteten direkten Fragen dienen dazu ein weiteres Sachverhaltselement einzuführen und den Fall auf diese Weise fortzuspinnen; siehe etwa in D.28.6.48.1 (Scaev. lib. sing. quaest. pub. tract.); D.42.8.24 (Scaev. lib. sing. quaest. pub. tract.); D.46.3.93.3 (Scaev. lib. sing. quaest. pub. tract.). Zu den mit „quid ergo“ eingeleiteten Fragen im Werk des Papinian unter rhetorischen Gesichtspunkten siehe Babusiaux (Papinians Quaestiones, S. 179 ff.). Zu den Beziehungen zwischen Rhetorikunterricht und praktischer Rechtsanwendung am Beispiel des Deklamationswesens siehe die Monographien von Wycisk (Quidquid in foro fieri potest) und Langer (Declamatio Romanorum). 477 Dies wird auch für den Liber singularis quaestionum publice tractatarum angenommen; vgl. Talamanca (BIDR 91 (1988), S. 843); Liebs (in Lieberwirth/Lück, Akten des 36. dt. Rechtshistorikertages, S. 56 und HLL 4, S. 116).
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scheinlich der Unterricht – mithin eine andere Funktion für potentiell systembildende Aussagen. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob die von Scaevola diskutierten Probleme von vornherein als Schulfälle konzipiert waren oder ursprünglich auf praktischen Anfragen basierten478. Ohne hier grundlegend auf das Verhältnis von Didaktik und Rechtspraxis im römischen Recht eingehen zu wollen, lässt sich jedenfalls festhalten, dass zwischen beiden eine Art gegenseitig bedingtes Rückkoppelungsverhältnis bestand: Während sich die Didaktik aus der Praxis speiste, von wo sie Anstoß und Material bekam, erfüllte sie im römischen Recht jedoch keinen Selbstzweck, blieb nicht abstrakte Theorie, sondern hatte grundsätzlich die Praxis im Blick und blieb insofern anwendungsorientiert. So geht Bretone479 für Scaevola davon aus, dass dieser in den Quaestiones ursprünglich praktische Fälle diskutierte: „Il caso diviene problema e la sua discussione spinge a moltiplicarne le varianti.“ Auch Masiello480 neigt zu der Annahme, dass das didaktische Werk eher kasuistisch ausgerichtet war: „non mi pare dubbio che la mente e il cuore di questo giurista siano rivolti alla casistica“. Es ist in der Tat durchaus denkbar, dass sich Scaevola bei der Auswahl der im Unterricht behandelten Fälle zum Teil von seiner praktischen Tätigkeit inspirieren ließ, wobei der Großteil der Probleme im Kern wohl aus der Schultradition stammte481. Aufgrund des hohen juristischen Niveaus vieler Fälle kann man davon ausgehen, dass es sich um Rechtsunterricht für Fortgeschrittene handelte482.
478 Zur Beantwortung dieser Frage kann die von Krüger (Studi Bonfante 2 (1930), S. 326) entwickelte Unterscheidung zwischen den beiden Responsenkategorien – den im praktischen Fall erteilten „Prozessresponsen“ und den eher theoretischen „Kollegresponsen“ – allenfalls eine erste Orientierungshilfe bieten. Um in dieser Frage, auf welche es für die Zwecke der vorliegenden Arbeit nicht ankommt, Klarheit zu bekommen, müsste man die Struktur des jeweiligen Rechtsproblems und das Zusammenspiel von quaestio und responsum genauer untersuchen; vgl. Bretone (Tecniche e ideologie, S. 76). 479 Bretone (Storia, S. 204). 480 Masiello (Le Quaestiones, S. 30). 481 So auch Masiello (Le Quaestiones, S. 109), der dafür insbes. die zahlreichen Bezugnahmen auf Schulstreitigkeiten sowie die vielen Bezüge auf die Entscheidungen des Lehrers Julian anführt. Wie Lamberti (Studi sui postumi 2, S. 164) vermutet, wurde das Rechtsproblem, „da cui la singola quaestio prendeva le mosse, reale o ipotetico che fosse in origine“ mit der Zeit „scarnificato nei suoi elementi essenziali per fungere, nel contesto della disputa problematica, da punto di partenza della discussione“. 482 So im Übrigen auch Liebs (in Lieberwirth/Lück, Akten des 36. dt. Rechtshistorikertages, S. 56) für den Liber singularis quaestionum publice tractatarum.
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Darüber hinaus fallen die vielen direkten Fragen auf, welche meist aufgeworfen werden, um alle möglichen Fallvarianten durchzuprüfen und die Argumentation so voranzutreiben483. Möglicherweise waren sie an Scaevolas Schüler gerichtet, welche über die Lösung einer Fallabwandlung nachdenken sollten. Insofern käme den Fragen also eine gewisse maieutische Funktion innerhalb des Lehrgesprächs mit den Schülern zu. Wie Föllinger484 feststellt, war das Unterrichtsgespräch, bei dem der Lehrer die Schüler selbst zu den Ergebnissen gelangen ließ, indem er sie Schritt für Schritt – ausgehend von Bekanntem – zur nächsten Erkenntnisstufe leitete, eine probate Unterrichtsmethode in der antiken Wissensvermittlung. Die Dialogform eignet sich hervorragend, um diese Art von Wissensvermittlung auch literarisch umzusetzen485. Die genaue Entstehungszeit des Werkes, das – wie die meisten Quaestionenwerke – wahrscheinlich auf der Basis von Mitschrieben eines Schülers zusammengestellt und unter dem Namen des Lehrers veröffentlicht wurde486, ist unsicher. Nach Lenel ist es nicht vor der Aufnahme des Commodus in die Regierung des Kaisers Marc Aurel geschrieben worden487. Auch Krüger und Honoré wollen Scaevolas Quaestiones auf die Zeit zwischen 180 und 192 n. Chr. datieren488. Masiello hingegen glaubt an eine Entstehung zwischen 170 und 175 n. Chr.489. 483 Z. B. in D.3.5.8 (Scaev. 1. quaest.): „quod fiet, si . . .“ oder „quemadmodum recipiam“ oder „item si vendiderit?“ oder „ipse denique si quid impendit, quemadmodum recipiet?“ sowie in D.28.2.29.5 (Scaev. 6. quaest.): „et quid si tantum in mortis filii casum conciperet? quid enim si aquae et ignis interdictionem pateretur? quid si nepos, ex quo pronepos institueretur, ut ostendimus, emancipatus esset?“. 484 Föllinger (Gymnasium 113 (2006), S. 458). 485 Zur interessanten Frage, ob es sich z. B. bei den in Papinians Quaestiones aufgeworfenen Fragen um rhetorische Stilmittel oder „echte“ Fragen von erkenntnistheoretischem Interesse handelt, siehe Babusiaux (Papinians Quaestiones, S. 190 f.). Zu den verschiedenen rhetorischen Figuren der Frage siehe die Darstellung bei Lausberg (Handbuch der lit. Rhetorik, S. 379 ff.). 486 Siehe Lamberti (Studi sui postumi 2, S. 165) und Masiello (Le Quaestiones, S. 109), welche vermuten, dass das Werk dem Lehrer vor der Veröffentlichung nochmal zur Ansicht vorgelegt wurde. 487 Lenel (Palingenesie II, Sp. 272 Fn. 2). Dies will Lenel D.4.4.11.1 (Ulp. 11. ad ed.) entnehmen, wo Ulpian zur Frage der Wirksamkeit eines Sklavenverkaufs unter der Freilassungsklausel „ut manumittatur“ durch einen über Zwanzigjährigen auf das vierzehnte Buch von Scaevolas Quaestiones Bezug nimmt: „. . . Scaevola scribit libro quarto decimo quaestionum et magis est, ut sententia constitutionis divi Marci ad Aufidium Victorinum hunc, id est minorem viginti annis, non complectatur“. Hier wird der Kaiser als „divus“ bezeichnet, woraus man schließen kann, dass er zum Zeitpunkt der Entscheidung schon tot war. Sein Werk kann demnach nicht vor 180 n. Chr., dem Ende der Kaiserzeit von Marc Aurel, entstanden sein. Siehe auch die Erwähnung bei Baldus (FSFranciosi, S. 182). 488 Krüger (Geschichte der Quellen, S. 219); Honoré (SDHI 28 (1962), S. 204).
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V. Der ,individuelle‘ Stil490 von Scaevola Die im Wesentlichen von Schulz betriebene „Werktypenlehre“, welcher die Entwicklung des römischen Rechts in seiner ,Geschichte der römischen Rechtswissenschaft‘ noch in verschiedene Epochen unterteilte und darunter jeweils ein Kapitel mit „Literaturformen und Überlieferung“ fasste, in welchem er typische Juristenschriften zusammenstellte, wird der literarischen Prouktion des römischen Rechts schon aufgrund ihrer Starrheit nicht gerecht. Wie insbesondere Baldus491 betont, verleitet dieser gefährliche Ansatz der formalen Typisierung nämlich leicht dazu, aus den aufgrund ihrer vermeintlichen „Natur“ bestimmten Gattungen von Juristenschriften wiederum Rückschlüsse auf deren Inhalt zu ziehen. Dennoch lassen sich auch in der Entwicklung des römischen Rechts innere und äußere Strukturen feststellen, welche die literarische Eigenart verschiedener genera scribendi kennzeichnen. Die Zuordnung eines Werkes zu einem bestimmten genus scribendi kann insofern – wie auch seine Abgrenzung von anderen Gattungen – der näheren Bestimmung eventueller indivueller oder typischer Merkmale der Werke im Vergleich dienen492. Natürlich ist, was die Tragweite von Stilanalysen allgemein betrifft, stets zu berücksichtigen, dass die justinianische Kompilation die literarischen Qualitäten der Texte weitgehend zerstörte. Wie Babusiaux493 anführt, sind uns dadurch wichtige Informationen, wie etwa ein Proömium, eine Widmung etc., welche Aufschluss über den Autor oder Herausgeber und dessen Intention hätten geben können, verlorengegangen und es erscheinen die Texte „als isoliert gegenüber der kulturellen Entwicklung“ 494. Da sich der Stil eines Autors mit dem genus scribendi ändern kann, lassen sich kaum allgemeingültige, werkübergreifende Aussagen zum literarischen und juristischen Stil Scaevolas treffen. Dennoch zeigen sich in den unter dem Namen 489 Masiello (Le Quaestiones, S. 55). Denn der Autor hält es für unwahrscheinlich, dass sich Scaevola nach 175 n .Chr. neben seiner Arbeit als Vigilienpräfekt noch einer didaktischen Tätigkeit widmen konnte. Zudem scheint ihm das Werk noch zu stark von den Schuldisputen beeinflusst zu sein. 490 Zum Begriff des Stils in Bezug auf eine historische Individualität der römischen Juristen siehe Nitsch (in Baldus/Miglietta/Santucci/Stolfi, Dogmengeschichte, S. 217 ff.). 491 Zum Problem siehe Baldus (AUPA 55 (2012), S. 50 f. und SCDR 23–24 (2010/ 11), S. 90.). 492 Siehe nur die Untersuchung der verschiedenen genera scribendi von Frezza (SDHI 43 (1977), S. 203 ff.). 493 Babusiaux (Papinians Quaestiones, S. 266). 494 Zur Frage der Werkindividualität und Authentizität allgemein siehe Wieacker (Textstufen, S. 57 ff.).
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Scaevolas überlieferten Texten einige stilistische Besonderheiten495, welche im Folgenden angeführt werden. 1. Lakonie Bekannt ist Scaevola vor allem für seinen typisch lakonischen Stil, mit dem er seinen Klienten Rechtsrat erteilte496. Nicht selten antwortet der Jurist in seinen Responsensammlungen497 in nur zwei Worten. So z. B. in D.35.1.85 (Scaev. 3. resp.): „respondit non videri“ oder in D.32.30.1 (Scaev. 21. dig.): „respondit posse petere“. In den meisten Fällen gibt Scaevola zudem keine (ausdrückliche) Begründung für seine Entscheidung. Dass diese offensichtliche Begründungsarmut auf eine nachträgliche Bearbeitung der Responsen seitens der Herausgeber zurückzuführen ist, scheint hingegen unwahrscheinlich. Denn zum einen konnte – wie bereits erwähnt498 – zuletzt Wolf 499 feststellen, dass insbesondere in den komprimierten Responsa-Texten selten das eigentliche responsum verkürzt wurde500. Zum anderen muss man sich fragen, wieso die Bearbeiter die Texte gerade um die juristisch relevanten Inhalte, nämlich um die Argumentation und Begründung des Juristen, hätten verkürzen sollen. Es würde insbesondere der Tendenz des mutmaßlichen Digesta-Herausgebers und Scaevola-Schülers Tryphonin widersprechen, einerseits erläuternde Anmerkungen zu den Ausführungen des Lehrers zu machen501, andererseits aber dessen Entscheidungen zu verkürzen502. Denn gerade bei den schwierigen Fällen, die Scaevola oft zu entscheiden hatte, kann man nicht ohne weiteres annehmen, dass 495 So nimmt z. B. Masiello (Le Quaestiones publice tractatae, S. 138) an, dass Scaevola durchaus sprachliches Feingefühl („una raffinata sensibilità filologica“) hatte und die verschiedenen genera scribendi kannte, deren sich ein Jurist bedienen konnte. Spina (Ricerche sulla successione, S. 591) spricht sogar von „Scevola quale scrittore, in quanto tale caratterizzato da un proprio inconfondibile stile“. 496 Natürlich ist Scaevola nicht der einzige Jurist, der lakonische Antworten erteilte. 497 Dass Scaevola sich in seinen didaktischen Werken – etwa in den Quaestiones – dagegen meist wortreicher ausdrückt und öfter begründet, wurde bereits in § 3 IV. 2. b) dargelegt. 498 Siehe § 3 IV. 2. a) bb) (3). 499 Siehe Wolf (SDHI 73 (2007), S. 62). 500 Schon Schulz (Symb. Frib., S. 167) wollte aus der Tatsache, dass die Antworten in beiden Responsensammlungen sehr kurz sind, schließen, dass bereits dem ,Archetypus‘ die Begründungen fehlten – auch wenn der Autor (S. 151) annahm, dass sich die „übergroße Kürze der Antworten, die mitunter einen Teil der Anfragen ganz unbeantwortet läßt“ aus dem Regestencharakter der Texte erklärte. 501 Siehe zu den notae des Tryphonin Fn. 265 und Fn. 267. 502 Dass Tryphonin die Begründungen des Scaevola bewusst kürzte, um als Kommentator von deren Kommentierungsbedürftigkeit zu profitieren, kann man ihm jedenfalls nicht ohne weiteres unterstellen.
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die Begründung allgemein bekannt war und deshalb auf sie verzichtet werden konnte. Es erscheint somit äußerst unwahrscheinlich, dass der offensichtliche Mangel an ausdrücklichen Begründungen auf eine nachträgliche Kürzung zurückgeht. Wahrscheinlich ist vielmehr, dass Scaevola selbst dermaßen lakonisch entschied503. Dass der Jurist seine praktischen Entscheidungen jedoch generell nicht begründete, stimmt freilich nicht504. In der Tat fehlt es – gerade in den Digesta – keineswegs an Beispielen für Begründungen oder deren Ansätze: siehe etwa die Quellen D.2.15.3.2 (Scaev. 1. dig.); D.4.4.39.1 (Scaev. 2. dig.); D.8.5.20.1 Scaev. 4. dig); D.22.3.27 (Scaev. 33. dig.); D.32.38.4 (Scaev. 19. dig.) oder D.40.7.40.7 (Scaev. 24. dig.)505. Wie bereits erwähnt, belegen die Quellen nur, dass Scaevola vor allem in seinen kasuistischen, weniger in seinen didaktischen Werken, ohne Begründung respondierte. Diese Tatsache lässt sich vielleicht mit dem bereits angeführten Argument erklären, wonach die juristische Diskussion im Wesentlichen auf den Kreis der Fachleute beschränkt blieb. Man könnte zudem darüber spekulieren, ob in einigen Fällen nicht vielleicht ein Juristenkollege aus der Provinz der eigentliche Adressat eines Gutachtens war506. Dass eine Begründung zumindest in den praktischen Fällen oft nicht nötig war, könnte auch mit dem großen Vertrauen in die juristische Autorität507 des iuris503 Diese Annahme steht in Einklang zu der hier vertretenen Ablehnung der Regestentheorie. Vgl. die Diskussion in § 3 IV. 2. a) aa) (5). 504 Vgl. nur den „positivity index“ von Scaevola nach der von Honoré (SDHI 28 (1962), S. 180 ff.) erstellten Statistik. Nach Liebs (HLL 4, S. 100) ist die Begründungsarmut des Scaevola gerade nicht repräsentativ, sondern „eine Reverenz an vergangene Zeiten, da die (oft senatorischen) Juristen sich noch kürzer angebunden gaben“ als es die spätklassischen Ritterjuristen taten. Zu einem möglichen Vergleich mit den pontifices, die ebenfalls keine Begründung für ihre Entscheidungen gaben, siehe bereits Fn. 370. 505 Ob es sich gerade bei diesen – auffälligerweise vermehrt in den Digesta vorkommenden – Begründungsansätzen ursprünglich um nachträgliche, als solche nicht mehr kenntliche notae des vermeintlichen Herausgebers Tryphonin gehandelt haben könnte, ist eine Spekulation, die künftigen Forschungen vorbehalten bleibt. Zu möglicherweise von den Kompilatoren in die Responsen des Scaevola integrierte notae vgl. Fn. 471. 506 Dass Scaevola jedenfalls auch von Kollegen aus der Praxis konsultiert wurde, legt der in D.33.1.21 (Scaev. 22. dig.) geschilderte Fall nahe. Bei dem dort anfragenden Largius Eurippianus soll es sich nach Frezza (SDHI 43 (1977), S. 208) um einen Anwalt gehandelt haben, welcher „un parere professionale“ von Scaevola erfragte. Wie Wolf (FS-Labruna VIII, S. 5941 f.) feststellt, war dieser sogar Konsul und kannte Scaevola wahrscheinlich persönlich. 507 Paricio (SCDR 22 (2009), S. 547) beschreibt diese auch als „auctoritas personal, que provenía del talento, ciencia y competencia de cada jurista, unido a su pertenencía a la nobleza patricio-plebeya . . .“. Zur auctoritas als Ersatz für eine Begründung siehe Giaro (Studi Labruna IV, S. 2256 f.).
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consultus zusammenhängen, das ihm einerseits seine Klienten508, andererseits seine Kollegen entgegenbrachten509. Hierbei gilt es allerdings zu berücksichtigen, dass die Grundlagen der auctoritas gegenüber Juristenkollegen und gegenüber anfragenden Rechtslaien nicht dieselben waren. Letztere dürften schon aufgrund mangelnden juristischen Sachverstandes kein allzu großes Interesse an juristischen Begründungen gehabt haben510, sondern sich eher mit der auctoritas der Juristenpersönlichkeit Scaevolas zufrieden gegeben haben511. Für das Ansehen unter den Juristenkollegen kam es dagegen vor allem auf die juristischen Grundlagen der Entscheidung an512. Wie vielfältig die Gründe für diese sein konnten, fasst Bretone zusammen: „Ma argomentazioni e motivazioni, nel duplice profilo razionale e autoritativo, si rendevano subito necessarie se il caso e il responso stesso venivano teoricamente discussi513. Le ragioni perché questo accadesse, erano più d’una: la curiosità o la perplessità di un ascoltatore, l’esigenza di controbattere un avversario (reale o ipotetico), il gioco dialettico del processo, nel cui àmbito il giureconsulto si trovasse a svolgere il ruolo del ,consigliere‘ “. Wie jedoch Wolf 514 zu Recht betont, spielte es für die fachliche Diskussion keine Rolle, ob ein responsum mit einer ausdrücklichen Begründung versehen war oder nicht. Denn während eine begründete Entscheidung den Austausch über ihre Richtigkeit unter den Fachgenossen quasi von selbst eröffnete, lieferte eine unbegründete Entscheidung der Diskussion immerhin den Gegenstand. 508 Vgl. dazu Bretone (in Bretone, Diritto e tempo, S. 22): „Attraverso il responso, il giureconsulto svolge, come privato, una funzione pubblicamente rilevante. Coloro che lo interrogano – semplici cittadini, giudici, magistrati –, si attendono da lui una guida autorevole in un settore delicatissimo della vita pratica“. 509 Denn nicht ohne Grund war Scaevola über die Grenzen Roms hinaus bekannt und wurde zu den führenden iuris auctores gezählt. Dies belegen die bereits zitierten Quellen D.27.1.13.2 (Mod. 4. excus.): „et ita scribunt Cervidius Scaevola et Paulus et Domitius Ulpianus principes iuris auctorum“ und Cod.Theod.4.4.3.3 (Impp. Arcardius et Honorius), wo Scaevola als „auctor prudentissimus iurisconsultorum“ bezeichnet wird. 510 So vermutet etwa Sigel (Rechtsgutachten, S. 84), dass Scaevolas praktische Bescheide nicht dazu bestimmt waren, belehrende Ausführungen zu geben, sondern als konkrete Rechtsauskunft für die juristisch nicht vorgebildeten Konsulenten dienten. Daher sei auch nur das konkrete Ergebnis, nicht aber die dogmatische Begründung relevant gewesen. 511 Bretone (in Bretone, Diritto e tempo, S. 23) unterscheidet insofern zwischen „argomentazioni e motivazioni, nel duplice profilo razionale e autoritativo“. 512 Gerade die juristische auctoritas unter Kollegen bedeutete jedoch keineswegs, dass nicht auch kritisch zu den Positionen großer Juristenpersönlichkeiten Stellung genommen werden konnte. 513 Das traf sicher auf die Diskussion unter Kollegen, nicht aber auf Anfragen fachfremder Konsulenten zu. 514 Siehe Wolf (SDHI 73 (2007), S. 65).
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2. Schroffe Zurückweisung und Ironie Wie Bretone am Beispiel der Quelle D.19.2.61.1 (Scaev. 7. dig.) aufzeigt, haben die Responsen des Scaevola gelegentlich eine „intonazione particolarmente autoritaria“ 515. Auch Liebs stellt fest, dass die Sprache und Gedankenführung des Juristen „viel Derbes“ enthalten und eine gewisse „Selbstgefälligkeit“ verraten516. So kommt es nicht selten vor, dass Scaevola einem Anfragenden in leicht verhöhnendem Ton begegnet517. Anschaulich belegen dies z. B. Quellen wie D.33. 4.17.1 (Scaev. 3. resp.) mit der Antwort „respondit nihil proponi, cur non possit“ 518 oder etwa D.34.1.19 (Scaev. 22. dig.) mit der rhetorischen Frage (interrogatio519) „respondit: cur non?“ 520. Anstatt in solchen Fällen ein klares Ja oder Nein auszusprechen, bleibt Scaevola mit seiner Antwort eher vage – auch wenn die Linie seiner Entscheidung natürlich klar war. Es scheint beinahe so, als wollte der Jurist seinen Konsulenten gelegentlich selbst auf das Ergebnis kommen lassen521. So musste Scaevola beispielsweise in D.31.88.17 (Scaev. 3. resp.) über die laienhaft abgefassten Bestimmungen eines dem Juristenstand offensichtlich nicht gut gesinnten Testators entscheiden. Dieser hatte in seinem Testament ausdrücklich – man könnte beinahe sagen stolz – vermerkt, dass er sein Testament „sine ullo iuris perito“ verfasst hatte, und zwar „rationem animi mei potius secutus quam nimiam et miseram diligentiam“. Nun stellte sich (vermutlich aus Sicht der Erben) die Frage, ob diese unwirksamen Bestimmungen in Fideikommisse umgedeutet werden konnten („an portiones adscriptae ex causa fideicommissi peti possunt“), was Scaevola bejahte („respondi secundum ea quae proponerentur posse“). 515
Siehe Bretone (Storia, S. 303). So Liebs (HLL 4, S. 116). Ähnlich bemerkte schon Krüger (Geschichte der Quellen, S. 217), dass die Bescheide, welche Scaevola erteilt, kurz und meist ohne Angabe von Gründen sind und „oft recht derb“. 517 Vgl. Klami (Studi Biscardi IV, S. 234). 518 Siehe auch D.34.1.18 pr. (Scaev. 20. dig.). Die Formel „nihil proponi cur“ fand nach Kalb (Roms Juristen, S. 103 f.) bei den Späteren allgemeine Nachahmung. Sie kommt z. B. in D.30.120 pr. (Ulp. 2. resp.), D.3.2.21 (Paul. 2. resp.) oder in D.44.7.29 (Paul. 4. resp.) und häufig bei Modestin vor. Spengler (SZ 101 (1993), S. 645) hält diese Formel gar für eine „stiltypische Redewendung“ von Scaevola. 519 Zu den verschiedenen Anwendungsarten der rhetorischen Frage siehe Ueding/ Steinbrink (Grundriß der Rhetorik, S. 311 f.). 520 Vgl. auch D.32.39.1 (Scaev. 20. dig.): „. . . respondit super hoc nec dubitandum esse, quin fideicommissum valet“. 521 Schon Samter (SZ 27 (1906), S. 156) sprach von „Scaevolas echt sokratischer Eironia“. In der Tat zeigen sich in solchen Fällen gewisse Züge der Maieutik, deren Kunst ja gerade darin bestand, den Anfragenden durch Gegenfragen selbst auf die Antwort kommen zu lassen. 516
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Nach der Interpretation von Nörr522 zeigt sich in dieser Entscheidung „eine gewisse spöttische Genugtuung des Juristen“. Die Stelle ist jedenfalls ein weiteres Zeugnis dafür, dass es sich bei Scaevolas Responsensammlungen weitgehend um Fälle aus der Praxis handelt. Denn für ein didaktisches Werk wäre dieses beinahe anekdotische Detail wohl überflüssig gewesen523. Bezeichnend ist zudem die Quelle D.33.2.32.4 (Scaev. 15. dig.), in der Scaevola dem Konsulenten zur Antwort gab: „respondit satis id, quod quaereretur, aperte verba quae proponerentur declarare“. Hier sollte sich die Antwort auf die Frage also aus dem Wortlaut des Testaments selbst ergeben. Anstatt klar zu entscheiden, was daraus nun für den konkreten Fall folgen sollte, überließ es Scaevola lieber dem Konsulenten sich seine Frage selbst zu beantworten. Eine ähnliche Entscheidungsträgheit zeigt sich auch in den bereits erwähnten524 „supra-responsum“-Stellen, in denen der Jurist schlicht auf seine zuvor erteilte Antwort verweist. So stellte der Anfragende z. B. in D.33.2.38 (Scaev. 3. resp.) gleich mehrere Fragen zur Auslegung eines Vermächtnisses525, in welchem der Erblasser seiner Frau Einkünfte aus einem Grundstück vermacht hatte. Zunächst wollte der Konsulent von Scaevola wissen, ob der Vormund des Erben das Grundstück verkaufen und die Vermächtnisnehmerin auszahlen durfte („an possit tutor heredis fundum vendere et legatario offerre quantitatem annuam . . .“), was Scaevola bejahte. Darüber hinaus fragte er, ob der Vermächtnisnehmerin die Wohnung versagt werden konnte („an habitare impune prohiberi possit“), was der Jurist ebenfalls bejahte. Weiter erkundigte sich der Anfragende danach, ob der Erbe das Grundstück instand halten musste („an compellendus sit heres reficere praedium“), was Scaevola nur für den Fall bejahte, dass dieser für eine Verringerung der Einkünfte verantwortlich war. Die vierte und letzte Frage schließlich ging auf den Unterschied zu einem Nießbrauchsvermächtnis („quo distat hoc legatum ab usu fructu“). Scaevola beantwortete sie mit einem knappen Verweis auf das oben Geantwortete: „ex his, quae supra responsa essent, intellegi differentiam“. Da die Falllösung trotz eines solchen Hinweises jedoch nicht immer einfach zu erschließen war526, kann man mit der hier vertretenen Skepsis gegenüber der Re522
Siehe Nörr (Rechtskritik, S. 84). Natürlich kann damit nicht ausgeschlossen werden, dass auch eine solche Anfrage gelegentlich im Unterricht mit den Schülern besprochen wurde. Denn diese hatten als künftige Praktiker sicher Interesse daran auch die alltägliche Respondierpraxis des Lehrers kennenzulernen. 524 Siehe dazu bereits § 3 IV. 2. a) aa) (1) unter dem Blickwinkel der Frage nach der Mündlichkeit oder Schriftlichkeit der Konsultationspraxis. 525 „Fundi Aebutiani reditus uxori meae quoad vivat dari volo“. 523
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gestentheorie sagen, dass Scaevola seine Klienten mit derart vagen Antworten hin und wieder sich selbst überließ527. Dieses und ähnliche „supra responsum“Stellen528 zeigen jedenfalls deutlich, wie schroff Scaevola die Anfrage teilweise an seine Konsulenten zurückverwies. Oft begnügte sich Scaevola auch einfach damit festzustellen, dass keine Rechtsfrage (quaestio iuris) vorlag („non de iure quaeritur“ 529), sondern eine vom iudex zu beantwortende quaestio facti 530. Da Responsen wie diese jedenfalls keinen didaktischen Charakter haben, kann es sich eigentlich nur um echte Fälle aus der Praxis handeln. 3. Stereotype, verba und Gräzismen Geradezu typisch für Scaevola ist auch, dass er seine Responsen häufig unter der Voraussetzung der Richtigkeit des Sachverhalts („secundum ea quae proponerentur“ 531) erteilt. Spina532 hält diesen Zusatz in erster Linie für ein „stru526 Hier ergab sie sich wohl daraus, dass die Frau gerade kein Wohnrecht hatte, sondern nur die Einkünfte aus dem Grundstück bekam. 527 In derartigen Fällen könnte man schon in Anbetracht des Tonfalles wieder darüber spekulieren, ob es nicht vielleicht ein Kollege aus der Provinz war, welcher an Scaevola schrieb. 528 Vgl. etwa die Antwort in D.33.8.23.3 (Scaev. 15. dig.): „respondit supra responsum“. Hier hatte der Konsulent bezüglich des Vermächtnisinhaltes zunächst nach den peculia gefragt („an peculia quoque legata his videbuntur“). Scaevola entschied, dass diese nicht mitvermacht seien („respondit secundum ea quae proponerentur non videri legata“). Die Anschlussfrage des Konsulenten ging dahin, ob auch die Rechnungsbestände oder die Sachen des Herrn mitvermacht seien. Diesbezüglich verwies der Jurist nun schlicht auf seine zuvor erteilte Antwort. 529 Siehe D.33.7.20.9 (Scaev. 3. resp.). 530 An den iudex verweist Scaevola auch in anderen Fällen, wie z. B. in D.34.1.15.1 (Scaev. 4. resp.): „respondit eum, cuius notio est, aestimaturum“. Dieselbe Formel findet sich auch in D.34.1.16.1 (Scaev. 18. dig.). Siehe zudem D.34.3.28.9 (Scaev. 16. dig.): „ex qualitate disceptationis iudicem aestimaturum“; D.34.3.31 pr. (Scaev. 3. resp.): „ita ab iudice aestimandum, ut . . .“ oder etwa D.45.1.135.2 (Scaev. 5. resp.): „. . . quod omne ad iudicis cognitionem remittendum est“. 531 Wie schon Kalb (Roms Juristen, S. 103) zeigen konnte, lässt sich die Formel „secundum ea quae proponerentur“ in den uns überlieferten Quellen einzig bei Scaevola nachweisen. Jedoch gibt es bei anderen Juristen vergleichbare Ausdrucksformen, in denen das Wort „proponere“ vorkommt; siehe die Aufzählung bei Kalb (Roms Juristen, S. 103). Auch in Scaevola-Texten finden sich Variationen in der Formulierung dieses Vorbehalts; siehe z. B. D.20.1.31.1 (Scaev. 1. resp.): „si ut proponeretur . . .“. Zur Vergleichbarkeit mit der Formel „,si vera sunt exposita‘“ bei den rescripta siehe Crifò (Lezioni di storia, S. 307). 532 Siehe Spina (Ricerche sulla successione, S. 33 f., S. 581). Die Autorin sieht die Formulierung zudem als Indiz für eine überwiegend schriftliche Konsultation des Juristen an. Darüber hinaus scheine sie die Rolle des Juristen zu unterstreichen, „il quale, attraverso di essa, si autodefinisce come pratico, un esperto che fornisce risposte precise sulla base di dati di fatto concreti e controllabili“.
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mento di autotutela“ des Juristen „in quanto gli sono state date certe indicazioni (e solo quelle)“. Ebenso stereotyp ist der Zusatz „verbis quae proponerentur“ 533, mit dem der Jurist ausdrückte, dass seine Entscheidung „gemäß den (ihm) vorgebrachten Worten“ erging. Die Worte, auf die der Jurist in Entscheidungen mit diesem Zusatz Bezug nahm, werden zuvor meist wörtlich (z. B. mit „legavit in haec verba“ oder mit „ita scripsit“) zitiert. Auffallend ist auch, dass Scaevola, welcher besonders im Erbrecht nicht selten nach den verba der Erklärung entschied534, in seinen Entscheidungen gelegentlich sogar die vom Anfragenden gebrauchten Worte wiederholt535. So entschied Scaevola zum Beispiel in D.33.2.32.6 (Scaev. 15. dig.) lakonisch (accusativus cum infinitivo), dass ein Vermächtnis auch über den Tod eines geisteskranken Sohnes, der zum Erben eingesetzt worden war, hinaus bestehen bleiben sollte („perseverare legatum“). Der Anfragende hatte zuvor wissen wollen, ob der Nießbrauch auch bestehen bleibe, wenn der Sohn in derselben geistigen Zerrüttung verbleibend verstürbe („quaesitum est, cum filius in eodem furore in diem mortis suae perseverans536 decesserit, an usus fructus interciderit“). Nach den Worten Scaevolas sollte das Vermächtnis nun ebenso „fortdauern“ (perseverare).
533 Vgl. etwa D.33.2.33.2 (Scaev. 7. dig.); D.33.4.17 pr. (Scaev. 3. resp.); D.33.7.27.3 (Scaev. 6. dig.); D.34.2.15 (Scaev. 15. dig.); D.34.3.28 pr. (Scaev. 16. dig.); D.40.4.59.2 (Scaev. 23. dig.). 534 Siehe z. B. die Quelle D.33.2.35 (Scaev. 22. dig.), wo Scaevola sich bei einem auf fünf Jahre bestellten Nießbrauch trotz vorzeitigem Tod des Nießbrauchers streng an die Verfügung des Testators hält, nach welcher die Erben erst nach Ablauf der fünf-JahresFrist zu Eigentümern werden sollten. Ein weiteres Beispiel ist das responsum in D.33.7.27.5 (Scaev. 6. dig.), wo Scaevola sich mit den Worten „respondit id tantum cedere legato, quod verbis comprehendisset“ ausdrücklich auf die Worte des Vermächtnisses beruft, sowie sein responsum in D.32.33.1 (Scaev. 15. dig.), wo er sich streng an das vom Erblasser gewählte Tempus der Vergangenheit hält: „respondit verba quae proponerentur nihil pro futuro tempore significare“. Zu D.33.7.27.5 (Scaev. 6. dig.) und D.32.33.1 (Scaev. 15. dig.) siehe Harke (in Harke, Facetten des röm. ErbR, S. 68 f.). Daneben finden sich aber auch zahlreiche Entscheidungen nach dem Willen des Erblassers; so z. B. in D.31.89.1 (Scaev. 4. resp.); D.32.39.2 (Scaev. 20. dig.) oder D.33.7.7 (Scaev. 22. dig.). Die herausragende Rolle, welche der Erblasserwille in den Entscheidungen des Scaevola spielt, hat zuletzt Spina (Ricerche sulla successione, S. 576) hervorgehoben. Allgemein zum Verhältnis von verba und voluntas bei der Auslegung letztwilliger Bestimmungen vgl. § 5 III. 1. g). 535 Dazu bemerkte schon Schirmer (SZ 8 (1887), S. 102): „Häufig erklärt sich auch, namentlich in den umfangreicheren Fragmenten aus den Legatstiteln, der Mangel einer Begründung daraus, dass die Entscheidung lediglich den nach dem römischen Sprachgebrauche mit den Worten des Testators zu verbindenden Sinn fixiert“. 536 Das Verb „perseverare“ („verharren“/„verbleiben“) ist in diesem Kontext jedenfalls ungewöhnlich.
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1. Kap.: Einführung und Hintergründe
In diesem Zusammenhang stellt sich die philologisch interessante Frage537, inwiefern die Sprache des Juristen überhaupt als „juristische Fachsprache“ 538 qualifiziert werden kann und ob sich anhand der uns zur Verfügung stehenden Quellen – in ihrer justinianischen Fassung – gar eine ,sprachliche Individualität‘539 Scaevolas ausmachen lässt. Die uns unter dem Namen Scaevolas überlieferten Texte weichen jedenfalls in auffälliger Weise vom Stil vieler Juristenkollegen ab. Als charakteristisch für die Sprache Scaevolas sehen einige Autoren die bereits erwähnten Gräzismen an, die sie im Werk des Juristen verbreitet finden. So will z. B. Masiello540 in D.18.5.10 pr. (Scaev. 7. dig.), wo der Ausdruck „emptio [. . .] inemptam videri“ vorkommt, einen solchen erkennen. Dagegen, dass es sich um einen von Scaevola stammenden Gräzismus handelt, spricht aber, dass die Formulierung nach der hier vertretenen Ansicht noch zu der wahrscheinlich von den Parteien stammenden Sachverhaltsschilderung gehört. 537 Zur aktuell in der Rechtslinguistik diskutierten Forschungsfrage, ob der Sprachgebrauch im Recht eher fach- oder gemeinsprachlich zu charakterisieren ist, siehe die Darstellung bei Felder (Handwörterbuch zur dt. RG, Sp. 1446). In der modernen Rechtslinguistik hat sich seit den 1980er Jahren eine sukzessive Neuorientierung in der Herangehensweise an die Verstehensproblematik juristischer Kommunikationszusammenhänge etabliert; siehe die Darstellung bei Müller (in Müller/Wimmer, Neue Studien zur Rechtslinguistik, S. 12 f.). Grob vereinfacht dargestellt könnte man sagen, dass sich, nachdem zunächst angenommen wurde, der Schlüssel zum Verstehen juristischen Sprachgebrauchs liege ausschließlich in der Untersuchung einzelner Rechtstermini (Stichwort: „Bedeutungsermittlung“), in der Forschung zunehmend eine „pragmalinguistisch“ orientierte Annäherung an juristische Texte stark machte (Stichwort: „Bedeutungsfestsetzung“). Bei dieser sprachhandlungstheoretisch fundierten Analyse juristischer Fachsprache geht es darum zu untersuchen, wie der einzelne juristische Funktionsträger in einer konkreten Kommunikationssituation Normtexte und soziale Wirklichkeit (individuell) in der Rechtsnorm verbindet und im jeweiligen sozialen Kontext strukturell sprachliche Bedeutung herstellt; vgl. zu allem Felder (Handwörterbuch zur dt. RG, Sp. 1444 und 1446 sowie in FS-Müller, S. 78 ff.). 538 Als allgemeines Indiz für eine fachsprachliche Entwicklung der römischen Rechtssprache kann der von Kaiser Justinian geschaffene Titel „De verborum significatione“ in D.50.16 angesehen werden. Dieser wird allerdings von Quellenstellen aus dem Werk der Juristen Gaius, Paulus und Ulpian dominiert. In diesem zweihundertsechsundvierzig Stellen umfassenden Titel findet sich mit D.50.16.243 (Scaev. 18. dig.) nur eine einzige Quelle aus dem Werk des Scaevola. Die aus einer praktischen Anfragesituation (vgl. das mitüberlieferte „respondit“) stammende Quelle definiert das Wort liberti juristisch. Nach Scaevola habe man darunter immer auch diejenigen verstanden, welche in demselben Testament, in dem eine sie betreffende Verfügung des Erblassers enthalten war, an einer späteren Stelle freigelassen wurden: „Scaevola respondit: semper acceptum est, ut libertorum appellatione etiam hi contineri intellegantur, qui eodem testamento vel posteriore loco manmitterentur . . .“. 539 Zum Begriff sowie zur Frage, ob und wie man überhaupt eine ,sprachliche Individualität‘ einer historischen Person feststellen kann, siehe Nitsch (in Baldus/Miglietta/ Santucci/Stolfi, Dogmengeschichte, S. 208 ff.). 540 Masiello (Le Quaestiones publice tractatae, S. 138 Fn. 12).
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Zudem ist die Klausel „si ad diem pecuniam non solvisset, res inempta fieret“ Teil einer feststehenden lex dicta, die in der Vertragspraxis gewöhnlich bei der lex commissoria verwendet wurde541. Kalb542 hingegen wollte petere in Verbindung mit Acc. c. Inf. als Gräzismus bei Scaevola identifizieren. Diesen sah der Autor unter anderem in D.32.101.1 (Scaev. 16. dig.): „peto fundum meum [. . .] alumnae meae dari“, in D.32.35 pr. (Scaev. 17. dig.): „patronus liberto statim tribum emi petierat“ sowie in D.34. 2.18 pr. (Scaev. 22. dig.): „eidem anulos [. . .] reddi ad heredibus petit“ ausgedrückt. Die auffällige Konstruktion mit Infinitiv Passiv findet sich allerdings schon bei Plautus543 oder Sueton544 . Dass es sich dabei um einen echten Gräzismus handelt, darf mithin bezweifelt werden. Die typologische Besonderheit der Konstruktion mit Inf. Passiv (statt des gewöhnlichen „petere, ut“) spricht jedenfalls gegen eine griechische Sprachimitation545. Darüber hinaus will Masiello546 bei Scaevola den Gebrauch verschiedener Ñpac legümena nachweisen. Im Unterschied zu Julian zeige Scaevola zudem eine gewisse Vorliebe für die Parataxe. Teilweise wird Scaevola auch eine gewisse Sympathie zur frontonianischen Richtung nachgesagt547. Wie sein Zeitgenosse, der angesehene Redner M. Cornelius Fronto, der vergessene Ausdrücke und antiquarische Formen des vorklassischen Lateins in der Alltagssprache wieder zu beleben suchte, soll Scaevolas Sprache gewisse archaisierende Tendenzen (antiquitas) zeigen548. Nicht zuletzt
541 Siehe dazu § 6 III. 2. g). Zu weiteren Belegstellen siehe Georges (Handwörterbuch II, Sp. 1673). 542 Kalb (Roms Juristen, S. 98). 543 Vgl. Plautus (Pseud. 684): „quom quid cupienter dari petimus nobis“; Gellius (Noct. Att. 9,2,1): „. . . petit aes sibi dari . . .“. 544 Vgl. Sueton (Divus Augustus 2,5): „. . . peteretque donari quasi proprio suo ac peculiari deo . . .“. 545 Zu möglichen Gräzismen in der Seedarlehensurkunde des Callimachus siehe dagegen die sprachlichen Untersuchungen von Krampe (FS-Ankum I, S. 208). 546 Siehe Masiello (Le Quaestiones, S. 47), der dies auch bei Julian feststellt. 547 Siehe Schulze (SZ 12 (1891), S. 123). Nach Kalb (Roms Juristen, S. 102) ist bei Scaevola vieles „entschieden aus einer gewissen Effekthascherei entsprungen. Er liebt Apartes. Das ist die andere Seite von seinem Sprachcharakter“. 548 Siehe Masiello (Le Quaestiones, S. 107). Sallmann (HLL 4, S. 7) vermutet, dass eine „gewisse Nostalgie“ und etwas „Sentimentalität den altlateinischen Autoren gegenüber“ eine Rolle für die Archaisierungsvorstöße des Fronto spielten. Das literarische Muster des „Frontonischen Archaismus“ stammt nach Sallmann von Kaiser Hadrian (S. 59): Das Streben nach der Reinheit der Sprache im Rückgriff auf die Einfachheit der Vorklassik habe bei den Römern aber nie das Maß des griechischen Purismus der Attizisten erreicht. Die Traditionsorientierung habe keine Gegenwartsflucht bedeutet, sondern vielmehr der Nutzbarmachung des Alten und Ursprünglichen durch Verbesserung und Anreicherung des Zeitgenössischen gedient (S. 11 u. S. 290). Zu den Archaisierungstendenzen in antoninischer Zeit siehe auch Stolfi (Pomponio II, S. 10 f.).
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bemerkenswert ist, dass Scaevola von Ulpian mehrfach mit den Worten „eleganter549 Scaevola ait/tractat“ 550 zitiert wird. Zu Recht stellt Aldinger551 fest, dass eine Aussage über die Eigenart und Qualität des Juristen aufgrund dieser Zitate aber nur eingeschränkt möglich ist, da Ulpian das Adverb in Verbindung mit den verschiedensten Verben und in Bezug auf die verschiedensten Juristen gebraucht. Da uns der Originalwortlaut der Entscheidungen von Scaevola nicht erhalten ist bzw. nicht eindeutig zugeordnet werden kann, ist es nicht möglich festzustellen, ob sich Scaevola in den zitierten Fällen besonders „elegant“ – Aldinger552 spricht auch von der „Eleganz des Einfachen“ – ausdrückte553. Die einem Juristenkollegen bescheinigte „Eleganz“ des Ausdrucks bezog sich jedenfalls nicht nur auf die formale Qualität seines sprachlichen Ausdrucks, sondern vor allem auf die inhaltliche Würdigung eines bemerkenswerten, mitunter innovativen Rechtsgedankens554.
549 Der Ausdruck „eleganter“ wurde – wie Hausmaninger (ANRW 15 (1976), S. 390) und Aldinger (Eleganter, S. 4) feststellen – überwiegend von Ulpian gebraucht. Zu Etymologie und Bedeutungswandel dieses Wortes, das in allen Gattungen der römischen Literatur vorkommt, siehe Aldinger (Eleganter, S. 1–3). In den Digesten von Justinian kommt das Adverb insgesamt fünfundvierzig Mal vor. Davon sind allein vierzig Stellen von Ulpian. In drei davon zitiert Ulpian den Scaevola (siehe die folgende Fn.). Warum gerade Ulpian so häufig über die elegantia seiner Kollegen urteilt, bleibt zu klären. Dazu Hausmaninger (ANRW 15 (1976), S. 390 f.). Nach Aldinger (Eleganter, S. 5) ist der Gebrauch des Wortes „eleganter“ a priori als klassisch anzusehen. Das Adverb wie auch das zugrunde liegende Adjektiv sind jedenfalls seit Cato und Terenz belegt und auch bei Catull, Cicero, Livius, Quintilian oder Plinius beliebt; vgl. Georges (Handwörterbuch I, Sp. 2379). 550 Siehe z. B. D.29.5.1.12 (Ulp. 50. ad ed.). Zu dieser Quelle siehe Aldinger (Eleganter, S. 160 ff.). Ein weiteres Beispiel ist die Quelle D.29.5.3.30 (Ulp. 50. ad ed.); dazu ebenfalls Aldinger (S. 94 f.). Siehe auch D.37.8.1.16 (Ulp. 40. ad ed.). 551 Siehe Aldinger (Eleganter, S. 4 f.). 552 Siehe Aldinger (Eleganter, S. 160). 553 Der interessanten Frage, ob Scaevolas Entscheidungen in den genannten Fällen juristisch besonders „elegant“, vielleicht innovativ, waren, kann an dieser Stelle leider nicht nachgegangen werden. Nach Ansicht von Masiello (Le Quaestiones publice tractatae, S. 129) zeigt Scaevola jedenfalls nicht nur innovative Interpretationsmuster, sondern schreibt gerade auch den traditionellen Formen neue Inhalte zu. 554 Siehe nur Bona (Studi sulla società consensuale, S. 129), nach welchem Ulpian mit seinem ,Lieblingswort‘ eleganter fast nie die „eleganza stilistica, la purezza del linguaggio dei diversi giuristi che richiama“ bezeichnet, sondern „solitamente la soluzione suggerita in contrapposizione con un altra, la maggior adeguatezza del nuovo pensiero, talvolta la posizione stessa di una quaestio etc.“. Vgl. auch Sciascia (BIDR 51/52 (1948), S. 392), nach welchem die elegantiae iuris innerhalb der Rechtslehre dieselbe Funktion eingenommen haben wie das Spezialrecht gegenüber dem allgemeinen Recht in der Gesetzgebung. Wie der Autor zusammenfasst, waren sie „categorie storiche di costruzioni scientifiche che sorgono come eccezioni, come belle deviazioni concettuali e poi si diffondono, dilagano, si impongono in modo generale“.
§ 3 Leben und Werk des Quintus Cervidius Scaevola
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Denkbar ist insofern, dass die besondere „Eleganz“, welche Ulpian dem Scaevola bescheinigt, gerade in der juristischen Qualität neuer Gedanken sowie in der scharfsinnigen Prägnanz lag, mit der Scaevola zu entscheiden pflegte555.
555 So nimmt z. B. Stolfi (Pomponio I, S. 119 m.w. N. in Fn. 250) an, dass die dem Pomponius von Ulpian bescheinigte Eleganz des Ausdrucks nicht „solo un estrinseco apprezzamento stilistico“ war, sondern vielmehr „un’approvazione per la finezza del ragionamento, la sottigliezza [. . .] delle ragioni che conducono a risolverla in un modo anziché in un altro“.
2. Kapitel
Exegesen § 4 Systembildung durch Konjunktion der Negation Im Folgenden sollen die Wortpaare „nec . . . nec“/„neque . . . neque“ 556 im Werk von Scaevola als mögliche sprachliche Indizien für innere Systembildung untersucht werden.
I. Das argumentum per duplicem exceptionem Das argumentum per duplicem exceptionem dient dem doppelten Ausschluss bzw. der doppelten Abgrenzung. Durch eine über die Partikeln „nec . . . nec“/ „neque . . . neque“ korrespondierende exceptio werden mindestens zwei Fälle, Begriffe oder Rechtsinstitute ausgeschlossen und in der Abgrenzung voneinander unterschieden557. Das sog. argumentum per duplicem exceptionem dient insofern der Differenzierung. In den juristischen Quellen wird diese meist mit der Wendung „nec . . . nec“ oder „neque . . . neque“ wiedergegeben558. An Stelle von „weder A noch B“ kann man diese auch mit „sowohl nicht A als auch nicht B“ übersetzen. Es handelt sich also um eine Konjunktion der Negation, welche als Gegenstück zu der in § 6 behandelten Konjunktion „vel“ zwei Fälle einzeln verneint und durch Negation miteinander verbindet. Unter Systemgesichtspunkten besonders interessant ist die Frage, wie sich die unterschiedenen Fälle zueinander verhalten und ob die doppelte exceptio dem Juristen zu einer Systemaussage dient. Dabei soll vor allem untersucht werden, ob Scaevola in der Negation Gleichwertiges verbindet oder etwa mittels exceptio eine Art Rangfolge in den Alternativen bildet, welche durch die doppelte Verneinung möglicherweise verstärkt wird.
556 Gegenstand der vorliegenden sprachlichen Untersuchung sind allein die korrespondierenden Wortpaare „nec . . . nec“ und „neque . . . neque“. Verneinungen mit „non . . . nec“ oder „non . . . neque“ werden in der Untersuchung dagegen nicht berücksichtigt. 557 Gerade aus der doppelten (oder mehrfachen) Ausschließung ergibt sich dabei das mögliche Abgrenzungskriterium. 558 „Nec“ und „neque“ sind dabei in Bedeutung und Gebrauch gleich.
§ 4 Systembildung durch Konjunktion der Negation
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Diese Frage stellt sich insbesondere für das Verhältnis der Begriffe ius und aequitas in der im Folgenden zu untersuchenden Quelle D.14.3.20 (Scaev. 5. dig.)559, wo es heißt: „nec iure . . . obligatum nec aequitatem conveniendi eum superesse“.
II. Der Sprachgebrauch von „nec . . . nec“ bei Scaevola Im Werk von Scaevola finden sich dreizehn Stellen, die mit „nec . . . nec“ 560, achtundzwanzig Stellen, die mit „neque . . . neque“ 561, und insgesamt vier Stellen, die mit „neque . . . nec“ 562 bzw. „nec . . . neque“ 563 verneint werden. In den beiden Responsensammlungen der Digesta und Responsa findet sich die doppelte Negation sehr häufig in der narratio eines Falles wieder. Dort bezieht sie sich überwiegend auf die Fakten des jeweiligen Sachverhalts. So z. B. in der Quelle D.8.2.41.1 (Scaev. 1. resp.), wo der Konsulent anführte, dass Lucius Titius seinem Nachbarn Publius Maevius weder das Fensterlicht noch den Fußweg etc. beeinträchtige: „neque luminibus Publii Maevii vicini neque itineri vicini officeret . . .“. Oder in D.32.37 pr. (Scaev. 18. dig.), wo der Anfragende schilderte, dass weder der Besitz übergeben noch zu den vereinbarten zwei einjährigen Terminen gezahlt worden sei: „neque possessionem tradidit neque annua bina accepit“. Ebenso in D.31.88.9 (Scaev. 3. resp.), wo ein Erblasser in einem wörtlich überlieferten Testament für den Fall, dass weder seine Tochter noch sein Enkel Erben sein würden, verfügte: „,si . . . neque filia mea neque nepos meus heredes mei erunt . . .‘“ 564. 559
Zur Exegese siehe § 4 III. 1. D.3.5.34.2 (Scaev. 1. quaest.); D.5.2.20 (Scaev. 2. quaest.); D.13.5.31 (Scaev. 5. dig.); D.14.3.20 (Scaev. 5. dig.); D.28.2.29.13 (Scaev. 6. quaest.); D.28.2.29.14 (Scaev. 6. quaest.); D.32.37.3 (Scaev. 18. dig.); D.39.5.35 pr. (Scaev. 31. dig.); D.40.5.41 pr. (Scaev. 4. resp.); D.40.11.3 (Scaev. 6. resp.); D.45.1.129 (Scaev. 12. quaest.); D.46.3. 89.1 (Scaev. 29. dig.); D.46.3.102 pr. (Scaev. 5. resp.). 561 D.2.14.47.1 (Scaev. 1. dig.); D.2.15.3 pr. (Scaev. 1. dig.); D.8.2.41.1 (Scaev. 1. resp.); D.12.6.67 pr. (Scaev. 5. dig.); D.17.1.60.1 (Scaev. 1. resp.); D.17.1.60.4 (Scaev. 1. resp.); D.24.3.50 (Scaev. 2. resp.); D.26.5.26 (Scaev. 2. resp.); D.26.7.47.2 (Scaev. 2. resp.); D.28.3.19.2 (Scaev. 6. quaest.); D.28.5.86 (Scaev. 2. resp.); D.31.88.9 (Scaev. 3. resp.); D.32.37 pr. (Scaev. 18. dig.); D.32.37.3 (Scaev. 18. dig.); D.33.1.20 pr. (Scaev. 18. dig.); D.33.1.21.3 (Scaev. 22. dig.); D.34.1.18.1 (Scaev. 20. dig.); D.34.1.18.5 (Scaev. 20. dig.); D.34.2.40.2 (Scaev. 17. dig.); D.34.3.31.4 (Scaev. 3. resp.); D.36.1.78 (Scaev. 19. dig.); D.38.4.7 (Scaev. 2. reg.); D.40.4.29 (Scaev. 23. dig.); D.40.7.40.5 (Scaev. 24. dig.); D.45.1.129 (Scaev. 12. quaest.); D.45.1.131 pr. (Scaev. 13. quaest.); D.45.1.133 (Scaev. 13. quaest.) und D.50.1.24 (Scaev. 2. dig.). 562 D.2.15.3.2 (Scaev. 1. dig.); D.18.5.10 pr. (Scaev. 7. dig.); D.18.5.10.1 (Scaev. 7. dig.). 563 D.32.37 pr. (Scaev. 18. dig.). 564 Siehe auch D.17.1.60.1 (Scaev. 1. resp.); D.34.1.18.1 (Scaev. 20. dig.); D.34.2. 40.2 (Scaev. 17. dig.); D.34.3.31.4 (Scaev. 3. resp.); D.39.5.35 pr. (Scaev. 31. dig.) oder D.40.4.29 (Scaev. 23. dig.). 560
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2. Kap.: Exegesen
Für die juristische Bewertung – insbesondere für die Frage nach innerer Systembildung – sind diese Stellen jedoch nicht relevant, da sie ausschließlich Sachverhaltselemente betreffen. Es gibt jedoch auch Fälle, in denen der Konsulent in der quaestio eine (oft laienhaft formulierte) juristische Unterscheidung vornahm, die er bei Scaevola einreichte. Dann kommt es darauf an, ob Scaevola diese vom Anfragenden herrührende Unterscheidung in seinem responsum aufnimmt oder nicht565. Ein Beispiel für die Übernahme der vom Anfragenden herrührenden Unterscheidung stellt die Quelle D.17.1.60.4 (Scaev. 1. resp.) dar: „. . . respondi neque conveniri posse neque res obligatas esse“. Hier ging es um die Frage, ob ein Vermögensverwalter auch für die Schulden seines Auftraggebers haften sollte. Der wohl aus dem griechischen Rechtsraum stammende Anfragende (es wird wörtlich aus einem griechischen Schriftstück zitiert) wollte von Scaevola wissen, ob der Verwalter Lucius Titius auch für Schulden seines Auftraggebers Seius aus der Bekleidung eines Gemeindeamtes hafte bzw. ob die Sachen des Verwalters der Pfandhaftung unterworfen seien. Scaevola verneint beide Alternativen. Der Unterschied zu dem im Folgenden zu behandelnden Fall D.14.3.20 (Scaev. 5. dig.) liegt hier darin, dass Scaevola – vom Konsulenten konkret gefragt, ob Lucius Titius nach der einen oder der anderen Variante hafte („quaero, an, . . ., Lucius Titius eo nomine conveniri possit vel res eius obligatae essent propter verba epistulae supra scripta“) – die vom Anfragenden als juristischem Laien vorformulierte Unterscheidung in seinem responsum schlicht wieder aufnimmt. Es handelt sich folglich nicht um eine juristische Unterscheidung mit Systembildungscharakter566. Besonders interessant sind aber diejenigen Stellen, in denen Scaevola in seinem verneinenden responsum eine eigene (juristische) Unterscheidung – die meist über die eigentliche Anfrage hinausgeht – trifft567. 565 Stellen mit vom Anfragenden vorformulierter Unterscheidung, ohne dass Scaevola in seinem responsum darauf direkt Bezug nimmt bzw. diese wieder aufgreift, sind z. B. D.2.14.47.1 (Scaev. 1. dig.); D.18.5.10.1 (Scaev. 7. dig.); D.26.7.47.2 (Scaev. 2. resp.); D.28.5.86 (Scaev. 2. resp.); D.33.1.20 pr. (Scaev. 18. dig.); D.34.1.18.5 (Scaev. 20. dig.); D.40.5.41 pr. (Scaev. 4. resp.) und D.40.7.40.5 (Scaev. 24. dig.). 566 Siehe auch D.2.15.3.2 (Scaev. 1. dig.), wo Scaevola in seinem responsum sowohl einen eigenen Vergleich des Schuldners mit Septicius (und damit die exceptio gegen die actio pigneraticia) als auch eine Geschäftsführung des scheinbaren Erben Maevius bei der Annahme von Geld (und damit die condictio) verneint: „respondit . . . non posse, quia neque cum eo ipse transegit nec negotium Septicii Maevius gerens accepit“. Der Konsulent hatte sich bei Scaevola mit seinen zwei Anfragen aber genau nach dieser Einrede- bzw. Klagemöglichkeit erkundigt. Der Jurist greift diese Abfolge in seinem responsum also nur noch auf. Siehe ebenso die Wiederaufnahmen in D.32.37.3 (Scaev. 18. dig.) und D.46.3.102 pr. (Scaev. 5. resp.). 567 So in der hier zu untersuchenden Quelle D.14.3.20 (Scaev. 5. dig.). Ebenso in D.13.5.31 (Scaev. 5. dig.), wo sich der Konsulent allein nach der Haftung aus dem vorgelegten Schreiben erkundigte und für den Fall, dass eine Haftung gegeben sei, wissen
§ 4 Systembildung durch Konjunktion der Negation
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Hier stellt sich insbesondere die Frage, ob diesen juristischen exceptiones568 systembildende Funktion zukommt. Auch im responsum des Juristen kann die doppelte Negation aber einfach faktischen Charakter haben. Als Beispiel lässt sich die Quelle D.40.11.3 (Scaev. 6. resp.) anführen, wo der Jurist folgendermaßen antwortet: „respondit [. . .] sed ea res nec dubitationem habet nec umquam habuit . . .“. Hier bezieht sich die exceptio schlicht auf Gegenwart und Vergangenheit, um die allgemeine Gültigkeit („quin exploratum sit“) einer kaiserlichen „restitutio in statum ingenuitatis“ zu betonen. Ähnlich verhält es sich in D.36.1.78 (Scaev. 19. dig.), wo der Jurist den allgemeinen Grundsatz, dass eine Erbschaft per Kodizill weder erteilt noch entzogen werden konnte, heranzieht: „. . . quia codicillis hereditas neque dari neque adimi potest . . .“. Eine lediglich auf den konkreten Fall bezogene Unterscheidung findet sich zudem in D.32.37 pr. (Scaev. 18. dig.), wo Scaevola mit den Worten „respondit, si de legati iure fideique commissi quaereretur, . . . nec valuisse, quod matri suum legabatur, neque onus fideicommissi processisse, si modo nihil praeterea mater cepisset“ sowohl ein Vermächtnis als auch ein davon abhängiges Fideikommiss verneint, weil das vermachte Grundstück der fideikommissarisch beschwerten Mutter bereits gehörte („fundum, qui proprius matris erat, legaverat“)569. wollte, ob die Einrede der Arglist nützen würde: „quaesitum est, . . . an ex scriptura proposita . . . conveniri possit et an doli exceptione uti possit“. Auch hier ging Scaevola über die Anfrage hinaus – von dem als Lakoniker bekannten Juristen hätte man doch eher ein schlichtes „respondit non posse“ erwartet – und gab zur Antwort, dass weder eine zivilrechtliche Klage noch eine Klage aus Erfüllungszusage gegeben sei: „respondit nec civilem . . . actionem competere: sed nec de constituta . . .“. Siehe zu dieser Quelle § 4 III. 1. Siehe auch D.46.3.89.1 (Scaev. 29. dig.), wo Scaevola die Frage, ob ein Schuldner befreiend geleistet habe, für den Fall verneint, dass weder eine Beauftragung noch eine Genehmigung des Gläubigers vorlag: „respondit, si nec mandavit, ut ex trecentum solveretur, nec solutum ratum habuit, non esse liberatum“. Vgl. dieselbe Unterscheidung in D.17.1.60.1 (Scaev. 1. resp.): „. . . Titia, quae neque Titio mandaverat neque ratum habuerat, quod scripserat . . .“. Ähnlich unterscheidet Scaevola in D.24.3.50 (Scaev. 2. resp.) nach fehlender Einwilligung und fehlender Genehmigung: „neque volente neque ratum habente“. Eine weniger kategorische Unterscheidung trifft der Jurist in seinem responsum in D.12.6.67 pr. (Scaev. 5. dig.). Hier ging es um die Frage, ob jemand, der aufgrund einer sich nachträglich als unwirksam herausstellenden testamentarischen Anordnung als angeblicher statuliber (in Wahrheit war er von Anfang an ein freier Mann) acht Jahre lang einen festen Betrag gezahlt hatte, diesen zurückfordern konnte. In seiner Entscheidung differenziert Scaevola nun nach der Eigenschaft des geleisteten Geldes: Dieses sei nur dann per condictionem indebiti zurückzufordern, wenn es „neque ex operis suis neque ex re eius, cui bona fide serviebat, quaesita sit“, also in keinem Fall aus dem Vermögen desjenigen stamme, dem der angebliche Sklave in gutem Glauben gedient hatte. 568 Hier und im Folgenden nicht im prozessualen Sinne als ,Einreden‘, sondern allgemein als ,Ausnahmen‘ zu verstehen. 569 Ein weiteres Beispiel ist der in D.33.1.21.3 (Scaev. 22. dig.) geschilderte spezielle Fall, wo ein Erblasser ein bedingtes Vermächtnis an seine Vaterstadt Sebaste aussetzte, wonach diese das vermachte Kapital von ihr zugesprochenen Erbschaftsschuldnern ein-
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2. Kap.: Exegesen
Daneben finden sich vor allem in den Quaestiones des Scaevola auch didaktische Unterscheidungen. Die kumulative Verneinung kommt hier vor allem im Stipulationsrecht vor. So z. B. in der Quelle D.45.1.129 (Scaev. 12. quaest.), wo Scaevola doppelt bedingte Stipulationen behandelt. Der Jurist spielt hier mehrere Fälle mit verschiedenen Bedingungen durch und lehrt anhand des Stipulationsbeispiels „,dare spondes, si nec navis venit nec Titius consul factus sit?‘“ bzw. „,si neque navis venit neque Titius consul factus est?‘“, dass die versprochene Leistung bei zwei negativ-kumulativen Bedingungen nur dann geschuldet ist, wenn keiner der beiden Fälle eintritt, also beide Bedingungen erfüllt sind570. In der langen Quellenstelle D.28.2.29 (Scaev. 6. quaest.) z. B. geht es dagegen um die Einsetzung bzw. Enterbung von Nachgeborenen (postumi)571. Hier dient die doppelte Verneinung der Fallvariantenbildung: In § 13 lehrt Scaevola mit den Worten „nec solum, si nepos vivo patre decedat, nec succedens pronepos avo mortuo rumpat“, dass die Worte „,si quis ex suis heredibus suus heres esse desierit‘“ der lex Vellaea sich nicht etwa nur auf diese beiden Fälle, sondern „ad omnes casus“ beziehen572. ziehen sollte. Nachdem sich die Stadt nicht an die Bedingung gehalten hatte, fragten die Erben bei Scaevola nach dem Rückfall des Vermächtnisses. Der Jurist entschied nun, dass die Kapitalien, welche der Stadt weder bezahlt waren noch ihre frühere Natur durch Novation verloren hatten, ohne Hindernis von den Erben selbst einzuziehen seien: „respondit . . . ab his vero nominibus, quae neque solverunt rei publicae neque novatione abscesserunt a pristina obligatione, non prohibendos, quo minus debitum petant.“ Siehe auch D.26.5.26 (Scaev. 2. resp.), wo Scaevola gefragt wurde, ob ein tutor im Fall der tutela dativa die Vormundschaft für ein zwölfjähriges Mädchen ablehnen müsse („quaero an excusare se deberet“). Der Jurist gab auf diese Anfrage zur Antwort, dass eine Ablehnung weder notwendig sei noch – wenn der Vormund ablehne – ein Haftungsfall bestehe: „respondi . . . neque excusationem necessariam esse neque obligari quod non gereret“. In D.2.15.3 pr. (Scaev. 1. dig.) stammt die exceptio – wie auch in D.50.1.24 (Scaev. 2. dig.) – sogar aus einem kaiserlichen Reskript. Siehe zu dieser Stelle ausführlich § 7 III. 2. 570 Vgl. in diesem Zusammenhang auch das Julian-Zitat in D.45.1.131 pr. (Scaev. 13. quaest.), wo es um die Stipulation „,neque per te neque per heredem tuum Titium fieri, quo minus mihi ire liceat‘ “ geht, sowie die Quelle D.45.1.133 (Scaev. 13. quaest.), wo die Stipulation „,neque per te neque per heredem tuum vim fieri spondes?‘“ bzw. „,neque per te neque per heredem tuum fieri‘“ ausgelegt werden. Siehe zudem die Rechtsregel in D.38.4.7 (Scaev. 2. reg.) zu den Modalitäten der adsignatio libertorum. 571 Siehe zu dieser Stelle ausführlich die Exegese in § 9 III. 2. 572 Im sich anschließenden § 14 geht es dann um die Frage der Zeitbestimmung, wann ein in feindliche Gefangenschaft geratener Sohn aufhört, Eigenerbe zu sein. Da die lex Vellaea für diesen Fall offenbar keinen Zeitpunkt bestimmte, nahm Scaevola – wenn auch, wie er hinzufügte, etwas gewagt („licet audenter“) – an, dass ein Sohn in Feindeshand noch zu Lebzeiten des Vaters aufhörte Eigenerbe zu sein – selbst wenn jener erst nach dessen Tode verstarb –, weil der Sohn aus der Gefangenschaft weder zurückkehrte noch zurückkehren konnte: „quia nec redit nec potest redire“. Die Unmöglichkeit der Rückkehr sollte also dazu führen, dass der in Feindeshand unfrei gewordene Sohn seine Erbfähigkeit verlor. In D.28.3.19 (Scaev. 6. quaest.) geht es hingegen um den Fall der Erbeinsetzung zweier Erben (Ego und Titius) und eines enterbten postumus, welcher das Testament im Fall der Substitution umzustoßen drohte, weil er für
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III. Exegesen 1. D.14.3.20 (Scaev. 5. dig.) 573
„Lucius Titius mensae nummulariae quam exercebat habuit libertum praepositum: is Gaio Seio cavit in haec verba: ,Octavius Terminalis rem agens Octavii Felicis Domitio Felici salutem. habes penes mensam patroni mei denarios mille, quos denarios vobis numerare debebo pridie kalendas Maias.‘ quaesitum est, Lucio Titio defuncto sine herede bonis eius venditis an ex epistula iure conveniri Terminalis possit. respondit nec iure his verbis obligatum nec aequitatem conveniendi eum superesse, cum id institoris officio ad fidem mensae protestandam scripsisset.“ 574 „Lucius Titius betrieb eine Wechselbank, an deren Spitze er einen Freigelassenen eingesetzt hatte. Dieser gab dem Gaius Seius gegenüber folgende Erklärung ab: ,Octavius Terminalis, welcher die Geschäfte des Octavius Felix führt, grüßt den Domitius Felix. Du hast bei der Wechselbank meines Patrons eintausend Denare, welche ich euch am 30. April auszuzahlen schulden werde‘. Es wurde angefragt, ob Terminalis, nachdem Lucius Titius ohne einen Erben verstorben war und seine Güter verkauft waren, aufgrund des Briefes nach dem Zivilrecht verklagt werden könne. Er antwortete, dass er (Terminalis) weder durch diese Worte nach dem ius verpflichtet sei, noch dass darüber hinaus eine Haftung nach der (vom Prätor zu wahrenden) aequitas bestehe, weil er dies in seiner Stellung als Geschäftsleiter geschrieben habe, um das Vertrauen575 in (die Redlichkeit) der Bank (öffentlich) auszudrücken“ 576. diesen Fall nicht ausdrücklich enterbt war. Scaevola bildet eine Fallvariante (§ 1), wonach die beiden eingesetzten Erben sich gegenseitig substituiert waren („Sed si ego et Titius invicem substituti sunt“) und Ego bei Vorversterben des Titius zum Alleinerben wurde. Da es im Fall der gegenseitigen Substitution also nicht mehr auf die Enterbung des postumus ankam, konnte dieser das Testament in der Fallvariante nicht umstoßen. Im Rahmen dieses Schuldiskurses kommt Scaevola in § 2 auf die Ausgangssituation zurück und fasst zusammen, dass, wenn die beiden Erben sich nicht gegenseitig substituiert sind, weder Titius ohne Ego noch Ego ohne Titius („neque ego sine illo neque ipse sine me“) annehmen kann, da – selbst wenn beide noch leben, aber einer ausschlägt – die Umstoßung des Testaments durch den nachrückenden postumus droht. Scaevola kommt schließlich zu dem Ergebnis, dass Ego und Titius nur zugleich antreten können. Siehe aber auch die eher faktische exceptio in D.3.5.34.2 (Scaev. 1. quaest.). 573 Lenel (Palingenesie II, Sp. 221 Fn. 2): [Lucius Titius]; [Gaius Seius]. 574 Nach Longo (Studi Scherillo II, S. 612) und v. Beseler (SZ 54 (1925), S. 453) ist der Schlusssatz von „nec“ bis „scripsisset“ interpoliert. Letzterer nimmt an, dass der Jurist nur „respondit non posse“ geschrieben habe und der Rest erst von den Kompilatoren hinzugefügt wurde. Eine Begründung für diese Interpolationsbehauptung gibt v. Beseler nicht. Vielmehr verdächtigt er die Stelle zusammen mit weiteren aequitasStellen anderer Juristen pauschal als unklassisch. Nach Longo, welcher die Antwort des Juristen als „soluzione emblematica“ bezeichnet, handelt es sich jedenfalls nicht um eine substantielle Interpolation. Gegen derartige Interpolationsbehauptungen siehe Wieacker (SZ 94 (1977), S. 30 Fn. 107 a. E.). 575 Die italienische Übersetzung von Schipani (Iustiniani Augusti digesta II, S. 152) hierzu lautet: „. . . per riconoscere un debito della banca“. So übersetzen auch Behrends/
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2. Kap.: Exegesen
a) Einordnung der Quelle Die Quelle entstammt dem fünften Buch der Digesta von Scaevola, welche nach der Palingenesie den Titel „De institoribus“, „Die Geschäftsleiter“, trägt577. Justinian ordnet sie der entsprechenden Klage nach unter das Kapitel „De institoria actione“, „Die Geschäftsleiterklage“ 578. b) Die Protagonisten des Falles Wir erfahren, dass Gaius Seius579 Kunde einer von Lucius Titius580 betriebenen („exercebat“) Wechselbank (mensa nummularia581) war, bei welcher jener ein Guthaben von eintausend Denaren582 hatte. Knütel/Kupisch/Seiler (Corpus Iuris Civilis III, S. 224): „um die Verpflichtung der Wechselbank zum Ausdruck zu bringen“. Die alte deutsche Übersetzung von Otto/ Schilling/Sintenis (Corpus Iuris Civilis III, S. 159) gibt den Genitiv „ad fidem mensae protestandam“ dagegen mit „um ein Versprechen für die Wechselbank zu thun“ wieder. Das Wort fides kann insbes. im Zusammenhang mit Geldsachen „Glaubwürdigkeit, Kredit“ bedeuten; vgl. Heumann/Seckel (Handlexikon, S. 213). In Anlehnung an Gai. 4.70: „et recte, quia, qui ita negotium gerit, magis patris dominive quam filii servive fidem sequitur“ wird hier objektivisch mit „Vertrauen in die (Redlichkeit der) Bank“ übersetzt. 576 Die Übersetzung von Behrends/Knütel/Kupisch/Seiler (Corpus Iuris Civilis III, S. 224) lautet: „Lucius Titius hatte zur Leitung einer von ihm betriebenen Wechselbank seinen Freigelassenen bestellt. Dieser gab dem Gaius Seius gegenüber folgende Erklärung ab: ,Als Geschäftsleiter des Octavius Felix grüßt Octavius Terminalis den Domitius Felix. Du hast bei der Wechselbank meines Freilassers ein Guthaben von eintausend Denaren, die ich euch am 30. April auszuzahlen schulde‘. Nachdem Lucius Titius ohne Erben verstorben und sein Vermögen [im Wege des Nachlaßkonkurses] verkauft worden war, stellte sich die Frage, ob Terminalis aufgrund der brieflichen Erklärung zu Recht verklagt werden kann. Er [Scaevola] hat gutachtlich entschieden, weder sei Terminalis aufgrund dieser Worte nach Zivilrecht verpflichtet noch verlange es die [vom Prätor zu wahrende] Gerechtigkeit, daß er verklagt werden kann, da er die Erklärung in seiner Rolle als Geschäftsleiter abgegeben habe, um die Verpflichtung der Wechselbank zum Ausdruck zu bringen“. 577 Interessant ist, dass dem palingenetischen Titel allein diese eine Quelle zugeordnet wird. Darauf, dass sie eine gewisse inhaltliche Parallele zu dem ebenfalls aus dem fünften Buch stammenden Fall D.13.5.31 aufweist, welchen Lenel (Palingenesie II, Sp. 221) unter dem Ediktstitel „De pecunia constituta“ wiedergibt, wird noch zurückzukommen sein. 578 Im Titel D.14.3 ist sie die einzige Scaevola-Stelle und steht bezeichnenderweise an letzter Stelle der insgesamt zwanzig Quellen, deren Mehrheit von Ulpian und Paulus stammt. Ihre Stellung in der justinianischen Kompilation lässt sich damit erklären, dass die Digesta des Scaevola nach überwiegender Ansicht in der Literatur (siehe bereits Fn. 312) zur Appendixmasse gehören; vgl. Mantovani (Digesto e masse bluhmiane, S. 102). 579 Im Folgenden: Gaius. 580 Im Folgenden: Lucius. 581 Die Bezeichnung mensa (Bank) wurde bei den römischen Juristen zu einem Terminus technicus, dessen Name auf den „Tisch“ bzw. die „Bank“ zurückgeht, auf welcher der Geschäftsmann sein Geschäft betrieb; siehe Petrucci (Profili giuridici delle
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Es handelt sich also um einen Fall aus dem römischen „Bankrecht“ 583. aa) Blankettnamen Bei den überlieferten Namen „Lucius Titius“ und „Gaius Seius“ handelt es sich sehr wahrscheinlich um Fiktivnamen, die anstelle der wahren Namen „Octavius Felix“ und „Domitius Felix“ verwendet wurden584. Diese beliebte Form der Entpersonalisierung des Sachverhalts finden wir in vielen Responsen von Scaevola585. Wie bereits gesagt, ist es bei Scaevola zwar eher selten, dass innerbanche romane, S. 13). Zur Etymologie siehe Herzog (RE XVII, S. 1415). Seit dem 1. Jh. v. Chr. ist der Terminus nummularius nachweisbar, welcher sich auf den neu entstandenen Beruf des Münzprüfers und Wechslers bezog; vgl. Petrucci (Profili giuridici delle banche romane, S. 15). Den Beruf des nummularius unterschieden die Römer vom älteren Beruf des argentarius. Eine streng durchgeführte terminologische Unterscheidung zwischen den argentarii und den nummularii ist – wie bereits Mitteis (SZ 19 (1899), S. 204) feststellte – aber weder möglich noch nötig, da die Inhaber einer mensa argentaria und die einer mensa nummularia, soweit sie sich gleichstanden, später allgemein als mensularii zusammengefasst wurden. Zur Entstehung und zum Tätigkeitsfeld der nummularii siehe ausführlich Gröschler (Die tabellae-Urkunden, S. 52 ff.). Die Tätigkeit dieser ab dem 2. Jh. v. Chr. bezeugten „Münzwechsler“ von geringem sozialem Ansehen erweiterte sich um die Zeit des 2. Jh. n. Chr. auch auf die Depotverwaltung und die Kreditvergabe. Zu den Beschwerden des Geldtransports und der Münzprüfung allgem. siehe Wacke (Pecunia in arca, S. 7 f.). 582 Die Summe von eintausend Denaren (etwa der Wert eines Sklaven) war vergleichsweise hoch. Die Geldsummen, welche uns beispielsweise aus den Bankgeschäften der Sulpizier bekannt sind, betragen dagegen im Schnitt zwischen eintausend und einhundertzwanzigtausend Sesterzen; vgl. Gröschler (Die tabellae-Urkunden, S. 62 f.). Die auffällig glatte Summe von eintausend Denaren spricht dafür, dass der Brief nachträglich bearbeitet wurde – vgl. dagegen z. B. D.2.14.47 (Scaev. 1. dig.), wo es um eine Summe von „trecenta octaginta sex“ geht. Allgem. zur Bearbeitung der Summen bei Scaevola siehe § 3 IV. 2. a) aa) (3). 583 Zu Begriff und Entstehung des Bankwesens bei den Römern siehe Gröschler (Die tabellae-Urkunden, S. 38 ff.). Natürlich ist das Bankwesen der Römer – wie Gröschler feststellt – nach Struktur und Umfang mit unseren modernen Vorstellungen nicht zu vergleichen. Es gab jedoch auch damals schon Personen, welche beruflich mit der Kombination von Zahlungsabwicklung, Depotverwaltung und Kreditvergabe betraut waren. Maffi (Symposion 20 (2007), S. 205, S. 220) stellt schon für das attische Recht die Hypothese auf, dass es dort zwar kein gesondertes Handelsrecht, aber doch eine gewisse „tutela privilegiata all’interno dell’ordinamento“ für Wirtschaftssachen gab. Siehe nur die für Banksachen zuständigen dßkai trapezitikaÍ. Maffi wagt insofern den Versuch, die römischen Organisationsstrukturen durch Sklaven und Freigelassene mit den Verhältnissen in Griechenland zu vergleichen (S. 206 f.). Dagegen kritisch Talamanca in seinem Kommentar zu Maffi (Symposion 20 (2007) S. 226 Fn. 8 f., S. 228). 584 So jetzt auch Platschek (Das Edikt de pecunia constituta, S. 215 f.). Cerami/Petrucci (Diritto commerciale romano, S. 174) vermuten, dass Scaevola die Blankettnamen selbst wählte. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass der Herausgeber des Werkes die Namen ersetzte. Zur Entpersonalisierung der Anfragen bei Scaevola siehe § 3 IV. 2. a) aa) (2). Lenel (Palingenesie II, Sp. 221 Fn. 2) glaubte dagegen, dass es die Kompilatoren waren, welche die Namen „Lucius Titius“ und „Gaius Seius“ einfügten. 585 Vgl. erneut § 3 IV. 2. a) aa) (2). Insbes. der Blankettname „Gaius Seius“ kommt bei Scaevola sehr oft vor. Siehe z. B.: D.18.3.8 (Scaev. 7. dig.); D.32.34 pr. (Scaev. 16.
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halb einer Quelle verschiedene Namen für dieselben Parteien verwendet werden, kommt aber durchaus vor586. bb) Drei oder fünf Protagonisten? Der Plural „vobis numerare debebo“ legt nahe, dass das Geld offenbar nicht allein dem Gaius geschuldet war587. Andererseits wurde der Gläubiger Gaius im vorhergehenden Hauptsatz im Singular „habes penes me“ angesprochen und auch in der Begrüßungsformel des Briefes taucht nur der Name „Domitius Felix“ auf. Es könnte daher gut sein, dass der Gläubiger hier sowohl in eigenem als auch in fremdem Interesse auftrat. Nach anderer Ansicht soll es sich dagegen um (insgesamt fünf) verschiedene Personen handeln, von denen drei auf der Schuldnerseite und zwei auf der Gläubigerseite standen588. Demnach soll der Bank eine abgestufte Organisationsstruktur zugrunde gelegen haben, nach welcher der Patron Lucius Titius diese von seinem institor Octavius Felix betreiben ließ, dessen Freigelassener Octavius Terminalis wiederum in dem konkreten Geschäft handelte und den Brief an die Gläubiger schrieb. Dafür, dass Octavius Terminalis der Freigelassene des institor Octavius Felix war, soll ihr gemeinsamer Gentilname sprechen589. Auf der Gläubigerseite stand nach dieser Ansicht dagegen der nummularius Domitius Felix, welcher als Zahlstelle seines Patrons (Gaius Seius) fungierte. Im Ergebnis habe zwar der nummularius der einen Seite (Octavius Terminalis) den nummularius der anderen Seite (Domitius Felix) angeschrieben, die Zahlung sei
dig.); D.32.39.1 (Scaev. 20. dig.); D.36.1.80.1 (Scaev. 21. dig.). Ebenso verbreitet ist der Blankettname „Lucius Titius“; vgl. nur D.2.14.47.1 (Scaev. 1. dig.); D.36.1.80.1 (Scaev. 21. dig.); D.33.7.28 (Scaev. 23. dig.); D.44.7.61.1 (Scaev. 28. dig.). Zu den Originalnamen einiger Konsulenten des Scaevola siehe Wolf (Studi Labruna VIII, S. 5935–5958). 586 Vgl. etwa den Fall zum Seedarlehen des Callimachus in D.45.1.122.1 (Scaev. 28. dig.), in dem der Darlehensgläubiger mit verschiedenen Blankettnamen bezeichnet wird; siehe dazu Krampe (FS-Ankum I, S. 208). Ein Wechsel vom Originalnamen des Konsulenten Largius Eurippianus in die folgende Anonymität des Sachverhalts findet sich z. B. auch in D.33.1.21.4 (Scaev. 22. dig.) – hier werden jedoch keine Doppelnamen verwendet. Dazu Wolf (Studi Labruna VIII, S. 5939 ff.). 587 Dies vermuten auch Cerami/Petrucci (Diritto commerciale romano, S. 174) sowie Petrucci (Mensam exercere, S. 330). Bürge (SZ 104 (1987) S. 472), welcher hier eine abgestufte Organisationsstruktur annimmt, glaubt hingegen, dass damit auf der Gläubigerseite Gaius Seius und Domitius Felix gemeint waren. 588 So Bürge (SZ 104 (1987), S. 472). Auch Mayer-Maly (SZ 119 (2002), S. 12) will die Möglichkeit nicht ausschließen, dass es sich um eine „Verschachtelung von Geldinstituten“ handelte, bei der nur die niedrigeren Ränge mit Originalnamen, die oberen Ränge hingegen mit Blanketten wiedergegeben wurden. 589 Siehe Bürge (SZ 104 (1987), S. 472). Dieses Argument lässt sich aber ebenso gut hören, wenn man annimmt, dass Octavius Terminalis der Freigelassene des Bankiers Octavius Felix war.
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aber dessen Patron (Gaius Seius) in Aussicht gestellt worden und zwar, „ohne dass auf der einen wie auf der anderen Seite die Rechtsbeziehungen klar und ausdrücklich geregelt und definiert sind“ 590. cc) Stellungnahme Zwar wäre mit der vorgestellten Annahme von fünf Protagonisten das „Namenschaos“ 591 der Stelle gelöst. Überhaupt waren gestufte Organisationsstrukturen in Rom nicht selten592. Dennoch spricht der Text bei genauerem Hinsehen eher dafür, dass libertus und institor hier ein- und dieselbe Person waren, es somit tatsächlich nur um drei Personen ging, auch wenn in der Quelle insgesamt fünf verschiedene Namen verwendet werden. Schon das „habuit libertum praepositum“ deutet darauf hin, dass Lucius Titius seinen Freigelassenen angestellt hatte. Hätte es sich bei diesem aber um den libertus eines Dritten gehandelt, wäre dies wahrscheinlich im Text vermerkt worden. Zumindest wäre sicher im Einleitungssatz, der die Organisation des Ganzen beschreibt, der institor als weitere Person und zudem als „praepositus“ – worauf es hier ankommt – benannt worden. Ein weiteres sprachliches Indiz ist, dass Terminalis von sich ausdrücklich „rem agens Octavii Felicis“ und zudem „mensam patroni mei“ schreibt, was stark dafür spricht, dass Octavius Felix, alias „Lucius Titius“, sein Patron war. Schließlich verrät auch die Antwort des Scaevola, dass Terminalis, der den Brief verfasste, selbst der institor gewesen sein muss („cum id institoris officio . . . scripsisset“). Die parallele Verwendung von Original- und Fiktivnamen zeugt schließlich von mindestens zwei Textstufen, die darauf schließen lassen, dass der Bearbeiter den konkreten Fall verallgemeinern bzw. vereinfachen wollte593. Warum ihm dies nicht vollständig gelungen ist – ob es vielleicht ein Abschreibe- oder ein Verständnisfehler war – darüber lässt sich nur noch spekulieren.
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So Bürge (SZ 104 (1987), S. 504 Fn. 198). Kompliziert wird der Sachverhalt zusätzlich dadurch, dass in dieser Quelle gleich zwei Personen den Namen „Felix“ (nämlich „Octavius Felix“ und „Domitius Felix“) und zwei den Gentilnamen „Octavius“ (nämlich „Octavius Felix“ und „Octavius Terminalis“) tragen. Daraus könnte man einerseits auf einen Abschreibefehler schließen, andererseits könnte diese „Zufälligkeit“ doch gerade dafür sprechen, dass es sich tatsächlich um Originalnamen handelt. Jedenfalls kann man gut nachvollziehen, dass in diesem Fall Fiktivnamen nötig waren, um nicht den Überblick über die verwirrende Namenskonstellation der Protagonisten zu verlieren. Der Einfachheit halber werden auch hier im Folgenden die Blankettnamen verwendet. 592 Man denke nur an die Fälle, in denen einem servus ordinarius ein servus vicarius unterstellt war; siehe z. B.: D.14.1.1.22 (Ulp. 28. ad ed.). 593 Wie die bereits erwähnte Quelle D.45.1.122.1 (Scaev. 28. dig.) belegt, kamen Doppelbezeichnungen für dieselben Parteien in den Digesta des Scaevola durchaus vor. 591
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c) Die bonorum venditio Wie wir der Sachverhaltsschilderung „Lucio Titio defuncto sine herede bonis eius venditis“ entnehmen, war der Bankier erbenlos verstorben und sein Vermögen zudem bereits verkauft, als man die Anfrage an Scaevola richtete. Es könnte sich demnach um einen Fall der Bankeninsolvenz handeln594, welche in den Quellen nicht selten geschildert wird595. Zwar findet sich in dem uns überlieferten Text keine eindeutige Aussage darüber, dass die Erbschaft tatsächlich überschuldet war596, – es ist schlicht von der bonorum venditio nach dem Tod des Bankiers die Rede – doch kam ein „erbenloser Nachlaß“, solange es das Erbrecht der Gentilen gab, wohl meistens dann vor, wenn er überschuldet war und die potentiellen Erben deshalb ausschlugen. Einen solchen erbenlosen Nachlaß wies der Prätor dann dem Nachlaßkonkurs (bonorum venditio) zu597. Auch der Fall der Bankeninsolvenz wurde durch die allgemeine bonorum venditio geregelt, welche man in diesem Fall um besondere Schutzvorkehrungen zugunsten bestimmter Bankkunden erweiterte598. Bevor aber das Vermögen des 594 Dies wird in der Literatur so gut wie einhellig angenommen; siehe nur die deutsche Übersetzung von Behrends/Knütel/Kupisch/Seiler (Corpus Iuris Civilis III, S. 224). Auch Petrucci (Mensam exercere, S. 391 und IURA 53 (2002), S. 44, S. 56) und Wacke (SZ 111(1994), S. 348 f.) gehen von einem Konkurs der Bank aus. 595 Siehe nur D.16.3.7.2 (Ulp. 30. ad ed.); D.16.3.8 (Pap. 9. quaest.) oder D.42.5.24.2 (Ulp. 63. ad ed.). 596 Evtl. hätte die Erbschaft als „hereditas damnosa“ bezeichnet werden können. Ein einheitlicher Terminus für den Fall der Bankeninsolvenz lässt sich in den Quellen aber nicht nachweisen; vgl. Petrucci (Mensam exercere, S. 390 f.). In D.16.3.7.2 (Ulp. 30. ad ed.) wird für die Insolvenz der nummularii z. B. der Terminus „foro cedere“ benutzt. In D.16.3.8 (Pap. 9. quaest.) wird die Insolvenz dagegen einfach vorausgesetzt – es geht dort nur um Konkursprivilegien. In D.42.5.24.2 (Ulp. 63. ad ed.) ist dagegen – wie hier – schlicht von einer bonorum venditio die Rede. 597 Siehe Gai. 3.78. 598 Cerami/Petrucci (Dir. commerciale rom., S. 215). Dazu gehörten in erster Linie Konkursprivilegien: Wie uns Ulpian in D.16.3.7.2 (Ulp. 30. ad ed.) überliefert, waren im Falle der Bankeninsolvenz an erster Stelle die einfachen Depositengläubiger zu befriedigen („solet primo loco ratio haberi depositariorum“), welche „depositas pecunias habuerunt, non quas faenore apud nummularios vel cum nummulariis vel per ipsos exercebant“. Wenn diese unentgeltlich hinterlegt hatten, wurden sie sogar noch vor den privilegierten Gläubigern berücksichtigt; siehe D.16.3.7.2 (Ulp. 30. ad ed.): „et ante privilegia igitur, si bona venierint, depositariorum ratio habetur, dummodo eorum qui vel postea usuras acceperunt ratio non habeatur, quasi renuntiaverint deposito“. Eine zeitliche Reihenfolge unter diesen Depositengläubigern („utrum ordo spectetur eorum qui deposuerunt“) gab es nicht. Alle wurden in gleicher Weise befriedigt („simul admittendos“); siehe D.16.3.7.2 (Ulp. 30. ad ed.). Von Papinian wissen wir, dass dieses Konkursprivileg nicht nur die im Vermögen befindliche Geldmenge aus den Depositengeldern betraf, sondern sich auf das gesamte Vermögen des „betrügerischen Bankiers“ erstreckte; vgl. D.16.3.8 (Pap. 9. quaest.): „Quod privilegium exercetur non in ea tantum quantitate, quae in bonis argentarii ex pecunia deposita reperta est, sed in omnibus fraudatoris facultatibus . . .“. Im Ergebnis wird hier nach zwei Kategorien von Bankkunden
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Schuldners im Rahmen der bonorum venditio versteigert wurde, gab der Prätor den Gläubigern mit der sog. proscriptio – der öffentlichen Verkündigung – Gelegenheit ihre Forderungen anzumelden. Im Fall der Nachlassinsolvenz betrug die Proskriptionsfrist fünfzehn Tage599. Erst nach Ablauf dieser Frist, womit der Schuldner ehrlos (infamis) wurde, einigten sich die Gläubiger auf einen Geschäftsführer aus ihrer Mitte, den magister bonorum, welcher das Schuldnervermögen an den bonorum emptor veräußerte600. Offenbar hatten es die Kläger im vorliegenden Fall versäumt ihre Forderungen rechtzeitig anzumelden601. Warum sie nicht beizeiten reagierten, erfahren wir jedoch nicht602. Die Besonderheit des vorliegenden Falles besteht jedenfalls darin, dass nicht nur die Güter des Bankiers Lucius im Wege der bonorum venditio bereits verkauft waren, sondern dass dieser auch ohne Erben verstorben war, als man Scaevola um Rat fragte. Da also weder Vermögen noch Erben vorhanden waren, drohten die Gläubiger hier leer auszugehen. d) Das Vertragsverhältnis mit der Bank Was für ein Vertragsverhältnis hier zwischen der Bank und den Gläubigern bestand, erfahren wir aus dem Text nicht603. Wir können nur entnehmen, dass unterschieden: Den „risparmiatori“, welche speziellen Schutz verdienten, und den „speculatori“, welche das Risiko einer Bankenkrise tragen mussten; vgl. Petrucci/Cerami (Dir. commerciale rom., S. 214). Darauf, dass dies nur auf Bankengewerbe mit unbeschränkter Haftung zutrifft, weisen Cerami/Petrucci (Dir. commerciale rom., S. 215) hin. Zum Grundsatz der par condicio creditorum bei beschränkter Haftung siehe dagegen Cerami/Petrucci (Dir. commerciale rom., S. 61 ff.). 599 Marrone (Istituzioni, S. 103 Fn. 102); Kaser/Knütel (Röm. PrivatR, S. 457). 600 Der Anreiz zum Erwerb des Schuldnervermögens bestand für diesen in der Hoffnung im Rahmen der Vermögensexekution ein die Passiva übersteigendes Aktivvermögen zu erzielen; Kaser/Knütel (Röm. PrivatR, S. 457). 601 Denn unabhängig davon, wann der Bankier verstarb, hätten die Gläubiger ihre Forderungen anmelden können. Selbst wenn der Bankier – was wir nicht wissen – vor dem Auszahlungstermin am 30. April verstorben wäre, die Forderung also erst nach seinem Tod fällig geworden wäre, hätten die Gläubiger diese anmelden müssen. 602 Man könnte darüber spekulieren, dass sie sich sicher waren aufgrund des Briefes gegen Terminalis vorgehen zu können. Näher liegt aber die Vermutung, dass die Gläubiger nicht vor Ort waren und deshalb von der Insolvenz der Bank keine Kenntnis hatten. Dies scheint insbes. dann plausibel, wenn man annimmt, dass sich die Bank in Rom befand, die Gläubiger aber vielleicht aus dem griechischen Rechtsraum stammten. 603 Vgl. dagegen andere Quellen, in denen die Art des Vertrages in dem Schriftstück ausdrücklich angeführt wird; z. B. in D.16.3.26.1 (Paul. 4. resp.): „,ÇElabon kaÍ æxw eò lügon parakataqÞkhò tJ progegrammÝna to¯ rgurßou dhnÜria mýria“ („Ich habe deine oben geschriebenen zehntausend Silberdenare empfangen und sie zum Zwecke der Verwahrung in Besitz“). Es liegt daher nahe anzunehmen, dass der Brief
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Lucius, der exercitor der Bank, seinen Freigelassenen als „praepositum“ 604 hatte. Dieser Freigelassene namens Octavius Terminalis605 führte demnach als institor606 die Geschäfte seines Patrons607. In dieser Funktion gab Terminalis dem Bankkunden Gaius schriftlich den Auszahlungstermin der Summe von eintausend Denaren bekannt608. Fraglich ist zunächst, welches Rechtsverhältnis dieser Auszahlung zugrunde lag. aa) depositum Man könnte an eine Verwahrung (depositum) denken. Bei dieser wurde der Nehmer, in dessen Obhut das Geld gegeben wurde, nicht Eigentümer desselben609. Der Deponent konnte mit der actio depositi (iudicium bonae fidei) jederhier nicht der Begründung des Vertragsverhältnisses diente, sondern lediglich auf einen bereits bestehenden Vertrag Bezug nimmt. 604 Mit der praepositio institoria, der öffentlichen Bekanntmachung, konnte ein exercitor den Rahmen der von ihm gebilligten Geschäfte des institor mit Dritten bestimmen, für die er dann unbeschränkt (in solidum) haftete. Zur praepositio allgem. siehe Petrucci (IURA 53 (2002), S. 20 ff.). Dieser Fall unterscheidet sich von den vielen Fällen, in denen der aktuelle Inhaber einer Bank einen Nachfolger aus dem Kreise seiner Sklaven bestimmte und freiließ, welcher dann eigenständig die Bank übernahm. Zu dieser Praxis der „Dynastie von Freigelassenen“ siehe Gröschler (Die tabellae-Urkunden, S. 43, S. 60 ff.). 605 Im Folgenden: Terminalis. 606 Zur Definition des institor siehe D.14.3.3 (Ulp. 28. ad ed.): „Institor appellatus est ex eo, quod negotio gerendo instet: nec multum facit, tabernae sit praepositus an cuilibet alii negotiationi“. 607 Zum „exercere negotiationes per libertos“ siehe D.40.9.10 (Gai. 1. rer. cott.) und die Scaevola-Quelle D.26.7.58 pr. (Scaev. 11. dig.) sowie D.14.3.1 (Ulp. 28. ad ed.), wo ausdrücklich die Möglichkeit, einen „hominem liberum“ als institor einzusetzen, neben der Einsetzung des eigenen oder fremden Sklaven aufgezählt wird. Ebenso D.14.3.7.1 (Ulp. 28. ad ed.). 608 Einen ähnlichen Sachverhalt überliefert die Scaevola-Quelle D.2.14.47.1, wo der mensularius Gaius selbst einen Brief verfasst, in dem er seinem Kunden gegenüber die Auszahlung eines bestimmten bei der Bank hinterlegten Geldbetrages festschreibt. 609 Auch beim griechischen Pendant zum römischen depositum, der sog. parakataqÞkh, wurde eine Sache im Interesse des Hinterlegers unter jederzeitigem Rückforderungsrecht in Verwahrung gegeben, ohne dass der Depositar Eigentümer wurde oder diese gebrauchen durfte; siehe Lipsius (Attisches Recht, S. 735 ff.); Kübler (SZ 29 (1908), S. 190 f.). Zum Unterschied zwischen parakataqÞkh und paraqÞkh siehe Kastner (paraqÞkh, S. 70 ff.). Das griechische Darlehen (dÜneion) wurde dagegen in der Regel mit festen Fristen gewährt; vgl. Wolff (Vorlesungen über Jur. Papyruskunde, S. 133). Viele der in den Digesten erwähnten Gelddepots scheinen dem griechischen Rechtskreis zu entstammen. Nach Ansicht von Kübler (SZ 29 (1908), S. 202) sind die Urkunden in D.16.3.24 (Pap. 9. quaest.), D.16.3.26.2 (Paul. 4. resp.) und D.16.3.28 (Scaev. 1. resp.) nach griechischem Vorbild stilisiert. In D.16.3.26.1 (Paul. 4. resp.) kommt die parakataqÞkh vor. Auch Scaevola entschied in D.32.37.5 (Scaev. 18. dig.) einen Sachverhalt mit Parakatatheke. Dort ging es um ein auf Griechisch überliefertes Kodizill. Es stellte sich die Frage, ob das vorgelegte Schriftstück als einziges Beweismittel ausreichte: „quaesitum est, an ad depositam pecuniam petendam sufficiant verba
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zeit auf Rückgabe derselben Sachen klagen, was im Falle der Geldverwahrung („eadem corpora nummorum“) häufig dadurch erleichtert wurde, dass die hingegebenen Münzen verschlossen in einem Sack610, in Tonkrügen oder in ähnlichen Behältnissen verpackt übergeben wurden611. Wie sich aus den Quellen612 ergibt, war beim „geschlossenen Depot“ eine besondere Autorisierung seitens des Bankkunden nötig, damit die Bank dessen Geld verwenden und gewinnbringend anlegen durfte613. Für den Deponenten, in dessen Interesse die Verwahrung erfolgte, ging es beim depositum folglich nicht um eine Kreditgewährung, sondern um die sichere Aufbewahrung seines Geldes. bb) mutuum Es könnte sich aber auch um ein mutuum handeln614, mit welchem sich die Bank bei Gaius refinanzierte. Es kam durchaus nicht selten vor, dass Privatpersonen einem Bankier ein Darlehen gewährten615. Als Darlehensnehmerin wurde die Bank auch Eigentümerin des Geldes und schuldete lediglich die Rückzahlung der gleichen Summe („tantundem“) an Geld616. Aus einem mutuum wurde grundsätzlich mit der condictio617 geklagt – beim Gelddarlehen klagte man mit der speziellen actio certae creditae pecuniae. Die Zinsen mussten daneben mit der stipulatio usurarum gesondert stipuliert werden. Das mutuum allein genügte also keineswegs den Bedürfnissen des Kapitalverkehrs, da es nicht auf die Vergabe verzinslicher Kredite angelegt war618. codicillorum, cum hanc solam nec aliam ullam probationem habeat“. Scaevola entschied, dass man der Schrift Glauben schenken müsse („respondi [. . .] credenda est scriptura“). Siehe zu dieser Stelle Frezza (Symb. Taubenschlag I, S. 148 ff.). 610 Vgl. D.16.3.1.36 (Ulp. 30. ad ed.): „Si pecunia in sacculo signato deposita sit . . .“. 611 Ein Beispiel dafür ist die Quelle D.42.5.24.2 (Ulp. 63. ad ed.), wo es heißt „si tamen nummi exstent“. 612 D.12.1.9.9 (Ulp. 26. ad ed.); D.12.1.10 (Ulp. 2. ad ed.); D.16.3.1.34 (Ulp. 30. ad ed.). 613 Scotti (Il deposito, S. 186); Cerami/Petrucci (Dir. commerciale rom., S. 123). 614 Klami (Mutua magis, S. 38 Fn. 17) nimmt z. B. an, dass es sich hier – wie in D.13.5.26 (Scaev. 1. resp.) – um ein mutuum handelt. Siehe zu D.13.5.26 (Scaev. 1. resp.) Wacke (Pecunia in arca, S. 14). 615 Auch im hellenistischen Rechtsraum ist dies belegt; vgl. etwa Demosthenes (PROS FORMIWNA 36,5 v. 945), wo berichtet wird, dass das Kapital der Bank des Pasion zu Athen von ca. fünfzig Talenten zu elf Talenten aus Parakatatheken stammte. 616 Vgl. die pseudo-etymologische Definition des Gaius in Gai. 3.90: „unde etiam mutuum appellatum est, quia quod ita tibi a me datum est, ex meo tuum fit“. 617 Zu den Ursprüngen des mutuum, welches auf die legis actio per condictionem des 3. Jh. v. Chr. zurückgeht, siehe Harke (Röm. Recht, S. 46 ff.). Wie der Autor (S. 48) betont, blieben die Realverträge Darlehen, Leihe und Verwahrung stets auf die Rückgewähr einer hingegebenen Sache konzentriert und ähneln insofern dem Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung. 618 So Harke (Röm. Recht, S. 163).
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cc) depositum irregulare In Betracht kommt zudem eine „uneigentliche Verwahrung“ (sog. depositum irregulare619). Dieses Geschäft lag gewissermaßen zwischen dem mutuum und dem depositum, denn einerseits wurde die Bank – wie beim mutuum – Eigentümer des Geldes und musste dieses, da sie es für sich verwerten und mit ihm wirtschaften durfte, auch verzinsen620. Sie hatte dem Gläubiger am Ende also nicht idem, sondern nur tantundem herauszugeben. Wirtschaftlich betrachtet entsprach das depositum irregulare also einem Kredit621. Andererseits war das Sicherungsinteresse des Gebers dem eines Hinterlegers vergleichbar622. Wie beim depositum konnte auch hier mit der actio depositi als bonae fidei iudicium auf Rückgabe geklagt werden623. Der Vorteil gegenüber einem mutuum bestand darin, dass es keiner gesonderten Zinsstipulation (stipulatio usurarum) bedurfte, sondern die Zinszahlungspflicht aus der Natur des bonae fidei iudicium begründet und in einer einfachen Nebenabrede (sog. pactum in continenti) zum Vertrag vereinbart werden konnte624.
619 Die Bezeichnung ist nicht klassisch. Die in Zusammenhang mit diesem Rechtsinstitut stehenden Quellen sind im Wesentlichen D.16.3.7.2 (Ulp. 30. ad ed.); D.16.3.24 (Pap. 9. quaest.); D.16.3.25.1 (Pap. 3. resp.); D.16.3.26.1 (Paul. 4. resp.); D.16.3.28 (Scaev. 1. resp.); D.16.3.29.1 (Paul. 2. sentent.) sowie D.19.2.31 (Alf. 5. dig. a Paulo epit.). Ein guter Überblick zum erbitterten Meinungsstreit über die Fragen, wann das Institut ins römische Recht gelangte und ob bereits die Klassiker die actio depositi gewährten oder ob diese erst von Justinian eingefügt wurde, findet sich bei Geiger (Das Depositum irregulare, S. 2–5). 620 Petrucci (Mensam exercere, S. 285 f.) stellt die Hypothese auf, dass es sich im vorliegenden Fall um eine Figur des depositum handeln könnte, bei der sich der Bankkunde verpflichtete, die bei der Bank hinterlegte Summe für einen gewissen Zeitraum nicht zurückzufordern. Das Interesse dahinter sei entweder gewesen, dass das Geld an einen bestimmten Zweck gebunden war und nur bei Fristablauf zurückgezahlt werden sollte, oder dass sich der Bankier, welcher mit dem Geld spekulierte, nicht der Unmöglichkeit der Rückzahlung oder der mangelnden Liquidität vor einem bestimmten Zeitpunkt ausgesetzt sehen wollte. In beiden Fällen sei aber eine mögliche Zinspflicht denkbar. 621 So auch Baldus (in Harke, Facetten des röm. ErbR, S. 19). 622 Sein Motiv, sich von der Sache zu trennen, lag regelmäßig darin, dass er davon ausging, dass die Sache bzw. ihr Wert beim Empfänger besser verwahrt würden als bei ihm selbst, so Benke/Meissel (Röm. SchuldR., S. 58). „Causa“ war also auch hier die Verwahrung; vgl. Marrone (Istituzioni, S. 444). 623 Siehe Marrone (Istituzioni, S. 444). Da auf das depositum irregulare die Regeln des Verwahrungsvertrags – und nicht etwa die des Darlehens – Anwendung fanden, bezeichnet man es auch als „Darlehen besonderer Art“. 624 Nach Benke/Meissel (Röm. SchuldR., S. 58) war die Interessenlage beim depositum irregulare der eines modernen Sparkontos vergleichbar.
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dd) Stellungnahme Der einzige textliche Hinweis auf das Verhältnis zwischen Bank und Gläubiger ist die Formulierung „habes penes mensam“ 625, was sowohl „du hast im Besitz der Bank“ 626 als auch „du hast im Eigentum der Bank“ bedeuten kann627. Fraglich ist, ob es sich bei der Präposition penes um einen Terminus technicus handelt oder ob stattdessen auch einfach „apud mensam“ hätte stehen können628. Bezeichnend ist, dass penes meist passivisch verwendet wird („deponi penes aliquem“) und vom Hinterleger aus gedacht ist, während apud („deponere apud aliquem“) eher aktivisch gebraucht wird und sich auf die Verwahrerseite bezieht629. Man könnte daher meinen, dass die Verwendung der Präposition penes der Tatsache geschuldet ist, dass der Hinterleger Eigentümer des Geldes blieb630. Damit stellt sich die Frage, ob penes hier ein Indiz für ein depositum (irregulare) sein kann. (1) „penes“ als Indiz für ein depositum (irregulare)? Wie die Durchsicht sämtlicher Quellen des C.I.C. ergibt, kommt der Ausdruck „habes penes“ in zwei Codex-Stellen631 und sonst nur noch einmal in D.13.5.26 (Scaev. 1. resp.) vor, wo ebenfalls wie folgt aus einem Brief an einen Bankengläubiger zitiert wird: „Decem, quae Lucius Titius ex arca tua mutua acceperat, salva ratione usurarum habes penes me632, domine“ 633. 625 Die Präposition penes (mit Akk.) ist eine altlateinische Lokativbildung von penus,-oris n. und bedeutet ursprünglich „im Inneren“; siehe Georges (Handwörterbuch II, Sp. 1550). 626 Siehe die Definition des Ulpian in D.50.16.63 (Ulp. 71. ad ed.): „,Penes te‘ amplius est quam ,apud te‘: nam apud te est, quod qualiterqualiter a te teneatur, penes te est, quod quodam modo possidetur“. 627 Dass sich die Gelder – wie man allgemein übersetzen könnte – „im Machtbereich der Bank“ befanden, hilft bei der Bestimmung des Rechtsverhältnisses nicht weiter. 628 Vgl. etwa die Formulierung „viginti quinque nummorum, quos apud me esse voluisti“ in D.16.3.28 (Scaev. 1. resp.). 629 Vgl. nur D.34.3.28.8 (Scaev. 16. dig.): „Centum, quae apud Apronianum deposita habeo“; D.16.3.7.2 (Ulp. 30. ad ed.). Die einzige Ausnahme ist D.45.2.9.1 (Pap. 27. quaest.): „in deponendo penes duos“. 630 Dies vermutet Kübler (SZ 29 (1908), S. 200). 631 C.2.20.4 (Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Menandrae): „quod si penes te dominium eius remansit“; C.8.53.11 pr. (Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Septimio Sabiniano): „Cum de bonis tuis partem quidem penes te retinuisse . . . commemores . . .“. 632 In unserem Brief wird dagegen ganz deutlich, dass das Guthaben nicht bei Terminalis selbst, sondern bei der Bank bestand „habes penes mensam patroni mei“. Behrends/Knütel/Kupisch/Seiler (Corpus Iuris Civilis III, S. 161) übersetzen „habes penes me, domine“ in D.13.5.26 (Scaev. 1. resp.) mit „haben Sie, mein Herr, [. . .] bei mir gut“.
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Ansonsten kommt das Wort penes allein häufig – wie z. B. in D.16.3.29 pr. (Paul. 2. sent.)634 – in Verbindung mit einem depositum vor635. Auch die Präposition apud kommt – wie De Ruggiero feststellen konnte – nahezu immer in Zusammenhang mit einem depositum als „deponere apud aliquem“ vor636. Da sich der Ausdruck in unserem Fall nur in dem zitierten Brief findet, also wohl von Terminalis und nicht vom Juristen Scaevola stammt, ist der Ausdruck „penes me“ – selbst wenn man annimmt, dass Terminalis ihn als Bankpraktiker formularmäßig verwandte – allein jedenfalls kein hinreichendes Indiz für ein depositum. (2) „quos denarios“ bzw. „numerare debebo“ als Indiz für ein mutuum? Dass es sich vorliegend um einen reinen Verwahrungsfall handelt, ist aus wirtschaftlicher Sicht eher unwahrscheinlich. Dann hätte die Bank nämlich „eadem corpora nummorum“ schulden müssen. Ob dies aber mit der abundanten Wiederholung im Relativsatz („denarios mille, quos denarios“) gemeint sein kann, ist sehr fraglich637. Für eine Verpflichtung der Bank lediglich „tantundem“ herausgeben zu müssen, könnte dagegen der Ausdruck „numerare debebo“ sprechen, der möglicherweise darauf hindeutet, dass Terminalis die Münzen vor dem Auszahlungstermin nochmals „(hin)zählte“ 638. Wäre es hingegen um „eadem corpora nummorum“ gegangen, hätte statt „numerare“ vielleicht einfach „reddere“ 639 gestanden. Nach Heumann/Seckel hat das Verb numerare neben „zählen, rechnen“ vor allem die Bedeutung „hinzählen, (aus)zahlen“ 640. Wie die Quellen belegen, kommt numerare aber auch einfach in der Bedeutung „zahlen“ vor641. 633
Nach Klami (Mutua magis, S. 38 Fn. 17) soll es sich hier um ein mutuum han-
deln. 634
„is penes quem depositum fuit“. D.13.6.5.2 (Ulp. 28. ad ed.): „is penes quem deponitur“; D.16.3.29.1 (Paul. 2. sentent.): „deposita pecunia is penes quem deposita est“; D.29.2.28 (Ulp. 8. ad Sab.): „penes quem depositae sunt“ oder D.16.3.1.33 (Ulp. 30. ad ed.): „ad hoc penes me depositam“. 636 De Ruggiero (BIDR 19 (1907), S. 41 ff.). Nach De Ruggiero (S. 40) spielt „apud“ ganz klar auf den Ort der Verwahrung an. Der Ort sei aber die im Falle des depositum dominierende Idee, „perché il depositare presso una persona significa precisamente depositare in un luogo che questa a ciò destina“ (S. 40 Fn. 1). 637 Die Form „eosdem“ hätte den Sachverhalt dagegen geklärt. 638 So Scotti (Il deposito, S. 186) im Fall von D.16.3.24 (Pap. 9. quaest.). Vgl. auch D.19.2.31 (Alf. 5. dig. a Paulo epit.): „. . . nam si quis pecuniam numeratam ita deposuisset, ut neque clusam neque obsignatam traderet, sed adnumeraret . . .“. 639 Vgl. etwa D.13.5.24 (Marcellus lib. sing. resp.): „. . . quinquaginta ex credito tuo [. . .], quos tibi reddere debebo idibus Maiis probos . . .“. 635
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Die spärlichen sprachlichen Indizien aus dem uns überlieferten Text reichen mithin nicht aus, um das Vertragsverhältnis zwischen Bank und Gläubiger mit Sicherheit zu bestimmen. Wie bereits angedeutet, finden sich die genannten Anhaltspunkte für ein depositum zudem allein in dem zitierten Brief, dessen juristisch-technische Aussagekraft fragwürdig ist642. Zur Auslegung der datio nummorum müssen hier deshalb in erster Linie die Interessen der Parteien, die Intention des dans und des accipiens, herangezogen werden. (3) Zinsen als Indiz? Ob die Bank vorliegend der Zinspflicht unterlag, erfahren wir aus dem Text nicht ausdrücklich643. Deshalb stellt sich die Frage, ob die Bank an Gaius Zinsen zahlen musste, auch wenn diese im Text nicht ausdrücklich erwähnt werden. Dafür, dass eine Zinspflicht der Bank bestand, spricht zunächst die Tatsache, dass es sich bei einer derart hohen Summe kaum um ein Freundschaftsdarlehen, sondern um ein kommerzielles Darlehen gehandelt haben wird. Weil der Text aber nicht von Zinsen spricht, ist zu prüfen, wie sich die Parteien darüber geeinigt haben könnten. Dass die Zinspflicht der Bank in einer separaten – nicht erwähnten – Zinsurkunde stipuliert war, erscheint unwahrscheinlich644. Da wir vorliegend einen genau bestimmten Rückzahlungszeitpunkt („pridie kalendas Maias“) haben, scheint die sofortige Rückzahlung der Zinsen Zug um Zug gegen Auszahlung des Darlehens am wahrscheinlichsten645. 640
Heumann/Seckel (Handlexikon, S. 376). Vgl. z. B. D.18.3.4.1 (Ulp. 32. ad ed.): „cum pretium quod numeravit perdidit“. So auch Heumann/Seckel (Handlexikon, S. 376). In der Regel gehörte es zu den Aufgaben der nummularii die Münzen der Bankkunden zu zählen und auf ihre Echtheit zu prüfen. Die „spectatio“ der nummularii soll nach Pringsheim (Ges. Abhandlungen II, S. 118) ausdrücklich sowohl im probare als auch im numerare des Geldes bestanden haben. Danach wurden die geprüften Geldsäckchen verschlossen und mit tesserae versehen. Siehe zu diesen „tesserae nummulariae“ Herzog (Tesserae nummulariae). 642 Zur ,geteilten Autorenschaft‘ der Responsenquellen bei Scaevola siehe § 3 IV. 2. a) aa) (4). 643 Vgl. dagegen andere Quellen, in denen es explizit um Zinsen geht: D.16.3.28 (Scaev. 1. resp.); D.34.3.28.8 (Scaev. 16. dig.); D.16.3.26.1 (Paul. 4. resp.). In D.32.37.5 (Scaev. 18. dig.) wird sogar ausdrücklich gesagt, dass sich das Kapital von fünfzehntausend auf dreißigtausend Denare vermehrt hatte. 644 Dagegen spricht schon, dass in der Quelle keine weitere Urkunde erwähnt wird und der Aufwand der Errichtung einer eigenständigen Zinsurkunde zudem unangemessen erscheint; vgl. Gröschler (FS-Knütel, S. 390). 645 Bei diesem Vorgang, den Gröschler (FS-Knütel, S. 393) und Camodeca (Tabulae Pompeianae, S. 133 f.) auch der Stelle D.45.1.122 pr. (Scaev. 28. dig.) zugrunde legen, zahlte der Darlehensgeber zunächst das gesamte Darlehen an den Schuldner aus und 641
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Aus dieser Datierung der Rückzahlung auf den 30. April lässt sich indirekt schließen, dass die Bank vorliegend ein verzinsliches Darlehen aufgenommen hatte. Denn da in Rom am ersten Tag des Monats – an den Kalenden – Zinsen bezahlt werden mussten646, datierte die Bank die Auszahlung offenbar bewusst auf Ende April, um so den Mai-Zinsen zu entgehen647. Die Zinsen wurden hier also wahrscheinlich von Anfang an mit in den beurkundeten Betrag eingerechnet648. Diese Praxis, nach welcher Zinsen „kapitalisiert“ wurden, war im gesamten Mittelmeerraum weit verbreitet649. ee) Zwischenergebnis Da sich das Vertragsverhältnis aus dem uns überlieferten Text letzten Endes nicht mit Sicherheit bestimmen lässt, kann dieses hier nur aus einer Abwägung der Interessen von Bank und Gläubigern – also nach größerer oder kleinerer Wahrscheinlichkeit – erschlossen werden.
bekam im Gegenzug von diesem den gesamten Zinsbetrag – der sich hier aufgrund des exakt bestimmten Rückzahlungsdatums ohne weiteres von Anfang an errechnen ließ – vorweg bezahlt. Damit stand den Parteien aber, wie Gröschler (FS-Knütel, S. 399) feststellt, der Weg zur Kapitalisierung der Zinsen (nämlich durch Einbeziehung der Zinssumme in den beurkundeten Darlehensbetrag) nach griechischem Vorbild offen. Vgl. den berühmten Fall des Seedarlehens des Callimachus. Auch in diesem Fall wurden in der Darlehensurkunde nicht ausdrücklich Zinsen vereinbart. Krampe (FS-Ankum I, S. 209) nimmt aber an, dass dort die Angabe der Laufzeit von zweihundert Tagen als Berechnungsgrundlage für die Zinsen diente. 646 Siehe Oxford Latin Dictionary, (s. v. „kalendae“, S. 989). Der Zinssatz in Rom bestand aus den monatlichen centesimae (12 % Jahreszins); vgl. Camodeca (Tabulae Pompeianae, S. 134). 647 Dass in dem Brief letztendlich weder das Vertragsverhältnis noch die Zinspflicht angeführt wird, spricht einmal mehr für dessen untergeordnete Funktion. Wie bereits festgestellt, nahm Terminalis in dem Schreiben wohl nur Bezug auf einen bereits bestehenden Vertrag zwischen der Bank und den Gläubigern. 648 Dies nimmt Camodeca (L’archivio Puteolano I, S. 175 f.) für viele Dokumente aus dem Archiv der Sulpizier an, in denen die Zinsen – wie hier – nicht ausdrücklich erwähnt werden. Camodeca geht sogar so weit über eine mögliche Verschleierung von „usurae ultra modum“ – also Zinsen über dem Jahreszinssatz von 12 % – zu spekulieren, welche – einberechnet in die vereinbarte feste Summe – in der Praxis nur noch schwer feststellbar waren. 649 Gröschler (FS-Knütel, S. 389). Zur Kapitalisierung der Zinsen siehe bereits in Fn. 645. Es wurde also nur ein Teil des beurkundeten Betrags an den Darlehensnehmer ausbezahlt, während sich der Darlehensgeber die Restsumme als Zins vorbehielt – die Zinsen wurden dann nur aus dem tatsächlich ausgezahlten Betrag errechnet; vgl. Gröschler (Die tabellae-Urkunden, S. 157). Da der beurkundete Betrag also höher war als der tatsächlich ausbezahlte, kam – wie Gröschler (Die tabellae-Urkunden, S. 157) anmerkt – in Höhe der Differenz kein vollwirksames mutuum zustande. Denn als Realvertrag setzte dieses bekanntlich die tatsächliche Hingabe des Geldes voraus. Deshalb vereinbarten die Parteien hinsichtlich des überschießend beurkundeten Betrags meist eine zusätzliche Stipulation; vgl. Gröschler (Die tabellae-Urkunden, S. 157 f.).
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Das wirtschaftliche Interesse der Bank spricht jedenfalls gegen ein geschlossenes depositum und für eine Kreditgewährung650. Vielleicht stand die Bank zum Zeitpunkt des Vertrags auch schon kurz vor der drohenden Insolvenz und brauchte dringend Geld. Es liegt mithin nahe anzunehmen, dass sich die Bank refinanzieren musste und aus diesem Grund bei Gaius ein Darlehen aufnahm. Auch wenn von Zinsen im Text keine Rede ist, wird es sich der Praxis entsprechend bei einer Summe von eintausend Denaren wohl um ein verzinsliches Darlehen mit kapitalisierten Zinsen gehandelt haben. e) Die Konsulenten Wahrscheinlich war es hier der Gläubiger Gaius, der (evtl. auch im Interesse der übrigen Gläubiger651) gegen den Betriebsleiter Terminalis klagen wollte und sich deshalb an Scaevola wandte652. Es wurde also angefragt, ob Terminalis aus dem Brief in Anspruch genommen werden konnte: „quaesitum est, Lucio Titio defuncto sine herede bonis eius venditis an ex epsitula iure conveniri Terminalis possit“.
Auffallend ist die bereits erwähnte uneinheitliche Verwendung von Originalund Blankettnamen in dieser Anfrage. Hier wird im selben Satz einerseits für den Bankier (Octavius Felix) der eingangs benutzte Blankettname „Lucius Titius“ verwendet, während andererseits von „Terminalis“ und nicht mehr vom anonymen „libertus“ aus der Einleitung die Rede ist. Dieser Bruch in der Namensbezeichnung könnte – wie bereits festgestellt653 – ein Bearbeitungsindiz sein. Zum wörtlichen Inhalt der (Original-)quaestio könnte jedenfalls die Frage nach der Haftung des Terminalis gehört haben: „ex epistula iure conveniri Terminalis possit“. Es ist aber nicht anzunehmen, dass Terminalis von sich selbst in der dritten Person sprach654, sondern es liegt vielmehr nahe, dass die Gläubiger eine solche Formulierung wählten. Folglich könnte man daraus schließen, dass es hier die Gläubiger waren, welche sich an Scaevola wandten und sich nach der Haftung 650 Gegen ein depositum spricht vor allem, dass die Gläubiger hier leer ausgingen. Dies ist bei einem Konkursprivileg für die an allererster Stelle privilegierten DepositGläubiger nämlich kaum vorstellbar. 651 So ließe sich zumindest der Plural „vobis numerare debebo“ erklären. 652 Denkbar ist aber auch, dass Scaevola von Terminalis um Rechtsrat gebeten wurde, weil sich dieser nach der Bankeninsolvenz über seine Rechtslage Klarheit verschaffen und eine evtl. drohende Klage abwenden wollte. 653 Zu Spekulationen über das Zusammentreffen von Original und Bearbeiterhand innerhalb dieser quaestio siehe bereits die Ausführungen in § 3 IV. 2. a) aa) (2). 654 Eine Ausnahme stellt die in der Begrüßungsformel des Briefes für den Schreiber übliche Verwendung der dritten Person dar.
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des Terminalis erkundigten655. Dafür spricht zudem, dass – wenn das Schreiben Scaevola tatsächlich vorlag und Terminalis dieses an die Gläubiger verschickt hatte – anzunehmen ist, dass sich der Brief zuletzt bei den Gläubigern befand, welche ihn als dessen Empfänger dem Juristen zukommen ließen. f) Mögliche Klagen gegen Terminalis Warum sich die Gläubiger vorliegend allein nach der Haftung des Terminalis erkundigten und sich nach dem Tod des Bankiers nicht etwa an den bonorum emptor hielten, welcher im Rahmen der Universalsukzession an die Stelle des insolventen Schuldners gerückt war, erfahren wir nicht. Denkbar ist, dass die Klägerpartei ihre Ansprüche schon im Nachlasskonkurs angemeldet hatte, aber erfolglos blieb, da das Vermögen des Bankiers bereits erschöpft war. Vielleicht verzögerte sich auch die Zahlung des bonorum emptor und die Gläubiger wollten inzwischen auf Terminalis zugreifen. Nicht auszuschließen ist zudem, dass sie vom bonorum emptor nicht in voller Höhe befriedigt wurden, sodass sie zumindest den noch offenen Rest von den eintausend Denaren von Terminalis verlangten – denn in welcher Höhe die Kläger gegen Terminalis vorgehen wollten, erfahren wir ja nicht656. Es geht also um das Problem der Eigenhaftung des institor Terminalis und konkret um die Frage, warum die Gläubiger nach dem responsum des Scaevola hier nicht direkt gegen den institor vorgehen konnten657. Da weder in der quaestio nach einer konkreten actio gefragt wird658, noch Scaevola in seinem responsum namentlich sagt, welche Klagen er hier verneint, stellt sich zunächst die Frage, welche Klagen überhaupt im Raum standen. aa) Eigenhaftung des institor? Die actio institoria659, die Geschäftsleiterklage, gehört zu den sog. actiones adiecticiae qualitatis, welche auf eine zusätzliche660 (honorarrechtliche661) Haf655
So im Ergebnis auch Cerami/Petrucci (Dir. commerciale rom., S. 216). Hätten die Gläubiger aber von vornherein gegen Terminalis vorgehen wollen, hätten sie sich dessen Zahlungsverpflichtung sicher stipulieren lassen. Wahrscheinlich versuchten die verzweifelten Gläubiger in ihrer Not – nachdem kein anderer Schuldner mehr übrig und das ganze Vermögen verkauft war – als letzte Möglichkeit gegen Terminalis vorzugehen. 657 In unserem Fall scheint sich die Frage nach der Haftung des Terminalis deshalb zu stellen, weil sich dieser als Gewaltfreier im Gegensatz zu den vielen Sklaven und Haussöhnen, die in Rom üblicherweise Betriebsleiter waren, grundsätzlich selbst verpflichten konnte. 658 Das „iure conveniri [. . .] possit“ deutet vielmehr darauf hin, dass die Kläger von Scaevola allgemein Auskunft zu ihren prozessualen Klagemöglichkeiten haben wollten. Siehe zu dieser Bedeutung von „convenire“ Heumann/Seckel (Handlexikon, S. 107). 656
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tung des Geschäftsherrn – neben der (zivilrechtlichen) Haftung des Geschäftsführers – gerichtet waren. Ihrer Struktur nach ist die actio institoria, mit welcher der Geschäftsherr unbeschränkt (in solidum) haftete662, keine selbständige Klage, sondern nur eine Anpassung derjenigen direkten actio663, welche aus dem vom institor664 geschlossenen Rechtsverhältnis entstand und auf den Geschäftsherrn erstreckt wurde665. Wacke666 bezeichnet die adjektizischen Klagen in diesem Sinne als „Haftungsausdehnungsklagen“. Die adjektizische Haftung war hinsichtlich ihres Entstehens, ihrer weiteren Entwicklung und ihres Erlöschens akzessorisch zu dem vom institor geschlossenen Geschäft667. 659 Siehe Gai. 4.71: „Institoria vero formula tum locum habet, cum quis tabernae aut cuilibet negotiationi filium servumve aut quemlibet extraneum, sive servum sive liberum, praeposuerit et quid cum eo eius rei gratia, cui praepositus est, contractum fuerit“. 660 Vgl. D.14.1.5.1 (Paul. 29. ad ed.): „. . . hoc enim edicto non transfertur actio, sed adicitur“. Wie bisher in der Lehre angenommen, erfolgte bei den adjektizischen Klagen eine Umstellung der Subjekte in der Klageformel. Während bei der actio institoria demnach der institor in der intentio genannt wurde, erschien der Name des Geschäftsherrn in der condemnatio. Gegen diese bisherige Lehre der „trasposizione del soggetto passivo“ siehe jetzt Miceli (Sulla struttura, S. 59 f. und IURA 53 (2002), S. 77 ff., insbes. S. 79 Fn. 61), welche die actiones adiecticiae qualitatis gerade nicht in den Bereich des „agere alieno nomine“ fassen will. Wie Miceli (IURA 53 (2002), S. 75) anhand zahlreicher Quellenstellen nachweisen konnte (Fn. 43), wurde der Geschäftsherr vielmehr selbst direkt aus der mit der actio adiecticiae qualitatis eingeklagten Obligation verpflichtet. Es handelt sich demnach um eine „responsabilità proprio nomine, responsabilità personale e diretta che trova tuttavia la propria origine fattuale“ im negotium des Geschäftsführers, so Miceli (IURA 53 (2002), S. 81). 661 Miceli (Sulla struttura, S. 345) vertritt aber zu Recht die Ansicht, dass die actiones adiecticiae qualitatis weder als honorar- noch als zivilrechtliche Klagen qualifiziert wurden, sondern dass diese von Fall zu Fall – je nach der direkten Klage aus dem zugrunde liegenden Geschäft – zivil- oder honorarrechtlicher Natur sein konnten. Siehe auch Arangio Ruiz (Scritti Jovene, S. 136): „le azioni adiettizie non possono annoverarsi tra le pretorie, anzi non si possono includere nell’albero delle azioni, se non in quanto si consideri, piuttosto la loro causa e la loro direzione, la particolare circostanza che siano concesse in funzione adiettizia: ma la loro demonstratio afferma una causa obbligatoria che è riconosciuta come tale non dal pretore ma dal diritto civile . . .“. 662 Vgl. D.14.3.4.1–3 (Ulp. 28. ad ed.). Dies war natürlich im praktischen Interesse der Gläubiger, welche in erster Linie mit dem zahlungskräftigeren Geschäftsherrn kontrahieren wollten. Siehe dazu Hamza (Index 9 (1980), S. 203). Die Begründung der Haftung des Vaters bzw. des dominus findet sich in der bereits zitierten Stelle Gai. 4.70: „et recte, quia, qui ita negotium gerit, magis patris dominive quam filii servive fidem sequitur“. Sie wird ebenso auf den Geschäftsherrn mit institor sui iuris zutreffen. 663 Diese konnte, wie bereits in Fn. 661 angedeutet, zivil- oder honorarrechtlicher Natur sein; vgl. Wacke (Ricerche Gallo II, S. 585). 664 Dieser konnte alieni oder sui iuris sein; vgl. D.14.1.1.4 (Ulp. 28. ad ed.); D.14.3.7.1 (Ulp. 28. ad ed.). 665 Miceli (Studi sulla rappresentanza, S. 362). 666 Siehe Wacke (SZ 111 (1994), S. 283). 667 Nach Mitteis (Stellvertretung, S. 26) waren die actio exercitoria und die actio institoria gerade Beweise dafür, dass das römische Recht eine direkte Stellvertretung grundsätzlich nicht kannte, „weil sonst ihre so angesehene und bedeutsame Stellung im römischen Rechtssystem gar nicht zu begreifen wäre“. Auch wenn das römische Recht
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Dabei war es nicht nötig, dass der institor ausdrücklich im Namen des Geschäftsherrn handelte, es genügte vielmehr, dass der Gegenseite den Umständen nach klar sein musste, dass in fremdem Namen gehandelt wurde668. Da es vorliegend nicht auf die Überleitung der Haftung auf den (verstorbenen) Bankier ankommt669, sondern allein auf die Frage der Eigenhaftung des Terminalis670, ist zunächst zu klären, ob dieser gegenüber den Gläubigern überhaupt eine Verpflichtung eingegangen war und, falls dies zu bejahen wäre, worin diese bestand. Terminalis war der von Lucius eingesetzte institor und schrieb in seiner Funktion als Betriebsleiter im Rahmen seiner praepositio671 an die Gläubiger. Fraglich
aufgrund der Vorstellung des Schuldverhältnisses als einer streng persönlich wirkenden „rechtlichen Fessel“ (vgl. Inst.3.13 pr.: „obligatio est iuris vinculum, quo necessitate adstringimur alicuius solvendae rei secundum nostrae civitatis iura“) eine unmittelbare Stellvertretung nicht kannte, enthielt schon das C.I.C. restriktive Ansätze, um die Wirkungen eines Rechtsaktes doch in einer anderen Person eintreten zu lassen; vgl. Kaser/ Knütel (Röm. PrivatR, S. 81 f.). Dass die direkte Stellvertretung dagegen im griechischen Recht bekannt war, folgerte Jörs (Geschichte und System, S. 70) aus ägyptischen Papyrusurkunden. Auch Wenger (Stellvertretung, S. 166) entnahm den attischen Quellen, „daß den Griechen der Gedanke der direkten Stellvertretung ganz als selbstverständlich erschienen ist“. 668 Siehe Wacke (Ricerche Gallo II, S. 605). 669 Wäre dieser noch am Leben oder hätte der Nachlass Erben gefunden, würden diese mit der actio institoria in eigenem Namen für den Angestellten Terminalis haften; vgl. D.14.3.5.3 (Ulp. 28. ad ed.): „Sed et si in mensa habuit quis servum praepositum, nomine eius tenebitur“. Siehe auch D.14.3.11.2 (Ulp. 28. ad ed.); D.14.3.5.11 (Ulp. 28. ad ed.). Scaevola verneint die Haftung aus dem Brief hier ausdrücklich nur in Bezug auf Terminalis: „nec [. . .] obligatum [. . .] nec conveniendi eum superesse“. Es wird mithin nicht ausgeschlossen, dass die Bank aus dem Schreiben haften müsste, wenn es sie noch gäbe. 670 Miceli (Sulla struttura formale, S. 216) verneint diese mit Hinweis auf die uns überlieferten Quellen, in denen – im Gegensatz zu den bereits genannten Fällen der Inanspruchnahme eines magister navis – in keinem einzigen Fall von einer Inanspruchnahme des institor berichtet wird. Miceli (IURA 53 (2002), S. 74) stellt darüber hinaus fest, dass es sogar dieselben Juristen waren, welche einerseits von der Inanspruchnahme des magister navis sprachen, andererseits aber auf die alleinige Haftung des exercitor abstellten: siehe z.B D.14.1.1.3 (Ulp. 28. ad ed.): „. . . sed etiamsi mercibus emendis vel vendendis fuerit praepositus, etiam hoc nomine obligat exercitorem“; D.14.1.1.4 (Ulp. 28 ad ed.): „. . . sibi imputaturo qui praeposuit“. D.14.1.1.5 (Ulp. 28. ad ed.): „. . . omnia enim facta magistri debeo praestare qui eum praeposui . . .“. Zur Entstehungsgeschichte von actio exercitoria und actio institoria siehe Hamza (Index 9 (1980), S. 204). Wie Hamza, der die actio exercitoria mit der herrschenden Meinung als die ältere, die actio institoria dagegen als eine „postformazione“ derselben bezeichnet, feststellt, ist die Bezeichnung als actio institoria „anomala rispetto all’altra (exercitoria): mentre la seconda si riferisce al preponente, la prima invece si riferisce al praepositus“. 671 Es handelt sich vorliegend wohl um eine generelle praepositio ad mensam, die alle zum gewöhnlichen Betrieb der Bank gehörenden Geschäfte umfasste. Siehe zu den typischen Geschäften Miceli (IURA 53 (2002), S. 92). Anzunehmen, dass das konkrete Geschäft nicht von der proscriptio des Patrons gedeckt war, besteht kein Anlass. So
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ist also, ob eine eigene vertragliche Beziehung zwischen Terminalis und den Gläubigern in dem Brief begründet sein könnte672. bb) Rechtliche Einordnung des Briefes Zunächst ist die schriftliche Erklärung des Terminalis rechtlich einzuordnen. Aus dem Inhalt des Briefes gehen zwei wichtige Informationen hervor – nämlich einmal der Geldbetrag („denarios mille“) und der Auszahlungstermin („pridie kalendas Maias“ 673). Zudem erklärte Terminalis hier ausdrücklich in der 1. Person Singular („debebo“), dass er – und nicht etwa sein Herr – die Rückzahlung der Summe schulden werde674. Darauf wird sich der Anfragende, welcher hier „ex epistula“ gegen Terminalis vorgehen wollte, sehr wahrscheinlich berufen haben. Andererseits schrieb Terminalis aber auch ausdrücklich, dass er „rem agens Octavii Felicis“ handelte, also als Geschäftsführer seines Patrons675. Im Ergebnis verneint Scaevola eine Haftung aufgrund des Briefes, ohne diesen ausdrücklich rechtlich einzuordnen. Der Anfragende schien dagegen zuversichtlich gewesen zu sein, was die Haftung des Terminalis aus dem Schriftstück betraf. Warum sich der hoffnungsvolle Konsulent hier mit dem Brief an Scaevola wandte, soll daher im Folgenden näher erläutert werden.
auch Petrucci (Studi Martini III, S. 121). Im Innenverhälts zwischen Bankier und Terminalis lag sicher eine Art Geschäftsführung (negotiorum gestio) zugrunde oder es setzte sich das Patronatsverhältnis fort. 672 Fraglich ist zudem, wann Terminalis den Brief verfasste. Möglicherweise war die Insolvenz bereits eröffnet, als er den Brief schrieb – vielleicht um den Gläubigern zu versichern, dass die Bank noch zahlte. Dagegen spricht aber das Partizip Präsens Aktiv „rem agens“, wonach Terminalis die Geschäfte der Bank zum Zeitpunkt des Verfassens des Briefes noch aktiv führte. Da die Bank demzufolge noch bestand, müsste Terminalis den Brief vor der Liquidation verfasst haben. 673 Dies scheint nach Bürge (SZ 104 (1987) S. 472), der sich auf Herzog (RE XVII, S. 1455) beruft, ein beliebter Zahltag gewesen zu sein. Dass die offiziellen Zahltage – Kalenden, Iden und Nonen – in den Quellen überwiegen, stellte schon Pringsheim (Ges. Abhandlungen II, S. 119) fest. Liebs (ANRW 15 (1976), S. 301) hält die Zählweise („post kalendas Ianuarias die tertio“) in D.50.16.233.1 (Gai. 1. ad legem duodecim tabularum) für eine griechische. Nach der römischen Zählweise hätte es – so Liebs – dagegen „ante diem tertium nonas Ianuarias“ heißen müssen. 674 Die Angabe der causa numerationis fehlt. 675 Dieser Widerspruch könnte daher rühren, dass Terminalis das Schreiben wohl selbst, vielleicht ohne Rechtsrat, verfasst hatte; vgl. D.20.1.34.1 (Scaev. 27. dig.), wo Scaevola über die Wirksamkeit einer undatierten und nicht gesiegelten Urkunde zu entscheiden hatte. Für die konkrete Anfrage eines juristischen Laien spricht in diesem Fall, dass die Urkunde in griechischer Sprache verfasst ist.
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(1) stipulatio debiti Zunächst ist zu prüfen, ob der von Terminalis verfasste Brief der Form einer stipulatio debiti676 genügt. Voraussetzung der stipulatio waren die interrogatio des Gläubigers und die responsio des Schuldners bei congruentia verborum677. Natürlich konnte ein Schriftstück die spezielle Frage- und Antwortform des mündlichen Schuldversprechens zur Zeit des Scaevola (noch) nicht ersetzen678. Gleichwohl war es üblich eine mündlich abgeschlossene Stipulation zu Beweiszwecken auch zu beurkunden. Bei dem Brief des Terminalis könnte es sich demnach um eine cautio handeln679. Darunter verstanden die Römer neben der Sicherheitsleistung auch die Schuldurkunde über eine bestehende Schuld680, insbesondere im Fall eines empfangenen Darlehens681. 676 Nach Gai. 3.92 gehört diese zu den obligationes verbis factae. Aus der Stipulation konnte mit der actio certi geklagt werden, wenn Gegenstand des oportere eine certa pecunia war. Diese actio certi hatte zwei Unterformen: die actio certae creditae pecuniae und die condictio certae rei – je nachdem ob Gegenstand des oportere eine certa pecunia oder eine res certa war; vgl. Talamanca (Istituzioni, S. 561). Vorliegend ging es um die Summe von eintausend Denaren. Es handelt sich somit um eine certa pecunia, welche Seius mit der actio certae creditae pecuniae von Terminalis hätte einklagen können, wenn in dem Brief eine Stipulation zu sehen ist. 677 Bei einem mutuum cum stipulatione folgte der numeratio pecuniae des Darlehensgebers in der Regel eine Stipulation der Form: „eaque/eosque HS tot, quae/i supra scripta/i sunt, proba/os recte dari stipulatus est [. . .], spopondi (ego) . . .“. Vgl. Camodeca (Tabulae Pompeianae, S. 133). Zu Sinn und Zweck des mutuum cum stipulatione – insbes. aus prozessualer Sicht – siehe Gröschler (TR 74 (2006), S. 265 ff.). 678 Erst in nachklassischer Zeit ging die stipulatio weitgehend im schriftlichen Schuldversprechen auf; vgl. Kaser/Knütel (Röm. PrivatR, S. 56). Hier drängt sich die Frage auf, weshalb sich die Gläubiger das Versprechen des Terminalis nicht stipulieren ließen. Vielleicht erschien ihnen eine Stipulation hier ungünstig. Entscheidender Nachteil der Stipulation war nämlich, dass sich der Gläubiger mit der einmal festgelegten vollstreckungsfähigen Leistungsformel später zufrieden geben musste; vgl. Harke (Röm. Recht, S. 46). Vielleicht wurde hier aber auch einfach deshalb nicht stipuliert, weil man inter absentes nicht stipulieren konnte (vgl. Gai. 3.138) und sich Bank und Gläubiger an verschiedenen Orten befanden. Die Überlegung, dass die Bank ihren Standort in Rom hatte, die Gläubiger aber Nichtrömer (möglicherweise Griechen) gewesen sein könnten, wurde bereits angestellt. Am wahrscheinlichsten erscheint aber, dass die Gläubiger ursprünglich gar nicht daran dachten, dass es zu der ungewöhnlichen Kumulation von Bankeninsolvenz und Tod des Bankiers kommen würde, sondern fest damit rechneten gegen den Bankier vorgehen zu können. 679 Dafür spricht zumindest die Formulierung „cavit in haec verba“. So auch Wieacker (SZ 94 (1977), S. 30 Fn. 107). Auffallend ist allerdings der Wechsel im Terminus: Einmal ist von „cavit“ die Rede, im responsum des Juristen dann aber (untechnisch) von „scripsisset“. Da das Prädikat „cavit“ aus der Einleitung wahrscheinlich von den Herausgebern stammt, das responsum jedoch von Scaevola, könnte dieser unterschiedliche Sprachgebrauch ein weiteres Indiz für die in § 3 IV. 2. a) aa) (2) erwähnten Textstufen der Quelle sein. 680 Vgl. z. B. D.2.14.47 pr./1 (Scaev. 1. dig.); D.32.64 (African. 6. quaest.).
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Der Terminus „cautio“ bzw. das Verb „cavere“ wurden im klassischen römischen Recht verwendet, um den Abschluss einer mündlichen Stipulation zwischen den Kontrahenten zu beweisen682. Die Fragen, ob das mutuum hier ursprünglich stipuliert wurde und, falls dies zutreffen sollte, zwischen wem es stipuliert wurde – also ob zwischen dem Bankier Lucius und dem Gläubiger oder zwischen Terminalis und der Gegenseite – kann aufgrund der spärlichen Textangaben nicht mehr rekonstruiert werden. Selbst wenn von Terminalis in seiner cautio auf ein von ihm zuvor stipuliertes mutuum Bezug genommen worden wäre, hätte damit lediglich der Abschluss der Stipulation nachgewiesen werden können – verpflichten konnte ihn dies aber nicht. In einem Prozess ließe sich aus dem Schreiben in der vorliegenden Form allenfalls darüber Beweis erbringen, dass sich die eintausend Denare tatsächlich bei Terminalis befanden683. (2) Exkurs: obligatio litteris Der (vermutlich) eigenhändig geschriebene Brief könnte nach der Vorstellung des Anfragenden vielleicht eine obligatio litteris des Terminalis begründet haben. In seiner subjektiv-unilateralen Form erinnert das Schreiben nämlich an ein griechisches xeirügrafon („Handbrief, Schuldschein“ 684), bei welchem schon der Schriftakt nach Gaius685 eine causa obligationis darstellte. Das chirographum breitete sich schnell über die ganze hellenistische Welt aus und war auch in Rom in Gebrauch, wo es sich insbesondere vom 2. Jh. n. Chr. an zunehmender Beliebtheit erfreute686. 681
Vgl. z. B. D.12.1.40 pr. (Paul. 3. quaest.); D.20.1.20 (Ulp. 63. ad ed.). Siehe Salazar Revuelta (Gratuidad del mutuum, S. 306). 683 Vgl. dazu das responsum des Paulus in D.16.3.26.2 (Paul. 4. resp.): „respondit ex epistula, de qua quaeritur, obligationem quidem nullam natam videri, sed probationem depositarum rerum impleri posse“. 684 Vgl. z. B. das von Modestin in D.22.1.41.2 (Mod. 3. resp.) zitierte Musterformular. Dazu Jakab (SZ 117 (2000), S. 247 f.). Die subjektive Formulierung, in der sich der Aussteller selbst mittels bindender Schrift bekennt, war nach Wolff (Recht der griech. Papyri II, S. 107) geradezu charakteristisch für das chirographum. 685 Siehe Gai. 3.134: „Praeterea litterarum obligatio fieri videtur chirographis et syngraphis, id est, si quis debere se aut daturum se scribat, ita scilicet, si eo nomine stipulatio non fiat“. Nach Salazar Revuelta (Gratuidad del mutuum, S. 285) erkannte Gaius in den griechischen Schulddokumenten „un valor dispositivo, es decir, los entiende como fuentes de obligación, independientemente de la causa que motive la letra del documento“. Ebenso Nelson/Manthe (Gai. Inst. III, S. 523), welche unterstreichen, dass Gaius hier ausdrücklich nur vom „ius peregrinorum“ (womit in erster Linie das hellenistische gemeint sei) spreche. Das römische chirographum sei dagegen nur Beweisurkunde gewesen. Siehe dazu Fn. 690. 686 In den Entscheidungen von Scaevola geht es nicht selten um chirographa: Siehe nur D.26.7.57 pr. (Scaev. 10. dig.); D.31.88.8 (Scaev. 3. resp.); D.32.102 pr. (Scaev. 17. dig.); D.34.3.31.4 (Scaev. 3. resp.); D.38.4.7 (Scaev. 2. reg.); D.46.3.89 pr./1 (Scaev. 29. 682
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Die Form des chirographum bestand meist in einer Grußformel des Autors (Schuldners), welcher dem Adressaten (Gläubiger) – oft in der 1. Person Singular Futur687 – seine Verpflichtung zu einer Leistung erklärte688. Das chirographum verwendete man vor allem im Kreditwesen, insbesondere bei Verbindlichkeiten aus einem mutuum oder zu ähnlichen Zwecken689. Der vorliegende Brief entspricht diesen Anforderungen: Er enthält sowohl eine Grußformel („,Octavius Terminalis rem agens Octavii Felicis Domitio Felici salutem‘“) als auch die Verpflichtung des Ausstellers Terminalis in der 1. Person Futur („numerare debebo“). Darauf berief sich wohl der Anfragende, wenn er den Brief als selbständige Anspruchsgrundlage gegen Terminalis auffasste690. dig.). Das in D.2.14.47.1 (Scaev. 1. dig.) erwähnte chirographum ist dagegen nach Jakab (FS-Liebs, S. 280) z. B. nur ein Synonym für ein „manu sua“ geschriebenes Schriftstück. Jakab (S. 276) erklärt die große Popularität des chirographum mit der flexiblen Ausgestaltung seines Inhalts und der kostengünstigen Abfassung, für die man keinen Notar brauchte. 687 Siehe nochmals Gai. 3.134: „Praeterea litterarum obligatio fieri videtur chirographis et syngraphis, id est, si quis debere se aut daturum se scribat“. Wie Nelson/Manthe (Gai. Inst. III, S. 217) anmerken, ist der Satz aufgrund der Konjunktion „aut“ mehrdeutig. Urkunden, in denen der Schreiber zugleich bekannte, dass er schulde und zahlen werde, seien aber sehr selten gewesen. Da das Zahlungsversprechen äußerlich meist vom Anerkenntnis der Schuld getrennt war, nehmen die Autoren an, dass Gaius hier zwei verschiedene Urkundenformulierungen meinte und übersetzen „aut“ in „debere se aut daturum se scribat“ deshalb mit „er schreibt, dass er schulde, oder er schreibt, dass er zahlen werde“. 688 Zur Form des chirographum siehe insbes. Gröschler (NP, Bd. 12/1, Sp. 1044 ff.), Jakab (FS-Liebs, S. 275 f.), Wolff (Recht der griech. Papyri II, S. 112 sowie Vorlesungen über Jur. Papyruskunde, S. 58) und Castresana Herrero (Estudios D’Ors I, S. 363 f.). Das chirographum war seinem Wesen nach zu Anfang eine rein privatschriftliche Erklärung meist derjenigen Partei, welche die Verpflichtung einging. Häufig wurde es mit einem AcI eingeleitet; vgl. Jakab (Studi Labruna IV, S. 2597). Da die Erklärung zudem empfangsbedürftig war, wurde sie nicht selten in die Form eines vom Erklärenden an den Empfänger gerichteten Briefes gekleidet; vgl. Wolff (Recht der griech. Papyri II, S. 107). 689 Vgl. Castresana Herrero (Estudios D’Ors I, S. 363 f.): „En la parte central del chirographo el deudor, suscriptor del mismo, transcribe un reconocimiento de deuda en el sentido de haber recibido una determinada cantidad de dinero o de bienes y estar obligado a su restitución“. Wie Gröschler (TR 74 (2006), S. 261 f.) feststellt, folgten die bereits erwähnten Darlehenschirographa aus dem Archiv der Sulpizier durchweg einem dreigliedrigen Aufbau: Zunächst wurde der Empfang des Geldes als mutuum bestätigt, sofort im Anschluss folgte ein Schuldanerkenntnis des Darlehensnehmers mit einer Form von debere und den Abschluss bildete das Rückzahlungsversprechen in Stipulationsform. 690 Ob das chirographum lediglich Beweiswert hatte oder eine (schuldbegründende) Dispositivurkunde war, wird seit langem kontrovers diskutiert; vgl. Nelson/Manthe (Gai. Inst. III, S. 519 ff.). So vertrat vor allem Wolff (Recht der griech. Papyri II, S. 143 f.) entgegen Gai. 3.134 die Meinung, dass auch das griechische chirographum nur eine Beweisurkunde gewesen sei. Für eine konstitutive Wirkung dagegen Jakab (FS-Liebs, S. 277). Natürlich gilt es hierbei mit Bianchini (BIDR 73 (1970), S. 233 Fn. 22) daran zu erinnern, dass es sich bei den beiden Kategorien der konstitutiven oder allein dem Beweis dienenden Dokumente um modernrechtliche Kategorien handelt, die
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Überhaupt finden sich in den uns überlieferten Quellen sehr häufig Anfragen, in denen Konsulenten wissen wollten, ob sie „ex scriptura“ bzw. „ex epistula“ klagen konnten, ob also die Schrift an sich schon verpflichtend wirkte. Dem lagen wohl in den meisten Fällen nichtrömische Rechtsvorstellungen zugrunde. Wie Jakab691 vermutet, waren es wahrscheinlich peregrine Geschäftsleute, welche die „Idee des Sich-Verpflichtens mittels eines Briefes“ nach Rom brachten. Vielleicht beschied Scaevola hier also eine Anfrage aus dem griechischen Rechtskreis692. Denn während die Griechen die Haftung direkt aus der Urkunde entstehen ließen, musste darüber unter Römern grundsätzlich gesondert stipuliert werden693. Die Schuldurkunde ohne stipulatio war – wie wir von Gaius erfahren – dagegen Peregrinen vorbehalten694. nicht ohne weiteres auf das römische und – wie man ergänzen könnte – erst recht nicht auf das griechische Recht übertragen werden können. Dass das chirographum im Unterschied zum konstitutiv wirkenden Litteralkontrakt jedenfalls im römischen Recht keine über den Beweis hinausgehende Funktion hatte, will Castresana Herrero (Estudios D’Ors I, S. 369) u. a. mit der von Cicero (Epistulae ad familiares, 7,18,1) gewählten Bezeichnung „cautio Graecula“ in „itaque quoniam vestrae cautiones infirmae sunt, Graeculam tibi misi cautionem chirographi mei“ belegen. Dass auch dem von Terminalis verfassten Brief allein Beweisfunktion zukam, nimmt Petrucci (Studi Martini III, S. 122) an. 691 Jakab (FS-Liebs, S. 276). Dies vermutete u. a. Pringsheim (Ges. Abhandlungen II, S. 116). Der hellenistische Einfluss auf das römische Bankwesen war jedenfalls sehr groß. Das zeigt sich schon daran, dass die römischen Bankiers, welche noch bei Plautus und Terenz als „trapecita“ (von griech.: trapezßthò) bezeichnet werden, lange Zeit zum größten Teil Griechen waren. So konnte Herzog (Tesserae nummulariae, S. 15 f.) nachweisen, dass die Firmenzeichen auf den tesserae nummulariae, mit denen man in Rom geschlossene Depots versah, noch bis 88 n. Chr. größtenteils mit denen der Bankiers von Delos übereinstimmten. 692 Siehe z. B. D.2.14.47.1 (Scaev. 1. dig.): „quaesitum est, [. . .] an propter illa verba epistulae [. . .] eo nomine conveniri possunt“ oder D.16.3.26.2 (Paul. 4. resp.): „quaero, an ex huiusmodi scriptura aliqua obligatio nata sit“. Derartige Anfragen erklärte schon Samter (SZ 27 (1906), S. 166 Fn. 1) damit, dass die unwissenden Konsulenten ihren ausländischen Rechtsvorstellungen entsprechend vom Litteralkontrakt ausgingen. 693 In Rom setzten sich die hellenistischen Vorstellungen dagegen erst in nachklassischer Zeit durch; vgl. Salazar Revuelta (Gratuidad del mutuum, S. 281). Wie Pringsheim (Ausbreitung und Einfluss des griech. R., S. 13) feststellte, kam es zwischenzeitlich dazu, dass hellenistische Urkundenschreiber, welche sich notgedrungen den römischen Vorgaben anpassten, ihre Formulare unter Anhängung der Floskel „perwtheÍò molüghsa“ („interrogatus promisi“) ausstellten. Eine mündliche Frage und Antwort sei in den meisten Fällen aber nicht erfolgt. 694 Siehe erneut Gai. 3.134. Bianchini (BIDR 73 (1970), S. 231) betont, dass die Haltung des Gaius hier die eines Juristen war „che esamina istituti estranei al diritto romano con la mentalità del romano, inquadrandoli in schemi concettuali romani“. Nach Castresana Herrero (Estudios D’Ors I, S. 374) drückt das „videtur“ jedoch eine Unsicherheit des Gaius hinsichtlich der Katalogisierung des chirographum sowie der Syngraphe als obligationes litteris aus: „no puede aplicarse de manera global y generalizada, sin matizaciones, el esquema contractual romano al derecho de los peregrinos“. Dass der Urkundentyp des chirographum – wie bisher allgemein angenommen – „nur“ dem Sonderrecht der Peregrinen angehörte, bestreitet dagegen Jakab (FS-Liebs, S. 277) mit Belegen aus der Praxis. Die Wendung „quod genus obligationis proprium peregrinorum
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Nimmt man also an, dass der Anfragende hier nicht aus dem römischen Rechtskreis stammte, erklärt sich zumindest, warum nach seiner Vorstellung schon der von Terminalis verfasste Brief in der vorliegenden Form eine Haftung begründen sollte und er sich daher mit dem Schriftstück an Scaevola wandte. (3) constitutum debiti Wie bereits geprüft, genügte der Brief der Stipulationsform nicht. Vielleicht sah der Kläger darin aber eine Erfüllungszusage (constitutum debiti 695), aus welcher er mit der actio de constituta pecunia696 gegen Terminalis vorgehen wollte697. Unter einem constitutum debiti verstand man u. a. die formfreie698 Zusage (pactum)699, eine bereits bestehende700 – fremde (constitutum debiti alieni701) est“ sei vielmehr im Gegensatz zu den zuvor als „ius proprium Romanorum“ behandelten „nomina transcripticia“ zu lesen. Man könne also übersetzen, dass diese Art von Obligation für das Recht der Peregrinen typisch sei. 695 Zur Etymologie des Begriffes pecunia constituta siehe schon Bruns (ZRG 1 (1861), S. 30 ff.). Zum juristischen Sprachgebrauch siehe aus der neueren Literatur Costa (SDHI 77 (2011), S. 139 ff.). 696 Auch actio constitutae pecuniae genannt. Dazu Varvaro (Studi Martini III, S. 832). Siehe zur Klageformel D’Ors (Derecho romano, S. 492 Fn. 4). Das Edikt „De pecunia constituta“ mit der gleichnamigen actio geht auf die Zeit des Labeo zurück; vgl. Varvaro (Studi Martini III, S. 833); Talamanca (Istituzioni, S. 608). Nach Bruns (ZRG 1 (1861, S. 57) war das Konstitut das erste pactum, aus dem eine Klage gegeben wurde. 697 Dies hält auch Platschek (Das Edikt de pecunia constituta, S. 217) für wahrscheinlich. 698 D.13.5.14.3 (Ulp. 27. ad ed.): „Constituere autem et praesentes et absentes possumus, sicut pacisci, et per nuntium et per nosmet ipsos, et quibuscumque verbis“. Die Begründung des constitutum debiti durch epistulae oder litterae ist in den Quellen verbreitet; vgl. z. B. D.13.5.5.3 (Ulp. 27. ad ed.); D.13.5.31 (Scaev. 5. dig.) sowie D.13.5.24 (Marcellus lib. sing. resp.). In D.13.5.26 (Scaev. 1. resp.) gibt Scaevola dem Kläger gegen den Verfasser eines Briefes z. B. die actio de pecunia constituta: „Quidam ad creditorem litteras eiusmodi fecit: ,Decem, quae Lucius Titius ex arca tua mutua acceperat, salva ratione usurarum habes penes me, domine‘. respondit secundum ea quae proponerentur actione de constituta pecunia eum teneri“. Siehe zum Meinungsstreit über die Formfreiheit die Darstellung bei La Rosa (Labeo 43 (1997), S. 203 ff.), welche das constitutum für ein „accordo formale“ und die oben zitierten Worte „et quibuscumque verbis“ aus D.13.5.14.3 (Ulp. 27. ad ed.) für einen nachträglichen Zusatz hält (S. 209 f.). 699 Das constitutum musste zumindest im Konsens mit dem Gläubiger geschlossen sein; vgl. D.13.5.1 (Ulp. 27. ad ed.): „Hoc edicto praetor favet naturali aequitati: qui constituta ex consensu facta custodit, quoniam grave est fidem fallere“. Auch wenn wir hier nichts von einer ausdrücklichen (Annahme-)Erklärung seitens der Gläubiger erfahren, wird man ein zwischen den Parteien geschlossenes pactum tacitum unterstellen können. Siehe in ähnlichen Fällen mit einseitiger brieflicher Anzeige einer Partei: Baldus (Regelhafte Vertragsauslegung II, S. 633) zu D.13.5.24 (Marcellus lib. sing. resp.) und Krampe (FS-Liebs, S. 357) zu D.17.1.34 pr. (African. 8. quaest.). Astuti
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oder eigene (constitutum debiti proprii702) – Verbindlichkeit zur Leistung eines bestimmten Geldbetrags an einem festgesetzten Termin zu erfüllen703. Die primäre Schuld wurde durch das constitutum nicht noviert, sondern verstärkt und blieb grundsätzlich weiterhin bestehen704. Im vorliegenden Fall bestand die Primärobligation in dem zwischen Bank und Gläubigern geschlossenen mutuum. Obwohl die Darlehensschuld der Bank mit dem Tod des erbenlosen Bankiers erloschen war, hätte eine Haftung des Terminalis aus einem constitutum debiti grundsätzlich fortbestehen können705. (Promessa di pagamento II, S. 15 f.) bemerkt dazu: „. . . il comportamento del creditore appare, in verità, meramente recettizio, e nei nostri testi non troviamo cenno alcuno della manifestazione del suo consenso“. 700 Vgl. D.13.5.1.1 (Ulp. 27. ad ed.): „,Qui pecuniam debitam constituit‘“; D.13.5. 18.1 (Ulp. 27. ad ed.): „,eamque pecuniam cum constituebatur debitam fuisse‘, interpretationem pleniorem exigit“. 701 Zur Zulässigkeit des constitutum debiti alieni siehe D.13.5.5.2 (Ulp. 27. ad ed.): „. . . nam et quod ego debeo tu constituendo teneberis . . .“. Nach dem uns überlieferten Quellenstand war das constitutum debiti alieni sowohl für die Praxis als auch für die Jurisprudenz von geringerer Bedeutung als das constitutum debiti proprii; so auch Astuti (Promessa di pagamento II, S. 155). Ausführlich zum constitutum debiti einer persona alieni iuris siehe Costa (SDHI 77 (2011), S. 201 ff.). 702 Varvaro (Studi Martini III, S. 829); Marrone (Istituzioni, S. 487). Das constitutum debiti alieni, mit dem eine fremde Schuld durch Konstitut zugesagt wurde, hatte garantierende, bürgschaftsähnliche Funktion; siehe Kaser (Röm. PrivatR. I, S. 584). Das constitutum debiti proprii wirkte dagegen schuldverstärkend. 703 Kaser/Knütel (Röm. PrivatR, S. 280). Gemäß D.2.14.7.4 (Ulp. 4. ad ed.) galt zwar der Grundsatz „nuda pactio obligationem non parit, sed parit exceptionem“, dieses pactum nudum beruhte jedoch auf einer der stipulatio debiti vergleichbaren Grundlage und wurde vom Prätor mit der actio de pecunia constituta klagbar gemacht; vgl. Bähr (Anerkennung, S. 88 f.). Die actio de pecunia constituta ist insofern mit der actio certae creditae pecuniae vergleichbar, als auch sie – im Gegensatz zu den anderen actiones de rebus creditis – nicht beidseitig, sondern nur zugunsten des Gläubigers gewährt wurde; vgl. Ricart Martí (Homenaje Murga Gener, S. 695). Als actio in factum hatte die actio de pecunia constituta gegenüber der actio certae creditae pecuniae den Vorteil, dass das Interesse des Gläubigers an einer pünktlichen Leistung bei der Verurteilung zu „quanti ea res erit“ berücksichtigt werden konnte; vgl. Talamanca (Istituzioni, S. 608). Zudem konnte der Kläger eine „sponsio poenalis dimidiae partis“ (Strafstipulation) fordern und zusätzlich Konstitutszinsen einklagen; vgl. Baldus (Regelhafte Vertragsauslegung II, S. 634). 704 Zum Bestehenbleiben der „obligación base“ siehe Ricart Martí (SCDR 3 (1991), S. 136). Der Gläubiger konnte also weiterhin aus dieser gegen den Schuldner vorgehen; vgl. Marrone (Istituzioni, S. 487). Das Konstitut hatte mithin eine schuldverstärkende Wirkung, deren entscheidendes Element die Festlegung eines bestimmten Leistungstermins im Interesse des Gläubigers war; vgl. Talamanca (Istituzioni, S. 608). 705 Siehe D.13.5.18.1 (Ulp. 27. ad ed.): „. . . si quid tunc debitum fuit cum constitueretur, nunc non sit, nihilo minus teneat constitutum, quia retrorsum se actio refert“. Ricart Martí (SCDR 3 (1991), S. 145) spricht insofern von einer „conexión mínima“, bei welcher die obligatio sortis zwar für die Entstehung des constitutum debiti unerlässlich war, das weitere Schicksal der Verpflichtung aus dem constitutum aber nicht mehr bestimmte. Siehe auch Bruns (ZRG 1 (1861), S. 71 f.) und Frezza (Garanzie I, S. 250).
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Auch wenn der von Terminalis verfasste Brief hier der Form eines constitutum debiti zu genügen scheint706, begründete er nach dem responsum Scaevolas offenbar deshalb keine Haftung des Terminalis, weil die Übernahme einer eigenen Verpflichtung fehlte707. Scaevola ließ „debebo“ also offensichtlich nicht für eine eigene Verpflichtung des Terminalis gelten, sondern legte das Geschriebene („id . . . scripsisset“) als öffentlichen Ausdruck des Vertrauens in die (Redlichkeit der) Bank aus. Dem Brief des Terminalis kam hier somit allenfalls die Funktion eines Beweismittels zu708. Mit den Worten „nec aequitatem conveniendi eum superesse“ könnte der Jurist demnach eine actio de pecunia constituta gegen Terminalis verneint haben709. Denn selbst wenn diese Klage keine bona-fides-Klausel enthielt710, könnte sich die aequitas hier auf den prätorischen Schutz des constitutum beziehen711. So berichtet uns z. B. Ulpian in D.13.5.1 pr. (Ulp. 27. ad ed.): „Hoc edicto praetor favet naturali aequitati: qui constituta ex consensu facta custodit, quoniam grave est fidem712 fallere“. Dieses Vertrauen (fides) durften die Gläubiger nach dem responsum von Scaevola aber gerade nicht in Terminalis selbst (es ist nicht die Rede von „ad fidem propriam“), sondern allein in die (Redlichkeit der) Bank („ad fidem mensae“) haben713.
706 Die Form „debebo“ klingt zumindest nach der Zusage einer eigenen Schuld (constitutum debiti proprii). Zudem wird die genaue Leistungszeit bestimmt. Man könnte darüber spekulieren, ob die Bank aufgrund von Liquiditätsproblemen ihre Rückzahlungspflicht nachträglich verlängern wollte. 707 So auch Mayer-Maly (SZ 119 (2002), S. 13). Platschek (Das Edikt de pecunia constituta, S. 221) betont in diesem Zusammenhang, dass constituta von institores nicht deren Verträge (contractus ipsorum) sind. Nach Frezza (Garanzie I, S. 269) gehörte der Brief zu der Art von constituta, bei denen die erste Obligation nur erwähnt wurde „facendo dipendere ipoteticamente dalla sua esistenza la validità del constituto“. Frezza unterscheidet insofern zwischen dem „atto del riconoscimento del debito“ und dem „atto del costituto di debito“. 708 So auch Astuti (Promessa di pagamento II, S. 239 Fn. 27). 709 Dass sich die aequitas hier auf eine mögliche actio institoria gegen Terminalis bezieht, ist insofern unwahrscheinlich, als die actiones adiecticiae qualitatis – wie bereits ausgeführt – per se weder honorar- noch zivilrechtlicher Natur waren, sondern sich nach der direkten Klage aus dem zugrunde liegenden Geschäft richteten. 710 Vgl. Mantovani (Le formule, S. 68). 711 Ricart Martí (Homenjae Murga Gener, S. 703) spricht in diesem Zusammenhang wiederholt von der Dichotomie zwischen ius civile und ius honorarium: „El constituere pecuniam surge probablemente para proteger débitos creados por estipulación cuya protección tiene la rigidez propria del ius civile, pero con la mediación del ius honorarium“. Dafür, dass es in unserem Fall um die vom Prätor zu wahrende aequitas geht, könnte das „conveniendi“ sprechen, welches hier mit „verklagen“ übersetzt wurde. 712 Vgl. auch D.13.5.25. pr. (Pap. 8. quaest.): „fidem constitutae rei frangere“. 713 So auch Platschek (Das Edikt de pecunia constituta, S. 220).
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g) Das Handeln „ad fidem mensae“ Anders als im Fall der Schifffahrt, wo der Gläubiger sowohl gegen den Reeder (exercitor) als auch gegen den Kapitän (magister navis) vorgehen konnte714, gab es hier nach der Entscheidung Scaevolas selbst im Fall der Bankeninsolvenz keine direkte Möglichkeit, gegen den „ad fidem mensae“ handelnden Terminalis vorzugehen715. Petrucci716 nimmt zu Recht an, dass dieser Lösung von Scaevola gerade kein „criterio generale di irresponsabilità“ des gewaltfreien libertus zugrunde lag, sondern der spezielle Fall aufgrund seiner außergewöhnlichen Situation von Bankeninsolvenz und Tod des erbenlosen Bankiers so entschieden wurde717. Dieses Ergebnis wird in der Literatur unterschiedlich begründet: Einerseits geht man davon aus, dass Scaevola den Terminalis deswegen nicht mehr haften ließ, weil dieser mit dem Fall der Bankeninsolvenz seine Stellung als institor verloren hatte und nicht länger oder strenger als der Bankier selbst, sondern – wie vor allem Wacke718 annimmt – „gleichsam akzessorisch“ bzw. nur „durante officio“ 719 haftete. 714 Vgl. D.14.1.1.17 (Ulp. 28. ad ed.): „Est autem nobis electio, utrum exercitorem an magistrum convenire velimus“; D.14.1.1.24 (Ulp. 28. ad ed.); D.14.1.5.1 (Paul. 29. ad ed.). Nach Miceli (IURA 53 (2002, S. 72 Fn. 39) handelt es sich sehr wahrscheinlich auch in diesen Quellen nicht um ein allgemeines Prinzip, sondern um extrem spezielle Fälle, die alle darauf basieren, dass der exercitor nicht gewaltfrei, sondern gerade alieni iuris war. 715 Petrucci (Studi Martini III, S. 121) spricht hier insofern von einer „soluzione diametralmente opposta a quella vista per il magister navis“. 716 Siehe Petrucci (Studi Martini III, S. 127). 717 Ein Argument für diese Erklärung sieht Petrucci (Studi Martini III, S. 127) in der Anfrage. Denn – so Petrucci – wenn es ein allgemeiner Grundsatz gewesen wäre, dass der institor nicht haftete, hätten sich die Parteien hier sicher nicht an Scaevola gewandt. Zudem seien dann Entscheidungen wie die von Papinian in D.26.7.37.1 (Pap. 11. quaest.), nach welcher der institor mit der actio negotiorum gestorum selbst haftete, oder die von Ulpian in D.14.3.7.1 (Ulp. 28. ad ed.): „et si mulier sit praeposita, tenebitur etiam ipsa“, wonach sogar eine Geschäftsleiterin neben dem Geschäftsherrn haften sollte, nicht zu erklären. Als weitere Erklärung führt Petrucci (Studi Martini III, S. 127) historische Gründe an. Seiner Ansicht nach ist es möglich, dass bis zur zweiten Hälfte des 2. Jh. n. Chr. „un sistema di irresponsabilità“ des institor galt, auch wo dieser frei und sui iuris war. Dieses schlage sich noch in der Entscheidung des Scaevola nieder. Mit Papinian sei man erstmals zu einer alternativen Haftung des institor – parallel zur Haftung des magister navis – vorgedrungen und diese „innovazione“ sei dann definitiv aufgenommen worden, was sich in dem von Ulpian in D.14.3.7.1 (Ulp. 28. ad ed.) entschiedenen Fall niederschlage. 718 Siehe Wacke (SZ 111 (1994), S. 348 f.). Vgl. schon Glück (Pandecten XIV, S. 256 f.). Nach Glück (S. 257 Fn. 59) enthielt die Entscheidung des Scaevola einen „doppelten Entscheidungsgrund“: 1.) Die ausgestellte Versicherung in Briefform war nicht als Interzession für den Principal anzusehen und 2.) hatte die „Gewerbsverwaltung“ mit dem Tod des erbenlosen Herrn und dem Verkauf seiner Güter aufgehört. 719 Siehe auch den Vergleich, den Platschek (Das Edikt de pecunia constituta, S. 219 ff.) zur Haftung des Gemeindebeamten post depositum officium aufstellt.
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Andererseits wird der Grund für die Haftungsfreiheit des institor darin gesehen, dass dieser mit seinem Brief weder eine Obligation im technischen Sinn begründete noch im eigenen wirtschaftlichen Interesse handelte, sondern allein gemäß seinem officium als institor agierte720. Diese Ansicht überzeugt. Denn wenn man in dem Brief des Terminalis ein constitutum debiti erkennen würde, bliebe der Erklärende, wie bereits gesagt, ja gerade auch dann verpflichtet, wenn die Hauptschuld nicht mehr besteht. Nach dem deutlichen responsum des Scaevola hatte die Klägerpartei hier aber vermutlich keine Chance prozessual erfolgreich gegen Terminalis vorzugehen. Wie bereits erwähnt, nennt Scaevola die Klagen, die er hier verneint, nicht namentlich, sondern entscheidet allgemein, dass Terminalis weder nach dem ius noch nach der aequitas hafte. Es stellt sich daher die Frage, welche Klage dem ius und welche der aequitas zugerechnet werden kann. h) Das responsum des Juristen Auf den ersten Blick scheint es, als ginge Scaevola hier in seinem verhältnismäßig weitschweifigen responsum über die eigentliche Anfrage hinaus. Von dem als Lakoniker bekannten Scaevola hätte man vielleicht eher ein knappes „respondit non posse“ erwartet. Seine ausführliche Antwort inklusive Begründung muss hier also einen Grund haben. Schließlich war Scaevola nur gefragt worden, ob Terminalis „ex epistula iure“ in Anspruch genommen werden konnte. Wie aber bereits angedeutet, ist diese Formulierung wohl so zu verstehen, dass der Anfragende nur allgemein wissen wollte, ob er gegen Terminalis „zu Recht“ („iure“) klagen konnte721. Das „iure conveniri . . . possit“ aus der quaestio des Konsulenten wird man daher als umgangssprachliche Anfrage über mögliche Klagen gegen Terminalis verstehen müssen722. Fraglich ist, wie der Jurist demgegenüber die Worte ius und aequitas verwendet. Dazu soll zunächst der Sprachgebrauch bei Scaevola untersucht werden.
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Vgl. Miceli (Sulla struttura, S. 217); Mayer-Maly (SZ 119 (2002), S. 12). Vgl. zum umgangssprachlichen Gebrauch von iure z. B. auch die Anfrage in D.32.37 pr. (Scaev. 18. dig.): „quaesitum est, an iure fundum alii vendere possit“. 722 Sprachlich interessant ist, dass Scaevola das „conveniri“ aus der Anfrage in seinem responsum im Zusammenhang mit der aequitas („aequitatem conveniendi“) wieder aufgreift. Dass der Jurist in seiner Antwort so vage bleibt und die Klagen, die er verneint, nicht beim Namen nennt, könnte eben damit zusammenhängen, dass der Anfragende eine derart allgemeine Rechtsauskunft verlangte und gerade nicht nach speziellen Klagen gefragt hatte. 721
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aa) Zum Sprachgebrauch der Begriffe „ius“ und „aequitas“ bei Scaevola Der Begriff ius kommt im Werk von Scaevola in den unterschiedlichsten Bedeutungen vor. Er kann z. B. in Verbindung mit der Präposition „in“ als „in iure“ 723 die Gerichtsstätte bezeichnen oder als „iure agere“ 724 prozessual verwendet „zu Recht klagen“ bedeuten. Oft meint ius auch „das Recht“ 725 oder bedeutet einfach „zu Recht“ 726. Der Begriff kommt zudem in der Bedeutung „rechtswirksam“ 727 vor. Die aequitas wird im Werk des Scaevola außer in der hier untersuchten Stelle nur noch zwei Mal erwähnt: einmal in D.44.3.14 pr. (Scaev. lib. sing. quaest. pub. tract.)728, wo Scaevola mit den Worten „. . . consistunt enim in sola aequitate“ regelhaft erklärt, dass die „accessiones possessionum“ allein in der Billigkeit bestünden und in D.49.1.28.2 (Scaev. 25. dig.)729, wo gegen ein ungerechtes Urteil eines arbiter Berufung eingelegt wurde. Jedenfalls findet sich im gesamten Werk des Scaevola keine weitere Stelle, in der ius und aequitas – wie hier in D.14.3.20 (Scaev. 5. dig.) – ausdrücklich gegenübergestellt werden. Da sich, wie die Bedeutungsanalyse zeigt, folglich kein einheitlicher Sprachgebrauch der Bergiffe ius und aequitas bei Scaevola nachweisen lässt, kommt es bei der Erschließung der Bedeutung der Begriffe vor allem auf den Kontext des jeweiligen Falles an.
723 Vgl. D.11.1.22 (Scaev. 4. dig.): „respondit ab his, qui in iure non interrogassent, ex responso suo conveniri non posse“. 724 Vgl. D.17.1.60.1 (Scaev. 1. resp.): „. . . respondi nec hoc nomine iure agere posse . . .“. 725 Vgl. D.28.2.29.15 (Scaev. 6. quaest.): „quod nullo iure potuit . . .“; D.37.6.10 (Scaev. 5. quaest.): „. . . sed magis sentio, ut, quemadmodum pro parte hereditatem retinet iure eo, quod bonorum possessionem petere posset“; D.40.11.3 (Scaev. 6. resp.): „. . . respondit: quaeris, an ingenuitatis iure utatur is, quem sanctissimus et nobilissimus imperator natalibus suis restituit“. 726 D.45.1.122.5 (Scaev. 28. dig.): „. . . respondit, si Seia non cessasset ex stipulatione pecuniam offerre, iure usuras non deberi“. In dieser Bedeutung kommt der Begriff – wie bereits erwähnt – auch in der Anfrage unseres Konsulenten vor: „quaesitum est, [. . .] an ex epistula iure conveniri [. . .] possit“. Dass „iure“ hier eine andere Bedeutung hat als in der Antwort des Juristen („nec iure obligatum“), stellt auch Platschek (Das Edikt de pecunia constituta, S. 216) fest. 727 Vgl. D.5.2.13 (Scaev. 3. resp.): „. . . respondi: si hoc quaeratur, an iure eorum [. . .] fidei committere possit, respondi posse“. 728 Siehe zu dieser Stelle § 9 II. und IV. 729 Siehe D.49.1.28.2 (Scaev. 25. dig.): „. . . cum arbiter inique condemnavit, quam rei aequitas exigebat, a sententia eius provocaverunt . . .“. Hier kommt der Begriff aequitas allerdings nur in der narratio vor und spielt insofern für das responsum des Juristen keine Rolle.
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bb) Übertragung auf den konkreten Fall Sprachliche Schwierigkeiten bereitet die Tatsache, dass Scaevola für seine Entscheidung die Worte des Briefes auslegen musste und man den Zusatz „his verbis“ insofern auch (untechnisch) als Synonym für „ex epistula“ verstehen könnte730. Liest man jedoch „nec iure (eum)731 his verbis obligatum732“ zusammen733, scheint hier gerade die obligatio verbis/litteris aufgrund der zitierten Worte verneint worden zu sein. Fraglich ist, ob sich „his verbis“ daneben nicht auch auf die ausgeschlossene aequitas-Haftung beziehen kann, ob man also „nec his verbis aequitatem conveniendi eum superesse“ lesen müsste. Gegen die Überlegung, dass Scaevola mit dem Zusatz „his verbis“ aufgrund eines Formmangels auch ein constitutum debiti verneint haben könnte, spricht jedoch die Aussage des Ulpian in D.13.5.14.3 (Ulp. 27. ad ed.), wonach das Konstitut ausdrücklich „et quibuscumque verbis“ verfasst werden konnte734. Wahrscheinlicher ist demnach, dass Scaevola hier mit dem Zusatz „nec iure his verbis obligatum“ eine Obligation nach ius civile wegen Formmangels verneinte und damit prozessual eine actio ex stipulatu gegen Terminalis versagte. Nach dieser Lesart bezieht sich der abschließende cum-Satz als Begründung also allein auf die Haftung nach der vom Prätor zu wahrenden aequitas: Terminalis war folglich nicht nur wegen des Formfehlers nach ius civile, sondern darüber hinaus auch nach der aequitas nicht haftbar, weil das Schreiben, welches die formalen Voraussetzungen eines constitutum debiti erfüllte, nach Scaevola nicht dahingehend zu verstehen war, dass Terminalis sich in eigener Person verpflich730 Vgl. nochmals D.16.3.26.2 (Paul. 4. resp.): „respondit ex epistula, de qua quaeritur, obligationem quidem nullam natam videri, sed probationem depositarum rerum impleri posse“. 731 Hier wäre als Subjektsakkusativ „eum“ zu ergänzen. 732 Es handelt sich um eine Ellipse: Ergänze „esse“. 733 Dafür spricht schon die auffällige Stellung der „verbis“ zwischen „iure“ und „obligatum“. Hätte Scaevola sich mit „verbis“ aber ganz allgemein auf die ihm vorgelegten „verba“ des Briefes beziehen wollen, hätte er wohl eher den in vielen seiner reponsa belegten Ausdruck „respondit verbis quae proponerentur . . .“ gebraucht; siehe nur D.33.2.33.2 (Scaev. 7. dig.); D.33.4.17 pr. (Scaev. 3. resp.); D.33.7.27.3 (Scaev. 6. dig.); D.34.3.28 pr. (Scaev. 16. dig.); D.34.2.15 (Scaev. 15. dig.) oder D.40.4.59.2 (Scaev. 23. dig.). Zudem hätte es sonst auch einfach „nec iure (eum) his verbis conveniri posse“ heißen können. Die Verbindung der Worte „verbis“ und „obligatum“ scheint vielmehr präzise gewählt, um die Versagung der Haftung „iure“ zu begründen. 734 Vgl. auch D.13.5.26 (Scaev. 1. resp.), wo Scaevola in seiner Bejahung des Konstituts auf die verba des ihm vorliegenden Briefes gerade keinen Bezug nimmt: „respondit secundum ea quae proponerentur actione de constituta pecunia eum teneri“. Ebenso in D.13.5.31 (Scaev. 5. dig.).
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ten wollte. Stattdessen durften die Gläubiger nach dem responsum von Scaevola allein in die (Redlichkeit der) Bank („ad fidem mensae“) vertrauen735. Die Versagung einer actio de pecunia constituta stand hier also in Einklang mit den Prinzipien des formfreien Instituts gemäß der aequitas. Die Verwendung des Begriffes aequitas in Bezug auf die prätorische Gewalt – insbes. in Bezug auf das Edikt – findet sich in den Quellen häufig736. Der Prätor prüfte im Einzelfall, ob das Klägerbegehren – selbst wenn es dem geschriebenen Recht formal entsprach – auch mit der aequitas, der Sachgerechtigkeit im konkreten Fall, vereinbar war und entschied sich gegebenenfalls corrigendi iuris civilis gratia737 für eine denegatio actionis bzw. gewährte dem Beklagten eine exceptio738. Scaevola begründet den Ausschluss der aequitas-Haftung hier damit, dass Terminalis seine Erklärung lediglich als Geschäftsführer abgegeben habe, um das Vertrauen in die (Redlichkeit der) Bank (öffentlich) auszudrücken. Den Umständen nach hätten die Gläubiger also erkennen müssen, dass Terminalis „rem agens Octavii Felicis“ handelte und sich mit seinem Schreiben gerade nicht selbst verpflichten wollte739. cc) Wertungen der Entscheidung Es stellt sich die Frage, welche Wertungen in dieser Entscheidung zum Tragen kommen.
735 Zum Verhältnis von constitutum debiti und fides siehe Costa (SDHI 77 (2011), S. 165 ff.). 736 Insbes. bei Ulpian z. B. in: D.2.2.1 pr. (Ulp. 3. ad ed.): „Hoc edictum summam habet aequitatem . . .“; D.2.10.1 pr. (Ulp. 7. ad ed.): „Aequissimum putavit praetor . . .“; D.2.13.4.1 (Ulp. 4. ad ed.): „Huius edicti ratio aequissima est . . .“; D.2.14.1 pr. (Ulp. 4. ad ed.): „Huius edicti aequitas naturalis est“; D.4.4.1 pr. (Ulp. 11. ad ed.): „Hoc edictum praetor naturalem aequitatem secutus proposuit . . .“; D.9.3.5.2 (Ulp. 23. ad ed.); D.13.5.1 pr. (Ulp. 27. ad ed.); D.27.6.1 pr. (Ulp. 12. ad ed.); D.37.8.1.1 (Ulp. 40. ad ed.) etc. 737 Vgl. den berühmten Ausspruch des Papinian in D.1.1.7.1. (Pap. 2. def.), nach dem das ius praetorium das Recht war, welches die Prätoren im öffentlichen Interesse eingeführt hatten, um das Zivilrecht zu unterstützen, zu ergänzen oder zu verbessern: „Ius praetorium est, quod praetores introduxerunt adiuvandi vel supplendi vel corrigendi iuris civilis gratia propter utilitatem publicam“. 738 Siehe nur Gai. 4.116: „Conparatae sunt autem exceptiones defendendorum reorum gratia, cum quibus agitur. saepe enim accidit, ut quis iure civili teneatur, sed iniquum sit eum iudicio condemnari . . .“. Siehe auch Waldstein/Rainer (Röm. RG, S. 121) und Marrone (Istituzioni, S. 29). 739 Selbst wenn die Gläubiger sich hier auf ein besonderes persönliches Vertrauen in den institor Terminalis berufen hätten – was in Anbetracht der allgemein niedrigen sozialen Stellung der nummularii doch eher unwahrscheinlich ist –, war dieses nach Scaevola hier jedenfalls nicht schutzwürdig.
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Einerseits könnte man an den Schutz des vermutlich mittellosen Terminalis denken, dessen soziale Stellung wohl ähnlich schlecht war wie die der meisten nummularii740. Andererseits könnte man auch annehmen, dass Scaevola die Gläubiger hier deswegen leer ausgehen ließ, weil diese zu nachlässig waren und ihre Forderungen nicht rechtzeitig im Wege des Nachlasskonkurses angemeldet hatten741. dd) Zwischenergebnis Nach der vorgeschlagenen Interpretation und Lesart scheint es durchaus plausibel, dass Scaevola die aequitas hier auf den prätorischen Klageweg bezog und diesem den zivilrechtlichen gegenüber stellte742. Zur Bekräftigung der These, dass der Ausschluss von ius und aequitas im responsum des Scaevola in unserem Fall prozessual zu verstehen ist, lässt sich die Quelle D.13.5.31 (Scaev. 5. dig.) anführen, in der Scaevola mit den Worten „respondit nec civilem eo nomine actionem competere: sed nec de constituta secundum ea quae proponerentur“ 743 eine ähnliche Abgrenzung vornahm. 740 Zur schlechten sozialen Stellung der nummularii in Rom siehe Pringsheim (Ges. Abhandlungen II, S. 115). 741 So entschied Scaevola zumindest in einem ähnlichen Fall in D.42.8.24 (Scaev. lib. sing. quaest. pub. tract.) mit der ausdrücklichen Begründung: „quoniam alii creditores suae neglegentiae expensum ferre debeant“. Hier findet sich auch der berühmte Scaevola-Satz „Ius civile scriptum est vigilantibus“, wonach das Zivilrecht für die Wachsamen geschrieben ist. Siehe zu dieser viel zitierten Aussage Baldus (AcP 210 (2010), S. 2–31). Siehe außerdem das von Scaevola in D.2.15.3 (Scaev. 1. dig.) zitierte Reskript der Kaiser Antoninus Pius und Lucius Verus, wonach die neglegentia eines Erben, welcher es versäumt hatte, sich bezüglich ausstehender Erbschaftsverbindlichkeiten in einem Vergleich mit der Mutter des Erblassers abzusichern, nicht zum Nachteil Dritter geltend gemacht werden sollte: „. . . ,aut si non cavit, non debet neglegentiam suam ad alienam iniuriam referre‘“. Man könnte zudem darüber spekulieren, ob Scaevola die Gläubiger im vorliegenden Fall vielleicht deswegen benachteiligte, weil sich diese keine bessere Position mittels einer stipulatio mit Terminalis verschafft hatten, obwohl sie dies hätten tun können. 742 Ähnlich wird z. B. in Inst.4.6.9 die actio de pecunia constituta der Stipulation und damit dem ius civile gegenüber gestellt: „De pecunia autem constituta cum omnibus agitur, quicumque vel pro se vel pro alio soluturos se constituerint, nulla scilicet stipulatione interposita. nam alioquin si stipulanti promiserint, iure civili tenentur“. Vgl. auch die gestufte Antwort (stipulatio – constitutum debiti) des Marcellus in D.13.5.24 (Marcellus lib. sing. resp.). 743 Ohne im Einzelnen auf den Inhalt der Stelle einzugehen, seien hier einige wichtige Parallelen zu unserem Fall erwähnt: Wie wir aus der Quelle erfahren, war der Erblasser Lucius Titius Onkel von Publius Maevius und Schuldner der Seii. Nach seinem Tod wurde sein Neffe von den Seii überzeugt („persuaserunt“), das Erbe des Onkels anzutreten und schriftlich zu erklären als Rechtsnachfolger ihr neuer Schuldner zu sein. Es handelt sich offenbar um ein briefliches „Schuldanerkenntnis“, welches hier mit „confiteri“ ausgedrückt wird: „exponat debitorem sese esse [. . .] confitentem“. Nach Heumann/Seckel (Handlexikon, S. 91) kann „confessio“ u. a. das Anerkenntnis, das
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Im Folgenden ist zu untersuchen, ob – und wenn ja welche – Systemgesichtspunkte hinter dieser Gegenüberstellung von ius und aequitas gestanden haben könnten. i) Systembildung durch „nec . . . nec . . . superesse“? Mit seiner Antwort, dass Terminalis „nec iure his verbis obligatum nec aequitatem conveniendi eum superesse“, rief Scaevola ius und aequitas als Rechtsquellen für mögliche Klagen gegen Terminalis auf den Plan. Indem Scaevola ius und aequitas in seinem responsum durch das korrespondierende „nec . . . nec“ miteinander verbindet744, lässt er erkennen, dass er die aequitas-Haftung neben der zivilrechtlichen grundsätzlich voraussetzt und anerkennt. Nach Schulz745, welcher insoweit von einer „doppelte(n) Privatrechtsordnung“ sprach, zerfiel das ius civile in das ius praetorium und das ius civile im engeren Sinne. Nach Ansicht von Kaser746, welcher statt von (selbständig entstehenden) schriftliche Bekenntnis der Schuld bedeuten. Nun stellte sich heraus, dass Publius Maevius aus der Erbschaft des Onkels nichts bekam („ad Publium Maevium ex hereditate Lucii Titii nihil pervenerit“). Offenbar wandte sich der Rechtsratsuchende Publius Maevius vorliegend an Scaevola und wollte wissen, ob die vielleicht inzwischen von den Gläubigern erhobene Klage gegen ihn Erfolg haben würde. Der Neffe wollte – wie uns in der quaestio überliefert wird – ausdrücklich wissen, ob er aus dem Brief verklagt werden konnte („an ex scriptura proposita de constituta pecunia conveniri possit“) und ob er sich, im Fall, dass die Klage gegen ihn gegeben sei, mit der Einrede der Arglist verteidigen konnte („et an doli exceptione uti possit“). Scaevola gab darauf zur Antwort, dass der Anfragende weder nach Zivilrecht noch aus der Erfüllungszusage hafte: „respondit nec civilem eo nomine actionem competere: sed nec de constituta“. Auch hier geht der Jurist, der nach der Haftung aus einer Erfüllungszusage bzw. einer möglichen exceptio gefragt worden war, in seiner doppelten Abgrenzung mit „nec . . . nec“ über die eigentliche Anfrage hinaus und grenzt die zivilrechtliche Klage von der prätorischen actio de pecunia constituta ab. Wie in unserer Quelle wird auch hier zunächst die Haftung nach ius civile und dann die Haftung nach ius praetorium verneint. 744 Eine ähnliche Gegenüberstellung von ius und aequitas findet sich z. B. auch bei Ulpian in D.2.14.52.3 (Ulp. 1. opinionum), wo es heißt „rescriptum est neque iure ullo neque aequitate tale desiderium admitti“. Hier bezieht sich der Infinitiv „admitti“ auf beide Klagemöglichkeiten. Das verstärkende „ullo“ deutet darauf hin, dass es sich um eine absolute Entscheidung handelt. Zu den Zweifeln an der Authenzität der Opiniones des Ulpian siehe Mayer-Maly (SZ 119 (2002), S. 9 f.). Nach Schulz (Geschichte, S. 86) gehört das Gegenpaar „ius und aequitas“ dagegen zu den von den Römern aus der griechischen Rechtsphilosophie importierten Topoi. Die aequitas in der Funktion als eine das ius korrigierende Billigkeit sei den römischen Juristen fremd gewesen: „Wenn endlich die Juristen in ihrem responsum sagen aequum est, so heißt auch das nur: das ist das ius, eine andere Entscheidung wäre non ius“, so Schulz (Geschichte, S. 91). Dass diese Ansicht in ihrer Radikalität zumindest für die Hochklassik nicht zutrifft, belegt gerade die hier vorgestellte Quelle. Zur Verbindung zwischen aequitas und interpretatio prudentium siehe Vacca (La giurisprudenza, S. 54 ff.). 745 Schulz (Prinzipien, S. 99). 746 Kaser (Röm. Rechtsquellen, S. 88).
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„Rechtsordnungen“ diesbezüglich lieber von „Rechtsschichten“ 747 (mit möglichen Durchdringungen) sprach, hatte weder das ius civile noch das ius honorarium ein „System“ im juristischen Sinne. Das ius civile sei im Gegensatz zum fragmentarischen ius honorarium aber auf eine in sich geschlossene Ordnung angelegt gewesen. Da Terminalis im konkreten Fall weder nach dem Zivilrecht (ius) noch nach dem Honorarrecht (aequitas) haften sollte, harmonisierte der Jurist die beiden Rechtsschichten ius civile und ius honorarium hinsichtlich des Ergebnisses in prozessualer Hinsicht. Wie Mayer-Maly748 feststellt, unterstrichen die römischen Juristen des 2. Jh. n. Chr. noch überwiegend die Gegensätze zwischen ius und aequitas. Inbesondere in den Institutionen des Gaius war die Konfrontation von ius und (praetorischer) aequitas ein beliebtes Thema749. Erst mit Beginn des 3. Jh. n. Chr. – insbesondere mit Paulus – sei dagegen eine Tendenz erkennbar, ius und aequitas als konvergent darzustellen750. Diese Tendenz sieht Mayer-Maly751 in Zusammenhang mit den „parallel zur constitutio Antoniniana einsetzenden Bemühungen, das römische Recht der Gesamtheit der Reichsbewohner schmackhafter zu machen“. Nach Ansicht des Autors752 fällt auch die hier zu untersuchende Entscheidung von Scaevola schon in die Zeit dieser Harmonisierungstendenz. Die aequitas stand nach der Entscheidung des Scaevola also nicht außerhalb des ius753, sondern wurde vielmehr als dessen Korrektiv754 und inhaltliche Ausformung herangezogen. Im Hinblick auf die Frage nach innerer Systembildung stellt sich insbesondere die Frage, ob der Jurist hier eine Abstufung in der Haftung nach dem ius und der nach der aequitas vornahm. Denn wie bereits gesagt, diente das argumentum per duplicem exceptionem in seiner Negation nicht nur der Konjunktion, sondern gerade auch der Abgrenzung der verneinten Institute.
747
Kaser (Röm. Rechtsquellen, S. 90). Siehe Mayer-Maly (SZ 119 (2002), S. 6). 749 Siehe z. B. Gai. 3.25; Gai. 3.41. 750 Siehe z. B. D.50.17.90 (Paul. 15. quaest.): „In omnibus quidem, maxime tamen in iure aequitas spectanda est“. Nach Mayer-Maly (SZ 119 (2002), S. 13) beruht diese Aussage auf der „Konvergenzkonzeption der Severerzeit“. 751 Siehe Mayer-Maly (SZ 119 (2002), S. 16). 752 Siehe erneut Mayer-Maly (SZ 119 (2002), S. 11, S. 14). 753 Nach Riccobono (BIDR 53/54 (1948), S. 32) bedeutet diese Verbindung der beiden Termini „la perfetta compenetrazione dei due ordini della humana societas, quello legale e insieme quello etico . . .“. 754 Nach Nörr (Rechtskritik, S. 119) tritt die aequitas in unserem Fall als „potentielle Korrektur“ des ius civile in Erscheinung. 748
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Schon dadurch, dass Scaevola – wie in vielen Quellen üblich755 – zuerst das ius und anschließend die aequitas nannte, könnte man an ein Rangverhältnis denken, bei dem die aequitas möglicherweise nur subsidiär zum Tragen kam. Dieser Eindruck wird zudem durch den hier verwendeten Infinitiv „superesse“ („nec aequitatem conveniendi eum superesse“) verstärkt. Anders als die Übersetzung von Otto/Schilling/Sintenis, in der „superesse“ schlicht mit „übrig bleiben“ wiedergegeben wird756, kommt in der hier vorgeschlagenen Übersetzung mit „darüber hinaus bestehen“ das Rangverhältnis zwischen ius und aequitas deutlich zum Ausdruck. Die von Scaevola geprüfte aequitas-Haftung ging also über die zivilrechtliche Haftung nach dem ius strictum hinaus – auch wenn sie in der vorliegenden Entscheidung letztendlich nicht zum Tragen kommt757. Ein ähnliches Rangverhältnis zwischen dem zivilrechtlichen und dem prätorischen Klageweg deutet sich auch in der bereits besprochenen Entscheidung D.13.5.31 (Scaev. 5. dig.) an, wo Scaevola die beiden Klagen mit einem adversativen „sed“ verbindet: „respondit nec civilem eo nomine actionem competere: sed nec de constituta secundum ea quae proponerentur“.
Dadurch, dass nach diesen Worten „aber auch nicht die actio de pecunia constituta“ gegeben sein soll, hebt Scaevola in der Negation die prätorische Klagemöglichkeit als Steigerung der zuvor genannten zivilrechtlichen hervor758. j) Ergebnis zu D.14.3.20 Die Bedeutungsanalyse hat gezeigt, dass Scaevola die Begriffe ius und aequitas in seinem Werk in den verschiedensten Bedeutungen verwendet und sich – bis auf die hier untersuchte Stelle – keine weitere ausdrückliche Gegenüberstellung der beiden Begriffe finden lässt. 755 Siehe z. B. die bereits zitierte Entscheidung des Ulpian in D.2.14.52.3 (Ulp. 1. opinionum), wo es heißt „rescriptum est neque iure ullo neque aequitate tale desiderium admitti“ oder D.13.5.31 (Scaev. 5. dig.), wo ebenfalls das ius civile zuerst genannt wird, sowie die Unterscheidung von Paulus in D.14.1.5.1 (Paul. 29. ad ed.): „. . . experiar actione, quae mihi vel iure civili vel honorario competit“. 756 Siehe Otto/Schilling/Sintenis (Corpus Iuris Civilis III, S. 159). Auch in der italienischen Übersetzung von Schipani (Iustiniani Augusti digesta II, S. 152) kommt das Rangverhältnis nicht zum Ausdruck: „non è né obbligato in base al diritto né è conforme al equità convenirlo in giudizio“. Nach Platschek (Das Edikt de pecunia constituta, S. 221) ist „superesse“ hier zeitlich zu verstehen: In Verbindung mit dem Hinweis auf das institoris officium und den Tod des erbenlosen Bankiers sei kein Gerechtigkeitsbedürfnis mehr übrig, Terminalis in Anspruch zu nehmen. 757 Wacke (SZ 111 (1994), S. 348) betont, dass Scaevola hier (diplomatisch) entscheide, dass die Billigkeit eine Haftung nicht nur nicht gebiete, sondern sogar verbiete. 758 Zu Scaevolas Zeit war die Kluft zwischen ius civile und ius honorarium folglich noch nicht ganz überwunden. Siehe auch die Untersuchung von Baldus (in Harke, Facetten der röm. ErbR, S. 27 ff.).
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Gemäß der vorgestellten Interpretation sind die Begriffe ius und aequitas hier prozessual zu verstehen: Nach der Entscheidung des Scaevola sollte Terminalis weder (mit der actio ex stipulatu) nach dem ius noch (mit der actio de pecunia constituta) nach der aequitas haften. Dieses responsum erging sehr wahrscheinlich in einem konkret eingetreten Einzelfall, für den Scaevola sein Rechtsgutachten abgeben sollte. Wie bereits gesagt, ist die hier geschilderte Fallkonstellation keinesfalls alltäglich, sondern eher außergewöhnlich. Eine Generalisierung über den konkreten Fall hinaus ist insofern nicht möglich759. Die Systemaussage des Juristen besteht im vorliegenden Fall in der verneinenden Abgrenzung der beiden Klagewege und der impliziten Charakterisierung der aequitas-Haftung als einer subsidiär zum Tragen kommenden, über das ius strictum hinausgehenden („superesse“) Haftung. 2. D.5.2.20 (Scaev. 2. quaest.) „Qui de inofficioso vult dicere, licet negetur filius, Carbonianam bonorum possessionem non debet accipere (totiens enim ea indulgenda est, quotiens, si vere filius esset, heres esset aut bonorum possessor, ut interim et possideat et alatur et actionibus praeiudicium non patiatur: qui vero de inofficioso dicit, nec actiones movere debet nec aliam ullam quam hereditatis petitionem exercere760 nec ali), ne umquam melioris sit condicionis, quam si confitetur adversarius.“ „Wer wegen pflichtwidrigen Testaments klagen will, darf, mag auch seine Stellung als Sohn verneint werden, den carbonianischen Nachlassbesitz nicht erhalten. Denn dieser darf (nur) in den Fällen (vom Prätor) gewährt761 werden, in welchen er, falls er wirklich Sohn wäre, Erbe oder Nachlassbesitzer wäre, so dass er in der Zwischenzeit (bis zur Mündigkeit) sowohl (die Erbschaft) besitzt als auch Unterhalt bezieht als auch durch Klagen kein ,praeiudicium‘ zu seinen Lasten ergeht. Wer aber wegen pflichtwidrigen Testaments klagt, darf weder Klagen anstrengen noch sonst irgendeine andere Klage als die Erbschaftsklage ausüben noch Unterhalt beziehen, damit er zu keinem Zeitpunkt besser gestellt ist, als wenn der Gegner (ihn als Sohn) anerkennt.“
a) Einordnung und Aufbau der Quelle Die Quelle entstammt dem zweiten Buch der Quaestiones von Scaevola762. Nach palingenetischer Rekonstruktion gehört sie als einzige aus diesem Buch 759
So auch Wieacker (SZ 94 (1977), S. 30 Fn. 107). ,nec aliam ullam quam hereditatis petitionem exercere‘ glossa (Ker). 761 Das Verb indulgere bezieht sich hier auf die prätorische indulgentia, – vgl. D.38.8.1 pr. (Ulp. 46. ad ed.) – mit welcher der Prätor den Nachlassbesitz aus Nachsicht mit dem Unmündigen erteilte. 762 Nach Masiello (Le Quaestiones, S. 179 f.) ging es im zweiten Buch der Quaestiones von Scaevola um die wichtigsten Klagen. Die Zugehörigkeit der Quelle zu diesem Buch lasse erkennen, dass die ratio der Entscheidung des Scaevola ausschließlich 760
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zum Ediktstitel „De inofficioso testamento“, „Das pflichtwidrige Testament“. Auch in den Digesten von Justinian wird sie unter diesem Titel überliefert763. Der Aufbau der Quelle ist etwas verworren764. Gleich im ersten Satz wird in wenigen Worten die negative Entscheidung referiert, dass ein enterbter Unmündiger, welcher mit der querela inofficiosi testamenti765 klagt, den carbonianischen Nachlassbesitz nicht bekommen kann. Dies klingt, als würde zu Beginn eine Rechtsregel zitiert766 und im Folgenden ausgelegt. Diese Rechtsregel könnte in D.37. 10.7.2 (Iul. 24. dig.) enthalten sein. Dort sagt Julian, es sei unnötig, einen Erbschaftsstreit bis zur Mündigkeit zu verschieben, wenn ein enterbter Unmündiger (mit der q.i.t.) klage, weil dann nicht nach dem Recht des Sohnes selbst, sondern nach dem des Testaments gefragt sei767. An dieses Zitat schließt sich (nach der Edition von Mommsen/Krüger) eine lange Parenthese an, welche im Wesentlichen den Gegensatz zwischen dem übergangenen und dem enterbten Sohn betrifft. Wie bereits festgestellt768, beginnen viele Quellen aus den Quaestiones des Scaevola mit einer zitierten Literaturmeinung oder Rechtsvorschrift, welche der Lehrer anschließend (wahrscheinlich im Unterricht mit seinen Schülern) auslegt. Hierbei greift Scaevola nicht selten auf Entscheidungen von Julian zurück769. Wahrscheinlich handelt es sich vorliegend – wie in den Quaestiones des Scaevola üblich – um einen Schulfall auf fortgeschrittenem Niveau770. Denn der komplizierte Fall kombiniert Probleme der q.i.t. mit dem Recht des edictum Carbonianum. prozessualer Natur sei. So stelle der Jurist in seiner Antwort allein darauf ab, dass der Kläger sich nicht in einer besseren prozessualen Position befinden dürfe, als wenn der Gegner (ihn als Sohn) anerkennen würde. 763 Und nicht etwa in Buch 37 unter dem 10. Titel „De Carboniano Edicto“, „Das Carbonianische Edikt“. Schwerpunkt des Falles ist also – auch nach justinianischer Zuordnung – die „querela inofficiosi testamenti“. 764 Nach Voci (Dir. ered. II, S. 738) auch der Inhalt: „Sul testo è da osservare che dice troppe cose in poche parole, accennando più che svolgendo, e riuscendo, in tal modo, oscuro e impreciso“. 765 Im Folgenden: q.i.t. 766 Dafür spricht, dass der Ausgangsfall später fast wörtlich wiederholt wird: „Qui de inofficoso vult dicere . . .“ und „qui vero de inofficioso dicit . . .“. 767 „Cum vero proponitur exheredatus esse, non est necessarium controversiam in tempus pubertatis differri, quia non de ipsius filii, sed de testamenti iure quaeritur“. 768 Siehe § 3 IV. 2. b). 769 Siehe nur D.28.2.29.15–16 (Scaev. 6. quaest.): „. . . Iuliano tamen videretur duobus quasi capitibus legis commixtis in hoc quoque inducere legem, ne rumpantur testamenta. (16) Quaeremus tamen, cum recepta est Iuliani sententia, an, . . .“; D.45.1.131 (Scaev. 13. quaest.): „Iulianus scripsit“; D.40.9.6 (Scaev. 16. quaest.): „Iulianus de eo loquitur“. 770 Für einen Schuldiskurs spricht auch die regelhaft anmutende Wendung „totiens . . . quotiens“, mit welcher der Lehrer hier wahrscheinlich die Grundsätze des Eingreifens des edictum Carbonianum wiederholt.
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2. Kap.: Exegesen
b) Das Rechtsproblem Wie wir aus dem Text erfahren, wollte hier jemand, dessen Stellung als Sohn bestritten wurde, mit der q.i.t. klagen: „Qui de inofficioso vult dicere, licet771 negetur filius . . .“ 772. Mit der q.i.t., der Klage wegen pflichtwidrigen Testaments, konnte ein Testament, in dem der Erblasser einen seiner nächsten Verwandten contra officium pietatis nicht hinreichend bedacht hatte, angefochten werden773. Der Klagende war wahrscheinlich vom Testator enterbt worden774. Es stellte sich nun die Frage, ob das carbonianische Edikt, welches eigentlich für Fälle geschaffen war, in denen ein Vater einen unmündigen Prätendenten nicht als Sohn anerkannte und folglich in seinem Testament einfach überging, auf diesen Fall angewendet werden konnte. Mit der sog. bonorum possessio Carboniana – einem „Annex“ zur bonorum possessio contra tabulas 775 – räumte der Prätor dem Unmündigen, dessen Stellung als Sohn bestritten wurde, prinzipiell bis zum Zeitpunkt der Streitentscheidung – welche „in tempus pubertatis“ vertagt wurde776 – den carbonianischen Nachlassbesitz ein777. Wie wir bei Scaevola erfahren, hatte der Unmündige dadurch die Vorteile, dass er in der Zwischenzeit („interim“ 778) sowohl Nachlassbesitzer war als auch Unterhalt aus dem Erbschaftsvermögen beziehen konnte und durch Klagen779 kein
771 Die konzessive Wendung erklärt sich damit, dass derjenige, dessen status als Sohn bestritten wurde, eigentlich als schutzwürdig galt und deshalb grundsätzlich unter das edictum Carbonianum fiel. 772 Dass dieser unmündig war, ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus dem Text selbst, wird aber vom edictum Carbonianum vorausgesetzt. 773 Siehe Kaser/Knütel (Röm. PrivatR, S. 397 f.). 774 Dies sagt der Text zwar nicht explizit, es ergibt sich aber aus der Tatsache, dass Hauserben (sui heredes) in Rom immer entweder ausdrücklich eingesetzt oder enterbt werden mussten; vgl. Inst.2.13 pr.: „Sed qui filium in potestate habet, curare debet, ut eum heredem instituat vel exheredem nominatim faciat . . .“. 775 Stiegler (Statusstreit, S. 17). 776 Denn die Begünstigung (favor liberorum) des edictum Carbonianum lag darin, dass der impubes seine Rechte später selbst schützen sollte. 777 Siehe Stiegler (Statusstreit, S. 18); Marrone (Istituzioni, S. 605 Fn. 117). Zum edictum Carbonianum siehe auch Quadrato (BIDR 77 (1974), S. 61 ff.). 778 Wie Stiegler (Statusstreit, S. 160 Fn. 12) zu Recht kritisiert, interpretierte Niedermeyer (SZ 50 (1930), S. 125) das Adverb „interim“ falsch, als er es mit der „Wirkung des ed. Carb. nur während der Prozeßdauer über die Querel“ wiedergab. Es ginge eben gerade um eine Übergangsregelung „in tempus pubertatis“, also für die Zeit bis zum Eintritt der Mündigkeit, auf die der Streit vertagt werde. 779 Dass es sich um Klagen gegen den übergangenen Unmündigen handeln musste, nimmt Voci (Dir. ered. II, S. 738) an. Die Gegenüberstellung mit der Aktivlegitimation des enterbten Unmündigen im Folgesatz sei insofern nicht exakt. Siehe dagegen die Übersetzung von D’Ors (El digesto I, S. 258): „. . . y no se prejuzguen sus acciones“.
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„praeiudicium“ 780 erlitt, weil die Streitentscheidung über seinen status eben vertagt wurde: „ut interim et possideat et alatur et actionibus praeiudicium non patiatur“. Verlangt wurde jedoch, dass der Unmündige seinen Nachlassbesitz selbst anforderte, was ein Enterbter gerade nicht konnte781. Um wiederum mit der q.i.t. wegen pflichtwidrigen Testaments gegen den Testamentserben klagen zu können, musste der Kläger zu den zur zivilen oder prätorischen Intestaterbfolge berufenen liberi des Erblassers gehören782. Der enterbte Kläger war sozusagen in einer „Pattsituation“ 783. Scaevola führt deshalb aus, dass dem Enterbten im Gegensatz zum Übergangenen kein carbonianischer Nachlassbesitz zustehen könne und der Enterbte „nec actiones movere debet nec aliam ullam quam hereditatis petitionem exercere nec ali“, um nicht besser zu stehen, als wenn der Gegner784 ihn als Sohn anerkennen würde. Denn der Enterbte war ja – im Gegensatz zum Übergangenen – selbst dann, wenn er unstreitig Sohn des Erblassers war, weder Erbe noch bonorum possessor785. Da das Bestreiten seiner Stellung als Kind einem enterbten Unmündigen folglich für die Zeit bis zum Eintritt der Mündigkeit ungebührliche Vergünstigungen aus dem carbonianischen Edikt verschafft hätte, sollte dieser allein mit der Erbschaftsklage vorgehen dürfen: „nec aliam ullam quam hereditatis petitionem exercere“ 786. 780 Also bis zur Vertagung der Streitentscheidung keine Vorentscheidung über die Feststellung seiner Kindeseigenschaft, welche bei negativem Ergebnis nachteilig für den Unmündigen gewesen wäre. 781 Vgl. Voci (Dir. ered. II, S. 737). 782 Siehe Kaser/Knütel (Röm. PrivatR, S. 398). Der Grund, warum der Kläger die Qualifikation eines annehmenden Erben haben musste, war, dass die q.i.t. die Aufhebung des Testaments nach sich zog und man ein derart schwerwiegendes Resultat nicht zulassen konnte ohne die Sicherheit, dass derjenige, welcher die Klage anstrengte, nicht als Erbe an die Stelle des eingesetzten Erben trat, so Voci (Dir. ered. II, S. 704). 783 Vgl. Stiegler (Statusstreit, S. 160), welcher die Situation auch als „paradox“ bezeichnet. 784 Mit „adversarius“ ist hier wohl der Prozessgegner des Unmündigen – wahrscheinlich der Erbe –, nicht aber der Testator gemeint. Denn allein die Leugnung der Kindeseigenschaft durch den Erblasser konnte nach Stiegler (Statusstreit, S. 63) den Tatbestand der „controversia, an inter liberos sit“, noch nicht begründen. 785 Vgl. auch D.37.10.1.8 (Ulp. 41. ad ed.). Aus den Worten „heres esset aut bonorum possessor“ ergibt sich nach Stiegler (Statusstreit, S. 110), dass der heres, um die bonorum possessio Carboniana zu erwirken, nicht zugleich bonorum possessor sein musste. Aufgrund dieser zweifachen Aufgabe des edictum Carbonianum, sowohl den Erben als auch den Nachlassbesitzer zu schützen, spricht Stiegler von einer „Ambivalenz“ des Edikts. 786 Dahinter stand die bereits erwähnte Entscheidung von Julian in D.37.10.7.2 (Iul. 24. dig.), wonach es sich im Fall der q.i.t. nicht um einen Streit über das Recht des enterbten Sohnes selbst, sondern über das Testament handelte. Die q.i.t. und die actio here-
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c) Systembildung durch „nec . . . nec“? Fraglich ist, ob Scaevola hier mit der korrespondierenden Negation – insbesondere in der doppelten Verneinung einerseits der actiones allgemein („nec actiones movere debet“), andererseits der hereditatis petitio im Speziellen („nec aliam ullam quam hereditatis petitionem exercere“) – systembildend argumentiert787. Eine (fragwürdige788) Systemaussage trifft zumindest die Übersetzung von Behrends/Knütel/Kupisch/Seiler789, welche den Passus wiedergibt mit „darf weder schuldrechtliche Klagen anstrengen noch irgendeine andere dingliche Klage als die Erbschaftsklage erheben“. Zunächst legt schon die Struktur der Quelle nahe, dass die drei Negationen mit den drei Konjunktionen aus dem vorhergehenden Satz in Bezug stehen und insofern der Hervorhebung des Gegensatzes zwischen der Situation eines übergangenen und der eines enterbten Unmündigen dienen: „et possideat et alatur et actionibus praeiudicium non patiatur“ „nec actiones movere debet nec aliam ullam quam hereditatis petitionem exercere nec ali“
Die adversative Gegenüberstellung der beiden Situationen wird durch das „qui vero“ unterstrichen, korrespondiert bis auf die Frage des Unterhalts („et alatur“ – „nec ali“) aber offensichtlich nicht in allen Punkten790. So fehlt z. B. eine Ent-
ditatis waren zwar miteinander verbunden, nach klassischem Recht handelte es sich aber um zwei verschiedene Klagen: Man könnte sagen, dass die q.i.t. die hereditatis petitio vorbereitete, weil der heres necessarius, wenn einmal sein Recht anerkannt war, dieses in der Praxis umsetzen musste, indem er die Erbschaftsgüter von demjenigen herausverlangte, der sie besaß; siehe Voci (Dir. ered. II, S. 705), welcher diverse Argumente für den Unterschied der beiden Klagen anführt. 787 Der entscheidende Passus wurde vielfach für interpoliert gehalten. So nahm z. B. Niedermeyer (SZ 50 (1930), S. 125) an, dass die ganze Parenthese von „totiens“ bis „nec ali“ von einem Scholiast bearbeitet wurde. Stiegler (Statusstreit, S. 159) vermutet dagegen, dass nur der Passus von „qui vero“ bis „ali“ „vom Rande“ stammt. 788 Vgl. dagegen etwa die italienische Übersetzung von Schipani (Iustiniani Augusti digesta II, S. 37): „. . . invero, però, colui che intenta l’azione di testamento inofficioso non deve promuovere azioni né esercitare alcuna altra azione che la petizione di eredità, e nemmeno deve trarre gli alimenti“. Auch in der Übersetzung von Otto/Schilling/Sintenis (Corpus Iuris Civilis I, S. 592) sowie in der spanischen Übersetzung von D’Ors (El digesto I, S. 258) wird keine Unterscheidung nach schuldrechtlichen und dinglichen Klagen getroffen: „. . . pero el que acusa de inoficioso testamento no debe promover acciones ni ejercitar otra petición que la de la herencia, ni ser alimentado con cargo de ella“. 789 Siehe Behrends/Knütel/Kupisch/Seiler (Corpus Iuris Civilis II, S. 504). 790 In der Positivaussage stehen der Besitz und der Unterhalt wohl sinngemäß zusammen („et possideat et alatur“). In der sich anschließenden Negativaussage werden dagegen die beiden „actiones“ („nec actiones movere debet nec aliam ullam quam hereditatis petitionem exercere“) zusammengezogen und vor den Unterhalt gestellt.
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sprechung zu „possideat“ 791 – das Schweigen deutet wohl an, dass dem enterbten Unmündigen hier gerade kein Nachlassbesitz gewährt wurde. Was das Verbot zu klagen bzw. die Unmöglichkeit, andere Klagen als die hereditatis petitio zu erheben, betrifft, scheint dies der prozessualen Situation des übergangenen Unmündigen gegenübergestellt zu werden, welcher als provisorischer bonorum possessor ex edicto Carboniano nach Scaevola gerade klagen und verklagt werden konnte, ohne dass ein praeiudicium über seinen status gefällt wurde792. Der oben dargelegte Parallelismus in der Satzstruktur macht jedenfalls deutlich, dass man die ersten beiden Verneinungen mit „nec“ für die Systemfrage hier nicht isoliert betrachten darf, sondern sie vielmehr zusammen mit „nec ali“ lesen muss. Dann wird aber klar, dass es sich bei dieser dreifachen Negation lediglich um eine korrespondierende Aufzählung von Ausschlüssen handelt. Das zweite „nec“ („nec aliam ullam quam hereditatis petitionem exercere [debet]“) dient dabei der Spezifizierung des ersten („nec actiones movere debet“) und verstärkt dieses durch den Zusatz „aliam ullam“. Insbesondere das Adjektiv „aliam“ (ergänze „actionem“) verweist hier auf die Verwandtschaft der beiden exceptiones. Denn die hereditatis petitio stellt ja gerade eine Unterform der zuvor allgemein angeführten „actiones“ dar. Insofern wird hier keine Rangfolge zwischen den beiden genannten exceptiones gebildet, sondern findet vielmehr eine Präzisierung der ersteren durch die letztere statt. Scaevola sagt hier folglich mit größter Deutlichkeit, dass dem enterbten Unmündigen allgemein keine Klage – und im Speziellen keine andere als die hereditatis petitio – zustehen soll. d) Ergebnis zu D.5.2.20 Im Ergebnis handelt es sich bei der vorliegenden Konjunktion von Negationen nicht um eine dogmatische Klagenabgrenzung, sondern um die praktische Aufzählung mehrerer Ausschlüsse aus prozessualer Sicht793. Die doppelte exceptio dient hier nicht zur Abgrenzung, sondern zur Verstärkung der Negation der Klagemöglichkeit: Es gab gar keine Klagemöglichkeit für den enterbten Unmündigen außer der hereditatis petitio. Man könnte darüber spekulieren, ob der Lehrer Scaevola diese Gegenüberstellung mit seinen Schülern
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So auch Stiegler (Statusstreit, S. 159 Fn. 5). So Voci (Dir. ered. II, S. 738), nach dessen Ansicht die ganze Parenthese, welche nicht frei von Ungenauigkeiten sei, den Gegensatz von enterbtem und übergangenem Sohn enthält. 793 Nach Voci (Dir. ered. II, S. 738) hätte Scaevola auch die Gründe für die Versagung der Ausdehnung des Edikts nennen sollen und sich nicht nur auf eine „enumerazione di ciò che a lui (also dem klagenden Unmündigen) è vietato“ beschränken dürfen. 792
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schematisch aufbaute und ihr insofern überwiegend didaktischen Wert beimessen794.
IV. Zusammenfassung der Exegesen In der Rangfolgenbildung von ius und aequitas lässt die Quelle D.14.3.20 (Scaev. 5. dig.) – vergleichbar mit der Klagenabgrenzung in D.13.5.31 (Scaev. 5. dig.) – insofern Ansätze zu innerer Systembildung erkennen, als sie die aequitasHaftung als eine über die zivilrechtliche Haftung hinausgehende („superesse“) Haftung hervorhebt. Bei der Quelle D.5.2.20 (Scaev. 2. quaest.) handelt es sich sehr wahrscheinlich um einen Schuldiskurs, innerhalb dessen das dreifache „nec“ nicht einer dogmatischen Klagenabgrenzung, sondern der korrespondierenden Aufzählung von Ausschlüssen dient. In ihrer Offenheit und aufgrund der Rückkoppelung an das Beispielhafte konkreter Fälle ist die Aufzählung geradezu typisch für den fallrechtlichen Charakter des römischen Rechts795. Im Unterricht war sie offenbar ein beliebtes Mittel zum Schematisieren und Repetieren – eine über didaktische Zwecke hinausgehende juristische Systembildung ist in der Quaestionenstelle jedoch nicht erkennbar.
794 Masiello (Le Quaestiones, S. 180) geht in seiner Interpretation sogar so weit anzunehmen, dass der Lehrer Scaevola seine Schüler hier eine besondere Prozesstaktik lehren wollte: „Se quest’ultimo (un ipotetico avversario) avanza una richiesta incidentale nell’ambito di una querela inofficiosi testamenti, l’allievo deve essere pronto a contrastare sul piano processuale la richiesta, senza percorrere la strada della configurazione dogmatica dell’istituto, una strada irta di difficoltà e di pericoli, posto che l’assoluta discrezionalità di chi giudicava su una querela, avrebbe ben potuto indurre un giudice poco attento e preparato a concedere al querelante il possesso dei beni“. 795 Siehe nur die in § 6 III. 1. besprochene Quelle D.18.6.11 (In libro septimo dig. Iuliani Scaevola notat).
§ 5 Systembildung nach der Art Im Folgenden soll der Ausdruck huiusmodi/eiusmodi scriptura im Werk von Scaevola auf einen möglichen Systemcharakter untersucht werden.
I. Das argumentum ad modum Die in den Quellen häufig vorkommenden Genitivattribute huiusmodi und eiusmodi setzten sich aus den Personalpronomina „hic“ bzw. „is“ und dem Substantiv modus zusammen und bedeuten so viel wie „von der Art, derartig“ 796. Die Genitivattribute charakterisieren verschiedene nomina als solche von einer bestimmten Art und Weise (modus)797. Juristisch besonders interessant ist die Wendung huiusmodi scriptura, welche in den Digesten des Kaisers Justinian insgesamt viermal vorkommt: In D.16. 3.26.2 (Paul. 4. resp.)798, in D.31.34.1 (Mod. 10. resp.)799, in der hier zu untersuchenden Stelle D.33.7.27 (Scaev. 6. dig.) und in D.37.14.12 (Mod. 1. resp.)800. 796 Siehe Heumann/Seckel (Handlexikon, S. 239). Im Unterschied zu „eiusdemmodi“ (zusammengesetzt aus „idem“ und „modus“) bedeutet „eiusmodi“ nicht „von derselben Art“, sondern nur „solcherart/derart, so beschaffen“; siehe Heumann/Seckel (Handlexikon, S. 167). Vgl. etwa den sprachlichen Unterschied zwischen „der gleiche“ und „derselbe“ im Deutschen, wobei „eiusmodi“ auch eine ,Art‘ bezeichnen kann, wie z. B. in „dergleichen Geschichten“ oder „und dergleichen mehr“ etc. „Eiusmodi“ ist demnach offener als das verwandte „eiusdemmodi“. 797 Die semantische Funktion des Genitivs ist insofern die des genitivus qualitatis, welcher zur Angabe von Maß und Zahl, Art und Gattung sowie von Rang und Stand stehen kann. 798 Hier geht es um die Auslegung eines Briefes, der zuvor wörtlich zitiert wird: „. . . quaero, an ex huiusmodi scriptura aliqua obligatio nata sit“. Das Genitivattribut kommt nur in der Anfrage der Parteien vor. Die Antwort des Juristen lautet bezeichnenderweise: „respondit ex epistula, de qua quaeritur, obligationem quidem nullam natam videri“. Paulus bezieht sich also ganz ausdrücklich nur auf den ihm vorgelegten Brief. 799 Hier geht es um die Auslegung eines in griechischer Sprache abgefassten Testaments. Dieses wird wörtlich überliefert und ist mit der Anfrage „quaero, an huiusmodi scriptura integrum praedium singulis datum esse videatur . . .“ versehen. Auch hier bezieht sich die Antwort des Juristen wieder ausschließlich auf die konkrete Frage: „Modestinus respondit non sic interpretandam scripturam de qua quaeritur, ut fideicommissum inutile fiat“. 800 Hier geht es ebenso um ein Testament, das jedoch nicht wörtlich überliefert wird. Die Anfrage lautet: „quaero, an huiusmodi scriptura possit liberto statum condicionis mutare“. In seiner Antwort bezieht sich Modestin zwar nicht ausdrücklich auf die konkrete Bestimmung, zu welcher er gefragt wird, er wiederholt aber exakt die Worte
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Der Ausdruck eiusmodi scriptura kommt dagegen nur in D.34.3.6.1 (Iav. 6. epist.)801 sowie in der hier zu untersuchenden Quelle D.34.1.13.1 (Scaev. 4. resp.) vor.
II. Zum Sprachgebrauch von huiusmodi/eiusmodi bei Scaevola Das Genitivattribut huiusmodi kommt im Werk von Scaevola insgesamt fünfmal802, eiusmodi dagegen neunmal803 vor. In einigen dieser Fälle dienen die Attribute der Einleitung zu einem Zitat – z. B. in D.13.5.26 (Scaev. 1. resp.), wo wörtlich aus einem Brief („litteras eiusmodi fecit: . . .“) zitiert wird oder in D.29.7.14 pr. (Scaev. 8. quaest.), wo Scaevola vom Hörensagen über einen Streit („huiusmodi controversiam: an . . .“) zwischen den Schulen der Sabinianer und Prokulianer berichtet: In D.13.5.26 (Scaev. 1. resp.) wird der Sachverhalt im Einleitungssatz knapp angerissen. Wir erfahren von einem Brief an einen Gläubiger („Quidam ad creditorem litteras eiusmodi fecit“), aus dem im Anschluss wörtlich zitiert wird. Was Inhalt der quaestio ist, erfahren wir nur indirekt aus dem responsum des Juristen – ein dem dreigliedrigen Responsenschema folgender Satz, eingeleitet etwa mit „quaesitum est, an“, fehlt. Es ging offenbar um die Frage, ob und mit welcher Klage ein dominus gegen den Verfasser des Briefes, bei welchem sich sein Geld befand („habes penes („possit . . . statum . . . mutare“) des Anfragenden: „Modestinus respondit statum mutare non posse“. Dies legt ebenfalls einen Bezug lediglich auf den konkreten Fall nahe. 801 Hier geht es um das Vermächtnis des Erlasses einer Verbindlichkeit, welches in einem – uns nicht überlieferten – Testament angeordnet war. Es stellte sich die Frage, ob ein Vater auch auf Befreiung seines emanzipierten Sohnes (und nicht nur seiner selbst) klagen konnte. Entgegen der Ansicht der „quibusdam“ verneint Javolen dies („ego contra sentio“). Nach seiner Ansicht sollte es vielmehr genügen, dass der Vater aus „eiusmodi scriptura“ von seiner Verbindlichkeit befreit wurde. Mit dem Genitivattribut eiusmodi bezieht sich der Jurist auf das konkrete Vermächtnis als ein „so geartetes“ Erlassvermächtnis. 802 Siehe D.23.4.31 (Scaev. 3. quaest.): „huiusmodi pactum“; D.29.7.14 pr. (Scaev. 8. quaest.): „huiusmodi controversiam“; D.33.1.13.1 (Scaev. 4. resp.): „huiusmodi varietas“ und D.50.9.6 (Scaev. 1. dig.), wo das Genitivattribut im responsum des Juristen sogar durch ein vorangestelltes „et“ verstärkt wird: „et huiusmodi poenas adversus scientes paratas esse“. Zur Interpretation der letzten Quellenstelle siehe die Untersuchung von Staffhorst (SZ 123 (2006), S. 315 ff.) sowie die knappe Besprechung bei Talamanca (in Archi, Istituzioni giuridiche, S. 120 ff.). 803 D.13.5.26 (Scaev. 1. resp.); D.19.1.52.2 (Scaev. 7. dig.); D.25.4.4 (Scaev. 20. dig.); D.28.2.29.6 (Scaev. 6. quaest.); D.34.1.13.1 (Scaev. 4. resp.); D.36.1.79.1 (Scaev. 20. dig.); D.38.2.48 (Scaev. 2. resp.); D.40.4.60 (Scaev. 24. dig.); D.49.1.28 pr. (Scaev. 25. dig.). Während die ältesten Juristen nach den Untersuchungen von Kalb (Roms Juristen, S. 8) nur eiusmodi gebrauchten, kam mit Javolen zudem die Verwendung von huiusmodi auf. Nach Kalb herrschte huiusmodi schließlich seit Julian vor. Eiusmodi sei dagegen nur noch etwa fünfzigmal vorgekommen – ein Drittel davon bei Scaevola und dessen Schüler Papinian.
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me“), vorgehen konnte, um dieses herauszubekommen. Ohne hier näher auf den Inhalt der Quelle eingehen zu wollen804, kann man schon aufgrund ihrer äußeren Struktur erkennen, dass das unter Systemgesichtspunkten interessante Wort „eiusmodi“ dort auf den konkreten Fall bezogen ist. Es geht allein um den „so gerarteten“ („eiusmodi“) unmittelbar folgend zitierten Brieftext, welcher Scaevola vielleicht vom dominus, bei dem sich das Schriftstück wohl zuletzt befand, zur Auslegung vorgelegt wurde. Da das Wort „eiusmodi“ in der Einleitung vorkommt, ist anzunehmen, dass es zusammen mit dieser erst bei der Herausgabe der Responsa hinzugefügt wurde, also nicht ursprünglich von Scaevola selbst stammt. Scaevola nimmt in seiner Antwort auch in keiner Weise auf „eiusmodi“ Bezug, sondern gibt diese bezeichnenderweise unter der für ihn typischen Relativierung „secundum ea quae proponerentur“, mit der er sich ausdrücklich auf den vorgetragenen Sachverhalt (so wie er in den konkret zitierten Worten des Briefes geschildert ist) bezieht. Im Ergebnis hat das Genitivattribut hier keine generelle Bedeutung, etwa dahingehend, dass Briefe von dieser Art so auszulegen seien, sondern bezieht sich allein auf den konkreten Fall. Auch bei anderen Juristen findet sich diese Gebrauchsform des Genitivattributs805. In D.29.7.14 pr. (Scaev. 8. quaest.) berichtet Scaevola dagegen vom Hörensagen („Quidam referunt, quantum repeto“) über eine Kontroverse zwischen Sabinus, Cassius und Proculus, die bei Vivianus dargelegt war. Dieser Schulenstreit ging um die Frage, ob Vermächtnisse, die nach dem Tod der eingesetzten Erben in Kodizillen angeordnet wurden, von den Substituten geleistet werden mussten („in quaestione . . ., an legata, quae posteaquam instituti mortem obierunt codicillis adscripta vel adempta sunt, a substitutis debeantur“) oder genereller, ob „perinde datio et ademptio etiam hoc tempore codicillis facta valeat ac si testamento facta esset“. Im Anschluss an diese Frage wird zunächst die Meinung der Sabinianer und dann die der Prokulianer referiert, welche Scaevola für die richtigere hält („ego autem ausim sententiam Proculi verissimam dicere . . .“)806. Das Genitivattribut 804
Zur Auslegung der Stelle siehe Wacke (Pecunia in arca, S. 14). Siehe z. B. D.30.84 pr. (Iul. 33. dig.): „Huiusmodi legatum: ,Si Titius . . .‘“ oder D.45.1.64 (African. 7. quaest.): „Huiusmodi stipulatio interposita est: si Titius consul factus . . .“. In der Antwort des Afrikan wird ganz deutlich, dass er nur diese konkrete Stipulation auslegte („respondit eam stipulationem utilem esse . . .“ und „. . . sententia eius sit talis: tunc cum Titius consul factus fuerit . . .“). In diesen Fällen ähnelt der Gebrauch von huiusmodi dem des Adjektivs talis – siehe z. B. D.28.7.27 pr. (Mod. 8. resp.): „Quidam in suo testamento heredem scripsit sub tali condicione ,si reliquias eius in mare abiciat‘ . . .“ und später die Wiederholung „ne homo, qui talem condicionem posuit . . .“ – bzw. der in Einleitungen vor wörtlichem Zitat üblichen Formulierung „Testamento ita cavit: . . .“. 806 Dazu, dass sich Scaevola nicht selten der Meinung der Prokulianer anschloss, siehe § 3 II. 805
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huiusmodi bezieht sich hier wohl auf die unterschiedlichen Meinungen, welche nach der Streitfrage referiert werden807. Es dient der Bezugnahme auf einen konkreten Streit, der als „so geartet“ angekündigt und unmittelbar folgend dargestellt wird. Insofern hat das Genitivattribut auch hier keinen systembildenden, sondern einen rein demonstrativen Charakter. Da es, wie bereits ausgeführt808, zur Erforschung der Denk- und Argumentationsweise von Scaevola vor allem auf die im eigentlichen responsum („respondit . . .“) überlieferten Worte ankommt, sind Quellen, in denen das Genitivattribut nur in der quaestio vorkommt, für die Frage nach juristischer Systembildung weniger relevant809. Teilweise nimmt der Jurist mit den beiden Attributen aber auch Bezug auf eine ihm vorgelegte quaestio – wie in D.40.4.60 (Scaev. 24. dig.)810 und in D.25.4.4 (Scaev. 20. dig.)811 – oder auf den zuvor geschilderten Sachverhalt – wie z. B. in D.33.1.13.1 (Scaev. 4. resp.)812 oder in D.28.2.29.6 (Scaev. 6. quaest.)813. 807 Man beachte das Hyperbaton zwischen den beiden auf die „controversia“ bezogenen Genitivattributen „huiusmodi“ und „Sabini, Casii, Proculi“. 808 Siehe § 1 V. 2. a). 809 Dies sind: D.19.1.52.2 (Scaev. 7. dig.): „Inter venditorem et emptorem militiae ita convenit, ut salarium, quod debeatur ab illa persona, emptori cederet: quaesitum est, emptor militiae quam quantitatem a quo exigere debet et quid ex eiusmodi pacto venditor emptori praestare debeat. respondit venditorem actiones extraordinarias eo nomine quas haberet praestare debere“ und D.36.1.79.1 (Scaev. 20. dig.): „Titius nepotes ex filia et furiosam filiam suam heredes instituit et fidei commisit filiae, ut, si sine liberis decessisset, pars ei data perveniret ad coheredes: eam furiosam ipse Titius in matrimonio collocavit et enixa est filiam post mortem patris. quaesitum est defuncta furiosa superstite ex eiusmodi coniunctione parta filia, an fideicommissum ad coheredes pertineret. respondit, cum filiam reliquisse proponeretur, fideicommissum non deberi“. 810 Dem Scaevola wurde hier wohl ein griechisches Testament im Originalwortlaut vorgelegt (siehe bereits Fn. 379). Dem Testament zufolge sollten dem Eudo tausend Geldstücke gegeben werden, weil dieser erst geboren wurde, nachdem seine Mutter frei geworden war. Eudo befand sich nun offenbar in der Situation, beweisen zu müssen, dass er als freier Mann und nicht als Sklave zur Welt gekommen war („si non probet“), und es stellte sich die Frage, ob dafür die Worte des Testaments als Beweismittel ausreichten. Scaevola entschied nun, dass die so geartete Anfrage keine Vorentscheidung (offenbar für den anschließenden Prozess der Feststellung der Freiheit vor dem praetor peregrinus) hervorbringen dürfe. Mit den Worten „eiusmodi consultationem“ bezieht sich Scaevola vorliegend allein auf die konkrete Anfrage des Konsulenten. Eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung des Ausdrucks kommt an dieser Stelle nicht in Betracht. Vgl. zu dieser Stelle auch Scarcella (AUPA 55 (2012), S. 648). 811 Hier wird ein spezieller Fall geschildert, den Scaevola zugunsten einer Fideikommissbegünstigten entscheidet. Diese habe ein Interesse an einer Voruntersuchung der schwangeren Ehefrau ihres verstorbenen Bruders (ihrer Schwägerin), welche „praegnatem se dicat“, da dem Bruder fideikommissarisch aufgetragen war, alles, was er aus der Erbschaft erhalten hatte, seiner Schwester herauszugeben, wenn er kinderlos versterben würde. Dass sich das Genitivattribut hier allein auf den konkreten Fall bezieht, macht schon die Formulierung „in eiusmodi specie, de qua quaereretur“ deutlich. Mit eiusmodi ist vorliegend nicht generell ein Fall „dieser Art“, sondern allein der zuvor geschilderte konkrete Fall (species) gemeint, „auf den sich die Anfrage beziehe“ und auf
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den Scaevola seine Antwort wie so oft beschränkt. Die Formulierung ähnelt insofern der für Scaevola typischen Wendung „secundum ea quae proponerentur“. 812 Auch hier kommt der Ausdruck „huiusmodi varietas“ im Anschluss an die Schilderung eines speziellen Falles vor. Offenbar wurde Scaevola ein Testament vorgelegt, in dem jemand seine Gattin zur Erbin eingesetzt und durch ein Fideikommiss beschwert hatte, nach welchem diese jedem einzelnen Freigelassenen des Erblassers pro Jahr zwölf Denare unter der Bedingung geben sollte, dass sich diese nicht von ihr entfernten („si ab uxore mea non recesserint“). Nun waren es offenbar die daheim gebliebenen liberti, welche um ihr Geld fürchteten und Scaevola um Rat fragten, ob sie die Gattin auch bei ihren beständigen Reisen – im Gegensatz zu ihrem Ehemann, der nicht leicht freiwillig die Stadt verließ, verreiste diese wohl sehr häufig – begleiten mussten. Scaevola sollte also auslegen, wann vor dem Hintergrund, dass die Frau „adsidue proficiscatur“, ein Entfernen im Sinne der testamentarischen Bestimmung „si ab uxore mea non recesserint“ vorlag. Auch wenn im Text einerseits von „excursiones“, also von eher kurzen Abstechern, andererseits von „adsidue proficiscatur“, also von der „profectio“ im Sinne des Aufbrechens zu einer längeren Reise, die Rede ist, wird man annehmen können, dass die Reisebegleitung für die liberti nicht nur zeitlich aufwändig und körperlich anstrengend war, sondern auf Dauer wohl auch teuer. Es ist gut vorstellbar, dass die zwölf Denare jährlich für eine derartige Begleitung – z. B. für „Cafébesuche“ oder Ausflüge zu den Gladiatorenkämpfen etc. – nicht ausreichten, und die Dame offenbar geizig war. Auf den finanziellen Aspekt spielt zumindest die Folgefrage an. Hier geht es nämlich darum, dass die Gattin den liberti bei der Abreise keine Extravergütung („nihil amplius“) angeboten hatte. Scaevola gibt darauf zur Antwort, dass er die Frage nicht uneingeschränkt beantworten könne („respondi non posse absolute responderi“), weil vielerlei Umstände eintreten könnten, welche nach der Redlichkeit beurteilt werden müssten. Deshalb sei „huiusmodi varietas“ durch das „arbitrium“ eines „vir bonus“ zu bewerten. Mit der „huiusmodi varietas“ bezieht sich Scaevola sicher auf die zuvor erwähnten, mannigfaltigen Sachverhaltsvarianten („cum multa oriri possint, quae pro bono sint aestimanda“), die es in diesem Fall zu berücksichtigen galt. Ein Indiz für diesen Bezug ist, dass Scaevola auf die Folgefrage antwortet, dass auch dies nach dem größeren oder kleineren Umfang der Ausflüge und nach der Höhe des Vermächtnisses beurteilt werden müsse („et hoc ex longinquis brevibusque excursionibus et modo legati aestimandum esse“). Dauer und Entfernung der Reise sowie die Höhe des konkreten Vermächtnisses waren demnach Kriterien, die im Einzelfall abgewogen werden mussten. Aufgrund dieser Wertungen des Einzelfalls konnte der Jurist nicht „absolute“ antworten und verwies deshalb an einen arbiter. Siehe ähnliche Verweisfälle z. B. in D.34.3.31 pr. (Scaev. 3. resp.) oder in D.35.3.28.9 (Scaev. 16. dig.). 813 Der Lehrer Scaevola bildet hier – wohl im Rahmen eines didaktischen Diskurses – den Fall, dass ein als Erbe eingesetzter Sohn in Feindeshand geraten war, und ein nach dem Erbfall geborener – im Testament nicht berücksichtigter – Enkel das Testament umzustoßen drohte. Ohne an dieser Stelle näher auf den Inhalt der langen und schwierigen Quelle einzugehen (zur detaillierten Exegese der Stelle siehe § 9 III. 2.), sei hier nur erwähnt, dass ein Römer, der in feindliche Gefangenschaft geraten war, unfrei wurde und damit seine Erbfähigkeit verlor. Für diesen besonderen Fall des Verlustes der Erbfähigkeit gab es weder eine spezielle Formel zur Erhaltung des Testaments, noch fiel er unter die lex Vellaea („nam hic casus ad legem Vellaeam non pertinet“), er war jedoch mit anderen (in den §§ zuvor angeführten) Unwirksamkeitsfällen vergleichbar (z. B. mit dem physischen Tod des Sohnes bei Geburt eines nicht berücksichtigten postumus), welche nach der lex Vellaea geheilt werden konnten. Nach Scaevola war es daher besser („melius ergo est“), das Testament auch im Fall der Gefangenschaft so auszulegen („interpretatio admittatur“), als habe der Erblasser den nachgeborenen Enkel richtig eingesetzt („recte instituisse videatur“). Es handelt sich folglich um eine Fiktion,
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Diese demonstrative Funktion814 der Adjektive eiusmodi/huiusmodi ist jedoch keine Besonderheit des juristischen Sprachgebrauchs. Denn anders als etwa im Griechischen oder im Deutschen, wo man mit Hilfe des Artikels sprachlich einen Unterschied zwischen „ein derartiger“ (typisierend) und „der so geartete“ (individualisierend/spezifizierend) machen kann, ist diese Differenz im artikellosen Latein generell nicht ausdrückbar. Es finden sich jedoch auch Stellen, in denen die Attribute wie in D.38.2.48 (Scaev. 2. resp.)815 oder in D.49.1.28 pr. (Scaev. 25. dig.)816 Ansätze zu einer über den Einzelfall hinausgehenden juristischen Klassifikation zeigen. mit der dem Testament in einem gesetzlich nicht geregelten Fall zur Geltung verholfen werden sollte. Zur Fiktion im römischen Recht siehe Hackl (in Zimmermann/Knütel/ Meincke, RG und PrivRdogmatik, S. 117 ff.). Mit der „eiusmodi utilitas“ bezieht sich Scaevola demnach allein auf die zuvor geschilderte besondere Situation von gesetzlicher Nichtregelung („nam hic casus ad legem Vellaeam non pertinet“) bei vergleichbarer Interessenlage („melius ergo est, ut in eiusmodi utilitate“) – insbes. vor dem Hintergrund, dass schon die lex Vellaea viele Fälle von Testamentsbruch beseitigt hatte („praesertim post legem Vellaeam, quae et multos casus rumpendi abstulit“). Da diese Ausführungen erst im Kontext der langen Quellenstelle voll nachvollziehbar werden, sei an dieser Stelle erneut auf die detaillierte Exegese in § 9 III. 2. verwiesen. Siehe zudem die Quelle D.23.4.31 (Scaev. 3. quaest.), in der „huiusmodi“ ebenfalls auf die vorhergehende Wiedergabe eines Sachverhalts folgt und insofern keine systembildende Funktion hat: „Si inter virum et uxorem convenit, ut extremi anni matrimonii fructus nondum percepti mulieris lucro fiant, huiusmodi pactum valet“. Der Inhalt des pactum wird hier im ut-Satz („ut extremi anni matrimonii fructus nondum percepti mulieris lucro fiant“) erläutert, wonach die im letzten Jahr der Ehe noch nicht gezogenen Früchte allein der Ehefrau zugutekommen sollen. Scaevola entscheidet, dass die so geartete Vereinbarung Gültigkeit habe. 814 Vgl. Kühner/Stegmann (Grammatik II, S. 248). 815 Die Quelle, welche direkt mit der quaestio beginnt, handelt von einem Freigelassenen, der wegen Einbruchs angeklagt war. Anfragender war offenbar nicht der Kläger selbst, sondern ein Dritter. Es zeigen sich einige Ungereimtheiten, die darauf schließen lassen, dass uns erhebliche Teile des Sachverhalts nicht erhalten sind. So passen z. B. Frage und Antwort nicht richtig zusammen: In der quaestio wird nach dem Kläger („quaero de eo, qui . . . accusavit“) gefragt – im responsum von Scaevola geht es dagegen um den Beklagten („accusatus sit“) und zudem um die bonorum possessio. Ohne näher auf den Inhalt der Quelle einzugehen, kann man andenken, ob sich hier vielleicht ein Haussohn, welcher den Einbruch eines Freigelassenen seines Vaters beobachtet hatte, bei Scaevola nach dessen Strafe erkundigte. (So zumindest die Lesart von Leist laut Handapparat, nach dessen Ansicht es hier um den „libertum paternum“ ging). Dieser Interpretation folgend, war der Vater offenbar zuvor verstorben, was wiederum die Frage nach der bonorum possessio – dem prätorischen Erbrecht des libertus – erklärt. Scaevola gibt zur Antwort, dass dem libertus, der wegen des Verbrechens eines derartigen Einbruchs angeklagt war – aufgrund dessen er ins Bergwerk geschickt würde –, der Nachlassbesitz verweigert werden musste. Mit den Worten „eiusmodi effracturae“ bezieht sich Scaevola somit auf den folgenden Relativsatz („eiusmodi . . ., ex quo“), welcher den Einbruch als einen solchen charakterisiert, der mit Bergwerksarbeit bestraft wurde. In Rom wurden Einbrecher (effractores) wegen ihrer größeren kriminellen Energie härter bestraft als gewöhnliche Diebe, wobei man sowohl auf den Stand des Verbrechers als auch auf die Zeit des Einbruchs Rücksicht nahm; siehe Rein (Criminalrecht, S. 320). Laut D.47.18.1.2 (Ulp. 8. de officio proconsulis) wurden die effractores wie die
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Wie bereits angedeutet, beschränken sich die folgenden Exegesen auf die Wendung huiusmodi/eiusmodi scriptura. Es geht also um die juristisch besonders interessante Interpretation von Schriftstücken. Im Werk von Scaevola kommt der Ausdruck huiusmodi scriptura ein einziges Mal, nämlich in D.33.7.27 (Scaev. 6. dig.), vor. Die Wendung eiusmodi scriptura kommt ebenfalls nur einmal, und zwar in D.34.1.13.1 (Scaev. 4. resp.), vor. Diese beiden Stellen sollen im Folgenden auf die Frage untersucht werden, ob der Jurist eine konkrete scriptura einer bestimmten Art817 zuordnet, also möglicherweise systembildend vorgeht, oder ob er lediglich einen Vergleich nach der konkreten Beschaffenheit und Gebrauchsweise derselben anstrebt. Dann wäre huiusmodi eher im Sinne von talis818 („solcher, derartig, so beschaffen“) zu verstehen. Nach Kalb819 waren eiusmodi und huiusmodi jedenfalls schon bei den Klassikern Konkurrenzwörter zu talis.
sacculari (die Handtaschendiebe) und derectarii (die sich heimlich in die Häuser einschleichenden Diebe) bestraft. Siehe zum Einbruchdiebstahl auch das von Paulus in D.1.15.3.2 (Paul. lib. sing. de officio praefecti vigilum) referierte Reskript des Kaisers Marc Aurel. Zu den anderen genannten Diebstahlsformen siehe Rein (Criminalrecht, S. 318 f.) und Nogrady (Röm. StrafR., S. 286 f.). Hier muss die besonders schwere Form des Einbruchdiebstahls bei Nacht vorgelegen haben, denn nur diese wurde mit Bergwerksarbeit bestraft; vgl. D.47.18.2 (Paul. lib. sing. de officio praefecti vigilum): „. . . atrociores enim sunt nocturni effractores, et ideo hi fustibus caesi in metallum dari solent . . .“. Es handelt sich also um eine Klassifikation des Einbruchs, die Scaevola hier anhand der Strafe vornimmt, indem er zur Antwort gibt, dass der vorgetragene Einbruch, wenn er bewiesen würde, „ein solcher“ schwerer sei. 816 In dem entpersonalisierten Sachverhalt geht es um vier Personen: einen Gläubiger, der gegen mindestens zwei Bürgen klagte, und dessen Sklaven. Nachdem sich die Gläubiger auf den Prozess eingelassen hatten, erschien der Kläger selbst nicht zur Verhandlung, worauf die Bürgen vom Richter freigesprochen wurden. Warum der Kläger nicht vor Gericht erschien, erfahren wir nicht. Stattdessen legte nun sein Sklave „nomine domini“ Berufung ein, und man fragte Scaevola, ob diese wirksam sei. Scaevola verneint hier die Zulässigkeit der Klage ohne Begründung. Er stellt den Fall aber in einen größeren Kontext, indem er sagt, dass eine „derartige Berufung“ („eiusmodi appellationem“) nicht zu beachten sei. Fraglich ist, worauf sich der Jurist mit dieser Formulierung bezieht. In Betracht kommt ein Bezug zum Kläger, wonach eine Klage „quam servus interposuit nomine domini“ generell unzulässig war, weil Sklaven, denen die Parteifähigkeit fehlte, keine Prozessvertreter ihres Herrn sein konnten. Die über den Einzelfall hinausgehende Aussage besteht hier also darin, dass ein Sklave nicht „nomine domini“ Berufung einlegen konnte; vgl. D.49.1.15 (Marcellus 1. dig.): „Servi appellare non possunt“. 817 Hier besteht eine Schnittstelle mit der Systembildung nach der Gattung (siehe dazu § 6 der vorliegenden Untersuchung), die ja ebenfalls typische Elemente einer Art zusammenfasst. Der Unterschied zwischen dem in § 6 behandelten argumentum ex genere und dem hier untersuchten argumentum ad modum liegt aber darin, dass nach Letzterem keine Oberbegriffe für die einzelnen species gebildet, sondern die Einzelfälle horizontal vernetzt werden. 818 Siehe zu diesem Gebrauch bereits die in Fn. 805 zitierten Quellen. 819 Siehe Kalb (Roms Juristen, S. 7).
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III. Exegesen 1. D.33.7.27 (Scaev. 6. dig.) (1) „Adfini suo ita legavit: ,fundum Cornelianum Titio ita ut est instructus cum omnibus rebus et mancipiis et reliquis colonorum dari volo‘.820 haec testatrix Romae litis causa ex Africa veniens mancipia quaedam ex fundo supra scripto, quo citius per hiemem operam elegeret821, secum abduxit: quaesitum est, an ea mancipia fideicommisso cedant, cum quaedam ex his rusticis officiis ad tempus peregrinationis abducta sunt relictis conservabus822 et filiis suis et quaedam matribus et patribus. respondit mancipia, de quibus quaereretur, secundum ea quae proponerentur ex causa fideicommissi deberi. (2) Idem quaesiit, an fructus eiusdem fundi, qui ibi in diem mortis coacti manserint, fideicommisso cedant, cum plenissima testatoris erga adfinem voluntas ab eo quoque manifestetur, quo823 reliqua colonorum eiusdem possessionis ad eum pertinere voluerit. respondit in huiusmodi scriptura posse responderi hoc solum quaerendum, an manifeste appareat defuncta id, de quo quaereretur, dari noluisse“ 824. (1) „Ihrem Schwager machte sie folgendes Vermächtnis: ,Das Cornelianische Landgut will ich dem Titius, so wie es ausgestattet ist, mitsamt allen Sachen, Sklaven und Restschulden der Pächter gegeben wissen‘. Diese Erblasserin kam wegen eines Rechtsstreits in Rom aus Afrika und nahm dabei, um so leichter im Verlauf des Winters die Angelegenheit (nämlich die Mission825) zu erledigen826, einige Sklaven aus dem oben erwähnten Landgut mit sich: 820
post ins. Mo. operam elegeret] iter perageret Mo. 822 contubernalibus Mo. Mommsen stellt mit dieser Lesart (von „contubernalis, is m.“, der Gefährte/Kamerad) auf das gemeinsame Zusammenleben der Sklaven ab, während sich der alte Ablativ Plural „conservabus“ (von „conserva“, die Mitsklavin) ursprünglich eher auf den gemeinsamen Sklavendienst bezog. Zu den unterschiedlichen Begriffen und ihrer Entwicklung siehe jetzt auch Tamburi (in Liber amicorum per Santalucia, S. 398, S. 413 Fn. 46). Wie die Autorin (S. 414) nachweist, wurde das Wort „contubernales“ von den Juristen jedoch polysem verwendet: darunter verstand man nicht nur die „uxores servorum“, sondern auch die „conservi e conservae“ sowie die „colliberti“ und die „commilitoni nell’esercito“. 823 quod S. 824 Der Index Interpolationum weist zu dieser Stelle keine Interpolationsvermutungen aus. 825 Vgl. die spanische Übersetzung von D’Ors (El digesto II, S. 558): „Una ,testadora‘ hizo un legado a un pariente suyo en estos términos: ,quiero que se dé a Ticio el fundo Corneliano tal como está dotado, con todas sus cosas, los esclavos y las rentas atrasadas de los colonos‘. La testadora, al venir a Roma desde Africa con motivo de un litigo, se trajo unos esclavos del dicho fundo con el fin de hacer más deprisa ,el viaje‘ durante el invierno. Se preguntaba si esos esclavos entraban en el fideicomiso, siendo así que algunos de ellos habían sido retirados de sus oficios rústicos durante el tiempo del viaje y dejaban en la finca sus mujeres e hijos, y algunos, sus madres y padres. 821
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Es wurde angefragt, ob diese Sklaven (noch) zum Fideikommiss gehören, seitdem827 einige von ihnen828 von den Diensten auf dem Landgut für die Zeit der Reise bei Trennung von ihren Mitsklavinnen und Kindern, und einige (andere) bei Trennung von ihren Vätern und Müttern abgezogen worden waren. Er antwortete: Die Sklaven, auf die sich die Anfrage beziehe, seien entsprechend dem, was vorgetragen werde, auf Grund des Fideikommisses geschuldet. (2) Derselbe fragte an, ob die Früchte eben dieses Landgutes, welche dort bis zum Tag ihres Todes geerntet verblieben, zum Fideikommiss gehörten, weil der vollste Wille der Erblasserin gegenüber ihrem Schwager auch aus dem (Passus) klar hervorgehe, dass sie gewollt habe, dass diesem die Restschulden der Pächter derselben Besitzung zustünden. Er antwortete, hinsichtlich einer derartigen Testamentsklausel könne (nur) geantwortet werden, dass allein dies zu fragen sei, ob klar hervorgehe, dass die Verstorbene das, worauf die Anfrage sich beziehe, nicht habe gegeben wissen wollen“.
Respondió que los esclavos en cuestión, conforme a los términos del caso propuesto, se debían en virtud del fideicomiso“. 826 Der Ausdruck „operam elegere“ wird hier mit „die Angelegenheit (nämlich die Reise) erledigen“ übersetzt. Vgl. auch die Lesart nach Mommsen, nach welchem „per hiemem iter perageret“ gemeint war. Der Ausdruck „operam elegere“ ist offenbar Ñpac legümenon. „Operam“ kommt sonst stets im fest verbundenen verbalen Kontext mit Worten wie „dare, suscipere“ etc. vor. „Elegere“ kann im juristischen Sprachgebrauch zwar „vermachen“ bedeuten, dies ergibt im vorliegenden Text jedoch keinen Sinn. Das Verb „eligere“ kommt in juristischen Texten mehrfach in verschiedenen Flexionsformen vor, jedoch wird es nie mit „opera“ verbunden. 827 Bei diesem cum handelt sich um ein „cum vere temporale“ mit Indikativ („zu der Zeit, wo“/„seitdem“), welches auf den genauen Zeitpunkt abstellt, an dem die Sklaven von dem Grundstück abgezogen wurden. Dieser war für die Anfragenden insofern interessant, als er zwischen dem Zeitpunkt der Testamentserrichtung und dem Tod der Erblasserin lag, und sich daher die Frage stellte, worauf es bei der Auslegung der Verfügung „fundum ita . . . ut est instructus“ ankam. Siehe auch D.33.7.20.9 (Scaev. 3. resp.). 828 Die Worte „ex his“ werden in der vorgeschlagenen Übersetzung auf die Sklaven („quaedam ex his“) und nicht etwa auf die nachfolgend genannten Landarbeiten („ex his rusticis officiis“) bezogen. Vgl. die Übersetzung von D’Ors (Digesto II, S. 558): „. . . siendo así que algunos de ellos habían sido retirados de sus oficios rústicos . . .“. Zwar ist es grammatikalisch durchaus möglich „ex his“ auf „rusticis officiis“ zu beziehen, zumal das Verb „abducere“ mit der Präposition „ex“ („abducere ex re“) gewöhnlich für Orte oder Sachen steht (siehe Oxford Latin Dictionary, S. 4, s. v. „abduco“ 2 a), nicht aber für Personen. Zudem wird mit „ex his rusticis officiis abducta sunt“ die Wendung des vorhergehenden Satzes („ex fundo supra scripto . . . secum abduxit“) explizit wieder aufgenomen. Die Lesart „ex his officiis“ würde hier jedoch zu einer befremdlichen Hervorhebung der Arbeiten („von den ,besagten‘ Stellen auf dem Land“) führen, ohne dass diese weiter spezifiziert sind. Demnach steht „abducere“ hier mit dem Dativ „rusticis officiis“. Dass sich „ex his“ auf „quaedam“ bezieht, ist auch insofern plausibler, als gerade „his“ die „ea mancipia“ (die genannten Sklaven) wieder aufnimmt, wodurch zwei unterschiedliche Gruppen aus der Gesamtmenge der „ea mancipia“ gebildet werden.
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a) Einordnung der Quelle Die Zuordnung der Quelle innerhalb des Werkes von Scaevola ist umstritten. Während Lenel829 sie dem sechzehnten Buch der Digesta unter dem allgemeinen Ediktstitel „De legatis et fideicommissis“ zuordnet, gibt die Inskription das sechste Buch830 der Digesta von Scaevola an. Da das sechste Buch gemäß der Rekonstruktion von Lenel831 jedoch dem Ediktstitel „De fiducia“ angehört – wohin die vorliegende Quelle ihrem Inhalt nach nicht passt – ist die Inskription zumindest nach der Palingenesie Lenels wohl fehlerhaft. Im sechzehnten Buch der Digesta des Scaevola geht es – wie die vorhergehende Quelle D.32.101 belegt – dagegen um die Auslegung des Inhalts von Grundstücksvermächtnissen. Es ist jedenfalls nicht unwahrscheinlich, dass ein Schreiber versehentlich „libro VI“ anstatt „libro XVI“ schrieb. In den Digesten des Kaisers Justinian findet sich die Quelle hingegen unter dem speziellen Titel „De instructo vel instrumento legato“, „Das Vermächtnis der Ausstattung bzw. des Zubehörs“ 832. b) Struktur der Quelle Wie die meisten Quellen aus den Digesta Scaevolas weist auch die vorliegende Spuren von mehreren verschiedenen Textschichten auf. Betrachtet man zunächst § 1 der Stelle, so zeigt sich der typisch dreigliedrige Responsenaufbau: Auf die kurze, vermutlich vom Herausgeber stammende, Einleitung „Adfini suo ita legavit: . . .“ folgt ein wörtliches Zitat aus einem Testament, das Scaevola entweder als Originalurkunde oder in einer Abschrift des Anfragenden vorlag. Die narratio setzt sich im Folgenden mit der Mitteilung weiterer Sachverhaltsinformationen fort (von „haec testatrix“ bis „secum abduxit“), an welche sich mit „quaesitum est, an . . .“ die (erste) Anfrage des Konsulenten anschließt. Die (erste) Antwort von Scaevola beginnt – dem Responsenschema folgend – mit „respondit“ und erfolgt wie so oft ohne Begründung, aber unter ausdrücklicher Bezugnahme auf den konkreten Fall (vgl. „mancipia, de quibus quaereretur“ und zusätzlich das für Scaevola typische „secundum ea quae proponerentur“).
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Lenel (Palingenesie II, Sp. 234 Fn. 2). libro sexto inscr. F. 831 Siehe Lenel (Palingenesie II, Sp. 222). 832 Unmittelbar im Anschluss an die vorliegende Quelle überliefert Justinian in D.33.7.28 einen weiteren Scaevola-Fall zur Auslegung eines vermachten fundus instructus. Der Fall, in dem hinsichtlich des Vermächtnisgegenstandes auf den dies cedens abgestellt wird (siehe dazu Fn. 847), stammt nach der Rekonstruktion von Lenel (Palingenesie II, Sp. 259) aus dem dreiundzwanzigsten Buch der Digesta des Scaevola, wo er als einziger ebenfalls dem Ediktstitel „De legatis et fideicommissis“ zugeordnet wird. 830
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Die sich in § 2 unmittelbar anschließende (zweite) Anfrage („Idem833 quaesiit, an . . .“ 834) ist erweitert um einen Begründungsvorschlag, der wohl auf den Konsulenten zurückgeht („cum plenissima testatoris erga adfinem voluntas . . . voluerit“). Auch die auf diese (zweite) Frage erteilte (zweite) Antwort von Scaevola („respondit . . . noluisse“) ergeht ohne Begründung. Für die vorliegende Untersuchung soll es allein auf die in § 2 überlieferte zweite Antwort ankommen, in welcher der Jurist die unter Systemgesichtspunkten interessanten Worte „huiusmodi scriptura“ gebraucht. c) Der Sachverhalt In der vorliegenden Quelle geht es um die Auslegung einer wörtlich zitierten Testamentsbestimmung, welche eine Erblasserin, deren Namen wir nicht erfahren835, zugunsten ihres Schwagers Titius getroffen hatte. Gegenstand der letztwilligen Verfügung war das bestimmte, offenbar verpachtete Landgut „fundus Cornelianus836“, welches sich dem Sinnzusammenhang nach in Afrika befinden musste837. Wie wir aus dem überlieferten Testamentswortlaut („fundum Cornelianum Titio ita ut est instructus cum omnibus rebus et mancipiis et reliquis colonorum dari volo“) erfahren, sollte Titius das Landgut so, wie es ausgestattet war, nämlich ausdrücklich mit allen Gegenständen und Sklaven und sogar mit den Restschulden der Pächter bekommen838. Das Landgut muss demnach so groß gewesen sein, dass dort zusätzlich zu den Sklaven der Erblasserin auch mehrere coloni auf verpachteten Teilen tätig sein konnten839. 833 Dabei handelt es sich wohl um dieselbe Partei. Zu den durch „Idem . . .“ eingeleiteten Folgefragen siehe § 3 IV. 2. a) aa) (1). 834 Zu den sprachlichen Auffälligkeiten dieser quaestio, insbes. zum Terminus possessio („reliqua colonorum eiusdem possessionis“), welcher hier als Synonym für den zuvor genannten fundus gebraucht wurde, siehe schon § 3 IV. 2. a) aa) (4). 835 Sie wird nur als „testatrix“ bzw. später als „defuncta“ bezeichnet. In „cum plenissima testatoris . . . voluntas“ taucht sie einmal auch als Maskulinum auf. 836 Hier wurde der fundus Cornelianus als eine res certa vermacht. Zur Namensgebung der Grundstücke siehe Steinwenter (Fundus cum instrumento, S. 16). 837 Es ist die Rede davon, dass die Erblasserin ihre Sklaven „ex Africa veniens“ von dem Grundstück mitnahm („ex fundo . . . secum abduxit“). Demnach muss sich das Grundstück, auf dem die Sklaven zuvor tätig waren, in Afrika befunden haben. So auch Talamanca (in Archi, Istituzioni giuridiche, S. 166 Fn. 197). 838 Zur Zeit des Prinzipats war der fundus die typische Einheit der landwirtschaftlichen Produktion. In der Regel bestand er aus einem ager genannten Stück Land und den dazugehörigen villae rusticae, den Wirtschaftsgebäuden; siehe Jakab (SZ 119 (2002), S. 183). 839 Man denke etwa an die afrikanischen Domänen der reichen Oberschicht, welche aus Mangel an Sklaven als Arbeitskräften an freie coloni weiterverpachtet wurden; vgl. Schulten (Grundherrschaften, S. 93 ff.) und Giliberti (Servus quasi colonus, S. 3).
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In der Praxis war es offenbar weit verbeitet, ein Stück Land an mehrere kleine coloni anstatt an einen großen Pächter zu verpachten840. Die Situation veränderte sich offenbar, als die Erblasserin wegen eines Rechtsstreits von Afrika nach Rom reisen musste und zu diesem Zweck841 einige ihrer vermutlich männlichen Sklaven vom besagten Grundstück mitnahm842. Dafür, dass die Erblasserin auf die Reise nur Männer mitnahm, spricht indirekt, dass als Zurückgebliebene ausdrücklich nur deren Mitsklavinnen, welche hier mit dem alten lat. Abl. Pl. als „conservabus“, anstatt wie in der restlichen Quelle als geschlechtslose „mancipia“, bezeichnet werden843, sowie deren Kinder und Eltern genannt werden. Die Form „conservabus“, welche allein in der Anfrage vorkommt, wurde hier sicher gewählt, um explizit die weiblichen Sklaven zu bezeichnen und auszunehmen844.
840 Siehe Giliberti (Servus quasi colonus, S. 107) und Capogrosso Colognesi (Proprietà fondiaria, S. 326 f.), der auch von einer „,piccola affitanza‘“ (S. 329) spricht, sowie White (Roman Farming, S. 389, S. 411 f.): „Leasing (locatio) of the farm on a cash-rent basis to a tenant (colonus) was in theory the simplest solution for the landlord, but small tenants were particularly vulnerable to the effects of bad harvests and other difficulties . . .“. Insbes. zur landwirtschaftlichen Krise siehe Weber (Agrargeschichte, S. 318). Das Nebeneinander von mancipia und reliqua colonorum weist nach Steinwenter (Fundus cum instrumento, S. 31) darauf hin, dass eigenbetriebliches Hofland und Pachtbetrieb nebeneinander vorlagen. Überhaupt könnte man spekulieren, dass es sich hier um eine sehr wohlhabende Erblasserin (vielleicht um eine Senatorengattin) handelte. Dafür spricht zumindest die Tatsache, dass die Dame wegen eines Rechtsstreits nach Rom reisen musste, wo sie vielleicht Geschäfte betrieb oder einen Zweitwohnsitz hatte. 841 Der Zweck der Mitnahme der Sklaven scheint in dem schwer übersetzbaren „quo citius“-Satz angedeutet zu sein. Offenbar wollte die Erblasserin die Mission im Verlauf des Winters beendet haben und reiste deshalb womöglich schon im Herbst nach Rom, um so den Gefahren einer winterlichen Seereise zu entgehen. Für das Frühjahr war vermutlich ihre Rückreise nach Afrika geplant. Denn Schiffsreisen waren fast ganz auf das Frühjahr, den Sommer und den frühen Herbst beschränkt, zu dessen Beginn die Schiffe von allen Seiten in den heimischen Hafen zurückkehrten; vgl. Friedländer (Sittengeschichte Roms I, S. 334). Je nach Route, Schiffskapazität und Lage des Grundstücks in Afrika dauerte die Seefahrt nach Rom zwischen drei Wochen und mehreren Monaten; vgl. die Zeitangaben bei Friedländer (S. 339). 842 Auch Mateo (BIDR 101/102 (1998/99), S. 370) und Horvat (Antologia giuridica 1 (1968), S. 218) gehen davon aus, dass die Sklavenfamilien auf dem Grundstück zurückblieben. 843 Vgl. etwa die Unterscheidung nach Geschlechtern bei den Göttern in den Formen „diis“ und „deabus“; siehe dazu Georges (Handwörterbuch I, Sp. 1890) sowie die explizite Unterscheidung in D.34.1.16.2 (Scaev. 18. dig.): „libertis libertabusque“. Siehe zu dieser Quelle Tamayo Errazquin (Libertis libertabusque, S. 267 ff.). Auffallend ist zudem, dass unmittelbar darauf von den „filiis“ die Rede ist, was ,Töchter und Söhne‘ beinhaltet oder kurz ,Kinder‘ meint. Wenn der Römer explizit die Töchter meinte, benutzte er aber „filiabus“ (im Dat. und Abl. Pl.) – bzw. „filiis et filiabus“, wo er Söhne und Töchter trennen wollte; vgl. Oxford Latin Dictionary (s. v. „filia“, S. 701). 844 Obwohl der Terminus „conservabus“ hier nur in der (laienhaft formulierten) quaestio vorkommt, wird man annehmen können, dass zumindest der Konsulent das
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Man könnte darüber spekulieren, ob diese Männer der allein reisenden Frau vorübergehend845 als Schutztruppe in Rom oder gegen Räuber an Land und Piraten auf hoher See dienen sollten846. Offensichtlich verstarb die Erblasserin auf dieser Reise, sodass sich die mitreisenden Sklaven zum Todeszeitpunkt847 jedenfalls nicht mehr auf dem Grundstück aufhielten. d) Die Anfragen Im vorliegenden Fall geht es um zwei voneinander zu trennende848 an Scaevola gerichtete Anfragen, welche den Inhalt des Fideikommisses betreffen: 1) „quaesitum est, an ea mancipia fideicommisso cedant . . .“ und 2) „Idem quaesiit, an fructus eiusdem fundi, qui ibi in diem mortis coacti manserint, fideicommisso cedant . . .“. neutrale „conservis“ explizit feminin zur Distinktion von den männlichen Sklaven definiert haben wollte. 845 Dafür, dass die Sklaven durch diese nur vorübergehende Tätigkeit keine grundsätzliche Statusveränderung erfuhren (etwa vom Landsklaven zum Sänftenträger in der Stadt), spricht schon die Entscheidung des Scaevola, wonach die Sklaven nach wie vor zum Grundstück gehörten, also noch in das Fideikommiss fielen; vgl. dazu etwa die Unterscheidung zwischen artificium und usus in der Entscheidung D.32.61 (Alf. 8. dig. a Paulo epit.). 846 Jedenfalls erschienen Frauen von Stande meist mit großem Gefolge in der Öffentlichkeit; vgl. Friedländer (Sittengeschichte Roms, S. 291 Fn. 10), welcher u. a. Belegstellen bei Horaz (Sat. I 2, 98: „custodes, lectica, ciniflones, parasitae“) und Juvenal (Sat. VI, 353 f.) anführt. Dass den Sklaven im Prozess selbst eine Rolle zukam, kann zwar nicht ausgeschlossen werden – zur Möglichkeit der Sklaven, sich als servi indices der delatores vor Gericht Gehör zu verschaffen, siehe Knoch (Sklavenfürsorge, S. 218 f.) –, ist aufgrund der spärlichen Sachverhaltsangaben aber höchst spekulativ. Am plausibelsten scheint, dass die Sklaven der womöglich gesundheitlich schon angeschlagenen Dame auf ihrer weiten Reise von Afrika nach Rom beistehen und die Frau von Stande per Sänfte (als sog. „lecticarii“) transportieren sollten; dazu Friedländer (Sittengeschichte Roms, S. 343). Das Ruhebett (lectica) und die Sänfte (sella gestatoria) waren übrigens die einzigen in der Stadt tagsüber zugelassenen Reisemittel; vgl. Paoli (Leben im alten Rom, S. 273 f.). Zum Reiseluxus in Rom siehe Friedländer (Sittengeschichte Roms I, S. 341). 847 Auf diesen kam es hinsichtlich der Frage, was Gegenstand des Vermächtnisses war, nämlich an; vgl. Voci (Dir. ered. II, S. 253, S. 271): Zwischen Perfektionierung des Testaments und Todeszeitpunkt eintretende Vermehrungen oder Minderungen des Vermächtnisgegenstandes gingen grds. zugunsten bzw. zulasten des Legatars, soweit kein entgegenstehender Erblasserwille erkennbar war. Bezeichnend ist, dass Scaevola in D.33.7.28 (Scaev. 23. dig.) und D.34.4.31 pr. (Scaev. 14. dig.) nicht auf den Zeitpunkt der Testamentserrichtung abstellt. Das Abstellen auf den dies cedens in D.33.7.28 (Scaev. 23. dig.) könnte, wie Astolfi (Oggetto dei legati II, S. 33) vermutet, eine Besonderheit des konkreten Falles sein. Der dies cedens fiel jedenfalls zur Zeit von Scaevola nicht mehr mit dem dies mortis zusammen, sondern bezeichnete die Eröffnung der Testamentstafeln; vgl. Voci (Dir. ered. II, S. 368). Dazu, dass sich die Frage des Zeitpunkts in dem in der Anfrage enthaltenen cum-Satz ausdrückt, siehe Fn. 827. 848 Wie bereits in Fn. 833 erwähnt, stammten die Anfragen wohl vom selben Konsulenten.
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aa) Nur vorübergehende Tätigkeit? Zunächst wollte der Anfragende wissen, ob auch die Sklaven, welche sich, ihre Herrin unter Zurücklassung ihrer Familien nach Rom begleitend, nach dem Tod derselben nicht mehr auf dem Cornelianischen Grundstück befanden, noch zum Fideikommiss gehörten („an ea mancipia fideicommisso cedant, cum quaedam ex his rusticis officiis ad tempus peregrinationis abducta sunt . . .“). Dabei betont er, dass die Sklaven „rusticis officiis“ abgezogen wurden, und deutet die zumindest für die Dauer der Reise („ad tempus peregrinationis“) veränderte Tätigkeit derselben an, welche ihrer Herrin vorübergehend als Reisebegleiter dienen sollten. Wie wir aus den Quellen wissen, konnte sich ein Vermächtnis je nach Veränderung der Tätigkeit der vermachten Sklaven nachträglich ändern849. In unserem Fall geht es allerdings um keine endgültige, sondern nur um eine vorübergehende Veränderung der Tätigkeit für die Dauer der Reise. Denn nachdem die Erblasserin auf der Reise verstorben war, ist mangels anderslautender Angaben anzunehmen, dass die Sklaven nach der Rückkehr ihren ursprünglichen Diensten auf dem Landgut nachgehen sollten. Es handelte sich hier also nicht – wie etwa in D.33.7.37 (Ulp. 20. ad Sab.) – um nur vorübergehend auf das Grundstück versetzte Sklaven, die nicht zum Grundstück gehörten850. Einen ähnlichen Fall vorübergehender Abwesenheit vom Grundstück entschied Scaevola in D.33.7.20.6 (Scaev. 3. resp.), wo sich ein testamentarisch vermachter Sklave ein Jahr vor dem Tod des Erblassers zu Ausbildungszwecken vom vermachten fundus Titianus entfernt hatte. Hier urteilte der Jurist, dass die Ausbildung nur eine vorübergehende Abwesenheit sei und der Sklave daher trotzdem ins Legat falle. Eine nur provisorische Abwesenheit schloss die Zugehörigkeit zum Vermächtnis also nicht aus. Deshalb entschied Scaevola im Ergebnis auch hier, dass die Sklaven noch in das Fideikommiss fielen. In der hier an Scaevola gerichteten Anfrage schwingt zudem das Argument mit, dass die Sklaven als Familie zusammengehören851. Wie schwer die Tren849 Siehe z. B. Papinian in D.31.65 pr. (Pap. 16. quaest.): „Peculium legatum augeri et minui potest, si res peculii postea esse incipiant aut desinant. idem in familia erit, sive universam familiam suam sive certam (veluti urbanam aut rusticam) legaverit ac postea servorum officia vel ministeria mutaverit. eadem sunt lecticariis aut pedisequis legatis“. 850 Einen ähnlichen Fall behandelt Ulpian in D.33.7.12.8 (Ulp. 20. ad Sab.), wo er die Frage bejaht, ob Sklaven, welche nur einen Teil des Jahres Ackerbau betrieben und den Rest des Jahres anderen Tätigkeiten nachgingen, noch zum instrumentum fundi gehörten: „. . . servi, si aliqua parte anni per eos ager colitur, aliqua parte in mercedem mittuntur, nihilo minus instrumento continentur“. 851 Vgl. aus den Quellen etwa den in D.21.1.35 (Ulp. 1. ad ed. aed. cur.) geschilderten Fall, in dem es um die Rückgabe eines mangelhaften Sklaven ging. Dieser sollte nach Ulpian zusammen mit seiner (nicht kranken) Familie, mit der er verkauft worden war, zurückgegeben werden können: „. . . mancipia etiam non morbosa redhibentur, si
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nung („dura separatio“) der Angehörigen eines contubernium, der nach dem ius civile nicht anerkannten ,Sklavenehe‘, wog, zeigt die Tatsache, dass dieses in der Kaiserzeit zunehmend rechtlichen Schutz genoss und z. B. der Verkauf einzelner Angehöriger verboten war852. Dass die Sklaven zudem verlässlicher arbeiteten und stärker an das Gut gebunden waren, wenn dort auch ihre Frauen und Kinder lebten, stellte schon Varro853 fest. Da die Nachkommen der Sklavenfamilien zudem das Vermögen des dominus mehrten, wurde das contubernium – insbesondere wenn es unter Sklaven derselben familia geschlossen wurde – von deren Herren gefördert854. bb) Mitvermachte Früchte? Zudem wollte der Anfragende von Scaevola wissen, ob auch die Früchte, welche nach dem Tod der Erblasserin gesammelt auf dem Grundstück verblieben waren („an fructus eiusdem fundi, qui ibi in diem mortis coacti manserint, fideicommisso cedant“), noch zum Fideikommiss gehörten. Der Konsulent berief sich hier auf den zugunsten des Schwagers gerichteten Willen der Erblasserin („plenissima testatoris erga adfinem voluntas“ und „voluerit“), welchen er zur Begründung anführte, weshalb auch die Früchte mitvermacht sein sollten. Fasst man die reliqua colonorum als Rechtsfrüchte des fundus auf, so ergibt sich die Argumentation des Anfragenden vielleicht aus dem Vergleich von Rechts- und Sachfrüchten: Denn wenn sogar die Rechtsfrüchte vermacht waren, – könnte er argumentiert haben – dann mussten doch erst recht die Sachfrüchte vermacht sein. Bei den hier angefragten Früchten wird es sich jedenfalls schon der Fragestellung nach um Sachfrüchte (fructus naturales) gehandelt haben, welche „ibi in diem mortis coacti manserint“. cc) Mögliche Prozesssituation Nach Ansicht des Anfragenden („quaesitum est, an ea mancipia fideicommisso cedant“ und „Idem quaesiit, an . . . fideicommisso cedant“) – wie nach Ansicht von Scaevola („ex causa fideicommissi deberi“) – handelte es sich bei der testaseparari non possint sine magno incommodo vel ad pietatis rationem offensam“. Für die Echtheit dieser lange Zeit für interpoliert gehaltenen Stelle siehe Mateo (BIDR 101/102 (1998/99), S. 335 ff.). 852 Siehe Paoli (Leben im alten Rom, S. 157). Nach Tamburi (Liber amicorum Santalucia, S. 411) verbinden sich in dem Kriterium der dura separatio „,considerazioni umanitarie‘ “ mit „valutazioni inerenti alla gestione dell’unità produttiva“. 853 Siehe Varro (De re rust.1,12.5). 854 Siehe Tamburi (Liber amicorum Santalucia, S. 397).
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mentarischen Bestimmung folglich um ein Fideikommiss zugunsten des Schwagers Titius855. Die Lage des Grundstücks ist ein Indiz dafür, dass die Anfrage aus Afrika an Scaevola gerichtet wurde. Der Fall ist insofern ein weiteres Beispiel für die vielen Anfragen, die den Juristen aus der Provinz erreichten. Anfragender war wahrscheinlich der Schwager Titius selbst, welcher als durch das Fideikommiss Begünstigter sowohl die restlichen Sklaven als auch die auf dem Grundstück befindlichen Früchte zugesprochen bekommen wollte. Dies legt zumindest die in der zweiten Frage angeführte, dem Schwager günstige Begründung („cum plenissima testatoris erga adfinem voluntas . . . voluerit“) nahe856. Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass sich hier vielleicht die Erben als durch das Fideikommiss Beschwerte an Scaevola wandten, weil sie die Sklaven und Früchte nicht herausgeben wollten. Die Prozesssituation ist insofern offen857. Die hier allein interessierende zweite Anfrage betrifft die Auslegung der letztwilligen Worte „fundum . . . ita ut est instructus cum omnibus rebus“. Es stellte sich nämlich das Problem, ob auch die Früchte, welche die Erblasserin nicht ausdrücklich genannt hatte, noch zum Inhalt des Fideikommisses gehörten.
855 Dass im Einleitungssatz von „legare“ („vermachen“) die Rede ist („Adfini suo ita legavit“), bedeutet nicht zwingend, dass hier tatsächlich ein Vermächtnis vorlag. Sehr wahrscheinlich wurde der Einleitungssatz hier erst nachträglich hinzugefügt. Vielleicht wurde die Quelle auch deswegen von den Kompilatoren unter dem Titel „De instructo vel instrumento legato“ wiedergegeben. Die wörtlich überlieferte Anordnung „dari volo“ spricht eher für eine nicht förmliche Bitte des Erblassers; vgl. die bei Gaius (Gai. 2.249) aufgezählten Bittworte fidei committo, peto, rogo, volo. Bekanntermaßen war das Fideikommiss seit Augustus mit der petitio fideicommissi nach dem ius extraordinarium klagbar; vgl. Gai. 2.278. Insbes. konnte ein Grundstück auch Gegenstand eines Fideikommisses sein, wie Gaius in Gai. 2.260 ausführt. Dass die Terminologie bei Legaten und Fideikommissen in Scaevola-Quellen oft nicht einheitlich ist, zeigt sich z. B. in D.5.2.13 (Scaev. 3. resp.) und in D.34.3.31 pr./2 (Scaev. 3. resp.). Dazu Amelotti (Testamento I, S. 156 f.). Siehe zudem die Quelle D.34.1.18 pr. (Scaev. 20. dig.): „Libertis, quos testamento manumiserat, alimentorum nomine menstruos decem legaverat, deinde codicillis generaliter omnibus libertis menstruos septem et annuos vestiarii nomine denos legavit: quaesitum est, an et ex testamento et ex codicillis libertis fideicommissum heredes praestare debeant.“ Auch Amelotti (Testamento I, S. 156 f.) führt die terminologische Uneinheitlichkeit auf die verschiedenen Textschichten innerhalb der einzelnen Quellen zurück. 856 Dass hier von Titius in der dritten Person die Rede ist („erga adfinem voluntas“), ist dagegen sicher der indirekten Rede geschuldet. 857 Unwahrscheinlich ist jedenfalls, dass es hier die Sklaven waren, welche sich an Scaevola wandten, weil diese einerseits aufgrund fehlender Parteifähigkeit schon nicht prozessieren konnten und sich andererseits sicher nicht auch nach den Früchten erkundigt hätten.
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e) Auslegung des Grundstücks-Fideikommisses Wie wir aus dem wörtlich überlieferten Testament erfahren, hatte die Erblasserin den Schwager mit einem Grundstück „ita ut est instructus cum omnibus rebus et mancipiis et reliquis colonorum“ bedacht. Zu klären ist, was genau darunter zu verstehen ist. aa) fundus cum instrumento? Es könnte sich vorliegend um ein Fideikommiss eines fundus cum instrumento858 handeln. Den Zeugnissen der älteren Agrarschriftsteller nach orientierte sich der Begriff des instrumentum fundi ursprünglich sehr eng am fundus. So fielen z. B. nach Cato859 und Varro860 im Wesentlichen Sklaven, Tiere und die zum Produktionsbetrieb notwendigen Gerätschaften (totes Inventar) unter den Begriff des instrumentum fundi. Unter den klassischen römischen Juristen zeigte sich dann eine steigende Tendenz zur Erweiterung des Begriffes im Rahmen der Auslegung von Legaten, welche den Hauptanwendungsfall für die juristische Begriffsbestimmung des instrumentum fundi darstellen861. So definiert z. B. Ulpian das instrumentum fundi in D.33.7.12 pr. (Ulp. 20. ad Sab.) als „apparatus rerum diutius mansurarum, sine quibus exerceri nequiret possessio“. Seiner Ansicht nach fielen auch Getreide und Wein, welche zur Nahrung bestimmt waren, darunter. Er ließ also auch eine nur mittelbare utilitas (sog.
858 Da sich das Vermächtnis eines Grundstücks nicht automatisch auch auf das instrumentum erstreckte, musste dieses ausdrücklich mitvermacht werden. Das Vermächtnis (bzw. Fideikommiss) eines fundus cum instrumento wurde seit Sabinus (siehe D.33.7.12.27 [Ulp. 20. ad Sab.]) von dem eines fundus instructus unterschieden. Voci (Dir. ered. II, S. 274 Fn. 25) betont, dass noch Labeo an der Identität der beiden Vermächtnisarten festhielt. 859 Siehe etwa den Begriff „instruere“ bei Cato (De agri cultura 10.1–2). Zur Kritik an Steinwenter, welcher den instrumentum-Begriff nach Cato und Columella für enger als bei Varro hielt, siehe John (Auslegung des Legats, S. 10 ff.). Zur unklaren Begriffsbestimmung des instrumentum fundi bei Cato siehe auch Castresana Herrero (FS-Guzmán Brito I, S. 632 ff.). Die Autorin (S. 635) kommt zu folgendem Ergebnis: „En todo caso, creo que hay que tener en cuenta que Catón no sintió probablemente la necesidad ni de ser muy preciso en esta materia, ni mucho menos de crear la definición jurídica de instrumentum fundi“. 860 Siehe Varro (De re rust. 1,17.1). Wie Varro berichtet, unterteilten andere das instrumentum fundi in drei Gruppen: in eine sprechfähige Gruppe (bestehend aus den Sklaven), eine lautfähige (bestehend aus dem Arbeitsvieh) und eine stumme (bestehend aus den Maschinen): „instrumenti genus vocale et semivocale et mutum – vocale, in quo sunt servi, semivocale, in quo sunt boves, mutum, in quo sunt plaustra“. 861 Siehe Horvat (Antologia giuridica 1 (1968), S. 217).
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instrumentum instrumenti862) etwa zum Dienst derjenigen Sklaven, die auf dem Grundstück arbeiteten, ausreichen. Unter das instrumentum fundi fiel demnach alles, was auf den Erhalt und den wirtschaftlichen Nutzen des Landgutes gerichtet war863. Wesentliches Kriterium war dabei die dauernde864 Zweckbestimmung (destinatio865) einer Sache866. Wie John867 zu Recht betont, bestand der Zweck des Vermächtnisses eines fundus cum instrumento im Wesentlichen darin, dem Vermächtnisnehmer die weitere Nutzung des Guts zu ermöglichen. Deshalb war es wichtig dem Nachfolger den wirtschaftlichen Zusammenhang der Produktion zu erhalten. Insofern ist es sinnvoll die Zweckbeziehung („paratum esse“ 868) der Gegenstände in ihrer funktionellen Beziehung zur Produktion des fundus zu betrachten. Mangels einheitlichen Sprachgebrauchs blieb die Auslegung des instrumentum im Ergebnis meist auf den konkreten Fall bezogen869. Da sich die Juristen – soweit wir aufgrund des Überlieferungsdefizits ersehen können – nicht zu einer objektiven Definition des Begriffes durchringen konnten, blieb er insgesamt wenig durchgebildet870. 862
Siehe dazu John (Auslegung des Legats, S. 22 ff.). Voci (Dir.ered. II, S. 272); Marrone (Istituzioni, S. 285). 864 Vgl. die in D.33.7.25 pr.-1 (Iav. 2. ex posterioribus Labeonis) überlieferte Ansicht des Labeo. 865 Auf das Problem, ob diese örtlich oder funktionell zu bestimmen ist, soll hier nicht näher eingegangen werden. Jedenfalls richtete sie sich nach dem Willen des pater familias. Astolfi (SDHI 63 (1997), S. 546) weist jedoch darauf hin, dass zu unterscheiden sei zwischen der Frage, welchen Willen der Erblasser (außerhalb des Testaments) bei der Bestimmung einer Sache zum Dienst auf einem Grundstück hatte, und der Frage, welchen Willen er beim testamentarischen Vermachen der Sache hatte. Dass Scaevola mit Vorliebe verfeinerte Überlegungen zum Thema ,destinierende Zweckbestimmung‘ anstellte, will Jakab (Risikomanagement, S. 120) mit den Quellen D.33.7. 20.6 (Scaev. 3. resp.) und D.33.7.27.3 (Scaev. 6. dig.) belegen, wo Scaevola zunächst von den verba ausgeht, anschließend aber weitere Faktoren anführt, die auf eine Änderung der Destination schließen ließen. 866 Ligios (Instrumentum fundi, S. 130) hingegen stellt anhand der Quelle D.33. 7.18.3 (Paul. 2. ad Vitell.) drei verschiedene Auslegungskriterien zur Bestimmung des Inhalts des instrumentum fundi auf: (1) die konkrete utilitas der verschiedenen res, (2) die individuelle voluntas des Testators und (3) den jeweiligen mos regionis. Siehe dagegen Astolfi (SDHI 63 (1997), S. 541), welcher allein die Zweckbestimmung für das ausschlaggebende Kriterium hält und die anderen nur hilfweise zu dessen Bestimmung heranziehen will. 867 Siehe John (Auslegung des Legats, S. 13). 868 Vgl. etwa die Ausdrucksweise in D.33.7.8 (Ulp. 20. ad Sab.) oder D.33.7.25 pr.-1 (Iav. 2. ex posterioribus Labeonis). 869 Dass der Berücksichtigung des Erblasserwillens aufgrund der offenen Bedeutung des Begriffes instrumentum ein weiter Spielraum eröffnet war, stellt Harke (in Harke, Facetten des röm. ErbR, S. 62) klar. Siehe dort auch weitere Beispiele, etwa zum unbestimmten Sprachgebrauch der Begriffe iuvenis in D.32.69.1 (Marcellus lib. sing. resp.) oder vestes muliebres in D.34.2.33 (Pomp. 4. ad Quintum Mucium). 863
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bb) fundus instructus? Daneben kommt auch ein Fideikommiss eines fundus instructus871 in Betracht. Dieses umfasste – wie beim fundus cum instrumento – grundsätzlich auch das Grundstück samt beweglichem Zubehör, dem instrumentum fundi. Zusätzlich war aber noch alles erfasst, was – wie beispielsweise Kleidung, Gold, Silber, Wein, Getreide, Medizin, die Bibliothek oder die auf dem Grundstück beschäftigten Haussklaven872 etc. – zum persönlichen Gebrauch des Eigentümers diente873. Was dagegen nicht dem Gebrauch, sondern z. B. nur der Aufbewahrung diente, fiel nicht mehr unter den fundus instructus874. Beziehungspunkt des fundus instructus war folglich weniger der fundus selbst als vielmehr die persönlichen Gewohnheiten des pater familias – dominus – Testators875. cc) Stellungnahme Die hier gewählte Formulierung „fundum ita ut est instructus“ 876 spricht für ein Fideikommiss eines fundus instructus. Denn anders als die allgemeinen Formulierungen „lego fundum ita ut ipse possedi“, „lego fundum ita ut est“ oder „lego fundum et omnia, quae in eo sunt“ 877 beschränkt sich die Formulierung hier auf das „ita ut est instructus“, also darauf, wie das Grundstück konkret „ausgestattet“ war. Der Gegenstand des Fideikommisses war damit per se enger, wurde hier von der Erblasserin aber noch durch weitere Zusätze („cum . . .“) ergänzt. 870 Siehe nur den langen Titel D.33.7 „De instructo vel instrumento legato“ von Einzelfallkasuistik und die Tatsache, dass noch Paulus einen liber singularis de instrumenti significatione schrieb. Vgl. auch Giliberti (Servus quasi colonus, S. 97): „La tematica dell’instrumentum fundi in rapporto ai legati sollecita in modo particolare quel gusto della definizione interpretativa, cioè volta ad individuare il significato di un vocabolo nel mentre lo si definisce ai fini della risoluzione di un caso concreto . . .“. 871 Vgl. die Begriffe domus instructa (welcher das Haus mit Mobiliar bezeichnete) und taberna instructa (wozu der Laden mit allen Gegenständen und Sklaven gezählt wurde, die dem Geschäftszweck dienten). Siehe zum Begriff der taberna instructa ausführlich Cerami/Petrucci (Dir. commerciale rom., S. 52 ff.). 872 Nach Voci (Dir. ered. II, S. 273) jedoch nur solche, die dazu bestimmt waren das Landhaus in Ordnung zu halten und für die sich dort aufhaltenden Personen zu sorgen. 873 Siehe D.33.7.12.27/28 (Ulp. 20. ad Sab.); Voci (Dir. ered. II, S. 273). Astolfi (Oggetto dei legati II, S. 46) spricht insofern auch vom „instrumentum patris familias“. 874 Siehe D.33.7.12.29 (Ulp. 20. ad Sab.): „Sed si qua eo congesserat non usus ipsius causa, sed custodiae gratia, non continebuntur“. 875 Dass das Vermächtnis eines fundus instructus das eines fundus cum instrumento enthielt und überstieg, soll aus den von Ulpian in D.33.7.12.27 (Ulp. 20. ad Sab.) gebrauchten Worten „plus“ und „legatum uberius“ hervorgehen. 876 Vgl. die Formulierung „praedia ut instructa sunt“ in D.33.7.6 (Scaev. 16. dig.) oder „fundos . . . ita ut sunt instructi“ in D.33.7.20 pr. (Scaev. 3. resp.) sowie „fundum, uti erat instructus“ in D.33.7.28 (Scaev. 23. dig.). 877 Vgl. Voci (Dir. ered. II, S. 274).
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Fraglich ist nun, ob diese Zusätze eine Erweiterung oder eine Einschränkung der Sachgesamtheit darstellen: (1) „cum omnibus rebus“ Die Erblasserin vermachte das Grundstück hier „mit allen Sachen“. Fraglich ist zunächst, was unter „omnibus rebus“ zu verstehen ist. Damit könnten die geernteten und auf dem Grundstück (vorrätig) verbliebenen Früchte (fructus) gemeint sein878. Aus juristischer Sicht umfasst der Begriff res jedenfalls auch die fructus879. Die Römer unterschieden dabei zwischen Sachfrüchten (fructus naturales) und Rechtsfrüchten (fructus civiles). Wie bereits erwähnt, kann es sich im vorliegenden Fall schon der Anfrage nach nur um Sachfrüchte gehandelt haben. Zu diesen zählten die Römer auch Sachen, welche durch Bewirtschaftung aus anderen gewonnen wurden, wie z. B. Feld- oder Baumfrüchte, Holz, Tierjunge etc.880. Da die Früchte grundsätzlich zu den verbrauchbaren Gegenständen zählten, welche nicht dauerhaft mit dem Grundstück verbunden waren, fielen sie jedenfalls nach klassischem Recht nicht automatisch unter den fundus instructus881, 878 Das Verb „cogere“ kann insbes. „ernten“ bedeuten; siehe Oxford Latin Dictionary (sub 5 a), S. 346. Dass es hier im Zusammenhang mit „manere“ („coacti manserint“) steht, lässt darauf schließen, dass die Früchte, welche nach der Ernte noch übrig waren, vorrätig auf dem Grundstück verblieben waren. Sehr wahrscheinlich befanden sie sich in einem horreum zum Schutz vor Mäusen und anderen Tieren. Dass sogar die Aufbereitungs- und Vorratsbehältnisse unter das instrumentum fundi fielen, bestätigt Ulpian in D.33.7.8 (Ulp. 20. ad Sab.), indem er sich auf Sabinus beruft: „In instrumento fundi ea esse, quae fructus quaerendi cogendi conservandi gratia parata sunt, Sabinus libris ad Vitellium evidenter enumerat“. Wie Castresana Herrera (FS-Guzmán Brito I, S. 627) feststellt, gliedert sich diese Quelle in zwei Teile, von denen der zweite Teil wiederum drei Unterteilungen erfährt, welche die Produktion, die Aufbereitung und die Aufbewahrung der einzeln aufgezählten Gegenstände betreffen. So gehören nach Ulpian u. a. Körbe, Getreide- und Heusicheln sowie Weinkörbe zu den Aufbereitungsgegenständen: „cogendi, quemadmodum torcularia corbes falcesque messoriae falces fenariae quali vindemiatorii exceptoriique, in quibus uvae comportantur“. 879 Siehe Kaser/Knütel (Röm. PrivatR, S. 112 ff.). Zur Entwicklung des fructus-Begriffes siehe aus der neueren Literatur Cardilli (fructus, insbes. Kap.V–VII). 880 Siehe Kaser/Knütel (Röm. PrivatR, S. 115). 881 Siehe ausdrücklich die von Ulpian in der bereits zitierten Quelle D.33.7.12 pr. (Ulp. 20. ad Sab.) erwähnte herrschende Meinung auf die Frage, ob auch das zur Speisung der Landarbeiterschaft vorgesehene Getreide zum instrumentum gehörte: „. . . plurimis non placet, quia consumeretur: quippe instrumentum est apparatus rerum diutius mansurarum, sine quibus exerceri nequiret possessio“ sowie § 29 derselben Quelle, wo Ulpian den im Weinkeller gelagerten Wein des pater familias ausnimmt. Diese Ausnahme sollte sich insbes. auch auf den Vorratsspeicher von Lebensmitteln beziehen: „et hoc iure utimur, ut quae ibi pater familias quasi in horreo habuit, haec non contineantur“. Siehe zum Problem auch Astolfi (Oggetto dei legati II, S. 26) und Ligios (Instrumentum fundi, S. 85 ff.).
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sondern mussten je nach Gewohnheit des Eigentümers interpretiert werden bzw. ausdrücklich vermacht sein. Vorliegend waren die gesammelten Früchte offensichtlich in der Formulierung „cum omnibus rebus“ enthalten882, sodass es auf die Frage, ob die Früchte – wie beim fundus cum instrumento – als instrumentum instrumenti zur Ernährung der Landarbeitersklaven dienten oder zu Aufbereitung und Verkauf gesammelt waren883, hier letztendlich nicht ankommt. (2) „cum mancipiis“ Auch die Sklaven („cum . . . mancipiis“) vermachte die Erblasserin zusätzlich. Wie aus der Formulierung „rusticis officiis . . . abducta sunt“ zu schließen ist, handelte es sich bei diesen wohl um servi rustici 884, also Landdienerschaft885. Diejenigen, „qui agri gratia ibi sunt“, fielen aber ohnehin unter das instrumentum fundi 886. 882 So jedenfalls Voci (Dir. ered. II, S. 338 Fn. 345) und Astolfi (Oggetto dei legati II, S. 26). 883 Wahrscheinlicher scheint jedoch, dass die Früchte verkauft werden sollten, denn offenbar waren sie den Anfragenden einen Rechtsstreit wert. Insofern scheint es unwahrscheinlich, dass es sich dabei nur um Nahrung für die Landarbeiterschaft handelte. Es wird sich vielmehr um eine relevante Menge schon für den Verkauf oder Transport bereitgestellter Früchte gehandelt haben. Man könnte darüber spekulieren, ob auf dem Grundstück der Erblasserin vielleicht Obstplantagen o. ä. betrieben wurden. Zu Aufbewahrung und Export von Produkten des fundus siehe Ligios (Instrumentum fundi, S. 210 ff.). 884 Zur grundlegenden Trennung und den unterschiedlichen Aufgaben von familia rustica (Landdienerschaft) und familia urbana (Stadtdienerschaft) siehe Paoli (Leben im alten Rom, S. 254 f.). Die Versetzung der familia urbana aufs Land wurde sogar als Bestrafung angesehen. Die Unterscheidung zwischen Land- und Stadtsklaven war offenbar umstritten und wurde überwiegend kasuistisch gelöst; siehe Giliberti (Servus quasi colonus, S. 96 f.). Wie ein Überblick über die Quellen zeigt, waren vor allem die Fälle juristisch relevant, in denen Sklaven auf einem bestimmten Grundstück arbeiteten, auf einem anderen aber wohnten, sowie diejenigen Fälle, in denen Sklaven für eine gewisse Dauer vom jeweiligen Grundstück abgezogen wurden. Zum Problem der nur vorübergehenden Entfernung vom Grundstück siehe bereits § 5 III. 1. d) aa). Vgl. aus den Quellen z. B. auch D.32.99 pr. (Paul. lib. sing. de instrumenti significatione), wo Paulus anführt, dass „quidam“ nicht nach dem Ort ihres Aufenthaltes, sondern allein nach ihrer Funktion („non loco, sed opere separant“) unterscheiden; vgl. Voci (Dir. ered. II, S. 301 f.). Nach der Ansicht von Paulus sollte es dagegen auf den Aufenthaltsort und die Gewohnheiten des pater familias ankommen: „ubi pater familias moraretur et hos alebat, ibi eos numerari“; vgl. auch D.32.60.1 (Alf. 2. dig. a Paulo epit.). Auf den Willen des dominus abstellend auch Scaevola in D.20.1.32 (Scaev. 5. resp.). Im Einzelfall konnte der Wille des Erblassers aber abweichen; siehe die Beispiele bei Voci (Dir. ered. II, S. 302). 885 So auch Mateo (BIDR 101/102 (1998/99), S. 370), der hier von den „esclavos de la finca“ spricht. 886 Siehe D.33.7.12.2 (Ulp. 20. ad Sab.), wo Ulpian sich gegen die Meinung des Alfenus ausspricht: „constat enim eos, qui agri gratia ibi sunt, instrumento contineri“. Wie
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Vielleicht wollte die Erblasserin – um Auslegungsstreitigkeiten vorzubeugen – ganz sicher gehen, dass wirklich alles, was sie vermachen wollte, testamentarisch erfasst war, und wusste zudem als juristischer Laie nicht, dass die Sklaven, „qui agri gratia ibi sunt“, bereits im vermachten fundus instructus enthalten waren887. Ähnlich einem Fall, den Papinian in D.33.7.12.46 (Ulp. 20. ad Sab.) entschied, waren die Sklaven hier als „überflüssiger Weise hinzugefügt“ („ex abundanti adiectum“) anzusehen888. (3) „cum reliquis colonorum“ Daneben vermachte die Erblasserin ausdrücklich die Restschulden der Pächter mit. Da die reliqua colonorum – wie die coloni selbst889 – nicht im instrumentum fundi inbegriffen waren, mussten sie – wie hier – ausdrücklich mitvermacht werden890. Der Pachtzins, den die coloni aufzubringen hatten, bestand meist in Geld (Geldpacht), er konnte aber auch in einem Teil der Ernte bestehen (Naturalpacht)891. Ulpian in § 7 der Quelle anfügt, sollten dazu nach dem Erblasserwillen auch die in demselben Landhaus beschäftigten Frauen und Kinder der Sklaven gehören: „Uxores quoque et infantes eorum, qui supra enumerati sunt (nämlich die, „qui agri gratia ibi sunt“), credendum est in eadem villa agentes voluisse testatorem legato contineri: neque enim duram separationem iniunxisse credendus est“. Siehe daneben die Wiederholung in § 33 der langen Quellenstelle. Da die Frauen und Kinder im vorliegenden Fall ohnehin auf dem Grundstück zurückgelassen waren (siehe § 5 III. 1. c), stellt sich die Frage, ob diese noch zum instrumentum fundi gehörten, hier nicht. Zu dem von Ulpian gebrauchten Kriterium der dura separatio siehe Tamburi (Liber amicorum Santalucia, S. 411). 887 Anders als in einem Fall, den Cassius in D.33.7.18.11 (Paul. 2. ad Vitell.) entscheidet: „videri eos solos legatos esse, qui nominati essent, quod appareret non intellexisse patrem familias instrumento quoque servos adnumeratos esse“, hatte die Erblasserin hier auch nicht nur einzelne Sklaven namentlich genannt, sondern generell alle. 888 Vgl. D.33.7.18.11 (Paul. 2. ad Vitell.) für die implizite Ausnahme der restlichen, nicht namentlich genannten Sklaven und für die ausdrückliche Ausnahme, nach welcher der nicht ausgenommene Rest als mitvermacht angesehen wurde, die Quelle D.33.7.12.43 (Ulp. 20 ad Sab.): „. . . proponebatur enim, qui legaverat, argentum et rationes excepisse: nam qui haec, inquit, excepit, non potest non videri de ceteris rebus, quae in ea essent, sensisse“. 889 Dies galt zumindest bis zur Zeit des Paulus; vgl. etwa D.33.7.24 (Paul. 3. ad Neratium). Dazu Giliberti (Servus quasi colonus, S. 106 f.). 890 Voci (Dir. ered. II, S. 275 f.). Siehe weitere Beispielsfälle für diese Praxis in D.33.7.20 pr./3 (Scaev. 3. resp.); D.32.78.3 (Paul. 2. ad Vitell.); D.32.91 pr. (Pap. 7. resp.). Zum Problem der reliqua von sog. „quasi coloni“ bei Scaevola siehe Capogrosso Colognesi (Proprietà fondiaria, S. 242 f.) sowie Giliberti (Servus quasi colonus, S. 116 f.). 891 Vgl. aus den Quellen D.19.2.25.6 (Gai. 10. ad ed. prov.). Siehe auch Marrone (Istituzioni, S. 471 Fn. 179); Schulten (Grundherrschaften, S. 97). Neben diesen sog. „partes agrariae“ waren die coloni zu Hand- und Spanndiensten verpflichtet; siehe Weber (Agrargeschichte, S. 320, 323 Fn. 61).
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Wir erfahren nicht ausdrücklich, worin der Pachtzins vorliegend bestand. Die Tatsache jedoch, dass der Anfragende sich nach den auf dem Grundstück verbliebenen, geernteten Früchten erkundigte, könnte darauf schließen lassen, dass die coloni keine Naturalien, sondern Geld schuldeten. Denn hätte der Pachtzins in der Ernte bestanden und wären die „fructus qui ibi in diem mortis coacti manserint“ etwa von den coloni geerntet worden, hätte man in dieser Sache sicher nicht den Juristen Scaevola bemüht. Es liegt also nahe anzunehmen, dass die reliqua colonorum hier in Geld bestanden und der Anfragende nun mit einem argumentum a minore ad maius – wenn schon die Rechtsfrüchte, dann erst recht die Sachfrüchte – zusätzlich die Ernte einforderte. f) Das responsum von Scaevola Besonders auffällig an der hier allein interessierenden zweiten Antwort von Scaevola ist, dass er die eigentliche Frage des Konsulenten, nämlich ob die Früchte noch zum Fideikommiss gehörten („an fructus eiusdem fundi, qui ibi in diem mortis coacti manserint, fideicommisso cedant“) nicht direkt beantwortet. Stattdessen verwirft er die Fragestellung, indem er zur Antwort gibt: „posse responderi hoc solum quaerendum, an . . .“. Die Frage war nach seiner Ansicht offensichtlich falsch gestellt. Denn es könne, so antwortet Scaevola, nur gefragt werden, ob . . . („solum quaerendum, an . . .“). Sprachlich interessant ist die Wiederholung „respondit . . . posse responderi“, welche sozusagen eine Antwort in der Antwort darstellt. Man könnte darüber spekulieren, ob es dem als Ironiker bekannten Scaevola hier missfiel, dass der Konsulent in der Anfrage quasi schon eine eigene Begründung mitzuliefern versuchte892. „Hinsichtlich einer solchen Testamentsbestimmung“, verbesserte der Jurist deshalb die Anfrage, „könne man nur fragen (,hoc solum quaerendum‘), ob die Verstorbene das, wonach gefragt werde, offenkundig nicht habe geben wollen“ („an manifeste appareat defuncta id, de quo quaereretur, dari noluisse“). Auf den konkreten Fall übertragen, sollte also allein danach gefragt werden, ob die Erblasserin die Früchte, welche sich zum Todeszeitpunkt noch auf dem Landgut befanden, ganz eindeutig nicht habe mitvermachen wollen893.
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Siehe § 5 III. 1. b) Interessant ist, dass der Nichtwille der Verstorbenen („dari noluisse“) aus der vorliegenden Testamentsbestimmung ganz klar hervorgehen sollte („manifeste appareat“). Sprachlich auffällig ist zudem die Gegenüberstellung von Wille und Nichtwille in der Antithese: „voluntas manifestetur“ – „noluisse manifeste appareat“. Zur Seltenheit des Verbs „manifestare“ siehe Kalb (Roms Juristen, S. 105). 893
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Eine Begründung für diese kryptische Antwort gibt Scaevola wie so oft nicht. Geht man nun vom Wortlaut des Testaments aus, so sind die in Frage stehenden Früchte durchaus von der weiten Formulierung „cum omnibus rebus“ erfasst. Denn wie bereits erwähnt, erfasst der Begriff res sowohl nach allgemeinem wie nach juristischem Sprachgebrauch auch die fructus. Da der Wortlaut insofern zwar weit, aber eindeutig ist, stellt Scaevola fest, dass man im Hinblick auf eine mögliche Begrenzung nur danach fragen könne, was die Erblasserin nicht habe vermachen wollen. Die Erblasserin, welche die weite Formulierung „cum omnibus rebus“ gewählt hatte, hätte, um diese zu begrenzen, folglich ausdrücklich ausschließen müssen, was von diesen „allen Sachen“ sie nicht mit vermachen wollte894. Ihre testamentarische Bestimmung hätte demnach etwa wie folgt lauten müssen: „,fundum Cornelianum Titio ita ut est instructus cum omnibus rebus exceptis fructibus et cum mancipiis et reliquis colonorum dari volo‘.“
Ein solcher ausdrücklicher Ausschluss kommt in der uns überlieferten Testamentsbestimmung jedoch nicht vor. Da die Früchte hier also nicht explizit ausgenommen wurden, ließ sie Scaevola gemäß den Worten in das „cum omnibus rebus“ angeordnete Fideikommiss fallen. Warum der für seine lakonischen Responsen bekannte Jurist, von dem man wohl eher ein knappes „respondit cedere“ erwartet hätte, aber eine derart komplizierte Antwort erteilt, und was mit der Formulierung „huiusmodi scriptura“ gemeint sein könnte, soll im Folgenden geklärt werden. g) Exkurs: Die Auslegung von Rechtsgeschäften in Rom Da es vorliegend um die Auslegung eines konkreten Testaments geht, ist zunächst festzustellen, dass die Römer keine dogmatisch festumrissene Lehre für die Auslegung von Rechtsgeschäften kannten895. Nach allgemeiner Ansicht gin-
894 Vgl. D.33.7.25.2 (Iav. 2. ex posterioribus Labeonis): „Item cum instrumentum omne legatum esset excepto pecore“ sowie die Quelle D.33.2.32.2 (Scaev. 15. dig.): „Uxori usum fructum domuum et omnium rerum, quae in his domibus erant, excepto argento legaverat“. Hier entschied Scaevola ausdrücklich, dass der Vermächtnisnehmerin alles bis auf das Tafelsilber und das zum Verkauf Bestimmte zustand: „respondit excepto argento et his, quae mercis causa comparata sunt, ceterorum omnium usum fructum legatariam habere“. Siehe auch den ausdrücklichen Ausschluss im Fall einer Schenkung unter Lebenden in D.32.37.3 (Scaev. 18. dig.): „. . . bona sua univera exceptis duobus servis non mortis causa donavit . . .“. 895 Vgl. Wieling (Testamentsauslegung, S. 247).
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gen sie bei der Auslegung von Testamenten zunächst vom Wortlaut der Erklärung aus und berücksichtigten in einem weiteren Schritt auch andere Kriterien wie den Erblasserwillen oder verschiedene Topoi896. Lange Zeit versuchte die Forschung anhand einer verba-voluntas-Antithese in der Auslegung von letztwilligen Rechtsgeschäften einen Gegensatz zwischen klassischem und justinianischem Recht festzumachen. Man nahm an, dass die klassischen römischen Juristen die verba, die Byzantiner dagegen die voluntas in den Vordergrund gestellt hätten. Justinian habe versucht in Anwendung der byzantinischen Willenstheorie der inneren voluntas des Testators zum Durchbruch zu verhelfen. Teilweise wurde auch versucht einen Unterschied mit dem Gegensatzpaar von „typischer“ und „individueller Auslegung“ zu begründen. Hiernach seien die Klassiker vom typischen Willen ausgegangen, während Justinian seinen Entscheidungen den konkret-individuellen Willen zugrunde gelegt habe. Die voluntas habe demnach bei den Klassikern einen anderen Sinn gehabt als bei Justinian. Wie jedoch in zahlreichen Untersuchungen belegt wurde, kann man für die klassische Zeit weder von einem Willensdogma in der Auslegung sprechen, noch ist die Behauptung zutreffend, die Klassiker hätten nur nach dem Wortlaut ausgelegt. Vielmehr konnte Wieling897 nachweisen, dass auch die klassischen Juristen keinem festen Dogma folgten898. Ungeklärt ist dagegen noch immer das Verhältnis der einzelnen Auslegungskriterien zueinander. Wie Harke899 betont, sind die Auslegungskriterien bei den römischen Juristen – anders als etwa bei den Rhetoren, welche sie allein unter dem Gesichtspunkt der Interessendurchsetzung gebrauchten, – jedenfalls nicht willkürlich gehandhabt worden900.
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Siehe Harke (in Harke, Facetten des röm. ErbR, S. 55); Kaser (RPR I, S. 239 f.). Wieling (Testamentsauslegung, S. 148). 898 Zudem drängt sich natürlich mit John (Auslegung des Legats, S. 7) die Frage auf, ob eine derartige „Einordnung [. . .] in polare Alternativkategorien, die offensichtlich nur unvollkommen gelingt, die Einsicht in das Auslegungsverfahren der römischen Juristen wirklich fördert“. Gegen die vom Gegensatzpaar „verba-voluntas“ beziehungsweise „indiviuell-typisch“ ausgehenden Meinungen speziell bei der Interpretation von Vermächtnisanordnungen eines fundus cum instrumento siehe daher John (Auslegung des Legats, S. 3 ff.). 899 Harke (in Harke Facetten des römischen ErbR, S. 56). 900 Wie Harke (in Harke Facetten des römischen ErbR, S. 60) feststellt, wurden die Kriterien der verba und voluntas schon in der Hochklassik „nicht als konkurrierende Kriterien für die Auslegung einer in ihrer Wirksamkeit unumstrittenen Verfügung begriffen, sondern als zwei Elemente, die nur, soweit sie sich ergänzen, auch eine gültige Verfügung hervorbringen“. 897
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h) Systembildung durch „huiusmodi scriptura“? Scaevola nimmt in seinem Gutachten auf das wörtlich überlieferte Testament Bezug901, indem er beantwortet, was rechtlich aufgrund einer „derartigen“ Testamentsbestimmung („huiusmodi scriptura“) gelten sollte. Fraglich ist, ob der Jurist die konkrete scriptura mit diesen Worten einer bestimmten ,Kategorie‘ von (typisierten) Testamentsklauseln zuordnen wollte, für welche er bestimmte, dass positiv ausgeschlossen werden musste, was nicht vermacht sein sollte. Die Anordnung „fundum . . . ita ut est instructus cum omnibus rebus“ stellt jedenfalls eine typische „Zubehör-Klausel“ 902 dar, mit welcher die Erblasserin festlegte, was nach ihrem Willen noch zum Zubehör des vermachten fundus zählen sollte903. Charakteristisch für diese Klauseln, zu denen z. B. auch der Zusatz „et omnia quae ibi sunt“ zählte904, war deren offene Formulierung. Ob der Jurist aber für „derart“ weit gefasste Zubehörklauseln allgemein bestimmen wollte, dass alles, was von diesen nicht ausdrücklich ausgenommen war, als mit vermacht galt, soll anhand eines weiteren Scaevola-Falles untersucht werden:
901 Dass sich Scaevola mit der Formulierung „huiusmodi scriptura“ hier nur auf die unmittelbar zuvor vom Anfragenden vorgetragene („ab eo quoque manifestetur, quo . . .“) Klausel (nämlich „et reliquis colonorum dari volo“) bezieht, ist insofern unwahrscheinlich, als es keinen rechten Sinn ergäbe, nur in Bezug auf diesen Teil nach dem expliziten Nichtwillen der Erblasserin zu fragen. Die Formulierung „huiusmodi scriptura“ bezieht sich demnach sicher auf die ganze Testamentsbestimmung. 902 Die Rede ist von den sog. „clausole pertinenziali“ (im Deutschen könnte man von „Zubehörklauseln“ sprechen), die den römischen Juristen seit Quintus Mucius – vgl. D.28.5.35.3 (Ulp. 4. disput.) – und Servius – vgl. D.32.60.3 (Alf. 2. dig. a Paulo epit.) – bekannt waren. Dazu Astolfi (Oggetto dei legati II, S. 46): „Le espressioni fundus cum instrumento, fundus instructus e simili sono considerate tipiche ,clausole pertinenziali‘ “. Unter diesen „clausole pertinenziali“ verstanden die Römer nach Astolfi (Oggetto dei legati II, S. 46) „quelle formule negoziali impiegate per alienare con la cosa principale l’accessoria. La volontà dei privati consegue così il risultato pratico che l’ordinamento giuridico raggiunge con l’istituto della pertinenza: com’è noto, la pertinenza segue ipso iure le sorti della cosa principale, a meno che nell’atto non sia espressamente disposto il contrario“. Neben den beiden typischen Formen fundus cum instrumento und fundus instructus gab es in der Praxis jedoch noch viele andere; siehe dazu die Auflistung bei Astolfi (Oggetto dei legati II, S. 46 ff.). Die Klauseln konnten nach Ansicht des Autors (S. 72) sowohl aus einer allgemeinen Zusammenfassung des vermachten Zubehörs (z. B. „ita ut est instructus“) wie aus einer beispielhaften Aufzählung der Einzelgegenstände (z. B. „cum mancipiis . . .“) oder aus beidem zusammen bestehen. Eine solche Kombination liegt in unserem Fall vor. 903 So auch Astolfi (Oggetto dei legati II, S. 70 Fn. 205), welcher in der vorliegenden Stelle eine „clausola pertinenziale“ erkennt. 904 Vgl. Astolfi (Oggetto dei legati II, S. 46).
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D.33.7.18.13 (Paul. 2. ad Vitell.) „Quidam cum ita legasset: ,villam meam ita ut ipse possedi cum supellectile mensis mancipiis, quae ibi deputabuntur905, urbanis et rusticis906, vinis, quae in diem mortis meae ibi erunt, et decem aureis‘, et quaereretur, cum in diem mortis ibi libros et vitreamina907 et vesticulam habuerit, an eadem omnia legato cederent, quoniam quaedam enumerasset: Scaevola respondit specialiter expressa, quae legato cederent“. „Als jemand folgendermaßen verfügt hatte: ,Ich vermache ihm mein Landhaus, so wie ich es selbst besessen habe, mitsamt dem Hausrat, den Tischen, den Stadt- und Landsklaven, welche dahin abgeordnet sein werden, mit den Weinen, welche bis zum Tage meines Todes sich daselbst befinden werden, und zehn Goldstücke‘, und nun angefragt wurde, weil er bis zu dem Tage seines Ablebens daselbst Bücher, gläserne Gefäße und einen Anzug gehabt hatte, ob eben dieses komplett (auch) zu dem Vermächtnis gehören solle, weil er einiges aufgezählt habe, antwortete Scaevola, dass ausdrücklich erwähnt sei, was zu dem Vermächtnis gehöre“.
Auf den ersten Blick scheint es, als hätte Scaevola in diesem Fall genau umgekehrt entschieden – nämlich dass alles, was zusätzlich zum Vermächtnis des Landhauses gehören sollte, ausdrücklich erwähnt („specialiter expressa“ 908) sein musste. Bei genauerem Vergleich der beiden Testamentsbestimmungen ergibt sich jedoch, dass die vorliegende Verfügung viel detaillierter gefasst war. Zwar wurde hier – ähnlich der Anordnung „fundum . . . ita ut est instructus“ – ein Landhaus „ut ipse possedi“ vermacht, jedoch wurden die mit diesem vermachten Sachen alle zur näheren Beschreibung der Villa („villam meam ita ut ipse possedi cum supellectile mensis mancipiis . . .“) einzeln und minutiös aufgezählt („enumerasset“). In diesem Testament gab es also gerade keine generelle Zubehör-Klausel wie „ita ut est instructus cum omnibus rebus“. Deshalb entschied Scaevola hier auf die Frage, ob auch die nicht genannten Bücher, gläsernen Gefäße und der Anzug zum Vermächtnis gehörten, dass alles, was dazugehöre, „specialiter expressa“, also ausdrücklich erwähnt sei. Anders als in unserer Stelle, wo der weite Begriffsinhalt durch Ausnahmen (negativ) begrenzt werden sollte, dient der (positive) Wortlaut hier als Begrenzung des Erblasserwillens. Ähnlich restriktiv interpretiert Scaevola eine durch Kodizill erweiterte Bestimmung in D.33.7.20 pr. (Scaev. 3. resp.): „respondit . . . non amplius deberi, quam . . . instructi appellatione contineri velle se manifeste ostendisset“. Auch hier 905
deputabantur F. cum supellectile, mancipiis quae mensis ibi deputabuntur et rusticis Mo. 907 vitrea minuta Mo. 908 Vgl. auch D.33.10.14 (Callist. 3. de cognitionibus): „Fundo legato instrumentum eius non aliter legato cedit, nisi specialiter id expressum sit . . .“. Weiter im Text heißt es dann „nominatim expressum“. 906
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sollte sich der „Nichtwille“ des Erblassers wiederum e contrario aus den ausdrücklichen Zusätzen „fundos . . . ita ut sunt instructi rustico instrumento supellectile pecore et vilicis cum reliquis colonorum et apotheca . . .“ ergeben. Der Wortlaut begrenzt folglich auch hier den Erblasserwillen. Da sich in diesem Testament keine generelle Klausel wie „cum omnibus rebus“ findet, kommt es für die Frage, was der Erblasser unter der Bezeichnung instrumentum verstanden haben könnte, mithin auf die im Einzelnen im Kodizill ausdrücklich („manifeste“) genannten Gegenstände an909. i) Ergebnis Wie die Untersuchung der Quelle D.33.7.27 (Scaev. 6. dig.) ergeben hat, bezog sich Scaevola mit den Worten huiusmodi scriptura hier wahrscheinlich nicht nur auf das spezielle, ihm vorliegende Testament, sondern (individualisierend/spezifizierend) auf „derart“ allgemein gehaltene Zubehör-Klauseln in Testamenten über Grundstücke, für welche dem ihm vorliegenden Fall eine beispielhafte Vergleichsfunktion zukommt. Dass es nach Scaevola zu deren Begrenzung auf den offenkundigen Nichtwillen des Erblassers ankommen sollte, zeigt, dass der Jurist zunächst vom Wortlaut des Testaments ausging und in einem weiteren Schritt die voluntas des Erblassers berücksichtigte. Da die verba hier eindeutig waren und ein abweichender Erblasserwille nicht erkennbar, konnte Scaevola seine Entscheidung hier auf diese stützen. 2. D.34.1.13.1 (Scaev. 4. resp.) (1) „,Imperator Antoninus Pius libertis Sextiae Basiliae. Quamvis verba testamenti ita se habeant, ut, quoad cum Claudio Iusto morati essetis, alimenta910 et vestiarium legata sint, tamen hanc fuisse defunctae cogitationem interpretor, ut et post mortem Iusti eadem vobis praestari voluerit‘. respondit eiusmodi scripturam ita accipi, ut necessitas alimentis praestandis perpetuo maneat.
909 Vgl. auch die streng am Wortlaut des Testaments orientierte Entscheidung in D.33.7.27.5 (Scaev. 6. dig), wo Scaevola ein Legat allein auf die vom Erblasser ausdrücklich bestimmten Grundstücke und nicht auch auf andere (nicht namentlich genannte) bezieht, selbst wenn diese für die Nutzung der ersteren unentbehrlich waren. Der Wortlaut begrenzt auch hier wieder den Willen des Erblassers, welcher mit der expliziten Benennung von Einzelgegenständen alle anderen e contrario ausgeschlossen hatte. Zu dieser Quelle siehe Harke (in Harke, Facetten des röm. ErbR, S. 68 f.). Es konnte jedoch auch Fälle geben, in denen es sich um eine beispielhafte Aufzählung handelt, bei welcher alle nicht genannten, dem angeführten genus aber vergleichbaren Sachen mit erfasst waren; dazu Astolfi (Oggetto dei legati II, S. 42). 910 vobis ins. Cod. Iust.
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(2) Item consultus de tali scriptura ,et tecum sint semper volo‘: quaero, cum manumissi ab herede cum eo morati diu sint, sed ob graviorem servitutem ab eo discesserint, an alimenta his debeantur, quae negat se praestare, nisi vice servitutis is uteretur. respondit secundum ea quae proponerentur deberi“. (1) „,Der Kaiser Antoninus Pius an die Freigelassenen der Sextia Basilia. Obwohl die Worte des Testaments so lauten, dass Unterhalt911 und Sklavenkleidung solange vermacht sind, wie ihr bei Claudius Iustus verweilt912, lege ich die Absicht der Erblasserin dennoch dahin aus, dass sie euch dasselbe auch nach dem Tod des Iustus geleistet wissen wollte. Er hat geantwortet, dass eine solche Bestimmung so verstanden werde, dass die Notwendigkeit Unterhalt zu leisten für alle Zeit bestehen bleibe. (2) Ebenso wurde er über eine solche Bestimmung um Rat gefragt: ,Ich will auch, dass sie immer an deiner Seite sind‘. Ich frage, ob er ihnen, nachdem sie, vom Erben freigelassen, lange Zeit an seiner Seite gelebt haben, aber ihn wegen allzu schweren Dienstes verlassen haben, Unterhalt schuldet, welchen zu leisten er sich weigert, falls er von ihnen913 nicht nach Art des (früheren) Dienstes Gebrauch machen kann? Er hat geantwortet, dass dies (der Unterhalt) nach dem vorgetragenen Sachverhalt geschuldet sei“.
a) Einordnung und Aufbau der Quelle Die vorliegende Quelle entstammt dem vierten Buch der Responsa von Scaevola. In den Digesten des Kaisers Justinian findet sie sich unter dem Titel „De alimentis vel cibariis legatis“, „Unterhalts- oder Lebensmittelvermächtnisse“ wieder. Die hier zitierte Entscheidung des Kaisers Antoninus Pius ist uns zudem in C.6.37.1 überliefert914. § 1 der Stelle beginnt direkt mit dem Zitat dieses Kaiserreskripts, an welches sich unmittelbar die mit „respondit“ eingeleitete Antwort von Scaevola anschließt. Dass die quaestio offenbar weggefallen ist915, und auch sonst kaum In911 „Alimenta“ (Pl.) bedeutet als juristischer Terminus technicus der „Unterhalt“ und begreift nach Heumann/Seckel (Handlexikon, S. 28) alles „zur Leibesnahrung und -notdurft Gehörige in sich, namentlich Essen und Trinken, Kleidung und Wohnung“. 912 Der Konjunktiv Plusquamperfekt ist hier nach den Regeln der Grammatik nicht erklärbar. Man hätte eher „moraturi sitis“ erwartet. 913 „is“ muss hier „iis“ sein, sonst fehlt das Objekt zu „uti“ und der Satz ergibt keinen Sinn. 914 Siehe C.6.37.1 (Imp. Antoninus A. Pius libertis Sextiae Basiliae [sine die et cons.]): „Quamvis verbis his: ,ut quoad cum Claudio Iusto morati essetis‘, alimenta vobis et vestiarium legatum sit, tamen hanc fuisse defuncti cogitationem interpretor, ut et post mortem Iusti eadem vobis praestari voluerit“. 915 Dem Hiat zwischen dem wörtlich zitierten Reskript des Kaisers und der Antwort von Scaevola ist wohl die Anfrage der Partei zum Opfer gefallen.
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formationen über den Sachverhalt mitgeteilt werden, ist für die komprimierten Responsa des Scaevola nicht ungewöhnlich916. Aus der Zusammenschau mit dem ausführlicheren § 2 lässt sich aber erschließen, dass die in § 1 weggefallene quaestio wohl zu dem besagten Kaiserreskript erging („Item consultus de tali scriptura ,et tecum sint semper volo‘: quaero, . . .“). Sehr wahrscheinlich handelt es sich in beiden Fällen um konkrete Anfragen aus der Praxis. Dass sich § 2 mit den Worten „et tecum . . . volo“ aufgrund der Adjunktion „et“ aber noch unmittelbar an den in § 1 geschilderten Fall anschließt, ist dem Inhalt nach unwahrscheinlich. Es handelt sich wohl eher um zwei verschiedene Sachverhalte. Interessant sind die beiden Fälle aber in der Gegenüberstellung der Worte „eiusmodi scriptura“ und „de tali scriptura“, weshalb sie hier auch zusammen behandelt werden. Die zweite Anfrage wird hier von Scaevola typisch lakonisch – in nur einem Wort („respondit . . . deberi“) – und mit dem stereotypen Zusatz „secundum ea quae proponerentur“ beantwortet. Zunächst soll der hier aufgrund der Formulierung „eiusmodi scriptura“ im Zentrum der Untersuchung stehende § 1 der Quelle exegetisch untersucht werden. Im Anschluss soll ein Vergleich zu § 2 angestellt werden. b) Der Sachverhalt aa) Die Klausel ,quoad cum Claudio Iusto morati essetis‘ In § 1 der Quelle geht es um Freigelassene (liberti) einer Frau namens Sextia Basilia, welche von einem durch ein Legat beschwerten Erben weiterhin Alimente beziehen wollten. In dieser Angelegenheit wandten sich die liberti offenbar an den Kaiser Antoninus Pius, welcher den konkreten Fall in einem Reskript ausdrücklich entgegen dem Wortlaut des Testaments („quamvis verba testamenti ita se habent“), aber nach dem Willen der Erblasserin („defunctae cogitationem“ und „voluerit“) zugunsten der liberti entschied917. Warum Scaevola darauf zu diesem kaiserlichen Reskript erneut befragt wurde, erfahren wir nicht. Denkbar ist, dass die Anfragenden ein vergleichbares Rechtsproblem hatten – vielleicht waren es ebenfalls Legatare oder Erben, die in einem Testament mit einer ähnlichen „quoad“-Klausel beschwert waren und deren zeit916
Siehe § 3 IV. 2. a) bb). Dass sich der Kaiser hier zugunsten des Willens der Verstorbenen über die verba testamenti hinwegsetzt, wird in der Antithese „quamvis . . . tamen“ besonders deutlich. Nach Maschi (FS Ferrini I, S. 337 ff.) entscheidet der Kaiser hier nach der „volontà individuale“. 917
§ 5 Systembildung nach der Art
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liche Anwendbarkeit geklärt haben wollten918 – und nun unter Bezugnahme auf das Reskript wissen wollten, wie lange genau der Unterhalt in dem vom Kaiser entschiedenen Fall noch geleistet werden sollte919. Denn die kaiserliche Antwort „et post mortem“ besagt lediglich, dass die Alimentationspflicht auch nach dem Tod noch bestehen bleiben sollte. Nicht auszuschließen ist zudem, dass der Konsulent Klarheit über das vom Kaiser reskribierte „eadem praestari“ haben wollte. Rein grammatikalisch lassen sich darunter nämlich sowohl die Kleider oder Alimente als auch (verstanden als Neutrum Plural) beides zusammen subsumieren. Besonders auffällig ist jedenfalls, dass Scaevola in seiner präzisen Antwort nur die „alimenta“ – und nicht wie in der Anfrage auch die Kleidung („et vestiarium“) – erwähnt920. Scaevola entschied nun, dass eine „solche Bestimmung“ so zu verstehen sei („ita accipi“), dass die Alimentationspflicht „perpetuo maneat“, also zumindest auf Lebenszeit der liberti bestehen bleibe921. Eine Begründung für seine Entscheidung gibt der Jurist wie so oft nicht. Man könnte darüber spekulieren, dass die manumissi auch nach der Freilassung erhebliche Schwierigkeiten hatten ihren Lebensunterhalt zu finanzieren. Jedenfalls hatten sie ein fortbestehendes Interesse an den Leistungen. Im Ergebnis entscheidet Scaevola hier jedenfalls zugunsten der Freigelassenen, denen er weiterhin Unterhalt zuspricht. Fraglich ist nun, worauf sich der Ausdruck „eiusmodi scriptura“ bezieht und welche „scriptura“ Scaevola im vorliegenden Fall auslegt. Unwahrscheinlich – grammatikalisch aber nicht ausgeschlossen – ist, dass sich Scaevola mit diesen Worten auf das kaiserliche Reskript bezieht. Dagegen spricht nämlich schon, dass es, wie bereits angesprochen, in dem mit „item consultus de 918 Vgl. einen ähnlichen Fall in D.33.2.32.6 (Scaev. 15. dig.), wo Scaevola die testamentarische Bestimmung „donec mentis compos fiat et convalescat“ so auslegt, dass das Fideikommiss zugunsten der Tochter Publia Clementia über den Tod des Bruders hinaus bestehen bleiben soll. 919 Vielleicht wurde die quaestio der Anfragenden auch deshalb nicht überliefert, weil es auf sie nicht ankam, sondern gerade die Auslegung dieses Testamentswortlauts im Zentrum der Entscheidung stehen sollte. 920 Man könnte darüber spekulieren, ob die „necessitas vestiariis praestandis“ vielleicht deshalb nicht mehr bestand, weil die liberti nach einer ersten Versorgung mit vestiaria nicht länger mit den typischen Sklavenkleidern herumlaufen wollten. So musste sich in Rom jeder in Toga zeigen, der nicht für einen Sklaven oder Tagelöhner gehalten werden wollte; siehe Paoli (Leben im alten Rom, S. 131). Interessant ist zudem, dass Scaevola hier von einer „Notwendigkeit“ spricht. Sicher bezog er sich damit auf die juristische Verpflichtung des durch das Vermächtnis beschwerten Erben – dies legt zudem die Formulierung „an alimenta his debeantur“ in § 2 der Quelle nahe. 921 Vgl. die bereits erwähnte Quelle D.33.2.32.6 (Scaev. 15. dig.), wo das Fideikommiss zugunsten der Tochter Publia Clementia nach Scaevola über den Tod des Bruders hinaus bestehen bleiben sollte.
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2. Kap.: Exegesen
tali scriptura“ übergeleiteten Fall in § 2 „ebenso“ um die Auslegung einer Testamentsbestimmung (scriptura) geht. Interessant ist jedenfalls, dass Scaevola, nachdem bereits ein kaiserliches Reskript in der Sache ergangen war, nochmals selbst respondierte und die kaiserliche Einzelfallentscheidung insofern verallgemeinert, als er sie auf ähnliche Fälle übertrug. Es handelt sich demnach um eine Art doppelte Interpretation des Testaments (siehe das „interpretor“ des Kaisers und das „accipi“ von Scaevola), die in absoluter Harmonie zueinander stehen. Insbesondere maßt sich der Jurist hier nicht etwa an, die Entscheidung des Kaisers zu korrigieren922. Man könnte meinen, dass Scaevola verallgemeinern wollte, dass „eine derartige“ Befristung („eiusmodi scriptura“) wie „quoad cum . . . morati essetis“ stets so ausgelegt werden sollte, dass die jeweilige Leistungspflicht nicht nur – wie der Kaiser reskribiert hatte – „post mortem . . .“ bestand, sondern gerade „perpetuo“ bestehen blieb. Nach Maschi923 weist die Entscheidung Scaevolas – im Gegensatz zur Interpretation des individuellen Erblasserwillens durch den Kaiser – zwar einen „tono categorico“ auf. Es kann sich jedoch schon deshalb nicht um eine „kategorische“ Entscheidung handeln, weil dann der individuelle Erblasserwille unberücksichtigt bliebe. Dass Scaevola vorliegend nach diesem entscheidet, zeigt aber die Tatsache, dass er – wie schon der Kaiser („quamvis verba testamenti ita se habent“) und sogar noch über dessen Entscheidung hinaus („perpetuo“) – entgegen den Worten des Testaments „quoad cum . . . morati essetis“ zugunsten der liberti urteilt. Das Genitivattribut eiusmodi bezieht sich hier folglich nicht auf eine testamentarische Befristungsklausel „von der Art“, wie sie in Rom – was die Quellen belegen – äußerst häufig vorkam, sondern nur auf die „so beschaffene“ scriptura im konkreten Fall. Dies entspricht im Übrigen der allgemeinen Tendenz Scaevolas, seine Entscheidungen auf den ihm vorgelegten Sachverhalt zu begrenzen („secundum ea quae proponerentur“). bb) Die Klausel ,et tecum sint semper volo‘ In § 2 geht es ebenfalls um die Auslegung einer Testamentsklausel924. Vermutlich waren es auch hier liberti925, welche Scaevola um Rechtsrat fragten926. 922
Zum Umgang des Juristen mit kaiserlicher Rechtsprechung siehe § 7 III. 2. Siehe Maschi (FS Ferrini I, S. 339). 924 Hier konzentriert sich schon die Anfrage nur auf den entscheidenden Passus „et tecum sint semper volo“, der Rest des Testaments wird nicht überliefert. Dies ist sicher auf die Komprimiertheit der Responsa zurückzuführen. 923
§ 5 Systembildung nach der Art
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Nachdem diese, welchen vom Erblasser per Fideikommiss927 aufgetragen worden war, „semper“ an der Seite des Erben (ihres Patrons) zu bleiben, dieser Anordnung lange Zeit („diu“) nachgekommen waren, verließen sie ihn, weil er sie für allzu schwere Dienste („ob graviorem servitutem“) eingesetzt hatte928. Es stellte sich nun die Frage, ob der sich weigernde Erbe den liberti, von denen er nach deren Fortgang keinen Gebrauch mehr machen konnte, trotzdem noch Alimentation schuldete. Scaevola bejaht dies. Nach seiner Auslegung bedeutet „semper“ eben nicht, dass die liberti um jeden Preis bei ihrem Patron verbleiben mussten929. Demnach verwirkte der Patron dadurch, dass er die liberti ausbeutete, sein Recht auf deren Dienste930. Interessant ist der Fall insofern, als das Zitat der Testamentsklausel hier mit den Worten „talis scriptura“ eingeleitet wird931. Fraglich ist nämlich, ob diese Stelle als Beweis dafür dienen kann, dass talis und eiusmodi bei Scaevola synonym gebraucht werden. Dies vermag die Stelle jedoch schon deshalb nicht zu belegen, da die Einleitung „Item consultus de tali scriptura“ wohl nicht von Scaevola selbst, sondern vom Herausgeber der Responsa stammt. Im eigentlichen responsum des Juristen („respondit . . . deberi“) wiederholt sich dieser Ausdruck jedoch nicht. Dort finden sich nur die für Scaevola typischen Worte „secundum ea quae proponeren925 Genauer gesagt Sklaven, deren Freilassung dem Erben vom Erblasser aufgetragen war: „. . . manumissi ab herede“. 926 Natürlich kann nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, dass sich hier der Erbe an Scaevola wandte. Dafür, dass es die liberti waren, spricht aber, dass diese schon in dem in § 1 überlieferten Fall die anfragende Partei waren. Zudem wird über den Erben berichtet, dass sich dieser weigerte Unterhalt zu leisten („quae negat se praestare“) und dass die Dienste allzu schwer waren („ob graviorem servitutem“). In diesem Vorbringen klingen doch stark die Interessen der liberti an. 927 Dafür, dass es sich hier um eine fideikommissarische Anordnung handelt, spricht das typische Bittwort „volo“. 928 Der Fall aus § 2 unterscheidet sich insofern von dem in § 1 überlieferten, als die Verfügung ausdrücklich auf „semper“ („tecum sint semper volo“) lautet und nicht – wie im ersten Fall – auf „quoad cum Claudio Iusto morati essetis“, also auf den Tod befristet ist. Hier geht es insofern um die Unterbrechung der mora durch freiwilliges Verlassen der Arbeitsstätte – im ersten Fall geht es dagegen um das durch Tod eingetretene Ende der mora. Die Gemeinsamkeit der Fälle liegt jedoch im zeitlichen Kriterium respektive der Dauer der Alimentationsverpflichtung. 929 Vgl. die in D.40.7.4.1 (Paul. 5. ad Sab.) überlieferte Regel im Fall eines statuliber, der – wenn der Verkäufer die Lösungssumme in einer solchen Höhe angab, dass sie dem Sklaven „ex operis“ unmöglich zu erbringen war – nicht mehr als statuliber verkauft angesehen wurde. Siehe zum statuliber § 7 III. 3. c) aa). 930 Im Ergebnis entscheidet Scaevola beide Fälle zugunsten der liberti, deren Lebensunterhalt er sichern wollte. Dass die ehemaligen Sklaven für ihre treuen Dienste das Nötigste zum Überleben bekommen sollten, lag auch im Interesse des Erblassers. 931 Siehe zu dieser Gruppe von huiusmodi/eiusmodi-Fällen bereits Fn. 805.
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2. Kap.: Exegesen
tur“, mit denen er seine Entscheidung ausdrücklich auf den vorgetragenen Sachverhalt beschränkt. Ein juristischer Gehalt kann den Worten an dieser Stelle folglich nicht entnommen werden.
IV. Zusammenfassung der Exegesen Wie die Untersuchung ergeben hat, enthält das argumentum ad modum – im Gegensatz zum argumentum ex genere932 –, mit welchem ein Institut oder ein Fall einer bestimmten Gattung zugeordnet wird, eher ein exemplarisches, auf den konkreten Fall bezogenes Element. Die Exegesen haben gezeigt, dass sich ein einheitlicher Sprachgebrauch der Worte eiusmodi/huiusmodi im Werk von Scaevola nicht nachweisen lässt. Auch wenn festgestellt werden konnte, dass die testamentarische Bestimmung „fundum . . . ita ut est instructus cum omnibus rebus“ in D.33.7.27.1 (Scaev. 6. dig.) eine typische „Zubehör-Klausel“ beim Vermächtnis von Grundstücken darstellt, ließ sich weder an dieser Stelle noch in D.34.1.13.1–2 (Scaev. 4. resp.) eine systematisierende Verwendung der Worte huiusmodi/eiusmodi scriptura bei der Auslegung von Testamentsklauseln nachweisen.
932
Siehe zur Systembildung durch Gattungsbildung § 6 I.
§ 6 Systembildung durch Gattungsbildung Das folgende Kapitel beschäftigt sich mit der Frage des Nachweises von innerer Systembildung anhand juristischer Gattungsbildung.
I. Das argumentum ex genere Beim sog. argumentum ex genere wird eine Gattung als Oberbegriff gebildet und durch das Verfahren der divisio933 (diaßresiò) in ihre jeweiligen Arten unterteilt934. Diese Argumentationsform ist für die Frage nach innerer Systembildung deshalb bedeutend, weil durch sie ein Begriff oder Institut als einer bestimmten Klasse zugehörig in einen größeren rechtlichen Zusammenhang gestellt wird, aus dem der Jurist wiederum Schlüsse für die Lösung des Einzelfalls ziehen kann. Nach La Pira stellen divisio und definitio die beiden fundamentalen Operationen dar, mittels derer man ein wissenschaftliches Gebäude (System) konstruieren kann: „La divisione crea la nervatura del sistema: essa ha per fondamento le partizioni in genera e species: la definizione, per contro, ha funzione unificatrice, perchè nella sintesi che essa realizza coordina, riducendole ad unità, tutte le parti che la divisione ha generate. La pluralità nell’unità, l’unità nella pluralità; è questa la legge che regola intrinsecamente ogni sistema scientifico“ 935.
II. Zum juristischen Sprachgebrauch Zu den Worten, die typischerweise auf eine argumentatio ex genere hindeuten, zählt vor allem das bei den klassischen Juristen beliebte Begriffspaar genus und species936. Daneben können aber auch andere Termini juristische Gattungsbildung indizieren. 933 Die divisio wird seit jeher mit der partitio verwechselt, welche dagegen ein Ganzes in seine Teile unterteilt; vgl. dazu Nörr (Divisio und Partitio, S. 39 ff.), der vermutet, dass selbst Cicero (De orat. 1, 189) divisio und partitio durcheinander brachte. 934 Die Gattung verfügt also jeweils über die Merkmale, welche die ihr untergeordneten species gemeinsam haben, die sich untereinander wiederum durch bestimmte Eigenschaften unterscheiden; vgl. Avenarius (Der pseudo-ulpianische liber singularis, S. 100). Zum Verfahren im Einzelnen siehe Wieacker (RRG I, S. 624 ff.). 935 La Pira (BIDR 42 (1934), S. 344). 936 Meistens steht das genus für den Oberbegriff und die species für den darunter erfassten Einzelfall. Man denke nur an die Gruppenbildungen in den Institutionen des Gaius (z. B. genera contractorum in Gai. 3.89/genera testamentorum in Gai. 2.101/ge-
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Im Folgenden soll der Ausdruck vel alio bzw. aliove im Werk des Scaevola auf eine mögliche Systembildung hin untersucht werden937. Durch die Adjunktion vel wird Gleichwertiges im einschließenden Sinne verknüpft. Da vel etymologisch von velle kommt, könnte man anstatt „oder auch“ sogar „oder wahlweise“ übersetzen. Im Zentrum der Frage nach der Gattungsbildung steht dabei das Adjektiv alius, mit welchem in Form von vel alio möglicherweise „auch ein anderer Fall“ einer bestimmten Gattung zugeordnet wird. Zunächst soll anhand der Quelle D.18.6.11 (In libro septimo dig. Iuliani Scaevola notat) die Wendung „aliove quo casu“ untersucht werden. Hier stellt sich die Frage, ob Scaevola die genannten Fälle der Überschwemmung (inundatione aquarum) und des Erdrutsches (chasmate) als species dem genus „casus“ zuordnet und mit vel gleichstellt. Im Anschluss wird anhand der Quelle D.18.3.6 (Scaev. 2. resp.) die Wendung „arrae vel alio nomine“ untersucht.
nera legatorum in Gai. 2.192) oder an die genera possessionum des Paulus in D.41.2.3.21/22 (Paul. 54. ad ed.). Wie Coing (Studi Arangio-Ruiz I, S. 372) anhand der Quellen Gai. 1.188 und Gai. 3.183 belegt, stellten diese jedoch nur Kategorisierungsversuche dar. Zudem war man sich über die Abgrenzung von genus und species nicht immer einig. 937 Im Werk von Scaevola finden sich mehrere Stellen mit dieser oder einer vergleichbaren Formulierung: siehe z. B. D.19.1.52 pr. (Scaev. 7. dig.). Diese Stelle wird hier deshalb nicht exegetisch behandelt, weil die unter Systemgesichtspunkten interessante Formulierung „an empti iudicio vel aliqua actione“ nicht im responsum des Juristen („respondit posse emptorem empti iudicio consequi, ut instrumenta de quibus quaereretur exhibeantur“), sondern allein in der quaestio der Parteien („quaesitum est, an empti iudicio vel aliqua actione emptor a venditore consequi possit“) vorkommt. Scaevola wurde wohl vom Käufer neben der Kaufklage nach einer anderen Klagemöglichkeit („vel aliqua actione“) gefragt, mit welcher dieser die Quittungen über die bereits gezahlten Grundsteuern vom Verkäufer herausverlangen konnte. Warum der Käufer nach irgendeiner anderen Klage fragte, soll hier nicht näher untersucht werden. Ebenso wenig, warum einerseits von der „actio“, andererseits vom „iudicium“ die Rede ist. Dass der Konsulent offenbar nicht wusste, welche andere Klage in Betracht kam, drückt sich im Adjektiv „aliqua“ aus. Im Unterschied zum „alio nomine“ (von „alius“ = „ein anderer“) in der im Folgenden zu behandelnden Stelle D.18.3.6 bedeutet „aliquis“ adjektivisch gebraucht „irgendein“. Der Konsulent fragte also nicht nach einer „anderen“ (der actio empti nahestehenden) Klage, sondern nach „irgendeiner anderen“ Klage. In seiner knappen Antwort geht Scaevola jedenfalls nur auf die Kaufklage (empti iudicio) ein, welche er im konkreten Fall bejaht. Ohne ein Wort zu der vorgebrachten Frage zu verlieren, welche andere Klage daneben überhaupt in Betracht käme, stützt er sich in seinem responsum allein auf das Sachziel des Konsulenten: die Herausgabe der Quittungen. Dass Scaevola sich auf den vorgetragenen Sachverhalt beschränkt, wird zudem durch den an das responsum angehängten Finalsatz „ut instrumenta de quibus quaereretur exhibeantur“ verstärkt. Es ist folglich anzunehmen, dass die Frage nach einer „aliqua actio“ von der Partei stammt, welche sich umfassend nach ihren Rechtsschutzmöglichkeiten erkundigte, dass sie aber gerade keine Aussage über mögliche Systembildung bei Scaevola etwa durch Abgrenzung verschiedener Klagen erlaubt. Trotz gewisser Parallelen muss diese Stelle daher ausscheiden.
§ 6 Systembildung durch Gattungsbildung
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Hier stellt sich u. a. die Frage, warum der sonst eher wortkarge938 Jurist gerade diese Formulierung (und nicht etwa einfach „arrae nomine“) gebraucht. Insbesondere soll der Frage nachgegangen werden, ob der Zusatz „alio nomine“ hier für Typenbildung stehen kann, also ob Scaevola die Arrha im vorliegenden Fall mit einem anderen nomen iuris oder nomen contractus „typisiert“ 939.
III. Exegesen 1. D.18.6.11 (In libro septimo digestorum Iuliani Scaevola notat) „Fundi nomine emptor agere non potest, cum, priusquam mensura fieret, inundatione aquarum aut chasmate aliove quo casu pars fundi interierit“. „Der Käufer kann wegen des Grundstücks nicht klagen, wenn ein Teil des Grundstücks durch Überschwemmung oder durch einen Erdrutsch oder einen anderen Fall von höherer Gewalt untergeht, bevor es vermessen wurde“.
a) Einordnung der Quelle In dieser unter dem Digestentitel „De periculo et commodo rei venditae“, „Gefahr und Nutzen einer verkauften Sache“, überlieferten Quelle macht Scaevola eine Anmerkung zum siebten Buch der Digesta des Julian. Von Lenel 940 wird die Quelle zusammen mit D.19.1.22 (Iul. 7. dig.)941 im siebten Buch der Digesta des Julian unter dem Ediktstitel „De modo agri“ 942 wiedergegeben. 938
Zum lakonischen Stil von Scaevola siehe § 3 V. 1. Zum ,Typus‘ im römischen Recht vgl. etwa die Definition von Giuffrè (in Vincenti, Diritto e clinica, S. 48): „Il ,tipo‘, però, non aveva valore assiomatico o dogmatico, ma euristico“. Siehe auch Andrés Santos (in Andrés Santos/Baldus/Dedek, Vertragstypen, S. 1 ff.). Gerade bei den römischen Juristen, welche sich vor Abstraktion und Konzeptualisierung scheuten, traf das typologisierende Denken auf äußerst fruchtbaren Boden. Denn da sich der Typus auf induktivem, nicht auf deduktivem Weg findet, ermöglicht er als strukturierende Denkform eine rationale Rekonstruktion der Wirklichkeit, ohne dabei jedoch die juristische Dynamik zu hemmen. Zur Bedeutung des ,Typus‘ für die juristische Systembildung siehe schon Larenz (Methodenlehre, S. 464–473) mit kritischer Stellungnahme von Andrés Santos (in Andrés Santos/Baldus/Dedek, Vertragstypen, S. 5). 940 Siehe Lenel (Palingenesie I, Sp. 334). 941 Hier behandelt Julian den Fall, dass ein Verkäufer „in qualitate“, nicht „in modo fundi“ gelogen hatte und dem Käufer gleichwohl haftete. Als Beispiel für eine Lüge hinsichtlich der Qualität führt er den Fall an, dass das Grundstück entgegen den Aussagen des Verkäufers nicht fünfzig Morgen Weinberge und fünfzig Morgen Weideland umfasste, sondern nur hundert Morgen (weniger wertvolles) Weideland. Obwohl der Verkäufer hier hinsichtlich der Größe von hundert Morgen richtige Angaben gemacht hatte, sollte er dem Käufer nach Julian dennoch haften, weil dem Käufer bei der Manzipation auch die Qualität (in diesem Fall die Möglichkeit, auf der Hälfte des Grund939
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2. Kap.: Exegesen
b) Der Sachverhalt Scaevola behandelt hier den Fall eines verkauften, aber noch nicht vermessenen Grundstücks, von welchem ein Teil durch Zufall untergegangen war943. Beim Kauf mit mancipatio konnte der Käufer gegen den Verkäufer und mancipio dans mit der actio de modo agri auf das Doppelte der Differenz des Grundstückwertes vorgehen, wenn der Verkäufer dessen exakte Größe in seiner nuncupatio (lex mancipio dicta) falsch, weil zu groß, angegeben hatte944. Da das Grundstück hier aber noch nicht vermessen war, scheint es unwahrscheinlich, dass der Verkäufer beim Verkauf die exakte Größe angegeben hatte. Nahe liegt vielmehr, dass dieser ein bestimmtes Grundstück – wie in der Praxis üblich – als res certa allein unter einem bestimmten Namen z. B. als „fundus Cornelianus“ 945 o. ä. verkauft hatte. Schwerpunkt des vorliegenden Falles sind damit nicht die Gewährleistungs-, sondern die Gefahrtragungsregeln. Gemäß der Regel periculum (vis maioris) est emptoris war die Gefahr für das Grundstück mit der perfecta emptio bereits auf den Käufer übergegangen. Im Fall von höherer Gewalt konnte dieser deshalb nicht gegen den Verkäufer vorgehen. c) Fälle von höherer Gewalt Die Römer unterschieden zwei Arten von casus: den sog. casus minor und den casus maior/fortuitus, welcher auf höherer Gewalt (vis maior946) beruhte947. stücks Weinbau betreiben zu können) zugesichert worden war. Vgl. auch D.19.1.34 (Ulp. 18. ad ed.), wo Ulpian die actio empti gewährt. 942 Es geht also um die actio de modo agri, die Klage wegen Verkaufs eines Grundstücks, das kleiner war als vom Verkäufer förmlich zugesichert. Zum Begriff modus in der Bedeutung „Grundstücksgröße“ siehe die Anmerkungen bei Baldus (OIR 5 (1999), S. 32 Fn. 42). 943 Es handelt sich ganz offensichtlich nicht um einen konkreten Fall, sondern um eine allgemeine Anmerkung zu Julian. Der Satz liest sich aufgrund seiner Abstraktheit fast wie eine Rechtsregel. 944 Vgl. D’Ors (Derecho romano, S. 587); Talamanca (Istituzioni, S. 591). Wie Baldus (OIR 5 (1999), S. 32) feststellt, ging die actio de modo agri – modern gesprochen – also auf einen pauschalierten Schadenersatz für Sachmängel. 945 Zur Namensgebung der Grundstücke siehe Steinwenter (Fundus cum instrumento, S. 16) sowie die Quelle D.35.1.40.4 (Iav. 2. ex posterioribus Labeonis) oder den bekannten Irrtumsfall zum fundus Cornelianus bzw. Sempronianus in D.18.1.9 pr. (Ulp. 28. ad Sab.). 946 Zur Bestimmung der höheren Gewalt in der hochklassischen Rechtsentwicklung nach Julian siehe insbes. Doll (Vis maior, S. 62 ff.). Zur Entwicklungsgeschichte des Begriffes siehe Ernst (Index 22 (1994), S. 293 ff.), welcher die vis maior in eine ältere „gegenstandsbezogene“ und eine sich später entwickelnde „leistungspflichtbezogene“ unterteilt. 947 Vgl. Kaser/Knütel (Röm. PrivatR, S. 217).
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Fälle höherer Gewalt waren nach D.13.6.18 (Gai. 9. ad ed. prov.) bei der Leihe z. B. Überfälle von Räubern oder Feinden, Schiffbruch, Feuer etc.948. Mit der Überschwemmung (inundatio aquarum) und dem Erdrutsch (chasma949) zählt Scaevola hier zwei denkbare Fälle von höherer Gewalt auf. Diese beiden Naturkatastrophen waren sicher die beim Kauf eines Grundstücks wichtigsten Fälle von höherer Gewalt. d) Systembildung durch „aliove quo casu“? Fraglich ist, ob Scaevola mit den Worten „aliove quo casu“ 950 hier systembildend vorgeht. Indem er die Überschwemmung und den Erdrutsch alternativ („aut“) nebeneinander stellt, ordnet er sie als species-Begriffe unter den genus-Oberbegriff „casus“ 951. Sprachlich drückt er dies über die verknüpfenden Worte „aliove quo casu“ („oder durch einen anderen Fall von höherer Gewalt“) aus. Es handelt sich dabei also nicht um eine abschließende, sondern lediglich um eine beispielhafte Aufzählung von Einzelfällen. Denn Scaevola hält sich mit den Worten „aliove casu“ ja gerade offen, weitere species unter das genus zu subsumieren. Die Anmerkung zu Julian zeigt insofern systembildende Strukturen, als Scaevola den zentralen Begriff des casus (fortuitus) hier in der Form der divisio in verschiedene species unterteilt und diese – anstatt alle einzeln aufzuzählen – abschließend im generellen Ausdruck „aliove quo casu“ abstrahiert. 948 Vgl. auch die umfassende Aufzählung in D.50.17.23 (Ulp. 29. ad Sab.). Nach Voci (SDHI 56 (1990), S. 127) handelt es sich hierbei um „elenchi esemplificativi“ – aus zwei Gründen: „In primo luogo, non si corrispondono per intero, perché ciò che l’uno include è escluso dall’altro: se fossero tassativi, la cosa non sarebbe possibile. In secondo luogo, da essi non risulta quella graduazione di responsabilità che deriva dall’esistenza della custodia“. 949 Interessant, hier aber nicht weiter zu verfolgen, ist das Naturphänomen des chasma (von griech.: xÜsma, die klaffende Öffnung, der Spalt). Der Begriff kommt außer bei Scaevola nur noch bei Ulpian vor in: D.4.4.11.5 (Ulp. 11. ad ed.); D.30.47.6 (Ulp. 22. ad Sab.) und D.50.15.4.1 (Ulp. 3. de censibus). Die Quelle D.30.47.6 (Ulp. 22. ad Sab.) zeigt, dass der Fall schon von Labeo behandelt wurde. 950 Vgl. schon die uns in D.39.2.24.3 (Ulp. 81. ad ed.) überlieferte Formulierung des Labeo: „. . . et Labeo quidem scribit de damno dato non posse agi, si quid forte terrae motu aut vi fluminis aliove quo casu fortuito acciderit“. In unserem Fall fehlt allerdings das Adjektiv fortuitus. Giaro (BIDR 78 (1975), S. 281 f.) sieht in dem Ausdruck „aliove quo casu fortuito“ bei Labeo eine „clausola generalizzante [. . .] [che] costituisce un progresso visibile, nel campo della tecnica giuridica“ gegenüber einzelnen Aufzählungskatalogen. Am Ende des Abschnitts sei eine verallgemeinernde Klausel nötig gewesen, da in einem derart allgemeinen Zusammenhang mit dem terrae motus und der vis fluminis nur zwei Ereignisse herausgegriffen worden seien. 951 Vgl. Voci (SDHI 56 (1990), S. 127): „. . . casus è il genus, vis è la species; sicchè ogni vis è casus, ma non ogni casus è vis“.
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2. Kap.: Exegesen
Die Entscheidung zeigt aber auch, dass es Scaevola – selbst in dieser regelhaft wirkenden Anmerkung zu Julian – nicht in erster Linie auf Systematisierung ankommt. Weder erläutert der Jurist die jeweiligen Eigenschaften der einzelnen genannten species als Naturkatastrophen noch grenzt er sie ab oder ordnet sie. Stattdessen zählt er die genannten Fälle einfach beispielhaft auf. Diese exemplarische Aneinanderreihung von Fällen mag unter Systemgesichtspunkten unbefriedigend erscheinen, entspricht aber durchaus der kasuistischen Denkweise der römischen Juristen952. 2. D.18.3.6 (Scaev. 2. resp.) „De lege commissoria interrogatus ita respondit, si per emptorem factum sit, quo minus legi pareretur, et ea lege uti venditor velit, fundos inemptos fore et id, quod arrae vel alio nomine datum esset, apud venditorem remansurum. (1) Idem respondit, si ex lege inempti sint fundi, nec id, quod accessurum dictum est, emptori deberi. (2) Post diem lege commissoria comprehensum venditor partem reliquae pecuniae accepit. respondit, si post statutum diem reliquae pecuniae953 venditor954 legem dictam non exercuisset et partem reliqui debiti accepisset, videri recessum a commissoria“ 955. „Hinsichtlich einer (bestimmten) lex commissoria befragt, antwortete er (Scaevola) folgendermaßen: Wenn der Käufer bewirkt hat, dass die lex nicht eingehalten worden ist, und wenn der Verkäufer von dieser lex Gebrauch machen will, dann werden die Grundstücke nicht mehr gekauft956 sein und das, was als Arrha oder unter anderer Benennung hingegeben worden ist, wird beim Verkäufer verbleiben.
952 Siehe nur als weitere Beispiele aus dem Bereich der höheren Gewalt die Aufzählungen bei Ulpian in D.13.6.5.4 (Ulp. 28. ad ed.): „Quod vero senectute contigit vel morbo, vel vi latronum ereptum est, aut quid simile accidit . . .“ und „. . . proinde et si incendio vel ruina aliquid contigit vel aliquid damnum fatale, non tenebitur . . .“. 953 Lenel (Palingenesie II, Sp. 294): reliquae pecuniae gloss.? Der dies solvendae pecuniae ist insbes. der „Verfalltag für eine Leistung“/„Zahlungstermin“; siehe Heumann/ Seckel (Handlexikon, S. 146). 954 venditore F 955 Die Übersetzung von Behrends/Knütel/Kupisch/Seiler (Corpus Iuris Civilis III, S. 481) lautet: „Auf die Bitte um Rechtsauskunft wegen eines Auflösungsvorbehalts hat Scaevola das folgende Gutachten erteilt: Wenn der Käufer bewirkt hat, daß die Vertragsbestimmung [des Auflösungsvorbehalts] nicht eingehalten worden ist und der Verkäufer von ihr Gebrauch machen will, dann sind die Grundstücke nicht mehr gekauft und das, was [zum Beweis des Kaufabschlusses] als Angeld oder aus einem sonstigen Grunde bereits vom Käufer hingegeben worden ist, verbleibt beim Verkäufer“. 956 Das Adjektiv inemptus wird hier bewusst nicht mit „ungekauft“, sondern „mit nicht mehr gekauft“ übersetzt, um die dahinter stehende Konstruktion der emptio pura, quae sub condicione resolvitur deutlich zum Ausdruck zu bringen. Siehe dazu Fn. 1019. Zu diesem typischerweise in der Verfallklausel enthaltenen Adjektiv vgl. z. B. die Quel-
§ 6 Systembildung durch Gattungsbildung
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(1) Derselbe antwortete, dass dann, wenn die Grundstücke aufgrund der lex nicht mehr gekauft sind, dem Käufer das nicht mehr geschuldet werde, was als Zubehör verabredet wurde. (2) Nach dem in der lex commissoria bestimmten Termin hat der Verkäufer einen Teil des restlichen Kaufpreises angenommen. Er antwortete: Wenn der Verkäufer nach dem für die restliche Zahlung festgesetzten Termin die besagte lex nicht weiter verfolgt und einen Teil der Restschuld angenommen hat, dann ist man offensichtlich von der (lex) commissoria abgerückt“.
a) Einordnung der Quelle Die Quelle, welche aus dem zweiten Buch der Responsa des Scaevola stammt957, wird nach der Palingenesie als erste von insgesamt fünf Quellen unter dem allgemeinen Ediktstitel „Empti venditi“, „Der Kauf“, wiedergegeben958. Eine derart allgemeine Zuordnung entspricht den nachfolgenden Quellen im zweiten Buch der Responsa, in welchen die unterschiedlichsten Probleme des Kaufs behandelt werden959.
len D.18.3.5 (Nerat. 5. membr.); D.18.1.6.1 (Pomp. 9. ad Sab.); D.18.3.2 (Pomp. 35. ad Sab.); D.18.5.10 pr. (Scaev. 7. dig.) oder D.18.3.8 (Scaev. 7. dig.). Nach Ziliotto (in Garofalo, Il ruolo della buona fede oggettiva IV, S. 475) bezeichenen die Worte res inempta, welche übrigens auch bei der in diem addictio sowie dem pactum displicentiae vorkommen, „in modo immediato l’idea di una fine, di una cancellazione, di una estensione“. Dass daneben auch das korrespondierende Adjektiv invenditus verwendet wurde, zeigt z. B. die Quelle D.18.5.10.1 (Scaev. 7. dig.): „. . . postea venditor eam legem inseruit, ut, si ex die pecunia omnis soluta non esset et venditor ea praedia venisse nollet, invendita essent“. Im Hinblick auf die Frage, ob der Terminus invenditus, welcher eher auf die Verkäuferperspektive abzustellen scheint, technisch gebraucht wurde, gilt es zu beachten, dass er hier ausschließlich in einer Parteiabrede und nicht im eigentlichen responsum des Scaevola vorkommt. Zum praktischen Ursprung der Worte res inempta als „terminologia proveniente dalla prassi“ siehe Ziliotto (in Garofalo, Il ruolo della buona fede oggettiva IV, S. 513): „. . . nell’ampio significato dalla prassi, inemptus stava ad indicare un venir meno complessivo della vendita, comprensivo cioè sia del dato economico, vale a dire dell’affare, sia del dato giuridico, cioè del contratto“. Wie die Autorin anhand der Quelle D.18.1.6.1 (Pomp. 9. ad Sab.) betont, versuchten jedoch die Juristen diese weite Bedeutung einzuschränken, indem sie darauf abstellten, dass inemptus nicht das juristische Ende des Vertrages und damit der Klagemöglichkeiten aus dem Vertrag bedeute, sondern nur, dass der Verkäufer dem Käufer zur Leistung nicht mehr verpflichtet sei. 957 Als solches ist es der Papiniansmasse zuzuordnen; vgl. Mantovani (Masse bluhmiane, S. 98). 958 Vgl. Lenel (Palingenesie II, Sp. 223). 959 In D.18.5.8 (Scaev. 2. resp.) geht es z. B. um die Erfüllungshaftung eines Verwalters, der in Unkenntnis seiner inzwischen erlangten Erbenstellung ein Grundstück aus der Erbmasse verkaufte; D.19.1.48 (Scaev. 2. resp.) handelt von den Informationspflichten eines Grundstücksverkäufers. In D.21.2.12 (Scaev. 2. resp.) geht es dagegen um die Eviktionshaftung der Miterben.
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2. Kap.: Exegesen
Justinian ordnet die Quelle dagegen dem speziellen Digestentitel D.18.3 „De lege commissoria“, „Die Verfallklausel“ zu960. Es fällt auf, dass sich in dem insgesamt acht Quellenstellen umfassenden Titel D.18.3 in D.18.3.8 (Scaev. 7. dig.961) eine weitere Scaevola-Quelle befindet, in welcher es ebenfalls um die Arrha geht962. b) Überblick über den Quellenbestand zur Arrha Nach dem uns zur Verfügung stehenden Quellenbestand wird die Arrha in den Digesten des Kaisers Justinian insgesamt fünfmal namentlich erwähnt: Davon entfallen zwei Stellen auf Scaevola (D.18.3.6 pr. [Scaev. 2. resp.] und D.18.3.8 [Scaev. 7. dig.963]), eine Stelle auf Gaius (D.18.1.35 pr. [Gai. 10. ad ed. prov.964]) und zwei weitere auf Ulpian bzw. den dort zitierten Julian (D.14.3.5.15 [Ulp. 28. ad ed.] und D.19.1.11.6 [Ulp. 32. ad ed.])965. 960 Zur Komposition des Digestentitels siehe Wieacker (Lex commissoria, S. 3 ff.), welcher dieses „Konglomerat aus drei Textmassen“ als den einer „bewussten Kompilationstechnik“ geschuldeten Versuch einer systematischen Zusammenstellung von Quellen ansah, in denen es ursprünglich nicht um die lex commissoria ging. Auffallend ist in der Tat, dass Justinian die Stelle dem Titel „De lege commissoria“ zuordnet, während sie nach der Palingenesie unter den allgemeinen Titel „Empti venditi“ fällt. Offenbar wollte Justinian einen eindeutigen Bezug zur lex commissoria herstellen. Dafür spricht auch der ungewöhnliche Einleitungssatz „De lege commissoria interrogatus . . .“. Dass die vorliegende Quelle im C.I.C. unter dem Digestentitel „De lege commissoria“ wiedergegeben wird, soll nach Wieacker (Lex commissoria, S. 7) ein Beweis dafür sein, dass die Kompilatoren den Verlust der Arrha fälschlicherweise in Zusammenhang mit der lex commissoria setzten. 961 Dieses gehört nach überwiegender Ansicht in der Literatur zur Appendixmasse; vgl. Mantovani (Masse bluhmiane, S. 102). Lenel (Palingenesie II, Sp. 223) ordnet auch diese Quelle dem allgemeinen Ediktstitel „De emptione et venditione“ zu. 962 Soweit wir dies anhand der palingenetischen Rekonstruktion noch beurteilen können, standen die beiden Quellen ursprünglich nicht in direktem Zusammenhang zur lex commissoria. Dies könnte für die Interpretation der Stelle von Belang sein. Siehe dazu § 6 III. 2. h). 963 In diesen beiden wird die Arrha zumindest ausdrücklich erwähnt. Daneben ist der in D.33.7.27.3 (Scaev. 6. dig.) überlieferte Weinkauf mit Arrha anzuführen. Auch wenn die Arrha in dem dort geschilderten Erbschaftsstreit nicht ausdrücklich genannt wird, hat Jakab (SZ 119 (2002), S. 177–211) in ihren Untersuchungen überzeugend dargelegt, dass dem Weinkauf eine Anzahlung zugrunde lag. (Inhaltlich geht es hier um das Legat eines fundus cum instrumento und die Frage, ob der in der cella vinaria in doliis lagernde, aber noch zu Lebzeiten des Erblassers an einen Dritten verkaufte Wein dem Legatar zustand.) Dieser Weinkauf ist – wie Jakab (SZ 119 (2002), S. 177–211) nachweisen konnte – als ein Arrhalgeschäft anzusehen. 964 Der Kommentar zum Provinzialedikt des Gaius enthielt nach Krüger (Geschichte der Quellen, S. 95, S. 212) fast ausschließlich das aus dem städtischen Edikt entlehnte, für das ganze Reich festgestellte ius honorarium. Zum Provinzjuristen Gaius siehe Liebs (ANRW 15 (1976), S. 294–310). 965 Statistisch gesehen gehört Scaevola also zu den zwei Juristen, die im C.I.C. am häufigsten ausdrücklich über die Arrha entscheiden.
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In den Institutionen des Kaisers kommt die Arrha dagegen namentlich nur ein einziges Mal966 vor, ebenso in den Institutionen des Gaius967. Im Codex von Justinian gibt es immerhin zwei Stellen968 zur Arrha, sowie eine in der Epitome Gai969. Aus diesem uns überlieferten Quellenbestand lassen sich erste skizzenhafte Rückschlüsse auf die Verbreitung und Bedeutung der Arrha im römischen Recht ziehen: Zum einen scheint das uns unter dem Namen arrabo970 bekannte Rechtsinstitut in der Praxis nie ausgestorben zu sein – von ersten Erwähnungen bei den Komödiendichtern Plautus971 oder Terentius972 hielt es sich bis in die Zeit des Kaisers Justinian und machte seinerseits Neuregelungen erforderlich. Zum anderen spricht die Herkunft der Juristen973, welche uns über die Arrha berichten, für die Vermutung, dass diese tatsächlich aus dem orientalischen Rechtsraum nach Rom kam und insbesondere im Kontakt mit den Provinzen praktisch relevant wurde974. 966
In Inst.3.23 pr. In Gai. 3.139. 968 In C.4.21.17.2 (Imp. Iustinianus A. Menae pp. [528]) und C.4.45.2.1 (Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Aurelio Felici [293]). 969 EG 2.9.14. 970 Ab dem 2. Jh. v. Chr. wird der Terminus arra, arrha gebräuchlich; vgl. Abatino (TR 80 (2012), S. 324). Zur Assimilation und sprachgeschichtlichen Entwicklung des griechischen Lehnwortes in der lateinischen Sprache siehe die ausführliche Darstellung bei Abatino (TR 80 (2012), S. 323 ff.). 971 Siehe nur beispielhaft aus den vielen Stellen zur arrabo (arra) bei Plautus (v. 957 [Mil. Glor. IV, 1]): „Hunc arrabonem amoris primum a me accipe“. Weitere Stellen, insbes. solche, in denen Plautus die Worte arra und pignus offenbar synonym verwendet, werden bei Jakab (Risikomanagement, S. 105) besprochen. Zur Bedeutung der Arrha bei Plautus siehe auch Watson (Law of Obligations, S. 46 ff., S. 49). Wie Cristaldi (Index 39 (2011), S. 501 ff.) anhand diverser Textstellen aus den Kommödien des Plautus belgen will, handelt Plautus dort nicht von einem Kauf nach attischem Recht oder speziell von einem Arrhalkauf nach griechischem Recht, sondern von einer römischen Kaufobligation in Form der mancipatio. Diese „fantasia scenica“ habe der Autor gebraucht, um das Geschehen „in termini percepibili per gli spettatori“ darzustellen; siehe Cristaldi (Index 39 (2011), S. 511). 972 Siehe etwa Terentius (v. 603 [Haut. Tim. III, 3, 42]): „Ea relicta huic arrabonist pro illo argento“. Zu weiteren Stellen mit der Verwendung des Wortes arrabo bzw. arra in nichtjuristischen Quellen der lateinischen Literatur (insbes. bei Gellius und Varro) sei hier auf die Untersuchung von Jakab (Risikomanagement, S. 101 ff.) verwiesen. Zum Pfandrecht in der römischen Komödie siehe zudem Schanbacher (SZ 123 (2006), S. 57 ff.). 973 Gaius stammte wohl aus Kleinasien, Scaevola aus Karthago, Ulpian aus Tyros (dem heutigen Libanon) und Julian aus Hadrumetum (dem heutigen Tunesien); vgl. jeweils Kunkel (Röm. Juristen). 974 Wir wissen nicht sicher, ob die Arrha von den Griechen oder direkt aus dem Orient nach Rom kam; vgl. Volterra (Dir. Rom., S. 261). Jedenfalls kam sie zur Zeit von Gaius zumindest beim Verkehr mit den Provinzen noch „saepe“ vor, wie dieser in D.18.1.15 pr. (Gai. 10. ad ed. prov.) berichtet. 967
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c) Aufbau der Quelle aa) D.18.3.6 pr. Die Quelle gliedert sich in drei Teile, von denen nur das Principium die Arrha erwähnt. Es fällt auf, dass dieses mit einer für eine Responsensammlung ungewöhnlich allgemeinen quaestio („De lege commissoria interrogatus“) eingeleitet wird. Hier hätte man doch eher das typische „quaesitum est, an“ mit der Frage nach einer konkreten lex commissoria erwartet975. So nahm z. B. Wieacker976 an, dass die Anfrage ursprünglich die Verfallsabrede der hellenistischen Parteien enthalten habe, welche im überarbeiteten responsum nicht mehr mitgeteilt werde. Eine solche nachträgliche Kürzung liegt gerade bei den komprimierten Responsa durchaus nicht fern977. Man könnte darüber spekulieren, ob der Herausgeber oder gar die Kompilatoren die Originalabrede – als Teil der häufig abundanten narratio – wegkürzten, etwa weil sie keine Notwendigkeit in deren wörtlicher Wiedergabe für den Leser sahen. Auch der Aufbau des Principiums legt eine nachträgliche Bearbeitung nahe. Schon auf den ersten Blick gewinnt man den Eindruck, dass der Text nicht richtig zusammenpasst. Es scheint, als habe der Jurist – zur lex commissoria befragt – Auskunft über das Schicksal der Arrha gegeben, ohne weiter auf die Frage nach der lex commissoria einzugehen. Bemerkenswert ist nämlich, dass die Bezeichnung lex commissoria im responsum des Juristen selbst überhaupt nicht vorkommt, sondern zweimal nur ganz abstrakt von einer lex (nämlich „legi“ und „ea lege“) die Rede ist. Man könnte also darüber spekulieren, ob die Bearbeitung, die im Wesentlichen in einer Kürzung des Originalsachverhalts bestanden und zu dem ungewöhnlichen Einleitungssatz „De lege commissoria interrogatus“ geführt haben mag978,
975 Diese Auffälligkeit hat jedenfalls dazu geführt, dass der Beginn der Quelle vielfach für interpoliert gehalten wurde, so z. B. von Talamanca (L’arra della compravendita, S. 62), Peters (Rücktrittsvorbehalte, S. 50 Fn. 2) und Wieacker (Lex commissoria, S. 7). 976 Siehe Wieacker (Lex commissoria, S. 82). 977 Dazu, dass in den Responsa vor allem die narrationes und quaestiones gekürzt wurden, siehe § 3 IV. 2. a) bb). 978 Ein weiteres Bearbeitungsindiz ist die Formulierung „id, quod arrae vel alio nomine datum esset“, die sich übrigens in § 1 mit „id, quod accessurum dictum est“ in ähnlicher Form wiederholt. Man fragt sich, warum der Jurist hier nicht einfach sagt, was im konkreten Fall als Arrha hingegeben wurde – vgl. z. B. D.19.1.11.6 (Ulp. 32. ad ed.), wo eine bestimmte Summe („arrae nomine certam summam dedit“) und dann ein Ring („anulus datus sit arrae nomine“) als Arrha hingegeben wurden. Ebenso ungewöhnlich ist, dass Scaevola hier in § 1 das in Frage stehende Zubehör nicht beim Namen nennt; vgl. dagegen die Zubehör-Fälle in § 5 III. 1. h), wo gerade im Einzelnen aufgeführt wird, um welchen Gegenstand gestritten wurde.
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aus Sicht der Bearbeiter notwendig war, um die schwierige Entscheidung nachträglich mit der lex commissoria zu erklären. An die quaestio schließt sich unmittelbar das responsum an, in welches – offenbar in Form einer die Anfrage präzisierenden Sachverhaltsdistinktion979 – die wichtigen Tatbestandsinformationen „si per emptorem factum sit, quo minus legi pareretur, et ea lege uti venditor velit“ verschachtelt sind980. Schließlich soll sich daraus die Rechtsfolge ergeben, dass „fundos inemptos fore et id, quod arrae vel alio nomine datum esset, apud venditorem remansurum“. Über den tatsächlichen Sachverhalt kann nur spekuliert werden. Es ist jedenfalls wahrscheinlich, dass Scaevola hier in einem konkreten Fall zu einer bestimmten lex (commissoria) befragt wurde. Der knappen Sachverhaltsschilderung kann man entnehmen, dass es um einen Grundstückskauf 981 ging, welcher offenbar vom Verkäufer gemäß der lex commissoria aufgelöst wurde. Nach der Entscheidung von Scaevola sollte dies zur Folge haben, dass die vom Käufer hingegebene Arrha dem Verkäufer verfiel. Eine Begründung für seine Entscheidung gibt Scaevola – wie so oft – nicht. Die Antwort mit „id, quod arrae vel alio nomine datum esset, . . .“ ist für den sonst so lakonischen Scaevola jedoch relativ weitschweifig. Von ihm hätte man wohl eher ein schlichtes „respondit apud venditorem remansurum“ erwartet.
979 Zu den Distinktionen bei Scaevola siehe Sigel (Rechtsgutachten, S. 24 ff.). Der kryptische Sachverhalt könnte hier nahelegen, dass schon Scaevola keine gesicherten Informationen vorlagen. Deshalb musste er seine Antwort wohl auch unter Präzisierung des Sachverhalts auf eine bestimmte Fallvariante festlegen. Die distinctio war hier mithin sicher der praktischen Gutachtertätigkeit des Juristen – und nicht etwa der literarischen oder didaktischen Darstellung – geschuldet. Siehe zu den distinctiones insbes. Krampe (FS-Spruit, S. 139 f.). 980 Dies ist zumindest in den an den Juristen gerichteten Anfragen keine Seltenheit; vgl. etwa die Sperrung in D.7.1.58.2 (Scaev. 3. resp.): „quaesitum est, si usus fructus non esset, an . . .“. 981 Dies ergibt sich aus der Formulierung „fundos inemptos fore“. Grundstückskaufverträge waren im Übrigen das Hauptanwendungsgebiet der lex commissoria. Man kann sich gut vorstellen, dass die Käufer bei einem derart großen Kaufobjekt wohl häufiger nicht in der Lage waren, den Kaufpreis sofort zu bezahlen und deshalb mit den Verkäufern einen Ratenkauf vereinbarten. Um diese Ratenzahlungen über wirtschaftlichen Druck zu sichern, wurde die lex commissoria praktisch relevant; vgl. aus den Quellen z. B. die Grundstückskäufe in D.4.4.38 pr. (Paul. 1. decret.); D.18.1.6.1 (Pomp. 9. ad Sab.); D.18.3.1 (Ulp. 28. ad Sab.); D.18.3.2 (Pomp. 34. ad Sab.); D.18.3.4 pr. (Ulp. 32. ad ed.); D.18.3.5 (Nerat. 5. membr.); D.18.3.8 (Scaev. 7. dig.); D.18.5.10 pr./1 (Scaev. 7. dig.) oder D.43.24.11.13 (Ulp. 71. ad ed.).
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2. Kap.: Exegesen
bb) D.18.3.6.1 An das Principium schließt sich in § 1 mit „Idem respondit“ ein weiteres responsum des Juristen an. Auch hier ergibt sich der Sachverhalt („si ex lege inempti sint fundi“) wieder nur indirekt aus der Antwort des Juristen. In paralleler Struktur zum Principium folgt der Aufbau dem Schema „respondit“ – „si“ mit Sachverhaltsvariante – Rechtsfolge. Die Rechtsfolge, dass der Verkäufer dem Käufer auch nicht das Zubehör schulde („nec id, quod accessurum dictum est, emptori deberi“), ergibt sich daraus, dass die Grundstücke „ex lege“, also nach der von den Parteien vereinbarten Klausel, „inempti“ 982 waren. Warum Scaevola so entschied, erfahren wir auch hier nicht ausdrücklich. Man wird wohl annehmen können, dass sich die Frage über das „quod accessurum dictum est“ noch auf dasselbe Grundstück des im Principium geschilderten Sachverhalts bezieht. Nach der Entscheidung des Juristen erstreckt sich die Verfallklausel somit über die Hauptsache hinaus auch auf deren Zubehör983. Der Käufer ging im Ergebnis also komplett leer aus. cc) D.18.3.6.2 Im anschließenden § 2 der Quelle geht es um die rechtliche Bedeutung des Verhaltens eines Verkäufers, welcher sich nach dem vereinbarten Zahlungstermin nicht auf den Auflösungsvorbehalt berief, sondern weitere Zahlungen des Käufers entgegen nahm. Die Sachverhaltsinformationen in § 2 sind umfangreicher als in den beiden vorhergehenden Paragraphen. Auffallend ist, dass der Sachverhalt hier – im Gegensatz zum Principium und § 1 – mit einer ausführlichen narratio („Post diem lege commissoria comprehensum venditor partem reliquae pecuniae accepit“) eingeleitet wird. Daran schließt sich das – auch hier wieder unter Präzisierung des Sachverhaltes („si post statutum diem reliquae pecuniae venditor legem dictam non exercuisset984 . . .“) gegebene – responsum („videri recessum a commissoria“) des Juristen an. 982 Siehe zu diesem Begriff erneut Ziliotto (in Garofalo, Il ruolo della buona fede oggettiva IV, S. 475–515) und Wesel (SZ 85 (1968), S. 163 f.). Auch Babusiaux (Id quod actum est, S. 182) will das „missverständliche Wort“ inemptus in der lex commissoria mit der dinglichen Herkunft des Formulars, welches ursprünglich eine lex dicta in mancipatione war, erklären. 983 Zu dem in seinen Einzelheiten wenig durchgebildeten Begriff des instrumentum siehe ausführlich § 5 III. 1. e) aa). 984 Auffallend ist, dass hier der Terminus „exercuisset“ für das Ausüben der lex gebraucht wird, wo im Principium noch von „ea lege uti venditor velit“ die Rede war. Peters (Rücktrittsvorbehalte, S. 192) will dem Ausdruck „legem commissoriam exercere“ als Vornahme einer Handlung und gerade nicht als Abgabe einer Erklärung dinglich auflösende Wirkung beimessen („lex mancipio dicta“). Der Verkäufer habe die Ver-
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Die (weggefallene) quaestio könnte schlicht gelautet haben, wie der geschilderte Sachverhalt rechtlich aufzufassen sei. Wahrscheinlich erkundigte sich der säumige Käufer bei Scaevola nach seiner Rechtslage. Denkbar ist aber auch, dass der Verkäufer wissen wollte, ob er noch zurücktreten konnte, nachdem er sich zuvor nicht auf die lex commissoria berufen, sondern am Vertrag durch Annahme einer Teilzahlung konkludent festgehalten hatte. Bei genauerem Hinsehen und im Vergleich zu den beiden vorausgehenden Paragraphen stellt man außerdem fest, dass § 2 auch einfach „respondit, si post statutum diem reliquae pecuniae venditor legem dictam non exercuisset et partem reliqui debiti accepisset, videri recessum a commissoria“ hätte lauten können, der narrative Einleitungssatz („Post diem lege commissoria comprehensum venditor partem reliquiae pecuniae accepit.“) somit – vielleicht als Relikt aus der quaestio – abundant ist. Eine juristische Begründung für seine Auslegung („videri“) des Verkäuferverhaltens („accepit“) gibt Scaevola jedenfalls auch in dieser Fallvariante nicht. dd) Vergleich der Satzstrukturen Im Ergebnis lassen sich alle drei Paragraphen auf dieselbe sprachliche Satzstruktur zurückführen: pr.: respondit, si per emptorem factum sit, quo minus . . ., apud venditorem remansurum. § 1: respondit, si ex lege inempti sint fundi, . . . nec id . . . emptori deberi. § 2: respondit, si post statutum diem . . . accepisset, videri recessum a commissoria. Obwohl die Anfragen hier demnach auf zwei verschiedene, antithetische Sachverhaltsvarianten bezogen sind – nämlich einerseits auf die Ausübung, andererseits auf den Verfall der lex commissoria – wird es sich hier nicht um theoretische Distinktionen985, sondern vielmehr um konkrete, aber voneinander zu trennende Fälle gehandelt haben. Es ist wahrscheinlich, dass es dieselben Parteien waren, welche nach dem Schicksal der Arrha (pr.) und dem Grundstückszubehör (§ 1) fragten986. Dem in
fallklausel also „vollzogen“ und sich nötigenfalls gegen den Widerstand des Käufers wieder in den Besitz des verkauften Grundstücks gesetzt. „Uti“ könnte nach dieser Ansicht dagegen als schlichtes „von der lex Gebrauch machen“ schwächer sein. 985 Zu Schuldistinktionen insbes. bei antithetischen Sachverhalten mit dementsprechend entgegengesetzten Lösungen z. B. bei Proculus siehe Krampe (Proculi Epistulae, S. 61 ff.). 986 Für eine Anschlussfrage spricht auch die Überleitung mit „Idem respondit“.
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2. Kap.: Exegesen
§ 2 geschilderten Fall, dessen auffällige narratio wie eine Zäsur987 daherkommt, wird hingegen ein neuer Sachverhalt zugrunde gelegen haben. d) Das Principium Nach Untersuchung der äußeren Struktur der Quelle in ihrem Zusammenhang, soll sich die Exegese im Folgenden auf den im Principium geschilderten Ausgangsfall konzentrieren988. Hier steht die Frage nach der Rechtsfolge im Vordergrund, also warum Scaevola entschied, dass das („id“), was als Arrha hingegeben wurde, „apud venditorem remansurum“. Dafür müssen zunächst die verschiedenen Rechtsinstitute, welche für das juristische Verständnis des Falles von Bedeutung sind, in ihrer Art und Funktion erläutert werden. e) Die Arrha Die Arrha (von griechisch: „rrabþn“ 989) stammt ursprünglich aus dem altorientalischen Rechtsraum. Im griechischen Recht990, welches nie über den Barkauf hinausgelangt war991, bedurfte es dieses Instituts, um die Parteien in den Fällen, in denen Abschluss und Vollzug der beiderseitigen Leistungen nicht zusammenfielen, durch den drohenden Verlust der Arrha an den Vertrag zu bin987 Denn wäre es noch um denselben Fall gegangen, hätte man für die Abwandlung doch einen adversativen Übergang z. B. mit „sin“ oder „autem“ erwartet. 988 Wie bereits dargelegt, sind § 1 und § 2 für das Verständnis des Principiums keine Voraussetzung. 989 Zur ausführlichen Etymologie des Wortes rrabþn siehe Carvajal (Homenaje Samper, S. 211–215). Wie der Autor (S. 209) feststellt, besitzen wir keine klassischen griechischen Quellen, welche uns eine Definition der Arrha überliefern. 990 Natürlich gibt es nicht „das griechische Recht“ als solches, sondern nur eine Vielzahl über die einzelnen Epochen und Póleis verstreuter „griechischer Rechte“. Zum Streit um den Begriff siehe Barta (Graeca non leguntur I, S. 161 f.). Zum Problem der Einheit des griechischen Rechts siehe auch Stolfi (Introduzione, S. 3 ff.): „tanti furono i diritti greci quante furono le antiche póleis“. Im Folgenden ist daher mit dem „griechischen“ im Wesentlichen das attische Recht gemeint. Wie Stolfi (S. 7) betont, kommt der Leitpolis Athen/Attika schon insofern notwendigerweise eine privilegierte Rolle zu, als wir über ihr Recht aus den Quellen am besten unterrichtet sind. Dies dürfte auch der Grund sein, warum bedeutende Monographien, wie etwa die von Paoli zum griechischen Recht, speziell das attische Recht zum Gegegnstand haben. 991 Siehe Pringsheim (Kauf mit fremdem Geld, S. 82); Frezza (Le garanzie personali I, S. 301). Carvajal (Homenaje Samper, S. 204) spricht deshalb auch von der „compraventa al contado“ bzw. der „compraventa real“. Dennoch fand auch das griechische Recht mehrere Konzepte, um künftige Leistungen der Vertragspartner in der Praxis zu sichern. So war der griechischen Welt z. B. der Kreditkauf als wirtschaftliches Phänomen durchaus bekannt; vgl. Wolff (SZ 74 (1957), S. 29). Zu den dogmatischen Grundlagen des griechischen Kaufs siehe Jakab (Risikomanagement, S. 73 ff.).
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den992. Das Arrhalgeschäft bot demnach Ersatz für den im griechischen Recht nicht existierenden schuldrechtlichen Anspruch auf Erfüllung993. Wohl noch im vorklassischen römischen Recht fungierte die Arrha, welche meist in Form eines Rings oder in Geld hingegeben wurde994, als Anzahlung auf den Kaufpreis, d. h. als echte Teilerfüllung995. Wirtschaftlicher Druck wurde über die Rechtsfolge erzeugt, wonach der Käufer seine Anzahlung an den Verkäufer verlor, wenn er sich weigerte, zum vereinbarten Termin zu zahlen996.
992 Carvajal (Homenaje Samper, S. 210) spricht insofern von einer „función obligacional“ der Arrha und definiert diese als „inicio del vínculo jurídico“ (S. 224). Für Griechenland ist es – wie Wolff (Vorlesungen über Jur. Papyruskunde, S. 111, S. 114 und SZ 74 (1957), S. 61 f.) festgestellt hat – eigentlich ungenau, von der „Obligation“ als einem den Gläubiger und Schuldner aneinander bindenden vinculum iuris zu sprechen. Zur obligatio als ,iuris vinculum‘ des römischen ius civile („nostrae civitatis iura“) siehe Falcone (Obligatio est iuris vinculum, S. 144 ff.). Nach griechischem Recht gab es nämlich keinen rechtlich durchsetzbaren Erfüllungsanspruch, sondern lediglich ein Vollstreckungsrecht. Die „Obligation“ des griechischen Rechts war nach Wolff vielmehr ein „dem sachenrechtlichen nahestehendes Rechtsverhältnis“. Wie Harke (Röm. Recht, S. 49) ausführt, entsprechen die Realverträge des römischen Rechts in ihrer Struktur den Verträgen des griechischen Rechtskreises. Im Unterschied zum römischen Realvertrag lag der haftungserzeugende Tatbestand nach griechischer Vorstellung jedoch nicht im bloßen Empfang eines Gegenstandes, sondern „in der Nichtausführung der bei der Verfügung gesetzten und vom Verfügungsgegner angenommenen Bedingungen“, so Wolff (SZ 74 (1957), S. 65). Die Vertragshaftung wurde also über eine „Zweckverfügung“ konstruiert, mit der auch Fälle eines nur fiktiv erfolgten Leistungsaustausches bewältigt werden konnten. Zu dem von Wolff entwickelten, heute allgemein anerkannten dogmatischen Prinzip der sog. „Zweckverfügung“ und seiner Präzisierung durch die neuere Forschung siehe Jakab (Risikomanagement, S. 76 f.). Wie Harke (Röm. Recht, S. 49) feststellt, war das den griechischen Realverträgen zugrunde liegende Vertragskonzept jedenfalls dazu geeignet, jede Form ein- oder zweiseitiger Leistungszusagen abzudecken. Für Letztgenannte stand dagegen den Römern schon die ältere Stipulation zur Verfügung. 993 Siehe Wolff (Symposion 4 (1979), S. 14). Das griechische Recht konnte aber, wie Carvajal (Homenaje Samper, S. 207–211) feststellt, eine Verpflichtung vor Erfüllung auf zwei indirekten Wegen erreichen: einerseits über die Fiktion der Kaufpreiszahlung mit Darlehen (dÜneion), welches der Käufer dem Verkäufer schuldete, andererseits über die Hingabe einer Arrha (rrabþn). 994 Dies gilt auch noch für das klassische römische Recht; vgl. D.14.3.5.15 (Ulp. 28. ad ed.) und D.19.1.11.6 (Ulp. 32. ad ed.), wo Ringe hingegeben wurden. Da die Quellen nirgends abschließend anführen, was als Arrha fungieren konnte, nimmt Calogirou (Die Arrha, S. 37 ff.) an, dass im klassischen römischem Recht alles außer Forderungen dazu geeignet war, als Zeichen des Vertragsabschlusses zu dienen. 995 Siehe Calogirou (Die Arrha, S. 16, S. 35). Der Kauf nach griechischem Recht wird von den Rechtswissenschaftlern daher zu den Erwerbsarten gerechnet und nicht zu den Verträgen, so Carvajal (Homenaje Samper, S. 205). 996 Dass der Verkäufer trotz der Existenz der actio venditi gerne zu diesem Mittel griff, um seine Interessen effektiv zu schützen, unterstreicht Jakab (Risikomanagement, S. 109). Durch die Arrha habe der Verkäufer bereits einen fixen Betrag in der Hand gehabt, der beim Ausbleiben der restlichen Zahlung sein Interesse pauschal ersetzte, er sei daher nicht mehr auf die actio angewiesen gewesen.
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Umgekehrt konnte vereinbart werden, dass der Verkäufer diese oder sogar das Doppelte zurückzahlen musste, wenn er sich seinerseits vom Vertrag lossagte997. Durch den regen Handelsverkehr mit Griechenland gelangte die Arrha bald auch ins römische Recht998. Wie einige italienische Romanisten plausibel machen999, war sie ein Institut des ius gentium1000. Im römischen Privatrecht erlangte die Arrha nach lange vertretener Ansicht nie wesentliche Bedeutung1001. Dies lässt sich wohl damit erklären, dass sich in Rom spätestens im 2. Jh. v. Chr. mit den sog. „Konsensualverträgen“ das Konsensprinzip1002 durchgesetzt hatte, wonach ein Vertrag bereits mit dem consensus der Parteien als perfekt galt. In diesem Sinne überliefert uns Gaius, dass die Arrha in
997 Nach Pringsheim (Greek Law of Sale, S. 375, S. 408) sollte dies dagegen noch unabhängig von der konkreten Parteiabrede geschehen. Dem stellt nun Jakab (Symposion 16 (2001) S. 200 ff.) in gründlicher Untersuchung der Papyri ein neues, privatautonomeres Verständnis der Arrha schon für das griechische Recht gegenüber: „In sum, we can say that Pringsheim considers the vendor’s liability for the double arra as an automatic effect of every arra transaction [. . .]. The principal difficulty with this theory is that it doesn’t take any notice of the concrete agreement between the parties, of ,Privatautonomie‘“. Jakab untersucht insbes. den Sprachgebrauch „nümoò tµn rrabünwn“ und kommt zu dem Ergebnis, dass dieser Terminus im Zusammenhang mit Verträgen sehr wahrscheinlich als „contractual practice or as standard term of notarial practice in drawing up a deed“ (S. 207) und nicht als ein „Hellenistic statute on arra“ (S. 208, S. 213) zu verstehen ist. Siehe dazu auch Jakab (Risikomanagement, S. 83 ff.). Ebenso ist Wolff (SZ 74 (1957, S. 51 f.) der Ansicht, dass die Haftung des Verkäufers in den griechischen Staaten nicht einheitlich geordnet war und will Theophrast entnehmen, dass es in Griechenland mehrere Regelungen gab, jedoch gerade nicht die später in die Gesetzgebung des Kaisers Justinian übergegangene Haftung des Verkäufers auf das duplum. Es sei den Parteien mancherorts anheimgestellt worden, einen solchen Zuschlag zu vereinbaren. Die verschärfte Haftung habe sich demnach nicht von selbst verstanden und sei jedenfalls kein Wesenszug der griechischen Arrha gewesen. 998 Wie bereits gesagt, wissen wir nicht sicher, ob die Arrha von den Griechen oder direkt aus dem Orient nach Rom kam. Dass sie jedenfalls zur Zeit von Gaius beim Verkehr mit den Provinzen noch „saepe“ vorkam, ergibt sich aus D.18.1.15 pr. (Gai. 10. ad ed. prov.). 999 So zumindest Volterra (Dir. Rom., S. 261) und Massei (BIDR 48 (1941), S. 390). 1000 Kaser hingegen schweigt bezeichnenderweise in seiner Monographie „Ius gentium“ zur Arrha. Zur Aufnahme dieses Werkes in der italienischen Romanistik siehe insbes. Talamanca (IURA 44 (1993), S. 272–307). In seinem Lehrbuch stellt Kaser immerhin fest, dass die Arrha „eines der wenigen Zeugnisse für den Einfluss des hellenistischen Rechts auf das römische Recht“ war; siehe Kaser (Röm. PrivatR. I, S. 179). 1001 Siehe nur Mayer-Maly (Kl. Pauly I, Sp. 603): „Den Römern wurde die a. schon früh bekannt [. . .], doch unterblieb eine Eingliederung des Instituts in die Rechtsordnung“. Vgl. auch Knütel (Stipulatio poenae, S. 11 f.) oder Kaser (Röm. PrivatR. I, S. 547). Das Rechtsinstitut spielte in der Vertragspraxis eine größere Rolle als bisher angenommen. Diese hebt nun insbes. Jakab (SZ 119 (2002), S. 177) hervor. 1002 In Griechenland war man dagegen nie zur Anerkennung des reinen Konsenses als obligationserzeugendem Vorgang gelangt; vgl. Wolff (Symposion 4 (1979), S. 16); Jakab (Symposion 16 (2001), S. 199).
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klassischer Zeit nur noch als „argumentum emptionis et venditionis“ 1003, d. h. als Bestätigung des bereits mit dem Konsens zustande gekommenen Kaufabschlusses (sog. arra confirmatoria) diente1004. Da die arra confirmatoria ihren Zweck nach Erfüllung des Vertrages erreicht hatte, musste sie zurückgegeben werden1005. Der Käufer konnte sie mit der actio empti oder der condictio eingeklagen1006. Eine als Arrha hingegebene Geldleistung wurde dagegen in der Praxis mit dem Kaufpreis verrechnet1007. Den gesetzlich angeordneten Verlust der Arrha kannte erst das justinianische Recht für den Fall, dass eine solche beim perfekten Kauf hingegeben worden war, sich dann aber ein Teil vom Vertrag löste (sog. arra poenitentialis1008). 1003 Siehe z. B. Inst.3.23 pr.: „nam quod arrae nomine datur, argumentum est emptionis et venditionis contractae“. Gai. 3.139: „Emptio et venditio contrahitur, cum de pretio convenerit, quamvis nondum pretium numeratum sit, ac ne arra quidem data fuerit; nam quod arrae nomine datur, argumentum est emptionis et venditionis contractae“ und D.18.1.35 pr. (Gai. 10. ad ed. prov.): „Quod saepe arrae nomine pro emptione datur, non eo pertinet, quasi sine arra conventio nihil proficiat, sed ut evidentius probari possit convenisse de pretio“. 1004 Kaser (Röm. PrivatR. I, S. 548); Jörs (Geschichte und System des röm. PrivatR., S. 148). Insbes. ersetzte die Arrha nicht die Form des Kaufvertrags. Vgl. die Funktion der Draufgabe nach § 336 I BGB. Zur Draufgabe in der Kodifikationsgeschichte des BGB siehe Jakab (Risikomanagement, S. 78). Diese Form der Arrha ist heute im italienischen codice civile in Art. 1385, 1º comma cc unter dem Namen „caparra confirmatoria“ geregelt. 1005 Vgl. D.19.1.11.6 (Ulp. 32. ad ed.) und D.14.3.5.15 (Ulp. 28. ad ed.). 1006 Über die Frage, mit welcher Klage der Käufer vorgehen konnte, herrscht seit langem Uneinigkeit. Ausgangspunkt des Streits ist die Quelle D.19.1.11.6 (Ulp. 32. ad ed.), in der sowohl die actio empti als auch die condictio genannt werden. Nach überwiegender Ansicht ging die Arrha in das Eigentum des Arrha-Nehmers über; vgl. Massei (BIDR 48 (1941), S. 324); Talamanca (L’arra della compravendita, S. 61). Calogirou (Die Arrha, S. 50 f.) hält den Eigentumsübergang sogar für „ein Essentiale“ der Arrha. Eine interessante Feststellung machte Muther (Sequestration und Arrest, S. 383), welcher im Zusammenhang mit D.14.3.5.15 (Ulp. 28. ad ed.) bemerkte, dass der Käufer, wenn der Verkäufer nicht Eigentümer des Rings geworden wäre, statt der aufwändigen actio institoria sicherlich die einfachere rei vindicatio benutzt hätte, um die Arrha zurückzuverlangen. Frezza (Le garanzie personali I, S. 302) entnahm D.19.1.11.6 (Ulp. 32. ad ed.) eine actio empti des Käufers, womit er belegen wollte, dass die römischen Klassiker – anders als die Griechen – Arrhalgeschäft und Kaufvertrag nicht trennten, sondern ersteres lediglich als „pactum adiectum emptioni et venditioni“ verstanden. Nach D’Ors (Derecho priv. rom., S. 487 f.) ist die datio arrarum ein Fall der datio ob rem, nach welcher die Arrha bei Erfüllung des Vertrags mit der condictio zurückgefordert werden konnte. Hier sei allerdings eher vom Wegfall der causa remota als von deren Fehlerhaftigkeit zu sprechen (S. 488 Fn. 3). 1007 Siehe Marrone (Istituzioni, S. 459); Calogirou (Die Arrha, S. 12); Kaser/Knütel (Röm. PrivatR, S. 241). Vgl. erneut § 337 I BGB, wonach die Draufgabe im Zweifel auf die vom Geber geschuldete Leistung anzurechnen ist. 1008 Auch diese Form der Arrha findet sich noch heute im italienischen codice civile – und zwar in Art. 1386 cc unter dem Namen „caparra penitenziale“. Das Verständnis der justinianischen Arrha ist dadurch erschwert, dass die Codex-Stellen, in denen sie behandelt wird, in Verbindung zur Neuregelung des Kaufvertrags stehen, welcher den Über-
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Dieses „Reugeld“ verstärkte die bereits rechtlich bestehenden Leistungspflichten der Parteien über den wirtschaftlichen Druck: Der Käufer wurde nach justinianischem Recht durch den drohenden Verlust der Draufgabe gebunden, der Verkäufer dadurch, dass er das Doppelte zurückzahlen musste – und zwar, ohne dass zwischen den Parteien etwas über die Arrha vereinbart sein musste1009. f) Zwischenergebnis Die arra confirmatoria muss im vorliegenden Fall ausscheiden, da diese nach dem Gesagten per se nicht zur Rechtsfolge „apud venditorem remansurum“ führen konnte1010. Das Institut der arra poenitentialis entstand aber erst nach Scaevola. Zu untersuchen ist deshalb, ob es vielleicht mit der Kombination von Arrha und lex commissoria zusammenhängt, dass Scaevola die Arrha hier dem Verkäufer zuspricht. g) Die lex commissoria Die vermutlich hellenistisch beeinflusste lex commissoria1011 stellte neben der in diem addictio1012 eine der beiden im römischen Recht typisch gewordenen gang des Eigentums einschloss; vgl. Frezza (Le garanzie personali I, S. 303). Justinian übernahm nämlich den formfreien Konsensualkauf des klassischen Rechts und stellte daneben den schriftlichen Kauf zur Wahl. Beim schriftlichen Kauf, welcher erst mit Beurkundung verbindlich wurde, diente die Arrha – ähnlich wie im griechischen Recht – dazu den künftigen Kaufabschluss zu sichern. Die justinianischen Neuregelungen auf dem Gebiet der Arrha ergeben sich im Wesentlichen aus Inst.3.23 pr. und C.4.21.17.2 (Imp. Justinianus A. Menae pp. [528]). Die Regel vom Verlust der Arrha sollte bei Nichtzustandekommen des Vertrages („non procedente contractu“) generell gelten – also selbst dann, wenn die Parteien diesbezüglich nichts vereinbart hatten („non sit specialiter adiectum, quid super isdem arris [. . .] fieri oporteat“). Es fällt auf, dass das Wort arra im Codex im Plural verwendet wird. Zudem ist in C.4.21.17 pr. (Imp. Justinianus A. Menae pp. [528]) nach Aufzählung verschiedener Vertragstypen die Rede von den „contractus [. . .] dationis etiam arrarum vel alterius cuiuscumque causae“. Nach justinianischem Recht scheint die arra mithin eine causa zu sein. Zur causa im römischen Recht allgem. siehe Dalla Massara (Alle origini della causa, insbes. S. 169); Cannata (in Vacca, Causa e contratto, S. 47–61); Santoro (in Vacca, Causa e contratto, S. 85–130); Lotmar (Causa im röm. Recht). Zur Frage, ob auch Scaevola mit dem Ausdruck „vel alio nomine“ auf die causa anspielt, siehe Fn. 1068. 1009 Siehe Inst.3.23 pr.: „is qui recusat adimplere contractum, si quidem emptor est, perdit quod dedit, si vero venditor, duplum restituere compellitur, licet nihil super arris expressum est.“ Anders geregelt in § 336 II BGB, wonach die Draufgabe im Zweifel nicht als Reugeld gilt. Daneben war eine privatautonome Vereinbarung über den Verlust der Arrha natürlich auch schon in der Klassik möglich. 1010 Nach Jakab (SZ 119 (2002), S. 210) bezieht sich die von Gaius überlieferte Beweisfunktion der Arrha ohnehin allein auf die Ring-Arrha (Sachhingabe). In diesem Sinne auch Carvajal (Homenaje Samper, S. 243). 1011 Zu Deutsch „Auflösungsvorbehalt“ oder „Verfallklausel“. Die Bezeichnung als lex commissoria kommt erst in den Quellen der Spätklassiker vor: vgl. D.18.3.3 (Ulp. 30. ad ed.); D.18.3.4 pr. (Ulp. 32. ad ed.). Pomponius und Neraz z. B. geben die getrof-
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Rücktrittsvorbehalte zugunsten des Verkäufers dar1013. Dieser hatte im Fall des Bedingungseintritts die Wahl zwischen Erfüllung und Auflösung des Vertrages1014. Die lex commissoria, welche häufig beim Kauf 1015 – insbesondere beim Ratenkauf 1016 – vorkam und verstärkten Erfüllungsdruck auf den Käufer ausüben sollte1017, entspricht dem heutigen Rücktrittsvorbehalt. Sie wurde als sog. pactum adiectum in continenti in den Vertrag aufgenommen, was zur Folge hatte, dass die Klagen aus Kauf auf sie angewendet werden konnten. Der Kaufvertrag mit lex commissoria wurde für den Fall, dass der Käufer den vereinbarten Kaufpreis nicht rechtzeitig zahlte, nach heute überwiegender Ansicht1018 als auflösend1019 bedingt (emptio pura, quae sub condicione resolvitur) und nicht als aufschiebend bedingt (emptio condicionalis) konstruiert1020.
fene Vereinbarung noch wörtlich wieder: Vgl. D.18.3.5 (Nerat. 5. membr.): „Lege fundo vendito dicta, ut, si intra certum tempus pretium solutum non sit, res inempta sit . . .“; D.18.1.6.1 (Pomp. 9. ad Sab.): „Si fundus annua bima trima die ea lege venisset, ut, si in diem statutum pecunia soluta non esset, fundus inemptus foret . . .“; D.18.3.2 (Pomp. 35. ad Sab.): „Cum venditor fundi in lege ita caverit: ,si ad diem pecunia soluta non sit, ut fundus inemptus sit‘ . . .“. Auch bei Scaevola wird die lex commissoria mehrfach nur umschrieben: siehe D.18.5.10 pr. (Scaev. 7. dig.): „Seius a Lucio Titio emit fundum lege dicta, ut, si ad diem pecuniam non solvisset, res inempta fieret“; D.18.3.8 (Scaev. 7. dig.): „si non paruisset emptor, pactus est, ut arram perderet et inemptae villae essent“. Auffallend ist, dass auch in unserer Quelle wiederholt schlicht von einer bestimmten lex gesprochen wird: „quo minus legi pareretur, et ea lege uti venditor velit“ und „si ex lege inempti sint“ sowie „venditor legem dictam non exercuisset“. Ob damit ursprünglich die lex commissoria gemeint war, soll im Folgenden geklärt werden. Zur Etymologie des Begriffes lex commissoria siehe Peters (Rücktrittsvorbehalte, S. 50 f.). In klassischer Zeit war jedenfalls die Konstruktion der vom Verkäufer einseitig formulierten „lex rei suae dicta“ überwunden; vgl. Levy (Ges. Schriften II, S. 261). 1012 Zu Deutsch „Bessergebotsklausel“ oder „befristeter Vorbehalt eines besseren Gebotes“. Siehe zur in diem addictio den Titel D.18.2 sowie aus der Literatur Peters (Rücktrittsvorbehalte, S. 7 ff.) und Sieg (Bessergebotsklausel). 1013 Sie wurden als Nebenabreden (pacta adiecta) zusammen mit dem Kaufvertrag abgeschlossen. Eine zusätzliche Form der Rückabwicklung entstand später im Fall von bestimmten Sachmängeln durch die ädilizische Haftung mit der actio redhibitoria. Heute ist der Rücktritt des Verkäufers bei Säumnis des Käufers in § 323 I, II Nr. 2 BGB gesetzlich geregelt. 1014 Vgl. D.18.3.4.2 (Ulp. 32. ad ed.): „. . . statim atque commissa lex est statuere venditorem debere, utrum commissoriam velit exercere an potius pretium petere . . .“. Talamanca (L’arra della compravendita, S. 61); Peters (Rücktrittsvorbehalte, S. 77); Biscardi (Studi Betti II (1962), S. 577). 1015 Daneben gab es leges commissoriae auch im Recht der fiducia und des pignus. Dazu Nasser Olea (Asimilaciones alla compraventa, S. 136–146). 1016 Vgl. erneut D.18.1.6.1 (Pomp. 9. ad Sab.): „Si fundus annua bima trima die ea lege venisset, ut, si in diem statutum pecunia soluta non esset, fundus inemptus foret“; D.18.3.4.1 (Ulp. 32. ad ed.); D.18.3.6.2 (Scaev. 2. resp.); D.18.5.10 pr. (Scaev. 7. dig.). 1017 Knütel (Stipulatio poenae, S. 14). 1018 Siehe z. B. Peters (Rücktrittsvorbehalte, S. 93 ff., insbes. S. 124), Ziliotto (in Garofalo, Il ruolo della buona fede oggettiva IV, S. 480) oder Wesel (SZ 85 (1969),
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Entschied sich der Verkäufer also für die Auflösung des Vertrages, wurde die verkaufte Sache zur res inempta. Der Käufer verlor dann den von ihm bereits geleisteten Teil des Kaufpreises1021. Letzteres galt aber nur, wenn eine solche
S. 96 ff.). Als Beleg für die auflösende Bedingung wird vor allem D.18.3.1 (Ulp. 28. ad Sab.) angeführt: „Si fundus commissoria lege venierit, magis est, ut sub condicione resolvi emptio quam sub condicione contrahi videatur“. Flume (FS-Kaser, S. 327) vertrat dagegen die Ansicht, dass den Klassikern die aufschiebende Bedingung noch unbekannt war, und nahm zugleich – entgegen der herrschenden Lehre – an, dass die condicio des römischen Rechts nicht nur die Rechtsfolgen, sondern bereits das Zustandekommen des Rechtsgeschäfts selbst bedingte. Nach Flume musste es sich daher um einen unbedingten Kauf mit aufschiebend bedingtem Aufhebungspaktum handeln. Dazu Effer-Uhe (Die condicio, S. 13, S. 125–139, insbes. S. 132 ff.), welcher sich – bis auf die Ausnahme des usus fructus – im Wesentlichen der Meinung von Flume anschließt (S. 137 f.). Seiner Ansicht nach waren die römischen Juristen mit der aus dem vorklassischen Recht bekannten aufschiebenden Bedingung in der Lage, praktisch alle Fälle befriedigend zu lösen. Zum Meinungsstreit in diesem „vivace dibattito dottrinale“ siehe auch die Nachweise bei Ziliotto (in Garofalo, Il ruolo della buona fede oggettiva IV, S. 476 Fn. 1). 1019 Die Bedingung war eine gemischt kasuell-potestative: Einerseits hing ihr Eintritt von der Nichtzahlung des Käufers ab, andererseits bestand das potestative Element in der bereits erwähnten Wahlmöglichkeit des Verkäufers; vgl. D.18.3.2 (Pomp. 35. ad Sab.). 1020 Im Zusammenhang mit dem Streit um die Art der Bedingung wird seit langem das hier nicht näher zu vertiefende Problem des dinglichen Rückfalls bei der lex commissoria diskutiert. Nach überwiegender Auffassung hatte die auflösende Bedingung keine dingliche Wirkung. Dagegen geht Peters (Rücktrittsvorbehalte, S. 177 ff., S. 185 ff.) im Fall der traditio von einem Durchschlagen auf das dingliche Geschäft aus und nimmt im Fall der mancipatio für die lex commissoria eine lex mancipio dicta des Verkäufers an. Die herrschende Lehre folgt daher noch immer der Ansicht, dass die Frühklassiker nur die Suspensivbedingung kannten und erst Julian die Wende zur Resolutivbedingung einläutete. Peters (Rücktrittsvorbehalte, S. 124) hat dagegen dargelegt, dass es diese tiefgreifende dogmatische Entwicklung im Bedingungsrecht der Klassik nie gab. Vielmehr belegt er mit den Quellen, dass bereits die Frühklassiker die Resolutiv- und die Späteren noch die Suspensivbedingung verwendeten. Mitteis (Röm. PrivatR I (1908), S. 182 f.) und Flume (FS-Kaser (1976), S. 315 f.) lehnen die Konstruktion einer auflösend bedingten Übereignung für die klassische Zeit ab. Peters (Rücktrittsvorbehalte, S. 169) und Wesel (SZ 85 (1967), S. 164 f., S. 169) dagegen bejahen den dinglichen Rückfall des Eigentums, wobei Peters eine Auflösung mit ex-nunc-, Wesel hingegen mit ex-tunc-Wirkung annimmt. Wesel (SZ 85 (1967), S. 164 f., S. 169), der inemptus mit „nicht gekauft“ übersetzt, sieht in dem in den Formeln der lex commissoria häufig gebrauchten Wort inemptus ein sprachliches Indiz dafür, dass der Kaufvertrag mit Wirkung für die Vergangenheit als nicht existent betrachtet wurde und somit als causa der Übereignung entfiel. Die ex-tunc-Wirkung leitete man offenbar aus der bona fides her, wie Levy (Ges. Schriften II, S. 262) vermutet. Siehe zum Streitstand auch die chronologische Darstellung bis 1968 bei Wesel (SZ 85 (1968), S. 95 ff.). 1021 Vgl. D.18.3.4.1 (Ulp. 32. ad ed.): „pretium quod numeravit, perdidit“. Die Rückgewähr der empfangenen Leistungen wurde ursprünglich mit einer actio in factum betrieben; vgl. D.19.5.12 (Proc. 11. epist.). Später erfolgte sie über die Vertragsklage; vgl. D.18.5.6 (Paul. 2. ad ed.). Inwieweit der Verkäufer dagegen die Eigentumsklage geltend machen konnte, hing von der Form der Übereignung ab. Siehe dazu bereits die vorhergehende Fn.
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Abrede von den Parteien getroffen war1022. Denn zumindest im klassischen römischen Recht führte die lex commissoria, wie bereits erwähnt, nicht automatisch zum Verlust der Anzahlung1023. h) Die Kombination von Arrha und lex commissoria Wie bereits festgestellt, musste die Arrha der klassischen Zeit ohne eine zusätzlich getroffene Vereinbarung über deren Verlust grundsätzlich wieder an den Käufer zurückgegeben werden und war insofern vom Verfall des Kaufpreises gemäß der lex commissoria per se unabhängig1024. Die lex commissoria konnte jedoch mit einer separaten Abrede (sog. lex venditionis1025) gekoppelt werden, wonach der säumige Käufer infolge des Rücktritts des Verkäufers neben seiner bisherigen Leistung ausdrücklich auch die Arrha verlor1026. Fraglich ist, ob auch dem vorliegenden Fall eine separat zwischen Käufer und Verkäufer vereinbarte Kaufklausel zugrunde lag. Eine solche ist uns jedenfalls in D.18.3.8 (Scaev. 7. dig.) ausdrücklich überliefert:
1022 In diesen Fällen zeigt die lex commissoria eine funktionale Verwandtschaft zur Vertragsstrafe. Ein Unterschied besteht jedoch darin, dass der Käufer bei der lex commissoria seine Anzahlung automatisch verlor, wenn dies vereinbart war, während er bei der Vertragsstrafe eine künftige Leistung als Strafe zusagte; vgl. Knütel (Stipulatio poenae, S. 14). 1023 Siehe Talamanca (L’arra della compravendita, S. 61); Peters (Rücktrittsvorbehalte, S. 255 Fn. 3). 1024 Sie verfiel gerade nicht eo ipso; vgl. Calogirou (Die Arrha, S. 20); Levy (Ges. Schriften II, S. 267, 279 f.). 1025 Talamanca (L’arra della compravendita, S. 61 f.). Diese lex venditionis hat mit der Arrha selbst nichts zu tun. Sie ist kein Arrhalvertrag, sondern eine Vertragsklausel, welche die Arrha zum Gegenstand hat; vgl. Calogirou (Die Arrha, S. 10). 1026 Jakab (SZ 119 (2002), S. 203) will die Institute der lex commissoria und der Arrha entgegen der herrschenden Lehre, welche die beiden Institute streng voneinander trennt, als inhaltlich eng verwandt ansehen. Schon in den ägyptischen Papyri sei die Verfallswirkung ein „begriffswesentliches Element“ (S. 209) jeder Arrhalzahlung gewesen. Siehe auch den Nachweis für die griechische Terminologie bei Carvajal (Homenaje Samper, S. 242). Nach Jakab (Symposion 16 (2001), S. 217) war die griechische Arrha funktional „a combination of earnest money and time limit with forfeiting effect“ und hing in ihrer Wirkung im Wesentlichen von der privatautonomen Gestaltung der Parteien ab. Eine sprachlich interessante, im Rahmen der vorliegenden Arbeit aber nicht zu bewältigende Aufgabe wäre zudem die Durchsicht sämtlicher griechischer Quellen mit Verfallswirkung auf einen dem lateinischen Begriff inemptus (siehe bereits Fn. 956) vergleichbaren griechischen Ausdruck (etwa prßatoò). Vgl. nur den aus dem Zenon-Archiv stammenden Brief P. Iand. VI 91, in dem ein Unbekannter im Rahmen eines Arrhalkaufes an den Pyron schrieb: „Da du den Mohn nicht mehr gekauft hast, nachdem du das Angeld gegeben hast . . .“ („peidÌ t]Ìn mÞkwna okÝti Ìgürakaò doÏò tÎn rabµna . . .“). Leider geht Jakab (Risikomanagement, S. 95) in ihrer Untersuchung dieses Papyrus auf die juristische Bedeutung des Wortes okÝti nicht ein.
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D.18.3.8 (Scaev. 7. dig.) „Mulier fundos Gaio Seio vendidit et acceptis arrae nomine certis pecuniis statuta sunt tempora solutioni reliquae pecuniae: quibus si non paruisset emptor, pactus est, ut arram perderet et inemptae villae essent . . .“. „Eine Frau verkaufte dem Gaius Seius Grundstücke, und nachdem sie bestimmte Geldbeträge als Arrha angenommen hatte, wurden Termine für die Zahlung des restlichen Geldes festgesetzt: Er hat [mit dem Verkäufer] die Abrede getroffen, dass er [der Käufer] seine Arrha verlieren sollte und dass die Landgüter nicht mehr gekauft sein sollten, wenn der Käufer die Zahlungstermine nicht einhalte . . .“.
Hier hatten die Parteien den Verlust der Arrha also ausdrücklich in die Formel der lex commissoria aufgenommen: „pactus est, ut arram perderet et inemptae villae essent“. Ein solches pactum wird in unserer Quelle jedoch nicht ausdrücklich überliefert1027. Wenn man es der Entscheidung des Juristen trotzdem zugrunde legen würde, wäre diese aber ziemlich unspektakulär: Denn hätten die Parteien den Verlust der Arrha ausdrücklich durch ein pactum der Form „pactus est [sc. emptor], ut arram perderet“ geregelt, hätten sie sich später sicher nicht an Scaevola gewandt, um Rechtsrat über das Schicksal der Arrha einzuholen. Mithin kann sich die Rechtsfolge „apud venditorem remansurum“ hier auch nicht aus einer separat vereinbarten lex venditionis ergeben. Weiterhin stellt sich also die Frage, weshalb es hier zwischen den Parteien überhaupt zum Streit über das Schicksal der Arrha kam1028. i) Das responsum Scaevola entscheidet im vorliegenden Fall, dass der Verkäufer – wenn der Käufer die Vertragsbestimmung nicht eingehalten hatte („si per emptorem factum sit, 1027 Ob die besagte lex, von der in unserer Quelle die Rede ist, im Sinne einer solchen lex venditionis zu interpretieren ist, steht in Frage. Eher scheint damit die lex commissoria gemeint zu sein. (Siehe auch Fn. 1011, wonach die klassischen römischen Juristen den Namen lex commissoria noch nicht kannten). Muther (Sequestration und Arrest, S. 381 f.) nimmt an, dass die lex commissoria hier sowohl dem pactum arrhale als auch dem Kaufvertrag beigefügt war. Dies trifft für D.18.3.8 (Scaev. 7. dig.) ohne Zweifel zu – in unserer Quelle ist aber keine Rede davon. Zwar kann nicht ausgeschlossen werden, dass ein derartiger Passus aus der Responsenstelle gekürzt wurde, zumal Kürzungen im Sachverhalt bei den – gegenüber den ausführlichen Digesta-Stellen – komprimierteren Responsa-Fällen des Scaevola häufig vorkommen. Ohne irgendeinen textlichen Anhaltspunkt kann man darüber jedoch nur spekulieren. 1028 Der Fall zeigt zumindest, dass es trotz der grundlegenden Definition von Gaius, wonach die Arrha im römischen Recht nur als Beweismittel diente, offenbar noch notwendig war, in der Praxis klare Verhältnisse zu schaffen. Daraus, dass Gaius aber die Notwendigkeit sah, die Funktion der Arrha im römischen Recht grundlegend zu bestimmen, könnte man wiederum schließen, dass er die griechischen Arrhalkäufe als Konsensualkäufe behandelte und somit das römische Konsensualprinzip auf diese übertrug, sie also ins römische Recht integrierte; so auch Peters (Rücktrittsvorbehalte, S. 63).
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quo minus legi pareretur“ 1029) – von der Auflösungsbestimmung Gebrauch machen wollte, dass die Arrha beim Verkäufer verblieb („apud venditorem remansurum1030“). Wie so oft gibt Scaevola keine ausdrückliche Begründung dafür, warum er den Käufer hier leer ausgehen lässt. Offensichtlich hatte dieser den Kaufpreis nicht rechtzeitig gezahlt, sodass es im Interesse des Verkäufers lag, von der lex commissoria Gebrauch zu machen1031 und den zustande gekommenen Grundstückskaufvertrag aufzulösen. Nachdem bereits die arra confirmatoria verneint wurde und auch kein separates pactum festgestellt werden konnte, muss – will man keine Interpolation unterstellen – der Arrha in unserer Quelle eine andere Funktion zukommen. Wie wir wissen, hatte Scaevola oft über Fälle aus der Provinz zu entscheiden1032, und so könnte es auch hier der Fall sein, dass der Anfrage griechische Rechtsvorstellungen zugrunde lagen. Es scheint durchaus plausibel anzunehmen, dass es sich vorliegend um eine der griechischen Arrha vergleichbare Anzahlung handelt, welche als Teil des Kaufpreises fungierte1033. Da nämlich der Käufer gemäß der lex commissoria „pretium quod numeravit perdidit“ 1034, verlor er hier deshalb seine Arrha. So lässt sich erklären, weshalb Scaevola zu dem Ergebnis kommt „apud venditorem remansurum“. 1029 Die Formulierung „si per emptorem factum sit, quo minus legi pareretur“ könnte nach Calogirou (Die Arrha, S. 21) für ein Verschulden seitens des Käufers sprechen, welches den Strafcharakter der Rechtsfolge auslöste. Vgl. § 338 1 BGB, wonach der Empfänger berechtigt ist, die Draufgabe zu behalten, wenn die vom Geber geschuldete Leistung infolge eines Umstands, den er zu vertreten hat, unmöglich wird, oder er die Vertragsaufhebung zu verschulden hat. § 338 BGB enthält mit dem dort geregelten Verfall der Draufgabe also eine Ausnahme von § 337 BGB im Fall des Vertretenmüssens des Schuldners. 1030 Vgl. die semantische Untersuchung zum Verb remanere bei Jakab (SZ 119 (2002), S. 205 ff.). 1031 Denn die lex commissoria wurde ausschließlich im Interesse des Verkäufers vereinbart; siehe D.18.3.2 (Pomp. 35. ad Sab.). Damit die lex dem Verkäufer nicht zum Nachteil werden konnte, hatte dieser, wie Ziliotto (in Garofalo, Il ruolo della buona fede oggettiva IV, S. 506 f.) betont, insbes. das Recht zu entscheiden, ob die Sache „vendita“ oder „inempta“ sein sollte. Schon im griechischen Recht stand die Vereinbarung einer Zahlungsfrist allein im Interesse des Verkäufers: Leistete der Käufer nicht termingerecht, trat automatisch die Verfallswirkung des angezahlten Betrags ein; vgl. Jakab (Risikomanagament, S. 98). 1032 Vgl. Krüger (Geschichte der Quellen, S. 217); Levy (Ges. Schriften II, S. 280); Calogirou (Die Arrha, S. 13). Siehe dazu insbes. § 3 III. Überhaupt kam die Veranlassung, wenn sich römische Juristen mit der Arrha befassten, meist aus den Provinzen; vgl. Massei (BIDR 48 (1941), S. 322); Calogirou (Die Arrha, S. 14); Frezza (Le garanzie personali I, S. 301 f.). 1033 So auch Talamanca (L’arra della compravendita, S. 63) und López-Rendo Rodríguez (Cuadernos de Historia del Derecho 12 (2005), S. 71). 1034 Vgl. D.18.3.4.1 (Ulp. 32. ad ed.).
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Es geht also offensichtlich um einen nach griechischen Vorstellungen konstruierten Arrhalvertrag, nach welchem der Käufer seine Arrha bei Nichterfüllung als Anzahlung an den Verkäufer verlor1035. Die Frage, ob es sich dabei noch um ius gentium i. e. S. handelt oder schon um die Übernahme griechischer Rechtsvorstellungen, kann hier insofern dahinstehen, als Scaevola seine Entscheidung allein gemäß der konkreten Parteiabrede trifft1036. Nach dieser war aber eine der griechischen Arrha zumindest funktional gleichwertige Anzahlung zwischen den Parteien vereinbart worden. Geht man zudem mit der wohl überwiegenden Meinung davon aus, dass die Arrha ein Institut des ius gentium war, handelt es sich jedenfalls um eine Entscheidung nach römischem Recht – oder um es mit den Worten von Talamanca zu sagen: „sotto una veste romana si nascondo fattispecie di diritto greco“ 1037. Es bleibt zu fragen, ob dem Ausdruck „arrae vel alio nomine“ hier systembildende Bedeutung zukommt. j) Systembildung durch „vel alio nomine“? Wie bereits gesagt, soll der Frage nachgegangen werden, ob der Zusatz „alio nomine“ hier für Typenbildung stehen kann, also ob Scaevola die Arrha vielleicht mit einem anderen nomen iuris1038 oder nomen contractus1039 „typisiert“. 1035 Dies stellen Talamanca (L’arra della compravendita, S. 63) und López-Rendo Rodríguez (Cuadernos de Historia del Derecho 12 (2005), S. 71) auch für den Parallelfall fest, den Scaevola in D.18.3.8 entscheidet. 1036 Wie Waldstein/Rainer (Röm. RG, S. 118) feststellen, kann von einer Übernahme fremder Rechtseinrichtungen ohnehin nur in wenigen Fällen gesprochen werden. Stattdessen dienten die hellenistischen Rechtsbräuche der Praxis und den römischen Juristen vielmehr als Anregung für eigenständige Neuschöpfungen. Die Autoren verstehen die Arrha mithin auch nur als ein Institut hellenistischen Ursprungs, welches von den Römern in seinem Wesen verändert wurde. 1037 Talamanca (L’arra della compravendita, S. 60). 1038 Nach dem Modell von Behrends (Institut und Prinzip, S. 47) drückt sich in den von den klassischen Juristen gebrauchten Worten nomina oder nomina iuris die „nominalistische ,Realität‘ “ der Institute aus, welche der Autor auch als „Begriffsgebilde, die als Strukturelemente der Wirklichkeit selbst aufgefasst werden“ bezeichnet. 1039 Vgl. z. B. die technische Verwendung in D.2.14.7.1 (Ulp. 4. ad ed.): „sed transeunt in proprium nomen contractus: ut emptio venditio, locatio conductio, societas, commodatum, depositum et ceteri similes contractus“. Siehe zur Stelle Schmidlin (in Vacca, Diritto romano, tradizione romanistica I, S. 102 f.) und Dalla Massara (Alle origini della causa, S. 81 ff.). Zum Ausdruck nomen contractus im speziellen Fall der transactio bei Scaevola siehe Schiavone (Logiche, S. 168–172). Nach Ansicht von Schiavone ordnet Scaevola in D.20.2.10 (Scaev. 6. dig.) und D.45.1.122.5 (Scaev. 28. dig.) als einer der ersten Juristen die species ,transactio‘ dogmatisch dem genus ,contractus‘ zu. Die berechtigten Bedenken von Voci (Dottrina, S. 24), welcher darauf hinweist, dass das Wort contractus lediglich in der Parteianfrage, nicht aber in der Antwort des Juristen vorkommt, will Schiavone mit der Begründung ausräumen, dass ein so technischer und der Praxis kaum geläufiger Begriff wie der des contractus einem ju-
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Denn wenn Scaevola „alio“ sagt, könnte das nomen als genus und die Arrha gemäß der divisio als eine diesem zugehörige species fungiert haben. Durch die Konjunktion vel scheint die Arrha von Scaevola hier – zumindest in ihrer Rechtsfolge („apud venditorem remansurum“) – jedenfalls mit „etwas anderem“ Gleichwertigem verbunden zu sein. In diesem Zusammenhang soll auch untersucht werden, ob sich eine mögliche Gattungsbildung nur auf den vorliegenden Fall bezieht oder ob sie gar eine generelle Aussage erkennen lässt. aa) Zum juristischen Sprachgebrauch von „nomen“ bei Scaevola In den römischen Quellen wird nomen häufig in Verbindung mit dem genitivus explicativus in der Form nomine alicuius rei gebraucht. Dieser Terminus wird allgemein als „auf Grund“ oder „zum Zweck von etwas, wegen/für etwas, in Bezug/ im Hinblick auf etwas“ übersetzt und dem Ausdruck alicuius rei causa nahe gestellt1040. Im Werk von Scaevola kommt der ablativus modi „nomine“ (mit Genitiv) u. a. in der Bedeutung von „in der Person von“ 1041, „unter dem/im Namen von“ 1042, „als“ 1043, „hinsichtlich“ 1044 oder „wegen“ 1045 vor. Daneben können zudem die „Schulden“ 1046 gemeint sein. ristischen Laien im Zusammenhang mit der transactio wohl kaum in den Sinn gekommen wäre. 1040 Siehe Heumann/Seckel (Handlexikon, S. 369). 1041 Siehe z. B. D.40.4.29 (Scaev. 23. dig.): „hic sublatus ab alio educatus est nomine patris vocitatus usque“; D.12.6.67.4 (Scaev. 5. dig.): „quod usurarum nomine defunctus solvisset“. 1042 D.33.1.13.1 (Scaev. 4. resp.): „Uxore herede scripta ita cavit: ,libertis meis omnibus alimentorum nomine singulis annuos denarios duodecim ab herede dari volo‘“; D.29.2.98 (Scaev. 16. dig.): „neptis suae nomine“. 1043 Hierbei ist zu unterscheiden zwischen der bloßen Bezeichnung (siehe z. B. in D.26.7.58.1 [Scaev. 11. dig.]: „quod ab alio debitore nomine usurarum cum sorte datur“; D.34.1.18 pr. [Scaev. 20. dig.]: „alimentorum nomine [. . .] vestiarii nomine“ sowie in der bereits angesprochenen Quelle D.32.38 pr. [Scaev. 19. dig.]: „pignoris hypothecaeve nomine“) und dem nomen proprium im technischen Sinne, worauf wohl in D.29.2.98 (Scaev. 26. dig.): „dotis nomine“ angespielt wird. In dieser Verwendung kommt nomen z. B. auch bei Julian oder Ulpian vor: vgl. D.12.4.7.1 (Iul. 16. dig.): „fundus nomine dotis traditus“ oder D.2.14.1.4 (Ulp. 4. ad ed.): „Sed conventionum pleraeque in aliud nomen transeunt: veluti in emptionem, in locationem, in pignus vel in stipulationem“. 1044 Vgl. D.20.4.18 (Scaev. 1. resp.): „sortis et earum usurarum nomine [. . .] potior esset“. Siehe auch „eo nomine“ in der Bedeutung von „in dieser Hinsicht“ in D.13.7.43.1 (Scaev. 5. dig.): „ob id, quod eo nomine intertrimenti accidisset, non teneri“. 1045 Siehe z. B. D.18.6.11 (In libro septimo dig. Iuliani Scaevola notat): „Fundi nomine emptor agere non potest“. 1046 Siehe z. B. D.33.1.21.3 (Scaev. 22. dig.): „ab his vero nominibus, quae neque solverunt rei publicae neque novatione abscesserunt a pristina obligatione . . .“.
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Die Formulierung „arrae nomine . . . dare“ findet sich häufig in den Quellen1047. Durch sie wird ausgedrückt, dass eine Sache – wie beispielsweise in D.19.1.11.6 (Ulp. 32. ad ed.)1048 ein Ring oder eine bestimmte Summe Geldes – explizit „als“ Arrha hingegeben wird1049. Einen feststehenden juristisch-technischen Sprachgebrauch von alio nomine kann man folglich nicht behaupten – das Wort nomen ist vielmehr polysem. Dies kommt auch bei einer Gegenüberstellung der verschiedenen Übersetzungen zum Ausdruck: So lautet z. B. Schipanis italienische Übersetzung für „vel alio nomine“ „a titolo di caparra o ad altro titolo“ 1050. Die alte deutsche Übersetzung von Otto/Schilling/Sintenis übersetzt den Passus dagegen mit „was als Draufgeld oder unter anderer Benennung gegeben worden“ 1051. Die neuere deutsche Übersetzung lautet wiederum „das, was [zum Beweis des Kaufabschlusses] als Angeld oder aus einem sonstigen Grunde bereits vom Käufer hingegeben worden ist . . .“ 1052. Es stellt sich mithin die Frage, was im vorliegenden Fall ein vergleichbarer „Grund“ oder „Titel“ sein könnte. Nimmt man nun an, dass hier mit dem Oberbegriff nomen auf einen anderen Vertrags- oder Rechtsgrund angespielt wird, stellt sich die Frage, ob dem Arrhalvertrag nach dem römischen Kontraktsystem ein anderer Realvertrag zugeordnet
1047 Siehe nur Inst.3.23 pr.; D.14.3.5.15 (Ulp. 28. ad ed.); D.18.1.35 pr. (Gai. 10. ad ed. prov.); D.18.3.8 pr. (Scaev. 7. dig.); D.19.1.11.6 (Ulp. 32. ad ed.). Der Ausdruck ist wohl dem griechischen „(pÊr) lügou rrabµnoò“ entlehnt. 1048 Siehe D.19.1.11.6 (Ulp. 32. ad ed.), wo zunächst der Fall gebildet wird, dass eine bestimmte Summe („Is qui vina emit arrae nomine certam summam dedit“) und dann ein Ring („ego illud quaero: si anulus datus sit arrae nomine“) als Angeld gegeben werden. Siehe zudem D.18.3.8 pr. (Scaev. 7. dig.): „acceptis arrae nomine certis pecuniis“. 1049 Wie bereits angedeutet, könnte damit sowohl auf die Art und Weise der datio angespielt sein als auch auf das nomen des Arrhalvertrags als Realvertrag des ius gentium. Da es keine spezielle Klage (etwa eine actio arrae o. ä.) auf die Arrha gab, sondern – wie beim mutuum – mit der allgemeinen condictio geklagt wurde, hatte der Arrhalvertrag offenbar kein nomen proprium; vgl. dazu erneut die Quelle D.2.14.7.1 (Ulp. 4. ad ed.). Siehe zum Problem auch Burdese (Homenaje Murga Gener, S. 64), welcher feststellt, dass es sich beim nomen des mutuum nur um eine „denominazione corrente del tipo di contratto“ und nicht etwa um eine „denominazione particolare e tipica, edittalmente prevista in relazione alla formula di apposite azioni“ handelt, von welchen hingegen Verträge wie die emptio venditio, die locatio conductio, die societas, das commodatum oder das pignus ihr nomen haben. Wieder in anderem Zusammenhang – nämlich in einem prozessualen –, steht dagegen die Verwendung von nomine etwa bei der in D.16.3.13.1 (Paul. 31. ad ed.) erwähnten condictio depositae rei nomine. Ohne die Problematik an dieser Stelle ausreichend vertiefen zu können, kann man jedenfalls festhalten, dass dem Ausdruck „arrae nomine . . . dare“ wahrscheinlich ein modales Element innewohnt, welches auf die Art und Weise der datio – vgl. erneut die semantische Funktion des ablativus modi „nomine“ – anspielt. 1050 Schipani (Iustiniani Augusti digesta II, S. 152). 1051 Otto/Schilling/Sintenis (Corpus Iuris Civilis II, S. 373). 1052 Behrends/Knütel/Kupisch/Seiler (Corpus Iuris Civilis III, S. 481).
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werden kann1053, der hier ebenfalls zur Rechtsfolge „apud venditorem remansurum“ geführt hätte. bb) „arrae vel pignoris nomine“? Vergleicht man unsere Stelle mit einer weiteren Quelle in dem von Lenel rekonstruierten zweiten Buch der Responsa des Scaevola, so könnte man an eine sprachliche und funktionale Parallele zum Pfand (pignus)1054 denken: D.18.4.22 (Scaev. 2. resp.) „Hereditatis venditae pretium pro parte accepit: reliquum emptore1055 non solvente quaesitum est, an corpora hereditaria pignoris nomine teneantur. respondi nihil proponi, cur non1056 teneantur“. „Den Preis für den Verkauf einer Erbschaft hat er (der Verkäufer) nur zum Teil erhalten: Da der Käufer den Rest nicht zahlt, ist gefragt worden, ob die zur Erbschaft gehörenden körperlichen Gegenstände als Pfand haften. Ich habe geantwortet, es sei nichts vorgetragen, warum sie nicht haften sollten“. 1053 Auch wenn man die sog. „Innominatkontrakte“ erst in der Nachklassik systematisch erfasste und in das „Schema“ der Realverträge einreihte (siehe Kaser/Knütel [Röm. PrivatR, S. 227]), war bereits in der Klassik die Rede vom nomen als eigenem Klage- bzw. Vertragstyp; vgl. D.2.14.7 pr.-2 (Ulp. 4. ad ed.). Siehe zu den Innominatkontrakten im klassischen römischen Recht Lihong Zhang (Contratti innominati) und Cannata (in Vacca, Causa e contratto, S. 37–43). Nach dem prozessualen Rechtsverständnis der Römer bekamen als klagbar anerkannte Verträge ein eigenes nomen, das einem der Ediktstitel über die Verträge entsprach, und daraus folgend eine eigene actio; vgl. Marrone (Istituzioni, S. 479). Zum prozessualen Schutz atypischer Abreden siehe Paricio (Contrato, S. 69 ff.). Passte eine vertragliche Gestaltung nicht in das vorgegebene Kontraktschema, wie etwa beim Tausch oder bei gemischten Verträgen (heute sog. Verträge sui generis), wie z. B. dem Trödelvertrag (aestimatum), konnte der Prätor diese „Lücke“ im Vertragssystem schließen und den atypischen Vertrag mit der sog. actio in factum dennoch klagbar machen; vgl. z. B. D.19.4.1 pr. (Paul. 32. ad ed.) zum Tauschvertrag (permutatio); dazu Sciandrello (Contratto estimatorio, S. 274 ff.). Voraussetzung für die rechtliche Anerkennung war nach überwiegender Ansicht der in D.2.14.7.2 (Ulp. 4. ad ed.) begründete zweckgerichtete Austausch von Leistung und Gegenleistung („subsit tamen causa“). Teilweise wurde angenommen, dass man daneben (vielleicht nach hellenistischem Vorbild) auch die Vorleistung eines Teils verlangte. Anders dagegen Paricio (Contrato, S. 62 f.), welcher den Begriff der causa in dem umstrittenen Passus „subsit tamen causa“ mit einigen neueren Autoren (Santoro, Cannata, Dalla Massara) nicht mehr auf die datio bezogen wissen will und die Annahme ablehnt, die römischen Juristen hätten die atypischen Verträge mit den Realverträgen gleichgesetzt. 1054 Das Pfand galt im 2. Jh. als führendes Institut der Kreditsicherung. Das sog. pignus obligatum wurde im klassischen wie im justinianischen Recht nicht vom pignus datum, dem Besitzpfand, unterschieden. Die lateinischen Ausdrücke sind nicht technisch; vgl. Kaser/Knütel (Röm. PrivatR, S. 176 f.). Zur fremdrechtlichen Herkunft des römischen Pfandrechts siehe Schanbacher (SZ 123 (2006), S. 51 ff.). Aufgrund der Ähnlichkeit des römischen Pfandrechts zum griechischen vermutet der Autor, dass die Römer dieses rezipierten. 1055 emptorem F. 1056 non F cum B, del. Kr.
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Auf den ersten Blick scheint es als könne diese Stelle – nicht zuletzt wegen der Wortwahl pignoris nomine1057 und ihres systematischen Standortes im selben Buch – das alio nomine in unserer Quelle erklären. Man könnte nämlich darüber spekulieren, ob alio hier für „arrae vel pignoris nomine“ steht und arra und pignus insoweit synonym gebraucht werden. Fraglich ist daher, inwiefern es neben dieser möglichen sprachlichen Parallele auch eine funktionale Parallele zum Pfand geben kann. Gemeinsam ist der datio pignoris und der datio arrae zumindest, dass sie in ihrer Funktion ähnliche Sicherungsmittel für den Gläubiger darstellen, dass seine Forderung erfüllt wird1058. Die Situation in D.18.4.22 (Scaev. 2. resp.) unterscheidet sich von unserem Fall jedoch insofern wesentlich, als das Pfand hier nicht vom Käufer hingegeben wurde („datum esset“), worauf D.18.3.6 aber abstellt1059.
1057 Dafür, dass pignus im technischen Sinn als nomen verstanden wurde, spricht auch die bereits erwähnte Quelle D.2.14.1.4 (Ulp. 4. ad ed.): „Sed conventionum pleraeque in aliud nomen transeunt: veluti in emptionem, in locationem, in pignus vel in stipulationem“. 1058 Nach Brinz (Pandekten II, S. 708) ist Zweck der Arrha eine „pfandartige Sicherung des Geschäfts“. Calogirou (Die Arrha, S. 44) dagegen bestreitet, dass eine arra confirmatoria wie ein Pfand dem Zweck der Sicherung einer Forderung dienen konnte. Die Gleichstellung von arra und pignus sei ein Fehler der juristischen Laien Plautus, Terentius und Apuleius gewesen. Außerdem seien Fälle denkbar, in denen als „argumentum emptionis et venditionis“ lediglich geringwertige Sachen hingegeben wurden. Diese hätten dann aber gerade keine Sicherungsfunktion („cavere“), sondern nur Bestätigungscharakter. Als weiteres Argument führt Calogirou (Die Arrha, S. 46) an, dass ein Pfand im Gegensatz zur arra confirmatoria so lange beim Verkäufer verbleiben musste, bis dieser vollständig befriedigt war. Die Arrha dagegen konnte, falls der Vertrag nachträglich eine andere Bestätigung erfuhr, sofort zurückverlangt werden, wenn ihr Zweck erfüllt war. Zum Unterschied zwischen Pfand und Arrha siehe auch Dernburg (Pfandrecht I, S. 99 f.). Ein Hauptunterschied besteht schon darin, dass die Arrha, wie bereits festgestellt, – im Gegensatz zum Pfand – in das Eigentum des Arrha-Nehmers überging und ihrem Zweck nach nicht zurückverlangt werden sollte. Sie war in erster Linie Anzahlung auf den Kaufpreis und nicht nur Sicherung desselben. Vgl. schon Isidorus (Etymologiae V.XXV.20): „Interest autem in loquendi usu inter pignus et arram. Nam pignus est quod datur propter rem creditam, quae dum redditur, statim pignus aufertur. Arra vero est, quae primum pro re bonae fidei contractu empta, ex parte datur, et postea conpletur“. Natürlich kann man von einem nichtjuristischen Schriftsteller wie Isidorus nicht erwarten, dass er den rechtlichen Unterschied der beiden Institute korrekt zu erklären vermag, er bezieht sich in seiner Unterscheidung ja auch ausdrücklich auf den allgemeinen Sprachgebrauch („in loquendi usu“). Dennoch zeigt allein die Tatsache, dass noch Isidorus eine Unterscheidung in der Sache traf, dass das Problem sich in der Praxis weiterhin stellte. Nach Dernburg (Pfandrecht I, S. 100) besteht ein weiterer Unterschied darin, dass „eine Arrha in Fällen zulässig ist, in welchen eine Forderung nicht existiert, während ein Pfandrecht unter gleichen Umständen haltlos und juristisch nichtig wäre“. 1059 Vielmehr hielt der Verkäufer die verkaufte Sache, die noch in seinem Besitz war, als Pfand zurück, es wurde also gerade nicht vom Käufer hingegeben. Vgl. die Entscheidungen in D.19.1.13.8 (Ulp. 32. ad ed.) und D.21.1.31.8 (Ulp. 1. ad ed.). Das Verb reti-
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Greift man jedoch auf ältere uns außerhalb des C.I.C. überlieferte Quellen – etwa auf Stücke der römischen Komödiendichter1060 oder auf Urkunden aus dem Archiv der Sulpizier – zurück, so stellt man fest, dass diese die Ausdrücke arra und pignus durchaus synonym verwenden. Bemerkenswert ist insofern der in TP. Sulp 511061 überlieferte Fall des Darlehensnehmers C. Novius Eunus, der seinem Darlehensgeber zehntausend Sesterzen schuldete und in einer Urkunde aus dem Jahre 37 n. Chr. bescheinigte, dass er ihm dafür „als Pfand oder als Arrha“ alexandrinischen Weizen sowie anderes Getreide und Hülsenfrüchte hingegeben habe: „. . . pro quem iìs sestertis decem milibus nu«m»mu dede ,ei‘ pignoris ar«ab»onisve nomine tridici Alxadrini modium . . .“ 1062. Sehr wahrscheinlich handelt es sich bei dem dort erwähnten Darlehen um ein Geschäft mit griechischen Kaufleuten. Gröschler1063 nimmt an, dass der Ausdruck pignoris arrabonisve nomine hier als Hendiadyoin zu verstehen ist: „Anstelle des einfachen pignoris nomine verwendete man die klangvollere Form pignoris arrabonisve nomine“ 1064. Nach Ansicht des Autors handelt es sich inhaltlich um ein Bewahrungs-, nicht um ein Verfallspfand, da sich arrabon in der
nere drückt aus, dass der Verkäufer noch Besitz an der Sache und damit ein Zurückbehaltungsrecht am besitzlosen Pfandrecht (pignus obligatum) hatte. 1060 Vgl. Apuleius (Metamorphoseon 1,21): „. . . foenus denique copiosum sub arrabone auri et argenti crebriter exercens“. Weiter im Text wird die arra durch das Wort pignus ersetzt: „. . . praeter aurum argentumque nullum nos pignus admittere?“. Zu weiteren Stellen siehe Muther (Sequestration und Arrest, S. 24 ff.). Der Autor (S. 383) nimmt an, dass selbst Ulpian in D.14.3.5.15 (Ulp. 28. ad ed.) arra und pignus noch als verwandt ansieht. Die Stelle zeigt aber doch gerade, dass Ulpian arra und pignus als zwei verschiedene Rechtsinstitute behandelt, wenn er einmal die actio empti institoria, einmal dagegen die actio pigneraticia institoria gewährt. So auch Krämer (Das besitzlose Pfandrecht, S. 26 Fn. 27), welcher annimmt, das Ulpian mit arra hier nicht das Pfand gemeint haben kann. 1061 Wie Krämer (Das besitzlose Pfandrecht, S. 26 Fn. 30) zu Recht anmerkt, sind die durch den Ausbruch des Vesuvs über fast eintausendneunhundert Jahre konservierten Urkunden aus dem Archiv der Sulpizier von jeglichem Verdacht der Interpolation frei. Die Wendung pignoris arrabonisve nomine, die – wie Abatino (TR 80 (2012), S. 312) feststellt – „without any apparent parallel“ ist, kann insofern für authentisch gehalten werden. Wolf/Crook (Rechtsurkunden, S. 10) bezeichnen die Urkunden aus dem Archiv der Sulpizier als „vulgärlateinische Schriftstücke“, deren Schreiber weder das Standardlatein noch die Standardorthographie beherrschten und offenbar so schrieben, wie sie sprachen. 1062 Siehe Camodeca (Tabulae Pompeianae, TP.Sulp. 51, S. 136), nach welchem hier auch die Zeichensetzung zitiert ist. 1063 Gröschler (in Verboven/Vandorpe/Chankowski, Pistoi, S. 317). 1064 Auch Abatino (TR 80 (2012), S. 313 ff.) geht in ihrer ausführlichen sprachlichen Untersuchung der Formulierung von einem Hendidyoin aus. Wie die Autorin (S. 327) betont, wurde das griechische Lehnwort arrabo hier als „non-technical word“ in umgangssprachlichem lateinischem Kontext „functionally equivalent to the term pignus“ gebraucht.
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Stelle schon auf Grund des extrem hohen Wertes der Pfandsache (Übersicherung) sowie des Fehlens eines pactum de vendendo nicht im Sinne einer impliziten Verfallsabrede (lex commissoria) deuten lasse. Nach Schanbacher1065, welcher auf die mögliche Doppeldeutigkeit des „pro“ als Zeichen für die Akzessorietät („wegen“) sowie für ein Ersatzpfand („anstelle“) hinweist, soll die Urkunde dagegen in eine „pfandrechtsgeschichtliche Zwischenphase fallen, in der ein Pfand ohne eigene Abrede weder mehr verfiel noch schon verkäuflich war“. Anders als Krämer1066 und Gröschler will der Autor Pfand und Arrha hier deshalb nicht als Synonyme verstehen, sondern arrabon als die gegenüber pignus präzisere Bezeichnung für das Verfallspfand1067. Natürlich ist nicht auszuschließen, dass in den Provinzen noch zu Scaevolas Zeiten eine pignoris arrabonisve nomine lautende Formulierung gebräuchlich war und diese dem Juristen hier zur Entscheidung vorgelegt wurde. Dann drängt sich aber die Frage auf, warum Scaevola ausgerechnet über den Wortlaut der ihm vorgelegten Formulierung hinausging und vorliegend anstatt nur auf pignoris allgemein auf vel alio nomine Hingegebenes abstellt. Funktional gesehen fungierte die Arrha hier jedenfalls als Anzahlung (pretium). Insofern war sie der Schuld gleichartig und wurde im Gegensatz zum Pfand gerade solvendi causa hingegeben. Natürlich kann man sich vorstellen, dass für den Käufer von einer solvendi causa hingegebenen Leistung ein dem Pfand funktional vergleichbarer ökonomischer Druck entstehen konnte, an der Erfüllung festzuhalten. Dass Scaevola hier auf das Pfand als alio nomine gegebene Sicherheit, welche an den Gläubiger verfiel, anspielt, mag insofern allenfalls unter wirtschaftlichen, nicht jedoch unter juristischen Gesichtspunkten vergleichbar sein. Aufgrund der spärlichen sprachlichen wie auch inhaltlichen Indizien der Quelle kann mithin nicht davon ausgegangen werden, dass der Jurist hier auf das Pfand als alio nomine gegebene Sicherheit abstellt1068.
1065
Schanbacher (in Harke, Drittbeteiligung, S. 145 Fn. 23). Krämer (Das besitzlose Pfandrecht, S. 26). 1067 Schanbacher (in Harke, Drittbeteiligung, S. 146 Fn. 27). 1068 Im Zusammenhang mit dem Pfand stellt sich erneut die schwierige Frage, ob Scaevola mit nomen vielleicht auf eine dem Geschäft zugrunde liegende causa anspielt. Dagegen spricht auch hier zumindest das sprachliche Argument. Denn wenn der Jurist sich in seiner Argumentation auf die causa hätte beziehen wollen, hätte er – wie andere Fälle nahelegen – wohl causa und nicht nomen gesagt; vgl. nur D.34.3.28.14 (Scaev. 16. dig.): „respondit secundum ea quae proponuntur posse ex causa fideicommissi peti, quod apparuisset, non fuisse ex alia causa debitum“. Siehe zu dieser Stelle insbes. unter Systemgesichtspunkten anhand des Begriffes debitum bei Scaevola Baldus (in Harke, Facetten des römischen ErbR, S. 29 f.). 1066
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cc) „unter anderer Benennung“? Der Streit um die Arrha könnte im vorliegenden Fall eher damit zusammenzuhängen, dass die Parteien – je nach Interessenlage – mit einer unterschiedlichen Bezeichnung rechtlich unterschiedliche Vorstellungen verbanden. Darauf scheint auch die nicht mehr erhaltene quaestio gerichtet gewesen zu sein1069. Wahrscheinlich ist nämlich, dass eine Partei unter der Bezeichnung arra etwas anderes als eine Anzahlung verstand. In diesem Zusammenhang sei erneut auf die in der bereits zitierten pompeianischen Urkunde TP. Sulp. 51 überlieferte Rechtspraxis hingewiesen. Nach Krämer1070 war es ein geradezu kluges Geschäftsgebaren bei Verträgen mit Personen aus einem anderen Rechtskreis neben dem eigenen Terminus technicus zusätzlich den des anderen Rechtskreises anzugeben. So konnte man die Verständlichkeit des Vertrags für beide Parteien sichern und möglichen Missverständnissen vorbeugen. Ähnlich liegt der Fall wohl in D.32.38 pr. (Scaev. 19. dig.), wo die Parteien mitteilen, dass einem Gläubiger Grundstücke „pignoris hypothecaeve nomine“ 1071 übertragen waren1072. Die Praxis zeigt also, dass Streitigkeiten über die Bedeutung eines Rechtsinstituts bei Geschäften mit Nichtrömern durchaus vorkamen. Übertragen auf den vorliegenden Fall könnte das bedeuten, dass unsere vermutlich aus unterschiedlichen Rechtskreisen stammenden Parteien den Vertragsinhalt im Vorfeld vielleicht nicht genau genug bestimmt hatten. Deshalb kam es wohl zum Streit darüber, welche Rechtsanschauung für die Auslegung der Arrha zu gelten habe. 1069 Vermutlich war der Sachverhalt hier zwischen den Parteien umstritten. Dazu würde auch der allgemeine, wohl nachträglich hinzugefügte Einleitungssatz („De lege commissoria interrogatus“) passen. (Siehe dazu bereits § 6 III. 2. c) aa)). Denn wenn sich die Parteien tatsächlich uneinig über den konkreten Sachverhalt waren und dem Juristen deshalb vielleicht mehrere divergierende Versionen der narratio bzw. quaestio vorlagen, wollten die Herausgeber (bzw. die Kompilatoren) diese Einzelheiten aus dem konkreten Parteivorbringen sicher nicht wörtlich wiedergeben, zumal sie für das generelle („arra vel alio nomine“) responsum des Juristen im Ergebnis sowieso keine Rolle spielten. 1070 Krämer (Das besitzlose Pfandrecht, S. 27). 1071 „Zu Pfand oder zu Hypothek“. Wie Schanbacher (in Jung/Baldus, Differenzierte Integration, S. 47) feststellt, überließen Pfandformulare mit dieser Formulierung die Bestimmung des Pfandrechtsinhalts dem jeweiligen Lageortsrecht, nach welchem sich der Inhalt der Pfandrechte richtete. Die Begründung der Pfandrechte an Liegenschaften in der Provinz sei dagegen nach ius gentium erfolgt. 1072 Wie Marcianus uns in D.20.1.5.1 (Marcianus lib. sing. ad formulam hypothecariam) überliefert, unterschied sich der griechische Ausdruck poqÞkh nur der Lautung nach vom lateinischen pignus: „Inter pignus autem et hypothecam tantum nominis sonus differt“. Zu den inhaltlichen Unterschieden zwischen römischem pignus und griechischer poqÞkh, die hier leider nicht vertieft werden können, siehe Kaser/Knütel (Röm. PrivatR, S. 176 f.).
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Man könnte darüber spekulieren, ob hier vielleicht ein Römer ein Grundstück in der Provinz gekauft und dabei eine Arrha hingegeben hatte1073. Nachdem der Käufer nun den Kaufpreis nicht zahlte, kam es zum Streit über die Arrha1074. Da die Anzahlung hier offensichtlich in Geld bestand, entschied Scaevola, dass diese an den Verkäufer verfiel, was in der Rechtsfolge einer „griechischen Arrha“ entsprach. Nach Scaevola sollte es gerade nicht auf die von den Parteien gewählte Bezeichnung („vel alio nomine“), sondern allein auf die Funktion des hingegebenen Geldes ankommen. So vermutete schon Levy1075, dass Scaevola mit der Formulierung „arrae vel alio nomine“ die den Römern untechnisch anmutende Bezeichnung als Arrha „wie mit einer Handbewegung beiseiteschieben“ wollte, weil es ihm nicht auf die Benennung, sondern auf das, was zwischen den Parteien ausgemacht war, ankam1076. Entscheidend war demnach, was die Parteien mit der Hingabe der pars pecuniae vereinbart hatten, also ob diese ihrer Funktion nach arrae nomine oder etwa pretii nomine hingegeben war1077. Die bei der Hingabe (datio) des Arrhalgeldes unter den Parteien festgelegte „Zweckbestimmung“ entschied mithin über die rechtliche Einordnung der Vereinbarung. Deshalb stellt Scaevola hier klar, dass das, was vom Käufer „als Arrha oder unter einer anderen Bezeichnung“ hingegeben wurde, beim Verkäufer verbleibt. Der Jurist entscheidet insofern zugunsten des vertraglich festgelegten Parteiwillens (favor contractus1078) und stärkt dadurch zugleich die Handelsbeziehungen1079 zwischen Rom und Griechenland. 1073 Zu Erwerb und Sicherung von Römern an Liegenschaften in der Provinz siehe Schanbacher (in Jung/Baldus, Differenzierte Integration, S. 30 ff.). Wie der Autor an Beispielen belegt, gelangten im 2. Jh. v. Chr. mit Ausgreifen der römischen Herrschaft nach Osten zunehmend östliche Liegenschaften in die Hände von Römern. 1074 Vielleicht berief sich der Römer deshalb darauf, dass es sich um eine „römische Arrha“ – also um ein schlichtes Beweismittel – handelte, welches er vom Verkäufer zurückverlangte. Dieser berief sich wiederum darauf, dass es eine „griechische Arrha“ sei, welche der Käufer bei Nichtleistung an den Verkäufer verlor. 1075 Siehe Levy (Ges. Schriften II, S. 280). 1076 Wieacker (Lex commissoria, S. 82) stellte hingegen fest, dass der Zusatz „vel alio nomine“ in den konkreten Fall eine grundsätzliche Lehre hereintrage, weshalb er diesen für ebenso interpoliert hielt wie die Einleitung „De lege commissoria interrogatus“. 1077 Wie Knütel (Contrarius consensus, S. 41) feststellt, trafen die Parteien in Rom – wo der Kauf bereits mit dem bloßen Konsens zustande kam – regelmäßig Vereinbarungen über den Zweck der Geldhingabe. 1078 Dieser besagt im Vertragsrecht allgemein, dass Verträge soweit möglich grundsätzlich aufrecht erhalten werden sollen. Speziell zum favor negotii beim Kauf siehe Hofstetter (Mélanges Engel, S. 136 f.). Dass es sich vorliegend um eine Entscheidung „nach dem konkreten Parteiwillen, nach der gewollten Rechtswirkung“ handelt, stellt auch Jakab (SZ 119 (2002), S. 203) fest. Die Entscheidungstendenz, dass bei Kaufver-
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Nach Ansicht von Talamanca versucht Scaevola hier „di risolvere il contratto arrale negli schemi del diritto romano, ricostruendolo come una compravendita obbligatoria, accompagnata dalla dazione di un’arra e dalla stipulazione della lex commissoria, cui accede un’altra lex venditionis che autorizza il venditore a trattenere l’arra, ove vuole usufruire della lex commissoria“ 1080. Der Jurist stand folglich vor der Aufgabe, römische Kategorien und griechische Inhalte zu harmonisieren1081. Diesen Konflikt löst Scaevola, indem er den nach griechischen Rechtsvorstellungen konstruierten Arrhalvertrag über das pretium funktional ins römische Recht integriert und die Rechtsfolgen einer „griechischen“ Arrha anhand römischer Vertragsklauseln nachvollzieht1082.
trägen eher das Gemeinte („actum“) als das Gesagte („dictum“) gelten sollte, betont Pomponius in D.18.1.6.1 (Pomp. 9. ad Sab.): „. . . in emptis enim et venditis potius id quod actum, quam id quod dictum sit sequendum est . . .“. Vgl. auch D.8.5.20.1 (Scaev. 4. dig.), wo Scaevola ausdrücklich nach dem Parteiwillen entscheidet: „respondit id observandum, quod actum inter contrahentes esset: sed si voluntas contrahentium manifesta non sit . . .“. Siehe zu dieser Stelle Babusiaux (Id quod actum est, S. 200 f.). Speziell zum Verhältnis der allgem. Auslegungsmaxime id quod actum est und der ambiguitas-Regel siehe Krampe (SZ 100 (1983), S. 203, S. 228). 1079 Zur Bedeutung der Funktionsfähigkeit der Rechtsordnung für die Beziehungen zwischen Römern und Peregrinen unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten siehe auch Baldus (SCDR 9–10 (1997/98), S. 107). 1080 Siehe Talamanca (L’arra della compravendita, S. 64 Fn. 46). Zustimmend LópezRendo Rodríguez (Cuadernos de Historia del Derecho 12 (2005), S. 71). Ähnlich behauptete Wieacker (Lex commissoria, S. 80), „dass allein die Kommissoria ihm [dem römischen Juristen] konstruktiv die Möglichkeit bietet, den hellenistischen Kauf mit Fristsetzung, ohne Erfüllungszwang und mit sachlich beschränkter Haftung in das System des Konsensualkaufs einzuführen“. Auch Pringsheim (SZ 50 (1930), S. 406) sah in der Verbindung von Arrha und lex commissoria „ein geeignetes Mittel für die Provinzialen des Ostens [. . .] ihre Auffassung der arra in möglichst römischer Form zu verwirklichen“. Und Levy (Ges. Schriften II, S. 283 f.) formulierte: „. . . die arrha wird rezipiert, aber zugleich umgestaltet [. . .]. Aus dem Umformungsprozeß geht etwas Neues, Nationalrömisches hervor. Das großartig geschlossene System der klassischen Periode ist sich selbst genug und fremden Anregungen gegenüber zurückhaltender. Wo es in Responsen oder Reskripten Veranlassung hat, sich mit dem hellenistischen Arrhalgeschäft auseinanderzusetzen, kommt es ihm in elastischer Umdeutung zum Konsensualkauf mit lex commissoria und Anzahlung nach Möglichkeit, doch nur bis zu der Grenze entgegen, die eigenem Rechtsdenken unübersteigbar ist“. 1081 Zum Problem des Verhältnisses zwischen römischem Reichsrecht und Rechtsvorstellungen bzw. eigenen Instituten der Provinzialbevölkerung siehe Talamanca (in Diritto generale e diritti particolari, S. 263 ff. und in Archi, Istituzioni giuridiche, insbes. S. 225 ff.); Amelotti (SDHI 65 (1999), S. 211–215) und Migliardi Zingale (SDHI 65 (1999), S. 217–231). 1082 Nach Knütel (Contrarius consensus, S. 42) konnte die Vereinbarung, eine Anzahlung mit der Arrha zu bewirken, von dem in diesem Punkt nachgiebigen römischen Recht anerkannt werden. Volksrechtliche Anschauungen hätten – was auch die Papyri belegten – gerade im dispositiven Bereich des römischen Rechts Berücksichtigung gefunden.
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2. Kap.: Exegesen
Was die rechtliche Konstruktion der Integration griechischer Arrha-Vorstellungen ins römische Recht angeht, so spricht Jakab1083 von einem einheitlichen Vertragsmodell, bestehend aus emptio venditio mit pars pretii bzw. Arrha und lex dicta. Nach Durchsicht sämtlicher Stellen zur Arrha und zur pars pretii konnte Jakab feststellen, dass es funktional dieselben Vertragsklauseln waren, welche die Juristen einerseits an die Arrha, andererseits an die gezahlte pars pretii knüpften. Die Terminologie ist insofern nicht einheitlich. Die Autorin kommt deshalb zu dem Schluss, dass die Juristen offenbar keinen Wert darauf legten, wie die Anzahlung (technisch) genannt wurde1084. Die Parteien hätten die Anzahlung arra, pars pretii oder wie auch immer nennen können – für das juristische Schicksal der Zahlung sei allein die lex dicta entscheidend gewesen1085. k) Ergebnis Die Quelle ist sehr wahrscheinlich ein weiterer Beleg für die vielen Anfragen mit provinziellem Hintergrund, die Scaevola zu entscheiden hatte. Sie zeigt, wie Scaevola, welcher hier nach römischem Recht entscheidet, griechische Rechtsvorstellungen berücksichtigt und terminologische Differenzen beseitigt. Im Ergebnis gewährt der Jurist dem ius gentium durch seine Entscheidung weiteren Einfluss auf die Strukturen des römischen Rechts und verhilft diesem in einem praktischen Fall zu neuer Öffnung und Modernisierung. Wie die Bedeutungsanalyse ergeben hat, wird der Begriff nomen bei Scaevola nicht technisch gebraucht, sondern – wie bei anderen Juristen auch – in vielen verschiedenen Bedeutungen. Hier bezieht sich Scaevola mit den Worten vel alio nomine nicht auf die Klassifikation der Arrha, sondern allein auf den konkreten Fall. Eine Systembildung anhand der Worte lässt sich an dieser Stelle mithin nicht feststellen.
1083
Siehe Jakab (SZ 119 (2002), S. 199). Siehe Jakab (SZ 119 (2002), S. 200 und Risikomanagement, S. 115 f.). 1085 Tatsächlich spricht Scaevola in D.18.3.8 (Scaev. 7. dig.) von „certa pecunia“, in D.18.5.10 pr. (Scaev. 7. dig.) von „pars pretii“ und in D.18.3.6.2 (Scaev. 2. resp.) von „pars reliquae pecuniae“ oder „pars reliqui debiti“. Anders ist der Sprachgebrauch natürlich bei Gaius, welcher in Gai. 3.139 ausdrücklich zwischen pars pretii und arra unterscheidet: „quamvis nondum pretium numeratum sit, ac ne arra quidem data fuerit“ (vgl. auch die Abgrenzung mit dem ausschließenden „aut“ in EG 2.9.14: „nec pars pretii aut arra data fuerit“). Dies erklärt sich eben damit, dass die Arrha nach seiner grundlegenden Definition – im Gegensatz zur pars pretii – im römischen Recht nur noch Beweisfunktion haben und stets zurückgegeben werden sollte. 1084
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IV. Zusammenfassung der Exegesen Die regelhafte Anmerkung zu Julian in D.18.6.11 (In libro septimo dig. Iuliani Scaevola notat) lässt durch die Worte „aliove quo casu“ Ansätze zu juristischer Systembildung im Rahmen der diairetischen Methode erkennen, zeigt aber zugleich, dass das Systematisierungsinteresse von Scaevola dabei nicht im Vordergrund steht. In D.18.3.6 (Scaev. 2. resp.) werden die Worte „arrae vel alio nomine“ dagegen nicht zur Klassifikation der Arrha gebraucht. Juristische Systembildung durch Gattungsbildung lässt sich an dieser Stelle insofern nicht nachweisen.
§ 7 Systembildung durch Konsequenz Im Folgenden soll die Wendung „cui consequens est“ bzw. das Wort „consequens“ im Werk von Scaevola auf einen möglichen Systemcharakter untersucht werden.
I. Das argumentum per consequentiam Das Partizip Präses Aktiv consequens (von consequi = unmittelbar nachfolgen) kann eine zeitliche, eine räumliche oder auch eine logische Folge bzw. Konsequenz ausdrücken. Daneben kann consequens – insbesondere im Rahmen einer Wertung – auch „angemessen, vernunftgemäß“ bedeuten. Die Terminologie der Begriffe consequens, consequenter oder consequentia ist – wie Waldstein nachgewiesen hat – ähnlich ihren griechischen Vorläufern koloue¦n, koloýwò oder koloußa nicht einheitlich. Wie der Autor aufzeigt, wurde das „unscharfe“ Wort außer für eine streng logische Konsequenz u. a. auch für Größenschlüsse und Folgenverhältnisse aller Art sowie gleichermaßen für das, was sich in der Regel ergibt, und für kausale Folgen verwendet1086. Nach Waldstein1087 lassen sich grob gefasst fünf Verwendungsarten des Konsequenzarguments feststellen. Diese sind: a) die allgemeine Folgerichtigkeit, b) deutlich erkennbare Enthymemata, c) Analogie/Größen- oder Induktionsschluss sowie negativ gebraucht die reductio ad absurdum1088, d) die notwendige rechtliche Folge und e) die richtige systematische Ordnung. In den juristischen Quellen leitet consequens oft einen konsekutiven ut-Satz ein („consequens est, ut“ 1089) und wird gemeinhin im Sinne einer Grund-FolgeBeziehung übersetzt. Teilweise beurteilten die römischen Juristen sogar die Entscheidung eines Kollegen als consequenter, wie z. B. Ulpian in D.24.1.11 (Ulp. 32. ad Sab.) die Anmerkung des Scaevola zu Marcellus mit den Worten „Consequenter Scaevola apud Marcellum notat . . .“ 1090. 1086 Siehe Waldstein (SZ 92 (1975), S. 32–40). Aufgrund der griechischen Synonyme koloue¦n, koloýwò und koloußa nahm Pringsheim mit v. Beseler (FS-Lenel, S. 275) an, dass erst die Kompilatoren die lateinische Übersetzung gewählt hatten, das Wort consequens mithin interpoliert sei. 1087 Siehe Waldstein (SZ 92 (1975), S. 41). 1088 Siehe dazu § 8 der vorliegenden Untersuchung. 1089 Bei Scaevola z. B. in D.21.2.69.4 (Scaev. 2. quaest.) und D.50.1.24 (Scaev. 2. dig.).
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Es stellt sich insbesondere die Frage, ob Scaevola, wo er das sog. argumentum per consequentiam1091 im juristischen Diskurs bzw. zur Lösung eines konkreten Rechtsproblems heranzieht, tatsächlich „folgerichtig“ i. e. S., also (rechts-)logisch argumentiert oder etwa eine Wertung vornimmt1092. Dazu muss zunächst untersucht werden, wie Scaevola das Konsequenzargument konkret einsetzt, d. h. woher der Jurist seine Ausgangsprämissen nimmt und ob er seine Folgenentscheidungen tatsächlich von diesen ableitet. Hierbei soll insbesondere erforscht werden, ob Scaevola zwischen der jeweiligen Folgenentscheidung und ihrer Ausgangsprämisse einen systematisch-dogmatischen Ableitungszusammenhang herstellt, das argumentum per consequentiam also systembildend einsetzt. Je nachdem, ob er seinen Schluss aus einer allgemeinen Rechtsregel, einer Kaiserentscheidung oder schlicht aus einem konkreten Sachverhalt herleitet, und in welchem (Werk-)Kontext der Jurist das Argument bemüht, könnte der juristische Gehalt der Argumentation verschieden sein. Dies lässt sich jedoch nur im Einzelfall durch die nun folgenden Exegesen beurteilen.
II. Zum Sprachgebrauch von „consequens“ bei Scaevola Im Werk von Scaevola finden sich insgesamt drei Quellen, in denen das Wort consequens vorkommt. Diese sind:
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Bei derartigen Aussagen, wonach ein Juristenkollege in seiner Lehre und seinen Urteilen „konsequent“ sei, handelt es sich nach Horak (FS-Kaser, S. 39) lediglich um ein „Argument des täglichen Lebens, das man allüberall, auch außerhalb der Wissenschaft, findet“ und das natürlich auch falsch sein kann. In diesen Fällen liegt demnach ein untechnischer Gebrauch des Konsequenzarguments vor. 1091 Dazu Masiello (Le Quaestiones, S. 35), nach welchem ein argumentum per consequentiam vorliegt, „quando tra due o più assunti si stabilisce un nesso di dipendenza, in modo tale che la ,verita‘ del secondo ha il suo fondamento nella ,verita‘ del primo“. 1092 H. Mitteis (Vom Lebenswert, S. 105 ff.) zählte das Konsequenzargument zu den grundlegenden Rechtsprinzipien. Nach Masiello (Le Quaestiones, S. 35) ist es jedenfalls keine „forma argomentativa consueta ai giuristi romani“. Dies will der Autor mit der geringen Anzahl von Quellen belegen, in denen die klassischen Juristen das argumentum per consequentiam anfänglich heranzogen: neben zwei weiteren consequensStellen aus den Digesta von Scaevola (D.50.1.24 und D.36.1.80.4) zählt Masiello (Quaestiones, S. 35 Fn. 78) zwei Stellen bei Gaius und jeweils nur eine Stelle bei Marcellus und dem von Ulpian zitierten Neraz. In beträchtlichem Maße sei das Vorkommen dieses Argumentationsschemas dagegen bei Julian und Afrikan „da farci ritenere che si tratti di una opzione tipica dell’indirizzo scientifico inaugurato dallo scolarca adrianeo“, so Masiello (Le Quaestiones, S. 35). In der Zeit nach Scaevola sei das Argumentieren per consequentiam vor allem in Texten von Tryphonin, Paulus und Ulpian zu finden; siehe Masiello (Le Quaestiones, S. 35).
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2. Kap.: Exegesen
– D.36.1.80.4 (Scaev. 21. dig.) – D.50.1.24 (Scaev. 2. dig.) – D.21.2.69.4 (Scaev. 2. quaest.). Aufgrund ihrer besonderen Argumentationsstruktur steht die QuaestionenStelle D.21.2.69.4 (Scaev. 2. quaest.) im Zentrum der Untersuchung. Ein direkter Textvergleich mit den beiden anderen Quellen soll den unterschiedlichen Gebrauch der Argumentationsfigur im Werk von Scaevola veranschaulichen.
III. Exegesen 1. D.36.1.80.4 (Scaev. 21. dig.) „Pater puerum et puellam heredes instituit eosque invicem substituit et, si neuter heres esset, eis plures substituit substitutosque invicem substituit his verbis: ,substitutos heredes invicem substituo‘: eorundem filiorum fidei commisit, ut, qui eorum vita superasset et sine liberis intra annum trigensimum moreretur, hereditatem his, quos heredes substituerat, restituat. filius vita sororem superavit et intra trigensimum annum sine liberis decessit: quaesitum est, ex substitutis uno defuncto ante filium pars eius, quae ad ceteros substitutos qui superviverent pertinet, utrum pro virilibus an pro hereditariis portionibus, quibus sunt substituti, pertineat. respondit consequens esse pro his partibus, quibus substituti essent, fideicommissum pertinere“. „Ein Vater setzte seinen Knaben und sein Mädchen zu Erben ein und substituierte sie einander, und für den Fall, dass keiner von beiden Erbe würde, substituierte er ihnen noch Weitere und diese Ersatzerben substituierte er gegenseitig mit folgenden Worten: ,Ich substituiere die Ersatzerben einander (selbst)‘. Er überließ es der fides eben dieser Kinder, dass, wer von ihnen (den anderen) überlebt habe und vor dem dreißigsten Lebensjahr kinderlos versterben würde, die Erbschaft denen herausgeben solle, die er als Erben substituiert hatte. Der Sohn überlebte seine Schwester und starb vor dem dreißigsten Lebensjahr kinderlos. Es wurde angefragt, ob, wenn einer der Substituierten vor dem Sohne verstorben sei, sein Anteil, der den übrigen überlebenden Ersatzerben zufällt, (auf diese) nach Kopfteilen oder nach den Erbschaftsanteilen, zu welchen sie substituiert sind, zufalle? Er hat geantwortet, es sei folgerichtig, dass ihnen das Fideikommiss nach denjenigen Anteilen zufalle, zu welchen sie substituiert sind“.
a) Einordnung und Struktur der Quelle Die Quelle entstammt dem einundzwanzigsten Buch der Digesta von Scaevola1093. Der bereits festgestellte Praxisbezug des Digesta-Werkes legt nahe, dass 1093 Justinian ordnet sie dem Titel „Ad senatus consultum Trebellianum“ zu. Nach der Rekonstruktion von Lenel (Palingenesie II, Sp. 249) gehört die Quelle dagegen zum allgemeinen Ediktstitel „De legatis et fideicommissis“.
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Scaevola das Konsequenzargument hier in einem konkreten Fall heranzieht. Wie in seinen Digesta üblich1094, lässt die Quelle eine klare Trichotomie aus narratio, quaestio und responsum erkennen. Es zeigt sich jedoch eine auffällige Lücke in der narratio: Dort werden die Substitutionsanteile nicht mitgeteilt, welche hingegen in der quaestio anklingen: „hereditariis portionibus, quibus sunt substituti“. Die Ersatzerben, von denen wir aus dem Text auch nicht erfahren, wie viele es waren (es ist nur anonym von „plures“ die Rede), mussten jedoch zu unterschiedlich hohen Teilen substituiert sein. Ausgerechnet diese wesentliche Information fehlt hier aber. Man könnte darüber spekulieren, ob die Sachverhaltsschilderung von einem Bearbeiter um den entscheidenden Inhalt verkürzt wurde. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass gerade die entscheidungsrelevante Quote entfernt wurde, wo weniger wichtige Informationen hier durchaus mitgeteilt werden. Bemerkenswert ist auch, dass die Verfügung zusätzlich wörtlich zitiert wird, obwohl ihr Inhalt im Satz zuvor mit „substitutosque invicem substituit his verbis“ bereits zusammengefasst ist. Nur dieser eine Passus – nämlich die Verfügung, die substituierten Erben einander (selbst) zu substituieren (,substitutos heredes invicem substituo‘) – wird letztlich wörtlich aus dem Testament („substituit his verbis“) zitiert, wohingegen der Rest des Testaments in indirekter Form überliefert ist. Dies könnte damit zusammenhängen, dass es in der Entscheidung gerade auf diesen Passus ankam. Nachdem nämlich dem kinderlos verstorbenen Sohn ein ihm substituierter Erbe vorverstorben war, stellte sich offenbar genau die Frage, wie die Verfügung „substitutos heredes invicem substituo“ auszulegen sei. Es handelt sich wohl um eine konkrete Parteianfrage („quaesitum est, . . . utrum pro virilibus an pro hereditariis portionibus, quibus sunt substituti, pertineat“). Auffallend ist auch hier wieder, dass wichtige Sachverhaltsinformationen („ex substitutis uno defuncto ante filium pars eius, quae ad ceteros substitutos qui superviverent pertinent“) erst in der quaestio mitgeteilt werden und dabei zwischen die Frageworte „quaesitum est, . . . utrum . . . an“ geschoben sind1095. Auf die quaestio erteilt der Jurist schließlich folgenden Rechtsrat: „respondit consequens esse pro his partibus1096, quibus substituti essent, fideicommissum pertinere“.
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Siehe § 3 IV. 2. a). Siehe dazu bereits § 3 IV. 2. a) aa) (2). 1096 Interessant ist, dass Scaevola die vom Anfragenden gebrauchte Formulierung „pro hereditariis portionibus, quibus sunt substituti“ nicht aufgreift, sondern „pro his partibus, quibus substituti essent“ antwortet. 1095
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Insgesamt erfahren wir von einer ersten Anordnung mit Bestellung von drei Ersatzerben, welche im Text alle einzeln mit dem Prädikat „substituit“ aufgezählt werden1097. (1) Zunächst wurden die beiden Geschwister einander substituiert (puerum et puellam heredes instituit eosque invicem substituit“). (2) Für den Fall, dass keiner der beiden Erbe wurde1098, wurden diesen „plures“ substituiert („si neuter heres esset, eis plures substituit“)1099. (3) Und schließlich wurden diese „plures“ einander substituiert („substitutos heredes invicem substituo“)1100. Neben dieser ersten Anordnung findet sich eine zweite, alternative Anordnung eines Erbschaftsfideikommisses für den Fall, dass doch einer der beiden Kinder zunächst Erbe werden, aber schließlich vor dem dreißigsten Lebensjahr kinderlos versterben sollte. Der Erblasser wollte die Erbfolge also auf jeden Fall in der Hand haben und vor allem das Eintreten der Intestaterbfolge vermeiden. b) Der Sachverhalt Nachdem die Tochter vorverstorben und der überlebende Sohn Erbe geworden war, konnte die Fallvariante (2) „si neuter heres esset“ nicht mehr eintreten1101. In diesem Fall kam die alternativ getroffene Anordnung („eorundem filiorum fidei commisit, . . . hereditatem his, quos heredes substituerat, restituat“) zum Tragen, wonach der Erbe (hier also der Sohn) für den Fall, dass er bis zu seinem dreißigsten Lebensjahr kinderlos verstorben sein sollte („qui eorum vita superasset et sine liberis intra annum trigensimum moreretur“), mit einem Erbschaftsfideikommiss beschwert wurde. Dieses Fideikommiss bestand nun darin, dass der Erbe die Erbschaft denen herausgeben sollte, welche der Erblasser in seiner ersten Anordnung als Erben substituiert hatte („hereditatem his, quos heredes substituerat, restituat“)1102. 1097 Es handelt sich um die sog. substitutio vulgaris, die regelmäßige Form der Ersatzerbenbestellung für den Fall, dass der primär eingesetzte Erbe nicht Erbe wurde, weil er die Erbschaft etwa ausschlug oder vorverstarb; vgl. Kaser/Knütel (Röm. PrivatR, S. 391). Die mehrfache Ersetzung war zulässig; vgl. Inst.2.15 pr. 1098 An dieser Stelle könnte man sich fragen, warum der Erblasser bereits einkalkuliert hatte, dass keiner Erbe wurde. Man könnte darüber spekulieren, ob der Nachlass überschuldet war. Dafür gibt es jedoch keinerlei Indizien im Text. Jedenfalls wollte der Erblasser offensichtlich alle denkbaren Fallvarianten geregelt wissen und die gesetzliche Erbfolge um jeden Preis ausschließen. 1099 Auch dass Mehrere einem Ersatzerben substituiert wurden, war zulässig; vgl. Inst.2.15.1. 1100 Es handelt sich demnach um Erben „vierten Grades“. 1101 Sie kann daher bei den folgenden Betrachtungen unberücksichtigt bleiben.
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Nun verstarb der Sohn tatsächlich vor dem dreißigsten Lebensjahr kinderlos, nachdem aber bereits „un(us) ex substitutis“, also einer der plures, vor ihm gestorben war. Es stellte sich daher die Frage, wie der Anteil dieses vorverstorbenen Ersatzerben, „ad ceteros“ zu verteilen war. c) Das responsum Offenbar waren es die „ceteri“, welche hier von Scaevola wissen wollten, ob ihnen der Anteil des Vorverstorbenen nach Kopfteilen oder nach den Erbschaftsanteilen, zu welchen sie substituiert waren, zufiel, d. h. anwachsen sollte1103. Wie bereits angedeutet, wissen wir weder, wie viele Ersatzerben es im vorliegenden Fall wirklich gab, noch zu welchen Teilen diese einander substituiert waren1104. Scaevola entscheidet nun aber, dass die Aufteilung des Erbschaftsfideikommisses nicht nach Köpfen, sondern entsprechend den Anteilen erfolgen sollte, zu denen die Ersatzerben einander ursprünglich substituiert waren1105. Dies sei „consequens“, wie er sagt („respondit consequens esse“). d) Das Konsequenzargument Eine Begründung für seine Entscheidung liefert Scaevola wie so oft nicht. Zu untersuchen ist daher, worauf er sein Konsequenzargument hier stützt. Dass sich der Jurist schlicht auf den oben geschilderten Sachverhalt bezog und allein aus dem (komplizierten) Tatbestand „folgerichtig“ zu seiner Entscheidung 1102 Über diese Fideikommissklausel wurden die beiden Alternativanordnungen also miteinander verbunden. Denn in der Fideikommissklausel selbst fehlt die wichtige Information, nach welchem Verhältnis der mit dem Fideikommiss beschwerte Erbe die Erbschaft an die Ersatzerben herauszugeben hatte. Dass die Herausgabe aber nach demselben Zahlenverhältnis wie oben für Substituierte erfolgen sollte, ergibt sich nur aus dem Zusammenspiel der beiden Anordnungen. 1103 Dass hier nicht nach der Anwachsung (ius adcrescendi) gefragt wurde, könnte daran liegen, dass die Anfragenden juristische Laien waren. Im Text ist stattdessen stets nur von „pertinere“ die Rede. Interessanterweise benutzt auch Scaevola in seiner Antwort diesen untechnischen Terminus („respondit consequens esse . . . fideicommissum pertinere“). Dass der Jurist in seinem responsum die Worte der quaestio wiederholt, kommt bei Scaevola nicht selten vor; vgl. § 3 V. 3. 1104 Schließt man hier eventuelle Überlieferungsdefizite aus, handelt es sich insofern um eine Lücke im Testament. 1105 Interessanterweise gibt auch Scaevola in seiner Entscheidung keine konkreten Quoten bzw. Zahlen an, sondern sagt nur, dass die Aufteilung „pro his partibus, quibus substituti essent“ zu erfolgen habe. Siehe schon Fn. 1096. Dies könnte vielleicht darauf hindeuten, dass dem Juristen selbst keine näheren Informationen über die Substitutionsquote vorlagen.
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kam1106, ist insofern unwahrscheinlich, als die Formulierung „respondit consequens esse“ dann jeder Antwort beigefügt werden könnte. Außerdem hatte der Erblasser den in Frage stehenden Fall ja gerade nicht geregelt. Deshalb konnte Scaevola seine Entscheidung nicht durch direkte Subsumtion unter die testamentarische Anordnung gewinnen. Auch aus dem Kontext der vorhergehenden Paragraphen derselben Quelle oder aus anderen Quellenstellen im einundzwanzigsten Buch der Digesta des Scaevola ergibt sich die Entscheidung dieses Einzelfalles nicht folgerichtig1107. Wahrscheinlich ist demnach, dass seiner Entscheidung ein sog. „enthymematischer Schluss“ zugrunde liegt, den es aufzudecken gilt. Der auf Aristoteles zurückgehende Begriff „Enthymem“ (von griech.: nqýmhma = das Erwogene, das Argument) wird hier nicht als ,Schluss eigener Art‘ verstanden, sondern als verkürzter Syllogismus, bei dem verdeckt aus nicht mitgeteilten Prämissen geschlossen wird. Wie u. a. Wieacker1108 feststellte, wird dabei vorausgesetzt, dass der fachkundige Adressat die nicht ausgesprochenen Denkschritte aus dem Kontext des Problems oder dem Gang der Diskussion selbst entnimmt und daraus auf das Ergebnis zurückschließt. Neben dem logischen Syllogismus gibt es zudem die manipulative Form des verdeckten Schließens, bei welcher der Entscheider den gedanklichen Zwischenschritt nur als logisch suggeriert, in Wahrheit aber sachliche Defizite in der Argumentation maskiert1109. Scaevola schließt die Lücke im Testament hier durch ergänzende Auslegung nach dem vermuteten Willen1110 des Erblassers. Dieser kommt in der (uns nicht bekannten) Substitutionsquote zum Ausdruck, zu welcher die „plures“ vom defunctus „invicem“ substituiert waren. Nach Scaevola sollte diese ursprüngliche Quote nun auch – wie in unserem Fall, in dem die Substitutionsanordnungen bzgl. der „plures“ nicht eingetreten waren – im Falle der Anwachsung gelten. Die Anwachsung (Akkreszenz), welche gewöhnlich im Verhältnis der ursprünglichen Erbschaftsquote erfolgte1111, wurde hier folglich nach der Substitutionsquote bestimmt1112. 1106
Weil vielleicht der Anfragende das Testament nicht richtig verstehen konnte. Zwar kommt Scaevola z. B. im Anschlussparagraphen in D.36.1.80.5 (Scaev. 21. dig.) zu einer ähnlichen Lösung („respondit pro parte hereditaria“). Es handelt sich jedoch um einen anderen, von unserem unabhängigen Fall mit neuen Protagonisten. 1108 Siehe Wieacker (FS-Kaser, S. 5). 1109 Zum rhetorischen Syllogismus im Rahmen der Argumentationstheorie des Aristoteles siehe auch Ueding (Rhetorik, S. 91 f.). Vgl. zudem den Sonderentwurf nach v. Schlieffen (JZ 66 (2011), S. 112 ff.) mit einer kritischen Stellungnahme von Simon (JZ 66 (2011), S. 697 ff.). 1110 Sehr wahrscheinlich war der Erblasser überzeugt, in seinem Testament alles – insbes. die Substitutionsquoten – geregelt zu haben. Deshalb braucht hier nicht auf den hypothetischen Willen zurückgegriffen werden. 1111 Vgl. Voci (Dir. ered. I, S. 693). 1107
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Im Ergebnis steht diese Lösung mit dem Willen des Erblassers in Einklang und ergibt sich insofern „konsequent“ aus seinem Testament. Es handelt sich mithin nicht um eine zwingende Ableitung einer rechtlichen Entscheidung, sondern um eine ergänzende Auslegung nach der voluntas des Erblassers, welche hier auf einem verdeckten Schluss beruht. 2. D.50.1.24 (Scaev. 2. dig.) „Constitutionibus principum continetur, ut pecuniae, quae ex detrimento solvitur, usurae non praestentur: et ita imperatores Antoninus et Verus Augusti rescripserunt his verbis: ,Humanum est reliquorum usuras neque ab ipso, qui ex administratione honoris reliquatus est, neque a fideiussore1113 eius, et multo minus a magistratibus, qui cautionem acceperint, exigi‘. cui consequens est, ut ne in futurum a forma observata discedatur“. „In den Kaiserkonstitutionen ist enthalten, dass für Geld, welches aufgrund eines Vermögensschadens bezahlt wird, keine Zinsen zu leisten sind: auch die Kaiser Antoninus Augustus und Verus Augustus haben mit folgenden Worten reskribiert: ,Es ist menschlich, dass Zinsen von Restschulden weder von demjenigen selbst, der aus der Verwaltung eines Ehrenamtes in Rückstand geblieben ist, noch von dessen Bürgen, und noch viel weniger von den Magistraten, welche die cautio angenommen haben, verlangt werden‘. Dessen Folge ist, dass in Zukunft nicht von der befolgten Vorschrift abgegangen werden soll“.
a) Einordnung und Aufbau der Quelle Die Quelle entstammt dem zweiten Buch der Digesta, geht also wahrscheinlich auf einen konkreten Fall zurück. Von dessen typischer Struktur ist jedoch nichts mehr erkennbar. Weder wird ein Sachverhalt noch eine konkrete Parteianfrage überliefert. Auch das stereotype „respondit/respondi“, womit die Antwort des Juristen gewöhnlich eingeleitet wird, fehlt. In den Digesten von Kaiser Justinian wird die Quelle dem Titel „Ad municipalem et de incolis“ 1114 („An einen Munizipalbürger und die Einwohner“ 1115) zu1112 Zur Unterscheidung zwischen Anwachsung und Substitution siehe Lohsse (Ius adcrescendi, S. 138 f.). 1113 praede Scaev. 1114 Zu diesem schwierigen Titel, welcher in der Konstitution Dedoken ohne Unterscheidung zwischen den Präpositionen „ad“ und „de“ einfach pluralisch mit „pÝr te politµn“ übersetzt wurde, siehe Grelle (Labeo 49 (2003), S. 33 ff.). Das Adjektiv municipalis („die Munizipien oder deren Bürger betreffend“; vgl. Heumann/Seckel [Handlexikon, S. 355 f.]) kommt in den Digesten des Kaisers Justinian z. B. in Zusammenhang mit Begriffen wie honor – vgl. D.50.3.2 (Ulp. 2. opinionum): „municipalibus honoribus“ – oder munus – vgl. D.50.6.6 pr./7 (Callist. 1. de cognitionibus): „munera municipalia“ –, also bezogen auf die Organisation eines Munzipiums vor. Grelle (Labeo 49 (2003), S. 34, S. 39) weist den substantivischen Gebrauch von „municipalis“ seit
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geordnet. Nach Lenel 1116 könnte sie dagegen dem Ediktstitel „Quibus municipium nomine agere liceat“ („Wem es gestattet ist, im Namen des Municipiums Klage zu erheben“) zuzurechnen sein. Scaevola zitiert hier zunächst einen allgemeinen Grundsatz1117, wonach für Geld, welches aus einem detrimentum1118 bezahlt wurde, keine Zinsen zu erheben waren („ut pecuniae, quae ex detrimento solvitur, usurae non praestentur“). Dieser Grundsatz war offenbar in mehreren Kaiserkonstitutionen1119 enthalten („constitutionibus principum continetur“)1120. augusteischer Zeit nach und kommt zu dem Ergebnis (S. 48), dass der Titel „ad municipalem“ den Bezug „alla condizione giuridica di cittadino di un municipio“ meint. 1115 Wie noch auszuführen sein wird, antwortet Scaevola hier offenbar auf die Anfrage eines Munizipalbürgers bzw. eines Munizipalbeamten aus der Provinz. 1116 Lenel (Palingenesie II, Sp. 217). 1117 Vgl. etwa die Zitierweise eines kaiserlichen Reskripts in D.2.15.3 pr. (Scaev. 1. dig.), wo ebenfalls zunächst der Grundsatz „,Privatis pactionibus non dubium est non laedi ius ceterorum‘ . . .“ referiert wird, bevor es im Anschluss um den Vergleich geht. Zu Uniformität und Konstanz kaiserlicher Entscheidungen, welche von den Juristen referiert wurden, siehe Gualandi (Legislazione imperiale II, S. 26). 1118 Es geht hier sehr wahrscheinlich um eine finanzielle Einbuße eines Municipiums und nicht etwa um einen privaten Schaden. Zur speziell das Vermögen betreffenden Bedeutung des Wortes detrimentum im Gegensatz zum weiteren Schadensbegriff damnum siehe Heumann/Seckel (Handlexikon, S. 119, S. 143). Vgl. etwa die Notstandsformel (SCU) aus den literarischen Quellen z. B. bei Sallust (Cat. 29.2): „ne quid res publica detrimenti caperet“ oder Tacitus (Ann. 4.19): „ne quod res publica detrimentum caperet“ sowie aus republikanischer Zeit bei Cicero (Epistulae ad familiares, 16,11,2): „ut curaremus, ne quid res publica detrimenti caperet“. Vgl. andererseits aber D.50.8.2.7 (Ulp. 3. opinionum), wo es ausdrücklich heißt: „lapsus facultatibus damnum debitis rei publicae dederit“. Die Terminologie scheint nicht einheitlich zu sein. Zu einzelnen Geldstrafen wegen Übertretung oder Unterlassung gebotener munizipaler Rechte und Pflichten von Beamten siehe Liebenam (Städteverwaltung, S. 30 ff.). Allgem. zur Verantwortlichkeit der Magistrate siehe Mommsen (Röm. StaatsR I, S. 698 ff.). 1119 In den Kaiserkonstitutionen (constitutiones principum) kommt der kaiserliche Wille direkt zum Ausdruck; vgl. Lambertini (Introduzione, S. 41). Unter der Bezeichnung constitutiones principum werden die vier Kategorien kaiserlicher Entscheidungen mandata, edicta, rescripta/epistulae und decreta zusammengefasst; vgl. Waldstein/Rainer (Röm. RG, S. 187); Arangio-Ruiz (Storia, S. 243). Siehe auch die Definition bei Gaius (Gai. 1.5). Dass das Prinzip „legis vicem optineat“ – wie Gaius behauptet – niemals in Frage gestellt wurde, bezweifelt Arangio-Ruiz (Storia, S. 242). Zur römischen Rechtsquellenlehre allgem. siehe Meder (Ius non scriptum, S. 11 ff., S. 93 ff.) mit einer Rezension von Stolfi zur 1. Aufl. (GPR 2009, S. 133). Grundlegend zum Unterschied zwischen Rechts- und Geschichtsquelle siehe Wieacker (RRG I, S. 7 f.). 1120 Scaevola gibt den Inhalt der Konstitutionen hier nur noch indirekt und verkürzt wieder. Zu den zahlreichen „citazioni di seconda mano“ kaiserlicher Entscheidungen „di natura tralatizia“ durch die Juristen siehe Gualandi (Legislazione imperiale II, S. 27). Nach Gualandi ( S. 5) gibt es in den Werken der klassischen Juristen insgesamt zirka eintausenddreihundertfünfzig Quellen, in denen Kaisergesetze (größtenteils rescripta) zitiert werden. Dass der Originalwortlaut der kaiserlichen Bestimmung zitiert wurde, stellt nach Lambertini (Introduzione, S. 139) aber die Ausnahme dar: Von einhundertdrei von Papinian zitierten Kaisergesetzen geben nach seiner Zählung z. B. nur
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An diesen Grundsatz schließt sich – verbunden durch die Konjunktion „et“ 1121 – ein wörtlich zitiertes („rescripserunt his verbis“) Reskript1122 der divi fratres (der Kaiser Antoninus1123 und Lucius Verus) an1124. Durch die sprachliche Verbindung „auch die Kaiser . . . haben entschieden“ werden die beiden zuvor zitierten Entscheidungen möglicherweise in einen rechtlichen Zusammenhang gestellt1125. Das zitierte Reskript hat einen dreigliedrigen Aufbau in Form einer Klimax: So sollten Zinsen „neque ab ipso, qui ex administratione honoris reliquatus est“ 1126 – „neque a fideiussore“ 1127 – „et multo minus a magistratibus, qui cautionem acceperint“ verlangt werden können. vier den Originalwortlaut der kaiserlichen Entscheidung wieder. Interessant sind auch die Feststellungen, welche der Autor zur Anonymisierung der rescripta durch die Juristen macht. Zum praktischen Umgang der Juristen mit kaiserlichen Entscheidungen siehe Giaro (Studi Labruna IV, S. 2243 f.). 1121 Vgl. etwa den Zusatz „to¯to dÊ atÎ kaÍ qeiütatoò Ajgoustoò ækrinen“ in D.14.2.9 (Volusius Maecianus ex lege Rhodia). 1122 Das Reskript des Kaisers erging im Einzelfall und auf eine private Anfrage; vgl. Lambertini (Introduzione, S. 42). In den kaiserlichen Reskripten konnten zwar neue Rechtsregeln erlassen werden, meist beschränkte sich der Kaiser aber auf die Anwendung des geltenden Rechts; vgl. Arangio-Ruiz (Storia, S. 245 f.). 1123 Mit dem imperator Antoninus ist hier sehr wahrscheinlich der Kaiser Marc Aurel gemeint. Das Reskript müsste demnach in seiner Regierungszeit (zwischen 161–180 n. Chr.) ergangen sein. 1124 In den Digesta des Scaevola werden insgesamt drei Reskripte dieser beiden Kaiser zitiert: D.2.15.3 pr. (Scaev. 1. dig.); D.22.3.29 (Scaev. 9. dig.) und D.50.1.24 (Scaev. 2. dig.). Nach Gualandi (Legislazione imperiale II, S. 16, S. 159) nimmt das Zitieren kaiserlicher Entscheidungen unter den Juristen zur Zeit der Antoninen und insbes. zur Zeit der Severer stark zu. Zu weiteren Zitaten kaiserlicher Entscheidungen bei Scaevola siehe Gualandi (Legislazione imperiale I, S. 475 ff.). Es fällt auf, dass die Mehrheit (zehn) der Kaiserzitate in den Digesta des Scaevola zu finden ist, was wahrscheinlich mit der hohen Anzahl uns überlieferter Digestenstellen zusammenhängt. Gualandi (Legislazione imperiale I, S. 475 ff.) zählt daneben ein Zitat in den regularum libri und vier in den Responsa des Scaevola. Zudem fällt auf, dass sich im didaktischen Werk Quaestiones kein Zitat findet. Die Zitate überwiegen bei Scaevola folglich in den praktischen Responsensammlungen. Auch Paulus zitiert aber z. B. Reskripte in seinen Responsensammlungen; vgl. D.31.87.3 (Paul. 14. resp.); D.50.1.21.6 (Paul. 1. resp.); D.50.7.9.1 (Paul. 1.resp.). Schulz (Symb. Frib., S. 168 f.) stellte fest, dass an die in den Responsensammlungen des Scaevola zitierten Reskripte keine direkten Fragen angeknüpft werden. Seiner Vermutung nach handelt es sich bei den zitierten Kaiserreskripten um Randnachträge eines Lesers oder um Beilagen von Scaevola zu seinen eigenen (uns nicht mehr erhaltenen) Fallentscheidungen. 1125 Dafür spricht schon, dass der sonst so wortkarge Scaevola die Konstitutionen hier vor dem Reskript erwähnt. Auch die Tatsache, dass deren Wiedergabe so generell und knapp gehalten ist, deutet darauf hin, dass sie mit dem folgenden in einem inhaltlichen Zusammenhang stehen. Denn wenn das Reskript nicht als unmittelbar an den zuvor geschilderten Fall anknüpfend gedacht wäre, hätte Scaevola sicher mehr zu den Konstitutionen gesagt. Zur Frage, was die beiden Entscheidungen verbinden könnte, siehe § 7 III. 2. c). 1126 Zu den unter Kaiser Hadrian gängigen Haftungsprivilegien von Standespersonen (honestiores, senatores, equites, veterani, decuriones) siehe Langhammer (Die rechtl. u. soz. Stellung der Magistratus Municipales, S. 101, S. 104 ff.).
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b) Inhalt der Quelle In der vorliegenden Quelle geht es um Ausnahmen vom Grundsatz der Zinspflicht im Rahmen der Verwaltung eines Municipiums1128. Inhaltlich geht es zwar in beiden zitierten Entscheidungen (d. h. in den constitutiones principum wie in dem kaiserlichen Reskript) um ein Zinsverbot, es handelt sich im Einzelnen aber um verschiedene Fälle1129. Die in dem Reskript aufgezählten Zinsprivilegien unterscheiden sich schon auf den ersten Blick dadurch von der zuvor zitierten Regel, dass diese allgemein die „usurae pecuniarum ex detrimento“ betreffen, jene hingegen die sog. „reliquorum 1127 Zur Zeit des Prinzipats mussten die bei der Gemeindekasse beschäftigten Munizipalbeamten für Gelder, welche sie für öffentliche Zwecke erhalten hatten, als Vorbedingung eine vermögensrechtliche Bürgschaftsstellung an das Gemeinwesen leisten; vgl. Mommsen (Röm. StaatsR I, S. 700). 1128 Vgl. Bürge (SZ 104 (1987), S. 542 Fn. 367). Allgem. zur Zinsobligation im römischen Recht siehe Kaser/Knütel (Röm. PrivatR, S. 202). 1129 In den zunächst erwähnten Konstitutionen geht es allgemein darum, dass Geld, welches aufgrund eines Schadens bezahlt wurde, nicht zu verzinsen war. Welche Fälle dies konkret betraf, erfahren wir nicht. Vielleicht war eine eifrige Gemeinde dabei von einem ihrer Schädiger Zinsen einzutreiben und die Kaiser wollten den Schuldner, wenn dieser schon die Summe, das Kapital, aufbrachte, zumindest von seinen Zinsen befreien. Das im Anschluss zitierte Reskript dagegen ist wesentlich konkreter gefasst. Es bestimmt, dass Träger von Ehrenämtern bei Restschulden gegenüber der Gemeinde aus ihrer Verwaltungstätigkeit von Zinsen befreit sein sollten. Zur Definition der Ehrenämter siehe D.50.4.14 pr. (Callist. 1. de cognitionibus). Ebenso sollten die Bürgen, welche die Magistrate in einem solchen Fall zu stellen hatten, befreit sein. Erst recht sollten aber die Magistrate, welche die cautio angenommen und die Bürgen als ausreichend befunden hatten, von der Zinslast befreit sein, weil diese – nach der Erklärung von Horak (FS-Kaser, S. 39) – ihrerseits für den durch die Kassenbeamten verursachten Ausfall hafteten. So schon Rivier (Cautio praedibus, S. 67). Vgl. aus den Quellen D.50.8.2.8–9 (Ulp. 3. opinionum), wonach ein Beamter, der für seinen Amtsgenossen haftete, bei diesem später Regress nehmen konnte. Es bestand also die Pflicht für die städtischen Beamten, welche das Gemeindevermögen verwalteten, für ihre Tätigkeit bei Amtsantritt einen Bürgen zu stellen; vgl. D.27.8.1 pr. (Ulp. 36. ad ed.), wo Bürgen versprachen, dass das Vermögen der Stadtgemeinde erhalten bleiben sollte („hi enim rem publicam salvam fore promittunt“) oder D.50.1.2 pr. (Ulp. 1. disput.), wonach ein Vater in allen öffentlichen Angelegenheiten, die seinem Sohn als decurio übertragen waren, als Bürge haftete. Nach der Definition in § 1 („Gestum autem in re publica accipere debemus pecuniam publicam tractare sive erogandam decernere“) bestanden die öffentlichen Aufgaben insbes. in der Verwaltung der öffentlichen Gelder. Siehe zur Beamtenhaftung auch D.50.1.11 (Pap. 2. quaest.), wonach zunächst derjenige Beamte, welcher das Geschäft geleitet hatte, persönlich in Anspruch zu nehmen war. War dieser zahlungsunfähig, sollte sein Bürge haften bzw. griff man auf seine cautio zurück. Mangels Quellenberichten zur Bürgschaftsleistung römischer Beamter vermutete Rivier (Cautio praedibus, S. 45), dass die Pflicht, bei Amtsantritt einen Bürgen zu stellen, in Rom selbst unbekannt war (was wiederum dafür sprechen könnte, dass wir es vorliegend mit einem Fall aus der Provinz zu tun haben). Eine mögliche Erklärung sieht Rivier in der genauen Rechnungslegung, welche den stadtrömischen Beamten nach ihrer kurzen Amtszeit – nach dem Prinzip der Annuität war diese auf ein Jahr begrenzt; vgl. D.50.4.14.5 (Callist. 1. de cognitionibus) – vorgeschrieben war.
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usurae ex administratione honoris“ 1130, also die Zinsen aus Restschulden eines ehemaligen Beamten. Beiden Fällen ist jedoch gemeinsam, dass es um gesetzlich bestimmte usurae ex mora1131 (Verzugszinsen) geht. Es ist zudem anzunehmen, dass sich auch der zuerst genannte Fall der „usurae pecuniarum ex detrimento“ auf Munizipalbeamte bezog1132. Insofern geht es wohl in beiden Varianten im weitesten Sinne um die Ausnahme von der Zinspflicht für Geldschulden aus der Verantwortlichkeit eines Munizipalbeamten. Warum die Beamten und ihre Bürgen nach den kaiserlichen Bestimmungen aber von der Zinspflicht ausgenommen wurden, wird nicht mitgeteilt. Ähnlich wie in D.50.1.17.15 (Pap. 1. resp.), wo ausdrücklich erwähnt wird, dass Bürgen, „qui salvam rem publicam fore responderunt“, von Strafklagen befreit waren, weil „eos enim damnum rei publicae praestare satis est“, kann man die Zinsbefreiung vielleicht auch hier damit erklären, dass die Kaiser diejenigen, welche dem Gemeinwesen einen Schaden ersetzten, nicht zusätzlich belasten wollten. Wie Avenarius1133 feststellt, belegen die Quellentexte vielfach, dass der Kaiser Marc Aurel nicht als Schöpfer neuen Rechts, sondern eher als konsequenter Anwender des tradierten Rechts hervortrat, wobei er dieses im wesentlichen durch Ausdifferenzierung kohärent fortgebildet habe. Die vorliegend von Scaevola zitierte Entscheidung belegt jedenfalls die Tendenz des Kaisers, das geltende Recht 1130 Bei diesem Ausdruck, der an keiner anderen Stelle im C.I.C. vorkommt, handelt es sich um ein Ñpac legümenon. Dieses Stilmittel ist bei Scaevola häufig anzutreffen; vgl. dazu § 3 V. 3. 1131 Der Schuldnerverzug (mora debitoris) führte zur perpetuatio obligationis (Verewigung des Schuldverhältnisses), aufgrund derer der Schuldner in den Fällen eines iudicium bonae fidei neben der Leistung auch Verzugszinsen zahlen musste. In diesem Fall wurde die Kapitalschuld unmittelbar kraft Rechtssatzes (ohne Abrede) um Zinsen vermehrt (sog. „gesetzliche Zinsen“); vgl. Kaser/Knütel (Röm. PrivatR, S. 202). Es handelt sich dabei um Zinsen, deren Höhe „officio iudicis“ bestimmt wurde; vgl. Herrera Bravo (Los intereses en derecho romano, S. 81). Als solche unterscheiden sie sich – gemäß der einzigen von den römischen Juristen vorgenommenen Einteilung der Zinsen – von den „usurae, quae sunt in obligatione“, also von solchen Zinsen, die Gegenstand einer Obligation waren und mit der entsprechenden actio eingeklagt werden konnten; vgl. Cervenca (Studio delle usurae legali, S. 3 f.). Den modernrechtlichen Unterschied zwischen freiwillig zu leistenden Zinsen und gesetzlichen Zinsen kannte das römische Recht dagegen nicht, zumal die römische Kategorie der „officio iudicis“ bestimmten Zinsen neben den gesetzlichen auch im Rahmen eines Vertrages nach bona fides vereinbarte Zinsen umfasste; vgl. Cervenca (Studio delle usurae legali, S. 4). Zu den Zinsen im römischen Recht allgem. siehe Brasiello (NNDI 20, S. 368–371). 1132 Dafür spricht vor allem, dass die zuvor genannten Kaiserkonstitutionen äußerst unpräzise referiert werden. Wie bereits gesagt, wird hier eine unmittelbare Anknüpfung vorliegen; denn sonst hätte Scaevola die Kaiserkonstitutionen sicher genauer spezifiziert. 1133 Siehe Avenarius (in van Ackeren/Opsomer, Selbstbetrachtungen, S. 207 f.).
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– hier die eingangs zitierten constitutiones principum – konservativ weiterzuentwickeln und im Einzelfall auszudifferenzieren und zu präzisieren. c) Das responsum Wahrscheinlich lag Scaevola – wie in seinen Digesta üblich – auch hier eine konkrete Anfrage vor, zu deren Beantwortung er die einschlägigen Vorschriften heranzog. Möglicherweise wurde ihm diese sogar aus der griechischen Reichshälfte vorgelegt1134. Darüber, wie die konkrete Anfrage lautete, können wir nur noch spekulieren. Vielleicht wollte sich jemand auf das kaiserliche Reskript berufen und erkundigte sich zuvor bei Scaevola nach dessen Anwendbarkeit1135. Denn die kaiserlichen Reskripte, welche seit Hadrian zu den häufigsten Beispielen von kaiserlichen Bestimmungen (constitutiones principis) zählten, hatten ursprünglich über den konkreten Fall hinaus keine unmittelbare Geltungskraft1136. Erst in spätklassischer Zeit wurden die Kaiserkonstitutionen zum ius civile (anstatt wie bisher zum ius honorarium) gezählt und ausdrücklich als leges bezeichnet1137. 1134 Dies legt nicht nur der Titel nahe, sondern es zeigt sich auch anhand anderer Entscheidungen von Scaevola im fünfzigsten Buch: so entscheidet er z. B. in D.50.7.12 (Scaev. 1. dig.) den Fall eines Abgeordneten, der aus Nikopolis nach Rom kam. Allerdings räumt Talamanca (in Archi, Istituzioni giuridiche, S. 122) hier zu Recht ein, dass wir nicht mit Sicherheit sagen können, welche der vielen in der Antike bekannten Städte namens Nikopolis gemeint war. Zudem bestand nach Ansicht des Autors (S. 122 Fn. 76) auch die Möglichkeit, dass der legatus ein civis Romanus „abitante in una delle Nicopoli che erano sicuramente città straniere“ war. Vgl. auch Stellen wie z. B. D.50.7.5 (Scaev. 1. reg.), wo es ebenfalls um einen Abgeordneten geht, der von außerhalb nach Rom reisen musste, um dort seinen Dienst anzutreten. Siehe auch die in D.50.4.5 (Scaev. 1. reg.) angeordnete Befreiung von öffentlichen Leistungen für navicularii (Kauffahrer) und Ölhändler, welche der Stadt Rom das nötige Öl zuführten und mit dieser Handel trieben. Jedenfalls ist hier eine Anfrage aus der griechischen Provinz denkbar. 1135 Durch die Kaiserkonstitutionen und die diese für die Zukunft bekräftigende Entscheidung des Scaevola scheint jedenfalls in die Finanzautonomie der Gemeinden eingegriffen worden zu sein. Mit der im 2. Jh. n. Chr. beginnenden Zentralisierungspolitik wurde auch die autonome Finanzverwaltung der Städte eingeschränkt. Die zunehmenden Probleme in der Finanzverwaltung der Provinzen führten schließlich dazu, dass der Kaiser Finanzkontrolleure (sog. correctores civitatis und curatores rei publicae) von Rom aus in die jeweiligen Städte entsandte; vgl. Tanfani (Storia del municipio romano, S. 135 f.). 1136 Waldstein/Rainer (Röm. RG, S. 187, S. 189); Dalla/Lambertini (Istituzioni, S. 23). Wie aber Santucci (in Vincenti, Inchiesta sulla legge, S. 45) feststellt, waren sie „exempla autorevoli che i giuristi potevano utilizzare con una certa flessibilità al pari delle altre sententiae di prudentes“. 1137 Vgl. D.1.1.7 pr. (Pap. 2. def.) und D.1.4.1 (Ulp. 1. inst.); Waldstein/Rainer (Röm. RG, S. 187). Die kaiserliche Gesetzgebungsbefugnis leitete man aus der lex de imperio her; vgl. Gai. 1.5; D.1.4.1 pr. (Ulp. 1. inst.); Lambertini (Introduzione, S. 41). Schon zuvor sahen die römischen Juristen aber das Prinzip, welches der Einzelfallentscheidung zugrunde lag, aufgrund der auctoritas principis teilweise als Präzedenzfall an, der
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Wie der justinianische Titel „Ad municipalem et de incolis“ 1138 bzw. der Ediktstitel „Quibus municipium nomine agere liceat“ nahe legt, könnte es sich um die Anfrage eines Munizipalbürgers bzw. eines Magistrats gehandelt haben, der im Fall eines Vermögensschadens eines Municipiums1139 in dessen Namen Klage erhob1140.
jedoch immer noch dem ius controversum unterlag. In der Lehre wird die Frage, ob einzelne Konstitutionen wie decreta oder rescripta über den Einzelfall hinaus abstrakt-generelle Normen, also Rechtsnormen darstellten, kontrovers diskutiert; vgl. Talamanca (Istituzioni, S. 30). Nach Ansicht des Autors ergibt sich aus den Quellen, dass die Juristen das der kaiserlichen Entscheidung zugrundeliegende Prinzip nicht als Rechtsnorm im eigentlichen Sinne ansahen. Auch wenn die kaiserlichen Entscheidungen keine direkte Bindungswirkung für künftige Fälle entfalteten, waren sie jedoch „precedenti autorevolissimi“, wie Arangio-Ruiz (Storia, S. 246) betont, auf die sich die interpretatio der Juristen bezog. Dass die kaiserlichen Entscheidungen letztendlich zu den „fonti del diritto“ gezählt wurden, verdanken sie nach Arangio-Ruiz (S. 247) der interpretatio der Juristen, welche sie in ihren Werken zitieren, verallgemeinern und diskutieren. Siehe zu dieser Entwicklung auch Lambertini (Introduzione, S. 42): „Tanto i decreta quanto le epistulae e i rescripta, se non applicano diritto in vigore, valgono in linea di principio solo per il caso specifico in rapporto al quale sono stati formulati, ma l’autorità del principe e il procedimento di astrazione compiuto dai prudentes, che distillano le varie regulae iuris utilizzando tali fonti alla stregua di quelle propriamente autoritative, finisce gradualmente con l’imporle come vere e proprie norme generali“. Die rescripta sind nach Gualandi (Legislazione imperiale II, S. 20) die Kategorie, mit welcher sich die interpretatio prudentium am meisten beschäftigte: „Nei confronti di questa attività normativa, che potremmo definire di carattere mediato, i giuristi si mostrano particolarmente attenti e sensibili, ed il loro spiccatissimo interesse si riflette, in modo netto e preciso, nelle loro opere“. Nach Talamanca (Istituzioni, S. 30) erlaubte dies den Juristen „di procedere a distinzioni e adattamenti, nonché di valutare la rilevanza di ulteriori elementi di fatto che si potesse ritenere il princeps non avesse tenuto presenti nella decisione“. Siehe nur das Lob von Fronto (Epist. ad M. Caesarem 1.6.2), wonach der Kaiser, wenn er per Dekret über Einzelpersonen entschied – im Gegensatz zum Schicksal – allgemeingültige Präzedenzfälle schuf, welche von Staats wegen für alle Zeit gelten sollten. Vgl. die Ausnahme in D.1.4.1.2 (Ulp. 1. inst.) und Inst.1.2.6. 1138 Die freien Bewohner eines Municipiums unterteilten sich in zwei Kategorien: Die municipes (Bürger, welche ihr Recht von Geburt, aus Freilassung oder durch Adoption herleiten) und die incolae (Fremde mit Wohnsitz im Municipium); vgl. D.50.1.1 (Ulp. 2. ad ed.); Tanfani (Storia del municipio romano, S. 33). 1139 Das Municipium war im Gegensatz zur colonia eine Stadt mit eigener Verfassung und Selbstverwaltung, deren Bürger zugleich römische Bürger waren; vgl. Heumann/Seckel (Handlexikon, S. 356). 1140 Bei gegen das Gemeindevermögen gerichteten Delikten – z. B. Diebstahl (furtum publicum), Veruntreuung (peculatus) oder Beschädigung öffentlichen Gutes (damnum iniuria datum) – kam jedem Bürger ein Klagerecht zu; vgl. Mommsen (Röm. StaatsR I, S. 184, S. 700 ff.). Siehe am Beispiel der lex Irnitana auch Mantovani (in Capogrossi Colognesi/Gabba, Statuti municipali, S. 266). Man denke nur an die aufsehenerregenden Repetundenprozesse gegen ausbeuterische Statthalter wie Verres. Vielleicht war es auch der Bürge oder ein Amtskollege, der hier Klage erhob, weil er für seinen zahlungsunfähigen Kollegen haftete und man zusätzlich Zinsen von ihm verlangte. Jedenfalls lag die Erhebung der Zinsen sicher im Interesse des Municipiums. Denn die Einnahmen aus Geldstrafen flossen in die Gemeindekasse, das sog. aerarium; vgl. Tanfani (Storia del municipio romano, S. 120, S. 129).
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Daraus wurde nun der Schluss gezogen („cui consequens est“), dass von der bisher beachteten Vorschrift auch in Zukunft nicht abgegangen werden sollte: „ut ne in futurum a forma1141 observata discedatur1142“. Die kaiserliche Entscheidung besaß offenbar eine derart starke Überzeugungskraft, dass ihre Geltung auch für die Zukunft festsetzt wurde. Fraglich ist nur, ob es hier Scaevola war, der dies entschied, oder ob die Anordnung „ne . . . discedatur“ sachlich nicht vielleicht noch auf die Kaiser zurückgeht. Dass die schlussfolgernde, künftige Anwendung der beiden Entscheidungen vorliegend von Scaevola entschieden wurde, legen zunächst sprachliche Indizien nahe. So ist von der „forma observata“ die Rede. Das Partizip „observata“ verstärkt hier den ganzen Ausdruck, wonach gerade von der „bisher beachteten“ Vorschrift auch „in futurum“ nicht abgewichen werden sollte. Die ursprüngliche kaiserliche Entscheidung und deren Ausdehnung auf die Zukunft stehen also zeitlich nacheinander. Nicht auszuschließen, aber eher unwahrscheinlich ist, dass es dieselben Kaiser waren, die später in gleicher Sache nochmal entschieden und die Entscheidung auf die Zukunft ausdehnten. Dann stellt sich aber die Frage, warum der Jurist die kaskadenartige Entscheidung hier in ihren einzelnen Schritten wiedergibt und nicht einfach zusammenfassend referiert, was nach den Kaisern allgemeine Geltung haben sollte. Möglich bleibt natürlich, dass es sich um einen in der kaiserliche Entscheidung selbst enthaltenen Prohibitiv1143 („ne in futurum a forma observata discedatur“) handelt1144. Dann wären praktisch nur die Worte „cui consequens est, ut“ von Scaevola eingefügt worden. Aufbau und Inhalt der Stelle sprechen jedoch eher für eine andere Auslegung. Denn dass Scaevola in einer konkreten Anfragesituation, welche die aus den Digesta stammende Quelle nahelegt, schlicht zwei kaiserliche Entscheidungen aneinanderreiht, ohne eine eigene juristische Leistung zu vollbringen, ist eher unwahrscheinlich. 1141 Das lateinische Wort forma kann insbes. als forma iuris oder forma constituta die Bedeutung „Norm, Regel, Vorschrift“ haben; vgl. Heumann/Seckel (Handlexikon, S. 218). Oft bezieht es sich auf kaiserliche Reskripte oder Senatsbeschlüsse; vgl. aus den Quellen z. B. D.5.3.20.6 (Ulp. 15. ad ed.): „de quibus cum forma senatus consulto sit data“ (Senatusconsultum); D.2.14.10 pr. (Ulp. 4. ad ed.): „ante formam a divo Marco datam divum Pium rescripsisse“ (Reskript) oder D.42.1.31 (Callist. 2. cognitionum): „forma, quam Cassio proconsuli divus Pius in haec verba rescripsit“ (Reskript). 1142 Das Verb discedere kann im juristischen Kontext im Sinne von decedere/recedere insbes. „zurücktreten“ (z. B. „discedere ab emptione, venditione/ab obligatione, stipulatione/a toto contractu“ etc.) bedeuten; vgl. Heumann/Seckel (Handlexikon, S. 150). 1143 Interessant ist hierbei vor allem die Formulierung „ut ne“ (anstatt „ut non“) in dem von „cui consequens est“ abhängigen ut-Satz. Als inhaltliche Vertretung des Prohibitivs („Es soll auch in Zukunft niemand davon abweichen“) betont diese Konstruktion den finalen Aspekt der Entscheidung. 1144 Die Zeichensetzung von Mommsen wäre insofern unbeachtlich.
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Es stellt sich mithin die Frage, welche Funktion das Konsequenzargument an dieser Stelle für die Argumentation Scaevolas spielt. d) Das Konsequenzargument Nach Waldstein1145, welcher die vorliegende Quelle zur Kategorie der Enthymemata zählt, ist das Wort humanum aus dem Reskript der divi fratres an dieser Stelle auch das tragende Element des von Scaevola bemühten Konsequenzarguments. Hinter consequens verstecke sich die selbstverständlich angenommene Prämisse, dass alles, was humanum ist, in der Rechtsordnung immer (also auch in Zukunft) zu gelten habe. Das Argument von Scaevola entspreche damit einem „enthymema ex consequentibus“. Kritisch äußert sich demgegenüber Horak1146, welcher den Begriff des enthymematischen Schließens für diese Stelle „doch arg strapaziert“ sieht. Seiner Ansicht nach waren die Römer „weit davon entfernt, in ihrer Rechtsordnung immer die humanitas als obersten Wert gelten zu lassen“. Insgesamt tendiert Horak dazu, den consequens-Satz für einen nachklassischen Zusatz zu halten1147, was der Autor aber nicht weiter begründet. Nach Palma1148 fungiert die humanitas hier dagegen ganz allgemein als „elemento che concorre a giustificare decisioni imperiali di generale valenza normativa“. Zunächst ist zu betonen, dass Scaevola das Wort humanum hier gar nicht selbst gebraucht, sondern nur im Rahmen des Zitats aus der kaiserlichen Entscheidung. Nicht auszuschließen ist natürlich auch, dass es sich dabei um eine Interpolation handeln könnte. Konkrete Anhaltspunkte hierfür gibt es jedoch nicht. Eine interessante Frage, über die man letztlich nur spekulieren kann, ist, ob die Entscheidung des Juristen genauso gelautet hätte, wenn anstelle des Adjektivs humanum etwa melior o. ä. gestanden hätte, ob Scaevola seine Schlussfolgerung also auch ohne Wertungsbegriff allein auf die kaiserliche Autorität gestützt hätte. Wie zuletzt Kleiter1149 hervorgehoben hat, war die humanitas ein schon im klassischen Recht vertrautes Argument1150. Nach Ansicht des Autors argumentierten
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Siehe Waldstein (SZ 92 (1975), S. 46 f.). Siehe Horak (FS-Kaser, S. 40). 1147 So schon Schulz (Symb. Frib. (1931), S. 169). 1148 Siehe Palma (Humanior interpretatio, S. 45). 1149 Vgl. Kleiter (Entscheidungsbegründungen, S. 20). Siehe dazu die Rezension von Babusiaux (SZ 129 (2012), S. 745 ff.). 1150 Siehe auch die Studien von Maschi (Scritti Cosattini 18 (1948), S. 277 ff.). Anders noch Schulz (Prinzipien, S. 142), welcher von einer nachklassischen Bearbeitung ausging. Seiner Ansicht nach wurden „Dutzende von klassischen Entscheidungen mit Formeln wie ,sed melius est . . ., sed benignius est . . ., sed humanius est‘ und ähnlichen Wendungen im Sinne der humanitas eingeschränkt oder in ihr Gegenteil verkehrt“. 1146
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die Juristen insbesondere dann, wenn sie bestimmte Rechtsgrundsätze zugunsten von Einzelpersonen auslegten, mit diesem Wertungsbegriff 1151. Dies mag zwar auf das Reskript, welches sich wahrscheinlich an einen Provinzbeamten oder dessen Gemeinde richtete, zutreffen, auf die Entscheidung von Scaevola, die ja gerade eine generelle Geltung der kaiserlichen Entscheidung statuiert, jedoch nicht. Auffällig ist jedenfalls, dass Scaevola das Adjektiv humanum (inklusive seiner Flexionsformen) sowie das Substantiv humanitas in seinem Werk sonst nicht gebraucht. Nichtsdestotrotz zeigt Scaevola eine gewisse Tendenz „human“ 1152 zu entscheiden1153. Wie Palma1154 betont, konnten mit dem Begriff humanus auch neue Entscheidungen zur Rechtsänderung eingeleitet werden: „La ratio humanitatis rappresentò in buona misura lo strumento, sia per i principes che per i prudentes, idoneo al superamento del rigor iuris e indispensabile all’universalizzazione della giuridicità di antica tradizione romana, in particolare nell’ambito della ,extraordinaria cognitio‘ e dello ,ius novum‘ che venne da essa a formarsi“. Wahrscheinlich waren die in dem kaiserlichen Reskript bestimmten Zinsprivilegien in gewisser Weise innovativ. Deren Ausdehnung auf die Zukunft war es jedoch nicht unbedingt, weil zu vermuten ist, dass Scaevola sich mit seiner über den problematischen Einzelfall hinausgehenden Antwort künftige Anfragen ersparen wollte. Insofern könnte man zu Scaevolas Entscheidung nur sagen, dass er, der hier jüngste Rechtsprechung zitiert, die künftige Fortgeltung einer überzeugenden „innovativen“ Entscheidung bestimmt. Folgt man nun der im Wesentlichen von Waldstein vertretenen Ansicht, nach welcher der aus der kaiserlichen Entscheidung übernommene Humanitätsge1151 Nach Ansicht von Kleiter (Entscheidungsbegründungen, S. 220) handelt es sich dabei um einen „unbestimmten Wertungsbegriff“. Im Recht des Marc Aurel steht „humanum“ jedoch keineswegs für einen unbestimmten Wertungsbegriff. Siehe dazu etwa die Ausführungen zu Marc Aurels „humanior interpretatio“ von Avenarius (in van Akkeren/Opsomer, Selbstbetrachtungen, S. 242 ff.). 1152 Zum Bedeutungsfeld von humanus – insbes. in der im 2. Jh. n. Chr. gut belegten Bedeutung „menschenfreundlich“ – siehe Avenarius (in van Ackeren/Opsomer, Selbstbetrachtungen, S. 243 f.). 1153 Vgl. dazu Palma (Humanior interpretatio, S. 42–26) und insbes. für den Bereich des Sklavenrechts auch Finkenauer (Rechtssetzung Mark Aurels, S. 17, S. 90). Zur Wahrnehmung von Humanität in der Rechtspflege des Marc Aurel am Beispiel des Sklavenrechts siehe Avenarius (in van Ackeren/Opsomer, Selbstbetrachtungen, S. 204 ff.). Wie der Autor (S. 207) feststellt, lassen die Konstitutionen Marc Aurels „vielfach Milde und Menschenfreundlichkeit“ erkennen. Avenarius kommt jedoch zu dem Ergebnis, dass es sich dabei nicht um ein oberstes Prinzip handelt, das sich gegenüber tradierten Regelungen durchgesetzt hätte. Allgem. zur humanitas im Freilassungsrecht siehe Castello (Scritti Guarino V, S. 2175–2189). 1154 Vgl. Palma (Humanior interpretatio, S. 46).
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danke auch das tragenden Element der Entscheidung von Scaevola war, hätten wir es vorliegend mit einem impliziten Werturteil zu tun, welches auf die soziale Vergleichbarkeit der in dem Reskript entschiedenen Sachverhalte mit künftigen abstellt. Die Aussagekraft der auf der humanitas beruhenden Wertung bleibt dabei jedoch im Dunklen. Denn dass auch künftig gelten sollte, was „menschlich“ war, gerade weil es „menschlich“ war, erscheint wie eine Leerformel. Zudem vermag man mit dem Begriff humanum aus dem Kaiserreskript nicht zu erklären, warum der sonst so lakonische Scaevola im Satz zuvor weitere kaiserliche Konstitutionen („Constitutionibus principum continetur . . .“) anführte, mit denen er seine „Schlussfolgerung“ hier offenbar in Zusammenhang stellt. Nach der Erklärung von Waldstein hätte die Quelle nämlich auch einfach mit dem zitierten Reskript beginnen können. e) Systembildung durch consequens? Auf den ersten Blick scheint es so, als zöge der Jurist seine Schlussfolgerung („cui consequens est“), dass künftig von der beachteten Vorschrift nicht abgewichen werden sollte, allein aus dem unmittelbar zuvor zitierten Kaiserreskript1155. Dann wären die zuvor erwähnten constitutiones principum jedoch überflüssig. Mit diesen stand das Reskript aber – wie schon die Verbindung mit „et“ nahelegt – wohl in Zusammenhang bzw. wollte Scaevola hier einen Zusammenhang herstellen1156. Näher liegt es daher anzunehmen, dass Scaevola seine Schlussfolgerung „ut ne in futurum a forma observata discedatur“ hier aus der Zusammenschau beider Entscheidungen zieht. Der Jurist legt folglich – unter Rückgriff auf ältere constitutiones principum – ein aktuelles kaiserliches Reskript hinsichtlich seines zeitlichen Anwendungsbereichs aus1157. 1155 Dieses jüngste der zitierten Reskripte wird, wie Baldus (FS-Franciosi, S. 185) feststellt, am Ende der Zitierkette als einziges genau benannt. Da nur die vorliegende Stelle aus dem zweiten Buch der Digesta des Scaevola überliefert ist, kann hier zumindest kein Argument aus dem Kontext des zuvor Gesagten gezogen werden. Es fällt jedoch auf, dass Scaevola in der letzten Quellenstelle des ersten Buches seiner Digesta, in D.2.15.3 pr. (Scaev. 1. dig.) ebenfalls ein Reskript dieser beiden Kaiser zitiert, welches er dann (in den §§ 1 und 2) auf einen konkreten Fall anwendet. 1156 Warum die beiden Entscheidungen hier nebeneinander referiert werden, lässt sich nicht mehr mit Sicherheit sagen. Eine der Hauptschwierigkeiten bei der Rekonstruktion besteht darin, dass die meisten Konstitutionen nur über Zitate in den Juristenschriften überliefert sind und ein Vergleich mit dem Wortlaut der Originalentscheidung insofern nicht möglich ist. Aufgrund fehlender Sachverhaltsinformationen, die möglicherweise einer nachträglichen Kürzung zum Opfer gefallen sind, lässt sich der Gedankengang des Juristen nicht mehr genau rekonstruieren. 1157 Dass Scaevola das Prinzip eines kaiserlichen Reskripts generalisiert, zeigt sich auch in D.32.39 pr. (Scaev. 20. dig.), wo er zu seiner Entscheidung in einem konkreten Fall mit „quia in simili specie et imperator noster divus Marcus hoc constituit“ die des
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Die ratio der Entscheidung, warum die kaiserlichen Vorschriften künftig fortgelten sollten, kann nicht mit Sicherheit aufgedeckt werden. Wahrscheinlich steht dahinter auch der bereits angesprochene Humanitätsgedanke, der sich im Willen der Kaiser (vgl. das aus dem Reskript zitierte „humanum est“) ausdrückt. Er allein muss aber nicht das tragende Element auch der Entscheidung des Juristen gewesen sein. Die eigentliche Konsequenz könnte vielmehr in der kaskadenartigen Argumentationslinie bestehen, wonach von einem althergebrachten Grundsatz („Constitutionibus principum continetur . . .“) über eine neue Entscheidung („et imperatores Antoninus et Verus Augusti rescripserunt his verbis . . .“) auf die Zukunft („cui consequens est . . .“) geschlossen wird. Dies kommt auch in der bereits erwähnten Betonung der „forma observata“ zum Ausdruck, also der „bisher beachteten“ Vorschrift, von der auch „in futurum“ nicht abgewichen werden sollte – vielleicht nicht nur, weil sie besonders „human“ war, sondern gerade weil sie bisher gesellschaftliche Akzeptanz gefunden hatte und beachtet wurde. Die juristische Leistung von Scaevola besteht hier demnach in der Interpretation der kaiserlichen Entscheidungen unter Einfügung in das innere System des geltenden Rechts1158. 3. D.21.2.69.4 (Scaev. 2. quaest.) „Servus rationibus redditis liber esse iussus est: hunc heres tradidit1159 et dixit centum dare iussum. si nulla reliqua sunt quae servus dare debeat et per hoc adita hereditate liber factus est, obligatio evictionis1160 contrahitur, eo quod liber homo tamquam statuliber traditur1161. si centum in reliquis habet, potest videri heres non esse mentitus, quoniam rationes reddere iussus intellegitur summam pecuniae quae ex reliquis colligitur iussus dare: Kaisers per „Analogie“ anführt – von welcher man, wie bereits gesagt, im römischen Recht nur unter methodologischem Vorbehalt sprechen kann; dazu erneut Baldus (in Riesenhuber, Europ. Methodenlehre, S. 36 ff.). Zu D.32.39 pr. (Scaev. 20. dig.) siehe bereits § 3 IV. 2. b) sowie Gualandi (Legislazione imperiale II, S. 98). Nach Ansicht des Autors (Legislazione imperiale I, S. 179) ist dort mit dem „imperator noster divus Marcus“ eindeutig der verstorbene Kaiser Marc Aurel gemeint. 1158 Gualandi (Legislazione imperiale II, S. 159): „Le norme poste dalla volontà normativa del princeps ricevono da parte dei giuristi un organico e preciso inquadramento, e sono inserite, mercè un’interpretazione attenta e sagace ed un lavoro critico elegante e sottile, nel sistema giuridico preesistente, dando vita a nuove e complesse costruzioni dei vari istituti“. Ein anschaulicher Fall der Interpretation einer kaiserlichen Entscheidung durch Scaevola ist in D.34.1.13.1 (Scaev. 4. resp.) überliefert. Sehr wahrscheinlich wurde Scaevola hier in einem konkreten Fall nach der Auslegung der kaiserlichen Entscheidung befragt und gab daraufhin zur Antwort: „eiusmodi scripturam ita accipi, ut necessitas alimentis praestandis perpetuo maneat“. Zu den Worten „eiusmodi scriptura“ siehe § 5 II. 1159 Lenel (Palingenesie II, Sp. 273): mancipio dedit Scaev. 1160 Lenel (Palingenesie II, Sp. 273): auctoritatis Scaev. 1161 Lenel (Palingenesie II, Sp. 273): mancipatur Scaev.
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cui consequens est, ut1162, si minus quam centum in reliquis habuerit, veluti sola quinquaginta, ut1163, cum eam pecuniam dederit, ad libertatem pervenerit, de reliquis quinquaginta actio ex empto competat“ 1164. „Es ist verfügt worden, dass ein Sklave, sobald er Rechnung gelegt habe, frei sein solle. Diesen hat der Erbe veräußert und erklärt, es sei verfügt worden, dass er hundert zahlen müsse. Wenn es keine Restschulden gibt, die der Sklave zahlen muss, und er infolgedessen mit Antritt der Erbschaft frei geworden ist, dann wird die Eviktionshaftung begründet, deshalb, weil ein freier Mann wie ein statuliber veräußert wird. Wenn der Sklave Restschulden in Höhe von hundert hat, kann man annehmen, dass der Erbe nicht gelogen hat, weil ja die Verfügung, Rechnung zu legen, verstanden wird als Verfügung, die Geldsumme, die sich aus den Restschulden zusammensetzt, zu bezahlen: Daraus folgt, dass, falls er Restschulden in Höhe von weniger als hundert haben sollte, wie z. B. nur fünfzig – so dass er in Freiheit gelangte, wenn er dieses Geld bezahlte –, wegen der übrigen fünfzig die actio ex empto zusteht“.
a) Einordnung der Quelle Die Quelle entstammt dem zweiten Buch der Quaestiones von Scaevola. Nach Lenel ist sie dem Ediktstitel „De modo agri1165 et auctoritate“ zuzuordnen. In 1162
Lenel (Palingenesie II, Sp. 273): et scr. et Hal. 1164 Der Index Interpolationum (Bd. II, S. 26) weist zu dieser Quelle verschiedene Interpolationsvermutungen aus: Die meisten betreffen die Anpassung des klassischen Rechts an das justinianische. So wird u. a. vermutet, die Kompilatoren hätten die ursprüngliche mancipatio durch die traditio ersetzt und damit einhergehend – denn nur der mancipatio war die obligatio auctoritatis immanent; vgl. Arangio-Ruiz (La compravendita, S. 316) – die auctoritas-Haftung durch die Eviktionshaftung; siehe Lenel (Palingenesie II, Sp. 273). Dagegen verweist Masiello (Le Quaestiones, S. 132 ff., S. 186), welcher den Text für echt hält, darauf, dass der römische Konsensualkauf, welcher sich seit Ende der Republik durchgesetzt hatte, keine Verpflichtung zur Eigentumsübertragung kannte, sondern bereits die Übertragung des Besitzes mittels traditio genügen ließ. Die Eviktionshaftung konnte dann aber auch über eine stipulatio duplae erreicht werden; vgl. Arangio-Ruiz (La compravendita, S. 316). Siehe schon Varro (De re rust. 2,10.5) ausdrücklich für den Kauf eines Sklaven: „. . . aut, si mancipio non datur, dupla promitti, aut, si ita pacti, simpla“. Donatuti (Lo statulibero, S. 131) hält den ganzen § 4 der Stelle für interpoliert. Haymann (Haftung des Verkäufers I, S. 5 ff.) hingegen vermutet, dass der Schlusssatz von „ut cum“ bis „competat“ interpoliert ist und die Kompilatoren die actio auctoritatis durch die actio empti ersetzten. Ähnlich Partsch (SZ 33 (1912), S. 605) und Donatuti (Lo statulibero, S. 131 f.), welche vertreten, dass Scaevola der Ansicht des Servius nicht folgte (nach Partsch müsste es „nec praevaluit Servii sententia“ heißen), sondern dem Käufer die actio auctoritatis gab, allerdings zugleich eine exceptio doli für den Fall gewährte, dass der Erbe den Differenzbetrag beglich. Dagegen schon Stintzing (Krit. Vierteljahresschr. für Gesetzgebg. und Rechtswiss. 15 (1913), S. 542), welcher zu Recht anführt, dass Scaevola, wenn er gegenteiliger Ansicht gewesen wäre, nicht von „praevalere“ gesprochen hätte, und überzeugend Horak (Rationes decidendi, S. 174 f.). Auch Medicus (Id quod interest, S. 152 Fn. 16) hält die Stelle für echt. 1165 Lenel (Palingenesie II, Sp. 272 Fn. 5) hielt es allerdings nicht für ausgeschlossen, diese Quellen auch unter den allgemeinen Ediktstitel „De empto vendito“ zu fassen. 1163
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den Digesten von Justinian findet sie sich dagegen unter dem Titel „De evictionibus et duplae stipulatione“, „Die Eviktion und die Stipulation des doppelten Kaufpreises“ wieder. b) Struktur der Quelle Der Struktur nach handelt es sich bei dieser Stelle um einen typischen Rechtsfall aus den Quaestiones des Scaevola. Die Quelle ist nicht gemäß der für die Digesta und Responsa charakteristischen Trichotomie (narratio – quaestio – responsum1166) aufgebaut, sondern zeigt eine eigene Struktur. So gibt es z. B. keine ausdrückliche quaestio („quaesitum est, an . . .“) und kein eigentliches responsum, welches bei Scaevola gewöhnlich durch die Worte „respondit“ eingeleitet wird. Zudem bleiben die Protagonisten des Falles anonym1167. Es ist lediglich vom „servus“ und vom „heres“ die Rede. Die Quelle beginnt mit einer knappen Schilderung des Ausgangsfalles („Servus rationibus redditis liber esse iussus est: hunc heres tradidit et dixit centum dare iussum“ 1168), an die sich unmittelbar drei durch si eingeleitete Fallvarianten mit Tatbestand und Rechtsfolge anschließen. In diesen werden drei unterschiedliche Abwandlungen des Ausgangsfalles durchgespielt1169: 1. Der Sklave schuldet nichts mehr („Si nulla reliqua sunt . . .“) 2. Der Sklave schuldet hundert („Si centum in reliquis habet . . .“) 3. Der Sklave schuldet fünfzig („si minus quam centum in reliquis habuerit, veluti sola quinquaginta . . .“). An diese Tatbestandsvarianten knüpfen wiederum jeweils drei unterschiedliche Rechtsfolgen an: 1. Eviktionshaftung („obligatio evictionis contrahitur“) 2. Keine Haftung („potest videri heres non esse mentitus“) 3. Kaufklage („actio ex empto competat“).
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Vgl. § 3 IV. 2. a) aa). Natürlich sind auch die in den Digesta und Responsa behandelten Fälle meist entpersonalisiert – allerdings durch Blankettnamen; siehe dazu § 3 IV. 2. a) aa) (2). 1168 Hier wird – anders als in der typischen narratio vieler Responsenstellen von Scaevola – auch nicht wörtlich aus einem Testament zitiert. Die Sachverhaltsschilderung setzt sich aus zwei Teilen zusammen: Aus einem ersten Teil, welcher die für den folgenden Fall relevante testamentarische Verfügung des Erblassers wiedergibt („Servus rationibus redditis liber esse iussus est“), und einem zweiten Teil, welcher über den Verkauf und das für diesen relevante dictum des Erben berichtet: „hunc heres tradidit et dixit centum dare iussum“. 1169 Die schulmäßigen Abwandlungen erinnern z. B. an die Distinktionenketten eines Proculus, siehe dazu Krampe (Proculi Epistulae, S. 65 f.). 1167
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Auffallend sind die vielen Begründungen („eo quod liber homo tamquam statuliber traditur“ oder „quoniam rationes reddere iussus intellegitur . . .“ 1170) und die für den als lakonisch bekannten Scaevola geradezu abundanten, erklärenden Zwischenschritte („et per hoc adita hereditate liber factus est“ oder „ut, cum eam pecuniam dederit, ad libertatem pervenerit, . . .“), welche den didaktischen Zweck der Quaestiones unterstreichen1171. Auch die regelhaft anmutende Erklärung, dass die Formulierung „rationes reddere“ gemeinhin als „summam pecuniae quae ex reliquis colligitur iussus dare“ 1172 verstanden wird („intellegitur“ 1173), sowie das erläuternde Beispiel („veluti sola quinquaginta“ 1174) deuten auf einen Schuldiskurs hin1175. Sehr wahrscheinlich sind auch die Summen von hundert und fünfzig erdachte Schulsummen, die hier womöglich vom Lehrer der Einfachheit halber gewählt wurden1176. Der Schulfall zeigt das hohe juristische Niveau des Unterrichts, bei dem Scaevola offensichtlich voraussetzte, dass seinen Schülern das Institut der statulibertas bereits hinreichend bekannt war. Denn schwerpunktmäßig behandelt der erbrechtlich eingekleidete Fall Fragen des Kaufs1177. Die erbrechtlichen Vorkennt1170 Betrachtet man die Quelle in ihrer Gesamtheit, so fallen weitere Begründungen auf: Zweimal kommt „et ideo“, dreimal „quia“ vor. 1171 Siehe § 3 IV. 2. b). 1172 Vgl. D.35.1.32 (African. 9. quaest.): „Quamvis rationes reddere nihil aliud sit quam reliqua solvere“; D.35.1.81 pr. (Paul. 21. quaest.). Nach dieser Ansicht wurde ein Sklave, welcher nichts schuldete, sofort mit der Annahme der Erbschaft frei – und zwar ohne dass die Rechnungslegung seine Freiheit verzögern konnte. Dass Scaevola dieser Ansicht folgte, zeigt zudem die erste Fallvariante unserer Quelle, wo es heißt: „Si nulla reliqua sunt quae servus dare debeat et per hoc adita hereditate liber factus est . . .“. Auf die Rechnungslegung kam es in diesem Fall folglich gar nicht an. Wenn der Sklave aber Schulden hatte, wurde er mit deren Begleichung frei. Nach anderer Ansicht einiger Juristen (z. B. D.35.1.82 [Callist. 2. quaest.]) beinhaltete reddere rationes dagegen stets sowohl die Rechnungslegung als auch die Restschuldenbegleichung; vgl. die Aufzählung der unterschiedlichen Meinungen bei Donatuti (Lo statulibero, S. 283 f., S. 286). 1173 Es handelt sich mithin um anerkanntes Recht. 1174 Ein weiteres erläuterndes Beispiel wird schon zuvor in § 2 der Quelle angeführt, wo es heißt „veluti si quis hominem dixerit decem dare iussum isque post annum ad libertatem pervenerit . . .“. 1175 Dass Scaevola zur Erläuterung gerne Beispiele heranzieht, zeigt sich z. B. auch in D.21.2.69.5 (Scaev. 2. quaest.). Hier vergleicht der Jurist den Verkauf eines statuliber mit dem Verkauf eines belasteten Grundstückes. Siehe zu dieser Stelle Masiello (Le Quaestiones, S. 185). 1176 Vgl. für die Summe von fünfzig erneut das „veluti“. 1177 Dass hier auch nach justinianischer Vorstellung der Schwerpunkt des Falles lag, zeigt die Zuordnung zum Titel „De evictionibus et duplae stipulatione“ in den Digesten des Kaisers. Natürlich ist die hier vorgenommene Gegenüberstellung von Erbrecht und Kaufrecht eine Unterscheidung nach modernen Systemkategorien. Dass die Römer die einzelnen Rechtsgebiete derart streng voneinander unterschieden, ist zu bezweifeln. Siehe zum Problem insbes. die Systemforschungen von Baldus (in Harke, Facetten des
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nisse dienten hier vermutlich als Überprüfungsgegenstand für spezielle kaufrechtliche Fragestellungen, anhand derer man das Institut der statulibertas in verschiedenen Problemfällen durchexerzierte. Mittels Gegenüberstellung der drei Sachverhaltsdistinktionen scheint Scaevola das für die juristische Entscheidung maßgebliche Kriterium hervorheben zu wollen. Durch das Unterscheiden der Fälle sollten die Schüler urteilsfähig werden. Auf den ersten Blick scheint es, als sei auch das hier unter Systemgesichtspunkten interessierende Wort consequens diesem logisch-didaktischen Diskurs geschuldet. Ob sich „folgerichtig“ aus Fallvariante 1. und/oder 2. aber tatsächlich Fallvariante 3. ergibt, kann nur im Rahmen einer detaillierten Exegese beantwortet werden. c) Auslegung aa) Der Sachverhalt Im vorliegenden Fall geht es um den Verkauf eines unter der Bedingung der Rechnungslegung („rationibus redditis“) freigelassenen statuliber1178. Statuliber1179 war ein sub condicione testamentarisch freigelassener Sklave, welcher im Zeitraum zwischen dem Erwerb der Erbschaft und dem Eintritt der Bedingung sozusagen „in Freiheit schwebte“ 1180. Meistens bestand die Potestativbedingung in der Zahlung einer bestimmten Geldsumme an den Erben1181, womit der Erblasser den Wertverlust auszugleiröm. ErbR, insbes. S. 2 ff., S. 32 ff.) z. B. zur Abgrenzung von Schuld- und Erbrecht bei Scaevola. 1178 Es handelt sich um eine aufschiebende Potestativbedingung. Den Verkauf eines statuliber regelten, wie Modestin in D.40.7.25 (Mod. 9. different.) und Pomponius in D.40.7.29.1 (Pomp. 18. ad Quintum Mucium) berichten, schon die XII-Tafeln. Dagegen Voci (Dir. ered. I, S. 75). 1179 Zur Definition des statuliber siehe D.40.7.1 pr. (Paul. 5. ad Sab.): „Statuliber est, qui statutam et destinatam in tempus vel condicionem libertatem habet“. Masiello (Le Quaestiones, S. 184) geht im vorliegenden Fall von einer „attività di amministratore“, also von einem geschäftlich zur Verwaltung eingesetzten Sklaven aus. Dies scheint plausibel, zumal Scaevola in seinen Digesta viele praktische Fälle behandelt, in denen es ausdrücklich Geschäftsführer-Sklaven („servi actores“) aufgetragen war, Rechnung zu legen. Vgl. nur D.40.7.40.3 (Scaev. 24. dig.) oder D.40.7.40.7. (Scaev. 24. dig.). Zur letzten Quellenstelle siehe Sigel (Rechtsgutachten, S. 94 ff.). Vgl. auch das von Ulpian überlieferte Reskript des Kaisers Hadrian in D.40.5.37 (Ulp. 6. fideicomm.), welches für den Fall, dass ein Verwaltersklave ohne Bedingung freigelassen wurde, dessen sofortige Freilassung ohne Rechnungslegung anordnet. Dazu Casavola (ANRW 15 (1976), S. 157 ff.). 1180 Vgl. Voci (Dir. ered. I, S. 74). Der statuliber konnte auch unter einer Befristung freigelassen sein. Siehe zum statuliber allgem. den Titel D.40.7 („De statuliberis“) sowie Bretone (NNDI 18 (1971), S. 380 ff.). 1181 Der Erblasser konnte natürlich auch eine andere Person als Empfänger der Rechnungslegung bestimmen. Da die Rechnungslegung aber demjenigen von Nutzen war, der mit dem Tod des Erblassers zum neuen dominus des Vermögens wurde, war Emp-
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chen suchte, der dem Erben mit Ausscheiden des Sklaven aus der Erbschaft entstand1182. Wurde der statuliber dagegen verkauft, so war die Freikaufsumme an den Käufer zu bezahlen1183. War dem Sklaven sein peculium vom Erblasser vermacht1184 oder gewährte ihm der neue dominus1185 ein solches1186 und konnte der statuliber die Freikaufsumme aus diesem bestreiten, hatte er die Chance sich selbst freizukaufen1187. Im vorliegenden Fall bestand die Freilassungsbedingung ausdrücklich in der Rechnungslegung („rationes reddere“) und nicht bloß in der Zahlung einer Geldsumme („pecuniam dare“)1188. fänger der Rechnungslegung in der Regel der Erbe; vgl. Donatuti (Lo statulibero, S. 305). Dieser wird teilweise ausdrücklich als Empfänger („heredi meo“) der Rechnungslegung benannt: D.33.8.23.1 (Scaev. 15. dig.); D.40.7.40.3/8 (Scaev. 24. dig.). 1182 Kaser/Knütel (Röm. PrivatR, S. 105). Teilweise wurde der statuliber auch ausgebeutet, indem der Erblasser ihm eine höhere Freikaufsumme auferlegte, als sie etwa beim direkten Verkauf des Sklaven zu erzielen gewesen wäre; vgl. Pennitz (Studi Labruna VI, S. 4074); Wieling (SZ 87 (1970), S. 232). 1183 Vgl. Donatuti (Lo statulibero, S. 309). Dieser Grundsatz war nach Ulpian (Liber singularis reg. 2.4) schon im XII-Tafel-Gesetz bestimmt: „Sub hac condicione liber esse iussus: ,si decem milia heredi dederit‘, etsi ab herede abalienatus sit, emptori dando pecuniam ad libertatem perveniet; idque lex duodecim tabularum iubet“. Der Fall ist insofern mit unserem vergleichbar, als nach der klarstellenden Definition von Scaevola „rationes reddere“ auch „reliqua dare“ bedeutete. Ob der Sklave aber nun unter der Bedingung ,si decem milia heredi dederit‘ (Zahlung einer bestimmten Geldsumme) freigelassen war oder unter der Bedingung ,si reliqua heredi dederit‘ (Zahlung seiner Restschulden), macht für die rechtliche Bewertung der beiden Fälle keinen Unterschied. 1184 Vgl. D.40.7.20 pr. (Paul. 16. ad Plaut.). 1185 Neuer Herr des statuliber war zunächst der Erbe; vgl. Donatuti (Lo statulibero, S. 137). 1186 Vgl. D.40.7.35 (Pap. 9. resp.). 1187 Vgl. D.40.7.3.1/2 (Ulp. 27. ad Sab.). Siehe Donatuti (Lo statulibero, S. 155 ff., S. 296). Der statuliber konnte sich also „suis nummis“ freikaufen. Dies stellte für viele Sklaven einen enormen Anreiz zur Vermehrung ihres peculium dar; vgl. Knoch (Sklavenfürsorge, S. 182 f.). Andererseits konnte der Wunsch nach Freiheit aber auch dazu führen, dass der Sklave sich aus der Erbschaft bediente, wie in einem von Scaevola entschiedenen Fall in D.40.7.40 pr. (Scaev. 24. dig.) eindringlich geschildert. Dem Freikauf lag eine Freiheitsabrede (pactio libertatis) – vgl. D.4.3.7.8 (Ulp. 11. ad ed.); D.16.1.13 pr. (Gai. 9. ad ed. prov.); D.41.4.2.14 (Paul. 54. ad ed.) – zugrunde, welche für den dominus lediglich eine moralische Verpflichtung gegenüber dem Sklaven begründete; vgl. Finkenauer (FS-Knütel, S. 345). Wenn der Erblasser nichts anderes bestimmt hatte, bestand auch die Möglichkeit, dass ein Dritter den Sklaven freikaufte; vgl. Donatuti (Lo statulibero, S. 298 f.). Nicht zu verwechseln ist der Fall, dass ein Dritter den Sklaven freikaufte, mit dem Fall, dass ein Dritter den Sklaven (wie hier) für sich selbst kaufte. 1188 Die Rechnungslegung wird insbes. im vierzigsten Buch der Digesten von Justinian unter den Titeln 4, 5 und 7 thematisiert. Weitere Beispiele für Fälle, in denen Scaevola zur Rechnungslegung entscheidet, sind z. B. die Quellen D.40.7.40.3/7 (Scaev. 24. dig.) und D.40.5.41.4/10 (Scaev. 4. resp.). Dass diese Praxis in römischen Testamenten verbreitet war, zeigt auch das Testament des Dasumius Tuscus, in welchem bestimmt
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Das Interesse des Erblassers, seinen Sklaven unter der Bedingung der Rechnungslegung freizulassen, lag meist darin, dem Erben eine gewissenhaft erstellte Abschlussbilanz der laufenden Geschäfte oder des peculium sicherzustellen1189. Der Erbe sollte sich nach Ableben des Erblassers nicht erst mühevoll in die Verwaltung einarbeiten müssen, sondern sich schnellstmöglich einen Eindruck von den Vermögensgegenständen der Erbschaft machen können1190. Um diese zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers aber zeitig1191 zu aktualisieren, gab es keinen Besseren als den Sklaven, der zeitlebens die Geschäfte seines Herrn verwaltet hatte. Schwieriger ist dagegen die jeweilige Interessenlage von Verkäufer (Erbe) und Käufer beim Verkauf eines unter der Bedingung der Rechnungslegung freigelassenen statuliber zu beurteilen. Das Interesse des Erben am Verkauf eines solchen statuliber bestand möglicherweise darin, dass er den jeweiligen Sklavendienst nicht gebrauchen konnte und den Sklaven stattdessen lieber verkaufen wollte. war, dass sein vestiarius (ein Ankleidesklave) namens Eros und sein paedagogus (ein Erziehersklave) namens Phoebus nach Rechnungslegung frei sein sollten; vgl. FIRA 3, S. 136. Zudem wurde in diesem Testament auch die Freilassung des Verwalters nach Rechnungslegung fideikommissarisch angeordnet; vgl. FIRA 3, S. 138. Die Rechnungslegung konnte nicht nur das Vermögen des Erblassers, sondern auch das Vermögen anderer Personen zum Gegenstand haben, wie z. B. das eines Freigelassenen – siehe D.33.8.23 pr. (Scaev. 15. dig.) – oder das Vermögen einer Tochter – siehe D.40.5.41.16 (Scaev. 4. resp.). Da im vorliegenden Fall keine genaueren Angaben gemacht sind, ist von der Rechnungslegung hinsichtlich der gesamten Verwaltung des Erblasservermögens auszugehen; vgl. Donatuti (Lo statulibero, S. 280). Um die Bedingung der Rechnungslegung zu erfüllen, musste der statuliber dem Erben die Rechnungsbücher vorlegen, damit dieser sie lesen und prüfen konnte; vgl. Donatuti (Lo statulibero, S. 281). Zu den Anforderungen an eine ordentliche Rechnungslegung siehe nur D.35.1.111 (Pomp. 11. epist.) oder D.35.1.82 (Callist. 2. quaest.). Aus den Büchern konnte sich ergeben, dass der statuliber entweder keinerlei Schulden gegenüber dem Erben hatte oder dass er „reliqua reddere“ musste; vgl. Donatuti (Lo statulibero, S. 281). 1189 Vgl. Sigel (Rechtsgutachten, S. 97). Die Freilassung unter der Bedingung der Rechnungslegung war für den Erblasser das einfachste Mittel die Abschlussbilanz sicherzustellen, zumal der einmal Freigelassene zivilrechtlich nicht mehr dazu verpflichtet werden konnte Rechnung zu legen; vgl. Donatuti (Lo statulibero, S. 278). Leider erfahren wir hier zu wenig über die laufenden Geschäfte des Erblassers. Wenn dem Schulfall aber ein konkreter Fall zu Grunde lag, könnte man z. B. an einen reichen Unternehmer – vielleicht an einen Bankier – denken, welcher seinem Erben mit dem Vermögen auch seinen Verwaltersklaven hinterlassen hatte, der mit der Abwicklung der Geschäfte betraut war und sich folglich gut auskannte. 1190 Dies sicher auch, damit er wusste, was mit der Erbschaft auf ihn zukam, und er im Fall, dass die Bilanz für ihn ungünstig war, jene rechtzeitig ausschlagen konnte. 1191 Der Erblasser konnte auch einen dies a quo für die Rechnungslegung bestimmen; vgl. etwa die Fristen von vier Monaten, sechs Monaten bzw. dreißig Tagen nach dem Tod des Erblassers in D.40.7.40.7 (Scaev. 24. dig.), D.40.7.40.8 (Scaev. 24. dig.) bzw. D.40.7.3.11 (Ulp. 27. ad Sab.). Wenn der Erblasser keine Frist bestimmt hatte, konnte der statuliber jederzeit Rechnung legen. Als neuer patronus des statuliber war allerdings der Erbe berechtigt, die Rechnungslegung von diesem jederzeit zu verlangen; vgl. Donatuti (Lo statulibero, S. 312).
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Das Interesse des Käufers bleibt dagegen undurchsichtig. Hierüber sind wir aus den Quellen kaum unterrichtet. Es stellt sich u. a. die Frage, warum jemand einen statuliber kaufen wollte, bei dem er befürchten musste, dass dieser vielleicht bald genug Geld zusammen hatte, um sich freizukaufen. Man könnte daran denken, dass es sich evtl. nur um einen Scheinkauf – vgl. etwa die in D.40.1.4.2 (Ulp. 6. disput. ) erwähnte imaginaria emptio – handelte, bei welchem der Käufer den Sklaven nie für sich erwerben, sondern diesen gemäß dem zwischen ihm und dem servus geschlossenen Freikaufmandat sofort freilassen sollte. Diese Konstruktion scheint hier jedoch deshalb unwahrscheinlich, weil es in unserem Fall gerade der Käufer war, der gegen den Verkäufer wegen des zu viel gezahlten Betrags vorgehen wollte. Voraussetzung der redemptio servi suis nummis war aber, dass der Käufer selbst keinerlei Vermögensopfer erbracht hatte1192. Nach Donatuti1193 brachte der Kauf eines statuliber – insbesondere wenn dieser unter der Bedingung „rationes reddere“ freigelassen war – dem Käufer in der Regel keinen Vorteil. Denn die Rechnungslegung konnte ein rechtschaffener und ordentlicher Sklave in der Regel in kurzer Zeit erledigen1194. Ein Vorteil für den Käufer des statuliber bestand aber dann, wenn die Freilassungsbedingung in der Zahlung einer Geldsumme bestand. Denn diese musste – wie bereits erwähnt – nach dem Verkauf an den Käufer gezahlt werden. Der Käufer konnte also zunächst von den Diensten des statuliber profitieren und dann bei dessen Freikauf die Freikaufsumme kassieren. Fraglich ist zudem, wie sich die Freikaufsumme im Verkaufspreis eines statuliber niederschlug. Zu welchem Preis der Sklave hier verkauft wurde und welchen Wert er tatsächlich hatte, erfahren wir nicht. Man könnte zwar annehmen, dass ein Sklave mit hohen Restschulden i. d. R. einen insgesamt höheren Marktwert hatte als ein Sklave mit geringen Restschulden, weil jener wahrscheinlich länger brauchte, um dem neuen Herrn die Schulden zurückzuzahlen als dieser, und dem Käufer dadurch über einen längeren Zeitraum (spatium serviendi) dienen konnte. Dementsprechend groß war das Interesse des Verkäufers eine hohe Freikaufsumme anzugeben1195. Andererseits konnte der Käufer nicht sicher gehen, dass der Sklave die Freilassungssumme tatsächlich würde erwirtschaften können, denn er musste damit rechnen, dass der Sklave vielleicht vorher verstarb
1192 Vgl. Finkenauer (FS-Knütel, S. 351). Zu Folgen und Motiven des Freikaufs mit eigenem Geld siehe jetzt Heinemeyer (Der Freikauf, S. 281 ff.). 1193 Siehe Donatuti (Lo statulibero, S. 308). 1194 Vgl. Donatuti (Lo statulibero, S. 308). 1195 Vgl. Donatuti (Lo statulibero, S. 309): „In tal modo, dovendo la condizione adempiersi nelle mani dell’acquirente, il quale così riceveva vantaggio dall’adempimento, ecco che lo statulibero da vendere acquistava un maggior valore“.
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oder aufgrund von Krankheit arbeitsunfähig wurde. Handelte es sich um einen wertvollen Sklaven – z. B. einen Schauspieler oder einen Grammatiker, für welchen nach dem Zeugnis von Plinius1196 ein Vermögen von siebenhunderttausend Sesterzen bezahlt wurde1197 – musste der Käufer zudem damit rechnen, dass dieser die Lösungssumme von beispielsweise hundert viel leichter und schneller aufbringen konnte als etwa ein Landarbeitersklave. Je höher also der Wert des Sklaven war, desto eher war der Verkäufer daran interessiert, eine möglichst hohe Freikaufsumme anzugeben. Gab der Verkäufer die Lösungssumme allerdings in einer solchen Höhe an, dass sie dem Sklaven „ex operis“ unmöglich zu erbringen war, wurde er nicht mehr als verkaufter statuliber angesehen1198. Scaevola behandelt hier den praxisrelevanten Schulfall, dass ein heres den unter der Bedingung der Rechnungslegung freigelassenen statuliber weiterveräußerte1199. Dabei gab der Erbe gegenüber dem Käufer (wahrheitswidrig) an, der Sklave sei unter der Bedingung frei gelassen worden hundert zu zahlen („dixit centum dare iussum“)1200. Auf den ersten Blick erscheint dieses dictum wahrheitswidrig, da der Erblasser mit der Verfügung „servus rationibus redditis liber esse iussus est“ ausdrücklich nur die Rechnungslegung – und nicht, wie der Erbe behauptete, die Zahlung einer bestimmten Geldsumme – zur condicio libertatis gemacht hatte1201. Scaevola zitiert deshalb den Grundsatz „rationes reddere iussus intellegitur summam pecuniae quae ex reliquis colligitur iussus dare“, wonach die Rechnungslegung die Restschuldbegleichung mitumfasste1202. Im Einzelfall konnte es
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Plinius (Nat. Hist. VII, 128 ff.). Zu den verschiedenen Preisen für Sklaven siehe die Nachweise bei Ortu (,Aiunt aediles‘, S. 54 Fn. 158). 1198 Vgl. D.40.7.4.1 (Paul. 5. ad Sab.). 1199 Die Eigentumsübertragung am statuliber erfolgte in vorjustinianischer Zeit nach den Regeln der Übertragung von res mancipi, da der statuliber rechtlich noch Sklave war; vgl. Donatuti (Lo statulibero, S. 119). Der Sklave ging dann mit der ursprünglichen Freilassungsbedingung in das Eigentum des Käufers über; vgl. D.40.7.27 (Mod. 1. pandect.); Donatuti (Lo statulibero, S. 308): „lo statulibero [. . .] passava all’acquirente cum sua causa, cioè rimanendo schiavo solo fino al verificarsi della condizione“. 1200 Zur juristischen Relevanz des Schweigens des Verkäufers siehe dagegen die Ausführungen von Solidoro Maruotti (Gli obblighi di informazione, S. 39 ff.). 1201 Nach Masiello (Le Quaestiones, S. 185) besteht der Hauptunterschied dieser beiden Bedingungen in ihrem Gegenstand: Während nämlich die ursprüngliche Bedingung mit der Rechnungslegung ein Tun („fare“) zum Gegenstand gehabt habe, bestehe die Bedingung der Zahlung der Freikaufsumme in einem Geben („dare“). Vgl. aber D.35. 1.82 (Callist. 2. quaest.). 1202 Vgl. D.40.7.6.7 (Ulp. 27. ad Sab.): „. . . rationum autem reddendarum condicio, quod ad reliqua quidem attinet, in danda pecunia consistit“ sowie die Entscheidung des Gaius in D.40.7.31 pr. (Gaius 13. ad legem Iuliam et Papiam) im Fall eines Sklaven als Vermächtnisnehmer. Hier wurde „Rechnung legen“ also nicht als bloßes „rationes emendare“ oder „rationes edere“ verstanden; vgl. Donatuti (Lo statulibero, S. 282) so1197
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daher sein (so in Fallvariante 2), dass die ursprüngliche Bedingung der Rechnungslegung mit der vom Verkäufer angegebenen Bedingung der Zahlung übereinstimmte und der Erbe im Ergebnis nicht gelogen hatte („potest videri heres non esse mentitus“)1203. Insofern hatte sich der Erblasser mit der Bedingung „rationes reddere“ nicht auf eine bestimmte „Freikaufssumme“ festgelegt1204, sondern es kam darauf an, welche Saldohöhe sich bei Rechnungslegung tatsächlich herausstellte. Wäre es dem Erblasser hingegen auf eine bestimmte Summe angekommen, hätte er – wie z. B. in D.21.2.69.3 (Scaev. 2. quaest.): „qui iussum decem dare“ – direkt verfügen können, dass der statuliber diese zur Erlangung der Freiheit zahlen musste1205. Für die Annahme, dass sich der Erbe vor dem Verkauf an den Dritten zunächst selbst Rechnung legen ließ (im Sinne eines schlichten „rationem emendare“ 1206) spricht die Formulierung „potest videri heres non esse mentitus“ 1207. Wahrscheinlich wusste der Erbe daher – im Gegensatz zum Käufer1208 –, wie hoch die tatsächlichen Restschulden des statuliber waren.
wie D.50.16.89.2 (Pomp. 6. ad Sab.): „Inter ,edere‘ et ,reddi rationes‘ multum interest: nec is, qui edere iussus sit, reliquum reddere debet“. 1203 Fraglich ist in diesem Zusammenhang, ob der verkaufende Erbe die Schuldverhältnisse seines Sklaven im Einzelnen kannte. Wahrscheinlich ließ er sich vor dem Verkauf des Sklaven selbst Rechnung legen und verkaufte den Sklaven nicht einfach „ins Blaue“ hinein. Denn auch dafür haftete der Verkäufer bei Sachmängeln nach D.19.1.13.3 (Ulp. 32. ad ed.) mit der actio empti; vgl. Kaser/Knütel (Röm. PrivatR, S. 256). Da derartige Behauptungen folglich ein Haftungsrisiko für den Verkäufer darstellten, wird man annehmen können, dass sich dieser in der Regel vor dem Verkauf über die reliqua des statuliber informierte; vgl. Donatuti (Lo statulibero, S. 310). 1204 Man wird davon ausgehen müssen, dass der Erblasser seine Vermögensverhältnisse nicht ständig kontrollierte oder gar im Kopf hatte. Je nachdem, wieviel Zeit zwischen dem Verfassen des Testaments und dem Zeitpunkt seines Todes verging, konnten sich diese zudem gewandelt haben. Wie groß die Unsicherheit hinsichtlich noch ausstehender Restschulden teilweise war, legt D.40.7.5 (Pomp. 8. ad Sab.) nahe: „Neratius et Aristo recte putant liberum fore, ne multi ad libertatem pervenire non possint incerta causa rationis et genere negotii huiusmodi“. 1205 Dann hätte die Bedingung folglich nur in einem dare („condicio, quae esset in dando“) bestanden. 1206 Zum Unterschied zwischen „rationes reddere“ und „rationes emendare“ siehe bereits Fn. 1202. 1207 Vgl. die Quelle D.40.7.6.7 (Ulp. 27. ad Sab.), nach welcher die Bedingung zweigeteilt war: Die Bedingung, die in einem Tun bestand (Rechnungslegung), war gegenüber dem Erben zu erfüllen. Die Bedingung, die Restschulden zu begleichen (Geben), ging hingegen auf den Käufer über. Siehe auch Donatuti (Lo statulibero, S. 309): „il rendiconto vero e proprio poteva adempiersi soltanto nei riguardi dell’erede, l’altra: il versamento dei reliqua nelle mani dell’acquirente, così come qualsiasi condizione di dare una somma di denaro“. 1208 Für diesen war der Kauf eines statuliber ein Risikogeschäft, zumal er nicht wissen konnte, wann der Sklave die Freikaufsumme würde aufbringen können, oder ob ihn gar ein Dritter freikaufen würde; vgl. Horak (Rationes Decidendi, S. 175).
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bb) Die mögliche Prozesssituation Wie bereits angeführt, handelt es sich vorliegend sehr wahrscheinlich um einen Schulfall und nicht um einen konkreten Rechtsstreit1209. Nahe liegt, dass in diesem Schulfall ein fiktiver Käufer und ein fiktiver Verkäufer (Erbe) über die Haftung des Verkäufers aus Kauf stritten: 1. Die erste Variante betrifft den Fall, dass der Erbe einen freien Mann als angeblichen statuliber veräußerte („liber homo tamquam statuliber traditur“ 1210). Der Verkäufer hatte insofern nicht nur über die (nicht bestehenden) Restschulden des Sklaven (bzw. des inzwischen Freien), sondern zugleich über dessen Status falsche Angaben gemacht1211. Es handelt sich demnach um einen Rechtsmangel1212. Der Verkäufer (Erbe) musste in diesem Fall mit der strengen actio auctoritatis1213 auf das Doppelte des Kaufpreises haften1214. 1209 Dennoch ist die Prozesssituation für das vom Prozess her gedachte römische Recht unerlässlich und werden wohl auch die Schüler von Scaevola im Unterricht über diese nachgedacht haben. 1210 Die Freiheit des Sklaven war inzwischen möglicherweise in einem gesonderten Prozess mit der vindicatio in libertatem festgestellt worden. Zur ausnahmsweise gegebenen Klagemöglichkeit eines Sklaven im Falle eines Freiheitsprozesses extra ordinem gegen seinen Patron siehe Donatuti (Lo statulibero, S. 199 f.). 1211 Siehe Calonge (Evicción, S. 88). Ein freier Mann konnte aber auch nach römischem Recht keine res und damit kein Rechtsobjekt sein; vgl. Grosso (Obbligazioni, S. 55). 1212 Der Kauf selbst war wohl seit Celsus – vgl. Voci (Le obbligazioni, S. 160) – gültig, wenn der Käufer davon überzeugt war, dass es sich um einen Sklaven, nicht um einen Freien handelte. Dass der Verkäufer unwissend oder bösgläubig war, schadete hingegen nicht; vgl. Voci (Le obbligazioni, S. 160); Calonge (Evicción, S. 86). Es handelt sich insofern um eine Ausnahme vom strengen Grundsatz „impossibile nulla obligatio est“. Der Unterschied zu anderen Unmöglichkeitsfällen lag hier – wie Grosso (Obbligazioni, S. 56 f.) und Voci (Le obbligazioni, S. 160 f.) feststellen – darin, dass der Besitz eines homo liber, den der Käufer irrtümlich für einen Sklaven hielt, bei bona fides möglich war. Und nur dieser (nicht aber die Übereignung) war geschuldet. Insofern lag keine eigentliche Unmöglichkeit der Leistung vor. Die Begründung des Paulus in D.18.1.5 (Paul. 5. ad Sab.): „quia difficile dinosci potest homo liber a servo“ trifft aber gerade in unserem Fall, in dem erst die Rechnungslegung ergeben konnte, ob der statuliber tatsächlich schon frei war oder nicht, mehr zu denn je. Nach Paulus war folglich der Käufer schutzwürdig; vgl. dazu Voci (Le obbligazioni, S. 161 f.). 1213 Die obligatio auctoritatis beinhaltete zunächst die Gewährschaft des Verkäufers im Fall, dass ein Dritter die Sache vom Käufer herausverlangte. Der Verkäufer hatte dem Käufer bei beweglichen Sachen ein Jahr (bei unbeweglichen Sachen zwei Jahre) lang „Gewährschaft“ zu leisten, solange bis der Käufer die Sache ersessen hatte. Nach Ablauf eines Jahres wurde der Käufer automatisch Eigentümer des Sklaven adversus omnes; vgl. Arangio-Ruiz (La compravendita, S. 313). Kam der Verkäufer seiner Beistandspflicht nicht nach, konnte der Käufer ihn in einem zweiten Schritt mit der actio auctoritatis auf Zahlung des doppelten Kaufpreises verklagen; vgl. Arangio-Ruiz (La compravendita, S. 320). Zur actio auctoritatis allgem. siehe Kaser (Röm. PrivatR. I, S. 554 f.); Arangio-Ruiz (La compravendita, S. 310 ff.). 1214 Vgl. den Parallelfall in D.21.2.69.1 (Scaev. 2. quaest.). Dort hatte der Verkäufer seine Haftung – anders als in D.21.2.69 pr. (Scaev. 2. quaest.) – nicht ausgeschlossen.
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2. Im zweiten Fall haftete der Erbe offensichtlich nicht, weil er einen statuliber veräußert hatte, der seinen Angaben entsprechend tatsächlich noch hundert schuldete, und der Käufer keinen Nachteil erlitt. 3. Auch im dritten Fall veräußerte der Erbe einen statuliber. Der Unterschied zu Fallvariante 1., in welcher der Sklave bereits vor dem Verkauf, nämlich „adita hereditate liber factus est“, bestand hier darin, dass der Sklave erst nach dem Verkauf frei werden sollte („ad libertatem pervenerit“) und der Erbe insofern nur in Bezug auf die Höhe der Freikaufsumme gelogen hatte1215. Die Bedingung war in diesem Fall also zumindest ihrer Art nach („condicio, quae esset in dando“ 1216) richtig angegeben. Da der Verkäufer dem Käufer aber wissentlich1217 eine falsche Zusicherung (dictum) gemacht und dieser deshalb zu viel bezahlt hatte, haftete er diesem mit der gemilderten actio empti 1218 in Höhe des Dass derjenige, welcher verschwiegen hatte, dass es sich um einen statuliber handelte, wegen Eviktion haftete, entschied ausdrücklich auch Julian in D.21.2.40.4 (Iul. 57. dig.): „Qui statuliberum tradit, nisi dixerit eum statuliberum esse, evictionis nomine perpetuo obligatur“. Vgl. zudem den in D.9.4.14.1 (Ulp. 18. ad ed.) geschilderten Fall sowie die Entscheidung des Julian in D.21.2.39.3 (Iul. 57. dig.), wo ein Vater seinen Sohn als Sklaven verkaufte. Nach Julian haftete der Verkäufer sowohl „sciens“ als auch „ignorans“. 1215 Vgl. den Anfang der langen Stelle in D.21.2.69.3 (Scaev. 2. quaest.), wo Scaevola sich der Meinung des Servius anschließt („sed auctoritas Servii praevaluit“), nach welcher der Verkäufer mit der actio empti haften sollte. Dass Servius im Bereich der statulibertas grundlegende Entscheidungen getroffen hatte, auf die sich noch Ulpian berief, belegt u. a. D.40.7.3.2 (Ulp. 27. ad Sab.). Die Quelle handelt von der Fiktion der Freiheit bei Leistungsbereitschaft des statuliber und Annahmeverzug des Erben. Dazu Pennitz (Studi Labruna VI, S. 4085 ff.). 1216 Siehe die Argumentation des in D.21.2.69.3 (Scaev. 2. quaest.) zitierten Servius, dem Scaevola sich hier anschließt. Trotz unrichtiger Angabe der Höhe der Freikaufsumme war der Ausschluss der auctoritas-Haftung nach Servius also gültig. Der Unterschied der beiden Bedingungen war mithin nur quantitativer Art; vgl. D.21.2.54.1 (Gai. 28. ad ed. prov.). Auch diese Entscheidung sieht Behrends (Wissenschaftslehre, S. 280 Fn. 61) in der Tradition des Servius. Auf die beobachtete Ähnlichkeit einiger von Scaevola behandelter Fälle mit denen, die Gaius in seinem Provinzialedikt behandelte, wurde bereits in Fn. 290 hingewiesen. 1217 Wie bereits gesagt, ist davon auszugehen, dass sich der Verkäufer hier vorher Rechnung legen ließ; vgl. Fn. 1203. Das für die actio empti erforderliche Verschulden des Verkäufers lag also vor. Zum Problem, was subjektiv im Fall des einen Mangel verschweigenden Verkäufers vorauszusetzen war, siehe Solidoro Maruotti (Studi Labruna VIII, S. 5275 ff.). Dazu Baldus (SDHI 76 (2010), S. 269 Fn. 23 m.w. N.). 1218 Brägger (Actio auctoritatis, S. 218 ff.) vermutet, dass die Sanktion des duplum für diesen Fall zu streng schien, die vollständige Verweigerung eines Anspruchs aber unbillig gewesen wäre. Nach Ansicht des Autors (S. 220) stehen actio auctoritatis und actio empti in einem „komplementären Verhältnis“, wobei die actio empti nur subsidiär zum Tragen kommt und dem Käufer kein Wahlrecht zusteht. Zur Kaufklage allgem. siehe Kaser (Röm. PrivatR. I, S. 556). Dank der bona fides-Klausel war die actio empti in ihren Rechtsfolgen sehr flexibel; siehe Baldus (SDHI 76 (2010), S. 268). Nach Ansicht von Baldus (OIR 5 (1999), S. 43 ff.) konnte mit der actio empti auch auf die Rechtsfolgen der actio redhibitoria Bezug genommen werden. Eine andere Ansicht vertritt dagegen Donadio (in Jakab/Ernst, Kaufen nach Röm. Recht, S. 64 ff., S. 70
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Differenzbetrags von fünfzig („de reliquis quinquaginta actio ex empto competat“ 1219). cc) Das Konsequenzargument Wie bereits angedeutet, handelt sich beim argumentum per consequentiam um eine von den römischen Juristen nicht einheitlich verwendete Denkfigur. Nach der bereits vorgestellten Klassifizierung von Waldstein fällt der vorliegende Fall unter die Kategorie der „Konsequenz aus einer Rechtslage, einer früheren Entscheidung oder anderen rechtserheblichen Tatsachen“ 1220. In unserem Fall könnte sich die Rechtsfolge folgerichtig aus den dargestellten Einzelentscheidungen ergeben – die Struktur der Quelle würde sich insoweit mit der juristischen Argumentation von Scaevola decken1221. Fn. 23), welche andernorts (in Garofalo, La compravendita II, S. 490 ff.) auch den Unterschied zwischen actio empti und actio redhibitoria für falsche dicta et promissa des Verkäufers betont. Zum Problem siehe auch Manna (Actio redhibitoria, S. 109 ff.). Wie Donadio (S. 490) zudem feststellt, wurde das (Nicht-)Vorhandensein der versprochenen Eigenschaften bei der actio empti ausschließlich aus der Perspektive der „utilità“ für den einzelnen Käufer bewertet „e, pertanto, sotto questo profilo assumeva maggiore considerazione l’assetto di interessi voluto nel singolo caso dalle parti con il contratto“. Der effektive aedilizische Rechtsschutz knüpfte dagegen, wie u. a. Baldus (SDHI 76 (2010), S. 269) feststellt, möglichst an objektive und leicht feststellbare Sacheigenschaften an. Die Frage nach der Konkurrenz von prätorischem und aedilizischem Rechtsschutz, spielt im vorliegenden Fall, in dem es allein um die actiones empti und auctoritatis geht, aber keine Rolle. Siehe zum Konkurrenzproblem erneut statt aller Baldus (SDHI 76 (2010), S. 269 Fn. 24 m.w. N.). 1219 Vgl. D.40.7.10 (Paul. 5. ad Sab.) und D.21.2.54.1 (Gai. 28. ad ed.). Nach Medicus (Id quod interest, S. 152) entspricht die Differenz zwischen der angegebenen und der wahren Lösungssumme weder dem positiven noch dem negativen Interesse, da der Käufer nicht mit Sicherheit davon ausgehen konnte, dass der Sklave die Lösungssumme je aufbringen werde. Daher lasse sich weder sagen, dass der Käufer den Sklaven um die Differenz zu teuer bezahlt habe, noch dass ihm die Differenz zu der wahren Lösungssumme entgangen sei. Der Sache nach handelte es sich folglich um eine Art Spekulationsgeschäft, bei dem der Käufer eher Verlust machte, wenn die Differenz zwischen wahrer und angegebener Lösungssumme wesentlich kleiner war als der Kaufpreis. Nimmt man z. B. den von Haymann (Haftung des Verkäufers, S. 7) gebildeten Fall, dass der Sklave einen Wert von tausend hatte und auch zu diesem Preis verkauft wurde, wobei die Lösungssumme mit hundert angegeben wurde, aber nur zehn betrug, dann machte der Käufer einen Verlust von neunhundertzehn, weil anzunehmen ist, dass ein Sklave im Wert von tausend die zehn leicht aufbringen konnte. Hatte der Sklave bei gleicher Differenz zwischen wahrer und angegebener Lösungssumme dagegen einen Wert von zwanzig und wurde er auch zu diesem Preis verkauft, so machte der Käufer einen Gewinn von siebzig. Der Fall, dass ein Sklave im Wert von zwanzig vom Verkäufer mit einer Lösungssumme von hundert angegeben wurde, ist daher – wie auch Stintzing (Krit. Vierteljahresschr. für Gesetzgebg. und Rechtswiss. 15 (1913), S. 541) feststellt – eher unwahrscheinlich. 1220 Siehe Waldstein (SZ 92 (1975), S. 44 Fn. 74). 1221 Aus der Abfolge und Verknüpfung der einzelnen Fallvarianten kann man insofern den juristischen „Gedankengang“ des Entscheiders nachzeichnen. Vgl. die Untersuchung von Bund (Methode Julians, insbes. das Kapitel über die Typen des fallanknüp-
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Nach einem ersten Blick auf den Aufbau der Quelle scheint sich nämlich Fallvariante 3. – auf die es hier wegen des „cui consequens est, ut“ ankommt – im logischen Diskurs folgerichtig aus Fall 1. und Fall 2. zu ergeben1222. Nimmt man wie hier hundert zum Maßstab, so ergibt sich folgendes Schema: Erst schuldete der Sklave gar nichts und haftete der Verkäufer deshalb voll – dann schuldete der Sklave hundert und haftete der Verkäufer gar nicht – und schließlich schuldete der Sklave nur fünfzig und haftete der Verkäufer auch nur zur Hälfte. Jedenfalls ergibt sich durch diese drei aneinander gereihten Varianten ein einprägsames, beinahe schematisches Bild von denkbaren Fallkonstellationen1223. Zu fragen ist nun aber, ob sich die Rechtsfolge „cui consequens est, ut . . . de reliquis quinquaginta actio ex empto competat“ tatsächlich folgerichtig aus den zuvor dargestellten Falllösungen ergibt. Bei genauer Prüfung zeigt sich, dass der dritte Fall eher einen Mischfall sui generis aus 1. und 2. als ein wirkliches Konsequenzargument aus den beiden Vorgängervarianten darstellt. Denn weder durch die Falllösung 1. actio auctoritatis oder 2. gar keine Haftung, noch durch das Zusammenspiel von 1. und 2. kommt man im Fall 3. zu dem Ergebnis, dass der Verkäufer mit der actio empti haftet. Fall 3. kann insofern nicht syllogistisch aus Fall 1. und 2. geschlussfolgert werden, weil die Prämissen der jeweiligen Varianten verschieden sind und keine Rückschlüsse aufeinander zulassen1224. Man könnte deshalb überlegen, ob sich der relativische Satzanschluss „cui consequens est“ hier nicht vielleicht nur auf den unmittelbar zuvor erläuterten Grundsatz „rationes reddere iussus intellegitur summam pecuniae quae ex reliquis colligitur iussus dare“ bezieht1225. Dann wäre dieser von Scaevola hier herangezogen worden, um damit ein konkretes Rechts-
fenden Denkens, S. 10 ff.). Knütel (GS-Meinze, S. 487) sieht das Erörtern eines Prinzips „bis zum Grenzfall“ am Beispiel der sechs Fallvarianten, die Ulpian in D.1.6.8 (Ulp. 26. ad Sab.) bildet, dagegen als Absage an die viel zitierte intuitive Rechtsfindung der römischen Juristen. 1222 Diesen Eindruck verstärkt auch der von Mommsen gesetzte Doppelpunkt, welcher Fall 3. einleitet. 1223 Masiello (Le Quaestiones, S. 186) spricht von einem „itinerario logico-argomentativo“, welcher gemäß einer leicht einprägsamen Abfolge von Fallvarianten vom Freien zum statuliber, über die Bedingung bis zu den Inhalten der Bedingung fortschreite (S. 188). 1224 Es handelt sich also nicht um einen zwingenden rechtlichen Schluss, sondern eher um eine Vergleichsvariante, welche die Entscheidung nicht trägt. Zu dem Ergebnis, dass „cui consequens“ keine „ganz logische Anknüpfung des Falles c) an den Fall b)“ ist, kommt auch Horak (Rationes decidendi, S. 175). 1225 Waldstein (SZ 92 (1975), S. 44) zählt rund achtzig Texte, in denen die Interpretation einer Norm oder eines Rechtsgeschäfts als „consequens“ bezeichnet wird. Bei insgesamt einhundertfünfzig Quellenstellen, in denen das Konsequenzargument bei den römischen Juristen vorkommt, ist dies eine beachtliche Größe.
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problem zu lösen. Allerdings besagt dieser Grundsatz – übertragen auf den konkreten Fall – nur, dass, wenn der statuliber Rechnung legen musste und sich dabei herausstellte, dass er Restschulden in Höhe von fünfzig hatte, die Zahlung dieser fünfzig von der Bedingung mitumfasst war. Dies wird in der Antwort Scaevolas durch den si-Satz ausgedrückt: „cui consequens est, ut, si minus quam centum in reliquis habuerit, veluti sola quinquaginta, ut, cum eam pecuniam dederit, ad libertatem pervenerit, de reliquis quinquaginta actio ex empto competat“. Über den prozessualen Teil der Entscheidung („ut . . . de reliquis quinquaginta actio ex empto competat“), nämlich zur Frage, mit welcher Klage der Käufer gegen den Verkäufer vorgehen konnte, sagt dieser Grundsatz aber gerade nichts aus1226. Es stellt sich also weiterhin die Frage, woraus Scaevola hier schlussfolgert, dass dem Käufer in Fallvariante 3. die actio empti zustand. Geht man den langen Diskurs in D.21.2.69 einmal genau durch, bekommt man den Eindruck, dass der Jurist auf die nur einen Paragraphen zuvor, nämlich in D.21.2.69.3 (Scaev. 2. quaest.) zitierte Meinung des Servius Bezug nimmt, dessen auctoritas er sich dort ausdrücklich anschließt („sed auctoritas Servii praevaluit“ 1227). Nach Meinung des Servius haftete der Verkäufer, welcher allein über die Höhe der Freikaufsumme gelogen hatte, nämlich ausdrücklich mit der actio empti, und nicht, wie „quidam existimaverunt“, mit der actio evictionis. Miglietta1228 unterteilt diese Quelle in drei Teile: Einen ersten Part, welcher das diskutierte Rechtsproblem enthält (von „quid ergo“ bis „mentitur?“), einen zweiten (von „verum est“ bis „contrahi“), in dem Scaevola ein Zugeständnis an die herrschende Meinung macht, sowie einen dritten (von „auctoritas“ bis „esse“), welcher die Meinung des Servius zumindest der Substanz nach wiedergibt. Nach Ansicht des Autors ist auch der sich anschließende Part (von „videli1226 Gerade darauf bezieht sich das Konsequenzargument aber sprachlich. Denn wenn man den si-Satz einmal beiseite lässt, lautet die Antwort: „cui consequens est, ut de reliquis quinquaginta actio ex empto competat“. 1227 Brägger (Actio auctoritatis, S. 114) nimmt an, dass die Meinung des Servius entgegen der Aussage des Scaevola nicht vorherrschend war. Calonge (Evicción, S. 87 Fn. 236) sieht den Text mit Haymann (Haftung des Verkäufers, S. 4) ab „videlicet“ als interpoliert an. Dagegen vermutet Partsch (SZ 33 (1912), S. 605), dass die Byzantiner lediglich das „ex empto“ eingesetzt und dem Servius beigelegt haben. Watson (Law of Obligations, S. 76) hingegen hält die Meinung des Servius mit Recht für echt, denn es ist kaum denkbar, dass die Kompilatoren einem republikanischen Juristen wie Servius ihre Ansicht in den Mund legten. Nach Nörr (SZ 121 (2004), S. 185) ist zwar unbekannt, ob Servius hier die actio de dolo erwogen hatte, jedoch zeugt der überraschende Zugriff auf die actio empti seiner Ansicht nach von der oft gepriesenen Originalität des Servius. Zur Zitierweise unter Berufung auf die auctoritas Servii vgl. Miglietta (Servius respondit, S. 413 Fn. 697). Die Originalentscheidung des Servius ist uns nicht überliefert. Von Lenel (Palingenesie II, Sp. 326 f.) wird die Quelle im Werk des Servius den „loci incerti“ zugeordnet. 1228 Miglietta (Servius respondit, S. 413 f.).
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cet“ bis „dando“) noch wesentlicher Bestandteil der Meinung des Servius, zumal hier – trotz offensichtlicher Erweiterungen durch Scaevola – die ratio der servianischen Entscheidung referiert wird1229. Die Entscheidung von Scaevola fußt demnach auf zwei Prämissen, welche hier nur verdeckt zum Ausdruck kommen: Darauf, dass die Bedingung „rationes reddere“ ihrer Art nach ein „reliqua reddere“ beinhalten konnte, wenn der Sklave tatsächlich Restschulden hatte. Und zudem darauf, dass, wenn diese nicht der vom Verkäufer angegebenen Höhe entsprachen, derselbe mit der actio empti auf die Differenz haftete. Die eigentliche „Konsequenz“ der Entscheidung ergibt sich demnach aus dem Zusammenspiel des eingangs von Scaevola zitierten rechtlichen Grundsatzes und der Meinung des Servius1230. Das Konsequenzargument unterstreicht hier die Richtigkeit der Entscheidung als Schlussfolgerung aus einem didaktisch-logischen Diskurs, der sich von Fall zu Fall aufbaut und spezialisiert, aber stets ein okkasioneller Problemzusammenhang bleibt.
IV. Zusammenfassung der Exegesen Die hier untersuchten Stellen sind von unterschiedlichster Natur. Sie betreffen nicht nur die verschiedensten Rechtsgebiete – in D.36.1.80.4 (Scaev. 21. dig.) geht es schwerpunktmäßig um Erbrecht, in D.50.1.24 (Scaev. 2. dig.) um Verwaltungsrecht und in D.21.2.69.4 (Scaev. 2. quaest.) um Kaufrecht –, sondern entstammen auch unterschiedlichen Werken (während D.21.2.69.4 zu den Quaestiones gehört, handelt es sich bei den anderen beiden Stellen um Quellen aus den Digesta des Scaevola). Allen Stellen ist jedoch gemeinsam, dass das Konsequenzargument auf einem enthymematischen Schluss beruht, dem hier durch die 1229 Miglietta (Servius respondit, S. 414). Nörr (SZ 121 (2004), S. 185) nennt es eine „von Scaevola rekonstruierte(n) Begründung. Generell dazu, dass eine zitierte Mindermeinung im Gegensatz zur Mehrheitsmeinung in der Regel ausführlich begründet wurde, wenn der Jurist sich dieser anschloss, siehe Giaro (Studi Labruna IV, S. 1152). Nach Behrends (Wissenschaftslehre, S. 279) beruht das Prinzip der Distinktion des Servius darauf, dass die condicio quae est in dando sowohl Element des Rechtsmangels der Statulibertät als auch Rechtsform einer Wertzuweisung war. Diese Distinktion betreffe die noch heute gültige Grenze zwischen Rechts- und Sachmangelhaftung (S. 279 Fn. 59). Es handele sich insofern um eine „Scheidung des Geltungsbereichs von rechtlichen Institutionen“ und nicht – wie Horak (Rationes decidendi, S. 175) annimmt – um eine Schadens- und Verschuldensdifferenzierung. Zu dem von Behrends vertretenen Modell, wonach Servius als Begründer der klassischen Jurisprudenz gilt, siehe bereits Fn. 160. 1230 Es handelt sich also um einen verdeckten enthymematischen Schluss. Die lange Quellenstelle D.21.2.69 pr.-6 ist insofern in ihrer Gesamtheit zu betrachten. Masiello (Le Quaestiones, S. 182) stellt fest, dass Scaevola nicht eine, sondern so viele verschiedene Lösungen wie Fälle bildet. Die Diskussion der quaestio entfalte sich gemäß diairetischer Schemata; siehe Masiello (S. 187).
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Exegesen im Einzelnen näherzukommen versucht wurde1231. In D.36.1.80.4 beruht er auf der konkreten voluntas eines Erblassers, in den beiden anderen Fällen dagegen u. a. auf der Entscheidung eines Juristenkollegen (D.21.2.69.4) bzw. auf einer Kaiserentscheidung (D.50.1.24). Eine systembildene Funktion des argumentum per consequentiam steht in keiner der untersuchten Quellen erkennbar im Vordergrund. Am ehesten deutet sie sich bei den beiden Entscheidungen (D.21.2.69.4 und D.50.1.24) an, die auf älteres Recht zurückgreifen und die neue Entscheidung in der Traditionskette mit diesem in einen inneren Zusammenhang stellen. Im Ergebnis ist festzuhalten, dass das Wort consequens bei Scaevola je nach Kontext eine andere Bedeutung haben kann, und dass es „das“ Konsequenzargument als solches jedenfalls bei ihm nicht gibt1232.
1231 Insofern muss jedes consequens einzeln untersucht werden. Vgl. Thomas (Annali Macerata (1971), S. 324) im Falle von Julian: „Giuliano era pronto a servirsi di una connessione logica soltanto apparente, per giustificare una decisione alla quale egli voleva pervenire in base ad altre ragioni: e perciò ogni ragionamento in cui rientri il consequens va esaminato di volta in volta“. 1232 Zu diesem Ergebnis kommt auch Waldstein (SZ 92 (1975), S. 26 ff.) in seiner Untersuchung zur Verwendung des Wortes consequens. Horak (FS-Kaser, S. 44) fasst die Bedeutung folgendermaßen zusammen: „in einem meist untechnischen Sinne, der gewiß irgendwas mit Logik zu tun hat, aber doch zu weit und zu allgemein ist, um als einheitliches Argument gelten zu können“.
§ 8 Systembildung durch Absurditätsschlüsse Im Folgenden soll das Wort „alioquin“ im Werk von Scaevola auf einen möglichen Systemcharakter untersucht werden.
I. Das argumentum ad absurdum Eine dem im vorherigen Paragraphen behandelten argumentum per consequentiam nahestehende1233 Argumentationsfigur ist die bei den römischen Juristen beliebte1234 – lange Zeit der Interpolation verdächtigte1235 – reductio ad absurdum1236, die Rückführung einer Juristenmeinung auf eine absurde Konsequenz. Mit dem Absurditätsargument kann eine Behauptung zu absurden Konsequenzen geführt und so (direkt) widerlegt oder ihre Richtigkeit (implizit) aus der Annahme der Absurdität des Gegenteils bekräftigt werden1237. Schon im römischen Recht gab es verschiedene Formen und Gradstufen juristischer Absurditätsargumente1238. So differenziert Giaro1239 zu Recht zwischen 1233 Vgl. Wacke (Mélanges Sturm I, S. 550). Die negative reductio ad absurdum als Schlussfolgerung in einem erdachten Vergleichsfall steht zudem einem Ähnlichkeitsurteil nahe; vgl. Wacke (S. 563); Wieacker (Labeo 17 (1971), S. 61). Siehe aus den Quellen z. B. den bei Horak (Rationes decidendi, S. 270 f.) behandelten Fall D.28.8.7.2 (Ulp. 60. ad ed.) sowie die Beispiele für Analogieschlüsse bei Wacke (FS-Nève, S. 594 ff.). 1234 Vgl. Bretone (Tecniche e ideologie, S. 198). Der erste römische Jurist, von dem wir wissen, dass er das Absurditätsargument gebrauchte, war Labeo; vgl. Capone (SDHI 63 (1997), S. 229). Nach Giaro (OIR 11 (2006), S. 33) bildet das teleologische Denken der Römer überhaupt einen guten Nährboden für Folgenargumente. Der Autor (S. 35) will das vermehrte Auftreten der reductio ad absurdum seit der hohen Prinzipatszeit darauf zurückführen, dass diese unter den römischen Juristen offenbar als „elegante Begründung“ angesehen wurde. Zur Eleganz des Ausdrucks bei Scaevola siehe § 3 V. 3. 1235 Siehe nur den Abschnitt „absurdus, absurde“ bei v. Beseler (Kritik III, S. 25 ff.) sowie v. Beseler (Kritik IV, S. 16 ff. und TR 10 (1930), S. 202–207). 1236 Teilweise auch als deductio ad absurdum bezeichnet. 1237 Vgl. Diederichsen (FS-Larenz, S. 158). In dieser zweiten Form der Negation des Gegenteils steht die reductio ad absurdum logisch dem argumentum e contrario nahe; vgl. Wacke (Mélanges Sturm I, S. 551 Fn. 10). 1238 Siehe Giaro (in Harke, Africani quaestiones, S. 2). Wie der Autor (in Harke, Argumenta Papiniani, S. 57) feststellt, ist die Häufigkeit des Rückgriffs auf die Argumentationsfigur der reductio ad absurdum eher eine Frage des juristischen Temperaments und Stils als der rechtlichen Substanz. Im Gegensatz zu den als Polemikern bekannten Juristen Javolen, Celsus und Paulus sei Scaevola „relativ zurückhaltend und
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einer nur unerwünschten und einer absurden Folge und stellt fest, dass die reductio ad absurdum im römischen Recht bereits weit über eine schlichte Deduktionskorrektur hinausging und insbesondere dazu dienen konnte, induktive Schlüsse, Umkehrschlüsse sowie Größenschlüsse ad absurdum zu führen1240. Als juristische Argumentationsfigur zielt die reductio ad absurdum auf die Beseitigung von Norm- und Wertungswidersprüchen und dient somit der Förderung der Einheit der Rechtsordnung1241. Indem auf der einen Seite einzelne Rechtssätze mit ihr begrenzt werden können, dient sie zugleich deren (systematischer) Standortbestimmung im Kontext der Rechtsordnung1242. Auf der anderen Seite kommt der reductio ad absurdum rechtsfortbildende Funktion und damit entscheidende Bedeutung bei der Fortbildung eines inneren Systems im römischen Recht zu1243. Neben der Frage, ob Scaevola das Absurditätsargument im juristischen Diskurs systembildend einsetzt, stellt sich insbesondere die Frage, auf welche Wertungen er seine Argumentation gründet. wenig bekümmert um Auseinandersetzungen sowohl mit den einzelnen Fachkollegen als auch mit der herrschenden Meinung“. 1239 Giaro (OIR 11 (2006), S. 36). 1240 Horak (Rationes decidendi, S. 267) betont zu Recht, dass sich eine absurde Konsequenz – außer im Fall der Unmöglichkeit – nicht immer unstreitbar feststellen lässt. Der Autor zählt das argumentum ad absurdum daher zu den bloßen „Wahrscheinlichkeitsargumenten“. Zustimmend Wacke (Mélanges Sturm I, S. 553), welcher bekräftigt, dass die römischen Juristen die absurde Konsequenz nicht mit Gewissheit, sondern nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit prognostizierten. Vielleicht sollte man mit Daube (Roman Law, S. 177) einerseits zwischen der philosophischen Definition der reductio ad absurdum als „the establishing of a syllogism by showing the contradiction of its conclusion to be inconsistent with its permise“ und dem „normative reasoning, the making of decisions“ auf der anderen Seite unterscheiden. Die streng syllogistischen und mathematischen Schlüsse seien nämlich, so der Autor (S. 177 f.), reductiones „not ad absurdum, but ad impossibile“. Diederichsen (FS-Larenz, S. 175 ff.) wiederum fasst das Konglomerat der zahlreichen „metajuristischen Interessenabwägungen“ unter dem von ihm so benannten „Untragbarkeitskriterium“ zusammen. 1241 Nach Daube (Roman Law, S. 189) hatte die reductio ad absurdum für die römischen Juristen nur einen „second-best character“: „the argument is apt actually to figure as a second one, added to another principal one, to tip the balance where the first one alone may not be quite sufficient“. Dagegen Capone (SDHI 63 (1997), S. 229). 1242 Vgl. Daube (Roman Law, S. 189): „. . . the jurists, concerned with the building up of a system, a coherent or coherent-appearing body of rules, inclined to think of the consequences threatening from a rigorous extension of the inferior decision . . .“. Siehe zudem Wacke (FS-Nève, S. 593) zur verneinten Absurdität: „Mit der häufigen Verneinung einer Absurdität drücken die Juristen aus, daß eine Folge nicht abwegig, dumm, ungereimt, unvernünftig u. dgl. ist, daß sie sich also ins System fügt“. 1243 Nach Giaro (OIR 11 (2006), S. 33) kommt der reductio ad absurdum nämlich sowohl eine konservative als auch eine innovative Funktion zu: „Einerseits hilft sie entdogmatisierend dem juristischen Denken aus seinem dogmatischen Schlummer heraus, andererseits wirkt sie dogmatisierend überspannten Konstruktionen entgegen“. Vgl. auch Capone (SDHI 63 (1997), S. 255), nach welcher das argumentum ad absurdum „un valido strumento per imporre soluzioni innovative“ ist, mit dem man eine „cristallizzazione di alcune opinioni, regole ovvero principi“ überwinden könne.
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II. Zum Sprachgebrauch von „alioquin“ bei Scaevola In den römischen Quellen wird der Absurditätsschluss häufig durch die adversative Konjunktion alioquin1244 (oft mit Fut.1245) in der Bedeutung „andernfalls/ sonst“ eingeleitet 1246. Im Werk von Scaevola kommt das Wort alioquin in folgenden drei Quellen vor: – D.44.7.61 pr. (Scaev. 28. dig.), – D.31.88.11 (Scaev. 3. resp.) und – D.40.9.6 (Scaev. 16. quaest.). 1244 Nach v. Beseler (Kritik IV, S. 16) war die mit alioquin einsetzende reductio ad absurdum „offenbar ganz töricht“. Entgegen derartigen Pauschalverdächtigungen stellt Bretone (Labeo 9 (1963), S. 337 Fn. 22) fest, dass die römischen Juristen den Absurditätsschluss „normalmente“ mit alioquin einleiteten. Konkret an der im Folgenden zu untersuchenden Stelle D.40.9.6 (Scaev. 16. quaest.) hält z. B. Guarneri Citati (Mélanges Cornil I, S. 506) die Konklusion mit alioquin für „impeccable, et non indigne de Scaevola“. 1245 Auch in der hier einschlägigen Stelle D.40.9.6 (Scaev. 16. quaest.) steht alioquin mit Futur („manumittet“). Vgl. zudem aus den gesamten alioquin-Stellen in den Digesten des C.I.C. beispielhaft D.4.4.12 (Gai. 4. ad ed. prov.): „alioquin . . . non utetur“; D.12.2.3 pr. (Ulp. 22. ad ed.): „alioquin . . . se liberabit“; D.14.1.1.5 (Ulp. 28. ad ed.): „alioquin contrahentes decipientur“; D.17.1.27.2 (Gai. 9. ad ed. prov.): „alioquin . . . damnabitur“; D.21.1.1.9 (Ulp. 1. ad ed. aedilium curulium): „alioquin . . . futurum, ut . . .“; D.24.1.13.2 (Ulp. 32. ad Sab.): „alioquin facturus non erat“. Dass der hypothetische Fall oft nicht im Konjunktiv steht, liegt daran, dass das Lateinische – anders als das Deutsche – bei Ausdrücken des „Könnens, Müssens, Sollens“ und des „wertenden Urteils“ stellungnehmend den Indikativ gebraucht; vgl. Throm (Lat. Grammatik, S. 214 f.); Rubenbauer/Hofmann (Lat. Grammatik, S. 245). 1246 Daneben gibt es in den römischen Quellen, wie bereits erwähnt, auch die verneinte Absurdität – siehe dazu erneut Wacke (FS-Nève, S. 593 ff.) – sowie andere typische Worte: z. B. (per)absurdus/absurde, die mit ridiculus gesteigerte Absurdität oder auch die Wendung aliter interpretantibus/observantibus bzw. nam si aliter acciperetur etc. Von all diesen Worten kommt jedoch keines im Werk des Scaevola vor. Die drei Stellen, in denen das Wort falsus bei Scaevola vorkommt, sind jedenfalls kein Ausdruck von Ablehnung in einem Argumentationszusammenhang, sondern beziehen sich durchweg auf den konkreten Sachverhalt – genauer gesagt in allen drei Fällen auf ein „falsches Testament“: siehe D.22.1.48 (Scaev. 22. dig.): „eam uxorem heredes falsi testamenti . . . accusaverunt“, D.44.4.17.2 (Scaev. 27. dig.): „defuncto venditore hereditatis falsum testamentum Septicius accusare coepit“ und D.48.10.24 (Scaev. 22. dig.): „. . . se posse probare falsum testamentum Betiti Callinici“. Vgl. in ähnlicher Weise die drei Stellen D.3.3.70 (Scaev. 1. resp.), D.34.1.16.1 (Scaev. 28. dig.) und D.45.1.122.3 (Scaev. 28. dig.), in denen bei Scaevola das Wort aliter vorkommt. Auch hier handelt es sich nicht um juristische Argumentation, ein argumentum ad absurdum liegt mithin nicht vor. Siehe zu weiteren sprachlichen Formulierungen für Absurditätsschlüsse, welche im Werk anderer Juristen vorkommen, die bei Horak (Rationes decidendi, S. 273 ff.) und Wacke (Mélanges Sturm I, S. 53 ff.) zitierten Stellen. Es gibt zwar einige typischerweise verwendete Worte, diese kommen in den Quellen jedoch auch in untechnischer Verwendung vor. Wie Wacke (S. 553) bemerkt, verzeichnet die Bibliotheca Iuris Antiqui an insgesamt über vierhundertneunzig Stellen das Wort aliter und an über zweihundertachtzig Stellen das Wort alioquin.
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Während es sich bei den in D.44.7.61 pr. (Scaev. 28. dig.)1247 und D.31.88.11 (Scaev. 3. resp.)1248 geschilderten Sachverhalten um bloße Gegensatzbildung in einem konkreten Fall handelt, wird alioquin in der Quelle D.40.9.6 (Scaev. 16. quaest.) als „echte“ Argumentationsfigur eingesetzt. Diese Stelle soll daher im Folgenden näher untersucht werden.
III. Die Quelle D.40.9.6 (Scaev. 16. quaest.) „Iulianus de eo loquitur, qui in substantia nihil aliud habeat: nam si habeat, quare non dicetur unum posse manumitti? quia et uno mortuo solvendo est, et uno manumisso solvendo est, nec adventicii casus computandi sint1249: alioquin et qui unum incertum ex servis suis promisit, neminem manumittet“. „Julian spricht von demjenigen, der sonst nichts im Vermögen hat: Denn falls er (mehr) haben sollte, warum wird man dann nicht sagen, dass einer (sc. ein Sklave) freigelassen werden könne? Weil er (der Schuldner) auch nach dem Tod eines (Sklaven) noch zahlungsfähig ist, ist er auch nach der Freilassung von einem (solchen) noch zahlungsfähig, und es dürften keine zufälligen Ereignisse einzukalkulieren sein1250: andernfalls wird auch, wer einen einzigen unbestimmten von seinen Sklaven versprochen hat, keinen freilassen (können)“.
1247 D.44.7.61 pr. (Scaev. 28. dig.): „Procurator Seii admisit subscriptionem ad argentarium vascularium in verba infra scripta: Loýkioò KalÜndioò pÝgnwn, kaqò progÝgraptai· stÍn loipJ par\ m¦n, feilümena tÃw ~ de¦ni, tüsa: quaero, an Gaium Seium obligare potuit. respondit Seium, si alioquin obligatus non esset, non propter quod ea scriptura quae proponeretur interposita sit, obligatum esse“. Hier wird alioquin nicht zur juristischen Argumentation, sondern untechnisch in der verallgemeinernden Bedeutung „sonst noch/außerdem noch“ (vgl. dazu Georges [Handwörterbuch I, Sp. 311]) als Konsequenz in der Sachverhaltsalternative „si alioquin obligatus non esset“ gebraucht. Scaevola gibt also zur Antwort, dass Seius, falls er nicht „sonst noch“ (anderweitig) verpflichtet sei, aufgrund des vorgelegten Schriftstückes nicht verpflichtet werden könne. Die Konjunktion dient insofern zur Abgrenzung der Entscheidungsalternativen, die sich nach den Tatsachen des konkreten Falles richteten und über die Scaevola offensichtlich keine bzw. keine hinreichenden Informationen vorlagen. Ein juristisch verwertbares argumentum ad absurdum liegt hier nicht vor. So im Übrigen auch Capone (SDHI 63 (1997), S. 226 Fn. 112). 1248 Zwar bezeichnet das adversative alioquin in D.31.88.11 (Scaev. 3. resp.) eine Konsequenz, diese ist jedoch nicht als juristische Argumentationsfigur, sondern allein in Bezug auf die zu beweisenden Tatsachen des konkreten Falles gebraucht. Scaevola, der seine Entscheidung – wie so oft – allein unter Bezugnahme auf den vorgelegten Sachverhalt erteilt („secundum ea quae proponerentur“), stellt den Anfragenden hier vor die Wahl („si hi qui petent manifeste docerent . . .“), entweder (vor dem iudex) zu beweisen, dass der Erblasser in seinem Testament auch die Sklaven Dama und Pamphilus bedenken wollte, oder – sollte ihm das nicht gelingen (man könnte alioquin insofern auch durch si non ersetzen) – diese leer auszugehen zu lassen („alioquin nihil ipsis praestetur“). Ein argumentum ad absurdum i. e. S. liegt auch an dieser Stelle nicht vor. 1249 sunt edd. 1250 Vgl. dagegen die Übersetzung von Otto/Schilling/Sintenis (Corpus Iuris Civilis IV, S. 213), welche das doppelte „solvendo est“ nur einmal wiedergeben: „Da er ja, so-
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1. Einordnung und Aufbau der Quelle Die Quelle stammt aus dem sechzehnten Buch der Quaestiones des Scaevola. In den Digesten des Kaisers Justinian findet sie sich unter dem Titel „Qui et quibus manumissi liberi non fiunt et ad legem Aeliam Sentiam“, „Welche (Freigelassene) und von welchen (Eigentümern/Herren) Freigelassene nicht frei werden und zur lex Aelia Sentia“. Auch Lenel ordnet sie dem Titel „Ad legem Aeliam Sentiam“ zu1251. Auffallend ist die Nähe der drei Quaestiones-Bücher XIV, XVI (der liber XVII fehlt) und XVIII, welche direkt oder indirekt von der lex Aelia Sentia handeln. Interessant ist zudem, dass die letzten quaestionum libri (XV bis XIX) durchgehend von der Auslegung von Gesetzen („ad legem Falcidiam“, „ad legem Corneliam de captivis“, „ad legem Aeliam Sentiam“, „ad legem Furiam de sponsu“, „ad legem Iuliam de adulteriis“ 1252) handeln1253. Man könnte folglich vermuten, dass Scaevola hier mit seinen Schülern verschiedene Gesetze aus dem Bereich des Erb- und Personenrechts durchnahm und auslegte. Auch die vorliegende Quelle hat einen stark didaktischen Charakter. Dieser zeigt sich u. a. darin, dass Scaevola, wie in seinem Werk nicht selten, schulmäßig eine Aussage seines Vorgängers Julian kommentiert. Auch die rhetorische Frage „quare non dicetur . . .?“ oder das explikative nam und das begründende quia sind Indizien für die typisch didaktische Struktur der Quaestiones des Scaevola1254. Dass der Fall inhaltlich eine Kombination von Personenrecht (Freilassung nach der lex Aelia Sentia) und Obligationenrecht (Abgrenzung obligatio alternativa/ generis) darstellt, bekräftigt zudem die These, dass es sich bei Scaevolas Quae-
wohl wenn ein einziger gestorben, als auch wenn ein einziger freigelassen worden ist, zahlungsfähig ist, auch zufällige Ereignisse nicht zu berechnen sind“. In der Tat könnte man den quia-Satz sprachlich bis zum zweiten „solvendo est“ reichen lassen und so alternativ übersetzen: „Weil er [sc. der Schuldner] sowohl wenn einer gestorben, als auch wenn einer freigelassen wurde, zahlungsfähig ist, dürften auch keine zufälligen Ereignisse einzukalkulieren sein“. Der Schwerpunkt der Übersetzung läge dann auf der Kumulation von Tod und Freilassung. Für eine bloße Aufzählung scheint das doppelte „solvendo est“ hier jedoch zu gewichtig. Zudem ging es in der vorausgehenden rhetorischen Frage („quare non dicetur unum posse manumitti?“) gerade um die Freilassung, welche nun im Hauptsatz „quia et uno mortuo solvendo est, et uno manumisso solvendo est . . .“ wieder aufgegriffen wird. Vielleicht wollte Scaevola hier betonen, dass die Freilassung wie auch der Tod eines Sklaven jeweils nicht zur Zahlungsunfähigkeit führten und insofern juristisch gleich zu behandeln waren; vgl. Fn. 1265. 1251 Siehe Lenel (Palingenesie II, Sp. 282). 1252 Vgl. die Rekonstruktionsversuche von Lenel (Palingenesie II, Sp. 281 ff.). 1253 Der Frage, welche Rückschlüsse sich daraus für ein äußeres System der Quaestiones des Scaevola ziehen lassen, kann in der auf inneres System begrenzten Untersuchung nicht nachgegangen werden. Zur Nachweisbarkeit äußeren Systems in den Werken römischer Juristen siehe inbes. Scherillo (Studi Arangio-Ruiz IV, S. 445 ff.). 1254 Siehe dazu ausführlich § 3 IV. 2. b).
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stiones nicht um Anfänger-, sondern eher um Fortgeschrittenenunterricht handelt1255. 2. Kommentierung von D.40.9.5.2 (Iul. 64. dig.) Inhaltlich geht es in der Stelle um einen Fall der Freilassung inter vivos zur Benachteiligung der Gläubiger, welche nach der lex Aelia Sentia1256 nichtig war (sog. „fraudatorische Freilassung“). Nach der Rekonstruktion von Lenel1257 handelt es sich um die Kommentierung der Stelle D.40.9.5.1 (Iul. 64. dig.): D.40.9.5.2 (Iul. 64. dig.) „Si Titius nihil amplius in bonis quam Stichum et Pamphilum habeat eosque stipulanti Maevio ita promiserit1258: ,Stichum aut Pamphilum dare spondes?‘, deinde, cum alium creditorem non haberet, Stichum manumiserit: libertas per legem Aeliam Sentiam rescinditur. quamvis enim fuit in potestate Titii, ut Pamphilum daret, tamen quamdiu eum non dederit, quia interim mori possit, non sine fraude stipulatoris Stichum manumisit. quod si solum Pamphilum dari promisisset, non dubitarem, quin Stichus ad libertatem perveniret, quamvis similiter Pamphilus mori possit: multum enim interest, contineatur ipsa stipulatione is qui manumittitur, an extra obligationem sit. (. . .)“. „Falls Titius nichts weiter als (die Sklaven) Stichus und Pamphilus im Vermögen hat und dieselben dem Maevius so stipulationsweise versprochen hat: ,Gelobst du Stichus oder Pamphilus zu geben?‘ und falls er dann, da er keinen weiteren Gläubiger hatte, den Stichus freigelassen hat, wird die Freiheit durch die lex Aelia Sentia aufgehoben. Denn obwohl es in der Möglichkeit des Titius stand, den Pamphilus zu geben, hat er dennoch, solange er ihn [sc. den Pamphilus] nicht gegeben hat, den Stichus nicht ohne Benachteiligung des Stipulierenden freigelassen, weil er [sc. Pamphilus] inzwischen sterben könnte. Wenn er aber versprochen hätte, dass einzig Pamphilus gegeben werde, würde ich nicht zweifeln, dass Stichus zur Freiheit gelangte, obwohl Pamphilus in gleicher Weise sterben könnte; es macht nämlich einen großen Unterschied, ob derjenige, welcher freigelassen wird, in der Stipulation selbst enthalten ist, oder ob er außerhalb der Verbindlichkeit ist. (. . .)“. 1255 Vgl. nur die Fälle D.21.2.69.4 (Scaev. 2. quaest.) in § 7 III. 3. oder D.5.2.20 (Scaev. 2. quaest.) in § 4 III. 2. sowie D.28.2.29.5–6 (Scaev. 6. quaest.) in § 9 III. 2. 1256 Die aus dem Jahre 4 n. Chr. stammende lex beschränkte nach überwiegend vertretener Ansicht sowohl Freilassungen mortis causa als auch solche inter vivos; vgl. Marrone (Istituzioni, S. 204); Schulz (SZ 48 (1928), S. 209). Metro (Labeo 7 (1961), S. 156) und X. D’Ors (SDHI 40 (1974), S. 428 ff.) sind dagegen der Ansicht, dass sich das Verbot der lex Aelia Sentia nur auf Freilassungen mortis causa bezog. Auch wenn uns der Wortlaut der lex nicht überliefert ist, sind wir über ihren Inhalt aus zahlreichen Juristenschriften unterrichtet; vgl. Gai. 1.37: „. . . qui in fraudem creditorum vel in fraudem patroni manumittit, nihil agit, quia lex Aelia Sentia inpedit libertatem“. Ebenso Gai. 1.47; D.40.9.16.2 (Paul. 3. ad legem Aeliam Sentiam). 1257 Siehe Lenel (Palingenesie II, Sp. 282). 1258 eosque promiserit stipulanti Maevio ita Mo. Die von Mommsen vorgeschlagene Umstellung der Satzglieder dient der Korrektur dieses ungewöhnlichen Satzes, nach welchem der Versprechende (Titius) die Frage stellte. Gemeint war sicher, dass er mit seinem Versprechen auf die Frage des Stipulierenden (Maevius) antwortete.
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In den Digesten des Kaisers Justinian findet sich diese Quelle vor der oben zitierten Scaevola-Stelle ebenfalls unter dem Titel „Qui et quibus manumissi liberi non fiunt et ad legem Aeliam Sentiam“, „Welche und von wem Freigelassene nicht frei werden und zur lex Aelia Sentia“. Lenel ordnet sie wie D.40.9.6 (Scaev. 16. quaest.) dem Ediktstitel „Ad legem Aeliam Sentiam“ zu1259. Julian entscheidet hier den Fall eines Herrn (Titius), der nichts außer seinen beiden Sklaven Stichus und Pamphilus im Vermögen hatte („nihil amplius in bonis quam Stichum et Pamphilum“) und dem Gläubiger (Maevius) stipulationsweise einen der beiden („Stichum aut Pamphilum“) versprach. Es geht mithin um die Stipulation einer Wahlschuld, der sog. obligatio alternativa. 3. Die obligatio alternativa1260 Bei der obligatio alternativa waren zwei (oder mehr) Leistungen geschuldet, von denen der Gläubiger jedoch nur eine erhalten sollte1261. Es waren mithin zwei (oder mehr) Stücke Gegenstand der Obligation („duae in obligatione“)1262, aber nur ein Stück Gegenstand der Erfüllung („una in solutione“)1263. Wenn die Parteien nichts anderes vereinbart hatten, kam grundsätzlich dem Schuldner das Wahlrecht (electio) zu1264. Falls eine der beiden Obligationen un1259 Siehe Lenel (Palingenesie I, Sp. 471). Da es im Kontext unserer Stelle nach der palingenetischen Zuordnung von Lenel in den Digesta des Julian mehrere Bücher dieses Titels gibt, nummerierte der Autor diese folgendermaßen: liber LXIII (Ad legem Aeliam Sentiam 1.), liber LXIV (Ad legem Aeliam Sentiam 2.) und liber LXV (Ad legem Aeliam Sentiam 3.). 1260 Der Name ist nicht klassisch, sondern wurde aus der gelegentlichen Verwendung des Adjektivs alternativus bzw. des Substantivs alternatio in den Quellen konstruiert; vgl. Marrone (Istituzioni, S. 419 Fn. 46); Grosso (Obbligazioni, S. 165). 1261 Vgl. D.18.1.34.6 (Paul. 33. ad ed.); D.45.1.138.1 (Venul. 4. stipul.). Die alternativ geschuldeten Leistungsgegenstände mussten jedoch nicht denselben ökonomischen Wert haben; vgl. z. B. den in D.9.2.55 (Paul. 22. quaest.) geschilderten Sachverhalt. Nach Ziliotto (Obbligazioni alternative, S. 38) waren die Leistungsgegenstände für den Gläubiger „equivalenti, e per lui è per definizione indifferente ricevere l’una o l’altra [prestazione]“. 1262 Darin unterscheidet sich die obligatio alternativa von der Ersetzungsbefugnis (facultas alternativa), bei welcher der Schuldner nur zu einer Leistung verpflichtet war und sich durch eine andere als die geschuldete Leistung befreien konnte; vgl. Pescatore (Alternative Obligation, S. 6). Siehe zur Abgrenzung auch Grosso (Obbligazioni, S. 229 ff.). 1263 Siehe Kaser/Knütel (Röm. PrivatR, S. 198). Die obligatio alternativa wurde mithin als nur eine Obligation aufgefasst; vgl. Grosso (Obbligazioni, S. 171). 1264 Talamanca (Istituzioni, S. 520); Marrone (Istituzioni, S. 419). Dass das Wahlrecht zu den Dingen gehörte „quae tacite insunt stipulationibus“, stellt Scaevola nach dem Zitat des Ulpian in D.13.4.2.3 (Ulp. 27. ad ed.) ausdrücklich klar. Siehe zu dieser Quelle § 8 III. 6. Sollte das Wahlrecht dem Gläubiger zustehen, mussten die Parteien dies ausdrücklich vereinbaren; vgl. Grosso (Obbligazioni, S. 169). Bei Schuldnerwahl
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möglich wurde (z. B. durch Tod oder Freilassung1265 eines von zwei Sklaven) unterschied man hinsichtlich der Rechtsfolgen je nachdem, ob dem Schuldner oder dem Gläubiger das Wahlrecht zustand. Hatte – wie in unserem Fall, wo nichts anderes bestimmt war, – der Schuldner das Wahlrecht, konzentrierte sich die Verbindlichkeit sowohl im Fall der vom Schuldner zu vertretenden als auch im Fall der von ihm nicht zu vertretenden Unmöglichkeit auf die noch mögliche Leistung. Zu dieser allein blieb der Schuldner verpflichtet1266. Für einen nicht wahlberechtigten Gläubiger hatte die obligatio alternativa also den Vorteil, dass ihr für den Fall, dass dem Schuldner eine der beiden alternativ geschuldeten Leistungen unmöglich wurde, eine Art „Garantiefunktion“ zukam1267. Die Wahlschuld verwandelte sich dann in eine Speziesschuld, bei welcher jedoch der Gläubiger die Gefahr des Untergangs des letzten Stückes trug1268. 4. Die Entscheidung des Julian Wie bereits für die Kommentierung des Scaevola festgestellt, enthält auch der von Julian behandelte Fall eine Kombination von Problemen der Wahlschuld mit denen der fraudatorischen Freilassung1269. Julian entschied, dass die Freilassung des Sklaven Stichus, wenn dessen Herr Titius außer Maevius keinen weiteren
stand dem Gläubiger die actio incerti, bei Gläubigerwahl die actio certi gegen den Schuldner zu; vgl. Kaser (Röm. PrivatR. I, S. 494). 1265 Dass diese dem Tod gleichstand, betont X. D’Ors (SDHI 40 (1974), S. 428): „la manumisión de un esclavo supone efectivamente una destrucción jurídica del mismo, en cuanto deja de ser tal y, en consecuencia, ya no es una res in commercio“. 1266 Vgl. Dalla/Lambertini (Istituzioni, S. 311); Marrone (Istituzioni, S. 420); Grosso (Obbligazioni, S. 219). Zum Streit, ob der wahlberechtigte Schuldner stattdessen auch den Wert der untergegangen Leistung (aestimatio) zahlen und dadurch frei werden konnte, siehe die Darstellung bei Scialoja (BIDR 11 (1898), S. 61 ff.). Ausgangspunkt dieses Streits waren die beiden für interpoliert gehaltenen Quellen D.30.47.3 (Ulp. 22. ad Sab.) und D.46.3.95.1 (Pap. 28. quaest.), welche eine aestimatio bejahen. Auch Scialoja (BIDR 11 (1898), S. 67 ff.) geht von einer Bearbeitung der Texte durch die Kompilatoren aus. Kaser (Röm. PrivatR. I, S. 495 Fn. 10) hingegen hält eine klassische Kontroverse für nicht ausgeschlossen. 1267 Ziliotto (Obbligazioni alternative, S. 39) spricht insofern von einer „garanzia contro l’eventuale impossibilità liberatoria di una delle prestazioni dovute, riducendo così per lui il rischio di restare insoddifatto“. Zu den jeweiligen Interessen von Schuldner und Gläubiger bei der Wahlschuld siehe Impallomeni (SDHI 25 (1959), S. 59). 1268 Vgl. D.18.1.34.6 (Paul. 33. ad ed.): „et ideo prioris periculum ad venditorem, posterioris ad emptorem respicit“. 1269 Vgl. Harke (Argumenta Iuventiana – Argumenta Salviana, S. 100 f.), welcher die Entscheidung des Julian zu den fallvergleichenden Induktionsschlüssen in Anwendung einer gesetzlichen Bestimmung zählt. Zu Harke siehe auch die Rezension von Empell (SCDR 25 (2012), S. 448 ff.).
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Gläubiger hatte, gemäß der lex Aelia Sentia unwirksam war, weil Titius „non sine fraude stipulatoris Stichum manumisit“ 1270. a) Die Voraussetzungen der lex Aelia Sentia Zu den Voraussetzungen der sog. „fraudatorischen Freilassung“ gemäß der lex Aelia Sentia gehörte neben dem objektiven Schädigungserfolg (eventus fraudis1271) auch der Schädigungswille (consilium fraudandi1272), d. h. die Kenntnis des Schuldners von seiner Insolvenz1273, welche bei objektiver Zahlungsunfähigkeit grds. vermutet wurde1274. Obwohl es dem Titius im vorliegenden Fall nach der Freilassung des Stichus noch möglich war, seine Wahlschuld gegenüber Maevius mit dem Sklaven Pam1270 Nach Bund (Methode Julians, S. 42), welcher den Text mit Schulz (SZ 48 (1928), S. 235 f.) für schwer interpoliert hält, war die Entscheidung des Julian „das gerade Gegenteil der uns überlieferten“. Der Autor nimmt an, dass Julian die Anwendbarkeit der lex Aelia Sentia hier versagte, weil die Freilassung des Stichus seiner Ansicht nach (S. 43) keine gegenwärtige, sondern nur eine „eventuelle Insolvenz“ bewirkte. Nach Guarneri Citati (Mélanges Cornil I, S. 502 f.) lautete der ursprüngliche Text: „libertas per legem Aeliam Sentiam (non) rescinditur“. Ebenso schon Schulz (SZ 48 (1928), S. 236), der annahm, dass es die Kompilatoren waren, die hier den eventus fraudis „im byzantinischen Sinne“ bejahten. Dagegen hielt es Metro (Labeo 7 (1961), S. 156) für unwahrscheinlich, dass ausgerechnet die Kompilatoren – wo doch der favor libertatis das Werk des Kaisers Justinian inspiriert habe – die Freilassung an dieser Stelle für unwirksam erklärten, wenn sie nach klassischem Recht offenbar wirksam gewesen war. Siehe für die Echtheit der Stelle auch Impallomeni (SDHI 25 (1959), S. 79 ff.). Der Autor (Studi Grosso IV, S. 459 ff.) führt als ein weiteres Beispiel für „certe fattispecie marginali di manomissione, reputate fraudolente, sebbene esse non comportino né l’insolvenza, almeno immediata, né l’aggravio di essa“, die Quelle D.40.13.2 (Marcellus 14. dig.) an. Dagegen will X. D’Ors (SDHI 40 (1974), S. 428 ff.) die Entscheidung mit Metro (Labeo 7 (1961), S. 156) damit erklären, dass sich das Verbot der lex Aelia Sentia nur auf Freilassungen mortis causa bezogen habe. Zwar muss man X. D’Ors (SDHI 40 (1974), S. 431) zugeben, dass zumindest das Principium der Julian-Stelle ausdrücklich von einer Freilassung mortis causa handelt. Dies ist, wie Impallomeni (SDHI 25 (1959), S. 82 Fn. 60) feststellt, im Hinblick auf die Rechtsfolgen der Entscheidung nach Julian jedoch irrelevant. Zudem ist in § 2 der Quelle keine Rede mehr von einer Freilassung mortis causa. 1271 Zur Bestimmung des eventus fraudis legte man hypothetisch zugrunde, ob dem Gläubiger durch die in Frage stehende Freilassung ein Schaden entstehen würde, wenn diese gültig wäre. Vgl. D.40.9.10 (Gai. 1. rer. cott.): „In fraudem creditorum manumittere videtur, qui vel iam eo tempore quo manumittit solvendo non est vel datis libertatibus desiturus est solvendo esse“. 1272 Vgl. D.50.17.79 (Pap. 32. quaest.): „Fraudis interpretatio semper in iure civili non ex eventu dumtaxat, sed ex consilio quoque desideratur“. 1273 D.40.9.23 (Pomp. 4. ex variis lectionibus): „Semper in fraudem creditorum libertas datur ab eo, qui sciret se solvendo non esse . . .“. 1274 Genauer gesagt handelt es sich dabei um eine doppelte Vermutung, bei der zunächst aus der objektiven Zahlungsunfähigkeit auf die Kenntnis und aus dieser wiederum auf eine fraus, also die Benachteiligungsabsicht des Schuldners geschlossen wurde; siehe Klinck (in Finkenauer, Sklaverei und Freilassung, S. 103).
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philus zu erfüllen, der Schuldner also noch zahlungsfähig war, sollte er nach Julian zum Nachteil des Gläubigers gehandelt haben. Die Voraussetzungen der lex Aelia Sentia lagen nach dieser Entscheidung offenbar vor. Warum Julian so entschied, erfahren wir nicht. b) Mögliche Gründe für die Unwirksamkeit der Freilassung aa) Verletzung des Gläubigerinteresses an der Auswahl Eine mögliche Begründung für die Bejahung der Unwirksamkeit der Freilassung könnte darin zu sehen sein, dass der Schuldner durch die vorzeitige Freilassung eines der Sklaven das Interesse des Gläubigers an der bis zur Leistungsbewirkung bestehenden alternatio der Leistungsgegenstände („duae in obligatione“) verletzt hatte1275. Dafür spricht zumindest die von Julian zur Erläuterung herangezogene Abgrenzung zu einer Fallvariante, in der Titius nur den Sklaven Pamphilus zu leisten versprochen hatte, mithin keine Wahlschuld bestand. In diesem Fall sollte die Freilassung des Stichus wirksam sein, auch wenn der plötzliche Tod des Pamphilus gleichermaßen eintreten konnte („quamvis similiter mori possit“). Denn in dieser Variante wäre der Schuldner Titius durch den Untergang des Pamphilus frei geworden, weil insoweit der Gläubiger die Leistungsgefahr trug. Die Abgrenzung gipfelt schließlich in der regelhaften Aussage „multum enim interest, contineatur ipsa stipulatione is qui manumittitur, an extra obligationem sit“, wonach zwischen demjenigen (Sklaven), der Inhalt der Stipulation war, und demjenigen, der nicht versprochen war, also zwischen Wahl- und Speziesschuld zu unterscheiden war. Da der Sklave Stichus in der Fallvariante aber „extra obligationem“ stand, kam es auf sein Schicksal nicht an und deshalb konnte der Schuldner in diesem Fall trotz des Todes des Pamphilus wirksam frei werden. bb) Erhöhung des Risikos der Zahlungsunfähigkeit Ein weiterer Grund für die Bejahung der Unwirksamkeit der vorzeitigen Freilassung des Stichus könnte darin liegen, dass der Schuldner auf diese Weise die 1275 Vgl. Impallomeni (SDHI 25 (1959), S. 62), nach dessen Ansicht sich die Entscheidung des Julian auf den Grundsatz „duae res in obligatione“ und damit auf das Recht des Gläubigers an beiden Leistungsgegenständen gründete, welches ihm bis zum Zeitpunkt der Leistungsbewirkung zustand, als ob die „duae res“ kumulativ geschuldet wären. Die Entscheidung mache klar, dass zwar der Schuldner auswahlberechtigt sei, die Auswahl aber nicht willkürlich und unabhängig von der Erfüllung, sondern zugleich mit der Bewirkung einer der beiden Leistungsgegenstände zu erfolgen habe.
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Gefahr seiner Zahlungsunfähigkeit willkürlich erhöht und den Gläubiger so latent geschädigt hatte1276. Denn da Titius außer den beiden Sklaven kein weiteres Vermögen hatte und der noch übrig gebliebene Pamphilus jederzeit sterben konnte, setzte der Schuldner seinen Gläubiger durch die Freilassung willkürlich der nun drohenden Zahlungsunfähigkeit aus. Um diese rechtzeitig abwenden zu können, sollte die Rechtsfolge der Unwirksamkeit der Freilassung nach der lex Aelia Sentia unmittelbar bei der Freilassung des Stichus (und nicht erst mit dem Tod des Pamphilus) eintreten1277. Nach der Entscheidung des Julian bestand der Schaden (eventus fraudis) für den Gläubiger hier folglich in der bloßen Erhöhung des Risikos der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners1278. Auf seinen Schädigungswillen (consilium fraudandi) konnte dadurch geschlossen werden, dass er das Risiko seiner Zahlungsunfähigkeit kannte und trotzdem bewusst erhöhte1279. Die Voraussetzungen der lex Aelia Sentia lagen somit vor1280. c) Haftung des Schuldners? Auf die Frage, ob der plötzliche Tod des Pamphilus den Schuldner im vorliegenden Fall von seiner Leistungspflicht befreite und ob dieser dem Gläubiger gegenüber haftete, geht Julian in seiner Entscheidung – wie im Übrigen auch Scaevola in seiner Kommentierung – nicht ausdrücklich ein1281. Dies mag daran 1276 Impallomeni (SDHI 25 (1959), S. 62) spricht hier vom „danno dell’aumento del rischio“, den der Gläubiger erlitt. 1277 Siehe Impallomeni (SDHI 25 (1959), S. 74): „Nel caso nostro il danno del creditore deriva dall’aumento del rischio subito [. . .] e quindi, se anche successivamente Panfilo non muoia, la manumissione di Stico nasce nulla“. 1278 Wie Impallomeni (SDHI 25 (1959), S. 77 Fn. 45) zu Recht feststellt, gibt es keine eindeutigen Beweise aus den Quellen, dass die lex Aelia Sentia ausschließlich bei einer tatsächlich eingetretenen – und nicht schon bei einer nur drohenden – Zahlungsunfähigkeit anwendbar war. Sicher handelt es sich hier um eine besondere Entscheidung, die jedoch mit den generellen Gedanken des Julian zur fraudatorischen Freilassung in Einklang stand, so Impallomeni (SDHI 25 (1959), S. 74). 1279 Impallomeni (SDHI 25 (1959), S. 74); Ziliotto (Obbligazioni alternative, S. 60). 1280 Vgl. Ziliotto (Obbligazioni alternative, S. 45). Nach Guarneri Citati (Mélanges Cornil I, S. 487 ff.) war die fraus im Sinne der lex Aelia Sentia dagegen nur bei objektiver Zahlungsunfähigkeit des Schuldners zu bejahen. Ebenso Schulz (SZ 48 (1928), S. 236), nach dessen Ansicht sich der Schuldner durch die Freilassung des Stichus nicht insolvent machte. Auch Metro (Labeo 7 (1961), S. 155) verneint das Vorliegen der Voraussetzungen der lex Aelia Sentia, weil der Schuldner noch den anderen Sklaven zur Befriedigung des Gläubigers übrig hatte: „il danno è solo eventuale, in quanto legato ad un fatto aleatorio, quale la morte di Panfilo“. Nach Ansicht dieser Autoren hätte sich die Alternativobligation nach klassischem Recht schlicht auf den noch übrigen Sklaven Pamphilus konzentrieren müssen. 1281 Vgl. dagegen die Quelle D.46.3.95.1 (Pap. 28. quaest.), wo einem auswahlberechtigten Schuldner in einem ähnlichen Fall (auf dessen Probleme hier im Einzelnen nicht eingegangen werden kann) eine Leistung zuerst durch sein Verschulden, die
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liegen, dass der Tod des Pamphilus im vorgestellten Fall noch gar nicht eingetreten war, der Schwerpunkt des Falles also auf der Frage der Unwirksamkeit der ersten Freilassung liegt1282. Vielleicht stellte sich die Frage nach einer möglichen Haftung des Schuldners auch gerade dann nicht mehr, wenn die Freilassung tatsächlich unwirksam wurde und Titius den Stichus, den er nun wieder im Vermögen hatte, doch noch leisten konnte. 5. Stellungnahme des Scaevola In seiner Kommentierung stellt Scaevola zunächst klar, dass Julian von einem Herrn spricht, „qui in substantia nihil aliud (ergänze: „quam Stichum et Pamphilum“) habeat“. Vergleicht man die beiden Texte D.40.9.5.2 (Iul. 64. dig.) und D.40.9.6 (Scaev. 16. quaest.) miteinander, fällt auf, dass Scaevola statt „in bonis“ den Ausdruck „in substantia“ und anstatt „nihil amplius“ die Formulierung „nihil aliud“ verwendet1283. Unter sprachlichen Gesichtspunkten scheint „nihil amplius“ wie auch der Ausdruck „in bonis“ 1284 bei Julian eleganter zu sein als die eher umgangssprachlichneutrale Formulierung des Scaevola. Inhaltlich könnte zwischen den Ausdrucksweisen „in substantia“ 1285 und „in bonis“ insofern ein Unterschied bestehen, als zweite dann unverschuldet unmöglich wurde. Papinian ließ den Schuldner dann zwar frei werden und verwehrte dem Gläubiger die actio ex stipulatu, weil der Schuldner die Stipulation nicht verletzt hatte: „nullo modo ex stipulatu agi poterit, cum illo in tempore, quo moriebatur, non commiserit stipulationem“. Stattdessen gewährte Papinian dem Gläubiger jedoch eine actio doli gegenüber dem Schuldner. Ziliotto (Obbligazioni alternative, S. 49) erklärt diese Entscheidung damit, dass das Verhalten des Schuldners „di per sé conforme al programma obbligatorio [. . .] un’ipotesi di abuso del suo diritto“ darstellt, „quando, con la morte casuale di Panfilo, egli profitti del fatto di non incorrere in responsabilità contrattuale“. Zur substantiellen Echtheit der Stelle siehe Impallomeni (SDHI 25 (1959), S. 83, S. 87 ff.). Weitere Verweise zu dieser inzwischen in der Lehre verbreiteten Echtheitsannahme siehe bei Ziliotto (Obbligazioni alternative, S. 51). 1282 Ob und – wenn ja – welche Klage Julian bzw. Scaevola dem Gläubiger gewährt hätte, muss daher Spekulation bleiben. Impallomeni (SDHI 25 (1959), S. 75) hält es aber für unwahrscheinlich, dass schon Julian im Fall des Todes von Pamphilus eine actio doli gewährte. Dagegen Ziliotto (Obbligazioni alternative, S. 57 Fn. 61, S. 59 ff.). Für die Gewährung einer actio doli bei Julian auch Metro (Labeo 7 (1961), S. 155). 1283 Diese auffälligen Textveränderungen werden z. B. von Guarneri Citati (Mélanges Cornil I, S. 507) für interpoliert gehalten. 1284 Zum zentralen Objektsbegriff der bona in den Quellen siehe Baldus (in Leible/ Lehmann/Zech, Unkörperliche Güter im ZivilR, S. 25 f.). Ankum/Van Gessel-de Roo/ Pool, (SZ 104 (1987), S. 300) ordnen die Stelle in ihrem umfassenden Beitrag zu den verschiedenen in bonis-Ausdrücken lediglich der Gruppe von Ausdrücken zu, „für die sich eine Anknüpfung an den Wortlaut einer Rechtsquelle nicht feststellen läßt“. Auf die hier festgestellte sprachliche Abweichung der Texte gehen sie nicht ein. 1285 Das Wort substantia kommt neben der hier genannten Stelle im Werk von Scaevola noch an folgenden Stellen vor: D.14.6.6 (Scaev. 2. quaest.); D.22.3.27 (Scaev. 33.
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ersterer eher die Totalität des Vermögensbestandes bezeichnet, wohingegen „in bonis“ für die Einzelgegenstände im Gesamtvermögen steht1286. Scaevola, welcher die Aussage des Julian hier präzisiert, wollte offenbar darauf abstellen, dass der dominus in seinem gesamten Vermögensbestand nichts weiter als die beiden Sklaven haben durfte. Die Bezugnahme auf den Gesamtumfang des Vermögens klingt bei Julian dafür schon in der Wortwahl „nihil amplius“ an. Fraglich ist, wie sich diese Veränderungen textgeschichtlich erklären lassen. a) Scaevola zitiert Julian Man könnte darüber spekulieren, dass Scaevola die Meinung des Julian hier nicht wörtlich rezitiert, sondern vielleicht nur aus dem Kopf wiedergibt1287. Es könnte sich also um eine mündliche Aussage des Julian gehandelt haben, die Scaevola hier zitiert1288. Für diese Annahme könnte u. a. das Verb loqui in „Iulianus de eo loquitur“ sprechen1289. Denn hätte Scaevola eine Textversion des Passus vorgelegen, hätte er auf diesen möglicherweise mit „scribit“ Bezug genommen1290. Ein weiteres Indiz für eine mündliche Aussage des Julian könnte das Fehlen der Inskriptionsangabe in der Kommentierung des Scaevola sein. Andererseits könnte man annehmen, dass die Scaevola-Stelle aus einem längeren Diskurs hedig.) – dort allerdings in einem zitierten Testamentswortlaut –; D.26.7.58.3 (Scaev. 11. dig.) – dort als „substantia hereditatis“, also als „Gesamtheit des Nachlasses“ –; D.32.34.1 (Scaev. 16. dig.) und D.36.3.18 pr. (Scaev. 29. dig.) – dort in der Anfrage. 1286 Siehe Heumann/Seckel (Handlexikon, S. 49, S. 563). Vgl. insbes. den Ausdruck „in substantia . . . bonorum“, der z. B. in D.7.1.34.2 (Iul. 35. dig.) von Julian gebraucht wird. 1287 So vermutet insbes. Masiello (Quaestiones, S. 109), dass die Entscheidungen des Julian von den Schülern des Scaevola „a memoria“ zitiert wurden. 1288 Da wir Scaevolas Zitiersitten im Allgemeinen nicht kennen, können wir darüber natürlich nur vorsichtig spekulieren. 1289 Vgl. etwa die Quelle D.17.1.34 pr. (African. 8. quaest.), in der Afrikan ein von Julian stammendes argumentum ad absurdum mit den Worten „respondit non esse creditam: alioquin dicendum ex omni contractu nuda pactione pecuniam creditam fieri posse“ zitiert. Nach Krampe (FS-Liebs, S. 358) handelt es sich hierbei wohl um eine fachjuristische Problemerörterung im gedanklichen Austausch zwischen Julian und Afrikan. 1290 Auch wenn die Entstehungszeit der Digesta des Julian umstritten ist (vgl. nur Krüger [Geschichte der Quellen, S. 185]), wissen wir jedenfalls, dass sie Scaevola, welcher das Werk seines Vorgängers mit Anmerkungen versah, schon vorlagen. Von diesen Anmerkungen sind uns allerdings nur zwei überliefert: D.2.14.54 (Scaev. apud Iulianum 22. dig. notat) und D.18.6.11 (In libro 7. dig. Iuliani Scaevola notat). Die interessante Frage, in welcher Form Scaevola die Ansicht des Julian im vorliegenden Fall überliefert war, und warum uns von ihm z. B. keine nota zu dieser Stelle überliefert ist, muss letztlich offen bleiben.
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rausgerissen wurde, in dem zunächst die Meinung des Julian zitiert war. Denn ohne die Ergänzung „quam Stichum et Pamphilum“ aus der Äußerung Julians wäre schon der einleitende Satz unverständlich. Darüber, warum es dieser Präzisierung (Iul. de eo loquitur, qui . . .) überhaupt bedurfte, wo Julian doch ausdrücklich den Fall „Si Titius nihil amplius in bonis quam Stichum et Pamphilum habeat . . .“ gebildet hatte, kann nur spekuliert werden1291. Vielleicht war im Unterricht die Frage aufgekommen1292, auf welchen Fall sich die Aussage des Julian genau bezog, oder Scaevola wollte noch einmal unterstreichen, dass es sich um einen ganz speziellen Fall handelte, um so sämtliche Missverständnisse auszuräumen1293. Festzuhalten bleibt an dieser Stelle jedenfalls, dass Scaevola die Entscheidung seines Vorgängers Julian keineswegs kritisiert1294, sondern lediglich präzisiert1295. Diese Klarstellung führt Scaevola im Folgenden anhand des hypothetischen1296 –
1291 Darüber hinaus kann jedoch nicht angenommen werden, dass Scaevola die reductio ad absurdum hier etwa von Julian übernommen hatte. Anders dagegen der Julian-Schüler Afrikan, wie Giaro (in Harke, Africani quaestiones, S. 1 ff.) anhand diverser Quaestionentexte Afrikans belegt. 1292 So nimmt z. B. Masiello (Quaestiones S. 90 f.) an, dass es meistens ein „auditor“ war, welcher die Rechtsfrage formulierte, aus welcher der Lehrer dann die juristisch relevanten Kernelemente des Falles herausarbeitete. 1293 Nach Ziliotto (Obbligazioni alternative, S. 47) stellt Scaevola hier klar, dass das Nichtvorhandensein weiteren Vermögens die condicio sine qua non der julianischen Entscheidung war. Ebenso Pescatore (Alternative Obligation, S. 10). 1294 Und das, obwohl das argumentum ad absurdum insbes. bei der Stellungnahme zu einer These des Gegenüber oft einen „antithetical, combative flavour“ hat, wie Daube (Roman Law, S. 193) zu Recht anmerkt. Für die römischen Juristen stand dieser nach Capone (SDHI 63 (1997), S. 251) in engem Zusammenhang mit der „controversalità del diritto“. Die Autorin betont, dass „anche un’opinione giustificata in tal modo se rappresentava pur sempre il ius“ sicher nicht absolut galt, „ma solo se relazionata all’auctoritas del singolo giurista e al momento storico della sua formulazione; rimaneva, cioè, pur sempre, in tal senso, una decisione controvertibile“. Zum ius controversum im römischen Recht siehe § 2 III. 4. b). 1295 Vgl. Ziliotto (Obbligazioni alternative, S. 40 f.), die vom „caso proposto da Giuliano in D.40,9,5,2 ulteriormente specificato da Scevola in D.40,9,6“ spricht, oder Impallomeni (SDHI 25 (1959), S. 62): „Il secondo testo, quello di Scevola, si limita a chiarire la fattispecie esaminata da Giuliano, confermandone implicitamente la soluzione“. Nach Masiello (Quaestiones, S. 45) wird die Ansicht des Julian von Scaevola hier „senza discussione, ex auctoritate“ übernommen. Der Autor (S. 238) geht sogar so weit anzunehmen, dass Scaevola seinen Schülern an dieser Stelle über die Anwendung des argumentum ex auctoritate eine Lektion folgender Art erteilen wollte: „Esso non può e non deve essere utilizzato in ogni caso, nemmeno se l’autorità invocata è Giuliano, ma solo limitatamente al caso particolare per cui l’opinione autorevole fu espressa [. . .]. Fra autorità e ragione è quest’ultima che deve prevalere“. In Anbetracht der Komplexität des Falles wird der Schwerpunkt hier wohl eher auf dessen rechtlichen Problemen gelegen haben, die Scaevola mit seinen Schülern zu vertiefen suchte. 1296 Wie bereits angesprochen, steht auch hier alioquin typischerweise mit Futur („manumittet“).
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aber durchaus praxisrelevanten1297 – Falles eines Schuldners fort, der mehrere Sklaven im Vermögen und seinem Gläubiger von diesen einen unbestimmten1298 verspochen hatte („unum incertum ex servis suis promisit“). b) Die Abgrenzung von Wahl- und Gattungsschuld Vergleicht man den Ausgangsfall mit dem von Scaevola gebildeten hypothetischen Fall, drängt sich der Eindruck auf, dass es Scaevola bei seiner präzisierenden Einschränkung der Entscheidung des Julian hier um die Abgrenzung von Wahl- und Gattungsschuld geht1299. Bei der (beschränkten1300) Gattungsschuld (obligatio generis) konnte der Schuldner grds. jedes zum genus gehörende Stück zu seiner Befreiung leisten1301. Der Fall der Unmöglichkeit konnte erst dann eintreten, wenn die gesamte Gattung untergegangen war. Solange nur einzelne Stücke – auch ohne Verschulden des Schuldners – untergingen, musste dieser andere Stücke aus der Gattung leisten.
1297 Scaevola argumentiert hier im Rahmen seiner reductio ad absurdum also keineswegs mit einem hypothetischen Extremfall, sondern mit einem Fall, welcher in der Praxis durchaus häufig vorgekommen sein dürfte. 1298 Dass hier überhaupt ein „servus incertus“ (nicht nominatim) freigelassen werden konnte, lag daran, dass sich die lex Fufia Caninia nicht auf Freilassungen inter vivos bezog. Denn die aus dem Jahre 2 n. Chr. stammende lex enthielt ein Verbot für Erblasser eine bestimmte Anzahl von Sklaven als personae incertae testamentarisch freizulassen; vgl. Gai. 2.239; D.40.4.24 (Gai. 1. rer. cott.); D.40.4.31 (Paul. 26. ad ed.); D.40.4.37 (Paul. 9. ad Plaut.); D.40.4.59 pr. (Scaev. 23. dig.). 1299 Auf das Vorliegen einer beschränkten Gattungsschuld deutet insbes. das „unus incertus ex servis suis“ hin. Es bestand gerade keine erweiterte obligatio alternativa, bei welcher der dominus etwa den A oder B oder C oder D „ex servis suis“ geschuldet hätte, sondern nur die Pflicht, einen unbestimmten Sklaven aus der Gattung zu leisten. Dies verkennt offenbar Ziliotto (Obbligazioni alternative, S. 47), die allein darauf abstellt, dass der Unterschied in dem von Scaevola gebildeten Fall darin bestand, dass der Schuldner mehr Vermögen hatte als alternativ versprochen. Auch den von Scaevola in der Variante vorgenommenen Ausschluss der casus adventicii führt die Autorin nicht auf die Besonderheiten der Gattungsschuld zurück (bei der im Fall der Unmöglichkeit nämlich die gesamte Gattung untergehen müsste, was wiederum unwahrscheinlich war und daher nicht zu berücksichtigen sein sollte), sondern bezieht diesen allein auf das Vorhandensein von mehr Vermögen: „Se il debitore ha altri beni, cioè, non si può subordinare la validità della manomissione ai casus adventicii“. 1300 Die Sklaven wurden hier gattungsmäßig bestimmt: „unus servus incertus ex servis suis“. Da die Gattung mithin auf die Sklaven im Vermögen des dominus begrenzt war, kann man von einer „beschränkten Gattungsschuld“ sprechen. Vgl. Grosso (Obbligazioni, S. 235) und aus den Quellen z. B. D.30.71 pr. (Ulp. 51. ad ed.). Auch wenn uns für das römische Recht keine Fälle des Gattungskaufs überliefert sind – siehe zu den Gründen, warum die emptio venditio in Rom notwendigerweise Stückkauf war, Ernst (ZEuP 7 (1999), S. 590 ff.) –, finden sich in den Quellen zahlreiche Beispiele von Gattungschulden aufgrund von Stipulationen; vgl. Marrone (Istituzioni, S. 421). 1301 Siehe Kaser/Knütel (Röm. PrivatR, S. 198 f.).
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Im Gegensatz zur Stückschuld, bei der der Gläubiger die Gefahr des zufälligen Untergangs der Sache trug, lag diese bei der obligatio generis folglich beim Schuldner1302. Im Unterschied zur Wahlschuld waren die einzelnen Stücke bei der Gattungsschuld i. d. R. nicht individualisiert und zudem nicht alle Stücke der Gattung, sondern nur das genus selbst „in obligatione“ 1303. Eine Parallele stellte hingegen das „Wahlrecht“ 1304 dar, welches auch bei der Gattungsschuld regelmäßig dem Schuldner zustand1305. Über die juristische Behandlung der Gattungsschuld bestand offenbar schon eine klassische Juristenkontroverse1306. Während nämlich Marcellus Gattungsund Wahlschuld streng voneinander unterscheidet1307, fasst Papinian die Gattung in D.31.66.3 (Pap. 17. quaest.) als Gesamtheit der einzelnen species auf: „hominis enim legatum orationis compendio singulos homines continet“ 1308. Ohne hier näher auf die verschiedenen Konzeptionen der Wahl- und Gattungsschuld einzugehen, lässt sich jedenfalls festhalten, dass deren Ähnlichkeit umso näher lag, je beschränkter eine Gattung war1309. Da das (beschränkte) genus im vorliegenden Fall aus verschiedenen Individuen (Sklaven) bestand und insofern als Gesamtheit der einzelnen species verstanden werden konnte, stellte sich offenbar ein Abgrenzungsproblem zur Wahlschuld. Ohne die Kriterien einer Abgrenzung ausdrücklich zu benennen, vergleicht Scaevola die Fälle der Wahl- und Gattungsschuld im Folgenden hinsichtlich der Leistungsgefahr. So ist auch der Zusatz „nec adventicii casus computandi sint“ zu verstehen, wonach der unwahrscheinliche Fall, dass alle Sklaven sterben würden, bei der Gattungsschuld nicht einzukalkulieren war.
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Siehe Kaser (Röm. PrivatR. I, S. 496). Vgl. Grosso (Obbligazioni, S. 235, S. 239) und Pescatore (Alternative Obligation, S. 10). Grosso (S. 261) betont zudem, dass man deshalb im Fall der Unmöglichkeit aller species bis auf eine bei der Gattungsschuld nicht von einer „Konkretisierung“ sprechen kann: „Anche se in un dato momento un solo oggetto risponde al genus, l’obbligazione resta generica“. 1304 Grosso (Obbligazioni, S. 246) bemerkt zu Recht, dass man bei der Gattungsschuld anstatt von „Wahl“ korrekterweise von „Individualisierung“ sprechen sollte. 1305 Vgl. Marrone (Istituzioni, S. 421). 1306 Vgl. Kaser/Knütel (Röm. PrivatR, S. 199 f.). 1307 Siehe die Quellen D.46.3.72.4 (Marcellus 20. dig.) und D.46.3.67 (Marcellus 13. dig.). 1308 Zur Echtheit dieser beiden „concezioni antitetiche“ der Gattungsschuld siehe Grosso (Obbligazioni, S. 241). Der Autor (S. 242) weist aber zu Recht darauf hin, dass die Meinung des Papinian nicht ohne Weiteres verallgemeinert werden kann, da dieser einen besonderen Fall entschied, in dem ein begrenztes genus aus verschiedenen Individuen (Sklaven) bestand. 1309 Vgl. Marrone (Istituzioni, S. 421). 1303
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Der Gattungsschuldner blieb deshalb sowohl im Fall, dass einer von seinen Sklaven verstarb, als auch, wenn einer von ihnen freigelassen wurde, zahlungsfähig: „et uno mortuo solvendo est, et uno manumisso solvendo est“ 1310. Denn warum, fragt der Jurist nun rhetorisch, sollte ein solventer Schuldner nicht einen seiner vielen Sklaven freilassen können: „quare non dicetur unum posse manumitti?“ 1311. Und indem Scaevola abschließend schlussfolgert, dass ansonsten („alioquin“) ein solventer Schuldner, der irgendeinen unbestimmten seiner Sklaven versprochen hatte, gar keinen mehr freilassen könnte, führt er die Anwendung der lex Aelia Sentia hier ad absurdum. Das auffällige Zusammentreffen der reductio ad absurdum mit einer rhetorischen Frage1312 könnte hier dem dialektischen Diskurs der disputatio geschuldet sein. Schon Aristoteles setzte die reductio ad absurdum und die rhetorische Frage als Mittel wissenschaftlichen Erkenntnisgewinns in der dialektischen Methode ein1313. c) Entscheidungsgründe Warum Scaevola so entscheidet, erfahren wir – wie so oft im Werk des Juristen – nicht, eine ausdrückliche Begründung fehlt1314. Fest steht jedenfalls, dass Scaevola den Anwendungsbereich der freilassungsfeindlichen lex Aelia Sentia mit seiner Entscheidung zugunsten der Freiheit (favor libertatis1315) eingrenzen wollte. Zum näheren Verständnis der Argumenta1310 Dass Ziliotto (Obbligazioni alternative, S. 47 Fn. 43) diesen Satz nicht erklären kann, hängt wiederum damit zusammen, dass die Autorin die von Scaevola vorgenommene Abgrenzung zwischen Wahl- und Gattungsschuld verkennt. 1311 Zum Zusammenhang der reductio ad absurdum mit rhetorischen Fragen siehe Daube (Roman Law, S. 185 f.). Vgl. z. B. auch die Quelle D.49.17.19.5 (Tryph. 18. disput.), in der Tryphonin vor seinem Absurditätsschluss („alioquin . . ., quod absurdum est“) zunächst eine rhetorische Frage stellt. 1312 Wie Babusiaux im Fall von Papinian beobachten konnte, wurde das für den Fortgang der Argumentation entscheidende Element meist erst mit der Frage in den Sachverhalt eingeführt. Zur Bedeutung der Frage als zentrales Moment der Quaestiones siehe Babusiaux (Papinians Quaestiones, S. 175 ff.). 1313 Siehe dazu Föllinger (in Kullmann/Althoff, Vermittlung und Tradierung von Wissen, S. 267 f.). Zur rhetorischen Frage (interrogatio) im Werk des Papinian siehe erneut Babusiaux (Papinians Quaestiones, S. 249 ff.). Wie die Autorin (S. 254 f.) hervorhebt, übertreibt die rhetorische Frage die Evidenz und Notwendigkeit der vorgeschlagenen Lösung und zwingt die Hörer nicht zuletzt wegen ihrer Frageform zur Zustimmung. 1314 Dennoch handelt es sich hier nicht um eine unausgesprochene Folgenreflexion, denn diese führt Scaevola im alioquin-Satz („alioquin et qui unum incertum ex servis suis promisit, neminem manumittet“) ja vor. Es fehlt vielmehr an einer Begründung für seine Entscheidung. 1315 Zum Topos des favor libertatis siehe u. a. Knütel (in Finkenauer, Sklaverei und Freilassung, S. 150 f.), Ankum (in Herrmann-Otto, Unfreie Arbeits- und Lebensverhältnisse, S. 82 ff.), Castello (Sodalitas 5 (1984), S. 2176 ff.) und Starace (Lo statuliber,
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tion soll abschließend die Quelle D.13.4.2.3 (Ulp. 27. ad ed.) herangezogen werden, in der wiederum Ulpian eine Entscheidung des Scaevola zur obligatio alternativa kommentiert. 6. Die Kommentierung des Ulpian D.13.4.2.3 (Ulp. 27. ad ed.) „Scaevola libro quinto decimo quaestionum ait non utique ea, quae tacite insunt stipulationibus, semper in rei esse potestate, sed quid debeat, esse in eius arbitrio, an debeat, non esse. et ideo cum quis1316 Stichum aut Pamphilum promittit, eligere posse quod solvat, quamdiu ambo vivunt: ceterum ubi alter decessit, extingui eius electionem, ne sit in arbitrio eius, an debeat, dum non vult vivum praestare, quem solum debet. (. . .)“. „Scaevola sagt im fünfzehnten Buch seiner Quaestiones, dass jedenfalls nicht (alles) das, was in Stipulationen stillschweigend enthalten ist, immer in der Möglichkeit des Beklagten stehe, sondern dass [zwar], was er schulde, in seiner Wahl stehe, nicht [aber], ob er schulde. Und daher könne er [sc. der Beklagte], wenn er den [Sklaven] Stichus oder den [Sklaven] Pamphilus verspricht, auswählen, welchen er leistet, solange beide leben. Sobald jedoch einer von beiden gestorben ist, erlösche seine Wahlmöglichkeit, damit es nicht in seiner [sc. des Beklagten] Wahl stehe, ob er schulde, solange er den lebenden [Sklaven] nicht leisten will, welchen allein er [nunmehr] schuldet. (. . .)“.
Dieses Zitat aus dem fünfzehnten Buch der Quaestiones des Scaevola bezieht sich auf eine grundsätzliche Entscheidung zur Stipulation der Wahlschuld, die der hier untersuchten Quelle D.40.9.6 aus dem sechzehnten Buch der Quaestiones des Scaevola wahrscheinlich vorausging1317. Ulpian zitiert Scaevola hier mit dem Grundsatz, wonach das „Was“, also der Leistungsgegenstand („quid debeat“), nicht aber das „Ob“ („an debeat“) der Leistungsverpflichtung im Belieben des Schuldners stehen sollte. Scaevola statuiert also eine Ausnahme vom Grundsatz der freien Wahl des Leistungsgegenstandes („quid debeat, esse in eius arbitrio“), die bei der Wahlschuld nur solange gelten sollte, „quamdiu ambo vivunt“. S. 55–67). Kritisch zur Kategorie des favor libertatis siehe Silla (La cognitio, S. 204 ff.), welcher lieber vom „canone pro libertate“ spricht. Dass Scaevola diesen Topos auch zur Testamentsauslegung gern heranzieht, zeigt sich z. B. in der Quelle D.40.5.50 (Marcianus 7. inst.), wo Marcian ihn mit folgenden Worten zitiert: „in obscuro libertatem praevalere“. Siehe zu dieser Stelle Harke (in Harke, Facetten des röm. ErbR, S. 73 f.). 1316 qui F. 1317 Direkt ist uns aus dem fünfzehnten Buch der Quaestiones des Scaevola zwar keine im Zusammenhang mit diesem Zitat stehende Entscheidung überliefert; vgl. Lenel (Palingenesie II, Sp. 281 f.). Gut vorstellbar ist aber, dass die Quellen in den aufeinander folgenden libri XV und XVI quaestionum ursprünglich einen längeren Diskurs über die Wahlschuld enthielten. Vielleicht kam Scaevola so von allgemeinen Problemen der obligatio alternativa im laufenden Diskurs zum Spezialfall der Kombination mit der lex Aelia Sentia.
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Damit der Schuldner sich der Leistung nicht verweigern konnte, musste die Verbindlichkeit hier folglich zu einer Speziesschuld auf die noch mögliche Leistung werden. Dahinter stand der Gedanke, dass die Wahlfreiheit bezüglich des Leistungsgegenstandes andernfalls („ceterum“ 1318) faktisch zu einer Wahl über das „Ob“ der Leistung würde1319. 7. Systembildung durch alioquin? Scaevola gebraucht das argumentum ad absurdum hier nicht (im rhetorischen Sinne), um die These eines Gegners ad absurdum zu führen und dessen Ansicht im Meinungskampf zu widerlegen1320, sondern vielmehr zur einschränkenden Bekräftigung der Aussage seines Vorgängers Julian. Indem Scaevola die Anwendung der lex Aelia Sentia in der Übertreibung ad absurdum führt, bekräftigt er implizit die Richtigkeit der – bereits von Julian vorgenommenen – Begrenzung auf einen Sachverhalt, in dem der Schuldner „nihil aliud (ergänze: quam Stichum et Pamphilum)“ im Vermögen hatte und lenkt so die Aufmerksamkeit auf die Besonderheit des Falles. Die Entscheidung fußt im Wesentlichen auf der grundlegenden Differenzierung zwischen Wahl- und Gattungsschuld, die Scaevola hier anhand der Abgren1318 Darauf, dass sich auch diese Entscheidung („ceterum . . ., ne“) des Scaevola auf eine „argomentazione per assurdo“ stützt, weist Impallomeni (SDHI 25 (1959), S. 58) hin. Zum Absurditätsargument mit ne siehe Wacke (FS-Nève, S. 596 ff.). Weitere Stellen mit ceterum im Werk des Scaevola sind D.3.5.8 (Scaev. 1. quaest.); D.3.5.34.3 (Scaev. 1. quaest.); D.33.1.20.1 (Scaev. 18. dig.) und D.45.3.19 (Scaev. 13. quaest.). Während ceterum in D.3.5.34.3 (Scaev. 1. quaest.) und D.33.1.20.1 (Scaev. 18. dig.) schlicht die Bedeutung „im Übrigen/übrigens“ hat, fungiert es in D.45.3.19 (Scaev. 13. quaest.) als adversative Konjunktion („aber“). Nur im didaktischen Diskurs der Quellenstelle D.3.5.8 (Scaev. 1. quaest.) dient es einem juristischen Absurditätsargument. Dort zitiert Scaevola zunächst die Ansicht des Pomponius, wonach eine Geschäftsführungsklage (actio negotiorum gestorum) nach der Genehmigung des Geschäfts durch den dominus negotii nicht mehr zulässig war. Scaevola vertrat dagegen („Scaevola: immo puto“) die Ansicht, dass die Geschäftsführungsklage trotz Genehmigung weiterhin gegeben sei. Dies begründet er mit der Absurdität des Gegenteils in durch rhetorische Fragen eingekleideten Fällen, in denen bestehende Ansprüche zwischen Geschäftsherrn und Geschäftsführer abzurechnen waren: „ceterum si ubi probavi, non est negotiorum actio: quid fiet, si a debitore meo exegerit et probaverim? quemadmodum recipiam? item si vendiderit? ipse denique si quid impedit, quemadmodum recipiet? . . . erit igitur et post ratihabitionem negotiorum gestorum actio“. Besonders interessant ist hier wieder die Verbindung von rhetorischer Frage und Absurditätsargument. 1319 Vgl. zu dieser Quelle schon Schulz (Einführung, S. 101): „. . . denn ließe man den Schuldner jetzt noch wählen – Scaevola kommt überhaupt nur der Gedanke einer Wahl zwischen Nichts und dem überlebenden Sklaven –, so würde man seine Willkür darüber entscheiden lassen, ob er überhaupt etwas schulde“. 1320 Oder gar – wie insbes. Celsus nachgesagt – zur Polemik. Zu den celsinischen argumenta ad absurdum siehe etwa Hausmaninger (ANRW 15 (1976), S. 394 ff.). Zur reductio ad absurdum im Rahmen deduktiver Entscheidungsbegründungen bei Celsus siehe zudem Harke (Argumenta Iuventiana, S. 43 ff.).
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zung zweier (Schul-)Fälle am Beispiel der lex Aelia Sentia kasuistisch entwickelt1321. Insofern kommt der Entscheidung zwar eine gewisse systembildende Funktion zu. Sie zeigt aber auch, dass Scaevola, der die seiner Abgrenzung zugrundeliegenden Kriterien hier nicht ausdrücklich benennt, offenbar selbst im Unterricht kein besonderes Interesse an dogmatischen Ausführungen hatte. Der Folgenreflexion „alioquin et qui unum incertum ex servis suis promisit, neminem manumittet“ liegt zudem die Wertung zugrunde, die freilassungsfeindliche Tendenz der lex Aelia Sentia zugunsten der Freiheit (favor libertatis) in allen Fällen zu begrenzen, in denen keine Schädigung des Gläubigers droht. Diese rechtspolitische Entscheidung enthielt zugleich eine Stärkung der Privatautonomie des dominus, welcher – bis zur Grenze des Gläubigerschutzes – mit seinem Eigentum verfahren können sollte, wie er wollte1322.
IV. Ergebnis Wie die sprachliche Untersuchung der Quellen gezeigt hat, gab es bei den römischen Juristen keinen einheitlichen Sprachgebrauch für Absurditätsargumente. Auch Scaevola verwendet die hier untersuchte adversative Konjunktion alioquin an nur einer von drei Stellen im Sinne eines zweckgerichteten juristischen Absurditätsschlusses. Bei dieser rechtspolitisch motivierten Entscheidung handelt es sich um die Korrektur eines absurden Ergebnisses zu Gunsten der Freiheit (favor libertatis). Die seiner Entscheidung zugrunde liegende Abgrenzung zwischen Wahl- und Gattungsschuld am Beispiel der lex Aelia Sentia dient zwar in gewisser Weise der inneren Systembildung, sie erfolgt jedoch ohne Benennung rechtsdogmatischer Kriterien und bleibt insoweit schwerpunktmäßig kasuistisch.
1321 Zum Institut der stipulierten Wahlschuld bemerkte schon Talamanca (Istituzioni, S. 519): „Manca, come sempre, nell’esperienza romana una ricostruzione sistematica dell’istituto“. Vgl. auch Grosso (Obbligazioni, S. 219 Fn. 1) oder Impallomeni (SDHI 25 (1959), S. 55): „trattavasi infatti di un istituto mancante di qualsiasi regolamentazione legislativa o edittale, che doveva essere costruito completamente dalla dottrina“. Dies bestätigt anschaulich das von Julian über Scaevola bis zu Ulpian (und in die heutigen Lehrbücher) tradierte Schulbeispiel der obligatio alternativa „cum quis Stichum aut Pamphilum promittit“ bzw. „,Stichum aut Pamphilum dare spondes?‘“. Zur Rezeption der obligatio alternativa bemerkte Talamanca (Istituzioni, S. 521) abschließend: „Nella dottrina moderna, e soprattutto nella pandettistica, si è molto discusso intorno alla configurazione dell’obbligazione alternativa. [. . .]. I romani non si erano mai posti esplicitamente di tali problemi, ma pervenivano, di caso in caso, a soluzioni che possono apparire ispirate all’uno od all’altro dei punti di vista indicati. L’elaborazione concettuale della dottrina romanistica risulta una sovrastruttura moderna calata a posteriori sulle decisioni pratiche dei giuristi romani“. 1322 Nach der Unterscheidung von Giaro (in Harke, Africani quaestiones, S. 11 ff.) wäre der vorliegende Fall unter die zweckgerichteten, sog. „praxeologischen“ reductiones ad absurdum einzuordnen.
§ 9 Systembildung durch Generalisierung Im Folgenden sollen die Wortgruppen generalis/generaliter und in omnibus his (casibus/speciebus) bzw. quibuscumque casibus als sprachliche Indizien für inneres System im Werk von Scaevola untersucht werden1323.
I. Das argumentum per generalem modum Das in den Quellen häufig vorkommende Modaladverb generaliter leitet sich – wie das korrespondierende Adjektiv generalis – von genus („Gattung/Art“) ab. Mit diesen Worten kann ein Einzelfall „als zu einer Gattung gehörig“ oder „eine ganze Gattung betreffend“ bezeichnet werden und im juristischen Kontext zur Systembildung nach Gattungen dienen1324. Da der Modus ,Art/Gattung‘ als Indiz für Systembildung bereits in § 6 der vorliegenden Arbeit unter dem sog. argumentum ex genere untersucht wurde, soll der Schwerpunkt in diesem Paragraphen allein auf der weiteren Bedeutung der Wortgruppe liegen. Die Worte generalis bzw. generaliter können in einem weiteren Sinne nämlich auch „allgemein, im Allgemeinen, überhaupt“ bedeuten und in einem juristischen Diskurs in dieser allgemeinen Bedeutung möglicherweise zur inneren Systembildung durch Generalisierung eingesetzt werden. Bei den römischen Juristen beliebt ist zudem die Wendung in omnibus his (casibus/speciebus), mit welcher Einzelfälle zu einer Rechtsregel zusammengefasst und verallgemeinert werden oder sonst allgemeingültige Aussagen zu Gesetzen und Rechtsinstituten getroffen werden können. Da jedoch auch Justinian
1323 Selbstverständlich gibt es in der lateinischen Sprache außer den hier genannten Worten noch weitere Ausdrücke, um Verallgemeinerungen auszudrücken. Erwähnt seien nur die Modaladverbien generatim, universe oder communiter etc. Vgl. etwa den Sprachgebrauch bei Cicero (Verres 5,143): „Nam quid ego de ceteris civium Romanorum suppliciis singillatim potius quam generatim atque universe loquar?“ oder Cicero (Ad Atticum 5,2,1): „cetera universe mandavi, illud proprie“. Da diese Worte bei Scaevola jedoch nicht vorkommen, beschränkt sich die vorliegende Untersuchung allein auf die angeführten Ausdrücke. 1324 Erinnert sei hier an die Überlieferung des Pomponius in D.1.2.2.41 (Pomp. lib. sing. ench.), nach welcher Quintus Mucius Scaevola das ius civile als erster „generatim“ ordnete: „ius civile primus constituit generatim in libros decem et octo redigendo“. Zur Ordnung dieses sog. „Mucianischen Systems“ siehe Orestano (Introduzione, S. 136 Fn. 7). Näheres dazu in Fn. 142.
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diese Worte nicht selten für generalisierende Formulierungen gebraucht1325, ist hier zu untersuchen, ob es sich nicht vielleicht – wie früher oft angenommen – um eine justinianische Bearbeitung zur Durchsetzung von Systematisierungstendenzen1326 des Kaisers handelt1327. Grundsätzlich gilt es dabei zu berücksichtigen, dass die klassischen Juristen – wie bereits mehrfach erwähnt – gegenüber der juristischen Abstraktion eher zurückhaltend waren. Besonderes Augenmerk ist deshalb auf die Frage zu richten, zu welchem Zweck Scaevola (juristisch relevante) verallgemeinernde Aussagen trifft und wie hoch der Grad der jeweiligen Abstraktion ist. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Frage nach dem Kontext des jeweiligen Werkes, in dem der Jurist verallgemeinert.
II. Der Sprachgebrauch bei Scaevola Im Werk des Scaevola kommt das Modaladverb generaliter insgesamt fünf Mal1328 vor. Nur zwei Mal bezieht sich dieses als generaliter definire – im Gegensatz zum specialiter definire – auf eine allgemeine juristische Definition. Nämlich in der Quelle D.44.3.14 pr. (Scaev. lib. sing. quaest. pub. tract.), wo Scaevola jedoch ausdrücklich sagt, dass Bezeichnungen über die accessiones possessionum gerade nicht für immer und nicht im Allgemeinen getroffen werden können: „De accessionibus possessionum nihil in perpetuum neque generaliter definire possumus: consistunt enim in sola aequitate“, sondern dass diese einzig in der Billigkeit bestehen1329. Und daneben in dem Zitat in D.13.4.2.3 (Ulp. 27. ad ed.), wo das Adverb generaliter wohl Ulpian zuzuschreiben ist1330, welcher eine (inhaltlich sicher verallgemeinernde Aussage) des Scaevola mit ei1325 Vgl. nur aus dem Codex die Stellen C.4.43.1.5 (Imp. Iustinianus A. Demostheni pp.): „in omnibus autem huiusmodi casibus“; C.4.43.3.1 (Imp. Iustinianus A. Iohanni pp.); C.4.43.3.3b (Imp. Iustinianus A. Iohanni pp.) oder aus den Institutiones etwa die Einleitung zum Titel „De iniuriis“ in Inst.4.4 pr., wo zunächst eine allgemeine Definition gegeben wird und darauf einzelne Spezialfälle erläutert werden: „Generaliter iniuria dicitur omne quod non iure fit: specialiter alias contumelia . . .“. 1326 Zu Systematisierungstendenzen des Kaisers Justinian siehe § 2 III. 2. 1327 Wie bereits in Fn. 10 gesagt, ist es jedoch methodologisch unzulässig Interpolationen zu behaupten, soweit dem Text ein vernünftiger Sinn abzugewinnen ist. 1328 Nämlich in D.28.2.29.6 (Scaev. 6. quaest.); D.34.1.16.2 (Scaev. 18. dig.); D.34. 1.18 pr. (Scaev. 20. dig.); D.34.3.28.2 (Scaev. 16. dig.) und D.44.3.14 pr. (Scaev. lib. sing. quaest. pub. tract.). 1329 Siehe auch Masiello (Le Quaestiones publice tractatae, S. 27 f.). Zum Liber singularis quaestionum publice tractatarum des Scaevola siehe u. a. Fn. 303. Zum didaktischen Charakter dieser Einzelschrift siehe statt aller Masiello (Le Quaestiones publice tractatae, insbes. S. 35 ff.). 1330 Vgl. die Stellen, in denen Ulpian den Scaevola mit den Worten „eleganter Scaevola ait/tractat“ zitiert: D.29.5.1.12 (Ulp. 50. ad ed.); D.29.5.3.30 (Ulp. 50. ad ed.); D.37.8.1.16 (Ulp. 40. ad ed.). Siehe dazu § 3 V. 3.
§ 9 Systembildung durch Generalisierung
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genen Worten als „allgemein“ bezeichnet: „et generaliter definit Scaevola petitorem electionem habere ubi petat, reum ubi solvat, scilicet ante petitionem“ 1331. Außerdem lassen sich in insgesamt fünf Quellenstellen verschiedene Flexionsformen des Adjektivs generalis finden1332. Häufig kommen generaliter und generalis bei Scaevola in der narratio oder quaestio eines konkreten Falles vor und haben insofern kaum juristische Relevanz. So z. B. in der Quelle D.34.1.18 pr. (Scaev. 20. dig.): „Libertis, quos testamento manumiserat, alimentorum nomine menstruos decem legaverat, deinde codicillis generaliter omnibus libertis menstruos septem et annuos vestiarii nomine denos legavit . . .“. Hier hatte ein Erblasser sein Testament, in dem er seinen Freigelassenen zunächst monatlich zehn vermacht hatte, nachträglich durch Kodizille abgeändert1333. In den neugefassten Kodizillen bestimmte er nun, dass allgemein allen Freigelassenen monatlich sieben und für Kleidung jährlich zehn vermacht seien. Das Adverb generaliter steht hier im Gegensatz zum speziell angeordneten Unterhaltsgeld, welches im ursprünglichen Testament zunächst monatlich zehn betrug. In der neuen Bestimmung sollten die Freigelassenen dagegen nur noch allgemein – also zu allgemeinem Nutzen – monatlich sieben (statt zehn für Unterhalt) und speziell für Kleidung jährlich zehn erhalten. Der Unterschied wird auch in der Gegenüberstellung der jährlichen Summe speziell für Kleidung und das allgemeine Monatsgeld deutlich. Man könnte also sagen, dass generaliter hier die Attribute „alimentorum nomine“ bzw. „vestiarii nomine“ ersetzt. 1331 Die beiden angeführten Stellen zum generaliter definire bestätigen jedenfalls die These, dass sich Ansätze zu generellen Definitionen am ehesten in den didaktisch ausgerichteten Werken Scaevolas finden lassen. Vgl. z. B. auch die generalisierende („semper“) Aussage am Beginn der Quelle D.13.4.2.3 (Ulp. 27. ad ed.): „Scaevola libro quinto decimo quaestionum ait non utique ea, quae tacite insunt stipulationibus, semper in rei esse potestate . . .“ sowie in D.46.7.21 (Scaev. lib. sing. quaest. pub. tract.): „creditur et nos dicimus semper praevalere rei iudicatae clausulam eamque solam committi“. Das Verb „dicimus“ in der 1. Person Plural mit der Betonung auf „nos“ unterstreicht zudem den Schuldiskurs. Nach Liebs (in Lieberwirth/Lück, Akten des 36. dt. Rechtshistorikertages, S. 55 f.) ist der Ausdruck dagegen u. a. ein Indiz für seine kritische These, den Liber singularis aufgrund seines qualitativ niedrigen Niveaus nicht Scaevola selbst, sondern einem seiner Hörer zuzuschreiben: „Anstatt triftige oder wenigstens einschlägige Argumente gegeneinander abzuwägen, ringt er [der Autor] sichtlich mit den selbst gestellten Rechtsfragen, dringt oft nicht zum Kern des Problems vor, sondern klammert sich an die Äußerlichkeiten [. . .]. Aufgelockert wird das Ganze durch persönliche Bekenntnisse über Erlerntes und Gewissheiten oder auch Banalitäten“. Wie bereits erwähnt, glaubt auch Johnston (On a Singular Book, S. 97) nicht, dass der Liber singularis von Scaevola stammt, sondern hält ihn für ein eigenständiges Werk eines nachklassischen Lehrers. Dagegen Giaro (RJ 8 (1989), S. 51–60). 1332 Siehe D.32.40.1 (Scaev. 21. dig.); D.32.41.3 (Scaev. 22. dig.); D.33.2.32 pr. (Scaev. 15. dig.); D.40.4.59 pr. (Scaev. 23. dig.); D.46.3.93.2 (Scaev. lib. sing. quaest. pub. tract.). 1333 Diese Abänderung wird sprachlich durch den Tempuswechsel vom Plusquamperfekt („legaverat“) zum Perfekt („legavit“) sowie durch die Zäsur mit „deinde“ verstärkt.
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Ähnlich wird das Modaladverb generaliter in der quaestio in D.34.1.16.2 (Scaev. 18. dig.) gebraucht: „quaesitum est, an ex alio capite, quo generaliter libertis libertabusque cibaria et vestiaria et habitationem reliquit, etiam Basilice deberentur“. Hier fragte ein Konsulent nach der Auslegung einer Bestimmung, welche besagte, dass allgemein den Freigelassenen beiderlei Geschlechts Nahrung, Kleidung und Wohnung vermacht waren. Es ging konkret um die Frage, ob eine derartige Verpflichtung auch gegenüber der Freigelassenen Basilica bestand. Das Adverb generaliter bezieht sich hier auf die (männlichen und weiblichen) Freigelassenen („libertis libertabusque“), welche der Erblasser alle gleichermaßen versorgt wissen wollte1334. Deshalb bejaht Scaevola die Antwort des Anfragenden. Ähnlich ist die Quelle D.34.3.28.2 (Scaev. 16. dig.)1335 zu bewerten, in der wir von einem Erblasser erfahren, der seinen Erben allgemein befahl (und diese zusätzlich fideikommissarisch beschwerte), jedem dasjenige herauszugeben, was der Erblasser ihm vermacht hatte: „praeterea generaliter damnavit heredes fideique eorum commisit, uti darent restituerent unicuique, quidquid ei legasset“. Das Modaladverb generaliter betont hier die Allgemeinheit des Damnationslegats („quidquid ei legasset“) und kontrastiert zudem mit einem im Testament zuvor angeführten speziellen Vermächtnis zugunsten des Schuldners Seius1336. Selbst innerhalb des eigentlichen responsum des Juristen konnte sich das Adjektiv generalis – wie die Quelle D.32.41.3 (Scaev. 22. dig.)1337 zeigt, wo Scae-
1334 Siehe zu dieser Stelle auch die Interpretation von Tamayo Errazquin (Libertis libertabusque, S. 267 ff.). 1335 Zu dieser Stelle siehe Harke (in Harke, Facetten des röm. ErbR, S. 68 f.). 1336 Auffällig sind die Doppelungen „damnavit“ und „fidei commisit“ – generaliter steht hier als Apokoinu zu den beiden Verben – sowie „darent“ und „restituerent“. Wie die doppelte Anordnung von Damnationslegat und Fideikommiss zeigt, war der Erblasser offensichtlich juristischer Laie und wollte sicher gehen, dass sein letzter Wille in jedem Fall durchgesetzt wurde. Siehe weiterhin die Quellen D.32.40.1 (Scaev. 21. dig.), wo sich der Anfragende auf einen allgemeinen Abschnitt („generale caput“) einer fideikommissarischen Anordnung bezog: „quaesitum est, cum generali capite fideicommisisset ,quisquis heres esset‘ . . .“. Ebenso D.33.2.32 pr. (Scaev. 15. dig.): „Generali capite praeposito quidam in testamento suo ita adiecit: . . .“ und D.40.4.59 pr. (Scaev. 23. dig.): „. . . quaesitum est, an . . . ex generali capite pedisequarum libertatem consequi posset“. In diesen Zusammenhang gehört auch die in § 9 III. 2. zu besprechende Stelle D.28.2.29.6 (Scaev. 6. quaest.), in der das Adverb generaliter zur Betonung einer allgemein gehaltenen Erbeinsetzung dient: „si generaliter, ,quidquid sibi liberorum natum erit post mortem‘ aut ,quicumque natus fuerit‘ sit institutus“. Die Allgemeinheit der beiden beispielhaft aufgezählten Einsetzungsformeln drückt sich hier zusätzlich im unpersönlichen „quidquid“ bzw. „quicumque“ aus. 1337 Siehe D.32.41.3 (Scaev. 22. dig.): „respondit non esse verisimile eam, quae nihil aliud Felicissimo et Felicissimae nisi haec quae specialiter legavit, ad filium, cui et hereditatis suae partem reliquit, legatum generali sermone transferre voluisse“. Hier wurde Scaevola zur Auslegung eines (wörtlich überlieferten) Vermächtnisses befragt, in
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vola sich bei seiner Entscheidung auf den „sermo generalis“ einer Erblasserin beruft –, ausschließlich auf tatsächliche, nicht-juristische Elemente eines Falles beziehen. Im didaktischen Diskurs der Quelle D.46.3.93.2 (Scaev. lib. sing. quaest. pub. tract.) leitet die Wendung „et quasi generale quid retinendum est, ut . . .“ dagegen einen „quasi allgemeinen“ juristischen Grundsatz1338 ein. Diese Formulierung veranschaulicht sehr deutlich, mit welch vorsichtiger Distanz die römischen Juristen dem Aufstellen von allgemeinen Regeln begegneten und wie sie sich diesen beinahe tastend annäherten. Denn die Aussage sollte hier ja gerade nicht den Rang einer allgemeinverbindlichen Rechtsregel haben, sondern nur „quasi generale“ gelten. Vielleicht handelte es sich dabei auch um eine Merkregel für Scaevolas Schüler. In seinem Werk finden sich zudem drei Quellenstellen mit Generalisierungen, die durch die Worte „in omnibus . . .“ ausgedrückt werden. Dies sind die im Folgenden exegetisch behandelten Quellen D.22.2.5 pr. (Scaev. 6. resp.) und D.28.
welchem eine Erblasserin ihren beiden Freigelassenen Felicissimus und Felicissima den fundus Gargilianus besonders („specialiter“) vermacht hatte. In einem anderen Teil des Vermächtnisses hatte sie ihrem Sohn Titius (allgemein) die Vermächtnisse vorausvermacht, welche sie selbst von dessen Vater (ihrem Ehemann) sowie dessen Bruder, dem Onkel des Titius, bekommen hatte. Da ihr das Gargilianische Landgut aber ursprünglich vom Vater des Titius vermacht war, stellte sich die Frage, wem es zustehen sollte. Nach dem responsum des Scaevola war es nicht wahrscheinlich, dass die Erblasserin das Gargilianische Landgut, welches sie ihren beiden Freigelassenen „specialiter“ vermacht hatte, durch ihre „allgemeine Ausdrucksweise“ ihrem daneben bedachten Sohn vermacht wissen wollte. Mit „sermo generalis“ ist hier folglich der Wortlaut des Vorausvermächtnisses gemeint, mit welchem die Erblasserin ihren Sohn bedacht hatte. 1338 Nach diesem Grundsatz galt, dass eine Nebenobligation durch Vereinigung mit der Hauptobligation erlosch, wenn diese hinzutrat: „ut, ubi ei obligationi, quae sequellae locum optinet, principalis accedit, confusa sit obligatio“. Als Beispiel wurde unmittelbar zuvor in dem langen Schuldiskurs der Fall gebracht, dass ein Schuldner seinen Bürgen zum Erben eingesetzt hatte, womit die Bürgschaft durch confusio zwischen Hauptschuldner und Bürgen erlosch und nur die (Haupt-)Forderung gegen den Schuldner bestehen blieb. Siehe zu dieser Stelle auch Kieß (Die confusio, S. 110 f.). Die Ulpian-Stelle D.46.1.5 (Ulp. 46. ad Sab.) ist im Vergleich zu D.46.3.93.2 (Scaev. lib. sing. quaest. pub. tract.) aus zwei Gesichtspunkten interessant: Zum einen, weil Ulpian dort zu eben diesem Problem den Julian zitiert und dies einmal mehr belegt, wie sehr sich Scaevola bei der Auswahl seiner in den beiden Quaestionenwerken behandelten Probleme an der Linie seines Vorgängers Julian orientiert; und zum anderen, weil schon Ulpian den Julian mit den allgemeinen Worten „Generaliter Iulianus ait eum, qui heres exstitit ei, pro quo intervenerat, liberari ex causa accessionis et solummodo quasi heredem rei teneri“ zitiert. Die von Scaevola angeführte allgemeine Grundregel („. . . et quasi generale quid retinendum est, ut . . .“) könnte also vielleicht schon auf Julian zurückgehen. Zur Begründung der Annahme Johnstons (On a Singular Book, S. 82), es handele sich bei dem Scaevola-Text um einen nachklassischen Auszug aus Julian, genügt dies jedoch nicht. Gegen eine nachklassische Überarbeitung spricht schon die Annahme, dass der Begriff confusio – wie Kieß (Die confusio, S. 111) vermutet – nur in der hochklassischen Zeit üblich war und später nicht mehr verwendet wurde.
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2.29.10 (Scaev. 6. quaest.) sowie die Quelle D.15.1.51 (Scaev. 2. quaest.)1339, wo der Diskurs in der regelhaften conclusio gipfelte, wonach die aufgrund einer vorgenommenen Zahlungsanweisung erfolgte Abtretung eines Klagerechtes in entsprechender Höhe der Forderung ebenso bei allen (Schuldnern) als rechtswirksame Leistung galt („delegatio pro iusta praestatione est“)1340. 1339 Da diese Quelle von derselben Struktur geprägt ist, wie die im Folgenden modellhaft behandelten und ihre inhaltliche Problematik bereits ausführlich in der Literatur erörtert wurde, wird sie hier nicht gesondert exegetisch untersucht, sondern nur auf ihre Gemeinsamkeiten mit den Ergebnissen der beiden anderen in omnibus-Quellen hingewiesen. Zur ausführlichen Interpretation der Stelle, welche v. Beseler (Kritik III, S. 184) nahezu komplett für interpoliert hielt, sei hier auf die neueren Untersuchungen von Alonso (Delegación, S. 48 ff.), Masiello (Quaestiones, S. 191 f.), Zandrini (La delegatio, S. 36 ff.) und insbes. Reichard (Die Frage des Drittschadensersatzes, S. 266–271) verwiesen. Zum Interpretationskontext der Stelle gehört jedenfalls auch die palingenetisch nachfolgende Quelle D.24.3.43 (Scaev. 2. quaest.); dazu Schulz (SZ 27 (1906), S. 135). Schon ihrer Struktur nach zeigt D.15.1.51 (Scaev. 2. quaest.) einen für die Quaestiones des Scaevola geradezu typischen Befund: Neben Begründungen mit quia und enim finden sich regelhafte Aussagen wie z. B. „Si paratus sit actiones mandare, absolvetur“ oder „quia habent actionem, delegatio pro iusta praestatione est“. Sehr wahrscheinlich handelt es sich auch hier um einen Schuldiskurs. Inhaltlich ging es um die Abtretung von Klagerechten aufgrund durchgeführter Zahlungsanweisung (delegatio solvendi), welche hier von Scaevola an zwei Beispielen zur actio de peculio erörtert wird: Im ersten Fall sollte ein dominus vom Gläubiger seines Sklaven, der wiederum selbst Gläubiger Dritter war, mit der actio de peculio in Anspruch genommen werden. Wenn der dominus nun bereit war, seine Forderungen gegen die Dritten in entsprechender Höhe abzutreten („si paratus sit actiones mandare“), wurde er frei. Der dominus konnte hier nicht auf den vollen Nennwert der Schuld (der Dritten) verklagt werden, sondern wurde schon durch die Abtretung seiner Forderung in entsprechender Höhe frei. Nach Schulz (SZ 27 (1906), S. 130) könnte diese Klagenzession erst seit Scaevola eingeführt worden sein. Dies hält im Übrigen auch Chiusi (Die actio de in rem verso, S. 164 Fn. 140) für plausibel. Dasselbe sollte nach Scaevola nun auch in dem anschließend angeführten Beispielsfall („si“) eines im Miteigentum stehenden Sklaven gelten („quod enim dicitur“), wenn gegen einen der Miteigentümer mit der actio de peculio geklagt wurde. Da in diesem Fall grundsätzlich das gesamte Sondergut zu berücksichtigen war („universum peculium computandum“), der Miteigentümer jedoch in Höhe dessen, was er über seinen Anteil hinaus bezahlt hatte, mit der Gesellschafts- bzw. Teilungsklage beim socius Regress nehmen konnte, kam es nach Scaevola auf dasselbe heraus („in eodem redibit“), wenn jener bereit war, dem Kläger seine Forderungen gegen diesen abzutreten („si actiones paratus sit praestare“); vgl. D.15.1.27.8 (Gai. 9. ad ed. prov.). 1340 Diese abschließende Generalisierung wurde u. a. von Kreller (SZ 66 (1948), S. 89 f.) für unecht gehalten. Für die Echtheit dagegen Alonso (Delegación, S. 49 Fn. 25); Zandrino (La delegatio, S. 37 f.) und überzeugend Reichard (Die Frage des Drittschadensersatzes, S. 268, insbes. Fn. 9), welcher betont, dass Scaevola mit dem Schlusssatz das verallgemeinert, was er zuvor anhand des socii-Falles konkret gesagt hatte. Da die Verallgemeinerung mit den Worten von Reichard hier also „guten Sinn“ macht, besteht keine Notwendigkeit eine Interpolation anzunehmen. Die Worte „et in omnibus“ dienen folglich auch in diesem Fall der verallgemeinernden Zusammenfassung zu einer regelhaften juristischen Aussage, die wie ein Merksatz für Schüler („dicimus“) anmutet. Vgl. auch die Übersetzung von D’Ors (El digesto I, S. 581): „. . . y ,vale, en general‘ para todos los que decimos que responden precisamente porque tienen acción ,la regla de que‘ la delegación equivale a justo pago“. Die Stelle zeigt jedenfalls,
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Einmal kommt daneben auch die Wendung „quibuscumque casibus“ 1341 vor. Da sich die Quellen im Hinblick auf mögliche Systembildungsaspekte nicht ohne eine detaillierte exegetische Behandlung auswerten lassen, sollen sie im Folgenden genauer untersucht werden. Schon an dieser Stelle kann jedenfalls festhalten werden, dass sich Generalisierungstendenzen bei Scaevola am häufigsten – in insgesamt fünf Quellenstellen1342 – in seinen Quaestiones bzw. dem Liber singularis quaestionum publice tractatarum zeigen.
III. Exegesen 1. D.22.2.5 (Scaev. 6. resp.1343) „Periculi pretium est et si condicione quamvis poenali non exsistente recepturus sis quod dederis et insuper aliquid praeter pecuniam, si modo in aleae speciem non cadat: veluti ea, ex quibus condictiones1344 nasci solent, ut ,si non1345 manumittas‘, ,si non illud facias‘, ,si non convaluero‘ et cetera. nec dubitabis, si piscatori erogaturo in apparatum plurimum pecuniae dederim, ut, si cepisset, redderet, et athletae, unde se exhiberet exerceretque, ut, si vicisset, redderet. (1) In his autem omnibus et pactum sine stipulatione ad augendam obligationem prodest“ 1346. „Es handelt sich auch dann um ein periculi pretium, wenn man, im Fall, dass eine Bedingung – sei sie auch noch so strafbewehrt – nicht eintritt, das zurückerhalten wird, was man gegeben hat und obendrein irgendetwas über das [gegebene] Geld hi-
dass abstrakte Aussagen eng (meist als conclusio) mit konkreter Einzelfallkasuistik verbunden bleiben und vorwiegend didaktisch motiviert waren. 1341 Siehe erneut D.28.2.29.6 (Scaev. 6. quaest.): „. . . interpretatio admittatur, ut instituens nepotem, qui sibi post mortem suus nasceretur, recte instituisse videatur, quibuscumque casibus nepos post mortem natus suus esset rumperetque praeteritus . . .“. Auch diese Stelle wird im Folgenden exegetisch behandelt. 1342 D.15.1.51 (Scaev. 2. quaest.); D.28.2.29.6 (Scaev. 6. quaest.); D.28.2.29.10 (Scaev. 6. quaest.); D.44.3.14 pr. (Scaev. lib. sing. quaest. pub. tract.); D.46.3.93.2 (Scaev. lib. sing. quaest. pub. tract.). 1343 libro II quaestionum? (sic fere Ioers). 1344 condiciones F. 1345 non Cui. sec. B, om. F. 1346 Der Index Interpolationum (Bd. II, S. 37) weist zahlreiche Interpolationsvermutungen zu der Stelle aus. Verdächtigt wird insbes. § 1 der Quelle. Siehe hierzu statt aller Rotondi (Studi II, S. 216 Fn. 3): „Aggiunta generica e mal collegata col passo che precede“. Während De Villa (Le usurae ex pacto, S. 109) nur die im Text angeführten Beispiele für echt hielt, schien Arangio-Ruiz (Lineamenti, S. 85) sogar die ganze Stelle bis auf den Passus von „Periculi pretium“ bis „cadat“ ein „frutto della compilazione“ zu sein. Die schwierige Stelle gehört nicht nur aufgrund ihrer verschiedenen Lesarten seit jeher zu den „septem damnatae leges Pandectarum“; siehe schon den Verweis auf Cornelius van Eck bei Glück (Pandecten 21, S. 156).
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naus. Vorausgesetzt ist aber, dass es [das Geschäft] nicht unter den Fall des [verbotenen] Glücksspiels fällt: wie z. B. die [Geschäfte], aus denen Kondiktionen zu entstehen pflegen, [nicht verboten sind mit Bedingungen] wie ,wenn du nicht freilässt‘, ,wenn du nicht jenes tust‘, ,wenn ich nicht gesund geworden bin‘ und so weiter. Und man wird [das periculi pretium] nicht in Zweifel ziehen, wenn ich einem Fischer, der für seine Fangausrüstung Ausgaben machen will, reichlich1347 Geld gegeben habe, damit er [dieses], wenn er einen Fang gemacht hat, zurückgibt, und [wenn ich] einem Athleten [reichlich Geld gegeben habe], wovon er sich unterhalten1348 und trainieren soll, damit er [dieses], wenn er gewonnen hat, zurückgibt. (1) In allen diesen [Fällen mit periculi pretium] ist aber sogar ein pactum ohne Stipulation zur Erweiterung der Verbindlichkeit wirksam“.
a) Einordnung und Aufbau der Stelle Die Quelle stammt laut Inskription aus dem sechsten Buch der Responsa des Scaevola. In den Digesten des Kaisers Justinian findet sie sich unter dem Titel „De nautico faenore“, „Das Seedarlehen“ wieder1349. Lenel bereitete die Zuord1347 „Plurimum“ wird hier – entgegen dem Interpretationsvorschlag von Wacke (SDHI 44 (1978), S. 445 Fn. 32) – nicht mit „den größten Teil der Finanzierungskosten“ übersetzt, sondern schlicht mit „reichlich“ Geld. Dass der Athlet bzw. Fischer einen Teil der Kosten selbst bezahlte, ist zwar gut denkbar, geht aus dem konkreten Text aber nicht hervor. 1348 Das Verb exhibere wird hier mit „unterhalten“ übersetzt. Als Beispiel für die allgemeine Bedeutung „unterhalten/ernähren“, insbes. in der reflexiven Form „se exhibere“, wird die vorliegende Stelle („se exhiberet“) bei Heumann/Seckel (Handlexikon, S. 190) angeführt. Siehe dort auch die Auflistung weiterer Stellen wie z. B. D.25.3.5.7 (Ulp. 2. de officio consulis): „si filius possit se exhibere“ oder D.10.4.11.1 (Ulp. 24. ad ed.): „servus ex operis vel artificio suo solebat se exhibere“. Belegt ist „se exhibere“ zudem in der Bedeutung „auftreten/sich darbieten“. Gerade bei einem Athleten, der sich im Wettkampf „präsentierte/auftrat“, ist auch diese Bedeutung in Erwägung zu ziehen. Es ist jedoch nicht überliefert, dass die Athleten für ihre Auftritte regelmäßig Startgebühren o. ä. zahlen mussten, wofür sie das Geld eines Sponsors benötigt hätten. Näher liegt es dagegen anzunehmen, dass ein Athlet mit dem Darlehen seinen kostspieligen Lebensunterhalt bestritt, zumal Berufsathleten neben dem harten Training keiner anderen beruflichen Tätigkeit nachgehen konnten. Als stilistisches Argument für die hier vorgeschlagene Übersetzung mit „sich unterhalten“ könnte man zudem anführen, dass sich bei der Übersetzung von „se exhiberet et exerceretque“ mit „auftritt und trainiert“ ein Hysteron-Proteron ergäbe – eine Stilfigur, die für den üblicherweise eher kargen juristischen Diskurs Scaevolas vielleicht etwas ungewöhnlich scheinen mag. 1349 Dort steht die Quelle an fünfter Stelle von insgesamt neun Quellenstellen verschiedener Autoren. Die Frage, weshalb die Stelle, in der weder das fenus nauticum noch die usurae maritimae mit einem Wort erwähnt werden, von Justinian unter dem Titel „De nautico faenore“ wiedergegeben wird, ist in der Literatur seit langem umstritten. Anders als u. a. Litewski (IURA 24 (1973), S. 164) glaubt Castresana Herrero (El préstamo marítimo, S. 106) z. B. nicht, dass die Quelle ursprünglich im Zusammenhang mit dem Seedarlehen stand. Da sowohl die Responsa des Scaevola als auch die Quaestiones zur Papiniansmasse gezählt werden (vgl. Mantovani [Digesto e masse bluhmiane, S. 98]), kommt es für die Massenzuordnung jedenfalls nicht auf die Inskriptionsfrage an.
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nung der Stelle dagegen offenbar Schwierigkeiten1350. In seiner palingenetischen Rekonstruktion steht die Quelle als Letzte am Ende des sechsten Buches der Responsa nach vier Quellen, die jeweils Gesetze wie die lex Falcidia, die lex Iulia et Papia oder die lex Cornelia de adpromissoribus1351 betreffen. Der auffällig weitschweifige und verschachtelte Diskurs wirkt für eine Quelle aus den Responsa des Scaevola – selbst wenn diese im Allgemeinen komprimierter waren als die Fallsammlung der Digesta1352 – insgesamt ungewöhnlich abstrakt. So nahm schon Joers1353 an, dass es sich bei der Inskription hier um einen Abschreibefehler handelt und die Quelle ursprünglich den eher didaktischen Zwecken dienenden Quaestiones des Scaevola entstammte. Insbesondere die beispielhafte Ausführung „veluti ea, ex quibus condictiones nasci solent“, „,si non manumittas‘ “, „,si non illud facias‘“, „,si non convaluero‘ et cetera“ erinnert an einen Schuldiskurs, wie er uns etwa aus D.45.1.129 (Scaev. 12. quaest.)1354 bekannt ist1355. Es ist nicht auszuschließen, dass die Quelle ursprünglich in einem ähnlichen Zusammenhang zur Stipulation stand1356. Auch die Tatsache, dass ausschließlich in der ersten („dederim“) und zweiten („recepturus sis“/„dederis“/„nec dubita1350
Lenel (Palingenesie II, Sp. 316) ordnet es daher keinem Titel zu. Ein inhaltlicher Zusammenhang lässt sich am ehesten zu der unmittelbar vorausgehenden Quellenstelle D.46.1.63 (Scaev. 6. resp.) zur lex Cornelia de adpromissoribus herstellen, wo es ebenfalls um ein Darlehen mit pactum und um Zinsen ging. Genauer gesagt war dort zwischen einem Darlehensnehmer und einer Darlehensgeberin ein pactum mit der Bestimmung geschlossen worden, dass die Gläubigerin bei nicht rechtzeitiger Rückzahlung der Darlehenssumme den zum Pfand gegebenen Schmuck innerhalb eines bestimmten Zeitraums verkaufen durfte: „pactum intercesserat, ut, si centum, quae mutua dederit, ubi primum petita fuissent, non solverentur, ornamenta pignori data intra certum tempus liceret ei vendere“. Zusätzlich war in diesem pactum vereinbart worden, dass – falls der Schmuck um weniger als die Summe dessen, was der Darlehensnehmer an Kapital und Zinsen schuldete, verkauft wurde – dies der Gläubigerin erstattet werden sollte: „et si quo minoris venissent, quodque sortis vel usurarum nomine deberetur, id creditrici redderetur“. Eine Parallele zu unserem Fall könnte hier neben dem Darlehensgeschäft vielleicht auch in der paktierten negativen Bedingung „ut, si . . . non solverentur“ bestehen, nach welcher der Schuldner bei Nichtleistung nicht nur das Pfand verlieren sollte, sondern auch die Differenz aus dem Verkaufserlös begleichen musste. Näheres dazu unter § 9 III. 1. c) cc). 1352 Siehe zur sog. ,Regestentheorie‘ § 3 IV. 2. a) aa) (5). 1353 Joers (RE III, S. 1990). Siehe auch Biscardi (Actio pecuniae traiecticae, S. 81 Fn. 2) sowie den Handapparat zur überlieferten Inskription. 1354 Siehe dazu bereits § 4 II. 1355 Eine Parallele zu diesem Schulfall sieht auch Krampe (FS-Ankum I, S. 219) – und zwar im Seedarlehensstreit des Callimachus, wo das Zahlungsversprechen an die beiden negativen Bedingungen „si intra diem supra scriptam non reparasset merces nec enavigasset de ea civitate“ geknüpft war. Siehe dazu § 9 III. 1. c). 1356 Darauf, dass die meisten uns überlieferten Quellen zum fenus nauticum ursprünglich aus Abhandlungen der römischen Juristen über die Stipulation stammen, weist Castresana Herrero (El préstamo marítimo, S. 162) hin. 1351
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bis“) Person gesprochen wird1357, spricht gegen einen konkreten Fall. Denn wie bereits erwähnt1358, werden die Parteien in den nicht dialogisch aufgebauten Responsensammlungen des Scaevola üblicherweise mit Blankettnamen bezeichnet. Für einen didaktischen Diskurs spricht zudem, dass im Text verschiedene Verträge verglichen („veluti ea, ex quibus condictiones nasci solent, ut . . .“) und voneinander abgegrenzt (z. B. „si modo in aleae speciem non cadat“ 1359) werden. Derart abstrakte Ausführungen, Definitionen oder Beispiele waren den praktisch ausgerichteten Responsensammlungen des Scaevola aber fremd1360. Auch wenn wir über einen möglichen Abschreibefehler in der Inskription letztendlich nur spekulieren können, sprechen zumindest die genannten stilistischen Argumente dafür, dass die Quelle ursprünglich aus den Quaestiones des Scaevola stammt. b) Das fenus nauticum Bevor im Folgenden auf den Inhalt der Quelle eingegangen werden kann, sollen zunächst einige allgemeine Bemerkungen zum Institut des fenus nauticum gemacht werden, welche für das Verständnis der Stelle unerlässlich sind. Das Seedarlehen (fenus nauticum1361) war ein Kreditgeschäft des ius gentium1362, bei welchem ein Darlehensgeber1363 mit einem Schiffsführer vereinbarte, diesem eine bestimmte Summe Geldes – eine sog. „pecunia traiecticia“ 1364 – zur Finanzierung einer Seereise zu gewähren1365. 1357 Die Formen wurden in der vorliegenden Übersetzung mit dem unpersönlichen „man“ wiedergegeben. 1358 Siehe § 3 IV. 2. a) aa) (2). 1359 Zur Abgrenzung zwischen Spiel und Seedarlehen siehe § 9 III. 1. c) bb). 1360 Siehe dazu § 3 IV. 2. a). 1361 Die Bezeichnung ist nicht klassisch. Sie taucht erst im Kaiserrecht auf. In den klassischen Quellen wird dagegen häufig der Begriff „pecunia traiecticia“ bzw. „contractus traiecticius“ zur Bezeichnung des Gegenstandes des Seedarlehens gebraucht; siehe Ankum (IURA 29 (1978), S. 170 Fn. 48). 1362 Siehe Klingmüller (RE VI, S. 2201). Kaser hingegen schweigt in seinem Werk „Ius gentium“ zum fenus nauticum. Zum ius gentium allgemein siehe Baldus (in Handwörterbuch der antiken Sklaverei, m.w. N.). 1363 Dies war oft ein sog. fenerator, ein Finanzspekulant, der sein Kapital als Seedarlehen anlegte. Es gab aber auch „piccoli risparmiatori“, so Cerami/Petrucci (Dir. commerciale rom., S. 283). Darlehensnehmer waren meist ein Reeder oder dessen angestellter magister navis griechischer bzw. orientalischer Herkunft; vgl. die interessante Auflistung einiger Protagonisten bei Giuffrè (Studi sul debito, S. 117). Wie der Autor betont, gehörten die handeltreibenden Reeder, welche sich der hohen Zinslast eines Seedarlehens unterwarfen, zumindest in der Regel nicht zu den armen und bedürftigen Bürgern, sondern waren immerhin Eigentümer der Schiffe. 1364 Siehe die Definition von Modestinus in D.22.2.1 (Mod. 10. pand.): „Traiecticia ea pecunia est quae trans mare vehitur . . .“. Der Transport des Geldes war natürlich kein
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Die Besonderheit dieses Geschäfts bestand – ähnlich wie bei seinem Vorläufer, dem griechischen dÜneion nautikün, – darin, dass das Geld nur bei erfolgreichem Abschluss der Reise und glücklicher Ankunft der Waren an den Darlehensgeber zurückgezahlt werden musste1366. Anders als beispielsweise bei der lex Rhodia de iactu und in Ausnahme von der Regel casum sentit dominus trug beim fenus nauticum nicht der Darlehensnehmer als Eigentümer des dargeliehenen Geldes, sondern der Darlehensgeber
Selbstzweck; vgl. Zimmermann (The Law of obligations, S. 183). Mit dem dargeliehenen Geld, das der Schiffer – insbes. in Form von Waren, wie z. B. in D.45.1.122.1 (Scaev. 28. dig.) überliefert – in den Bestimmungshafen verschiffte, erwarb er vor Ort i. d. R. (neue) Waren, die er meist zurück in den Heimathafen importierte; siehe Litewski (IURA 24 (1973), S. 122). Ernst (ZEuP 7 (1999), S. 605) spricht insofern (modernrechtlich) von „Spotgeschäften“, bei denen die Ware zunächst im Ausgangshafen vom Verfrachter gekauft und dann im Zielhafen weiterverkauft wurde. Da jedoch zu keinem Zeitpunkt eine generische Lieferverpflichtung hinsichtlich der über See transportierten Waren bestand, kann das fenus nauticum nicht zu den großvolumigen Geschäftsformen gerechnet werden, welche im römischen Recht den fehlenden Gattungskauf praktisch ersetzten; siehe dazu Ernst (ZEuP 7 (1999), S. 604 ff.). Im Gegensatz zum griechischen Recht war die Darlehensvaluta beim römischen Seedarlehen zudem an einen bestimmten Zweck gebunden. Der Schiffer konnte das Geld also nicht ohne weitere Absprachen für die Reparatur des Schiffes, für die Bezahlung der Belegschaft o. ä. verwenden; vgl. Cerami/Petrucci (Dir. commerciale rom., S. 286). Vgl. erneut den engen Verwendungsbegriff bei Modestinus in D.22.2.1 (Mod. 10. pandect.). Für die Ausrüstung sowie Reparaturen am Schiff o. ä. stand dagegen ein gewöhnliches mutuum zur Verfügung; siehe dazu die Quellen D.42.5.26 (Paul. 16. brevis edicti) und D.42.5.34 (Marcianus 5. reg.). 1365 Die dogmatische Einordnung des Seedarlehens ist seit jeher umstritten und geht aus den Quellen nicht klar hervor; siehe Klingmüller (RE VI, S. 2201) sowie die Darstellung bei Castresana Herrero (El préstamo marítimo, S. 128 f.). Wie Ernst (ZEuP 7 (1999), S. 605) anmerkt, entspricht das Seedarlehen nach moderner Vertragspraxis mindestens drei verschiedenen Geschäften: Einem Umsatzgeschäft, einem Transportgeschäft und einer Versicherung sowie eventuellen Kreditgeschäften. Da das römische Seedarlehen Elemente aller dieser Geschäfte in sich vereint, bedurfte die Einigung der Parteien zahlreicher Einzelabreden. Es fällt auf, dass das Institut in den Digesten des Kaisers Justinian nicht im Zusammenhang mit dem mutuum, sondern unter einem eigenen Titel des allgemeinen Abschnitts „de rebus creditis“ behandelt wird. Obwohl die Darlehensnatur des fenus nauticum von einigen Autoren bestritten (und dieses teilweise den Innominatkontrakten zugerechnet) wurde, deuten die Quellen aber überwiegend auf die realvertragliche Natur des Geschäfts hin; siehe nur D.22.2.6 (Paul. 25. quaest.): „Faenerator pecuniam usuris maritimis mutuam dando . . .“; D.45.1.122.1 (Scaev. 28. dig.): „Callimachus mutuam pecuniam nauticam accepit . . .“. Siehe zu den Realverträgen im römischen Recht demnächst Wegmann Stockebrand („Obligatio re contracta“. Ein Beitrag zur Entstehung der sogenannten Realverträge im römischen Recht, vorauss. 2015). Eine datio mutui wird gerade auch in unserer Quelle angedeutet: „recepturus sis quod dederis“. Ebenso in D.13.4.2.8 (Ulp. 27. ad ed.): „quid enim si traiecticiam pecuniam dederit“. Kaser (Röm. PrivatR. I, S. 532) bezeichnet das fenus nauticum daher als „Sondertyp“ des mutuum. Auch Guarino (Dir. priv. rom., S. 865) spricht von einer „figura speciale di mutuo“. Andererseits räumt der Autor (S. 866) ein, dass das fenus nauticum dem mutuum nur unter wirtschaftlichen, nicht unter technisch-juristischen Gesichtspunkten vergleichbar ist. 1366 Vgl. Schuster (Das Seedarlehen, S. 188).
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die Gefahr des Untergangs der Sache (periculum creditoris), die sog. Seegefahr (periculum maris1367). Auf diese Weise übertrug der Schiffer einen Teil des Risikos der gefährlichen Schiffsreise auf den Darlehensgeber. Im Gegenzug für diese Risikoübernahme konnten die Zinsen beim Seedarlehen (usurae maritimae1368) für die Zeit der Seefahrt in unbeschränkter Höhe vereinbart werden1369. Zudem verlor der Schiffer meist einen nicht unbeträchtlichen Teil seines voraussichtlichen Gewinns1370 an den Darlehensgeber. Als Kombination aus Darlehens- und Risikogeschäft kam dem Seedarlehen im römischen Recht insofern versicherungsähnliche Funktion zu1371. Das Seedarlehen wurde in der Praxis wohl meist mittels stipulatio – in der auch die Zinspflicht bestimmt werden konnte – geschlossen1372. In einem solchen Stipulationsdarlehen wurden u. a. Vereinbarungen zur Dauer der Reise, zur Laufzeit des Darlehens sowie zur Reiseroute getroffen1373.
1367 Die Seegefahr bestand vor allem im Schiffbruch (naufragium), in der Bedrohung durch Piraten und im Seewurf; vgl. Schuster (Das Seedarlehen, S. 188). Für alle anderen Gefahren, die nicht im Zusammenhang mit dem periculum maris standen (z. B. Brand oder Verfall von Waren), haftete der Darlehensgeber dagegen nicht; siehe Schuster (Das Seedarlehen, S. 189). 1368 Im Gegensatz zum mutuum wurden die Zinsen beim Seedarlehen in erster Linie nicht für die zeitweise Überlassung der Darlehensvaluta gezahlt, sondern als eine Art Risikoprämie für die Übernahme der Gefahr berechnet; vgl. Talamanca (Istituzioni, S. 546). Nach Kleinschmidt (Foenus Nauticum, S. 35) bezahlte der Schuldner „einen Preis für die Gefahr, der sich der Gläubiger mit seinem Capital aussetzte, d. h. ein periculi pretium“. Wie beim griechischen Seedarlehen üblich (siehe Paoli [Studi di dir. attico, S. 69]), wurden die Zinsen auch in Rom meistens ins Kapital eingerechnet. Dies nimmt Ankum (IURA 29 (1978), S. 173) z. B. für TP. Sulp. 13 (siehe Camodeca [Tabulae Pompeianae, S. 177 f.]) an, wo von einer Stipulation keine Rede ist. 1369 Siehe Kaser/Knütel (Röm. PrivatR, S. 201). Wie eine verbreitete Praxis zu belegen scheint, wurde der Zins im Vorfeld auf einen dem finanzierten Geschäftsvolumen entsprechenden Betrag festgelegt; vgl. Cerami/Petrucci (Dir. commerciale rom., S. 288). Erst Kaiser Justinian führte eine Beschränkung auf 12 % p. a. ein; siehe C.4.32.26.2 (Imp. Iustinianus A. Menae pp.). Zu den Details der Zinspflicht beim Seedarlehen siehe bereits die vorhergehende Fn. 1370 Wie Schuster (Das Seedarlehen, S. 195) bemerkt, waren die zu erzielenden Gewinne beim Seedarlehen „ohne Beispiel in der Geschichte der Antike“. 1371 Vgl. Schuster (Das Seedarlehen, S. 189); Marrone (Istituzioni, S. 440); Zimmermann (The Law of Obligations, S. 183). Nach Ernst (ZEuP 7 (1999), S. 605) fehlte im Unterschied zur neuzeitlichen Versicherung gegen Prämie jedoch die planmäßige Risikostreuung. 1372 So die überwiegende Ansicht in der Literatur; siehe statt aller Cerami/Petrucci (Dir. commerciale rom., S. 283). 1373 Vgl. die in D.45.1.122.1 (Scaev. 28. dig.) angegebenen zweihundert Tage für die Seereise von Berytus (heutiges Beirut) nach Brentesium (griechische Namensform von lat. Brundisium, heutiges Brindisi) und zurück. Hier war zudem genau vereinbart worden, dass der Schiffer Callimachus innerhalb der Iden des September zurück nach Syrien aufbrechen sollte: „convenitque inter eos, uti . . . inde intra idus Septembres . . . in
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Was den prozessualen Schutz des Seedarlehens betrifft, so ist aus den uns überlieferten Quellen keine eigene Klage bekannt. Wie in D.45.1.122.1 (Scaev. 28. dig.) überliefert, konnte bei Stipulation des Darlehens natürlich mit der gewöhnlichen actio ex stipulatu auf Rückzahlung des Darlehens plus evtl. stipulierter Zinsen geklagt werden. Daneben kam – entsprechend der realvertraglichen Einordnung des Seedarlehens als mutuum – eine actio certae creditae pecuniae auf Rückzahlung des dargeliehenen Kapitals in Betracht1374. Die Zinsen konnten hier ebenfalls (separat) stipuliert und mit der actio ex stipulatu eingeklagt werden. c) Das Principium In D.22.2.5 pr. gibt Scaevola zunächst eine einleitende Definition des periculi pretium („periculi pretium est et si . . .“)1375. Demnach handelte es sich auch dann um einen Preis für die Übernahme der Gefahr (periculi pretium), wenn ein Darlehensgeber bei Nichteintritt einer Bedingung („condicione non exsistente“ 1376) das zurückerhalten sollte, was er gegeben hatte und obendrein irgendetwas über das (gegebene) Geld hinaus. Fraglich ist zunächst, welche Fälle wir uns unter dieser Definition vorzustellen haben – wann also ein Darlehensgeber mehr als die von ihm gegebene Summe zurückbekam, wenn eine Bedingung nicht eintrat1377. Denn der Normalfall des fenus nauticum war doch der, dass der Geldgeber sein Geld zurückbekam, wenn die Reise geglückt und das Schiff heil („salva nave“ 1378) in den Heimathafen zurückgekehrt war.
Syriam per navigium proficiscatur“. Siehe zu dieser Quelle Krampe (FS-Ankum I, S. 207 ff.) und Sigel (Rechtsgutachten, S. 91 ff.). 1374 Siehe Schuster (Das Seedarlehen, S. 195). 1375 Schon diese Einleitung mit ihren vielen Einschüben und Nebensätzen ist auffallend verschachtelt. Sie wirkt, als habe jemand unbedingt alle Einzelbeispiele und Besonderheiten der Definition in einem Satz unterbringen wollen. Selbst wenn Scaevola sich sonst knapper und präziser auszudrücken pflegte, ist dies aber noch kein hinreichendes Indiz für eine Überarbeitung. Der lange, komplizierte Satz mit seinen vielen exkursartigen Ausschweifungen wirkt – wie die ganze Quelle – mehr wie ein assoziativer Diskurs und nicht wie eine bewusste Konstruktion. 1376 Vgl. D.22.2.6 (Paul. 25. quaest.): „. . . sed cum traiecticia pecunia ita datur, ut non alias petitio eius creditori competat, quam si salva navis intra statuta tempora pervenerit, ipsius crediti obligatio non exsistente condicione defecisse videtur . . .“. 1377 Nach Glück (Pandecten 21, S. 159) ist darauf abzustellen, „ob das Geld dergestalt gegeben worden ist, daß wenn die Bedingung existiert, es der Empfänger behalten soll“. Es musste also – ähnlich der Vertragsstrafe – im Interesse des Darlehensgebers gelegen haben, dass der Empfänger die Bedingung erfüllte. 1378 Vgl. D.22.2.7 (Paul. 3. ad ed.): „nam si dedero decem traiecticia, ut salva nave sortem cum certis usuris recipiam . . .“. Nach Castresana Herrero (El préstamo marítimo, S. 110 Fn. 82) handelt es sich bei dieser Bedingung nicht etwa um eine „determinación accesoria del negocio introducida voluntariamente por los contratantes“, sondern
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Dass es sich in unserem Fall um eine Variante des Normalfalles handelt, könnte die Formulierung „periculi pretium est et1379 si . . .“ andeuten. Fraglich ist demnach, in welchem Zusammenhang die einleitende Definition zum fenus nauticum steht1380, d. h. ob es einen Fall gab, in dem der Darlehensnehmer das Geld auch dann zurückzahlen musste, wenn das Schiff nicht wie verabredet im Heimathafen ankam. Einen Hinweis auf eine solche Konstellation könnte ein weiterer von Scaevola zum fenus nauticum entschiedener Fall bieten: In dem berühmten Seedarlehensstreit des Callimachus aus der Quelle D.45.1.122.1 (Scaev. 28. dig.) war das Rückzahlungsversprechen alternativ („aut“) zur rechtzeitigen Rückkehr1381 an die folgende doppelt negative Bedingung geknüpft: „si intra diem supra scriptam non reparasset merces nec enavigasset de ea civitate, redderet universam continuo pecuniam quasi perfecto navigio . . .“.
Der Schiffsführer Callimachus sollte also – als ob die Reise glücklich vollendet wäre – „universam pecuniam“ 1382 zurückzahlen, falls er die Waren nicht – vielmehr um eine echte condicio iuris, „ya que constituye un elemento inherente a la propria estructura sustancial de la pecunia traiecticia“. 1379 Man könnte darüber spekulieren, ob der Diskurs nachträglich verkürzt wurde und ursprünglich zuvor andere Formen der Vergütung für die Gefahrübernahme erwähnt worden waren. Darauf deutet jedenfalls das „et“ hin. Wahrscheinlich ging es in dem nicht mehr erhaltenen Part um das Seedarlehen. Dies vermutet auch Litewski (IURA 24 (1973), S. 164). 1380 Wie bereits in Fn. 1349 erwähnt, wird die Frage, weshalb die Quelle, in der weder das fenus nauticum noch die usurae maritimae erwähnt werden, von Justinian unter dem Titel „De nautico faenore“ wiedergegeben wurde, seit langem heftig diskutiert. In der älteren Literatur wurde die Stelle oft als Beleg für ein sog. „foenus quasi nauticum“ aufgefasst; siehe Glück (Pandecten 21, S. 153); De Villa (Le usurae ex pacto, S. 108 ff.) und Kleinschmidt (Foenus Nauticum, S. 34 ff.), welcher betont, die Stellung der Quelle sei „nur eine analoge“, der Inhalt sei „nur vergleichsweise herangezogen“ und habe „mit der pecunia trajecticia zunächst gar nichts zu thun“. Nach Litewski (IURA 24 (1973), S. 120 Fn. 43) gibt es dagegen keinen Grund für die Bildung des Begriffes „fenus quasi nauticum“. Seiner Ansicht nach geht es in der Stelle „um den Vergleich des Seedarlehens mit den manchen Rechtsgeschäften, bei denen der Gläubiger im Zusammenhang mit seiner Gefahr mehr verlangen konnte, als er leistete (periculi pretium)“. Ähnlich Klingmüller (RE VI, S. 2201). 1381 Die ganze Vereinbarung lautet: „. . . convenitque inter eos, uti, cum Callimachus Brentesium pervenisset, inde intra idus Septembres, quae tunc proximae futurae essent, aliis mercibus emptis et in navem mercis ipse in Syriam per navigium proficiscatur, aut, si intra diem supra scriptam non reparasset merces nec enavigasset de ea civitate, redderet universam continuo pecuniam quasi perfecto navigio et praestaret sumptus omnes prosequentibus eam pecuniam, ut in urbem Romam eam deportarent: eaque sic recte dari fieri fide roganti Sticho servo Lucii Titii promisit Callimachus“. 1382 Fraglich ist, was hier mit der gesamten Geldsumme („universam pecuniam“) gemeint ist. Da zwischen den Parteien ausdrücklich bestimmt war, dass der Schuldner bei Nichteinhaltung der Vertragsfrist die gesamte Geldsumme „quasi perfecto navigio“ bezahlen sollte, vermutet Krampe (FS-Ankum I, S. 218), dass davon die (im Text nicht eigens erwähnten) Zinsen für die gesamte Laufzeit von zweihundert Tagen erfasst waren.
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wie abgemacht – innerhalb der zwischen den Parteien vereinbarten Frist wiederbeschafft hatte und losgesegelt war1383. Der Fall ist folglich ein Beispiel dafür, dass auch der Nichteintritt einer positiven Bedingung bei gleichzeitigem Eintritt einer negativen Bedingung (ähnlich wie bei der Vertragsstrafe1384) zur Zahlungspflicht des Darlehensnehmers führen konnte, wenn die Erfüllung der Bedingung – wie hier – im Interesse des Darlehensgebers bestand1385. aa) „et insuper aliquid praeter pecuniam“ Nach der Definition des Scaevola sollte der Darlehensgeber bei Nichteintritt der Bedingung „aliquid praeter pecuniam“ bekommen. Fraglich ist zunächst, was unter diesem allgemeinen Ausdruck zu verstehen ist. Geht man weiterhin davon aus, dass sich die Quelle auf das fenus nauticum be-
1383 Natürlich darf man hier nicht auf den Nichteintritt („condicione . . . non exsistente“) dieser negativen Bedingungen abstellen, sondern muss die Bedingung „si non . . . nec“ als Alternative im Fall des Nichteintritts der positiven Bedingung „ut salva nave . . .“ verstehen. 1384 Strafcharakter hat die Vereinbarung hier insofern, als dass von Callimachus die „universa pecunia“ zurückgezahlt werden musste – also die gesamte Geldsumme plus Zinsen für die Laufzeit von zweihundert Tagen. Die Vereinbarung einer Vertragsstrafe (poena pecuniae traiecticiae) für die verspätete Rückzahlung eines Seedarlehens kommt in den Quellen häufig vor; siehe nur D.22.2.8 (Ulp. 77. ad ed.) oder D.22.2.9 (Lab. 5. pithanon a Paulo epit.): „Si traiecticiae pecuniae poena (uti solet) promissa est . . .“. Nach Knütel (Stipulatio poenae, S. 40) wurde mit dieser poena, in welcher der Autor eine echte Vertragsstrafe erblickt, neben dem Schaden aus der verspäteten Rückzahlung der Darlehensvaluta vermutlich auch der Arbeitsausfall eines auf die Reise mitgeschickten Sklaven abgegolten; siehe zu Letzterem D.44.7.23 (African. 7. quaest.): „ob operas eius qui eam pecuniam peteret . . .“. Nach herrschender Meinung war die Vertragsstrafe aber kein notwendiger Bestandteil des römischen Seedarlehens; siehe statt aller Ankum (IURA 29 (1978), S. 172). Die gegenteilige, von Biscardi (Actio pecuniae traiecticiae) aufgestellte These, wonach die poena pecuniae traiecticiae ein selbständiges Strafversprechen war, ist in der Literatur hinreichend widerlegt worden; siehe nur Knütel (Stipulatio poenae, S. 40 Fn. 38), De Martino (NNDI 7 (1961), S. 424) oder Schuster (Das Seedarlehen, S. 191 Fn. 83). Sie soll auch hier nicht weiter diskutiert werden. Dass eine Vertragsstrafe kein essentiale des Seedarlehens war, scheint auch Scaevola anzudeuten, wenn er von einer „condicione quamvis poenali“ spricht. Mit Litewski (IURA 24 (1973), S. 162) ist der Zusatz „quamvis poenali“ hier folglich so zu verstehen, dass das periculi pretium sowohl mittels einer stipulatio poenae als auch ohne diese gesichert werden konnte. Zur stipulatio poenae allgem. siehe Castresana Herrero (Homenaje Murga Gener, S. 452 f.). 1385 Vermutlich waren die komplizierten Ausführungen Scaevolas hier deshalb nötig, weil die Rückzahlung des Dargeliehenen beim fenus nauticum – anders als beim gewöhnlichen mutuum – an eine Bedingung, nämlich den glücklichen Ausgang der Schifffahrt, geknüpft war. Wie schon Paoli (Studi di dir. attico, S. 55 f.) für das griechische Recht feststellte, lag die Erfüllung dieser Bedingung im Interesse beider Parteien. Der Autor vergleicht das Institut insofern mit dem der societas.
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zieht, ist mit „pecunia“ hier wahrscheinlich die pecunia traiecticia1386 – im übertragenen Sinn also die „pecunia data/credita“ 1387 – gemeint1388. Der Ausdruck „praeter pecuniam“ könnte demnach (untechnisch) für die beim Seedarlehen unbegrenzten Zinsen (usurae) plus einen sonst über das tantundem hinausgehenden Wert wie beispielsweise eine Gewinnbeteiligung stehen1389. bb) „si modo in aleae speciem non cadat“ Nach der konditionalen Einschränkung „si modo in aleae speciem non cadat“ sollte diese Rechtsfolge aber nur dann eintreten, wenn das Geschäft nicht unter den Fall der (verbotenen) alea fiel1390. Fraglich ist deshalb, was unter dieser Rückausnahme zu verstehen ist und worin sich das Seedarlehen sowie die von Scaevola im Folgenden beispielhaft genannten Fälle des Darlehens für Fischer und Athleten vom Glücksspiel um Geld unterscheiden.
1386 In D.45.1.122.1 (Scaev. 28. dig.) spricht Scaevola von der „pecunia nautica“. Litewski (IURA 24 (1973), S. 115) vermutet, dass dieser Terminus eine Übersetzung des griechischen Ausdrucks „xrÞmata nautikÜ“ ist. 1387 Einen weiteren Hinweis könnte die bereits erwähnte Quelle D.46.1.63 (Scaev. 6. resp.) zur lex Cornelia de adpromissoribus liefern. Wie Gaius in Gai. 3.124 berichtet, definierte diese lex u. a., was unter der „pecunia credita“ zu verstehen war. Die Stelle belegt einen weiten pecunia-Begriff. Unter „pecunia credita“ verstand man hiernach nicht nur das als Darlehen hingegebene Geld, sondern auch solches, von dem im Augenblick der Begründung einer obligatio feststand, dass man es – ohne Beifügung einer Bedingung – schuldete. Hierunter fiel auch Geld, dessen Zahlung man sich für einen festen Termin stipulieren ließ, obwohl die Forderung erst nach Ablauf der Frist fällig wurde. 1388 Dass mit „pecunia“ hier das dargeliehene Geld gemeint ist, wird zudem in der pleonastischen Ausdrucksweise „recepturus sis quod dederis et insuper aliquid praeter pecuniam“ angedeutet. Dagegen nimmt Purpura (Studi romanistici, S. 291) an, dass mit „pecunia“ hier sowohl Kapital als auch Zinsen gemeint sind und ein darüber hinausgehendes „aliquid praeter pecuniam“ bei verspäteter Rückkehr in den Heimathafen zu zahlen war. Nach Purpura (S. 293) lag die Verspätung hier im Zeitraum zwischen den zwanzig Tagen, die man den Schiffern gewöhnlich nach ihrer Ankunft zur Rückzahlung gewährte, und dem Verfall einer Vertragsstrafe: „Il testo di Scevola doveva dunque riferirsi alla determinazione di un compenso per il breve tempo eccedente trascorso in navigazione tra la scadenza del termine prestabilito e l’eventuale commissio della pena per ritardato pagamento“. 1389 Auf ein derart weites Verständnis deutet schon das „aliquid“ hin. Wenn Scaevola sich nämlich präziser hätte ausdrücken wollen, hätte er dies – wie z. B. in der Quelle D.46.1.63 (Scaev. 6. resp.), wo der Jurist ausdrücklich die Begriffe „sors“ und „usurae“ unterscheidet – sicher getan. Vgl. auch die differenzierte Ausdrucksweise des Paulus, welcher in D.22.2.6 (Paul. 25. quaest.) zwischen „usurae maritimae“ und „pecunia“ unterscheidet. 1390 De Villa (Le usurae ex pacto, S. 110) will den Zusatz hingegen so verstehen, dass der Vertrag dann unwirksam war, „se mascherasse una scommessa proibita“, es sich also um ein verdecktes Glücksspiel handelte. Dafür gibt es im Text jedoch keinerlei Anhaltspunkte.
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Im Gegensatz zum verbotenen1391 Glücksspiel, dessen Ausgang allein vom Zufall abhing, war der Darlehensgeber beim fenus nauticum nur dem spezifischen periculum1392 maris ausgesetzt1393. Die sichere Rückkehr in den Heimathafen hing – wie ein Sieg im Wettkampf oder der Erfolg beim Fischfang – in bestimmtem Maße vom Können des Schiffers bzw. der Kondition des Athleten oder den Fähigkeiten des Fischers – und gerade nicht allein vom reinen Zufall – ab1394. Da es sich dabei um in gewisser Weise kalkulierbare Risiken handelt, waren diese Formen der sog. „aleatorischen Verträge“ 1395 trotz ihres Spekulationscha1391 Das reine Glücksspiel war in Rom per Senatsbeschluss verboten; siehe D.11. 5.2.1 (Paul. 19. ad ed.). Wie Kuryłowicz (SZ 102 (1985), S. 197) vermutet, war das von Paulus erwähnte SC sicher kein Novum, sondern vielmehr das aktuellste dem Juristen bekannte Spielverbot, welches eine Reihe früherer Verbote fortsetzte. Kampf- und Geschicklichkeitsspiele, die man „virtutis causa“ betrieb, waren dagegen nicht verboten; siehe D.11.5.2.1 (Paul. 19. ad ed.). Bei diesen Spielen war es sogar erlaubt eine Stipulation über den Spielgewinn abzuschließen („etiam sponsionem facere licet“), wie uns D.11.5.3 (Marcianus 5. reg.) überliefert. 1392 Die Begriffe alea und periculum sind insofern inhaltlich voneinander zu unterscheiden; vgl. Castresana Herrero (El préstamo marítimo, S. 109 f.). 1393 Vgl. Cerami/Petrucci (Dir. commerciale rom., S. 287). 1394 Die Chance auf den Erfolg konnte der Darlehensgeber in den beiden genannten Fällen gerade durch seinen Kapitaleinsatz erhöhen: Wenn er dem Fischer und dem Athleten „plurimum pecuniae“ gab, damit jener seine Ausrüstung und dieser sein Training finanzieren und sich eine bestimmte Ernährung leisten konnte, erhöhte er zugleich die Chancen auf einen erfolgreichen Ausgang. Insofern unterscheiden sich die beiden Fälle aber vom Seedarlehen, wo die Darlehensvaluta – wie bereits dargelegt – grds. nur für die Beschaffung der Waren und gerade nicht für die Ausrüstung des Schiffes o. ä. eingesetzt werden durfte, der Darlehensgeber den erfolgreichen Ausgang der Reise also nicht unmittelbar beeinflusste. Wacke (SDHI 44 (1978), S. 447) betont jedoch, dass die Finanzierung eines Athleten aufgrund der großen Konkurrenz und der Tatsache, dass es letztendlich nur einen einzigen Sieger geben konnte (es gab keine Preise für den zweiten oder dritten Platz), eine viel unsicherere Geldanlage war als die Finanzierung eines Schiffers oder Fischers, die doch in der Regel heil zurücksegelten bzw. einen Fang machten. 1395 Die Kategorie ist nicht römisch, sondern wurde erst von der Pandektistik entwickelt; vgl. Leonhard (RE I, S. 1358). Wie Kuryłowicz (SZ 102 (1985), S. 187 Fn. 8) unserer Stelle entnehmen will, zählten neben Spiel und Wette, dem Hoffnungs- (emptio spei) und dem Erbschaftskauf (emptio hereditatis) auch das fenus nauticum sowie die Darlehen für Fischer und Athleten zur (modernrechtlichen) Kategorie der „aleatorischen Verträge“. Dass es in Rom allenfalls erste Ansätze für eine solche Kategorie gab, belegt die Formulierung zum Hoffnungskauf in D.18.1.8.1 (Pomp. 9. ad Sab.), wo es heißt: „veluti cum quasi alea emitur“. Das Wort alea ist dort nach Kaser (BIDR 74 (1971), S. 48) im übertragenen Sinne als genereller Begriff für alle Tatbestände von Spekulationsgeschäften zu verstehen. In einem abgeleiteten Sinn kommt alea nämlich die Bedeutung „ungewisser Erfolg“/„vom Zufall abhängiger Gewinn“ zu; vgl. Heumann/ Seckel (Handlexikon, S. 27); Leonhard (RE I, S. 1358). Mit der Formulierung „species aleae“ scheint Scaevola hier jedenfalls keine (systematische) Kategorie aleatorischer Verträge im Modus ,Art–Gattung‘ bilden, sondern lediglich das verbotene Glücksspiel aus seiner Definition ausnehmen zu wollen. Zur Systembildung durch Gattungsbildung im Werk des Scaevola siehe § 6 der vorliegenden Arbeit.
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rakters1396 in Rom nicht verboten. Die Einschränkung „si modo in aleae speciem non cadat“ bezieht sich folglich nur auf den Fall („species“) des verbotenen Glücksspiels, welchen Scaevola hier von anderen Geschäften mit (geringerem) aleatorischem Moment abgrenzt. cc) „veluti ea, ex quibus condictiones nasci solent . . .“ Die Frage, in welchem Zusammenhang der exkursartige Passus „veluti ea, ex quibus condictiones nasci solent, ut ,si non manumittas‘, ,si non illud facias‘, ,si non convaluero‘ et cetera“ zum Rest der Quelle steht, ist umstritten1397. Die Zuordnung erschließt sich jedenfalls nicht auf den ersten Blick, da Scaevola den Vergleichsmaßstab („veluti“) hier nicht ausdrücklich benennt, sondern verdeckt argumentiert1398. Erschwert wird das Verständnis des Vergleichs zudem dadurch, dass die angeführten Beispiele „si non manumittas“ 1399, „si non illud facias“ und „si non convaluero“ nicht einheitlich sind. Denn während es sich bei den ersten beiden Bedingungen um vom Willen des Berechtigten abhängige negative Potestativbedingungen (condiciones potestativas) in der 2. Person Singular handelt, ist die Bedingung der Genesung eine vom Zufall abhängige negative Bedingung (condicio casualis) in der 1. Person Singular1400. 1396 Nach Castresana Herrero (El préstamo marítimo, S. 111) sind die beiden von Scaevola angeführten Beispielsfälle ebenso aleatorisch wie das fenus nauticum: „En todos estos casos puede obtenerse una ganancia o experimentarse una pérdida según se produzca o no un acontecimiento incierto“. Die Autorin betont, dass es bei der Frage, ob ein Geschäft einen aleatorischen Bestandteil hatte oder nicht, insbesondere nicht auf die größere oder geringere Wahrscheinlichkeit ankam, mit der das bedingte Ereignis eintreten konnte. Selbst wenn also die Wahrscheinlichkeit, dass das Schiff seinen Heimathafen heil erreichen würde, viel höher war als ein Sieg im Wettkampf oder ein erfolgreicher Fischfang, betreffe dies lediglich den Grad, nicht aber den Bestand des aleatorischen Charakters des fenus nauticum. 1397 Für De Villa (Le usurae ex pacto, S. 110) z. B. gehören die genannten Geschäfte in die Kategorie ,obligationes re contractae ex quibus condictiones nasci solent‘. Litewski (IURA 24 (1973), S. 163) dagegen vermutet, dass sich der Passus auf die sog. Innominatkontrakte bezieht und in keinem Zusammenhang zur Frage des periculi pretium steht. 1398 Diese verdeckte Argumentation könnte wiederum für einen an ein Fachpublikum gerichteten Diskurs sprechen, welches den (unausgesprochenen) Vergleichsmaßstab kannte bzw. zu ergänzen wusste. Zur verdeckten Argumentation bei Scaevola insbes. im Fall des argumentum per consequentiam siehe § 7 III. 1. d). 1399 Vgl. zu dieser Bedingung verschiedene Beispiele aus den Quellen: D.35.1.67 (Iav. 11. epist.): „Cum sub hac condicione fundus alicui legatus esset ,si servum non manumiserit‘ . . .“ oder D.18.7.6 (Pap. 27. quaest.): „Si venditor ab emptore caverit, ne serva manumitteretur neve prostituatur . . .“. 1400 Wie in Inst.3.15.4 am Beispiel „,si in Capitolium non ascendero‘“ aufgezeigt, entschieden sich derartige negative Potestativbedingungen jedoch meist erst mit dem Tod des Versprechenden („ac si stipulatus esset cum morietur dari sibi“). Praktisch ge-
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Man könnte nun annehmen, dass Scaevola mit diesem „Exkurs“ zu den condictiones („veluti ea, ex quibus condictiones nasci solent . . .“) auf die actio certae creditae pecuniae des mutuum als speziellen Fall der condictio anspielen wollte. Dem stünde allerdings die vorhergehende Definition entgegen, nach welcher es gerade darum ging, „aliquid praeter pecuniam“ zurückzuerhalten. Mit der condictio als Klage strengen Rechts (iudicia stricti iuris) konnte man nämlich nur genauso viel zurückverlangen, wie erlangt worden war1401. Ein über den dargeliehenen Betrag hinausgehendes unbestimmtes periculi pretium war gerade nicht einklagbar. Ein Zusammenhang zur actio certae creditae pecuniae erschließt sich insofern nicht. Es musste Scaevola bei seinem Vergleich („veluti“) also um etwas anderes gegangen sein. Ein Indiz könnten die drei Beispiele von Bedingungen sein, die dem Juristen offensichtlich so wichtig waren, dass er sie einzeln anführt. Versteht man den veluti-Satz als Rückausnahme des vorhergehenden Konditionalsatzes „si modo in aleae speciem non cadat“, dann lautet der Passus von „si modo“ bis „et cetera“ wie folgt: „vorausgesetzt nur, dass das Geschäft nicht unter den Fall von (verbotenem) Glücksspiel fällt: wie z. B. die Geschäfte, aus denen Kondiktionen zu entstehen pflegen, [nicht verboten sind mit Bedingungen] wie ,wenn du nicht freilässt‘, ,wenn du nicht jenes tust‘, ,wenn ich nicht gesund geworden bin‘ und so weiter“ 1402.
Da Geschäfte wie das Glücksspiel um Geld in Rom verboten waren, konnten aus ihnen gewöhnlich keine Kondiktionen erwachsen1403. Folglich war in diesen Fällen auch die Stipulation des Spielgewinns unwirksam1404. Dagegen waren die von Scaevola angeführten negativen Bedingungen offenbar beliebige Beispiele für verschiedene Potestativ- und Zufallsbedingungen1405, die
löst wurde der Fall der negativen Potestativbedingung mit der auf den Juristen Q. Mucius Scaevola zurückgehenden cautio Muciana. Hier gewährte man z. B. im Fall der Bedingung der Nichtwiederverheiratung einer Witwe dieser das bedingt zugewandte Legat sofort und ließ sich im Gegenzug die Herausgabe des Empfangenen an den Erben für den Fall des Zuwiderhandelns von dieser versprechen. 1401 Vgl. Marrone (Istituzioni, S. 439). 1402 Siehe die hier vorgeschlagene Übersetzung. Ähnlich übersetzen Otto/Schilling/ Sintenis (Corpus Iuris Civilis II, S. 618): „wenn [das Geschäft] nur nicht in eine Art verbotenen Spieles übergeht, wie z. B. die [Geschäfte nicht verboten sind], aus welchen Condictionen zu entstehen pflegen . . .“. 1403 Kuryłowicz (SZ 102 (1985), S. 207 f.). 1404 Siehe Kaser/Knütel (Röm. PrivatR, S. 237). 1405 Nach Glück (Pandecten 21, S. 157) wollte Scaevola damit sagen, dass es nicht darauf ankam, „ob die Bedingung eine casuelle, oder eine potestative oder eine vermischte ist“. Litewski (IURA 24 (1973), S. 163) vermutet dagegen, dass der Abschnitt „veluti ea . . . et cetera“ erst später in den Text eingeschoben wurde. Die Beispiele seien wahrscheinlich echt, obwohl sie nach Ansicht des Autors vermutlich in einem anderen Kontext vorkamen.
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– ähnlich der Bedingung „si nec navis venit“ 1406 – wirksam stipuliert werden konnten, da ihr Inhalt gerade nicht verboten war1407. Nimmt man also an, dass das fenus nauticum von Scaevola – wie von anderen römischen Juristen – in einem gewissen Zusammenhang zur Stipulation behandelt wurde1408, bezieht sich der Vergleich hier sehr wahrscheinlich auf die Wirksamkeit bedingter negativer Stipulationen. dd) Die Darlehen für Fischer und Athleten Im weiteren Diskurs führt Scaevola die Beispiele eines Fischers und eines Athleten an, denen ein „ego“ die Fangausrüstung1409 bzw. das Training1410 und den Unterhalt finanzierte1411. Diese sollten das empfangene Geld nur dann zurückzahlen, wenn sie einen Fang gemacht bzw. einen Sieg errungen hatten. Es fällt auf, dass hier im Gegensatz zu den zuvor genannten Fällen mit negativen Bedingungen (,si non manumittas‘, ,si non illud facias‘, ,si non convaluero‘) von positiven Bedingungen („si cepisset“ und „si vicisset“) die Rede ist. 1406 Vgl. nochmals D.45.1.129 (Scaev. 12. quaest.), wo Scaevola Beispiele für doppelt bedingte Stipulationen behandelt. Die beiden Bedingungen ,si navis venit‘ und ,si Titius consul factus sit‘ sind nach Kaser/Knütel (Röm. PrivatR, S. 75) Standardbeispiele für vom Zufall abhängige Bedingungen; vgl. auch Inst.3.15.4. 1407 Es handelte sich wohl um relativ unproblematische Fälle von Bedingungen, die der Jurist den Schülern nur kurz in Erinnerung rufen wollte. Dass es auf den Inhalt der Fälle nicht weiter ankam, zeigt schon die beispielhafte Wiedergabe der drei Bedingungen, die jeweils nur mit dem Tatbestand (ohne Rechtsfolge) angeführt werden und deren Aufzählung durch das abschließende „et cetera“ offen gelassen wird. 1408 Vgl. dazu Fn. 1356. 1409 Diese konnte, je nachdem wie aufwändig gefischt wurde, sehr teuer sein. Für den Thunfischfang brauchte man z. B. besondere Netze und Boote; siehe Wacke (SDHI 44 (1978), S. 443). 1410 Auch die Vorbereitung der Athleten auf einen Wettkampf war sehr kostspielig und konnte Jahre dauern. Meistens mussten die Athleten eine strenge Diät halten (z. B. eine Fleischdiät zur Steigerung des Gewichts und der Kräfte; vgl. Reinmuth [Kl. Pauly I, Sp. 706]), täglich trainieren, viel schlafen, Massagen bekommen und medizinische Vorschriften beachten. Zudem mussten sie sich in zahlreichen Lokalwettbewerben qualifizieren. Zur Finanzierung der vielen Reisen und ihres Unterhalts waren die meisten auf einen „Sponsor“ angewiesen; vgl. Wacke (SDHI 44 (1978), S. 442). Denn die Athleten konnten, wie bereits gesagt, neben dem harten Training keiner Erwerbstätigkeit nachgehen. Ihre Anfälligkeit gegenüber jeder Änderung der Lebensweise machte sie für andere Berufe, insbes. für den Kriegsdienst, geradezu untauglich; siehe Lerche (Kl. Pauly II, Sp. 890). 1411 In beiden Fällen wird es sich wohl um eine berufsmäßige Ausübung der jeweiligen Tätigkeit gehandelt haben. Das griechische Wort „qlhtÞò“ wird jedenfalls – im Gegensatz zum „diþthò“, dem Privatmann (hier Breitensportler) – gewöhnlich für Berufsathleten verwendet; vgl. Reinmuth (Kl. Pauly I, Sp. 705); Baumgarten (Lexikon der Alten Welt III, Sp. 2865). Wacke (SDHI 44 (1978), S. 443) nimmt daher an, dass Scaevola hier an einen „minderbemittelten Berufsathleten aus dem Volke“ dachte. Der Autor erinnert zu Recht daran (S. 449), dass die Geldgeber nur den besten Kämpfern mit den größten Siegeschancen ein derart vorteilhaftes Ausbildungsdarlehen gewährten.
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Von einem über das gegebene Geld hinausgehenden Zuschlag ist zudem – anders als im ersten Satz mit „et insuper aliquid praeter pecuniam“ – nicht mehr die Rede. Der Zusammenhang zum Ausgangsfall kann jedoch über die Anfangsworte „nec dubitabis“ hergestellt werden: Hier ist das pretium periculi als Objekt zu ergänzen, sodass Scaevola auch in diesen Fällen von einer Vergütung für die Übernahme der Gefahr, das hingegebene Geld zu verlieren, ausging. In der Tat kann man nicht bezweifeln („nec1412 dubitabis“), dass der Darlehensgeber dem Fischer bzw. dem Athleten kein Freundschaftsdarlehen gewähren wollte, sondern sich als Preis für die Übernahme der Gefahr wahrscheinlich hohe Zinsen1413 und/oder eine prozentuale Gewinnbeteiligung am Fang bzw. Siegespreis1414 ausbedungen hatte. Eine Gemeinsamkeit der Darlehen für Fischer und Athleten mit dem fenus nauticum besteht folglich darin, dass bei allen diesen Erfolgsdarlehen der Darlehensgeber das alleinige Risiko des Ausfalls der Bedingung trug. d) D.22.2.5.1: usurae ex pacto? Wie schließlich in § 1 der Stelle festgestellt wird, war in allen diesen Fällen sogar ein pactum ohne Stipulation zur Erweiterung der Verbindlichkeit wirksam. Fraglich ist zunächst, was im vorliegenden Kontext mit „Erweiterung der Verbindlichkeit“ („ad augendam obligationem“) gemeint sein kann. Obwohl an keiner Stelle der Quelle explizit von Zinsen die Rede ist, könnte sowohl die Formulierung „praeter pecuniam“ als auch der Ausdruck „ad augendam obligationem“ auf diese anspielen. Wie bereits erwähnt, war beim Seedarlehen – wie bei den Darlehen für Athleten bzw. Fischer – in der Regel neben den Zinsen eine prozentuale Gewinnbeteiligung für den Darlehensgeber vorgesehen. Fasst man dies nun unter die Aussage des Scaevola, so ergibt sich, dass die obligatio1415 1412 Wie schon Glück (Pandecten 21, S. 165) feststellte, hat die Partikel nec hier „offenbar nicht nur die Bedeutung einer Negation, sondern auch einer Verbindung mit dem Vorhergehenden, und es leuchtet in die Augen, daß Scävola hier keinen entgegengesetzten Satz habe vortragen wollen“. 1413 Wie Wacke (SDHI 44 (1978), S. 444) vermutet, handelt es sich dabei nicht um auf Zeit berechnete Zinsen, sondern um einen festen Zinszuschlag für die Gefahrübernahme, welcher am Ende der Laufzeit des Darlehens berechnet wurde. 1414 Die Siegesprämien, welche in wertvollen Geld- und Sachpreisen bestanden (z. B. im Recht auf öffentlichen Unterhalt, Verleihung des Bürgerrechts, Steuerfreiheit etc.), waren meist so hoch, dass sie zur Rückzahlung des Darlehens reichten und dem Sportler daneben noch ein Gewinn verblieb; siehe Wacke (SDHI 44 (1978), S. 447). Neben dem Erwerb von persönlichem Ruhm und Ehre – die Sieger wurden u. a. auf Wagen in ihre Heimatstadt begleitet, es wurden Statuen zu ihrem Andenken errichtet etc. (vgl. Reinmuth [Kl. Pauly I, Sp. 705]) – gab es also vor allem einen materiellen Anreiz für die meist aus niedrigen sozialen Schichten stammenden Athleten zu siegen. 1415 Gemeint ist die Leistungspflicht des Darlehensnehmers, also die Rückzahlung der Darlehensvaluta. Dass allein auf diese abzustellen ist, ergibt sich schon aus der einleitenden Definition, wo es heißt: „recepturus sis, quod dederis“.
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aus dem jeweiligen Darlehen durch ein einfaches pactum wirksam um Zinsen bzw. eine prozentuale Gewinnbeteiligung erweitert werden konnte. Diese Aussage scheint jedoch insofern befremdlich, als in Rom der Grundsatz galt, dass Zinsen stipuliert werden mussten1416. Hinzugefügte formlose Vereinbarungen (sog. pacta adiecta) galten – wenn überhaupt – nur im Rahmen der iudicia bonae fidei und auch dort nur dann als Vertragsinhalt, wenn sie gleichzeitig mit dem Vetrag (in continenti) abgeschlossen waren1417. Einen Beleg dafür, dass es – zumindest beim Seedarlehen – offenbar doch die Möglichkeit gab, usurae ex pacto zu vereinbaren, stellt die Quelle D.22.2.7 (Paul. 3. ad ed.)1418 dar. Dort stellt Paulus – wenn auch abgemildert durch die Formulierung „dicendum est“ – fest, dass u. a. („In quibusdam contractibus“) beim Seedarlehen allein aufgrund der Parteivereinbarung „ut salva nave sortem cum certis usuris recipiam“ zusätzlich zum Kapital Zinsen geschuldet werden, ohne dass diese förmlich stipuliert wurden1419. Es ist durchaus denkbar, dass dieser Gedanke schon der Entscheidung des Scaevola zugrunde liegt1420. Wahrscheinlich sollte dadurch der Grundsatz, dass aus dem bloßen Konsens (nudum pactum) keine actio/obligatio entstehen konnte1421, auch gar nicht ausgehebelt werden. Denn Scaevola bezieht sich mit seinen Worten nicht auf das „Begründen der Obligation“ („ad nascendam obligationem“ 1422), sondern auf das „augere“ 1423 einer bereits bestehenden Obligation. 1416 Vgl. D.19.5.24 (African. 8. quaest.): „. . . pecuniae quidem creditae usuras nisi in stipulationem deductas non deberi . . .“. 1417 Siehe D.2.14.7.5 (Ulp. 4. ad ed.). 1418 Siehe D.22.2.7 (Paul. 3. ad ed.): „In quibusdam contractibus etiam usurae debentur quemadmodum per stipulationem. nam si dedero decem traiecticia, ut salva nave sortem cum certis usuris recipiam, dicendum est posse me sortem cum usuris recipere“. Dass Paulus offenbar an möglichen Ausnahmen von der Stipulationspflicht interessiert war, will Giuffrè (Studi sul debito, S. 108) zudem mit D.22.1.30 (Paul. lib. sing. reg.) belegen: „Etiam ex nudo pacto debentur civitatibus usurae creditarum ab eis pecuniarum“. 1419 Andere Fälle, in denen ausnahmsweise usurae ex nudo pacto entstehen konnten, sind die von Talamanca (Istituzioni, S. 545) angeführten „prestiti di derrate“ (vgl. C.4.32.11 [Imp. Alexander A. Aurelio Tyranno]: „Frumenti vel hordei mutuo dati accessio etiam ex nudo pacto praestanda est“) und die „mutui concessi dalle civitates“ (vgl. D.22.1.30 [Paul. lib. sing. reg.]). 1420 Dies halten auch Giuffrè (Studi sul debito, S. 123 Fn. 11) und Cerami/Petrucci (Dir. commerciale rom., S. 285 Fn. 78) für gut möglich – vorausgesetzt, dass man § 1 der Stelle noch auf das fenus nauticum beziehen kann. 1421 Siehe D.2.14.7.4 (Ulp. 4. ad ed.): „igitur nuda pactio obligationem non parit“ sowie 2.14.1 PS: „Si pactum nudum de praestandis usuris interpositum sit, nullius est momenti; ex nudo enim pacto inter cives Romanos actio non nascitur“. 1422 Vgl. D.2.14.7.4 (Ulp. 4. ad ed.): „Sed cum nulla subest causa, propter conventionem hic constat non posse constitui obligationem . . .“. 1423 Hier lassen sich zwei weitere Beispiele anführen, in denen ebenfalls von „obligationem augere“ die Rede ist – wenn auch in anderem Kontext: D.13.4.8 (African. 3.
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Ob diese nun „re“ oder „verbis“ zustande gekommen war, spielte insofern keine Rolle, als die Forderungen aus dem mutuum und der Stipulation zusammen nur eine obligatio bildeten1424. Dass aber ein nicht stipuliertes mutuum ex re nicht durch pacta erweitert werden konnte, belegt schon die Quelle D.2.14.17 pr. (Paul. 3. ad ed.)1425. Dann aber kann sich die Aussage des Scaevola hier nur auf stipulierte Darlehen beziehen, welche durch pacta adiecta erweitert werden sollten. Der Zusatz „sine stipulatione“ ist demnach nicht etwa so zu verstehen, dass ein nudum pactum die Stipulation des mutuum ersetzen konnte – diese also gar nicht vorzuliegen brauchte1426 –, sondern dass eine bereits bestehende stipulierte obligatio durch ein erweiterndes pactum ergänzt werden konnte1427. Die Besonderheit der Entscheidung besteht letztlich darin, dass pacta adiecta (in continenti) nicht – wie üblich – nur im Rahmen der bonae fidei iudicia, sondern auch zur Ergänzung der Stipulation stricti iuris wirksam sein konnten. Warum die obligatio in den angeführten Fällen aber ohne Beachtung der Stipulationsform1428 erweitert werden konnte, begründet Scaevola nicht. Wahrscheinlich gab es dafür ein praktisches Bedürfnis. Dieses könnte in erster Linie in der einfacheren Handhabbarkeit des pactum – insbesondere beim Seehandel
quaest.): „obligationem fideiussoris augeri . . .“ und D.39.2.18.5 (Paul. 48. ad ed.): „non augeri promissionis obligationem“. Der Ausdruck ist in den juristischen Quellen also belegt. 1424 Siehe Wacke (TR 40 (1972), S. 237). Das Geschäft hatte dann allerdings die doppelte causa „re et verbis“; vgl. D’Ors (Derecho rom., S. 481 Fn. 3, S. 527). Dem einheitlichen Rechtsgeschäft lagen mit mutuum und stipulatio folglich zwei Verpflichtungsgründe zu Grunde. Zum Meinungsstreit um die juristische Konstruktion des mutuum cum stipulatione siehe die Darstellung bei Gröschler (TR 74 (2006), S. 269 ff.). Der Autor (S. 286) hält das „Kombinationsmodell“, wonach mutuum und schuldverstärkende, abstrakte stipulatio gleichberechtigt nebeneinander standen, für das ursprüngliche Modell des Stipulationsdarlehens. Es liegt im Übrigen auch der Quelle TP. Sulp. 51 (siehe Camodeca [Tabulae Pompeianae, S. 136]) zugrunde; vgl. Wolf/Crook (Rechtsurkunden, S. 18 f.). 1425 Siehe D.2.14.17 pr. (Paul. 3. ad ed.): „Si tibi decem dem et paciscar, ut viginti mihi debeantur, non nascitur obligatio ultra decem: re enim non potest obligatio contrahi, nisi quantenus datum sit“. Siehe auch D.12.1.11.1 (Ulp. 26. ad ed.): „Si tibi dedero decem sic, ut novem debeas, Proculus ait, et recte, non amplius te ipso iure debere quam novem. sed si dedero, ut undecim debeas, putat Proculus amplius quam decem condici non posse“. 1426 Lies also gemäß der Wortstellung „pactum sine stipulatione“ und nicht „obligatio sine stipulatione“. 1427 Vgl. D.12.1.40 (Paul. 3. quaest.): „. . . quia pacta in continenti facta stipulationi inesse creduntur“. Aus prozessualer Sicht hatte dies den Vorteil, dass auch in continenti paktierte Zinsen mit der actio ex stipulatu eingeklagt werden konnten. Dass eine Stipulation vorausgesetzt wurde, könnte sich evtl. auch im Zusammenhang mit dem ersten Teil der Quelle ergeben, in dem es ja gerade um wirksame Stipulationen ging. 1428 Gemeint ist nach dem oben Gesagten natürlich die formlose Erweiterung einer bereits bestehenden Stipulation.
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mit Peregrinen – bestanden haben1429. Da Scaevola ohnehin oft Fälle griechischer Provenienz entschied1430, liegt es nahe anzunehmen, dass auch die erwähnten Darlehen für Athleten bzw. Fischer einen griechischen Hintergrund hatten1431. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die Zinsabrede beim Darlehen ausgerechnet nach griechischem Recht nicht formbedürftig war1432. Insofern liegt die Vermutung nahe, dass die Ausnahme von der Stipulationsform hier im Zusammenhang mit Geschäften stand, die typischerweise im Verkehr mit Griechen abgeschlossenen wurden1433. Wie bereits erwähnt, musste jedoch zumindest eine Stipulation vorliegen, welche durch die hinzugefügten pacta im Einzelnen erweitert werden konnte. Wenn also ohnehin mindestens einmal stipuliert werden musste, lässt sich das Argument der einfacheren Handhabbarkeit der formfreien pacta im Verkehr mit Peregrinen nicht mehr überzeugend anführen. Dann stellt sich nämlich die Frage, welchen konkreten Nutzen die Ausnahme von der Form noch hatte und wie wir uns dies in der Praxis vorzustellen haben. Auch hier lässt sich wieder auf den bereits mehrfach erwähnten Fall D.45.1.122 (Scaev. 28. dig.) zurückgreifen. Dort hatte der Seefahrer Callimachus dem Sklaven Stichus auf dessen – im Namen des Lucius Titius an Callimachus gerichtete – Frage am Ende des Vertrages mittels fideipromissio1434 versprochen, 1429 Die Klagbarkeit formlos abgeschlossener Verträge war ein wesentliches Charakteristikum des ius gentium; siehe Spengler (JZ 21 (2011), S. 1026). Obwohl auch Peregrine in der nach Gai. 3.93 zum ius gentium zählenden abgewandelten Form der fideipromissio stipulieren konnten, hatten die pacta aber den Vorteil, dass sie ganz formlos und sogar stillschweigend (pacta tacita) vereinbart werden konnten. 1430 Siehe dazu § 3 III. Vgl. insbes. im Zusammenhang mit dem fenus nauticum nochmals den berühmten Fall in D.45.1.122.1 (Scaev. 28. dig.), in welchem Krampe (FS-Ankum I, S. 208) von einem römischen Bankier mit Filiale in Beirut als Darlehensgeber und von einem gräko-syrischen Warenhändler als Schifffahrer ausgeht. 1431 Wie Wacke (SDHI 44 (1978), S. 440) hervorhebt, war das Athletentum in Griechenland beheimatet und fasste in Italien trotz der Sympathie beim römischen Publikum nie richtig Fuß. So zeigen denn auch die überlieferten Siegerverzeichnisse, dass die meisten Athleten griechischer oder kleinasiatischer Herkunft waren; siehe Wacke (SDHI 44 (1978), S. 440 Fn. 9). 1432 Siehe Paoli (Studi di dir. attico, S. 69 ff.). Im griechischen Recht waren die Übereinkunft über das Darlehen und die Zinsen grds. Gegenstand ein- und desselben Vertrags. Paoli (S. 71) spricht insofern von der „unità formale di un solo atto giuridico“. Dies galt nach griechischem Recht sowohl für das normale Darlehen als auch für das Seedarlehen. Der einzige Unterschied zwischen den beiden Darlehensformen war praktischer Art und bestand darin, dass die Zinsen beim Seedarlehen in der Regel höher waren; siehe Paoli (S. 70). 1433 Darauf, dass der Grundsatz „Si pactum nudum de praestandis usuris interpositum sit, nullius est momenti; ex nudo enim pacto inter cives Romanos actio non nascitur“ aus 2.14.1 PS nur für die erwähnten „cives Romani“ – nicht aber für die vielen Peregrinen im Seeverkehr – galt, weist Giuffrè (Studi sul debito, S. 109) hin. 1434 Es handelt sich folglich um eine Stipulation des ius gentium, denn die stipulatio der Form „spondes? – spondeo“ war nur unter römischen Bürgern wirksam; vgl. Gai.
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dass „ea“ (nämlich die zuvor getroffenen Abreden1435) „so auf rechte Weise gegeben und gemacht werden“: „eaque sic recte dari fieri fide roganti Sticho servo Lucii Titii promisit Callimachus“.
Der Beispielsfall zeigt, dass es eine – insbesondere seit der Severerzeit – in der Praxis weitverbreitete Sitte gab, an die einzelnen conventiones („eaque“) am Ende einer Urkunde eine Art Generalstipulation anzuhängen1436. Dies hatte den Vorteil, dass aus der Urkunde, welche zum Beweismittel für die Stipulation wurde, mit der actio ex stipulatu geklagt werden konnte1437. 3.93 und Nelson/Manthe (Gai. Inst. III, S. 219). Zur fideipromissio siehe Castresana Herrero (Homenaje Murga Gener, S. 449). 1435 Diese bestanden im Einzelnen in Folgendem: „convenitque inter eos, uti, cum Callimachus Brentesium pervenisset, inde intra idus Septembres, quae tunc proximae futurae essent, aliis mercibus emptis et in navem mercis ipse in Syriam per navigium proficiscatur, aut, si intra diem supra scriptam non reparasset merces nec enavigasset de ea civitate, redderet universam continuo pecuniam quasi perfecto navigio et praestaret sumptus omnes prosequentibus eam pecuniam, ut in urbem Romam eam deportarent“. 1436 Vgl. dazu D.2.14.7.12 (Ulp. 4. ad ed.): „Quod fere novissima parte pactorum ita solet inseri ,rogavit Titius, spopondit Maevius‘, haec verba non tantum pactionis loco accipiuntur, sed etiam stipulationis: ideoque ex stipulatu nascitur actio“. Vgl. zu dieser Stelle Nelson/Manthe (Gai. Inst. III, S. 218). Siehe auch Simon (Praxis der Stipulationsklausel, S. 27 Fn. 4). Wie schon Pringsheim (Ausbreitung und Einfluss des griech. R., S. 13) feststellte, kam es allmählich dazu, dass die hellenistischen Urkundenschreiber sich notgedrungen den römischen Vorgaben anpassten und ihre Formulare unter Anhängung der Floskel „perwtheÍò molüghsa“ („interrogatus promisi“) ausstellten, auch wenn die behauptete Sipulation gar nicht stattgefunden hatte. 1437 Vgl. erneut D.2.14.7.12 (Ulp. 4. ad ed.). Ob neben dieser cautio stipulatoria auch eine Syngraphe (griech: „ suggrafÞ“, der schriftliche Vertrag, die Urkunde) errichtet wurde, bleibt aufgrund der spärlichen Angaben im Text fraglich. Die Syngraphe, die im Seerecht in besonderer Form als sog. „suggrafÌ nautikÞ“ (Seedarlehensvertrag) existierte (siehe dazu insbes. Paoli [Studi di dir. attico, S. 124 ff.] und Castresana Herrero [El préstamo marítimo, S. 37 ff.]), war ein meist einfach geschriebenes Dokument, welches – vergleichbar der römischen testatio – eine Erklärung von mehreren Zeugen über den Abschluss eines Rechtsgeschäfts zum Inhalt hatte; vgl. Nelson/Manthe (Gai. Inst. III, S. 216); Talamanca (Istituzioni, S. 579). In der suggrafÌ nautikÞ, welche Bianchini (BIDR 73 (1970), S. 238) als eine der wenigen, wenn nicht als die einzige autonome Syngraphe bezeichnet, wurde u. a. das Pflichtenprogramm der Parteien (insbes. die Leistungszeit, die Zinspflicht, die Erfüllungsmodalitäten, die Konsequenzen der Nichterfüllung etc.) festgelegt. Die Autorin (S. 239) spricht insofern von einer „regolamentazione minuziosa dei termini del negozio e delle modalità dell’adempimento“. Die Urkunde, welche in der Regel bei einer Vertrauensperson verwahrt wurde und von welcher die Parteien nur eine Abschrift erhielten, diente in erster Linie dazu, einen möglichen Rechtsstreit zu vereinfachen, indem man einen Prozess vor Gericht ausschloss und dem Gläubiger stattdessen eine Art Privatvollstreckung ermöglichte; zu dieser „esecutività“ der suggrafÌ nautikÌ siehe ausführlich Paoli (Studi di dir. attico, S. 124 ff.). Kam es zwischen den Parteien jedoch zu einer Beanstandung, so konnte der Gläubiger dank der suggrafÌ nautikÌ vor die speziellen Handelsgerichte ziehen. Neben der in unserem Fall festgestellten Generalstipulation hätte eine Syngraphe lediglich beweisrechtliche Bedeutung gehabt, denn eine über die bereits begründete Verpflichtung errichtete Urkunde konnte diese nicht nochmal begründen; vgl. Nelson/Manthe
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So konnten die vielen einzelnen Abreden beim Seedarlehen, zu denen auch die Zinspflicht sowie die Gewinnbeteiligung zählten, einzeln paktiert und im Rahmen der Generalstipulation klagbar gemacht werden1438. e) Systembildung durch „in his omnibus“? Schließlich fasst Scaevola zusammen, dass ein pactum ohne Stipulation in allen diesen Fällen („in his autem omnibus“) wirksam sein sollte. Diese generalisierende conclusio dient der abschließenden Zusammenfassung der zuvor einzeln angeführten Beispielsfälle. Wie der ausdrückliche Bezug auf diese Fälle („in his omnibus“) nahelegt, handelt es sich jedoch nur um bestimmte Ausnahmen1439. Sprachlich wird der Ausnahmecharakter dadurch verstärkt, dass nach den Worten des Scaevola „sogar“ ein pactum ohne Stipulation („et pactum sine stipulatione“) wirksam sein sollte. Das gemeinsame Kriterium dieser Ausnahmefälle, welches in der Quelle nur verdeckt zum Ausdruck kommt, besteht offensichtlich darin, dass es sich um Darlehensgeschäfte handelte, die überwiegend im Verkehr mit Peregrinen abgeschlossen wurden und bei denen als periculi pretium höhere als die gesetzlichen Zinsen und/oder eine prozentuale Gewinnbeteiligung paktiert werden konnten1440. Die besondere juristische Leistung von Scaevola besteht hier – ausgehend vom fenus nauticum – in der argumentativen Vernetzung verschiedener Fälle von Erfolgsdarlehen, die man in dieser Zusammenstellung jedenfalls bei keinem anderen Juristen findet1441. Dennoch handelt es sich bei der generalisierenden conclu(Gai. Inst. III, S. 219). Gegen Ende der Klassik verschmolz die Syngraphe daher allmählich mit der regelmäßig beurkundeten stipulatio; siehe Kaser/Knütel (Röm. PrivatR, S. 240). 1438 Auch Castresana Herrero (El préstamo marítimo, S. 108 f.) vermutet, dass stipulatio und pactum bei der pecunia traiecticia koexistierten: Die Stipulationsklausel (cautio stipulatoria) am Ende habe dazu gedient, die vielen einzeln paktierten Abreden der Parteien in ihrer Gesamtheit klagbar zu machen. Konsequenterweise sei dann auch das pactum usurarum als eine weitere Abrede in die Stipulation inkorporiert worden. So habe man in der Praxis dem Parteiwillen zu Anerkennung und Klagbarkeit nach dem ius civile verholfen. 1439 Vgl. hier erneut D.22.2.7 (Paul. 3. ad ed.), wonach nur in einigen Verträgen („in quibusdam contractibus“) zusätzlich Zinsen geschuldet wurden wie kraft einer Stipulation. 1440 Vgl. De Villa (Le usurae ex pacto, S. 111) sowie Otto/Schilling/Sintenis (Corpus Iuris Civilis II, S. 617 Fn. 59). 1441 Obwohl gerade das Seedarlehen weitgehend durch Juristenrecht geregelt wurde; siehe Giuffrè (Studi sul debito, S. 106), welcher betont, dass das fenus nauticum weder durch leges publicae noch vom Prätor (zumindest nicht durch spezielle actiones) noch durch Kaiserrecht rechtlich geschützt wurde. Wie Litewski (IURA 24 (1973), S. 183) hervorhebt, hatte das Seedarlehen als Rechtsmaterie keine feste sedes in den Werken
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sio „in his . . . omnibus (casibus)“ nicht um einen allgemeinen, über die angeführten Fälle hinaus anwendbaren Grundsatz, sondern nur um eine regelhafte Ausnahme für bestimmte Geschäfte1442. Entgegen der in der älteren Literatur vertretenen Ansicht, welche die vorliegende Stelle als Beleg für das Institut eines sog. „fenus quasi nauticum“ auffasste1443, lässt sich die Bildung derart allgemeiner Systemkategorien gerade nicht auf den Text zurückführen. Sie lag dem Juristen, der seine Zusammenfassung abschließend an die zuvor genannten Beispielsfälle („in his omnibus“) rückkoppelt, hier wohl auch fern. f) Zwischenergebnis Die abstrakte Formulierung „in his omnibus (casibus)“ enthält zwar eine grundlegende juristische Aussage und fasst die Gemeinsamkeiten der zuvor behandelten Einzelfälle zusammen, sie stellt jedoch schon der Form nach keine allgemeine Rechtsregel dar, die sich aus dem Kontext der Entscheidung herauskristallisieren ließe und ein Eigenleben entwickeln könnte, sondern bezieht sich ausdrücklich auf die zuvor angeführte Kasuistik. Dem Gesamteindruck der Responsa-Stelle entsprechend, welche – wie dargelegt – wohl eher aus den Quaestiones des Scaevola stammt, handelt es sich bei dieser sachverhaltsorientierten Fallgruppenbildung mehr um eine didaktisch motivierte Zusammenfassung zum leichteren Erfassen oder Repetieren des Stoffes im Unterricht als um das Aufstellen abstrakter Lehrsätze. 2. D.28.2.29 (Scaev. 6. quaest.) „Gallus sic posse institui postumos nepotes induxit: ,Si filius meus vivo me morietur, tunc si quis mihi ex eo nepos sive quae neptis post mortem meam in decem mensibus proximis, quibus filius meus moreretur, natus nata erit, heredes sunto‘. (1) Quidam recte admittendum credunt, etiamsi non exprimat de morte filii, sed simpliciter instituat, ut eo casu valeat, qui ex verbis concipi1444 possit1445. der klassischen Juristen. In der Tat entstammen die in dem kurzen Digestentitel D.22.2 („De nautico faenore“) zusammengefassten Quellen den verschiedensten Werken von Servius bis Paulus. Ein gemeinsames Kriterium ist jedoch, wie auch Castresana Herrero (El préstamo marítimo, S. 162) erwähnt, dass die meisten Stellen aus Abhandlungen über die Stipulation stammen. Soweit wir dies nach der aktuellen Überlieferungslage beurteilen können, wurde das fenus nauticum jedenfalls nicht monographisch behandelt. 1442 Man könnte hier vielleicht mit den Worten von Kaser (Zur Methode, S. 70) am ehesten von einer Art „Systeminsel“ im Bereich der Erfolgsdarlehen sprechen. 1443 Vgl. Fn. 1380. 1444 conici Kr. 1445 possint F.
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2. Kap.: Exegesen
(2) Idem credendum est Gallum existimasse et de pronepote, ut dicat testator: ,Si me vivo nepos decedat, tunc qui ex eo pronepos‘ et cetera. (3) Sed et si vivo filio iam mortuo pronepote1446 cuius uxor praegnas esset, testamentum faceret, potest dicere: ,Si me vivo filius decedat, tunc qui pronepos‘. (4) Num si et filius et nepos vivat, concipere1447 ,utrisque mortuis vivo se, tunc qui pronepos nasceretur‘? quod similiter admittendum est, ita sane, si prius nepos, deinde filius decederet, ne successione testamentum rumperetur. (5) Et quid si tantum in mortis filii casum conciperet? quid enim si aquae et ignis interdictionem1448 pateretur? quid si nepos, ex quo pronepos institueretur, ut ostendimus, emancipatus esset?1449 hi enim casus et omnes, ex quibus suus heres post mortem scilicet avi nasceretur, non pertinent ad legem Vellaeam: sed ex sententia legis Vellaeae et haec omnia admittenda sunt, ut ad similitudinem mortis ceteri casus admittendi sint. (6) Quid si qui filium apud hostes habebat testaretur? quare non induxere, ut, si antea quam filius1450 ab hostibus rediret quamvis post mortem patris decederet, tunc deinde nepos vel etiam adhuc illis vivis1451 post mortem scilicet avi nasceretur, non rumperet? nam hic casus ad legem Vellaeam non pertinet.1452 melius1453 ergo est, ut in eiusmodi utilitate praesertim post legem Vellaeam, quae et multos casus rumpendi abstulit, interpretatio admittatur1454, ut instituens nepotem, qui sibi post mortem suus nasceretur, recte instituisse videatur, quibuscumque casibus nepos post mortem natus suus esset rumperetque praeteritus: atque etiam si generaliter, ,quidquid sibi liberorum natum erit post mortem‘ aut ,quicumque natus fuerit‘ sit institutus,1455 si suus nasceretur“. (. . .) (10) „In omnibus his speciebus illud servandum est, ut1456 filius dumtaxat, qui est in potestate, ex aliqua parte sit heres institutus: nam frustra exheredabitur post mortem suam: quod1457 non esse necessario in eo filio, qui apud hostes est, si ibi decedat et in nepote certe et pronepote, quorum si liberi heredes instituantur, institutionem numquam exigemus, quia possunt praeteriri“1458.
1446
nepote dett. conciperet Mo. 1448 interdictione F. 1449 § 5 fin. et § 6 fin. Iust. (Faber)? 1450 antea filius quam Mo. 1451 vel etiam adhuc illis vivis Scaevolae non sunt (Goveanus). 1452 § 5 fin. et § 6 fin. Iust. (Faber)? 1453 mulius F 1, et mulius F 2. 1454 admittetur F. 1455 recte ita videatur institutus ins. Mo. 1456 et ins. F 2. 1457 quo id F 1, quod id F 2. 1458 Die lange Stelle wird in der Literatur einhellig als schwierig bezeichnet. Nach Bretone (Labeo 15 (1969), S. 307) handelt es sich um einen „testo molto arduo, e quanto alla sua costituzione critica . . . addirittura disperante“; vgl. auch Robbe (I post1447
§ 9 Systembildung durch Generalisierung
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„Gallus führte ein, dass nachgeborene Enkel folgendermaßen [als Erben] eingesetzt werden können: ,Wenn mein Sohn zu meinen Lebzeiten sterben wird, dann sollen Erben sein, wenn mir einer von ihm als Enkel oder eine als Enkelin nach meinem Tod innerhalb der nächsten zehn Monate, seit denen mein Sohn sterben würde, geboren wird‘. (1) Manche nehmen an, dass richtiger Weise [ein Enkel als Erbe] zuzulassen ist, auch wenn er [der Erblasser] sich nicht über den Tod seines Sohnes explizit ausspricht, sondern [den Enkel]1459 einfach einsetzt, sodass [das Testament] in dem Fall Gültigkeit hat, der aus den Worten geschlossen werden kann. (2) Man muss annehmen, dass Gallus das gleiche auch bezüglich des Urenkels gemeint hat, nämlich dass der Erblasser meint: Falls zu meinen Lebzeiten mein Enkel stirbt, dann [soll Erbe sein], wer mir als Urenkel von ihm usw. [geboren wird]. (3) Aber auch, wenn er zu Lebzeiten seines Sohnes, nachdem bereits sein Urenkel1460 verstorben ist, dessen Gattin schwanger wäre, sein Testament machte, kann er sagen: ,Falls mein Sohn zu meinen Lebzeiten stirbt, dann der Ururenkel‘.
umi, S. 67) oder Francke (Recht der Noterben, S. 23), welcher von der „vornämlich ihrer Schwierigkeit wegen so berühmten lex“ sprach. Schon die Glosse erwähnt die Stelle als „difficilis re et fama“ und zählt sie zu den sog. „leges damnatae“. Das Verständnis der Stelle wird zudem durch zahlreiche Interpolationsvermutungen erschwert; siehe den Index Interpolationum (Bd. II, S. 182); Schulz (Geschichte, S. 295 Fn. 5); Lenel (Palingenesie II, Sp. 276 Fn. 1). 1459 Der sprachliche Bezug auf das Objekt der Einsetzung (sc. ob Sohn oder Enkel) ist nicht eindeutig. So geht Masiello (Quaestiones, S. 215) offensichtlich davon aus, dass hier der Sohn gemeint war: „. . . anche se il testatore non preveda espressamente la morte del figlio, ma si limiti ad istituirlo erede“. Lamberti (Studi sui postumi 1, S. 166) nimmt dagegen an, dass sich die Einsetzung auf den Enkel bezog und liest wie in der hier vorgeschlagenen Übersetzung: „. . . sed simpliciter ,nepotem‘ instituat . . .“. Ebenso übersetzt D’Ors (El digesto II, S. 303): „sino que se instituya al nieto simplemente“. 1460 Man könnte hier argumentieren, dass aus Gründen der Logik – entsprechend der Lesart der codices deteriores – nur der Enkel gemeint sein kann, welcher vorverstorben war, nicht aber der Urenkel, es also „sed et si vivo filio iam mortuo ,nepote‘ cuius uxor . . .“ heißen müsste. Denn es ist nicht denkbar, dass der Urenkel, welcher später zum Erben eingesetzt werden sollte („,Si me vivo filius decedat, tunc qui pronepos‘“), bereits tot war. Zudem konnte ein noch lebender Enkel nicht einfach übergangen werden. Es verstößt jedoch keineswegs gegen die Logik anzunehmen, dass der Ururenkel (abnepos) im Fall des Vorversterbens des Urenkels (und Enkels) auf den Tod des Sohnes eingesetzt war (zur Reihenfolge siehe § 4 der Quelle), sondern prolongiert den Anwendungsbereich der Formel in Parallele zu deren bisheriger Erweiterung um einen weiteren Grad. Gemäß der vorgeschlagenen Übersetzung müsste der Satz also folgendermaßen gelesen werden: „Sed et si vivo filio iam mortuo pronepote cuius uxor praegnas esset, testamentum faceret, potest dicere: ,Si me vivo filius decedat, tunc qui ‹abnepos›‘.“ Gegen diese Lesart könnte man einwenden, dass dieser sich somit über fünf Generationen erstreckende Fall in Anbetracht der hohen Sterblichkeitsrate in Rom praktisch unvorstellbar war und es sich höchstens um einen Schulfall handeln konnte. Dagegen führt jedoch Lamberti (Studi sui postumi 1, S. 167 f.) aus, dass einerseits die Lebenserwartung im 2. Jh. n. Chr. wieder kräftig anstieg und andererseits zumindest in den mittleren bis hohen Schichten der römischen Bevölkerung Ehen in einem sehr frühen Alter geschlossen wurden, sodass ein sui iuris durchaus schon im Alter von etwa fünfundfünfzig Jahren Urgroßvater sein konnte.
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2. Kap.: Exegesen
(4) Kann er etwa, falls sowohl Sohn wie Enkel noch leben, formulieren: ,nach beider Tod zu seinen [sc. des Erblassers] Lebzeiten, dann der, der als Urenkel geboren würde‘? Dies ist gleicherweise zuzulassen, freilich dergestalt, wenn zunächst der Enkel, dann der Sohn stürbe, damit nicht das Testament durch Nachrücken umgestoßen würde. (5) Und was wäre, wenn er [sc. der Erblasser] das nur für den Fall des Todes seines Sohnes formulierte? Was wäre denn [zum Beispiel], wenn er eine interdictio aquae et ignis erlitte? Was, wenn der Enkel, von dem der Urenkel, wie wir angeführt haben, [als Erbe] eingesetzt würde, aus der väterlichen Gewalt emanzipiert wäre? Denn diese Fälle und alle, aufgrund deren ein Eigenerbe [sc. nach dem Tode des (Ur-) Großvaters] geboren würde, gehören nicht in den Geltungsbereich der lex Vellaea: aber nach der sententia1461 der lex Vellaea ist auch alles dieses zuzulassen, sodass in Ähnlichkeit des [physischen] Todes die weiteren Fälle (interdictio, emancipatio) zuzulassen sind. (6) Was, wenn jemand, der einen Sohn in Feindeshand hatte, ein Testament machen würde? Warum führte man nicht ein1462, dass, wenn – bevor der Sohn aus Feindeshand heimkehrte, obwohl er nach dem Tode seines Vaters stürbe – dann darauf ein Enkel (oder sogar noch zu jenes Lebzeiten1463 nach dem Tod sc. des Großvaters) geboren würde, er [das Testament] nicht umstoße? Denn dieser Fall gehört nicht in den Geltungsbereich der lex Vellaea. Es ist also besser, dass unter Rücksicht auf ein 1461 Das Wort sententia wird hier bewusst nicht übersetzt. Nach Heumann/Seckel (Handlexikon, S. 534) kann es insbes. „Sinn, Meinung, Ansicht“ bedeuten. Ob es mit Bretone (Labeo 15 (1969), S. 307), welcher die Bezeichnungen sententia legis und voluntas legis im vorliegenden Kontext synonym gebraucht, tatsächlich als „Wille des Gesetzes“ verstanden werden kann, ist fraglich. Der Sprachgebrauch von sententia ist in der vorliegenden Quelle zumindest insofern nicht einheitlich, als wiederholt von der sententia des Gallus die Rede ist; siehe z. B. § 13: „ad omnes casus pertinentia, quos supplendos in Galli Aquili sententia diximus“. Dort bezieht sich die sententia folglich auf die Formel des Gallus; vgl. dazu z. B. auch D.35.1.86 (Maecianus 3. fideicomm.), wo von der „sententia Catoniana“, also der regula Catoniana die Rede ist. Am ehesten wird man die „sententia legis Vellaeae“ – gerade in der wiederholten Gegenüberstellung zum Wortlaut des Gesetzes („verba legis“) – hier objektiv-teleologisch mit „Sinn“ bzw. „ratio (so auch Lamberti [Studi sui postumi 2, S. 184, S. 186 Fn. 64]) des Gesetzes“ wiedergeben können; vgl. dazu z. B. D.1.3.29 (Paul. libro singulari ad legem Cinciam): „Contra legem facit, qui id facit quod lex prohibet, in fraudem vero, qui salvis verbis legis sententiam eius circumvenit“. Nach Lamberti (Studi sui postumi 1, S. 64 Fn. 30) definierten die römischen Juristen als sententia legis „quello che in realtà era il frutto di un processo ermeneutico“. Zum Begriff der sententia legis in der römischen Gesetzesauslegung siehe auch Baldus (in Riesenhuber, Europ. Methodenlehre, S. 42 f. und FSFranciosi, S. 170, 172). 1462 Anders als nach der Übersetzung von Otto/Schilling/Sintenis (Corpus Iuris Civilis III, S. 26) mit „warum führte er (sc. Gallus) nicht [eine Formel] ein“ kann „induxere“ hier nur als Nebenform zu „induxerunt“ aufgefasst werden, da es zu „induxit“ keine entsprechende Kurzform gibt. Vgl. auch die Übersetzung von D’Ors (El digesto II, S. 303). 1463 Lamberti (Studi sui postumi 2, S. 177 Fn. 43) vermutet, dass es sich bei dem widersprüchlichen Zusatz „vel etiam adhuc illis vivis“ um eine nachträgliche Bearbeitung handelt. Da es, wie die Auslegung in § 9 III. 2. b) dd) verdeutlicht, vorliegend darauf ankommt, dass sich der Sohn bei der Geburt des Enkels noch in feindlicher Gefangenschaft befand, wird „illis vivis“ hier singularisch übersetzt.
§ 9 Systembildung durch Generalisierung
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derartiges Bedürfnis1464 insbesondere nach der lex Vellaea, die auch [schon] viele Fälle von Testamentbruch beseitigt hat, die Auslegung zugelassen wird, dass, wer einen Enkel [als Erbe] einsetzt, der ihm nach seinem Tod als Eigenerbe geboren wird, ihn offenbar rechtens eingesetzt hat in allen Fällen, in denen der nach seinem Tode geborene Enkel der Eigenerbe wäre und als Übergangener [das Testament] bräche. Und das [gilt] sogar, wenn allgemein: ,was immer ihm an Kindern nach seinem Tod geboren wird‘ oder ,wer immer geboren wird‘, eingesetzt ist, wenn ein Eigenerbe geboren wird.“ (. . .) (10) „In allen diesen Fällen muss man darauf achten, dass1465 wenigstens der Sohn, der in der Gewalt (des Vaters) steht, zu irgendeinem Teil als Erbe eingesetzt ist: denn nach seinem Tod wird man ihn vergeblich enterben. Dies [die Erbeinsetzung] sei nicht notwendig bei dem Sohn, der in Feindeshand ist, falls er dort verstirbt, und natürlich beim [in Gefangenschaft geratenen] Enkel und Urenkel, deren Einsetzung wir niemals fordern werden, weil sie übergangen werden können, falls ihre Kinder1466 als Erben eingesetzt werden.“
a) Kontext und Struktur der Quelle Die Quelle entstammt dem Digestentitel „De liberis et postumis heredibus instituendis vel exheredandis“, „Die Erbeinsetzung und Enterbung von Kindern und Nachgeborenen“. In den Quaestiones von Scaevola leitet die Stelle den liber VI1467 ein, welcher nach Lenel 1468 dem allgemeinen Ediktstitel „De testamentis“ zuzuordnen ist. 1464
Zu dieser Bedeutung von utilitas siehe Heumann/Seckel (Handlexikon, S. 610). Es handelt sich hier um ein explikatives ut, welches sich auf „illud“ bezieht und dieses im Nebensatz fortführt. 1466 Vgl. dazu auch die Übersetzung von D’Ors (El digesto II, S. 304), welcher das Genitivattribut „quorum“ nicht auf „institutionem“, sondern auf „liberi“ bezieht: „ni ciertamente en el de nieto y el biznieto, cuyos descendientes, si son instituidos . . .“. Diese Übersetzung, der hier gefolgt wird, setzt grammatikalisch allerdings voraus, dass man vor dem relativischen Satzanschluss „quorum“ (gedanklich) einen Punkt bzw. Strichpunkt setzt und den Satz neu beginnt. 1467 Im liber VI quaestionum finden sich mit D.28.3.19 und D.35.2.17 zudem zwei weitere Quellen zu speziellen Problemen aus dem Recht der Nachgeborenen: D.28.3.19 handelt von einem in der Reihe der Erben – nicht aber in der Reihe der Ersatzerben – enterbten postumus, welcher im Ersatzerbfall das Testament umzustoßen drohte. D.35.2.17 handelt dagegen von der Erbteilberechnung bei einem nachträglich durch Kodizille geänderten Testament eines Soldaten, der daraufhin in Gefangenschaft verstarb. 1468 Lenel (Palingenesie II, Sp. 276). Aufgrund der starken Überarbeitung („partim a compilatoribus partim ab antiquiore quodam librario vel interprete cum multilatus tum ineptis additamentis depravatus sit“) hielt Lenel (Palingenesie II, S. 276 Fn. 1) die Rekonstruktion der Stelle für enttäuschend: „ita ut de restituendis ICti verbis iam videatur esse desperandum“. Nach seiner Ansicht war es offenkundig, dass die Quelle „abhorrere ab illa, quae Scaevolae esse solet, elegantia et perspicuitate“. Auch Lamberti (Studi sui postumi 2, S. 167) überrascht die „struttura logico-sintattica“ der Stelle mit ihrer für den als Lakoniker bekannten Scaevola ungewöhnlichen „lunghezza dei periodi, costruiti 1465
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Wie schon bei einem ersten Blick auf die Quelle erkennbar ist, werden vorliegend verschiedene Fälle von Erbeinsetzungen nachgeborener Kinder „durchdekliniert“ 1469. Offenbar handelt es sich dabei um einen Schuldiskurs, den Scaevola in ähnlicher Form im Unterricht geführt haben könnte. Dafür spricht u. a., dass gleich zu Beginn der langen Quellenstelle eine fremde Meinung („Quidam recte admittendum credunt“) angeführt und als „recte“ befürwortet wird1470. Neben den vielen rhetorischen Fragen, dem häufigen „scilicet“, welches der Erläuterung dient, und der reichen Fallvariantenbildung, auf die im Folgenden einzugehen sein wird, sprechen insbesondere Formulierungen in der 1. Person Plural wie „ut ostendimus“ 1471 oder der Adhortativ „Nunc de lege Vellaea videamus . . .“ 1472 für eine didaktische Abhandlung1473. b) Inhalt der Quelle Die lange Quaestionenstelle, von der hier nur die unter sprachlichen Systembildungsgesichtspunkten relevanten Teile der ersten zehn Paragraphen behandelt werden, lässt sich in mehrere Abschnitte unterteilen1474: aa) Die clausula Aquiliana Im Principium der Stelle wird zunächst die sogenannte clausula Aquiliana überliefert, von der es im Text heißt, dass sie Aquilius Gallus1475 eingeführt habe („induxit“ 1476). per lo più su complesse serie di subordinate“. In jedem Fall zeigt die lange Quellenstelle Spuren diverser Überarbeitungen. Bei deren inhaltlicher Bewertung wird man jedoch mit Lamberti (Studi sui postumi 2, S. 93) – insbes. im Hinblick auf mögliche Eingriffe der Kompilatoren – berücksichtigen müssen, dass Justinian, welcher die Einsetzung und Enterbung der postumi in seinen beiden Konstitutionen C.6.28.4.8 (Imp. Iustinianus A. Iohanni pp.) und C.6.29.3 und 4 (Imp. Iustinianus A. Iuliano pp.) vereinfachte, sicher kein Interesse daran hatte, die Unterscheidungen und Details des klassischen Rechts in seinen Digesta im Einzelnen wiederzugeben. Insofern dürften nachträgliche Überarbeitungen wohl überwiegend nicht justinianischen Ursprungs sein. 1469 Ähnlich Lamberti (Studi sui postumi 2, S. 168). 1470 Siehe § 2 der vorliegenden Stelle. Vgl. zu diesem für die Quaestiones von Scaevola typischen Element § 3 IV. 2. b). 1471 Siehe § 5 der Quelle: „quid si nepos, ex quo pronepos institueretur, ut ostendimus, emancipatus esset?“. 1472 Siehe § 11 der Quelle, mit dem die abschnittsweise Auslegung der lex Vellaea schulmäßig nach „primum caput“ (§ 12), „sequenti parte“ (§ 13) und „posteriore parte“ (§ 14) erfolgt. Überleitungen wie „nunc de . . . videamus“ sind z. B. auch typisch für den didaktischen Diskurs der Institutiones des Gaius; siehe dazu § 2 III. 5. b). 1473 Ein weiteres Indiz für eine didaktische Abhandlung ist zudem der Ausdruck „Ille casus in difficili est . . .“ in § 15 der langen Stelle. 1474 Vgl. auch die Unterteilung von Wesel (Rhetorische Statuslehre, S. 106 Fn. 110).
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Diese lautet folgendermaßen: ,Si filius meus vivo me morietur, tunc si quis mihi ex eo nepos sive quae neptis post mortem meam in decem mensibus proximis, quibus filius meus moreretur, natus nata erit, heredes sunto‘1477.
1475 Aquilius Gallus bekleidete im Jahre 66 v. Chr. das Amt des Prätors und war der vermutlich bedeutendste Schüler des Pontifex Maximus Quintus Mucius Scaevola; siehe dazu D.1.2.2.42 (Pomp. lib. sing. ench.); Kunkel (Herkunft, S. 21); Robbe (I postumi, S. 66 Fn. 44). Lamberti (Studi sui postumi 1, S. 150) kommt zu dem Ergebnis, dass Gallus im Jahre 108 v. Chr. geboren und zwischen 55 und 44 v. Chr. gestorben sein könnte. Ob er – wie Plinius (Nat. Hist. XVII.2) überliefert – tatsächlich dem Ritterstand entstammte, ist umstritten; so jedenfalls Schulz (Geschichte, S. 49) und Kunkel (Herkunft, S. 21). Von einigen Prosopographen wird Gallus dagegen mit einem Senator aus dem Jahr 70 v. Chr., welcher in den Reden Ciceros gegen Verres Erwähnung findet, oder mit einem augusteischen Senator namens L. Aquillius C. f. Florus Turcianus Gallus gleichgesetzt. Zu den Details dieses Streitstandes, welcher im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht vertieft werden kann, siehe insbes. Lamberti (Studi sui postumi 1, S. 146 Fn. 93). Jedenfalls war Aquilius Gallus – wie wir aus D.1.2.2.42 (Pomp. lib. sing. ench.): „ex quibus Gallum maximae auctoritatis apud populum fuisse Servius dicit“ wissen – beim Volk höchst angesehen. So verzichtete der Zeitgenosse von Cicero und Lehrer des Servius Sulpicius – vgl. D.1.2.2.43 (Pomp. lib. sing. ench.) – u. a. auf das Amt des Konsuls, um sich ganz seiner juristischen Tätigkeit widmen zu können; siehe Kunkel (Herkunft, S. 22); Schulz (Geschichte, S. 49). Berühmt sind seine Definitionen z. B. des litus (vgl. D.50.16.96 [Celsus 25. dig.]) und des frumentum (vgl. D.50.16.77 [Paul. 49. ad ed.]). Nicht umsonst wurde der Kautelarjurist von Cicero (De officiis 3,60) als „homo peritus definiendi“ gepriesen. Gallus galt darüber hinaus als Schöpfer der formulae de dolo malo (siehe Cicero [De officiis 3,60]) sowie der stipulatio Aquiliana (vgl. D.46.4.18.1 [Florent. 8. inst.]); siehe dazu ausführlich Lamberti (Studi sui postumi 1, S. 151). 1476 Vgl. auch die Erwähnung in D.28.6.33.1 (African. 2. quaest.). Dass Gallus die Formel (als erster) benutzte, vielleicht sogar ex novo schuf, ist mit diesem Terminus sicher nicht gemeint, zumal die Möglichkeit einen nepos postumus einzusetzen schon zur Zeit des Kaisers Augustus bestand. Vgl. auch die Verwendung von inducere in § 6 und § 15 der Quelle. Lamberti (Studi sui postumi 1, S. 153) und Harke (FS-Knütel, S. 434 Fn. 7) gehen deshalb von einer schon zuvor bestehenden Klauseltradition aus. Nach Lamberti (S. 153) bestand das hier anklingende Verdienst des Gallus deshalb wohl eher darin, dass er eine bis dato nicht existierende „formula esaustiva, in grado di eliminare ogni perplessità“ schuf. Nach Schulz (Geschichte, S. 58 f.) „riet [Gallus] seinen Klienten, das Testament so zu fassen, behauptete die Gültigkeit dieser Klausel und drang damit kraft seiner auctoritas vor Gericht durch“. 1477 Anders z. B. Sachers (RE XXII, Sp. 967), welcher annimmt, dass die Formel in der Überlieferung des Scaevola „verstümmelt und verändert“ wiedergegeben ist. Der Autor will den Originalwortlaut deshalb wie folgt rekonstruieren: „si filius meus vivo me morietur, tunc si quis mihi ex eo nepos sive quae neptis post [mortem meam] factum testamentum in decem mensibus proximis, [quibus filius meus morietur,] natus nata erit, heredes sunto“. Lamberti (Studi sui postumi 1, S. 162) hält den Wortlaut dagegen für weitgehend dem Original entsprechend. Auch die Ansicht von Robbe (I postumi, S. 68 ff.), wonach der postumus bereits bei Errichtung des Testaments gezeugt sein musste, widerspricht der herrschenden Lehre und wird von Lamberti (Studi sui postumi 1, S. 163 f.) vor allem mit dem Argument widerlegt, dass eine solche Voraussetzung die bestehende Unsicherheit für die Erblasser nur unnötig erhöht und diese letztendlich dazu gezwungen hätte, etwa alle neun Monate ein neues Testament zu machen.
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2. Kap.: Exegesen
Mit dieser Formel konnten Erblasser für den Fall, dass ihre Söhne noch zu ihren Lebzeiten vorversterben sollten1478, die von deren Frauen innerhalb der nächsten zehn Monate1479 nach dem Tod der Erblasser zur Welt gebrachten Enkel zu (Ersatz-1480)Erben einsetzen1481. Nach Aquilius Gallus wurden diese als postumi Aquiliani1482 bezeichnet1483. Unter den postumi1484 verstand man diejenigen Nachkommen des Erblassers, die bei dessen Tod oder bei Abfassung des Testaments1485 bereits gezeugt, aber noch nicht geboren waren1486. Um das noch ungeborene Kind bei der Erbfolge1487 berücksichtigen zu können, wurde es insofern als bereits geboren fingiert („legitime concepti pro natis habentur“ 1488)1489. 1478 Es ist also davon auszugehen, dass die Erblasser zunächst ihre Söhne testamentarisch zu Erben eingesetzt hatten und nur für den Fall, dass diese vorversterben würden, eine Ersatzerbschaft der postumi anordneten. Dies wird auch in der Rekonstruktion der Einsetzung deutlich. 1479 Ausgangspunkt dieser Frist war offensichtlich schon die vierte der XII-Tafeln (vgl. FIRA 1, S. 36), welche vorsah, dass ein Sohn innerhalb von zehn Monaten nach dem Tod des Vaters geboren werden musste, um rechtlich anerkannt zu werden. Dazu Voci (Dir. ered. I, S. 402). Praktisch stand dahinter natürlich die Erwägung, dass eine Vaterschaft innerhalb dieser „Schwangerschaftsfrist“ nicht begründet in Zweifel zu ziehen war. 1480 Die Berufung des Enkels war hier durch das Vorversterben des Sohnes bedingt, der Enkel war seinem Vater mithin substituiert; vgl. Sachers (RE XXII, Sp. 973). 1481 Der Text ist hier stark verschachtelt. Inhaltlich sollte zunächst der Sohn sterben. Innerhalb von zehn Monaten nach dessen Tod sollte ein Enkel geboren werden, den der Erblasser selbst aber nicht mehr erlebte, d. h. der Erblasser musste innerhalb dieser Zehn-Monats-Frist nach seinem Sohn sterben. 1482 Sowohl diese Bezeichnung als auch die Namen postumi Vellaeani bzw. Iuliani sind nicht römisch, sondern wesentlich von der Rechtsromanistik geprägt worden; vgl. Kaser (Röm. PrivatR. I, S. 685); Voci (Dir. ered. I, S. 405 Fn. 19). 1483 Vgl. Voci (Dir. ered. I, S. 404). 1484 Zur Entwicklungsgeschichte des Begriffes sei hier auf die semantischen Untersuchungen von Lamberti (Studi sui postumi 1, S. 3 ff.) verwiesen. 1485 Man bezog also auch einen postremo loco natus, einen zu Lebzeiten des pater familias, aber nach Errichtung des Testaments Geborenen, ein; vgl. D.28.2.8 (Pomp. 1. ad Sab.); D.28.3.3.1 (Ulp. 3. ad Sab.) sowie Sachers (RE XXII, Sp. 957). 1486 Vgl. D.28.3.3.1 (Ulp. 3. ad Sab.): „Postumos autem dicimus eos dumtaxat, qui post mortem parentis nascuntur.“; Pugliese (Istituzioni, S. 561). Postumus hieß ein nachgeborenes Kind immer in Bezug auf seinen Vater, auch wenn es nicht suus wurde; vgl. Meinhart (SZ 82 (1965), S. 199). Ursprünglich ging der vorgeburtliche Schutz eines Kindes aber vom postumus suus aus, dessen erbrechtliche Interessen aus seiner Stellung als suus und damit als Erbe des pater familias folgten; siehe Meinhart (SZ 82 (1965), S. 200). Ein gesetzliches Erbrecht des suus war schon in den XII-Tafeln anerkannt; vgl. die Überlieferung des Ulpian in D.38.16.3.9 (Ulp. 14. ad Sab.): „Utique et ex lege duodecim tabularum ad legitimam hereditatem is qui in utero fuit admittitur, si fuerit editus“. 1487 Wie Kaser (Röm. PrivatR. I, S. 273) feststellt, wurde die Rechtsstellung eines Menschen darüber hinaus auch in anderen Rechtsbereichen – insbes. in Bezug auf die Freiheit, das Bürgerrecht und die Familienzugehörigkeit – (bei ehelicher Abstammung) stets nach der Vaterschaft, also nach dem Augenblick der Zeugung beurteilt. Die VaterSohn-Beziehung war folglich maßgebende Voraussetzung für die Berücksichtigung des conceptus; siehe Meinhart (SZ 82 (1965), S. 198).
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Nach ius civile konnten jedoch nur die postumi sui als Erben eingesetzt werden, also diejenigen Nachkommen, die bei Fortleben des Erblassers unter dessen potestas gefallen wären1490. Man fingierte deshalb, dass der postumus, wenn er noch vivo patre geboren wäre, unter dessen potestas gefallen wäre1491. Da der Erblassersohn (postumus filius) seit alters eingesetzt werden konnte1492, bestand die Neuerung des Gallus im Wesentlichen darin, diesen Schutz bei Vorversterben des Sohnes auf den Erblasserenkel (postumus nepos) zu erweitern, der mit dem Tod seines Vaters an die Stelle desselben rückte und so zum suus heres des Erblassers wurde. Die Formel des Gallus war insofern nötig, als ein Erblasser nach römischem Recht seine Hauserben (sui heredes1493), zu denen man inzwischen auch die postumi sui zählte1494, ausdrücklich einsetzen oder enterben musste1495. Das still-
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Siehe EG 2.3.2. Da ein freier Mensch in Rom aber grds. erst mit seiner Geburt als rechtsfähig anerkannt wurde, konnte ein postumus seine Rechte auch im Fall der Fiktion erst mit der Lebendgeburt erwerben; vgl. Kaser (Röm. PrivatR. I, S. 272). 1490 Kaser (Röm. PrivatR. I, S. 684). 1491 Vgl. nur Gai. 3.4: „Postumi quoque, qui si vivo parente nati essent, in potestate eius futuri forent, sui heredes sunt“. Vgl. zu dieser fictio iuris die Ausführungen von Lamberti (Studi sui postumi 1, S. 24). 1492 Kaser (Röm. PrivatR. I, S. 684). 1493 Sui waren, wie bereits erwähnt, alle Familienangehörigen, die der potestas des pater familias unterworfen waren; vgl. Voci (Dir. ered. I, S. 400). Starb z. B. der Großvater, wurde zwar sein Sohn frei, nicht aber seine Enkel und Urenkel, weil diese in der Regel in die Gewalt des Sohnes, ihres Vaters fielen; vgl. Dalla (Note minime, S. 163). Aufgrund dieses „Eintrittsrechts“ zählten Enkel und Urenkel nur dann auch zu den sui heredes des Erblassers, wenn die ihnen im Grad voraufgehende Person nicht mehr in der Hausgewalt desselben stand – sei es dass sie durch Vorversterben oder durch Emanzipation aus dieser ausgeschieden war; siehe Inst.3.1.2 b. 1494 Und zwar aufgrund der bereits zitierten Fiktion „si vivo parente nati essent, in potestate eius futuri forent“; siehe Gai. 3.4. 1495 Vgl. Gai. 2.123 sowie Inst.2.13 pr. Dies betraf auch die postumi, welche ja als heredes sui galten; vgl. Gai. 2.130: „Postumi quoque liberi [nominatim] vel heredes institui debent vel exheredari“. Die Begriffe sui und sui heredes sind hier noch einmal scharf zu unterscheiden: Sui waren, wie bereits mehrfach erwähnt, alle Familienangehörigen, die der potestas des pater familias unterworfen waren; vgl. Voci (Dir. ered. I, S. 400). Enkel und Urenkel zählten hingegen nur dann zu den sui heredes des Erblassers, wenn die ihnen im Grad voraufgehende Person nicht mehr in der Hausgewalt desselben stand. Nach La Pira (La successione, S. 68) war die Möglichkeit postumi einsetzen bzw. enterben zu können „non [. . .] certamente originaria, ma [. . .] frutto dell’interpretazione della giurisprudenza“. Bei der Enterbung eines nondum natus stand, so Lamberti (Studi sui postumi 2, S. 98), sicher seltener der Strafcharakter im Vordergrund (außer vielleicht, wenn der Erblasser gewisse Vorurteile gegenüber der Mutter hegte). Sie folgte vielmehr als Konsequenz aus Anerkennung der postumi als sui und der Regel „sui instituendi aut exheredandi“. Wie Gaius in Gai. 2.132 berichtet, musste die Enterbung der männlichen postumi – wie bei den bereits geborenen Haussöhnen – also ausdrücklich erfolgen („nominatim exheredare“), um rechtswirksam zu sein. Lamberti 1489
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schweigende Übergehen eines postumus führte hingegen dazu, dass ein zunächst wirksames Testament durch dessen Lebendgeburt1496 umgestoßen (sog. ruptio testamenti), mithin unwirksam wurde1497. Wenn der Erblasser noch zu Lebzeiten erfuhr, dass ihm innerhalb der nächsten zehn Monate ein postumus geboren würde und sich keine entsprechende Klausel in seinem bisherigen Testament befand, bestand für ihn das einzige Mittel, seinem letzten Willen Beachtung zu verleihen, darin, ein neues Testament zu machen. Wusste der Erblasser bis zu seinem Tod hingegen nichts von der Geburt weiterer potentieller Erben1498 und hatte er nicht vorsorglich eine postumi-Klausel in sein Testament aufgenommen, blieb er dem Risiko der Unwirksamkeit seines Testaments ausgeliefert. Nach der Schaffung der postumi Aquiliani in republikanischer Zeit wurden allmählich weitere „Klassen“ von Nachgeborenen geschaffen: So gab es z. B. die nach der lex (Iunia) Vellaea1499 benannten postumi Vellaeani. Diese lex aus der Zeit des Tiberius (26 oder 28 n. Chr.1500) bestimmte (in zwei Kapiteln) einerseits, dass auch die vor Errichtung des Testaments gezeugten Söhne, welche noch vor dem Tod des Erblassers, aber erst nach Perfektion des Testaments geboren wurden, wirksam zu Erben eingesetzt oder enterbt werden konnten1501. Andererseits (Studi sui postumi 2, S. 76) betont, dass nominatim aber nicht namentlich bedeutete, sondern vielmehr explizit und unzweideutig – es musste also eine certa demonstratio vorliegen. Dafür war die Form „quicumque mihi filius genitus fuerit, exheres esto“ vorgesehen; siehe Gai. 2.132 sowie Inst.2.13.1. Die Enterbung der postumae erfolgte zwar gewöhnlich auch nominatim, konnte jedoch – wie bei den bereits geborenen Töchtern und Enkeln sowie der uxor in manu – auch in genereller Form („inter ceteros“) erfolgen, wenn ihnen im Testament zugleich ein Vermächtnis ausgesetzt war, das eine der dos vergleichbare Funktion hatte; dazu Lamberti (Studi sui postumi 2, S. 128 f.). Nach Gaius (Gai. 2.132) sollte es nämlich nicht so aussehen, als habe man die filiae inter ceteros exheredatae aus Vergesslichkeit übergangen. Überhaupt ist die Tatsache, dass sich auch Gaius in seinem Werk ausführlich mit dem Recht der postumi beschäftigt, ein weiteres Indiz für die bereits erwähnte Beobachtung, dass Gaius und Scaevola nicht selten Probleme mit denselben thematischen Schwerpunkten behandeln. Siehe dazu Fn. 290. 1496 Die Übergehung eines filius vernichtete das Testament dagegen schon mit dessen Errichtung; vgl. Bluntschli (Entwicklung der Erbfolge, S. 57); Sachers (RE XXII, Sp. 961). 1497 Vgl. Inst.2.13.1; Gai. 2.131 und Pugliese (Istituzioni, S. 561). Es galt der Grundsatz „agnatione postumi rumpitur testamentum“, wonach stattdessen die gesetzliche Erbfolge eintrat. 1498 Im Hinblick auf den Kenntnis- und Entwicklungsstand der Medizin in Rom wird man wohl annehmen dürfen, dass dieser Fall in der Praxis – zumindest zu Beginn einer Schwangerschaft – nicht selten vorkam. 1499 Der Name des Gesetzes wird in den Quellen uneinheitlich überliefert: Als „lex Vellaea“ wird sie von Scaevola in D.28.2.29.5 (Scaev. 6. quaest.) sowie von Ulpian in D.28.3.3.1 (Ulp. 3. ad Sab.) und in D.28.5.6.1 (Ulp. 4. ad Sab.) bezeichnet, als „lex Iunia Vellaea“ dagegen von Gaius in D.28.3.13 (Gai. 2. inst.) sowie in Gai. 2.134 und als „lex Iunia Vellea“ wiederum von Ulpian in D.26.2.10.2 (Ulp. 36. ad Sab.). 1500 Vgl. Kaser (Röm. PrivatR. I, S. 684).
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bestimmte die lex, dass auch Abkömmlinge entfernteren Grades (Enkel oder Urenkel von Söhnen in potestate), die bei Errichtung des Testaments bereits lebten und noch vor dem Tod des Erblassers starben oder sonstwie aus dessen Gewalt ausschieden, wirksam zu Erben eingesetzt bzw. enterbt werden konnten1502. Außer diesen gab es noch die nach Salvius Iulianus benannten postumi Iuliani1503, Enkel und weitere Abkömmlinge des Erblassers, welche nach Errichtung des Testaments, aber noch vor Vorversterben der Söhne (vor den Erblassern) geboren wurden1504. bb) D.28.2.29.1 In § 1 folgt Scaevola zunächst der Meinung einiger Juristen („Quidam recte admittendum credunt“), nach welcher die Einsetzung eines nachgeborenen Enkels auch dann wirksam sein sollte, wenn der Erblasser sich nicht explizit über den Tod seines Sohnes ausgesprochen hatte („non exprimat de morte filii“). Hatte der Erblasser also einfach den Enkel zum Erben eingesetzt („sed simpliciter instituat“), sollte aus den Worten geschlossen werden („ex verbis concipi“ 1505), dass der Testierer den Fall des Vorversterbens des Sohnes gemeint hatte, und so der Einsetzung zur Wirksamkeit verholfen werden („ut eo casu valeat“). 1501 Vgl. die Quelle D.28.2.29.11 (Scaev. 6. quaest.). Die lex Vellaea bewahrte den Erblasser somit davor, ein ganz neues Testament machen zu müssen. Denn es konnte – wie Voci (Dir. ered. I, S. 404 Fn. 15) zu Recht bemerkt – für den Erblasser unter Umständen sehr schwierig sein, die nötige Anzahl an Zeugen aufzutreiben bzw. sogar ganz unmöglich werden, das Testament zu erneuern, falls der Erblasser inzwischen z. B. testierunfähig wurde. 1502 Vgl. D.28.2.29.13 (Scaev. 6. quaest.); Kaser (Röm. PrivatR. I, S. 685); Voci (Dir. ered. I, S. 404 f.). 1503 Wie bereits erwähnt, ist diese Bezeichnung nicht quellenmäßig, sondern erst wesentlich von der Rechtsromanistik geprägt worden; vgl. Kaser (Röm. PrivatR. I, S. 685); Voci (Dir. ered. I, S. 405 Fn. 19). 1504 Vgl. D.28.2.29.15 (Scaev. 6. quaest.). Bei den postumi Iuliani wurden die beiden Kriterien der lex Vellaea also kombiniert; vgl. Voci (Dir. ered. I, S. 405); Sachers (RE XXII, Sp. 969). Siehe zu allen drei Arten von postumi die Darstellung bei Guarino (Dir. priv. rom., S. 434 Fn. 28.4). 1505 Das Verb concipere wird sich hier auf die Worte des Testaments (und nicht auf die Worte der Formel) beziehen. Als technischer Ausdruck kann concipere jedoch auch „Worte in einer bestimmten Formel/Klage abfassen“ bedeuten; vgl. Heumann/Seckel (Handlexikon, S. 86). In der langen Stelle kommt das Verb insgesamt viermal vor; siehe § 1: „qui ex verbis concipi possit“; § 4: „Num si et filius et nepos vivat, concipere ,utrisque mortuis vivo se, tunc, qui pronepos nasceretur‘?“; § 5: „Et quid, si tantum in mortis filii casum conciperet?“ und § 8: „deinde ex eo concipiatur“. Während es in § 4 und § 5 technisch mit „(als Formel/formelhaft) formulieren“ übersetzt wurde, ist die Wendung „ex verbis concipere“ in § 1 aus Gründen der Logik wohl zusammen zu lesen und im Sinne von „aus den Worten des Testaments schließen“ zu verstehen. Wie unterschiedlich der Sprachgebrauch eines Wortes innerhalb derselben Quelle sein kann, belegt zudem die Verwendung von concipere in seiner Grundbedeutung „erzeugen“ in § 8 der Quellenstelle.
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Nimmt man mithin an, dass ein Erblasser den Konditionalsatz „si filius meus vivo me morietur“ aus der Formel weggelassen hatte1506, sollten seine Worte bei Vorversterben des Sohnes nach Scaevola, der sich vorliegend der Meinung der „quidam“ anschließt, trotzdem so ausgelegt werden, dass der postumus wirksam Erbe wurde. cc) D.28.2.29.2–4 In den §§ 2 bis 4 wird die Formel des Gallus nun auf den Fall des Urenkels erweitert, da Gallus nach Ansicht von Scaevola dasselbe auch für den Fall des pronepos gemeint hatte („Idem credendum1507 est Gallum existimasse et de pronepote . . .“). In § 3 bildet Scaevola den Fall, dass der Sohn des Erblassers noch lebte, sein Urenkel, dessen Gattin schwanger war, aber bereits vorverstorben war. Auch in diesem Fall konnte der Erblasser den schon gezeugten Ururenkel wirksam als Ersatzerben für seinen Sohn einsetzen – und zwar ohne sich über den (schon eingetretenen) Tod des Urenkels bzw. Enkels, sondern allein über den Tod des Sohnes zu äußern. In § 4 bildet Scaevola den Fall, dass Sohn und Enkel noch leben. Hier wird nun die Frage gestellt, ob der Erblasser auch kumulativ für den Fall, dass sowohl sein Sohn als auch sein Enkel vorversterben würde, formulieren1508 konnte: ,utrisque mortuis vivo se tunc qui pronepos nasceretur‘? Dies war streng genommen zu verneinen1509, da es auf die Reihenfolge des Todes von Sohn und Enkel ankam. Nur im Fall („ita sane“), dass „prius nepos,
1506 Nach Lamberti (Studi sui postumi 1, S. 167 Fn. 175) lautete die Formel in einem solchen Fall wahrscheinlich: „[filius heres esto:] si quis mihi ex eo nepos sive quae neptis post mortem meam natus natave erit, heredes sunto“. Das „mihi“ sei hier ausreichend gewesen, um klarzustellen, dass der Erblasser gemäß einer fictio suitatis davon ausging, dass der Enkel – nach dem Tod des Sohnes – direkt unter seine potestas fiel. 1507 Sprachlich interessant ist, dass Scaevola das Verb credere aus § 1 („Quidam recte admittendum credunt“) hier wieder aufgreift. Man könnte meinen, dass er seine Annahme hier „ebenso“ („idem credendum est . . .“) wie die quidam macht und die beiden Aussagen verknüpfen wollte. Aufgrund des Subjektswechsels kann „idem“ in der Wiederholung aber nicht „ebenso“, sondern nur „das gleiche“ bedeuten. Worauf sich das Determinativpronomen „idem“ bezieht, ist wiederum fraglich. Sicher sollte damit nicht an den in § 1 geschilderten, unmittelbar vorausgehenden Fall angeknüpft werden, sondern allgemein an die im Principium referierte Formel des Gallus, die nun auch auf den pronepos angewendet wurde. 1508 Anstatt „conciperet“ zu lesen, wie es der Anmerkungsapparat vorschlägt, kann hier der Infinitiv concipere stehen bleiben, wenn man aus dem vorhergehenden Satz „potest“ (von „potest dicere“) ergänzt, sodass es heißen müsste: „Num si et filius et nepos vivat, potest concipere“. 1509 Dementsprechend erwartet der mit num eingeleitete Fragesatz auch eine negative Antwort.
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deinde filius decederet“, sollte diese Formulierung in ähnlicher Weise gelten („quod similiter admittendum est“ 1510). Denn stürbe zuerst der Sohn, würde der Enkel an dessen Stelle nachrücken und das Testament umstoßen, was gerade verhindert werden sollte („ne successione testamentum rumperetur“). Der sprachliche Vergleich der Satzstrukturen in den zitierten Formelvarianten könnte ein Indiz dafür liefern, dass Gallus seine Formel ursprünglich nicht für den Fall des pronepos gebildet hatte1511: aa) pr.: ,Si filius meus vivo me morietur, tunc si quis mihi ex eo nepos sive quae neptis . . . natus nata erit, heredes sunto‘. bb) § 2: ,Si me vivo nepos decedat, tunc qui ex eo pronepos et cetera‘. cc) § 3: ,Si me vivo filius decedat, tunc qui pronepos‘. dd) § 4: ,utrisque mortuis vivo se, tunc qui pronepos nasceretur‘. Die Formeln weisen die Struktur von Tatbestand und Rechtsfolge („Si . . . tunc“) auf, welche für Testamentsverfügungen typisch ist. Es fällt auf, dass sowohl in bb) als auch in cc) das Verb decedere anstelle von mori verwendet wird1512. Eine weitere Parallele von bb) und cc) ist die Stellung des ablativus absolutus „me vivo“ 1513, welcher in aa) in umgekehrter Reihenfolge mit „vivo me“ und in dd) sogar in der 3. Person als „vivo se“ wiedergegeben wird. Besonders auffällig ist, dass die drei letzten Formeln nur verkürzt angeführt sind. So endet bb) sogar ausdrücklich mit „et cetera“ und bricht z. B. cc) mit dem Subjekt „pronepos“ – ohne Verb – ab1514.
1510 Der Vergleich bestand hier offensichtlich zwischen der Formulierung für den einfachen und den kumulativen Todesfall. Zum Schema verba-voluntas, nach dem insbes. Wesel (Rhetorische Statuslehre, S. 106 f.) die Stelle zu interpretieren suchte, siehe bereits § 5 III. 1. g). Vgl. dazu die Kritik von Masiello (Quaestiones, S. 215 f.) sowie die Ausführungen von Bretone (Labeo 15 (1969), S. 307 f.). 1511 Ein solcher Sprachvergleich setzt natürlich voraus, dass man die Formel des Gallus in ihrer bei Scaevola überlieferten Version im Wesentlichen für die Ursprüngliche hält. 1512 Auf die sprachliche Veränderung von „morietur“ (Fut.) in der wohl ursprünglichen Formel des Gallus zu „decedat“ (Konj.) in der Formel nach Scaevola wies schon Kalb (Roms Juristen, S. 14) hin. Ein juristischer Gehalt dieser Alternation ist jedoch nicht erkennbar. 1513 Vgl. schon die Überlieferung der Formel nach Julian in D.28.5.37 pr. (Iul. 29. dig.): „,Si filius meus me vivo morietur, nepos ex eo post mortem meam natus heres esto‘“. Wie Lamberti (Studi sui postumi 2, S. 170 Fn. 30) anhand dieser Quelle feststellt, ging die verkürzte Wiedergabe der Formel also schon auf die Zeit vor Scaevola zurück. Das Beispiel zeigt zudem die bereits mehrfach erwähnte thematische Nähe zwischen Scaevola und seinem Vorgänger Julian. 1514 Gemeint ist natürlich, dass dann der Urenkel zum Erben eingesetzt sein sollte (zu ergänzen wäre etwa: „heres esto“). Dies hier nochmal zu wiederholen, war offenbar nicht nötig.
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Dies könnte ein weiteres Indiz dafür sein, dass der Diskurs hier speziell an Fachleute gerichtet war, die wussten, wie die Formel enden musste1515. Vielleicht übten sich die Schüler hier in der Disziplin der Kautelarjurisprudenz1516 und versuchten die Formel auf möglichst viele verschiedene Varianten umzuformulieren1517. Dieses beispielhafte Durchspielen der Formel legt jedenfalls nahe, dass die clausula Aquiliana nicht nur den Erblassern bei der Erbeinsetzung, sondern auch den Juristen im Bereich des docere und cavere als eine Art „Vorlage“ diente1518. dd) D.28.2.29.5–6: Die Erweiterung der Formel auf andere Fälle des Erlöschens der patria potestas Ursprünglich regelte die Formel des Gallus nur den Fall, dass der Sohn des Erblassers durch den Tod aus dessen patria potestas ausschied. Damit der Erblasser aber auch in anderen Fällen der – infolge des Ausscheidens eines Abkömmlings eintretenden – successio in locum1519 weiterer Abkömmlinge, die zuvor noch nicht zu den heredes sui zählten, letztwillig Rechnung tragen konnte1520, wurde die Formel nun in den §§ 5 und 6 auf die Fälle der interdictio aquae et ignis, der emancipatio und der captivitas erweitert. 1515 Interessant ist zudem die Konstruktion der Nebensätze nach „tunc“: Nur in aa) beginnt nach „tunc“ ein Konditionalsatz, dessen Subjekt das Indefinitpronomen „(ali)quis“ ist. (Dass der Verfasser dieser umständlich konstruierten Ausgangsformel äußerst präzise sein wollte, bestätigt die ausdrückliche Berücksichtigung der „[ali]quae neptis“ neben dem „[ali]quis nepos“). Anders sind dagegen die Formeln in bb), cc) und dd) konstruiert, in denen auf „tunc“ keine konditionale Konstruktion, sondern jeweils ein Relativsatz („qui“) folgt. 1516 Vgl. Bretone (Labeo 15 (1969), S. 307), welcher die Formel des Gallus auch als ein „famoso esempio di ,Kautelarjurisprudenz‘“ bezeichnet. 1517 Dass die Formel des Gallus hier im Unterricht ergänzt werden sollte, belegt zudem § 13 sehr deutlich: „ad omnes casus pertinentia, quos supplendos in Galli Aquili sententia diximus“. 1518 Nach Robbe (I postumi, S. 70) war die ursprüngliche Formel nämlich sehr einfach und genau „e soprattutto spoglia da qualsiasi inutile elemento“. Lamberti (Studi sui postumi 1, S. 156) spricht in diesem Zusammenhang von einer „pedanteria della formulazione, tesa com’è ad evitare ogni possibile equivoco“. Für die Autorin (S. 166) ist die extreme Starrheit der Formel „di per sé, riprova evidente dell’intento di evitare aggiramenti o impugnative del testamento“, wofür auch die ausdrückliche Erwähnung der neptis neben dem nepos spreche. 1519 Nach La Pira (La successione, S. 71 f.) handelt es sich dabei um eine echte Sukzession, also um das Eintreten in eine zuvor von einem anderen besetzte Rechtsposition (locus). Nach Ansicht des Autors hatte diese Sukzession der Enkel in locum patris „per una ragione inerente all’organismo familiare“ eine identische Formalstruktur wie die Erbschaftssukzession der sui: „l’una e l’altra portano i successibili a subentrare necessariamente nel posto dell’ascendente“. 1520 Siehe Sachers (RE XXII, Sp. 968).
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Nachdem in § 1 der Fall behandelt wurde, dass sich der Erblasser nicht ausdrücklich über den Tod seines Sohnes geäußert hatte („non exprimat de morte filii“), wird in § 5 nun das Problem aufgeworfen, dass sich ein Erblasser – entsprechend der ursprünglichen Formel des Gallus – gerade nur für den Fall des Todes seines Sohnes geäußert hatte: „Et quid, si tantum in mortis filii casum conciperet?“ 1521. Es stellte sich daher die Frage, was gelten sollte, wenn der Sohn eine interdictio aquae et ignis1522 erlitten oder der Enkel1523 bei Einsetzung des Urenkels durch emancipatio1524 aus der Gewalt seines Vaters ausgetreten war1525. Denn in 1521 Nach Wesel (Rhetorische Statuslehre, S. 106) lautete der Satz dagegen: „Et quid si ,non‘ tantum in mortis filii casum conciperet?“; ebenso La Pira (La successione, S. 74 Fn. 2), welcher die Verneinung damit begründen will, dass der Sinn der vom Juristen gestellten Frage diese erfordere. 1522 Die „Untersagung der Gemeinschaft von Feuer und Wasser“ bedeutete für den Betroffenen die Ächtung und Verbannung ins Ausland; vgl. Waldstein/Rainer (Röm. RG, S. 55); Dalla/Lambertini (Istituzioni, S. 52 f.). Durch ihre Verhängung behielt der Angeklagte zwar seine Freiheit, verlor aber das römische Bürgerrecht (sog. capitis deminutio media), was dem „juristischen Tod“ (vgl. Gai. 3.153) gleichkam. Siehe auch Gai. 1.161: „Minor sive media est capitis deminutio, cum civitas amittitur, libertas retinetur; quod accidit ei, cui aqua et igni interdictum fuerit.“ Nach Dalla (Note minime, S. 205) verlor die interdictio aquae et ignis jedoch schon unter Kaiser Trajan (96–117 n. Chr.) wesentlich an Bedeutung und wurde zunehmend durch die Verbannung auf eine einsame Insel bzw. in die Wüste ersetzt. Es ist deshalb anzunehmen, dass der Fall der interdictio aquae et ignis zu Scaevolas Zeiten kaum noch praktische Relevanz hatte, sondern vor allem zu theoretisch-didaktischen Zwecken diente. 1523 Es fällt auf, dass hier eine Generation übersprungen und die Fragestellung gleich vom filius auf den nepos übertragen wird. Lamberti (Studi sui postumi 2, S. 171) vermutet aber, dass die fehlende emancipatio des Sohnes als „variante base“ im Originaltext der quaestio ursprünglich enthalten war und erst später weggelassen wurde, weil man sie als überflüssig erachtete. Dass der Fall der emancipatio hier für den Enkel und nicht für den Sohn gebildet wird, verwunderte schon Lenel (Palingenesie II, Sp. 276 Fn. 3), welcher insofern auf Gai. 2.141 verwies. Wie Scaevola einschiebt, wurde dieser Fall bereits erklärt („ut ostendimus“). Damit verweist der Jurist offensichtlich auf die in den §§ 3 und 4 dargestellten Fälle der Erbeinsetzung des pronepos. Für diesen Fall kamen also zwei Erweiterungen kumulativ zusammen: einmal die auf den pronepos und zudem die auf die emancipatio als Alternative zum physischen Tod. Im Übrigen ist der Verweis auf bereits Gesagtes („ut ostendimus“) ein weiteres sprachliches Indiz für den sinnlogisch zusammenhängenden didaktischen Diskurs. 1524 Die emancipatio war bekanntermaßen ein dreifacher Freilassungsakt, mit dem ein pater familias ein unter seiner potestas stehendes Subjekt (z. B. seinen Sohn, seine Tochter oder seinen Enkel) aus der väterlichen Gewalt entlassen konnte. Durch diesen Freilassungsakt wandelte sich der Rechtsstatus des Emanzipierten vom alieni zum sui iuris. Dadurch wurde das agnatische Band zur ursprünglichen Familie zerstört und der Emanzipierte verlor gegenüber seinem Vater sowie gegenüber seinen Geschwistern und anderen Agnaten sein Erbrecht nach dem ius civile; vgl. Bassanelli Sommariva (Lezioni III, S. 53). 1525 Dass Scaevola keine weiteren Ausführungen zu diesen beiden Rechtsinstituten macht, zeigt, dass sie seinen Schülern offenbar bekannt waren. Vermutlich waren die Schüler hier vor die Aufgabe gestellt, ihr bereits erlerntes Wissen aus dem Recht der Personen auf neue Fälle des Erbrechts anzuwenden. (Natürlich ist die hier vorgenom-
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diesen Fällen erlosch die patria potestas – „analog“ 1526 zum physischen Tod des Abkömmlings – gleichermaßen1527. All diese Fälle fielen zwar nicht unter den Wortlaut der lex Vellaea („hi enim casus . . . non pertinent ad legem Vellaeam“)1528, sollten aber gemäß der sententia des Gesetzes zuzulassen sein: „sed ex sententia legis Vellaeae et haec omnia admittenda sunt, ut ad similitudinem mortis ceteri casus admittendi sint“ 1529. Aufgrund der „similitudo mortis“ 1530 sollte dieselbe Rechtsfolge folglich auch für die „ceteri casus“ gelten1531. In § 6 stellte sich nun weiter das Problem, wie der Fall der feindlichen Gefangenschaft (captivitas1532) des Sohnes zu behandeln war1533. Denn auch für diesen mene Gegenüberstellung von Personenrecht und Erbrecht eine Unterscheidung nach modernen Systemkategorien. Ob die Römer die einzelnen Rechtsgebiete derart streng voneinander unterschieden, ist zu bezweifeln.) Jedenfalls bestätigt dies die bereits angeführte These, dass es sich bei den Quaestiones des Scaevola wohl um Fortgeschrittenenunterricht handelte. 1526 Von „Analogie“ kann im römischen Recht natürlich nur unter methodologischem Vorbehalt gesprochen werden; siehe dazu die Ausführungen in Fn. 89. Jedenfalls unterschieden die Römer nicht zwischen extensiver Auslegung und Analogie; siehe Horak (Rationes decidendi, S. 246). 1527 Die capitis deminutio, der Verlust eines zivilrechtlichen status, hing nämlich eng mit dem Bruch des agnatischen Bandes zusammen; vgl. Dalla (Note minime, S. 203, S. 205). 1528 Nach Lamberti (Studi sui postumi 2, S. 172) wirkt der überraschende Rückgriff auf die lex Vellaea hier „improvviso, e in qualche modo ,fuori squadra‘“. Die Autorin vermutet daher, dass entweder postklassische Bearbeiter oder die Kompilatoren eine entsprechende Frage mit direktem Bezug auf die lex gestrichen haben: „Già nella discussione dei casi e nella posizione dei problemi poteva essersi ventilata, insomma, la possibilità di una applicazione diretta della legge“. 1529 Nach La Pira (La successione, S. 74) wurden diese Fälle nicht auf der Basis der lex Vellaea zugelassen, sondern „sulla base dell’analogia che essi presentano con la ipotesi della morte contemplata nella formula aquiliana“. Der Autor (S. 74 Fn. 2) hält den Passus (zumindest bis „sunt“) daher für eine zur Erklärung eingefügte Glosse. Wesel (Rhetorische Statuslehre, S. 107) spricht hier von der „bloßen Übernahme des Rechtsgedankens eines Gesetzes in ein anderes Rechtsinstitut“. Auch wenn Analogiegesichtspunkte, wie bereits gesagt, nicht im Zentrum der vorliegenden Untersuchung stehen, lässt sich festhalten, dass Scaevola in der langen Stelle – insbes. in den hier nicht behandelten, nachfolgenden Paragraphen, in denen die lex Vellaea kommentiert wird (§§ 11 ff.) – durchweg versucht, die Gedanken der lex Vellaea und die Formel des Gallus weitgehend zu harmonisieren. Vgl. Masiello (Quaestiones, S. 215): „Può così avvenire che una disposizione della legge sia considerata dal giurista come integrativa della sententia (paragrafo 13), quasi a rendere l’idea di un’unità sostanziale del percorso normativo, da Aquilio Gallo alla legge Vellea, in cui ogni diacronia è annullata e la continuità logica, assicurata dalla interpretazione giurisprudenziale, esaltata“. 1530 Vergleichspunkt war hier also die Ähnlichkeit zwischen dem zivilrechtlichen und dem physischen Tod; vgl. dazu erneut Gai. 3.153. Wesel (Rhetorische Statuslehre, S. 107) hielt „ut ad similitudinem“ dagegen für ein Glossem. Eine Begründung für diese Behauptung gibt der Autor jedoch nicht. 1531 Hierbei handelt es sich offensichtlich zugleich um eine rechtsfortbildende Erweiterung über den Wortlaut der lex als auch über den der ursprünglichen Formel hinaus.
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speziellen Fall des Verlustes der Erbfähigkeit, welcher – im Gegensatz zu den beiden zuvor genannten Fällen der interdictio aquae et ignis sowie der emancipatio – aufgrund des ius postliminii kein definitiver sein musste, gab es weder eine spezielle Formel („Quare non induxere, ut . . .?“) noch fiel dieser unter den Wortlaut der lex Vellaea („hic casus ad legem Vellaeam non pertinet.“). Es ging konkret um den Fall, dass ein in Feindeshand geratener1534 Sohn von seinem Vater zum Erben eingesetzt worden war1535, und ein in diesem Testament nicht berücksichtigter Enkel, welcher nach dem Tod oder noch zu Lebzeiten seines sich in Gefangenschaft befindlichen Vaters – aber nach dem Tod des Großvaters – geboren wurde1536, das Testament umzustoßen drohte1537. In diesem speziellen Fall konnte der Enkel solange nicht an die Stelle des Sohnes (sc. seines Vaters) rücken, wie dieser in der Gefangenschaft überlebte. Denn kehrte der Sohn tatsächlich aus der Gefangenschaft zurück, so erbte – wenn er eingesetzt war – nur er direkt vom Erblasser, weil der Enkel mit der Rückkehr 1532 Ein Römer, der in feindliche Gefangenschaft geriet, wurde grds. Sklave (capitis deminutio maxima) und verlor damit seine Erbfähigkeit. Zudem erloschen alle agnatischen Verwandtschaftsverhältnisse des captivus, insbes. endete die väterliche Gewalt mit Beginn der Gefangenschaft. Zu den Rechtsfolgen der captivitas siehe Baldus (in Handwörterbuch der antiken Sklaverei, m.w. N.). Da dem captivus jedoch das ius postliminii zu Gute kam, waren nicht nur seine Rechte, sondern auch der rechtliche status seiner Abkömmlinge bis zu einer möglichen Befreiung in der Schwebe; vgl. Dalla (Note minime, S. 167). Zum Problem der Beerbung eines Kriegsgefangenen siehe auch Lohsse (in Harke, Facetten des röm. ErbR, S. 79–111). Gelang dem captivus die Rückkehr von den Feinden, lebte seine patria potestas, welche während der gesamten Dauer der Gefangenschaft geruht hatte, iure postliminii wieder auf. Seine Abkömmlinge standen danach wie zuvor unter seiner Gewalt. Verstarb er dagegen in Gefangenschaft, galten die Abkömmlinge nach dem Prinzip der fictio legis Corneliae (siehe Fn. 1539) ab dem Tag der Gefangennahme rückwirkend als sui iuris; vgl. Dalla (Note minime, S. 169). 1533 Im hier nicht behandelten § 7 der Quelle werden die Überlegungen sogar auf die extreme Fallkonstellation ausgedehnt, dass die schwangere Schwiegertochter des Erblassers in feindliche Gefangenschaft geriet und dort den eingesetzten Enkel gebar, der nach dem Tod des Großvaters aus der Gefangenschaft zurückkehrte. Siehe dazu Lamberti (Studi sui postumi 2, S. 182 ff.). 1534 Im Text wird jedoch nicht ausdrücklich gesagt, ob der Sohn aus der feindlichen Gefangenschaft zurückkehrte. Die Formulierung „antea quam filius ab hostibus rediret“ ist insofern irreführend; vgl. Lamberti (Studi sui postumi 2, S. 179 Fn. 49). Darauf kam es aber insofern nicht an, als der Sohn zur Todeszeit seines Vaters entgegen der Voraussetzung „si filius meus vivo me morietur“ jedenfalls noch lebte und dem Enkel den Antritt der Erbschaft versperrte. Zum Problem der Unwirksamkeit des Testaments infolge Übergehung eines postumus suus bei Gefangennahme des Vaters und Erblassers siehe Lohsse (in Harke, Facetten des röm. ErbR, S. 84 ff.). 1535 Grundsätzlich konnte auch der captivus zum Erben eingesetzt werden; siehe Baldus (in Handwörterbuch der antiken Sklaverei). 1536 „tunc deinde nepos vel etiam adhuc illis vivis post mortem scilicet avi nasceretur“. 1537 Vgl. auch die von Ulpian bzw. Paulus entschiedenen Fälle in D.28.3.6.1 (Ulp. 10. ad Sab.) bzw. D.28.2.9.2 (Paul. 1. ad Sab.).
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unter die iure postliminii wieder auflebende potestas des Sohnes (sc. seines Vaters) fiel. Starb der Sohn dagegen noch als captivus, drohte der nicht eingesetzte Enkel das Testament umzustoßen. Der Erblasser stand hier also vor zwei Problemen, welche die wirksame Abfassung seines Testaments maßgeblich erschwerten: einmal vor der Unsicherheit, wann und ob sein Sohn überhaupt aus der Gefangenschaft zurückkehren würde1538, und zum zweiten, ob ihm nach dem Tod des Sohnes (bzw. während der Gefangenschaft mit anschließendem Tod, welcher gemäß der sog. fictio legis Corneliae1539 auf den Zeitpunkt der Gefangennahme zurückdatiert wurde,) nicht vielleicht ein Enkel geboren werden könnte. Da der Fall nach Scaevola mit anderen Unwirksamkeitsfällen, die aufgrund der lex Vellaea geheilt werden konnten, vergleichbar war, sollte nun eine interpretatio zugelassen werden1540, nach welcher der Erblasser in allen Fällen („quibuscumque casibus“) eine wirksame institutio postumi vorgenommen zu haben schien („recte instituisse videatur“), in denen ein nach seinem Tod geborener Enkel als übergangener Eigenerbe das Testament umgestoßen hätte. Es handelt sich folglich um eine juristische Fiktion1541 („videatur“), mit welcher einem Testament unter Berücksichtigung eines derart praktischen Bedürfnisses („in eiusmodi utilitate“) auch in den von der lex Vellaea nicht geregelten Fällen zur Geltung verholfen werden sollte. Dies sollte sogar im Falle einer generellen Einsetzung, etwa mit den Worten ,was immer mir an Kindern nach meinem Tod geboren wird‘ oder ,wer immer geboren wird‘, gelten1542. 1538 Wie bereits erwähnt, bereitete die Anwendung der Formel des Gallus hier offenbar deshalb Schwierigkeiten, weil der Tod des Sohnes nach dieser vor dem Tod des Erblassers liegen musste; so auch Wesel (Rhetorische Statuslehre, S. 108). 1539 Diese Fiktion geht auf die unter Sulla (um 80 v. Chr.) erlassene lex Cornelia zurück, nach welcher das vor der Gefangennahme eines in Kriegsgefangenschaft verstorbenen Erblassers errichtete Testament in Kraft bleiben sollte. Zur Erweiterung der lex Cornelia de confirmandis testamentis durch die römischen Juristen siehe Lohsse (in Harke, Facetten des röm. ErbR, S. 84 ff.). Nach Ansicht des Autors (S. 84) ist die Erweiterung der cornelischen Fiktion um die Rückbeziehung des Todeszeitpunktes auf die Mitte der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts zu datieren. 1540 Im Text heißt es dazu „melius ergo est, ut . . . interpretatio admittatur“. Wie der Komparativ melius deutlich macht, war diese interpretatio aber kein Muss – er stand hier wohl in Relation zu der im vorhergehenden Satz getroffenen Feststellung, wonach der geschilderte Problemfall nicht mehr unter den Wortlaut der lex Vellaea fiel. Nach Scaevola war es also „besser“, die lex in derartigen Fällen über ihren Wortlaut hinaus anzuwenden. 1541 Zur Fiktion im römischen Recht siehe insbes. Lamberti (Studi sui postumi 1, S. 26 ff.) und Hackl (in Zimmermann/Knütel/Meincke, RG und PrivRdogmatik, S. 117 ff.) sowie Bianchi (Fictio iuris) und Dos Santos Justo (A „Fictio iuris“ no direito romano: Actio Ficticia: época clássica, Coimbra 1989 non vidi). 1542 Nach Lamberti (Studi sui postumi 2, S. 180) war eine derart allgemeine Einsetzung sogar empfehlenswert, weil sie möglichen Befürwortern einer ruptio weniger Anlass zur Anfechtung des Testaments bot.
§ 9 Systembildung durch Generalisierung
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Die ursprünglich bis ins kleinste Detail vorgegebene Formel des Gallus wird hier – in Kombination mit der lex Vellaea – zugunsten des Testaments (favor testamenti) weit über ihren eigentlichen Wortlaut hinaus angewendet und die institutio postumi für den Erblasser somit wesentlich erleichtert. ee) D.28.2.29.10: Allgemeine Voraussetzungen1543 Nachdem Scaevola zuvor verschiedene Einzelfallkonstellationen behandelte, nennt er in § 10 schließlich eine allgemeine1544 Voraussetzung für die Anwendung der Formel des Gallus1545. Demnach sollte der Sohn in potestate, welcher ja heres suus des Erblassers war, „in allen diesen Fällen“ zu irgendeinem Teil als Hauserbe eingesetzt bzw. enterbt werden. Denn nach dem Tod des Sohnes war eine Enterbung vergeblich1546. Befand sich der Sohn dagegen in feindlicher Gefangenschaft und verstarb dort – war er also aus der patria potestas ausgeschieden – galt dies nicht1547. Ebensowenig sollte eine Einsetzungspflicht („institutionem numquam exigemus“) hinsichtlich eines in feindlicher Gefangenschaft befindlichen Enkels oder Urenkels bestehen, wenn deren Kinder (liberi) eingesetzt waren1548. 1543 Die §§ 7–9, in denen Scaevola weitere Fallvarianten bildet, sind hier aus der Exegese ausgenommen, da sie für das Verständnis des § 10 nicht zwingend notwendig sind und sich dort zudem keines der hier untersuchten Worte findet. 1544 Wie Lamberti (Studi sui postumi 2, S. 186 Fn. 64) vermutet, war Gegenstand der §§ 8–10 möglicherweise sogar eine Begrenzung der extensiven Auslegung der Formel des Gallus. 1545 Nach Ansicht von Robbe (I postumi, S. 78) ist die in § 10 dargestellte Regel nicht klassisch: „Questa regola espressa in termini così generali non può essere assolutamente vera per il diritto classico“. Dies begründet der Autor (S. 78 f.) damit, dass der pater familias außer seinem Sohn auch die Enkel oder Urenkel einsetzen bzw. enterben musste, soweit die Übergehung derselben zur Unwirksamkeit des Testaments führen konnte. 1546 Diesen Zusatz zur Enterbung hält Lamberti (Studi sui postumi 2, S. 188) für nachklassisch. Die schon von Julian in D.28.2.13.2 (Iul. 29. dig.) aufgestellte Regel: „Testamentum, quod hoc modo scribitur: ,Titius post mortem filii mei heres esto: filius exheres esto‘ nullius momenti est, quia filius post mortem suam exheredatus est . . .“ sieht die Autorin hier in keinem Zusammenhang zur „lex Gallus“. 1547 Fraglich ist, warum Scaevola vorliegend nur noch den Fall der captivitas als möglichen Austritt aus der patria potestas nennt. Die interdictio aquae et ignis oder die emancipatio hätten ja ebenso dazu geführt, dass der Sohn, der dann nicht mehr zu den Hauserben des Erblassers zählte, nicht eingesetzt werden musste. Vielleicht sollte hier noch einmal die zuvor behandelte besondere Rechtslage im Hinblick auf das ius postliminii („qui apud hostes est, si ibi decedat“) unterstrichen werden. 1548 Vgl. Lamberti (Studi sui postumi 2, S. 188). Robbe (I postumi, S. 79) nahm dagegen an, dass der Erblasser die Enkel und Urenkel immer einsetzen musste „anche quando abbia istituito eredi i loro rispettivi figli per il caso che il filius familias venisse a morire durante la stessa vita del testatore“. Die von Scaevola vorgestellte Regel, die
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Unter Bezugnahme auf die zuvor behandelten Fälle stellt Scaevola hier zusammenfassend klar, dass die Formel des Gallus die reguläre Erbeinsetzung des Sohnes (bzw. Enkels oder Urenkels) grds. nicht überflüssig machte. Die Ersatzerbeneinsetzung eines postumus kam nämlich nur dann zum Tragen, wenn der primär Eingesetzte nicht Erbe wurde, weil er zuvor verstorben („si filius morietur“) oder sonstwie aus der patria potestas ausgeschieden war. Der vollständige Wortlaut der beispielhaften Ersatzerbeneinsetzung eines postumus kann mit Lamberti1549 deshalb wie folgt rekonstruiert werden: „(Caius) filius meus heres esto. Si filius meus vivo me morietur, tunc si quis mihi ex eo nepos sive quae neptis . . . natus nata erit, heres esto“.
c) Systembildung im Recht der postumi? Fraglich ist, ob die drei hier angeführten sprachlichen Indizien in § 6 und § 10 der langen Stelle Ansätze zu innerer Systembildung im Recht der postumi darstellen. Wie bereits festgestellt, befürwortet Scaevola in § 6 in allen von der lex Vellaea nicht geregelten, dem Fall der captivitas hinsichtlich des Rechtsschutzbedürfnisses („in eiusmodi utilitate“) jedoch vergleichbaren Fällen („quibuscumque casibus“) eine benigna interpretatio der institutio postumi. Die Generalisierung „quibuscumque casibus“ dient hier insofern dazu, den Anwendungsbereich der „Analogie“ 1550 zu formulieren. Indem der Jurist versucht, die sententia legis Vellaeae mit der Formel des Aquilius Gallus zu harmonisieren, trägt er zur Förderung der Einheit der Rechtsordnung bei. Das im anschließenden Beispiel gebrauchte „generaliter“ unterstreicht zwar den generellen Charakter der nachfolgend zitierten Erbeinsetzungen („generaliter, ,quidquid sibi liberorum natum erit post mortem‘ aut ,quicumque natus fuerit‘ sit institutus“ 1551), hat jedoch – wie in vielen anderen Fällen allgemein formulierter testamentarischer Verfügungen1552 auch – selbst keine juristische Systembildungsfunktion. der Autor – wie bereits in Fn. 1545 angeführt – für nicht klassisch hielt, sollte hingegen nur dann greifen, wenn der Enkel bzw. Urenkel vor dem filius familias verstorben, also niemals heres suus geworden war: „però questa eccezionale e lontanissima eventualità non può servire a distogliere nel caso normale il paterfamilias dal provvedere a istituire o diseredare regolarmente oltre il figlio anche il nipote e il pronipote . . .“. 1549 Lamberti (Studi sui postumi 1, S. 161). 1550 Dass man von „Analogie“ im römischen Recht natürlich nur unter einem methodologischen Vorbehalt sprechen kann, wurde bereits in Fn. 89 gesagt. 1551 Nach dieser sollte sogar („etiam“) derart allgemeinen Einsetzungen wie „was auch immer an Kindern“ („quidquid liberorum“) oder „wer auch immer“ („quicumque“) zur Wirksamkeit verholfen werden. 1552 Vgl. etwa D.34.3.28.2 (Scaev. 16. dig.); D.32.40.1 (Scaev. 21. dig.); D.33.2.32 pr. (Scaev. 15. dig.) oder D.40.4.59 pr. (Scaev. 23. dig.).
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Bei der Wendung „in omnibus his speciebus illud servandum est“ handelt es sich dagegen um eine abschließende Zusammenfassung hinsichtlich eines gemeinsamen Kriteriums, das für alle zuvor genannten Einzelfälle („his speciebus“) gelten sollte. Eine über die hier vorgestellten Fälle hinausgehende, generelle Regel stellt Scaevola aber gerade nicht auf. Denn wie schon das rückbeziehende Determinativpronomen „in his (speciebus)“ belegt, steht seine konklusionsartige Verallgemeinerung ausdrücklich im Zusammenhang zu den zuvor genannten Fällen und bleibt in ihrer Aussagekraft auf diese beschränkt. Dass die institutio heredis nach römischem Recht stets „caput et fundamentum totius testamenti“ war, galt ohnehin als anerkannter Grundsatz1553. Sehr wahrscheinlich verfolgt die allgemeine Zusammenfassung – insbesondere unter Bezugnahme auf das bereits Gesagte1554 – hier deshalb überwiegend didaktische Zwecke. d) Zwischenergebnis Das juristische Leitprinzip des langen Responsums ist der möglichst weitgehende erbrechtliche Schutz von Nachgeborenen1555. Insoweit zeigt sich zwischen § 6 und § 10 der Stelle eine sachliche Parallelität in der Wertung. Da die Existenz eines postumus sowohl für die übrigen Familienangehörigen als potentielle Erben wie auch für den Erblasser, der seinen letzten Willen für die Zukunft sichern wollte, von enormer Bedeutung war, sollte auf diesem Gebiet – von der Formulierung des Testaments bis zu dessen Interpretation – möglichst weitreichend Rechtsklarheit geschaffen werden. Um dies in der Praxis gewährleisten zu können, wird die Formel des Gallus von Scaevola – insbesondere in ihrem Zusammenspiel mit der ratio benignior der lex Vellaea1556 – in verschiedensten Sachverhaltsvarianten diskutiert und je nach Einzelfallkonstellation erweitert1557. 1553
Siehe Gai. 2.229 f. sowie Inst.2.20.34. Vgl. nochmals die Ausnahmen von der Einsetzungspflicht, die Scaevola hier mit Blick auf die zuvor behandelten Fälle der captivitas und zudem für die Einsetzung des Enkels und Urenkels macht. 1555 Vgl. Masiello (Quaestiones, S. 215): „Nella prospettiva di Scevola il ius antiquum, da identificarsi nella sententia di Aquilio Gallo e nella interpretatio ad essa collegata, e la legge Vellea si fondono come cospiranti all’identico fine di impedire l’invalidità dei testamenti in caso di nascita di sui heredes dopo la morte del testatore“. Nach Bretone (Labeo 15 (1969), S. 307) entspricht dies der „finalità pratica della lex Vellea“, die ja „multos casus rumpendi abstulit“. 1556 Dass der rechtspolitische Zweck der lex Vellaea nicht etwa in einem allgemeinen favor negotii, sondern wohl überwiegend in fiskalischen Interessen bestand, stellt Lamberti (Studi sui postumi 2, S. 149 ff.) klar. Daneben vermutet die Autorin (S. 151 f.) auch politische Zwecke, insbes. die Sicherung der kaiserlichen Erbfolge. 1557 Zusammenfassend kann man sagen, dass der Wortlaut der Formel in den §§ 1 bis 4 der Quelle extensiv ausgelegt wird (vgl. nur das „ex verbis concipi possit“ in § 1), während die Formel in den §§ 5 und 6 unter Heranziehung der ratio der lex Vellaea über den Wortlaut hinaus fortgebildet wird. 1554
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IV. Zusammenfassung der Exegesen Die Untersuchung hat die extreme Zurückhaltung des römischen Juristen Scaevola gegenüber der Abstraktion überwiegend bestätigt. Als paradigmatisch können hierfür vor allem die beiden Quellen D.44.3.14 pr. (Scaev. lib. sing. quaest. pub. tract.): „nihil in perpetuum neque generaliter definire possumus: consistunt enim in sola aequitate“ und D.46.3.93.2 (Scaev. lib. sing. quaest. pub. tract.): „et quasi generale quid retinendum est“ angeführt werden. Der Befund, dass die hier exegetisch behandelten Quellen fast1558 alle aus den Quaestiones des Scaevola stammen, bestätigt erneut den Eindruck, dass sich Ansätze zu innerer Systembildung im römischen Recht am ehesten in didaktisch ausgerichteten Werken finden lassen. Selbst in seinen didaktischen Zusammenfassungen bleiben Scaevolas generalisierende Aussagen jedoch eng (meist als conclusio) mit der jeweiligen Einzelfallkasuistik verbunden. Wie weit der (zumindest sprachlich limitierte) Generalisierungsansatz im Einzelnen und in der Praxis wirklich reichte, lässt sich heute nicht mehr sicher sagen1559. Man kann jedenfalls feststellen, dass sich gerade die „in omnibus“-Zusammenfassungen bei Scaevola – anders als etwa in den Quaestionenwerken von Paulus1560 oder Papinian1561 nachweisbar – nicht als zusammenhanglose Einzelsentenzen ohne direkten Fallbezug präsentieren, sondern in allen drei hier vorgestellten Fällen gegen Ende eines längeren Diskurses erscheinen. Ähnliche Rückkoppelungen an die Kasuistik lassen sich zwar beispielsweise auch in den Quaestiones des Paulus nachweisen – dort gelten die mit „in omnibus . . .“ eingeleiteten Generalisierungen jedoch überwiegend als interpoliert1562: so z. B. in D.19.1.42 (Paul. 2. quaest.)1563: „sed rectius est in omnibus supra scriptis casibus . . .“, in D.19. 1558
Wie bereits in § 9 III. 1. a) erwähnt, sprechen diverse stilistische Auffälligkeiten stark dafür, auch die Quelle D.22.2.5 (Scaev. 6. resp.) zum Werk der Quaestiones zu zählen. 1559 Insofern stößt die Forschung hier an eine Grenze. 1560 Siehe etwa D.50.17.90 (Paul. 15. quaest.): „In omnibus quidem, maxime tamen in iure aequitas spectanda est“ oder die nota zu Papinian in D.8.1.18 (Paul. 31. quaest. Papiniani notat): „In omnibus servitutibus, quae aditione confusae sunt, responsum est doli exceptionem nocituram legatario, si non patiatur eas iterum imponi“. 1561 Siehe D.5.1.41 (Pap. 11. quaest.): „In omnibus bonae fidei iudiciis, cum nondum dies praestandae pecuniae venit, si agat aliquis ad interponendam cautionem, ex iusta causa condemnatio fit“. Die unpersönliche Formulierung drückt sich hier besonders im abstrakten „si aliquis“ aus. Vgl. auch Babusiaux (Papinians Quaestiones, S. 241), welche die Quelle zu den sententiae zählt. 1562 Darauf, dass auch Kaiser Justinian diese Worte gebraucht, wurde bereits in Fn. 1325 hingewiesen. 1563 Der generalisierende Schlusssatz wird hier überwiegend für interpoliert gehalten; siehe zuletzt die gründliche Untersuchung von Schmidt-Ott (Pauli Quaestiones, S. 40 ff., insbes. S. 44 f.). Wie der Autor feststellt, setzt sich dieser mit der Formulierung „in omnibus supra scriptis casibus“ über alle zuvor angestellten Überlegungen hinweg und stellt das Ergebnis auf den Kopf. Da Paulus aber bereits eine Entscheidung
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1.45.1 (Paul. 5. quaest.)1564: „in omnibus tamen his casibus, si sciens quis alienum vendiderit, omnimodo teneri debet“ oder in D.20.6.10.1 (Paul. 3. quaest.): „idemque est in omnibus, quibus . . .“ 1565. Bei den drei hier vorgestellten „in omnibus“-Zusammenfassungen aus dem Werk des Scaevola ließ sich dagegen kein substantieller Echtheitszweifel nachweisen1566. Die systematisch bedeutsame Leistung Scaevolas besteht in diesen Fällen vor allem darin, anhand der untersuchten Generalisierungen vergleichbare Fälle (neu)1567 zu vernetzen und dadurch ein leichteres Erfassen des Stoffes zu ermöglichen. Wie insbesondere im Fall der Koordinierung der sententia legis Vellaeae mit der Formel des Gallus deutlich wird, zielen die untersuchten Generalisierungen keineswegs auf eine lückenlose Harmonisierung, wie wir sie etwa aus geschlossenen Systemen kennen, sondern haben überwiegend praktisch-integrativen Charakter. Auch die konklusive Wendung in omnibus his speciebus/casibus zeigt an mehreren Stellen sehr anschaulich, wie Scaevola zwar seine zuvor geschilderten Einzelfälle hinsichtlich eines gemeinsamen Kriteriums auf einem höheren Abstraktionsniveau zusammenfasst, dabei aber stets der Kasuistik verhaftet bleibt. Eine dogmatisch fruchtbare innere Systematik lässt sich dabei nur begrenzt ausmachen. Diese am Einzelfall orientierte Methode entspricht jedenfalls weitgehend der von Paulus in D.50.17.1 (Paul. 16. ad Plaut.) beschriebenen Vorgehensweise der römischen Juristen: „non ex regula ius sumatur, sed ex iure quod est regula fiat“ 1568.
getroffen hatte, wurde der Text durch diesen abrupten Wechsel zu einer unerwarteten Lösung hier nach Schmidt-Ott in sich widersprüchlich. 1564 Der generalisierende Schlusssatz wird auch hier überwiegend für interpoliert gehalten; siehe erneut statt aller Schmidt-Ott (Pauli Quaestiones, S. 79 ff., insbes. S. 83 f.). Wie der Autor feststellt, fügt sich die Feststellung „in omnibus tamen his casibus . . .“ nicht in die Argumentationsfolge der Stelle ein. 1565 Vgl. auch die Quelle D.22.3.25.3 (Paul. 3. quaest.), deren Verallgemeinerung „in omnibus autem visionibus . . .“ Schmidt-Ott (Pauli Quaestiones, S. 195 ff., insbes. S. 197 f.) wiederum mit der überwiegenden Meinung in der Literatur für interpoliert hält. 1566 Siehe die Exegesen zu D.22.2.5 pr. (Scaev. 6. resp.) und D.28.2.29.10 (Scaev. 6. quaest.). Zur hier nicht exegetisch behandelten Quelle D.15.1.51 (Scaev. 2. quaest.) sei erneut auf die bereits in Fn. 1339 erwähnten Untersuchungen von Alonso (Delegación, S. 49 Fn. 25), Zandrino (La delegatio, S. 37 f.) und Reichard (Die Frage des Drittschadensersatzes, S. 268, insbes. Fn. 9) verwiesen, welche die abschließende Generalisierung ausdrücklich für echt erklären. 1567 Hier sei insbes. noch einmal auf die Fallverknüpfung in D.22.2.5 (Scaev. 6. resp.) hingewiesen, die sich so jedenfalls bei keinem anderen Juristen findet. Siehe dazu § 9 III. 1. e). 1568 Siehe zu dieser Quelle und ihrer Einbettung in die justinianische Kompilation vor allem Böhr (Verbot der eigenmächtigen Besitzumwandlung, S. 17 ff.).
§ 10 Zusammenfassung und Ausblick I. Ergebnisse der einzelnen Exegesen 1. In § 4 wurde die Konjunktion der Negation („nec . . . nec“ bzw. „neque . . . neque“) als argumentum per duplicem explicationem auf einen möglichen Systemcharakter hin untersucht. Während sich das dreifache „nec“ in der Quelle D.5.2.20 (Scaev. 2. quaest.) lediglich als praktische Aufzählung ohne dogmatischen Wert erwies, konnte anhand der Quelle D.14.3.20 (Scaev. 5. dig.) eine Abgrenzung von ius civile und ius honorarium festgestellt werden. Die Systemaussage des Juristen bestand hier in der impliziten Charakterisierung der aequitas-Haftung als einer subsidiär zum Tragen kommenden, über das ius strictum hinausgehenden („superesse“) Haftung. 2. In § 5 ging es um die Frage von Systembildung nach der ,Art‘. Hier wurde der Gebrauch des argumentum ad modum anhand der Worte „huiusmodi/eiusmodi“ untersucht. Die Quellen D.33.7.27 (Scaev. 6. dig.) und D.34.1.13.1 (Scaev. 4. resp.) zeigten, dass die dort gefällten Entscheidungen „ad modum“ nicht von einem typisierenden, sondern eher von einem exemplarischen, auf den konkreten Fall bezogenen Element getragen waren. 3. In § 6 ging es um die Frage von innerer Systembildung durch Gattungsbildung anhand des argumentum ex genere. Die Untersuchung ergab, dass die Worte „vel alio nomine“ in der Quelle D.18.3.6 (Scaev. 2. resp.) nicht etwa zur Klassifikation als „nomen contractus“ dienten, sondern in einem konkreten Fall dazu bestimmt waren, griechische und römische Rechtsvorstellungen durch Beseitigung einer terminologischen Differenz der Parteien in Einklang zu bringen. Die Quelle D.18.6.11 (In libro septimo dig. Iuliani Scaevola notat) ließ zwar Ansätze zu innerer Systembildung erkennen, die mit „aliove quo casu“ abschließende Aufzählung war aber eher an speziellen Beispielen als an Kategorien orientiert. 4. In § 7 wurde anhand des argumentum per consequentiam die Frage nach innerer Systembildung durch Konsequenzentscheidungen behandelt. Die Quelle D.21.2.69.4 (Scaev. 2. quaest.) zeigte im Rahmen eines Schuldiskurses, welcher in der Schlussfolgerung „cui consequens est“ gipfelte, zwar An-
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sätze zu innerer Systembildung, blieb insgesamt jedoch eher didaktisch-problemorientiert. Die der Quelle D.36.1.80.4 (Scaev. 21. dig.) zugrundeliegende Folgenentscheidung bezog sich allein auf ein konkretes Testament, das von Scaevola nach der individuellen voluntas des Erblassers ergänzend ausgelegt wurde und zeigte keinerlei Systemrelevanz. In der Quelle D.50.1.24 (Scaev. 2. dig.) griff der Jurist dagegen auf kaiserliche Rechtsprechung zurück und stellte seine zukunftsweisende Folgenentscheidung mit den Worten „cui consequens est“ in die Tradition des älteren Rechts. 5. In § 8 wurde das Wort „alioquin“ als mögliches Indiz für ein systembildendes argumentum ad absurdum untersucht. Die in der Quelle D.40.9.6 (Scaev. 16. quaest.) festgestellte Abgrenzung zwischen Wahl- und Gattungsschuld war zwar grds. geeignet die innere Systembildung zu fördern, sie erfolgte jedoch – selbst im Rahmen eines didaktischen Diskurses wie dem vorliegenden – ohne jegliche Konstruktion dogmatischer Kriterien und blieb insoweit rein kasuistisch orientiert. 6. In § 9 ging es um die Frage nach innerer Systembildung durch Verallgemeinerung anhand des argumentum per generalem modum. Die abschließende Generalisierung „In his autem omnibus . . .“ in der Quelle D.22.2.5 (Scaev. 6. res.) erwies sich als bloße conclusio der zuvor geschilderten Beispielsfälle und stellte gerade keinen über diese hinausgehenden allgemeinen Grundsatz dar. Insbesondere konnte die Stelle nicht – wie von der älteren Literatur angenommen – als Beleg für die Ausbildung der Kategorie eines sog. „fenus quasi nauticum“ dienen. Auch die in der Quelle D.28.2.29 (Scaev. 6. quaest.) angestrebte Harmonisierung der sententia legis Vellaeae mit der Formel des Gallus hatte überwiegend praktisch-integrativen Charakter.
II. Zum inneren System Bezüglich des Nachweises von innerer Systembildung im Werk des Scaevola hat die Untersuchung ein mageres und in weiten Teilen negatives Ergebnis zu Tage gefördert. Inbesondere ließen sich anhand der exegetisch behandelten Quellen keine Systemtendenzen nach bestimmten Rechtsgebieten feststellen. Wo sich eine leise Andeutung von System nur als eine in den Quellen einmalige und in einem (nicht selten speziell gelagerten) konkreten Fall wie nebenbei getroffene Aussage herausstellte, konnte dem Juristen gerade keine bewusste Systembildung „unterstellt“ werden. Ein plan-mäßiges Vorgehen im Sinne des eingangs angesprochenen „inneren Bauplans“ im römischen Recht war hier –
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auch unter Berücksichtigung des kasuistischen Rechtsdenkens der Römer – nicht erkennbar. Wie bereits gesagt, können wir den Juristen letztlich nur an seinen Worten messen. Einem hinsichtlich Verallgemeinerungen so zurückhaltenden Respondenten wie Scaevola jedoch, der seine Auskünfte typischerweise unter dem Vorbehalt der Richtigkeit des ihm vorgelegten Sachverhalts („secundum ea quae proponerentur“ 1569) sowie unter auffallend strenger Bindung an die Anfragen (z. B. „ut instrumenta de quibus quaereretur exhibeantur“ 1570) und Worte der ihm vorgelegten Erklärungen („verbis quae proponerentur“) gebunden wissen wollte, kann gerade bei demonstrativen Formulierungen wie etwa „in omnibus his speciebus“ oder „huiusmodi/eiusmodi scriptura“ ohne weitere triftige Anhaltspunkte keine über den konkreten Fall hinausgehende Systembildung zugerechnet werden. Als paradigmatisch für Scaevolas Zurückhaltung in der Abstraktion können die bereits angeführten Quellen D.44.3.14 pr. (Scaev. lib. sing. quaest. pub. tract.): „nihil in perpetuum neque generaliter definire possumus: consistunt enim in sola aequitate“ und D.46.3.93.2 (Scaev. lib. sing. quaest. pub. tract.): „et quasi generale quid retinendum est“ angeführt werden1571. Zudem ist nur schwer vorstellbar, dass die Bedeutung der hier ausgemachten Ansätze für System, welche die Arbeit nur aufgrund detaillierter und langwieriger Exegesen – meist erst unter Vergleich mit zahlreichen anderen Quellen und Juristen, nicht selten unter Herbeiziehung nichtrömischer Rechtsvorstellungen – hervorbringen konnte, für die Zeitgenossen Scaevolas (insbesondere für die anfragenden Laien und den juristischen Nachwuchs) oder gar für Justinian und seine Kompilatoren selbstverständlich waren. Wo zeilenlang über kleinste Elemente des Sachverhalts berichtet, jedoch in nur wenigen Worten juristisch entschieden wird, liegt aber auch der Verdacht negativer Interpolation fern. Dass Scaevola nicht expressis verbis von System spricht oder systembildende Bausteine in seinen Entscheidungen benennt, bedeutet natürlich nicht, dass diese seinen Entscheidungen nicht zugrunde gelegen haben konnten. Nach der hier gewonnenen Erkenntnis stehen sie jedenfalls nicht im Fokus und im Zentrum der Entscheidungen des Juristen. Die untersuchten Quellen haben vielmehr den Eindruck bestätigt, dass Scaevola, dessen Wirken – wie bereits erwähnt – in die Epochengrenze von der Hoch- zur Spätklassik fällt, noch ein deutlich überwiegendes Interesse an praktischer Falllösung hat und eher selten – wenn überhaupt, so am ehesten in seinen didaktisch ausgerichteten Quaestiones – abstrakte Erklärungen oder generelle Ausführungen macht. Dass eine didaktisch motivierte Aussage 1569 Wie bereits erwähnt, hält Spina (Ricerche sulla successione, S. 33 f., S. 581) diesen Zusatz in erster Linie für ein „strumento di autotutela“ des Juristen „in quanto gli sono state date certe indicazioni (e solo quelle)“. 1570 Siehe D.19.1.52 pr. (Scaev. 7. dig.). 1571 Siehe hierzu bereits § 9 II. und IV.
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trotzdem zum dogmatischen Erkenntniszusammenhang der römischen Rechtsordnung insgesamt gehören konnte, wurde bereits klargestellt. Dem kasuistischen Rechtsdenken der Römer entsprechend geht Scaevola methodisch vom konkreten Problem aus und bleibt auch in seiner Falllösung problemorientiert. Seine Aufmerksamkeit gilt dabei eher der konkreten Unterscheidung sowie der induktiven Abgrenzung und Verknüpfung der einzelnen Fallvarianten als der allgemeinen Feststellung von Gemeinsamkeiten.
III. Innere Systembildung und Sprache Die Untersuchung des juristischen Sprachgebrauchs von Scaevola hat gezeigt, dass auch seine Sprache im Wesentlichen variabel ist und der Kasuistik stark verhaftet bleibt – sie erwies sich als allgemein wenig abstrakt, unschematisch und meist am konkreten Fall orientiert. Insbesondere konnte nicht festgestellt werden, dass sich eine innere Systembildung im Werk von Scaevola in bestimmten Worten niederschlägt und in anderen nicht. Die hier untersuchten kleinen Wörter und Partikeln ließen gerade keine übergeordneten Bedeutungsfixierungen erkennen1572. Selbst die Bedeutungsanalysen rechtlich relevanter Begriffe wie nomen1573 oder ius1574 und aequitas1575 ergaben, dass Scaevola diese je nach Einzelfall und Kontext1576 in den verschiedensten Bedeutungen gebraucht1577. Dass dies jedoch keine Besonderheit von Scaevola, sondern ein allgemein bei den römischen Juristen zu beobachtendes Phänomen ist, bemerkte schon Ka1572
Dass der Gebrauch der hier untersuchten „kleinen Wörter“, insbes. der Konjunktionen und Partikeln, bei heutigen Juristen im Übrigen nicht weniger ,unsystematisch‘ sein dürfte, deutete bereits Horak (FS-Kaser, S. 44) an: „Käme jemand auf den Gedanken, ein modernes juristisches Werk, etwa Flumes „Allgemeinen Teil des Bürgerlichen Rechts“, auf den Gebrauch und die Häufigkeit der genannten Wörter [sc. die zuvor genannten Begriffe consequens, consequenter] durchzusehen, um daraus Schlüsse zu ziehen, wie logisch Flume sei? Wenn es jemand täte, würde er vermutlich eine ähnlich weitgestreute Anwendungsweise finden wie bei den römischen Juristen oder bei den antiken Philosophen“. Was freilich unsere heutigen Rechtsbegriffe angeht, so hat vor allem die Pandektistik wesentlich zur Herausbildung einer juristischen Fachsprache beigetragen. 1573 Siehe § 6 der Untersuchung. 1574 Siehe § 4 der Untersuchung. 1575 Siehe ebenfalls § 4 der Untersuchung. 1576 Vgl. Mayer-Maly (IURA 34 (1983), S. 92), nach welchem die Unterscheidung zwischen mehreren Wortbedeutungen bei den Römern ohnehin nicht als solche empfunden wurde, sondern insgesamt stärker von Kontexten abhing, „als es unserer um terminologische Präzision bemühten Diktion geläufig ist“. 1577 Vgl. hierzu etwa auch das Ergebnis von Baldus (in Harke, Facetten des röm. ErbR, S. 34) zur Bedeutung des Begriffes debitum bei Scaevola.
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ser1578: „Die Juristen haben die Begriffe, mögen es spezifische Rechtsbegriffe sein oder solche aus außerrechtlichen Sphären, in ständiger Verbindung mit ihren Fallbeurteilungen gewürdigt und bestimmt [. . .]. Hiernach begreift es sich, daß die römischen Juristen ihre Begriffe stets so handhaben, wie es der spezielle Zweck erfordert“ 1579. Deutlich zeigte sich jedoch, dass der Sprachgebrauch in den beiden Responsensammlungen innerhalb der verschiedenen Textschichten aus narratio, quaestio und dem responsum variiert. Im Einklang mit der hier vertretenen These einer überwiegend schriftlichen Konsultation Scaevolas konnte an vielen Stellen dargelegt werden, dass narratio und quaestio sehr wahrscheinlich aus der Feder eines Anfragenden herrührten, während das eigentliche responsum weitgehend von Scaevola stammt.
IV. „Werktypen“1580 Auch in der juristischen1581 Literatur lassen sich bestimmte innere und äußere Strukturen feststellen, welche die literarische Eigenart eines Werkes kennzeichnen und zur Abgrenzung der verschiedenen genera scribendi1582 dienen1583. So hat die vorliegende Untersuchung – was die Systemrelevanz betrifft – deutliche Unterschiede zwischen den praktischen Responsenwerken der Digesta und Responsa und den didaktisch orientierten Quaestiones des Scaevola ergeben1584: Während die beiden Responsensammlungen, welche nach der hier vertretenen Ansicht nicht auf Regesten, sondern auf einem vom Verfasser im Wesentlichen unbearbeiteten Archetyp beruhen1585, über konkrete Entscheidungen praktischer 1578
Siehe Kaser (Zur Methode, S. 63). Gegen diese Flexibilität in der römischen Terminologie siehe freilich Behrends (Institut und Prinzip, S. 21 f.). 1580 Zur Kritik an der „Werktypenlehre“ von Schulz siehe bereits § 3 V. 1581 Zu den unterschiedlichen Gattungen der klassischen Literatur, die ein Autor wie beispielsweise Seneca beherrschte, vgl. etwa einerseits die menippeische Satire (Apokolokyntosis), andererseits die Lehrbriefe (Epistulae morales) an Lucilius. 1582 Zu den literarischen Gattungen in Rom siehe auch Hardie (NP, Bd. 7, Sp. 264 ff.). Speziell zur römischen Literatur von Hadrian bis zum ausgehenden 3. Jh. n. Chr. siehe Sallmann (HLL 4, S. 5 ff.). 1583 Siehe nur die Untersuchung der verschiedenen genera scribendi von Frezza (SDHI 43 (1977), S. 203 ff.). Masiello (Le Quaestiones publice tractatae, S. 138) nimmt z. B. an, dass Scaevola durchaus sprachliches Feingefühl („una raffinata sensibilità filologica“) hatte und die verschiedenen genera scribendi kannte, welcher sich ein Jurist bedienen konnte. 1584 So schon Frezza (SDHI 43 (1977), S. 214): „La differenza di atteggiamento del discorso fra le quaestiones ed i responsa corrisponde puntualmente al significato letterale delle parole che danno il titolo alle due raccolte; e il diverso atteggiarsi del discorso condiziona anche il mutamento formale della prosa“. 1585 Zur ,Regestentheorie‘ siehe § 3 IV. 2. a) aa) (5). 1579
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Rechtsfälle berichten und als „Außenkommunikation“ an die Rechtsratsuchenden kein darüber hinausgehendes juristisches Erkenntnisinteresse verfolgen1586, zeigen die vielen zusammenhängenden Traktate in den didaktisch geprägten Quaestiones eine innere, fallübergreifende Gedankenführung. Während in den Quaestiones wiederum häufig andere Juristen zitiert werden1587, ist dies weder in den Responsa noch in den Digesta des Scaevola der Fall. Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass in den Responsensammlungen oft Anfragen mit nichtrömischem Hintergrund und Probleme des Provinzrechts thematisiert werden, wohingegen dieser Themenbereich in den Quaestiones gar nicht behandelt wird. Wie das hohe juristische Niveau vieler in den Quaestiones behandelter Fälle zeigt, handelt es sich dabei wahrscheinlich um Fortgeschrittenenunterricht, bei dem die fachinterne Kommunikation1588 dominiert. Als ein überwiegend akademische Interessen verfolgendes Werk, bei welchem die Wissensaneignung im Vordergrund stand, reiht es sich insofern vorzüglich in die Literaturgattung der Quaestiones1589 ein. Dass die juristischen genera scribendi jedoch nicht starr vorgegeben, sondern vielmehr offen waren, zeigt sich besonders gut am Beispiel der Digesta des Scaevola, welche nach Ansicht von Krüger sogar eher Responsa hätten heißen müssen1590. Denn wie auch Frezza1591 feststellt, waren die libri digestorum, welche als juristische Literaturgattung nach den Digesta des Scaevola ausstarben, ursprünglich an die Schule gerichtet. Da die Digesta des Scaevola jedoch weder andere Juristen zitieren noch dogmatische Ausführungen enthalten, unterscheiden sie sich insofern deutlich von 1586
Nach Masiello (Quaestiones, S. 32 Fn. 66) zeigen die Gutachten aus Scaevolas Responsa und Digesta sogar auf beeindruckende Weise das Fehlen einer logisch-argumentativen Struktur. 1587 An einigen Stellen ergibt sich dabei die bereits angesprochene „Zitierkette“ Julian-Scaevola-Ulpian bzw. Marcellus-Scaevola-Ulpian; so z. B. in den Quellen D.7.1.25.5–6 (Ulp. 18. ad Sab.); D.13.4.2.3 (Ulp. 27. ad ed.) oder in D.41.3.10.2 (Ulp. 16. ad ed.). 1588 Zur Unterscheidung zwischen „fachinterner“, „interfachlicher“ und „fachexterner Kommunikation“ in der modernen Rechtslinguistik siehe Felder (in Handwörterbuch zur dt. RG, Sp. 1444). 1589 Vgl. etwa die Untersuchung der verschiedenen Quaestiones-Werke von Masiello (Le Quaestiones, S. 61 ff.) sowie die Einordnung von Papinians Quaestiones bei Babusiaux (Papinians Quaestionen, S. 263 ff.). 1590 Siehe Krüger (Geschichte der Quellen, S. 221). Siehe auch Frezza (SDHI 43 (1977), S. 212): „Nel nuovo clima scientifico-didattico i digesti di Scevola, proprio per quella loro statuaria nudità di richiami, si collocano spontaneamente sullo stesso piano delle raccolte di quaestiones e responsa“. Nach Kalb (Roms Juristen, S. 107) müsste man, wollte man die Stilperioden der römischen Juristen unterteilen, mit Scaevola gar eine neue Periode beginnen lassen. Zustimmend Schulze (SZ 12 (1891), S. 124). 1591 Siehe Frezza (SDHI 43 (1977), S. 210).
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anderen Werken dieses Titels und reihen sich gerade nicht in die ,Literaturgattung‘ der Digesta ein.
V. Das Juristenprofil Scaevolas Die einleitend1592 angesprochene Frage nach der Individualität oder „Fungibilität“ der römischen Juristen kann aufgrund der vorliegenden Untersuchung natürlich nicht abschließend beantwortet werden1593. Ein unleugbares Charakteristikum des Juristenprofils von Scaevola ist jedoch sicher die Tatsache, dass der Respondent zahlreiche praktische Fälle aus der Provinz entschied und mit Klienten außerhalb Roms und Italiens in regem Kontakt stand1594. Dafür sind die in griechischer Sprache überlieferten Schriftstücke und Anfragen ebenso Indizien wie die hier behandelten Fälle zur Arrha1595 oder zum fenus nauticum1596. Auch der in § 4 der Untersuchung behandelte Fall zum Bankrecht, wo der Anfragende einen Brief offenbar nach griechischem Recht als den Aussteller verpflichtendes chirographum verstanden wissen wollte, belegt, dass sich Scaevola häufig mit ausländischen, insbesondere mit griechischen Rechtsvorstellungen konfrontiert sah. Diese meist praktischen Anfragen haben die Entscheidungen des Juristen nachhaltig geprägt und bestimmen das Bild, welches wir von Scaevola aufgrund der uns überlieferten Quellen heute noch nachzeichnen können. Keineswegs kann man daraus aber vorschnell schließen, dass Scaevola selbst Grieche war. Die hohe Präsenz von praktischen Fällen mit Bezug zu ausländischen Rechtsinstituten erklärt sich vielmehr damit, dass die Probleme der Provinzen und das ius gentium am Ende des 2. Jh. n. Chr. zunehmend in die Perspektive der Juristen rückten1597, und Scaevola – was auch der Umfang seiner Responsensammlungen bestätigt – einer der gesuchtesten Respondenten war. Dementsprechend wurde der in der Hauptstadt residierende Jurist nach der hier vertretenen Ansicht von seinen Klienten überwiegend schriftlich konsultiert und erteilte auch seine responsa in schriftlicher Form. 1592
Zur Individualität oder „Fungibilität“ der klassischen Juristen siehe § 1 IV. Alles zum Profil des Juristen Gesagte bezieht sich auf die in der vorliegenden Untersuchung exegetisch behandelten Stellen inklusive einer notwendigerweise weniger gründlichen Durchsicht des gesamten Scaevola-Corpus. 1594 Nach Talamanca (in Archi, Istituzioni giuridiche, S. 166) ist die Verbindung Scaevolas als Rechtsberater „con la prassi provinciale, e più precisamente greca ed orientale“ mittlererweile quasi zu einem ,topos‘ in unserer historisch-juristischen Literatur geworden. 1595 Siehe § 6 der Untersuchung. 1596 Siehe § 9 der Untersuchung. 1597 Dies zeigt sich auch an der ab der Hälfte des 2. Jh. n. Chr. zunehmenden Literatur zum Provinzrecht; vgl. dazu Talamanca (in Archi, Istituzioni giuridiche, S. 235 f., S. 241 f.). 1593
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Nicht nachweisen konnte die Untersuchung hingegen die teilweise behaupteten1598 Einflüsse philosophischen Gedankenguts auf den Juristen. Insbesondere ließ sich Scaevola nach dem hier ermittelten Juristenprofil keiner Schulrichtung zuordnen, sondern zeigt seine geistige Unabhängigkeit schon aufgrund der engen Verbindung zu Julian1599, welcher gerade als Vermittler im Schulengegensatz gilt. Auch die in der Forschung behaupteten stilistischen Eigenheiten wie z. B. Gräzismen, Afrikanismen oder Archaisierungstendenzen in der Sprache des Juristen konnte die Arbeit nicht bestätigen. Hierbei gilt es jedoch stets vorab zu prüfen, aus welcher Textschicht beispielsweise ein vermeintlicher Gräzismus stammt. Denn wie die Untersuchung der einzelnen Textschichten aus narratio, quaestio und responsum ergeben hat, liegt Scaevolas Responsen eine ,geteilte Autorschaft‘1600 zugrunde. Insofern kann man gerade nicht aus den Worten, welche die Anfragenden gebrauchten, sondern wenn überhaupt nur aus den Teilen des eigentlichen Responsums („respondit“) rekonstruieren, wie Scaevola gesprochen oder gedacht hat. Dass es sich bei Scaevola jedenfalls um eine Juristenpersönlichkeit von scharfsinniger juristischer Prägnanz und hohem Ansehen handelt, belegen einerseits die von Ulpian vielfach gerühmte elegantia1601, mit der sich dieser wohl auf die juristische Qualität von Scaevolas Entscheidungen bezog, andererseits die laudationes von anderen Juristen1602. Die für Scaevola allgemein als typisch angesehene Lakonie1603, welche in einer bisweilen ironischen1604 Kürze gipfelt, zeigte sich vor allem in den beiden Responsensammlungen der Digesta und Responsa. Dafür, dass Scaevolas Antworten schon ursprünglich derart knapp waren und nicht erst – etwa im Sinne der ,Regestentheorie‘1605 – nachträglich verkürzt wurden, spricht nach hier vertretener Ansicht nicht zuletzt die Tatsache, dass sein Schüler Tryphonin es für not-
1598 Ansätze von philosophischem Gedankengut „tra realismo e ricerca dei valori etico-politici“ bei Scaevola will z. B. Masiello (Le Quaestiones publice tractatae, S. 142 ff.) anhand von vier Quellenstellen nachweisen. 1599 Siehe etwa seine beiden notae zu Julian in D.2.14.54 (Scaev. apud Iulianum 22. dig. notat) und D.18.6.11 (In libro 7. dig. Iuliani Scaevola notat) sowie die Quelle D.28.6.48.1 (Scaev. lib. sing. quaest. pub. tract.). 1600 Siehe dazu § 3 IV. 2. a) aa) (4). 1601 Siehe zur elegantia bei Scaevola § 3 V. 3. 1602 Wie bereits erwähnt, zählt ihn Modestin in D.27.1.13.2 (Mod. 4. excus.) neben Paulus und Ulpian zu den „korufa¦oi tµn nomikµn“. Auch der Cod. Theod. 4.4.3.3 (Impp. Arcadius et Honorius) bezeichnet Scaevola als „auctor prudentissimus iurisconsultorum“. 1603 Siehe dazu § 3 V. 1. 1604 Siehe dazu § 3 V. 2. 1605 Zur ,Regestentheorie‘ siehe § 3 IV. 2. a) aa) (5).
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wendig hielt, die Responsen des Lehrers mit erklärenden Anmerkungen1606 zu versehen. Da diese kurzen und oft erklärungsbedürftigen Antworten wohl auf praktische Anfragen ergingen, Scaevola sich in seinen didaktischen Quaestiones aber weniger lakonisch zeigt, muss der Sprachstil des Juristen in Verbindung mit der individuellen ,Werkgattung‘ beurteilt werden. Es sind mithin gerade keine allgemeinen Aussagen über den Stil Scaevolas möglich. Die Tatsache, dass Scaevola uns heute überwiegend als ein Mann der Praxis erscheint, mag damit zusammenhängen, dass die Hauptmasse der uns überlieferten Quellen – nämlich zweihundertzweiunddreißig von dreihundertvierundvierzig1607 – aus Scaevolas Responsa und Digesta stammen. Auch der Befund, dass sein juristischer Schwerpunkt offensichtlich in Erbrechtsfragen lag, ist wohl vor dieser Überlieferungsstatistik zu werten. Denn dass die vielen praktischen Anfragen überwiegend erbrechtlichen Charakter haben, erklärt sich sicher damit, dass gerade diese auf Grund ihrer vermögensrechtlichen Relevanz im Alltag der Bevölkerung eine bedeutende Rolle spielten. Möglicherweise war Scaevola gar nicht so lakonisch, wie allgemein angenommen, sondern entstand dieses ,Vorurteil‘ vielmehr erst durch die überlieferungsbedingte Blickverschiebung auf die Hauptmasse seiner praktischen Fallsammlungen. Darüber können wir heute jedoch letztlich nur noch spekulieren.
VI. Ausblick Vielleicht wird man sich nach diesem zurückhaltenden Ergebnis zur Nachweisbarkeit von innerer Systembildung im Werk eines hochklassischen Juristen mit der – für unsere Vorstellung von System unbefriedigenden – Tatsache abfinden müssen, dass die römischen Juristen ein anderes Verständnis von Rechtssicherheit hatten als wir heute1608. Denn offenbar bereitete ihnen die Vielzahl nicht 1606 Dass es sich dabei um erklärende und nicht etwa, wie sonst üblich, um kritische notae handelt, stellt Sixto (Las anotaciones I, S. 115) fest. Wie die Autorin (Las anotaciones II, S. 73) ausführt, zeigen die Noten – auch wenn sie im Einzelnen unterschiedliche Nuancen aufweisen – eine „naturaleza meramente aclaratoria“. Siehe dazu unter § 3 II. 1607 Vgl. die Übersichtstabelle über den Werkbestand in § 3 IV. 1. 1608 Zu der viel diskutierten Frage nach der „certezza del diritto nell’esperienza romana“ siehe Santucci (in Vincenti, Inchiesta sulla legge, S. 57 f.) sowie den Tagungsband von Sargenti/Luraschi (La certezza del diritto). Inbes. im Hinblick auf den Formularprozess siehe Maschi (RIDA 6 (1959), S. 337 ff.). Dass die Rechtssicherheit, wie Santucci betont, im klassischen römischen Recht jedenfalls nicht in einer „certezza ,formale‘ “ bestand, gilt als sicher – anders als etwa im nachklassischen Recht, wo man gerade eine solche mit „drammatica evidenza“ über die Kompilation und Selektion der iura und leges herzustellen suchte. Vgl. dazu insbes. Maschi (RIDA 6 (1959), S. 338): „. . . erroneamente si fa consistere la certezza del diritto nella certezza formale, esterio-
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zusammenhängender Einzelentscheidungen und verstreuter Gesetze keine großen Probleme. Außerdem zeigt gerade das ius controversum, dass die fachliche Diskussion und Argumentation unter den römischen Juristen alles andere als einheitlich und harmonisch – und erst recht nicht streng logisch war1609. Wie aber konnte es gelingen, dass die römische Rechtsordnung trotz dieses kontroversen Juristenrechts nicht unklar und widersprüchlich wurde? Die Antwort auf diese grundlegende Frage könnte damit zusammenhängen, dass die römischen Juristen gerade in der Berufung auf Meinungen und Entscheidungen ihrer Vorgänger ein traditionsstiftendes, in gewisser Weise Kontinuität bildendes Element sahen1610. Denn der kleine, über Generationen hinaus überschaubare Kreis römischer Fachjuristen war über die jeweiligen Lehrer-SchülerVerhältnisse bestens vernetzt und zeigt einen gewissen Grundstock an tradiertem Gedankengut1611. Dies belegen die vielen Zitierungen anderer Juristen, die sich bei Scaevola vor allem in den zahlreichen Bezugnahmen auf seinen vermeintlichen Lehrer Julian1612 ausdrücken. So könnte man für das innere System im römischen Recht vielleicht am ehesten von einer informellen, quasi-didaktischen Systembildung sprechen, welche sich über Juristengenerationen aus praktischen Erfahrungen speiste und anhand des wissenschaftlichen Diskurses tradiert und fortgebildet wurde.
re, nella certezza intesa come semplice legalità e che invece essa deve intendersi come certezza sostanziale, cioè certezza dei principi fondamentali, interiori degli ordinamenti, nella certezza come obbiettività“. 1609 Nörr (Rechtskritik, S. 16) bezeichnet das römische Recht deshalb auch als „unstabil und überstabil zu gleicher Zeit“: „Es ist unstabil, da häufig Kasuistik und Kampf der Auffassungen die Feststellung verhindern, welcher Rechtssatz ,gilt‘. Es ist überstabil, da kritisierende und kritisierte Rechtsbehauptung in gleicher Weise als zugehörig zum ,geltenden‘ Recht betrachtet werden können“. 1610 Nach Giaro (Röm. Rechtswahrheiten, S. 212) entwickelte sich das römische Recht durch Anerkennung innerhalb der Interpretengemeinschaft: Die von einem Einzelnen vorgeschlagene Lösung fungierte als „Norm, die desto mehr erstarkt, je öfter sie wiederholt wird und je länger sie dabei unwidersprochen bleibt“. Die römische Dogmatik als Gesamtheit der tradierten Lehrsätze ist insofern über Generationen verbunden. Vgl. auch Hattenhauer (Europ. RG, S. 100): „Der römische Jurist verweigerte sich der theoretisch umfassenden Durchdringung des Rechtsstoffes. Nicht das juristische System enthielt ihm die Wahrheit, sondern die Erfahrung der Väter und das praktisch überzeugende Ergebnis“. 1611 Zur Kontinuität der römischen Rechtsentwicklung siehe auch Spengler (JZ 21 (2011), S. 1024). 1612 Siehe z. B. die beiden notae zu Julian in D.2.14.54 (Scaev. apud Iulianum 22. dig. notat) und D.18.6.11 (In libro 7. dig. Iuliani Scaevola notat), aber auch Stellen wie die in § 9 III. 2. behandelte Quelle D.28.2.29.15–16 (Scaev. 6. quaest.) oder die in § 8 III. behandelte Quelle D.40.9.6 (Scaev. 16. quaest.).
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Sachregister abnepos 3251460 acceptilatio 76285 accessiones possessionum 159, 298 actio – auctoritatis 2611164, 270, 2701213, 2711218, 273 – certae creditae pecuniae 139, 150676, 155703, 309, 315 – de modo agri 209 f., 210942, 210944 – de peculio 3021339 – de pecunia constituta 154698, 155703, 156, 161, 162742, 163743, 165 f. – depositi 138, 140, 140619 – empti 208937, 210941, 223, 2231006, 2611164, 2691203, 271, 2711215, 2711217, 2711218, 273 ff., 2741227, 275 – evictionis 274 – ex stipulatu 160, 166, 2881281, 309, 3191427, 321 – in factum 155703, 2261021, 2331053 – institoria 146 f., 147660, 147667, 148669 f., 156709, 2231006 – redhibitoria 2251013, 2711218 – venditi 221996 actiones adiecticiae qualitatis 146, 147660 f., 156709 „ad similia procedere“ 39 aerarium 2551140 aestimatio 2841266 aestimatum 2331053 Afrikanismen 68 f., 353 koloußa 242, 2421086 alea/Glücksspiel (verbotenes) 312 ff., 3131392, 3131395 f. aleatorische Verträge 313, 3131395 alimenta 200 f., 201911, 203
Analogie 39, 3989, 3991, 3993, 242, 2601157, 3381526, 3381529, 342, 3421550 antiquitas 123 Antoninus Pius 162741, 200 ff. Anwachsung 2471103, 248, 2491112 Anzahlung 214963, 221, 227, 2271022, 229 f., 2341058, 236 ff., 2391080, 2391082, 240 Appendixmasse 80, 80312, 132578, 214961 Apuleius 77293, 2341058, 2351060 Aquilius Gallus 328, 3291475, 330, 342 arbiter 159, 159729, 177812 Archaismus 123548 Archetypus 104, 104434, 105438, 115500 argentarius 133581 argumentum – ad absurdum 3987, 277, 2781240, 2781243, 2791246, 2801247, 2801248, 2891289, 2901249, 295, 347 – ex auctoritate 110, 2901295 – ex genere 3886, 65219, 179817, 206 f., 297, 346 – per consequentiam 3987, 242 f., 2431091, 2431092, 272, 276 f., 3141398, 346 – per duplicem exceptionem 3884, 126, 164 Aristoteles 46110, 54157, 64, 248, 2481109, 293 arra/arrabo(n) 215, 215971, 215972, 235, 2351064, 236 – arra confirmatoria 223 f., 229, 2341058 – arra poenitentialis 223 f. ars (iuris) 45110, 46, 54 attisches Recht 133583, 215971, 220990
Sachregister auctoritas 3249, 116507, 117, 117512, 274, 2901294, 3291476 – auctoritas-Haftung 2611164, 2711216 – auctoritas principis 2541137 – auctoritas Servii 2711215, 274, 2741227 auditor 69246, 111476, 109457, 2901292 Auslegung – Auslegungsregel 4199 – ergänzende 248 f. – systematische 4199 Bankeninsolvenz 136, 136596, 136598, 145652, 150678, 157 Bankrecht 76286, 133, 352 Barkauf 220 Bedingung – Resolutivbedingung 2261020 – Suspensivbedingung 2261020 Begründungsarmut 3566, 115, 116504 Begrüßungsformel (Brief) 92, 95, 134, 145654 Bittworte (beim Fideikommiss) 188855 Blankettnamen 78, 78298, 91 ff., 92370, 92374, 95386, 97396, 102, 106444, 133, 133584, 134586, 135591, 145, 2621167, 306 bona 196894, 2881284 – bona fides 58, 156, 2261020, 2531131, 2701212, 2711218 – bonae fidei iudicium 138, 140, 2531131, 318 f., 3441561 – bonorum emptor 137, 146 – bonorum possessio Carboniana 168, 169785 – bonorum venditio 94, 136 ff., 136596 – in bonis 282 f., 288 ff., 2881284 Callimachus 95386, 3051355, 3071365, 3081373, 310, 3101381, 3111384, 320 f., 3211435 capitis deminutio 3381527 – maxima 3391532 – media 3371522
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captivitas/Gefangenschaft 130572, 177813, 3261463, 327, 3271467, 336, 338, 3391532, 3391533, 3391534, 340 f., 3401539, 3411547, 342, 3431554 case law 2519 casus 208, 211, 211951 – maior/fortuitus 210 f. – minor 210 cautio 150 f., 249, 251, 2521129 – Graecula 153690 – Muciana 3151400 – stipulatoria 3211437, 3221438 centesimae 144646 chasmate 208 f. chirographum 76286, 151, 151684, 151685, 152, 152686, 152688, 152690, 153694, 352 clausole pertinenziali 198902 clausula Aquiliana 328 ff., 336 cognitio iuris 54158 coloni 183 f., 183839, 194 ff., 194890, 194891 colonia 2551139 conceptus 3301487 condemnatio 147660, 3441561 condicio – casualis 314 – libertatis 268 – par condicio creditorum 137598 – potestativa/Potetstativbedingung 264, 2641178, 314 f., 3141400, 3151405 condictio 128566, 139, 139617, 223, 2231006, 2321048, 2321049, 314 f. – certae rei 150676 – indebiti 129567 confusio 3011338 coniunctio 3252, 176809 consensus 56, 98, 98398, 222, 2381077 conservabus 180822, 184, 184844 constitutio Antoniniana 78, 164 constitutiones principum/Kaiserkonstitutionen 50134, 110471, 249 f., 2501119, 252, 2531132, 254, 2541135, 259 contubernium/Sklavenehe 180822, 187
404
Sachregister
correctores civitatis 2541135 cum-Sätze 95385, 97395 curatores rei publicae 2541135 damnum 2501118, 253, 2551140 dÜneion 138609, 221993 datio – arrarum 2231006 – nummorum 143 decreta 2501119, 2551137 decurio 2511126, 2521129 delegatio solvendi/Zahlungsanweisung 302, 3021339 demonstratio 147661, 3321495 Depositengläubiger 136598 depositum 65, 138 ff., 138609, 139, 142, 142639, 145650 – irregulare 140 ff., 140619, 140623, 140624 destinatio 190 detrimentum 250, 2501118 Didaktik 66220, 67226, 71261, 112 dies – cedens 182832, 185847 – mortis 185847 – solvendae pecuniae 212953 differentialdiagnostische Methode 3254 disputatio 72264, 72266, 293 distinctio/Distinktionen 55160, 89 f., 89357, 217979, 219, 219985, 2621169, 264 divi fratres 251, 257 divisio 54155, 207, 207933, 211, 231 – summae divisiones 64212, 65 docere respondendo 71261 Donellus 2624, 53151 Doppelüberlieferungen 101 ff., 101421 dura separatio 187, 187852, 194886 edictum Carbonianum 167, 167770, 168771, 168772, 168776, 168777, 169785 Ediktsystem 50138, 51, 52143, 52144, 52145, 66221 effractores 178815
Einheit der Rechtsordnung 24, 3775, 4199, 278, 342 „eleganter“ 124, 124549, 124554, 288, 2981330 Eleganz 124 f., 125555, 2771234 emancipatio 326, 336, 337, 3371523, 3371524, 339, 3411547 emptio – condicionalis 225 – hereditatis 3131395 – pura 212956, 225 – spei 3131395 – venditio 2321049, 240, 2911300 Enthymem/enthymematischer Schluss 242, 248, 257, 275, 257, 2571230 epistulae 75282, 91, 91368, 153, 154698, 2501119, 2551137 Ersatzerben 245 f., 2461097, 2461099, 247, 2471102, 3271467, 334, 342 eventus fraudis 285, 2851270, 2851271, 287 Eviktionshaftung 213959, 261 f., 2611164 exceptio 126, 128566, 129, 130569, 131572, 161, 163743, 171 – exceptio doli 2611164 exercitor 138, 138604, 148670, 157, 157714 facultas alternativa/Ersetzungsbefugnis 2831262 favor 59 – contractus 238 – liberorum 168776 – libertatis 2851270, 293, 2931315, 296 – negotii 2381078, 3431556 – testamenti 341 fenerator 3061363 fenus – nauticum 76286, 3041349, 3051356, 306 ff., 3061362, 3071364, 3071365, 3101380, 3111385, 3131395, 3141396, 316 f., 3181420, 3201430, 322, 3221441, 352 – quasi nauticum 3101380, 323, 347
Sachregister fictio – iuris 3311491, 3401541 – legis Corneliae 3391532, 340 fideipromissio 320, 3201429, 3211434 fiducia 2251015 Fortgeschrittenenunterricht 112, 167, 282, 3381525, 351 Freikaufsumme 265, 2651182, 267 f., 2681201, 2691208, 271, 2711216, 274 Freilassung/manumissio (Testament) – fraudatorische 282, 284 f., 2871278 – inter vivos 282, 2821256, 2911298 Fronto 77293, 123, 123548, 2551137 fructus 187, 192, 192879, 196 – fructus civiles 192 – fructus naturales 187, 192 fundus – Cornelianus 183, 183836, 210, 210945 – cum instrumento 189 ff., 189858, 191, 191875, 193, 197898, 198902, 214963 – instructus 182832, 189858, 191 ff., 191875, 198902 – Titianus 186 fungibel/Fungibilität 29 f., 2938, 3459, 352, 3521592 Gattungsschuld/obligatio generis 291 ff., 2911299, 2921303, 2921304, 2921308, 2931310, 347 – beschränkte 291 f., 2911299, 2911300 Gedankengang 31, 3146, 37, 2591156, 2721221 genera scribendi 114, 114492, 115495, 350 f., 3501583 „generaliter definire“ 298, 2991331, 344, 348 Generalstipulation 321 f., 3211437 Glücksspiel (verbotenes) 312 ff., 3121390, 3131391, 3131395 Gräzismen 68 f., 120 ff., 123545, 353 griechische – Rechtsvorstellungen 76285, 76286, 77, 99, 229, 239 f., 346, 352 – Sprache 75282, 77291, 173799
405
– Testamente 93379, 176812 griglia 61, 61193 Grundstückskauf 217, 217981, 229 Hadrian 48125, 77, 77294, 123548, 2511126, 254, 2641179, 3501582 Handelsrecht 40, 4097, 133583 Ñpac legümenon 123, 181826, 2531130 Heck, Philipp 43103 heredes sui 3311495, 336 hereditas – damnosa 136596 – petitio 170 f., 170786 heres necessarius 170786 honor 2491114, 251 ff. Honorarrecht/ius honorarium 2833, 37, 3775, 146, 147661, 147663, 156711, 164, 165758, 214964, 254, 346 humanitas/humanus 257 ff., 2571150, 2581152, 2581153 poqÞkh/Hypothek 2371071, 2371072 id quod actum est 2391078 in diem addictio 213956, 224, 2251012 indulgentia 166761 inemptus/prßatoò 212956, 218982, 2251011, 2261020, 2271026 infamis 137 innerer Bauplan 25 f., 2520, 2522, 41, 347 Innominatkontrakte 2331053, 3071365, 3141397 Institutionenwerke 3568 instrumentum – fundi 186850, 189 ff., 189859, 189860, 190866, 191870, 192878, 194, 194886 – instrumenti 190, 193 intentio 147660 interdictio aquae et ignis 326, 336 f., 3371522, 339, 3411547 Interpolationen 23, 2310, 2981327 interpretatio prudentium 2551137 „interrogatus promisi“/perwtheÍò holüghsa 153693, 3211436
406
Sachregister
Intuition 227, 3145, 60, 2731221 inundatio aquarum 208, 211 inventio (des Rechts) 227, 58176 Isidorus 3252, 2341058 Isolierung 30, 3143, 3458 iudex 89 f., 120, 120530, 2801248 ius – adcrescendi 2471103, 2491112 – controversum 2519, 56 ff., 56167, 63, 63205, 67226, 2551137, 2901294, 355 – gentium 2833, 3775, 76285, 77, 77292, 222, 2221000, 230, 2321049, 2371071, 240, 306, 3061362, 3201429, 3201434, 352 – honorarium 2833, 37, 3775, 146, 147661, 147663, 156711, 164, 165758, 214964, 254, 346 – ius (civile) in artem redigere 53, 53150, 55, 55160 – postliminii 339, 3391532, 3411547 – praetorium 161737, 163, 163743 – privatum 2833, 48124 – publicum 2833 – receptum 57 – respondendi ex auctoritate principis 225, 2519, 85339 – strictum 59, 165 f., 346 – vetus 92370 juristische(r) – Autorität 116, 116507 – Fachsprache 122, 122538 – Laie 98, 194, 3001336 Kaiserkonstitutionen/constitutiones principum 50134, 110471, 250, 2501119, 252, 2531132, 254, 2541135, 259 f. Kalenden 144, 149673 Kapitalisierung von Zinsen 144645, 144649 Kautelarjurisprudenz 336, 3361516 Kodizill 75282, 129, 138609, 175, 199 f., 299, 3271467 Konkursprivileg 136596, 136598, 145650
Lakonie 34 f., 115 ff., 3531603 Lehrer-Schüler-Verhältnis 70256, 355 lex – Aelia Sentia 281 ff., 2821256, 2851270, 2871278, 2871280, 293, 2941317 – Cornelia de adpromissoribus 305, 3051351, 3121387 – Cornelia de confirmandis testamentis 3401539 – Falcidia 281, 305 – Fufia Caninina 2911297 – Irnitana 2551140 – Iulia et Papia 305 – Rhodia de iactu 76286, 307 – Vellaea 111, 130, 130572, 177813, 324, 326 ff., 328, 3281472, 332, 3321499, 3331501, 3331504, 338 ff., 3381528, 3381529, 3401540, 341, 3431556, 3431557, 345, 347 lex/leges – commissoria/Verfallklausel 123, 214960, 214962, 216 ff., 217981, 218982, 224 ff., 2241011, 2261020, 227 ff., 2271022, 2271026, 2281027, 2291031, 236, 239, 2391080 – damnatae 3031346, 3251458 – de imperio 2541137 – dicta 123, 218982, 240 – imperfecta 48124 – mancipio dicta 210, 218984, 2261020 – publicae 48124, 3221441 – venditionis 227 f., 2271025, 2281027, 239 libertis libertabusque 184843, 300 libri – ad Vitellium 104 f., 105435, 105437 – epistularum/epistulae 91, 91368 – regularum 78 ff., 81315 magister – bonorum 137 – navis 148670, 157, 157715, 157717, 3061363 Maieutik 118521
Sachregister mancipatio 210, 215971, 218982, 2261020, 2611164 – mancipio dans 210 Marc Aurel 71, 113, 113487, 179815, 2511123, 253, 2581151, 2581153, 2601157 mensa nummularia 132, 132581 mensularius 138608 mora debitoris 2531131 mos regionis 190866 Munizipalbeamte 2501127, 2521127, 253 munus 2491114 mutuum 139 ff., 139614, 139616, 139617, 235, 3041348, 3051351, 319, 3191424, 142633, 144649 – cum stipulatione 150677, 3191424 Nachlassinsolvenz 137 naufragium 3081367 navicularii 2541134 neglegentia 162741 nomen/nomina – contractus 209, 230, 2301039, 346 – iuris 89357, 209, 230, 2301038 – proprium 2311043, 2321049 Nümoò 47 – nümoò tµn rrabünwn 222997 notae – des Tryphonin 72, 72267, 73268, 115501, 116505, 3541606 – zu Julian 40, 4095, 80, 2891290, 3531599, 3551612 nummularius 133581, 134 nuncupatio 210 obligatio – alternativa 2911299, 294, 2941317, 2961321, 281, 283 ff., 2831260, 2831262, 2831263 – generis 291 f. Ontologie des römischen Rechts 213, 61194 ordo iuris 38, 3879, 4098, 46 Organischer Zusammenhang des Rechts 2731
407
Originalwortlaut 76284, 93379, 124, 176810, 2501120, 3291477 Pacht (Geld-/Natural-) 194 pacta – adiecta 2251013, 318 f. – tacita 3201429 pactio libertatis 2651187 pactum – de vendendo 236 – (adiectum) in continenti 140, 225, 318 f., 3191427 – nudum 155703, 3181421, 3201433 – usurarum 3221438 Pandektistik 2517, 27, 2726, 2833, 43 f., 3131395, 3491572 – Pandektensystem 27, 64209 – „pandektistische Brille“ 26, 2726 Papiniansmasse 80, 80312, 213957, 3041349 partitio 54155, 89357, 207933 patria potestas 336 ff., 3391532, 341 f., 3411547 parakataqÞkh 137603, 138609 peculium 265 f., 2651187, 3021339 pecunia – credita 3121387 – pars pecuniae 238 – traiecticia 306, 3061361, 3061364, 3101378, 3121386, 3221438 perfectus orator 54158 periculum – creditoris 308 – maris 308, 3081367 – vis maioris 210 permutatio 2331053 petitio fideicommissi 188855 Pfand (s. auch pignus) – Bewahrungspfand 235 – Ersatzpfand 236 – Verfallspfand 235 f., 2361067 Philosophie 2833, 58178, 74272, 76286, 353, 3531598
408
Sachregister
„pignoris arrabonisve nomine“ 235, 2351061, 2351064, 236 „pignoris hypothecaeve nomine“ 2311043, 237, 2371071 pignus 65, 215971, 2251015, 2321049, 233 ff., 2341057, 2341058, 2351060, 2351064, 2371072 – datum 2331054 – obligatum 2331054, 2351059 Plautus 123, 153691, 215, 215971, 2341058 poena pecuniae traiecticiae 3111384 Polemik 2771238, 2951320 pontifices 92370, 116504 possessio 51142, 98 f., 99402, 127, 159, 183834, 189, 208936 – bonorum 168, 169785, 178815 – vel ususfructus 99, 99404 postumi 130, 130571, 3281468, 330, 3301478, 3301484, 331 ff., 3311495, 340 ff. – Aquiliani 330, 3301482, 332 – Iuliani 3301482, 333, 3331503, 3331504 – Vellaeani 3301482, 332 praedia provincialia 99 praeiudicium 169, 169780, 170 f. praepositio institoria 138604, 148671 (Rechts-)Prinzipien 3354, 4199, 55160, 56163, 58, 58177, 58178, 61, 2431092 Privatautonomie 222997, 296 Problemdenken 44, 58, 59181 Prohibitiv 256, 2561143 Prokulianer 57170, 58178, 73, 74, 74274, 174 f., 175806 proscriptio 137, 148671 Provinzialedikt 77290, 214964, 2711216 quaestio – facti 89, 120, 120530 – iuris 2518, 3254, 55160, 83328, 120 querela inofficiosi testamenti 167, 167763, 167765, 172794 ratio/rationes – decidendi 32, 3251
– dubitandi 95385, 97395 – emendare 2681202, 269, 2691206 – iuris 44103 – legis 4199, 44103 Realverträge 65, 139617, 221992, 2331053, 3071365 Rechnung – Rechnungsbücher 2661188 – Rechnungslegung 2521129, 2631172, 264 ff., 2641179, 2641181, 2651188, 2661189, 2661191, 267 ff., 2681201, 2691207, 2701212 Recht – Rechtsexperten 214 – Rechtslinguistik 2936, 122537, 3511588 – Rechtsphilosophie 3459, 163744 – Rechtsquellen 37, 47, 48124, 163, 2501119 – Rechtsschichten 37, 3775, 164 – Rechtssicherheit 57, 354, 3541608 – Rechtsunterricht 112 redemptio servi suis nummis 267 reductio ad absurdum 242, 2421088, 277 f., 2771232, 2771234, 2771237, 2771238, 2781240, 2781241, 2781243, 2791244, 2901291, 2911297, 293, 2931311, 2951320 Regesten 83, 99, 104434, 350 ,Regestentheorie‘ 3565, 83327, 83329, 94383, 99 ff., 99409, 101, 104434, 116503, 3051352, 3501585, 353, 3531605 reliqua colonorum 98, 184840, 187, 194 f. rescripta 120531, 2501119, 2501120, 2551137 responsum/a – pontificum 92370 – signata 85339 – subscriptum 85, 100418 Reugeld 224, 2241009 Rhetorik 45110, 46112, 46114, 57 – Rhetorikunterricht 55158, 111476 – rhetorische Frage 113485, 281, 293, 2931311, 2931313, 2951318 ruptio testamenti 332
Sachregister Sabinianer 57170, 58178, 74, 74272, 74274, 75278, 174 f. Sabinussystem 51, 51143, 66221 Scheinkauf/imaginaria emptio 267 Schriftlichkeit 83 ff., 83330, 84333, 119524 – innere 65216 Schulenkontroverse 57170, 58178, 73, 73272, 74274, 75279, 174 f., 353 Schulfall 112, 167, 263, 2661189, 268, 270, 3051355, 3251460 „secundum ea quae proponerentur“ 88353, 92370, 111472, 118, 120, 120528, 120531, 154698, 160734, 162, 165, 175, 177811, 182, 201 f., 204, 2801248, 348 sententia legis (Vellaeae) 3261461, 338, 342, 345, 347 servus/servi – actores/Geschäftsführersklaven 2641179 – ordinarius 135592 – rustici 193, 193884 – vicarius 135592 Severer 35, 70249, 81317, 164750, 2511124, 321 Sigle 83326, 83327 Sklavenehe/contubernium 187 species/genus 51142, 65, 65219, 176811, 179817, 207 f., 207934, 207936, 208936, 211 f., 211951, 2301039, 231, 292, 2921303, 3131395, 314 spectatio 143641 Speziesschuld 284, 286, 295 stare decisis 2519 statuliber 129567, 205929, 261, 263 ff., 2631175, 2641179, 2641180, 2651182, 2651182, 2651185, 2651187, 2661188, 2661191, 2681199, 2691203, 2691208, 2701212, 2711214, 2711215, 2731223, 2751229 status-Lehre 55158 Stellvertretung 147667 Stil – klassisches Stilideal 2935
409
– lakonischer Stil 36, 115, 196, 209938, 217 – Stilanalyse 114 stille Zitate 74274, 80313, 107 stipulatio 2833, 76285, 130, 130570, 150 ff., 150676, 150677, 150678, 162741, 162742, 175805, 221992, 283, 286, 2881281, 2911300, 294, 305, 3051356, 308 f., 3081368, 3131391, 315 ff., 3161406, 3191424, 3191427, 3191428, 3201434, 3221437, 3221438, 3221439, 3231441 – Aquilana 3291475 – debiti 150 ff., 155703 – duplae 2611164, 262 – Generalstipulation 321 f., 3211437 – poenae/Vertragsstrafe 3111384 – usurarum 139 f. Stoa 51142 subscriptio 85, 85339, 2801247 substantia 74272, 288, 2881285, 2891286 substitutio 130572, 245, 2491112 – substitutio vulgaris 2461097 – Substitutionsquote 2471105, 248, 2481110 successio in locum 336, 3361519 Sueton 77293, 123 Sulpizier 133582, 144648, 152689, 235, 2351061 supplicatio 85 „supra responsum“ 85342, 100, 119 f., 120528 Syllogismus 248, 2481109 Syngraphe 153694, 3211437 – suggrafÌ nautikÞ 3211437 System – äußeres System 50 ff., 50138, 2811253 – gaianisches System 52143, 64 f., 64209, 65218, 67 – „sistema casistico“ 61195 – „systematische Leerstelle“ 66, 66225 – Systematisierungstendenzen, kaiserliche 24, 3463, 48 f., 298
410
Sachregister
– Systembegriffe 28, 2833, 4199, 43100, 43101 – Systemrelevanz 33, 36, 347, 350 – zivilistisches System 51139, 52143 taberna instructa 191871 tabula Banasitana 69244 testatio 85339, 3211437 Text – Textkritik 2310 – Textstufen 2410, 95, 101, 101421, 135, 150679 tÝxnh 45 f., 45110, 58 Topik 57 ff., 57175 Topoi 54157, 59, 59179, 163744, 197 traditio 2261020, 2611164 transactio 2301039 Trichotomie 64 f., 83, 89354, 245, 262 tutor 130569 Typus 3143, 3880, 209939 Unmöglichkeit der Leistung 140620, 2701212, 2781240, 284, 291, 2911299, 2921303 Urquelle 90364, 104 ff. usus fructus 87, 121, 2261018 verba 120 ff., 160733, 160734, 190865 – legis 3261461 – testamenti 111472, 200, 202917, 204 – verba-voluntas-Antithese 197, 197898, 197900, 3351510 – „verbis quae proponerentur“ 119, 121, 121534, 160733, 348 Vertragspraxis 123, 2221001, 3071365 vestiaria 203920, 299 f.
Vigilienpräfekt/praefectus vigilum 69, 72, 114489 villae rusticae 183838 vinculum iuris 221992 vis maior 210, 210946 voluntas – legis 3261461 – testatoris 190866, 197, 200, 249, 276, 347 Vor- und Nacherbschaft 76285 Weinkauf 214963 Werk – Werkgattung 3671, 4098, 354 – Werktypenlehre 3671, 4098, 114, 350 ff. Zinsen/usurae 144648, 312, 3121389 – ex mora 253, 2531131 – ex pacto 317 ff., 3181419 – gesetzliche 2531131, 322 – pecuniarum ex detrimento 250, 252 f. – Seezins/usurae maritimae 3041349, 308, 3081368, 3081380, 3121389 – Zinsprivilegien 252, 258 – Zinsverbot 252 Zitierkette 107450, 2591155, 3511587 Zubehör 182, 191, 198, 198902, 216978, 218 f. Zubehörklausel/clausole pertinenziali 198 ff., 198902, 206 Zweckverfügung 221992 Zweisprachigkeit 76285, 77, 77294, 78 Zwölftafelgesetz/XII-Tafeln 48, 48125, 50138, 51, 51140, 53, 2641178, 2651183, 3301479, 3301486
Quellenregister I. Juristische Quellen 1. Vorjustinianische Quellen a) Fragmenta Vaticana Frg. Vat 82 79308
b) Gai Institutiones Gai. 1.5 2501119 Gai. 1.8 64209, 65220, 67228 Gai. 1.9 65220 Gai. 1.10 65220 Gai. 1.11 65220 Gai. 1.12 65220, 67228 Gai. 1.37 2821256 Gai. 1.47 2821256 Gai. 1.50 66223, 225 Gai. 1.51 67228 Gai. 1.108 66223 Gai. 1.124 66223, 67228 Gai. 1.125 67228 Gai. 1.142 66223, 67142 Gai. 1.143 67228 Gai. 1.161 3371522 Gai. 1.188 208936 Gai. 2.1 66225, 67228 Gai. 2.2 65220 Gai. 2.3 65220 Gai. 2.4 65220 Gai. 2.5 65220 Gai. 2.6 65220 Gai. 2.7 65220, 99404 Gai. 2.8 65220 Gai. 2.9 65220 Gai. 2.10 65220
Gai. 2.11 65220 Gai. 2.12 65220 Gai. 2.13 65220 Gai. 2.14 65220 Gai. 2.86 67228 Gai. 2.101 207936 Gai. 2.123 3311495 Gai. 2.130 3311495 Gai. 2.131 3321497 Gai. 2.132 3311495, 3321495 Gai. 2.134 3321499 Gai. 2.141 3371523 Gai. 2.192 208936 Gai. 2.228 76285 Gai. 2.229 3431553 Gai. 2.239 2911298 Gai. 2.249 188855 Gai. 2.260 188855 Gai. 2.278 188855 Gai. 2.281 76285 Gai. 3.4 3311491, 1494 Gai. 3.25 164749 Gai. 3.41 164749 Gai. 3.78 136597 Gai. 3.88 64212, 66223 Gai. 3.89 207936 Gai. 3.90 139616
412
Quellenregister
Gai. 3.92 150676 Gai. 3.93 3201429 Gai. 3.124 3121387 Gai. 3.134 151685, 152687, 690, 153694 Gai. 3.139 215967, 2231003, 2401085
Gai. 3.153 3371522, 3381530 Gai. 3.183 208936 Gai. 4.70 132575 Gai. 4.71 147659 Gai. 4.116 161738
c) Epitome Gai EG 2.3.2 3311488 EG 2.9.14 215969, 2401085
d) Pauli Sententiae PS 2.14.1 3181421, 3201433
e) Ulpian, Liber singularis reg. 2.4 2651183
f) Codex Theodosianus Cod. Theod. 4.4.3.3 68232, 70250,117509, 3531602
2. Justinianische Quellen a) Institutiones Inst. 1.25.16 70250 Inst. 1.2.6 2551137 Inst. 2.13 pr. 168774, 3311495 Inst. 2.13.1 3321495, 1497 Inst. 2.15 pr. 2461097 Inst. 2.15.1 2461099 Inst. 2.20.34 3431553
Inst. 3.1.2 b 3311493 Inst. 3.13 pr. 148667 Inst. 3.15.4 3141400, 3161406 Inst. 3.23 pr. 215966, 2231003, 2241008, 1009 , 2321047 Inst. 4.4 pr. 2981325 Inst. 4.6.9 162742
b) Digesta Const. Deo Auctore 2 49129
Const. Omnem 2 49128
129
Const. Omnem 3 49128
Const. Deo Auctore 4 49
Const. Deo Auctore 5 49128
Const. Omnem 4 49128, 52145
Const. Deo Auctore 6 49
Const. Omnem 5 49128
128
Const. Omnem 1 49
Const. Omnem 6 49128
Quellenregister Const. Omnem 7 49128 Const. Tanta 5 53145 Const. Tanta 10 2410, 50134 D. 1.1.1 226 D. 1.1.7 pr. 2541137 D. 1.1.7.1 161737 D. 1.2.2.13 55162 D. 1.2.2.41 51142, 2971324 D. 1.2.2.42 3291475 D. 1.2.2.43 3291475 D. 1.2.2.47 71263 D. 1.2.2.49 85339, 91367 D. 1.3.24 7 D. 1.3.29 3261461 D. 1.4.1 2541137 D. 1.4.1 pr. 2541137 D. 1.4.1.2 2551137 D. 1.6.6 70250 D. 1.6.8 2731221 D. 1.15.3.2 179815 D. 2.2.1 pr. 161736 D. 2.10.1 pr. 161736 D. 2.13.4.1 161736 D. 2.14.1 3568, 161736 D. 2.14.1.4 2311043, 2341057 D. 2.14.5 3568 D. 2.14.6 3568 D. 2.14.7 pr 2331053, 319 D. 2.14.7.1 2301039, 2321049, 2331053 D. 2.14.7.2 2331053 D. 2.14.7.4 155703, 3181421, 1422 D. 2.14.7.5 3181417 D. 2.14.10 pr. 2561141 D. 2.14.12 3201436, 1437 D. 2.14.17 pr. 319, 3191425 D. 2.14.27.2 73270 D. 2.14.44 101422 D. 2.14.47 133582 D. 2.14.47 pr. 150680, 319, 3191425 D. 2.14.47.1 127561, 128565, 134585, 138608, 150680, 152686, 153692, 152686, 153692 D. 2.14.52.3 163744, 165755
413
D. 2.14.54 71257, 79308, 2891290, 3531599, 3551612 D. 2.15.3 162741 D. 2.15.3 pr. 127561, 130569, 2501117, 2511124, 2591155 D. 2.15.3.2 116, 127562, 128566 D. 3.2.21 118518 D. 3.3.70 95384, 2791246 D. 3.5.8 71260, 81319, 108454, 109459, 460, 462, 466 , 113483, 2951318 D. 3.5.18.1 73270 D. 3.5.34 108454 D. 3.5.34.2 127560, 131572 D. 3.5.34.3 108454, 2951318 D. 4.3.7.8 2651187 D. 4.3.32 98399 D. 4.4.1 pr. 161736 D. 4.4.11.1 107449, 113487 D. 4.4.11.5 211949 D. 4.4.12 2791245 D. 4.4.24.2 73270 D. 4.4.38 pr. 217981 D. 4.4.39.1 89355, 116 D. 4.4.47 95384 D. 5.1.41 3441561 D. 5.1.49.1 70250 D. 5.2.13 73269, 88, 101422, 159727, 188855 D. 5.2.20 13, 127560, 166, 171, 172, 2821255, 346 D. 5.3.20.6 2561141 D. 7.1.25.5 3511587 D. 7.1.25.6 107449, 3511587 D. 7.1.25.56 107450 D. 7.1.34.2 2891286 D. 7.1.50 70250, 107448 D. 7.1.58.1 86 D. 7.1.58.2 86, 217980 D. 7.3.1.4 70250 D. 8.1.18 3441560 D. 8.2.41.1 127, 127561 D. 8.5.20.1 116, 2391078 D. 9.2.55 2831261
414
Quellenregister
D. 9.3.5.2 161736 D. 9.4.14.1 2711214 D. 10.2.46 73270 D. 10.4.11.1 3041348 D. 11.5.2.1 3131391 D. 11.5.3 3131391 D. 11.1.22 159723 D. 12.1.9.9 139612 D. 12.1.10 139612 D. 12.1.11.1 3191425 D. 12.1.17 70250 D. 12.1.38 108454 D. 12.1.40 3191427 D. 12.1.40 pr. 151681 D. 12.2.3 pr. 2791245 D. 12.4.1.4 2311043 D. 12.6.67 pr. 127561, 129567 D. 12.6.67.4 2311041 D. 13.1.18 81319, 111474 D. 13.4.2.3 107449, 450, 2831264, 294, 298, 2991331, 3511587 D. 13.4.2.8 3071365 D. 13.4.8 3181423 D. 13.5.1 pr. 156, 161736 D. 13.5.1 154699 D. 13.5.1.1 155700 D. 13.5.5.2 155701 D. 13.5.5.3 154698 D. 13.5.14.3 154698, 160 D. 13.5.18.1 155700, 705 D. 13.5.24 142639, 154698, 699, 162742 D. 13.5.25 pr. 156712 D. 13.5.26 139614, 141, 141632, 154698, 160734, 174, 174803 D. 13.5.31 127560, 128567, 132577, 154698, 160734, 162, 165, 165755, 172 D. 13.6.5.2 142635 D. 13.6.5.4 212952 D. 13.6.18 211 D. 13.7.43.1 2311044 D. 14.1.1.3 148670 D. 14.1.1.4 147664, 148670 D. 14.1.1.5 148670, 2791245
D. 14.1.1.17 157714 D. 14.1.1.24 157714 D. 14.1.5.1 147660, 157714, 165755 D. 14.1.22 135592 D. 14.2.9 2511121 D. 14.3 132578 D. 14.3.1 138607 D. 14.3.3 138606 D. 14.3.4.1 147662 D. 14.3.4.2 147662 D. 14.3.4.3 147662 D. 14.3.5.3 148669 D. 14.3.5.11 148669 D. 14.3.5.15 214, 221994, 2231005, 1006, 2321047, 2321060 D. 14.3.7 138607 D. 14.3.7.1 147664, 157717 D. 14.3.11.2 148669 D. 14.3.20 12, 13, 93, 96387, 127, 127560, 128, 128567, 131, 159, 165, 172, 346 D. 14.6.4 108454 D. 14.6.6 108454, 2881285 D. 15.1.27.8 77290, 3021339 D. 15.1.51 77290, 108454, 302, 3021339, 3031342, 3451566 D. 15.1.54 101422 D. 15.1.58 101422 D. 15.2.1.8 70250 D. 15.3.20 101422 D. 15.3.21 101422 D. 16.1.13 pr. 2651187 D. 16.3.1.33 142635 D. 16.3.1.34 139612 D. 16.3.1.36 139610 D. 16.3.7.2 136595, 596, 598, 140619, 141629 D. 16.3.8 136596, 598 D. 16.3.13.1 2321049 D. 16.3.24 138609, 140619, 142638 D. 16.3.25.1 140619 D. 16.3.26.1 137603, 138609, 140619, 143643
Quellenregister D. 16.3.26.2 138609, 151683, 153692, 160730, 173 D. 16.3.28 92, 96389, 140619, 141628, 143643 D. 16.3.29 pr. 142 D. 16.3.29.1 140619, 142635 D. 17.1.27.2 2791245 D. 17.1.34 pr. 2891289 D. 17.1.34 154699 D. 17.1.60 pr. 3778 D. 17.1.60.1 127561, 564, 129567, 159724 D. 17.1.60.4 75283, 78, 93, 127561, 128 D. 18.1.5 2701212 D. 18.1.6.1 213956, 217981, 2251011, 1016, 2391078 D. 18.1.8.1 3131395 D. 18.1.9 pr. 210945 D. 18.1.9.2 74272 D. 18.1.15 pr. 215974, 222998 D. 18.1.34.6 2831261, 2841268 D. 18.1.35 pr. 214, 2231003, 2321047 D. 18.2 2251012 D. 18.3 214 D. 18.3.1 217981, 2261018 D. 18.3.2 213956, 217981, 2251011, 2261019, 2291031 D. 18.3.3 2241011 D. 18.3.4 pr. 217981, 2241011 D. 18.3.4.1 143641, 2251016, 2261021, 2291034 D. 18.3.4.2 2251014 D. 18.3.5 213956, 217981, 2251011 D. 18.3.5.10 pr. 213956 D. 18.3.6 14, 208, 208937, 212, 214, 234, 241, 346 D. 18.3.6 pr. 14, 214, 216 D. 18.3.6.1 14, 218 D. 18.3.6.2 14, 218, 2251016, 2401085 D. 18.3.8 133585, 213956, 214, 217981, 2251011, 227, 228, 2281027, 2301035, 2401085 D. 18.3.8 pr. 2321047, 1048 D. 18.4.22 233, 234
415
D. 18.5.8 213959 D. 18.5.6 2261021 D. 18.5.10 pr. 122, 127562, 217981, 2251011, 1016, 2401085 D. 18.5.10.1 127562, 128565, 213956, 217981 D. 18.6.11 14, 71257, 79308, 172795, 208, 209, 2311045, 241, 2891290, 346, 3531599, 3551612 D. 18.7.6 3141399 D. 18.7.10 73267, 110471 D. 19.1.11.6 214, 216978, 221994, 2231005, 1006, 232, 2321047, 1048 D. 19.1.13.3 2691203 D. 19.1.13.8 2341059 D. 19.1.22 209 D. 19.1.34 210941 D. 19.1.42 344 D. 19.1.45.1 344-345 D. 19.1.48 213959 D. 19.1.52 pr. 208937, 3481570 D. 19.1.52.2 174803, 176809 D. 19.2.25.6 194891 D. 19.2.31 140619, 142638 D. 19.2.61.1 118 D. 19.4.1 pr. 2331053 D. 19.5.5 35 D. 19.5.12 2261021 D. 19.5.24 3181416 D. 20.1.5.1 2371072 D. 20.1.20 151681 D. 20.1.31.1 120531 D. 20.1.32 193884 D. 20.1.34.1 75282, 149675 D. 20.2.10 2301039 D. 20.3.1.2 107447, 449 D. 20.4.18 2311044 D. 20.5.12.1 72266 D. 20.5.14 101422 D. 20.6.10.1 345 D. 21.1.1.9 2791245 D. 21.1.31.8 2341059 D. 21.1.35 186851
416
Quellenregister
D. 21.2.12 213959 D. 21.2.39.3 1711214, 1215 D. 21.2.40.4 2711214 D. 21.2.54.1 77290, 2711216, 2721219 D. 21.2.69 274 D. 21.2.69 pr. 2701214, 2751230 D. 21.2.69.1 2701214, 2751230 D. 21.2.69.2 108454, 2751230 D. 21.2.69.3 108454, 269, 2711215, 1216, 274, 2751230 D. 21.2.69.4 15, 77290, 89356, 2421089, 244, 260, 275, 2751230, 276, 2821255, 346 D. 21.2.69.5 2631175, 2751230 D. 21.2.69.6 2751230 D. 22.1.30 3181418, 1419 D. 22.1.41.2 151684 D. 22.1.48 2791246 D. 22.2.1 3061364 D. 22.2.5 16, 303, 3071364, 3441558, 3451567, 347 D. 22.2.5 pr. 92375, 301, 309, 3451566 D. 22.2.5.1 16, 317 D. 22.2.6 3071365, 3091376, 3121389 D. 22.2.7 3091378, 318, 3181418, 322 D. 22.2.8 3111384 D. 22.2.9 3111384 D. 23.3.12.1 70250, 71260 D. 22.3.25.3 3451565 D. 22.3.27 116, 2881285 D. 22.3.29 2511124 D. 23.3.43 3021339 D. 23.3.43 pr. 70250 D. 23.3.56.3 73270 D. 23.4.31 174802, 178813 D. 23.5.13.4 70250 D. 24.1.11 242 D. 24.1.13.2 2791245 D. 24.1.56 108454 D. 24.1.64 pr. 96387 D. 24.1.66 pr. 97 D. 24.3.7 pr. 70250 D. 24.3.50 127561, 129567
D. 24.11.6 70250 D. 25.3.5.7 3041348 D. 25.4.4 174803, 176 D. 26.2.10.2 3321499 D. 26.5.26 127561, 130569 D. 26.7.37.1 157717 D. 26.7.47 93 D. 26.7.47.2 127561, 128565 D. 26.7.57 pr. 151686 D. 26.7.58 pr. 3778, 72265, 266, 138607 D. 26.7.58.1 2311043 D. 26.7.58.3 2891285 D. 26.7.59 101422 D. 26.9.8 102422 D. 27.1.13.2 68231, 232, 117509, 3531602 D. 27.1.32 73270 D. 27.1.37 pr. 95384 D. 27.6.1 pr. 161736 D. 27.8.1 pr. 2521129 D. 28.2.3.4 70250 D. 28.2.8 3301485 D. 28.2.9.2 3391537 D. 28.2.13.2 3411546 D. 28.2.19 70250, 73, 90, 107448 D. 28.2.29 16, 130, 323, 347 D. 28.2.29.1 16, 333 D. 28.2.29.2 16, 334 D. 28.2.29.3 16, 334 D. 28.2.29.4 16, 334 D. 28.2.29.5 16, 108454, 113483, 2821255, 3321499, 336 D. 28.2.29.6 16, 108454, 174803, 176, 2821255, 2981328, 3001336, 3031341, 1342, 336 D. 28.2.29.8 108454 D. 28.2.29.9 108454 D. 28.2.29.10 16, 108454, 301 f., 3031342, 341, 3451566 D. 28.2.29.11 108454, 111473, 3331501 D. 28.2.29.12 108454 D. 28.2.29.13 127560, 3331502 D. 28.2.29.14 108454, 111474, 127560
Quellenregister D. 28.2.29.15 108454, 109, 109459, 111475, 159725, 167769, 3331504, 3551612 D. 28.2.29.16 108454, 109, 109459, 167769, 3551612 D. 28.3.3.1 3301485, 1486, 3321499 D. 28.3.6.1 3391537 D. 28.3.13 3321499 D. 28.3.18 108 D. 28.3.19 108454, 130572, 3271467 D. 28.3.19 pr. 108454 D. 28.3.19.2 127561 D. 28.5.6.1 3321499 D. 28.5.35.3 198902 D. 28.5.37 pr. 3351513 D. 28.5.84.1 77290, 108454 D. 28.5.86 127561, 128565 D. 28.6.10.6 107449 D. 28.6.33.1 3291476 D. 28.6.38.3 68231, 73270 D. 28.6.48.1 71257, 108454, 111476, 3531599 D. 28.7.27 pr. 175805 D. 28.8.7.2 2771233 D. 29.2.28 142635 D. 29.2.98 2311043 D. 29.5.1.12 70250, 124550, 2981330 D. 29.5.1.13 70250 D. 29.5.3.30 70250, 124550, 2981330 D. 29.7.14 81319 D. 29.7.14 pr. 74, 108454, 109459, 464, 174, 174802, 175 D. 29.7.14.1 108454 D. 30.47.3 2841266 D. 30.47.6 211949 D. 30.71 pr. 2911300 D. 30.84 175805 D. 30.114.7 70250 D. 30.120 pr. 118518 D. 31.1.21.4 96386 D. 31.24 71260 D. 31.34.1 173 D. 31.65 pr. 186 D. 31.66.3 292
417
D. 31.67.10 111472 D. 31.87.3 2511124 D. 31.88.8 151686 D. 31.88.9 127, 127561 D. 31.88.10 96387 D. 31.88.11 279, 280, 2801248 D. 31.88.12 72265 D. 31.88.15 75283 D. 31.88.17 118 D. 31.89.1 121534 D. 31.89.3 101422 D. 32.30.1 115 D. 32.32.2 95384 D. 32.33.1 121534 D. 32.34 pr. 133585 D. 32.34.1 2891285 D. 32.35 pr. 123 D. 32.36 72265, 101422 D. 32.37 pr. 88352, 127, 127561, 563, 129, 158721 D. 32.37.2 110471 D. 32.37.3 127560, 128566, 196894 D. 32.37.4 72265, 110471 D. 32.37.5 75282, 138609, 143643 D. 32.37.6 75282, 78, 93 D. 32.38 72265 D. 32.38 pr. 2311043, 237 D. 32.38.4 101422, 116 D. 32.38.8 101422 D. 32.39 pr. 72265, 86, 110471, 2591157, 2601157, 72265 D. 32.39.1 75282, 76285, 118520, 121534, 134585 D. 32.39.2 121534 D. 32.40.1 2991332, 3001336, 3421552 D. 32.41.6 99402 D. 32.41.3 2991332, 300, 3001337 D. 32.41.13 72265 D. 32.60.1 193884 D. 32.60.3 198902 D. 32.61 185845 D. 32.64 150680 D. 32.69.1 190869
418
Quellenregister
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D. 33.7.7 121534 D. 33.7.8 190868, 192878 D. 33.7.12 pr. 189, 192881 D. 33.7.12.2 193886 D. 33.7.12.8 186850 D. 33.7.12.27 189858, 191873, 875 D. 33.7.12.28 191873 D. 33.7.12.29 191874 D. 33.7.12.43 194888 D. 33.7.12.46 194 D. 33.7.18.3 190866 D. 33.7.18.4 70250, 107448 D. 33.7.18.5 70250, 107448 D. 33.7.18.6 70250, 107448 D. 33.7.18.7 70250, 107448 D. 33.7.18.8 70250, 107448 D. 33.7.18.9 70250, 107448 D. 33.7.18.11 194887, 888 D. 33.7.18.13 70250, 107448, 199 D. 33.7.18.14 70250, 107448 D. 33.7.20 pr. 191876, 194890, 199 D. 33.7.20.3 194890 D. 33.7.20.6 186, 190865 D. 33.7.20.7 99402 D. 33.7.20.9 120529, 181827 D. 33.7.24 194889 D. 33.7.25 pr. 190864, 868 D. 33.7.25.1 190864, 868 D. 33.7.25.2 196894 D. 33.7.27 13, 173, 179, 180, 200, 346 D. 33.7.27.1 98, 206 D. 33.7.27.2 98 D. 33.7.27.3 121533, 160733, 190865, 214963 D. 33.7.27.5 95384, 121534, 200909 D. 33.7.28 101422, 134585, 182832, 185847, 191876 D. 33.7.37 186 D. 33.8.23 pr. 2661188 D. 33.8.23.1 2651181 D. 33.8.23.2 75282 D. 33.8.23.3 85, 120528 D. 33.10.14 199908
Quellenregister D. 34.1.13.1 14, 174, 174803, 179, 200, 206, 2601158, 346 D. 34.1.13.2 206 D. 34.1.15.1 72265, 90359, 120530 D. 34.1.15.2 95384 D. 34.1.16.1 75282, 120530, 2791246 D. 34.1.16.2 72265, 184843, 2981328, 300 D. 34.1.18 pr. 118518, 188855, 2311043, 2981328, 299 D. 34.1.18.1 127561, 564 D. 34.1.18.5 127561, 128565 D. 34.1.19 100412, 118 D. 34.1.20.2 101422 D. 34.2.15 121533, 160733 D. 34.2.16 72265 D. 34.2.18 pr. 123 D. 34.2.18.2 101422 D. 34.2.32.3 70250, 107448 D. 34.2.32.4 70250, 107448 D. 34.2.32.7 70250, 107448 D. 34.2.32.8 70250, 107448 D. 34.2.32.9 70250, 107448 D. 34.2.33 190869 D. 34.2.38 pr. 101422 D. 34.2.40.2 127561, 564 D. 34.3.6.1 174 D. 34.3.28 pr. 96389, 121533, 160733 D. 34.3.28.2 2981328, 300, 3421552 D. 34.3.28.4 101422, 102425 D. 34.3.28.6 101422 D. 34.3.28.7 72265 D. 34.3.28.8 141629, 143643 D. 34.3.28.9 90359, 120530 D. 34.3.28.13 101422 D. 34.3.28.14 101422, 2361068 D. 34.3.31 pr. 90359, 120530, 177812, 188855 D. 34.3.31.2 101422, 102425, 188855 D. 34.3.31.4 101422, 102424, 127561, 564, 151686 D. 34.4.30.1 75282 D. 34.4.30.4 75282 D. 34.4.31 pr. 185847
419
D. 34.9.26 72265 D. 35.1.15 98398 D. 35.1.32 2631172 D. 35.1.40.4 210945 D. 35.1.67 3141399 D. 35.1.80 108454 D. 35.1.81.1 pr. 2631172 D. 35.1.82 2631172, 2661188, 2681201 D. 35.1.85 115 D. 35.1.86 3261461 D. 35.1.109 72265 D. 35.1.111 2661188 D. 35.2.17 3271467 D. 35.2.20 81319, 108454 D. 35.2.23 111474 D. 35.2.25.1 101422, 102425 D. 35.2.35 70250 D. 35.2.56.2 79307 D. 35.3.28.9 177812 D. 36.1.23 pr. 69246, 70250 D. 36.1.65.15 77290 D. 36.1.76 pr. 76285 D. 36.1.77 pr. 95384 D. 36.1.78 129, 127561 D. 36.1.79.1 72265, 110471, 174803, 176809 D. 36.1.80 pr. 101422 D. 36.1.80.1 134585 D. 36.1.80.4 243, 2431092, 244, 275, 276, 347 D. 36.1.80.5 2481107 D. 36.1.80.6 72265 D. 36.1.80.9 72265 D. 36.1.81 108454 D. 36.1.82 3778, 72265 D. 36.3.18 pr. 2891285 D. 36.3.18.2 102422 D. 37.6.10 75279, 109, 109459, 159725 D. 37.8.1.1 161736 D. 37.8.6 108454 D. 37.8.1.16 124550, 2981330 D. 37.10.1.8 169785 D. 37.10.7.2 167, 169786
420
Quellenregister
D. 37.11.10 73270 D. 37.14.12 173 D. 38.2.48 174803, 178 D. 38.4.7 127561, 130570, 151686 D. 38.8.1 pr. 166761 D. 38.8.10 96 D. 38.16.3.9 3301486 D. 39.2.18.5 3191423 D. 39.2.24.3 211950 D. 39.5.25 92375 D. 39.5.35 pr. 127564 D. 40.1.4.2 267 D. 40.4.24 2911298 D. 40.4.29 96, 127561, 564, 2311041 D. 40.4.31 2911298 D. 40.4.37 2911298 D. 40.4.54.1 102422 D. 40.4.59 pr. 2911298, 2991332, 3001336, 3421552 D. 40.4.59.1 72265, 110471 D. 40.4.59.2 121533, 160733 D. 40.4.60 75282, 93, 93379, 96387, 174803, 176 D. 40.5.17 72265 D. 40.5.37 2641179 D. 40.5.41 pr. 127560, 128565 D. 40.5.41.4 75283, 2651188 D. 40.5.41.10 2651188 D. 40.5.41.16 2661188 D. 40.5.50 68231, 70250, 2941315 D. 40.7 2641180 D. 40.7.1 pr. 2641179 D. 40.7.3.1 2651187 D. 40.7.3.2 2651187, 2711215 D. 40.7.3.11 2661191 D. 40.7.4.1 205929, 2681198 D. 4.7.5 2691204 D. 40.7.6.7 2681202, 2691207 D. 40.7.10 2721219 D. 40.7.20 pr. 2651184 D. 40.7.25 2641178 D. 40.7.27 2681199 D. 40.7.29.1 2641178
D. 40.7.31 pr. 2681202 D. 40.7.35 2651186 D. 40.7.40 pr. 2651187 D. 40.7.40.3 2641179, 2651181, 1188 D. 40.7.40.5 127561, 128565 D. 40.7.40.7 116, 2641179, 2651188, 2661191 D. 40.7.40.8 2651181, 2661191 D. 40.9.5.1 282 D. 40.9.5.2 15, 282, 288, 2901295 D. 40.9.6 15, 82319, 108454, 110468, 167769, 2791244, 1245, 280, 283, 288, 2901295, 294, 347, 3551612 D. 40.9.10 138607, 2851271 D. 40.9.16.2 2821256 D. 40.9.23 2851273 D. 40.9.26 73269 D. 40.11.3 127560, 129, 159725 D. 40.13.2 2851270 D. 41.1.7.7 74272 D. 41.1.23.3 107449 D. 41.1.33 pr. 70250 D. 41.2.3.21 208936 D. 41.2.3.22 208936 D. 41.3.10.2 71260, 81319, 107449,450, 3511587 D. 41.4.2.14 2651187 D. 42.1.31 2561141 D. 42.5.6.2 73270 D. 42.5.24.2 136595, 596, 139611 D. 42.8.23 102422 D. 42.8.24 108454, 111476, 162741 D. 43.24.11.13 217981 D. 44.3.14 108454 D. 44.3.14 pr. 108454, 159, 298, 2981328, 3031342, 344, 348 D. 44.3.14.1 108454 D. 44.3.14.2 108454 D. 44.3.14.3 108454 D. 44.3.14.5 108454 D. 44.4.17.2 2791246 D. 44.7.23 3111384 D. 44.7.29 118518
Quellenregister D. 44.7.61 pr. 75282, 279, 280, 2801247 D. 44.7.61.1 92 D. 45.1.64 175805 D. 45.1.105 92375 D. 45.1.122 320 D. 45.1.122 pr. 143645 D. 45.1.122.1 90361, 95386, 134586, 135593, 3071364, 1365, 3081373, 309, 310, 3121386, 3201430 D. 45.1.122.3 2791246 D. 45.1.122.5 159726, 2301039 D. 45.1.127 108454 D. 45.1.129 127560, 561, 130, 305, 3161406 D. 45.1.131 pr. 129561, 130570, 167769 D. 45.1.131 82319, 108454 D. 45.1.131.1 108454, 127561 D. 45.1.133 127561 D. 45.1.135.2 120530 D. 45.1.138.1 2831261 D. 45.2.9.1 141629 D. 45.3.19 108454, 2951318 D. 45.5.26 3071364 D. 45.5.34 3071364 D. 46.1.5 3011338 D. 46.1.63 3051351, 3121387, 1389 D. 46.3.67 2921307 D. 46.3.72.4 2921307 D. 46.3.88 72265 D. 46.3.89 pr. 151686 D. 46.3.89.1 127560, 129567, 151686 D. 46.3.93 pr. 108454, 111476 D. 46.3.93.2 2991332, 301, 3011338, 3031342, 344, 348 D. 46.3.93.3 75, 75277, 108454, 111476 D. 46.3.95.1 2841266, 2871281 D. 46.3.102 pr. 127560 D. 46.4.18.1 3291475 D. 46.7.20 72265 D. 46.7.21 108454, 2991331 D. 47.4.1.10 70250 D. 47.4.1.15 70250 D. 47.6.6 75278, 81319, 108453, 109459
D. 47.6.6 pr. 109461 D. 47.6.6.1 109463, 134585 D. 47.18.1.2 178814 D. 47.18.2 179815 D. 48.10.24 96389, 2791246 D. 49.1.15 179816 D. 49.1.24 101422 D. 49.1.28 pr. 174803, 178 D. 49.1.28.2 159, 159729 D. 49.17.19 pr. 72266 D. 49.17.19.5 2931311 D. 50.1.1 2551138 D. 50.1.2 pr. 2521129 D. 50.1.11 2521129 D. 50.1.17.15 253 D. 50.1.21.6 2511124 D. 50.1.24 15, 225, 127561, 130569, 2421089, 2431092, 244, 249, 2511124, 275, 276, 347 D. 50.3.2 2491114 D. 50.4.5 2541134 D. 50.4.14 pr. 2521129 D. 50.4.14.5 2521129 D. 50.6.6 pr. 2491114 D. 50.6.6.7 2491114 D. 50.7.5 2541134 D. 50.7.9.1 2511124 D. 50.7.12 2541134 D. 50.8.2.7 2501118 D. 50.8.2.8 2521129 D. 50.8.2.9 2521129 D. 50.9.6 75282, 174802 D. 50.15.4.1 211949 D. 50.16 50, 122538 D. 50.16.63 141626 D. 50.16.77 3291475 D. 50.16.89.2 2691202 D. 50.16.96 3291475 D. 50.16.233.1 149673 D. 50.16.243 122538 D. 50.17 50 D. 50.17.1 60190, 345 D. 50.17.23 211948
421
422
Quellenregister
D. 50.17.30 98398 D. 50.17.79 2851272 D. 50.17.90 164750, 3441560
D. 50.17.202 47120 D. Index 18.5 79
c) Codex Iustinianus C. 2.20.4 141631 C. 4.21.17 pr. 49132, 2241008 C. 4.21.17.2 215968, 2241008 C. 4.32.11 3181419 C. 4.32.26.2 3081369 C. 4.43.1.5 49131, 2981325 C. 4.43.3.1 49131, 2981325 C. 4.43.3.3b 49131, 2981325 C. 4.45.2.1 215968 C. 5.9.9 pr. 50
C. 6.28.4.8 3281468 C. 6.29.3 3281468 C. 6.29.4 3281468 C. 6.37.1 201, 201914 C. 6.43.1 50 C. 6.43.2 50 C. 6.43.3.3 49133 C. 6.43.3.3b 49, 49132 C. 8.53.11 pr. 141631 C. 9.41.11.1 72264
3. Nachjustinianische Quellen a) GG Art. 14 4199
b) BGB § 323 I 2251013
§ 337 I 2231007
§ 323 II Nr. 2 2251013
§ 338 2291029
1004
§ 336 I 223
§ 338 I 2291029
§ 336 II 2241009
§ 903 4199
1029
§ 337 229
c) Codice civile Art. 1385, 1 ë comma 2231004
Art. 1386 2231008
II. Nichtjuristische Quellen a) Apuleius, Metamorphoseon libri 1.21 2351060
b) Cato, De agri cultura 10.1-2 189859
Quellenregister
423
c) Cicero, Ad Atticum 5.2,1 2971323
d) Cicero, De officiis 1475
3.60 329
e) Cicero, De oratore 1.185 1.186 1.189 1.190 1.193
149
53 53149 207933 54155 54156
1.197 2.130 2.142 2.146 2.147
46115, 54158 54157 53149 54158 55158
f) Cicero, Epistulae ad familiares 7.18,1 153690 16.11,2 2501118
g) Cicero, In Verrem 5.143 2971323
h) Demosthenes, PROS FORMIWNA PERI DANEIOU 36.5 v. 945 139615
i) Gellius, Noctes Atticae 9.2.1 123543
j) Isidorus, Etymologiae V.XXV.20 2341058
k) Plautus, Miles Gloriosus IV.1 v. 957 215971
l) Plautus, Pseudonimus 543
684 123
m) Plinius, Naturalis Historia 1196
VII.128 268
XVII.2 3291475
424
Quellenregister
n) Sallustius, De catilinae coniuratione 29.2 2501118
o) Sextus Empiricus, Adversus mathematicos 111
VII.109 46
p) Sokrates, Phaidros 112
267 D 46112
257 B 46
266 C 46112
q) Suetonius, De vita Caesarorum 544
Divus Augustus 2,5 123
r) Tabulae Pompeianae TP. Sulp. 13 308
1368
TP. Sulp. 51 235, 2351062, 237, 3191424
s) Tacitus, Annales 1118
4.19 250
t) Terentius, Heauton Timorumenos 972
III. 3. 42, v. 603 215
u) Scriptores Historiae Augustae Marcus Antoninus 11.10 69246
v) Varro, De re rustica 1.12.5 187853 1.17.1 189860
2.10,5 2611164
w) P. Iand. 1026
VI 91 227
x) CIL 231
XIV 4502 68
245
, 69