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German Pages 414 [416] Year 1995
WOLFGANG BAR TUSCHA T Spinozas Theorie des Menschen
WOLFGANG BARTUSCHAT
Spinozas Theorie des Menschen
FELIX MEINER VERLAG HAMBURG
F E LI X M EI N E R V E R L AG
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FüR URSULA
INHALT
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Spinozas Theorie des Menschen I.
Gott und Mensch ..................................... . 1. 2. 3. 4. 5.
II.
III.
>>Ethica>Ethica«, unter dem Spinoza sein Hauptwerk hat veröffentlichen lassen, kommt dies zum Ausdruck. Philosophie ist Ethik; sie ist die Theorie der Bedingungen, unter denen das gelingende menschliche Leben steht. Hierfür entwickelt sie eine Theorie des Menschen. Grundgedanke ist dabei, daß diese Theorie der vorgängigen Theorie eines U nbedingten bedarf, unabhängig von der sie zu entwickeln ein verfehltes Unternehmen ist. Der Mensch kann nicht aus einer ihm vermeintlich zukommenden Selbstmächtigkeit begriffen werden, sondern nur aus etwas, das als ihn immer schon bestimmend ihm vorangeht, aus der Verfassung eines unendlichen Wesens, von der der Mensch seinerseits abhängt. Daraus ist vorschnell die modern anmutende Folgerung gezogen worden, daß Spinoza das menschliche Subjekt verabschiedet habe. Der Mensch sei nicht nur Glied eines ihn übergreifenden Gefüges, das die Natur im Ganzen ist, sondern durch dieses Gefüge auch mit Notwendigkeit bestimmt. Und es komme darauf an, den anthropozentrischen Wahn abzubauen, der Mensch habe einen Zweck in sich selbst und vermöchte kraft eigener Autonomie sein Leben selbst zu gestalten. Gegen ein falsches Selbstverständnis habe der Mensch zu begreifen, daß er bloßer Teil der Natur sei und als dieser Moment eines subjektlosen Geschehens, als der er sein Sein darin habe, die Wirklichkeit dieses Geschehens in je bestimmter Weise auszudrücken. Ich möchte zeigen, daß solche Folgerungen aus einem falsch verstandenen Spinoza resultieren. Es ist wohl wahr, daß Spinoza nicht von einem menschlichen Ich spricht und daß er den Menschen als Teil der Natur bestimmt, aber es ist nicht wahr, daß er ihn deshalb als unselbständigen Teil einer Natur im Ganzen bestimmt. Er bestimmt ihn vielmehr, wie jedes andere Seiende auch, wesentlich durch eine Form der Selbstbezüglichkeit, die nicht erst das Resultat eines falschen Selbstverständnisses des Menschen ist. Merkmal eines individuellen Seienden ist das Streben, das eigene Sein zu bewahren (conatus in suo esse perseverandi), und die gesamte >>Ethica>Deus sive (seu) Natura«, die, von Spinoza nur beiläufig gebraucht, keineswegs Identität der in jener Formulierung genannten Glieder meint. Spinoza unterscheidet vielmehr zwischen der Natur, die Gottes als Produktivität bestimmtes Wesen ausmacht (Natura naturans), und der Natur, die das Resultat dieser Produktivität ist (Natura naturata) und die als diese durch Merkmale gekennzeichnet ist, die gerade nicht Folge dieser Produktivität sind. Wesentliches Merkmal der geschaffenen Natur, also der Welt, ist der Tatbestand, daß zu ihr endliche Modi gehören, die sich von anderen endlichen Modi unterscheiden und die in diesem Unterschied eine ihnen eigene unverwechselbare Realität haben. Dieser Tatbestand ist nicht aus der Natur Gottes deduzierbar, sondern ein Faktum, von dem Spinoza ausgeht; und es läßt sich zeigen, daß Spinoza in diesem Ausgang von einer bestimmten Theorie des Menschen geleitet ist, die ihrerseits der Theorie Gottes 'vorangeht. Spinozas Philosophie kann nicht als ein einem Monismus der Substanz verpflichtetes deduktives System verstanden werden. Sie ist vielmehr durch einen Perspektiven-Dualismus gekennzeichnet, der einen doppelten Ausgangspunkt hat, den Ausgang von Gott und den Ausgang vom Menschen, in deren Wechselseitigkeit sich das System Spinozas erst erschließt. Der die beiden Glieder verknüpfende Grundgedanke ist der einer durchgängigen Rationalität der Welt, und das ist ein eminent auf den Menschen bezogener Gedanke, insofern die Begreifbarkeit der Welt nur für ein Wesen von Interesse ist, das zu begreifen ver-
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Vorwort
mag; und weder Gott noch das nicht-humane Seiende sind Wesen dieser Art. Aber sowohl Gott wie die Welt und der Mensch in ihr werden unter den Aspekt ihrer rationalen Begreifbarkeit durch den Menschen gebracht, womit Spinoza den Anspruch verbindet, daß der Mensch im rationalen Begreifen dessen, was überhaupt ist, sich selbst in seiner Stellung in der Welt angemessen zu bestimmen vermag. Er begreift sich selbst vorzüglich als ein erkennendes Wesen, das allein im Akt des adäquaten Erkennens sein eigenes Sein bewahrt, das dann konsequenterweise nichts anderes als diese Form des Erkennens ist. Diese These in der Vielfalt ihrer Aspekte zu präsentieren und auf ihre Leistungsfähigkeit für eine Theorie des welthaft existierenden Menschen hin zu überprüfen, ist Gegenstand der folgenden Untersuchung. Den die Untersuchung leitenden Grundgedanken habe ich vor mehr als zwanzig Jahren in meinem Hamburger Habilitationsvortrag erstmals entwickelt (veröffentlicht 1974: >>Metaphysik als Ethik«). Im Spinoza-Jahr 1977 habe ich ihn weitergehend ausformuliert (>>Selbstsein und Absolutes«). Auf den internationalen Spinoza-Kongressen der letzten Jahre habe ich einzelne Aspekte vorgetragen und zur Diskussion gestellt. Sie erscheinen jetzt in einer zusammenhängenden Form, die das Ganze der Philosophie Spinozas berücksichtigt. Ich habe mich dabei allein auf die ausgereifte Gestalt seiner Philosophie gestützt, wie sie uns in der >>Ethica>Ethica>EthicaEthikDe DeoDe natura et origine Mentisea solummodoinfinita enim infinitis modis ex ipsa debere sequi Prop. 16, Part. 1. demonstravimusMens ... res est cogitanseiusque summae beatitudinisDie Glückseligkeit ist nicht der Lohn der Tugend, sondern die Tugend selbstKurze Abhandlung von Gott, dem Menschen und dessen Glück«), das als menschliches Glück an ein Erkennen
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Gott und Mensch
Die zentrale Bedeutung, die die mens humana für die Theorie dessen hat, was in der »Ethica>Ethica>EthicaAbhandlung über die Verbesserung des Verstandes>De origine et natura affectuum«) generell von der Natur und dem Ursprung des Geistes bzw. der Affekte handeln, handeln im wesentlichen vom menschlichen Geist und von den menschlichen Affekten, wenn auch, bedingt durch die Erörterung des Ursprungs, in einem weiteren Horizont, der das spezifisch Menschliche nur als Sonderfall eines universellen Geltungszusammenhangs versteht. Der Nachweis des genetischen Ursprungs des menschlichen Geistes in dem Attribut Cogitatio und der menschlichen Affekte in dem conatus perseverandi als der ontologischen Grundbestimmung jedes singulären Modus ist verknüpft mit der These, daß das, was aus diesen Quellen entspringt, für jegliches Seiende gilt. In II, prop. 13, coroll., schol. heißt es: >>Was wir bisher bewiesen haben, ist allerdings etwas Gemeinsames; es gilt für die Menschen nicht mehr als für die übrigen Individuen, die alle, wenn auch in verschiedenen Graden, beseelt (animata) sind. Denn von jedem Ding gibt es notwendig in Gott eine Idee, deren Ursache Gott ist«. Und in 111, prop. 3, schol. heißt es: >>Ich könnte zeigen, daß sich die Leidenschaften (passiones) ebenso auf die Einzeldinge wie auf den Geist beziehen«. So wie Spinoza in dieser Anmerkung sagt, daß es aber (>>sed«) seine Absicht ist, nur von dem menschlichen Geist zu handeln, also nicht Passionen überhaupt, sondern nur die menschlichen zu behandeln, so ist es auch im Teil II seine Absicht, nicht singuläre Ideen überhaupt zu behandeln, sondern diejenige Idee, die zu ihrem Gegenstand den menschlichen Körper hat, also nicht einen Geist überhaupt, sondern den menschlichen Geist, aus dessen Analyse Spinoza eine Theorie menschlichen Erkennens gibt. Noch deutlicher ist, daß aus der erwähnten Gemeinsamkeit von Mensch und jeglichem Einzelding hinsichtlich der Leidenschaften das Feld der Affektivität nicht erschöpfend erfaßt wird. Denn Spinoza versteht unter Affekt (vgl. III, def. 3) nicht nur ein Leiden (passio), sondern auch eine Handlung (actio), die nur einem Wesen zugesprochen wird, das adäquate Ideen hat. Die Affektenlehre in Teil III wird in bezugauf ein Wesen entwickelt, das nicht nur wie jedes Seiende beseelt ist, sondern das auch
von Gott, dem Menschen und dessen Glückde potentia intellectuSEthica>Ethica>EthicaEthica>Ethica>Ethica>Ethica« handelt von der menschlichen Freiheit, die freilich nur eine solche ist, wenn der Mensch sie realisiert und nicht in einer Möglichkeit beläßt. Menschliche Freiheit muß mit der Theorie Gottes, die der erste Teil entwickelt, vereinbar sein. Lehrsatz 15 dieses Teils legt jedoch dar, daß es kein Außerhalb Gottes geben kann: »Was auch immer ist, ist in Gott (quicquid est, in Deo est)Ethica>Ethica>ordinem Philosophandi non tenuerintDie göttliche Natur, die sie vor allen anderen Dingen betrachten mußten, weil sie sowohl der Erkenntnis wie der Natur nach das erste ist, haben sie für das letzte in der Ordnung der Erkenntnis gehalten>Und die Dinge, die man Objekte der Sinne nennt, glaubten sie, gingen allen anderen Dingen voran>Das hat bewirkt, daß sie bei der Betrachtung der natürlichen Dinge an nichts weniger gedacht haben als an die göttliche Natur>Omnes causas finales nihil nisi humana esse figmentaDer Mensch denktEthica«, auf den sich für die zu gebende Theorie des Menschen der Vorspann von Teil II bezieht, legt dar, daß Gott unendlich Vieles auf unendlich viele Weisen produziert, also unendlich viele Modi unter unendlich vielen Attributen. Wie kann daraus, so ist zu fragen, die Theorie endlicher Modi gewonnen werden? Das Folgen einer unendlichen Vielheit sowohl in modaler wie attributiver Hinsicht wird in Lehrsatz 16 über einen Begriff von Realität bewiesen, der Gott im höchsten Maße zukommt. Der unscheinbare, im Beweis sich lediglich auf eine Definition stützende Lehrsatz 9 hat einen Zusammenhang von Realität und Attribut hergestellt und das Mehr an Realität an ein Mehr von Attributen gebunden. Gott, so kann daraus gefolgert werden, ist von unendlicher Realität, insofern sein Wesen durch unendlich viele Attribute konstituiert wird. Der über die Attribute bestimmte Begriff von höchster Realität folgt nicht aus dem Wesen Gottes, sondern das Wesen Gottes ist von höchster Realität. Gott bringt nicht Attribute hervor, sondern er ist attributiv gegliedert. Warum er es ist, kann nicht aus einem den Attributen noch vorangehenden Wesen erwiesen werden. Der Erweis erfolgt über die Funktion dieses Wesens, daß es nämlich Begründungsprinzip von Wirklichem ist, das seinerseits von einer in sich differenzierten Verfassung ist. Das zu begründende Wirkliche, also die Welt, ist essentiell gegliedert, da es in sich unterschiedliche Wirklichkeiten enthält, die nicht aufeinander zurückgeführt werden können, also nicht in einem Kausalzusammenhang stehen. Dieser Sachverhalt wird nicht erst aus der Substanz begründet. Spinoza zeigt in Eth. I lediglich, daß eine Vielheit von Attributen, deren jedes für sich vom Charakter eines unendlichen Wesens ist, mit der unteilbaren Einzigkeit der göttlichen Substanz verträglich ist (prop. 10, schol.), aber er zeigt nicht, weshalb die Substanz einer solchen essentiellen Vielheit bedarf. Es ist nicht einzusehen, warum sie nicht aus einem einzigen Attribut bestehen sollte, über das sie auch erkannt werden kann, wenn die Wirk-
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Substanz und endlicher Modus
lichkeit der Welt von einer einheitlichen Verfassung wäre, die die Welt unter die Wesensbestimmung nur eines Attributes fallen ließe. 17 Doch ist Spinozas Annahme zufolge die Wirklichkeit der Welt nicht von einer solchen Verfassung, so daß, soll sie begriffen werden können, sie ihren Ursprung in einem Wesen haben muß, das selber essentiell gegliedert ist. Anders könnte die Welt nicht sein. Es ist die Differenz zwischen dem Geistigen und dem Körperlichen, die anzunehmen es sachliche Gründe gibt, eine Differenz im Bereich der Modi, die die Differenzierung im Wesen Gottes erforderlich macht. Gott ist das Erklärungsprinzip einer Welt, die unter differenten Formen steht, und insofern ist er durch differente Attribute konstituiert. Insofern dies eine Differenz in der Welt ist, die uns zugänglich ist, die wir Geistiges und Körperliches erfahren, wäre Gott, wenn er relativ darauf auf zwei Attribute, die jeweils das Geistige und Körperliche hervorbringen und begreifbar machen, eingeschränkt ist, ein von uns her gedachter Gott. Um dieser Konsequenz zu entgehen, bestimmt ihn Spinoza als durch unendlich viele Attribute konstituiert, aber er kann nicht zeigen, welche Formen von Wirklichkeit, verschieden noch vom Geistigen und Körperlichen, dadurch begriffen werden. Erst über die inhaltliche Bestimmung, die die Formalanalyse Gottes nicht hergibt, erhalten die Differenzen eine Plausibilität - die Eigenart des Geistigen und des Körperlichen ist es, die es nicht erlaubt, das eine aus dem anderen zu erklären. Daraus wird deutlich, daß die gegliederte Realität Gottes sich aus einem Begriff von Wirklichkeit speist, der nicht erst aus Gott gewonnen wird, im Hinblick auf den Gott aber bestimmt ist. Das Wirkliche enthält eine Mehrheit, im Falle von Wesensbestimmungen ist es die Zweiheit des Geistigen und Körperlichen, relativ auf die Gott durch eine Realität gekennzeichnet wird, die komplex ist. Wenn Spinoza Gott als das Wesen bestimmt, das alle Wirklichkeit in sich befaßt, und deshalb als das zuhöchst reale Wesen, dann bestimmt er ihn als ein Wesen, das die Wirklichkeit in deren inhaltlicher Vielheit umfaßt. Das gilt nun nicht nur hinsichtlich der Weisen des Seins, der Attribute, sondern auch hinsichtlich des einzelnen Seienden, der Modi. Lehrsatz 15 hat formuliert, daß alles, was ist (quicquid), in Gott ist. Er geht von der Wirklichkeit der Modi aus und bestimmt deren Sein als etwas,
Auch G. Deleuze, der über den Begriff des Ausdrucks (expression) eine bedeut· same Interpretation des Gefüges von Substanz-Attribut-Modus geliefert hat, kann mit der Unterscheidung zwischen der absoluten Macht Gottes zu existieren und zu handeln und den Attributen als Ausdruck dieser Macht die These einer unendlichen Vielheit der Attribute nicht anders als so begründen, daß er von einer Zweizahl der Attri17
Unendliche Modi
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das nicht außerhalb Gottes ist, sondern in ihm; Gott erhält durch das Insein der Modi jene allumfassende Realität, der nichts, das überhaupt wirklich ist, fremd ist. Ginge man davon aus, daß es nur ein Wirkliches gibt, das die Welt selber wäre, also nur einen Modus, wäre nicht einzusehen, daß Gott von einer Realität ist, die durch den Bezug auf Vieles gekennzeichnet ist. Das Wesen Gottes, das, für sich betrachtet, diesen Bezug nicht hergibt, hat diesen Bezug, weil es Prinzip des Seins von Vielem ist. Ist also Vieles wirklich, dann muß das Prinzip, aus dem es ist und erklärt werden kann, von einer Wirklichkeit sein, die das Gesamt einer Realität ist, die aus Vielem besteht. Unter diesem Gesichtspunkt, der neben dem einer attributiven Hinsicht in den Lehrsatz 16 eingeht, ist Gottes Sein nicht nur komplex in bezug auf eine in sich essentiell differenzierte Wirklichkeit; es ist auch so strukturiert, daß es ein Vieles innerhalb einer solchen attributiv bestimmten Form von Wirklichkeit umfaßt. Es enthält ein Höchstmaß an Realität auch in bezug auf vieles einzelnes, weil anders dieses nicht sein und begriffen werden könnte. Daß es vieles gibt, ist dabei vorausgesetzt, wie hinsichtlich der attributiven Gliederung Gottes vorausgesetzt ist, daß es eine essentielle Geschiedenheit der Welt gibt. Und hier wie dort muß der Schluß von der Welt auf das unbedingte Prinzip, soll er wirklich auf das unbedingte Prinzip gehen, zugestehen, daß das Prinzip nicht auf das uns zugängliche Wirkliche restringiert ist, also nicht nur ein Vieles, sondern ein unendlich Vieles umfaßt. Aber auch hier gilt, nicht anders als bei der Theorie der Attribute, daß eine Erkenntnis dessen, was ein singulärer Modus ist, also beispielsweise und von vorzüglichem Interesse der Mensch, nicht der Erkenntnis des Verhältnisses bedarf, in dem dieser Modus zu den unendlich vielen anderen Modi innerhalb eines Attributes steht, sondern nur zu denen, die dessen Sein tatsächlich bestimmen. Und hierfür bedarf es einer inhaltlichen Bestimmung dieses Modus, die sich, nicht anders als bei den Attributen, ebenfalls nicht aus der Formalanalyse Gottes ergibt. Lehrsatz 16 verdeutlicht, wie die allumfassende Realität Gottes, die Lehrsatz 15 als ein Enthaltensein (in-esse) bestimmt hat, im Hinblick auf ein endliches einzelnes, das wirklich ist, zu verstehen ist. Ein endlicher Modus kann nicht als Teil der Realität Gottes verstanden werden, da dessen Wesen
bute, die wir(!) haben, auf deren unendliche Vielheit schließt, die allein die unbedingte Macht Gottes auszudrücken vermag (•>Spinoza et le problerne de l'expression, Paris 1968, S. 104). Aber es ist evident, daß auch die zwei Attribute die Macht Gottes nur ausdrücken, sofern es Gedanken und Körper gibt, als deren Ursache sie Gott zukommen.
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Substanz und endlicher Modus
unteilbar ist. Spinoza bestimmt deshalb endliche Modi im Folgesatz 1 zu Lehrsatz 16 als Produkt (effectus) und dementsprechend das Wesen Gottes als Produktivität (causa), die zugleich den Einheitspunkt der in sich unterschiedenen Attribute Gottes bildet: Gott bringt unendlich Vieles (infinita) in unendlich vielen Weisen (infinitis modis) hervor. Nicht Lehrsatz 15, sondern Lehrsatz 16 ist das Fundament von Spinozas Ontologie als einer Ontologie singulärer Modi in deren Relation zur unbedingten Substanz. 18 Allerdings ergibt sich hier ein grundlegendes Problem, was das unendlich Viele anbelangt, das sich hinsichtlich der unendlich vielen Weisen nicht stellt. Während Gott sich in jedem der Attribute, unbeschadet ihrer essentiellen Differenz untereinander, ganz artikuliert, nämlich als hervorbringende Kausalität, scheint diese ungeteilte Selbigkeit in bezugauf einen einzelnen endlichen Modus, der ein Produkt dieser Kausalität ist, nicht bestehen können. Ein einzelnes Ding kann seine Wirklichkeit nur aus der Wirklichkeit Gottes haben, die eine sich in den Produkten erfüllende Produktivität ist. Ein Unendliches, das sich dergestalt in seinen Produkten erfüllt, kann aber nur Unendliches produzieren, also ein unendlich Vieles im Sinne einer Totalität dessen, was ist, von der erst zu erweisen ist, inwiefern sie überhaupt eine Totalität von unendlich vielen endlichen Modi, die real geschieden sind, ist. In der Tat beginnt Spinoza die Erörterung der Modi mit einer Erörterung der unendlichen Modi (prop. 21- 23). Von ihnen kann er zeigen, daß sie eine Konsequenz der unendlichen Kausalität Gottes sind, aus der sie, im Unterschied zu den endlichen Modi, auch hergeleitet werden können. Als einen unendlichen Modus bezeichnet Spinoza das, was aus der absoluten Natur eines göttlichen Attributes, die Produktivität (potentia) ist, folgt: es ist die Totalität dessen, was unter dem jeweiligen Attribut existiert. Unmittelbar aus ihr folgend, kommen dem so Folgenden diepropriades Attributes, ewig und unendlich zu sein, zu. Demnach existiert ein unendlicher Modus notwendig, wenn er auch, als Produkt, nicht durch sich selbst existiert, nicht causa sui ist. Zugleich kommt einem solchen Modus das
18 Insbesondere M. Gueroult, Spinoza I, a.a.O., hat gezeigt, daß die Bestimmung des In-seins ein bloßespropriumder Essenz Gottes ist, aus dem das Wesen Gottes in dessen Relation zur Welt nicht begriffen werden kann. J. Bennett, A Study of Spinoza's Ethics, lndianapolis 1984, der sich im wesentlichen auf Eth. I, prop. 15 stützt, spricht dem Attribut der Ausdehnung eine fundamentale Rolle zu, ohne zu sehen, daß dieses gar nicht unter dem Gesichtspunkt der Teilbarkeit stehen kann. Auch das Attribut der Ausdehnung ist als Wesensbestimmung Gottes hervorbringende Macht. Vgl. hierzu die Analyse bei S. Zac, L'idee de vie dans Ia philosophie de Spinoza, Paris 1963, Kap. II ("L'etendue, attribut de Dieu, en tant que dynamisme createuromnia« des Lehrsatzes 21 taucht im Lehrsatz 22 nicht auf. Dem Brief 64 zufolge ist es die "facies totius universi