Spanende Fertigung [Reprint 2018 ed.] 9783486799842

Sämtliche wichtigen Fertigungsverfahren Schritt für Schritt erklärt. Fertigungstechnisches und betriebswirtschaftliche

241 59 75MB

German Pages 510 [512] Year 2018

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Table of contents :
Inhalt
1 Grundlagen der Zerspanung
2 Drehen
3 Bohren, Senken und Reiben
4 Fräsen
5 Räumen
6 Schleifen mit rotierendem Werkzeug/Schleifen
7 Honen
Formelzeichen und Abkürzungen
Literaturverzeichnis
Sachwortverzeichnis
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Spanende Fertigung [Reprint 2018 ed.]
 9783486799842

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CL

O

Oldenbourg Lehrbücher für Ingenieure Herausgegeben von Prof. Dr.-Ing. Helmut Geupel Die fachliche und didaktische Qualität der Ingenieurausbildung wird zunehmend an internationalen Maßstäben gemessen. Dieser Herausforderung hat sich ein Autorenteam zusammen mit dem Oldenbourg Wissenschaftsverlag gestellt und die Buchreihe „Oldenbourg Lehrbücher für Ingenieure" geschaffen. Zentrales Anliegen dabei ist, dem Studenten mit anschaulich geschriebenen Texten für das jeweilige Fach ein grundlegendes Verständnis zu vermitteln. Der Praxiseinsatz der ersten Bücher dieser Reihe hat gezeigt, dass es in der Tat den Studenten damit leichter fällt, sich in das neue Stoffgebiet einzufinden, dass sogar Teile davon selbständig angeeignet werden können. Nicht zuletzt wird dadurch die Eigeninitiative der Studenten trainiert - eine Fähigkeit, die Voraussetzung für die ständige Weiterbildung im Berufsleben ist - und mehr Raum für das Verarbeiten des Lehrstoffes im Unterricht gewonnen.

In der Reihe Oldenbourg Lehrbücher für Ingenieure sind bereits erschienen: Bruno Assmann Bruno Assmann Bruno Assmann Bruno Assmann Bruno Assmann Axel Böttcher, Franz Kneißl Joachim Erven, Dietrich Schwägerl Jürgen Gobrecht Hubert Hinzen Hubert Hinzen Herbert Schönherr Fritz Tröster Norbert Weichert, Michael Wülker Herbert Windisch

Technische Mechanik, Band 1: Statik Technische Mechanik, Band 2: Festigkeitslehre Technische Mechanik, Band 3: Kinematik und Kinetik Aufgaben zur Kinematik und Kinetik Aufgaben zur Festigkeitslehre Informatik für Ingenieure. Grundlagen und Programmierung in C Mathematik für Ingenieure Werkstofftechnik - Metalle Maschinenelemente 1 Maschinenelemente 2 Spanende Fertigung Steuerungs- und Regelungstechnik für Ingenieure Messtechnik und Messdatenerfassung Thermodynamik

Spanende Fertigung von Herbert Schönherr

Oldenbourg Verlag München Wien

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Schönherr, Herbert: Spanende Fertigung / von Herbert Schönherr. - München ; Wien : Oldenbourg, 2002 (Oldenbourg-Lehrbücher für Ingenieure) ISBN 3-486-25045-0

© 2002 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH Rosenheimer Straße 145, D-81671 München Telefon: (089) 45051-0 www.oldenbourg-verlag.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Lektorat: Sabine Ohlms Herstellung: Rainer Hartl Umschlagkonzeption: Kraxenberger Kommunikationshaus, München Gedruckt auf säure- und chlorfreiem Papier Druck: R. Oldenbourg Graphische Betriebe Druckerei GmbH

Vorwort zum Lehrbuch „Spanende Fertigung" Die spanende Fertigung spielt nach wie vor auch in Zukunft eine dominierende Rolle bei der Bearbeitung von Werkstücken. Dabei ist es heute von enormer Bedeutung, das jeweils beste Fertigungsverfahren einzusetzen. Bei der Auswahl des richtigen technologischen Prozesses müssen im Spannungsfeld zwischen Bearbeitungszeit, Prozesskosten und Werkstückqualität die für den jeweiligen Anwendungsfall spezifischen Parameter optimiert werden. Aber nicht nur Technik und Wirtschaftlichkeit müssen stimmen, sondern in zunehmendem Maße müssen auch ökologische Gesichtspunkte in die Auswahl mit einbezogen werden. Die ständige Neu- und Weiterentwicklung von Schneidstoffen sowie die Anwendung von neueren Werkzeugmaterialien machen die moderne Fertigungstechnik zu einer echten Herausforderung für den Ingenieur. Für den Studenten genügt es daher nicht mehr, nur technisches Wissen anzuwenden. Vielmehr muss er von Anfang an die Technik als Hilfsmittel zum Herstellen zukunftssichernder Produkte verstehen. Wichtig ist daher diese neue Betrachtungsweise auch entsprechend zu vermitteln. Natürlich muss sich ein Lehrbuch über die spanende Fertigungstechnik auch hinreichend tief mit den Grundlagen einzelner Zerspanungsverfahren sowie ihrer Umsetzung (Werkzeuge, Spannmittel usw.) auseinandersetzen. Übungsbeispiele, die durch gezielte Fragen dem Studierenden das Verständnis über die spätere optimale Anwendung unter den neuen Aspekten fördern, sind daher von entscheidender Bedeutung für den Lerneffekt. Somit wird durch diese Art der Darstellung des Lehrstoffes der Praxisbezug besonders deutlich nähergebracht. Fertigungstechnisches Wissen wird somit nicht nur vermittelt, sondern auch anwendbar gemacht.

Darmstadt

Prof. Dr.-Ing. H. Schulz

Vorwort Warum noch ein Buch über Spanende Fertigung? Diese Frage habe ich mir auch gestellt, als der Verlag an mich herantrat, ob ich ein Lehrbuch darüber schreiben wollte, zumal es viele gute Bücher darüber gibt. Konstrukteure und Arbeitsplaner haben im Unternehmen unterschiedliche Aufgaben, auf die sie in ihrer Ausbildung als Ingenieure, Techniker, Meister vorbereitet werden müssen. Sie benötigen Kenntnisse über die Fertigungsverfahren, die eingesetzten Maschinen, Werkzeuge und Spannmittel, die Technologie und Genauigkeit. Da der Konstrukteur ca. 75% der Werkstück-Herstellkosten festlegt und der Arbeitsplaner die Kalkulation durchführt, ist die Kostenrechnung nicht wegzudenken und wird daher im Buch behandelt. In der Praxis wird wirtschaftliches Denken und Handeln, auf Grund des durch den internationalen Wettbewerb erzeugten Kostendrucks, erwartet. Diesem hohen Anspruch soll dieses Lehrbuch gerecht werden. Das Lehrbuch ist so gegliedert, dass alle Hauptkapitel der Fertigungsverfahren den gleichen Aufbau haben. Durch die zu Beginn eines jeden Kapitels gestellten Fragen soll der Leser erkennen, welches Lernziel verfolgt wird. Anhand von Fragen - Übungen - Beispielen kann das im Unterkapitel Erlernte überprüft werden. Um den Lernerfolg und den Anwenderbezug zu erhöhen, wird mithilfe von Beispiel-Werkstücken in allen Kapiteln der jeweils erforderliche Arbeitsablauf zur Herstellung durchgehend dargestellt. Die Praxisnähe wird durch die Vielzahl von Fotos, die immer anschaulicher als Zeichnungen sind, verstärkt. Wenn der Leser weitere Informationen zu einem bestimmten Produkt wünscht, kann er über die Firmenliste direkt auf die Homepage des Anbieters gelangen. Auf mathematische Herleitungen wird weitgehend verzichtet, ebenso wie auf die Berechnung von Integralen und Ableitungen. Einige Kapitel, wie Einleitung, Fertigungsautomatisierung und Rechnerintegrierte Produktion, Fertigungsplanung, Kostenrechnung und Bandschleifen werden frei zugänglich ins Internet gestellt (www.oldenbourg-verlag.de), um einerseits den Buchrahmen nicht zu sprengen und andererseits das multimediale Lernen zu fördern. Auch die Lösungen zu den im Buch gestellten Fragen - Übungen - Beispiele sind im Internet nachzulesen. Ohne Unterstützung ist so ein Lehrbuch nicht zu schreiben. An dieser Stelle möchte ich mich ganz herzlich bedanken bei: • allen Firmen, die die Fotos aufbereitet und für dieses Buch zur Verfügung gestellt haben • Herrn Prof. Dr.-Ing. H. Schulz für das Schreiben des Vorwortes • Herrn Prof. Dr.-Ing. K.-H. Buttstätt, Dr.-Ing. S. Foshag, Prof. Dr.-Ing. H.-J. Illgner, Dr.Ing. D. Janowsky, Prof. Dr.-Ing. D. Kümmel, Prof. Dr.-Ing. D. Wahl für die Anregungen bei der Durchsicht einzelner Kapitel

VIII

Vorwort

• • • •

dem Herausgeber, Herrn Prof. Dr.-Ing. H. Geupel, der mich zu diesem Buch angeregt hat den Mitarbeitern des Oldenbourg-Verlags, die meine Ideen stets unterstützten Herrn Josef Schönherr für die orthografische Unterstützung Frau Birgit Höfler für die Anregungen bei der Durchsicht und die Unterstützung bei der Bucherstellung. Für weitere Anregungen bin ich Ihnen dankbar. Dieses Buch richtet sich an Studierende des Maschinenbaus und artverwandter Studiengänge, Schüler Technischer Gymnasien, Techniker, Meister und Berufsschüler. Letztlich wendet es sich an Praktiker, die ihr Wissen erweitern und auf den neuesten Stand bringen möchten.

Offenburg

Herbert Schönherr

Inhalt Vorwort zum Lehrbuch „Spanende Fertigung" Vorwort Inhalt

V VII IX

1

Grundlagen der Zerspanung

1

1.1 1.1.1 1.1.2 1.1.3 1.1.4 1.1.5

Schneidkeilgeometrie am Beispiel Drehen Schneiden, Flächen und Ecken Bezugsebenen Werkzeugwinkel Wahl der Werkzeugwinkel Fragen - Übungen

1 1 2 3 4 8

1.2 1.2.1

Spanbildungsvorgang Fragen - Übungen

8 10

1.3 1.3.1 1.3.2 1.3.3

Spanarten und Spanformen Spanarten Spanformen Fragen - Übungen

10 10 11 13

1.4 1.4.1

Spanungs- und Schnittgrößen am Beispiel Drehen Fragen - Übungen

13 14

1.5 1.5.1 1.5.2 1.5.3 1.5.4

Beanspruchungen beim Spanen Mechanische Beanspruchung Thermische Beanspruchung Chemische Beanspruchung Fragen - Übungen

15 15 23 24 25

1.6 1.6.1 1.6.2 1.6.3 1.6.4 1.6.5 1.6.6

Schneidstoffe Anforderungen an Schneidstoffe Einteilung der Schneidstoffe Werkzeugstähle Schnellarbeitsstahl Hartmetalle Cermets

26 26 28 29 30 31 34

X

Inhalt

1.6.7 1.6.8 1.6.9 1.6.10

Schneidkeramiken/Keramiken Diamant Bornitrid Fragen - Übungen

35 38 40 41

1.7 1.7.1 1.7.2 1.7.3

Werkzeugverschleiß Verschleißmechanismen und Verschleißarten Standvermögen Fragen - Übungen

42 42 47 52

1.8 1.8.1 1.8.2 1.8.3 1.8.4 1.8.5

Kühlschmierstoffe Aufgaben und Einteilung Probleme beim Umgang mit Kühlschmierstoffen Pflege und Kontrolle der Kühlschmierstoffe Entwicklungstendenzen bei Kühlschmierstoffen Fragen - Übungen

53 53 55 57 57 58

1.9 1.9.1 1.9.2 1.9.3 1.9.4 1.9.5

Zerspanbarkeit/Bearbeitbarkeit von Werkstoffen Einflussgrößen auf die Zerspanbarkeit Zerspanbarkeit von Eisenwerkstoffen Zerspanbarkeit von Eisen-Gusswerkstoffen Zerspanbarkeit von Aluminiumlegierungen Fragen - Übungen

58 59 60 63 65 66

2

Drehen

67

2.1 2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.1.4 2.1.5 2.1.6 2.1.7

Drehverfahren Plandrehen Runddrehen Schraubdrehen Profildrehen Formdrehen Beispiel-Werkstück Fragen - Übungen - Beispiel

67 68 69 70 71 72 72 73

2.2

Anwendungen - Beispiele

74

2.3 2.3.1

Schneidengeometrie und Spanbildung Fragen - Übungen

75 75

2.4 2.4.1 2.4.2 2.4.3 2.4.4 2.4.5 2.4.6

Drehwerkzeuge Werkzeuge für die Außenbearbeitung Beispiel-Werkstück Außenbearbeitung: Drehverfahren und -Werkzeuge Werkzeuge für die Innenbearbeitung Beispiel-Werkstück Innenbearbeitung: Drehverfahren und -Werkzeuge Richtlinien zur Werkzeugauswahl Fragen - Übungen - Beispiel

75 76 81 89 92 96 97

Inhalt

XI

2.5 2.5.1 2.5.2 2.5.3 2.5.4 2.5.5

Spannmittel für Werkzeuge und Werkstücke Spannmittel für Werkzeuge/Werkzeughalter Spannmittel für Werkstücke Richtlinien für die Auswahl der Werkstück-Spannmittel Beispiel-Werkstück Fragen - Übungen - Beispiel

99 99 102 110 110 112

2.6 2.6.1

Oberflächengüte Fragen - Übungen

113 114

2.7 2.7.1 2.7.2 2.7.3 2.7.4 2.7.5 2.7.6 2.7.7 2.7.8 2.7.9

Technologie und Anwendungsbeispiele Allgemeine Kriterien zur Technologieauswahl Technologie beim Längs-, Plan- und Formdrehen Beispiel-Werkstück Technologie beim Ein- und Abstechen Beispiel-Werkstück Technologie beim Gewindedrehen Beispiel-Werkstück Hartbearbeitung/Hartdrehen Fragen - Übungen - Beispiel

114 114 116 121 123 124 125 126 127 129

2.8 2.8.1 2.8.2 2.8.3

Kräfte- und Leistungsermittlung Ermittlung der Beziehungen Beispiel-Werkstück Fragen - Übungen - Beispiel

130 130 130 132

2.9 2.9.1 2.9.2

Ermittlung der Wege und Zeiten Ermittlung der Beziehungen Beispiel

132 133 135

2.10 2.10.1 2.10.2 2.10.3

Gestaltungshinweise Werkstückeinspannung Werkstückform Fragen - Übungen - Beispiel

137 137 139 141

2.11 2.11.1 2.11.2 2.11.3

Fehler und deren Behebung Werkzeugprobleme und deren Behebung Werkstückprobleme und deren Behebung Fragen - Übungen - Beispiel

142 142 143 144

3

Bohren, Senken und Reiben

145

3.1 3.1.1 3.1.2 3.1.3 3.1.4 3.1.5 3.1.6

Bohrverfahren Plansenken Rundbohrverfahren Schraubbohren/Gewindebohren Profilbohren Beispiel-Werkstück Fragen - Übungen - Beispiel

146 147 147 148 148 149 150

XII

Inhalt

3.2

Anwendungen und Beispiele

151

3.3 3.3.1 3.3.2 3.3.3 3.3.4 3.3.5 3.3.6

Schneidengeometrie und Spanbildung Schneidengeometrie Spanbildung beim Bohren Spanungs- und Schnittgrößen beim Bohren ins Volle Spanungs- und Schnittgrößen beim Aufbohren, Reiben und Senken Spanungsgrößen beim Gewindebohren Fragen - Übungen - Beispiel

152 152 154 155 156 157 158

3.4 3.4.1 3.4.2 3.4.3 3.4.4 3.4.5 3.4.6 3.4.7 3.4.8 3.4.9

Bohrwerkzeuge Bohrwerkzeuge für das Bohren/Rundbohren ins Volle Bohrwerkzeuge für das Kernbohren Bohrwerkzeuge für das Aufbohren Reibwerkzeuge Gewindebohrer Senker Zentrierbohrer/NC-Anbohrer Beispiel-Werkstück Fragen - Übungen - Beispiel

159 160 168 169 170 173 175 177 177 179

3.5 3.5.1 3.5.2 3.5.3 3.5.4

Spannmittel für Werkzeuge und Werkstücke Spannmittel für Werkzeuge Spannmittel für Werkstücke Beispiel-Werkstück Fragen - Übungen - Beispiel

180 181 184 186 187

3.6 3.6.1 3.6.2 3.6.3

Genauigkeit und Oberflächengüte Maß- und Formgenauigkeit Oberflächengüte Fragen - Übungen

188 188 190 191

3.7 3.7.1 3.7.2 3.7.3 3.7.4 3.7.5 3.7.6 3.7.7 3.7.8

Technologie und Anwendungsbeispiele Bohren ins Volle und Aufbohren Reiben Gewindebohren Senken Hochgeschwindigkeitsbohren Hartbohren Beispiel-Werkstück Fragen - Übungen - Beispiel

191 191 194 195 196 197 200 201 202

3.8 3.8.1 3.8.2 3.8.3 3.8.4

Ermittlung der Kräfte und Leistung Ermittlung der Kräfte und Leistung beim Bohren ins Volle Ermittlung der Kräfte und Leistung beim Aufbohren, Senken und Reiben Beispiel-Werkstück Fragen - Übungen - Beispiel

204 204 206 208 210

Inhalt

XIII

3.9 3.9.1 3.9.2

Ermittlung der Wege und Zeiten Ermittlung der Wege und Zeiten beim Bohren ins Volle Ermittlung der Wege und Zeiten beim Aufbohren

211 211 214

3.10 3.10.1

Gestaltungshinweise beim Bohren Fragen - Übungen - Beispiele

216 219

3.11 3.11.1 3.11.2 3.11.3

Fehler und deren Behebung Werkzeugprobleme und deren Behebung Werkstückprobleme und deren Behebung Fragen - Übungen - Beispiele

220 220 222 223

4

Fräsen

225

4.1 4.1.2 4.1.3 4.1.4 4.1.5 4.1.6 4.1.7 4.1.8 4.1.9 4.1.10

Fräsverfahren Planfräsen Rundfräsverfahren Schraubfräsen Wälzfräsen Profilfräsen Formfräsen Beispiel-Werkstück-1 Beispiel-Werkstück-2 Fragen - Übungen - Beispiel

226 228 229 230 230 231 231 232 233 234

4.2

Anwendungen-Beispiel

235

4.3 4.3.1 4.3.2 4.3.3 4.3.4 4.3.5 4.3.6

Schneidengeometrie und Spanbildung Schneidengeometrie Spanbildung beim Fräsen Eingriffs-, Spanungs- und Schnittgrößen beim Walzenfräsen Eingriffs-, Spanungs- und Schnittgrößen beim Stirnfräsen Optimales Stirnfräsen Fragen - Übungen - Beispiel

236 236 237 238 240 243 248

4.4 4.4.1 4.4.2 4.4.3 4.4.4 4.4.5 4.4.6 4.4.7 4.4.8 4.4.9 4.4.10 4.4.11 4.4.12

Fräs Werkzeuge Fräsköpfe/Plan- und Eckfräsköpfe Walzen- und Walzenstirnfräser Winkel- und Winkelstirnfräser Scheibenfräser/Nutenfräser Prismenfräser Rundprofilfräser/Kreisprofilfräser Schaftfräser Kopier-/Gesenkfräser T-Nutenfräser/Schlitzfräser Winkel- und Winkelstirn-Schaftfräser Gewinde-Schaftfräser/Kurzgewindefräser Frässtifte

249 250 253 255 257 260 260 261 263 265 266 267 268

XIV

Inhalt

4.4.13 4.4.14 4.4.15

Wälzfräser Beispiel-Werkstück-2 Fragen - Übungen - Beispiel

269 271 272

4.5 4.5.1 4.5.2 4.5.3 4.5.4

Spannmittel für Werkzeuge und Werkstücke Spannmittel für Werkzeuge Spannmittel für Werkstücke Beispiel-Werkstück-2 Fragen - Übungen - Beispiel

274 274 278 280 281

4.6 4.6.1 4.6.2 4.6.3 4.6.4

Oberflächengüte und Formgenauigkeit Einflussgrößen auf die Oberflächengüte Werkzeugabhängige Maßnahmen zur Verbesserung der Oberflächengüte Spindelsturz Fragen - Übungen - Beispiel

282 282 284 286 287

4.7 4.7.1 4.7.2 4.7.3 4.7.4 4.7.5 4.7.6 4.7.7

Anwendungsbeispiele und Technologie Technologie beim Plan- und Eckfräsen Technologie beim Scheiben- und Nutenfräsen Technologie beim Schaftfräsen Beispiel-Werkstück-2 Hochgeschwindigkeitsfräsen Hartfräsen Fragen - Übungen - Beispiel

287 288 290 291 294 296 303 305

4.8 4.8.1 4.8.2 4.8.3 4.8.4

Ermittlung der Kräfte und Leistung Ermittlung der Kräfte und Leistung beim Umfangsfräsen Ermittlung der Kräfte und Leistung beim Stirnfräsen Beispiel-Werkstück Übung - Beispiel

306 306 309 311 313

4.9 4.9.1 4.9.2 4.9.3

Ermittlung der Wege und Zeiten Ermittlung der Wege und Zeiten beim Umfangsfräsen Ermittlung der Wege und Zeiten beim Stirnfräsen Beispiel-Werkstück

314 314 315 317

4.10 4.10.1

Gestaltungshinweise beim Fräsen Fragen - Übungen - Beispiel

318 321

4.11

Fehler und deren Behebung

322

5

Räumen

323

5.1 5.1.1 5.1.2 5.1.3 5.1.4 5.1.5

Räumverfahren Plan-oder Flachräumen Rundräumen Schraubräumen Profilräumen Formräumen

323 325 325 325 326 326

Inhalt

XV

5.1.6

Fragen - Übungen - Beispiel

327

5.2

Anwendungen - Beispiele

328

5.3 5.3.1 5.3.2 5.3.3 5.3.4 5.3.5 5.3.6

Schneidengeometrie und Spanbildung Schneidengeometrie Spanbildung Spanungs- und Schnittgrößen Teilung Staffelung Fragen - Übungen - Beispiel

329 329 330 331 331 332 333

5.4 5.4.1 5.4.2

Räumwerkzeuge Aufbau und Ausführungen von Räumwerkzeugen Fragen - Übungen - Beispiel

334 334 337

5.5 5.5.1

Spannmittel für Werkzeuge und Werkstücke Fragen - Übungen - Beispiel

337 338

5.6 5.6.1

Genauigkeit und Oberflächengüte Fragen - Übungen - Beispiel

339 340

5.7 5.7.1 5.7.2 5.7.3

Technologie und Anwendungsbeispiele Technologie beim Außen- und Innenräumen Anwendungsbeispiele Fragen - Übungen - Beispiel

340 340 341 344

5.8 5.8.1 5.8.2

Kräfte- und Leistungsermittlung Beispiel-Werkstück Fragen - Übungen - Beispiel

344 345 347

5.9

Ermittlung der Wege und Zeiten

347

5.10 5.10.1

Gestaltungshinweise beim Räumen Fragen - Übungen

348 350

6

Schleifen mit rotierendem Werkzeug/Schleifen

351

6.1 6.1.1 6.1.2 6.1.3 6.1.4 6.1.5 6.1.6 6.1.7 6.1.8 6.1.9 6.1.10

Schleifverfahren Gleich- und Gegenlaufschleifen Pendel- und Tiefschleifen Planschleifen/Flachschleifen Rundschleifen Gewindeschleifen/Schraubschleifen Wälzschleifen Profilschleifen Formschleifen Beispiel-Werkstück Fragen - Übungen - Beispiel

352 353 353 354 355 357 358 359 360 361 362

6.2

Anwendungen - Beispiele

.•

364

XVI

Inhalt

6.3 6.3.1 6.3.2 6.3.3 6.3.4 6.3.5 6.3.6 6.3.7

Schneidengeometrie und Spanbildung Schneidengeometrie Spanbildung Kinematische Grundlagen beim Schleifen Kenngrößen beim Schleifen Eingriffs-, Spanungs- und Schnittgrößen beim Planschleifen Eingriffs-, Spanungs- und Schnittgrößen beim Rundschleifen Fragen - Übungen - Beispiel

366 366 366 367 368 370 371 373

6.4 6.4.1 6.4.2 6.4.3 6.4.4 6.4.5 6.4.6 6.4.7 6.4.8

Schleifwerkzeuge/Schleifscheiben Aufbau und Zusammensetzung von Schleifwerkzeugen Schleifmittel/Schleifkorn Bindungen Formen von Schleifwerkzeugen Spezifikation von Schleifscheiben Profilieren, Abrichten und Unwucht Beispiel-Werkstück Fragen - Übungen - Beispiel

374 374 376 381 385 387 387 392 393

6.5 6.5.1 6.5.2 6.5.3 6.5.4 6.5.5

Spannmittel für Werkzeuge und Werkstücke Spannmittel für Schleifwerkzeuge Spannmittel für Werkstücke Sicherheitsvorkehrungen/Unfallverhütung Beispiel-Werkstück Fragen - Übungen - Beispiel

395 395 397 400 401 402

6.6 6.6.1 6.6.2 6.6.3 6.6.4

Oberflächen- und Formbeeinflussung Oberflächengüte Form- und Maßgenauigkeit Randzonenbeeinflussung Fragen - Übungen

402 402 408 410 413

6.7 6.7.1 6.7.2 6.7.3 6.7.4 6.7.5 6.7.6 6.7.7 6.7.8 6.7.9

Technologie und Anwendungsbeispiele Verschleißarten Verschleißformen Verschleißkenngrößen Technologie Tiefschleifen Trennschleifen Hochgeschwindigkeitsschleifen/Hochleistungsschleifen Beispiel-Werkstück Fragen - Übungen - Beispiel

414 414 415 415 416 421 424 425 425 427

6.8 6.8.1 6.8.2 6.8.3

Kräfte- und Leistungsermittlung Ermittlung der Beziehungen Beispiel-Werkstück Außenrund-Querschleifen Beispiel

428 428 430 432

Inhalt

XVII

6.9

Ermittlung der Zeiten und Wege

432

6.10 6.10.1

Gestaltungshinweise Fragen - Übungen

432 435

6.11 6.11.1

Fehler und deren Behebung Fragen - Übungen

436 437

7

Honen

439

7.1 7.1.1 7.1.2 7.1.3

Honverfahren und Kinematik Einteilung der Honverfahren Kinematik Fragen - Übungen

439 439 441 443

7.2 7.2.1 7.2.2 7.2.3 7.2.4

Einsatzgebiete und Beispiele Einsatzgebiete des Langhubhonens Beispiele für das Langhubhonen Einsatzgebiete des Kurzhubhonens Beispiele für das Kurzhubhonen

444 445 445 446 447

7.3 7.3.1 7.3.2 7.3.3

Schneidengeometrie und Spanbildung Spanbildung Schneidengeometrie Fragen - Übungen

447 447 448 448

7.4 7.4.1 7.4.2 7.4.3 7.4.4 7.4.5

Honwerkzeuge Gefügeaufbau von Honleisten/Honsteinen Spezifikation Werkzeuge für das Langhubhonen Werkzeuge für das Kurzhubhonen Fragen - Übungen - Beispiel

448 449 450 451 453 454

7.5 7.5.1 7.5.2 7.5.3

Technologie und Anwendungen Technologie Beispiel Fragen - Übungen

455 456 459 460

7.6 7.6.1 7.6.2 7.6.3

Formgenauigkeit und Oberflächengüte Form- und Maßgenauigkeit Oberflächengüte Plateauhonen

461 461 467 470

7.6.4

Fragen - Übungen

471

Formelzeichen und Abkürzungen

473

Literaturverzeichnis

481

Sachwortverzeichnis

487

1

Grundlagen der Zerspanung

Bevor die einzelnen Fertigungsverfahren, wie Drehen, Bohren, Fräsen, Schleifen etc. in den nächsten Kapiteln besprochen werden, ist das grundlegende Verständnis der Zusammenhänge beim Spanen ganz wesentlich. Die Grundlagen der Zerspanung werden am Beispiel Drehen, das ein Verfahren mit geometrisch definierter Schneide ist, dargestellt und sind auf die anderen Verfahren, wie Fräsen, Bohren, Reiben, Räumen usw. übertragbar. Da das Drehwerkzeug - oft als Drehmeißel bezeichnet - nur eine Schneide hat, sind die grundlegenden Zusammenhänge einfacher zu verstehen.

1.1

Schneidkeilgeometrie am Beispiel Drehen

Fragen: Wie kann die Geometrie der Schneide/des Schneidkeils so beschrieben werden, dass sie auf alle Werkzeuge, wie Drehmeißel, Fräser, Bohrer, Räumwerkzeuge, die für den Betrachter sehr unterschiedlich sind, übertragbar ist? Welche Schneiden, Flächen, Bezugsebenen besitzt ein Werkzeug?

1.1.1

Schneiden, Flächen und Ecken

Das Drehwerkzeug, das im Bild 1.1 dargestellt ist, hat grundsätzlich zwei Schneiden, die - Hauptschneide und - Nebenschneide. Die Hauptschneide ist die Schneide, die in Vorschubrichtung weist und den Span erzeugt. Die Nebenschneide erzeugt die Werkstückoberfläche und ist daher von großer Bedeutung. Des Weiteren hat das Werkzeug drei wichtige Flächen, siehe Bild 1.1: - die Spanfläche, über die der Span gleitet - die Freiflächen (Haupt- und Nebenfreifläche) stellen sicher, dass das Werkzeug nicht an den erzeugten Schnittflächen reibt. Die Hauptfreifläche liegt in Vorschubrichtung. Die Spanfläche sowie die Haupt- und Nebenfreifläche bilden einen Keil, der als Schneidkeil bezeichnet wird.

2

1 Grandlagen der Zerspanung Schnittrichtung

„ . . , Passivrichtung

Spanfläche

.. , c , I Nebenfreiflache )

\ \

x \

Nebenschneide \

Hauptfreifläche v \ Hauptschneide

Schneidenecke

Bild 1. I. Flächen und Schneiden an einem Drehwerkzeug (nach DIN 6581, Werkfoto Fa. Plansee Tizit GmbH)

Die Schneidenecke ist der Schnittpunkt der drei Flächen: Spanfläche, Hauptfreifläche und Nebenfreifläche. Sie hat häufig eine Rundung mit dem Eckenradius re.

1.1.2

Bezugsebenen

Die oben beschriebenen Flächen liegen nicht in den Achsen eines rechtwinkeligen Koordinatensystems, sondern weisen einen bestimmten Winkel auf. Um die Werkzeuggeometrie und die Kinematik zu beschreiben, wird ein Bezugssystem definiert, in dem die Bezugsebenen enthalten sind, wie Bild 1.2 verdeutlicht. Werkzeugbezugsebene Drehwerkzeug Ve

. vc

\ 11

Orthogonalebene Vf Schneidenebene

Arbeitsebene

Arbeitsebene Bild 1.2: Bezugsebenen eines

Schneidkeils

Durch den betrachteten Schneidenpunkt P (point) werden alle Bezugsebenen P (Ebene = plane) gelegt.

3

1.1 Schneidkeilgeometrie am Beispiel Drehen

Werkzeugbezugsebene Pr (Index r = reference): Sie liegt parallel zur Auflagefläche des Werkzeugs und liegt senkrecht zur Schnittrichtung. Schneidenebene Ps (Index s - Schneide): Sie enthält die Hauptschneide und steht senkrecht auf der Werkzeug-Bezugsebene. Orthogonalebene Po (Index o = orthogonal): Sie steht senkrecht zur Schneidenebene, also zur Hauptschneide. Diese Ebene wurde früher als Keilmessebene bezeichnet, da in dieser Ebene die Winkel am Schneidkeil gemessen werden. Arbeitsebene Pf (Index f = feed für Vorschub): Diese Ebene wird von der Schnitt- und Vorschubrichtung aufgespannt, wie das rechte Bild 1.2 zeigt. In der Arbeitsebene ergeben die beiden Geschwindigkeitsvektoren - in Schnittrichtung vc und in Vorschubrichtung vf - einen resultierenden Geschwindigkeitsvektor ve, der die Wirkrichtung anzeigt. Werden die Bezugsebenen um den Wirkwinkel r| geneigt, erhält man das Wirkbezugssystem.

1.1.3

Werkzeug winkel

In der Werkzeugbezugsebene Pr liegen zwei Werkzeugwinkel, siehe Bild 1.3:

Werkzeugbezugsebene

J

Bild 1.3: Winkel in der Werkzeugbezugsebene

(links) und Orthogonalebene

(rechts Schnitt A-A)

-

Der Einstellwinkel K liegt zwischen der Schneidenebene /Hauptschneide und der Arbeitsebene/Werkstückachse. - Der Eckenwinkel s liegt zwischen der Haupt- und Nebenschneide. In der Orthogonalebene P0, die Sie im Schnitt A-A im Bild 1.3 sehen, liegt der Schneidkeil, dessen Größe von folgenden drei Winkeln beeinflusst wird: - dem Keilwinkel ß zwischen der Freifläche und der Spanfläche - dem Freiwinkel a zwischen der Freifläche und der Schneidenebene und - dem Spanwinkel y zwischen der Spanfläche und der Werkzeugbezugsebene. Zwischen diesen drei Winkeln gilt immer folgender Zusammenhang: a + ß + y = 90'

(1.1)

4

1 Grundlagen der Zerspanung

Der Spanwinkel y kann negative und positive Werte annehmen. Um den Schneidkeil trotz großer Frei- und Spanwinkel stabil auszuführen, werden Spanund/oder Freifläche mit einer Fase versehen, wie Bild 1.4 zeigt. Auch bei angefasten Flächen gilt die Beziehung: af

+ ß, + y

f

= 90°

(1.2)

Die Fasen haben eine definierte Breite, bfx ist die Breite der Freiflächenfase und bf/ ist die Breite der Spanflächenfase. Werkzeugbezugsebene

In der Schneidenebene ist der Neigungswinkel X festgelegt. Er liegt zwischen der Hauptschneide und der Werkzeugbezugsebene.

1.1.4

Wahl der Werkzeugwinkel

Wie groß die Werkzeugwinkel gewählt werden, hängt von folgenden Faktoren ab: - Fertigungsverfahren - Schneidstoff - Werkstückwerkstoff - Werkstückgeometrie - Technologie. Andererseits beeinflussen die Werkzeugwinkel: - den Spanbildungsvorgang - die Spanablaufrichtung - die Werkzeugbeanspruchung - die Werkzeugstandzeit und - die Belastung der Maschine.

1.1 Schneidkeilgeometrie am Beispiel Drehen Die oben genannten Einflüsse der einzelnen Werkzeugwinkel sollen nun im Einzelnen erläutert werden. • Eckenwinkel s Die Schneidenecke, dessen Größe vom Eckenwinkel E vorgegeben ist, ist beim Spanen der größten Belastung ausgesetzt. Er sollte daher so groß wie möglich gewählt werden. Im allgemeinen gilt: e = 35-90° wie Bild 1.5a verdeutlicht. Kleine Eckenwinkel s werden zum Schlichten und Kopieren eingesetzt, wo eine geringere Belastung der schwachen Schneide auftritt, große zum Schruppen verwendet. n

e = 35

M

Werkstück

-

V

Vf-

...y

)

-5»

Vf

K

= 45°

iv — 90°

K

= 90°

k = 45°

c Bild 1.5: (a) Eckenwinkel,

(b) Einstellwinkel,

(c) Einstellwinkel

und

Spanungsquerschnitt

• Einstellwinkel K Der Einstellwinkel k beeinflusst: - den Werkzeugein- und -austritt, siehe Bild 1.5b: Die Schneide tritt im linken Bildteil nicht mit der Schneidenecke sondern an einer Stelle, die wesentlich stabiler ist, in das Werkstück ein, man spricht hierbei von einem verzögerten Anschnitt. - die Eingriffslänge, die im Bild 1.5c als schwarze dicke Linie gekennzeichnet ist. Je kleiner der Einstellwinkel k ist, umso größer wird die Eingriffslänge. Bei schweren Schruppvorgängen und im unterbrochenen Schnitt ergibt eine große Eingriffslänge höhere Standzeiten. - die Kräfteverteilung, siehe hierzu Bild 1.6a und Bild 1.12: Kleine Einstellwinkel k bewirken große Passivkräfte F , die sowohl auf das Werkzeug wirken, wie im Bild 1.6a dargestellt, aber auf Grund der Regel Aktion = Reaktion auch auf das Werkstück wirken. Die werkstückseitige Kraft Fp versucht das Werkstück aus seiner Mittellage abzudrängen, es durchzubiegen, und verursacht eine Maßabweichung. Je instabiler das Werkstück ist, umso größer ist diese Maßabweichung. Ein Einstellwinkel von K = 90° verringert die Passivkraft auf einen Wert von Fp« 0. Im Allgemeinen nimmt der Einstellwinkel K Werte an zwischen: K = 35 -100°

1 Grundlagen der Zerspanung

SKV, V

F

N

=F

skv2

f

VB

a.

K = 45°

K = 90°

Bild 1.6: (a) Kräfteverteilung, (b) Schneidkantenversatz



Freiwinkel

Wie Bild 1.6 zeigt, sorgt der Freiwinkel a dafür, dass zwischen der Freifläche des Werkzeugs und der Werkstückschnittfläche keine Reibung entsteht. Freiwinkel liegen zwischen

a = 2-5° -

-

Kleine Freiwinkel a = 2 - 5 ° - Sie ermöglichen einen großen und stabilen Schneidkeil. - Dadurch kann die entstehende Wärme besser abgeführt werden. - Sie erhöhen die Reibung zwischen Werkzeug und Werkstück. - Dadurch dämpfen sie auftretende Schwingungen, die zum Rattern führen können. - Sie erzeugen einen geringen Schneidkantenversatz, Abk. SKV, wie Bild 1.6b zeigt. Ein kleiner Freiwinkel a 2 bewirkt bei gleicher Verschleißmarkenbreite VB einen kleinen Schneidkantenversatz SKV (siehe Kap. 1.7.1). - Dadurch entstehen geringe Maßabweichungen des Werkstücks. - Sie werden bei Werkstoffen mit einer Festigkeit oberhalb 700 N/mm2 eingesetzt. Große Freiwinkel a = 6 - 1 5 °

Für sie gilt das Gegenteil gegenüber den Aussagen für kleine Freiwinkel. Durch das Anbringen einer Freiflächenfase, wie im Bild 1.4 dargestellt, kann die Stabilität der Schneidenspitze erhöht werden. • Keilwinkel ß Die Größe des Keilwinkels ß ist ein Maß für die Stärke des Schneidkeils. Für Werkzeuge die einer starken Beanspruchung ausgesetzt sind, wie sie beim Schruppen hochfester Werkstoffe auftritt, müssen große Keilwinkel ß gewählt werden. • Spanwinkel y Der Spanwinkel y, siehe Bild 1.3 Schnitt A - A , ist ein sehr bedeutsamer Werkzeugwinkel, da seine Wirkungen sehr vielfältig sind. - Kleine Spanwinkel von y = +6° bis - 6 ° : - bewirken eine Erhöhung der Stabilität des Schneidkeils - verstärken die Schneidkante/Schneidspitze - verbessern die Wärmeabfuhr aus dem Werkzeug

7

1.1 Schneidkeilgeometrie am Beispiel Drehen -

erhöhen die Standzeit der Werkzeuge erhöhen die Gefahr der Bildung von Aufbauschneiden verschlechtern den Spanfluss erhöhen die Kräfte beim Spanen und

-

erhöhen damit die erforderliche Antriebsleistung der Maschine.

Sie werden bei Werkstoffen mit höherer Festigkeit eingesetzt. - Große Spanwinkel y = 6-25° Für sie gilt das Gegenteil gegenüber den Aussagen für kleine Spanwinkel. Bei der Wahl der Werkzeugwinkel würde man gerne die Vorteile kleiner Spanwinkel und die großer Spanwinkel gleichzeitig nutzen. Eine Möglichkeit, das zu tun, besteht darin, die Spanfläche mit einer Fase zu versehen, wie bereits im Bild 1.4 gezeigt. Sind zwei Winkel festgelegt, z. B. der Freiwinkel und der Spanwinkel, so errechnet sich der dritte Winkel über die Beziehung (1.3)

< V + ß / + Y / = 9 0 '

• Neigungswinkel X Er beeinflusst: - die Spanablaufrichtung - den Anschnittpunkt (A)/Erstkontakt = der Punkt der Schneide, der zuerst mit dem Werkstück in Berührung kommt, wie Bild 1.7 verdeutlicht. Ein negativer Neigungswinkel X verzögert den Anschnitt und entlastet so die Schneidenspitze, da diese nicht zuerst mit dem Werkstück in Kontakt tritt. - die Schnittkraft: Negative Neigungswinkel erhöhen die Passivkräfte, wie bereits im Bild 1.6 gezeigt wurde.

X positiv

X negativ

Bild 1.7: Einfluss des Neigungswinkels Anschnittpunkt A

auf den

Neigungswinkel nehmen Werte an zwischen X = ( - 6°)

bis ( + 6° )

Negative Neigungswinkel werden auf Grund des verzögerten Anschnitts beim Schruppen und beim unterbrochenen Schnitt, z. B. beim Fräsen eingesetzt.

1 Grandlagen der Zerspanung

8

1.1.5

Fragen - Übungen

1.

Tragen Sie die Schneiden und Ecken in das untere Bild ein.

2.

In welchen Bezugsebenen wird der Schneidkeil dargestellt? Stellen Sie diese in einer Skizze dar.

3.

Tragen Sie in Ihre Skizze die Werkzeugwinkel ein.

4.

Welcher Zusammenhang besteht zwischen den Winkeln in der Orthogonalebene?

5.

Worauf nimmt der Eckenwinkel e Einfluss?

6.

Worauf nimmt der Einstellwinkel K Einfluss?

7.

Worauf nimmt der Freiwinkel a Einfluss?

8.

Was wird vom Spanwinkel y beeinflusst?

9.

Nennen Sie ein Beispiel, in dem Sie die Winkel für ein Drehwerkzeug zum Schlichten mit geringer Belastung und zum Schruppen mit hoher Belastung festlegen.

Die Lösungen finden Sie auf den Internetseiten des Verlages unter http://www.oldenbourgverlag.de unter dem Buchtitel.

1.2

Spanbildungsvorgang

Auf Grund der Relativbewegung des Werkzeugs im Werkstück wird der Stoffzusammenhalt örtlich aufgehoben, wodurch Werkstückpartikel abgetrennt werden, die als sogenannter Span über die Spanfläche gleiten. Dieser Vorgang wird als Zerspanprozess bezeichnet. Bild 1.8a zeigt schematisch ein Gedankenmodell des Trennens mit unendlich spitzer Schneide. Die Schneide ist so spitz, dass sie auf atomarer Ebene die einzelnen Atomreihen voneinander trennt. Das Werkzeug muss nur die atomare Trennarbeit aufbringen, selbst Reibung soll es nicht geben. Im Bild 1.8b ist der Zerspanungsvorgang nach Merchant [42, 43] dargestellt. Die Spanbildung vollzieht sich wie folgt:

9

1.2 Spanbildungsvorgang h Werkstück

v.

•i

f • 4 » -f +

Werkzeug

unverformtes Werkstückpartil« ¥

Atome

(a) Trennen

verformtes Werkstückpartil

Werkstück (b) Spanen

Bild 1.8: (a) Schematische Darstellung des Trennens mit unendlich spitzer Schneide und (b) des Zerspanens

-

-

-

Mit dem Eindringen der Werkzeugschneide in den Werkstückwerkstoff wird das sich auf die Spanfläche mit der Schnittgeschwindigkeit vc zubewegte Partikel (im Bild 1.8b schraffiert dargestellt) zunächst gestaucht. Dieser Stauchvorgang hält solange an, bis in der Scherebene, sie liegt unter dem Winkel | zur Schnittrichtung, eine Umlenkung, ein Scheren stattfindet. Das Partikel durchdringt die Scherebene und erfahrt dabei eine Verformung. Das deformierte Partikel verlässt die Scherebene als sog. Span, der nun über die Spanfläche abgleitet.

Der Zerspanungsvorgang findet kontinuierlich statt. Der gesamte Span setzt sich aus vielen verformten einzelnen Partikeln zusammen, die sich je nach Spanart unterschiedlich ausbilden, siehe hierzu Kap. 1.3, und mit der Spangeschwindigkeit v, über die Spanfläche gleiten. Während des Stauchvorgangs wird aus der Spanungsdicke h die Spandicke /j,, die auf Grund des Stauchens immer größer als die Spanungsdicke h ist. Die Spandickenstauchung Xh errechnet sich aus der Beziehung (1.4) und ist immer > 1. Das Zerspanungsmodell von Merchant liefert auch eine Beziehung zur Ermittlung des Scherwinkels 100, kurze Spanbruchstücke ein R < 3. Günstig sind Spiralspäne mit einer Spanraumzahl R = 5-10. Die einzelnen Schneidstoffhersteller geben dem Anwender in Spanformdiagrammen an, welche Spanform sich bei einem bestimmten Werkstoff unter einer bestimmten Technologie einstellen wird, siehe Bild 2.76.

1.4 Spanungs- und Schnittgrößen am Beispiel Drehen

1.3.3

13

Fragen - Übungen

1.

Welche Spanarten gibt es? Beschreiben Sie diese.

2.

Von welchen Größen werden die Spanarten maßgeblich beeinflusst?

3.

Worauf nimmt die Spanform Einfluss?

4.

Was wird durch die Spanraumzahl ausgedrückt?

Die Lösungen finden Sie auf den Internetseiten des Verlages unter http://www.oldenbourgverlag.de unter dem Buchtitel.

1.4

Spanungs- und Schnittgrößen am Beispiel Drehen

Die Spanungsgrößen sind zur Ermittlung der mechanischen Beanspruchung wesentlich, nämlich der Kräfte und Leistung. Die Spanungs- und Schnittgrößen legen den Spanungsquerschnitt A fest, der senkrecht zur Schnittrichtung/Schnittgeschwindigkeit vc liegt. Er kann mittels folgender Beziehung ermittelt werden, siehe Bild 1.11, A = ap • f = b-h -

[mm2]

(1.7)

mit den Schnittgrößen: Schnitttiefe ap und Vorschub/und den Spanungsgroßen: Spanungsbreite b und Spanungsdicke h.

Die Schnittgrößen Vorschub f und Schnitttiefe ap werden an der Maschine eingestellt bzw. bei CNC-Maschinen im NC-Programm, siehe Kap. D.3.1.2, festgelegt. Die Spanungsgrößen, Spanungsbreite b und Spanungsdicke h werden über den Einstellwinkel K aus den Schnittgrößen ap und /abgeleitet.

14

1 Grundlagen der Zerspanung

Die Spanungsbreite b entspricht bei einer geraden Schneide der Länge der im Eingriff befindlichen Hauptschneide. [mm]

sinK

(1.8)

Die Spanungsdicke h ist die Dicke des abzutrennenden Spanes. h = f • sinic

[mm]

(1.9)

Um die einzelnen Fertigungsverfahren hinsichtlich ihrer Effektivität/Leistungsfähigkeit miteinander zu vergleichen, nimmt man als Kenngröße das Zeitspanungsvolumen Qw. Es sagt aus, welches Werkstückvolumen Vw pro Zeiteinheit abgetragen wird. Sind die Technologiewerte konstant, so kann für das Drehen Gl. (1.10) aufgestellt werden: Qw =

1.4.1 1.

dt

=

A-vc=d-ap-vf

mm min

(1.10)

Fragen - Übungen

Tragen Sie die Spanungs- und Schnittgrößen in das untere Bild ein. Werkstück

Werkzeug

2.

Welcher geometrische Zusammenhang besteht zwischen den Spanungs- und Schnittgrößen?

3.

Wie ist Zeitspanungsvolumen Qw definiert und welche Aussage liefert es?

Die Lösungen finden Sie auf den Internetseiten des Verlages unter http://www.oldenbourgverlag.de unter dem Buchtitel.

1.5 Beanspruchungen beim Spanen

1.5

15

Beanspruchungen beim Spanen

Der Spanbildungsvorgang aus Kap. 1.2 macht deutlich, dass die Werkstückpartikel während des Schervorgangs in der Scherebene einer hohen Beanspruchung ausgesetzt sind. Sie werden gleichzeitig mechanisch, thermisch und chemisch beansprucht, sodass die Zerspanung ein sehr komplexes Zusammenwirken dieser drei Beanspruchungsarten darstellt.

1.5.1

Mechanische Beanspruchung

1.5.1.1

Kräfte beim Spanen am Beispiel Drehen

Kraftentstehung Die Kräfte resultieren aus den: - Scherkräften: Das entspricht dem Widerstand, den der Werkstoff dem erzwungenen Schervorgang entgegensetzt. - Reibungskräften beim Gleiten des Spans über die Spanfläche und - Reibungskräften auf den Freiflächen: Das Werkzeug dringt in das Werkstück ein und die Schneidenspitze reibt an der neu erzeugten Werkstückoberfläche. Da in der Praxis eine Trennung dieser drei Kraftentstehungsursachen nicht sinnvoll ist, wird eine resultierende Kraft, die Zerspankraft F betrachtet, die im rechtwinkeligen Koordinatensystem in die drei Komponenten F , Ff und F , wie im Bild 1.12 dargestellt, zerlegt werden kann.

Werkstück Arbeitsebene Werkzeug

F = Zerspankraft F = Schnittkraft Fj - Vorschubkraft Fp = Passivkraft F = Aktivkraft F„ = Nebenkraft

Bild 1.12: Kräfte beim Spanen

Die resultierende Zerspankraft F wird aus den drei orthogonalen Kraftkomponenten/Kraftvektoren ermittelt [26, 55,42]: F=ylFc2+Ff2+FP2

16

1 Grandlagen der Zerspanung

wobei die Schnittkraft Fc in Schnittrichtung, die Vorschubkraft Ff in Vorschubrichtung und die Passivkraft Fp in Werkzeugrichtung wirkt. Die Nebenkraft FN setzt sich aus den zwei Kraftkomponenten Vorschubkraft Ff und Passivkraft Fp zusammen: (1.12) Die Aufteilung der Nebenkraft FN auf die Größe der beiden Komponenten Ff und Fp wird maßgeblich durch den Einstellwinkel k beeinflusst, wie bereits im Bild 1.6 gezeigt wurde. Ermittlung der Zerspankraftkomponenten • Schnittkraft Die Schnittkraft Fc wird in der Praxis aus dem Spanungsquerschnitt A und der spezifischen Schnittkraft kc ermittelt: Fe=A-ke=b-h-k, K

c

(1.13)

-= ^ci.i Ku 'h

Fc=kcU-b-h kcl, ist der Hauptwert der spezifischen Schnittkraft kc. Er gibt an, welche Kraft für einen bestimmten Werkstoff erforderlich ist, um einen Spanungsquerschnitt von 1 mm2 mit h = 1 mm und b = 1 mm (daher auch der Index 1.1 bei kclA) abzutragen. Die Abhängigkeiten aus Gleichung (1.13) zeigt Ihnen auch Bild 1.13 qualitativ.

kc A

Bild 1.13: Abhängigkeit der spezifischen Schnittkraft und der Schnittkraft von den

Spanungsgrößen

Die Spanungsbreite b geht linear in die Schnittkraft ein, während die spezifische Schnittkraft kc unabhängig von der Spanungsbreite b ist.

17

1.5 Beanspruchungen beim Spanen

Die Spanungsdicke h geht in die Schnittkraft F degressiv (0 < \~mc< 1) ein, während die spezifische Schnittkraft kc mit zunehmender Spanungsdicke h abnimmt (- mc< 0). Trägt man die spezifische Schnittkraft kc in Abgängigkeit von h im doppellogarithmischen Maßstab auf, so erhält man eine lineare Abhängigkeit. Die Steigung der Geraden tana ist negativ und entspricht dem Exponenten - mc. In umfangreichen Versuchsreihen wurden von Victor und Kienzle [26] sowie von König und Essel Tabellen aufgestellt, in denen unter einer bestimmten Technologie für die gebräuchlichsten Werkstoffe die Werte für die spezifische Schnittkraft kc und den Hauptwert der spezifischen Schnittkraft k., ermittelt wurden, siehe Tabelle 1.1. cl. 1 T

Tabelle 1.1: Spezifische

Schnittkräfte

Werkstoff

einiger Werkstoffe (nach

[4])

mc

spez. Schnittkraft kr in [N/mm 2 ] für bestimmte h

N/mm 2

0,1

0,16

0,25

0,4

0,63

1,0

S 275JR (St 44)

1780

0,17

2630

2430

2250

2080

1930

1780 2110

E 335 (St 60)

2110

0,17

3120

2880

2670

2470

2280

C 15

1820

0,22

3020

2720

2470

2230

2020

1820

C45E (Ck 45)

2220

0,14

3060

2870

2700

2520

2370

2220

C60E (Ck 60)

2130

0,18

3220

2960

2730

2510

2320

2130

16 MnCr5

2100

0,26

3820

3380

3010

2660

2370

2100

34 CrMo4

2240

0,21

3630

3290

3000

2720

2470

2240

42 CrMo4

2500

0,26

4550

4030

3580

3170

2820

2500

36 Mn 5

1680

0,28

2660

2350

2050

1830

1740

1680

GG 30

1130

0,30

2255

1958

1713

1487

1298

1130

GS 52

1780

0,17

2630

2430

2250

2080

1930

1780

Hartguss

2280

0,19

3530

3230

2970

2720

2490

2280

55 NiCrMoV 6

1920

0,24

3340

2980

2680

2390

2150

1920

780

0,18

1180

1090

1000

920

850

780

Messing

Der Werkstückwerkstoff legt den Wert der spezifischen Schnittkraft kc fest und den Wert des Exponenten mc. Je höherfester der Werkstoff ist, umso größer ist auch die spezifische Schnittkraft. Mit zunehmender Spanungsdicke h nimmt die spezifische Schnittkraft kc ab. Den oben aufgeführten Schnittkraftwerten wurden die in Tabelle 1.2 angegebenen Technologiewerte zugrunde gelegt. Tabelle 1.2: Technologie

bei der Ermittlung der spezifischen

Werkzeugwinkel bei der Stahlbearbeitung

Technologie Schneidstoff Hartmetall

Schnittkräfte

vc

a

[m/min]

n

100

5

ß 79

y n

e

K

[°]

[°]

6

90

60

X

r [mm]

-4

1

Da in der Praxis häufig andere Werkzeugwinkel, Schneidstoffe und Schnittgeschwindigkeiten eingesetzt werden, wird die Schnittkraftgleichung (1.13) mit Korrekturfaktoren erweitert. Die Korrekturfaktoren sind für die einzelnen Kraftkomponenten nicht gleich, deshalb werden

18

1 Grundlagen der Zerspanung

sie zusätzlich mit dem jeweiligen Index c für Schnittrichtung, / für Vorschubrichtung und p für Passivrichtung gekennzeichnet. Fc ~ *„i.i -b-h1

m

' • Kcy

• Kcss

• Kcvc

• Kcver

• Kcf



Kckss

(1.14)

- Einfluss des Spanwinkels y Er wird durch den Korrekturfaktor KcY erfasst. Mit größer werdendem Spanwinkel ylal kann der Span leichter über die Spanfläche gleiten, wodurch die Schnittkraft Fc verringert wird und der Korrekturfaktor K r Werte < 1 annimmt. Kef=

1-

Ytat - Y o

(1.15)

100

mit dem Bezugswert y0 = 6° für Stahl und y0 = 2° für Guss. Mit y0 = 6° und yra = 6° beträgt KcJ = 1. Eine Erhöhung von ym auf 20° verringert den Korrekturfaktor Kcy auf den Wert 0,86 und die Schnittkraft Fc sinkt um 14%. Eine Verringerung von ym a u f - 1 4 ° erhöht K.f auf den Wert 1,20 und die Schnittkraft Fe steigt um 20%. - Einfluss des Schneidstoffs Der Einfluss des Schneidstoffs wird durch den Korrekturfaktor Kcss erfasst. Die einzelnen Schneidstoffe besitzen auf der Spanfläche unterschiedliche Reibwerte (Gefüge, Korngröße, Beschichtung), die durch den Korrekturfaktor Kcss berücksichtigt werden. Tabelle 1.3: Einfluss des Schneidstoffs

auf den

Schneidstoff

Korrekturfaktor Kt

Schnellarbeitsstahl

1,2

Hartmetall

1,0

Schneidkeramik

0,9

Schnittkraft-Korrekturfaktor

- Einfluss der Schnittgeschwindigkeit Der Einfluss der Schnittgeschwindigkeit wird durch den Korrekturfaktor Kcvc berücksichtigt. Der Einfluss der Schnittgeschwindigkeit auf die Schnittkraft hat zwei Ursachen: - Mit zunehmender Schnittgeschwindigkeit vr nimmt die Temperatur in der Scherzone zu, sodass der Werkstoffs leichter verformt werden kann und infolgedessen die Schnittkraft abnimmt. - Im Bereich geringer Schnittgeschwindigkeit kommt es zur Aufbauschneidenbildung, siehe Kap. 1.7.1, die den Spanwinkel y verändert und dadurch auch die Schnittkraft. Der Korrekturfaktor K m wird auf die Schnittgeschwindigkeit vr = 100 m/min bezogen. K cvc

=

100

0,1

(1.16)

Der Einfluss der Schnittgeschwindigkeit auf die Schnittkraft ist jedoch gering. Bei einer Schnittgeschwindigkeit von vc - 50 m/min beträgt Km = 1,07 und bei einer Schnittgeschwin-

1.5 Beanspruchungen beim Spanen

19

digkeit von vc = 200 m/min beträgt Km = 0,93. Mit zunehmender Schnittgeschwindigkeit nimmt die Schnittkraft ab. - Einfluss des Werkzeugverschleißes Der Werkzeugverschleiß nimmt auf die Schnittkraft großen Einfluss. Der Korrekturfaktor Kcm erfasst die Schnittkraftänderung durch den Werkzeugverschleiß. Hierbei sind zwei gegenläufige Tendenzen zu berücksichtigen (siehe Kap. 1.7.1): - Eine Zunahme der Verschleißmarkenbreite erhöht die Schnittkraft, da die Reibung an der Freifläche zunimmt. - Eine Zunahme des Kolkverschleißes verringert die Schnittkraft, da er den effektiven Spanwinkel verringert und den Spanablauf erleichtert. Da in der Praxis der Werkzeugverschleiß in den seltensten Anwendungen überwacht wird, sollte der Verschleißeinfluss auf die Schnittkraft mit einem Erfahrungswert von Kcver=\,5

berücksichtigt werden.

- Einfluss der Werkstückform Der Einfluss der Werkstückform wird durch den Korrekturfaktor Kcf berücksichtigt. Je nachdem, ob man innen, plan oder außen dreht, siehe Bild 1.14, verändert sich die Spanstauchung X und damit auch die Schnittkraft Fc.

außenrund

eben

innenrund

r> 0

r< 0

Bild 1.14: Form der Schnittfläche

Beim Innenrunddrehen ist die Spanstauchung am größten, was durch einen größeren Korrektur-Formfaktor Kc{ berücksichtigt wird, siehe Tabelle 1.4. Als Bezug wird das Außendrehen genommen mit ÄTf/= 1. Tabelle 1.4: Formfaktoren für die Schnittkraft, d = Innendurchmesser Verfahren

Formfaktor

Außendrehen

1,0

Hobeln, Stoßen, Räumen

1,05

Innendrehen, Bohren, Fräsen

K.r [ 1 ]

oder

Werkzeugdurchmesser

20

1 Grundlagen der Zerspanung

- Einfluss des Kühlschmierstoffs, Abk. KSS Er wird durch den Korrekturfaktor Kclss berücksichtigt. Der Korrekturfaktor Kckss erfasst hauptsächlich die Verringerung der Reibung beim Abgleiten des Spans über die Spanfläche durch den Kühlschmierstoff. Da Öle eine höhere Schmierwirkung haben als Kühlemulsionen, verringern sie stärker die Reibung und damit auch die Schnittkraft, wodurch ihr Korrekturfaktor geringer ist, wie Tabelle 1.5 verdeutlicht. Tabelle 1.5: Einfluss des Kühlschmierstoffs Kühlschmierstoff

Korrekturfaktor

trocken (ohne) Kühlemulsion

1 0,9

Öl

0,85

auf den Korrekturfaktor

Kitll

Ka.Il]

• Vorschubkraft Ff Analog den Ausführungen zur Ermittlung der Schnittkraft kann auch die Vorschubkraft berechnet werden. Die Vorschubkraft Ff wird in der Praxis aus dem Spanungsquerschnitt A und der spezifischen Vorschubkraft kf ermittelt: Fj- = A-kj- = b-h-kf kf=kfu-h-m'

(1.17)

Ff=kfyA-b-hX~m< kn , ist der Hauptwert der spezifischen Vorschubkraft kf Er gibt an, welche Kraft für einen bestimmten Werkstoff erforderlich ist, um einen Spanungsquerschnitt A von 1 mm2 mit h - 1 mm und b = 1 mm (daher auch der Index 1.1 bei kß,) abzutragen. Die Spanungsbreite b geht linear in die Vorschubkraft ein, während die spezifische Vorschubkraft kf unabhängig von der Spanungsbreite b ist. Die Spanungsdicke h geht in die Vorschubkraft Ff degressiv (0 < 1 - mf < 1) ein, während die spezifische Vorschubkraft kf mit zunehmender Spanungsdicke h abnimmt ( - mf < 0). Trägt man die spezifische Vorschubkraft kf in Abgängigkeit von der Spanungsdicke h im doppellogarithmischen Maßstab auf, so erhält man eine lineare Abhängigkeit. Die negative Steigung der Geraden entspricht dem Exponenten -mf In umfangreichen Versuchsreihen wurden von Victor und Kienzle sowie von König und Essel Tabellen aufgestellt, in denen unter einer bestimmten Technologie für die gebräuchlichsten Werkstoffe die Werte für die spezifische Vorschubkraft kf und den Hauptwert der spezifischen Vorschubkraft kfl l ermittelt wurden, siehe Tabelle 1.6.

1.5 Beanspruchungen beim Spanen

21

Tabelle 1.6: Hauptwerte und Exponenten der Schnitt-, Vorschub- und Passivkraft Werkstoff/neue Bezeichnung

Ku [N/mm 2 ]

mc

^/i.i [N/mm 2 ]

m,

m

Ku [N/mm 2 ]

Rm

Index

[N/mm 2 ]

Tab. 1.7

557

1

E 295 (St 50 - 2)

1500

[1] 0,29

351

[1] 0,70

274

p [1] 0,50

E 360 (St 70 - 2)

1595

0,32

228

1,07

152

0,90

824

1

C45E (Ck 45)

2220

0,14

332

0,71

272

0,41

628

1

C60E (Ck 60)

2130

0,18

285

0,72

259

0,41

775

1

16 MnCr5

1411

0,30

406

0,63

312

0,50

500

1

42 CrMo4 G

1563

0,26

374

0,77

271

0,48

568

1

100 Cr 6 G

1726

0,28

318

0,86

362

0,53

624

1

899

0,41

170

0,91

164

0,70

350

1

1595

0,21

269

0,79

198

0,66

1141

1

487

0,20

20

1,08

32

0,75

260

2

GG 30 55 NiCrMoV 6 G - AI Mg 4 Si Mn

Der Werkstückwerkstoff legt den Wert der spezifischen Vorschubkraft kf fest und den Wert des Exponenten mf Je höherfester der Werkstoff ist, umso größer ist auch die spezifische Vorschubkraft. Mit zunehmender Spanungsdicke h nimmt die spezifische Vorschubkraft kf ab. Den oben aufgeführten Vorschubkraftwerten wurde die in Tabelle 1.7 enthaltene Technologie zugrunde gelegt, wobei der Werkstoff G-Al Mg 4 Si Mn mit dem Schneidstoff K10 und einer anderen Werkzeuggeometrie zerspant wurde (s. Tab. 1.7 ). Die Abweichungen gegenüber Tabelle 1.1 sind im Wesentlichen auf die unterschiedlichen Werkzeugwinkel zurückzuführen, wie ein Vergleich der Tabellen 1.1 und 1.7 verdeutlicht. Tabelle 1.7: Technologie bei der Ermittlung der spezifischen Vorschub- und Technologie

Werkzeugwinkel bei der Stahlbearbeitung vc [m/min]

Schneidstoff

Passivkräfte

a

ß

Y

£

K

X

rs

[°] 79

[°] 6

[°] 90

[°] 70

[°] 0

[mm]

79

15

90

70

0

0,8

Hartmetall1 P10

100

[°] 5

Hartmetall2 K10

100

5

0,8

Da in der Praxis häufig andere Werkzeugwinkel, Schneidstoffe und Schnittgeschwindigkeiten eingesetzt werden, wird die Vorschubkraftgleichung (1.17) analog der Schnittkraftgleichung (1.14) mit Korrekturfaktoren erweitert. F

f

=

k

f\.\

bh1

^



K

fy '

K

f s s ' Kfvc

• Kfver

' K ff ' K

flcss

0-

1 8

)

Gesetzmäßigkeiten zur Ermittlung der einzelnen Korrekturfaktoren für die Vorschubkraft gibt es zur Zeit nicht. Eine Ausnahme bildet der Korrekturfaktor für den Werkzeugverschleiß, der überschlagsmäßig nach folgender Gleichung ermittelt werden kann: K ^

r

= l

+

2-VB

(1.19)

22

1 Grundlagen der Zerspanung

wobei VB die Verschleißmarkenbreite in [mm] ist. Gleichung (1.19) besagt, dass je 0,1 mm Vß-Zunahme sich die Vorschubkraft um 20 % ändert. Die Vorschubkraft Ff weist größere Änderungen bzgl. einer Änderung des Werkzeugverschleißes VB auf. Sie wird daher auch zur Werkzeugverschleißerkennung herangezogen •

Passivkraft Fp

Analog den Ausführungen zur Ermittlung der Schnittkraft kann auch die Passivkraft F berechnet werden. Da die Passivkraft bei den meisten Fertigungsverfahren keine Arbeit leistet, die von einem Antrieb erbracht werden muss, wird sie in der Praxis selten berechnet. Die Ausnahme: Da die Passivkraft Fp beim Drehen das Werkstück in radialer Richtung aus der Mittellage abdrängt, verursacht sie eine Maßabweichung, wodurch die geforderte Werkstücktoleranz gegebenenfalls nicht mehr eingehalten werden kann. In diesem Fall muss die Passivkraft errechnet und deren Einfluss auf die Maßgenauigkeit ermittelt werden. Die Passivkraft Fp wird aus dem Spanungsquerschnitt A und der spezifischen Passivkraft kp ermittelt: Fp=A-kp=b-h-kp kp=k p i.i-h~ m p

(1.20)

Fp=kpU-b-hl'm> kpl, ist der Hauptwert der spezifischen Passivkraft kp. Er gibt an, welche Kraft für einen bestimmten Werkstoff erforderlich ist, um einen Spanungsquerschnitt von 1 mm2 mit h = 1 mm und b = 1 mm (daher auch der Index 1.1 bei kpiA) abzutragen. Für die Passivkraft Fp gelten die gleichen Aussagen und Zusammenhänge wie für die Schnitt- und Vorschubkraft. Analog wird auch die Passivkraft mit Korrekturfaktoren versehen, um weitere Einflüsse zu erfassen, die in Gl. (1.21) angegeben sind. F

p=kpi.i'b-hl

m

'' • KFi • Kpss • Kpvc • Kpver • Kpf • Kphs

(1.21)

Als Orientierungswert für das Verhältnis der drei Kraftkomponenten gilt bei einem Einstellwinkel von K = 45 Fc:Ff:Fp 1.5.1.2

=

5:2:1.

Leistung beim Spanen

Die Leistung muss ermittelt werden, um einerseits die Antriebe von Werkzeugmaschinen auszulegen und andererseits in der Produktion zu wissen, welche Bearbeitung auf welcher Maschine durchgeführt werden kann. Ganz allgemein errechnet sich die Leistung aus dem Produkt der Geschwindigkeit und der in gleicher Richtung wirkenden Kraft: P = v- F

(1.22)

1.5 Beanspruchungen beim Spanen

23

In den letzten Jahren wurden einerseits die Schnittgeschwindigkeiten erheblich gesteigert, z. B. durch die Hochgeschwindigkeitsbearbeitung, und andererseits die Spanungsquerschnitte vergrößert, sodass die Antriebsleistung moderner Maschinen erheblich erhöht wurde. Für die Kraftkomponenten Fc und Ff kann die Leistung P bzw. Pf getrennt angegeben werden. Die Passivkraft Fp wird nicht von einem eigenen Antrieb erbracht, deshalb wird sie bei der Leistungsberechnung nicht berücksichtigt. Die Schnittleistung Pc muss vom Hauptantrieb erbracht werden und die Vorschubleistung P vom Vorschubantrieb. Die effektive Wirkleistung setzt sich aus der Schnittleistung Pc und der Vorschubleistung Pf zusammen, wobei vc die Schnitt- und vf die Vorschubgeschwindigkeit ist. Pc=Fc-vc Pf=Frvf

(1.23)

v v• V r Pe = 1Fe • yVe =1 Fc •V c T +J Fr / f 1

Da die Vorschubkraft Ff < Schnittkraft Fc (Faktor 2-3) ist und die Vorschubgeschwindigkeit vf« Schnittgeschwindigkeit v (Faktor 100-1.000) ist, kann die Vorschubleistung Pf gegenüber der Schnittleistung Pc fast immer vernachlässigt werden, wodurch gilt: Pe*Pc=Fc-vc

(1.24)

In Gl. (1.24) wird die Leistung berechnet, die durch den Zerspanprozess, also an der Werkzeugschneide, entsteht. Der elektrische Motor, der als Antrieb meistens eingesetzt wird, muss mehr Antriebsleistung Pu erbringen, da zwischen dem Motor und dem Zerspanprozess mechanische, verlustbehaftete Komponenten vorhanden sind. Diese Verluste werden durch den mechanischen Wirkungsgrad x\m berücksichtigt, sodass die Motorleistung des Hauptantriebs wie folgt ermittelt werden kann: Pm =

F -v = ——•n m Tim P

(1.25)

Der mechanische Maschinenwirkungsgrad nimmt Werte zwischen r ^ = 0,60-0,80 an.

1.5.2

Thermische Beanspruchung

Die zum Zerspanen erforderliche Leistung wird überwiegend in Wärmeenergie umgewandelt und abgeführt. Beim Spanen treten insgesamt vier Wärmequellen, also Orte, an denen Wärme entsteht, auf, wie Bild 1.15 verdeutlicht. Diese vier Wärmequellen sind: - die Scherzone: Wärmequelle 1, hier entsteht die Wärme auf Grund der Scherung - das Trenngebiet: Wärmequelle 2, der Trennvorgang erzeugt auch Wärme - die Hauptfreifläche: Wärmequelle 3, die Reibung der Werkzeugspitze an der erzeugten Werkstückoberfläche

24 -

1 Grandlagen der Zerspanung die Spanfläche: Wärmequelle 4, beim Abgleiten des Spans auf der Spanfläche entsteht auf Grund der Reibung Wärme.

Die Wärmequellen 1 und 4 erzeugen die meiste Wärme. Die entstehende Wärme wird abgeführt. Am besten wäre es, wenn der Span die gesamte Wärme abführen würde. Im Bild 1.15 führt der Span ca. 75 % der entstandenen Wärme ab, während 18 % in das Werkzeug eindringen und dessen Temperatur erhöhen. Das Werkstück nimmt ca. 7 % der Wärme auf, wodurch sich dessen Randzone erwärmt, und es gegebenenfalls zu einer Gefügeänderung kommen kann. Bei der Hochgeschwindigkeitsbearbeitung führt der Span ca. 90 % der Wärme ab. Werkstück

700°

Werkzeug Bild 1.15: Wärmequellen

(links) und Temperaturverteilung

650°

(rechts) beim Spanen (nach

600°

[4])

Die höchsten Temperaturen treten auf der Spanfläche an der Stelle auf, an der die Wärmequelle 4 durch Reibung eine zusätzliche Temperaturerhöhung bewirkt. Im Beispiel aus Bild 1.15 (rechts) sind es 700° C. Das ist die Stelle, an der Kolkverschleiß auftritt, siehe Kap. 1.7.1. Werden Werkstoffe mit einer höheren Festigkeit bei noch höheren Schnittgeschwindigkeiten zerspant, können lokal Temperaturen von über 1.000° C auftreten.

1.5.3

Chemische Beanspruchung

Auf Grund der hohen Temperaturen und hohen Drücke finden beim Spanen chemische Reaktionen statt, die im Bild 1.16 dargestellt sind, wie - Oxidation und Verzunderung: Auf der heißen Werkzeugoberfläche bildet sich eine harte Oxidschicht. - Diffusion: Mit zunehmender Temperatur nimmt die Beweglichkeit der Atome und Moleküle zu. Es kommt zu einem thermisch aktivierten Wandern der Atome sowohl vom Span in das Werkzeug als auch vom Werkzeug in den Span, wodurch sich die Werkzeugeigenschaften verändern. - Adhäsion: Bei hohen Drücken nähern sich die Atome des Spans und des Werkzeugs so stark, dass starke atomare Bindungskräfte wirksam werden, die dazu führen, dass sich Spanpartikel auf dem Werkzeug ablagern oder Partikel aus dem Werkzeug herausgerissen werden.

25

1.5 Beanspruchungen beim Spanen

Bild 1.16: Chemische Beanspruchung des Werkzeugs beim Spanen

Die chemische Beanspruchung führt allgemein zu unerwünschten Wirkungen, die im Kap. 1.7.1 beschrieben werden.

1.5.4

Fragen - Übungen

1.

Worauf ist die Entstehung der Kräfte zurückzufuhren?

2.

In welche Kraftkomponenten kann die Zerspankraft zerlegt werden und welcher Zusammenhang besteht zwischen den drei Komponenten?

3.

Über welche mathematische Beziehung kann die Schnittkraft rechnerisch ermittelt werden?

4.

Tragen Sie in das untere Bild die Abhängigkeiten ein. kc

Fe

-*• b

-*• b

Fe

h

5.

Welcher Faktor kann ermittelt werden, wenn man die spezifische Schnittkraft kc und die Spanungsdicke h im doppellogarithmischem Maßstab darstellt?

6.

Von welchen weiteren Faktoren wird die Schnittkraft noch beeinflusst? Erläutern Sie deren Einfluss.

7.

Wie kann die Schnitt- und Vorschubleistung ermittelt werden? Wie groß ist die Passivleistung?

8.

Warum ist die Vorschubleistung Pf wesentlich kleiner als die Schnittleistung P?.

9.

Tragen Sie die primären Wärmequellen in das untere Bild ein.

26

1 Grundlagen der Zerspanung

10. Welche chemischen Beanspruchungen treten auf? Erläutern Sie diese. Die Lösungen finden Sie auf den Internetseiten des Verlages unter http://www.oldenbourgverlag.de unter dem Buchtitel.

1.6

Schneidstoffe

Fragen: Gibt es Werkzeuge/Schneidstoffe, die die im Kap. 1.5 beschriebenen Beanspruchungen ertragen? Wie wählt man den am besten geeigneten Schneidstoff für eine vorgegebene Beanspruchung aus? Schneidstoffe sind die Werkstoffe der Werkzeuge. Wurden für eine spanende Bearbeitung im Jahre 1900 noch 100 Minuten benötigt, waren es im Jahre 2000 weniger als 1 Minute [50]. Die Wirtschaftlichkeit eines Zerspanprozesses hängt wesentlich von der Leistungsfähigkeit des eingesetzten Schneidstoffs ab. Das setzt natürlich Maschinen voraus, die diese Technologie, wie hohe Schnittgeschwindigkeiten vc und hohe Vorschubgeschwindigkeiten vf bei hohen Maschinensteifigkeiten erst ermöglichen. So gab es in den siebziger Jahren bereits Hartmetalle, aber noch keine Maschinen, auf denen die Hartmetalle optimal eingesetzt werden konnten.

1.6.1

Anforderungen an Schneidstoffe

Wie Sie bereits aus dem Kapitel 1.5 wissen, unterliegen die Schneidstoffe beim Spanen einer komplexen und hohen Beanspruchung, aus der sich die gewünschten Schneidstoffeigenschaften ableiten lassen, wie Bild 1.17 zeigt. Die Anforderungen an Schneidstoffe sind sehr hoch. Auf die Frage, ob es Schneidstoffe gibt, die alle Anforderungen erfüllen, gibt es eine Antwort, nämlich nein, genauso wenig wie es eine Eier legende Wollmilchsau gibt. Die Forderungen an die Schneidstoffe sind teilweise gegensätzlich. So hat beispielsweise ein Schneidstoff mit einer hohen Zähigkeit keine hohe Härte. Für jeden speziellen Anwendungsfall ist bei Kenntnis der vorhandenen Beanspruchung gezielt ein Schneidstoff auszusuchen, der stets einen Kompromiss darstellt.

27

1.6 Schneidstoffe

Anforderungen

Beanspruchung

mechanisch

thermisch

chemisch

> > >

- hohe Härte - hohe Festigkeit statisch, dynamisch - hohe Druckfestigkeit - hohe Biegefestigkeit - hohe Verschleißfestigkeit - hohe Kantenfestigkeit - hohe Zähigkeit - hohe Warmhärte - hohe Warmfestigkeit statisch, dynamisch - hohe Warmwechselfestigkeit - hohe Oxidationsbeständigkeit - geringe Diffusionsneigung • geringe Adhäsion

Bild 1.17: Anforderungen an Schneidstoffe

Eigenschaften von Schneidstoffen •

• •

• •





Härte: Sie ist ein Maß für die Verschleißfestigkeit eines Schneidstoffes. Eine hohe Verschleißfestigkeit bedingt einen geringen abrasiven Verschleiß. Die Härte erhält der Schneidstoff aus: - der Härte des Grundgefüges, z. B. Martensit im Werkzeugstahl - der Härte der im Gefüge eingelagerten harten Komponenten, z. B. Karbide im Schnellarbeitsstahl oder im Hartmetall - der Härte der harten Kristallite, die das Gefüge bilden, z. B. Nitridkeramik. Warmhärte: Da beim Spanen sehr hohe Temperaturen entstehen, müssen die Schneidstoffe ihre Härte und ihre Festigkeit vor allem bei den hohen Temperaturen behalten. Warmfestigkeit: Sie ist ein Maß dafür, ob ein Schneidstoff bei hohen Temperaturen die hohen mechanischen Belastungen ertragen kann, ohne dass dabei die Festigkeit wesentlich verringert wird. Wird die Warmfestigkeit überschritten, verliert der Schneidstoff seine Festigkeit, und es kommt zu unerwünschten plastischen Verformungen. Warmwechselfestigkeit: Bei instationären Zerspanungsvorgängen, wie sie beispielsweise beim Fräsen auftreten, ist die Warmwechselfestigkeit als Kenngröße heranzuziehen. Zähigkeit: Darunter versteht man die Eigenschaft eines Schneidstoffs, die Rissausbreitung bei einer Überbeanspruchung zu unterbinden und damit einen Plattenbruch zu verhindern. Die Bruchzähigkeit Klc und die Biegefestigkeit sind ein Maß hierfür. Thermoschockbeständigkeit: Das ist die Fähigkeit eines Schneidstoffes, schlagartig wechselnde Temperaturen ohne Kantenausbrüche auf Dauer zu ertragen, z. B. beim Fräsen oder bei unterschiedlicher Kühlschmierstoffzuführung. Ein geringer Wärmeausdehnungskoeffizient und eine geringe Wärmeleitfähigkeit erhöhen die Thermoschockbeständigkeit des Schneidstoffs. Chemische Stabilität: Ein chemisch beständiger Schneidstoff besitzt die Fähigkeit, keine chemische Verbindung mit einem anderen Werkstoff, z. B. vom Werkstück oder Span oder mit den Stoffen seiner Umgebung, wie z. B. Luftsauerstoff oder Kühlschmierstoff

28

1 Grundlagen der Zerspanung einzugehen. Ein Maß für die chemische Stabilität ist seine Bildungsenthalpie. Eine chemische Verbindung mit einer hohen negativen Bildungsenthalpie hat eine hohe chemische Stabilität, da ihr sehr viel Wärmeenergie von außen zugeführt werden muss, um eine chemische Verbindung einzugehen.

1.6.2

Einteilung der Schneidstoffe

Bild 1.18 zeigt die drei Hauptgruppen der in der spanenden Fertigung eingesetzten Schneidstoffe: - die metallischen Schneidstoffe, - die Verbundschneidstoffe und - die keramischen Schneidstoffe.

Bild 1.18: Einteilung der (nach [32])

Schneidstoffe

Bild 1.19 verdeutlicht die Zähigkeit und Verschleißfestigkeit der wichtigsten Schneidstoffe. Eine höhere Schnittgeschwindigkeit erfordert auch eine höhere Warmhärte, und ein höherer Vorschub eine höhere Zähigkeit. Die Schneidstoffe sind entweder hart und verschleißfest oder sie sind zäh. Es gibt keinen Schneidstoff, der eine hohe Härte und eine hohe Zähigkeit besitzt. Dennoch ist dies erklärtes Ziel der Schneidstoffentwicklung.

1.6 Schneidstoffe

29

Zähigkeit, Biegefestigkeit, Vorschub

Bild 1.19: Zähigkeit und Verschleißfestigkeit der Schneidstoffe (nach 32])

Die im Bild 1.19 dargestellten Schneidstoffe, deren Eigenschaften und Einsatzgebiete werden in den nun folgenden Kapiteln behandelt.

1.6.3

Werkzeugstähle

Sie sind die in der industriellen Produktion zuerst eingesetzten Schneidstoffe und werden in unlegierte und legierte Werkzeugstähle eingeteilt. In der industriellen spanenden Fertigung haben Werkzeugstähle eine untergeordnete Bedeutung. Der Vollständigkeit halber werden sie dennoch kurz behandelt. A) Unlegierte Werkzeugstähle a) Kennzeichen - martensitisches Gefüge: hart und spröde - C-Gehalt: 0,8-1,5% - Härte: 62-66 HRC, mit zunehmendem Kohlenstoffgehalt nimmt die Härte zu - Warmfestigkeit/Warmhäite: 200-300 °C - Schnittgeschwindigkeit: v, < 10 m/min bei der Stahlbearbeitung auf Grund der geringen Warmfestigkeit. b) -

Einsatzgebiete Handarbeitswerkzeuge für metallische Werkstoffe: Feilen, Schaber, Stichel Holzbearbeitung: Sägeblätter Aufbauteile für Werkzeuge.

B) Legierte Werkzeugstähle a) Kennzeichen - niedrig legiert: bis 5 % Legierungsanteile, wie Cr, W, Mo, V - martensitisches Grundgefüge mit eingelagerten Karbiden und daher - höhere Verschleißfestigkeit infolge Martensit und Karbid

30

1 Grundlagen der Zerspanung

-

höhere Warmfestigkeit/Warmhärte: bis 400 °C

-

Schnittgeschwindigkeit bei der Stahlbearbeitung: 10 m/min < vc < 30 m/min.

b) -

Einsatzgebiete Stahlbearbeitung mit niedrigen Schnittgeschwindigkeiten vc: Gewindebohrer, Reibahlen Druckluft- und Abgratwerkzeuge nicht auf CNC-Maschinen eingesetzt.

1.6.4

Schnellarbeitsstahl

Der Schnellarbeitsstahl, Abk. HSS (Abk. High Speed Steel) wurde im Jahre 1900 von Taylor entwickelt und auf der EMO in Paris erstmalig vorgestellt. a) -

Kennzeichen C-Gehalt: 0,6-1,6 % hochlegiert: E Legierungsanteile 5-35 %: W, Mo, V, Co, Cr Gefüge: Martensit mit eingelagerten harten Karbiden, wie WC, VC, MoC Härte: 62-68 HRC Warmfestigkeit/Warmhärte: bis 600 °C Schnittgeschwindigkeiten: vc < 40 m/min bei der Stahlbearbeitung hohe Zähigkeit: unempfindlich gegenüber schlagartigen Beanspruchungen höhere Verschleißfestigkeit als Werkzeugstahl hohe Kantenfestigkeit: es können sehr scharfe Schneiden erzeugt werden einfaches Nachschleifen verschlissener Schneiden Herstellung: schmelzmetallurgisch oder pulvermetallurgisch (durch Sintern).

b) Bezeichnung und Einteilung Schnellarbeitsstähle werden mit dem Buchstaben S gekennzeichnet. Die Zahlen geben den prozentualen Anteil der Legierungselemente in der Reihenfolge W - Mo - V - Co an. Beispiel: S 6 - 5 - 2 - 5 mit 6 % W, 5 % Mo, 2 % V und 5 % Co. Dieser Schnellarbeitsstahl nimmt ca. 50 % aller eingesetzten Schnellarbeitsstähle ein. Schnellarbeitsstähle werden nach DIN 17006 in vier Gruppen eingeteilt, wie Tabelle 1.8 zeigt. c) Einsatzgebiete, siehe Tabelle 1.8 HSS-Schneidstoffe werden heute dort hauptsächlich eingesetzt, in denen einerseits seine wesentlichen Eigenschaften, wie gute Bearbeitbarkeit, hohe Zähigkeit, große Spanwinkel, kleine Keilwinkel, hohe Schneidkantenfestigkeit und scharfe Schneiden unersetzbar, und andererseits seine Nachteile, wie geringe Schnittgeschwindigkeiten unwesentlich sind. Typische Anwendungen: Bohr-, Gewinde-, Reib-, Räum-, Profil- und Verzahnungswerkzeuge. d) Weiterentwicklungen von Schnellarbeitsstählen - Beschichtung mit TiC und TiN im PVD-Verfahren (physical vapour deposition) mit Prozesstemperaturen von 450-550 °C, die noch unterhalb der Anlasstemperatur liegen, sodass die Beschichtung ohne wesentlichen Verlust der Warmfestigkeit und verzugsfrei er-

1.6 Schneidstoffe

-

-

31

folgt. 25 % aller HSS-Schneidstoffe werden beschichtet, um Standzeiterhöhungen von 100-400 % und um bis zu 50 % höhere v zu erreichen. Pulvermetallurgische Herstellung durch Sintern: So kann die mittlere Korngröße auf Werte < 1 (im verringert und die Gleichmäßigkeit des Gefüges erhöht werden. Dadurch wird bei höheren Herstellkosten die Kantenfestigkeit erhöht. HSS-Schneidstoffe werden auch als gesinterte Wendeschneidplatten eingesetzt.

Tabelle 1.8: Einteilung der Schnellarbeitsstähle, typische Anwendungen und Ausführungen (Kopierfräser, Schaftfräser, Kegelreibahle, NC-Anbohrer, Kegelsenker, Walzenstirnfräser) (Werkfotos Fa. GÜHRING oHG, Fa. Wilhelm Fette GmbH, Hahn+Kolb Werkzeugkatalog 2001) Gruppen

Kurzbezeichnung

Anwendungen

Gruppe 1

S S S S

18-0- 1 18-1 - 2 - 5 1 8 - 1 - 2 - 10 1 8 - 1 - 2 - 15

Schruppbearbeitung Stahl, Guß

S S S S

12- 1 12- 1 12-1 12-1

Schlichtbearbeitung

18% W Gruppe 2 12% W

-2 -4 -2-3 -4-5

Gruppe 3

S6-5-2

6 % W + 5 % Mo

S6-5-3 S6-5-2-5 S6-4-3-10

Gruppe 4

S 2-9-1 S2-9-2 S2-9-2-5 S2-9-2-8

2 % W + 9 % Mo

1.6.5

Drehwerkzeug, Hobelwerkzeug, Fräser

Drehmeißel, Formwerkzeuge Räumnadeln, Bohrer, Fräser, Reibahlen, Gewindebohrer, Senker, Hobelwerkzeug Gewindebohrer, Reibahlen Spiral- und Gewindebohrer, Fräser mittlere bis große Spanungsquerschnitte zäh, hohe Kantenfestigkeit Schaftfräser

Hartmetalle

Hartmetalle haben in der spanenden Bearbeitung eine dominante Rolle eingenommen, die Sie in den Kap. 2.4-5.4 Werkzeuge bei den einzelnen Fertigungsverfahren Drehen, Bohren Fräsen usw. kennenlernen werden. A) Aufbau und Bezeichnung Hartmetalle, Abk. HW, sind gesinterte Schneidstoffe, bestehend aus: - einer weichen metallischen Bindephase - meistens Co, aber auch Ni oder Mo und - darin eingelagerten harten Karbiden, wie WC, TiC, TaC, NbC mit einer Größe von 1 - 1 0 (im und einem Gesamtvolumenanteil von 80-95 %. Den schematischen Aufbau von Hartmetallen zeigt Bild 1.20. Durch die Wahl des Bindemittels und der Hartstoffe sowie deren Größe und prozentualem Anteil im Hartmetall können deren Eigenschaften in sehr weiten Bereichen variiert werden. In der DIN ISO 513 werden die Hartmetalle in die drei Zerspanungshauptgruppen P, M und K eingeteilt, die auch farblich unterschieden werden (P-blau, M - g e l b und K-rot), siehe auch

32

1 Grundlagen der Zerspanung

Bild 1.20. Die Zerspanungshauptgruppen werden Werkstoff abhängig festgelegt. Innerhalb jeder Zerspanungshauptgruppe werden die Anwendungsgruppen durch Zahlen gekennzeichnet, z. B. P 10. Je größer die Zahl, umso größer ist die Zähigkeit und umso geringer der Verschleißwiderstand. - Buchstaben für Hartmetall: - HW: unbeschichtetes Hartmetall - HC: beschichtetes Hartmetall (C für coated)

- Buchstaben für Zerspanungshauptgruppen: - P: für langspanende Eisenwerkstoffe - M: für lang- und kurzspanende Werkstoffe Eisenwerkstoffe und Nichteisenmetalle - K: für kurzspanende Werkstoffe und Nichtmetalle

- Farben für Zerspanungshauptgruppen: - blau für P - gelb für M - rot für K w c

to-wtTi-WC (TaC-NbC) Mischkristall Mischkarbid

- Zahlen:



-01,05,10,... 50 M

Zähigkeit Verschleißwiderstand

Bild 1.20: Schematischer Aufbau eines Hartmetalls und dessen Kennzeichnung,

Hartmetall-Schneidplatte

Bild 1.21 zeigt Ihnen eine Auswahl von Werkzeugen, wie Planfräser, Schaftfräser, zwei Drehwerkzeuge und einen Bohrer.

ifWBr4 Bild 1.21: Ausführungen von Hartmetallwerkzeugen (Werkfotos Fa. Widia GmbH)

Während die Wahl der Zerspanungshauptgruppen Werkstoff bezogen erfolgt, ist die Wahl der Anwendungsgruppe Technologie abhängig, wie auch Bild 1.22 zeigt. Zum Feinschlichten werden geringe Vorschübe und hohe Schnittgeschwindigkeiten eingesetzt. Diese Technologie erfordert eine geringe Zähigkeit wegen des geringen Vorschubs und eine hohe Verschleißfestigkeit bei hohen Temperaturen auf Grund der hohen Schnittgeschwindigkeit. Deshalb fällt die Wahl auf die Anwendergruppe 01. Je höher der Vorschub ist, umso höher muss die Zähigkeit sein, und je höher die Schnittgeschwindigkeit, umso größer muss die Warmhärte bzw.Verschleißfestigkeit sein.

33

1.6 Schneidstoffe

Zähigkeit

Diese hohe Differenzierung würde zu einer nicht mehr wirtschaftlich zu vertretenden Vielfalt an Hartmetallsorten führen. Deshalb wurden Mehrbereichssorten entwickelt, die beispielsweise die Anwendungsgruppen P 10 - P 40 oder P 20 - M 40 abdecken. B) Kennzeichen - Gefüge: weiche metallische Bindephase aus Co, Ni oder Mo, in die harte Karbide, sogenannte Hartstoffe, wie WC, TiC, TaC oder NbC eingelagert sind. Der Volumenanteil der Karbide beträgt 80-90 % - Härte HV 30: 1.300-1.800 - Warmhärte: bis 900 °C - Druckfestigkeit in N/mm2: 4.500-6.300 - Biegebruchfestigkeit in N/mm 2 : 1.300-3.200 - Schnittgeschwindigkeit: vc = 80-300 m/min für Stahl. C) Beschichtung: HC (Cfiir coated) 60 % aller Hartmetalle, die bei der Zerspanung von Eisenwerkstoffen eingesetzt werden, sind beschichtet, beim Drehen sind es sogar 75 %. Die Beschichtung erfolgt entweder im PVD-Verfahren bei einer Prozesstemperatur von ca. 500 °C oder im CVD-Verfahren (chemical vapour deposition) bei ca. 950 °C oder im Plasma-CVD-Verfahren (PACVD) bei ca. 450 °C. Auch für die Hartmetalle gilt: Sie sind entweder hart und verschleißfest oder sie sind zäh und nicht verschleißfest. Durch die Beschichtung wird eine Funktionstrennung erreicht: Die beschichtete Hartmetalloberfläche ist hart und verschleißfest und der Kern, nämlich das Hartmetall, ist zäh.

34 a) -

1 Grundlagen der Zerspanung Schichten TiC - Titancarbid: am härtesten und chemisch nicht so stabil TiN - Titannitrid: weniger hart als TiC und chemisch beständiger, Farbe gold (gelb) TiCN - Titancarbonitrid: Farbe grauviolett A120, - Aluminiumoxid: spröde, höchste Warmhärte, ehem. sehr stabil, Farbe schwarz TiAlN, - Titanaluminiumnitrid: Farbe dunkelviolett.

Schichten werden als Einzel-, Doppel- oder Mehrfachlagen aufgetragen. Die Schichtdicke beträgt zwischen 2 und 12 (im. Bei der Mehrlagenbeschichtung werden bis zu 12 Schichten übereinander aufgetragen. Die Schichtdicke ist begrenzt, um ein Abplatzen zu vermeiden. b) -

Vorteile der Beschichtung höhere Standzeiten weniger Werkzeugwechsel höhere Schnittgeschwindigkeiten höhere Produktivität Verringerung der Sortenvielfalt und höhere Wirtschaftlichkeit.

c) Nachteile der Beschichtung - Die Beschichtung führt zu einer Schneidkantenverrundung mit einem Radius von 20-100 (im, wodurch die Schneidenschärfe verringert wird. - Bei sehr geringen Spanungsdicken h führt die Beschichtung zu einem effektiv negativen Spanwinkel y, weshalb sie für die Feinstbearbeitung nicht eingesetzt wird. - nicht geeignet für die Bearbeitung von Nichteisenwerkstoffen, nickelhaltigen Legierungen und rostfreien Stählen. D) Weitere Entwicklungen - Feinstkornhartmetalle: Im Gegensatz zu konventionellen Hartmetallen, besitzen Feinstkornhartmetalle Korngrößen von 0,2-1 (im, wodurch die Kantenfestigkeit und die Zähigkeit erhöht werden. Die Oberflächenqualität wird durch die geringe Korngröße erheblich verbessert. - Neue Schichten, die unter eingetragenen Markennamen bekannt sind. - Kombination unterschiedlicher Schneidstoffe.

1.6.6

Cermets

Der Name Cermets setzt sich aus den englischen Wörtern ceramics und metals zusammen, was als Metallkeramik übersetzt werden kann. Auf Grund ihres Gefügeaufbaus werden die Cermets den Hartmetallen zugeordnet und nicht den Schneidkeramiken. Cermets sind gesinterte, grau aussehende Verbundschneidstoffe, siehe Bild 1.23a.

Bild 1.23a: Ausführungen (Werkfoto Fa. CeramTec

von AG)

Cermetsschneidplatten

1.6 Schneidstoffe

35

Da die Cermets auf die seltenen Rohstoffe wie W, Ta und Co verzichten, die bei den Hartmetallen verwendet werden und statt dessen die überall verfügbaren Rohstoffe wie Titan und Nickel verwenden, wird ihre Verbreitung künftig zunehmen. A) Aufbau und Bezeichnung Cermets, Abk. HT (T für Titan) sind gesinterte Schneidstoffe, bestehend aus: - einer weichen metallischen Bindephase: meistens Ni aber auch Co oder Mo und - darin eingelagerten harten Karbiden wie TiC, TiN, NbC. B) -

Kennzeichen Härte HV 30: 1.300-1.800 höhere Warmhärte: bis 1.000 °C geringere Zähigkeit als Hartmetall hohe chemische Stabilität: geringe Diffussions- und Adhäsionsneigung Schnittgeschwindigkeit: vf = 100 - 500 m/min für Stahl hohe Kantenfestigkeit geringe Thermoschockbeständigkeit Herstellung: pulvermetallurgisch (durch Sintern).

C) Anwendungen - Schlichten: hohe Schnittgeschwindigkeiten v , geringe Vorschübe f - 0,05-0,4 mm/ Umdr., geringe Schnitttiefen a p = 0,05-0,4 mm mit hoher Oberflächengüte und Maßgenauigkeit - Verfahren: Drehen, Fräsen - Werkstoffe: alle Stähle, von niedriggekohlt bis austenitisch, Gusswerkstoffe - Bearbeitung harter/gehärteter Werkstoffe mit geringen Aufmaßen (Near-Net-ShapeTechnologie, siehe Kap. A.4 im Internet) - auch Trockenbearbeitung (ohne Kühlschmierstoff) möglich.

1.6.7

Schneidkeramiken/Keramiken

Im Gegensatz zum Hartmetall oder den Cermets sind Schneidkeramiken gesinterte Schneidstoffe ohne Bindephase. Schneidkeramiken haben die Bezeichnung C (ceramic). Bild 1.23b zeigt die Einteilung der Schneidkeramiken in oxidische und nichtoxidische sowie einige Ausführungen von Schneidkeramikplatten. Während die oxidischen Schneidkeramiken auf A1 2 0,-Basis aufgebaut sind, haben die nichtoxidischen Schneidkeramiken Karbide, Nitride, Boride oder Silizide als Basis, wobei hier das Siliziumnitrid in der Nitridkeramik die größte praktische Bedeutung beim Spanen hat.

36

1 Grundlagen der Zerspanung

Oxidkeramik

Mischkeramik

Schneidkeramik

Kennzeichnung

Oxidkeramik

Bild 1.23b: Einteilung der Schneidkeramiken (Werkfotos Fa. CeramTec AG)

(links) und

Nitridkeramik

CA (ceramic aluminium)

Mischkeramik

CM (ceramic mixed)

Nitridkeramik

CN (ceramic nitrid)

Beschichtete Keramik

CC (ceramic coated)

Kennzeichnung

(rechts)

1.6.7.1 Oxidkeramik Die Oxidkeramik ist weiß (daher auch die Werkstattbezeichnung „Reinkeramik") und hat den Kennbuchstaben CA. Sie ist im Bild 1.23b dargestellt. A) Außau Oxidkeramik besteht aus Aluminiumoxid A1203, das durch Sintern hergestellt wird. Um das Kornwachstum zu bremsen, damit ein feinkörniges Gefüge entsteht, wird heute immer 3 15 % Zirkonoxid Zr0 2 zulegiert. B) -

Eigenschaften sehr hohe Warmhärte bis 2.000 °C hohe Schnittgeschwindigkeiten von 500-1.000 m/min für Stähle A1J03 ist sehr spröde, hat eine geringe Bruchzähigkeit und eine hohe Bruchanfälligkeit, wodurch der Prozess unsicher wird. sehr hohe Druckfestigkeit chemisch sehr beständig: geringe Diffusions- und Adhäsionsneigung.

C) Anwendungen - Schlichtdrehen von legierten und unlegierten Stählen und Gusseisen mit Schnittgeschwindigkeiten von vc = 500-1.000 m/min. - Schruppdrehen von Gusswerkstoffen - ungeeignet für die Bearbeitung von AI-, Mg- und Ti-Legierungen auf Grund chemischer Reaktionen mit A1203. - nur für die Trockenbearbeitung geeignet, da thermoschockempfmdlich. - nicht für das Fräsen geeignet, wegen der Thermoschockempfindlichkeit.

1.6 Schneidstoffe

37

1.6.7.2 Mischkeramik Die Mischkeramik ist schwarz, siehe Bild 1.23b, (daher auch die Werkstattbezeichnung „Schwarzkeramik") und hat den Kennbuchstaben CM. A) Aufbau Die Mischkeramik besteht aus 60-95 % Aluminiumoxid A1203, dem noch TiC oder TiN beigemengt wird. Sie wird durch Sintern hergestellt. Um das Kornwachstum zu bremsen, damit ein feinkörniges Gefüge entsteht, wird meistens Zirkonoxid Zr0 2 zulegiert. B) -

Eigenschaften höhere Warmhärte: bis 2.500 °C sehr verschleißfest hohe Schnittgeschwindigkeiten in m/min: 500-1.000 für Stähle höhere Zähigkeit und Kantenfestigkeit als Oxidkeramik weniger empfindlich gegenüber Thermoschock chemisch sehr beständig: geringe Diffusions- und Adhäsionsneigung.

C) Anwendungen - Feindrehen und Feinfräsen mit extrem guten Oberflächenqualitäten - Schlichtdrehen von legierten und unlegierten Stählen und Gusseisen mit Schnittgeschwindigkeiten von vc = 500-1.000 m/min - Schruppdrehen von Gusswerkstoffen, auch Hartguss - Hartdrehen von Werkstücken mit bis zu 62 HRC, z. B. Schmiede- und Fließpressteile - ungeeignet für die Bearbeitung von AI-, Mg- und Ti-Legierungen auf Grund chemischer Reaktionen mit A1203 - für die Trocken- und Naßbearbeitung geeignet - auch für das Fräsen geeignet wegen geringerer Thermoschockempfindlichkeit. 1.6.7.3 Whiskersverstärkte Schneidkeramik Die whiskersverstärkte Schneidkeramik ist schwarz und hat den Kennbuchstaben CM. A) Aufbau Whiskersverstärkte Schneidkeramiken sind gesinterte Schneidstoffe auf Al203-Basis mit eingelagertem SiC-Whiskern (20-40 %). SiC-Whisker sind nadeiförmige, hochfeste Einkristalle mit einer Länge von 10-100 |xm und einem Durchmesser von 0,1-1 um. B) -

Eigenschaften höhere Härte höhere Zähigkeit, auch Bruchzähigkeit geringere Thermoschockempfindlichkeit höhere Verschleißfestigkeit hohe Schnittgeschwindigkeiten: 500-1.000 m/min für Stähle chemisch sehr beständig: geringe Diffusions- und Adhäsionsneigung.

C) Anwendungen - Bearbeitung warmfester Ni-Legierungen mit vc bis 500 m/min - Bearbeitung von Gusswerkstoffen

1 Grandlagen der Zerspanung

38 -

Bearbeitung gehärteter Legierungsstähle Schlichtdrehen von legierten und unlegierten Stählen und Gusseisen mit Schnittgeschwindigkeiten von vc = 500-1.000 m/min Schruppdrehen von Gusswerkstoffen, auch Hartguss Hartdrehen und Hartfräsen von Werkstoffen mit bis zu 64 HRC ungeeignet für die Bearbeitung von AI-, Mg- und Ti-Legierungen auf Grand chemischer Reaktionen mit A1 2 0, für die Trocken- und Naßbearbeitung geeignet.

1.6.7.4 Nitridkeramik Die Nitridkeramik ist eine nichtoxidische Schneidkeramik. Sie ist grau und hat den Kennbuchstaben CN, siehe Bild 1.23b. A) Aufoau Nitridkeramiken bestehen aus stäbchenförmigen, völlig isotropen (ungerichteten) Si,N 4 Kristallen. Nitridkeramiken werden durch Sintern hergestellt. B) -

Eigenschaften höhere Warmhärte als die oxidischen Schneidkeramiken höhere Zähigkeit und Brachzähigkeit geringere Thermoschockempfindlichkeit höhere Verschleißfestigkeit hohe Schnittgeschwindigkeiten: 150-800 m/min für Stahl chemisch sehr beständig: geringe Diffusions- und Adhäsionsneigung, jedoch nicht bei Eisen.

C) -

Anwendungen Schrappdrehen und -fräsen mit großen Vorschüben und Schnittgeschwindigkeiten auch für das Bohren geeignet Bearbeitung warmfester Ni-Legierungen mit v bis 800 m/min Bearbeitung von Gusswerkstoffen mit vc > 1.000 m/min ungeeignet für die Bearbeitung von Eisen für die Trocken- und Naßbearbeitung geeignet.

1.6.8

Diamant

Der Diamant besteht aus reinem Kohlenstoff und ist der härteste Werkstoff. Er ist etwa fünfmal so hart wie Hartmetall. Diamantschneidstoffe haben die Kennzeichnung D. Er ist Ihnen vor allem als Schmuckstein bekannt. Sie werden eingeteilt nach: •

der Art der Herstellung in - Naturdiamant - synthetischer Diamant

1.6 Schneidstoffe •

39

dem Gefügeaufbau in - monokristalliner Diamant (Einkristall) mit der Kennzeichnung DM - polykristalliner Diamant mit der Kennzeichnung DP.

Eigenschaften - höchste Härte: etwa fünfmal so hart wie Hartmetall - hohe Druckfestigkeit - hohe Verschleißfestigkeit - sehr spröde - geringe Zähigkeit - geringe Biegefestigkeit/Bruchfestigkeit: etwa achtmal geringer als Hartmetall - stoß- und schwingungsempfindlich - geringe Thermoschockbeständigkeit. Diamantschneidstoffe werden entweder als kleine Platten in einem Halter spannungsfrei geklemmt oder in eine Schneidplatte eingelötet, siehe Bild 1.24. 1.6.8.1 Monokristalliner Diamant Monokristalliner Diamant, Abk. DM, wird hauptsächlich als Naturdiamant beim Spanen eingesetzt. Da der Einkristall richtungsabhängige Kennwerte wie Härte und Festigkeit besitzt, muss der monokristalline Diamant so im Werkzeug eingebaut werden, dass das Maximum der Kennwerte in Schnittkraftrichtung weist. Anwendungen - Verfahren: Drehen, Fräsen, Bohren - Präzisionsbearbeitung: geringe Vorschübe / < 0,05 mm/Umdr., hohe Schnittgeschwindigkeiten vr < 5.000 m/min, geringe Schnitttiefen a < 1 mm - Glanzdrehen und -fräsen: die extrem scharfen Schneiden des Einkristalls mit einem Schneidenradius p < 1 |am ermöglichen Oberflächenrauheiten Ra < 0,02 (im - Abrichten von Diamantschleifscheiben - Werkstoffe: AI- und AI-Legierungen, Kupfer, Messing, Bronze, Hart- und Weichgummi, faserverstärkte Kunststoffe, Keramik, Glas, Gestein - ungeeignet für die Bearbeitung von Eisenwerkstoffen (Stahl und Guss), da der Kohlenstoff des Diamanten bei ca. 900 °C in das Eisen diffundiert und dabei verschleißt. 1.6.8.2 Polykristalliner Diamant Polykristalliner Diamant hat die ISO-Kennzeichnung DP und wird in der Werkstatt als PKD bezeichnet. Auf Grund des polykristallinen Gefüges ist der DP isotrop, wodurch seine Eigenschaften richtungsunabhängig sind. Er entsteht durch Sintern von synthetischem Diamantpulver mit Kobalt als Bindemittel. Der polykristalline Diamant mit einer Dicke von ca. 0,5 mm wird auf eine Hartmetallplatte als Träger aufgesintert, wie Bild 1.24a zeigt.

40

1 Grundlagen der Zerspanung

Bild 1.24a: (links) Mono- und (rechts) Polykristalliner (Werkfotos Fa. Mößner GmbH)

Diamant auf

Hartmetallträger

Anwendungen - Verfahren: Drehen, Fräsen, Bohren - Schlicht- und Schruppbearbeitung: V o r s c h ü b e / < 0,5 mm/Umdr., hohe Schnittgeschwindigkeiten vc < 3.000 m/min, Schnitttiefen ap< 5 mm - Werkstoffe: AI- und AI-Legierungen, Kupfer, Messing, Bronze, Hart- und Weichgummi, faserverstärkte Kunststoffe, Keramik, Glas, Gestein und Hartmetall - ungeeignet für die Bearbeitung von Eisenwerkstoffen (Stahl und Guss), da der Kohlenstoff des Diamanten bei ca. 900 °C in das Eisen diffundiert. Der Einsatz von polykristallinem Diamant bringt bei den oben angeführten Anwendungen Standzeiterhöhung um den Faktor 100 und wesentlich bessere Oberflächen. Das ist der Grund, warum diese teuren Schneidstoffe wirtschaftlich eingesetzt werden können.

1.6.9

Bornitrid

Das kubische Bornitrid mit der ISO-Kennzeichnung CBN ist honiggelb bis dunkelbraun. Es ist nach Diamant der zweithärteste Schneidstoff. Das CBN wird durch Sintern als Massivkörper hergestellt oder ähnlich dem DP auf einen Hartmetallträger aufgesintert, siehe Bild 1.24a links und Bild 1.24b. Das aufgesinterte CBN hat dabei eine Dicke von ca. 0,5 mm. Bild 1.24b zeigt einen Fräser, dessen CBN-Platten in einer Kassette aufgenommen werden.

Bild 1.24b: CBN-Schneidplatte und Fräser mit CBNSchneidplatten (Werkfotos Fa. Walter Kieninger GmbH)

Kennzeichen - hohe Härte/Warmhärte bis 2.000 °C - hohe Verschleißfestigkeit - hohe Kantenfestigkeit - chemisch sehr beständig.

1.6 Schneidstoffe

41

Anwendungen

-

Verfahren: Drehen, Fräsen, Bohren Schlicht- und Schruppbearbeitung: Vorschübe/< 0,5 mm/Umdr., hohe Schnittgeschwindigkeiten vr < 800 m/min, Schnitttiefen a p < 5 mm Hartbearbeitung folgender Werkstoffe: gehärteter Stahl mit 50 HRC < Härte < 68 HRC, Legierungen auf Nickel- und Kobalt-Basis, HSS ungeeignet für die Bearbeitung von Eisenwerkstoffen mit ferritischem oder austenitischem Gefüge Trocken- und Naßbearbeitung möglich.

1.6.10 1.

Fragen - Übungen

Nennen Sie die wichtigsten Schneidstoffe.

2.

Welche Eigenschaften müssen diese Schneidstoffe besitzen?

3.

Nennen Sie einen HSS-Schneidstoff und erläutern Sie, wie hoch der Anteil der einzelnen Legierungsbestandteile ist. In welche Gruppen werden HSS-Stähle eingeteilt und welcher Gruppe ist Ihr Beispiel zuzuordnen?

4. 5.

Nennen Sie fünf HSS-Werkzeuge.

6.

Welche besonderen Eigenschaften legen die HSS-Einsatzgebiete fest?

7.

Wie sind Hartmetalle aufgebaut? Machen Sie hierzu eine kleine Skizze.

8.

Welche Vor- und Nachteile besitzen beschichtete Hartmetalle? Wie groß ist die Schichtdicke?

9.

Was besagen die Buchstaben P, M und K?

10. Nennen Sie fünf Hartmetall-Werkzeuge. 11. Worin unterscheiden sich die Cermets von den Hartmetallen? 12. Nennen Sie fünf Anwendungsbeispiele für Cermets. 13. Welche Schneidkeramiken kennen Sie? 14. Wo wird die Oxidkeramik eingesetzt? 15. Welche Vorteile hat die Mischkeramik gegenüber der Oxidkeramik? 16. Eignet sich die Mischkeramik für das Drehen von AI-Legierungen? Begründen Sie Ihre Antwort. 17. Nennen Sie die Einsatzgebiete der whiskersverstärkten Keramik und der Nirtidkeramik. 18. Wie ist der Diamant aufgebaut, und wie wird er hergestellt? 19. Nennen Sie fünf Anwendungsbeispiele, in denen Diamant verwendet wird. 20. Eignet sich Diamant für die Stahlbearbeitung? 21. Wo liegen die Haupteinsatzgebiete des kubischen Bornitrids CBN? Die Lösungen finden Sie auf den Internetseiten des Verlages unter http://www.oldenbourgverlag.de unter dem Buchtitel.

42

1.7

1 Grundlagen der Zerspanung

Werkzeug verschleiß

Wie Sie bereits aus dem Kap. 1.5 wissen, wird der Schneidkeil der Schneidstoffe beim Spanen einer hohen mechanischen, thermischen und chemischen Beanspruchung gleichzeitig ausgesetzt. Die Eigenschaften und Einsatzgebiete der Schneidstofe sind im Kap. 1.6 beschrieben. Der Werkzeugverschleiß ist ein Vorgang der Schneidstoffzerstörung, der dazu führt, dass der Schneidkeil seine Geometrie verändert. Die Vorgänge, die zur Schneidstoffzerstörung führen, nennt man Verschleißmechanismen, während die Verschleißarten die messbaren Veränderungen der Schneidkeilgeometrie sind. Fragen: Welche Verschleißvorgänge und -arten treten bei welchen Beanspruchungen auf? Welche Schneidstoffe sind unter vorgegebenen Belastungen für bestimmte Anwendungen am besten geeignet?

1.7.1

Verschleißmechanismen und Verschleißarten

Die wesentlichen Verschleißmechanismen/-vorgänge sind: - mechanischer Abrieb/Abrasion - plastische Verformung - Adhäsion - Diffusion - Oxidation - Kamm- und Querrisse. Abrieb/Abrasion A) Mechanischer Der mechanische Abrieb setzt eine Relativbewegung zweier sich berührender Körper unterschiedlicher Härte voraus. Wie bereits im Kap. 1.2 beschrieben, findet eine Relativbewegung auf der Freifläche zwischen Werkstück und Werkzeug, auf der Spanfläche zwischen Span und Werkzeug und an der Nebenfreifläche zwischen Werkzeug und Werkstückoberfläche statt. Harte Werkstückpartikel wie Oxide, Karbide, Nitride reißen Schneidstoffteilchen heraus. Je härter der Schneidstoff im Vergleich zum Werkstückwerkstoff ist, umso geringer ist der mechanische Abrieb, die Abrasion. Bild 1.25 zeigt die Wirkung des mechanischen Abriebs, der in den Verschleißarten Verschleißmarkenbreite VB auf der Freifläche und Schneidkantenversatz SV aus der Spanfläche sieht- und messbar wird. Die Verschleißmarkenbreite wird häufig als gemittelter Wert VB angegeben, da sie sich nicht gleichmäßig über die Kontaktlänge der Schneide verteilt. Des Weiteren zeigt Bild 1.25 die zeitliche Entwicklung der Verschleißmarkenbreite VB. Nach einem degressiven Anstieg nimmt die Verschleißmarkenbreite linear zu. Wenn die Verschleißmarkenbreite VB einen bestimmten Wert erreicht hat, nimmt der Verschleiß progressiv zu.

1.7 Werkzeugverschleiß

VB

i

43 VB

SV

1

VBmax

Frei fläch en verschleiß

VBzul

VB = Kerschleißmarkenöreite SV= .Schneidkanten versatz

T

a

Zeitt

b

Bild 1.25: (a) Mechanischer

Abrieb und (b) Verlauf des Freiflächen

verschleißes

Bild 1.25a macht auch deutlich, dass die doppelte Schnittzeit nicht zwangsläufig zu einer Verdoppelung der Verschleißmarkenbreite führt. Die Verschleißmarkenbreite VB muss im linearen Bereich auf einen maximal zulässigen Wert VBm{ begrenzt werden, dessen Werte Tabelle 1.9 zu entnehmen sind. Die Zeit, die bis zum Erreichen von VB:1 vergeht, nennt man Standzeit, auf die in Kap. 1.7.2 eingegangen wird. Tabelle 1.9: Zulässige

Verschleißmarkenbreite

bei Hartmetallen

in Abhängigkeit

von der

Bearbeitungsart

Bearbeitungsart

Feinschlichten

Schlichten

leichtes Schruppen

grobes Schruppen

Verschleißmarkenbreite VB.nl [mm]

0,1-0,2

0,2-0,4

0,4-0,6

0,8-1,2

Die zulässige Verschleißmarkenbreite hängt von der Bearbeitungsart ab. Je gröber die Bearbeitung ist, umso stabiler ist der Schneidkeil und umso weniger wichtig ist die Oberflächenqualität, die sich mit zunehmender Verschleißmarkenbreite verschlechtert. B) Plastische Verformung Sie tritt dann auf, wenn die zulässige Belastung des Schneidkeils überschritten wird. Der Schneidkeil wird plastisch verformt, wenn: - die mechanische Belastung durch die Zerspankraft zu hoch ist, z. B. bei zu kleinem Keilwinkel ß - die thermische Belastung so hoch ist, dass die Warmfestigkeit des Schneidstoffs überschritten wird. Bild 1.26 zeigt schematisch einen plastisch verformten Schneidkeil, dessen Werkzeugwinkel a , ß und y sich komplett geändert haben. Dieser Verschleiß tritt verstärkt bei Werkzeug- und Schnellarbeitsstählen auf. Um eine plastische Verformung zu verhindern, muss ein anderer Schneidstoff mit einer höheren Warmfestigkeit gewählt oder die Schnittgeschwindigkeit verringert werden.

44

1 Grundlagen der Zerspanung

Bereich plastischer Verformung

Spanfläche

Bild 1.26: Plastische

Verformung des

Schneidkeils

C) Adhäsion und Aufbauschneidenbildung, siehe Kap. 1.5.3 Unter hohen Drücken und Temperaturen, wie sie auf der Spanfläche vorzufinden sind, werden Adhäsionskräfte wirksam, die Partikel aus dem Werkstückwerkstoff herausreißen. Diese harten Partikel lagern sich auf der Spanfläche an und verschweißen dort zu größeren Teilchen, der sog. Aufbauschneide. Wenn die Aufbauschneide eine bestimmte Größe erreicht hat, wird sie vom abfließenden Span weggerissen oder sie wird in das Werkstück hineingedrückt. Beim Abscheren der Aufbauschneide können auch Schneidstoffpartikel aus der Spanfläche mitgerissen werden und diese aushöhlen. Nach dem Abscheren setzt die Bildung einer neuen Aufbauschneide erneut ein und dieser Vorgang wiederholt sich. Wo sich der Adhäsionsverschleiß bzw. die Aufbauschneide bildet, zeigt Bild 1.27. Da sich die Aufbauschneide periodisch verändert, ändern sich der Spanwinkel y und damit auch der Spanablauf periodisch. Damit sind instationäre und nicht planbare Spanbildungsverhältnisse gegeben, was die Festlegung der optimalen Technologie erschwert. Aufbauschneide

Bild 1.27: Außauschneidenbildung

und

Adhäsionsverschleiß

Ob es zur Bildung von Aufbauschneiden kommt, hängt wesentlich von der Paarung Werkstückwerkstoff-Schneidstoff und der Schnittgeschwindigkeit ab. HSS-Schneidstoffe neigen stark, Hartmetalle weniger und Keramiken nicht zur Aufbauschneidenbildung bei der Bearbeitung von Stahl. Je höher die Schnittgeschwindigkeit ist, umso geringer ist die Gefahr der Aufbauschneidenbildung. D) Diffusion und Kolkverschleiß, siehe Kap. 1.5.3 Bei der Diffusion wandern/diffundieren die Atome des Spans in den Schneidstoff und umgekehrt. Die Diffusionsgeschwindigkeit steigt mit zunehmender Temperatur exponentiell an. Daher tritt Diffusion nur bei hohen Schnittgeschwindigkeiten auf.

45

1.7 Werkzeugverschleiß

Die Diffusion bewirkt eine: - Veränderung der Schneidstoffeigenschaften: Warmfestigkeit und Warmhärte nehmen ab. - Veränderung der Werkzeuggeometrie: Auf der Spanfläche bildet sich Kolkverschleiß. Infolge der Diffusion entsteht Kolkverschleiß. Bild 1,28a zeigt Ihnen schematisch, wie sich die Werkzeuggeometrie bei Kolkverschleiß ändert. Es kommt zu einer muldenförmigen Aushöhlung der Spanfläche, die in der Kolkmitte KM einen maximalen Wert erreicht, da dort auch die höchsten Temperaturen auftreten, siehe Kapitel 1.5.2. KT = Kolktiefe KB = Kolkbreite KM = Kolkmitte

Bild 1.28: (a) Kolkverschleiß

und seine Messgrößen und (b) Einfluss der Kolkmitte KM

Der Kolkverschleiß wird durch drei messbare Größen beschrieben: der Kolkmitte KM, der Kolkbreite KB und der Kolktiefe KT. In der Praxis wird die Kolkzahl K verwendet. Kolktiefe Kolkmitte

= JgT

KM

Der Kolkverschleiß schwächt den Schneidkeil, daher wird der Wert der zulässigen Kolktiefe KT und der Kolkzahl K begrenzt auf KT < 1-1,5 mm und K < 0,4-0,5. Eine große Kolktiefe KT schwächt den Schneidkeil. Je weiter die Kolkmitte KM von der Schneidenspitze entfernt liegt, umso weniger wird der Schneidkeil geschwächt, siehe Bild 1.28b, und umso kleiner ist die Kolkzahl. Mit zunehmender Bearbeitungszeit/Schnittzeit nimmt der Kolkverschleiß zu, wie Bild 1.29 verdeutlicht.

Kzui 6 -

Zeitt Bild 1.29 Kolkverschleißzunahme

mit der Schnittzeit

46

1 Grundlagen der Zerspanung

Diffusion und Kolkverschleiß treten verstärkt bei Hartmetallen auf. Bei Werkzeug- und Schnellarbeitsstählen tritt diese Verschleißform nicht auf, da diese Schneidstoffe auf Grund ihrer geringen Warmhärte nicht bei hohen Temperaturen eingesetzt werden, wo die Diffusion eine wichtige Rolle spielt. Bei Schneidkeramiken tritt Kolkverschleiß kaum auf, da sie chemisch sehr stabil und daher nicht diffusionsfreudig sind. Würde man Stahl mit Diamant oder Siliziumnitridkeramik Si,N 4 bearbeiten, wäre mit einem starken Kolkverschleiß zu rechnen, weshalb man es vermeiden sollte. E) Oxidation - Oxidationsverschleiß, siehe Kap. 1.5.3 Die Oxidation ist ein chemischer Verschleißvorgang bei der, wie Bild 1.30 verdeutlicht, die Randzone der Schneide mit dem Sauerstoff der Umgebungsluft reagiert und eine harte und spröde Oxid-/Zunderschicht bildet. Je höher die Temperatur der Schneide ist, umso stärker ist der Oxidationsverschleiß.

Span fläche

r

7k % Oxidationsverschleiß

Hauptschneide

Bild 1.30: Randzonen mit

Oxidationsverschleiß

Oxidschichten zerstören die Schneidstoffe und können, wenn sie abplatzen und in das Werkstück gedrückt werden, die Werkstückoberfläche beschädigen. Oxidation tritt verstärkt bei Hartmetallen oberhalb von 750 °C auf. Das Vorhandensein einer Oxidschicht ist äußerlich an Farbänderungen, die mit Anlauffarben vergleichbar sind, erkennbar. F) Kamm- und Querrisse Bei Fertigungsverfahren mit unterbrochenem Schnitt, beispielsweise beim Fräsen oder beim Überdrehen einer Längsnut werden die Schneiden einer extremen mechanischen und thermischen Wechselbeanspruchung ausgesetzt. Die mechanische Wechselbeanspruchung, die im Bild 1.31 durch den Verlauf der Schnittkraft F dargestellt ist, führt zu Querrissen, wenn die Wechselfestigkeit überschritten wird. Querrisse verlaufen senkrecht zur Schnittkraft und parallel zur Spanfläche.

47

1.7 Werkzeugverschleiß Fe

t

Richtung der Kammrisse

w w -

Kammrisse

AI

»Uli

-> t

-+• Richtung der Querrisse

AI 1/

Schneidplatte

Spanfläche

Bild 1.31: Entstehung der Kamm- und Querrisse

Die thermische Wechselbeanspruchung, die im Bild 1.31 durch die Temperaturänderung AT dargestellt ist, führt zu Kammrissen. Während des Spanens wird die Schneide aufgeheizt und nach dem Austritt abgekühlt. Durch das periodische Aufheizen und Abkühlen entstehen Längenänderungen AL, der Schneide und damit verbunden thermische Zugeigenspannungen auf der Spanfläche. Wenn die Zugeigenspannungen die Streckgrenze überschreiten, entstehen Risse, die sog. Kammrisse. Der Einsatz von Kühlschmierstoffen vergrößert die Gefahr der Kammrissbildung, da er die Temperaturdifferenz zwischen dem Schneidenein- und -austritt vergrößert.

1.7.2

Standvermögen

Wie bereits im Kapitel 1.7.1 dargestellt, unterliegen die Werkzeuge/Schneidstoffe während ihrer Nutzung unterschiedlichen Verschleißvorgängen, die zu ihrer Abnutzung führen. • -

Begriffe Unter Standvermögen versteht man die Fähigkeit eines Wirkpaares (Werkstück/Schneidstoff) einen bestimmten Zerspanungsvorgang durchzustehen. Um das Standvermögen zu bestimmen, werden Standkriterien und Standgrößen benötigt. - Standkriterien sind maximale Grenzwerte, die die unerwünschten Veränderungen am: - Werkzeug: messbare Verschleißgrößen wie Verschleißmarkenbreite VB, Kolktiefe KT und Kolkmitte KM - Werkstück: messbare Größen wie Maßabweichung, Rauheit, Rattermarken - Zerspanungsvorgang: messbare Größen wie Zerspankraft, Leistung, Drehmoment begrenzen. Beim Erreichen des Standkriteriums muss das Werkzeug ausgetauscht oder nachgeschliffen werden. -

Standgrößen sind Standzeiten T, Standwege L, Standmengen N oder Standvolumen V (selten), die eine Schneide bis zum Erreichen eines vorgegebenen Standkriteriums im Einsatz sein kann. Die Standzeit T ist die Gebrauchsdauer (= Eingriffszeit) eines Werkzeugs, bis das vorgegebene Standkriterium, z. B. VB = 0,4 mm erreicht ist. Bei den meisten Fertigungsverfahren

48

1 Grundlagen der Zerspanung

wird die Standzeit gemessen. Der Standweg L wird beim Fräsen und Bohren als L{ in Vorschubrichtung und beim Hobeln und Räumen als Lc in Schnittrichtung ermittelt. Die einzelnen Standgrößen Standweg L und Standmenge N hängen von der Standzeit T ab, wie die folgende Gleichungen zeigt: Lf=T-f-n

Lc=Tvc

(1.27)

T N =— h

1.7.2.1 Ermittlung der Standzeit T Gl. (1.27) macht deutlich, dass die Standzeit die zentrale Standgröße ist. Sie hängt ab von: -

nicht mehr beeinflussbaren Größen wie Schneidstoff, Werkstückwerkstoff, dynamisches Verhalten der Maschine, des Werkstücks und des Werkzeugs, Werkzeuggeometrie und Kühlschmierstoff sowie - direkt beeinflussbaren technologischen Größen wie Vorschub /, Schnitttiefe ap und Schnittgeschwindigkeit vr. F.W. Taylor [58] fand durch Experimente heraus, dass die Schnittgeschwindigkeit v. den größten Einfluss auf die Standzeit T nimmt und hat diesen Zusammenhang mathematisch beschrieben T = Cv-vck

bzw.

(1.28)

Uk

vc=CT-T

In obiger Gleichung ist C die Standzeit T bei vc = 1 m/min und CT die Schnittgeschwindigkeit bei T = 1 min. Die Konstanten C und CT sind Werkstoff- und schneidstoffabhängig. Tabelle 1.10: Koeffizienten der Taylor-Geraden

einiger Werkstoffe und Schneidstoffe (nach [60])

Werkstück-

Schneidstoffe

Werkstoff

unbeschichtetes Hartmetall

CT

k

299

-3,85

CT 385

k

E 295 (St 50-2)

-4,55

1.210

-2,27

42 CrMo4V

177

-5,26

234

-6,25

830

-2,44

53

-10,0

102

-10

1257

-2,78

k

GG-40

beschichtetes Hartmetall

Oxid-/Nitridkeramik

Gl. (1.28) sagt aus, dass sich mit zunehmender Schnittgeschwindigkeit vc die Standzeit T verringert. Durch Logarithmieren der Gl. (1.28) erhält man l o g r = logC v + Ä : l o g v c

(1.29)

49

1.7 Werkzeugverschleiß

Im doppellogarithmischen Maßstab ist T-vc eine Geradengleichung, die sog. Taylor-Gerade mit der Steigung k, was auch im Bild 1.32 schematisch dargestellt ist. Die Gerade hat eine negative Steigung, da sich mit zunehmender Schnittgeschwindigkeit die Standzeit verringert. Die Taylor-Gerade gilt immer nur für ein Standzeitkriterium, im Bild 1.32 ist sie für die Verschleißmarkenbreiten VB = 0,2 mm und VB = 0,4 mm dargestellt. Lässt man eine Verschleißmarkenbreite VB = 0,4 mm gegenüber VB = 0,2 mm zu, dann ist auch im Punkt P3 die Standzeit T} größer als Tv bei einer Schnittgeschwindigkeit vc2. Die unterschiedlichen Koeffizienten k der Taylor-Geraden, die bereits Tabelle 1.10 zu entnehmen sind, sind im Bild 1.32b als Geraden unterschiedlicher Steigungen dargestellt. Die einzelnen Schneidstoffe haben sehr unterschiedliche Schnittgeschwindigkeitsbereiche, siehe Länge der Taylor-Geraden projiziert auf die v-Achse, in denen sie optimal eingesetzt werden. Keramik C

logT

beschichtetes Hartmetall HC

V B = 0,2 m m V B = 0,4 m m

lo

S

Schnellarbeitsstahl HSS

T

Ti ?•



log VC

HSS

HC log

Bild 1.32: Standzeitgeraden für zwei Standkriterien (links) und unterschiedliche

Schneidstoffe

VC

(rechts)

Ist die Standzeit T, für die Schnittgeschwindigkeit vcl bekannt, dann kann daraus die Standzeit T2 für eine Schnittgeschwindigkeit vc2 errechnet werden. = C v • v*

(1.30)

T2=Cv-vkc2

Dividiert man beide Gleichungen, so erhält man: k

bzw.

(1.31)

-k

T2 = T r

— 1T • "

V

_ c2_

1

2

(1-32)

50

1 Grundlagen der Zerspanung



Die Steigung der Taylor-Geraden wird wie folgt ermittelt: - Versuch 1: experimentelle Ermittlung der Standzeit Tt bei einer Schnittgeschwindigkeit vrl und vorgegebenem Standkriterium, z. B. VB = 0,4 mm - Versuch 2: experimentelle Ermittlung der Standzeit T2 bei einer Schnittgeschwindigkeit vc2 und gleichem Standkriterium wie bei Versuch 1, z. B. VB = 0,4 mm - Eintragen der Ergebnisse in ein doppellogarithmisches Diagramm - Steigung der Geraden aus dem Diagramm ablesen.



Eine weitere Möglichkeit besteht darin, nachdem die Ergebnisse der Versuche 1 und 2 vorliegen, die Steigung rechnerisch über Gleichung (1.29) zu ermitteln. log Tx = log C v + £ • log v cl

(1.33)

log T2 =\ogCv+k-

(1.34)

log v e2

Subtrahiert man Gl. (1.34) von Gl. (1.33) erhält man: log Tx - log T2 = log C v + k • log v cl - log C v - k • log v e2 log Tt - log T2 = & -[log vcl - log v c2 ] und daraus k=

' ° g r< ~ ' ° g ^ log v cl - log v c2

(1.35)

Der große Vorteil der Taylor-Gleichung liegt in der einfachen Handhabbarkeit und in dem geringen Aufwand zur rechnerischen Ermittlung des Koeffizienten k. Der Nachteil liegt darin, dass sie außer dem Wirkpaar Werkstück/Schneidstoff nur den Einfluss der Schnittgeschwindigkeit erfasst und diesen auch nur in einem begrenzten Bereich. Weitere Einflussgrößen wie Vorschub, Zustellung, Kühlschmierstoff werden nicht aufgenommen, allerdings ist deren Auswirkung auf die Standzeit T auch nicht so groß wie die der Schnittgeschwindigkeit. Auch der Kostenaspekt wird nicht berücksichtigt. 1.7.2.2 Kostenoptimale und zeitoptimale Standzeit Wie die Standzeit T bei einer vorgegebenen Schnittgeschwindigkeit vr ermittelt werden kann, wurde im vorangehenden Kapitel beschrieben. Der Arbeitsplaner/NC-Programmierer hat die Aufgabe, die Technologie so festzulegen, dass entweder: -

die Fertigungszeit optimiert/minimiert wird oder die Fertigungskosten optimiert/minimiert werden.



Eine Erhöhung der Schnittgeschwindigkeit vt, mit dem Ziel, die Fertigungszeiten zu verringern, bewirkt, dass - die Standzeit verringert wird, - die Anzahl der Werkzeugwechsel zunehmen, - die Werkzeugkosten ansteigen,

1.7 Werkzeug verschleiß -

51

die Hauptzeiten verringert werden, die Lohnkosten, auf Grund geringerer Hauptzeiten verringert werden und die Maschinenkosten, auf Grund geringerer Hauptzeiten reduziert werden.

Entscheidende Zielgröße ist in vielen Unternehmen, die Herstellkosten KH eines Werkstücks, die sich aus den Maschinen- und Lohnkosten, den Werkzeug- und Fixkosten zusammensetzt, zu verringern. Fixkosten sind Kosten, die unabhängig von der Nutzungszeit anfallen, wie Abschreibungskosten, Zinskosten, Raumkosten, Restgemeinkosten etc., siehe hierzu Kap. E. Die Fixkosten (Verlauf 4) sind definitionsgemäß unabhängig von der Schnittgeschwindigkeit vc. Eine Erhöhung der Schnittgeschwindigkeit vt führt immer zu einer Verringerung der Maschinen* und Lohnkosten (Verlauf 3) und zu einer starken Zunahme der Werkzeugkosten (Verlauf 2), siehe Bild 1.33. Die Summe aller drei Kostenverläufe 1, 2 und 3 ergibt die Herstellkosten KH, die bei der kostenoptimalen Schnittgeschwindigkeit vcok minimal sind. Links der kostenoptimalen Schnittgeschwindigkeit vcot führt eine Erhöhung der Schnittgeschwindigkeit zu einer Herstellkostenverringerung und rechts davon zu einer Herstellkostenerhöhung. Daher kann man nicht grundsätzlich behaupten, dass eine Erhöhung der Schnittgeschwindigkeit immer zu einer Verringerung der Herstellkosten führt.

1 Herstellkosten 2 Werkzeugkosten 3 Maschinen- und Lohnkosten 4 Fixkosten

Klimm

Bild 1.33: Abhängigkeit der Herstellkosten von der Schnittgeschwindigkeit \\

Vcok

KH

Aus diesem Ansatz heraus kann die kostenoptimale Schnittgeschwindigkeit vcok, bei der die Herstellkosten KHmln minimal sind, errechnet werden. Auf eine Herleitung wird an dieser Stelle verzichtet. \lk v

cok

•c,

- ( ¿ + 1)

K, WZz

K

(1.36)

ML

mit der Werkzeugwechselzeit tWwz, den Werkzeugkosten je Schneide Km und dem Maschinen- und Lohnstundensatz KML. Durch Einsetzen der Gl. (1.36) in die Taylor-Gleichung (1.29) erhält man die kostenoptimale Standzeit TOK, die unabhängig von den Fixkosten ist.

52

1 Grandlagen der Zerspanung K, WZz K ML

(1.37)

Die zeitoptimale Schnittgeschwindigkeit vM liefert Gl. (1.38). VCO, = CT [-(K

+

L)-TWWZ]WK

(1.38)

Die zeitoptimale Standzeit TA kann aus Gl. (1.39) ermittelt werden: TOT=-(k

+

\)-TWZ

(1.39)

Die zeitgünstigste Standzeit TA ist stets kleiner als die kostenoptimale Standzeit TOK und die zeitgünstigste Schnittgeschwindigkeit vcol ist stets größer als die kostengünstigste vcok. TOL < TOK v

co,

1.7.3

>

(1.40)

v

cok

Fragen - Übungen

1.

Welche Verschleißmechanismen kennen Sie?

2.

Beschreiben Sie diese stichpunktartig.

3.

Welche Auswirkungen auf das Werkzeug und die Spanbildung hat die Aufbauschneidenbildung?

4.

Unter welchen Bedingungen tritt Aufbauschneidenbildung auf?

5.

Tragen Sie in das untere Bild die Verschleißkenngrößen ein.

6.

Erläutern Sie anhand einer Skizze die Entstehung der Kamm- und Querrisse.

7.

Welcher Verschleißmechanismus führt zum Kolkverschleiß?

8.

Was versteht man unter den Begriffen Standvermögen und Standgrößen?

9.

Wie kann der Zusammenhang zwischen Schnittgeschwindigkeit und Standzeit mathematisch beschrieben werden?

10. Tragen Sie in das untere Bild die Taylorgeraden für die Schneidstoffe HSS, HC und C qualitativ ein. 11. Tragen Sie den veränderten Verlauf ein, wenn das Standkriterium erhöht wurde, z. B. von VB = 0,2 mm auf VB = 0,4 mm.

53

1.8 Kühlschmierstoffe log T

log

VC

12. Beispiel a) Ein Werkzeug aus Oxidkeramik mit k = -2,2 hat bei der Schnittgeschwindigkeit vc, = 150 m/min eine Standzeit T\ = 30 min. Ermitteln Sie die Standzeit T2 für eine Schnittgeschwindigkeit vc2 = 300 m/min. Leiten Sie sich hierbei die erforderliche Beziehung her. b) Ist die oben berechnete Standzeit auch gleichzeitig die kostenoptimale Standzeit? Begründen Sie Ihre Antwort. c) Tragen Sie qualitativ den Verlauf der Standzeitgeraden für einen Schneidstoff aus Hartmetall und Schneidkeramik bei der Trockenbearbeitung in das obere Bild ein. d) Ist die zeitgünstigste Standzeit T0, kleiner als die kostenoptimale Standzeit Tok und die zeitgünstigste Schnittgeschwindigkeit vco, größer als die kostengünstigste Schnittgeschwindigkeit vcokl Begründen Sie Ihre Antwort. Die Lösungen finden Sie auf den Internetseiten des Verlages unter http://www.oldenbourgverlag.de unter dem Buchtitel.

1.8

Kühlschmierstoffe

Wie Sie im Kap. 1.5.2 gesehen haben, wird beim Spanen fast der gesamte Anteil der aufgebrachten Energie in Wärmeenergie umgewandelt, die zu einer unerwünschten Erwärmung des Werkstücks und des Werkzeugs führt. Auch wenn heute die Trockenzerspanung zunehmend an Bedeutung gewinnt, sind Kenntnisse über Kühlschmierstoffe, Abk. KSS, für den Zerspaner sehr wichtig [17].

1.8.1 A) -

Aufgaben und Einteilung

Die wesentlichen Aufgaben der Kühlschmierstoffe, Abk. KSS, sind: Kühlwirkung, um die entstehende Wärme abzuführen Schmierwirkung, um die Reibung und die damit verbundene Reibwärme zu verringern Verschleißminderung und Standzeiterhöhung infolge Schmierung Verringerung der Zerspankräfte auf Grund der Schmierung

54 -

1 Grundlagen der Zerspanung Spülung, um einerseits die Späne beispielsweise beim Tieflochbohren wegzuspülen und andererseits durch den hohen Spüldruck den Spanablauf zu begünstigen Reinigung von Spankammern beim Honen und Schleifen Staubbindung bei der Zerspanung von Grauguss.

-

Kühlschmierstoffe müssen weitere Anforderungen erfüllen, wie: - Korrosionsschutz der Maschinenkomponenten Gesundheitsverträglichkeit - Umweltverträglichkeit, da KSS nach dem Gebrauch entsorgt werden müssen. B) Einteilung der KSS in zwei Gruppen nach DIN 51385: - Nichtwassermischbare KSS sind Mineralöle mit Zusatzstoffen, sog. Additiven. - Wassermischbare KSS sind Mineralöle und Zusatzstoffe mit Wasser gemischt, sog. Emulsionen mit einem Wasseranteil von 90-99 %. 00

c

3

Wasser

Ol Schmierwirkung

B i l d 1 3 4 : Kühl

~

u n d Schmienvirkun 8

von KSS

Kühlschmierstoffe bestehen aus Wasser und/oder Öl. Diese beiden Komponenten haben sehr unterschiedliche Wirkungen, wie Bild 1.34 verdeutlicht. Wasser hat einerseits die beste Kühlwirkung, da es eine hohe Wärmeleitfähigkeit und -kapazität besitzt und andererseits eine geringe Schmierwirkung. Wasser verursacht Rosten der Maschinenkomponenten. Öle hingegen besitzen die besten Schmiereigenschaften und eine geringe Kühlwirkung. Beim Einsatz von KSS ist im Vorfeld, abhängig vom Fertigungsverfahren und der Technologie, zu klären, ob eine Kühl- oder eine Schmierwirkung erforderlich ist. Beim Räumen oder Gewindeschneiden sind die Schnittgeschwindigkeiten und damit die Prozesstemperaturen gering. Hier benötigt man zur Verringerung der Gefahr der Aufbauschneidenbildung und zur Verbesserung der Oberflächenqualitäten eine Schmierwirkung, und daher Öl als KSS. Werden Schneidstoffe mit einer geringen Warmhärte, z. B. HSS eingesetzt oder werden hohe Schnittgeschwindigkeiten realisiert, z. B. beim Schleifen oder Fräsen, dann muss der KSS hauptsächlich Wärme abführen und damit Kühlwirkung besitzen. Daher werden Emulsionen verwendet. Kühlschmierstoffe enthalten eine Vielzahl (bis 200) von Zusatzstoffen/Additiven, um deren Eigenschaften, wie Kühl- und Schmierwirkung, Druckbeständigkeit bei hohen Temperaturen, Wasserlöslichkeit, Geruchsfreiheit, Antischaumbildung, Antinebelbildung, Alterungsbeständigkeit, Korrosionsschutz, Entflammbarkeit, Benetzbarkeit, um sie vom Werkstück leicht zu entfernen, zu verbessern.

55

1.8 Kühlschmierstoffe

1.8.2

Probleme beim Umgang mit Kühlschmierstoffen

In den letzten Jahren ist den Anwendern der problematische Umgang mit KSS zunehmend bewusster geworden. Es wurde erkannt, dass KSS ein krebserzeugendes Potenzial besitzen, sodass man sie als Gefahrstoffe eingestuft hat, deren Umgang und Handhabung eingeschränkt wurde und überwacht werden muss. A) Menge und Kosten Der Gesamtverbrauch an KSS im Jahre 1991 betrug ca. 87.000 Tonnen an wassermischbaren und nichtwassermischbaren KSS. Davon wurden ca. 33.000 Tonnen wassermischbare KSS verbraucht, wie Bild 1.35 zeigt. Da diese KSS als Emulsionen eingesetzt werden mit einem Ölgehalt von lediglich ca. 3 %, ergibt das ein zu entsorgendes Gesamtvolumen von ca. 1 Mio. Tonnen pro Jahr. Wenn man 1 m3 - Behälter (entspricht ca. einer Tonne) entlang der Straße hintereinander aufstellt, könnte man eine Strecke von 1.000 km damit säumen. Das entspricht der Entfernung von Offenburg bis zur spanischen Grenze.

nichtwassermischbare KSS: 54.238 t

wassermischbare KSS: 33.116 t

Bild 1.35: Kühlschmierstoffverbrauch re 1991 (nach [46])

in Deutschland im Jah-

Abhängig vom Verschmutzungsgrad der KSS sind immense Beträge zur Entsorgung aufzuwenden. Die Entsorgung wird meistens innerbetrieblich durchgeführt, da sie preiswerter als Fremdentsorgung ist. Die Entsorgungskosten hängen vom Verunreinigungsgrad ab, wie Bild 1.36 zeigt. Nicht enthalten sind hierbei die Kosten zur Pflege der KSS.

bis 3.000 DM/m 3

KSS stark verunreinigt, Sondermüll

bis 800 DM/m 3

KSS wenig verunreinigt

bis 130 DM/m 3

KSS innerbetrieblich aufbereitet

Bild 1.36: Entsorgungskosten von Kühlschmierstoffen

wassermischbaren

Bild 1.37 macht am Beispiel der Zylinderkopffertigung deutlich, dass der Kostenanteil der KSS von 16,9 % fast doppelt so groß wie der Lohnkostenanteil von 8,8 % und mehr als doppelt so groß wie der variable Maschinenkostenanteil ist. Die hier nicht explizit im Bild aufgeführten Werkzeugkosten lagen bei ca. 4 %. Bild 1.37 verdeutlicht auch, dass obwohl kapitalintensive Fertigungseinrichtungen mit hohen fixen Maschinenkosten eingesetzt werden, die KSS-Kosten sehr hoch sind, und daher ein beträchtliches Einsparungspotenzial besitzen.

56

1 Grundlagen der Zerspanung 1 Fixe Maschinenkosten; 2 Restgemeinkosten 3 Variable Maschinenkosten; 4 Lohnkosten; 5 KSS-Kosten

2 27,5 %

39,4%

Bild 1.37: Aufteilung der Fertigungskosten bei der Zylinderkopffertigung[3,

B) Gesundheit

Wassermischbare KSS besitzen krebserzeugendes Potenzial, da sich N-Nitrosamine bilden können, die Krebs auslösen können und daher als Gefahrstoffe eingestuft wurden. Der ständige Umgang mit KSS kann die Gesundheit des Mitarbeiters beeinträchtigen, wie: -

Augen: Rötungen, Juckreiz, Tränen Bronchien und Lunge, wenn KSS-Tröpfchen (KSS-Nebel) eingeatmet werden: Husten, Atembeschwerden, Krebs Haut: Jucken, Ausschlag, toxische oder allergische Kontaktekzeme, siehe Bild 1.38.

Hier sind einige Vorsorgemaßnahmen aufgeführt, die die Problematik verdeutlichen soll. Die Berufsgenossenschaft (BG) schreibt vor, dass alle Mitarbeiter, die mit KSS in Verbindung treten, auf Grund ihres krebserzeugenden Potenzials jährlich einmal geschult werden müssen. Des Weiteren werden Mitarbeiter von Betriebsärzten halbjährlich untersucht und an jedem KSS-Arbeitsplatz ist eine KSS-Arbeitsanweisung anzubringen. Diese gesundheitlichen Beeinträchtigungen können für manche Mitarbeiter erheblich sein, -

einen Arbeitsausfall zur Folge haben einen Arbeitsplatzwechsel erforderlich machen oder gar zur Berufsunfähigkeit führen. Ca. 3 % aller von der Berufsgenossenschaft (BG) anerkannten Berufsunfähigkeit sind auf KSS zurückzuführen. Augen

Bronchien Lunge

Hauterkrankungen Bild 1.38: Gesundheitsbeeinträchtigungen

durch KSS

C) Umwelt

KSS werden zwar weitestgehend aufbereitet, sie müssen dennoch ca. zweimal jährlich komplett erneuert werden. Die ca. 1 Mio. Tonnen wassermischbaren KSS müssen entsorgt werden und stellen auf Grund ihrer komplexen Zusammensetzung mit mehr als 200 Zusatzstoffen eine Belastung für die Umwelt dar.

1.8 Kühlschmierstoffe

1.8.3

57

Pflege und Kontrolle der Kühlschmierstoffe

Während des Einsatzes verändern sich die KSS. Um sicherzustellen, dass der eingesetzte wasserlösliche KSS einerseits seine Funktion noch erfüllt und andererseits keine erhöhte Gefährdung für den Menschen auftritt, ist ein Wartungsplan für die KSS zu erstellen. Er enthält Angaben über die durchzuführenden Prüfungs-, Pflege- und Reinigungsmaßnahmen. •

Kontrolliert und geprüft wird bei wasserlöslichen KSS: - Gebrauchskonzentration von z.B. 3 % mit einem Handrefraktometer: täglich bis wöchentlich pH-Wert von pH < 8,8-9,2 mit einem pH-Papier oder pH-Meter: wöchentlich, - Keimzahl NK < 105 - 106 mit der Dip-Slide-Methode oder im Labor: monatlich Nitritgehalt N02/1 < 20 mg/1 mit einem Nitrit-Teststäbchen: wöchentlich. Werden die oben aufgeführten Grenzwerte überschritten, ist der KSS zu reinigen oder zu wechseln. Die Reinigung erfolgt mittels feststehender oder mobiler Reinigungssysteme.

1.8.4 A)

Entwicklungstendenzen bei Kühlschmierstoffen

Trockenzerspanung

Die Entwicklungen der letzten Jahre gehen dahin, KSS weitestgehend zu vermeiden [47, 73]. Die Trockenzerspanung, bei der man ohne KSS arbeitet, ist bereits bei einigen Anwendungen wie die Gussbearbeitung Stand der Praxis. •



Vorteile der Trockenbearbeitung - keine Gesundheitsbeeinträchtigung - umweltschonend - keine Entsorgung, dadurch keine Entsorgungskosten - kein Waschen der Werkstücke nach der Bearbeitung - Maschine ohne Kühlsystem, daher einfacherer Aufbau und billiger. Nachteile der Trockenbearbeitung - längere Bearbeitungszeiten - Verringerung der Produktivität - hohe Wärmeentwicklung - geringere Maschinenlebensdauer - geringere Maßhaltigkeit, da sich das heiße Werkstück verformt - schlechtere Oberflächen, evtl. Aufbauschneidenbildung - Aufhärtung der Werkstück-Randschicht - kein Späneabtransport durch KSS.

Um jedoch trocken zu zerspanen, benötigt man: - neue Schneidstoffe, wie Cermets, Nitridkeramik, - neue Beschichtungen, wie TiAlN - andere Werkzeuggeometrien - neue Maschinenkonzepte, da die heißen Späne vom KSS nicht mehr abgekühlt werden, die Maschine erwärmen, wodurch ihre Genauigkeit verringert wird. Präzisionsmaschinen

58

1 Grundlagen der Zerspanung besitzen eine Temperaturkompensation, um Temperatur bedingte Längenänderungen auszugleichen.

B) Modifizierte KSS Der Trend zeichnet sich dahingehend ab, wassermischbare KSS durch nichtwassermischbare zu ersetzen. Andererseits setzt man synthetische, biologisch abbaubare Öle ein. C) Mikrostrahl- bzw. Minimalschmierung Da es zur Zeit „noch" nicht möglich ist, alle Zerspanungsprozesse ohne den Einsatz von KSS wirtschaftlich zu betreiben, hat man Minimalschmierungskonzepte erarbeitet, die mit einem Minimum an KSS auskommen. Mit der Minimalschmierung konnte beim Bohren, siehe Kap. 3.7.5 Hochgeschwindigkeitsbohren, die Schmierstoffmenge von 7201/h auf 6 ml/h (!!!) verringert werden, was einer Reduktion um den Faktor 120.000 entspricht. Die Reduktion ist dadurch möglich, dass der Schmierstoff mit Teilchengrößen < 1 (im nebeiförmig zugeführt wird. Die Minimalschmierung erfolgt entweder von außen (extern) oder man setzt mehr Werkzeuge mit integrierter Kühlmittelzuführung (intern) ein, bei denen der Schmierstoff über die Spindel, durch das Werkzeug hindurch, zur Schneide gelangt. Die KSS-Menge kann auch abhängig von der Zerspanungsoperation zugeführt werden.

1.8.5

Fragen - Übungen

1.

Welche wesentlichen Aufgaben haben Kühlschmierstoffe, Abk. KSS?

2.

Nennen Sie die zwei Hauptgruppen von KSS.

3.

Welche Probleme können beim Umgang mit KSS auftreten?

4.

Was muss wie oft bei KSS geprüft werden?

Die Lösungen finden Sie auf den Internetseiten des Verlages unter http://www.oldenbourgverlag.de unter dem Buchtitel.

1.9

Zerspanbarkeit/Bearbeitbarkeit von Werkstoffen

Fragen: Wie gut lässt sich ein Werkstoff zerspanen? Tritt dabei ein erhöhter Verschleiß auf? Welche Spanarten entstehen? In der Praxis ist die Fragestellung, wie sich ein Werkstoff bearbeiten bzw. zerspanen lässt, von entscheidender Bedeutung, sowohl für die Mitarbeiter der Konstruktion als auch für die der Produktion. Die Bearbeitbarkeit des vom Konstrukteur festgelegten Werkstoffs beeinflusst unmittelbar die Herstellkosten des Werkstücks. Ein Werkstoff, der sich gut bearbeiten lässt, kann mit höheren Schnittgeschwindigkeiten und höheren Vorschüben zerspant werden, wodurch die Maschinen- und Lohnkosten verringert werden. •

Definition: Unter Zerspanbarkeit eines Werkstückwerkstoffs versteht man dessen Eigenschaft, sich unter vorgegebenen technologischen Bedingungen spanend bearbeiten zu las-

1.9 Zerspanbarkeit/Bearbeitbarkeit von Werkstoffen

59

sen. Gemeint ist damit, wie einfach bzw. schwierig ein Werkstoff spanend zu bearbeiten ist, weshalb die Zerspanbarkeit auch als Bearbeitbarkeit bezeichnet wird. Die Zerspanbarkeit ist eine summarische Größe, die allgemein nicht durch einen Kennwert beschrieben werden kann. Eine gute Zerspanbarkeit liegt vor, wenn: - die Spanform günstig, - die erzeugte Werkstückoberfläche gut, - die Zerspankraft klein, - die Zerspanungsleistung gering und - die Standzeit hoch ist. Die oben genannten Merkmale einer guten Zerspanbarkeit müssen nicht immer gleichzeitig erfüllt werden. Abhängig von der Bearbeitungsart ist das eine oder das andere Merkmal ausschlaggebend, z. B. beim Feinschlichten die Oberfläche, beim Schruppen das Volumen und die Standzeit und an Drehautomaten die Spanform. Beim Fräsen spielt die erzeugte Spanform eine untergeordnete Rolle, da sie ohnehin kommaförmig und klein ist.

1.9.1

Einflussgrößen auf die Zerspanbarkeit

Die Zerspanbarkeit wird von einer Vielzahl von Größen beeinflusst [32, 68], wie: •



der Werkstückwerkstoff und - chemische Zusammensetzung: Legierungsbestandteile, Begleitstoffe, Zusätze - Wärmebehandlung: Gefügeart, Härte, Festigkeit, Korngröße, Kornform - Oberfläche: gehärtete Randzonen, Oxid- oder Zunderschicht, Gusshaut die Zerspanungsbedingungen - Fertigungsverfahren: Drehen, Fräsen, Bohren, Reiben, Räumen - Werkzeug: Geometrie, Schneidstoff, Steifigkeit - Technologie: Vorschub, Schnittgeschwindigkeit, Schnitttiefe, Kühlschmierstoff - Maschine: Steifigkeit, Kühlschmierstoffmenge und -form (flüssig oder als Nebel).

A) Einflussgröße

Werkstückwerkstoff

Im Allgemeinen ist die Zerspanbarkeit/Bearbeitbarkeit gut, wenn der Werkstoff eine geringe Festigkeit und Härte besitzt. Eine Ausnahme bilden langspanende Werkstoffe, die zur Aufbauschneidenbildung neigen. Je größer das Gefügekorn ist, umso geringer ist auch dessen Festigkeit. Sprödere Werkstoffe mit einer geringen Dehnung lassen sich gut bearbeiten, da sie eine günstige Spanform erzeugen. Werkstoffe mit einer geringen Dehnung haben im Allgemeinen auch eine hohe Härte, sodass stets ein Kompromiss zwischen Festigkeit und Dehnung bezüglich der Bearbeitbarkeit gesucht werden muss. Eine harte Randzone, wie sie bei Gusswerkstücken, geschmiedeten Werkstücken oder gehärteten Oberflächen auftritt, belastet die Schneidkante sehr stark. Die Schnitttiefe sollte größer als die Randzonendicke gewählt werden. Der Spanbruch wird auf Grund der Härteunterschiede zwischen Randzone und Grundgefüge erleichtert.

60

1 Grandlagen der Zerspanung

Inhomogene Werkstückwerkstoffe erleichtern den Spanbruch und ergeben günstige Spanformen. B) Einflussgröße

Zerspanungsbedingungen

Größere Vorschübe, geringere Schnittgeschwindigkeiten und geringere Spanwinkel ergeben günstige Spanformen. Andererseits nehmen die Zerspankraft F und die erforderliche Antriebsleistung PM zu.

1.9.2

Zerspanbarkeit von Eisenwerkstoffen

Bei den Eisenwerkstoffen ist Kohlenstoff das wichtigste Legierungselement. Stahl besitzt einen Kohlenstoffanteil C < 2,06 % und Gusseisen C > 2,06 %. Eisen ist der am meisten verwendete Werkstoff. Die Zerspanbarkeit hängt stark vom Gefüge ab, das abhängig vom Kohlenstoffgehalt dem Fe-C Diagramm zu entnehmen ist, siehe hierzu Bild 1.39. A) Zerspanbarkeit und Gefiige T[°cr 1.500

1.147

%C Bild 1.39: Vereinfachtes Eisen-Kohlenstoff-Diagramm

-

-

-

6,67

%C

(links), Gefügeanteile in [ % ] (rechts)

Ferrit (a-Eisen) hat eine geringe Festigkeit und Härte. Es besitzt eine hohe Dehnung und eine starke Neigung zur Bildung von Aufbauschneiden. Beim Zerspanen entstehen Fließspäne, die Werkstückoberfläche ist schlecht und beim Werkzeugein- und -austritt entsteht ein Grat am Werkstück. Zementit (Fe3C) ist eine intermediäre Phase, die sehr hart und spröde und daher nicht zerspanbar ist. Wird zementithaltiges Gefüge zerspant, entsteht ein sehr starker abrasiver Verschleiß. Perlit besteht aus Ferrit mit eingelagerten Zementitlamellen. Es besitzt eine höhere Festigkeit und Härte als Ferrit. Mit zunehmendem Kohlenstoffanteil nimmt der Anteil von Perlit gegenüber Ferrit zu. Im eutektoiden Punkt S mit 0,8 % C besteht das Gefüge aus

1.9 Zerspanbarkeit/Bearbeitbarkeit von Werkstoffen

-

61

100 % Perlit. Mit zunehmendem Perlitanteil wird die Zerspanbarkeit erschwert, da der abrasive Verschleiß zunimmt. Bei Stählen mit einem Kohlenstoffanteil von 0,8 % < C < 2,06 % scheidet sich der überschüssige Kohlenstoff, das ist der Kohlenstoff, der nicht mehr im Perlit gebunden werden kann, als Zementit an den Korngrenzen ab, wodurch der abrasive Verschleiß und der Kolkverschleiß sehr stark zunehmen. Ledeburit ist eine eutektische Legierung mit einem Kohlenstoffanteil von 4,3 %. Punkt C im Eisen-Kohlenstoff-Diagramm ist das Eutektikum. Eutektische Legierungen werden in der Gießerei bevorzugt, da die Schmelze direkt zum Festkörper, hier zum Gefüge Ledeburit erstarrt. Ledeburit tritt ab einem Kohlenstoffanteil C > 2,06 % auf und besteht bei Raumtemperatur aus Perlit und Zementit. Ledeburit ist sehr hart und spröde, weshalb es schwer zerspanbar ist.

B) Begleitelemente und Zerspanbarkeit Begleitelemente sind im Wesentlichen durch die Stahlerzeugung bedingt und immer im Stahl enthalten. Dazu zählen: - Mangan Mn erhöht die Festigkeit und bildet mit Schwefel MnS. - Schwefel S bildet Sulfide. Das FeS ist unerwünscht, während das MnS erwünscht ist. MnS verringert die Reibung auf der Spanfläche, erzeugt kurze Späne und verringert die Neigung zur Aufbauschneidenbildung. - Blei Pb erzeugt auf Grund seines geringen Schmelzpunktes von nur 326 °C einen benetzenden Bleifilm, der die gleiche Wirkung wie MnS hat, nämlich eine Verringerung der Kontaktreibung, kurze Späne erzeugt und die Neigung zur Aufbauschneidenbildung verringert. Das Schwermetall Blei ist gesundheitsgefährdend! - Phosphor P führt zu einer Ferritversprödung, die kurze Späne bewirkt. - Silizium Si erhöht die Festigkeit des Ferrits und erzeugt harte Si02-Einschlüsse, die den abrasiven Verschleiß erhöhen. C) Legierungselemente und Zerspanbarkeit Die Legierungselemente werden absichtlich dem Eisen zugefügt, um seine mechanischen und thermischen Eigenschaften gezielt zu beeinflussen/verbessern: - Chrom Cr bildet mit Kohlenstoff harte Karbide, die die Zerspanbarkeit verschlechtern. - Molybdän Mb bildet ebenfalls harte Karbide, die die Bearbeitbarkeit verschlechtern. - Nickel Ni erhöht die Festigkeit und die Zähigkeit des Stahls und verschlechtert die Zerspanbarkeit. - Titan Ti und Vanadium V steigern die Festigkeit, bilden Karbide und bewirken eine Verringerung der Korngröße. Die Zerspanbarkeit wird verschlechtert. 1.9.2.1 Zerspanbarkeit der Automatenstähle Sie wurden speziell für die Bearbeitung auf Drehautomaten entwickelt, bei denen - ein gesicherter Spanbruch und damit kurze Späne, - gute Oberflächen und - ein geringer Verschleiß gefordert werden. Das erreicht man durch die Zusätze von Blei Pb, Schwefel S und Phosphor P, die bei der Stahlerzeugung zugefügt werden. Auf Grund der gesundheitsschädlichen Wir-

62

1 Grundlagen der Zerspanung

kung des Schwermetalls Blei sollten die Drehautomaten gekapselt sein und über eine Absaugeinrichtung verfügen. •

Typische Automatenstähle sind 9 S Mn 28, 9 S Mn Pb 28, 45 S 20.

1.9.2.2

Zerspanbarkeit der Einsatzstähle

Einsatzstähle besitzen einen Kohlenstoffgehalt C < 0,2 % und haben ein ferritisches Gefüge. Für die Zerspanung wird das Gefüge grobkorngeglüht. Da das Ferrit zur Aufbauschneidenbildung neigt, siehe Kap. 1.7.1, müssen diese Stähle bei hohen Schnittgeschwindigkeiten und mit einem positiven Spanwinkel y > 0° zerspant werden. Nach dem Zerspanen im grobkorngeglühten Zustand erfolgt das Einsatzhärten, daher auch die Bezeichnung Einsatzstähle, bei denen die Randzone aufgekohlt wird. Hierbei diffundieren Kohlenstoffatome in die Randschicht, wodurch diese eine Erhöhung der Härte erfährt. Die Zerspanung im Grobkorn erfolgt mit Hartmetallen wie HW P10 oder HC P10 und der einsatzgehärtete Stahl mit einer Rockwell-Härte von 45 < HRC < 60 mit Feinstkornhartmetallen, Mischkeramiken oder CBN. •

Typische Einsatzstähle sind C 10, C 15, 16 Mn Cr 5, 18 Cr Ni 8.

1.9.2.3

Zerspanbarkeit der Vergütungsstähle

Vergütungsstähle besitzen einen Kohlenstoffgehalt zwischen 0,2 %< C < 0,6 %. Als Legierungselemente enthalten die legierten Stähle Cr, Ni, Mo, V, Si und Mn. Die höhere Festigkeit gegenüber Einsatzstählen und die eingelagerten Karbide der legierten Vergütungsstähle führen zu einem höheren Werkzeugverschleiß. Unlegierte Vergütungsstähle besitzen ein ferritisch - perlitisches Gefüge, bei dem mit abnehmendem Ferritanteil die Neigung zur Aufbauschneidenbildung verringert und die Zerspanbarkeit verbessert wird. Im normalisierten Zustand, der Ferrit und Perlit enthält, erfolgt die Schruppbearbeitung und im vergüteten Zustand die Feinbearbeitung. Vergütungsstähle mit einer Härte von HRC < 45 werden mit Hartmetallen der Gruppe P bearbeitet und die mit einer Härte von HRC > 45 mit Feinstkornhartmetallen, Mischkeramiken oder CBN. •

Zu den häufig zu bearbeitenden Vergütungsstählen zählen C45E (Ck 45), C60E (Ck 60), 42 Cr Mo 4, 34 Cr Ni Mo 6.

1.9.2.4

Zerspanbarkeit nichtrostender und hochwarmfester Stähle

Es handelt sich hierbei um legierte Stähle, die ab einem Chromanteil Cr > 12 % nichtrostend sind und in deren Gefüge thermisch stabile Sonderkarbide eingelagert sind. Je höher der Legierungsanteil, umso schwieriger ist die Bearbeitung, d. h. umso höher ist der Werkzeugverschleiß. Ihr Gefüge ist ferritisch, martensitisch oder austenitisch. Die Bearbeitung erfolgt im weichgeglühten oder kaltgezogenen Zustand. Typische Kennzeichen für die Bearbeitung sind die starke Neigung zur Kaltverfestigung und Aufbauschneidenbildung und die hohe Härte/Warmhärte. Das ferritische Gefüge ist verglichen mit dem martensitischen oder austenitischen Gefüge noch am besten spanend zu bearbeiten. Da das Austenit eine geringere Wärmeleitfähigkeit und Wärmekapazität als Ferrit hat, entstehen an der Werkzeugschneide höhere Temperaturen.

1.9 Zerspanbarkeit/Bearbeitbarkeit von Werkstoffen

63

Für die Bearbeitung dieser Stähle sollte folgendes beachtet werden: hohe Schneidenschärfe, große positive Spanwinkel, Einsatz von Kühlschmierstoffen sowie stabil gespannte Werkzeuge und Werkstücke. Für Schruppoperationen sollte die Schneidkante angefast werden, um die Ausbrüche der Schneidkante zu vermeiden. Als Schneidstoffe werden Hartmetalle der Gruppe M verwendet, aber auch Cermets. •

Typische warmfeste Stähle sind X8 Cr 13, X20 Cr Mo V 12 1, X8 Cr Ni Nb 16 13.

1.9.3

Zerspanbarkeit von Eisen-Gusswerkstoffen

Eisen-Gusswerkstoffe, auch als Gusseisen bezeichnet, enthalten einen Kohlenstoffanteil zwischen 2 % < C < 4 %, siehe Bild 1.39 rechts. Bis maximal 2 % Kohlenstoff ist dieser im Gefüge gebunden und der Rest des Kohlenstoffs, der nicht im Gefüge aufgenommen werden kann, ist im Zementit Fe3C gebunden. Bei einem Kohlenstoffanteil 2,06 % < C < 4,3 % wird ein Teil des Kohlenstoffs im Perlit und Zementit aufgenommen und der verbleibende Rest scheidet sich als reiner Kohlenstoff, dem sog. Graphit, aus. Das Grundgefüge besteht aus Ferrit, Perlit und/oder Ledeburit, das seinerseits aus Perlit und Zementit besteht. • -

Die Zerspanbarkeit von Gusseisen ist werkstoffseitig abhängig von der: Gefügeart: Ferrit, Perlit (siehe Kapitel 1.9.2) Graphitform: lamellar, globular, vermicular Graphitverteilung Gusshaut mit nichtmetallischen Einschlüssen, die beim Gießen entstehen, Karbiden mit Cr, Co, Mn, Mo, V. Ein Karbidanteil >5 % verschlechtert die Bearbeitbarkeit, insbesondere beim perlitischen Gefüge, da dieses die Karbide in die Matrix bindet.

• -

Das Graphit im Gefüge: bewirkt eine Verringerung der Kontaktreibung auf der Spanfläche auf Grund der Gleitund Schmierwirkung, dadurch - sehr gute Notlauf- und Gleiteigenschaften, - sehr gute Dämpfungseigenschaften, unterbricht das Gefüge, - wodurch der Spanbruch erleichtert wird, - geringe Festigkeit auf Grund der inneren Kerbwirkung der Graphitformen, - unempfindlich gegenüber äußeren Kerben, da die innere Kerbwirkung dominiert - geringe Bruchdehnung < 0,5 % - Druckfestigkeit RmD « 3 x RmZ Zugfestigkeit - E-Modul ist von der Belastung und der Festigkeit abhängig (Hooksche Gesetz gilt nicht!).

-

1.9.3.1 Zerspanbarkeit von Temperguss Es wird grundsätzlich unterschieden zwischen dem weißen Temperguss GTW und dem schwarzen Temperguss GTS. Weißer Temperguss GTW: - besitzt weiße Bruchflächen, da der gesamte Kohlenstoff gebunden ist

64 -

1 Grundlagen der Zerspanung hat ein wanddickenabhängiges Gefüge, das in der Randzone bis 10 mm ferritisch ist und im Kern perlitisch.

Der schwarze Temperguss GTS: - Gefüge enthält das ausgeschiedene Graphit, die sog. Temperkohle, wodurch die Bruchflächen schwarz sind, - hat ein gleichmäßiges, wanddickenunabhängiges Gefüge aus Ferrit, Perlit und Temperkohle - ist besser zerspanbar als GTW. Mit zunehmendem Perlitanteil im Gefüge wird die Zerspanbarkeit verschlechtert. Als Schneidstoffe für die Bearbeitung von weißem und schwarzem Temperguss, der langspanend ist, werden unbeschichtete und beschichtete Hartmetalle der Gruppen P und M sowie Schneidkeramiken eingesetzt. •

Typische Tempergusswerkstoffe sind GTW-40-05, GTS-35-10, GTS-70-02. GTW40-05 hat eine Zugfestigkeit von Rm - 400 N/mm2 und eine Bruchdehnung A-5%.

1.9.3.2 Zerspanbarkeit von Hartguss GH Der ganze Kohlenstoffanteil von ca. 3 % ist im Zementit bzw. in den Karbiden gebunden. Hartguss GH hat daher eine weiße Bruchfläche. Auf Grund des hohen Zementitanteils im Gefüge ist Hartguss sehr hart und spröde, wodurch die Schneide beim Spanen sehr stark beansprucht wird und einem hohen abrasiven Verschleiß ausgesetzt wird. Als Schneidstoffe werden unbeschichtete und beschichtete Hartmetalle der Gruppe K, Oxidkeramik und CBN verwendet. 1.9.3.3 Zerspanbarkeit von Gusseisen mit Lamellengraphit GG Gusseisen mit Lamellengraphit GG wird häufig auch als Grauguss bezeichnet. Das Gefüge besteht aus Ferrit und/oder Perlit, in dem das Graphit in lamellarer Form ausgeschieden wird. Die Graphitlamellen unterbrechen das Gefüge und prägen die Spanform, wobei kurze Scheroder Reißspäne entstehen. Mit zunehmendem Perlitanteil wird die Zerspanbarkeit verschlechtert, da der abrasive Verschleiß zunimmt. Auch die harte Gusshaut stellt an die Schneidstoffe hohe Ansprüche hinsichtlich Verschleißfestigkeit. Beim Zerspanen werden Hartmetalle der Gruppe K, Oxidkeramik beim Schlichten, Nitridkeramik, whiskersverstärkte Schneidkeramik und Cermets zum Schlichten und Schruppen eingesetzt. Häufig eingesetztes Gusseisen mit Lamellengraphit ist GG 10, GG25, GG 35 und GG40. GG 25 hat eine Zugfestigkeit von Rm - 250 N/mm2. Das Gefüge von GG 10 und GG 15 ist ferritisch, von GG 20 und GG 25 ferritisch-perlitisch und das von GG 30 und GG 35 perlitisch. 1.9.3.4 Zerspanbarkeit von Gusseisen mit Kugelgraphit GGG Im Gusseisen mit Kugelgraphit GGG liegt der Graphit in kugeliger, globularer Form vor. Dadurch wird das ferritische und/oder perlitische Gefüge nicht so stark unterbrochen wie

1.9 Zerspanbarkeit/Bearbeitbarkeit von Werkstoffen

65

beim Lamellengraphit. Mit zunehmendem Perlitanteil und damit auch zunehmender Festigkeit wird die Zerspanbarkeit verschlechtert, da der abrasive Verschleiß zunimmt. Als Schneidstoffe werden neben Hartmetallen der Gruppe K auch Cermets und Schneidkeramiken verwendet.

1.9.4

Zerspanbarkeit von Aluminiumlegierungen

Aluminiumlegierungen können eingeteilt werden in: - nichtaushärtbare und - aushärtbare. 1.9.4.1 Zerspanbarkeit von nichtaushärtbaren AI-Legierungen AlMg- und AlMn-Legierungen sind nichtaushärtbare Legierungen, die ihre Festigkeit durch Mischkristallverfestigung erhalten, d. h. das Mg- bzw. Mn-Atom lagert sich in die Al-Elementarzelle ein, verspannt diese, was zu einer Verfestigung führt. Nichtaushärtbare AI-Legierungen besitzen eine geringe Festigkeit und hohe Zähigkeit. Durch ihre starke Neigung zur Bildung von Aufbauschneiden - auch bei sehr hohen Schnittgeschwindigkeiten - und von langen Bandspänen, entstehen schlechte Werkstückoberflächen, sodass diese nichtaushärtbaren AI-Legierungen für eine spanende Bearbeitung nicht verwendet werden sollten. 1.9.4.2 Zerspanbarkeit von aushärtbaren AI-Legierungen Zu den aushärtbaren AI-Legierungen zählen AlMgSi-, AICuMg-, AlZnMg- und AlZnMgCuLegierungen. Sie haben eine höhere Festigkeit als die nichtaushärtbaren, Mischkristall verfestigten AI-Legierungen, da sie ihre Festigkeit durch eine Wärmebehandlung, das sog. Ausscheidungshärten, erhalten. Hierbei bilden sich intermetallische Phasen, wie Al2Cu, Al3Mg2, Mg2Si oder Zn2Mg, die sich im Gefüge gleichmäßig verteilt ausscheiden und so die Festigkeit verdoppeln bis verdreifachen. Technisch sehr wichtig ist die AlSi-Legierung. Sie weist bei 12,5 % Silizium und bei 577 °C einen eutektischen Punkt auf. Eutektische Legierungen eignen sich zum Gießen, da die Umwandlung der Schmelze zum festen Körper ohne Erstarrungsintervall schlagartig erfolgt. Bei den aushärtbaren AI-Legierungen treten mit zunehmendem Siliziumanteil ( > 12 %) harte A1203- und Si-Einschlüsse auf. •

Zerspanbarkeit von AI-Legierungen - Es treten kleine Zerspankräfte auf, wegen der geringen AI-Festigkeit. - Die Temperaturen auf der Spanfläche sind gering, sodass kein Kolkverschleiß auftritt. - Harte A1203- und Si-Einschlüsse verschlechtern die Zerspanbarkeit auf Grund des starken abrasiven Verschleißes. - Die Beherrschung des Spanbruchs, der -ablaufrichtung und die Verhinderung der Aufbauschneidenbildung wird bei der Bearbeitung von Aluminium-Legierungen durch große positive Spanwinkel von 10° < y < 20° erreicht.

66

1 Grundlagen der Zerspanung -

Aluminium-Legierungen neigen bei hohen Temperaturen zur Scheinspanbildung. Vor der Schneidkante wird das Aluminium bei hohen Temperaturen plastisch und es entsteht zusätzlich zum normalen Span, der über die Spanfläche gleitet, ein Scheinspan, der zwischen Werkstück und Werkzeugfreifläche austritt. Da er die Werkstückoberfläche verschlechtert, sollte die Schnittgeschwindigkeit und damit die Temperatur verringert werden. Als Schneidstoffe werden HSS bis vc < 400 m/min, Hartmetalle der Gruppe K bis vr < 1.000 m/min und PKD bis v c < 1.500 m/min eingesetzt. Mit PKD werden auch die abrasiven Al-Si-Legierungen wirtschaftlich bearbeitet.

-

1.9.5

Fragen -

Übungen

1.

Was verstehen Sie unter dem Begriff Zerspanbarkeit eines Werkstückwerkstoffs?

2.

Wann liegt eine gute Zerspanbarkeit vor?

3.

Welche Größen beeinflussen die Zerspanbarkeit?

4.

Wie ist die Zerspanbarkeit der Gefugearten Ferrit, Perlit, Zementit und Ledeburit?

5.

Wie beeinflussen die Begleitelemente Mangan Mn, Schwefel S, Phosphor P und Silizium Si die Zerspanbarkeit von Stahl?

6.

Welche spezielle Anforderungen werden an Automatenstähle gestellt? Nennen Sie zwei Automatenstähle.

7.

In welchem Gefügezustand werden Einsatzstähle zerspant? Nennen Sie zwei Einsatzstähle.

8.

Wovon hängt die Zerspanbarkeit von Gusseisen ab?

9.

Welche Wirkung hat das Graphit hinsichtlich der Zerspanbarkeit?

10. Welches lamellare Gusseisen hat ferritisches, ferritisch-perlitisches und perlitisches Gefuge? 11. Mit welchen Schneidstoffen wird heute wirtschaftlich Kugelgraphitguss GGG zerspant? 12. Was verstehen Sie unter einer aushärtbaren AI-Legierung? 13. Welche AI-Legierungen sind aushärtbar und welche nicht? 14. Warum sind nichtaushärtbare AI-Legierungen sehr schlecht zerspanbar? 15. Warum tritt beim Zerspanen von AI-Legierungen kein Kolkverschleiß auf? 16. Was verstehen Sie unter Scheinspanbildung? Die Lösungen finden Sie auf den Internetseiten des Verlages unter http://www.oldenbourgverlag.de unter dem Buchtitel.

2

Drehen

Das Drehen ist eines der wichtigsten spanenden Fertigungsverfahren, da ca. 30 % aller spanenden Werkzeugmaschinen Drehmaschinen sind. Der Einsatz von angetriebenen Werkzeugen zum Bohren und Fräsen hat die Komplettbearbeitung eines Werkstücks auf Drehmaschinen ermöglicht. Bereits in den Kapiteln 1.1 und 1.2 wurde auf das Drehen Bezug genommen.

2.1

Drehverfahren

Frage: Was ist Drehen und wie können wir es von anderen Fertigungsverfahren, wie Bohren oder Fräsen, abgrenzen? Beim Drehen wird die Schnittbewegung durch das rotierende Werkstück und die Vorschubund Zustellbewegung vom meist einschneidigen Drehwerkzeug erzeugt. Die Werkstücke sind in der Regel rotationssymmetrisch/rund. Bild 2.1 zeigt ein gedrehtes Werkstück, wobei wir die Frage klären müssen, mit welchen Drehverfahren dieses Teil gedreht werden kann.

Bild 2.1: Beispiel eines Drehteils

Es -

gibt eine Vielzahl an Drehverfahren, die in der DIN 8589 nach den Ordnungskriterien-. Form der erzeugten Werkstückoberfläche Werkzeugform und Kinematik

eingeteilt werden, wobei Bild 2.2 die Einteilung nach der erzeugten Oberfächenform zeigt.

68

2 Drehen

Bild 2.2: Einteilung der Drehverfahren

nach DIN 8589, Teil 1 [14]

Hierbei können wir zwischen Plan-, Rund-, Schraub-, Wälz-, Profil- und Formdrehen unterscheiden, wie im Bild 2.2 dargestellt. In der Praxis wird häufig die Einteilung der Drehwerkzeuge nach der Lage der erzeugten Oberfläche vorgenommen, wobei hier zwischen: - Innendrehen - Innendrehwerkzeugen und - Außendrehen - Außendrehwerkzeugen unterschieden wird. Teilen wir die Drehverfahren nach der Kinematik ein, wo wir die Richtung der Vorschubbewegung zur Lage der Drehachse betrachten, so erhalten wir: -

Längsdrehverfahren - Vorschubbewegung ist parallel zur Werkstückachse (= Drehachse) Querdrehveifahren - Vorschubbewegung steht senkrecht zur Werkstückachse.

2.1.1

Plandrehen

Beim Plandrehen erzeugen wir eine senkrecht zur Drehachse liegende ebene Fläche, die im Bild 2.3 dargestellt ist. Das Drehwerkzeug bewegt sich dabei senkrecht zur Werkstückachse.

a Quer-Plandrehen Bild 2.3: Plandrehverfahren

b Quer-Abstech-Plandrehen

c Quer-Abstech-Plandrehen

(Werkfotos a+b Fa. Widia GmbH, c Fa. Iscar Hartmetall

GmbH)

A) Querplandrehen/Plandrehen - Bild 2.3a Das Querplandrehen wird in der Praxis als Plandrehen bezeichnet. Es wird häufig als erste Drehoperation eingesetzt, um einen definierten Werkstückbezugspunkt in axialer Richtung zu haben. Beim Plandrehen wird ca. 1-2 mm (abhängig vom Schneidenradius) über die

2.1 Drehverfahren

69

Werkstückmitte hinausgefahren, um zu verhindern, dass ein kegeliger Absatz an der Werkstückstirnfläche übrig bleibt. B) Querabstechplandrehen/Abstechen - Bild 2.3b Zum Abstechplandrehen, kurz Abstechen genannt, muss das Werkzeug drei Schneidflächen haben, nämlich vorne die Hauptschneide und links und rechts die Nebenschneiden, da am Werkstück drei Flächen (vorne, links und rechts) gleichzeitig erzeugt werden. Es wird mit einer schmalen Schneide gearbeitet, um den Materialverlust beim Abstechen so gering wie möglich zu halten. Bei größeren Werkstückdurchmessern muss die Schneide sehr lang sein. Die geringe Schneidenbreite in Verbindung mit einer großen Werkzeugauskraglänge kann leicht zum Rattern führen. Das Abstechdrehen wird insbesondere bei der Bearbeitung von Stangenmaterial eingesetzt, um das fertig zerspante Werkstück, das im Bild 2.3b rechts dargestellt ist, im letzten Arbeitsschritt von der Stange zu trennen.

2.1.2

Runddrehen

Beim Runddrehen erzeugen wir eine kreiszylindrische Fläche, die koaxial zur Drehachse des Werkstücks liegt.

/

Ks a Längs-Runddrehen

b Quer-Runddrehen

c Schäl-Runddrehen

d Breitschlicht-Runddrehen

e Längs-Einstech-Runddrehen

Bild 2.4: Runddrehverfahren (Werkfotos a Fa. Widia GmbH, e Fa. lscar Hartmetall GmbH)

Bild 2.4 zeigt die wichtigsten Runddrehverfahren: Längs-, Quer-, Schäl-, Breitschlicht- und Längs-Abstech-Runddrehen.

70

2 Drehen

A) Längs-Runddrehen/Längsdrehen - Bild 2.4a Das Längs-Runddrehen bezeichnen wir allgemein als Längsdrehen. Das Längsdrehen ist das bedeutsamste Runddrehverfahren. Die axiale Vorschubbewegung erfolgt parallel zur Drehachse/Werkstückachse. Die erzeugte Räche kann außen, wie im Bild 2.4a zu sehen ist, oder innen liegen. Zum Längsdrehen gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Werkzeuge mit jeweils spezifischen Aufgaben, die im Kapitel 2.4 besprochen werden. B) Quer-Runddrehen - Bild 2.4b Beim Quer-Runddrehen ist die Länge der Hauptschneide größer als die Länge des zu bearbeitenden Werkstückabschnittes. Die Vorschubbewegung erfolgt senkrecht zur Drehachse. Es wird selten angewendet. C) Schäl-Runddrehen/Schäldrehen/Schälen - Bild 2.4c Beim Schäldrehen verwenden wir meistens rotierende Werkzeuge mit mehreren Schneiden. Die Vorschubbewegung wird entweder vom Werkzeug oder vom Werkstück durchgeführt. Es können wesentlich größere Vorschübe als beim Längsdrehen gefahren werden. Deshalb wird das Schälen zur Herstellung von Blankstahl aus langen, meist gewalzten Rundstangen eingesetzt. D) Breitschlicht-Runddrehen/Breitschlichtdrehen - Bild 2.4d Beim Breitschlichtdrehen kann mit großen Vorschüben gearbeitet werden, da die Schneide einen großen Eckenradius rE hat. Durch die lange Nebenschneide werden hohe Oberflächenqualitäten erreicht. Es wird beim Drehen mit Diamantschneiden eingesetzt. E) Längseinstech-Runddrehen/Längseinstechen/Längsabstechdrehen - Bild 2.4e Das Längseinstechdrehen wird eingesetzt, um Nuten an der Planseite/Stirnseite des Werkstücks zu erzeugen, und das Längsabstechen, um in Platten eine Bohrung einzubringen bzw. aus Platten eine Scheibe herzustellen.

2.1.3

Schraubdrehen

Als Schraubdrehen bezeichnen wir ein Längsdrehen zur Erzeugung schraubenförmiger Flächen mit einem profilierten Werkzeug. Die Steigung der Schraube entspricht dem Vorschub in [mm/Umdr.] des axial bewegten (Längsdrehen) Werkzeugs.

a Gewindedrehen Bild 2.5: Schraubdrehverfahren

b Gewindestrehlen

c Gewindeschneiden

(Werkfotos a Fa. Widia GmbH, b Fa. Iscar Hartmetall

GmbH)

2.1 Drehverfahren

71

Bild 2.5 zeigt die drei Schraubdrehverfahren zur Herstellung von Gewinden. Gewinde haben die typische schraubenförmige Fläche, die beim Schraubdrehen erzeugt wird. A) Gewindedrehen - Bild 2.5a Beim Gewindedrehen wird ein einschneidiges Drehwerkzeug, der Gewindedrehmeißel oder in Klemmhaltern eingespannte Gewindedrehplatten benutzt. Während einer Werkstückumdrehung legt das Werkzeug einen axialen Weg zurück, welcher der Steigung des Gewindes entspricht. Um die gewünschte Gewindetiefe zu erreichen, muss die Gewindelänge mehrfach mit zunehmender radialer Zustellung bearbeitet werden. Auch mehrgängige Gewinde können so hergestellt werden. B) Gewindestrehlen - Bild 2.5b Beim Gewindestrehlen wird das Gewinde mit einem mehrschneidigen Werkzeug erzeugt. Die einzelnen Schneiden haben unterschiedliche radiale Zustellungen/Gewindetiefen, so dass tiefe Gewinde in einem Durchgang/Schritt hergestellt werden. C) Gewindeschneiden - Bild 2.5c Das Gewinde an einem fest eingespannten Werkstück wird hier mit einem mehrschneidigen Werkzeug erzeugt, das sowohl die Vorschub- als auch die Schnittbewegung/Rotation durchführt. Das im Bild 2.5c dargestellte Gewindeschneiden wird manuell mit einem Gewindeschneideisen durchgeführt, während auf CNC-Maschinen ein Gewindeschneidkopf eingesetzt wird.

2.1.4

Profildrehen

Beim Profildrehen erzeugen wir, wie im Bild 2.6a-e verdeutlicht, rotationssymmetrische Flächen/Profile, deren Form jedoch vom Werkzeug vorgegeben wird. Profile können senkrecht/quer zur Drehachse eingebracht werden, dann sprechen wir vom Quer-Profildrehen, oder aber parallel zur Drehachse (axial), dann sprechen wir vom Längs-Profildrehen. Wenn die erzeugten Profile Nuten sind, sprechen wir von Profil-Einstechdrehen oder kurz Einstechen.

£

a Quer-Profildrehen

b Quer-Einstech-Profildrehen

Bild 2.6a-c: Profildrehverfahren (Werkfotos a Fa. Iscar Hartmetall GmbH)

c Quer-Abstech-Profildrehen

72

2 Drehen

W////////A ..

r %

i

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W/////////K d Längs-Profildrehen

1

>

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f

e Längs-Einstech-Profildrehen

Bild 2.6d-e: Profildrehverfahren (Werkfotos a Fa. Iscar Hartmetall GmbH)

Profildrehwerkzeuge sind in der Regel Sonderwerkzeuge, als Ausnahmen gelten runde oder nutenförmige Einstiche für Freistiche, Sicherungsringe oder Dichtungsringe, die in einer DIN festgelegt sind. Durch Profilwerkzeuge, die teurer sind als Standardwerkzeuge, werden Bearbeitungszeiten eingespart, da das Profil in einem Schritt erzeugt wird. Des Weiteren wird die Anzahl der eingesetzten Werkzeuge verringert, was bei der geringen Anzahl von Werkzeugplätzen in Drehmaschinen sehr vorteilhaft sein kann.

2.1.5

Formdrehen

Beim Formdrehen erzeugen wir die Werkstückform durch die aufeinander abgestimmte Steuerung der Vorschub- bzw. Schnittbewegung. Die hierbei erzeugte Werkstückform ist nicht wie beim Profildrehen werkzeuggebunden. Nach der Art, wie die Bewegungen gesteuert werden, unterscheiden wir: - Freiformdrehen: Die Bewegungen werden einzeln von Hand gesteuert, beispielsweise auf konventionellen Drehmaschinen oder beim Drechseln. - Nachformdrehen/Kopierdrehen: Durch Abtasten einer Bezugsform/Schablone werden Bewegungen erzeugt, die das Werkzeug steuern und so die Werkstückform ergeben. - Kinematisch-Formdrehen: Durch mechanische Getriebe wird die Vorschubbewegung gesteuert. - NC-Formdrehen: Die Werkzeugbewegung wird numerisch durch ein NC-Programm, siehe Kapitel D.3, gesteuert, wobei jede Vorschubachse einen getrennten Antrieb hat. Wenn die Vorschubbewegung abhängig von der Schnittbewegung/Drehlage gesteuert wird, können wir auch nichtrotationssymmetrische Werkstücke durch Formdrehen herstellen. In diesem Fall spricht man vom Unrunddrehen. So können wir beispielsweise Schraubenköpfe mit Schlüsselflächen für Drei-, Vier-, Fünf- oder Sechskant herstellen.

2.1.6

Beispiel-Werkstück

Für das Werkstück, das Sie bereits aus Bild 2.1 kennen, sollen die Drehverfahren, die Ihnen aus Kapitel 2.1 bekannt sind, für die einzelnen Flächen festgelegt werden - siehe Bild 2.7. Die Flächen sind durch Zahlen von 1 bis 17 gekennzeichnet.

2.1 Drehverfahren

73

Bild 2.7: Beispiel-Werkstück

-

und

Drehverfahren

Quer-Plandrehen/Plandrehen: 6, 9, 10, 13, 17 Längs-Runddrehen/Längsdrehen: 1, 3, 5, 11 Schraubdrehen/Gewindedrehen: 8 Quereinstech-Profildrehen/Einstechen: 4, 7, 15 NC-Formdrehen: 2, 14.

2.1.7

Fragen - Übungen - Beispiel

1.

Nach welchen Kriterien wird das Fertigungsverfahren Drehen eingeteilt?

2.

Benennen Sie die im unteren Bild dargestellten Drehverfahren.

r*

3.

Nennen Sie fünf Werkstücke, die vornehmlich durch Drehen hergestellt werden.

74 4.

2 Drehen Beispiel Legen Sie die Drehverfahren fest, um das unten dargestellte Drehteil zu fertigen. 2

3 4 5 6 7 8 9

10

Rohteil

Fertigteil

Die Lösungen finden Sie auf den Internetseiten des Verlages unter http://www.oldenbourgverlag.de unter dem Buchtitel.

2.2

Anwendungen - Beispiele

Für das Drehen, das eines der bedeutendsten Fertigungsverfahren ist, kann eine Vielzahl an Beispielen aufgeführt werden, die Ihnen sicherlich aus dem Praxissemester, aus der Lehre oder ihrer Berufstätigkeit bekannt sind. Einige Anwendungen auch aus dem Bereich spanender Werkzeuge sind im Bild 2.8 dargestellt. Die meisten Werkzeuge sind durch die Verfahren Drehen, Fräsen, Bohren und ggf. Schleifen hergestellt.

a Automobilprodukte und Kleinteile

c Scheibenfräser, Schaftfräser, Fräskopf, Bohrstange

b Spannfutter

d Rotorwelle

Bild 2.8: Beispiele für Anwendungen des Drehens (Werkfotos a Fa. Index-Werke GmbH & Co. KG, c Fa. Widia GmbH, d Fa. Neidlein-Spannzeuge GmbH)

GmbH & Co. KG, b Fa. Schunk

2.3 Schneidengeometrie und Spanbildung

2.3

75

Schneidengeometrie und Spanbildung

Im Kapitel 1.1 haben Sie die Schneidengeometrie am Beispiel eines Drehwerkzeugs und im Kapitel 1.2 den Spanbildungsvorgang am Beispiel Drehen kennengelernt. Deshalb möchte ich Sie an dieser Stelle bitten, sich nochmals die Kapitel 1.1 und 1.2 anzusehen.

2.3.1

Fragen - Übungen

Die Fragen/Übungen zu diesem Kapitel finden Sie in den Kapiteln 1.1.5 und 1.3.3. Die Lösungen finden Sie auf den Internetseiten des Verlages unter http://www.oldenbourgverlag.de unter dem Buchtitel.

2.4

Drehwerkzeuge

Wenn Sie sich das im Bild 2.7 dargestellte Werkstück ansehen, bei dem wir die einzelnen Drehverfahren festgelegt haben, und wir es herstellen möchten, können wir es nur mit den geeigneten Drehwerkzeugen tun, die Sie in diesem Kapitel kennen lernen werden. Es dürfte Ihnen grundsätzlich nicht schwer fallen nachzuvollziehen, dass die Bearbeitungsart (Schlichten, Schruppen) und die Bearbeitungsaufgabe/Drehverfahren (Längsdrehen, Plandrehen, Einstechen oder Gewindedrehen) das Drehwerkzeug festlegen. •

Drehwerkzeuge können wir nach mehreren Kriterien einteilen und bezeichnen, z. B.: - Lage des Schneidkopfes zum Schaft: gerade oder abgesetzt - Lage der Hauptschneide: rechts R, links L oder neutral N (rechts und links) - Lage zum Werkstück: Bearbeitung erfolgt außen oder innen - Schneidstoff: HSS-Werkzeuge, gelötete Schneidstoffplatten auf Drehmeißel oder geklemmte Schneidplatten im Klemmhalter.

Bild 2.9 zeigt Kriterien zur Einteilung von Werkzeugen für die Außenbearbeitung. Bild 2.9a zeigt das Kriterium Schneidstoff: A = gerades HSS-Drehwerkzeug, B = gelötete Schneidplatten in einem geraden Drehmeißel und C = geklemmte Wendeschneidplatten in einem abgesetzten Drehmeißel. Bild 2.9b zeigt die Lage der Hauptschneide zum Werkstück und die Festlegung von rechten R, linken L und normalen N Drehmeißeln. Beim rechten (R) Drehwerkzeug ist nur eine Bearbeitung nach rechts, beim linken (L) nur eine Bearbeitung nach links und beim neutralen (N) eine Bearbeitung nach links und rechts möglich. Im Maschinenkonzept wird die Arbeitslage der Werkzeuge zum Werkstück festgelegt.

76

2 Drehen

Bild 2.9: Kriterien zur Werkzeugeinteilung (a) nach dem Schneidstoff und der Lage des Schneidkopfes, (b) nach der Lage der Hauptschneide

Bild 2.10 zeigt eine Auswahl von Drehwerkzeugen.

a Einstechen

b Längsdrehen

Bild 2.10: Drehwerkzeuge

c Abstechen

d Gewindedrehen

e Längsdrehen

(Werkfotos Fa. Widia GmbH)

In der industriellen Praxis wird auf Grund der höheren Wirtschaftlichkeit weitestgehend mit Schneidplatten/Wendeschneidplatten, die in Klemmhaltern befestigt sind, gearbeitet, weshalb wir darauf näher eingehen werden. Je nach Plattenform und Ausführung haben die Schneidplatten mehrere Schneiden, die durch drehen oder wenden der Platte von Hand in die Arbeitsposition gebracht werden. So hat beispielsweise eine dreieckige Platte drei bzw. maximal sechs gleichwertige Schneiden, eine quadratische vier bzw. acht und eine rhombische zwei bzw. vier Schneiden. Das macht den Einsatz dieser Schneidplatten so wirtschaftlich. Schneidplatten werden aus den Schneidstoffen Hartmetall, Cermets, Schneidkeramik, Kubisches Bornitrid oder Diamant hergestellt.

2.4.1

Werkzeuge für die Außenbearbeitung

Schneidplatten/Wendeschneidplatten werden in Klemmhaltern aufgenommen. Für Drehwerkzeuge sind die Schneidplatten und Klemmhalter genormt. 2.4.1.1 Schneidplatten und deren Bezeichnung Im Bild 2.11 sehen Sie eine kleine Auswahl unterschiedlicher Schneidplatten, die sich in der Plattenform, der Spanflächengeometrie und den Schneidstoffen unterscheiden.

^

-

w

%

Bild 2.11: Auswahl von Schneidplatten (Werkfotos Fa. Wilhelm Fette GmbH und Iscar Hartmetall

V GmbH)

77

2.4 Drehwerkzeuge

Die Bezeichnung/Benennung der Schneidplatten/Wendeschneidplatten ist in der DIN 4967 genormt. Anhand des Beispiels aus Bild 2.12 möchte ich Ihnen die Bezeichnung von Schneidplatten verdeutlichen. 1 s



2

3

N



M

4 R

5

6

7

12

04

08

8 T

9

10

R

P05



1 d

i+i

Bild 2.12: Beispiel für die Bezeichnung

von

Schneidplatten

Die einzelnen Bezeichnungspositionen sind numeriert und entsprechen den Nummern der folgenden Aufzählung: 1. Schneidplattenform: S ist eine quadratische Platte. Weitere Plattenformen rund, achteckig, sechseckig, rechteckig, rhombisch mit einem Eckenwinkel e = 35-80°, dreieckig, können Sie Bild 2.13 entnehmen. e = 135° E=120°

Buchstabe O

h

Bild 2.13: Ausführungen

S = 90°

S

e = 80°

E = 60°

C

und Formen von Wendeschneidplatten

T

E = 55° e = 35°

D

und deren

V

R

Bezeichnung

2. Freiwinkel a der Platte: Das N entspricht einem Freiwinkel a = 0°. Weitere FreiwinkelBuchstaben A für a = 3°, B für a = 5°, C für a = 7°, D für a = 15°. 3. Toleranz der Platte: Die meisten Schneidplatten haben die Toleranzklasse M mit 0 d ± (0,05-0,13) mm, m ± (0,08-0,18) mm und Plattendicke s ± 0,13 mm. 4. Plattentyp mit Befestigungsart und Spanformer: R kennzeichnet eine Platte ohne Bohrung, jedoch mit einseitigem Spanformer. N kennzeichnet eine Platte ohne Bohrung und ohne Spanformer, A eine Platte mit zylindrischer Bohrung ohne Spanformer, M eine Platte mit zylindrischer Bohrung und einseitigem Spanformer, G wie M, jedoch mit beidseitigem Spanformer und T eine Platte mit Bohrung für Befestigungsschraube und einseitigem Spanformer. 5. Schneidkantenlänge: Hier 12 entspricht einer Schneidkantenlänge von 12,6 mm. Die Schneidkanten haben eine Länge zwischen 3,97-32 mm 6. Plattendicke (abgerundete Angaben): Hier 04 entspricht einer Dicke von 4,76 mm. Platten haben eine Dicke zwischen 1,59-9,52 mm.

78

2 Drehen

7. Eckenradius/Schneidenradius rE (Faktor 10): Die 08 besagt, dass der Eckenradius der Platte 0,8 mm beträgt. Der Schneidenradius nimmt Werte zwischen 0-3,2 mm an. 8. Schneidkantenausführung: Hier T kennzeichnet eine Schneidkante mit Fase. Der Buchstabe F kennzeichnet eine scharfe Schneidkante, E eine gerundete und S eine gerundete mit zusätzlicher Fase. Die Fasenbreite beträgt zwischen b / r = 0,2-2 mm und der Fasenwinkel yf= (10-30°). 9. Schnittrichtung: Sie ist in diesem Beispiel rechts R. 10. Schneidstoff (häufig herstellerspezifische Bezeichnung): hier Anwendergruppe P05.

2.4.1.2

Bezeichnung der Klemmhalter für die Außenbearbeitung

Bild 2.14: Beispiel von Klemmhaltern für die Außenbearbeitung

(Werkfotos Fa. WIDIA

GmbH)

Im Bild 2.14 sehen Sie eine kleine Auswahl von Klemmhaltern für die Außenbearbeitung, deren Einteilung und Bezeichnung ich Ihnen im folgenden Beispiel, das im Bild 2.15 dargestellt ist, verdeutlichen möchte. 1

2

3

4

5

Bild 2.15: Beispiel für die Bezeichnung Widia GmbH)

6

7

8

9

10

von Klemmhaltern für die Außenbearbeitung

(Werkfoto-Klemmhalter

Fa.

Die einzelnen Bezeichnungspositionen sind numeriert und entsprechen den Nummern der folgenden Aufzählung: 1. Art der Klemmung: M = Klemmung über die Bohrung der Schneidplatte und mit Spannfinger. Weitere Klemmarten von Schneidplatten können Sie Bild 2.16 entnehmen. - Klemmart C: von oben über Spannfinger - Klemmart M: von oben über Spannfinger und über Bohrung - Klemmart P: nur über die Bohrung - Klemmart S: über die Bohrung mit einer Spannschraube.

2.4 Drehwerkzeuge

79

Wendeschneidplatten können mit einem Spannfinger oder Kniehebel oder durch eine Schraube befestigt werden. Die Befestigung durch eine Schraube setzt eine Bohrung in der Schneidplatte voraus, die sie schwächt, aber andererseits sehr einfach aufgebaut ist. Der Plattenwechsel dauert hier länger als bei der Ausführung mit einem Kniehebel. Weder die Kniehebel- noch die Schraubenausführung behindern die Spanabfuhr. Der Spannfinger könnte die Spanabfuhr behindern, andererseits kann in dieses Spannsystem auch ein verstellbarer Spanformer integriert werden, um so eine günstige Spanform zu erreichen.

a Klemmung b Klemmung c Klemmung d Klemmung

über Bohrung mit Schraube über Bohrung mit Kniehebel über Spannfinger über Bohrung und Spannfinger

Bild 2.16: Klemmsysteme für

Wendeschneidplatten

2. Plattenform: Buchstabe T kennzeichnet eine dreieckige Plattenform mit einem Eckenwinkel e = 60°. Plattenform S ist quadratisch, O ist rund, L ist rechteckig usw. Sehen Sie sich bitte Bild 2.13 an. 3. Halterform: Der Buchstabe J besagt, dass der Halter einen Einstellwinkel K = 93° hat. Halterformen zum Längsdrehen: A für 90°, B für 75°, E für 60°, D für 45°. Halterformen zum Plandrehen: J für 93°, F für 90°, K für 75°. Der Einstellwinkel K nimmt Werte von 45-107,5° zur Vorschubrichtung (axial oder/und radial) an. Die einzelnen Klemmhalterformen werden mit Buchstaben von A bis W gekennzeichnet. Die Halterformen werden getrennt von den Schneidplattenformen gekennzeichnet, da man beispielsweise einen Einstellwinkel K = 90° mit unterschiedlichen Schneidplatten erreichen kann, wie uns Bild 2.18 deutlich macht.

\ Bild 2.17: Gleiche Halterform A mit K = 90" mit Schneidplatten

unterschiedlichen

4. Freiwinkel der Platte: Der Buchstabe C kennzeichnet eine Platte mit einem Freiwinkel a = 7°. Weitere Freiwinkel-Buchstaben: A für 3°, B für 5°, D für 15°, N für 0°. 5. Schnittrichtung: L besagt, dass er für die Schnittrichtung links geeignet ist. 6. Schafthöhe: Sie beträgt in unserem Beispiel 25 mm. 7. Schaftbreite: Sie beträgt 25 mm. 8. Werkzeuglänge: Der Buchstabe N kennzeichnet einen Klemmhalter mit einer Gesamtlänge von 160 mm. Weitere Werkzeuglängen-Buchstaben: A für 32 mm, C für 50 mm, H für 100 mm, M für 150 mm, R für 200 mm. 9. Schneidkantenlänge: Die Schneidplatte hat eine Länge von 16 mm. 10. Sonderformen, auch herstellerbezogen oder höhere Genauigkeiten.

80

2 Drehen

• Beispiel: Klemmhalter und Schneidplattenformen Bild 2.18 zeigt eine Auswahl von Klemmhalterformen mit eingesetzten Schneidplatten. Die Art der Klemmung beachten wir hier nicht, daher haben die eingetragenen Buchstaben folgende Bedeutung: 1. Buchstabe kennzeichnet die Plattenform 2. Buchstabe kennzeichnet die Halterform. k = 45° K = 75° K = 45°

SD

SR

SS

K = 75°

SK

Bild 2.18: Klemmhalterformen/Einstellwinkel

K = 60°

TT

TG

K = 90°

TF

und Schneidplatten im Halter

K = 90° K = 62,5° K = 93° K = 95° K = 107,5°

DN

DJ

CL

VH

(Auswahl)

Dieses Bild 2.18 verdeutlicht Ihnen, dass die einzelnen Werkzeuge für unterschiedliche Bearbeitungsaufgaben geeignet sind. Die Pfeile zeigen die möglichen Vorschubrichtungen an. Mit den Werkzeugen SK und TF können wir nur Plandrehen, mit SR und TG nur in einer Richtung Längsdrehen, mit SD und DN in beiden Schnittrichtungen Längsdrehen und mit DN, CL und VH sowohl Längs- als auch Plandrehen. 2.4.1.3 Weitere Klemmhaltersysteme für die Außenbearbeitung Außer den oben beschriebenen Klemmhaltern gibt es weitere Werkzeugsysteme zur Aufnahme von Schneidplatten, einige sind im Bild 2.19 dargestellt: •





Kurzklemmhalter, siehe Bild 2.19a, sind in der DIN 4985 genormt. Sie werden über die hintere Schraube in eine Aufnahme hineingezogen und werden seitlich geklemmt. Diese Kurzklemmhalter werden vor allem bei der Innenbearbeitung eingesetzt. Schneidköpfe zur Aufnahme von genormten Schneidplatten sind herstellerabhängig. Bild 2.19b zeigt das System Coromant Capto™. Sie sind je nach Ausführung für die unterschiedlichen Bearbeitungen, wie Längsdrehen (außen und innen), Plandrehen, Ein- und Abstechen oder Gewindedrehen ausgelegt. Der Vorteil beim Einsatz von Schneidköpfen liegt in dem schnellen Austauschen der Köpfe, ohne den Grundträger zu wechseln, wodurch die Rüstzeiten verringert werden. Sonderwerkzeuge werden in der Serienfertigung eingesetzt, um spezielle Bearbeitungen durchzuführen, die nicht mit DIN-Werkzeugen möglich sind oder um mehrere Bearbeitungen gleichzeitig durchzuführen.

81

2.4 Drehwerkzeuge

a Kurzklemmhalter

b Schneidköpfe

Bild 2.19: Weitere Klemmhaltersysteme

2.4.2

(Werkfotos a Fa. Widia GmbH, b Fa. Sandvik)

Beispiel-Werkstück Außenbearbeitung: Drehverfahren und -Werkzeuge

Wenn der Studierende oder der Arbeitsplaner die Bearbeitung eines Werkstücks plant, dann beginnt er in der Regel mit der Außenbearbeitung. Die Wahl des geeigneten Außendrehwerkzeugs hängt im wesentlichen von der Bearbeitungsart wie Schlichten oder Schruppen und der Bearbeitungsaufgabe/Drehverfahren ab. Jede Bearbeitungsaufgabe kann mit einem im Kapitel 2.1 beschriebenen Drehverfahren durchgeführt werden.

16

\ 7

8

y

13

14

15

10 11 12

Bild 2.20: Werkstück für die

Außenbearbeitung

Im Bild 2.20 ist ein Beispiel-Werkstück dargestellt, bei dem wir die einzelnen Werkzeuge für die/das jeweilige Bearbeitungsaufgabe/Drehverfahren im Folgenden festlegen sollen. 2.4.2.1 Plandrehen Im Regelfall wird als Erstes die Planseite des Werkstücks bearbeitet, um einen WerkstückNullpunkt zu definieren, auf den die Längenmaße bezogen werden können. Das im Bild 2.20 dargestellte Werkstück hat zwei Planflächen, die durch Plandrehen/ Querplandrehen hergestellt werden können.

Bild 2.21: Werkzeuge zum Plandrehen im Einsatz

Bild 2.21 zeigt das zu bearbeitende Beispiel-Werkstück und die Rohteilkontur (gestrichelte Linie). Für die Bearbeitung der Planflächen 1,11 und 16 wurden, um die Möglichkeiten aufzuzeigen, bewusst drei unterschiedliche Klemmhalter dargestellt. Planfläche 1 wird dem Klemmhaltertyp PTFNL, Planfläche 11 mit SCLCR und Planfläche 16 mit dem Haltertyp CSKNR hergestellt.

a PCLNR K = 95°

c PTFNR k = 90°

b CSKNR k = 75°

Bild 2.22: Werkzeuge zum Plandrehen (-M—

d CCLNR

e SCLCR

Vorschubrichtung; Werkfotos Fa. Plansee TIZIT GmbH)

Bild 2.22 zeigt Werkzeuge, die zum Plandrehen geeignet sind, wobei die Pfeile in Vorschubrichtung zeigen. Welches Werkzeug am besten geeignet ist, können Sie Kap. 2.4.4 Werkzeugauswahl entnehmen.

2.4.2.2

Längsdrehen

Das Längsdrehen ist i.d.R. die zweite Bearbeitungsaufgabe. In diesem Abschnitt können wir noch nicht die Schnittaufteilung festlegen, sondern nur die in Frage kommenden Werkzeuge zum Längsdrehen.

Bild 2.23: Werkzeuge zum Längsdrehen im Einsatz

2.4 Drehwerkzeuge

83

Bild 2.23 zeigt geeignete Werkzeuge zur Bearbeitung des Beispiel-Werkstücks. Folgende Halter kommen hier zum Einsatz: -

Fläche 2: PRGNR Fläche 4: SDNCN Fläche 5: PWLNR Fläche 7: PSBNR Fläche 9: SDNCN Fläche 13: PTTNR.

Auch beim Längsdrehen sehen Sie für alle Einzelkonturen unterschiedliche Werkzeuge dargestellt, um Ihnen die Vielfalt zu zeigen.

a MTJNR

b CSBNR

c CSDNN

d PCLNR

eCSSNR

fCTGNR

g CTTNR

hSCLCR

Bild 2.24: Werkzeuge zum Längsdrehen d+h Fa. Plansee Tizit GmbH)

Vorschubrichtung;

Werkfotos a+b+c+e+f+g

Fa. Widia GmbH,

2.4.2.3 Formdrehen/Kopierdrehen Da ein längeres, zusammenhängendes Werkstückprofil früher ausschließlich mittels einer Schablone auf das Werkstück übertragen/kopiert wurde, wird das Formdrehen auf NCMaschinen in der Praxis Kopierdrehen oder kurz kopieren genannt, auch wenn es begrifflich nicht korrekt ist. Das klassische Kopierdrehen wird mit einer profilierten Schneide durchgeführt, wie Sie Bild 2.6 entnehmen können. Beim Formdrehen unterscheiden wir nicht mehr zwischen Plan- und Längsdrehen, sondern, wie der Begriff bereits aussagt, beziehen wir uns auf eine Form, eine zusammenhängende, beliebige Kontur mit unterschiedlichen Durchmessern. Bezogen auf unser Beispiel-Werkstück setzen wir beim Kopierdrehen folgende Drehwerkzeuge ein, die im Bild 2.25 dargestellt sind. Für die einzelnen Konturen werden folgende Drehwerkzeuge eingesetzt: - Kontur 3 und 4: SVJCR, MVVNN, CTENN oder CDNCN - Kontur 6: SRGCR - Kontur 10: SCLCR.

84

2 Drehen

1

z 6

;

3

•Li

4

iP

>N

w

T°T\

SRGCR

SVJCR

SCLCL

MVVNN

Bild 2.25: Werkzeuge zum Profildrehen (Werkfotos Fa. Iscar Hartmetall GmbH, Fa. Plansee Tizit GmbH)

Beim Formdrehen ändern sich die Spanungsbreite b, der effektive Vorschub / und der Einstellwinkel k. Um dennoch einen sicheren Spanbruch zu erreichen, werden an die Plattengeometrie hohe Anforderungen gestellt. Bild 2.26 zeigt die Teilkonturen 3 und 4 unseres Beispiel-Werkstücks im Ausschnitt Z. Ausschnitt Z

Das Werkstück besteht aus drei axialen Konturabschnitten. Mit der Änderung des Drehdurchmessers ändert sich bei fest programmiertem Vorschub / [mm/Umdr.] der effektive Vorschub am Werkstück, siehe Ausschnitt Z aus Bild 2.26. Wenn der Außendurchmesser beim sog. Einwärtskopieren im Konturabschnitt 3e kleiner wird, erhöht sich der effektive Vorschub a u f f e > f . Im Konturabschnitt 4 ist der Außendurchmesser konstant, und demnach bleibt auch der Vorschub f entlang der Kontur 4 unverändert. Im Konturabschnitt 3a nimmt der Außendurchmesser zu, hier spricht man von Auswärtskopieren und der effektive Vorschub fa verringert sich auf/, < / . Beim Einwärtskopieren im Konturabschnitt 3e müssen wir sicherstellen, dass der Freiwinkel an an der Nebenschneide größer ist als der Konturwinkel ßB des Werkstücks, es muss gelten:

2.4 Drehwerkzeuge

85

Das im Bild 2.26 durchgestrichen dargestellte Werkzeug eignet sich nicht für das Formdrehen des Konturabschnittes 3e, da dessen Freiwinkel a n an der Nebenschneide kleiner ist als der Konturwinkel des Werkstücks. In diesem Fall wäre A < 0°, d. h. die Werkstückkontur mit dem Konturwinkel ß„, kann nicht hergestellt werden. 2.4.2.4 Einstechen und Abstechen Das Einstechen ist ein Quereinstech-Profildrehen, das Axialeinstechen ein LängseinstechProfildrehen und das Abstechen ein Querabstech-Plandrehen. Beim Einstechen und Abstechen wird das Abstechwerkzeug/Stechstahl/Stechmeißel radial auf die Werkstückmitte zu bewegt. Das Einstechen wird benötigt, um Nuten für Dichtungs- oder Sicherungsringe oder um Freistiche herzustellen.

Bild 2.27: (a) Einstechen und Abstechen, (b) Einstechbeispiel

(Werkfoto b Fa. Seco Tools GmbH)

Wenn wir in unserem Werkstück-Beispiel die Einstiche einbringen wollen, dann können wir das mit den im Bild 2.27 dargestellten Werkzeugen tun. Kontur 8 ist eine rechtwinkelige Nut für einen Sicherungs- oder Dichtungsring, Kontur 12 ist ein genormter Freistich und Kontur 14 ein genormter Gewindefreistich für den Gewindauslauf. Kontur 17 entsteht durch Abstechen, als Alternative zum Plandrehen der Kontur 16, wie wir sie im Kap. 2.4.2.1 besprochen haben. Das Abstechen ist die letzte Bearbeitung, bei der das fertige Werkstück von der Stange abgetrennt wird. Wenn das Werkstück noch eine Axialnut (Kontur 18) hat, kann diese durch Axialeinstechen hergestellt werden.

86

2 Drehen

Bild 2.28: Klemmhalter zum Ein- und Abstechen d Fa. Plansee Tizit GmbH)

(Werkfotos

a+b Fa. Paul Horn GmbH, c Fa. mimatic Zettl

GmbH,

Einige Ausführungen von Stechwerkzeugen sehen Sie im Bild 2.28 und von Stechplatten im Bild 2.29 für: - Nuten einstechen - Nuten für Sicherungsringe - Freistiche am Bund und für den Gewindeauslauf - Abstechen. Die Stechplatten werden mit einer Schraube, einem Spannfinger, wie im Bild 2.28 und Bild 2.29c dargestellt ist oder über eine Federspannung, siehe Bild 2.28b, geklemmt. Einige Ausführungen von Stechplatten zeigt Ihnen Bild 2.29. Die dreieckige Stechplatte aus Bild 2.29b wird mit einer Schraube geklemmt, während die Stechplatten im Bild 2.29a über Spannfinger bzw. Federspannung im Halter fixiert werden. Bild 2.29c zeigt die Befestigung der Stechplatte mit Spannfingern und Bild 2.28b mit Federspannung.

Bild 2.29: (a+b) Auswahl

von Stechplatten,

(c) Befestigung

mit Spannfingem

(Werkfotos

Fa. Seco Tools

GmbH)

Beim Abstechen ist darauf zu achten, dass die Stechbreite so gering wie möglich gehalten wird, um den Materialverlust zu verringern, andererseits ist aus Stabilitätsgründen die Stechtiefe beim Abstechen begrenzt: Stechtiefe < 8- Stechbreite

(2.2)

2.4 Drehwerkzeuge

87

Da die Nuten schmal sind und die Stirnflächen der Nut fertig bearbeitete Oberflächen sind, die von der rechten und linken Nebenschneide erzeugt werden, ist die Spanformung sehr wichtig. Günstig sind kurze Spiralspäne.

2.4.2.5

Gewindedrehen

Unter Gewindedrehen verstehen wir ein Schraubdrehen mit einem Profilwerkzeug, das die Form des zu erzeugenden metrischen ISO Regel-, Fein-, Trapez- oder Withworthgewindes mit den unterschiedlichen Steigungen PI bis P6 hat. Die Steigung P entspricht dem Vors c h u b / i n [mm/Umdr.], wodurch der Technologiebereich eingegrenzt wird. Beim Gewindedrehen wird das Werkzeug A radial zugestellt und axial entlang der Gewindelänge bewegt, wie Ihnen Bild 2.30 verdeutlicht. Das Werkzeug B wird zum Gewindestrehlen eingesetzt, worauf wir noch zu sprechen kommen.

Bild 2.30:

Gewindedrehwerkzeuge

Bild 2.30 und Bild 2.31 zeigen Ihnen ein ein- und mehrschneidiges Gewindedrehwerkzeug. Die Bezeichnung der Gewindedrehwerkzeuge ist nicht genormt, sehr wohl aber die Gewindegeometrie.

Bild 2.31: Gewindedrehwerkzeuge

und Gewindeschneidplatten,

(Werkfotos Fa. Iscar Hartmetall

Bild 2.32: (a) Voll- und (b) Gewindeplatten

GmbH)

Teilprofil-

2 Drehen

88

Gewindeschneidplatten gibt es in zwei unterschiedlichen Ausführungen, nämlich als: - Teilprofilplatten (Bild 2.32b): Der Gewindeaußendurchmesser entspricht dem Wellenaußendurchmesser, weshalb dieser sehr genau vorgearbeitet werden soll. Dieselbe Platte ist für unterschiedliche Steigungen geeignet, wobei der Spitzenradius die kleinste Steigung festlegt. Die erzeugten Gewindeprofile haben nicht den optimalen Gewinderadius. Teilprofile werden eingesetzt, um die Einsatz-Flexibilität zu erhöhen und um die Variantenvielfalt der Gewindeplatten zu verringern. - Vollprofilplatten: Für jedes Gewinde gibt es eine extra Platte, deren Spitzenradius dem Gewindeprofil optimal angepaßt ist. Er ist für jede Steigung unterschiedlich und erzeugt ein optimales, normgerechtes Gewindeprofil. Den Unterschied verdeutlicht Ihnen Bild 2.32. Beim Gewindedrehen ist zu beachten, dass die: - Schneidenspitze auf Drehmitte eingestellt wird und - Zustellung rechtwinkelig zur Drehachse erfolgt. Die Herstellung eines Gewindes ist zeitintensiv, da ein Gewinde in mehreren Schnitten erzeugt wird. Bei einer Steigung P von 1 mm sind es ca. 6-10 Schnitte und bei der Steigung P von 3 mm ca. 15-30 Schnitte.

a

b

Bild 2.33: Zustellungen beim Gewindedrehen (c) modifizierte Flankenzustellung

c

j Werkzeug, 2 Werkstück

(a) radiale Zustellung,

(b)

Flankenzustellung,

Bild 2.33 zeigt drei Möglichkeiten der Zustellungen bei der Gewindeherstellung auf NCMaschinen: - radiale Zustellung: Sie ist am gebräuchlichsten. Beide Schneidenflanken werden gleichmäßig beansprucht. - Flankenzustellung: besserer Spanablauf, allerdings reibt das Werkzeug an der rechten nichtschneidenden Flanke. Sie wird bei großen Gewindesteigungen eingesetzt. - modifizierte Flankenzustellung: kein Reiben an der rechten Flanke und dadurch bessere Gewindeoberflächen. Um die Anzahl der Durchgänge zu verringern setzen wir auch mehrzahnige (zwei- oder dreischneidige) Gewindeschneidplatten ein. Beim Gewindestrehlen - das Sie aus Kap. 2.1.3 kennen - , nimmt die radiale Zustellung vom ersten bis zum letzten Zahn zu und das Gewinde wird in einem Durchgang gefertigt, siehe im Bild 2.30 Werkzeug B und Bild 2.31 rechts. Der

2.4 Drehwerkzeuge

89

erforderliche Gewindeauslauf ist hierbei größer, er entspricht der Länge der Gewindeplatte. Bei unserem Werkstück-Beispiel können wir auf Grund der geringen Freistichbreite (Kontur 14) daher das Gewindestrehlen nicht einsetzen. Bei mehrgängigen Gewinden werden die einzelnen Gewindegänge meistens nacheinander gefertigt, d. h. zuerst wird der erste Gewindegang in mehreren Schnitten gefertigt und danach der zweite usw. 2.4.2.6 Beispiel-Werkstück Die im Kap. 2.4.1 beschriebenen Verfahren und Werkzeuge zur Außenbearbeitung haben Sie anhand eines Beispiel-Werkstücks kennengelernt. Bild 2.34 soll Ihnen eine Gesamtübersicht aller eingesetzten Werkzeuge zur Bearbeitung geben.

2

3

4

5

6

StA

7

£

8

9

10

13

14

15

p\

Bild 2.34: Beispiel-Werkstück zeugen

2.4.3

mit allen

Werk-

Werkzeuge für die Innenbearbeitung

Bei der Innenbearbeitung liegen, wie Sie wissen, die zu bearbeitenden Flächen im Werkstück. Für die Innenbearbeitung werden i.d.R. Bohrstangen verwendet, einige Beispiele zeigt Bild 2.35.

Bild 2.35: Beispiel

von Klemmhaltern

für die Innenbearbeitung

(Werkfotos

Fa. WID1A

GmbH)

2.4.3.1 Schneidplatten für die Innenbearbeitung Für die Innenbearbeitung verwenden wir die gleichen Schneidplatten wie für die Außenbearbeitung, deren Bezeichnung und Ausführungen Sie im Kap. 2.4.1.1 kennengelernt haben. 2.4.3.2 Bezeichnung der Klemmhalter für die Innenbearbeitung Für die Innenbearbeitung werden Bohrstangen verwendet, die analog den Klemmhaltern für die Innenbearbeitung bezeichnet werden. Der Unterschied liegt darin, dass die Schaftbezeichnung an erster Stelle erfolgt.

90

2 Drehen 1

2

A

32

3

R

4

P

5

s

6

7

8

9

K

c

R

16

10

Besonderheit

Innenklemmhalter A32R P S K C R 1 6

P ^ n ^ p i

Bild 2.36: Beispiel für die Bezeichnung

m

o

von Klemmhaltern

für die

Innenbearbeitung

Die einzelnen Bezeichnungspositionen sind numeriert und entsprechen den Nummern der folgenden Aufzählung: 1. Schaftausführung: Buchstabe A steht für Stahlschaft mit Kühlbohrung, B für Stahlschaft mit Dämpfung, C für Hartmetallschaft mit Stahlkopf, S für Stahlschaft. 2. Schaftdurchmeser: D = 32 mm. 3. Werkzeuglänge: Der Buchstabe R kennzeichnet einen Klemmhalter mit einer Gesamtlänge von 200 mm. 4. Art der Klemmung: P = Klemmung über die Bohrung. 5. Plattenform: Buchstabe S kennzeichnet eine quadratische Platte mit einem Eckenwinkel e = 90°. 6. Halterform: Der Buchstabe K besagt, dass der Halter einen Einstellwinkel k = 75° hat. 7. Freiwinkel der Platte: der Buchstabe C kennzeichnet eine Platte mit einem Freiwinkel a = T. 8. Schnittrichtung: R besagt, dass der Halter für die Schnittrichtung rechts geeignet ist. 9. Schneidkantenlänge: Die Schneidplatte hat eine Länge von 16 mm. 10. Sonderformen oder höhere Genauigkeit.

2.4.3.3

Weitere Klemmhalterformen für die Innenbearbeitung

Außer den oben beschriebenen Klemmhaltern gibt es weitere Werkzeugsysteme zur Aufnahme von Schneidplatten, einige sind im Bild 2.37 dargestellt:

>e a Kurzklemmhalter

3-

&

b Schneidköpfe

Bild 2.37: Weitere Werkzeugsysteme

zur Innenbearbeitung

tl

-V,

>e£

0

c Bohrstangen (Werkfotos

Fa.

Sandvik)

2.4 Drehwerkzeuge -

-

-

91

Kurzklemmhalter, siehe Bild 2.37a, sind in der DIN 4985 genormt. Sie werden über die hintere Schraube in eine Aufnahme hineingezogen und seitlich geklemmt. Diese Kurzklemmhalter werden vor allem bei der Innenbearbeitung eingesetzt. Schneidköpfe zur Aufnahme von genormten Schneidplatten sind herstellerabhängig. Bild 2.37b zeigt das System Coromant Capto™. Sie sind je nach Ausführung für die unterschiedlichen Bearbeitungen, wie Längsdrehen (außen und innen), Plandrehen, Ein- und Abstechen oder Gewindedrehen ausgelegt. Der Vorteil beim Einsatz von Schneidköpfen liegt in dem schnellen Austauschen der Köpfe ohne den Grundträger zu wechseln, wodurch die Rüstzeiten verringert werden. Modulare Bohrstangen mit Hohlschaftkegel zur Aufnahme in einem Werkzeughalter Schwingungsgedämpfte Bohrstangen.

-D=! 1

Bild 2.38: Schwingungsgedämpfte Bohrstange für die Innenbearbeitung (Fa. Sandvik)

2.4.3.4 Besondere Merkmale der Innenbearbeitung Die Innenbearbeitung gestaltet sich grundsätzlich schwieriger als die Außenbearbeitung, da: -

die Werkzeuge in der Regel zur Bearbeitung tief liegender Flächen weit auskragend sind und daher größere Schwingungen und Durchbiegungen auftreten, wodurch die Oberflächenqualität und die Maßgenauigkeit verringert werden.

Oj^

Bild 2.39: Minimaler Innendurchmesser von Bohrstangen

-

der Spanabtransport aus der Bohrung erschwert ist. Die Späne werden i. d. R. über den Kühlschmierstoff, der unter einem hohem Druck eingebracht wird, aus der Bohrung herausgespült. - die Zufuhr von Kühlschmierstoffen von außen an die Schneide erfolgt. - die Zerspankraft größer ist, auf Grund der konkaven Innenfläche und der damit verbundenen höheren Spanstauchung beim Zerspanen. Der Schaftquerschnitt des Werkzeugs richtet sich nach der Größe der Innenbohrung, damit die zu bearbeitende Fläche zugänglich ist. Jedes Innendrehwerkzeug ist ab einem minimalen Innendurchmesser Dmin einsetzbar, siehe Bild 2.39. Bei einer schwierigen Innenbearbeitung ist folgendes zu beachten: - große Schaftquerschnitte bzw. Schaftdurchmesser D - kurze Einspannung mit geringer Auskraglänge L < 4 x D - Schaft stabil einspannen. - Falls Rattern auftritt, schwingungsgedämpfte Bohrstangen einsetzen, insbesondere bei Auskraglängen bis L < 7 x D.

92 -

2 Drehen Möglichst große Einstellwinkel K = 90° wählen, um die radiale Kraftkomponente so gering wie möglich zu halten. Schneidplatten mit einer positiven Geometrie, also mit einem positiven Spanwinkel y > 0° im Klemmhalter wählen, um die Schnittkraft zu verringern. Schneidplatten mit kleinen Eckenradien verwenden, insbesondere beim Schlichten, um die Radialkraft zu verringern. unbeschichtete Schneidplatten einsetzen, da diese eine schärfere Schneide haben Werkzeuge mit innerer Kühlmittelzufuhr einsetzen, um die Späne aus der Bohrung herauszuspülen.

2.4.4

Beispiel-Werkstück Innenbearbeitung: Drehverfahren und -Werkzeuge

Wenn der Studierende oder der Arbeitsplaner die Bearbeitung eines Werkstücks plant und eine Innenbearbeitung nötig ist, dann sind die erforderlichen Innendrehwerkzeuge und die Drehverfahren festzulegen. Die Wahl des geeigneten Innendrehwerkzeugs hängt im Wesentlichen von der Bearbeitungsart wie Schlichten oder Schruppen und der Bearbeitungsaufgabe/Drehverfahren ab. Jede Bearbeitungsaufgabe kann mit einem im Kapitel 2.1 beschriebenen Drehverfahren durchgeführt werden. Im Bild 2.40 ist ein Beispiel-Werkstück dargestellt, für das wir die einzelnen Werkzeuge für die/das jeweilige Bearbeitungsaufgabe/Drehverfahren im Folgenden festlegen sollen. Die einzelnen Konturen sind mit Zahlen gekennzeichnet. Das Werkstück soll die im Bild 2.40 gestrichelt dargestellte Rohteilkontur besitzen.

\ s \ \W

1

f '

\\r

N

6

1

/'// J /// / / / 5

7

9

Bild 2.40: Beispiel-Werkstück für die Innenbearbeitung

2.4.4.1 Längsdrehen Das Innen-Längsdrehen ist die erste Drehoperation. Das Werkstück wird zunächst mit Werkzeugen, die Sie Bild 2.41 entnehmen können, auf den Innendurchmesser der Kontur 5 längsgedreht. In diesem Abschnitt können wir noch nicht die Schnittaufteilung und die Lage, in der das Werkstück eingespannt ist, festlegen, sondern erst die in Frage kommenden Werkzeuge zum Längsdrehen.

93

2.4 Drehwerkzeuge

Fünf Möglichkeiten/Bohrstangen zum Innen-Längsdrehen der Kontur 5 aus der Rohteilkontur heraus zeigt Bild 2.41. Folgende Bohrstangen mit Stahlschaft und innerer Kühlbohrung (Buchstabe A), einem Schaftdurchmesser von 32 mm und einer Schaftlänge von 200 mm (Buchstabe R) werden hierbei eingesetzt: - Bohrstange A: A32R PCLNR12 - Bohrstange B: A32R PTFNL12 - Bohrstange C: A32R PWLNR12 - Bohrstange D: A32R PSKNL12 - Bohrstange E: A32R SRSCL25.

a PTFNR K = 90°

b PCNLR K = 75°

Bild 2.42: Werkzeuge zum Innen-Längsdrehen GmbH)

c PWLNR K = 90° (Werkfotos

a+c+d

d S T L P P K = 90°

Fa. lscar Hartmetall

GmbH, b Fa. Plansee

Tizit

Bild 2.42 zeigt vier Werkzeuge, die zum Innen-Längsdrehen geeignet sind. Welches Werkzeug am besten geeignet ist, können Sie Kap. 2.4.4: Werkzeugauswahl entnehmen. 2.4.4.2 Plandrehen Das im Bild 2.40 dargestellte Beispiel-Werkstück besitzt die beiden Planflächen mit den Konturnummern 2 und 6. Folgende Bohrstangen mit Stahlschaft und innerer Kühlbohrung (Buchstabe A), einem Schaftdurchmesser von 25 mm und einer Schaftlänge von 250 mm (Buchstabe S) werden hierbei eingesetzt: - Bohrstange A: A25S PTGNL12 - Bohrstange B: A25S PDJNR12 - Bohrstange C: A25S PWLNR 12 - Bohrstange D: A25S PCLNL12.

94

2 Drehen

2 Bild 2.43: Innendrehwerkzeuge zum Plandrehen

Eine bildliche Ausführung von vier Bohrstangen zeigt Bild 2.44.

c

PCLNR d SDUCR

I PWLNR

Bild 2.44: Bohrstangen zum Innen-Plandrehen und Vorschubrichtung (Werkfotos a+b Fa. Hoffmann GmbH Qualitätswerkzeuge, c+d Fa. Plansee Tizit GmbH)

2.4.4.3

Formdrehen/Kopierdrehen

Beim Innen-Formdrehen wollen wir eine im Werkstück liegende Form, eine zusammenhängende, beliebige Kontur mit unterschiedlichen Durchmessern herstellen. Für unser Beispiel-Werkstück können wir beim Kopierdrehen folgende Innendrehwerkzeuge, die im Bild 2.25 dargestellt sind, einsetzen.

W

m

CNMM

1 DNMG

v TNNM

. * WGFA

Bild 2.45: Werkzeuge zum Kopierdrehen im Einsatz und Schneidplattentyp

RNMA

95

2.4 Drehwerkzeuge Für die einzelnen Konturen werden folgende Drehwerkzeuge eingesetzt: - Kontur 2,3 und 4: Bohrstange (A) A25R SDUCR12 - Kontur 4 und 5: Bohrstange (C) A25R PTTNR12 - Kontur 6 und 7: Bohrstange (B) A25R PCLNR12 und (D) A25R MRSCL12.

Auch beim Innen-Kopierdrehen ändert sich der effektive Vorschub, wenn sich der Drehdurchmesser ändert. Auch hier gelten die im Kap. 2.4.2.3 gemachten Aussagen.

a SDVCL

b SDUNL

Bild 2.46: Bohrstangen zum Kopierdrehen

c SDUCR (Werkfotos a+b Fa. Widia GmbH, c Fa. Plansee Tizit GmbH)

2.4.4.4 Einstechen Das Einstechwerkzeug wird radial auf die Werkstückmitte zu bewegt. Beim Innen-Einstechen werden Nuten für Dichtungs- oder Sicherungsringe oder Freistiche hergestellt.

Wenn wir in unserem Werkstück-Beispiel Einstiche einbringen wollen, dann können wir das mit den im Bild 2.48 dargestellten Stechwerkzeugen tun.

Bild 2.48: Bohrstangen zum Einstechen (Werkfotos Fa. Widia GmbH)

Einige Ausführungen von Stechwerkzeugen sehen Sie im Bild 2.48 und von Stechplatten im Bild 2.29 für: - Nuten einstechen - Nuten für Sicherungsringe - Freistiche für den Gewindeauslauf. Befestigt werden die Stechplatten mit einer Schraube, wie im Bild 2.28c dargestellt ist, oder mit einem Spannfinger, siehe Bild 2.28a. Ausführungen von Stechplatten zeigt Ihnen Bild 2.29 aus dem Kap. 2.4.2.4.

96

2 Drehen

2.4.4.5 Gewindedrehen Mit Bohrstangen oder anderen Klemmsystemen können wir auch Innengewinde drehen. Die beim Drehen von Außengewinden gemachten Aussagen sind auch beim Drehen von Innengewinden gültig. Bild 2.49 zeigt Ihnen das Beispiel-Werkstück und zwei Bohrstangen zum Drehen des Innengewindes.

Bild 2.49 zeigt Ihnen zwei Gewindedrehwerkzeug-Ausführungen, nämlich eine radiale und eine tangentiale Anordnung der Platten im Halter. Die Bezeichnung der Gewindedrehwerkzeuge ist nicht genormt, sehr wohl aber die Gewindegeometrie.

a

b

Bild 2.50: Innengewinde-Drehwerkzeuge (Werkfotos Fa. Widia GmbH)

c in (a+b) radialer und (c) tangentialer

Ausführung

Um die Anzahl der Durchgänge zu verringern, setzen wir auch zwei- oder dreizahnige Gewindeschneidplatten ein.

2.4.5 • • •



Richtlinien zur Werkzeugauswahl

Schaftabmessungen: möglichst großen Schaftquerschnitt und geringe Schaftlänge, um das Auftreten von Schwingungen zu vermeiden/verringern. Klemmhaltersysteme: Für Schruppen die stabile Klemmung mit Spannfinger oder Kniehebel bevorzugen, während zum Schlichten die Schraubenspannung ausreicht. Halterform: Der Einstellwinkel K sollte so klein wie möglich gewählt werden. Bei labilen, schlanken Werkstücken muss der Einstellwinkel groß gewählt werden, bis 90°, um die Passivkraft zu verringern, die das Werkstück radial abdrängt, siehe Bild 1.6. Plattenform: Sie bestimmt den Eckenwinkel s. Je größer der Eckenwinkel ist, um so stabiler ist die Schneide, so dass die Belastungen durch Vorschub und Schnitttiefe erhöht werden können. Zum Schruppen einen möglichst großen Eckenwinkel wählen. Ein klei-

97

2.4 Drehwerkzeuge

ner Eckenwinkel bedingt eine bessere Zugänglichkeit zum Werkstück und einen vielseitigeren Einsatz. Zum Formdrehen werden Platten mit einem Eckenwinkel zwischen 3560° eingesetzt. Plattengröße: Ist die maximale Schnitttiefe festgelegt, kann daraus die erforderliche Plattengröße/Schneidkantenlänge ermittelt werden, wie Bild 2.51 zeigt.



= 90°

E

= 80°

s = 60°

6 = 35°

g = 55°

& ©

l, = Länge der im Ein-

griff befindlichen Schneide

le = 2/3x1

le = 2/3x1

le = 1/2x1

le = 1/2x1

l e = 1/4x1

le = 0,4xd

/ = Plattenlänge

d = Durchmesser Bild 2.51: Einfluss der Schneidenlänge/Eingriffslänge



l€ auf die Plattengröße

Eckenradius rz: Er verbindet die Hauptschneide mit der Nebenschneide und ist beim Spanen an der zentralsten Stelle. Ein großer Eckenradius erhöht die Stabilität der Schneide, verbessert die Oberflächenrauheit, siehe Kap. 2.6 und 2.10, und erhöht die Vibrationsgefahr. Der Eckenradius begrenzt den zulässigen Vorschub: J

f ~ 0,3 • n6

beim Schlichten

/ « 0,5 • rr

beim Schruppen

(2.1)

Runde Schneidplatten haben einen sehr großen Eckenradius und eignen sich daher für starkes Schruppen auch im unterbrochenen Schnitt, der beispielsweise beim Überdrehen einer Längsnut entsteht. •

Spanflächengeometrie - häufig Schneidengeometrie oder Plattentyp genannt: Um einen sicheren Spanbruch zu erreichen, werden die Spanflächen mit einer bestimmten Geometrie erzeugt.

Bild 2.52: Unterschiedliche Spanflächengeometrien GmbH)

2.4.6

(Werkfotos Fa. Wilhelm Fette GmbH, Fa. lscar Hartmetall

Fragen - Übungen - Beispiel

1.

Nennen Sie die Kriterien, nach denen Drehwerkzeuge eingeteilt und bezeichnet werden.

2.

Welche Angaben sind nötig, um eine Schneidplatte zu kennzeichnen?

98

2 Drehen

3.

Wie können Schneidplatten im Klemmhalter befestigt werden?

4.

Welche Klemmarten sind am stabilsten? Begründen Sie Ihre Antwort.

5.

Welche Schneidplattentypen (z. B. DNMA) sind unten dargestellt?

¿¡> m 0 Jk

M&

v 6.

Welche Klemmhalter (z. B. MTJN) sind im unteren Bild dargestellt?

7.

Welche Drehverfahren können mit diesen Klemmhaltern realisiert werden?

8.

Welche Innenklemmhalter/Bohrstangen (z. B. PSKCR) sind im unteren Bild dargestellt? m

(®S 9.

p y ^ —

Welche Drehverfahren können mit diesen Bohrstangen realisiert werden?

10. Eignen sich kleine Eckenwinkel für das Längsdrehen schlanker Werkstücke? 11. Welchen Einfluss nimmt der Eckenradius re auf den maximal zulässigen Vorschub/? 12. Nach welchen Richtlinien werden Drehwerkzeuge ausgewählt? 13. Beispiel Legen Sie für das unten dargestellte Drehteil auf der Grundlage der bereits festgelegten Drehverfahren die Drehwerkzeuge fest. 2

3 4 5 6 7 8 9

10 Rohteil

11 Fertigteil

Die Lösungen finden Sie auf den Internetseiten des Verlages unter http://www.oldenbourgverlag.de unter dem Buchtitel.

2.5 Spannmittel für Werkzeuge und Werkstücke

2.5

99

Spannmittel für Werkzeuge und Werkstücke

Im Kap. 2.4 haben Sie die unterschiedlichsten Drehwerkzeuge (Klemmhalter und Schneidplatten) und im Kap. 2.2 einige Beispiele von Werkstücken kennengelernt. Wir wollen uns nun der Frage annehmen, wie Werkzeuge und Werkstücke gespannt werden. Die Werkzeuge und Werkstücke müssen sicher und stabil gespannt werden, um die Bearbeitungssicherheit und die geforderte Werkstückqualität sicherzustellen.

2.5.1

Spannmittel für Werkzeuge/Werkzeughalter

Auf NC-Maschinen werden die Werkzeuge - Klemmhalter oder Schneidköpfe - für die Außen- und Innenbearbeitung in eine(n) Werkzeugaufnahme/Werkzeughalter und diese(r) in einen Revolver eingespannt. Daher besitzen Werkzeughalter zwei Aufnahmen bzw. Schnittstellen: - Aufnahme der Werkzeuge im Werkzeughalter (Kap. 2.5.1.1) - Aufnahme der Werkzeughalter in der NC-Maschine (Kap. 2.5.1.2) 2.5.1.1 Aufnahme der Werkzeuge im Werkzeughalter Die Drehwerkzeuge/Klemmhalter besitzen unterschiedliche Schaftausführungen (rechteckigen oder runden Schaftquerschnitt), dementsprechend gibt es Werkzeughalter für: - rechteckige oder - runde Schaftquerschnitte. Des Weiteren müssen die Werkzeughalter der Lage des Werkzeugs zum Werkstück, siehe Bild 2.9, Rechnung tragen. Diese sind in den Ausführungen rechts oder links verfügbar.

jp ,* mf!| a

b

c

Bild 2.53: (a) Axial- und (b) Radialwerkzeug-Klemmhalter gen, (d) Bohrstangenhalter und (e) weitere Ausführungen zeuge, c+e Fa. Heimatec)

^t d

e

mit äußerer Kühlmittelzuführung, (c) weitere Ausführun(Werkfotos a+b+d Fa. Hoffmann GmbH Qualitätswerk-

Außer den hier dargestellten Werkzeughaltern sind die Schneidköpfe und deren Aufnahmen zum Drehen herstellerspezifisch. Bild 2.54 zeigt das modulare Werkzeugsystem Coromant Capto™.

100

2 Drehen Manuelle und automatische Spanneinheiten

Sohwingungsgedämpfte Bohrstangen^

Seite

A141

Schneidköpfe für die AuBenbearheilung

Seite

A 76

Angetriebene Coromant Capto Wertaeughatter

Schneidköpfe für die Innenbearbeitung

Seite

Kurzlochbohrer

Halter für Drehwerkzeuge

A120

Halter für rotierende Werkzeuge

Auswechseibare Schneidköpfe. Siehe Seite A 120

Bild 2.54: Modulares Werkzeugsystem (Werkfoto Fa. Sandvik)

2.5.1.2 Aufnahme der Werkzeughalter im Revolver Die Schäfte der Werkzeughalter werden in den Revolver eingesetzt und dort manuell oder automatisch über den hydraulischen Druck gespannt. Die Schäfte der Werkzeughalter zur Aufnahme in einem Revolver/Scheibenrevolver besitzen meistens eine Verzahnung nach DIN 69880 oder sie werden aufgeschraubt, wie Sie Bild 2.53 entnehmen können. Der Revolver sitzt auf einem Schlitten, der die Vorschubbewegungen durchführt, siehe Kap. B . l . Der Revolver kann in seine Bohrungen, je nach Ausführung, bis zu 8, 12, 16 oder 24 Werkzeughalter aufnehmen. Bild 2.55a zeigt einen Axialscheibenrevolver mit 6 besetzten von 12 vorhandenen Werkzeugplätzen, die axial an der Stirnfläche angeordnet sind, und Bild 2.55b einen Radialscheibenrevolver mit 12 Plätzen, bei dem die Werkzeughaiter/Werkzeuge radial am Umfang angeordnet sind. Hinter dem Revolver befindet sich der Antrieb, bestehend aus Motor und Getriebe, der den Werkzeugwechsel, das sogenannte Schalten und die Drehzahl für die angetriebenen Werkzeuge liefert.

2.5 Spannmittel für Werkzeuge und Werkstücke

a Axialscheibenrevolver

101

b Radialscheibenrevolver

Bild 2.55: Werkzeuge, Werkzeughalter in einem Scheibenrevolver (Werkfotos Fa. Sauter Feinmechanik GmbH)

Um auf Drehmaschinen eine Komplettbearbeitung durchzuführen, sind außer dem Drehen noch die Fertigungsverfahren Bohren, Fräsen, Reiben zu integrieren. Das erfolgt mit angetriebenen Werkzeugen, die in den Revolver eingesetzt werden, siehe Bild 2.56. Der Antrieb der Werkzeuge erfolgt hinter dem Zylinderschaft des Werkzeugkopfes. Eine innere Kühlmittelzufuhr durch den Werkzeugkopf hindurch ist auch möglich.

b Radialer Mehrspindelbohrkopf

c Schwenkbarer Werkzeugkopf

Bild 2.56: Angetriebene Werkzeuge zum Drehen (Werkfotos a Fa. WTO GmbH, b Fa. heimatec, c Fa. Benz GmbH)

102

2 Drehen

2.5.2

Spannmittel für Werkstücke

Die Spannmittel müssen funktional so gestaltet sein, dass sie vor allem: - das Werkstück bei hohen Zerspankräften und hohen Drehzahlen sicher spannen - das Werkstück beim Spannen nicht verformen/beschädigen - hohe Steifigkeit haben, um eine hohe Werkstückgenauigkeit zu gewährleisten. 2.5.2.1 Spannfutter und Spannbacken Ein großer Anteil aller Werkstücke/Drehteile werden in Spannfuttern mit 2, 3, 4 oder 6 Spannbacken/Backen gespannt, die dann als Zwei-, Drei-, Vier- oder Sechsbackenfutter bezeichnet werden. Um die Drehteile auf unterschiedlichen Durchmessern spannen zu können, sind die Backen radial verstellbar.

ß/W 2.57: Spannfutter mit Backen (Werkfoto Fa. Forkardt Deutschland GmbH)

Bild 2.57 zeigt ein Spannfutter mit eingesetzten Spannbacken. Spannbacken Grundsätzlich können wir beim Spannen zwischen einer: - Außenspannung - die Spannkraft F wirkt von außen auf das Werkstück - Innenspannung - die Spannkraft F wirkt von innen auf das Werkstück unterscheiden, was Bild 2.58 verdeutlicht. Mit derselben Backe kann sowohl die Außen- als auch die Innenspannung von rohrförmigen Drehteilen realisiert werden. Bei der Außenspannung wirkt die Fliehkraft FRieh entgegen der Spannkraft Fsp, während bei der Innenspannung die Fliehkraft in die gleiche Richtung wie die Spannkraft wirkt und dabei das Spannen unterstützt. A Außenspannung F

Flich

a

BInnenspannung

Fpik-h F,

•"Flieh

7

V/////////A

"C2 a b c a Hauptspindel; b Spannbacken; c, cl, c2 Werkstück; F = Spannkraft; FrlM = Fliehkraft Bild 2.58: (a + b) Außen- und (c) Innenspannung von Drehteilen mit Stufenbacken

^ ^ - ^ T / T Ä

103

2.5 Spannmittel für Werkzeuge und Werkstücke

Das Spannen, das durch die radiale Bewegung der Backen bewirkt wird, kann: - manuell - bei Handspannfuttern oder - kraftbetätigt (pneumatisch, hydraulisch oder elektrisch) - bei Kraftspannfuttern erfolgen. Alle Backen werden beim Spannen/Entspannen im Spannfutter gleichzeitig bewegt, weshalb Spannfutter selbstzentrierend sind. •

Ausführungen von Spannbacken - Stufenbacken im Bild 2.59a und als Stufen-Aufsatzbacke im Bild 2.59c - Krallenbacken im Bild 2.59d als Aufsatzbacke - Blockbacken/weiche Backen im Bild 2.59e und als Block-Aufsatzbacke im Bild 2.59f.

Spannbacken werden im Spannfutter über eine Verzahnung aufgenommen. Diese Verzahnung ist entweder in die Backe integriert, als Stufenbacke im Bild 2.59a oder als Blockbacke im Bild 2.59e, oder in der Grundbacke im Bild 2.59b. Auf die Grundbacken werden die Aufsatzbacken in den unterschiedlichen Ausführungen als Stufen-, Krallen- oder Blockbacken aufgeschraubt, siehe Bild 2.59c+d+f. Bei den Stufenbacken ist die Backenstufung so ausgelegt, dass jeder Werkstückdurchmesser innerhalb des Spannbereichs gespannt werden kann. Die Spannfläche der Stufenbacke ist pflastersteinförmig verzahnt und verursacht am Werkstück eine Beschädigung. Deshalb können bearbeitete Flächen mit Stufenbacken nicht gespannt werden.

Ungeteilte Stufenbacke

Grundbacke

Bild 2.59: Ausführungen

StufenAufsatzbacke

Krallen-Aufsatzbacken

e Blockbacke f ßlock-Aufsatzbacke

von Backen (Werkfotos Fa. SCHUNK GmbH & Co. KG)

Beim Spannen mit Krallenbacken aus Bild 2.59d werden die Backenkrallen in das Werkstück eingedrückt, es entsteht ein Formschluß, der das Werkstück sehr sicher spannt. Daher eignen sie sich für schwere Schruppzerspanung und für die Bearbeitung lang auskragender Teile. Weiche Backen, siehe Bild 2.59e+f, sind nicht gehärtet und werden für das Spannen auf fertig bearbeiteten Flächen eingesetzt. Dazu werden sie durch Ausdrehen auf den jeweiligen Werkstückspann-Durchmesser angepasst. Das Gewicht kann zusätzlich durch spanende Bearbeitung (Abdrehen, Wegfräsen) verringert werden. Spannfutter • Das Spannen, das durch die radiale Bewegung der Backen erfolgt, kann: - manuell - bei Handspannfuttern (siehe Bild 2.60a), bei dem der Pfeil die manuelle Spannstelle anzeigt oder

104

2 Drehen

- kraftbetätigt (pneumatisch, hydraulisch oder elektrisch) - bei Kraftspannfuttern erfolgen. Alle Backen werden beim Spannen/Entspannen im Spannfutter gleichzeitig bewegt, weshalb sie selbstzentrierend sind. Je nachdem, wodurch die radiale, gleichzeitige Bewegung der Backen veranlasst wird, unterscheiden wir zwischen folgenden • -

Spannfuttern Spiralspannfutter Spiralringfutter Keilstangenfutter Keilhakenfntter.

a Keilstangenfutter-Handspannfutter mit Stufenbacken

Bild 2.60: Spannfutter

b Kraftbetätigtes Keilhakenfutter mit Durchgangsbohrung und Fliehkraftausgleich

c Kraftbetätigtes Keilhakenfutter mit Durchgangsbohrung

(Werkfotos Fa. SCHUNK GmbH & Co KG)

Die im Bild 2.60b+c dargestellten kraftbetätigten Spannfutter besitzen eine Durchgangsbohrung, so dass wir nebst scheibenförmigen Einzelteilen auch Stangenmaterial, das durch die Durchgangsbohrung hindurch geschoben wird, bearbeiten können. Der Fliehkraftausgleich verhindert eine Abnahme der Spannkraft mit zunehmender Drehzahl durch die Fliehkraft.

a Kurbelwellen Bild 2.61: Sonderspannfutter

b Schwenkfutter (Werkfotos Fa. Forkardt Deutschland

c Hochgeschwindigkeitsfutter GmbH)

Außer den Standard-Backenfutter gibt es noch eine Vielzahl weiterer Ausführungen, die für spezielle Aufgabenstellungen entwickelt wurden, wie Kurbelwellenfutter zum Spannen von Kurbelwellen, siehe Bild 2.61a, Schwenkfutter, um ohne Umspannen mehrere Seiten zu bearbeiten, siehe Bild 2.61b, Hochgeschwindigkeitsfutter, siehe Bild 2.61c, bis Drehzahlen von

2.5 Spannmittel für Werkzeuge und Werkstücke

105

11.000 U/min, Exzenterspannfutter zur Herstellung nicht zentrischer Drehteile, Zahnradspannfutter zum Drehen bereits verzahnter Teile. •

Sichere

Werkstückspannung

Ein wesentlicher Aspekt beim Drehen ist die Sicherstellung einer ausreichend großen Spannkraft während der Bearbeitung, um die Zerspankräfte trotz Fliehkraft zu übertragen. Selbst wenn die manuell oder kraftschlüssig eingeleitete Spannkraft gleich groß ist, sind die von den Backen auf das Werkstück wirkenden Spannkräfte abhängig von: - Spannart: Außen- oder Innenspannung - Reibungsverhältnissen im Futter - Futtersteifigkeit - Werkstücksteifigkeit - Fliehkraft. Jedes Futter hat eine maximal zulässige Drehzahl nml, die während des Einsatzes nicht überschritten werden darf, z. B. 5.000 U/min Bei dieser Drehzahl nzu, muss das Futter noch 1/3 der im Stillstand aufgebrachten Mindestspannkraft Fsp0 erbringen, um die Zerspanungskräfte sicher zu übertragen. FSP [kN] 240 200 160

\

\

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i

1 'X

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i 1.000

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Verlauf 1-Spannfutter 1 Verlauf 2-Spannfutter 2

!

\\

3.000 4.000 nzuii

—-i i





5.000 nzu!2

Bild 2.62: Abhängigkeit der Spannkraft von der Drehzahl beim Außenspannen

Bild 2.62 zeigt, wie sich die Spannkraft abhängig von der Drehzahl bei zwei unterschiedlichen Spannfuttern ändert. Im Stillstand sei die Spannkraft Fsp0 = 240 kN für beide Futter gleich, und beide Futter müssen zum Arbeiten noch 1/3 dieser Kraft sicherstellen, demnach 80 kN. Da die Futter unterschiedliche Massen und Steifigkeiten haben, besitzen sie auch unterschiedliche zulässige Drehzahlen. Spannfutter 1 ist bis zu einer Drehzahl nzun = 3.500 U/min, während Spannfutter 2 bis zu einer zulässigen Drehzahl nzul2 = 4.500 U/min eingesetzt werden kann. Diese zulässige Drehzahl ist auf das Spannfutter bezogen. Je größer das Spannfutter ist, um so geringer ist die zulässige Drehzahl. Auch die Form und das Gewicht des zu bearbeitenden Werkstücks nimmt auf die maximale Drehzahl, mit der sich das Futter drehen darf, Einfluss. Je größer und schwerer das Werkstück ist, um so geringer sind die Drehzahlen zu wählen. In der Regel aktiviert der Maschinenbediener über eine G-Funktion, siehe Kap. D.3.1, im NC-Programm eine in den Maschinenparametern festgelegte Drehzahlbegrenzung.

106

2 Drehen

Auf dem Markt gibt es bereits Messsysteme zur Ermittlung der statischen und dynamischen Spannkraft unmittelbar an den Backen, woraus die im Bild 2.62 dargestellte Abhängigkeit ermittelt werden kann.

2.5.2.2

Planscheiben

Planscheiben sind Spannmittel zur Aufnahme meist nicht-rotationssymmetrischer Teile. Um diese zu spannen, sind die Backen einzeln unabhängig voneinander verstellbar, also nicht selbstzentrierend wie beim Spannfutter. Planscheiben haben häufig 4 oder 6 Backen, deren radiale Verstellung über Gewindespindeln erfolgt. Da die Werkstücke unregelmäßig geformt sind, entstehen beim Drehen Unwuchten, weshalb man bei Planscheiben mit geringeren Drehzahlen arbeitet. Der Rüstaufwand ist größer, da alle Backen einzeln eingestellt werden müssen.

Spann backe Planscheibe Werkstück = Platte

Bild 2.63: (a) Planscheibe (Quelle Hahn+Kolb Werkzeugkatalog 2001), (b) Platte mit Planscheibe gespannt

Bild 2.63a zeigt eine Planscheibe mit 3 Backen und Bild 2.63b eine rechteckige Platte, die mit einer Planscheibe mit 4 Spannbacken gespannt wird. Hiermit kann man in die Platte beispielsweise eine Axialnut oder eine Bohrung einbringen.

2.5.2.3

Spanndorne/Dehnspanndorne

Spanndorne setzen wir für die Aufnahme und Spannung von Werkstücken mit Innenbohrung ein, um diese innen zu spannen und außen zu bearbeiten. Spanndorne arbeiten nach folgenden Wirkprinzipien-. - mechanisch, wie im Bild 2.64 dargestellt, oder - hydraulisch, wie im Bild 2.65 dargestellt. •

Mechanische Werkstück

Dehnspanndorne geschlitzte Spannhülse

geschlitzte Spannhülse

Spannmutter Grunddorn

bring F„ auf

Bild 2.64: (a) Spannprinzip, (b) Ausführung eines mechanischen Spanndorns (Werkfoto Fa. Forkardt GmbH)

Deutschland

2.5 Spannmittel für Werkzeuge und Werkstücke

107

Das Spannprinzip zeigt Bild 2.64a. Durch das Einleiten einer Axialkraft die hier im Bild manuell über eine nicht dargestellte Spannmutter erfolgt, wird die axial geschlitzte Spannhülse über den Kegel des Grunddorns geschoben. Dadurch weitet sie sich radial und spannt das Werkstück in dessen Bohrung. Die axiale Kraft kann sowohl manuell als auch kraftbetätigt eingeleitet werden. Mit Spanndornen, deren Durchmesser und Länge dem Werkstück angepasst wird, kann das Werkstück über eine größere Länge mit konstanter, einstellbarer Spannkraft und einer hohen Rundlaufgenauigkeit gespannt werden. Die radiale Aufweitung liegt je nach Spanndurchmesser zwischen 1 - 3 mm. • Hydraulische Dehnspanndorne Mit hydraulischen Dehnspanndornen werden Werkstücke mit Innenbohrung gespannt. Im Gegensatz zu den Spanndornen wird die Werkstückspannkraft hydraulisch erzeugt, wodurch es zu keiner mechanischen Beschädigung der Werkstückbohrung kommt.

Spannkolben Spannschraube

Werkstück

I-

'—«m

Dehnhülse

Grundkörper

TTTTTT Hvdrauliköl •Icfotos Fa.

SCHUNK

Bild 2.65 zeigt das Spannprinzip. Durch das Drehen der Spannschraube wird der Spannkolben in das Hydrauliköl hinein gedrückt, wodurch sich im Spannsystem ein einstellbarer Druck aufbaut, der die Dehnhülse im elastischen Bereich radial bis ca. 0,3 % weitet und das Werkstück mit einer Rundlaufgenauigkeit zwischen 3 - 5 um spannt. Spanndorne werden entweder an die Hauptspindel angeflanscht oder werden zwischen Spitzen aufgenommen, wie in der Ausführung aus Bild 2.65b.

2.5.2.4

Spannzangen

Spannzangen setzen wir in der automatisierten Fertigung ein, wenn von der Stange bei kleinen Stangendurchmessern gearbeitet wird. Das Stangenmaterial wird außen durch die Spannzange gespannt. Grundsätzlich können wir zwischen zwei Spannzangenausfiihrungen unterscheiden: - kraftschlüssige Spannzange = Zugspannzange ohne genaue axiale Fixierung - formschlüssige Spannzange = Druckspannzange mit genauer axialer Fixierung.

108

2 Drehen

Bild 2.66: (a) Zugspannzange,

(b) Druckspannzange

(Werkfotos

Fa. IV. Fabry & Co.)

Spannzangen bestehen aus geschlitzten elastischen Hülsen mit kegeligen Teilflächen, wie Bild 2.66 zeigt. Durch das Hineinziehen der Zugspannzange bzw. durch das Drücken der Druckstange wird die Spannhülse zusammengedrückt und damit das Stangenmaterial gespannt. Spannzangen werden in einem Spannzangenfutter aufgenommen. Der Spannbereich der Spannzangen liegt zwischen 0,1-0,3 mm, je nach Durchmesser. Bei hohen Drehzahlen können Spannzangen nicht eingesetzt werden. Die Rundlaufgenauigkeit liegt bei ca. 0,2 mm. Mit Spannzangen können runde, 4kant-, 6kant- oder 8kant-Stangen gespannt werden.

2.5.2.5

Stirnmitnehmer und Zentrierspitzen

Im Gegensatz zu den bisher besprochenen Spannmitteln, die das Werkstück auf dem Außenoder Innendurchmesser spannen, spannen Stirnmitnehmer das Werkstück stirnseitig, man spricht hier vom Drehen zwischen Spitzen. Dadurch können wir in einer Aufspannung, in einem Arbeitsschritt, die komplette Außengeometrie herstellen. Das Werkstück wird stirnseitig mit Stirnmitnehmer und Zentrierspitze fixiert, wie Bild 2.67 zeigt. Geringe axiale Unebenheiten der Stirnfläche können vom Stirnmitnehmer ausgeglichen werden.

Bild 2.67: (a+b) Spannen mit Stirnmitnehmer und Zentrierspitze, Spannzeuge GmbH, c Fa. Henninger GmbH & Co. KG)

(c) Stimmitnehmer

(Werkfotos

a+b Fa.

Neidlein-

Während der Stirnmitnehmer spindelseitig aufgenommen wird, erfolgt die Aufnahme der Zentrierspitze im Reitstock, der das Gegenlager beim Drehen zwischen Spitzen ist.

2.5 Spannmittel für Werkzeuge und Werkstücke

109

2.5.2.6 Zentrierspitzen und Drehgreifer Zum Abstützen und Spannen von Wellen werden Zentrierspitzen verwendet. Die Werkstücke müssen stirnseitig eine Zentrierbohrung haben, damit die Zentrierspitzen es aufnehmen und zentrieren können. Die gehärteten Zentrierspitzen können feststehend oder mitlaufend sein. Bild 2.67a zeigt eine im Reitstock aufgenommene mitlaufende Zentrierspitze. Für Wellen setzt man Zentrierspitzen mit einem Kegelwinkel von 60°, 75° oder 90° ein, siehe Bild 2.68a, und für rohrförmige Werkstücke Kegelstumpfe, sog. Drehgreifer mit einem Kegelwinkel von 75°, siehe Bild 2.68b. Bei der Mitnahme der Werkstücke mit Drehgreifern erfolgt die Werkstückspannung entlang einer gesamten Umfangslinie und nicht nur abschnittsweise, wie beim Spannen mit Backen.

a

mitlaufend

Bild 2.68: (a) Zentrierspitzen

feststehend und (b) Drehgreifer,

b (Werkfotos

mitlaufend

feststehend

Fa. Henninger GmbH & Co. KG)

Bild 2.69: Spannen von Rohren mit zwei

Drehgreifem

2.5.2.7 Lünette/Setzstock Lünetten haben die Aufgabe, lange und schlanke Werkstücke radial abzustützen, um ein Durchbiegen während der Außenbearbeitung zu verringern/verhindern.

3 Spannrollen zur radialen Wellenführung

Bild 2.70: Lünette (Werkfoto Fa. SMW-Autoblok

Spannsysteme GmbH)

Bild 2.70 zeigt eine Lünette, die eine rotierende, schlanke Welle radial fixiert. Lünetten sind entweder feststehend oder können verfahren werden, wobei sie vom Revolver in eine definierte Position gebracht und dort fixiert/geklemmt werden.

110

2 Drehen

2.5.3

Richtlinien für die Auswahl der Werkstück-Spannmittel

Das Backenfutter ist auf Drehmaschinen das Standard-Spannmittel. •

Abmessungen: Länge, Durchmesser, Verhältnis Länge/Durchmesser, Welle oder Rohr - Kann das Werkstück einseitig eingespannt werden? - Außen- und oder Innenbearbeitung? - Sind die Planflächen zu bearbeiten?

• • •

Genauigkeitsanforderungen: Toleranzen, Rauheit Technologie: Schnittgeschwindigkeit, Drehzahl Zerspankräfte und Antriebsleistung, siehe Kap. 2.7.9.

2.5.4

Beispiel-Werkstück

Im Kap. 2.4.2 haben wir anhand eines Beispiel-Werkstücks für die Außenbearbeitung und im Kap. 2.4.4 anhand eines Beispiel-Werkstücks für die Innenbearbeitung die einzelnen Drehverfahren und -Werkzeuge kennengelernt. Wir wollen uns nun fragen, wie wir diese beiden Werkstücke optimal spannen können.

2

3 4

5

6

7 8 9 10 I

13

Bild 2.71: Beispiel-Werkstücke für die (a) Außen- und(b)



14

15

Innenbearbeitung

Für die Außenbearbeitung haben wir folgende Möglichkeiten: 1. Spannen im Dreibackenfutter und die Bearbeitung in zwei Aufspannungen/Arbeitsgängen, wie im Bild 2.72 und Bild 2.73 dargestellt. In der ersten Aufspannung werden die Konturen 8-16 bearbeitet und in der zweiten Aufspannung die Konturen 1-7. Insbesondere wenn das Beispiel-Werkstück lang und schlank ist, kann es erforderlich sein, es mittels eines Reitstocks rechts abzustützen, wie es beispielhaft in der zweiten Aufspannung dargestellt ist. 2. Spannen mit Stirnmitnehmer und Reitstock. Wenn mit einem Reitstock gearbeitet wird, muss vorher die Zentrierung in das Werkstück eingebracht werden, und in der gleichen Aufspannung kann die eine Stirnseite plan gedreht werden. Die Stirnseite kann vor dem Außendrehen oder danach plan gedreht werden. Der große Vorteil dieser Spannmöglichkeit liegt darin, dass Planlaufgenauigkeiten zwischen zwei Außenkonturen und die Bezugspunkte genauer gefertigt werden können.

111

2.5 Spannmittel für Werkzeuge und Werkstücke

Bild 2.72: Außendrehen 1. Seite und Spannen im Spannfutter (Werkfoto Fa. SCHUNK GmbH & Co. KG)

Bild 2.73: Außendrehen 2. Seite (Werlfoto Fa. SCHUNK GmbH & Co. KG, Fa. Henninger GmbH & Co. KG)



Für die Innenbearbeitung haben wir folgende Alternativen: Bearbeitung der Innenflächen im Dreibackenfutter in zwei Aufspannungen, wie im Bild 2.74 dargestellt. Die bearbeiteten Konturen sind mit einer dicken Linie markiert und nummeriert. Wenn geringe Durchmesserdifferenzen vorliegen und das Werkstück kurz und stabil ist, kann die gesamte Innenfläche in einer Aufspannung (siehe Bild 2.74a) bearbeitet werden. 5

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6 7 8

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9

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Bild 2.74: Innendrehen (a) 1. Seite und (b) 2. Seite

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3 2

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1

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112

2.5.5

2 Drehen

Fragen - Übungen - Beispiel

1. Welche Anforderungen werden an Werkzeug- und Werkstückspannmittel gestellt? 2. Welche Spannmittel für Werkzeuge sind unten dargestellt?

3. Welche Werkstück-Spannmittel sind in den unteren Bildern dargestellt?

4. Welche Werkstück-Spannmittel eignen sich für die - Außenbearbeitung - Innenbearbeitung Bearbeitung von wellenförmigen Werkstücken - Bearbeitung von rohrförmigen Werkstücken. 5. Welche Werkstück-Spannmittel besitzen eine hohe Rundlaufgenauigkeit? 6. Beispiel Bestimmen Sie für das unten dargestellte Werkstück die Spannmittel. Welche Arbeitsschritte sind nötig? Beachten Sie dabei die Länge und den Durchmesser des Drehteils. 152 150

Rohteil

o Fertigteil

Die Lösungen finden Sie auf den Internetseiten des Verlages unter http://www.oldenbourgverlag.de unter dem Buchtitel.

113

2.6 Oberflächengüte

2.6

Oberflächengüte

Wenn Sie spanend eine Oberfläche herstellen, so hat diese ein bestimmtes Oberflächenprofil. Sie als Konstrukteur legen außer den maßlichen Toleranzen auch die maximal zulässigen Oberflächenkennwerte, wie gemittelte Rautiefe Rz, arithmetischer Mittenrauwert Ra, die maximale Rautiefe R: oder Profiltiefe P: fest. Beim Drehen entsteht auf Grund der Werkstückrotation, des Schneidenradius re und des Werkzeugvorschubs / ein ganz spezifisches Oberflächenprofil, das im Bild 2.75 dargestellt ist.

Werkstück

Bild 2.75: Oberflächenprofil

beim Drehen

Mit zunehmendem Vorschub / u n d mit kleinerem Eckenradius rE nimmt die maximale Rautiefe Rt ab, die aus Gl. (2.2) theoretisch errechnet werden kann: (2.2)

Deshalb sollten beim Schlichten, wo geringe Rauheitswerte gefordert werden, geringe Vorschübe und große Eckenradien gewählt werden. Wenn es die Werkstückgeometrie ermöglicht, sollte man zum Schlichten runde Schneidplatten vom Typ R einsetzten. In der Praxis liegt folgende Fragestellung vor: Welchen Vorschub muss ich wählen, um bei gegebenem Schneidenradius die in der Zeichnung vorgegebenen Rauheitswerte einzuhalten? Daher wird Gl. (2.2) zur Vorschubermittlung umgestellt: (2.3)

114

2 Drehen

Tabelle 2.1: Zulässiger Vorschub f abhängig vom Eckenradius rt und der Rautiefe R, Bearbeitungsart

Feinschlichten

Schlichten

Schruppen

Rautiefe R:

Rautiefe R,

Rautiefe R,

Rautiefe R,

4 |im

16 um

63 um

zulässiger Vorschub/[mm/U]

Eckenradius rt [mm] 0,2

0,08

(0,16)

(0,32)

0,4

0,11

(0,23)

(0,45)

0,8

0,16

0,32

0,64

1,6

0,23

0,45

0,90

3,2

0,32

0,64

1,27

Tabelle 2.1 zeigt die aus Gl. (2.2) ermittelten theoretischen Vorschubwerte. Die in Klammern gesetzten Werte sind unzulässige Werte, da der Eckenradius rz im Verhältnis zum Vorschub folgende Werte annehmen soll, siehe Gl. (2.4): r

2.6.1

e

* ( 2 - 3 ) x f

(2.4)

Fragen - Übungen

1.

Welcher technologische Parameter beeinflusst die Oberflächenrauheit am stärksten?

2.

Welchen Einfluss nimmt der Eckenradius rz auf die theoretische Oberflächenrauheit? Formulieren Sie diesen Zusammenhang mathematisch.

3.

Besteht eine Beziehung zwischen dem gewählten Eckenradius re und dem maximal zulässigen Vorschub?

Die Lösungen finden Sie auf den Internetseiten des Verlages unter http://www.oldenbourgverlag.de unter dem Buchtitel.

2.7

Technologie und Anwendungsbeispiele

2.7.1

Allgemeine Kriterien zur Technologieauswahl

Im Kap. 2.4 wurden für zwei Beispiel-Werkstücke die Drehverfahren und die möglichen Drehwerkzeuge sowie im Kap. 2.5 die Spannmöglichkeiten der Werkzeuge und Werkstücke dargestellt. Im Kap. 1.3 sind die marktüblichen Schneidstoffe beschrieben; deren Einsatzbereiche - speziell deren optimale Technologie beim Drehen - werden nun vorgestellt.

2.7 Technologie und Anwendungsbeispiele •

115

Die Wahl der geeigneten Technologie hängt allgemein von folgenden Faktoren ab: - Werkstückwerkstoff: Zerspanbarkeit/Bearbeitbarkeit - Werkstückgeometrie: Form, Abmessungen, Stabilität - Bearbeitungsvorgaben: Genauigkeit, Toleranzen, Oberflächengüte - Maschinenleistung: max. Drehzahl, max. Drehdurchmesser, Stabilität - Werkzeughalter und -geometrie - Wirtschaftlichkeit - Prozesssicherheit.

Auf dem Markt gibt es eine Vielzahl von Schneidstofflieferanten, die den einzelnen Schneidstoffen und deren Schichten eingetragene Markenzeichen™ gegeben haben. • Spanleitstufen/Plattengeometrie Die einzelnen Schneidplatten haben herstellerspezifische Plattengeometrien/Spanleitstufen, um im optimalen Technologiebereich (a, f ) einen gesicherten Spanbruch zu erreichen. Schneidkeil

ap [mm]

R Schruppen

10R

\

1 5-

\

! M

leichtes Schruppen

'-I l^zy

0,25

0,5

0,75

"i—* f [mm/Umdr.] 1,0

Schlichten Bild 2.76: Einsatzbereiche von drei Schneidplattengeometrien R, M und F

Für jede Schneidplatte gibt der Hersteller den optimalen Einsatzbereich an, in dem ein gesicherter Spanbruch gewährleistet ist, wie Bild 2.76 verdeutlicht. Nur in dem umrandeten Bereich ist ein gesicherter Spanbruch gegeben. Allgemein gilt: Je höher die Beanspruchung auf Grund höherer Materialfestigkeit, höherer Vorschübe und Zustellungen ap ist, desto stabiler muss der Schneidkeil ausgebildet sein. Die Platte vom Typ R aus Bild 2.76, die zum Schruppen verwendet wird, hat den stabilsten Schneidkeil. Die Platte muss außerdem einen großen Eckenwinkel e und einen großen Eckenradius re besitzen, um die hohe Belastung beim Schruppen sicher aufzunehmen. Einzelheiten sind den jeweiligen Herstellerunterlagen zu entnehmen. Die Schlichtplatte vom Typ F ist für das Schlichten, bei dem eine geringe mechanische Schneidenbelastung auftritt, geeignet, da sie einen schwachen Schneidkeil besitzt. • Bearbeitungsart In der Praxis hat sich herausgestellt, dass die Einteilung in die materialbezogenen Anwendergruppen P, M und K nicht ausreichend ist, da die Bearbeitungsart (Schlichten, mittlere Bearbeitung und Schruppen) und ggf. noch das Fertigungsverfahren mit berücksichtigt werden muss. Das ist schon deswegen erforderlich, da beim Schruppen Schneidstoffe mit einer höheren Zähigkeit eingesetzt werden als beim Schlichten.

116

2.7.2

2 Drehen

Technologie beim Längs-, Plan- und Formdrehen

Wir werden daher die Bearbeitungsart: - Schruppen - Schlichten - mittlere Bearbeitung - Feinstschlichten bei der Technologiefestlegung der Drehverfahren: Längs-, Plan- und Formdrehen berücksichtigen. Die im Kap. 2.7.2 gemachten Aussagen beziehen sich auf das Längs-, Plan- und Formdrehen. 2.7.2.1 Technologie beim Schruppen Wenn wir ein Rohteil bearbeiten, insbesondere wenn ein hohes Zerspanungsvolumen abgetragen werden soll, wird in den ersten Arbeitsschritten geschruppt. Deshalb werden Sie die Technologie beim Schruppen als erste Bearbeitungsart kennen lernen. Bei der Festlegung der Technologiewerte beim Schruppen können gegebenenfalls folgende Einschränkungen auftreten: - die Antriebsleistung und die Stabilität der Maschine - die Stabilität des Werkzeugs - die Stabilität des Werkstücks sowie - die Spanform. Die Technologie wird auch unter wirtschaftlichen Kriterien festgelegt, um einerseits geringe Bearbeitungszeiten (Hauptzeiten th) und ein möglichst großes Zerspanungsvolumen zu erzielen und um andererseits die Werkzeugkosten zu begrenzen. • Tabellenaufbau Tabelle 2.2 ist so aufgebaut, wie in der Praxis vorgegangen wird: Wir bestimmen die Bearbeitungsart, in diesem Fall das Schruppen. Da der Werkstückwerkstoff bekannt ist, wird danach die Zustellung ap, dann der Vorschub /, der Schneidstoff und zuletzt die Schnittgeschwindigkeit vc ermittelt. • Technologie Tabelle 2.2 zeigt den Technologiebereich beim Schruppen für die unterschiedlichen Werkstückwerkstoffe. Sie verdeutlicht Ihnen folgende Zusammenhänge: - Geschruppt wird mit hohen Vorschüben: / = 0,3-1,0 mm und großen Zustellungen ap = 2-8 mm. - Schneidstoffe: unbeschichtete und beschichtete Hartmetalle für alle Werkstoffgruppen, keramische Schneidstoffe bevorzugt bei Gusswerkstoffen und legierten Stählen, beschichtete Cermets beim grauen Gusseisen und bei Aluminium-Legierungen, polykristalliner Diamant bei Aluminium-Legierungen. - Je höher die Festigkeit/Härte der Werkstoffe ist, um so geringere Schnittgeschwindigkeiten vc sind zulässig. Das gilt für die einzelnen Werkstoffgruppen, z. B. rostfreier Stahl, aber auch für die unterschiedlichen Werkstoffe innerhalb einer Werkstoffgruppe. Vergleichen Sie hierbei den legierten Stahl mit dem rostfreien Stahl.

2.7 Technologie und Anwendungsbeispiele -

117

Die höchste Schnittgeschwindigkeit vc ist beim kleinsten Vorschub / und der geringsten Zustellung ap zu wählen. Der niedrigste Wert der Schnittgeschwindigkeit ist beim größten Vorschub und bei der größten Zustellung zu wählen. Mit zunehmender Warmfestigkeit des Schneidstoffs kann die Schnittgeschwindigkeit vc erhöht werden.

Tabelle 2.2 zeigt typische Technologie werte, die mit modernen Schneidstoffen erreicht werden. HSS-Schneidstoffe haben in der industriellen Praxis beim Drehen eine untergeordnete Bedeutung, daher werden sie nicht aufgeführt. Tabelle 2.2: Technologiewerte Werkstückwerkstoff

beim Schruppen Technologiewerte beim Schruppen a„ [mm]

/[mm/Umdr.]

Schneidstoff

vc [m/min]

Unlegierter Stahl

2,0-8,0

0,3-0,6

HC

Legierter Stahl

2,0-6,0

0,3-0,6

HW

60-120

2,0-10,0

0,2-1,0

HC

120-300 150-700

Rostfreier Stahl Grauguss

Kugelgraphitguss

Warmfeste Legierungen Aluminium-Legierungen

100-200

1,5-6,0

0,3-0,45

CA

2,0-6,0

0,3-0,6

HW

30-70

2,0-6,0

0,3-0,6

HC

70-130

2,0-6,0

0,3-0,6

HW

60-100

2,0-8,0

0,3-0,8

HC

100-250

2,0-6,0

0,3-0,6

HC'

200-300

1,5-6,0

0,3-0,6

CA

100^100

1,5-8,0

0,3-0,6

CN

200-800

2,0-8,0

0,3-0,6

HW

60-80

2,0-6,0

0,3-0,6

HC

100-250

2,5-6,0

0,25-0,4

CA

200-400

2,5-6,0

0,25-0,4

CN

150-450

2,0-6,0

0,3-0,6

HW

1,0-6,0

0,3-0,6

HC

30-50

2,0-6,0

0,3-0,6

HW

150-1.500

2,0-8,0

0,3-0,6

HC

200-2.000

1,0-5,0

0,1-0,4

HC'

220-2.200

0,5-3,0

0,1-0,2

DP

400-3.000

25^tt)

' beschichtetes Cermet

2.1.2.2 Technologie beim Schlichten bis mittlere Zerspanung Im Bereich zwischen Feinstschlichten und Schruppen befindet sich die mittlere Beanspruchung, die vom Schlichten bis zur mittleren Zerspanung reicht. Tabelle 2.3 zeigt für die unterschiedlichen Werkstückwerkstoffe den Technologiebereich beim Schlichten, den wir wie folgt deuten können: - Bei der mittleren Beanspruchung bis Schlichten werden Vorschübe v o n / = 0,1-0,4 mm und Zustellungen von ap = 0,5-5 mm eingestellt. - Schneidstoffe: unbeschichtete Hartmetalle für Werkstoffe, die eine hohe Schneidenschärfe erfordern, keramische Schneidstoffe wie CA, CM, CN und kubisches Bornitrid BN

118

-

-

2 Drehen

bevorzugt bei Gusswerkstoffen und polykristalliner Diamant DP bei Aluminium-Legierungen. Je höher die Festigkeit/Härte der Werkstoffe ist, um so geringere Schnittgeschwindigkeiten vc sind zulässig. Das gilt für die einzelnen Werkstoffgruppen, z. B. rostfreier Stahl, aber auch für die unterschiedlichen Werkstoffe innerhalb einer Werkstoffgruppe. Vergleichen Sie hierbei den legierten Stahl mit dem rostfreien Stahl. Die höchste Schnittgeschwindigkeit vf ist beim kleinsten Vorschub / und der geringsten Zustellung ap zu wählen. Der niedrigste Wert der Schnittgeschwindigkeit ist beim größten Vorschub und bei der größten Zustellung zu wählen. Mit zunehmender Warmfestigkeit des Schneidstoffs kann die Schnittgeschwindigkeit vc erhöht werden.

Tabelle 2.3: Technologiewerte beim Schlichten-mittlere Werkstückwerkstoff Unlegierter Stahl

Legierter Stahl

Rostfreier Stahl

Grauguss

Kugelgraphitguss

Technologie beim Schlichten - mittlere Zerspanung a„ [mm]

/[mm/Umdr.]

0,5-5,0 0,5-5,0

0,1-0,4 0,1-0,4

HC HC1

0,5-3,0

0,1-0,4

CM

120-300 400-700

0,5-5,0

0,1-0,4

HC

100-250

0,5-5,0

0,1-0,4

HC'

120-300

0,3-3,0

0,1-0,4

CA

150-800

0,5-5,0

HW

50-100

0,5-5,0

0,1-0,4 0,1-0,4

HC

60-200

0,5-3,0

0,1-0,3

HC1

180-280

0,5-3,0

0,1-0,4

HW

80-130

0,5-5,0

0,1-0,4

HC

0,5-3,0

CA

0,5-3,0

0,2-0,4 0,2-0,4

200-300 400-800

CM

300-700

0,5-3,0

0,2-0,4

CN

500-900

0,5-1,0

0,1-0,4

BN

200-500

1,0-5,0

0,1-0,4

0,3-1,0

0,2-0,4 0,2-0,4

HC CA

150-600

CM

1,0-3,0 0,2-0,5

0,2-0,5

CC2

150-400 300-450

0,1-0,4

BN

150-450

0,5-4,0

0,1-0,4

HW

25-80

1,0-4,0

0,1-0,3

HC

0,5-5,0

0,1-0,3

CN + CM

0,3-2,0

Warmfeste Legierungen

Aluminium-Legierungen

Zerspanung

Schneidstoff

vt [m/min] 100-250

60-280

30-90 200-500

1,0-5,0

0,1-0,4

HW

200-2.000

1,0-5,0 1,0-3,0

0,1-0,4 0,1-0,4

HC HC'

250-2.500 280-2.600

0,5-3,0

0,1-0,2

DP

400-3.000

' beschichtetes Cermet, 2

beschichtete Nitridkeramik

2.7 Technologie und Anwendungsbeispiele

119

2.7.2.3 Technologie beim Feinstschlichten Feinstschlichten ist eine Endbearbeitung, bei der im letzten Arbeitsschritt die fertige Werkstückoberfläche, falls keine Endbearbeitungsverfahren wie Schleifen oder Honen erforderlich sind, erzeugt wird. Hierbei wählen wir die Technologie so, dass eine hohe Maßgenauigkeit und Oberflächengüte erreicht wird, siehe Kap. 2.6. Das Feinstschlichten hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen, um weitere Bearbeitungsschritte/Arbeitsgänge wie Schleifen oder Honen einzusparen. Tabelle 2.4 zeigt den Technologiebereich beim Feinstschlichten für die unterschiedlichen Werkstückwerkstoffe: Tabelle 2.4: Technologiewerte Werkstückwerkstoff Unlegierter Stahl Legierter Stahl Rostfreier Stahl Gehärteter Stahl

Grauguss Kugelgraphitguss Warmfeste Legierungen

Aluminium-Legierungen

-

-

beim

Feinstschlichten Technologiçwerte beim Feinstschlichten

a, [mm] 0,1-1,0 0,1-1,0

/[mm/Umdr.]

Schneidstoff

vt [m/min]

0,05-0,25

HC

200-500

0,05-0,25

HC'

250-500

0,1-1,0 0,1-1,0

0,05-0,25

HC

0,05-0,25

HC1

150-350 200-450

0,1-1,0

0,05-0,25

HC

120-300

0,1-1,0

0,05-0,25

HC1

150-350

0,1-0,5

0,05-0,25

BN

50-170

0,1-0,5

0,05-0,25

CM

40-250

0,1-0,5

0,05-0,25

CN

50-180

0,1-0,5

0,05-0,25

CM

150-1.000

0,1-1,0

0,1-0,3

BN

400-1.500

0,1-0,5

0,1-0,2

HT

100-250

0,1-0,5

0,1-0,3

BN

150-500

0,1-0,5

0,05-0,15

HW

40-90

0,1-0,5 0,1-0,5

0,05-0,15

150-500

0,05-0,15

CA CM

0,1-0,5

0,05-0,15

BN

30-150

0,1-0,5

0,05-0,2

HC

30-50

0,1-1,0

0,05-0,2

HW

250-2.500

0,1-1,0

0,05-0,2

HC'

400-2.600

0,1-1,0

0,05-0,2

DP

600-3.000

150-500

1

beschichtetes Cermet

In der Praxis werden Vorschübe von / = 0,05-0,25 mm und Zustellungen von a= 0,11 mm eingesetzt. Es werden die höchsten Schnittgeschwindigkeiten gefahren, insbesondere bei der Grauguss- und Aluminiumbearbeitung mit v c « 1.000 m/min. Schneidstoffe: unbeschichtete Hartmetalle für warmfeste Legierungen und AluminiumLegierungen, beschichtete Cermets ersetzen zunehmend die beschichteten Hartmetalle bei der Stahlbearbeitung, keramische Schneidstoffe bevorzugt bei Gusswerkstoffen und legierten Stählen, polykristalliner Diamant bei Aluminium-Legierungen. Je höher die Festigkeit/Härte der Werkstoffe ist, um so geringere Schnittgeschwindigkeiten vf sind zulässig. Das gilt für die einzelnen Werkstoffgruppen, z. B. rostfreier Stahl,

120

-

2 Drehen

aber auch für die unterschiedlichen Werkstoffe innerhalb einer Werkstoffgruppe. Vergleichen Sie hierbei den legierten Stahl mit dem rostfreien Stahl. Die höchste Schnittgeschwindigkeit vc ist beim kleinsten Vorschub / und der geringsten Zustellung ap zu wählen. Der niedrigste Wert der Schnittgeschwindigkeit ist beim größten Vorschub und bei der größten Zustellung zu wählen. Mit zunehmender Warmfestigkeit des Schneidstoffs kann die Schnittgeschwindigkeit vc erhöht werden.

2.7.2.4 Beispiele • Beispiel für Schlichten - mittlere Zerspanung Bild 2.77 zeigt eine Schwungscheibe, deren Fertigung vom beschichteten Hartmetall auf eine Siliziumnitrid-Keramikplatte umgestellt wurde. Die Schwungscheibe wird auf einer Karusselldrehmaschine gefertigt, deren Drehachse senkrecht angeordnet ist. Die zu bearbeitenden Flächen sind mit einer dicken Linie hervorgehoben, und das eingesetzte Werkzeug ist auch im Bild eingetragen.

Bild 2.77: Beispiel Schwungscheibe (nach Fa. CeramTec AG)

Durch den Einsatz von Platten aus Siliziumnitridkeramik konnte die Schnittgeschwindigkeit verdoppelt werden, was einer Halbierung der Hauptzeit entspricht, und gleichzeitig die Standmenge von 15 auf 20 Stück um 33% erhöht werden. Des Weiteren konnte dieser Prozess auf eine Trockenbearbeitung umgestellt werden, siehe Tabelle 2.5. Tabelle 2.5: Technologie zum Beispiel Schwungscheibe aus GGG 50 (nach Fa. CeramTec AG) Schneidstoff

Beschichtetes Hartmetall

Siliziumnitridkeramik

Schneidplatte

CNMA 120412

CNMX 120712

Zustellung ap [mm]

2,5-3

Vorschub/ [mm/Umdr.] Schnittgeschwindigkeit ve [m/min]

0,4 220

440

Kühlschmierstoff

ja

nein

Standmenge [Stück]

15

20

121

2.1 Technologie und Anwendungsbeispiele Beispiel für Feinschlichten

Bild 2.78: Beispiel Radnabe (nach Fa. CeramTec AG)

Bei der Fertigung einer Radnabe aus C45E wurde statt einer beschichteten Hartmetallplatte eine Platte aus beschichtetem Cermet eingesetzt. Die Technologiewerte sind in der Tabelle 2.6 eingetragen. Tabelle 2.6: Technologie zum Beispiel Radnabe Schneidstoff

Beschichtetes Hartmetall HC

Zustellung ap [mm]

0,5

Vorschub / [mm/Umdr]

0,25

Schnittgeschw. v [m/min]

400

Standzeitkriterium R, [|im] Standmenge [Stück]

Beschichtetes Cermet HC

< 10 30

65

Durch den Einsatz von Cermets konnte die Standmenge unter sonst gleichen Technologieparametern mehr als verdoppelt werden.

2.7.3 •

Beispiel-Werkstück

Beispiel-Werkstück für Außendrehen aus Kap. 2.4.2

Bild 2.79: Beispiel-Werkstück für die Außenbearbeitung (Werkfotos Fa. Widia GmbH)

122

2 Drehen

Wir werden in diesem Beispiel aus Bild 2.79 Kontur 1 plandrehen und Kontur 2 längsdrehen, für die wir bereits die Werkzeuge im Kap. 2.4.2 und die Spannmittel im Kap. 2.5.4 bestimmt haben. Die gestrichelt eingetragene Linie zeigt die Form des Rohteils zum augenblicklichen Fertigungszeitpunkt. Tabelle 2.7: Technologie

zum Beispiel-Werkstück

Werkzeughalter

aus GG 30 A

B

PSBCR 2525R12

PSKCL 2525R12

Schneidstoff

Beschichtetes Hartmetall HC

Mischkeramik CM

Schneidplatte

SCMM 120408

SCMM 120408

Zustellung ap [mm]

3

1

Vorschub / [mm/Umdr. ]

0,4

0,3

Schnittgeschw. vc [m/min]

210

550

Der Einsatz von Mischkeramik bei der Bearbeitung von Grauguss (GG 30) ermöglicht erheblich höhere Schnittgeschwindigkeiten vr als bei beschichteten Hartmetallplatten. •

Beispiel-Werkstück für Innendrehen aus Kap. 2.4.4

Bild 2.80: Beispiel-Werkstück

für die Innenbearbeitung

(Werkfoto Fa. Widia

GmbH)

In diesem Beispiel aus Bild 2.80 wollen wir mit der Bohrstange A die Kontur 5 längsdrehen und mit der Bohrstange B die Konturen 6 und 7 herstellen, deren Werkzeuge wir bereits im Kap. 2.4.4 und Spannmittel im Kap. 2.5.4 bestimmt haben. Die gestrichelt eingetragene Linie zeigt die Form des Rohteils zum augenblicklichen Fertigungszeitpunkt. Als Werkstoff nehmen wir einen geschmiedeten austenitischen rostfreien Stahl. Durch den Einsatz beschichteter gegenüber unbeschichteter Hartmetalle bei Werkzeug A können wir die Schnittgeschwindigkeit vc nahezu verdoppeln, bei gleichzeitiger Erhöhung der Standzeit. Die Verwendung von Cermetsplatten beim Werkzeug B (kann auch für Werkzeug A verwendet werden) lässt unwesentlich höhere Schnittgeschwindigkeiten gegenüber beschichteten Hartmetallplatten zu, ihr wesentlicher Vorteil liegt in der erheblich höheren Standzeit, wie Ihnen das Beispiel Radnabe aus Tabelle 2.6 bereits zeigte.

2.7 Technologie und Anwendungsbeispiele Tabelle 2.8: Technologie zum Beispiel-Werkstück

aus X5 CrNil8 9 (1.4301)

Werkzeughalter

Schneidstoff

A

B

A32S PWLNL12

A32N PCLNL12

Beschichtetes Hartmetall HC

Schneidplatte

Unbeschichtetes Hartmetall HW

WNMG 080408

Zustellung ap [mm] Vorschub/ [mm/Umdr.] Schnittgeschw. v [m/min]

2.7.4

123

150

Cermet CNMG 120408

3

2

0,3

0,2 85

170

Technologie beim Ein- und Abstechen

Beim Ein- und Abstechen setzen wir auf Grund spezieller Gegebenheiten, wie hohe Auskraglänge, schmale Stechbreite und erschwerte Spanformung der drei Schneiden (1 Hauptschneide und 2 Nebenschneiden) in der engen Nut andere Technologien ein als beim Längsdrehen, nämlich: - geringere Vorschübe / = 0,05-0,2 mm/Umdr: Je breiter die Schneide ist, umso größer kann der Vorschub gewählt werden. - geringere Schnittgeschwindigkeiten vc: Sie liegt beim Außeneinstich um ca. 50 % niedriger als gegenüber dem Außenlängsdrehen. - um ca. 30 % geringere Schnittgeschwindigkeiten beim Inneneinstechen gegenüber dem Außeneinstechen. Als Schneidstoffe setzen wir ein: - unbeschichtetes Hartmetall HW - beschichtetes Hartmetall HC mit TiN-, TiCN-, TiAlN-Schicht - Cermets HT und beschichtetes HC - kubisches Bornitrid BN - Mischkeramik CM - polykristallines Diamant DP. •

Beispiel Bolzen

Bild 2.81: Beispiel Bolzen (nach Fa. CeramTec AG)

Bild 2.81 zeigt einen Bolzen, in den eine Nut mit einer Breite von 2,2 mm für einen Sicherungsring eingestochen werden soll, mit der in der Tabelle 2.9 angegebenen Technologie.

124

2 Drehen

Tabelle 2.9: Technologiewerte

beim Bolzen aus 25 CrMo 4 (nach Fa. CeramTec AG)

Schneidstoff

Beschichtetes Hartmetall

Vorschub/ [mm/Umdr]

Beschichtetes Cermet 0,05

Schnittgeschw. v. [m/min]

70

Standzeitkriterium 2,2'°"" [mm]

Toleranz 0 < b < 30 um

Standmenge [Stück]

1.000

300

Tabelle 2.9 zeigt deutlich, dass bei gleicher Technologie durch den Einsatz von Cermets als Schneidstoff die Standmenge gegenüber beschichtetem Hartmetall mehr als verdreifacht wurde.

2.7.5 •

Beispiel-Werkstück

Beispiel-Werkstück für Innennut aus Kap. 2.4.4

b Bild 2.82: Beispiel-Werkstück

für die Innenbearbeitung

(Werkfoto b Fa. Widia GmbH)

Für das im Bild 2.82 dargestellte Werkstück sollen wir die Innennut (Kontur 8) herstellen. Die Werkzeuge haben wir im Kap. 2.4.2 und die Spannmittel im Kap. 2.5.4 festgelegt. Tabelle 2.10: Technologiewerte

zum Beispiel-Werkstück

aus X5 CrNil8 9 (1.4301)

Werkzeughalter Schneidstoff

A Unbeschichtetes Hartmetall HW

Nutbreite [mm]

Cermet

3

Vorschub/ [mm/Umdr.] Schnittgeschw. vc [m/min]

Beschichtetes Hartmetall HC

0,15 80

130

150

Der wesentliche Vorteil beschichteter gegenüber unbeschichteter Hartmetalle bei Werkzeug A liegt in der nahezu doppelten Schnittgeschwindigkeit vc, bei gleichzeitiger Erhöhung der Standzeit. Der Einsatz von Cermetsplatten lässt unwesentlich höhere Schnittgeschwindigkeiten gegenüber beschichteten Hartmetallplatten zu, ihr wesentlicher Vorteil liegt in der erheblich höheren Standzeit, wie Sie aus dem Beispiel Radnabe, siehe Tabelle 2.6, bereits gesehen haben.

125

2.7 Technologie und Anwendungsbeispiele

2.7.6

Technologie beim Gewindedrehen

Gewinde unterschiedlichster Form werden in mehreren Schnitten/Zustellungen gefertigt, wie bereits im Kapitel 2.1.3 dargestellt. Die Steigung entspricht, siehe Kap. 2.4.2.4, dem Vorschub pro Umdrehung. Tabelle 2.11: Anzahl der Schnitte bei unterschiedlichen

Gewindesteigungen

Steigung P [mm]

0,5

0,75

1,0

1,25

1,5

1,75

2,0

2,5

3,0

3,5

4,0

Anzahl Schnitte

4

4

5

6

6

8

8

9

11

11

14

8

Gesamte Zustellung

Tabelle 2.12: Radiale Zustellungen beim metrischen 60° Anzahl Schnitte

1

2

3

4

Steigung P [mm] Radiale Zustellungen [mm]

5

6

7

1 0,19

0,16

0,13

0,11

0,25

0,24

0,18

0,16

Steigung P [mm] Radiale Zustellungen [mm]

ISO-Außengewinde

0,67 mm

0,08 2 0,14

0,12

0,11

0,08

1,28 mm

Abhängig von der Gewindesteigung müssen wir unterschiedlich oft radial zustellen, wie Sie aus Tabelle 2.11 für ein metrisches ISO-Außengewinde entnehmen können. Die radiale Zustellung ist nicht gleichmäßig, sondern sie wird progressiv verringert, bis sie beim letzten Schnitt noch einen Wert von 0,05-0,1 mm hat. Auf NC-Maschinen gibt es dafür Gewindezyklen mit automatischer Schnittaufteilung. •

Richtlinien beim Gewindedrehen: - Schneidenspitze auf Drehmitte einstellen. - Zustellung rechtwinkelig zur Drehachse. - Zustellungen unter 0,05 mm (= Mindestzustellung) vermeiden. - Je höher die Festigkeit des Werkstoffs ist, um so größer muss die radiale Mindestzustellung sein, z. B. 0,08-0,1 mm. - Je höher die Festigkeit des Werkstoffs ist, um so schärfere Schneiden sind nötig, d. h. es werden dann unbeschichtete Schneidplatten bevorzugt. - Zur Erhöhung der Maßgenauigkeit soll ein weiterer Leerschnitt hinzugefügt werden.



Als Schneidstoffe werden hauptsächlich eingesetzt: - unbeschichtetes Hartmetall HW - beschichtetes Hartmetall HC mit TiN-, TiCN-, TiAlN-Schicht - Cermets HT und beschichtet HC - kubisches Bornitrid BN nur bei harten Materialien - Mischkeramik CM.

126

2 Drehen

Beispiel Flansch

Bild 2.83: Beispiel Flansch zum Gewindedrehen Fa. CeramTec AG)

(nach

Bei dem im Bild 2.83 dargestellten Flansch wird ein ISO-Außengewinde gedreht, das mit der Technologie aus Tabelle 2.13 gefertigt wird. Tabelle 2.13: Technologiewerte

zum Beispiel Flansch aus 41 CrV 4 (nach Fa. CeramTec AG)

Schneidstoff

Beschichtetes Hartmetall HC

Anzahl der Zustellungen

Cermet HT 6

Steigung P [mm]

1,5

Schneidplatte für Rechtsgewinde

TPMX 160308 R

Schnittgeschw. v [m/min]

100

Standmenge [Stück]

60

150

In diesem Beispiel konnte bei sonst gleicher Technologie die Standzeit durch den Einsatz von Cermets statt beschichtetem Hartmetall nahezu verdreifacht werden. Gleichzeitig wurde die Maßgenauigkeit erheblich gesteigert.

2.7.7 •

Beispiel-Werkstück

Beispiel-Werkstück für Außendrehen aus Kap. 2.4.2

Bild 2.84: Beispiel-Werkstück

für die Außenbearbeitung

(Werkfoto Fa. Widia GmbH)

Das Beispiel-Werkstück aus Bild 2.84 hat ein ISO-Außenrechtsgewinde. Das Gewindedrehen ist eines der letzten Arbeitsschritte.

2.7 Technologie und Anwendungsbeispiele Tabelle 2.14: Technologiewerte

zum Beispiel-Werkstück

Schneidstoff

127 aus GG 30

Unbeschichtetes Hartmetall HW

Cermet HT

TPMX 160308 R

Schneidplatte für Rechtsgewinde Steigung P [mm]

1

Anzahl der Zustellungen Schnittgeschwindigkeit vr [m/min]

Beschichtetes Hartmetall HC

5+1 (Leerschnitt) 80

120

130

Der wesentliche Vorteil beschichteter gegenüber unbeschichteter Hartmetalle bei Werkzeug A liegt in der höheren Schnittgeschwindigkeit vc, bei gleichzeitiger Erhöhung der Standzeit. Der Einsatz von Cermetsplatten lässt unwesentlich höhere Schnittgeschwindigkeiten gegenüber beschichteten Hartmetallplatten zu, ihr wesentlicher Vorteil liegt in der erheblich höheren Standzeit, wie Sie aus dem Beispiel Radnabe, siehe Tabelle 2.6, bereits gesehen haben.

2.7.8

Hartbearbeitung/Hartdrehen

Unter Hartbearbeitung versteht man das Spanen harter Werkstoffe, deren Härte zwischen 54-64 HRC (Rockwellhärte) liegt. Während diese harten Werkstoffe konventionell durch Schleifen und Honen zum Fertigteil bearbeitet wurden/werden, können diese Werkstoffe durch Drehen oder Fräsen, also mit Werkzeugen mit geometrisch definierten Schneiden, hergestellt werden. Frage: Wo wird das Hartdrehen eingesetzt? •

Beispiele für Hartdrehen einsatz- oder durchgehärteter Stähle - Lagersitze von Antriebswellen und Kegelrädern - Außengeometrie von bereits gehärteten Zahnrädern - Wälzlagerringe - Schieberäder - Walzen.

Frage: Warum wird hartgedreht ? •

Vorteile des Hartdrehens - Bearbeitung harter/gehärteter Werkstoffe möglich - hohe Oberflächenqualitäten: bis = 0,3 |nm mit BN und bis Ro = 0,6 um mit CM/CN - Anwendung der Near-Net-Shape Technologie möglich: Das Rohteil muss nicht speziell für das Drehen weichgeglüht werden, sondern kann direkt im gehärteten Zustand zum Fertigteil auf derselben Maschine gedreht werden. Die Endbearbeitung durch Schleifen oder Honen kann entfallen. - Arbeitsfolgen werden eingespart. - kürzere Durchlaufzeiten - Hartdrehen ist wirtschaftlicher als Schleifen oder Honen: höheres Zeitspanungsvolumen

128

2 Drehen

-

Drehmaschinen sind preiswerter als Schleifmaschinen. Hartdrehen ist flexibler als Schleifen oder Honen. Hartdrehen erfolgt in der Regel ohne Kühlschmierstoffe, demnach ist es eine Trockenbearbeitung.



Schneidengeometrie beim Hartdrehen Scherzone

Werkzeug

Werkstück

Bild 2.85: Werkzeuggeometrie

beim Hartdrehen

[60]

Auch beim Spanen harter Werkstückwerkstoffe muss das Material in der Scherzone plastisch verformt werden. Das erreicht man, wie im Bild 2.85a dargestellt, durch einen großen negativen Spanwinkel y, der einen dreiachsigen Druckspannungszustand in der Scherzone erzeugt und das Material plastifiziert. Für diese hohe Beanspruchung benötigen wir einen stabilen Schneidkeil, weshalb wir den Keilwinkel ß und den Schneidenradius rs groß ausführen. • Technologiebereich beim Hartdrehen Das Hartdrehen ist ein Schlicht- bzw. ein Feinstschlichtvorgang, dessen Technologiebereich in Bild 2.86 dargestellt ist.

Vc [m/min]

f [mm/Umdr.]

ap [mm]

100

200

300

0.1

0,2

0.2

i

0,4

—i— Bild 2.86: Technologiebereich

beim

Hartdrehen

Da die Schneiden einen großen Schneidenradius r e > 1,0 mm haben, wird bei den geringen Zustellungen ap nur im Bereich des Schneidenradius zerspant, wie Bild 2.85b zeigt. Hartdrehen erfolgt häufig trocken, also ohne den Einsatz von Kühlschmierstoffen. •

Schneidstoffe beim Hartdrehen - Mischkeramik CM (nicht für den unterbrochenen Schnitt geeignet) - Whiskersverstärkte Keramik CM - Siliziumnitridkeramik CN - kubisches Bornitrid BN.

129

2.7 Technologie und Anwendungsbeispiele

Bei der Wahl der Schneidstoffe sollten Sie folgendes beachten: Keramiken sind um den Faktor 10-20 preiswerter als BN, das wiederum gegenüber Keramiken eine um den Faktor 5 100 höhere Standzeit besitzt. Beispiel Zahnrad

Bild 2.87: Innendrehen eines einsatzgehärteten rades (nach CeramTec AG)

Zahn-

Die Innenbohrung (dicke Linie) des im Bild 2.87 dargestellten einsatzgehärteten Zahnrades, die eine enge Toleranz von ± 0,005 besitzt, soll gedreht werden. Die Technologie hierfür finden Sie in Tabelle 2.15. Tabelle 2.15: Technologie beim Hartdrehen Tec AG)

eines einsatzgehärteten

Zahnrades mit HRC 58-62 (nach Fa. Ceram-

Schneidstoff

Kubisches Bornitrid BN

Schneidplatte

CNMG 120316

Vorschub/ [mm/Umdr.]

0,12

Schnitttiefe ap [mm]

0,10

Schnittgeschw. vc [m/min] Standmenge [Stück]

2.7.9

140 1.450

Fragen - Übungen - Beispiel

1.

Welche Faktoren müssen bei der Wahl der Technologie berücksichtigt werden?

2.

Mit welchen Schneidstoffen werden Gusswerkstoffe bearbeitet?

3.

Mit welchen Schneidstoffen werden AI-Legierungen bearbeitet?

4.

Welche Abhängigkeit besteht zwischen der Werkstofffestigkeit und der Schnittgeschwindigkeit?

5.

Welche Abhängigkeit besteht zwischen der Werkstofffestigkeit und dem Vorschub?

6.

Beispiel Legen Sie für das unten dargestellte Werkstück aus C45E die Technologie fest und überprüfen Sie nochmals, ob die Wahl der Werkzeuge richtig ist. Beachten Sie bitte, dass das Werkstück große Durchmesserunterschiede aufweist, die durch Schruppen schneller abgetragen werden.

130

2 Drehen 152 Rohteil

150

Ü Fertigteil

Die Lösungen finden Sie auf den Internetseiten des Verlages unter http://www.oldenbourgverlag.de unter dem Buchtitel.

2.8

Kräfte- und Leistungsermittlung

2.8.1

Ermittlung der Beziehungen

Während wir die Kenntnis der Kräfte zur Auslegung der Werkzeuge und Vorrichtungen benötigen, dient die Leistungsermittlung der Auslegung der Antriebe und der Maschinenauswahl. Wie bereits im Kap. 1.5.1.1 für das Drehen beschrieben, kann die Schnittkraft Fc aus Gl. (2.5) ermittelt werden. F=k,-b-h [~ mcK C

C1.1

cy

K

css

K

cvc

K

cver

K

f

cf

K

t

ckss

in

[Nl

J

(2.5) V

'

Die Schnittleistung Pc können wir, wie Sie bereits im Kap. 1.5.1.2 gesehen haben, aus dem Produkt der Schnittkraft Fc und der Schnittgeschwindigkeit vc ermitteln: Die Motorleistung des Hauptantriebs, die noch die mechanischen Verluste zwischen der Zerspanstelle und dem Motor kompensieren muss, kann aus Gl. (2.6) bestimmt werden: F -v PM «~ £— £T\m

(2.6)

Der mechanische Wirkungsgrad r)m berücksichtigt die mechanischen Verluste und nimmt Werte an zwischen r)m = 0,6-0,85.

2.8.2

Beispiel-Werkstück

Wir wollen nun auf der Grundlage der im Kap. 2.7.2 festgelegten Technologie beim Beispiel-Werkstück für die Außenbearbeitung die Zerspankraft und die nötige Motorantriebsleistung bestimmen.

131

2.8 Kräfte- und Leistungsermittlung

Bild 2.88: Beispiel-Werkstück für die Außenbearbeitung (Werkfoto Fa. Widia GmbH)

Die gestrichelt eingetragene Linie im Bild 2.88 zeigt die Form des Rohteils zum augenblicklichen Fertigungszeitpunkt. Gegeben: - Werkstückwerkstoff: GG 30 - Zustellung: a = 3 mm - Vorschub:/= 0,4 mm/Umdr. - Schnittgeschwindigkeit: vc - 210 m/min - Einstellwinkel: K = 75° (Werkzeughalter vom Typ PSBCR und Schneidplatte SCMM) - spezifische Schnittkraft: kcl, = 1.130 N/mm 2 - Exponent: mc = 0,30 - mechanischer Wirkungsgrad: t|m = 0,75. Gesucht: Schnittkraft Fc und Motorantriebsleistung PM Zunächst müssen wir aus den Schnittgrößen ap und / d i e Spanungsgrößen h und b bestimmen A = / - s i n K-Q,A b—

ap

3 mm

sin K

sin 75°

mm sin 75° = 0,386 mm = 3,106 mm

(2.7)

Die Schnittkraft Fe kann ohne Berücksichtigung von Korrekturfaktoren aus der Beziehung F

c=kc\.\

• b • hl~mc = 1.130 N/mm 2 • 3,106 mm • 0,386'"° 3 0 mm = 1.803 N (2.8)

ermittelt werden. Die Antriebsleistung des Hauptmotors können wir aus Gl. (2.6) ermitteln F

_v nm

=

1.803 N - 2 1 0 — ^ - § - = 8.414 W = 8,4 kW 0,75

(2.9)

132

2 Drehen

Die Antriebsleistung des Motors muss mindestens 8,4 kW betragen. Unter Berücksichtigung von Korrekturfaktoren sollte die Antriebsleistung mindestens um ca. 30% höher sein als der berechnete Wert.

2.8.3

Fragen - Übungen - Beispiel

1.

Wie kann die Schnittkraft nach Victor/Kienzle ermittelt werden?

2.

Welche weiteren Einflussfaktoren wurden nicht berücksichtigt?

3.

Welcher Zusammenhang besteht zwischen der Motorantriebsleistung und der Schnittkraft?

4.

Ermitteln Sie die Schnittkraft Fc und die erforderliche Motorantriebsleistung Pu bei einem von Ihnen festgelegten Schruppvorgang. Der mechanische Wirkungsgrad beträgt t l = 0,75. 152 Rohteil

150

o Fertigteil

Die Lösungen finden Sie auf den Internetseiten des Verlages unter http://www.oldenbourgverlag.de unter dem Buchtitel.

2.9

Ermittlung der Wege und Zeiten

Wir haben in den vorangehenden Kapiteln folgendes ermittelt: - Drehverfahren und Drehwerkzeuge - Spannmittel - Technologie - Kraft und erforderliche Antriebsleistung für die Maschinenauswahl. Eine wichtige Information, nämlich die über die Wege und Zeiten, die für die Kalkulation und die Ermittlung der Maschinenbelegungszeit maßgeblich sind, fehlt noch. Wie wir diese Zeiten ermitteln können, werden Sie in diesem Kapitel lernen. In der Praxis werden Wege und Zeiten nicht manuell ermittelt, sondern mithilfe von Programmen (CAP-Systeme, siehe Kap. D.l), durch Zeiterfassung (Stoppuhr) oder durch Schätzen. Die nun durchgeführten Berechnungen sind sinnvoll, um die Vorgehensweise zu erkennen.

133

2.9 Ermittlung der Wege und Zeiten

2.9.1

Ermittlung der Beziehungen

Bei einem zu bearbeitenden Werkstück werden, ausgehend vom Rohteil und der fertigen Werkstückkontur, zunächst die Wege festgelegt und anschließend die dafür erforderlichen Zeiten ermittelt. Bezugnehmend auf die Ausführungen im Kapitel D.2.2 wird die Bearbeitungszeit unterteilt in: -

Hauptzeit th- während dieser Zeit ist das Werkzeug im Eingriff, es fallen Späne Nebenzeit tn - während dieser Zeit erfolgt der Werkzeugwechsel oder das Werkzeug wird in Bearbeitungsposition gebracht bzw. herausgefahren. (2.10) tg=*h+ K

Anhand eines Beispiels sollen nun Wege und Zeiten ermittelt werden. •

Beispiel

Bild 2.89 zeigt beispielhaft, wie die Wege beim Drehen festgelegt werden. Rohteilkontur Fertigteilkontur

lm = Anfahrweg = Zustellweg = Abhebeweg F = Spannkraft

START/STOP

Werkzeug

Bild 2.89: Beispiel zur Ermittlung der Wege (Werkfoto Fa. Plansee TIZIT GmbH)

Entlang der dicken Konturlinien, die am oberen Werkstückrand eingetragen sind, soll gedreht werden. Diese Kontur wird durch Längs-, Plan- und wieder Längsdrehen erzeugt. Am Anfang befindet sich das Werkzeug im STARTpunkt, danach legt es im Eilgang mit der Geschwindigkeit v£ den Anfahrweg lan zurück. Anschließend fährt das Werkzeug an das Werkstück in die Bearbeitungsposition heran, dabei wird der Zustellweg lzu im Eilgang zurückgelegt. Die Position liegt ca. 0,5-2 mm vor dem Werkstück und ist von der Toleranz der Rohteillänge abhängig. Wenn wir zuvor die rechte Stirnseite plandrehen, können wir axial näher an das Werkstück heranfahren Mit der Vorschubgeschwindigkeit vf legen wir nun den Weg L, zurück, anschließend wird die Schulter mit der Länge L2 mit konstanter Geschwindigkeit plangedreht und danach der Weg

134

2 Drehen

L3 längsgedreht. Diese Wege L-L3 werden in der Hauptzeit th zurückgelegt. Da die zugehörigen Werkstückdurchmesser unterschiedlich sind, die Schnittgeschwindigkeit vc konstant und der Vorschub /konstant ist, sind die Vorschubgeschwindigkeiten, in denen die Wege Lr L, und L3 in der Hauptzeit th zurückgelegt werden, unterschiedlich, sodass: t h =

L

L +

V/i

h ,

h .

+

Vh

(2.11)

V/3

In der Nebenzeit tn werden die Einzelwege lan, lm, lab und l M \ t n = ! 2 L + !2L + ldL + !iasL VE VE VE VE

(2.12)

zurückgelegt. Die Gin. (2.11) und (2.12) können wir nun in Gl. (2.10) einsetzen und erhalten: t

=th+t„

+

+ V

/,

Vh

+L*+lruck_ V/

3

VE

VE

VE

(2.13)

VE

Während alle Wege über die Werkstückgeometrie bzw. den Werkzeugreferenzpunkt bekannt sind, sind noch die Vorschubgeschwindigkeiten zu ermitteln. Allgemein gilt: vf=f-n bzw.

vc= n-d -n n =•

7t

(2.14)

d

Die einzelnen Vorschubgeschwindigkeiten sind:

vh

,

vf -/•

,

v. K-d V,

n2 - /•

(2.15) dm= ~(D

+ d) \)

Vh=f-

«3=/-

n-D

Da beim Plandrehen mit konstanter Schnittgeschwindigkeit gearbeitet wird, ändert sich mit dem Durchmesser auch die Drehzahl und damit die Vorschubgeschwindigkeit. Daher wird mit einem mittleren Durchmesser dm gearbeitet. • Allgemeiner Ansatz Bearbeitet ein Werkzeug in mehreren Schnitten, in Gl. (2.16) sind es z Schritte, das Werkstück, kann ganz allgemein die Grundzeit t wie folgt ermittelt werden:

135

2.9 Ermittlung der Wege und Zeiten

^zu,i

/=1

v

fi

i=\

^rück,i

vE

^ab,i

(2.16)

vfi

Werden mehrere Werkzeuge, die jeweils mehrere Schnitte machen, eingesetzt, dann ist Gl. (2.16) für jedes Werkzeug getrennt anzuwenden.

2.9.2

Beispiel

In diesem Beispiel wird von einem Rohteil ausgehend (gestrichelte Linie im Bild 2.90) ein Absatz in zwei Schnitten gedreht werden. Das NC-Programm startet vom Startpunkt S aus, der gleichzeitig der Werkzeug-Referenzpunkt WR ist. /„ = Anfahrweg = Abhebeweg = Zustellweg L = Rückstellweg Index 1 und 2 kennzeichnet die einzelnen Schnitte

Bild 2.90: Beispiel für Zeitermittlung (Werkfoto Fa. Plansee TIZ1T GmbH)

Gegeben: -

L= 102 mm

-

v = 300 m/min - 5 m/s = 5.000 mm/s

-

/ = 100 mm

-

ap = 2 mm für beide Schnitte

-

D = 80 mm

-

Startpunkt: xs = 243 mm, zs = 152 mm

-

d - 1 2

mm

-

Anfahrpunkt A: xA - 43 mm, zA = 2 mm

-

/ = 0.3 mm/Umdr.

-

i> = 5 m/min.

Die Wege labl und lab2 sollen mit der Vorschubgeschwindigkeit zurückgelegt werden, die auch beim jeweiligen Längsdrehen über die Länge 1 vorhanden ist. Gesucht: gesamte Bearbeitungszeit/NC-Programmablaufzeit.

136

2 Drehen

Die Bearbeitungszeit tg, die sich aus den Haupt- und Nebenzeitanteilen zusammensetzt, kann über die Beziehung ermittelt werden: L 1 hui

L

hb\ | hü 1

^ | hb2 | hü2 V fiJa f fJ .2 VFL L + L.,

V

E

L H a . H m +'»2 H*2 , L+Li

(2.17)

J2

VA

Die einzelnen Wege können wir wie folgt ermitteln: l

= -v/2002 + 1502 = 250 mm

Z ¡=(43-3-0 L

••(43-3-2-ap)

Lx = la\ l

) mm = 38 mm

=

l

3 8

m

mm = 36 mm m

36

mm ab2 = zu2 = lrUl =L = 102 mm

KÜ2=4(xS-xA)2+(zs-zJ

= yj(243-43)2

+ (152-('-100)) 2 =321,720 mm

Die noch unbekannten Vorschubgeschwindigkeiten vfl und vf2 können über die Beziehungen v« = / « , = / -

f-

7t d\

7t(0,5-D

— ap)

300 mm 1.000 V/l

_Q 3 ~ '

mm 60 5 U m d r . V ( 0 , 5 1 0 0 - 2 J mm

Vf-, = / « 2 = / "

7t d,

• =

12,565 mm/s (2.18)

/ •

300 mm 1.000 = Q 3 V/2

~ '

mm 60 s U m d r . V f O , 5 1 0 0 - 2 - 2 ) mm

13,265 mm/s

ermittelt werden. Setzen wir obige Werte in Gl. (2.17) ein, dann erhalten wir: 250 + 38 + 102 + 36 + 321,72 + 102 + 38 + 102 + 36 mm = 30,5 s (2.19) 5.000 12,565 13,263 mm/s Antwort: Für diesen Bearbeitungsschritt werden 30,5 s benötigt.

137

2.10 Gestaltungshinweise

2.10

Gestaltungshinweise

Um die Drehteile in der geforderten Genauigkeit wirtschaftlich herstellen zu können, sind vom Konstrukteur und vom Fertiger einige Regeln zu beachten, die in Bild 2.91 bis Bild 2.102 exemplarisch aufgeführt sind.

2.10.1

Werkstückeinspannung

f

w / / / / / / / / m

* a unzweckmäßig Bild 2.91: Spannen von rohrförmigen

b zweckmäßig Teilen

Das Spannen von Rohren im Backenfutter, im Bild 2.91 ist ein Zweibackenfutter dargestellt, führt zu Verformungen, welche die Rundheit erheblich beeinträchtigen. Daher sollten rohrförmige Teile, die eine geringe radiale Steifigkeit haben, mit Drehgreifern gespannt werden.

Fsp

a unzweckmäßig

b zweckmäßig

Bild 2.92: Einseitiges Spannen im Backenfutter mit und ohne Reitstock

Wird ein wellenförmiges Werkstück im Backenfutter einseitig eingespannt, wie im Bild 2.92a dargestellt, so führt die Zerspankraft zu einer Durchbiegung, die um so größer ist, je größer die Kraft und die Auskraglänge sind und je kleiner der Durchmesser ist. Da sich das Werkstück dreht, ist die Durchbiegung ein dynamischer Vorgang, der zum Rattern führen kann. Der Reitstock im Bild 2.92b stützt das Werkstück rechts radial ab, wodurch die Durchbiegung vermieden/verringert wird.

138

2 Drehen

Wird eine einseitige Einspannung vorgenommen, sollte daher: (2.20)

laus^-D

sein, wobei laus die Auskraglänge und D der Werkstückdurchmesser ist.

FSp a unzweckmäßig

b zweckmäßig

Bild 2.93: Einfluss der Einspannlänge l

Das Werkstück ist auf einer möglichst großen Einspannlänge im Dreibackenfutter einzuspannen, um die Bearbeitungskräfte sicher zu übertragen, wie Bild 2.93 zeigt.

a unzweckmäßig

b zweckmäßig

Bild 2.94: Spannen in weichen

Backen

Bei der Bearbeitung der zweiten Seite sollte die fertig bearbeitete erste Seite in weichen, ausgedrehten Backen gespannt werden, um die Werkstückoberfläche beim Spannen nicht durch Spannabdrücke zu beschädigen, was Bild 2.94 verdeutlicht.

•^LT 1 Lr fC

J

I o.oi t

ÜJ

rsp

a unzweckmäßig

b zweckmäßig

Bild 2.95: Planlaufgenauigkeit

Wird eine hohe Planlaufgenauigkeit gefordert, dann sind die beiden Flächen in einer Aufspannung zu fertigen, wie im Bild 2.95b dargestellt. Eine Fertigung im Dreibackenfutter, bei

2.10 Gestaltungshinweise

139

dem die Außengeometrie in zwei Aufspannungen erzeugt wird, ist daher unzweckmäßig, siehe Bild 2.95a.

Fsp 1 a unzweckmäßig

Bild 2.96: Zugänglichkeit zeugs zum Werkstück

b zweckmäßig

des Werk-

Zur Spannstelle hin sollten die Durchmesser zunehmen und nicht abnehmen, wie Bild 2.96 zeigt, um eine bessere Zugänglichkeit der Werkzeuge zum Werkstück zu erreichen. Des Weiteren sollte der Spanndurchmesser möglichst groß sein, um das von der Zerspankraft erzeugte Drehmoment leichter zu übertragen.

a unzweckmäßig

b zweckmäßig

Bild 2.97: Drehen zwischen

Spitzen

Bild 2.97a zeigt ein schlankes Werkstück, das zwischen Spitzen gedreht wird. Dabei biegt es sich stark durch. Um das zu verhindern, muss das Werkstück durch eine mit dem Werkzeug mitbewegten Lünette radial abgestützt werden, wie Bild 2.97b zeigt.

2.10.2

Werkstückform

Das Werkstück ist konstruktiv so zu gestalten, dass eine möglichst einfache Bearbeitung ermöglicht wird.

a unzweckmäßig

b zweckmäßig

Bild 2.98: Feinstbearbeitete Flächen absetzen

Bild 2.98 zeigt eine Welle, die an beiden Enden einen Lagersitz besitzt. Die Flächen für den Lagersitz, der eine geringe Rautiefe von 1,6 (im besitzen soll, sind aus wirtschaftlichen

140

2 Drehen

Gründen in der Länge zu begrenzen und sollen, wenn es möglich ist, abgesetzt sein. Gleiches gilt auch für Innenflächen, die durch eine Innennut abgesetzt werden können. Fsp

Fsp

Lr ril

I n-ss

ÜJ

Fsp a unzweckmäßig

Fsp b zweckmäßig

Öl Bild 2.99: Große terschiede

Durchmesserun-

Werkstücke mit großen Durchmesserunterschieden erfordern lange Bearbeitungszeiten und einen hohen Materialverlust, wie Sie Bild 2.99 entnehmen können. Daher sollte der Konstrukteur prüfen, ob zwei gefügte Teile nicht sinnvoller sind, siehe Bild 2.99b.

a unzweckmäßig

b zweckmäßig

Bild 2.100:

Kegeldrehen

Bild 2.100 zeigt ein Werkstück mit einer Kegelfläche. Der linke und rechte Rand der Kegelfläche ist so auszuführen, dass ein kompletter Kegel gedreht werden kann. Rechts muss ein Anschnitt möglich sein und links ein Werkzeugauslauf, wie Bild 2.100b zeigt.

a unzweckmäßig Bild 2.101: Radien an

b zweckmäßig Übergängen

c sehr zweckmäßig

2.10 Gestaltungshinweise

141

Bild 2.101 macht deutlich, dass es unzweckmäßig ist, die Übergänge mit unterschiedlichen Radien zu versehen. Radien sollten möglichst groß gewählt werden. Dann kann mit einer stabilen runden Schneidplatte, die den gleichen Radius wie die Übergänge hat, gearbeitet werden, wie Bild 2.101c verdeutlicht.

3 a unzweckmäßig

b zweckmäßig

Bild 2.102:

Profildrehen

Beim Profildrehen ist darauf zu achten, dass keine großen Durchmesserunterschiede vorhanden sind. Da die Drehzahl konstant ist, treten bei großen Durchmesserunterschieden stark unterschiedliche Schnittgeschwindigkeiten auf, die den Verschleiß erhöhen. Bild 2.102 zeigt das am Beispiel des Profildrehens einer Keilriemenscheibe.

2.10.3 1.

Fragen - Übungen - Beispiel

Ermitteln Sie, ob die dargestellten Ausführungen zweckmäßig sind. Entwickeln Sie gegebenenfalls einen verbesserten Vorschlag und begründen Sie Ihre Antwort.

Die Lösungen finden Sie auf den Internetseiten des Verlages unter http://www.oldenbourgverlag.de unter dem Buchtitel.

142

2.11

2 Drehen

Fehler und deren Behebung

Die vom Arbeitsplaner und NC-Programmierer auf Grund ihres Wissens und ihrer Erfahrungen vorgegebenen Bearbeitungsbedingungen sind Startbedingungen, deren Richtigkeit erst der Maschinenbediener beim Drehen überprüfen kann. Erfahrungsgemäß treten beim Drehen Probleme auf, deren Ursache der Bediener dann analysiert und beseitigt.

2.11.1

Werkzeugprobleme und deren Behebung

Tabelle 2.16 zeigt, welche Fehler bzw. welche Auswirkungen am Werkzeug auftreten und wie diese behoben werden können. Im Kap. 1.7 werden die einzelnen Verschleißarten und Verschleißformen besprochen. Tabelle 2.16: Werkzeugfehler und deren Behebung Problem Freiflächenverschleiß/ Maßgenauigkeit ist gering/ Oberflächengüte ist schlecht Aufbauschneidenbildung Kolkverschleiß

Ursache

Behebung

Schneidstoff mit zu geringer Verschleißfestigkeit/Härte

Schneidstoff mit höherer Härte nehmen

Keilwinkel ß zu klein

Keilwinkel ß vergrößern

Freiwinkel a zu klein

Freiwinkel a vergrößern

Schnittgeschwindigkeit vc zu gering

Schnittgeschwindigkeit vc vergrößern

Spanwinkel y zu klein oder negativ

Spanwinkel y vergrößern

Temperatur auf der Spanfläche zu groß

Schnittgeschwindigkeit und/oder Vorschub verkleinem Schneidstoff mit höherer Warmhärte nehmen beschichteten Schneidstoff

Plastische Verformung

Temperatur an der Schneidkante zu hoch Belastung der Schneidkante zu hoch

Kammrisse

Plattenbruch Oberfläche und/oder Werkzeug beschädigt

Wärmewechselspannungen im unterbrochenen Schnitt

Schnittgeschwindigkeit vt verringern Schneidstoff mit höherer Warmfestigkeit nehmen Vorschub verringern zäheren Schneidstoff nehmen

Wärmewechselspannungen durch ungleichmäßige Zufuhr des Kühlschmierstoffs

Kühlschmierstoff kontinuierlich zuführen

zu geringe Zähigkeit der Platte

Zähigkeit erhöhen

zu hohe Belastung

Schnitttiefe ap und/oder Vorschub/ verringern

Schneidenecke zu schwach

Werkzeug mit größerem Eckenwinkel E nehmen

Trockenbearbeitung

Platte zu klein

Keilwinkel ß vergrößern Plattendicke vergrößern oder einseitige Platte nehmen

Werkzeug schwingt

kürzer einspannen Schaftquerschnitt vergrößern

143

2.11 Fehler und deren Behebung

2.11.2

Werkstückprobleme und deren Behebung

Tabelle 2.17 gibt einen Überblick über die Probleme, die Werkstück seitig beim Drehen auftreten können, welche Ursachen zu Grunde liegen könnten und durch welche Maßnahmen diese beseitigt werden können. Tabelle 2.17: Oberflächengüte

und

Maßgenauigkeit

Problem

Ursache

Oberfläche ist rau und nicht glänzend

Aufbauschneidenbildung

Behebung Schnittgeschwindigkeit erhöhen Spanwinkel y vergrößern

starker Freiflächenverschleiß

Schneidplatte wenden/wechseln Platte mit höherer Härte/Verschleißfestigkeit nehmen

Rauheit zu groß Kratzer auf der Oberfläche

Werkzeug reibt am Werkstück, da Schnitttiefe zu gering

Schnitttiefe ap erhöhen

Nebenschneide reibt am Werkstück, da Freiwinkel der Nebenschneide a n zu klein

Freiwinkel der Nebenschneide a n vergrößern

zu hoher Vorschub/

Vorschub / verringern

Eckenradius r, zu klein

Eckenradius rz vergrößern

Späne beschädigen die fertig gedrehte Oberfläche

Plattengeometrie ändern Schnitttiefe a verringern Einstellwinkel K ändern

Oxidationsverschleiß an der Nebenschneide

schlechte Maßgenauigkeit

Schnittgeschwindigkeit verringern Schneidstoff ändern: - AI2Oj beschichtete Platten/ - Cermets

Schneidkantenversatz zu groß

verschleißfesteren Schneidstoff nehmen

Werkstück biegt sich durch

Passivkraft Fp verringern Werkstück abstützen Einstellwinkel K vergrößern

Rattermarken/ Schwingungen

Werkzeug instabil

Auskraglänge verkürzen Schaftquerschnitt vergrößern stabil einspannen

radial wirkende Passivkraft zu groß

Einstellwinkel K vergrößern Eckenradius rt verkleinern

Freiflächenverschleiß zu groß

Schnittgeschwindigkeit verringern

Schneidkantenschärfe zu gering auf Grund der Beschichtung

unbeschichtete Sorte nehmen

verschleißfesteren Schneidstoff nehmen

unrundes Werkstück

Werkstück biegt sich durch

Einstellwinkel K vergrößern Zerspankräfte reduzieren durch geringere Schnitttiefe a:/ und geringeren Vorschub/

Zentrierung nicht mittig

Zentrizität überprüfen

Spannkraft Fn verformt das Werkstück

Spannkraft verringern

Hauptspindel hat Spiel

Lagerspiel überprüfen

schlankes Werkstück, das zwischen Spitzen gespannt wird

Lünette/Setzstock setzen

144

2.11.3

2 Drehen

Fragen - Übungen - Beispiel

Welche Ursachen haben die in den Tabellen aufgeführten Probleme und wie können diese behoben werden? Tragen Sie Ihre Lösung in die Tabelle ein. Problem

Ursache

Behebung

Ursache

Behebung

Freiflächenverschleiß/ Maßgenauigkeit ist gering/ Oberflächengüte ist schlecht Kolkverschleiß

Kammrisse

Problem Rauheit zu groß schlechte Maßgenauigkeit Rattermarken/Schwingungen

Die Lösungen finden Sie auf den Internetseiten des Verlages unter http://www.oldenbourgverlag.de unter dem Buchtitel.

3

Bohren, Senken und Reiben

Das Bohren zählt zu den ältesten Fertigungsverfahren. Bereits in der Steinzeit vor ca. 15.000-50.000 Jahren wurden Steinbohrer mit einer definierten Schneide hergestellt, um Holz oder Gestein zu bearbeiten. Der Bohrer - er hat mit den Steinbohrern aus der Steinzeit geometrisch wenig gemeinsam ist das am meisten eingesetzte spanende Werkzeug, das genormt in sehr hohen Stückzahlen hergestellt wird. In der spanenden Fertigung kommt man häufig ohne Bohroperationen nicht aus. Es gibt sicher keinen unter Ihnen, der nicht bereits während seiner Berufstätigkeit oder im Haushalt oder im Praktikum mit der Handbohrmaschine gebohrt oder ein Gewinde geschnitten hat bzw. das vertieft aus seiner Facharbeiterausbildung kennt. Frage: Was versteht man unter Bohren, Senken oder Reiben? Bohren ist ein spanendes Fertigungsverfahren mit drehender/rotatorischer Schnittbewegung, wobei die Vorschubbewegung des Bohrers nur in Richtung der Rotationsachse erfolgt, wie Ihnen Bild 3.1a verdeutlicht. Das Werkzeug, der Bohrer, ist meist zweischneidig. Die rotatorische Schnittbewegung wird bei angetriebenen Werkzeugen vom Werkzeug selbst durchgeführt und bei stehenden Bohrern vom drehenden Werkstück. Es werden grundsätzlich Innenflächen erzeugt. Das Senken erfolgt unter der gleichen Kinematik wie das Bohren, es werden jedoch Flächen erzeugt, die senkrecht oder geneigt zur Rotationsachse sind, siehe Bild 3.1b. Beim Reiben, das ebenfalls die gleiche Kinematik wie das Bohren und Senken hat, werden bereits vorhandene zylindrische oder kegelige Bohrungen zur Verbesserung der Oberflächengüte und der Formgenauigkeit mit geringer Spanungsdicke bearbeitet, siehe Bild 3.1c.

a Bohren

b Senken

c Reiben

Bild 3.1: Kinematik

beim Bohren, Senken und

Reiben

146

3.1

3 Bohren, Senken und Reiben

Bohrverfahren

Bild 3.2 zeigt Ihnen schematisch einen Ausschnitt aus der Formenvielfalt, die durch die unterschiedlichsten Bohrverfahren an einem Werkstück herstellbar ist. Die einzelnen Bohrverfahren, die in der Legende bezeichnet sind, werden wir im Kapitel 3.1 besprechen.

\ v/s

A Pianansenken B Planeinsenken C Bohren ins Volle - Durchgangsbohrung D Bohren ins Volle - Sacklochbohrung E Kernbohren F Gewindebohren G Zentrieren H Profilsenken I Profilreiben - Kegelbohrung J Profilbohren - Stufenbohrung

Bild 3.2: Einsatzmöglichkeiten von Bohrverfahren

Es -

gibt eine Vielzahl an Bohrverfahren, die DIN 8589 Teil 2 nach den Ordnungskriterien: Form der erzeugten Oberfläche - durch die vierte Ordnungsnummer Werkzeugform und Kinematik

einteilt, wobei Bild 3.3 - analog dem Drehen - die Einteilung nach der erzeugten Oberfächenform zeigt. Hierbei unterscheiden wir zwischen Plan-, Rund-, Schraub-, Wälz-, Profilund Formbohren.

Bild 3.3: Bohrverfahren nach DIN 8589 Teil 2 [14]

3.1 Bohrverfahren

3.1.1

147

Plansenken

Beim Plansenken werden ebene Flächen auf oder in einer bereits vorhandenen Bohrung erzeugt, die senkrecht zur Drehachse liegen. •

Plansenkverfahren werden eingeteilt in: - Pianansenken: Die erzeugte ebene Fläche ist am Werkstück überstehend und ist im Bild 3.4a mit einer fetten Linie gekennzeichnet. Dieses Verfahren wird in der Praxis häufig durch Fräsen ersetzt. - Planeinsenken: Die erzeugte ebene Fläche liegt vertieft im Werkstück und ist im Bild 3.4b mit einer fetten Linie gekennzeichnet.

Bild 3.4 zeigt die beiden Plansenkverfahren. Die Werkzeuge können an der Spitze auch einen Zapfen haben, um in der Bohrung geführt/zentriert zu werden.

3.1.2

Rundbohrverfahren

Die Rundbohrverfahren sind dadurch gekennzeichnet, dass sie eine runde/kreiszylindrische Innenfläche erzeugen, die koaxial zur Drehachse des Werkzeugs liegt. •

Einteilung - Bohren ins Volle zur Erzeugung einer ersten zylindrischen Bohrung, siehe Bild 3.5a. - Kernbohren zur Herstellung einer ringförmigen zylindrischen Bohrung, wobei der Materialkern innen stehen bleibt. Es wird zur Herstellung großer Durchgangsbohrungen eingesetzt, siehe Bild 3.5b. - Aufoohren zur Vergrößerung einer bereits vorhandenen Bohrung, siehe Bild 3.5c. - Reiben ist ein Aufbohren mit geringer Durchmesservergrößerung mit einem meist mehrschneidigen Reibwerkzeug, der sog. Reibahle, um die Oberflächengüte und die Formgenauigkeit zu verbessern, siehe Bild 3.5d.

148

3 Bohren, Senken und Reiben

a Bohren ins Volle

b Kernbohren

Bild 3.5: Rundbohrverfahren

nach DIN 8589 T2

3.1.3

c Aufbohren

d Reiben/Rundreiben

Schraubbohren/Gewindebohren

Beim Schraubbohren wird mit einem schraubenförmigen Profilwerkzeug, dem Gewindebohrer, in eine vorhandene Bohrung eine Innenschraubfläche erzeugt, die koaxial zur Drehachse des Werkzeugs liegt. In der Praxis wird das Schraubbohren als Gewindebohren bezeichnet. Bild 3.6 zeigt einen Gewindebohrer, der in eine vorhandene Bohrung ein Gewinde erzeugt. In Gewindebohrungen können wir Schrauben eindrehen, um beispielsweise zwei Teile, wovon ein Teil ein Durchgangsloch hat, miteinander zu verbinden.

Ii y / /

///// 3.1.4

i i/ I

*

Bild3.6:

Gewindebohren

Profilbohren

Mit dem Profilbohrer werden rotationssymmetrische Innenflächen erzeugt, deren Form von der Kontur der Profilbohrer erzeugt wird. •

Profilbohrverfahren werden, wie Bild 3.7 zeigt, eingeteilt in: - Profilbohren ins Volle, um mit dem Profilwerkzeug im vollen Material ein Innenprofil herzustellen, z. B. beim Zentrieren, siehe Bild 3.7a. - Profilaufbohren zur Erweiterung einer bereits vorhandenen Profilbohrung mit dem Profilbohrer, z. B. kegelige Bohrungen für Kegelstifte, siehe Bild 3.7b. - Profilsenken: Mit dem Profilsenker wird ein Profil in einer Bohrung erzeugt, z. B. Senkung für Schraubenköpfe, siehe Bild 3.7c. - Profilreiben ist Reiben mit einem Profilwerkzeug, siehe Bild 3.7d, um beispielsweise genaue kegelige Innenflächen mit hoher Oberflächengüte herzustellen, z. B. Werkzeughalter für Steil- oder Morsekegelaufnahmen. Ein Profilsenker mit Morsekegelschaft, der in einer Morsekelaufnahme gespannt wird, ist im Bild 3.7c dargestellt.

149

3.1 Bohrverfahren o

a P r o f i l b o h r e n ins V o l l e

b Profilaufbohren

Bild 3.7: Profilbohrverfahren

nach DIN 8589

c Profiisenken

d Profilreiben

T2

Profilbohrer sind entweder Standardwerkzeuge für genormte Profile, z. B. für Zentrierungen oder es sind Sonderwerkzeuge, z. B. Stufenbohrer zur Herstellung einer Bohrung mit unterschiedlichen Durchmessern. 3.1.5

B eispiel-Werkstück

Für das im Bild 3.8 dargestellte Beispiel-Werkstück Grundplatte werden wir die Bohrverfahren festlegen. Die Grundplatte besitzt vier Befestigungsbohrungen (1) zur Befestigung der Grundplatte auf dem Maschinentisch, vier Gewindebohrungen (2) zur Aufnahme der Werkstückvorrichtung und zwei Positionierungsbohrungen (3) zur Festlegung der Lage der Vorrichtung auf der Grundplatte. Grundsätzlich können verschiedene Verfahren zur Herstellung der Bohrungen eingesetzt werden, wobei wir eines bzw. zwei Verfahren auswählen.

Schnitt A-B

2Z^

-f

£>; ( { V

i Bild 3.8: Beispiel-Werkstück Grundplatte gungsbohrungen (1), Gewindebohrungen nierungsbohrungen (3)

mit (2),

Befestigungsbohrung (1) - Rundbohren: Bohren ins Volle der Durchgangsbohrung und anschließend - Planeinsenken zur Herstellung der großen Bohrung oder - Profilbohren mit einem Stufenbohrer

BefestiPositio-

150

3 Bohren, Senken und Reiben



Gewindebohrung (2) - Rundbohren: Bohren ins Volle des Gewindekerndurchmessers - Gewindebohren (= Schraubbohren) zur Herstellung des Gewindes



Positionierungsbohrung (3) - Profilbohren: Zentrierung mit dem NC-Anbohrer zur exakten Festlegung der Position - Rundbohren: Bohren ins Volle des Sackloches - Rundbohren: Reiben.

3.1.6

Fragen - Übungen - Beispiel

5.

Was versteht man unter Bohren, Senken oder Reiben?

6.

Nach welchen Kriterien werden die Bohrverfahren eingeteilt?

7.

Benennen Sie die im unteren Bild dargestellten Bohrverfahren.

/ / /

/

1 i

/ /N.

,

V////A / / /

8.

Nennen Sie fünf Beispiele, in denen die oben dargestellten Bohrverfahren eingesetzt werden.

9.

Beispiel Legen Sie für das unten dargestellte Werkstück die Bohrverfahren fest.

Die Lösungen finden Sie auf den Internetseiten des Verlages unter http://www.oldenbourgverlag.de unter dem Buchtitel.

3.2 Anwendungen und Beispiele

3.2

151

Anwendungen und Beispiele

Das Bohren ist, wie Sie bereits aus Kap. 3.1 wissen, das am häufigsten eingesetzte spanende Fertigungsverfahren. Die folgenden Bilder vermitteln Ihnen einen exemplarischen Eindruck über die Bedeutung und Vielfalt der Bohroperationen im Maschinenbau.

a Motorblock-Nockenwelle Bild 3.9: Anwendungsbeispiele

b Doppelschließzylinder für Bohrverfahren

(Werkfotos Fa. Dihart AG)

a Kompressor-Klimaanlage

b Lenkrohrgehäuse

Bild 3.10: Anwendungsbeispiele zeuge Dr. Kress KG)

für Bohrverfahren

a Axialkolbenpumpe Bild 3.11: Anwendungsbeispiele KG, c Fa. Römheld GmbH)

c Zylinderdeckel (Werkfotos a Fa. Dihart AG, b+c Fa MAPAL

b Motorblock für Bohrverfahren

c Bremszylinder

Präzisionswerk-

c Grundplatte

(Werkfotos a+b Fa. MAPAL Präzisionswerkzeuge

Dr. Kress

152

3 Bohren, Senken und Reiben

a Einspritzpumpenteil

b Einspritzpumpe

c HSK-Werkzeugaufnahme

Bild 3.12: Anwendungsbeispiele für Bohrverfahren (Werkfotos a Maschinenfabrik Gildemeister AG, c Fa. Helmut Diebold GmbH & Co.)

Gehring GmbH & Co. KG, b Fa.

Bild 3.13: Anwendungsbeispiel für Bohrverfahren Ventilklappe (Werkfoto Fa. TBT Tiefbohrtechnik GmbH & Co.)

3.3

Schneidengeometrie und Spanbildung

Die Schneidengeometrie und die Spanbildung beim Drehen kennen Sie bereits. Die Werkzeug- und Schneidengeometrie unterscheidet den Bohrer vom Drehwerkzeug. Diesen Unterschied werden Sie in diesem Kapitel kennenlernen, da er das Verstehen des Bohrvorgangs ermöglicht.

3.3.1

Schneidengeometrie

Unabhängig davon, aus welchem Schneidstoff der Bohrer ist oder ob Wendeschneidplatten zum Einsatz kommen, die Spanbildung ist bei allen gleich. Der Wendelbohrer ist der am meisten eingesetzte Bohrertyp, sein Anteil liegt bei ca. 25 % aller spanenden Werkzeuge. Er wird häufig auch als Spiralbohrer bezeichnet. Eine Wendel hat im Gegensatz zu einer Spirale entlang der Länge einen konstanten Durchmesser. Die Bezeichnung Wendel oder Spirale beschreibt die Form der Spannuten. In der DIN wird die Bezeichnung Spiralbohrer verwendet, da sich der Bohrerdurchmesser über die Bohrerlänge zum Schaft hin geringfügig verkleinert/verjüngt. Wir werden im Folgenden den Begriff Spiralbohrer verwenden. Die Flächen, Schneiden und Schneidenecken, die Ihnen bereits aus Kap. 1.1 bekannt sind, treten auch beim Spiralbohrer auf, wie Bild 3.14 zeigt.

153

3.3 Schneidengeometrie und Spanbildung

Querschneide

Spanfläche

Schneidenecke

Hauptschneide

Hauptfreifläche

Bild 3.14: Flächen, Schneiden und Schneidenecken eines Spiralbohrers nach DIN 6581

Im Bild 3.15 sind wichtige Werkzeugwinkel des Spiralbohrers im Schneidenpunkt P, betrachtet in der Werkzeugbezugsebene Pr, der Orthogonalebene/Keilmessebene Po, der Schneidenebene Ps, der Arbeitsebene Pf und der Rückebene Pp, dargestellt.

Bild 3.15: Geometrie am Schneidteil eines Spiralbohrers nach DIN 6581 [14]

Die Querschneide, siehe auch Bild 3.14, verbindet die beiden Hauptschneiden. Die Länge der Querschneide lQ entspricht dem Kerndurchmesser dk des Spiralbohrers, der ungefähr 0,4 • dl beträgt, wobei d{ der Bohrerdurchmessser ist. In der Arbeitsebene Pf liegt der Seitenspanwinkel yf, der als Drallwinkel bezeichnet wird und die Steigung der Spirale bestimmt.

154

3 Bohren, Senken und Reiben

Der Winkel, den die beiden Hauptschneiden einschließen, wird Spitzenwinkel G genannt und ist doppelt so groß wie der Eckenwinkel s. a = 2-e

(3.1)

Auch für das Bohren gilt, genauso wie beim Drehen, für jede Bezugsebene: a + ß + y = 90°

3.3.2 •

(3.2)

Spanbildung beim Bohren

Das Bohren hat gegenüber dem Drehen folgende speziellen Merkmale: - Abtransport der Späne ist erschwert, da sie aus der geschlossenen Bohrung heraus transportiert werden müssen und dabei die fertig erzeugte Bohrungsinnenwand beschädigen. - Die Querschneide zerspant das Material nicht, sondern quetscht es und drängt es seitlich in Richtung Hauptschneide ab. - Änderung der Werkzeugwinkel vom Außendurchmesser di zur Bohrermitte hin: - der Freiwinkel af wird größer und - der Spanwinkel y wird kleiner, wenn der Keilwinkel ßf konstant sein soll. Er wird an der Querschneide stark negativ. - Änderung der Schnittgeschwindigkeit v vom Außendurchmesser zur Bohrermitte hin bis zum Wert vr = 0 m/min, d. h. in der Bohrermitte wird nicht zerspant, sondern gedrückt. Dadurch wird zusätzlich viel Wärme erzeugt und die Vorschubkraft nimmt zu. - Da die Schnittgeschwindigkeit am Bohreraußendurchmesser dt vom maximalen Wert zur Bohrermitte hin auf den Wert vr = 0 abnimmt, werden beim Bohren stets Aufbauschneiden gebildet, wenn die beiden Werkstoffe dazu neigen. Man kann deshalb die Aufbauschneidenbildung nicht durch die Wahl eines günstigen Schnittgeschwindigkeitsbereichs verhindern. - Abtransport der Wärme ist erschwert, da der Kühlschmierstoff in den Spannuten (von außen nach innen), entgegen der Abiaufrichtung der Späne (von innen nach außen) an die Schneiden gelangen soll. Eine Ausnahme bilden Bohrer mit innerer Zuführung des Kühlschmierstoffs, siehe Bild 3.23b. - Schneidenecke ist stark beansprucht. - Fasen an der Nebenfreifläche stützen den Bohrer ab und reiben dabei an der Bohrungsinnenwand, wodurch diese beschädigt wird.

Insgesamt kann daraus gefolgert werden, dass der Spanbildungsvorgang entlang der Hauptschneide nicht konstant und daher problematisch ist. Bild 3.16 zeigt die Abwicklung des Schneidvorgangs eines zweischneidigen Spiralbohrers während einer Bohrerumdrehung, in der der Weg 7t • dl zurückgelegt wird. Vor der Schneide befindet sich das Material, das von der jeweiligen Schneide während der Umdrehung abgetragen wird. Die Schnitt- und Vorschubgeschwindigkeit legen die Wirkrichtung fest, die zur Schnittgeschwindigkeit den Winkel r) einnimmt. Des Weiteren sind durch Pfeile die Wege der einzelnen Schneiden dargestellt.

155

3.3 Schneidengeometrie und Spanbildung

Materiali

Bild 3.16: Schneidvorgang

der Hauptschneiden

beim Spiralbohrer (nach

Schallbroch)

Jede Hauptschneide hat einen Spanraum, der die Späne aufnimmt. Dieser muss groß genug sein, um die anfallende Spanmenge aufzunehmen und entlang der spiralförmigen Spannuten abzuführen. Dabei entsteht in der Spannut am Bohrer und an der Bohrungsinnenwand Reibung.

3.3.3

Spanungs- und Schnittgrößen beim Bohren ins Volle

Im Bild 3.17 sind die Spanungs- und Schnittgrößen an einer Hauptschneide eines Spiralbohrers dargestellt. Da der Bohrer zwei Schneiden besitzt, ist fz der Vorschub pro Schneide/Zahn.

Bild 3.17: Spanungs- und Schnittgrößen beim Bohren ins Volle

Der Spanungsquerschnitt A wird pro Schneide bestimmt und kann analog Gl. (1.7) beim Drehen ermittelt werden:

156

3 Bohren, Senken und Reiben

A = bh

= apf

ap= ^

[mm]

fz=



z

[mm2] (3.3)

[mm/Umdr.]

Spiralbohrer haben meistens zwei Schneiden, demnach ist z = 2. Zwischen den Spanungsgrößen b und h und den Schnittgrößen ap und fr besteht beim Spiralbohrer folgender Zusammenhang: h = fz- sin/r [mm] sinr a K=— 2

— [mm] 2-sinx"

mit

(3.4)

Die Schnittgeschwindigkeit wird am Bohreraußendurchmesser dl ermittelt: vc=n-dx-n

[mm/min]

(3.5)

Die Vorschubgeschwindigkeit vf kann wie folgt bestimmt werden: Vf=f2-z-n

3.3.4

[mm/min]

(3.6)

Spanungs- und Schnittgrößen beim Aufbohren, Reiben und Senken

A) Aufbohren Analog dem Bohren ins Volle kann auch beim Aufbohren der Zusammenhang zwischen den Spanungs- und Schnittgrößen bestimmt werden, die im Bild 3.18 eingetragen sind.

157

3.3 Schneidengeometrie und Spanbildung Der Spanungsquerschnitt A kann aus Gl. (1.7) ermittelt werden: A = b-h = a p - f z ^

(3-7)

z Zum Aufbohren werden häufig dreischneidige Spiralbohrer eingesetzt. Zwischen den Spanungsgrößen b und h und den Schnittgrößen ap und/, besteht beim Aufbohren mit einem Spiralbohrer folgender Zusammenhang: h = fz • sin — b=

K

a„ — d,-d sin K 2-sinK p

1

(3-8)

Die Vorschubgeschwindigkeit vf kann wie folgt bestimmt werden: v

f - fz'z'n

(3.9)

B) Senken Zum Senken können die Gleichungen wie beim Aufbohren verwendet werden. Beim Plansenken ist die zu erzeugende Fläche eben, d. h. der Einstellwinkel K = 90° und damit wird sin K = 1. Dieser Wert kann in die Gl. (3.8) eingesetzt werden, wodurch diese vereinfacht wird. C) Reiben Das Reiben erfolgt mit einer meist vielschneidigen Reibahle, d. h. z = 4-12 (Ausnahme = Einleistenreibahle mit Führungsleisten, siehe Kap. 3.4.4). Der Einstellwinkel k, der im Anschnittteil der Reibahle ist, nimmt Werte zwischen 15 und 60° an. Da das Reiben ein Aufbohren mit geringer Spanungsdicke ist, können die Gleichungen für das Aufbohren verwendet werden.

3.3.5

Spanungsgrößen beim Gewindebohren

Beim Gewindebohren erzeugen die im Anschnittteil des Gewindebohrers mit der Länge /, vorhandenen Schneiden, siehe Bild 3.19 rechts, den Span. Die im Führungsteil mit der Länge l2 vorhandenen Schneiden führen den Gewindebohrer; falls Schneiden im Anschnittteil verschlissen sind, schneiden diese nach und korrigieren den verschleißbedingten Geometriefehler. Die Anzahl der erforderlichen Schnitte, um die Profiltiefe T zu erzeugen, zeigt Ihnen Bild 3.19 am Beispiel eines vierschneidigen Gewindebohrers. Die im Bild angegebenen Nummern kennzeichnen die Schneiden des vierschneidigen Gewindebohrers, die den jeweiligen Schnitt durchführen.

158

3 Bohren, Senken und Reiben a = Gewindeflankenwinkel 3 = Anschnittwinkel X = Schälanschnittwinkel l = Anschnittlänge l2 = Führungslänge

, L Y "1

Bild 3.19: Aufteilung der Schnitte beim vierschneidigen Gewindebohrer zur Herstellung eines metrischen ISO-Gewindes

Der Anschnittwinkel 0 legt die Neigung der einzelnen Schnitte fest. Die Spanungsdicke h kann aus folgender Gl. ermittelt werden: P

h = — -sinO,

(3.10)

z

wobei P die Gewindesteigung und z die Schneidenanzahl, auch Stollenzahl genannt, ist. Im Beispiel aus Bild 3.19 beträgt die Anzahl der Schneiden z = 4. Die Anzahl der erforderlichen Schnitte zg kann wie folgt ermittelt werden: T 8

H - H / S - H / 4

P • tan9

5

P • tan9

H

8-Ptan9

(3.11)

Der Spanungsquerschnitt A, auf dessen Herleitung hier verzichtet wird, wird aus der Gl. A = - - ( d . - d )

4

1

2

-tan — + — - ( d , - d ) - P

2

16

1

(3.12)

bestimmt. Der Gewindeflankenwinkel a beträgt beim metrischen ISO-Gewinde 60° und beim metrischen Trapezgewinde 30°.

3.3.6 1.

Fragen - Übungen - Beispiel

Tragen Sie in das untere Bild die Flächen, Schneiden und Ecken ein.

159

3.4 Bohrwerkzeuge 2.

Welche speziellen Merkmale besitzt das Bohren gegenüber dem Drehen?

3.

Wodurch wird die Spanbildung beim Bohren mit Spiralbohrern erschwert?

4.

Tragen Sie in das untere Bild die Spanungs- und Schnittgrößen beim Bohren ins Volle ein. 1 /y*L \ 1A

Die Lösungen finden Sie auf den Internetseiten des Verlages unter http://www.oldenbourgverlag.de unter dem Buchtitel.

3.4

Bohrwerkzeuge

Bild 3.20 zeigt Ihnen typische Bohrwerkzeuge.

a Spiralbohrer b Bohrer mit Wendeschneidplatten c Reibahle, d Gewindebohrer e Zentrierbohrer, f Senker

'

Bild 3.20: Beispiele für Bohrwerkzeuge (Werkfotos Fa. Wilhelm Fette GmbH)

Da das Bohren ins Volle zu den am häufigsten eingesetzten Bohrverfahren zählt, werden wir diese Bohrwerkzeuge auch als erstes behandeln.

160

3.4.1

3 Bohren, Senken und Reiben

Bohrwerkzeuge für das Bohren/Rundbohren ins Volle

3.4.1.1 Spiralbohrer oder Wendelbohrer Der Spiralbohrer ist das in der Praxis am meisten eingesetzte Bohrwerkzeug, das in sehr großen Stückzahlen zu geringen Kosten hergestellt wird. Daher gibt es eine Vielzahl genormter Spiralbohrer in unterschiedlichen Ausführungen, je nach Anwendung und Bohreraufnahme, wie überlanger Spiralbohrer mit Zylinderschaft (DIN 1869), langer Spiralbohrer mit Zylinderschaft (DIN 340), kurzer Spiralbohrer mit Zylinderschaft (DIN 338), extra kurzer Spiralbohrer mit Zylinderschaft (DIN 1897), Spiralbohrer mit Morsekegelschaft (DIN 345), dreischneidige Spiralbohrer, Kleinstbohrer (DIN 1899), Vollhartmetall-Spiralbohrer mit Zylinderschaft (DIN 6539), Vollhartmetall-Spiralbohrer mit Morsekegelschaft (DIN 8041) u.v.m. Aufbau eines Spiralbohrers Frage: Wie ist ein Spiralbohrer aufgebaut? Bild 3.21 zeigt Ihnen einen typischen Aufbau eines Spiralbohrers mit Zylinder- und Kegelschaft (Bild 3.21a+b), bestehend aus einem: -

-

Körper, der an der Spitze die beiden Hauptschneiden hat, die die Zerspanung durchführen, gefolgt von spiralförmigen Spannuten, die die Späne aus der Bohrung heraus fördern und Schaft zur Aufnahme und Übertragung der Axialkraft und des Drehmomentes. Er wird in der Spindel über den zylindrischen oder kegeligen Schaft aufgenommen.

Bild 3.21: (a) Spiralbohrer mit Zylinderschafl; (b) Spiralbohrer mit Kegelschaft; (c) Ausführungen von Spiralbohrern (Werkfotos Fa. GÜHRING oHG)

Spiralbohrertypen Frage: Für welche Werkstoffe benötigt man welche Spiralböhrer? Die Wahl des Spitzenwinkels a und des Seitenspanwinkels y / , dem sog. Drallwinkel, hängt maßgeblich von dem zu zerspanenden Werkstoff ab. Die DIN 1414 enthält eine Klassifizie-

161

3.4 Bohrwerkzeuge

rung der Werkstoffe, abhängig von diesen beiden Winkeln a und yp die der Tabelle 3.1 zu entnehmen sind. Tabelle 3.1: Werkzeuggrundtypen Werkzeug-Anwendungsgruppe Typ H

N

W

9i I !1

von Spiralbohrern nach DIN 1414 (Werkfotos Fa. Wilhelm Fette GmbH) Werkstückwerkstoff

Drallwinkel

Spitzenwinkel

y,

a

10-13°

118°

20-30°

130°

30-40°

130-140°

Typ H: hart und spröde hochfester Stahl, Gestein, Magnesium, Kunststoffe Typ N: normal weicher Stahl, Grauguss, Messing, legierte Stähle, nichtrostende und warmfeste Stähle Typ W: weich Aluminium, Kupfer, Zink

Einfluss von Spitzenwinkel und Drallwinkel (siehe Tabelle 3.1): -

-

Ein großer Spitzenwinkel a zentriert den Bohrer nicht so gut, wie ein kleiner und erhöht die Reibung an der Bohrungswand. Der Spiralbohrer verläuft und die Maßgenauigkeit wird verringert. Je härter der Werkstoff ist, umso schlechter ist die Zentrierung bei einem größer werdenden Spitzenwinkel. Durch einen großen Spitzenwinkel wird die Schneide stabilisiert. Ein großer Drallwinkel yf wird bei weichen Werkstoffen eingesetzt, deren weicherer Span sich in enger gewundenen Spiralen führen lässt.

Mit zunehmender Werkstofffestigkeit haben die Bohrer eine größere Kerndicke dt. Aus Festigkeitsgründen nimmt die Kerndicke des Bohrers zum Schaft hin grundsätzlich zu. An der Bohrerspitze entspricht die Kerndicke dt der Länge der Querschneide lQ, wie Bild 3.15 Ansicht P zeigt. Um die Reibung der Fasen an der Bohrungsinnenwand zu begrenzen, werden die Spiralbohrer zum Schaft hin verjüngt, d. h. ihr Außendurchmesser nimmt um 0,02-0,08 mm je 100 mm Bohrerlänge ab. Ein Problem beim klassischen Spiralbohrer ist die relativ lange Querschneide, mit einer Länge von lQ ~ 0,4-d, und der negative Spanwinkel in der Bohrermitte, der zu einer starken Spanstauchung führt. Bei einem Bohrerdurchmesser d t von 20 mm beträgt die Länge der Querschneide lQ bereits 8 mm.

162

3 Bohren, Senken und Reiben

Außer den drei Spiralbohrertypen H, N und W aus Tabelle 3.1 gibt es ca. 100 weitere Anschliffformen der Bohrerspitze, die speziell auf bestimmte Materialien und Anwendungen abgestimmt sind. Die DIN 1412 enthält einige Sonderanschliffformen A-E.

Form A

FormB

Form C

Form D

Form E

Bild 3.22: Anschliffformen von Spiralbohrem (nach DIN 1412)

Anschliffformen • Kegelmantelanschliff: Er ist der am häufigsten eingesetzte Anschliff, da er einfach herzustellen und unempfindlich gegen hohe mechanische Belastungen ist. Er besitzt eine lange Querschneide, die mit zunehmendem Bohrerdurchmesser zunimmt. Die Zentrierung ist daher schlecht. Um die Nachteile zu beheben, wird der Kegelmantelanschliff modifiziert, siehe Bild 3.22B-D. -

-

-

-

-

-

Form A: Kegelmantelanschliff mit ausgespitzter Querschneide. Die Querschneide hat nunmehr eine verringerte Länge von lQ ~ 0,\-dr Dadurch wird die Zentrierung verbessert und so die Vorschubkraft erheblich verringert. Sie wird angewendet, wenn die Zentrierung verbessert werden soll, insbesondere bei der Bearbeitung hochfester Werkstoffe mit großen Durchmessern. Bei einem Bohrungsdurchmesser d, von 20 mm beträgt die Länge der Querschneide lQ nur noch /Q = 2 mm. Form B: Kegelmantelanschliff mit ausgespitzter Querschneide und korrigierter Hauptschneide. Zusätzlich zur kürzeren Querschneide wird der Spanwinkel y so verändert, dass er über die Länge der Hauptschneide konstant ist und einen Wert zwischen y « 0 bis 10° hat, je nach zu bearbeitendem Material. Die Spanstauchung und der Spanbruch können hier gezielt beeinflusst werden. Manganhartstahl oder labile Werkstücke wie Blech werden mit der Form B gebohrt. Form C: Kegelmantelschliff mit Kreuzanschliff. Die Querschneide wird beseitigt, und es entstehen zwei neue kleinere Hauptschneiden. Er wird bei dünnen, langen Bohrern mit dickem Kern eingesetzt sowie bei schwer zerspanbaren Werkstoffen. Form D: Kegelmantelanschliff mit ausgespitzter Querschneide und fassettierten Schneidenecken. Sie eignet sich für die Bearbeitung von Grauguss, bei dem die starke Belastung der Scheidenecken beim Eindringen in die Gusshaut durch die Fassettenform verringert wird. Form E: Anschliff mit Zentrumsspitze. Mit einem Spitzenwinkel von c = 180° und einer kleinen Querschneide der Länge von lQ « 0,05 • d{ werden gratfreie Bohrungen in Bleche, Rohre oder Profile hergestellt. Form V: Vierflächenanschliff. Er besitzt eine ausgespitzte Querschneide und hat ebene Freiflächen. Dieser Anschliff ist gut zentrierend und wird bei kleinen Bohrern mit dt < 2 mm zur Herstellung genauer Bohrungen und bei Hartmetallbohrern eingesetzt.

3.4 Bohrwerkzeuge -

163

Spiralpointanschliff: Die Querschneide ist S-förmig und stellt sicher, dass maßgenaue Bohrungen ohne vorherige Zentrierung hergestellt werden. Auf NC-Maschinen wird dadurch ein Arbeitsschritt und ein Werkzeug zum Zentrieren eingespart.

Schneidstoffe für Spiralbohrer und deren Ausführungen -

HSS-unbeschichtet und -beschichtet Hartmetall-unbeschichtet und -beschichtet Keramik Cermets Diamant.

Ausführungen HSS-Vollbohrer Vollhartmetallbohrer Vollkeramikbohrer - Bohrer mit Hartmetallkopf - Bohrer mit eingelöteten Schneidplatten. Spiralbohrer aus Vollhartmetall erhalten häufig einen Anschliff der Form V. Um den Vorschub von Vollhartmetallbohrern noch weiter zu steigern, werden diese aus zwei unterschiedlichen Hartmetallsorten hergestellt/gesintert, wie im Bild 3.23 dargestellt. Außen ist die verschleißfeste und innen die zähe Hartmetallsorte.

verschleißfeste HW-Sorte zähe HW-Sorte Beschichtung

Bild 3.23: (a) Aufttau eines Spiralbohrers aus Duplex-Hartmetall Alpha® 4+ (nach Fa. Titex Plus) und (rechts) Hartmetall-Spiralbohrer mit Kühlkanalbohrungen (Werkfotos Fa. GÜHRING oHG)

Spiralbohrer haben manchmal innere Kühlkanäle, um den Kühlschmierstoff zur Bohrerschneide zu bringen, um die Wärme und Späne abzutransportieren, siehe Bild 3.23b.

164

3 Bohren, Senken und Reiben

Tabelle 3.2 zeigt, welche Bohrtiefe bzw. welches Bohrtiefenverhältnis bei den einzelnen Spiralbohrern erreicht wird. Tabelle 3.2: Abmessungen von

Spiralbohrern

Bezeichnung

Durchmesser dl in [mm]

HSS-Kleinstbohrer

0,05-1,5

HSS-Spiralbohrer extra kurz

max. Bohrtiefe Lt in [mm]/ Spiralnutenlänge 0,4-12

empfohlenes Bohrtiefenverhältnis

1-25

6-75

5-6

0,3-20

3-140

5-6

HSS-Spiralbohrer

3-70

24-250

3-5

HSS-Spiralbohrer lang

1-16

20-120

10-12

HSS-Spiralbohrer extra lang

2-10

60-250

20

Vollhartmetall-Spiralbohrer

1-16

4-50

4-5

Vollhartmetall-Spiralbohrer kurz

1-16

9-45

2-3

HSS-Spiralbohrer kurz

Ls/di

5-6

3.4.1.2 Wendeplattenbohrer/Kurzlochbohrer Frage: Wie werden größere Bohrungen mit dt > 15 mm und einem Längen-/Durchmesserverhältnis L / d ^ 2 bis 4 produktiv hergestellt? Wendeplattenbohrer sind Werkzeuge mit auswechselbaren Wendeplatten als Schneiden, die auf einem stabilen Werkzeug befestigt werden, wie Ihnen Bild 3.25 zeigt. Der Kühlschmierstoff, Abk. KSS wird über eine Bohrung im Schaft zugeführt und tritt vorne vor jeder Schneide aus, wie Sie Bild 3.25 entnehmen können. Bild 3.25b zeigt die Ausführung eines auswechselbaren Schneidkopfes.

KSS - Bohrung

KSS

Wendeplatte

Bild 3.25: (a) Wendeplattenbohrer/Kurzlochbohrer, (b) Bohrer mit auswechselbarem Kopf (Werkfotos a Fa. Widia GmbH, b Fa. KENNAMETAL HERTEL AG)

Kennzeichen/Merkmale - Herstellung kurzer Bohrungen mit einem Längen-/Durchmesserverhältnis L/di ~ 2 bis 4 - Durchmesserbereich dt = 16 bis 60 mm (teilweise bis 120 mm) - höhere Schnittgeschwindigkeiten, höhere Vorschübe und deshalb - geringere Hauptzeiten und eine höhere Produktivität - gute Zentrierung beim Anschnitt auch auf schrägen Flächen - Bohrer mit inneren Kühlkanälen - Späne werden unter hohem Druck durch den Kühlschmierstoff heraus gespült - hohe Oberflächengüte, da durch das radiale Versetzen beim Herausfahren aus der Bohrung die Schlichtoperation durchgeführt wird

165

3.4 Bohrwerkzeuge -

-

geringere Maßgenauigkeit als Spiralbohrer, wenn nicht geschliffene Platten eingesetzt werden unsymmetrische Anordnung der Wendeplatten, siehe Bild 3.26. Die Belastung der beiden Schneiden führt zu einer Durchbiegung. Die Bohrer sind sehr steif ausgeführt, um die Durchbiegung zu minimieren. Da an der inneren Platte geringere Schnittgschwindigkeiten als an der äußeren auftreten, kann eine andere Schneidstoffsorte genommen werden. ungeeignet zum Aufbohren auf Grund der unsymmetrischen Anordnung der Schneidplatten.

Bild 3.26: Anordnung der Wendeplatten

Unterschiedliche Wendeplatten werden beim Bohren eingesetzt, wie Bild 3.27 zeigt.

Bild 3.27: Bohrer mit unterschiedlichen

Wendeplatten (Werkfotos Fa. Sandvik)

Auf Grund der gegenüber den Spiralbohrern, siehe Bild 3.28a, anders gestalteten Spitze des Wendeplattenbohrers, entsteht eine veränderte Gestalt des Bohrungsgrundes, wie Bild 3.28b zeigt. Wird auf Drehmaschinen mit rotierendem Werkstück gebohrt, ist darauf zu achten, dass beim Durchbohren das rotierende und wegfliegende Bodenendstück nicht zu Beschädigungen im Arbeitsraum führt. Unfallgefahr für den Maschinenbediener!

Bild 3.28: Ausbildung des Bohrungsgrundes und(b) Wendeplattenbohren

3.4.1.3

beim (a)

Spiralbohren

Tieflochbohrer

Frage: Wie können wir tiefe Bohrungen mit einem Bohrtiefenverhältnis L/dl = 20 bis 200 herstellen? Bohrungen mit Bohrtiefen bis 20 • dt können noch mit extra langen Spiralbohrern hergestellt werden. Das ist nicht vorteilhaft, da

166 -

-

3 Bohren, Senken und Reiben

je nach Material oft entspänt werden muss. Der Bohrvorgang wird beim Entspanen mehrfach unterbrochen, da der Bohrer oft aus der Bohrung herausfahren muss, um die Späne aus der Bohrung herauszuführen. Das verlängert die Bearbeitungszeiten. die Bohrungsqualität nicht hoch ist, da die Späne aus der tiefen Bohrung abgeführt werden müssen und dabei die Bohrungsinnenwand verkratzen. Kühlschmierstoffe, Abk. KSS, können nur bis zu einer begrenzten Bohrtiefe entgegen der Abiaufrichtung der Späne an die Zerspanstelle gebracht werden.

Deshalb wurden spezielle Tiefbohrwerkzeuge entwickelt, um die oben genannten Nachteile zu beseitigen und um Bohrtiefenverhältnisse von L/ds = 20 bis 200 herzustellen. Beispiele - Ölbohrungen in PKW-Kurbelwellen - Kühlkanäle in Spritzgusswerkzeugen - Gehäuse-Einspritzdüsen - Ritzel auf Hohlwelle - Bremszylinder - Ventilklappen. Verfahren und deren Merkmale Das Tieflochbohren dient der Herstellung von Bohrungen mit einem Bohrtiefenverhältnis L/dt = 20-200, beim normalen Spiralbohrer liegt L/d] « 5. Dabei werden hohe Maßgenauigkeiten und Oberflächenqualitäten erreicht. Das Tiefbohren erfolgt entweder auf konventionellen NC-Maschinen, auf umgerüsteten NC-Maschinen oder aber auf speziellen Tiefbohrmaschinen. Abhängig von der Bohrerform und der Zuführung der Kühlschmierstoffe unterscheidet man folgende Tiefbohrverfahren - BTA-Tiefbohrverfahren - Ejektor-Tiefbohrverfahren - Einiippen-Tiefbohrverfahren.

Bild 3.29: (a) BTA-Tiefljohrwerkzeuge GmbH, b Fa. Sandvik)

und (b) Ejektor-Tieflohrwerkzeuge

(Werkfotos a Fa. BTA

Tiefoohrtsysteme

3.4 Bohrwerkzeuge

167

Kennzeichen des BTA-Tiefbohrverfahrens (siehe Bild 3.29a) - für = 16 bis 65 mm und einer Bohrtiefe bis lOO-rf, - auf speziellen Tiefbohrmaschinen durchgeführt - unsymmetrisch angeordnete Schneiden-Führung des Bohrers erforderlich - Werkzeugschaft = Bohrrohr - KSS werden zwischen Bohrungswand und Bohrer bei Drücken bis 60 bar zugeführt, daher ist eine Abdichtung erforderlich - Späne werden durch das Bohrrohr herausgespült - 4 bis 6-fach höhere Schnittgeschwindigkeiten - höhere Vorschübe. Kennzeichen des Ejektor-Bohrverfahrens (siehe Bild 3.29b) [11] - hergestellt werden Bohrungen mit dt - 20 bis 60 mm und einer Bohrtiefe bis lOOd, - wird auf speziellen Tiefbohrmaschinen oder auf NC-Drehmaschinen mit Zusatzeinrichtungen durchgeführt - der Werkzeugschaft besteht aus einem Doppelrohr: Außenrohr und Innenrohr. Das Innenrohr hat Löcher/Düsen, die eine Bypass-Funktion haben - KSS werden im Ringkanal zwischen den beiden Rohren bei Drücken bis 15 bar zugeführt, daher geringere Abdichtungsprobleme als beim BTA-Verfahren. Ein Teil des KSS gelangt nicht bis zur Schneide, sondern wird mit hoher Geschwindigkeit in das Innenrohr durch dessen Düsen gepresst und erzeugt dort einen Unterdruck - Späne werden durch das Innenrohr abgeführt. Ihr Abtransport wird durch den Unterdruck hinter der Zerspanstelle erleichtert.

Bild 3.30: Ausführungen von Einlippenbohrern (Werkfotos Fa. TBT Tiefbohrtechnik GmbH & Co.)

Kennzeichen des Einlippenbohrers -

eignet sich für Bohrungen mit dt = 1 bis 50 mm und Bohrtiefen > 100-rf, hat nur eine Hauptschneide, die unsymmetrisch ist, weshalb die Bohrung vorher zentriert werden muss nicht zum Aufbohren geeignet, wegen der unsymmetrischen Schneide in der Bohrung wird der Bohrer durch zwei seitliche Führungsleisten geführt. Diese verhindern ein Verlaufen des Bohrers und glätten zusätzlich die Bohrungsinnenwand. KSS werden durch eine innere Bohrung der Zerspanstelle zugeführt, siehe Bild 3.30 Späne werden durch die gerade und große Spannut abgeführt Einlippenbohrer sind aus Vollmaterial (HC, PKD) oder mit Schneidplatten bestückt eingesetzt auf Bearbeitungszentren und speziellen Einlippenbohrmaschinen.

168

3.4.1.4

3 Bohren, Senken und Reiben

Stufenbohrer

Frage: Wie können wir in einem Arbeitsschritt gestufte Bohrungen herstellen? Mit dem Stufenbohrer werden ohne Vorbohren in einem Arbeitsschritt im Durchmesser abgestufte Bohrungen erzeugt. So kann eine im Durchmesser abgestufte Bohrung in kurzer Fertigungszeit hergestellt werden. Stufenbohrer sind häufig Sonderwerkzeuge. Bild 3.31a zeigt Stufenbohrer aus Vollhartmetall, Bild 3.31b+c mit Wendeschneidplatten bestückte Stufenbohrer und Bildteil-d mögliche Bohrungsformen. Es können nicht nur abgestufte Durchmesser, sondern auch Fasen erzeugt werden. Werden die im Bild 3.3ld dargestellten Bohrungen nicht durch Bohren ins Volle, sondern in ein bereits vorhandenes Loch eingebracht, spricht man vom Senken, siehe Kap. 3.4.6.

a

b

c

d

Bild 3.31: (a) Stufenbohrer aus Vollhartmetall und (b+c) mit Schneidplatten bestückt, (d) Bohrungsformen tos a Fa. KENNAMETAL HERTEL AG, b Fa. Almü Präzisionwerkzeuge GmbH, c Fa. Gildemeister-DeVlieg tem-Werkzeuge GmbH),

3.4.2

(WerkfoSys-

B ohrwerkzeuge für das Kernbohren

Frage: Wie stellen wir große Bohrungen mit dt= 120 bis 250 mm wirtschaftlich her? Beim Kernbohren wird aus dem Vollen eine ringförmige, zylindrische Bohrung erzeugt, wobei der Kern innen stehen bleibt bzw. beim Durchbohren als Reststück herausfällt, siehe Bild 3.5b. Dieses Reststück kann weiter verwendet werden, was insbesondere bei großen Kernen und bei hochwertigen Werkstoffen gemacht wird. Da nur der Ring spanend bearbeitet wird, ist auch nur dafür Antriebsleistung erforderlich. Würde man die große Bohrung komplett zerspanen, müßte man zusätzlich unnötige Antriebsleistung für den Kern bereitstellen. Bild 3.32a zeigt einen Kernbohrerkopf aus HSSE und Bild 3.32b einen, der mit vier radial versetzten Schneidplatten bestückt ist.

169

3.4 Bohrwerkzeuge

Bild 3.32: (a) Kernbohrer bohrsysteme GmbH)

aus HSSE und (b) mit Schneidplatten

bestückt (Werkfotos b Fa. Sandvik, c Fa. BTA Tief-

Mit dem Kernbohrer werden Außendurchmesser von 120-250 mm und Kerndurchmesser zwischen 30 und 150 mm hergestellt. Werkzeugköpfe für Kernbohrer werden auch als Tiefbohrwerkzeuge eingesetzt.

3.4.3

Bohrwerkzeuge für das Aufbohren

Beim Aufbohren wird, wie Sie bereits aus Kap. 3.1.2 wissen, eine vorhandene Bohrung vergrößert. Die Bohrerspitze und evtl. beim Spiralbohrer vorhandene Querschneiden dringen nicht in das Werkstück ein, sondern befinden sich im bereits vorhandenen Loch. Bohrwerkzeuge zum Aufbohren - Spiralbohrer aus Kap. 3.4.1.1 - Wendeplattenbohrer aus Kap. 3.4.1.2 - Tieflochbohrer aus Kap. 3.4.1.3, siehe Bild 3.29 und Bild 3.30 - HSS-Spiralaufbohrer, siehe Bild 3.33a - Wendeplatten-Aufbohrer (Auswahl), siehe Bild 3.33b - Aufbohrköpfe mit fest eingebauten oder radial verstellbaren Schneiden, siehe Bild 3.33b2+c - Feinaufbohrkopf auch Ausdrehkopf genannt, siehe Bild 3.33bl+d. Setzt man zum Aufbohren die gleichen Werkzeuge ein, die für das Bohren ins Volle entwickelt wurden, wird die Zentrierung verschlechtert. Der zweischneidige Spiralbohrer mit einem Spitzenwinkel a « 120° eignet sich schlechter zum Zentrieren in dem vorgebohrten Loch. Spezielle HSS-Spiralbohrer mit einem kleineren Spitzenwinkel zentrieren besser. Spiralaufbohrer zum Aufbohren sind meist dreischneidig, wodurch die Bohrung eine verbesserte Rundheit im Vergleich zum zweischneidigen Spiralbohrer erhält. Spiralaufbohrer haben einen zylindrischen Schaft (DIN 344) oder einen Schaft mit Morsekegel (DIN 343). Der Aufbohrdurchmesser beträgt zwischen dt = 5 bis 30 mm. Bild 3.33 zeigt die breite Palette von Aufbohrwerkzeugen mit festem oder variabel einstellbarem Aufbohrdurchmesser. Das Aufbohrwerkzeug aus Bild 3.33b2 ermöglicht Aufbohrungen mit einem Durchmesser zwischen 150-250 mm.

170

3 Bohren, Senken und Reiben

Feinbohrköpfe werden zur Feinbearbeitung mit einer Durchmesservergrößerung von ca. 0,2 bis 0,4 mm eingesetzt. Mit ihnen werden hohe Maßgenauigkeiten und Oberflächengüten erreicht. Das Werkzeug ist radial über einen Mikrometerring auf wenige |im genau einstell-

a Aufbohrer mit Zylinderschaft

bl fein verstellbarer Aufbohrkopf

c verstellbarer Aufbohrkopf

d Feinbohrkopf

b2 verstellbarer Aufbohrkopf

Bild 3.33: Außohrwerkzeuge (Werkfotos a Fa. GÜHRING oHG, b+c Fa. WOHLHAUPTER, sionswerkzeuge Robert Breuning GmbH)

3.4.4

d Fa. KOMET Präzi-

Reibwerkzeuge

Frage: Wie können wir die Oberflächengüte und die Formgenauigkeit einer Bohrung verbessern, um beispielsweise ein Passmaß H7 nach dem System Einheitsbohrung herzustellen, ohne einen Feinbohrkopf einzusetzen? Das leistet das Reiben. Reiben ist ein Aufbohren mit einem meist mehrschneidigen (4-8) Reibwerkzeug, der sog. Reibahle, zur geringen Durchmesservergrößerung von 0,2-0,4 mm. •

Die Einteilung von Reibahlen erfolgt nach: - der Art der Bedienung in - Handreibahle - Maschinenreibahle - der Form in - zylindrische - kegelige - Maßlichkeit - Festmaß - verstellbares Maß.

3.4 Bohrwerkzeuge

171

• Aufbau von Reibahlen Bild 3.34 zeigt Ihnen den Aufbau einer Reibahle, bestehend aus einem - Schneidenteil und einem - zylindrischen oder konischen Schaft. Im vorderen Schneidenteil, dem sog. Anschnitt, ist die Schneide konisch verjüngt. Austreiblappen



Bild 3.34: Aufbau von Maschinenreibahlen (a) Zylinderschaft, (b)Kegelschaft (Werkfotos Fa. Wilhelm Fette GmbH)



Ausführungen von Reibahlen, siehe Bild 3.35 - Handreibahlen: gerad- (DIN 206) oder schräggenutet mit Links- oder Rechtsdrall (DIN 206), über Spreizdorn im Durchmesser verstellbare Reibahle (DIN 859) zur Kompensation des Verschleißes. - Maschinenreibahlen: gerad- (DIN 212) oder schräggenutet mit Links- oder Rechtsdrall, mit Schälanschnitt (DIN 212), auf einem Dorn befestigte Aufsteckreibahle (DIN 219), mit Schneidplatten bestückte Reibahlen (DIN 8050 + 8051). - Profilreibahlen, z. B. Kegelreibahlen - Sonderreibahlen, die nicht genormt sind.

Reibahlen werden entweder als Vollmaterial aus HSS, Hartmetall oder Cermets hergestellt oder sie sind mit Schneidplatten bestückt. 3.4.4.1 Hand- und Maschinenreibahlen Diese Unterteilung erfolgt nach der Art der Bedienung: Handreibahlen werden manuell und Maschinenreibahlen maschinell eingesetzt. Bild 3.35a+b zeigt Ihnen einige Ausführungen von Hand- und Maschinenreibahlen. Bild 3.35a zeigt Ihnen geradgenutete, mit Linksdrall und verstellbare Handreibahlen, während im Bild 3.35b eine geradgenutete Reibahle mit Zylinderschaft (bl), eine mit Linksdrall und Zylinderschaft (b2) bzw. mit Morsekegelschaft (b3), eine Maschinenreibahle mit Schäldrall (b4) und eine Aufsteckreibahle (b5) dargestellt sind. Handreibahlen zeichnen sich durch einen langen Schneidenteil und eine große Anschnittlänge aus. Das ist nötig, da sie keine Führung haben. Maschinenreibahlen werden auf NC-Maschinen eingesetzt, die sie führen. Deshalb benötigen sie nur eine kurze konische Anschnittlänge und eine kurze Schneidenlänge.

172

3 Bohren, Senken und Reiben

Bild 3.35: Ausführungen von Hand- und Maschinenreibahlen (Quelle Fa. Hahn+Kolb Werkzeugkatalog 2001)



Kennzeichen der Reibahlen - gerade Zähnezahl (Ausnahme = Einleistenreibahle) - gleiche oder ungleiche Zahnteilung mit einem Winkelversatz von 0,2-15°, um Rattern zu verhindern. Es liegen immer zwei Zähne diametral (um 180° versetzt) gegenüber, so dass der Durchmesser mit der Schieblehre direkt gemessen werden kann. - die Nuten sind meistens gerade, der Drallwinkel beträgt 0° - System Einheitsbohrung, meistens H7 - Durchmesser dt = 1 bis 20 (50) mm.

Die am häufigsten eingesetzten Reibahlen sind geradgenutet. Hiermit können sowohl Sacklochbohrungen als auch Durchgangsbohrungen hergestellt werden. Reibahlen mit Linksdrall, mit einem Drallwinkel von ca. 7 bis 8°, fördern die Späne in Vorschubrichtung heraus. Daher werden sie beim Reiben von Durchgangslöchern eingesetzt. Wenn die zu reibende Bohrung Unterbrechungen wie Nuten oder Querbohrungen hat, werden ebenfalls linksgedrallte Reibahlen verwendet. Rechtsgedrallte Reibahlen und Schälreibahlen werden bei zähen Materialien eingesetzt. Schälreibahlen mit einem Drallwinkel von 45° erlauben eine höhere Schnittgeschwindigkeit und höhere Vorschübe. Eine Reibahlensonderform zeigt Bild 3.36. Die unsymmetrisch angeordneten Schneiden werden durch drei Führungselemente abgestützt. Dadurch können höhere Vorschübe realisiert werden.

173

3.4 Bohrwerkzeuge

Bild 3.36: Zweischneidige

Reibahle (Werkfoto Fa. MAPALPräzisionswerkzeuge

Dr. Kress KG)

3.4.4.2 Kegelreibahlen Frage: Wie werden konische Bohrungen hochgenau bearbeitet? Eine zylindrische oder kegelige wird mit einer Kegelreibahle bearbeitet. Kegelreiben gehört zu den Profilbohrverfahren, siehe Kap. 3.1.4. Kegelige Bohrungen werden auch zur Aufnahme von Kegelstiften benötigt. Werkzeugaufnahmen für Morsekegelschäfte, Steilkegelschäfte werden durch Kegelreiben hergestellt. Kegelreibahlen gibt es als Handreibahlen mit einer großen Schneidenlänge und als Maschinenreibahlen mit kurzer Führungslänge. Bild 3.37 zeigt einige Kegelreibahlen. Die Kegel haben Steigungen von 1:10 (DIN 1896), 1:50 (DIN 2179) oder 1:100 (DIN 2179). Sie besitzen Schneiden entlang des Kegels.

Bild 3.37: Hand- und (Quelle a Hahn+Kolb

3.4.5

Maschinen-Kegelreibahlen Werkzeugkatalog 2001, b Werkfoto Fa. GÜRING oHG)

Gewindebohrer

Gewindebohren ist ein Schraubbohrverfahren mit einem Schraubprofilwerkzeug, dem sog. Gewindebohrer, das in einer bereits vorhandenen Bohrung koaxial zur Bohrungsmitte Innenschraubflächen erzeugt. Der Vorschub wird durch die Gewindesteigung festgelegt und entspricht dieser. Im Maschinenbau gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Gewindearten wie metrisches ISOGewinde nach DIN 13, metrisches Rohrgewinde, Whithworth-Gewinde, Trapezgewinde u. a. Handgewindebohrer bestehen aus einem Satz von zwei oder drei Bohrern (Vor-, Mittel- und Fertigschneider) zur Herstellung eines kompletten Gewindes.

174

3 Bohren, Senken und Reiben

Maschinengewindebohrer hingegen bestehen i. d. R. nur aus einem einzigen Gewindebohrwerkzeug, das auf NC-Maschinen eingesetzt wird. Bild 3.38 zeigt Ihnen einige Ausführungen von Gewindebohrern.

9 = Anschnittwinkel X = SchälanschnittVvinkcl = Anschnittlänge /2 = Führungslänge

Bild 3.38: Gewindebohrer (Werkfotos Fa. KENNAMETAL HERTEL AG)



Aufbau eines Gewindebohrers - Aufnahmeschaft: zylindrischer Schaft mit einem Vierkant am hinteren Ende zur Einleitung des Drehmoments - Schneidenteil: vorne mit einem konischen Anschnitt der Länge /, und danach der zylindrische Gewindeteil mit der Länge l r Die Spanabnahme erfolgt nur am konischen Anschnitt, dessen Länge sich über 2 bis 5 Gewindegänge/Gewindesteigungen erstreckt. Die Spannuten unterbrechen den Schneidenteil.

Die konstruktive Ausführung des Schneidenteils wird durch - die Zahl der Schneiden z, je nach Durchmesser zwischen 2 bis 4 - den Drall der Spannuten - die Geometrie des Schneidkeils: Frei-, Keil- und Spanwinkel im Anschnitt- und Führungsteil - den Anschnittwinkel 9 und - den Schälanschnittwinkel X festgelegt. Frage: Welche Gewindebohrer eignen sich für Durchgangs- bzw. Sacklochgewinde? Die Bearbeitungsaufgabe, Durchgangsgewinde oder Sacklochgewinde, die im Bild 3.39 dargestellt ist, nimmt maßgeblichen Einfluss auf die Richtung der Spannuten. Beim Durchgangsgewinde können die Späne in Vorschubrichtung abgeführt werden, während beim Sacklochgewinde die Späne entgegen der Vorschubrichtung in den Spannuten aus der Bohrung abgeführt werden müssen. Das geht nur, wenn die Spannuten der Gewindebohrer einen Rechtsdrall von 15 bis 40° haben.

3.4 Bohrwerkzeuge



175

Ausführungen der Spannuten bei rechtsschneidenden Gewindebohrern - gerade Nut: Sie wird bei Durchgangsbohrungen eingesetzt. Der Kühlschmierstoff kann von oben durch die Spannuten zu den Schneiden gelangen und gleichzeitig die Späne in Vorschubrichtung herausspiilen. Beim Sacklochgewinde können auch geradgenutete Gewindebohrer eingesetzt werden, wenn der Spanraum ausreichend groß ist. - linksgedrallte Nut: Sie erleichtert die Spanabfuhr in Vorschubrichtung und wird daher nur bei Durchgangsgewinden eingesetzt. - rechtsgedrallte Nut: Die Spanabfuhr erfolgt in den Spannuten entgegen der Vorschubrichtung. Wenn das Gewinde fertig ist, erfolgt eine Drehrichtungsumkehr, um den Gewindebohrer aus der Bohrung herauszuführen. Wenn noch Späne in den Spannuten sind, können diese verklemmen und einen Bruch auslösen.

3.4.6

Senker

Senker sind Werkzeuge zur Herstellung von -

senkrecht zur Senkerachse liegenden Flächen beim Planan- und Planeinsenken, siehe Bild 3.40a+b oder schräg zur Drehachse liegenden Flächen, sog. Absätze oder Schrägen beim Profilsenken, siehe Bild 3.40c.

a Pianansenken Bild 3.40: Beispiel für Plansenken (Werkfotos

b Planeinsenken der Werkzeuge Fa. GÜHRING

c Profiisenken oHG)

176

3 Bohren, Senken und Reiben

Typische Anwendungen für Senker sind Schraubenkopfsenkungen (Senkkopf- oder Zylinderkopfschraube), Ansenkungen für Dichtungs- und Sicherungsringe oder für Gewindekernlöcher. Mit dem Profilsenker kann auch ein beim Bohren entstandener Grat entfernt werden. Für diese genormten Teile gibt es auch genormte Senkwerkzeuge.

Bild 3.41: Beispiele von Senkern (a) Stirnsenker, (b) Flachsenker, (c) Mehrstufensenker, c Fa. Almü Präzisionswerkzeug GmbH, a+b+d Fa. GÜHR1NG oHG)



(d) Kegelsenker

(Werkfotos

Ausführungen von Senkern - Stirnsenker werden zum Pianansenken, zur Herstellung von ebenen Flächen eingesetzt, z. B. als Auflageflächen von Schraubenköpfen, siehe Bild 3.41a. - Flachsenker, siehe Bild 3.41b, zum Planeinsenken von Durchgangslöchern oder Gewindekernlöchern. Sie haben einen austauschbaren Führungszapfen, der den Flachsenker in der vorhandenen Bohrung zentriert. Wegen des Führungszapfens wird er auch Zapfsenker genannt. - Kegelsenker für 60°, 75°, 90° und 120° für Senkschrauben oder Senknieten. Mit ihnen kann auch entgratet werden. Sie sind drei- oder mehrschneidig. - Stufensenker werden zur Herstellung von gestuften Bohrungen verwendet.

Es gibt eine Vielzahl von Mehrstufensenkern, die für bestimmte Anwendungen ausgelegt werden. Es handelt sich jeweils um Sonderwerkzeuge, die in der Serienfertigung eingesetzt werden. Senker sind aus HSS, Vollhartmetall oder mit Schneidplatten aus Hartmetall, Keramik oder PKD bestückt. Senkwerkzeuge haben einen Zylinder- oder Morsekegelschaft.

177

3.4 Bohrwerkzeuge

3.4.7

Zentrierbohrer/NC-Anbohrer

Das Zentrieren ist ein Profilbohren ins Volle zur Herstellung einer Zentrierbohrung in einem Drehteil oder in einer Platte. Diese dient dazu, das Drehteil durch die Reitstockspitze zu zentrieren, siehe Kap. 2.5.2. Sie haben einen Kegelwinkel von 60°, 90° oder 120°.

Bild 3.42: Zentrierbohrer

unterschiedlicher

Formen nach DIN 333 (Werkfoto Fa. GÜHRING oHG)

Bild 3.42 zeigt unterschiedliche Ausführungen von Zentrierbohrem mit beidseitigen Zentrierspitzen. Form B besitzt außen noch eine Schutzsenkung mit einem Kegelwinkel von 120°.

Bild 3.43: NC-Anbohrer (Quelle Hahn+Kolb

Werkzeugkatalog

2001)

NC-Anbohrer werden zum Zentrieren und Ansenken eingesetzt. Wie der Name bereits aussagt, werden NC-Anbohrer nur auf NC-Maschinen eingesetzt. Das Zentrieren, das dem eigentlichen Bohren vorausgeht, dient dazu, eine hohe Positionsgenauigkeit zu erreichen. Andererseits kann mit dem NC-Anbohrer auch eine 90° oder 120°-Senkung hergestellt beispielsweise für eine Senkkopfschraube - oder eine Bohrung entgratet werden.

3.4.8

Beispiel-Werkstück

Sie haben nun einen Einblick in die große Vielzahl von Bohrwerkzeugen erhalten. Nachdem Sie die Bohrverfahren für das Beispiel-Werkstück kennen gelernt haben, werden wir nun zweckmäßige Bohrwerkzeuge aussuchen, um die Grundplatte aus Bild 3.44 zu fertigen. Im rechten Bildteil sind die eingesetzten Bohrwerkzeuge dargestellt, wobei die Zahl der Bohrungsnummer 1, 2 oder 3 entspricht.

178

3 Bohren, Senken und Reiben

Um die Werkzeuge festzulegen, benötigen wir das Material. Da es sich um eine relativ einfache Grundplatte handelt, wählen wir als Werkstoff C45E (alte Bezeichnung Ck 45).

Bild 3.44: Beispielwerkstück-Grundplatte rung, 3 Positionierungsbohrung

und Bohrwerkzeuge:

1 Befestigungsbohrung

2 Metrische

Gewindeboh-

Der Durchmesser der Bohrwerkzeuge wird durch die Zeichnung vorgegeben. Welchen Schneidstoff wir wählen, hängt von der Stückzahl der zu fertigenden Grundplatten ab. Wir wählen gezielt unterschiedliche Schneidstoffe, um die unterschiedlichen Technologien kennenzulernen. Da wir den Werkstoff C45E zerspanen, der eine mittlere Festigkeit besitzt, wählen wir für alle Spiralbohrer den Typ N mit einem Spitzenwinkel a = 118°. •

Befestigungsbohrung (1) - Bohren ins Volle einer Durchgangsbohrung mit dem Durchmesser d - 8 mm mit einem beschichteten Hartmetall-Spiralbohrer/Wendelbohrer (Werkzeug la) - Planeinsenken mit einem Flachsenker (Werkzeug lb) aus HSS zur Herstellung der großen Bohrung mit dem Durchmesser d = 12 mm oder - Profilbohren mit einem Stufenbohrer.



Gewindebohrung (2) - Bohren ins Volle des Gewindekerndurchmessers d2 - 6,8 mm mit einem beschichteten HSS-Spiralbohrer (Werkzeug 2a) - Gewindebohren mit dem beschichteten HSS-Gewindebohrer M8xl,25 (Werkzeug 2b) zur Herstellung des metrischen ISO-Gewindes.

3.4 Bohrwerkzeuge •

179

Positionierungsbohrung (3) - Zentrierung mit dem NC-Anbohrer aus Hartmetall (Werkzeug 3a) mit d] - 8 mm zur exakten Lagefestlegung - Bohren ins Volle mit einem unbeschichteten Spiralbohrer aus Hartmetall (Werkzeug 3b) mit einem Durchmesser dt - 4,6 mm - Reiben auf H7 (System Einheitsbohrung) mit einer HSS-Reibahle (Werkzeug 3c) mit einem Durchmesser dt- 5 mm.

Die Positionierungsbohrung dient der Aufnahme von Passstiften, die die Lage der Vorrichtung auf der Grundplatte festlegt und daher sehr genau positioniert sein muss. Die Zentrierung könnte weggelassen werden, wenn ein steifer Vollhartmetall-Spiralbohrer verwendet wird, der eine Bohrung mit einem geringen Achsversatz erzeugt.

3.4.9

Fragen - Übungen - Beispiel

1.

Welche Werkzeuggrundtypen von Spiralbohrern nach DIN 1414 kennen Sie?

2.

Ordnen Sie diese im oberen Bild den Spiralbohrern zu.

3.

Tragen Sie im oberen Bild den Drall- und Spitzenwinkel ein.

4.

Benennen Sie die Bohrwerkzeuge im unteren Bild.

5.

Wie unterscheiden sich die Wirk- und Vorschubrichtungswinkel beim Bohren und Drehen?

6.

Worauf nimmt der SpitzenwinkelCTEinfluss?

7.

Nennen Sie fünf Anschliffformen von Bohrerspitzen und beschreiben Sie eine Anschliffform.

8.

Was begrenzt die maximale Bohrtiefe?

3 Bohren, Senken und Reiben

180 9.

Nennen Sie drei Tieflochbohrverfahren und beschreiben Sie eines.

10. Welche Vorteile bietet das Stufenbohren? 11. Welche Vorteile bietet das Kernbohren? 12. Welche Vorteile bietet das Reiben? 13. Nennen und begründen Sie den wesentlichen Unterschied zwischen einer Hand- und Maschinenreibahle. 14. Nennen Sie die wesentlichen Kennzeichen der Reibahlen. 15. Warum sind Reibahlen meistens geradzahnig? 16. Welche Ausführungen von Reibahlen kennen Sie? 17. In welche Richtung werden die Späne bei links- und rechtsschneidenden Reibahlen gefördert? Mit welcher können keine Sacklöcher gerieben werden? 18. Worin unterscheidet sich das Senken vom Stufenbohren? 19. Nennen Sie fünf Einsatzgebiete für Senken. 20. Beispiel Legen Sie die Bohrwerkzeuge für das unten dargestellte Werkstück aus C45E fest. 0 5 ±0,01

Die Lösungen finden Sie auf den Internetseiten des Verlages unter http://www.oldenbourgverlag.de unter dem Buchtitel.

3.5

Spannmittel für Werkzeuge und Werkstücke

Sie haben die unterschiedlichen Bohrverfahren im Kap. 3.1 und deren Werkzeuge im Kap. 3.4 kennengelernt. Wir wollen nun der Frage nachgehen, wie die Werkzeuge gespannt werden und welche Möglichkeiten es gibt, das Werkstück zu spannen. Da die Bohrer, Reibahlen, Senker und Gewindebohrer rotierende Werkzeuge sind, ist es wichtig, diese sicher und mit geringer Rundlaufabweichung zu spannen. Auf Grund zuneh-

3.5 Spannmittel für Werkzeuge und Werkstücke

181

mender Schnittgeschwindigkeiten und Drehzahlen bis 100.000 Umdr./min sind die Forderungen nach hoher Sicherheit und geringer Unwucht außerordentlich wichtig geworden. Hierbei stellen sich die Fragen: - Wie wird das Werkzeug in einer Werkzeugaufnahme gespannt? - Wie wird die Werkzeugaufnahme in der Hauptspindel aufgenommen/befestigt? Grundsätzlich ist zu unterscheiden, ob die Bohrverfahren auf Drehmaschinen mit angetriebenen oder stehenden Werkzeugen oder auf Bearbeitungszentren durchgeführt werden. Auf Grund der Vielfalt an Werkzeugen, die bei den Bohrverfahren eingesetzt werden, kann hier nur ein kurzer Einblick gegeben werden.

3.5.1

Spannmittel für Werkzeuge

3.5.1.1 Ausführungen von Schäften Abhängig von den unterschiedlichen Ausführungen von Schäften, die im Bild 3.45 dargestellt sind, sind die entsprechenden Werkzeugaufnahmen gestaltet. Werkzeugschäfte sind genormt: Form A, B, D DIN 1835, Form HA, HB, HE DIN 6535, Morsekegel Form B DIN 228 und DIN 2207. •

Schaftausführungen - Zylinderschaft ohne Zentrierbohrung (Form AH), mit Zentrierbohrung am Schaftende (Form A) siehe Bild 3.45a - Morsekegelschaft ohne oder mit Austreiblappen (Form B), siehe Bild 3.45b+c - Weldonschaft = Zylinderschaft mit ebener seitlicher Mitnahmefläche (ohne Zentrierbohrung Form HB, mit Zentrierbohrung Form B), siehe Bild 3.45d - Whistle Notchschaft = Zylinderschaft mit schräger (2° geneigter) seitlicher Mitnahmefläche (Form HE), siehe Bild 3.45e - Zylinderschaft mit Vierkant am Schaftende, siehe Bild 3.45f.

Bild 3.45: Schaftausführungen (a) Zylinderschaft, (b) Kegelschaft, (c) Kegelschaft mit Austreiblappen, (d) Weldonschaft, (e) Whistle Notchschaft, ( f ) Zylinderschaft mit Vierkant (Werkfotos Fa. GÜHRING oHG)

182

3.5.1.2

3 Bohren, Senken und Reiben

Spannen der Werkzeugschäfte im Grundhalter

Das Spannen der Schäfte kann über einen Reibschluss am Schaftumfang erfolgen, wie beim Kegel- und Zylinderschaft, radial über eine Schraube (Formschluss) beim Weldon- und Whistle Notchschaft oder über einen Vierkant. Der kegelige Schaft wird - direkt in der Bohrspindel oder über - Reduzierhülsen bei kleinen Schaftdurchmessern oder über - Verlängerungshülsen bei zu großen Schaftdurchmessern oder über - Stellhülsen gespannt. Zum Spannen des zylindrischen Schaftes gibt es folgende Möglichkeiten: - eine Klemmhülse, die direkt in die Bohrspindel eingesetzt wird - ein Backenfutter mit meist drei Backen bei handbedienten Maschinen, siehe Bild 3.46a - Spannzangen mit Überwurfmutter, siehe Bild 3.46b - Weldon-Spannfutter, siehe Bild 3.46d+e - Hydrodehnspannfutter, siehe Bild 3.46c - Schrumpfspannfutter, siehe Bild 3.46f - Gewindeschneidfutter, siehe Bild 3.46g - TRIBOS®-Kraftspannfutter.

mmm* a Backenfutter

b SK-Spannzangenfutter

c2 Spannprinzip-

cl HSKHydrodehnspannfutter

d SK Weldon-Spannfutter

e HSK-Weldon-Spannfutter

f Schrumpfgerät

g Gewindeschneidfutter

Bild 3.46: Werkzeugaufitahmen mit zylindrischem Schaft (Werkfotos a-e Fa. Wilhelm Fette GmbH, f Fa. RÖHM GmbH, g Fa. Iscar Hartmetall GmbH, c2 Fa. Benz GmbH)

Der zylindrische Schaft wird beim Hydrodehnspannfutter hydraulisch (Spannprinzip, siehe Bild 3.46c2), beim Schrumpffutter aufgeschrumpft (wie bei einer Wellen-Naben-Verbindung) und beim TRIBOS®-Spannfutter formschlüssig radial gespannt. Beim Hydrodehnspannfutter wird eine Schraube hineingedreht, wodurch das im Grundkörper befindliche Öl verdrängt wird. Der so im Inneren aufgebaute Hydraulikdruck spannt das Werkzeug.

183

3.5 Spannmittel für Werkzeuge und Werkstücke

Bei hohen Drehzahlen werden Spannsysteme benötigt, die trotz der hohen Fliehkräfte eine ausreichende Spannkraft aufbringen und eine hohe Rundlaufgenauigkeit aufweisen. Hier sind die Spannsysteme: Hydrodehnspannfutter, Schrumpffutter oder das TRIBOSO-Spannfutter besonders geeignet.

3.5.1.3

Aufnahme der Grundhalter in der Spindel

Die Hauptspindel hat eine meist kegelige Bohrung zur Aufnahme der Grundhalter. In -

der Praxis werden folgende genormten Aufnahmen eingesetzt: Steilkegel, Abk. SK (DIN 69 892 T l ) , siehe Bild 3.46b+c+d Hohlschaftkegel, Abk. HSK (DIN 69 893 T l ) , siehe Bild 3.46c+e Doppelzylinder-Hohlschaft, Abk. HSZ (DIN 69 892 T l , T2).

Darüber hinaus gibt es firmenspezifische Aufnahmen, z. B. Coromant Capto™. Der Steilkegel wird heute zunehmend durch den Hohlschaftkegel ersetzt. Das liegt daran, dass der Steilkegel eine große Masse und einen langen Kegel hat, der beim Auswechseln lange Hubwege erforderlich macht, und keine radiale Nachspannung bei einer Aufweitung der Aufnahme infolge Erwärmung oder Fliehkraft möglich ist. Der Hohlschaftkegel, Abk. HSK, siehe Bild 3.46c+e, kompensiert die oben genannten Nachteile. Der HSK hat eine höhere Steifigkeit und Genauigkeit und ist für hohe Drehzahlen besser geeignet. Er liegt an der Spindel immer planseitig an, wodurch er stets axial fixiert ist, unabhängig von der Drehzahl oder der Betriebstemperatur. Mit zunehmender Drehzahl wird die Spannkraft verstärkt. Das HSK-System ist sowohl für stehende als auch für rotierende Werkzeuge einsetzbar. Die Spannsysteme gibt es in den Ausführungen: - ohne Kühlschmierstoffzuführung - innere oder - äußere Kühlschmierstoffzuführung. Die bisher genannten Werkzeugaufnahmen sind für die Aufnahme eines Werkzeugs ausgelegt. Darüber hinaus gibt es Mehrspindelköpfe, die gleichzeitig unterschiedliche Bohrwerkzeuge im Eingriff haben, wie Bohrer, Senker, Reibahlen, siehe Bild 3.47. Dadurch werden die Bearbeitungszeiten erheblich verkürzt. Je nach Ausführung, ist die Lage der Werkzeuge im Mehrspindelkopf fest oder flexibel.

Bild 3.47: (a) Vierfachwinkelkopf, (b) Winkelbohrkopf, (c+d) Winkelbohrkopf im Einsatz (Werkfotos a+b+c Benz GmbH, dFa. Burkhardt+Weber GmbH)

Fa.

184

3.5.2

3 Bohren, Senken und Reiben

Spannmittel für Werkstücke

Spannmittel haben auf die Rüst- und Bearbeitungszeiten einen erheblichen Einfluss. Des Weiteren hängt die Fertigungsgenauigkeit wesentlich von der Genauigkeit der Positionierung des Werkstücks im Spannmittel ab. Daher ist es für Sie von Bedeutung, Spannmittel kennenzulernen. Grundsätzlich muss unterschieden werden, ob das Werkstück - direkt auf den Tisch oder - in einer Vorrichtung gespannt wird. Große Werkstücke werden, wenn möglich, direkt auf den Tisch gespannt. Wird das Werkstück in einer Vorrichtung gespannt, ist gleichzeitig zur Spannung auch eine Lagefixierung gegeben.

3.5.2.1 Zu -

Spannmittel für große Werkstücke

den klassischen Spannmitteln, einige sind im Bild 3.48 dargestellt, zählen: Spanneisen Klemmfinger, siehe Bild 3.48a Spannpratzen, siehe Bild 3.48b+c Stufenpratzen, siehe Bild 3.48b Keilspannzeuge Schnellspanner, siehe Bild 3.48d Magnetspannplatten für ferritische Werkstück-Werkstoffe Vakuumspannplatte, siehe Bild 3.48e.

a Klemmfinger

d Schnellspanner

b Spannpratze und Stufenpratzen

c mit Spannpratzen gespannt

e Vakuumspannplatte

Bild 3.48: Mechanische Spannmittel (a) Klemmfinger, (b+c) verstellbare Spannpratzen, (d) Spanneisen/Schnellspanner, (e) Vakuumspannplatte (Werlfotos b Fa. Andreas Maier GmbH & Co., a+c Fa. Knuth GmbH, d Fa. Beloh GmbH, e Fa. Rhode Vakuum-Spanntechnik)

3.5 Spannmittel für Werkzeuge und Werkstücke

185

Sind keine Vorsprünge zum Ansetzen von Spannpratzen an das Werkstück vorhanden, können Keilspannzeuge verwendet werden. Sie beanspruchen wenig Platz auf dem Maschinentisch, das ist insbesondere dann von Bedeutung, wenn das Werkstück bereits einen wesentlichen Anteil der Arbeitstischfläche beansprucht, und ermöglicht das Spannen auf unterschiedlichen Spannhöhen. Kann das Werkstück für die Bearbeitung nicht direkt auf den Tisch gespannt werden, können weitere Hilfsmittel wie Aufspannwinkel, -Würfel, -prisma oder Winkelspanntische verwendet werden, welche im Bild 3.49 dargestellt sind.

-

d

Bild 3.49: (a) Aufspannpalette, (b+c) -winket, (d) -würfel (Werkfotos Fa. Andreas Maier GmbH & Co.)

3.5.2.2 Spannmittel für kleine Werkstücke Kleine Werkstücke nehmen nur einen kleinen Teil des Arbeitsraumes oder der Arbeitsfläche in Anspruch. Zu den wichtigsten Spannmitteln zählen der: - Maschinenschraubstock, siehe Bild 3.50a. Die Backenform kann der Werkstückform angepasst werden. In Doppelspannstöcken können zwei Werkstücke zentrisch oder gegen Festanschlag gespannt werden. - Magnetspannplatten, siehe Bild 3.50b - Vakuumspannplatte - Baukastenspannsysteme zum Spannen und Positionieren, siehe Bild 3.50c, häufig sind es Mehrfachspannsysteme. Mit Mehrfachspannsystemen werden die Nebenzeiten erheblich verringert. Sie sind jedoch nur in der Serienfertigung wirtschaftlich einsetzbar. - Sonderspannvorrichtung, siehe Bild 3.50d.

a Maschinenschraubstock

b Magnetspannplatten

c Baukastenspannsystem

d Sonderspannvorrichtung

Bild 3.50: Spannmittel für kleinere Werkstücke (Werkfotos a Fa. Römheld GmbH, b Fa. Beloh GmbH, c Fa. Römheld GmbH, d Fa. Burkardt+Weber GbmH)

3.5.3

Beispiel-Werkstück

Wir werden nun die Spannmittel für die Bohrwerkzeuge und die Beispielwerkstück-Grundplatte festlegen. Wir gehen davon aus, dass uns eine ältere Maschine für die Bearbeitung zur Verfügung steht, die eine Steilkegelaufnahme besitzt. Als Spannmittel zur Aufnahme der Bohrerschäfte im Grundhalter wählen wir das gängige HydrodehnSpannfutter mit Steilkegelaufnahme, siehe Bild 3.51c. Die Grundplatte spannen wir mit zwei Stufenpratzen direkt auf dem Maschinentisch, siehe Bild 3.51a.

187

3.5 Spannmittel für Werkzeuge und Werkstücke

JZTs

Schnitt A-B

aT"

§

(o

I--

Spannpratze

Bild 3.51: Beispielwerkstiick-Grundplatte, (a) Spannpratze, (b) Gewindeschneidfutter (Werkfotos a Fa. Andreas Maier GmbH & Co., b+c Fa. Iscar Hartmetall GmbH)

3.5.4

und(c)

Weldonspannfutter

Fragen - Übungen - Beispiel

1.

Benennen Sie die unten dargestellten Spannmittel für Bohrwerkzeuge.

2.

Nennen Sie weitere Spannmittel.

3.

Welche Werkstück-Spannmittel werden im unteren Bild dargestellt?

4.

Nennen Sie weitere Werkstück-Spannmittel.

5.

Beispiel Legen Sie die Spannmittel für die Werkzeuge und für das auf der nächsten Seite dargestellte Werkstück fest.

188

3 Bohren, Senken und Reiben

verlag.de unter dem Buchtitel.

3.6

Genauigkeit und Oberflächengüte

Der Konstrukteur legt die Maß- und Formgenauigkeit durch Toleranzen fest, ebenso die Oberflächengüte/-beschaffenheit. Nun hat der Arbeitsplaner die anspruchsvolle Aufgabe, die Maschine, die Werkzeuge, die Spannmittel und die Technologie so festzulegen, dass die Anforderungen seitens der Zeichnung erfüllt werden.

3.6.1

Maß- und Formgenauigkeit

Frage: Was verstehen Sie unter Formgenauigkeit? Die Formgenauigkeit der Bohrung wird durch die beiden Messgrößen - Rundheit und - Geradheit beschrieben. •

Maßnahmen zur Erhöhung der Formgenauigkeit: - hohe Steifigkeit der Maschine, des Werkzeugs und der Werkzeugaufnahme - geringe Belastung während des Bohrens: geringe Vorschub- und Schnittkräfte - gute Zentrierung beim Anschnitt - gleichmäßiges Schneiden aller Hauptschneiden - viele Schneiden: mehrschneidige Werkzeuge einsetzen, deshalb haben Reibahlen viele Schneiden - Drallrichtung: geradgenutet oder mit Rechtsdrall - gute(r) Spanformung/Spanbruch, um die Späne leicht abzuführen - Fluchtungsgenauigkeit von Bohrer und Drehteil (wenn beide rotieren).

Bild 3.52 zeigt schematisch die Rundheit unterschiedlicher Bohrer. Die durchgezogene Linie zeigt die Sollbohrung an, während die gestrichelten Linien die Istbohrungen darstellen. Die IT-Qualitäten beim Bohren ins Volle sind für den HSS-Spiralbohrer IT 12, den Vollhartmetall-Spiralbohrer IT 9 und den geradgenuteten Vollhartmetallbohrer IT 7.

189

3.6 Genauigkeit und Oberflächengüte

— Sollverlauf —

Istverlauf

O

a

Ist-Bohrungsmitte

c

b

Bild 3.52: Rundheit von Bohrungen mit (a) HSS-Spiralbohrer, Vollhartmetallbohrer (nach Fa. GÜHRING oHG)

(b) Vollhartmetall-Spiralbohrer,

(c)

geradgenuteter

Die unterschiedlichen Bohrertypen nehmen auch auf die Geradheit/Fluchtungsgenauigkeit erheblichen Einfluss, wie Bild 3.53 verdeutlicht. Geradgenutete Vollhartmetallbohrer haben eine Geradheit von 16,5 |im gegenüber 108 (j.m des HSS-Spiralbohrers. Der Grund für die bessere Rundheit und Geradheit, wie Sie Bild 3.53 entnehmen können, liegt in der höheren Steifigkeit der Vollhartmetallbohrer. Ein Vollhartmetallbohrer mit einer geraden Nut hat des Weiteren eine höhere Torsionssteifigkeit als der mit einer spiralförmigen Nut.

ä

g

Bild 3.53: Geradheit von (a) HSS-Spiralbohrer, (b) Vollhartmetall-Spiralbohrer, (c) geradgenuteter Vollhartmetallbohrer (Werkfoto Fa. GÜHRING oHG)

Bild 3.54 zeigt die erzielbaren Bohrungstoleranzen, in IT-Qualität ausgedrückt. Mit dem HSS-Spiralbohrer können keine genauen Bohrungen gefertigt werden. Daher werden diese Bohrungen bei Bedarf mit einer Reibahle feinbearbeitet. Da das Reiben eine Feinbearbeitung mit einem zusätzlichen Werkzeug ist, versucht man stets, durch Bohren die Endgenauigkeit zu erreichen. Mit geradgenuteten Vollhartmetallbohrern kann, wie Sie bereits im Bild 3.52 und Bild 3.53 gesehen haben, Reibqualität erreicht werden. Tiefe Bohrungen werden mit Tiefbohrern in einer Qualität IT 6 bis IT 10 erzeugt.

190

3 Bohren, Senken und Reiben

Bohrwerkzeug HSS-Spiralbohrer Vollhartmetallbohrer Senker Reibahle Einiippen-Tiefbohrer BTA-Tiefbohrer 9

10

11

12

13

IT-Qualität

Bild 3.54: Erzielbare Bohrungstoleranzen unterschiedlicher Bohrwerkzeuge

Die Geradheit einer durch Reiben feinbearbeiteten Bohrung ist sehr stark von der Geradheit der Vorbohrung abhängig, da die Reibahle dem Verlauf der Vorbohrung folgt und daher keine wesentliche Verbesserung der Geradheit erzielen kann.

3.6.2

Oberflächengüte

Die Oberflächengüte kann im Wesentlichen durch folgende Maßnahmen verbessert werden: - hohe Steifigkeit der Maschine, des Werkzeugs und der Werkzeugaufnahme, um Torsionsschwingungen zu verringern - geringe Belastung während des Bohrens: geringe Vorschub- und Schnittkräfte - höhere Schnittgeschwindigkeit vc, wodurch die Aufbauschneidenbildung, die die Oberfläche beschädigt, verringert wird - gute(r) Spanformung/Spanbruch, um die Späne leicht abzuführen. Vergleicht man die Oberflächen, die mit unterschiedlichen Bohrern hergestellt wurden, wie Sie Tabelle 3.3 entnehmen können, so ist festzustellen, dass der geradgenutete Vollhartmetallbohrer die besten Oberflächen erzeugt. Da er die höchste Steifigkeit besitzt, treten bei ihm auch die geringsten Torsions- und Biegeschwingungen auf. Die hohe Oberflächengüte setzt geringe Schwingungsamplituden voraus. Tabelle 3.3: Oberflächenrauheit

unterschiedlicher

Bohrer (nach Fa. Gühring oHG) Oberflächenrai heit

Bohrertyp K tum] 2,6

R. [um]

HSS-Spiralbohrer Vollhartmetall-Spiralbohrer

1,04

3,2

Vollhartmetallbohrer geradgenutet

0,7

1,21

6,8

Im Bild 3.55 ist die erreichbare Oberflächengüte als Rz -Wert dargestellt. Der Spiralbohrer erzeugt keine guten Oberflächen. Verbesserte Oberflächengüten können nur durch nachträgliches Reiben erreicht werden. Der Vollhartmetallbohrer erreicht Oberflächenrauheiten bis Rz ~ 1 (im, ein Wert, der beim Reiben erreicht wird.

191

3.7 Technologie und Anwendungsbeispiele

Die erreichbare Rauheit beim Reiben ist neben der Technologie und der Steifigkeit der Maschine sowie des Werkzeugs ganz wesentlich von der Beherrschung des Spanbruchs und des ungehinderten Abtransportes der Späne aus der Bohrung abhängig. Bohrwerkzeug Spiralbohrer Vollhartmetallbohrer Vollhartmetallsenker Reibahle Einlippen-Tieibohrer BTA-Tiefbohrer

Bild 3.55: 0.1

3.6.3

1

2,5

4

10

16 25

50

100

Rz [(imj

Erreichbare

mit unterschiedlichen

Oberflächengüte Bohrwerkzeugen

Fragen - Übungen

1.

Durch welche Maßnahmen kann die Formgenauigkeit der Bohrung im Vergleich zum HSS-Spiralbohrer erhöht werden?

2.

Nennen Sie Möglichkeiten, wie das „Verlaufen" einer Bohrung verringert werden kann.

3.

Welchen Einfluss auf die Formgenauigkeit nimmt ein unsymmetrisch geschliffener Spiralbohrer?

4.

Welche IT-Klassen erreicht man mit einem HSSE-Spiralbohrer?

5.

Mit welchen Bohrerausführungen kann die Oberflächengüte verbessert werden?

Die Lösungen finden Sie auf den Internetseiten des Verlages unter http://www.oldenbourgverlag.de unter dem Buchtitel.

3.7

Technologie und Anwendungsbeispiele

3.7.1

Bohren ins Volle und Aufbohren

Für die am häufigsten in der Praxis eingesetzten Bohrwerkzeuge, möchte ich Ihnen hier einen kurzen Überblick über die eingesetzte Technologie geben. Die Wahl der geeigneten Technologie hängt von folgenden Faktoren ab: - Werkstückwerkstoff - Zerspanbarkeit/Bearbeitbarkeit - Werkstückgeometrie - Form, Abmessungen, Stabilität - Bearbeitungsvorgaben - Genauigkeit, Toleranzen, Oberflächengüte

192 -

3 Bohren, Senken und Reiben

Maschinen - Antriebsleistung, Drehzahl, Stabilität/Steifigkeit Werkzeughalter und -geometrie Wirtschaftlichkeit.

Tabelle 3.4 zeigt den Technologiebereich beim Bohren mit einem beschichteten HSSSpiralbohrer, einem beschichteten Vollhartmetall-Spiralbohrer (VHM-Bohrer) und einem mit beschichteten Wendeschneidplatten bestückten Bohrer (WSP-Bohrer) von unterschiedlichen Werkstoffen. Alle Bohrer sind zweischneidig. Spiralbohrer haben i. d. R. einen Durchmesser dt= 2 bis 14 mm und Wendeschneidplattenbohrer di - 13 bis 80 mm. Die Tabelle ist so aufgebaut, dass die Bohrerunterschiede unmittelbar zu entnehmen sind. Tabelle 3.4: Technologiewerte beim Bohren Werkstückwerkstoff/ Werkstoffgruppe

Technologiewerte beim Bohren Bohrerart

vc [m/min]

/

[mm/Umdr.]

Unlegierter Stahl

HSS-C -Bohrer VHM-Bohrer WSP-Bohrer

25^15 60-110 170-350

Legierter Stahl

HSS-C -Bohrer VHM-Bohrer WSP-Bohrer HSS-C -Bohrer VHM-Bohrer WSP-Bohrer

25-40 30-100 80-265 10-20 35-70 80-140

0,05-0,25 0,08-0,20 0,04-0,08

HSS-C -Bohrer VHM-Bohrer WSP-Bohrer

30-50

0,06-0,15

Grauguss

HSS-C -Bohrer VHM-Bohrer WSP-Bohrer

25-50 60-100 130-280

0,1-0,4 0,15-0,50 0,04-0,28

Kugelgrafitguss

HSS-C -Bohrer VHM-Bohrer WSP-Bohrer

25^10 70-90 110-200

0,1-0,37 0,15-0,5 0,04-0,20

Warmfeste Legierungen

HSS-C -Bohrer VHM-Bohrer WSP-Bohrer

10-25

0,06-0,12 0,03-0,12

Rostfreier Stahl

Gehärteter Stahl

Aluminium-Legierungen

HSS-C -Bohrer VHM-Bohrer WSP-Bohrer

20-80 55-100 80-120 250-400

0,10-0,30 0,10-0,25 0,05-0,25 0,09-0,30 0,08-0,25 0,04-0,24

0,15-0,40 0,15-0,5 0,04-0,26

193

3.7 Technologie und Anwendungsbeispiele In der Tabelle 3.4 sind Technologiebereiche angegeben, die so zu verstehen sind: -

Je höher die Festigkeit innerhalb der gleichen Werkstoffgruppe ist, z. B. unlegierter Stahl, umso geringer ist die Schnittgeschwindigkeit und umso geringer ist der optimale Vorschub zu wählen. - Eine Zunahme der Schnittgeschwindigkeit vc beim gleichen Werkstoff macht häufig eine Vorschubverringerung / erforderlich. - Je kleiner der Bohrerdurchmesser dt ist - bei den am häufigsten eingesetzten Spiralbohrern beträgt er zwischen 2 bis 14 mm - , umso geringere Vorschub- und Schnittgeschwindigkeitswerte sind zu wählen. Beim kleinsten Bohrerdurchmesser ist innerhalb der gleichen Werkstoffgruppe der geringste Vorschub anzusetzen. - Liegen ungünstige Bearbeitungsbedingungen vor, wie Querbohrung oder unebene Anschnitt- und Austrittsflächen sind die in der Tabelle enthaltenen Vorschubwerte zu reduzieren. - Hartmetallbohrer können mit erheblich höheren Schnittgeschwindigkeiten als HSSBohrer eingesetzt werden, da sie eine höhere Warmfestigkeit/-härte besitzen. - Bei beschichteten Bohrern kann die Schnittgeschwindigkeit vc erhöht werden. - Innengekühlte Bohrer erlauben höhere Schnittgeschwindigkeiten vc. - Vollhartmetallbohrer werden bei geringeren Schnittgeschwindigkeiten und höheren Vorschüben als mit Wendeschneidplatten bestückte Bohrer eingesetzt. Auch beschichtete Bohrer können nachgeschliffen werden, allerdings ist dann die Schnittgeschwindigkeit um 20 bis 30% zu verringern. Bei einigen Schichten, wie der TiC-, TiN- oder TiAlN-Schicht, kann nach dem Nachschleifen auch nachbeschichtet werden, wodurch die Ausgangsschnittgeschwindigkeit beibehalten werden kann. Eine TiCN-Schicht kann nach dem Nachschleifen nur noch mit TiN beschichtet werden. Die Tabelle macht keine Aussage über die um den Faktor 3 bis 5 höhere Standzeit der Hartmetallbohrer und die kürzeren Bearbeitungszeiten gegenüber den HSS-Bohrern. Darin liegt die Wirtschaftlichkeit von Hartmetallbohrern (Vollhartmetall oder mit Schneidplatten bestückt) begründet. •

Beispiel

Bohrer mit Wendeschneidplatten aus Nitridkeramik CN erlauben noch höhere Schnittgeschwindigkeiten und Standzeiten beim Aufbohren, wie Tabelle 3.5 zeigt. Sowohl die Hauptzeiten als auch die Standmenge werden ca. um den Faktor 7 erhöht. Tabelle 3.5: Vergleich zweier Wendeplattenbohrer (nach Fa. CeramTec AG) Schneidstoff

HW

Werkstoff

CN GG 25

Zustellung ap [mm]

2,5

Vorschub/ [mm/Umdr.] Schnittgeschwindigkeit ve [m/min]

0,16

0,25

140

650

Hauptzeit th [s]

23

3

Standmenge [Stück]

120

800

194

3.7.2

3 Bohren, Senken und Reiben

Reiben

Die Reibahle ist meistens ein mehrschneidiges Werkzeug, das zur Fein- oder Endbearbeitung eingesetzt wird, siehe Kap. 3.4.4. In Tabelle 3.6 sind die Technologiewerte beim Reiben dargestellt. Tabelle 3.6: Technologiewerte

beim Reiben Technologiewerte beim Reiben

Werkstückwerkstoff Unlegierter Stahl

Reibahle aus

6-10

0,10-0,40

HW

15-30

0,10-0,3

HSS HW HT

Rostfreier Stahl

HSS HW

Grauguss

Warmfeste Legierungen

0,15-0,4

4-6

0,08-0,35

10-25

0,08-0,25

50-100

0,15-0,4

2-4

0,05-0,25

8-20

0,12-0,20

30-50

0,12-0,3

HSS

4-10

0,1-0,4

HW

12-60

0,10-0,35

50-100

0,12-0,40

HSS

4-8

0,1-0,4

HW

10-50

0,10-0,3

HT

40-90

0,12-0,35

HSS HW

Aluminium-Legierungen

60-120

HT

HT Kugelgrafitguss

[mm/Umdr.]

HSS HT

Legierter Stahl

/

vc [m/min]

-

-

6-18

0,03-0,13

HT

20-30

0,10-0,30

HSS

20-40

0,15-0,50

HW

25-75

0,08-0,4

HT

-

-

Die Werte für Reibahlen aus Cermets gelten ab einem Durchmesser von d = 10 mm, während die anderen Werte für d= 10-40 mm gelten. Das Reiben erfolgt bei gleichem Schneidstoff und Werkstück-Werkstoff mit geringeren Schnittgeschwindigkeiten vc als das Bohren. Das liegt daran, dass an der Nebenschneide keine hohen Temperaturen auftreten dürfen, um die erzeugte Oberfläche thermisch nicht zu schädigen. Tabelle 3.6 verdeutlicht den Vorteil des Einsatzes von Hartmetall-HW- und Cermets-HTReibahlen. Reibahlen mit Schneidplatten aus Keramik-C, kubischem Bornitrid-BN oder Diamant-DP führen zu noch besseren Oberflächen und Rundheiten und erlauben höhere Schnittgeschwin-

195

3.7 Technologie und Anwendungsbeispiele

digkeiten, als die in der Tabelle 3.6 aufgeführten. Die Schneidstoffe BN und DP sind bruchempfindlicher und erheblich teurer. Tabelle 3.7 zeigt Ihnen rechts die geriebene Stufenbohrung und links die Vorteile, die die Bearbeitung mit einer Cermet-Reibahle gegenüber einer beschichteten Hartmetall-Reibahle besitzt. Tabelle 3.7: Vergleich einer Hartmetall- mit einer

Cermet-Reibahle

Schneidstoff

HC

Werkstoff: Stahl

Rm = 1.000 N/mm 2

Vorschub/ [mm/Umdr.]

0,25

Schnittgeschwindigkeit vc [m/min]

30

Standkriterium: Rundheit

HT 0,1 128 H7

Standweg Lt [m]

11,7

62,4

Rauheit Ä, [um]

1,0

0,45

3.7.3

Gewindebohren

Das Gewinde wird grundsätzlich in eine bereits vorhandene Bohrung - in das Gewindekernloch mit dem Durchmesser d - eingebracht, deren Durchmesser abhängig vom Gewindenenndurchmesser dt ist, siehe Bild 3.56. Beim Gewindebohren erzeugen die im Anschnittteil des Gewindebohrers vorhandenen Schneiden den Span. Die Anzahl der Schnitte, die der Zahl der Gewindegänge zg entspricht, zeigt Ihnen Bild 3.56 am Beispiel eines dreischneidigen Gewindebohrers. Die im Bild angegebenen Nummern kennzeichnen die Schneiden, die den jeweiligen Schnitt durchführen. Der Vorschub/entspricht der Gewindesteigung P.

196

3 Bohren, Senken und Reiben

Tabelle 3.8 zeigt Ihnen die Technologie, die bei der Herstellung eines metrischen Gewindes MIO mit einem Gewindebohrer mit z = 3 Schneiden eingesetzt wird. Die Gewindesteigung P beträgt 1,5 mm und der Bohrungskerndurchmesser d = 8,5 mm. Die in Tabelle 3.8 angegebene Technologie ist folgendermaßen zu verstehen: - Je höher die Festigkeit innerhalb der gleichen Werkstoffgruppe ist, umso geringer ist die Schnittgeschwindigkeit. - Je kleiner der Gewindedurchmesser dt ist, umso geringere Schnittgeschwindigkeitswerte sind zu wählen. - Gewindebohrer aus Hartmetall können mit erheblich höheren Schnittgeschwindigkeiten als aus HSS optimal eingesetzt werden, da sie eine höhere Warmfestigkeit/-härte besitzen. - Die Beschichtung erlaubt eine Steigerung der Schnittgeschwindigkeit vc um den Faktor 2-3. Tabelle 3.8: Technologiewerte beim Gewindebohren (nach Fa. Prototyp-Werke GmbH)

eines metrischen Durchgangsgewindes

MIO

Technologiewerte beim Gewindebohren Werkstückwerkstoff

Gewindebohrer aus

Unlegierter Stahl

HSS

16

764

509

HSS-C

50

2.387

1.592

Legierter Stahl Rostfreier Stahl

Kugelgrafitguss

Warmfeste Legierungen Aluminium-Legierungen

3.7.4

v, [mm/min]

HSS

10

All

HSS-C

40

1.910

HSS

Grauguss

vc [m/min]

n [U/min]

318 1.273

5

239

159

HSS-C

13

716

All

HSS

20

955

637

HSS-C

30

1.432

955

HW

50

2.387

1.592

HSS

20

955

637

HSS-C

40

1.910

1.273

HW

50

2.387

1.592

HSS

4

191

127

HSS-C

6

286

191

HSS

16

764

509

HSS-C

25

1.194

796

HW

40

1.910

1.273

Senken

Zum Senken werden die gleichen Schneidstoffe wie beim Bohren und Reiben eingesetzt. Daher werden auch die in der Tabelle 3.4 enthaltenen Technologiewerte verwendet.

3.7 Technologie und Anwendungsbeispiele

3.7.5

197

Hochgeschwindigkeitsbohren

Auch das Hochgeschwindigkeitsbohren und -reiben (Abk. HSD High Speed Drilling) gewinnt neben dem HSC-Fräsen immer mehr an Bedeutung. •

Frage: Wann spricht man von Hochgeschwindigkeitsbohren? Ein fester Wert für die Schnittgeschwindigkeit kann nicht angegeben werden, da die Schnittgeschwindigkeit beim HSD vom zu bearbeitenden Werkstoff abhängt. Man spricht vom HSD, wenn nach [54] vc beim HSD > 2 • vc konventionell,

d. h. die konventionelle Schnittgeschwindigkeit soll mindestens um den Faktor zwei größer sein. Um beispielsweise bei einem Bohrer mit einem Durchmesser von dt=6 mm eine Schnittgeschwindigkeit vc - 400 m/min zu erreichen, wird eine Drehzahl von n ~ 21.000 Umdr./min benötigt, die von den wenigsten Maschinen zur Verfügung gestellt wird. •

Vorteile des H S D



höhere Schnittgeschwindigkeit vc um den Faktor > 2 Erhöhung der Vorschubgeschwindigkeiten vf um den Faktor > 2 bei gleichem Zahnvorschub fz, auf Grund der höheren Drehzahlen und infolgedessen eine höhere Produktivität auf Grund geringerer Haupt- und Nebenzeiten (höhere Vorschubgeschwindigkeiten) Verringerung der Fertigungskosten (= Ziel) Erhöhung des Zeitspanungsvolumens verbesserte Bohrungsqualitäten hinsichtlich Rauheit und Maßgenauigkeit.

Nachteile des HSD

-

Reduzierung der Standzeiten mit zunehmender Schnittgeschwindigkeit optimale Technologie-Erfahrungswerte sind noch nicht ausreichend vorhanden die HSC-Maschine hat einen sehr hohen Energiebedarf, der um den Faktor 5-10 höher liegt als bei der konventionellen Bearbeitung an die Maschinen werden hohe Anforderungen bzgl. Arbeitssicherheit gestellt, da die Drehzahlen sehr hoch sind.

Zu den Schwierigkeiten beim Bohren, wie Zufuhr des Kühlschmierstoffs zur Zerspanstelle, Abtransport der Späne aus der tiefen Bohrung durch die Spannut, Abführen der Wärme, Schnittgeschwindigkeit vc = 0 m/min in der Bohrermitte, kommt noch hinzu, dass bei den hohen Schnittgeschwindigkeiten die anfallende Wärmemenge zunimmt. Das Hochgeschwindigkeitsbohren stellt neue Anforderungen an die Werkzeuge und die Maschine. •

Voraussetzungen für die HSD-Zerspanung: - Rundlauffehler < 10 um an der Schneide im eingespannten Zustand, um die Unwucht zu begrenzen und eine ausreichende Standzeit der Bohrer zu ermöglichen - Öl als Kühlschmierstoff statt einer Emulsion

198 -

3 Bohren, Senken und Reiben Kühlmitteldruck > 50 bar sehr scharfe Schneiden hohe Steifigkeit des Bohrers, des Spannmittels und der Vorrichtung hochdynamische Maschinen mit hohen Beschleunigungen neue, spezielle HSD-Werkzeuggeometrien.

Das folgende Bild zeigt die wesentlichen Kennzeichen des HSD. Oberflächengüte - Produktivität ^

Zeitspanvolumen

^ Bearbeitungszeit

Standweg

>• vc

Bild 3.57: Kennzeichen des HSD (nach Institut PTWProduktionsmanagement, Technologie und Werkzeugmaschinen )

Bild 3.58 zeigt, dass sich mit zunehmender Schnittgeschwindigkeit der mittlere Bohrungsdurchmesser dm dem Sollmaß von 12 mm nähert. Auch eine Zunahme des Vorschubs führt zu einer Annäherung an das Sollmaß, allerdings ist diese Tendenz nicht so stark ausgeprägt.

Werkstoff: 42 CrMo 4 V (1.7225) Werkzeug: HC - TiN - P40, z = 2, d, = 12 mm Technologie: vc = 100-300 m / m i n , / = 0,15-0,35 mm, 5 % Emulsion

Bild 3.58: Mittlerer Bohrungsdurchmesser als Funktion der Schnittgeschwindigkeit und des Vorschubs (Quelle Institut PTW- Produktionsmanagement, Technologie und Werkzeugmaschinen)

Mit zunehmender Schnittgeschwindigkeit wird die Oberflächengüte verbessert. Bild 3.59 zeigt die Abnahme der mittleren Rautiefe Rz mit steigender Schnittgeschwindigkeit. Ein eindeutiger Zusammenhang zwischen einer Zunahme des Vorschubs und der Rautiefe konnte nicht nachgewiesen werden.

3.7 Technologie und Anwendungsbeispiele

199

Werkstoff: 42 CrMo 4 V (1.7225) Werkzeug: HC - TiN - P40, z = 2, d, = 12 mm Technologie: vt = 100-750 m/min, / = 0,02-0,12 mm, 5 % Emulsion

Bild 3.59: Mittlere Rautiefe als Funktion der Schnittgeschwindigkeit und des Vorschubs ( Quelle Institut PTW-Produktionsmanagement, Technologie und Werkzeugmaschinen)

Da Öl eine sehr gute Schmierwirkung besitzt, verringert es die Reibung des Bohrers an der Bohrungsinnenwand, wodurch der Standweg Lf deutlich zunimmt, wie Bild 3.60 zeigt, und erleichtert den Abtransport der Späne durch die Spannut. Das HSD wurde bei einer Schnittgeschwindigkeit von vc = 125 m/min und mit Öl als Schmierstoff durchgeführt. Dadurch konnte im Vergleich zum konventionellen Bohren mit vc = 55 m/min und Emulsion als Kühlschmierstoff die Bearbeitungszeit verringert und der Standweg erhöht werden. 120 100 80

60

¡Emulsion

40

20 0

IÛI

/

0

Werkstoff: C 45E Werkzeug: d, = 8 mm, Sacklochtiefe = 30 mm v = 55 m/min bei Emulsion und Öl v = 125 m/min bei Öl + optim. Technologie

4?

N

o

o Vc

13. Nennen Sie die wichtigsten Schneidstoffe, die beim Hochgeschwindigkeitsbohren eingesetzt werden. 14. Ab welcher Werkstückhärte spricht man von Hartbohren? 15. Nennen Sie Beispiele, bei denen Hartbohren sinnvoll eingesetzt werden kann. 16. Welche zusätzlichen Anforderungen werden an den Hartbohrer gestellt? 17. Beispiel Legen Sie die Technologie für die ausgewählten Bohrverfahren und -Werkzeuge fest, wenn das Werkstück aus dem Werkstoff C45E ist.

204

3 Bohren, Senken und Reiben

Die Lösungen finden Sie auf den Internetseiten des Verlages unter http://www.oldenbourgverlag.de unter dem Buchtitel.

3.8

Ermittlung der Kräfte und Leistung

Um die erforderliche Antriebsleistung zu ermitteln, ist zuvor die Schnittkraft zu bestimmen. Beim Bohren kann grundsätzlich zwischen Bohren ins Volle und dem Aufbohren, zu dem auch das Reiben und Senken gerechnet wird, unterschieden werden.

3.8.1

Ermittlung der Kräfte und Leistung beim Bohren ins Volle

3.8.1.1

Bestimmung der Kräfte beim Bohren ins Volle

A) Schnittkraft Fc

Da jede Hauptschneide zerspant, treten die Zerspankräfte entlang jeder Schneide auf. Es wird eine resultierende Schnittkraft gebildet, die in der Mitte der Hauptschneide angreifen soll (= Modell), wie im Bild 3.63 beim zweischneidigen Spiralbohrer dargestellt ist.

Bild 3.63: Angriffspunkte der Schnitt- und Passivkräfte digen Spiralbohrer im Schneidenpunkt P

beim

zweischnei-

3.8 Ermittlung der Kräfte und Leistung

205

Wie Sie bereits aus Kapitel 1.5.1 wissen, kann die Schnittkraft je Schneide Fiz wie folgt ermittelt werden: Fcz = A-kc

=bh-kc

K = ^ci.i b h~mc ]

F = M -2-n-n =

• fz-z-kc-n-n

, = -^- fz-z-kc-vc

(3.18)

Die Antriebsleistung Pu des Motors muss größer als die Schnittleistung Pc sein, da zwischen der Bohrerschneide, wo die Schnittleistung entsteht, und dem Antriebsmotor Verluste auftreten, die durch den mechanischen Wirkungsgrad r)m berücksichtigt werden. PM=-^ =jl-.fz.z.kc.n-n =^ - f z - z - k c - v 4 Tim 4 " r lm -"n m

3.8.2

c

(3.19)

Ermittlung der Kräfte und Leistung beim Aufbohren, Senken und Reiben

3.8.2.1 Ermittlung der Kräfte beim Aufbohren, Senken und Reiben Beim Aufbohren wird der Bohrungsdurchmesser d auf den Durchmesser dt erweitert, dabei ist die Querschneide nicht im Eingriff, wie bereits im Kap. 3.3.4 dargestellt wurde. Senken und Reiben sind spezielle Aufbohrverfahren, bei denen die gleichen Formeln verwendet werden können wie beim Aufbohren. Der Spanungsquerschnitt ist beim Reiben kleiner als beim Aufbohren, daher sind die auftretenden Kräfte geringer. A) Schnittkraft Fc Bild 3.64 zeigt die Angriffspunkte der Schnitt- und Passivkräfte beim zweischneidigen Spiralbohrer.

207

3.8 Ermittlung der Kräfte und Leistung

Bild 3.64: Angriffspunkte der Schnitt- und Passivkräfte beim Aujbohren

Fcz = Akc

=b-h-kc

[N]

K = *cU • b• h~mc

[N/mm2]

Fa = kcxAbti~™

[N]

(3.20)

Da die Querschneide nicht im Eingriff ist, sind die spezifischen Schnittkräfte um bis zu 30% kleiner als beim Bohren ins Volle. Die spezifischen Schnittkraftwerte k fl ,, die für das Drehen ermittelt wurden, können auch beim Aufbohren nicht genommen werden. Die spezifischen Schnittkraftwerte für das Aufbohren können speziellen Tabellen entnommen werden. B) Vorschubkraft Ff Für die Ermittlung der Vorschubkraft gelten die im Kap. 1.5.1 dargestellten Formeln. Die k n , -Werte, die für das Drehen ermittelt wurden, sind beim Aufbohren um bis zu 300% höher. C) Passivkraft F Bezüglich der Passivkraft F gelten die im Kap. 3.8.1.1 gemachten Aussagen. 3.8.2.2

Ermittlung des Drehmomentes und der Leistung beim Aufbohren, Senken und Reiben Da die Schnittkraft mit dem Hebelarm \IA-x(dl+d) wirkt, erzeugt sie ein Drehmoment M, das aus Gleichung (3.21) bestimmt werden kann: M

=

F

e

z

. f W .

4 dt+d M = A-kcc— 4

z

d,—d z =— 2

. , d,+d f7-kr-— z 4

(3.21

208

3 Bohren, Senken und Reiben

Über das Drehmoment M und die Winkelfrequenz cd kann die Leistung Pc bestimmt werden: j 2 _ ,2 P = M-(a = M-2-%-n = ^-^—-fz-z-kc-n-n (3.22) Die Antriebsleistung PM des Motors muss größer als die Schnittleistung Pc sein, da zwischen den Bohrerschneiden und dem Antriebsmotor Verluste auftreten, die durch den mechanischen Wirkungsgrad r\m berücksichtigt werden. PM = — = ^ r ^ — - f z - z - k c - n - n T) m 4-T| „

3.8.3

(3-23)

Beispiel-Werkstück

3.8.3.1 Beispiel 1: Bohren ins Volle Am Beispiel Bohren der Befestigungsbohrung 1 mit dem Spiralbohrer wollen wir das Drehmoment M und die erforderliche Antriebsleistung PM ermitteln. •



Gegeben: - Werkstückwerkstoff C45E (siehe Tabelle 3.10) - d{ = 8 mm z-2 vc = 80 m/min - vf= All mm/min CT = 118° r\m = 0,75.

f - 0,15 mm/Umdr.

Gesucht: Drehmoment M und Leistung PM ohne Berücksichtigung von Korrekturfaktoren.

Der Zahnvorschub fz beträgt /z =

/

=

^ j n m _

z

2

= a075

Umdr.

jnm_ Umdr.

Die Spanungsdicke h kann aus • a = n0,075 mc m m h/ = f sin— 2 Umdr.

m m • 1 1 8 ° = nn^A sin 0,064 2 Umdr.

berechnet werden. Da Sie wissen, dass die Werte der spezifischen Schnittkraft l beim Bohren auf Grund des Quetschens der Querschneide größer sind als beim Drehen, verwenden wir diese dennoch und beziehen sie aus Tab. 1.1. Aus Tab. 1.1 entnehmen wir kciA = 2.220 N/mm2 mc = 0,14.

3.8 Ermittlung der Kräfte und Leistung

209

Mit diesen Werten können wir das Drehmoment M ermitteln M =8

m m

• 0,075 mm • 2 • 2.220 — • 0,064"°14 = 3.914 Nmm = 3,9 Nm mm

8

Die Drehzahl bestimmen wir aus der Beziehung v. 80 m/min _ , „„ T T , , . n = —— = = 3.183 Umdr./min 71 •d] 71-0,008m Die Antriebsleistung des Motors berechnen wir aus Pc M (ä M-2-n-n PM = —£- = = T]m r)m nm

=

3,9 Nm-2-7t-3.183 Umdr. , _. .„ = 1.733 W = 1,7 kW. 0,75-60 s

Da die Schnittkraftwerte um bis zu 400 % höher liegen können, müssen wir die Antriebsleistung des Motors PM mit diesem angenommen Faktor multiplizieren. 3.8.3.2 Beispiel 2: Aufbohren der Befestigungsbohrung 1 Für das Aufbohren der Befestigungsbohrung 1 mit dem Flachsenker aus HSS wollen wir das Drehmoment M und die erforderliche Antriebsleistung PM ermitteln. •

Gegeben: - Werkstückwerkstoff C45E (siehe Tabelle 3.10) - kcU = 2.220 N/mm2 /nc = 0,14 d, = 8 mm d= 12 mm - z =4 v c = 15 m/min / = 0,10 mm/Umdr. - ct = 118° ¿ = 0,75. • Gesucht: Drehmoment M und Leistung Pu ohne Berücksichtigung von Korrekturfaktoren. Das Drehmoment ermitteln wir aus Gl. (3.21) .2

.2

.2 _ .2

Der Zahnvorschub fz errechnet sich aus /z =

/ z

=

O10_jnm_ = 4 Umdr.

()025

mm Umdr.

Die Spanungsdicke h kann aus h = f' - sin/r = 0,025 J 5 H L . sin90° = 0,025 Umdr. Umdr. berechnet werden, wobei der Einstellwinkel K = 90° beträgt, da wir eine ebene Schraubenkopfauflagefläche benötigen. Mit diesen Werten können wir das Drehmoment M bestimmen: M=

1

o2 °

2

vt • 0,025 mm• 4• 2.220 ——y • 0,025~°14 =3.721 Nmm = 3,72 Nm mm

210

3 Bohren, Senken und Reiben

Die Drehzahl errechnen wir aus der Beziehung vc 15 m/min . n = —— = = 398 Umdr./min n-d 7t-0,012 m Die Antriebsleistung des Motors berechnen wir aus Gl. (3.23) _ Pc

p M

Tim

=M-(o_M-2-7i-» =

Ilm

3,72Nm-2-7i-398Umdr.

= 2 Q ? r f

_

Q 2 k w

0,75 • 60 S

Die wesentlich geringere Antriebsleistung beim Aufbohren im Vergleich zum Bohren ins Volle resultiert aus der wesentlich geringeren Schnittgeschwindigkeit von vc = 15 m/min.

3.8.4

Fragen - Übungen - Beispiel

1.

Warum kann man beim Bohren ins Volle nicht die spezifischen Schnittkraftwerte vom Drehen übernehmen?

2.

Tragen Sie die Angriffspunkte und die Richtung der Schnitt- und Passivkräfte beim Bohren ins Volle mit einem zweischneidigen Spiralbohrer in das untere Bild ein.

3.

Beispiel Ausgehend von den getroffenen Festlegungen, wie Bohrverfahren, Bohrwerkzeuge und Technologie sollen nun die Kräfte und anschließend die Leistung für einen Bohrvorgang ermittelt werden. Es sollen die spezifischen Schnittkraftwerte für das Drehen herangezogen werden, da Ihnen diese bekannt sind. Bitte denken Sie an die in Aufgabe 1 gemachten Aussagen.

Die Lösungen finden Sie auf den Internetseiten des Verlages unter http://www.oldenbourgverlag.de unter dem Buchtitel.

211

3.9 Ermittlung der Wege und Zeiten

3.9

Ermittlung der Wege und Zeiten

Die Bestimmung der Wege und daraus die Haupt- th und Nebenzeiten tn ist einerseits für die Ermittlung der Maschinenbelegungszeit und andererseits für die Kalkulation der Herstellkosten sehr wichtig. In der Praxis werden Wege und Zeiten nicht manuell ermittelt, sondern mit Hilfe von Programmen (CAP-Systeme, siehe Kap. C.l), durch Zeiterfassung (Stoppuhr) oder durch Schätzen. Die in den folgenden Beispielen durchgeführten Berechnungen sind sinnvoll, um die Vorgehensweise zu erkennen.

3.9.1

Ermittlung der Wege und Zeiten beim Bohren ins Volle

3.9.1.1 Beispiel - Durchbohren ins Volle Zunächst werden die Wege ermittelt, die beim Durchbohren ins Volle zurückgelegt werden.

lun = Anfahrweg = Zustellweg = Sicherheitsabstand lab = Abfahrweg Im = Überlaufweg = Länge der Bohrerspitze l M = Rückfahrweg l = Werkstückdicke

Bild 3.65: Wege beim Durchbohren ins Volle

Am Anfang befindet sich das Werkzeug im STARTpunkt, dem Werkzeugreferenzpunkt WR oder in der letzten Bohrposition, danach legt es im Eilgang mit der Geschwindigkeit vE den Weg lm zurück. Anschließend fährt das Werkzeug an das Werkstück in die Bearbeitungsposition heran, dabei wird der Zustellweg im Eilgang zurückgelegt. Die Position ist ca. 0,52 mm vor dem Werkstück und entspricht dem Sicherheitsabstand l%., der Rohteiltoleranzen und Überschwingungen beim Abbremsen vom Eilgang zum Positionieren berücksichtigt. Mit der Vorschubgeschwindigkeit vf wird nun der Weg / in der Hauptzeit th zurückgelegt. Anschließend werden die Wege lab und lbo zurückgelegt. Die Bohrerspitze mit der Länge lbo muss um den Überlaufweg Lb aus dem Werkstück beim Durchbohren herausragen, da man schließlich durchbohren möchte. Danach fährt der Bohrer, da er sich in der fertigen Bohrung befindet, mit der Vorschubgeschwindigkeit vf den Weg lab. Im Eilgang fährt er den Weg lzu, bevor er auch im Eilgang den Weg lrücl zur START-Position, den Werkzeugreferenzpunkt WR zurücklegt.

3 Bohren, Senken und Reiben

212 Die Hauptzeit th beträgt: l v

ho + -12v / /

(3.24)

Die Länge der Bohrerspitze lbo, kann wie folgt errechnet werden: (3-25) 2 tan — 2 Beim Spiralbohrer mit a = 118° beträgt h o = 0,3-d,

(3.26)

Bei einem Bohrer mit einem Durchmesser dl - 10 mm beträgt lbo - 3 mm. In der Nebenzeit (

=

tn

hn vE

werden die Einzelwege

^ zu vF

Ki vf

Igb vf

^ab vf

lan, lzu, lsi„ L„ lab

^ zu vE

und

lM

zurückgelegt.

^ rück vE

^

27)

Während alle Wege über die Werkstückgeometrie bzw. den Werkzeugreferenzpunkt WR bekannt sind, ist noch die Vorschubgeschwindigkeit vf zu ermitteln. Allgemein gilt: vf=f-n=f

2

-z-n = f

z

(3.28)

- z - ^ ~ 7t -d.

3.9.1.2 Beispiel-Bohren ins Volle eines Sackloches Beim Bohren ins Volle eines Sackloches ist lüb = 0 mm. Ansonsten gelten die gleichen Formeln wie beim Durchbohren. Sollte zwischendurch noch entspänt werden müssen, dann werden die Wege / und lab in mehreren Schritten zurückgelegt. 3.9.1.3 Beispiel-Werkstück Grundplatte Am Beispiel der Befestigungsbohrung 1 soll mit dem Spiralbohrer ein Durchgangsloch ins Volle gebohrt werden. Hierbei gehen wir von den im Bild 3.65 dargestellten Wegen aus. •

Gegeben: - dl - 8 mm - G=120° - r = 1 mm

vc = 80 m/min / = 20 mm Lck = 160 mm

• gesucht: Zeit für die Herstellung einer Bohrung Aus Gl. (3.24) errechnen wir die Hauptzeit th.

vf = All mm/min (,„=150 mm lub = 2 mm

vE = 5 m/min l,u = 3 mm

213

3.9 Ermittlung der Wege und Zeiten Die Länge der Bohrerspitze lbo kann wie folgt errechnet werden: lbo mm = 2,31 mm hn = — — — = - . er 2 • tan60° 2 • tan — 2 ,,

=

± vf

+

k

= (

vf

+

M )

All

All

_J5E_

= a0

4 7 min = 2.8 s

mm/min

Die Hauptzeit beträgt 2,8 s. Die Nebenzeit ermitteln wir aus Gl. (3.27), gemäß Bild 3.65 J _ hn_

hu_

hi_

+

hb_

hb_ +

hu_ + Kack _ hn + hu + hu + ^rück

+

hl + hb + hb

mit lab = l b o + l + lsi f

_ (150+3 + 3 + 160) mm 5.000 mm/min

+

(1 + 2 + 2,31 + 20 + 1) mm 477 mm/min

= 0,063 + 0,055 = 0,118 min = 7,10 s Die Nebenzeit beträgt 7,1 s. Die Zeit für die Herstellung der Bohrung, bestehend aus der Haupt- und Nebenzeit, beträgt t = 2,8 s + 7,1 s = 9,9 s. Bemerkenswert ist hierbei, dass die Nebenzeit tn mehr als das Doppelte der Hauptzeit th ausmacht. Die Gründe hierfür liegen darin, dass der Bohrer den Weg lab in der Bohrung mit der Vorschubgeschwindigkeit vf zurücklegt und dass der Anfahr- und Rückstellweg groß sind. Eine Verringerung des Anfahr- und Rückstellweges sollte vorgenommen werden.

214

3 Bohren, Senken und Reiben

3.9.2

Ermittlung der Wege und Zeiten beim Aufbohren

3.9.2.1

Beispiel-Aufbohren eines Sackloches

START = Anfahrweg _u = Zustellweg 2 = Sicherheitsabstand = Abfahrweg = Länge der Bohrerspitze = Rückfahrweg = Werkstückdicke

Bild 3.66: Wege beim Außohren

eines

Sackloches

Die Hauptzeit tb beträgt: th=-+1-^ vf

(3.29)

vf

Gegenüber dem Bohren ins Volle eines Durchgangsloches hat das Aufbohren eines Sackloches den Vorteil, dass beim Zustellen die Bohrerspitze bereits in die Vorbohrung eindringen kann, wie Ihnen Bild 3.66 verdeutlicht. Die „verkürzte" Länge der Bohrerspitze lbo kann aus der Durchmesserdifferenz der Vor- und Fertigbohrung und dem Spitzenwinkel a errechnet werden: h o = A z ^ 2-tan — 2

(3.30)

Bei einem Bohrer mit einem Durchmesser dt = 20 mm und einer Vorbohrung mit d = 10 mm beträgt lbo = 3 mm. Beim Sackloch ist lub = 0 mm. In der Nebenzeit

tn

werden die Einzelwege

lan, lzu, lsj, lab

und

lrUck

zurückgelegt.

3.9 Ermittlung der Wege und Zeiten j

an

L = l ^

zw

~ jf

^ab ao • ¡zuzu

V

Vy

V

V

E

b

o + l + lsi

_ Ign

215

E

^zw



f

v

E

(3.31)

hu V

, ^rück

huck

hi

lgb V

E

f

3.9.2.2 Beispiel-Werkstück Grundplatte Am Beispiel der Befestigungsbohrung 1 soll mit dem Flachsenker/Stufensenker die Vorbohrung von d = 8 mm auf dt = 12 mm erweitert werden. Hierbei gehen wir von dem im Bild 3.66 dargestellten Wegen aus. •

Gegeben: - rf, = 8 mm - v£ = 5m/min - /,.. = 3 mm

d = 12 mm CT=120° /„=lmm

vf - 39,8 mm/min lm - 1 5 0 mm

vc = 15 m/min / = 8mm Z , =150 mm

gesucht: Zeit für die Herstellung einer Bohrung Aus Gl. (3.24) errechnen wir die Hauptzeit th ± V

h»L

+

V

f

f

Die Länge der Bohrerspitze lbo kann wie folgt errechnet werden: 12-8

d , - d

lbobo =- — ! —— = ———-— mm = 1,15 mm ~ t er 2 • tan60° 2 • tan — 2 l

_L + : k v, vf

h

f J L 1,39,8

=

+

i

l l l = 39,8) mm/min

0,23 min = 13,8 s

Die Nebenzeit ermitteln wir aus Gl. (3.31), gemäß Bild 3.66 j

_

mit {

hu_

lah = l

b o

+

hi_

l

+

Lb_

hu_

hück _ hn

hu

/,

_ (150 + 3 + 3 + 150) mm 5.000 mm/min

(1 + 1,15 + 8 + 1) mm 39,8 mm/min

= 0,06 + 0,28 = 0,34 min = 20,4 s Die Nebenzeit beträgt 20,4 s. Die Zeit für die Herstellung der Bohrung beträgt t = 13,8 s + 20,4 s = 34,2 s.

hu

hück

hi

^ab

216

3 Bohren, Senken und Reiben

Vergleichen Sie nun die Haupt- und Nebenzeiten beim Aufbohren mit denen beim Bohren ins Volle, so wird deutlich, dass beim Aufbohren deutlich mehr Zeit benötigt wird, obwohl bei gleicher Eilganggeschwindigkeit v£ = 5 m/min die Aufbohrtiefe geringer ist (nur 8 mm statt 15 mm). Das liegt daran, dass wir zum Aufbohren mit dem Flachsenker aus HSS eine deutlich geringere Schnittgeschwindigkeit vc und eine um den Faktor 12 geringere Vorschubgeschwindigkeit vf eingesetzt haben, siehe Tabelle 3.10.

3.10

Gestaltungshinweise beim Bohren

Die trivialste Forderung nach der Herstellbarkeit verdeutlicht Bild 3.67. Die Zugänglichkeit zu einer herzustellenden Bohrung sollte ggf. die Bohrereinspannung mit berücksichtigen. Der vordere Steg behindert die Herstellung der Bohrung. \ IV////

a unzweckmäßig

b zweckmäßig

Bild 3.67:

Herstellbarkeit

Wenn Bohrungen an einer Schräge eingebracht werden sollen, ist mit einem Verlaufen der Bohrerspitze beim Anschnitt zu rechnen, da die Schneiden entlang der Schräge unterschiedlich viel Material abtragen und die Kräfte auf die einzelnen Schneiden unterschiedlich groß werden, wie Bild 3.68 verdeutlicht. Da der Bohrer nicht senkrecht in das Material eindringt, wird auch die Geradheit der Bohrung verschlechtert.

Die Bohrung mit dem Durchmesser d2 aus Bild 3.69a ist in der Aufspannung nicht herstellbar. Spannt man das Werkstück um 180° gedreht, können beide Bohrungen mit zwei Bohrern nacheinander gefertigt werden oder aber mit einem Stufenbohrer (Sonderwerkzeug) in einem Arbeitsschritt. Mit dem Stufenbohrer erreicht man, dass beide Bohrungen zueinander fluchten. Wenn zwei Bohrungen zueinander fluchten sollen, sind diese in einer Aufspannung zu fertigen, wie Ihnen Bild 3.69b zeigt. Am besten ist es, wenn beide Bohrungen sogar gleichen

217

3.10 Gestaltungshinweise beim Bohren

Durchmesser haben, denn dann können sie mit dem gleichen Bohrer in einem Arbeits schritt gefertigt werden.

/ / / / / / / / / Z //

-

'

/

/

-

a

-o i k

//

/ / / / / / / / / / a unzweckmäßig

b zweckmäßig

Bild 3.69: Einspannung und

Fluchtungsgenauigkeit

Zu bearbeitende Flächen sollen gut zugänglich sein, wie im Bild 3.70b dargestellt. Bohrungen, die nach unten versetzt sind, erfordern Bohrer mit einem längeren Schaft, wodurch die Steifigkeit und damit die Maßgenauigkeit verringert werden. I

/ /

i i i i i

I / /

i i i i i

/ /

/ / /

b zweckmäßig Bild 3.70:

Bearbeitungslage

Querbohrungen führen dazu, dass die Bohrer verlaufen, da die Schneiden in der Querbohrung unterschiedlich viel Material abtragen. Dabei besteht Bruchgefahr! Daher muss der Vorschub beim Durchdringen einer großen Querbohrung verringert werden. Querbohrungen sollten, wenn möglich, vermieden werden, wie im Bild 3.71 gezeigt wird.

PTiT i -



+



z z a unzweckmäßig Bild3.71:

b zweckmäßig

Querbohrungen

Um die Bearbeitungszeiten, insbesondere die Bohrerwechselzeiten zu verringern, sollten Bohrungen mit gleichem Durchmesser, wie im Bild 3.72b dargestellt, verwendet werden, da

218

3 Bohren, Senken und Reiben

diese mit dem gleichen Bohrer gefertigt werden. Gleiches gilt auch für Gewindebohrungen, wie im Bild 3.72c dargestellt.

a unzweckmäßig Bild 3.72:

b zweckmäßig

c zweckmäßig

Formelemente

Eine Sacklochbohrung mit ebenem Grund kann durch Bohren und anschließendem Plansenken, also mit zwei Bohrwerkzeugen, oder durch Schaftfräsen, siehe Kap. 4.4.7, hergestellt werden, wie Bild 3.73a zeigt. Im Bild 3.73b ist dargestellt, wie eine Durchgangs- und eine Sacklochbohrung mit gleichem Durchmesser mit einem Bohrer hergestellt werden können.

a unzweckmäßig Bild 3.73: Formelemente

b zweckmäßig und

Werkzeuge

In Sacklochbohrungen, siehe Bild 3.74, die ein Gewinde haben, kann der Gewindebohrer auf Grund seiner Anschnittlänge ein Gewinde nicht bis zum Bohrungsgrund herstellen, daher ist ein ausreichender Gewindeauslauf, siehe Bild 3.74b, zu berücksichtigen. Auch durch große Freistiche kann das erreicht werden, wie Ihnen Bild 3.74c verdeutlicht.

a unzweckmäßig Bild 3.74:

b zweckmäßig

c zweckmäßig

Gewindeauslauf

Die zu bearbeitende Fläche ist auf eine sinnvoll erforderliche Länge zu begrenzen. Im Bild 3.75b erstreckt sich die zu bearbeitende Länge nicht über die gesamte Werkstücklänge und die beiden Innenbohrungen haben den gleichen Durchmesser d r der mit einem Bohrer hergestellt werden kann. Im Bild 3.75c wird die Bohrung nur bis zum Einstich bearbeitet.

3.10 Gestaltungshinweise beim Bohren 1

1 dl -

t1 a unzweckmäßig Bild 3.75:

219

/////// /// /

1

/

T Vmm

- dl •r A

/ / / / / / /

f

c zweckmäßig

b zweckmäßig

Bearbeitungsfläche

Das Werkstück aus Bild 3.76a ist so gestaltet, dass ein sehr langer Bohrer verwendet werden muss. Bild 3.76b lässt die Bearbeitung mit einem kurzen Bohrer zu, der eine höhere Steifigkeit besitzt. Deshalb sind größere Vorschübe zulässig, wodurch die Bearbeitungszeit verringert und eine höhere Form- und Maßgenauigkeit erreicht wird. Der Steg aus Bild 3.76a verhindert eine gute Zugänglichkeit zur Bohrung.

a unzweckmäßig

b zweckmäßig

Bild 3.76: Zugänglichkeit und Bohrerlänge

3.10.1

Fragen - Übungen - Beispiele

1.

Welche Probleme könnten beim Bohren des im unteren Bild dargestellten Werkstücks auftreten? Skizzieren Sie eine verbesserte Lösung.

2.

Welche Probleme können beim Bohren der unten dargestellten Querbohrung auftreten? Skizzieren Sie eine zweckmäßigere Werkstückform.

220 3.

3 Bohren, Senken und Reiben Warum ist die unten dargestellte Gewindebohrung mit einem Spiralbohrer nicht herstellbar? Nehmen Sie bitte eine konstruktive Änderung vor.

Die Lösungen finden Sie auf den Internetseiten des Verlages unter http://www.oldenbourgverlag.de unter dem Buchtitel.

3.11

Fehler und deren Behebung

Wir werden hier zwischen Werkzeug- und Werkstückproblemen unterscheiden, obwohl Probleme am Werkstück auch auf Werkzeugfehler zurückzuführen sind, wie Sie in diesem Kapitel noch sehen werden.

3.11.1

Werkzeugprobleme und deren Behebung

Im Bild 3.77 sind einige Verschleißformen am Bohrer dargestellt, die Sie bereits vom Drehen her kennen. Die Buchstabenbezeichnung entspricht der Bezeichnung aus Tabelle 3.11.

a Freiflächenverschleiß

e Eckenausbrüche

g Rundfasenverschleiß

h Querschneidenverschleiß

f Hauptschneidenausbruch

Bild 3.77: Auswahl von Verschleißformen am Bohrer

Tabelle 3.11 zeigt, welche verschleißbedingten Fehler auftreten bzw. welche Auswirkung diese am Bohrer haben, und wie diese behoben werden können. Im Kap. 1.7.1 werden die einzelnen Verschleißarten und Verschleißformen besprochen.

221

3.11 Fehler und deren Behebung Tabelle 3.11: Verschleißbedingte Werkzeugfehler und deren Behebung Problem a) Freiflächenverschleiß

b) Aufbauschneidenbildung

c) Kolkverschleiß

Ursache Schneidstoff mit zu geringer Verschleißfestigkeit/Härte

Behebung

Freiwinkel a zu klein

Freiwinkel a vergrößern

Vorschub zu klein

Vorschub vergrößern Schnittgeschwindigkeit vc vergrößern

Schnittgeschwindigkeit vc zu gering

Schneidstoff mit höherer Härte

Spanwinkel y zu klein oder negativ

Spanwinkel y vergrößern

Hauptschneide ist blank

Hauptschneide beschichten

Temperatur auf der Spanfläche zu groß

Schnittgeschwindigkeit und/oder Vorschub verkleinern Schneidstoff mit höherer Warmhärte nehmen Schneidstoff beschichten

d) Plastische Verformung

e) Eckenausbrüche

Temperatur an der Schneidkante zu hoch Belastung der Schneidkante zu hoch Bearbeitung ist instabil Bohrer hat Rundlauffehler

Schnittgeschwindigkeit vt verringern Schneidstoff mit höherer Warmfestigkeit nehmen Vorschub verringern Werkstück stabil spannen Werkzeugaufnahme prüfen/wechseln Rundlauf verringern

f) Hauptschneidenausbrüche

Rundlauffehler zu groß unterbrochener Schnitt Bearbeitung ist instabil

Vorschub verringern

g) Rundfasenverschleiß

Rundlauffehler zu groß

Rundlauf verringern

Verjüngung zu klein

Verjüngung vergrößern

h) Querschneidenverschleiß

Werkstück stabil spannen

KSS falsch

KSS mit mehr Ölanteilen nehmen

Schnittgeschwindigkeit zu hoch

Schnittgeschwindigkeit v verringern

Vorschub zu groß

Vorschub verringern

i) Ausbruch am Übergang Haupt- zur Querschneide

Freiwinkel a zu klein

Freiwinkel a vergrößern

Bohrer falsch

Bohrertyp ändern

j) Bohrer-/Plattenbruch

Zähigkeit zu gering

Zähigkeit erhöhen

zu hohe Belastung Bohrerkern zu schwach

Vorschub/verringern Bohrer mit größerem Bohrerkem nehmen

Spänestau

Vorschub verringern

Keilwinkel ß vergrößern Drallwinkel verkleinern Bohrer mit innerer Kühlmittelzufuhr verwenden Kühlmitteldruck erhöhen

222

3 Bohren, Senken und Reiben

3.11.2

Werkstückprobleme und deren Behebung

Tabelle 3.12 enthält die wichtigsten werkstückseitigen Probleme beim Bohren und zeigt, wie diese behoben werden können. Tabelle 3.12: Bohrungsfehler am Werkstück Problem

Ursache

Behebung

a)

schräge Anbohrfläche

Fläche eben fräsen/senken

hoher Rundlauffehler des Bohrers

Rundlauf verbessern

schlechte Zentrierung

Bohrung vorzentrieren

Mittenversatz

Spitzenwinkel a verkleinern Bohrer führen lange Querschneide b) unrunde/ovale Bohrung

c) verlaufene/schräge Bohrung

Führungsbuchse einsetzen anderen Bohreranschliff verwenden

geringe Steifigkeit des Bohrers

Vollhartmetallbohrer und/oder geradgenuteten Bohrer verwenden

ungenügende Bohrerführung

dreischneidigen Bohrer verwenden

hoher Vorschub

Vorschub verringern

Hauptschneiden sind ungleich

Bohrer nachschleifen

Querschneide ist nicht mittig

Bohrer nachschleifen

Einstellwinkel K ungleich

Bohrer nachschleifen

geringe Bohrersteifigkeit

Vollhartmetallbohrer verwenden geradgenuteten Bohrer nehmen

d) Bohrung zu groß/kegelig

e) schlechte Oberfläche

Bohrer fluchtet nicht hoher Vorschub

Rundlaufgenauigkeit von Bohrer, Spindel korrigieren Vorschub verringern

instabile Werkstückspannung

steif spannen

Rundlauffehler

Rundlaufgenauigkeit korrigieren Bohrer mit größerem Spanraum verwenden

Späne reiben in der Bohrung

Vorschub erhöhen

Spanbruch

KSS-Druck erhöhen

f) Grat am Bohrungsaustritt

Schwingungen/Steifigkeit gering

Bohrer kürzer einspannen

Bohrerverschleiß

Bohrer mit größerem Kerndurchmesser einsetzen Bohrer wechseln

hoher Vorschub Bohrer verschlissen

Vorschub verringern neuen Bohrer einsetzen

3.11 Fehler und deren Behebung

3.11.3 1.

223

Fragen - Übungen - Beispiele

Die untere Tabelle zeigt werkstückseitig auftretende Probleme. Ermitteln Sie mögliche Ursachen und Lösungen zur Fehlerbeseitigung.

Mittenversatz

unrunde/ovale Bohrung

verlaufene/schräge Bohrung

Bohrung zu groß/kegelig

ir u i A II II 1

l

Ii H 1 «1 II Ii

1

.1

schlechte Oberfläche

I

Grat am Bohrungsaustritt

l

Die Lösungen finden Sie auf den Internetseiten des Verlages unter http://www.oldenbourgverlag.de unter dem Buchtitel.

4

Fräsen

Das Fräsen ist nach dem Bohren und Drehen das am dritthäufigsten eingesetzte spanende Fertigungsverfahren. Frage: Was versteht man unter Fräsen und wie können wir es von anderen Fertigungsverfahren, wie Drehen oder Bohren, abgrenzen? Fräsen ist ein spanendes Fertigungsverfahren mit einem rotierenden, meist mehrschneidigen Werkzeug - einem Fräser-, das die kreisförmige Schnittbewegung durchführt und einer vom Werkstück oder Fräser durchgeführten Vorschub- und Zustellbewegung. Die Vorschubbewegung kann eben oder eine beliebige räumliche Bahnkurve sein, was auch die große Vielzahl an Werkstückformen begründet. In Bild 4.1 sind einige mit unterschiedlichen Fräsern herstellbaren Formelemente schematisch dargestellt. Es soll die Vielfalt der Werkstücke verdeutlichen, die mit wenigen Fräsern herstellbar sind.

-

6

Bild 4.1: Bearbeitungsmöglichkeiten beim Fräsen

Frage: Mit welchen Fräsverfahren ist diese Formelementvielfalt herstellbar? Welche Fräsverfahren, -Werkzeuge und Technologien hierfür nötig sind, wird in den folgenden Kapiteln behandelt.

226

4.1

4 Fräsen

Fräs verfahren

Es gibt eine Vielzahl an Fräs verfahren, die DIN 8589 Teil 3 nach den Ordnungskriterien: - Richtung der Vorschubbewegung gegenüber der Schnittbewegung: Gleich- und Gegenlauffräsen, siehe Bild 4.3. - Form der erzeugten Oberfläche: Plan-, Rund-, Schraub-, Wälz-, Profil- und Formfräsen, die durch die vierte Ordnungsnummer festgelegt ist, siehe Bild 4.2. - Lage der Werkzeugachse zur erzeugten Oberfläche: Umfangs-, Stirn- und Stirn-Umfangsfräsen, siehe Bild 4.5. einteilt. Bild 4.2 zeigt die Einteilung der Fräsverfahren nach der Form der erzeugten Oberfläche, analog zu den Verfahren Drehen und Bohren. Sie werden diese Fräsverfahren in den Kap. 4.1.2 bis 4.1.7 kennen lernen.

Fräsen

3.2.3.6

| 3.2.3.5 | Profilfräsen

Bild 4.2: Einteilung

der Fräsverfahren

Formfräsen

nach DIN 8589 Teil 3 [14]

Bild 4.3 zeigt Ihnen das Gleich- und Gegenlauffräsen. Beim Gleichlauffräsen bewegt sich das Werkstück in die gleiche Richtung, in die auch die Schnittgeschwindigkeit weist. Beim Gegenlauffräsen ist die Richtung der Werkstückbewegung der Schnittrichtung entgegen gerichtet. Fräser

Fräser Werkstück

Werkstück

+ 1FU + Ku 1 + h*2

(4-59)

zusammen. Im Eilgang mit der Geschwindigkeit vE werden der Anstellweg la, der Zustellweg lz und die Rückstellwege lM und lria und mit der Vorschubgeschwindigkeit vf werden alle anderen Wege zurückgelegt. A) Schlichten Beim Schlichten muss der Fräser über das gesamte Werkstück hinaus fahren, damit die hinteren Schneiden das Werkstück nicht mehr berühren. Übliche Wegewerte fiir Schlichten und Schruppen: lan = (1-2) mm Lb = (1-2) mm ha = lFa = 0'5

' dl

lrUI = (1-2) mm Die Wege lm und lib werden in der Nebenzeit zurückgelegt und sollten daher so klein wie möglich sein. In der Hauptzeit th ist der Fräser im Werkstück und trägt Material ab. Das Nachschneiden des Fräsers, während er den Weg lFB zurückgelegt, wird noch als Hauptzeit betrachtet, wie in Gl. (4.60) dargestellt.

317

4.9 Ermittlung der Wege und Zeiten

Vy

Vy

(4.60)

Vy

Setzt man lFa = lFU = 0,5-d, in Gl. (4.60) ein, erhält man: 0,5 •

+ /y + 0,5 • dx v

f

.

lf+d

x

v

'

f

(4.61)

In der Nebenzeit tn werden die Einzelwege la, , lan, Lb, lräI und lrU2 im Eilgang mit der Geschwindigkeit vE bzw. mit der Vorschubgeschwindigkeit vf zurückgelegt, wie Gl. (4.62) zeigt: l

| ^ | ^an | ^ub |

=





vf

vf

| vE

vE

( 4 6 2 )

B) Schruppen

Beim Schruppen ist die Qualität der Werkstückoberfläche nicht entscheidend. Die Fräsermitte kann vor dem Werkstückende liegen, wodurch der Weg lFä kürzer wird. Der Fräserweg lFi kann über die geometrische Beziehung ermittelt werden:

(4.63) Obige Gl. gilt auch für das mittige Stirnfräsen mit ltx - 0 mm. Setzt man Gl. (4.63) und lFa = 0,5-d, in Gl. (4.61) ein, erhält man: +dx-^,5-dx)2-

th=^--[lf

(0,5•

+

)2 j

f

(4.64)

In der Nebenzeit tn werden die Einzelwege la, lz, lan, lib> lrul und lrü2 mit der Eilgang- v£ oder Vorschubgeschwindigkeit vf zurückgelegt, wie Gl. (4.62) zeigt: f

_ lg | h

vE



| Ln | ^Ub ! Kul | Ku2 _ h vf VS vE vE

+

hü2



+

Ln vf

( 4 6 5 )

Während alle Wege über die Werkstückgeometrie bzw. den Werkzeug-Referenzpunkt WR bekannt sind, kann die Vorschubgeschwindigkeit vy über Gl. (4.58) ermittelt werden.

4.9.3

Beispiel-Werkstück

Wir werden die Wege und die Zeiten für das symmetrische Stirnfräsen mit lex - 0 mm der Fläche 1 beim Schruppen ermitteln, siehe Bild 4.94. •

Gegeben: - d, = 80 mm, z - 4, ae - 60 mm, vc = 200 m/min, fz - 0,2 mm/Umdr., - lan - 1 mm, läb - 2 mm, lFa = 40 mm, lM - 1 mm, l f - 130 mm, - la= 100 mm, /, = 4 mm, lrU2 - 280 mm, vF = 10 m/min.

318

4 Fräsen

• Gesucht: Bearbeitungszeit Den Fräserweg lFä errechnen wir aus Gl. (4.63) mit la = 0 mm .

dx



,ae

.2

~ "i

=

d, ,2

2

V 2

80

80.2

T ~ T T

/60.2

)

=

13,54mm

Die Vorschubgeschwindigkeit v, aus Gl. (4.58) beträgt: vf=f 1

r J

r • n-f. Jz

V

f -z-n-f.-z

c

Jz

-

n.dx

rvno a = 0,08-4

200

m

n-80-60 s

= 4,24

s

Die Hauptzeit th ermitteln wir aus Gl. (4.64) th=--[lf

+ dx-

yj{ 0 , 5 • dx f-

(0,5 • ae f j =

0 , 5 • 8 0 ) 2 - (0,5 • 6 0 ) :

• ^130 + 80 -

= 43,29 s In der Nebenzeit tn werden die weiteren Wege zurückgelegt, wie Gl. (4.65) zeigt: i =

J a V_

/ =

£

+



+

+

v7 +

i™L + V £

vE =

^

+

h

VE

Vf

100 + 4 + 1 + 280 ^ 1+3 60 s + s = 2,31 s + 0,94 s = 3,25 s 10.000 mm 4,24

Die gesamte Bearbeitungszeit der Fläche 1 beträgt: t = th + t„ =43,29 s + 3,25 s = 46,54 s

4.10

Gestaltungshinweise beim Fräsen

Auch beim Fräsen muss die Werkstückgeometrie dem Fräsverfahren angepasst werden. Ebene Flächen lassen sich am wirtschaftlichsten mit Fräsköpfen bearbeiten. Schräge Flächen, wie sie im Bild 4.95a zu sehen sind, können nur mit einer schwenkbaren Hauptspindel oder einem schwenkbarem Tisch - es ist eine zusätzlich gesteuerte Achse erforderlich, die nicht immer vorhanden ist - mit Planfräsern hergestellt werden. Anderenfalls müssen Gesenkfräser eingesetzt werden, was insbesondere bei großen Flächen unwirtschaftlich ist.

a unzweckmäßig

b zweckmäßig

c unzweckmäßig

Bild 4.95: Fräsen ebener Flächen (a, b) und Prismen (c, d)

d zweckmäßig

4.10 Gestaltungshinweise beim Fräsen

319

45°-Schrägen und 90°-Prismen, wie Sie im Bild 4.95 dargestellt sind, können mit Standardfräsern hergestellt werden. Beim Fräsen von Passfedernuten ist darauf zu achten, die Nuten nicht bis zum Bund zu führen, da der eingesetzte Fräser die Stirnfläche des Bundes beschädigt, wie es im Bild 4.96a zu sehen ist. Bild 4.96b zeigt eine zweckmäßig gestaltete Nut, die mit einem Schaftfräser hergestellt wurde. Da man mit Scheibenfräsern wirtschaftlicher als mit Schaftfräsern arbeiten kann, ist bei der im Bild 4.96c dargestellten Nut ein Mindestabstand zum Bund erforderlich. Scheibenfräser benötigen einen vom Scheibendurchmesser abhängigen Auslauf.

a unzweckmäßig

b zweckmäßig

c zweckmäßig

Bild 4.96: Fräsen von Passfedemuten (Werkfotos a+b Fa. Wilhelm Fette GmbH, c Fa. Iscar Hartmetall GmbH)

Beim Fräsen mit einem konkaven Halbrund-Profilfräser von scharfen Kanten bei Rundungen sollte der genormte Fräserradius R größer sein als der Abstand r, wie im Bild 4.97b dargestellt. Der Übergang von der Rundung zu den ebenen Flächen ist nicht tangential, sondern es entsteht eine scharfe Kante. Einen idealen tangentialen Übergang, wie er im Bild 4.97a zu sehen ist, kann fertigungstechnisch nicht hergestellt werden. Es ist zweckmäßig, die zu bearbeitenden Flächen (dicke Linie) in eine Ebene zu legen, wie im Bild 4.97d zu sehen ist. Wenn die ebenen Auflageflächen ebenfalls in der gleichen Ebene liegen, wird das Einspannen und Ausrichten erheblich erleichtert.

a unzweckmäßig

b zweckmäßig

c unzweckmäßig

d zweckmäßig

Bild 4.97: Fräsen von Rundungen (a, b) und Einfluss der Bearbeitungshöhe (c, d)

Die Bearbeitung von Freiformflächen mit tiefen Hinterschneidungen, wie sie im Bild 4.98a zu sehen sind, sollte vermieden werden, da die Zugänglichkeit erschwert ist. Die Kontur aus Bild 4.98b ist einfach herzustellen. T-Nuten werden mit Schaftfräsem hergestellt. Um die Gefahr des Ratterns auf Grund langer Auskraglänge zu vermeiden, sollten tiefliegende T-Nuten in Werkstücken, wie sie im Bild 4.98c dargestellt sind, vermieden werden.

320

4 Fräsen

a unzweckmäßig

b zweckmäßig

c unzweckmäßig

d zweckmäßig

Bild 4.98: Hinterschneidungen und T-Nuten (Werkfotos a+b Fa. Hirschler Oberflächentechnik, c+d Fa. WilhelmFette GmbH)

Heiko Wolf e.K,

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die im Bild 4.99 dargestellt sind, eine durchgehende Nut in eine Gabel einzubringen. Die Nutherstellung mit einem Schaftfräser ist insbesondere bei längeren Nuten unwirtschaftlich, wie Bild 4.99b zeigt, da mit Schaftfräsern nur eine geringe Vorschubgeschwindigkeit realisiert werden kann. Die zweite Möglichkeit wäre der Einsatz von Scheibenfräsern, die auf Grund der hohen Vorschubgeschwindigkeit sehr wirtschaftlich sind. Wenn der Nutgrund eben sein soll, entsteht ein langer, durchmesserabhängiger Vorschubweg lf wie Bild 4.99c zeigt. Wenn der Nutgrund einen Radius haben darf, können Scheibenfräser sehr zweckmäßig eingesetzt werden, da der Vorschubweg lf nur von der Nuttiefe abhängt und keine Durchmesserabhängigkeit aufweist.

a Gabel

b unzweckmäßig

c unzweckmäßig

d'zweckmäßig

Bild 4.99: Fräsen von Nuten

Wenn eine ebene Fläche - im Bild 4.100 durch eine dicke Linie markiert - durch Umfangsfräsen hergestellt werden soll, ist darauf zu achten, dass der Walzenfräser einen Auslauf hat, der mindestens dem halben Fräserdurchmesser entspricht, wie Sie es 4.100b entnehmen können. Auch Planfräsköpfe benötigen einen Auslauf, damit die gesamte Werkstückbreite bearbeitet werden kann.

4.10 Gestaltungshinweise beim Fräsen

a unzweckmäßig

b zweckmäßig

321

c unzweckmäßig

d zweckmäßig

Bild 4.100: Umfangsfräsen einer ebenen Fläche mit einem Walzenfräser (a+b) und Stirnfäsen mit einem Fräskopf (c+d) (Werkfotos Fa. Seco Tools GmbH)

4.10.1

Fragen - Übungen - Beispiel

1.

Welche ebene Fläche ist einfacher herstellbar? Welche Voraussetzung muss die Maschine erfüllen, um die ebene Fläche links herzustellen?

2.

Nennen Sie mögliche Probleme, die beim Fräsen der im unteren Bild dargestellten Konturen auftreten können. Skizzieren Sie zweckmäßigere Konturen.

Schnitt A-A

Die Lösungen finden Sie auf den Internetseiten des Verlages unter http://www.oldenbourgverlag.de unter dem Buchtitel.

4 Fräsen

322

4.11

Fehler und deren Behebung

Dieses Kapitel wird im Internet unter der Adresse http://www.oldenbourg-verlag.de auf der zu diesem Buchtitel gehörenden Seite bereitgestellt.

5

Räumen

Das Räumen zählt innerhalb der spanenden Fertigung zu den Sonderverfahren, das nicht die Anwendungsvielfalt, wie das Drehen, Bohren oder Fräsen besitzt und dennoch bei speziellen Anwendungen, bei denen - eine hohe Oberflächengüte, - eine hohe Maß- und Formgenauigkeit, - große Stückzahlen in der Mittel- bis Großserienfertigung und - geringe Fertigungszeiten gefordert werden, wirtschaftlich optimal eingesetzt wird. Das Räumen wird nicht nur als Endbearbeitungsverfahren eingesetzt, sondern auf Grund der geringen Fertigungszeiten auch beim Schruppen.

5.1

Räumverfahren

Frage: Was verstehen wir unter Räumen und wie können wir es von anderen Fertigungsverfahren, wie Drehen, Bohren oder Fräsen abgrenzen? Das Räumen ist Spanen mit einem mehrzahnigen Werkzeug, das als Räumwerkzeug oder Räumnadel/Räumdorn bezeichnet wird, und die meist geradlinige (seltener die schraub- oder kreisförmige) Schnittbewegung durchführt, siehe Bild 5.1. In Ausnahmefällen steht das Räumwerkzeug und das Werkstück führt die Schnittbewegung durch. Im Gegensatz zu den Ihnen bereits bekannten Fertigungsverfahren entfällt beim Räumen die Vorschubbewegung, welche die Spanabnahme bewirkt. Die Vorschubbewegung wird durch die Staffelung der Zähne ersetzt, sodass die Spanungsgrößen durch die konstruktive Auslegung der Räumnadel festgelegt werden. Die erzeugte Fläche wird i. d. R. in einem Durchgang/Hub hergestellt. Wird das Räumwerkzeug gezogen, nennt man es Räumnadel, wird es geschoben/gedrückt, nennt man es Räumdorn, der im Bild 5.1 dargestellt ist. Vergleichen Sie hierbei das Räumen mit dem Drehen, bei dem die Schnittbewegung durch das rotierende Werkstück und die Vorschub- und Zustellbewegung vom meist einschneidigen Drehwerkzeug erzeugt wird. Die gedrehten Werkstücke sind in der Regel rotationssymmetrisch/rund.

324

5 Räumen (Räumdorn)

(Druck)

\J

llfllf-

A

(

Werkstück

Räumnadel

Ml

Zug

0,5 • d, betragen.

-

Die auf den Durchmesser bezogene Spannlänge soll (0,1-0,2) • d, ausmachen, damit die kraftschlüssige Fläche nicht zu klein wird. (d,-dj *

6.5 Spannmittel für Werkzeuge und Werkstücke

397

• Große (bis d] = 1 m), gerade Schleifscheibe mit großer Innenbohrung, siehe Bild 6.34b Der eine Spannflansch wird über einen Kegel aufgenommen und der zweite Flansch wird dagegen geschraubt. -

Die auf den Durchmesser bezogene Spannlänge soll (dF-d2) * 0,08 • (drd2)

-

betragen. Große Innenbohrungen verursachen im Einsatz große tangentiale Spannungen, die zu einem Scheibenbruch führen können.

• Konische Schleifscheibe mit einer Neigung von 1:16, siehe Bild 6.34c Auch sie wird wie die gerade Schleifscheibe zwischen elastischen Zwischenlagen gespannt, um Beschädigungen der Scheiben zu vermeiden und Unebenheiten auszugleichen. -

Der äußere Spanndurchmesser (= Flanschaußendurchmesser) dFa muss mindestens halb so groß sein wie der Scheibenaußendurchmesser dt, d. h. dFa>0,5d,

-

Die Breite der ringförmigen Spannfläche soll (df -dn)/2 « (0,05-0,\) • dx betragen.

• Schleiftöpfe, siehe Bild 6.34d Sie werden wie große, gerade Schleifscheiben über einen Kegel gespannt. • Tragscheibe, siehe Bild 6.34e Der Schleifkörper wird auf die Tragscheibe aufgeklebt oder in eingelassene Gewindeeinsätze aufgeschraubt. • Spannköpfe für Schleifsegmente, siehe Bild 6.34f Schleifsegmente werden in Spannköpfen aufgenommen, wobei darauf zu achten ist, dass die Segmente nicht zu weit auskragen. Iseg^-B

6.5.2

(6.27)

Spannmittel für Werkstücke

Auf Grund der Vielzahl unterschiedlicher Schleifverfahren wie Flachschleifen, AußenrundUmfangsschleifen, Innenrund-Umfangsschleifen oder spitzenloses Außen- und Innenschleifen sind die Spannmittel der Werkstücke sehr unterschiedlich. • nachschleifen Zur Werkstückspannung beim Flachschleifen werden meistens Magnetspannplatten verwendet, falls der Werkstückwerkstoff magnetisch ist.

398

6 Schleifen mit rotierendem Werkzeug/Schleifen

Hierbei wird zwischen folgenden Spannplatten permanentmagnetischen - Polplatten - elektromagnetischen - pneumatischen (Vakuum).

unterschieden:

Mit Vakuumspannplatten können auch nichtmagnetische Werkstücke gespannt werden. Bild 6.35 zeigt einige Ausführungen von Spannplatten.

a Permanentmagnetspannplatten

b Elektromagnetspannplatte

Bild 6.35: Spannplatten (Werkfotos a Fa. Beloh GmbH, b Fa. Walker-Magnetics

c Vakuumspannplatten Europe, c Fa. Hein-Hes0

GmbH)

• Außenrundschleifen Die Werkstückaufnahme ist der beim Drehen vergleichbar, siehe Kap. 2.5.2. Folgende Spannsysteme werden häufig eingesetzt: - Spannfutter, siehe Bild 6.36d - Zentrierspitzen zur axialen Fixierung wellenförmiger Werkstücke, siehe Bild 6.36c - Stirnmitnehmer zur stirnseitigen Werkstückspannung von wellenförmigen Teilen - Spannhülsen für die Innenspannung rohrförmiger Werkstücke - Dehnspanndorn für die Innenspannung rohrförmiger Werkstücke, siehe Bild 6.36a - permanentmagnetische Spannfutter, die an die Hauptspindel angeflanscht werden - Setzstock/Lünette, siehe Bild 6.36b.

a Spanndorn

b Lünette

Bild 6.36: Spannmittel zum Außenrundschleifen GmbH)

c Feste Zentrierspitzen

d Schleiffutter

(Werkfotos a+b+d Fa. Forkardt Deutschland GmbH, c Fa. Knuth

Mit einem Dehnspannfutter können Werkstücke mit einer fertig bearbeiteten Innenbohrung zentrisch sehr genau gespannt werden. Beim Außenrundschleifen sollten die Werkstücke mittels feststehender Zentrierspitzen aufgenommen werden und nicht zwischen umlaufenden Zentrierspitzen, da diese gelagert werden müssen und damit eine zusätzliche Ungenauigkeit einbringen.

6.5 Spannmittel für Werkzeuge und Werkstücke

399

Da beim Schleifen sehr viel Wärme entsteht, die eine Längenänderung bewirkt, sollte das Werkstückspannmittel an einer Stirnseite einen axialen Längenausgleich sicherstellen. Schlanke Werkstücke werden zusätzlich mittels eines Setzstocks, der sich in unmittelbarer Nähe zur Schleifscheibe befindet, radial geführt, um die Durchbiegung auf Grund der radialen Schleifkräfte zu verringern. • Innenrundschleifen Beim Innenschleifen verwenden wir meistens Spannfutter, die an die Hauptspindel angeflanscht werden, analog dem Drehen, (siehe Kap. 2.5.2 ). Wenn sehr hohe Maßgenauigkeiten gefordert werden, setzt man auch Dehndorne ein, die eine gleichmäßige Spannkraftverteilung auf dem Werkstückumfang sicherstellen. • Spitzenloses Schleifen, siehe Bild 6.37 Am häufigsten wird in der Praxis das spitzenlose Außenschleifen eingesetzt, bei dem das Werkstück lose auf einer Auflageschiene liegt, wie Sie bereits aus Kap. 6.1.4.3 bzw. aus Bild 6.6 wissen.

Schleifscheibe

Auflageschiene

Regelschcibe

Bild 6.37: Spitzenloses Außenrundschleifen (Werkfoto Fa. Saint Gobain Winter Diamantwerkzeuge GmbH & Co. KG)

Da das rotierende Werkstück auf der feststehenden Auflageschiene aufliegt, unterliegt diese einem starken Verschleiß. Die Auflageschiene besteht aus: - gehärtetem Stahl - Hartmetall, das in Stahl eingefasst wird - Grauguss - Bronze/Messing. Der Auflagewinkel aA wird so gewählt, dass auf das Werkstück eine resultierende senkrechte Kraft entsteht, die das Werkstück auf die Auflageschiene drückt, so dass keine Durchbiegung des Werkstücks auftritt. Der Auflagewinkel beträgt z.B. aA- 30°. Das Werkstück rollt, von einem geringen Schlupf abgesehen, auf der Regelscheibe ab. Sie nimmt das Werkstück über einen Reibschluß mit, d. h. sie hat die gleiche Umfangsgeschwindigkeit wie das Werkstück. Deshalb besteht sie meistens aus einem gummigebundenen Normalkorund, der einen hohen Reibwert besitzt. In seltenen Fällen werden Stahlscheiben mit oder ohne Gummibandage verwendet.

400

6 Schleifen mit rotierendem Werkzeug/Schleifen

6.5.3

Sicherheitsvorkehrungen/Unfallverhütung

Um einen sicheren Betrieb bei den hohen Umfangsgeschwindigkeiten von bis zu 160 m/s und den großen Scheibenmassen sicherzustellen, sind die von der Berufsgenossenschaft in den Unfallverhütungsvorschriften (Abk. UVV, siehe VBG 7 n 6, VBG 49 [65]) und vom Deutschen Schleifscheibenausschuss (Abk. DSA) vorgegebenen Richtlinien unbedingt zu beachten. Diese beziehen sich auf die Handhabung, die Tätigkeiten vor dem Aufspannen, das Aufspannen und das Schleifen in der Maschine. • -

-

Handhabung, Transport und Lagerung Schleifkörper sind bruchempfindlich, daher nicht fallen lassen, stoßen usw. Lagerung ohne mechanische, thermische oder chemische Einflüsse. Abhängig von der Form und der Größe sind die Schleifscheiben unterschiedlich zu lagern, wie Ihnen Bild 6.38 verdeutlicht: kleine Scheiben (A) werden stehend auf einem geneigten Boden, gerade Scheiben (B) stehend mit einer Zweipunktauflage in einer Aussparung Profilscheiben, Schleifteller und Trennscheiben (C) mit Zweipunktauflage liegend und große, gerade Schleifscheiben (D) ebenfalls stehend gelagert. In Kunstharz gebundene Schleifkörper dürfen nicht länger als 2 Jahre gelagert werden!

A B

C

D

Bild 6.38: Lagerung von Schleifscheiben



Vor dem Aufspannen ist Folgendes zu beachten: - Die maximale Drehzahl (siehe Farbkennzeichnung Tabelle 6.11) nicht überschreiten. - Sichtprüfung auf Risse, Ausbrüche, Welligkeit etc. ausführen. - Klangprobe bei keramisch gebundenen Schleifscheiben mit einem Außendurchmesser di > 80 mm durchführen, um nicht sichtbare Risse an ihrem dumpfen oder scheppernden Klang zu erkennen.



Beim Aufspannen sind folgende Regeln einzuhalten: - Nur von sachkundigen Mitarbeitern durchführen. - Spannflansche auf Sauberkeit und Ebenheit prüfen. - Alle Spannflansche müssen hinterdreht sein. - Die Größe der Spannflansche/Spannfläche gemäß Richtlinien aus Kap. 6.5.1 festlegen. - Zwischen Schleifscheibe und Spannflansch eine elastische, weiche Zwischenlage einfügen. - Neue Schleifscheiben auswuchten.

6.5 Spannmittel für Werkzeuge und Werkstücke •

401

Schutzhaube überprüfen. Spezielle Schutzausrüstung tragen, z. B. Augen- und Gehörschutz.

Vorkehrungen beim Schleifen auf der Maschine: - Arbeitsplatz schützen gegen Funken, Schleifstäube, Aerosole usw. - Probelauf (im Leerlauf) von mindestens 5 Minuten bei Betriebsdrehzahl, wobei die maximal zulässige Umfangsgeschwindigkeit, je nach Farbkennung, einzuhalten ist. - Schleifscheibe ggf. abrichten. - Kühlschmierstoff erst zuführen, wenn die Schleifscheibe dreht, um Unwuchten zu vermeiden. - Kühlschmierstoffzufuhr nach dem Schleifen beenden, dann die Schleifscheibe solange drehen lassen, bis kein Kühlschmierstoff herausgeschleudert wird.

6.5.4

Beispiel-Werkstück

Für das Beispiel-Werkstück aus Bild 6.11 sollen die Spannmittel für die Schleifscheiben und das Werkstück festgelegt werden. Da das Werkstück links eine Bohrung hat, spannen wir das Werkstück für die Außenbearbeitung mit einem Dreibackenspannfutter auf der zylindrischen Fläche 4, siehe Bild 6.39a. Für die komplette Innenbearbeitung wird das Werkstück außen mit einem Dreibackenfutter auf dem Durchmesser 120 mm außen gespannt, siehe Bild 6.39b. Sind hohe Rundlaufgenauigkeiten gefordert, nimmt man für die Außen- und Innenspannung jeweils einen Dehnspanndorn. Die geraden Schleifscheiben werden mit einem Spannflansch befestigt, siehe Bild 6.34a.

Bild 6.39: (a) Innen- und (b) Außenspannen) des Beispiel-Werkstücks, (c) Spannfutter, (d) Spannflansch

402

6 Schleifen mit rotierendem Werkzeug/Schleifen

6.5.5

Fragen - Übungen - Beispiel

1.

Nennen Sie je drei Werkstück-Spannmittel für das Plan- und Außenrundschleifen.

2.

Bei den hohen Umfangsgeschwindigkeiten von bis zu 160 m/s » 570 km/h (so schnell fährt kein Ferrari oder Mc Laren Mercedes) sind hohe Anforderungen an die Sicherheit zu stellen. Welche Regeln sind beim Aufspannen und welche beim Schleifen zu beachten?

3.

Beispiel Legen Sie Spannmittel für das Beispiel-Werkstück und die Schleifscheiben fest. 4 5 ±0,01 45

45

A-A

A-H

Die Lösungen finden Sie auf den Internetseiten des Verlages unter http://www.oldenbourgverlag.de unter dem Buchtitel.

6.6

Oberflächen- und Formbeeinflussung

Da das Schleifen mit rotierender Schleifscheibe meistens als Endbearbeitungsverfahren eingesetzt wird, abgesehen von der Grobbearbeitung von Rohteilen, legt es die Oberflächengüte und die Formgenauigkeit fest.

6.6.1

Oberflächengüte

6.6.1.1

Entstehung der Oberfläche

Ähnlich wie beim Drehen mit einer geometrisch definierten Schneide prägt die Geometrie der Schleifscheibe, die jedoch wesentlich komplexer aufgebaut und durch das Abrichten veränderbar ist, die Werkstückoberfläche. Die Rautiefe der Schleifscheibe nennt man Wirkrautiefe Rls. Die Oberflächenfeingestalt entsteht, wie Bild 6.40 am Beispiel der Werkstück-Rautiefe Rlw verdeutlicht, durch die bei der Bearbeitung von vielen Körnern erzeugten Schleifspuren. Eine erstmalig von dem ersten Korn erzeugte Schleifspur kann von den nachfolgenden Körnern, die eine andere Form und Eindringtiefe haben, weiter verändert werden.

6.6 Oberflächen- und Formbeeinflussung

403

Schleifkorn Bindung Spanraum

Werkstück

Bild 6.40:

Oberflächenentstehung

Während des Schleifvorgangs nutzt sich die Schleifscheibe ab, da die im Eingriff befindlichen Schleifkörner ausbrechen, d. h. sie verschleißt. Infolgedessen verändert die verschlissene oder die mit Schleifstaub zugesetzte Schleifscheibe auch die Oberflächengüte. 6.6.1.2 Einflussgrößen Der Schleifprozess wird von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst, die untereinander in einer komplexen Wechselwirkung stehen, was die Auslegung des Prozesses erschwert. Wir wollen nun wissen, von welchen Faktoren die Feingestalt der Oberflächen maßgeblich abhängt: - Schleifwerkzeug: Kornart, Bindung, Körnung, Verschleiß, Abrichten - Werkstückmaterial: Härte, Wärmeleitfähigkeit - Technologie: Geschwindigkeiten, Vorschübe, Spanungsvolumen - Prozessführung: Schruppen, Schlichten, Ausfunken - Kühlschmierstoff - Maschine: bewegte Massen, Steifigkeit und Dämpfung. Ich möchte mit Ihnen die wesentlichen Einflussfaktoren besprechen und deren Wechselwirkungen darstellen. • Schleifwerkzeug Welche Kornart zum Einsatz kommt, hängt von der Zähigkeit, der Härte und der Neigung zu chemischen Reaktionen mit dem Werkstückwerkstoff ab. Die Korngröße ist im Hinblick auf das angestrebte Zeitspanungsvolumen Qw und die geforderte Oberflächenqualität wichtig. Mit zunehmender Korngröße nimmt die Oberflächenrauheit zu, während die Spankammern größer werden, so dass größere Spanungsdicken und damit größere Zeitspanungsvolumina erreichbar sind. Demnach nimmt man zum Grobschleifen ein grobes Korn und zum Feinschleifen, wo geringe Rauheiten gefordert werden, ein feines Korn. Beim Abrichten kann man über den Überdeckungsgrad Ud, siehe Kap. 6.4.6.1, die wirksame Korngröße einer Schleifscheibe beeinflussen. Die Wahl der geeigneten Bindung und der damit verbundenen Härte der Schleifscheibe - sie ist nicht identisch mit der Kornhärte - beeinflusst ebenfalls die Oberflächenfeingestalt. Harte Schleifscheiben verbessern die Oberflächengüte, erhöhen die Zerspanungskräfte und natür-

404

6 Schleifen mit rotierendem Werkzeug/Schleifen

lieh auch die thermische Belastung der Schleifscheibe und des Werkstücks. Keramische Bindungen sind härter als Kunstharzbindungen und werden daher häufig beim Präzisionsschleifen eingesetzt. • Einschleifvorgang Nachdem eine Schleifscheibe profiliert oder abgerichtet wurde, hat sie die Ausgangsrautiefe Rls0 und kommt nun zum Einsatz. Bis das gewünschte Zeitspanungsvolumen erreicht ist, was als Einschleifvorgang bezeichnet wird, vergeht eine bestimmte Zeit. Während des Einschleifens brechen Körner aus und flachen ab. Die Scheibe verschleißt. Diese Veränderung der Schleifscheibentopographie und damit der Wirkrautiefe vollzieht sich am Anfang/beim Eintritt schnell und strebt mit zunehmender Eingriffsdauer einem Grenzwert /?„ zu. Das ist der Wert, den die Schleifscheibe im Gleichgewichtszustand, wenn die Schleifscheibe, das Werkstück und die Schleiftechnologie aufeinander abgestimmt sind, erreicht, siehe Bild 6.41. Nimmt man Schleifscheiben mit unterschiedlichen Wirkrautiefen Rls0 und lässt das bezogene Zeitspanungsvolumen konstant, so stellt man fest, dass sowohl die Wirkrautiefen R,ts der Schleifscheiben als auch die Werkstückrautiefe R„, tw einem von der Ausgangswirkrautiefe Rls0 der Schleifscheibe unabhängigen Wert zustreben, wie Bild 6.41 schematisch zeigt. Bild 6.41 zeigt des Weiteren, dass sich die Wirkrautiefe der Schleifscheibe Ru und die Rautiefe der Werkstückoberfläche Rm gleichsinnig verändern, d. h. sinkt R: so fällt auch tf ab. Eingangsgrößen Rtso'

Q'w j L

Ausgangsgrößen R ^ a

b

c

+ Rtw^a Bild 6.41: Einfluss der Ausgangswirkrautiefe R m auf die Wirkrau tiefe Rn und die Werkstückrautiefe /?,. (nach [7])

• Bezogenes Zeitspanungsvolumen Q 'w Wie Sie bereits aus Kap. 6.3.5 und 6.3.6 wissen, ist das Zeitspanungsvolumen Qw definiert als: Qw=ae-ap-vf und das bezogene Zeitspanungsvolumen g'w=

'

f

=ae-vf

(6.28)

6.6 Oberflächen- und Formbeeinflussung

405

Es nimmt den größten Einfluss auf die Rauheit der Werkstückoberfläche, die im Bild 6.42 dargestellt ist. Lässt man die Ausgangs-Wirkrautiefe Rlt0 konstant, erhält man: - ein großes bezogenes Zeitspanungsvolumen Q'w erzeugt eine große SchleifscheibenWirkrautiefe Ra und diese wiederum eine große Werkstück-Rautiefe Rm - ein kleines bezogenes Zeitspanungsvolumen Q'w erzeugt eine kleine SchleifscheibenWirkrautiefe R„ und diese wiederum eine kleine Werkstück-Rautiefe R,. Eingangsgrößen

Q\»

a b c

Bild 6.42: Einfluss des bezogenen Zeitspanungsvolumens Q auf die Wirkrautiefe R:s und die Werkstückrautiefe R,„ (nach [7])

• Bearbeitungsart: Schruppen, Schlichten, Ausfunken Wie Sie bereits wissen, schließt ein großes Zeitspanungsvolumen eine hohe Oberflächengüte aus. Deshalb wird der gesamte Schleifprozess, abhängig von dem abzutragenden Zerspanungsvolumen, in mehrere Schritte zerlegt. Es wird zunächst beim Schruppen ein großes Zeitspanungsvolumen abgetragen und anschließend geschlichtet, um eine hohe Oberflächengüte zu erreichen, wie Bild 6.43 zeigt. Im Prozessschritt 1 wird geschruppt, in 2 geschlichtet und in 3 wird ausgefunkt. Beim Ausfunken wird ohne Zustellung geschliffen, wodurch einerseits die Rauheit erheblich gesenkt, aber andererseits die Bearbeitungszeit erhöht wird.

Eingangsgrößen

Q'w

-*tc

Bild 6.43: Einfluss unterschiedlicher Prozessschritte auf die Werkstückrautiefe R^ 1 Schruppen, 2 Schlichten, 3 Ausfunken (nach [35])

• Schnittgeschwindigkeit Eine Erhöhung der Schnittgeschwindigkeit vc bewirkt ein häufigeres Eingreifen der Körner und führt bei einem konstanten bezogenen Zeitspanungsvolumen Q 'w dazu, dass jeweils weniger Werkstückmaterial abgetragen wird. Dadurch verringern sich die Schnittkräfte, so dass die Werkstück-Rautiefe RMkleiner wird, wie im Bild 6.44 zu sehen ist.

6 Schleifen mit rotierendem Werkzeug/Schleifen

406

Die hohen Schnittgeschwindigkeiten erzeugen mehr Prozesswärme und damit eine höhere Werkstück-Temperatur, wodurch die Tiefe za der beeinflussten Randzone zunimmt, wie Bild 6.44 verdeutlicht.

Eingangsgrößen Qw'

+ v„ i Bild 6.44: Einfluss der Schnittgeschwindigkeit die Werkstückrautiefe Rn und die Randzone (nach [71)

auf

• Kühlschmierstoff KSS Er nimmt ebenfalls einen wesentlichen Einfluss auf die Werkstück-Rautiefe R,w. Beim Schleifen entstehen bei den hohen Schnittgeschwindigkeiten hohe Temperaturen in der Kontaktzone Werkstück-Schleifscheibe. Ca. 80 % der beim Schleifen umgesetzten Energie geht als Wärme in das Werkstück. Mit Öl wird die Reibung in der Kontaktzone WerkstückSchleifscheibe erheblich stärker verringert als mit Emulsion, wodurch die Rautiefe einer mit Öl geschliffenen Oberfläche geringer ist als einer mit Emulsion, wie Bild 6.45 zeigt. Beim Trockenschleifen entstehen unter sonst gleichen Verhältnissen die größten Rauheitswerte.

trocken

- - Emulsion Öl



Bild 6.45: Einfluss des Kühlschmierstoffs auf die Werkstückrautiefe und das bezogene Zeitspanungsvolumen Q \ (nach [33])

Rk

• Steifigkeit der Maschine und des Spindelstocks Die Steifigkeit bewirkt, dass Änderungen der Zustellung/Vorschubgesschwindigkeit, wie sie beim Übergang Schruppen - Schlichten auftreten, nicht sofort, sondern erst zeitverzögert umgesetzt werden, wie Ihnen Bild 6.46 schematisch verdeutlicht. Die gewünschte Rautiefe beim Schlichten wird abhängig von der Maschine und der eingesetzten Schleiftechnologie erst nach 2-10 s erreicht.

407

6.6 Oberflächen- und Formbeeinflussung

>tc Bild 6.46: Einfluss der Steifigkeit auf die Werkstückrautiefe nach [7]

• Schwingungen: fremd und selbst erregt Formfehler am Werkstück werden häufig auch durch Schwingungen der Schleifmaschine erzeugt. Hierbei kommt es zu einer Relativbewegung in der Kontaktzone SchleifscheibeWerkstück. Grundsätzlich wird zwischen - fremd erregten und - selbst erregten Schwingungen unterschieden. Fremd erregte Schwingungen werden von außen in den Schleifprozess eingebracht, z. B. durch Schleifscheibenunwucht (siehe Kap. 6.4.6.3), durch Umformmaschinen in der Nähe der Schleifmaschine, falls diese nicht auf schwingungsgedämpften Fundamenten stehen oder durch periodische Schwingungen, die durch die Vorschub- und Schnittbewegung periodisch eingeleitet werden. Die Unwucht bildet sich beim Rundschleifen mit dem Drehzahlverhältnis von Schleifscheibe und Werkstück als Welligkeit auf der Oberfläche ab. Selbst erregte Schwingungen werden durch Eigenschwingungen von Maschinenbauteilen erzeugt. Diese führen zu sog. Rattererscheinungen, die den Schleifprozess instabil machen. Um diese Gefahr zu verringern, sollte bei gleichem bezogenen Zeitspanungsvolumen Qw = ae • =

konst-

der Arbeitseingriff at erhöht und die Werkstückgeschwindigkeit vw verringert werden.

6.6.1.3

Erreichbare Oberflächenqualitäten

Unter sonst gleichen Schleif- und Abrichtbedingungen zeigt Bild 6.47, welche maximale Rautiefe /?, bei unterschiedlicher Körnung erreichbar ist. Beachten Sie bitte, dass eine Rautiefe R^ « 1 |im einem Mittelrauwert RA ~ 0,1 ^m in der Rauheitsklasse N3 entspricht. Im Allgemeinen nimmt man eine mittlere Körnung 4 0 - 6 0 , siehe Tabelle 12.5, wodurch in der Rauheitsklasse N5 eine Werkstück-Rautiefe RM = 3 (im bzw. ein Mittenrauwert RA ~ 0,4 ^m erreicht werden.

408

6 Schleifen mit rotierendem Werkzeug/Schleifen

Die erreichbaren Rautiefen sind auch vom eingesetzten Schleifverfahren abhängig, wie Tabelle 6.13 zeigt. Die besten Oberflächen mit R: = 1-3 (am werden beim Profil- und Spitzenlosschleifen erreicht. Tabelle 6.13: Erreichbare Rautiefen beim Schleifen Schleifverfahren

Rautiefe /? [um]

Flachschleifen

3-8

Außenrundschleifen

2-10

Innenrundschleifen

4-20

Spitzenlosschleifen

1-3

Profilschleifen

1-3

6.6.2

Form- und Maßgenauigkeit

Neben einer hohen Oberflächengüte wird beim Schleifen vielfach auch eine hohe Form- und Maßgenauigkeit gefordert. Während die Profilgenauigkeit maßgeblich vom Schleifscheibenverschleiß bestimmt wird, hängt die Maßgenauigkeit, speziell der Rundheitsfehler von den beim Schleifen auftretenden Kräften ab, die das Gesamtsystem Werkstück - Maschine verformen, und so die Rundheit verschlechtern. 6.6.2.1 Einflussgrößen Die Form- und Maßhaltigkeit ist von folgenden Faktoren abhängig: - Schleifverfahren: Plan-/Flachschleifen, Rundschleifen, spitzenloses Schleifen - Maschine: Steifigkeit - Schwingungen: fremd und/oder selbst erregt - Werkstückabmessungen: Länge, Durchmesser - Werkstückwerkstoff: Härte, Wärmeleitfähigkeit - Technologie: Geschwindigkeiten, Vorschübe, Spanungsvolumen - Prozessführung: Schruppen, Schlichten, Ausfunken. Einige Zusammenhänge werden nun näher erläutert.

6.6 Oberflächen- und Formbeeinflussung

409

• Bezogenes Zeitspanungsvolumen Q Es wird über die Vorschubgeschwindigkeit vfr bzw. die Zustellung und den Arbeitseingriff at verändert: - Ein großes bezogenes Zeitspanungsvolumen Q erzeugt einen großen Rundheits-Formfehler Af, - Ein kleines bezogenes Zeitspanungsvolumen Q erzeugt einen kleinen Rundheits-Formfehler A/r. Der Zusammenhang zwischen der radialen Vorschubgeschwindigkeit v/r und dem Formfehler A/r ist im Bild 6.48 dargestellt. Eingangsgröße

Vfr/ik ae / / / / / /

Vw' i

Ausgangsgröße Afr



=>

-•Vfr/ae Afr

->vw

Bild 6.48: Einfluss des Arbeitseingriffs at und der Werkstückgeschwindigkeit vw auf den Rundheitsfehler Af beim Plan-Umfangs-Querschleifen (nach

[33])'

• Werkstückgeschwindigkeit v,,, Auch die Werkstück-Umfangsgeschwindigkeit vu, beeinflusst die Formabweichung. Mit zunehmender Werkstück-Umfangsgeschwindigkeit Vk, verringert sich bei konstanter radialer Vorschubgeschwindigkeit v/r die Zustellung ae pro Umdrehung und damit auch der Rundheitsfehler Afr, wie Bild 6.48 schematisch zeigt. • Schnittgeschwindigkeit vc Eine Erhöhung der Schnittgeschwindigkeit vc bewirkt ein häufigeres Eingreifen der Körner und führt bei einem konstanten bezogenen Zeitspanungsvolumen dazu, dass jeweils weniger Material abgetragen wird. Dadurch verringern sich die Schnittkräfte, so dass die WerkstückFormabweichung kleiner wird. Diesen Zusammenhang zeigt Bild 6.49.

Ausgangsgröße Afr-

Bild 6.49: Einfluss der Schnittgeschwindigkeit auf den Rundheitsfehler Afr (nach [33])

410

6 Schleifen mit rotierendem Werkzeug/Schleifen

• Maschine und Spindelstock: bewegte Massen, Steifigkeit und Dämpfung Sie bewirken, dass Änderungen der Zustellung/Vorschubgeschwindigkeit, wie sie beim Übergang Schruppen - Schlichten auftreten, nicht sofort, sondern erst zeitverzögert umgesetzt werden, wie Ihnen Bild 6.46 schematisch verdeutlicht.

Bild 6.50: Einfluss

der

auf den Rundheitsfehler

6.6.2.2

Steifigkeit Afr

Maßgenauigkeit

Tabelle 6.14 zeigt, welche Maßgenauigkeiten, in IT-Klassen ausgedrückt, durch die einzelnen Schleifverfahren ohne Zusatzaufwand wie thermische Kompensation oder Messsteuerung erreichbar sind. Da die Steifigkeit des Schleifstiftes beim Innenrundschleifen im Allgemeinen gering ist, biegt sich dieser durch und verringert zusätzlich die Maßgenauigkeit. Wird das Werkstück beim Spitzenlosschleifen von unten durch die Auflage gestützt, erreicht man hier sehr hohe Maßgenauigkeiten. Tabelle 6.14: Erreichbare Schleifverfahren

Maßgenauigkeiten

beim

erreichbare Maßgenauigkeit IT-Klasse

Flachschleifen

IT 7 - I T 9

Außenrundschleifen

IT 6 - I T 8

Innenrundschleifen

IT 7 - I T 10

Spitzenlosschleifen

IT 4 - I T 6

Profilschleifen

IT 4 - I T 5

6.6.3

Schleifen

Randzonenbeeinflussung

Auch beim Schleifen treten gleichzeitig in der Kontaktzone hohe mechanische, thermische und chemische Beanspruchungen auf (siehe Kap. 1.5), die die Randzone, die Schicht nahe der Werkstückoberfläche durch - Verfestigung/Aufhärtung - Gefügeveränderung - Eigenspannungen - Randzonentemperatur - thermische Risse/Schleifrisse - Brandflecken verändern [34]. Die Randzone wird im Bild 6.51 als beeinflusste Zone dargestellt.

411

6.6 Oberflächen- und Formbeeinflussung

In Anlehnung an den Spanbildungsvorgang aus Bild 6.15 zeigt Bild 6.51 die Spanbildung, die wesentlichen Wärmequellen in der Scherzone (1), der Reibzone auf der Spanfläche (2), der Reibzone auf der Werkstückoberfläche (3) sowie einige Randzonenbeeinflussungen. Schnitt A - A

Ansicht X

beeinflusste Zone

- Anlasszone Aufhärtungszone





Ansicht X

Riss Brandfleck



Bild 6.51: Spanbildung und wesentliche Wärmequellen beim Schleifen: 1 Scherzone, 2 Reibzone-Spanfläche, 3 Reibzone-Werkstückoberfläche (= beeinflusste Zone)

• Verfestigung/Aufhärtung Infolge des mechanischen Drucks und der Reibung des Korns auf der Werkstückoberfläche (siehe Reibzone 3) wird das Randzonengefüge plastisch verformt, es kommt zu einer Verfestigung und gleichzeitiger Aufhärtung der Randzone. Dieser Vorgang findet bis zu einer Eindringtiefe von 20-50 um statt. Für das Bauteil ist eine derartige Verfestigung von Vorteil, da die statische und dynamische Festigkeit zunimmt und die Verschleißeigenschaften auf Grund der angestiegenen Härte verbessert werden. • Gefügeveränderung Beim Schleifen treten bei den hohen Schnittgeschwindigkeiten Randzonentemperaturen von bis zu 1,000°C auf, die das vergütete oder gehärtete Gefüge der Randzone verändern. So zerfällt beispielsweise das harte Martensit bereits ab 300 °C, während beim Kohlenstoffstahl mit 12 % Nickel sich das Austenit bei ca. 300 °C in Ferrit umwandelt. Da Temperaturen von maximal 1.000 °C auftreten, erreichen diese Gefügeänderungen eine hohe Eindringtiefe Eh: von bis zu 0,5 mm, siehe Bild 6.15, wodurch sich die Gebrauchseigenschaften des Bauteils stark verschlechtern können. • Eigenspannungen können beim Schleifen - mechanische oder - thermische Ursachen haben [60], Diese unterschiedlichen Eigenspannungen treten stets gemeinsam auf, so dass eine Trennung nicht möglich ist. Dennoch werden diese unterschiedlichen Eigenspannungsarten getrennt behandelt, da sie unterschiedliche Ursachen haben. Wenn sich das Korn in Schnittrichtung bewegt, wird die Randzone (siehe Verfestigung) plastisch verformt und es entstehen vor dem Korn Druckspannungen. Diese bleiben auch, nach-

412

6 Schleifen mit rotierendem Werkzeug/Schleifen

dem das Korn die Oberflächenstelle in Schnittrichtung verlassen hat, bestehen, wie Bild 6.52 zeigt. Die im äußeren Oberflächenbereich entstehenden Druckeigenspannungen befinden sich im Gleichgewicht mit den in der tieferen Zone liegenden Zugeigenspannungen. Diese Druckeigenspannungen in der Oberfläche verbessern einerseits die Wechselfestigkeit des Bauteils und andererseits können sie bei einer Wärmebehandlung abgebaut werden und zu einem unerwünschten Bauteilverzug führen. Deshalb darf nach dem Schleifen keine Wärmebehandlung durchgeführt werden!

Zug j

0

Druck i

0,01

0,02

0,03

0,04

Eindringtiefe [mm]

ß^j (5.52; Mechanisch nach

bedingte

Eigenspannungen

[ 6 0 ]

Die beim Schleifen auftretenden Temperaturen erwärmen/erhitzen die Oberfläche, die Randschicht dehnt sich aus, wodurch thermische Druckspannungen entstehen, die die Fließgrenze überschreiten und zu einer plastischen Verformung in der Randzone führt. Beim Abkühlen auf Raumtemperatur werden die zuvor gestauchten/gedrückten Körner der Randzone unter einer Zugbelastung gelängt, um in das Gefüge hineinzupassen. Den thermisch bedingten Eigenspannungsverlauf zeigt Bild 6.53. Bitte beachten Sie, dass die thermische Eigenspannung eine erheblich größere, bis 0,2 mm Tiefenwirkung haben als die mechanisch bedingten Eigenspannungen mit bis zu 0,05 mm. Aus der mechanischen und thermisch bedingten Eigenspannung ergibt sich eine resultierende Eigenspannung, denn nur diese kann gemessen werden.

Eindringtiefe [mm]

Bild 6.53: Thermisch bedingte nungen nach [60]

Eigenspan-

• Thermische Risse/Schleifrisse Werden die thermischen Zugeigenspannungen in der Oberfläche so groß, dass sie die zulässigen Spannungen überschreiten, treten in der Oberfläche Risse auf, die sich in alle Richtun-

6.6 Oberflächen- und Formbeeinflussung

413

gen ausbreiten. Die Bauteileigenschaften, insbesondere bei einer Wechselbeanspruchung werden dadurch erheblich verschlechtert. Je härter der Werkstückwerkstoff ist, um so mehr werden die Bauteileigenschaften beeinträchtigt, da kleine Risse nicht durch lokales plastisches Fließen ausgeglichen werden können. Um Risse zu vermeiden, sollte darauf geachtet werden, dass möglichst wenig Prozesswärme entsteht bzw. in das Werkstück dringt, und es so aufheizt. In der Praxis werden folgende Maßnahmen ergriffen: - Erhöhung der Werkstückgeschwindigkeit vw: Je größer diese ist, um so schneller kann der Kühlschmierstoff die bearbeitete Werkstückzone erreichen und diese abkühlen. - Verringerung der Zustellung a;. Bei einer geringen Zustellung nimmt das bezogene Zeitspanungsvolumen und die im Schleifprozess entstehende Energie, die weitestgehend in Wärme umgewandelt wird, ab. Dadurch sinkt einerseits die Temperatur auf der Werkstückoberfläche und andererseits nimmt die Eindringtiefe Eht der beeinflussten Zone ab, siehe Bild 6.51. - Schleifscheibe abrichten: Je stumpfer die Schleifscheibe ist, umso mehr Wärme entsteht in der Kontaktzone, die in das Werkstück eindringt und dieses erhitzt. - Schnittgeschwindigkeit verringern: Bei geringerer Schnittgeschwindigkeit nimmt die Prozesswärme und damit auch die Temperatur in der Kontaktzone ab. • Brandflecken Brandflecken entstehen infolge lokaler Überhitzung der Oberfläche durch: - Ausfall des Kühlschmierstoffs oder - Schleifstaub verstopfte Spanräume/Poren.

6.6.4

Fragen - Übungen

1.

Von welchen Einflussgrößen hängt die Oberflächenrauheit ab?

2.

Wie wirken sich die Eigenschaften der Schleifscheibe (Schleifmittel, Korngröße, Bindung, Härte) auf die Oberflächengüte aus?

3.

Welchen Einfluss hat das bezogene Zeitspanungsvolumen auf die Rauheit?

4.

Wie wirkt sich die Technologie wie Schnittgeschwindigkeit, Werkstückgeschwindigkeit und Arbeitseingriff auf die Maßgenauigkeit aus?

5.

Nennen Sie die wichtigsten Randzonenbeeinflussungen beim Schleifen. Fertigen Sie hierzu eine kleine Skizze an.

6.

Erläutern Sie zwei dieser Einflüsse.

Die Lösungen finden Sie auf den Internetseiten des Verlages unter http://www.oldenbourgverlag.de unter dem Buchtitel.

414

6 Schleifen mit rotierendem Werkzeug/Schleifen

6.7

Technologie und Anwendungsbeispiele

6.7.1

Verschleißarten

Auf Grund der beim Schleifen auftretenden hohen mechanischen, chemischen und thermischen Beanspruchung tritt Verschleiß auf. Nur welcher? Jede Schleifscheibe besteht aus Körnern, die durch eine Bindung zusammengehalten werden und dazwischen befinden sich die Porenräume, siehe Bild 6.22. Verschleißen kann - das Korn und - die Bindung. Die unterschiedlichen Verschleißarten am Korn und an der Bindung zeigt Bild 6.54, die wir nun besprechen werden. • Kornverschleiß Die Belastungen beim Schleifen nimmt zunächst das Korn auf. Die am Korn entstehenden Verschleißarten sind: - Abstumpfung: Das Korn reibt auf der Werkstückoberfläche und bei den hohen Temperaturen nimmt seine Verschleißfestigkeit ab. - Mikrorisse: Die hohe mechanische und thermische Wechselbelastung (Ein- und Austritt der Körner aus dem Werkstück bei darauffolgendem Abkühlen durch den Kühlschmierstoff) führen zu Mikrorissen. - Absplitterung: Die Mikrorisse führen zum Absplittern einzelner Kristallteile aus dem Korn und bilden so neue und scharfe Schneidkanten (Selbstschärfeeffekt), was angestrebt wird. Die Mikrorisse können auch zu einem Kornbruch führen, wie er im Bild 6.54 dargestellt ist. - Ausbrechen: Ganze Körner oder gar Korngruppen brechen aus der Bindung aus, da die mechanische Belastung zu groß ist, um die Körner in der Bindung zu halten.

Bindung Poren ausgebrochenes Schleifkorn Bindungs, , .„ verschleiß

Kornbruch stumpfes ' Korn

Bindungsbruch Mikrorisse

Werkstück



Bild 6.54:

Verschleißarten

Bindungsverschleiß - Auswaschen: Auch die Bindung tritt mit den Spänen und dem Kühlschmierstoff in Verbindung. Diese können die Bindung zerstören und auswaschen. - Bindungsbruch: Wenn die Belastung auf das Korn zu groß wird, kann die Bindung das Korn nicht mehr festhalten und bricht. Häufig ist der Kornverschleiß die Ursache für den Bindungsbruch.

6.7 Technologie und Anwendungsbeispiele

6.7.2

415

Verschleißformen

Der Verschleiß an der Schleifscheibe wird durch die beiden Kenngrößen: - Radialverschleiß Ar - Kantenverschleiß Ar.sk beschrieben, die im Bild 6.54 dargestellt sind. Schleifscheiben verschleißen an den Rändern/Kanten dort, wo das Korn den Kontakt zum Werkstück hat und nur einseitig von der Bindung gehalten wird. Der ursprüngliche Schleifscheibenradius rs wird um den Radialverschleiß Ar, verringert, während die ursprünglich eckigen Kanten um Arsk verrunden. Durch den Radialverschleiß Ars wird die Schleifscheibe im Durchmesser kleiner und fuhrt im Allgemeinen zu einer Maß- und Formabweichung. Der Kantenverschleiß Arsk, also die Abrundung an den Kanten, fuhrt zu einer Formänderung des Werkstücks, die insbesondere beim Schleifen von Profilen problematisch ist. Durch Abrichten um den Betrag Arsk wird das ursprüngliche Scheibenprofil wiederhergestellt und der Kantenverschleiß beseitigt.

Schleifscheibe

Verschleibabtrag

Bild 6.55: Verschleißformen einer Schleifscheibe: Radialverschleiß Ärt Kantenverschleiß ArA

Wenn eine hohe Profilgenauigkeit gefordert wird, müssen beide Verschleißformen minimiert werden. Man nimmt in diesem Fall härtere Scheiben, die langsamer verschleißen.

6.7.3

Verschleißkenngrößen

Die wesentlichen in der Praxis verwendeten Verschleißkenngrößen sind: - Radialverschleiß Ar - Schleifverhältnis G. Das Schleifverhältnis G sagt aus, wieviel mm3 Werkstückwerkstoff von 1 mm1 Schleifscheibenwerkstoff abgetragen werden können. Der Radialverschleiß Ar geht über das Scheibenverschleißvolumen V in das Schleifverhältnis G ein. Schleifscheiben mit Schleifmitteln aus Korund oder Siliziumkarbid haben ein Schleifverhältnis 20 < G < 60, während die aus Diamant oder Bornitrid ein Schleifverhältnis 100 < G < 450 aufweisen. Ein Schleifverhältnis G - 100 besagt, dass 100 mm3 Werkstückwerkstoff von 1 mm3 Schleifscheibenwerkstoff abgetragen wird.

416

6.7.4

6 Schleifen mit rotierendem Werkzeug/Schleifen

Technologie

Auch beim Schleifen wird grundsätzlich zwischen den Bearbeitungsarten: - Schruppen - Schlichten und - Feinstschlichten unterschieden. 6.7.4.1 Schleifmittel und Einsatzgebiete Tabelle 6.15 zeigt Ihnen, welche Schleifmittel bei welchen Schleifverfahren und Werkstoffen in der Praxis eingesetzt werden. Tabelle 6.15: Schleifmittel und deren Schleifmittel und deren Bezeichnung



Einsatzgebiete Einsatz gebiete Verfahren

Werkstoffe

Normalkorund NK

Schruppbearbeitung, Trennschleifen, Entgraten, Putzen, Bandschleifen

unlegierte, niedriglegierte, auch gehärtete Stähle, Stahl- und Temperguss, NEMetalle

Halbedelkorund HK

Außenrund- und Spitzenlosschleifen, Bandschleifen

unlegierte, legierte, ungehärtete und gehärtete Stähle, Späroguss, Stahlguss, Werkzeugstähle

Edelkorund EK

Rund-, Plan-, Gewinde-, Profilschleifen, Bandschleifen

Legierte, ungehärtete und gehärtete Stähle, nichtrostende Stähle, Stahlguss, HSS

Siliziumkarbid schwarz SiC

Schruppbearbeitung, Trennschleifen, Bandschleifen

Grauguss, Aluminium

Siliziumkarbid grün SiC

Alle Schleifverfahren

Hartmetalle, Glas, Porzellan, Marmor, Edelsteine, Buntmetalle

kubisches Bornitrid CBN

Rund-, Plan-, Gewinde-, Profilschleifen, Bandschleifen

gehärtete Stähle, HSS, hochwarmfeste Sonderwerkstoffe

Diamant D

Plan-, Profilschleifen

Keramik, Glas, Hartmetall, Cermets, Schneidkeramik, Buntmetalle

Die Wahl der geeigneten Schleifscheibe (Schleifmittel, Körnung, Härtegrad, Bindung, Gefüge) erfolgt nach folgenden Kriterien-. - Maschine: Steifigkeit, Schleifverfahren - Schleifverfahren: Außenrundeinstech-, Innenrundlängs-, Spitzenlos-, Planschleifen - Werkstück: Werkstoff, Form (Steifigkeit), Genauigkeit, Oberflächenrauheit, Randzonenbeeinflussung - Technologie: Bearbeitungsart, Schnitt-, Werkstück- und Vorschubgeschwindigkeit, Zustellung - Kühlschmierstoff: Art und Zuführung - Abrichtbedingungen: Abrichtwerkzeug, Überdeckungsgrad - Wirtschaftlichkeit: Losgröße, Kosten.

417

6.7 Technologie und Anwendungsbeispiele •

Beispiel für die Bezeichnung des Schleifmittels nach DIN 69100: A (Korund) 60 L 5 V (keramisch) Schleifmittel - Körnung - Härte - Gefüge - Bindung.

Tabelle 6.16 zeigt eine kleine Auswahl von Schleifscheiben der Formen 1 (gerade Schleifscheibe), 5 (gerade Schleifscheibe einseitig ausgespart) und 7 (gerade Schleifscheibe beidseitig ausgespart), die für bestimmte Schleifverfahren und Werkstoffgruppen eingesetzt werden. Stähle werden häufig mit keramisch gebundenem Korund, gehärtete Stähle mit keramisch gebundenem kubischem Bornitrid und Hartmetalle mit keramisch gebundenem Siliziumkarbid oder Diamant geschliffen. Tabelle 6.16: Auswahl von Schleifscheiben abhängig vom Werkstückwerkstoff pold Winterthur Schleiftechnik GmbH)

und Schleif verfahren (nach Fa. Rap-

Schleifverfahren Werkstoffgruppe Außenrund-

Innenrund-

spitzenloses Durchgangs-

Profil- und Flach-

Stahl ungehärtet Rm < 700 N/mm 2

A 80 L 6 V

A 80 K 5 V

A 80 L 6 V

A 46 J 8 V

Stahl gehärtet Rm < 1.200 N/mm 2

A 80 J 7 V

A 80 H 8 V

A 80 G 6 V

A 46 H 15 V

C 80 G 6 V

B126 P 3 V

A 36 G 10 V

B 91 P 3 V

C 60 P 7 B

B 126 N 15 V

A 80 L 5 V

A 120 L 15 V

A 80 L 6 V

A 4 6 H 15 V

C 80 F 13V

C 120 H 18 V

C 46 Q 5 B

B 126 N 15 V

B126 Q 3 V

C 6 0 H 15 V

rostfreier Stahl ungehärtet und gehärtet

B 91 P 3 V Gusseisen Hartmetall/Keramik Nichteisenmetalle

A 80 J 7 V

A 80 J 7 V

A 60 L 6 V

A 4 6 I 12 V

C 80 H 5 V

C 80 K 6 V

C60K4V

C 4 6 H 15 V

C 80 H 5 V

C 80 G 6 V

C 80 H 5 V

C 6 0 H 15 V

D 91 P 5 V

D 91 P 3 V

D126 P 3 V

D 126 N 15 V

C 60 H 15 V

C 80 G 6 V

C 8 0 H 15 V

C 60 H 18 V

Bezüglich des Werkstoffs und des Schleifverfahrens werden in der Praxis folgende Zusammenhänge beachtet: - Je härter der Werkstoff ist, desto weicher (geringere Wirkhärte) ist die Schleifscheibe zu wählen. - Je kleiner die Kontaktfläche ist (siehe Bild 6.18), desto härter soll die Scheibe sein. Beim Außenrundschleifen ist die Kontaktlänge / kleiner als beim Innenrundschleifen, weshalb beim Außenrundschleifen auch eine härtere Schleifscheibe zum Einsatz kommt. - Je größer der Arbeitseingriff/die Zustellung ist, umso größer muss die Körnung sein. Zum Schruppen wird ein poröses Gefüge, das große Porenräume/Spankammern besitzt, eingesetzt.

418

6.7.4.2

6 Schleifen mit rotierendem Werkzeug/Schleifen

Technologie

Im Folgenden werden die wesentlichen technologischen Einflussgrößen behandelt. • Schleifscheiben-Umfangsgeschwindigkeit/Schnittgeschwindigkeit In Tabelle 6.17 sind Richtwerte für Umfangsgeschwindigkeiten von keramisch- und kunstharzgebundenen Schleifmitteln dargestellt. Sie enthält folgende Informationen: - Keramisch gebundene Schleifscheiben werden nur nass eingesetzt, da sie spröde sind und nur eine geringe Temperatur-Wechselfestigkeit besitzen. Hingegen wird mit kunstharzgebundenen Schleifscheiben nass und trocken geschliffen. - Beim Innenrundschleifen sind die zulässigen Umfangsgeschwindigkeiten auf Grund der großen geometrischen Kontaktlänge / immer geringer als bei den anderen Schleifverfahren. - Beim Einsatz von Kühlschmierstoffen können höhere Schnittgeschwindigkeiten erreicht werden als bei der Trockenbearbeitung. - Je größer die Schleifscheiben-Umfangsgeschwindigkeit/Schnittgeschwindigkeit ist, desto weicher muss die Schleifscheibe sein. Tabelle 6.17: Richtwerte für Umfangsgeschwindigkeiten Schleiftechnik GmbH)

von Standardschleifscheiben

(nach Fa. Rappold

CBN-Schleifmittel

Diamant-Schleifmittel Anwendung/ Schleifverfahren Außenrundschleifen

Bindung

Bindung Kunstharz

Winterthur

Keramik

Kunstharz

Keramik

trocken

nass

nass

trocken

nass

nass

-

18-28

20-30

18-22

20-28

20-30

Innenrundschleifen

8-12

10-20

18-28

15-20

18-30

20-30

Flachschleifen

15-20

18-28

20-30

15-22

22-35

20-30

Werkzeugschleifen

15-22

18-28

-

18-25

18-30

-

Die Schnittgeschwindigkeit vc wird meistens sehr hoch gewählt und nur in relativ engen Grenzen verändert. Sie hat beim Schleifen nicht den Stellenwert, wie bei den spanenden Verfahren mit geometrisch definierter Schneide wie Drehen, Bohren oder Fräsen. • Gleich- und Gegenlaufschleifen Das Außenrundschleifen wird im Allgemeinen im Gegenlauf durchgeführt, da der Kühlschmierstoff besser zu den im Eingriff befindlichen Schneiden gelangt und so die Gefahr thermischer Werkstückschädigungen verringert. Beim spitzenlosen Schleifen wird immer im Gleichlauf gearbeitet. • Geschwindigkeitsverhältnis q Das Geschwindigkeitsverhältnis q, das die Schleifscheiben-Umfangsgeschwindigkeit v zur Werkstückgeschwindigkeit vw ins Verhältnis setzt, beeinflusst die Rauheit und den Scheibenverschleiß. Eine Vergrößerung des Geschwindigkeitsverhältnisses q bewirkt: - eine geringere Rauheit, da mehr Körner der Schleifscheibe die Oberfläche erzeugen - einen geringeren Scheibenverschleiß - eine höhere Temperatur in der Kontaktzone (Gefahr von Schleifbrand und -rissen!).

419

6.7 Technologie und Anwendungsbeispiele

Um ein optimales Geschwindigkeitsverhältnis zu erreichen, wird im Allgemeinen die Scheibenumfangsgeschwindigkeit vs so groß wie möglich gewählt und die Werkstückgeschwindigkeit vw vergrößert. Mit zunehmender Werkstückgeschwindigkeit wird das Geschwindigkeitsverhältnis q kleiner und die örtliche Eingriffsdauer der Wärmequellen verkürzt. Der Kühlschmierstoff gelangt schneller an die Bearbeitungsstelle, weshalb die Werkstücktemperatur sinkt und die Gefahr des Auftretens von Schleif- und Brandrissen verringert wird. Das Geschwindigkeitsverhältnis ist abhängig vom: - zu bearbeitenden Werkstoff - Schleifverfahren, das die Kontaktlänge lg bestimmt, wie Ihnen Tabelle 6.18 zeigt. Je größer die Kontaktlänge ist, umso kleiner wird das Geschwindigkeitsverhältnis gewählt, vergleichen Sie hierzu das Außenrundschleifen mit dem Innenrundschleifen und dieses mit dem Werkzeugschleifen mittels Topfscheibe. Tabelle 6.18: Richtwerte für das Geschwindigkeitsverhältnis ren Rundschle ifen

Werkstückwerkstoff Außen-

q bei unterschiedlichen

Flachschleifen

Innen-

Spitzenlos-

Längs-Umfang-

Werkstoffen und Schleifverfah-

Schraub-AV erkzeugschleifen mit Topfscheibe

Stahl

120

80

120

75

50

Guss

100

60

75

60

40

Kupfer

75

50

50

50

30

Aluminium

50

30

50

30

20

Beim Rundschleifen soll gelten: 50 120 ist, besteht die Gefahr von Schleifbrand. • Vorschub und Vorschubgeschwindigkeit Abhängig vom Schleifverfahren wird zwischen einem - axialen Vorschub fa, z. B. beim Längsschleifen oder - radialen Vorschub fr, z. B. beim Einstechschleifen unterschieden. Analog ergibt sich daraus eine axiale Vorschubgeschwindigkeit vfa und eine radiale Vorschubgeschwindigkeit vfr. Tabelle 6.19 zeigt Richtwerte für den Vorschub beim Außenrundlängs- und Umfangsplanschleifen. Der Vorschub/in [mm/Umdr.] muss kleiner als die Schleifscheibenbreite bs sein, um das Werkstück bei jeder Umdrehung vollständig zu bearbeiten. Tabelle 6.19: Richtwerte für den Vorschub Außenrund-Längsschleifen

Umfangs-Planschleifen

Längsvorschub/,, [mm/Umdr.]

Seitenvorschub fr [mm/Hub]

Schruppen

(0,6-0,7)è/Umdr.

(0,6-0,8)è/Hub

Schlichten

(0,2-0,5)è/Umdr.

(0,5-0,7)t/Hub

Bearbeitungsart

420

6 Schleifen mit rotierendem Werkzeug/Schleifen

Die Vorschubgeschwindigkeit errechnet sich beim Außenrund-Längsschleifen aus v f n = v f = fn ' b e i m Rundlängsschleifen 1 1 (6.29) vf=vw beim Planschleifen Tabelle 6.20 zeigt Ihnen Richtwerte für Vorschubgeschwindigkeiten unterschiedlicher Werkstoffe. Tabelle 6.20: Richtwerte für Vorschubgeschwindigkeiten

in [ m/min/

Schleifverfahren

Werkstoff weicher Stahl

gehärteter Stahl

Grauguss

NE-Metalle

Hartmetall

Umfangsplanschleifen

10-30

10-30

15-25

15-30

5-10

Innenrundschleifen

15-25

15-20

10-20

25-40

3-8

• Zustellung/Arbeitseingriff ae Der Arbeitseingriff ae ist abhängig von der Bearbeitungsart zu wählen. Mit der Ausnahme des Tiefschleifens, bei dem der Arbeitseingriff ae Werte zwischen 0,5-5 mm erreicht, ist der Arbeitseingriff ae sehr klein im Vergleich zu den spanenden Verfahren mit geometrisch definierter Schneide. Tabelle 6.21 verdeutlicht folgende Abhängigkeit des Arbeitseingriffs ae: - Der Arbeitseingriff ae legt die Bearbeitungsart (Schruppen, Schlichten) fest. - Er ist beim Schruppen höher als beim Schlichten und liegt im |a-Bereich. - Er ist abhängig vom Schleifverfahren und nimmt beim Flachschleifen die größten und beim Außenquerrundschleifen (= Einstechschleifen) die niedrigsten Werte an. Tabelle 6.21: Zustellung/Arbeitseingriff Bearbeitungsart

ar in [mm] beim Schleifen von Stählen

Flachschleifen

Rundschleifen Außenlängs-

Innenlängs-

Außenquer-

Schruppen

0,02-0,1

0,02-0,05

0,01-0,04

0,003-0,03

Schlichten

0,002-0,01

0,002-0,02

0,001-0,01

0,0005-0,03

• Abrichten und Überdeckungsgrad Der gewählte Überdeckungsgrad Uä richtet sich danach, welche Bearbeitungsart (Schruppen, Schlichten) erforderlich ist. Nimmt man beim Abrichten einem hohen Überdeckungsgrad Ud = 6-8, z. B. zum Feinstschlichten, dann können sehr geringe Oberflächenrauheitswerte erzielt werden, siehe Tabelle 6.22. Tabelle 6.22: Richtwerte für den Überdeckunggrad Bearbeitungsart Überdeckungsgrad

Ud beim

Abrichten

Schruppen

Schlichten

Feinstschlichten

2-3

3-6

6-8

6.7 Technologie und Anwendungsbeispiele •

421

Einflussgrößen beim Schleifen und deren Auswirkungen: - Je größer die Schleifscheiben - Umfangsgeschwindigkeit/Schnittgeschwindigkeit ist, desto weicher muss die Schleifscheibe sein. - Je kleiner die Zustellung ist, um so weicher muss die Schleifscheibe sein. - Je kleiner die Kontaktfläche ist (siehe Bild 6.18), beispielsweise beim Außenrundschleifen kleiner Werkstücke, desto härter ist die Scheibe zu wählen. - Je härter der Werkstoff, desto weicher ist die Schleifscheibe zu wählen. - Höhere Härte (= Widerstand der Bindung gegenüber dem Ausbrechen der Schleifkörper) bewirkt eine: - Verringerung der maximalen Zerspanungsleistung - Verringerung der Rauheit - Verringerung der Formfehler - Zunahme der Werkstücktemperatur, wenn die Körner zu spät abbrechen - Gröberes Korn (entspricht einer kleinen Kornnummer, z. B. 10-30) bewirkt eine: - Vergrößerung der maximalen Zerspanungsleistung - Zunahme der Rauheit - Zunahme der Formfehler - Zunahme der dynamischen Härte - Offeneres Gefüge (höhere Strukturzahl) bewirkt eine: - geringere Werkstücktemperatur - geringere dynamische Härte - höhere Rauheit - Höhere Schnittgeschwindigkeit/Umfangsgeschwindigkeit bewirkt eine: - geringere Rauheit - geringeren Formfehler - höhere Werkstücktemperatur.

6.7.5

Tiefschleifen

Sie haben das Pendelschleifen, bei dem die Werkstückgeschwindigkeit v,, beim Erreichen der Schleiflänge die Richtung wechselt, und die Technologie kennengelernt. Der gesamte Arbeitseingriff a wird durch wiederholte Zustellungen ae nach jedem Hub erreicht, wie Bild 6.56a verdeutlicht.

a Pendelschleifen Bild 6.56: Gegenüberstellung

b Tiefschleifen Pendel- und Tiefschleifen

422

6 Schleifen mit rotierendem Werkzeug/Schleifen

Im Gegensatz dazu wird beim Tiefschleifen der gesamte Arbeitseingriff a e häufig in einem Durchgang geschliffen, wie im Bild 6.56b dargestellt. Vergleicht man die beiden Verfahren miteinander, so ergeben sich besondere Merkmale, die Sie Tabelle 6.23 entnehmen können. Das Tiefschleifen ist Schleifen mit einem großen Arbeitseingriff at und einer geringen Vorschubgeschwindigkeit vf die der Werkstückgeschwindigkeit v^, entspricht. Tabelle 6.23: Gegenüberstellung

Pendelschleifen

Merkmal Arbeitseingiff/Zustellung at [mm] Vorschubgeschwindigkeit vr [mm/s]

und

Tiefschleifen Pendelschleifen

Tiefschleifen

sehr gering: 0,001-0,1

sehr hoch: 5 - 3 0

hoch: 50-1.000

gering: 0 , l ^ t 0

Das Tiefschleifen eignet sich zum Plan-, Rund-, Profil- und Schraubschleifen und wird heute in der Praxis vielfach eingesetzt, beispielsweise bei der Herstellung von Bohrernuten, Fräsernuten, siehe Bild 6.57, Führungsbahnen oder Füßen von Turbinenschaufeln, siehe Bild 6.9c. Es ist verglichen mit dem Pendelschleifen wirtschaftlicher, mit kürzeren Schleifzeiten, da keine Leerwege vorhanden sind und keine Zeiten zur Umsteuerung des Tisches anfallen.

a HSC-Schaftfräser Bild 6.57: Tiefgeschliffene GÜHRING oHG)



b Kopier-Schaftfräser Hartmetall-Werkzeuge

c Spiralbohrer, d Gewindebohrer, e Reibahle

(Werkfotos a+b Fa. PROTOTYP-Werke

GmbH, c+d+e Fa.

Vorteile des Tiefschleifens gegenüber dem Pendelschleifen: - höhere Produktivität, da kürzere Schleifzeiten - höhere Wirtschaftlichkeit - geringerer Kanten- und Radialverschleiß und damit höhere Form- und Profilgenauigkeit - höheres bezogenes Zeitspanungsvolumen Q 'w - bessere Oberflächenqualitäten mit glänzenden Oberflächen - höhere Form- und Maßgenauigkeit, weshalb sich das Tiefschleifen besonders zum Profilschleifen eignet.

6.7 Technologie und Anwendungsbeispiele •

423

Durch die große Zustellung ae ergeben sich weitere Besonderheiten beim Tiefschleifen: - Die geometrische Kontaktlänge /,/Kontaktfläche zwischen Schleifscheibe und Werkstück nimmt zu, es bilden sich lange, dünne Späne und die Einwirkzeit der Wärme nimmt bei einer größeren Kontaktlänge zu. - Die Zufuhr des Kühlschmierstoffs wird erschwert. - Der Abtransport der Späne wird schwieriger. - In der Kontaktzone treten höhere Temperaturen auf.

Das heißt, man muss versuchen, möglichst wenig Wärme in der Kontaktzone zu erzeugen und diese dann sehr schnell abführen. •

Abhilfemaßnahmen zur Lösung der thermischen Probleme: - verbesserte Kühlung: Zufuhr und höhere Drücke, um die Luft im Schleifspalt zu verdrängen - thermisch stabile Schleifmittel mit hoher Warmhärte und -festigkeit: z. B. Bornitrid - Schleifmittel mit einer hohen Wärmeleitfähigkeit, um die Wärme schnell abzuführen: z. B. Bornitrid - Schleifmittel, die sich durch Absplitterung schnell selbst schärfen - weiche Schleifscheiben (Kennnbuchstaben G, H) - feinporöses/offenes Gefüge (Korngröße 100-280), um den Kühlschmierstoff besser aufzunehmen, um die Zahl der im Eingriff befindlichen Körner zu verringern und um die langen, dünnen Späne aufzunehmen.

Bild 6.58 zeigt Ihnen, wie das Spanbrecherprofil eines HSS-Walzenstirnfräsers ( 125 mm x 56 mm) mittels einer profilierten Bornitridschleifscheibe mit einer Bronzebindung geschliffen wird und welche Technologie hierbei eingesetzt wird. Werkstoff S 1 0 - 4 - 3 - 1 0 (EW9Co 10, 1.3207) Schleifscheibe: 14A1 - 300-4,6 - 10 - H - B91 - B - MC - V240 Schnittgeschwindigkeit vt = 38 m/s Werkstückgeschwindigkeit v_ = 300 m/min Zustellung ar = 0,75 mm bezog. Zeitspanungsvolumen Q 'w = 3.8 mmVmms Schleifverhältnis G = 780 Standmenge N = 60 Stück Schleifscheiben-Lebensdauer 4.400 Stück Bild 6.58: Profilschleifen des Spanbrecherprofils Diamantwerkzeuge GmbH 10-100 innen gehont werden. Gehont werden Durchgangsbohrungen (siehe Bild 7.7a), unterbrochene (siehe Bild 7.7b) abgesetzte (siehe Bild 7.7c) Bohrungen sowie Sacklochbohrungen (siehe Bild 7.7d), wobei die gehonte Länge bis zum Freistich geht. Des Weiteren werden auch konische (siehe Bild 7.7e), elliptische (siehe Bild 7.7g) oder beliebig profilierte Bohrungen (siehe Bild 7.7f) gehont.

Bild 7.7: Anwendungen des Langhubhonens

7.2.2

Beispiele für das Langhubhonen

Heute werden beispielsweise folgende Werkstücke durch Langhubhonen bearbeitet: Bremstrommeln, Pleuelbohrungen, Bohrungen von Zahnrädern und Motorgehäusen, Bremszylinder, Innenbohrungen der Pneumatik- und Hydraulikzylinder, Hydraulikblöcke, Büchsen etc. Bild 7.8 zeigt Ihnen einige typische durch Langhubhonen bearbeitete Werkstücke.

446

7 Honen

Bild 7.8: Typische langgehonte PKW-Werkstücke Maschinenfabrik Gehring GmbH & Co.)

7.2.3

(Werkfotos a Fa. Nagel Maschinen- und Werkzeugfabrik GmbH, b

Einsatzgebiete des Kurzhubhonens

Das Kurzhubhonen wird entweder über Aufsetzgeräte bei Drehmaschinen (bei kleineren Stückzahlen) oder auf speziellen Kurzhubhonmaschinen (bei großen Stückzahlen) durchgeführt. Zum Kurzhubhonen zählen mehrere Honverfahren, die Sie aus Bild 7.2 kennen. Bild 7.9 zeigt Ihnen typische Werkstückformen, deren Form- und Oberflächengenauigkeit durch Kurzhubhonen wesentlich verbessert wird. Das Kurzhubhonen wird zur Bearbeitung langer (siehe Bild 7.9a), kurzer, aber auch konischer (siehe Bild 7.9b) Werkstücke eingesetzt. Im Einstechverfahren werden Absätze (siehe Bild 7.9c) oder Profile (siehe Bild 7.9e+g), seltener Innenflächen (siehe Bild 7.9f) bearbeitet.

//////

Am

•4

y

Wh WH,

HV / / / / / / / / / / / / / A Bild 7.9: Anwendungen des

i

Kurzhubhonens

447

7.3 Schneidengeometrie und Spanbildung

7.2.4

Beispiele für das Kurzhubhonen

Das Kurzhubhonen wird heute dort eingesetzt, wo höchste Anforderungen an die Mikrostruktur der Oberfläche und an die Formgenauigkeit gestellt werden, beispielsweise bei Laufbahnen von Außen- und Innenlagerringen, Lagerbüchsen, Wälzlager- und Kegelrollen, Lagerstellen von Kurbel-, Rotor-, Nocken- oder Antriebswellen, Führungsbahnen, Ventilsitzen, Dichtflächen, Brems- und Kupplungsscheiben, Kreuzgelenken, Lenkwellen, Zahnstangen, Stoßdämpferkolbenstangen, Kugelbolzen, Stößelstangen und Bremsscheiben, Pleuel, Pumpenrotoren, Zahnrädern, Kupplungsscheiben, Schaltgabeln, Ventilen und Ventilstößeln Bild 7.10 zeigt Ihnen einige der oben genannten Werkstücke.

Bild 7.10: Typische Beispiele kurzhubgehonter Werkstücke (Werkfotos haus, d+e+g Fa. Supfina Grieshaber GmbH & Co., c Fa. Gildemeister

a+b+fFa. AG)

Maschinenfabrik

13

Schneidengeometrie und Spanbildung

7.3.1

Spanbildung

Ernst

Thielen-

Die Spanbildung erfolgt beim Honen [62] ähnlich wie beim Schleifen mit rotierender Schleifscheibe. Auch beim Honen treten auf Grund der Flächenberührung des Honsteins mit der Werkstückoberfläche gleichzeitig sehr viele geometrisch unbestimmte Schneiden/ Schleifkörner, aus denen der Honstein besteht und die durch ein Bindemittel zusammengehalten werden, in das Werkstück ein und beteiligen sich am Spanbildungsvorgang.

448

7 Honen

Da der Materialabtrag beim Honen noch geringer als beim Schleifen ist, verändert sich auch der Spanbildungsvorgang. Nach [59] ist der Materialabtrag so gering, dass die Spanbildung durch plastische Furchenbildung und WerkstoffVerdrängung vor der Schneide erfolgt. Während der Spanbildung tritt eine Werkstoffverfestigung mit anschließendem Bruch ein. Die Spankammern enthalten keine der klassischen Spanformen, wie z. B. Spiral- oder Wendelspäne.

7.3.2

Schneidengeometrie

Da beim Honen die fest gebundenen Körner geometrisch unbestimmte Schneiden besitzen, können bezüglich der Werkzeugwinkel keine Angaben gemacht werden.

7.3.3

Fragen - Übungen

1.

Wie groß sind die Werkzeugwinkel beim Honen?

2.

Wie erfolgt die Spanbildung?

Die Lösungen finden Sie auf den Internetseiten des Verlages unter http://www.oldenbourgverlag.de unter dem Buchtitel.

7.4

Honwerkzeuge

Einige Ausführungen von Honwerkzeugen zeigt Bild 7.11. Deren Aufbau und Spezifizierung erfolgt in den folgenden Kapiteln.

Bild 7.11: (a+b) Honwerkzeuge zum Kurzhub- und (c) zum Langhubhonen (Werkfotos a Fa. Maschinenfabrik Thielenhaus GmbH, b Fa. Supfina Grieshaber GmbH, c Fa. Nagel Maschinen- und Werkzeugfabrik GmbH)

Ernst

7.4 Hon Werkzeuge

7.4.1

449

Gefügeaufbau von Honleisten/Honsteinen

Der Aufbau der Honleisten/Honsteine entspricht dem der rotierenden Schleifscheibe, siehe Kap 6.4. Honsteine bestehen aus: - Schleifmittel oder Schleifkorn - Bindung und - Porenraum. Welche Schleifmittel in welchen Formen und Ausführungen beim Honen eingesetzt werden, wird in den folgenden Kapiteln behandelt. 7.4.1.1 Schleifmittel/Honsteine Die Anordnung und die Verteilung der Schleifkörner im Schleifkörper ordnen das Honen den Verfahren mit geometrisch unbestimmter Schneide zu. Die Schleifmittel/ Schleifkörner sind in der DIN 69111 genormt. Honsteine aus Korund zeigt Bild 7.12b und mit Diamant als Schleifmittel Bild 7.12c.

Bild 7.12: (a) Honstein-Querschnittsformen nach DIN 69100, Schleifmittel/Honsteine aus (b) Korund und (c) Diamant (Werkfotos b+c Fa. Nagel Maschinen- und Werkzeugfabrik GmbH)



In der Praxis werden folgende Schleifmittel eingesetzt: - Diamant ist das am häufigsten beim Langhubhonen eingesetzte Schleifmittel. Bearbeitet werden weiche Stähle, Nitrierstähle, Gusseisen, Nichteisenmetalle und Hartmetalle. - Korund ist das am meisten verwendete Schleifmittel beim Kurzhubhonen. - Normalkorund bei unlegierten Stählen - Edelkorund bei legierten, vergüteten und gehärteten Stählen - Siliziumkarbid bei kurzspanenden Werkstoffen, wie Grauguss - kubisches Bornitrid wird für die Bearbeitung gehärteter Stähle mit 60-64 HRC, Chrom- und Nitrierstählen und Grauguss verwendet.

• Korngröße Frage: Welche Korngröße wird wann eingesetzt? Die Klassifizierung der Körnung von Korund erfolgt wie beim Schleifen, siehe Kap. 6.4.2. Es wird die Anzahl der Siebmaschen je Zoll Kantenlänge gemessen und als Körnungsnummer genommen. Ein feines Korn besitzt eine große Körnungsnummer. Da Honen ein Feinbearbeitungsverfahren ist, kommen grobe Körnungen nicht zur Anwendungen. Bei einem fei-

450

7 Honen

nen Korn, z. B. mit der Körnungsnummer 300, sind mehr Körner im Eingriff und die erreichbare Oberflächengüte wird besser. Gleichzeitig besitzt ein feines Korn kleinere Poren/Spanräume, die kleinere mittlere Spanungsdicken aufnehmen können und zu einer geringeren Abtragsleistung führen. Tabelle 7.1 zeigt Ihnen, welche Korngrößen bei welcher Bearbeitungsart Anwendung finden. Tabelle 7.1: Korngrößen beim Honen mit Korund Korngröße [Maschenzahl]

Bearbeitungsart Vorhonen (Schruppen)

46-80

Honen

100-150

Feinhonen (Schlichten)

7.4.1.2

220-1.200

Bindung

Sie bindet die Schleifmittel im Honstein. Beim Honen werden hauptsächlich folgende Bindungen verwendet: - keramische - sie kommen am häufigsten zum Einsatz - kunstharzgebundene und - metallische. Keramisch- und kunstharzgebundene Honsteine werden für die Schleifmittel Korund und Siliziumkarbid, während die metallische Bindung für Diamant und Bornitrid verwendet wird. Da die Kunstharzbindung zäher als die keramische Bindung ist, erträgt sie größere Anpressdrücke und ermöglicht damit größere Abtragsleistungen (siehe Kap. 7.5.1).

7.4.2

Spezifikation

Honsteine sind Schleifkörper aus gebundenem Schleifmittel, deren Formen wie die der Schleifscheiben in der DIN 69 111 festgelegt sind. Honsteine besitzen die Form-Nummer 90, siehe Bild 7.12a. Die Bezeichnung/Spezifikation der Honwerkzeuge erfolgt in Anlehnung an die DIN 69 186. Körnungen werden in der DIN 69 176 festgelegt. Einige Ausführungen von Honsteinen zeigt Bild 7.12. Im Bild 7.13 können Sie ein Beispiel einer Spezifikation eines Honsteins sehen. Durch die Nachbehandlung mit Schwefel wird die Härte zusätzlich erhöht.

Honstein DIN 69186 - B 10 X 16 X 120 A 220 M 7 V S Form Rechteck Höhe Breite Länge

Bild 7.13:

Honwerkzeug-Bezeichnung

Nachbehandlung geschwefelt Bindung: Keramik Gefüge mittel Scheibenhärte mittel Körnung Schleifmittel: Korund

451

7.4 Honwerkzeuge •

Die Ausführungen der Honwerkzeuge richten sich nach: - dem Honverfahren: Lang- oder Kurzhubhonen - der Form und der Größe des Werkstücks: Außen- oder Innenhonen - der geforderten Formgenauigkeit und Oberflächenqualität - dem zu bearbeitenden Werkstoff und - dem Schleifmittel.

7.4.3

Werkzeuge für das Langhubhonen

Das Langhubhonen wird hauptsächlich bei der Bearbeitung von Bohrungen eingesetzt. •

Innenhonwerkzeuge besitzen folgenden - Einspannstück - Grundkörper - Expansionskonus - Schneidenteil (= Honleiste),

Aufbau'.

der im Bild 7.14 dargestellt ist. Die mit der Drehzahl n rotierende Honahle führt auf Grund der eingeleiteten Axialkraft Fa eine axiale Bewegung durch, die über den Expansionskonus den Werkzeugkörper lokal spreizt. Dieser drückt die am Umfang angeordneten mitdrehenden Honleisten radial gegen die Bohrungswand des Werkstücks, das so bearbeitet wird.

Bild 7.14: (a) Aufbau eines Langhonwerkzeugs Werkzeugfabrik GmbH)

und (b+c) Ausführungen

(Werkfotos

b+c Fa. Nagel Maschinen-

und

Die radiale Verstellung der Honleiste und damit das Aufbringen der Axialkraft F kann mechanisch, wie im Bild 7.14 dargestellt, pneumatisch oder hydraulisch erfolgen. In der Massenfertigung eingesetzte Honleisten besitzen zusätzlich eine Messeinrichtung mit pneumatischen Messdüsen (siehe Bild 7.30) zum automatischen Messen des Bohrungs-Istdurchmessers, wobei anschließend eine radiale Korrektur erfolgt, bis der Solldurchmesser erreicht und die Zustellbewegung unterbrochen wird. Bild 7.15 zeigt weitere Ausführungen von Werkzeugen für das Innenhonen. Das im Bild 7.15 links dargestellte Honwerkzeug wird für die Bearbeitung von Pleuelbohrungen und das

452

7 Honen

Werkzeug daneben für das Honen von Sacklochbohrungen. Honwerkzeuge sind häufig modular aufgebaut, d. h. der Honkopf ist auswechselbar.

Bild 7.15: Typische Langhubhonwerkzeuge für die Innenbearbeitung (Werkfotos Fa. Maschinenfabrik Gehring GmbH & Co)

Honwerkzeuge gibt es in den Ausführungen: - Einleisten- Zweileisten- Vierleisten- Schalen- Dorn-Honwerkzeug, die im Bild 7.16 schematisch dargestellt sind und im folgenden Abschnitt geschrieben. Honleiste -

Honleiste

Stützleisten

Zustellkonus' Zustellkonus b

Bild 7.16: Ausführungen von Langhubhonwerkzeugen Vierleisten-, (d) Schalen-, (e) Dorn-Honwerkzeug

im Querschnitt dargestellt (a) Einleisten-, (b) Zweileisten-,

(c)

• Einleistenhonwerkzeug, siehe Bild 7.16a Dieses Honwerkzeug besitzt nur eine Honleiste und muss daher durch zwei Stützleisten, die asymmetrisch angeordnet sind, in der Bohrung geführt werden. Mit Einleistenhonwerkzeugen werden meistens lange, schlanke, auch unterbrochene Bohrungen mit einem Durchmesser zwischen 2-60 mm bearbeitet. Durch die asymmetrische Dreipunktauflage zentriert sich das Werkzeug automatisch. Formfehler wie Unrundheit, Tonnenform, Kegel, verlaufene Bohrungen u. a. können kompensiert werden. Bearbeitet werden beispielsweise Bohrungen von Einspritzpumpen, Pleuel, Zahnrädern, siehe Bild 7.8.

7.4 Honwerkzeuge

453

• Zwei- und Vierleistenhonwerkzeuge, siehe Bild 7.16b+c Mehrleistenhonwerkzeuge werden am häufigsten verwendet. Eingesetzt werden sie in einem Durchmesserbereich von 6-1.500 mm, wenn die Bohrung nicht durch Querbohrungen unterbrochenen wird. Die Honleisten sind jeweils symmetrisch angeordnet. Die Anpresskraft verteilt sich auf mehrere Honleisten, so dass ein größeres Zeitspanungsvolumen abgetragen werden kann. Gehont wird z. B. die Zylinderbohrung eines Motorgehäuses. Durch den großen Spreizbereich von 5 - 2 0 mm ist das Honwerkzeug nicht an ein bestimmtes Nennmaß gebunden und kann daher bei verschiedenen Bohrungsdurchmessern verwendet werden. • Schalenhonwerkzeuge, siehe Bild 7.16d Die beiden halbrunden Honschalen mit einem Durchmesser von 8-250 mm werden radial über einen Konus gespreizt und gegen die Bohrungswand gedrückt. Die Kontaktfläche ist sehr groß, daher wirken die Honschalen schwingungsdämpfend, weshalb ihr Einsatz bei labilen Werkstücken mit unterbrochenen Bohrungen liegt. • Dornhonwerkzeuge, siehe Bild 7.16e Es sind meist einteilige Sonderwerkzeuge, die das Schleifmittel häufig am ganzen Umfang haben. Mit einem Hondorn wird die Bohrung mit einem sehr geringen Aufmaß (nur wenige |xm) in nur einem Hub bearbeitet, weshalb nicht die typische Kreuzhonspuren in der Oberfläche (siehe Bild 7.3) entstehen, sondern spiralförmige Umfangsriefen. Es werden hochgenaue Bohrungen, auch mit unterbrochenen Flächen, hergestellt, z. B. Steuerschieberbohrungen. Die Länge und die Breite der Honleiste und der Überlauf des Honwerkzeugs nehmen maßgeblichen Einfluss auf den korrigierbaren Formfehler, wie es im Kap. 7.6.1.1 dargestellt ist.

7.4.4

Werkzeuge für das Kurzhubhonen

Die Verfahren des Kurzhubhonens wurden bereits im Kap. 7.1 dargestellt. Das AußenrundKurzhubhonen auf Drehmaschinen erfolgt mit einem Aufsatzgerät, das im Bild 7.17 dargestellt ist.

Bild 7.17: (a)Kurzhubhonwerkzeug und (b) Einsatz in der Drehmaschine (Werkfotos Fa. Supfina Grieshaber GmbH & Co. KG)

Das Prinzip des Kurzhubhonens und damit verbunden auch der Aufbau eines Kurzhubhonwerkzeugs zeigt Bild 7.18. Der Honstein wird in einer Klemmvorrichtung fixiert, die an der Kolbenstange eines Zylinders befestigt wird. Wird der Zylinder pneumatisch oder hydraulisch mit Druck beaufschlagt, bewegt sich die Kolbenstange nach rechts und drückt den

454

7 Honen

Honstein über die Klemmvorrichtung mit der Normalkraft Fn gegen das rotierende Werkstück. Da das Honwerkzeug einschließlich Zylinder auf einem Schwingtisch befestigt wird, entsteht am Werkstück eine oszillierende, meist sinusförmige Bewegung mit der Geschwindigkeit v

Kurzhubhonwerkzeugs

Für die Breite bh des Honsteins gilt: bh < len kann. Ist die Kontaktstelle breiter als von bh < 20 mm eingesetzt werden. Um Honsteinbreite möglichst groß sein. Man

20 mm, damit das Honöl die Kontaktstelle gut spü20 mm, müssen mehrere Honsteine mit einer Breite die Rundheit zu verbessern, sollte andererseits die wählt in vielen Fällen: bh ~ 0,5-dw.

Beim Honen wird entweder das - Werkzeug oder - Werkstück fest eingespannt. Ist das Honwerkzeug fest mit dem Antrieb verbunden, also fest eingespannt, dann ist das Werkstück schwimmend in der Vorrichtung aufzunehmen. Das hat den Vorteil, dass einerseits die Kräfte geradlinig übertragen werden und andererseits durch das einfachere Ausrichten/Zentrieren des Werkzeugs zum Werkstück eine Automatisierung des Ablaufs vereinfacht wird. Ein fest eingespanntes Werkstück setzt eine pendelnde Honwerkzeugaufnahme voraus. Verbindungselemente zwischen Honwerkzeug und Honspindel ermöglichen diese Freiheitsgrade. Als Verbindungselemente werden Doppelgelenkstangen, Pendelstangen oder DoppelPendelstangen mit Kugelgelenken verwendet.

7.4.5

Fragen - Übungen - Beispiel

1.

Wie sind Honwerkzeuge grundsätzlich aufgebaut?

2.

Welche Schleifmittel werden beim Honen eingesetzt?

3.

Welche Schleifmittel werden bevorzugt beim Lang- und welche beim Kurzhubhonen eingesetzt?

7.5 Technologie und Anwendungen

455

4.

Bezeichnen Sie das im unteren Bild dargestellte Langhonwerkzeug und erklären Sie seine Funktion.

5.

Welche Ausführungen von Langhubhonwerkzeugen kennen Sie?

6.

Welche Ausführung ist im oberen Bild rechts dargestellt? Beschreiben Sie dieses.

7.

Welche oben genannten Ausführungen eignen sich für unterbrochene Bohrungen?

8.

Im unteren Bild sehen Sie ein KurzhubhonWerkzeug. Benennen Sie die einzelnen Komponenten und beschreiben Sie die Funktion.

Die Lösungen finden Sie auf den Internetseiten des Verlages unter http://www.oldenbourgverlag.de unter dem Buchtitel.

7.5

Technologie und Anwendungen

Das Honen wird abhängig vom Aufmaß, der gewünschten Formgenauigkeit und Oberflächengüte in einem oder mehreren Bearbeitungsschritten/Honstufen durchgeführt. Frage: Welche optimale Technologie wird beim Honen eingesetzt?

456

7.5.1

7 Honen

Technologie

In diesem Zusammenhang müssen wir uns erneut die Kinematik der einzelnen Honverfahren, Lang- und Kurzhubhonen, verdeutlichen (siehe Bild 7.3 und Bild 7.4), nämlich beim - Langhubhonen eine Tangential- und Axialgeschwindigkeit, siehe Bild 7.3 - Kurzhubhonen eine Tangential- und Axialgeschwindigkeit sowie eine oszillierende Axialgeschwindigkeitskomponente, siehe Bild 7.4. Welche Technologie wir beim Honen wählen, hängt in erster Linie von den zu erzielenden und vorgegebenen Formgenauigkeiten und Oberflächengüten ab. Frage: Welche technologischen Einsteilgrößen haben wir beim Honen? Antwort: - der Anpressdruck des Honsteins auf das Werkstück, der die Zustellung erzeugt - der Honstein: Schleifmittel, Körnung, Härte, Bindemittel - die Schnittgeschwindigkeit vc - das Honöl als Kühlschmierstoff. • Anpressdruck Beim Schleifen erzeugt die gewählte Zustellung in der Kontaktzone eine bestimmte Kraft bzw. einen bestimmten Druck zwischen Schleifscheibe und Werkstück. Beim Honen wird der Anpressdruck kraft- oder formschlüssig von außen erzeugt, siehe Bild 7.14 und Bild 7.18, und dieser stellt eine bestimmte Zustellung sicher. Der Anpressdruck errechnet sich aus der Normalkraft Fn dividiert durch die Kontaktfläche Ah.

Mit steigendem Anpressdruck ph dringen die Körner tiefer in die Werkstückoberfläche ein, wodurch die Zahl der im Eingriff befindlichen Schneiden zunimmt. Infolgedessen erhöht sich das Zerspanungsvolumen und die Schnittkraft steigt an. Die höhere Schnittkraft bewirkt, dass die Körner leichter aus der Bindung ausbrechen, was zu einer Verschleißzunahme führt.

Werkstück Bild 7.19: Anpressdruck

in der

Kontaktzone

Erfolgt das Honen in mehreren Honschritten, so wird für das Vorhonen ein hoher und für das Fein- oder Fertighonen ein geringer Anpressdruck pk gewählt. Abhängig von der Bindungsart werden folgende Anpressdrücke empfohlen: - bei keramisch gebundenen Honsteinen: ph = 0,25-2 N/mm 2 - bei kunstharzgebundenen Honsteinen: ph = 0,5-3 N/mm 2

457

7.5 Technologie und Anwendungen -

bei metallisch gebundenen BN-Honsteinen: ph - 2 - 6 N/mm 2 bei metallisch gebundenen Diamant-Honsteinen: ph = 2 - 8 N/mm 2 .

Der Anpressdruck darf einerseits nicht zu groß gewählt werden, damit nicht zu viele Körner vorzeitig ausbrechen und es zu keinem starken Honsteinverschleiß kommt. Andererseits muss ein Mindestanpressdruck vorliegen, damit genügend Körner ausbrechen und das abgetragene Spanvolumen die Spanräume nicht zusetzt. • Schnittgeschwindigkeit beim Langhubhonen Im Gegensatz zum Schleifen ist die Schnittgeschwindigkeit beim Honen niedrig. Sie liegt bei 12-90 m/min. Bitte beachten Sie, dass beim Schleifen, abhängig vom Schleifmittel, Schnittgeschwindigkeiten von 10-160 m/s (!) erreicht werden, also um den Faktor 10-100 höher als beim Honen. Tabelle

7.2: Schnittgeschwindigkeiten

Schleifmittel

beim Langhubhonen

in Abhängigkeit

vom

Schleifmittel

Schnittgeschwindigkeit v m/min

Korund

12-30

Bornitrid

20-60

Diamant

30-90

Die relativ niedrigen Schnittgeschwindigkeiten ergeben sich aus der Tatsache, dass die axiale Geschwindigkeitskomponente v/o begrenzt ist. Sie ändert bei jeder Bewegungsumkehr (siehe Bild 7.20 Verlauf v/a) im oberen (OT) und unteren Totpunkt (UT) des Hubweges mit vfa - 0 m/min ihre Richtung, wodurch starke Massenbeschleunigungen/-verzögerungen auftreten, die zu unerwünschten Schwingungen führen können.

Zeit

Bild 7.20: Hubweg honen

lh und Axialgeschwindigkeit

vfa beim

Langhub-

Mit zunehmender Schnittgeschwindigkeit vc steigt das abgetragene Zeitspanungsvolumen Qr, und die Hauptzeit th verringert sich entsprechend, wie Bild 7.21 verdeutlicht.

458

7 Honen



vc

Bild 7.21: Abhängigkeit des Zeitspanungsvolumens Hauptzeit th von der Schnittgeschwindigkeit v.

ß „ und der

• Schnittgeschwindigkeit beim Kurzhubhonen Beim Kurzhubhonen überlagert sich der Axialkomponente vfa der Geschwindigkeit noch eine oszillierende Geschwindigkeit vfcsi, siehe Bild 7.4. Die Frequenz der Schwingung sollte so groß wie möglich gewählt werden, sie wird jedoch durch die auftretenden Trägheitskräfte beim Beschleunigen und Verzögern begrenzt. Im Allgemeinen beträgt die Schwingfrequenz f

J fosz

ffosz=(\

0-50;Hz

(7.6)

Die Amplitude der oszillierenden Schwingung nimmt Werte zwischen 1 - 2 mm an. Der Neigungswinkel Y4 der meist sinusförmigen Honbahn wird aus Gl. (7.4) errechnet. Eine Erhöhung der Schwingungsfrequenz f , was einer größeren Schwingungsgeschwindigkeit vJosz entspricht, und/oder eine Verringerung der tangentialen Werkstückumfangsgeschwindigkeit vft, vergrößert den Neigungswinkel yh. Der Honstein wirkt nun weniger hart und griffiger, d. h. die Körner brechen leichter aus und setzen darunter liegende neue Körner frei, die in die Kontaktzone eingreifen. Mit steigendem Neigungswinkel yh nehmen das Zeitspanungsvolumen Qw und der Verschleiß des Honsteins zu. • Kühlschmierstoff/Honöl Ein Hauptmerkmal des Honens ist, wie Sie bereits aus Kap. 7 wissen, die große Kontaktfläche zwischen dem Honstein und dem Werkstück und die geringe Schnittgeschwindigkeit. Daraus können folgende Anforderungen an die Kühlschmierstoffe/Honöle gestellt werden: - geringe Kühlwirkung, da wenig Wärme in der Kontaktzone anfällt - Kühlwirkung muss dennoch vorhanden sein, um thermisch bedingte Maßabweichungen zu vermeiden - hohe Spülwirkung, da unter der großen Kontaktfläche viele Späne anfallen, die aus der Kontaktzone herausgespült werden müssen - Schmierwirkung, damit die Späne bei langspanenden Werkstoffen gut aus dem Porenraum abgeführt werden können. Honöle bestehen meistens aus einer Mischung aus dem niederviskosen Petroleum und dem hochviskosen Hydrauliköl. Kurzspanende Werkstoffe werden mit einem niederviskosen Honöl, das einen hohen Petroleumanteil hat und langspanende Werkstoffe mit einem hochviskosen Honöl, das einem hohen Anteil an Hydrauliköl besitzt, gehont. Honöle für kurzspanende Werkstoffe besitzen eine kinematische Viskosität zwischen 2 - 6 mm 2 /s, während Honöle für langspanende Werkstoffe eine kinematische Viskosität von 7 - 1 4 mm 2 /s haben.

7.5 Technologie und Anwendungen

7.5.2

459

Beispiel

Am Beispiel eines Festrades aus Bild 7.22 wird in der Tabelle 7.3 die eingesetzte Technologie beim Langhubhonen dargestellt.

H

22,9 .„.,