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German Pages 126 [130] Year 2021
Hans-Dieter Schwind Peter-Helge Hauptmann Claus Murken Jörn Jacobsen
Sozialrecht leicht gemacht 3. Auflage
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Kranken-, Pflege- und Unfallversicherung, Rente, Arbeitslosengeld, „Hartz IV“, Grundsicherung, Sozialhilfe
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leicht gemacht ® – Fachwissen aus Taschenbüchern Die Gelbe Serie: Recht Die Blaue Serie: Steuer und Rechnungswesen
GELBE SERIE leicht gemacht ® Herausgeber: Professor Dr. Hans-Dieter Schwind Richter Dr. Peter-Helge Hauptmann
Sozialrecht leicht gemacht Kranken-, Pflege- und Unfallversicherung, Rente, Arbeitslosengeld, „Hartz IV“, Grundsicherung, Sozialhilfe 3. überarbeitete Auflage
von
Claus Murken Rechtsanwalt
Jörn Jacobsen Regierungsrat
Ewald v. Kleist Verlag Berlin
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Autoren und Verlag freuen sich über Ihre Anregungen
Umwelthinweis: Dieses Buch wurde auf chlorfrei gebleichtem Papier gedruckt Gestaltung: Michael Haas, Joachim Ramminger, Berlin Druck & Verarbeitung: Druckerei Siepmann GmbH, Hamburg leicht gemacht ® ist ein eingetragenes Warenzeichen
© 2021 Ewald v. Kleist Verlag Berlin
Inhalt
I.
Grundlagen des Sozialrechts
Lektion 1: Verfassungsrechtliche Grundlagen und Systematik des Sozialrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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II. Soziale Vorsorge Lektion Lektion Lektion Lektion
2: Gesetzliche Krankenversicherung SGB V . . . . . . . . . . . . 11 3: Soziale Pflegeversicherung SGB XI . . . . . . . . . . . . . . . . 25 4: Gesetzliche Unfallversicherung SGB VII . . . . . . . . . . . . 38 5: Gesetzliche Rentenversicherung SGB VI . . . . . . . . . . . . 51
III. Soziale Förderung und Hilfe Lektion 6: Arbeitsförderung SGB III . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lektion 7: Grundsicherung für Arbeitsuchende SGB II . . . . . . . . . . Lektion 8: Sozialhilfe SGB XII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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IV. Allgemeine Regelungen und Rechtsschutz Lektion 9: Allgemeiner Teil SGB I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 Lektion 10: Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz SGB X . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 Lektion 11: Sozialgerichtlicher Rechtsschutz (SGG) . . . . . . . . . . . . 115 Leitsätze und Übersichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122
Leitsätze und Übersichten Übersicht 1 Gliederung des Sozialrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leitsatz 1 Sozialstaatsprinzip gemäß Art. 20 I, 28 I GG . . . . . . . . Leitsatz 2 Krankheitsbegriff i. S. d. SGB V . . . . . . . . . . . . . . . . . Übersicht 2 Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung . . . Leitsatz 3 Sachleistungsprinzip gemäß § 2 II SGB V . . . . . . . . . . Leitsatz 4 Leistungsbeschränkung bei Selbstverschulden . . . . . . Übersicht 3 Bereiche der Pflegebedürftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . Übersicht 4 Pflegegrade und Gesamtpunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leitsatz 5 Pflegebedürftigkeit gemäß §§ 14, 15 SGB XI . . . . . . . Übersicht 5 Leistungen der sozialen Pflegeversicherung . . . . . . . . Übersicht 6 Arbeitsunfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leitsatz 6 Berufskrankheit gemäß § 9 SGB VII . . . . . . . . . . . . . . Übersicht 7 Gesetzliche Unfallversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leitsatz 7 Haftungsprivilegien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leitsatz 8 Rentenformel (§ 64 SGB VI): . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leitsatz 9 Erwerbsminderung gemäß § 43 SGB VI . . . . . . . . . . . Leitsatz 10 Berufsunfähigkeit (§ 240 II SGB VI) . . . . . . . . . . . . . . Übersicht 8 Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung . . . . Übersicht 9 Anspruchsvoraussetzungen Arbeitslosengeld . . . . . . . Übersicht 10 Arbeitslosigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Übersicht 11 Verfügbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leitsatz 11 Sperrzeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leitsatz 12 Fördern und Fordern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Übersicht 12 Grundsicherung für Arbeitsuchende . . . . . . . . . . . . . . Leitsatz 13 Erwerbsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leitsatz 14 Hilfebedürftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Übersicht 13 Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende . . Leitsatz 15 Arbeitsgelegenheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Übersicht 14 Leistungen der Sozialhilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Übersicht 15 Sozialleistungen und Erwerbsfähigkeit . . . . . . . . . . . . Leitsatz 16 Antragserfordernis bei Sozialhilfe . . . . . . . . . . . . . . . . Leitsatz 17 Sozialrechtlicher Herstellungsanspruch . . . . . . . . . . . . Übersicht 16 Aufhebung von Verwaltungsakten . . . . . . . . . . . . . . . Leitsatz 18 Verwaltungsakte und Änderung der Verhältnisse . . . . Übersicht 17 Aufbau der Sozialgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . Leitsatz 19 Grundsatz der Klägerfreundlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . Leitsatz 20 Untätigkeitsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I.
Grundlagen des Sozialrechts
Lektion 1: Verfassungsrechtliche Grundlagen und Systematik des Sozialrechts Gliederung und Systematik
Fall 1
R erhält eine sogenannte Kriegsopferrente nach dem Bundesversorgungsgesetz. Die Explosion einer Splittergranate hatte im zweiten Weltkrieg sein linkes Bein verletzt; es musste amputiert werden. Viele Jahre später treibt R die Lust am Theoretisieren um. Er fragt sich, ob das Bundesversorgungsgesetz eigentlich Teil des Sozialrechts ist. Wissen Sie die Antwort? Beim Sozialrecht handelt es sich um ein Teilgebiet des Öffentlichen Rechts, d.h. also des Rechts, das das Verhältnis zwischen Bürger und Staat regelt. Welche Teilgebiete des Öffentlichen Rechts als Sozialrecht anzusehen sind, hat der Gesetzgeber nicht definiert. Nach dem formellen Sozialrechtsbegriff sind alle Gesetze Teil des Sozialrechts, die in das Sozialgesetzbuch aufgenommen wurden. Das Sozialgesetzbuch besteht aus mehreren großen Gesetzen: die SGB I – XII und die in § 68 SGB I genannten Gesetze. Werfen Sie einen Blick in diese Vorschrift: Die dort genannten Gesetze wie das Bundesausbildungsförderungsgesetz oder das Bundeskindergeldgesetz will der Gesetzgeber als Besonderen Teil des Sozialgesetzbuches verstanden wissen. Das SGB I (Allgemeiner Teil) und das SGB X (Sozialverwaltungsverfahren) gelten für alle diese Gesetze. Wie im BGB hat der Gesetzgeber allgemeine Regeln bestimmt („vor die Klammer gezogen“), die für alle Sozialgesetze gelten sollen und damit nicht in jedem einzelnen Gesetz wiederholt werden müssen. Dem formellen Sozialrechtsbegriff zufolge ist es also ziemlich einfach, den Umfang des Sozialrechts abzustecken. Weiter gefasst ist der sogenannte materielle Sozialrechtsbegriff, von dem Sie zumindest einmal
gehört haben sollten: Danach sind alle Normen dem Sozialrecht zuzuordnen, die dazu dienen, soziale Gerechtigkeit und soziale Sicherheit durch Sozialleistungen einschließlich sozialer und erzieherischer Hilfen zu verwirklichen. Nach dem materiellen Sozialrechtsbegriff wäre eine ganze Reihe von Gesetzen Teil des Sozialrechts, die nicht unter den formellen Sozialrechtsbegriff fallen, etwa die Gesetze zur Altersversorgung von Beamten und Soldaten. Bei sehr vielen Normen ließe sich nach dem materiellen Sozialrechtsbegriff außerdem zumindest darüber diskutieren, ob sie dem Sozialrecht angehören (Verbraucherschutzgesetze, Prozesskostenhilfevorschriften, Beratungshilfegesetz etc.). In der Praxis ist der formelle Sozialrechtsbegriff daher wesentlich einfacher anzuwenden. In Fall 1 wäre die Kriegsopferrente gemäß Bundesversorgungsgesetz nach dem materiellen Sozialrechtsbegriff Teil des Sozialrechts. Auch dem formellen Sozialrechtsbegriff zufolge handelt es sich um eine sozialrechtliche Leistung: Gemäß § 68 Nr. 7 SGB I ist das Bundesversorgungsgesetz Bestandteil des besonderen Teils des Sozialgesetzbuches. Der grübelnde R darf sich mit seiner Opferrente also an einer sozialrechtlichen Leistung erfreuen.
Fall 2
Die Lust des R an der Sozialrechtstheorie ist auch nach dieser Erkenntnis ungebrochen. Er will gerne wissen, wie sich das Sozialrecht untergliedert: Das Bundesausbildungsförderungsgesetz und die im SGB VI geregelte gesetzliche Rentenversicherung könne man doch nicht in einen Topf mit einer Kriegsopferrente werfen! Ist das so? Klassischerweise unterteilte man das Sozialrecht früher in die Bereiche Sozialversicherung, Versorgung und Fürsorge. Diese Dreiteilung gilt mittlerweile als veraltet. Heute unterscheidet man im Sozialrecht die Bereiche: XXVorsorge XXEntschädigung XXsoziale Hilfen und Förderung
Lektion 1: Verfassungsrechtliche Grundlagen und Systematik des Sozialrechts Unter den Bereich der Vorsorge fallen die Sozialversicherungen: Die gesetzliche Krankenversicherung (SGB V), die gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI), die soziale Pflegeversicherung (SGB XI) und die Arbeitsförderung (SGB III). Die Sozialversicherung dient der Absicherung allgemeiner Lebensrisiken wie Krankheit und Alter. Die Vorsorge beruht im Wesentlichen auf den Beiträgen der Versicherten: Nur wer Beiträge eingezahlt hat, hat auch Anspruch auf Leistungen. Die soziale Entschädigung dient als Nachteilsausgleich für Schäden, die in den Verantwortungsbereich der Allgemeinheit fallen. Hierzu gehören z.B. Entschädigungen für Opfer von Gewalttaten nach dem Opferentschädigungsgesetz oder auch Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz für Kriegsopfer. Die Leistungen der sozialen Entschädigung sind steuerfinanziert. Im Bereich Hilfe und Förderung geht es um die Absicherung des Existenzminimums – etwa mittels der Sozialhilfe des SGB XII – sowie die Verbesserung der sozialen Chancengleichheit: Beispielhaft genannt seien insofern die Vorschriften zum Kindergeld, das Bundesausbildungsförderungsgesetz und das Recht der Jugendhilfe. Die Leistungen aus diesem Bereich sind ebenfalls steuerfinanziert. In Fall 2 ist dem R zu Bedenken zu geben, dass die gesetzliche Rentenversicherung in den Unterbereich der „Vorsorge“ fällt. Seine Kriegsopferrente dagegen gehört zur „sozialen Entschädigung“. Das Bundesausbildungsförderungsgesetz schließlich ist dem Bereich „Hilfe und Förderung“ zuzuordnen. Übersicht 1 stellt die Gliederung des Sozialrechts nach dem formellen Sozialrechtsbegriff dar.
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Grundlagen des Sozialrechts
Übersicht 1: Gliederung des Sozialrechts Gliederung des Sozialrechts nach dem formellen Sozialrechts begriff Vorsorge Sozialversicherung (Kranken-, Renten-, Pflege-, Arbeitslosenversicherung) Versicherungsprinzip
Entschädigung Entschädigung für gesundheitliche Sonderopfer (BVG, OEG, etc.) steuerfinanziert
Hilfe und F örderung BaFöG, Kindergeld, Wohngeld, Jugendhilfe, Sozialhilfe etc. steuerfinanziert
Verfassungsrechtliche Grundlagen des Sozialrechts
Fall 3
Der Bundestagsabgeordnete B fährt nach Dienstschluss des Öfteren zu einem Supermarkt um einzukaufen. Dort fallen ihm immer wieder einige herumlungernde Arbeitslose auf, die sich gut gelaunt mit Dosenbier zuprosten. B hat große Mühe, einen Wutanfall zu unterdrücken: Es könne ja wohl nicht angehen, dass der Staat denen noch das Dosenbier finanziere. Am nächsten Tag in seinem Büro entwirft er hastig ein Gesetz, das jede Form von Sozialhilfe oder Arbeitslosenunterstützung abschafft. Erwartungsfroh legt er das Gesetz seinem Fraktionsvorsitzenden F vor, der als intimer Kenner des Verfassungsrechts gilt. Was wird F dem B zu diesem Gesetz mitteilen? Die in der Verfassung genannten Grundrechte sind in erster Linie Freiheitsrechte, d.h. Abwehrrechte gegen den Staat. Soziale Grundrechte kennt das Grundgesetz nicht. Einzige Ausnahme: Gemäß Art. 6 IV GG haben Mütter Recht auf Schutz und Fürsorge. Wenn Sie einen Blick in die Art. 20 I, 28 I GG werfen, werden Sie sehen, dass das sogenannte Sozialstaatsprinzip im Grundgesetz verankert
Lektion 1: Verfassungsrechtliche Grundlagen und Systematik des Sozialrechts ist: Es unterliegt der Ewigkeitsgarantie des Art. 79 III GG und kann nicht einmal mit einer Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat abgeschafft werden. Das Sozialstaatsprinzip ist eine sogenannte Staatszielbestimmung und verpflichtet den Gesetzgeber, auf soziale Sicherheit und Gerechtigkeit hinzuwirken. Bei der Ausgestaltung dieses Ziels hat der Gesetzgeber einen sehr weiten Spielraum. Subjektive Rechte lassen sich nur in Ausnahmefällen aus dem Sozialstaatsprinzip ableiten. Der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zufolge muss jedoch ein menschenwürdiges Existenzminimum stets gewährleistet werden. Dies leitet sich aus Art. 1 II GG (Menschenwürde) i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip her. Das Sozialstaatsprinzip ist außerdem bei der Ermessensausübung durch Behörden, der Auslegung von Gesetzen und der Abwägung im Rahmen von Verhältnismäßigkeitsprüfungen zu beachten. In Fall 3 wird F dem B mitteilen, dass die Abschaffung jeder Form von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe gegen die Verfassung verstieße: Der Gesetzgeber ist in der Art der Verfolgung des Sozialstaatsprinzips sehr frei. Zumindest das menschenwürdige Existenzminimum eines Bürgers hat der Staat gemäß Art. 1 II GG i.V.m. Art. 20 I, 28 I GG aber in jedem Fall zu sichern.
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Leitsatz 1 Sozialstaatsprinzip gemäß Art. 20 I, 28 I GG Das Sozialstaatsprinzip aus Art. 20 I, 28 I GG ist eine Staatszielbe stimmung, die den Gesetzgeber verpflichtet, auf soziale Sicherheit und Gerechtigkeit hinzuwirken. Es ist bei der Ermessensausübung, der Gesetzesauslegung und der Abwägung innerhalb von Verhältnismäßigkeitsprüfungen zu beachten. Subjektive Rechte lassen sich aus dem Sozialstaatsprinzip nur in Ausnahmefällen ableiten. Gemäß Art. 1 II GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip hat der Staat jedoch ein menschenwürdiges Existenzminimum zu sichern.
Fall 4
Die Landtagsabgeordneten im Bundesland Hessen halten das SGB V (gesetzliche Krankenversicherung) für gründlich misslungen. Man ist sich parteiübergreifend einig, dass die hessischen Bürger nicht länger unter dem Unfug leiden dürften, den sich „die da in Berlin“ einfallen
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Grundlagen des Sozialrechts ließen. Kurzerhand erlässt man ein hessisches Sozialgesetzbuch, das eigene Regeln zur gesetzlichen Krankenversicherung umfasst. Sind die neuen hessischen Vorschriften wirksam? Die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für praktisch das ganze Sozialrecht steht gemäß Art. 74 Nr. 7, 9, 10, 12, 13 GG dem Bund zu. Wenn Sie nicht wissen, was „konkurrierende Gesetzgebungskompetenz“ bedeutet, lesen Sie Art. 72 GG: Danach haben die Länder nur solange die Gesetzgebungskompetenz für das Sozialrecht, bis der Bund von seiner Kompetenz Gebrauch macht. Im Sozialrecht hat der Bund hiervon sehr weitgehend Gebrauch gemacht. Alle in diesem Buch behandelten Themen sind daher Bundesrecht. In Fall 4 wird das hessische Revoluzzertum wirkungslos bleiben. Da der Bund mit Erlass des SGB V von seiner Gesetzgebungskompetenz Gebrauch gemacht hat, steht den Ländern hier keine eigene mehr zu: Das hessische Sozialgesetzbuch wird keine Geltung beanspruchen können.
Lektion 2: Gesetzliche Krankenversicherung SGB V
II.
Soziale Vorsorge
Lektion 2: Gesetzliche Krankenversicherung SGB V Versicherter Personenkreis
Fall 5
Der versicherungspflichtige Arbeitsplatz des A wird gekündigt. Den Gang zur Arbeitsagentur oder dem Jobcenter lehnt A jedoch aus weltanschaulichen Gründen ab. Bei keiner der Behörden meldet er sich arbeitslos. Er beschließt vielmehr, sich vorläufig von Bekannten durchfüttern zu lassen. Um Geld zu sparen, beantragt er bei keiner Krankenversicherung die Mitgliedschaft. Schließlich sei er noch jung und gesund. Ist A dennoch in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert? Im Krankenversicherungsrecht gilt der Grundsatz der Versicherungspflicht. Lesen Sie § 5 SGB V: Diese Vorschrift bestimmt, wer in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert ist. Der häufigste Fall ist in § 5 I Nr. 1 SGB V geregelt: Danach sind Arbeiter, Angestellte und Auszubildende, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert. Für die Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung ist kein Antrag oder Abschluss eines Versicherungsvertrages nötig. Die Mitgliedschaft tritt gemäß § 186 SGB V kraft Gesetzes ein. So legt § 186 I SGB V fest, dass für versicherungspflichtige Beschäftigte die Mitgliedschaft mit dem Tag des Eintritts in das Beschäftigungsverhältnis beginnt. Auch das Ende des Versicherungsverhältnisses tritt kraft Gesetzes ein. Dies regelt § 190 SGB V. Für abhängig Beschäftigte etwa endet das Versicherungsverhältnis gemäß § 190 II SGB V mit Ablauf des Tages, an dem das Beschäftigungsverhältnis endet. In Fall 5 ergibt sich die Versicherungspflicht für S aus § 5 I Nr. 13 SGB V: Hiernach sind alle Personen versicherungspflichtig, für die kein sonstiger Versicherungsschutz besteht und die zuvor in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert waren. Ausnahmen von der Versicherungspflicht nach §§ 5 Abs. 5, 6 SGB V – dazu gleich mehr – sind nicht ersichtlich.
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Soziale Vorsorge Dass S nicht Mitglied in der gesetzlichen Krankenversicherung werden will, ist unerheblich. Gemäß § 186 XI SGB V ist er seit dem ersten Tag, an dem kein anderer Versicherungsschutz besteht, auch gegen seinen Willen pflichtversichert. Dies ist im vorliegenden Fall der erste Tag nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses.
Fall 6
A beschließt, seiner „Gammelexistenz“ nunmehr ein Ende zu setzen. Er bewirbt sich erfolgreich bei der Bundeswehr als Berufssoldat. Endet mit dem dortigen Dienstbeginn seine Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung? In § 6 SGB V hat der Gesetzgeber die Ausnahmen von der Versicherungspflicht aufgelistet. Diese Ausnahmen gelten nur für Personen, die gegen einen Krankheitsfall in anderer Weise abgesichert oder aufgrund ihres hohen Einkommens in der Lage sind, selbst Vorsorge zu tragen. Nach § 6 I Nr. 1 SGB V sind Arbeitnehmer von der Versicherungspflicht befreit, die mit ihrem Einkommen die in § 6 VI und VII SGB V festgelegte Jahresarbeitsentgeltgrenze überschreiten. Diese Grenze wird jährlich neu bestimmt. Mit Ablauf des Jahres, in dem sie zum ersten Mal überschritten wird, entfällt gemäß § 6 IV SGB V die Versicherungspflicht. Gemäß § 9 SGB V besteht für diese Gruppe die Möglichkeit, sich in der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig zu versichern. Weitere Ausnahmen von der Versicherungspflicht bestehen für Personen, die von Gesetzes wegen bereits auf andere Weise gegen den Krankheitsfall abgesichert sind. Dies sind gemäß § 6 I Nr. 2 SGB V etwa Beamte und Richter. Womit wir bei der Lösung von Fall 6 wären: § 6 I Nr. 2 SGB V bestimmt, dass auch Berufssoldaten von der Versicherungspflicht ausgenommen sind. Mit Eintritt in die Bundeswehr endet As Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung.
Fall 7
T ist 24 Jahre alt und studiert fleißig Jura. Ihr Vater V ist versicherungspflichtiger Angestellter in einem großen Unternehmen. Als T an Grippe erkrankt, fragt sie sich besorgt, ob sie einen Arzt aufsuchen könne: Schließlich habe sie noch nie Krankenversicherungsbeiträge bezahlt.
Lektion 2: Gesetzliche Krankenversicherung SGB V Aus eigenen Mitteln kann sie die Arztrechnung nicht bezahlen. Besteht für T Versicherungsschutz in der gesetzlichen Krankenversicherung oder muss sie versuchen, die Grippe ohne ärztliche Hilfe mit Hausmittelchen auszukurieren? § 10 SGB V regelt die sogenannte Familienversicherung. Danach sind Ehegatten, Lebenspartner und Kinder eines Versicherungsmitgliedes ebenfalls über die gesetzliche Krankenversicherung versichert. Auch die Kinder von familienversicherten Kindern sind versichert. Die einzelnen weiteren Voraussetzungen für die Familienversicherung sind in § 10 SGB V aufgelistet. So müssen die betreffenden Personen u.a. im Inland wohnen und dürfen nicht hauptberuflich selbstständig tätig sein. Die Lösung des Falls 7 ergibt sich aus § 10 II SGB V: Gemäß § 10 II Nr. 1 SGB V sind Kinder bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres familienversichert. T ist aber bereits 24 Jahre alt. Nach Nr. 1 wäre T also nicht versichert. Nr. 2 und Nr. 3 nennen jedoch Ausnahmen. So sind gemäß Nr. 2 Kinder, die nicht erwerbstätig sind, bis zur Vollendung des 23. Lebensjahres familienversichert. Solange Kinder sich noch in der Schul- oder Berufsausbildung befinden, sind sie gemäß Nr. 3 sogar bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres familienversichert. Dies trifft auf T zu. Sie befindet sich noch im Studium. Da ihr Vater Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung ist, ist sie gemäß § 10 II Nr. 3 SGB V familienversichert. T kann also beruhigt zum Arzt gehen, ohne auf Omas Hausmittel zurückgreifen zu müssen.
Versicherungsfall und Leistungen Gemäß § 1 SGB V ist es Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung, die Gesundheit der Versicherten zu erhalten, wiederherzustellen oder ihren Gesundheitszustand zu verbessern. Versicherungsfälle der gesetzlichen Krankenversicherung sind Krankheit, Schwangerschaft und Mutterschaft. Diese lösen bestimmte Ansprüche der Versicherten aus. Präventive Leistungen können Versicherte u.U. auch ohne Vorliegen eines Versicherungsfalls in Anspruch nehmen.
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Soziale Vorsorge
Fall 8
D fühlt sich seit Wochen niedergeschlagen und traurig. Das ganze Leben erscheint ihm sinn- und trostlos. Diese Verzweiflungsgefühle steigern sich stetig. Gegenüber seinem engen Freund F äußert er sich in immer düsterer Weise. F, zunächst vom ewigen Gejammer des D genervt, fängt mit der Zeit an, sich Sorgen zu machen. Er hält D für depressiv und drängt ihn, sich in Behandlung zu begeben. D ist sich als Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung nicht sicher, ob die Krankenkasse die Therapiekosten ersetzen muss. Schließlich habe er sich kein Bein gebrochen oder ähnliches, sondern fühle sich „nur“ schlecht. Kann D auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung geholfen werden? Hat er eine „Krankheit“ im Sinne des SGB V? Obwohl „Krankheit“ der wichtigste Versicherungsfall ist, hat der Gesetzgeber diesen Begriff nicht im SGB V definiert. Die Rechtsprechung definiert Krankheit als regelwidrigen Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf oder zugleich oder allein Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat. Regelwidrig ist der Körper- oder Geisteszustand, wenn er von der Norm, d.h. dem Leitbild des gesunden Menschen abweicht, und wenn die Ausübung der normalen geistigen oder körperlichen Funktionen (mehr als nur unerheblich) beeinträchtigt ist oder wenn die Abweichung von dieser Norm trotz befriedigender körperlicher und geistiger Funktionen entstellende Wirkung hat. Tritt bei einem Versicherten der Krankheitsfall ein, stehen ihm umfassende Ansprüche gegen die gesetzliche Krankenversicherung zu. Diese sind in den §§ 27 ff. SGB V geregelt. Sehen Sie diesen Abschnitt des SGB V durch: So haben Versicherte Anspruch auf ärztliche und zahnärztliche Behandlung gemäß § 28 SGB V. Wenn notwendig, können sie zudem eine Krankenhausbehandlung beanspruchen, vgl. § 39 SGB V. Ansprüche auf Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmittel gewähren die §§ 31 – 36 SGB V. Gemäß § 39a SGB V können schließlich auch solche auf palliativ-medizinische Behandlung durch stationäre oder ambulante Hospizleistungen bestehen. Wir kommen zur Lösung des Falls 8: Gebrochene Glieder, Tumore und Virusinfektionen mögen zweifellos Krankheiten sein; bei Depressionen ist sich der verzweifelte D nicht so sicher. Diese Sorgen sind jedoch unberechtigt: Die Rechtsprechung erkennt psychische Erkrankungen ohne weiteres als Krankheiten an. Nach § 28 SGB V hat D daher Anspruch auf
Lektion 2: Gesetzliche Krankenversicherung SGB V ärztliche Behandlung wegen Depressionen. Wenn notwendig, könnte D zudem die Versorgung mit Arzneimitteln, etwa mit Anti-Depressiva, gemäß § 31 SGB V beanspruchen. § 27 I Nr. 1 SGB V stellt klar, dass auch eine Psychotherapie Teil der Krankenbehandlung ist. Sollte es ganz schlimm kommen, käme die gesetzliche Krankenkasse gemäß § 39 SGB V auch für die Kosten einer stationären Behandlung auf.
Fall 9
Jurastudent J ist durch eine Klausur für den großen Öff-Recht-Schein gefallen. Niedergeschlagen geht er mit der nicht bestandenen Klausur nach Hause und stürzt gefrustet einige Gläser Jägermeister herunter. Am nächsten Morgen wacht J mit einem leichten Kater auf. Ist J krank im Sinne des SGB V? Wie in Fall 8 gesehen eröffnet ein Krankheitsfall einem Versicherten eine ganze Reihe von Ansprüchen gegen seine gesetzliche Krankenversicherung. Die Rechtsprechung erkennt dabei nicht nur „klassische Krankheiten“ an: Auch Suchterkrankungen, Kiefer- und Zahnstellungsanomalien oder (wie oben gesehen) psychische Krankheiten sind anerkannt. In Fall 9 stehen dem verkaterten Jurastudenten J jedoch keine Ansprüche zu. Zwar ließe sich argumentieren, dass ein Kater ein regelwidriger Körperzustand sei. Allerdings bedarf ein leichter Kater keiner ärztlichen Behandlung, da er auch ohne ärztliche Hilfe in kurzer Zeit wieder entschwindet. J wird also ohne ärztliche Hilfe seinen Kater „auskurieren“ müssen, um sich dann mit neuem Mut an den nächsten Klausurversuch zu wagen. Zur weiteren Verdeutlichung des Krankheitsbegriffs noch ein letzter Fall:
Fall 10
N nennt unfreiwilligerweise eine leicht gebogene Hakennase sein eigen. Seit langem missfällt sie ihm, obwohl ihm jeder Bekannte erfolglos zu erklären versucht, dass seine Nase vollkommen normal aussehe. Er steigert sich in seine Abneigung gegen die eigene Nase immer weiter hinein: N mag nicht mehr in sein eigenes Spiegelbild sehen und schiebt jedes nur erdenkliche Unglück auf seine vermeintlich missratene Nase – seien es Misserfolge bei der Damenwelt oder verpatzte Vorstellungsgespräche. Schließlich verfällt er in schwere Depressionen. Niedergeschlagen fragt
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Soziale Vorsorge er bei seiner Krankenkasse an, ob sie ihm eine Schönheitsoperation an der Nase finanzieren würde. Wird sie dies tun? Aus Sicht des N handelt es sich bei seiner Nase durchaus um einen regelwidrigen Körperzustand, der ärztlicher Handlung bedarf. Schließlich sind die Folgen in Form von Depressionen einschneidend. Die Annahme, dass hier eine Krankheit gegeben sei, liegt nicht fern. Die Sozialrechtsprechung kennt mit der Nase des N jedoch keine Gnade. Ihr zufolge wird ein Körperzustand ohne Funktionseinschränkung oder entstellende Wirkung nicht dadurch zum regelwidrigen Zustand, dass er zu einer behandlungsbedürftigen Erkrankung führt. Die Nase des N aus Fall 10 hat keine entstellende Wirkung: Eine Schönheitsoperation muss ihm die Krankenkasse nicht finanzieren. Seine Depressionen kann er aber auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung behandeln lassen. Anders sähe es beispielsweise aus, wenn jemand durch einen Unfall entstellende Verbrennungen im Gesicht erlitte. Hier bestünde ein Anspruch gegen die Krankenkasse auf Behandlung.
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Leitsatz 2 Krankheitsbegriff i. S. d. SGB V Krankheit ist ein regelwidriger Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf oder zugleich oder allein Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat. Regelwidrig ist der Körper- oder Geisteszustand, wenn er von der Norm, d.h. dem Leitbild des gesunden Menschen abweicht, und wenn die Ausübung der normalen geistigen oder körperlichen Funktionen (mehr als nur unerheblich) beeinträchtigt ist. Ein Körperzustand ohne Funktionseinschränkung oder entstellende Wirkung wird nicht dadurch regelwidrig, dass er zu einer behandlungsbedürftigen psychischen Erkrankung führt.
Fall 11
Der pflichtversicherte Kraftfahrer K wird in seiner Freizeit beim Fußballspiel von R übel gefoult. K bricht sich ein Bein und wird daraufhin im Krankenhaus behandelt. Bei seiner Entlassung teilen ihm die Ärzte mit, dass er für vier weitere Wochen keinen Lkw fahren können werde. Hat K
Lektion 2: Gesetzliche Krankenversicherung SGB V gegenüber der Krankenkasse außer demjenigen auf Krankenbehandlung noch weitere Ansprüche? § 44 SGB V gewährt Pflichtversicherten einen Anspruch auf Krankengeld, wenn eine Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder der Versicherte auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung behandelt wird. Für bestimmte Versicherte schließt § 44 II SGB V den Anspruch auf Krankengeld aus. Zum Beispiel haben Bezieher von Arbeitslosengeld II gem. § 44 II Nr. 1 SGB V keinen Krankengeldanspruch. Hauptberuflich selbstständig Erwerbstätige haben nur dann einen Anspruch, wenn sie gegenüber Ihrer Versicherung die sogenannte Wahlerklärung abgegeben haben (§ 44 II Nr. 2 SGB V). Arbeitsunfähigkeit liegt vor, wenn der Betroffene seiner bisher ausgeübten Erwerbstätigkeit nicht oder nur unter der Gefahr der Verschlimmerung seines Zustands nachgehen kann. Bei der bisher ausgeübten Tätigkeit ist auf die zuletzt konkret ausgeübte Tätigkeit abzustellen. In Fall 11 ist K arbeitsunfähig, solange er keinen LKW führen kann. Er hat gemäß § 44 SGB V als Pflichtversicherter einen Anspruch auf Krankengeld für die Zeit des Krankenhausaufenthalts und weitere vier Wochen. Eine Ausnahme vom Krankengeldanspruch nach § 44 II SGB V liegt hier nicht vor.
Fall 12
Frisch vom Beinbruch genesen erwachen in dem Kraftfahrer K Frühlingsgefühle. Nach einem intimen Stelldichein mit seiner Ehefrau F wird diese schwanger. Die F fragt sich, ob ihre gesetzliche Krankenkasse die Kosten des Besuchs beim Frauenarzt übernehmen wird? Bei einer Schwangerschaft handelt es sich nicht um eine Krankheit im Sinne des SGB V. Dennoch haben Schwangere Ansprüche gegen ihre Krankenversicherung. Die Ansprüche bei Mutterschaft und Schwangerschaft sind in den §§ 24c – i SGB V geregelt. Im Falle der Schwanger- und Mutterschaft bestehen Ansprüche auf ärztliche Versorgung, Hebammenhilfe, Versorgung mit Arznei-, Verbandsund Heilmitteln, stationäre Entbindung, häusliche Pflege, Haushaltshilfe und Mutterschaftsgeld.
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Soziale Vorsorge In Fall 12 kann F also beruhigt zum Frauenarzt gehen. Schwangerschaft ist als Versicherungsfall anerkannt. Die gesetzliche Krankenversicherung wird die Kosten der ärztlichen Versorgung übernehmen. Übersicht 2 stellt die Leistungen der Krankenversicherung dar:
Übersicht 2: Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung (SGB V) Bei Krankheit: Krankenbehandlung, §§ 27 ff. SGB V, §§ 55 – 59 SGB V Krankengeld, §§ 44 ff. SGB V
Bei Schwangerschaft/ Mutterschaft: Ansprüche nach §§ 24c – i SGB V
Sonstige Leistungen: Leistungen zur Prävention etc., §§ 20 – 26 SGB V
Leistungserbringung
Fall 13
Freund F ist es endlich gelungen, den depressiven D aus Fall 8 davon zu überzeugen, dass er ärztlicher Hilfe bedarf. Den D plagen jedoch mittlerweile neue Befürchtungen: Sein Konto ist überzogen. Selbst wenn die gesetzliche Krankenkasse also seine Behandlung irgendwann bezahlen sollte, glaubt er, vorerst nicht zum Arzt gehen zu können – fehlen ihm doch schlicht die Mittel, die Krankenbehandlungskosten vorzustrecken. Wird F den D beruhigen können und ihn endlich zu einem Arztbesuch bewegen können? Anders als bei privaten Versicherungen gilt in der gesetzlichen Krankenkasse gemäß § 2 II SGB V das sogenannte Sachleistungsprinzip. Das Prinzip der Kostenerstattung kennt das SGB V nur für Sonderfälle, etwa
Lektion 2: Gesetzliche Krankenversicherung SGB V bei Auslandsbehandlungen oder wenn der Versicherte die Kostenerstattung vorher ausdrücklich wählt, vgl. § 13 SGB V. Im Normalfall erbringt die Krankenkasse also ihre Versicherungsleistungen direkt als Sach- und Dienstleistungen. Dem Versicherten soll erspart bleiben, in Vorleistung treten zu müssen. Zum anderen dient das Sachleistungsprinzip dem Wirtschaftlichkeitsgebot aus § 12 SGB V. Diese Vorschrift besagt, dass alle Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein müssen sowie das Maß des Notwendigen nicht überschreiten dürfen. Nur wenn diese Kriterien erfüllt sind, kann ein Versicherter eine Leistung beanspruchen. Prinzipiell hat der Versicherte gemäß § 15 III SGB V eine bestimmte Versicherungsleistung zu beantragen, bevor er diese in Anspruch nimmt. Grundsätzlich müsste D in Fall 13 demnach einen Antrag auf Versicherungsleistungen stellen. Für den Besuch eines Vertragsarztes oder -zahnarztes besteht jedoch eine wichtige Ausnahme: Hier ersetzt gem. § 15 II SGB V die Vorlage der Krankenkassenkarte beim Arzt den Antrag bei der Krankenversicherung. D muss also weder die Kosten der Arztbehandlung vorschießen noch vorher bei seiner Krankenkasse die Zustimmung zum Arztbesuch einholen. Es genügt die Vorlage seiner Krankenkassenkarte beim Arzt.
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Leitsatz 3 Sachleistungsprinzip gemäß § 2 II SGB V Dem Sachleistungsprinzip zufolge erbringt die gesetzliche Krankenversicherung grundsätzlich die Leistungen direkt an den Versicherten. Das Prinzip der Kostenerstattung kennt das SGB V nur in Ausnahmefällen.
Fall 14
Sozialpädagogikstudent S lebt im selben Wohnheim wie Jurastudentin J. Der Anblick derselben bereitet ihm schlaflose Nächte. Nur traut er sich nicht, die kühle Blondine mit den Perlenohrringen anzusprechen. Eines Tages fasst er endlich Mut: Kurz entschlossen stürzt er mit überhastetem Tempo und einem Blumenstrauß in der Hand die Treppe zur Wohnheimgruppe der J hoch. Kurz vor dem Ziel jedoch stolpert er aus Unachtsamkeit und stürzt die Treppe hinunter. Die Bilanz: mehrere Brüche und eine
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Soziale Vorsorge kostspielige Krankenhausbehandlung. Krankenkassenmitarbeiter K, der den Fall auf den Schreibtisch bekommt, ist empört: Es könne ja wohl nicht Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung sein, für die Folgen des Leichtsinns liebestoller Studenten aufzukommen! Kann er S an den Kosten des Krankenhausaufenthalts beteiligen? § 52 SGB V regelt die Leistungsbeschränkung bei Selbstverschulden. Danach kann die Krankenkasse einen Versicherten an den Behandlungskosten beteiligen, wenn dieser sich vorsätzlich eine Krankheit zugezogen hat. Auch wenn er sich bei Begehung eines Verbrechens oder eines vorsätzlichen Vergehens eine Krankheit zuzieht, kann ihn die Krankenkasse an den Kosten beteiligen. Die Beteiligung hat in angemessener Höhe zu erfolgen. Mit den Wörtern „kann“ und „angemessen“ stellt der Gesetzgeber klar, dass die Krankenkasse in den Fällen des § 52 I SGB V Ermessen in zweierlei Hinsicht hat: XXZum einen dahingehend, „ob“ sie den Versicherten an den Kosten beteiligt und XXzum zweiten darüber, in welcher Höhe sie den Versicherten beteiligt. Berücksichtigen muss die Krankenkasse nach der Sozialrechtsprechung den Grad des Verschuldens des Versicherten, dessen finanzielle Leistungsfähigkeit sowie die Höhe der Kosten der Krankenbehandlung. In Fall 14 hat K jedoch keine Handhabe, den S an den Kosten seines Krankenhausaufenthalts zu beteiligen. S rannte die Treppe in überhastetem Tempo hoch. Gemessenen Schritts wäre er nicht gestolpert und die Treppe hinuntergestürzt: Er hat sich seine Krankheit also fahrlässig hinzugezogen. In Fällen sowohl der einfachen als auch der groben Fahrlässigkeit aber muss die Krankenkasse voll für die Krankenhausbehandlung aufkommen; § 52 I SGB V bietet nur eine Handhabe für Fälle des Vorsatzes. Für Vorsatz sind hier jedoch keine Ansatzpunkte ersichtlich.
Fall 15
Der Sozialpädagogikstudent S hält den Unfall für ein Zeichen höherer Mächte. Statt mit Blumen will er die J nun mit einem „toughen“ Äußeren verführen. Er sucht einen Tattoo-Shop im Hafenviertel seiner Universi-
Lektion 2: Gesetzliche Krankenversicherung SGB V tätsstadt auf, um sich dort mehrere Piercings im Gesicht stechen und einen Anker auf den Unterarm tätowieren zu lassen. Leider steht es in dem Tattoo-Shop mit der Hygiene nicht zum Besten. Sowohl Piercings als auch Tätowierungen entzünden sich nach kurzer Zeit. Wiederum folgt eine kostspielige Krankenbehandlung. Hat der nach wie vor aufgebrachte Krankenkassenmitarbeiter K nun die Möglichkeit, den S an den entstandenen Kosten zu beteiligen? Galten Tätowierungen und Piercings in guten alten Zeiten noch als Erkennungszeichen von Mitgliedern der Unterwelt, sind sie in den letzten Jahren auch bei braven Bürgern schwer in Mode gekommen. Immer mehr Bundesbürger lassen sich solcherart verzieren – und das keineswegs immer unter den gebotenen hygienischen Umständen. Angesichts häufiger Komplikationen und steigender Behandlungskosten für die gesetzliche Krankenversicherung wurde es dem Gesetzgeber zu bunt: Er schuf die Regelung des § 52 II SGB V. Danach muss die Krankenkasse einen Versicherten an den Kosten für die Behandlung von Krankheiten beteiligen, die er sich bei medizinisch nicht indizierten Schönheitsoperationen, Piercings oder Tätowierungen zuzieht. Die Beteiligung hat in angemessener Höhe zu erfolgen. Bereits gezahltes Krankengeld hat die Krankenkasse teilweise oder in ganzer Höhe zurückzufordern. Das Wort „hat“ stellt klar, dass die Krankenkasse in diesen Fällen kein Auswahlermessen hat, „ob“ sie den Versicherten an den Behandlungskosten beteiligt. Sie muss dies tun! Ermessen hat sie nur hinsichtlich der Höhe der Beteiligung. Im Fall 15 sieht es für S also schlecht aus. Er hat sich die Krankheit bei Piercings und Tätowierungen zugezogen. K ist verpflichtet, ihn gemäß § 52 II SGB V an den Kosten der Krankenbehandlung zu beteiligen. Die Höhe der Beteiligung steht im pflichtgemäßen Ermessen der Krankenkasse. Dass S als Student nur über sehr geringe finanzielle Mittel verfügt, muss sie aber zu Gunsten des S berücksichtigen. Leitsatz 4 widmet sich der gerade besprochenen Leistungsbeschränkung der Krankenversicherung bei Selbstverschulden des Versicherten:
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Leitsatz 4 Leistungsbeschränkung bei Selbstverschulden Aus § 52 SGB V folgt: Zieht sich ein Versicherter eine Krankheit vorsätzlich oder bei der Begehung eines Verbrechens oder vorsätzlichen Vergehens zu, liegt es im Ermessen der gesetzlichen Krankenkasse, ob sie den Versicherten an den Kosten der Krankenbehandlung beteiligt. Falls ja, liegt es auch im Ermessen der Krankenkasse, in welcher Höhe sie den Versicherten beteiligt. Bei Krankheiten, die sich ein Versicherter fahrlässig oder auch grob fahrlässig zuzieht, kann die Krankenkasse den Versicherten dagegen nicht an den Kosten der Krankenbehandlung beteiligen. Bei Krankheiten, die sich ein Versicherter bei medizinisch nicht indizierten Schönheitsoperationen, Piercings oder Tätowierungen zuzieht, muss die Krankenkasse den Versicherten gemäß § 52 II SGB V an den Kosten der Krankenbehandlung beteiligen. Ermessen hat die Krankenkasse nur hinsichtlich der Höhe der Beteiligung.
Fall 16
B hat eine Lehre bei dem weltbekannten Wunderheiler W absolviert. Voller Tatendrang mietet er in einer Großstadt Räume an, um eine Arztpraxis zu eröffnen. Er ruft den Krankenkassenmitarbeiter K an und fragt, welche Formalien er erfüllen müsse, um auf Kosten der gesetzlichen Krankenkasse Patienten heilen zu können. K, ein großer Fan des Wunderheilers W, fragt seinen Vorgesetzten V, ob es eine Möglichkeit gäbe, dem B bei diesem Anliegen weiterzuhelfen. Besteht eine solche? Wie oben bereits gesehen, gilt in der gesetzlichen Krankenversicherung grundsätzlich das Sachleistungsprinzip. Zur Erbringung der Sachleistungen schließen die Krankenkassen mit Ärzten, Zahnärzten, Krankenhäusern u.s.w. Verträge ab, damit diese die Leistungen für die Krankenkasse erbringen. Die Beziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern sind in den §§ 69 ff. SGB V geregelt. Die Verträge vereinbaren dabei in der Regel nicht Einzelärzte, sondern die sogenannten Kassenärztlichen Vereinigungen mit den gesetzlichen Krankenkassen. Die Kassenärztlichen Vereinigungen sind Körperschaften des Öffentlichen Rechts. Zur Versorgung zugelassene Ärzte und Vertrags-
Lektion 2: Gesetzliche Krankenversicherung SGB V ärzte sind gemäß § 77 SGB V Zwangsmitglieder der Kassenärztlichen Vereinigungen. Da hier Verträge abgeschlossen werden, könnte man auf die Idee kommen, dass das Leistungserbringungsrecht eine privatrechtliche Angelegenheit wäre. Dem ist jedoch nicht so: Das komplette Leistungserbringungsrecht ist Öffentliches Recht. Das gilt auch für die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung der gesetzlichen Krankenkassen, die in den §§ 95 ff. SGB V geregelt ist. Die Krankenkassen können also nicht nach Gutdünken entscheiden, wen sie zur vertragsärztlichen Versorgung zulassen und wen nicht. Zurück zu Fall 16: Gemäß § 95 II i.V.m. § 95a I SGB V setzt die Zulassung die Eintragung in das Arztregister und somit die Approbation als Arzt voraus. Eine Lehre bei einem Wunderheiler reicht nicht aus. Mag der K auch der größte Fan dieses Wunderheilers sein – eine Zulassung des B zur vertragsärztlichen Versorgung wäre rechtswidrig.
Fall 17
Der Angestellte A hat seine aktuelle Lohnbescheinigung in der Hand. Ihn empört der hohe Abzug für die gesetzliche Krankenversicherung: Seit zehn Jahren sei er nicht mehr krank gewesen. Trotzdem müsse er mehr Beiträge zahlen als der ihm untergebene U, der ständig krankfeiere. A sucht das zuständige Verwaltungsbüro seiner gesetzlichen Krankenversicherung auf und versucht einen Rabatt für seinen Krankenkassenbeitrag herauszuhandeln. Wird er mit seinem Ansinnen Erfolg haben? Die gesetzlichen Krankenkassen finanzieren sich im Wesentlichen durch die Beiträge ihrer Mitglieder. Die Finanzierung ist im Einzelnen in dem Abschnitt §§ 220 ff. SGB V geregelt. In diesen Abschnitt greift der Gesetzgeber nicht selten durch Gesetzesänderungen ein. Jeder Versicherte hat aus seinem Einkommen einen prozentualen Beitrag an die gesetzliche Krankenversicherung abzuführen. § 241 SGB V bestimmt den Beitragssatz einheitlich für alle gesetzlichen Krankenversicherungen. Als Einkommen eines Versicherten zählt gemäß § 226 SGB V in erster Linie das Arbeitseinkommen. Weitere einkommenspflichtige Einkommensarten sind gemäß § 228 SGB V Rentenzahlungen und gemäß § 229 SGB V Versorgungsbezüge. Bei Beitragszahlungen aus Arbeits
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Soziale Vorsorge einkommen trägt der Arbeitgeber gemäß § 249 Abs. 1 SGB V die Hälfte der Krankenkassenbeiträge. Die Beitragsbemessung freiwillig Versicherter ist in § 240 SGB V geregelt. Sie wird einheitlich durch den Spitzenverband „Bund der Krankenkassen“ für alle gesetzlichen Krankenkassen festgelegt. Gemäß § 240 I S. 2 SGB V hat sich die Beitragsbemessung an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des freiwillig Versicherten zu orientieren. In Fall 17 wird A keinen Erfolg mit seinem Anliegen haben. Die Höhe des Beitrags, den er abzuführen hat, ist gesetzlich festgelegt. Platz für die Gewährung eines Rabatts durch die Krankenversicherung besteht nicht.
Lektion 3: Soziale Pflegeversicherung SGB XI
Lektion 3: Soziale Pflegeversicherung SGB XI Bei der sozialen Pflegeversicherung handelt es sich um einen jungen Zweig der gesetzlichen Sozialversicherung. Das SGB XI, das die soziale Pflegeversicherung regelt, trat im Jahr 1995 in Kraft. Die Aufgabe der sozialen Pflegeversicherung bestimmt § 1 IV SGB XI. Danach hat die Pflegeversicherung Pflegebedürftigen Hilfe zu leisten, die wegen der Schwere der Pflegebedürftigkeit auf solidarische Unterstützung angewiesen sind. Die soziale Pflegeversicherung ist grundsätzlich nur auf ergänzende Leistungen ausgelegt.
Versichertenkreis
Fall 18
W ist als Wachmann in einem privaten Sicherheitsunternehmen angestellt. Seine Arbeitsstelle ist sozialversicherungspflichtig. Als W auf dem allmorgendlichen Weg zur Arbeit an einem Pflegeheim vorbeikommt, fragt er sich, ob er eigentlich auch Mitglied der Pflegeversicherung ist. Ist er? § 20 I 1 SGB XI bestimmt, dass die versicherungspflichtigen Mitglieder der gesetzlichen Krankenkasse auch in der sozialen Pflegeversicherung versicherungspflichtig sind. Träger der Pflegeversicherung sind gemäß § 46 SGB XI die Pflegekassen. Jede gesetzliche Krankenkasse hat eine solche zu errichten. So ist denn gemäß § 48 I SGB XI auch jeweils die Pflegekasse für den Versicherten zuständig, die bei der für den Versicherten zuständigen Krankenkasse errichtet wurde. Gemäß § 21 SGB XI sind außerdem einige weitere Personengruppen von der Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung erfasst, die nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind: So sind gemäß § 21 Nr. 6 SGB XI etwa auch Zeitsoldaten Mitglieder der sozialen Pflegeversicherung. In bestimmten Grenzen haben Zeitsoldaten ein Wahlrecht, welche Pflegekasse für sie zuständig sein soll (lesen Sie bei Interesse § 48 III SGB XI). In Fall 18 lässt sich die Frage des W einfach beantworten: da er Pflichtmitglied der gesetzlichen Krankenversicherung ist, ist er gemäß § 20 I 1 SGB XI automatisch auch Pflichtmitglied der sozialen Pflegeversicherung.
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Soziale Vorsorge Zuständig ist die Pflegekasse, die bei seiner gesetzlichen Krankenkasse errichtet wurde.
Fall 19
B ist selbstständiger Bauunternehmer und nicht in der gesetzlichen Krankenkasse versicherungspflichtig. Er will für sich eine private Krankenversicherung abschließen. Den Abschluss einer Pflegeversicherung hält er dagegen für überflüssig: In seiner Freizeit lebt er nach dem Motto „live fast, die young“, Drogenexperimente und Alkoholexzesse inklusive. Bis ins Altersheim wird er es seiner Meinung nach ohnehin nicht schaffen. Kann B sich vor dem Abschluss einer Pflegeversicherung drücken? Gemäß §§ 1 II 2, 23 SGB XI muss jeder, der eine private Krankenversicherung abschließt, gleichzeitig auch eine private Pflegeversicherung abschließen. Die privaten Krankenversicherungen sind gemäß § 110 I Nr. 1 SGB XI verpflichtet, auf Antrag Pflegeversicherungsverträge abzuschließen. Es herrscht Kontrahierungszwang. Für die Ausgestaltung einer privaten Pflegeversicherung enthält § 110 SGB XI verbindliche Regeln. Die privaten Träger sind hierin also nicht frei. Dies hat zur Folge, dass praktisch jeder Bundesbürger gesetzlich oder privat Mitglied einer Pflegeversicherung ist. In Fall 19 sieht es für das Vorhaben des B also schlecht aus: Mit Abschluss der privaten Krankenversicherung muss er gleichzeitig eine private Pflegeversicherung abschließen. Seine private Krankenversicherung ist gesetzlich verpflichtet, ihm auf Antrag auch einen Pflegeversicherungsvertrag anzubieten, der den Anforderungen des § 110 SGB XI entspricht.
Pflegebedürftigkeit
Fall 20
T ist sozialversicherungspflichtig bei einem Sportwagenhersteller als Testfahrer angestellt. Bei einer besonders rasanten Testfahrt verliert er die Kontrolle über den Prototyp. Das Fahrzeug fliegt aus der Kurve und überschlägt sich. T überlebt den Unfall, bleibt aber von der Hüfte abwärts gelähmt. Fortan ist er bei zahlreichen alltäglichen Tätigkeiten auf Hilfe angewiesen. Dies betrifft u.a. die Bereiche Mobilität und Selbstversorgung (An- und Ausziehen des Unterkörpers, Duschen und
Lektion 3: Soziale Pflegeversicherung SGB XI Baden, Treppensteigen usw.). Liegt hier ein Fall der Pflegebedürftigkeit im Sinne der sozialen Pflegeversicherung vor? Die erforderliche Vorversicherungszeit hat T erfüllt. Versicherungsfall der sozialen Pflegeversicherung ist die Pflegebedürftigkeit. In § 14 I SGB XI hat der Gesetzgeber diese definiert. Danach sind Personen pflegebedürftig, die gesundheitlich bedingte Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten aufweisen und deshalb der Hilfe durch andere bedürfen. Es muss sich um Personen handeln, die körperliche, kognitive oder psychische Beeinträchtigungen oder gesundheitlich bedingte Belastungen oder Anforderungen nicht selbständig kompensieren oder bewältigen können. Die Pflegebedürftigkeit muss auf Dauer - voraussichtlich für mindestens sechs Monate - und mit mindestens der in § 15 SGB XI festgelegten Schwere bestehen. Maßgeblich für die Pflegebedürftigkeit sind gesundheitliche Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder Fähigkeit in den in § 14 II SGB XI abschließend aufgezählten Bereichen. Dazu eine Übersicht:
Übersicht 3: Bereiche der Pflegebedürftigkeit 1. Mobilität 2. kognitive und kommunikative Fähigkeiten 3. Verhaltensweisen und psychische Problemlagen 4. Selbstversorgung 5. Bewältigung von und selbstständiger Umgang mit krankheitsund therapiebedingten Anforderungen und Belastungen 6. Gestaltung des Alltagslebens und soziale Kontakte
§ 14 II SGB XI konkretisiert diese Bereiche weiter.
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Soziale Vorsorge Gehen Sie für die Lösung von Fall 20 die Bereiche von § 14 II SGB XI durch: Treppensteigen ist in § 14 Abs. II Nr. 1 SGB XI als Teil der Mobilität genannt. T ist hier gesundheitsbedingt beeinträchtigt. § 14 II Nr. 4 SGB XI zählt unter der Überschrift Selbstversorgung u.a. das Duschen und Baden und das An- und Auskleiden des Unterkörpers als maßgebliche Tätigkeiten auf. Auch hier ist T beeinträchtigt. Da T gelähmt ist, werden diese Beeinträchtigungen dauerhaft bestehen. Die meisten Tatbestandsmerkmale der Pflegebedürftigkeit nach § 14 I SGB XI sind durch T erfüllt. Ob ein Fall der Pflegedürftigkeit im Sinne der sozialen Pflegeversicherung vorliegt, lässt sich dennoch noch nicht abschließend beantworten. Offen ist noch die Frage, ob die Pflegebedürftigkeit auch mit der in § 15 SGB XI festgelegten Schwere besteht. Hierzu der Folgefall:
Fall 21
Ein Gutachter des medizinischen Dienstes der Pflegekasse kommt zu dem Ergebnis, dass T in den folgenden Bereichen beeinträchtigt ist: Mobilität, Selbstversorgung, Bewältigung von und selbstständiger Umgang mit krankheits- und therapiebedingten Anforderungen und Belastungen und Gestaltung des Alltagslebens. Er errechnet für diese Belastungen eine Gesamtpunktzahl von 55. Liegt für T der Versicherungsfall der Pflegebedürftigkeit vor? In welchen Pflegegrad ist er einzuordnen? Pflegebedürftige werden gemäß § 15 I, III SGB XI in einen von fünf Pflegegraden eingeordnet. Die Einordnung erfolgt nach einer durch ein Gutachten ermittelten Gesamtpunktzahl. Die Einordnung erfolgt nach einer durch ein Gutachten ermittelten Gesamtpunktzahl:
Übersicht 4: Pflegegrade und Gesamtpunkte Pflegegrad 1: für geringe Beeinträchtigungen der Selbständigkeit XX oder der Fähigkeiten (12,5 bis unter 27 Gesamtpunkte) Pflegegrad 2: für erhebliche Beeinträchtigungen der Selbständigkeit XX oder der Fähigkeiten (27 bis unter 47,5 Gesamtpunkte) Pflegegrad 3: für schwere Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit XX oder der Fähigkeiten (47,5 bis unter 70 Gesamtpunkte)
Lektion 3: Soziale Pflegeversicherung SGB XI
Pflegegrad 4: für schwerste Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit XX oder der Fähigkeiten (70 bis unter 90 Gesamtpunkte) Pflegegrad 5: für schwerste Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit XX oder der Fähigkeiten mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung (90 bis 100 Gesamtpunkte) Damit überhaupt Ansprüche gegen die Pflegeversicherung entstehen, müssen mindestens die Voraussetzungen des Pflegegrads 1 vorliegen. Es müssen also mindestens 12,5 Gesamtpunkte erreicht werden. Die §§ 15 II und III SGB XI und die Anlagen 1 und 2 zu § 15 SGB XI bestimmen, wie die Gesamtpunktzahl zu ermitteln ist. Die Anlagen finden sie normalerweise am Ende des Gesetzes. Zunächst wird für jeden der bereits genannten sechs Bereiche wie Mobilität oder Selbstversorgung („Module“) eine Einzelpunktzahl nach Anlage 1 ermittelt. Diese wird anschließend für jedes Modul gemäß Anlage 2 gewichtet. Die so gewichteten Punkte werden gemäß § 15 III SGB XI addiert und ergeben die Gesamtpunktzahl. Das Verfahren klingt zunächst kompliziert. Werfen Sie zum besseren Verständnis einen Blick in die Anlage 1 zu § 15 SGB XI. Der Gutachter hat für T im Modul Mobilität folgendes festgestellt: –– Positionswechsel im Bett: überwiegend selbstständig = 1 Punkt –– Halten einer stabilen Sitzposition: überwiegend selbstständig = 1 Punkt –– Umsetzen: überwiegend unselbstständig = 2 Punkte –– Fortbewegen innerhalb des Wohnbereichs: überwiegend selbstständig = 1 Punkt –– Treppensteigen: unselbstständig = 3 Punkte Gemäß Anlage 1 ergibt dies zunächst 8 Punkte. Diese sind nun zu gewichten. Gucken Sie hierfür jetzt in Anlage 2: 6 bis 9 Punkte ergeben
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Soziale Vorsorge im Modul Mobilität als Ergebnis 7,5 gewichtete Punkte. Die so für jedes Modul gewichteten Punkte werden zur Bestimmung des Pflegegrades anschließend addiert. Allerdings wird von den Modulen „kognitive und kommunikative Fähigkeiten“ und „Verhaltensweisen und psychische Problemlagen“ nur die jeweils höhere, gewichtete Punktzahl berücksichtigt. In der Anlage 2 werden Sie auch sehen, dass die verschiedenen Module unterschiedlich stark gewichtet werden. Das wichtigste Modul ist mit einer Gewichtung von 40 % die Selbstversorgung. Gehen Sie für die Lösung von Fall 21 noch einmal den § 15 III SGB XI durch: Mit einer Gesamtpunktzahl von 55 sind die Voraussetzungen für eine Einstufung in Pflegegrad 3 gegeben. T ist pflegebedürftig im Sinne des SGB XI.
Fall 22
T hat im Internet gelesen, dass der Pflegegrad 5 ausnahmsweise auch anerkannt werden kann, wenn weniger als 90 Gesamtpunkte festgestellt wurden. Er fragt sich, ob er so eine Ausnahme sein könnte? Kennen Sie die Antwort? Der Gesetzgeber hat mit § 15 IV SGB XI eine Härtefallregelung erlassen. Danach können tatsächlich Pflegebedürftige mit weniger als 90 Gesamtpunkten dem Pflegegrad 5 zugeordnet werden. Gemäß Satz 1 der Vorschrift muss hierfür eine besondere Bedarfskonstellation vorliegen, die einen spezifischen, außergewöhnlichen hohen Hilfebedarf mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung aufweist. Nach Satz 2 hat der Spitzenverband Bund der Pflegekassen die Voraussetzungen dieser besonderen Bedarfskonstellation in den Begutachtungsrichtlinien nach § 17 I SGB XI zu konkretisieren. Für Erwachsene ist bisher nur der Fall der Gebrauchsunfähigkeit beider Arme und Beine als besondere Bedarfskonstellation anerkannt. Es muss ein vollständiger Verlust der Greif-, Steh- und Gehfunktion vorliegen. Womit wir bei der Lösung von Fall 22 wären: Die Arme von T sind nicht beeinträchtigt. Eine besondere Bedarfskonstellation im Sinne von § 15 IV SGB XI liegt nicht vor. Aussicht auf Einordnung in Pflegegrad 5 besteht nicht.
Lektion 3: Soziale Pflegeversicherung SGB XI Leitsatz 5 fasst die Ausführungen zur Pflegebedürftigkeit zusammen:
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Leitsatz 5 Pflegebedürftigkeit gemäß §§ 14, 15 SGB XI Pflegebedürftig ist, wer gesundheitlich bedingte Beeinträchtigun gen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten aufweist und deshalb der Hilfe durch anderer bedarf. Es muss sich um eine Person handeln, die ––körperliche, kognitive oder psychische Beeinträchtigungen oder ––gesundheitlich bedingte Belastungen oder Anforderungen nicht selbständig kompensieren oder bewältigen kann. Die Pflegebedürftigkeit muss auf Dauer – voraussichtlich für mindestens sechs Monate – und mit mindestens der in § 15 SGB XI festgelegten Schwere bestehen. Je nach Pflegebedarf werden die die Pflegebedürftigen in die Pfle gegrade 1 bis 5 eingeordnet. Maßgeblich ist hierfür die in einem Gutachten gemäß §§ 15 II und III SGB XI i.V.m. den Anlagen 1 und 2 zu § 15 SGB XI ermittelte Gesamtpunktzahl. Bei Vorliegen einer besonderen Bedarfskonstellation kann gemäß § 15 IV SGB XI ausnahmsweise Pflegegrad 5 ohne die erforderliche Gesamtpunktzahl anerkannt werden (Härtefallregelung). Es muss mindestens Pflegegrad 1 anerkannt werden, damit Ansprü che gegen die soziale Pflegeversicherung entstehen.
Fall 23
Pflegeversicherungsmitarbeiter P hält das Gutachten des medizinischen Dienstes der Krankenkassen über T in den Händen. Das Gutachten orientiert sich streng an den gesetzlichen Vorgaben. In den Augen von P steht dennoch nur Unfug darin. Das Urteilsvermögen des Gutachters sei wohl von einer übertriebenen Humanitätsduselei getrübt gewesen. Anders könne er sich die Einstufung in Pflegegrad 3 nicht erklären. Nach Meinung von P sind nicht einmal die Voraussetzungen des Pflegegrads 1 erfüllt. T solle sich doch einfach einen Rollstuhl kaufen und nicht weiter überflüssige Anträge stellen. P legt den Fall seinem Vorgesetzten V vor und erklärt, den Antrag auf Feststellung der Pflegebedürftigkeit ablehnen zu wollen. Wie wird V den P anweisen?
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Soziale Vorsorge Die Pflegekasse ist gemäß § 18 I SGB XI verpflichtet, das Vorliegen und den Grad der Pflegebedürftigkeit durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) oder durch unabhängige Gutachter prüfen zu lassen. Wenn die Pflegekasse einen unabhängigen Gutachter beauftragen will, muss sie allerdings gemäß § 18 IIIa Nr. 1 SGB XI dem Antragsteller mindestens drei Gutachter zur Auswahl benennen. Dies muss sie auch, wenn 20 Arbeitstage nach Antragstellung noch keine Begutachtung erfolgt ist. § 18 SGB XI regelt auch das Verfahren der Pflegebedürftigkeitsprüfung. So hat der Medizinische Dienst oder der unabhängige Gutachter gemäß § 18 II SGB XI den Antragsteller grundsätzlich in seinem Wohnbereich zu untersuchen. Nur ausnahmsweise kann dies unterbleiben. Der MDK oder der unabhängige Gutachter sind verpflichtet, das Ergebnis der Prüfung der Pflegekasse unverzüglich mitzuteilen. Der Spitzenverband Bund der Pflegekassen hat gemäß § 17 I SGB XI Begutachtungsrichtlinien erlassen, die für den MDK oder unabhängige Gutachter sowie die Pflegekassen verbindlich sind. Die Begutachtungsrichtlinien konkretisieren u. a. Begriffe aus der Anlage 1 zu § 15 SGB XI (Modul 1: Mobilität, Treppensteigen – unselbstständig = Person muss getragen werden oder mit Hilfsmitteln transportiert werden, keine Eigenbeteiligung; teilweise selbstständig = Treppensteigen ist nur mit Stützen und Festhalten der Person möglich usw.). Das Bundesgesundheitsministerium genehmigt die Begutachtungsrichtlinien gemäß § 17 II SGB XI. In Fall 23 kann P zwar theoretisch entgegen des Gutachtens den Antrag des T ablehnen. Allerdings wäre ein solches Vorgehen rechtswidrig, da keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass das Gutachten entgegen gesetzlicher Vorgaben gefertigt worden wäre. Spätestens vor dem Sozialgericht unterläge die Pflegekasse gegen T und wäre gezwungen, die Pflegebedürftigkeit anzuerkennen. V wird den P also anweisen, dem Gutachten des MDK zu folgen.
Fall 24
T wird von seiner Ehefrau F im gemeinsamen Haus gepflegt. Nachdem Pflegegrad 3 von der sozialen Pflegeversicherung anerkannt wurde, fragt er sich, welche Leistungen von dieser beantragt werden können. Wissen Sie die Antwort?
Lektion 3: Soziale Pflegeversicherung SGB XI Die einzelnen Leistungsarten der sozialen Pflegeversicherung für die Pflegegrade 2 bis 5 sind in den §§ 28 I, Ia SGB XI aufgezählt. Es gilt gemäß § 3 SGB XI der Grundsatz des Vorrangs der häuslichen Pflege: Ein Anspruch auf Leistungen zur teilstationären oder stationären Pflege besteht nur, wenn eine häusliche Pflege nicht möglich ist oder wegen der Einzelheiten des Falles nicht in Betracht kommt. Für Leistungen der Pflegeversicherung besteht eine Obergrenze, auch wenn der tatsächliche Bedarf darüber liegt. Je nach Pflegegrad erhöhen sich die Ansprüche gegen die soziale Pflegeversicherung. Der Bedarf, der nicht durch Leistungen der sozialen Pflegeversicherung gedeckt ist, muss privat aufgebracht werden. Im Fall der häuslichen Pflege ergeben sich die Leistungen der sozialen Pflegeversicherung aus den §§ 36 – 40 SGB XI. Bei häuslicher Pflege können Versicherte zwischen Pflegesachleistungen (§ 36 SGB XI), Pflegegeld für eine selbst beschaffte Pflegehilfe (§ 37 SGB XI) oder einer Kombination aus beidem (§ 38 SGB XI) wählen. Nach § 40 SGB XI kann der Versicherte die Erstattung der Kosten für Pflegemittel und Umbaumaßnahmen seiner Wohnung beantragen. Auch diese Kostenerstattung ist in der Höhe gedeckelt. Technische Hilfsmittel sollen gem. § 40 III SGB V vorrangig leihweise bereit gestellt werden. Ist dies nicht möglich hat der Versicherte im Regelfall eine Zuzahlung zu leisten. Pflegebedürftige mit Pflegegrad 1 haben nur deutlich abgespeckte Ansprüche gegen die soziale Pflegeversicherung. Die Leistungsarten sind in § 28a SGB XI aufgelistet: So können z.B. Ansprüche auf Beratungen, Pflegekurse für Angehörige oder auf Pflegehilfsmittel bestehen. T ist jedoch in Pflegegrad 3 eingestuft, so dass er in Fall 24 ein Pflegegeld gemäß § 37 SGB XI für die ihn betreuende Ehefrau F beantragen kann. Dieses ist gemäß § 37 I SGB XI nach Pflegegrad gestaffelt. Nach sechs Monaten kann T gemäß § 39 SGB XI die Erstattung von Kosten für eine notwendige Ersatzpflege für bis zu sechs Wochen pro Kalenderjahr beantragen, wenn seine Ehefrau verhindert sein sollte. Als Bezieher von Pflegegeld ist T verpflichtet, sich gemäß § 37 III SGB XI regelmäßig zuhause beraten zu lassen. Die Beratungen werden vom
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Soziale Vorsorge Pflegedienst, einer zugelassenen Beratungsstelle oder ausnahmsweise von einer anderen durch die Pflegekasse beauftragten Person durchgeführt. T könnte sich zudem anteilig gemäß § 38 SGB XI von einer professionellen Pflegekraft pflegen lassen. Die Pflegeversicherung zahlt die Kosten von Pflegeeinsätzen bis zu einem bestimmten monatlichen Deckelungsbetrag. Zu welchem Anteil T sich von einer professionellen Pflegekraft pflegen lassen will, muss er für je sechs Monate bestimmen. Das Pflegegeld verringert sich dann für den Zeitraum entsprechend. Nach § 40 SGB XI schließlich kann T die Kostenerstattung für Pflegemittel und einen behindertengerechten Umbau seiner Wohnung beantragen. Für solche wohnumfeldverbessernden Maßnahmen kann die Pflegekasse Zuschüsse bis zu einem bestimmten Deckelungsbetrag gewähren.
Fall 25
T hat Leistungen der sozialen Pflegeversicherung bewilligt bekommen. F pflegt T mehr als 10 Stunden an mehr als zwei Tagen wöchentlich. Ihre sozialversicherungspflichtige Tätigkeit als Zahnarzthelferin musste sie unmittelbar vor Beginn der Pflege aufgeben. F erkundigt sich, ob sie auch selbst Ansprüche gegen die Pflegeversicherung geltend machen könnte. Sogenannte Pflegepersonen haben eigene Ansprüche gegen die soziale Pflegeversicherung. § 19 SGB XI definiert Pflegepersonen als Personen, die nicht erwerbsmäßig einen Pflegebedürftigen im Sinne des § 14 SGB XI in seiner häuslichen Umgebung pflegen. Leistungen zur sozialen Sicherung gemäß § 44 SGB XI können Pflegepersonen allerdings nur dann geltend machen, wenn sie eine pflegebedürftige Person wöchentlich mindestens zehn Stunden an regelmäßig mindestens zwei Tagen pro Woche pflegen. Soweit sie nicht mehr als 30 Stunden wöchentlich erwerbstätig sind, haben Pflegepersonen dann gemäß § 44 I SGB XI Anspruch auf Zahlung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung durch die soziale Pflegeversicherung. Soweit sie unmittelbar vor der Pflegetätigkeit sozialversicherungspflichtig beschäftigt waren oder Arbeitslosengeld nach dem SGB III erhalten haben, übernimmt die Pflegekasse auch Beiträge zur Arbeitslosenversicherung. Außerdem ist die pflegerische Tätigkeit dann in der gesetzlichen Unfallversicherung abgesichert.
Lektion 3: Soziale Pflegeversicherung SGB XI Der Schutz in der Unfallversicherung bestand früher auch für so genannte Kurzzeitpflegende, die eine Person weniger als zehn Stunden pro Woche pflegen. Dies hat der Gesetzgeber 2017 abgeschafft. F pflegt den T jedoch an mehr als zwei Tagen für mehr als 10 Stunden wöchentlich. In Fall 25 ist F also für ihre Tätigkeit in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert. Sie kann eine Versicherung ihrer Pflegetätigkeit in der gesetzlichen Rentenversicherung beanspruchen. Da sie unmittelbar vor Beginn der Pflege sozialversicherungspflichtig beschäftigt war, besteht auch Anspruch auf Absicherung in der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung. Die Beiträge hat die soziale Pflegeversicherung des T zu entrichten.
Fall 26
A ist ab dem Hals abwärts gelähmt. Zusätzlich leidet er an schwerer Altersdemenz. Er wird in einem Pflegeheim betreut. Auf Antrag stellt der Medizinische Dienst das Vorliegen der Voraussetzungen des Pflegegrads 5 fest. A beantragt die Übernahme der Kosten des Pflegeheims. Kann er diese einfordern? Gemäß § 43 I SGB XI haben Pflegebedürftige der Pflegegrade 2 bis 5 auch Anspruch auf Pflege in vollstationären Einrichtungen. Die soziale Pflegeversicherung zahlt für die Kosten der vollstationären Pflege in § 43 II SGB XI festgesetzte Pauschalbeträge. Diese steigen mit dem Pflegegrad. Der gezahlte Betrag dient der Deckung der Kosten für die pflegebedingte Aufwendungen einschließlich der Aufwendungen für Betreuung und Leistungen der medizinischen Behandlungspflege. In der Regel wird der Betrag die Pflegekosten nur anteilig decken. Außen vor bleiben Kosten für Unterkunft und Verpflegung in einer vollstationären Einrichtung (die so genannten „Hotelkosten“). Nur wenn der nach § 43 II SGB XII gewährte Betrag die Pflegekosten überschreitet, übernimmt die Pflegekasse ausnahmsweise auch Kosten für Unterkunft und Verpflegung bis zur Deckelungsgrenze. Pflegebedürftige mit Pflegegrad 1 erhalten gemäß § 43 III SGB XI bei vollstationärer Pflege nur einen Zuschuss von 125 €. In Fall 26 hat A also gemäß § 43 SGB XI einen Anspruch auf Leistungen zur vollstationären Pflege. Da er in Pflegegrad 5 einzustufen ist, hat
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Soziale Vorsorge er gemäß § 43 II SGB XI Anspruch auf den dort genannten Betrag. Die Pflegekasse überweist den Betrag direkt an die Pflegeeinrichtung. Die nicht von der sozialen Pflegeversicherung gedeckten Kosten muss A privat aufbringen. Kosten für Unterkunft und Verpflegung muss er ebenfalls vollständig privat aufbringen. Übersicht 5 stellt noch einmal die Leistungen der sozialen Pflegeversicherung dar.
Übersicht 5: Leistungen der sozialen Pflegeversicherung Die soziale Pflegeversicherung umfasst folgende Leistungen: Leistungen bei häuslicher Pflege XX §§ 36 – 40 SGB XI Leistungen bei teilstationärer Pflege und Kurzzeitpflege XX §§ 43, 43a, 43b SGB XI Leistungen bei vollstationärer Pflege XX §§ 43, 43a SGB XI Leistungen für Pflegepersonen XX §§ 44 – 45 SGB XI Angebote zur Unterstützung im Alltag, Entlastungsbetrag XX §§ 45a ff. SGB XI
Finanzierung
Fall 27
Der Mechatroniker M arbeitet sozialversicherungspflichtig für einen Halbleiterhersteller in München. Dieser versetzt ihn in ein Werk ins schöne Dresden. Die neue Tätigkeit bereitet ihm sofort große Freude. Als er sich jedoch nach Feierabend über einen sächsischen Christstollen beugt, wirft er einen Blick auf seine neue Gehaltsabrechnung: Sogleich kommt ihn ihm der Verdacht auf, dass sein Pflegeversicherungsbeitrag gestiegen sei. Er fragt sich, wie dieser sich errechnet. Kennen Sie die Antwort?
Lektion 3: Soziale Pflegeversicherung SGB XI Die Finanzierung der sozialen Pflegeversicherung ist in den §§ 54 ff. SGB XI geregelt. Die soziale Pflegeversicherung finanziert sich durch die Beiträge der Versicherten. Jeder Versicherte hat dabei einen bestimmten Prozentsatz seiner Einnahmen abzuführen. Der Prozentsatz wird gesetzlich festgelegt. Den aktuellen Wert finden Sie in § 55 I SGB XI. Versicherte ohne Kinder zahlen ab Vollendung des 23. Lebensjahres gemäß § 55 III SGB XI einen Aufschlag auf den Pflegeversicherungsbeitrag. Den sogenannten Beitragszuschlag für Kinderlose tragen Beschäftigte vollständig selbst. Bei versicherungspflichtigen Beschäftigten trägt der Arbeitgeber gemäß § 58 I SGB XI die Hälfte des Beitrages. Zum Ausgleich hierfür musste gemäß § 58 II SGB XI ein Feiertag abgeschafft werden. Davon hat nur das Bundesland Sachsen keinen Gebrauch gemacht: Gemäß § 58 III S. 1 SGB XI tragen in Sachsen die Beschäftigten daher einen höheren Anteil des Pflegeversicherungsbeitrags. In Fall 27 erklärt sich die Erhöhung des Pflegeversicherungsbeitrages des M dadurch, dass er nach Sachsen gezogen ist. Gemäß § 58 III 1 SGB XI haben die Beschäftigten dort einen höheren Anteil des Pflegeversicherungsbeitrags selbst zu tragen.
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Soziale Vorsorge
Lektion 4: Gesetzliche Unfallversicherung SGB VII Das Recht der gesetzlichen Unfallversicherung ist im Wesentlichen im SGB VII geregelt. Die Aufgabe der gesetzlichen Unfallversicherung wird in § 1 SGB VII definiert: Sie soll mit allen geeigneten Mitteln Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten sowie arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren verhüten. Nach Eintritt von Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten wiederum soll sie die Gesundheit und die Leistungsfähigkeit der Versicherten mit allen geeigneten Mitteln wiederherstellen und diese oder ihre Hinterbliebenen durch Geldleistungen entschädigen.
Versicherter Personenkreis
Fall 28
A hat einen unbefristeten Arbeitsvertrag bei einer großen deutschen Autofirma. Er ist als Arbeiter in einem Endmontagewerk eingesetzt. Ist A Mitglied der gesetzlichen Unfallversicherung? Die Mitgliedschaft in der gesetzlichen Unfallversicherung ist in den §§ 2 ff. SGB VII geregelt. Werfen Sie einen Blick in § 2 SGB VII: Wie Sie schon der Überschrift des § 2 SGB VII entnehmen können, entsteht für die dort genannten Personen die Mitgliedschaft kraft Gesetzes. Es ist also unerheblich, ob diese einen Versicherungsantrag gestellt oder mit ihrem Arbeitgeber einen Versicherungsvertrag abgeschlossen haben – wer unter die in § 2 SGB VII aufgezählten Personen fällt, ist automatisch Mitglied der gesetzlichen Unfallversicherung. Hauptfall sind gemäß § 2 I Nr. 1 SGB VII „Beschäftigte“. Um herauszufinden, was ein Beschäftigter im Sinne des Sozialrechts ist, müssen Sie zurück in das SGB IV blättern: Dort definiert der Gesetzgeber in § 7 SGB IV Beschäftigung als nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. In Fall 28 steht A in einem Arbeitsverhältnis. Er verrichtet unselbstständige Arbeit. Gemäß § 2 I Nr. 1 SGB VII ist er kraft Gesetzes in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert.
Lektion 4: Gesetzliche Unfallversicherung SGB VII
Fall 29
B ist Beamter in einem beschaulichen Landkreisamt. In einer stillen Stunde fragt er sich, ob er eigentlich auch in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert ist. Ist er? Gemäß § 2 I 1 SGB VII i.V.m. § 7 SGB IV wäre B als Beschäftigter anzusehen. Er ist in einem Arbeitsverhältnis mit dem Staat tätig. § 4 SGB VII nennt jedoch die Personen, die versicherungsfrei sind. Dort findet sich auch die Lösung zum Fall des B. Lesen Sie § 4 I Nr. 1 SGB VII: Personen, für die die beamtenrechtlichen Unfallfürsorgevorschriften oder entsprechende Grundsätze gelten, sind versicherungsfrei. Diese Personen sind nach Ansicht des Gesetzgebers bereits ausreichend geschützt, so dass eine Mitgliedschaft in der gesetzlichen Unfallversicherung nicht nötig ist. Für den Beamten B aus Fall 29 gelten die spezielleren beamtenrechtlichen Unfallfürsorgevorschriften. Somit ist B nicht Mitglied der gesetzlichen Unfallversicherung nach SGB VII.
Fall 30
Die Universität U ist berüchtigt für ihre veralteten Gebäude. Der ängstliche Geschichtsstudent G begibt sich zitternden Fußes hinab in den Keller eines baufälligen Instituts. Er soll dort in einem Seminarraum ein Referat halten. Während G mit seinen Ausführungen über die attische Demokratie beginnt, fallen ihm bedrohliche Risse an der Wand ins Auge. Er fragt sich, ob er denn wenigstens während seines Referats in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert ist? In der gesetzlichen Unfallversicherung sind nicht nur Beschäftigte versichert. Auch einer Reihe weiterer Personen hat der Gesetzgeber den Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung gewährt. Man nennt die Versicherung für Personen, die nicht als Beschäftigte Mitglied der gesetzlichen Unfallversicherung sind, auch „unechte Unfallversicherung“. U.a. genießt gemäß § 2 I Nr. 9, 10 u. 12 SGB VII Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung, wer in bestimmten Bereichen ehrenamtlich tätig wird. Auch Blut- und Organspender etwa sind gemäß § 2 I Nr. 13b SGB VII für ihre Tätigkeit in der gesetzlichen Unfallversicherung abgesichert.
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Soziale Vorsorge Gemäß § 6 SGB VII können darüber hinaus Angehörige bestimmter Personenkreise, z.B. Selbstständige, freiwillig Mitglieder in der gesetzlichen Unfallversicherung werden. Wenn Sie die einzelnen Fälle des § 2 SGB VII durchgehen, stoßen Sie auf die Lösung für Fall 30: Gemäß § 2 I Nr. 8c SGB VII sind auch Studierende während ihrer Aus- und Fortbildung an Hochschulen gesetzlich unfallversichert. Nach der Rechtsprechung zählt dazu neben dem Besuch von Lehrveranstaltungen auch der Besuch von Seminaren. G ist also während des Seminars in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert.
Arbeitsunfall § 7 I SGB VII nennt die beiden Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung: den Arbeitsunfall und die Berufskrankheit.
Fall 31
Arbeiter A stemmt in seiner Schicht Metallplatten in eine Stanzmaschine. In einem Moment der Unachtsamkeit quetscht die Maschine seine Hand: A muss ärztlich behandelt werden. Liegt ein Arbeitsunfall im Sinne des SGB VII vor? In § 8 SGB VII findet sich die Legaldefinition des Arbeitsunfalls. Danach sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit. Unfälle wiederum werden definiert als zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Zeitlich begrenzt bedeutet in diesem Zusammenhang, dass sich der Unfall während der Arbeitsschicht zugetragen haben muss. In Fall 31 liegt somit ein Arbeitsunfall vor. Die Arbeitstätigkeit des A ist gemäß § 2 SGB VII versichert. Infolge seiner Arbeitstätigkeit kam es während seiner Arbeitsschicht zu einem Unfall, bei dem A einen Gesundheitsschaden erlitt.
Fall 32
Die Hand des A ist genesen. Frohen Mutes begibt er sich wieder an seinen Arbeitsplatz. A leidet jedoch seit geraumer Zeit auch an Kreislauf problemen – kurz nach Wiederaufnahme seiner Tätigkeit kommt es zu
Lektion 4: Gesetzliche Unfallversicherung SGB VII einem Kreislaufkollaps. Handelt es sich auch hierbei um einen Arbeitsunfall? Wie oben dargestellt, definiert der Gesetzgeber Unfälle als von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden führen. Verletzt sich der Versicherte vorsätzlich selbst, fehlt es an einem von außen einwirkenden Ereignis (nicht aber bei grober Fahrlässigkeit). Es fallen auch alle Gesundheitsschäden, die eine „innere Ursache“ haben, als Arbeitsunfälle im Sinne des SGB VII aus. So liegt es in Fall 32: Der Kreislaufkollaps des A hat seine Ursache in den schon länger vorhandenen Kreislaufproblemen des A. Der Kollaps wurde durch kein von außen auf seinen Körper einwirkendes Ereignis verursacht. Es liegt demnach kein Arbeitsunfall vor.
Fall 33
Werftarbeiter W arbeitet als Schweißer auf einer Werft. In seiner Freizeit ist er leidenschaftlicher Hobbygärtner – die Arbeit am neuen Safttanker im Werftdock macht ihm dagegen gar keine Freude. Er beschließt, während seiner Arbeitsschicht einige kleine Rohre zusammenzuschweißen, die er für ein Entwässerungssystem in seinem Garten benutzen will. Hierbei verletzt sich W mit dem Schweißgerät an seinem Arm. Hat W einen Arbeitsunfall im Sinne des § 8 I SGB VII erlitten? Zunächst könnte man hier an einen Arbeitsunfall denken: W hat sich während seiner Arbeitsschicht mit dem Schweißgerät verletzt. Es handelt es sich um ein von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis, also einen Unfall. Allerdings muss der Unfall sich „infolge“ einer den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit ereignen. Hierfür reicht nicht nur ein räumlicher oder zeitlicher Bezug aus. Vielmehr muss nach der Sozialrechtsprechung auch ein innerer bzw. sachlicher Zusammenhang zwischen der unfallerzeugenden Handlung und der versicherten Tätigkeit bestehen. In Fall 33 ist gemäß § 2 I 1 SGB VII die Tätigkeit des W auf der Werft versichert. Er verletzte sich jedoch, als er einige Rohre zusammenschweißte, die er in seinem Garten zu verlegen gedachte. Hier besteht demnach kein innerer oder sachlicher Zusammenhang mit seiner versicherten Tätigkeit als Werftarbeiter. Es handelt sich nicht um einen Arbeitsunfall.
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Fall 34
Bankkaufmann B leidet an extremem Heuschnupfen. Während der Arbeit im Sommer erleidet er bei geöffnetem Fenster im Büro aufgrund seines Heuschnupfens einen asthmatischen Anfall. Da er sein Cortisonspray vergessen hat, muss er in einem Krankenhaus behandelt werden. Ist der asthmatische Anfall ein Arbeitsunfall? Eine weitere Voraussetzung für einen Arbeitsunfall ist die haftungsbegründende Kausalität: Die versicherte Tätigkeit muss im naturwissenschaftlichen Sinne kausal zu dem Unfall geführt haben. Dies alleine reicht jedoch nicht für eine haftungsbegründende Kausalität aus. Bei wertender Betrachtung muss das versicherte Tun zudem für den Unfall wesentlich erscheinen: Hier ergeben sich zahlreiche Zurechnungsprobleme. Nach der Rechtsprechung gilt, dass bei konkurrierenden Ursachen wie etwa Krankheitsanlagen oder Alkoholgenuss die versicherte Ursache als wesentlich gilt, solange die unversicherte Ursache nicht von überragender Bedeutung war. Eine Krankheitsanlage ist von überragender Bedeutung, wenn jedes alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinungen verursacht hätte. In Fall 34 geht B während seines Anfalls einer versicherten Tätigkeit nach. Das geöffnete Fenster und die dadurch in das Büro eindringenden Pollen sind naturwissenschaftlich kausal für den asthmatischen Anfall. Dennoch liegt hier kein Arbeitsunfall vor: Jedes alltäglich vorkommende Ereignis, wie ein geöffnetes Fenster in der eigenen Wohnung des B, hätte ebenfalls zu dem Anfall führen können.
Fall 35
Arbeiter A wird mit einer gequetschten Hand ins Krankenhaus eingeliefert. Leider hat gerade der für seine vielen Kunstfehler berüchtigte Kurpfuscher K Schicht. Er wählt die falsche Behandlungsmethode und verschlimmert den Schaden an der Hand. Der entsetzte Oberarzt O muss nun mit aufwändigen Methoden die Hand des A heilen. Sind auch die weiteren Schäden noch dem Arbeitsunfall zuzurechnen? Für einen Arbeitsunfall muss nicht nur die haftungsbegründende Kausalität vorliegen. Es muss auch eine haftungsausfüllende Kausalität zwischen Unfall und Körperschaden bzw. Tod des Versicherten gegeben sein. Die haftungsausfüllende Kausalität ist ebenso wie die haftungsbe-
Lektion 4: Gesetzliche Unfallversicherung SGB VII gründende Kausalität in wertender Betrachtung zu bestimmen. Der Unfall muss wiederum wesentlich für Körperschaden oder Tod gewesen sein. In Fall 35 könnte man daher zunächst an der haftungsausfüllenden Kausalität zwischen Unfall an der Maschine und den weiteren Schäden an der Hand, die K verursacht hat, zweifeln: Bei kunstgerechter Behandlung durch einen anderen Arzt wären diese Schäden nicht entstanden. Für mittelbare Schäden hat der Gesetzgeber jedoch eine eigene Regelung getroffen: Lesen Sie § 11 SGB VII! Gesundheitsschäden infolge einer falschen Heilbehandlung sind gemäß § 11 I 1 SGB VII dem Arbeitsunfall zuzurechnen. In Fall 34 besteht also eine haftungsausfüllende Kausalität zwischen Arbeitsunfall und allen Schäden an der Hand des A.
Fall 36
Buchhalter B fährt nach getaner Arbeit mit seinem PKW nach Hause. Während der Autofahrt beschließt er, noch einen Döner zu Abend zu essen. Er weicht vom direkten Nachhauseweg ab und biegt in eine Seitenstraße ein, die zu seinem Lieblingsdönerimbiss führt. Mit Heißhunger im Magen wird B etwas unaufmerksam, es kommt zu einem Unfall mit einem entgegenkommenden Fahrzeug. B wird dabei leicht verletzt. Handelt es sich um einen Arbeitsunfall? Gemäß § 8 II Nr. 1 SGB VII ist auch das Zurücklegen des unmittelbaren Weges zum Arbeitsort und vom Arbeitsort weg über die gesetzliche Unfallversicherung versichert. Solche „Wegeunfälle“ gelten als Arbeitsunfälle. Versichert ist grundsätzlich nur der „unmittelbare“ Weg, d.h. der direkte Weg von der Arbeit nach Hause. Nach der Rechtsprechung gilt auch ein längerer Weg als der direkte Weg als „unmittelbar“, wenn er verkehrsgünstiger ist. Nicht versichert sind sogenannte Abwege und Umwege. Bei einem Umweg bewegt sich der Versicherte weiter in Richtung nach Hause, wählt aber aus privaten Gründen einen nicht unerheblich längeren Weg als den kürzesten. Bei einem Abweg bewegt sich der Versicherte aus privaten Gründen in eine andere Richtung als nach Hause. Schon sehr kurze Abwege sind nicht mehr versichert. Wenn innerhalb von zwei Stunden der unmittelbare Weg wieder aufgenommen wird, gilt für den restlichen Weg wieder Versicherungsschutz.
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Soziale Vorsorge Nur in Ausnahmefällen wird auch Versicherungsschutz für den nicht „unmittelbaren“ Weg gewährt. Diese Ausnahmen sind in § 8 II Nr. 2, 2a u. 3 SGB VII geregelt. In Fall 36 befindet sich B auf einem Abweg, als es zum Unfall kommt. Er hat den „unmittelbaren“ Heimweg verlassen, um einen Dönerimbiss aufzusuchen. Hier handelt es sich um keinen Arbeitsunfall. Hätte er innerhalb von zwei Stunden seinen Abstecher zum Imbiss beendet und dann den unmittelbaren Heimweg fortgesetzt, hätte auf dem restlichen Heimweg wieder Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung bestanden. Übersicht 6 stellt die Voraussetzungen des Arbeitsunfalls dar.
Übersicht 6: Arbeitsunfall Arbeitsunfall: Unfall, der sich infolge einer den Versicherungsschutz gemäß §§ 2, 3, 6 SGB VII begründenden Tätigkeit ereignet hat (§ 8 I SGB VII) Tätigkeit des Versicherten zur Zeit des Unfalls muss der versicherten Tätigkeit zuzurechnen sein (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang)
Fall 37
Tätigkeit muss zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis geführt haben (Unfallkausalität)
Unfallereignis muss einen Gesundheitsschaden oder den Tod des Versicherten verursacht haben (haftungsbegrün dende Kausalität)
Bergmann B malocht seit Jahren in einem Kohlenbergwerk im Ruhrgebiet. Die Arbeit unter Tage bleibt nicht ohne gesundheitliche Folgen: Sein Hausarzt diagnostiziert ein sogenanntes „Augenzittern“, hervorgerufen
Lektion 4: Gesetzliche Unfallversicherung SGB VII durch den jahrelangen Kontakt mit Kohlenstaub. Handelt es sich bei dem Augenzittern um eine Berufskrankheit? Der zweite Versicherungsfall der gesetzlichen Unfallversicherung ist die sogenannte Berufskrankheit. Sie ist in § 9 SGB VII definiert: Danach sind Berufskrankheiten Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die der Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleidet. Die Rechtsverordnung, in der die Bundesregierung die Berufskrankheiten aufführt, ist die Berufskrankheitenverordnung. In diese Verordnung kann die Bundesregierung gemäß § 9 I SGB VII Krankheiten aufnehmen, die Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft zufolge durch besondere Einwirkungen verursacht werden, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Unter den Voraussetzungen des § 9 II SGB VII (lesen!) müssen Unfallversicherungsträger auch bestimmte Krankheiten als Berufskrankheiten anerkennen, die nicht in der Berufskrankheitenverordnung aufgeführt sind. Die Aufnahme in die Berufskrankheitenverordnung erleichtert aber in der Praxis die Beweisführung des Versicherten. Die Berufskrankheit muss infolge der versicherten Tätigkeit ausbrechen. Bricht die Krankheit infolge einer Vorschädigung aus, handelt es sich nicht um eine Berufskrankheit im Sinne des SGB VII. In Fall 37 ist das Augenzittern des B als Berufskrankheit einzuordnen: In Anlage 6101 zur Berufskrankheitenverordnung nämlich ist das Augenzittern als Berufskrankheit aufgeführt, die typischerweise durch ständigen Kontakt mit Kohlenstaub hervorgerufen wird. Da das Augenzittern nach ärztlicher Diagnose eben darauf zurückzuführen ist, handelt es sich um eine Berufskrankheit. Leitsatz 6 definiert die Berufskrankheit im Sinne von § 9 SGB VII:
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Leitsatz 6 Berufskrankheit gemäß § 9 SGB VII Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die der Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleidet. Nach § 9 II SGB VII müssen auch Krankheiten, die nicht in der Rechtsverordnung aufgelistet sind, als Berufskrankheiten anerkannt werden, soweit aufgrund neuer Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für die Anerkennung vorliegen.
Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung
Fall 38
Der bereits aus Fall 35 bekannte Arbeiter A hatte sich bei einem Arbeitsunfall die Hand gequetscht. Er ist nun für zwei Wochen arbeitsunfähig. Welche Leistungen kann er von der gesetzlichen Unfallversicherung verlangen? Die gesetzliche Unfallversicherung gewährt eine ganze Reihe von Leistungen im Krankheitsfall. Sie sind in § 22 SGB I aufgelistet: Leistungen zur Heilbehandlung gemäß § 27 ff. SGB VII sowie Verletztengeld gemäß §§ 45 ff. SGB VII im Falle der Arbeitsunfähigkeit. Im Falle der Heilbehandlung gehen Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung gemäß § 11 V SGB V den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung nach dem SGB V vor. Wie im SGB V gilt auch innerhalb der gesetzlichen Unfallversicherung das Sachleistungsprinzip. Gemäß § 28 IV 2 SGB VII kann die freie Arztwahl beschränkt werden, wenn besondere unfallmedizinische Behandlung angezeigt ist. In Fall 38 hat A also gemäß §§ 27, 28 SGB VII Anspruch auf Behandlung der gequetschten Hand. Für die Zeit seiner Arbeitsunfähigkeit kann er zudem gemäß § 45 SGB VII Verletztengeld verlangen, da er infolge eines Versicherungsfalls für zwei Wochen arbeitsunfähig ist.
Lektion 4: Gesetzliche Unfallversicherung SGB VII
Fall 39
Ingenieur I arbeitet für ein Unternehmen der Rüstungsindustrie. Auf dem Testgelände der Firma zündet er einen neuartigen, militärischen Sprengstoff. Die neue Erfindung ist etwas zu gut gelungen – die gewaltige Explosion beschädigt nicht nur die Fenster des nahe liegenden Verwaltungsgebäudes, sondern auch die Ohren des I. Er erleidet einen dauerhaften Hörschaden, der nicht heilbar ist. Ein ärztlicher Gutachter stellt eine dauerhafte Minderung der Erwerbsfähigkeit von 30 % fest. Hat I neben den Ansprüchen auf Krankenbehandlung und Krankengeld noch weitere gegen die gesetzliche Unfallversicherung? § 22 SGB I lässt sich entnehmen, dass auch Renten wegen Minderung der Erwerbstätigkeit, Renten an Hinterbliebene, Sterbegeld und Beihilfen zu den Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung gehören. Die Einzelheiten zur hier in Betracht kommenden Verletztenrente sind in den §§ 56 ff. SGB VII geregelt: Die Erwerbsfähigkeit des Versicherten muss infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Kalenderwoche nach dem Versicherungsfall hinaus um mindestens 20 % gemindert sein. § 56 II SGB VII stellt klar, dass sich die Minderung der Erwerbsfähigkeit nach dem Umfang der durch die Verletzung verschlossenen Möglichkeiten auf dem Gebiet des gesamten Arbeitslebens richtet. In der Praxis werden zur Bestimmung der Minderung oft Tabellen verwendet, die Verletzungen bestimmte MdE-Prozentsätze zuweisen. Laut Rechtsprechung sind diese Erfahrungssätze zwar zu beachten, aber nicht schematisch anzuwenden: Es müssen stets die Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden. Die Sätze sind zudem nicht immer identisch mit dem Grad der Behinderung im SGB IX. In Fall 39 hat I also einen Anspruch auf eine Verletztenrente gemäß § 56 SGB VII. Seine Erwerbsfähigkeit ist dauerhaft, also auch über die 26. Kalenderwoche nach der Explosion hinaus, um mehr als 20 % gemindert. Übersicht 7 stellt die Aufgaben und Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung dar.
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Übersicht 7: Gesetzliche Unfallversicherung Aufgaben und Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung
Renten, Beihilfen, Abfindungen §§ 56 – 80a SGB VII
Heilbehandlung, Leistungen zur Teilhabe ––am Arbeitsleben, ––am Leben in der Gemeinschaft Ergänzende Leistungen, Pflege, Geldleistungen §§ 26 – 55a SGB VII
Prävention, §§ 14 ff. SGB VII
Träger, Finanzierung, Haftungsprivileg
Fall 40
Kleinunternehmer K betreibt eine Softwarefirma mit zehn Festangestellten. Die zuständige Berufsgenossenschaft fordert den K auf, Beiträge zur Unfallversicherung zu zahlen. Seine Angestellten hingegen müssen keine Beiträge zahlen. K wundert sich und fragt sich, ob das rechtens ist? Träger der gesetzlichen Unfallversicherung sind in erster Linie die jeweiligen Berufsgenossenschaften. In § 114 SGB VII hat der Gesetzgeber die Unfallversicherungsträger aufgelistet. Der jeweils zuständige Träger
Lektion 4: Gesetzliche Unfallversicherung SGB VII stellt gemäß § 136 SGB VII per Bescheid gegenüber Unternehmen seine Zuständigkeit fest. § 150 SGB VII bestimmt die Beitragspflichtigen: Gemäß § 150 I SGB VII sind u.a. Unternehmer beitragspflichtig. Anders als etwa bei der gesetzlichen Krankenversicherung müssen Angestellte keine Beiträge entrichten, obwohl sie Ansprüche gegen die gesetzliche Unfallversicherung geltend machen können. Die Kosten der „unechten Unfallversicherung“ für Ehrenamtliche, Blutspender etc. werden durch Steuermittel gedeckt. Gemäß § 159 SGB VII veranlagt der zuständige Unfallversicherungsträger Unternehmen für die Tarifzeit nach dem Gefahrtarif zu den Gefahrklassen. Das bedeutet, dass Unternehmen unterschiedlich hohe Beiträge je nach Gefahrklasse zahlen müssen. Womit wir bei der Lösung von Fall 40 wären: Dass Unternehmer K, nicht aber seine Angestellten, Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung zahlen müssen, ist gemäß § 150 SGB VII rechtens. Die Beiträge für eine Softwarefirma werden wegen geringer Unfallgefahr aber vergleichsweise niedrig ausfallen.
Fall 41
A und B sind Angestellte im selben Tischlerbetrieb. Gemeinsam sollen sie eine Tischplatte mit einer Maschine zusägen. A ist ganz kurz unaufmerksam und verursacht dadurch, dass B von der Maschine verletzt wird. Nach seiner Genesung wendet sich B wutentbrannt an seinen Rechtsanwalt R: Dieser soll von A ein Schmerzensgeld fordern. Was wird R dem B raten? Der Gesetzgeber hat im SGB VII verschiedene Haftungsprivilegien geschaffen. Sehen Sie in den §§ 104 – 107 SGB VII nach: Gemäß § 104 SGB VII haftet ein Unternehmer nicht für Personenschäden, die infolge eines Versicherungsfall entstehen, es sei denn er führt den Versicherungsfall vorsätzlich herbei. Gemäß § 105 SGB VII gilt zudem eine Haftungsbeschränkung bei Versicherungsfällen für die Versicherten eines Betriebes untereinander: Auch diese haften bei Personenschäden ausschließlich für vorsätzliches Verhalten. Wegeunfälle sind nicht vom Haftungsprivileg umfasst.
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Soziale Vorsorge Die Haftungsprivilegien sollen dem Betriebsfrieden dienen und dem Geschädigten einen solventen Schuldner verschaffen. Das Haftungsprivileg der Unternehmer hat zusätzlich den Hintergrund, dass diese die Unfallversicherung alleine finanzieren. Tritt die Unfallversicherung wegen eines Personenschadens ein, kann sie gegenüber haftungsbeschränkten Personen gemäß § 110 SGB VII nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit Regress nehmen. In Fall 41 besteht gemäß § 105 SGB VII für A ein Haftungsprivileg: Er hat den Unfall nicht vorsätzlich herbeigeführt. Eine zivilrechtliche Klage auf Schmerzensgeld gegen A hätte keine Aussicht auf Erfolg, R wird dem B von seinem Vorhaben abraten. Da es sich wegen der nur ganz kurzen Unaufmerksamkeit des A bloß um einfache und nicht um grobe Fahrlässigkeit handelt, hat der A auch keine Regressforderungen der gesetzlichen Unfallversicherung gemäß § 110 SGB VII zu befürchten.
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Leitsatz 7 Haftungsprivilegien Unternehmer und Versicherte haften bei Versicherungsfällen für Personenschäden nur für Vorsatz. Zivilrechtliche Klagen sind bei bloßer Fahrlässigkeit ausgeschlossen. Nur bei grober Fahrlässigkeit kann die gesetzliche Unfallversicherung Regress nehmen. Die Haftungsprivilegien sollen dem Betriebsfrieden dienen und Geschädigten einen solventen Schuldner sichern. Unternehmer sollen zudem dafür entlastet werden, dass sie die gesetzliche Unfallversicherung allein finanzieren.
Lektion 5: Gesetzliche Rentenversicherung SGB VI
Lektion 5: Gesetzliche Rentenversicherung SGB VI Die gesetzliche Rentenversicherung ist im SGB VI geregelt. Bei ihr handelt es sich um den größten Sozialversicherungszweig, auf den auch die höchsten Beiträge entfallen. Die Hauptversicherungsfälle der gesetzlichen Rentenversicherung sind Alter, Erwerbsunfähigkeit und Tod. Ihre Leistungen sind in § 23 SGB I aufgezählt: Die wichtigsten unter ihnen sind die Renten wegen Alters und die Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (§ 23 I Nr. 1b SGB I). Der weitaus größte Teil der Arbeitnehmer bezieht nach Beendigung des Berufslebens Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Neben der gesetzlichen Rentenversicherung existieren betriebliche und private Rentenversicherungen, die teilweise staatlich gefördert werden (Stichwort Riester-Rente).
Versicherungspflicht
Fall 42
C ist als Controller in einer großen Bank angestellt. Ist C in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert? Die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung ist in den §§ 1 ff. SGB VI geregelt: Der Hauptfall sind gemäß § 1 Nr. 1 SGB VI die Beschäftigten, also Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind. § 1 SGB VI listet aber noch eine Reihe von anderen Personen auf, für die Versicherungspflicht gilt: So sind z.B. auch Behinderte, die in anerkannten Behindertenwerkstätten tätig sind, oder Mitglieder geistlicher Genossenschaften versicherungspflichtig. In Fall 42 ist C also als Angestellter gemäß § 1 Nr. 1 SGB VI in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert.
Fall 43
H macht sich als Hebamme selbstständig. Ist auch sie in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert? Der Gesetzgeber hat die Versicherungspflicht auch auf bestimmte Gruppen von Selbstständigen erweitert. Diese sind in § 2 SGB VI aufgelistet: Unter
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Soziale Vorsorge anderem sind selbstständige Hausgewerbetreibende oder Pflegepersonen pflichtversichert. Selbstständige, die nicht unter § 2 SGB VI fallen, haben unter den Voraussetzungen des § 7 SGB VI die Möglichkeit, sich freiwillig in der Rentenversicherung zu versichern. Andernfalls müssen sie auf privatem Wege für das Alter vorsorgen. Für selbstständige Landwirte, Künstler und Publizisten existieren eigene gesetzliche Pflichtversicherungen. Diese sind im Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte und im Künstlersozialversicherungsgesetz geregelt. Wenn Sie die einzelnen Fälle des § 2 SGB VI durchgehen, finden Sie auch die Lösung von Fall 43: Gemäß § 2 S. 1 Nr. 3 SGB VI sind selbstständige Hebammen in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert. Für H gilt dies damit ebenfalls.
Fall 44
A ist Bezieher von Arbeitslosengeld II. Seine Bemühungen um einen neuen Job sind bisher alle im Sande verlaufen. Gebeutelt von seinem Schicksal fragt er sich, ob er denn wenigstens Mitglied der gesetzlichen Rentenversicherung sei. Wissen Sie die Antwort? § 3 SGB VI nennt die sonstigen Pflichtversicherten der gesetzlichen Rentenversicherung. Dies sind Personen, denen Kindererziehungszeiten anzurechnen sind oder die über ein bestimmtes Maß hinaus Pflegebedürftige mit mindestens Pflegestufe 2 nicht erwerbsmäßig pflegen. Wehr- und Zivildienstleistende sind ebenso rentenversichert wie die Bezieher von Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld und Übergangsgeld. Bezieher von Arbeitslosengeld II nennt § 3 SGB VI allerdings nicht mehr. Womit wir bei der Lösung von Fall 44 wären: A ist kein Mitglied der gesetzlichen Rentenversicherung. Der Gesetzgeber hat die Versicherungspflicht für Bezieher von Arbeitslosengeld II wieder abgeschafft.
Fall 45
Der frisch zugelassene Rechtsanwalt R ist in einer Anwaltskanzlei angestellt. Er erhält ein Schreiben seiner Rechtsanwaltskammer, dass er seit seiner Zulassung Pflichtmitglied im anwaltlichen Versorgungswerk sei. Ist er weiterhin auch Pflichtmitglied der gesetzlichen Rentenversicherung?
Lektion 5: Gesetzliche Rentenversicherung SGB VI Wie auch in den anderen Sozialversicherungszweigen sind einige Personen versicherungsfrei, obwohl sie Beschäftigte sind. Die Versicherungsfreiheit ist in § 5 SGB VI geregelt. Versicherungsfrei sind insbesondere Soldaten, Richter und Beamte: Sie sind bereits anderweitig gegen Alter und Erwerbsunfähigkeit abgesichert; eine Pflichtmitgliedschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung ist daher aus Sicht des Gesetzgebers nicht nötig. Auch Studierende und geringfügig Beschäftigte gem. §§ 8, 8a SGB IV sind versicherungsfrei. R fällt jedoch unter keinen der in § 5 SGB VI genannten Fälle. Die Lösung von Fall 45 ergibt sich aus § 6 SGB VI: Gemäß § 6 I 1 Nr. 1 SGB VI werden Beschäftigte von der Versicherungspflicht befreit, wenn sie Mitglied einer berufsständischen Versorgungseinrichtung sind. Dies trifft für R zu, da er Pflichtmitglied des anwaltlichen Versorgungswerkes in seinem Bezirk ist. Gemäß § 6 II SGB VI erfolgt die Befreiung auf Antrag des Versicherten. R muss also bei der gesetzlichen Rentenversicherung den Antrag stellen, ihn von der Versicherungspflicht zu befreien.
Versicherungsfälle
Fall 46
Angestellter A – Jahrgang 1965 – arbeitet seit vielen Jahren als Schadenssachbearbeiter für eine Kfz-Haftpflichtversicherung. Mit der Zeit ermüden ihn die vielen Verkehrsunfälle und er beginnt, seinen Rentenantritt zu planen. Er fragt sich, ob er denn im Jahr 2032 endlich eine Altersrente beziehen könne? Im Jahr 2032 wird er vierzig Jahre lang sozialversicherungspflichtig gearbeitet haben. Die einzelnen Rentenarten und deren Voraussetzungen sind in den §§ 35 ff. SGB VI geregelt. Die wichtigste Rentenart ist die Regelaltersrente, die in § 35 SGB VI geregelt ist. Gemäß § 35 SGB VI besteht Anspruch auf eine Regelaltersrente, wenn ein Alter von 67 Jahren erreicht und die allgemeine Wartezeit erfüllt ist. Gemäß § 50 I SGB VI beträgt die sogenannte allgemeine Wartezeit für die Regelaltersrente fünf Jahre. Welche Zeiten als rentenrechtliche Wartezeiten anerkannt werden, regeln die §§ 51, 244 SGB VI: In erster Linie sind dies Beitragszeiten gemäß § 55 SGB VI, also Zeiten, in denen Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt wurden. Unter den Voraussetzungen des § 56 SGB VI sind auch Kindererziehungszeiten für Kleinkinder bis zur Vollendung des
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Soziale Vorsorge dritten Lebensjahres Beitragszeiten. Weitere rentenrechtliche Zeiten sind gemäß § 54 I SGB VI beitragsfreie Zeiten und Berücksichtigungszeiten: Beitragsfreie Zeiten sind Anrechnungszeiten, Zurechnungszeiten und Ersatzzeiten. Die einzelnen rentenrechtlichen Zeiten sind in den §§ 55 ff. SGB VI definiert. Ersatzzeiten sind in den §§ 250, 251 SGB VI geregelt. In Fall 46 sind die Voraussetzungen des § 35 SGB VI im Jahr 2032 erfüllt. Im Jahr 2032 wird A 40 Jahre lang Beiträge zur Rentenversicherung gezahlt haben, so dass ihm 40 Beitragsjahre anzurechnen sind. Er ist dann 67 Jahre alt. Somit wird A im Jahr 2032 ein Anspruch auf Auszahlung der Regelaltersrente zustehen. Für Personen, die vor dem 01.01.1964 bzw. vor dem 01.01.1947 geboren sind, enthält § 235 SGB VI Vertrauensschutzregeln: Sie können die Regelaltersrente bereits mit 65 bzw. zwischen 65 und 67 in Anspruch nehmen. Da A aber Jahrgang 1965 ist, greift § 235 SGB VI für ihn nicht ein.
Fall 47
Mit seiner Verrentung beschäftigt sitzt A in der Mittagspause im Stadtpark seines Heimatortes. Mit Graus kehren seine Gedanken plötzlich an die Aktenstapel auf seinem Schreibtisch zurück. A überlegt, ob er nicht schon früher in Rente gehen könnte. Kann er? In § 36 SGB VI ist die Altersrente für langjährige Versicherte geregelt: Wer 67 Jahre alt ist und 35 Jahre Wartezeit erfüllt, hat Anspruch auf diese Rente. Gemäß § 36 II S. 2 SGB VI kann diese Rente nach 35 Jahren Wartezeit aber auch schon vorzeitig ab dem Erreichen des 63. Lebensjahres in Anspruch genommen werden. A könnte in Fall 47 also schon mit 63 Jahren in Rente gehen, da er mit Erreichen des 63. Lebensjahres bereit 36 Jahre beitragspflichtig gearbeitet haben wird. Voraussetzung ist natürlich, dass er bis dahin seine Arbeitsstelle beibehält.
Fall 48
Rentenberater R begibt sich zufällig in denselben Stadtpark und setzt sich neben A auf die Parkbank. Im Rahmen einer kleinen Plauderei gelangen die beiden schnell zu dem Thema, das A am meisten unter den Nägeln brennt. R klärt A darüber auf, dass er schon mit 63 in Rente gehen könnte. In A steigt die pure Begeisterung auf: Ungeduldig verlangt er von R Aufklärung, ob er denn mit 63 schon eine genauso hohe Rente erhalten werde wie mit 67?
Lektion 5: Gesetzliche Rentenversicherung SGB VI Die Berechnung der Rentenhöhe ist in den §§ 63 ff. SGB VI geregelt: Gemäß § 63 I SGB VI richtet sich die Höhe der Rente vor allem nach der Höhe der während des Versicherungslebens durch Beiträge versicherten Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen. Der exakte Monatsbetrag der Rente errechnet sich durch die Rentenformel gemäß § 64 SGB VI. Die Formel lautet: XXPersönliche Entgeltpunkte (Entgeltpunkte × Zugangsfaktor) × Rentenartfaktor × aktueller Rentenwert = Monatsbetrag Für die Entgeltpunkte wird gemäß § 63 II SGB VI das in den einzelnen Kalenderjahren durch Beiträge versicherte Einkommen in Entgeltpunkte umgerechnet. Diese werden mit dem Zugangsfaktor gemäß §§ 63 V, 77 SGB VI multipliziert. Der Zugangsfaktor richtet sich nach dem Alter des Versicherten bei Inanspruchnahme der Rente. Wer seine Rente mit Erreichen der Regelaltersgrenze in Anspruch nimmt, erhält einen Zugangsfaktor von genau 1,0. Bei vorzeitiger Inanspruchnahme reduziert er sich – bei Arbeit über die Regelaltersgrenze hinaus erhöht er sich. Der Gesetzgeber will dadurch einen Anreiz schaffen, möglichst spät die Altersrente in Anspruch zu nehmen. Als nächstes wird der errechnete Betrag mit dem Rentenartfaktor multipliziert: § 67 SGB VI bestimmt die einzelnen Rentenartfaktoren. Eine Altersrente hat dabei einen Rentenartfaktor von 1,0. Zuletzt erfolgt eine Multiplikation mit dem aktuellen Rentenwert. Dieser soll die Anpassung der Renten an die aktuelle Gehaltsentwicklung der Bevölkerung gewährleisten. Er wird jährlich durch die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates neu festgelegt. Bei Interesse an den Details lesen Sie die §§ 68, 68a, 69 SGB VI. Die sogenannte Rentenanpassungformel finden Sie in § 68 V SGB VI. Wenn Sie einen Blick in die §§ 255a, 255b SGB VI werfen, werden Sie übrigens sehen, dass für die neuen Bundesländer immer noch ein eigener Rentenwert gilt. Erst ab Juli 2024 soll für Deutschland ein einheitlicher Rentenwert gelten. In Fall 48 wird R dem A also mitteilen, dass er bei Inanspruchnahme der Rente mit Erreichen des 63. Lebensjahres eine niedrigere monatliche Rente erhalten wird. Gemäß § 77 SGB VI würde sein sogenannter Zugangsfaktor reduziert werden und niedriger als 1,0 ausfallen. Nach Anwendung der Rentenformel würde sich ein niedriger monatlicher Rentenbetrag errechnen als bei Rentenantritt mit 67.
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Soziale Vorsorge Leitsatz 8 gibt die „Rentenformel“ wieder:
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Leitsatz 8 Rentenformel (§ 64 SGB VI): Persönliche Entgeltpunkte (Entgeltpunkte × Zugangsfaktor) × Rentenartfaktor × aktueller Rentenwert = Monatsbetrag
Fall 49
G ist versicherungspflichtig in einem Orchester als Geiger angestellt. Unvorsichtigerweise spielt er in seiner Freizeit leidenschaftlich gerne als Kreisläufer in einer Handballmannschaft. Bei einem Match gegen den Verein des Nachbardorfes wird er grob gefoult und stürzt unglücklich auf den Hallenboden. Er zieht sich einen komplizierten Bruch mehrer Handknochen der linken Hand zu. Nach der Operation eröffnet ihm der behandelnde Arzt, dass es bei Dauerschäden bleiben werde: G werde nicht mehr Geige spielen können. Alle anderen Berufe, bei denen es nicht auf das sprichwörtliche Fingerspitzengefühl ankomme, stünden ihm aber weiterhin offen. Der verzweifelte G beantragt bei der gesetzlichen Rentenversicherung eine Erwerbsminderungsrente. Wie wird ihn der Rentenversicherungsmitarbeiter R bescheiden? Zu den Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung gehören auch Renten wegen teilweiser oder vollständiger Erwerbsminderung. Die Voraussetzungen einer Erwerbsminderungsrente sind in § 43 SGB VI genannt: Versicherte dürfen die Regalaltersgrenze noch nicht erreicht und müssen die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. In den letzten fünf Jahren vor dem Versicherungsfall muss der Betroffene zudem drei Jahre lang Pflichtbeiträge gezahlt haben. Weiterhin muss er natürlich teilweise oder vollständig erwerbsgemindert sein. Gemäß § 43 I 2 SGB VI ist jemand teilweise erwerbsgemindert, der wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbsfähig zu sein.
Lektion 5: Gesetzliche Rentenversicherung SGB VI Volle Erwerbsminderung setzt gemäß § 43 II 2 SGB VI voraus, dass der Betroffene wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Es kommt also nach dem Willen des Gesetzgebers für die Erwerbsminderung nicht darauf an, ob der Betroffen seinen bisherigen Beruf ausüben kann. Maßgeblich ist vielmehr, ob er überhaupt noch irgendeine denkbare Tätigkeit auf dem Arbeitsmarkt auszuüben vermag. Wer dies für mindestens sechs Stunden täglich kann, ist nicht erwerbsgemindert. § 43 II SGB VI stellt klar, dass es dabei auf die tatsächliche Arbeitsmarktlage nicht ankommt: Es ist unerheblich, ob der Betroffene tatsächlich Chancen auf eine Anstellung hat. In Fall 49 ist G gemäß § 43 II 2 SGB VI nicht voll erwerbsgemindert: Er kann zahlreiche andere Tätigkeiten ausüben. Dass er seinen Beruf als Geiger nicht mehr auszuüben vermag, führt nicht zu einem Anspruch auf Erwerbsminderungsrente. Der Arzt hat festgestellt, dass praktisch alle anderen Berufe in Frage kommen. Ob G im Moment tatsächlich Chancen auf dem Arbeitsmarkt hat, ist gemäß § 43 III SGB VI unerheblich. R wird den Antrag des G ablehnen.
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Leitsatz 9 Erwerbsminderung gemäß § 43 SGB VI Vollständig erwerbsgemindert ist, wer wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbsfähig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert ist, wer wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbsfähig zu sein. Auf absehbare Zeit bedeutet in beiden Fällen für mindestens sechs Monate. Auf die tatsächliche Arbeitsmarktlage kommt es grundsätzlich nicht an. Ausnahme ist die Unterscheidung zwischen verminderter und vollständiger Erwerbsminderung (siehe Fall 51).
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Soziale Vorsorge
Fall 50
G ist Jahrgang 1970. Mit seinem Ablehnungsbescheid in der kaputten Hand sitzt er im Wartezimmer seines Chirurgen. Patient P, der neben ihm sitzt, erklärt ihm, dass früher eine konkrete Berufsunfähigkeit entscheidend gewesen sei und nicht das abstrakte Unvermögen, irgendeinen Beruf auszuüben. Ohne die Untersuchung seines Arztes abzuwarten, stürmt der empörte G aus der Praxis direkt in das Büro des R: Er sei immerhin schon Jahrgang 1970 – für ihn müsse ja wohl noch die alte Gesetzesregelung gelten! Ist G im Recht? Tatsächlich hat der Gesetzgeber aus Vertrauensschutzgründen eine Regelung für Personen geschaffen, die vor dem 02.01.1961 geboren sind: Werden diese berufsunfähig, können sie gemäß § 240 SGB VI immerhin eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung beantragen. Berufsunfähigkeit bemisst sich nach § 240 II SGB VI: Danach sind Versicherte berufsunfähig, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden täglich gesunken ist. Hier kommt es also tatsächlich auf die Fähigkeit an, den bisherigen Beruf auszuüben. Wenn Sie § 240 II SGB VI bis zum Ende durchlesen, werden Sie jedoch feststellen, dass nicht berufsunfähig ist, wer eine zumutbare andere Tätigkeit mindestens sechs Stunden lang täglich ausüben kann. Die Rechtsprechung hat zur Beurteilung der Zumutbarkeit einer anderen Tätigkeit ein Mehrstufenschema entwickelt: Versicherte können danach nur auf Tätigkeiten verwiesen werden, die eine Stufe unter der bisherigen liegen. Es existieren sechs Stufen von der untersten Gruppe der einfachen ungelernten Tätigkeiten bis zur obersten Gruppe der Berufe, die ein Hochschulstudium oder eine vergleichbare Qualifikation erfordern. Kann der Versicherte auch Tätigkeiten, die eine Stufe unter der bisherigen liegen, nicht sechs Stunden lang täglich ausüben, hat er einen Anspruch auf eine Rente gemäß § 240 SGB VI. Auf die tatsächliche Arbeitsmarktlage kommt es bei der Verweisung auf eine andere Tätigkeit abermals nicht an.
Lektion 5: Gesetzliche Rentenversicherung SGB VI In Fall 50 stellt sich für G jedoch nicht die Frage, ob er abstrakt auf eine Tätigkeit verwiesen werden kann, die eine Stufe unter der eines Konzertgeigers steht. Er ist nach dem 02.01.1961 geboren – für ihn gilt die Regelung des § 240 SGB VI nicht. R wird dem aufgebrachten G erklären müssen, dass es leider keine Handhabe gibt, ihm eine Rente gemäß § 240 SGB VI zu bewilligen.
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Leitsatz 10 Berufsunfähigkeit (§ 240 II SGB VI) Berufsunfähig ist, wessen Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden täglich gesunken ist.
Fall 51
V ist angestellter Verkäufer in einem Kaufhaus. Er erkrankt an einem schweren Wirbelsäulenleiden. Sowohl längeres Stehen als auch längeres Sitzen am Stück sind ihm unmöglich. Ein ärztlicher Gutachter kommt zu dem Schluss, dass V seinen Beruf die nächsten Jahre nicht mehr ausüben können werde. Unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes könne er lediglich noch vier Stunden täglich arbeiten. V beantragt eine Erwerbsminderungsrente und sieht sich vergeblich nach einer solchen Teilzeitstelle um. Auch nach einem Jahr kann das Arbeitsamt ihm keine konkrete Stelle benennen, die in Frage käme. Hat V Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente? Wer unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit nur zwischen drei und sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann, ist gemäß § 43 I SGB VI teilweise erwerbsgemindert. Auf nicht absehbare Zeit bedeutet, dass die Einschränkung für mindestens sechs Monate vorliegen muss. Allerdings ergibt sich eine Besonderheit, wenn der Anspruchsberechtigte keinen Teilzeitarbeitsplatz innehat: In diesen Fällen ist nach der Rechtsprechung in einer konkreten Betrachtungsweise die Lage auf dem Arbeitsmarkt doch zu berücksichtigen.
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Soziale Vorsorge V kann in Fall 51 nur vier Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes arbeiten. Zudem ist ihm der Teilzeitarbeitsmarkt verschlossen. Auch nach einem Jahr kann ihm die Arbeitsagentur keine in Frage kommende Teilzeitstelle benennen. V hat hier also Anspruch auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung gemäß § 43 II SGB VI. Gemäß § 102 II SGB VI werden Erwerbsminderungsrenten nur zeitlich befristet gewährt. Sollte V also doch eine Teilzeitstelle finden, sein Wirbelsäulenleiden sich aber nicht bessern, käme für die Zukunft eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung gemäß § 43 I SGB VI in Betracht.
Fall 52
Der 15-jährige S lebt ein behütetes Leben in einem Vorstadtreihenhaus. Eines Tages wird diese Idylle jäh beendet: Bei einem Autounfall kommen die Eltern des S ums Leben. Der Vater V des S war vor seinem Tod in der Rentenversicherung pflichtversichert und hatte die allgemeine Wartezeit bereits erfüllt. Hat S Ansprüche gegen die gesetzliche Rentenversicherung? Werfen Sie einen Blick in den Abschnitt ab § 46 SGB VI: Hier sind die Renten wegen Todes geregelt, so z.B. die Witwenrenten und Waisenrenten. Die Voraussetzungen der Waisenrente sind in § 48 SGB VI genannt: Gemäß § 48 II SGB VI besteht ein Anspruch auf Vollwaisenrente, wenn das Kind keinen Elternteil mehr hat, der unbeschadet der wirtschaftlichen Verhältnisse unterhaltspflichtig war und der verstorbene Elternteil die allgemeine Wartezeit erfüllt hatte. Waisenrenten werden gem. § 48 IV SGB VI regelmäßig bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres gezahlt. Wenn sich der Waise in Schul- oder Berufsausbildung befindet oder Wehr- bzw. Zivildienst leistet, kann sich der Anspruch verlängern – längstens aber bis Vollendung des 27. Lebensjahres. Die Einzelheiten hierzu regelt § 48 IV Nr. 2 SGB VI. In Fall 52 hat S also Anspruch auf eine Vollwaisenrente gem. § 48 II 2 SGB VI. Er hat keinen unterhaltspflichtigen Elternteil mehr und der verstorbene Vater V hat die allgemeine Wartezeit erfüllt. Der Rentenartfaktor für eine Vollwaisenrente beträgt gemäß § 67 Nr. 8 SGB VI 0,2. Übersicht 8 stellt die einzelnen Leistungsarten der gesetzlichen Rentenversicherung dar:
Lektion 5: Gesetzliche Rentenversicherung SGB VI
Übersicht 8: Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung Leistungen der ge setzlichen Renten versicherung Renten wegen Alters, §§ 35 ff. SGB VI
Renten wegen verminderter Er werbsfähigkeit, §§ 43–45, 240 SGB VI
Renten wegen Todes, §§ 43 ff. SGB VI
Organisation und Finanzierung
Fall 53
A arbeitet in einem versicherungspflichtigen Angestelltenverhältnis. Verwirrt grübelt er über seiner aktuellen Lohnbescheinigung: Wie errechnet sich sein Rentenversicherungsbeitrag? Und wer bestimmt das? Er bittet seinen Kollegen K um Aufklärung. Was wird K ihm mitteilen? Die Finanzierung der deutschen Rentenversicherung ist in den §§ 153 – 227 SGB VI geregelt. Der Abschnitt über die Beiträge beginnt bei § 157 SGB VI. Jeder Versicherte hat einen Prozentsatz von seinen beitragspflichtigen Einnahmen bis zur Beitragsbemessungsgrenze abzuführen. Die beitragspflichtigen Einnahmen von Beschäftigten sind in § 162 SGB VI aufgeführt. In erster Linie wird für diese das Arbeitsentgelt herangezogen. Den abzuführenden Prozentsatz und die Beitragsbemessungsgrenze setzt die Bundesregierung jedes Jahr neu per Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates fest (§§ 159, 160 SGB VI). Bei Beschäftigten gilt gemäß § 168 I Nr. 1 SGB VI, dass der Versicherte und sein Arbeitgeber den Rentenversicherungsbeitrag je zur Hälfte tragen. In Fall 53 wird K den A aufklären, dass der abzuführende Prozentsatz von der Bundesregierung festgelegt wird. Immerhin die Hälfte davon muss der Arbeitgeber des A bezahlen.
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Soziale Vorsorge
Fall 54
A liest in der Zeitung von einem Börsencrash. Er fragt sich, was denn mit all den Beiträgen passiert ist, die er in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt hat: Sind diese auch vom Börsencrash beeinträchtigt? Ist seine Rente noch sicher? Verunsichert ruft er bei der deutschen Rentenversicherung an. Was wird diese ihm mitteilen? In der gesetzlichen Rentenversicherung gilt gemäß § 153 SGB VI das sogenannte Umlageverfahren. Die aktuell ausgezahlten Renten werden direkt durch die Beiträge der Versicherten bezahlt. Aus den Beiträgen der Versicherten wird gerade kein Kapitalstock gebildet. Zur Finanzierung der Rentenversicherung leistet der Bund außerdem gemäß § 213 SGB VI Zuschüsse. Der Bund garantiert dabei auch die Liquidität der gesetzlichen Rentenversicherung: Sollten die liquiden Mittel der gesetzlichen Rentenversicherung die aktuellen Zahlungsverpflichtungen nicht decken können, ist der Bund gemäß § 214 SGB VI verpflichtet, eine Liquiditätshilfe in Höhe der fehlenden Mittel zu leisten. Das Umlageverfahren entspricht dem sogenannten Generationenvertrag: Die Generation der aktuell Erwerbstätigen zahlt die Renten der sich im Ruhestand befindlichen Generation. Die noch nicht erwerbstätigen Menschen zahlen dann später die Renten der aktuell arbeitenden Menschen. In Fall 54 darf A abends beruhigt schlafen gehen: Der Börsencrash zeigt keine Auswirkungen auf seine eingezahlten Beiträge. Diese wurden nicht angespart und etwa auf dem Kapitalmarkt angelegt – sie wurden vielmehr direkt an Rentenbezieher ausgezahlt.
Lektion 6: Arbeitsförderung SGB III
III.
Soziale Förderung und Hilfe
Lektion 6: Arbeitsförderung SGB III Aufgaben
Fall 55
A will beruflich durchstarten, weiß aber noch nicht genau, in welchem Bereich – er möchte sich daher entsprechend beraten lassen. Der bereits erwerbstätige B wiederum will sich beruflich weiterbilden, doch fehlt es ihm dafür an finanziellen Mitteln. C schließlich hat nach langen Jahren harter Arbeit gerade seinen Job verloren und fürchtet, seinen Lebensunterhalt nicht mehr bestreiten zu können. Welches Gesetz wird A, B und C Hoffnung machen? „Nach getaner Arbeit ist gut ruhen.“, „Arbeiten bringt Brot – faulenzen Hungersnot.“ oder „Arbeit hat allezeit Vorrat.“ – die Bedeutung, die der Erwerbstätigkeit gesellschaftlich zukommt, lässt sich leicht an Sprichwörtern wie diesen ablesen. Ihrer Sicherstellung ist denn auch gleich ein ganzes Gesetz gewidmet: Das SGB III, überschrieben mit „Arbeitsförderung“. Den Gesetzeszweck nennt § 1 SGB III: Es soll insbesondere der Entstehung von Arbeitslosigkeit entgegenwirken, die Dauer der Arbeitslosigkeit verkürzen und dazu beitragen, einen hohen Beschäftigungsstand zu erreichen. Demjenigen, der am Arbeitsleben teilnimmt oder teilnehmen will, steht gleich eine ganze Reihe von Rechten zu. Welche das sind, fasst § 3 II SGB I zusammen: Solche auf berufliche Beratung und Weiterbildung, Hilfe zur Erlangung und Erhaltung eines angemessenen Arbeitsplatzes sowie wirtschaftliche Sicherung bei Arbeitslosigkeit und Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers. Die Details dieser Ansprüche, denen wir uns im Folgenden widmen werden, regelt das SGB III. A, B und C aus Fall 55 dürfen also auf die im SGB III geregelten Rechte zählen: A wird sich von der Arbeitsagentur beruflich beraten lassen, B Unterstützung für die Weiterbildung erhalten und C Arbeitslosengeld beziehen können. Letzteres stellt zugleich den bedeutendsten Bereich des SGB III dar.
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Soziale Förderung und Hilfe
Versicherter Personenkreis
Fall 56
Student S, gerade frisch eingeschrieben, durchschaut den „Sozialversicherungswirrwarr“ nicht. Krankenversicherung, Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung – er fürchtet, seinen ohnehin knapp bemessenen Lebensunterhalt durch sie noch weiter geschmälert zu sehen und kaum im viel gepriesenen studentischen Nachtleben seiner Stadt mitmischen zu können. Wird der Arbeitslosenversicherung tatsächlich das ein oder andere Bier zum Opfer fallen? Versicherungspflichtig in der Arbeitslosenversicherung sind gemäß §§ 24 I, 25 I SGB III in erster Linie Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder im Rahmen ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind. Die Versicherungspflicht knüpft also insbesondere an eine Erwerbstätigkeit an. Versicherungspflichtig aus sonstigen Gründen im Sinne der §§ 24 I, 26 I SGB III sind etwa Jugendliche, die in Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erhalten, oder Strafgefangene unter bestimmten Voraussetzungen. Für diese kleineren Gruppen legt § 26 SGB III eine Versicherungspflicht explizit fest. Versicherungsfrei sind gemäß § 27 I SGB III beispielsweise Beamte, Richter, Soldaten und Geistliche. Dies gilt gemäß § 27 II SGB III auch für geringfügig Beschäftigte im Sinne von § 8 SGB IV. § 27 IV SGB III schließlich nimmt auch Schüler und Studenten von der Versicherungspflicht aus. Auf Antrag freiwillig versichern können sich die in § 28a SGB III genannten Personengruppen, etwa pflegende Angehörige oder Existenzgründer. Den Antrag müssen sie spätestens innerhalb von einem Monat nach Aufnahme der Tätigkeit oder Beschäftigung, die zur freiwilligen Weiterversicherung berechtigt, stellen. Student S aus Fall 56 wird von der Arbeitslosenversicherung jedenfalls nicht daran gehindert, sich ungebremst ins Nachtleben seiner Stadt zu stürzen: Als Student ist er gemäß § 27 IV SGB III versicherungsfrei – insofern kommen also keine Kosten auf ihn zu.
Lektion 6: Arbeitsförderung SGB III
Fall 57
S aus dem vorangegangenen Fall erfreut sich an seiner Versicherungsfreiheit. Als ein befreundeter Jurastudent mit Wahlfach Sozialrecht ihm jedoch über die vielfältigen Leistungen des SGB III berichtet, dämpft dies seinen Frohsinn. Welche Leistungen gewährt das SGB III und welche kann auch S in Anspruch nehmen? Das SGB III wartet mit einem weit gefassten Leistungskatalog auf, der – der Zielsetzung des Gesetzes gemäß – insbesondere Leistungen zur aktiven Arbeitsförderung umfasst, vgl. § 3 IV SGB III. Keineswegs sind im SGB III sämtliche Leistungen ausschließlich Versicherten vorbehalten; vielmehr können sie teilweise auch von Nicht-Versicherten in Anspruch genommen werden. Zu den Leistungen, die auch diesen offen stehen, gehört insbesondere das umfangreiche Beratungs- und Vermittlungsangebot der Agentur für Arbeit: Gemäß § 29 I SGB III hat die Arbeitsagentur Jugendlichen und Erwachsenen, die am Arbeitsleben teilnehmen oder teilnehmen wollen, Berufsberatung anzubieten. Die Berufsberatung umfasst dabei gemäß § 30 SGB III die Erteilung von Auskunft und Rat u.a. zur Berufswahl und beruflichen Entwicklung, zur Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes, zu den Möglichkeiten der beruflichen Bildung sowie zur Ausbildungsund Arbeitsplatzsuche. Gemäß § 35 SGB III hat die Arbeitsagentur Arbeitsuchenden außerdem eine Vermittlungstätigkeit anzubieten. Die Vermittlung umfasst dabei alle Tätigkeiten, die darauf gerichtet sind, Arbeitsuchende mit Arbeitgebern zur Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses zusammenzuführen. Ausschließlich Versicherten dagegen kommen insbesondere die sogenannten Entgeltersatzleistungen zugute. Entgeltersatzleistungen sind gemäß § 3 IV SGB III 1. Arbeitslosengeld 2. Teilarbeitslosengeld 3. Übergangsgeld
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Soziale Förderung und Hilfe 4. Kurzarbeitergeld 5. Insolvenzgeld Die bedeutendste Entgeltersatzleistung ist das Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit. Ihr soll daher in den folgenden Abschnitten unsere ungeteilte Aufmerksamkeit gelten. Teilarbeitslosengeld erhält, wer mehreren versicherungspflichtigen Beschäftigungen nachgeht und eine davon verliert. Das Übergangsgeld des SGB III wird behinderten Menschen bei Teilnahme an Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gezahlt. Das Kurzarbeitergeld erhalten Arbeitnehmer, die infolge eines Arbeitsausfalls – sei er saisonal oder konjunkturell bedingt – einen Entgeltausfall erleiden. Das Insolvenzgeld schließlich steht Arbeitnehmern zu, die aufgrund einer Insolvenz ihres Arbeitgebers kein Arbeitsentgelt erhalten. S aus Fall 57 kann demnach trotz seiner Versicherungsfreiheit etwa das Berufsberatungsangebot der Arbeitsagentur nutzen: Bei Bedarf wird er sich dort von einem Mitarbeiter über die ihn interessierenden Berufe beraten lassen können.
Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit
Fall 58
In der Fabrik, in der B arbeitet, werden seit einiger Zeit gleich reihenweise betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen. B ist zwar Betriebsveteran, befürchtet aber dennoch, als nächstes gekündigt zu werden – und sieht sich schon unter Brücken schlafen. Welche Sozialleistung würde dies verhindern, und unter welchen Voraussetzungen wird sie gezahlt? Die bedeutendste Leistung innerhalb des SGB III – und gleichzeitig der höchste Ausgabenposten der Agentur für Arbeit im Rahmen der Arbeitsförderung – ist das „Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit“ im Sinne von § 136 I Nr. 1 SGB III. Es erfüllt mehrere Funktionen: Zum einen soll es bei fehlender Erwerbstätigkeit die Lebensgrundlage sichern, zum anderen aber auch möglichst weitgehend den Lebensstandard erhalten: Die Höhe des Arbeitslosengeldes ist abhängig vom zuvor bezogenen Erwerbseinkommen.
Lektion 6: Arbeitsförderung SGB III Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit lassen sich § 137 I SGB III entnehmen: Einen Anspruch auf Zahlung haben Arbeitnehmer, die 1. arbeitslos sind, 2. sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und 3. die Anwartschaftszeit erfüllt haben. Den Begriff der Arbeitslosigkeit bestimmt insbesondere § 138 SGB III näher, mit der Arbeitslosmeldung befasst sich § 141 SGB III und die Anwartschaftszeit ist in §§ 142, 143 SGB III geregelt. Übersicht 9 stellt die Anspruchsvoraussetzungen für eine Arbeitslosengeldzahlung bei Arbeitslosigkeit graphisch dar:
Übersicht 9: Anspruchsvoraussetzungen Arbeitslosengeld Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit – Voraussetzungen – § 137 SGB III Arbeitslosigkeit § 138 SGB III
Arbeitslosmeldung § 141 SGB III
Anwartschaftszeit erfüllt §§ 142, 143 SGB III
In Fall 58 wird B nach einer Kündigung also nicht völlig mittellos dastehen: Liegen die drei Voraussetzungen Arbeitslosigkeit, Arbeitslosmeldung und Erfüllung der Anwartschaftszeit vor, hat er Anspruch auf die Zahlung von Arbeitslosengeld.
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Soziale Förderung und Hilfe
Arbeitslosigkeit
Fall 59
B aus dem vorangegangenen Fall überwirft sich ob der vielen Entlassungen befreundeter Kollegen mit dem neuen Chef. Kurz darauf ereilt auch ihn die Kündigung. B fragt sich, ob er nun automatisch „arbeitslos“ ist – und damit die erste Voraussetzung für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld erfüllt. Ist dem so? „Arbeitslos“ im Sinne des SGB III ist ein Arbeitnehmer, der – wie sich § 138 I SGB III entnehmen lässt – 1. nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit), 2. sich bemüht, seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Eigenbemühungen) und 3. den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht (Verfügbarkeit). Die Arbeitslosigkeit im Sinne des SGB III ist also an drei Bedingungen geknüpft: Beschäftigungslosigkeit, Eigenbemühungen und Verfügbarkeit. Übersicht 10 fasst sie im Überblick zusammen:
Übersicht 10: Arbeitslosigkeit Arbeitslosigkeit § 138 I SGB III Nr. 1 Beschäftigungs losigkeit
Nr. 2 Eigenbemühungen
Nr. 3 Verfügbarkeit
B aus Fall 59 steht nach seiner Entlassung nicht mehr in einem Beschäftigungsverhältnis. Bemüht er sich, seine Beschäftigungslosigkeit etwa durch Bewerbungen zu beenden und steht er den Vermittlungsbemü-
Lektion 6: Arbeitsförderung SGB III hungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung, ist er arbeitslos. Die erste Voraussetzung für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld wäre erfüllt.
Beschäftigungslosigkeit
Fall 60
C hat gerade seinen Job verloren. Schon während seiner früheren Erwerbstätigkeit ging er samstags für sechs Stunden einer Aushilfstätigkeit an der Rezeption der Stadtbücherei nach. Wochentags ist C zudem an einem Abend pro Woche zwei Stunden lang ehrenamtlich als „Tafel“Mitarbeiter tätig. Beide Beschäftigungen gibt er auch nach dem Verlust seines Arbeitsplatzes nicht auf. Ist er dennoch „arbeitslos“? Arbeitslosigkeit erfordert gemäß § 138 I Nr. 1 SGB III zunächst Beschäftigungslosigkeit. Beschäftigungslos ist, wer nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht. Die Absätze 2 und 3 des § 138 SGB III ergänzen diese Definition: Eine ehrenamtliche Tätigkeit steht der Beschäftigungslosigkeit demnach nicht entgegen, wenn dadurch die berufliche Eingliederung des Arbeitslosen nicht beeinträchtigt wird. Und auch die Ausübung einer Erwerbstätigkeit schließt die Beschäftigungslosigkeit nicht aus, sofern die Arbeitszeit weniger als 15 Stunden wöchentlich umfasst. Die Erwerbstätigkeit des C führt in Fall 60 also ebenso wenig wie dessen abendliche ehrenamtliche Beschäftigung dazu, dass C nicht als arbeitslos anzusehen wäre. C ist dennoch „beschäftigungslos“ im Sinne von § 138 SGB III: Seine Erwerbstätigkeit umfasst weniger als 15 Stunden wöchentlich, und das abendliche Ehrenamt dürfte kaum zu einer Beeinträchtigung der beruflichen Eingliederung des C führen.
Eigenbemühungen
Fall 61
Nach der Kündigung ihres alten Arbeitsplatzes möchte D so schnell wie möglich wieder erwerbstätig werden: Pro Tag verfasst sie fünf Bewerbungsschreiben, und die Stellenanzeigen-Website der Arbeitsagentur ist
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Soziale Förderung und Hilfe auf ihrem Computer die meist aufgerufene. Hat das Verhalten der D für die Frage Bedeutung, ob sie als arbeitslos anzusehen ist? Zweite Voraussetzung für das Vorliegen von Arbeitslosigkeit sind die in § 138 I Nr. 2 SGB III genannten Eigenbemühungen. Der Betroffene muss sich bemühen, seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden. § 138 IV SGB III präzisiert, was der Gesetzgeber sich unter Eigenbemühungen vorstellt: Es gilt, alle Möglichkeiten zur beruflichen Eingliederung – insbesondere die dort genannten – zu nutzen. Nur wer jedoch jegliche Eigenbemühungen vermissen lässt, ist nicht mehr als arbeitslos im Sinne von § 138 SGB III anzusehen. Sind die Eigenbemühungen dagegen „bloß“ unzureichend, berührt das die Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht; Arbeitslosigkeit besteht dennoch. Die Arbeitsagentur kann in diesem Fall jedoch Sanktionen in Form einer Sperrzeit verhängen, s. § 159 I Nr. 3 SGB III. In Fall 61 braucht D nicht zu befürchten, dass ihr mangels Arbeitslosigkeit kein Arbeitslosengeld zustünde: Die Eigenbemühungen im Sinne von § 138 I Nr. 2 SGB III liegen in jedem Fall vor.
Verfügbarkeit
Fall 62
A hat als Architekt zuletzt 5.000 € brutto verdient. Seit seiner Entlassung bezieht er Arbeitslosengeld. Bereits nach drei Wochen hat die Arbeitsagentur eine Vollzeitstelle in einem Architektenbüro ausfindig gemacht, die jedoch nur mit 2.000 € monatlich vergütet ist. Würde es sich auf die Arbeitslosigkeit des A auswirken, wenn dieser die Stelle ablehnte? Dritte Voraussetzung der Arbeitslosigkeit ist die Verfügbarkeit. Verfügbar ist gemäß § 138 I Nr. 3 SGB III, wer den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht. Wann das wiederum der Fall ist, lässt sich im Detail § 138 V SGB III entnehmen. Vier Bedingungen wollen erfüllt sein, zwei objektive (Nr. 1 und 2), die die Arbeitsfähigkeit betreffen, sowie zwei subjektive (Nr. 3 und 4), die sich auf die Arbeitsbereitschaft beziehen: In subjektiver Hinsicht verfügbar ist, wer eine mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung ausüben kann und darf (Nr. 1) sowie Vorschlägen der Agentur
Lektion 6: Arbeitsförderung SGB III für Arbeit zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann (Nr. 2). Arbeitsbereit ist, wer jede zumutbare Beschäftigung anzunehmen und auszuüben (Nr. 3) sowie an Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung teilzunehmen (Nr. 4) bereit ist. Was unter einer zumutbaren Beschäftigung im Sinne der Nr. 1 und 3 des § 138 V SGB III zu verstehen ist, regelt § 140 SGB III: Zumutbar sind gemäß § 140 I SGB III alle der Arbeitsfähigkeit entsprechenden Beschäftigungen, soweit allgemeine oder personenbezogene Gründe der Beschäftigung nicht entgegenstehen. Allgemeine Gründe, die die Zumutbarkeit einer Beschäftigung entfallen lassen können, sind etwa Verstöße gegen tarifliche Arbeitsbedingungen oder Bestimmungen des Arbeitsschutzes, vgl. § 140 II SGB III. Personenbezogene Gründe sind beispielsweise unverhältnismäßig lange Pendelzeiten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (§ 140 IV SGB III) oder ein Arbeitsentgelt, das weit unter dem zuvor erzielten liegt (§ 140 III SGB III). Lehnt jemand eine nicht zumutbare Beschäftigung ab, entfällt die Verfügbarkeit dadurch nicht. Zurück zu Fall 62: Voraussetzung der Arbeitslosigkeit ist – neben Beschäftigungslosigkeit und Eigenbemühungen – die Verfügbarkeit. An der Verfügbarkeit des A könnten Zweifel bestehen, wenn er die angebotene Stelle ablehnte. Nach § 138 V Nr. 3 SGB III steht den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit nur zur Verfügung, wer bereit ist, jede zumutbare Beschäftigung anzunehmen und auszuüben. Die Zumutbarkeit einer Beschäftigung ist in § 140 SGB III geregelt. § 140 III SGB III zeigt, dass die dem A angebotene Beschäftigung aus personenbezogenen Gründen unzumutbar ist, läge das zu erzielende Gehalt doch weit unterhalb der festgelegten Grenze. Ist A nicht bereit, die Stelle anzunehmen, ist er dennoch weiterhin als verfügbar anzusehen. Übersicht 11 gibt die vier Anforderungen an die Verfügbarkeit im Überblick wieder:
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Übersicht 11: Verfügbarkeit Nr. 1 Möglichkeit, versicherungspflichtige und zumutbare Beschäftigung unter üblichen Bedingungen auszuüben
Verfügbarkeit § 138 V SGB III
Nr. 2 Möglichkeit, Vorschlägen der Agentur zeitund ortsnah Folge zu leisten Nr. 3 Bereitschaft, jede Beschäftigung im Sinne der Nr. 1 anzunehmen und auszuüben Nr. 4 Bereitschaft, an Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung in das Erwerbsleben teilzunehmen
Arbeitslosmeldung
Fall 63
Nach seiner plötzlichen Entlassung setzt Q ein Schreiben an die Arbeitsagentur auf, in dem er dieser mitteilt, dass er nunmehr arbeitslos sei und Arbeitslosengeld beziehen wolle. Steht dem Q ein Anspruch darauf zu? § 137 I SGB III knüpft, wie wir gesehen haben, den Anspruch auf Arbeitslosengeld an drei Bedingungen: Die gerade ausführlich behandelte Arbeitslosigkeit, eine Arbeitslosmeldung und die Erfüllung der Anwartschaftszeit. Die Arbeitslosmeldung behandelt § 141 SGB III: Sie hat insbesondere persönlich bei der zuständigen Arbeitsagentur zu erfolgen. Zu beachten sind dabei außerdem die in § 38 SGB III geregelten Zeitpunkte für Meldepflichten.
Lektion 6: Arbeitsförderung SGB III Den Voraussetzungen des § 141 SGB III – persönliche Arbeitslosmeldung – genügt die schriftliche Mitteilung des Q in Fall 63 nicht. Er wird sich also gen örtlicher Arbeitsagentur in Bewegung setzen müssen, um die Anforderungen an einen Arbeitslosengeldbezug zu erfüllen.
Anwartschaftszeit erfüllt
Fall 64
Immobilienkauffrau I war lange Zeit arbeitsuchend und fand dann eine auf eineinhalb Jahre befristete Anstellung. Hat sie bei ordnungsgemäßer Arbeitslosmeldung nach Ende des Beschäftigungsverhältnisses Anspruch auf Arbeitslosengeld? Dritte Voraussetzung für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld ist gemäß § 137 I SGB III neben der Arbeitslosigkeit und der Arbeitslosmeldung die Erfüllung der Anwartschaftszeit. Die Anwartschaftszeit hat gemäß § 142 SGB III erfüllt, wer innerhalb der Rahmenfrist mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Die Rahmenfrist beträgt gemäß § 143 SGB III, der insofern auch Einzelheiten festlegt, grundsätzlich 30 Monate. Bei dem Versicherungspflichtverhältnis, in dem der Arbeitslose mindestens zwölf Monate gestanden haben muss, wird es sich in aller Regel um eine Erwerbstätigkeit handeln: Wer also vor Eintritt der Arbeitslosigkeit innerhalb der Rahmenfrist von 30 Monaten mindestens zwölf Monate versicherungspflichtig beschäftigt war, erfüllt die Anwartschaftszeit. In Fall 64 war I innerhalb der Rahmenfrist des § 143 SGB III von 30 Monaten 18 Monate lang versicherungspflichtig beschäftigt. Die Anwartschaftszeit – und damit die dritte Voraussetzung für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld – ist demnach erfüllt.
Dauer und Höhe des Arbeitslosengelds
Fall 65
Der kinderlose 40-jährige B hat sich gerade arbeitslos gemeldet. Nach langjähriger Arbeitssuche war er zuvor ein Jahr befristet beschäftigt. Er fragt sich, wie lange er Arbeitslosengeld beziehen kann und wie hoch
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Soziale Förderung und Hilfe der Anspruch gegenüber seinem zuvor erzielten Nettogehalt sein wird. Wie lautet die Antwort? Die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld richtet sich gemäß § 147 I SGB III nach der Dauer der Versicherungspflichtverhältnisse und dem Lebensalter, das der Arbeitslose bei der Entstehung des Anspruchs vollendet hat. Sie bewegt sich zwischen sechs und 24 Monaten, vgl. § 147 II SGB III. Bei der Höhe des Arbeitslosengelds differenziert § 149 SGB III danach, ob der Arbeitslose bzw. dessen Ehegatte mindestens ein Kind haben oder nicht. Ist dies der Fall, wird ein sogenannter „erhöhter Leistungssatz“ von 67 % des zuvor erzielten, pauschalierten Nettoentgelts gezahlt. Ist der Arbeitslose kinderlos, erhält er lediglich den allgemeinen Leistungssatz von 60 % des Nettoentgelts. Die Berechnung des Anspruchs im Einzelnen ist in den §§ 150 ff. SGB III geregelt. B aus Fall 65 hat gemäß § 147 II SGB III einen sechsmonatigen Anspruch auf Arbeitslosengeld, und zwar nach § 149 SGB III in Höhe von 60 % seines pauschalierten Nettoentgelts.
Anrechnung von Nebeneinkommen
Fall 66
A bezieht Arbeitslosengeld. Bei einem befreundeten Imbissbesitzer kellnert er einmal die Woche abends für drei Stunden und erzielt dabei ein monatliches Einkommen von 150 € netto. Mindert dieses Einkommen seinen Arbeitslosengeldanspruch? Übt der Arbeitslose während des Bezugs von Arbeitslosengeld eine Erwerbstätigkeit aus, ist das daraus erzielte Einkommen gemäß § 155 I SGB III nach Abzug von Steuern, Sozialversicherungsbeiträgen, Werbungskosten und eines Freibetrags in Höhe von 165 € in dem Kalendermonat der Ausübung anzurechnen. Die Beschäftigung darf dabei den Arbeitslosengeldanspruch nicht gänzlich ausschließen. Sie erinnern sich: Beschäftigungslosigkeit liegt nur vor, wenn die ausgeübte Erwerbstätigkeit weniger als fünfzehn Stunden wöchentlich umfasst, vgl. § 138 III SGB III. A aus Fall 66 ist nur drei Stunden wöchentlich erwerbstätig und damit weiterhin „beschäftigungslos“ im Sinne des § 138 III SGB III. Sein monat-
Lektion 6: Arbeitsförderung SGB III liches Einkommen liegt unter dem in § 155 I SGB III genannten Freibetrag, so dass sein Arbeitslosengeldanspruch dadurch nicht gemindert wird.
Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs
Fall 67
U ist ein Workaholic: Ständig setzt er sich für die Firma ein, nie hat er Urlaub genommen. Als ihm dennoch in Krisenzeiten aus betriebsbedingten Gründen gekündigt wird, beantragt er Arbeitslosengeld. Hat die Tatsache, dass U seinen Urlaub stets verschmähte, Einfluss auf den Arbeitslosengeldanspruch? Die §§ 156 ff. SGB III normieren eine Reihe von sogenannten Ruhenstatbeständen: Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht gemäß § 156 SGB III bei Bezug bestimmter anderer Sozialleistungen. Erhält der Arbeitslose etwa Krankengeld oder Rente, scheidet ein Arbeitslosengeldbezug vorerst aus, erfüllen die in § 156 SGB III bezeichneten Sozialleistungen doch eine ähnliche Funktion. Das Gleiche gilt, wenn dem Arbeitslosen noch Anspruch auf Arbeitsentgelt oder etwa eine Urlaubsabgeltung zusteht, vgl. § 157 SGB III: Arbeitslosengeld soll ja gerade auch ausgefallenes Arbeitsentgelt ersetzen: Stehen dem Arbeitslosen derartige Ansprüche noch zu, wird Arbeitslosengeld zunächst nicht gezahlt. Schließlich ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld gemäß § 158 SGB III auch bei Entlassungsentschädigungen, etwa einer Abfindung, sowie bei Arbeitskämpfen im Sinne von § 160 SGB III. In allen genannten Fällen verschiebt sich lediglich der Beginn des Leistungszeitraums, ohne dass sich dieser verkürzte. Auch der Arbeitslosengeldanspruch des U aus Fall 67 wird zunächst ruhen, und zwar gemäß § 157 SGB III: Seine Urlaubsabgeltung ersetzt den mit Ende des Arbeitsverhältnisses nicht mehr möglichen Anspruch auf bezahlte Freistellung von der Arbeitsleistung. Erst wenn sie aufgebraucht ist, setzt die Zahlung von Arbeitslosengeld ein. Die Dauer des Anspruchs wird durch die Urlaubsabgeltung jedoch nicht abgekürzt.
Fall 68
A ist der ständigen hektischen Arbeitsanweisungen seines neuen Chefs überdrüssig. Sie schmeißt ihren Job hin – im Vertrauen darauf, dass
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Soziale Förderung und Hilfe sie ihren Lebensunterhalt die nächsten Monate mit Arbeitslosengeld bestreiten können werde. Was hat A nicht bedacht? Bei versicherungswidrigem Verhalten im Sinne von § 159 SGB III wird im Hinblick auf den Arbeitslosengeldanspruch eine sogenannte Sperrzeit verhängt. Versicherungswidriges Verhalten liegt etwa vor, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst oder durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses – etwa durch fristlose Kündigung – gegeben hat. Auch bei Ablehnung einer Beschäftigung, unzureichenden Eigenbemühungen, Ablehnung oder Abbruch einer Eingliederungsmaßnahme, Meldeversäumnissen oder verspäteter Arbeitsuchendmeldung werden Sperrzeiten verhängt, wenn der Arbeitslose keinen wichtigen Grund für sein Verhalten nachweisen kann. Ein wichtiger Grund, ein Beschäftigungsverhältnis aufzulösen, wären beispielsweise fortlaufend ausbleibende Lohnzahlungen seitens des Arbeitgebers oder ausgeprägtes Mobbing durch Kollegen. Die Dauer der Sperrzeit ist in den Absätzen drei bis sechs des § 159 SGB III gestaffelt: Bei Arbeitsaufgabe etwa beträgt sie grundsätzlich zwölf Wochen, bei Meldeversäumnissen oder verspäteter Arbeitsuchendmeldung eine Woche. Folge des Eintritts einer Sperrzeit ist wiederum das Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs. Anders als in den Fällen der §§ 156, 157, 158 und 160 SGB III jedoch kommt es nicht bloß zu einer Verschiebung des Leistungsbeginns, vielmehr mindert sich gemäß § 148 I Nr. 3, 4 SGB III zusätzlich die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld. Leitsatz 11 fasst die Ausführungen zu Sperrzeiten nochmals zusammen:
Lektion 6: Arbeitsförderung SGB III
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Leitsatz 11 Sperrzeiten Versicherungswidriges Verhalten – etwa Arbeitsaufgabe oder fehlende Eigenbemühungen – ohne wichtigen Grund zieht gemäß § 159 SGB III Sperrzeiten nach sich. Die Dauer der Sperrzeit ist je nach Verstoß unterschiedlich gestaffelt. Die Sperrzeiten führen nicht bloß zu einer Verschiebung des Leistungsbeginns, sie verringern gemäß § 148 SGB III auch die Gesamtdauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld.
Zurück zu Fall 68: A hat sich im Sinne von § 159 I Nr.1 SGB III versicherungswidrig verhalten, indem sie ihren Job hinschmiss. Ein wichtiger Grund hierfür stand ihr nicht zur Seite. Sie wird daher eine – gemäß § 159 III SGB III zwölfwöchige – Sperrzeit hinnehmen müssen. Die Sperrzeit führt nicht nur zu einer Verschiebung des Arbeitslosengeldanspruchs der A, sondern verringert gemäß § 148 I Nr. 4 SGB III auch die Gesamtdauer ihres Leistungsbezugs.
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Soziale Förderung und Hilfe
Lektion 7: Grundsicherung für Arbeitsuchende SGB II „Hartz IV“: Anlass unzähliger Demonstrationen, Streitgegenstand mindestens ebenso vieler Stammtischrunden und für Millionen von Menschen bittere Realität. Weniger bekannt unter seinem eigentlichen Namen, „Viertes Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“, hat Hartz IV im Januar 2005 die Leistungen für Arbeitsuchende umfassend neu gestaltet: Die durch das Gesetz neu eingeführte „Grundsicherung für Arbeitsuchende“ ist nunmehr im zweiten Sozialgesetzbuch (SGB II) geregelt. Kennzeichnend für die Grundsicherung Arbeitsuchender ist insbesondere das Prinzip des „Fördern und Fordern“. Kapitel 1 des SGB II trägt denn auch diese Überschrift, die §§ 1 – 3 SGB II (bitte lesen!) machen deutlich, was der Gesetzgeber sich darunter vorstellt: Die Grundsicherung für Arbeitsuchende soll die Eigenverantwortung der Leistungsberechtigten stärken und dazu beitragen, dass sie ihren Lebensunterhalt möglichst schnell wieder unabhängig von staatlichen Leistungen aus eigenen Mitteln bestreiten können. Dazu sieht das Gesetz diverse Fördermaßnahmen vor, die uns im Folgenden noch detaillierter beschäftigen werden, seien es Beratungen, Umzugskostenbeihilfen oder die Unterstützung bei Schulden- oder Suchtproblematik. Neben dem Grundsatz des Förderns steht derjenige des Forderns: Er lässt sich insbesondere § 2 SGB II entnehmen. Danach muss der Leistungsberechtigte die sich bietenden Möglichkeiten zur Verringerung seiner Hilfebedürftigkeit ausschöpfen, also etwa jede zumutbare Arbeit annehmen. Tut er das nicht, drohen empfindliche Sanktionen bis hin zur vollständigen Streichung des Anspruchs auf Grundsicherung.
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Leitsatz 12 Fördern und Fordern Gleich zu Beginn des SGB II macht der Gesetzgeber deutlich, worum es ihm in diesem Gesetzbuch geht: Möglichst schnell sollen die Empfänger der „Grundsicherung für Arbeitsuchende“ mit Hilfe diverser Unterstützungsleistungen wieder „auf eigenen Beinen stehen“ können (Fördern), gleichzeitig aber auch jede sich hierfür bietende Möglichkeit ergreifen müssen (Fordern).
Lektion 7: Grundsicherung für Arbeitsuchende SGB II
Fall 69
Ein Reporterteam dreht im sozialen Brennpunkt einer Großstadt eine Dokumentation über die dortigen Schulen. Nach ihrem Berufswunsch gefragt, antworten nicht wenige der hoffnungsvollen Fünftklässler ohne jeden Anflug fehlender Ernsthaftigkeit: „Hartz IV“. Welche Voraussetzungen werden sie dafür dereinst erfüllen müssen? Der zunächst etwas außergewöhnlich anmutende „Berufswunsch“ ist an diverse, in § 7 I SGB II festgelegte Bedingungen geknüpft: Berechtigt zum Bezug von Leistungen zur „Grundsicherung für Arbeitsuchende“ ist, wer das fünfzehnte Lebensjahr vollendet, die Altersgrenze des § 7a SGB II jedoch noch nicht erreicht hat. Außerdem muss, wer Leistungen nach dem SGB II beziehen will, erwerbsfähig sein. Für diejenigen, die nicht erwerbsfähig sind, kommen Leistungen der Sozialhilfe nach dem SGB XII in Betracht. Des Weiteren muss Hilfebedürftigkeit vorliegen, d.h. Grundsicherungsleistungen gewährt der Staat nur denjenigen, die für ihren Lebensunterhalt und ihre Eingliederung in Arbeit nicht aus eigenen Mitteln sorgen können. Letzte Voraussetzung ist der gewöhnliche Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Übersicht 12 fasst die Voraussetzungen für einen Bezug von Leistungen nach dem SGB II im Überblick zusammen:
Übersicht 12: Grundsicherung für Arbeitsuchende Der Bezug von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende ist an die in § 7 I SGB II aufgeführten Bedingungen geknüpft: 1. Alter zwischen 15 Jahren und der Altersgrenze des § 7a SGB II 2. Erwerbsfähigkeit: § 8 SGB II 3. Hilfebedürftigkeit: § 9 SGB II 4. gewöhnlicher Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland Im Folgenden wenden wir uns nun den in Übersicht 12 genannten Anspruchsvoraussetzungen im Einzelnen ausführlich zu.
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Soziale Förderung und Hilfe
Altersgrenzen
Fall 70
A kann mit seinen 63 Jahren auf ein abwechslungsreiches Erwerbsleben zurückblicken, das jedoch zuletzt von Frustrationen geprägt war: Nach dem Verlust seines letzten Arbeitsplatzes ist es dem A jahrelang nicht gelungen, einen neuen zu erlangen. Kann A trotz seines fortgeschrittenen Alters Leistungen nach dem SGB II beziehen? Wie bereits erwähnt, ist die Berechtigung zum Bezug von Leistungen nach dem SGB II u.a. vom Lebensalter abhängig. Es muss zwischen 15 Jahren und der in § 7a SGB II genannten Grenze liegen. Letztere Vorschrift differenziert nach dem Geburtsjahr: Wer vor oder im Jahr 1947 das Licht der Welt erblickt hat, für den gilt eine Altersgrenze von 65 Jahren, die sich stufenweise für Geburtsjahrgänge ab 1964 auf 67 Jahre erhöht. Nach Erreichen der Altersgrenze des § 7a SGB II kommt lediglich ein Bezug von Leistungen der Grundsicherung im Alter nach dem SGB XII infrage. Vom Lebensalter her kommt A aus Fall 70 demnach für den Bezug von SGB II-Leistungen in Frage. Wäre er bereits 68 Jahre alt und hilfebedürftig, käme für ihn unter den entsprechenden Voraussetzungen nur noch die im SGB XII geregelte Grundsicherung im Alter in Betracht.
Erwerbsfähigkeit
Fall 71
Nach einem Verkehrsunfall ist B, der bislang Leistungen nach dem SGB II bezogen hat, dauerhaft gehbehindert; zudem hat er mit ausgeprägten psychischen Schwierigkeiten zu kämpfen. Die für B zuständige Arbeitsagentur gibt daraufhin ein ärztliches Gutachten in Auftrag: Es soll festgestellt werden, ob B überhaupt noch erwerbsfähig ist. Worauf zielt die Maßnahme ab? Voraussetzung für den Bezug von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende ist die Erwerbsfähigkeit. Erwerbsfähig ist gemäß § 8 SGB II, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Lektion 7: Grundsicherung für Arbeitsuchende SGB II „Auf absehbare Zeit“ heißt dabei mindestens sechs Monate: Wer also aufgrund einer Krankheit oder Behinderung für die nächsten sechs Monate voraussichtlich nicht drei Stunden täglich arbeiten kann, gilt als nicht erwerbsfähig. Fehlt es an der Erwerbsfähigkeit, greift das Leistungssystem des SGB II nicht mehr. Nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige können Sozialhilfe nach dem SGB XII beanspruchen. Das Kriterium Erwerbsfähigkeit grenzt die beiden Leistungsarten also voneinander ab. Ergeben die ärztlichen Untersuchungen in Fall 71, dass B innerhalb der nächsten sechs Monate voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, drei Stunden täglich zu arbeiten, fällt er aus der Grundsicherung für Arbeitsuchende des SGB II heraus. Er müsste Leistungen der Sozialhilfe nach dem SGB XII beantragen.
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Leitsatz 13 Erwerbsfähigkeit § 8 SGB II definiert die Erwerbsfähigkeit: Erwerbsfähig ist, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Auf absehbare Zeit bedeutet dabei mindestens sechs Monate. Die Erwerbsfähigkeit grenzt die Grundsicherung für Arbeitsuchende aufgrund des SGB II von der im SGB XII geregelten Sozialhilfe ab. Für nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige kommt nur letztere infrage.
Hilfebedürftigkeit
Fall 72
P ist Schulabbrecher, und selbst zu Hilfsjobs fehlte ihm in den folgenden Jahren jegliche Motivation. Mittlerweile 35 Jahre alt, kann er seine umfangreiche Familie nicht ernähren, mangelt es ihm doch an Einkünften wie an Vermögen. Ist P hilfebedürftig im Sinne des SGB II? Zentrale Voraussetzung für die Berechtigung zum Bezug von SGB IILeistungen ist die Hilfebedürftigkeit. Hilfebedürftig ist gemäß § 9 I
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Soziale Förderung und Hilfe SGB II, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen insbesondere nicht aus eigenen Kräften und Mitteln sichern kann. In Fall 72 trifft dies auf P zu: Aus eigenen Mitteln kann er den Unterhalt für sich und seine Familie nicht sicherstellen, fehlt es ihm doch sowohl an entsprechendem Einkommen wie Vermögen. P ist hilfebedürftig.
Fall 73
Der allein stehende B betreibt einen kleinen Bratwurststand auf dem Dorfplatz seines Heimatorts, in dem er zur Miete wohnt. Den Geschmack der Dorfbewohner treffen die „Thüringer“ des B jedoch nicht recht. Pro Monat erzielt er lediglich ein Einkommen von 200 €. Ist B hilfebedürftig? § 9 SGB II zufolge ist nicht hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln, also insbesondere aus eigenem Einkommen, bestreiten kann. Gemäß § 11 I SGB II sind dabei grundsätzlich alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert als Einkommen zu berücksichtigen. Ausgenommen sind bloß SGB II-Leistungen sowie bestimmte Renten oder Beihilfen etwa nach dem Bundesentschädigungsgesetz. Einkünfte aus nicht selbstständiger ebenso wie selbstständiger Arbeit, aus Vermietung oder Verpachtung, Zinseinkünfte und Unterhaltsleistungen sind also als Einkommen im Sinne des § 11 I SGB II anzusehen. Bei der Berechnung, ob einer Person Leistungen nach dem SGB II zustehen, sind vom Einkommen jedoch gewisse Abzüge vorzunehmen: Gemäß § 11b I SGB II sind vom Einkommen etwa Steuern, Sozialversicherungsbeiträge, Kfz-Haftpflichtversicherungsbeiträge, Werbungskosten etc. abzusetzen. Erwerbstätige dürfen zudem den sogenannten Erwerbstätigenfreibetrag gemäß § 11b II, III SGB II von ihrem Einkommen abziehen: 100 € können sie stets absetzen, bei höherem Einkommen prozentuale Anteile davon. Zurück zu Fall 73: B ist hilfebedürftig, kann er doch allein schon seine Miete in Höhe von 250 € monatlich nicht aus eigenen Mitteln aufbringen. Das Einkommen von 200 € schließt die Hilfebedürftigkeit also nicht aus: „Arbeitslosigkeit“ ist demnach nicht Voraussetzung für einen Leistungsbezug. Auf seinen Leistungsanspruch muss sich B sein
Lektion 7: Grundsicherung für Arbeitsuchende SGB II Einkommen allerdings anrechnen lassen, d.h. die Höhe seines Anspruchs wird entsprechend gemindert: 120 € seines Einkommens bleiben gemäß § 11b II, III SGB II anrechnungsfrei (100 € gemäß § 11b II SGB II + 20 % von weiteren 100 € gemäß § 11b III SGB II), die übrigen 80 € mindern die Höhe des Leistungsanspruchs des B.
Fall 74
E hat eine enorme Erbschaft in Monaco durchgebracht. Reumütig kehrt er ins heimatliche Örtchen zurück. Übrig geblieben – und sein ganzer Stolz – ist ein betagtes Mercedes-Modell, Verkehrswert 6.000 €, sowie 3.000 € in bar. Um eine Arbeitsstelle bemüht sich E vergeblich, hat der monegassische Lebenswandel ihn doch von der harten landwirtschaftlichen Realität seiner Heimat schon zu weit entfernt. E beantragt daher Leistungen nach dem SGB II. Erfüllt er die Anspruchsvoraussetzungen? Hilfebedürftig ist nicht, wer seinen Lebensunterhalt durch Vermögen bestreiten kann, vgl. § 9 SGB II. In Abgrenzung zum Einkommen ist Vermögen das, worüber der Betroffene bereits verfügt – gemäß § 12 I SGB II zählen dazu alle „verwertbaren Vermögensgegenstände“: Bargeld, Sparguthaben, Wertpapiere, Immobilien, Schmuck etc. Gewisse Gegenstände nimmt § 12 III SGB II jedoch vom Vermögen aus: Angemessenen Hausrat etwa, ein angemessenes Kraftfahrzeug oder ein selbst genutztes Hausgrundstück von angemessener Größe. Außerdem sind – wie beim Einkommen – gemäß § 12 II SGB II Abzüge möglich, insbesondere ein Grundfreibetrag in Höhe von 150 € je vollendetem Lebensjahr für volljährige Personen, mindestens aber 3.100 €. Nur wer auch nach den entsprechenden Abzügen über hinreichend Vermögen verfügt, muss dieses zunächst verwerten, bevor er als hilfebedürftig anzusehen ist. In Fall 74 verfügt E über 3.000 € in bar und ein Kraftfahrzeug im Wert von 6.000 €. Das Bargeld des E ist verwertbares Vermögen im Sinne von § 12 I SGB II, unterfällt jedoch vollständig dem Grundfreibetrag des § 12 II Nr. 1 SGB II. Als „angemessene“ Kraftfahrzeuge gelten einem Urteil des Bundessozialgerichts zufolge solche mit einem Wert von bis zu 7.500 €. E muss also keinen der beiden Vermögensgegenstände verwerten. Er ist hilfebedürftig und kann Leistungen nach dem SGB II beanspruchen.
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Soziale Förderung und Hilfe
Bedarfsgemeinschaft
Fall 75
A und B sind ein Pärchen und wohnen bereits seit Jahren zusammen. Während A den Haushalt schmeißt, verdient B in der Redaktion des Lokalblatts monatlich 3.000 € netto. Englischlehrer A findet dagegen keinen Job. Um dennoch zur Haushaltskasse beitragen zu können, beantragt A Grundsicherungsleistungen. Wird er solche erhalten? Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, sind im Rahmen der Feststellung der Hilfebedürftigkeit gemäß § 9 II SGB II auch Einkommen und Vermögen weiterer Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft zu berücksichtigen. Wer aber gehört zur Bedarfsgemeinschaft? Die Antwort findet sich in § 7 III SGB II: Danach gehören zur Bedarfsgemeinschaft die erwerbsfähigen Hilfebedürftigen selbst, im Haushalt lebende Eltern unverheirateter Kinder, sofern diese noch nicht 25 Jahre alt sind, der Partner des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen sowie dem Haushalt angehörende unverheiratete Kinder, die noch keine 25 Jahre zählen. Liegt eine Bedarfsgemeinschaft vor, wird bei der Feststellung der Hilfebedürftigkeit – und auch der Höhe des Grundsicherungsanspruchs – also das Einkommen aller ihrer Mitglieder berücksichtigt. Für A aus Fall 75 bedeutet dies, dass ihm kein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II zusteht. Er muss sich nämlich das Einkommen seiner Lebensgefährtin B anrechnen lassen. Dass diese als Partnerin des A im Sinne von § 7 III Nr. 3 c) anzusehen ist, wird gemäß § 7 III a SGB II aufgrund des langjährigen Zusammenlebens vermutet.
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Leitsatz 14 Hilfebedürftigkeit Hilfebedürftig ist, wer die in § 9 genannten Voraussetzungen erfüllt: Insbesondere darf kein hinreichendes Einkommen oder Vermögen vorhanden sein, was sich nach § 11 bzw. § 12 SGB II bemisst. Innerhalb einer Bedarfsgemeinschaft – die Definition derselben findet sich in § 7 III SGB II – werden auch Einkommen und Vermögen weiterer Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft berücksichtigt.
Lektion 7: Grundsicherung für Arbeitsuchende SGB II
Gewöhnlicher Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland Letzte Voraussetzung für einen Bezug von Leistungen nach dem SGB II ist der gewöhnliche Aufenthalt in der BRD. Zählen Sie gedanklich nochmals alle vier Anspruchsvoraussetzungen auf! Hier sind Sie noch mal: XXLebensalter zwischen 15 Jahren und der Altersgrenze des § 7a SGB II XXErwerbsfähigkeit XXHilfebedürftigkeit XXgewöhnlicher Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland Wem die Anspruchsvoraussetzungen einmal entfallen sind, der findet sie in § 7 I SGB II schnell wieder.
Antrag
Fall 76
A ist arbeitslos und hält sich mit Pfandflaschensammeln über Wasser. Von einem Kumpel aus gemeinsamen Studententagen, der sich nun als Fachanwalt für Sozialrecht verdingt, erfährt A von den vier Voraussetzungen für einen Bezug von Leistungen nach dem SGB II. Verwundert stellt er fest, dass er alle vier Voraussetzungen erfüllt. Er fragt sich, warum er noch nie einen Cent erhalten hat. Woran hat A noch nicht gedacht, und ab wann wird er Leistungen nach dem SGB II beziehen können? Gemäß § 37 I SGB II werden Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende nur auf Antrag erbracht. Der Antrag kann formlos gestellt werden, schriftlich, telefonisch oder persönlich bei der zuständigen Stelle. Für Zeiten vor der Antragstellung werden SGB II-Leistungen nicht erbracht, vgl. § 37 II SGB II.
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Soziale Förderung und Hilfe A ist in Fall 76 also zu raten, möglichst schnell einen Antrag auf Grund sicherung zu stellen. Für die Zeit vor der Antragstellung wird er allerdings keine Leistungen mehr bekommen können.
Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende
Fall 77
Der arbeitsuchende A aus dem vorangegangenen Fall hat nunmehr auch einen Antrag gestellt, der positiv beschieden wird. Welche Grundsicherungsleistungen stehen dem A nunmehr zu? Sind die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt und der Antrag gestellt, steht einem Leistungsbezug nichts mehr im Wege. Worin aber bestehen die Grundsicherungsleistungen? Hier hilft ein Blick in die Inhaltsübersicht des SGB II: Während Kapitel 1 sich dem bereits behandelten Grundsatz des „Fordern und Fördern“ widmet und Kapitel 2 die eben besprochenen Anspruchsvoraussetzungen behandelt, ist Kapitel 3 mit „Leistungen“ überschrieben: Da haben wir sie also. An der Gliederung in Abschnitte lässt sich zudem ablesen, welche Leistungsarten das SGB II kennt: Leistungen zur Eingliederung in Arbeit sowie Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, insbesondere das sogenannte „Arbeitslosengeld II“, das wiederum in einen „Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts“ und „Bedarf für Unterkunft und Heizung“ zerfällt. Dem A aus Fall 77 stehen nach Antragstellung also Leistungen zur Eingliederung in Arbeit gemäß §§ 14 ff. SGB II (Kapitel 3 Abschnitt 1) sowie Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gemäß §§ 19 ff. SGB II (Kapitel 3 Abschnitt 2) zu. Vor allem letztere dürften für den A von großer Bedeutung sein. Sie untergliedern sich wiederum insbesondere in den „Regelbedarf“, die Ernährung, Bekleidung etc. abdecken soll, vgl. § 20 SGB II, sowie die Leistungen für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 SGB II. Übersicht 13 stellt die verschiedenen Leistungsformen noch einmal grafisch dar:
Lektion 7: Grundsicherung für Arbeitsuchende SGB II
Übersicht 13: Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende Leistungen zur Grundsiche rung für Arbeitsuchende (Kapitel 3 des SGB II) Kapitel 3 Abschnitt 1 §§ 14 ff. SGB II Leistungen zur Eingliede rung in Arbeit
Kapitel 3 Abschnitt 2 §§ 19 ff. SGB II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts Regelbedarf § 20 SGB II
Leistungen für Unterkunft und Heizung § 22 SGB II
Leistungen zur Eingliederung in Arbeit
Fall 78
B ist gelernter Bankkaufmann mit jahrelanger Erfahrung im Investmentbanking. Nach einem Börsencrash ist er entlassen worden und nun geraume Zeit arbeitsuchend. Weil er sich vom gewohnten Lebensstil nicht verabschieden mochte, haben sich im Laufe der Zeit beträchtliche Schulden angesammelt. Die persönliche finanzielle Situation des B kommt in den bislang erfolglosen Bewerbungsgesprächen immer wieder zur Sprache. B wendet sich an seinen Sachbearbeiter. Wird dieser ihm weiterhelfen können? Ziel des SGB II ist es, die Leistungsempfänger wieder in den Arbeitsmarkt einzugliedern. Besonders deutlich lässt sich dieser Grundsatz des Förderns – explizit in § 14 SGB II niedergelegt – den „Leistungen zur Eingliederung in Arbeit“ entnehmen. Das SGB II kennt eine Vielzahl von Leistungen, die allein darauf abzielen, den erwerbsfähigen Hilfe
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Soziale Förderung und Hilfe bedürftigen wieder am Arbeitsleben teilhaben zu lassen. Vor allem in § 16 SGB II sind derartige Hilfen gleich reihenweise aufgeführt: § 16 I SGB II verweist auf diverse Leistungen nach dem SGB III – insbesondere solche zur Vermittlung in Arbeit –, macht diese also auch Grundsicherungsempfängern zugänglich. § 16a SGB II nennt darüber hinausgehend weitere Leistungen, auf die erwerbsfähige Hilfebedürftige zugreifen können: Von der Schuldner- oder Suchtberatung – nicht selten steht Erwerbslosigkeit mit entsprechender Problematik in Zusammenhang – bis hin zur Betreuung minderjähriger oder behinderter Kinder. Alle Leistungen dienen der Eingliederung von SGB II-Leistungsempfängern in das Erwerbsleben. In Fall 78 könnte B demnach Leistungen gemäß § 16a SGB II in Anspruch nehmen. Die finanzielle Notlage des B, die immer wieder zur Zurückweisung seiner Bewerbungen führt, könnte im Rahmen einer Schuldnerberatung gelöst werden. Sein Sachbearbeiter wird dem B eine entsprechende Beratung zuteil werden lassen.
Fall 79
T hat früher als Tierpfleger gearbeitet, ist nun aber bereits seit längerem arbeitsuchend und bezieht Leistungen nach dem SGB II. Sein Sachbearbeiter bietet dem T eine Tätigkeit als Katzenstreichler in einem Tierheim an; die dort angestellten Tierpfleger kommen nicht dazu, sich den Tieren auch auf diese Weise zuzuwenden. Als Vergütung soll T eine „angemessene Entschädigung“ erhalten. Worum handelt es sich bei dem Angebot? Unter den Leistungen zur Eingliederung in Arbeit finden sich u.a. die in § 16d SGB II genannten „Arbeitsgelegenheiten“. Dabei handelt es sich um die unter Grundsicherungsempfängern berüchtigten „1-Euro-Jobs“: Die in § 16d SGB II genannte „angemessene Entschädigung für Mehraufwendungen“, die der Hilfebedürftige erhält, liegt zwischen ein und zwei Euro. Die Arbeitsgelegenheiten müssen im öffentlichen Interesse liegen und zusätzlich sein, d.h. sie dürfen keine regulären Arbeitsplätze ersetzen. Sie sollen u.a. dazu dienen, den Tagesablauf der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen zu strukturieren sowie ihn möglichst weiter zu qualifizieren.
Lektion 7: Grundsicherung für Arbeitsuchende SGB II Bei dem Angebot aus Fall 79 handelt es sich um eine solche Arbeitsgelegenheit: Die Katzen zu streicheln ist den Pflegern des Tierheims zeitlich nicht möglich. Die Tätigkeit ist daher zusätzlich im Sinne des § 16d SGB II. Übernimmt T den „Job“, wird er eine Vergütung von einem bis zwei € pro Stunde als sogenannte Entschädigung für Mehraufwendungen erhalten.
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Leitsatz 15 Arbeitsgelegenheiten Bei den Arbeitsgelegenheiten des § 16d SGB II handelt es sich um die sogenannten „1-Euro-Jobs“. Sie sollen für erwerbsfähige Hilfebedürftige geschaffen werden, die keine Arbeit finden können – und müssen im öffentlichen Interesse liegen und zusätzlich sein, d.h. sie dürfen keine regulären Arbeitsplätze ersetzen. Den Hilfebedürftigen ist eine angemessene Entschädigung für Mehraufwendungen zu zahlen.
Fall 80
Gleich nachdem B einen Antrag auf Grundsicherungsleistungen gestellt hat, lädt sein Sachbearbeiter ihn zu einer Besprechung ein. Im Rahmen einer „Eingliederungsvereinbarung“ soll B sich verpflichten, an einem Bewerbungstraining in der Arbeitsagentur teilzunehmen. B hält dies für völlig überflüssig. Welche Konsequenzen könnte eine Weigerung, die Vereinbarung zu unterzeichen, für den B nach sich ziehen? Gemäß § 15 SGB II soll die Agentur für Arbeit mit jedem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen die für seine Eingliederung erforderlichen Leistungen vereinbaren. Insbesondere soll die sogenannte Eingliederungsvereinbarung bestimmen, welche Leistungen der Erwerbsfähige zur Eingliederung in Arbeit erhält und welche Bemühungen er in welcher Häufigkeit zur Eingliederung in Arbeit mindestens unternehmen muss sowie in welcher Form er die Bemühungen nachzuweisen hat. In der Eingliederungsvereinbarung kann also etwa eine Hilfe bei der Betreuung minderjähriger Kinder, eine Suchtberatung oder die monatliche Mindestzahl von Bewerbungsschreiben vereinbart werden. Ziel ist es, den Hilfebedürftigen wieder ins Erwerbsleben zu integrieren.
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Soziale Förderung und Hilfe Der Arbeitsuchende kann selbstverständlich nicht gezwungen werden, eine solche Vereinbarung abzuschließen. Weigert er sich, kann die Behörde die entsprechenden Regelungen jedoch auch per Verwaltungsakt festlegen, vgl. § 15 III S. 3 SGB II. Außerdem drohen für diesen Fall Sanktionen gemäß § 31 I i.V.m. § 31a SGB II. In Fall 80 muss B also damit rechnen, dass das Bewerbungstraining, das nach dem Willen der Behörde in der Eingliederungsvereinbarung enthalten sein soll, gemäß § 15 III S. 3 SGB II einseitig in einem Verwaltungsakt festgelegt würde. Außerdem würde eine Weigerung, die Eingliederungsvereinbarung zu unterzeichnen, eine Kürzung des Arbeitslosengeld II-Anspruchs gemäß § 31 I i.V.m. § 31a SGB II nach sich ziehen.
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (ALG II) Regelbedarf
Fall 81
Arbeitsuchender A ist Leonardo DiCaprio-Fan. Am Ende des Monats kommen kurz nacheinander drei Filme seines Stars in die Kinos, die A sich unmittelbar nacheinander anzusehen gedenkt. Es fehlen ihm jedoch die finanziellen Mittel, da er die ihm ausgezahlten SGB II-Leistungen in diesem Monat bereits aufgebraucht hat. A fragt sich, ob er für den Filmgenuss Zusatzzahlungen erhalten könnte. Kann er? Wie bereits erwähnt, kommen zu den Leistungen zur Eingliederung in Arbeit diejenigen zur Sicherung des Lebensunterhalts hinzu. Sie sind für die Leistungsempfänger naturgemäß von existentieller Bedeutung. Das SGB II bezeichnet sie in § 19 als „Arbeitslosengeld II“, ein Begriff, der sich (neben „Hartz IV“) auch im allgemeinen Sprachgebrauch durchgesetzt hat. Die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gliedern sich in einen Regelbedarf sowie Leistungen für Unterkunft und Heizung. Der Regelbedarf umfasst dabei gemäß § 20 I SGB II Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie etc. Das tägliche Brot, die neue Jeans, der Küchenstuhl ebenso wie der Kinobesuch sind nach den Vorstellungen des Gesetzgebers also aus der Regelleistung zu zahlen. Wie viel Geld den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen für all diese Ausgaben monatlich zur
Lektion 7: Grundsicherung für Arbeitsuchende SGB II Verfügung stehen, lässt sich § 20 II SGB II entnehmen. Zum 1.7. eines Jahres wird der Regelbedarf regelmäßig angepasst. Auch die Kinobesuche des A aus Fall 81 sind von Regelbedarf umfasst: Aus ihm muss A auch seine „Teilnahme am kulturellen Leben“ bestreiten, vgl. § 20 I SGB II. Zusätzliche Leistungen hierfür wird er nicht erhalten, vielmehr gilt es den Folgemonat abzuwarten.
Fall 82
Die Arbeitsuchende M ist allein erziehende Mutter der kleinen T. Sie leidet an einer Stoffwechselerkrankung, die eine besondere Ernährung erforderlich macht. Allein mit dem Regelbedarf des § 20 SGB II würde sie nie „über die Runden kommen“. Stehen ihr ggf. ergänzende Leistungen zu? In bestimmten Fällen erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige einen Aufschlag auf den Ihnen zustehenden Regelbedarf gemäß § 21 SGB II. Das gilt etwa für werdende Mütter ab der zwölften Schwangerschaftswoche, Alleinerziehende, Behinderte oder diejenigen, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen. Die jeweils von der Arbeitsagentur zu zahlende Leistung für „Mehrbedarfe“ richtet sich nach den verschiedenen Absätzen des § 21 SGB II. In Fall 82 stehen der M gleich zweierlei zusätzliche Leistungen wegen Mehrbedarfs zu: Gemäß § 21 III SGB II, da sie allein erziehend ist, sowie gemäß § 21 V SGB II, da sie aufgrund ihrer Stoffwechselerkrankung einer kostenaufwändigen Ernährung bedarf. Zusätzlich zum Regelbedarf darf sie sich also über Aufschläge freuen.
Leistungen für Unterkunft und Heizung
Fall 83
X führt ein Leben auf der Überholspur und bewohnt ein Penthouse in einem Münchner Nobelviertel zur Miete von monatlich 3.500 €. Seinen Lebensunterhalt bestreitet er mit den Dividenden der Aktien, in die er sein gesamtes Vermögen gesteckt hat. Infolge einer Wirtschaftskrise löst sich selbiges in Luft auf. X, in existentielle Not geraten, sieht sich gezwungen, Leistungen nach dem SGB II zu beantragen. Darf er darauf
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Soziale Förderung und Hilfe hoffen, dass auch seine stattlichen Unterkunftskosten übernommen werden? Neben dem Regelbedarf erbringt die Arbeitsagentur zur Sicherung des Lebensunterhalts den sogenannten „Bedarf für Unterkunft und Heizung“ gemäß § 22 SGB II. Dies allerdings nur, soweit die entsprechenden Aufwendungen „angemessen“ sind. Was als angemessen gilt, ist regional unterschiedlich und richtet sich insbesondere nach der Anzahl der Bewohner, der Wohnungsgröße sowie der tatsächlichen Miethöhe: In Großstädten dürften die angemessenen Wohnungskosten meist über denen in ländlichen Gegenden liegen. Die Wohnkosten des allein stehenden X aus Fall 83 sind selbst für München nicht als angemessen anzusehen. X wird sich eine andere Wohnung suchen müssen, um die Miete auf ein angemessenes Maß zu reduzieren.
Sanktionen
Fall 84
Die Arbeitsagentur macht für den arbeitsuchenden ehemaligen Bankangestellten B eine Arbeitsstelle als Kassierer in der örtlichen Sparkasse ausfindig. B verspürt keine Lust auf den Job, den er schon früher stets als eintönig empfand. Er erscheint daher zum Vorstellungsgespräch in löchriger Jeans und verlangt ein Monatsgehalt von 5.000 € netto. Der Personalchef bricht das Gespräch daraufhin ab. Mit welcher Konsequenz für seinen Anspruch auf Arbeitslosengeld II muss B rechnen? Gewiss erinnern Sie sich noch an das bereits erwähnte Prinzip des „Fördern und Fordern“. Die Eingliederung in Arbeit wird durch diverse Leistungen gefördert, andererseits müssen erwerbsfähige Hilfebedürftige gemäß § 2 SGB II alle zumutbaren Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung ihrer Hilfebedürftigkeit ausschöpfen und aktiv an allen Maßnahmen zu ihrer Eingliederung in Arbeit mitwirken. Tun sie das nicht, drohen Sanktionen: Um 30 % der für den Hilfebedürftigen maßgebenden Regelleistung wird das Arbeitslosengeld II gemäß § 31 I SGB II i.V.m. § 31a I SGB II abgesenkt, wenn dieser sich weigert, eine Eingliederungsvereinbarung zu
Lektion 7: Grundsicherung für Arbeitsuchende SGB II unterzeichnen, dort festgelegte Pflichten zu erfüllen, an darin vereinbarten Maßnahmen teilzunehmen oder eine zumutbare Arbeit bzw. Arbeitsgelegenheit aufzunehmen. Das Gleiche gilt, wenn er bereits begonnene Maßnahmen abbricht oder Anlass für den Abbruch gibt. Als weniger sanktionswürdig stuft der Gesetzgeber in § 32 SGB II die Fälle ein, in denen der Arbeitsuchende einer Aufforderung, sich zu melden oder zu einem ärztlichen Untersuchungstermin zu erscheinen, nicht nachkommt: Hier kommt es zu einer Kürzung von 10 %. Über die vorstehenden Sanktionsmöglichkeiten muss der Hilfebedürftige allerdings zuvor unterrichtet worden sein, andernfalls ist die Absenkung rechtswidrig. Auch wenn der Arbeitsuchende einen wichtigen Grund – etwa eine akute Erkrankung – für sein Verhalten nachweist, darf das Arbeitslosengeld II nicht gekürzt werden. In Fall 84 hat B die angebotene Arbeitsstelle zwar nicht ausdrücklich abgelehnt. Seinem Verhalten ließ sich seine ablehnende Haltung gegenüber der Kassierertätigkeit jedoch eindeutig entnehmen. Er muss mit einer 30-prozentigen Kürzung aufgrund von § 31 I SGB II i.V.m. § 31a I SGB II rechnen.
Fall 85
B hat aufgrund der Vorkommnisse aus dem vorangegangenen Fall eine Absenkung seines Arbeitslosengeld II-Anspruchs um 30 % der Regelleistung hinnehmen müssen. Auch im Nachbarort wird drei Wochen darauf eine Kassiererstelle frei, die dem B ebenfalls vorgeschlagen wird. Um auch ihr zu entgehen, behauptet B im Vorstellungsgespräch wahrheitswidrig, er sei bereits mehrmals wegen Untreue verurteilt worden. Die Taktik des B geht auf: Die Stelle geht an einen anderen Bewerber. Kann das Vorgehen des B weitere Auswirkungen auf dessen Ansprüche haben? Wiederholte Verletzungen der in § 31 I SGB II bezeichneten Pflichten führen gemäß § 31a I SGB II zu einer weiteren Kürzung um 30 %, mithin insgesamt 60 %. Kommt es zu einer dritten Pflichtverletzung, entfällt der Arbeitslosengeld II-Anspruch gar ganz. Als „wiederholte“ Pflichtverletzungen gelten jedoch nur solche, die innerhalb eines Jahres nach Beginn des vorangegangenen Sanktionszeitraums geschehen. Wird das Arbeitslosengeld II um mehr als 30 % der jeweiligen Regelleistung gemindert, können Sachleistungen – beispielsweise Lebensmittelgutscheine –
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Soziale Förderung und Hilfe erbracht werden, um Härten aufzufangen. Lebt der Hilfebedürftige mit minderjährigen Kindern zusammen, so soll dies seitens der Behörde geschehen. B aus Fall 85 wird demnach eine 60-prozentige Kürzung aufgrund von § 31a I SGB II hinnehmen müssen. Käme es innerhalb des dort genannten Jahreszeitraums zu einer dritten Pflichtverletzung, entfiele sein Arbeitslosengeld II-Anspruch sogar ganz. Diese gesetzlichen Regelungen der Sanktionen sind allerdings im Jahr 2019 vom Bundesverfassungsgericht beanstandet worden. Im Urteil Az. 1 BvL 7/16 stellte das Gericht fest, dass solch harte Sanktionen übertrieben sein. Sie würden einen Verstoß gegen die Menschenwürde darstellen. Zudem dürfe nicht mehr pauschal sanktioniert werden, sondern es müsse eine individuelle Prüfung erfolgen. Die Arbeitsagenturen sehen sich damit aber überfordert und wenden Sanktionen kaum noch an. Man darf gespannt sein, ob der Gesetzgeber eine neue gesetzliche Regelung schafft oder ob er den Schwebezustand so beibehält.
Lektion 8: Sozialhilfe SGB XII
Lektion 8: Sozialhilfe SGB XII Im SGB XII ist die „Sozialhilfe“ geregelt. § 1 Satz 1 macht deutlich, worum es ihr geht: „Aufgabe der Sozialhilfe ist es, den Leistungsberechtigten die Führung eines Lebens zu ermöglichen, das der Würde des Menschen entspricht.“ Wer schon einmal im Grundgesetz geblättert hat, wird die enge Verbindung zwischen dessen Art. 1 und dem Eingangssatz des SGB XII schnell bemerken: Die Sozialhilfe soll ein Existenzminimum für ein menschenwürdiges Dasein sicherstellen. Die Verpflichtung des Staates hierzu ergibt sich aus dem in Art. 20 I des Grundgesetzes verfassungsrechtlich garantierten Sozialstaatsprinzip. Der Sozialhilfe kommt dabei die Funktion eines letzten Auffangnetzes zu. Sie tritt erst dann ein, wenn keine anderweitige Hilfe mehr in Betracht kommt, vgl. § 2 I SGB XII: „Sozialhilfe erhält nicht, wer sich vor allem durch Einsatz seiner Arbeitskraft, seines Einkommens und seines Vermögens selbst helfen kann oder wer die erforderliche Leistung von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.“
Fall 86
Sozialpädagogikstudent S widmet sich dem Thema Sozialhilfe. Er hofft auf unkomplizierte Leistungsregelungen und zuckt beim Anblick des Inhaltsverzeichnisses des SGB XII unwillkürlich zusammen. Was hat ihn so erschreckt? Die im SGB XII normierte Sozialhilfe umfasst gleich eine ganze Reihe vom Leistungsarten. Die in den §§ 27 – 40 SGB XII geregelte „Hilfe zum Lebensunterhalt“ erhalten Hilfebedürftige, denen vorübergehend – beispielsweise aufgrund einer längerfristigen Erkrankung – keine Erwerbstätigkeit möglich ist. Die „Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung“ der §§ 41 – 46 SGB XII steht älteren und dauerhaft voll erwerbsgeminderten Menschen zu, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht anderweitig bestreiten können. Es folgen fünf Kapitel, die früher „Hilfen in besonderen Lebenslagen“ hießen:
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Soziale Förderung und Hilfe Als „Hilfe zur Gesundheit“ stehen gemäß den §§ 47 – 52 SGB XII etwa die Hilfe bei Krankheit, zur Familienplanung, bei Schwanger- oder Mutterschaft sowie die vorbeugende Gesundheitshilfe zur Verfügung. Die „Hilfe zur Pflege“ aufgrund der §§ 61 – 66a SGB XII greift insbesondere bei Pflegebedürftigen, die nicht „erheblich pflegebedürftig“ im Sinne von § 15 SGB XI sind, die Pflegestufe I innerhalb der Pflegeversicherung also nicht erreichen; im SGB XII existiert demnach im Unterschied zum SGB XI sozusagen eine „Pflegestufe 0“. Die „besonderen sozialen Schwierigkeiten“, deren Überwindung die in den §§ 67 – 69 SGB XII vorgesehenen Hilfen dienen, können etwa in Obdachlosigkeit oder der Lebenssituation nach einer Strafentlassung bestehen. Die „Hilfe in anderen Lebenslagen“ der §§ 70 – 74 SGB XII schließlich bietet vor allem Unterstützung für alte oder blinde Menschen. Übersicht 14 fasst die verschiedenen Leistungsarten der Sozialhilfe zusammen:
Übersicht 14: Leistungen der Sozialhilfe 1. Hilfe zum Lebensunterhalt, §§ 27 – 40 SGB XII 2. Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, §§ 41–46 SGB XII 3. Hilfen zur Gesundheit, §§ 47 – 52 SGB XII 4. Hilfe zur Pflege, §§ 61 – 66a SGB XII 5. Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten, §§ 67 – 69 SGB XII 6. Hilfe in anderen Lebenslagen, §§ 70 – 74 SGB XII Sozialpädagogikstudent S aus Fall 86 hat sich umsonst erschrocken: Die verschiedenen Leistungen der Sozialhilfe sind im SGB XII fein säuberlich in Kapitel gegliedert; Leistungsvoraussetzungen und Anspruchsumfang lassen sich den ausführlichen Vorschriften leicht entnehmen. Die vom
Lektion 8: Sozialhilfe SGB XII Umfang her bedeutendsten Leistungen der Sozialhilfe sind die Hilfe zum Lebensunterhalt sowie die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Insbesondere mit ihnen sollte sich S in umgekehrter Reihenfolge – die Grundsicherung geht der Hilfe zum Lebensunterhalt nämlich vor – beschäftigen. Wir werden es ebenfalls tun.
Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung
Fall 87
U ist aufgrund einer schweren Erkrankung schon jahrelang bettlägerig. Dass er sein Krankenlager jemals wieder verlassen könnte, ist nicht absehbar. U hat weder Einkommen noch Vermögen. Kann U Hilfe zum Lebensunterhalt beziehen? Der Zweck der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung gemäß §§ 41 ff. SGB XII besteht darin, für alte sowie dauerhaft erwerbsgeminderte Menschen eine eigenständige soziale Leistung zu erbringen, die den grundlegenden Bedarf für den Lebensunterhalt sicherstellt. Wer leistungsberechtigt ist, lässt sich § 41 SGB XII entnehmen: Leistungsberechtigt wegen Alters ist danach, wer die Altergrenze des § 41 II SGB XII erreicht hat – also mindestens 65 Jahre alt ist – und seinen notwendigen Lebensunterhalt nicht aus Einkommen und Vermögen beschaffen kann. Leistungsberechtigt wegen einer dauerhaften vollen Erwerbsminderung sind volljährige Hilfebedürftige, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, täglich mindestens drei Stunden erwerbstätig zu sein, vgl. § 43 SGB VI. Außerdem muss es gemäß § 41 III SGB XII unwahrscheinlich sein, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden kann. Das Merkmal der „dauernden vollen Erwerbsminderung“ grenzt die Leistungen nach den §§ 41 ff. SGB XII sowohl von der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II wie auch von der Hilfe zum Lebensunterhalt gemäß §§ 27 ff. SGB XII ab: Erwerbsfähige Hilfebedürftige können SGB II-Leistungen beziehen, fehlt es an der Dauerhaftigkeit der Erwerbsminderung, kommt nur die Hilfe zum Lebensunterhalt in Betracht.
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Soziale Förderung und Hilfe Der Umfang der Leistungen bemisst sich nach § 42 SGB XII: Dort wird auf die entsprechenden Regelungen der Hilfe zum Lebensunterhalt Bezug genommen. Die Leistungen setzen sich wie auch bei der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II aus einem Regelsatz sowie den Kosten für Unterkunft und Heizung zusammen. Zurück zu Fall 87: Hilfe zum Lebensunterhalt kommt für den U aufgrund dessen dauerhafter voller Erwerbsminderung nicht in Betracht: Dass die Erwerbsunfähigkeit des U behoben werden kann, ist unwahrscheinlich. Er hat jedoch Anspruch auf Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung gemäß §§ 41 ff. SGB XII.
Fall 88
Die 70-jährige O kann allein von ihrer schmalen Rente nicht leben. Sie hat sich bereits darüber informiert, dass sie grundsätzlich Sozialhilfe in Form der Grundsicherung im Alter beantragen könnte. Doch wagt sie diesen Schritt aus Furcht davor nicht, dass ihr Sohn S – ein Großverdiener mit 95.000 € Jahressalär – von der Behörde zu Unterhaltszahlungen herangezogen würde. Ist ihre Angst begründet? Eines der Ziele der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ist es, insbesondere der sogenannten „verschämten Altersarmut“ vorzubeugen. Um hilfebedürftige alte Menschen nicht von einer Antragstellung abzuhalten, bleiben gemäß § 94 Ia S. 1 SGB XII Unterhaltsansprüche der Leistungsberechtigten gegenüber ihren Kindern unberücksichtigt, sofern deren jährliches Gesamteinkommen unterhalb eines Betrags von 100.000 € liegt. Gemäß § 94 Ia S. 3 SGB XII wird zudem gesetzlich vermutet, dass das Einkommen der Unterhaltspflichtigen diese Grenze nicht überschreitet. Die Befürchtungen der O aus Fall 88 sind demnach unberechtigt: Ihr Sohn S würde im Fall einer Antragstellung nicht zu Unterhaltszahlungen gegenüber seiner bedürftigen Mutter herangezogen werden, liegt sein Einkommen doch unterhalb der Grenze des § 94 Ia S. 1 SGB XII.
Lektion 8: Sozialhilfe SGB XII
Hilfe zum Lebensunterhalt
Fall 89
A ist schwer alkoholabhängig und aufgrund dessen nicht in der Lage, täglich drei Stunden erwerbstätig zu sein. Seine Hoffnungen setzt A auf eine spezielle Entzugsklinik, die ein neuartiges Verfahren anwendet. Da die Plätze dort äußerst begehrt sind, muss A sich jedoch noch ein Dreivierteljahr gedulden, bis er dort aufgenommen werden kann. Kommen für A grundsätzlich Sozialhilfeleistungen in Betracht? In den §§ 27 ff. SGB XII ist die „Hilfe zum Lebensunterhalt“ geregelt. Sie ist gegenüber anderen Sozialleistungen nachrangig: XXSowohl die Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II wie auch XXdie Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung gehen ihr vor. Zur Erinnerung: Erwerbsfähig – und damit berechtigt zum Bezug von Grundsicherungsleistungen für Arbeitssuchende nach dem SGB II – ist, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung für wenigstens sechs Monate außerstande ist, mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Bei dauerhafter voller Erwerbsminderung – wenn es also insbesondere unwahrscheinlich ist, dass die Erwerbsminderung behoben werden kann – werden Grundsicherungsleistungen gemäß §§ 41 ff. SGB XII gewährt. Also nochmals: Nur wenn weder auf Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II noch nach den §§ 41 ff. SGB XII ein Anspruch besteht, kommt Hilfe zum Lebensunterhalt in Betracht: Insbesondere also für Hilfebedürftige, die zwar derzeit nicht erwerbsfähig sind, bei denen aber Aussicht auf eine Behebung der Erwerbsminderung gegeben ist. Übersicht 15 stellt die verschiedenen Sozialleistungen zueinander in Beziehung:
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Soziale Förderung und Hilfe
Übersicht 15: Sozialleistungen und Erwerbsfähigkeit Sozialleistungen für Hilfe bedürftige nach Erwerbsfähigkeit Erwerbsfähigkeit Grundsicherung für Arbeitsuchende SGB II
Erwerbsminderung
Dauerhafte Erwerbsminderung Grundsicherung bei Erwerbs minderung §§ 41 – 46 SGB XII
Nicht dauerhafte Erwerbsminderung Hilfe zum Lebensunterhalt §§ 27 – 40 SGB XII
Zurück zu Fall 89: A erfüllt grundsätzlich die Voraussetzungen für einen Bezug von Hilfe zum Lebensunterhalt: Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II scheiden aus, da A in den nächsten sechs Monaten nicht in der Lage ist, drei Stunden täglich zu arbeiten – und es ihm damit an der Erwerbsfähigkeit fehlt. Andererseits ist A jedoch auch nicht dauerhaft voll erwerbsgemindert, da die Erwerbsminderung behoben werden könnte. Auch Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung kommen demnach nicht in Betracht. Es verbleibt nur die Hilfe zum Lebensunterhalt.
Antragserfordernis
Fall 90
A aus dem vorangegangenen Fall ist bislang von seiner Freundin versorgt worden; Hilfe zum Lebensunterhalt hat er bisher nicht erhalten. Als seine Beziehung in die Brüche geht, fehlt es dem A an allem Lebensnotwendigen. Nachbar N, dem die Situation des A bekannt ist, ruft daraufhin beim
Lektion 8: Sozialhilfe SGB XII Sozialamt an und schildert dort die Lebensumstände des A. Genügt der Anruf, um einen Sozialhilfebezug des A auszulösen? Im Hinblick auf das sonst für einen Bezug von Sozialleistungen regelmäßig vorgesehene Antragserfordernis weist die Sozialhilfe eine Besonderheit auf: Sie setzt gemäß § 18 I SGB XII grundsätzlich schon dann ein, wenn dem Träger der Sozialhilfe oder den von ihm beauftragten Stellen bekannt wird, dass die Voraussetzungen für die Leistung vorliegen. Das gilt sowohl für die Hilfe zum Lebensunterhalt wie auch die in den Kapiteln fünf bis neun des SGB XII für besondere Lebenslagen vorgesehenen Hilfen: Es genügt, dass die Behörde etwa durch die Vorsprache eines Dritten Kenntnis von der entsprechenden Situation des Hilfebedürftigen erlangt. Allein die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung muss ausdrücklich beantragt werden.
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Leitsatz 16 Antragserfordernis bei Sozialhilfe Leistungen der Sozialhilfe sind grundsätzlich nicht antragsabhän gig: Sie setzen gemäß § 18 I SGB XII bereits dann ein, wenn dem Sozialhilfeträger bekannt wird, dass die Voraussetzungen für eine Leistung vorliegen. Allein für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ist ein Antrag erforderlich.
A aus Fall 90 wird sich also wegen § 18 I SGB XII auch ohne einen Antrag auf Sozialhilfeleistungen freuen dürfen. Der Anruf seines Nachbarn N genügt.
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Allgemeine Regelungen und Rechtsschutz
IV. Allgemeine Regelungen und Rechtsschutz Lektion 9: Allgemeiner Teil SGB I Das SGB I enthält Vorschriften, die – von einigen Ausnahmen abgesehen, vgl. § 37 SGB I – für das gesamte Sozialrecht gelten. Was dem Bürgerlichen Gesetzbuch sein Allgemeiner Teil, ist den Sozialgesetzbüchern das SGB I. Zunächst empfiehlt sich ein Überblick über den Regelungsinhalt des SGB I anhand des Inhaltsverzeichnisses: Das SGB I äußert sich zuerst zu den SGB-Aufgaben und sozialen Rechten (§§ 1 – 10). Es folgen in den §§ 11 – 17 allgemeine Bestimmungen zu Sozialleistungen und Leistungsträgern, die letzteren wichtige Pflichten auferlegen. In den §§ 18 – 29 finden sich Übersichten zu den einzelnen Leistungen, die die Sozialgesetzbücher zu bieten haben. Die §§ 30 – 37 befassen sich mit den allgemeinen Grundsätzen. Die §§ 38 – 59 SGB I schließlich beschäftigen sich mit den Grundsätzen des Sozialleistungsrechts, ehe die §§ 60 – 67 zuletzt auch die Leistungsberechtigten in die Pflicht nehmen. Von besonders großer praktischer Relevanz sind die in den §§ 13 – 15 SGB I genannten Aufklärungs-, Beratungs- und Auskunftspflichten der Leistungsträger sowie die in §§ 60 – 67 SGB I normierten Mitwirkungspflichten der Leistungsberechtigten; ihnen soll daher im Folgenden das Hauptaugenmerk gelten.
Pflichten der Sozialleistungsträger Aufklärung, § 13 SGB I
Fall 91
Die Bundesregierung plant, das Steuerrecht zu reformieren: Die gesamte Steuergesetzgebung soll auf einem Bierdeckel Platz finden. A befürchtet, demnächst seinen Job als angestellter Steuerberater in einer großen Kanzlei los zu sein. Er will sich informieren, welche Rechte ihm im Falle einer Entlassung zustünden. Wo wird er entsprechende Informationen finden?
Lektion 9: Allgemeiner Teil SGB I Gemäß § 13 SGB I sind die Leistungsträger und weitere öffentlichrechtliche Einrichtungen verpflichtet, im Rahmen ihrer Zuständigkeit die Bevölkerung über die Rechte und Pflichten nach dem Sozialgesetzbuch aufzuklären: Das kann beispielsweise durch Informationsseiten im Internet oder Broschüren geschehen. Ein subjektives Recht auf Aufklärung – und damit ein entsprechend einklagbarer Anspruch – lässt sich aus § 13 SGB I allerdings nicht herleiten: Vielmehr sollen die Sozialleistungsträger die Bevölkerung ganz allgemein über Rechte und Pflichten innerhalb ihres jeweiligen Zuständigkeitsbereichs aufklären. A aus Fall 91 etwa wird auf der Seite www.arbeitsagentur.de fündig werden: Sie enthält vielfältige Informationen zum Arbeitslosengeld, das A nach einer Entlassung ggf. beanspruchen könnte. In den Räumen der örtlichen Agentur wird er zudem schriftliches Informationsmaterial vorfinden.
Beratung, § 14 SGB I
Fall 92
F begibt sich zur Arbeitsagentur und teilt dort mit, dass er bereits seit zwei Jahren arbeitsuchend sei. Der Agenturmitarbeiter eröffnet ihm, dass er nichts weiter veranlassen müsse. Er werde nun automatisch Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II beziehen. F wartet zwei Monate lang vergeblich, dann sucht er die Agentur nochmals auf. Dort erklärt man ihm, dass er einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II hätte stellen müssen. Für die Zeiten vor der Antragstellung könnten gemäß § 37 II SGB II keine Zahlungen mehr erfolgen. Muss F tatsächlich auf Leistungen für die bereits vergangenen zwei Monate verzichten? Gemäß § 14 SGB I hat jedermann Anspruch auf Beratung über seine Rechte und Pflichten nach dem Sozialgesetzbuch. Zuständig für die Beratung sind jeweils die Leistungsträger, denen gegenüber die Rechte geltend zu machen oder die Pflichten zu erfüllen sind. § 14 SGB I begründet eine umfassende, auf den Einzelfall zugeschnittene Beratungspflicht. Berät der Sozialleistungsträger falsch und erleidet der Leistungsberechtigte dadurch einen Schaden, steht diesem ein sogenannter sozial
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Allgemeine Regelungen und Rechtsschutz rechtlicher Herstellungsanspruch zu: Es ist der Zustand herzustellen, der bestünde, wenn der Sozialleistungsträger den Pflichtverstoß nicht begangen hätte. F ist in Fall 92 falsch beraten worden. Hätte der Agenturmitarbeiter ihn – wozu er gemäß § 14 SGB I verpflichtet war – auf das Antragserfordernis nach § 37 SGB II hingewiesen, wären dem F nicht Ansprüche auf Grundsicherungsleistungen für zwei Monate entgangen. Dem F steht ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch zu: Er ist so zu stellen, als hätte er den Antrag rechtzeitig abgegeben. Die Leistungen für die zurückliegenden Monate sind nachträglich zu bewilligen und auszuzahlen. Leitsatz 17 fasst die vorstehenden Ausführungen zusammen:
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Leitsatz 17 Sozialrechtlicher Herstellungsanspruch Bei einer behördlichen Verletzung einer gegenüber dem Leistungsberechtigten bestehenden Pflicht – insbesondere bei einem Beratungsfehler im Rahmen des § 14 SGB I – steht dem Betroffenen ein sogenannter sozialrechtlicher Herstellungsanspruch zu, gerichtet auf Naturalrestitution: Es ist der Zustand herzustellen, der bestünde, wenn der Sozialleistungsträger den Pflichtverstoß nicht begangen hätte.
Auskunft, § 15 SGB I
Fall 93
X klagt ihrer gesetzlichen Krankenkasse ihr Leid: Sie sei nun schon so lange arbeitslos, hätte aber noch nie staatliche Unterstützungsleistungen erhalten – stets hätten Freunde sie versorgen müssen. Zu gerne würde sie von der Krankenkasse zusätzliche Leistungen zum Lebensunterhalt erhalten. An wen muss der Sachbearbeiter sie weiterverweisen? Gemäß § 15 I SGB I sind bestimmte Leistungsträger verpflichtet, über alle sozialen Angelegenheiten, die das Sozialgesetzbuch betreffen, Auskünfte zu erteilen. Die Auskunftspflicht erstreckt sich gemäß § 15 II SGB I darauf,
Lektion 9: Allgemeiner Teil SGB I den zuständigen Leistungsträger zu benennen, sowie auf alle Sach- und Rechtsfragen, die für die Auskunftsuchenden von Bedeutung sein können und zu deren Beantwortung die Auskunftsstelle imstande ist. Der Sachbearbeiter der Krankenkasse darf in Fall 93 der X also nicht bloß mitteilen, dass die Krankenkasse keine Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zahle. Vielmehr muss er sie an den zuständigen Leistungsträger verweisen. Soweit er dazu imstande ist, muss er wegen § 15 II SGB II zudem weiteren Wissensdurst der X hinsichtlich der Unterstützungsleistungen für Arbeitsuchende stillen.
Mitwirkungspflichten der Leistungsberechtigten
Fall 94
V ist seit geraumer Zeit arbeitsuchend und möchte nun Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II beziehen. Er stellt einen entsprechenden Antrag beim zuständigen Jobcenter. Dieses fordert ihn auf, eine ganze Reihe von Nachweisen zu erbringen: Kontoauszüge, Heiratsurkunde, Mietvertrag u.v.m. V scheut das Chaos in seiner Wohnung und fragt sich, ob er die Grundsicherungsleistungen auch ohne schweißtreibende Suche nach den verlangten Papieren erhalten kann. Kann er? Die §§ 60ff. SGB I erlegen denjenigen, die Sozialleistungen beantragen oder beziehen, diverse Mitwirkungspflichten auf: Gemäß § 60 I SGB I müssen sie die für einen Leistungsbezug erheblichen Tatsachen angeben und relevante Änderungen in ihren persönlichen Verhältnissen umgehend mitteilen, der Erteilung von Auskünften durch Dritte zustimmen oder bestimmte Beweismittel vorlegen. § 61 SGB I zufolge sind sie auf Verlangen zudem zu persönlichem Erscheinen verpflichtet, und gemäß § 62 SGB I müssen sie sich unter bestimmten Voraussetzungen gar Untersuchungen unterziehen. Wer diesen Mitwirkungspflichten nicht nachkommt, riskiert leer auszugehen: Der Leistungsträger kann gemäß § 66 I SGB I die Leistung ohne weitere Ermittlungen bis zur Nachholung der Mitwirkung versagen. Wird die Mitwirkung nachgeholt, kann der Träger die Sozialleistungen jedoch nachträglich erbringen, vgl. § 67 SGB I.
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Allgemeine Regelungen und Rechtsschutz In Fall 94 ist dem V demnach anzuraten, das Chaos in seiner Wohnung zu bändigen und die verlangten Nachweise aufzuspüren. Andernfalls läuft er Gefahr, dass ihm die beantragten Grundsicherungsleistungen aufgrund der §§ 60 I, 66 I SGB I versagt bleiben.
Fall 95
Behördenmitarbeiter J ist u.a. für die hübsche Arbeitsuchende A zuständig. Da er sich in sie verguckt hat, fordert er sie unter Hinweis auf §§ 61, 66 SGB I auf, sich alle drei Tage im Jobcenter zu melden. Kann A sich weigern, ohne ihren Anspruch auf Grundsicherungsleistungen zu gefährden? § 65 SGB I zieht den Mitwirkungspflichten, denen Leistungsberechtigte nachzukommen haben, Grenzen: Demnach entfallen diese etwa dann, wenn ihre Erfüllung außer Verhältnis zur Sozialleistung steht oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zugemutet werden kann. Untersuchungen im Sinne von § 62 SGB I kann der Leistungsberechtigte beispielsweise dann ablehnen, wenn sie mit erheblichen Schmerzen verbunden sind. In Fall 95 wird A sich also den Annäherungsversuchen des J nicht im Drei-Tage-Rhythmus aussetzen müssen: Wegen § 65 I Nr. 1 SGB I kann sie die überzogenen Meldeaufforderungen ignorieren, ohne um ihren Anspruch auf Grundsicherungsleistungen fürchten zu müssen.
Fall 96
U bezieht Arbeitlosengeld. Als er einen Nebenjob annimmt, fordert ihn sein Sachbearbeiter am Telefon auf, den Arbeitsvertrag unverzüglich vorzulegen: Es müsse geprüft werden, ob der Arbeitslosengeldanspruch nun noch in voller Höhe bestehe. U kommt dem Verlangen nicht nach. Kurz darauf verweigert die Behörde wegen fehlender Mitwirkung des U die weitere Zahlung von Grundsicherungsleistungen. Zu Recht? Kommt ein Leistungsberechtigter seinen Mitwirkungspflichten nicht nach, kann der Sozialleistungsträger gemäß § 66 I SGB I die Leistung versagen. Gemäß § 66 III SGB I darf dies jedoch nur geschehen, nachdem der Leistungsberechtigte auf diese Folge schriftlich hingewiesen worden ist und seiner Mitwirkungspflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten angemessenen Frist nachgekommen ist.
Lektion 9: Allgemeiner Teil SGB I In Fall 96 ist die weitere Zahlung des Arbeitslosengeldes dem U demnach zu Unrecht versagt worden: Sein Sachbearbeiter hatte diesen lediglich mündlich zur Abgabe des Arbeitsvertrags aufgefordert, auf die Folgen fehlender Mitwirkung zudem gar nicht hingewiesen.
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Allgemeine Regelungen und Rechtsschutz
Lektion 10: Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz SGB X Das SGB X widmet sich, wie ein Blick ins Inhaltsverzeichnis schnell erkennen lässt, drei Bereichen: Dem Sozialverwaltungsverfahren (1. Kapitel), dem Sozialdatenschutz (2. Kapitel) sowie den Rechtsbeziehungen der Sozialleistungsträger untereinander und zu Dritten (3. Kapitel). Das dritte Kapitel, beginnend mit den §§ 86ff. SGB X, betrifft vor allem die Zusammenarbeit der verschiedenen Leistungsträger – und verpflichtet sie insofern insbesondere zu enger Kooperation. Ferner regelt es etwaige Erstattungsansprüche für den Fall, dass zunächst ein unzuständiger Leistungsträger Leistungen erbracht hat und diese nun vom eigentlich zuständigen zurückverlangt. Auch die Zusammenarbeit der Leistungsträger mit bzw. Erstattungsansprüche gegen Dritte – seien es Arbeitgeber oder Unterhaltsverpflichtete – ist in diesem Kapitel normiert. Gerade im Sozialrecht kommt dem Datenschutz eine bedeutende Rolle zu, handelt es sich bei den Sozialdaten – etwa zu Gesundheitszustand, Behinderungen oder Einkommensverhältnissen – doch um besonders sensible. Die §§ 67ff. SGB X des zweiten Kapitels legen insbesondere fest, wann Sozialdaten erhoben, gespeichert, übermittelt und gelöscht werden dürfen. Als spezielle Datenschutzregelungen gehen sie den Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes vor. In den §§ 1 – 66 SGB X (1. Kapitel) ist das Sozialverwaltungsverfahren geregelt. Es gilt für alle Verwaltungstätigkeit, die aufgrund des Sozialgesetzbuchs ausgeübt wird. Es gibt den Behörden u.a. Handlungsformen vor, bestimmt die Rechte der Verfahrensbeteiligten und legt fest, welche Anforderungen ein Verwaltungshandeln erfüllen muss, um rechtmäßig zu sein. Wer mit dem Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG, ausführlich im Band „Verwaltungsrecht – leicht gemacht ®“ behandelt) bereits vertraut ist, wird hier einigen alten Bekannten – Verwaltungsakt, öffentlichrechtlicher Vertrag, Ermessensspielraum u.s.w. – wieder begegnen; viele Vorschriften sind inhaltlich identisch. Einzelheiten sollen an dieser Stelle nicht nochmals ausgeführt werden, würden sie doch den Rahmen dieses Bandes sprengen. Spezifisch sozialrechtliche Besonderheiten weist insbesondere die Aufhebung von
Lektion 10: Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz SGB X Verwaltungsakten auf, die zudem von großer praktischer Bedeutung ist:
Aufhebung von Verwaltungsakten
Fall 97
A ist, nachdem er seine Stelle verloren hat, bereits seit einem Jahr arbeitsuchend. Er beantragt Arbeitslosengeld II und gibt dabei wahrheitsgemäß seine monatlichen Einkünfte von 100 € an, die er durch eine Tätigkeit als Packer im Hafen erzielt. Sein Sachbearbeiter tippt versehentlich eine Null zuviel in den Rechner, der ob der vermeintlichen Einkünfte von 1.000 € einen Ablehnungsbescheid ausspuckt. Erst nach einigen Monaten fällt dem A auf, dass sein Antrag zu Unrecht abgelehnt wurde. Er sucht bei einem Fachanwalt für Sozialrecht Rat. Was wird dieser tun? Die Aufhebung von Verwaltungsakten richtet sich im Sozialrecht nach den §§ 44ff. SGB X. Wie im allgemeinen Verwaltungsrecht ist XX„Aufhebung“ der Oberbegriff für Rücknahme und Widerruf. Rechtswidrige Verwaltungsakte können unter bestimmten Voraussetzungen zurückgenommen, rechtmäßige widerrufen werden. Außerdem trennt das Gesetz zwischen XXbegünstigenden und nicht begünstigenden Verwaltungsakten. Begünstigende Bescheide sind nach der Legal definition des § 45 I SGB X solche, die ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründen oder bestätigen. Welche Vorschrift für die Aufhebung welcher Art von Verwaltungsakten gilt, zeigt Übersicht 16:
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Allgemeine Regelungen und Rechtsschutz
Übersicht 16: Aufhebung von Verwaltungsakten Aufhebung von Verwaltungsakten Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte § 44 SGB X nicht begünstigende VA
§ 45 SGB X begünstigende VA
Widerruf rechtmäßiger Verwaltungsakte § 46 SGB X nicht begünstigende VA
§ 47 SGB X begünstigende VA
Die Rücknahme rechtswidriger, nicht begünstigender Verwaltungsakte regelt § 44 SGB X. Anders als im allgemeinen Verwaltungsrecht besteht ein Rechtsanspruch auf die Rücknahme solcher Verwaltungsakte mit Wirkung für die Vergangenheit, sofern Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Gemäß § 44 IV SGB X werden rechtswidrig versagte Sozialleistungen für einen Zeitraum von bis zu vier Jahren vor der Rücknahme nachgezahlt. Zurück zu Fall 97: Der Anwalt des A wird beim Jobcenter einen Antrag auf Rücknahme des Ablehnungsbescheids gemäß § 44 SGB X stellen. Für einen Widerspruch nämlich ist es zu spät, ist die Monatfrist hierfür doch bereits abgelaufen. Auf die Rücknahme des Ablehnungsbescheids hat A gemäß § 44 I SGB X jedoch einen Anspruch: Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II sind ihm zu Unrecht versagt worden. A wird sich über eine nicht unbeträchtliche Nachzahlung von Arbeitslosengeld II freuen dürfen.
Fall 98
Nachdem sein Unternehmen ihn entlassen hat, beantragt B Arbeitslosengeld bei der Bundesagentur für Arbeit. Sein Sachbearbeiter, schon in der Schule kein Mathe-As, berechnet einen Arbeitslosengeldanspruch, der um ein Vielfaches über dem ehemaligen Gehalt des B liegt. B bemerkt
Lektion 10: Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz SGB X die Unstimmigkeit, ist aber zu beschäftigt, sich an den neuen Lebensstil zu gewöhnen, als dass er die Bundesagentur benachrichtigen könnte. Als B zu Terminen neuerdings im Phaeton vorfährt, wird auch S stutzig und bemerkt den Fehler. Kann er den Arbeitslosengeldbescheid aufheben, obgleich B die geflossenen Beträge bereits verjubelt hat? Rechtswidrige begünstigende Verwaltungsakte können gemäß § 45 SGB X zurückgenommen werden. Vor dem Hintergrund des Vertrauens, das der Begünstigte dem Bestand des Verwaltungsakts entgegenbringt, ist die Rücknahme gemäß § 45 II – IV SGB X jedoch nur in gewissen Grenzen möglich. Gemäß § 45 II SGB X darf ein Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, wenn ein schutzwürdiges Vertrauen auf dessen Bestand gegenüber dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme überwiegt. Das ist in der Regel der Fall, wenn die erbrachten Sozialleistungen verbraucht sind. Auf schutzwürdiges Vertrauen kann sich der Begünstigte allerdings nicht berufen, wenn er den Bescheid etwa durch arglistige Täuschung, Drohung oder falsche Angaben erwirkt hat oder die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts kannte. In diesen Fällen darf die Behörde den Bescheid innerhalb der Jahresfrist des § 45 IV SGB X auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurücknehmen. Bereits erbrachte Leistungen können dann gemäß § 50 SGB X zurückverlangt werden. Zurück zu Fall 98: Bei dem an B ergangenen Arbeitslosengeldbescheid handelt es sich um einen begünstigenden Verwaltungsakt, gewährt dieser dem B doch eine Geldleistung. Der Bescheid ist rechtswidrig, da das Arbeitslosengeld die gesetzlichen Grenzen weit übersteigt. Die Rücknahme des Bescheids richtet sich daher nach § 45 SGB X; sie ist nur in den Grenzen der Absätze 2 bis 4 des § 45 SGB X möglich. Zu prüfen ist, ob B in schutzwürdiger Weise auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat. Zwar hat er die Leistungen bereits im Sinne von § 45 II 2 SGB X verbraucht, doch kann er sich gemäß § 45 II 3 Nr. 3 SGB X trotzdem nicht auf ein schutzwürdiges Vertrauen berufen: Die Rechtswidrigkeit des Bescheids war ihm bekannt. Innerhalb der Frist des § 45 IV SGB X darf die Bundesagentur den Verwaltungsakt daher auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurücknehmen, soweit ein überhöhtes Arbeitslosengeld gezahlt worden ist. Die überzahlten Beträge kann die Agentur gemäß § 50 I SGB X von B zurückfordern.
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Allgemeine Regelungen und Rechtsschutz
Fall 99
J arbeitet im Jobcenter seines Geburtsorts. Eines Tages fällt ihm die Arbeitslosengeld II-Akte seines alten Klassenkameraden K in die Hände, der nach Ansicht des J schon in der Schule ein Faultier war. Um dem K sein „Sozialschmarotzertum“ auszutreiben und ihn in Lohn und Brot zu zwingen, erwägt J, den – rechtmäßig ergangenen – Bescheid des K aufzuheben. Darf er? Die Aufhebung rechtmäßiger Bescheide heißt „Widerruf“. Nicht begünstigende rechtmäßige Verwaltungsakte können gemäß § 46 SGB X widerrufen werden: Immer dann, wenn ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts nicht erneut erlassen werden müsste oder ein Widerruf aus anderen Gründen unzulässig wäre. Ein Widerruf begünstigender rechtmäßiger Verwaltungsakte ist nur in den engen Grenzen des § 47 I SGB X möglich: Wenn eine spezielle Vorschrift die Aufhebung vorsieht, der Verwaltungsakt einen Widerrufsvorbehalt enthält oder eine mit dem Bescheid verbundene Auflage nicht erfüllt wird. Rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakten kommt also der höchste Bestandsschutz zu. In Fall 99 muss J also von seinem Ansinnen Abstand nehmen. Den rechtmäßig ergangenen Arbeitslosengeld II-Bescheid des K darf er nicht widerrufen, fehlt es doch an den in § 47 I SGB X vorgesehenen Voraussetzungen.
Fall 100
Die arbeitsuchende A bezieht seit Jahren Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II. Nun findet sie einen auf einen Monat befristeten Aushilfsjob, der ihr 200 € einbringt. Erst nach weiteren fünf Monaten zeigt die A dem Jobcenter an, dass sie Einkommen bezogen habe. Was wird die Behörde tun? Eine weitere sozialrechtliche Besonderheit gegenüber dem allgemeinen Verwaltungsrecht besteht bei der Aufhebung von Verwaltungsakten mit Dauerwirkung. Für sie trifft § 48 SGB X eine Sonderregelung, die bei einer Änderung der Verhältnisse eingreift. Eine entsprechende Vorschrift existiert im allgemeinen Verwaltungsrecht nicht.
Lektion 10: Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz SGB X Verwaltungsakte mit Dauerwirkung sind solche, die ein auf Dauer angelegtes Rechtsverhältnis begründen oder verändern, sich also nicht in einer einmaligen Gestaltung der Rechtslage oder einem einmaligen Ge- oder Verbot erschöpfen. Beispiele für Verwaltungsakte mit Dauerwirkung sind etwa Bescheide über die Bewilligung einer Rente, eines Arbeitslosengelds oder von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II. Bei Verwaltungsakten mit Dauerwirkung ist klar, dass zukünftige Entwicklungen bei ihrem Erlass noch nicht abgesehen werden können. Der Behörde muss demnach ein Instrument zur Verfügung stehen, um auf relevante Entwicklungen zu reagieren. Dieses findet sich in § 48 SGB X. Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt gemäß § 48 I 1 SGB X mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Mit Wirkung vom Zeitpunkt der Veränderung der Verhältnisse an soll er gemäß § 48 I 2 SGB X insbesondere aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt, dieser seinen Mitteilungspflichten nicht nachgekommen ist, nachträglich Einkommen bzw. Vermögen erzielt hat oder vom Wegfall des Anspruchs hätte wissen müssen. Eine wesentliche Änderung der Rechtsverhältnisse wäre etwa die Neufassung gesetzlicher Regelungen oder eine Änderung höchstrichterlicher Rechtsprechung, vgl. § 48 II SGB X.
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Leitsatz 18 Verwaltungsakte und Änderung der Verhältnisse Für die Aufhebung von Verwaltungsakten, die ein auf Dauer angelegtes Rechtsverhältnis begründen oder verändern (z.B. Rentenbewilligungsbescheide), trifft § 48 SGB X eine Sonderregelung. Treten wesentliche Änderungen in den Verhältnissen ein, von denen die Behörde bei Erlass des Verwaltungsakts ausgegangen ist, kann der Dauerverwaltungsakt unter den Voraussetzungen der Spezialvorschrift des § 48 SGB X aufgehoben werden.
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Allgemeine Regelungen und Rechtsschutz Zurück zu Fall 100: Dort ist eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse im Sinne des § 48 SGB X eingetreten, hat A doch aus ihrem Nebenjob ein Einkommen erzielt. Erinnern Sie sich noch an die im vorangegangenen Kapitel besprochenen Mitteilungspflichten gemäß §§ 60 SGB I ? Diesen ist A nicht nachgekommen. Die Behörde wird den ALG II-Leistungsbescheid der A daher gemäß § 48 I 2 Nr.2 SGB X für den betreffenden Monat in der Höhe aufheben, in der das erzielte Einkommen von 200 € nicht auf den Grundsicherungsanspruch angerechnet worden ist – und gemäß § 50 SGB X eine Erstattung verlangen.
Lektion 11: Sozialgerichtlicher Rechtsschutz (SGG)
Lektion 11: Sozialgerichtlicher Rechtsschutz (SGG) Rechtsweg
Fall 101
A hat Ärger mit ihrem Rentenversicherungsträger, B will ihren Anspruch auf Sozialhilfe gerichtlich durchsetzen und C dagegen vorgehen, dass ihr Wohngeld versagt wurde. Welcher Rechtsweg ist für die jeweilige Streitigkeit eröffnet? Das Sozialrecht ist Teil des öffentlichen Rechts, Sozialgerichte sind besondere – auf die ihnen zugewiesenen Materien spezialisierte – Verwaltungsgerichte. Wann der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet ist, lässt sich § 51 SGG entnehmen: Danach entscheiden die Sozialgerichte insbesondere in Angelegenheiten der Renten-, Unfall-, Kranken- und Pflegeversicherung, im Arbeitsförderungsrecht, in Fragen der Grundsicherung für Arbeitsuchende und Sozialhilfe, im Schwerbehindertenrecht sowie im Kindergeld- und Elterngeldrecht. Ist der Rechtsweg zu den Sozialgerichten gemäß § 51 SGG nicht eröffnet, sind für sozialrechtliche Streitigkeiten nach § 40 I VwGO die allgemeinen Verwaltungsgerichte zuständig: Sie entscheiden etwa in Streitigkeiten der Ausbildungsförderung, der Jugendhilfe oder des Wohngelds. Für die Angelegenheiten der A und B aus Fall 101 – Fragen der Rentenversicherung und der Sozialhilfe – ist demnach der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet, sind beide doch in § 51 SGG explizit genannt. Über die Wohngeldstreitigkeit der C hingegen wird gemäß § 40 I VwGO ein allgemeines Verwaltungsgericht befinden.
Aufbau der Sozialgerichtsbarkeit
Fall 102
X hat eine Kürzung seiner ALG II-Leistungen hinnehmen müssen, die er als grund- und bodenlose Frechheit empfindet. Sein Widerspruch wird von der Behörde zurückgewiesen. Auch die daraufhin beim Sozialgericht erhobene Klage wird abgewiesen. Die Streitbarkeit des X nimmt dadurch
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Allgemeine Regelungen und Rechtsschutz nicht den geringsten Schaden. Er fragt sich jedoch, ob er das Urteil des Sozialgerichts überhaupt noch anzugreifen vermag. Kann er? Entscheidungen des Sozialgerichts sind für den Unterlegenen selten Endstation, vielmehr bilden sie bloß den Beginn des Instanzenzugs. Die Sozialgerichtsbarkeit ist dreistufig aufgebaut: Gemäß § 2 SGG werden als Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit in den Ländern Sozialgerichte und Landessozialgerichte, im Bund das Bundessozialgericht errichtet. Die Landessozialgerichte (abgekürzt: LSG) entscheiden gemäß § 29 I SGG vor allem über Berufungen gegen Urteile der Sozialgerichte (SG). Die Richter des in Kassel gelegenen Bundessozialgerichts (BSG) wiederum befinden insbesondere über Revisionen gegen Urteile der Landessozialgerichte, vgl. § 160 SGG. Für X aus Fall 102 käme also gegen die Entscheidung des Sozialgerichts das Rechtsmittel der Berufung in Betracht. Ob sie in seinem speziellen Fall möglich ist, regelt § 144 SGG. Übersicht 17 gibt einen Überblick über den Aufbau der Sozialgerichtsbarkeit:
Übersicht 17: Aufbau der Sozialgerichtsbarkeit Die Sozialgerichtsbarkeit ist dreistufig aufgebaut: 1. Sozialgerichte (SG): entscheiden in der Regel als erste Instanz über die der Sozialgerichtsbarkeit zugewiesenen Streitigkeiten 2. Landessozialgerichte (LSG): entscheiden insbesondere über Berufungen gegen Urteile der Sozialgerichte 3. Bundessozialgericht (BSG): entscheidet insbesondere über Revisionen gegen Urteile der Landessozialgerichte
Lektion 11: Sozialgerichtlicher Rechtsschutz (SGG)
Grundsatz der Klägerfreundlichkeit des sozialgerichtlichen Verfahrens
Fall 103
Die „Klageschrift“ des X, die im vorangegangenen Fall zum Sozialgericht gelangt war, hatte dieser auf der Rückseite eines Werbeflyers verfasst, und sich dabei nicht gerade um Ausführlichkeit bemüht: „Gerichtliche Klage! Die Kürzung meines Arbeitslosengelds ist eine Unverschämtheit, die Sie unbedingt rückgängig machen müssen! Gerichtskosten kann ich aber nicht zahlen, außerdem ist die Schlamperei der Behörde ja sowieso an allem schuld.“ Mit Adresse und Unterschrift versehen, warf X den Zettel wutentbrannt in den zufällig auf seinem Weg liegenden Briefkasten des städtischen Gartenbauamts, immerhin innerhalb der gesetzlichen Klagfrist. Musste das Sozialgericht sich überhaupt des Falls annehmen? In sozialgerichtlichen Verfahren gilt der sogenannte „Grundsatz der Klägerfreundlichkeit“: Das bedeutet insbesondere, dass Formalien etwa bei der Klagerhebung gemäß §§ 90, 92 SGG kaum eine Rolle spielen: Auch weniger wortgewandte Bürger sollen in den Genuss sozialgerichtlichen Rechtsschutzes kommen können, ohne an formalen Hürden zu scheitern. Die Anforderungen an den Inhalt der Klagschrift sind minimal. Gemäß § 91 SGG gilt die Frist für die Erhebung der Klage darüber hinaus sogar dann als gewahrt, wenn die Klageschrift innerhalb der Frist statt bei dem zuständigen Gericht bei irgendeiner anderen inländischen Behörde eingegangen ist. Zudem ist das gerichtliche Verfahren für den klagenden Bürger gemäß § 183 SGG in aller Regel kostenfrei. Und zu guter Letzt kann dieser seinen Prozess grundsätzlich alleine führen, selbst vor den Landessozialgerichten: Vertretungszwang etwa durch einen Rechtsanwalt besteht nur vor dem Bundessozialgericht. Zurück zu Fall 103: Selbst der ungewöhnliche Inhalt des Schreibens des X ließ erkennen, worum es ihm ging. Das Sozialgericht hätte die Klage nicht etwa wegen fehlender inhaltlicher Anforderungen zurückweisen können. Auch dass der Zettel im Briefkasten des Gartenbauamtes landete, steht der Wirksamkeit der Klagerhebung nicht entgegen: Gemäß § 91 SGG war die Klagfrist dennoch gewahrt. Gerichtskosten musste X wegen der in § 183 SGG festgelegten Gerichtskostenfreiheit nicht aufbringen, eine anwaltliche Vertretung war nicht vorgeschrieben. Das Sozialgericht
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Allgemeine Regelungen und Rechtsschutz musste sich also des Falls annehmen und prüfen, ob die Kürzung der Leistungen des X zu Recht geschah.
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Leitsatz 19 Grundsatz der Klägerfreundlichkeit Sozialgerichtliche Verfahren sind durch den Grundsatz der Kläger freundlichkeit geprägt, der sich insbesondere in folgenden Aspekten widerspiegelt: ––kaum formale Anforderungen an die Klagerhebung ––weitgehende Gerichtskostenfreiheit ––anwaltlicher Vertretungszwang nur vor dem Bundessozialge richt
Klagearten
Fall 104
Ein letztes Mal zum streitbaren X. X wollte die Kürzungsentscheidung aufgehoben wissen und gleichzeitig die gekürzten Beträge ausbezahlt erhalten. Um welche Klageart handelte es sich dabei? Sozialrecht ist besonderes Verwaltungsrecht. Das SGG lehnt sich daher an die Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) an und kennt die gleichen Klagearten: Anfechtungs-, Verpflichtungs-, allgemeine Leistungs- sowie Feststellungsklagen. Allerdings gelten im Sozialprozessrecht Besonderheiten: Sofern der angegriffene Verwaltungsakt eine Leistung betrifft, auf die ein Rechtsanspruch besteht, kann der Kläger neben der Aufhebung des Verwaltungsakts unmittelbar die Leistung verlangen: Die sogenannte „kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage“ gemäß § 54 I i.V.m. IV SGG ist, da im Sozialrecht häufig Rechtsansprüche auf Leistungen bestehen, die typische sozialrechtliche Klageart. In Fall 104 begehrt X die Aufhebung des Kürzungsbescheids der Behörde sowie die Auszahlung der gekürzten Leistungen. Es handelt sich damit um die für das Sozialprozessrecht typische kombinierte Anfechtungsund Verpflichtungsklage gemäß § 54 I i.V.m. IV SGG.
Lektion 11: Sozialgerichtlicher Rechtsschutz (SGG)
Vorverfahren
Fall 105
Die Bundesagentur für Arbeit erlässt einen Erstattungsbescheid gegen A, da ein zu hohes Arbeitslosengeld gezahlt worden sei. A ist außer sich und möchte die Angelegenheit am liebsten gleich vom Bundesverfassungsgericht geklärt wissen. Wird A in diesem Stadium überhaupt ein Gericht veranlassen können, sich mit der Sache zu befassen? Gemäß § 78 SGG sind – wie auch nach der VwGO – vor Erhebung der Anfechtungsklage Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Gleiches gilt für die Verpflichtungsklage, wenn ein Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts abgelehnt wurde. Das sogenannte Widerspruchsverfahren soll der Selbstkontrolle der Verwaltung wie auch der Entlastung der Gerichte dienen. Außerdem stellt es sich als zusätzliche Rechtsschutzinstanz für den Bürger dar. Verwaltungsakte sind demnach zunächst mit dem Widerspruch anzugreifen. Auch A aus Fall 105 wird mit seinem Anfechtungsbegehren den steinigen Weg des Vorverfahrens im Sinne von § 78 SGG gehen und fristgemäß Widerspruch einlegen müssen. Dieser wiederum wird in behördlichen Händen landen, nicht etwa auf richterlichen Schreibtischen. Würde A gleich vor Gericht Klage erheben, würde diese als unzulässig zurückgewiesen.
Untätigkeitsklage
Fall 106
Zähneknirschend legt A gegen den Erstattungsbescheid Widerspruch ein. Als sich nach vier Monaten und wiederholten Nachfragen des A von behördlicher Seite nichts tut, begibt sich A zu einem Fachanwalt für Sozialrecht: Der solle die Dinge doch nun endlich ins Rollen bringen und ein Gerichtsverfahren einleiten – egal wie. Vermag er das? Ist über einen Widerspruch innerhalb von drei Monaten ohne zureichenden Grund nicht entschieden worden, ist gemäß § 88 SGG die sogenannte Untätigkeitsklage statthaft. Dadurch soll verhindert werden, dass die Verwaltung Klagen des Bürgers durch übermäßiges Zuwarten verzögert
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Allgemeine Regelungen und Rechtsschutz bzw. zu vereitelt. Auch wenn über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts nicht entschieden wird, kann der Betroffene Untätigkeitsklage erheben, dann allerdings erst nach Ablauf einer Frist von sechs Monaten. Im Gegensatz zur entsprechenden verwaltungsprozessrechtlichen Klageform nach § 75 VwGO handelt es sich bei der sozialrechtlichen gemäß § 88 VwGO um eine „echte“ Untätigkeitsklage: Das Gericht verurteilt die Behörde – sofern ein zureichender Grund für die Verzögerung nicht vorlag – auf Erlass eines Bescheids bzw. Widerspruchsbescheids. Die Klage ist in diesem Fall also allein aufgrund der Verzögerung bei entsprechender Zulässigkeit auch gleich begründet! In Fall 106 wird der Anwalt des A also Untätigkeitsklage erheben können. Lag kein zureichender Grund dafür vor, dass die Behörde über den Widerspruch des A bislang noch nicht entschieden hat, wird das Gericht diese zum Erlass eines Widerspruchsbescheids verurteilen. Gegen diesen kann A dann ggf. nochmals gerichtlich vorgehen. Leitsatz 20 fasst die Ausführungen zur – im Gegensatz zum allgemeinen Verwaltungsprozessrecht – „echten“ Untätigkeitsklage des § 88 SGG nochmals zusammen:
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Leitsatz 20 Untätigkeitsklage Die Untätigkeitsklage gemäß § 88 SGG soll verhindern, dass die Sozialverwaltung den Rechtsschutz des Bürgers unnötig verzögert. Sie ist statthaft, wenn ––über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts innerhalb von sechs Monaten bzw. ––über einen Widerspruch innerhalb von drei Monaten ohne zureichenden Grund nicht entschieden worden ist. Im Fall einer grundlosen Verzögerung ist die Klage bei Zulässigkeit zugleich auch begründet: Das Gericht verurteilt die Behörde auf Erlass eines Bescheids bzw. Widerspruchsbescheids.
Ausblick *** So, soviel zum Sozialrecht. Sicherlich ließ sich auch anhand der Beispielsfälle veranschaulichen, dass dieses Rechtsgebiet entgegen vieler Vorurteile alles andere als trocken, öde oder undurchschaubar ist. Vielmehr handelt es sich dabei um eine lebendige und vor allem praxisrelevante Materie, deren Auswirkungen in vielen Bereichen des täglichen Lebens spürbar sind. Und ist die Struktur des Sozialrechts erst einmal durchschaut, fällt seine Handhabung in Prüfung wie Praxis nicht schwer. Viel Freude dabei!
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Sachregister
A
Allgemeine Wartezeit im SGB VI 53 Altersgrenze des SGB II 79 f. Änderung der Verhältnisse 112 f. Anrechnung von Neben einkommen im SGB III 74 f. Antragserfordernis im SGB II 84 f. Antragserfordernis bei Sozialhilfe 100 f. Anwartschaftszeit im SGB III 67, 73 Arbeitsbereitschaft 70 Arbeitsfähigkeit 70 Arbeitsgelegenheiten 88 f. Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit 66 f. Arbeitslosengeld II 86, 90 ff. Arbeitslosigkeit 67 f. Arbeitslosmeldung 67, 72 Arbeitsunfall 40 ff. Aufbau der Sozialgerichtsbarkeit 115 f. Aufhebung von Verwaltungsakten 108 ff.
B
Bedarf für Unterkunft und Heizung 86, 90 ff. Bedarfsgemeinschaft 84 begünstigende Verwaltungsakte 109 ff. Begutachtungsrichtlinien zur Pflegebedürftigkeit 30 ff. Beitragszeiten im SGB VI 53 Berufsberatung der Arbeitsagentur 65 Berufsgenossenschaften 48
Berufskrankheit 38, 40, 45 f. Berufsunfähigkeit 57 ff. Beschäftigte 10, 37, 38 f., 51 ff., 61 Beschäftigungslosigkeit 68 f. besondere soziale Schwierigkeiten 96 Blut- und Organspender 39, 48
D
E
F
Datenschutz im Sozialrecht 108 Dauer des Arbeitslosengeldes 73 f.
Eigenbemühungen 68 ff. Ein-Euro-Jobs 88 Eingliederungsvereinbarung 89 f. Einkommensanrechnung 82 Entgeltersatzleistungen 65 f. Erwerbsfähigkeit 79 ff. Existenzminimum 7, 8, 9, 95
Familienversicherung 12 formeller Sozialrechtsbegriff 5, 7 freiwillige Versicherung im SGB III 64 freiwillige Versicherung im SGB V 11, 16, 23 freiwillige Versicherung im SGB VI 52 freiwillige Versicherung im SGB VII 40
Sachregister
G
H
Gefahrklassen im SGB VII 48, 49 Generationenvertrag 62 Grundsatz der Klägerfreundlichkeit 117 f. Grundsatz des Vorrangs der häuslichen Pflege 33 Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung 95, 97 f.
Haftungsprivilegien im SGB VII 49 f. haftungsausfüllende Kausalität beim Arbeitsunfall 42, 44 haftungsbegründende Kausalität beim Arbeitsunfall 42, 44 Hilfe in anderen Lebenslagen 96 Hilfe und Förderung 7 Hilfe zum Lebensunterhalt 95, 99 f. Hilfe zur Gesundheit 96 Hilfe zur Pflege 96 Hilfebedürftigkeit im SGB II 79, 81 f., 84 Höhe des Arbeitslosengeldes 73 f.
I
innerer und sachlicher Zusammenhang beim Arbeitsunfall Insolvenzgeld
41, 44 66
K
L
M
Kindererziehungszeiten 52 kombinierte Anfechtungsund Leistungsklage 118 konkurrierende Gesetzgebungskompetenz 9 Kontrahierungszwang 26 Kostenfreiheit des Sozialgerichtsverfahrens 117 Krankengeld 16 f. Krankenkassenbeitrag 22 f. Krankheit 12 ff. Kurzarbeitergeld 66
Leistungen zur Eingliederung in Arbeit 86 ff. Leistungen zur Heilbehandlung im SGB VII 46 Leistungsbeschränkung bei Selbstverschulden 19 ff. Leistungserbringungsrecht im SGB V 21 f.
materieller Sozialrechtsbegriff Medizinischer Dienst der Krankenversicherung Mehrbedarfe Mehrstufenschema bei Berufsunfähigkeit Mitgliedschaft in der gesetzlichen Unfallversicherung Mitwirkungspflichten der Leistungsberechtigten
5 f. 28 f. 91 58 38 ff. 105 ff.
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Sachregister
N
nicht begünstigende Verwaltungsakte
109 ff.
P
personenbezogene Gründe gegen Zumutbarkeit 71 Pflegebedürftigkeit 25 ff. Pflegebedürftigkeitsrichtlinie 30 ff. Pflegehilfe 33 Pflegegeld 30 f. Pflegepersonen 34 ff., 52 Pflegesachleistungen 33 Pflegegrade 28 ff. Pflegeversicherungsbeitrag 36 f. Prinzip des „Fördern und Fordern“ im SGB II 78 Private Pflegeversicherung 25 ff.
R
Rechtsweg zu den Sozialgerichten 115 Regelaltersrente 53 ff. Regelbedarf 86, 90 f. Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhaltes 86, 90 ff. Renten wegen Alters 51 Renten wegen Erwerbsunfähigkeit 51, 56 f. Renten wegen Todes 60 Rentenformel 55 f. Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte 109 ff. Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs 75
S
T
U
Sachleistungsprinzip 17 f. Sanktionen im SGB II 92 ff. Schwangerschaft 16 Sozialrechtlicher Herstellungsanspruch 103 f. Sozialstaatsprinzip 8, 9 Sozialverwaltungsverfahren 107 ff. Sperrzeit 70, 76 f.
Teilarbeitslosengeld 66 Teilstationäre Pflege 33, 36 teilweise Erwerbsminderung 56 f., 59
Übergangsgeld unechte Unfallversicherung Untätigkeitsklage Umlageverfahren in der Rentenversicherung
V
66 39 119 f. 62
Verfügbarkeit bei Arbeitslosigkeit 68, 70 ff. Verletztengeld im SGB VII 46 Verletztenrente im SGB VII 47 Vermittlungstätigkeit der Arbeitsagentur 65 Vermögensanrechnung 83 Versicherungsfreiheit im SGB VI 52 f.
Sachregister Versicherungsfreiheit im SGB III 64 Versicherungspflicht im SGB III 64 Versicherungspflicht im SGB V 10 ff. Versicherungspflicht im SGB VI 51 ff. Versicherungspflicht im SGB XI 25 f., 34 ff. Versicherungswidriges Verhalten 76 Verwaltungsakte mit Dauerwirkung 112 f. Vollstationäre Pflege 35 ff. vollständige Erwerbsminderung 56 f.
Vorsorge Vorverfahren
W
Z
6 f. 119
Waisenrenten 60 Wegeunfall 43 Widerruf rechtmäßiger Verwaltungsakte 108 f., 112
zumutbare Beschäftigung Zusammenarbeit der Leistungsträger
71 108
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