Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit: Die Chancen der Schüler*innenfirma als ganzheitliches Konzept 9783839459232

Die Entwicklung und Stärkung von Selbstwirksamkeitserwartung und Kompetenzen sowie eine Anregung zur Entwicklung eines b

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German Pages 334 [341] Year 2022

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit: Die Chancen der Schüler*innenfirma als ganzheitliches Konzept
 9783839459232

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Sabine Zimmermann Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

Pädagogik

Für Fiona und Carla

Sabine Zimmermann (Dipl.), geb. 1971, Sozialpädagogin und Mediatorin, ist am Fachbereich Sozial- und Gesundheitswesen an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen als Assistentin zur Unterstützung des Studienerfolgs und in der Lehre im Studiengang Soziale Arbeit tätig. Ihre Schwerpunkte liegen in der Auseinandersetzung von Bildungs- und Erziehungsprozessen insbesondere aus konstruktivistischer Perspektive.

Sabine Zimmermann

Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit Die Chancen der Schüler*innenfirma als ganzheitliches Konzept

Diese Dissertation wurde von der Humanwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln im November 2020 angenommen (Beschluss des Promotionsausschusses vom 20.10.2010). 1. Gutachter: Prof. Dr. Kersten Reich 2. Gutachter: Prof. Dr. Stefan Neubert

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2022 transcript Verlag, Bielefeld Alle Rechte vorbehalten. Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Maria Arndt, Bielefeld Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar Print-ISBN 978-3-8376-5923-8 PDF-ISBN 978-3-8394-5923-2 https://doi.org/10.14361/9783839459232 Buchreihen-ISSN: 2703-1047 Buchreihen-eISSN: 2703-1055 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: https://www.transcript-verlag.de Unsere aktuelle Vorschau finden Sie unter www.transcript-verlag.de/vorschau-download

Inhalt

Einleitung ..................................................................................... 11 1. 1.1

1.2

1.3

Schüler*innenfirmen..................................................................... 17 Schüler*innenfirma: Entwicklung und Bestandsaufnahme.................................. 18 1.1.1 Entwicklungslinien................................................................. 19 1.1.2 Begriffsklärungen ................................................................ 29 1.1.3 Durchführungsformen und Interesse an Schüler*innenfirmen ...................... 39 1.1.4 Forschungsstand ................................................................. 42 1.1.5 Erfolge und Kritik ................................................................. 43 Pädagogische Ziele ...................................................................... 46 1.2.1 Eigeninitiative: Förderung von Selbstwirksamkeit, partizipatives Lernen und Erleben ................................................. 46 1.2.2 Entwicklung von Kompetenzen .................................................... 68 1.2.3 Biographiebegleitendes Lernen ermöglichen ....................................... 91 Kriterien der Umsetzung einer Schüler*innenfirma ........................................111 1.3.1 Handlungsorientiertes Lernen..................................................... 112 1.3.2 Konstruktionen zulassen und einsetzen .......................................... 123 1.3.3 Partizipation ermöglichen und fördern ............................................ 131 1.3.4 Berufsbezogene Perspektiven aufgreifen und einbinden .......................... 136 1.3.5 Ästhetische Zugänge berücksichtigen ............................................ 139

Die Schüler*innenfirma im Kontext der Sozialen Arbeit ................................. 149 Zur Sozialen Arbeit ...................................................................... 151 2.1.1 Zu den Aufgaben der Sozialen Arbeit ..............................................152 2.1.2 Zu den Zielen Sozialer Arbeit ...................................................... 176 2.1.3 Zu den Methoden Sozialer Arbeit ................................................. 179 2.2 Soziale Arbeit an der Schnittstelle Schule und Beruf ..................................... 185 2.2.1 Schulsozialarbeit ................................................................ 185 2.2.2 Berufsorientierung .............................................................. 193 2.2.3 Jugendberufshilfe ................................................................201 2.2.4 Schüler*innenfirmen in Schule und beruflichen Übergängen ...................... 204

2. 2.1

Das Projekt »kleinUnternehmen«: Ein ganzheitlich orientiertes Konzept .............. 205 Konzeption und Ablauf des Projekts »kleinUnternehmen« ................................208 3.1.1 Ziele des Projekts »kleinUnternehmen« ...........................................209 3.1.2 Phasen und Module des Projekts »kleinUnternehmen« ............................. 212 3.2 Forschungsdesign ...................................................................... 230 3.2.1 Standorte der durchführenden Einrichtungen..................................... 230 3.2.2 Stichprobe: Teilnehmer*innen, Ablauf und Projektideen........................... 231 3.2.3 Methodisches Vorgehen .......................................................... 233 3.3 Empirische Auswertung des Projekts »kleinUnternehmen« .............................. 238 3.3.1 Ergebnisse zur Steigerung der Selbstwirksamkeitserwartung ..................... 239 3.3.2 Ergebnisse zur Entwicklung ökonomischer Kompetenzen und Schlüsselkompetenzen ...................................................... 257 3.3.3 Ergebnisse zum Biographischen Lernen .......................................... 273

3. 3.1

4. 4.1 4.2 4.3 4.4

Chancen der Schüler*innenfirma als ganzheitliches Konzept der Sozialen Arbeit ...... 279 Die Schüler*innenfirma im Kontext von Inklusion ........................................ 280 Die Schüler*innenfirma im Kontext von Lebensweltorientierung .......................... 289 Die Schüler*innenfirma im Kontext von Community Education ........................... 294 Ausblicke .............................................................................. 297

Abbildungsverzeichnis ...................................................................... 303 Literaturverzeichnis......................................................................... 305 Internetseiten................................................................................ 327

Für Fiona und Carla

Danke

Diese Arbeit beschäftigt sich nicht nur mit einem ganzheitlichen Projekt, sie war eines. Die integrativen Elemente, wie das Zusammenbringen unterschiedlicher Bedürfnisse waren oft schmerzhaft und hätten immer wieder zum Abbruch geführt, hätten sich nicht so viele Menschen um dieses Projekt, um mich und meine Töchter gekümmert. Danken möchte ich meinem Betreuer Prof. Dr. Kersten Reich und ebenso Prof. Dr. Stefan Neubert für viele kritische und wertvolle Hinweise und die Bereitschaft, mein Projekt über so viele Jahre hinweg zu begleiten. Margot Römmich und Peter Ruderich von »Business und Bildung e.V.«, die mich von Beginn an in meinem Vorhaben bestärkt haben und mir die Möglichkeit gaben, Inhalte ihres Vereins für meine Arbeit verwenden zu dürfen. Den Grundschulen in Mannheim und Weinheim danke ich für ihre Offenheit, sich an einem Forschungsprojekt zu beteiligen. Der Dank gilt hier insbesondere den vielen Schüler*innen, die nicht nur mit viel Energie die Projekte gestaltet haben, sondern auch bereit waren, sich Zeit für die Auswertung zu nehmen. Andreas und Viktor danke ich für ihre intensive statistische Unterstützung bei der Auswertung. Susanne möchte ich danken für inhaltliche und formale Diskussionen, Bernd und Silke für ihr immerwährendes Einspringen in allen Lebenslagen, Eva, Brigitte und Wicky danke ich für ihre beständige moralische Stärkung, Anja dafür, mir den Anstoß für dieses Vorhaben gegeben, Jens dafür, mich beim Starten unterstützt zu haben. Barbara und Matthias danke ich für ihre intensive Hilfe bei den Korrekturarbeiten und ihrer Bestärkung in der letzten Arbeitsphase. Meinen Eltern bin ich dankbar, immer für mich dagewesen zu sein. Aber vor allem danke ich meinen Töchtern Fiona und Carla für ihre riesige Geduld mit mir.

Einleitung

Als selbstständig tätige Sozialpädagogin lernte ich vor ungefähr 15 Jahren das Konzept der Schüler*innenfirma erstmalig kennen. Für mich war die Überschneidung der eigenen beruflichen Situation mit Inhalten des Konzepts sehr spannend. Ich arbeitete für einen freien Bildungsträger und begleitete fortan Schüler*innenfirmen in unterschiedlichen Kontexten. Das waren Schüler*innenfirmen, die außerhalb des regulären Unterrichts, als zusätzliches Projekt durchgeführt wurden und die Unterstützung bei unterschiedlichen Fragestellungen brauchten. Vor allem aber habe ich mit Kindern und Jugendlichen gearbeitet, die sich freiwillig für einen Schüler*innenfirmenwettbewerb angemeldet hatten und nach der Schule an Workshops des Bildungsträgers zur Vorbereitung des Wettbewerbs teilgenommen haben. Darüber hinaus gab es weitere Angebote des Bildungsträgers für Schüler*innen, insbesondere für Schulen in benachteiligten Stadtteilen, für Haupt- Real-, Förder- oder Gesamtschulen, aber auch für Berufsschulen und Gymnasien. Diese Angebote hatten immer etwas mit persönlicher Stärkung und beruflicher Orientierung zu tun und richteten sich nach den Interessen und Bedarfen der Schulen. Diese pädagogische Arbeit mit den Schüler*innen fand in der Regel ohne die Lehrkräfte statt, aber immer in intensiver Kooperation mit der Schulleitung und den Lehrer*innen im Vorfeld und auch währenddessen, wenn beispielsweise Themen gemeinsam besprochen oder Schnittstellen herausgearbeitet wurden. Die Lehrer*innen regten ihre Schüler*innen zur Teilnahme solcher Wettbewerbe an oder stellten ihre Unterrichtszeit für ein über mehrere Wochen laufendes Projekt zur Verfügung. All diese Angebote wurden durch unterschiedliche Förderprogramme der Stadt, des Landes oder auch der EU finanziert, die jeweils immer wieder neu, mit immer wieder einem anderen Schwerpunkt beantragt werden mussten. Aber auch örtliche Stiftungen unterstützen den Bildungsträger für bestimmte Angebote, die Stärkung der Selbstständigkeit, Selbstbewusstsein und Förderung von ökonomischen und Schlüsselkompetenzen zum Ziel hatten. Vor 10 Jahren wurde der Träger von der Freudenberg Stiftung angefragt, ein Projekt für Grundschüler*innen anzubieten. Die Entwicklung des pädagogischen Konzepts war der Beginn eines Projektes, welches ganz stark zu »meinem« wurde. Aufgrund des positiven Verlaufs entschied ich mich nach einigen Jahren praktischer Umsetzung das Thema zum Inhalt meiner Dissertation zu machen. Die durchgängig positive Resonanz

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

aller Beteiligten führte zur grundlegenden These dieser Arbeit: Die Selbstwirksamkeitserwartung von Kindern steigt durch die Teilnahme an diesem Projekt. Die Teilnahme an dem Projekt »kleinUnternehmen« lies die Kinder über sich hinauswachsen. Das Phänomen wurde von allen beteiligten Seiten (Lehrer*innen, Rektor*innen, Eltern, Schulsozialarbeit) so wahrgenommen und formuliert. Das bedeutete: Die Kinder wurden über die Dauer des Projekts hinweg als sehr engagiert erlebt, sie zeigten Fähigkeiten, die sie selbst nicht bei sich vermutet hatten. Auch die Lehrer*innen entdeckten oft Verhaltensweisen, neue Stärken und Eigenschaften bei den Kindern, die sie nicht erwartet hatten. Die Kinder arbeiteten eng mit dem im Projekt entstandenen Gruppen zusammen und waren sehr stolz auf das, was sie gemeinsam erarbeitet hatten. Das Projekt ist ein Wettbewerb um die beste Firmenidee: Kinder entwickeln anhand ihrer Interessen und Fähigkeiten eine eigene umsetzbare Geschäftsidee. Dafür bilden sie kleine Gruppen, gestalten einen gemeinsamen Aktionstag und treten gegeneinander an, indem sie ihre Produkte oder Dienstleistungen zum Verkauf anbieten. Eine Jury, die sich in der Regel aus Unternehmer*innen des Stadtteils, Vertreter*innen der Bankfilialen und Projektförderer zusammensetzt, bewerten nach bestimmten Kriterien die entstandenen Schüler*innenfirmen. Das Projekt ist mit einer abschließenden Auswertung zunächst beendet. Weil die Effekte an allen Schulen ähnlich waren und vor allem auch, weil nahezu alle Schüler*innen sich durch das Projekt angesprochen fühlten, ist der Gedanke gereift, diesem Phänomen auf den Grund zu gehen und genauer zu erforschen, was genau Kinder »wachsen« lässt, wie dieses Phänomen genauer erfasst werden kann, welche Grundlagen dafür geschaffen sein müssen und welche Aspekte darüber hinaus mitbedacht werden sollten. Diese Überlegungen führten zur Theorie der Selbstwirksamkeit, einem zentralen Begriff, der all jene Aspekte zusammenzuführen scheint, die konzeptionell mit der Durchführung dieses Projekts von Bedeutung sind: Die Förderung der Kinder zu selbstständigen, eigenverantwortlichen Tun, die Bestärkung darin, eigenen Interessen nachzugehen und diese einzubringen und nicht zuletzt der Anspruch, das Projekt weitestgehend partizipativ anzulegen und die Kinder mit ihren Ideen ernst zu nehmen. Daneben geht es ebenso um die Anregung von Lernprozessen, die Thematisierung ökonomischer und beruflicher Inhalte, sowie um die Stärkung verschiedener Kompetenzen, die auch Grundlagen von Selbstwirksamkeit sind. Die Stärkung der Selbstwirksamkeit wurde zum zentralen Thema dieser Arbeit: Aus der Perspektive der Sozialen Arbeit ist das Projekt »kleinUnternehmen« für Schüler*innen sehr interessant. Denn es ist mehr als ein kurzfristiges, handlungsorientiertes Projekt, welches den Kindern ökonomische Inhalte spielerisch vermitteln kann. Wenn Selbstwirksamkeit gestärkt werden kann, ist zu überlegen, wie ein solches Projekt grundsätzlich für Adressat*innen der Sozialen Arbeit genutzt werden kann. Denn sie sehen oft keine Möglichkeiten, positive Veränderungspotenziale umzusetzen, oft verstärkt durch gesellschaftliche Bedingungen, die prekäre, benachteiligende Lebenssituationen bedingen und verfestigen. Das Konzept Schüler*innenfirma, mit dem alle Kinder erreicht werden können, weil eigene Interessen entdeckt, eingebracht und umgesetzt werden können, von dem die

Einleitung

Kinder zu profitieren scheinen, sollte breiter im Kontext der Sozialen Arbeit genutzt werden. Ein weiteres Ziel dieser Arbeit ist zu zeigen, dass die Umsetzung einer Schüler*innenfirma bereits für Kinder im Grundschulalter geeignet sind. Dadurch können sie sich selbst besser einschätzen lernen und sich mit verschiedenen Themen auseinandersetzen, die mit ökonomischer Bildung und beruflicher Orientierung zu tun haben. Das ist der Bereich, den die ökonomische Bildung in verschiedenen Fächern an Schulen umsetzt, teilweise auch mit einem Lernformat Schüler*innenfirmen. Damit ist die Schüler*innenfirma, die durch die Schule durchgeführt wird, insbesondere, wenn sie nicht als freiwilliges Projekt, sondern im Rahmen eines Pflichtfachs wie WAT (Wirtschaft Arbeit Technik) durchgeführt wird, meist an Lehrpläne und auch Benotungen gebunden. Dies fällt bei einer Durchführung als zusätzliches Angebot durch die Soziale Arbeit weg, unabhängig davon, ob es verpflichtend während des Unterrichts oder als freiwilliges Projekt von den Schüler*innen umgesetzt wird. Durch eine Kooperation beider Seiten profitieren die Kinder und das Potenzial der Schüler*innenfirma kann besser ausgenutzt werden. Schüler*innenfirmen werden aktuell insbesondere an Schulen durch Lehrkräfte begleitet. Daneben bieten Bildungsträger oder Stiftungen (wie die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung) die Begleitung und Beratung von Schüler*innenfirmen an. Eine Durchführung durch die Soziale Arbeit im Rahmen der Schulsozialarbeit ist eher selten. Das hier vorgestellte Konzept »kleinUnternehmen« basiert auf einem integrativen, ganzheitlichen Verständnis von Schüler*innenfirmen. Es ist integrativ, weil es an unterschiedlichen Schulformen umgesetzt werden kann und die Zusammenarbeit unterschiedlicher Fächer, der Sozialen Arbeit und anderen Einrichtungen aus der Lebenswelt der Schüler*innen ermöglicht. Es ist integrativ, weil es zudem die Zusammenarbeit von Kindern und Jugendlichen fördert, die unterschiedliche Stärken, unterschiedliche Lernniveaus haben, denn sie können innerhalb einer Schüler*innenfirma unterschiedliche Aufgaben übernehmen. Es ist zudem integrativ, weil es versucht, die Anforderungen von Schule und Wirtschaft, die sich in Kompetenzen ausdrücken, einerseits und die individuelle Förderung und Stärkung der Selbstwirksamkeit andererseits zusammenzubringen. Innerhalb einer Schüler*innenfirma können individuelle Stärken und Interessen entdeckt und ausgelotet werden. In der Berufswelt geforderte Kompetenzen können erfahrbar gemacht und damit neu bewertet werden. Es wird in einer theoretischen Auseinandersetzung in diesem Spannungsverhältnis jedoch auch darum gehen müssen, welche Kompetenzen notwendig sind oder erwartbar sein dürfen. Welche Kompetenzen sollten vermittelt werden? Welche Kompetenzen sind vermeintlich für gesellschaftliche und wirtschaftliche Kontexte von Bedeutung, wenn Kinder und ihre Familien aus diesen ausgeschlossen sind und meist bleiben? Welche Rolle spielen Kompetenzen, die in der Regel gesellschaftlich nicht anerkannt sind? Das ist ein Spannungsfeld das Fragen aufwirft, auf die es hier weder eine eindeutige noch eine einfache Antwort geben wird. Dennoch sollen Perspektiven eröffnet werden, wie Benachteiligungen durch die Soziale Arbeit in Kooperation mit weiteren Professionen verhindert oder durchbrochen werden können. Die Schüler*innenfirma als ein integratives Konzept, das sowohl von Schule oder der Sozialen Arbeit angeboten und

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

begleitet wird, bietet vielfältige Chancen, diesem zu begegnen. Dafür soll hier die Perspektive, die zurzeit vorrangig von der ökonomischen Bildung auf die Schüler*innenfirma eingenommen wird, erweitert werden. Eine empirische Untersuchung mehrerer Schüler*innenfirmenwettbewerbe an zwei verschiedenen Grundschulen überprüft die verschiedenen Ziele und die dahinterstehenden Hypothesen. Der Wettbewerb, der als Projekt mit dem Namen »kleinUnternehmen« durchgeführt wurde, ist das Ergebnis eines Konzepts, welches entwickelt, erprobt und über die Jahre modifiziert in der jetzigen, hier vorliegenden Form durchgeführt worden ist.1   Der Aufbau der Arbeit: In dieser Arbeit werden Antworten auf die komplexe Fragestellung gesucht, welche Chancen die Schüler*innenfirma als ganzheitliches Konzept für die Soziale Arbeit bietet. Die Beantwortung wird in vier Schritten erfolgen. Der erste Teil 1.1. nähert sich grundlegend der Schüler*innenfirma: Zunächst wird der Frage nachgegangen, woher dieses Konzept überhaupt kommt, welche Entwicklungslinien sich ausmachen lassen. Dazu werden unterschiedliche Ansätze der Reformpädagogik, der beruflichen Ausbildung, der ökonomischen Bildung, aber auch der Sozialen Arbeit betrachtet. Es sind unterschiedliche Einflüsse, die zu jenen Formaten geführt haben, die mittlerweile in Deutschland umgesetzt werden. Diese unterschiedlichen Formate haben ähnliche Grundsätze, aber unterschiedliche Zielsetzungen und methodische Ausübungsformen. Die Ziele, Inhalte und Methoden werden im Überblick beschrieben, so dass die Angebote besser zugeordnet werden können. Das erste Kapitel schließt mit dem Versuch einer Standortbestimmung. Im Kapitel 1.2 werden die grundlegenden pädagogischen Ziele definiert, die mit der Umsetzung einer Schüler*innenfirma verbunden werden. Sie sind mehr als eine handlungsorientierte Form, um ökonomische Inhalte oder ausbildungsrelevantes Wissen zu vermitteln. Das sind aus schuldidaktischer Sicht die vorgegebenen Themen, die sich in der Umsetzung einer Schüler*innenfirma zudem auch für die Entwicklung von Schlüsselkompetenzen eignen.2 Die hier vertretene Perspektive ist die genau umgekehrte: Die Schüler*innenfirma ermöglicht über die Thematisierung ökonomischer Inhalte die Stärkung von Selbstwirksamkeit. Wesentlich für die Entwicklung einer positiven Selbstwirksamkeitserwartung ist das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, das Gefühl, selbst etwas gestalten oder bewältigen zu können. Um das zu ermöglichen ist das Erleben von Partizipation und das Wissen um eigene Kompetenzen wesentliche Voraussetzung. Jedoch können pädagogische Ziele nur einen Teil zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen beitragen. Der Ansatz des Capability Approach verdeutlicht, dass zur Entfaltung eigener Fähigkeiten entsprechende gesellschaftliche und politische Bedingungen erfüllt sein müssen. Dann können Kompetenzen entwickelt und kann biographisches Lernen ermöglicht werden. Nicht zuletzt werden mit der Umsetzung einer Schüler*innenfirma auch berufsorientierte Ziele erfüllt.

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In dieser Arbeit wird der Begriff Konzept und nicht Lernarrangement für die Schüler*innenfirma verwendet, um die Schüler*innenfirma nicht nur im Kontext der Schule zu verorten. Teile des Kapitels 1.2.2. zu den Kompetenzen wurden bereits veröffentlicht: Zimmermann 2019.

Einleitung

Kapitel 1.3 fasst Theorien zusammen, die für die Erreichung der pädagogischen Ziele leitend sind. Mit der interaktionistisch-konstruktivistischen Theorie Kersten Reichs werden grundlegende Aspekte von Lernprozessen verdeutlicht, die für die konkrete methodisch-didaktische Planung des Konzepts elementar sind. Reichs Ansatz relativiert inhaltliches Lernen und legt den Fokus auf die Passung der Konstruktionen für das eigene Leben. Von Bedeutung ist dabei immer die kulturelle Einbindung, da Re-, Deund Konstruktionen nicht ohne bereits vollzogene stattfinden. Ebenso elementar ist die Verbindung von Partizipation und Bildung. John Dewey hat mit seinem pädagogischen Ansatz die notwendige Verbindung von Demokratie und Erziehung erläutert: Eine demokratische Gesellschaft braucht für ihr Bestehen und ihre Weiterentwicklung demokratische Strukturen überall. Auch in der Schule. Zudem sind ästhetische Aspekte von Belang – sie weisen auf die vielen Ebenen der Wahrnehmung und des Verstehens hin. Denn: auch ein berufliches Selbstkonzept entwickelt sich über Jahre hinweg. Deshalb sind berufsorientierte Themen auch schon in der Grundschule wichtig. Der zweite Teil stellt Verbindungen zwischen der Schüler*innenfirma und der Sozialen Arbeit her. In Kapitel 2.1 werden Verbindungen zunächst im Kontext grundlegender Theorien Sozialer Arbeit gesucht, um die Verortung des Konzepts der Schüler*innenfirmen innerhalb der Sozialen Arbeit zu begründen. Gerade weil Soziale Arbeit eine sehr vielschichtige Profession ist, unterscheiden sich Theorien entsprechend. Unterschiedliche Perspektiven werden skizziert: Soziale Arbeit als Dienstleistung, als Menschenrechtsprofession und als postmoderne Profession. Diese Auswahl verdeutlicht wie aus unterschiedlichen Perspektiven ein Angebot der Schüler*innenfirma begründet werden kann. In Kapitel 2.2. werden die inhaltlichen Verbindungen hergestellt, indem Arbeitsbereiche der Sozialen Arbeit vorgestellt werden, die geeignet sind, eine Schüler*innenfirma durchzuführen. Es sind Arbeitsbereiche an den Schnittstellen von Schule und Beruf: Schulsozialarbeit, die Jugendsozialarbeit und die berufliche Orientierung. Dabei werden keine konzeptionellen Vorschläge entwickelt. Vielmehr geht es an dieser Stelle um eine Standortbestimmung. Wie positioniert sich Soziale Arbeit in den unterschiedlichen Bereichen? Welche Aufgaben leitet sie für sich ab? Und welche Angebote können daraus erfolgen? Die Beschreibungen zeigen, dass unterschiedliche Definitionen zu unterschiedlichen Aufgaben und Methoden in den Bereichen führen (müssten). Im Bereich Berufsorientierung führt dies sogar zu einer Unübersichtlichkeit der Maßnahmen und Angebote. Ein berufsorientierendes (sozial)pädagogisches Angebot für Kinder und Jugendliche kann auch in einem außerschulischen Kontext stattfinden und sollte bestenfalls in vorhandene Strukturen eingebunden werden. Im dritten Teil wird das Forschungsvorhaben beschrieben. Das von der Autorin in Kooperation mit dem Bildungsträger entwickelte Konzept »kleinUnternehmen« richtet sich an Grundschüler*innen, kann jedoch auch auf andere Zielgruppen erweitert werden. In Kapitel 3.1 werden die vorab formulierten pädagogischen Zielsetzungen zusammenfassend auf das ganzheitlich orientierte Konzept der Schüler*innenfirma übertragen. Um das Forschungsvorhaben einordnen zu können, werden die Phasen des Ablaufs und die einzelnen Module vorgestellt. Die Beschreibung der Module erfolgt mit der Unterscheidung Ziel, Inhalt, Methode, Erweiterung und Anmerkung, so dass eine Vorstellung des Ablaufs erfolgen kann. Des Weiteren wird gezeigt, wie das Konzept

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auch auf andere Zielgruppen angewendet, in der Lebenswelt verankert und mit anderen Professionen erweitert werden kann. In Kapitel 3.2 wird das Forschungsdesign vorgestellt, wie auch die Stichproben und Standorte. Es wurden mehrere Schulklassen, sowie eine Projektgruppe evaluiert, indem die Schüler*innen selbst hinsichtlich ihrer Einschätzung bezüglich ihrer Selbstwirksamkeitserwartung, ihrer ökonomischen Kompetenzen sowie ihrer Schlüsselkompetenzen befragt wurden. Der Fragebogen selbst beinhaltet sowohl quantitative wie auch qualitative Fragestellungen. Die Stichproben sind auf zwei Standorte verteilt. Die zwei Städte innerhalb des Rhein-Neckar-Raums unterscheiden sich von ihrer Struktur her sehr. Diese Auswahl entspricht der Projekte »kleinUnternehmen«, die durch den Bildungsträger in einem Zeitraum von knapp zwei Jahren durchgeführt wurden. Im Kapitel 3.3 erfolgt die Auswertung des Projekts nach den drei Hauptzielen: Der Entwicklung von Selbstwirksamkeit, der Förderung von ökonomischen wie Schlüsselkompetenzen und der Ermöglichung biographiebegleitendem Lernens. Die Selbstwirksamkeitsentwicklung wurde durch modifizierte Fragen in Anlehnung an Erpenbeck/Rosenstiel erfragt. Die Auswertung differenziert zwischen den Variablen Alter, Geschlecht und Standort. Die Auswertung der ökonomischen Kompetenzen bezieht sich dabei konkret auf die Einschätzung der Kinder bezüglich ihrer Kenntnisse, die sie im Verlauf des Projekts erworben haben. Die Schlüsselkompetenzen wurden erfragt durch einerseits der Selbsteinschätzungen allgemein erworbener Kenntnisse, andererseits durch die Erfragung von Kreativität und sozialem Verhalten innerhalb der Arbeitsgruppen. Die Auswertung erfolgt in der Darstellung der quantitativen und qualitativen Ergebnisse. Teil vier führt Ziele, Theorien und Forschungsergebnisse zusammen, um Ausblicke zu geben, ob und wie das Konzept der Schüler*innenfirma als ein integratives, ganzheitliches Konzept für die Soziale Arbeit genutzt werden kann. Dazu dienen in Kapitel 4.1 unterschiedliche Perspektiven: Die Schüler*innenfirma im Kontext von Inklusion, Lebensweltorientierung und Community Education. Es sind Perspektiven, die professionsübergreifend gelten und für die Soziale Arbeit leitende Prinzipien sind und eine ganzheitliche, integrative Betrachtung und Bewertung vornehmen. Abschließende Ausblicke in Kapitel 4.2 formulieren, wo das Konzept der Schüler*innenfirma im Kontext der Sozialen Arbeit verortet werden kann.

1. Schüler*innenfirmen

»Das Modell wird immer beliebter – sowohl bei Lehrkräften als auch bei Schülerinnen und Schülern, denn die Mitwirkung in Schülerfirmen motiviert dazu, Eigeninitiative zu übernehmen und gemeinsam mit anderen aktiv zu werden. Sich für eine Geschäftsidee zu begeistern, sie durchzudenken und sie dann in die Tat umsetzen – das ist ganzheitliches, lebensweltnahes Lernen.«1 Dieses Zitat aus einem der Netzwerke für Schüler*innenfirmen beinhaltet zentrale Aspekte, die in dieser Arbeit eine Rolle spielen: Schüler*innenfirmen werden insbesondere gedacht als Lehrformat und innerhalb der Schuldidaktik vor allem von der ökonomischen Bildung umgesetzt. Sie werden an Schulen oft als Projekte angeboten, zunehmend aber auch im Unterricht eingesetzt.2 Die Schüler*innenfirma ist mittlerweile etabliert. Verschiedene Entwicklungslinien haben dazu beigetragen. Als ein Lehrarrangement der ökonomischen Bildung wird handelndes und lebensnahes Lernen mit ökonomischem und beruflich orientiertem Lernen verbunden und in der Schule eingesetzt (vgl. u.a. Penning 2018). Zugleich kann die Begleitung von Schüler*innenfirmen auch mit der Begleitung von Jugendlichen zu tun haben, die benachteiligt sind, die eine außerschulische Förderung und berufliche Orientierung oder Ausbildung erhalten. Diese Entwicklungslinie zeigt die Schnittstellen des Konzepts der Schüler*innenfirma zwischen schulischer und außerschulischer/sozialpädagogischer Bildung. Allein, diese Entwicklungslinie wird aktuell nicht aufgegriffen, die Soziale Arbeit nutzt das Potenzial, welches die ökonomische Bildung längst nutzt, nicht oder nur eingeschränkt. Im Diskurs der Sozialen Arbeit spielt die Schüler*innenfirma quasi keine Rolle. Die Bereiche, in denen Soziale Arbeit das Konzept der Schüler*innenfirma einsetzt, wie auch diverse Schnittstellen zu anderen Arbeitsbereichen, werden im Folgenden beschrieben. Grundsätzlich gibt es für die Umsetzung von Schüler*innenfirmen unzählige Materialien, Beschreibungen oder Arbeitsvorlagen, die Schüler*innen und Lehrkräf-

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Vgl. https ://www.fachnetzwerk.net/was-sind-schuelerfirmen.html. Vgl. https ://www.fachnetzwerk.net/schul-und-unterrichtsentwicklung.html.

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

te bei der methodischen Umsetzung helfen sollen.3 Es werden insbesondere Abläufe beschrieben und Vorlagen bereitgestellt, die sich auf die ökonomische Bildung beziehen, die Möglichkeiten der Anwendung in der Schule für unterschiedliche Schulformen beschreiben. Eine Auseinandersetzung unter der Perspektive der Sozialen Arbeit findet sich nur in Zusammenhang mit der außerbetrieblichen Ausbildung oder im sonderpädagogischen Bereich. Die Ausnahme bildet die Auseinandersetzung im Kontext der Jugendsozialarbeit.4 Eine weitere theoretische Auseinandersetzung und das hier umgesetzte Forschungsanliegen lohnt sich, so leitende Hypothese, nicht nur unter pädagogischer und sozialpädagogischer Perspektive, sondern ist auch aus dem Blickwinkel weiterer Perspektiven (wie lebensweltorientierender, inklusiver, partizipativer, berufsorientierender) interessant: Der Versuch, der in dieser Arbeit unternommen wird, will vor allem die Nähe zur Sozialen Arbeit aufzeigen und die Chancen, die sich bieten, sich vertiefter mit diesem Konzept oder diesem Lernformat in einer ganzheitlichen Weise auseinanderzusetzen. Dieses Kapitel beschreibt zunächst die Entwicklungslinien, definiert unterschiedliche Begriffe und setzt sich mit verschiedenen Aspekten des Konzepts auseinander: Seit wann gibt es Schüler*innenfirmen? Welche Impulse, welche Ideen waren wegbereitend für die Entwicklung und die Förderung dieser Lernform an Schulen? Welche Umsetzungsformen existieren heute?

1.1

Schüler*innenfirma: Entwicklung und Bestandsaufnahme

Es gibt nicht die Geschichte der Schüler*innenfirma. Es führen vielmehr unterschiedliche Entwicklungsstränge zu den Angebotsformen, wie sie heute vorzufinden sind. Doch lassen sich Ursprünge bereits im mittelalterlichen Ausbildungswesen finden, in reformpädagogischen Entwicklungen, in Schul- und Ausbildungsprojekten in England, den USA und Deutschland sowie in aktuellen bildungspolitischen Entwicklungen in Deutschland (vgl. u.a. Buhren 1994 a; b; Skiera 2010; Oelkers 2005; Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2018). Verschiedene Einflüsse prägten bzw. prägen die Ausbreitung und Ausgestaltung von Schüler*innenfirmen. Die unterschiedlichen Ansätze lassen sich zusammenfassen in unterschiedliche Entwicklungslinien, deren Konzepte in die praktischen Umsetzungen von Schüler*innenfirmen und die vielfältigen damit verbundenen Intentionen einfließen. Zunächst werden diese Entwicklungslinien sowie die inhaltliche Ausarbeitung von Schüler*innenfirmen beschrieben.

3

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Beispielsweise: König/Hilbert et.al. (Hg.) 2013; Kaminski (Hg.) 2011; Deutsche Kinder- und Jugendstiftung gGmbH in Kooperation mit kobra.net/Servicestelle Schülerfirmen und der Auslandsgesellschaft Sachsen-Anhalt e-V. Hg. (o.J.); Wissensfabrik – Unternehmen für Deutschland e.V. (Hg.) (o.J.); Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau Rheinland-Pfalz (Hg.) 2018; Krause 2008; Deutsche Kinder- und Jugendstiftung gGmbH (Hg.) 2009. Dazu beispielsweise: Hofmann-Lun (Hg.) 2007; BBJ Service gGmbH (Hg.) 2002.

1. Schüler*innenfirmen

1.1.1

Entwicklungslinien

Entwicklungslinie 1: Reformpädagogik und Arbeitsschule Durch Handeln lernen Der pädagogische Gedanke, dass Unterricht bzw. Schule mit praktischem Tun, mit Arbeit in Verbindung gesetzt wird und dadurch positive Lernergebnisse und Persönlichkeitsentwicklung erreicht werden können, ist eine pädagogische Überzeugung, deren Ursprünge bereits in der Pädagogik des ausgehenden Mittelalters zu finden sind. Angefangen bei Comenius, der Arbeit als quasi dem Menschen innewohnendes Moment beschreibt, über Rousseau oder Locke, die das Erlernen eines Lebensberufes als Bedingung zur Lebenstüchtigkeit sehen. In der Reformpädagogik des 19. und 20. Jahrhunderts prägten viele Vertreter den Ansatz der Arbeitsschule, die als Gegenentwurf zur bestehenden Schule umgesetzt wurde (vgl. Skiera 2010: 104ff.). Die Reformpädagogik, mit ihrer Kritik an der vorherrschenden Pädagogik, entwickelte Gegenentwürfe, in deren Zentrum sowohl das Kind mit seinen Bedürfnissen und Interessen steht, wie auch der Zusammenhang zwischen Erziehung und Gesellschaft. Die Entwürfe bilden das Gegenteil einer autoritären Erziehung und wollen die im Kind liegenden Kräfte fördern (vgl. ebd.: 30). Dabei wird die Arbeitsschule als ein effektives Konzept angesehen. Sie setzt eines der zentralen Motive der Schul- und Erziehungsreformen um: die Überzeugung, dass durch selbstständiges Tun Lernen ermöglicht wird und auch alltagspraktische Arbeiten und Handarbeiten zur beruflichen Vorbereitung dienen können. Arbeit wird als ein grundsätzliches Erziehungsmittel verstanden (vgl. Oelkers 2005: 41). Der Zusammenhang von Pädagogik und Arbeit (wie auch der Kunst) ergibt sich über den Gegenstand selbst: Beide Tätigkeiten erfordern eigenes Tun auf verschiedenen Ebenen: der emotionalen, geistigen, sozialen sowie der praktischen. Sinnvoll wird dieses Tun insbesondere dann, wenn es von den Schüler*innen selbst mit entwickelt wurde (vgl. Skiera 2010: 103). Unterricht sollte nicht mehr nach Fächern aufgeteilt stattfinden, sondern auf praktische und konkrete Probleme bezogen sein, die von den Schüler*innen selbsttätig und produktorientiert gelöst werden sollten (vgl. Oelkers 2005: 43). In Deutschland wurde innerhalb der Reformpädagogik die Arbeitsschule nicht als ein »dezidiertes Schulkonzept« verstanden, sondern galt vielmehr als ein Erziehungsprinzip, welches unterschiedlich an Schulen umgesetzt werden konnte (Oelkers 2005: 182). So gab es auch unterschiedliche Ansätze wie der Kerschensteiners, der über die Erziehung in der Arbeitsschule die Schüler*innen zu Staatsbürger*innen erziehen will (vgl. Skiera 2010: 105f.) und unter einer Arbeitsschule die Umsetzung von tatsächlich »manuelle(r) Tätigkeiten« verstand (Oelkers 2005: 181). Gaudig hingegen verband unter der Arbeitsschule eine »selbsttätige Bildung« (Oelkers 2005: 181). Konsens bestand darin, dass die Lernschule durch eine Arbeitsschule abgelöst werden sollte. Die Volksschule sollte so weiterentwickelt und die »Kluft zwischen Schule und Leben« überwunden werden (Oelkers 2005: 180). In Amerika ist es vor allem Dewey, der als Philosoph und Pädagoge die Entwicklung der Reformpädagogik prägt. 1896 gründet Dewey die »laboratory school« in Chicago und untersucht die Bedeutung der industriellen und technischen Entwicklung auf

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die Erziehung. Dewey, der als Begründer der Projektmethode gilt, plädiert für eine handlungsorientierte und lebensverbundene Erziehung. Die Projektmethode geht dabei über eine Handlungsorientierung hinaus, da sie zweckgebunden und zielgerichtet ist. Das Lernverständnis ist dem der Arbeitsschule zugrunde liegenden sehr verwandt und ist geprägt von der Auffassung, dass Lernen über selbsttätige Erfahrung erfolgt (vgl. Skiera 2010: 107, 394). Doch Deweys Verständnis von Selbsttätigkeit und der Projektmethode unterscheidet sich von anderen reformpädagogische Ansätzen und geht über deren Verständnis hinaus. Weil Dewey Erziehung und Demokratie untrennbar miteinander verbunden sieht (vgl. 1.2.1.1), kann es nie allein nur um die Förderung der Selbsttätigkeit der Lernenden und eine »einseitig verstandene ›Pädagogik vom Kinde aus‹ [Herv. i. O.]« gehen (Neubert, 2004: 21). Lernen ist immer eingebunden in eine Gemeinschaft und lebt von der Interaktion und Wechselwirkung zwischen Lernenden und ihrer Lebenswelt wie auch dem gesellschaftlichen Umfeld. Pluralität und Partizipation sind für Dewey die zentralen Aspekte einer Demokratie; plurale Lebensformen, Gesellschaften und Kulturen sind nicht nur ein Gewinn, vielmehr wird die Auseinandersetzung mit ihnen zur Grundbedingung der Demokratie (vgl. ebd.: 20f.). Demokratie wird in der pädagogischen Umsetzung im Kleinen gelebt und ist grundlegendes Prinzip in Deweys pädagogischem Denken (vgl. Dewey 2016). Die selbsttätigen Erfahrungen, die Kinder machen, finden mitten im Leben der Kinder statt, Schule muss das Leben zulassen und zum Leben der Kinder öffnen. »Als Ort des Lernens wird sie nach dem Modell des ›Labors‹ [Herv. i. O.] (im weitesten Sinne dieser Metapher) gestaltet, womit ein Lernen durch aktives Experimentieren, Konstruieren, Ausprobieren, Beobachten und Diskutieren in Kooperation mit anderen Lernenden besonders betont wird.« (Neubert 2004: 22) So ist Erziehung ein Prozess der sozialen Gestaltung und nicht der inneren Formung. Sie muss Erfahrungen ermöglichen, gestalten und eine Richtung geben (vgl. Oelkers, 2005: 155). »The school has the function also of coordinating within the disposition of each individual the diverse influences of the various social environments into wich he enters. One code prevails in the family; another, on the street; a third, in the workshop or store; a fourth, in the religous association.« (Dewey 2016: 21) Mit einer vertieften Berücksichtigung dieser verschiedenen Einflüsse erhält Schule eine andere pädagogische Aufgabe. Sie muss mehr ermöglichen als Inhaltslernen. Eine konkrete Anregung von erweitert verstandenen Lernprozessen erfolgt durch Deweys Prämisse »learning by doing«. Darin verbindet sich Eigenständigkeit in einer Lernform, die, wenn Schüler*innen für die Ziele und die praktische Erarbeitung von Lösungen eigenständig zuständig sind, zugleich demokratisches Lernen ermöglicht. Die Umsetzung erfolgte in seiner Laborschule durch viele praktische Lernangebote, auch Werkstätten, in denen die Schüler*innen auch handwerklich und lebenspraktisch tätig sein konnten: »Where schools are equipped with laboratories, shops, and gardens, where dramatizations, plays, and games are freely used, opportunities exist for reproducing situation of life, and for acquiring and applying information and ideas in the carrying forward of progressive experience.« (Dewey 2016: 156) Dass diese Wege Erfahrungen ermöglichen, die mit dem Leben zu tun haben, ist grundlegend für Deweys Überzeugung, dass erst dadurch eine Weiterentwicklung der Schüler*innen und damit der Gesellschaft überhaupt erst möglich sind. »In place of a school set apart from life as a place for learning lessons, we have a miniature social group in wich study and growth are incidents of pre-

1. Schüler*innenfirmen

sent shared experience. Playgrounds, shops, workrooms, labaratories not only direkt the natural active tendencies of youth, but they involve intercourse, communication, and coöperation, – all extending the perception of connections.« (Dewey 2016: 343) Die methodische Ausgestaltung von Schüler*innenfirmen erfolgt in vielfältiger Weise durch den Ansatz der Handlungsorientierung. Umgesetzt beispielsweise innerhalb von Projekten, innerhalb der Arbeitslehre oder als Arbeitsgemeinschaft. Dabei entwickeln Schüler*innen eigene Ideen und setzten sie in konkreten Projekten um, sie arbeiten praktisch, handwerklich und können ihre ganz eigenen Fähigkeiten und Kenntnisse einsetzen. Die Ideen die sie einbringen, sollten im besten Fall immer etwas mit ihren ganz eigenen Interessen und ihrer Lebenssituation zu tun haben. Das Gefühl, das sie dabei entwickeln, nämlich selbst für das Gelingen der Umsetzung verantwortlich zu sein und das Erleben gemeinsam bearbeiteter Aufgaben, sind – grob zusammengefasst – Merkmale einer handlungsorientierten Methode. Sie kennzeichnen das Konzept Schüler*innenfirma.5

Entwicklungslinie 2: Junior Achievement und Education for Enterprise Entwicklung von Unternehmergeist Vorläufer des Phänomens, das heute als Schüler*innenfirma, Juniorfirma oder ähnlich bezeichnet wird, sind in den USA zu finden als »junior-achievement-companies« und in Großbritannien als »mini-enterprises«. Die Entwicklung von Schüler*innenfirmen in England, die eine »Erziehung zur Eigeninitiative« als pädagogische Zielrichtung formulierte, beeinflusste die Entstehung und Entwicklung von Schüler*innenfirmen in Deutschland hin zu einem anerkannten Projekt in der Ausbildung und an Schulen. In den USA gab es bereits in den 1920er Jahren eine Bewegung der Jugendbildung, die unter dem Prinzip der 4-H Clubs (»head, heart, hands, health«) die Organisation Junior Achievement gründete.6 1919 wurde sie von dem Industriellen Horace Moses gegründet. Mit dem Motto »Learning business by doing business« wollte er die Wirtschaftserziehung verbessern (vgl. Fix 1989: 23). Schüler*innen gaben für einen Dollar Aktien aus, erhielten dadurch ein Startkapital, mit dem sie dann eigenverantwortlich Produkte herstellten oder Dienstleistungen verkauften. Unterstützt wurden sie dabei von ehrenamtlichen Helfern, wie ehemaligen Geschäftsleuten. Am Ende des Schuljahres berichteten die Schüler*innen über ihren Erfolg oder Misserfolg. Dieses Konzept wurde weiter ausdifferenziert und für unterschiedliche Schulformen angepasst. Mittlerweile nehmen jährlich etwa 10 Millionen Schüler*innen in ungefähr 400.000 Klassen 5 6

Zur Projektmethode und handlungsorientiertem Lernen: Gudjons 2008; Wöll 2011; Frey 2012; Dewey/ Kilpatrick 1935. Die 4-H Clubs wollten es Jugendlichen auf dem Land ermöglichen, verschiedene land- und hauswirtschaftlichen Erfahrungen zu machen. Sie sollten aber vor allem auch »eine Art Charakterbildung« erfahren. Moses wählte für die Junior-Achievement-Bewegung die Projektmethode (vgl. Fix 1989: 24). Die 4-H-Clubs sind eine Jugendorganisation, die in den USA stark verbreitet ist. Sie hat mehr als 6 Millionen jugendliche Mitglieder, ca. 540.000 freiwillige Helfer sowie 3.500 »professionals«. In vielen verschiedenen Angeboten können Jugendliche zu verschiedensten Themengebieten etwas (praktisch) lernen. Intendiert ist dabei aber immer auch eine Haltung, die Jugendliche erleben und umsetzen sollen, etwa Verantwortungsübernahme oder soziales Lernen (vgl. https:// www.4-h.org/about).

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teil, unterstützt von mindestens ebenso vielen freiwilligen Helfer*innen (vgl. Wilbers 2014: 592; Fix 1989: 24f.).7 Die Junior-Achievement-Bewegung wirkte über die USA hinaus. Die bedeutendste Entwicklung gab es in England: In den 1960er Jahren wurden in den angelsächsischen Ländern Projekte entwickelt, sogenannte »mini-enterprises«, die Schulabgänger*innen auf den Beruf vorbereiten sollten. Die Umsetzung der ersten »mini-enterprises« an englischen Schulen war sehr erfolgreich. Neben unternehmerischen Erfolgen zeigte die Umsetzung des Projektes auch, dass ein »kognitive[r] und emotionale[r]« Prozess ausgelöst wird und die Beteiligung eine bestimmte Denkweise bewirkt: »Der Grundstein von Eigeninitiative und Unternehmergeist ist dabei Selbstvertrauen. Selbstvertrauen an sich kann natürlich nicht im Schulunterricht vermittelt werden, aber es kann hierfür die Saat gesät werden. Wenn man Individuen die Chance gibt, neue Herausforderungen anzunehmen und neue Themen aufzugreifen, dann beginnen sie auch Vertrauen in eigene neue Ideen zu gewinnen – und das heißt schlussendlich: sie beginnen Unternehmensgeist zu entwickeln.« (Rennie 1994: 23f.) 1985 wurde in Großbritannien das »Mini-Enterprise-in-School-Project« ins Leben gerufen, was von verschiedenen Stellen unterstützt wurde: vom Ministerium für Handel und Industrie, dem Bildungsministerium, den lokalen Schulbehörden und mehreren Hochschulen. Es verfolgte oben genannte pädagogische Ziele, verstand »Education for Enterprise« als Erziehung »about, through and for Enterprise« (Buhren b 1994: 19). Education about Enterprise ist vergleichbar mit dem Berufspraktikum, die Erziehung zielt auf die Vermittlung berufs- und arbeitsspezifischen Wissens. Education through Enterprise zielt mehr auf die Persönlichkeitsentwicklung. Fähigkeiten wie Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit, Kreativität, soziales Bewusstsein, Eigeninitiative und Selbstständigkeit im Denken und Handeln sollen gefördert werden. Education for Enterprise zielt auf die Entwicklung unternehmerischer Fähigkeiten durch die Vermittlung kommerzieller und wirtschaftlicher Zielsetzungen. Eine klare Trennung vor allem der beiden letzten Ansätze ist natürlich schwer vorzunehmen. Doch die Durchführung des Projekts wurde positiv bewertet und für den Erfolg wurden folgende Aspekte als bedeutend ausgemacht: Die Einbindung des Projekts in das Curriculum (als fächerübergreifendes Projekt oder eigenständiges Fach), die Flexibilität bei der Durchführung (im Hinblick auf Dauer und Gestaltung) sowie die Kooperation mit außerschulischen Einrichtungen (vgl. Buhren 1994 b: 19f.). Die unterschiedlichen Ansätze und Ziele, wie auch die damit verbundene Kritik (beispielsweise der Vorwurf, eine berufliche Selbstständigkeit könne nur ein geringer Teil der Jugendlichen umsetzen), können mithilfe einer anderen Begrifflichkeit vielleicht besser zusammengefasst und damit die Kritik entschärft werden. Es ist ein Begriff der ausdrückt, dass der Ansatz die Entwicklung von enterprising attitudes im Fo-

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Die entsprechende Entwicklung in Deutschland wird mit dem JUNIOR-Projekt umgesetzt, welches vom Institut der deutschen Wirtschaft unterstützt wird. Das Projekt ist auf ein Jahr begrenzt, zu Beginn werden neuzig Anteilscheine à zehn Euro verkauft (vgl. Wilbers 2014: 592).

1. Schüler*innenfirmen

kus hat. Er schließt sich an oben genannte Begrifflichkeiten an und fasst unterschiedliche Zielsetzungen zusammen (vgl. Köditz 1994: 26).8 Entwicklung in Deutschland und England: Erziehung zur Eigeninitiative Das Konzept »education for enterprise« war und ist im Hinblick verschiedener Bildungssysteme oder Strukturen und Aufgaben der Bildungsgänge unterschiedlich. In Großbritannien wurden drei unterschiedliche Positionen unterschieden. Erziehung zur Eigeninitiative bedeutete die Unterstützung zur eigenen Selbstständigkeit, aber auch eine bessere Vorbereitung auf das Berufsleben wie auch auf bevorstehende Arbeitslosigkeit. Die grundlegende und allgemeinere Position versteht das Konzept als eine allgemeine Förderung, um Jugendliche zu befähigen, sich im sozialen und ökonomischen Wandel zu behaupten. In Deutschland sehen die Positionen anders aus. Der eine Ansatz verfolgt die Entwicklung technischer Fähigkeiten und allgemeiner beruflicher Kompetenzen (insbesondere Juniorenfirmen in der beruflichen Bildung), der zweite Ansatz zielt auf realitätsnahe betriebliche Abläufe und der dritte Ansatz betont hingegen persönliche, soziale und ökologische Aspekte. Grundsätzlich wurde davon ausgegangen, dass die Anforderungen des künftigen Beschäftigungssystems zunehmend Eigenschaften wie Selbstständigkeit oder Kreativität von ihren Beschäftigten fordern und dieses Beschäftigungssystem zugleich Menschen dazu bringt, gewollt oder ungewollt selbstständig zu werden (vgl. ebd.: 24f.). Das Prinzip, das diese verschiedenen Anforderungen und Ziele zusammenfasst, ist die »Erziehung zur Eigeninitiative« (vgl. Community Education (Hg.) 1994). Es beschreibt Ziele und Inhalte unterschiedlicher Angebote in Deutschland. Allen gemeinsam ist handelndes und eigenständiges Lernen, wobei die Kontexte und der Ablauf unterschiedlich sind. In den folgenden Jahren wurden Projekte weiterentwickelt, Wirtschaft und Industrie beteiligt und der ursprüngliche Ansatz, Schüler*innen von allgemeinen und berufsbildenden Schulen auf den Beruf vorzubereiten, erweitert, indem auch allgemeinere Lernziele wie Entwicklung von Kreativität, Kommunikation sowie Förderung von Eigeninitiative und Selbstständigkeit angestrebt wurden (vgl. Buhren 1994 b: 18). Neben praktischen Erfahrungen sollten auch die Unterschiede von selbstständiger und abhängiger Beschäftigung kennengelernt werden, »um Eigeninitiative und Unternehmensgeist der Jugendlichen zu stärken und ihnen ein besseres Verständnis von der Arbeitswelt zu vermitteln« (Amtsblatt der EG, C 177 6.7.1988, zitiert nach Arbeitsstellen für Community Education e.V. (Hg.): 9) Entsprechende Modellprojekte wurden von der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung unterstützt. Die Angebote sollten in den normalen Unterricht integriert werden und Arbeitsgemeinschaften, die sich aus verschiedenen Klassen zusammensetzen, vermieden werden (vgl. Buhren a 1994: 13). Was bereits existierende Formen der Berufsvorbereitung bzw. -orientierung wie Berufspraktika oder fächerübergreifende Projektarbeit nicht leisten konnten, sollte mit dem Konzept der »Erziehung zur Eigeninitiative« ergänzt werden. Eine verstärkte Auseinandersetzung mit Strukturen und Anforderungen der Berufs- und Arbeitswelt, eine Förderung unternehmerischer Fähigkeiten und

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Zum Begriff »enterprise« vgl. Rennie 1994: 21ff.

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Fertigkeiten (wie Problemlösungsstrategien, Eigeninitiative, Kreativität, selbstständiges Denken und Handeln) sollte erfolgen (vgl. Buhren a: 15f.). Andere europäische Länder wie Frankreich und Belgien führten mit dem 1988 gegründeten Dachverband »European Federation of Young Enterprises« ähnliche Projekte ein (vgl. Fix 1989: 25; htt ps://www.yesforeurope.eu). Die schwedische Jungunternehmerorganisation überträgt das Prinzip auf arbeitslose Jugendliche (vgl. Fix 1989: 25). Ein vergleichbares Angebot in Deutschland bietet Stellen für sozial benachteiligte oder Jugendliche ohne Ausbildungsstelle in sogenannten Jugendhilfebetrieben (vgl. 1.1.2). Juniorenfirmen in Unternehmen wurden in Deutschland hingegen erst in den 1980er Jahren bekannt. Einzelne Firmen begannen, innerbetrieblich Juniorenfirmen in ihren Unternehmen zu gründen. Die erste war 1975 die Zahnradfabrik Friedrichshafen AG von Auszubildenden Industriekaufleute (vgl. Fix 1989: 24 ff.). Die Firma in der Firma wurde auch Lehrlingsfirma genannt und sollte ausbildungskonform gestaltet sein. Dabei konnten die Lehrlinge auf Strukturen zurückgreifen, die für das Entstehen und das Begleiten eines Unternehmens notwendig sind: einen Markt, eine Produktionsstätte und Mitarbeiter*innen (vgl. ebd.: 25). In der Folge gab es verschiedene Modellversuche. Juniorenfirmen wurden in Betrieben, aber auch in Schulen, als Schüler*innenfirma eingeführt. Die zunehmende Umsetzung an Schulen führte zu einer zunehmenden Etablierung innerhalb der schulischen Bildung. Diese Entwicklung wird in der dritten Entwicklungslinie beschrieben.

Entwicklungslinie 3: Ökonomische Bildung Kompetenzentwicklung für den Beruf Die ökonomische Bildung ist aktuell stark an der Umsetzung von Schüler*innenfirmen interessiert, da mit dieser Methode ökonomische Inhalte praktisch erlebbar werden und gleichzeitig der Bildungsauftrag der beruflichen Orientierung umgesetzt werden kann. Schüler*innenfirmen werden von der ökonomischen Bildung als ein Lehrarrangement ihrer Fachdidaktik (vgl. Pennig 2018) bezeichnet und sie nutzt das Konzept für sich. Aus den beschriebenen Entwicklungslinien scheint das eine logische Entwicklung. In allen Bildungsplänen der Länder ist die berufliche Orientierung mehr oder weniger deutlich für die Sekundarstufe I festgeschrieben. Verschiedene Aspekte daraus werden vom Fach Arbeitslehre übernommen (vgl. Hans-Böckler-Stiftung 2009: 3f.). Die Umsetzung ist jedoch sehr unterschiedlich geregelt, wie auch die Verpflichtung einer Umsetzung an Gymnasien. Zwar ist vorrangig auch die Agentur für Arbeit durch ihren Beratungsauftrag für die Berufsorientierung tätig. Aber daneben existieren keine Kriterien für die inhaltlich-methodische Umsetzung oder für die Qualifikation der pädagogischen Fachkräfte (vgl. ebd.: 6). Verschiedene Angebote oder Projekte an Schulen haben berufliche Orientierung zum Inhalt, teilweise bereits ab der Grundschule. Die Angebote und Inhalte reichen von einer altersgerechten inhaltlichen Hinführung in die Berufswelt, über Projekte (auch explizit für benachteiligte Jugendliche) wie der Schüler*innenfirma, bis hin zu einer vertieften Potenzialanalyse durch die Agentur für Arbeit (vgl. ebd.: 9). Manche Schulen haben bestehende Schüler*innenfirmen, die im Rahmen der beruflichen Orientierung verpflichtend sind (vgl. https://www.fz-west.de/mettmann-berufsvorber eitung-schuelerfirma.html). Die KMK nennt die Schüler*innenfirma als eine Vermitt-

1. Schüler*innenfirmen

lungsmöglichkeit wirtschaftlicher Bildung außerhalb des Unterrichts (vgl. Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder 2008: 7) und als Fördermaßnahme von leistungsschwächeren Schüler*innen innerhalb der Ganztagsschule (vgl. Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder 2010: 16). Neben den fachlichen Themen, die zu einer beruflichen Orientierung beitragen, spielen wirtschaftliche Themen eine Rolle. Grundsätzlich möchte die ökonomische Bildung diese bereits ab der Grundschule vermitteln. Dass Kinder bereits in der Grundschule für entsprechende Themen bereit sind, wird von ihren Fähigkeiten und Interessen abgeleitet. Die Kinder sollen Kompetenzen erlangen, die abgeleitet werden aus ihren Funktionen im Wirtschaftsprozess. Diese Funktionen wiederum rekurrieren jedoch nur auf die Rolle, die Kinder als Konsumenten*innen haben (vgl. Kaminski/Eggert 2008: 39ff.). Wenn Schüler*innen lediglich aus dieser Perspektive heraus angesprochen werden, besteht neben der Gefahr der Reduzierung darüber hinaus die Gefahr einer Verschärfung dieser reduzierten Perspektive, indem Kinder durch Wirtschaft und Werbung ausgenutzt werden. Der Einfluss der Wirtschaft in die Schuldidaktik sollte kritisch bewertet werden. Dabei geht es um eine eingeschränkte Sicht auf wirtschaftliche Prozesse oder, wie das Beispiel des Konsums verdeutlicht, auch um Rollenzuweisungen, die hinterfragt werden müssen. Und es geht zugleich um die Frage, welche Inhalte und welche Fächer vertieft an Schulen gelehrt und gelernt werden sollten (vgl. Hedtke 2012, Engartner 2017). Verschiedene wirtschaftliche Verbände nehmen Einfluss auf die Gestaltung und Inhalte des Unterrichts, so beispielsweise der Bundesverband Deutscher Banken. Dieser hat das Institut für Ökonomische Bildung für die Konzeption der wirtschaftlichen Inhalte von der Primarstufe an beauftragt. Dabei dient auch das Deutsche Aktieninstitut als Quelle. Das bedeutet: schulische Inhalte werden nicht von neutraler Stelle erarbeitet, was zur Annahme verleiten kann, dass die Inhalte tendenziös sind und eigene Interessen verfolgt werden.9 Den Einfluss verschiedener wirtschaftlicher Verbände kritisiert Hedtke: »Insbesondere die Verbände der unternehmerischen Privatwirtschaft spielen eine herausragende Rolle, weil sie […] öffentlichkeitswirksame Kampagnen flächendeckend organisieren können indem sie direkt als Kunden auf vielfältige mediale Art und Weise angesprochen werden.« (Hedtke, 2012: 4) Er spitzt zusammenfassend zu: »Ökonomische Bildung hat also für die Wirtschaftsverbände eine strategische Bedeutung. Aus ihrer Sicht dient sie dazu, den Bürgerinnen mittels ökonomischer Bildung mitzuteilen, »was Sache ist« [Herv. i. O.] und sie dazu zu erziehen, dass sie »dem System« [Herv. i. O.] und »dem Unternehmertum« [Herv. i. O.] vertrauen müssen. Es deutet nichts darauf hin, dass es ihr Anliegen wäre, dass Schülerinnen und Schüler unterschiedliche Erklärungen für die Krise und alternative Politiken zu ihrer Überwindung kennen und kritisch prüfen lernen. Denn dann wären ökonomische Aufklärung und ökonomische Bildung wissenschaftlich, weltanschaulich und politisch kontrovers und ergebnisoffen. Das aber entspricht offensichtlich nicht dem

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Beispielhaft für zumindest eine Lebensferne in Bezug auf viele Schüler*innen und ihrer Familien ist die Erarbeitung einer Teilkompetenz am Beispiel »Kauf eines Hauses« (vgl. Kaminski/Eggert 2008: 30). Fortgeführt kann dieses Beispiel auch dafür dienlich sein, über Unterrichtsbesuche von Versicherungsvertretern und Wertpapierverkäufern in Klasse 9 und 10 zielgerichtet schon früh die späteren Kund*innen kostenfrei werben können (vgl. Hedtke 2012: 13).

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Verbandsinteresse: Der Gemeinschaftsausschuss der deutschen Wirtschaft will ökonomische Mission, nicht ökonomische Bildung.« (Hedtke 2012: 13) Diese Einschätzung muss zur Forderung führen, wirtschaftliche Inhalte in ihrer Komplexität zu vermitteln. Wenn Grundschüler*innen für wirtschaftliche Themen bereit sind, sind sie es auch für eine Auseinandersetzung mit kritischen Fragestellungen oder alternativen Modellen. Wenn also die Inhalte der Schüler*innenfirma betrachtet werden, sollten diese auch unter kritischen inhaltlichen Fragestellungen erfolgen, zumal sie mittlerweile als Teil der ökonomischen Bildung gesehen und ihnen eine erfolgversprechende Rolle im Kontext der Berufsorientierung zugeschrieben wird. Sie dient ebenso der Vermittlung ökonomischer Inhalte und wird in verschiedenen Bildungsplänen als Projekt vorgeschlagen.10 Kritische Fragestellungen wären Fragen zur Bewertung von Wirtschaftskreisläufen, zur Vergütung von Mitarbeiter*innen oder zur Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit der Produktion. Auf die konkrete Initiierung und Mitarbeit innerhalb der Schüler*innenfirma bezogen können Fragen ähnlich sein und ebenso Fragen der Mitspracheund der Mitbestimmungsrechte der Schüler*innen betreffen. Vertiefte, interdisziplinäre Auseinandersetzungen können je nach Klassenstufe und Begleitung der Lehrkräfte vorgenommen werden (vgl. dazu Kap. 3.1). Eine kritische Bewertung von Schüler*innenfirmen erfolgt insbesondere in Bezug auf die methodische Umsetzung: Es wird in Frage gestellt, ob die Umsetzung an Schulen dem Konzept entspricht. Es wird das Fehlen von Evaluationen bemängelt wie auch die Dominanz, die Lehrer*innen in der Begleitung von Schüler*innenfirmen an den Tag legen, oder dass Schüler*innenfirmen als Prestigeprojekte von Ausstattungsmängeln an Schulen ablenken sollen (vgl. Knab 2007; Penning 2018). Zudem beanstandet die Hans-Böckler-Stiftung Mängel an der fachlich-pädagogischen Zuständigkeit und der Qualifikation für den Bereich Berufsorientierung. Diesen kritischen Betrachtungen kann sich in dieser Arbeit angeschlossen werden. Der Mangel an durchgängigen Konzepten zur Schüler*innenfirma, der Mangel an Zuständigkeiten, wer sie wie anbieten und umsetzen kann und die Problematik, dass verschiedene Institutionen oder Unternehmen Einfluss auf schulische Prozesse haben, führt zu verschiedenen Problemstellungen: Einerseits sind konzeptionelle und methodische Unsicherheiten seitens der durchführenden Pädagog*innen vorhanden, andererseits ist eine gewisse Beliebigkeit in der Umsetzung feststellbar.11 Beides führt zu einer fehlen-

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Vgl. u.a. Hans-Böckler-Stiftung, https://www.bildungsplaene-bw.de/,Lde/LS/BP2016BW/ALLG/SEK 1/WBS/PK/04?highlightstring=sch%C3%BClerfirma, Land Brandenburg Berlin, Der sonderpädagogische Förderschwerpunkt »Lernen« im Rahmenlehrplan 1-10 für Berlin und Brandenburg: 49f; Kaminski/Eggert 2008. Den Bedarf an Informationen zur praktischen Umsetzung, zur Ideenfindung oder zu rechtlichen Fragestellungen spiegelt einerseits die umfänglich vorhandene Literatur wider. Es zeigte sich ebenso in der beruflichen Tätigkeit der Autorin in diesem Bereich und in den Weiterbildungsangeboten des Bildungsträgers Business und Bildung e.V. Mannheim. Beratungsangebote zu speziell inhaltlichen und rechtlichen Fragestellungen oder zur Fortführung bestehender Schüler*innenfirmen im Rhein-Neckar-Kreis wurden von Pädagog*innen über Jahre hinweg nachgefragt und angenommen.

1. Schüler*innenfirmen

den Ausschöpfung des methodischen Potenzials oder einer Einflussnahme außerschulischer oder wirtschaftlicher Verbände in ihrem Interesse. Diesen Problemstellungen kann aus sozial- und schulpädagogischer Sicht mit einem ganzheitlichen Konzept Schüler*innenfirma entgegengetreten werden, indem es auf unterschiedliche Zielgruppen mit passenden Inhalten eingeht. Die Schüler*innenfirma ist dafür im Prinzip gut geeignet. Sie eignet sich für die kritische Auseinandersetzung mit komplexen wirtschaftlichen Themenfeldern, sie eignet sich darüber hinaus für Projekte in der Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen und kann Impulse für Inklusion geben. Dies kann zur individuellen Stärkung von Kindern und Jugendlichen beitragen, wie die sozialpädagogische Entwicklungslinie zeigen soll.

Entwicklungslinie 4: Sozial- und sonderpädagogische Projekte Stärkung der Selbstwirksamkeit Ein sozialpädagogischer Zugang oder eine sozialpädagogische Entwicklungslinie der Schüler*innenfirma ist nicht explizit zu finden. Das mag auf den ersten Blick wenig verwundern, wird die Schüler*innenfirma vor allem der ökonomischen Bildung und der Ausbildung zugeschrieben und somit vorrangig mit ökonomischen und berufsvorbereitenden Inhalten verbunden. Eine Ausnahme bilden Produktionsschulen und Jugendhilfebetriebe, die zum Ziel haben, Jugendlichen einen Schulabschluss zu ermöglichen, sie in einem Beruf auszubilden oder beruflich zu integrieren. Dabei werden die Jugendlichen auch von Sozialpädagog*innen begleitet. Diese Angebote werden nach dem Schulabschluss oder nach Abbruch der Schule angeboten (vgl. Hofmann-Lun, 2007; Lex/Schaub 2004; Lex 2001). Doch auf den zweiten Blick können auch jene schulischen Reformbewegungen und Ursprünge der Sozialpädagogik als Vorläufer eines sozialpädagogischen Zugangs des Konzepts Schüler*innenfirma gesehen werden. So weist das Bürgerschulkonzept Scheiberts und der aus diesem pädagogischen Bereich entstammende Begriff »Arbeitsschule« eine Verwandtschaft zur Sozialpädagogik auf. »Scheibert begriff die Schule nicht als Ort der Wissensanhäufung, sondern vielmehr als Ort sozialer Erziehung, als einen sozialpädagogischen Ort! Hervorzuheben ist, dass Schule als sozialpädagogischer Ort nur dann gelingen kann, wenn sowohl Lehrmethoden wie Lernprozesse als auch innere wie äußere Organisation der Schule nach dem Prinzip aktiver Teilhabe und Teilnahme gestaltet sind. Für die sozialpädagogische Theorienarchäologie folgt daraus: An Scheibert lässt sich nachweisen, dass das Konzept der Arbeitsschule nicht ausschließlich mit dem Etikett »Reformpädagogik« [Herv. i. O.] belegt werden kann, sondern dass vielmehr das Konzept »Arbeitsschule« [Herv. i. O.] als ein sozialpädagogisches Unternehmen gestartet ist.« (Müller 2005: 64) Die Auffassung, dass Lernen nicht nur innerhalb der Schule stattfinden kann, sondern mit den Interessen und Bedürfnissen – dem Leben – der Lernenden zu tun haben muss, ist auch bei Vertreter*innen der Sozialen Arbeit erkannt und umgesetzt worden. Es zeigt Verschränkungen von schulischer und außerschulischer und/oder sozialer Bildung. Jane Addams bot in dem von ihr mitgegründeten Hull House in Chicago einen Ort der Selbsthilfe, der Nachbarschaftshilfe und auch der (Erwachsenen)Bildung und Kinderbetreuung. Ihre Unterstützung richtete sich nach den Bedürfnissen

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der Einwohner*innen (vgl. Braches-Chyrek 2013: 144f.). Als Vertreterin der SettlementBewegung versuchte sie mit dieser sozialreformerische Bewegung den katastrophalen sozialen Folgen durch insbesondere Industrialisierung und Migration Ende des 19. Jahrhunderts entgegenzuwirken. Sie verstand Bildung, ebenso wie Dewey, als notwendig, um politische Reformen umzusetzen und Demokratie als die politische Form, die mit der »Implementierung ethischer Grundsätze« (vgl. Braches-Chyrek 2013: 144) bestehende Ungerechtigkeiten beseitigen kann. »Possilby education in a democracy must in the end depend upon action, for raw theory cannot be applied to life without grave results.« (Addams 1930: 413 in Braches-Cyrek: 144) Erziehung und Handeln im Leben ist miteinander verbunden. Diese Auffassung verbindet Addams mit Deweys pädagogischen und auch demokratischen Verständnis. Beide arbeiteten eng zusammen. Dewey erprobte sein pädagogisches Konzept »learning by doing« mit Kindern des Hull House’ (vgl. ebd.: 151). Es ist hier keine direkte Verbindungslinie zur Entwicklung von Schüler*innenfirmen abzuleiten. Doch die enge Verbindung von Bildung durch Soziale Arbeit und Bildung in der Schule, die Überzeugung Deweys und Addams, dass Lernen etwas mit dem Leben und auch mit praktischem Tun zu tun haben sollte, ist für die Aufgaben, die Soziale Arbeit übernehmen soll, von Bedeutung. Dewey setzte sein pädagogisches Konzept in der Laborschule um, Addams ihr Konzept Sozialer Arbeit im Hull House. Die Chancen, die Soziale Arbeit heute in Produktionsschulen und Jugendhilfebetrieben sieht, ist die Möglichkeit, neben fachlichen Inhalten auch soziale und kommunikative Kompetenzen entwickeln zu können. Und mit praktischen, handlungsorientierten Methoden, Fähigkeiten der Jugendlichen zu entdecken und zu stärken. Dadurch können Jugendliche jene Potenziale entwickeln, die berufliche Orientierung erst ermöglicht. Schüler*innenfirmen werden vereinzelt auch durch die Schulsozialarbeit an Schulen begleitet. Finden sich die Schüler*innenfirmen an Sonderschulen, Werkrealschulen/Mittelschulen oder Hauptschulen, dann geht es meist stark vorrangig um soziale Kompetenzen. Manche Angebote durch Schüler*innenfirmen werden zum festen Bestand im schulischen Alltag.12 Die eigene langjährige berufliche Erfahrung in der Arbeit mit der Initiierung und Begleitung von Schüler*innenfirmen und der Durchführung von Schüler*innenfirmenwettbewerben, verdeutlicht verschiedene Aspekte: Zum einen bestehen wenig Kenntnisse oder Interesse über das Konzept der Schüler*innenfirma an sich und deren Möglichkeiten darüber hinausgehend. Weder auf Seiten der Lehrkräfte noch auf Seiten der Sozialen Arbeit. Das zeigten die Nachfragen zu inhaltlichen Fortbildungen (wie beispielsweise zum Aufbau einer Schüler*innenfirma oder zu rechtlichen Aspekten), das zeigten ebenso Beratungen zu bereits bestehender Schüler*innenfirmen. Zum anderen sind es insbesondere die Lehrkräfte, die eine Schüler*innenfirma umsetzen. Zwar gibt es auch vereinzelt Schulsozialarbeiter*innen, die an Schulen beispielsweise ein Schülercafé oder eine Fahrradwerkstatt begleiten und darüber versuchen, verschiedene Fähigkeiten und Kompetenzen zu stärken. Aber die Chance, dieses Format als eines für 12

Vereinzelte Schülerfirmen, die von Seiten der Schulsozialarbeit begleitet werden, lassen sich im Internet finden. Beispielsweise: https://www.schule-storkow.de/index.php/schuelerfirma, https:// www.kgsdm.de/index.php/tisa-s-schuelercafe.

1. Schüler*innenfirmen

die Profession der Soziale Arbeit auszubauen, wird offensichtlich nicht genutzt. Dies scheint bemerkenswert, denn es hat über die Vermittlung sozialer und ökonomischer Kenntnisse hinaus viele Potenziale, die in dieser Arbeit herausgearbeitet werden sollen. So können mithilfe der Schüler*innenfirma, wie auch mit dem kleineren Format des Schüler*innenfirmenwettbewerbs Aufgaben, die originär der Sozialen Arbeit zugeordnet werden, gemeinsam mit den Adressat*innen zum Thema gemacht werden.

1.1.2

Begriffsklärungen

Bevor auf die pädagogischen und inhaltlichen Ziele der Schüler*innenfirma eingegangen wird, sollen verschiedene Begriffe und Ansätze beschrieben werden. Die zum Teil sehr unterschiedlichen Entwicklungslinien erklären die nahezu unübersichtliche Zahl von Praxisanleitungen, Beschreibungen oder Arbeitsvorlagen und unterschiedliche Formen der praktischen Umsetzung. Dennoch lassen sich verschiedene Konzepte und Begriffe unterscheiden, die sich zwar teilweise von der Schüler*innenfirma unterscheiden, dennoch grundlegende Schnittstellen haben. Deshalb kann leicht eine begriffliche Verwechslung eintreten. Insgesamt gibt es bundesweit viele Angebote, die unter dem Begriff »Schülerinnen*firma« subsumiert werden. Jedoch fallen darunter unterschiedliche Angebote mit den je unterschiedlichen Ausformungen und Zielrichtungen, die entsprechend mit verschiedenen Begriffen benannt werden. Um hier eine Klarheit zu verschaffen, werden im Folgenden die verschiedenen Angebote beschrieben: Schüler*innen-, Junioren-, Übungsfirma, Jugendhilfebetriebe, Produktionsschulen und Schüler*innenfirmenwettbewerb. Unterschiedlich rechtliche Formen, die Schüler*innenfirmen annehmen können, konkretisieren die Ausübungsform. Dazu zählen beispielsweise Schüler*innengenossenschaften oder Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHs). Schüler*innenfirma/Schüler*innenunternehmen/Schüler*innenbetrieb Der gängigste und wohl bekannteste Begriff ist der der Schüler*innenfirma. Der Begriff ist das umgangssprachliche Pendant zum Begriff »Firma«. Aber eigentlich ist, wenn von einer Firma gesprochen wird, im engeren, rechtlichen Sinn nur der Name eines Unternehmens gemeint. Korrekterweise sollte der Begriff Unternehmen verwendet werden, da eben nur dieser Begriff die eigentliche Form beschreibt. Im Wirtschaftsrecht werden nochmals Einheiten unterschieden: Der Betrieb als technisch-organisatorische und das Unternehmen als rechtliche Einheit. Deshalb kursieren auch die Begriffe Schülerfirma, Schülerunternehmen und Schülerbetrieb (vgl. de Haan et al. 2005).13 Was genau aber 13

Die Handreichung zu rechtlichen Fragen bezüglich Schüler*innenfirmen empfiehlt explizit auf die Bezeichnung »Firma« zu verzichten, sie sei juristisch missverständlich. Im Handelsrecht ist eine Firma Name eines Vollkaufmanns, der unter seiner Firma Geschäfte betreiben kann. Um jegliche Missverständnisse zu vermeiden wird empfohlen, den Begriff »Schüler-Betrieb« zu wählen (vgl. de Haan et.al. (Hg.) 2005: 32f.). Darüber hinaus sollten auch die Namen der Schülerbetriebe keine Abkürzungen einer Rechtsform/Kapitalgesellschaft enthalten, wie z.B. Pausen-Cafe GmbH (vgl. ebd.: 34). Da sich der Begriff Schülerfirma, hier Schüler*innenfirma, etabliert hat, wird dieser dennoch beibehalten.

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ist damit gemeint? Zählt dazu jedes Projekt, bei dem etwas geplant, gemacht und verkauft wird, wie zum Beispiel ein Weihnachtsmarkt mit selbst hergestellten Produkten an der Schule? Inhalt: Schüler*innen entwickeln eine Geschäftsidee und setzen diese um. Sie bieten Dienstleistungen oder Produkte an und verkaufen sie. Im Gegensatz zu einem realen Unternehmen sind Schüler*innenfirmen an die Schulen angebunden, es sind pädagogisch betreute Angebote. Die Schüler*innen dürfen zwar Geld verdienen, aber ihre Schüler*innenfirma darf nicht in Konkurrenz mit den Unternehmen der Umgebung treten. Die Schüler*innen übernehmen zwar Verantwortung für den Inhalt, den Ablauf und die Gestaltung, aber die Schule begleitet die Schüler*innenfirma und bietet einen geschützten Rahmen (vgl. Deutsche Kinder- und Jugendstiftung (Hg.) o.J.: 11; Kaminski (Hg.) 2011: 4). An Schulen ist dabei das JUNIOR Programm bekannt, das durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert und vom Institut für Deutsche Wirtschaft durchgeführt wird. Es bietet unterschiedliche Angebote für Schüler*innenfirmen an: Von der Beratung und Begleitung von Schüler*innenfirmen, Initiierung von Messen oder mittlerweile auch Angeboten für Grundschulen bis hin zu Wettbewerben um die beste Geschäftsidee (auf Landes- und Bundesebene wie auch europaweit). Auch die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung bietet Unterstützung für Schüler*innenfirmen an oder prämiert beste Schüler*innenfirmen (https://www.fac hnetzwerk.net/news-leser-fns/klasse-unternehmen-die-besten-schuelerfirmen-201718-stehen-fest.html). Das Ziel der JUNIOR Programme ist, Jugendlichen das Thema Wirtschaft näher zu bringen (https://www.junior-programme.de/de/ueber-uns/). Ziel: Im Wesentlichen können zwei Richtungen der Zielsetzung unterschieden werden: Zum einen geht es um die Vermittlung ökonomischer Kompetenzen. Über die Erfahrungen, die in einer Schüler*innenfirma gemacht werden, können ökonomische Inhalte erlebbar und erfahrbar gemacht werden. Die Schüler*innenfirma funktioniert wie ein reales Unternehmen. Dadurch setzten sich die Schüler*innen mit den Themen der Wirtschaft auseinander, die für die Initiierung oder Fortführung einer Schüler*innenfirma von Bedeutung sind. Wie die Frage welches Produkt oder welche Dienstleistung angeboten werden kann, ob es dafür einen Markt gibt, wie es bekannt gemacht und wie hoch der Preis sein kann oder grundsätzlich wie die Firma organisiert werden will. Zahlreiche Handreichungen, Beratungsangebote oder Netzwerke bieten Unterstützung in Form von Lehrmaterialien oder Beratungen sowohl für Lehrer*innen als auch für Schüler*innen an, um beide Seiten beim Prozess der Umsetzung einer Schüler*innenfirma methodisch und inhaltlich zu unterstützen oder zu begleiten.14 Die zweite Zielsetzung richtet sich auf die Entwicklung persönlicher und sozialer Kompetenzen. In einer Schüler*innenfirma können eigene Stärken und Interessen forciert und in einem Team eingebracht werden. Vorab können Schüler*innen und auch

14

Beispielsweise: Arbeitsheft Praxis Schülerfirma, https://www.unternehmergeist-macht-schule. de/DE/HilfenundTipps/Projektarten/Schuelerfirma/Umsetzung/umsetzung_node.html, https://ww w.nasch-community.de/wws/begleitmaterial-nasch-community.php?, http://nachhaltige-schuelerf irmen.de, https://www.junior-programme.de/index.php?id=327, https://www.theo-prax.de/projekt e/schuelerfirmen.html, https://www.gruendung-bw.de/themen/schule-und-selbstaendigkeit/.

1. Schüler*innenfirmen

die begleitenden Mentor*innen mitentscheiden, welche*r Schüler*in für welche Aufgaben am besten geeignet ist. Wer ist besonders kreativ, kommunikativ, kann organisieren oder rechnen? Dabei können bekannte Stärken genutzt und bislang unbekannte Fähigkeiten erkannt werden (vgl. Hofmann-Lun 2007: 9f.). Der Kompetenzerwerb dient nicht zuletzt dazu, den Einstieg in die Erwerbstätigkeit zu erleichtern und die Entscheidung für einen Beruf, einen Berufsweg zu klären (vgl. de Haan et.al. 2005: 9). Methode: Eine Schüler*innenfirma wird an der Schule gegründet und von Mentor*innen der Schule oder Kooperationspartnern der Schule begleitet. Das können Lehrer*innen oder Sozialpädagog*innen sein, aber eben auch Pädagog*innen oder andere Fachkräfte von außerschulischen Einrichtungen. Dabei soll eine Schüler*innenfirma wie ein reales Unternehmen funktionieren. Die Umsetzung kann im regulären oder im Projektunterricht erfolgen oder auch als freiwillige Arbeitsgemeinschaft (AG). Wichtig ist, dass die einzelnen Schritte – von der Firmenidee bis zur Umsetzung – begleitet werden. Die Ansprechpartner*innen an der Schule sollten sich dabei zunehmend zurückziehen und die Verantwortung für die Schüler*innenfirma den teilnehmenden Schüler*innen überlassen. Die einzelnen Schritte sind: Sensibilisierung und Motivation, Potenzialanalyse, praxisorientierte Qualifizierung und unternehmerisches Handeln (aus einem Vortrag, Didacta, 16.03.10, Petra Weininger, Projektleiterin im Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg: ifex – Schule und Selbständigkeit). Die Schüler*innen werden während des Prozesses zu eigenständigem Handeln angeregt und angehalten; das ist die Rolle der Mentor*innen, sie treffen Entscheidungen, erarbeiten und erledigen die verschiedenen Aufgaben in unterschiedlichen Positionen. Dafür müssen vorab und währenddessen ständig Entscheidungen getroffen werden: Angefangen bei der Rechtsform (wird eine Schüler*innenfirma genossenschaftlich oder hierarchisch geführt), weiter mit der Frage, woher das Startkapital kommt, wie produziert wird bis hin zur Frage, was mit dem Gewinn passieren wird. All diese Fragen können je nach Zielgruppe eher vereinfacht oder sehr vertieft bearbeitet werden.15 Lernfirma: Lernbüro und Übungsfirma In der kaufmännischen Ausbildung wird der Überbegriff »Lernfirma« genutzt, um drei unterschiedliche Ansätze zusammenzufassen: Das Lernbüro, die Übungsfirma (die kaufmännischen Übungsfirmen wurden früher Scheinfirmen genannt, vgl. Fix 1989: 22) oder die Juniorenfirma. Beim Lernbüro sind sowohl Außenkontakte, Waren wie auch Geldströme fiktiv. Lediglich der Ort gleicht dem eines Großraumbüros. Bei der Übungsfirma sind die Geldströme und Waren auch fiktiv, jedoch die Außenkontakte real: sie werden von anderen Übungsfirmen übernommen. Diese Form des simulierten Lernens hat in der kaufmännischen Ausbildung eine lange Tradition (siehe oben). Übungsfirmen haben dabei die Möglichkeit, sich an Zentralstellen im Internet anzumelden und können dort einerseits mit anderen Übungsfirmen Kontakt aufnehmen und andererseits Aufgaben tätigen, die in der realen Wirtschaft eine Rolle spielen, wie Bankgeschäfte, Anmeldungen bei der Krankenkasse, Kontakte mit der Agentur

15

Zu Rechtsfragen beispielsweise: de Haan/Ruf/Eyerer (Hrsg) 2005; Landeshauptstadt Hannover, Der Oberbürgermeister Agenda 21 und Nachhaltigkeitsbüro (Hg.) 2016.

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

für Arbeit etc. Entsprechende Angebote gibt es auch als Zusammenschluss europäischer Länder, so dass die Schüler*innen auch die Möglichkeit haben, internationale Erfahrungen zu sammeln. Die Übungsfirma wird als spezifisch kaufmännische Simulationsmethode bezeichnet (vgl. Wilbers 2014: 584ff.). Sie sind rein virtuelle Firmen, die betriebswirtschaftliche Abläufe simulieren. Diese Methode wird hauptsächlich in der Ausbildung kaufmännischer Berufe angewendet, wird aber auch an Schulen, z.B. Wirtschaftsgymnasien, in Form von Unternehmensspielen genutzt. Inhalt: Die Übungsfirmen können alle wesentlichen Abläufe, die für das Funktionieren und das wirtschaftliche Überleben einer Firma notwendig sind, simulieren. An allen Stellen übernehmen Auszubildende oder Schüler*innen in verschiedenen Abteilungen die entsprechenden Aufgaben. Ziel: Das Ziel ist die Übersetzung der Theorie in die Praxis. Die Auszubildenden und Schüler*innen sollen auf die Praxis vorbereitet werden, indem sie praktische Erfahrungen sammeln. Ihre Chancen, nach der Ausbildung eine Arbeitsstelle zu erhalten, soll damit erhöht werden. Methode: Übungsfirmen funktionieren wie reale Unternehmen, die in einem fiktiven Wirtschaftskreislauf agieren. Sie sollen die Wirtschaft abbilden. Die Auszubildenden und Schüler*innen übernehmen mithilfe der Übungsfirmen fiktiv reelle Aufgaben und lernen, das theoretisch erworbene Wissen praktisch umzusetzen: telefonieren, Rechnungen oder Mahnungen schreiben, Bestellungen aufgeben, Lohnabrechnungen erstellen (vgl.: https://www.die-zentralstelle.de; https://www.uebungsfirmen.de). Der Unterschied zu den Juniorenunternehmen liegt im Realitätsgrad des Unternehmens. Ist bei der Übungsfirma alles fiktiv, ergibt sich daraus der Vorteil, dass keine tatsächlichen ökonomischen Risiken eingegangen werden können: die Schüler*innen können sich deshalb an große und riskante Unterfangen wagen. Auch können Abläufe von Großbetrieben simuliert und darüber gelernt werden, sich darin zu bewegen. Jedoch wird teilweise vorgeschlagen, auch in Übungsfirmen reelle Ergebnisse zu erzielen (vgl. Fix 1989: 23). Lernfirma: Juniorenfirma/Juniorenunternehmen Das Konzept der Schüler*innenfirma gibt es auch im Bereich der Berufsausbildung. In Ausbildungsbetrieben können Azubis Juniorenfirmen gründen. Diese Form des Lernens gibt es schon seit dem Ende des 18. Jahrhunderts. Damals wurde erstmalig die Existenz eines selbstgesteuerten Ausbildungsbetriebs einer Übungsfirma schriftlich festgehalten, Ende des 19. Jahrhunderts gab es Schülerwerkstätten, der Stadtschulrat Kerschensteiner entwarf das Konzept der Arbeitsschule (als Gegenentwurf zur Lernschule); in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts hatte sich der Begriff der Produktionsschulen durchgesetzt. 1975 wurde das erste Übungsunternehmen in der Zahnradfabrik Friedrichshafen gegründet (vgl. Hofmann-Lun (Hg.) 2007: 5ff.). Inhalt: Die spezifischen Inhalte der Ausbildung werden mit einer Juniorenfirma praktisch umgesetzt. Ursprünglich entwickelte sich diese Idee durch die Lehrlinge selbst, die mit selbst hergestellten Dingen ihr Ausbildungsgehalt aufbesserten. Die Juniorenfirmen sind rechtlich nicht selbstständig, auch sie befinden sich in einem ge-

1. Schüler*innenfirmen

schützten Rahmen der Ausbildungsstelle. Die Inhalte der Ausbildung sollen praktisch umgesetzt und somit gelernt werden. Ziel: Die Ziele können, auch bei der Juniorenfirma, in zwei Hauptrichtungen unterteilt werden. Einerseits soll die Fachkompetenz erweitert werden. Verschiedene Aspekte der Unternehmensführung, wie unternehmerisches Handeln oder Kundenorientierung werden vermittelt. Über die Vermittlung ökonomischer Inhalte werden die Auszubildenden in die Lage versetzt, auf sich ändernde wirtschaftliche Verhältnisse zu reagieren. Zum andern soll Methodenkompetenz erlangt werden, dazu zählen Präsentationstechnik aber auch Problemlösungskompetenz (vgl. http://methodenpool.un i-koeln.de/junior/frameset_junior.html). Kutt unterscheidet zwischen drei Zielen, die durch eine Juniorenfirma erreicht werden können: Die Reduzierung von Ausbildungskosten für das Unternehmen (ökonomisches Ziel), die Setzung neuer Impulse (innovatives Ziel) und die Entwicklung von Kompetenzen der Auszubildenden (didaktisches Ziel) (vgl. Wilbers 2014: 591). Methode: Ursprünglich als ergänzende Methode in der kaufmännischen Ausbildung eingesetzt, wird die Methode der Juniorenfirma heute in vielen Bereichen eingesetzt. Sie funktioniert grundsätzlich wie eine Schüler*innenfirma, als kleine Firma in der großen, dem Ausbildungsunternehmen. Nur: Die Entwicklung der Geschäftsidee muss zur Ausbildung passen, da über die Juniorenfirma ausbildungsspezifische Inhalte vermittelt werden sollen. Wie bei einer Schüler*innenfirma auch, kann es sein, dass die Auszubildenden eine bestehende Juniorenfirma übernehmen und von den »alten« Auszubildenden eingeführt werden (was für jene eine weitere Kompetenzerweiterung ermöglicht) oder dass eine neue Firma gegründet wird. Eine Variante der Juniorenfirma ist die Übernahme der Firma durch die Auszubildenden, wie es beispielsweise die Drogeriekette »dm« praktiziert. In Lehrlingsfilialen übernehmen zeitlich befristet Auszubildende die Verantwortung für den geschäftlichen Ablauf der Filiale (vgl. ebd.). Produktionsschule Die Ursprünge der Schüler*innenfirma finden sich in den Produktionsschulen der Arbeitsschule in den 1920ern. Der Begriff der Produktionsschule wird heute wieder im Bereich der außerbetrieblichen Ausbildung und der schulischen Berufsvorbereitung verwendet. Zielgruppe der Produktionsschulen sind Jugendliche und junge Erwachsene (14-25 Jahre), die freiwillig in die Produktionsschule gehen. Die Dauer richtet sich nach dem Unterstützungs- und Förderbedarf. In der Regel dauert die Produktionsschule ein Jahr, kann sich aber auch auf einige Monate beschränken. Die Produktionsschule findet als Berufsvorbereitungsjahr (BVJ) statt oder ermöglicht die Absolvierung einer Ausbildung. Wird in der Produktionsschule noch der Hauptschulabschluss oder eine Ausbildung abgeschlossen, dauert die Maßnahme bis zu dreieinhalb Jahre. Die Zielgruppe ist damit sehr heterogen. Gemeinsam ist den Teilnehmer*innen, dass sie vom herkömmlichen Schulsystem nicht mehr erreicht werden können (vgl. Hofmann-Lun 2007: 37f.). Inhalt: Das Berufsvorbereitungsjahr als Produktionsschule zu gestalten hat – wie eben das Berufsvorbereitungsjahr an sich – die Vermittlung jener Kompetenzen zum

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

Inhalt, die zur Absolvierung einer Berufsausbildung notwendig sind. Damit finden sich im BVJ all jene Schüler*innen wieder, die die allgemeinbildende Schule schlecht oder gar nicht abgeschlossen haben.16 Die schulische Form der Vermittlung erschwert eine Förderung der Jugendlichen, denn ihre Erfahrungen mit Schule sind negativer Art. Das BVJ wird als Warteschleife wahrgenommen. »In der Berufsvorbereitung wird versucht, schulische Defizite durch die Verlängerung jener Methoden aufzufangen, die die Ursache des Übels sind.« (Rauner 2006 in Hofman-Lun 2007: 20). Diese Erkenntnis ist Schlüssel für eine Veränderung der methodischen Vorgehensweise im BVJ: Mithilfe der Produktionsschulen wird der schulische Charakter durch einen ernsthaften ersetzt. Die Schüler*innen sollen sich selbst mit ihren Ideen in der Praxis erproben. Die Ausstattung in den Berufsvorbereitungsschulen spielt der Methode der Produktionsschule zu: Oftmals sind Werkstätten oder Lehrküchen vorhanden, in denen die Schüler*innen alles vorfinden, was sie für die Umsetzung einer Geschäftsidee benötigen. Dabei geht es um eine realitätsnahe Produktion, bei der die Auswirkung des eigenen Handelns und die Sinnhaftigkeit des Lernens im Vordergrund steht (vgl. Hofmann-Lun 2007: 20f.). Nicht aber die Umsetzung einer eigenen Geschäftsidee. Ziele: Im Wesentlichen geht es in Produktionsschulen um die Vermittlung von Schlüsselkompetenzen sowie beruflicher Handlungskompetenzen. Zudem soll die Möglichkeit bestehen, einen Schulabschluss nachzuholen. Die Entwicklung beruflicher Perspektiven steht im Vordergrund, weshalb die Theorie – Praxis Verbindung eine herausragende Rolle spielt. Die Produktion sollte Bezug haben zu einer bestimmten Ausbildung, Praktika in entsprechenden Betrieben sollen die Möglichkeit, einen Ausbildungsplatz zu erhalten (trotz fehlendem oder schlechtem Schulabschluss), erhöhen (vgl. ebd.: 23). Methode: Die Produktionsschule unterscheidet sich in einem grundlegenden Aspekt von den anderen Angeboten: dem der Freiwilligkeit. Auch wenn in Schule und Ausbildung die Teilnahme am Projekt Schüler*innenfirma nicht immer freiwillig ist, so ist – zumindest im Bereich der Ausbildung – die Wahl, dort zu sein, eine freiwillige. Im Berufsvorbereitungsjahr wird die Berufsschulpflicht abgedeckt. Es nehmen diejenigen Schüler*innen teil, die keinen regulären Ausbildungsplatz gefunden haben. Sie bringen entsprechende Vorerfahrungen und Voraussetzungen mit, die diese Situation mitbegründet haben wie schulische Misserfolgserlebnisse, Schulverweigerung oder Sprachschwierigkeiten. In Produktionsschulen wird deshalb versucht, über die Produktion von Waren einen Praxisbezug herzustellen und mit dazu nötigem Wissen zu verknüpfen, so dass Lernen für Schüler*innen einen sichtbaren und erlebbaren Sinn macht. Tatsächlich können die Schüler*innen ihre Produkte auf einem realen Markt verkaufen. Absprachen oder Kooperationen mit Unternehmen vor Ort werden dann notwendig. Sinnvoll sind sie allemal – und bestehen oftmals schon – um Kontakte zu knüpfen und praktische Einblicke zu ermöglichen. Andere Varianten für den Vertrieb von Produkten und Dienstleistungen ist das Herstellen von »Nischenprodukten« wie die Restauration von Möbeln, die

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Zur Vertiefung: Bewältigungsstrategien Jugendlicher im BVJ aus sozialpädagogischer Perspektive: Rahn 2005.

1. Schüler*innenfirmen

Produktion für den Schulbedarf oder die Pausenverpflegung. Die Schüler*innen erleben direkt verschiedene ökonomische und betriebswirtschaftliche Inhalte: Die Bedeutung von Werbung, Zuverlässigkeit, Kundenorientierung, Preiskalkulation und ähnliches (vgl. Hofmann-Lun (Hg.) 2007: 19-27 und 37-47). Jugendhilfebetriebe Für sozial benachteiligte Jugendliche, für Jugendliche mit Förderbedarf, ohne Ausbildungsplatz besteht die Möglichkeit, eine Ausbildung in einem Jugendhilfebetrieb zu absolvieren. Um die Nachteile einer außerbetrieblichen Ausbildung zu minimieren, wird versucht, unter möglichst reellen Bedingungen auszubilden (vgl. Hofmann-Lun (Hg.) 2007: 31). Inhalt: Die Inhalte in einem Jugendhilfebetrieb richten sich nach den Arbeitsbereichen, in denen eine Ausbildung erfolgen kann. Im Rahmen einer außerschulischen Ausbildung werden möglichst realitätsnahe Ausbildungsstätten entwickelt, die auf einem qualitativ hohen Standard angelegt sein müssen. Eine Kooperation mit Unternehmen vor Ort ermöglicht fachliche Hilfestellungen und vermeidet eine mögliche Konkurrenz. In Jugendhilfebetrieben werden oft zwei Ausbildungsbetriebe zusammengelegt, z.B. Holz- und Metallverarbeitung, Hotel- und Gastgewerbe (vgl. ebd.). Ziel: Unter realitätsnahen Bedingungen werden die Auszubildenden zu selbstständigen Handeln ermutigt. Sie sollen jene Kompetenzen erlangen und ausbauen, die für die Ausbildung und die spätere Berufstätigkeit von Bedeutung sind. So z.B. die Fähigkeit zu kooperativen Verhalten. Ein Praktikum in einem »richtigen« Unternehmen wird immer angestrebt. Methode: Mit qualifizierten und pädagogischen Fachkräften sollen die Jugendlichen ihren Beruf erlernen können. Unter reellen Bedingungen, mit pädagogischer Unterstützung. Den Jungendhilfebetrieben ist es wichtig, dass sie ein Unternehmen darstellen, das sich marktwirtschaftlichen Bedingungen stellt, um den Auszubildenden zwar einen geschützten Rahmen zu bieten, ihnen aber dennoch das Gefühl zu vermitteln, in einem »richtigen« Unternehmen zu bestehen und Rückmeldungen von »echten« Kunden zu erhalten (vgl. ebd.: 29-35). Schüler*innenfirmenwettbewerb: klassische Umsetzung und neues Handlungskonzept: »kleinUnternehmen« Neben den umfänglichen Angeboten, die längerfristig angelegt sind, gibt es auch das Format des Wettbewerbs um die beste Firmenidee. Die Wettbewerbe können als eigenes Projekt beispielsweise an der Schule oder auf Schüler*innenfirmenmessen stattfinden. Bestehende Schüler*innenfirmen können daran teilnehmen und miteinander in Wettbewerb treten oder Gruppen treten mit ihrer Geschäftsidee an. Die besten Schüler*innenfirmen werden ausgezeichnet (beispielsweise in Bremen 2019 oder auf der internationale Schüler*innenfirmenmesse in Berlin 2019). Das in dieser Arbeit vorgestellte ganzheitliche Konzept basiert auf einer Weiterentwicklung bestehender Konzepte des Bildungsträgers und wurde in dessen Auftrag an vielen Schulen erprobt. Die genaue Beschreibung der Ziele, Inhalte und Methoden erfolgt im dritten Teil dieser Arbeit, wie auch das daraus abgeleitete Forschungsvorhaben.

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

Weiterentwickelt wurde das Konzept methodisch und inhaltlich durch verschiedene Aspekte, die der Zielgruppe besser entsprechen und sie stärker partizipieren lassen. Der Schüler*innenfirmenwettbewerb findet in Kooperation mit den Schulen statt, ist aber nicht an schulische Inhalte gebunden. Er wird als ergänzendes Projekt meist über mehrere Wochen durch den außerschulischen Bildungsträger durchgeführt. Die Lehrkräfte nehmen eine unterstützende Rolle ein und halten sich bei der Durchführung zurück. Auf aktuelle Schulsituationen oder Themen- oder Fragestellungen kann eingegangen werden, diese werden im Vorfeld abgesprochen. Inhalt: Das im dritten Teil vorgestellte und evaluierte Projekt »kleinUnternehmen« so der Name unter dem das Projekt an Grundschulen angeboten wurde, ist quasi eine verkürzte Version einer Schüler*innenfirma. Dabei entwickeln Schüler*innen eine Geschäftsidee, gründen eine Firma und setzten ihre Idee an einem Tag praktisch um. Der Tag der praktischen Umsetzung ist als Wettbewerb gestaltet. Dieser Wettbewerb unterscheidet sich jedoch grundlegend von Wettbewerben, wie sie auf benannten Messen stattfinden. Die Geschäftsidee soll so gehalten sein, dass sie die Kinder aus eigener Kraft umsetzten können. Deshalb können sie diese Ideen als kleine Firmen einmalig umsetzen. Der Wettbewerb läuft insbesondere praktisch und nicht nur inhaltlich ab: Bewertet wird nicht die theoretische Präsentation einer Geschäftsidee, sondern die Geschäftsidee, die praktische Umsetzung und der gesamte Eindruck der Firma (das Miteinander, die Arbeitsaufteilung etc.). Das Projekt »kleinUnternehmen« richtet sich als (sozial)pädagogisches Projekt an Grundschüler*innen der 3. und 4. Klassen, wobei auch ähnliche Angebote für ältere Schüler*innen durchgeführt werden (https://www.busine ssundbildung.de/index.php?id=business-kids). Auch das JUNIOR Programm initiiert Wettbewerbe. Schüler*innenfirmen melden sich an und treten gegeneinander mit der Präsentation ihrer Geschäftsidee an. Diese Wettbewerbe finden auf Landes- und Bundesebene wie auch europaweit statt. Auch die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung prämiert beste Schüler*innenfirmen oder auch Gründerkids, als Mitglied des Fachnetzwerks Schüler*innenfirmen der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung.17 Das Projekt »kleinUnternehmen« entwickelt aus den Stärken und Interessen der Schüler*innen Geschäftsideen, mit dem Ziel und der Aufgabe, dass diese Idee an einem Tag umsetzbar ist. Die vorab festgelegte Projektzeit muss für die Vorbereitungen reichen. Die Präsentationen werden von einer außerschulischen Jury bewertet, die auch die Gewinner festgelegt. Ziel: Die Ziele haben unterschiedliche Schwerpunkte: Zielen die Initiativen des JUNIOR Programms und DKJS mehr auf die Vermittlung von wirtschaftlichen Inhalten und die Stärkung von im betriebswirtschaftlichen Sinne guten Schüler*innenfirmen, zielt das Projekt »kleinUnternehmen« vor allem auf die individuelle Stärkung der Schüler*innen und eine Verbesserung der sozialen und fachlichen Kompetenzen. Die Vermittlung ökonomischer Inhalte sind Mittel zum Ziel der Steigerung von Selbstwirk-

17

https://www.fachnetzwerk.net/news-leser-fns/klasse-unternehmen-die-besten-schuelerfirmen-20 17-18-stehen-fest.html; https://www.gruenderkids.de/de/suche-ergebnisseite/bundes-schuelerfirm en-contest-abstimmen-fuer-die-schuelerfirma-kraftquelle.html

1. Schüler*innenfirmen

samkeitserwartung und Kompetenzen. Wobei die Förderung von sozialen Kompetenzen und von Selbstständigkeit bei allen Trägern formuliertes Ziel ist. Methode: Die Wettbewerbe der großen Träger bewerten die Schüler*innenfirmen, die sich einer Öffentlichkeit präsentieren, anhand ihrer Geschäftsidee, des Businessplans und der Präsentation derselben. Die Präsentationen werden auch beim Projekt »kleinUnternehmen« bewertet, allerdings die Präsentationen des praktischen Tuns am Ort, am Stand ihres Angebotes. Dabei bewertet die Jury das Auftreten der Schüler*innen, ihren Umgang mit den Kund*innen, die Gestaltung ihres Stands und die ihrer Produkte oder Dienstleistungen. Im Gespräch bewertet die Jury ebenso, wie die Schüler*innen ihre Geschäftsidee, ihre Aufgaben erklären können. Dieser Wettbewerb, der oft als Aktionstag an den Schulen umgesetzt wird, bildet den Abschluss des Projekts. Dieser Abschluss bildet gleichzeitig den Höhepunkt eines Projekts, innerhalb dessen in mehreren aufeinander aufbauenden Modulen Stärken und Fähigkeiten herausgearbeitet, Geschäftsideen entwickelt, spielerisch unternehmerische Themen und Fragen erarbeitet und die Umsetzung geplant worden sind. Die Umsetzung erfolgt immer nach den Möglichkeiten und Interessen der Schüler*innen, wobei sich die Inhalte zugleich an zentrale Aspekte richten, die zur Gründung einer Schüler*innenfirma notwendig sind (vgl. Profi-Wirtschaft Bildung Integration (Hg.) 2011). Mögliche Rechtsform: Schüler*innenfirma als Genossenschaft Eine Schüler*innenfirma kann in unterschiedlichen rechtlichen Konstellationen umgesetzt werden. Dennoch bleibt sie in der Regel ein Projekt an der Schule und die Rechtsform, die sich eine Schüler*innenfirma gibt, dient als Übungsfeld. Rechtliche Konsequenzen im Hinblick auf den Versicherungsschutz sowie auf steuerliche Fragen bezüglich der Einnahmen und rechtlichen Zuordnung des Eigentums der Schüler*innenfirma, hat die Zuordnung einer Schüler*innenfirma als Schulprojekt, unter dem Dach des Schulfördervereins, unter der Verantwortung einer Institution oder Firma und zuletzt die Schüler*innenfirma als eigenständiges Unternehmen. Grundsätzlich gilt, dass Schüler*innenfirmen keine realen Unternehmen sind, solange sie an Schulen angemeldet und von der Schulleitung als Schulprojekt genehmigt sind.18 Wie es im Kontext der Sozialen Arbeit neu umgesetzt werden kann, dazu müssen weitere Kriterien erarbeitet werden. Inhalt: Die Rechtsform ermöglicht den Schüler*innen, sich für eine Form des gemeinsamen Arbeitens zu entscheiden und ihre Firma entsprechend aufzubauen. Eine Schüler*innenfirma kann dann analog zu einer Rechtsform strukturiert werden und die Schüler*innen können erleben, wie unterschiedlich Unternehmen aufgebaut sein können: beispielsweise als Aktiengesellschaft (AG), als Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) oder als eingetragene Genossenschaft (eG). Die Wahl der Rechtsform beeinflusst die Haftung, die Mitbestimmung und die Finanzierungsmöglichkeiten (vgl.

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Vgl.: »Rechtliche Aspekte von SchülerInnenfirmen. Schülerfirmen im Kontext einer Bildung zur Nachhaltigkeit« gefördert durch: Deutsche Bundesstiftung Umwelt. https://www.nasch21.de/kur se/pdf/ku02_rechtliches.pdf. Die rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen sind in den zahlreichen Handbüchern umfänglich beschrieben, diese Ausführung bietet eine gute knappe Übersicht: Institut der deutschen Wirtschaft (Hg.) 2019.

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

u.a. Kaminski 2011: 26f; Holtel 2004: 47f.). Unter einer partizipativen Perspektive ist die Schüler*innengenossenschaft die Form, die Schüler*innen am stärksten ermöglicht, gleichberechtigt Entscheidungen treffen und Aufgaben übernehmen zu können – im Gegensatz zu anderen Rechtsformen wie beispielsweise der GmbH, in der nur wenige Personen wirtschaftliche Verantwortung tragen. Zudem ist jede und jeder Schüler*in Miteigentümer*in der Schüler*innengenossenschaft (vgl. Haarmann 2018: 22). Ziel: Die Genossenschaftsidee ist nicht nur eine Unternehmensform, die Partizipation auch im Arbeitsleben umsetzt, weshalb sie an dieser Stelle besonders hervorgehoben wird; sie ist darüber hinaus das erste immaterielle Kulturerbe Deutschlands, welches in die Liste erhaltenswerter Kulturerben der UNESCO aufgenommen wurde: »Eine Genossenschaft ist eine freiwillige Vereinigung von Menschen mit gleichen Interessen, die individuelles Engagement und Selbstbewusstsein fördert und soziale, kulturelle und ökonomische Partizipation ermöglicht. Es ist eine allen offenstehende Form der gesellschaftlichen Selbstorganisation, ein Modell der kooperativen Selbsthilfe und Selbstverantwortung. Mitglieder werden durch den Erwerb von Genossenschaftsanteilen zu Miteigentümern. Ihre von der Zahl der erworbenen Anteile unabhängige Stimme sichert ihnen Mitbestimmung und aktive Mitgestaltung zu.« (ht tps://www.unesco.de/kultur-und-natur/immaterielles-kulturerbe/genossenschaftside e-und-praxis-als-erster-deutscher) Methode: Die Gründung einer Schüler*innenfirma als Genossenschaft orientiert sich an der Genossenschaftsidee. Sie hat drei Organe: die Generalversammlung, den Vorstand und den Aufsichtsrat. Zudem kann sie noch über einen Betriebsrat wie einen Beirat verfügen. Die Generalversammlung stellt das zentrale Organ dar und fungiert als Brücke zwischen der Schulgemeinschaft und der Schüler*innenfirma. In der Generalversammlung werden Informationen gegeben, Mitglieder gewählt und entlassen sowie Gewinne und Verluste verteilt. Die Mitglieder können Ideen für die Schüler*innenfirma einbringen und über die Besetzung entscheiden. Der Vorstand übernimmt die wirtschaftliche Leitung, der Aufsichtsrat kontrolliert diesen. Im Beirat versammeln sich außerschulische Partner*innen wie auch die pädagogischen Begleiter*innen, der Betriebsrat sichert das faire Miteinander (vgl. Arbeitskammer des Saarlandes 2018: 40f.). Die Schüler*innenfirma als Genossenschaft agiert nach den Prinzipien der Solidarität und Gleichberechtigung. Ihren Zweck legt sie in der Satzung fest, bei dem es sich in der Regel um eine gemeinschaftliche wirtschaftliche Tätigkeit mit sozialer Zielsetzung handelt (vgl. Haarmann 2018: 22f.). Wie das JUNIOR Programm vor allem nicht-genossenschaftlich organisierte Schüler*innenfirmen berät, so unterstützt der Genossenschaftsverband Schülergenossenschaften über das Projekt »Schülergenossenschaften: nachhaltig wirtschaften – solidarisch handeln«. Der Verband ist regional in verschiedenen Bundesländern unter der Schirmherrschaft der Landesministerien tätig. Schüler*innengenossenschaften werden durch eine Genossenschaft vor Ort betreut (vgl. www.schuelergeno.de/ueber-uns; www.schuelergeno.de/bundeslaender). Verschiedene Beispiele von Schüler*innengenossenschaften werden auf der Homepage nach Bundesländern als Steckbriefe vorgestellt (www.schuelergeno.de/beispiele).

1. Schüler*innenfirmen

1.1.3

Durchführungsformen und Interesse an Schüler*innenfirmen

Schüler*innenfirmen an allgemeinbildenden Schulen werden im Kontext der ökonomischen Bildung verortet und begründet sowie als Methode der allgemeinbildenden Schulen bezeichnet (vgl. Penning 2018: 2). Die Anzahl der Schüler*innenfirmen an allgemeinbildenden Schulen ist nicht dokumentiert, sondern nur partiell durch unterschiedliche Institute und deren Angebote dokumentiert (vgl. de Haan/Grundmann/Plesse 2009: 8f.). De Haan hat in seiner Explorationsstudie Ergebnisse abgeleitet. Von diesen ausgehend haben ungefähr 12 Prozent aller Schulen meist eine Schüler*innenfirma an ihrer Schule. Werden die Grundschulen ausgenommen, liegt der Anteil bei 25 Prozent. Die Schätzung, wie viele Schüler*innen an einer Schüler*innenfirma beteiligt sind, reichen von 23.000 bis 78.000, wobei die Verteilung der Geschlechter nahezu gleich ist. Durchgeführt werden die Schüler*innenfirmen insbesondere an Haupt- und Förderschulen, dann in Real- und Gesamtschulen, am wenigsten an Gymnasien, und an Grundschulen sind sie kaum anzutreffen (vgl. Penning 2018: 67). Schüler*innenfirmen werden begleitet durch die Lehrkräfte der Schulen selbst, durch außerschulische Träger (wie beispielsweise JUNIOR), die nur für die Schüler*innenfirmeninitiierung und -begleitung an die Schule gehen und eher selten durch die Schulsozialarbeit. Wird die Begleitung durch Lehrkräfte der Schulen selbst und nicht durch außerschulische Pädagog*innen durchgeführt, ist ihre Rolle geprägt von einer Doppelfunktion: Zum einen sind sie als Lehrkräfte verpflichtet, Leistungen der Schüler*innen zu bewerten, andererseits nehmen sie in der Schüler*innenfirma die Rolle des*der Begleiter*in ein, der*die sich zurückhält und eher unterstützende Funktionen übernimmt.19 Wird die Schüler*innenfirma durch einen außerschulischen Träger oder der Schulsozialarbeit durchgeführt, entfällt diese Doppelfunktion. Es gibt also unterschiedliche Varianten, wie und durch wen eine Schüler*innenfirma durchgeführt und begleitet wird. Verschiedene Aspekte werden hier zusammenfassend beschrieben, wie sie im fachlichen Diskurs diskutiert und erforscht werden. Dabei lassen sich unterschiedliche Schwerpunkte innerhalb der Initiierung oder Fortführung von Schüler*innenfirmen ausmachen. Begleitung innerhalb vs. außerhalb des Fachunterrichts Die Rahmenlehrpläne bieten die Möglichkeit, Schüler*innenfirmen im Rahmen des Schulunterrichts umzusetzen: Entweder innerhalb bestimmter Fächer oder als fächerübergreifendes Projekt. Je nach Schulart bieten sich Fächer der Arbeitslehre an. Diese sind in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich bezeichnet und beinhalten ein ebenso breites Spektrum an Fächern. Die in den Lehrplänen verankerten Fächer und Lehrinhalte unterscheiden sich je nach Bundesland und Schulform. Im Wesentlichen lassen sich entsprechende Fächer, die Berufsorientierung beinhalten, von der siebten bis zur zehnten Klasse finden.20

19 20

Bezüglich der Benotung von Sozial- und Selbstkompetenz gibt es Rahmenlehrpläne und Materialien, die Lehrende als Orientierung nutzen können (vgl. Penning 2018: 30f.). Eine Übersicht der einzelnen Bundesländer, deren unterschiedliche Lehrplanung sich über das Lernfeld Arbeitslehre verdeutlichen, bietet Wulfers. In dieser findet sich ein Überblick, wie Ar-

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

Die Umsetzung von Schüler*innenfirmen in Berlin, die von Penning erforscht wurde, findet sich im Fächerverbund WAT, Wirtschaft, Arbeit Technik, welches das Fach Arbeitslehre ersetzt hat. Berufsorientierte und wirtschaftliche Themenstellungen finden sich nach dem Bildungsplan Berlin/Brandenburg, je nach Jahrgangsstufen verschieden, im Pflicht- und Wahlpflichtbereichen wieder (vgl. ebd.: 6f.). Eine andere Möglichkeit ist, die Schüler*innenfirma als eine Arbeitsgemeinschaft nach dem regulären Unterricht zu begleiten. Als pädagogisches Projekt ist die Schüler*innenfirma in jedem Fall an die Schule angebunden. Auch das Fachnetzwerk Schülerfirmen des DJKI (Deutsches Kinder- und Jugendinstitut e.V.) weist darauf hin, dass die Schüler*innenfirma unbedingt in den Schulalltag integriert sein muss, egal wie sie umgesetzt wird. Das kann durch das Aufgreifen und Einbinden von Aufgaben in passende Fächer sein oder die Präsenz der Schüler*innenfirma an der Schule, beispielsweise auch an Schulfesten. Durch Zertifikate oder Vermerke in Zeugnissen können die Schüler*innen Anerkennung erfahren (vgl. https://www.fachnetzwerk.net/integration -in-den-schulalltag.html). Es gibt auch Ausnahmen die zeigen, dass sich Schüler*innenfirmen verselbstständigen und nicht mehr als solche, als pädagogische Projekte an der Schule organisiert werden können. Das ist der Fall, wenn eine Schüler*innenfirma zu viel Gewinn macht.21 In diesem Ausnahmefall sind einer Schüler*innenfirma Grenzen gesteckt, denn ihre Ausgestaltung und dabei insbesondere die Festlegung von Einnahmen und der Gewinn richten sich nach bestimmten Obergrenzen. Der Erfahrung nach liegen Schüler*innenfirmen mit ihren Angeboten jedoch meist deutlich unter dieser Grenze (schuelerfirmen.com/index.php/aufbau-der-schuelerfirma/gewinne). Ein bekannter außerschulischer Träger ist das IW JUNIOR, das als Tochterunternehmen des Instituts für Wirtschaft, Angebote für unterschiedliche Klassenstufen macht. Ziel ist die »ökonomische und finanzielle Bildung mit hohem Nachhaltigkeitsanspruch« (https://www.iwjunior.de/start). Die Programme unterscheiden sich in den Schwierigkeitsgraden. Das Angebot für Grundschüler*innen beinhaltet keine Umsetzung einer Geschäftsidee, sondern ein Programm zur wirtschaftlichen Bildung und beinhaltet Module, die Funktionsweisen, Berufe oder Geldfunktionen innerhalb einer Gemeinde vermitteln sollen. Ein weiterer Träger, der projektorientiertes, praxisnahes Handeln fördern will, ist TheoPrax, eine Lehr- Lernmethode, die am FrauenhoferInstitut entwickelt wurde und sich als Schnittstelle von Schule und Wirtschaft sieht. Mit Projektangeboten möchte sie Lernmotivation steigern und bietet unter anderem auch Unterstützung bei der Gründung von Schüler*innenfirmen an (https://www.theo prax.fraunhofer.de). Das Fachnetzwerk Schülerfirmen oder das Gründerkidsnetzwerk sind Beispiele von Initiativen, die vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert wird.22

21 22

beitslehre über die einzelnen Fächer, Inhalte und Schulformen in den einzelnen Ländern benannt und umgesetzt wird (vgl. Wulfers 2016). Beispielsweise: https://dubbeklamodde.de. https://www.unternehmergeist-macht-schule.de/DE/Initiativen/initiativen_node.html;jsessionid= DE849B8D7A848595B8D329A0E01959C1.

1. Schüler*innenfirmen

Ein gemeinnütziger Träger wie Business & Bildung e.V. in Mannheim, der das Angebot des Schüler*innenfirmenwettbewerbs »kleinUnternehmen« durchgeführt hat und ebenso Beratung und Unterstützung für den Aufbau oder Begleitung von Schüler*innenfirmen anbietet, scheint eine Ausnahme zu sein. Diese Angebote werden im Unterricht oder innerhalb von Projektwochen umgesetzt. Sie zielen zwar auch auf die Vermittlung ökonomischer Inhalte, sind jedoch insbesondere Mittel zum Zweck. Denn im Wesentlichen geht es um die individuelle Stärkung und die Entwicklung von Selbstwirksamkeit der Schüler*innen. Das ist die Perspektive der Sozialen Arbeit. Bestehende vs. neue Geschäftsideen oder Schüler*innenfirma Ein Thema bei Schüler*innenfirmen kann die Frage sein, ob eine bestehende Schüler*innenfirma von anderen Schüler*innen weitergeführt wird oder ob in anderen Klassen neue Ideen entwickelt und umgesetzt werden wollen. Auch hier kann eine Differenzierung unterschiedlicher Angebotsformen und Möglichkeiten an der Schule erfolgen. So werden sich Produktionsfirmen und Jugendhilfebetriebe, die auf die Berufsvorbereitung und Berufsausbildung abzielen, nach berufs- und ausbildungsspezifischen Vorgaben richten. Auch Lernfirmen, also Übungsbüros und Übungsfirmen ermöglichen Schüler*innen das realitätsnahe praktische Lernen, das aber nicht losgelöst von spezifischen Aufgaben gesehen werden kann. Im Bereich der ökonomischen Bildung besteht die Möglichkeit, die Schüler*innenfirma unterschiedlich umzusetzen: Als fiktive Schüler*innenfirma, bei der die Klasse gemeinsam eine Geschäftsidee entwickelt und fiktiv alle Phasen und verschiedenen Aufgaben erarbeitet. Hier wird die Methode angewendet, um fachlich-theoretische Inhalte zu erarbeiten, die mehr mit betriebswirtschaftlichen Inhalten zu tun haben als mit ausbildungsbezogenen. Daneben können auch Schüler*innenfirmen entwickelt werden, die Produkte oder Dienstleistungen entwickeln und anbieten, also real umsetzen. Werden Schüler*innenfirmen an Schulen außerhalb des Unterrichts von Lehrkräften oder der Schulsozialarbeit ins Leben gerufen, bedürfen diese einer kontinuierliche Projektbegleitung. Gerne werden dabei Angebote wie eine Pausenbrotversorgung oder ein Schülercafé von Schüler*innenfirmen umgesetzt.23 Diese Schüler*innenfirmen sind ein schulisches Angebot, welches von den Schüler*innen freiwillig gewählt werden kann und ohne verbindliche Unterrichtsanbindung und Inhaltsüberprüfung stattfindet. Aber auch eine Umsetzung durch die Schulsozialarbeit oder die Betreuung durch einen außerschulischen Träger, wie das JUNIOR Projekt, lebt von der Einbindung in den schulischen Alltag. Auch hier sind Kooperationen wünschenswert und im Sinne nachhaltigen Lernens notwendig. Schüler*innenfirmen brauchen Begleitung und schulische Integration, damit Schüler*innen nicht nur bei fachlichen und sozialen Aufgaben Unterstützung erhalten, sondern darüber hinaus auch Anerkennung ihres Handelns erfahren.

23

Diese Themenschwerpunkte zeigten die berufliche Erfahrung in der Beratung, Begleitung und Initiierung von Schülerfirmen vorrangig im Rhein-Neckar-Kreis. Sie fallen ebenso bei Präsentationen von Schüler*innenfirmen im Internet auf.

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

Einmaliges Projekt vs. feste Verankerung Diese Differenzierung schließt sich der obigen an, weist jedoch auf einen weiteren Aspekt hin: Schüler*innenfirmen können als einmaliges Projekt an Schulen umgesetzt oder fest in den schulischen und unterrichtlichen Alltag verankert werden. Dadurch ergeben sich zwangsläufig andere Zielsetzungen und Herausforderungen. Eine immer neue Durchführung als einmaliges Projekt bietet die Chance, direkt an Interessen und Fähigkeiten anzuknüpfen und frei von vorgegebenen Strukturen und Ideen eigene Geschäftsideen zu entwickeln. Alle Prozesse der Firmengründung und -erhaltung werden selbst erarbeitet und erlebt. Die Schüler*innen machen die Erfahrung, ob die eigenen Ideen tragfähig waren. Bestehen bereits Schüler*innenfirmen, die immer wieder durch neue Schüler*innen weitergeführt werden, muss sich das neue Personal den bestehenden Ideen zunächst anpassen. Am Beginn stehen eher Bewerbungsverfahren und die Entscheidungen, wer warum mitarbeiten kann. Im Verlauf können die neuen Mitarbeiter*innen von den alten lernen; diese Weitergabe von Wissen und Erfahrungen durch die Schüler*innen selbst, trägt zur Vertiefung und Nachhaltigkeit des Lernens bei (vgl. Reich 2018a). Ebenso kann meist auf eine gewisse Tragfähigkeit der Schüler*innenfirma zurückgegriffen werden. Die Mitarbeit bietet dann andere Chancen: Es können realitätsnahe Bewerbungsverfahren durchlaufen, Erneuerungen innerhalb der Firma angeregt oder auch einfach Aufgaben übernommen werden, anhand derer diverse fachliche Inhalte gelernt werden können. Auch soziales Lernen spielt eine große Rolle, wenn Aufgaben durch die Schüler*innen neu verteilt, Gruppen neu gebildet oder gemischt werden oder auch bestehende Strukturen durch neue Mitarbeiter*innen in Frage gestellt werden. Diese Fragestellungen spielen immer wieder eine Rolle und können auch die Existenz von Schüler*innenfirmen bedrohen, wenn gegensätzliche Positionen nur schwer vereinbar sind. Letztlich zeigen aber diese Beispiele, dass die Arbeit in einer Schüler*innenfirma ernst genommen wird, eine starke Identifikation stattfindet und die damit verbundene Emotionalität dafür spricht, dass Lernprozesse nachhaltig wirken können (vgl. Kap. 1.2.1.2).

1.1.4

Forschungsstand

So unterschiedlich die Umsetzungen von Schüler*innenfirmen gestaltet werden können, so unterschiedlich sind auch die Forschungsergebnisse. Einen Überblick über den aktuellen Forschungsstand mit Themenstellungen der Schüler*innenfirmen hat Penning zusammengestellt. Dabei stellt sie fest, dass nicht nur die Schüler*innenfirmen selbst sehr unterschiedlich verfasst sind, sondern auch die Ausrichtung der Forschungsansätze. Eine Vergleichbarkeit sei damit schwer möglich und erfordere weitere Forschungsvorhaben. Grundsätzlich vermutet Penning eine Überbewertung der Schüler*innenfirma auf Seiten der Lehrkräfte, was sie durch ihren Forschungsbeitrag überprüfen möchte (vgl. Penning 2018: 119ff.). Die von ihr zusammengefassten Evaluationsstudien sind von Trägern verschiedener Förderprogramme durchgeführt worden und seien mehr als Wirksamkeitsbestätigung eigener Programme zu verstehen, da häufig Transparenz bezüglich des methodischen Vorgehens fehle (vgl. ebd.: 120). Weitere Studien zur Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität (u.a. Knab 2007;

1. Schüler*innenfirmen

de Haan 2009; Meschenmoser 2009; Lehmann 2009) sehen die eigenen Studien nicht als repräsentativ an, formulieren aber im Ergebnis durchaus Erfolge hinsichtlich der Kompetenzentwicklung. Die Ergebnisse beziehen sich bei de Haan auf nachhaltige Schüler*innenfirmen, bei Knab auf Berliner und Meschenmoser, Lehmann auf Schüler*innenfirmen an Schulen für Schüler*innen mit dem Förderbedarf Lernen. Für die erstgenannten Studien wurden Lehrkräfte nach ihrer Einschätzung des Kompetenzzuwachses befragt, letztgenannte befragte die Schüler*innen selbst. Die Ergebnisse geben einerseits wieder, dass verschiedene, insbesondere soziale und personale Kompetenzen wahrgenommen wurden, jedoch fachliche und praktische Fähigkeiten von den Schüler*innen nur schwer reflektiert wiedergegeben werden konnten. Die Schüler*innen der Förderschule hatten grundsätzlich wenig Entscheidungsspielraum innerhalb der Schüler*innenfirmen, so dass zwar ihre Selbsteinschätzung positiv ausgefallen ist, doch die Rahmenbedingungen nicht jenen einer Schüler*innenfirma entsprechen (vgl. dazu ausführlich Penning 2018: 119-138). Die Forschungsfragen und -ergebnisse und die daraus folgenden Hypothesen sowie Folgerungen sind interessant, geben sie doch die Forschungsinteressen im Bereich der ökonomischen Bildung wieder. Gleichzeitig zeigen sie, dass ein Forschungsinteresse auf Seiten der Sozialen Arbeit nicht zu existieren scheint, auch nicht in den Bereichen der Produktionsschulen oder der Jugendhilfebetriebe.

1.1.5

Erfolge und Kritik

Wie viel haben Produktionsschulen oder Jugendhilfebetriebe noch mit dem Konzept Schüler*innenfirma gemeinsam? Die enorme Spannbreite der Umsetzungsmöglichkeiten sind beispielsweise auf (Aus-)Bildungsmessen (wie der Didacta) erkennbar, auf der unterschiedlichste Schüler*innenfirmen von nahezu allen Schulformen präsentiert werden. Zurzeit sind zunehmend weitere Methoden wie der Elevator Pitch oder Schüler*innenfirmen Contest populär, auch für Schüler*innenfirmen oder Schüler*innen, die ihre Geschäftsidee vorstellen möchten und über diese Wettbewerbe die Möglichkeit erhalten, Kontakte zu knüpfen und potenzielle Geldgeber*innen und Geschäftspartner*innen zu finden (vgl. https://www.gruendung-bw.de/service/wettbewerbe/elevato r-pitch-bw/page/3; https://www.bundes-schuelerfirmen-contest.de/). Im Grundsatz wollen diese Ansätze Wirtschaft erlebbar und praktisch erfahrbar machen, fachliche und auch soziale Kompetenzen fördern. Unterschiedlich sind die Zielgruppen und damit die Voraussetzungen, die Kinder und Jugendliche mitbringen, der Ort der Ausübung und die Verantwortlichkeit. Gerade weil sich Motivation, Inhalte und Ziele überschneiden gibt es begriffliche Unklarheiten und Doppelnennungen. Letztlich sind die Unterscheidung des Orts der Ausübung (Schule oder Ausbildung) und der Grad der Realitätsnähe wichtige Unterscheidungskriterien. Zusammengefasst kann gesagt werden, dass das Konzept der Schüler*innenfirma an Schulen und pädagogischen Einrichtungen nur teilweise gut bekannt ist. Dennoch bestätigt ein beständiger Informations- und Fortbildungsbedarf ein zunehmendes Interesse und auf verschiedenen Ebenen zeigt sich zudem, wie sich das Konzept verbreitet. Um nur einige Beispiele zu nennen:

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

Etablierung: • Einige Schulen jeder Schulart, von der Förderschule bis zum Gymnasium, haben eine Schüler*innenfirma an ihrer Schule und das städte- und bundesländerübergreifend. Die genaue Zahl ist, wie Penning (2018) in ihrer Arbeit festhält, jedoch nicht erforscht. Die Anzahl ist nicht genau festlegbar, Schätzungen zufolge haben etwa zwölf Prozent aller Schulen eine Schüler*innenfirma (vgl. de Haan/Grundmann/Plesse 2009: 67). • In Bildungsplänen wird die Schüler*innenfirma als Möglichkeit der Berufsorientierung oder der Förderung leistungsschwacher Schüler*innen benannt (vgl. Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (Hg.) 2008; 2010). • Es haben sich Beratungsangebote und Netzwerke für Schüler*innenfirmen etabliert, die nachhaltige Produkte und Dienstleistungen anbieten (https://www.nasc h21.de/start/start.html; https://www.unesco.de/bildung/bne-akteure/nasch-comm unity-netzwerk-fuer-nachhaltige-schuelerfirmen). Informationen/Fortbildung: • Handreichungen für unterschiedliche Schulformen dienen mit Ablaufbeschreibungen und Arbeitsblättern (z.B. Zeitschrift Lernen konkret, Fachzeitschrift für den Förderschwerpunkt geistige Entwicklung (Heft 1/2014); Kaminski 2011). • Die zunehmende Umsetzung an Schulen führt zur Forderung, die Methode Schüler*firma mit in die Lehrer*innenausbildung mit aufzunehmen (vgl. Osburg 2001). • Mentor*innen können eine Fortbildung mit Zertifikat absolvieren (Freie Universität Berlin, https://www.klimaschutz.de/service/veranstaltungen/fortbildung-f%C3 %BCr-lehrkr%C3%A4fte-nachhaltige-sch%C3%BClerfirmen-gr%C3%BCnden). • Lehrer*innen haben die Möglichkeit Fortbildungsangebote für die Notengebung innerhalb von Schüler*innenfirmen wahrzunehmen oder grundlegende Seminare zur Schüler*innenfirmenarbeit zu belegen: »Leistungsbewertungen in Lernformen wie nachhaltige Schüler*firmen« (u.a. Historisch-Ökologische-Bildungsstätte Emsland in Papenburg E.K. oder https://www.schulewirtschaft-rp.de/lehrerfortbildung/jun ior-schuelerfirmen-informationsveranstaltung1). • Projekte rund um das Thema Schüler*innenfirma werden finanziell gefördert und unterstützt, z.B. über den Europäischen Sozialfond; sie sind auch hier als Mittel anerkannt, um Schüler*innen in benachteiligten Stadtteilen zu unterstützen (z.B. http://rsplus-neustadt.de/erasmus-plus-projekt). Netzwerke: • Etliche Netzwerke machen auf Schüler*innenfirmen aufmerksam, motivieren zur Teilnahme an Netzwerken, bieten Beratung oder Material an (beispielsweise: https ://www.bundes-schuelerfirmen-contest.de/bundesland/rheinland-pfalz). • Schüler*innenfirmen vernetzen und treffen sich, tauschen Erfahrungen aus, veranstalten Wettbewerbe, auch international (https://bildungsangebote.fez-berlin.de /internationaleschuelerfirmenmesse/).

1. Schüler*innenfirmen



Das Bedürfnis, rechtliche Fragen rund um das Thema Schüler*innenfirma, zu klären zeigt, dass Schüler*innenfirmen aktiv sind, sich daraus verschiedene, eben auch rechtliche Fragestellungen ergeben. Diesem Bedürfnis entsprechend, entstehen Handreichungen (Rechtsfragen zu Schüler*innenfirmen: https://www.fachnet zwerk.net/rechtliches.html, Bischoff (Hg.) 2005; de Haan (Hg.) 2005).

Die Entwicklung der letzten Jahre im Hinblick auf Weiterbildungs- oder Beratungsangebote, Veröffentlichungen und Bereitstellung von Materialien lässt darauf schließen, dass Schüler*innenfirmen zunehmend im pädagogischen Repertoire verankert sind und werden und die Bereitschaft besteht, sich mit diesem Konzept im Bereich der ökonomischen Bildung auseinanderzusetzen. Mit der Umsetzung einer Schüler*innenfirma werden viele Ziele verbunden, wie die Entwicklung ökonomischen Denkens und Handelns, aber auch die Entwicklung sozialer Kompetenzen. Was nicht offensiv vertreten wird, auch nicht im Internet, sind Schüler*innenfirmen, die als Projekte in der Ganztagsschule oder als Projekte für Schüler*innen durch die Schulsozialarbeit begleitet werden.24 Beispiele für erfolgreiche Jugendhilfebetriebe, Produktionsschulen oder Juniorenfirmen, die ebenso durch die Soziale Arbeit begleitet werden, sind ebenso wenig zu finden.25 Lediglich einzelne Schüler*innenfirmen an allgemeinbildenden Schulen, Sonderschulen oder Schüler*innenfirmen, die an Wettbewerben teilgenommen haben oder sich im Internet präsentieren, fallen bei einer Recherche ins Auge. Was bedeutet das? Zum einen zeigt es, dass neue Wege der schulischen Vermittlung gesucht werden und mit der Schüler*innenfirma methodische und inhaltliche Chancen gesehen werden. Diverse Forschungsprojekte untersuchen aus Sicht der Schuldidaktik verschiedene Wirkungen. Zum anderen bleibt die Frage offen, weshalb bei aller Zustimmung für die Schüler*innenfirmenarbeit entsprechende Projekte wenig durch die Soziale Arbeit begleitet werden. Und zwar nicht nur durch die Schulsozialarbeit an Schulen in Kooperation mit den Lehrkräften, sondern auch durch beispielsweise freie Träger der Sozialen Arbeit oder der Jugendberufshilfe. Hier schließt sich die weitere offene Frage an, weshalb dieses Konzept nicht auch in anderen Arbeitsfeldern der Sozialen Arbeit, wie der Jugendarbeit oder der Jugendsozialarbeit genutzt wird. Es lassen sich wesentliche Schnittstellen in den Zielrichtungen der Schüler*innenfirma finden, die gut in vielen Bereichen der Sozialen Arbeit genutzt werden können. Allen voran die Stärkung der Selbstwirksamkeit, die in dieser Arbeit als das zentrale Ziel gesehen wird. Auch die Entwicklungslinien zeigen die Parallelen sowohl zur inhaltlichen, beruflichen und wirtschaftlichen Vermittlung als auch zur individuellen Stärkung. Ist die Schüler*innenfirma nicht nur 24

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Ausnahme stellen beispielsweise diese Schüler*innenfirmen dar: http://joomla.schule-am-sch wanenteich.de/joomla/index.php/schulsozialarbeit; https://www.niels-stensen-schule.de/sn/Regio nale_Gymnasium/Schulorganisation/Schulsozialarbeit.php; https://www.schule-storkow.de/index. php/schuelerfirma; https://www.swp.de/suedwesten/staedte/besigheim/sozialarbeit-profis-berate n-schuelerfirma-40559522.html. Das Bundesinstitut für berufliche Bildung (BIBB) stellt auf der Homepage das Fachportal für Berufsbildung die verschiedenen Angebote dar und bietet einen Überblick über Förderprojekte http s://www.ueberaus.de.

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

auf ökonomische Bildung bezogen, können neben der Vermittlung ökonomischer Inhalte verstärkt auch berufliche Orientierung und Selbstwirksamkeit in den Mittelpunkt rücken und konzeptionell nicht nur in der Schule, sondern ebenso in der Sozialen Arbeit verankert werden. Ein ganzheitliches Konzept einer Schüler*innenfirmen könnte beispielsweise Bestandteil einer kohärenten Berufsorientierung sein. Aber noch lassen sich hierzu keine durchgängigen Ansätze finden – doch die Notwendigkeit ist groß, wie im Kapitel 2.2.3 erörtert wird. Der Blick auf die Möglichkeiten eines erweitert verstandenen Schüler*innenfirmenkonzepts ist angedeutet worden.

1.2

Pädagogische Ziele

Das wesentliche Anliegen des hier vorgestellten Konzepts konkretisiert sich in pädagogischen Zielen. Sie begründen des Konzept Schüler*innenfirma innerhalb der Sozialen Arbeit als ein ganzheitliches Konzept, welches sowohl professions- als auch bereichsübergreifend eingesetzt werden kann. Das erste Ziel ist die Entwicklung von Eigeninitiative durch partizipative, demokratische Erziehung und der Entwicklung von Selbstwirksamkeit. Selbstwirksamkeit entsteht insbesondere durch das Erleben eigener Fähigkeiten. So ist ein zweites Ziel die Entwicklung von Kompetenzen und die Herstellung von Möglichkeiten, diese auch entwickeln zu können – das wird umfänglich und darüber hinausgehend vertreten durch den Capability Approach. Das letzte Ziel rekurriert auf die Ermöglichung biographischen Lernens. Dieses Ziel weist darauf hin, die Lebenswelt und subjektiven Perspektiven der Schüler*innen zu berücksichtigen. Diese Ziele decken sich durchaus mit den Zielen der unterschiedlichen Entwicklungslinien, werden jedoch erweitert. Vor allem aber ist die Perspektive eine andere. Die Ziele sind jene, die für die Auswertung des Schüler*innenfirmenwettbewerbs »kleinUnternehmen« leitend sind. Im Forschungsteil dieser Arbeit wird ausgewertet, ob Kinder, die an diesem Projekt teilgenommen haben, diese Ziele erreicht haben. Im Zentrum steht dabei die Entwicklung von Selbstwirksamkeit.

1.2.1

Eigeninitiative: Förderung von Selbstwirksamkeit, partizipatives Lernen und Erleben

Das ursprüngliche Ziel von Schüler*innenfirmen, nämlich die Förderung von Eigeninitiative, steht als solches auch hier als Überbegriff für die pädagogischen Ziele der Schüler*innenfirma unter einer anderen Perspektive. Eigeninitiative wird mit vielen Eigenschaften in Verbindung gebracht, insbesondere mit beruflichen Anforderungen von Jugendlichen und Erwachsenen. Dabei geht es um die Entwicklung einer grundsätzlichen Selbstständigkeit, die viel mehr bedeutet, als durch Eigeninitiative entsprechende Kompetenzen für den Arbeitsmarkt zu entwickeln und wirtschaftliche Kenntnisse zu erlangen. Die »Erziehung zur Eigeninitiative« ist als Konzept für Schüler*innenfirmen von Großbritannien und Irland auf andere europäische Länder übergegangen. Es beinhaltet verschiedene Lernziele und Lernmethoden, die zwar darauf abzielen, den Schüler*innen oder Auszubildenden realitätsnah die Herstellung eines Produkts oder die

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

auf ökonomische Bildung bezogen, können neben der Vermittlung ökonomischer Inhalte verstärkt auch berufliche Orientierung und Selbstwirksamkeit in den Mittelpunkt rücken und konzeptionell nicht nur in der Schule, sondern ebenso in der Sozialen Arbeit verankert werden. Ein ganzheitliches Konzept einer Schüler*innenfirmen könnte beispielsweise Bestandteil einer kohärenten Berufsorientierung sein. Aber noch lassen sich hierzu keine durchgängigen Ansätze finden – doch die Notwendigkeit ist groß, wie im Kapitel 2.2.3 erörtert wird. Der Blick auf die Möglichkeiten eines erweitert verstandenen Schüler*innenfirmenkonzepts ist angedeutet worden.

1.2

Pädagogische Ziele

Das wesentliche Anliegen des hier vorgestellten Konzepts konkretisiert sich in pädagogischen Zielen. Sie begründen des Konzept Schüler*innenfirma innerhalb der Sozialen Arbeit als ein ganzheitliches Konzept, welches sowohl professions- als auch bereichsübergreifend eingesetzt werden kann. Das erste Ziel ist die Entwicklung von Eigeninitiative durch partizipative, demokratische Erziehung und der Entwicklung von Selbstwirksamkeit. Selbstwirksamkeit entsteht insbesondere durch das Erleben eigener Fähigkeiten. So ist ein zweites Ziel die Entwicklung von Kompetenzen und die Herstellung von Möglichkeiten, diese auch entwickeln zu können – das wird umfänglich und darüber hinausgehend vertreten durch den Capability Approach. Das letzte Ziel rekurriert auf die Ermöglichung biographischen Lernens. Dieses Ziel weist darauf hin, die Lebenswelt und subjektiven Perspektiven der Schüler*innen zu berücksichtigen. Diese Ziele decken sich durchaus mit den Zielen der unterschiedlichen Entwicklungslinien, werden jedoch erweitert. Vor allem aber ist die Perspektive eine andere. Die Ziele sind jene, die für die Auswertung des Schüler*innenfirmenwettbewerbs »kleinUnternehmen« leitend sind. Im Forschungsteil dieser Arbeit wird ausgewertet, ob Kinder, die an diesem Projekt teilgenommen haben, diese Ziele erreicht haben. Im Zentrum steht dabei die Entwicklung von Selbstwirksamkeit.

1.2.1

Eigeninitiative: Förderung von Selbstwirksamkeit, partizipatives Lernen und Erleben

Das ursprüngliche Ziel von Schüler*innenfirmen, nämlich die Förderung von Eigeninitiative, steht als solches auch hier als Überbegriff für die pädagogischen Ziele der Schüler*innenfirma unter einer anderen Perspektive. Eigeninitiative wird mit vielen Eigenschaften in Verbindung gebracht, insbesondere mit beruflichen Anforderungen von Jugendlichen und Erwachsenen. Dabei geht es um die Entwicklung einer grundsätzlichen Selbstständigkeit, die viel mehr bedeutet, als durch Eigeninitiative entsprechende Kompetenzen für den Arbeitsmarkt zu entwickeln und wirtschaftliche Kenntnisse zu erlangen. Die »Erziehung zur Eigeninitiative« ist als Konzept für Schüler*innenfirmen von Großbritannien und Irland auf andere europäische Länder übergegangen. Es beinhaltet verschiedene Lernziele und Lernmethoden, die zwar darauf abzielen, den Schüler*innen oder Auszubildenden realitätsnah die Herstellung eines Produkts oder die

1. Schüler*innenfirmen

Erbringung einer Dienstleistung nahezubringen. Damit verbunden sind alle wesentlichen fachlichen Inhalte, wie z.B. Organisation, Kostenberechnung oder Vermarktung. Aber neben den inhaltlich-fachlichen Zielen ist bei der Umsetzung der pädagogische Aspekt der Selbstständigkeit von Bedeutung: Schüler*innen oder Auszubildende sollen ihr Projekt möglichst eigenverantwortlich durchführen und dadurch angeregt werden, aus eigener Motivation und Interesse heraus das Projekt fortzuführen (vgl. Arbeitsstellen für Community Education 1994: 2). Was die Übertragung von Verantwortung konsequenterweise bedeutet, verdeutlicht Deweys pädagogisches Verständnis. Für ihn sind Erziehung und Demokratie untrennbar miteinander verbunden.

1.2.1.1

Partizipation erleben: Demokratie und Erziehung

  »I believe that education is the fundamental method of social progress and reform.« (Dewey in Skiera 2010: 107) Diese Aussage verdeutlicht Deweys grundlegende Überzeugung, dass die Art und Weise der Erziehung und das Miteinander wie auch die Entwicklung einer Gesellschaft fundamental zusammenhängen. Was zudem zum Ausdruck kommt: Demokratie ist für Dewey mehr als eine Regierungsform, sie ist eine soziale Form, eine Lebensweise, die die Entwicklung der Gesellschaft und ihrer Mitglieder erst ermöglicht. (Neubert 2004: 20). Sein Demokratieverständnis erörterte Dewey 1916 in seinem Werk »Democracy and Education« (Dewey 2016). Kennzeichen für seine Vision von Demokratie ist zum einen ein umfänglich partizipativer Ansatz, der Partizipation möglichst aller in möglichst allen relevanten Lebensbereichen meint. Dabei geht es Dewey um ein Zusammenwirken verschiedener demokratischer Elemente, also repräsentativer und direkter Formen und nicht um die Ablehnung der repräsentativen Demokratie (vgl. Neubert 2004: 20). Sein zutiefst demokratischer Ansatz erklärt seine Übertragung demokratischer Prinzipen auf pädagogische Kontexte. Ein zweites Kennzeichen seines Demokratieverständnisses ist die plurale Auffassung von Demokratie. Dessen Bedeutung mutet heute angesichts zunehmend rechtsradikaler und rechtsextremistischer Strömungen in der Gesellschaft weitsichtig an und muss wieder zunehmend Berücksichtigung und Übertragung finden. Deweys Auffassung von Pluralität meint nicht nur die Akzeptanz von beispielsweise unterschiedlichen Kulturen oder Gemeinschaften. Vielmehr stellt genau diese plurale Verfasstheit einen Gewinn für eine Gesellschaft dar und ermöglicht erst sozialen Fortschritt (vgl. ebd.). Deweys radikales Demokratieverständnis äußert sich auch in seiner basisdemokratischen Argumentation. Dieses Verständnis macht seinen Ansatz für einen neuen Blick auf die Schüler*innenfirma so interessant, können doch mit diesem die folgenden, unterschiedlichen Zugänge von Partizipation, Selbstwirksamkeit und (biographischem) Lernen verbunden werden. Wenn die Schüler*innen selbstbestimmt arbeiten bzw. lernen können, wenn sie Eigenverantwortung tragen und in ihrer Selbstständigkeit gestärkt werden, sind Voraus-

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

setzungen geschaffen, die eine positive Selbstwirksamkeitserwartung ermöglichen.26 Diese partizipatorischen Elemente verlangen einen genaueren Blick darauf, was denn genau unter Partizipation verstanden werden kann. Deshalb folgt nach einer Begriffsbestimmung der Partizipation eine Auseinandersetzung mit Deweys Ansatz und seinen Grundannahmen. Diese Ausführung erfolgt auch, weil Partizipation als wesentliches Prinzip in pädagogischen Bereichen und den Bereichen Sozialer Arbeit verstanden wird (vgl. Kap. 2.1). Im Anschluss wird die Theorie der Selbstwirksamkeit näher erläutert. Die Entwicklung von Selbstwirksamkeit bedarf grundlegend die Übertragung von Verantwortung und Teilhabe an die Schüler*innen selbst. Es zeigt sich ein erstes Spannungsverhältnis, welches sich aus dem grundsätzlichen Bildungsauftrag der Schule ergibt. Dieser ist mit bestimmten Inhalten verbunden, wie auch mit der Ermöglichung von Selbstbestimmung und der Bildung der Schüler*innen zu demokratischen Mitbürger*innen. Dass diese Verbindung in unserem Schulsystem eigentlich unvereinbar ist, kritisiert Reich (vgl. Reich 2014; 2018a). Dieses Spannungsverhältnis lässt sich an der Umsetzung von Schüler*innenfirmen verdeutlichen und führt zu einem wesentlichen Element des neuen Konzepts (vgl. Kap. 3). Es zeigen sich Einschränkungen der Mitbestimmung: Zwar sollten Schüler*innen weitestgehend Inhalte und Ausrichtung ihrer Firma bestimmen können, doch sieht die Umsetzung an Schulen anders aus. Die Mitbestimmung besteht darin, eine (Aus)Wahl entweder aus verschiedenen Angeboten (wie das Beispiel der Förderschule zeigt) oder der grundsätzlichen Mitarbeit treffen zu können (findet die Schüler*innenfirma als ein freiwilliges Angebot statt).27 Die Soziale Arbeit hat bei der Begleitung von Schüler*innenfirmen an Schulen eine andere Rolle. Sie ist nicht verpflichtet, über die Durchführung einer Schüler*innenfirma bestimmte Inhalte zu vermitteln und Leistungsmessungen vorzunehmen – im Gegensatz zur Fachdidaktik. Auch wenn mit der Umsetzung die Entwicklung bestimmter Kompetenzen, auch fachlicher Art, ermöglicht werden will, erfolgt das in dem hier vorgestellten Konzept in einer Distanz zu fachlichen Inhalten und ermöglicht eine Fokussierung auf Interessen, Fähigkeiten und vorhandene Kompetenzen der Kinder, Jugendlichen oder auch Erwachsenen, auch in außerschulischen Bereichen. Partizipation ist grundlegendes Prinzip, die Perspektive wird damit eine andere. Um, wie später noch in Bezug auf die Soziale Arbeit dargelegt wird, Partizipation nicht auf eine Leerformel zu reduzieren, folgt nun die Herleitung des Begriffs aus unterschiedlichen Perspektiven. Im Wortsinn bedeutet Partizipation »Teilnahme« oder »Teilhabe« und wird im allgemeinen Sprachgebrauch insbesondere mit politischer Beteiligung in Verbindung gebracht. Dabei bezieht sich »Teilnahme« auf die Teilnahme 26

27

Oder umgekehrt: Eikel begründet partizipatorisches Lernen mit der Selbstbestimmungstheorie der Motivation nach Ryan und Deci 1994: Lernen wird durch drei menschliche Bedürfnisse motiviert: dem der Autonomie, der sozialen Anerkennung und Eingebundenheit sowie der Wirksamkeit (vgl. Eikel 2006: 8). Hier zeigt sich das Spannungsverhältnis der Ansätze. Penning weist darauf hin, dass im Hinblick einer fachlich-konzeptionellen Weiterentwicklung der Schüler*innenfirma, die Gesellschaft für Arbeit, Technik und Wirtschaft im Unterricht immer wieder Produkte für Schüler*innenfirmen entwickelt. Damit soll das Niveau der Produkte und somit die Marktchancen erhöht werden. Penning weist ebenso auf das Dilemma hin, dass dadurch entsteht: Wirtschaftlichkeit vs. Selbständigkeit (vgl. Penning 2018: 387).

1. Schüler*innenfirmen

der Bürger*innen an politischen Entscheidungen und weniger auf die Teilhabe an politischen Resultaten wie etwa eine Partizipation an gesellschaftlicher Macht, Reichtum oder Ähnliches (vgl. Schnurr 2001: 1330). Der Begriff ist jedoch weder eindeutig definiert, noch ist er allein auf politische Beteiligung beschränkt. Wie ist der Begriff im pädagogischen Kontext zu verstehen? Wenn in den verschiedenen politischen und (sozial-)pädagogischen Bereichen von Partizipation gesprochen wird, ist oft nicht konkretisiert, was genau mit Partizipation der Beteiligten, der Schüler*innen oder der Adressat*innen gemeint ist. Dies wäre wichtig, denn tatsächlich reicht die Bedeutungsspannbreite von der Möglichkeit, über Themen, Inhalte, Vorhaben, o.a. informiert zu werden bis hin zu Verfahren, die Mitsprache ermöglichen. Vielleicht mögen diese Unterschiede auf den ersten Blick unwesentlich oder selbstverständlich erscheinen, doch sind sie ein erster Hinweis auf die grundsätzliche Schwierigkeit, die mit diesem Begriff verbunden ist: die Unschärfe seiner Konnotation. Zur Konkretisierung wird deshalb der Begriff auf die Felder Politik, Soziale Arbeit und Schule bezogen, jene Bereiche, die in dieser Arbeit eine Rolle spielen. Grundsätzlich interessant ist innerhalb dieser Auseinandersetzung, dass in fachlichen Diskursen oft nach Begründungen gesucht wird, die die Partizipation der Adressat*innen an den sie betreffende Maßnahmen rechtfertigen (vgl. beispielsweise Eikel 2006; Stellungnahme des Bundesjugendkuratoriums 2009). Dafür werden politische, dienstleistungstheoretische oder pädagogische Argumente bemüht (vgl. Knauer/Sturzenhecker 2005: 63). Es zeigt den Widerspruch, dass innerhalb einer demokratisch verfassten Gesellschaft die Institutionen und Organisationen nicht nach (basis)demokratischen Prinzipien funktionieren – wie eben auch nicht das Schulsystem. Von einer Selbstverständlichkeit einer Partizipation der Adressat*innen kann also nicht ausgegangen werden. (1) Politische Partizipation Wird Partizipation auf politische Prozesse bezogen, beinhaltet sie »sämtliche Verhaltensweisen von Bürger*innen, die instrumentell und zweckrational allein oder in einer Gruppe freiwillig Einfluss auf politische Entscheidungen und Prozesse auf allen Ebenen des politischen Systems ausüben wollen« (Kornelius/Roth 2004: 27). Partizipation, verstanden als »engagierte und sich in praktisch-politischer Arbeit manifestierendes Beteiligen an demokratischen Strukturen und Prozessen« wird als zentrale Komponente der Entfaltung einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft betrachtet (Hillmann 1994: 654). Damit ist Partizipation nicht nur Kriterium, sondern darüber hinaus »zentraler Qualitätsfaktor« einer Demokratie. (Kornelius/Roth 2004: 19, 7). Als zentrale Komponente und damit als Qualitätsmerkmal einer Demokratie dient der Grad der politischen Partizipation als Indikator zur Beurteilung von Demokratien. Je größer die Beteiligung der Bevölkerung an politischen Entscheidungsverfahren, desto größer ist auch die Akzeptanz der getroffenen Entscheidungen. Je größer die Partizipationschancen, desto höher auch die Bewertung der Demokratie (vgl. ebd., 7; Schmidt 2000: 373ff.). Hier zeigt sich die Parallele zu den Ergebnissen des Modellprojekts Selbstwirksame Schulen (vgl. Kap. 1.2.1.2): Je stärker die Schüler*innen mitgestalten, mitentscheiden oder

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

selbstverantwortlich agieren können und Methoden zum Einsatz kommen, die dieses ermöglichen, desto höher ist die Akzeptanz und der schulische Erfolg.28 Das Zusammenspiel von demokratischer Qualität, Beteiligung und Identifikation findet sich in der soziologischen Definition von Partizipation wieder: Einerseits steht Partizipation für »(a) die Beteiligung an u. die Identifikation mit bestimmten Institutionen, Werten u. sozial relevanten Kräften einer Ges. oder für (b) engagiertes u. sich in prakt.-polit. Arbeit manifestierendes Beteiligen an demokrat. Strukturen u. Prozessen. P. setzt sowohl bestimmte Mechanismen u. Inhalte bei der Sozialisation der betr. Individuen als auch bestimmte institutionelle Muster der Information, Kommunikation u. Herrschaftsstruktur in den betr. Organisationen voraus.« (Hillmann 1994: 654) Demokratietheorien sehen u.a. in der Partizipation die Voraussetzung rationaler und legitimer Herrschaft. Im Gegensatz dazu gehen partizipatorische Demokratietheorien (vgl. Schmidt 2000) davon aus, dass Partizipation vielmehr Modus politischer und sozialer Integration ist (vgl. Frankenberg 1997: 148). Von der Partizipationsforschung werden unterschiedliche Formen politischer Partizipation unterschieden. Die verfasste, bzw. konventionelle Form der Beteiligung basiert auf Gesetzen oder Verordnungen. Die vorrangigsten konventionellen Formen sind Wahlen und Volksentscheide. Auf der anderen Seite gibt es unkonventionelle Formen der Beteiligung. Diese finden ohne einen institutionellen Rahmen statt, wie Boykotte, Bürgerinitiativen oder freiwilliges Engagement (vgl. ebd.). Die Formen der Beteiligung unterscheiden sich von den Inhalten insofern, als sie die »Art der Beteiligung« im Sinne von direkt/indirekt beurteilt und auch ob die Formen der Beteiligung im politischen System verfasst sind oder nicht (Buse/Nelles 1975: 81). Partizipation ist also basaler Bestandteil einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung und ist in verschiedenen Gesetzen festgeschrieben, wie im Staats-, Arbeits-, Sozial- und Verwaltungsrecht. Hervorzuheben ist, dass sich Teilnahme bzw. Teilhabe eben nicht nur auf das politische System bezieht, sondern durch Recht und Politik auch in anderen Funktionssystemen festgeschrieben ist. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass nicht nach Begründungen dafür gesucht werden muss, wenn Kinder- und Jugendliche an diversen sie betreffenden Maßnahmen oder Angeboten beteiligt werden. Im Gegenteil: es müssten gute Gründe vorgelegt werden, werden sie nicht beteiligt. Neben der Form, die Partizipation näher bestimmen kann, ist auch der Inhalt maßgeblich, um Partizipation fassen und bewerten zu können. Ausgangspunkt der meisten Ansätze zur inhaltlichen Bestimmung ist die Annahme eines Machtungleichgewichts. Nach Schnurr ist das bekannteste Stufenmodell, also die Einordnung der Machtverteilung, die »ladder of citizen partizipation« von Arnstein (Arnstein 1969). Er entwickelte das Modell hinsichtlich der Beteiligung von Bürgern an politischen Planungsprozessen. Sein Modell wurde in verschiedenen Varianten auf die Soziale Arbeit v.a. der Jugendhilfe übertragen (beispielsweise Knauer/Sturzenhecker 2005).

28

Zu den Ergebnissen des Modellprojekts Selbstwirksame Schulen: Jerusalem/Mittag 1998: 107-115; Jerusalem/Hopf (Hg.) 2002. In einem dreijährigen Modellversuch wurden 10 Schulen evaluiert, die versuchten, die Selbstwirksamkeit der Schüler*innen durch verschiedene Methoden auf verschiedenen Ebenen zu stärken.

1. Schüler*innenfirmen

Das Konzept von Arnstein, übersetzt von Schnurr (vgl. Schnurr 2001: 1336), benennt auf der untersten Stufe die Nichtbeteiligung, die Manipulation. Eine Steigerung erfolgt in der Reihenfolge: Therapie (in Abgrenzung von einer Befähigung zur Beteiligung), Information, Beratung/Anhörung, Berichtigung, Partnerschaft (Beteiligung in Aushandlungssystemen), Übertragung von Macht an die Bürger*innen (sie besitzen Entscheidungskompetenzen für bestimmte Planungsabschnitte/Programme) und zuletzt Kontrolle durch Bürger*innen (sie besitzen volle Entscheidungskompetenz). Um die abstrakte politikwissenschaftliche und soziologische Ausführung auf pädagogische Ziele beziehen zu können, stellen sich viele Fragen: Beispielsweise grundlegend die, wie Unterricht oder Projekte partizipativ durchgeführt werden können oder ob, wie und an welchen Stellen Schüler*innen Möglichkeiten der Mitbestimmung und Mitgestaltung inne haben. Der Vergleich zu Satows Untersuchung zu selbstwirksame Schulen verdeutlicht: Erst wenn eine echte »Übertragung von Macht« den Schüler*innen Autonomie ermöglicht, kann von Partizipation gesprochen werden, kann eine Motivation zum Lernen, zum Lerngegenstand hergestellt werden (vgl. Kap. 1.2.1.2). Das soll in einer Schüler*innenfirma oder einem Schüler*innenfirmenwettbewerb erfolgen: Die Schüler*innen bestimmen insbesondere den Gegenstand ihrer Geschäftsidee selbst. Ihre Fähigkeiten und Interessen bestimmen dabei maßgeblich den Verlauf und die Ausgestaltung des Projekts. (2) Partizipation in der Sozialen Arbeit/Jugendhilfe Im Kontext der Sozialen Arbeit führt die begriffliche Unschärfe zu dem Vorwurf, die Soziale Arbeit besäße kein Partizipationsmodell; Partizipation würde nicht näher beschrieben, sondern vielmehr als Beziehungsaspekt verstanden (vgl. Heiner 2004: 161). Eine begriffliche – und eine daraus ableitend handlungsorientierte – Präzisierung für die Soziale Arbeit wird durch die Existenz unterschiedlicher (handlungsorientierter) Ansätze erschwert, die eine Beteiligung der Adressat*innen auf unterschiedliche Art und Weise mit einschließen wie z.B. Empowerment oder Lebensweltorientierung. Mittlerweile gibt es konkrete Ansätze, wie Partizipation in verschiedenen Bereichen der Sozialen Arbeit, vorrangig in der Jugendarbeit oder den Hilfen zur Erziehung, umgesetzt wird bzw. werden kann (beispielsweise Pluto 2007; Sturzenhecker 2008; Knauer/Hansen/Sturzenhecker 2011). Die Begriffe der Partizipation und Beteiligung wurden in der Sozialen Arbeit erst in den 1990er Jahren zunehmend erweitert gebraucht, bestärkt durch das Inkrafttreten des Kinder- und Jugendhilfegesetzes. Es wurde auf »das Thema der Klienten- bzw. Nutzerbeteiligung« übertragen, zuvor vor allem in Zusammenhang mit »Fragen der Sozialplanung« (Bürger*innenbeteiligung) verwendet (Schnurr 2001: 1330). In den Strukturmaximen der Jugendhilfe, die den Wandel des Jugendamtes zusammenfassten, wurde Partizipation zu einem der leitenden Prinzipien einer lebenswelt- und kundenorientierten Jugendhilfe (vgl. Bundesministerium für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit 1990: 88). Nach Schnurr bezeichnet Partizipation im heutigen Sprachgebrauch der Sozialen Arbeit arbeitsfeldübergreifend »den Sachverhalt bzw. das Ziel einer Beteiligung und Mitwirkung der Nutzer (Klienten) bei der Wahl und Erbringung sozialarbeiterischer/sozialpädagogischer Dienste, Programme und Leistungen« (Schnurr 2001: 1330).

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

Soziale Arbeit, die Erbringung ihrer Dienste, Programme und Leistungen findet innerhalb von Organisationen statt, bzw. wird durch diese vermittelt. Damit entsteht ein Bezugspunkt, unter dem Partizipation beurteilt werden kann: Organisationen ermöglichen und prägen die Arbeit mit der Klientel. Sie sind nach Türk Konstrukte, die jene Strukturen bilden, die eine Gesellschaft kennzeichnen (vgl. Türk/Lemke/Bruch 2006: 19f.), bzw. »gesellschaftliche Verhältnisse konstituiert« (Türk/Lemke/Bruch 2006: 11). Die dienstleistungstheoretische Argumentation zeigt auf, wie sich die Rolle der Klient*innen der Sozialen Arbeit verändert hat. Sie zeigt die Bedeutung von Organisationen – was auch unter dem Aspekt interessant ist, dass die Entwicklung der Sozialen Arbeit eng mit der Entwicklung der Organisationen verbunden ist (vgl. dazu z.B. Engelke 1999; Mühlum 1996; Hering/Münchmeier 2013). Welche Auswirkungen das Handeln der Fachkräfte Sozialer Arbeit in Organisationen hat und wie abhängig soziale Organisationen von deren individueller Einschätzung sind, hat Pluto erarbeitet (vgl. Pluto 2007). Der 9. Jugendbericht fordert dazu auf, Dienstleistung als »Orientierungsmodell« für die Modernisierung der Jugendhilfe zu verstehen und damit ein anderes Verhältnis zwischen Adressat*innen und Leistungsanbietern zu ermöglichen. Unabhängig davon, ob Hilfe nachgefragt oder diese durch die Jugendhilfe selbst eingeleitet wird: Von entscheidender Bedeutung ist, ob die Angebote bzw. Maßnahmen der Sozialen Arbeit den Bedürfnislagen der jungen Menschen entsprechen und sie mit an den sie betreffenden Maßnahmen beteiligt werden (vgl. Bundesministerium 1994: 583f.). Der Zusammenhang zwischen Dienstleistung und Partizipation liegt zudem und damit verbunden in der Veränderung der klassischen Klient*innenrolle. Der*die Klient*in ist nicht mehr Objekt, der*dem Soziale Arbeit zuteil wird, sondern wird zum aktiven Subjekt. Diese veränderte Rolle zeigt sich auch in der Diskussion um Begrifflichkeiten, wie Adressat*innen der Sozialen Arbeit bezeichnet werden können: Kunde*in, Nutzer*in oder Konsument*in (vgl. Schnurr 2001: 1332). Wie kann Partizipation in ihren verschiedenen Ausprägungen auf unterschiedlichen Ebenen umgesetzt werden? Soziale Dienste und Leistungen und deren konkrete Erbringung sind Resultate eines mehrstufigen Prozesses, dem unterschiedliche Ebenen zuzuordnen sind (wie Politik oder Administration). Bevor auf der untersten Ebene Nutzer*innen entscheiden können, stehen vorab jeweils unterschiedliche Aspekte zur Entscheidung an (vgl. Schaarschuch 1996: 24ff.). Zunächst werden grundlegende sozialpolitische Entscheidungen getroffen, die die Gewährung von Leistungen festlegen.29 Auf dieser Grundlage kann später konkret entschieden werden, wer welche Leistung von wem erhalten kann. Diese Grundlagen werden überwiegend auf Bundesebene gelegt. Mittels verfassten und indirekten Partizipationsformen wie Wahlen oder Parteiarbeit und nicht-verfassten und indirekten Partizipationsformen wie Verbandsarbeit oder Betroffenenorganisation kann auf diese Entscheidungen Einfluss genommen werden. Auf der Ebene der kommunalen Selbstverwaltung werden die politischen Rahmenbedingungen umgesetzt, finanzielle Ressourcen an Leistungsanbieter verteilt (vgl. 9. 29

Die gesetzliche Grundlage für Angebote und Maßnahmen der Jugendhilfe ist das Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG oder SGB XIII).

1. Schüler*innenfirmen

Jugendbericht, Dienstleistung/Partizipation). Wenn Schüler*innenfirmen im Rahmen der Jugendhilfe durch die Soziale Arbeit umgesetzt werden sollen, wird insbesondere der Jugendhilfeausschuss und die Arbeitsgemeinschaften der Jugendhilfe (§§ 80, 71, 78 KJHG) bei diesen Entscheidungen mit beteiligt. Also lassen sich auch hier verfasste und indirekte Formen der Partizipation ausmachen, wie beispielsweise Wahlen in repräsentative Beiräte, Ausschüsse, Kommissionen. Aber auch nicht-verfasste und indirekte Formen finden hier Zugang: Einfluss durch Verbände, Bürger*innenentscheide, -begehren (verfasste-direkte Formen) oder stellvertretende und kooperative Verfahren, Beteiligung von Sprecher*innen, Expert*innen (nicht-verfasste-direkte Formen). Letztgenannte ist die Form, in der eine starke Projektorientierung vorliegt und in der typischerweise Kinder und Jugendliche partizipieren und Formen von Beteiligung erprobt werden können. So beispielsweise in Jugend- oder Bürgerforen, durch Zukunftswerkstätten, Gemeinwesenarbeit und -projekten. Letztlich erfolgt auf der Ebene der Einzelfallentscheidung die direkte Beteiligung der Adressat*innen: Auf dieser Ebene wird das Problem definiert, auf Grund dessen der Anspruch auf Leistungen sowie Art und Umfang festgelegt wird. »Auf dieser Ebene herrscht strukturell ein ausgeprägtes Missverhältnis zwischen der Reichweite und Folgenhaftigkeit der Entscheidungen für die individuellen Nutzer einerseits und ihren Mitwirkungsmöglichkeiten, Partizipationschancen bzw. -rechten andererseits. Stattdessen ist diese Ebene die klassische Domäne professionellen Ermessens.« (Schnurr 200: 1340)30 Eine Ausnahme bildet das Kinder- und Jugendhilfegesetz. Es räumt den Adressat*innen verschiedene Rechte der Mitbestimmung ein. Gesetzliche Grundlage für die Partizipation von Kindern und Jugendlichen sind: § 8 KJHG der festschreibt, dass Adressat*innen an allen sie betreffenden Entscheidungen mit zu beteiligen sind; § 80 KJHG formuliert, dass deren Wünsche dabei zu berücksichtigen sind und § 5 KJHG (Wunsch- und Wahlrecht) beinhaltet das Recht, zwischen Einrichtungen und Diensten verschiedener Träger wählen zu können. Die Konkretisierung dieser übergreifenden Vorschriften erfolgt durch § 36 Mitwirkung, Hilfeplan bei Hilfen zur Erziehung oder Eingliederung für seelisch behinderte Kinder und Jugendlichen.31 30

31

Dieses Problem ist strukturell begründet. Die rechtlichen Grundlagen ermöglichen weite Interpretations- und Ermessensspielräume, so dass die Leistungserbringung stark von institutionellen Bedingungen und persönlichem Fallverstehen des*der Sozialpädagog*innen/Sozialarbeiter*innen abhängt. Damit ist die Ebene der Einzelfallentscheidung geprägt durch eine Machtasymmetrie zugunsten der Sozialpädagog*innen/Sozialarbeiter*innen, bei der Adressat*innen von Formen der informellen Aushandlung abhängig sind. Partizipation kommt, wenn überhaupt, über eine passive Beteiligung nicht hinaus. Adressat*innen liefern Daten, aus denen Professionelle ihre Schlüsse ziehen und haben oft keine Kenntnis über die Relevanzstrukturen, nach denen die Professionellen ihre Schlüsse ziehen; sie werden aufgefordert, ihr Einverständnis zu einem Problembearbeitungsvorschlag zu geben, besitzen aber selten das entsprechende Wissen über Alternativen. Nach Handler steigen Machtasymmetrien proportional zum Grad der Abhängigkeit der Nutzer und zum Grad der Unfreiwilligkeit des Kontakts (vgl. Schnurr 2001: 1341). Ansätze zu verfassten Partizipationsformen sind auf der Ebene der Einzelfallentscheidung wenig entwickelt. Der öffentliche Jugendhilfeträger berät Kinder oder Jugendliche bei der Entscheidung der Auswahl von Einrichtungen oder Pflegestellen. Es wirken mehrerer Fachkräfte zusammen, die Ent-

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

Auf der Ebene der Leistungserbringung geht es also um die konkrete Ausgestaltung der sozialen Dienstleistung. Doch ist die Umsetzung von Partizipation noch immer abhängig von der spezifischen Kultur der Einrichtung und der Professionalität der einzelnen Mitarbeiter*innen. Und das obwohl in Studien im Bereich der Jugendhilfe gezeigt werden konnte, dass die Zufriedenheit hinsichtlich des Ergebnisses und die Beurteilung des Erfolgs positiv durch erhöhte Partizipationschancen beeinflusst werden (vgl. dazu Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe 2013; Peterson 1999). Zudem ist die Möglichkeit, sich innerhalb von Institutionen und Organisation beteiligen zu können ein »Lern- und Übungsfeld«, innerhalb dessen junge Menschen auf ihre späteren Aufgaben als Bürger*innen vorbereitet werden können. Demokratisches Verhalten und die Artikulation eigener Interessen kann gelernt werden. Die Wirkungen, die sich von dieser Partizipation erhofft werden, gelten als »Schlüssel zur politischen und sozialen Integration in demokratische Gesellschaften« (Frankenberg 1997: 148). Sturzenhecker hat Kriterien für die Umsetzung von Partizipation in der offenen Jugendarbeit entwickelt, die in ihren Grundzügen als generelle Kriterien auf die verschiedenen Bereiche (Schule, Soziale Arbeit, Politik) übertragen werden können. Sie berücksichtigen das Machtungleichgewicht zwischen Kindern, Jugendlichen und Sozialpädagog*innen und beziehen sich auf die Struktur-, Prozess und Ergebnisqualität. Die Strukturqualität beschreibt grundsätzliche formale Gegebenheiten, die Bedingung für partizipatorische Prozesse sein sollen: Kinder und Jugendliche müssen über ihre Rechte, die sie wahrnehmen können, informiert sein. Die Prozesse und Entscheidungswege müssen nachvollziehbar sein und dürfen nicht vom Ermessen eines*einer Verantwortlichen getroffen werden. Dokumentation, Publikation und Evaluation sind Abläufe, die Transparenz ermöglichen, Prozesse nachvollziehbar machen und eine Teilnahme bzw. Beteiligung erst ermöglichen (vgl. Sturzenhecker 2014: 41f.). Die Prozessqualität betrifft den Ablauf eines pädagogischen Angebots. Dabei differenziert Sturzenhecker Haltung und methodische Ausrichtung. Die Haltung, die Jugendlichen gegenüber eingenommen wird, ist entscheidend, um überhaupt partizipatorisch arbeiten zu können. Dazu gehören: gegenseitige Anerkennung, die Freiwilligkeit der Teilnahme, Offenheit und Konfliktfreudigkeit.32 Die methodischen Prinzipien beinhalten verschiedene Aspekte der pädagogischen Arbeit: Die Umsetzung von Gleichberechtigung unter Berücksichtigung individueller Unterschiede durch das Prinzip Gleichheit und Differenz; Artikulation als grundlegende Bedingung, Interessen zu formulieren und damit in der pädagogische Arbeit zu berücksichtigen; Prozessoffenheit/Revidierbarkeit von Entscheidungen, Argumentation, Positions- und Interessenspräzisierung, Perspektivenverschränkung, Symmetrische Kommunikation, Vervielfältigung der Möglichkeiten, advokatorische Schutzund Grenzsetzung, sowie Verantwortungsübernahme.

32

scheidung ist in der Regel eine Teamentscheidung. Die Erstellung eines Hilfeplans erfolgt unter Beteiligung der Personensorgeberechtigten, der Kinder und Jugendlichen und wird fortlaufend überprüft. Konfliktfreudigkeit reflektiert darauf, Konflikte als Chance zu begreifen. Wer sich in einen Konflikt begibt, ist nicht nur sehr engagiert dabei, sondern will Veränderungen des Bestehenden (vgl. Sturzenhecker 2014: 20ff.).

1. Schüler*innenfirmen

Die Ergebnisqualität wird mit Wirkungszielen beschrieben: Es geht um die Förderung von Kindern und Jugendlichen in Hinblick auf demokratische Selbst- und Mitbestimmung. Dieses Ziel ist jedoch sehr allgemein formuliert und lässt offen, wie genau eine Umsetzung für Kinder und Jugendliche aussehen kann, welche konkreten Handlungsziele erreicht werden sollen. Eine Operationalisierung der Wirkungsziele ist also unerlässlich (vgl. Sturzenhecker 2014: 37-41). Nicht nur, um immer wieder fortwährend Ergebnisse überprüfen zu können, sondern auch damit Kinder und Jugendliche verstehen und erleben können, was Partizipation bedeutet. Letztlich würde Partizipation einen »wichtigen Beitrag zur Akzeptanz sozialer Dienste leiste(n) und damit ihre Effektivität erhöhe(n)« (Schnurr 2001: 1335f.). Die Bedeutung, die dem Thema Partizipation mittlerweile beigemessen wird, ist gestiegen. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend formuliert Qualitätsstandards für Partizipation verschiedener öffentlicher Bereiche (vgl. BmfFSFJ 2015). Darin finden sich auch Kriterien für diverse pädagogische Einrichtungen und Angebote der Sozialen Arbeit. Die Kriterien sind unterteilt in Handlungsschritte (Klima und Grundhaltung, Kultur der Einrichtung, Verbindlichkeit) und werden gefüllt mit weiteren Anhaltspunkten wie z.B. Möglichkeiten von Beteiligungsgremien für Kinder und Jugendliche oder partizipative Führungskonzepte. Den Einrichtungen bleibt es jedoch selbst überlassen, aus diesen Anhaltspunkten konkrete Maßnahmen und Konzepte zu entwickeln. Die Betonung von Partizipation wird teilweise instrumentalisiert, eine praktische Umsetzung erfolgt oftmals nach dem »bottom-up« Prinzip, denn es geht – wie beispielsweise von der Europäischen Kommission zur Beteiligung von Kindern und Jugendlichen formuliert – nicht unbedingt darum, ein demokratisches Prinzip umzusetzen. Vielmehr geht es um die Herstellung von Akzeptanz für bestehende Strukturen und Verhältnisse: indem Jugendliche befragt und miteinbezogen werden, können zwar die Interessen der Jugendlichen besser integriert werden, v.a. aber »trägt eine derartige verstärkte Berücksichtigung zum reibungslosen Funktionieren unserer Gesellschaften bei und führt zu einer Weiterentwicklung der Politik. In diesem Sinne ist die Partizipation der Jugendlichen Voraussetzung für ein besseres Regieren« (Kommission der Europäischen Gemeinschaften 2003: 15, in Knauer/Sturzenhecker 2016: 64). Partizipation wird also funktionalisiert. Deutlich wird dies auch durch eine Untersuchung über Jugendgemeinderäte. Diese sollten nicht etwa Bedarfe und Anliegen der Jugendlichen in konkrete Umsetzung münden lassen, vielmehr verfolgen Verwaltung und Politik mit dem Konzept folgende Ziele: Sie wollen Jugendliche für die Mitarbeit an Parteien und Organisationen gewinnen, negative Einstellungen abbauen und Grundlage für eine optimierte kommunale Politik schaffen (ebd.) Knauer und Sturzenhecker spitzen dies zu: »Das ist symbolische Politik« und damit kann es nach Arnsteins Modell der Nichtbeteiligung zugeordnet werden (Knauer/Sturzenhecker 2016: 64). Die scheinbare Politikverdrossenheit der Jugend, ihr beklagtes geringes Engagement kann auf eben dieses Missverhältnis zurückgeführt werden. Wenn Schüler*innen täglich erleben, dass sie kein Mitspracherecht an der Schule haben oder das ihnen übertragene wenig bis keine Effekte zeigt, wirkt sich das nicht nur negativ auf die Lernmotivation aus, sondern erhöht auch eine Abgrenzung zum tradierten Politikverständnis.

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

(3) Partizipation in der Schule Auch die Schule wird als Ort gesehen, der als zentrale Aufgabe die Förderung von Partizipation innehat. Die Begründungslage ist ähnlich der, die auf politische Partizipation von Kindern und Jugendlichen angewendet wird: In einer demokratischen Gesellschaft müssen die Mitglieder auf ihre Aufgaben vorbereitet werden, demokratische Strukturen kennenlernen, bestenfalls die Struktur des Systems wie folgt übernehmen: »Der Staat will sich die Bürger erziehen, die er braucht.« (Knauer/Sturzenhecker 2016: 64) Deshalb ist der Aufschrei nachvollziehbar, den die Shell Jugendstudie 2000 hervorgerufen hat: Jugendliche seien unpolitisch, interessierten sich nicht für Politik, wollten sich nicht engagieren, schon gar nicht in etablierten Parteien. Es wurden die Gründe erforscht, warum bzw. ob dem so ist und ob nicht die Sichtweise der Jugendlichen dabei völlig außer Acht gelassen wurde. Denn: Jugendliche engagierten und engagieren sich, aber auf ihre eigene Art und Weise: Sie möchten sich nur nicht auf Dauer verpflichten. Sie möchten Spaß haben, was von manchen Autoren mit »Spaßgesellschaft« gleichgesetzt wurde und mithin eher ein Tabu zu sein hat. Engagement hat eine ernsthafte Angelegenheit zu sein. Die Jugendlichen hingegen stehen der Politik skeptisch gegenüber, möchten nicht, dass ihr Engagement mit Politik gleichgesetzt wird.33 Die aktuelle Klimabewegung von Schüler*innen »Fridays For Future« spitzt diese Abgrenzung zu: Kinder und Jugendliche mobilisieren sich weltweit, weil sie weder politische Zielsetzungen oder Vereinbarungen realisiert sehen und die Verantwortung nicht mehr der Politik allein überlassen wollen. Die Diskussion darüber, was das schlechte Bild von Politik und Parteiarbeit verursacht, wie es verändert werden kann, hält an. Die Schule stellt sich zum Teil der Aufgabe der Vermittlung und des Einübens von Partizipation. Wird Partizipation an Schulen umgesetzt, hat dies den positiven Aspekt, dass die Schüler*innen ein positives Lernverhalten zeigen, stärker motiviert sind und ein stärkeres Selbstvertrauen in ihre Leistungen haben. Schüler*innen, die sich außerhalb der Schule engagieren, sehen das schulische Lernen stärker als Vorbereitung auf eine spätere Berufsausübung. Die Motivation für schulische Belange steigt (vgl. Eikel 2006: 7; Eikel/de Haan 2007). Wie wird Partizipation an Schulen umgesetzt? Der verfasst-direkte Weg oder formal-repräsentative ist die Schülermitverantwortung (SMV). Die Schüler*innen haben die Möglichkeit, über die Wahl der SMV Einfluss auf die Schulgestaltung (Vorschläge für den Unterricht, Mitarbeit bei Verwaltung und Organisation, Teilnahme an Konferenzen) zu nehmen. Wie die SMV-Arbeit inhaltlich genau ausgestaltet ist, regelt jedes 33

Diesbezüglich erhellend war ein Vortrag des Verfassers der Shell Studie 2000 Arthur Fischer (Fachtagung »Jugend, Gemeinde Zukunft«, veranstaltet vom Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis, Wiesloch 2000). Die Studie mit der für viele so erschreckenden Botschaft der unpolitischen Jugend ist erschienen. Im Vortrag wird über die Studie berichtet und von Fischer erfolgt das Resümee: Wir haben falsch gefragt. Die Sichtweise der Jugendlichen wurde nicht erforscht, sondern unser Denken, unserer Wertmaßstäbe waren Grundlage der Befragung. Fischer hatte ein dafür bezeichnendes Erlebnis: Er suchte das Gespräch mit Jugendlichen, die sich an einem Stand in der Öffentlichkeit für Tierschutz einsetzten. Von ihnen wollte er wissen, ob das, was sie gerade machen, Politik sei. Die Jugendlichen antworteten nach längerer Beratung mit Nein. Denn: ihre Aktion sei transparent (er könne bei der Auszählung dabei sein), sie würden nicht lügen und sie bekämen kein Geld für ihr Tun.

1. Schüler*innenfirmen

Bundesland und jede Schule für sich. Auch Klassensprecher*innen gehören in diese Kategorie. Weitere Möglichkeiten sind offene-basisdemokratische Beteiligungsformen wie Versammlungen oder Klassenräte; sind projektorientierte Formen wie Zukunftswerkstätten, Schüler*inneninitiativen oder Schüler*innenfirmen. Eingeübt werden kann demokratisches Verhalten auch bei anderen Beteiligungsformen wie Streitschlichter*innen, Hausaufgabenhilfe, Mentor*innen oder Rollenspiele (vgl. ebd.: 17). Die Mitarbeit in einer Schüler*innenfirma kann demnach als eine direkte Form der Partizipation verstanden werden, partizipative Methoden kennenzulernen und zu erfahren, wie Teilhabe funktionieren kann. Wenn Schüler*innen lernen, wie sie teilhaben können und wenn auch innerhalb der Schule Partizipation gelebt wird, ist die Schüler*innenfirma und der Schüler*innenfirmenwettbewerb eine gute Möglichkeit, fachliche Inhalte mit der Erfahrung von Teilhabe zu kombinieren. Das sind einzelne demokratische Bausteine, die formal oder methodisch verfasst sind, eine Schule noch lange nicht zu einer demokratischen Organisation machen müssen. Dies kann nur durch ein grundlegendes demokratisches Verständnis von Schule gelingen, welches nicht geprägt ist von Leistungsorientierung und Selektion. Ein tiefgreifend umfängliches Verständnis von Schule als eines sozialen Orts, an dem Demokratie gelebt werden muss, entwickelte Dewey. Deweys Verständnis von Demokratie als einer Lebensform basiert auf der »anhaltenden Verpflichtung jedes Individuums dafür zu sorgen, dass es selbst wie auch jedes andere Gesellschaftsmitglied ein möglichst erfülltes und gelingendes Leben führen kann« (Hickman 2004: 10). Die notwendige flexible Anpassung eines jeden gilt ebenso für die Systeme, die für das Zusammenleben geschaffen wurden. Das ist ein großer Anspruch, der für die Bildung und Erziehung und deren Institutionen entsprechende Anforderungen stellt. So ist es Aufgabe der Schule, individuelle Anlagen zu fördern und alle darin zu befähigen, diese selbst ein Leben lang von sich aus weiterzuentwickeln. Damit muss Schule mehr als eine Vorbereitung auf eine Erwerbstätigkeit sein. Sie soll den Wunsch wecken, wichtige Erfahrungen zu machen, die über ein schulisches Lernen hinausgehen. Elementar ist dabei die Fähigkeit, andere mit ihren ganz eigenen Standpunkten zu akzeptieren, zu verstehen und Konflikte zu lösen (vgl. ebd.: 11). Der Gewinn einer pluralen Demokratie besteht an dieser Stelle ganz konkret darin, sich darin zu üben, andere Standpunkte nachvollziehen und akzeptieren zu können. Ein zentraler Begriff Deweys, der auch diese Fähigkeit beschreibt, ist habits34 Er umfasst mehr als Gewohnheiten, die sich in alltäglicher Routine ergehen, er meint Gewohnheiten, die sich immer wieder neuen Anforderungen stellen müssen. An sich kann dieser Begriff Deweys als Beschreibung von Verhaltensweisen verstanden werden, die sich kulturellen Gegebenheiten anpassen. Das führt zur Anforderung an Schulen, genau die Fähigkeiten zu fördern, die Menschen dazu befähigen, durch lebenslanges Lernen ihre habits entsprechend der jeweiligen Anforderungen anzupassen und umzuformen (vgl. Neubert 2004: 18). Die Schule, so Deweys Vision, als »miniatory community« (Dewey in Neubert 2004: 21), ist der soziale Ort, der auch diesen Ansprüchen gerecht werden kann. Lernen muss 34

Reich und Neubert verwenden zentrale Begriffe Deweys im englischen Original, um einen Bedeutungsverlust durch eine Übersetzung ins Deutsche zu vermeiden (vgl. Neubert 2004: 14).

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

nach Dewey im Leben beginnen und Schule deshalb nach außen geöffnet sein, um das soziale Umfeld, die Lebenswelt der Schüler*innen mit einzubeziehen. So sehr das Kind im Mittelpunkt seiner Theorie steht, so bedeutsam ist gleichzeitig die Interaktion mit anderen, die Wechselwirkung mit der sozialen und kulturellen Umwelt (vgl. Neubert 2004: 21). Und damit grenzt Dewey sich von anderen reformpädagogischen Bestrebungen ab, die eine Pädagogik vom Kind aus proklamieren, sich aber, so Deweys Kritik, von »diffusen Interessen« der Kinder leiten lassen. Statt »planlose Improvisation« fordert er, dass »die Lerninhalte auf Begabungen und Interessen der Lernenden« abgestimmt werden (Hickman 2004: 6). Die in den Entwicklungslinien der Schüler*innenfirmen erwähnte »Labaratory School« repräsentiert Deweys Ansatz. Er möchte die Schule als Lernort sehen, der nach dem Modell eines Labors funktioniert, in dem u.a. geforscht, ausprobiert oder diskutiert wird (vgl. Neubert 2004: 22). Aber er möchte diese Schule nicht als Modell für andere Schulen verstanden wissen – dies wiederum würde seinem Anspruch widersprechen für jedes Kind, für jede Zeit, die passenden Inhalte zu finden und im Sinne eines Fortschritts entsprechende Angebote zu machen. Denn Erziehung spiegelt die »Bedingungen seiner Zeit« wider und müsse sich immer mit diesen entsprechend entwickeln (Hickman 2004: 6). Ein weiterer zentraler Begriff, der in Deweys Denken und demokratischem Verständnis eine zentrale Rolle spielt ist die Interaktion. Demokratie muss mit community, mit Gemeinschaft in Verbindung gebracht werden, dann kann die Teilnahme in einer Kultur beschrieben werden (vgl. Reich 2004: 94). Die Lösung bei Krisen der Demokratie ist: mehr Demokratie wagen. Die Auffassung von Schule als »miniatory community« symbolisiert gleichsam die Verbindung demokratisch gelebter Strukturen mit der Übernahme erzieherischer Verantwortung und der Öffnung der Schule zur Lebenswelt der Schüler*innen. Die Interaktionen, die innerhalb wie außerhalb von Schule stattfinden, ermöglichen die Teilnahme in einer Kultur, insbesondere, weil Dewey auf die Bedeutung der Auseinandersetzung mit anderen Auffassungen hinweist. Diese Auseinandersetzung und das ständige Bemühen um gegenseitiges Verstehen ist ein zutiefst demokratischer Gedanke. Dieses Bemühen als grundlegendes Element der Schule zu etablieren und als Voraussetzung einer persönlichen und gesellschaftlichen Weiterentwicklung zu begründen, ist in einer radikalen Weise konsequent.

1.2.1.2

»Partizipation heißt Selbstwirksamkeit«35 Selbstwirksamkeit und Selbstbestimmung erfahren

  »Die Beziehungen zwischen Selbstwirksamkeitsüberzeugung, Selbstkonzept, Aspekten der Motivation und Ausdauer sowie der Lernleistung gehören dagegen zu den größeren Korrelaten.« (Hattie 2013: 54) Eigeninitiative ist die Fähigkeit, aus sich heraus, ohne äußeren Druck oder genaueren Vorgaben, selbstständig tätig zu werden und neue Ziele oder Handlungsweisen zu entwickeln (vgl. Arbeitsstellen für Community Education 1994: 14). Ein solches Verhalten 35

Opielka, Michael 2017: 3

1. Schüler*innenfirmen

setzt die Fähigkeit voraus, auf sich selbst zu vertrauen und darüber hinaus auch darauf zu vertrauen, mit dem eigenem Verhalten und Tun etwas bewirken zu können. Dieses wird mit dem Begriff der Selbstwirksamkeit beschrieben. Schwarzer/Jerusalem (2002) verwenden deshalb die Begriffe Kompetenzerwartung und Erwartung von Selbstwirksamkeit synonym. Sie weisen in verschiedenen Studien nach, dass ein Zusammenhang zwischen einer optimistischen Selbstwirksamkeitserwartung und tatsächlich erfolgreichem Handeln besteht. Das gilt nicht nur für den Bildungs-, sondern beispielsweise auch für den Gesundheitsbereich (vgl. Schwarzer/Jerusalem 2002: 36). Verschiedene Grundlagen stützen die Entwicklung von Selbstwirksamkeit. Lernen Schüler*innen Verantwortung zu übernehmen oder erleben sie, dass sie Entscheidungen mittragen können, sind Voraussetzungen geschaffen, dem eigenen Handeln und den eigenen Fähigkeiten zu vertrauen. Das ist eine Verbindung, die zwischen Mitbestimmung und Selbstwirksamkeit besteht. Aber auch Deweys Auffassung, dass Lernen immer an die Zeit, an die immer neuen Gegebenheiten angepasst werden müssen, lässt sich gut übertragen auf die Fähigkeit, Vertrauen in die eigenen Kräfte zu haben, um auch in neuen, herausfordernden Situationen zurecht zu kommen. (1) Lernen Bandura beschäftigte sich seit den 1970er Jahren mit dem Konzept der »Self Efficacy« und entwickelte das Konzept der Selbstwirksamkeitserwartung. Er untersucht Zusammenhänge zwischen Selbstvertrauen und Selbstwirksamkeit. Grundlegend ist dabei die Annahme, dass der Erfolg des eigenen Handelns davon abhängt, ob die Überzeugung in eigene Fähigkeiten vorhanden ist; also die Überzeugung, aus eigener Kraft etwas bewirken zu können. Diese Überzeugung hängt nicht mit Intelligenz, Wissen oder Können zusammen (vgl. Fuchs 2005: 11ff; Schwarzer/Jerusalem 2002: 35). Fuchs fasst Banduras Begriff der »Self Efficacy« zusammen als »[…] die bewussten subjektiven Überzeugungen von Menschen, genügend eigene Kompetenzen zu besitzen, selbst bestimmte Vorhaben umzusetzen und schwierige Aufgaben zu bewältigen und zu lösen.« (Fuchs 2005: 20) Dabei – und hier kommt ein weiteres Kriterium hinzu – geht es um ein zielgerichtetes und nicht um alltägliches oder routinemäßiges Handeln. In Hattis umfangreicher Metastudie »Visible Learning« (2013) untersucht er Bedingungen, die den Erfolg schulischen Lernens bestimmen und hat dafür über 50.000 Studien zusammenführt. Eine der vielen Perspektiven, die an dieser Stelle ergänzend angeführt werden kann, stützt den Stellenwert von Selbstwirksamkeit. Die Auswertung von Studien zu den »Beiträge der Lernenden« bestätigt, dass die »Beziehung zwischen Selbstwirksamkeitsüberzeugung und Lernleistung eine [.] der der engsten unter den Selbst-Konstukten« ist (Hattie 2013: 56). Doch wie entsteht Selbstwirksamkeit als wesentliche Voraussetzung, Kompetenzen überhaupt erst nutzen, überhaupt auf sie zugreifen zu können? Bandura nennt vier Quellen, die den Erwerb von Selbstwirksamkeit ermöglichen bzw. mit beeinflussen. Eigene Erfahrungen sind die erste und wichtigste Quelle. Das eigene Erleben von Erfolg, der in Bezug zu den eigenen Fähigkeiten und Kompetenzen gestellt werden kann, stärkt den Glauben an diese. Misserfolge beeinträchtigen das Vertrauen in die

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eigene Selbstwirksamkeit weniger stark, vielmehr kann mit ihnen angemessen umgegangen werden. Aber auch durch Beobachtung und Nachahmung von Modellen kann Selbstwirksamkeit erlernt werden. Dies funktioniert jedoch nur, wenn das Modell den Lernenden tatsächlich nahesteht, sie sich mit ihm identifizieren können. Eine Identifikation kann dann stattfinden, wenn das Modell vor einer ähnlichen Herausforderung steht, den Lernenden in Bezug auf Alter, Geschlecht, Interessen etc. sehr ähnlich ist, wenn also direkte Vergleiche möglich sind. Als dritte Quelle zählt die Überredung. Sie funktioniert jedoch nur dann, wenn es nicht ausschließlich bei der Überredung bleibt, im Sinne von »Du schaffst das schon« (Schwarzer/Jerusalem 2002: 44). Es bedarf einer positiven Beziehung, einer gewissen Autorität und einer weiteren Begleitung, um jemand in seinem Können, seinen Ressourcen zu bestärken und um im Falle eines Misserfolgs zu verhindern, dass alte Verhaltens- und Denkweisen wieder aufgegriffen werden. Auch Hattie bestätigt, dass das Feedback, welches Lehrende geben, von immenser Bedeutung ist. Es hat nach Hattie den stärksten Einfluss auf die Leistung (vgl. Hattie 201: 206). Das Feedback ist dann effektiv, wenn es von den Lernenden eingefordert wird, wenn es sich auf Informationen und nicht auf falsche Antworten bezieht und wenn es keine Bedrohung für das Selbstwertgefühl darstellt (vgl. Hattie 2013: 206, 208). Die Untersuchungen Hatties führen zu einer sehr differenzierten Definition, was überhaupt Feedback bedeutet und wie es erfolgen sollte (vgl. dazu ebd.: 208-211). Die Beziehung zwischen Lehrenden und Lernenden zeigt ebenso einen starken Einfluss auf die Lernleistung der Schüler*innen und ist maßgeblich daran beteiligt, ob Schüler*innen gerne oder nicht gerne in die Schule gehen. Grundlegend hierfür ist ein Beziehungsaufbau, den Lehrende leisten müssen, indem sie allen Kindern mit Respekt begegnen und allen »die Erfahrung ermöglichen, im Klassenzimmer anerkannt zu sein« (Hattie, 2013: 141). Von Bedeutung ist ebenso, jedem einzelnen Schüler und jeder einzelnen Schülerin zu zeigen, dass ihnen das jeweilige Lernen »am Herzen liegt« und ihre Absichten und Prioritäten vermitteln. Wenn das geschieht, ist auch ein gutes Feedback möglich, welches sich auf die Selbsteinschätzung der Schüler*innen beziehen kann (vgl. ebd.: 143). Die letzte Quelle, der andere Autoren eine bedeutendere Stellung zuschreiben, ist bei Bandura die letztgenannte: die gefühlsmäßige Erregung. Gefühle beeinflussen das Wohlbefinden und den Bezug zum zu erreichenden Ziel. Bei allen Varianten ist das Setzen von Nahzielen, das Wahrnehmen eigener Ressourcen und eine optimistische Interpretation der Situation wichtig, um Selbstwirksamkeit entwickeln zu können (vgl. Schwarzer/Jerusalem 2002: 45f.). Für die schulischen Erfolge ist Selbstvertrauen von großer Bedeutung, gerade auch wenn es um »Hindernisse« geht. Ist ein Gefühl von Selbstvertrauen vorhanden, lassen sich diese besser überwinden (vgl. Hattie, 2013: 56). Der erlebte Erfolg wiederum führt zur ersten Quelle Baduras, zur positiven Erfahrung, die zu einem Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten führt. Eine weitere Studie, die Hattie mit anführt, um den Zusammenhang zwischen Selbstkonzept und Lernerfolg zu untersuchen, unterstützt die sozialkognitive Theorie. Danach besteht eine Wechselwirkung zwischen affektiven, kognitiven wie auch umweltbedingter Variablen, die das menschliche Verhalten bestimmen.

1. Schüler*innenfirmen

Deshalb sollte ein Modell unterstützt werden, welches von einer Wechselwirkung zwischen Lernleistung und Selbstkonzept ausgeht. Und nicht von einem, welches eines der beiden Kategorien als ursächlich für das andere ansieht (vgl. ebd.). Auch Bandura nennt sowohl Bestärkung von außen, wie auch Emotionalität als Quellen für die Entstehung von Selbstwirksamkeit. (2) Ziele Schwarzer und Jerusalem betonen neben Banduras Quellen insbesondere die Bedeutung von Nahzielen. Sie erst ermöglichen ein zeitnahes Erleben von Erfolg. So kann nach und nach die Überzeugung in die eigene Selbstwirksamkeit gefestigt werden. Und: Die Nahziele brauchen einen persönlichen Bezug, müssen Sinn machen. Ohne Zielsetzungen, die von persönlichem Belang sind, besteht kein Anreiz, eine Herausforderung anzunehmen oder Aufgaben zu lösen, ob nun eine positive Selbstwirksamkeitserwartung vorhanden ist oder nicht. Konkret bedeutet das zum Beispiel, dass Jugendliche, die wissen, dass sie keine Aussicht auf einen guten Ausbildungsplatz haben, keine starke Motivation entwickeln, einen (guten) Schulabschluss zu machen – weil es scheinbar keinen Sinn macht. (vgl. Schwarzer/Jerusalem 2002: 42-49). Zur Festigung der Überzeugung in eigene Fähigkeiten tragen zudem Bewältigungsstrategien wie Problemlösestrategien oder Stressbewältigung bei. Sie sind eine wesentliche Voraussetzung und Hilfestellung, um verschiedensten Situationen angemessen zu begegnen. Die Aufgaben selbst, die bewältigt werden, müssen dem Niveau der Personen angemessen sein. Sie müssen durchaus eine Herausforderung darstellen, dürfen aber nicht unerreichbar sein. Die Berücksichtigung von Vorwissen, Fähigkeiten und den erwarteten Konsequenzen bestimmt eine erfolgreiche Bewältigung mit, bzw. unterstützt eine realistische Einschätzung der eigenen Fähigkeiten (vgl. Schwarzer/Jerusalem 2002: 49f.). Auch Lernerfolge sind dadurch bestimmt, dass Ziele vorab klar formuliert werden, wenn sie »spezifisch und anspruchsvoll« sind, jedoch die Aufgabenstellung nicht zu komplex. Feedback kann dann am besten wirken, wenn die drei wesentlichen Fragen (»Wie kommst du voran?«, »Wohin gehst du?«, »Wohin geht es danach?«) beantwortet werden können. Sie rekurrieren auf die Selbsteinschätzung, die Ziele und das Fortschreiten (vgl. Hattie 2013: 209f.). Mit diesem Feedback können Motivation entwickelt oder auch neue Ziele gesetzt werden, die dann auch zum Handeln, zum Lernen motivieren. Positive Attributionen, die im Zuge einer positiven Selbstwirksamkeit vollzogen werden, steigern Motivation und Selbstwert. Erfolge werden dann den eigenen Fähigkeiten, Kompetenzen oder Anstrengungen zugeschrieben, Misserfolge externen Umständen. Diese Fähigkeit kann sich positiv auf die Leistungs- aber auch auf die Gesundheitsentwicklung auswirken. Dafür ist jedoch nicht nur die Selbstwirksamkeit von Bedeutung, sondern eben auch die eigene Zielsetzung, wie beispielsweise Lern- und Leistungsziele, die von persönlicher Bedeutung sind (vgl. Schwarzer/Jerusalem 2002: 30).

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(3) Motivation und Autonomie Die Bedeutung der Ziele heben auch Krapp und Ryan hervor. Jedoch kritisieren sie Banduras Modell bzw. dessen deutschsprachige Rezeption im Hinblick auf eine Theorie der Lernmotivation: Der Selbstwirksamkeitserwartung würde eine solch bedeutende Rolle zugeschrieben, dass sie als ausreichend betrachtet werde, um Handlungsgeschehen und dessen verschiedene Facetten besser beschreiben zu können als andere Theorien. Doch würden dadurch weitere Aspekte, wie unterschiedliche Formen der Lernmotivation, die Bewältigung unterschiedlicher Aufgaben in unterschiedlichen Lebenskontexten oder die Frage nach Zielen und Inhalten des Lernverhaltens zu wenig berücksichtigt werden. Krapp und Ryan betonen dagegen, dass kognitive Ansätze zur Erklärung nicht hinreichend seien. Sie führen an, dass beispielsweise ebenso Emotionen und soziale Beziehungen ausschlaggebend für das Handeln seien (vgl. Krapp/Ryan 2002: 54f.). Die Benennung von lediglich einem Einfluss »gefühlsmäßiger Erregung« reichen Krapp und Ryan nicht aus. Im Unterschied zur Selbstwirksamkeitstheorie, die ihren Fokus insbesondere auf die Stärke der Motivation für eine bestimmte Handlung legt, will die Selbstbestimmungstheorie den Fokus auf die Gründe der Motivation legen. Es geht an dieser Stelle nicht nur darum, die Selbstwirksamkeitserwartung zu stärken (um eine stärkere Motivation für Handlungen zu erzielen), sondern herauszufinden, welche Motive hinter einer Motivation stecken. Unterschieden werden dabei eine Form der intrinsischen sowie vier Formen der extrinsischen Motivation (vgl. ebd.: 58). Die intrinsische Motivation erfolgt aus sich selbst heraus, ohne äußere Motivationen wie Belohnung oder Gewinn. Beispiele sind sportliche Aktivitäten oder das Explorationsverhalten von Kindern. Für »anspruchsvolle« Formen des Lernens wird intrinsische Motivation als besonders bedeutsam eingestuft. Angenommen wird, dass intrinsische Motivation durch das Erleben eigener Kompetenz gesteigert wird und dass diese Form der Motivation nur dann auftritt, wenn sich die Personen als autonom erleben. Autonomie wird in diesem Kontext nicht im Sinne genereller Unabhängigkeit verstanden, sondern als »von der Person erlebte innere Übereinstimmung zwischen dem, was sie selbst für wichtig hält und gerne tun möchte und den in der aktuellen Situation geforderten Aufgabenstellungen« (ebd.: 59). Im Umkehrschluss bedeutet das, dass eine Person keine intrinsische Motivation entwickelt, wenn sie sich kontrolliert oder gezwungen fühlt etwas zu tun – unabhängig von ihrer Kompetenz und Selbstwirksamkeitserwartung. Die Formen der extrinsischen Motivation unterscheiden sich von der Intensität ihrer instrumentellen Funktion. Diese bestimmt das Ausmaß der gefühlten Autonomie: Die extremste Form der Motivation, die ausschließlich durch externe Anreize wie Belohnung oder Strafe ausgelöst wird und demnach fremdbestimmt ist, ist die externale Regulation. Dabei wird ein fremdbestimmtes Ziel mit einem geringen persönlichen Einsatz erreicht und möglicherweise zusätzlich durch negativen Gefühle wie Angst, Stress oder dem Gefühl der Entfremdung begleitet. Alle weiteren Formen der externen Motivation enthalten zunehmend mehr Anteile »selbstbestimmten Handelns« und mit zunehmender Selbstbestimmung steigt die Identifikation und der persönliche Einsatz (vgl. Krapp/Ryan 2002: 62).

1. Schüler*innenfirmen

Ähnliche Ergebnisse zeigt Hatties Studie: Bezüglich der Motivation zitiert er Peters (1960), der das Konzept der Motivation in Bezug auf Kinder grundsätzlich kritisiert: Es unterstelle, bei Kindern müsse etwas in Bewegung gebracht werden, obwohl sie doch von sich aus immer in Bewegung sind. Von daher sei auf Bildungsebene eher zu fragen, warum sich Kinder für bestimmte Lernziele entscheiden sollen. Daraus folgt, dass die Frage nach Zielen und Absichten von Lerninhalten gestellt werden muss (vgl. Hattie 2013: 57). Lernende sind insbesondere dann motiviert, wenn sie autonom und kompetent sind, Feedback erhalten und auch von anderen Bestätigung erfahren. Externe wie auch interne Überzeugungen auf das Lernen spielen ebenso eine große Rolle, ob Lernerfolge eintreten können. Die Überzeugung, das eigene Lernen bestimmen und kontrollieren zu können ist eine internale Überzeugung, die entscheidend für den Glauben ist, die eigenen Fähigkeiten selbst entwickeln zu können (vgl. ebd.: 58). Die Bedeutung der emotionalen Ebene verdeutlicht sich in Hatties Studie: Die Rolle der Beziehung die Lehrende zu Lernenden aufbauen und der Art und Weise wie sie ihnen Feedback geben trägt entscheidend dazu bei, wie Lernende sich selbst erleben und einbringen können (vgl. ebd.: 44ff.). Übertragen auf das hier vertretene Konzept der Schüler*innenfirma oder eines Wettbewerbs bedeutet das eine Bestätigung des hier vertretenen Ansatzes, nicht die ökonomisch-fachlichen Inhalte in den Vordergrund zu stellen, sondern zunächst die Fähigkeiten, Interessen und Ideen der Schüler*innen. Die Möglichkeit, selbst eigene Ideen umsetzen zu können und damit den Impuls der Gründung auf eigene Ziele hin zu erleben, führt zu einer starken Motivation der Schüler*innen (vgl. Kap. 3). Sie können sich autonom fühlen und ein weiteres Interesse an Themen und Inhalten entwickeln, die für die Weiterentwicklung ihrer Idee von Bedeutung sind. Die enge pädagogische Begleitung unterstützt diesen Prozess. Die Aufgabe der Pädagog*innen besteht also darin, Methoden einzusetzen, die auf Fremdbestimmung verzichten (wie Belohnung/Strafe/Notengebung) und stattdessen selbstbestimmtes Handeln fördern. Diese sich einstellende Identifikation mit den Zielen führt zu weiteren Handlungen und ist eine Form der Motivation. Das persönliche Interesse ist sehr stark, so dass aus persönlichem Interesse heraus Handlungen ausgeführt werden (vgl. Krapp/Ryan 2002: 62). Krapp und Ryan unterscheiden noch weitere Formen der externalen Motivation. Die Introjektion folgt dem menschlichen Bedürfnis nach sozialer Eingebundenheit. Personen versuchen sich selbst gut zu vertreten und normative Verpflichtungen zu erfüllen. Eine Handlung kann also nicht allein über die Frage der eigenen Einschätzung der Kompetenzen erklärt werden, auch wenn selbst bei der stärksten selbstbestimmten Form der Motivation davon ausgegangen wird, dass sie mit einer starken Selbstwirksamkeitsüberzeugung korreliert. Die Formen der Motivation, die deren Verstärkung verdeutlichen, zeigen, dass die Motivation dann am stärksten ist, wenn sie von innen heraus erfolgt. Damit folgern die Autoren, dass das wesentliche »Differenzierungsmerkmal« die Motivation von Handlungen zu unterscheiden die »relative Autonomie« ist. Und nicht Selbstwirksamkeit (vgl. ebd.: 62f.). »[…] der Einfluss des Autonomieerlebens (ist) auf die Art der Motivierung und die Qualität der Handlungsergebnisse vom Grad der Selbstwirksamkeitserwartung weitgehend unabhängig« (Krapp/Ryan 2002: 64).

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Mit steigender selbstbestimmter extrinsischer und intrinsischer Motivation steigt nicht nur die Motivation zu beständiger, freiwilliger Handlung, sondern es steigern sich auch Handlungsergebnisse mithin Lernergebnisse. Das Wohlbefinden steigert sich (vgl. ebd.: 63f.). Dieser Argumentation folgend, führen die verschiedenen Formen der Motivation zur Frage nach Inhalten und Zielen der Handlungen. Zwar spielt auch in Banduras Theorie und deren Fortführungen die Frage der erwarteten Ergebnisse eine Rolle, doch werden diese eher im Hinblick auf Resultate, auf Konsequenzen, die letztlich positiv oder negativ verstärken, behandelt. Die Rolle der Handlungsergebnisse wird dabei eher außer Acht gelassen (vgl. ebd.: 66). Wenn an anderer Stelle die Frage behandelt werden wird, wie Schüler*innen ein Interesse an der Beteiligung in einer Schüler*innenfirma entwickeln können, wird es um die Frage gehen, ob sie sich mit den damit verbundenen Zielen anfreunden oder – bestenfalls – identifizieren können. Unter welchen Umständen können sie das? Über die Motivationstheorien der Selbstwirksamkeit und Selbstbestimmung müsste die grobe Antwort lauten: Einerseits, wenn sich die Schüler*innen zutrauen, Aufgaben zu bewältigen, andererseits, wenn sie das Gefühl haben, weitestgehend autonom zu handeln. (4) Basic needs Die Selbstbestimmungstheorien, die den menschlichen Grundbedürfnissen, den basicneeds, eine besondere Steuerungsfunktion zuschreiben, gehen davon aus, dass in deren Erweiterung Handlungs- und Entwicklungssteuerung zwei Ebenen zu unterscheiden sind: Die eine ist die kognitiv-rationale, die zweite die emotionale Ebene. Ein großes Interesse an einem Thema oder Aufgabenbereich geht oft einher mit der Entwicklung hoher Selbstwirksamkeitserwartung. Umgekehrt bedeutet eine hohe Selbstwirksamkeitserwartung in einem bestimmten Bereich aber nicht automatisch eine verstärkte Handlung in diesem. Weiterhin sagt ein stabiles Interesse nicht gleichzeitig etwas über das Kompetenzniveau aus, auf dem sich eine Person befindet. Auch diese Argumentation zeigt, dass die Selbstwirksamkeitserwartung die Motivation, die von Personen entwickelt wird, nur bedingt erklären kann. Weitreichender für die Hintergründe einer Motivation, sehen Krapp und Ryan in der Beschäftigung mit den »basic-human-needs«, insbesondere dem Bedürfnis nach sozialer Eingebundenheit und dem nach autonomer Handlungsregulation (im oben genannten Sinne). Die Befriedigung dieser Bedürfnisse führt zu einem Wohlbefinden, sowohl »innerhalb« einer Person, als auch zwischen Personen. Diese Wirkung konnte bei anderen Grundbedürfnissen nicht nachgewiesen werden (vgl. Krapp/Ryan 2002: 6873). Das Bedürfnis nach sozialer Eingebundenheit zeigt Hatties Studie, die sich im Lehrer*innen-Schüler*innenverhältnis äußert: Eine gute Lehrer*innen-Schüler*innenBeziehung trägt maßgeblich für den Erfolg der Lernenden bei. Eine Rolle spielt dabei, wie Lehrende Beziehungen zu den Lernenden aufbauen können. Dazu zählt respektvolles Verhalten, ebenso die Orientierung an den Lernenden, wie auch die Fähigkeit, ein gutes Klassenklima zu schaffen (vgl. Hattie 2013: 140ff.). Zur Qualität der Lehrenden zählt unter anderem, die Lernenden nicht zu etikettieren (vgl. ebd.: 149). Hatties

1. Schüler*innenfirmen

Studie lassen die verschiedenen Aspekte, die zusammenführend Motivation für Inhalte erklären können und guten Unterricht kennzeichnen, deutlicher werden. (5) Selbstwirksame Schulen Interessant im Kontext der Initiierung und Begleitung von Schüler*innenfirmen sind Untersuchungen von Schwarzer/Jerusalem (1998, 2002), die das Konzept der Selbstwirksamkeit auf Schulen übertragen. Mit Blick auf die Schüler*innen haben diejenigen bessere Lernerfolge, die optimistische Selbstwirksamkeitserwartungen haben. Auf der anderen Seite zeigen sich Lehrer*innen mit einer optimistischen Selbstwirksamkeitserwartung stärker motiviert, einen innovativen, herausfordernden Unterricht abzuhalten, gehen mehr und geduldiger auf lernschwache Schüler*innen ein. Sie sind der Überzeugung, trotzt Schwierigkeiten einen guten Unterricht abhalten zu können. Diese Form der Übertragung des Konzepts der Selbstwirksamkeitserwartung ist eine von drei Generalitätsdimensionen – die bereichsspezifische Dimension. Daneben wird noch zwischen der allgemeinen und der situationsspezifischen Dimension unterschieden, die wiederum auf individuelle und kollektive Selbstwirksamkeitserwartungen bezogen werden können. So kann beispielsweise ein Team, wenn seine einzelnen Mitglieder an den Erfolg verschiedener Handlungen des Teams glauben, erfolgreicher sein (vgl. Schwarzer/Jerusalem 2002: 40f.). Das Ergebnis der Studie zu spezifischer und allgemeiner Selbstwirksamkeitserwartung besagt, dass diese sich gegenseitig beeinflussen können. Eine hohe allgemeine Selbstwirksamkeitserwartung kann sich positiv auf einen bestimmten Bereich auswirken. Schüler*innen können demnach ihre allgemeine Selbstwirksamkeitserwartung auf ihre Kompetenzen in der Schule übertragen (vgl. Satow 2002: 176f.). Selbstwirksamkeit ist nicht allein für den Erfolg einzelner oder einer Gruppe verantwortlich: »Sie ist auch im Bildungsbereich kein allein erklärendes Motivationskonstrukt, aber im Zusammenspiel der verschiedenen motivationalen Einflüsse der vergleichbar stärkste Prädiktor für die entscheidenden Selbstregulationsprozesse, sodass Selbstwirksamkeitsförderung in der Schule eine besonders vielversprechende Maßnahme zur Förderung von Motivation, Lernen und Leistung sein dürfte.« (Jerusalem 2002: 10f.). Den engen Zusammenhang zwischen Wohlbefinden und Selbstwirksamkeitserwartung arbeitet Satow heraus. Er untersucht das Unterrichtsklima, das, so die Annahme, sich auf die Selbstwirksamkeitserwartung auswirkt. Seine Annahme stärkt die Verbindung des Selbstwirksamkeitskonzepts mit dem Konzept der Grundbedürfnisse: Die, in diesem Fall soziale Selbstwirksamkeitserwartung, wird dann gestärkt, wenn das Unterrichtsklima vertrauensvoll ist, sich Schüler*innen zutrauen können, beispielsweise Verantwortung oder Führung in einer Gruppe zu übernehmen (Satow 2002: 177). In dem Modellversuch Selbstwirksame Schulen beteiligten sich 10 Schulen aus 10 verschiedenen Bundesländern.36 Dabei wurde das Selbstwirksamkeitskonzept auf kon-

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Im Modellversuch Selbstwirksame Schulen, initiiert von der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung, beteiligten sich 1995 10 Bundesländer. Erprobt werden sollte, wie sich Schule und andere Bildungseinrichtungen in weitest gehender Selbstverantwortung organisieren und Bildungsprozesse gestalten können. In einem Zusammenschluss der teilnehmenden Schulen sollten unterschiedliche Lösungen gemeinsam genutzt werden können. Die

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krete pädagogische Institutionen und deren pädagogischen Ansätze bezogen. Die teilnehmenden Schulen, Lehrer*innen und Schüler*innen wurden in einer Längsschnittstudie im Verlauf von drei Jahren regelmäßig befragt. Unter verschiedenen Perspektiven haben die Autoren untersucht, welche Faktoren sich positiv auf die Selbstwirksamkeit auswirken (vgl. Bäßler/Hopf 2002). Für die Stärkung der Selbstwirksamkeitserwartung sind verschiedene Faktoren ausgemacht worden: • • • • •

• •

Eigenverantwortung: über Lernprozesse, Kommunikations- und Konfliktbewältigungsformen, Ganzheitlichkeit: praktisches Kennenlernen aller Bereiche eines Betriebes im Rahmen des Berufsvorbereitungsjahres, Selbstständigkeit: eigenverantwortliches Arbeiten, entsprechend des Leistungsvermögens der Schüler*innen, demokratische Strukturen: u.a. Einbeziehung der Schüler*innen und Lehrer*innen in verantwortliche Mitarbeit, Stärkung der Selbstständigkeit und Eigenverantwortung, freie Entscheidung: für eigenes Arbeits-/Lerntempo, Selbstständigkeit, Zusammenarbeit, Zusammenarbeit: Schüler*innen organisieren sich selbst in Lerngruppen, lösen gemeinsam Aufgaben wie auch Konflikte (vgl. ebd. 120-131).

Diese Aspekte wurden an verschiedenen Schulen und anhand der pädagogischen Konzepte als selbstwirksamkeitsfördernd herausgearbeitet, daneben verschiedene Angebote und Maßnahmen hervorgehoben. Sie decken sich zum großen Teil mit dem Ansatz der Schüler*innenfirma (mit beispielsweise einer Pausenversorgung) oder weiteren schülerzentrierten Projekten wie Schülerrat, Modellversuchsstunden von Schüler*innen für Schüler*innen, Schüler*innenzeitung (vgl. ebd.: 135). Diese Untersuchung zeigt die Wirkung von Selbstwirksamkeitserwartung. Dabei begründet Satow Selbstwirksamkeit auf verschiedenen Ebenen und geht über den Ansatz Banduras hinaus. Die Aspekte der sozialen Eingebundenheit, die sich über Zusammenarbeit und demokratische Strukturen äußern, wie auch die Bedeutung der Selbstständigkeit und Autonomie (die ohne demokratische Strukturen nur schwer denkbar sind), werden in den Ansatz integriert. Sie begründen auch die Motivation für bestimmte Handlungen mit. Krapp und Ryan weisen zudem auf die Bedeutung der Zielorientierung hin und deren verschiedene Ausprägungen: Die »Aufgaben- vs. Ego-Orientierung« nach Nicholls oder »Lernziel- vs. Leistungszielorientierung« nach Dweck/Leggett (zit.n. Krapp/Ryan 2002: 68). Die Zielorientierungen können intrinsisch motiviert sein, sofern ein Interesse am Lerngegenstand besteht oder extrinsisch motiviert durch den Wunsch nach guten Noten und der damit verbundenen Leistungseinordnung. Diese Ansätze sagen

Evaluation erfolgte durch die regelmäßige Befragung der Schüler*innen und Lehrer*innen durch Fragebögen, mit denen die Entwicklung von Selbstwirksamkeit und mit ihr verbundenen Bedingungen erfasst wurden. (vgl. Jerusalem/Hopf (Hg.) 2002).

1. Schüler*innenfirmen

wenig über die inhaltliche Ausrichtung, über die Beziehung zwischen Person und Lerngegenstand aus. Dies untersucht die Interessentheorie, die als wesentliches Merkmal dafür den emotionalen Bezug einer Person zu einem Gegenstand erkennt. Ist ein emotionaler Bezug hergestellt oder gegeben, entwickelt sich die Motivation, mehr darüber zu erfahren. Der Bezug ist mit positiven Gefühlen verbunden und entwickelt sich zu einem Wert, so dass die Wertigkeit zu einer subjektiven Bedeutung für die Person heranwächst. Damit ist keine Bewertungsdimension gemeint, sondern das Interesse an einem Gegenstand. Unterschieden wird insbesondere das situative und das individuelle Interesse: Das situative bezieht sich auf das Interesse, welches nur in einer Situation hervorgerufen wird, das individuelle ist situationsübergreifend und zeitstabil (vgl. ebd.: 69f.). Lernen als konstruktiver Prozess Wie nun Interesse an Lerngegenständen entsteht, kann mit Hattie erklärt werden, der die Bedeutung der Beziehung zwischen Lernenden und Lehrenden herausstellt. Eine grundlegende Theorie des Lernens, die die Zusammenhänge von Motivation, Beziehungen oder die Frage der Autonomie herstellt, bietet eine konstruktivistischen Lerntheorie (vgl. Reich 2002a; 2002b). Die Auffassung, dass Lernen als konstruktiver Prozess am besten zu fassen ist, zeigen die ausgeführten Aspekte, die als Voraussetzung für erfolgreiches Lernen von Bedeutung sind. Eine Auffassung von Lernen als Abbildung oder als Aneignung, bräuchte keinen Wert auf die Beziehung zwischen Lernenden und Lehrenden zu legen oder müsste auch kein Interesse am Lerngegenstand selbst erzeugen, um Motivation zu entwickeln. Im Gegenteil: Belohnung der Lernenden bei Anpassung oder Erfolg wären ausreichend, wenn Lehrende als Autorität (entweder hierarchisch oder aufgeklärt verstanden) gesetzt sind, wenn es nur um Reproduktion von Wissen oder logisches Denken als Wege von Bildung ginge (vgl. Neubert/Reich/Voß 2001: 253). Doch mit diesen Auffassungen von Lernen kann keine befriedigende Antwort auf die Bedeutungen von individuellen Interessen, Autonomie oder persönlicher Beziehungen abgeleitet werden, die kulturelle Umwelt, die Auseinandersetzung mit anderen spielt keine Rolle, da Wissensbestände gesetzt sind. Unter konstruktivistischer Perspektive ist Lernen Konstruktion, bei dem jeder Lernprozess bedeutet, das eigene Wissen selbst durch eigene »experience«, immer auch im Kontext seiner Zeit, seiner Kultur zu konstruieren (vgl. ebd.: 254). Lernen ist nach Dewey, der als Vertreter des Pragmatismus bedeutsam für konstruktivistische Ansätze ist, immer in »eine Kultur eingebettet« und verändert sich entsprechend. In einer demokratischen Gesellschaft muss auch Schule ein demokratischer Ort sein, Demokratie wird dort gelernt. Entsprechend sind Selbstbestimmung und Selbsttätigkeit für Dewey umfassend bedeutsam. Lernen muss sich deshalb auf das Interesse und die Motive der Lernenden beziehen (Neubert/Reich/Voß 2001: 255). Der konstruktive Prozess des Lernens findet bei Dewey Ausdruck in seinem Verständnis von »experience« und damit verbunden in seiner Auffassung, dass Lernen durch Handeln, durch Tun erfolgt. Was sich in der konstruktivistischen Annahme von Lernen zusammenfügt ist der Aspekt, dass Lernende sowohl die eigene Perspektive auf Lernen und Motivation erkennen (im Hinblick darauf ist Hatties Erläuterung zum Feedback interessant) und gleichzeitig aber auf die Perspektive der anderen angewiesen sind

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

und sich mit diesen auseinandersetzten müssen. Lernen erfolgt nicht dadurch, dass etwas außen Liegendes in die Lernenden überführt werden kann. Vielmehr zeigen Kognitionsforschungen, dass Lernprozesse dann stattfinden können, wenn sie für das eigene Leben viabel sind. Damit wird Lernen nicht beliebig, sondern muss auch in sozialen und kulturellen Kontexten Sinn machen. Hier erweitert der interaktionistische Konstruktivismus insbesondere den radikalen Konstruktivismus (vgl. ebd.: 256 und ausführlicher hierzu Kap. 1.3.2). Die Bedeutung der Emotionalität wird bei herkömmlichen Lerntheorien, die sich vor allem an Inhalten orientieren, aus konstruktivistischer Perspektive unterschätzt und vernachlässigt. Dabei geht es um die Fragen, warum bestimmte Themen auf Interesse fallen, andere nicht und es geht um das Phänomen, dass ein positiver Bezug zu Lehrenden, das Interesse an Themen wecken kann oder mit ihnen gerne gelernt wird. Hier geht es um Lernen in Beziehungen, das sich auf Kommunikations- und Interaktionstheorien bezieht. Dabei wird von systemischen Wechselwirkungen ausgegangen, die von menschlichen Bedürfnissen beeinflusst werden und menschlichem Begehren, die inhaltliches Lernen beeinflussen. So sollten immer auch jene Beziehungen reflektiert werden, in denen Lernende lernen. Sie sollten sich sowohl als Konstrukteure ihres Lernens, aber auch ihrer Beziehungen verstehen lernen (vgl. ebd.: 258f.). Diese Sichtweise führt zu einer anderen Rolle, die Lehrende einnehmen sollten. Symbolische Vermittlung von Lerngegenständen funktioniert nicht, vielmehr geht es um Gestaltung von Lernmöglichkeiten, die Interaktion und Spiegelung mit anderen ermöglichen. Hier ist auch Dewey hilfreich, der mit seiner Forderung, Lernen möge im Leben der Schüler*innen stattfinden, genau jene Bezüge herstellt, die sowohl für Einzelne als auch für die Gemeinschaft von Bedeutung sind. Diese Unterscheidung ist hilfreich, wenn Lernen zum einen als Konstruktion verstanden wird, die im Moment des Lernens vollzogen wird. Daraus die pädagogische Konsequenz zu ziehen und so viel Konstruktionen wie möglich zu unterstützten, trägt zum selbstbestimmten und autonomen Lernen bei. Zugleich ist Lernen immer im Kontext der jeweiligen Gesellschaft, der jeweiligen kulturellen Bedingungen zu verstehen. Damit ist Lernen immer auch die Rekonstruktion von bereits bestehenden Konstruktionen und die Auseinandersetzung mit Rekonstruktionen, die viabel zu den eigenen sind. Die Bedeutung kann im Hinblick auf die eigene »experience« der Lernenden reflektiert werden (vgl. ebd.: 260f.). Wenn Lernen in Dekonstruktionen erfolgt, spielen Kritik, neue Sichtweisen und Perspektiven eine Rolle, die Konstruktionen und Rekonstruktionen ihre Sicherheit nehmen können. An dieser Stelle kommt der Auseinandersetzung mit anderen in besonderer Weise zum Tragen, denn sie bedeutet, sich bewusst auf Verstörungen und Irritationen einzulassen (vgl. ebd.: 162). Die Zusammenhänge von Lernen als Konstruktion, Rekonstruktion und Dekonstruktion wird an anderer Stelle aufgegriffen (vgl. Kap. 1.3.2).

1.2.2

Entwicklung von Kompetenzen

In allen Entwicklungslinien zeigt sich, dass mit den Angeboten, die zur Entwicklung der Schüler*innenfirma beigetragen haben, verschiedene Lernziele verbunden worden sind. Vom praktischen, handwerklichen Lernen bis hin zur beruflichen Orientierung und der Stärkung der Eigeninitiative. Diese Ziele sind nach wie vor bei der Umsetzung von Bedeutung.

1. Schüler*innenfirmen

Die Entwicklung von Selbstwirksamkeit bedarf, wie aus verschiedenen Perspektiven gezeigt, verschiedener Voraussetzung. Im Wesentlichen gehört dazu das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Das daraus abgeleitete Ziel der Kompetenzentwicklung ist damit ein zentrales, weil es Voraussetzung für weitere Ziele bildet. Das Projekt »kleinUnternehmen«, welches im dritten Teil dieser Arbeit genau vorgestellt wird, ist ein Angebot eines freien Trägers, der in Bildungsbereichen der Sozialen Arbeit tätig ist und insbesondere (sozial)pädagogische Projekte zur beruflichen Orientierung und der Steigerung der Eigeninitiative an Schulen anbietet.37 Über die Durchführung und die Auseinandersetzung sowohl mit eigenen Interessen und Fähigkeiten einerseits und ökonomischen Inhalten andererseits, ist Ziel des Projekts »kleinUnternehmen« die Selbstwirksamkeit der Schüler*innen zu stärken und damit auch einen kleinen Impuls zur beruflichen Orientierung zu geben. Im Kontext schulischer oder beruflicher Bildung wird grundsätzlich und selbstverständlich über die Entwicklung und Messung von Kompetenzen gesprochen, in der Sozialen Arbeit eher nicht (dazu 1.2.2.4). Zur Annäherung an den Kompetenzbegriff ist der Zusammenhang zwischen dem Wissen um die eigenen Kompetenzen und der Entwicklung von Selbstwirksamkeit leitend (vgl., Kap. 1.2.1.1). Aber nicht nur deshalb wird im Folgenden der Frage nachgegangen, was Kompetenzen denn überhaupt sind, wie sie sich definieren lassen und welcher Kritik sie ausgesetzt sind. Verschiedene Kompetenzdefinitionen werden diskutiert, um die Rolle der Kompetenzen im Kontext der Sozialen Arbeit zu diskutieren. Dort spielt insbesondere der Capability Approach (Sen 2017; Nußbaum 2015) eine Rolle, der Befähigungsansatz, der als ein theoretischer Ansatz Grundlagen herausarbeitet, die Voraussetzung dafür sind, ein »gutes Leben« führen zu können. Zunächst zum Kompetenzbegriff, der spätestens seit dem sogenannten PISASchock Kennzeichen für die schulischen Bildungsprozesse geworden ist.38 Weil in dieser Arbeit Bildungsprozesse durch die Schüler*innenfirma untersucht werden, die insgesamt zu einer Steigerung der Selbstwirksamkeit beitragen (so die Ausgangshypothese), wird auch auf die Untersuchung von Kompetenzen zurückgegriffen, das evaluierte Projekt »kleinUnternehmen« auch damit begründet. 37

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Der Träger Business und Bildung ist jener Träger, über den die Verfasserin das Projekt »kleinUnternehmen« entwickelt, durchgeführt und evaluiert hat. Die Angebote richten sich grundsätzlich an alle Schulen und Schulformen auch an berufsbildenden Schulen. Besonders im Blick sind jedoch Schulen in benachteiligten Stadtteilen und/oder Förder-, Werkreal- und Realschulen (vgl. https:// www.businessundbildung.de/index.php?id=startseite). Nach Ergebnissen der ersten Schulleistungsmessung PISA im Jahr 2000 schnitten deutsche Schüler*innen im weltweiten Vergleich unterdurchschnittlich ab. Nicht nur das. Vor allem auch die Feststellung, dass das Schulsystem in Deutschland Ungleichheiten vergleichsweise extrem verschärft, hat eine Welle der Entrüstung ausgelöst und zu Ansätzen zur Änderungen von Schulstrukturen und Unterricht geführt. Das Ergebnis zeigte, dass Schüler*innen aus sozial schwachen Familien sowie Schüler*innen mit Migrationshintergrund (beide Elternteile) deutlich schlechter abschlossen. Soziale Herkunft und Kompetenz hängen demnach eng zusammen. Die in Folge im dreijährigen Rhythmus durchgeführte Studie zeigte über die Jahre nach wie vor (bei stetig besseren Abschneiden im internationalen Vergleich), dass diese Unterschiede bestehen bleiben und die Schere zwischen begünstigten und benachteiligten Schüler*innen weiter aufgeht. (vgl. https : //pisa.dipf.de/de/pisa-2009-1; https ://www.pisa.tum.de/pisa-2000-2018/pisa-2018/).

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

An sich soll die Formulierung von zu erwartenden Kompetenzen durch pädagogische Angebote helfen, diese zu konkretisieren. Ziele, Inhalte und Methoden sollen nun nach den zu erreichenden Kompetenzen ausgerichtet werden und nicht umgekehrt Methoden nach vorab festgelegten Inhalten. Die KMK beschreibt diese Veränderung als Paradigmenwechsel: Die an Schulen bestehende »Inputorientierung« sei nach den Schulleistungsmessungen von TIMSS, PISA und IGLU offensichtlich nicht erfolgreich, weshalb jetzt Bildungsstandards eine »Outcome-Orientierung« ermöglichten, die dann zu besseren Ergebnissen im Bildungssystem führen sollten (KMK (Hg.) 2005: 5f.). Die Begrifflichkeiten sind unglücklich gewählt, erinnern sie doch stark an die lineare Auffassung von Lernen: die Lernenden als leeres Gefäß, in die es nur etwas hineinzufüllen gilt. War der Blick vormals auf die Inhalte gerichtet, wird nun darauf geschaut, was Lernende wiedergeben. Dieses Bild ließe sich über andere Begriffe vermeiden, zumal es die Absicht der KMK ist, über eine Festlegung von länderübergreifenden Bildungsstandards, unter anderem Grundprinzipien der einzelnen Fächer herauszuarbeiten, fächerbezogene Kompetenzen zu formulieren, systematisches und vernetztes Lernen zu fördern und den Schulen mehr pädagogische Gestaltungsspielräume zu geben (vgl. ebd.). Geschickter und inhaltlich treffender zitiert die KMK fünf Jahre später den Wandel mit Blum u.a. 2008 »Die wichtigste Frage ist nicht ›Was haben wir durchgenommen?‹, sondern ›Welche Vorstellungen, Fähigkeiten und Einstellungen sind entwickelt worden?‹« (KMK 2010: 9f.)39 Wenn also ein außerschulischer Träger ein Angebot für Schüler*innen an einer Schule durchführen möchte und dieses innerhalb des Unterrichts stattfinden soll, ist es naheliegend, sich konkret mit dem Kompetenzerwerb auseinanderzusetzen und Ziele auszuarbeiten, auch aus einer sozialpädagogischen Perspektive heraus. Was bedeutet Kompetenz eigentlich? Tatsächlich wird dieser Begriff innerhalb der Wissenschaften derart unterschiedlich definiert, dass keine einheitliche Definition möglich ist. Ursprünge des Kompetenzbegriffs lassen sich in der Psychologie finden: Die Kommunikationswissenschaft beschreibt Kompetenz als Grundlage für bestimmtes Verhalten.40 Die differenzielle Psychologie definiert Kompetenzen als Dispositionen, die Individuen dazu befähigen, unterschiedliche Situationen zu bewältigen (vgl. BMBF 2008: 9). Auch die Motivationspsychologie beschreibt Kompetenz als Ergebnis der Entwicklung grundlegender Fähigkeiten – die nicht angeboren sind – als Grundlage von Performanz41 (vgl. Erpenbeck/von Rosenstiel 2003: Xf.). Die grundlegenden

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Dieser sogenannte Paradigmenwechsel ist auch Ausdruck einer Diskussion um neue pädagogische Lernwege, wie z.B. der Diskussion um einen handlungsorientierten Unterricht, der Konstruktion von Lernsituationen und Lernfeldern, der subjektiven Didaktik (vgl. beispielsweise Buschfeld 2003; Kösel 1993). Nach Noam Chomsky (1962) wird Kompetenz ausschließlich als eine auf den Spracherwerb bezogene Fähigkeit verstanden, selbstorganisiert unendlich viele weitere Sätze zu bilden oder Ausdruckselementen unendlich viele Bedeutungselemente zuzuordnen. Performanz bezeichnet die Anwendung und den Gebrauch von Kompetenz (vgl. Erpenbeck/von Rosenstiel 2003). Der Aspekt der Selbstorganisation spielt in weiteren Definitionen eine zentrale Rolle. White hat den Kompetenzbegriff in der Motivationspsychologie eingeführt und geht auch von selbstorganisierten Reifungsprozessen aus, die zu bestimmten Fähigkeiten führen, die wiederum Grundlage der Kompetenz sind (vgl. Erpenbeck/von Rosenstiel 2003: X).

1. Schüler*innenfirmen

Aspekte für Kompetenz, Motivation und Selbstorganisation sind als beobachtbare Phänomene abhängig von der Zuschreibung der Beobachter*innen, die bestimmte selbstorganisierte Verhaltensweisen als Kompetenzen deuten. Nach Erpenbeck/von Rosenstiel sind Kompetenzen demnach »Dispositionen selbstorganisierten Handelns, sind Selbstorganisationsdispositionen« (Erpenbeck/von Rosenstiel 2003: XI).     1.2.2.1 Zum Kompetenzbegriff Welche Definition ist hilfreich, um sie im Kontext Sozialer Arbeit und Schule und speziell auf die mit der Schüler*innenfirma verbundenen pädagogischen Ziele anzuwenden? Als grobe Unterscheidung können zwei Herangehensweisen ausgemacht werden, die sich grundlegend unterscheiden. Fachspezifischer Kompetenzbegriff Für PISA war die Definition von Baumert/Stanat/Demmrich 2001 grundlegend, wonach Kompetenzen »prinzipiell erlernbare, mehr oder minder bereichsspezifische Kenntnisse, Fähigkeiten und Strategien sind« (Hartig 2008: 17). Ähnlich formuliert die Deutsche Forschungsgemeinschaft42 Kompetenz als »kontextspezifische kognitive Leistungsdisposition, die sich funktional auf Situationen und Anforderungen in bestimmten Domänen beziehen« (Hartig 2008: 17). Im Kontext Schule scheint es zunächst sinnvoll, der Definition der KMK zu folgen. In ihr dienen Kompetenzen zur Konkretisierung der von ihr formulierten Bildungsziele. In Bildungsstandards wird festgelegt, welche fachlichen Kompetenzen Schüler*innen zu einem bestimmten Zeitpunkt erreicht haben sollten. Die zugrundeliegende Definition ist eine Variation der oben genannten: »Kompetenzen beschreiben Dispositionen zur Bewältigung bestimmter Anforderungen. Solche Kompetenzen sind fach- bzw. lernbereichsspezifisch ausformuliert, da sie an bestimmten Inhalten erworben werden müssen.« (KMK 2005: 18) Weil Kompetenzen sich hier in Bildungsstandards mit festgelegten Bildungszielen ausdrücken, müssen fachbezogene Kompetenzen überprüfbar sein und Kompetenzen klar definiert, um sie überprüfen bzw. feststellen zu können. Indem die KMK Kompetenzen ausschließlich auf Fächer bzw. Lernbereiche bezieht, geht sie einen pragmatischen Weg, um innerhalb von Schule mit bestimmten Messverfahren zu (vermeintlich) eindeutigen und vergleichbaren Ergebnissen zu gelangen. Breiter Kompetenzbegriff Die von der KMK empfohlene Definition ist im Kontext der Bewertung des Konzepts der Schüler*innenfirma nicht ausreichend, denn die damit verbundenen Kompetenzen dürften dann nur fach- oder lernbereichsspezifisch formuliert sein. Kompetenzen, die fachübergreifend sind und zunächst scheinbar nicht in einem direkten Zusammenhang mit Fächern oder Lernbereichen stehen, wie soziale Kompetenzen, werden in der Definition der KMK nicht berücksichtigt. Dieser Definition folgend könnten in einer

42

Diese Definition erfolgt im Schwerpunktprogramm der DFG »Kompetenzmodelle zur Erfassung individueller Lernergebnisse und zur Bilanzierung individueller Lernergebnisse«.

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

Schüler*innenfirma vor allem ökonomische Kompetenzen bewertet werden, denn diese sind einem Fach- oder Lernbereich zuzuordnen. Ökonomische Kompetenzen sollen zwar unbedingt Teil der Auswertung sein, doch in dieser Arbeit soll ebenso die Herausstellung weiterer Potenziale des Konzepts wie der sozialen Kompetenzentwicklung nachgewiesen werden und damit insgesamt die Stärkung der Selbstwirksamkeit. Damit ist als Grundlage ein Kompetenzbegriff zu finden, der weiter gefasst und nicht auf ausschließlich fachlich-lernbereichsspezifische Kompetenzen reduziert ist. Hierfür bietet die Erziehungswissenschaft seit Roth (1971) einen breiter angelegten Kompetenzbegriff. Dieser beinhaltet affektive wie motivationale Komponenten und orientiert sich an dem »Ideal einer umfassenden Handlungsfähigkeit und Mündigkeit« (BMBF 2008: 9). Mit dieser Erweiterung wird die Unterscheidung zwischen Sach-, Selbst- und Sozialkompetenz ermöglicht. Der Deutsche Bildungsrat war bereits 1974 der Auffassung, dass sowohl Inhalt als auch die Form des Lernens dazu beitragen sollen, »den jungen Menschen auf die Lebenssituation im privaten, beruflichen und öffentlichen Bereich so vorzubereiten, dass er eine reflektierte Handlungsfähigkeit erreicht« (Franke 2005: 32). Er formulierte für ein integriertes Lernen drei Kompetenzen: Fach-, Sozial- und Humankompetenz. Interessant ist im Hinblick auf die Schnittstelle Schule und Beruf, dass der Bildungsrat seinerzeit die Trennung von allgemeiner und beruflicher Bildung angestrebt hat und die Auffassung vertrat, humane und gesellschaftliche Kompetenzen sollten parallel mit der Fachkompetenz vermittelt werden. Die Vermittlung von Humankompetenz sollte dabei einen größeren Stellenwert erhalten (vgl. ebd.). Die Definition, die als Referenzdefinition in Deutschland bezeichnet wird, stammt von Weinert (vgl. Klieme 2004: 2). Kompetenzen sind »die bei Individuen verfügbaren oder von ihnen erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um Problemlösungen zu variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können« (Weinert 2001: 271f.).43 Seine Definition vereint den Anspruch, fachliche, humane und gesellschaftliche Kompetenzen zusammenzuführen, indem er nicht nur von erlernbaren Fähigkeiten und Fertigkeiten spricht, sondern – und damit hebt er sich von der Definition der KMK ab – auch Motivation und Verantwortung als Voraussetzung für Kompetenz festlegt. Damit kann der Kompetenzbegriff nicht nur auf unterschiedlichste Situationen und Herausforderungen angewandt werden (fachlicher oder sozialer Art); er ermöglicht auch eine Einschätzung des Denkens und Verhaltens, der Motivation und des Willens, welche gleichfalls eine Rolle beim Erwerb von Kompetenzen spielt. Diese Auffassung wird in folgender Definition noch deutlicher: »Kompetenz bezeichnet das Handlungsvermögen der Person […] Kompetenz umfasst nicht nur inhaltliches bzw. fachliches Wissen und Können, sondern auch außerfachliche bzw. überfachliche Fähigkeiten, die häufig mit Begriffen wie Methodenkompetenz (Know how to

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Weinerts Definition ist auch deshalb von Bedeutung, weil diese dem Kompetenzverständnis entspricht, auf dem auch der European Qualification Framework basiert. Dieser Qualifikationsrahmen versucht Qualifikationen und Kompetenzen international vergleichbar zu machen (vgl. bmz (Hg.) 2007: 71).

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know), Sozialkompetenz, Personalkompetenz oder auch Schlüsselqualifikationen umschrieben werden.« (Arnold 2001: 176) Dieser Gebrauch des Begriffs Kompetenz ist normativ und dient als Leitfaden für die pädagogische Praxis. Kritik am breiten Kompetenzbegriff Die Kritik am breit angelegten Kompetenzbegriff richtet sich auf die Schwierigkeit, Kompetenz empirisch zu erfassen. Deshalb plädiert Hartig für eine klare Trennung von kognitiven Kompetenzen und Motivation, da nur fachspezifische Kompetenzen messbar erfasst werden könnten.44 Weiterhin fehle ihm der Aspekt der Kontextspezifität, die über Begriffe wie Schlüsselkompetenz oder Problemlösekompetenz aufgelöst werden können. Um aber einen fassbaren Begriff zu haben, muss – nach Hartig – »Kompetenz« eingegrenzt werden. Damit aber reduziere sich die Ausrichtung des Begriffs auf fachspezifisches Wissen. Nach Hartig wird mit der Verwendung eines zu breit angelegten Kompetenzbegriffs die falsche Erwartung geweckt, soziale oder fachliche Kompetenzen seien messbar, obwohl Messinstrumente fehlen (vgl. Hartig 2008: 18 ff.). Seinem Ansatz wird hingegen vorgeworfen, dass mit der Ausblendung der Aspekte Motivation oder sozialer Kompetenz wesentliche Grundlagen eines ganzheitlichen Lernens und damit der Kompetenzaneignung fehlen (vgl. dazu Bothmer 2004: 12f.). Nur weil ein komplexes Phänomen (noch) nicht mit empirischen Mitteln erfasst werden kann, darf es nicht zwangsläufig ausgeblendet werden, müsse aber mit Inhalt gefüllt werden (vgl. ebd.: 22). Auch Klieme bezeichnet es als illusorisch, bereichsspezifische Kompetenzen könnten durch einen »generischen Satz von hoch transferierbaren Schlüsselkompetenzen ersetzt werden« (Klieme 2004: 2) und befürwortet das Vorgehen der KMK, Kompetenzen für bestimmte Schulfächer zu formulieren und so an die Lehrplanarbeit anschlussfähig zu bleiben. Doch das pragmatische Vorgehen hat Lücken: Es fehlen Kompetenzmodelle, die über Jahrgangsstufen hinweg die Entwicklungen der Schüler*innen beschreiben können (vgl. ebd.: 3). Letztlich können die Kritikpunkte als Anregung dienen, um nicht Gefahr zu laufen, aus beliebigen Situationen Kompetenzen abzuleiten. Die Abwägung fasst Busse mit Weinert treffend zusammen: Je abstrakter, intellektueller, brillanter eine Kompetenz definiert werde, desto hoffnungsloser ist ihre psychologisch-wissenschaftliche Validierung zu beurteilen. Und je konkreter und pragmatisch nützlicher ein (materiales) Kompetenzmodell ausfalle, desto stärker neigt es zur Trivialisierung (vgl. Busse 2009). Kritik an einem vermeintlich ökonomisch begründeten Kompetenzbegriff Die Kritik an einem Kompetenzbegriff ist nicht nur, wie beispielsweise bei Hartig, methodisch begründet. Es wird auch eine grundsätzliche Kritik formuliert: Der Kom-

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Hartigs angeführtes Beispiel, welches seine Argumentation unterstützen soll, betrifft den Mitarbeiter, der kompetent ist, aber nicht motiviert – oder umgekehrt. Motivation sei variabel, Kompetenzen hingegen relativ stabil (vgl. Hartig in BMBF 2008: 19). Siehe auch die Ausführung zur Selbstwirksamkeit: Motivation und Selbstwirksamkeitserwartung bestehen weitgehend unabhängig voneinander. Allein das Wissen, etwas zu können, motiviert nicht zur Handlung. Es ist der Sinn, dem wir einer Handlung geben, der uns zu einer Handlung motiviert.

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petenzbegriff sei vorrangig aus ökonomischen Motiven entwickelt worden und ziele dementsprechend auf eine (An)Passung der Individuen an eine kapitalistische Weltordnung. Humanistische Bildungsziele würden durch ökonomische verdrängt (beispielsweise Krautz 2007; 2009). Abgeleitet wird diese Sichtweise insbesondere von der Tatsache, dass mit Durchführung der PISA Studie die OECD im Bereich der Schulleistungsentwicklung eine bestimmende Rolle gespielt hat – und nach wie vor im gesamten Bildungsbereich spielt (indem sie beispielsweise Rahmenbedingungen vorgibt, die Richtlinie für die KMK ist, Bildungszugänge oder Entwicklungen im Bildungsbereich untersucht).45 Nun ist die OECD eine Organisation von Industrieländern, die Wirtschaftsinteressen verpflichtet ist und das weltweit.46 Sie beschäftigt sich aber auch – in Zusammenhang mit der Entwicklung von besseren Lebensstandards – mit Bildungsprozessen und formuliert ebenso eine Definition von Kompetenz: »Eine Kompetenz ist mehr als nur Wissen und kognitive Fähigkeit. Es geht um die Fähigkeit der Bewältigung komplexer Anforderungen, indem in einem bestimmten Kontext psychosoziale Ressourcen (einschließlich kognitive Fähigkeiten, Einstellungen und Verhaltensweisen) herangezogen und eingesetzt werden.« (OECD 2005: 6) Für jeden einzelnen Fachbereich der PISA Studien (der von der OECD verantwortet wird) existiert eine eigene Definition, was Kompetenz im spezifischen Anwendungsfall meint.47 Der Kritik an einem ökonomisch motivierten Kompetenzbegriff folgend würde sich die Fähigkeit weniger als persönlichkeitsgebundene Eigenschaft lesen, sondern eher als Werkzeug, dessen Einsatz – an ökonomisch bedeutsamen Stellen – Erfolg verspricht. Weil im Zusammenhang mit Schüler*innenfirmen ökonomische Inhalte als pädagogisches Werkzeug und Lernziel genutzt werden, ist eine vertiefte Auseinandersetzung mit der Kritik an dem vermeintlich ökonomisch ausgerichteten Kompetenzbegriff notwendig. Vehementer Kritiker ist Krautz (vgl. Krautz 2007; 2009). Seiner Ansicht nach werde der Kompetenzbegriff nicht nur inflationär verwendet, sondern habe den Bildungsbegriff abgelöst und sei darüber hinaus unter ökonomischen Gesichtspunkten entwickelt worden. Die Verwendung und weitere Entwicklung würden nicht von der Pädagogik, sondern zum großen Teil von der Ökonomie bestimmt (Krautz 2007: 87). Als Konsequenz würden die Folgen der Globalisierung nicht als Bedrohung, sondern als Herausforderung beschrieben, die dann – unhinterfragt – als Grundlage für die Ableitung von Kompetenzen dienten. Krautz Analyse der maßgeblichen Literatur und Internetportale führt zu fatalen Ergebnissen: Die im Bildungsbereich geforderte Kompetenzentwicklung beinhalte eine funktionale Persönlichkeitsbildung und nicht nur Wissen und Können. Diese Persönlichkeitsbildung orientiere sich nicht mehr an einem humanistischen 45 46

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Vgl. https ://www.oecd.org/document/25/0,3746,de_34968570_39907066_39019353_1_1_1_1,00.html. »Die OECD (Organisation for Economic Co-operation and Development) vereinigt 34 Länder auf der ganzen Welt, die sich zu Demokratie und Marktwirtschaft bekennen. Sie widmet sich folgenden Zielen: Förderung nachhaltigen Wirtschaftwachstums, Steigerung des Lebensstandards, Sicherung finanzieller Stabilität, Unterstützung der Entwicklung anderer Länder, Beitrag zum Wachstum des Welthandels« https://www.oecd.org/pages/0 ,3417,de_34968570_35009030_1_1_1_1_1,00.html. Vgl. https ://www.oecd.org/document/7/0,3746,de_34968570_39907066_43732743_1_1_1_1,00.html, http ://pisa.ipn.uni-kiel.de.

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Menschenbild. Stattdessen ginge es um die Anpassungsfähigkeit des Einzelnen, um auch in einer globalisierten Welt agieren zu können – in einem ökonomisch produktiven Sinn. Unter Krautz’ Perspektive verkommen Kompetenzen wie Empathie zu reinen Anpassungsleistungen an unbefriedigende Situationen. Die von der KMK formulierte »Outputorientierung« wäre – folgt man dieser Kritik – noch schärfer abzulehnen.48 Nach dieser Kritik fällt es schwerer, den Kompetenzbegriff einfach zu übernehmen, zumal Zusammenhänge von Wirtschaft und Bildung teilweise offensichtlich und Konsequenzen schon ersichtlich sind: Um dem Arbeitsmarkt schneller zur Verfügung zu stehen, wird das Abitur in 8 Jahren absolviert oder das Studium straffer mit Bachelorund Masterstudiengängen gestaltet – um (vorgeblich) international vergleichbare Abschlüsse zu erlangen und schnell auf den Markt zu gelangen. Krautz formuliert konsequenterweise keinen Kompetenzbegriff, er lehnt diesen nicht nur als »Containerbegriff« ab, sondern sieht darin die Ökonomisierung der Bildung, bei der Schüler*innen zu »Kompetenzmaschinen« erzogen werden. Einen Ausweg sieht er in der pädagogischen Praxis: denn die Pädagog*innen selbst seien es letztlich, die mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben, auf sie einwirken könnten und nicht die OECD und andere. Krautz verwendetet den Kompetenzbegriff jedoch in seiner alten Bedeutung: die OECD würde sich die Berechtigung zuschreiben, den Bildungssystemen mit ihrem Kompetenzbegriff eine normative Setzung vorzunehmen, was ein klarer Fall von Kompetenzanmaßung sei (vgl. ebd.).49 Kritik an der ökonomisch begründeten Kritik Krautz’ Kritik zwingt wegen seiner extremen Haltung zu einer kritischen Betrachtung und Positionierung des Kompetenzbegriffs: Warum wurde dieser überhaupt eingeführt und von allen Seiten übernommen? Geht es tatsächlich um die Verbesserung schulischer Angebote oder eben nur um ein verbessertes pragmatisches Vorgehen, um Lernergebnisse besser (international) vergleichen zu können, um Individuen bestmöglich auf globale Veränderungen und einen globalen Arbeitsmarkt vorzubereiten? Eine kritische Überprüfung ist sicherlich angebracht – auch angesichts zahlreicher Definitionen und unübersichtlicher Literatur zum Thema Kompetenz – jedoch ist die kategorische Ablehnung des Begriffs keine hilfreiche Lösung. Im Gegenteil: Ein Rückgriff auf einen Bildungsbegriff, wie ihn Krautz vornimmt, mutet nicht nur elitär an, sondern verhindert auch die Entwicklung von Möglichkeiten, Ergebnisse von Bildungsprozessen in irgendeiner Art und Weise feststellen zu können. Wesentliche Argumente für die Verwendung und Entwicklung eines Kompetenzbegriffs und gegen die Krautzsche Kritik sind folgende: 48

49

Eine weitere Spitze der Krautschen Kritik findet sich in seiner Analyse des Begriffs »Humankapital«. Indem die Wirtschaft in Bildung investiert und Gewinn machen will, generiert der Mensch zu Sklaven »Gewinn für den einen, Sklaverei für den anderen«, sei das Menschenbild des neuen Kapitalismus (Krautz, 2007: 91). In diesem Zusammenhang ist die Bildanalyse des Buchs interessant: Keely 2007. Wortbedeutung des Begriffs Kompetenz, competere: zusammentreffen, auch zukommen, zustehen (Erpenbeck/von Rosenstiel 2003: X) Jemand kann nur kompetent handeln, wenn er*sie dafür ein Mandat bekommt, wenn er*sie in den gesellschaftlichen Rahmen eingebunden sind, also eine Zuständigkeit übertragen wird.

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Diese Ökonomiekritik lässt keinen Spielraum zu weiterführenden Diskussionen zu, weil sie grundsätzlich – und letztlich ideologisch begründet – den Kompetenzbegriff ablehnt. Die Weigerung, eine alternative Definition zu formulieren, verhindert nicht nur die Leistungsmessung (die an sich durchaus kritisierbar ist und deshalb durch alternative Schulformen verschieden und auch erfolgreich erprobt wird). Der Mangel eines alternativen Kompetenzbegriffs verhindert darüber hinaus auch die Möglichkeit, neben einer Leistungsmessung auch Lernentwicklungen von Schüler*innen und damit Weiterentwicklungen an Schulen festzustellen. Genau dafür braucht es aber eine gemeinsame, überprüfbare Grundlage. Der Rückgriff auf den Bildungsbegriff scheint verklärend: Das Bild, welches Krautz als Sinnbild für Bildung verwendet, spielt dem Vorwurf der Verklärung zu: Die Mutter, die ihren Sohn für die Schule bereitmacht, die Lehrerin auf Augenhöhe der Kinder, der Bienenstock und der Globus als Symbol für eine ganzheitliche Bildung etc. »Dieses im Bild erkennbare Dreieck zwischen Lehrer, Schüler und Sache beziehungsweise Welt ist das Kerngeschäft aller Erziehung und Bildung« (Krautz 2009: 89).50 Das Bild mag als Ideal oder Vorbild ein schönes sein, nur handelt es sich in diesem Zusammenhang nicht um eine historische Ableitung des Bildungsbegriffs. Vielmehr steht das Bild für Krautz’ Alternative: Die Ablehnung des neuen, ökonomischen Kompetenzbegriffs, zurück zum alten Bildungsbegriff. Doch reicht ein Blick zurück nicht aus, um sich kritisch den verschiedenen Bildungsfragen (wie Vergleichbarkeit) oder Bildungsungerechtigkeiten (wie Bildungszugänge) zu stellen und nach Alternativen zu suchen.

Eine Alternative bietet Reich im Rahmen seiner Auseinandersetzung einer inklusiven Didaktik (vgl. Reich 2014). Ohne dieses Konzept an dieser Stelle ausführlich darzustellen, geht es im Grundsatz um die Schaffung eines gerechten Bildungssystems, welches allen Kindern, egal mit welchen Voraussetzungen, zu gleichen Bildungschancen verhelfen will. In diesem Zusammenhang spielt die Frage der Kompetenzen eine Rolle, die nicht abgelehnt werden. Im Gegenteil: Um inklusive Lernergebnisse herauszustellen statt gleicher Leistungen für alle, sollen Lernergebnisse als Handlungsziele in bestimmten Kompetenzstufen bestimmt werden können. Die Darstellung von Breite und Vielfalt kann dann in Kompetenzrastern mit unterschiedlichen Niveaustufen erfolgen (ebd.: 8). »Insbesondere auf der Ebene der Kompetenzziele muss berücksichtigt werden, inwieweit die Lernenden unterschiedlich sind und wann sie gleich behandelt werden« (Reich 2014: 204). Individuelle Bedürfnisse können mit der Definition unterschiedlicher Kompetenzniveaus berücksichtigt und gefördert werden. Mit Reich kann die Frage, wie die Orientierung an Kompetenzen den einzelnen Schüler*innen, mit ihren ganz eigenen individuellen Ausstattungen (Reich spricht von persönlicher Exzellenz) gerecht werden kann, beantwortet werden. Es ist eine Antwort auf die Frage, wie positive Veränderungen im Bildungssystem ermöglicht werden können. Die Diskussion darüber, wie der Kompetenzbegriff und Kompetenzmessungen verortet und genutzt werden, weist auf ein Spannungsverhältnis hin, welches die Ausein50

Die Verwendung des Begriffs »Kerngeschäft« ist an dieser Stelle bemerkenswert.

1. Schüler*innenfirmen

andersetzung mit diesem Begriff mit sich bringt: Wie sind (sozial-)pädagogische Zielsetzungen mit ökonomischen Kriterien vereinbar? Wie kann man Kindern mit ihrer Individualität gerecht werden? Welche Bedingungen brauchen Kinder und Jugendliche überhaupt, um Kompetenzen entwickeln zu können? Es sind nicht nur schulische Bedingungen, die Voraussetzung für die bestmögliche Kompetenzentwicklung sind. An dieser Stelle kann der Ansatz des Capability Approach weiterhelfen, indem er auf grundlegende Bedingungen hinweist, die Voraussetzung sind, um ein gutes Leben führen zu können (vgl. Kap. 1.2.2.4). Und in diesem Zusammenhang sind es auch nicht nur Kompetenzen, die aus schuldidaktischer Sicht definiert werden und eine Rolle spielen. Darauf verweist der Begriff »life-skills«. Life-skills Einen weiteren interessanten Begriff verwendet die OECD: Sie spricht von life-skills und bezieht eine neue Position gegenüber der pragmatisch fachlichen Definition. Dieser Begriff ist Ausdruck eines umfänglichen Kompetenzbegriffs, der davon ausgeht, dass der »Lebenserfolg von einer breiteren Palette von Kompetenzen« abhängt (OECD 2005: 5), da sich Jugendliche wie Erwachsene auf komplexe Anforderungen in verschiedenen Lebensbereichen vorbereiten müssen. »Eine Kompetenz ist mehr als nur Wissen und kognitive Fähigkeit. Es geht um die Fähigkeit der Bewältigung komplexer Anforderungen, indem in einem bestimmten Kontext psychosoziale Ressourcen (einschließlich kognitiver Fähigkeiten, Einstellungen und Verhaltensweisen) herangezogen und eingesetzt werden.« (OECD 2005: 6) Damit kann die Definition der OECD in einer Linie mit der von dem Deutschen Bildungsrat bereits 1974 erweiterten Verständnis von Lernen und Kompetenz gesehen werden, denn auch der Bildungsrat hat den Zusammenhang zwischen »Humankompetenz«, gesellschaftlicher, fachlicher Kompetenz und der Fähigkeit zur Bewältigung privater, beruflicher und öffentlichen Lebenssituationen erkannt. Beide Sichtweisen zusammengenommen, mit der Betonung von humanen und gesellschaftlichen Kompetenzen, wie es der Bildungsrat bereits vollzieht, drücken sich bestens durch den Begriff »life-skills« aus.

1.2.2.2

Schlüsselkompetenzen – Kompetenzklassen

Die Antwort auf die Frage, was Kompetenzen auf konkreter Ebene bedeuten, welche Fähigkeiten, welche »life-skills« grundlegend sind, um komplexe Situationen zu bewältigen, besteht in der Aufschlüsslung in verschiedene Kategorien. Die erste Einteilung erfolgt mit der Differenzierung in Personal-, Sach- oder Handlungskompetenz. Wie hängen die einzelnen Kategorien zusammen, welche Inhalte kennzeichnen sie? Darauf wird in Bezug auf die Bandbreite der einzelnen Kompetenzen, der Zuordnung untereinander wie auch deren Definition, unterschiedlichste Antworten gegeben. Zwar sollten Klassifizierungen von Kompetenzen den Begriff der Kompetenz an sich eigentlich fassbarer machen – dem gegenüber stehen jedoch unterschiedlichste Diskurse mit der Konsequenz, dass insgesamt über 600 verschiedene Kompetenzen benannt werden (vgl. Weinert 2001: 31). An dieser Stelle soll der Versuch unternommen werden, verschiedene Stränge der Kategorisierung zusammenzuführen, die alle versuchen, über den Begriff der Schlüsselkompetenzen, verschiedenste Kompetenzen einzuordnen.

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Sogenannte Schlüsselkompetenzen haben den Begriff der Schlüsselqualifikationen abgelöst.51 Sie sind fester Bestandteil pädagogischer Konzeptionen, aber auch ein erster Schritt, Kompetenzen zu operationalisieren und dadurch »life-skills« konkreter werden zu lassen. Schlüsselkompetenzen sollen jene Kompetenzen darstellen, die notwendig sind, um komplexe Anforderungen in verschiedenen Lebensbereichen zu bewältigen. Die erste bereits genannte Klassifizierung mit der Aufteilung in die Bereiche Personal-, Fach- und Sozialkompetenz52 wird von Erpenbeck und von Rosenstiel aufgegriffen, um eine weitere Kompetenz erweitert und durch Kompetenzklassen beschrieben. Sie erwähnen eher nebenbei, dass diese Kompetenzklassen auch als Schlüsselkompetenzen bezeichnet werden (vgl. Erpenbeck/von Rosenstiel 2003: XVI); von Bothmer bezeichnet diese wiederum als (berufliche) Handlungskompetenzen (vgl. von Bothmer 2004: 15): •







Personale Kompetenz: Zur personalen Kompetenz gehört die Disposition, relativ selbstorganisiert handeln zu können. Dazu gehört unter anderem die Fähigkeit, sich selbst einschätzen zu können, Werthaltungen und Selbstbilder zu entwickeln. Fachlich-methodische Kompetenz: Die Disposition des selbstorganisierten Handelns bezieht sich hier auf geistige und physische Dispositionen, um sachlich-gegenständliche Probleme mithilfe fachlicher und instrumenteller Kenntnisse zu lösen. Sozial-kommunikative Kompetenz: Die Disposition betrifft das kommunikative und soziale selbstorganisierte Handeln, um sich mit anderen in kreativer Weise zusammen- und auseinanderzusetzen, aber auch, sich gruppen- und beziehungsorientiert zu verhalten. Aktivitäts- und umsetzungsorientierte Kompetenz: Hier geht es um die Fähigkeit, aktiv und gesamtheitlich selbstorganisiert zu handeln. Die Handlung wird dabei auf die Umsetzung von Absichten, Vorhaben und Pläne gerichtet, die die Person selbst, aber auch andere betreffen. Damit ist diese Kompetenz sehr umfangreich, denn alle anderen Kompetenzen müssen in die Willensbildung integriert werden, um die Handlung erfolgreich umzusetzen. (vgl. Erpenbeck/von Rosenstiel 2003: XVI).

Als weitere Kompetenz wird in anderen Aufteilungen oft die Methodenkompetenz genannt. Erpenbeck und von Rosenstiel hingegen überführen fachliche und methodische Kompetenz in eine Kategorie statt sie getrennt aufzuführen. Die Erweiterung um eine vierte Kompetenz berücksichtigt explizit das (planvolle) Verhalten, bzw. auch die Bereitschaft zum Handeln (vgl. von Bothmer 2004: 11).53 Denn: das Vorhandensein von bestimmten Fähigkeiten oder Kompetenzen reicht nicht aus,

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Vgl. dazu z.B. Vonken 2005: 10, 46ff oder Gnahs 2007: 29. Der Begriff wurde bereits 1974 von Dieter Mertens eingeführt, um über spezifisches Fachwissen hinausgehende Fähigkeiten zu beschreiben. Vgl. dazu z.B. Erpenbeck/von Rosenstiel 2003: XV-XVII; Franke 2005: 33; von Bothmer 2004: 15; Gnahs 2007: 28f. Wobei Bothmer die Bereitschaft zu handeln unter dem Aspekt der Handlungskompetenz betrachtet und weiter ausarbeitet. Dabei sind die Bereitschaft zum Handeln und die Handlungsfähigkeit die Elemente der individuellen Handlungskompetenz (vgl. von Bothmer 2004: 11f.).

1. Schüler*innenfirmen

um diese auch einzusetzen. Damit ist zwar die Frage nicht geklärt, welche Bedingungen es für eine Handlung braucht, aber es wird der Tatsache Rechnung getragen, dass allein die planvolle Umsetzung eigener Handlungen auch eine Kompetenz darstellt. Die Kategorisierung entgeht jedoch der Schwierigkeit, übergeordnete und generelle Kompetenzen zu vermischen: So wie die fachliche Kompetenz oft ausschließlich auf spezielle und eingegrenzte Gebiete bezogen ist, kann die methodische Kompetenz – wie die anderen Kompetenzen – auf alle Lebensbereiche bezogen sein, kann aber im speziell fachlichen Bereich von Bedeutung sein (vgl. Gnahs 2007: 28). Weinert lieferte zwar die Referenzdefinition, eröffnete aber keine Kategorisierung. Er zählt lediglich verschiedene Kompetenzen auf, die in der Literatur am häufigsten genannt werden und die, indem sie für »eine erfolgreiche Bewältigung von wichtigen, vielfältigen, unbekannten Zielen« notwendig sind, zu Schlüsselkompetenzen werden, weil sie multifunktional und transdisziplinär ausgerichtet sind (ewsuni-heidelberg.de/-busse/k-kompetenz-weinert.html). Ebenso verfährt die Europäische Kommission, die mit einer Auflistung von Kompetenzen (kursiv markiert) jene benennt, die ihrer Ansicht nach notwendig sind, um den Herausforderungen der Globalisierung zu begegnen (vgl. Gnahs 2007: 29). Sie stimmen mit den von Weinert angeführten Kompetenzen überein und ergänzen sie teilweise. Dazu zählen die • • • • • • • • • •

»muttersprachliche Kompetenz« in Wort und Schrift, »mathematische Kompetenz«, »Leseverstehen und Informationsaufnahme«, »Fremdsprachliche Kompetenz«, »Medienkompetenz« (»Computerkompetenz«), »Lernkompetenz«, »interpersonale, interkulturelle und soziale Kompetenz und Bürgerkompetenz«, »divergentes Denken, kritisches Urteil«, »Selbstkritik«, »unternehmerische Kompetenz«, »kulturelle Kompetenz«.

Die OECD hat nicht nur eine Definition des Begriffs Kompetenz erarbeitet, sondern auch eine Klassifizierung, die unterschiedliche Kompetenzen einteilt. Das Modell, welches die OECD in ihrem Programm »Definition and Selection of Comptencies« (DeSeCo) vorschlägt, um Schlüsselkompetenzen herauszuarbeiten, vereint die beiden vorhergehenden. Denn einerseits werden Kategorien genannt, die verschiedene Schlüsselkompetenzen in Bereiche einordnen, gleichzeitig werden Bereiche mit der Benennung von Herausforderungen oder Aufgaben spezifiziert, die ebendiese Kompetenzen erforderlich machen. Dieses Vorgehen erweitert die Kategorisierung, indem sie über eine pauschale Benennung der Globalisierung (und der oft damit einhergehenden Fokussierung auf berufliche Anforderungen) hinausgeht und verschiedenste (Lebens-)Bereiche beschreibt, die sich verändert haben. Zwar könnte auch mit den Modellen von Erpenbeck/von Rosenstiel und Weinert verfahren werden, indem Kompetenzen, die Weinert benennt, den Kategorien, die Erpenbeck/von Rosenstiel auflistet, zugeordnet werden, doch bliebe dann eine sinnhafte Ableitung der benannten Kompetenzen offen. Und genau das liefert die OECD: Mit ihrer Hilfe kann eine schlüssige Zusammenfassung vie-

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ler Anforderungen ermöglicht werden wie auch die Beibehaltung der oben genannten Schlüsselkompetenzen. Sie seien für alle Menschen wichtig und nicht nur für Spezialisten nutzbar. Sie würden ihnen helfen, verschiedenen Anforderungen gerecht zu werden. Die Anforderungen werden folgendermaßen zusammengefasst: der Umgang mit neuen Technologien, das Zusammenleben in einer multikulturellen Gesellschaft und der Umgang mit den Konsequenzen der Globalisierung (vgl. ebd. OECD 2005: 9). Neben den Anforderungen der Gesellschaft, bezieht die OECD ebenso individuelle Aspekte mit ein, die für einen persönlichen »Lebenserfolg« von Bedeutung sind. Dazu zählt sie eine »bezahlte Tätigkeit, Einkommen, Gesundheit und Sicherheit, Teilhabe am politischen Geschehen, soziale Netze«. Aber auch ein sogenannter »gesellschaftlicher Erfolg« ist der OECD für die Herausarbeitung von Schlüsselkompetenzen wichtig, wie »wirtschaftliche Produktivität, demokratische Prozesse, soziale Kohäsion, Gleichheit und Menschenrechte, ökologische Nachhaltigkeit« (ebd.: 8). Diese Herleitung von Kompetenzen erweitert den Blick und ist multiperspektivisch. Hier wird dem Individuum als gesellschaftlichem Wesen Rechnung getragen, wie auch dem gesellschaftlichen, globalen Zusammenleben selbst. Das Wechselspiel zwischen gesellschaftlichen und individuellem »Erfolg« kommt zum Tragen. Die Schlüsselkompetenzen sind nicht nur auf einen Bereich beschränkt, sondern multifunktional und mithin für alle Bereiche von Bedeutung. Dabei sind eigenständiges, reflexives Denken und Handeln und die Übernahme von Verantwortung für das eigene Lernen und Handeln (vgl. ebd.: 10f.) grundlegend. Die sich daraus ergebenden Schlüsselkompetenzen/Kompetenzklassen sind: •





Die Anwendung verschiedener Medien und Mittel (dazu gehören neue Medien, wie auch Sprache, konkret: Interaktive Nutzung von Sprache, Symbolen und Texten wie die Anwendung von Sprache, Mathematik, Lesen), interaktive Nutzung von Wissen und Information (wie die Organisation und Bewertung von Wissen und Informationsquellen) und die interaktive Anwendung von Technologien (Anwendung von Informations- und Kommunikationsmedien). Das Agieren in heterogenen Gruppen (in verschiedenen Kulturen, in sozial unterschiedlichen Gruppen). Die Fähigkeit gute und tragfähige Beziehungen zu anderen zu unterhalten (bekannt unter soft-skills, soziale und interkulturelle Kompetenz), Kooperationsfähigkeit, Fähigkeit zur Konfliktbewältigung und -lösung. Übernahme von Verantwortung für die eigene Lebensgestaltung, eigenständiges Handeln. Das beinhaltet die Fähigkeit, in größeren Kontexten zu handeln, persönliche Lebensziele und Projekte zu verwirklichen und die Wahrnehmung und Verteidigung von Rechten, Interessen, Grenzen und Erfordernissen (vgl. ebd.: 2005, 12-17).

In Anlehnung an diese Schlüsselkompetenzen/Kompetenzklassen werden im dritten Teil dieser Arbeit verschiedene Kompetenzen angeführt, die durch das Projekt »kleinUnternehmen« gefördert werden sollen.

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1.2.2.3

Ökonomische Kompetenz

Mit der Durchführung eines Projekts, welches eine unternehmerische Aktion, eine Initiierung oder Begleitung einer Schüler*innenfirma beinhaltet, werden unweigerlich ökonomische Inhalte vermittelt. Im Sinne einer Kompetenzentwicklung, die Schüler*innen befähigen soll, sich in vielfältigen Situationen zurechtzufinden, müssen – insbesondere in einer kapitalistisch geprägten Gesellschaft, in der ökonomische Aspekte in fast allen Lebensbereichen eine Rolle spielen – wirtschaftliche Kompetenzen erworben werden. Weinert und die Europäische Kommission zählen die »unternehmerische Kompetenz« gar zu den Schlüsselkompetenzen. Da die ökonomische Kompetenz fachlich ausgerichtet ist, kann sie von der ökonomischen Bildung abgeleitet werden. Nach der Definition des Instituts für Ökonomische Bildung (IÖB) beinhaltet ökonomische Bildung »Kenntnisse, Fähigkeiten, Verhaltensbereitschaften und Einstellungen […] die sie (Kinder und Jugendliche, S.Z.) befähigen sich mit den Ökonomischen Bedingungen ihrer Existenz und deren sozialen, politischen, rechtlichen, technischen, ökologischen und ethischen Dimensionen auf privater, betrieblicher und weltwirtschaftlicher Ebene auseinander zusetzen« (IÖB 2004: 2). Sollte ökonomische Bildung tatsächlich so umfassend begriffen werden? Das Institut bejaht implizit eine umfassende Ausrichtung, denn es versteht ökonomische Bildung als »integralen Bestandteil« (ebd.: 3) von Allgemeinbildung und argumentiert mit den Verflechtungen von Ökonomie, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft (vgl. ebd.: 7). Nur wer über wirtschaftliche Kompetenzen verfügt, sei auf das Leben vorbereitet: Allein die zunehmend hohe Verschuldung, der grundsätzliche Umgang mit Geld, begründe eine ökonomischen Perspektive, um Gegebenheiten, Strukturen und Prozesse umfangreich beurteilen zu können (vgl. ebd.: 11ff.). Dass ökonomische Bildung bereits einen großen Stellenwert hat, ist daran zu erkennen, dass sie in allen neuen Lehrplänen verankert ist. Dabei werden insbesondere die Teilaspekte »Konsum und Arbeit (Berufswelt) thematisiert« (Gläser 2007: 234). Zu bedenken ist, insbesondere bei einer solchen eingeschränkten Perspektive auf wirtschaftliche Prozesse, die oben angeführte Kritik: dass einerseits wirtschaftliche Verbände Einfluss auf schulische Inhalte nehmen und andererseits oder gleichzeitig damit verbunden der interdisziplinäre Blick auf Wirtschaft fehlt (vgl. Kap. 1.1.1). Damit ist es eigentlich nicht einfach, Kompetenzen von der ökonomischen Bildung abzuleiten. Die Ausrichtung ökonomischer Bildung liegt auf der Entwicklung einer ökonomischen Kompetenz, von der ausgegangen wird, dass diese von allen Individuen der modernen Wirtschaft und Gesellschaft benötigt wird: »Das lernende Individuum soll befähigt werden, in ökonomisch geprägten Situationen und Strukturen des gesellschaftlichen Zusammenlebens angemessen zu entscheiden und zu handeln sowie an deren Gestaltung mitzuwirken, um eine lebenswerte Gesellschaft zu sichern und weiter zu entwickeln« (Gläser 2007: 234). Die Perspektive ist eine rein ökonomische, bei der das Individuum in Zusammenhang mit ökonomischen Situationen gesehen und gebracht wird, nämlich als Verbraucher*in, Berufswähler*in, selbstständige und angestellte Erwerbstätige, Wirtschaftsbürger*in (vgl. Hedtke/Weber 2008: 193; Wissensfabrik (Hg.): 9). Die ökonomische Kompetenz beinhaltet fünf Kompetenzbereiche:

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

Entscheidungen ökonomisch begründen Weil Individuen in unterschiedlichen Kontexten mit ökonomischen Inhalten konfrontiert werden, z.B. als Arbeitnehmer*in, Konsument*in oder Berufswähler*in, bedarf es des Wissens um ökonomische Hintergründe, die in den jeweiligen Bereichen eine Rolle spielen. Erst dann können Pläne und Entscheidungen so getroffen werden, dass die Konsequenzen mitgedacht und verstanden werden. Entscheidungen ökonomisch zu begründen bedeutet das Abwägen von Kosten und Nutzen, den Vergleich von Alternativen im Hinblick auf persönliche Konsequenzen und Konsequenzen für andere. Handlungssituationen ökonomisch analysieren In Haushalt, Unternehmen, Staat werden Entscheidungen aufgrund ökonomischer Anforderungen und Handlungsspielräume getroffen. Das individuelle Verhalten wird erklärt durch das Zusammenspiel von Anreizen und Restriktionen. Es geht hier darum zu verstehen, wie das Zusammenspiel funktioniert, um eigene Spielräume zu erweitern und wahrzunehmen. Entscheidungen sollen besser getroffen werden können, gerade im Hinblick auf die Konsequenzen. Fragestellungen hierbei sind, wie wirtschaftliche Verflechtungen begründet sind oder miteinander in Zusammenhang stehen. Auf konkreter Ebene bedeutet das z.B. das Erkennen eigener Möglichkeiten und Chancen wie den Zusammenhang zwischen Berufswahl und eigenen Fähigkeiten und Kenntnissen. Ökonomische Systemzusammenhänge erklären Arbeitsteilung, Spezialisierung und Austausch kennzeichnen moderne Gesellschaften. Durch wechselseitigen Austausch von Leistung und Gegenleistung entstehen Abhängigkeiten und kennzeichnen die verschiedenen Märkte, Netzwerke und Hierarchien. Kenntnisse über Systemzusammenhänge oder deren Auswirkungen sind Inhalt dieses Kompetenzbereichs, wie beispielsweise das Wissen über den Lebenszyklus von Produkten oder Funktions- und Entstehungsweisen von Preisen. Rahmenbedingungen der Wirtschaft verstehen und mitgestalten Ziel dieses Kompetenzbereichs ist das Verstehen und Beurteilen von Marktbedingungen, um letztlich über sie mitentscheiden zu können. Es geht um das Verstehen der Regeln, die den Markt bestimmen, der Rahmenbedingungen und der Kontrollmechanismen. Ebenso soll ein Verständnis gesellschaftlicher Probleme entwickelt werden, um zu deren Lösung beitragen zu können. Konflikte perspektivisch und ethisch beurteilen Hier geht es um die Beurteilung von Konflikten, die in einem marktwirtschaftlich geprägten System auftauchen: Fragen der Verteilungsgerechtigkeit, der Verwendung von Gütern, Wohlstand und Sicherheit, Erhaltung der Lebensgrundlagen. Wie daraus entstehende Konflikte ethisch betrachtet und gelöst werden können – unter Berücksichtigung der Gesellschaft und des Individuums – ist Kerngedanke dieses Kompetenzbereichs. Es geht um das Abwägen gegensätzlicher Interessen und Wertkonflikten (Deutsche Gesellschaft für ökonomische Bildung, 2004: 7f; 2006: 5ff; Eberhard in Hedtke/Weber 2008: 193f.).

1. Schüler*innenfirmen

Die Deutsche Gesellschaft für ökonomische Bildung hat diese fünf Kompetenzbereiche sowohl für den mittleren Schulabschluss (Sekundarstufe 1) als auch für die Grundschule formuliert und konkretisiert (vgl. Deutsche Gesellschaft für ökonomische Bildung 2004; 2006). Sie argumentiert für die Festlegung von Mindeststandards, die in der ökonomischen Bildung umgesetzt werden sollen. Einerseits, weil ökonomisches Wissen Bestandteil des Lebens mithin der Allgemeinbildung sei, andererseits, weil ökonomische Bildung Aspekte der politischen Bildung mit Anforderungen der Arbeitswelt verbindet (vgl. ebd. 2004: 10ff.). Die Kompetenzformulierung ist aus Sicht der Wirtschaftswissenschaften und ihrer Didaktik entwickelt worden. Institut und Gesellschaft für ökonomische Bildung formulieren die fachspezifischen Inhalte. Der Bankenverband unterstützt diese Herangehensweise und sieht darin eine gesellschaftliche Aufgabe.54 Diese Vereinigungen wollen eine umfängliche Vermittlung von wirtschaftlichen Themen an Schulen. Abhängig von der Schulform werden unterschiedliche Inhalte vermittelt, mit wirtschaftsberuflicher oder allgemein ökonomischer Ausrichtung. Zwar mischen und durchdringen sich an der Schule mittlerweile die Inhalte, aber Unterschiede sind dennoch vorzufinden (vgl. Hedtke 2008: 3ff.). Die grobe Unterscheidung liegt in der Ausrichtung: Unter wirtschaftsberuflicher Bildung ist nach Harney die »vergesellschaftete Erarbeitung des Arbeitsvermögens« zu verstehen (Harney 2004 in Hedke 2008: 3) und die ist, als Vorbereitung auf eine Berufstätigkeit, zweckgebunden. Die Fächer, die wirtschaftliche Inhalte zum Thema haben, sind fester Bestandteil in den Lehrplänen. Die Orientierung an der Arbeitswelt versus allgemeiner Ökonomie drückt das erworbene Wissen aus: es ist differenzierter und spezialisierter. Im Gegensatz dazu wird die ökonomische Bildung unter einer zweckfreien Allgemeinbildung subsumiert, die nicht immer fest in den Lehrplänen verankert ist, sondern z.B. in der Oberstufe in den Fächern Sozialkunde besprochen oder als freiwilliges Wahlpflichtfach angeboten wird. Gibt es das Fach Wirtschaft an Gymnasien, ist es eher volkswirtschaftlich ausgerichtet, d.h. eher abstrakt und wenig praktisch orientiert. Beide Pole sind für die Herausbildung von Wissensbeständen von Bedeutung, weshalb die fachdidaktische Diskussion hier kurz angesprochen wird, denn sie ist wegweisend für die Frage, mit welcher Art von Wissen die Schüler*innen eigentlich ausgestattet sein sollen. Diese Unterscheidung verdeutlicht: Die Nennung der Kompetenzen, die mit der ökonomischen Bildung im Allgemeinen und der Durchführung von Schüler*innenfirmen oder dem Schüler*innenwettbewerb im Besonderen erreicht werden wollen, liegt im Spannungsfeld zweier Ausrichtungen. Geht es vorrangig um die Stärkung der Kinder und Jugendlichen, indem individuelle, berufliche Fähigkeiten herausgearbeitet und gestärkt werden (und damit später auch eine Berufsfähigkeit besser erlangt werden kann) oder/und um die Vermittlung von allgemeinem ökonomischen Wissen, das ein kompetentes Bewegen in wirtschaftlichen Zusammenhängen besser ermöglichen soll?

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Vgl. z.B. auch Kaminski/Eggert 2008. Im Auftrag deutscher Banken erarbeiten die Autoren ein Kompetenzmodell ökonomischer Bildung und argumentieren für die Implementierung eines eigenen Fachs ökonomische Bildung und für die Umsetzung ökonomischer Bildung ab Klasse 1.

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

Eigentlich dürften beide »Extreme« nicht getrennt gesehen werden. Selbst wenn es beispielsweise vorrangig um die Herausarbeitung handwerklicher Fähigkeiten und das Trainieren beruflich notwendiger Kompetenzen von Jugendlichen geht, sollte ein Wissen um Möglichkeiten, Perspektiven oder Rechte im Berufsleben nicht ausbleiben, sollte die persönliche Perspektive um gesellschaftliche, politische oder ethische Aspekte erweitert werden.55 Hedtke weist einen Weg, um diese Dichotomie aufzulösen. Die Schärfe der Unterscheidung von allgemeiner und wirtschaftsberuflicher Bildung würde sich verlieren, wenn diese als kontingentes soziales Konstrukt begriffen würde und die soziale Form, in der das Wissen eingebettet sei, in den Fokus kommen würde (vgl. Hedtke 2008: 5f.). Dieser Fokus erst trenne allgemeine von wirtschaftsberuflicher Bildung, zeige aber zugleich, wie bedeutsam die Perspektive, die soziale Form an sich sei und ermögliche eine Perspektiverweiterung.56 Hedtke kritisiert jene Ansätze, die zu wirtschaftswissenschaftlich ausgerichtet seien57 und betont, dass ökonomische Bildung als ein Gesamtkonzept sowohl ökonomische, als auch politische und soziale Bildung integrieren müsse. Er nennt das Ergebnis »sozialwissenschaftliche Bildung« und entwickelt entsprechende Kompetenzen, die sich an Entscheidungs- und Handlungssituationen des Alltags orientieren (Hedtke 2008: 14). Diese können nur in individuellen Situationen begründet werden. Danach lassen sich die einzelnen Bezugswissenschaften bestimmen und Kompetenzen ableiten. Hedtke argumentiert für eine breite wissenschaftliche Ableitung ökonomischer Bildung und lehnt einen eindimensionalen Bezug zur Wirtschaftswissenschaft ab. Er beschreibt zwölf Bereiche, die sozialwissenschaftliche Kompetenz tangieren und elementarste Fähigkeiten beinhalten: »1. Konstrukte: gesellschaftliche Phänomene als sozial konstruiert und deshalb prinzipiell auch anders möglich oder gestaltbar auffassen; 2. Kommunikationen: die kommunikative Herstellung und Formung gesellschaftlicher Wirklichkeiten und Probleme durch kollektiv als »wahr« geglaubte und öffentlich als »wahr« kommunizierte »Fakten« beschreiben, beurteilen und im eigenen Handeln berücksichtigen; 3. Denkweisen: ein soziales Phänomen oder Problem mit unterschiedlichen Denkweisen unterschiedlich beschreiben, erklären, behandeln und die Folgen dieser Denkweisen reflektieren sowie dies auf eigene Denkweisen anwenden; 4. Denkwirkungen: die Veränderung sozialer Phänomene und Probleme durch die Verbreitung und Anerkennung gesellschaftlichen und sozialwissenschaftlichen Wissens über sie beschreiben;

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Dabei könnte es, neben den Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt auch um Rechte als Arbeitnehmer*in oder um Chancengerechtigkeit in der Arbeitsmarktpolitik (z.B. Verdienst von Männern und Frauen), um Fragen der Auswirkungen der Globalisierung, der Nachhaltigkeit von Produkten und ähnliches gehen. Als Beispiel nennt Hedtke den privaten Konsum: verbrauchs- und konsumorientiertes Wissen wird der Allgemeinbildung und nicht dem wirtschaftsberuflichen Wissen zugeordnet, da dieser Bereich nicht als Beruf organisiert ist, was, wäre die Gesellschaftsordnung eine andere, auch nicht so sein müsste (vgl. Hedtke 2008: 5). Kaminski beispielsweise nennt eindeutig die Wirtschaftsordnung als Referenzsystem für ökonomische Bildung (vgl. Kaminski 2008: 10).

1. Schüler*innenfirmen

5. Institutionen: individuelles Handeln mit gesellschaftlichen Institutionen verbinden, die dieses ermöglichen und begrenzen, und diese Institutionen als sich ändernde und veränderbare beschreiben; 6. Nebenwirkungen: die unbeabsichtigten gesellschaftlichen Nebenwirkungen aufspüren, die sich aus Versuchen ergeben, gesellschaftliche Systeme und Institutionen sowie individuelles Handeln gezielt zu steuern; 7. Normen: zentrale normative Grundlagen institutioneller Systeme wie Familie, Markt, Kapitalismus oder Demokratie herausarbeiten und mit alternativen Normen vergleichen; 8. Evolutionen: hinsichtlich Denkweisen, Institutionen und Normen beschreiben, wie sich diese herausgebildet, durchgesetzt und verfestigt haben und dadurch gegenwärtige Handlungsmöglichkeiten eröffnen und begrenzen; 9. Interessen: gesellschaftliche Phänomene, Institutionen und Probleme auf die damit verbundenen kollektiven und individuellen Interessen untersuchen, diese beurteilen und beim Handeln berücksichtigen; 10. Perspektiven: die individuellen und kollektiven Perspektiven unterschiedlicher sozialer Akteure beschreiben, einnehmen und reflektieren; 11. Ebenen: Mikro- und Makroebene in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik unterscheiden und verbinden, Makrophänomene auf Mikroursachen zurückführen und Makrofolgen von Mikrophänomenen beschreiben; 12. Aussagetypen: Ist-Aussagen über gesellschaftliche Phänomene von Soll-Aussagen darüber unterscheiden und in eigenen Argumentationen voneinander trennen.« (Hedke 2008: 14f.) Hedkes Ansatz scheint zunächst sehr abstrakt, auch er wirft ein, dass einige Kompetenzen erst bis Sekundarstufe II erlangt werden können. Dennoch können die Kompetenzen auf konkrete Fragestellungen bezogen werden. Dieser Ansatz erweitert den ökonomischen Blickwinkel um viele wesentliche Fragestellungen, ermöglicht dadurch alternative Perspektiven und bezieht weitere Wissenschaften als Bezugswissenschaften mit ein. Darüber hinaus ist mit ihm das Dilemma lösbar, das durch die Dichotomie ökonomische Kompetenzentwicklung vs. Persönlichkeitsentwicklung entstehen kann. Hedkes Modell stellt Zusammenhänge zwischen verschiedenen Systemen und Sichtweisen her, erlaubt und fördert die Entwicklung eigener Konstrukte und entspricht einem multiperspektivischen, konstruktivistischen Vorgehen. Somit erweist sich Hedkes Ansatz vor dem Hintergrund eines sozialwissenschaftlichen Kompetenzverständnisses als der für diese Arbeit angestrebte Weg, messbare Kompetenzen für die Auswertung im zweiten Teil zu formulieren, diese zumindest als leitende Kompetenzen immer mitzudenken. Der ökonomische Ansatz wurde sehr ausführlich dargestellt. Das liegt darin begründet, dass sich Schüler*innenfirmen, wie auch das evaluierte Projekt »kleinUnternehmen« mit wirtschaftlichen Themen auseinandersetzt und sich mit seiner methodischen Ausrichtung anschlussfähig für die Auseinandersetzung mit vielen weiteren Themen zeigt. Auch jene, die insbesondere Hedke differenziert aufgeschlüsselt hat. Die Komplexität der Definitionen von Kompetenzen verdeutlicht, dass Lerninhalte immer wieder neu nach ihrer Relevanz und ihrer Sinnhaftigkeit hinterfragt werden müssen.

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

Hilfreich ist dabei Deweys Sichtweise, das Leben nicht von der Schule zu trennen, Konstruktionen werden dadurch immer wieder hinterfragt. Zugleich fordert die Gesellschaft, das Berufsleben bestimmte Kompetenzen, die weniger verhandelbar sind und die möglicherweise der individuellen Förderung entgegenstehen oder nicht entsprechen. Das gleiche Dilemma spielt auch innerhalb der Sozialen Arbeit eine Rolle: Es ist der Widerspruch zwischen individueller Unterstützung und gesellschaftlicher und gesetzlicher Rahmenbedingungen, die eingehalten oder eingefordert werden müssen, die nicht immer identisch sind.58

1.2.2.4

Capability approach

Die Thematisierung von Kompetenzen im Kontext des Projekts »kleinUnternehmen«, welches an Schulen durchgeführt wird und sich mit fachlichen Inhalten und Kompetenzen verbinden lässt, scheint auf den ersten Blick selbstverständlich. Zumal die Diskussion um die Definition und Erfassung von Kompetenzen auch für einen Wandel institutionalisierter Bildung steht, die verstärkt Lern- statt Lehrprozesse im Blick hat. Dagegen ist die Auseinandersetzung mit Kompetenzen innerhalb der Sozialen Arbeit nicht unumstritten. Zwar spielt sie eine Rolle, wenn es um die Frage geht, welche Kompetenzen Sozialarbeiter*innen und Sozialpädagog*innen für ihre Berufspraxis benötigen (vgl. beispielsweise Heiner 2012; Maus/Nodes/Röh 2013) und – nur vereinzelt und wenig systematisiert – geht es um die Frage, welche Kompetenzen Adressat*innen durch verschiedene Angebote der Sozialen Arbeit erlangen können (vgl. Landhäußer 2014: 171), wie im Bereich der Jugendsozialarbeit Kompetenzfestellungsverfahren zu bewerten und einsetzbar sind (Preißer 2009) oder welche Rolle außerschulische Bildungsorte für die Kompetenzentwicklung haben (Thole/Höbich 2008). Kritische Studien hinterfragen Kompetenzfeststellungsverfahren, wie sie auch von Trägern der Sozialen Arbeit durchgeführt werden (Ott 2011). Die Einwände und Kritik gegenüber Kompetenz(messungen) beziehen sich auf Messungen von oder die Fokussierung auf Kompetenzen. Diese würden einen eingeschränkten Blick und eine Defizitorientierung provozieren. Damit werde eine Notwendigkeit verbunden, bestimmte Kompetenzen erwerben zu müssen, wobei dieser Erwerb einerseits individualisiert und andererseits für den Arbeitsmarkt funktionalisiert wird. Dass die Entwicklung bestimmter Kompetenzen bestimmter Voraussetzungen bedürfen, diese dafür förderlich sind, würde dabei außer Acht gelassen. Zudem könnten gesellschaftlich nicht anerkannte Kompetenzen abgewertet werden (vgl. Landhäußer 2014: 175f.). Doch kann verstärkt die Frage gestellt werden, ob auch Bildungsprozesse innerhalb der Sozialen Arbeit im Hinblick darauf betrachtet werden sollten, welche Kompetenzen Adressat*innen erlangen können und wollen, denn sie sollten, nach Landhäußer, dort eine Rolle spielen, wo personenbezogene Kompetenzen von Kindern, Jugendlichen und ihren Eltern zum Tragen kommen: An

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Im Zuge der Harz IV Reform ist das Dilemma der Sozialen Arbeit deutlich zu erkennen. Die Spielräume der Unterstützungsangebote, die Soziale Arbeit machen kann sind durch die Gesetzgebung begrenzt und entsprechen oft nicht den Intensionen Sozialer Arbeit. Gleichzeitig werden von Menschen Kompetenzen erwartet, denen sie nicht entsprechen können. Manches Bewerber*innentrainig für Adressat*innen Sozialer Arbeit führt dann Hilfe ad absurdum.

1. Schüler*innenfirmen

außerschulischen Orten und durch Angebote der Sozialen Arbeit. Sie plädiert daher für ein erweitertes Kompetenzverständnis, welches die Verwirklichungschancen von Adressat*innen mit in den Blick nehmen kann (vgl. Landhäußer 2014: 171f.). Die Auseinandersetzung mit Kompetenzen, kann für die Soziale Arbeit aus mehreren Perspektiven betrachtet konstruktiv sein, wenn Soziale Arbeit innerhalb von Bildungsprozessen und deren Ermöglichung eine Rolle spielt, wenn sie als Profession für jene zuständig ist, die keinen Zugang zu gesellschaftlich relevanten Systemen haben, die keinen oder kaum Zugang zu notwendigen Ressourcen haben, die aus Bildungsprozessen ausgeschlossen bleiben. In der konkreten praktischen Arbeit in nahezu allen Tätigkeitsbereichen, sucht Soziale Arbeit immer nach den vorhandenen Ressourcen der Adressat*innen, nach ihren Stärken, Fähigkeiten oder auch Kompetenzen, die es ihnen ermöglicht, darauf aufbauend ihre Anliegen zu lösen oder ihre Situation zu verbessern. Eine Auseinandersetzung mit Kompetenzen innerhalb der Sozialen Arbeit kann demnach nur unter der Berücksichtigung der Lebensbedingungen, der gesellschaftlichen Bedingungen und den vorhandenen Ressourcen einerseits und den Anliegen und Wünschen der Adressat*innen andererseits erfolgen (vgl. ausführlich zu Aufgaben und Methoden Sozialer Arbeit Kap. 2.1). Diese Berücksichtigung findet sich im Ansatz des Capability Approach von Sen (2017) und Nußbaum (2015) wieder und wird in verschiedenen Diskursen innerhalb der Sozialen Arbeit diskutiert. Otto/Scherr/Ziegler (2010) sehen im Capability Approach eine Möglichkeit eine Lücke innerhalb kritischer Ansätze Sozialer Arbeit zu schließen. Diese kritischen Ansätze beziehen sich wesentlich auf die »Entlarvung gesellschaftlicher Funktionen« (Otto/Scherr/Ziegler 2010: 146) und die Frage, wie vermeidbares Leiden verhindert werden kann. Das führt positiv formuliert zur Frage – und diese Argumentation führt zum Capability Approach – welcher Bedingungen es bedarf, ein gutes Leben zu führen. Der Capability Approach »[…] stellt eine Bestimmung von materialen und prozessualen Aspekten von Realfreiheiten bereit, die an Grundfragen einer kritischen Sozialen Arbeit in einem hohen Maße anschlussfähig ist […]. Er ermöglicht es insbesondere, menschenrechtliche Grundprinzipien, so das normative Konzept der zu achtenden Würde jedes Individuums, in einer für Sozialpolitik und Sozialen Arbeit interessanten Weise zu konkretisieren« (Otto/Scherr/Ziegler 2010: 146). Otto/Scherr/Ziegler begründen einen normativen Ansatz Sozialer Arbeit, denn »[s]ie ist auf gesellschaftspolitische Festlegungen und auf Resultate lebenspraktischer Entscheidungen bezogen, in die (explizite oder implizite) Annahmen über Anstrebenswertes und zu Vermeidendes, Achtenswertes und Verachtenswertes, Zulässiges und Unzulässiges, Zumutbares und Unzumutbares eingegangen sind. Sie kann also nicht darauf verzichten, zu lebenspraktischen Fragen wertend Stellung zu beziehen« (Otto/Scherr/Ziegler, 2010: 142). Wenn Soziale Arbeit als gesellschaftliche Institution verstanden wird, die als übergreifendes Ziel unter anderem soziale Gerechtigkeit erhalten oder herstellen will, stellt sich die schwierige Frage, auf welche Gerechtigkeitsnormen sie sich beziehen kann oder sollte (vgl. ebd.: 146). Dabei betonen Otto/Scherr/Ziegler, dass eine für die Soziale Arbeit geltende Gerechtigkeitsnorm weder für die betreffenden Individuen gleich ist, noch, dass eine solche Norm auf die Beseitigung von individuellen Unterschieden abzielt. Ihrer Konzeption sozialer Gerechtigkeit liegt ein normativer Gleichheitsbegriff zugrunde, der bedeutet, dass

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

jene, die anspruchsberechtigt sind neben einer formalen Gleichbehandlung ebenso »[…] Anspruch auf einen angemessenen Anteil am gesellschaftlichen Vermögen haben und dadurch in wesentlichen gesellschaftlichen Bereichen in einen Zustand faktischer Gleichheit versetzt […] werden« (Otto/Scherr/Ziegler 2010: 147). Sen und Nussbaum stellen die grundlegende Frage, wie Gerechtigkeit hergestellt werden kann, um die Lebensqualität der Menschen zu sichern. Dabei zeigt ihre Argumentation, dass die Lebensqualität nicht allein vom Bruttosozialprodukt eines Landes abhängig gemacht werden kann. Vielmehr führt die Argumentation zur Forderung nach notwendigen politischen Entscheidungen, die Voraussetzung sind, um Bedingungen zu schaffen, die Lebensqualität ermöglichen und Gerechtigkeit herstellen können (vgl. Sen 2017: 9-12; Nussbaum 2015: 7-9). Grundlegend sind dafür »Capabilies«. Capabilities können mit Befähigungen oder Verwirklichungschancen übersetzt werden. Sie verknüpfen die individuellen Eigenschaften und Fähigkeiten mit den »objektiven (sozialen) Gegebenheiten« (Otto/Scherr/Ziegler 2010: 148), so dass soziale Gerechtigkeit als Gleichheit an Capabilities, an »Befähigungsgleichheit« (Otto/Scherr/Ziegler 2010: 148) konzipiert werden kann. Dafür sollte berücksichtigt werden, wie die durch eine Ausstattung mit Ressourcen oder Grundgütern eröffneten Möglichkeiten tatsächlich von konkreten Personen genutzt werden können (vgl. ebd.). Die potenziellen Fähigkeiten sind »[…] sowohl von materiellen Bedingungen als auch von persönlichen Eigenschaften geprägt. Die Verwirklichungschancen und die ermöglichte Wahlfreiheit tragen entscheidend dazu bei, was Sen als ein gutes Leben bezeichnet« (vgl. Glöckler 2017: 20). Nussbaum und Sen versuchen in ihren Ansätzen jene Fähigkeiten der Menschen herauszuarbeiten, die grundsätzlich für alle gültig sind und generell als Voraussetzung für ein gutes Leben gelten können. Das Besondere ihres Ansatzes ist es, die Fähigkeiten mit gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen zu verknüpfen, die aus Fähigkeiten Befähigungen werden lassen. Sie deuten darauf hin, dass jeweils entsprechende Bedingungen gegeben sein müssen, um überhaupt diese Fähigkeiten entwickeln zu können. Fähigkeiten sind nicht allein individuell entwickelbar, sondern immer auch von politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Zusammenhängen abhängig. Sie sind für Sen deshalb »[…] eine Art von Freiheit: nämlich der substanziellen Freiheit, alternative Kombinationen von Tätigkeiten zu verwirklichen« (Sen 2017: 95). Es geht »[…] nicht einfach um der Person immanente Fähigkeiten, sondern auch um Freiheiten oder Möglichkeiten, die durch eine Kombination von personalen Fähigkeiten und dem politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umfeld entstehen.« (Nussbaum 2015: 29) Aufgrund der Komplexität der Fähigkeiten nennt Nussbaum sie kombinierte Fähigkeiten (ebd.). Diese Verknüpfung macht den Capability Approach für die Soziale Arbeit so interessant und spielt in Diskursen über Armut und Ungleichheit eine Rolle. Diese Auseinandersetzung zeigt sich ebenso in den Armuts- und Reichtumsberichten und in Zusammenhang mit der wachsenden Kinderarmut in der Kinder- und Jugendberichterstattung (vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Hg.) 2005, 2008; Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hg.) 2009). Als eine Theorie der Gerechtigkeit stellt sich Nussbaum die Frage »Was ist eine jede Person wirklich befähigt zu tun und zu sein?« (Nussbaum 2015: 27). Diese Frage ist ihr zentraler Ausgangspunkt für soziale Gerechtigkeit und der Möglichkeit, Lebensquali-

1. Schüler*innenfirmen

täten zu vergleichen. Es geht dabei nicht um ein Gesamtwohl oder das durchschnittliche Wohl einer Gesellschaft, sondern um die tatsächlichen Möglichkeiten eines jeden einzelnen und den Wahlmöglichkeiten oder Freiheit, die jede Person hat (vgl. ebd.). Das bedeutet, dass eine Unterscheidung von Fähigkeit und Tätigkeit getroffen werden muss, denn Fähigkeit bedeutet die Möglichkeit wählen zu können; Tätigkeit hingegen kann aufgrund einer Fähigkeit erfolgen oder auch nicht (vgl. ebd.: 33). Der Fähigkeitenansatz beschreibt dabei keine Fähigkeiten, die versuchen, die menschliche Natur zu beschreiben. Vielmehr sucht er nach jenen Fähigkeiten, die eine gerechte Gesellschaft möglich machen und ein Leben in Würde ermöglichen (vgl. ebd.: 37), auch wenn Würde an sich eine »undeutliche Idee ist« (Nussbaum 2015: 38). Um den Menschen ein Leben in Würde zu ermöglichen, sollte die politische Ordnung ihnen folgende Fähigkeiten ermöglichen: 1. »Leben«: von normaler Dauer und ohne Einschränkungen. 2. »Körperliche Gesundheit«: mit reproduktiver Fähigkeit, guter Gesundheit, Ernährung und Unterkunft. 3. »Körperliche Unversehrtheit«: sich frei bewegen können, ohne Gewalt, sexuellen Übergriffen, häuslicher Gewalt. Gelegenheit über sexuelle Befriedigung verfügen zu können und sich frei über Fragen der Fortpflanzung entscheiden zu können. 4. »Sinne, Vorstellungskraft, Denken«: fähig sein, die Sinne zu benutzen, Vorstellungen zu entwickeln, denken, argumentieren zu können, basierend auf ausreichender Bildung und Grundkenntnisse in elementaren Wissenschaften, Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit, Vermeidung von Schmerz. 5. »Gefühle«: fähig sein, Bindungen einzugehen, förderliche menschliche Zusammenschlüsse. 6. »Praktische Vernunft«: Vorstellungen vom Guten bilden und eigenes Leben entsprechend zu betrachten. 7. »Zugehörigkeit«: fähig sein zur Interaktion, Zugehörigkeiten schaffen (Redefreiheit, Versammlungsfreiheit), Achtung und Würde allen gegenüber (egal welcher Hautfarbe, Nationalität, Geschlecht). 8. »Andere Gattungen«: fähig sein zur Rücksichtnahme auf Tiere, Pflanzen, Natur. 9. »Spiel«: Fähigkeit zur Freizeit, Lachen, Spiel. 10. »Kontrolle über die eigene Umwelt«: fähig für politische Entscheidungsprozesse, politischer Teilnahme, Reicht auf Eigentum (vgl. Nussbaum 2015: 41f.).

Bedingung für die Herstellung gesellschaftlicher Gerechtigkeit ist es, allen Bürger*innen diese zehn Fähigkeiten zugänglich zu machen. Der Versuch, alle elementaren Aspekte menschlichen Lebens in Betracht zu ziehen, zeigt sich in der Absicherung, die die menschlichen Grundbedürfnisse abdeckt. Nussbaum plädiert für Bildungsprogramme, die Menschen zu kritischem Denken befähigen und ihnen die Möglichkeit gibt, Wahlmöglichkeiten zu erkennen und zu wählen. Dabei betont sie, dass Bildungsprogramme auch für reichere Nationen von Bedeutung sind, denn auch sie scheitern oft daran, ihre benachteiligten Gruppen zu bilden (vgl. ebd.: 101). Das bestätigen die Armutsberichte. Und die Schulleistungsmessungen bestätigen nach wie vor, dass Bildung in Deutsch-

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

land vom sozialen Status abhängig ist. So kann Nussbaums Forderung für alle Staaten gelten: »Alle Ansprüche erfordern unterstützende Maßnahmen des Staates, auch Ausgaben aus dem Staatshaushalt.« (Nussbaum 2015: 78) Für die Soziale Arbeit ergibt sich aus der »[…] Befähigung von Akteur/innen […] ein dezidiert (sozial)pädagogischer Auftrag […], der die Ziele von Bildung und den Abbau von Bildungsbenachteiligung überzeugend begründen kann« (Landhäußer 2014: 179). Wie stark der Capability Approach Einfluss auf den Theoriediskurs der Sozialen Arbeit hat, fasst auch Glöckler (2017) zusammen. Er sieht in den Ansätzen Sen und Nussbaums einige theoretische Parallelen zu verschiedenen Theorien Sozialer Arbeit. Insbesondere der lebensweltorientierten Sozialen Arbeit (Thiersch 2015), der Aneignungstheorie (Glöckler 1982) und der Agency-Forschung/der Handlungsmächtigkeit und Selbstwirksamkeit (Homfeld/Schröer/Schweppe 2008). Glöckler entwirft eine »Soziale Arbeit der Ermöglichung« (Glöckler 2017: 11) für den der Capability Approach eine große Rolle spielt. Wohlergehen oder ein gelingendes Leben ist eng mit der Frage nach sozialer Gerechtigkeit verknüpft. Soziale Gerechtigkeit gilt als ein zentraler Wert Sozialer Arbeit. Dabei bewegt sich Soziale Arbeit zwischen Ansätzen, die Gerechtigkeit als eine gleiche Verfügung von Grundgütern versteht oder eine gleiche Verteilung von Ressourcen. Eine solche eher liberale Perspektive auf Gerechtigkeit ist eher vereinbar mit einer Auffassung von materieller Absicherung als einer Aufgabe Sozialer Arbeit (vgl. Ziegler 2011: 117f.). Die Fragen, die sich in diesem Kontext nach einem gerechten, gelingenden oder guten Leben stellt, werden unterschiedlich beantwortet. Die Perspektive der Sozialen Arbeit kann einerseits die sein, auf politischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Ebene für gerechte Verteilung von Lebenschancen einzustehen. Andererseits kann sie ebenso die ganz individuellen Voraussetzungen im Blick haben, die mitentscheiden, welche Lebenschancen umgesetzt werden können (vgl. ebd. 119). »Für die Frage der Gerechtigkeit im Feld der Sozialen Arbeit scheint daher die eine Perspektive auf Gerechtigkeit geboten, die die Vielschichtigkeit und Diversität menschlicher Lebenspraxis und vor allem die sozialen Möglichkeitsbedingungen und ›ethische[n] Voraussetzungen der Sicherung von Individualität‹ [Herv. i. O.] (Struma 2000: 272) zum Gegenstand hat, die den Kernbereich Sozialer Arbeit markieren […]« (Ziegler 2011: 119). Der Capability Approach fordert den Zugang für jeden Menschen zu einem guten Leben, indem nicht nur die entsprechenden materiellen, institutionellen und pädagogischen Bedingungen bereitstehen, sondern die Menschen auch in die Lage versetzt werden, entsprechende Entscheidungen für ein gutes Leben zu treffen (vgl. Ziegler: 128). Dafür werden keine Inhalte festgeschrieben, vielmehr geht der Ansatz von einer Pluralität der Werte und Lebensstile aus. Capabilities werden oft mit Kompetenzen oder Fähigkeiten übersetzt, aber nach Ziegler ist eine solche Übersetzung eher irreführend, denn es geht weniger um individualisierte Möglichkeiten und Fähigkeiten, sondern um ein »Zusammenspiel von Infrastrukturen, Ressourcen, Berechtigungen und Befähigungen« (Ziegler 2011: 128), um die Frage, wie ein gutes Leben realisiert, wie Chancen verwirklicht werden können und weniger um die Frage, wie soziale Gerechtigkeit hergestellt werden kann.: »Im Zentrum der Analyse steht vielmehr das reale Vermögen von Menschen, für die eigene Konzeption eines guten Lebens wertvolle ›Funktionen‹ [Herv.

1. Schüler*innenfirmen

i. O.], d.h. Tätigkeiten und Seinsweisen, praktisch realisieren zu können« (Ziegler 2011: 128). Auch wenn Capabilities nicht mit Kompetenzen übersetzt werden können, erinnert der Capability Ansatz daran, Kompetenzen in einem erweiterten Kontext zu verstehen. Die Perspektive, dass Kompetenzen konkret auf Inhalte, Personen und deren Handlungen zielen, wird erweitert durch den Hinweis, dass Verwirklichungschancen erst die Grundlage bieten, Kompetenzen gut entwickeln zu können. Sie sind immer auch in Zusammenhang mit der Person, der Umgebung und den weiteren Gegebenheiten zu betrachten. Im Kontext dieser Arbeit ist beachtenswert, dass eine Fokussierung auf Kompetenzen die nur für Schule und Beruf verwertbar sind, zu einem weiteren Ausschlusskriterium für benachteiligte Menschen führen kann. Vor diesem Hintergrund ist das Übergangssystem von Schule und Beruf zu hinterfragen: ob es nur um »[…] klassenbasierte Allokation von Statuspositionen geht und inwiefern individuelle Perspektiven von Jugendlichen auf ein gutes Leben Berücksichtigung finden« (Landhäußer 2014: 178). Zum anderen ist im Blick zu behalten, dass unterschiedliche millieuspezifische Kompetenzaneignungen entweder dazu befähigen, sich innerhalb der Schule (oder anderen Bildungsinstitutionen) als selbstwirksam zu erleben oder dazu führen, einen »Bruch mit der Alltagspraxis und den Erfahrungen in ihrem sozialen Nahraum« zu erleben (Landhäußer 2014: 174). Diese Lücke bei der Betrachtung von Kompetenzen kann vor dem Hintergrund des Capability Approachs Soziale Arbeit zwar darin bestärken mit ihren Bildungsangeboten auch gesellschaftlich anerkannte und beruflich benötigte Kompetenzen zu vermitteln. Aber sie muss dabei immer auch individuelle Perspektiven, das individuelle Wohlergehen in den Mittelpunkt stellen. Die Verbindung zur Förderung der Selbstwirksamkeit verdeutlicht: Selbstwirksamkeit kann nur erlebt werden, wenn die Bildungsbedingungen so gestaltet werden, dass jede*r mit ihre*r individuellen Ausstattung, Fähigkeiten und Wünschen an diese anschließen kann. Deshalb: »[…] wäre es wichtig, gesellschaftliche Missachtungen und Entwertungen nicht fortzuschreiben, sondern zu durchbrechen und zu problematisieren. Wesentlich ist es […] außerdem zu klären, welche Capabilities als wichtig erachtet werden, um ein gutes Leben führen zu können, oder anders formuliert: die Wohlfahrt einer Gesellschaft daran zu messen, inwiefern es gelingt, Akteur/innen Möglichkeits- und Freiheitsspielräume zu schaffen« (Landhäußer 2014: 179).

1.2.3

Biographiebegleitendes Lernen ermöglichen

Die Diskussion um die Entwicklung von Kompetenzen zeigt, dass eine bildungstheoretische Auseinandersetzung nicht erfolgen kann, ohne den Bezug zur Lebenswelt herzustellen, ohne Leben und Lernen in einen Kontext stellen. In diesem Zusammenhang kursieren Begriffe wie lebenslanges Lernen59 (gerne auch als Anglizismus:

59

Unter lebenslangen Lernen wird zwar hauptsächlich Weiterbildung verstanden, diese erhält aber im Zuge der sich stark veränderter Arbeitsverhältnisse eine zunehmende Bedeutung. Damit ist Weiterbildung in den Fokus wissenschaftlicher Untersuchungen gerückt und wird eben auch in einem Zusammenhang mit biographischem Lernen gesehen (vgl. von Felden (Hg.) 2008).

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

lifelong learning), lebensgeschichtliches, lebensbegleitendes, biographisches oder biographiebegleitendes Lernen. Biographisches Lernen kommt zum Tragen, weil es sich sowohl auf die Vermittlung von Kompetenzen als auch auf bereits vorhandene Kompetenzen bezieht und versucht, biographische und lerngeschichtliche Aspekte der einzelnen Personen zu berücksichtigen. Aber es kommt auch deshalb zum Tragen, weil die Schüler*innenfirma und die damit verbundenen Inhalte nicht – wie bislang vorrangig üblich – auf Schüler*innen ab Sekundarstufe I beschränkt werden sollen, sondern ab der Primarstufe thematisch und altersgerecht eingeführt werden können. Obwohl unter den Begriffen grundsätzlich Ähnliches verstanden wird oder diese auch miteinander verwoben sind, kann das lebenslange Lernen mehr auf das Lernen in Institutionen bezogen werden, das biographische Lernen wiederum auf individuelles Lernen in lebensgeschichtlichen und lebensweltlichen Zusammenhängen. (vgl. Alheit/Dausien 2002: 574). Somit kann biographiebegleitendes Lernen unter verschiedenen Perspektiven betrachtet werden: Die eine Perspektive richtet sich bei der methodisch-didaktischen Umsetzung von Lernangeboten auf die Beachtung und Einbeziehung biographischer Prozesse und individueller (Kompetenz)Entwicklung. Die andere Perspektive richtet sich darüber hinaus auf Lernende, die in Auseinandersetzung mit ihrer Biographie eine eigene biographische Kompetenz entwickeln, indem sie z.B. eigene Lernprozesse oder -erfahrungen besser kennen lernen. In der Kompetenzentwicklung bedeutet die Berücksichtigung der Biografie: »aus-demeigenen-Leben-lernen«, »sein-Leben-gestalten« und »das-eigene-bisherige-Lebenerinnern reflektieren« (Schulze 1996 in Münchhausen 2004: 107). Entsprechend unterscheiden Alheit und Dausien Perspektiven, die gesellschaftliches und individuelles Lernen betrachten: Auf der einen Seite eine bildungspolitisch motivierte, die untersucht, welche Konsequenzen die Forderung nach lebenslangem Lernen für Bildungssysteme und Bildungseinrichtungen haben. Auf der anderen Seite eine pädagogische, subjektorientierte Perspektive, die »Bedingungen und Möglichkeiten« des Lernens der Individuen untersucht. Differenziert werden können dabei nicht-formale, informelle und selbstorganisierte Lernprozesse (Alheit/Dausien 2002: 566, 568f.).

1.2.3.1

Kriterien lebenslangen Lernens

Was zeichnet diese Form des Lernens genau aus, die – wie auch immer sie benannt wird – mit Biographie in Verbindung gebracht wird? Der Zugang erschließt sich über die Biographieforschung, die seit den 1970er Jahren in der Pädagogik zunehmend eine Rolle spielt. Biographische Forschung will, grob gesagt, das vergangene Leben einbeziehen, um das gegenwärtige Handeln zu erklären. Dabei werden Lebenspannen, Sinnund Bedeutungsmuster, Lebens- und Problemlösungsstile sowie Lern- und Orientierungsmuster untersucht (vgl. Münchhausen 2004: 66). Die Erkenntnisse der Biographieforschung werden auf Lernprozesse übertragen: Die Annahme, dass das gegenwärtiges Handeln nur vor dem biographischen Hintergrund zu verstehen ist, muss daher auch Folgen für Lernangebote an sich haben, denn auch die Art und Weise wie Lernende lernen können, ist nur vor dem Hintergrund individueller Lerngeschichten zu verstehen: »Lernprozesse, die neue Handlungsstrategien ermöglichen sollen […] (können) nur

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dann erfolgreich (sein), wenn sie einen Anschluss an die individuelle biographische Situation finden, die das Lerninteresse begründet und vorstrukturiert.« (Gieseke/Siebert 1999: 321) Der Begriff des biographischen Lernens wird thematisch breit diskutiert, insbesondere in Zusammenhang mit lebenslangem Lernen aber auch z.B. mit der Entwicklung einer pädagogischen Identität (vgl. Report 2008 Nr. 8; Unger 2007). Gemeinsam ist den verschiedenen Ansätzen, dass es meist um erwachsene Lernende geht (kritisch dazu z.B. Böhnisch/Schröer 2003). Es geht um die Frage, wie Biographie und Lernen verbunden werden können, um in einer Wissensgesellschaft bestehen zu können sowie in einer komplexen sozialen und politischen Welt Diversität angemessen begegnen zu können (vgl. Commission of the European Communities 2000: 5 in: Alheit/Dausien 2002: 565). Die Anforderungen, die sich aus Globalisierungsprozessen ergeben und die daraus gezogenen bzw. geforderten Lern-Konsequenzen für das Individuum, decken sich mit jenen, die für die Entwicklung von Kompetenzen gezogen werden: Gesellschaftliche, wirtschaftliche und ökologische Veränderungen bedingen entsprechende Kompetenzen; diese wiederum müssen auf dem Weg des lebenslangen Lernens erworben werden. Alheit/Dausien erkennen in dem Begriffsverständnis des Memorandums der Europäischen Kommission einerseits einen instrumentellen Aspekt, eine »ökonomische(n) und soziale(n) Notwendigkeit« zum lebenslangen und vernetztem Lernen und bezeichnen dieses als Lernen erster Ordnung für alle. Andererseits impliziere der Begriff gleichzeitig auch einen emanzipatorischen Aspekt: Lebenslanges Lernen als Lernen zweiter Ordnung beinhalte mehr als nur die Forderung nach einzelnen Lernschritten. Es geht um »höher organisierte Prozesse der Verarbeitung, Verknüpfung und (Trans-)Formation von Lernprozessen zu einer biographischen Erfahrungsgestalt« (Alheit/Dausien 2002: 567). Und es geht nicht ausschließlich um Lernen in verschiedenen Lebensspannen, »sondern um den qualitativen Aspekt lebenszeitlicher Prozesse und deren sozialkultureller Strukturierung. Dieser wird mit dem theoretischen Begriff Biographie erfasst« (Alheit/Dausien 2002: 568). Folgendes Zitat verdeutlicht, dass es sich um ein grundsätzliches Prinzip handelt, welches verschiedene Ansätze verbinden kann: »Lifelong learning is no longer just one aspect of education and training: it must become the guiding principle for provision and participation across the full continuum of learning contexts.« (Commission of the European communities 2000: 3 zit.n. Alheit/Dausien 2002: 565) Mit folgenden Kriterien kann das Prinzip des Lebenslangen Lernens gekennzeichnet werden: Lernen durch geleitetes Leben/Anschluss an die biographische Situation: Sehr deutlich hat bereits Dewey den Zusammenhang zwischen Leben und Lernen herausgearbeitet. Weil er davon ausgeht, dass Lernen durch Erfahrung erfolgt, stellt er einen Zusammenhang zwischen Schule und Leben, zwischen inner- und außerschulischem Lernen her. Dewey lehnt ein Lernen über reine Inhalte (learn lessons) ab und plädiert für ein Lernen durch geleitetes Leben (learns through directed living) (Göhlich/Wulf/Zirfas 2014: 15f.). Durch den direkten Bezug zum Leben werden automatisch biographische Prozesse berücksichtigt. Lernen durch Erfahrung bedeutet, dass wir die Dinge, die wir tun (als aktive Seite der Erfahrung) mit den Dingen, die wir »erleiden« (als passive Seite der Erfahrung) in einen Zusammenhang »nach rückwärts

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und vorwärts« in Verbindung bringen (vgl. Dewey 2000: 187). Zentral ist dabei Deweys Verständnis von »experience«. Dieser Begriff drückt den Zusammenhang von »Tun und Erleiden« aus, der im Verlauf einer Handlung »aktiv konstruiert« wird (Neubert, 2004: 14). Wenn kein Zusammenhang entsteht, haben die Dinge, die uns geschehen, keinerlei Folgen für uns, da wir ihnen nichts »entnehmen« können, um die Zukunft besser »beherrschen« zu können (vgl. Dewey 2000: 187). Dewey zieht aus dieser Erkenntnis zwei pädagogische Folgerungen: »Two conclusions important for education affairs: (1) Experience is primarily an active-passive affair; it is not primarly cognitive. But (2) the measure of the value of an experience lies in the perception of relationships or continuties to wich it leads up.« (Dewey 2016: 134) Daran schließt sich die o.g. Annahme von Gieseke/Siebert an, die davon ausgehen, dass, wenn Lernprozesse neue Handlungsstrategien ermöglichen sollen, sie auch anschlussfähig an die individuelle biographische Situation sein müssen. Anschlussfähigkeit bedeutet: Lerninteressen müssen gefunden werden, Lernprozesse danach ausgerichtet sein. Auch Gewohnheiten, die unter Deweys Verständnis weiter gefasst sind, sind für ein lebenslanges Lernen von Bedeutung. »Habits« als kulturell geformte Verhaltensweisen sind nicht passiv, sondern aktiv zu verstehen. Sie entwickeln sich in der Auseinandersetzung mit anderen, auch mit Institutionen und ermöglichen den Menschen handlungsfähig zu sein. Deshalb müssen diese flexibel gehalten werden: »[…] in einem Prozess lebenslangen Lernens immer wieder zu erweitern und partiell umzuformen, hält Dewey für eine zentrale (auch erzieherische) Herausforderung des Lebens« (Neubert 2004: 18). Lebensgeschichte = Lerngeschichte: Grundlegende Annahme biographischen Lernens ist, dass Lernen – und damit auch die Entwicklung von Kompetenzen – in komplexen Verknüpfungen der eigenen biographischen Erfahrungen geschieht, Lernen also immer in Prozesse der Biographiesierung eingebettet ist und Lebensgeschichten zugleich auch zu Lerngeschichten werden (vgl. Gieseke/Siebert 1995). Es geht um die Berücksichtigung des Einflusses, den Bildungsprozesse auf die eigene Biographie haben (vgl. Report 37: 4). Eigene Stärken und Interessen können erkannt und in den Lernprozess einbezogen werden, indem Bezug genommen wird auf »informell erworbene Kompetenzen« und das Leben an sich. Damit wird der Zusammenhang zwischen Biographie und Bildungsprozessen hergestellt (Alheit et al.: 28). »Faßt man Lernen als Inbegriff der Wandelbarkeit oder Veränderbarkeit des Menschen, dann ist Lebensgeschichte zuallererst Lerngeschichte« (Maurer 1981: 109 zitiert nach Gieseke/Siebert 1995: 329). Dass Leben automatisch fortwährendes Lernen bedeutet, leuchtet einerseits sofort ein, verdeutlicht aber zugleich, dass es – aufgrund der Komplexität des Lebens – mehrere Dimensionen geben muss, die bei Lernprozessen eine Rolle spielen. Beispielsweise können allein die Orte, an denen Lernprozesse stattfinden untergliedert werden: Dem Memorandum der Europäischen Kommission zu Folge bezieht sich das lebenslange Lernen auf drei Bereiche: das formale Lernen in Bildungseinrichtungen, das nicht-formale Lernen außerhalb der klassischen Bildungseinrichtungen, in Institutionen oder Initiativen, wie Arbeitsplatz oder Verein und das informelle Lernen, das im alltäglichen Leben geschieht (vgl. Alheit/Dausien 2002: 566). Lernen (zu) Leben: Göhlich/Wulf/Zirfas (2014) greifen die Gleichung Leben = Lernen auf und fokussieren über den Begriff des biographischen Lernens die Lebensgeschichte als individuelle Lerngeschichte. Sie wird in den Mittelpunkt gerückt und biographisches

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Lernen wird zu einer Form des Leben-Lernens.60 Der Begriff des lebensgeschichtlichen oder biographischen Lernens wird zur »Erweiterung und Neuakzentuierung der traditionellen Fokussierung der Pädagogik auf schulische Lernprozesse«, indem dieser »auf die Bedeutung eines Lernens in und mit der Biographie, aber auch auf das Lernen aufgrund einer Biographie« verweist (Göhlich/Wulf/Zirfas 2014: 18). Sinnbezüge: Unger, der sich in seiner Definition von biographischem Lernen auf Ecarius bezieht, beschreibt die Entwicklung einer biographischen Kompetenz und bezieht diese auf die Entwicklung der eigenen Identität. Das biographische Lernen selbst erfolge während einer lebensgeschichtlichen Erzählung. Bei diesen Erzählungen kann ein Lernprozess entstehen, wenn dem*der Erzähler*in bewusst wird, wie Ereignisse in seinem*ihrem Leben zusammenhängen. Daneben können auch Lernprozesse deutlich werden: Von Bedeutung ist der Sinn, den die erzählenden Personen erkennen bzw. herstellen. »Das Erzählen von biographischen Lernprozessen verweist auf das Herstellen von Sinnbezügen, es enthält das Aufzeigen des Selbst, wie es geworden ist, was es erfahren hat, welche Orientierungen ausgebildet wurden und wie andere am Prozess der Entstehung des Selbstbildes beteiligt waren. In den Ereignisverkettungen und Handlungsabläufen wird dargestellt, wie es dem Biographieträger gelungen oder nicht gelungen ist, eine Balance der Identität herzustellen, welche Wege dafür eingeschlagen wurden und was die zentralen biographischen Lernprozesse waren. Erzählstruktur und biographische Lernprozesse sind ineinander verwoben« (Ecarius 2006: 103-104 zitiert nach Unger 2007: 4f.). »Biographisches Lernen kann in diesem Sinne als ein Modus der Auseinandersetzung eines professionellen mit selbstreferenziellem Wissen ausgelegt werden« (Unger 2007: 5). Einbindung in Deutungskontexte/Möglichkeitsräume: Biographisches Lernen erfolgt immer auch in der Auseinandersetzung mit vorgegebenen Sinnstrukturen, es ist »in gesellschaftliche Strukturen und kulturelle Deutungskontexte eingebunden« (Alheit/Dausien 2002: 574). Deshalb sind pädagogische Angebote, die Umsetzung von Lernprozessen, von immenser Bedeutung, sie bieten einen »Möglichkeitsraum« und formen damit auch die »historisch-kulturellen Vorstellungen von Biographie«, innerhalb dessen Lernende »ihre Erfahrungen deuten und biographischen Sinn erzeugen« (Alheit/Dausien 2002: 574). Die vorgegebenen Sinnstrukturen, das soziale und kulturelle Umfeld prägen unseren Modus des Lernens, das eingebunden ist in unsere gesamten Denk- und Handlungsmuster in positiver wie auch negativer Weise. So entwickeln sich auch »biographiegeformte(n) Repräsentationen struktureller Hindernisse und Ressourcen« und diese »habituelle(n) Einbindung in unsere Umwelt« ist nicht einfach veränderbar (Egger 2008: 44). Wie auch immer diese Prägung aussieht, von Bedeutung ist für Lehrende, Sinnstrukturen anzunehmen, auch wenn anscheinend Sinnbrüche vorhanden sind, auch wenn Lernwelten, wie Egger es formuliert, zu nicht beherrschbaren Räumen werden. Gerade hinsichtlich der Kompetenzentwicklung, die sich nicht mehr vorrangig an Inhalten sondern an dem orientiert, was Schüler*innen können sollten, scheint eine an 60

Neben dem biographischen Lernen unterscheiden sie weiterhin Überleben-, Lebensbefähigung, Lebensbewältigung und Lebenskunst-Lernen. Leben-Lernen als Lebensbewältigung wird dabei vorrangig der Sozialpädagogik zugeschrieben (Giöhlich/Wulf/Zirfas 2014: 18).

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der Biographie orientierte Lernform naheliegend. Lebenslanges Lernen wurde insbesondere auf das Lernen nach der schulischen und beruflichen Ausbildung, der Weiterbildung bezogen. Erst in den 1990er Jahren wurde versucht, das Konzept des lebenslangen Lernens nicht nur auf die Weiterbildung zu beziehen, sondern auch auf den schulischen Bereich ab der Primarstufe. Schule solle auf lebenslanges Lernen vorbereiten und u.a. auch die Lebensbereiche der Schüler*innen stärker mit einbeziehen. (vgl. von Felden, 2004: 3). Wie kann das Konzept des biographiebegleitenden Lernens bereits bei Grundschüler*innen beginnend übertragen werden? Diese Frage führt hin zu den Bedingungen, die ein biographiebegleitendes Lernen ermöglichen: Ganzheitliches Lernen »Die zentrale pädagogische Frage lautet nicht mehr, wie ein bestimmter Stoff möglichst erfolgreich gelehrt werden kann, sondern welche Lernumwelten selbstbestimmte Lernprozesse am ehesten stimulieren können, wie also das Lernen selbst »gelernt« werden kann« (Alheit/Dausien 2002: 571f.). Dabei kann es nicht um eine reine Erweiterung der Beschulung gehen.61 Sondern es geht um die Vorbereitung auf lebenslange Lernprozesse, um die Frage, wie die Lust am (lebenslangen) Lernen geweckt werden kann. Das bedeutet schließlich einen Paradigmenwechsel der Lehrkonzepte. Schulen und andere Bildungseinrichtungen sollten sich beispielsweise mit dem Stadtteil vernetzen, sich auf die verschiedensten Einrichtungen beziehen, Lernorte wechseln, Lernumwelten gestalten, um den wesentlichen Anreiz zum Lernen zu wecken: der Bezug der Lehrinhalte zum Individuum, zur Lebenswelt des Individuums: »selbst (diese) basic skills [Herv. i. O.] müssen mit praktischen Erfahrungen verbunden werden; die erworbenen kognitiven Fähigkeiten müssen an soziale, und emotionale Kompetenzen anschließbar sein. Die Notwendigkeit, ihre Klientel auf lebenslange, selbstbestimmte Lernprozesse vorzubereiten setzt in der Tat eine Idee des lifewide learning [Herv. i. O.], des »ganzheitlichen Lernens« voraus (Alheit/Dausien 2002: 572). Erkennen der Aneignungsperspektive biographischen Lernens, welches, um Aneignungsprozesse wahrnehmen und einbeziehen zu können, eine aktive Bezugnahme zur Lebensumwelt der Lernenden voraussetzt, geht nach Egger über eine »Ermöglichungsdidaktik« hinaus (vgl. Egger 2008: 49). Es berücksichtigt ein Aneignungssystem. Unter Berücksichtigung des Aneignungssystems werden Sinnstrukturen, Potenziale und Beschränkungen, Lernwege und der sozial-kulturelle Kontext einbezogen. Die Aneignungsperspektive einzunehmen bedeutet ein Sich-Einlassen auf die Möglichkeiten der Lernenden und damit das Aushalten scheinbar nicht stimmiger Sinnstrukturen. »Erst aus dem Zusammenspiel der konkreten Lernprozesse, die fortwährend innerhalb und außerhalb von Institutionen stattfinden, kann Sinn und Orientierung entstehen. Dabei werden aber nicht bloß einzelne Erfahrungselemente erworben, sondern auch 61

Ein wesentlicher Grund für die globale Zustimmung der Forderung nach lebenslangem Lernen ist die Bedeutung, die die sogenannte Wissensgesellschaft hat. Die Annahme, dass eine Verlängerung der Vollzeitbeschulung zu positiven Effekten auf die Bereitschaft lebenslang zu lernen führt, musste korrigiert werden. Eine Studie zeigte, dass mit einer reinen Erweiterung der Beschulung – ohne Änderungen der Qualität der Lernprozesse – eher das Gegenteil erreicht wurde: ein Motivationsverlust und eine instrumentelle Einstellung zum Lernen. Um jedoch zu erreichen, dass Individuen bereit sind, sich lebenslang auf neue Lernprozesse einzulassen, muss Schule, müssen die Lernorganisationen, bereits früh damit beginnen, auf lebenslange Lernprozesse vorzubereiten (Alheit/Dausien 2002: 571f.).

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das »Aneignungssystem selbst […] entwickelt sich dabei« (Egger 2008: 44). Die biographischen Lernprozesse hängen stets von gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ab. Im Lernprozess werden diese Rahmenbedingungen individuell verarbeitet und damit in gewisser Weise mitgestaltet (Alheit et al.: 37). Potenziale ungelebten Lebens erkennen: Bei der Berücksichtigung von Aneignungsprozessen geht es um die Entdeckung von Potenzialen aber auch um Beschränkungen. In diesem Zusammenhang ist der Blick von Bedeutung, der auf jene nicht wahrgenommenen Möglichkeiten gerichtet ist, über die jede*r verfügt, um auf Gegebenheiten im Leben zu reagieren. Letztlich ist dies eine Perspektive auf Potenziale. In unserem Leben haben wir unzählige Möglichkeiten, auf Gegebenheiten des Lebens zu reagieren. Wir haben nicht alle Chancen, aber in unseren Möglichkeiten und Begrenzungen dennoch so viele, dass wir nicht alle wahrnehmen können, so dass Viktor von Weizsäcker den Begriff des »ungelebten Lebens« verwendet, um das Potenzial unserer Veränderungsmöglichkeiten zu beschreiben (vgl. Alheit 2003: 15). So liegt eine Chance in Bildungsprozessen, diesem Potenzial nachzugehen, die Möglichkeiten und Begrenzungen der Lernenden zu erkennen und zu nutzten: neues Wissen kann nicht nur in bestehende Strukturen eingebaut werden, sondern kann auch transitorisch wirken und neue Wissensprozesse anregen. Das kann funktionieren, wenn neue Vernetzungen von Wissensbeständen vollzogen werden, und damit »Sinnüberschüsse« unseres biographischen Wissens entziffert werden. Das meint von Weizäcker, wenn er davon spricht, die Potenzialität unseres ungelebten Lebens wahrzunehmen. Lernen wird zum Entdecken verborgener Ressourcen (vgl. ebd.: 16). Bildung als Resonanzraum für Bedürfnisse, Notwendigkeiten und Begegnungen (vgl. Egger 2008: 131) bedeutet die Berücksichtigung und Zuwendung zu den Aneignungsperspektiven mit ihren Potenzialen und Beschränkungen. Als zusammenfassende Bedingung ist das Bild eines Resonanzraums ein schönes: Er sorgt für jene Bedingungen, die den »Bewohner*innen« des Raums Resonanz geben. Deshalb müssen die Bedingungen, die Einzelne mitbringen, erkannt und genutzt werden, sonst kommen keine Bildungsprozesse ins Schwingen. Das Projekt Schüler*innenfirma oder der Wettbewerb um die beste Geschäftsidee kann einen solchen Resonanzraum herstellen, der biographiebegleitende Aspekte entwickeln, ausbauen und berücksichtigen kann. Denn es ermöglicht Lernen über Erfahrung, stellt Sinnbezüge her und hat einen klaren Lebensweltbezug. Damit werden Inhalte anschlussfähig und in der Konsequenz entscheiden die Schüler*innen eigenständig über Inhalte und handeln selbst. So ist beispielsweise der Bezug, den die Kinder zu Berufen oder Geld haben und die Interessen oder Fähigkeiten, die sie sich selbst zuschreiben grundlegend für die Entwicklung und den Ablauf des Projekts. Für die praktische Umsetzung ihrer Idee erkunden Kinder unter anderem ihren Stadtteil, ihre Lebenswelt, stellen Bezüge zu ihrem Leben, ihrem Alltag her. Ebenso werden Personen und Institutionen des Stadtteils mit beteiligt.      

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1.2.3.2

Bildung und Beteiligung

Über verschiedene lebensbegleitende Aspekte kann der Weg des Lernens bereitet werden, um beste Lernbedingungen zu ermöglichen. Die Herausforderung ist jedoch, dass Lernprozesse einerseits hoch individuell und zugleich erschreckend abhängig und vorherbestimmt sind von außerindividuellen Faktoren. Bildungschancen sind nicht für alle gleich, Bildungsgerechtigkeit ist schwer herstellbar. Bildung ist abhängig davon wo, wie und mit welcher finanzieller Absicherung Kinder und Erwachsene leben. Bildungschancen und Lernmöglichkeiten sind stark von der sozialen Herkunft und wirtschaftlichen Lage abhängig. PISA und die nachfolgenden Schulleistungsmessungen haben eindrücklich festgestellt, dass sich im deutschen Schulsystem Ungleichheiten extrem verschärft haben. Deutschland und die Schweiz gehören zu den Ländern, in denen die Unterschiede der (Lese-)Kompetenz zwischen Kindern aus höheren und niedrigen sozialen Schichten am größten sind. Geißler konstatiert, dass die Ursachen dieser Ungerechtigkeit zu wenig erforscht sind und beschreibt vier wesentliche Gründe die ineinandergreifen und sich gegenseitig verstärken (vgl. Geißler 2010; 2012). Hierarchisches Bildungssystem: Eine frühe Trennung der Kinder in verschiedene Schulsysteme verstärkt die Leistungsunterschiede der Kinder. In Ländern, die eine späte Trennung, erst ab dem 15. Lebensjahr, vornehmen, zeigen die Kinder weniger Leistungsunterschiede. Gleichzeitig nimmt das Leistungsniveau nicht ab, im Gegenteil: Diese Länder haben im Vergleich eine bessere Lesekompetenz und mathematische Kompetenz erreicht. Trotz dieser Ergebnisse hält sich der Mythos, dass das Leistungsniveau der starken Kinder bei einer gemeinsamen Beschulung sinken würde.62 Doch auch innerdeutsche Vergleiche zeigen, dass in Bundesländern, mit einer längeren gemeinsamen Grundschulzeit und in den neuen Bundesländern, die nach der Wende keine Haupt- und Realschulen eingeführt haben, sondern eine Gesamtschule, die Leistungsunterschiede weniger stark auseinandergehen (vgl. Geißler 2012: 197). »Der Zugang zu den Bildungseinrichtungen ist nicht allein ein Tor zur gesellschaftlicher Teilhabe, sondern selbst ein wesentlicher Bereich derselben.« (BMBF 2003: 137) Leistungsunabhängiger sozialer Filter: Das Schulsystem verschärft Bildungsungleichheiten und Schüler*innen werden nicht nur nach meritokratischen Kriterien auf das Gymnasium geschickt. Es sind die Eltern und Lehrer*innen selbst. So schicken Eltern aus höheren sozialen Schichten ihre Kinder weit häufiger auf das Gymnasium (auch gegen eine Empfehlung der Grundschule) und Eltern aus sozial niedrigeren Schichten schicken ihre Kinder nicht auf das Gymnasium (auch trotz einer entsprechenden Empfehlung der Grundschule). Und es sind Lehrer*innen, die entsprechende schichttypische Empfehlungen aussprechen (vgl. Geißler 2012: 198; Geißler 2010: 564f.). Ungleiche Lernmilieus und fehlende Kultur des Förderns: Die Kultur, die Angebote in Elternhäusern statushoher Familien haben einen fördernden Einfluss auf Fähig-

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So der deutsche Lehrerverband beispielsweise in den Ausführungen zu seiner Fachtagung zum Thema »Bildungsgerechtigkeit« 2008. Die Mehrgliedrigkeit des deutschen Schulsystems wird u.a. von Naumann mit vermeintlich anthropologischen und biologischen Argumenten gestützt (Intelligenz ins nicht lernbar) oder weiterhin mit der Angst genährt, die Starken würden zugunsten der Schwachen nicht ausreichend gefördert werden. Was zählt sei Leistung, so der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes.

1. Schüler*innenfirmen

keiten und Motivation der Schüler*innen, die sich auf den schulischen Erfolg positiv auswirkt. Die ungleiche Förderung der Elternhäuser wird durch das Schulsystem nicht ausgeglichen, im Gegenteil: die Unterschiede verschärfen sich. Schüler*innen aus sozial benachteiligten Familien sowie Schüler*innen mit Migrationshintergrund beider Elternteile schnitten in der PISA Studie deutlich schlechter ab. Soziale Herkunft und Kompetenz hängen eng zusammen (vgl. https://pisa.dipf.de/de/pisa-2009-1). Böhnisch beschreibt die Erfahrung des Kindes innerhalb der Familie als bildungsrelevante Sozialisationserfahrung. Diese beeinflussen sowohl die Bildungsmotivation als auch die Bildungschancen. Das Ausbildungsniveau der Eltern bestimmt dabei wesentlich die »Bildungslaufbahn« der Kinder. Es sind weniger die beruflich gleichen Wege, sondern das Bildungs- und Qualifikationsniveau. Und weil es kaum mehr sogenannte berufliche Normalbiographien gibt, die sich durch lebenslange durchgängige Beschäftigung auszeichnen, sind die Aufgaben, die den Eltern in Bezug auf berufliche Orientierung zukommen, andere: Es geht um die Unterstützung der Kinder, sich in unsicheren Verhältnissen zu behaupten und sich in prekären Situationen zurechtzufinden. Böhnisch führt mit seiner Erläuterung über die Funktion der Familie aus, dass es nicht die Familienform ist, die zu einem geringen Bildungserfolg führen kann, sondern vielmehr die Familienstruktur und die materielle und soziale Absicherung, die den Bildungserfolg beeinflusst (vgl. Böhnisch 2002: 285-290). Das deutsche Schulsystem ist zugleich geprägt vom Gedanken einer Selektionsfunktion der Schule (vgl. Fend 1980). Dieses Denken stützt das mehrgliedrige Schulsystem, stützt Zurückstellung und Klassenwiederholung. PISA zeigte, dass sich Schüler*innen an ihren Schulen nicht unterstützt und gefördert fühlen. Geißler und Weber-Menges zeigen sich verwundert über ein fehlendes Entsetzten in der (Fach)Öffentlichkeit und erklären dies mit dem durch Fend geprägten Schulsystem. Ein Blick nach Kanada zeigt, wie sich das Fehlen eines solchen Denkens positiv auf das Schulsystem auswirkt: Es gibt weder Zurückstellung noch Klassenwiederholung: Die Lehrkräfte sind den Umgang mit unterschiedlichen Lernniveaus vertraut, Diversität ist Normalität. Kinder mit größerem Förderbedarf werden gefördert und nicht aussortiert, das Leistungsniveau geht nicht so extrem auseinander wie in Deutschland (es ist nur halb so groß) und es ist höher als in Deutschland. Es geht hier nicht um eine Kritik an der Lehrerschaft, die sich natürlich um ihre Kinder bemüht. Die Kritik richtet sich an das Schulsystem, welches Selektion fördert und nicht Förderung aller institutionell ermöglicht (vgl. Geißler/Weber-Menges 2010 a, b; Geißler 2012). Migration: Von Selektion betroffen sind insbesondere Kinder aus Familien in prekären Arbeitsverhältnissen oder Familien, die von Arbeitslosigkeit betroffen sind, und deren Familiensprache nicht Deutsch ist. Die Benachteiligung zieht sich auf allen Stufen des Bildungssystems durch: Kinder mit Migrationshintergrund gehen deutlich seltener in die Kindertagesstätte, sie werden doppelt so häufig bei der Einschulung zurückgestellt, wiederholen doppelt so häufig die Klasse in der Grundschulzeit, werden doppelt so häufig an eine Sonderschule überwiesen und erhalten seltener eine Empfehlung für das Gymnasium (bei gleichen Leistungen). Es verlassen mehr Kinder mit Migrationshintergrund als gebürtige Deutsche die Schule ohne Abschluss (15 Prozent) und es finden sich weniger Jugendliche mit Migrationshintergrund in regulären Ausbildungen – stattdessen sind sie überproportional häufig in berufsvorbereitenden

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Maßnahmen oder außerbetrieblichen Ausbildungen vertreten (vgl. Baur 2010; Geißler 2012: 201f.). Die Auswirkungen einer schlechteren Ausbildung liegen auf der Hand: Migrant*innen verdienen nach wie vor geringer. Ist der Schulabschluss der gleiche, gibt es diesen Unterschied nicht. Finden Jugendliche mit Migrationshintergrund eine Lehrstelle, gehören insbesondere sie zu jenen, bei denen die Ausbildung aufgelöst wird. Die Lösungsquote liegt bundesweit seit den 1990er Jahren bei ungefähr 20 bis 25 Prozent. Jugendliche mit Migrationshintergrund sind überproportional von Ausbildungsabbruch betroffen. Nur etwa 40 Prozent der Jugendlichen finden nach einem Abbruch eine neue Ausbildungsstelle (gegenüber 50 bis 60 Prozent Jugendlicher ohne Migrationshintergrund), etwa 41 Prozent der 25 bis 35jährigen Menschen mit Migrationshintergrund haben keinen Bildungsabschluss (gegenüber 15 Prozent) (vgl. BMBF (Hg.) 2009: 11; 2019: 46f.). Die Ergebnisse sind ernüchternd. Wie das Bildungssystem die Herausforderungen, die sich mit den Geflüchteten seit 2015 stellt, bewältigen kann, ist noch offen.63 Ansätze die als Reaktion auf die Bildungskrise zu verstehen sind, sind zwar zu erkennen: die Abschaffung der Hauptschule oder die verstärkte Einführung von Gesamtschulen. Andere Schulen, die erfolgreich Kinder und Jugendliche aus sozial benachteiligenden Milieus mit und ohne Migrationshintergrund beschulen, sind insbesondere gekennzeichnet durch ein förderndes pädagogisches Konzept.64 Kinderarmut: Die genannten Gründe hängen wesentlich mit Armutslagen zusammen, die sich negativ auf den Bildungserfolg von Kindern und Jugendlichen auswirken. Familien mit mehr als zwei Kindern, Familien mit Migrationshintergrund und Alleinerziehende sind einem erhöhten Armutsrisiko ausgesetzt. Zudem wirken sich auch der Lebensort und der Bildungsgrad der Eltern auf Kinderarmut aus. In Deutschland sind mehr als 20 Prozent der Kinder von Armut betroffen.65 Kinderarmut hat viele individuelle Folgen. Die Beinträchtigungen zeigen sich in vier zentralen Lebenslagendimensioinen: der materiellen, kulturellen, gesundheitlichen und sozialen Lage. Auch im Hinblick auf Bildungschancen sind die Folgen komplex, die kulturelle Lebenslage beinhaltet sowohl die formale Bildung wie auch non fomrmale und infomelle Lern- und Erfahrungsmöglichkeiten (vgl. Holz 2011: 301; Laubenstein/Holz/Sedding 2016: 12). Das bedeutet, dass die Entwicklungsbedingungen der Kinder beeinträchtigt und damit deren Zukunftsperspektiven eingeschränkt sind. Kinder erfahren bereits in der Grundschule Bildungsbenachteiligung, indem sie häufiger Klassen wiederholen, bei gleicher Leistung schlechtere Noten erhalten, geringere Chancen auf eine Gymnasialempfehlung haben und häufiger in Haupt- und Förderschulen wechseln (vgl. Holz 2011: 303.). Laubenstein/Holz/Sthamer fassen zusammen: »Arme Kinder und Jugendliche sind in Bezug auf ihre Schulkarriere und damit in ihren Zukunftschancen deutlich benachteiligt.« (2013: 12) Die Ergebnisse der AWO-ISS Langzeitstudie, die zu diesem Fazit führen,

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Zur aktuellen Ausbildungssituation und berufliche Bildungsmaßnahmen für Jugendliche mit Migrationshintergrund und geflüchteter Jugendlicher: BMBF 2019: 50-54 Beispiele sind Schulpreisträgerschulen wie beispielsweise aus dem Jahr 2019: https://www.deutsc her-schulpreis.de/preistraeger?jahr[]=2019 https://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/BSt/Publikationen/GrauePublikationen/291_ 2020_BST_Facsheet_Kinderarmut_SGB-II_Daten__ID967.pdf, https://www.der-paritaetische.de/fil eadmin/user_upload/Publikationen/doc/broschuere_armutsbericht-2020_web.pdf

1. Schüler*innenfirmen

zeigen, dass sich die Folgen der Kinderarmut im Jugendalter fortsetzten. Je geringer das familiäre Einkommen ist, desto wahrscheinlicher ist das Risiko, dass Jugendliche in drei oder vier Lebenslagen unterversorgt sind, sich in multipler Deprivation befinden (vgl. ebd.: 8f.). Vor diesem Hintergrund können Bildungsangebote, auch Projekte wie das »kleinUnternehmen«, welche innerhalb der Schule aber außerhalb des regulären Unterrichts angeboten werden, Impulse setzten. Innerhalb dieser kann relativ unabhängig von schulischen Begrenzungen mit den Schüler*innen gearbeitet werden, die zudem unabhängig von ihrer schulischen Leistung wahrgenommen werden können. Das ist bedeutend – zumal der Leistungsdruck und das Wissen um die eigenen Chancen spätestens in der 4. Klasse spürbar werden. Deshalb muss es im Zusammenhang mit einem biographiebegleitenden Lernen darum gehen, Möglichkeiten zu schaffen, in denen Schüler*innen erleben und erfahren können, dass sie Fähigkeiten und Kompetenzen besitzen, die wertvoll sind. Gelingt das in einem schulischen Kontext, gelingt eine Verzahnung von Schule und Sozialer Arbeit, können Kinder, ihrem Bedürfnis entsprechend, Anerkennung in der Schule selbst erfahren. Sie machen positive Erfahrungen und müssen keine »Unterlegenheits- oder Ohnmachtserfahrungen« aushalten (vgl. Chassé/Zander/Rasch 2010: 339). Diese sind Voraussetzung für die Entwicklung und Stärkung von Selbstwirksamkeit. Sie können – im Sinne eines biographiebegleitenden Lernen – die Lust am Lernen stärken oder wecken. Im besten Fall kann auf diese Lernerfahrung zurückgegriffen werden und Schüler*innen können erfahren, dass das was sie tun, Sinn macht und die Erfahrungen in die eigene Lebenswelt und Sinnstrukturen einbauen. Das Problem ist, dass der einmal vorgegebene Weg des Berufsabbrechers oder der schlechten Hauptschulabgängerin nur schwer wieder verlassen werden kann. Die Wechselwirkung zwischen Selbstbild und beruflichen/berufsschulischen Angeboten erschweren einen wirklichen Neustart oder eine wirkliche Stärkung des Selbstbewusstseins. Viele Angebote werden in einer Form angeboten, an der die Schüler*innen bereits gescheitert sind. Hier gilt es, echte Alternativen zu finden. Das Mitwirken an einer Schüler*innenfirma kann früh stärkende Impulse setzen, Selbstwirksamkeit und Motivation für persönliche und berufliche Lebenswege entwickeln. Es können Übergänge an Schnittstellen geebnet, aber auch Einbindung in das Gemeinwesen gestaltet werden. Bildung kann damit zur echten Beteiligung (für ein selbstbestimmtes Leben) führen.

1.2.3.3

Genderperspektive im Kontext biographischen Lernens

Im Zuge des biographischen Lernens spielt die biographische Identität, die wir im Laufe unseres Lebens entwickeln, eine große Rolle: »Das heißt die bewusste Disposition gegenüber unserer Biographie lässt sich als intentionales Handlungsschema [Herv. i. O.] begreifen« (Alheit 2003: 10). Wir sind geprägt von der Einstellung unser Leben, unsere Biographie planen zu können. Und obwohl wir sogenannten biographischen »Prozessstrukturen« unterliegen, sind wir in der Regel in der Lage, Unvorhersagbares, wie Schicksalsschläge oder Einflüsse aus unserem sozialen Umfeld derart in unser Leben zu integrieren, dass wir es weiterhin als unseres begreifen können. Die spannende Frage

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hierbei ist, wie auch soziostrukturelle Ereignisse so verarbeitet werden können, dass unsere Identität dennoch als eine durch uns entschiedene empfunden wird. Zu den soziostrukturellen Prägungen, die unsere Biographie ausmachen, gehören Faktoren wie beispielsweise die Zeit, die ein Zugehörigkeitsgefühl ausmacht (wie beispielsweise die Nachkriegsgeneration, die 68er, die Generation Golf). Dazu gehört auch das Geschlecht, das uns in ähnlich großen Dimensionen prägt und unser Leben, unsere Biographie bestimmt (vgl. Alheit 2003: 11f.). Die Einbeziehung der Genderperspektive erfolgt an dieser Stelle aus zwei Gründen: Zum einen verdeutlichen die mit dem biographischen bzw. lebenslangen Lernen verbundenen Anforderungen sowohl an Individuen, als auch an Bildungsinstitutionen, dass berufliche Integration nach klassischen, stereotypen Mustern verfährt. Soziale Herkunft wie auch das Geschlecht sind in Zusammenhang mit der Bildungsbiographie weiterhin Indikatoren für die Integration in Beruf und Gesellschaft, sie bestimmen die individuelle »Lagerung im sozialen Raum« (Alheit 2003, 11; vgl. Alheit/Dausien 2002: 573). Zum anderen sind die Auswirkungen der Geschlechterungleichheit Ausgangspunkt für viele (sozial)pädagogische Angebote, wie Frauenhäuser, Mädchen- und Jungenarbeit, Beratungsstellen gegen sexuellen Missbrauch, um dem Auftrag der Sozialen Arbeit, sich für gleichberechtigte Lebensbedingungen einzusetzen zu entsprechen und sich der Frage zu stellen, wie Chancen in der Gesellschaft wahrgenommen werden können. Innerhalb der Bildungsforschung wird versucht der Bedeutung des Geschlechts in Bildungsprozessen nachzugehen, denn sowohl der Zugang zu Bildung, Inhalten und Methoden der Bildungsprozesse selbst, als auch die Verwertbarkeit von Bildungsabschlüssen sind nicht geschlechtsneutral geregelt. Die Geschlechtszugehörigkeit bestimmt nach wie vor mit, wie Inhalte gelehrt, welche Abschlüsse gemacht, welche Berufe ergriffen, welche Karrieren gemacht werden können. Innerhalb der Bildungsforschung geht es deshalb um die Frage, welche »Entwicklungsmöglichkeiten Mädchen und Jungen, Frauen und Männern in den verschiedenen Institutionen des Bildungssystems geboten werden, zum anderen auch darum, welche Vorstellungen über das Geschlechterverhältnis diese Bildungsprozesse beeinflussen und letzteres damit (re)produzieren« (Horstkemper 2002: 409; vgl. dazu auch Faulstich-Wieland/Scholand, 2017). Diese Fragen führen zu einer weiteren, nämlich der, welche Bildungswirkungen hervorgerufen werden. Sind diese solcherart, dass »beide Geschlechter gleichermaßen Orientierungen ausprägen (können), die es ihnen ermöglichen, ihr Leben in selbstbestimmter Weise gestalten zu können – sowohl im privaten Bereich wie auch in Beruf und Öffentlichkeit« (Horstkemper 2002: 409). Mädchen sind mittlerweile häufiger als Jungen an Realschulen und Gymnasien vertreten (53,9 Prozent, Sekundarstufe II 55,3 Prozent). Zudem werden Mädchen weniger vom Schulbesuch zurückgestellt, wiederholen seltener eine Klasse, verlassen seltener die Schule ohne Schulabschluss. Dieses Ergebnis wird vom Aktionsrat Bildung 2009 bestätigt.66

66

Der Grund, warum Jungen schlechter in der Schule abschneiden, wird tatsächlich an der »weiblichen Übermacht an Lehrkräften« gesehen (Spiegel, 2009). Der Präsident der Vereinigung der Bayrischen Wirtschaft merkt dazu an, man könne sich angesichts der vielen männlichen Abgänger ohne Schulabschluss, die verlorengegangene Arbeitskraft nicht leisten. Nicht nur, dass diese Form der Berichterstattung polemisierend sei und nicht nach Gründen im Schulsystem sucht – au-

1. Schüler*innenfirmen

Der Vorteil, den Mädchen an allgemeinbildenden Schulen haben, wirkt sich jedoch nicht auf die Chancen am Ausbildungs- und Arbeitsmarkt aus. Auch in der beruflichen Ausbildung erfolgt eine geschlechtsabhängige Qualifizierung: Mädchen ist der Zugang zu eher geschlechtsuntypischen Ausbildungen erschwert, nach wie vor gibt es eine Segregation in der Berufswahl. Junge Frauen besetzten den Dienstleistungsbereich und helfende Berufe, junge Männer den gewerblichen Bereich. In der dualen Berufsausbildung sind Mädchen unter- und in der vollzeitschulischen Ausbildung überrepräsentiert. Letztere legt junge Frauen häufig auf geschlechtstypische Ausbildungen fest und führt zu einem hohen Arbeitslosenrisiko. Überschneidungen lassen sich lediglich in kaufmännischen Berufen finden. Junge Frauen sind – vor allem in den neuen Bundesländern – überproportional von Arbeitslosigkeit betroffen, die nichts mit schlechteren Ausbildungsabschlüssen zu tun hat, die Ausbildungssituation verschärft die geschlechtsspezifische Segregation zusätzlich (vgl. Horstkemper 2002: 411f.). Frauen sind ab dem jungen Erwachsenenalter und danach bis ins hohe Alter stärker von Armut betroffen (vgl. Holz 2011: 301). Auch in der Hochschulausbildung lässt sich eine geschlechtsabhängige Studienwahl feststellen, obwohl der Anteil der eingeschriebenen Frauen seit Beginn der 1990er Jahre den der Männer überholt hat. Der Anteil der Frauen liegt in Sprach- und Kulturwissenschaften bei zwei Dritteln, im technischen Bereich bei einem Drittel, in den Ingenieurswissenschaften bei 24 Prozent. Interessanterweise liegt der Anteil der Lehrenden proportional umgekehrt: 2018 liegt der Anteil der Professorinnen liegt bei knapp 25 Prozent, der der Lehrerinnen an Grund- und Hauptschulen bei drei Vierteln, im Gymnasium bei 60 Prozent.67 Die Entwicklungen an Schule und Hochschule zeigen, dass Mädchen und junge Frauen nicht durchgängig benachteiligt werden, es noch nie eine so gut ausgebildete Frauengeneration gab. Festzustellen sind trotzdem geschlechtstypisch ausgerichtete Interessen, die sich in der Berufswahl und der Studienfachwahl niederschlagen. Frauen beginnen zwar häufiger ein Studium, aber

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ßer Acht gelassen würde zudem die Frage, warum Erzieher, Grundschul- oder Hauptschullehrer kein attraktiver Beruf für Männer ist. Auch würde nicht für nötig gehalten, die anschließende Benachteiligung der Frauen oder die hohe Arbeitslosigkeit oder Nicht-Berufstätigkeit von Frauen zu analysieren (Bevorzugung von männlichen Mitarbeitern, bessere Bezahlung in gleichen Positionen, Ehegattensplitting etc.). Der Präsident verliert kein Wort darüber, dass es sich die Gesellschaft auch nicht leisten kann, auf ausgebildete Frauen zu verzichten (aktionsrat-bildung.de) Randorff kommentiert die Analyse nach dem PISA-Schock sei eine Folge der Frauenbewegung (weil: Je mehr Frauen an Schulen, desto schlechter die Jungen) wie folgt: »Abgesehen davon, dass jede wissenschaftliche Redlichkeit solche monokausalen Reaktionen verbieten müsste, zeigt der Untertitel des Heftes: »Sieger und Verlierer in der Schule« deutlich, wo das Problem liegt: der befürchtete Verlust der Führungsposition des männlichen Geschlechts interessiert bedauerlicherweise mehr als eine für beide Geschlechter bessere Schule« (Renttorff 2006: 21). Andresen weist zudem darauf hin, dass die Probleme, die Jungen in ihren individuellen Bildungsprozessen haben, nicht aufgrund ihres Geschlechts und vermeintlich fehlender Identifikationsmöglichkeiten entstehen, […] sondern im hohen Maße aufgrund ihrer klassenspezifischen Teilhabechancen an informellen Bildungsmöglichkeiten außerhalb der Schule (Andresen 2008: 45). https://de.statista.com/statistik/daten/studie/160365/umfrage/professoren-und-professorinnen-an -deutschen-hochschulen/; https://www.destatis.de/GPStatistik/servlets/MCRFileNodeServlet/DEH eft_derivate_00035140/Schulen_auf_einen_Blick_2018_Web_bf.pdf;jsessionid=5BBFAA19E06C8B0 5F31D4EF0E0326230; https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2016/09/PD16_328_2 17pdf.pdf?__blob=publicationFile

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es sind die Männer, die häufiger ein Studium abschließen. Es sind ab dort eben auch die Männer, die höhere Qualifikationsstufen abschließen (vgl. Horstkemper 2002: 414, Rendtorff 2006: 19 ff.). Wie kann eine Berufswahl gefördert werden, die sich an Fähigkeiten und Interessen orientiert und die frei von Geschlechterstereotypen getroffen wird? Wie also kann eine Gleichwertigkeit der Geschlechter hergestellt werden, welche Bildungsmaßnahmen können dazu beitragen? Eine Gleichwertigkeit kann nur hergestellt werden, wenn von der Auffassung Abstand genommen wird, dass sowohl Frauen wie Männern eine je spezifische Aufgabe im Leben zukommt, weil Frauen und Männer grundsätzlich verschieden verfasst seien. Doch genau diese Auffassung führt dazu, dass implizit männliche und weibliche Rollenmuster vermittelt werden, auch oder gerade in der Schule. Beispielsweise existierte in Schulbüchern ein »heimlicher Geschlechterlehrplan«, der Rollenklischees wiedergab. In der Schulbuchanalyse wurde dies kritisiert: diskriminierende Frauendarstellungen oder Männer in sehr traditionellen Rollen, das Fehlen von »Frauen als Handelnde oder gar als Produzentinnen wissenschaftlicher und kultureller Leistungen« (Horstkemper 2002: 416). Hortkemper kommt in einer Längsschnittstudie zudem zu dem Ergebnis, dass das Selbstvertrauen von Mädchen in der fünften bis neunten Klasse weniger entwickelt ist als das der Jungen. Ursächlich verantwortlich für dieses Ergebnis sind Sozialisationsprozesse, die Mädchen benachteiligen. Eine Rolle spielen dabei verschiedene Faktoren, wie beispielsweise die genannten Rollenklischees in Schulbüchern, die Verteilung der Aufmerksamkeit der Lehrenden oder die vorhandenen Rollenvorstellungen von Eltern und Lehrende (vgl. Boeser 2007: 254). Lehrbücher unterliegen mittlerweile Richtlinien, die rollenstereotype Darstellungen verhindern sollen und auch in Lehrplänen dürfen keine geschlechtstypischen Zuordnungen von Fächern vorgenommen werden. Doch die weiterhin geschlechtstypische Berufs- und Studienwahl zeigt, dass es der Schule trotzdem nur begrenzt gelingt, beiden Geschlechtern den Zugang zu allen Lerngegenständen zu ermöglichen. Die Gründe liegen in der Etikettierung bestimmter Lehrinhalte als typisch männlich und typisch weiblich und der damit verbundenen Unterstellung von Desinteresse des jeweils anderen Geschlechts. Auswirkungen sind entsprechende Zuschreibungen, oder die Erzeugung oder die Verstärkung von self-fulfilling-prophecy (vgl. Horstkemper 2002: 417). Bereits für die Grundschule gibt es Forschungsergebnisse, die konstatieren, dass Mädchen kommunikativer und sozial kompetenter als Jungen seien, Jungen hingegen ein expansiveres Raumnahmeverhalten zeigten, zudem verhaltensauffälliger seien.68 Geschlechtstypische Wahrnehmungsmuster bestimmen die Wahrnehmung und Bewertung des Lernverhaltens von Mädchen und Jungen. Dass Mädchen in naturwissenschaftlichen Fächern weniger gut sind, eine geringere Affinität dazu haben, wird (hier spezielle Untersuchung bezüglich des Physikunterrichts) damit begründet, dass Mädchen einer Fremdeinschätzung von Eltern, Lehrern und Mitschülern unterliegen, die von einer mangelnden Leistungsfähigkeit im Fach Physik ausgehen; dass

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In diesem Kontext ist die Entwicklung der Diagnosestellung von ADS oder ADHS interessant: 4,4 Prozent der Kinder bekamen eine ärztliche oder psychologische Diagnose ADHS. Bei Jungen wird nach wie vor mehr als doppelt so häufig als bei Mädchen die Diagnose gestellt; die Häufigkeit nimmt mit abnehmenden Sozialstatus deutlich zu (vgl. Robert-Koch-Institut (Hg.) 2018).

1. Schüler*innenfirmen

Mädchen aufgrund dieser Fremdeinschätzung und gesellschaftlicher Bilder ebenso eine geringe Selbsteinschätzung hinsichtlich ihrer Leistungsfähigkeit haben; dass Mädchen keine positiven weiblichen Vorbilder haben, an denen sie sich orientieren könnten – denn der naturwissenschaftliche Bereich ist nach wie vor eine männliche Domäne – dass Lernmöglichkeiten in der Bildungsgeschichte fehlen, wie z.B. technisches Spielzeug; dass spezifisch inhaltliche Interessen vernachlässigt werden, d.h. keine Bezüge hergestellt werden, die die Relevanz des Faches verdeutlichen (vgl. Boeser 2007: 254ff.). Kurz: es erfolgt eine Verengung des Interessenspektrums, die auch umgekehrt gilt. Ob nun Mädchen technisch und räumlich weniger gut sind als Jungen, Jungen sprachlich und kommunikativ weniger gut sind als Mädchen, kann aufgrund der Ergebnissen verschiedener Studien nicht gesagt werden. Methodische Schwierigkeiten und die komplexe Fragestellung verhindern ein eindeutiges Ergebnis. Rendtorff spricht davon, dass allenfalls von Tendenzen gesprochen werden kann – wenn überhaupt, denn Studien widersprechen sich (vgl. Rendtorff 2006: 11ff.). Wenn also davon ausgegangen werden kann, dass Studien mehr über die Fragesteller*innen aussagen, als über die Fragestellung, nämlich geschlechtstypisches Verhalten, also eher gesellschaftliche Strukturen abgebildet und bestätigt werden – wie kann ein solches Muster aufgebrochen werden? Gleichzeitig ist die Entwicklung der Geschlechtsidentität zu berücksichtigen: zwischen fünf und sieben Jahren entwickeln Kinder eine stabile Geschlechtsidentität und bewerten deshalb alle sozialisationsbedingte Wertungen bezüglich eine ihrem Geschlecht zugeschriebenen Verhaltens oder einer Eigenschaft als positiv um die eigene Identität zu sichern. Erst in einem Alter von elf bis zwölf Jahren können Kinder über die dahinter stehenden Werte urteilen, diese bewerten oder transformieren (vgl. Boeser 2007: 256). Wenn also nach Formen der Gegensteuerung gesucht wird, ist der Aspekt der Identitätssicherung zu berücksichtigen. Möglichkeiten tradierte Verhaltensmuster in Frage zu stellen, eigene Stereotypen zu hinterfragen und neue Wege des Lernens zu ermöglichen gibt es viele – auch im Sinne einer Irritation. Diese Möglichkeiten lassen sich grundsätzlich in pädagogischen Angeboten berücksichtigen und methodisch umsetzten. Sie fordern vor allem dazu auf, eigenes Verhalten, eigene Stereotypen aufzudecken und zu durchbrechen. Indirekte Lernwege: Im unterrichtlichen Alltag können Rollenklischees durchbrochen und irritiert werden, indem beispielsweise die klassische Rollenverteilung vertauscht und/oder normalisiert wird oder auch mit Rollenklischees gespielt, diese verwendet, aber in einem neuen Kontext gestellt werden. Girls- oder Boys-Days haben genau diese Durchbrechung der Rollenverteilung zum Inhalt. Direkte Thematisierung: Rollenerwartungen, eigene Geschlechterstereotypen können und sollten natürlich auch direkt unter verschiedenen Fragestellungen thematisiert und diskutiert werden, wie z.B. Ungleichheiten in verschiedenen Berufen, ungleiche Lohnverteilung, ungleiche Verteilung in der Politik und anderes (vgl. Boeser 2007: 267; Barz 2008). Unterschiede entdramatisieren: Die Gefahr besteht entweder darin, die als weiblich bezeichneten Eigenschaften abzuwerten, indem männliche Eigenschaften als Orientierung angestrebt oder aufgewertet und damit ggf. überbewertet werden. Welche Rolle das männliche Geschlecht dabei spielt bleibt außen vor. Hinderlich an allen An-

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sätzen ist die Ausgangslage der Dichotomie. Boeser weist darauf hin, dass zwar auf der chromosomalen Ebene eine Dichotomie vorliegt, aber auf der hormonellen Ebene besser von einem »bipolaren Kontinuum« ausgegangen werden sollte. Die Konsequenz ist, auch beim Verhalten und weiteren Merkmalen eher von einer weiten Streuung sowohl innerhalb und zwischen den Geschlechtern auszugehen. »Signifikante Unterschiede zwischen dem durchschnittlichem Mann und der durchschnittlichen Frau lassen also keine zuverlässigen Aussagen über konkrete Individuen zu [Herv. i. O.]« (Boeser 2007: 249). Diese Auffassung führt dazu, Individuen mit ihren ganz eigenen Vorstellungen, ihrer ganz eigenen Ausstattung, besser wahrzunehmen – ohne den Filter der Kategorienbildung männlich/weiblich. Kategorienbildung vermeiden: Die Kategorienbildung Mädchen/Junge vereinfacht nicht nur eine komplexe Wirklichkeit. Rendtorff gibt zu bedenken, dass beim Versuch, beiden Geschlechtern gerecht zu werden diese binäre Grundstruktur zugrunde gelegt wird, die wiederum eine Betonung der Geschlechtskategorien hervorruft, die diese relevant erscheinen lässt. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn kategorisch abwechselnd Mädchen und Jungen aufgerufen werden, wenn Mädchen für eine Leistung gelobt werden, die sie glauben lässt, es sei nur eine Ausnahme (positive Diskriminierung). Dadurch werden geschlechtertypisierende Zuschreibungen verstärkt. Auch wenn Unterrichtseinheiten über Geschlechtsunterschiede, die sogenannten geschlechtstypischen Fähigkeiten diskutieren lassen. Stattdessen schlägt Rendtorff die bewusste Auseinandersetzung mit Kategorienbildung vor, um anhand von weichen und harten Kategorien soziale und politische Auswirkungen von Kategorisierungen und Gruppenbildungsprozessen zu thematisieren (vgl. Rendtdorff 2006: 192f.). Der Ansatz versteckter Potenziale versucht die versteckten Potenziale beider Geschlechter zu fördern und damit – das ist die Annahme dieses Ansatzes – einem Sozialisationsprozess entgegenzuwirken, der geschlechtsabhängig nur selektiv Potenziale »abruft und fördert« (Boeser 2007: 250). Dieser Ansatz lässt sich mit dem Ansatz des ungelebten Lebens verbinden. Auch wenn von Weizäcker nicht an geschlechtsabhängige ungenutzte Chancen denkt, der Ansatz versteckter Potenziale und die daraus gezogene Forderung, von versteckten vorhandenen Potenzialen der Individuen auszugehen: sein Ansatz kann auf die Förderung ungenutzter Potenziale beider Geschlechter übertragen werden. Kindern Sicherheit in ihrer Geschlechtlichkeit geben: Wenn davon ausgegangen werden kann, dass Mädchen und Jungen eine je eigene Geschlechtsidentität ausbilden, ist es von Bedeutung, ihnen Sicherheit in Bezug auf ihr Geschlecht zu geben. Die Auseinandersetzung mit den Geschlechtern ist unterschiedlich und die Auseinandersetzung mit geschlechterbetonenden Aspekten dient dem Kind als Vergewisserung »in seinem Geschlecht wichtig und wohlbehalten zu sein (ich bin ich, ein Junge/ein Mädchen – und das ist gut so)« (Rendtorff 2006: 183). Die Sicherheit sollte den Kindern dann eben nicht über geschlechtstypisierende Verhaltensweisen gegeben werden, nicht darüber wie Jungen oder Mädchen sich verhalten sollten. Geschlechterangleichende Impulse setzen: Diese Impulse können immer dann gegeben werden, wenn es um allgemeine Fähigkeiten und Entwicklungsaspekte geht, wie Schnelligkeit, Geschicklichkeit, Neugier etc., die Kinder als Gruppe positionieren oder die den gemeinsamen (Kindergarten-)Alltag betreffen. Vergleiche zwischen den Ge-

1. Schüler*innenfirmen

schlechtern bewirken eher das Gegenteil des Gewünschten (wie beispielsweise die Betonung das Mädchen etwas genauso gut können wie Jungen), denn erst mit der Benennung eines potenziellen Unterschieds, wird auf geschlechtstypische Zuteilungen aufmerksam gemacht. Zudem kann es immer sein, dass es Mädchen oder Jungen gibt, die es eben doch besser können als Vertreter*innen des anderen Geschlechts (vgl. Rendtorff 2006: 183). Sich-Einlassen auf individuelle Zugänge und Interessen: Wenn Lehrkräfte sich auf die Interessen und die Lebenswelt von Mädchen einlassen und sich von der Systematik des Faches lösen, wird beispielsweise auch der Physikunterricht für Mädchen erfolgreicher, sie zeigen mehr Interesse.69 Verschiedene Forschungen gehen von unterschiedlichen Denkstrukturen und Denkstrategien aus. Unterschieden wird zwischen Lerner*innen die an Orientierungswissen interessiert sind und ausprobieren und denen, die an Verfügungswissen Interesse haben. Also werden »prädikative« Denker*innen mit der Aufforderung, sie sollten einfach ausprobieren, nichts anfangen können, sondern nur die funktionalen Denker*innen. Didaktiker*innen sind nun gefragt, entsprechende Aufgabenstellungen für alle Denktypen anzubieten. Die Studien zeigen zudem, dass auf der Suche nach geschlechtstypischen Unterschieden insbesondere bei den Inhalten gesucht worden ist, nicht aber nach unterschiedlichen Problemlösestilen (vgl. Rendtorff 2006: 190f.). Die Gefahr innerhalb des Unterrichtes liegt in der Orientierung der Mädchen hin zu den als typisch männlich konnotierten Fächern. Diese Orientierung impliziert jedoch nicht eine Erweiterung der Angebote für Jungen, die in als typisch weiblich konnotierten Eigenschaften wie Kommunikation, soziales Verhalten geschult werden. Vielmehr wird Schule noch als Ort kritisiert, indem das »symbolische System der Zweigeschlechtlichkeit« (Hagemann-Withe 1984 in Horstkemper 2002: 418) eingeübt wird und in der »die hierarchische Ordnung der Geschlechterverhältnisse« gelernt wird zu akzeptieren (Horstkemper 2002: 418). Der »Überlegenheitsimperativ« (Wagner u.a. 1984 in Horstkemper 2002: 418) der Jungen wird zementiert, obwohl er gleichzeitig immer wieder auch durch die Realität infrage gestellt wird. Mädchen werden vor allen Dingen in ihren sozialen und kommunikativen Fähigkeiten bestätigt, erhalten aber deutlich weniger Gelegenheiten selbstbewusster Durchsetzung eigener Ideen (vgl. Horstkemper 2002: 418). Diese Vorgehensweise findet ihre Begründung in der Gleichheitsposition. Davon ausgehend, dass Mädchen Defizite in Aufstiegsorientierung oder Machtstreben haben, werden sie gefördert, um Männern gleichzuziehen. Dieser pädagogische Ansatz will Defizite im typisch männlichen Bereich kompensieren. Die Differenzposition hingegen will zur Normierung des typisch Weiblichen beitragen, indem Weiblichkeit Stärken und Interessen der Mädchen aufgewertet werden. Dieser Ansatz setzt sich für eine paritätische Beteiligung der Frauen ein. Die Nachteile dieser Ansätze liegen darin, dass sie entweder Gefahr laufen, Weiblichkeit abzuwerten oder die Probleme der Jungen ausblenden (vgl. Boeser 2007: 248). Mittlerweile richten sich die Diskussionen

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Forschungsergebnis einer Längsschnittstudie (Klasse 5-10) des Instituts für die Pädagogik und der Naturwissenschaften zur Verbesserung des Physikunterrichts (Horstkemper 2002, 417). Ähnliche Ergebnisse wurden in einer Studie mit Oberstufen-Schüler*innen erzielt.

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weniger auf das Aufdecken der Ursachen der Geschlechterdifferenz, sondern »verlagern die Frage nach ihrer interaktiven Herstellung« (Boeser 2007: 248). Dabei geht es um die Frage, wie die Akteur*innen ihre Wirklichkeit konstruieren: zwischen den Geschlechtern, aber auch innerhalb von Gruppen, um damit verschiedene Perspektiven einnehmen zu können, wie beispielsweise soziale oder kulturelle. Schüler*innenfirmen können hier einen Teil zur Normalisierung beitragen, indem früh mit verschiedensten beruflichen Tätigkeiten und unterschiedlichen Aufgaben und Positionen experimentiert werden kann, ohne auf Geschlechterstereotype zu achten. Versteckte Potenziale können entdeckt und gefördert werden. Jungen und Mädchen können in ihren je eigenen individuellen Wünschen und Möglichkeiten gestärkt werden.

1.2.3.4

Berufsorientierte Projekte von der Primarstufe an

So prägend soziale Platzierung und Geschlecht für die persönliche Entwicklung ist, so unverständlich ist vor diesem Hintergrund die vorrangig vorherrschende schulische Praxis, erst mit Beginn der Sekundarstufe II mit der Berufsorientierung zu beginnen: Der Beruf bzw. die Berufs- und Ausbildungswahl Jugendlicher und junger Erwachsener repräsentiert deutlich die bis dahin entwickelten und verfestigten Rollenmuster und Sinnstrukturen: Sei es, dass eine geschlechtsspezifische Berufswahl getroffen wird, sei es, dass im Absolvieren einer Ausbildung kein Sinn gesehen wird oder sei es, dass aus Unkenntnis bestehender Alternativen der falsche Beruf ergriffen wird.70 Der Bezug zum biographischen Lernen zeigt: geschlechtsspezifische, soziale, familiäre, ökonomische wie schulische Prägungen spiegeln sich in der Berufswahl wider. Die Frage ist, wie Perspektiven und Möglichkeiten für Jugendliche erweitert werden können, einerseits um rechtzeitig individuelle Muster zu reflektieren und Möglichkeiten (des Erwerbs) verschiedenster Berufe kennenzulernen, andererseits um individuelle Fähigkeiten zu entdecken und zu fördern. Die Prinzipien biographischen Lernens können in Bezug auf berufsorientiertes Lernen gut umgesetzt werden, denn die Berufs- oder Erwerbstätigkeit gehört zur alltäglichen Erfahrung und damit zur steten Wahrnehmung von Kindern (Berufstätigkeit der Eltern oder Berufe im sozialen und medialen Umfeld). Alberts hat in Zusammenarbeit mit der Handwerkskammer berufsorientierte Projekte an einer Grundschule durchgeführt und ausgewertet. Er verneint eindeutig die Frage, ob Berufsorientierung ab dem Grundschulalter zu früh sei und formuliert sechs Argumentationslinien, die für einen frühen Beginn berufsorientierten Unterrichts sprechen (vgl. Alberts 2008: 2f.). Anthropologische Argumentation: Kinder sind grundsätzlich wissbegierig und erforschen die Ursachen der von ihnen beobachteten Phänomene. Deshalb kann Berufsorientierung bereits mit Grundschüler*innen durchgeführt werden. Die Angebote müssen nur aus der Erfahrungswelt der Kinder stammen, damit das Kind entsprechende Fragestellungen entwickeln kann und Lernanlässe entstehen können.

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Rauner hat diesbezüglich eine Untersuchung gestartet und Jugendliche alle Berufe aufschreiben lassen. Nicht nur, dass die wenigsten der 350 Ausbildungsberufe bekannt waren, die meisten Nennungen kämen aus »Grimms Märchen« (vgl. http://bildungsklick.de/a/50458/berufsorientierung-is t-in-deutschland-unterentwickelt).

1. Schüler*innenfirmen

Entwicklungspsychologische Argumentation: Kinder entwickeln im Grundschulalter ein differenzierteres Wissen und können dementsprechend Funktionsweisen aus Natur und Technik erkennen und verstehen. Sie entwickeln in diesem Alter ebenso Wissen, das zu dem Bereich Ökonomie gezählt werden kann. So beginnen Kinder im Alter von sechs bis acht Jahren eine »Verbindung von Ware, Geld und Wechselgeld« (Gläser 2007: 236) herzustellen. Im Alter von fünf bis sieben Jahren entwickeln sie eine Vorstellung von Arbeit bzw. Berufstätigkeit und können einen Zusammenhang zwischen der Berufstätigkeit der Eltern und deren Gelderwerb herstellen. Aber erst später, ab dem achten Lebensjahr, können Kinder etwas mit den Begriffen des*der Arbeitnehmer*in sowie damit im Zusammenhang stehenden Begriffen verbinden. Berufe werden über Tätigkeiten erklärt (vgl. ebd.).71 Persönlichkeitsbildende Argumentation: Diese Argumentation schließt sich an obige Argumentation für die Entwicklung ökonomischer Kompetenzen an (vgl. Kap. 1.2.1.3), denn Alberts verbindet – ebenso wie das IÖB – ökonomische Bildung mit Allgemeinbildung. Berufsorientierung, die bereits an der Grundschule stattfinde, leiste einen Beitrag zur Veralltäglichung von Allgemeinbildung und beuge sozialer Ausgrenzung vor, wenn dadurch dazu beigetragen werden kann, dass eine Schul- oder Berufsausbildung abgeschlossen wird. Gesellschaftliche Argumentation: Damit verbunden ist die gesellschaftliche Verantwortung Teilnahme und Teilhabe zu ermöglichen. Diese erfolgt wesentlich auch über eine Berufstätigkeit. Deshalb sollten beste Voraussetzungen für Kinder geschaffen werden, die sie befähigt, die Schule abzuschließen, einen für sie richtigen Beruf bzw. eine für sie passende Ausbildung zu wählen. Historische Argumentation: Letztlich, so Alberts, sei Berufsorientierung nichts Neues in der (Reform-)Pädagogik (vgl. Kap.1.1, 1.3), bei der Arbeit und Beruf auf verschiedenste praktische und handlungsorientierte Weisen methodisch umgesetzt wurden. Aber obwohl es eine pädagogische Tradition dieser Verbindung gibt, wird diese nicht oder zu wenig hergestellt. An dieser Stelle schließt sich Rauners Kritik an der scharfen Trennung von beruflicher und schulischer Bildung an: Der Mangel an Berufsvorbereitung führe dazu, dass viele Jugendliche sich aus Unkenntnis für

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Tatsächlich ist die Entwicklung einer Vorstellung über einzelne Berufe und der damit verbundenen Tätigkeiten ein Prozess, der sich bis in das Erwachsenenleben hineinzieht. Wenn zugleich mitberücksichtigt wird, dass die Berufsorientierung recht kurzfristig beginnt u.a. mit Berufsbezeichnungen, die Jugendlichen nichts sagen, wird deutlich, dass einerseits früh mit einer Berufsorientierung begonnen werden sollte, diese sich aber durch die ganze Schulzeit ziehen sollte.

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einen für sie unpassenden Beruf entscheiden72 und es führe weiterhin dazu, dass zunehmend mehr Jugendliche in berufsvorbereitenden Maßnahmen zu finden sind.73 Schulische Argumentation: Die Veränderung des Lehrens und Lernens betont das Erlernen von Kompetenzen, von Schlüsselqualifikationen. Das Erlernen und Abrufen von Wissen reicht nicht, um kompetent zu sein, sondern die Fähigkeit mit erworbenem Wissen selbstständig, kreativ und gemeinschaftlich arbeiten zu können. Oder wie Albert es formuliert: »Rechenfertigkeit, Orthographie sind keine Schlüsselqualifikationen, sondern die Bereiche Selbstständigkeit, Kreativität, Handlungsfähigkeit bzw. Fähigkeit zum vernetzten Denken. Dieses bedeutet eine Entgrenzung der Institutionen; aus Fachfragen werden Sachfragen und schließlich Lebensfragen« (Albert: 3). Antworten auf Lebensfragen finden sich auch im Themenfeld Beruf, und dieses Themenfeld ruft geradezu nach einer Vernetzung mit den im Umfeld der Schule liegenden Institutionen, Einrichtungen und Betrieben. Berufsorientierung wird stärker gefördert, jedoch nicht im Elementarbereich, nicht von Beginn an, sondern die Förderung erhalten verstärkt Schüler*innen an Gymnasien (vgl. BMBF Berufsbildungsbericht 2015: 5). Das ist zwar sinnvoll, denn die Ausbildungsund Studienwahl von Gymnasiast*innen braucht ebenso eine Vorbereitung, doch es fehlt ein roter Faden einer Berufsorientierung, die sich von Beginn bis Ende der Schulzeit und durch alle Schularten zieht.74 Biographisches Lernen verbunden mit berufsorientierten Lernen würde in optimaler Weise bedeuten, dass Fähigkeiten, Interesse und Potenziale der Kinder und Jugendlichen erkannt und in den Lernprozess mit einbezogen werden; es würde bedeuten, sich auf Lebenswelten und Sinnstrukturen einzulassen und verstärkt auch informell und außerschulisch erworbene Kompetenzen anzuerkennen. So entsteht eine Verbindung von Kompetenzentwicklung im Lebenslauf. Beispielsweise ist der »Qualipass« eine Sammlung von Beschreibungen, Bewertungen, Zertifikaten, die der*die Schüler*in neben der schulischen Qualifikation erworben hat. Damit erfahren nicht nur Schüler*innen eine Anerkennung ihrer Interessen, es können auch potenzielle Arbeitgeber über die72

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2005 wurde jeder 5. Ausbildungsvertrag vorzeitig aufgelöst, 2012 betrug die Lösungsquote 25 Prozent, 2016 25,8 Prozent, was zwar nicht mit Abbruch der Ausbildung gleichzusetzen ist: ein Teil führt die Ausbildung im dualen System weiter oder beginnt eine andere Ausbildung. Doch das rund ein Viertel aller Ausbildungsverträge über die Jahre jedes Jahr aufgelöst werden. Das sollte zu einer Änderung der beruflichen Orientierung führen. Insbesondere sind auch hier jene Jugendlichen besonders stark betroffen, die keinen (38,1 Prozent) oder einen geringen (37,9 Prozent) allgemeinbildenden Schulabschluss haben (Datenreport zu Bundesbildungsbericht 2015; BMBF (Hg.) 2019: 46ff.). Im Jahr 2006 befinden sich 500.000 Jugendliche in berufsvorbereitenden Maßnahmen, 2017 300.000. Lösungsansätze sieht Rauner in einer veränderten Ausbildung, bei der das erste Jahr an der Schule stattfindet, mit zwei Tagen im Betrieb, aber auch mit vorzeitiger Berufsorientierung, gar ab Kindergartenalter. Daneben seien Berufsbezeichnungen für fast die Hälfte der befragten Jugendlichen von Bedeutung, Könnten sie mit einer Bezeichnung nichts anfangen, beschäftigen sie sich nicht weiter mit ihm. Der Bildungsbericht empfiehlt bereits 2006 in den Prozess der Namensgebung Jugendliche mit einzubeziehen (vgl. Datenreport, https://www.ausbildung.info/new s/abgehaengt). Dass diese nicht gegeben ist, zeigt auch die Studienabrecherquote von über einem Drittel (http:/ /de.statista.com/statistik/daten/studie/162988/umfrage/studienabbruch-im-laendervergleich/.

1. Schüler*innenfirmen

sen Qualipass ein umfangreicheres Bild der Bewerber*innen, erhalten, das über eine Bewertung durch Noten hinausgeht. Es stellt weitere Fähigkeiten, Interessen und Engagement in den Vordergrund. Die Schüler*innen können darüber hinaus auch selbst Einträge vornehmen und es als eine Art Tagebuch oder Portfolio benutzen, um eigene Aktivitäten und Stärken einzutragen (vgl. Jugendstiftung Baden-Württemberg 2013: 101f.). Berufsorientierung von Beginn an bedeutet also nicht, die Schüler*innen schon im Grundschulalter auf bestimmte Berufe oder Berufstätigkeiten hin vorzubereiten. Vielmehr geht es darum, sie zu unterstützen, ihre Fähigkeiten und Neigungen zu entdecken und Fähigkeiten und Kenntnisse bestimmten Berufen zuzuordnen und diese auch erst einmal kennenzulernen. Das Konzept Berufsorientierung von Anfang bis zum Ende gedacht, stärkt den Ansatz, möglichst früh Kinder in einer altersgerechten Art und Weise mit Berufsorientierung in Berührung zu bringen. Dann werden die Themen Ausbildung und Beruf alltäglich, fachspezifische Themen können leichter aufgegriffen, vertieft und mit dem Alltag der Kinder in Verbindung gebracht werden. Die Entwicklung von Interessen oder mit zunehmendem Alter die Vertiefung und Entscheidung für eine Ausbildung hat Zeit sich zu entwickeln und kann ohne Druck entstehen. Vor allem aber – und das scheint mit das wichtigste Argument – kann die Entscheidung auch ohne die Beeinflussung von geschlechts- oder schichtspezifischen Stereotypen gebildet werden, denn der Blick der Kinder wäre schon früh erweitert. Mit dem Konzept der Schüler*innenfirma können Interessen und Fähigkeiten der Kinder gestärkt werden; der Kenntnisstand der einzelnen Kinder kann ermittelt werden und Themen, die Kinder interessieren, können aufgegriffen und berücksichtigt werden. Schüler*innenfirmen sind gekennzeichnet durch ihren Ernstcharakter und der Möglichkeit, eigene Gestaltungsräume für die Schüler*innen zu eröffnen. Deshalb sind sie als eine Form der Berufsorientierung anerkannt (vgl. z.B. Geyersbach o.J.: 20ff; Nentwig-Gesemann o.J.: 38f.). Der Vorteil einer Berufsorientierung durch Schüler*innenfirmen ist, dass das Konzept bereits an Grundschulen angeboten werden und sehr handlungsorientiert erfolgen kann. Ein weiterer Vorteil besteht zudem darin, dass diese Form von Berufsorientierung nicht auf einem Benachteiligungsdenken beruht, wie es bei berufsvorbereitenden Maßnahmen nach der Schule der Fall ist. Diese richten sich insbesondere an Jugendliche, die als nicht ausbildungsreif bezeichnet werden (vgl. Göler von Ravensburg o.J.: 24). Das Konzept der Schüler*innenfirma kann für alle Schüler*innen umgesetzt werden.

1.3

Kriterien der Umsetzung einer Schüler*innenfirma

Das folgende Kapitel geht der Frage nach, welche Kriterien, welche Perspektiven grundlegend sind, um Lernbedingungen so zu gestalten, dass die vorangestellten pädagogischen Zielsetzungen ermöglicht werden können. Die Perspektiven des interaktionistischen Konstruktivismus, partizipativer Theorien und ästhetischer Bildung scheinen nicht nur für sich genommen geeignet, Schüler*innen bei der Findung ihrer Stärken und ihrer Interessen zu unterstützen, um deren Selbstwirksamkeit zu stärken. Sie ergänzen sich in einer Weise, die es ermöglicht, inhaltliche Themen der Schüler*innenfir-

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1. Schüler*innenfirmen

sen Qualipass ein umfangreicheres Bild der Bewerber*innen, erhalten, das über eine Bewertung durch Noten hinausgeht. Es stellt weitere Fähigkeiten, Interessen und Engagement in den Vordergrund. Die Schüler*innen können darüber hinaus auch selbst Einträge vornehmen und es als eine Art Tagebuch oder Portfolio benutzen, um eigene Aktivitäten und Stärken einzutragen (vgl. Jugendstiftung Baden-Württemberg 2013: 101f.). Berufsorientierung von Beginn an bedeutet also nicht, die Schüler*innen schon im Grundschulalter auf bestimmte Berufe oder Berufstätigkeiten hin vorzubereiten. Vielmehr geht es darum, sie zu unterstützen, ihre Fähigkeiten und Neigungen zu entdecken und Fähigkeiten und Kenntnisse bestimmten Berufen zuzuordnen und diese auch erst einmal kennenzulernen. Das Konzept Berufsorientierung von Anfang bis zum Ende gedacht, stärkt den Ansatz, möglichst früh Kinder in einer altersgerechten Art und Weise mit Berufsorientierung in Berührung zu bringen. Dann werden die Themen Ausbildung und Beruf alltäglich, fachspezifische Themen können leichter aufgegriffen, vertieft und mit dem Alltag der Kinder in Verbindung gebracht werden. Die Entwicklung von Interessen oder mit zunehmendem Alter die Vertiefung und Entscheidung für eine Ausbildung hat Zeit sich zu entwickeln und kann ohne Druck entstehen. Vor allem aber – und das scheint mit das wichtigste Argument – kann die Entscheidung auch ohne die Beeinflussung von geschlechts- oder schichtspezifischen Stereotypen gebildet werden, denn der Blick der Kinder wäre schon früh erweitert. Mit dem Konzept der Schüler*innenfirma können Interessen und Fähigkeiten der Kinder gestärkt werden; der Kenntnisstand der einzelnen Kinder kann ermittelt werden und Themen, die Kinder interessieren, können aufgegriffen und berücksichtigt werden. Schüler*innenfirmen sind gekennzeichnet durch ihren Ernstcharakter und der Möglichkeit, eigene Gestaltungsräume für die Schüler*innen zu eröffnen. Deshalb sind sie als eine Form der Berufsorientierung anerkannt (vgl. z.B. Geyersbach o.J.: 20ff; Nentwig-Gesemann o.J.: 38f.). Der Vorteil einer Berufsorientierung durch Schüler*innenfirmen ist, dass das Konzept bereits an Grundschulen angeboten werden und sehr handlungsorientiert erfolgen kann. Ein weiterer Vorteil besteht zudem darin, dass diese Form von Berufsorientierung nicht auf einem Benachteiligungsdenken beruht, wie es bei berufsvorbereitenden Maßnahmen nach der Schule der Fall ist. Diese richten sich insbesondere an Jugendliche, die als nicht ausbildungsreif bezeichnet werden (vgl. Göler von Ravensburg o.J.: 24). Das Konzept der Schüler*innenfirma kann für alle Schüler*innen umgesetzt werden.

1.3

Kriterien der Umsetzung einer Schüler*innenfirma

Das folgende Kapitel geht der Frage nach, welche Kriterien, welche Perspektiven grundlegend sind, um Lernbedingungen so zu gestalten, dass die vorangestellten pädagogischen Zielsetzungen ermöglicht werden können. Die Perspektiven des interaktionistischen Konstruktivismus, partizipativer Theorien und ästhetischer Bildung scheinen nicht nur für sich genommen geeignet, Schüler*innen bei der Findung ihrer Stärken und ihrer Interessen zu unterstützen, um deren Selbstwirksamkeit zu stärken. Sie ergänzen sich in einer Weise, die es ermöglicht, inhaltliche Themen der Schüler*innenfir-

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

ma didaktisch und methodisch so aufzubereiten, um nachhaltiges, an den Biographien der Kinder orientiertes Lernen umzusetzen zu können. Die unterschiedlichen Ansätze können durch praktisches, auch praxisnahes oder beruflich orientiertes Lernen umgesetzt werden. Die Handlungsorientierung kann entsprechend als eine gemeinsame Form der methodischen Umsetzung gesehen werden. Dazu werden an geeigneten Stellen bereits Ergebnisse des Forschungsprojekts aufgegriffen, um Bezüge zu verdeutlichen. Im dritten Teil werden darauf folgend die Ergebnisse der empirischen Evaluation ausführlich dargestellt. Die Umsetzung der Schüler*innenfirmenwettbewerbs erfolgt aus einer integrativen, einer ganzheitlichen Perspektive, die sowohl schulische als auch sozialpädagogische Aspekte beinhaltet.75

1.3.1

Handlungsorientiertes Lernen

Schüler*innenfirmen werden an Schulen in unterschiedlichen Lernformaten durchgeführt, wie beispielsweise als Projekt, Werkstatt, Arbeitsgemeinschaft, als Teil der Arbeitslehre oder als Planspiel (zu den Methoden vgl. Reich (Hg.): Methodenpool. In: url: http://methodenpool.uni-koeln.de). Schüler*firmenwettbewerbe hingegen als Projekte. Im Kontext der Sozialen Arbeit außerhalb der Schule (dann nennen sich die Formate wie in 1.1 beschrieben nicht mehr Schüler*innenfirma, erfolgen aber nach gleichen Prinzipien) als Produktionsschule oder Jugendhilfebetrieb. Werden Schüler*innenfirmen an der Schule durch die Soziale Arbeit begleitet, dann von der Schulsozialarbeit oder freien Bildungsträgern, wobei die Durchführung in der Regel außerhalb des regulären Unterrichts im Rahmen eines Projekts oder einer AG erfolgt (vgl. Hofmann-Lun 2007). Was alle Angebote gemeinsam haben ist das Prinzip der Handlungsorientierung, welches deshalb hier näher beschrieben werden soll, ausgehend von Definitionen unterschiedlicher Perspektiven. Handlung: Weil Handlung hier der grundlegende Begriff ist, stellt sich die Frage, auf was genau sich der Begriff der Handlung bezieht. Aus soziologischer Perspektive wird nach Weber unter einer Handlung alles Tun, Dulden, aber auch Unterlassen menschlicher Aktivitäten bezeichnet, welches von den Handelnden mit Sinn belegt wird. Erweitert bezeichnet soziales Handeln sinnhaftes Verhalten, welches auf andere 75

Die Schüler*innenfirma wird unter schuldidaktischen Aspekten auch als Lernarrangement beschrieben (vgl. Penning 2018). »Unter dem Begriff »Lehr-/Lernarrangement« wird kurz gesagt die Gestaltung eines Lernprozesses durch Lehrende unter bestimmten didaktischen und methodischen Gesichtspunkten verstanden. Ziel ist die didaktisch-effektive Aufbereitung und Gestaltung der Lerninhalte und Lernzusammenhänge für eine optimale Vermittlung und Aneignung von Fach- und Handlungswissen sowie von Lern- und Arbeitstechniken (Kaiser 2007 zit.n. k.o.s : Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen des Landes Berlin, Referat Berufliche Qualifizierung (Hg.) 2012: weiter gelernt. Nr. 2 – Dezember 2012 Lehr-/Lernarrangements. Beiträge zur Weiterbildungsdiskussion Berlin). Diese Definition verdeutlicht die fachliche Zielsetzung eines Lernarrangement. Eine sozialpädagogische Perspektive auf Schüler*innenfirmen ist das jedoch nicht. Zwar werden auch unter einer sozialpädagogischen Perspektive bestimmte fachliche Ziele mit der Umsetzung verfolgt, doch im Zentrum stehen Aspekte zur Stärkung der Selbstwirksamkeitserwartung oder der Erfahrung von Partizipation. Diese Zugangsweisen verdeutlichen die grundlegend unterschiedliche Bedeutung und Zielsetzungen, die mit der Schüler*innenfirmenarbeit in Verbindung gebracht werden.

1. Schüler*innenfirmen

bezogen ist. Zwar können die Grenzen fließend sein, wie zwischen reinem reaktivem Verhalten. Idealtypisch jedoch unterscheidet Weber zwischen zweck- und wertrationaler, affektiver und sozialer Handlung. Soziologische Handlungstheorien gehen davon aus, dass Handlungen nicht allein von der Eigenart der Handelnden bestimmt, sondern immer auch von den sozialen Verhältnissen geprägt sind (vgl. Hillmann 1994: 318f.). Habermas (Theorie des kommunikativen Handelns, 1981 Bd. 1) erweitert dieses Verständnis von Handeln. Er unterscheidet zwischen instrumentellem, strategischem und kommunikativem Handeln. Diese Unterscheidung ist für Wölls Handlungsbegriff und seinem daraus abgeleiteten Ansatz des handelnden Lernens von Bedeutung. Instrumentelles und strategisches Handeln sind erfolgsorientiert, wobei instrumentelles Handeln auf die Beeinflussung von physischen Gegenständen, strategisches Handeln hingegen auf die von Subjekten zielt. Kommunikatives Handeln ist im Gegensatz dazu nicht erfolgsorientiert, im Sinne von Erfüllung eigennütziger zweckrationaler Beweggründe, sondern zielt auf die Verständigung mit anderen. Getragen wird kommunikatives Handeln von der Annahme, gemeinsam Handlungen abstimmen zu können. Die dafür nötige gemeinsame Situationsanalyse ist wesentlicher Bestandteil des kommunikativen Handelns (vgl. Wöll 2003: 69ff.). Gudjons fasst die gemeinsamen Merkmale einer Handlung der unterschiedlichen Handlungstheorien zusammen mit: Antizipation, Realisation und Handlungskontrolle. Im ersten Schritt geht es um die grundlegende Motivation einer Handlung und der Planung derselben. Dabei müssen Ziele nicht von vorneherein feststehen, sondern im Sinne des kommunikativen Handelns in einem Verständigungsprozess ausgehandelt werden. Im zweiten Schritt wird die Handlung vollzogen, wobei es verschiedene Formen der Umsetzung gibt, dazu zählen auch Denkprozesse. Im letzten Schritt wird der Erfolg der Handlung überprüft. Eine Überprüfung der Handlungen kann aber auch schon im zweiten Schritt erfolgen, um immer wieder zu überprüfen, ob die Handlungen die richtigen sind (vgl. Gudjons 2008: 48ff.). Pädagogische Ursprünge: Welche Zusammenhänge sind zwischen Handlung, Pädagogik und der Sozialen Arbeit herstellbar? Diskutiert wird der Begriff der Handlung im Kontext der Unterrichtsgestaltung. Dabei ist der handlungsorientierte Unterricht zunächst ein Sammelbegriff für unterschiedlichste methodische Ansätze, die weder wirklich neu oder klar voneinander abgrenzbar sind. Handlungsorientierter Unterricht ist ein Unterrichtsprinzip, welches zwar in unterschiedlichen Unterrichtskontexten umgesetzt wird, aber nicht auf Schule oder Unterricht begrenzt ist (vgl. Gudjons 2008: 8). Zu finden ist das Prinzip der Handlungsorientierung bei neueren didaktischen Ansätzen wie offener Unterricht, entdeckendes Lernen, freie Arbeit, erfahrungsbezogener Unterricht, selbstgesteuertes Lernen oder Gruppenunterricht.76 Der Ansatz der Handlungsorientierung ist kein wirklich neuer Ansatz. Der Grundgedanke, über das eigene Handeln zu lernen, lässt sich beispielsweise bereits bei Comenius finden, der Unterricht als Lernen über alle Sinne begreift, bei Rousseau oder Pestalozzi, der Lernen mit Kopf, Herz und Hand prägte. Später entwickelten verschiedene Vertreter*innen der Reformpädagogik diesen Ansatz weiter wie Montesossori »Hilf mir, es selbst zu tun«, Ker76

Vgl. dazu auch Methodenpool der Universität zu Köln: Reich, Kersten (Hg.): Methodenpool. In: url: http://methodenpool.uni-koeln.de; Gudjons 2006.

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schensteiner oder Gaudig, letztere als Vertreter der Arbeitsschule. Sie arbeiteten die Bedeutung des selbstständigen handwerklichen und kognitiven Tuns für den Erwerb von Wissen und Kompetenzen heraus (vgl. Gudjons 2008: 75). Dass der Ansatz des handlungsorientierten Unterrichts heute auf viel Zuspruch stößt und verschiedene Ansätze den Unterricht prägen, ist nicht selbstverständlich. Die westlichen Gesellschaften sind geprägt von einem dualistischen Menschenbild und damit verbunden einer Trennung von Denken und Handeln: Denken und Lernen kann dieser Auffassung nach nur ohne praktisches Handeln erfolgen, Handeln blockiere den Weg zum Denken. Dieses Menschenbild wirkt nach und bietet eine Erklärung für das dreigliedrige Schulsystem, die Trennung von allgemein- und berufsbildenden Fächern oder die Trennung von Fachtheorie und Fachpraxis in der Berufsbildung (vgl. Meyser: 4). Die Handlungsorientierung ist auch als Teil einer Schulkritik zu sehen, die sich unter anderem gegen diese Trennung wehrt und eine Pädagogik sucht, die den »Entwicklungskräften« der Kinder, ihrer Interessen und Bedürfnisse entspricht. Dabei hat die Reformpädagogik Gestaltungsprinzipien und Methoden entwickelt, die bis heute sowohl in der Schule als auch in außerschulischen Bereichen ihren Niederschlag finden (vgl. Skiera 2010: 20-24). »Learning by doing«: Aber es ist insbesondere Dewey, der als Mitbegründer des philosophischen Pragmatismus, das Handeln in das Zentrum seiner erkenntnistheoretischen Überlegungen stellt und dessen Überzeugung, dass alles Lernen nur über Handlung erfolgt, den handlungsorientierten Ansatz prägt. Sein pädagogisches Verständnis hat die Reformpädagogik maßgeblich beeinflusst. Für ein ganzheitliches Konzept einer Schüler*innenfirma scheint sein pädagogischer Ansatz prädestiniert: Nicht (nur) wegen des verkürzt zitierten Prinzips »learning by doing«, sondern der pädagogischen Grundannahmen, die unter anderem dieses Prinzip begründen. Sie führen selbstbestimmtes, partizipatives Lernen zusammen, dass immer in der Auseinandersetzung mit anderen gedacht ist (vgl. Dewey 2016). Grundlegend für Deweys Theorie ist sein pragmatischer Wahrheitsbegriff. Dabei ist Wahrheit keine Tatsache, die mit einer Wirklichkeit übereinstimmt oder diese abbildet. Diese Annahme ist für den Pragmatismus eine zentrale. Vielmehr begründet sich der Wahrheitsbegriff durch die möglichen Konsequenzen (vgl. Hickman 2004: 9). Sein allgemein bekanntes Prinzip »learning by doing« kann vor dem Hintergrund seines pragmatischen Wahrheitsbegriffs nicht reduziert werden auf ein bloßes Aktivsein. Die Handlung und der damit in Verbindung stehende Lernprozess steht für ihn als eine Grundeinheit eines zentralen Begriffs, der »experience«. Dieser steht für den Zusammenhang von Tun und Erleiden (vgl. Neubert 2004: 14). Diese Auffassung von Erfahrung spielt bereits bei der Frage des biographischen Lernens eine Rolle. Denn Dewey fordert einen direkten Bezug zum Leben ein. Der Lernprozess, wie sein Fünfschrittmodell des Lernens zeigt, bezieht immer auch bereits gemachte Erfahrungen mit ein. Die ganz eigene Biographie spielt damit immer eine Rolle (vgl. Hickman 2004: 5). Handeln bedeutet im Zusammenhang eines Lernprozesses durch problemorientiertes Handeln, Handeln in neuen Situationen. Die Kinder stellen von sich aus Fragen und versuchen viele Lösungen zu finden. Lernen erfolgt nicht, indem Kinder Erfahrungen oder vermeintliche Wahrheiten passiv aufnehmen. Lernen erfolgt durch einen aktiven Prozess, in den vorhergehende Erfahrungen einfließen. Dewey beschreibt den Prozess des Lernens in fünf Schritten lernen. Im ersten erleben Kinder eine instabile

1. Schüler*innenfirmen

Situation, auf die sie emotional reagieren, die sie in einem zweiten Schritt wieder aufheben möchten indem sie das Problem erkunden. So erfolgt hier schon eine Verbindung von Emotionen und Kognition. Im dritten Schritt werden Hypothesen gebildet und auf vertraute Erfahrungen zurückgegriffen um im vierten Schritt durch Experimentieren Lösungen zu testen. Ist die Lösung erfolgreich, ist ein Gleichgewicht wiederhergestellt und ein Lernkreislauf abgeschlossen (vgl. Hickman 2004: 5-7). Dewey verleiht der Handlungsorientierung weitere Tiefe: Er verbindet Leben mit Erfahrung und Lernen. »So besteht er darauf, dass Lernen immer mitten im Leben ansetzt« (Hickman 2004: 5). Dass der Wahrheitsbegriff in Zusammenhang mit Konsequenzen steht wird hier deutlich: Erst wenn wir Dinge in einen Zusammenhang bringen können, können Lernprozesse erfolgen. Wenn das nicht passiert, Dinge nicht relevant sind, erfolgt kein Lernprozess. Dewey zieht daraus zwei Schlüsse für Bildung: Bildung ist kein vorrangig kognitiver Prozess und der Wert der »experience« ergibt sich aus den Beziehungen, die wahrgenommen werden (vgl. Dewey 2016: 134). Die Potenziale, die in dieser Arbeit in einem Konzept Schüler*innenfirma gesehen werden und in einem neuen Modell münden, wurzeln in dem Grundgedanken, dass im Wesentlichen alles, was eine Schüler*innenfirma oder die Umsetzung einer Geschäftsidee ausmacht, von den Schüler*innen entwickelt und ausgeführt wird. Die Schüler*innen lernen über das, was sie selbst einbringen. Sie eignen sich im Zuge der theoretischen Vorbereitung und der praktischen Umsetzung viele Kenntnisse an, entdecken neue Fähigkeiten oder Interessen, erleben, wie ihre Ideen Wirklichkeit werden. Es finden Lernprozesse statt, die durch das eigene Tätigsein verschiedene individuelle Lernerfahrungen ermöglichen. Wie kann ein pädagogischer Prozess in diesem Sinne initiiert und begleitet werden? Was bedeutet es, wenn theoretisches und praktisches Lernen ineinandergreifen, wenn handlungsorientiert Angebote durchgeführt oder auch gelehrt und gelernt werden? Nach Dewey sollte eine Trennung von Inhalt und Methode gar nicht erst vollzogen werden, er schreibt diese Trennung dem dualistischen Denken zu. Ein Inhalt könne nicht getrennt von einer Methode gesehen werden, bzw. die Methode nicht getrennt von den Inhalten. »Method means the that arrangement of subject matter which makes it most effective in use. Never is method something outside of the material. (Dewey 2016: 159). »Method ist a statement of the way the subject matter of an experiece develops most effectively and fruitfully.« (Dewey 2016: 173) Dewey versteht nicht nur Inhalte und Methode als untrennbar, sondern sieht auch die Erfahrung untrennbar mit der Methode verbunden. Sie ist der Weg, um möglichst effektive Erfahrungen zu ermöglichen. Dies ist eine schöne Definition von Methode, denn sie weist darauf hin, dass Methoden niemals Selbstzweck sein können oder dürfen. In diesem Sinne bedeutet das für die Schüler*innenfirma, dass sie nicht nur fachliche, berufsorientierte Inhalte handelnd erfahrbar machen kann, sondern neben diesen weitere persönliche und soziale Erfahrungen ermöglicht. Und gerade dadurch am effektivsten sein kann. Entsprechend der Bedeutung von »experience« können diese Erfahrungen nur aktiv erworben zuweilen auch »erlitten« werden. Äußerungen von Schüler*innen verdeutlichen ihre »experience« (vgl. Kap. 3). »Experience«: Wenn handelndes Lernen in den Mittelpunkt rückt, es um mehr gehen will, als um Reproduktionen von Wirklichkeiten, sondern im Sinne Reichs um

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ein Spiel mit Konstruktionen, dann stellt Dewey mit seinem Lernmodell den Zusammenhang über die Erfahrung her: Zu Beginn steht eine Handlung, die mehr als Aktivität meint, innerhalb derer etwas Unerwartetes steckt. Sie verhindert ein gewohnheitsmäßiges, routiniertes Handeln und erfordert eine Reflexion, die eine neue Handlung ermöglicht. Ist diese erfolgreich, dann ermöglicht diese Erfahrung eine Erweiterung des Lernprozesses (vgl. Reich 2002b: 202f.). Dieser Ansatz deckt sich mit dem der Selbstwirksamkeit: Eine positive Selbstwirksamkeitserwartung kann sich nur über unbekannte, neue Situationen entwickeln, die neue Handlungsstrategien erfordern. Wenn die Herausforderung bestanden ist, wächst der Glaube an das eigene Können, an die eigenen Kompetenzen. Dewey Verständnis von »experience« verdeutlicht die Unbegrenztheit an möglichen Lernerfahrungen: »Experience, in short, is not a combination of mind and world, subject an object, method and subject matter, but is a single continuous interaction of a great diversity (literally countless in number) of energies.« (Dewey 2016: 161) Lernen ohne eigene »experience« ist demnach nicht denkbar. Handlungsorientierter Unterricht: Lernen durch Erfahrung kann nur über selbsttätiges Tun erfolgen. Dewey zählt viele Möglichkeiten, wie Schüler*innen handelnd lernen können, wie »Playgrounds, shops, workrooms, laboratories« (Dewey 2016: 343). Wobei Lernen immer auch im Leben der Kinder stattfinden sollte und Kinder gemeinsame Lernerfahrungen und Erfahrungen des Wachstums/Growth machen (vgl. ebd.). Übertragen auf methodisch didaktische Prozesse bedeutet handelndes oder handlungsorientiertes Lernen heute kurz gesagt, über den Prozess einer Handlung, Lernmöglichkeiten zu schaffen. Bestmöglich setzten sich die Lernenden selbstverantwortlich mit einer Situation auseinander, verständigen sich über die Thematik und das Ziel. Zwangsläufig müssen sie darüber einen gemeinsamen Konsens finden, um den Lernprozess in Gang zu setzen und sich über das weitere Vorgehen zu einigen (vgl. Wöll 2011: 3035). Die Trennung von Hand- und Kopfarbeit, von Theorie und Praxis ist aufgehoben. Im Vordergrund steht die Erfahrung, die durch selbstorganisierte und -verantwortete, produktive Arbeit gemacht wird. Dabei entwickeln die Lernenden einen Bezug zu den Lerngegenständen, die wiederum einen Bezug zum gesellschaftlichen Umfeld haben. Dadurch erhält handelndes Lernen seinen Ernstcharakter, die Lerngegenstände erhalten einen Bezug zur Lebenswelt (vgl. Gudjons 2008: 36). Formen von Handlungsorientierung: Im Kontext Unterricht können drei Formen von Handlungsorientierung unterschieden werden, die auch am Beispiel Schüler*innenfirma unterschieden werden können: Das reale Handeln, also Handeln, welches nicht auf den Unterricht bezogen ist, das simulative Handeln, welches die Realität außerhalb der Schule in Form von beispielsweise Rollen- oder Planspiele in den Unterricht holt und das produktive Gestalten, bei dem Wissen nicht nur abgefragt, sondern durch die Schüler*innen produktiv umgestaltet wird. Handlungsorientierung meint bei allen Formen wirklichkeitsnahes Handeln. Es geht dabei nicht um ein bloßes Tun der Schüler*innen. Dieses Tun sollte immer auf die Realität Bezug nehmen, die die Schüler*innen über handlungsorientiertes Lernen verstehen und reflektieren lernen. Deshalb ist der Bezug zum Ort des Handelns von Bedeutung, wie auch die Frage, wer mit wem in Interaktion tritt. Auch die Interaktion mit den Lehrenden wird über handlungsorientiertes Lernen eine andere. Wenn Schüler*innen mit in den Prozess der Themenauswahl und der Umsetzung einbezogen werden, lernen sie nicht nur selbstbestimmtes,

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verantwortungsvolles Handeln, sie erleben ein demokratisches Verfahren im Lernprozess selbst (vgl. Reinhardt 2005: 146f.). Eine Trennung der Formen kann zwar nützlich sein, um verschiedene Ebenen zu beschreiben. Doch ist hier unter konstruktivistischer Perspektive auf die Gefahr hinzuweisen, die eine solche Kategorisierung bewirken kann: die reine Nachahmung von Wirklichkeit, ohne das Ausprobieren eigener Varianten. Wenn diese jedoch als Verweis auf viele mögliche Perspektiven gesehen wird, kann auf unterschiedliche Konstruktionen eingegangen, diverse (Beobachter-)Positionen und Rollen eingenommen und verschiedene Konstruktionen durchdacht und umgesetzt werden. Auf diese verschiedenen Ebenen weist der interaktionistische Konstruktivismus und seine Didaktik hin (Reich 2002a; 2002b, vgl. dazu Kap. 1.2.3). Konstruktion: Wie eine Bewertung von »richtig« oder »falsch« erfolgt, hängt von der Art der Beobachtung und der pädagogisch-methodischen Ausrichtung ab. Nicht als Bestandteil der Definition handlungsorientierten Lernens, sondern dem hier zugrundeliegenden konstruktivistischen Ansatz folgend, ist der Aspekt der Konstruktion von Bedeutung. Reich verweist auf den Unterschied konstruktivistischer und reformpädagogischer Pädagogik: Es geht nicht um die, um womöglich nur die eine Konstruktion im Sinne einer Nachahmung von zu vermittelnder Wirklichkeit (vgl. Reich 2002b: 127). Es geht um die Möglichkeiten, die ein konstruktivistischer Ansatz bietet: Das Spiel mit verschiedenen Konstruktionen, die denkbar oder möglich sind oder von anderen gesehen werden. Im Sinne einer Handlungsüberprüfung geht es eher um die Entscheidung, ob eine Handlung passend war. Und diese Überprüfung kann von anderen anders entschieden und beurteilt werden. Pädagogische Aspekte: Aus sozialisationstheoretischer Sicht ist es die – insbesondere mediale – gesellschaftliche Entwicklung, die Kindheit und Lernen stark verändert. Der Umgang mit neuen Medien muss gelernt und verortet werden. Damit in Zusammenhang stehend benennt Gudjons den Mangel an Eigentätigkeit und sozialer Erfahrung. Auch steht die Schule vor der Aufgabe, Schüler*innen auf das Leben, auch auf die Berufstätigkeit vorzubereiten und damit lebensweltorientiert zu agieren (vgl. Gudjons 2008: 41). Gleichzeitig ist Schule mit einer Sinnkrise konfrontiert: Wie können Schüler*innen motiviert werden, wenn ihre Chancen auf ein relativ abgesichertes Leben aufgrund vielfältiger gesellschaftlicher, arbeitsmarktpolitischer oder globaler ökonomischer und ökologischer Problemstellungen in Frage steht? Handlungsorientierung um ihrer selbst willen funktioniert nicht und ist sinnfrei. Der Hinweis Deweys, dass eine Methode nicht getrennt vom Inhalt sein kann und eine Methode nicht ohne Erfahrung durchlebt werden kann, macht deutlich, dass die didaktische Planung von handlungsorientierten Angeboten immer begründet erfolgen muss. Wöll bezieht die Begründungen auf drei Problemfelder, auf die handlungsorientierter Unterricht eine Antwort geben will: Defizite in der individuellen Erfahrungswelt, biographische Fragestellungen sowie gesellschaftliche und globale Probleme (vgl. Wöll 2011: 14). Gudjons sieht über die Möglichkeiten des handlungsorientierten Unterrichts und der damit verbundenen direkten Sinnerfahrung einen Weg in der Maxime »Sinnstiftung durch Gegenwartserfüllung« (Gudjons 2008: 68). Das mag angesichts der umfangreichen Problemstellungen nach nicht viel klingen, sondern mehr nach einer drastischen Reduzierung vormals hehrer pädagogischer Ziele. Doch diese Haltung

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kann eine Stärkung der Kinder und Jugendlichen bedeuten, im Hier und Jetzt eigene Interessen, Fähigkeiten und Bestärkung zu erleben. Das mögen dann die bestmöglichen Voraussetzungen sein, auf ein sinnstiftendes Leben vorbereitet zu werden. Und vielleicht ist diese Haltung eine mögliche Antwort auf die genannten Herausforderungen reagieren zu können ohne die »großen Erzählungen« der Moderne zu bemühen.77 Psychologische Begründungen: Die psychologische Grundlage für den handelnden Unterricht sind in der materialistischen Aneignungstheorie sowjetischer Psychologen (Wygotsky, Leontjev, Galperin) zu finden. Darin wird ein Zusammenhang zwischen Mensch und seiner Umwelt über dessen Tätigkeit hergestellt. Dieser Prozess der sogenannten Widerspiegelung ermöglicht, dass die Dinge, die den Menschen umgeben, in das Bewusstsein gelangen können und zwar indem über das menschliche Tätigsein eine Beziehung zwischen den äußeren Dingen und den inneren Prozessen hergestellt wird. Der Mensch lernt, indem er sich im Handeln die reale Welt subjektiv zu eigen macht. Wenn dieses Prinzip im Unterricht Beachtung finden soll, dann sollten im handelnden Unterricht sinnliche Erfahrungen und konkrete Handlungen als praktische Konsequenzen ermöglicht werden (vgl Gudjons 2008: 43ff.). Im Gegensatz dazu entwickelte Aebli eine kognitionspsychologische Handlungstheorie. Ihr liegt der Leitgedanke zugrunde, dass alles »Denken aus dem Handeln« hervorgeht und dementsprechend das »Denken das Ordnen des Tuns« ist. Die Annahme ist, dass sich »Denkstrukturen aus verinnerlichten Handlungen entwickeln«. Die Konsequenz daraus ist, dass nicht nur Handlungen oder Handlungsschemata durchgeführt, sondern darüber hinaus Handlungsvorstellungen entwickelt werden sollten, die auf andere Situationen übertragbar sind. Um dies zu erreichen müssen Handlungen verinnerlicht werden. Das kann nach Aebli in drei Stufen erfolgen: durch eine sprachliche, eine ikonische und letztlich eine rein gedankliche Rekapitulation der vollzogenen Handlung. Wenn Unterricht diesem Verständnis folgen will, kann nur noch ein vernetztes Lernen möglich sein, wobei das durch Handlungen erworbene Wissen als eine »Art kognitive Landkarte« vernetzt wird (vgl. ebd.: 51ff.). Handlungsorientierung im Kontext eines ganzheitlichen Konzepts der Schüler*innenfirma: Dewey entwickelte die Projektmethode als eine Form der Handlungsorientierung.78 Die Kriterien zeigen: sie lassen sich gut anschließen an die Aspekte der Entwicklung von Selbstwirksamkeit durch Kompetenzentwicklung und Partizipation. In der Initiierung und der Durchführung einer Schüler*innenfirma sind die verschiedenen Merkmale einer Handlungsorientierung erkennbar: Durch das Herstellen eines Produkts oder das Vorbereiten einer Dienstleistung ist realitätsnahes Handeln unumgänglich – denn nur durch die Auseinandersetzung mit fachlichen Themen kann eine Geschäftsidee sinnvoll und auch erfolgreich umgesetzt werden. In dieser Auseinandersetzung werden Schüler*innen automatisch zu Ko/Produzent*innen ihrer eigenen Lernprozesse. Sie probieren verschiedene Umsetzungswege aus oder spielen sie durch. Dabei können sie erkennen, auf welches Wissen sie zurückgreifen,

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Zur Moderne und Postmoderne: Lyotard 1987, 1999. Dewey/Kilpatrick 1935; Reich (Hg.): http://methodenpool.uni-koeln.de/projekt/frameset_projekt.h tml.

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auf welches sie aufbauen und welches sie sich noch aneignen müssen, um einzelne Schritte der Planung und Umsetzung gehen zu können. Die Schüler*innen haben ein Ziel: die Umsetzung einer Geschäftsidee, die für einen Wettbewerb oder für eine laufende Schüler*innenfirma tragfähig sein muss. Um diese Idee umzusetzen sind zielgerichtete, vollständige Handlungen notwendig, die die Schüler*innen möglichst eigenständig und von sich aus aktiv umsetzen. Sie sind aktiv im Sinne einer Problemlösung. Und um ihr Problem zu lösen, werden verschiedene Konstruktionen durchgespielt und angedacht, um die für sie passende zu finden. Und das weitere Kriterium der Ganzheitlichkeit ist erfüllt, wenn Lernende von Beginn an am Prozess beteiligt werden, die Ausrichtung einer Schüler*innenfirma oder einer Geschäftsidee entwickeln können, Ziele definieren, Lerninhalte mitbestimmen und praktische Umsetzungen vollziehen.79 Sie sind als ganze Person gefragt, die denkt, handelt, fühlt und über ihre Gesamtheit Entscheidungen trifft und agiert.80 Darüber lernen und erfahren die Schüler*innen selbstbestimmtes Lernen (Kriterien des Projekts vgl. Wöll 2011: 28f.). Sie erleben demokratisches Verfahren im Lernprozess selbst. Aus berufspädagogischer Sicht liegt eine Handlungsorientierung, die Verbindung von Theorie und Praxis ohnehin nahe. So werden Wurzeln des handlungsorientierten Unterrichts auch in frühen Ausbildungsformen gesehen.81 Handlungsorientierung soll zum beruflichen Handeln befähigen, durch Handlungen sollen fachliche Inhalte gelernt und Handlungen auf komplexe Situationen übertragen werden können. Handlungsorientierung soll zur kritischen Reflexion und verantwortungsbewussten Handeln befähigen.82 Im Sinne einer konstruktivistischen Pädagogik folgen nun Kriterien, die untrennbar mit der Umsetzung einer Schüler*innenfirma verbunden sein sollten und die letztlich die Verbindung zur Sozialen Arbeit herstellen werden. Prinzip Lernen in der Gruppe Die genannten Prinzipien einschließend, bedeutet Lernen im Projekt und nachhaltiges Lernen, dass Lernprozesse immer auch innerhalb und mit einer Gruppe stattfinden. 79

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Das Prinzip »Ganzheitlichkeit« wird von Dunker kritisiert: Ein symbolisch gesteuerter Vorgang wie Wahrnehmung, könne niemals mit Ganzheit erfasst werden, die Wechselwirkung von Erkenntnis und Interesse würde nicht erfasst werden. Der Begriff diene eher als Projektionsfläche für pädagogische Wunschvorstellungen. Anschlusskriterien bestünden nicht (vgl. Duncker 1989: 69). Mit einem ästhetischen und konstruktivistischen Blick, kann Ganzheitlichkeit nicht mehr auf den Prozess (des Lernens, der Wahrnehmung oder anderes) bezogen werden, sondern kann nur noch bedeuten, möglichst unterschiedliche, passende pädagogische Angebote zu machen, die Lernenden in ihrer Vielfältigkeit zu sehen. Vgl. dazu: Gudjons 2008; Meyser 2009. Soldaten, Kaufmänner vor 4.000-5.000 Jahren; Baumeister, Architekten im 17. Jahrhundert (vgl. Meyser 2009: 2). Wöll hingegen bezeichnet die Ausbildung von Architekten in den Akademien in San Luca als auch in Paris als Begründer der Projektmethode und grenzt sich damit von anderen Ansätzen ab, die die amerikanische Reformpädagogik, insbesondere Dewey als Begründer sehen (vgl. Wöll 2011: 196). Konsequenz heute ist, dass die KMK 1991 für die berufliche Bildung Handlungsorientierung festgeschrieben hat und die Fächertrennung seit 1996 zugunsten einer Lernfeldorientierung aufgegeben wurde, die Lernen über konkrete Handlungssituationen ermöglicht (vgl. Meyser 2009: 5f.).

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Soziale Kommunikation und soziales Lernen hält Stadelmann für besonders wichtig, da es eine ständige Auseinandersetzung mit den je eigenen individuellen Konstruktionen von Wissen bedeutet. Lernen bedeutet die ständige Auseinandersetzung mit bereits gemachten Erfahrungen und Wissensbeständen, die geprüft und angepasst werden. Es sind Erinnerungen, auf die rückgegriffen wird. Diese mit anderen gemeinsam zu gestalten hilft, die eigenen Bestände und Konstruktionen immer wieder mit anderen abzugleichen zu können (vgl. Stadelmann 2017: 11). Auch de Haan bekräftigt die Erkenntnis, dass selbstgesteuerte Lernprozesse zu erfolgreichem Lernen und Kompetenzen führen und insbesondere dann, wenn das Lernen kontextbezogen gestaltet wird. Das kann durch eine Verschränkung von individuellen Reflexionsphasen über eigene Lernerfolge, gemeinschaftlichen Lernen und der Auseinandersetzung mit den Lerngegenständen erfolgen. Das Potenzial liegt in der gegenseitigen Akzeptanz und Rücksichtnahme. Diese Aspekte sind dem Ansatz des situierten Lernens zu eigen (de Haan 2005: 1f.). »Man muss das situierte Lernen freilich nicht als Gegensatz zur individualisierenden Instruktion betrachten. Vielmehr erweisen sich Verschränkungen dann sinnvoll, wenn man an dem Prinzip der Lerngemeinschaften (Learning Communities) festhält. In Lerngemeinschaften konstituiert sich das Lernen als gemeinsamer aktiver Prozess, der auf dem gemeinsam geteilten Wissen ebenso ausruht wie auf dem gemeinsamen Kompetenzzuwachs. Das aktive Lernen ist dann am ehesten erfolgreich, wenn es Phasen der Reflexion und der Aufmerksamkeit gegenüber metakognitiven Strategien beinhaltet. […] Zu den Prinzipien erfolgreichen situierten Lernens gehört zudem, dass der Erwerb von gemeinsamen Überzeugungen und Einstellungen (etwa bezüglich der in der Schule gelebten Demokratie) und die Reflexion über deren Bedeutung in einer Lernkultur geschieht, die individuelle Entwicklungskorridore berücksichtigt und von einem Klima der Fehlertoleranz, gegenseitigen Rücksichtnahme und Unterstützung geprägt ist. Dies sind Bedingungen, die erfüllt sein müssen, um ein tieferes Verständnis der Lerngegenstände gewinnen zu können.« (de Haan 2005, 1) Die Schüler*innenfirma als handlungsorientierte Methode ermöglicht nicht nur realitätsnahes Handeln und ist ein Projekt, dessen Erfahrungsgewinn der Ansatz des situierten Lernens einen hohen Stellenwert bemisst. Sondern sie macht die Schüler*innen automatisch zu Ko/Produzent*innen ihrer eigenen Lernprozesse. Damit können Schüler*innen vorrangig in einer handelnden Rolle gesehen werden, in der sie sich aktiv, selbstbestimmt und gemeinschaftlich einer Situation, einem Problem stellen. Rolle der Pädagogen*innen Wird die Schüler*innenfirma als Projekt durchgeführt – entweder von Lehrer*innen oder außerschulischen Trägern begleitet – übernehmen die Pädagog*innen als Verantwortliche mehrere Rollen. Die Phasen der Projektarbeit Aufgabenfindung, Planung, Ausführung, Überprüfung und Weiterführung erfordert verschiedene Aufgaben. Auf der Ebene der Aufgabenfindung und Projektplanung sind sie diejenigen, die festlegen, wie die Rahmenbedingungen gestaltet werden können, innerhalb derer eine Schüler*innenfirma oder ein Wettbewerb umgesetzt werden kann und wie Schüler*innen selbstverantwortlich beteiligt werden können. Sie planen die einzelnen Schritte inhaltlich, methodisch und zeitlich. Im besten Fall sind mehrere Kolleg*innen für die Initiie-

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rung und Umsetzung verantwortlich, so dass Absprachen vorgenommen und Aufgaben und Verantwortung verteilt werden können. Gudjons unterteilt die Projektplanung in unterschiedliche Planungsprozesse, um die Projektmethode in Klassen einführen zu können. Das Ziel ist, ein gemeinsames Verständnis über den Ablauf und den Voraussetzungen des Projekts zu entwickeln. In einer zweiten Planungsphase arbeiten die Lehrkräfte den Ablauf aus, um diesen in der dritten und letzten Planungsphase mit den Schüler*innen abzusprechen (Gudjons 2008: 93ff.). Ein partizipatives Vorgehen wird im Projekt »kleinUnternehmen« besonders berücksichtigt. In der Durchführungsphase sollte soziales Lernen beachtet und gefördert werden. Einerseits durch die Anregung unterschiedlicher Methoden, andererseits auch durch Metainteraktion, um entstehenden Konflikten Raum zu geben und diese aufzuarbeiten. Eine Auswertung kann unterschiedlich erfolgen, wichtig dabei ist, dass Ergebnisse präsentiert werden (vgl. ebd.: 101f.). Das erfolgt bei einem Wettbewerb automatisch, denn am Ende des Projekts werden Ideen der Schüler*innenfirmen, als Ergebnis langer Arbeitsprozesse, in die Tat umgesetzt. Ihre Produkte oder Dienstleistungen werden verkauft. Dieses praktische Ergebnis wird sowohl durch eine ausführliche Rückmeldung einer Jury ausgewertet, wie auch durch alle Schüler*innen und den begleitenden Pädagog*innen selbst (weiter dazu Teil 3). Grundsätzlich beinhaltet die Projektmethode die Partizipation der Schüler*innen an Zielen und Inhalten (vgl. auch Wöll 2011: 222). Das bedeutet weder, dass Kinder und Jugendliche alles entscheiden können (vgl. ebd.: 32f.) oder im Kontext des Unterrichts die Lehrplanung völlig außer Acht gelassen werden kann (vgl. Gudjons 2008, 95f.). Was Ziel des Projektes sein soll, was erreicht werden will und wie das in den unterrichtlichen Alltag integriert werden kann, wird im Vorfeld von den Pädagog*innen abgeklärt. Das kann natürlich je nach Klassenstufen mit den Schüler*innen selbst mehr oder weniger intensiv besprochen werden. Spätestens und insbesondere in der Prozessbegleitung ist es für die Schüler*innen von Bedeutung, dass sich die Pädagog*innen zurückhalten und nicht die Rolle der Lehrenden und Lenkenden übernehmen. Um Prozesse der Selbstverantwortlichkeit und Selbstbestimmung zu ermöglichen, die Partizipation ebenso wie nachhaltiges Lernen ermöglichen, müssen methodische Wege gefunden werden, die viel Potenzial bieten, Verantwortung und Mitbestimmung an Kinder und Jugendliche abzugeben. Somit kann die eingenommene Rolle der Pädagog*innen nur die eines*einer Lernbegleiter*in sein, der*die Rahmen vorgibt, Strukturen aushandelt und Lernprozesse initiiert und begleitet. Und gerade weil Lernen soziales Lernen ist, spielt nicht nur das Lernen mit anderen eine Rolle, sondern ebenso das Lernen mit der Person, die Lernprozesse gestaltet. Es ist der Aspekt der Emotionalität, der hier im pädagogischen Bezug zum Tragen kommt. Neben der fachlichen Kompetenz der Pädagog*innen spielt es vor allem eine Rolle, ob sie in der Lage sind Lernende mitzunehmen und zu begeistern, ob sie deren Bedürfnisse erkennen und sie unterstützen können, aber auch, ob sie die Lernenden wertschätzen und Lernprozesse initiieren können (vgl. Stadelmann 2017: 12). Das Projekt bietet die beste Voraussetzung dafür, eine solche Beziehung herzustellen. Es ermöglicht den Einsatz unterschiedlichster Methoden und vor allem zeitliche Gestaltungsräume. Reich betont die Selbstbestimmungsrechte der Schüler*innen, die Pädagog*innen achten und möglichst umfassend einsetzten und einfordern müssen. Die Sinnkrise der

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Demokratie, die Reich zur Verdeutlichung heranzieht, hat sich verschärft. Dieser entgegenzuwirken, indem Schüler*innen erleben können, was Demokratie bedeutet, ist nach wie vor von elementarer Bedeutung: »Deshalb ist für uns Selbsttätigkeit nur dann hinreichend, wenn sie möglichst umfassend konstruktiv entfaltet wird. Sie muß die Möglichkeit bieten, Welt komplex erfahren und unterschiedliche Beobachterperspektiven selbst einnehmen zu können […]. Darin ist die Selbsttätigkeit sehr eng mit der Selbstbestimmung verbunden.« (Reich, 2002b: 64) Erwerb von Kompetenzen durch Handlungsorientierung An dieser Stelle nochmals zusammengefasst: Die Schüler*innenfirma als ein handlungsorientiertes Konzept, das als ganzheitliches, integratives Konzept an der Schule in verschiedenen Formen durchgeführt wird, hat pädagogische Zielsetzungen, die den Erwerb von fachlichen und persönlichen Kompetenzen zum Ziel hat, ebenso die Entwicklung von Eigeninitiative und damit zusammenhängend die Steigerung der Selbstwirksamkeitserwartung. Eine konsequente Handlungsorientierung nach benannten Kriterien bieten jene Voraussetzungen, die biographiebegleitendes Lernen ermöglichen können. Der Bezug zur beruflichen Ausbildung verdeutlicht sehr anschaulich, dass Theorie und Praxis verbunden werden sollte, um bestimmte Kompetenzen zu erwerben. Für die Schüler*innenfirma als integratives Lernkonzept bedeutet Handlungsorientierung auch, dass die pädagogischen Zielsetzungen erreicht werden wollen. Wie der Erwerb von fachlichen und persönlichen Kompetenzen, die Entwicklung von Eigeninitiative und damit zusammenhängend die Steigerung der Selbstwirksamkeitserwartung. Da hier ein ganzheitlicher Ansatz einer Schüler*innenfirma vertreten wird, die Soziale Arbeit verstärkt nutzen sollte, sind Zielsetzungen vorrangig, die auf individuelle Förderung und Stärkung der Eigeninitiative abzielt. Zwar wird durchaus grundlegendes ökonomisches Wissen und Fähigkeiten vermittelt, die für die Initiierung einer Schüler*innenfirma wichtig sind. Doch dieses Wissen kann sich, durch die Sozialen Arbeit durchgeführt, nach einem Lehrplan richten, aber ebenso nur thematisch anknüpfen. Es ist auch davon abhängig, ob und welche schulische Kooperation stattfindet. Wichtig ist, dass es an das Wissen und Können der Kinder anschließen kann. Als ein zusätzliches Projekt, zumindest als ein außerunterrichtliches, ist eine Schülerfirma freier in der inhaltlichen, zeitlichen und methodischen Ausrichtung. Wie hängt nun zusammengefasst Handlung und Kompetenz zusammen? Wann ist eine Handlung als kompetent zu bezeichnen oder wann führt eine Handlung zur Kompetenz? Wann bezeichnet der Kompetenzbegriff mehr, als nur die Beschreibung von Fähigkeiten und Fertigkeiten, die bewusst eingesetzt werden? Dann nämlich geht der Kompetenzbegriff im Qualifikationsbegriff auf (vgl. Vonken 2005: 132). Da unterschiedliche Handlungen zu unterschiedlichen Situationen passen können, können auch unterschiedliche Kompetenzen benannt werden, die abhängig von Beobachter*innen als kompetent oder auch als nicht kompetent beschrieben werden. Handlungen werden eher über Zuschreibungen zu einer kompetenten Handlung und sind weniger mit dieser identisch. Doch Vonken führt Kriterien aus, die kompetentes Handeln kennzeichnen:

1. Schüler*innenfirmen

Aktives, intentionelles Handeln: Es handelt sich hier um bewusstes Gestalten, die Bewältigung einer Situation, die erfolgreich ist. Um eine Handlung als erfolgreich beschreiben zu können, bedarf es der Ergänzung der Intension. Wenn also Intentionen in einer Situation verfolgt werden, kann ein Handeln zum Erfolg führen. Bewältigen von Situationen: Situationen, die bewältigt werden, sind im Kontext der Intention zu sehen. Nachdem aktiv gehandelt wurde, kann eine Situation bewältigt werden. Erzeugung von Situationen: Sie bewirkt, dass überhaupt erst die Möglichkeit besteht, kompetent zu handeln. Situationen sind Bestandteil der Lebenswelt und werden als solche nicht erzeugt. Sie sind Resultat der Wahrnehmung und der Möglichkeiten, die aufgrund der Biographie, der Sozialisation mitgegeben werden. In diesem Sinne ist Wahrnehmung kein intentionaler Akt, sondern eine Form der Reduzierung von Komplexität der Lebenswelt, die dann als Situationen erscheinen. Die Art und Weise jedoch, wie weitere Situationen entstehen können, für die jede*n neue Wahrnehmung stattfinden kann, ist ein Bestandteil von kompetenten Handeln (vgl. ebd.: 184f.). Um Schüler*innen die Möglichkeit zu geben, immer wieder Situationen entstehen zu lassen, ist ein Mehr an Welt, ein Mehr an Möglichkeiten, ein Mehr an Perspektiven, auch in Vonkens Sinne, notwendig, um Kompetenzen entwickeln und kompetent handeln zu können. Eine eigenständige Ideenentwicklung, die bis zur konkreten Umsetzung handelnd er- und bearbeitet wird, schafft viele Situationen, die beste Voraussetzungen für Kompetenzentwicklungen sein können.

1.3.2

Konstruktionen zulassen und einsetzen

Die konstruktivistische Perspektive kommt an verschiedenen Stellen des Ablaufs der Schüler*innenfirma selbst, aber auch grundsätzlicher Art zum Tragen. Die Auffassung von Begriffen wie Wirklichkeit oder Lernen, die hier eine Rolle spielen, die sich aus konstruktivistischer Perspektive neu stellt, spiegelt sich sowohl in den Zielsetzungen und damit auch in der didaktisch methodischen Planung und Umsetzung von Schüler*innenfirmen wider. Daraus können sich Fragen entwickeln wie Vorstellungen und Bilder von bestimmten Berufen oder der eigenen beruflichen Tätigkeit entstehen, wie sie rekonstruiert aber auch dekonstruktiviert werden können. »Wie wissen wir, was wir zu wissen glauben?« mit dieser Frage bringt Watzlawick die grundlegende Frage des Konstruktivismus, auch verschiedener konstruktivistischer Strömungen auf den Punkt (Watzlawick 1999: 9). Die erkenntnistheoretische Frage ist dabei keine neue und beschäftigt Philosophen seit der Antike. Die Erkenntnistheorie des Radikalen Konstruktivismus ist dabei mehr als Diskurs zu verstehen und verweist darauf, dass Theorien aus den unterschiedlichsten Wissenschaften zusammengefasst werden, wie die der Kybernetik, Biologie oder der Sprach- und Entwicklungspsychologie. Ihr gemeinsames Interesse ist die Art und Weise des Erkenntnisvorgangs und die Frage, welche Wirkungen und Resultate daraus folgen. Wesentliche Vertreter sind von Foerster mit seiner operativen Erkenntnistheorie, von Glasersfeld und seiner Theorie der Wissenskonstruktionen sowie Maturana und Varela mit ihren kognitionsbiologischen Arbeiten (vgl. Schmidt 1996: 13). Die unterschiedlichen Theorien eint die Annahme, dass eine objektive Wirklichkeit unabhängig von unserem Erleben nicht erkennbar

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ist und stellt deshalb den Erkenntnisprozess selbst in den Mittelpunkt des Interesses. Diese Annahme führt zu einem wesentlichen Ansatz des Konstruktivismus: Dem Beobachterkonzept. Es besagt, dass wir nicht in der Lage sind, die Dinge selbst zu erkennen, vielmehr das Erkennen abhängig von unserer Beobachtung ist. Demnach sind nur Beobachtungen, unsere Wahrnehmungen miteinander vergleichbar, aber nie die Dinge an sich. Entsprechend können unsere Wirklichkeitskonstruktionen im Sinne eines richtigen Erfassens einer objektiven, unabhängigen Außenwelt weder richtig noch falsch sein (Balgo 1998: 84). Da wir nur in der Lage sind, Wahrnehmungen miteinander zu vergleichen, nicht aber unsere Wahrnehmung anhand der Objekte selbst, spricht von Foerster in diesem Zusammenhang von der Illusion der Objektivität (vgl. ebd.). Das Verständnis von Wissen ändert sich mit dieser Auffassung: Wenn es nicht mehr um das Erkennen der Dinge an sich gehen kann, wir zu keiner Erkenntnis im Sinne einer identischen Abbildung der Wirklichkeit gelangen können, offenbart sich die Abhängigkeit der Wirklichkeit von unserer Wahrnehmung. Von Glasersfeld geht davon aus, dass wir nicht willkürlich zur Erkenntnis gelangen, sondern nur in dem Moment Erkenntnis herstellen, wenn sie für uns brauchbar ist. Erkenntnis muss uns lebensfähig machen und zu unserer Erfahrungswelt passen. In diesem Sinne nehmen wir nur das wahr, was zu unseren kognitiven Strukturen passt. Wissen kann auch diesbezüglich keine Einzigartigkeit für sich beanspruchen; eine passende Erkenntnis oder Problemlösung kann nie die einzig mögliche sein (vgl. von Glasersfeld 1999: 19ff.). Reich (2004) kritisiert an der Theorie des Radikalen Konstruktivismus die starke Ableitung menschlichen Verhaltens aufgrund biologischer Prozesse, wie sie insbesondere Maturana herausgearbeitet hat. Die direkte Übertragung auf Kommunikation oder Handlungen sei damit sehr subjektivistisch und schließe soziale und kulturelle Bedingungen aus. Diese sind insbesondere dann mit einzubeziehen, wenn es um Hinterfragung von Wahrnehmungsmustern oder grundsätzliche Verständigungen über Gegebenheiten geht. Nach Reich basiert menschliche Erkenntnis insbesondere auf kulturellen Tätigkeiten. Übertragen auf Lernprozesse folgt daraus die Erkenntnis, dass Lernende bei der Aneignung von Wissen dieses zunächst einmal neu erfinden müssen. Erst dann kann es entdeckt und angewendet werden. Der Aspekt der Anschlussfähigkeit spielt auch unter dieser Perspektive eine Rolle: Lerngegenstände müssen zunächst selbst konstruiert werden, was »eine Rekonstruktion kultureller Errungenschaften mit einschließt« (Reich 2004b: 105). Hier ist die Reflexion mit den Lehrenden über die Rekonstruktionen von Bedeutung: Welche Rolle haben Rekonstruktionen für einzelne im Sinne einer Viabilität? Oder welche weiteren »[…] neue Betonungen, Akzente, Modifikationen bis hin zum Vergessen gegenüber den möglichen Entdeckungen […]« sind erkennbar? Allein die Fragestellungen deutet darauf hin, dass »[…] es kein vollständiges oder abbildbar eindeutiges Wissen für alle Wirklichkeiten« gibt (Reich 2004b: 105). Zentrale Elemente der konstruktivistischen Didaktik leiten sich hieraus ab: Die Rekonstruktion vermittelt Entdeckungen, die an bereits gemachte kulturelle Praktiken, an Wissen und Routinen anschließt, um sich damit innerhalb einer Kultur bewegen zu können. Die Konstruktion ist die ganz eigene Erfindung im Moment, die immer im Kontext der bereits getätigten Konstruktionen zu bewerten ist und nicht unabhängig kultureller Gegebenheiten vollzogen wird.

1. Schüler*innenfirmen

Die Dekonstruktion bezeichnet die Ergänzungen und Veränderungen, die an eben jene Entdeckungen anschließen, um daraus neue Entdeckungen zu entwickeln oder neue Lösungen zu finden. Handlungen, die etwas Neues generieren oder Bekanntes in Neues überführen, jedoch viabel im Hinblick auf eigene Motivationen, Gefühle oder Interessen und »auf Handlung wirksam bezogen sind« sind die Konstruktionen (ebd.: 106). Lernen als ein aktiver Prozess bildet also keine Wirklichkeit ab, sie wird erst in Handlungen erzeugt. Dieser Annahme folgend, die Dewey durch seinen Ansatz »learning by doing« zusammenfasst, brauchen Lernprozesse immer Räume, die Handlungen ermöglichen. Dewey erweitert den Raum des Lernens über die Schule hinaus und erkennt, dass Lernen im Leben stattfinden muss und keine Trennung zwischen Schule und Lebenswelt vollzogen werden darf. Zudem ist auch die Auseinandersetzung mit den Konstruktionen der Anderen für Deweys Denken nicht nur für die Lernprozesse selbst, sondern auch für die Demokratie elementar. Das Bemühen um gegenseitiges Verständnis und Lernen ist immer erst durch Selbsttätigkeit, durch Handlungen möglich, was bedeutet, immer möglichst viele Handlungen in pädagogischen Konzepten zu ermöglichen. Reich betont, dass Wissenserzeugungen über Handlungen, eben nicht willkürlich erfolgen, sondern an Wissenskonstruktionen anschießen, die sich bereits als erfolgreich erwiesen haben (vgl. ebd.). So kann im Kontext der Schüler*innenfirma auf verschiedene Perspektiven eingegangen und Rücksicht genommen werden, die auch für eine interaktionistischkonstruktivistische Pädagogik leitend sind. 1. Perspektive: Re-De-Konstruktionen Kinder re-de-konstruieren: Die Schüler*innenfirma kann, wenn sie nicht mit Inhalten überfrachtet wird, dem Anspruch gerecht werden, »soviel learning by doing [Herv. i. O.] wie möglich« umzusetzen (Reich 2004b: 115). Durch Rekonstruktionen können bestehende Inhalte durch Übernahme und Nachvollziehen übernommen werden. In der Konstruktion erfinden sie neu und überprüfen durch Dekonstruktionen kritisch die Perspektiven und loten Neues aus. Wenn beispielsweise zu Beginn über verschiedene Rollenspiele Berufe oder berufliche Tätigkeiten besprochen werden, rekonstruieren Kinder zunächst ihnen bekannte Berufe oder Tätigkeiten. Gleichzeitig probieren sie sich im Spiel aus, kombinieren neu, experimentieren oder überlegen, welche Möglichkeiten darüber hinaus noch denkbar sind. Sie diskutieren darüber, wer welchen Beruf ausüben kann oder auch nicht, sie erfinden neue Möglichkeiten Geld zu verdienen oder entdecken Bedarfe, die nicht abgedeckt werden. Es bieten sich viele verschiedene Ankerpunkte, um bestehende (Rollen)Klischees, berufliche Themen und Perspektiven aufzugreifen, zu hinterfragen, neue zu entwickeln und mit unüblichen Ideen zu irritieren. Entsprechende Möglichkeiten bieten sich während der Entwicklung und Umsetzung der Ideen. Immer wieder werden im Prozess die Ideen der Schüler*innen abgeglichen mit Rekonstruktionen vorhandener Firmen, Geschäfte, Wünsche oder Ansichten der anderen Schüler*innen und auch immer wieder mit den eigenen Konstruktionen und Dekonstruktionen.

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Diesen Prozess unterstützen und fördern die Pädagog*innen, indem die Ergebnisse des handelnden Erarbeitens durch unter anderem Recherchen, Befragungen, Diskussionen oder Gestalten, immer wieder rückgebunden und widergespiegelt werden. So sollen die Schüler*innen immer wieder auch eine Rückversicherung und Impulse erhalten, um das eigene Vorhaben so zu gestalten, dass es umsetzbar wird. Stereotype dekonstruieren: Geschlechterstereotype sind weiterhin auch in pädagogischen Kontexten präsent. So leistet auch die Berufsorientierung ihren Beitrag eine geschlechtsorientierte Berufswahl zu verfestigen (vgl. Kap. 2.2). Auch der späte Beginn berufsorientierter Angebote trägt dazu bei. Doch gibt es diverse Möglichkeiten, auch mit kleinen Impulsen Wirkungen zu erzeugen: Der Aktionstag Girls’ Day/Boys’ Day greift diesen Aspekt auf und empfiehlt, verstärkt Schüler*innen bereits ab der 5. Klasse für diesen Tag einzubinden. Leichte Effekte lassen sich bei den Mädchen und Jungen, die an diesem Tag teilgenommen haben, feststellen. Sie können sich jeweils häufiger vorstellen, in einem Bereich eine Ausbildung zu absolvieren oder ein Studium aufzugreifen, das bislang noch wenig vom eigenen Geschlecht belegt wird, als jene Jugendlichen, die nicht an diesem Tag teilgenommen haben.83 Dieses Angebot zeigt, dass auch niederschwellige Angebote, die in der Durchführung nur auf einen Tag beschränkt sind, Wirkungen zeigen können. Es ist ein Angebot, durch welches Schüler*innen von Berufen erfahren, sie erleben und darüber eigene Konstruktionen beruflicher Tätigkeiten hinterfragen können. Eine konsequentere Einbindung in die Schule durch entsprechende Vor- und Nachbereitung könnte zur Nachhaltigkeit und kritischen Bewertung von beruflichen Perspektiven beitragen (vgl. Kompetenzzentrum Technik-Diversity-Chancengleichheit e. V. (Hg.) 2019: 9). Die Konstruktionen von Geschlechterstereotypen ließe sich hier in vielfältiger Weise diskutieren: Über die Bezeichnung und Notwendigkeit des Tags an sich, über die Bilder, die von unterschiedlichen Berufen transportiert werden oder vor allem über die Frage, was Mädchen und Jungen sich von ihrer beruflichen Tätigkeit wünschen und vorstellen. Wie werden vorhandene Konstruktionen von Berufen durch Schüler*innen rekonstruiert, welche Mechanismen tragen dazu bei und wie können neue konstruiert und alte dekonstruiert werden? 2. Perspektive: Das Symbolische, das Imaginäre, das Reale Imaginationen fördern: Das Symbolische ist in didaktischen Prozessen letztlich die Leistung, die Wissen und Bildung umsetzt und so die symbolischen Vorräte einer Gesellschaft weitergibt. Das Imaginäre als Ebene der Vorstellung und Gefühle weist in diesen Prozessen darauf hin, dass das Imaginäre nicht steuerbar ist, denn es gibt eine Grenze des Verstehens auch in Bezug auf die Lernenden (vgl. Reich 2004b) Gleichzeitig ist das Imaginäre sowohl Bestandteil der Pädagog*innen, die die Schüler*innenfirma

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Vgl. dazu ausführlich: Kompetenzzentrum Technik-Diversity-Chancengleichheit e. V. (Hg.) 2019: Beispielsweise geben bei der Frage, in welchen Tätigkeitsbereichen sie sich vorstellen können später zu arbeiten die Mädchen zu 37 Prozent (26 Prozent) technische Berufe und zu 31 Prozent (21 Prozent) Informatik oder IT-Berufe an. Die Jungen zu 37 Prozent (25 Prozent) soziale und erzieherische Berufe und zu 34 Prozent (20 Prozent) Gesundheit und Pflege an. In Klammern steht der Vergleichswert von Jugendlichen, die nicht am Aktionstag teilgenommen haben (vgl. ebd.: 14).

1. Schüler*innenfirmen

methodisch planen, als auch der Schüler*innen, die ihre Schüler*innenfirma umsetzen. Das Reale relativiert sowohl das Symbolische als auch das Imaginäre. Es sind die Gegebenheiten der äußeren Welt, die immer wieder unerwartet auftauchen, Gewissheiten auflösen können, die schrecklich oder schön erscheinen können. (vgl. Reich 2004b: 108). Daran werden sich die Imaginationen aller Beteiligten stoßen, wenn es um die konkrete Planung, Ausarbeitung und praktische Umsetzung geht. Dabei braucht die Umsetzung einer Schüler*innenfirma durchaus symbolische Vorräte, um den Rahmen des Ablaufs abzustecken und eine Umsetzung zu ermöglichen. Darüber hinaus wird auch der Weg beschrieben, was berufliche Orientierung in unterschiedlichen Altersgruppen sein kann. Je älter die Schüler*innen sind, je konkreter können Bedingungen und Möglichkeiten der beruflichen Orientierung weitergegeben werden. Die Imagination der Schüler*innen bieten Potenziale, darüber hinaus zu denken und Impulse zu setzen. Die Aufgabe der Pädagog*innen ist es, Imaginationen zuzulassen und nicht zu früh an symbolischen Vorräten zu messen. Je offener der pädagogische Prozess gestaltet werden kann und Ideen ernst genommen werden, auch jene die zunächst abwegig erscheinen, umso besser können biographische Zugänge erkannt werden. Durch das selbstständige Erarbeiten und Ausarbeiten der Ideen für eine Schüler*innenfirma, werden die Schüler*innen mit dem Realen konfrontiert, erhalten Rückmeldungen, welche Idee auf Zuspruch stößt, machbar ist oder von den Schüler*innen selbst zu schaffen ist und welche nicht. Dieser Prozess braucht durchaus Zeit und insbesondere das Vertrauen darauf, dass die Schüler*innen vieles selbst und eigenständig können. 3. Perspektive: Beobachter*in, Teilnehmer*in, Akteur*in Die bereits beschriebenen Perspektiven können insbesondere bei der Gestaltung und Reflexion des Projekts helfen und dabei, die Positionen der Schüler*innen einzuschätzen. Aus konstruktivistischer Sicht können wir Welt immer nur als Beobachter*in wahrnehmen. In der Beobachtung werden als Grundlage zur Einschätzung unserer Umwelt und zur Einschätzung unseres Handelns und Wissens Selbst- und Fremdbeobachtungen vorgenommen. Diese müssen viabel sein, d.h. sie müssen zu unseren vorherigen passen, wie auch zu unseren bereits getätigten Konstruktionen. Es können auch Inhalte und Beziehungen beobachtet werden. In Verständigungsgemeinschaften sind wir jedoch nicht nur Beobachter*in, sondern immer auch Teilnehmer*in oder Akteur*in. Als solche*r übernehmen wir Vorannahmen über diese Verständigung in unser Wissen und Handeln. Diese zu verdeutlichen ist nach Reich eine aus konstruktivistischer Sicht wichtigste Aufgabe des Verständigens (vgl. ebd.: 110ff.). Die von Reich differenzierten Rollen nehmen alle ein, sowohl Pädagog*innen als auch Schüler*innen. Unterschiedliche Fragestellungen, Spannungsfelder oder auch pädagogische Handlungsmöglichkeiten können dadurch sicht- und denkbar gemacht werden. Die Beobachter*in ist gleichzeitig Teilnehmer*in in einer Verständigungsgemeinschaft. Das können verschiedene sein: Zugehörige*r einer bestimmten Ethnie, einer bestimmten politischen oder ökologischen Bewegung oder Schüler*in einer Schule. Innerhalb der Gemeinschaft sind Teilnehmer*innen immer rückgebunden an die Werte, Inhalte und Ziele der Gemeinschaft. Je nach Verständigungsgemeinschaft können

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sich Beobachtungen ändern, auch Widersprüche oder innere Konflikte entstehen. Die Beobachter*in, als Selbst- oder Fremdbeobachter*in kann grundsätzlich nicht nur alles Denken, Handeln und Fühlen beobachten, sondern auch Einstellungen, Werte oder Haltungen. Die Beobachtungen werden aus der ganz eigenen Position heraus getroffen, die jedoch nicht isoliert und unabhängig von kulturellen oder gesellschaftlichen Gegebenheiten erfolgt. Beobachtungen erfolgen immer, wiederkehrende Beobachtungen werden in einen Zusammenhang gebracht, sie erfolgen nach Interessen, Prägungen, Vorurteilen und anderen Einschränkungen des Blickes (vgl. ebd.). Deshalb ist in einer konstruktivistischen, ästhetisch orientierten Pädagogik und Didaktik die Öffnung des Blicks von so großer Bedeutung: Um mehr sehen, neu urteilen, andere achten und Vieles denken zu können. Der Akteur, die Akteurin ist jene*r, die*der sich in Aktion begibt. Das kann reflektierend nur erfolgen, wenn Beobachtungen erfolgt sind und die Rolle als Teilnehmer*in berücksichtigt wird. Ist dies nicht der Fall, sind Aktionen sehr spontan, die Teilnehmer*innenrolle wird idealisiert oder befindet sich im Spannungsfeld zur Aktion. Als Akteur*in erleben wir in Handlungen, ob unser Vorstellungen und Theorien wirksam sind (vgl. Reich, 2002a: 90ff.). Die konkrete Arbeit für und in einer Schüler*innenfirma bietet in ihren unterschiedlichen Angebotsformen und Inhalten viele Möglichkeiten, um sich den eigenen Rollen bewusst werden zu können. Die Spannungsfelder, die innerhalb des Projektablaufs entstehen können sind groß, zumal sie in Verbindung von ganz individuellen und gruppenspezifischen Vorstellungen auftreten. Rollen ausprobieren: Wesentliche Perspektiven, die Reichs Ansatz bietet, sind verbunden mit unseren unterschiedlichen Blicken auf die Welt. Wenn wir als Beobachter*in blicken, befinden wir uns außerhalb des Geschehens und versuchen zu verstehen, als Teilnehmer*in erkennen wir die unausgesprochenen Muster und Regeln, als Akteur*in agieren wir innerhalb dieser. Schüler*innen, egal welchen Alters, haben die Möglichkeit, unterschiedliche Perspektiven einzunehmen. Sie sind Lernende, wenn sie wissen wollen, wie sie ihre Geschäftsideen umsetzen können, aber Chef*in oder Organisator*in, wenn die eigene Idee konkretisiert, der eigene Verkauf geplant und umgesetzt wird. Innerhalb ihrer Gruppe erleben sie ebenso unterschiedliche Rollen, je nachdem, welche Aufgaben sie wie verteilen oder übernehmen und je nachdem, wie die Gruppendynamik entwickelt wird. Die Aussagen, die Schüler*innen in der Evaluation als Antwort gaben, verdeutlichen, dass sie in ihren Rollen antworten oder sich zumindest auf sie beziehen. Sie fühlen sich erwachsen, was mit ihrer Rolle als Verantwortliche zu tun hat; sie fühlen sich kundig und antworten mit Fachbegriffen, was ihrer Rolle als Fachkraft entspricht. Sie erkennen, was sie gelernt haben und was sie können. Sie trauen sich zu, Dinge auszuprobieren, die sie zuvor noch nicht gemacht haben. Für die Kinder, die am Projekt beteiligt waren, war das Thema Schüler*innenfirma etwas völlig Neues. Sie waren damit alle in der gleichen Position, konnten alle verschiedene Rollen einnehmen und ausprobieren. Und sie waren aufgefordert, etwas Eigenes auszuprobieren, etwas, was ihren Vorlieben und Fähigkeiten entspricht. Viele Kinder konnten dadurch neue Fähigkeiten und Vorlieben bei sich selbst entdecken. Perspektivwechsel und Rollentausch in geschützter Umgebung ist das, was in der Umsetzung ihrer eigenen Geschäftsidee möglich wird und leicht ausprobiert werden kann: Kinder geben in der Auswertung die Rückmeldung, sich ernst genommen, sich als Erwachsene gefühlt

1. Schüler*innenfirmen

zu haben. Die Gründe hierfür stehen insbesondere im Zusammenhang mit der Übernahme von Verantwortung und dem Ernstnehmen ihrer eingebrachten Ideen. All diese Eindrücke zusammengefasst lassen erkennen, dass sich die Kinder in einer selbsttätigen Rolle befinden und diese als solche sehr wohl wahrnehmen. In dieser trauen sie sich ein selbstständiges, verantwortungsvolles Handeln zu; sie fühlen sich selbstwirksam. Blicke irritieren: Die Lehrer*innen, deren Klassen an dem Forschungsprojekt teilgenommen haben, sind nicht mehr Akteur*innen in ihren Klassen. Sie übernehmen die Rolle der Beobachter*innen oder auch der Teilnehmer*innen. Als Beobachter*innen halten sie sich aus dem kompletten Ablauf zurück und übergeben die Verantwortung den Projektbegleiter*innen. Sie sind im Hintergrund tätig, indem sie sich im Vorfeld für das Projekt einsetzen und/oder Wünsche äußern, es mit ihrer Klasse durchführen zu wollen. Sie übernehmen die Organisation innerhalb der Schule, wenn es um zeitliche, räumliche oder materielle Bedarfe geht und besprechen fächerübergreifende Anliegen mit den Kolleg*innen. Bei Bedarf geben sie Hintergrundinformationen über Schüler*innen und agieren als Vertrauensperson der Schüler*innen an Schnittstellen zwischen den Schüler*innen und den Projektbegleiter*innen. Diese neue Position ermöglicht den Lehrkräften einen neuen Blick auf ihre Schüler*innen. Sie sind befreit von der Aufgabe, bestimmte Inhalte vermitteln zu müssen, geben die inhaltliche, räumliche und personale Gestaltung ab. Benotungen finden nicht statt. Damit können sich Lehrer*innen neu auf den Ablauf einlassen und insbesondere beobachten. In der Regel gab es nach jeder Durchführung die Rückmeldung der Lehrkräfte, dass sie stolz auf ihre Schüler*innen sind und von den Ergebnissen beeindruckt. Von einzelnen Schüler*innen haben sie eine erfolgreiche Teilnahme (in vielerlei Hinsicht) nicht erwartet. Der Blick auf Schüler*innen wird durch Irritation der gewohnten Perspektive erweitert. Auch den Eltern, der Familie und auch den Freunden der Schüler*innen kommt eine neue Rolle zu. Zwar sind sie auch sonst Beobachter*innen des Schulgeschehens, vielleicht auch Teilnehmer*in, wenn sie ihren Kindern bei den Herausforderungen der Schule helfen. Durch das Projekt werden sie teilweise von ihren Kindern in Anspruch genommen, wenn diese Ideen haben, die nur durch Begleitung von Erwachsenen umgesetzt werden können. Auch die Eltern erhalten die Chance, ihre Kinder anders wahrzunehmen. Nachhaltigkeit: Das Prinzip der Nachhaltigkeit geht der Frage nach, wie Lerninhalte nachhaltig wirken. Unter bildungstheoretischer Perspektive kann es ebenso um die Entwicklung von Lerninhalten im Hinblick einer nachhaltigen Entwicklung gehen (vgl. Reich 2018a). Aus konstruktivistischer Perspektive führt die Frage, wie die gemachten Lernprozesse nachhaltig wirken können, insbesondere zum emotionalen Aspekt des Lernens. Reich benennt Emotionen als mehr als nur Reize, die auf Lernende kurzfristig einwirken. Vielmehr sollten Emotionen grundlegend sein und sich auf die gesamte Lernumgebung auswirken: »[…] in den Beziehungen der Lernenden untereinander, zu den Lehrenden, zur zeitlichen, räumlichen, kulturellen, sozialen Umgebung, im Erscheinen des Problems in einer Situation, dem Ereignis, seiner Relevanz und Bedeutung« (Reich 2010: 45). Eine solche tiefgreifende emotionale Verbindung kann dann erreicht werden, wenn Lernende auch tatsächlich an einem Problem arbeiten, es sehen oder finden, einen Sinn erkennen können und selbst handelnd tätig werden. Daneben

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und damit verbunden ist es auch die Rolle, die Lernenden zugedacht wird: als Erfinder*in, Entdecker*in und Enttarner*in von Wirklichkeit ist es ihnen möglich, selbst aktiv zu werden, auszuprobieren, neu zu erfinden, aber auch wieder zu dekonstruieren, wenn andere Perspektiven eingenommen werden (vgl. ebd.). Das Einnehmen unterschiedlicher Perspektiven bietet sich gerade innerhalb einer Schüler*innenfirma an vielen Stellen an, gerade weil die Ziele der Schüler*innenfirma von so grundsätzlicher Art sind und über das Erlangen fachspezifischer Kompetenzen weit hinausgeht. Gleichzeitig kann die Schüler*innenfirma als ein Baustein einer kohärenten Berufsorientierung gesehen und dahingehend perspektivisch konzipiert werden (vgl. Kapitel 2). Gerade als ein solcher Baustein ist die Nachhaltigkeit der Lernerfahrungen von Bedeutung. Denn auf diese Erfahrungen soll im besten Fall zu einem anderen Zeitpunkt und in einem anderen (pädagogischen) Kontext zurückgegriffen werden. Es geht an dieser Stelle um die Frage, welche Kompetenzen zukünftig von Bedeutung sein werden, die für ein lebenslanges Lernen als Voraussetzung notwendig sind. Unter einer lerntheoretischen Perspektive geht es um die Frage, wie eine lebenslange Lernbereitschaft bei Lernenden entwickelt werden kann, wie das, was gelehrt wird, auch praktische Relevanz erhält und die Handlungskompetenz steigert (vgl. Schüßler 2004: 150). Als pädagogisches Kriterium zielt es darauf ab, dass Lern- und Erfahrungsprozesse langfristig wirken, Wissen nicht nur konsumiert, sondern bei den Lernenden verankert wird und darauf aufbauend reflexiv verwendet werden kann. Nachhaltiges Lernen lässt den Kreis zwischen lebenslangen, biographischen, selbstbestimmten und auch kompetenzorientierten Lernen schließen. Die Einigkeit darüber, dass ohne Emotionalität und ohne Sinnhaftigkeit nicht nachhaltig gelernt werden kann (vgl. Hattie 2013; Schüßler 2004; Stadelmann 2017; Arnold 2002), führt zu verschiedenen Ansätzen, die diese Zusammenhänge verdeutlichen. Schüßler interessiert neben der Frage der Aneignungsprozesse »welche emotionalen und biographischen Erfahrungen das Lernen nachhaltig beeinflussen«, ebenso die Frage »welche Ansichten und Strategien Erwachsenenbildner*innen verfolgen, um nachhaltige Kompetenzentwicklung zu fördern« (Schüßler 2004: 150f.). Sie untersucht Prozesse bei Erwachsenen und befragt sie im Zeitraum von sechs Jahren dreimal, um aus ihrer Sicht zu erfahren, welche Aspekte für ein nachhaltiges Lernen von Bedeutung sind. Als herausragenden Aspekt kristallisiert sie jenen der Irritation heraus. Irritationen entstehen durch Situationen, die aus dem Vorhersagbaren hervortreten, auch destabilisierend und konflikthaft sein können. Was Irritation allerdings auslösen, sind starke Emotionen. Diese wiederum bewirken, dass sich Lernende auch Jahre später an Lerninhalte erinnern können – diese sind mit dem emotionalen Lernereignis verknüpft, damit verankert und abrufbar. Begründet wird dieser Effekt mit neurophysiologischen Prozessen. Allerdings wird in Frage gestellt, ob negative Emotionen ebenso nachhaltiges Lernen bewirken können (vgl. ebd.: 152f.). Auf den Einfluss neuronaler Prozesse und der genetischen Ausstattung nimmt auch Stadelmann Bezug. Er betont das Zusammenspiel und den Einfluss individueller genetischer Ausstattung und die Förderung der Kinder durch Eltern, Schule und Peer Group. Dieses sei grundlegend für die Fähigkeit zum nachhaltigen Lernen. Und da Wahrnehmung auch kein Prozess ist, der Informationen eins zu eins abbildet, sondern immer geprägt ist durch unsere bisher gemachten Erfahrungen, sind ebenso die biographisch

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gemachten Wahrnehmungsmuster und die sinnliche Wahrnehmung von großer Bedeutung. Damit spielen die Erkenntnisse über neuronale Prozesse den Erkenntnissen der Psychologie zu und verstärken die Beachtung subjektiver, biographiegeleiteter Zugänge innerhalb von Lernprozessen (vgl. Stadelmann 2017: 10). Damit Lernen also nachhaltig sein kann, muss Wissen an die Lernerfahrungen von Lernenden anschließen, es sollte als »Sprungbrett« für weitere Lernprozesse dienen (Stadelmann 2017: 13). Bei der Gestaltung von Lernprozessen sollte mitbedacht werden, dass, weil alle Lernenden unterschiedlich sind, es nur heterogene Lerngruppen gibt. So muss um so mehr beachtet werden, dass Lernangebote dennoch für alle anschlussfähig sind. Und auch die Lehrenden selbst haben immer einen Einfluss auf die Lernenden, da Lernprozesse ebenfalls an einen emotionalen Bezug gekoppelt sind. Emotionalität spielt für das nachhaltige Lernen in zweierlei Hinsicht eine Rolle: Einerseits durch den Bezug, den Lernende zu den Lerngegenständen herstellen, wie andererseits durch den pädagogischen Bezug, der zu den Pädagog*innen selbst hergestellt wird. Hattie (2013) hat darauf hingewiesen, dass der pädagogische Bezug für den Lernerfolg von entscheidender Bedeutung ist. Auf die eigene Schullaufbahn zurückblickend, kann jede*r meist bestätigen, dass insbesondere jene Lehrkräfte erinnert werden, zu denen ein gutes Verhältnis bestand oder die andere starke Emotionen ausgelöst haben. In den durchgeführten Projekten »kleinUnternehmen« wurde mit kleinen Gruppen mit enger pädagogischer Begleitung gearbeitet. Die Gruppen arbeiteten auch selbstständig mit unterschiedlichen Aufgabenstellungen. Es zeigte sich, dass der Bezug zu den einzelnen Pädagog*innen stark war und auch über das Projekt hinaus Bestand hatte. Wie nachhaltig das Forschungsprojekt hinsichtlich verschiedener Kompetenzen, biographischen Lernens und insbesondere der Selbstwirksamkeit wirkt, muss in einer weiteren Studie erforscht werden. Bislang gibt es nur vereinzelte Rückmeldungen, die beispielsweise aber dazu führten, das Projekt »kleinUnternehmen« an Schulen als ein regelmäßiges Angebot zu etablieren. Das Projekt »kleinUnternehmen« ermöglicht Nachhaltigkeit, da die Kinder eine Sinnhaftigkeit der Inhalte erfahren. Sie ergibt sich durch einen Bezug der Inhalte zur Lebenswelt der Lernenden und deren Vorwissen. »Eine Schülerin/ein Schüler verfügt also über Kompetenz, wenn sie oder er zur Bewältigung einer Situation vorhandene Fähigkeiten nutzt; dabei auf vorhandenes Wissen zugreift und sich benötigtes Wissen verschafft; die zentralen Zusammenhänge eines Lerngebietes oder eines Fachbereiches verstanden hat; angemessene Lösungswege wählt; bei ihren oder seinen Handlungen auf verfügbare Fertigkeiten zurückgreift; ihre oder seine gesammelten Erfahrungen in ihre oder seine Handlungen mit einbezieht« (Criblez/Oelkers/Reusser et al. 2009 in Stadelmann 2017: 13).

1.3.3

Partizipation ermöglichen und fördern

Den Zusammenhang von Pädagogik und Partizipation arbeitet Dewey in seinem Werk »Democracy an Education« (Dewey 2016) heraus und überträgt Prinzipien demokratischer Erziehung auf das Schulsystem. Was kann Partizipation für das alltägliche professionelle Handeln bedeuten? Die beschriebenen Möglichkeiten (vgl. Kap. 1.2.1.1) leiten sich durch eine politische Definition von Partizipation ab und münden entsprechend bei mehr oder weniger formalisierten Formen der Beteiligung, beispielsweise an der

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

Schule durch die Schüler*innenmitverwaltung. Dass Adressat*innen der Sozialen Arbeit bei Entscheidungen, die sie selbst betreffen mit eingebunden werden sollen oder ein Mitspracherecht erhalten, scheint einerseits selbstverständlich und damit fast banal ist doch Partizipation für ein demokratisch verfasstes System grundlegendes und damit selbstverständliches Prinzip. Erstaunlicher deshalb, dass Partizipation dafür wenig operationalisiert ist und eine Theorie für das Handeln fehlt (vgl. Kap. 2.1). Ein Anliegen Sozialer Arbeit ist es, den Menschen wieder zu Selbstbestimmung und Selbstbewusstsein zu verhelfen, die sie aufgrund ihrer Situation oftmals nicht mehr haben. Dafür sind Methoden oder Prinzipien wie Empowerment für die Soziale Arbeit leitend. Trotzdem stellt sich die Frage, wie in der Praxis Prinzipien der Partizipation verbindlich eingesetzt werden können. In der Praxis wird deutlich, dass es bei einer konsequenten Übertragung nicht nur finanzielle oder gesetzliche Schranken gibt, sondern dass ein Übergehen partizipativer Elemente das praktische Vorgehen für die Sozialarbeiter*innen und Sozialpädagog*innen scheinbar erleichtert, es zumindest beschleunigen kann. Das mag aufgrund der Arbeitsanforderung in vielen Bereichen ein nachvollziehbares Vorgehen sein. Pluto hat in ihrer empirischen Studie untersucht, wie Partizipation in den Hilfen zur Erziehung umgesetzt wird oder auch nicht. Dafür führte sie Interviews mit Fachkräften, Eltern und Jugendlichen durch (vgl. Pluto 2007). Interessant sind unterschiedliche Perspektiven, die auf Partizipation geworfen werden. Einerseits gilt Partizipation als positive Utopie, die von den Fachkräften angestrebt, aber nicht immer umgesetzt werden kann. Kriterien der Partizipation sind aus Sicht der Fachkräfte das ernsthafte Beteiligen, eine wertschätzende Haltung, Transparenz, Ressourcenorientierung, der Konsens und ein gemeinsamer Weg mit allen Beteiligten (vgl. ebd.: 75-79f.). Dem gegenüber erkennt Pluto drei Abwehrmuster, die sie auf die Schwierigkeit zurückführt, dem Anspruch der Partizipation gerecht zu werden. Das erste Abwehrmuster fasst Begründungen zusammen, die auf eine Entgrenzung von Situationen, auf die Angst des Kontrollverlustes und der Sorge beruht, partizipatives Verhalten impliziere die völlige Orientierung pädagogischen Handelns an den Adressat*innen. Partizipation solle stattdessen Grenzen haben (vgl. ebd.: 80ff.). Das nächste Abwehrmuster ist die Wahrnehmung von Partizipation als Bedrohung für die eigene Fachlichkeit. Es fasst Sorgen zusammen, die mit der Angst des eigenen Machtverlusts einhergehen und Selbstverständlichkeiten in Frage stellen. Gerade in Behörden wie dem Jugendamt, wo Hilfe und Kontrolle zusammenfließen und durch Mitarbeiter*innen umgesetzt wird, ist es schwierig, partnerschaftliches Handeln, als Ausdruck eines partizipativen Vorgehens zu realisieren. Adressat*innen können dieses aufgrund der Doppelfunktion oft nicht annehmen. Ihre Situation und ihr Selbstbild, das oft geprägt ist von niedriger Bildung, Suchterkrankung oder mangelnder Erziehungskompetenz, gestaltet ein Handeln auf Augenhöhe schwierig, weil Machtgefälle deutlich werden und sich durch Konflikte in der Fallbewertung bemerkbar machen (vgl. ebd.: 88f.). Das letzte Abwehrmuster fasst Pluto mit »Beteiligung ist zum Scheitern verurteilt« zusammen (Pluto 2007: 100). Die verschiedenen Argumentationsstränge sind durch eine Desillusionierung gekennzeichnet. Gründe liegen in der schwierigen Umsetzbarkeit innerhalb alltäglicher Aushandlungsprozessen, im Desinteresse der Beteiligung der Jugendlichen selbst und in dem Verständnis, Adressat*innen oft zur Hilfe überreden zu müssen (vgl. ebd.: 100ff.).

1. Schüler*innenfirmen

Pluto findet drei Erklärungen, die dazu führen, dass Adressat*innen ihr Recht auf Partizipation nicht einfordern: Das ist die Situation in der sich die Adressat*innen befinden und die emotionale Auswirkungen wie Wut, Scham oder Hilflosigkeit hervorruft. Es ist der Anstieg an psychischen Erkrankungen, auch bei Kindern und Jugendlichen, die geeignete Hilfe für psychisch erkrankte Eltern oder psychisch erkrankte Kinder notwendig machen. Und es sind die unterschiedlichen Erwartungen, die Adressat*innen an die Hilfen haben, die nicht unbedingt die Erwartung beinhalten, Hilfen beständig durch einen Aushandlungsprozess zu erhalten (vgl. ebd.: 112ff.). Pluto sucht neben den Fachkräften auch Antworten bei den Adressat*innen selbst. Oft wissen sie nicht, wie die Hilfen des Jugendamtes strukturiert sind und entwickeln entsprechend keine Haltung dieser Institution oder den Mitarbeiter*innen gegenüber (vgl. ebd.: 116). Das Image des Jugendamtes ist abhängig davon, wie sie die Fachkräfte dort erleben. Oft fühlen sie sich nicht ernst genommen oder sind sich über Aufgabenstellungen der Mitarbeiter*innen nicht klar. Auf die Idee, selbst etwas einfordern zu können, kommen sie nicht (vgl. ebd.: 120, 124). Machtasymmetrien wirken sich hemmend auf einen Partizipationsanspruch aus. Die von Pluto herausgearbeiteten Aspekte sind zwar auf den Bereich der Hilfen zur Erziehung bezogen und die Analysen aufgrund der Doppelfunktion Sozialer Arbeit nicht unbedingt direkt auf alle Bereiche Sozialer Arbeit übertragbar. Doch sind die herausgearbeiteten Merkmale für eine Ableitung einer partizipativen Perspektive interessant und durchaus grundlegend. Einerseits spiegeln die Aspekte notwendige Kriterien partizipativen Handelns wider, wie echte Beteiligung oder Transparenz der Hilfen und des Vorgehens. Andererseits sind Bedingungen genannt, die aus Sicht der Beteiligten gegeben sein müssten, um sich überhaupt auf partizipative Prozesse einlassen zu können oder sie gar einzufordern. Dazu zählen respektvoller Umgang, Information und Transparenz über tatsächliche Möglichkeiten der Machtausübung. Es konkretisiert sich an dieser Stelle die Bedeutung des Capability Approachs: Die Gegebenheiten zur Entwicklung und Inanspruchnahme eigener Rechte sind in diesen Szenarien nicht oder nur eingeschränkt gegeben. Je nach Anliegen der Adressat*innen können mehrere Befähigungen nicht eingelöst werden. Pluto stellt Forderungen auf, die für eine Verwirklichung von Partizipation im Bereich Hilfen zur Erziehung wichtig wären. Neben strukturellen Veränderungen wie eindeutige Regelungen und Verfahren, Informationen und Schulungen für alle Beteiligten, plädiert sie dafür, Methoden für die Beteiligung vor allem für Kinder zu entwickeln. Innerhalb formaler Verfahren solle sich dann erweisen, »ob Partizipation mit Leben gefüllt werden kann.« (Pluto 2007: 282). Wichtig sei, so Plutos Diagnose, Partizipation nicht als starres Prinzip, sondern als »Bedingung für den Prozess selbst« zu erachten, um Partizipation als handlungsleitendes selbstverständliches Prinzip zu etablieren (Pluto 2007: 283). Ihre Forderungen lassen sich über den Bereich Hilfen zur Erziehung hinaus generalisieren: Wenn Partizipation Handlungsmaxime sein soll, müssen auf zwei Ebenen bestimmte Strukturen und Bedingungen gegeben sein: Einerseits müssen auf Seiten der Institutionen entsprechende Unterstützungs- und Handlungsmöglichkeiten angeboten werden, die sich in Kommunikationsformen und Zusammenarbeiten ausdrücken. Andererseits sollte sich auf der Ebene der Zusammenarbeit mit den Adressat*innen eine

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

Anerkennung der Adressat*innen ausdrücken und verdeutlichen. Dazu zählen Aspekte wie ein ausreichender zeitlicher Rahmen für Gespräche oder die weitere Gestaltung der Rahmenbedingungen wie die der Räume und der Informationsweitergabe und transparenz. Fachkräfte sollten sich dabei »[…] den eigenen Konstitutionsbedingungen und normativen Rahmungen ihres Handelns immer wieder bewußt werden« (Pluto 2007: 276). Als Perspektive erarbeitet Pluto Kriterien auf der Ebene der Zusammenarbeit mit den Adressat*innen und den Bedingungen der Institutionen heraus: •









Strukturelle und individuelle Aspekte: Die Übertragung eines politischen Anspruchs auf pädagogisches Handeln ist nicht einfach. Viele Fachkräfte sehen Partizipation insbesondere durch individuelles Vorgehen umgesetzt und denken weniger an strukturelle Bedingungen. Voraussetzungen und Bedingungen zur Partizipation werden so individualisiert, sind von Personen abhängig und damit nicht kalkulierbar. Auch wenn das individuelle Vorgehen von großer Bedeutung ist, sind strukturelle Bedingungen notwendig. Sicherung der Beteiligung durch institutionelle Verfahren: Beteiligungsverfahren können beispielsweise in Einrichtungen umgesetzt werden, durch Adressat*innenvertretung auf Trägerebene oder trägerübergreifende Interessenvertretungen für unterschiedliche Angebotsformen auch auf Bundes- und Landesebene. Beteiligung als integraler Bestandteil: Klare Regeln und Verfahren ermöglichen allen Beteiligten und Institutionen, verschiedene Wege der Beteiligung; Methoden insbesondere für jüngere Kinder und die Nutzung der Einrichtungen als pädagogische Orte, können partizipatives Handeln verwirklichen. Integration und Selbstbestimmung: Neben der Möglichkeit, partizipatives Handeln umzusetzen, gilt es auch, Partizipation nicht nur individuell zu verstehen. Das ist ein wichtiger Hinweis: Denn tatsächlich geht es in der Diskussion um die bestmögliche Einbeziehung der Adressat*innen darum, die bestmögliche individuell zugeschnittene Hilfe zu gewährleisten. Aber in vielen Bereichen ist das Gruppengeschehen, innerhalb dessen die Hilfen auch stattfinden, nicht mitbedacht. So sollten ebenso Partizipationserfahrungen innerhalb einer Gruppe ermöglicht werden, um Gruppen dabei zu unterstützen, Identifikationsgefühle zu entwickeln, die dazu führen, sich auch für Belange der Gruppe einsetzen zu wollen, beziehungsweise kollektive Formen der Mitbestimmung zu entwickeln (vgl. ebd.: 284). Auch Reich plädiert für eine stärkere Einbindung der Gruppe. Dabei bezieht er sich auf die Didaktik einer nachhaltigen Bildung. Eine Möglichkeit, nicht nur nachhaltig zu lernen, sondern auch partizipatives Unterrichtshandeln zu ermöglichen ist dafür das Lernen in der Gruppe. Dabei können auch Gruppenleistungen bewertet werden und der Wettkampf zwischen den Gruppen als Motivation genutzt werden. Eine Teamleistung entspricht zudem stärker den Anforderungen der Gesellschaft und Arbeitswelt als individuelle Leistungen (vgl. Reich 2014: 13). Reichs Ansatz kann darüber eine Antwort auf die Frage sein, wie Identifikation innerhalb einer Gruppe und darüber hinaus auch Motivation für die Umsetzung eigener Belange geschaffen werden kann. Das klassische Expertenmodell ist für ein partizipatives Vorgehen hinderlich. Wenn Fachkräfte nicht davon ausgehen, dass sie Adressat*innen in die Lage versetzen,

1. Schüler*innenfirmen





selbst für sich zu wissen, was gut ist, sondern davon ausgehen, dass insbesondere sie selbst wissen, was für andere gut ist, kann keine partizipative Ebene entstehen. Informationsgrundlagen sind bedeutend: Fachkräfte sollten sich immer wieder vergewissern, ob die Adressat*innen genügend Informationen über die Angebote, die Handlungsmöglichkeiten oder die Abläufe des jeweiligen Bereichs haben. Die Informationsprozesse sollten immer wieder daraufhin geprüft werden. Die Erfahrung von Partizipation, Anerkennung und respektvolles Verhalten sollte ermöglicht werden (vgl. Pluto 2007: 285ff.).

Perspektive 1: Partizipatorische Handlung und Methode Auf der Ebene der Durchführung ist die Schüler*innenfirma geprägt davon, Schüler*innen in den Prozess der Erarbeitung einzubinden. Partizipatives Lernen wie auch partizipative Soziale Arbeit findet statt, wenn es über eine Schüler*innenorientierung hinausgeht (vgl. Reich 2010: 47). Dass diese Auffassung jedoch unter Fachkräften besteht, zeigt Pluto in ihrer Studie. Fachkräfte haben eine individualisierte Sicht von Partizipation, die sich im Glauben äußert, eine Ausrichtung ihrer Arbeit auf die bestmögliche Hilfe und ein individuelles Eingehen, entspräche bereits einem partizipativen Vorgehen (vgl. Pluto 2007: 283f.). Reich weitet den Partizipationsgedanken aus auf die Ziele, Inhalte, Methoden und Beziehungen selbst, an denen die Schüler*innen zu beteiligen sind. Das Ziel ist, Perspektiven, Handlungschancen und Lernergebnisse zu erweitern (vgl. Reich 2008; 2010). Sind Schüler*innen grundlegend beteiligt, können sie Erfahrungen mit partizipativen Elementen sammeln und entwickeln ein eigenes Verständnis davon. Dieses kann in anderen Kontexten wieder aufgegriffen, umgesetzt oder eingefordert werden. Der formale Ablauf und inhaltliche Eckpunkte einer Schüler*innenfirma oder des hier untersuchten Schüler*innenfirmenwettbewerbs werden nicht vorab mit den Schüler*innen besprochen, der Rahmen ist vorgegeben. Allerdings sind die Ziele und Inhalte bestimmt durch das, was die Kinder einbringen. Sie entscheiden, was sie von sich preisgeben, sie werden dabei unterstützt eigene Ideen und Vorschläge einzubringen, die praktische Umsetzung zu planen und zu gestalten. Insbesondere entwickeln die Kinder in dem hier vorgestellten Konzept die Geschäftsidee selbst und können entscheiden welche Ideen sie umsetzen möchten. Als weiteres partizipatives Element schließt sich hier das Lernen in und mit der Gruppe an: Die Schüler*innen entscheiden gemeinsam, sie sind aufgefordert, als Gruppe eine Idee bis zur Umsetzung zu erarbeiten. Eine Umsetzung ist ohne gemeinsame Entscheidungen, ohne eine Identifikation mit der Gruppe und dem gemeinsamen Ziel nicht oder nur schwer möglich: Während des Projekts geht es um die Herausarbeitung, Berücksichtigung und Integration der individuellen Interessen, Fähigkeiten und Ideen der Schüler*innen. Sie erleben in einem partizipativen Prozess, wie die von ihnen eingebrachten Aspekte aufgegriffen und eingebracht werden. Es geht darüber hinaus aber auch um die Frage, wie die eigenen Interessen mit denen von anderen geteilt, ausgehandelt und abgesprochen werden können. Die Schüler*innen erleben einerseits, wie ihre Erarbeitungen aufgenommen worden sind und erkennen andererseits, dass sich ihre Fähigkeiten, Interessen oder Ideen teilweise mit denen von anderen decken. Das schafft Identifikation mit der ganzen Gruppe. Finden dann (Klein)Gruppen-

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

bildungen aufgrund gemeinsamer Interessen und Geschäftsideen zusammen, fängt der Aushandlungsprozess an: welche Vorschläge oder Ideen werden wie genau umgesetzt. Der Gruppenbildungsprozess wird dann intensiver begleitet, wenn sich Schüler*innen nur zusammentun, weil sie befreundet sind oder ihre Idee nicht bei anderen erkennen können. Dabei ist die Nachvollziehbarkeit des Prozesses besonders wichtig, damit eine Identifikation mit einer anders zusammengestellten Gruppe erfolgen kann. Die Kinder setzten sich mit diesen Prozessen intensiv auseinander. Auch an den Rückmeldungen wird das ersichtlich. Sie verdeutlichen eine starke Identifikation nahezu aller Schüler*innen mit ihrer Gruppe. Zum Ausdruck kommt diese Identifikation unter anderem dadurch, dass sie über den Ablauf und den Erfolg nicht von sich, sondern von ihrer Gruppe (»Wir«) sprechen. Darüber hinaus fällt den Schüler*innen auch auf, dass es ihnen möglich war, mit Kindern zusammenzuarbeiten, die weniger mögen. Ihre Erkenntnis daraus ist, dass man mit einer gemeinsamen Idee mit allen zusammenarbeiten muss und kann. Perspektive 2: Institutionelle Bedingungen Schüler*innen haben in der Schule in der Regel keine Mitspracherechte über Ziele, Inhalte und Methoden. Der partizipative Zugang drückt sich oftmals nur durch die Möglichkeit der SMV Mitarbeit oder dem Klassenrat aus. Mitsprachemöglichkeiten sind auch an der Schule (und nicht nur in der Jugendhilfe) abhängig von individuellen Zugängen der Lehrkräfte und deren methodischem Vorgehen. Die Chance einer Schüler*innenfirma besteht darin, über das Konzept Mitsprache zu ermöglichen. Auch dadurch werden Perspektiven erweitert und Handlungschancen eröffnet, Kinder können anders wahrgenommen werden. Die Möglichkeit der Schule, Verantwortung über Inhalte und Prozesse abzugeben oder zumindest zu teilen, indem ein Schüler*innenfirma durch einen außerschulischen Träger oder der Schulsozialarbeit begleitet wird, hat Vorteile für Lehrkräfte und Schüler*innen. Der Zugang der Pädagog*innen, oder der Schulsozialarbeiter*innen ist ein anderer, denn die Kinder sind in der Regel nicht oder nur partiell bekannt und es liegt keine Verpflichtung zur Notengebung vor. Alle lernen sich neu kennen und können partizipative Regeln vereinbaren. Strukturell bedeutet die Umsetzung von Beteiligungsformen der Kinder und Jugendlichen für den Aufbau ihrer Schüler*innenfirma das Einüben partizipatorischer Methoden. Diese konsequent beizubehalten und einzufordern, sollte ein Merkmal der Schüler*innenfirmenarbeit sein. Klare Vereinbarungen der am Prozess beteiligten Institutionen und durchführenden Fachkräften ist ein partizipatorisches Prozessmerkmal.

1.3.4

Berufsbezogene Perspektiven aufgreifen und einbinden

Die Schüler*innenfirma hat inhaltlich immer auch etwas mit Berufen oder beruflichen Tätigkeiten zu tun und kann leicht berufsbezogene Perspektiven entwickeln. Neben den stärker theoriegeleiteten Kriterien ist dieses sehr praxisnahe Kriterium von Bedeutung. Die berufsbezogene Perspektive ermöglicht Grundschüler*innen einen Einstieg in die berufliche Orientierung und ermöglicht Schüler*innen höherer Klassenstufen eine vertiefte Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Berufen. Die berufsbezogene Perspektive kann in einer steten Wiederbeschäftigung über den Schulbesuch hinweg

1. Schüler*innenfirmen

einen Normalitätscharakter erhalten, so dass, wenn die berufliche Orientierung tatsächlich in einen Beruf münden soll, die Auseinandersetzung nicht erst kurz vor den entscheidenden (Aus)Bildungswegen beginnt. Die folgenden Perspektiven skizzieren die wesentlichen Voraussetzungen dafür. Perspektive 1: Ernstcharakter und Selbstverantwortlichkeit Was die Schüler*innenfirma vorrangig auszeichnet ist ihr Ernstcharakter und damit verbunden die Selbstverantwortlichkeit. Die Ideen der Schüler*innen werden tatsächlich umgesetzt, zwei Formen der Handlung werden realisiert: das reale sowie das produktive Handeln. Das simulative Handeln kann unter Umständen auch dazu gezählt werden, je nachdem, wie die konkrete Umsetzung gestaltet wird. Um die Schüler*innen zu einem selbstverantwortlichen Lernprozess zu führen, bedarf es einem Rollenwechsel sowohl der Lehrkräfte, als auch der Lernenden, der oft nicht stattfindet. Die Aufgabe der Lehrenden ändert sich: Die Verantwortung für die Inhalte und den Ablauf des Prozesses wird den Schüler*innen übertragen. Dabei begleiten die Lehrenden den Prozess, geben auch fachlichen Input; je nach Klassenstufe kann dieser vertieft werden, bzw. an Schüler*innen abgegeben werden. Für jede Klassenstufe, für jede Schulform muss die Entscheidung getroffen werden, welche ökonomischen und auch berufsorientierende Inhalte wie und in welchem Umfang gebraucht und angeboten werden sollten. Dafür können Meysers Prinzipien hilfreich sein, die beschreiben, wie eine Zusammenfassung der Inhalte erfolgen kann. Diese Prinzipien sind aus dem Blickwinkel der beruflichen Bildung formuliert, die handlungsorientierte Aufgaben aus beruflichen Situationen ableitet. Weil diese aber oft zu komplex, zu gefährlich oder zu speziell sind, eignen sie sich nicht selbst als reale Aufgabenstellung. Solche Arbeitssituationen müssen pädagogisch aufbereitet werden. Und diese Aufbereitung erfolgt durch Substitution, Reduktion oder Akzentuierung. Durch den Austausch oder den Ersatz bestimmter Inhalte können Zusammenhänge technischer, organisatorischer, ökonomischer oder sozialer Art erst durchschaut werden. Die Vereinfachung komplexer Handlungsaufgaben können Grundlagen verständlich machen. Und die Möglichkeit der Hervorhebung oder des Weglassens bestimmter Inhalte ermöglicht eine Verständlichkeit und das Eingehen auf verschiedene Lernniveaus (vgl. Meyser 2009). Diese Prinzipien werden neben der beruflichen Bildung auch im allgemeinschulischen Kontext angewendet. Kaum ein Thema kann ohne diese Prinzipien gelehrt werden. Sie finden sich auch in der Begleitung einer Schüler*innenfirma. Diese methodische Aufbereitung die die Komplexität einer Firma entsprechend reduziert, ermöglicht eine schüler*innengerechte Durchführung. Zudem kann die Methode an verschiedene Zielgruppen angepasst und eine Schüler*innenfirma sowohl an einer Grundschule wie auch an einem Gymnasium angeboten werden, ohne dabei auf den Ernstcharakter verzichten zu müssen. Die Selbstverantwortlichkeit der Schüler*innen beginnt mit der Auswahl der inhaltlichen Ausrichtung der Schüler*innenfirma, der Geschäftsidee. Wird eine Schüler*innenfirma neu ins Leben gerufen oder wird ein Wettbewerb initiiert, sind die Interessen und Fähigkeiten der Schüler*innen Ausgangspunkt der Entwicklung einer Geschäftsidee. Zumindest ist das in dem hier vorgestellten Konzept elementar und für den wei-

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

teren pädagogischen Prozess leitend: Was interessiert die Schüler*innen, was würden sie gerne machen, was können sie gut, welche Fähigkeiten und Kenntnisse schätzen sie bei sich und anderen? Die Erarbeitung und Benennung eigener Fähigkeiten und Interessen sind Grundlage, um aus diesen ableitend Ideen zu sammeln und daraus Ideen für eine Schüler*innenfirma zu entwickeln. Einschränkungen finden statt, wenn Themen vorgegeben werden oder Lehrende selbst Ideen einbringen. Das ist natürlich schulischer Alltag und auch dieser Aspekt macht die Schüler*innenfirma für alle Seiten so interessant: Denn mit ihr können auf handlungsorientiertem Wege Themen praktisch und mit Bezug zur Lebenswelt der Schüler*innen bearbeitet werden, wie beispielsweise gesunde Ernährung oder nachhaltige, ökologisch sinnvolle Produkte. Werden Themen als Rahmen vorgegeben, ist der weitere selbstverantwortliche Prozess noch wichtiger: Lehrende sollten bei der Rolle der Moderatoren bleiben und nicht selbst Verantwortung für einen reibungslosen Ablauf übernehmen. Erst dann erleben Schüler*innen, dass sie selbst für den Erfolg oder auch Misserfolg ihrer Idee verantwortlich sind, nehmen ihre Aufgaben ernst und erleben, was es bedeutet, partizipatorisch den eigenen Lernprozess zu gestalten. Der Bezug zu konkreten beruflichen Themen kann ebenso in der Lebenswelt stattfinden. Dazu bieten sich viele Möglichkeiten: Beispielsweise können örtliche Betriebe besucht, Fachkräfte zu bestimmten Themen eingeladen und Kooperationen mit der Schüler*innenfirma oder zu den unterschiedlichen Geschäftsideen des Schüler*innenfirmenwettbewerbs initiiert werden (ausführlich dazu das Konzept »kleinUnternehmen« Kap. 3.1). Perspektive 2: Lernen in außergewöhnlichen Situationen Die Mitarbeit in einer Schüler*innenfirma oder einem Wettbewerb ist für Schüler*innen in der Regel eine neue und damit außergewöhnliche Situation. Die Inhalte knüpfen zwar an vorhandene Wissensbestände und Interessen an, um an der Erfahrungswelt der Kinder anschließen zu können, doch darauf aufbauende Inhalte und Aufgabenstellungen sind neue. Insbesondere, wenn es um berufliche Themen geht und auch um berufliche Tätigkeiten, die die Kinder noch nie ausgeführt haben. Eigene Ideen gemeinsam mit anderen zu realisieren ist dabei eine besondere Herausforderung. Die Antworten der Kinder zeigen, dass sie viele Dinge gelernt haben, die sie vorher nicht konnten. Dazu gehören alltägliche Tätigkeiten (beispielsweise Fahrräder reparieren oder Kuchen verkaufen), die jedoch »professionell« durchgeführt eine berufliche Perspektive erhalten und damit eine andere fachliche und auch soziale Ausrichtung haben. Durch diese Tätigkeiten können Kinder berufliche Anforderungen ableiten und rekonstruieren, Vergleiche zu vertrauten Tätigkeiten ziehen und auch die Notwendigkeiten von Ausbildungen erkennen. Gleichzeitig können diese Anforderungen mit den eigenen Vorstellungen abgeglichen, neue Ideen konstruiert und eingebracht werden. Diese Erfahrungen innerhalb einer Schüler*innenfirma oder auch einer einmaligen praktischen Umsetzung zu erleben, ist für alle Beteiligten besonders und ermöglicht verschiedene methodische und inhaltliche Zielsetzungen. Die Zielsetzungen sollten jedoch mit der Lebens- und Erfahrungswirklichkeit der Kinder zu tun haben. Sie können dadurch Bezüge herstellen, Problemstellungen erfassen und Lösungen suchen. Damit ist biographisches und auch partizipatives Lernen möglich (vgl. auch Wöll 2011: 231f.). Die Auswertung un-

1. Schüler*innenfirmen

tersucht verschiedene Zusammenhänge zwischen Methode und Lernerfahrungen. Die Schüler*innenfirma macht auch sehr deutlich, was Handlungsorientierung kennzeichnet: Es ist eine andere Form des Lernens, die sich vom schulischen Alltag abhebt. Allein die Besonderheit der Methoden bewirkt in der Regel mehr Aufmerksamkeit der Schüler*innen und vermittelt, dass es um etwas Besonderes gehen muss. Die Mitarbeit löst starke Emotionen aus, weil sie eigenständiges Handeln erfordert für die ganz eigenen Ideen und Interessen.

1.3.5

Ästhetische Zugänge berücksichtigen

Handlungsorientierung bedeutet auch, dass unterschiedliche Sinne angesprochen werden, unterschiedliche sinnliche, ästhetische Erfahrungen gemacht werden. Nicht nur deshalb ist ein ästhetischer Zugang gegeben, der hier aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet werden soll. Ästhetische Erfahrung: Sinnliche Erfahrungen und Bewegungen sind für den Lernprozess von großer Bedeutung, denn sie aktivieren das Großhirn und setzten Energien frei. So behalten wir Dinge, die wir selbst getan haben deutlich besser (zu 90 Prozent) als Dinge, die wir nur hören (20 Prozent).84 Die Inhalte als auch die Handlungen sollten natürlich durchdrungen werden, wenn sie Schüler*innen motivieren sollen. Und eine Durchdringung und hohe Motivation entwickelt sich am besten, wenn ein emotionaler Bezug hergestellt werden kann, bzw. ein persönlicher Bezug zum Lerngegenstand besteht (vgl. Gudjons 2008: 64). Daran anknüpfend kann eine ästhetische Bildung, die über ein praktisches, realitätsbezogenes Tun hinausgeht, weitere Zugänge zu Themen herstellen, Wege zu unbekannten Themen eröffnen oder neue, unterschiedliche Zugänge von vermeintlich bekannten Themen ermöglichen. Im Sinne Masets kann dann Wahrnehmung zur sozialen Kompetenz werden: Mit einer Erweiterung der Wahrnehmung werden auch andere, das Andere besser und mit offenem Blick wahrgenommen (vgl. Maset 1995, 99), auch »ein Mehr an Welt« kann wahrgenommen werden (Beuys, zit.n. Aissen-Crevett, 1999: 37). Das Lernformat Schüler*innenfirma allgemein ist vor allem geprägt von ökonomischen und zielgerichteten Inhalten, die im Hinblick auf Schulbildung oder Ausbildung gebraucht werden können. Der kreative Prozess, der bei den Kindern dabei angeregt wird, spielt in einer Umsetzung im Rahmen der ökonomischen Bildung oder der Berufsvorbereitung in der Regel keine Rolle. In dem hier vorgestellten ganzheitlichen Konzept sind die Schüler*innen von Beginn an aufgefordert und werden dabei unterstützt, eigene Vorstellungen, Imaginationen oder Ideen zu entwickeln und einzubringen. Das hat vorrangig zum Ziel, eine Geschäftsidee zu entwickeln, die aufgrund eigener Interessen und Fähigkeiten entwickelt werden soll. Gleichzeitig geht es um die Anschlussfähigkeit an die Erfahrungswelt und den Wissensstand der Schüler*innen, die im Prozess hergestellt wird – und dafür sind die individuellen Vorstellungen von beispielsweise Berufstätigkeit oder Funktion von Geld von grundlegender Bedeutung. Mit diesem offenen, kreativen und auch 84

Nach einer Untersuchung der American Audovisuell Sociaty behalten wir 30 Prozent, wenn wir etwas sehen und 80 Prozent, wenn wir es selbst formulieren (vgl. Gudjons 2008: 60f.).

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

spielerischen Zugang können die Perspektiven der Kinder, auf im weitesten Sinne berufliche Themen geöffnet werden, bestenfalls auch in einem nachhaltigen Sinne. Da der Blick von Kindern im Grundschulalter noch relativ aufgeschlossen für alle beruflichen Möglichkeiten ist, gilt es Perspektiven zu stärken, die unterschiedlichen Prägungen und Stereotypen nicht unterliegen. Das ist mit ein wesentlicher Aspekt, der mit ästhetischen Zugängen gefördert werden kann. Im Sinne Boesers können so indirekte Lernwege ermöglicht und versteckte Potenziale gefördert werden. Der ästhetische Zugang führt zur ästhetische Bildung. Zu deren Annäherung wird vorab der Begriff der Ästhetik genauer bestimmt, um sich ableitend der Frage zu nähern, wie und ob denn eigentlich ästhetische Bildung im Kontext einer mit ökonomischen Inhalten geprägten Methode sinnvolle Zugänge schaffen kann.85 Daneben kann ebenso argumentiert werden, dass in Zeiten medialen Wandels und der zunehmenden Digitalisierung aller Lebensbereiche, ästhetische Prozesse verstärkt stattfinden. Oder mehr noch: Sie stellen auch die Frage nach pädagogischer Vermittlung und Positionierung neu, wie auch die der sozialpädagogischen Angebote. Dabei spielt es eine Rolle, wie Zugänge zu Kindern und Jugendlichen gestaltet werden können oder wie mediale Veränderungen der Welt die ganz eigene Wahrnehmung ändert. Wenn hier also über ästhetische Zugänge der Pädagogik gesprochen wird, folgt weniger eine Diskussion darüber, welche ganz konkreten (sozial-)pädagogischen Antworten auf die Digitalisierung der Welt gegeben werden können. Vielmehr soll es darum gehen, wie – trotz und gerade wegen dieser Veränderungen – Räume gestaltet werden können, in denen über diese reflektiert und Wahrnehmungsprozesse hinterfragt oder auch erweitert werden können. Da der Begriff der Ästhetik einerseits philosophische Disziplinbeschreibung, andererseits im Sinne einer Gegenstandsbeschreibung zu verstehen ist, ist er nicht leicht zu fassen (vgl. Besand 2004: 17). Die ursprüngliche Bedeutung von Ästhetik führt auf Baumgarten zurück. Er begründet 1750 mit seinem Werk »Aesthetica« den Begriff der Ästhetik und bezog sich dabei nicht in erster Linie auf die Kunst, sondern auf den gesamten Bereich menschlicher Wahrnehmung und Empfindung. Dem vergeistigten Bereich des begrifflichen Denkens setzt er den Begriff der Ästhetik entgegen. Damit entstand Ästhetik aus einem Diskurs über den menschlichen Körper. Das Verständnis von Ästhetik, welches sich in der Mitte des 18. Jahrhundert durchsetzt, bezieht sich auf die Trennung von »Materiellem und Immateriellem, von Dingen und Gedanken, Empfindungen und Vorstellungen« (Eagleton 1994: 13). Baumgarten definierte Ästhetik als Wissenschaft vom sinnenhaften Erkennen. Ihre Aufgabe sei es, Erkenntnis durch die systematische Verbesserung des sinnenhaften Erkenntnisvermögens zu optimieren, durch die Verbesserung von Anschaulichkeit oder Darstellung. Als Teil einer philosophischen Disziplin strebt sie ein Wissen vom Sinnenhaften an (vgl. Welch 1990: 9). Baumgarten kritisiert das damals vorherrschende Erkenntnisideal und spricht der Abstraktheit der begrifflichen Wahrheit ab, der Wirklichkeit gerecht werden zu können. Denn Wirklichkeit sei immer individuell und benötige deshalb ein anderes Organ. Das sei die Ästhetik, sie kann der individuellen Erkenntnis gerecht werden. Das Ideal einer 85

Tatsächlich wird über den Wert des ästhetischen Denkens nachgedacht, um mehr innovatives Denken für die Ökonomie, zur Lösung ökonomischer Belange zu generieren (vgl. Engholm 2015).

1. Schüler*innenfirmen

logischen, abstrakten und allgemeinen Wahrheit wird so zugunsten eines neuen Ideals, einer ästhetisch-logischen Wahrheit aufgegeben. In seiner Annahme, Menschen seien sinnlich-logische Wesen, muss ihnen demnach die rein logische Wahrheit verschlossen bleiben. Im Falle eines Konfliktes zwischen beiden Erkenntniszugängen sollte deswegen dem ästhetischen der Vorzug gegeben werden (vgl. Welch 1996: 79ff.). Trotz aller Hervorhebung der Ästhetik spielt die Vernunft bei Baumgarten nach wie vor eine große Rolle. Der ästhetischen Erkenntnis spricht Baumgarten nur eine Mittlerrolle zwischen den Allgemeinheiten der Vernunft und den einzelnen Sinnen zu. Ästhetische Repräsentationen, die eine Form des sinnlichen Diskurses darstellen, sollen einer rationalen Analyse zugänglich gemacht werden. Ästhetik ist damit für Baumgarten eine Form der Vernunft und beschreibt sie als eine Schwester der Logik oder als die (weibliche) Entsprechung der Vernunft. Ihre Aufgabe sei es, den Bereich der Empfindungen in einer Weise zu ordnen, die zwar den Operationen der Vernunft verwandt, ihr gegenüber aber dennoch relativ autonom ist. Die Ästhetik entsteht somit aus der Erkenntnis, dass Erfahrung und Wahrnehmung nicht von abstrakten, universalen Gesetzen abgeleitet werden können. Vielmehr besitzen sie ihren eigenen Diskurs und unterliegen ihrer eigenen Logik. Das Ästhetische kann der Vernunft dienen, indem es dem Denken Einzelheiten der Wahrnehmung einleuchtend macht (vgl. Eagelton 1994: 15). Die ursprüngliche Bedeutung des Begriffs weist darauf hin, dass es hier nicht um die häufig assoziierte Gleichsetzung von Ästhetik mit »schön« gehen kann. Dieses Verständnis geht auf die altgriechische Bedeutung des Begriffs »aisthesis« (Wahrnehmung, Empfindung) zurück und die damit in Zusammenhang stehende Versöhnungsperspektive. Diese zielt aus kallistischer Perspektive auf die »Vollendungsform des Sinnlichen« ab (Welch 1996: 30f.). Vielmehr geht es um erkenntnistheoretische Fragestellungen, die in Zusammenhang mit Ästhetik stehen und die zahlreiche Philosophen beschäftigen. Wie Kant, der sich im Verlauf seines Schaffens gegen die Vorherrschaft des Rationalismus wendet und die Metaphysik als Wissenschaft von den Grenzen der Vernunft begreift. In seinem Werk »Kritik der reinen Vernunft« geht er der Frage der Erkenntniserlangung nach, in der Annahme, dass wir etwas erkennen können, indem die Dinge an »[…] unseren Sinnen rühren […]« und so unseren Verstand in Bewegung bringen (Kant 1995: 49). Dabei problematisiert Kant die Feststellung, dass die Erfahrung der Erkenntnis zeitlich zwar vorausgeht, woraus man jedoch nicht schließen kann, dass alle Erkenntnis aus der Erfahrung entspringt. Kants Interesse zielt darauf ab zu erfahren, ob etwas vor aller Erkenntnis existiert. Deshalb betrachtet er Erfahrung und Erkenntnis getrennt voneinander und stellt eine Unterscheidung auf zwischen der reinen Erkenntnis, die nicht empirisch geprägt, sondern a priori gegeben ist, und der empirischen Erkenntnis, die a posteriori, aus der Erfahrung resultiert. Um eine empirische von einer reinen Erkenntnis zu unterscheiden, beschäftigt sich Kant mit der Ästhetik, dem Vermögen der Sinnlichkeit und dem Vermögen der Vernunft (vgl. Störig 1995: 396ff.). Die Erfahrung zeigt uns zwar, wie etwas beschaffen ist, was jedoch nicht bedeutet, dass die Dinge wirklich so sind, wie sie uns scheinen. Diese Feststellung hat zur Konsequenz, dass mit der Erfahrung keine Allgemeingültigkeit hervorgebracht werden kann und wir nie über eine relative, vergleichsweise Allgemeinheit hinauskommen: »Die Fähigkeit […], Vorstellungen durch die Art wie wir sie von Gegenständen afficirt werden, zu bekommen, heißt Sinnlichkeit. Vermittelst der Sinnlichkeit also werden uns Ge-

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genstände gegeben, und sie allein liefert uns Anschauungen; durch den Verstand aber werden sie gedacht und von ihm entspringen Begriffe.« (Kant 1995: 71) Kant hält das Ästhetische als konstitutiv für unser Welterkennen und -verhalten und geht damit weiter als Baumgarten. Die im pädagogischen Kontext interessante Frage ist die Zusammenführung von Pädagogik und Ästhetik durch die ästhetische Bildung. Sie lässt sich auf Kant zurückführen, der in der Ästhetik die Möglichkeit sieht, sich von Beschränkungen der Außenwelt durch ästhetische Tätigkeiten zu befreien. Damit entsteht eine Verbindung der Pädagogik mit ihrem Ziel der Hinführung zur menschlicher Autonomie und der kreativen, ästhetischen Gestaltung. In den 1960er Jahren mündet die Auseinandersetzung über das Verhältnis von Ästhetik und Erfahrung in pädagogisch-didaktische Konzepte, die in der ästhetischen Bildung mehr sahen, als kunstdidaktische Ansätze. Ästhetische Bildung wurde um soziokulturelle Themen erweitert. Sie sollte mehr beinhalten, als die Erzeugung einer Erfahrung, die ästhetische Reize mit bisherigen Auffassungen von Wirklichkeit verbindet. Sie sollte neue Möglichkeiten bieten, Welt wahrzunehmen. Diese ästhetische Erfahrung macht das wesentliche Moment der ästhetischen Bildung aus. Bei Dewey ist die ästhetische Erfahrung ein ästhetischer Lernprozess zur Überprüfung der Weltdeutung, bei Welch hingegen ein Analyseinstrument (vgl. Röll 2017: 22ff.). Den Begriff der ästhetischen Bildung hält Maset hingegen für nicht unproblematisch, gerade weil dieser oft mit der ästhetischen Erfahrung verschränkt wird. Dabei sollte der Begriff der ästhetischen Bildung an objektivierbare Kriterien gebunden sein, um sich nicht ausschließlich auf Selbstbildungsprozesse beschränken zu müssen. Und genau diese Problematik birgt der Begriff der ästhetischen Erfahrung, indem er sich auf die Idee des erfahrenden Subjekts bezieht. Damit kann kein Anspruch auf Allgemeinheit hergestellt werden. Der Begriff der ästhetischen Erfahrung ist zum Mittel des Wahrheitskriteriums geworden, wobei dieses sich in den Bereich subjektiver Vollzüge verlagert und das Subjekt mit seinem Erfahrungsvermögen ins Zentrum pädagogischer Bemühungen stellt. Dabei soll mit Hilfe beispielsweise ästhetischer Objekte oder Prozesse eine Möglichkeit zur ästhetischen Erfahrung geboten werden. Darüber geht der Begriff der ästhetischen Bildung hinaus. Er beschränkt sich nicht auf die Selbstbezüglichkeit des Ästhetischen und die ästhetische Selbsterfahrung des Subjekts, sondern will das Verhältnis von Welt- und Selbstreferenz reflektieren. In diesem Zusammenhang ist zwischen der Ermöglichung von Erfahrung anhand eines ästhetischen Objektes/Prozesses und den Bedingungen der Möglichkeiten ästhetischer Erfahrung zu unterscheiden. Diese sind eben nicht nur im Subjekt anzutreffen (vgl. Maset 1995: 5). Was ist nun aber das ästhetische Moment einer Wahrnehmung und unterscheidet sich durch andere Wahrnehmungen? Nicht jede Wahrnehmung ist eine ästhetische. In Ableitung an Seel fast Besand drei Kriterien zusammen, die eine ästhetische Wahrnehmung charakterisieren: Eine sinnliche Wahrnehmung muss bewusst erfolgen und sie wird in der Beurteilung ästhetisch interessant, was aber nicht bedeutet, dass eine Wertung stattfindet. Und das letzte Kriterium erweitert den Begriff der ästhetischen Wahrnehmung. Diese ist nicht auf bestimmte Gegenstände oder Situationen begrenzt, denn Wahrnehmungsmodi können parallel verlaufen, sich verschränken oder auch wechseln. »Das Ästhetische [Herv. i. O.] ist ein bestimmter Modus der Erfahrung und auf dieser Ebene rein subjektiv orientiert« (Besand 2004: 18). Weil es ein subjektiver Vorgang ist,

1. Schüler*innenfirmen

wird in der ästhetischen Theorie unterschieden zwischen den Gegenständen, der Wahrnehmung und der Erfahrung, die ästhetisch sein können. Damit wird der Begriff erweitert und schließt bei der ästhetischen Erfahrung auch Nicht-Gegenständliches mit ein und kann auf Abstraktes, Prozesse oder Gedanken bezogen sein. Deshalb wird der Begriff der Sinneswahrnehmung abgelöst vom erweiterten Begriff der Wahrnehmung, denn die ästhetische Erfahrung steht den Sinnen nahe, muss jedoch nicht auf sie beschränkt sein (vgl. ebd.: 19). Welch beschreibt Ästhetisierungsprozesse, die im Zusammenhang mit dem Diskurs um die Postmoderne eine Rolle spielen. Sie sind deshalb interessant, weil das Ästhetische einer Wahrnehmung, der Erkenntnisvorgang selbst interessant ist und dieser nicht losgelöst von seiner Umwelt stattfindet. Es sind Fragen darüber, wie unsere Welt gestaltet wird und was unsere Wahrnehmung prägt. Welch beschreibt vier Dimensionen von Ästhetisierungsprozessen und unternimmt den Versuch, Phänomene einer sich veränderten Gesellschaft zu fassen: Das sind die Oberflächenästhetisiserung, die Ästhetierung der sozialen Wirklichkeit, der lebenspraktischen und moralischen Orientierung und die Ästhetisierung der Wirklichkeitskonstruktionen (vgl. Welch 1996: 10ff.). Einige Aspekte werden herausgegriffen, denn sie sind auch für pädagogische Prozesse und für die Soziale Arbeit interessant: Das für Welsch offenkundigste Phänomen ist das der Ästhetisierung des öffentlichen Raums. Er meint damit Verschönerungsprozesse, mit denen versucht wird, sowohl Innenstädte als auch urbane Randzonen unter ästhetischen Gesichtspunkten zu gestalten. Welch kritisiert den Effekt, dass die Welt zum Erlebnisraum und das Erlebnis selbst zur zentralen Maxime dieses Prozesses wird: »Jede Boutique und jedes Café wird heute erlebnisaktiv gestaltet. Die deutschen Bahnhöfe heißen nicht mehr Bahnhöfe, sondern nennen sich, seit sie mit Kunst garniert werden, Erlebniswelt mit Gleisanschluß. Alltäglich gehen wir vom Erlebnisbüro zum Erlebniskauf, erholen uns in der Erlebnisgastronomie und landen schließlich zu Hause im Erlebnis-Wohnen. Es gibt sogar Vorschläge, Gedenkstätten – beispielsweise des Nazi-Terrors – als Erlebnisräume zu inszenieren.« (Welch 1996: 11) Es ist der Versuch, öffentliche Räume so zu gestalten, dass sie dem menschlichen Bedürfnis nach einer schönen, den Sinnen- und Gestaltungswünschen entsprechenden Wirklichkeit gerecht werden. Doch dieser von Welch als Oberflächenästhetisierung bezeichnete Prozess, geht seiner Auffassung nach mit einem Trend zum Hedonismus einher, dem die eher vordergründigen ästhetischen Werte des Lustgewinns und des Genusses zugrunde liegen. Die Gefahr sieht er in einem Trend, der tiefer geht als die Oberflächenästhetisierung: es macht das Erlebnis und die Unterhaltung zu den Leitlinien unserer Kultur (vgl. ebd.: 12ff.). Diesen Trend nutzt auch die Ökonomie, um ihre Produkte zu verkaufen. Dabei werden nicht nur diese an sich verkauft, sondern gleichzeitig auch ein Image oder ein Lebensstil. Da der Lebensstil oft ästhetisch geprägt ist, können auch unnützliche oder funktionell unbrauchbare Produkte, die mit dem Ästhetischen verbunden sind verkauft werden. Auch den Produktionsprozess selbst sieht Welch als einen von Ästhetisierung betroffenen an, da Waren zunehmend durch neue Technologien simulatorisch konzipiert und erprobt werden können, so dass die Materie selbst zu einem ästhetischen Produkt wird. Doch für schwerwiegender hält Welch den täglichen Umgang damit, da er die Auffassung von Wirklichkeit verändern kann. Die Veränderung der Wahrnehmung

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durch Oberflächenästhetisierungen, die ebenso durch die Digitalisierung und Virtualisierung im öffentlichen und wirtschaftlichen Bereich erfolgen, sind nach Welch auch im Bereich der Kommunikationsmedien anzutreffen. Soziale Wirklichkeit wird zunehmend »Entwirklichungs- und Ästhetisierungsvorgängen« ausgesetzt, seit diese primär durch Medien geprägt ist. Die rasante Entwicklung neuer Medien bestätigt Welchs Befürchtung, dass durch eine zunehmende Nutzung derselben sie als »Wirklichkeitsspender« fungieren und unser alter Realitätsglaube zusammenbrechen muss. Diese Wirklichkeit ist für Welch nicht mehr verbindlich, sondern: »wählbar, wechselbar, verfügbar, fliehbar« (Welch 1996: 16). Die Veränderung der Wahrnehmung prägt die Wirklichkeitsauffassung derart, dass sie eine Auseinandersetzung mit Fragestellungen der Simulation und Virtualisierung zwangsläufig werden lässt. Der konstruktivistische Charakter von Wirklichkeit wird an diesen Phänomenen deutlich (vgl. ebd.: 315). Noch weiter geht Welch mit seiner Diagnose, indem er in Luc Ferrys sogenannten homo ästheticus die Einwirkungen der Ästhetisierungsprozesse zugespitzt auf den Punkt gebracht sieht. Und auch hier geht es um mehr als eine Oberflächenästhetisierung, bei der es um die Inszenierung, die Gestaltung des Körpers und unseres Inneren geht. Es betrifft vielmehr die subjektive Wirklichkeit und die Existenzform der Individuen und die Beziehungen untereinander, die zunehmend ästhetisch bestimmt sind. Durch den Verlust gemeinsamer Werte und Normen, sind eher vordergründige Verhaltensmuster von Bedeutung, die den Verlust moralischer Standards ausgleichen sollen. Moralische Vorstellungen selbst sind plural verfasst und können je nach Situation den individuellen oder sozialen Entwürfen entsprechend, verändert werden. Die Kriterien, nach denen man sich für bestimmte Moralvorstellungen entscheidet, sind zunehmend ästhetischer Natur (vgl. ebd.: 18f.). Ästhetische Momente in der Schüler*innenfirma Es mag vielleicht auf den ersten Blick nicht naheliegend sein, eine Verbindung zur ästhetischen Bildung und der Schüler*innenfirma herzustellen. Werden Fragen der ästhetischen Erfahrung und Wahrnehmung oder Ästhetisierungsprozesse übertragen auf die Soziale Arbeit im Allgemeinen und auf das Konzept der Schüler*innenfirma im Besonderen so lassen sich verschiedene Perspektiven entdecken, die eine Rolle spielen können. Dabei führt beispielsweise die Oberflächenästhetisierung zu unterschiedlichen Überlegungen. Gemeint sind Inszenierungen des Äußeren, die neben der reinen sinnlichen Wahrnehmung immer auch weitere Bedeutung für den oder die Betrachter*in haben sollen oder können. Die Ästhetisierung der Oberfläche kann immer auch mehr sein, als eine Verschönerung des Äußeren. Wenn Ästhetik eine Rolle spielt, finden sich insbesondere drei Ebenen, auf denen ästhetische Prozesse mit bedacht werden sollten. Perspektive 1: Soziale Arbeit und ihre Präsentation Wenn von Oberflächenästhetisierung die Rede ist, stellt sich für die Soziale Arbeit die Frage, wie sie sich als Profession mit ihren Angeboten präsentiert oder gesehen werden will. Anbetracht der Vielzahl von Berufsfeldern und unterschiedlichen theoretischen Ableitungen, können entsprechend keine eindeutigen Inszenierungen ausgemacht werden. Dennoch gibt es verschiedene Bilder, die von der Profession gezeichnet werden,

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ebenso wie bei anderen Professionen. Diese sind immer auch geprägt von bestimmten Stereotypen, denen entgegenzuwirken oder zu entsprechen auch in der Hand der Professionellen liegt – wo auch immer man Soziale Arbeit verorten mag, als Menschenrechtsprofession, Dienstleistungserbringerin oder als Hilfestellung bei der Lebensführung. Die Art und Weise, wie sich Soziale Arbeit präsentiert, hat immer auch etwas mit den von ihr zugrunde gelegten Inhalten zu tun. Nicht nur die Wertigkeit des eigenen Berufs spiegelt sich an Oberflächen wider, sondern damit gleichsam auch die Wertigkeit, die den Adressat*innen entgegengebracht wird. Sozialpädagog*innen und Sozialarbeiter*innen kennen Arbeitsorte, die weder ansprechend für sie selbst noch einladend für ihre Adressat*innen sind. Wenn also davon ausgegangen werden kann, dass auch die Oberflächen der Sozialen Arbeit Auswirkungen auf andere haben, dann spielt es eine Rolle, wie sie sich und ihre Angebote, ihre Dienstleistungen anbietet oder präsentiert.86 Eine Schüler*innenfirma kann diesbezüglich unterschiedlich begleitet werden. Die Schüler*innen können mit ihrem Projekt in den Mittelpunkt gerückt werden, entsprechend inszeniert und damit auch in die Schule integriert werden. Die Wirkung von Oberflächen, von Inszenierungen nutzen die Bildungsträger, die Angebote rund um die Schüler*innenfirma machen. Oder auch nicht. Die Spannbreite der Präsentationen von Wettbewerben, Schüler*innenfirmen oder Schüler*innenfirmenideen reichen von Schüler*innen in Businessoutfit vor dem Hintergrund moderner Präsentationsorte bis hin zu Auftritten unterschiedlich gekleideter Jugendlicher vor grauem Hintergrund, die mühevoll ihre Ideen von Pappschildern ablesen. Die Frage drängt sich auf, welche Kinder und Jugendlichen durch welche Bilder ermutigt werden sollen, sich von einem Projekt angesprochen zu fühlen oder wie solche Präsentationen auf jene Teilnehmer*innen als Rückmeldung und auch als Erinnerung wirken. Weil nun auch durch das Projekt »kleinUnternehmen« ersichtlich wurde, welche Bedeutung die Inszenierung ihres Angebots für Kinder hat, kann dieses Beispiel als ein positives dienen, sich über die Gestaltung der Oberflächen Gedanken zu machen. Sie können zu einem in der Regel eindeutigen und für die Adressat*innen leicht zu erkennenden Zeichen vor allem der Wertschätzung und Anerkennung werden. Perspektive 2: Inszenierung und Präsentation der Schüler*innenfirmenideen Die genannten Beispiele zeigen, wie Präsentationen bestimmte Inhalte vermitteln können. Dabei geht es um äußere Erscheinungsbilder, die sich auch in Räumen wiederfinden. So spielt es eine Rolle, in welcher Umgebung, in welchen Räumen sich Schüler*innen aufhalten, wie viel Raum ihnen zur Verfügung gestellt wird, an welchen Orten sie lernen und am Ende ihre Ergebnisse der Öffentlichkeit präsentieren. An die Frage der Räumlichkeiten selbst und deren Gestaltung schließt sich der Aspekt an, wie diese Räume und Orte nach außen geöffnet sind oder werden können, ob damit auch eine Verbindung in das Gemeinwesen geschaffen wird oder werden kann. Der Stellenwert, den das Projekt an Schulen erhält, wird auch über die Beantwortung dieser Fragen ersichtlich. Ebenso kann die Frage, ob die Einbindung der Eltern an schulischen Prozessen etabliert ist oder eine Anbindung an das Gemeinwesen erfolgt 86

Vgl. hierzu: Besand 2004: Analog zur Politischen Bildung, insbesondere Kapitel 3.3 Keine Didaktik ohne Ästhetik: Zur ästhetischen Struktur politischer Bildung: 253ff.

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

aufschlussreich über Abläufe an Schulen sein. Die Verortung der Schule in der Lebenswelt der Schüler*innen zeigt sich über die Resonanz der am Ende beteiligten und eingeladenen »Öffentlichkeit«. Interessant ist, wer Zugang zum Projektabschluss erhält, wie und wem dieser bekanntgegeben wird, wie und wer die Kommunikation zwischen Schule, Kindern und Besucher*innen gestaltet. Welche Personen aus welchen Institutionen der Lebenswelt möchten sich beteiligen und wollen den Kindern Rückmeldungen geben? Das sind wesentliche Aspekte für die Bedeutung, die Kinder dem Projekt zuschreiben. Details der Umsetzung und dazu korrelierende Aussagen der Kinder innerhalb der Erhebung untermauern diese Annahme. Folgende Aspekte wurden bei der Durchführung des Projekts »kleinUnternehmen« umgesetzt: • • •





Teile der Projektmodule wurden in den Räumen des durchführenden Vereins umgesetzt. Die Pädagog*innen, die die Projekte begleitet haben, waren selbst nicht an den Schulen beschäftigt. Die Jury, die die Ergebnisse bewertet, sind Personen aus dem Gemeinwesen: zu den Geschäftsideen passende Inhaber*innen, Geschäftsführer*innen oder Angestellte örtlicher Betriebe oder Geschäfte; Filialleiter*innen von Banken; Vertreter*innen des Quartiersmanagements oder auch der Stadt, die die Projekte finanziell unterstützt. Die Abschlussveranstaltungen fanden öffentlich statt: Eltern, Freunde, Nachbarn und alle Interessierte werden eingeladen, wie auch die Presse. Der Raum der Veranstaltung wurde feierlich gestaltet. Die Kinder wurden in ihren Gruppen aufgerufen und namentlich genannt. Alle wurden beglückwünscht, die Zertifikatsübergabe erfolgte öffentlich.

Die Rahmung des Angebots wurde von den Kindern durchaus bewusst wahrgenommen, registriert und gedeutet. Die Antworten, die in dieser Form ästhetischer Präsentation in Zusammenhang stehen, sind beispielsweise: »Ich habe mich wie ein Erwachsener gefühlt«, »Ich habe mich berühmt gefühlt«, »Es war der schönste Tag in meinem Leben«, »Es kamen so viel Leute«, »Ich habe mich wichtig gefühlt«. In der Wahrnehmung der Kinder wird die Gestaltung der Räume und des Ablaufs als bedeutsam gedeutet. Perspektive 3: Oberflächenerscheinungen in sozialen und wirtschaftlichen Kontexten Neben den Erscheinungsbildern der Profession durch Räume und auch Personen, die ästhetisch reflektiert werden, sind ästhetische Kriterien auch auf die Inhalte der Schülerfirma oder des Wettbewerbs selbst übertragbar. Das betrifft zum einen die grundsätzliche Frage, welche Produkte oder Dienstleistungen angeboten werden. Dabei spielen bei der Gestaltung ästhetisch kreative/mediale Zugänge eine Rolle, wenn es beispielsweise um die Art und Weise der Herstellung geht oder die Art und Weise der Präsentation des Verkaufs. Neben Aspekten der eigenen Umsetzungsideen, ist ein weiterer ästhetischer Zugang jener, mit Kindern Deutungen und Bilder zu erarbeiten, die Wirtschaft nutzt, um ihre Produkte zu verkaufen. Damit gehen die Fragen, wie oder

1. Schüler*innenfirmen

welche Produkte oder Dienstleistungen hergestellt und angeboten werden, über einen rein ökonomischen Zugang hinaus. Über kreative Zugänge, die Wahrnehmung fördern, können Ästhetisierungsprozesse in der beruflichen und wirtschaftlichen Welt (Berufe selbst, Werbung, Präsentationen, Gestaltung von Produkten) besser gesehen und beurteilt werden. Ästhetische Zugänge können auf verschiedene Phänomene hin erweitert werden, wie beispielsweise auch auf diverse Stereotype. Sie können helfen, bessere oder weitere Zugänge zur Wirklichkeit zu finden, da die Komplexität der Wirklichkeit allein rational nicht zu fassen ist.

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2. Die Schüler*innenfirma im Kontext der Sozialen Arbeit

Die skizzierten Perspektiven auf Formen und Kriterien von Schüler*firmen zeigen, dass einerseits die Schüler*innenfirma zunehmend umgesetzt werden, diese Zunahme jedoch keine Impulse für die Soziale Arbeit zu setzten scheint. Im Kontext der Sozialen Arbeit wird das Konzept vor allem in stark formalisierten Formen wie in Jugendhilfebetrieben umgesetzt, jedoch selten an Schulen selbst initiiert. Obwohl viele Möglichkeiten mit einer Schüler*innenfirma entwickelt werden können. findet das Konzept aus professionstheoretischer Sicht keine Beachtung. In diesem Kapitel wird das Konzept aus der Perspektive der Sozialen Arbeit diskutiert, um mit einer erweiterten ganzheitlichen und integrativen Sicht auf dieses Konzept diese Lücke zu schließen. Denn es lassen sich viele Schnittstellen zu Aufgaben in unterschiedlichen Arbeitsfeldern der Sozialen Arbeit begründen. Wie kann eine Verknüpfung zu den Aufgaben und Zielsetzungen der Sozialen Arbeit sinnvoll gelingen, wenn es darum geht, die Schüler*innenfirma oder den Schüler*innenfirmenwettbewerb in unterschiedlichsten Schulformen, Klassenstufen oder Schnittstellen von Schule, Beruf und Gemeinwesen zu begleiten? Welche Rolle und welche Funktion nimmt sie dabei ein im Hinblick auf eine Etablierung als ein professionsübergreifendes Angebot? Soziale Arbeit und die Schüler*innenfirma in ganzheitlicher Betrachtung   »Soziale Arbeit fördert als praxisorientierte Profession und wissenschaftliche Disziplin gesellschaftliche Veränderungen, soziale Entwicklungen und den sozialen Zusammenhalt sowie die Stärkung der Autonomie und Selbstbestimmung von Menschen. Die Prinzipien sozialer Gerechtigkeit, die Menschenrechte, die gemeinsame Verantwortung und die Achtung der Vielfalt bilden die Grundlage der Sozialen Arbeit. Dabei stützt sie sich auf Theorien der Sozialen Arbeit, der Human- und Sozialwissenschaften und auf indigenes Wissen. Soziale Arbeit befähigt und ermutigt Menschen so, dass sie die Herausforderungen des Lebens bewältigen und das Wohlergehen verbessern, da-

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

bei bindet sie Strukturen ein. Diese Definition kann auf nationaler und/oder regionaler Ebene weiter ausgeführt werden.«1 Die im ersten Teil zugrunde gelegten pädagogischen Ziele, wie auch der Überblick über verschiedene Umsetzungsmöglichkeiten von Schüler*innenfirmen soll nun in diesem Teil in Verbindung zur Sozialen Arbeit gebracht werden. Dabei wird die Frage erörtert, ob eine verstärkte Einbindung der Schüler*innenfirma für die Umsetzung der Zielsetzungen Sozialer Arbeit sinnvoll ist. Wie können Schüler*innenfirmen, Juniorenfirmen oder ein Wettbewerb um die beste Geschäftsidee in Berufs- und Arbeitsfeldern der Sozialen Arbeit genutzt werden? Wie kann die Schüler*innenfirma als Integrationsmodell gelingen, welches unter der Zuständigkeit der Fächer und der Sozialen Arbeit steht? Die Beantwortung erfolgt durch die Ableitung der Frage nach dem Gegenstand Sozialer Arbeit selbst: Was sind ihre Aufgaben, Ziele und Methoden? Diese so grundsätzliche Frage kann nur skizzenhaft aus unterschiedlichen Perspektiven beantwortet werden, soll aber dennoch eine Begründung und Ableitung der Schüler*innenfirma ermöglichen. Dabei werden Verbindungen zur Schüler*innenfirma herausgearbeitet, die das Anliegen bestärken sollen, dieses Modell unter den Kanon der Methoden Sozialer Arbeit zu subsumieren. Daran anschließend wird Soziale Arbeit an den Schnittstellen von Schule und Beruf vorgestellt, also jenen Bereichen, in denen Schüler*inenfirmen schon eingesetzt werden oder vorrangig eingesetzt werden können. Ein Blick auf und eine Diskussion über die Tätigkeitsfelder Schulsozialarbeit, Berufsorientierung und Jugendberufshilfe konkretisiert die möglichen Arbeitsfelder und Aufgabenbereiche. Diese Ausführungen zu grundsätzlichen Fragestellungen der Sozialen Arbeit sowie deren Umsetzung in konkreten Berufsfeldern, führt zum Forschungsteil dieser Arbeit: Beispielhaft für eine Umsetzungsform wird der Frage nachgegangen, ob über die Teilnahme an einem Projekt »kleinUnternehmen«, einem Schüler*innenwettbewerb, die Selbstwirksamkeitserwartung wie auch die Kompetenzen von Schüler*innen gestärkt werden können. Dafür wurden Schüler*innen mehrerer Grundschulklassen vor und nach ihrer Teilnahme an diesem Projekt befragt. Die Ergebnisse der quantitativen und qualitativen Fragen werden im dritten Teil der Arbeit diskutiert. Die Ergebnisse nehmen dabei Effekte hinsichtlich des Standorts, des Alters und des Geschlechts mit in den Blick. Zunächst zur Sozialen Arbeit: Was sind sie, die Aufgaben der Sozialen Arbeit und wie kann daraus ableitend beurteilt werden, ob zu deren Erfüllung die Schüler*innenfirma ein Konzept der Wahl sein kann. Diese Frage mag auf den ersten Blick leicht zu beantworten sein: Soziale Arbeit hilft als Handlungswissenschaft Menschen in Notlagen oder bietet Unterstützung für Bedürftige aufgrund und mithilfe wissenschaftstheoretischer Grundlagen. Je nach Bedarf und Erkenntnis können entsprechende Angebote gemacht werden. Doch ist diese Frage auf einen zweiten Blick mitnichten leicht zu beantworten, zumal auch auf wissenschaftstheoretischer Seite keine Einigkeit besteht:

1

Deutschsprachige Definition Sozialer Arbeit: https://www.dbsh.de/fileadmin/downloads/20161114 _Dt_Def_Sozialer_Arbeit_FBTS_DBSH_02.pdf. Die Begrenztheit von Übersetzungen, die Geschichte der 116 Mitgliedstaaten des IFSW führen zu notwendigen Erläuterungen, die a.a.O. nachzulesen sind.

2. Die Schüler*innenfirma im Kontext der Sozialen Arbeit

Wem genau sollte Soziale Arbeit helfen oder Unterstützung anbieten und mit welchen Zielsetzungen? Wäre es nicht ausreichend, der ökonomischen Bildung die Umsetzung der Schüler*innenfirma zu überlassen? Der Versuch einer Annäherung zur Beantwortung dieser Frage, soll der Versuch sein, das Konzept der Schüler*innenfirma im Kontext der Sozialen Arbeit zu verorten, zu stärken und zu begründen. Die Annäherung erfolgt auf einer Auswahl theoretischer Ansätze, die einerseits Spannungsfelder skizziert und die damit verbundene Schwierigkeit, Soziale Arbeit als Profession und Disziplin zu verorten. Maja Heiner geht einen pragmatischen Weg, um die Vielzahl der Aufgaben sinnhaft zu ordnen und darauf aufbauend Ziele, Angebote und Durchführungen zu systematisieren. Sie beschreibt Soziale Arbeit als »Teil des sozialstaatlichen Dienstleistungssystems«. Soziale Arbeit dient als Hilfe, Ansprüche auf soziale Leistungen umsetzen zu können. Andreas Schaarschuch vertritt ebenso den Ansatz, Soziale Arbeit als eine Form der Dienstleistung zu begreifen und versteht diesen Ansatz als einen durchaus partizipativen. Ihnen wird der Ansatz von Silvia Staub-Bernasconi gegenübergestellt, die einen ganz anderen Weg wählt, um Begründungen für die Soziale Arbeit zu entwickeln. Ihr Ansatz erhebt einen politischen und normativen Anspruch. Sie sieht Soziale Arbeit als eine Menschenrechtsprofession, die zur Lösung sozialer Probleme beitragen soll. Dieser Zuschreibung widerspricht Albert Scherr. Über den Begriff soziales Problem gleicht er die Zuständigkeit der Sozialen Arbeit ab und kommt zur Schlussfolgerung: Soziale Arbeit sollte als Exklusionsvermeidung verstanden werden. Abschließend werden Ansätze entwickelt, die sich aus konstruktivistischer Perspektive mit dem Gegenstand Sozialer Arbeit auseinandersetzen. Heiko Kleve sieht in der Sozialen Arbeit die postmoderne Profession schlechthin und legt den Fokus auf die Frage nach der Konstruktion von Wirklichkeiten und damit der Konstruktion von Problemen, die erst durch deren Benennung in der Kommunikation entstehen. Kersten Reich hat als Pädagoge und Kulturtheoretiker keine Theorie für die Soziale Arbeit entwickelt. Doch sein interaktionistisch-konstruktivistischer Ansatz bietet für die Soziale Arbeit fruchtbare Ansätze. Das Zusammenspiel von den von ihm differenzierten Beobachterebenen und -positionen scheinen für die Beschreibung der Aufgaben und Rollen der Sozialpädagog*innen prädestiniert und geeignet, seine grundlegenden Ansätze auf die Soziale Arbeit zu übertragen.

2.1

Zur Sozialen Arbeit

Die oben zitierte internationale Definition Sozialer Arbeit des IFSW (International Federation of Social Workers), dem auch der deutsche Berufsverband DBSH (Deutsche Berufsverband für Soziale Arbeit e.V.) angehört, zeigt, wie breit und damit aber auch unspezifisch die Aufgaben der Sozialen Arbeit umschrieben werden. Doch sie verweist auf jene Aspekte, die für die Theoriebildung und wissenschaftliche Orientierung grundlegend sind und lässt erkennen, dass die Aufgaben der Sozialen Arbeit weder auf bestimmte Bereiche noch auf bestimmte Phasen des Lebens beschränkt sind. Mit der Zielsetzung, Menschen zu unterstützen, die Schwierigkeiten oder Probleme haben, deren

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Ursachen im sozialen Kontext zu finden sind, die von Ungleichheit oder Ungerechtigkeit betroffen oder bedroht sind oder jene, die selbst nicht in der Lage sind, sich selbst zu helfen, lassen sich Berufsfelder und entsprechende spezifische Qualifikationen für nahezu alle Lebensphasen, Herausforderungen und Problemlagen finden. Abgeleitet von der Definition Sozialer Arbeit, liegt der Fokus auf dem Verhältnis des Individuums zum Sozialen: Es geht um das Herstellen sozialer Gerechtigkeit und die Unterstützung des Individuums bei den Herausforderungen des Lebens. Es kann also nicht von der einen Theorie der Sozialen Arbeit ausgegangen werden. Vielmehr ist der der Diskurs durch Heterogenität und Theorienpluralismus gekennzeichnet. Das mag auch daran liegen, dass die Soziale Arbeit eine relativ junge Profession ist und eine Gemeinsamkeit über den Gegenstand Sozialer Arbeit generell nicht besteht. Dennoch gelten Klassiker der Theorienbildung Sozialer Arbeit als grundlegend für ihre Entwicklung.2 Doch ihre Ursprünge sind unterschiedlich und führen dazu, dass Ansätze auseinandergehen und manche grundlegende Fragestellungen und Ansätze offen bleiben – wie beispielsweise eine grundlegende Theorie zur Partizipation innerhalb der Sozialen Arbeit (vgl. Heiner 2004).3

2.1.1

Zu den Aufgaben der Sozialen Arbeit

Soziale Arbeit, die in ihren Ursprüngen eine Fürsorgetätigkeit war, basierte im Wesentlichen darauf, die Folgen materieller Not zu lindern. Das mittelalterliche Almosenwesen und die christliche Hilfstätigkeit sind die Grundlagen, aus denen sich über die Jahrhunderte professionelle Hilfe entwickelt hat (vgl. u.a. Mühlum 1996: 42ff.).4 Die ursprüngliche Hilfe beinhaltete die Versorgung armer und kranker Menschen (als Vorläufer der Sozialarbeit) wie die Versorgung armer und verwaister Kinder (als Vorläufer der Sozialpädagogik). Mit der Entstehung von Frauenschulen und der Ausbildung von Fürsorgerinnen Anfang des 20. Jahrhunderts, die mit den Vorreiterinnen professioneller Sozialer Arbeit Alice Salomon und Jane Addams eng verbunden sind, erfahren die praktisch geleisteten Hilfen erstmals eine theoretische und methodische Fundierung. Damit verbunden wurden auch die Problemlagen neu bewertet. Demnach mussten nicht nur die angebotenen Hilfen erst gelernt, sondern die Probleme zunächst verstanden und verortet werden. Sie wurden nicht weiter nur als ein individuelles Problem, sondern erstmals als eines verstanden, das in Wechselwirkung mit dem sozialen Kontext steht. Soziale Arbeit wurde zum Beruf, individuelle und soziale Probleme sollten mit Wissen und Methode gelöst werden (vgl. ebd.: 46). Während des Nationalsozialismus fand diese Entwicklung ein Ende. Auch die Soziale Arbeit war in unterschiedlicher Weise an der Umsetzung der nationalsozialistischen Ideologie beteiligt (vgl. Kuhlmann 2013: 89ff). Noch heute geht es innerhalb

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Dazu u.a.: Engelke/Borrmann/Spatscheck 2018. Zum Überblick Soziale Arbeit u.a.: Errath/Balkow 2016; Kessl/Kruse/Stövesand/Thole (Hg.) 2017; May/Schäfer 2018; Heiner 2007; Müller et al. (Hg.) 2000. Zur Geschichte der Sozialen Arbeit: vgl. u.a. Mühlum 1996; Kuhlmann 2013. Zur Professionalisierung durch Salomon und Addams: Schüler 2004.

2. Die Schüler*innenfirma im Kontext der Sozialen Arbeit

der Profession um eine Offenlegung und einen Diskurs darüber, welche Rolle Soziale Arbeit während des Nationalsozialismus gespielt hat. 5 Eine Diskussion über Professionalisierung, Ausbildung und der Etablierung der Sozialarbeitswissenschaft als eine eigenständige Wissenschaft wurde nach dem Zweiten Weltkrieg wieder aufgegriffen. Durch die beginnende Akademisierung der Ausbildung in den 1970er Jahren erfuhr die Soziale Arbeit eine erste Anerkennung als eigenständige Profession.6 Die Sozialarbeitswissenschaft beschäftigt sich mit den verschiedenen Ursachen der Problementstehung und -entwicklung, den gesellschaftlichen und politischen Bedingungen, der persönlichen Ausstattung und weiteren Themenfeldern, die als Erklärungen zur Entstehung von sozialen Problemen und Ungleichheit dienen und damit Möglichkeiten ableiten, Menschen, die von diesen betroffen sind, zu helfen (vgl. beispielsweise Erath/Balkow 2016: 164ff.). Mit Blick auf die Berufs- und Tätigkeitsfelder, sollte eine Trennung der Berufsbezeichnung Sozialpädagoge*in und Sozialarbeiter*in, wie auch die entsprechende Studiengangbezeichnung eigentlich obsolet sein. Die begriffliche Unterscheidung wird jedoch weiterhin genutzt, um unterschiedliche Zugänge und Aufgaben hervorzuheben und zwischen Sozialer Arbeit verstanden als Bildung (Sozialpädagogik) und Hilfeleistung (Sozialarbeit) zu differenzieren. Soziale Arbeit verweist auf eine zentrale Aufgabe des Berufs, nämlich Vermittlerin zwischen Individuum und Gesellschaft zu sein (vgl. Heiner 2007: 101ff.). Und dies zunächst einmal unabhängig von methodisch-inhaltlichen Vorgehensweisen, welche, ebenso wie die unterschiedlichen geschichtlichen Entwicklungen, zu den unterschiedlichen Berufsbezeichnungen führte. Eine Aufrechterhaltung der Bezeichnungen und der Arbeitsaufteilung von Sozialarbeit als Hilfe für materielle Notlagen sowie für Verwaltungshandeln und Sozialpädagogik als pädagogisch-bildungsorientierte Hilfe bei Erziehungs- und Verhaltensauffälligkeiten hält Staub-Bernasconi auch für zu einfach und plädiert, insbesondere um Einflüsse der Umwelt, der Gesellschaft, der Politik zu berücksichtigen, für einen weiteren theoretischen, systemtheoretischen Ansatz. Der Blick der Sozialen Arbeit auf individuelle Problemlagen muss, um nicht eingeschränkt zu sein, zur »Weit- und Weltsicht werden« (vgl. Staub-Bernasconi 2007: 154). Sie teilt die wissenschaftliche Entwicklung Sozialer Arbeit ab 1890 in sechs Phasen und orientiert sich dabei an der Fragestellung, wie soziale Probleme theoretisch bearbeitet wurden. Dabei richtet sie den Blick ihrer Analyse auf die Situation des Individuums, auf gesellschaftliche Teilsysteme sowie auf die Gesellschaft selbst (vgl. ebd.: 133ff.). Borrmann (2016) unternimmt den Versuch, die vielen unterschiedlichen Theorien Sozialer Arbeit anhand ihrer Ausrichtung zu systematisieren. Er unterscheidet zwischen Theorien, die Soziale Arbeit als Funktionssystem beschreiben; Theorien, die methodisches Handeln fundieren; Theorien, die sowohl theoretisches als auch methodisches Handeln verorten; Theorien, die auf Gründe für soziale Probleme rekurrieren und

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Mehr zur Sozialen Arbeit während des Nationalsozialismus: Otto (Hg.) 1989; Schnurr 1997; Eberle/ Kaminsky/Behringer/Unterkofler (Hrsg) 2019. Die Diskussion, wo Soziale Arbeit zu verorten ist, als eigene Wissenschaft oder als Teilgebiet der Erziehungswissenschaft ist jedoch bis heute nicht abgeschlossen. Damit verbunden war und ist ihre Ausrichtung als Wissenschaft oder Ausbildung: vgl. u.a. Kessel/Otto 2012.

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

Theorien, die Hauptbezugspunkte von Sozialer Arbeit beschreiben und systematisch verbinden (vgl. ebd.: 28-34). Als Grund, weshalb so viele unterschiedliche Theorieangebote kursieren, führt Borrmann unter anderem an, dass nicht klar ist, was Theorien leisten sollen (vgl. ebd.: 35ff.). Neben der Komplexität und der Schwierigkeit einer theoretischen Verortung Sozialer Arbeit stellt sich ein grundsätzliches Problem, welches daraus resultiert oder umgekehrt: Wenn nun die Aufgaben der Sozialen Arbeit beschrieben werden sollen, führt die Komplexität der vielen Arbeitsfelder in der Praxis, ebenso wie die Erwartungen der unterschiedlichen Beteiligten oft dazu, dass die Aufgaben, die Soziale Arbeit übernimmt oder übernehmen soll, oft nicht klar sind (vgl. Heiner 2007: 21f.). Die folgenden Perspektiven sind demnach als Scheinwerfer zu betrachten, die einerseits die Breite des theoretischen Diskurses sowie andererseits verschiedene Anknüpfungs- und Begründungsansätze innerhalb dieser Arbeit punktuell beleuchten. Perspektive 1: Soziale Arbeit: Dienstleistungs- vs. Menschenrechtsprofession Eine Klärung, welche konkreten Aufgaben Soziale Arbeit aus der obigen Definition ableitend zu übernehmen hat, kann erfolgen, wenn Soziale Arbeit nach Heiner zunächst als »Teil des sozialstaatlichen Dienstleistungssystems« (vgl. Heiner 2007: 53) verstanden wird, zu dessen Erfüllung der Sozialstaat verpflichtet ist. Dann können verschiedene Aufgaben vom sozialstaatlichen Prinzip abgeleitet werden, welche die Produktionsund Reproduktionsfähigkeit der Gesellschaftsmitglieder sichern will. Das eher bürokratisch anmutende Ziel impliziert – direkt oder indirekt – alle damit erforderlichen Leistungen, die der Sozialstaat für die soziale Sicherung bereitstellt. Für die Soziale Arbeit bedeutet dies, dass ihre Aufgabe in der Sicherstellung oder Wiederherstellung der Teilnahmechancen sowie der Teilnahmebereitschaft am gesellschaftlichen Leben der Bedürftigen besteht (vgl. ebd.). Darunter fallen alle Leistungen, von der Sozialleistung selbst bis hin zur rechtlichen Beratung oder pädagogischen Unterstützung. Vor allem aber ist dies ein Modell Sozialer Arbeit, welches ihren Wandel kennzeichnet: Sie ist nicht mehr insbesondere Eingriffsbehörde, sondern Dienstleistungserbringerin.7 Die Vielzahl der Aufgabenbereiche und Zielgruppen ermöglicht unterschiedliche Vorgehensweisen diese zu systematisieren. Es lassen sich unterscheiden: Die Gliederung der Berufs- und Arbeitsfelder nach den Lebensphasen und den damit einhergehenden Herausforderungen, die Gliederung nach den verschiedenen Problemlagen sowie die Gliederung nach der Art und Weise der Hilfestellung (vgl. ebd.: 88ff.). Daraus ableitend beschreibt Heiner insgesamt fünf Aufgabenbereiche, wobei Überschneidungen in allen Bereichen unvermeidlich sind. Am Beispiel der Schüler*innenfirmenarbeit werden die Überschneidungen bzw. Schnittstellen der Aufgabenbereiche verdeutlicht. Personalisation: Der Aufgabenbereich Personalisation fasst Angebote zusammen, die die Entwicklung der Persönlichkeit betreffen. Das ist weit gefasst und reicht von der Unterstützung von v.a. Kindern und Jugendlichen in ihrer Entwicklung, kann aber ebenso Erwachsene meinen, die in schwierigen Lebensphasen Unterstützung erhalten. 7

Zur Veränderung: Strukturmaximen im 8. Jugendbericht. Bericht über Bestrebungen und Leistungen der Jugendhilfe. Herausgeber: Der Bundesminister für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit. Bonn 1990.

2. Die Schüler*innenfirma im Kontext der Sozialen Arbeit

Wenn Problemfelder hinzugezogen werden, beinhaltet der Bereich Personalisation neben der Vermittlung von Wissen oder Kompetenzen bei Entwicklungs- und Sozialisationsprozessen, auch die Vermittlung von Werten und Normen bei Integrationsprozessen (vgl. ebd.: 92). Wird in diesem Aufgabenbereich die personale Kompetenz (vgl. dazu Kap. 1.2.2.2) als Ziel formuliert, wird deutlich, wohin die Unterstützung führen soll: zur Fähigkeit selbstorganisiert handeln, sich selbst einschätzen und Werthaltungen einnehmen zu können. Neben präventiven Angeboten in der Jugendhilfe, können ebenso Projekte zur Stärkung sozialer Kompetenzen dem Bereich Personalisation zugeordnet werden. Das gilt für Kinder wie auch für Erwachsene. Qualifikation: Der Aufgabenbereich Qualifikation umfasst die Vermittlung jener Fähigkeiten, die für ein eigenständiges Leben, für eine Erwerbstätigkeit notwendig sind. Auch hier handelt es sich um eine altersübergreifende Fähigkeit. Qualifikation umfasst nicht nur die persönlichen Kompetenzen – auch wenn es Überschneidungen gibt – sondern darüber hinaus all jene Fähigkeiten, die für den beruflichen Kontext von Bedeutung sind (vgl. ebd.: 92). Soziale Arbeit ist in diesem Rahmen in ganz unterschiedlichen Kontexten tätig: von der Schulsozialarbeit, innerhalb derer die Entwicklung von beruflichen Kenntnissen Thema sein kann, bis hin zu Wiedereinstiegsmaßnahmen für langzeitarbeitslose Menschen. Produktions- und Reproduktionssicherung: Dieser Bereich beinhaltet im wesentlichen drei Aufgaben, die Voraussetzungen schaffen und ermöglichen sollen, die Produktionsfähigkeit der Menschen abzusichern. In diese Sinne werden auch Partnerschaft, Ehe und Familie unterstützt. So sollen die Bedingungen sichergestellt oder wiederhergestellt werden, die es den Menschen ermöglichen, einen Beruf zu erlernen oder einer Berufstätigkeit nachzugehen und sich selbst wie auch die eigene Familie zu versorgen. Die Familie selbst erhält Unterstützung, beispielsweise bei der Betreuung der Kinder oder sie hat die Möglichkeit verschiedene Beratungen oder Informationen in Anspruch zu nehmen wie über Kindererziehung oder Ausbildungsmöglichkeiten (vgl. ebd.). Rehabilitation und Pflege: Die Rehabilitation zielt auf die Wiederherstellung der Gesundheit. Dabei kümmert sich Soziale Arbeit um körperlich oder seelisch kranke Menschen, indem sie beispielsweise präventive Fördermaßnamen für Kinder mit Behinderung und ihre Eltern anbietet oder Beratungsangebote bei der Suche passender Hilfen und Beschulung. Für Erwachsene, die aufgrund ihrer Erkrankung oder ihres Alters nicht mehr in der Lage sind, eine Berufstätigkeit auszuüben, sind das beispielsweise Arbeitsbereiche, die sich um die Vermittlung medizinischer Unterstützung kümmern oder um die Vermittlung und Begleitung entsprechender Rehabilitationsmaßnahmen um, wenn Potenziale vorhanden sind, die Rückkehr in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen (vgl. ebd.: 54, 92). Resozialisation: Prinzipiell ist die Aufgabe der Sozialen Arbeit die Vermittlung von Individuum und Gesellschaft. Im Bereich Resozialisation findet sie ihren extremsten Ausdruck. Er beinhaltet alle Maßnahmen für Menschen, die mit dem Gesetz in Konflikt geraten oder die verhaltensauffällig geworden sind und zum Ziel haben, sie in die Gesellschaft zu (re)integrieren. Die Angebote reichen von Projekten für verhaltensauffällige Jugendliche (z.B. Anti-Aggressions-Training) bis hin zur Begleitung Haftentlassener im Rahmen der Bewährungshilfe (vgl. ebd.). Heiner betont, dass die verschiedenen Aufgabenbereiche nicht klar voneinander abgrenzbar sind. In Zusammenhang der

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

Unterteilung von Hilfeleistung in Lebensphasen, Problemstellungen und Methoden der Hilfe, bestehen in der Praxis viele Kombinationen. Dennoch ermöglicht diese Systematisierung eine sinnhafte Unterscheidung der Unterstützungsangebote Sozialer Arbeit und damit auch eine Zuordnung und Begründung verschiedener Arbeitsbereiche (vgl. ebd.: 91). Eine Übertragung dieser Systematik auf die Umsetzung einer Schüler*innenfirma verdeutlicht die Überschneidungen: Auf den ersten Blick kann die Methode dem Bereich Personalisation zugeordnet werden: Unabhängig von der Selbstständigkeit der Schüler*innen oder der Schulart, ist das Ziel des vorgestellten Konzepts die selbstständige Erarbeitung und Durchführung einer Geschäftsidee aufgrund eigener Interessen und Fähigkeiten. Die Kinder und Jugendlichen können erleben was es bedeutet, selbstständig und eigenverantwortlich zu agieren. Quasi nebenbei werden im aktiven und realen Tun soziale und kulturelle Normen erlernt, die eine praktische Umsetzung erst ermöglichen und erfolgreich machen können. Ebenso ist auch eine Zuordnung in den Bereich Qualifikation möglich, denn Mittel zum Zweck sind fachliche, ökonomische Inhalte, um persönliche Kompetenzen mithin Selbstwirksamkeit zu stärken. So können in einer Schüler*innenfirma grundlegende fachlich-methodische Kompetenzen wie Lesen, Rechnen oder wirtschaftliche Inhalte vermittelt werden, aber ebenso personale oder sozial-kommunikative Kompetenzen, wie ein respektvoller Umgang miteinander, gestärkt werden. Verschiedene Berufsfelder können kennengelernt, mit eigenen Fähigkeiten verglichen und im Hinblick auf berufliche Entscheidungen bewertet werden. Wird eine Schüler*innenfirma beispielsweise an Förderschulen, im Rahmen eines Berufsvorbereitungsjahres oder als Jugendhilfebetrieb durchgeführt, dann kann sie allerdings ebenso dem Bereich Rehabilitation zugeordnet werden, denn es fördert Kinder mit Behinderung und benachteiligte Kinder in ihren Kompetenzen, befähigt sie aktiv etwas zu gestalten und enthält Aspekte der Berufsorientierung. Für eine genauere Zuordnung sind weitere Kriterien hilfreich. Sie sind nach Heiners Gliederung im Berufsfeld und der gesetzlichen Grundlage zu finden. Das Arbeitsfeld wiederum und davon abgeleitet das Tätigkeitsfeld führt zu den Organisationsformen. Innerhalb dieser werden verschiedene Methoden angewendet. Auch die Unterscheidung der Organisationsform der Angebote zwischen stationär, teilstationär und ambulant ist nützlich, um diese einordnen und systematisieren zu können (vgl. ebd.: 96ff.). In Anlehnung an Heiner können die unterschiedlichen Angebotsformen am Beispiel der Schüler*inenfirma des Schüler*innenfirmenwettbewerbs folgendermaßen dargestellt werden (vgl. ebd.: 96, 154):

2. Die Schüler*innenfirma im Kontext der Sozialen Arbeit

Tabelle 1: Systematische Darstellung der Angebotsformen (eigene Darstellung in Anlehnung an Heiner) Berufs- und Arbeitsfeld

Tätigkeitsfeld Tätigkeitsform

Organisationsform

Aufgabenbereiche

gesetzliche Grundlage

Jugendhilfe, Schulsozialarbeit

Schüler*innenfirmen, Schüler*innenfirmenwettbewerbe

ambulant

Personalisation, Qualifikation

Kinder- und Jugendhilfegesetz

schulische Berufsorientierung, Unterricht

Schüler*innenfirmen, Schüler*innenfirmenwettbewerbe

ambulant

Personalisation, Qualifikation

Schulgesetze

Ausbildung, Schulbildung

Lernfirma: Lernbüro und Übungsfirma

ambulant

Qualifikation

Berufsbildungsgesetz, Schulgesetz

Ausbildung

Lernfirma: Juniorenfirma, Juniorenunternehmen

ambulant

Personalisation, Qualifikation

Berufsbildungsgesetz, Berufsschulverordnung

Außerbetriebliche Ausbildung, schulische Berufsvorbereitung außerschulische Berufsvorbereitung

Produktionsschulen, Berufsvorbereitungsjahr, Berufsgrundbildungsjahr

ambulant, teilstationär oder stationär in Berufsbildungswerken

Qualifikation, Rehabilitation, Personalisation

Sozialgesetzbuch, Berufsbildungsgesetz

Außerbetriebliche Ausbildung

Jugendhilfebetriebe

ambulant

(Aus)Bildung, Personalisation, Qualifikation

Berufsbildungsgesetz

Soziale Arbeit richtet als Vermittlerin zwischen Individuum und Gesellschaft ihre Aufgaben, Aktivitäten und Interaktionen nicht nur an das Klient*innensystem, sondern auch an das Leistungssystem. Beim Klient*innensystem, wozu neben der Person auch ihr soziales Umfeld gehört, versucht sie einerseits die Verhältnisse, in denen Klient*innen leben, zu verbessern und andererseits deren Verhalten zu beeinflussen. Es ist die tägliche direkte Arbeit der Fachkräfte mit der Klientel, die Heiner als Basisfachkräfte bezeichnet und die auf der Ebene des Fallmanagements agieren. Auf der Ebene des Systems- oder Sozialmanagement nehmen die Fachkräfte Einfluss auf Leistungsträger oder Politik. Als sozialrechtlich legitimierte Form der Hilfe ist Soziale Arbeit immer abhängig von sozialpolitischen Grundlagen. Zugleich ist die Nachrangigkeit der Hilfe zu beachten, die erst dann greifen soll, wenn andere gesellschaftliche und staatliche Systeme nicht mehr greifen (vgl. ebd.: 518f, 531). Auf der Ebene des Leistungssystems, wozu alle sozialstaatlichen Dienstleistungen und Einrichtungen zählen wie auch privatwirtschaftliche Leistungsträger, versucht Soziale Arbeit Interessen für ihre Adressat*innen

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

anzuregen und durchzusetzen. Das kann sie beispielsweise im Jugendhilfeausschuss. Letztlich geht es in der Sozialen Arbeit darum, mehr soziale Gerechtigkeit zu schaffen (vgl. ebd.: 517ff.). Heiner konstatiert jedoch eine Diskrepanz zwischen der Arbeit mit dem Klient*innensystem und der Arbeit mit dem Leistungssystem. Statt gleichbedeutend individuelle sowie sozial verursachte Problemlagen zu bearbeiten und auf politischer Ebene zu agieren, zeigt sich in der Praxis vorrangig die Arbeit mit dem Klient*innensystem. Sylvia Staub-Bernasconi übt scharfe Kritik an einem Dienstleistungsmodell Sozialer Arbeit. Sie unterstellt diesem ein neoliberales Menschenbild, welches darauf aus sei, möglichst schnell die Arbeitsfähigkeit mit passenden kostengünstigen Maßnahmen wiederherzustellen (vgl. Staub-Bernasconi, 2006/2007: 11). Sie stellt diesem ein Modell Sozialer Arbeit als eine Menschenrechtsprofession gegenüber, die auf Problemlagen, mit ihren meist komplexen Ursachen, auch entsprechend komplexe Antworten zu finden versucht. Soziale Arbeit soll Hilfen anbieten, die auf ethischen Grundlagen sowie auf Grundlage der Menschenrechte basieren. Soziale Arbeit so weit zu fassen, bedeutet für Staub-Bernasconi, sie als mehr zu begreifen als eine »sozialstaatlich abgesicherte Dienstleistung reicher Länder« (Staub-Bernasconi, 2006/2007: 10). »Eine Gegenstandsbestimmung einer Theorie Sozialer Arbeit ergibt sich aus Antworten auf Fragen der Entstehung des Aufbaus sowie der Veränderung von physikalischen, chemischen, biologischen, psychischen, sozialen und kulturellen Systemen, insbesondere nach der Entwicklung der Menschen mit ihren hochplastischen Evolutionsprozeß entstandenen psychischen Systemen« (Staub-Bernasconi 1996: 13). Unter einer quasi alles umfassenden Ableitung lassen sich nun alle Bereiche des menschlichen Lebens subsumieren, für die sich Soziale Arbeit als zuständig betrachten könnte. Zuständig wird Soziale Arbeit nach Staub-Bernasconi dann, wenn Ausstattungen begrenzt sind oder behindern, Bedürfnisse nicht gestillt werden können, Austauschbeziehungen gestört sind und Machtstrukturen negative Begrenzungen und Einschränkungen bewirken (vgl. ebd.: 15ff, Widersprüche 2008: 9-32). Mit Ausstattungsprobleme bezeichnet Staub-Bernasconi verschiedenste Mängel, die körperlich, geistig, sozioökonomisch oder sozioökologisch bedingt sind oder auch wenn Handlungskompetenzen eingeschränkt sind. Über eine Analyse der Probleme, die durch diese Aspekte entstanden sind, werden die Aufgaben Sozialer Arbeit abgeleitet. Diese Probleme sind nach Staub-Bernasconi alle Ausdruck sozialer Probleme: »Von sozialen Problemen […] sprechen wir dann, a) wenn qualitative und quantitative Ausstattungs-Bedürfnisse aus sozial hergestellten Gründen unbefriedigt bleiben, b) wenn der Austausch zwischen Teil-Systemen nicht auf Gegenseitigkeit beruht, und/oder c) wenn soziale Systeme ihre Produktions-, Sozialisations-, Steuerungs- und Verteilungsaufgaben so lösen, dass Teil-Systeme andere Teil-Systeme behindern, und zwar dadurch, dass sie ihre Ausstattung und Macht auf Kosten anderer Teil-Systeme unbehindert maximieren können« (Staub-Bernasconi 1986: 50). In ihrer Kritik gegenüber einer dienstleistungstheoretisch abgeleiteten Theorie Sozialer Arbeit setzt Staub-Bernaconi neoliberale Deutungen einer menschenrechtsgeleiteten Theorie gegenüber. Über diverse Unterschiede versucht sie zu zeigen, wie stark eine dienstleitungstheoretische Ausrichtung ökonomischen Prinzipien folgt. Dies hätten derart negative Auswirkungen auf die Soziale Arbeit, dass deren Grundsätze öko-

2. Die Schüler*innenfirma im Kontext der Sozialen Arbeit

nomischen Bestrebungen zum Opfer fielen. So gingen beispielsweise Rechtsansprüche bei vermeintlichem Fehlverhalten verloren, sei Qualität kein Prinzip, sondern Aushandlungsmasse oder führten standardisierte Schlüsselqualifikationen zur Einstellung geringqualifizierter Fachkräfte. Eine systemische Menschenrechtsprofession hingegen arbeite nach professionellen Standards und Methoden, achte u.a. auf die Wiederherstellung der Würde und die Einhaltung von Menschenrechten. Der zentrale Aspekt ihrer Theorie ist das Triple-Mandat, das über das Doppel-Mandat hinausgeht und die Rechte und Bedürfnisse der Klient*innen auch gegenüber der Organisation verteidigt (vgl. ebd.: 19ff.).8 Wenn die Problemdefinition so umfassend gesellschaftlich gedeutet wird, macht es Sinn, innerhalb dieser Argumentation Soziale Arbeit als eine politische zu begreifen. Sie ist dann für eine Verbesserung der gesellschaftlichen Verhältnisse zuständig, kann soziale Probleme erkennen, macht auf sie aufmerksam und trägt zu ihrer Behebung bei. Der gemeinsame Gegenstand der Aufgaben ist die Einhaltung und Reklamation der Menschenrechte. Folgt man Staub-Bernasconis Argumentation und versteht Soziale Arbeit als Menschenrechtsprofession, dann kann sie nicht nur lokal agieren, sondern muss ebenso nationale und globale Zusammenhänge berücksichtigen.9 Trifft diese Aufgabenbeschreibung den Kern Sozialer Arbeit? Über StaubBernasconis deduktives Verfahren wird die Zuständigkeitsfrage der Sozialen Arbeit nicht einfacher, im Gegenteil. Es kann eine Allzuständigkeit abgeleitet werden, wo Menschenrechte gefährdet oder eingeschränkt sind oder zu sein scheinen. Bei aller Sinnhaftigkeit der Verbindung von Menschenrechten und Sozialer Arbeit, so unklar bleibt nach diesem Modell die Aufgabenstellung für die Soziale Arbeit, wie auch die Abgrenzung zu anderen Professionen oder der Politik. Davon abgesehen: Die Achtung der Menschenrechte sollte Grundlage eines jeden Verhaltens sein und muss als selbstverständliches Prinzip Sozialer Arbeit gelten, wie es im Übrigen auch das Prinzip anderer Professionen sein sollte.10 Daraus ergibt sich, dass Soziale Arbeit auf Missstände hinweist und versucht, Veränderungen zu bewirken.11 8

9

10 11

Der Auffassung folgend, dass – ebenso wie die Achtung der Einhaltung von Menschenrechten – dieses Prinzip für alle Mitarbeiter*innen von Organisationen gilt, wird dieser Ansatz an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt. Staub-Bernasconi hält das Triple Mandat für das Merkmal der Profession. Ausführlich dazu in Staub-Bernasconi 2007: 194ff. Aufgrund der katastrophalen Zustände für Geflüchtete in der aktuellen Flüchtlingssituation, dem Tätigwerden unzähliger professioneller und freiwilliger Helfer*innen, lässt den globalen Anspruch, wie auch der Auftrag an die Soziale Arbeit für die Durchsetzung der Menschenrechte, den Staub-Bernasconi formuliert, auf sehr eindringliche Weise sichtbar werden. Doch Soziale Arbeit agiert auch hier vornehmlich auf praktischer und nicht auf politischer Ebene. Das lässt sich ähnlich formuliert in der Definition des DBSH finden (demnach sind Menschenrechte Grundlage Sozialer Arbeit). Zur Kritik an einer Sozialen Arbeit als Menschenrechtsprofession: Hinte 2006. Hinte kritisiert das Konzept als ein rein akademisches, welches keine Wirkung auf die praktische Soziale Arbeit hat und darüber hinaus mit dieser Debatte die Schärfung des Profils der Profession »Soziale Arbeit« weiterhin verhindert. Kritisch dazu auch Hammerschmidt et.al. 2017. In ihrem systematischen Überblick werden Theorien vorgestellt, wie auch Kritik und offene Fragen zusammengestellt. Die Nützlichkeit so umfassender metatheoretischer Ableitungen für die Soziale Arbeit bleibe abstrakt, wie auch eine Ableitung der Menschenrechte ohne konkrete Umsetzungsideen, wie eine

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

Es bleibt die Schwierigkeit, eindeutige Aufgaben und Zuständigkeiten der Sozialen Arbeit zu formulieren, wie der Versuch einer Übertragung auf das Projekt Schüler*innenfirma oder Wettbewerb zeigt: Eine Analyse der Ausstattung, Austauschbeziehungen und der sozialen Machtstrukturen steht zu Beginn: Schüler*innen werden zunächst hinsichtlich ihrer körperlichen, sozioökonomischen, sozioökologischen Ausstattung betrachtet, ebenso hinsichtlich ihrer Erkenntniskompetenz, Wissens- und Handlungskompetenz. Sind in diesen Bereichen Mängel vorhanden oder in der Ausstattung ihrer sozialen Beziehungen, kann ein Angebot entwickelt werden. Die Ausstattungen werden in Bezug gesetzt mit den Problemdimensionen der Bedürfnisse, des Austauschs, der Macht sowie der Werte. Dieses Vorgehen wirft den Blick auf jene Aspekte, die durchaus mit dem Projekt erreicht werden wollen: Es richtet sich insbesondere an Kinder und Jugendliche, die mit schulischen oder beruflichen Anforderungen Schwierigkeiten haben, die nicht gut in der Lage sind, eigenständig zu handeln oder sich in Gruppen einzufügen und vor allem: es richtet sich an Kinder in sozial benachteiligten Stadtteilen. Die Auflistung fällt jedoch schwer, wenn der Fokus auf Mängel von Kindern gelegt werden soll, die nicht vorher bekannt sind, wenn familiäre, soziale und weitere Einbindungen und Ausstattungen nicht Thema werden. Sie fällt leichter, wenn die Einrichtung Schule als eine grundsätzlich streitbare Institution gehalten wird, die mit dem dreigliedrigen Schulsystem Inklusion nicht grundlegend praktizieren kann, sondern nach wie vor der Selektionsfunktion nach Fend Vorrang gibt12 und in der Kinder aus Armutsverhältnissen bereits in der Grundschule von Benachteiligungen betroffen sind. Eine Analyse nach Staub-Bernasconi funktioniert dann leichter, wenn sich Schulen in Stadtteilen befinden die Inklusion und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben erschweren. Folgt man dieser Zuordnung, wären alle Projekte der Sozialen Arbeit zuordenbar, die an entsprechenden Orten stattfinden. Das wiederum erschwert eine Verortung. Andreas Schaarschuch verdeutlicht, weshalb ein dienstleistungstheoretischer Ansatz Sozialer Arbeit auch als ein politischer gesehen werden kann und damit nicht mit neoliberalen Ansätzen gleichgesetzt werden kann, auch wenn diese die im Zuge der Verwaltungsreform zu finden sind und angegangen werden müssen. Im Zuge der Verwaltungsreform der kommunalen Verwaltung Mitte der 1990er Jahre und der damit erwünschten Kostenreduzierungen, sollte ein modernes Dienstleistungsunternehmen entstehen. Klient*innen wurden zu Kund*innen. Schaarschuch kritisiert die Übertragung dieser Begrifflichkeit auf die Soziale Arbeit als kategorial unangemessen. Doch versucht er den Begriff positiv für die Soziale Arbeit zu wenden (vgl. Hammerschmidt 2017: 175f.) und spricht von Kund*innen der Sozialen Arbeit, die einen Anspruch auf verschiedene soziale Angebote haben. Die bewusst verwendete Begrifflichkeit soll eine veränderte Haltung gegenüber der Klientel Sozialer Arbeit verdeutlichen: »Soziale Dienstleistung ist ein vom nachfragenden Subjekt als produktiver Konsument ausgehender professioneller Handlungsmodus, der im Erbringungskontext

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»sozialrechtliche Konkretisierung« zur »quasi über dem positiven (gesetzten) nationalen Recht schwebende Rahmung der Sozialen Arbeit« reduziert werden kann (152f.). Vgl. Fend 1980: Fend formuliert Funktionen, die Schule im Rahmen ihrer Reproduktionsaufgabe übernimmt: Qualifikation, Selektion/Allokation und Integration/Legitimation.

2. Die Schüler*innenfirma im Kontext der Sozialen Arbeit

des Sozialstaates perspektivisch die Symmetrie des Machtverhältnisses von Nutzer und Professionellem sowie die Demokratisierung der Einrichtungen Sozialer Arbeit zur Voraussetzung hat.« (Schaarschuch 2003: 164) Weil dafür die Fähigkeit zur Einforderung eigener Ansprüche notwendig ist, fordert Schaarschuch von einem Dienstleistungsmodell der Sozialen Arbeit die Befähigung der Klient*innen, selbst die Nachfrage nach Angeboten stellen zu können. Das erfordert ein Vorgehen im Sinne des Empowerments und schließt sich damit an die Forderung eines partizipativen Vorgehens an. Diesem Ansatz liegt ein demokratisches und partizipatives Verständnis Sozialer Arbeit zugrunde: »Das Prinzip des Konzeptes Sozialer Arbeit als Dienstleistung [ist] die Privilegierung der Nachfrageseite.« (Schaarschuch 2003: 169) Das Prinzip der Lebensweltorientierung ist nach Schaarschuch eben nur eine Orientierung an die Lebenswelt der Klient*innen, durchaus mit dem Ergebnis einer besseren Passung der Angebote Sozialer Arbeit an die Bedürfnisse. Doch das Verhältnis von Professionellen und Klient*innen bleibt das gleiche, wie auch die Deutungshoheit und Entscheidungsmacht über die Hilfeleistung unangetastet bleibt. Eine Übertragung der Macht über Hilfeprozesse erfolgt nicht. Darüber geht Schaarschuchs Anspruch hinaus. Er regt ein partizipatives Vorgehen auf der Seite der Leistungserbringer an, um diese Machtstrukturen aufzulösen. Sein Kund*innenbegriff impliziert ein Verhältnis auf Augenhöhe, das ein respektvolles Verhalten bedingt (vgl. ebd.: 153f.). Kund*innen werden bei Schaarschuch zu Produzent*innen: Über den Prozess des Helfens, also der Erbringung der Dienstleistung, die in unterschiedlicher Form (Erziehen, Beraten, Unterstützen etc.) erbracht wird, kann nur eine Verbesserung seitens des Konsumenten eintreten, wenn ein anderes Verhalten ermöglicht, also »produziert« wird (vgl. ebd.: 156). Das können nicht Sozialarbeiter*innen selbst, sondern nur die Leistungsempfänger*innen. Sie sind die eigentlichen Produzent*innen und werden im Prozess der Veränderung und Verbesserung der Verhältnisse von den Co-Produzent*innen, also den Sozialpädagog*innen lediglich dabei unterstützt. Man mag die Begriffe Kund*in oder Konsument*in kritisieren, weil sie die Gefahr bergen, jenen Menschen nicht gerecht zu werden, die sich in einer Situation befinden, die es ihnen nicht möglich macht, produktiv und partizipativ soziale Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen oder gar einzufordern. Dennoch: Der bisherige Klient*innennstatus wird aufgewertet, provoziert einen Perspektivwechsel und ermöglicht damit ein Umdenken, eben nur mit ungewöhnlichen, speziellen Begrifflichkeiten und Perspektiven. Partizipation wäre damit selbstverständliches Prinzip.13 Schaarschuchs dienstleistungstheoretische Begründung Sozialer Arbeit befindet sich jenseits einer Marktlogik und Bestrebungen, die im Zusammenhang der neuen Steuerungsmodelle vor allem auf einen sogenannten »Output« abzielen und deshalb möglichst kostengünstig Angebote erbringen, weil das Angebot sozialer Dienstleistungen besser an die Nachfrage angepasst werden kann (vgl. ebd.: 151f.). Vielmehr arbeitet er die Privilegierung der Nachfrageseite heraus und geht dabei über eine

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Zur Diskussion der Begriffe »Kunde« vs. »Klient« siehe 8. Jugendbericht, Bundesminister für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit (Hg.) 1990. Darin wird die Neuausrichtung der Kinder- und Jugendhilfe diskutiert, die Strukturmaximen als neue Handlungsmaximen vorgestellt und der praktisch schon vollzogene Wandel der Eingriffs- zur Dienstleistungsbehörde manifestiert.

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

Dienstleistungstheorie hinaus, die in der Sozialen Arbeit insbesondere das Erbringen und Sicherstellen sozialer Leistungen versteht. Konkret umsetzbar soll die konstruktive Einflussnahme der Klient*innen auf zwei Ebenen sein: Zum einen auf Ebene der Interaktion mit den Professionellen: Aufgrund der Zielsetzung hat die Soziale Arbeit ein grundsätzliches Interesse an der Stärkung der Klient*innen. Mit dem Konzept des Empowerments kann diese Stärkung erfolgen. Zum anderen auf der Ebene der Institutionen, auf der durch die Einführung von Instrumenten der Mitbestimmung eine Mitsprache der Klient*innen an Angeboten ermöglicht werden kann. Gesellschaftliche Grundlage und damit Begründung dafür ist für Schaarschuch der Bürger*innenstatus. Er beinhaltet die zivilen Schutzrechte sowie die politischen und sozialen Teilhaberechte (vgl. Schaarschuch 2000: 162ff.). Nach diesem Recht sollten in einer demokratisch verfassten Gesellschaft jene Verfahren begründet werden müssen, die nicht partizipativ agieren und nicht jene, die es tun. Pluto hat ausführlich dargestellt, wie wenig und wie unterschiedlich etabliert partizipative Strukturen innerhalb der Sozialen Arbeit sind (vgl. Kap. 1.3.3). Schaarschuch wirft ein, dass die Umsetzung der Mitbestimmungsrechte schwierig sei und bleibt mit konkreten Vorschlägen vage. Tatsächlich ist auch die Frage, wie Menschen mit partizipativen Elementen vertraut sind, einflussreich. Diese Bedingung hat Dewey erkannt und entsprechende Forderungen für die Schule aufgestellt. Denn wenn Sozialisationsinstanzen keine Möglichkeiten zur Mit- und Selbstbestimmung ermöglichen, ist dieses Prinzip kein selbstverständliches, auf allen Seiten nicht. An dieser Stelle bietet die Schüler*innenfirma Möglichkeiten, um partizipative Prinzipien und Verfahren kennenzulernen und zu erproben. Je nach Entwicklungsstand der Kinder und Jugendlichen, wird möglichst viel Verantwortung über die Inhalte und den Ablauf den Teilnehmenden übertragen. Kinder und Jugendliche erleben dadurch, wie eigenständiges Lernen funktionieren kann, wie eigene Ideen eingebracht und umgesetzt werden können und insbesondere erleben sie, dass ihre Stimme berücksichtigt wird, sie gehört werden und mitgestalten können. Perspektive 2: Soziale Arbeit: Lösung sozialer Probleme vs. Exklusionsvermeidung Ausgangspunkt für ein Tätigwerden der Sozialen Arbeit ist in der Regel die Vermeidung von und Hilfestellung bei Problemen, die Menschen nicht aus eigener Kraft lösen können. Heiner stellt als Aufgabe der Sozialen Arbeit die Vermittlung zwischen Staat und Gesellschaft sowie die Erfüllung sozialrechtlicher Ansprüche in den Mittelpunkt, Schaarschuch die Befähigung des Individuums als Produzent Sozialer Dienstleistung, der diese sozialrechtlichen Ansprüche geltend machen kann. Staub-Bernasconi beschreibt Soziale Arbeit als Menschenrechtsprofession, der, insbesondere im globalen Kontext verstanden, die Aufgabe zukommt, für die Einhaltung von Menschenrechte zu agieren, um soziale Gerechtigkeit herzustellen und soziale Probleme zu lösen. Tatsächlich wird der Sozialen Arbeit in vielen theoretischen Ansätzen die Lösung sozialer Probleme zugeschrieben und das oft ohne vorab zu klären, was unter sozialen Problemen überhaupt verstanden wird. Staub-Bernasconi unterstreicht die Bedeutung sozialer Probleme mit den sich daraus ergebenden Fragestellungen für die sozialwissenschaftliche Forschung und Theo-

2. Die Schüler*innenfirma im Kontext der Sozialen Arbeit

riebildung (vgl. Staub-Bernasconi 2002: 245). Über drei Paradigmen, die sie innerhalb der Sozialen Arbeit erkennt, leitet sie eine Definition sozialer Probleme ab, die für sie Ausgangspunkt der Disziplin Soziale Arbeit darstellen. •





Nach dem individuumszentrierten Paradigma sind soziale Probleme Selbstverwirklichungsprobleme und damit individuelle Probleme. Nur die Bearbeitung kann durch soziale Aspekte gestört werden. Nach dem soziozentrierten Paradigma sind soziale Probleme Probleme, die das Individuum mit sozialen Systemen hat: Es sind Anpassungsprobleme an soziale (Teil-)Systeme aufgrund einer mangelhaften Sozialisation und Erziehung. Stigmatisierung und Etikettierung können Folgen sein und damit kann Ausgrenzung aus verschiedenen Systemen folgen. Nach dem systemischen Paradigma sind soziale Probleme sowohl individuelle als auch solche, die aufgrund sozialer und kultureller Strukturen entstehen. Der soziale Aspekt bezieht sich auf die Problementstehung: Es sind soziale oder kulturelle Barrieren, die es Individuen nicht ermöglichen, ihre Bedürfnisse aus eigener Kraft zu befriedigen. Die Probleme können sich in verschiedenen Ausstattungsmängeln äußern (vgl. ebd.: 249f.).

Die Aufgaben Sozialer Arbeit ergeben sich nach Staub-Bernasconi durch diese Paradigmen. Wobei der systemische Ansatz die erstgenannten beinhaltet und sowohl nach individuellen Hilfen wie auch integrativen Ansätzen sucht. Dabei werden immer auch die problemverursachenden Gründe und die sozialen Systeme analysiert, menschenverachtende Ursachen bekämpft, um Menschen dazu zu befähigen aus eigener Kraft eigene Bedürfnisse zu befriedigen und um gesellschaftliche Bedingungen entsprechend zu verbessern (vgl. ebd.: 250). Staub-Bernasconi beschreibt zwei Theorietraditionen der Sozialen Arbeit: die Bedürfnisorientierung, deren Ursprünge in den Theorien Ilse Arlts zu finden sind, und die Funktionsorientierung, geprägt zunächst von Klumker später durch die Systemtheorie Luhmanns (vgl. Staub-Bernasconi 2007: 121ff.). Eine Bedürfnisorientierung der Sozialen Arbeit bedeutet, das Individuum mit seinen Bedürfnissen, die grundsätzlich bei allen Individuen vergleichbar sind, als Ausgangspunkt einer Hilfeleistung zu sehen: Je nachdem, ob diese Bedürfnisse aufgrund der gesellschaftlichen Bedingungen befriedigt werden können oder nicht. Sind sie nicht zu befriedigen, ist die Frage zu klären, welche Gegebenheiten dem im Wege stehen. Dem gegenüber steht der funktionalistische Ansatz, der von gesellschaftlichen Systemen ausgeht und von der Frage, ob Individuen die Möglichkeiten der notwendigen Teilhabe an verschiedenen Systemen haben, ob sie ausgeschlossen werden und ob bestimmte Bereiche der Gesellschaft nicht funktionieren. Anlass einer Hilfsbedürftigkeit ist nicht beispielsweise das Individuum, welches in Armut lebt, sondern ein Wirtschaftssystem, welches die Versorgung nicht leisten kann. Ziel einer Hilfe ist nicht Bedürfnisbefriedigung sondern die Rückführung der Ausgeschlossenen in funktionierende Systeme (vgl. ebd.). Albert Scherr stellt hingegen grundsätzlich in Frage, ob Soziale Arbeit für die Behebung sozialer Probleme zuständig ist. Denn einerseits agiere sie nicht auf der Ebene

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der (Sozial)-Politik, andererseits kann Soziale Arbeit nicht allein durch die Bearbeitung sozialer Probleme begründet werden. Vor allem dann nicht, wenn es um individuelle Probleme geht. Die gesellschaftliche Genese und die Entwicklung von Problemdefinitionen werden selbst zum Forschungsgegenstand, denn unabhängig von gesellschaftlichen Prozessen und Definitionen existieren keine sozialen Probleme mit klar definierter Ausstattung (vgl. Scherr 2002: 35). Ergänzend zu Scherr ist ebenso anzuführen, dass Soziale Arbeit auch an Stellen agiert, die nicht in Zusammenhang mit Problemen stehen, sondern einen pädagogischen Bildungscharakter oder einen informativen, klärenden Beratungsschwerpunkt haben, also präventiv begründet sind und sich an alle richten. Scherrs Ansatz ist für die Standortbestimmung Sozialer Arbeit spannend, nimmt er ihr einen selbstverständlichen Bezugspunkt, die der Profession, auch aufgrund ihrer geschichtlichen Entwicklung, zugeschrieben wird. Probleme werden nicht negiert oder ignoriert, doch ihre Bedeutung für die Soziale Arbeit wird eine andere. So führt Scherr an, dass, wenn die Auswirkungen sozialer Probleme benannt werden, letztlich nicht die Betroffenen im Fokus stehen, sondern die Auswirkungen, die diese Probleme als Störung auf die Gesellschaft haben. Beispielsweise werden bei arbeitslosen oder armen Menschen nicht vorrangig deren Probleme thematisiert oder analysiert, sondern stärker die Fragen, die um die finanziellen Belastungen des Sozialstaats, die Belastungen oder die Störungen der Gesellschaft gehen. Der Begriff »soziales Problem« sei mittlerweile vielmehr zum Containerbegriff für unterschiedlichste Zustände geworden, die negativ bewertet werden, ohne dass geklärt worden wäre, worin deren Gemeinsamkeiten bestehen. Zudem bestehe auch die Gefahr, dass – nach Zygmunt Baumann – soziale Gruppen als soziale Problemgruppen verurteilt werden, die sich nicht in gesellschaftliche Strukturen einfügen wollen oder können und bei denen man davon ausgeht, dass sich repressive Maßnahmen ihnen gegenüber durchsetzen werden (vgl. ebd.: 35f.).14 Auch Gronemeyer konstatiert als Mitherausgeber des »Handbuch[s] sozialer Probleme«, dass es völlig unklar sei, was überhaupt ein soziales Problem ist. Und obwohl der Begriff alltagssprachlich etabliert sei, keine einheitliche Definition für höchst unterschiedliche Phänomene existiere (vgl. Gronemeyer 2012: 17). Der Begriff sei eher »Sammelbegriff« als Gegenstand »spezifische Fragestellung« oder »Analyseinstrument« (Gronemeyer 2012: 8). Wie Scherr stellt Groenemeyer die Frage, welche Rolle soziale Probleme beziehungsweise die Bezugnahme auf solche für unterschiedlichste Professionen haben und benennt soziale Probleme als Beobachtung erster Ordnung (vgl. Scherr 2001: 77). Er findet vier Gründe, weshalb Phänomene als soziale Probleme bezeichnet werden: •

Erstens wenn es sich um ein Thema handelt, welches als eines mit gesellschaftlichem Interesse, vor allem politischen und wohlfahrtsstaatlichen gelten soll und nicht nur eines von beispielsweise einer Organisation gesehenes.

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So fasst Björn Kraus in seinem Aufsatz Argumente zusammen, die gegen eine Bestimmung Sozialer Arbeit über die Bearbeitung sozialer Probleme ausgeht: Befürchtet würde a) eine Stigmatisierung der Klientel Sozialer Arbeit und b) eine Anmaßung überhaupt Phänomene als soziale Probleme zu definieren (vgl. Kraus a, b 2016).

2. Die Schüler*innenfirma im Kontext der Sozialen Arbeit



• •

Zweitens wenn bestimmte Formen der Lebensführung denen der sozial akzeptierten zuwiderlaufen oder auch den rechtlichen Standards widersprechen und deshalb als veränderungswürdig qualifiziert werden. Das sind beispielsweise Arbeitslosigkeit, Bettelei oder sexueller Missbrauch. Drittens soll die Benennung eines sozialen Problems als Appell an die Politik Veränderungen mit entsprechenden Maßnahmen bewirken. Viertens werden als Ursache eben solcher Phänomene veränderbare soziale Sachverhalte angenommen (vgl. ebd.: 76f.).

Zusammengefasst bringt es laut Scherr verschiedenen Akteuren einen Vorteil, soziale Probleme zu bezeichnen, denn es ermöglicht Vieles, was problematisch ist oder scheint, zu thematisieren und einen Handlungsbedarf für sich abzuleiten. Für die Soziologie sieht Scherr die Aufgabe, eine Beobachtung zweiter Ordnung für die Beschreibung von sozialen Problemen einzuführen, also die Frage zu beantworten wie der Sachverhalt beobachtet wird, der als soziales Problem beschrieben wird (vgl. ebd.: 77). Der Rückblick auf die Entwicklung der Soziologie ist auch für die Soziale Arbeit ein bedeutender. Denn beide Wissenschaften haben sich zu einer Zeit gebildet, in der gesellschaftliche Fehlentwicklungen zur Beschäftigung mit Missständen und Krisen und deren Ursachen führten. Während der industriellen Revolution, die zur Verschärfung von Kinderarbeit, Armut oder Kriminalität geführt hat, wird die soziale Frage im Geist der Aufklärung zum Bezugspunkt der Soziologie (vgl. Groenemeyer 2012: 18). Die Soziale Arbeit erlebt in diesen Zeiten einen Aufschwung: nicht nur die Ausbildung wird professionalisiert, sondern auch die praktische Ausführung erfährt im Zusammenhang der Einführung der Sozialversicherungen eine Systematisierung.15 Die erste Schwierigkeit in der Verwendung des Begriffs »soziales Problem« ist, dass es in der deutschsprachigen Rezension entweder als Problem der Gesellschaft – im Gegensatz zu beispielsweise ökonomischen oder politischen Problemen – oder aber als Problem mit der Gesellschaft gedeutet wird und sich damit auf Randgruppen bezieht (vgl. ebd.: 20f.). Diese grundsätzlich unterschiedliche Deutung spiegelt sich in der Verwendung des Begriffs »sozial« wieder. Auch hier gibt es keine einheitliche Verwendung: Das »Soziale« wird verwendet zum einen in Bezug auf den sozialen Nahraum und damit sozialer Integration gleichgesetzt. In diesem Sinne bedeutet soziales Problem, dass bestimmte Gruppen oder Personen Probleme mit der Anpassung und Integration in den sozialen Nahraum und damit in die Gesellschaft haben. Das unterscheidet in diesem Sinne beispielsweise soziale Probleme von materiellen oder politischen Problemen. Probleme wie Arbeitslosigkeit oder Kriminalität sind dann keine sozialen Probleme, sondern Ursachen für soziale Probleme. Demnach ist Arbeitslosigkeit zunächst ein ökonomisches und kein soziales Problem (vgl. ebd.: 21). Eine weitere Bedeutung versteht soziale Probleme als solche, die soziale Ursachen haben, wie ein Mangel an Ressourcen, an Bewältigungsstrategien oder an Inklusion und grenzt diese von z.B. psychischen oder individuellen Problemen ab. 15

Wie die Einführung des Elberfelder System, das die Entwicklung der sozialen Einzelfallhilfe geprägt hat. Eine dezentralisierte Hilfe erfolgte auf methodischer und rechtlicher Grundlage (vgl. Mühlum 1996: 44).

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

Von der Sozialen Arbeit und der Sozialpolitik wird die Bedeutung sozialer Probleme oft in direkten Zusammenhang mit Randgruppen gebracht und als in irgendeiner Weise bearbeitbares Problem betrachtet. Diese werden dann normativ mit Hilfsbedürftigkeit, Fürsorge und der Sicherung des Gemeinwohls in Zusammenhang gebracht. Soziale Probleme werden so automatisch zum Thema sowohl für die Sozialpolitik als auch für die Soziale Arbeit. Die Soziologie hingegen nutzt den Begriff als einen zentralen, um das aufeinander Bezogensein verschiedener Systeme mit verschiedenen Möglichkeiten zu beschreiben. Die Gegenbegriffe sind damit nicht wie in der Sozialen Arbeit asozial oder antisozial sondern individuell und desorganisiert (vgl. ebd.: 21f.). Aus soziologischer Sicht sind die Unterschiede der Positionen folgende: •



• •

Die Verwendung des Begriffs ›soziales Problem‹ ist normativ. Die Benennung von einzelnen gesellschaftlichen Missständen und deren Behebung steht im Vordergrund, ohne eine gemeinsame theoretische Basis zu suchen und zu benennen. Soziale Probleme sind Gegenstand Sozialer Arbeit und Sozialpolitik, wobei sozial auf den Nahraum bezogen ist und soziale Probleme aufgrund von Anpassungsstörungen entstehen. Die Verwendung dient als Sammelbegriff von Problemen, denen soziale Ursachen zugrunde gelegt werden und nicht etwa individuelle oder psychische. Die konstruktivistische Variante sucht nach den Ursachen für das Problematischwerden eines Phänomens und darin die Gemeinsamkeiten und verschiedenen Phänomene, die als soziale Probleme benannt werden (vgl. ebd.: 26f.).

Verschiedene Definitionen von sozialen Problemen haben zwar als Gemeinsamkeit, dass in irgendeiner Form ein Schaden vorliegt. Der Begriff selbst verweist darauf, dass eine Abweichung von einem Normalzustand eingetreten ist. Für wen oder wie das soziale Problem aussieht und begründet wird, ist jedoch höchst unterschiedlich und macht erkennbar, dass als soziales Problem nur das benannt werden kann, was innerhalb einer Gesellschaft als solches empfunden wird. Ob es tatsächlich eines ist oder eben nicht, kann objektiv nicht festgestellt werden. Mit zeitlichen Abstand machen sich Phänomene, die nicht als soziales Problem empfunden wurden, als solche sichtbar. Dennoch liegt den Positionen die Gemeinsamkeit zugrunde, dass die Ursachen für Probleme im sozialen Kontext zu finden sind und eine gemeinsame Einigkeit über eine Form der Ungerechtigkeit vorliegen muss (vgl. ebd.: 31, 36).16 Sieht Soziale Arbeit hingegen ihr Kernanliegen nicht in der Aufgabe, soziale Probleme zu lösen, sondern Hilfe für Hilfsbedürftige oder -suchende anzubieten und in

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So könnte, übertragen auf die aktuelle Ausbreitung rechter und rechtsextremistischen Gesinnung, benannt werden, dass die Angst vor dem Fremden nichts damit zu tun hat, ob tatsächlich Schwierigkeiten mit den »Fremden« existieren. Die höchste Fremdenfeindlichkeit – die sich auf ein vermeintliches soziales Problem bezieht – ist an Orten am größten, an denen die wenigsten »Fremden« leben. Also je nachdem, wie und wer ein soziales Problem begründet oder behauptet, kann entweder Migration oder Fremdenfeindlichkeit zum sozialen Problem werden. Für alle hält die Soziale Arbeit Angebote bereit.

2. Die Schüler*innenfirma im Kontext der Sozialen Arbeit

Folge dessen einfach nur mit komplexen Lebenskrisen zu tun hat, dann ist Scherrs Folgerung schlüssig, Soziale Arbeit als Hilfe in der Lebensführung zu verstehen, die aufgrund komplexer Herausforderungen und Schwierigkeiten in die Krise geraten ist. Es scheint doch einen Unterschied zu machen, ob Probleme aufgrund gesellschaftlicher Strukturen oder aufgrund lebenspraktischer Probleme von Individuen, Familien und sozialen Gruppen entstehen. Denn zwar ist ein Teil der Probleme direkt auf gesellschaftliche Ursachen zurückzuführen, andere aber eben nicht. Eine Theorie der Lebensführung würde solche Aspekte analysieren (vgl. Scherr 2002: 36).17 Was die Bedingungen einer gelingenden Lebensführung ausmachen, warum manche dazu in der Lage sind, manche nicht, muss nach Scherr Gegenstand der Sozialarbeitswissenschaft sein. Und dafür braucht es eine normative Grundlage. Der normative Bezug ist für ihn der Begriff der Würde. Dieser meint die Möglichkeit, ein selbstbestimmtes, autonomes Leben führen zu können und die Fähigkeit wie auch die Möglichkeit zu haben, seinem Leben eine andere Wendung geben zu können. Damit geht es nicht um rein äußere Bedingungen, wie Teilnahmechancen ökonomischer, kultureller und sozialer Art (nach Bourdieu, vgl. Scherr 2002: 37). Sondern es geht um die Anforderungsstrukturen und Ausschlussmechanismen der verschiedenen Systeme in Wirtschaft, Erziehung, Gesundheit und Recht, die Soziale Arbeit zu erforschen hat. Die Kernfrage für die Soziale Arbeit sollte also die Frage nach den »Bedingungen für die Entwicklung von Individuen zum Subjekt autonomer Lebenspraxis sein« (Scherr 2002: 37). Eine Problemtheorie der Sozialen Arbeit muss folglich untersuchen, welche Bedingungen Menschen dazu befähigen, bzw. daran hindern, einen eigenverantwortlichen Lebensentwurf zu entwickeln und eine autonome Lebensführung zu verwirklichen (vgl. ebd.: 38). Scherrs Fragestellung schließt nicht aus, sich auch für die Behebung sozialer Probleme, die im Sinne einer Beobachtung zweiter Ordnung definiert werden müssten, verantwortlich zu fühlen und sich um deren Behebung zu bemühen. Doch die Frage, wer welches Problem warum und wie begründet, kann helfen, Perspektiven zu wechseln und scheinbar Gegebenes zu hinterfragen. Die Fragen nach den Bedingungen für die Entwicklung einer autonomen Lebensführung und eines eigenverantwortlichen Lebensentwurfs, führt zu Fragen, wie Selbstbestimmung und Partizipation der Klient*innen ermöglicht werden kann. Dafür bedarf Soziale Arbeit auch eine Theorie der Partizipation. Zudem führen diese Überlegungen auch zur Frage der Selbstwirksamkeit, denn ein autonomes, selbstbestimmtes Leben oder eine eigenverantwortliche Lebensführung, mit der Möglichkeit, dem eigenen Leben eine andere Richtung zu geben, können jene Menschen umsetzen, die an ihre Fähigkeiten glauben und eine positive Selbstwirksamkeitserwartung entwickelt haben. Scherr bezeichnet die Aufgabe der Sozialen Arbeit deshalb als »Subjektbildung«, als Unterstützung von Menschen, die sich ohnmächtig in ihrer Lebenssituation fühlen.

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Claus Offe benennt fünf zentrale Bedingungen einer gelingenden Lebensführung: Ein legales Aufenthaltsrecht, »arbeitsmarktgängige Qualifikationen, intakte oder wiederherstellbare physische und psychische Gesundheit, tragfähige familiale und soziale Beziehungen, ausreichende sprachliche und kulturelle Affinität« (Offe in Scherr 2002: 36).

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

Im Unterschied zu anderen pädagogischen Bereichen übernimmt Soziale Arbeit die Aufgabe der sogenannten Subjektbildung dann, wenn diese aufgrund gesellschaftlicher Bedingungen erschwert wird (vgl. ebd.). »Von einer systematischen Theorie der Lebensführung ist man mit solchen Hinweisen zwar noch weit entfernt. Sie sollten lediglich aufzeigen, welche Perspektive sich eröffnet, wenn man in Distanz zu einem Verständnis Sozialer Arbeit als Instrument der Bearbeitung sozialer Probleme geht. Der Gewinn dieses Perspektivenwechsels lässt sich abschließend wie folgt zusammenfassen: Zwar wird der Sozialen Arbeit immer wieder der Auftrag zugewiesen, zur Lösung sozialer Probleme beizutragen. Von ihr wird also erwartet, dass sie ein nützliches Instrument sozialpolitischer, sicherheitspolitischer und bildungspolitischer Strategien sein soll. In welchem Maß Soziale Arbeit tatsächlich solchen Nutzen erbringt, das ist nicht nur anhaltend umstritten, sondern meines Erachtens gar nicht die entscheidende Frage. Denn unabhängig davon ist Soziale Arbeit als eine solche Praxis unverzichtbar, die ihren Adressaten unter Bedingungen der Benachteiligung, Ausgrenzung und Diskriminierung Zugang zu Chancen der Selbstbestimmung und Selbstachtung verschafft. Gerade in Zeiten der massiven Infragestellung der Notwendigkeit und Nützlichkeit sozialstaatlicher Leistungen ist Soziale Arbeit insofern gut beraten, weniger den Aspekt ihre Nützlichkeit für gesellschaftliche Aufgabenzuweisungen der Problembekämpfung, aber stärker ihre Unverzichtbarkeit im Sinne der Gestaltung einer solchen Gesellschaft zu betonen, die das Postulat der unantastbaren Würde des Menschen ernst nimmt.« (Scherr 2002: 39) Eine Begründung von Angeboten Sozialer Arbeit kann nach Scherr auch dann erfolgen, wenn keine sozialen Probleme definiert und begründet werden. Der Blick auf die Unterstützung von Adressat*innen, deren Bedingungen erschwert sind, begründet Angebote, die Selbstwirksamkeit fördern und einen Teil beitragen, autonome Entscheidungen treffen zu können. In Anlehnung an die Luhmannsche Systemtheorie unternehmen Scherr und Bommes eine Gegenstandsbestimmung der Sozialen Arbeit und beschreiben sie als »unspezifische Beobachtung von Hilfsbedürftigkeit« (Scherr 2001: 81). Beobachtet wird, ob Lebenslagen und Lebensführung mit den »Erfordernissen sozialer Kontrolle« und den Formen der Hilfsbedürftigkeit konform gehen, wenn wohlfahrtsstaatliche wie auch rechtliche Vorgaben berücksichtigt werden. Die Stärke der Sozialen Arbeit beim Vorgehen dieser Aufgabe sieht Scherr in der Vermischung von wissenschaftlichem Wissen und Alltagswissen. Soziale Arbeit agiere im Rahmen rechtlicher Festlegungen und hat mit dieser Verbindung – im Gegensatz zu spezifisch agierenden Berufsgruppen wie beispielsweise Ärzt*innen – erst dadurch die Möglichkeit, jene Menschen, Verhaltensweisen, unklare Situationen oder Lebenslagen zu erkennen, die noch nicht pathologisch sind oder die noch keinen Anspruch auf Leistungen des Sozialsystems begründen, um geeignete Hilfen anbieten zu können (vgl. ebd.: 81). Damit versteht Scherr Soziale Arbeit nicht als Hilfeleistung bei Inklusionsproblemen, sondern als Exklusionsvermeidung, um Zugänge zu den Leistungen der Funktionssysteme zu ermöglichen. Denn die Aufgabe der Sozialen Arbeit in Wohlfahrtsstaaten ist gerade dies: den Zugang zu den Funktionssystemen zu sichern und diese nicht von ökonomischen Verhältnissen abhängig zu machen. Deshalb wird die Leistung oder

2. Die Schüler*innenfirma im Kontext der Sozialen Arbeit

Teilhabe an verschiedenen Sozialsystemen (Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Sozialleistung) ermöglicht, die Teilhabe am Schulsystem erzwungen. Daraus resultiert die Aufgabe der Sozialen Arbeit, jene zu unterstützen, deren Hilfebedarf weder über sozialstaatlich und sozialrechtlich abgesicherte finanzielle Mittel oder Rechtsansprüche gelöst, noch über eine klare Indikation durch andere Professionen wie Ärzt*innen, Therapeut*innen oder Mediziner*innen betreut werden kann (vgl. ebd.: 83f.). Die Begründungslinien, die sich nach Scherrs Ansatz für das hier vorgestellte Projekt finden lassen, beziehen sich insbesondere auf das Ziel, Ausschlüsse zu vermeiden. Je nach Schulform und Schüler*innen kann über die Förderung von Selbstwirksamkeit ein Beitrag geleistet werden, um Bildungszugänge zu ermöglichen und zu erleichtern. Durch neue Wege der Wissensaneignung und des Zugangs zu eigenen Interessen und Fähigkeiten, können Potenziale der Kinder und Jugendlichen sichtbar und erlebbar gemacht werden. Je nach Angebotsform als Schüler*innen- oder Juniorenfirma oder Jugendhilfebetrieb können Verbindungen zum Ausbildungs- und Wirtschaftssystem geknüpft werden und somit Ausschlüsse aus diesen Systemen verhindert oder überwunden werden. Auch für den weiteren schulischen Weg ist die Stärkung der Schüler*innen bedeutsam, wie auch die Wahrnehmung ihrer Stärken und Fähigkeiten duch die Lehrkräfte. Die Frage, welchen Beitrag das Angebot der Schüler*innenfirma in Bezug auf die Bearbeitung von sozialen Problemen leisten könnte, müsste konsequenterweise unter den unterschiedlichen Bedeutungslinien erfolgen. Eine Ableitung Sozialer Arbeit als Instrument zur Lösung sozialer Probleme scheint weniger hilfreich: es führt weder zu einer gemeinsamen wissenschaftstheoretischen Verortung noch zu gemeinsamen Forderungen, wie Angebote der Sozialen Arbeit strukturiert werden sollten. Wenn beispielsweise davon ausgegangen wird, dass Arbeitslosigkeit zunächst kein soziales, sondern ein wirtschaftliches Problem ist, führt das zur Frage, unter welchen Bedingungen und Zielsetzungen Maßnahmen der beruflichen Vorbereitung oder beruflichen Orientierung Sinn machen. Die Fragerichtung ändert sich und führt zu anderen Antworten. Ausschließungsprozesse die im Kontext des Angebots der Schüler*innenfirma an Schulen in benachteiligten Stadteilen sichtbar werden können nicht auf individueller Ebene gelöst werden, sondern erfordern sozialpolitische Änderungen. Darauf sollte Soziale Arbeit aufmerksam machen. Zudem kann Sie individuelle Perspektiven durch stärkere Transparenz und Kohärenz von Angeboten besser unterstützen. Das Beispiel der beruflichen Orientierung und der Jugendberufshilfe wird im folgenden Kapitel wieder aufgegriffen. Perspektive 3: Soziale Arbeit als Konstruktion und Dekonstruktion Gemeinsamer Kern der oben angeführten Ansätze ist die Auseinandersetzung mit der Frage, was ein soziales Problem ist, wie und ob sich Soziale Arbeit darüber definieren lässt. Die Diskussion zeigt, wie unterschiedlich die Auffassungen darüber sind. Folgt man Scherrs Ansatz, in Distanz zu diesem Verständnis Sozialer Arbeit zu gehen, ergeben sich weitere Perspektiven. Aus konstruktivistischer Sicht plädiert Kleve für die mit dem Konstruktivismus verbundenen Chance, auf tradierte Muster der Orientierungen innerhalb der Sozialen Ar-

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

beit zu verzichten. Dann kann Soziale Arbeit ihre Aufgabe nicht mehr von der Orientierung an Normen und Abweichung ableiten und sich um jene kümmern, die von einer Norm abgewichen sind. Wie auch Scherr aus soziologischer Perspektive zeigt, macht eine solche Differenzierung wenig Sinn. Kleve argumentiert, dass eine solche Differenzierung per se nicht mitgedacht werden kann. Soziale Arbeit mit ihrem breit gefächerten Aufgabengebiet, ebensolchen Problemlagen und Handlungsansätzen ist für ihn vielmehr die postmoderne Profession schlechthin: »Soziale Arbeit kann als postmoderne Profession bewertet werden, weil sie keine andere Wahl hat, als sich der uneindeutigen Heterogenität, den vielfältigen Ambivalenzen in ihrem sozialstrukturellen und semantischen Feld zu stellen und diese anzunehmen, mit ihnen zu leben« (Kleve 2003: 126). Die Aufgabe der Sozialen Arbeit ist nach Kleve die Vermeidung von Exklusionsrisiken wie beispielsweise Armut, Krankheit oder Arbeitslosigkeit sowie die Betreuung von Inklusion. Wirklichkeitsdeutungen können nicht mehr nach bestimmten Normen vorgenommen werden. Auch weil eine Abweichung von einer Norm nicht zwangsläufig zu Problemen führt, kann und darf die Wiederherstellung einer Norm nicht Ziel der Sozialen Arbeit sein. Scherr argumentiert an dieser Stelle ähnlich, gerade weil er der Sozialen Arbeit nicht die Lösung sozialer Probleme zuschreibt, sondern die Unterstützung einer autonomen Lebensführung. Eine solche funktioniert nur, wenn andere Lebensziele oder -stile akzeptiert werden können (Kleve 2003: 2f.). Kleve nutzt den Schlüsselbegriff der Postmoderne, den der Ambivalenz, um die Profession der Sozialen Arbeit zu beschreiben (vgl. Kleve 2007, 21f.). Mit diesem werden gesellschaftliche Zustände charakterisiert, in denen keine Eindeutigkeiten mehr existieren, die »großen Erzählungen« (Lyotard 1999) wie die der Aufklärung, abgelöst werden und Widersprüche an ihre Stelle treten. Als Postmoderne Profession ist Soziale Arbeit in einer Vielzahl heterogener Handlungsfelder tätig, die, wie Kleve meint, kaum adäquat theoretisch beschreibbar seien. Zum anderen aber auch, weil sich Sozialarbeiter*innen in einer Vielzahl unterschiedlicher Rollen befinden (vgl. Kleve 2007: 29f.). Nun könnte man einwenden, dass dies ein Kennzeichen vieler Berufe ist und damit möglicherweise eher Kennzeichen einer Arbeitswelt, die sich in Zeiten der Postmoderne und im Zeitalter der Digitalisierung neu strukturiert. Doch ist für Kleve die Vielzahl heterogener Handlungsfelder und einhergehender Rollen, das Kennzeichen Sozialer Arbeit: »Sozialarbeit ist die Einheit ihrer heterogenen Vielheit.« (Kleve 2007: 30) Eine konstruktivistische Soziale Arbeit orientiert sich nach Kleve nicht mehr an der Differenz von Norm und Abweichung, sondern an der Differenz von Helfen und NichtHelfen (vgl. Kleve 2003: 3). Lassen sich durch diese Orientierung Aufgaben für die Soziale Arbeit ableiten? Einerseits bietet Kleve über Baekers Ansatz eine Antwort. Soziale Arbeit bezeichnet er als soziale Hilfe, wobei soziale Organisationen darüber entscheiden, wer Hilfe erhält und wer nicht. Sie treffen vorab als eine Beobachtung zweiter Ordnung auch die Entscheidung, was ein soziales Problem ist oder nicht. In der Kommunikation entstehen die Problembeschreibungen und werden so zu sozialen Problemen, denen Hilfe zu teil werden kann (vgl. Kleve 2010: 29f.). Da nun Soziale Arbeit erst aktiv wird, wenn ihr ein Problem angetragen wird, kann festgehalten werden, dass die Problembeschreibung und -definition von der beschreibenden Person oder auch Organisation abhängig ist. Davon ausgehend sind soziale Probleme keine feststehenden, von außen erkennbare Gegebenheiten, sondern sie werden

2. Die Schüler*innenfirma im Kontext der Sozialen Arbeit

erst dann zu solchen, wenn sie von den betroffenen Personen als solche beschrieben werden (vgl. ebd.: 4). »Den Sozialarbeitern obliegt die Aufgabe, mit den Klienten die konkreten Probleme kommunikativ zu definieren, um deren Lösung im Sinne einer in Aussicht gestellten Nichtmehrhilfe anzugehen« (Kleve 2010: 33f, 38). Zu beachten sei, dass das Definieren eines Problems erst zur Zementierung desselben beitragen kann, denn erst in der Kommunikation entstehen Probleme (vgl. ebd). Einzuwenden ist hier jedoch, dass die getroffenen Problemdefinitionen weder losgelöst von bereits bestehenden formuliert werden noch losgelöst von gesellschaftlichen Strukturen entstehen. Welchen Einfluss gesellschaftliche oder kulturelle Bedingungen auf die Formulierung und Benennung von sozialen Problemen haben, ist nicht die Frage seines Ansatzes.18 Wie Scherr, der in der Kombination wissenschaftlichen Wissens und Alltagswissen die Aufgabe der Sozialen Arbeit an den Stellen sieht, an denen andere Professionen nicht zuständig sind, formuliert Kleve: »Soziale Arbeit wird dann tätig, wenn andere Professionen nicht mehr oder noch nicht tätig werden können, wenn die Spezialisierung, die Zergliederung menschlicher Probleme in jeweils biologische, psychische oder soziale Dimensionen zu kurz greift, wenn kein (moderner) Entweder/Oder-, sondern ein (postmoderner) Sowohl-Als-Auch-Blick gefordert ist« (Kleve 2003: 15). Aus Sicht der Systemtheorie beschäftigt sich Kleve mit Ausschlüssen aus Funktionssystemen und deren Kommunikation und den sich daraus ergebenden Anforderungen für die Soziale Arbeit (vgl. u.a. ebd.: 24ff.). Soziale Arbeit ist das Hilfesystem, welches Menschen, die von Funktionssystemen ausgeschlossen sind, wieder in sie integriert und leistet damit Inklusion (vgl. ebd.: 30). Kleve nutzt in seinem Ansatz weniger die Fragen, die sich aus konstruktivistischer Sicht im Hinblick auf die sozial entwickelten, bestehenden und weitergegeben Konstruktionen ergeben. Eine Beobachtung zweiter Ordnung berücksichtigt, dass bereits Beobachtungen zweiter Ordnung vollzogen wurden. Die Beobachtungen werden zwar immer wieder andere sein, dennoch nehmen sie auf die im Augenblick getätigten Einfluss. Die bestehenden gesellschaftlichen Strukturen sind geschaffene Symbolwelten, die mit darauf Einfluss nehmen, was wie gesehen wird oder gesehen werden kann. Kersten Reich verbindet in seinem Ansatz des interaktionistischen Konstruktivismus konstruktivistische mit kulturalistischen Ansätzen und arbeitet Perspektiven heraus, mit denen die menschliche Interaktion beschrieben werden kann. Damit ist dieser Ansatz in besonderer Weise dafür geeignet, für die Soziale Arbeit nutzbar gemacht zu werden. Indem die Interaktion im Zentrum seines Ansatzes steht, unterscheidet er sich von anderen, insbesondere radikal konstruktivistischen Ansätzen. Er bezeichnet seinen Ansatz als einen systemischen und nicht deshalb, weil er sich, wie beispielsweise Kleve, auf die Luhmannsche Systemtheorie beruft, sondern weil er das Systemische in der Wechselwirkung mit den Anderen begreift und sich damit mehr in der Tradition der Systemischen Therapie versteht. Die Aufforderung des interaktionistischen Konstruktivismus, verschiedene Perspektiven einzunehmen und zu versuchen diese in ihrem 18

Zur vertieften Analyse und Kritik an radikal-konstruktivistischen Theorien Sozialer Arbeit (Kleve, Kraus) aus systemtheoretischer und interaktionistisch-konstruktivistischer Perspektive: Westhofen 2012.

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Kontext und Entstehungszusammenhang zu verstehen, wie auch die Auffassung, dass auch diese Theorie ihre Tragfähigkeit erst in der Praxis zu beweisen hat, macht den Ansatz nicht nur glaubwürdig, weil kein Allgemeingültigkeitsanspruch erhoben wird. Der Ansatz wird schlüssig und praktikabel, weil er zu dem auffordert, was er begründet: eine grundsätzliche Gleichwertigkeit aller Perspektiven. Das ist ein zutiefst demokratischer pädagogischer Ansatz, dessen Grundzüge ich nicht zuletzt deshalb für die Aufgaben der Sozialen Arbeit in Ansätzen übertragen möchte. Kleves Gegenstand Sozialer Arbeit sind die Probleme oder Ausschlüsse aus Funktionssystemen, die in der sprachlichen Kommunikation erst zu solchen werden. Welcher Gegenstand könnte unter der Perspektive des Ansatzes von Reichs gesehen werden? Der Bezug zu den geschaffenen Symbolwelten, die weitere Konstruktionen beeinflussen, ist ein entscheidender Unterschied. Die Perspektive auf die Benennung von Problemen ändert sich: Kleve betont die Verantwortung, die Soziale Arbeit und deren Organisationen haben, wenn Probleme kommunikativ konstruiert werden. Mit Reich kann die Frage gestellt werden, welche Symbolwelten, auf die sich im Vorfeld geeinigt wurden, zur Benennung von Problemen geführt haben könnten, welche Imaginationen diese Bilder prägen und welche Grenzen des Realen bei der Bearbeitung von Problemen bestimmend sind. Diese Perspektiven können die Sorge um eine Verfestigung der Probleme durch den Moment der Kommunikation nehmen, denn deren Nennung und Beschreibung bedeutet nicht nur die Konstruktion von Problemen, sondern ermöglicht zugleich deren Dekonstruktion und eröffnet den Weg für neue Konstruktionen. Diese Perspektiven weisen auch darauf hin, dass es nicht anders möglich ist, als sich gemeinsam auf symbolischer Ebene zu einigen und verweisen auf weitere. In seinem Hauptwerk beschreibt Reich die Kränkungen, die Metatheorien erfahren und mit ihnen ihren Einfluss verloren haben (vgl. Reich 1998 a und b). Die Elemente, mit denen sich Pädagog*innen auseinandersetzen müssen, können demnach nicht mehr aus dem Humanismus oder der Aufklärung abgeleitet oder begründet werden. Dafür müssen andere Grundlegungen herangezogen werden. Das ist nach Reich die Beziehung, die mit anderen eingegangen wird. Sie stellt die Grundlegung für ein pädagogisches Verhältnis dar (Reich 2002b: 69f.). Im Austausch mit anderen agieren wir auf drei verschiedenen Ebenen: Ebene 1: Die symbolische Realität meint bereits vorhandene Symbole, wie Sprache, Schrift, Gesetzte oder Institutionen. Mit ihrer Hilfe verständigen wir uns und reproduzieren uns immer wieder neu (vgl. ebd.: 113f.). Auf der Ebene der Symbolwelten geht es neben dem Gesagten auch um die verschiedenen Zeichen und Symbole, die eine Aussage treffen. Sie werden neben den Informationen ebenso gesendet und sagen etwas aus. Als Beobachter können wir die Zeichen und Symbole erkennen und deuten. Wenn das geschieht, verstehen wir uns, wenn nicht, dann ist uns Verstehen nicht möglich. Symbole können in zwei Richtungen funktionieren: Als Konstruktion, wenn eigene Symbolwelten aufgebaut werden und als Rekonstruktion, wenn bereits vorhandene Symbole verstanden wurden (vgl. ebd.: 76). Und wenn – im Gegensatz zu anderen konstruktivistischen Ansätzen – nicht davon ausgegangen wird, dass alle Konstruktionen und Rekonstruktionen eine reine Erfindung im Moment sind, sondern dass bereits viele Erfindungen als quasi »symbolische Vorräte« (Reich 2002b: 76) unendlich auf der Welt existieren und die Erfindung im Moment beeinflusst, so ist das ein Verweis auf die kulturelle Dimension. Die Unendlichkeit individueller Symbolwelten hat Mead mit sei-

2. Die Schüler*innenfirma im Kontext der Sozialen Arbeit

nem Symbolischen Interaktionismus entwickelt, worin er das Verhältnis des sozialen mit dem individuellen Ich (ME und I) beschreibt. Der Prozess der Vermittlung ist jener, der als Sozialisation bezeichnet wird. Das Kommunikationsmodell von Watzlawick zeigt ebenso verschiedene Kommunikationsebenen auf, die verdeutlichen, wie schwierig es ist, »reine« Informationen auszutauschen. Nur vermittelt sein Modell, dass es auf der Ebene des Symbolischen grundsätzlich möglich sei, einen eindeutigen Austausch zwischen dem Selbst und dem Anderen zu schaffen; eine Metakommunikation über Beziehungen könne die Inhalte klären (Reich 2002b: 80f.). »Das Symbolische in diesem weiten Sinne bezeichnet die Möglichkeit der Erkenntnis, Realität mit Sinn zu versehen und sie zu objektivieren. […] Das Symbolische markiert den Umstand, daß der Mensch kulturelle Instrumente dabei benutzt: Religion, Wissenschaft, Kunst usw., sie alle besitzen symbolische Formen, die die Unmittelbarkeit einer Wahrnehmung übersteigen und ein kulturelles Konstrukt zum Ausdruck bringen, das z.B. als Bildung zirkuliert.« (Reich 2002b: 81f.) Der Symbolwelt kommt eine allgemeine Vermittlungsfunktion zu, mit der alle Wirklichkeitskonstruktionen erreicht werden. Das Symbolische ordnet unsere Beobachtungen und muss entsprechend stimmig sein. Es gibt keine interaktive Konstruktion ohne De-Konstruktion, denn es gibt keine Interaktion ohne vorherige (vgl. ebd.: 85). Ebene 2: Das Imaginäre. Es ist das, was nicht ausgesprochen werden kann, aber immer mitgedacht, -gefühlt und -gewünscht wird. Die Imagination ist immer Filter unserer Beziehungen und unserer Kommunikation. Das Imaginäre rekurriert darauf, dass wir nie direkt, sondern immer über uns, unsere Vorstellungen, unser Begehren, kommunizieren können. Kommunikation ist ein imaginärer Vorgang und deshalb unberechenbar (vgl. ebd.: 93). Radikaler als Watzlawick, der mit seiner Aussage »man kann nicht nicht kommunizieren« verdeutlichen will, dass Kommunikation eine Beziehung zum Anderen beinhaltet, formuliert Reich »Es ist nicht möglich, direkt symbolvermittelt zu kommunizieren, weil nur über das Imaginäre vermittelt Kommunikation stattfinden kann.« (Reich 2002b: 93) An dieser Stelle spielt die Ästhetik eine Rolle, um zu versuchen sinnliche Wahrnehmung und Kommunikation zu fassen, wo Sprache, als »unberechenbare Kommunikation« nicht mehr ausreichend ist (Reich 2002b: 93). Die Schwierigkeit der imaginären Realität ist also, dass, wenn wir über sie sprechen, sie bereits als symbolische Realität erscheint, Kommunikation kann beim anderen nie so ankommen, wie wir es imaginieren (vgl. ebd.: 96). Ebene 3: Das Reale. Wie verhält es sich nun mit der Wirklichkeit, gibt es sie oder sind aus konstruktivistischer Perspektive unsere Konstruktionen die Realität? Über Konstruktionen wird Komplexität reduziert und das, was unser Leben umgibt, erscheint uns sinnlich unmittelbar und ist immer anders, als wir es uns symbolisch imaginieren (vgl. ebd.: 104). »Das Reale macht sich als Grenzerfahrung bemerkbar« (Reich 2002b: 105) und doch kann über das Reale nur über die imaginäre oder symbolische Ebene nachgedacht und gesprochen werden. Da das Reale, wie Reich es nennt, als Erscheinung ein sehr offenes Konstrukt ist, ist das, was als real erfahren wird, vom Beobachter abhängig (vgl. ebd.). »Reale Ereignisse sind, so das Fazit, immer mehr als symbolische oder imaginierte Wirklichkeiten. Sie stellen das Ungeahnte, das Unwahrscheinliche, das Zufällige, die Grenze aller Erkenntnis und Vorstellung dar, die erst im Nachhinein kodiert oder imaginiert wird. Sie tritt aber immer ins symbolische Haus

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als Gegenwart und ins imaginäre Bild als Augen-Blick« (Reich 2002b: 107). Die Realität ist demnach nicht identisch mit dem Realen. Das Reale ist das, was uns in der Realität erscheint – Realität schließt immer das mit ein, was wir nicht erkennen können (vgl. ebd.: 108f.). Das Reale ist die Perspektive, die Grenzbedingungen verdeutlicht, die auch als nicht vorhersehbarer Ereignisse erscheinen. Dagegen sind »[d]as Symbolische und Imaginäre als jeweilige Realität eines Beobachters […] nur Grundbegriffe, mit denen wir Fühlen, Denken und Handeln beobachtend situieren können« (Reich 2002b, 113f.). Was bedeuten diese Ebenen für die Pädagogik? Vor allem fordern sie dazu auf, in ihrem Zusammenspiel berücksichtigt zu werden. Eine Berücksichtigung des Imaginären schafft Zugänge zu Vorstellungen und, wie Reich es formuliert, dem Begehren, die in Zusammenhang mit Inhalten stehen können. Wenn Verknüpfungen hergestellt werden, können Zugänge zu Wünschen und Vorstellungen ermöglicht und in der (sozial)pädagogischen Arbeit berücksichtigt werden. Weil eine Differenz zwischen den Imaginationen und dem, was kommuniziert werden kann besteht, sollte dem Imaginären möglichst viel Raum gegeben werden. Dann ist ein Zugang zu den ganz eigenen Bedürfnissen und Vorstellungen möglich. Unter pädagogischer wie auch unter sozialpädagogischer Perspektive ist dieser Aspekt von besonderer Bedeutung. Er erinnert daran, diesen Zugang nicht durch symbolische Handlungen zu verfälschen oder einzuschränken. Das kann passieren, wenn sich in (sozial)pädagogischen Prozessen zu stark an Inhalten oder Abläufen orientiert wird, statt an kreativen, spontanen Prozessen. Eine Selbst- und Fremdreflexion der Beobachtung symbolischer Vorgänge schärft dafür die Wahrnehmung. Die Aufgabe der Pädagog*innen ist es, breite und vielfältige Arbeitsformen anzubieten, sich nicht auf die symbolische Inhaltsebene zurückzuziehen, Klischees wie auch »symbolische Disziplinierung« zu vermeiden (Reich 2002b: 111). Diese Konsequenzen verdeutlichen, dass Bildung und Lernen Beziehungskommunikation ist: Die Beziehung und nicht die Inhalte stehen im Vordergrund. Vor allem deshalb ist es von Bedeutung, dass sich Pädagog*innen als gleichwertig mit den Lernenden verstehen. Die Gleichwertigkeit ist ebenso für die Soziale Arbeit von Bedeutung und fordert dazu auf, gemeinsam mit den Adressat*innen die für sie passenden Hilfen, Lösungen oder Lernangebote zu finden. Dieser Anspruch ist letztlich ein partizipativer und erfordert partizipative Methoden. Beziehungsarbeit sollte als wesentliches Element anerkannt, Überraschungen zugelassen und gefördert, kreative Wege eingeschlagen werden. Es sollte die Bereitschaft bestehen, sich auf unbekannte Wege einzulassen, um symbolische und imaginäre Ebenen zu erweitern, aber auch um die Grenzen der Realitätskonstruktionen zu entfalten (vgl. ebd.: 115). Wenn Konstruktivisten die Aussage eint, jeder erfinde seine Wirklichkeit, so wird darauf reflektiert, dass Wahrnehmung immer durch den*die Beobachter*in selbst beschränkt ist. Reich unterscheidet drei Beobachter*innenperspektiven, die an der Wahrnehmung der Wirklichkeit beteiligt sind. Eine konstruktivistische Pädagogik ist vor allem geprägt durch Ansätze, die u.a. das eigene Ausprobieren, Experimentieren und Erfahren fördert. In diesem Sinne sind wir »Erfinder unserer Wirklichkeit«. Aber auch Beziehungen werden erfunden und das gemeinsame Erfinden stärkt sie. Neben der Konstruktion erfolgt auch eine Dekonstruktion. Als »Entdecker unserer Wirklichkeit« fragen wir nach, weshalb die Dinge in einer bestimmten Weise gesehen oder erklärt

2. Die Schüler*innenfirma im Kontext der Sozialen Arbeit

werden. Unsere Konstruktionen unserer Entdeckungen stoßen auf andere. Wir positionieren uns, wenn symbolische Wissensbestände aufeinandertreffen. Nach der Einigung mit verschiedenen Konstruktionen gilt es, nicht bei der Einigung zu bleiben, sondern weiter nachzufragen, wie und aus welcher Perspektive heraus noch gesehen werden kann. Dann sind wir »Enttarner unserer Wirklichkeit« (vgl. Reich 2002b: 119ff.). Bestimmendes Merkmal für eine Pädagogik unter konstruktivistischen Aspekten ist sicherlich der Umgang sowie die Förderung und Akzeptanz von Vielfalt und unterschiedlichsten Wirklichkeiten. Kleve fordert unter einer postmoderne Perspektive, die er als Kennzeichen Sozialer Arbeit sieht, Ambivalenzen zu akzeptieren. Das kann viel bedeuten, die daraus folgende pädagogische Perspektive bleibt jedoch offen. Für Reich kann Ambivalenz immer gegeben sein: Mit dem Bewusstsein, dass Interaktion möglicherweise grundsätzlich auf Ambivalenzen beruht, werden Konstruktionen und Imaginationen gefördert. Zudem bietet Reich eine Verknüpfung individueller und kultureller Wirklichkeiten an, die sich in der Interaktion immer wieder konstruieren bzw. dekonstruieren. In der Auseinandersetzung mit der Frage, wie sich Soziale Arbeit am besten fassen und beschreiben lässt, kann sie selbst als Teil dieser kulturellen Konstruktionen gesehen werden. Soziale Arbeit weiß um die Bedeutung der Interaktion. Sie sollte mehr in den Vordergrund rücken, um die Methoden stärker durch partizipative und kreative Aspekte zu erweitern. Sich als Teil der Interaktion begreifend können Prozesse begleitet werden. Die Ableitung, die Reich für Pädagog*innen, insbesondere für Lehrkräfte zieht, kann auf die Soziale Arbeit übertragen werden. Die Imagination, Konstruktion und Dekonstruktion von unterrichtlichen Inhalten oder Fragestellungen der Kinder und Jugendlichen können an praktischen Beispielen gut nachvollzogen werden. Das bedeutet ein komplettes Umdenken der (Schul-)Pädagogik und geht über Reformpädagogische Ansätze hinaus, die im Wesentlichen die Wege des Lernens verändern, nicht aber Wirklichkeitskonstruktionen an sich in Frage stellen. In der Umsetzung einer Schüler*innenfirma sind zwar auch Rekonstruktionen notwendig, um Inhalte nachvollziehen zu können. Sie werden dann im Sinne von Konstruktionen neu entdeckt und durch Dekonstruktionen hinterfragt. Um diese Prozesse zu unterstützen nennt Reich drei konstruktivistische Handlungsperspektiven für die didaktische Planung Multiperspektivität, Multimodalität und Multiproduktivität (vgl. Reich 2009: 41). Zur Förderung der Lernenden gilt die Maxime: »Handle stets so, dass die Lernmöglichkeiten, Lernchancen und Lernanlässe deiner Lerner wachsen, so dass es zu einer Zunahme von Perspektiven, Handlungschancen und vielfältigen Lernergebnissen kommt« (Reich 2008: 254). Die Multiperspektivität nimmt Rücksicht auf unterschiedliche Lerntypen und unterschiedliche Beobachterpositionen, die eingenommen werden können. Durch ein vielfältiges methodisches Angebot kann dem entsprochen und eine zunehmende Selbsttätigkeit unterstützt werden. Diese zielen immer auch darauf ab, Lernergebnisse festzuhalten und sichtbar zu machen (vgl. Reich 2009: 4044). In einer Schüler*innenfirma können die Perspektiven eingenommen und gefördert werden. Die Kinder und Jugendlichen können für sich erarbeiten, was beispielsweise »Arbeit« oder »Beruf« bedeutet. Sie können eigenen Vorstellungen nachgehen, in ihrer Lebenswelt Nachforschungen anstellen, eigene Kriterien für eine Berufstätigkeit entwickeln und eigene Ideen ausprobieren. Welche Rolle sie dabei innehaben, ob sie organisieren, recherchieren, künstlerisch oder produktiv tätig sind, können sie austesten und

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

mit ihren Fähigkeiten abgleichen. Sie können unterschiedliche Rollen ausprobieren, innerhalb unterschiedlicher Ebenen (Chef*in, Angestellt*e, Selbstständige*r) oder unterschiedlicher Aufgaben (Produktion, Öffentlichkeitsarbeit, Kund*innenkontakt u.a.). Diese Rollen können re- und dekonstruiert und neue Möglichkeiten des gemeinsamen Arbeitens erprobt werden. Dadurch können immer wieder Bezüge hergestellt werden zwischen unterschiedlichen Perspektiven und Welten (der symbolischen, imaginären und realen). Unterschiedliche kulturelle Einflüsse (wie: des Stadtteils, anderer Kinder, der Schule, der kooperierenden Betriebe) können immer wieder die Lernprozesse und Konstruktionen anregen und erweitern. Aus interaktionistisch-konstruktivistischer Perspektive werden auch Fragen interessant, die an die Schwierigkeiten der Definition sozialer Probleme anschließen: Wer definiert aus welcher Perspektive und warum werden soziale Probleme als solche definiert? Welche Konstruktionen dahinter sind leitend? Welche symbolischen Realitäten sind grundlegend?

2.1.2

Zu den Zielen Sozialer Arbeit

Ziele der Sozialen Arbeit zu formulieren ist ähnlich schwierig, wie grundlegende Aufgaben es bereits zeigen. Zugleich sind Aufgaben nicht ohne Zielsetzungen denkbar, weshalb durch die Beschreibung der Aufgaben bereits Zielsetzungen der Soziale Arbeit genannt wurden. Um jedoch Ableitungen und Zusammenhänge konsequent fortzuführen, werden nun Gemeinsamkeiten und Differenzen der Ziele skizziert. Perspektive 1: Soziale (Ab)Sicherung vs. Sicherstellung der Menschenrechte Nach Heiners Ableitung der Sozialen Arbeit, als Teil des sozialstaatlichen Dienstleistungsprinzips, muss es grundlegendes Ziel der Sozialen Arbeit sein, alle Bereiche der sozialen Absicherung abzudecken und die sozialstaatlichen Prinzipien mit umzusetzen. Diese sind recht offen gehalten. Das Sozialstaatsprinzip (Art. 20, Abs. 1 und Art. 28 GG erwähnt) soll soziale Gerechtigkeit sichern bzw. herstellen, indem sie die Bürger*innen vor existenzbedrohenden Risiken schützt, bzw. absichert und bei Notlagen Ausgleich schafft. Die Ausgestaltung jedoch wird durch den Gesetzgeber immer wieder neu geregelt. Die Sozialen Absicherungen sind die Kranken-, Pflege-, Unfall-, Arbeitslosenund Rentenversicherung. Der Ausgleich und die Hilfe in Notlagen sind zum Beispiel Wohngeld und Sozialhilfe. Diese Absicherungen werden durch eine Sozialpolitik gestützt und ergänzt die Bereiche der Bildung, Fortbildung, Arbeit, Wohnung und Steuern. Und: mehrere Grundrechtsartikel verweisen auf die Pflicht des Staates, diese Artikel umzusetzen. Dazu gehört die Achtung der Menschenwürde, die Gleichberechtigung von Mann und Frau, der Schutz von Ehe und Familie, die Koalitionsfreiheit für Arbeitnehmer und die Sozialbindung von Eigentum (vgl. https://www.bpb.de/politik /grundfragen/deutsche-demokratie/39302/sozialstaat?p=1). Heiners Unterteilung zeigt in diesen Bereichen, wie Soziale Arbeit in verschiedenen Berufsfeldern tätig wird, um den Zugang zu den verschiedenen sozialen Absicherungen zu ermöglichen. Letztlich soll soziale Gerechtigkeit hergestellt werden. Um Kernziele abzuleiten, ist dieser Auftrag umfangreich, bietet jedoch eine stringente Ableitung für die bestehenden vielfältigen Tätigkeitsfelder Sozialer Arbeit und lässt den Dienstleistungsgedanken als lei-

2. Die Schüler*innenfirma im Kontext der Sozialen Arbeit

tendes Prinzip – erfolgt diese Absicherung tatsächlich – sinnvoll und nicht neoliberal erscheinen. Der Einsatz privater Anbieter Sozialer Arbeit ist notwendig, denn die Sicherung solch mannigfaltiger Aufgaben ist nur mithilfe Vieler möglich und verhindert staatliche Alleinzuständigkeit. Das Prinzip der Subsidiarität, das die Zusammenarbeit öffentlicher Träger und freier Wohlfahrtsträger regelt, gibt den freien Trägern grundsätzlich den Vorrang bei der Erbringung sozialer Dienstleistungen. Damit wird auch das Wunsch- und Wahlrecht der Adressat*innen Sozialer Arbeit sichergestellt. Gesetzliche Regelungen finden sich in verschiedenen Sozialgesetzen.19 Eine Operationalisierung der sozialen Rechte ist zwar nicht leicht, da diese aufgrund immer wieder veränderten gesellschaftlichen und politischen Haltungen (wie beispielsweise die Ehe für Alle) immer wieder neu ausgehandelt werden. Aber sie ist grundsätzlich möglich und wird dann zum konkreten Auftrag an die Soziale Arbeit. Die Zielsetzung einer menschenrechtsbegründeten Sozialen Arbeit ist die Sicherung und Einforderung der Menschenrechte und kann hingegen eher einen normativen Rahmen bieten als konkrete Ziele ableiten zu lassen. Die Menschenrechte, als angeborenes, vorrechtliches und für alle gleichermaßen geltendes Recht beinhaltet in insgesamt 30 Artikeln grundlegende, international festgeschriebene Grundrechte. Sie reichen von der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit bis hin zum Folterverbot und dem Verbot von Sklaverei.20 An welchen Stellen kann oder sollte Soziale Arbeit ansetzen und ihren Auftrag ableiten? Die grundsätzliche Kritik an der Sozialen Arbeit, aufgrund ihrer vermeintlichen Allzuständigkeit unspezifisch zu sein, scheint an dieser Stelle berechtigt: Die Schwierigkeit, Zielsetzungen innerhalb bestimmter Arbeitsfelder abzuleiten wird nicht nur schwer gelöst. Vielmehr entsteht die Schwierigkeit, dass Abgrenzungen zu anderen Bereichen oder Berufsgruppen nicht gezogen werden: Wann ist Politik zuständig, wann die Jurisprudenz wann die Soziale Arbeit? Wie kann sich Soziale Arbeit als interdisziplinäre Disziplin verorten? Staub-Bernasconi konkretisiert die Aufgaben der Sozialen Arbeit, indem sie den Bezug zur sozialen Problemlösung herstellt. Wenn Soziale Arbeit als Menschenrechtsprofession verstanden werden will, sind ihre Zielsetzungen eigentlich im Kontext der Menschenrechte abzuleiten. Was bedeutet das für die Verortung und Theoriebildung Sozialer Arbeit? Staub-Bernasconi resümiert am Ende ihrer Einteilung der Theorieentwicklung Sozialer Arbeit, dass es erschreckend sei, wie stark die praktische Soziale Arbeit aber eben auch die Theorieentwicklung in Abhängigkeit vom Zeitgeist abhängiger Problemdefinition sei. Mit der von ihr angestrebte Weit- und Weltsicht möchte sie eine solche Abhängigkeit vermeiden (vgl. Staub-Bernasconi 2007: 154). Mit unveräußerlichen Menschenrechten als Bezugspunkt schafft sie natürlich Unabhängigkeit von kulturellen und sozialen Entwicklungen. Doch dieser Rahmen ist unveräußerlich, er gilt für alle.

19 20

Ausführlicher zum Subsidaritätsprinzip: Deutscher Caritasverband e.V. (Hg.) 2017. Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (Hrsg) 2010: Europäische Menschenrechtskonvention. Straßburg https://www.echr.coe.int/Documents/Convention_DEU.pdf.

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

Perspektive 2: Soziale Problemlösung vs. Exklusionsvermeidung Ist das Lösen sozialer Probleme das Ziel, so sollte im Vorfeld geklärt sein, wie soziale Probleme bestimmt werden. Entsprechend ändern sich Zielformulierungen. Wie beschrieben, werden soziale Probleme unterschiedlich definiert und aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet. Sie werden definiert als: • • • •

Probleme zwischen Individuum und Gesellschaft Probleme, die durch die Gesellschaft entstanden sind Probleme, die sich auf soziale Gruppen beziehen Probleme, die Individuen oder Gruppen der Gesellschaft bereiten

Auf den unterschiedlichen Ebenen müssen entsprechende Problemfelder und Ziele abgeleitet werden. Problemfelder werden über unterschiedliche Schwerpunkte der Sozialen Arbeit wie über die Bandbreite der Angebote erkennbar, dafür bietet Heiners Differenzierung eine gute Unterscheidung. Die Problembeschreibung mag bei den unterschiedlichen Ansätzen vergleichbar sein, doch die verschiedenen Ansätze bedeuten in ihrer Konsequenz ein unterschiedliches Vorgehen bezüglich der Methoden, den gesetzten Zielen wie ebenso den gesetzlichen Regelungen oder moralischen Vorstellungen. So gibt es kein über die Zeiten hinweg einheitliches Vorgehen beispielsweise bei der Beratung von Homosexuellen, Frauen die ungewollt schwanger sind oder Angebote für Obdachlose vor dem Hintergrund von Stadtentwicklungen, Ordnungsgesetzen und zunehmender Gentrifizierung. Wenn Sozialarbeiter*innen und Sozialpädagog*innen zuständig sind für jene Menschen, die sich, wie in diesen Beispielen aufgrund ihrer sexuellen, körperlichen, psychischen oder finanziellen Situation in einer Notlage befinden, sind vielleicht die theoretischen Ableitungen nicht auf den ersten Blick von Bedeutung. Dann mag man einer politischen Aufgabe der Sozialen Arbeit zustimmen, denn sie bedeutet, nicht nur die Auswirkungen, sondern auch die Ursachen anzugehen. Aber dennoch trifft die Bearbeitung wie auch immer abgeleiteter sozialer Probleme nicht immer den Kern und nicht alle Adressat*innen Sozialer Arbeit. Die Schwierigkeit die Soziale Arbeit hat, dass Aufgaben oft nicht klar sind, lässt sich an der Ableitung der Ziele von Problembeschreibungen erkennen. Wie das Beispiel der Schwangerschaftsabbrüche verdeutlicht: Solange Abtreibung gesellschaftlich geächtet wird, Beratungen vor einem Schwangerschaftsabbruch erzwungen werden, wird ein zunächst zutiefst persönlicher Konflikt zu einem gesellschaftlichen und politischen. Wie die Situation bewältigt wird, ob sie zum Problem wird, mag nach Kleve erst in der Kommunikation entstehen. Doch die Einflüsse, die schon getätigte Konstruktionen haben, gestalten nicht nur den Kommunikationsablauf mit, sie beeinflussen ebenso, was als problematisch gesehen werden kann. Eine Distanzierung der Sozialer Arbeit, von der Annahme, sie sei für die Lösung sozialer Probleme zuständig, scheint hilfreich. Denn sie führt nicht dazu, unterschiedlichen Ableitungen und damit Zielen zu folgen, sondern hat als Bezug die Hilfsbedürftigkeit von Menschen. Um das Ziel der Förderung von Inklusion und der Vermeidung von Exklusion zu erreichen, gilt es für jene Menschen Angebote bereitzustellen.

2. Die Schüler*innenfirma im Kontext der Sozialen Arbeit

Perspektive 3: Akzeptanz von Ambivalenzen vs. Förderung von De-Konstruktionen Eine konstruktivistische Perspektive nach Heiko Kleve beschreibt Soziale Arbeit zunächst als helfende Profession, die sich aus der Differenz von Hilfe und Nicht-Hilfe ableitet. »Erst wenn ein sozialer Sachverhalt problematisiert wurde, kann er einer sozialarbeiterischen Lösung zugeführt werden« (Kleve 2003: 30) bis diese Unterstützung nicht mehr benötigt wird. Auch beschreibbare Sachverhalte oder beispielsweise solche, die sich mit statistischen Methoden messen und die Kleve als Wirklichkeit 1. Ordnung bezeichnet, können zu abgeleiteten Problemstellungen oder Befürchtungen werden. Dann entsprechen sie der Wirklichkeit 2. Ordnung. Dieser Prozess kann ebenso auf der Ebene der Organisationen entstehen, nämlich dann, wenn soziale Organisationen im Sinne ihrer Selbsterhaltung quasi gezwungen sind, Wirklichkeiten erster Ordnung in Wirklichkeiten zweiter Ordnung umzuformulieren, so dass die Probleme erst entstehen, die sie dann selbst beheben (vgl. ebd.: 31). Die Adressat*innen Sozialer Arbeit sind sowohl Menschen in (sozialen) Notlagen oder Menschen, die von solchen bedroht sind. Soziale Arbeit agiert ressourcenorientiert und nimmt Bezug auf die Lebenswelt und Lebenslage der Klienten*innen. Die Befähigung, das eigene Leben selbstbestimmt in die Hand zu nehmen ist ebenso Ziel Sozialer Arbeit, wie die Herstellung von möglichst gleichberechtigten Lebensbedingungen aller Menschen. Diese Ziele werden mithilfe unterschiedlicher Grundhaltungen, Methoden und Techniken verfolgt (vgl. dazu ausführlich Kap. 2.1). Mit Reich kann das konstruktivistische Ziel der Sozialen Arbeit – neben der Akzeptanz unterschiedlichster Sichtweisen und Problembeschreibungen – auf die gesellschaftlichen und kulturellen Hintergründe erweitert und mitgedacht werden. In einem systemischen Sinne wird versucht die Wechselwirkungen aller Beobachtungen mit zu berücksichtigen. Das kann bedeuten, sich Konstruktionen genauer anzuschauen im Hinblick auf ihre Begründungen und Entstehungsgeschichte. Nicht überall werden alle Phänomene gleich bewertet, wie beispielsweise als soziales Problem. Über Dekonstruktionen kommen weitere Perspektiven ins Spiel, können bewertet und ausgehandelt werden. Unter dieser Perspektive kann als Ziel die Dekonstruktion gesehen werden, die bestehende Verständigung auf Symbolwelten ständig hinterfragt und somit immer aufs Neue auf Aushandlungsprozesse angewiesen ist. Diese können, den Ansatz einer Gleichwertigkeit aller Perspektiven ernst genommen, nur in einer gleichberechtigten, partizipativen Art und Weise erfolgen.

2.1.3

Zu den Methoden Sozialer Arbeit

Die Komplexität der Problemfelder führt in der Praxis oft dazu, dass die Aufgaben, die Soziale Arbeit zu übernehmen hat, oft nicht klar sind (vgl. Heiner 2007: 21ff.). Eine Klärung muss für die Soziale Arbeit – als handlungsorientierte Profession – auf einer handlungstheoretischen Ebene erfolgen. Nun gibt es jedoch über die »eine« Handlungstheorie zwischen und auch innerhalb der verschiedenen Wissenschaften kaum einen Austausch, schon gar keine Einigung, was die eine Klärung zusätzlich erschwert (vgl. ebd.: 35ff.). Es »existiert kein geschlossenes Programm einer sozialwissenschaftlichen Handlungstheorie« (Heiner 2007: 35). Wenn aber Soziale Arbeit vor allem als ein »reflexiver und dialogisch angelegter Beruf« (Heiner 2007: 24) verstanden wird, macht es

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

Sinn, einer Handlungstheorie zu folgen, die von einer Wechselwirkung der einzelnen beteiligten Personen und Institutionen ausgeht. Bei der Betrachtung der Handlungsspielräume, ebenso bei der Frage der Profession und Aufgaben der Sozialen Arbeit ist die Frage nach einer leitenden Theorie maßgeblich. Heiner fasst die handlungstheoretischen Perspektiven zusammen und gibt zu bedenken, dass aus systemtheoretischer Sicht, die Makroperspektive der Sozialen Arbeit wenig Spiel- und Handlungsraum ließe, da sie sich auf die eher statischen Rahmenbedingungen bezieht. Ebenso ist die Mikroperspektive, die Interaktionsprozesse analysiert und innerhalb dieser nach Handlungsmöglichkeiten sucht zu beengend für die Aufgaben, die Soziale Arbeit leistet. So ist das Konzept der Figuration und Kräftefelder für Heiner ein Weg, diesen Dualismus aufzuheben und sowohl Rahmenbedingungen als auch Interaktionsprozesse auf verschiedenen Ebenen und mit unterschiedlichen Stärken abzubilden. Die Rolle der Sozialen Arbeit auf verschiedenen Ebenen, ebenso wie ihre Einflussmöglichkeiten lassen sich so besser und mehrperspektivisch abbilden und bearbeiten (vgl. Heiner 2007: 44ff., 32-47). Auch wenn keine Einigkeit bezüglich einer gemeinsamen sozialwissenschaftlichen Handlungstheorie besteht, so besteht doch grundsätzlich eine Einigkeit bezüglich der von der Sozialen Arbeit angewendeten Methoden. Die klassischen Methoden der Einzelfallarbeit, Gruppenarbeit und Gemeinwesenarbeit gelten quasi als Merkmal der Profession – und werden im Kanon der Methoden als solche nicht in Frage gestellt sondern lediglich weiterentwickelt und/oder kritisch thematisiert.21 Es folgen Überlegungen, ob und wie unterschiedliche Ziel- und Aufgabendefinitionen als Konsequenz unterschiedliche methodische Ansätze zur Folge haben. Das wird nicht zu einer Klärung führen können, was denn nun Soziale Arbeit ist oder beansprucht zu sein, aber führt vielleicht zu Erklärungen, warum keine Einheitlichkeit bei gleichen Aufgaben im konzeptionellen und methodischen Vorgehen der Sozialen Arbeit erkennbar ist. Das wird in den darauf folgenden Kapiteln an den Berufsfeldern nochmals verdeutlicht. Vielleicht ist das, insgesamt gesehen, auch eine Erklärung dafür, warum Sozialarbeiter*innen/Sozialpädagog*innen zu den am wenigsten organisierten Berufsgruppen gehören: eben weil gemeinsame Identifikationsmuster fehlen.22 Perspektive 1: Bereitstellung von Angeboten vs. Reklamation von Menschenrechten Aus dienstleistungstheoretischer Sicht und Adressat*innenperspektive sind jene Methoden ableitbar, die eine Bestimmung der Angebote ermöglichen und auf der Seite der Adressat*innen klären, welche Bedarfe vorhanden sind sowie Methoden, die Anspruchsberechtigte befähigen, Angebote für sich wahrzunehmen. Heiner differenziert 21 22

Zu den Methoden Sozialer Arbeit u.a.: Galuske 2011 Berufsverbände, Zahlen, Frustration bei Professionellen: z.B. Interviews bei Partizipation in der Jugendhilfe. Auf dem 10. Bundeskongress Soziale Arbeit 2018 in Bielefeld wurde eine Abschlusserklärung verabschiedet, in der es sogar heißt: »Beschäftigte in der Sozialen Arbeit sind aufgerufen, ihre Tätigkeit nicht nur als methodische, technische und auf Individuen als Problem gerichtete Arbeit zu verstehen, sondern immer auch als eine politisch positionierte Praxis: sowohl hinsichtlich der Lebensbedingungen von Menschen als auch ihrer eigenen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen.« https://www.gew.de/aktuelles/detailseite/neuigkeiten/soziale-arbeit-soll-wieder-p olitischer-werden/.

2. Die Schüler*innenfirma im Kontext der Sozialen Arbeit

ihre Ausführungen zum methodischen Handeln aufgrund der Annahme, dass eine solche Ableitung eine Theorie Sozialer Arbeit voraussetzt und verknüpft die Arbeitsprinzipien mit drei Ansätzen Sozialer Arbeit: Dem Auftrag, dem ganzheitlichen und systemischen Ansatz sowie den Rahmenbedingungen der Intervention. Der Auftrag der Sozialen Arbeit, nach Heiner die Vermittlung zwischen Individuum und Gesellschaft, sowie die Verbesserung der Lebensbedingungen und Lebensweisen, differenziert sich in zwei Aufgabenstellungen mit vier Aufgabentypen: Die Arbeit mit dem Klienten- und dem Leistungssystem und das auf direkter und indirekter Weise (vgl. Heiner 2007: 121 ff.). Heiner systematisiert die methodische Vorgehensweise ebenso wie die verschiedenen Aufgabenfelder und schafft damit einen Überblick, wie Soziale Arbeit mit unterschiedlichen Zielsetzungen auf verschiedenen Ebenen arbeitet (vgl. ebd.: 519). Dabei können Zielsetzungen, Zielgruppen und Angebotsformen strukturiert werden. Die Umsetzung von Menschenrechten, die Soziale Arbeit als Menschenrechtsprofession einfordert, braucht hingegen eine politische Sicht auf die Soziale Arbeit. Dabei werden Arbeitsbereiche, Problemstellungen oder Gruppierungen (»vulnerable Gruppen« Labote-Roset 2016: 7) auf Menschenrechtsverletzungen hin untersucht oder Angebote für bestimmte Zielgruppen als Beleg für den Auftrag der Sozialen Arbeit als Menschenrechtsprofession gesehen. Staub-Bernasconi argumentiert, dass »Gesellschaftsund kulturtheoretisch betrachtet (sind) die Menschenrechte, ihre historische und aktuelle Anrufung, ihre rechtliche Weiterentwicklung eine philosophische, religiöse, ethische und schließlich politisch-revolutionäre Antwort auf Unrechtserfahrungen und die Machtlosigkeit von Individuen wie Gruppierungen und sozialer Kategorien (Minderheiten), sich selber Recht zu verschaffen. Unrechtserfahrungen, sowohl als objektiv erfahrener als auch subjektiv interpretierter Sachverhalt, verweisen auf reale Abhängigkeitsund mithin Machtproblematiken, die sich nicht so einfach und schnell durch die heutigen, vom Zeitgeist inspirierten Vorstellungen des Selbstmanagements, der Selbstermächtigung, Selbstwirksamkeit usw. beheben lassen« (Staub-Bernasconi 2008: 11). Die methodische Umsetzung sieht Staub-Bernasconi in einem professionellen Handeln, das sich immer auf Menschenrechte und Ethikkodizes rückbindet. Zur Folge soll die Einhaltung der Menschenrechte dem »neoliberalen Dienstleistungsdiktum« (StaubBernasconi 2007: 21f.) entgegengesetzt werden, dabei bleibt die konkrete Umsetzung, auch das methodische Vorgehen vage wie die Positionierung gegenüber anderen Ansätzen teilweise recht polemisch-angriffslustig bleibt. Konkret wird es, wenn der Vorschlag gemacht wird, doch in der Praxis eine Kopie der Ethikkodizes bereit zu halten (vgl. Eckstein/Gharwall 2016: 21). Das Triple Mandat ist innerhalb dieser Argumentation ein unabdingbarer Baustein, Ungerechtigkeiten gegenüber der Klientel anzugehen und sich als Professionelle, den Menschenrechten verpflichtet, auch für diese einzutreten und im Zweifel gegen die eigene Organisation. Perspektive 2: Problemlösung vs. Unterstützung bei der Lebensführung Wenn Soziale Arbeit als Profession gesehen wird, die soziale Probleme löst, soziale Probleme aber nicht einheitlich definiert werden, folgt daraus das Dilemma, dass damit eigentlich keine gemeinsame Ableitung von Aufgaben und Methoden folgen kann. Also muss das Spektrum der Methoden ebenso breit gefächert sein, wie die Definition

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

sozialer Probleme selbst: Das reicht von politischer Gremienarbeit bis hin zur Einzelfallhilfe. Staub-Bernasconi schlägt als Arbeitshypothesen verschiedene Kombinationen von »Probleme, Ziele, Mittel und berufliche Qualifikationen« vor, um Vorgehensweisen ausgehend von den mannigfaltigen, sozialen Problemen abzuleiten (Staub-Bernasconi 2007: 272). Dabei unterscheidet sie acht Arbeitsweisen, die sich auf acht Problemgruppen beziehen (vgl. ebd.: 273ff.). •















Die Ressourcenerschließung bezieht sich auf Ausstattungsmängel die die körperliche, sozioökonomische sowie sozioökologische Ausstattung analysiert. Zugänge zu den verschiedenen Ressourcen sollen wiederhergestellt oder erschlossen werden, was auf individueller, gemeinschaftlicher und organisationaler Ebene erfolgen kann. Die Bewusstseinsbildung bezieht sich non-direktiv auf Probleme, die durch fehlende Bildung oder auch durch Erkrankung entstehen. Sie soll helfen, eigene Bedürfnisse, Lebensereignisse oder Geschehnisse innerhalb des Gemeinwesens oder der Politik zu beurteilen und sich für eigene Positionen, Bedürfnisse oder anderes einzusetzen. Die Modell-, Identitäts-, und Kulturveränderung sowie die interkulturelle Verständigung nimmt hingegen direktiv auf Einstellungen, Werte oder Hoffnungslosigkeit Einfluss, um Vorurteile abzubauen, menschenverachtenden Verhalten entgegenzutreten und »defizitären oder unangemessenen Wissenshorizont(es)« zu erweitern. Die Handlungskompetenz- Training- und Teilnahmeförderung kümmert sich um Alltagshandeln und abweichendes Verhalten, das selbst- oder fremdschädigend sein kann, wie der Abbruch einer Ausbildung oder mangelnde elterliche Sorge. Die Soziale Vernetzung und der Ausgleich von Pflichten und Rechten fokussiert Probleme, die durch fehlende soziale Vernetzung, gemeinschaftlichen Austausch und Hilfe entstehen. Der Umgang mit Machtquellen versucht Probleme der Machtstrukturen aufzuheben, indem Menschen befähigt werden, diese Strukturen zu analysieren und eigene Rechte einzufordern. Die Kriterien- und Öffentlichkeitsarbeit rekurriert auf die gesellschaftlichen Werte und Normen, die grundlegend für die Bestimmung sozialer Probleme sind. Die Missachtung der Werte führt zu Problemen, die über Öffentlichkeitsarbeit verschiedenster Art benannt und behoben werden sollen. Das Sozialmanagement arbeitet nicht mit den Zielgruppen selbst, sondern mit Trägern der Sozialen Arbeit, um im Rahmen aller Aufgaben innerhalb einer Organisation, wie Personalplanung, Finanzierung oder Angebotsformen, den Aufgaben der Sozialen Arbeit gerecht zu werden.

Die soziale Diagnose steht als große Klammer am Ende der Ausführungen, als professionelles Kennzeichen Sozialer Arbeit. Staub-Bernasconi trennt nicht, wie hier erfolgt, die Bearbeitung von sozialen Problemen und die Reklamation von Menschenrechten. Die Arbeit an sozialen Problemen ist in Zusammenhang mit der Achtung der Men-

2. Die Schüler*innenfirma im Kontext der Sozialen Arbeit

schenrechte zu betrachten, die angeführten Probleme, insbesondere jene im internationalen Kontext, sind auf die Missachtung derselben zurückzuführen. Eine Unterstützung in der Lebensführung, die Exklusion vermeiden und ein Leben in Würde ermöglichen will, braucht nach Scherr eine Theorie der Lebensführung, die aufzeigen kann, welche Aspekte den Menschen ein gutes Leben ermöglichen. Dann erst können theoretische und handlungsorientierte Ableitungen für die Soziale Arbeit entwickelt werden. Wirth hat diesen Versuch unternommen. Er sucht in den klassischen Theorien der Sozialen Arbeit den formulierten Gegenstand Sozialer Arbeit und kritisiert den selbstverständlichen Bezug verschiedener Ansätze auf soziale Probleme, sowie den Begriff soziales Problem an sich und lehnt ihn als Begriff zur Gegenstandsbestimmung Sozialer Arbeit ab (vgl. Wirth 2003: 104 ff.). Vielmehr erkennt Wirth einige argumentative Ungenauigkeiten in dieser Diskussion und behauptet hierin eher Probleme der Lebensführung. Seine Anlehnung an die Luhmannsche Systemtheorie führt zu einer Ausführung einer Theorie der Lebensführung, die er durch eine Innen- und Außenwelt beschreibt: Der Mensch ist ausgestattet mit verschiedenen Systemen oder Medien, die alle eine bestimmte Funktion erfüllen. Die Konfrontation mit der Außenwelt, die durch vier Systeme geprägt ist, prägt die Einbindung in die Gesellschaft. Die vier Systeme sind das Erziehungssystem, dabei insbesondere die Schule und die Familie, das Wirtschaftssystem, von dem durch die Erwerbstätigkeit die gesamte Lebensführung abhängig ist. Und als letztes das Gesundheitssystem. Je nach Lebensphase, Möglichkeiten oder individuellen Utopien werden die Individuen von diesen Systemen mit bestimmt und werden Teil von diesen oder auch nicht. Davon hängt eine gute Lebensführung ab. Damit umreißt Wirth viele Aspekte menschlicher Vernetzungen, aber eine klare Rolle der Sozialen Arbeit – die sich nun nicht nach sozialen Problemen sondern um Lebensführung kümmern kann – lässt sich nur bedingt ableiten (vgl. ebd.). Das Merkmal der Sozialen Arbeit nach Scherr, die unspezifische Beobachtung sowie die Verbindung von Alltagswissen und professionellen Wissen erschwert zudem eine eindeutige Ableitung von Methoden, denn das bedeutet auch, dem Alltagshandeln ebenso wie dem professionellen Handeln einen Platz in der Sozialen Arbeit einzuräumen. Neben der gelingenden Lebensführung, geht es bei der Exklusionsvermeidung um Methoden, die Menschen in ihrer selbstbestimmten Lebensführung unterstützen kann, die partizipative Methoden als selbstverständliches Prinzip praktiziert und damit unterstützend tätig wird, um Zugänge zu Funktionssystemen zu sichern. Perspektive 3: Kommunikation vs. Irritation Der Bezug zur Ambivalenz, den Kleve als Kennzeichen sowohl in der Aufgabenstellung Sozialer Arbeit, wie auch in der eigenen Theorieentwicklung sieht, will er kreativ genutzt wissen. Die Formen der praktischen Arbeit unterteilt er in unterschiedliche Aufgaben und Funktionen, die sich aus unterschiedlichen Bedürfnissen ergeben. So entsteht eine Gleichzeitigkeit der Hilfen, wie Anleitung, Beratung, Begleitung, Therapie. Diese werden im sozialarbeiterischen Handeln und im sozialarbeiterischen Blick im Sinne des Case Management koordiniert (vgl. Kleve 2002). Eine Ableitung von Methoden ist nach Kleves konstruktivistischer Ableitung einerseits schwierig, wenn er Soziale Arbeit als Koordinationswissenschaft versteht und da-

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von ausgeht, dass es keine »inhaltliche Zielsetzung für die Prozesse der Moderation und Koordination und damit ein Formalobjekt für die Sozialarbeitswissenschaft gibt« (Kleve 2000: 152ff.). Die Ambivalenz Sozialer Arbeit ermöglicht andererseits eine Vielzahl von Methoden, die den vielen ambivalenten Anforderungen Sozialer Arbeit gerecht zu werden versucht (vgl. Kleve 2002). Beispielsweise erweitert die von Haye/Kleve entwickelte Methode zur sozialpädagogischen Fallbearbeitung »Sechs Schritte helfender Kommunikation« einerseits den klassischen Dreischritt der sozialarbeiterischen Fallarbeit (Anamnese, Diagnose, Intervention)23 und berücksichtigt, dass Probleme nicht nur individuell betrachtet, sondern von vielen Beteiligten unterschiedlich gesehen und bewertet werden und die Beteiligten auch für die Lösung notwendig sind. Dieses Vorgehen impliziert und ermöglicht ein partizipatives Vorgehen, denn alle Beteiligten werden in der Fallbearbeitung mit berücksichtigt und deren Sicht ist von Bedeutung (Haye/Kleve 2002). Kleve begründet aus konstruktivistischer Perspektive eine besondere Vorsicht, mit der Sichtweisen, Diagnosestellungen oder Problembeschreibungen innerhalb der Sozialen Arbeit vollzogen werden sollten. Denn solche beinhalten immer auch weitere Sichtweisen. Ausdruck findet seine Haltung neben der Erweiterung der traditionellen Fallarbeit in der Bedeutung, die er der Beobachtung 2. Ordnung, also der Beobachtung der Beobachtung über Supervision oder Selbstevaluation zuschreibt, um auf unterschiedliche Sichtweisen aufmerksam zu werden (vgl. Kleve 2003: 10). Im sozialpädagogischen Kontext zeigt Kleves Perspektive, dass Methoden über ein planmäßiges und systematisches Vorgehen zur Erreichung eines Ziels hinausgehen: »Die Methoden Sozialer Arbeit stellen, […] ein Bindeglied zwischen Praxis und Wissenschaft dar, sie sind bestenfalls wissenschaftlich begründet und praktisch wirksam. Sie sollen in einem bestimmten Arbeitsfeld, innerhalb von Hilfeprozessen (z.B. innerhalb der Beratung) Menschen gezielt dabei helfen, ihre sozialen Probleme zu lösen. Methoden sind in dieser Hinsicht sozusagen ein »Kern« professioneller Sozialarbeit/Sozialpädagogik.« (Kleve 2003: 6) Eine interaktionistisch-konstruktivistische Übertragung auf die Methoden der Sozialen Arbeit könnte daran anschließend bedeuten: •





23

Soviel Konstruktion wie möglich: Möglichst viele Perspektiven werden benannt und berücksichtigt und fließen sowohl in die Problembeschreibung wie auch in die methodische Bearbeitung mit ein. Möglichst viele methodische, kreative und kooperative Wege sollten vorgeschlagen oder umgesetzt werden. Denn: nicht nur die Problemwahrnehmung und -benennung ist unterschiedlich und damit die eingenommenen Perspektiven. Sondern auch die Zugänge der einzelnen Adressat*innen, so dass jede*r unterschiedlicher Zugänge bedarf. Um möglichst viele Perspektiven zu erfassen oder auch zu erarbeiten, sind viele methodische Ansätze hilfreich und notwendig. Erst mit einer Methodenvielfalt ist es auch in Bereichen der Sozialen Arbeit möglich auf unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen Schwierigkeiten einzugehen. Möglichst immer ein Ergebnis: Das von Reich formulierte Kriterium für guten Unterricht lässt sich auch für die Soziale Arbeit übertragen und entspricht auch Zur multiperspktivischen Fallarbeit: Müller 2012.

2. Die Schüler*innenfirma im Kontext der Sozialen Arbeit

verschiedenen Ansätzen, wie beispielsweise der lösungsorientierten Gesprächsführung. Diese Ansätze betonen die Bedeutung, die ein Ergebnis, ein Ausblick oder das Zusammenfassen positiver Aspekte am Ende einer Beratung für die Adressat*innen haben. Die Gestaltung eines Ergebnisses eines jeden Beratungsgesprächs oder Angebots ist von Bedeutung, denn es kann dessen Sinn sichtbar machen, geht auf Bedürfnisse ein und fördert die Motivation der Zusammenarbeit (vgl. Reich 2018a).

2.2

Soziale Arbeit an der Schnittstelle Schule und Beruf

Soziale Arbeit, die so unterschiedlich begründet wird, ist in vielen Berufs- und Arbeitsfeldern tätig, in denen sie sich mit Themen im Kontext von Schule, Ausbildung und Beruf auseinandersetzt. In diesen Bereichen kann eine Schüler*innenfirma nützlich sein, um Stärken und Selbstwirksamkeitserwartung zu entwickeln und auch um berufliche Ideen und Perspektiven für ihre Adressat*innen zu erarbeiten. Produktionsschulen, Juniorenfirmen oder Jugendhilfebetriebe ermöglichen innerhalb von überbetrieblichen und außerbetrieblichen Ausbildungsformen die Vermittlung von Ausbildungsinhalten oder einen Berufsabschluss. Neben diesen Formen, die im Bereich der (Aus-)Bildung und Berufsvorbereitung zu verorten sind, werden nun jene Berufs- und Arbeitsfelder vorgestellt, die von ihrer Zielrichtung her eine verstärkte Anwendung der Schüler*innenfirma sinnvoll scheinen lassen. Das ist einerseits Soziale Arbeit an Schulen, andererseits Soziale Arbeit im Bereich der beruflichen Orientierung und der Jugendberufshilfe.

2.2.1

Schulsozialarbeit

Die Schüler*innenfirma ist, wie bereits der Name nahelegt, insbesondere im schulischen Bereich bekannt. Zwar begleitet auch die Soziale Arbeit im Rahmen der Schulsozialarbeit Schüler*innenfirmen, doch ist diese Begleitung in der Praxis selten anzutreffen. Das ist bemerkenswert, denn es gibt einige Überschneidungen im Hinblick verschiedener Zielsetzungen. Soziale Arbeit agiert im Rahmen der Schulsozialarbeit an den Schnittstellen von Erziehung, Bildung und Beruf. Die Schüler*innenfirma kann dort für unterschiedliche Bedarfslagen, mit unterschiedlichen Kooperationspartnern und mit unterschiedlichem Umfang an allen Schularten eingesetzt werden. Die Überschneidungen von Aufgaben und Zielen der Schulsozialarbeit und den Möglichkeiten der Schüler*innenfirma wird im Folgenden durch eine Beschreibung des Verständnisses von Schulsozialarbeit herausgearbeitet. Soziale Arbeit an Schulen wird mittlerweile vor allem als Schulsozialarbeit bezeichnet und ist zwischen Jugendhilfe und Schule zu verorten.24 Wie viele andere Einflüsse und qualitativen Weiterentwicklungen der Sozialen Arbeit, lassen sich auch die Ur-

24

Unterschiedliche rechtliche Ableitungen und unterschiedliche Definitionen haben auch zur Folge, dass Soziale Arbeit an Schulen unterschiedlich bezeichnet wird. Speck (2006: 23) plädiert für den Begriff Schulsozialarbeit, auch, weil er international anschlussfähig ist. Der Begrifflichkeit Schulsozialarbeit möchte ich mich anschließen, auch weil er zum allgemeinen Sprachgebrauch geworden ist.

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2. Die Schüler*innenfirma im Kontext der Sozialen Arbeit

verschiedenen Ansätzen, wie beispielsweise der lösungsorientierten Gesprächsführung. Diese Ansätze betonen die Bedeutung, die ein Ergebnis, ein Ausblick oder das Zusammenfassen positiver Aspekte am Ende einer Beratung für die Adressat*innen haben. Die Gestaltung eines Ergebnisses eines jeden Beratungsgesprächs oder Angebots ist von Bedeutung, denn es kann dessen Sinn sichtbar machen, geht auf Bedürfnisse ein und fördert die Motivation der Zusammenarbeit (vgl. Reich 2018a).

2.2

Soziale Arbeit an der Schnittstelle Schule und Beruf

Soziale Arbeit, die so unterschiedlich begründet wird, ist in vielen Berufs- und Arbeitsfeldern tätig, in denen sie sich mit Themen im Kontext von Schule, Ausbildung und Beruf auseinandersetzt. In diesen Bereichen kann eine Schüler*innenfirma nützlich sein, um Stärken und Selbstwirksamkeitserwartung zu entwickeln und auch um berufliche Ideen und Perspektiven für ihre Adressat*innen zu erarbeiten. Produktionsschulen, Juniorenfirmen oder Jugendhilfebetriebe ermöglichen innerhalb von überbetrieblichen und außerbetrieblichen Ausbildungsformen die Vermittlung von Ausbildungsinhalten oder einen Berufsabschluss. Neben diesen Formen, die im Bereich der (Aus-)Bildung und Berufsvorbereitung zu verorten sind, werden nun jene Berufs- und Arbeitsfelder vorgestellt, die von ihrer Zielrichtung her eine verstärkte Anwendung der Schüler*innenfirma sinnvoll scheinen lassen. Das ist einerseits Soziale Arbeit an Schulen, andererseits Soziale Arbeit im Bereich der beruflichen Orientierung und der Jugendberufshilfe.

2.2.1

Schulsozialarbeit

Die Schüler*innenfirma ist, wie bereits der Name nahelegt, insbesondere im schulischen Bereich bekannt. Zwar begleitet auch die Soziale Arbeit im Rahmen der Schulsozialarbeit Schüler*innenfirmen, doch ist diese Begleitung in der Praxis selten anzutreffen. Das ist bemerkenswert, denn es gibt einige Überschneidungen im Hinblick verschiedener Zielsetzungen. Soziale Arbeit agiert im Rahmen der Schulsozialarbeit an den Schnittstellen von Erziehung, Bildung und Beruf. Die Schüler*innenfirma kann dort für unterschiedliche Bedarfslagen, mit unterschiedlichen Kooperationspartnern und mit unterschiedlichem Umfang an allen Schularten eingesetzt werden. Die Überschneidungen von Aufgaben und Zielen der Schulsozialarbeit und den Möglichkeiten der Schüler*innenfirma wird im Folgenden durch eine Beschreibung des Verständnisses von Schulsozialarbeit herausgearbeitet. Soziale Arbeit an Schulen wird mittlerweile vor allem als Schulsozialarbeit bezeichnet und ist zwischen Jugendhilfe und Schule zu verorten.24 Wie viele andere Einflüsse und qualitativen Weiterentwicklungen der Sozialen Arbeit, lassen sich auch die Ur-

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Unterschiedliche rechtliche Ableitungen und unterschiedliche Definitionen haben auch zur Folge, dass Soziale Arbeit an Schulen unterschiedlich bezeichnet wird. Speck (2006: 23) plädiert für den Begriff Schulsozialarbeit, auch, weil er international anschlussfähig ist. Der Begrifflichkeit Schulsozialarbeit möchte ich mich anschließen, auch weil er zum allgemeinen Sprachgebrauch geworden ist.

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

sprünge der Schulsozialarbeit in den USA finden. Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts gab es Vorformen der Schulsozialarbeit in Boston, New York und Hartford, die verschiedene Standards entwickelt und umgesetzt haben. In Deutschland wurde Schulsozialarbeit in den 1970er Jahren insbesondere an weiterführenden Schulen, an Ganztags- und Gesamtschulen eingeführt und im Zuge des neuen Kinder- und Jugendhilfegesetzes in den 1990er Jahren zunehmend etabliert, nach der Wiedervereinigung auch in den neuen Bundesländern. In der DDR war der Bildungsauftrag der Schule umfänglicher und beinhaltete nicht nur Wissensvermittlung, sondern hatte auch eine soziale Funktion inne, weshalb es keinen Bedarf an Schulsozialarbeit gab. Die Rolle der Lehrkräfte war eine andere (vgl. Schermer/Weber/Bick 2016).25 In Westdeutschland hatte die Bildungsreform Auswirkungen auf das Selbstverständnis der Schulsozialarbeit, die mit einer Trennung von Jugendhilfe und Schule einherging. Die Trennung datieren Speck/Jensen bereits auf 1922 mit dem Inkrafttreten des Reichsjugendwohlfahrtsgesetzes und der Etablierung der Jugendhilfe. Die Funktionen beider Berufsgruppen wird deutlich: Die Jugendhilfe, die zwar eine fürsorgerische Aufgabe hatte, war zunächst durch ihre kontrollierende, eingreifende Funktion geprägt (bis zur gesetzlichen Reform 1990) und übernimmt heute eine Integrations- und Kontrollfunktion. Diese Dichotomie findet auch Ausdruck in der Differenzierung der Hilfsangebote des Kinder- und Jugendhilfegesetzes. Sie wird einerseits deutlich über die Benennung von Zielgruppen, wie junge Menschen oder benachteiligte Kinder und Jugendliche sowie entsprechende Leistungen der Jugendhilfe, wie Jugendarbeit für alle oder Jugendsozialarbeit nur für bestimmte Zielgruppen. Die Schule wiederum übernimmt laut Schulgesetz die Bildungs- und Erziehungsfunktion, um verschiedene Ziele zu erreichen, wie die Vermittlung von Wissen und die Einbindung in die Kultur, aber auch die Vorbereitung auf eine berufliche Laufbahn (vgl. dazu Speck/Jensen 2014: 10ff.). Mit der Trennung der Aufgaben von Schule und Jugendhilfe geht die Haltung einher, dass Bildung vermeintlich nur in der Schule stattfindet. Im Laufe der Jahre haben sich unterschiedliche Modelle von Schulsozialarbeit und Schule entwickelt. Schule hält sich – im Gegensatz zu anderen Ländern wie beispielsweise den USA oder Finnland – aus der sozialen und gesundheitlichen Versorgung der Kinder heraus. Diese Aufgaben sind aus den Schulen ausgelagert worden und werden über die Jugendhilfe, in Form der Schulsozialarbeit teilweise wieder in Schulen integriert, insbesondere mit der Forderung nach einem flächendeckenden Ausbau der Schulen zu Ganztagsschulen (vgl. Schermer/Weber/Bick 2016). Das führte bei unterschiedlichen pädagogischen Professionen nicht nur zu einem anderen Selbstverständnis, sondern ebenso zu einem anderen Verständnis bezüglich der Kooperation beider Einrichtungen, die immer erst im Vorfeld ausgehandelt werden muss. Denn Schulsozialarbeit ist an Schulen eben noch keine Selbstverständlichkeit, auch wenn sie mittlerweile zunehmend an Schulen eingerichtet wird (vgl. Rademacker 2011: 17-43).26 Bei aller Unterschiedlichkeit bezüglich der

25 26

Zur Entwicklung der Definitionen und Bezeichnungen vgl. schulsozialarbeit.net/definition. Die aktuelle Entwicklung der Schulsozialarbeit in den Bundesländern sind über diese Seite abrufbar: https://www.bildungsserver.de/Schulsozialarbeit-in-den-Bundeslaendern--10831-de.html. Erkennbar ist, dass Schulsozialarbeit Standard an den Schulen werden sollen.

2. Die Schüler*innenfirma im Kontext der Sozialen Arbeit

Konzepte, Vorgehensweisen und Ziele die recht unterschiedlich sind, versucht Schulsozialarbeit einige gemeinsame Grundsätze zu entwickeln. Auch der Fokus auf die Schulleistungen nach den internationalen Vergleichen und der sogenannte PISA-Schock hat dazu beigetragen, dass die Schulsozialarbeit einen Aufschwung erfahren hat und zunehmend an vielen Schulen und Schulformen eingerichtet wurde und wird. Der bildungspolitische Wille, die Schulfähigkeit mit allen dazu notwendigen Kompetenzen und den notwendigen familiären und sozialen Rückhalt zu stärken, schlägt sich in der Zunahme des Angebots nieder. Benachteiligungen von Kindern über gestiegene schulische Anforderungen oder gestiegener Kinderarmut sollen mit staatlichen Angeboten ausgeglichen werden. Auch gesellschaftliche Entwicklungen wie verstärkte Migration, neue Medien oder Gewalt an Schulen stärken die Bedeutung zusätzlicher Fachkräfte an Schulen. Für die Soziale Arbeit bietet sich damit eine Chance, vor Ort einer zentralen Sozialisationsinstanz, Angebote machen zu können und die Kooperation zwischen Schule und Jugendhilfe zu stärken. Das Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG) schreibt die Zusammenarbeit von Trägern der Jugendhilfe und Schule in § 81 KJHG fest und verschiedene Stellungnahmen regeln die Kooperation (vgl. Baier/Deinet 2011: 9f.). Doch weil Schulsozialarbeit ursprünglich aufgrund verschiedener Bedürfnisse an Schulen eingerichtet und politisch motiviert eingeführt wurde, unterscheiden sich Begründungen, Definitionen und Konzepte nach wie vor stark voneinander. Das KJHG stellt eben nur die rechtliche Grundlage und nach wie vor gibt es keine einheitlich verbindlichen Standards, nach denen sich Soziale Arbeit an Schulen richtet. Länder, Kommunen und freie Städte arbeiten mit unterschiedlichen Konzepten.27 Beispielhaft ist das Angebot an Grundschulen in Rheinland-Pfalz: In einem Radius von ca. 20 km führen Kommunen und kreisfreie Städte Schulsozialarbeit an Grundschulen völlig unterschiedlich aus. Schulsozialarbeit in einer pfälzischen Verbandsgemeinde bedeutet die enge Zusammenarbeit mit Lehrkräften insbesondere im Unterricht, wenn die Klassen den Lehrer*innen schwierig oder Kinder in ihrem Verhalten auffällig scheinen. Erst dann werden weitere Aufgaben wahrgenommen, meist in Kooperation mit den Lehrkräften, wie beispielsweise Elterngespräche. Eine offizielle Beschreibung der Schulsozialarbeit existiert nicht.28 In einer Kleinstadt wiederum gibt es keine Schulsozialarbeit an Grundschulen, sondern »Mobile Jugendhilfe an Grundschulen«. Hier wird vom Jugendamt aus gearbeitet und die Sozialpädagogen*innen sind für mehrere Grundschulen Ansprechpartner*innen auch vor allem für Lehrkräfte. Diese können sich beim Jugendamt melden, sobald sie Auffälligkeiten bei Schüler*innen bezüglich des Lernverhaltens erkennen. Der Arbeitsschwerpunkt der Sozialpädagogen*innen liegt dabei in der Beurteilung, ob eine Eingliederungshilfe durch das Jugendamt gewährleistet werden kann oder nicht. Erst dann erfolgen weitere Aufgaben, wie Ansprechpartner*in 27

28

Vgl beispielsweise: https://www.schulsozialarbeit.net/bundesländer. Hier erfolgt eine Auswahl von Konzepten einiger Bundesländer. Die Seite versteht sich als Netzwerk für alle an der Schulsozialarbeit Beteiligten, also Träger, Schulen, Lehrer/innen, Schulsozialarbeiter*innen, um Informationen auszutauschen und Vernetzungsmöglichkeiten zu bieten. Oder: https://www.bildungsserver.de/S chulsozialarbeit-10817-de.html. Auf dem Bildungsserver finden sich wesentliche Informationen zu Schulsozialarbeit sowie Links zu Angebotsformen und Konzepten der einzelnen Bundesländer. Verbandsgemeinde Waldsee: Die Informationen sind in einem persönlichen Gespräch im Februar 2018 ausgetauscht worden.

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

auch für Eltern oder die Schüler*innen zu sein. Als letztes Beispiel von Schulsozialarbeit in einer weiteren Kleinstadt: Hier wird Schulsozialarbeit an vielen Grundschulen vor Ort ausgeübt. Die Mitarbeiter*innen haben ein eigenes Büro, sind für Schüler*innen, Lehrkräfte, und Eltern Ansprechpartner*innen. Sie sind im Unterricht aktiv, wenn sie selbst einen Bedarf erkennen oder präventive Angebote durchführen, aber auch wenn Lehrkräfte oder Schüler*innen Bedarf anmelden. Darüber hinaus bieten sie Gruppenarbeit und Einzelfallhilfe an, kooperieren eng mit dem Jugendamt sowie anderen sozialen Trägern und sind damit eng mit dem Gemeinwesen verbunden.29 Die Methode der Schüler*innenfirma ist an keiner dieser Stellen bekannt. An diesen Praxisbeispielen wird deutlich, wie unterschiedlich selbst räumlich nah gelegene Jugendämter innerhalb einer überschaubaren Region eines Bundeslandes agieren und ihren Auftrag ausüben können. Die Schwierigkeit Soziale Arbeit relativ einstimmig über ihren Auftrag zu definieren, um daraus entsprechend ähnliche Angebote zu entwickeln und methodisch umzusetzen, scheint sich in der ganz konkreten Praxis widerzuspiegeln. Es sollte ein Blick auf eine Definition Sozialer Arbeit an Schulen weiterhelfen. Die Literatur ist mannigfaltig. Das Netzwerk Schulsozialarbeit definiert folgendermaßen: »[…] wird heute unter Schulsozialarbeit – vereinfacht formuliert – die engste Form der Kooperation von Jugendhilfe und Schule verstanden, bei der sozialpädagogische Fachkräfte ganztägig und kontinuierlich am Ort Schule tätig sind und mit Lehrkräften zusammenarbeiten« (schulsozialarbeit.net). Das Lexikon der Sozialen Arbeit schreibt der Schulsozialarbeit eine Scharnierfunktion zwischen Schule, Familie und Jugendhilfe zu, um Aufgaben zu bearbeiten, die verschiedene Problemlagen der Kinder und Jugendlichen mit sich bringen und deren Ursachen innerhalb der Familie, der Schule oder der Peergroup entstehen. Damit kann Schulsozialarbeit an wesentlichen Sozialisationsinstanzen arbeiten, Ursachen finden und Lösungen erarbeiten (vgl. Stickelmann 2011: 806f.). Mit ähnlichem Inhalt formuliert Kunkel: »Schulsozialarbeit ist die kontinuierliche Tätigkeit sozialpädagogischer Fachkräfte an der Schule in Zusammenarbeit mit Lehrkräften mit dem Ziel, Schüler in ihrer individuellen, sozialen und schulischen Entwicklung zu fördern, Bildungsbenachteiligungen zu vermeiden und abzubauen, Eltern und Lehrer bei der Erziehung zu beraten und bei Konflikten im Einzelfall zu helfen« (Kunkel 2016; 14). Speck bringt eine berufliche Perspektive mit ein und definiert Schulsozialarbeit als: »[…] ein Angebot der Jugendhilfe […], bei dem sozialpädagogische Fachkräfte kontinuierlich am Ort Schule tätig sind und mit Lehrkräften auf einer verbindlich vereinbarten und gleichberechtigten Basis zusammenarbeiten, um junge Menschen in ihrer individuellen, sozialen, schulischen und beruflichen Entwicklung zu fördern, dazu beizutragen, Bildungsbenachteiligungen zu vermeiden und abzubauen, Erziehungsberechtigte und Lehrer*innen bei der Erziehung und dem erzieherischen Kinder- und

29

https://www.buergerinfoworms.de/vo0050.php?__kvonr=5141, Stadt Worms: Tätigkeitsbericht der Mobilen Jugendhilfe an Grundschulen 2015, https://www.frankenthal.de/sv_frankenthal/de/Kinder -%20und%20Jugendb%C3%BCro/Schulsozialarbeit/. Schulsozialarbeit wird zudem auch an anderen Schulen angeboten, allerdings von freien Trägern ausgeführt.

2. Die Schüler*innenfirma im Kontext der Sozialen Arbeit

Jugendschutz zu beraten und zu unterstützen sowie zu einer schülerfreundlichen Umwelt beizutragen« (Speck 2006: 23). Die Definitionen zeigen, dass die Aufgaben der Schulsozialarbeit sehr weit gefasst sind und alle wesentlichen Aspekte der persönlichen, sozialen und schulischen Entwicklung mit zu berücksichtigen versuchen. Spies und Pötter definieren die Aufgaben der Schulsozialarbeit als Sicherung der Anschlussfähigkeit. Dabei beziehen sie diese nicht auf den schulischen und beruflichen Anschluss, sondern formulieren mit diesem Begriff eine Ziel- und Aufgabenbeschreibung, die sich auf alle Bereiche bezieht, die für Kinder und Jugendliche von Bedeutung sind. Die Selektionsfunktion der Schule soll damit letztlich aufgehoben werden, wenn Schulsozialarbeit als integrierter Teil des Bildungs- und Erziehungssystems »Blockaden« zwischen unterschiedlichen »Lebenssphären« verhindern kann (vgl. Spies/Pötter 2011: 21). In diesem Sinne ist Diversität die konsequente Weiterführung des Lebensweltparadigmas, die eine Orientierung an eine Homogenität obsolet macht, bzw. machen muss. Die Erhaltung der Anschlussfähigkeit bedeutet die Teilhabe sowohl an verschiedenen Lebenswelten, als auch an verschiedenen Funktionssystemen. Damit ist einerseits Integration in Bezug auf die Lebenswelt, andererseits Inklusion in Bezug auf die gesellschaftliche Teilhabe gemeint. Anschlussfähigkeit funktioniert nur über die Teilhabe an beiden Systemen (vgl. ebd.: 24ff.). Daraus resultiert die Aufgabe der Schulsozialarbeit: Sie versucht die Anschlussfähigkeit in die Lebenswelt einerseits und in das Erziehungs- und Bildungssystems andererseits zu erhalten oder wieder herzustellen (vgl. ebd.: 43). Diese Ableitung der Aufgaben von Schulsozialarbeit hat zur Konsequenz, dass Schulsozialarbeit eine Kooperation der Akteure Schule ist und nicht Jugendhilfe am Standort Schule sein kann (vgl. ebd.: 29). Unter dem Aspekt der Anschlussfähigkeit lässt sich auch Baiers Sicht auf die Schulsozialarbeit anschließen. Er betrachtet sie aus dem Blickwinkel der Bildung. Mit ihr können Bildungsprozesse initiiert und begleitet werden. Das kann Schulsozialarbeit nicht nur am Lernort Schule, sondern auch an anderen Lernorten wie der Familie und innerhalb der Peergroup. Sie kann Bedingungen schaffen und persönliche Voraussetzungen stärken, um Bildungsprozesse und damit auch Persönlichkeitsentwicklung zu ermöglichen. Damit ist Schulsozialarbeit nicht nur Lernort, sondern auch Brücke zwischen schulischen und außerschulischen Lernorten (vgl. Baier/Deinet 2011: 99). Würden diese Definitionen in der Praxis ernst genommen und konzeptionell umgesetzt werden, könnte Schulsozialarbeit wie in zwei oben beschriebenen Varianten nicht in diesen Formen angeboten werden. Schulsozialarbeit als Jugendarbeit, Jugendsozialarbeit oder sonstige Soziale Arbeit Das Problem der unterschiedlichen sozialpädagogischen Ableitungen und Aufgabenbereiche der Schulsozialarbeit liegt auch an der Möglichkeit, unterschiedliche rechtliche Ableitungen vorzunehmen. Zwar ist die Schulsozialarbeit als Leistung im § 2 KJHG begründet und damit für die Herstellung besserer Lebensverhältnissen zuständig. In Verbindung mit § 11 Jugendarbeit oder in § 13 KJHG Jugendsozialarbeit wird ihre Ausformung geregelt.

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

Weil Schulsozialarbeit aber nicht explizit benannt wird, gilt sie juristisch gesehen als »Phantombegriff«. Das erklärt unterschiedlichste Bezeichnungen, seit es Schulsozialarbeit an Schulen gibt, wie auch die unterschiedlichen Angebotsformen (vgl. Kunkel 2016: 14). Der wachsende Bedarf an Sozialer Arbeit an Schulen, der auch durch einen stetig wachsenden Personalausbau erkennbar ist, fordert eine rechtliche Verankerung, wie sie beispielsweise Kunkel begründet, um eine unklare Rechtssituation zu vermeiden (vgl. Kunkel 2016). Welche Unterscheidungen ergeben sich aus den rechtlichen Ableitungen? Als Aufgabe der Jugendsozialarbeit § 13 KJHG kümmert sich Schulsozialarbeit um einen Ausgleich sozialer Benachteiligungen von Kindern und Jugendlichen, wie auch um die Überwindung individueller Beeinträchtigungen. Mit dieser Ableitung ist Schulsozialarbeit nicht für alle Schüler*innen zuständig (vgl. Schermer/Weber/Bick 2016). Dann richtet sich Schulsozialarbeit nur an jene Schüler*innen, die benachteiligt oder von Benachteiligung bedroht sind. Wird Schulsozialarbeit jedoch von § 11 KJHG abgeleitet, als Teil der Jugendarbeit, so agiert Schulsozialarbeit präventiv und kann sich an alle Schüler*innen richten. Begriffe wie Jugendsozialarbeit an Schulen, Jugendarbeit an Schulen, Mobile Jugendhilfe an Schulen oder Soziale Arbeit in der Schule stehen für die jeweils unterschiedlich begründeten Ableitungen, welche Aufgaben Soziale Arbeit innerhalb des Systems Schule übernehmen soll, darf oder muss (vgl. ebd.). Und das ist nur die Seite der Schulsozialarbeit, die nicht einstimmig definiert ist. Hinzu kommt die Kooperation mit der Schule, die ebenso eine Standortbestimmung erforderlich macht und die Frage aufwirft, wie diese aussehen kann oder muss, wie also die Kooperation geregelt sein sollte. Die gesetzlichen Ableitungen und Regelungen sind uneindeutig. Folglich ist nicht klar, welche Zuständigkeiten und Aufgaben der Jugendhilfe und welche der Schule zuzuordnen sind. Meist liegt die Zuständigkeit der Schulsozialarbeit bei der Jugendhilfe, aber in manchen Kommunen auch bei der Schule. Ist die Schulsozialarbeit der Schule zugeordnet, sind die Mitarbeiter*innen direkt bei der Kommune oder dem Land angestellt, dann handelt es sich nicht mehr um eine Leistung nach dem KJHG. Auch in diesem Fall sind die Aufgaben in den einzelnen Schulgesetzen unterschiedlich geregelt (vgl. ebd.). Der Kooperationsverbund Schulsozialarbeit hat in Zusammenarbeit mit den Landesarbeitsgemeinschaften Aufgaben und Anforderungsprofile entwickelt, sowohl für die Schulsozialarbeiter*innen als auch für die Hochschulen. Sie positionieren sich eindeutig für eine Zuordnung der Schulsozialarbeit an die Jugendhilfe und damit einer fachlichen Verortung an die Soziale Arbeit. Grundlegend ist §1 KJHG mit der Förderung aller jungen Menschen in ihrer »Entwicklung und Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit«. Die Schule ist, insbesondere mit dem landesweiten Ausbau der Schulen zu Ganztagsschulen, zunehmend zu einem Lern- und Lebensort geworden. Wenn die Entwicklung und Erziehung der Kinder und Jugendlichen gefördert werden will, kann die Struktur der Schule dafür genutzt werden. Schulsozialarbeit hat sich dabei bewährt, Angebote für alle Kinder und Jugendliche anzubieten und besonders jene im Blick zu haben, die benachteiligt oder von Benachteiligung bedroht sind und die den Anforderungen der Schule nicht gerecht werden können. Durch eigenständige Bildungs- und Erziehungsangebote kann Schulsozialarbeit Einfluss auf die Gestaltung von Bildungsprozessen an Schulen nehmen, Themen

2. Die Schüler*innenfirma im Kontext der Sozialen Arbeit

und Inhalte aufgreifen, die innerhalb des Unterrichts zu kurz kommen oder nicht vorgesehen sind. In ihrer Arbeit richtet sich Schulsozialarbeit nach den Prinzipien der Jugendhilfe: Partizipation, Ganzheitlichkeit und Individualität (vgl. Kooperationsverbund Schulsozialarbeit 2015: 6ff.). Ziele und Grundsätze der Schulsozialarbeit »Ihre Ziele definiert Schulsozialarbeit aus der Verantwortung zur Gestaltung einer sozialen und humanen Gesellschaft. Diese Ziele sind eingebettet in die sich aus den UNKonventionen ergebenden völkerrechtlichen Verpflichtungen, insbesondere der Kinderrechtskonvention, der Flüchtlingskonvention und der Behindertenrechtskonvention. […] Schulsozialarbeit kann ein breites Spektrum von Leistungen der Jugendhilfe realisieren, ist mit ihrem Angebot für alle jungen Menschen im Lern- und Lebensraum Schule erreichbar und bringt sozialpädagogische Methoden ein. Für Kinder, Jugendliche und ihre Familien öffnet die Schulsozialarbeit Zugänge zum Leistungsangebot der Jugendhilfe und erweitert deren präventive und integrative Handlungsmöglichkeiten.« (Kooperationsverbund Schulsozialarbeit 2015: 10) Die Zielformulierung zeigt, dass hier mehr ein Verständnis vorliegt, welches Schulsozialarbeit als Jugendhilfe an Schule versteht und weniger als Kooperation der Akteure Schule. Doch deutlich wird, dass Schulsozialarbeit breit angelegt ist, um die Möglichkeit zu nutzten, im »Lern- und Lebensraum Schule« Angebote zu machen. Dass Schulsozialarbeit mittlerweile von der Grundschule an bis hin zu Berufsschulen vertreten ist, wird gerade durch diese Breite des Angebots und der damit verfolgten Zielsetzungen ermöglicht: •







Die Förderung der individuellen und sozialen Entwicklung: Kinder und Jugendliche entwickeln über die Schule hinausgehend eigene Fähigkeiten, erfahren Anerkennung und können soziale Prozesse gestalten. Die Verhinderung oder den Abbau von Benachteiligung: Kindern und Jugendlichen werden Angebote gemacht, durch die sie Stärken bei sich erkennen, Ressourcen wie auch Lebensperspektiven entwickeln können. Die Beratung von Eltern und Lehrer*innen: Krisen und Konflikte können vermieden oder geklärt und die Bedingungen in der Schule und zu Hause verbessert werden. Anzeichen von Kindeswohlgefährdung werden erkannt. Die Mitgestaltung der Schule als Lern- und Lebensort: Allen Kindern und Jugendlichen wird ermöglicht, ihren Platz an der Schule zu finden und mitzugestalten. (vgl. ebd.: 11)

Die wesentlichen Aufgaben, die sich aufgrund dieser Ziele in der Praxis herauskristallisiert haben, beruhen auf verschiedenen gesetzlichen Grundlagen des KJHG.30

30

Die einzelnen Paragraphen des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (KJHG) oder 8. Sozialhetzbuch (SGB VIII), die als Grundlage für die Schulsozialarbeit dienen können sind im Einzelnen folgende: § 11 Jugendarbeit § 13 Jugendsozialarbeit § 14 Erzieherischer Kinder- und Jugendschutz § 16 Allgemeine Förderung der Erziehung in der Familie § 81 Strukturelle Zusammenarbeit mit anderen

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

Den Ansatz, den Spies und Pötter vertreten, Schulsozialarbeit als Kooperationsmodell an Schulen zu verstehen, bietet auch im Hinblick auf die Trägerschaft der Schulsozialarbeit andere Perspektiven. Klassischerweise unterliegt die Trägerschaft der Jugendhilfe. Das ist die von der Sozialen Arbeit grundsätzlich favorisierte Form, denn sie ermöglicht ein von der Schule unabhängiges Agieren. Bei anderen Modellen unterliegt die Trägerschaft den Schulministerien oder -ämtern. Die Schulsozialarbeit ist dann nicht mehr selbstständig, sondern unterliegt den Anforderungen der Schule. Darüber hinaus gibt es jedoch Kooperationsmodelle, die eine aktivere und verbindlichere Form aller beteiligten Organisationen und Beteiligten fördert: die Trägerschaft von Jugendhilfe und Schule, wie die Trägerschaft von Elternvereinen oder anderen gemeinnützigen Trägern (vgl. Spies/Pötter 2011: 62ff.). Methoden der Schulsozialarbeit Die Schulsozialarbeit greift auf die klassischen Methoden der Einzelfallhilfe, der sozialen Gruppenarbeit sowie der Gemeinwesenarbeit zurück. Entsprechend strukturieren Spies/Pötter die Aufgaben und Methoden der Schulsozialarbeit. Der Schulsozialarbeit als offenes, freiwilliges Angebot an der Schnittstelle Schule und Jugendhilfe, stellt sich zunächst die Frage, was sie grundsätzlich anbietet. Als Einzelfallhilfe kann sie dort Unterstützung anbieten, wo Beratung notwendig scheint, sei es aus Sicht der Lehrer*innen oder der Schüler*innen. Die Einzelfallhilfe kann über einzelne Gespräche oder aber auch bei Bedarf über die Vermittlung weiterer Hilfen erfolgen. Erlebnispädagogische oder weitere pädagogische Elemente werden dabei ebenso genutzt, wie auch die Anbindung an das Gemeinwesen, mit unterschiedlichsten Formen der Vernetzung oder Verankerungsmöglichkeiten für Schüler*innen und auch deren Eltern. Die soziale Gruppenarbeit ist grundlegend an Schulen. Nicht nur, weil Gruppen über die Organisationsform der Schule in Form von Klassen schon gegeben ist, sondern auch, weil das soziale Lernen zentral an Schulen stattfindet und Schule als Lebensort ebenso soziale Kompetenzen benötigt. Daneben kommt dem Lernen und dem Vertrauen in die Gruppe der Gleichaltrigen mit zunehmenden Schulalter eine immer bedeutendere Rolle zu. Alle Themen, die für Schüler*innen wichtig sind oder auch Konflikte bergen, können im Sinne eines Bildungs- und Erziehungsauftrags aufgegriffen und bearbeitet werden (vgl. ebd., Teil C). Konkrete methodische Angebote können weiterhin sein: Beratung, individuelle Förderung, offene Jugendarbeit, Konfliktbewältigung, Demokratie lernen, Schulbezogene Angebote, Berufsorientierung oder der Übergang Schule und Berufswelt (vgl. Kooperationsverbund Schulsozialarbeit 2015: 14 ff, Standards Schulsozialarbeit Rheinland-Pfalz). In diesen schulsozialarbeiterischen Kanon ließe sich die Schüler*innenfirma sowohl unter den methodischen Angeboten subsumieren wie auch als Ableitung dienen, um die mit der Schulsozialarbeit verbundenen Ziele zu erreichen: Sie ermöglicht nicht nur u.a. demokratisches und partizipatives Lernen mit einer berufsorientierenden Perspektive, sondern kann darüber die Anschlussfähigkeit der Schüler*innen erhalten oder herstellen und Brücke zwischen schulischen und außerschulischen Lernorten sein. Stellen und öffentlichen Einrichtungen § 22 Förderung in Tageseinrichtungen § 8a Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung.

2. Die Schüler*innenfirma im Kontext der Sozialen Arbeit

2.2.2

Berufsorientierung

Über die Mitarbeit in einer Schüler*innenfirma kann es neben der allgemeinen Stärkung und Förderung der Selbstwirksamkeitserwartung und Kompetenzen von Schüler*innen auch um ein Weiterdenken hinsichtlich der herausgearbeiteten Stärken und Interessen gehen. Die Beschäftigung mit diesen kann in einer Auseinandersetzung mit verschiedenen beruflichen Perspektive münden, so dass Jugendliche, aber auch schon Kinder sich verstärkt mit beruflichen Themen auseinandersetzen. Je nach Klassenstufe kann diese Auseinandersetzung mit konkreten Berufsbildern und Arbeitsbereichen vertieft werden. Dann mündet die Schüler*innenfirmenarbeit in eine Form der Berufsorientierung. »Berufsorientierung lässt sich definieren als ein lebenslanger Prozess der Annäherung und Abstimmung zwischen Interessen, Wünschen, Wissen und Können des Individuums auf der einen und den Möglichkeiten, Bedarfen und Anforderungen der Arbeits- und Berufswelt auf der anderen Seite. Beide Seiten, und damit auch der Prozess der Berufsorientierung, sind sowohl von gesellschaftlichen Werten, Normen und Ansprüchen, die wiederum einem ständigen Wandel unterliegen, als auch den technologischen und sozialen Entwicklungen im Wirtschafts- und Beschäftigungssystem geprägt. Berufsorientierung ist somit ein Lernprozess, der sowohl in formellen organisierten Lernumgebungen als auch informell im alltäglichen Lebensumfeld stattfindet.« (vgl. Famulla/Butz 2005 in Deeken/Butz 2010: 19) Wenn Schüler*innen sich im Rahmen einer Schüler*innenfirma oder eines Wettbewerb mit beruflichen Themen auseinandersetzten und darüber hinaus ihre Interessen und Fähigkeiten erkennen und formulieren können, kann das in diesem Sinne schon als ein früher und als ein erster Baustein einer kohärenten Berufsorientierung gesehen werden. Dafür sollten die bearbeiteten Themen, Ideen, Stärken und Interessen oder auch Bereiche, für die weiteres Interesse besteht, festgehalten werden. Anbetracht der Ausbildungsmöglichkeiten und Chancen für Jugendliche insbesondere für benachteiligte und für geflüchtete Jugendliche, bleibt die Bedeutung einer tragfähigen Unterstützung bestehen. Zwar wird hinsichtlich bestehender Ausbildungsplätze nicht mehr wie noch vor ein paar Jahren von einem Ausbildungsplatzmangel gesprochen.31 Bedeutend bleibt jedoch weiterhin die Frage, wie die Anforderungen der Ausbildung für Jugendliche mit einem Hauptschulabschluss, einem schlechten oder keinem Schulabschluss zu bewältigen sind. Welche Strategien helfen, diesen Ausschlusskriterien, die den Erhalt eines Ausbildungsplatzes im ersten Arbeitsmarkt verhindern, entgegenzuwirken (vgl. ebd.: 8f.)? Auch die beständig hohe Anzahl an Jugendlichen, die sich im Übergangssystem befinden, weist darauf hin, dass eine gute Berufsorientierung notwendig ist (vgl. dazu Jugendliche im Übergangssystem 2.2.3). Insbesondere, wenn dem Ansatz gefolgt wird, Berufsorientierung als Prozess zu verstehen, bei dem

31

Zum Thema Ausbildugsplatzmangel und unbesetzte Ausbildungsplätze https://www.dgb.de/the men/++co++a201fcec-a1ac-11e6-90a2-525400e5a74a. Die Diskrepanz zwischen Ausbildungsplatzmangel und unbesetzten Ausbildungsplätzen wird durch Studien des DGB und Arbeitsmarktdaten erläutert. Insbesondere Jugendliche mit Hauptschulabschluss und mit Realschulabschluss bleiben ohne Berufsausbildung (im Jahr 2016 1,2 Millionen der 20-29jährigen, laut statistischem Bundesamt), diese haben die meisten Schwierigkeiten, einen Ausbildungsplatz zu erhalten.

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

zwei Seiten berücksichtigt und aufeinander abgestimmt werden müssen: Die Seite der Jugendlichen mit ihren Kompetenzen und Interessen und die Seite der Arbeitswelt mit ihren Anforderungen und Angeboten (vgl. https://www.bibb.de/bibb-berufsorientierun g). Gerade deshalb sollte Berufsorientierung als »kooperatives Handlungskonzept« (Deeken/Butz 2010: 6) verstanden werden, bei dem nicht alleinig von Jugendlichen erwartet wird, sich den Angeboten und Anforderungen der Ausbildungsmöglichkeiten anzupassen, sondern auch von Ausbildungsbetrieben, sich stärker um Auszubildende und Ausbildungsstandards zu bemühen.32 Doch was genau Berufsorientierung ist, darüber gibt es kein gemeinsames Verständnis, folglich auch kein gemeinsames Verständnis über die daraus folgenden Angebote. Berufsorientierung wird verstanden entweder als • • • •

die Hinführung in eine Ausbildung oder weiterführende Bildungsmaßnahme, die Entwicklung einer Ausbildungsreife und der Förderung von Kompetenzen, die Sicherung der Ausbildungsberufe und der Fachkräfte, pädagogischer Auftrag, um Jugendliche in ihrer Entwicklung zu stärken, um mit den Anforderungen der sich immer im Wandel befindenden Arbeitswelt zurechtkommen und dennoch ein Selbstkonzept und eigene Perspektiven entwickeln zu können (vgl. Butz 2008: 5).

Die unterschiedlichen Auslegungen sehen Deeken/Butz als durchaus legitim an. Problematisch halten sie vielmehr die fehlende Kommunikation der Träger und Akteure über genau diese Unterschiede, die als gemeinsame konzeptionelle Grundlage auf allen Ebenen dienen könnte. Sie plädieren deshalb für ein umfassendes Verständnis von Berufsorientierung, welches über Betriebspraktika, BIZ-Besuch und Bewerbertraining hinausgeht und welches von den individuellen Voraussetzungen ausgeht. So könnte nicht nur im Anschluss an die Schule eine Ausbildungs- Arbeits- und Lebensperspektive entwickelt werden (vgl. ebd.: 5f.). Die Autorengruppe kritisiert ebenso eine mangelnde Transparenz des Übergangssystems, die sich sowohl auf die Kooperation der beteiligten aufnehmenden und abgebenden Stellen bezieht, wie auch auf Inhalte und Lerneffekte der Maßnahmen (vgl. ebd.: 10f.). Der Berufsbildungsbericht 2018 konstatiert ebenso eine Vielzahl unterschiedlicher Maßnahmen, die ein kohärentes System an Berufsorientierung notwendig macht. Auf diese Vielzahl hat auch die KMK reagiert mit ihrer 2017 erneuerten und deutlicheren Forderung nach einem abgestimmten und systematisierten Konzept. Sie betont die Schlüsselrolle, die der Schule bei der beruflichen Orientierung zukommt: Berufliche Orientierung soll an allen Schulen, nach den von der KMK empfohlenen Grundsätzen umgesetzt und bei Bedarf weiterentwickelt werden (vgl. Bundesinstitut

32

Die verbesserte Angebots-Nachfrage-Relation der Ausbildungsplatzangebote entspannt einerseits die Situation für Jugendliche, doch diese Relation ist in den Bundesländern sehr unterschiedlich verteilt und reicht von einer Quote von 0-79 bis 110-120 Prozent. Diese Spannbreite verweist auf diverse Passungsprobleme, die eine Eins-zu-Eins-Übertragung von Ausbildungsplatzsuchenden und Ausbildungsplatzangebote nicht möglich machen. So gibt es Regionen und Berufe, die Besetzungsprobleme mit sich bringen (vgl. Bundesinstitut für Berufsbildung 2013: 19-24).

2. Die Schüler*innenfirma im Kontext der Sozialen Arbeit

für Berufsbildung 2018: 422f.). Zwar betont auch der Bildungsbericht die Bedeutung eines weit gefassten Berufsorientierungsverständnisses, welches über die duale Perspektive (Abgleich von Fähigkeiten und Interessen mit Bedarfen des Arbeitsmarkts) hinausgeht, nennt aber weiterhin diese Definition als Einführung. Auch ansonsten wird ein eher konservatives Bild der Berufsorientierung gezeichnet. Das äußert sich beispielsweise an einer formulierten Überraschung über die Kompetenzfeststellung von Siebtklässlern im Rahmen eines Projekts (vgl. ebd.: 421, 424). Nicht das hier für frühe Kompetenztests geworben wird. Bemerkenswert ist, dass weiterhin die Auffassung zu bestehen scheint, mit der beruflichen Orientierung erst nach der 7. Klasse zu beginnen. Dafür mag die Prägung des deutschen Verständnisses von Berufsorientierung verantwortlich sein: »Berufsorientierungsmodelle können damit eher einer Bildungs- oder der Beschäftigungslogik zugeordnet werden. In Systemen, die sich durch eine starke Integration von Betrieben auszeichnen, folgt die Berufsbildung dabei einer Beschäftigungslogik (z.B. Deutschland), während Bildungsstrukturen mit schwachen Verbindungen zur Arbeitswelt eher in eine Bildungslogik (z.B. Kanada) eingebettet sind (Ianelli/Raffe 2007)« (Bundesinstitut für Berufsbildung 2018: 461). Mit diesem Verständnis von Berufsorientierung kooperiert Schule gerne mit der Wirtschaft und entspricht dadurch der Beschäftigungslogik. Beispielsweise wird, zwar neben der Nennung weiterer Projektträger, die Zusammenarbeit mit dem Netzwerk Schule Wirtschaft offensiv gefördert (vgl. KMK 2017: 5).33 Aus der Kritik an der Unübersichtlichkeit der Maßnahmen und Angebote heraus wurde eine Zusammenstellung verschiedener Maßnahmen erarbeitet. Dazu wurden 327 Programme von Bund und Ländern im Handlungsfeld Übergang Schule-Beruf ausgewertet. 82 davon waren Programme der Berufsorientierung und dazu zählen mit Mehrfachnennungen: • • •

33

Beratung (74 Prozent), Begleitung/Coaching (56 Prozent), Training/Kurse (42 Prozent),

Beispielsweise: https://www.schulewirtschaft.de. Auch wenn ein Austausch für die berufliche Perspektiventwicklung sicher interessant und an vielen Schulen im Sinne einer Bildungspartnerschaft sinnvoll sein kann, so kann dieses Netzwerk kritisch gesehen werden. Es ist ein Zusammenschluss der auf Bundesebene u.a. durch die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände und dem Institut der deutschen Wirtschaft Köln besteht und auf Landesebene aus Dachverbänden und Bildungswerke der Arbeitgeber. Die Partner sind u.a. die Agentur für Arbeit, die Bertelsmann Stiftung und die Siemens AG. Angeboten werden beispielsweise Materialien zur ökonomischen Bildung, Kompetenztests, Informationen für Eltern, Planspiele oder Berufsorientierung. Die Frage ist, wer wie die Unabhängigkeit und Ausgewogenheit der Angebote bewertet, um eine Unabhängigkeit der Schulen zu gewährleisten. Zumal unter der verstärkten Wirtschaftsperspektive weder insbesondere die Stärkung der Persönlichkeit der Schüler*innen im Mittelpunkt steht und eine Berufsorientierung im Sinne einer Entwicklung eines beruflichen Selbstkonzepts gesehen wird, noch ökonomische Bildung weiter gefasst und als kritische sozialwissenschaftliche Kompetenz gesehen und entwickelt wird (vgl. dazu auch Kap. 1.1.1).

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

• • • • • • • • • •

Vermittlung in Ausbildung und Beschäftigung (33 Prozent), Qualifizierung/Unterweisung/produktionsorientiertes Lernen (32 Prozent) und Regionale oder landesweite Strukturvermittlung (15 Prozent). Die Anliegen (auch hier mit Mehrfachnennung) sind: den Berufswahlprozess begleiten (78 Prozent), Kompetenzen und Potenziale feststellen (62 Prozent), Ausbildung vorbereiten (48 Prozent), Praktika begleiten, Betriebsnähe fördern (45 Prozent), Berufspraxis simulieren und üben (42 Prozent) und Basisqualifikationen vermitteln (32 Prozent) (vgl. ebd.: 425).

Die Ausrichtung der Berufsorientierung in der Praxis zeigt eine deutliche Orientierung an eine Hinführung zu einer Ausbildung oder Entwicklung einer Ausbildungsreife. Der pädagogische Auftrag ist aus dieser Auflistung nicht erkennbar. Doch wäre es grundsätzlich, vor allem aber Anbetracht der Jugendlichen mit schlechtem oder keinem Schulabschluss, wichtig, Berufsorientierung im Hinblick einer persönlichen Entwicklung und Stärkung zu verstehen. Wer setzt Berufsorientierung um? Einen großen Einfluss auf die berufliche Orientierung haben die Eltern mit ihren beruflichen Tätigkeiten, weshalb sie bei der Konzeption von Angeboten oder Maßnahmen mitbedacht werden sollten. Auch wenn insbesondere die beruflichen Verhältnisse der Eltern prägend sind, so wichtig kann ebenso ihr offener Umgang mit beruflichen Themen sein. Eltern könnten ihr Wissen einbringen, ihre Kinder auf unterschiedliche Angebote und Möglichkeiten aufmerksam machen und ihre Kinder dadurch bei dem Prozess der Berufsorientierung unterstützen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat eine Studie in Auftrag gegeben, die den Einfluss der Eltern auf die Berufsorientierung ihrer Kinder untersucht hat. Ausgangspunkt ist, dass sowohl Eltern wie auch Jugendliche bejahen, dass Eltern die Stärken und Schwächen ihrer Kinder gut kennen und einschätzen können. Zudem haben sie meist Kontakte in die Berufswelt und sind als Ansprechpartner in der Regel immer verfügbar (vgl. Boockmann/Brändle/Klee et.al. 2017: 15). Diese Ressource wurden bislang vernachlässigt, bisherige Forschungsergebnisse haben noch keinen strukturierten Niederschlag in Handlungsergebnisse gefunden und sollen nun verstärkt in den Blick genommen und genutzt werden (vgl. ebd.: 10). Die Ergebnisse der Studie münden in Projektvorschläge und Handlungsempfehlungen, damit Eltern besser in den Prozess der Berufsorientierung eingebunden werden können. Die Projektvorschläge sind im Einzelnen: •

Berufs- und studienorientierte Entwicklungspläne, um vor allem auch Schüler*innen der Gymnasien stärker beruflich und über das duale Ausbildungssystem zu informieren. Eltern nehmen dabei regelmäßig an Entwicklungsgesprächen teil und werden über Angebote der Schulen besser informiert. Mit den Entwicklungsplänen soll auch deutlich werden, wie sich Eltern unterstützend einbringen können.

2. Die Schüler*innenfirma im Kontext der Sozialen Arbeit



• •



In einem Instrumentenkoffer sollen standardisierte Maßnahmen der Berufsorientierung, wie bestehende Projekte und Informationen den Schulen bereitstehen, damit sie die Eltern entsprechend informieren können. Es werden zentrale Anlaufstellen für Eltern eingerichtet, die sich oft nicht ausreichen informiert fühlen und nicht wissen, an wen sie sich wenden können. Elternfortbildungen mit Schüler*innen richten sich an Eltern und ihre Kinder, insbesondere soll sich das Angebot an Eltern richten, die wenig Kontakt mit dem Arbeitsmarkt haben und über berufliche Ausbildungsmöglichkeiten nicht informiert sind und sich in diesem Bereich überfordert fühlen. Formate für den Austausch Eltern und Betrieb: Der Einfluss der Eltern während der Ausbildungsphase soll noch vertieft erhoben werden. Aber das Ziel ist, über einen verstärkten Austausch zwischen Betrieb und Eltern, die Anforderungen der Ausbildung besser zu vermitteln. So können Eltern ihre Kinder während der Ausbildung besser begleiten und unterstützen (vgl. ebd.: 99-110).

Die anschließenden Handlungsempfehlungen konkretisieren, wie die Projekte umgesetzt werden können. Insgesamt ist auch hier auffällig, dass Berufsorientierung als konkrete Orientierung an Berufen, Ausbildungsmöglichkeiten oder Studienwahl verstanden wird. Als ein umfänglicheres, früher angelegtes Konzept, welches auf längere Sicht berufliche Orientierung und individuelle Entwicklung unterstützt, wird Berufsorientierung nicht gesehen. Anbetracht der Chancen, die sich über eine gezielte Einbindung der Eltern in den Prozess der beruflichen Orientierung bieten könnten, ist eine Erweiterung dieses Konzepts zu bedenken. Zumal verschiedene Ansätze die Bedeutung eines umfänglicheren Verständnisses von Berufsorientierung betonen, die fehlende kohärente Struktur bemängeln und ein frühes Einstiegsalter empfehlen. Eine Pflichtaufgabe ist Berufsorientierung für die Bundesagentur für Arbeit, die mit unterschiedlichen Angeboten und Maßnahmen Jugendliche bei der Suche nach einem passenden Beruf unterstützt (vgl. Deeken/Butz 2010: 33f.). Dabei bietet sie Unterrichtsmaterialien für verschiedene Klassenstufen und Schularten an, wie auch Eignungstests zur beruflichen Orientierung, Beratungsgespräche, Materialien und Informationsgespräche an der Schule. In der Erweiterung bedeutet die Berufsorientierung der Bundesagentur aber auch die Vermittlung von Ausbildungsplätzen.34 Wie nun die KMK in ihrem Bericht betont, kommt der Schule eine besondere Rolle zu. Das zeigt nun auch die Studie, dass die Einbindung der Eltern insbesondere über die Schule erfolgen kann. In jeder Schule soll Berufsorientierung stattfinden und curricular verankert werden.35 Sie beschreibt Inhalte der Berufsorientierung von der Grundschu34

35

Vgl. dazu Seiten der Agentur für Arbeit und Bundesministerium für Arbeit und Soziales: https://w ww.arbeitsagentur.de/bildung/berufsberatung, https://www.arbeitsagentur.de/bildung/ausbildun g/welche-berufe-passen, https://www.arbeitsagentur.de/bildung/schule/berufsorientierung-im-un terricht, https://www.bmas.de/DE/Themen/Aus-und-Weiterbildung/Ausbildungsfoerderung/Arbei tsfoerderung-Beratung.html. Dazu ausführlich: Dokumentation zur Beruflichen Orientierung an allgemeinbildenden Schulen (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 07.12.2017, Kultusministerkonferenz Bundesagentur für Arbeit Rahmenvereinbarung über die Zusammenarbeit von Schule und Berufsberatung zwi-

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

le an, die beispielsweise mit dem Themenfeld Arbeit und Beruf beginnt und definiert ebenso Inhalte für die weiterführenden Schulen. Darüber hinaus gibt sie ebenso Empfehlungen für die Kooperation und Zusammenarbeit sowohl mit Eltern, Jugendsozialarbeit, Sozialhilfeträger, Hochschulen oder Wirtschaft (vgl. KMK 2017). Auch die Kinder- und Jugendhilfe hat verschiedene Möglichkeiten, Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene auf dem Weg in das Berufsleben zu begleiteten. Das beinhaltet die Berufsorientierung und die berufsvorbereitenden wie ausbildungsbegleitenden Hilfen.36 Grundlage dieser Hilfen ist § 13 KJHG und ist damit Teil der Jugendsozialarbeit. Darin werden verschiedene Maßnahmen beschrieben, die Jugendsozialarbeit im Hinblick auf die berufliche Orientierung und Ausbildung anbieten kann und dabei mit Schulen, Ausbildungsträgern und der Bundesagentur für Arbeit kooperiert. Das Angebot richtet sich an jene, die benachteiligt oder beeinträchtigt sind, um die Eingliederung in den Beruf und die soziale Integration zu fördern (vgl. § 13 Abs. 1-4 KJHG). Empfehlungen für die Ausübung der Beruflichen Orientierung gibt beispielsweise der Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit. Ein Zusammenschluss wichtiger Träger der Jugendsozialarbeit haben zum Ziel, ein schlüssiges und abgestimmtes System von Angeboten für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene zu schaffen, vor dem Hintergrund, dass das Jugendalter für alle Jugendliche ein kritisches Alter ist. Eine Integration bestimmter Förderangebote könnte damit auch benachteiligte Kinder und Jugendliche erreichen, die Schwierigkeiten beim Übergang von Schule und Beruf haben. Ein kohärentes Fördersystem beinhaltet nach dem Kooperationsverband fünf Bereiche, die in einem übergreifenden System etabliert werden sollte. Dazu zählen • • • • •

36

»Schule mit den Schwerpunkten Berufsorientierung und Jugendsozialarbeit Berufsvorbereitung – Angebote zwischen Schule und Ausbildung Niedrigschwellige Qualifizierungs- und Beschäftigungsangebote für junge Menschen, die kurz- und mittelfristig (noch) keine Ausbildung bewältigen können Berufsausbildung – in unterschiedlichen Formen Nachqualifizierung – für junge Erwachsene ohne Berufsabschluss« (Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit (Hrsg) 2016: 13).

schen der Kultusministerkonferenz und der Bundesagentur für Arbeit (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 15.10.2004 i. d. F. vom 01.06.2017). Die Einführung des SGB II 2005 führte zur Neuorientierung der Jugendsozialarbeit, da Angebote der aktiven Integration in den Arbeitsmarkt von der ARGE übernommen wurden und damit Kommunen der Verpflichtung im KJHG § 13, weniger oder gar nicht mehr nachkamen. Übernehmen Träger der Jugendsozialarbeit berufsbezogene Angebote, werden diese über SGB II und SGB III finanziert und organisiert. Als Dienstleister stehen sie unter finanziellem Druck und müssen sich den Prinzipien des neuen Gesetzes »fordern und fördern« fügen. Bei verschiedenen Leistungen kommt es in der Praxis zu Schnittstellenproblemen hinsichtlich der rechtlichen Zuordnung sowie der Finanzierung. Pingel plädiert angesichts der zurückgegangenen außerbetrieblichen Ausbildung und Berufsorientierung eine Stärkung der Jugendsozialarbeit. Sie soll arbeitsmarktferne Jugendlichen durch niedrigschwellige Angebote erreichen (vgl. Pingel 2010, 2015).

2. Die Schüler*innenfirma im Kontext der Sozialen Arbeit

Darunter kann Schudys Unterscheidung von vier Varianten der Berufsorientierung zugeordnet werden. Er unterscheidet, ähnlich wie von Deeken/Butz zusammengefasst, folgende Varianten: • • • •

Die subjektive Berufsorientierung als individuelle Ausrichtung für Jugendliche, um berufliche Ziele umzusetzen, die fachliche Berufsorientierung, die Lerninhalte vermitteln will die direkte Berufsorientierung, die Unterstützung bei der Berufswahl anbietet, sowie die Berufsorientierung, die die Beschäftigung mit arbeitsweltbezogener Allgemeinbildung beinhaltet (vgl. Schudy 2002. 9f, in Deeken/Butz 2010. 17).

Die Umsetzung dieser Bereiche ist wegen der inhaltlichen Breite entsprechend schwierig und konkrete Zuständigkeiten sind nicht formuliert: Zwar ist einerseits die Agentur für Arbeit für alle beruflichen Fragen und die Berufsorientierung zuständig (vgl. § 33 SGB III), andererseits ist aber auch Schule und Soziale Arbeit mit ihren Lehrinhalten und ihrem gesetzlichen Auftrag zur Unterstützung verpflichtet (vgl. Empfehlung der KMK 2017, § 13 KJHG). Die Problematik der Berufsorientierung liegt an einem fehlenden durchgängigen Konzept, welches bereits von klein auf Kindern beruflichen Themen anbietet, um eigene Fragestellungen, Interessen und Perspektiven entwickeln zu können. Diese Kritik wird von Deeken/Butz verstärkt, die darauf hinweisen, dass es keine Transparenz über die verschiedenen Angebote gibt. Die Träger Sozialer Arbeit können Angebote bereitstellen, wenn ein Bedarf erkannt oder vermutet wird. Es wird mit Angeboten reagiert, die insbesondere auf die Bedarfe der Ausbildung hin ausgerichtet sind. Ein verstärktes Anbieten präventiver, bildungsorientierter Angebote, wie die Umsetzung einer Schüler*innenfirma eines davon sein könnte, entspräche viel mehr den Kriterien eines breit angelegten Verständnisses von Berufsorientierung. Ziele der Berufsorientierung Mithilfe der genannten verschiedenen Angebote sollen also die Orientierung hin zu einem für jede und jeden passenden beruflichen Weg unterstützt und Grundlagen für eine gute berufliche Entscheidungsfähigkeit gelegt werden. Wenn einem Verständnis gefolgt wird, welches Berufsorientierung als einen Prozess begreift, spielen mehr Faktoren und Inhalte eine Rolle, als der Abgleich von eigenen Interessen und Kompetenzen mit verschiedenen Berufsbildern. Um weder Gefahr zu laufen, Berufsorientierung nach geschlechterstereotypen Kriterien stattfinden zu lassen noch die beruflichen Möglichkeiten aufgrund von Unkenntnis nicht wahrzunehmen (wie neue Berufsbilder und irreführende Berufsbezeichnungen) und um Ausbildungsabbrüche zu vermeiden, kann Berufsorientierung nur umfassender verstanden werden. Auch im Hinblick auf sich verändernde berufliche Perspektiven und sich verändernde berufliche und private Rollenbilder, führt dazu, sich mit grundsätzlichen Fragestellungen persönlicher Perspektiven auseinanderzusetzen (vgl. Butz 2008). Deeken/Butz fordern deshalb: »Unterstützungsangebote zur Berufsorientierung, die ihrem genuinen Auftrag der bildungswirksamen Hinführung zur Arbeitswelt gerecht werden sollen, müssen sich den aktuellen

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Änderungsprozessen in Arbeitswelt und Gesellschaft stellen. Statt der Vermittlung von konkreten beruflichen oder jobrelevanten Fähigkeiten und Fertigkeiten steht vielmehr zunächst die Herausbildung eines stabilen Fundaments von personalen und psychosozialen Kompetenzen im Vordergrund, ohne dabei die funktionalen, d.h. die fachlichen und methodischen Kompetenzen zu vernachlässigen. Es geht um eine mit Lebensperspektive verbundene Sinnfindung durch Persönlichkeitsstärkung: nicht mehr primär um die Frage »Was will ich werden?«, sondern in immer stärkerem Maße darum, »Wie will ich später leben und arbeiten?« und »Was kann ich überhaupt erreichen?« (Deeken/Butz 2010. 17). Meier spricht gar von einem beruflichen Selbstkonzept, welches über Berufsorientierung entwickelt werden sollte. Dieses Selbstkonzept ermögliche erst ein angemessenes Agieren bei der Arbeitssuche und am Arbeitsplatz selbst. Aber es geht auch darum, einen Umgang mit beruflichen Brüchen und mit Arbeitslosigkeit umzugehen. Wenn Berufsorientierung verstanden wird als Förderung eines beruflichen Selbstkonzepts, dann sind fünf Aspekte von Bedeutung: 1. »Berufsorientierung stärkt die Selbstständigkeit und Eigenverantwortung der Jugendlichen, die Persönlichkeitsentwicklung rückt in den Mittelpunkt. Die bzw. der Jugendliche ist Subjekt der Berufsorientierung und nicht Objekt gesellschaftlicher Anforderungen. 2. Berufsorientierung findet nicht nur in bestimmten Lebensphasen statt, sondern ist ein lebenslanger Prozess, der nicht erst mit der ersten Betriebsbesichtigung beginnt und der mit dem Schul- bzw. Ausbildungsabschluss noch lange nicht beendet ist. 3. Berufsorientierung ist eine individuelle Lernleistung, die lernortunabhängig erfolgt; Lehrkräfte, Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen, Ausbildende, Mentorinnen und Mentoren etc. übernehmen eine eher moderierende und beratende Rolle. 4. Berufsorientierung wird nicht einer Institution zugewiesen, sondern als Aufgabe aller am Berufsorientierungsprozess beteiligten Akteure verstanden, wozu Kooperation und Vernetzung notwendig sind. 5. Berufsorientierung bedeutet eine permanente Annäherung und Abstimmung (nicht Anpassung) zwischen den zwei Polen Individuum und Arbeitswelt« (Meier in Deeken/Butz 2010. 18).

Berufsorientierung wird nach dem Paradigmenwechsel zwar weiter gefasst, ihr Konzept wurde versucht einer veränderten Arbeitswelt und Gesellschaft anzupassen. Dennoch ist Berufsorientierung weiterhin stark auf konkrete Berufe bezogen und weiter gefasste Ansätze sind konkret nicht angeführt (vgl. ebd., Kap. 4, 26ff.).      

2. Die Schüler*innenfirma im Kontext der Sozialen Arbeit

2.2.3

Jugendberufshilfe

Die Jugendberufshilfe ist ein ebenso weit gefasster Überbegriff wie jener der Berufsorientierung. In der Fachliteratur zur Jugendberufshilfe sind quasi alle Angebote zusammengeführt, die in irgendeiner Form mit dem Thema Beruf zu tun haben.37 Auch die Berufsorientierung wird zur Jugendberufshilfe gezählt. Es wird im Folgenden nur skizziert, wie Jugendberufshilfe definiert, welche Kritik ihr entgegengebracht wird, ohne die Maßnahmen im Einzelnen näher zu beschreiben. Es sind Berufs- und Arbeitsfelder, in denen Soziale Arbeit Angebote unterbreiten und Schüler*innenfirmen einbringen könnte. Ihren Ursprung hat die Jugendsozialarbeit und speziell die Jugendberufshilfe in arbeitspädagogischen Maßnahmen im 19. Jahrhundert, wie sie Kolping umgesetzt hat.38 Prägend für heutige Strukturen sind Angebote, die nach dem Zweiten Weltkrieg für verwaiste und geflüchtete Jugendliche gemacht wurden. Die Jugendberufshilfe agiert am Übergang von Schule, Ausbildung und Beruf und hat damit mit unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen und Zuständigkeiten zu tun, die immer auch Konflikte bergen. Das Ziel ist die Integration Jugendlicher in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt (vgl. Mairhofer 2017. 9f.). Zwar hat die duale Berufsausbildung das Ziel, grundsätzlich allen Jugendlichen den Zugang zu einem Ausbildungsplatz zu gewähren. Ausgenommen davon sind Jugendliche mit einer Behinderung, die keinen Ausbildungsberuf ergreifen können. Dennoch war und ist der Zugang durch marktwirtschaftliche Gegebenheiten geregelt und damit entscheiden die Betriebe über die Anzahl und die Voraussetzungen der Auszubildenden, die sie einstellen. Durch die marktwirtschaftliche Steuerung entstand ein Widerspruch zum Ziel der dualen Ausbildung, nämlich allen Jugendlichen, unabhängig von ihren Zugangsvoraussetzungen, einen Ausbildungsplatz zu ermöglichen. So wurden zunehmend Maßnahmen für benachteiligte Jugendliche gefördert, darunter auch Maßnahmen der außerbetrieblichen Ausbildung, die sozial- und berufspädagogisch begleitet und unterstützt werden. Das Problem der fehlenden Ausbildungsplätze wurde damit individualisiert, die Ausbildung pädagogisiert, statt Betriebe beispielsweise zur verstärkten Ausbildung zu verpflichten. Einen verstärkten Ausbau der Angebote und die Institutionalisierung der Jugendberufshilfe erfolgte in den 1970er Jahren als eine Folge der wirtschaftlichen Rezession. Der Ausbildungsplatz- und Stellenmangel führte zu einer erhöhten Arbeitslosigkeit und einem Ausbildungsplatzmangel bei Jugendlichen. Dabei entstand das Berufsvorbereitungsjahr an berufsbildenden Schulen sowie der Ausbau der Berufsbildungswerke für Jugendliche mit Behinderung. Der der Jugendarbeitslosigkeit sollte entgegengewirkt werden, indem der Lehrstellenmangel mit

37 38

Zur Jugendberufshilfe u.a.: Enggruber/Fehlau 2018, Müller/Zöller/Diezinger/Schmid 2015. Kolping gründete aufgrund der elenden Bedingungen für Gesellen im 19. Jahrhundert, die geprägt waren von großer Armut und Ausbeutung, den Gesellenverein, um wandernden Gesellen eine Familie, eine Unterkunft und religiösen Halt zu bieten. Der Verein sollte die Not der Gesellen lindern, ihnen fachliche und allgemeine Bildung bieten. Der Gesellenverein fand großen Zuspruch breitete sich über die wandernden Gesellen schnell aus (vgl. https://www.kolping.de/fileadmin/user_up load/Ueber_uns/Verbandsgeschichte.pdf).

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

diesem Ausbau kompensiert und die Chancen der Jugendlichen auf dem Arbeitsmarkt erhöht werden sollte (vgl. Maierhofer 2017). Doch wird kritisiert, dass über die Entwicklung vieler Maßnahmen der Jugendberufshilfe vor allem die freien Träger profitierten (vgl. Enggruber, 3f.). Eine weitere Kritik bezieht sich auf die Ausrichtung der Jugendberufshilfe: Sie hält nach wie vor an dem Ziel einer dauerhaften beruflichen Beschäftigung fest, obwohl solche Arbeitskarrieren heute in der Regel nicht mehr möglich sind. Damit individualisiert auch die Jugendberufshilfe wirtschaftliche oder auch soziale Probleme, die mit einzelnen Maßnahmen nicht zu lösen sind, stattdessen Gefahr läuft, die Teilnehmenden bestimmter Maßnahmen zu stigmatisieren (vgl. Mairhofer 2017: 10). Zudem sind die Maßnahmen für die Jugendlichen verpflichtend und eine Nicht-Teilnahme wird sanktioniert. Daraus resultiert für die Soziale Arbeit ein Dilemma, das folgende Konsequenz hat: »Für die Soziale Arbeit entsteht hier die Aufgabe, eine professionelle Haltung zwischen staatlicher Kontrolle und Hilfeleistung einzunehmen und zwischen diesen beiden Polen lebensbewältigende Konzepte für die betroffenen Jugendlichen im Sinne einer tragfähigen biographischen Perspektive zu entwickeln.« (Zöller 2015: 15) Auf struktureller Ebene kann Jugendberufshilfe zunächst als Bestandteil der »kommunalen Infrastruktur der Kinder- und Jugendhilfe« zugeordnet werden, die Angebote an den Übergängen von Schule und Ausbildung sowie von Ausbildung und Beruf macht. Galuske zählt die Jugendberufshilfe zum »Kernstück« der Jugendsozialarbeit, neben Schulsozialarbeit, Streetwork und Jugendmigrationsarbeit (vgl. Mairhofer 2017. 9). Sie richtet sich an benachteiligte oder von Benachteiligung bedrohte Jugendliche, die sich im Übergang von Schule und Ausbildung oder Beruf befinden. Diese Übergänge führen dazu, dass Soziale Arbeit immer auch an verschiedenen Schnittstellen agiert, also sowohl im Bereich der Wirtschaft als auch im Bildungs- und Ausbildungsbereich. Letzterer beinhaltet auch Arbeitsförderung und damit verbunden andere Finanzierungshintergründe und Anforderungen an Jugendliche und Maßnahmeträger (vgl. ebd.). Als sozial benachteiligt werden jene Menschen bezeichnet, deren Zugang zu »allgemein verfügbaren und erstrebenswerten sozialen Gütern und/oder zu sozialen Positionen« dauerhaft eingeschränkt ist und dadurch Lebenschancen beeinträchtigt sind (Kreckel 2005 zitiert nach Zöller 15). Auch der Jugendberufshilfe, die nicht eindeutig definiert wird, haftet eine unklare, undurchsichtige Struktur an, die wegen ihrer Intransparenz genauer beleuchtet und strukturiert werden sollte. Der Unübersichtlichkeit von Angeboten steht gleichzeitig ein steter Bedarf an Unterstützungsangeboten gegenüber, gerade vor dem Hintergrund, dass angesichts der Integration geflüchteter Jugendlicher, Hilfestellungen in Übergangsphasen von großer Bedeutung sind. Auch deshalb erarbeitet das Deutsche Jugendinstitut einen Überblick über Angebote und Maßnahmen. Das Deutsche Jugendinstitut versucht die Maßnahmen inhaltlich wie formal zu evaluieren, steht aber vor dem Problem, dass dafür wenige Daten zur Verfügung stehen (vgl. Mairhofer 2017: 6). In der Studie werden die unterschiedlichen Ansätze benannt, die versuchen, die Jugendberufshilfe zu strukturieren. Eine dieser Strukturierungen formuliert vier Themenbereiche die Jugendberufshilfe beinhaltet: die Berufsorientierung, Berufsvorbereitung, Berufsausbildung und die Nachqualifizierung (BIBB 2013; Mairhofer 2017: 16f.). Diese Ordnung lässt sich dem SGB II zuordnen. Eine andere Strukturierung ordnet

2. Die Schüler*innenfirma im Kontext der Sozialen Arbeit

diese Bereiche nach den Leistungen des Übergangssystems zu: »Berufsorientierung, Berufsvorbereitung in Förderprogrammen, Berufsvorbereitung in beruflichen Schulen, Ausbildungsförderung, Integration in Beschäftigung« (ebd.: 18). Etwas erweitert und spezifischer fasst Enggruber die Jugendberufshilfe zusammen, zu der zählt sie die Berufsorientierung, Angebote zur individuellen Übergangsbegleitung, niederschwellige Angebote für schwer erreichbare Jugendliche und junge Erwachsene, die Berufsausbildungsvorbereitung, die außerbetriebliche Berufsausbildung, die Ausbildung in Berufsförderungswerken, ausbildungsbegleitende Maßnahmen und unterstützende Angebote im Übergang in Erwerbsarbeit (vgl. Enggruber 2018: 41). Eine ganz andere Strukturierung erfolgt über die in den Angeboten durchgeführten Methoden: »Beratung, Information, Mentoring, Vermittlung und Matching, Qualifizierung und Bildung, Subventionen« (vgl. Mairhofer 2017: 19). Die Liste der Klassifizierungen zeigt: sie ist so lang wie unterschiedlich. Die Kritik richtet sich genau darauf: die Angebote seien wenig miteinander verknüpft und aufeinander aufbauend. Einig ist man sich lediglich darin, dass Jugendberufshilfe sich an jene Jugendliche richtet, die aus verschiedenen Gründen keine Ausbildung absolvieren können oder deren Ausbildung zu scheitern droht. Sie ermöglichen die Aneignung beruflicher Kompetenzen oder das Kennenlernen beruflicher Wege. Jugendliche und junge Erwachsene erhalten die Chance, über andere Methoden des Lernens, als über jene, an denen sie gescheitert sind oder zu scheitern drohen, berufliche Perspektiven zu entwickeln. Zur Jugendberufshilfe gehören auch alle im Kapitel 1 beschriebenen außerbetrieblichen Ausbildungsformen, wie Jugendhilfebetriebe oder Produktionsschulen. Eine Notwendigkeit sich um die Entwicklung und Transparenz der Maßnahmen in den Übergängen zu kümmern verdeutlicht sich an den Zahlen der Jugendlichen, die sich trotz offener Ausbildungsstellen im Übergangssystem befinden. Diese sind zwar innerhalb von 10 Jahren von 412.083 im Jahr 2006 auf 298.781 im Jahr 2016 (vgl. ebd.: 14) gesunken. Dennoch ist diese Zahl hoch, wenn sie im Vergleich zum Ausbildungsplatzangebot stehen. Dies ist, bezogen auf die betrieblichen Ausbildungsplatzstellen von 538.719 im Jahr 2009 auf 546.201 im Jahr 2016 leicht gestiegen. Das Ausbildungsplatzangebot ist stärker gestiegen als die Ausbildungsplatznachfrage, die Angebots-Nachfrage-Relation damit in den gleichen Jahren von 89,1 auf 93,8 Prozent (vgl. Bundesinstitut für Berufsbildung 2018: 17f.). Ein Umdenken, was Berufsorientierung wie auch Jugendberufshilfe sein sollte und wie ihre Angebote inhaltlich ausgerichtet sind, bleibt angesichts dieser Zahlen weiterhin erforderlich. Mairhofer formuliert scharf: »Unterm Strich bleibt: Die große individuell-biographische wie auch gesellschaftlich-ökonomische Relevanz des Übergangsgeschehens sowie der aktuellen Herausforderungen und Transformationen der Angebote und Strukturen zur Förderung der beruflichen Integration junger Menschen stehen in einem krassen Widerspruch zum empirischen Wissen über die Grundkonfiguration der Jugendberufshilfe. Dieses ist als selektiv, fragmentiert, veraltet und wenig repräsentativ zu beurteilen. Entsprechend sind weitere Forschungsanstrengungen zur aktuellen Verfasstheit und zu den Trends der Jugendberufshilfe – sowohl aus wissenschaftlicher als auch aus praktischer und politischer Perspektive – sinnvoll und mehr als überfällig.« (Mairhofer 2017: 99).

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

2.2.4

Schüler*innenfirmen in Schule und beruflichen Übergängen

Gemeinsam ist den Bereichen Schulsozialarbeit, Berufsorientierung und Jugendberufshilfe, dass sowohl ihre rechtliche und damit auch finanzielle Ausrichtung unterschiedlich begründet werden und damit Inhalte sowie Angebote stark voneinander differieren können. Die Problematik der Intransparenz und Fragmentierung kann mit einer gemeinsamen Beschreibung der Zielsetzungen und Inhalte angegangen werden. Doch solange keine Übertragung neuer Ansätze und Definitionen in die Praxis stattfindet, wird weiterhin kein kohärentes System umsetzbar sein. Nun ist die Schüler*innenfirma nur eine von vielen methodischen Angeboten, die in diesen Bildungsbereichen genutzt werden kann, um Persönlichkeit zu stärken, berufliche Inhalte zu vermitteln oder Ausbildungen zu ermöglichen. Wird die Umsetzung einer Schüler*innenfirma jedoch nicht mehr vorrangig von den Inhalten aus gedacht, sondern vorrangig als Möglichkeit zur Entwicklung eigener Potenziale, dann kann auch die Schüler*innenfirma als ein Element eines kohärenten Lernprozesses verstanden werden. Dieses könnte immer wieder aufgegriffen, fortgeführt und vertieft werden und dadurch für die persönliche wie berufliche Orientierung genutzt werden. Nicht nur das Wissen über die Ausrichtung der Jugendberufshilfe ist ausbaufähig, vielmehr zeigen Erhebungen der Ausbildungssituation, dass Änderungsbedarf vorhanden ist: Zum einen befinden sich weiterhin viele Jugendliche trotz offener Ausbildungsstellen in Übergangssystemen und zum anderen sind Übergangssysteme wie auch Ausbildungswahl nach wie vor massiv von Geschlechterstereotypen geprägt – trotz diverser Angebote.39 Dass diese Maßnahmen nicht die gewünschten Effekte haben, lässt sich nicht allein durch Angebote durchbrechen, die an Schulen und in der Jugendberufshilfe angeboten werden. Dafür bräuchte es eine wirkliche Gleichberechtigung auf allen gesellschaftlichen Ebenen. Doch kann die Schule als prägende Sozialisationsinstanz wesentliche Impulse setzen und Wege bereiten. Ebenso kann die Schulsozialarbeit ihren Teil für eine solche Entwicklung beitragen. Auch Rademacker begründet in seiner Übersicht über die Entwicklung der Schulsozialarbeit in den alten und neuen Bundesländern eine Etablierung der Schulsozialarbeit, die ursprünglich an Ganztagsschulen und Gesamtschulen eingesetzt wurde. Die oben benannten unterschiedlichen Entwicklungen in den Bundesländern, zeigen einerseits über die Begleitforschung, dass Benachteiligungen aufgehoben werden können. Auch die Erkenntnis, dass Jugendlichen ohne Schulabschluss oder schlechtem Schulabschluss nach der Schule kaum wirksam geholfen werden kann, macht die Notwendigkeit, früher mit berufsorientierenden Angeboten zu beginnen, eindringlicher (vgl. Rademacker 2011: 17-43). Daran anschließend, ergibt eine frühe Berufsorientierung auch aus Sicht des biographischen Lernens Sinn. Die Chancen einer Offenheit für alle beruflichen Richtungen könnten erhalten bleiben und damit die Chancen, den für sich passenden beruflichen Weg einzuschlagen.

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Auszug aus der Rangliste die Ausbildungsberufe, nach Vertragsabschlüssen bei jungen Frauen und Männern. Bei Frauen sind die ersten Favoriten: 1. Kauffrau für Büromanagement, 2. Medizinische Fachangestellte, 3. Zahnmedizinische Fachangestellte 4. Kauffrau für Einzelhandel. Bei den Männern: 1. Kraftfahrzeugmechatroniker, 2. Elektroniker, 3. Fachinformatiker, 4. Kaufmann im Einzelhandel (vgl.: https://www.bibb.de/de/68758.php, https://www.bibb.de/de/68756.php).

3. Das Projekt »kleinUnternehmen«: Ein ganzheitlich orientiertes Konzept

Dem Konzept der Schüler*innenfirma hier zugeschriebenen Potenziale, werden in diesem Kapitel in den Blick genommen. Der Forschungsteil dieser Arbeit untersucht das Konzept »kleinUnternehmen«, ein Schüler*innenfirmenwettbewerb, das als ganzheitliches Konzept der Schüler*innenfirma von der Autorin in Kooperation mit dem Projektträger für Grundschüler*innen entwickelt wurde. »Neu« ist dieses Konzept insbesondere, weil es 1. aus der Perspektive der Sozialen Arbeit heraus agiert und damit nicht nur unabhängig von der Verpflichtung ist, konkrete ökonomische, fachliche oder berufsorientierende Inhalte zu vermitteln, sondern 2. sich aus dieser Perspektive heraus als ein ganzheitliches, integratives Konzept versteht. Als ein solches richtet es sich an alle Kinder und Jugendlichen auch außerhalb von Schule. Es kann – gegebenenfalls auch leichter – professionsübergreifend umgesetzt und durch die Anbindung an weitere Strukturen der Sozialen Arbeit in der Lebenswelt der Schüler*innen verankert werden.

Grundsätzlich werden Schüler*innenfirmen bereits methodisch sehr unterschiedlich an allen Schulformen umgesetzt. Vor allem die ökonomische Bildung nutzt sie, um im Rahmen der Arbeitslehre ökonomische und arbeitsrelevante Inhalte zu vermitteln. Eher selten wird sie an Grundschulen angeboten (vgl. de Haan/Grundmann/Plesse 2009: 67). Verschiedene Argumente (vgl. Kap. 2.2.2) sprechen für die Auseinandersetzung mit berufsvorbereitenden und auch ökonomischen Themen bereits im Grundschulalter, was auch die eigene jahrelange Erfahrung in der praktischen Umsetzung von Schüler*innenfirmenwettbewerben an Grundschulen bestätigt. Diese Themen sind begründet und teilweise bedeutsam, dennoch sieht dieses Konzept hier Inhalte mehr als Mittel um Selbstwirksamkeit und individuelle Entwicklungen zu stärken. Insgesamt wird auch der Frage nachgegangen, ob ein solches Konzept grundsätzlich für Kinder in diesem Alter geeignet ist.

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

Die zentralen Fragestellungen die aus dem ganzheitlichen Ansatz hervorgehen, leiten sich aus den zu Beginn formulierten pädagogischen Zielen ab. Überprüft werden soll mit der folgenden Evaluation, welche Inhalte und Kompetenzen Schüler*innen über dieses Projekt erworben haben. Der Erwerb von Fähigkeiten und Kompetenzen hängt mit dem Kernanliegen dieser Arbeit zusammen und führt zu den nächsten Fragen: Wird die Selbstwirksamkeitserwartung der Kinder gestärkt, erleben sie Partizipation? Wie wird das biographische Lernen gefördert, können die Themen an die Lebenswelt und das Lerninteresse der Kinder anschließen? Wie sieht die konkrete Umsetzung einer Schülerfirma aus, die aus der Perspektive der Sozialen Arbeit angeboten wird? Um davon ein konkretes Bild zu geben und um die konzeptionelle Grundlage des Forschungsanliegens aufzuzeigen, wird in diesem Kapitel das Projekt »kleinUnternehmen« vorgestellt, das sich an Grundschüler*innen der 3. und 4. Klasse wie auch an Kinder der Orientierungsstufe richtet. Dafür werden Ziele, Inhalte und Ablauf wie auch die Standorte der Grundschulen selbst beschrieben. Sie wurden aufgrund ihrer Unterschiedlichkeit in der Projektauswertung mit berücksichtigt. Das Projekt »kleinUnternehmen« ist ein Schüler*innenfirmenwettbewerb und keine längerfristig angelegte Schüler*innenfirma. Dieses Konzept kann jedoch ebenso als Grundlage für die Entwicklung einer Schüler*innenfirma genutzt werden, denn Inhalte, Ablauf und Zielrichtung sind entsprechend dafür ausgelegt. Deshalb werden die Forschungsergebnisse auch auf die Schüler*innenfirma allgemein übertragen. Die Unterschiede zwischen dem hier vorgestellten Schüler*innenfirmenwettbewerb und einer Schüler*innenfirma liegen insbesondere in der zeitlichen Begrenzung, wie auch der Verantwortlichkeit der praktischen Umsetzung, zumindest wie sie bisher generell an Schulen angeboten wird (vgl. Kap. 1.1.2): Die inhaltliche und methodische Verantwortung liegt nicht bei der Schule, sondern beim durchführenden Projektträger. Nach der Durchführung von 13 Modulen, die inhaltlich sowie zeitlich der Zielgruppen und den Möglichkeiten der Schulen angepasst werden können, ist das Projekt beendet. Erst eine Fortführung des Wettbewerbs in Form einer sich daraus entwickelnden Schüler*innenfirma, würde dann in die Verantwortung der Schule übergehen. Neben der Perspektive, wie Soziale Arbeit das Konzept nutzten kann, geht es auch um den Blick auf eine jüngere Zielgruppe. Die Anzahl Jugendlicher in Übergangsmaßnahmen und offener Lehrstellen ebenso wie die sich hartnäckig haltende Berufswahl nach Geschlechterstereotypen verdeutlichen: Eine Auseinandersetzung mit eigenen Interessen und mit beruflichen Inhalten sollte möglichst früh beginnen. Nicht als Abgleich von Fähigkeiten und Berufen, sondern als eine offene, lebensweltorientierte Auseinandersetzung mit beruflichen Themen und Fragestellungen. Verschiedene Projekte und theoretische Ansätze zeigen, dass auch Grundschüler*innen für die Durchführung einer Schüler*inenfirma oder einem Projekt wie »kleinUnternehmen« zu interessieren und zu begeistern sind. Projekte mit wirtschaftlichen Themen für Grundschüler*innen bietet beispielsweise auch die Wissensfabrik in Kooperation mit dem Institut für ökonomische Bildung im Rahmen sogenannter Leuchtturmprojekte an. Dabei übernehmen Unternehmen vor Ort Bildungspartnerschaften für benachbarte Schulen und betreuen entweder ein Planspiel zum Thema Schüler*innenfirma oder begleiten die Entwicklung einer Schüler*innenfirma, die im

3. Das Projekt »kleinUnternehmen«: Ein ganzheitlich orientiertes Konzept

Zusammenhang mit ihren Produkten steht.1 Ein weiteres Angebot bietet »NaSch«, ein Netzwerk nachhaltiger Schüler*innenfirmen in Niedersachsen. Dies wurde vom Kultusministerium Niedersachsen initiiert und begleitet Unterrichtsprojekte, die nachhaltige Schüler*innenfirmen im Rahmen des Unterrichts wie Wirtschaft, Arbeit und Technik gründen, auch an Grundschulen.2 Die grundsätzliche Frage, wann der richtige Zeitpunkt ist, diese Inhalte zu erarbeiten, wurde immer wieder von Schulen hinterfragt, die im Rahmen des Angebots »kleinUnternehmen« angesprochen wurden. Oft wurde die Sinnhaftigkeit eines solchen Projekts erst bei Schüler*innen ab der 7. Klasse gesehen, wenn der Bedarf im Hinblick auf die näher rückende Berufswahl offensichtlich wird. Doch auch jüngere Kinder zwischen 8 und 12 Jahren interessieren sich für diese Themen. Bereits in einem Alter zwischen drei und sechs Jahren stellen sie eine Verbindung zwischen Geld und Einkaufen her und entwickeln ab ungefähr sechs Jahren ein Verständnis von Ökonomie. Zwischen sechs bis acht Jahren stellen sie eine Verbindung zwischen Ware, Geld und Wechselgeld her und entwickeln ein Verständnis von Berufen und den dortigen Verhältnissen (Chef, Angestellte) (vgl. Gläser 2007: 236f.). Über ihre Eltern bringen Kinder im Grundschulalter Erfahrungen mit Geld, Arbeit bzw. Berufsleben mit, viele Kinder erleben was es bedeutet, arm oder arbeitslos zu sein. Die meisten Kinder erhalten in der Regel Taschengeld und haben per se ein Interesse an der Thematik Geld; sie sind auch Konsument*innen und als solche eine Zielgruppe für Werbung (vgl. ebd.: 229). An manchen Grundschulen werden Projekte angeboten, die implizit unternehmerische Aspekte beinhalten, wie beispielsweise durch einen Pausenkiosk oder einen Schulgarten. Zumindest Geld ist Thema in der 3. und 4. Klasse. Die persönliche wie auch die schulische Entwicklung spricht dafür, bereits früh mit im weitesten Sinne ökonomischen Themen zu beginnen. Kinder haben dann genügend Zeit, ein berufliches Selbstkonzept zu entwickeln. Die Befragung von Schüler*innen, die am Projekt »kleinUnternehmen« teilgenommen haben, sollen zur Klärung beitragen, ob berufliche Themen tatsächlich für Grundschüler*innen relevant sind und ob die pädagogischen Wirkungen auch jene sind, die in dieser Arbeit mit der Teilnahme an einer Schülerfirma verbunden werden. Das Projekt, das auch als Erprobung einer Schüler*innenfirma im Kleinen gesehen werden kann, wird nicht von einem Träger der Jugendhilfe durchgeführt, sondern von einem eingetragenen gemeinnützigen Verein, der Projekte im Bereich Bildung anbietet.3 Das Interesse der Schulen an einer Teilnahme ist unterschiedlich begründet: Viele möchten ökonomische Themen bearbeiten, auch verbunden mit dem Anliegen, Schüler*innen bereits ab der Grundschule und mit beginnender Sekundarstufe I mit dem Thema Beruf vertraut zu machen. Beispielhaft für diesen Bedarf ist die Äußerung einer Rektorin an einer Grund- und Hauptschule, die sinngemäß sagte, dass es gut

1 2

3

Vgl. : https ://www.wissensfabrik.de/mitmachprojekte/grundschule/. Vgl. : https ://www.nasch21.de/start/start.html; https ://www.mk.niedersachsen.de/startseite/schul e/schuelerinnen_und_schueler_eltern/nachhaltigkeit/nachhaltige_schuelerfirmen/nachhaltige-sc huelerfirmen-90558.html. Vgl. : https ://www.businessundbildung.de/index.php?id=business-kids.

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208

Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

sei, endlich etwas für die unteren Klassenstufen anzubieten. Denn wenn die klassische Berufsorientierung an der Schule beginne, wollen alle Mädchen Friseurin und alle Jungen KFZ-Mechaniker werden. Diese Äußerung bestätigt aus schulischer Sicht die geschlechtersterotype Berufswahl und den Bedarf, diesem entgegenzuwirken.

3.1

Konzeption und Ablauf des Projekts »kleinUnternehmen«

Ausgangspunkt der Entwicklung des Projekts »kleinUnternehmen« war der Gedanke, kohärente Angebote zur Initiierung von Eigeninitiative und der beruflichen Orientierung für alle Klassenstufen zu entwickeln und anzubieten. Vor allem aber auch ein Angebot für Schulen in benachteiligten Stadtvierteln, Hauptschulen, Werkrealschulen, Gemeinschaftsschulen oder Förderschulen zu entwickeln. Das Ziel war, mithilfe der Schüler*innenfirma, ein Konzept zu entwickeln, das sich bereits für Schüler*innen ab der 3. Klasse eignet, um Eigeninitiative und Kompetenzen zu fördern. Es wurde ein handlungsorientiertes Konzept entwickelt, welches bereits Grundschüler*innen ermöglichen soll, sich mit beruflichen und ökonomischen Themen auseinanderzusetzen, vor allem aber sollte es ihnen ermöglichen eigene Ideen zu entwickeln und umzusetzen. Für alle anderen Klassenstufen und Schulformen bestanden bereits Angebote und Konzepte, die vom Träger schon seit über 15 Jahren angeboten werden. Es fehlten der Primarbereich und die Orientierungsstufe. Die Realisierung erfolgte durch die Unterstützung der Freudenberg Stiftung, die Bildungsprojekte fördert und von diesem Ansatz überzeugt war.4 Die erste Umsetzung begann deshalb als Pilotprojekt, unter der Vorgabe, die Projekte an je einer Schule in der Stadt und im ländlichen Raum durchzuführen. Anhand der Ergebnisse, die über die Befragung der Schüler*innen, Lehrkräfte und Schulleitungen erfolgte, wurde das Projekt unter dem neuen Namen »kleinUnternehmen« in den festen Angebotsbestand des Trägers mit aufgenommen und wird bis heute angeboten.5 Über weitere Durchführungen wurden Inhalte neu durchdacht, Methoden modifiziert, bis die hier vorgestellte Konzeption vorlag. Sie hat sich in der Praxis als beste Rahmenvorgabe erwiesen und dient nun als Grundlage für das Forschungsprojekt. Anhand dieser Rahmenkonzeption werden der Ablauf mit unterschiedlichen Klassen vorbereitet und durchgeführt. Je nachdem, was an Interessen von den Kindern verstärkt nachgefragt oder thematisiert wird, werden die Inhalte ausgebaut, verändert, hervorgehoben oder zusätzliche Aufgaben gegeben oder entsprechende Arbeitsblätter gestaltet. Manche Eckpunkte sind fix, weil sie für die Umsetzung einer Schüler*innenfirma notwendig sind, doch die methodische Umsetzung variiert in Abhängigkeit der Gruppen und der durchführenden Pädagog*innen. Im Sinne des Handlungslernen und des partizipativen Ansatzes ist die Rolle der Pädagogen*innen eine andere als die der Lehrkräfte. Sie sind nicht Entscheidungsträger*innen sondern vielmehr Lernbegleiter*innen oder Moderator*innen, die Rahmen4 5

Projektberichte »kleinUnternehmen«: https://freudenbergstiftung.de/de/news/journal/?id=2342& cpage=4; https://www.businessundbildung.de/index.php?id=partner. Profi-Wirtschaft Bildung Integration (Hg.) 2011.

3. Das Projekt »kleinUnternehmen«: Ein ganzheitlich orientiertes Konzept

bedingen vorgeben, Lernarrangements gestalten und die Schüler*innen in ihren Lernund Gruppenprozessen begleiten. Die Verantwortung für die Inhalte und die Gestaltung geben sie so weit wie möglich an die Kinder ab und unterstützen sie dabei. Aber sie stehen während des Projekts unterstützend zur Seite, können sich bei Bedarf auch in den Prozess einbringen, achten allerdings auf ihre Rolle. Zeitliche Abläufe oder Themenvertiefungen im Unterricht werden mit den Lehrkräften bei Bedarf abgesprochen. So können einzelne Arbeitsschritte im Unterricht besprochen, Aufgaben vertieft, weiterbearbeitet oder fertiggestellt werden. Auch die Einbindung weiterer Lehrkräfte ist denkbar. Aspekte, die bei den Absprachen mit den Lehrkräften eine Rolle spielen und mit bedacht werden sollten, sind im Vorfeld zu besprechen wie: • • • • • • • • • • • •

Wann und in welchem Umfang kann das Projekt umgesetzt werden? Wie sieht die Ausstattung der Schule aus (wie Räume, Materialien) Haben die Kinder Geld zur Verfügung, um ihre Materialien zu kaufen? Kann den Kindern Geld geliehen werden? Werden Materialien von der Schule gestellt? Wo findet die Umsetzung, der Verkauf statt (innerhalb oder außerhalb der Schule) Dürfen die Kinder die Schule verlassen? Was passiert mit dem Gewinn? Was passiert bei einem Verlust? Wie wird die Aktion in die Schule eingebunden (Wirksamkeit entsteht nur, wenn Methode in die Schule integriert wird) Besteht Interesse an einer Fortführung, einer Wiederholung? Wer wird das übernehmen, bzw. begleiten?

Eine enge Abstimmung mit den Lehrkräften und der Schulleitung ist grundlegend für einen guten Projektablauf. Erst dadurch kann ermöglicht werden, dass das Projekt als Aktion der Schule von allen Beteiligten der Schule und von außen so wahrgenommen wird. Die Kooperation mit verschiedenen Vertreter*innen des Gemeinwesens kann eine vertiefte Anbindung unterstützen und für Kinder und deren Eltern Zugänge zu verschiedenen Einrichtungen erleichtern. Dazu können zählen: der*die Quartiersmanager*in, Eltern, Unternehmer*innen, offene Jugendarbeit oder weiter soziale oder Bildungseinrichtungen.

3.1.1

Ziele des Projekts »kleinUnternehmen«

In Anlehnung an bereits durchgeführte Projekte an allen Schulformen, wie die Initiierung und Begleitung von Schüler*innenfirmen, die Durchführung von Wettbewerben um die beste Geschäftsidee oder das Coaching von bestehenden Schüler*innenfirmen, wurde das Konzept für Grundschüler*innen entwickelt. Leitend bei der Entwicklung waren die Fragen: Was interessiert Kinder in diesem Alter, was sind biographische, lebensweltliche Anknüpfungspunkte, welche Themen werden im Unterricht behandelt, was sind die pädagogischen Ziele, was können und wollen Kinder in der Schüler*innenfirma anbieten und was davon ist innerhalb der Projektdauer umsetzbar (vgl. 1.2). Die grundlegenden Ziele lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:

209

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

Ziel 1: Förderung der Eigeninitiative: Selbstwirksamkeit und Selbstvertrauen erfahren, Partizipation erleben Das leitende Ziel aller Projekte des Bildungsträgers ist die Förderung der Eigeninitiative und Selbstwirksamkeit durch die Anregung selbstbestimmten und auch in weitestem Sinne unternehmerischen Denkens und Handelns. Die Ursprünge der Schüler*innenfirma weisen bereits darauf hin, dass es an dieser Stelle vorrangig um die Förderung von Stärken der Kinder und Jugendlichen geht und dass die ökonomischen Inhalte für diese pädagogische Zielrichtung genutzt werden. Das Konzept selbst ist so angelegt, dass die Schüler*innen durch Pädagog*innen begleitet werden, indem diese mehr die Rolle der Moderator*innen übernehmen. Sie schaffen Rahmenbedingungen, geben inhaltliche Inputs und begleiten Gruppenprozesse. Die Verantwortung – und das ist ein zentrales Moment – über die Ideenentwicklung und die Entscheidungen bezüglich der ausgewählten Themen, übergeben sie den Schüler*innen selbst. Der Grundsatz der Partizipation soll weitestgehend umgesetzt werden. Das Ziel der Eigeninitiative kann nur erreicht werden, wenn die Kinder erleben, dass sie selbst für den Verlauf verantwortlich sind, ihre Ideen entwickeln und am Ende umsetzen können. Sie erleben durch die praktische Umsetzung zeitnah, dass sie mit ihren Fähigkeiten Ideen erfolgreich umsetzen können. Neben den inhaltlichen Gründen, die unter der ökonomischen Bildung verortet werden können, spielt also ganz wesentlich die Entwicklung von Eigeninitiative eine Rolle. Beide Aspekte sind Schlüsselargumente, die für eine junge Zielgruppe sprechen. Eigeninitiative sollte von Beginn an gefördert werden. Mit der Vermittlung unternehmerischer Inhalte und der damit verbundenen praktischen Umsetzung eigener Ideen, kann eine Stärkung der einzelnen Schüler*innen in ihren Kompetenzen gelingen und Spaß an der Thematik Beruf, Unternehmertum, Selbstständigkeit entwickelt und soziales Lernen gefördert werden. Die Auswertung im nächsten Kapitel zeigt, welche Effekte bei den Schüler*innen diesbezüglich sichtbar werden. Ziel 2: Entwicklung von Kompetenzen: Schlüsselkompetenzen, ökonomische Kompetenzen Die weitestgehend selbstständige Arbeitsweise in kleinen Gruppen stärkt verschiedene Schlüsselkompetenzen. Indem die Kinder aktiv in die verschiedenen Prozesse eingebunden sind, können sie diese selbst gestalten, sind für den Verlauf und das Ergebnis selbst verantwortlich. Dadurch lernen sie ihre Stärken und Fähigkeiten besser kennen und können diese am Ende auch benennen. Die Schüler*innen arbeiten während des Projekts vor allem als Gruppe von meist drei bis fünf Kindern zusammen. Sie konkretisieren ihre gemeinsame Geschäftsidee und setzen diese gemeinsam um. Sie kommen nicht umhin, Kompromisse auszuhandeln und entwickeln oft kreative Lösungen, um möglichst alle Ideen aller Kinder zusammenzubringen. Schlüsselqualifikationen, wie soziale Kompetenz (Teamfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit, Verantwortungsübernahme) Kreativität, aber auch Zielstrebigkeit können gefördert werden. Das Thema Schüler*innenfirma ist auch mit dem Ziel verbunden, ökonomische Kompetenzen zu entwickeln, bzw. zu stärken. Die Schüler*innen setzten die theoretisch erarbeiteten Inhalte praktisch um, eigenverantwortliches Handeln wird erlebbar gemacht. Im positiven Sinne bedeutet das unter anderem einen konstruktiven Umgang

3. Das Projekt »kleinUnternehmen«: Ein ganzheitlich orientiertes Konzept

mit unterschiedlichen Herausforderungen, die eine Existenzgründung mit sich bringen. Dazu gehören • • • • • •

der konstruktive Umgang mit Misserfolgen und Hemmnissen die Entwicklung von Vertrauen in die eigenen Möglichkeiten und Stärken das Einsetzen für die eigenen Interessen und Ideen das eigenverantwortliche Handeln und das Handeln in der Gruppe, der Mut, eigene Entscheidungen zu treffen und damit auch Risiken einzugehen, das zeitnahe Erleben, ob das konkrete Handeln, ob die eigenen Ideen und das eigene Engagement funktionieren, welche Wirkungen es auf eine*n selbst und andere Kinder hat.

Neben den Kompetenzen, die mit selbstständigem, eigenverantwortlichen Handeln verbunden werden, können auch inhaltliche Themen bearbeitet werden. Der Blick für das Thema Beruf wird entwickelt, verschiedene Berufszweige kennengelernt und gleichzeitig Verbindungen hergestellt zwischen Fähigkeiten, Interessen und beruflichen Kenntnissen. Die Schüler*innen können die Unterscheidung treffen zwischen Selbstständigkeit und angestellt sein und werden in die ökonomische Bildung eingeführt. Durch das Erleben eines kleinen Wirtschaftskreislaufs lernen sie wirtschaftliche Grundbegriffe kennen wie beispielsweise den Unterschied zwischen Einnahmen und Gewinn. Weil das Konzept so ausgerichtet ist, dass die Schüler*innen in der Regel völlig frei darin sind, für welche ihrer Geschäftsideen sie sich entscheiden, sind nach meiner Erfahrung nach fast ausnahmslos alle Kinder mit »Herz und Hand« dabei. Die Kinder haben die Chance, Fähigkeiten an sich neu zu entdecken, Rückmeldungen zu erhalten und auch von ihren Lehrer*innen und Eltern in einer neuen Rolle erlebt zu werden, in der unbekannte Fähigkeiten sichtbar werden. Ziel 3: Biographiebegleitendes Lernen: Bildung und Beteiligung, Genderperspektive, berufsorientierte Projekte von der Primarstufe an Die Entwicklung einer Geschäftsidee, welche die Schüler*innen an einem Tag praktisch umsetzen, basiert auf den Interessen und Fähigkeiten der Einzelnen. Die Module, die die Schüler*innen Schritt für Schritt auf die Umsetzung vorbereiten, sind so angelegt, dass möglichst viele inhaltliche Elemente Bezüge zur Lebenswirklichkeit der Kinder herstellen. So ermöglichen beispielsweise Themen wie Berufe der Eltern, Geld, bekannte Unternehmen oder Ausbildungsmöglichkeiten den Schüler*innen eigene Kenntnisse einzubringen und über bekannte berufliche Geschichten zu berichten. Die weiteren Inhalte können sich daran orientieren und ausgerichtet werden. Die Genderperspektive ist dabei kein expliziter Inhalt, außer das wird von den Schüler*innen gewünscht, sondern vielmehr ein Handlungs- und Vermittlungsprinzip. Auf geschlechtstypisiernde Beispiele wird verzichtet, auf eine gendergerechte Sprache geachtet. Alle Ideen werden ernst genommen und gefördert, Perspektiven sollen erweitert und Stereotype irritiert werden. Mädchen und Jungen werden mit ihren Ideen ernst genommen, indem all ihre Ideen aufgegriffen werden. Innerhalb der Gruppe übernehmen die Kinder die Funktio-

211

212

Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

nen, die sie nach ihren Interessen und Fähigkeiten einnehmen können und die für die Umsetzung gebraucht werden. Das ist ein Prozess, der auch in der Gruppe ausgehandelt werden muss. Die Auseinandersetzung mit verschiedenen beruflichen Möglichkeiten kann spielerisch und altersgemäß erfolgen, theoretisches Wissen mit praktischem Handeln verknüpft und so verankert werden.

3.1.2

Phasen und Module des Projekts »kleinUnternehmen«

Die einzelnen Module bereiten die Schüler*innen auf die Entwicklung einer eigenen kleinen unternehmerischen Aktion vor. Dabei werden die wichtigsten Themen, die bei einer beruflichen und vor allem auch einer selbstständigen Tätigkeit von Bedeutung sind, bearbeitet. Angesichts der Zielgruppen spielt die pädagogische Unterstützung der Arbeitsgruppen, die Beachtung der Gruppendynamik eine ähnlich große Rolle wie die Bearbeitung der Inhalte selbst. Im Folgenden werden die einzelnen Module mit Zielen, Inhalt und Methoden als Überblick vorgestellt. Im Wesentlichen kann das Projekt in vier Phasen eingeteilt werden, die in 13 Module aufgeteilt sind. Diese können je nach Alter der Schüler*innen und/oder der zeitlichen Möglichkeiten an der Schule entsprechend angepasst werden. Phase 1: Vorstellung und Einführung Nach der Kontaktaufnahme mit der Schule und der Klärung der Umsetzungsform wird der zeitliche Umfang des Projekts, die Teilnahme der Schüler*innen und die Rolle der Lehrkräfte geklärt. Sobald die wesentlichen Fragen mit der Schulleitung und den Lehrkräften vereinbart sind, findet eine Vorstellung in den jeweiligen Klassen statt. Die Schüler*innen lernen die verantwortlichen Pädagog*innen kennen und bekommen das Ziel und den Ablauf des Projekts vorgestellt. Die Eltern werden über die Schule mit einem Brief des durchführenden Trägers über Inhalt, Ablauf und Abschlussveranstaltung des Projekts informiert. Das Projekt selbst startet mit einem Einführungsspiel, einer Startrally. Sie hat zum Ziel, die Schüler*innen auf verschiedene Inhalte des Projekts einzustimmen. Darüber kann in Erfahrung gebracht werden, welche fachlichen Kenntnisse Schüler*innen bereits haben, was ihre Anknüpfungspunkte sind oder ob sie bestimmte Interessen haben. Gleichzeitig können sich Schüler*innen und Pädagog*innen kennenlernen. In Gruppen sind die Schüler*innen an verschiedenen Stationen aufgefordert, Aufgaben zu lösen, die alle mit beruflichen und ökonomischen Themen zu tun haben. Die Stationen sind sehr spielerisch und interaktiv gestaltet. Sie sollen die Zusammenarbeit der Gruppe und die Imagination der einzelnen Kinder anregen. Nicht zuletzt soll die Lust der Kinder geweckt werden, sich an diesem Projekt aktiv zu beteiligen. Als Gewinn erhalten sie ein Rätselbuch, mit dem Themen spielerisch wiederholt werden können.6 Phase 2: Herausarbeitung der Stärken und Interessen Die Module, die die Herausarbeitung und Erfassung der Stärken und Interessen der Kinder zum Ziel haben sind zentral für die weitere Arbeit. Denn ausgehend von den 6

Business & Bildung e.V. (Hg.) 2015.

3. Das Projekt »kleinUnternehmen«: Ein ganzheitlich orientiertes Konzept

Stärken und Interessen der Kinder, wird die Geschäftsidee entwickelt. Das ist vielleicht der wesentlichste Unterschied zu anderen ähnlichen Projekten oder Schüler*innenfirmen. Es werden nicht nur Ideen abgefragt und Vorschläge der Schüler*innen aufgenommen. Der Anspruch ist, ihnen einen möglichst unbeeinflussten, partizipativen Raum zu geben, um ihre ganz eigenen Vorstellungen entwickeln zu können. Deshalb steht zu Beginn die Erarbeitung und Erfassung der Stärken und Interessen aller teilnehmenden Kinder und diese sind Grundlage für die Weiterarbeit. Phase 3: Entwicklung einer Geschäftsidee Die weiteren Module bieten Inhalte, die die Kinder von der Konkretisierung ihrer Idee bis hin zur Umsetzungsplanung Schritt für Schritt auf die praktische Umsetzung ihrer Geschäftsidee vorbereiten. Nach der Erfassung der Stärken und Interessen werden Cluster gebildet, aus diesen Berufe und berufliche Tätigkeiten abgeleitet und schließlich kleine Geschäftsideen für Schüler*innen entwickelt. Ist diese Grundlage gelegt, entscheiden sich die Schüler*innen für die für sie beste Idee. Zu diesen Ideen finden sich die Schüler*innen in Kleingruppen zusammen. In diesen erarbeiten sie im Rahmen der weiteren Module Schritt für Schritt die unternehmerischen und ökonomischen Grundlagen, um diese Idee ganz praktisch an einem Tag umsetzen zu können. Sie entwickeln einen Geschäftsplan, legen das Produkt oder die Dienstleistung und deren Preise fest, teilen Aufgaben auf, planen die konkrete Umsetzung und überlegen, wie Kunden*innen auf ihr Angebot aufmerksam gemacht werden können. Phase 4: Unternehmerische Aktion/Praktische Umsetzung und Auswertung An einem vorab festgelegten Tag werden die Geschäftsideen praktisch umgesetzt. An diesem Tag bieten die Schüler*innen ihre Produkte oder ihre Dienstleistung zum Verkauf an. Die Schule ist für alle offen, Familie und Freunde werden eingeladen, damit die Kinder möglichst viele Kund*innen erreichen können. Um dieses Projekt von einem rein schulisch-pädagogischen abzugrenzen, werden von Trägerseite aus Vertreter*innen aus wirtschaftlichen Betrieben, aus dem Gemeinwesen und auch von Banken eingeladen, die als Jury die Aktionen der verschiedenen Schüler*innenfirmen bewertet. Der Realitätsbezug wird damit deutlich und ist für die Schüler*innen spürbar. Die Gruppe, die von der Jury als beste bewertet wird, erhält einen Preis. Die Preisverleihung ist öffentlich, auch die Presse wird eingeladen. Den Zuschauer*innen wird das Projekt erläutert, Rückschau auf den Ablauf gehalten, um im Anschluss die Arbeit einer jeden Gruppe zu würdigen. Die Jury klärt vorab, wer welcher Gruppe eine individuelle Rückmeldung geben möchte. Vor dem Publikum erhält die Gruppe so ein konkretes Feedback zu ihrer Schüler*innenfirma im Hinblick darauf, was gut gelungen ist und was verbessert werden kann. Im Anschluss erhält die Gewinner*innengruppe einen Preis, alle erhalten ein Zertifikat sowie einen Teilnahmepreis. In einem Abschlussmodul erfolgt der sogenannte Kassensturz. In der Bilanzierung errechnen die Gruppen ihren Gewinn. Zur Evaluation des Projekts geben alle Schüler*innen eine Rückmeldung zu Inhalten und dem Ablauf Projekts. Die Evaluation erfolgt in Form eines Blitzlichts und den Fragebögen. Eine Auswertung erfolgt im An-

213

214

Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

schluss auch auf Ebene der Schulleitung, Lehrer*innen und Pädagog*innen, die sich auch während des Ablaufs immer im Austausch befinden. Abbildung 1: Ablauf des Projekts »kleinUnternehmen«. Überblick über die Phasen und Module des Projekts »kleinUnternehmen«

Methodische Umsetzung der Module: In den Modulen geht es neben den leitenden Themen immer auch um das Erkennen, Benennen und Einsetzen eigener Stärken und Interessen einerseits. Andererseits geht es um die inhaltliche Auseinandersetzung mit ökonomischen, fachlichen, kreativen oder auch ökologischen Inhalten. Über unterschiedliche Methoden der Einzelarbeit und Gruppenarbeit ist eine Identifikation mit den eigenen Stärken auch im Abgleich mit den Stärken und Interessen der anderen möglich. Durch eine gegenseitige Spiegelung von persönlichen Eigenschaften, die positiv auffallen, entsteht Nähe und Gemeinschaftsgefühl. Dies wird durch die gemeinsame Bearbeitung der Themenschwerpunkte aufgegriffen und verstärkt sich. Sichtbar wird, dass andere ähnliche Interessen und Stärken haben oder sich die anderen Schüler*innen für die eigenen besonderen Stärken interessieren. Gemeinsam werden ausgewählte Themen, denen sich die Schüler*innen selbst zugeordnet haben, vertieft und Ideen entwickelt. Auch Kinder, denen die Nennung eigener Stärken schwerfällt, haben auf verschiedenen Ebenen die Möglichkeit, etwas an sich zu entdecken oder sich anderen anzuschließen und darüber Selbstvertrauen aufzubauen. Die 13 Module werden im Folgenden ausführlicher mit der Beschreibung der Ziele skizziert, die in jedem Modul verfolgt werden. Daraus ableitend ergeben sich die Inhalte in Abhängigkeit der Schüler*innen, je nachdem, welche Interessen und Kenntnisse sie mitbringen, welche biographischen Muster erkennbar sind oder ob es Verknüpfungen zur Lern- und Lebenswelt der Kinder gibt. Zu den einzelnen Inhalten der Module lassen sich meist diverse Verknüpfungen herstellen wie beispielsweise zur Familie, zu Unterrichtsinhalten oder zu den individuellen Erfahrungen der Kinder. Die Auflistungen der folgenden Skizzen sind als Rahmen zu verstehen, die nach Bedarf modifiziert, thematisch oder zeitlich erweitert oder gekürzt werden können.

3. Das Projekt »kleinUnternehmen«: Ein ganzheitlich orientiertes Konzept

Tabelle 2: Überblick Module Projekt »kleinUnternehmen« Überblick Module Projekt »kleinUnternehmen« Modul

Inhalt

Ziele

Methoden

Verknüpfung

1

Einstimmen

Startrallye Begriffe, Tätigkeiten, Definitionen, Zuordnungen

Kennenlernen und Einstimmen auf das Thema

Stationenlauf

Spielen, Einkaufen, Alltagssituationen bewerten

2

Unterscheiden Formen der Berufstätigkeit, angestellt, selbstständig

Formen der Berufstätigkeit wird deutlich

Diskussion, Verkleiden

Berufstätigkeit der Eltern, Verwandte

3

Erkennen und Benennen

Bedingungen um Berufstätigkeit auszuüben

Eigene Stärken und Interessen benennen

Stationenlauf, Gruppenarbeit, Steckbrief, Partnerarbeit

Familie, Freunde, Freizeit, Schule

4

Ableiten

Aus Stärken und Interessen Ideen für Berufe und Tätigkeiten entwickeln

Verbindung herstellen: Tätigkeiten und Beruf

Gruppenarbeit malen, gestalten

Lebenswelt: bekannte Berufe

5

Entscheiden

Entwicklung eigener Geschäftsideen und Entscheidung für eine Idee

Erarbeitung einer konkreten Geschäftsidee

Bildergalerie, Präsentation, Gruppenfindung

Bekannte Lebens- und Arbeitsbereiche

6

Planen

Bausteine eines Geschäftsplans

Inhalte und Zusammenhänge der Geschäftsplanung kennenlernen

Workshop Stationenlauf mit jeder Gruppe

Planung einer Schulaktion

7

Erarbeiten, Kalkulieren

Ausarbeitung der Geschäftsideen Jede Gruppe findet Namen, arbeitet Idee aus

Schüler*innenfirma wird konkret

Gruppenarbeit ggf. Praxisbesuch, Umfrage, Recherchen

Je nach Idee: Verknüpfung zum Stadtteil, Geschäfte, Hobbys

8

Erkunden

Kommunikation und Werbung

Formen, Inhalte und Funktionsweisen von Werbung kennenlernen

Workshop Diskussion und Gestaltung eigener Werbung

Verschiedene Formen der Werbung

9

Kalkulieren

Ausarbeitung, Kalkulation

Preisvorstellung entwickeln

Kleingruppenarbeit, Preisvergleiche

Einkauf, Taschengeld

215

216

Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

  Inhalt

Ziele

Methoden

Verknüpfung

10 Kommunizieren, Präsentieren

Modul

Vorstellen und präsentieren der Geschäftsidee

Grundlagen Kommunikation und Präsentation

Gruppenübung, theaterpädagogische Übung

Referat halten, mit anderen sprechen

11

Planung und Ablauf der praktischen Umsetzung

Überblick über verschiedene Aufgaben erhalten

Vorbereitung, Ablaufplan, Testlauf,

Einzelne Module

12 Realisieren

Verkauf der Produkte

Eigenständige Umsetzung der Geschäftsidee

Gruppenarbeit, Wettbewerb, Preisverleihung

Schulprojekte

13

Bilanzierung der Aktion: EinnahmenAusgaben-Gewinn

Bilanzierung, Projektauswertung, Feedback

Auswertungsgespräch, Fragebogen, Blitzlicht

Unterricht

Organisieren

Bilanzieren, Reflektieren

Für die einzelnen Module stand unterschiedlich viel Zeit zur Verfügung. In der Regel wurden die einzelne Module an ganzen Schultagen umgesetzt, manche brauchten mehr Zeit. Die Aufgaben, die sich aus den einzelnen Themen ergeben, insbesondere in der Phase der konkreten Umsetzung, wurden auch im Unterricht der Klassenlehrer*innen fortgeführt. Zusätzlich haben sich die Kinder in ihrer Freizeit organisiert, um ihr Angebot vorzubereiten oder ihre Dienstleistung zu besprechen oder zu üben. Die beschriebenen Ziele, Inhalte, Methoden, Materialien sowie mögliche Verknüpfungen und Erweiterungen der einzelnen Module sind das Ergebnis der Durchführungen und der damit verbundenen Modifikationen. Die Module waren Grundlage des durchgeführten Forschungsprojekts.

3. Das Projekt »kleinUnternehmen«: Ein ganzheitlich orientiertes Konzept

Tabelle 3: Übersicht Modul 1: Einstimmen Modul 1: Einstimmen Ziel

Gegenseitiges Kennenlernen und Einstimmen auf das Thema: Imaginationen der Kinder sollen angeregt werden.

Inhalt

Spielerische und kreative Aufgaben zu Fachbegriffen, Berufe, berufliche Tätigkeiten, Definitionen, Zuordnungen, Werbung u.a., Entwicklung eigener Ideen, Bezüge zu eigenen Erfahrungen und Kenntnissen herstellen.

Methoden

Stationenlauf mit spielerisch anregend gestalteten Stationen / Startrallye mit allen teilnehmenden Schüler*innen, Kleingruppenarbeit: Die ästhetische Gestaltung der Themen, Aufgaben und Räume ist durchgängig wichtig. Sie sind nicht nur ansprechend, kreativ und kindgerecht gestaltet, sondern haben immer auch etwas mit der Lebenswelt der Kinder zu tun.

Verknüpfungen

Spielen, Schule, Alltagssituation, Einkaufen, bekannte Berufe

Materialien

Teilnahmeheft mit einzelnen Stationsblättern, Materialien für die Stationen, kreative, Fantasie anregende Aufgaben (Wimmelbilder, Guckkästen, Pantomime, Rätselbuch und ähnliches).

Beschreibung:

Die Startrallye soll die Schüler*innen neugierig auf das Projekt machen, sie gleichzeitig auch schon auf das Thema vorbereiten. Deshalb sind die Aufgaben der verschiedenen Stationen nicht zu schwierig gestaltet und für alle zu schaffen. Die Kinder werden in Gruppen aufgeteilt und lösen die Aufgaben gemeinsam. Dadurch sprechen sie schon über einzelne Bezüge, die sie zu den Themen herstellen können. Es entstehen erste Eindrücke darüber, was die Schüler*innen interessiert und wie ihr Erfahrungs- und Kenntnisstand ist. Die Lebenswirklichkeit der Kinder soll in den einzelnen Aufgaben wiederzufinden sein. Im Groben thematisieren die Stationen wichtige Bausteine für eine Geschäftsidee: Möglichkeiten Geld zu verdienen, Zielgruppen und Bedarfe für Produkte und Dienstleistungen, Berufe oder berufliche Tätigkeiten benennen, wirtschaftliche Begriffe erkennen und definieren, eigene Ideen entwickeln.

Fachbegriffe, Stichwörter

angestellt, selbstständig, Chef*in, Angestellte*r, Beruf, Gehalt, Kunde*in, Produkt, Dienstleistung, Werbung, Preis, Einnahmen, Ausgaben, Gewinn

Erweiterung, Anmerkung

Die Rallye kann in ihrer Aufgabenstellung der Gruppengröße angepasst werden, indem weitere Stationen zu weiteren Themen angeboten werden. Zudem kann sie der Klassenstufe und der Schwierigkeitsgrad der Aufgaben angepasst werden. Die Rallye soll Spaß machen, um die Motivation zu entwickeln, sich auf ökonomische Themenstellungen einzulassen, sowie ein schnelles und barrierefreies Kennenlernen der Pädagog*innen und Schüler*innen ermöglichen. Grundsätzlich ist es fortlaufend von Bedeutung, immer wieder die Lebenswirklichkeit der Kinder einzubeziehen: Was ist ihnen wichtig, welche Berührungspunkte haben sie mit beruflichen Tätigkeiten in ihrem Umfeld.

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218

Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

Tabelle 4: Übersicht Modul 2: Unterscheiden Modul 2: Unterscheiden Ziel

Formen der Berufstätigkeit verdeutlichen, Bezüge zum Projekt herstellen

Inhalt

Formen der Berufstätigkeit: angestellt oder selbstständig sein, Notwendigkeit des Geldverdienens

Methoden

Großgruppe: Diskussion, Arbeitsblätter, Verkleidung

Verknüpfungen

Lebenswelt: Beruf der Mutter, Beruf des Vaters, der Verwandten und Freunde, bekannte Geschäfte, Spiele, Bücher, Merkmale der Selbstständigkeit

Materialien

Verkleidung

Beschreibung:

Das Modul gibt den ersten vertieften Einblick in die Thematik Beruf/Berufstätigkeit. Die Schüler*innen erarbeiten einen Überblick über Berufe und über den Unterschied der Ausübung als Angestellte*r und Selbstständige*r. Bezüge zu den Schüler*innen werden hergestellt, indem diese beschreiben, welche Berufe sie kennen, was deren Inhalte sind oder sein könnten und ob sie angestellt oder selbstständig arbeiten. Kennzeichen dieser beiden Arbeitsformen werden gesammelt und Unterschiede herausgearbeitet.

Fachbegriffe, Stichwörter

angestellt, selbstständig, Beruf, Lohn, Gehalt, Geld, Ausgaben, Kosten, Lebensunterhalt, Chef*in, Angestellte*r, Rechte und Pflichten, Arbeitszeiten, Urlaub, Praktikum, Ausbildung, Studium

Erweiterung, Anmerkung

Dieses Modul kann in verschiedene Richtungen vertieft werden: Schüler*innen stellen verschiedene Berufe vor, sie erforschen, in welchen Bereichen, an welchen Orten diese zu finden sind; das Schul- und Ausbildungssystem wird genauer erläutert; Praxisbesuche zu Betrieben und Geschäften im Stadtteil mit Fragen zum Beruf, zur Berufsausübung, Vor- und Nachteile verschiedener Arbeitsformen, Berufe im Zeitalter der Digitalisierung, Berufsbilder erarbeiten lassen, die Kinder oder Jugendliche nicht kennen und weiteres.

3. Das Projekt »kleinUnternehmen«: Ein ganzheitlich orientiertes Konzept

Tabelle 5: Übersicht Modul 3: Erkennen und Benennen Modul 3: Erkennen und Benennen Ziel

Eigene Stärken und Interessen benennen: Was kann ich gut, was interessiert mich, was macht mir Freude, was mache ich gerne?

Inhalt

Schüler*innen erkennen und formulieren eigene Stärken und Interessen und benennen Stärken bei anderen

Methoden

Stationenlauf in Kleingruppen: Steckbrief, Partnerarbeit, Gruppenarbeit, zirkuläre Fragen (u.a.: für was werde ich gelobt?) gegenseitige Einschätzung/positive Rückmeldung. Zusammenführung in der Großgruppe.

Verknüpfungen

Familie, Freunde, Hobbys, Schule, Freizeit, Lieblingsbeschäftigung

Materialien

Arbeitsblätter, Gestaltung der Stationen (Kriterien siehe Modul 1)

Beschreibung:

Einzelne Stationen decken die unterschiedliche Lebensbereiche und Interessen der Kinder ab. In Kleingruppen durchlaufen sie die einzelnen Stationen und werden dort von den Pädagog*innen aufgefordert, ihre Stärken und Interessen in diesen Bereichen zu nennen und aufzuschreiben (zu Hause, Freizeit, Hobbys, Freunde, Schule, Lieblingsbeschäftigung, u.a.). An einer Station geben sich Schüler*innen gegenseitig positive Rückmeldungen. Für den weiteren Verlauf werden alle genannten Stärken und Interessen von der Moderation aufgeschrieben und thematisch sortiert. Dies ist ein wichtiger Schritt, denn er ermöglicht den ersten Übergang von Stärken/Interessen zu Berufen und von diesen zu einer kleiner, umsetzbaren Geschäftsidee. Die verschiedenen Stärken und Interessen werden sortiert, visualisiert und in der Großgruppe vorgestellt: Die Schüler*innen sollen sich darin wiederfinden, Gemeinsamkeiten wie Unterschiede können von allen erkannt werden. Deshalb werden Mehrfachnennungen deutlich gemacht oder die Sprache und Ausdrücke der Kinder verwendet. Aus den genannten Interessen und Stärken ergeben sich verschiedene thematische Bereiche, die entsprechend sortiert und zusammengefasst werden. Die Schüler*innen werden aufgefordert, sich für die Weiterarbeit einem Bereich, der sie gerade am meisten interessiert, zuzuordnen.

Fachbegriffe, Stichwörter

Interesse, Fähigkeiten, Kompetenzen

Erweiterung, Anmerkung

Betont werden sollte gegenüber den Schüler*innen, dass es sich bei dieser Einteilung nach wie vor nicht um die endgültige Gruppe handelt, sondern nur um eine Arbeitsgruppe für den nächsten Schritt. Will der ein oder andere Themenbereich nicht bearbeitet werden, fällt er entweder weg (Trichtermethode) oder wird später vorgestellt, wenn dieser Bereich als wichtig erachtet wird. Erweitert werden kann das Modul durch eine vertiefte Beschäftigung mit den Interessen und Stärken der Kinder und Jugendlichen, beispielsweise durch Elemente der Selbsterfahrung.

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

Tabelle 6: Übersicht Modul 4: Ableiten Modul 4: Ableiten Ziel

Transferleistung: Zusammenhang von Stärken, Interessen und Beruf

Inhalt

Die Bereiche, die sich aus den Stärken und Interessen ergeben, mit Berufstätigkeiten verbinden oder mit Tätigkeiten, mit denen Geld verdient werden kann. Daran anschließend können Geschäftsideen entwickelt werden.

Methoden

Clustern, Kleingruppenarbeit (freie Entscheidung nach Vorlieben) und Präsentation vor der Großgruppe, bewerten, entscheiden, malen/gestalten

Verknüpfungen

Lebenswelt: welche Berufe kennen sie, welche Tätigkeiten (vgl. Startrallye)

Materialien

Moderationsmaterialien, Plakate

Beschreibung:

Die Schüler*innen haben sich im letzten Schritt für einen Themenbereich entschieden und Gruppen nach Vorlieben gebildet. Optimal ist, wenn jeder Themenbereich von einer Pädagog*in moderiert wird. Die Aufgabe der Gruppen ist, gemeinsam zu überlegen und festzuhalten, welche Berufe oder berufliche Tätigkeiten sich aus den Interessen und Stärken ableiten lassen oder umgekehrt für welche Berufe welche Themen oder Eigenschaften wichtig sind. Diese Berufe und Tätigkeiten werden aufgeschrieben und mit den einzelnen Themen verbunden, so dass ein Überblick über Beruf und den benötigten Fähigkeiten und Interessen entstehen. Die Schüler*innen können bei verschiedenen Fragestellungen unterstützt werden, indem Verknüpfungen zur Lebenswelt der Kinder hergestellt werden oder Berufe benannt werden, die die Schüler*innen beschreiben. Sind alle Gruppen fertig, werden die neu erarbeiteten Plakate im Plenum vorgestellt und können von allen ergänzt werden. Die nächste Aufgabe an die Gruppe ist, sich – in Anlehnung an die verschiedenen Berufe – eine Aufgabe, Tätigkeit, Gegenstand oder Ähnliches zu überlegen, das von ihnen selbst ausgeführt oder hergestellt werden kann. Die Schüler*innen werden dabei unterstützt, möglichst viele Ideen zu entwickeln, zu sammeln und aufzuschreiben. Die vielen Ideen müssen im nächsten Schritt wieder nach Vorlieben reduziert werden, damit mit diesen weitergearbeitet werden kann. Die Schüler*innen entscheiden sich für sich (beispielsweise durch Bepunkten) für eine begrenzte Anzahl bester Ideen. Nach dieser Auswahl fallen einige Ideen weg, viele Ideen bleiben zur Verfügung. Aus dieser entscheidet sich jede*r Schüler*in für eine die sie/er am besten findet. Diese Idee soll in einem Bild umgesetzt werden. Am Ende dieses Trichterverfahrens stehen damit höchstens so viele Ideen wie teilnehmende Schüler*innen. Die Bilder werden mit in das nächste Modul genommen.

Fachbegriffe, Stichwörter

Berufe, eigene Ideen entwickeln, Gruppenfindung, Entscheidung treffen, Inhalte beschreiben, Bezüge herstellen, Ausbildungs- und Berufsketten

Erweiterung, Anmerkung

Bei älteren Kindern und Jugendlichen kann erarbeitet und erforscht werden, welche Berufe, Ausbildungen, Studiengänge es gibt, welche bekannt sind, welche unbekannt, welche Anforderungen benötigt werden und ähnliches. Darüber hinaus können ebenso Betriebsbesuche, Einladung von Fachkräften Ausbildungslotsen oder Unternehmer*innen aus dem Stadtteil eingebaut werden.

3. Das Projekt »kleinUnternehmen«: Ein ganzheitlich orientiertes Konzept

Tabelle 7: Übersicht Modul 5: Entscheiden Modul 5: Entscheiden Ziel

Erarbeitung einer Geschäftsidee

Inhalt

Die Schüler*innen entscheiden sich aus dem Pool aller Ideen für eine Geschäftsidee mit der sie sich identifizieren können und bilden eine Gruppe.

Methoden

Bildergalerie der Geschäftsideen, Methoden zur Entscheidungsfindung und Gruppenbildung, Mind-Map mit grundlegenden Themen zur Ideenkonkretisierung

Verknüpfungen

Bekannte Lebens- und Arbeitsbereiche der Schüler*innen, Präsentation, Freundschaften

Materialien

Plakate

Beschreibung:

Die ausgewählten Themen, die von jedem/jeder Schüler*in ausgewählt und in einem Bild umgesetzt wurde, werden in einer Bildergalerie ausgestellt: Alle Bilder sind aufgehängt und werden zunächst von den Schüler*innen vorgestellt. Die Idee wird dazu geschrieben. Wenn alle Gemälde präsentiert wurden, kann entweder von allen Schüler*innen das für sie schönste Bild oder die beste Idee bepunktet werden. Diese Bilder repräsentieren jene Geschäftsideen, die umgesetzt werden können. Die Schüler*innen müssen sich endgültig entscheiden und ordnen sich einem Bild, einer Idee zu, die sie gern umsetzten möchten. Durch diesen Prozess entstehen mehrere Gruppen. Ist die Gruppengröße passend und die Gruppe als solche von ihren Mitgliedern akzeptiert, ist der Gruppenbildungsprozess abgeschlossen. Andere Gruppen werden bei der Gruppen- und Ideenfindung oder -konkretisierung unterstützt. Der Gruppenprozess beansprucht Zeit und braucht unbedingt das Vertrauen darauf, dass die Kinder in der Lage sind, sich entscheiden können. Sind die Gruppen gefunden, erhalten sie ein vorbereitetes Plakat, auf dem sie ihre Idee notieren und im ersten Schritt überlegen, was die Geschäftsidee genau beinhaltet. Das Bild, dass jede Gruppe hat, wird nun ausgearbeitet und soll sich zu einer gemeinsamen Idee entwickeln. Die leitende Frage ist: Welches Produkt, welche Dienstleistung bieten wir an?

Fachbegriffe, Stichwörter

Geschäftsidee, Produkt, Dienstleistung

Erweiterung, Anmerkung

Lehrkräfte möchten immer wieder gerne bestimmte Themen über die Schülerfirma bearbeiten, wie beispielsweise gesunde Ernährung, Sport oder Schüler*innencafé. Werden Themen in dieser Form vorgegeben, ist der Rahmen entsprechend zu gestalten. Um den Schüler*innen trotz Vorgaben dennoch genügend Freiraum für die Entwicklung eigener Ideen zu geben, sollte diesem Prozess genügend Zeit und Selbstbestimmung eingeräumt werden.

221

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

Tabelle 8: Übersicht Modul 6: Planen Modul 6: Planen Ziel

Inhalte und Zusammenhänge der Geschäftsplanung einer Schüler*innenfirma kennenlernen

Inhalt

Bausteine eines Geschäftsplans: Angebot beschreiben, Kosten, Preis, Werbung, Gestaltung des Angebots, das Besondere/Alleinstellungsmerkmal, unsere Stärken, Aufgabenverteilung, Logo

Methoden

Workshop, Stationenlauf: Produkte analysieren, Werbung bewerten, Kosten berechnen, Kosten recherchieren, Mind-Map

Verknüpfungen

Planung einer Schulaktion, Taschengeld, eigene Ausgaben

Materialien

Stationen mit Themen vorbereiten, die jeweils von einer Pädagagog*in besetzt sind. Verschiedene Materialien, Arbeitsblätter, praktische Beispiele, die Inhalte verdeutlichen

Beschreibung:

An den Stationen lernen die Schüler*innen wesentliche Eckpunkte eines Geschäftsplans kennen. Unterschiedlichen Aufgaben, Beispiele oder Fragestellungen regen die inhaltliche Erarbeitung an und unterstützen Schüler*innen bei ihrer Ausarbeitung. Die inhaltlichen Themen sind: Produktanalyse: Art des Produkts, der Dienstleistung, Zielgruppen, Alleinstellungsmerkmal, Name, Logo Kosten, Kalkulation: Preise, Unterschied von Einnahmen und Ausgaben, Gewinn und Verlust Werbung: Formen von Werbung, Funktionsweise Passende Werbemaßnahmen für die eigene Aktion finden: Form, Inhalt, Zielgruppe. Produktionskosten: Was kann, was muss das Produkt, die Dienstleistung kosten, welche Materialkosten sind zu erwarten, wie viel Arbeitszeit u.a.

Fachbegriffe, Stichwörter

Angebot, Produkt, Dienstleistung, Preise, Kosten, Einnahmen-Ausgaben, GewinnVerlust, Werbung, Logo

Erweiterung, Anmerkung

Preise und Produkte können hinterfragt, Effekte von Marken- oder NoNameprodukten besprochen, verschiedene Werbemöglichkeiten und -wege kritisch bewertet werden. Thematisierung des eigenen Konsumverhaltens, Nachhaltigkeit. Das Thema Werbung kann unter dem Blickwinkel der Öffentlichkeitsarbeit erweitert werden. Bezüge und Verknüpfungen zum Unterricht: Deutsch, Mathematik, Kunst, Sachkunde Die Namensgebung der Schüler*innenfirma ist ein besonderer Vorgang. Mit dem Namen müssen sich alle Schüler*innen identifizieren können, er muss also einen Bezug zu den einzelnen Personen, aber auch mit dem Produkt/der Dienstleistung haben. Oft lösen Kinder und Jugendliche die Namensfindung mit der Zusammensetzung ihrer Initialen und der Benennung ihres Produkts oder ihrer Dienstleistung.

3. Das Projekt »kleinUnternehmen«: Ein ganzheitlich orientiertes Konzept

Tabelle 9: Übersicht Modul 7: Erarbeiten, Kalkulieren Modul 7: Erarbeiten, Kalkulieren Ziel

Schüler*innenfirma wird konkret, ein gemeinsames Bild der Umsetzung entsteht

Inhalt

Ideen werden ausgearbeitet, vertieft und konkretisiert. Arbeiten eingeteilt, Schüler*innenfirmenname gesucht

Methoden

Gruppenarbeit, Praxisbesuch, Umfragen, Recherche

Verknüpfungen

Je nach Ideen Bezüge zur Lebenswelt, zum Gemeinwesen: Geschäfte, Hobbys, Personen

Materialien

Projektheft, Fragebogen

Beschreibung:

Die Gruppen arbeiten für sich weiter. Die im Mind-Map festgehaltenen Themen: Angebot: Produkt/Dienstleistung, Preise, Werbung, Personal (wer macht was) werden Schritt für Schritt ausgearbeitet. Offene oder unklare Fragen werden vertieft bearbeitet (wer hat Interesse an unserem Produkt, unserer Dienstleistung, welche Produkte werden bevorzugt) können mit einer Umfrage geklärt werden. Praktische Fragen wie die nach dem Preis oder der Werbung können recherchiert werden (wie viel kosten Produkte im Supermarkt, beim Fachhandel, was bedeutet Nachhaltigkeit). Dieses Modul ist inhaltlich das umfangreichste und kann, ebenso wie die vorherigen nach Bedarf vertieft und erweitert werden. Die Themen Werbung, Kalkulation und Kommunikation erfolgen in einem extra Modul. Ziel dieses Moduls ist insbesondere die Klarheit über das Angebot. Was genau wird angeboten? Werden in einer Schüler*innenfirma mehrere verschiedene Angebote gemacht oder nur eines? Alle Schüler*innen sollten sich in diesem Angebot wiederfinden, auch wenn ursprüngliche Ideen modifiziert werden müssen. Eine Identifikation mit dem Angebot trägt die Gruppe und motiviert sie, ihre Idee umzusetzen. Deshalb ist eine gemeinsame Namensgebung von Bedeutung. Sie steht in Zusammenhang mit den Produkten oder Dienstleistungen wie auch mit der Gruppe.

Fachbegriffe, Stichwörter

Angebot, Produkt, Dienstleistung, Preise, Kosten, Einnahmen-Ausgaben, GewinnVerlust, Werbung, Logo

Erweiterung, Anmerkung

Vertiefung und Zusammenhänge in den einzelnen Fächern: Arbeitslehre, Sachkunde, Mathematik, Kunst, Ausarbeitung eines Businessplans. Vertiefung der Themen hinter den Ideen: Verbindungen zum Gemeinwesen, zur Lebenswelt der Schüler*innen herstellen. Beispielsweise Besuch eines Unternehmens, eines Geschäfts oder einer Einrichtung, Fachkräfte einladen oder Hobbys vorstellen.

223

224

Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

Tabelle 10: Übersicht Modul 8: Erkunden Modul 8: Erkunden Ziel

Formen, Inhalte und Funktionsweisen von Werbung kennenlernen

Inhalt

Kommunikation und Werbung/Marketing/Öffentlichkeitsarbeit

Methoden

Workshop: Diskussion und Gestaltung eigener Werbung

Verknüpfungen

Werbung im Alltag der Schüler*innen

Materialien

Unterschiedliche Werbeformen zur Anschauung: Internet, Printmedien, Giveaways zur Veranschaulichung, Plakate, Lautsprecherdurchsage der Schule Material zur Gestaltung von Plakaten, Flyern, etc.

Beschreibung:

Die Schüler*innen sind auf das Thema Werbung von Modul 6 vorbereitet, hier wird es wieder aufgegriffen und vertieft: Gemeinsam werden Beispiele gesammelt und besprochen: Wie verankert sich Werbung ungewollt: Slogans sind sofort abrufbar, Logos mit Marken verbunden, Namen werden zu Synonymen für bestimmte Produkte. Gibt es sinnvolle Werbung? Informationen auf Werbung: Produkt/Dienstleistung, Firma, Termine, Ort, Kontaktdaten, Idee, Versprechen, Übertragung auf die eigene Firmenidee. Die Aufgabe an die Schüler/innen ist zu erarbeiten: Welche Form von Werbung für ihr Produkt/für ihre Dienstleistung eingesetzt werden kann Wer ihre Zielgruppe ist Wie diese erreichbar ist Welche Informationen ihre Werbung enthalten sollte Wie sie gestaltet werden kann. Die Gruppen entscheiden, welche Werbung für sie sinnvoll ist.

Fachbegriffe, Stichwörter

Werbung, Zielrichtung, Funktion, Wunschvorstellung

Erweiterung, Anmerkung

Vertiefung des Themas Werbung in allen Medien. Analyse, kritische Bewertung, Erweiterung um die Thematik Marketing und Öffentlichkeitsarbeit.

3. Das Projekt »kleinUnternehmen«: Ein ganzheitlich orientiertes Konzept

Tabelle 11: Übersicht Modul 9: Kalkulieren Modul 9: Kalkulieren Ziel

Preisvorstellung entwickeln

Inhalt

Ausarbeitung, Kalkulation

Methoden

Kleingruppenarbeit, Preisvergleiche (Geschäfte, Produkte, Nachhaltigkeit), Rollenspiel

Verknüpfungen

Was kostet was: Einkauf, Taschengeld

Materialien

Zur Veranschaulichung Werbeprospekte mit Preisen

Beschreibung:

Auch hier wird ein bereits bearbeitetes Thema vertieft. Die leitende Frage ist, wie ein Preis entsteht und festgelegt wird. Es werden alle Posten aufgelistet und an einem Beispiel verständlich gemacht. Was kostet ein Produkt? (Material, Zutaten, Arbeitskosten, Produktion, Vertrieb, Verkauf, Transport, Lagerung) Warum kostet eine bekannte Marke mehr? Warum kostet ein Bioprodukt und ein Fairtrade-Produkt mehr? Auf welche Aspekte müssen und wollen die Schüler*innen eingehen? Sie müssen klären Wie viel oder wie oft sie etwas anbieten wollen und können. Wie viel Geld sie für die Herstellung oder die Vorbereitung brauchen. Woher sie das Geld nehmen. Wie hoch die Einnahmen sein müssen, um ein Verlustgeschäft zu vermeiden. Wie viel Gewinn sie gerne machen möchten. Was mit dem eingenommenen Geld passiert. Bei den gruppenspezifischen Fragestellungen wird in der Gruppe weitergearbeitet. Hat die Gruppe eine Kalkulation erstellt, steht der Geldbetrag fest, der für die Umsetzung der Idee benötigt wird. Geklärt wird, ob die Schüler*innen selbst den Betrag bereitstellen können. Wenn nicht, kann die Gruppe einen Kredit aufnehmen (hier wurde das vom durchführenden Trägerverein angeboten). Dafür muss die Gruppe ein »Bankgespräch« führen und den Geldgebern erklären, warum die Schülerfirma einen bestimmten Geldbetrag benötigt. Bei dem Bankgespräch stellen die Kinder dar, was ihre Geschäftsidee ist, wie sie kalkuliert haben und welchen Kredit sie deshalb benötigen. Je nach dem kann ein Kredit in voller Höhe oder nur in Teilen vergeben werden. In einem Kreditvertrag werden die Bedingungen festgelegt. Das Rückzahldatum ist der Folgetag der praktischen Umsetzung. Ebenso muss eine Sicherheit abgegeben werden. Das soll etwas für die Schüler*innen Wertvolles sein, wie z.B. ein Armband oder aktuelles Spiel. Ein Arbeitsblatt hilft, einzelne Posten aufzulisten und die Summe aller Kosten zu berechnen. Um es für die Schüler*innen handhabbar zu lassen, bleiben Personalkosten und Nebenkosten außen vor. Dennoch werden diese Posten in der Besprechung benannt. Ebenso sind Spenden erlaubt, sollten aber bedacht und honoriert werden.

Fachbegriffe, Stichwörter

Businessplan, Kredit, Kreditgespräch, Rückzahlung, Sicherheit, Kosten

Erweiterung, Anmerkung

Diskussion, Erarbeitung des Themas Kredit: Möglichkeiten, Gefahr der Verschuldung bereits bei Jugendlichen.

225

226

Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

Tabelle 12: Übersicht Modul 10: Kommunizieren und Präsentieren Modul 10: Kommunizieren und Präsentieren Ziel

Grundlagen der Kommunikation und Präsentation

Inhalt

Die Schüler*innen lernen, wie sie ihre Geschäftsideen anderen vorstellen und sich angemessen Kund*innen und innerhalb der Gruppe verhalten

Methoden

Gruppenübung, theaterpädagogische Elemente, Rollenspiel

Verknüpfungen

Referat halten, mit anderen sprechen, Bedürfnisse äußern

Materialien

--

Beschreibung:

Die Schüler*innen üben unterschiedliche Stimmungen körperlich darzustellen, probieren aus, wie es wirkt, auf andere zuzugehen oder auszuweichen. Verschiedene Übungen schärfen die Wahrnehmung, Aufmerksamkeit und Verständigung auch ohne Sprache. Darauf aufbauend wird erarbeitet, welche Elemente für eine gelungene Kommunikation wichtig sind, wie Aufmerksamkeit, Sprache, Gestik, Mimik. Im Rollenspiel stellen die Gruppen ihr Angebot vor. Vor einem Publikum und/oder vor einer Jury und erhalten eine Rückmeldung. Die Gruppe einigt über die Art und Weise der Präsentation und üben das Kund*innengespräch

Fachbegriffe, Stichwörter

Kommunikation, Kooperation, Präsentation, Rollenspiel

Erweiterung, Anmerkung

Die einzelnen Elemente können je nach Zeit und Bedarf mit entsprechenden Kommunikationsübungen ausgebaut und vertieft werden und mit entsprechenden theoretischen Grundlagen ausgebaut werden.

3. Das Projekt »kleinUnternehmen«: Ein ganzheitlich orientiertes Konzept

Tabelle 13: Übersicht Modul 11: Organisieren Modul 11: Organisieren Ziel

Überblick über verschiedene Aufgaben und Abläufe

Inhalt

Planung des Ablauf der praktischen Umsetzung

Methoden

Listen, Ablaufplan, Skizze, Testlauf

Verknüpfungen

einzelne Bausteine

Materialien

Projektheft mit entsprechenden Arbeitsblättern, je nach Produkt, Dienstleistung, werden alle benötigten Materialien mitgebracht oder von der Gruppe gekauft, Räume für den Ablauf und den Abschluss, der Preisverleihung

Beschreibung:

Aufgabe der Schüler*innenfirmengruppen: Vor allem hier kommt es auf eine gute Gruppenarbeit an, bzw. zeigt sie sich. Die verschiedenen Aufgaben werden verteilt, Produkte hergestellt und Dienstleistungen erprobt. Die Gestaltung eines Standes muss überlegt und geplant werden: wo kann er am besten aufgestellt werden, wer muss dafür gefragt werden. Werbung muss rechtzeitig verteilt und angebracht werden. Preisschilder hergestellt. Für dieses Modul muss ausreichend Zeit eingeplant sein. Aufgabe des durchführenden Trägers: Parallel dazu wird von Trägerseite der Abschluss mit vorbereitet: Eine Jury von drei bis fünf Personen wird zusammengestellt: Unternehmer*innen aus dem Stadtteil, Mitglieder von Vereinen, Vertreter*innen von Banken, von Bildungspartner*innen, der Wirtschaftsförderung die bereit sind, die Aktionen der Schüler*innenfirmen unter professionellen Gesichtspunkten zu beurteilen. Damit kann ein direkter Lebensweltbezug und eine Stadtteilorientierung hergestellt werden, wenn beispielsweise die Eigentümerin des Cafés um die Ecke den Stand bewertet, der Kaffee und Kuchen anbietet. Die Stadtteilorientierung kann an dieser Stelle vertieft werden, indem ebenso Mitarbeiter*innen des Stadteilbüros oder des Quartiersmanagements eingeladen oder auch als Mitglied für die Jury angefragt werden. Zu bekannten Institutionen kann Kontakt aufgebaut und Hemmschwellen abgebaut werden. Die unternehmerische Aktion wird in Absprache mit der Schulleitung an einem Schultag durchgeführt. In der Regel wird eine Umsetzung innerhalb der Schule, des Schulgeländes gewünscht. Die Schule ist offen, alle Interessierte können kommen, die Eltern erhalten einen Elternbrief mit Beschreibung des Projekts und Einladung zur Umsetzung und Preisverleihung. Alle Schüler*innen erhalten zum Abschluss ein Zertifikat und einen Teilnahmepreis, die Gewinner*innengruppe einen Geldpreis als Startkapital. Damit behält das Projekt weiter seinen außerschulischen Rahmen, eine Anerkennung erfolgt nicht durch Benotung, sondern durch individuelle und öffentliche Rückmeldung durch die Jury und durch Kleinigkeiten, die über Spenden meist einen Stadtteilbezug haben: Gutschein für die Eisdiele, das Schwimmbad oder Kino.

Fachbegriffe, Stichwörter

Planung, Absprachen, Arbeitsaufteilung, Präsentation

Erweiterung, Anmerkung

Geschäftsplan für die Präsentation ausarbeiten.

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228

Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

Tabelle 14: Übersicht Modul 12: Realisieren Modul 12: Realisieren Ziel

Eigenständige Umsetzung der Geschäftsidee

Inhalt

Verkauf der Produkte oder der Dienstleistung

Methoden

Gruppenarbeit, Wettbewerb, Preisverleihung

Verknüpfungen

Schulprojekte

Materialien

Je nach Gruppe unterschiedlich, für alle: einen Verkaufs- oder Präsentationsort, Zertifikate für jede*n Schüler*in, Teilnahmepreise, Gewinnerpreis

Beschreibung:

Jede Gruppe gestaltet ihren Verkaufsstand oder Präsentationsort, der bis zur festgelegten Zeit der Eröffnung fertiggestellt werden muss. Dazu gehören neben den präsentierten Produkten, die Gestaltung des Stands, die Präsentation der Preisliste, die passende »Berufskleidung« für die Schüler*innen, bei Bedarf Beachtung von Hygienevorschriften, eine Kasse mit Wechselgeld. Zu einem vereinbarten Zeitpunkt ist der Verkauf für alle Kund*innen geöffnet. Diese sind insbesondere Eltern, Schüler*innen, Lehrer*innen und andere Besucher*innen. Die Organisation, wie andere Schüler*innen sich die Aktion anschauen und auch etwas konsumieren können, muss im Vorfeld mit den Lehrkräften und der Schulleitung besprochen werden. Dazu gehört auch die Klärung der für den Ablauf und der Schule relevanten Fragen, beispielsweise wie alle Eltern informiert werden können oder wie viel Geld die Schüler*innen ausgeben dürfen. Parallel dazu bewertet die Jury die einzelnen Schüler*innenfirmengruppen. Sie redet und befragt diese, beobachtet ihre Aktion und bewertet nach gemeinsamen Leitfragen die Durchführung. Sie bespricht sich im Anschluss und entscheidet sich für eine Gruppe als Gewinnerin. Darüber hinaus übernimmt jedes Jurymitglied die Rückmeldung für eine Schüler*innenfirma, sammelt mit den anderen positive Aspekte und verweist auf jene, die verbessert werden könnten. Grundsätzlich geht es um ein Feedback, welches die positiven Anteile benennt und hervorhebt. In der öffentlichen Preisverleihung werden inhaltliche Aspekte und der Ablauf des Projekts vorgestellt und im Anschluss die einzelnen Schüler*innenfirmen. Sie erhalten daraufhin die Rückmeldungen der Jurymitglieder, die Zertifikate, Teilnahmepreise und die Gewinner*innen einen Geldpreis als Startkapital. Damit ist die unternehmerische Aktion beendet. Die Schüler*innen sind sowohl für den Aufbau als auch für den Abbau ihrer Verkaufs- und Präsentationsstände verantwortlich.

Fachbegriffe, Stichwörter

Präsentation, Kommunikation, Verkauf, Bewertung, Anerkennung, Rückmeldung

Erweiterung, Anmerkung

In höheren Klassenstufen können Kontakte zu Jurymitgliedern wieder aufgenommen werden hinsichtlich Berufserkundung, Praktikum oder ähnliches.

3. Das Projekt »kleinUnternehmen«: Ein ganzheitlich orientiertes Konzept

Tabelle 15: Übersicht Modul 13: Bilanzieren und Reflektieren Modul 13: Bilanzieren und Reflektieren Ziel

Bilanzierung, Projektauswertung, Feedback

Inhalt

Bilanzierung der Aktion: Einnahmen-Ausgaben, Rückmeldung zum Ablauf

Methoden

Auswertungsgespräch, Feedbackrunde, Blitzlicht, Fragebogen

Verknüpfungen

Schulprojekte

Materialien

Arbeitsblätter

Beschreibung:

Jede Gruppe macht zunächst einen Kassensturz und zählt die Einnahmen und der Gewinn wird berechnet.7 Die Aufteilung des Geldes erfolgt nach vorheriger Absprache; der Kredit wird zurückgezahlt. Die Feedbackrunde zeigt, wie das Projekt aus Sicht der Schüler*innen verlaufen ist: Was war gut, was ist nicht gut gelaufen, wie war die Zusammenarbeit, was sollte verändert werden Zum Abschluss ein Blitzlicht: Was war das Beste am Projekt?

Fachbegriffe, Stichwörter

Gewinn, Verlust, Rückzahlung, Auswertung, Fortführung, Positive Rückmeldung

Erweiterung, Anmerkung

Sind Ideen ausgedacht und erprobt und haben die Schüler*innen erlebt, was es bedeutet eine Geschäftsidee umzusetzen, ist das eine gute Grundlegung, um eine längerfristige Schüler*innenfirma zu starten. Daei kann überlegt werden: Welche Geschäftsideen haben sich besonders bewährt? Welche Idee könnte genauso übernommen werden? Welche Idee könnte in veränderter Form übernommen werden? Wer beteiligt sich? Welche Lehrkräfte können das Projekt begleiten? Kann die Schulsozialarbeit das Projekt begleiten? Ist die Entscheidung gefallen, können die Module zur Vertiefung übernommen und weiter bearbeitet werden, so dass am Ende ein ausführlicher Geschäftsplan die Umsetzung ermöglichen kann.

229

230

Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

3.2

Forschungsdesign

Bevor die Stichproben, Standorte und die Forschungsmethoden beschrieben werden, soll kurz das Zustandekommen der Kooperationen mit den Schulen skizziert werden. Der Trägerverein informiert über seine Angebote und spricht gezielt Schulen an. Auch das Projekt »kleinUnternehmen« wurde verschiedenen Grundschulen in persönlichen Geprächen angeboten. Eine Zusammenarbeit mit der Grundschule in Mannheim war von beiden Seiten von großem Interesse, denn der Träger und die Schule befanden sich in unmittelbarer Nachbarschaft des Quartiers. Der Kontakt zur Grundschule in Weinheim entstand durch persönliche Kontaktaufnahme. Beide Schulen interessierten sich und erklärten sich bereit, die Evaluierung zu unterstützen. In einem Zeitraum von knapp zwei Jahren wurden insgesamt sechs Projekte durchgeführt, jeweils drei an jeder Schule. Diese Projekte sind Grundlage für das vorliegende Forschungsergebnis. Ob Schulen grundsätzlich offen für Angebote freier Träger sind, ist sehr unterschiedlich und auch stark von der Bereitschaft der Schulleitungen abhängig. Einige Schulen hatten Bedenken wegen des Inhalts, von dem befürchtet wurde, er sei nicht für Grundschüler*innen geeignet. Bedenken gab es auch hinsichtlich der zeitlichen Integration des Projekts in den Schulalltag. Nachdem das Interesse der Rektorinnen der teilnehmenden Grundschulen bekundet war, wurde das Projekt in einem persönlichen Gespräch sowohl den Rektorinnen und den in Frage kommenden Klassenlehrer*innen vorgestellt. Diese konnten dann entscheiden, ob sie mit ihrer Klasse teilnehmen möchten. Auch bei den Lehrkräften war die Offenheit groß, sich auf dieses Projekt einzulassen. Die Gründe waren: ein grundsätzliches Interesse an beruflichen und wirtschaftlichen Themen, das Interesse sich auf eine handlungsorientierte und selbstbestimmte Methode einzulassen, die Möglichkeit inhaltlich an eigene unterrichtliche Ansätze anzuschließen und diese zu erweitern, wie auch die inhaltliche und zeitliche Passung des Projekts im Rahmen schulischer Projektwochen. Und grundsätzlich bestand die Neugier, das Konzept Schüler*innenfirma/Schüler*innenwettbewerb kennenzulernen.8

3.2.1

Standorte der durchführenden Einrichtungen

Die Grundschulen liegen in der Metropolregion Rhein-Neckar, in zwei sehr unterschiedlichen Städten Baden-Württembergs. Der erste Standort Mannheim ist eine Universitäts- aber auch Arbeiter*innenstadt und mit über 300.000 Einwohner*innen die größte Stadt des Rhein-Neckar-Kreises. Der zweite Standort Weinheim mit rund 45.000 Einwohner*innen ist deutlich kleiner. Die Unterschiedlichkeit der Städte spiegelt sich an beiden Grundschulen wieder, weshalb die Standorte in der Auswertung auch getrennt betrachtet werden.

8

Es gibt auch besondere Anliegen: Auf Wunsch der Schüler*innen suchte eine Klasse nach Möglichkeiten, Geld für die Flüchtlingshilfe zu spenden.

3. Das Projekt »kleinUnternehmen«: Ein ganzheitlich orientiertes Konzept

Grundschule Mannheim Die Schule in Mannheim befindet sich in einem Innenstadtteil mit hohem Migrationsanteil, hoher Kinderarmut und einer hohen Arbeitslosenquote. Die Schule ist eine Ganztagsschule. Der Stadtteil hat ca. 21.000 Einwohner*innen. Rund 67 Prozent von ihnen haben einen Migrationshintergrund, 10 Prozent sind Ausländer*innen. Insgesamt leben hier ca. 160 Nationen zusammen. Entsprechend liegt der Anteil der Schüler*innen mit einem Migrationshintergrund an dieser Grundschule bei ungefähr 90 Prozent. Der Stadtteil ist jung, das durchschnittliche Alter liegt bei 37,5 Jahren. Die Haushalte mit Kindern liegen bei ca. 16 Prozent, davon sind ca. 12 Prozent Alleinerziehende (vgl. Stadt Mannheim, Kommunale Statistikstelle (Hg.) 2016). Im Zuge der europäischen Öffnung kamen in den letzten Jahren viele Familien aus Osteuropa, vornehmlich aus Rumänien und Bulgarien, die kein Deutsch sprechen. Aufgrund niedriger Mieten ziehen viele von ihnen in diesen Stadtteil. Es ist auch deshalb ein Stadtteil mit einem hohen Bevölkerungswachstum, bei gleichzeitig hoher Fluktuation. Hier leben vergleichsweise viele Menschen ohne Erwerbstätigkeit und mit einem Bedarf an sozialer Hilfe. Die Bildungs- und Teilhabebenachteiligung sind hier bei jungen Menschen besonders hoch. (vgl. »Neckarstadt-West, Gut zu wissen« Stadt Mannheim (Hg.)). Die Grundschule reagiert mit vielen unterschiedlichen Projekten. Sie hat eine Vorbereitungsklasse für Kinder, die kein Deutsch sprechen (vgl. Deininger 2014). Sie wurde im Jahr 2015 mit dem erstmals verliehenen Preis Demokratische Schule bedacht (http s://www.demokratieerleben.de/derpreis) und vernetzt sich über verschiedene Projekte mit dem Stadtteil. Dazu zählt auch das Projekt »kleinUnternehmen«, dessen Träger sich in unmittelbarer Nähe zur Schule befand. Grundschule Weinheim Die Grundschule Weinheim ist eine Halbtagsschule mit einem Hortangebot. Die Schule in der Kreisstadt Weinheim liegt in einem gänzlich anders strukturierten Stadtteil. Sie befindet sich in einem bürgerlichen Stadtviertel mit einem geringen Migrationsanteil, kaum Kinderarmut und Arbeitslosigkeit. Insgesamt leben mit allen eingemeindeten Ortschaften rund 45.000 Einwohner*innen in Weinheim, in der Stadt selbst sind es knapp 31.000 Menschen. Der Anteil der Ausländer*innen liegt bei 14,7 Prozent. Auch hier trägt die Flüchtlingszuweisung zu einem Anstieg des Ausländeranteils bei. Die Grundschule liegt in einem bürgerlichen Stadtviertel, die wenigsten Schüler*innen haben einen Migrationshintergrund, die Arbeitslosenquote liegt in Weinheim bei 3,3 Prozent und damit unter dem Bundesdurchschnitt, die Kaufkraft bei über 24.000 Euro).9

3.2.2

Stichprobe: Teilnehmer*innen, Ablauf und Projektideen

An diesen Schulen wurden insgesamt sechs Projekte mit insgesamt 128 Schüler*innen (64 Jungen, 64 Mädchen), an zwei Standorten (62 Mannheim, 66 Weinheim) durchgeführt und evaluiert. An den Standorten wurden jeweils drei Projekte mit Schüler*in9

https://www.weinheim.de/,Lde/Startseite/Stadtthemen/daten+_+zahlen+_+fakten.html, Statistisches Landesamt Baden-Württemberg: »Die Region im Blick. Rhein-Neckar. Regionen und Kommunen im Vergleich« 2016.

231

232

Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

nen der dritten und vierten Klasse durchgeführt. Die Altersspanne verläuft von 8 bis 11 Jahren, die Anzahl von Jungen und Mädchen, wie auch die Anzahl der Kinder an den jeweiligen Schulen sind fast die gleichen. Unterschiedlich ist die Verteilung des Alters der Mädchen: Die Mädchen an der Mannheimer Schule sind insgesamt jünger als jene in Weinheim. Das Projekt wurde immer mit einer gesamten Klasse durchgeführt, teilweise mit zwei parallel laufenden Klassen. Diese Klassen haben im Vorfeld Interesse an einer Teilnahme bekundet. Einzige Ausnahme bildet eine Projektgruppe der Mannheimer Schule. Dort wurde ein Durchlauf im Rahmen einer Projektwoche für alle Schüler*innen der dritten und vierten Klassen ausgeschrieben und von Schüler*innen klassenübergreifend gewählt. Die zeitliche Einteilung erfolgte je nach Möglichkeiten der Schule und der Einbindung in den schulischen Ablauf. So wurde das Projekt innerhalb von Projektwochen, über mehrere Wochen hinweg an bestimmten Tagen der Woche durchgeführt oder konzentriert, an ganzen Tagen in weniger Wochen. Der Überblick zeigt die Verteilung der Teilnehmer*innen auf die beiden Schulen. Beispielhaft waren Projektideen in Mannheim: »SuSiÖmBastelfreunde« (unterschiedliche selbst gebastelte Dingen), »Super-Shakes« (Milchshakes), »Fußballfreunde« (Toreschießen). In Weinheim waren es: »Rund ums Tier« (Tierspielzeug), »Die fünf Witzigen« (selbstgeschriebene Witzebücher), »Der exotische Süßwarenverkauf« (selbst hergestellte Süßigkeiten). Tabelle 16: Projektübersicht Projekt

Schule

Schüler*innen insgesamt

Mädchen

Jungen

Zeitraum

Anzahl Ideen

1

Weinheim

19

10

9

März bis April 2017

5

2

Mannheim

21

11

10

Mai bis Juni 2016

5

3

Mannheim

15

7

8

September bis Oktober 2016

4

4

Mannheim

26

12

14

Januar bis Februar 2016

7

5

Weinheim

23

13

10

November bis Dezember 2016

6

6

Weinheim

24

11

13

Mai bis Juni 2017

6

Zusammenfassende Übersicht zu den erklärenden Variablen Standort: Die Grundschulen befinden sich in sehr unterschiedlichen Standorten, die mehrere Unterschiede unter anderem in folgenden Bereichen aufweisen, um hier nochmals die auffälligsten aufzugreifen: Der berufliche Hintergrund der Eltern, die soziale Absicherung, die soziale und kulturelle Herkunft und die Infrastruktur des Stadtviertels. Geschlecht: Insgesamt gesehen ist der Anteil der Jungen und Mädchen an beiden Standorte in etwa gleich groß, sowohl in Bezug auf die gesamte Anzahl, als auch bezogen auf den jeweiligen Standort.

3. Das Projekt »kleinUnternehmen«: Ein ganzheitlich orientiertes Konzept

Alter: Das Alter der teilnehmenden Schüler*innen liegt zwischen 8 bis 11 Jahren. Für die Auswertung werden zwei Altersgruppen unterschieden: Kinder von 8 bis 9 Jahren und Kinder von 10 bis 11 Jahren. Ist die Altersverteilung bei den Jungen an beiden Schulen in etwa gleich, zeigt sie bei den Mädchen genau gegenteilig verteilt: In Mannheim sind die jüngeren Mädchen verstärkt vertreten, in Weinheim die älteren. Und umgekehrt. Die Anzahl der Jungen, die über 10 Jahre und älter sind, sind an beiden Schulen leicht höher, als die 9 Jahre und jünger sind. Für die Auswertung wurde die Altersspannbreite zusammengefasst in jüngere Schüler*innen, die zum Zeitpunkt des Messpunkts 8 oder 9 Jahre alt waren und ältere Schüler*innen die zu diesem Zeitpunkt 10 oder 11 Jahre alt waren. Hatten die Schüler*innen in der Zeit des Projekts Geburtstag und deshalb im zweiten Fragebogen eine andere Altersangabe, wurden sie den älteren Kindern zugeordnet. Abbildung 2: Soziodemographie: Standort, Geschlecht, Alter recodiert. Auffälligkeit der Variablen: Alter von Jungen und Mädchen

Die Abbildung macht deutlich, dass eine Differenzierung der Auswertung hinsichtlich Geschlecht, Alter und Standort interessant sein kann. Das Alter der Mädchen ist an den Standorten im umgekehrten Verhältnis vertreten, das Alter der Jungen ist in etwa gleich verteilt. Obwohl das Projekt an beiden Schulen mit etwa gleichen Klassenstufen durchgeführt wurde, ist auffällig, dass die Schülerinnen in Weinheim insgesamt älter sind.

3.2.3

Methodisches Vorgehen

Grundsätzlich sollen über passende Methoden die gemachten Erfahrungen, wie sie sich in den Hypothesen widerspiegeln, überprüft werden. Mehrere Herausforderun-

233

234

Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

gen müssen bei der Entwicklung der Erhebungsmethoden zur Auswertung des Projekts »kleinUnternehmen« bedacht werden, insbesondere folgende: • • •

Das Projekt ist zeitlich begrenzt, so dass die Überprüfung einer nachhaltigen Wirkung nicht Gegenstand der Fragestellung sein kann. Die Zielgruppe ist jung, die Methodenwahl muss entsprechend ausgewählt werden. Es sollen möglichst alle Kinder, die an den Projekten teilnehmen befragt werden, denn jede Aussage ist wichtig und soll berücksichtigt werden können.

Um diese Aspekte berücksichtigen zu können, fiel die Entscheidung auf eine empirische Datenerhebung mittels Fragebogen, der quantitative wie qualitative Fragen beinhaltet. Die quantitativen Fragen unterscheiden sich grundlegend von den qualitativen. Quantitative Fragestellungen basieren auf »Zahlen und beobachtete, geschriebene, angekreuzte voneinander abgegrenzte (distinktive) Kategorien, die mittels Operationalisierung in numerische Werte umgewandelt werden« und die qualitative auf »Wörter, d.h. verbalisierte (gesprochene, geschriebene) bzw. verbalisierte Daten« (Hammerschmidt/Janßsen/Sagebiel 2019: 22). Dadurch unterscheiden sich auch die Auswertungsmethoden, die quantitativ durch statistische Auswertungsverfahren und qualitativ durch Textanalysen und Textinterpretationen erfolgen (ebd.). Diesem Überblick folgend wird mit beiden Ansätzen das Ziel verfolgt, soziale Wirklichkeit über quantitative Methoden zu erklären und über qualitative Methoden zu verstehen. Doch diese Forschungsparadigmen sind nicht mehr ausschließlich auf eine der beiden Methoden beschränkt. Eine Kombination beider Befragungsmethoden ist »sinnvoll vorstellbar, wenn die jeweiligen Vorteile und Stärken miteinander verknüpft sind« (ebd.: 19). So werden die genannten Hypothesen durch den hier angewendeten Fragebogen sowohl durch qualitative als auch quantitative Fragestellungen überprüft. Quantitative und qualitative Erhebung: Der Fragebogen Die Entwicklung eines geeigneten Forschungsdesigns stellte neben den zu berücksichtigen Aspekten weitere grundlegende Herausforderungen: Bezüglich der Kompetenzentwicklung stellte sich die Frage, wie diese bei Schüler*innen gemessen werden kann. Es sollte keine Fremdeinschätzung durch die Lehrkräfte stattfinden, um eine Verfälschung durch deren Blick zu vermeiden. Ebenso sollte keine Beurteilung nach Noten oder eine Art Wissenstest erfolgen, der beispielsweise ökonomisches Wissen abfragen würde. Gegen dieses methodische Vorgehen sprachen insbesondere die zeitliche Dauer des Projekts, die unterschiedlichen Schul- und Projektgruppen und damit einhergehend unterschiedliche Wissensstände der Schüler*innen. Zudem hätte im Vorfeld eine inhaltsorientierte Operationalisierung der Kompetenzbereiche stattfinden müssen und die individuellen Entwicklungen, der Blick der Kinder, hätte keinen Niederschlag finden können. All diese Methoden hätten der Intention dieser Arbeit widersprochen. Zudem geht es nicht vorrangig um eine inhaltliche Vermittlung ökonomischen Wissens, sondern mehr um die Entwicklung eines ökonomischen Grundverständnisses, welches an die Erfahrungen der einzelnen Schüler*innen anschließen kann. Die ökonomischen Inhalte können dann die Grundlage dafür sein, Selbstwirksamkeit, soziale und perso-

3. Das Projekt »kleinUnternehmen«: Ein ganzheitlich orientiertes Konzept

nale Kompetenzen zu stärken. Es galt deshalb vielmehr eine Methode zu finden, mit der Schüler*innen sich selbst einschätzen konnten. Die Annäherung an diese Zielsetzung, der Beantwortung der Frage also, wie und ob Steigerungen der Selbstwirksamkeitserwartung und der Kompetenzen durch die Teilnahme erreicht wurden, konnte nur durch eine Selbsteinschätzung der Schüler*innen selbst erfolgen. Sie sollten über einen Fragebogen Rückmeldungen, Einschätzungen und Antworten über sich, das Projekt und ihre Kompetenzen geben. Der Ansatz dieser Arbeit, Kindern Selbstbestimmung zu übertragen, kommt durch diesen Forschungsansatz zum Tragen. Bezüglich der Entwicklung der Selbstwirksamkeitserwartung konnte auf einen Fragebogen zur Erhebung der Selbstwirksamkeit zurückgegriffen werden, der a) für diese Zielgruppe modifiziert werden konnte und b) zur Feststellung einer Entwicklung der Selbstwirksamkeit vor und nach dem Projekt erhoben werden musste. Die Frage, ob und wie sich ihre Selbstwirksamkeitserwartung entwickelt hat, wurde durch eine qualitative und quantitative Erhebung erhoben. Zu Beginn und zum Abschluss des Projekts beantworteten die Kinder einen Fragebogen, mit gleichen Fragen zur Selbstwirksamkeitserwartung. Zum Abschluss wurde der Fragebogen ergänzt um Fragen zur allgemeinen Projektrückmeldung sowie um qualitative wie quantitative Fragen bezüglich der Entwicklung verschiedener Kompetenzen. Nicht zu vernachlässigen bei der Entscheidung für diese Erhebungsmethode war die Machbarkeit der Umsetzung: Zum einen konnten über einen Fragebogen alle Schüler*innen erreicht werden, was durch Interviews nicht möglich gewesen wäre. Die Anonymität des Fragebogens ermöglichte den Schüler*innen eine offene, unbeeinflusste und ehrliche Antwort. Zum anderen war es zeitlich möglich, alle Themenbereiche abzufragen. Operationalisierung Selbstwirksamkeitsmessung Im quantitativen Teil des Fragebogens, wurde durch standardisierte und auf die Zielgruppe hin modifizierte Fragen ein Vorher-Nachher-Vergleich erhoben, um die Entwicklung der Selbstwirksamkeitserwartung zu messen. Die Kinder wurden dafür vor und nach dem Projekt gebeten, gleiche Fragen zu beantworten. Zur Messung der Selbstwirksamkeit entwickelten Schwarzer und Jerusalem einen Fragebogen für Jugendliche ab 12 Jahren und Erwachsene. Diesen bieten sie ausdrücklich zur Nutzung an (vgl. www.selbstwirksam.de). Die Fragen, mit denen die Selbstwirksamkeit gemessen wird, rekurrieren auf jene Aspekte, die Selbstwirksamkeit ausmachen, die wahrgenommen werden können und sie erleichtern: Dazu gehören die Setzung von Zielen, die Bereitschaft, Anstrengungen auf sich zu nehmen, auch bei Schwierigkeiten beharrlich zu bleiben und sich von Rückschlägen zu erholen. Der Fragebogen von Schwarzer/Jerusalem enthält 10 Items, die durch verschiedene Fragestellungen die Aspekte der Selbstwirksamkeit erfassen. Für Grundschüler*innen ist die Formulierung dieser Fragen sehr abstrakt und zu umfangreich. Deshalb wurden die Fragestellungen vereinfacht und im Umfang reduziert. Die Inhalte, die die einzelnen Aspekte der Selbstwirksamkeit erfassen sollen, blieben erhalten und wurden mit je einer Frage abgefragt. Am Ende standen 5 Items aus dem Bereich der allgemeinen Selbstwirksamkeitserwartung, die weder auf die schu-

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

lische10 noch auf spezifisch persönliche Selbstwirksamkeit bezogen sind. Die Kinder waren aufgefordert, die Fragen vierstufig auf einer Skala von 1 bis 4 (von »stimmt überhaupt nicht« bis »stimmt ganz genau«) zu beantworten, wie z.B. »Wenn ich Probleme habe, kann ich sie lösen«. Darüber hinaus wurde die Befragung zur Selbstwirksamkeit durch zwei offene Fragen ergänzt, um den Kindern die Möglichkeit zu geben, eigene Antworten zu formulieren. Sie sollten Raum erhalten, über sich das zu schreiben, was ihnen selbst wichtig ist. Diese qualitativen Fragen zielen darauf ab, die Imagination der Kinder in Erfahrung zu bringen, indem sie sich ohne Vorgaben äußern können. Die Fragen lauteten: »Das fällt mir ein, wenn ich an mich denke« und »Ich bin stolz auf mich, weil…«. Die Formulierung der Items blieben bei beiden Messzeitpunkten die gleichen. Diese lagen immer jeweils direkt vor Projektbeginn, also am ersten Tag, an dem mit den Kindern gearbeitet wurde und genau nach Projektende, also am letzten Tag oder spätestens am darauf folgenden Unterrichtstag. Der Vergleich der Antworten beider Messzeitpunkte zeigt, ob und wie sich die Selbstwirksamkeitserwartung geändert hat. Eine Gegenüberstellung dieser Ergebnisse mit den qualitativen Fragen, kann inhaltliche Hintergründe liefern. Operationalisierung Kompetenzmessung Der zweite Teil des Fragebogens wurde nur am Projektende erfragt und dem ersten Teil angehängt. Die Schüler*innen wurden nach den Fragen zur Selbstwirksamkeit zum Projektverlauf (allgemeine Rückmeldung/Projektauswertung), zum Verhältnis zur Gruppe (soziale Kompetenz), zum eigenen Engagement und Kreativität (personale Kompetenz) und zu den Inhalten (ökonomische Kompetenz) befragt. Die Fragen sind in der Regel in Verbindung zum Projektverlauf formuliert worden, so dass die Beantwortung der Fragen konkret vorstellbar und damit beantwortbar sein sollten. Zugleich sollen die Fragen für die Auswertung der Methode Schüler*innenfirma an sich nutzbar sein. Die Aufteilung der Fragen kennzeichnet die Erhebung zur allgemeinen Auswertung und zu den Kompetenzbereichen. Als Einstiegsfragen dienten quantitative, die den Kindern das Antworten erleichtern sollten, da sie sich nur für eine Antwort entscheiden und ankreuzen mussten. Durch die Beschäftigung mit dieser Frage, haben sie einen Einstieg in das Thema vollzogen. Die Zustimmung zu einer oder mehreren geschlossenen Fragen oder Aussagen wurde auf einer Skala von 1 bis 4 (»stimmt überhaupt nicht« bis »stimmt voll und ganz«) erhoben. Daran anschließend erfolgten offene Fragen, bei denen die Antworten frei ausgeführt werden konnten (wie beispielsweise: Was hast Du alles gelernt?). Die offenen Fragen sind in der Auswertung im Zusammenhang mit den geschlossenen zu sehen und können sowohl die Richtigkeit der vorherig getroffenen Aussagen stützen sowie inhaltlich untermauern. Die Gedanken der Kinder konnten darüber zum Ausdruck kommen.

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Vgl. Kolbe/Jerusalem 1998.

3. Das Projekt »kleinUnternehmen«: Ein ganzheitlich orientiertes Konzept

Qualitative Auswertung Grundsätzlich wurde bei der qualitativen Auswertung der Mittelwert berechnet. Die Mittelwerte der einzelnen Skalen sind auf den folgenden einzelnen Tabellen dargestellt. Die Ordinalskala gibt eine Rangfolge wieder, die die Befragten in der Antwort zum Ausdruck bringen. Dabei müssen sie sich für eine Antwort entscheiden, da sich einander ausschließende Kategorien als Antwortmöglichkeit vorgegeben sind und eine Rangordnung abbilden. Die Beschreibung der Ausprägungen erfolgt nach jeder Tabelle, je nach Fragestellung auch im Zusammenhang mit der qualitativen Frage. Alle Fragen zur Selbstwirksamkeitserwartung bilden zusammen einen additiven Index, den Selbstwirksamkeitsindex. Da jedoch Unterschiede der Variablen feststellbar waren, wurde der Selbstwirksamkeitsindex exemplarisch auch in seinen Einzelwerten dargestellt. Grundsätzlich ist der Mittelwert im Gegensatz zum Median anfälliger für Abweichungen. Da die Skalen geschlossen sind (Min = 1, Max = 4), ist der Einfluss von Extremwerten vernachlässigbar. Zudem wird der Median nur ganzzahlig (1,2,3,4 bzw. bei Ties 1.3, 2.5, 3.5) ausgewiesen, so dass Interpretationen von Veränderungen unmöglich gemacht werden. Der Mittelwert erscheint daher als geeignete Maßzahl, um die Einschätzungen besser interpretieren zu können (vgl. Niemann 2019: 50f.). Qualitative Inhaltsanalyse Die qualitative Inhaltsanalyse dient als methodische Grundlage, um die Antworten der Kinder zu systematisieren. Eine Inhaltsanalyse hat zum Ziel, Material, dass aus irgendeiner Form von Kommunikation stammt, zu analysieren. Aber die Inhaltsanalyse kann darüber hinaus auch weitere Inhalte als jene von Kommunikation analysieren, wie Texte, Berichte und anderes, was abhängig von den jeweiligen Arbeitsgebieten ist. Das systematische und am Ende nachvollziehbare Vorgehen dieser Methode, um die Aussagen innerhalb des Fragebogens zu analysieren, spricht für selbige. Sie grenzt sich damit von vielen hermeneutischen Analysen ab (vgl. Mayring 2015: 11f.). Zudem spricht für diese Methode auch die Möglichkeit der Kombination mit dem quantitativen Teil des Fragebogens, so dass auch Häufigkeiten von Aussagen in beiden Antwortteilen und die Stimmigkeit in deren Kombination berücksichtigt werden können. Allerdings wird es in dem hier vorliegenden Kontext nur um eine Anlehnung an die Methode gehen können, denn das Ausgangsmaterial ist überschaubar, die Antworten der 8 bis 11jährigen Schüler*innen sind knapp gehalten. Das bedeutet, dass eine umfängliche Textanalyse, die eine Kodierung notwendig macht oder verschiedene Interpretationsmöglichkeiten zulässt, nicht in der Ausführlichkeit durchführbar ist. Auch die Schritte der Paraphrasierung oder Reduzierung des Materials ist nicht notwendig. Hier soll die Aufgabe erfolgen, Hypothesen zu bilden und quantitative Ergebnisse zu überprüfen, entsprechend der qualitativen Forschungsmethodik (vgl. ebd.: 22f.). Die Grundsätze der qualitativen Inhaltsanalyse sind die »wissenschaftliche Orientierung am Alltag«, die »Übernahme der Perspektive des anderen« und das Wissen darum, dass eine Interpretation »prinzipiell unabgeschlossen« ist (Mayring 2015: 38, 49). Die qualitativen Fragen, die im Sinne der qualitativen Forschung, die quantitative Befragung überprüfen sollen, werden in Anlehnung der inhaltsanalytischen Technik zu-

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

nächst kategorisiert, indem die Kategorien definiert werden. Ankerbeispiele verdeutlichen die Inhalte der Kategorie; Kodierregeln fallen weg (vgl. ebd.: 97). Mayring und Gahleitner formulieren in einer späteren Abhandlung, dass der Begriff der »kategoriengeleitete(n) Textanalyse« treffender sei. Denn Kern der qualitativen Inhaltsanalyse ist das Bilden von Kategorien, die sowohl induktiv, also aus dem Text heraus oder deduktiv an den Text herangetragen werden (Mayring/Gahleitner 2010: 295). Die folgende Auswertung ist entsprechend aufgebaut: Im Vorfeld wurden auf deduktive Weise Fragen entwickelt, welche die daraus folgenden Hypothesen bilden. Daran anschließend werden auf Grundlage der gegebenen Antworten induktiv Kategorien gebildet, die die weitere Auswertung ergänzen und bestimmen.

3.3

Empirische Auswertung des Projekts »kleinUnternehmen«

Die Auswertung der Fragen zur Ermittlung der Selbstwirksamkeitsentwicklung erfolgt getrennt nach den Variablen Alter, Geschlecht und Standort. Dadurch ergibt sich zwar jeweils eine geringere Fallzahl, aber die Unterschiede, die auszumachen sind, sollen mit berücksichtigt werden. Die Altersverteilung der Schüler*innen an den Standorten ist unterschiedlich, so dass eine gemeinsame Auswertung diese Unterschiede vernachlässigen und das Ergebnis möglicherweise verfälschen würde. Interessant ist eine getrennte Auswertung auch, weil die Standorte der Schulen sehr unterschiedlich sind und sich grundsätzlich unterscheiden. Die Auswertung soll zu Aussagen führen, die verdeutlichen, ob und wie die Entwicklung der Selbstwirksamkeitserwartung und die Kompetenzentwicklung zu beurteilen sind: Sind Veränderungen erkennbar und sind Effekte bezüglich der Variablen Alter, Geschlecht und Standort feststellbar? Dieser Auswertung liegt die beschriebene Stichprobe von 128 Kindern zu Grunde, die es nicht erlaubt, Aussagen zu verallgemeinern. Sie zeigt insgesamt, dass die Ergebnisse keine extremen Veränderungen aufweisen, so dass grundsätzlich von Tendenzen gesprochen werden kann. Diese leichten Veränderungen bedeuten aber auch, dass der Fragebogen tatsächlich verstanden und deshalb relativ stabil beantwortet wurde. Zunächst folgen die auffälligen Ergebnisse der einzelnen Fragen zur Selbstwirksamkeitserwartung. Im Anschluss daran wird der Selbstwirksamkeitsindex, das Gesamtergebnis aus allen Fragen, diesem Ergebnis entgegengesetzt. Nach der Darstellung der Selbstwirksamkeitserwartung folgen die Fragen zur generellen Projektbewertung und die Fragen zu den unterschiedlichen Kompetenzbereichen. Da diese eng mit der eigenen Selbstwirksamkeitserwartung zusammenhängen werden Verbindungen zu den Ergebnissen der Antworten der Selbstwirksamkeitserwartung herausgearbeitet und interpretiert.

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

nächst kategorisiert, indem die Kategorien definiert werden. Ankerbeispiele verdeutlichen die Inhalte der Kategorie; Kodierregeln fallen weg (vgl. ebd.: 97). Mayring und Gahleitner formulieren in einer späteren Abhandlung, dass der Begriff der »kategoriengeleitete(n) Textanalyse« treffender sei. Denn Kern der qualitativen Inhaltsanalyse ist das Bilden von Kategorien, die sowohl induktiv, also aus dem Text heraus oder deduktiv an den Text herangetragen werden (Mayring/Gahleitner 2010: 295). Die folgende Auswertung ist entsprechend aufgebaut: Im Vorfeld wurden auf deduktive Weise Fragen entwickelt, welche die daraus folgenden Hypothesen bilden. Daran anschließend werden auf Grundlage der gegebenen Antworten induktiv Kategorien gebildet, die die weitere Auswertung ergänzen und bestimmen.

3.3

Empirische Auswertung des Projekts »kleinUnternehmen«

Die Auswertung der Fragen zur Ermittlung der Selbstwirksamkeitsentwicklung erfolgt getrennt nach den Variablen Alter, Geschlecht und Standort. Dadurch ergibt sich zwar jeweils eine geringere Fallzahl, aber die Unterschiede, die auszumachen sind, sollen mit berücksichtigt werden. Die Altersverteilung der Schüler*innen an den Standorten ist unterschiedlich, so dass eine gemeinsame Auswertung diese Unterschiede vernachlässigen und das Ergebnis möglicherweise verfälschen würde. Interessant ist eine getrennte Auswertung auch, weil die Standorte der Schulen sehr unterschiedlich sind und sich grundsätzlich unterscheiden. Die Auswertung soll zu Aussagen führen, die verdeutlichen, ob und wie die Entwicklung der Selbstwirksamkeitserwartung und die Kompetenzentwicklung zu beurteilen sind: Sind Veränderungen erkennbar und sind Effekte bezüglich der Variablen Alter, Geschlecht und Standort feststellbar? Dieser Auswertung liegt die beschriebene Stichprobe von 128 Kindern zu Grunde, die es nicht erlaubt, Aussagen zu verallgemeinern. Sie zeigt insgesamt, dass die Ergebnisse keine extremen Veränderungen aufweisen, so dass grundsätzlich von Tendenzen gesprochen werden kann. Diese leichten Veränderungen bedeuten aber auch, dass der Fragebogen tatsächlich verstanden und deshalb relativ stabil beantwortet wurde. Zunächst folgen die auffälligen Ergebnisse der einzelnen Fragen zur Selbstwirksamkeitserwartung. Im Anschluss daran wird der Selbstwirksamkeitsindex, das Gesamtergebnis aus allen Fragen, diesem Ergebnis entgegengesetzt. Nach der Darstellung der Selbstwirksamkeitserwartung folgen die Fragen zur generellen Projektbewertung und die Fragen zu den unterschiedlichen Kompetenzbereichen. Da diese eng mit der eigenen Selbstwirksamkeitserwartung zusammenhängen werden Verbindungen zu den Ergebnissen der Antworten der Selbstwirksamkeitserwartung herausgearbeitet und interpretiert.

3. Das Projekt »kleinUnternehmen«: Ein ganzheitlich orientiertes Konzept

3.3.1

Ergebnisse zur Steigerung der Selbstwirksamkeitserwartung

Die erste Hypothese ist dem entsprechenden pädagogischen Ziel abgeleitet und geht von der Annahme aus, dass durch die Teilnahme an dem Projekt »kleinUnternehmen« die Selbstwirksamkeitserwartung durch eine Förderung von Eigeninitiative und Partizipation gestärkt wird.

3.3.1.1

Quantitative Auswertung der Fragen zur Selbstwirksamkeitserwartung

Zur Auswertung der Selbstwirksamkeitserwartung wurden die Schüler*innen vor und nach dem Projekt mit den gleichen Fragen befragt, um festzustellen, ob das Projekt Effekte hinsichtlich der Selbsteinschätzung hat. Die Fragen, die die Selbstwirksamkeitserwartung erfassen sollen sind: 1. Ich weiß immer, was ich tun kann, wenn etwas Neues auf mich zukommt. 2. Wenn ich Probleme habe, kann ich sie lösen. 3. Wenn ich etwas will oder bestimmte Ziele habe, kann ich sie verfolgen und umsetzen. 4. Ich mache mir keine Sorgen, weil ich vieles weiß. Deshalb kann ich mir selbst helfen. 5. Ich habe viele Ideen, wie ich Probleme lösen kann.

Diese Fragen erfassen in der ersten Erhebung, wie stark die Selbstwirksamkeitserwartung bei den Kindern ausgeprägt ist. Sie sollen in der zweiten Erhebung nach dem Projekt zeigen, ob diese nach der Projektteilnahme gestiegen ist. Die Kriterien der Selbstwirksamkeitserwartung, die sich in den Items widerspiegeln, sind insbesondere das Zutrauen in die eigenen Kompetenzen und das Zutrauen, auch schwierige Aufgaben bewältigen und lösen zu können, das Setzen von eigenen Zielen sowie das Verfolgen derselben und das Zutrauen eigenverantwortlich handeln zu können. Exemplarisch werden beim ersten Item (Frage 1) die einzelnen Ausprägungen im Hinblick auf die Variablen (Alter, Standort, Geschlecht) betrachtet. Sie zeigen, wie differenziert die Ergebnisse anhand der Variablen betrachtet werden können.

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

   Abbildung 3: Selbstwirksamkeitserwartung nach Standort. Frage 1.1: Ich weiß immer, was ich tun kann, auch wenn etwas Neues auf mich zukommt (nach Standort)

Die erste Frage der Selbstwirksamkeitserwartung betrachtet differenziert den Standort. Es handelt sich um die Anzahl der Kinder in den jeweiligen Kategorien. Hier zeigt sich auf den ersten Blick, dass es vor allem die Weinheimer Schüler*innen sind, die auf diese Frage nach dem Projekt insgesamt positiver antworten. Sie scheinen vom Projekt am meisten zu profitieren und trauen sich nach Abschluss mehrheitlich eher zu, auf Neues reagieren zu können.

3. Das Projekt »kleinUnternehmen«: Ein ganzheitlich orientiertes Konzept

Abbildung 4: Selbstwirksamkeitserwartung nach Geschlecht. Frage 1.1: Ich weiß immer, was ich tun kann, auch wenn etwas Neues auf mich zukommt (nach Geschlecht).

Wird die Frage nicht nach dem Standort, sondern die Ausprägungen hinsichtlich des Geschlechts betrachtet, zeigen sich andere Unterschiede. Jungen, die sich vor dem Projekt schon zugetraut haben, auf etwas Neues zu reagieren und fühlen sich nach dem Projekt gestärkt. Bei den Mädchen bleibt die Einschätzung relativ stabil. Das Projekt hat sie in ihrer ursprünglichen Selbsteinschätzung bestätigt.

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Abbildung 5: Selbstwirksamkeitserwartung nach Alter. Frage 1.1. Ich weiß immer, was ich tun kann, auch wenn etwas Neues auf mich zukommt (nach Alter).

Auch das Alter spielt eine Rolle: Die Kinder, die 9 Jahre und jünger sind, haben dieser Frage zugestimmt, diese Einschätzung bleibt im Wesentlichen stabil. Aber die Anzahl Kinder, die 10 Jahre und älter sind und diese Frage nach dem Projekt positiver beantworten, ist gestiegen. Insgesamt gesehen zeigen die Tabellen, exemplarisch an der ersten Frage zur Selbstwirksamkeitserwartung verdeutlicht, dass Unterschiede zwischen allen Variablen feststellbar sind. Das bedeutet, die Auswertung der soziometrischen Daten lassen leichte Effekte hinsichtlich des Standorts, des Geschlechts und des Alters erkennen. Die Aufsplittung dieser Frage scheint zu ergeben, dass die Weinheimer Kinder, die Jungen und Kinder, die 10 Jahre und älter sind, von dem Projekt hinsichtlich ihrer Selbstwirksamkeitserwartung stärker profitieren.

3. Das Projekt »kleinUnternehmen«: Ein ganzheitlich orientiertes Konzept

Gesamtergebnis/additiver Index Das Gesamtergebnis wird durch den hier abgebildeten additiven Selbstwirksamkeitsindex dargestellt, der alle Items beinhaltet. Die Mittelwerte sind die geeignete Maßzahlen zur besseren Übersichtlichkeit aller unabhängigen Merkmale (Alter, Geschlecht und Standort) auf einen Blick. Mit rot werden die Ergebnisse vor, mit blau die Ergebnisse nach dem Projekt gekennzeichnet. Die Linien bedeuten keine metrischen Merkmale, sondern sollen nur den Vorher-Nachher Unterschied über alle unabhängigen Merkmale besser visualisieren. Es zeigt sich eine leichte Steigerung der Selbstwirksamkeitserwartung bei fast allen Gruppen. Einzige Ausnahme stellen die Jungen dar, die 9 Jahre alt und jünger sind. Dieses Ergebnis zeigt sich an beiden Standorten. Die größte Steigerung zeigen die älteren Kinder, stärker in Weinheim, die jüngeren Mädchen dort zeigen die größte. Abbildung 6: Additiver Index Selbstwirksamkeitserwartung

Der Übersicht halber und unter Berücksichtigung der weiteren Fragen, die noch folgen,   werden die einzelnen Items als additiver Index dargestellt. Der additive Index   fasst alle Variablen zusammen und bildet damit das Gesamtergebnis der einzelnen Items der Selbstwirksamkeitserwartung ab. Diesen zu bilden ist aufgrund der gleichen Skalenrichtung aller Fragen möglich. Die folgenden Tabellen zeigen die Ergebnisse der einzelnen Variablen der Fragen 1.1 bis 1.5 zur Selbstwirksamkeitserwartung. Mit ihrer Hilfe werden Auffälligkeiten sichtbar. Sie können einen Hinweis geben, wann eine Steigerung der Selbstwirksamkeitserwartung möglich ist und bilden einen Teil zur Bestätigung oder Widerlegung der leitenden Hypothesen.

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

Ergebnisse der einzelnen Variablen der Frage 1.1 bis 1.5 Abbildung 7: Selbstwirksamkeitserwartung nach Alter/Geschlecht/Standort (Frage 1.1). Frage 1.1: Ich weiß immer, was ich tun kann, wenn etwas Neues auf mich zukommt.

Auffälligkeit 1: Standort- und Alterseffekte Die Mannheimer Kinder, die sich zwar vor Projektbeginn sehr stark eingeschätzt haben, geben nach dem Projekt alle eine schlechtere Einschätzung ab. Die Weinheimer Kinder schätzen sich nach dem Projekt hingegen besser ein, die Weinheimer Jungen, die älter als 9 Jahre sind haben den stärksten Zugewinn an Zutrauen. Standort: Hier wird ein deutlicher Standorteffekt sichtbar. Diese Frage wird vor dem Projekt von den Mannheimer Schüler*innen insgesamt positiver eingeschätzt, v.a. von den jüngeren Mädchen. Nach dem Projekt allerdings sinkt bei allen die Zustimmung. In Weinheim hingegen ist bei allen Schüler*innen, außer bei den Jungen, die 9 Jahre und jünger sind, eine stärkere Zustimmung zu erkennen. Zu profitieren scheinen insbesondere dort die älteren Jungen. Alter: Die Unterschiede sind auch beim Alter erkennbar: Die jüngeren Kinder stimmen bei dieser Frage insgesamt etwas stärker zu. Bei den älteren Kindern ist die Zustimmung bei dieser Frage nach dem Projekt deutlich höher.

3. Das Projekt »kleinUnternehmen«: Ein ganzheitlich orientiertes Konzept

Abbildung 8: Selbstwirksamkeitsentwicklung nach Alter/Geschlecht/Standort (Frage 1.2). Frage 1.2: Wenn ich Probleme habe, kann ich sie lösen

Auffälligkeit 2: Geschlechtseffekte Die Mädchen in Weinheim, vor allem die 9jährigen und jüngeren, beurteilen ihre Problemlösekompetenz vor dem Projekt am kritischsten, zeigen jedoch nach dem Projekt die stärkste Steigerung. Umgekehrt verhält es sich bei den Mannheimer Jungen. Sie schätzen vor Projektbeginn ihre Problemlösekompetenz mit am stärksten ein, diese Einschätzung sinkt aber nach dem Projekt am deutlichsten. Dass sie Probleme gut lösen können, das glauben vor dem Projekt alle Kinder mehr oder weniger von sich, nur nicht die jüngeren Mädchen in Weinheim. Nach dem Projekt beurteilen die Mannheimer Jungen, v.a. die älteren, ihre Fähigkeit Probleme lösen zu können deutlich schlechter. Die jüngeren Mädchen, die sich zu Beginn den schlechtesten Wert gegeben haben, haben nach dem Projekt ein deutlich stärkeres Zutrauen in ihre Problemlösekompetenz und weisen von allen den stärksten Anstieg in ihrer Selbsteinschätzung auf.

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

  9: Selbstwirksamkeitsentwicklung nach Alter/Geschlecht/Standort (Frage 1.3). Abbildung Frage 1.3: Wenn ich etwas will oder bestimmte Ziele habe, kann ich sie verfolgen und umsetzen.

Auffälligkeit 3: Standorteffekt Die Zielverfolgung ist bei den Mannheimer Kindern wenig, bei den Weinheimer Kindern stark ausgeprägt. Es gibt kaum einen vorher/nachher Effekt

Interessant sind an dem Ergebnis zwei Aspekte: Der eine zeigt eine kontinuierliche Steigerung des Zustimmungswerts von den Jungen unter 9 Jahren in Mannheim mit dem niedrigsten, bis hin zu den jüngeren Mädchen in Weinheim mit dem höchsten Wert. Interessant ist der Wert im Hinblick auf die vorausgehende Frage: Die Mannheimer Kinder trauen sich zu, Probleme lösen zu können, verfolgen aber weniger Ziele. Weiterhin zeigt sich bei allen Gruppen keine wesentliche Veränderung in der Bewertung nach dem Projekt. Offensichtlich erwies sich das Projekt hinsichtlich Zielorientierung wenig effektiv. Die Unterschiede sind bei allen, mit Ausnahme der Weinheimer Mädchen mit 9 Jahren und jünger, minimal.

3. Das Projekt »kleinUnternehmen«: Ein ganzheitlich orientiertes Konzept

Abbildung 10: Selbstwirksamkeitsentwicklung nach Alter/Geschlecht/Standort (Frage 1.4).   Frage 1.4: Ich mache mir keine Sorgen, weil ich vieles weiß. Deshalb kann ich mir selbst helfen.

Auffälligkeit 4: Standorteffekt Außer bei drei Gruppen ist Steigerung vorhanden oder die Einschätzung annähernd gleich geblieben. Die Schüler*innen der Mannheimer Schule entwickeln den stärksten Zugewinn an Vertrauen in die eigene Kompetenz, sich selbst helfen zu können und machen sich weniger Sorgen (eine Ausnahme bildet die Gruppe der Jungen von 9 Jahren und jünger). Standort: Es zeigt sich ein deutlicher Bewertungssprung der Schüler*innen der Mannheimer Schule mit Ausnahme der Jungen unter 9 Jahren, wohingegenbei den Weinheimer Schüler*innen nur eine geringe Steigerung festzustellen ist. Alter: Die größte Steigerung haben die älteren Mädchen und älteren Jungs der Mannheimer Schule. Die jüngeren Kinder haben dieser Aussage weniger zugestimmt. Die jüngeren Mädchen in Weinheim schätzen sich nach dem Projekt leicht schlechter ein.

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

Abbildung 11: Selbstwirksamkeitsentwicklung nach Alter/Geschlecht/Standort (Frage 1.5).   Frage 1.5: Ich habe viele Ideen, wie ich Probleme lösen kann.

Auffälligkeit 5: Standorteffekt Die Mannheimer Kinder schätzen ihre Problemlösekompetenz am höchsten ein. Der größte Steigerungseffekt ist bei den Weinheimer Mädchen, die 9 Jahre und jünger sind, festzustellen. Standort: Diese Aussage wurde vor dem Projekt von den Weinheimer Schüler*innen insgesamt schlechter bewertet. Nach dem Projekt glauben sie verstärkt an ihre Problemlösekompetenz, wenn auch auf niedrigerem Niveau als die Mannheimer Kinder. Am negativsten schätzen sich vor Beginn alle jüngeren Schüler*innen ein, allein die Jungen mit 9 Jahren und jünger beurteilen sich nach dem Projekt kaum oder gar nicht besser. Bezogen auf die einzelnen Standorte und Stichproben zeigt das Ergebnis insgesamt: Die Kinder der Mannheimer Schule geben zunächst viele positive Antworten und schätzen sich stark in den verschiedenen Kategorien ein. Über die Erfahrungen des Projekts relativieren viele, insbesondere die Jungen mit 9 Jahren und jünger, ihre Aussagen. Es scheinen insgesamt insbesondere die älteren Kinder beider Standorte zu profitieren. In Mannheim sind es vor allem die Mädchen.

3. Das Projekt »kleinUnternehmen«: Ein ganzheitlich orientiertes Konzept

Die Ergebnisse nach Alter, Geschlecht und Standort zusammengefasst: Jungen 8 bis 9 Jahre Mannheim: Die jüngsten Teilnehmer sind jene, die sich insgesamt am schlechtesten beurteilen, sowohl vor als auch nach dem Projekt. Vor allem hinsichtlich der Frage nach der Zielorientierung und des Zutrauens in das eigene Wissen. Bei ihnen fallen dazu zwei Gründe ein: Grundsätzlich geben die Kinder eine negativere Einschätzung ab, aufgrund der im Vergleich zu Weinheimer Kindern schlechteren Lebenssituation. Diese ist den Kindern durchaus bewusst und führt zu anderen Antworten. Die Erfahrungen im Projektverlauf zeigen den jüngsten, dass sie Fähigkeiten und Durchhaltevermögen brauchen, um erfolgreich eine eigene Idee umzusetzen. Erleben sie dabei, dass andere schneller und eventuell effektiver ihre Ideen umsetzen, fällt ihre Bewertung im Nachhinein schlechter aus. Zum anderen könnte ein weiterer, schulischer Aspekt hinzukommen: Wenn Kinder unterschiedlich schnell lernen und auch unterschiedlich schnell Aufgaben bearbeiten und allein dadurch Hemmnisse entstehen, wirkt ein schriftlich zu beantwortender Fragebogen eher abschreckend und führt zu einer Überforderung jener Kinder, die mit gleichen Methoden evaluiert werden, die für sie eher schwierig zu bearbeiten sind. Jungen 10 bis 11 Jahre Mannheim: Die älteren Jungen beurteilen sich im Vergleich insgesamt gesehen auch schlechter und haben einen nur leicht erhöhten Selbstwirksamkeitsindex nach dem Projekt. Zwei Fragen beantworten sie vor dem Projekt positiver als alle anderen: Die Frage nach dem Zutrauen in die Fähigkeit, sich selbst helfen zu können sowie der Einschätzung, Probleme lösen zu können. Diese Einschätzung fällt nach dem Projekt von allen Schüler*innen am stärksten ab. Dafür machen sie (mit den älteren Mädchen der Mannheimer Schule) den größten Sprung bei der Aussage, sie können sich selbst helfen, da sie vieles wissen (an der Stelle, an der die 9jährigen Jungen und jünger am stärksten abfallen). Scheinbar entwickeln die Jungen innerhalb von ein bis zwei Jahren eine andere Selbsteinschätzung, die positiver ausfällt. Da sich die Lebensverhältnisse im Stadtteil eher nicht ändern, sind die Gründe möglicherweise in einer geschlechtssterotypen Prägung zu finden: Die Jungen zeigen ein starkes und selbstbewusstes, aber schwankendes Auftreten. Mal beantworten sie Fragen positiv, mal negativ. Einerseits zeigen sie Steigerungen, andererseits relativieren sie ihr eigenes Können nach dem Projekt. Mädchen 8 bis 9 Jahre und 10 bis 11 Jahre Mannheim: Die Auswertung der Mädchen erfolgt gemeinsam. Bei ihnen zeigt der Vorher-Nachher-Vergleich immer eine zumindest leichte Steigerung der Selbsteinschätzung. Die Ausprägungen sind zwar unterschiedlich, am deutlichsten bei der Frage 1.4 (Ich mache mir keine Sorgen, weil ich vieles kann und weiß und mir selbst helfen kann). Insgesamt antworten die älteren Mädchen nach dem Projekt deutlich zustimmender als die jüngeren. Die Erfahrungen des Projekts scheinen sie bestärkt zu haben. Jungen 8 bis 9 Jahre Weinheim: Die jüngeren Jungen schätzen sich zwar leicht besser ein als die gleichaltrigen Jungen der Mannheimer Schule, dennoch zeigt sich auch bei ihnen das Phänomen, dass sie den Aussagen weniger stark zustimmen und bei Frage 1.1 und 1.5 nach dem Projekt deutlich negativer als die älteren Kinder antworten. Bei den Jungen macht sich am stärksten ein Alterseffekt bemerkbar.

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

Jungen 10 bis 11 Jahre Weinheim: Im Gegensatz zu den jüngeren Jungen ist der Zuwachs an Selbstwirksamkeitserwartung bei den älteren Jungen mit am höchsten. Insbesondere Frage 1.1 beantworten sie positiv und zeigen die größte Steigerung von allen. Mädchen 8 bis 9 Jahre Weinheim: Die Mädchen zeigen insgesamt die stärkste Steigerung der Aussagen nach dem Projekt. Eine Ausnahme bildet Frage 1.3 (Zielverfolgung). Hier schätzen sie sich nach dem Projekt leicht schlechter ein. Ansonsten beurteilen sie sich bei allen Frage deutlich stärker, vor allem bei den Fragen 1.2 und 1.5, die Fragen zur Problemlösung. Das Projekt hat insbesondere Auswirkungen auf den Glauben, Probleme lösen zu können, ihr Selbstwirksamkeitsindex ist gestiegen. Mädchen 10 bis 11 Jahre Weinheim: Die älteren Mädchen haben bereits vor dem Projekt einen höheren Selbstwirksamkeitsindex als die jüngeren. Dieser wird nach dem Projekt positiv bestärkt und auch sie zeigen einen erhöhten Selbstwirksamkeitsindex.

3.3.1.2

Qualitative Auswertung der Fragen zur Selbstwirksamkeitserwartung

  Selbstbeschreibung, Einschätzung der Kinder Die folgenden offenen Fragen zielen auf die freie Selbsteinschätzung der Kinder, um ihnen Raum zu geben, eigene Antworten zu geben. Was imaginieren sie, was ist ihnen wichtig von sich mitzuteilen. Haben die Erfahrungen des Projekts einen Einfluss hinterlassen? Die Antworten vor und nach dem Projekt sind in den gebildeten Kategorien sehr ähnlich, weshalb sie nicht getrennt genannt werden, wie auch die Alterskategorien nur teilweise getrennt aufgeführt werden. Auch bezüglich des Alters sind grundsätzlich keine signifikanten Unterschiede erkennbar. Bemerkbar sind Altersunterschiede insbesondere durch die Formulierungen und der Ausführlichkeit der Antworten. Die Erfahrungen, die durch das Projekt gemacht worden sind und die Antworten prägen, sind zum Teil wichtig für die Beantwortung der Fragen. Die entsprechenden Kategorien wurden durch die Antworten nach dem Projekt gebildet und sind markiert.

3. Das Projekt »kleinUnternehmen«: Ein ganzheitlich orientiertes Konzept

Tabelle 17: Qualitative Frage zur Selbstwirksamkeitserwartung: Gedanken Frage 1.6: Wenn ich an mich denke, fällt mir das alles ein: Die Antworten, die alle Kinder gegeben haben, beziehen sich auf konkrete Lebensbereiche der Kinder: Freizeit, Schule, Familie und eigene Interessen, Fähigkeiten. Kategorie

Ankerbeispiele, besondere Aussagen

Freizeit Aktivitäten, die außerhalb der Schule stattfinden: Das sind Hobbys oder Interessen wie Sport, Tiere.

»Fußball«, »Fahrrad fahren«, »schwimmen«, »Tennis«, »Tiere«, »mit Freunden spielen«, »tanzen«, »singen« »Computerspiel« (nur 1x) »ich bin die einzige aus der Familie, die skaten kann«

Schule Die Kategorie Schule beinhaltet grundsätzlich die verschiedenen Schulfächer oder besondere Leistungen.

»Mathe«, »Sport«, »Englisch«, »in der Klassenarbeit eine 1«, »mache gerne Hausaufgaben«

Familie Die Familie wird als Bestandteil des eigenen Lebens benannt und umschrieben oder aber als Aufgabe, die an die Kinder gestellt wird (auf Geschwister aufpassen).

»Spiele gut mit meinem Bruder«, »passe auf die Schwester auf«, »streite mit meiner Schwester«, »meine Familie«, »habe eine große Familie«

Persönliche Eigenschaften Benannt werden charakteristische Fähigkeiten oder Besonderheiten, auf die Kinder stolz sind oder die sie selbstkritisch benennen.

»Ich bin nett«, »habe guten Verstand«, »glücklich«, »cool«, »bin aggressiv«, »kann mich genau einschätzen«, »habe Respekt«, »kann viel lernen«, »bin hilfsbereit«, »klug«, »höflich«, »stolz auf mich«, »kann auf andere zugehen«, »ich weiß was ich tue«, »bin selbstbewusst« »Bin manchmal schüchtern«, »ich bin unsicher«, »treffe falsche Entscheidungen«, »kann manchmal schlecht Probleme lösen«

Geschlecht Bei einigen macht sich die Phase der Entwicklung einer Geschlechtsidentität bemerkbar. Sie fühlen sich einem Geschlecht zugehörig.

»Das ich ein Mädchen bin«, »ich mag meinen Körper«

Auswirkungen durch das Projekt Die gerade abgeschlossene Projekterfahrung wirkt nach und spielt für viele eine Rolle.

»viel gelernt«, »ich kann manche Sachen selbst lösen«, »ich kann es gut und alles schaffen, wenn ich will« »habe sehr viel mitgebracht«, »toll verkauft« »Projekt hat sehr viel Spaß gemacht«, »ich kann gut handeln«, »was ich Tolles erlebt habe«

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

Jungen | Mannheim Die Jungen nennen ihre Freizeitaktivitäten, wie Fußball oder Fahrrad fahren und beschreiben ihre Eigenschaften (»ich bin nett«). Daneben ist aber auch wichtig, dass sie in der Schule »manches können« und dass sie viel gelernt haben. Etwas ausführlicher antworten die älteren Jungen: sie benennen mehrere Eigenschaften, wie Hilfsbereitschaft, »guten Verstand« oder Zufriedenheit. Sie glauben, gute Ideen zu haben, achten auf sich und führen verschiedene Freizeitaktivitäten oder Schulfächer an, in denen sie gut sind. Jungen | Weinheim Die Jungen in Weinheim antworten ausführlicher als die Jungen in Mannheim. Sie benennen verschiedene spezielle Hobbys, Freizeitaktivitäten, positive Eigenschaften und beziehen sich ebenso auf das Projekt, weil sie dabei etwas erlebt haben und Spaß hatten. Die älteren Jungen antworten einerseits wie die jüngeren, die Themen sind die gleichen, es gibt jedoch selbstbewusstere Antworten (z.B. »ich bin klug«, »ich bin gut«). Sie sind stolz, beim Projekt beteiligt gewesen zu sein. Zudem spielt die Familie eine Rolle. Mädchen | Mannheim Die Mädchen rekurrieren stärker auf die vorangehenden Fragen und beschreiben, dass sie Dinge selbst lösen können, Vieles schaffen können, wenn sie es nur wollen und führen Dinge an, die sie für das Projekt getan haben. Daneben benennen auch sie ihre Eigenschaften (»klug«, »nett«, »cool«) oder Aktivitäten und Schulfächer, in denen sie gut sind. Die älteren Mädchen antworten ähnlich, zählen Freizeitaktivitäten und Schulfächer auf, erwähnen zusätzlich ihre Familie. Die Geschlechtsidentität spielt eine Rolle (»das ich ein Mädchen bin«), wie positive Eigenschaften. Auch sie beziehen sie sich stärker auf das Projekt und beschreiben, wie es ihnen gefallen hat, was sie gelernt haben, besser wurden und Ideen umsetzen konnten. Mädchen | Weinheim Auch die Mädchen in Weinheim beziehen sich auf die Bereiche Freizeitaktivitäten, Schule, eigene positive Eigenschaften und die Familie. In ihrer Altersgruppe finden sich jedoch auch selbstkritische Äußerung (»ich bin manchmal schüchtern«). Am ausführlichsten antwortet die Mädchengruppe der älteren Mädchen. Neben den benannten Themen, die auch bei ihnen eine Rolle spielen, nennen sie Freundschaften. Auf das Projekt wird nicht direkt Bezug genommen, doch lassen sich einige Bezugspunkte finden. Beispielsweise wird über die Fähigkeit nachgedacht, wie Probleme gelöst werden können oder über die Fähigkeit, auf Leute zuzugehen. Als Tenor für das gestiegene Selbstbewusstsein findet sich in den Antworten beispielweise die Aussage »Ich weiß was ich tue«.

3. Das Projekt »kleinUnternehmen«: Ein ganzheitlich orientiertes Konzept

Tabelle 18: Qualitative Fragen zur Selbstwirksamkeitserwartung: Stolz Frage 1.7: Ich bin stolz auf mich, ich mag mich weil: Kategorie

Ankerbeispiele, besondere Aussagen

Zukunft Verschiedene Gedanken beziehen sich auf die Zeit nach der Grundschule.

»Was kommt auf mich zu«, »ich wurde am Gymnasium angenommen«, »werde Tierforscher«, »was soll ich noch besser machen«, was passiert im nächsten Leben?« »Werde gute Basketballerin«

Freizeit Aktivitäten, die außerhalb der Schule stattfinden: Das sind Hobbys oder Interessen wie Sport, Tiere.

»Kann Fußball«, »gut schwimmen«, »Handball«, »sportlich«, »skaten«

Auswirkungen durch das Projekt Die gerade abgeschlossene Projekterfahrung wirkt nach und spielt für viele Kinder eine Rolle.

»Habe 2 Stunden ohne Pause gearbeitet«, »habe viele Ideen«, »habe das Projekt »kleinUnternehmen« geschafft«, »den 1. Platz«: »super«, »sehr viel gelernt«, »alles verkauft«, »kann gut Wechselgeld geben«

Schule Die Kategorie Schule beinhaltet grundsätzlich die verschiedenen Schulfächer oder besondere Leistungen.

»Mathe«, »kann gut Sachen auswendig lernen«, »bin in Mathe besser geworden«, »bin jetzt in der Prüfung«, »gut lesen«, »Gymnasialempfehlung«

Eigenschaften Benannt werden charakteristische Fähigkeiten oder Besonderheiten, auf die Kinder stolz sind oder die sie selbstkritisch benennen. Praktische und persönliche Erfahrungen aus dem Projekt spiegeln sich hier wieder.

»Ich bin neugierig«, »mutig«, »ehrlich«, »bin nett«, »habe gute Ideen«, »bin gut in der Schule«, »(meistens) freundlich«, »hilfsbereit«, »klug«, »weil ich viele Ziele erreichen kann«, »mache wenig Quatsch«, »ich mag mich«, »ich fange keinen Streit an«, »schön«, »ich kann vieles«, »kann meine Meinung sagen«, »kann manchmal Probleme lösen«, »bin lustig«, »gute Freundin«, »kann meinen Willen durchsetzen« »kann Sachen gut umsetzen«, »viele Ideen«, »kann gut malen und basteln«, »kann gut bauen«, »bin nicht mehr schüchtern«, »muss mich mehr trauen«

Geschlecht Bei einigen macht sich die Phase der Entwicklung der Geschlechtsidentität bemerkbar. Sie fühlen sich einem Geschlecht zugehörig.

»ich bin ich«, »dass ich kein Mädchen bin«

Familie Die Familie wird als Bestandteil des eigenen Lebens benannt und umschrieben oder aber als Aufgabe, die an die Kinder gestellt wird (auf Geschwister aufpassen).

»Helfe meiner Mutter«, »denke an meine Familie«, »große Familie«

Freunde Die Rolle von Freundschaften, die in diesem Alter zunimmt, wird beschrieben.

»Habe viele Freunde«, »bringe meine Freunde zusammen«, »bin eine gute Freundin«

   

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

Jungen | Mannheim Der Stolz der Jungen drückt sich darin aus, etwas geschafft zu haben: Im Projekt viel gearbeitet oder gute Ideen gehabt zu haben, aber auch die Schulempfehlung für das Gymnasium. Daneben lassen in ihren Aussagen auch Unsicherheiten finden, beispielsweise die Frage, wie es nach der vierten Klasse weitergeht oder wie Anforderungen der Schule geschafft werden können. Was in dieser Frage von allen Jungen gleich beantwortet bleibt, ist der Stolz auf ihre Hobbys oder Schulfächer in denen sie sich gut einschätzen. Sie können positive Eigenschaften benennen und verschiedene Aktivitäten, in denen sie gut sind. Auch Freundschaften spielen eine Rolle. Jungen | Weinheim Auch die Weinheimer Jungen sind stolz darauf, das Projekt und die geforderten Aufgaben geschafft zu haben. Ebenso stolz sind sie auf verschiedene Eigenschaften und Veränderungen, die ihnen bei sich aufgefallen sind: Nicht mehr schüchtern zu sein, hilfsbereit zu sein, viele Ideen zu haben. Die Jungen äußern, sich selbst zu mögen und können positive Eigenschaften von sich benennen: wie Hilfsbereitschaft, Freundlichkeit oder Zielstrebigkeit. Mädchen | Mannheim Die Mädchen benennen ihre Eigenschaften, auf die sie stolz sind wie Hilfsbereitschaft und Kreativität, dass sie keinen Streit anfangen oder mutig sind. Ebenso stolz sind sie auf ihr Können in den verschiedenen Freizeitbereichen, ihre Schulnoten, auf ihre Familie und ihre Freundschaften. Auch bei den Mädchen spielt die Projekterfahrung eine Rolle: Sie sind stolz darauf, im Projekt gewonnen, es geschafft zu haben und auch darauf, dass sie beim Projekt viel gelernt haben. Stolz sind sie auf ihre Eigenschaften. Eine selbstkritische Antwort gibt nur ein Mädchen, welches sich vornimmt, mutiger zu sein. Mädchen | Weinheim Die Mädchen sind stolz auf den schulischen Bereich und darauf in verschiedenen Fächern gut zu sein und im Zusammenhang damit sind sie stolz auf ihre Gymnasialempfehlung. Einige Antworten beziehen sich auf das Projekt, indem einzelne Tätigkeiten genauer beschrieben werden: beispielsweise viele Ideen gehabt zu haben, Rückgeld geben zu können oder Sachen gut umsetzen und lösen können. Sie sind insgesamt stolz darauf, dass alles gut gelaufen ist. Sie haben den Eindruck vieles zu können und sind stolz auf ihre Eigenschaften, die sie auch benennen können: sie können ihre Meinung sagen, sind eine gute Freundin oder sportlich. Auch auf ihre Familie sind sie stolz. Fazit offene Fragen zur eigenen Person Egal welche Altersgruppe, welcher Standort, welches Geschlecht: Alle Kinder sind in der Lage, Eigenschaften, Dinge oder Interessen zu benennen, auf die sie stolz sind, an die sie denken. Bei einigen Gruppen, den Mädchen, v.a. den Mädchen der Weinheimer Schule wird das selbstbewusster vorgetragen und auch umfänglicher ausformuliert.

3. Das Projekt »kleinUnternehmen«: Ein ganzheitlich orientiertes Konzept

Die Unterschiede zwischen den Standorten, die sich im Ergebnis des Selbstwirksamkeitsindex gezeigt haben, spiegeln sich hier wider. Allerdings nur in Nuancen, die sich ausdrückt in einer ausführlicheren und selbstbewussten Art und Weise der Nennung von Eigenschaften und Können. Die Themenbereiche, die sich in den Kategorien Schule, Freizeit, Familie, eigene Fähigkeiten/Interessen wiederfinden, sind untereinander vergleichbar und in der inhaltlichen Beschreibung sehr ähnlich. Die Mitarbeit am Projekt nimmt insbesondere in der zweiten Frage eine zentrale Rolle ein: Sie sind stolz auf ihre Mitarbeit, auf verschiedene Beiträge, die sie geleistet haben und auf die Eigenschaften, die sie bei dem Projekt an sich bemerkt haben. Manche sind stolz, das Projekt überhaupt geschafft zu haben. Ausnahme bilden Aussagen, die sich selbstkritisch mit ihren Eigenschaften auseinandersetzen und sich eine Stärkung wünschen im Hinblick auf Zurückhaltung oder Mut.

3.3.1.3

Selbstwirksamkeitsentwicklung – Zusammenfassung der Ergebnisse

Die Beantwortung der Frage, ob die positiven Erfahrungen, die die Durchführung dieses Projekts ermöglichen, zu einer Steigerung der Selbstwirksamkeit bei den Kindern führen, ist im Hinblick auf die Variablen Alter, Standort und Geschlecht unterschiedlich zu beantworten. Es fließen quantitative und qualitative Ergebnisse in die Auswertung. Die Entwicklung von Selbstwirksamkeit beinhaltet verschiedene Aspekte, die den Glauben und das Vertrauen in sich selbst begründen. Das Wissen um oder der Glaube an die eigenen Kompetenzen ist eine Voraussetzung für eine positive Selbstwirksamkeitserwartung. Fünf geschlossene und zwei offene Fragen geben Rückschlüsse über die Selbsteinschätzung der Kinder. Daraus ableitend ergibt sich ein Bild, wie die Selbsteinschätzung der Kinder aussieht und welche Aspekte sie benennen. Die einzelnen Aspekte werden zusammenfassend dargestellt. Zu ihnen gehören: die Übertragung von Verantwortung, Selbsttätigkeit und Partizipation; die Herausforderung etwas Neues anzugehen, Motivation und ein emotionaler Bezug. Viele Kategorien, die aus den genannten Antworten gebildet wurden, decken sich mit den Merkmalen und Voraussetzungen, die für die Entwicklung einer positiven Selbstwirksamkeitserwartung bestimmend sind. Die qualitativen Antworten der Kinder unterscheiden sich nicht wesentlich voneinander, so dass keine spezifischen, also keine auf die Variablen bezogenen signifikanten Unterschiede auszumachen sind. Da Selbstwirksamkeit mehrere Aspekte betrifft, werden in der Zusammenfassung auch auf jene Antworten zurückgegriffen, die erst in den Fragen zu den Kompetenzen ausführlich dargestellt werden. Mut: Sich auf Neues und Unbekanntes einlassen können: Die Kinder hatten zwar kein Entscheidungsrecht bezüglich der Teilnahme und damit der Entscheidung, sich auf ein unbekanntes Projekt mit unbekannten Pädagog*innen einzulassen. Doch sie hätten sich dem Angebot während des Ablaufs verweigern können. Das hat bislang kein Kind getan. An ihren Antworten lässt sich dennoch erkennen, mit welcher emotionalen Anspannung sie in die Projekttage gestartet sind. Einige Kinder fanden es sehr spannend, waren neugierig und haben sich aktiv beteiligt, gerade weil sie es gut fanden, dass es etwas Neues war, weil ihnen Inhalte und Methode völlig unbekannt war. Dieser Aspekt führt zum nächsten Merkmal.

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

Emotionalität: Emotionale Beteiligung ist nach Bandura unerlässlich, Ziele zu verfolgen und sich mit Inhalten zu identifizieren. Diese Emotionalität lässt sich aus vielen Rückmeldungen erkennen, bei denen Kinder ihre Aufgeregtheit formulieren oder emotionale, positive Rückmeldungen geben. Diese Rückmeldungen lassen auf ein starkes Interesse am Ablauf und den Inhalten des Projekts schließen. Emotionalität lässt sich auch von jenen Aussagen ableiten, die betonen, wie wichtig es war, eigene Ideen eingebracht und umgesetzt zu haben. Ihnen hat das Projekt viel Spaß bereitet, sie haben sich auf die Projekttage gefreut, was neben den Rückmeldungen auch an ihrer Mitarbeit bemerkbar war. Das Interesse der Schüler*innen wurde geweckt und es entwickelte sich eine starke Einbindung in den Projektablauf und ein starkes Interesse, sich auf die damit verbundenen Aufgaben und Inhalte einzulassen. Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten: Die quantitative Auswertung hat gezeigt, dass sich die Kinder durchaus zugetraut haben, etwas anzubieten, was andere interessiert. Daneben haben die Mitarbeit der Kinder, wie auch ihr Engagement deutlich gemacht, dass sie ihr Tun nicht in Frage stellen und im Vertrauen darauf (weiter-)arbeiten. Wichtig war vielen Kindern von den Pädagog*innen gut begleitet zu werden und das Wissen darum, bei Problemen Unterstützung zu bekommen. Die Kinder haben sich ernst genommen gefühlt, teilweise gaben sie auch die Antwort, dass sie den Glauben hatten, das Projekt schaffen zu können. Das Gefühl, viel gelernt zu haben, lässt das Zutrauen in die eigenen Kompetenzen wachsen. Die Kinder können benennen, was sie gelernt haben und setzen sich auch mit dem Lernen in der Gruppe auseinander. Die Art des Lernens hat ihnen gefallen, es war anders als bekannte schulische Angebote, der Bezug zu eigenen Interessen war wichtig. Vertrauen in die Pädagog*innen: Die kollektive Selbstwirksamkeitserwartung kann sich nicht nur auf das Verhältnis der Gruppenteilnehmer*innen untereinander beziehen. Auch die gesamte Klasse oder hier die einzelnen Projektgruppen können sich als eine gemeinsame verstehen. Geben die Pädagog*innen den Schüler*innen das Gefühl, sie können die Aufgaben bewältigen, so überträgt sich dieses Gefühl ebenso auf die gesamte Klasse (vgl. Schwarzer/Jerusalem 2002: 175). Das Gefühl, eine gute Beziehung zu den Pädagog*innen zu haben, äußern viele Kinder, nicht nur bei der Frage, wie sie sich während des Projekts gefühlt haben. Zudem haben sie das Vertrauen, von ihnen gestützt und unterstützt zu werden, sobald sie es brauchen. Den Zusammenhang zwischen gutem Klassenklima und Selbstwirksamkeit hat Satow erarbeitet (vgl. Kap. 1.3.) Auch Hattie betont die Bedeutung einer guten Beziehung zwischen Schüler*innen und Lehrkräften (vgl. Hattie 2013). Selbstbestimmung/Eigenverantwortung: Die Schüler*innen betonen, dass sie ihre Idee umgesetzt haben. Sie konnten Ideen, Inhalte, Arbeitstempo und Umfang weitestgehend selbst bestimmen. Die Motivation ihre Ideen umzusetzen war so groß, dass von einer Identifikation mit dem Ziel ausgegangen werden kann und die Schüler*innen einen starken Bezug zu den Inhalten herstellen konnten. Viele Aussagen bekräftigen das in der Praxis erlebte Engagement der Schüler*innen: Sie zählen auf, was genau sie gemacht oder wie viel Mühe sie sich gegeben haben. Sie beschreiben wie sie Verantwortung in ihrer Gruppe übernommen haben und sich für die gemeinsame Erreichung des Ziels mit den anderen Gruppenmitgliedern auseinandergesetzt und zusammengearbeitet haben, auch mit jenen, mit denen sie lieber nicht zusammen gewesen wären.

3. Das Projekt »kleinUnternehmen«: Ein ganzheitlich orientiertes Konzept

Aufgabenstellung: Die Inhalte und die Anforderungen des Projekts waren neu; die Schüler*innen erhielten Aufgaben, die über ihnen bekannten Anforderungen lagen. Lernprozesse wurden somit ermöglicht. Die Herausforderung einer anstrengenden Aufgabe ermöglicht zudem das Erlebnis, stolz auf sich sein zu können, wenn die Aufgabe geschafft wurde. Diese Aspekte spiegeln sich ziemlich genau in den Rückmeldungen der Kinder wieder. Viele empfanden das Projekt als anstrengend und als aufregend, beispielsweise so aufregend, dass sie nicht schlafen konnten. Viele beurteilten das Projekt vor allem deshalb als erfolgreich, weil sie es geschafft haben. Und darauf sind sie stolz. Übernahme von Verantwortung: Die Kinder haben Verantwortung für den Prozess übernommen. Das lässt sich, neben der Beobachtung im Projektverlauf, daran ableiten, dass viele betonen, wie viel sie gearbeitet und für ihr Team gemacht haben. Die starke Identifikation mit den Inhalten, das Erreichenwollen des Nahziels, also der unternehmerischen Aktion, führte zur intensiven Mitarbeit, Anstrengungen und Eigenverantwortung. Das macht das Projekt zwar anstrengend, mündet aber in dem befriedigenden und stolz machenden Gefühl, etwas geschafft, etwas erreicht zu haben. Anerkennung: Die Leistung, Arbeit und Mühe, die die Kinder in ihr Projekt investiert haben, wird gesehen und honoriert. Dass ihnen dieser Aspekt von besonderer Bedeutung ist, lässt sich ableiten aus der Bedeutung, die es hatte, wenn viele Kund*innen und Unternehmer*innen (Jurymitglieder) sich für sie Zeit genommen haben. Die Kinder betonten, dass sie sich ernst genommen fühlten und es sehr geschätzt haben, im Mittelpunkt zu stehen. Wir-Gefühl: Das Lernen in der Gruppe hat bei allen Kindern große Bedeutung (vgl. Reich). Es trägt wesentlich dazu bei, dass sich Kinder wohl fühlen und sich auf die tägliche Teilnahme gefreut haben. Am Ende sind sie stolz, es gemeinsam geschafft zu haben und auch darauf, gruppendynamische Prozesse gemeistert zu haben. Die »emotionale Erlebnisqualität oder emotional vermittelte Gesamtbewertung des aktuellen Handlungsvollzugs« ist eine von zwei Ebenen der Handlungs- und Entwicklungssteuerung (Krapp/Ryan 2002: 70). Die erste sind kognitiv-rationale Prozesse (vgl. ebd.). Wenn die Mitglieder Vertrauen in die anderen Gruppenmitglieder haben, entstehen kollektive Selbstwirksamkeitserwartungen, die die Dynamik der ganzen Gruppe stärken können (vgl. Schwarzer/Jerusalem 2002: 41, Satow 2002: 175).

3.3.2

Ergebnisse zur Entwicklung ökonomischer Kompetenzen und Schlüsselkompetenzen

Das Vertrauen in sich selbst, der Glaube an die eigenen Fähigkeiten, ist bei jüngeren Kindern in der Regel stark ausgeprägt (vgl. Flammer/Nakamura 2002: 90). Das ist eine gute Voraussetzung, Lerninteressen aufzugreifen, Lernprozesse fortzusetzen und anzuregen, die Überzeugung die eigenen Kompetenzen zu festigen und zu stärken. Damit kann gleichzeitig auch die Motivation der Kinder gefördert werden, von sich aus weiterzulernen. Was die Annahmen zur Kompetenzentwicklung beantworten soll ist die Frage nach den konkreten Kompetenzen, die für das Projekt gebraucht wurden, bzw. die sich durch das Projekt entwickelt oder gestärkt haben. Das Ergebnis zeigt, ob konkrete Fragen für die Schüler*innen beantwortbar sind. In Kombination mit den qualita-

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

tiven Fragen können die Ergebnisse der quantitativen Fragen bestätigt oder relativiert werden. Zunächst erfolgt das Ergebnis der quantitativen Auswertung zur Einschätzung der eigenen Kompetenzen. Erfragt wurde zum einen die ökonomische Kompetenz. Die Fragen zielten dabei auf die fachlichen Inhalte und das konkrete Wissen der praktischen Umsetzung einer Geschäftsidee ab, um die Einschätzung der Kinder in diesem Bereich in Erfahrung zu bringen. Zusätzlich zielten offene Fragen auf weitere Antworten, um aus einer individuellen Perspektive Kenntnisgewinne in Erfahrung zu bringen. Um die Erfragung und Erfassung einer ökonomischen Kompetenz einerseits für Schüler*innen beantwortbar und andererseits messbar zu machen, musste der ökonomische Kompetenzbegriff eher eng gefasst werden. Als Grundlage kann er an die Definition ökonomischer Kompetenzen der DEGÖB anschließen und damit bedeutet ökonomische Kompetenz: Entscheidungen ökonomisch begründen, Handlungssituationen ökonomisch analysieren, ökonomische Systemzusammenhänge erklären, Rahmenbedingungen der Wirtschaft verstehen und mitgestalten, Konflikte perspektivisch und ethisch beurteilen (vgl. DEGÖB 2004: 10ff.). Elemente von Hedtkes sozialwissenschaftlicher Kompetenz, wie Konstrukte, Kommunikation, Denkweisen, Interessen oder Perspektiven konnten aufgrund der Komplexität nicht erfragt werden. Die Schlüsselkompetenzen wurden durch Fragen der Zusammenarbeit und Konfliktlösung innerhalb der Gruppe (sozial-kommunikative Kompetenz), durch Fragen des eigenen Beitrags und Engagements (personale Kompetenz) sowie durch Fragen nach der Kreativität und der Umsetzung erfragt (fachlich-methodische Kompetenz).11 Der Gesamtüberblick der Antworten zu den Kompetenzbereichen zeigt: Insgesamt schätzen alle Kinder ihre eigenen Fähigkeiten eher gut bis sehr gut ein. Die Abweichungen und Unterschiede befinden sich in Bereichen, die zwar Unterschiede zwischen den Variablen zeigen, die sich aber meist in einem positiven Bereich befinden. Am stärksten schätzen sich die älteren Kinder und die Mädchen mit 9 Jahren und jünger in Weinheim ein. Worin die Unterschiede liegen, zeigen die nächsten Tabellen, die die Kompetenzfragen aufteilen und spezifische Bereiche abfragen. Meist unter dem Wert der anderen, schätzen sich die 9-jährigen und jüngeren Jungen in Mannheim ein.

11

Kritisch muss an dieser Stelle angemerkt werden, dass hier nicht die erweiterten Kompetenzdefinitionen, die im ersten Teil positiv hervorgehoben wurden, operationalisiert und erfragt wurden. Doch Anbetracht des Alters und der Dauer des Projekts musste sich für eine pragmatische Lösung entschieden werden. Der Fragebogen soll Selbstwirksamkeit und Kompetenzen sowie eigene Imaginationen und Konstruktionen erfragen und gleichzeitig für Kinder selbständig zu beantworten sein – und dieses Vorgehen erforderte eine Reduzierung der erfragten Themen und eine leicht verständliche Fragestellung.

3. Das Projekt »kleinUnternehmen«: Ein ganzheitlich orientiertes Konzept

3.3.2.1

Quantitative Ergebnisse zur Kompetenzentwicklung

Abbildung 12: Kompetenzentwicklung nach Alter/Geschlecht/Standort. Fragen zu Kompetenzen: Ökonomische Kompetenz. Frage 2.3: Ich weiß, was ich für die Umsetzung einer Geschäftsidee brauche. Frage 2.4: Ich konnte die Dinge, die ich gelernt habe, umsetzen.

Auffälligkeit 1: Geschlechtseffekt/Alterseffekt Alle trauen sich zu, das Gelernte anwenden zu können. Die konkrete Frage nach dem theoretischen und praktischen Wissen der Umsetzung beantworten lediglich die Jungen mit 9 Jahren und jünger der Mannheimer Schule mit deutlichem Abstand schlechter als alle anderen. Dennoch kann zusammenfassend gesagt werden, dass die Inhalte bei den Kindern angekommen zu sein scheinen, sie die Inhalte verstanden haben und sich deshalb auch eine weitere Anwendung derselben zutrauen. Eine deckungsgleiche Antwort geben nur die älteren Kinder in Weinheim. Herausstehend ist die Differenz der Jungen mit 9 Jahren und jünger in Mannheim. Sie glauben eher nicht zu wissen, was man für eine Umsetzung braucht, was sie aber nicht im Glauben daran erschüttert, eine Geschäftsidee umsetzen zu können.12

12

Ein ähnliches Phänomen findet sich auch bei Erwachsenen im Bewerbungsverfahren: Während der überwiegende Teil qualifizierter Frauen sich nur auf Stellen bewerben, deren Anforderungen sie nahezu zu 100 Prozent erfüllen, bewerben sich Männer auch auf Stellen, deren Anforderungen sie in weiten Teilen nicht entsprechen können.

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

Abbildung 13: Schlüsselkompetenzen nach Alter/Geschlecht/Standort Frage zu Kompetenzen: Schlüsselkompetenz, Kreativität, personale Kompetenz. Frage 2.5: Ich konnte meine Ideen einbringen und umsetzen. Frage 2.9: Ich habe mir zugetraut etwas zu machen und anzubieten, was andere kaufen

Auffälligkeit 2: Standorteffekt Das Ergebnis ist »spiegelverkehrt«. Die Gruppen, die in Mannheim etwas stärker abschneiden, sind in Weinheim schwächer und umgekehrt. Insgesamt schätzen sich die Weinheimer Kinder leicht stärker ein. Die Fragen zielen sowohl auf das Gefühl, eigenständig und selbstverantwortlich handeln zu können wie auch auf das Vertrauen in sich selbst, in die eigene Umsetzung. Insgesamt werden auch hier diese Fragen positiv beantwortet, mit Ausnahme der jungen Mannheimer Jungen. Die älteren Kinder beantworten die Frage positiv, wobei die älteren Schülerinnen in Weinheim am kritischsten bezüglich des Zutrauens in die Umsetzung waren. Beide Mädchengruppen, die 10 Jahre und älter waren, hatten das Gefühl, ihre Ideen nicht so gut einbringen zu können, wie auch die Jungen mit 9 Jahren und jünger. Dieses Ergebnis wird mit Fragen ergänzt werden, die freie Antwort bezüglich des Projektverlaufs und der Frage des eigenen Beitrags zum Projektverlauf ermöglichen.

3. Das Projekt »kleinUnternehmen«: Ein ganzheitlich orientiertes Konzept

Abbildung 14: Soziale Kompetenz nach Alter/Geschlecht/Standort. Fragen zu Kompetenzen:   Schlüsselkompetenz, Soziale Kompetenz. Frage 2.10: Wir konnten in der Gruppe gemeinsam eine Idee entwickeln und sie umsetzen. Frage 2.11: Wenn es Ärger oder Streit gab, konnten wir uns schnell einigen und vertragen.

Auffälligkeit 3: Geschlechtereffekt/Alterseffekt Bei der Ideenfindung schätzen sich alle relativ gut ein. Die Fähigkeit, Konflikte gut lösen zu können, beantworten insbesondere die älteren Mädchen positiv. Die Frage nach der Entwicklung der Ideen und deren Umsetzung in der Gruppe bestätigt die Einschätzung der ersten Frage nach der Möglichkeit, eigene Ideen umsetzen zu können: Auch innerhalb der Gruppe besteht bei allen das Gefühl, im Wesentlichen ihre Ideen entwickeln und umsetzen zu können. Nur die Bewertung zur Konfliktlösung fällt sehr unterschiedlich aus. Es lassen sich hier Effekte hinsichtlich des Geschlechts und des Alters feststellen. In Bezug auf die Frage, wie Gruppenprobleme gelöst werden konnten, äußerten nur die Jungen von 9 Jahre und jünger der Mannheimer Schule eine schlechte Konfliktlösekompetenz. Aber die altersgleiche Gruppe der Jungen in Weinheim bewerten ihre Konfliktlösungskompetenz hingegen relativ hoch. Am stärksten bewerten diese die älteren Mädchen an beiden Standorten. Die qualitative Auswertung zeigt interessanterweise, dass sich trotzdem fast alle Kinder sich in ihrer Gruppe wohl gefühlt, auch jene Jungen, die ihre Konfliktlösekompetenz schlecht einschätzen. Die Gründe, warum sie sich grundsätzlich alle trotz Streit,

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

gut, gar glücklich gefühlt haben, zeigen die Antworten auf die Frage, wie sie sich in ihrer Gruppe gefühlt haben (vgl. Frage 2.1.3).

3.3.2.2

Qualitative Ergebnisse zu Stärkung der Kompetenzen

Das ist die Einschätzung der Kinder, wenn sie sich für eine vorgegebene Antwort entscheiden müssen. Die folgenden quantitativen Fragen (Frage 6 und 7) zielen darauf ab, die Einschätzung der Kinder mit von ihnen genannten Inhalten zu verbinden und daraus abzuleiten, ob ihre Einschätzung auch auf konkreten Inhalten beruht, die sie benennen können. Tabelle 19: Qualitative Frage zu Kompetenzen: Lernen Frage 2.6: Was hast Du alles gelernt? Was kannst Du jetzt? »wie man arbeiten kann«, »wie ich Ideen umsetze« (Jungen Mannheim, 9 Jahre) Kategorie

Ankerbeispiele, besondere Aussagen

Arbeit Das Thema Arbeit beinhaltet sowohl ein Interesse an beruflichen Themen, dem Spaß, selbst zu arbeiten, ein eigenes Geschäft zu haben und zu wissen, wie das funktioniert, zu wissen, was »Arbeit« bedeutet.

»wie man arbeiten kann«, »Geschäfte führen«

Eigene Idee umsetzen Der eigene Bezug, die eigenen Vorstellungen einbringen und umsetzen zu können, ist von Bedeutung.

»ich kann mich für eine Sache entscheiden«, »Ideen umsetzen«, »mit Ideen umgehen«

Grundbildung (rechnen, lesen, schreiben) Konkret ist die praktische Anwendung der Grundlagenfächer gemeint, die in Zusammenhang einer Schülerfirma gebraucht wird.

»mit Geld umgehen«, »arbeiten«, »Wechselgeld geben«, »Einnahmen, kassieren«, »Preise finden«, »lesen«, »schreiben«

Ökonomische Grundbegriffe Grundlegendes ökonomisches Wissen.

»Fachbegriffe«, »Werbung«, »Dienstleistung«, »Arten von Arbeit«, »Logo«, »Preise«, »Bedeutung der Kunde«

Alltagspraktisches Tätigkeiten, die im alltäglichen Leben gebraucht werden.

»Fahrrad putzen«, »basteln«, »Pflanzen«, »Stand sauber halten«, »mit Geld umgehen«, »Einkaufen gehen«

Kommunikation Grundlagen der Kommunikation

»mit Kunden reden«, »reden: laut und deutlich«, »Leute überzeugen«, »anschauen«, »mit Kunden umgehen«, »Hallo sagen«

Soziale Kompetenzen Grundlagen des sozialen Miteinanders

»mit jemanden arbeiten«, »geduldig sein«, »freundlich sein«, »lustig und schön in der Gruppe zu arbeiten«, »das man im Team arbeiten muss«, »dass es nicht leicht ist, wenn man mit allen zusammenarbeiten muss«, »auf die Gruppe eingehen und auch mal nachgeben«

3. Das Projekt »kleinUnternehmen«: Ein ganzheitlich orientiertes Konzept

Jungen | Mannheim Zur Beantwortung dieser Frage beschreiben die Jungen den praktischen Einsatz der Umsetzung ihrer Geschäftsideen, wie beispielsweise Fahrrad putzen oder Rechnen und nennen Fachbegriffe. Andere bleiben allgemein und antworten, dass sie jetzt wüssten, wie sie arbeiten oder eine Idee umsetzen können. Die älteren Jungen der Neckarstadt beschreiben kommunikative Aspekte: Reden mit Kunden, Freundlichkeit, lautes und deutliches Sprechen. Sie haben gelernt, sich auszudrücken und mit anderen arbeiten zu können. Sie zählen Fachbegriffe auf wie Werbung und Dienstleistung oder meinen zu wissen, wie sie mit Geld umgehen und wie eine Geschäftsidee umgesetzt werden kann. Jungen | Weinheim Die Jungen nennen fachliche Aspekte wie Werbung gestalten und Fachbegriffe, die sie jetzt kennen. Sie wissen was es bedeutet Verlust zu machen, haben gelernt geduldig zu sein. Sie wissen wie ein Geschäft zu führen ist und wie man Ideen umsetzen kann. Auch sie machen ihre Kenntnisse an ganz (alltags)praktischen Tätigkeiten fest, wie beispielsweise jetzt einkaufen gehen zu können. Bezüglich sozialer Kompetenzen benennen die Jungen, dass sie im Team arbeiten können bzw. auch müssen und gelernt haben, in einer Gruppe zu sein und mit jedem arbeiten können. Sie haben das Gefühl, vieles zu können, was sie vorher nicht konnten und nennen konkrete Tätigkeiten innerhalb ihrer Schüler*innenfirma. Mädchen | Mannheim Die Mädchen nennen konkrete Aspekte des Umgangs mit Anderen und benennen Fachbegriffe, die sie nun kennen. Sie wissen, wie man ein Geschäft führt und belegen dieses Können ebenso durch praktische Beispiele, wie Kuchen backen. Die älteren Mädchen können nun besser rechnen, lesen und schreiben. Sie kennen Fachbegriffe und wissen, wie mit Kund*innen gesprochen werden muss. Sie können nun verkaufen, Fußball spielen oder mit Pflanzen umgehen. Mädchen | Weinheim Die Mädchen wissen, wie man ein Geschäft führt, kennen Fachbegriffe und haben die Erfahrung gemacht, dass es notwendig sein kann, mit »allen Leuten« zusammenzuarbeiten. Die älteren Mädchen zählen viel auf, was sie nun können. Die ganz praktischen Tätigkeiten der Umsetzung, wie das Bedienen von Kunden oder das Basteln der verschiedenen Angebote. Sie wissen nun, was man in einem Geschäft macht, wie sich das anfühlt, kennen die dazugehörigen Themen wie Preisfindung und Verkauf. Auch sie haben erlebt und gelernt, dass man nicht alles alleine schaffen kann und Teamarbeit notwendig ist.

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

Tabelle 20: Qualitative Frage zur Kompetenzen: Entdecken Frage 2.7: Das kannst Du jetzt, das hast Du neues an Dir entdeckt »ich konnte früher nicht gut ausdrücken, jetzt kann ich es« (Junge Mannheim, 10 Jahre) »ich kann Sachen schaffen, wenn ich mich anstrenge« (Mädchen Weinheim, 10 Jahre) Kategorie

Ankerbeispiele, besondere Aussagen

Eigene Idee umwandeln Der eigene Bezug, die eigenen Vorstellungen einbringen und umsetzen zu können, ist von Bedeutung.

»kann Geschäftsidee umsetzen«, »Ideen umsetzen«, »sehr viel Neues«

Rechnen Konkret ist angewandte Mathematik gemeint, die in Zusammenhang einer Schüler*innenfirma gebraucht wird.

»Mathe«, »kann gut Kasse«, »mit Geld umgehen«, »verkaufen«, »schnell Geld wechseln«, »Rückgeld geben«

Deutsch Sprechen, Lesen und Schreiben

»Deutsch«, »ich kann vorlesen«, »mich gut ausdrücken«, »gut bewerten«

Selbstwertgefühl Aspekte, die Selbstbewusstsein ausdrücken.

»muss mich nicht schüchtern fühlen«, »ich habe Selbstgefühl«, »bin stark und klug«, »bin mutig«, »bin besser geworden«, »selbstbewusster«, »bin schlauer«, »kann meine Meinung sagen«, »kann mehr als ich dachte«, »kann Sachen schaffen, wenn ich mich anstrenge«, »ich weiß mehr als vorher«, »ich kann manchmal schnell, manchmal langsam Dinge entdecken und regeln«

Kommunikation Grundlagen der Kommunikation

»Verhandeln«, »erklären«, »mich gut ausdrücken«, »laut und deutlich sprechen«, »stark«, »höflich«, »kann meine Meinung sagen«, »ich bin freundlich geworden«

Kreativität Verschiedene Varianten, wie sich kreatives Denken und Handeln ausdrücken kann.

»kreativ«, »habe viele neue Ideen«, »sehr viel Neues«, »gute Ideen«

Soziale Kompetenzen Grundlagen des sozialen Miteinanders.

»kann helfen«, »mag meine Freunde«, »Freunde mögen mich«, »kann besser mit einem Teammitglied umgehen«

Arbeit Das Thema Arbeit beinhaltet sowohl ein Interesse an beruflichen Themen und dem Spaß, selbst zu arbeiten.

»kann schwer arbeiten«, »Werbung«, »Kuchen backen«

Diese Frage ist zwar auch als Ergänzung zu den ökonomischen Kompetenzen gedacht, aber durch ihre Offenheit bietet sie ebenso die Möglichkeit, weitere Bereiche zu benennen. Jungen | Mannheim Einerseits erkennen die Jungen persönliche Veränderungen (»ich muss mich nicht schüchtern fühlen«), andererseits erkennen sie, dass sie Ideen umsetzen können und über grundlegende Kompetenzen verfügen.

3. Das Projekt »kleinUnternehmen«: Ein ganzheitlich orientiertes Konzept

Die Jungen ab 10 Jahre und älter nennen ihre Tätigkeiten der Umsetzung, die sie als etwas Neues an sich entdecken: sie können eine Geschäftsidee umsetzten. Sie können benennen, dass ihr Selbstwertgefühl gestiegen ist und nehmen wahr, dass sie sich ausdrücken können, kreativ sind und arbeiten können. Jungen | Weinheim Die Jungen benennen die Tätigkeiten der praktischen Umsetzung wie Verkauf und Wechselgeld geben und haben entdeckt, dass sie gut verhandeln können und vorlesen. Die älteren Jungen können ihre Angebote basteln, ein Geschäft führen, mit Geld umgehen. Sie halten sich nach dem Projekt für schlauer, haben gute Ideen, können gut bewerten. Sie haben entdeckt, dass sie sich nicht schüchtern fühlen müssen und sind höflich. Mädchen | Mannheim Die Mädchen haben viele Eigenschaften entdeckt: dass sie stark, mutig und klug sind, viele neue Ideen haben, sie besser geworden sind. Sie können jetzt Geschäfte machen, mit Geld rechnen, putzen und Blumen verkaufen. Die älteren Mädchen nennen auch Tätigkeiten der Umsetzung, sind selbstbewusster geworden, können ihre Ideen umsetzen und mit Menschen umgehen. Mädchen | Weinheim Die Mädchen können jetzt mit Menschen umgehen, auch mit Teammitgliedern und ihre Meinung sagen. Sie können Rückgeld geben, verkaufen und erklären. Ihre Einschätzung ist: sie können mehr, als sie dachten. Die älteren haben viel auf der kommunikativen Ebene entdeckt und können jetzt reden, helfen, besser in der Gruppe arbeiten, miteinander arbeiten. Sie können Sachen entdecken und regeln, verkaufen, rechnen. Daneben nennen sie auch praktische Tätigkeiten und sie können Sachen schaffen, wenn sie sich anstrengen.

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

Tabelle 21: Qualitative Frage zur Projektauswertung Frage 2.8: Wie ist das Projekt gelaufen? »das Projekt war für mich wunderschön« (Junge Mannheim, 10 Jahre) »nur halbwegs gut, weil wir nicht als Team gearbeitet haben« (Junge Weinheim, 10 Jahre) Kategorie

Ankerbeispiele, besondere Aussagen

Spaß

»Gefallen«, »schön«, »gut«

Freunde, Teamarbeit, Wir-Gefühl Die Bedeutung der Freundschaft mit Gleichaltrigen wird hier konkretisiert durch die Bedeutung der gemeinsam gemachten Erfahrung und der Zusammenarbeit.

»zusammen gearbeitet«, »wir haben uns gut verstanden und auf verschiedene Sachen geeinigt«, »stressig – nicht gut gefallen«, »weil es Streit gab«, »nicht als Team gearbeitet«, »alle haben tolle Ideen«, »dass wir zusammengearbeitet haben«

Arbeit Das Thema Arbeit beinhaltet sowohl ein Interesse an beruflichen Themen, dem Spaß, selbst zu arbeiten, ein eigenes Geschäft zu haben und zu wissen, wie das funktioniert, zu wissen, was »Arbeit« bedeutet.

»Geholfen«, »gearbeitet«, »zusammen gearbeitet«, »gut zusammengearbeitet«

Erfolg Diese Kategorie beinhaltet die Aspekte, die Kinder stolz gemacht haben, und von denen sie sagen, es sei gut gelaufen.

»viel Geld verdient«, »viele Kinder gekommen«, »wir wurden gut bewertet«, »dass wir zusammengearbeitet haben«

Ohne Aufforderung, die Aussagen zu begründen, gaben die Kinder diese Antworten. Auffällig ist die Bedeutung, die der Teamarbeit zugeschrieben wird. Davon ist die Bewertung des Projektverlaufs stark abhängig. Dabei geht es um die inhaltliche Arbeit, die bewertet und als Arbeit definiert wird. Stolz sind die Kinder auf ihre Ideen und Erfolge. Jungen | Mannheim Die Jungen bewerten den Ablauf gut, weil es ihnen gefallen hat und sie geholfen haben. Ein Teil der älteren Jungen bewerten das Projekt auch als anstrengend, weil zu Beginn etwas nicht funktioniert hat. Grundsätzlich aber hat es ihnen Spaß gemacht und sie bewerten den Ablauf positiv. Jungen | Weinheim Die Jungen beschränken sich darauf, das Projekt als gut, super und ähnliches zu bewerten. Die älteren Jungen bewerten das Projekt vorrangig positiv. Eine Begründung ist die gute Zusammenarbeit. Als negativ wurde das Projekt bewertet, weil die Teamarbeit nicht funktioniert hat. Mädchen | Mannheim Die Mädchen fanden es gut, weil viele Kinder gekommen sind. Auseinandersetzungen untereinander wurde auch als anstrengend empfunden.

3. Das Projekt »kleinUnternehmen«: Ein ganzheitlich orientiertes Konzept

Die älteren Mädchen bewerten das Projekt positiv. Sie haben eine gute Rückmeldung erhalten, weil viele Kinder zum Verkauf gekommen sind, es gut gelaufen ist und sie viel Spaß und tolle Ideen hatten. Mädchen | Weinheim Die Mädchen bewerten das Projekt positiv, weil sie sich gut verstanden haben und sich nach Konflikten wieder einigen konnten. Den älteren Mädchen hat das Projekt Spaß gemacht hat, sie waren zufrieden wegen der guten Zusammenarbeit, aber auch wegen der guten Einnahmen. Tabelle 22: Qualitative Frage zur Schlüsselkompetenz Frage 2.12: Was hast Du dazu beigetragen, damit das Projekt gelingt? »habe es so gut gemacht, dass die Gruppe noch mehr Ideen in die Gruppe gegangen ist« (Junge Mannheim, 10 Jahre) Kategorie

Ankerbeispiele, besondere Aussagen

Fachlichkeit Ökonomische Grundbegriffe

»Logo gelernt«, »Werbung gestaltet«, »Plakate gemacht«, »Kunden besorgt«, »ein Schild gemacht«

Teamarbeit

»dem Team geholfen«, »Mühe gegeben«

Engagement Das Engagement äußert sich in besonderem Bemühen, das über den normalen Ablauf hinausgeht.

»Ich habe mir Mühe gegeben«, »ich war nett«, »schick angezogen«, »ordentlich gekleidet«, »viel gearbeitet«, »super mitgemacht«, »keine Pause gemacht«, »Konzentration«

Soziale Kompetenzen Rücksichtnahme, Übernahme an Aufgaben

»an andere gedacht«, »Teamwork gelernt«

Arbeit Das Thema Arbeit beinhaltet sowohl ein Interesse an beruflichen Themen, dem Spaß, selbst zu arbeiten, ein eigenes Geschäft zu haben und zu wissen, wie das funktioniert, zu wissen, was »Arbeit« bedeutet.

Aufzählung der einzelnen Tätigkeiten der Umsetzung: »Kasse«, »Tore gehalten«, »gebastelt«, »gegoogelt««, »vorgelesen«, »Ideen eingebracht«, »Wechselgeld«, »eingekauft«, »Teamwork«

Die Frage zielt auf die Autonomie und die Selbsteinschätzung der Schüler*innen ab. Neben dem Aspekt, wie eigene Ideen umgesetzt werden konnten, rekurriert diese Frage auf die Übernahme von Verantwortung und dem Bewusstsein davon. Jungen | Mannheim Der Beitrag der Jungen war es zu lernen, zu helfen und ihre Ideen einzubringen. Sie zählen praktische Tätigkeiten auf, aber auch die Umsetzung von ökonomisch relevanten Aspekten, wie das Tragen gleicher Arbeitskleidung oder die Gestaltung eines Logos. Eine starke Identifikation mit dem Projekt kommt beispielsweise zum Ausdruck, dass erwähnt wird, sich für den Umsetzungstag extra schick angezogen zu haben.

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

Jungen | Weinheim Der Beitrag der Jungen wurde ebenso an ganz konkreten Tätigkeiten festgemacht, wie auch dem Bewusstsein darüber, dass sie dem Team geholfen haben, Ideen eingebracht oder sich konzentriert haben. Auch die Umsetzung von fachlichen Tätigkeiten, wie das Gestalten von Werbung oder sich um das Wechselgeld zu kümmern wurden als Beitrag genannt. Mädchen | Mannheim Der Beitrag der Mädchen war es, der Gruppe zu helfen und im Team zu arbeiten, eigene Ideen einzubringen. Die eigene Anstrengung (Arbeiten ohne Pause) wird ebenso als Beitrag gesehen, wie ganz konkrete Tätigkeiten und dabei fachliche Tätigkeiten, wie das Lernen, eine Kasse zu bedienen oder das Kümmern um Arbeitskleidung. Mädchen Weinheim Der Beitrag war es für die Umsetzung viel zu tun und zu organisieren. Die älteren Mädchen benennen zudem noch ihre gute Mitarbeit, ihre gute Zusammenarbeit ohne Streit und das Einbringen eigener Ideen. Tabelle 23: Qualitative Frage zur Gruppe Frage 2.13: Wie hast Du Dich in Deiner Gruppe gefühlt? »ich habe mich wohl gefühlt, weil ich gesagt habe das schaffen wir, wir sind taffe Mädchen« (Mädchen Weinheim, 10 Jahre) Kategorie

Ankerbeispiele, besondere Aussagen

Freunde, Teamarbeit Die Bedeutung der Freundschaft mit Gleichaltrigen wird hier zudem konkretisiert durch die Bedeutung der gemeinsam gemachten Erfahrung und der Zusammenarbeit.

»Es ist gut gelaufen weil wir zusammengehalten haben«, »nicht gut angefühlt, wenn es Streit gab« »gut, weil es meine besten Freunde waren«

Arbeit Das Thema Arbeit beinhaltet sowohl ein Interesse an beruflichen Themen, dem Spaß, selbst zu arbeiten, ein eigenes Geschäft zu haben und zu wissen, wie das funktioniert, zu wissen, was »Arbeit« bedeutet.

»Gut zusammen gearbeitet«, »zusammengehalten«, »gut gelaufen, weil wir nett zueinander waren«

Erfolgserlebnis Für die Kinder sind viele Aspekte für den Erfolg wichtig: Die Rückmeldung durch Kunden, die Geschäftsidee, die umgesetzt wurde, die gute Zusammenarbeit in der Gruppe.

»Gut gelaufen, weil wir in unserer Gruppe gut gelernt haben« »ich habe mich berühmt gefühlt, weil fast jeder hatte von unserem Stand was gekauft«

Jungen | Mannheim Obwohl die jüngsten Jungen die schlechteste Bewertung bezüglich der Gruppenfragen abgaben, weil Konflikte nicht gelöst werden konnten, haben sich fast alle von ihnen gut bis sehr gut gefühlt. Schön war das Projekt vor allem, weil in der Gruppe die besten Freunde dabei waren. Ähnlich ging es den älteren Jungen. Nur gaben von ihnen wel-

3. Das Projekt »kleinUnternehmen«: Ein ganzheitlich orientiertes Konzept

che an, dass es ihnen aufgrund von Konflikten nicht gut ging, einer von ihnen hat sich alleine gefühlt. Auch für sie war es sehr schön, mit den besten Freunden zusammenzuarbeiten. Jungen | Weinheim Alle Jungen haben sich gut bis sehr gut gefühlt. Nicht nur, weil die besten Freunde dabei waren, sondern auch, weil alle zusammengehalten haben. Mädchen | Mannheim Die meisten Mädchen fühlen sich gut bis sehr gut, manche jedoch nicht so gut, einzelne sogar schlecht. Als ein Grund hierfür wird ein Kind genannt, das Konflikte in der Gruppe auslöste. Dennoch waren sie in der Lage, gemeinsam eine Idee zu entwickeln und umzusetzen. Die älteren Mädchen haben sich bis auf eine Ausnahme gut bis sehr wohl gefühlt, weil sie etwas Neues entdeckt haben. Mädchen | Weinheim Fast alle haben sich gut bis sehr gut gefühlt, weil alle freundlich waren. Unwohlsein entstand, wenn sie sich in der Gruppe nicht verstanden haben oder geärgert fühlten. Den älteren Mädchen ging es auch gut bis sehr gut, weil sie mit Freunden in der Gruppe waren, zusammengehalten haben, nett zueinander waren und Streit schnell klären konnten. Es hat ihnen Spaß gemacht, sie konnten gut in der Gruppe gemeinsam lernen und sie waren erfolgreich. Die positive Rückmeldung der Weinheimer Mädchen stimmt mit den Werten überein, die bei beiden Fragen mit am höchsten liegen. Tabelle 24: Qualitative Frage zur Idee Frage 2.14: War Eure Idee erfolgreich? Konntet Ihr Eure Idee erfolgreich umsetzen? Begründe bitte »Ja, weil wir haben 20 Fahrräder geputzt und 2 Skateboards verkauft« (Junge Mannheim, 10 Jahre) Kategorie

Ankerbeispiele, besondere Aussagen

Erfolg

wurde bejaht

Verkauf Die konkrete Umsetzung ist mit wesentlich bestimmend, ob eine Idee als erfolgreich eingestuft wird.

»Alles verkauft«, »viel verkauft«, »fand es nicht gut«, »weil jeder Kasse mag «»ja wir waren ausverkauft«

Kund*innen Die Bestätigung und der Erfolg der Idee wird durch andere, durch Kund*innen erbracht, die Interesse am Angebot zeigten.

»Dass viele gekommen sind«, »viele Kunden«

Gruppe Die Gruppe spielt eine wesentliche Rolle, ob die Umsetzung als erfolgreich empfunden wird.

»Wir haben uns geeinigt«, »gut verstanden«, »weil alle mitgeholfen haben«, »weil jeder sich beteiligt hat«

Etwas Eigenes Es wird realisiert, dass die Geschäftsidee eine eigene ist und als solche von anderen wahrgenommen wird.

»Selbst etwas gemacht«, »haben gewonnen«, »wir konnten viel umsetzen«, »wir eine gute Idee hatten«, »unsere Idee durchgesetzt haben«, »weil wir selber etwas gemacht haben und es konnten«

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

Jungen | Mannheim Die Ideen werden als erfolgreich eingeschätzt, weil es schön war, weil sie viel verkauft und gewonnen haben und weil sie sich als Gruppe einigen konnten. Schnell umsetzbar war die Idee nicht. Die Ideen sind auch von den älteren Jungen als erfolgreich bewertet worden, weil sie gewonnen haben und viel umsetzen konnten. Als nicht erfolgreich wurde gewertet, dass aus Zeitmangel nicht alle Kunden das Angebot der Schüler*innenfirma in Anspruch nehmen konnten. Jungen | Weinheim Die Jungen gaben unterschiedliche Gründe für ihre als erfolgreich bewertete Idee an: Weil sie den Wettbewerb gewonnen haben, weil sie die eigene Idee umgesetzt haben, schnell ausverkauft waren, es wenige Diskussionen innerhalb der Gruppe gab, viele Kund*inen kamen, die Idee gut war oder Idee eine Umsetzung eines Hobbys war. Mädchen | Mannheim Die Mädchen hielten bis auf zwei Ausnahmen ihre Ideen für erfolgreich. Sie fanden ihre Idee gut, konnten sich schnell einigen, haben sich gut verstanden und zusammengearbeitet. Diejenigen, die ihre Idee als nicht erfolgreich einstuften, fanden, dass sie zu wenige Kunden hatten. Mädchen | Weinheim Alle fanden ihre Idee erfolgreich, weil die Idee gut umgesetzt wurde, viel verkauft wurde, sie schließlich sogar ausverkauft waren. Die älteren bewerten die Ideen als erfolgreich, weil jeder etwas dazu beigetragen hatte, alle gut mitgeholfen haben, die gebastelten Sachen gut ankamen.

3.3.2.3

Zusammenfassung der Ergebnisse zur Stärkung von Kompetenzen

Die Schüler*innen können insgesamt genau benennen, was sie gelernt oder was sie an neuen Fähigkeiten an sich entdeckt haben. Es ist ein Ergebnis, welches die Kinder bestätigt und in ihrem Tun bestärkt. Dabei sind die verschiedenen Formen von Rückmeldungen als Anerkennung von besonderer Bedeutung. Die Kinder sind stolz auf Dinge, die sie selbst erarbeitet haben und die in einem Ergebnis sichtbar werden. Die drei Aspekte, die bei der Umsetzung pädagogischer Angebote nach Reich bedacht werden sollten, finden sich hier bestätigt: Viele Perspektiven ermöglichen, viele Methoden anbieten und am Ende immer ein Ergebnis erzeugen (Multiperspektivität, Multimodalität und Multiproduktivität, vgl. Reich 2016: 183f.). Stärkung ökonomische Kompetenzen: Die meisten Kinder trauen sich zu, eine Geschäftsidee umzusetzen. Sie können einige grundlegende Fachbegriffe benennen und führen einzelne praktische Beispiele an, um zu beschreiben, was ihr konkreter Beitrag war. Bemerkenswert ist, dass die Kinder für diese Beschreibungen automatisch Fachbegriffe verwenden. Eine häufig genannte Antwort war, dass die Kinder benennen, nun zu wissen, was Arbeit bedeutet oder wie es funktioniert, ein eigenes Geschäft zu führen, berufliche Ideen sind entstanden. Damit entsprechen sie einigen Kriterien die ökonomische Kompetenz nach den Kriterien des DEGÖB. Sie können ihre Entschei-

3. Das Projekt »kleinUnternehmen«: Ein ganzheitlich orientiertes Konzept

dungen ökonomisch begründen, indem sie Kosten und Preise in einen Zusammenhang stellten. Kinder benennen notwendige Arbeitsschritte und können unter anderem den Zusammenhang zwischen Tätigkeiten und Verkauf oder den zwischen Einnahmen und Ausgaben herstellen. Sie erlebten den Zusammenhang zwischen Angebot und Nachfrage und können kleine Handlungssituationen ökonomisch analysieren Den Erfolg ihrer Arbeit messen sie stark am Interesse ihres Angebots. Stärkung personaler Kompetenzen: Die personalen Kompetenzen beziehen sich auf die Fähigkeit selbstorganisierten Handelns, der Fähigkeit, sich selbst einschätzen und ein Selbstbild entwickeln zu können. Die Fragen, wie sich Kinder beteiligt haben, wie sie Ihren Beitrag einschätzen, was sie sich zutrauen, rekurriert auch auf diese Kompetenz. Dazu antworten die Kinder differenziert. Sie antworten mit fachlichen Beiträgen, die konkret auf die Umsetzung der Geschäftsidee abzielen, sie antworten auf die Gruppe bezogen und nennen diese häufig als Bedingung, um überhaupt etwas umsetzten zu können. Sie beziehen sich auf das Team, die Arbeit im und mit dem Team, welches sie unterstützen und ihr Engagement, mit dem sie ihre Mühe und ihre Arbeit beschreiben. Die Kinder können ihre Tätigkeiten beurteilen und sowohl in einen fachlichen, wie auch in einen sozialen Kontext einbinden. Dabei sind sie sich ihrer Verantwortung, die sie für die erfolgreiche Durchführung des Projekts haben, durchaus bewusst. Stärkung sozial-kommunikativer Kompetenzen: Die sozial-kommunikativen Kompetenzen zeichnen sich durch ein Handeln aus, welches durch die Auseinandersetzung mit anderen ein gruppen- und beziehungsorientiertes Verhalten ermöglicht. Die soziale Kompetenz wurde durch die Einschätzung der Arbeit in und mit der Gruppe abgefragt. Dabei zeigt sich, dass die Kinder einerseits gute Ideen gemeinsam entwickeln können und die Zusammenarbeit der Gruppenmitglieder als wesentlichen Aspekt des Ablaufs betonen. Zugleich schätzen sie sich teilweise aber etwas weniger gut darin ein, Konflikte gut und schnell lösen zu können. Das ist altersentsprechend. Die Zusammenarbeit in der Gruppe, als ein Team, spielt durchgängig eine besondere Rolle, das oft benannt wird. Sie ist auch für die Kinder Merkmal für das Gelingen des Projekts. Auch wird von vielen der Zusammenhang von gemeinsamer produktiver Arbeit und Erfolg (im Sinne von Schaffen der Aufgabe) erkannt. Das gegenseitige Helfen ist dabei von großer Bedeutung, sowohl für die Selbsteinschätzung, als auch für die Bewertung der Gruppendynamik. Die Kinder erkennen, dass sie nur gemeinsam alles erarbeiten konnten und dass es deshalb grundsätzlich von Bedeutung ist, mit allen zusammen arbeiten zu können. Einige Schüler*innen haben festgestellt, dass sie mit vielen anderen zusammenarbeiten können, auch wenn es anstrengend ist oder sie manche nicht mögen. Daneben haben Kinder auch festgestellt, wie wichtig Kommunikation ist und sind stolz, nach dem Projekt beispielsweise von sich sagen zu können, nun reden oder laut und deutlich sprechen zu können, Blickkontakt halten oder freundlich sein zu können. Einige Kinder benennen auch ihre Entwicklung: sie seien nicht mehr so schüchtern oder seien nun in der Lage, ihre Meinung zu sagen. Fachlich-methodische Kompetenzen: Diese Kompetenz zielt auf die Fähigkeit, sachlich-gegenständliche Probleme mit fachlich-instrumentellen Kenntnissen zu lösen. Diese Kompetenz wurde mit den offenen Fragen zur Einschätzung des Gelernten abgefragt, aber auch bei anderen Fragen geben Kinder wieder, was sie können (wie bei

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

der Frage zu ihrem Beitrag). Bei der Aufzählung nennen die Kinder neben dem konkreten Wissen auf die Schüler*innenfirma bezogenes Wissen, grundlegendes Wissen wie Deutsch (Lesen, Schreiben) und Mathematik sowie ganz praktische Tätigkeiten. Tätigkeiten die den Alltag prägen, wie Einkaufen oder Putzen werden von Kindern als Kenntnisse genannt, über die sie vorher nicht verfügten. Alltagspraxis und damit auch Lebensweltbezug findet sich hier wieder. Ein Bezug zu Dewey kann an dieser Stelle gezogen werden: Kinder lernen, wenn sie selbst einen Sinn darin erkennen können, wenn ein Bezug zu ihrem Leben hergestellt werden kann. Die Erhebung zeigt, dass die Kinder von sich aus Inhalte in Bezug zu ihrer ganz eigenen Umsetzung setzen. So bekommen alle Tätigkeiten die für die Umsetzung des Projekts notwendig sind, auch grundlegende schulischer Art wie Rechnen oder Schreiben einen ganz konkreten Sinn. Grundsätzlich ist es den Kindern wichtig, viel gelernt zu haben. Dies benennen sie bei unterschiedlichen Fragen zum Projekt – auch ohne Aufforderung. Die Kompetenzen, die erfasst werden sollen, sind fachliche (Umsetzung der Geschäftsidee: Wissen und Zutrauen), soziale (Fragen bezüglich der Gruppe) und personale (eigenes Zutrauen, Einbringen eigener Ideen, Umsetzung der Ideen). Dabei ist den Kindern auch die Art und Weise des Lernens wichtig. Viele loben einzelne Methoden innerhalb der Module und häufiger wird genannt, dass das Projekt gut sei, weil es nicht wie Schule gestaltet sei. Selbstwertgefühl: Die an sich selbst erlebten Veränderungen führen zur Steigerung des Selbstwertgefühls. Die Kinder äußern Stolz und benennen Können und Eigenschaften, die sie entdeckt oder entwickelt haben. Sie stellen fest, dass sie nicht mehr so schüchtern sind oder ihre Meinung sagen können. Diese positiv konnotierten Eigenschaften führen dazu, sich selbstbewusster zu fühlen. Zusammenfassend können die Kinder viele Aspekte benennen, die Hinweise für einzelne Kompetenzen sind. Interessant ist, dass es ihnen wichtig ist, viel gelernt zu haben und der Lernerfolg ihnen quasi zum Qualitätsmerkmal wird. Mit dem Bewusstsein, über das Projekt viel gelernt zu haben, trauen sich auch die meisten Kinder eine Umsetzung einer Geschäftsidee zu. Die Zusammenarbeit mit anderen Kindern ist den meisten von ihnen sehr wichtig. Bewertung des Projekts Fast alle Schüler*innen bewerteten ihre Idee als erfolgreich. Die Frage nach dem Erfolg ihres Projekts, ihrer Idee wird von ihnen mit der Frage nach der Gruppe verbunden. Denn: den Erfolg ihrer Idee sehen die Kinder nicht als ihren eigenen an, sondern selbstverständlich als den ihrer Gruppe. Zwar können sie auch ihren Anteil am Erfolg nennen, doch sie sprechen von »wir« und »unserer Idee«. Die Identifikation mit der Gruppe und der gemeinsamen Idee kommt im Hinblick auf den Erfolg stark zum Ausdruck. Neben der Gruppenerfahrung ist die Rückmeldung zum Ergebnis elementar. An verschiedenen Stellen benennen die Kinder die Rückmeldung durch die Kund*innen, dass sich viele ihren Stand angeschaut haben und ihnen damit auch das Gefühl gegeben haben, etwas Gutes gemacht zu haben. Erst an zweiter Stelle kommt, ob sie den Wettbewerb gewonnen oder viel Geld eingenommen haben. Wesentliches Kriterium für den Erfolg war der Besuch anderer an

3. Das Projekt »kleinUnternehmen«: Ein ganzheitlich orientiertes Konzept

ihrem Stand. Die Kinder möchten mit ihren Fähigkeiten, ihren Angeboten und ihrem Engagement gesehen werden.

3.3.3

Ergebnisse zum Biographischen Lernen

Biographisches Lernen meint das Lernen im Leben, es bedeutet aber zugleich lebenslanges Lernen und es ist der Verweis darauf, dass Lernprozesse dann erfolgreich sind, wenn sie Anschluss an die individuelle biographische Situation haben. In diesem Sinne ist Leben eine Lerngeschichte (vgl. Gieseke/Siebers 1995). Nun stellt sich die Frage, wie biographisches Lernen durch Kinder erfragt werden kann. Die Antworten auf offene Fragen können Hinweise geben, ob die Kinder selbst Bezüge herstellen können, ob sie Interesse entwickeln, welches Gefühl sie dabei haben. Dann kann »experience« entstehen, eine Lernerfahrung, die nach Dewey etwas bewegt, die etwas mit Lernenden macht. In diesem Sinne muss eine »experience« erlitten werden, muss spürbar sein, um Spuren hinterlassen zu können. Manche Erfahrung haben die Kinder im wahrsten Sinne erlitten. Wie beispielsweise die umfängliche Arbeit, die sie erschöpft hat, die Erfahrung, dass Arbeit anstrengend ist, aber auch Spaß macht oder auch, dass andere mit ihrem Angebot besser sind und mehr verkaufen können.

3.3.3.1

Ergebnisse zur Projektbewertung: Gefühl, Inhalt, Lernen

Diese und die folgenden Fragen (2.1, 2.2) sollen sowohl die emotionale als auch die inhaltliche Seite des Projekts erfragen. Über die Antworten werden Kriterien abgeleitet, die Aufschluss darüber geben können, wann Unterricht, wann ein Projekt von Kindern angenommen wird, wann sie sich einbringen und zu begeistern sind und wie die Entwicklung von Selbstwirksamkeit angeregt werden kann. Dann ist die Voraussetzung geschaffen, Lernprozesse in Gang zu setzen und Nachhaltigkeit im Hinblick auf persönliche Stärkung und inhaltliche wie emotionale Anschlussmöglichkeiten zu bewirken. Biographisches Lernen wird möglich.

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

Tabelle 25: Qualitative Frage zum Projekt: Gefühle Frage 2.1 Wie hast Du Dich während des Projekts gefühlt und warum? »ich mich freundlich angefühlt, weil ich dieses Gefühl im Herzen habe« (Mädchen, 9 Jahre, Mannheim) »ich war jeden Tag aufgeregt, weil ich gespannt war, was passiert« (Mädchen, 10 Jahre, Weinheim) Kategorie

Ankerbeispiele, besondere Aussagen

Freunde, Teamarbeit Die Bedeutung der Freundschaft mit Gleichaltrigen wird hier konkretisiert durch die Bedeutung der gemeinsam gemachten Erfahrung und der Zusammenarbeit

»Wir haben gut zusammengearbeitet«, »gut gefühlt«, »weil wir haben zusammengehalten«, »weil wir etwas Gutes überlegt haben«, »wir schaffen das«, »mit Freunden gearbeitet«, »gut-wir haben zusammen gearbeitet und uns gegenseitig geholfen«

Pädagogischer Bezug Die Beziehung zu den durchführenden Pädagog*innen spielt eine Rolle, wie auch die Sicherheit, bei Problemen Unterstützung zu erhalten.

»weil wir nette Lehrer hatten«, »es gut gelaufen ist«, »nette Lehrer«, »traurig beim Abschied«

Emotionalität Gut fühlen: In Anlehnung an Bandura spielen Wohlbefinden und Emotionalität eine wichtige Rolle im Bezug zur eigenen Zielsetzung.

»Aufgeregt, weil es etwas Neues war«, »es hat Spaß gemacht«, »ich war glücklich«, »stolz«, »stolz gefühltweil ich wusste, dass ich das kann«, »mir war nicht langweilig«, »cool, weil ich dachte, ich werde berühmt«

Verantwortung Im Sinne von eigenverantwortlichem Tätigwerden, als Bestandteil autonomen Handelns zur Zielverfolgung.

»Es war anstrengend«, »ich habe viel gearbeitet«, »ich habe viel gelernt«, »durfte immer mitmachen«

Gesehen werden Die Bedeutung ernst- und wahrgenommen zu werden, auch als Form der Anerkennung, kommt hier zum Ausdruck.

»Wichtig gefühlt«, »berühmt gefühlt«, »weil ich mich gefühlt habe wie ein Erwachsener«, »ich habe mich groß gefühlt«, »weil Unternehmen etwas großes sind«, »im Mittelpunkt zu stehen war cool«

Erfolg erleben In Bezug auf das Setzen von Nahzielen, konnte zeitnah erlebt werden, ob das eigene Handeln funktioniert, also im Sinne der Kinder erfolgreich ist.

»es war anstrengend«, »aber es hat Spaß gemacht«, »ich habe mich stolz gefühlt«, »sehr schüchtern und später fühlte ich mich mutig«

Methodische Vielfalt Die Neugierde wird geweckt, Kinder sind aufgeregt, lassen sich auf Unbekanntes ein.

»keine Langeweile«, »gut gefühlt, denn es war mal ein anderes Thema«, »man wusste nie, was passiert«, »weil ich in die Welt der Unternehmen eintauchen konnte«, »wichtige Leute«, »es waren schöne Aufgaben«, »es war keine Schule«, »gut, weil es gab etwas zu tun«

Eigene Ideen einsetzten

»Es war einfach ein besonderer Tag für mich«, »cool, weil ich meine Ideen einsetzen konnte«

Jungen | Mannheim Fast allen Jungen haben sich sehr gut bis gut gefühlt. Die Gründe, die sie anführen sind: Der Spaß am Projekt, die Zusammenarbeit mit Freunden, die Arbeit an sich und der Verkauf, insbesondere, dass etwas verkauft wurde. Aber ein gutes Gefühl hat auch die

3. Das Projekt »kleinUnternehmen«: Ein ganzheitlich orientiertes Konzept

Lernerfahrung gemacht. Ebenso antworten die älteren Jungen und formulierten sogar, sich glücklich gefühlt zu haben, weil ihnen das Projekt Spaß gemacht hat und sie mit ihren Freunden zusammengearbeitet haben. Aber auch, weil sie gearbeitet haben und stolz auf das Ergebnis waren. Jungen | Weinheim Auch die Weinheimer Jungen haben sich gut bis sehr gut gefühlt. Der Spaß, die Zusammenarbeit mit den Freunden und die Aufgaben spielten dabei ebenso eine Rolle wie das Gefühl, Erfolg gehabt zu haben (»wir haben alles verkauft«), das Wissen, immer Unterstützung erhalten zu haben, der Zusammenhalt in der Gruppe hat ein gutes Gefühl gemacht, wie auch, dass das Projekt nicht wie Schule war und keine Langeweile aufkam. Die älteren Jungen fühlten sich ähnlich gut, wenigen war langweilig. Neben den schon genannten Gründen fühlten sich Jungen auch dieser Gruppe aufgeregt, weil das Projekt unbekannte und unvorhersehbare Aspekte mit beinhaltete. Ein weiterer neuer Punkt ist die Bedeutung, die sie dem Projekt zugeschrieben haben: Sie fühlten sich wichtig, weil sie Unternehmen als etwas Großes ansehen, mit dem Effekt sich selbst bedeutsam und ernst genommen zu fühlen. Wichtig dabei ist das Gefühl im Mittelpunkt zu stehen. Mädchen | Mannheim Die Mädchen haben sich von »normal« bis »aufgeregt«, von »gut« bis »sehr gut« gefühlt, weil es ihnen Spaß gemacht hat, sie Vertrauen zu den durchführenden Pädagog*innen aufbauen konnten, viel gelernt haben, immer mitgemacht haben und ihre Ideen einsetzen konnten. Sie waren gespannt, weil sie nie wussten, was passieren würde. Den älteren Mädchen ging es ebenso. Sie haben sich stolz gefühlt und nennen als Gründe neben Spaß, den das Projekt gemacht hat auch, dass sie viel gelernt haben und stolz auf das Ergebnis sind. Insgesamt sind sie stolz, weil sie es trotz Anstrengung geschafft haben. Mädchen | Weinheim Die Mädchen haben sich glücklich, sehr gut und anders gefühlt. Neben Spaß war ihnen wichtig, dass das Projekt etwas Besonderes war. Der Bezug zu einem Beruf gab ihnen das Gefühl groß zu sein und sich wie eine Erwachsene zu fühlen. Die Verantwortung zu haben war auch anstrengend. So beschreibt es ein Mädchen, es habe sich hektisch gefühlt. Auch die älteren Mädchen haben sich gut bis sehr gut und berühmt gefühlt. Auch bei ihnen ist der Spaß wichtig und die Gruppe, mit der sie gearbeitet haben. Das Thema des Projekts spielt eine große Rolle: es führt zur Aufregung, macht neugierig, ist etwas Anderes und ermöglicht das Eintauchen in eine andere Welt (Welt der Unternehmen), bedeutet aber auch, viel zu tun zu haben. Die gegenseitige Unterstützung war wichtig, ebenso, dass die Pädagog*innen nett waren. Die Wirkung und die Rückmeldung von außen war von Bedeutung, so betonen die Kinder, wie wichtig es war, dass viele Kunden*innen an ihren Stand gekommen sind, sie viel verkauft haben und alles gut gelaufen ist.

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

Tabelle 26: Qualitative Frage zum Projekt: Inhalt Frage 2.2 Wie hat Dir das Projekt gefallen? »gut, weil alle mitgemacht haben« (Junge Weinheim, 10 Jahre) »Ganz schön, weil ich mich verbessert habe« (Junge Mannheim 10 Jahre) »Weil es cool ist, ein eigenes Geschäft zu haben« (Mädchen Mannheim, 9 Jahre) Kategorie

Ankerbeispiele, besondere Aussagen

»gefühlsmäßige Erregung« Gut gefühlt: In Anlehnung an Bandura spielen Wohlbefinden eine wichtige Rolle im Bezug zur eigenen Zielsetzung.

»weil viel gelernt«, »gut gelaufen«, »nette Leute, die uns geholfen haben«, »war für mich interessant«, »das war super und die beste Woche meines Lebens«

Freunde, Teamarbeit Die Bedeutung der Freundschaft mit Gleichaltrigen wird hier zudem konkretisiert durch die Bedeutung der gemeinsam gemachten Erfahrung und der Zusammenarbeit.

»Sehr gut gefallen«, »weil wir/mein Team gearbeitet haben«, »war gut in meiner Gruppe aufgehoben«, »gut weil meine Gruppe freundlich war«, »mit besten Freundinnen miteinander gearbeitet«

Methodische Vielfalt Die Neugierde wird geweckt, Kinder sind aufgeregt, lassen sich auf Unbekanntes ein.

»Das erste Mal so etwas gemacht«, »gute Erfahrung«, »viel gelernt« (oft genannt), »schöne Sachen gelernt«, »gut erklärt«, »Stationenarbeit toll«, »keine Schule«, »immer auf Schultag gefreut«

Pädagogischer Bezug Die Beziehung zu den durchführenden Pädagoginnen spielt eine Rolle.

»gute Lehrerinnen«

Arbeit Das Thema Arbeit beinhaltet sowohl ein Interesse an beruflichen Themen, den Spaß, selbst zu arbeiten, ein eigenes Geschäft zu haben und zu wissen, wie das funktioniert, zu wissen, was »Arbeit« bedeutet.

»gelernt« »wie man Arbeit macht«, »ein eigenes Geschäft«

Eigene Idee umwandeln Der eigene Bezug, die eigenen Vorstellungen einbringen und umsetzen zu können ist von Bedeutung.

»unsere eigene Idee umwandeln«, »kann machen, was ich kann«, »es hat mir gefallen«,« weil wir unsere Idee umwandeln konnten«

Mit einer inhaltlichen Frage sind die Schüler*innen frei zu beschreiben, was ihnen am Projekt gefallen hat. Über einfache Sätze hinaus, gaben die meisten von ihnen begründete Antworten, die folgende Kategorien zulassen. Sie sind den oben genannten ähnlich. Jungen | Mannheim Ihnen hat es gut bis sehr gut gefallen, weil sie im Team gearbeitet, verkauft und bestimmte Dinge gebastelt haben. Den meisten älteren Jungen hat es ebenso gefallen, manchen dann nicht, wenn nicht alles geklappt hat. Insgesamt hielten sie das Projekt für eine gute Erfahung und fanden, dass sich verbessert haben.

3. Das Projekt »kleinUnternehmen«: Ein ganzheitlich orientiertes Konzept

Jungen | Weinheim Den Jungen hat es gut bis sehr gut gefallen, weil sie vieles gemacht haben und tun konnten, weil sie mit anderen zusammengearbeitet und viel gelernt haben. Es war keine Schule und sie hatten gute Aufgaben. Die Jungen erwähnen erstmalig die Bedeutung der Einnahmen: Dass viele Kunden kamen und viel verkauft und eingenommen wurde, war ihnen wichtig. Den älteren Jungen hat es gut bis sehr gut gefallen, weil sie viel gelernt haben, gute Lehrer hatten, keine Schule war, etwas verkauft werden konnte und alle mitgemacht haben. Mädchen | Mannheim Den Mädchen hat es gut gefallen, weil sie sich in ihrer Gruppe gut und aufgehoben gefühlt haben, sie viel gelernt haben. Auch den älteren Mädchen hat es gut bis sehr gut gefallen, weil sie viel gelernt haben und weil sie gelernt haben, »wie man Arbeit macht«. Die Thematik war für sie neu, was ihnen gefallen hat, ebenso, dass sie ihre Ideen umsetzten konnten, sich in der Gruppe gut gefühlt haben und etwas zusammen machen konnten, was ihren Interessen entspricht. Mädchen | Weinheim Den Mädchen in Weinheim hat es gut gefallen, weil sie ein eigenes Geschäft hatten, es aufregend und spannend war, sie viel dabei gelernt haben, weil Vieles neu war. Wichtig ist auch, dass es gut gelaufen ist. Die älteren Mädchen fanden es ebenso gut, vor allem, weil sie im Team gearbeitet haben. Die Art des Lernens hat ihnen gut gefallen, wie auch, dass viele Kunden kamen und es insgesamt gut gelaufen ist.

3.3.3.2

Zusammenfassung der offenen Fragen zum Projekt

Indikatoren für einen Zusammenhang zwischen dem Projekt und der Entwicklung von Selbstwirksamkeit zeigen sich in den Aussagen der Kinder auf beide Fragestellungen hin. Sie spiegeln Kriterien der Bedingungen der Selbstwirksamkeitserwartung wieder. Dazu gehören: Die Herausforderung, etwas Neues zu tun, um im Ergebnis auch Stolz auf die eigenen Fähigkeiten empfinden zu können (»wir haben es geschafft«). Die hohe Emotionalität kommt bei fast allen Kindern auf verschiedene Weise zum Ausdruck, in Form von Aufgeregtheit, Freude oder Spaß und der Erwähnung der »Lehrer*innen« Sie zeigt, dass sich die Kinder aktiv beteiligen und auch emotional dabei sind und dadurch sichtbar wird, dass sie sich mit den Inhalten und Zielen des Projekts identifizieren. Geld als Anerkennung, das wird hier deutlich, ist sekundär, wird nur vereinzelt und erst in der zweiten Frage benannt. Die Wertschätzung wird vor allem über die erfahrene Anerkennung durch ihr Handeln wahrgenommen. Sie fühlen sich stärker dadurch, dass sie wahr und ernst genommen wurden, mit ihren Vorstellungen und Ideen. Diese Erfahrung hat mehr Bedeutung als die am Ende erwirtschafteten Einnahmen. Das ist vielleicht eines der signifikantesten Ergebnisse des Projekts »kleinUnternehmen« und kann an dieser Stelle Kritik entschärfen, die dem Projekt vorwirft, kapitalistisches Denken zu fördern. Durch das offene Konzept der Methode wie auch durch die thematisch gut zu ermöglichende Alltagsorientierung, ist biographisches Lernen gut umzusetzen. Im Ge-

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

gensatz zum lebenslangen Lernen ist biographisches Lernen nicht auf das Lernen in Institutionen, sondern auf Lernen in lebensweltlichen und lebensgeschichtlichen Zusammenhängen bezogen und kann an verschiedenen Kriterien festgemacht werden. Einige dieser Aspekte lassen sich in den Aussagen der Kinder wiederfinden: Das Leben lernen findet sich hier ganz praktisch wieder: Die Fähigkeiten, die die Kinder benennen und mitbringen, können sie in ganz praktischen Tätigkeiten einbringen. Sie erleben so wichtige, auch alltagspraktische Verrichtungen, um ganz eigene Vorstellungen Schritt für Schritt umzusetzen. Und sie erleben, dass sie das können – auch wenn sie teilweise Unterstützung brauchen. Im Hinblick auf biographisches Lernen kommt diesen alltagspraktischen Tätigkeiten eine wichtige Rolle zu, denn sie verdeutlichen den Kindern eine Kompetenz, welche sie auch in ihrem eigenen Leben außerhalb der Schule brauchen. Mit Dewey könnte man – ohne diese Beispiele überstrapazieren zu wollen – auch sagen, die Tätigkeiten, die die Kinder im Projekt erlernen und umsetzen, verbinden schulisches und außerschulisches Lernen. Mit dieser Verbindung können sie Bezüge zum eigenen Leben herstellen und den Inhalt wie auch den Umfang bestimmter Tätigkeiten besser einschätzen. Die Anstrengung, die die Kinder an verschiedenen Stellen bekunden verdeutlicht, dass die gemachten Erfahrungen keine passiv gemachten sind, sondern dass sie diese im tatsächlichen Sinne erlitten haben. Das bedeutet, sie haben auch Folgen, sie bleiben im Gedächtnis. Die Schüler*innen sagen, sie haben gelernt, wie man Arbeit macht oder wie man ein eigenes Geschäft führen kann. Das verdeutlicht nicht nur ihren Stolz über das Gelernte, sondern auch ihr Interesse an beruflichen Themen. Die Antworten zeigen, dass sich der Erfolg der Umsetzung vor allem auch daran misst, wie gut die Gruppen zusammengearbeitet haben. Dass es dann schwierig wird, wenn die Gruppe nicht funktioniert, zeigt sich in den Antworten. Aber mehr noch: den Schüler*innen ist bewusst geworden, dass sie aufeinander angewiesen sind. Sie geben als Antwort, dass sie das Projekt ohne einander nicht geschafft hätten. Sie haben auch gelernt miteinander zu arbeiten, auch wenn sie sich nicht einander ausgesucht haben oder einzelne Gruppenmitglieder nicht mochten. Von Bedeutung waren ebenso das Einbringen eigener Ideen und das Engagement der einzelnen. Die Rückmeldungen werden oft mit den neu gelernten Fachbegriffen und fachlichen Aspekten und Tätigkeiten begründet. Das Zusammenspiel von fachlichen und sozialen Faktoren, die erst dann zu einem guten Ergebnis führen, findet sich in den Aussagen wieder.

4. Chancen der Schüler*innenfirma als ganzheitliches Konzept der Sozialen Arbeit

Nachdem im ersten Kapitel eine Beschreibung erfolgt ist, welche Entwicklungslinien Schüler*innenfirma geprägt haben, welche pädagogische Ziele mit ihr verfolgt werden können und wie der Ansatz der Handlungsorientierung mit ihr praktiziert werden kann, wurde im zweiten Kapitel die Soziale Arbeit an der Schnittstelle Schule und Beruf vor dem Hintergrund unterschiedlicher Theorieansätze der Soziale Arbeit skizziert. Eine qualitative und quantitative Auswertung des Schüler*innenfirmenwettbewerbs »kleinUnternehmen« im dritten Kapitel hat gezeigt, dass positive Entwicklungen der Selbstwirksamkeitserwartung sowie personaler, sozialer, fachlicher und ökonomischer Kompetenzen durch die Teilnahme an diesem Projekt festzustellen sind. Im vierten und letzten Teil folgt zusammenfassend der Versuch, das Konzept der Schüler*innenfirma neu zu verorten, um ihr einen anderen Stellenwert im Kontext der Sozialen Arbeit zu geben. Dabei geht es um die Frage, wie das Konzept innerhalb Sozialer Arbeit und außerhalb schulischer Lernarrangements im Rahmen von beispielsweise der Schulsozialarbeit oder der Berufsorientierung etabliert werden kann. Was hat das Konzept für die Soziale Arbeit zu bieten? Welche Chancen können mit einer verstärkten Etablierung genutzt werden? Aber auch: wie kann die Schüler*innenfirma als integratives Modell sinnvoll von verschiedenen Professionen an unterschiedlichen Schnittstellen initiiert und begleitet werden? Mit drei grundsätzlichen Perspektiven wird der integrative und ganzheitliche Charakter der Schüler*innenfirma unterstrichen. Verschiedene Ausblicke auf unterschiedliche Einsatzmöglichkeiten, Erweiterungen und Potenziale, die eine Schüler*innenfirma insbesondere für die Soziale Arbeit bieten können, schließen diese Arbeit ab. Die Perspektiven sind geprägt von der Annahme, dass die Entwicklung von Selbstwirksamkeit nur gelingen kann, wenn Schüler*innen die Chance gegeben wird, selbstbestimmt und selbstverantwortlich zu agieren und die Lust, die Freude an der Beteiligung geweckt werden kann. Die Perspektiven rekurrieren neben den Aspekten des Lernens auf grundlegende Fragen der Sozialen Arbeit. Trotz unterschiedlicher Begründungen Sozialer Arbeit können drei Perspektiven herausgegriffen werden, die in vielen Diskursen der Sozialen Arbeit zentraler Gegenstand sind. Das sind die Ansätze der In-

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

klusion, der Lebensweltorientierung und der Community Education. Mit diesen kann eine basale zusammenführende Begründung aus Sicht der Sozialen Arbeit gegeben werden. Sie sprechen neben den konkreten pädagogischen Zielsetzungen, für eine Etablierung des Konzepts der Schüler*innenfirma innerhalb der Profession. Welche Impulse kann sie an welchen Stellen geben? Ist sie als sinnstiftendes Konzept dort umsetzbar, wo andere Zugänge nicht (mehr) wirken? Ohne die Möglichkeiten der Schüler*innenfirmenarbeit überbewerten zu wollen, wird versucht, ihre Stärken herauszustellen und sie an Stellen zu denken, an denen sie bislang nicht gedacht wurde.

4.1

Die Schüler*innenfirma im Kontext von Inklusion

Lebensbedingungen zu verbessern, Selbstbestimmung und Selbstbewusstsein zu stärken, sind wesentliche Grundsätze der Inklusion. Nach Scherr ist das Ziel Sozialer Arbeit die Vermeidung von Exklusion und die daraus abgeleitete Forderung der Exklusionsvermeidung. Die kann gelingen, wenn Inklusion sich auf alle gesellschaftlichen Bereiche bezieht und das Miteinander Aller meint. Und nicht, wie so oft, insbesondere auf die schulische Inklusion von Kindern mit und ohne Behinderungen bezogen wird. Um die Schüler*innenfirmenarbeit zu verorten, wird es hier zunächst vorrangig um Inklusion und Soziale Arbeit an den Schnittstellen Schule und Beruf gehen. Diese Bereiche sind geprägt von unterschiedlichen Formen der Benachteiligung und Ausgrenzung. Gründe sind unter anderem mangelnde berufliche Orientierung, die Jugendliche früh von schulischen und beruflichen Laufbahnen ausgrenzt, das schlechte Abschneiden von Schüler*innen mit Migrationshintergrund, die weiterhin bestehende geschlechtsstereotype berufliche Orientierung und die Ausgrenzung von Menschen mit Behinderung in verschiedenen gesellschaftlichen Institutionen. Wo kann aus Sicht der Sozialen Arbeit Einfluss genommen werden, um mit passenden Angeboten diese Ausgrenzungsmechanismen zu durchbrechen? Der Anspruch der »Inklusion ist umfassender als das, was man früher mit Integration zu erreichen meinte. Sie ist ein gesellschaftlicher Anspruch, der besagt, dass die Gesellschaft ihrerseits Leistungen erbringen muss, die geeignet sind, Diskriminierungen von Menschen jeder Art und auf allen Ebenen abzubauen, um eine möglichst chancengerechte Entwicklung aller Menschen zu ermöglichen.« (Reich 2012: 29) Die Frage, wie Inklusion aller Menschen innerhalb des deutschen Schulsystems gelingen kann, beantwortet Reich durch eine Adaption der in Kanada entwickelten Standards gelingender Inklusion und deren Erweiterung (vgl. ebd.: 46). Eine Übertragung dieser Standards auf weitere Professionen ist nicht nur denkbar, sondern wünschenswert, zumal, wenn dem Anspruch gerecht werden soll, »eine möglichst hohe Gleichheit von Möglichkeiten in Erziehung und Bildung« umzusetzen (Reich 2012: 48). Zur Umsetzung dieses Anspruchs braucht es ein Zusammenwirken jener Professionen, die im Bereich Bildung und Erziehung tätig sind. In der Sozialen Arbeit ist das Zusammenwirken unterschiedlicher Professionen leitend, wenn es um Unterstützung der Adressat*innen geht. Verschiedene Kooperationen von beispielsweise außerschulischen Trägern Sozialer Arbeit und Schule zeigen, wie diese gelingen können. Grundsätzlich wäre eine Etablierung von für mehrere Professionen geltende Standards eine Hilfestellung, damit multiprofessionelles Handeln leichter gelingen kann.

4. Chancen der Schüler*innenfirma als ganzheitliches Konzept der Sozialen Arbeit

Das Toronto-Statement »Equity Foundation Statements« beinhaltet Standards, die aus einer inklusiven Erziehungs- und Bildungspraxis entwickelt wurde (vgl. Reich 2012: 44). Das kanadische Schulsystem ist nicht so stark gegliedert wie das deutsche, dennoch überträgt Reich die Standards auf das deutsche Schulsystem. In der Präambel wird anerkannt, dass Menschen mit »individuelle Besonderheiten, die mit Zuschreibungen« belegt werden, wie Herkunft, Geschlecht oder Behinderung, »in der Gesellschaft und im Erziehungs- und Bildungssystem benachteiligt sind«. Es wird davon ausgegangen, dass »eine Verbesserung der Bildungsgerechtigkeit für alle Lernenden für einen wesentlichen Schlüssel zur Entwicklung einer demokratischen Gesellschaft und einem Leben in Menschenwürde und gegenseitiger Achtung« sorgt (Reich 2012: 49). Deshalb werden Standards und Regeln umgesetzt, die Bildungsgerechtigkeit im Erziehungs- und Bildungssystem verwirklichen können. Die zehn Verpflichtungen beinhalten: • • •

• • •









Die Vereinbarung, einen gemeinsamen Vertrag aller Beteiligten innerhalb einer Schule abzuschließen, die Regeln einhalten zu wollen. Die Widerspiegelung von Heterogenität auch an der Schule selbst, also der Einstellungspolitik und Teilnahme bestimmter Gruppen von Lernenden und Lehrenden. Es erhalten alle, die am Erziehungs- und Bildungsauftrag beteiligt sind, Beteiligungschancen, um Ungleichbehandlungen durch das Curriculum oder das Schulsystem zu beheben. Um Ungleichbehandlungen entgegenzuwirken und positive Beziehungen aufzubauen, brauchen alle Beteiligten entsprechendes Wissen und Kompetenzen. Alle Lernenden erhalten vergleichbare Chancen, ihre Fähigkeiten, Wünsche und Ziele zu erreichen. Alle Beschäftigten erhalten die gleichen Chancen, die Stellen sind frei von Diskriminierung, alle haben gleiche Zugänge zu Weiterbildungen. Die Beschäftigten selbst sind verpflichtet, sich selbst entsprechend zu schulen. Die Schule integriert Beiträge von Eltern und allen anderen Dialogpartner*innen der Umgebung und ermutigt zur Zusammenarbeit. Ein gleichberechtigter Zugang zur Schule muss gewährleistet werden. Personelle und materielle Ressourcen werden gesichert, um eine hohe Bildungsgerechtigkeit und Inklusion zu gewährleisten. Besonders wichtig ist die Entwicklung der Professionalität der Lehrenden. Zur Sicherung und Verbesserung der Bildungsgerechtigkeit und Inklusion sind auf allen Ebenen Verfahren etabliert. Die gilt für die Einführung, Entwicklung und Auswertung. Die Ergebnisse werden öffentlich dokumentiert (vgl. ebd.: 49ff.). Diese Regeln führen zu fünf Standards, zu Etablierung von Bildungsgerechtigkeit und Inklusion: 1. »Ethnokulturelle Gerechtigkeit ausüben und Antirassismus stärken 2. Geschlechtergerechtigkeit herstellen und Sexismus ausschließen 3. Diversität in den sozialen Lebensformen zulassen und Diskriminierungen in den sexuellen Orientierungen verhindern 4. Sozioökonomische Chancengerechtigkeit erweitern 5. Chancengerechtigkeit von Menschen mit Behinderungen herstellen« (Reich 2012: 52).

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

Diese Standards, die die Struktur und die Prozesse betreffen, lesen sich so grundsätzlich, dass sie auf verschiedenste Angebotsbereiche mithin auch auf jene der Sozialen Arbeit übertragen werden können, wenn Zielgruppen und Professionen entsprechend ergänzt werden. Es ist ein zentraler Aspekt, dass eine Öffentlichkeit mitgedacht wird. Denn nur ein System mit öffentlich zugänglichen Strukturen kann Transparenz erzeugen. Transparenz ist grundlegend, beispielsweise für eine kohärente Berufsorientierung. Transparenz ist ebenso ein Element um partizipative Strukturen zu etablieren. Doch das schlechte Abschneiden des deutschen Schulsystems zeigt, dass es weit entfernt davon ist, Inklusion umzusetzen. Reich fasst die Faktoren, die Inklusion erschweren, folgendermaßen zusammen: •



• • •

• •

Die frühe Aussonderung von Schüler*innen mit Behinderungen, sowie grundsätzlich die frühe Trennung der Kinder in unterschiedliche Schulformen fördert Exklusion und praktiziert Selektion. Das Benotungssystem und Sitzenbleiben verhindert die individuelle Betrachtung von Lernerfolgen. Mit differenzierten Rückmeldungs- und Bewertungssystemen kann dem entgegengewirkt werden. Die Dreigliedrigkeit des Schulsystems ermöglicht ein Aussondern nach unten und fördert nicht die Arbeit mit heterogenen Gruppen. Die Frühförderung fängt zu spät an und sollte bereits vor der Schule beginnen. Es werden zu viele Inhalte in zu wenig Zeit vermittelt (Stofflastigkeit und Zeitknappheit), statt von Themen auszugehen und realistische Kompetenzen zu vermitteln. In Ausstattung und Strukturen wird zu wenig investiert und das Personal ist knapp. In großen Klassen kann mit einer Lehrkraft kein inklusiver Unterricht stattfinden. Den Lehrkräften fehlt eine sonderpädagogische Ausbildung (vgl. ebd.: 81f.).

Solange diese Kriterien an Schulen nicht umgesetzt werden, sind ergänzende Projekte von besonderer Bedeutung, die Selbstwirksamkeit eben nicht vorrangig über gute Noten im Unterricht erzeugen und die nicht Inhalte, sondern jene Themen in den Mittelpunkt stellen, die von den Schüler*innen eingebracht werden können. Inklusion braucht die Unterstützung oder besser die Zusammenarbeit vieler Professionen. Es bedarf neben sonderpädagogischer auch weiterer Kenntnisse, die teilweise die Soziale Arbeit mit abdecken kann. In skandinavischen Ländern arbeiten multiprofessionelle Teams im Lern- und Lebensraum Schule zusammen (vgl. Reich 2018b: 11; https://www .montag-stiftungen.de/handlungsfelder/inklusive-ganztaegige-bildung/multiprofessi onelle-kooperation). Die genannten Regeln verdeutlichen auch: es braucht klare Vereinbarungen zwischen den Professionen und eine Übertragung dieser in strukturelle Verfahren, ähnlich wie es Pluto für die Umsetzung partizipativer Jugendhilfe fordert. Die Zahlen bestätigen jedoch, dass Deutschland von einer inklusiven Beschulung weit entfernt ist. Der Rechtsanspruch auf eine solche hat keine Auswirkungen, im Gegenteil: Der Anteil der Schüler*innen, die an Sonderschulen beschult werden, ist sogar gestiegen. Von 4,5 Prozent 2000 auf 4,9 Prozent im Jahr 2008. Dabei ist der Anteil der Schüler*innen in Sonderschulen in den Bundesländern sehr verschieden. Am niedrigsten liegt die Quote in Rheinland-Pfalz (4,3 Prozent) am höchsten in Mecklenburg-

4. Chancen der Schüler*innenfirma als ganzheitliches Konzept der Sozialen Arbeit

Vorpommern (11,7 Prozent). Die Zunahme hält an: Im Jahr 2018 beträgt der Anteil der Schüler*innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf 5,9 Prozent. Die ungleiche Verteilung in den Bundesländern besteht nach wie vor. In Nordrhein-Westfalen besuchten 2018 mehr Schüler*innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf allgemeinbildende Schulen als Förderschulen.1 Die Zunahme der Schüler*innen an allgemeinbildenden Schulen stammt nicht aus Sonderschulen. Eine Diagnose des Förderbedarfs wurde erst an den allgemeinbildenden Schulen durchgeführt. Das betrifft bundesweit über 90.000 Schüler*innen. Erklärt wird dieses Phänomen damit, dass eine Diagnosestellung zusätzliche fachliche Unterstützung für das Kind und damit auch Entlastung für die Schule schafft (vgl. ebd.; https://inklusion.hypotheses.org/4783). So hat auch die Soziale Arbeit darauf reagiert. Das Beispiel Mobiler Jugendhilfe an Grundschulen zeigt die Perspektive der Hilfe: Soziale Arbeit wird an dieser Stelle mehr als Mittlerin verstanden, die dann aktiv wird, wenn das Kind verschiedene Schwierigkeiten zeigt. Dann hilft sie gegebenenfalls bei der Beantragung von Unterstützung nach §35a KJHG (Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche).2 Das zeigt wieder eine Rückkehr zum Defizitansatz, bei dem Soziale Arbeit erst dann aktiv wird, wenn Auffälligkeiten gesehen werden. Sie wird nicht präventiv aktiv, wird nicht vor Ort angeboten oder etabliert inklusive Strukturen.3 Vielmehr ist durch den Anspruch auf Inklusion ein großer Arbeitsmarkt entstanden, der eher kritisch zu betrachten ist, denn damit ist Sonderbeschulung nicht gesunken. Der Bedarf an Sozialpädagog*innen, die im Bereich der Eingliederungshilfe arbeiten und vor allem als Integrationshelfer*innen Schüler*innen im Schulalltag begleiten, ist in den letzten Jahren massiv gestiegen.4 Gleichzeitig bleibt die Sonderbeschulung nach wie vor eine Sackgasse, die eine Rückkehr an eine Regelschule nicht vorsieht. Damit verlässt ein hoher Anteil an Schüler*innen die Schule mit einem niedrigen Schulabschluss (vgl. Reich 2014: 82f.). Der Anteil der Schüler*innen, die eine Schule mit Förderschwerpunkt Lernen besucht, beträgt Zweidrittel der Förderschüler*innen. Die Bildungsungerechtigkeit verstärkt sich bei Kindern aus sozial niedriger Lage, also Familien mit keinem oder einem geringen 1 2

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Vgl. dazu ausführlich: Statistisches Bundesamt (Hg.) 2018: 22 f In der Aufgabenbeschreibung wird zwar nur die Unterstützung zur Beantragung einer Lerntherapie beschrieben. Doch liest sich die Beschreibung defizitorientiert und spricht nicht Kinder an, die sich Unterstützung holen können. https://www.worms.de/de/rathaus/buergerservice/dienstleistun g.php?id=b825c76a332630cc3.21130589 Die Bedeutung der Räume wird auch hier deutlich: Distanz wird durch eine räumliche Entfernung hergestellt, sie schafft Hürden bei Eltern und Schüler*innen, Hilfe aufzusuchen. Dabei kann die Schule als Ort genutzt werden, Hürden abzubauen und Angebote zu machen. Auch hier bestehen keine einheitlichen Standards. Träger, die die Eingliederungshilfe organisieren, haben unterschiedliche Qualifikationsansprüche. Die einen begnügen sich mit Studierenden oder auch Hausfrauen, die Erziehungserfahrung mitbringen, andere erwarten ein Studium der Sozialen Arbeit und setzten Fortbildungen voraus. Die Vergütung ist in der Regel bei vielen Anbietern unterdurchschnittlich bis prekär; Fehlzeiten der Schüler*innen oder Ferienzeiten werden nicht bezahlt. Wie und ob Inklusion in einem System der Segregation gelingen kann, ist fraglich und stark von den einzelnen Personen und deren Fachlichkeit abhängig. Vgl.: beispielsweise: https://www.news4teachers.de/2012/11/sparmodell-inklusion-streit-um-integrationsassistenten ; https://www.saarbruecker-zeitung.de/saarland/saar-pfalz-kreis/drk-mitarbeiter-fordern-hoehereloehne_aid-24033815; https://www.stzgd.de/umschulung/integrationshelfer-umschulung/.

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

Bildungsabschluss und aus Familien mit Migrationshintergrund (vgl. Kap. 1.3 und Fortführung: Reich 2014: 84f; 2018). Die Zahl der Schüler*innen insgesamt, die die Schule ohne Hauptschulabschluss verlassen, beläuft sich auf gute 49.000. Knappe 51 Prozent davon sind Schüler*innen der Förderschulen, bei Hauptschulen sind es 19 Prozent. (vgl. Statistisches Bundesamt (Hg.) 2018: 35). In der Folge bedeutet das wahrscheinlich eine relativ prekäre berufliche Laufbahn oder eine Überführung in den geschützten Arbeitsmarkt. Die Beschäftigtenzahl in Werkstätten für behinderte Menschen ist analog zu den Schüler*innen in Sonderschulen – trotz Inklusionsverpflichtung – gestiegen.5 Auch wenn die Schüler*innen nicht dabei erfasst sind, die ihren Abschluss an einer Berufsschule oder anderen Bildungsanbietern absolvieren, ist das eine eindrückliche Zahl. Jeder Schulabbruch, jede nicht bestandene Prüfung bedeutet ein Scheitern des aktuellen Lebensentwurfs und bedarf einer Neuorientierung. In einer eher unübersichtlich gestalteten Berufsorientierung ist das mit neuen Hürden verbunden. Ein Perspektivwechsel für eine inklusive Bildung mit Blick auf Länder mit inklusiven Schulen sollte sowohl für Lehrkräfte als auch für die Soziale Arbeit inspirierend und ermutigend sein. Deutschland, mit der höchsten Quote der Sonderbeschulung in Europa und den geringsten gemeinsamen Unterricht, ist jedoch skeptisch gegenüber einem gemeinsamen Unterricht. Reich greift die besorgte Frage, ob eine Beschulung in der Regelschule überhaupt geht, auf und kehrt sie um: Wie kann im Einzelfall eine gute Beschulung erfolgen? Danach sollte sich Schule mit ihrem Bildungsauftrag richten. Auch die Bezeichnung von Schüler*innen mit Behinderungen hat sich in Ländern mit inklusiven Schulen geändert. Von der Problematisierung (students with handicaps) weg, hin zu Bezeichnungen die den erzieherischen Bedürfnissen (students with special educational needs) entsprechen. Es geht um einen grundsätzlichen Bedeutungswandel, der sich durch Sprache ausdrückt und diesen auch fördert (vgl. Reich 2014: 84, 86). Die Diskussion um den Bedeutungswandel, der sich auch sprachlich ausdrückt, erinnert an jenen innerhalb der Sozialen Arbeit, der eine veränderte Haltung ihren Adressat*innen gegenüber zum Ausdruck brachte. Der Paradigmenwechsel der Sozialen Arbeit wurde in den Strukturmaximen zusammengefasst. Dabei spielt unter anderem die Ressourcenorientierung eine Rolle, die die Orientierung an Defiziten ablöste. Ausdruck dieser neuen Haltung findet sich in der Bezeichnung der Adressat*innen Sozialer Arbeit wieder: Sie sollten nicht mehr als Klient*innen bezeichnet, sondern viel mehr als Kund*innen sozialer Dienstleistungen begriffen werden. Die Strukturmaximen, die die Lebensweltorientierung der Jugendhilfe der Sozialen Arbeit beschreiben, werden im folgenden Kapitel wieder aufgegriffen werden. Was bedeutet die Umsetzung einer inklusiven Sozialen Arbeit an den Schnittstellen Schule und Beruf? Wie kann sie über die Stärkung der Selbstwirksamkeitserwartung durch die Mitarbeit an einer Schüler*innenfirmenarbeit ihren Beitrag leisten? Die Eta-

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Zur Diskussion und kritischen Bewertung der Entwicklung und Bedingungen der Arbeit in geschützten Werkstätten: https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/monitoring-stelle-un-brk/st aatenpruefung-2018-2021/

4. Chancen der Schüler*innenfirma als ganzheitliches Konzept der Sozialen Arbeit

blierung von Schulsozialarbeit wie auch der Ganztagsschule kann einen wesentlichen Teil zur Inklusion beitragen.6 Schulsozialarbeit: Die Ausrichtung der Schüler*innenfirma, als inhaltsreduziertes, dafür themen- und interessenorientiertes Projekt, bietet sich für die Umsetzung durch die Schulsozialarbeit oder auch anderer Träger der Sozialen Arbeit an. Im Hinblick auf eine inklusive Bildung, die alle Kinder und Jugendlichen meint, kann Jugendhilfe und/oder Schulsozialarbeit aus ihrer Perspektive entsprechende Angebote machen. Auch sie ist mit der Anforderung, Inklusion zu ermöglichen, herausgefordert. Sie bedeutet Vielfalt zu denken und in der Arbeit zu fördern. Das erfordert ein anderes Vorgehen als die Integration vermeintlich besonderer Gruppen in eine vermeintlich normale Gesellschaft. Die Anforderungen, Inklusion umzusetzen, sind auch für die Soziale Arbeit hoch, steht sie doch grundsätzlich immer wieder in dem Dilemma, Gruppen oder Individuen aufgrund ihrer Situation als anspruchsberechtigt für ihre Angebote zu definieren. Inklusive Bildung kann das Dilemma auflösen, indem sich ein multiprofessionelles Team für gerechte Bildungschancen einsetzt. Stigmatisierung und Ausgrenzung kann insbesondere durch Angebote für alle aufgelöst werden.7 Wenn weiterhin große Teile der Gesellschaft von gesellschaftlicher Teilhabe ausgeschlossen bleiben, die Möglichkeiten zur Befähigung der für das Leben notwendigen Bedingungen nicht gegeben werden, leidet ebenso die Demokratie. Auch das gemeinsame Lernen innerhalb einer vielfältigen Community, wie sie Dewey als Voraussetzung für Demokratie erachtet, ist nicht gegeben. Reich fasst die Effekte des deutschen Schulsystems, dass Bildungschancen ungleich verteilt zusammen: »Die Gegliedertheit des deutschen Schulsystems zeigt den zusätzlichen negativen Effekt, dass sich Kinder und Jugendliche aus sozial benachteiligten und Migrationsfamilien im unteren Segment des Schulsystems häufen und ihre Bildungschancen schon früh verspielen bzw. verwehrt bekommen. Dies fördert Denkweisen von ›denen oben‹ und ›denen unten‹, dies hindert eine Verständigung und Auseinandersetzung über soziale Gruppen hinweg. Und es schafft – auf lange Sicht – denkbar schlechte Voraussetzungen für eine demokratische Weiterentwicklung. Hier entsteht eine tiefe Spaltung der Gesellschaft, deren Folgekosten und deren politische Folgen noch längst nicht abzusehen sind. Nach Dewey müssen wir bei einer solchen Konstellation auch besonders um die Entwicklung der Demokratie selbst fürchten.« (Reich 2005: 63) So werden auch aus Sicht der Schulsozialarbeit Konzepte der Zusammenarbeit erstellt. Kriterien für eine Zusammenarbeit aller Beteiligten, auch der Schüler*innen und Eltern sind nach Alicke/Ziethen vor allem der »Aufbau partizipativer Strukturen, um gemeinsam entsprechende bedürfnissensible und -gerechte Konzepte zu entwickeln, 6

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Die Etablierung, zumindest die zeitweise Förderung von Schulsozialarbeit ist politischer Wille in den Bundesländern. Auch wenn sich Konzepte und Grundlagen voneinander unterscheiden: Diese Entwicklung bietet die Chance, die Schüler*innenfirma als ein Angebot zu etablieren. https://ww w.bildungsserver.de/Schulsozialarbeit-in-den-Bundeslaendern--10831-de.html Das betrifft grundsätzlich Angebote, die sich beispielsweise an alle Kinder richten, wie Zugang zu Bildungsangeboten oder die Idee der Kindergrundsicherung, die Kinderarmut verhindern will. Diese Idee wäre ein Betrag dazu, im Sinne Sens und Nußbaums Befähigungen zu ermöglichen. Zur Kindergrundsicherung vgl. https://www.der-paritaetische.de/fileadmin/user_upload/Schwerpunkt e/Bundestagswahl/doc/B_KGS_FAQ_Ansicht_21-09-17.pdf.

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

Barrieren abzubauen, Entscheidungen zu treffen und Ziele und Maßnahmen zu treffen, die von allen getragen werden« (Alicke/Ziethen 2012: 25). Eine andere Form des Lernens gehört für sie ebenso dazu, wie das Arbeiten im multiprofessionellen Team. Dabei ist eine Auseinandersetzung mit dem damit einhergehenden neuen Verständnis über die jeweiligen Rollen, die Aufgaben und Abgrenzungen von Bedeutung. Die Absicherungen entwickeln die Institutionen durch regelmäßige Evaluationen der Maßnahmen sowie Weiterbildung der einzelnen Fachkräfte (vgl. ebd.). Schulsozialarbeit ist eine Ressource, die Inklusion möglich machen kann. Als solche ist sie laut Holtbrink noch nicht erfasst worden, obwohl sie sich »zum Inklusionsdiskurs durchaus anschlussfähig zeigt« (Fabel-Lamla/Reinecke-Terner in Holtbrink 2015: 31). Ein gemeinsames Verständnis von Inklusion muss jedoch erarbeitet werden, Inklusion selbst hält keine Handlungskonzepte bereit, diese müssen von den Professionen erarbeitet und mit anderen abgestimmt werden. Wie die Schulsozialarbeit an Grundschulen zur Umsetzung von Inklusion eingebunden wird, zeigen Holtbrinks Forschungsergebnisse: Die Vorstellungen von Inklusion sind oft geprägt von der Integration von Schüler*innen mit Förderbedarf in den Unterricht (vgl. ebd.: 32f.). Ein Verständnis von Inklusion, das auch benachteiligte Kinder mitmeint, ist bei Schulsozialarbeiter*innen anzutreffen; die Einbindung in die Umsetzung von Inklusionsprozessen scheint nach Holtbrinks Studie vorrangig davon abhängig zu sein, ob sich Schulsozialarbeiter*innen aktiv in den Prozess mit den Lehrkräften und der Schulleitung miteinbringen. Die Äußerungen von Schulsozialarbeiter*innen werden unterschiedlich gedeutet (vgl. ebd.: 34f.). Das spricht für die Entwicklung gemeinsamer Handlungskonzepte, die den Rahmen auch für eine inklusive (Sozial)Pädagogik geben. Darin kann die Art und Weise der Zusammenarbeit geklärt und der Stellenwert der Zusammenarbeit betont werden. Inklusion wäre dann nicht vom individuellen Engagement abhängig. Wie nun Soziale Arbeit Inklusion mithilfe der Schulsozialarbeit umsetzen kann, an welchen Stellen es Nachholbedarf gibt, hat die Bundesarbeitsgemeinschaft der katholischen Jungendsozialarbeit in einem Positionspapier herausgearbeitet und verschiedene Stellungnahmen zusammengefasst: •







Grundlage ist ein Inklusionsverständnis, dass von der Vielfalt der Menschen ausgeht und nicht nur die Schule auffordert, allen und nicht nur behinderten Menschen die gleichen Chancen zu ermöglichen. Die schulische Begleitung von Schüler*innen ist von Bundesländern abhängig. Nach wie vor gibt es nur eine Lehrkraft in den Klassen, Zeit für weitere Betreuung besteht nicht, die Zusammenarbeit mit weiteren Professionen ist notwendig. Auch die Räumlichkeiten sind nicht barrierefrei. Die Sicht der Schüler*innen bestätigen dies: Sie wünschen sich soziale Eingebundenheit, gleiche Chancen, individuelle Unterstützung und Teilnahmemöglichkeiten an einem individuellen Förderprogramm. Inklusion braucht die Zusammenarbeit vieler Professionen, denn Schulen können Inklusion nicht alleine umsetzen. Für eine gemeinsame Umsetzung bedarf es einem gemeinsamen Verständnis von Bildung und Inklusion. Ein Verständnis der jeweils anderen Systeme und das Treffen von Absprachen ist Voraussetzung für die Zusammenarbeit.

4. Chancen der Schüler*innenfirma als ganzheitliches Konzept der Sozialen Arbeit



Parallelen zwischen dem Auftrag der Schulsozialarbeit und der Inklusion: Soziale Arbeit trägt zum Abbau von Benachteiligungen bei, fordert die Ausrichtung inklusiver Werte, fördert die Zusammenarbeit zwischen den Professionen und bildet sich und andere weiter. Zu ihren Aufgaben zählen die individuelle Beratung junger Menschen, die Achtung der Selbstbestimmung, Angebote für ein gutes Klassenklima, die Beratung von Eltern und die Einbeziehung der Akteur*innen des Sozialraums.

Die Forderungen, die die Bundesarbeitsgemeinschaft an die damals neue Bundesregierung (Wahl des 18. Deutsche Bundestags im September 2013) aufgrund ihrer Stellungnahme zur Umsetzung von Inklusion durch die Schulsozialarbeit formuliert, ähnelt denen der inklusiven Schule: Es bedarf bestimmter Rahmenbedingungen, um Inklusion umsetzen zu können. Die erste Forderung zielt auf die Differenzierung von Leistungen für Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderung ab: Leistungen sollen zusammengefasst im Kinder- und Jugendhilfegesetz verankert werden. Der Rechtsanspruch auf eine Ganztagsschulbetreuung muss inklusiv gedacht werden, wofür auch die entsprechende Ausstattung und Räume geschaffen werden müssen. Schulsozialarbeit sollte flächendeckend ausgebaut werden und fachlich an die Jugendhilfe angebunden sein. Eine inklusive Schule funktioniert nur mit einem multiprofessionellen Team (vgl. Positionspapier_Schulsozialarbeit-im-Prozess-der-Inklusion.pdf). Das Angebot der Schüler*innenfirma kann dabei ein Beispiel sein, wie individuelle Fähigkeiten eingebracht, entwickelt und gefördert werden können. Alle Schüler*innen können sich mit ihren Stärken einbringen und an einem gemeinsamen Projekt arbeiten – die Aufgaben sind entsprechend vielfältig. Damit kann der Stofflastigkeit des Unterrichts ein handlungsorientiertes und an den Stärken der Schüler*innen orientiertes Lernen entgegengesetzt werden. An Schnittstellen kann die Zusammenarbeit mit den Lehrkräften initiiert werden. Im Rahmen einer Ganztagsschule ist ein solches Projekt leichter zu integrieren, die Zusammenarbeit mit den Lehrkräften, außerschulischen Fachkräften oder auch der betrieblichen Praxis wären einfacher zu ermöglichen, da inhaltliche und zeitliche Rahmenbedingungen offener und flexibler sind. Neben der Schulsozialarbeit kann eine Kooperation mit Schulen und Einrichtungen sowie Trägern der Sozialen Arbeit verstärkt werden, um Inklusion zu fördern. Soziale Arbeit kann dabei Schnittstelle sein, die Kinder mit ihren Bedürfnissen auch bereits vor der Schule begleiten und diese Begleitung während der Schulzeit fortführen kann. Diese Kooperation wird in den Verpflichtungen gefordert und könnte als Standard auch für die Zusammenarbeit in Deutschland gelten. Ganztagsschule: Eine inklusive Didaktik, die Chancengerechtigkeit für alle herstellen will, kann nach Reich nur an einer Ganztagsschule mit anderen Professionen umgesetzt werden. Sie bietet die zeitlichen Freiräume für verschiedene Lernformen (vgl. dazu Reich 2012, 2014). Durch eine Öffnung des Unterrichts, einer anderen zeitlichen Strukturierung, einer Zusammenarbeit in einem multiprofessionellen Team mit weiteren Angeboten von beispielsweise Lerntherapeut*innen, Sozialpädagog*innen oder Erzieher*innen, ist nicht nur mehr Raum für partizipatives und selbstbestimmtes Lernen. Es kann Stigmatisierung vermeiden. Eine solche Zusammenarbeit ist in einem anderen zeitlichen Rhythmus besser zu realisieren. Mithilfe einer gemeinsamen Tagesstruktur, in der Lern- und Lebensräume stärker zusammengedacht werden, entstehen

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

nicht nur zeitliche Räume für die Unterstützung und Begleitung weiterer Themen und Anliegen der Schüler*innen, Lehrkräfte und auch Eltern. Soziale Arbeit könnte passende Angebote für alle Adressat*innen entwickeln, der Spielraum wäre dann groß genug. Auch wenn eine solche Form der Inklusion, die Ausdruck findet sowohl durch die Schülerschaft wie auch durch das Bildungsteam, eher utopisch anmutet: Andere Unterrichtsmöglichkeiten werden eingefordert: Ein Umdenken, das entsprechende Kriterien erfordert, muss angesichts der Ratifizierung der UN-Konvention zur Einhaltung der Rechte von Menschen mit Behinderungen stattfinden. Der politische Wille, einen Rechtsanspruch auf die Betreuung an einer Ganztagsschule einzuführen, wird in Studien untersucht. Die aktuellste Studie zur Entwicklung von Ganztagsschulen zeigt, dass die Umsetzung meist als freiwilliges Angebot genutzt wird. Ein Ganztagsangebot gibt es vor allem an Grundschulen, am wenigsten an Gymnasien. Wobei die Studie des Schuljahrs 2017/18 eine Steigerung des Angebots auch an Gymnasien festgestellt hat. Interessant im Kontext dieser Arbeit ist, wie nun Schule gedacht wird. Die Auffassung darüber, was Inklusion bedeutet und wie sie umgesetzt werden kann, fällt unterschiedlich aus ebenso die Gestaltung der Zusammenarbeit in einem multiprofessionellen Team innerhalb oder außerhalb der Ganztagsschule: Zur Betreuung werden an den Schulen außerschulische Träger mit beauftragt. Vorrangig handelt es sich dabei um Sportvereine. Dann erst folgen kulturelle Vereine und Angebote der Jugendhilfe (vgl. Studien zur Entwicklung von Ganztagsschulen Schuljahr 2017/18: 3). Ein pädagogischer Anspruch ist nur in geringem Maße feststellbar. In der Regel werden mit der Einführung einer Ganztagsschule keine pädagogischen Ziele verfolgt, wie spezielle Förderungen oder eine erweiterte Lernkultur. Ein Entwicklungsbedarf an der konzeptionellen Verbindung von Unterricht und Angeboten besteht weiterhin (das war bereits Ergebnis der vorherigen Studie 2014/15 vgl. ebd.: 4f.). Doch es wird mehr Zeit für Kooperationen und Fortbildungen zur Schulentwicklung eingeräumt, wobei auch die Kooperationspartner an Fortbildungen teilnehmen. Die Bedeutung eines multiprofessionellen Teams findet mittlerweile auch in der Ausbildung von Lehrer*innen und Sozialpädagog*innen ihren Niederschlag. Studierende beider Studiengänge können bereits während des Studiums, innerhalb des integrierten Praktikums, Erfahrungen in der gemeinsamen Arbeit sammeln und diese mitgestalten (vgl. https://www.montag-stiftungen.de/handlungsfelder/inklusive-ganz taegige-bildung/multiprofessionelle-kooperation; https://www.montag-stiftungen.de/ handlungsfelder/inklusive-ganztaegige-bildung). Die Bedingungen für eine inklusive Bildung aus Sicht der Sozialen Arbeit nennen Alicke/Ziehten: •

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»die Orientierung an einer Kultur der Wertschätzung von Vielfalt als Ausgangsbasis, von der aus die vielfältigen Lebenslagen von Kindern und Jugendlichen wahrgenommen werden und von der aus gedacht und gehandelt wird, die Einführung und Umsetzung gesetzlicher Rahmenbedingungen und entsprechende finanzielle, personelle und zeitliche Ressourcen, die Schaffung von Barrierefreiheit einschließlich des Abbaus sozialer Barrieren sowie

4. Chancen der Schüler*innenfirma als ganzheitliches Konzept der Sozialen Arbeit



die Qualifizierung von Lehr- und Fachkräften der Sozialen Arbeit« (Alicke/Ziehten 2012: 24).

Dabei hat die Institution Schule die Aufgabe, entsprechende Bedingungen zu schaffen, dass jede*r Schüler*in sein*ihr Recht auf chancengerechte Bildung wahrnehmen kann. Die Aufgabe der Sozialen Arbeit kann dabei sein, eine Schnittstellenfunktion zwischen Schule und weiteren Lebenswelten der Kinder und Jugendlichen wahrzunehmen. Denn: Die Umsetzung von Inklusion kann nicht von einer Institution alleine geschafft werden. Auch das ist ein Argument für eine gleichberechtigte Zusammenarbeit der Professionen (vgl. ebd.: 25). Kooperationen zwischen Schulen und Trägern der Sozialen Arbeit sollten etabliert und in Kooperationsvereinbarungen konkretisiert werden.8 Zur Inklusion der Schule können unter anderem Schulsozialarbeit und ein Konzept der Ganztagsschule helfen. Diese Elemente und multiprofessionelle Kooperationen können inklusiv gedacht nicht nur auf Schule beschränkt sein, sondern müssen sich zur Lebenswelt öffnen. Reich nennt eine inklusive Schule eine Schule in der Lebenswelt, die mit dem Stadtteil oder den Kommunen verbunden ist, die sich auch der Arbeitswelt nicht nur theoretisch, sondern auch ganz praktisch nähert und empfiehlt dafür die Umsetzung von Schüler*innenfirmen. Des Weiteren gehört zu einer Schule der Lebenswelt auch, dass eine Schule genügend Spielraum hat, auf aktuelle, lokale oder globale Gegebenheiten zu reagieren. An dieser Stelle sind vielfältige Projekte denkbar, die die Lebenswelt betreffen und damit auch mit Chancengerechtigkeit, Zugangsmöglichkeiten oder sozialen Konflikten zu tun haben können (vgl. Reich 2014: 297-303).

4.2

Die Schüler*innenfirma im Kontext von Lebensweltorientierung

Die Kooperationen, die aus der Perspektive der Inklusion von der Schule aus in die Lebenswelt geknüpft werden sollten, führen zur zweiten Perspektive, das der Lebensweltorientierung. Das Prinzip der Lebensweltorientierung ist ein Arbeitsprinzip der Soziale Arbeit, das, ursprünglich als Prinzip der Jugendhilfe, seit über dreißig Jahren grundlegend für die professionelle Soziale Arbeit ist. Dabei werden die Adressat*innen in ihren lebensweltlichen Zusammenhängen gesehen, um Lösungen ihrer Anliegen gemeinsam mit allen Beteiligten zu erarbeiten. Die Voraussetzungen, Konstrukte, Ressourcen und Möglichkeiten der Lebenswelten spielen dabei eine zentrale Rolle. Die Prinzipien der Selbstbestimmung und Beteiligung prägen das professionelle Selbstverständnis, eben-

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Zur Kooperationen zwischen Schule und Jugendhilfe: Münderlein, Regina: Schulkooperation zwischen Handlungslogik und Programmatik. Qualitative Fallstudie über Subjektive Theorien zur interinstitutionellen Zusammenarbeit bei Akteuren von Haupt-/Mittelschulen und Akteuren der Kinder- und Jugendarbeit, Schwerpunkt Ganztagskooperation Schulkooperation zwischen Handlungslogik und Programmatik: https://edoc.ub.uni-muenchen.de/15600/1/Muenderlein_Regina.pd f. Diese Studie erarbeitet Kooperationskriterien, die durch Interviews mit Fachkräften von Schulen und Jugendhilfe geführt wurden. Es bleibt zwar der Blick auf den Erfolg aus Sicht der Kinder aus, doch als Diskussionsgrundlage sind die Ergebnisse und die daraus folgende Checkliste zur Kooperation als Anregung interessant.

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4. Chancen der Schüler*innenfirma als ganzheitliches Konzept der Sozialen Arbeit



die Qualifizierung von Lehr- und Fachkräften der Sozialen Arbeit« (Alicke/Ziehten 2012: 24).

Dabei hat die Institution Schule die Aufgabe, entsprechende Bedingungen zu schaffen, dass jede*r Schüler*in sein*ihr Recht auf chancengerechte Bildung wahrnehmen kann. Die Aufgabe der Sozialen Arbeit kann dabei sein, eine Schnittstellenfunktion zwischen Schule und weiteren Lebenswelten der Kinder und Jugendlichen wahrzunehmen. Denn: Die Umsetzung von Inklusion kann nicht von einer Institution alleine geschafft werden. Auch das ist ein Argument für eine gleichberechtigte Zusammenarbeit der Professionen (vgl. ebd.: 25). Kooperationen zwischen Schulen und Trägern der Sozialen Arbeit sollten etabliert und in Kooperationsvereinbarungen konkretisiert werden.8 Zur Inklusion der Schule können unter anderem Schulsozialarbeit und ein Konzept der Ganztagsschule helfen. Diese Elemente und multiprofessionelle Kooperationen können inklusiv gedacht nicht nur auf Schule beschränkt sein, sondern müssen sich zur Lebenswelt öffnen. Reich nennt eine inklusive Schule eine Schule in der Lebenswelt, die mit dem Stadtteil oder den Kommunen verbunden ist, die sich auch der Arbeitswelt nicht nur theoretisch, sondern auch ganz praktisch nähert und empfiehlt dafür die Umsetzung von Schüler*innenfirmen. Des Weiteren gehört zu einer Schule der Lebenswelt auch, dass eine Schule genügend Spielraum hat, auf aktuelle, lokale oder globale Gegebenheiten zu reagieren. An dieser Stelle sind vielfältige Projekte denkbar, die die Lebenswelt betreffen und damit auch mit Chancengerechtigkeit, Zugangsmöglichkeiten oder sozialen Konflikten zu tun haben können (vgl. Reich 2014: 297-303).

4.2

Die Schüler*innenfirma im Kontext von Lebensweltorientierung

Die Kooperationen, die aus der Perspektive der Inklusion von der Schule aus in die Lebenswelt geknüpft werden sollten, führen zur zweiten Perspektive, das der Lebensweltorientierung. Das Prinzip der Lebensweltorientierung ist ein Arbeitsprinzip der Soziale Arbeit, das, ursprünglich als Prinzip der Jugendhilfe, seit über dreißig Jahren grundlegend für die professionelle Soziale Arbeit ist. Dabei werden die Adressat*innen in ihren lebensweltlichen Zusammenhängen gesehen, um Lösungen ihrer Anliegen gemeinsam mit allen Beteiligten zu erarbeiten. Die Voraussetzungen, Konstrukte, Ressourcen und Möglichkeiten der Lebenswelten spielen dabei eine zentrale Rolle. Die Prinzipien der Selbstbestimmung und Beteiligung prägen das professionelle Selbstverständnis, eben-

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Zur Kooperationen zwischen Schule und Jugendhilfe: Münderlein, Regina: Schulkooperation zwischen Handlungslogik und Programmatik. Qualitative Fallstudie über Subjektive Theorien zur interinstitutionellen Zusammenarbeit bei Akteuren von Haupt-/Mittelschulen und Akteuren der Kinder- und Jugendarbeit, Schwerpunkt Ganztagskooperation Schulkooperation zwischen Handlungslogik und Programmatik: https://edoc.ub.uni-muenchen.de/15600/1/Muenderlein_Regina.pd f. Diese Studie erarbeitet Kooperationskriterien, die durch Interviews mit Fachkräften von Schulen und Jugendhilfe geführt wurden. Es bleibt zwar der Blick auf den Erfolg aus Sicht der Kinder aus, doch als Diskussionsgrundlage sind die Ergebnisse und die daraus folgende Checkliste zur Kooperation als Anregung interessant.

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

so wie die Rückbindung der eigenen Arbeit durch und die Zusammenarbeit in einem Team. Durch Schulsozialarbeit oder andere Kooperationspartner der Schulen können Angebote andere Zugänge zu den Schüler*innen schaffen. Diese Kooperationen bestehen an Ganztagsschulen bereits. Doch die Angebote sind weder miteinander verschränkt und laufen nicht nur zeitlich nach- statt miteinander. Unterricht übernehmen die Lehrkräfte, die Betreuung die außerschulischen Träger (vgl. Studien zur Entwicklung von Ganztagsschulen Schuljahr 2017/18 und Studie 2014/15). Eine Verschränkung, die eine Lebensweltorientierung im Unterricht etablieren könnte, ist demnach nicht automatisch gegeben, sondern von der individuellen Ausrichtung der Unterrichtsgestaltung abhängig. Vielleicht sollte auf die Forderung zurückgegriffen werden, die bereits 1990 im Achten Jugendbericht formuliert wurde: »Die Jugendhilfe muß sich stärker als bisher in bildungspolitische Auseinandersetzungen einschalten. […] [D]ie Jugendhilfe [hat] lebensweltbezogene pädagogische Konzepte entwickelt, die auch die Eltern einbeziehen und von diesen akzeptiert werden. Heute gilt es, diesen Ansatz auch für die Altersgruppe der über 6jährigen weiterzuentwickeln und sich engagiert in die Diskussionen um Entwicklungsperspektiven […] der Bildungspolitik einzumischen. Daher muß sich die Jugendhilfe auch stärker als bisher in die Diskussion um die Weiterentwicklung von Schulen zu Ganztagsschulen einschalten.« (Bundesministerium für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit (Hg.) 1990: 199) Der Bedarf innerhalb der Schule zu agieren und Bildungsarbeit mitzugestalten wird also schon lange gesehen. Der Ansatz der Lebensweltorientierung Thierschs, der insbesondere durch den Achten Jugendbericht innerhalb der Sozialen Arbeit etabliert wurde, verdeutlicht Unterschiede zwischen Pädagogik in der Schule und der Sozialen Arbeit. Es ist insbesondere die Soziale Arbeit, die Verbindungen von der Schule zur Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen herstellt und damit die Bedürfnisse der Kinder in ihren lebensweltlichen Zusammenhängen besser erkennen kann. Dabei geht es um mehr als die Einbeziehung der Eltern – wobei diese elementar ist. Das Beispiel der Berufsorientierung zeigt, wie elementar diese auch bezüglich der außerschulischen persönlichen und beruflichen Entwicklung ist. Die Arbeit mit den Eltern ist innerhalb der Jugendhilfe, wie auch in der Schulsozialarbeit, Teil der Aufgaben. Daran kann angeknüpft und aufgebaut werden. Die Lebensweltorientierung oder genauer die lebensweltorientierte Jugendhilfe, beinhaltet sechs Prinzipien, formuliert in den Strukturmaximen, die sich in den verschiedenen Arbeitsfeldern der Jugendhilfe gezeigt haben. Sie lassen sich auf weitere Tätigkeitsfelder der Sozialen Arbeit übertragen und Lebensweltorientierung konkreter werden. Die Strukturmaximen sind: Prävention, Dezentralisierung/Regionalisierung, Alltagsorientierung (die Zugänglichkeit im Alltag, Situationsbezogenheit

4. Chancen der Schüler*innenfirma als ganzheitliches Konzept der Sozialen Arbeit

und Ganzheitlichkeit beinhaltet), Integration/Normalisierung, Partizipation und Lebensweltorientierung zwischen Hilfe und Kontrolle.9 Thiersch verwendet die Begriffe Lebensweltorientierung und Alltagsorientierung im Grunde synonym. Als eine von fünf Sachdimensionen, die die Theorien Sozialer Arbeit strukturieren, ist die Lebenswelt eine davon.10 Adressat*innen sind in ihrem Alltag zu sehen, um sie verstehen zu können. Alltag beinhaltet alle Aspekte, die das Leben der Adressat*innen ausmacht und so sind »Widersprüche und Hoffnungen« ebenso ein Teil davon. Alltäglichkeit entspricht den »Verstehens- und Handlungsmuster im Alltag« (Engelke 1999: 331). Für die Soziale Arbeit sind jene Aufgaben interessant, die die Menschen zu bewältigen haben, die sich aus ihrer Situation heraus ergeben und damit die Frage, welche sie bewältigen können und welche nicht. Ziel einer lebensweltorientierten Sozialen Arbeit ist nach Thiersch die Hilfe zur Selbsthilfe, um den Adressat*innen zu einer erfolgreicheren Bewältigung des Alltags zu verhelfen (vgl. ebd.: 329-333). Der Lebensweltbezug meint die persönlichen, ganz konkreten Verhältnisse, die durch die aktuellen gesellschaftlichen Bedingungen mit geprägt sind. Dabei geht es beispielsweise um Lebensbedingungen, die durch Ungleichheiten hervorgerufen wurden und sich durch Arbeitsverhältnisse, soziale Eingebundenheit oder die finanzielle Situation ausdrücken. Durch die Lebensweltorientierung kann Soziale Arbeit dazu beitragen, auf die verschiedenen Probleme einzuwirken: Sie kann auf Probleme aufmerksam machen und sich politisch in die entsprechenden Bereiche einmischen. Sie kann durch praktische Soziale Arbeit die Adressat*innen bei der Bewältigung ihres Alltags wie auch bei der Gestaltung ihrer Lebensverhältnisse und ihres Lebensraums unterstützen (vgl. Thiersch 2000: 533). Wenn ein anderer Blick auf die Schüler*innenfirma geworfen wird, kann sie aus Sicht der Sozialen Arbeit und auch zur Umsetzung einer inklusiven Schule beitragen, indem sie Brücken zwischen den unterschiedlichen Lebenswelten herstellt, Kooperation nutzt und Vielfalt in der konkreten Beteiligung der Kinder und Jugendlichen fördert und nutzt. Sie kann ebenso zur Einbindung in Bereiche des Gemeinwesens beitragen, weil die alltäglichen, lebensweltlichen Bezüge der Kinder grundlegend für die sozialpädagogische Arbeit sind. Thiersch formuliert vier Themenbereiche, die für ihn im Kontext der Jugendhilfe besonders drängend scheinen (vgl. ebd.: 536). Diese Bereiche geben die Bezugspunkte die über eine Schüler*innenfirma hergestellt werden können, gut wieder und strukturieren sie. Sie stellen die Verbindung zur Lebensweltorientierung her. 1. Selbsttätigkeit/Empowerment: Das grundlegende Prinzip wird zwar oft benannt, ist aber wenig konkretisiert. Thiersch betont, dass an dieses Prinzip immer wieder erinnert und es offensiv vertreten werden muss. Gerade auch weil es oft einfacher ist, diesem nicht zu folgen, wodurch Stärken der Adressat*innen nicht erkannt

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Ausführlich zu den Stukturmaximen: Bundesministerium für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit (Hg.) 1990: 85-93. Sie verdeutlichen die neu ausgerichtete Arbeit der Jugendhilfe, die sich nunmehr als lebensweltorientierte Dienstleistung versteht. Die weiteren sind: die gesellschaftliche Funktion, die Institutionalisierung, die Handlungskompetenz sowie die Wissenschaft der Sozialen Arbeit (vgl. Engelke 1999: 330).

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

und genutzt werden. Durch Projekte in der Lebenswelt kann Selbsttätigkeit gestärkt werden und Stärken der Adressat*innen können genutzt werden. Das gelingt dort leichter als in institutionalisierten Formen der Jugendhilfe (vgl. ebd.: 537f.). Übertragen auf die Schüler*innenfirma bedeutet das eine Bestätigung der Projektarbeit in der Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen. Das können neben der Schule auch Orte der Freizeit, der offenen Jugendarbeit, der beruflichen Orientierung oder Berufsvorbereitung sein. Indem die Kinder und Jugendlichen ihre Interessen einbringen und entwickeln können, findet sich ihre Lebenswelt in der konkreten Projektarbeit wieder. Sie setzten sich mit dem auseinander, was sie im Moment interessiert, was ihr Leben ausmacht und können zudem eigene Erfahrungen und persönliche Beziehungen miteinbeziehen. 2. Flexibilisierung und Sozialräumlichkeit: Die Situationen Jugendlicher Anbetracht einer sich veränderten Arbeitsgesellschaft muss auch für die Jugendhilfe ein Umdenken erfordern. Sie kann sich nicht mehr an sogenannten Normalbiographien orientieren, beziehungsweise an durchgängige Arbeitsverhältnisse. Auch veränderte Familienkonstellationen und unterschiedliche kulturelle Prägungen müssen in den Angeboten der Jugendhilfe mit bedacht werden. Ein Bezug zum Sozialraum ist unerlässlich, um Kinder und Jugendliche in ihrem Lebensumfeld zu begleiten und zu unterstützen. Zudem wird damit auch eine Offenheit ermöglicht, die Zugänge zu allen Interessierten oder Hilfesuchenden herstellen kann. Thiersch betont: »[…] wie Kinder beides brauchen, strukturelle Verbindlichkeit und Offenheit […]. Flexibilisierung meint die neue Passung zwischen individualisierten Bedürfnissen und Möglichkeiten der Hilfen; gegebene Maßnahmen werden geöffnet, Verbindungen zwischen den Maßnahmen müssen möglich sein, neue unkonventionelle Formen der Hilfe werden praktiziert – Hilfen, wie sie z.B. in einer formlosen Betreuung quer zu gegebenen Zuständigkeiten oder in intensiver Einzelbetreuung oder als Alltagsbegleitung jenseits von Ressortzuständigkeiten praktiziert werden.« (Thiersch 2000: 539). Die Umsetzung einer Offenheit kann nur durch Transparenz der Maßnahmen erfolgen. Thiersch fordert diesbezüglich neue Formen der »offenen Kommunikation« oder mehr »Raum für Freiräume« (Thiersch 2000: 541).

Für eine sinnvolle und erfolgreiche Einbindung einer Schüler*innenfirma, sind diese Kriterien für Angebote der Jugendhilfe genau jene, die erforderlich sind, um im Sinne Thierschs neue und unkonventionelle Formen der Hilfen auszuprobieren. Die Aufforderung zu mehr Offenheit und Querverbindungen können als Anregung genutzt werden, ein Zusammenwirken auf verschiedenen Ebenen zu fördern. Das beschriebene Modell zeigt, wie im Rahmen eines Schüler*innenfirmenwettbewerbs eine kurzfristige Zusammenarbeit erfolgen kann, bei der Vertreter*innen der Sozialen Arbeit, Schule, Unternehmen, Bildungspartner*innen und Schüler*innen aufeinander treffen. Daraus können sich weitere Kooperationen und Partnerschaften ergeben. In jedem Fall schafft dieses Zusammenwirken Bezugspunkte zur Lebenswelt, zum Gemeinwesen, die Kinder erkennen und nutzen können. Dieses Potenzial kann zur Identifikation mit dem

4. Chancen der Schüler*innenfirma als ganzheitliches Konzept der Sozialen Arbeit

Gemeinwesen und zu seiner Gestaltung beitragen: So können Hürden für die Anfrage um ein Praktikums- oder Ausbildungsplatz sinken, wenn Personen bekannt sind oder es entstehen Geschäftsideen für den Stadtteil. Kinder entwickelten beispielsweise eine Kinderstadtführung oder initiierten ein Kinderfest im Stadtteil. Daran anschließend weiter gedacht und einer großen Offenheit entsprechend, könnten Schüler*innenfirma innerhalb der offenen Kinder- und Jugendhilfe durchgeführt werden. Eine solche Umsetzung hieße, dass Kinder und Jugendliche die Möglichkeit offener Angebote in ihrem Sozialraum nutzen und selbst gestalten können. Dafür bräuchte es verstärkt offene Formen und Räume der Jugendhilfe und des Gemeinwesens. Oder wie Thiersch es formuliert »Räume für Freiräume«, die für Kinder und Jugendliche bereitgehalten werden, die sie zur Verfügung haben und damit Orte, sich aufzuhalten und die gleichzeitig den notwendigen Raum eröffnen, um eigene Ideen entwickeln und erproben zu können. 3. Partizipation/Demokratisierung: Obwohl das Prinzip eine Selbstverständlichkeit zu sein scheint, wird es nicht selbstverständlich umgesetzt, so dass Thiersch gar »harte Formen demokratischer Kontrollen« fordert (ebd.: 542). Das würde sicherlich helfen, konkreten Formen partizipatorischer Strukturen in der Sozialen Arbeit zu etablieren. 4. Jugendhilfe als Kultur des Sozialen: Thiersch entwirft die Vorstellung einer Jugendhilfe, die neben den problembelastenden Aufgaben ebenso die Lebenswelt vor Ort mitgestaltet, so dass sich die Menschen in ihren Lebensräumen und -mustern anerkannt fühlen. Zugleich sieht er kritisch das Selbstbewusstsein Sozialer Arbeit in der Jugendhilfe, welches er unter anderem in einer fehlenden Unterstützung und Öffentlichkeit begründet sieht. Zugleich ist das Arbeitsprofil aufgrund vielfältiger Problemlagen und einer Vielfalt von Zuständigkeiten und Angeboten nicht leicht zu fassen (vgl. ebd.: 543f.).

Eine bessere Profilbildung wäre vielleicht dann möglich, wenn größere Transparenz über Angebote und Arbeitsweisen geschaffen würde oder auch verbindliche Formen der Rückbindung der einzelnen Tätigkeiten etabliert werden. Dann würden Angebote, Maßnahmen, Erfolge oder Notwendigkeiten sichtbar gemacht werden. Das sind wesentliche Aspekte für eine gelingende Soziale Arbeit. Lebensweltorientierung statt strikte Berufsorientierung in der Jugend(berufs)hilfe Um den Bedarfen der Kinder und Jugendlichen besser entsprechen zu können, plädieren Spies und Pötter für eine Lebensweltorientierung auch in der Jugendberufshilfe. Mit ihrem Ansatz lässt sich Inklusion und Lebensweltorientierung gut verbinden. Sie sehen als Aufgabe der Schulsozialarbeit die Sicherung der Anschlussfähigkeit und beziehen diese nicht auf den schulischen und beruflichen Anschluss. Vielmehr formulieren sie damit eine Ziel- und Aufgabenbeschreibung, die sich auf alle Bereiche bezieht, die für Kinder und Jugendliche von Bedeutung sind. Wenn Schulsozialarbeit als integrierter Teil des Bildungs- und Erziehungssystems »Blockaden« zwischen unterschiedlichen »Lebenssphären« verhindert, kann die Selektionsfunktion der Schule aufgehoben

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

oder zumindest durchbrochen werden (vgl. Spies/Pötter 2011: 21). In diesem Sinne ist Diversität die konsequente Weiterführung des Lebensweltparadigmas. Die Erhaltung der Anschlussfähigkeit bedeutet die Teilhabe sowohl an verschiedenen Lebenswelten, als auch an verschiedenen Funktionssystemen. Damit ist einerseits die Integration in Bezug auf die Lebenswelt, andererseits die Inklusion in Bezug auf die gesellschaftliche Teilhabe gemeint. Anschlussfähigkeit funktioniert nur über die Teilhabe an beiden Systemen (vgl. ebd.: 24ff.). Daraus resultiert die Aufgabe der Schulsozialarbeit und der Sozialen Arbeit an der Schnittstelle Schule und Beruf: Sie versucht die Anschlussfähigkeit in die Lebenswelt zu sichern und sorgt für die Teilhabe an den für die Kinder und Jugendlichen wichtigen Funktionssystemen. Dafür gilt es, die Anschlüsse an vielen Übergängen zu bedenken: angefangen beim Übergang von der Grundschule zu den weiterführenden Schulen, von diesen in die Ausbildung oder von berufsbildenden und berufsvorbereitenden Schulen in Ausbildung oder Beruf. Dabei sollten Projekte gefördert werden, die inklusive Übergänge begleiten (vgl. Reich 2018: 10f.) und die die Anschlussfähigkeit erhalten. Das »Berufsschulsystem und die duale Ausbildung ist deutlich stärker mit den inklusiven Standards zu vernetzen. Hier besteht die große Chance, durch eine Öffnung beruflicher Bildungsmaßnahmen entweder schon in die Regelschule hinein oder mit Berufsausbildungsförderungen über sie hinaus wichtige Unterstützungssysteme zu etablieren.« Denn »Der Arbeitsmarkt ist in vielen Bereichen eine inklusionsfreie Zone, soweit es über die bestehenden Regelungen hinaus keine hinreichenden Normen und Standards zur verbesserten Teilhabe und Pflichtbeschäftigung von Menschen mit Behinderungen oder Beeinträchtigungen gibt. Zudem bedarf es gezielter Förderprogramme für die hohe Anzahl nicht qualifizierter Jugendlicher ohne Schul- und Berufsabschlüsse.« (Reich 2018b: 10f.)

4.3

Die Schüler*innenfirma im Kontext von Community Education

Community Education erscheint als wertvolle Verbindung, um Soziale Arbeit, Bildung und Lebensweltorientierung auf eine integrative Weise zusammen zu bringen. Der Ansatz der Community Education verbindet Gemeinwesenarbeit und Bildungsarbeit. In Deutschland verstehen sich Vertreter*innen einer gemeinwesenorientierten Bildung und Erziehung in der Tradition der Community Education. Eine eindeutige Definition von Communitiy Education gibt es nicht, einerseits, weil die Wurzeln und die daraus entwickelten Ansätze sehr unterschiedlich sind, andererseits, weil der Begriff »Community« uneinheitlich definiert wird. (vgl. Buhren 1997: 10f.). Buhren versucht unterschiedliche Definitionsversuche und Ansätze zusammenzuführen und definiert Communitiy Education als: »[…] ein Konzept, zur Verbesserung der Lebensqualität. Ausgehend von gesellschaftlichen Defiziten und Mißständen dient Community Education der individuellen und gemeinschaftlichen Entwicklung auf der Basis kollektiven Handelns« (Buhren 1997: 14). Einige Kriterien können das Konzept etwas genauer fassen: Es ist ein Bildungskonzept zur Vermittlung von Wissen, Qualifikationen oder Kultur, was nicht auf Schule oder institutionalisierte Bildung beschränkt ist; es ist universalistisch ausgerichtet und nicht auf bestimmte Ziel- oder Altersgruppen beschränkt und das Konzept will Defizite und Probleme in der Community vermeiden oder überwinden. Auch der

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

oder zumindest durchbrochen werden (vgl. Spies/Pötter 2011: 21). In diesem Sinne ist Diversität die konsequente Weiterführung des Lebensweltparadigmas. Die Erhaltung der Anschlussfähigkeit bedeutet die Teilhabe sowohl an verschiedenen Lebenswelten, als auch an verschiedenen Funktionssystemen. Damit ist einerseits die Integration in Bezug auf die Lebenswelt, andererseits die Inklusion in Bezug auf die gesellschaftliche Teilhabe gemeint. Anschlussfähigkeit funktioniert nur über die Teilhabe an beiden Systemen (vgl. ebd.: 24ff.). Daraus resultiert die Aufgabe der Schulsozialarbeit und der Sozialen Arbeit an der Schnittstelle Schule und Beruf: Sie versucht die Anschlussfähigkeit in die Lebenswelt zu sichern und sorgt für die Teilhabe an den für die Kinder und Jugendlichen wichtigen Funktionssystemen. Dafür gilt es, die Anschlüsse an vielen Übergängen zu bedenken: angefangen beim Übergang von der Grundschule zu den weiterführenden Schulen, von diesen in die Ausbildung oder von berufsbildenden und berufsvorbereitenden Schulen in Ausbildung oder Beruf. Dabei sollten Projekte gefördert werden, die inklusive Übergänge begleiten (vgl. Reich 2018: 10f.) und die die Anschlussfähigkeit erhalten. Das »Berufsschulsystem und die duale Ausbildung ist deutlich stärker mit den inklusiven Standards zu vernetzen. Hier besteht die große Chance, durch eine Öffnung beruflicher Bildungsmaßnahmen entweder schon in die Regelschule hinein oder mit Berufsausbildungsförderungen über sie hinaus wichtige Unterstützungssysteme zu etablieren.« Denn »Der Arbeitsmarkt ist in vielen Bereichen eine inklusionsfreie Zone, soweit es über die bestehenden Regelungen hinaus keine hinreichenden Normen und Standards zur verbesserten Teilhabe und Pflichtbeschäftigung von Menschen mit Behinderungen oder Beeinträchtigungen gibt. Zudem bedarf es gezielter Förderprogramme für die hohe Anzahl nicht qualifizierter Jugendlicher ohne Schul- und Berufsabschlüsse.« (Reich 2018b: 10f.)

4.3

Die Schüler*innenfirma im Kontext von Community Education

Community Education erscheint als wertvolle Verbindung, um Soziale Arbeit, Bildung und Lebensweltorientierung auf eine integrative Weise zusammen zu bringen. Der Ansatz der Community Education verbindet Gemeinwesenarbeit und Bildungsarbeit. In Deutschland verstehen sich Vertreter*innen einer gemeinwesenorientierten Bildung und Erziehung in der Tradition der Community Education. Eine eindeutige Definition von Communitiy Education gibt es nicht, einerseits, weil die Wurzeln und die daraus entwickelten Ansätze sehr unterschiedlich sind, andererseits, weil der Begriff »Community« uneinheitlich definiert wird. (vgl. Buhren 1997: 10f.). Buhren versucht unterschiedliche Definitionsversuche und Ansätze zusammenzuführen und definiert Communitiy Education als: »[…] ein Konzept, zur Verbesserung der Lebensqualität. Ausgehend von gesellschaftlichen Defiziten und Mißständen dient Community Education der individuellen und gemeinschaftlichen Entwicklung auf der Basis kollektiven Handelns« (Buhren 1997: 14). Einige Kriterien können das Konzept etwas genauer fassen: Es ist ein Bildungskonzept zur Vermittlung von Wissen, Qualifikationen oder Kultur, was nicht auf Schule oder institutionalisierte Bildung beschränkt ist; es ist universalistisch ausgerichtet und nicht auf bestimmte Ziel- oder Altersgruppen beschränkt und das Konzept will Defizite und Probleme in der Community vermeiden oder überwinden. Auch der

4. Chancen der Schüler*innenfirma als ganzheitliches Konzept der Sozialen Arbeit

Begriff Community kann mit einigen Elementen zumindest konkretisiert werden: Zur Community gehört eine Gruppe, die in Interaktion untereinander steht, ein begrenzter Raum, der tatsächlich oder auch nur ideell besteht und eine Verbundenheit untereinander, die über eine räumliche hinausgeht (vgl. Buhren 1997: 14ff.). »Darüber hinaus wird der Begriff auch benutzt, um gemeinsame Einstellungen, Interessen und Übereinstimmung auszudrücken, sowie für gemeinschaftlichen Besitz und Teilhabe an etwas, ein Aspekt, der den deutschen Begriffen fehlt, der aber in Community Education einen wichtigen Platz einnimmt.« (Löbbke 1989: 5 in Alke 2013: 2) Eine schöne, wenn auch offene Definition von Communitiy gibt auch Fletscher: »It is a sense of ›us‹ combined with a specification of ›place.‹« (Fletscher 1987: 37 in Buhren 1997: 16) Die Wurzeln der Community Education werden auf unterschiedliche Entwicklungen zurückgeführt: Einerseits sind es sozialpädagogische und sozialreformerische Ansätze, die auf das Bildungs- und Sozialwesen der USA in den 1930er zurückgehen, zum anderen sind es soziale, kulturelle und Bildungsangebote in England der 1920er, mit denen versucht wurde, die Landflucht zu stoppen (vgl. Buhren 1997: 17). Die im Kontext dieser Arbeit spannendste Entwicklung liegt in Deweys pädagogischen und philosophischen Ansätzen begründet. Er wird als »geistige Urvater« der Community Education verstanden (Buhren 1997: 18). Nach seiner Auffassung muss die Schule auf ein Leben in der Gemeinschaft vorbereiten und trägt damit auch zur Entwicklung einer Gesellschaft bei. Es ist dies die inhaltliche Verbindung, die Dewey zwischen Bildung und Gemeinwesen herstellt. Dafür muss die Schule sich um die Lebenswelt der Kinder kümmern und diesen Bezug, so Deweys Kritik, stellt die Schule nicht her. Es bestehe keine Verbindung zwischen den Lerninhalten und dem Leben außerhalb der Schule (vgl. ebd.: 18f.). Der Begriff Community Education stammt jedoch nicht von Dewey, er spricht über seinen Ansatz von einem »Lernen in der Gemeinde«, einer »gemeinde-orientierte Schule« oder ein »gemeinde-orientiertes Curriculum« (Buhren 1997: 19). Die besonderen Entwicklungen seiner Zeit, auf die die Schule reagieren sollte sind die technischen Entwicklungen wie Kommunikation, Medien oder Transport und die gesellschaftlichen Entwicklungen, die sich aus zunehmender Mobilität (Landflucht und Einwanderung) ergeben. Dewey erkannte die mit ihnen verbundene Gefahr der Entwurzelung, insbesondere für Kinder und Jugendliche, verschärft durch eine Politik der Amerikanisierung, die eigene Wurzeln und Identitäten vergessen lässt. Die Aufgabe der Schule sei es, Konzepte zu entwickeln, die Kindern aus vielen Nationen ermöglicht, ein Gefühl eigener Identität zu entwickeln. Gleichzeitig bleibt das Ziel der Schule, die Akzeptanz anderer durch Verstehen und Verständnis zu entwickeln. Die Weiterentwicklung der Gesellschaft wie auch der Kinder und Jugendlichen basiert auf dieser Fähigkeit, die als Grundlage eine Identifikation mit der eigenen Herkunft und Kultur bedarf. Sie schafft die Voraussetzung anderen mit Respekt zu begegnen (vgl. ebd.: 23f.). Die weiteren Entwicklungen auf die die Schule nach Dewey reagieren muss, sind weiterhin die veränderten Familienstrukturen, bzw. das Auflösen der tradierten Familienstrukturen. Sie können zu emotionaler und sozialer Destabilisierung führen.11 Und auch die wirtschaftliche Entwicklung und die zunehmende Arbeitsteilung muss 11

Zu Dewey Idealisierung der Familie: Reich 2005.

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

die Schule im Hinblick auf die berufliche Ausbildung und Qualifizierung beachten. Menschen brauchen gerade wegen ihrer spezialisierten Ausbildung eine ebenso umfassende wissenschaftliche Qualifizierung, um ihre Lage einschätzen und beurteilen zu können. Deshalb bedarf es nach Dewey einer über die Schulzeit hinausgehende lebenslange Weiterbildung, die auch aufgrund des technischen und wissenschaftlichen Fortschritts erforderlich ist. Menschen sollen auf das Leben vorbereitet werden. Das ist dann die Aufgabe der Community. Eine Schule »School as a Social Center« hat die Aufgabe, auf die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen und Entwicklungen zu reagieren, indem sie entsprechende Bildungs- und Erziehungsangebote macht. Diese sollten sowohl wissenschaftlich als auch alltagsrelevant sein und bieten Ersatz für fehlende Bindungen und Raum für sozialen Austausch. Gleichzeitig werden gegenseitiges Verständnis anderer Nationalitäten und Kulturen unterstützt und gefördert. Schule soll mit unterschiedlichen Räumen für alle die entsprechenden Angebote ermöglichen, richtet sich aber vor allem an benachteiligte Menschen in der Gemeinde. Deweys Verständnis von Schule als Institution, die auf konkrete Einflüsse der Lebenswelt reagieren soll, verdeutlicht das Verständnis von Schule als »miniature community«, die mitten im Leben der Schüler*innen stattfinden und die Demokratie üben und leben will. Dieses Verständnis ist die Verbindung zur Community Education, die heute dem entspricht, was als bildungsorientierte Gemeinwesenarbeit an verschiedenen Orten Deutschlands umgesetzt wird (vgl. ebd.: 23-25).12 In Deutschland begann sich Community Education erst in den 1980ern zu etablieren und war zunächst auf Schule bezogen. Dabei waren die ersten Ansätze vor allem auf sozial benachteiligte Schulen, vor allem Grund- und Hauptschulen mit hohem Migrationsanteil bezogen und damit weniger auf das ganze Gemeinwesen. Impulse der interkulturellen Pädagogik führten zu einer Orientierung an das Gemeinwesen. Die Konzepte öffneten sich hin zum Stadtteil und bezogen neben den Grund- und Hauptschulen auch weitere Schulen mit ein. Community Education wurde damit weniger sozialpädagogisch geprägt und nicht mehr vor allem auf benachteiligte Gruppen bezogen (vgl.ebd.: 96). Ausgeweitet wurde das Konzept der Community Education im Hinblick auf eine bessere berufliche Orientierung. Ausschlaggebend war die Kritik an der Ausgliederung des Berufsgrundschul- und Berufsvorbereitungsjahrs von der Schule. Eine solche Ausgliederung mache nur Sinn, wenn Jugendliche einen Schulabschluss absolvieren können, ansonsten wird das Problem der fehlenden Zukunftsperspektive nicht gelöst. Zur Lösung müssten Jugendliche auch nach dem Schulabschluss betreut werden, Kooperationen mit der Wirtschaft und lokalen Ausbildungsbetrieben erfolgen, die über eine Zusammenarbeit durch ein kleines Schulpraktikum hinausgeht: »Hier liegen riesige Herausforderungen für Schule und Jugendarbeit, die aufgegriffen werden müssen. Lehrer müssen die pädagogischen Konzeptionen ihres Unterrichts und ihrer Schule an die veränderten Gegebenheiten anpassen, ohne Bewährtes und Typisches aufzugeben, was Schule ausmacht: nämlich systematisches Lernen, Kombinieren, Nachdenken, Experimentieren, Untersuchen, Blockunterricht, fachübergreifender Unterricht, Praktika, Arbeitslehre, stadtteilbezogene Arbeit usw.« (Hurrelmann 1989: 10) 12

Beispiele für Community Education: Klemenz/Beneke 2013; Erler/Kloyber 2013; Schwarz 2018.

4. Chancen der Schüler*innenfirma als ganzheitliches Konzept der Sozialen Arbeit

Schüler*innenfirmen können im Sinne der Community Education erweitert werden. Neben der Erweiterung des Angebots für Kinder und Jugendliche in Bereichen der Jugend(berufs)hilfe, offenen Jugendhilfe oder Bildungsträger der Sozialen Arbeit, kann das Prinzip der Schüler*innenfirma auch zu einer Firma für Erwachsene werden, die sich im Gemeinwesen entwickelt und sich nach den Interessen und Bedürfnissen ihrer Bewohner*innen richtet und vorhandene Netzwerke nutzt. Aus einem Bildungsprojekt im Gemeinwesen kann sich eine Geschäftsidee entwickeln und umgesetzt werden. Die Gründe und Anlässe können vielfältig sein und Räume zu Selbstwirksamkeitsentwicklung bieten. Das ist beispielsweise das Projekt, bei dem sich Frauen verschiedener Nationalitäten zunächst nur treffen, dann gemeinsam Nähen und aus dieser Gemeinsamkeit die Idee entwickelt wird, eine eigene Kollektion zum Verkauf anzubieten. Der Impuls der Gründung führt zu einer gemeinsamen Geschäftsidee (vgl. https://www.e inander-manifest.de/178/kollektion-vielfalt.html). Die Unterstützung erfolgt nach den gleichen Prinzipien die für die Schüler*innenfirma leitend sind.

4.4

Ausblicke

Exemplarisch wurden unterschiedliche Theorien Sozialer Arbeit skizziert und gegenübergestellt, um einerseits die Bandbreite des theoretischen Diskurses und andererseits die unter anderem daraus folgende fehlende Einheitlichkeit der Angebote Sozialer Arbeit zu verdeutlichen. Diese Herausforderung der Profession macht sich im beruflichen Alltag bemerkbar. Die beschriebenen Tätigkeitsbereiche, in denen Schüler*innenfirmen gut eingesetzt werden können, sind oft geprägt von unterschiedlichen Standards, mangelnder Transparenz und Übersichtlichkeit. Um dies zu lösen, bedarf es politischer und professionstheoretischer und -praktischer Anstrengungen, die aufgrund rechtlicher und damit auch finanzieller Abhängigkeiten nicht einfach sind. Die Schüler*innenfirma kann dennoch auf mehreren Ebenen abgeleitet, begründet und verortet werden: Auf der Ebene der geschichtlichen Entwicklung der Profession Sozialer Arbeit und die damit einhergehende methodische Entwicklung ihrer Tätigkeit im Rahmen der beruflichen Ausbildung oder qualifizierender Sozialer Arbeit: Soziale Arbeit setzt sich quasi seit ihrer Entwicklung mit Fragen der beruflichen Tätigkeit theoretisch und praktisch auseinander und damit mündet die Begründung für das Konzept der Schüler*innenfirma auf der Ebene der Arbeitsfelder Sozialer Arbeit, die sich an der Schnittstelle von Schule und Beruf befinden. Die Evaluation der praktischen Umsetzung zeigt verschiedene Ergebnisse, die eine weitere Auseinandersetzung Sozialer Arbeit mit der Schüler*innenfirma begründet: Es ließen sich Entwicklungen und Steigerungen von Selbstwirksamkeitserwartung, personaler, sozialer, fachlicher und ökonomischer Kompetenzen feststellen. Aber auch, dass je nach Alter, Geschlecht oder Standort Unterschiede deutlich werden, deren Gründe weiter nachgegangen werden sollte. Daraus können entsprechende Modifikationen des

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4. Chancen der Schüler*innenfirma als ganzheitliches Konzept der Sozialen Arbeit

Schüler*innenfirmen können im Sinne der Community Education erweitert werden. Neben der Erweiterung des Angebots für Kinder und Jugendliche in Bereichen der Jugend(berufs)hilfe, offenen Jugendhilfe oder Bildungsträger der Sozialen Arbeit, kann das Prinzip der Schüler*innenfirma auch zu einer Firma für Erwachsene werden, die sich im Gemeinwesen entwickelt und sich nach den Interessen und Bedürfnissen ihrer Bewohner*innen richtet und vorhandene Netzwerke nutzt. Aus einem Bildungsprojekt im Gemeinwesen kann sich eine Geschäftsidee entwickeln und umgesetzt werden. Die Gründe und Anlässe können vielfältig sein und Räume zu Selbstwirksamkeitsentwicklung bieten. Das ist beispielsweise das Projekt, bei dem sich Frauen verschiedener Nationalitäten zunächst nur treffen, dann gemeinsam Nähen und aus dieser Gemeinsamkeit die Idee entwickelt wird, eine eigene Kollektion zum Verkauf anzubieten. Der Impuls der Gründung führt zu einer gemeinsamen Geschäftsidee (vgl. https://www.e inander-manifest.de/178/kollektion-vielfalt.html). Die Unterstützung erfolgt nach den gleichen Prinzipien die für die Schüler*innenfirma leitend sind.

4.4

Ausblicke

Exemplarisch wurden unterschiedliche Theorien Sozialer Arbeit skizziert und gegenübergestellt, um einerseits die Bandbreite des theoretischen Diskurses und andererseits die unter anderem daraus folgende fehlende Einheitlichkeit der Angebote Sozialer Arbeit zu verdeutlichen. Diese Herausforderung der Profession macht sich im beruflichen Alltag bemerkbar. Die beschriebenen Tätigkeitsbereiche, in denen Schüler*innenfirmen gut eingesetzt werden können, sind oft geprägt von unterschiedlichen Standards, mangelnder Transparenz und Übersichtlichkeit. Um dies zu lösen, bedarf es politischer und professionstheoretischer und -praktischer Anstrengungen, die aufgrund rechtlicher und damit auch finanzieller Abhängigkeiten nicht einfach sind. Die Schüler*innenfirma kann dennoch auf mehreren Ebenen abgeleitet, begründet und verortet werden: Auf der Ebene der geschichtlichen Entwicklung der Profession Sozialer Arbeit und die damit einhergehende methodische Entwicklung ihrer Tätigkeit im Rahmen der beruflichen Ausbildung oder qualifizierender Sozialer Arbeit: Soziale Arbeit setzt sich quasi seit ihrer Entwicklung mit Fragen der beruflichen Tätigkeit theoretisch und praktisch auseinander und damit mündet die Begründung für das Konzept der Schüler*innenfirma auf der Ebene der Arbeitsfelder Sozialer Arbeit, die sich an der Schnittstelle von Schule und Beruf befinden. Die Evaluation der praktischen Umsetzung zeigt verschiedene Ergebnisse, die eine weitere Auseinandersetzung Sozialer Arbeit mit der Schüler*innenfirma begründet: Es ließen sich Entwicklungen und Steigerungen von Selbstwirksamkeitserwartung, personaler, sozialer, fachlicher und ökonomischer Kompetenzen feststellen. Aber auch, dass je nach Alter, Geschlecht oder Standort Unterschiede deutlich werden, deren Gründe weiter nachgegangen werden sollte. Daraus können entsprechende Modifikationen des

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Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit

Konzepts folgen, aber auch Hinweise darauf, welche Auswirkungen unterschiedliche Bildungschancen auf Kinder haben können.13 Die abschließenden Ausblicke fassen die Gründe zusammen, die dafür sprechen, sich eines Konzepts zu bedienen, welches nicht nur in einem Bereich oder von einer Profession genutzt werden sollte. Als Sozialpädagogin sehe ich vor allem viele Möglichkeiten für die Soziale Arbeit, die Chancen dieses Konzepts zu nutzten: Für verschiedene Zielgruppen, in unterschiedlichen Bildungskontexten, mit unterschiedlichen Inhalten und mit verschiedenen Professionen und dabei immer mitten im Leben der Adressat*innen. Oder: mitten in der Lebenswelt der Adressat*innen und gemeinsam mit ihnen.

Ausblick 1: Impuls der Gründung   Die Schüler*innenfirma als Unterstützung zur Entwicklung eines beruflichen Selbstkonzepts Die Schüler*innenfirma sollte nicht allein im Kontext der beruflichen Orientierung verortet werden, denn sie beinhaltet viele Aspekte, die über diese eine Zielrichtung hinausgehen. Wenn berufliche Orientierung nach Meier mehr als Entwicklung eines beruflichen Selbstkonzepts verstanden wird, sind die Möglichkeiten, die mit der Schüler*innenfirma verbunden werden jene, die mit der Entwicklung eines beruflichen Selbstkonzepts verbunden werden. Dann zielt berufliche Orientierung stärker auf die Entwicklung der Persönlichkeit, ist institutionenübergreifend und bedarf der Kooperation verschiedener Akteure. Auch ist die Entwicklung eines beruflichen Selbstkonzepts nicht von einem bestimmten Alter abhängig, da es auch nicht um eine Anpassung, sondern um einen ständigen Abgleich zwischen Individuum und Arbeitsmarkt geht. Mit ihrer lebensweltorientierten und inklusiven Ausrichtung kann die Schüler*innenfirma genau dieser ganzheitlichen Zielrichtung entsprechen. Dabei ist sie zwar nur ein Element im Kontext einer solch verstandenen beruflichen Orientierung, doch kann mit ihr eine neue Perspektive auf die Gestaltung diverser berufsorientierender Maßnahmen entwickelt werden. Wird die Schüler*innenfirma vorrangig genutzt, um Selbstwirksamkeit zu stärken, kann sie als durchgängiges Element in den verschiedenen Systemen der Erziehung, Bildung und Ausbildung gesehen werden. Sie kann auf jeder Ebene und Institution genutzt werden, um lebensweltliche Bezüge herzustellen und damit biographisches Lernen und Orientieren möglich machen. Als Teil einer transparenten, übersichtlich organisierten und kooperativen Berufsorientierung, kann sie ihren Beitrag leisten, Geschlechterstereotypen aufzulösen (und damit der Manifestierung beruflicher Perspektiven entgegenzuwirken) und über die Zeit die Entwicklung eines beruflichen Selbstkonzepts zu fördern.

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Aspekte, die sich daraus ergeben und weiter betrachtet werden sollten sind, hier nur stichwortartig genannt: Stärkung der Mädchen, Perspektivbildung für Kinder mit schlechten Bildungschancen, »Realitätscheck« für Jungen, Notwendigkeit männlicher Bezugspersonen in der Sozialen Arbeit, Entwicklung neuer Erhebungsmethoden, Verhältnis von praktischem und theoretischem Lernen: Art der Bildungsangebote/Anforderungen und Adressat*innen.

4. Chancen der Schüler*innenfirma als ganzheitliches Konzept der Sozialen Arbeit

Ausblick 2: »Raum für Freiräume«14   Die Schüler*innenfirma als Resonanzraum Die Schüler*innenfirma ermöglicht eine Verknüpfung grundlegender Bedingungen, die denen einer nachhaltigen Bildung entsprechen. Werden die Inhalte innerhalb der Schüler*innenfirma tatsächlich interessengeleitet erarbeitet und haben die Kinder und Jugendlichen Selbstwirksamkeitserfahrungen gemacht, sind jene Voraussetzungen erfüllt, die dafür sprechen, dass das in der Schüler*innenfirma erworbene Wissen auch behalten und darauf im weiteren Lebensverlauf zurückgegriffen, mit anderen Themen und Inhalten verknüpft und angeschlossen werden kann. Für den abschließenden Ausblick ist das Bild des Resonanzraums eines, welches wesentlichen Stärken des Konzepts vereinen kann. Der Raum selbst ist ein gutes Bild, um die verschiedenen Perspektiven zu verdeutlichen. Bildungsangebote, wie die Schüler*innenfirma eines ist, können aus konstruktivistischer Perspektive Impulse geben, um Wissen zu vermitteln, also Re-, De- und Konstruktionen zu ermöglichen und zu fördern. Um diese Prozesse anzuregen, ist die Gestaltung der Lernangebote und der Räume im übertragenen und tatsächlichem Sinne von besonderer Bedeutung, insbesondere auch aus ästhetischer Perspektive. Der Raum ist aber auch an sich Sinnbild für den Stellenwert, den wir Kindern und Jugendlichen zugestehen: Er spiegelt sich wider in seiner Gestaltung, in seiner Größe, seiner Lage und den Vorgaben, ihn zu nutzen. Das bedeutet: je größer, freier und selbstbestimmter die Räume sind und genutzt werden können, desto besser können Bezüge zum eigenen Leben hergestellt und gestaltet werden und umso besser können ebenso demokratische Elemente gelebt und gelernt werden. »Demokratie kann man nicht durch Unterricht lernen oder durch didaktische Übungen, sondern nur, wenn man selbst am Prozess der Problematisierung von Themen und Interessen und der gemeinsamen Diskussion und Entscheidungsfindung beteiligt ist. Anders gesagt: Demokratie ist eine Handlungspraxis, die man nicht theoretisch oder durch ›Sandkastenspiele‹ lernen kann, sondern nur unter den Bedingungen der gleichberechtigten Teilnahme an realen Entscheidungsgemeinschaften. Man muss also Demokratie mitmachen können, um sie zu erlernen.« (Sturzenhecker 2018: 73) Demokratie kann in Räumen der Schüler*innenfirma gelernt werden. Dafür ist die Gruppe notwendig. Sie ist für Kinder und Jugendliche von zunehmender Bedeutung, was auch die Evaluation des Projekts sehr deutlich gezeigt hat. Nahezu alle Schüler*innen heben die Zusammenarbeit in der Gruppe hervor, betonen, dass diese wesentlich dazu beigetragen hat, das Projekt gerne gemacht zu haben. Das gemeinsame Lernen und Arbeiten führt zu einem Gemeinschaftsgefühl. Darüber hinaus haben viele Kinder die Erfahrung gemacht, dass sie eigene Ideen einbringen können, sich jedoch immer in Aushandlungsprozessen mit anderen befinden. Sie müssen sich mit anderen auseinander setzten, um etwas erreichen zu können und haben damit wesentliche demokratische Erfahrungen gemacht. Diese Fähigkeit ist nach Reich auch jene, die stärker in der Gesellschaft gebraucht wird, als das individualisierte Lernen, welches vorrangig

14

Thiersch 2000: 543.

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in der Schule durch entsprechende Leistungen gefördert wird (vgl. Reich 2018). Die Bedeutung der Gruppe zieht sich so durch alle Perspektiven und grundlegenden Theorien: als Motivation, als Basis für Partizipation und als selbstwirksames Element. Wenn Schule und auch andere Orte, an denen Schüler*innenfirmen umgesetzt werden können, als Lern- und Lebensorte (und nicht Selektionsorte) gedacht werden, verschmelzen Grenzen von Schul- und Sozialpädagogik oder auch Sonderpädagogik. Kooperationen sollten dann leichter möglich sein.

Ausblick 3: Offensive Einmischung in Bildungsprozesse   Die Schüler*innenfirma im methodischen Repertoire Sozialer Arbeit Die Berufs- und Arbeitsfelder wurden diskutiert, in denen Soziale Arbeit bereits Schüler*innenfirmen und andere Formen bereits umsetzt. Zusammenfassend wird hier nun ein Ausblick gegeben, auf welchen weiteren Ebenen sich Soziale Arbeit der Methode Schüler*innenfirma annehmen kann. Die leitenden Annahmen sind: •









Soziale Arbeit ist aufgrund ihrer theoretischen Begründungen und praktischen Aufgaben gut darin, heterogen zu denken, was eine Auseinandersetzung mit vielen Lebenslagen und Lebenswelten und deren Problemlagen beinhaltet. Sie sollte sich auch aus diesem Grund verstärkt für die Umsetzung einer inklusiven, offenen Bildung einsetzen und sich daran beteiligen. Die Schüler*innenfirma bietet die konzeptionelle Möglichkeit des gemeinsamen Lernens und gegenseitigen Lehrens für Kinder und Jugendliche. Es bietet über unterschiedliche Aufgaben die Möglichkeit, alle zu beteiligen. Daran anschließend ist die Soziale Arbeit eine Profession, die grundsätzlich teamorientiert und vernetzt arbeitet. Viele Arbeitsfelder und viele Methoden der Sozialen Arbeit sind so verfasst, dass das Miteinander mit anderen Professionen und das gemeinsame Arbeiten konstitutiv ist und nicht anderes gedacht werden kann. Entsprechende Erfahrungen kann sie mit in die Perspektive der multiprofessionellen Zusammenarbeit an Schulen und außerschulischen Zusammenhängen einbringen. Die Schüler*innenfirma ist ein Konzept, welches nicht nur Selbstwirksamkeit und Kompetenzen stärken kann. Sie kann leicht auf die Bedürfnisse und Fragestellungen aller Kinder und Jugendlichen konkret angepasst werden und entspricht damit den Aufgaben Sozialer Arbeit, der Personalisation und Qualifikation. Dadurch, dass alle Kinder und Jugendliche über dieses Angebot erreichbar sind und die Erfahrung zeigt, dass auch alle die Bereitschaft und Interesse an einer Mitarbeit zeigen, ist es ein ideales Konzept, um ein berufliches Selbstkonzept zu entwickeln: Alle Schüler*innen können mit unterschiedlichen Themen auf unterschiedlichen Niveaus angesprochen werden. Möglich wird ein Kennenlernen beruflicher Themen, das Ausprobieren beruflichen Wissens und die Stärkung von (beruflichen) Kompetenzen. Zudem kann eine Einbindung in das Gemeinwesen, in die Lebenswelt erfolgen. Soziale Arbeit trägt insgesamt dazu bei, Bildungsmöglichkeiten für alle bereitzustellen, Befähigungen zu ermöglichen und Stigmatisierungen zu vermeiden.

4. Chancen der Schüler*innenfirma als ganzheitliches Konzept der Sozialen Arbeit



Partizipation kann erlebbar gemacht werden.

Die Begleitung von Schüler*innenfirmen durch die Soziale Arbeit kann auf unterschiedlichen Ebenen unterschiedlich gestaltet sein. Auf der Ebene der Bildung und Beteiligung kann Soziale Arbeit Angebote für die Zielgruppen direkt anbieten. Das bedeutet, sie übernimmt verantwortlich die methodische Planung und Durchführung in verschiedenen Institutionen. Sei es in der Schulsozialarbeit, in der Jugendberufshilfe oder der offenen Jugendarbeit. Auch freie Bildungsträger können die methodische Umsetzung durchführen. Auf der Ebene der Beratung und Information übernimmt die Soziale Arbeit die Aufgabe, über die Möglichkeiten der Schüler*innenfirmenarbeit zu informieren, Fortbildungen für Interessierte verschiedener Professionen oder methodische und rechtliche Beratung anzubieten. Auf der Ebene der Vernetzung findet insbesondere die Beratung über passende berufliche Orientierungsangebote statt, eine Koordination und Vermittlung von Hilfen, die Vermittlung von Bildungspartnerschaften oder die Einbindung von Schüler*innenfirmen in das Gemeinwesen. Die Brücke zwischen schulischer und außerschulischer Bildung, beruflicher Orientierung und beruflichen Einstieg kann dementsprechend ausgebaut werden. Details wie eine zentrale Koordination bzw. Beratung, der Etablierung von Joblotsen, der Erarbeitung von verbindlichen Kooperationsverträgen mit der Wirtschaft oder zwischen Schule und Jugendhilfen wären für diesen Ausblick weitere Schritte, die zu verfolgen wären. Denn: vielversprechende bestehende Angebote werden nicht durchgängig umgesetzt, Angebote für Kinder und Grundschüler*innen sind kaum vorhanden und die Soziale Arbeit ist nicht überall gleich etabliert. Der Ausblick führt zur Utopie einer sich in Bildungsprozesse offensiv einmischenden Soziale Arbeit auf politischer, wissenschaftlicher und praktischer Ebene, die weniger auf Marktbedingungen reagiert, sondern offene, präventive und durchgängige Angebote fordert und anbietet. Damit wird das Konzept der Schüler*innenfirma auch eines sein, das Kinder und Jugendliche nicht ausschließlich in ihrer Rolle und Funktion als Schüler*innen anspricht, sondern sie auch unabhängig dieser wahrnehmen kann. Ein anderer Begriff als Schüler*innenfirma könnte gefunden werden. In diesem Sinn kann Soziale Arbeit Anschlussfähigkeit herstellen, zwischen den Lebenswelten und Bildungs- und Erziehungssystemen vermitteln und Kooperationen verstärken.

Ausblick 4: Selbstwirksamkeit und Würde   Die Schüler*innenfirma als Unterstützung einer autonomen Lebensführung Auch wenn Soziale Arbeit mannigfaltig definiert ist, so bleiben grundsätzliche Gemeinsamkeiten. Für mich bedeutet Soziale Arbeit insbesondere die Öffnung neuer Wege und Perspektiven, die Öffnung der Blicke, um Hilfestellung in der Lebensführung zu ermöglichen, Selbsttätigkeit zu fördern und damit letztlich Bildungsprozesse zu gestalten. Sie bedeutet auch, Zugänge zu fehlenden und mangelnden Ressourcen zu schaffen, zu gestalten und zu fordern. Hier setzt das Ziel der Schüler*innenfirma an: Die Förderung

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der Eigeninitiative und die Steigerung der Selbstwirksamkeitserwartung sind Voraussetzungen, das eigene Leben selbstbestimmt zu gestalten. Damit ist die Entwicklung von Selbstwirksamkeit, das Gefühl, seinem Leben eine andere Wende geben zu können, mit das stärkste Argument, sich eines Konzepts zu bedienen, welches genau das fördern kann. Die Schüler*innenfirma ist ein Angebot, das Kindern und Jugendliche im Hinblick einer autonomen Lebensführung unterstützten kann. In diesem Sinne möchte ich schließen mit einem Ausblick, in Anlehnung an Reichs didaktische Maxime, nicht nur, aber vor allem für die Soziale Arbeit und für die verstärkte Nutzung des ganzheitlichen Handlungskonzepts Schüler*innenfirma.15 Handle stets so, dass die Lebensmöglichkeiten, Lebenschancen und Gestaltungsmöglichkeiten deiner Adressat*innen wachsen, so dass es zu einer Zunahme von (Lebens)Perspektiven, Handlungschancen und vielfältigen Handlungsergebnissen kommt.

15

»Handle stets so, dass die Lernmöglichkeiten, Lernchancen und Lernanlässe deiner Lerner wachsen, so dass es zu einer Zunahme von Perspektiven, Handlungschancen und vielfältigen Lernergebnissen kommt« (Reich 2008: 254).

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Ablauf des Projekts »kleinUnternehmen«. Überblick über die Phasen und Module des Projekts »kleinUnternehmen«, S. 214. Abbildung 2: Soziodemographie: Standort, Geschlecht, Alter recodiert. Auffälligkeit der Variablen: Alter von Jungen und Mädchen, S. 233. Abbildung 3: Selbstwirksamkeitserwartung nach Standort. Frage 1.1: Ich weiß immer, was ich tun kann, auch wenn etwas Neues auf mich zukommt (nach Standort), S. 240. Abbildung 4: Selbstwirksamkeitserwartung nach Geschlecht. Frage 1.1: Ich weiß immer, was ich tun kann, auch wenn etwas Neues auf mich zukommt (nach Geschlecht), S. 241. Abbildung 5: Selbstwirksamkeitserwartung nach Alter. Frage 1.1. Ich weiß immer, was ich tun kann, auch wenn etwas Neues auf mich zukommt (nach Alter), S. 242. Abbildung 6: Additiver Index Selbstwirksamkeitserwartung, S. 243. Abbildung 7: Selbstwirksamkeitserwartung nach Alter/Geschlecht/Standort (Frage 1.1). Frage 1.1: Ich weiß immer, was ich tun kann, wenn etwas Neues auf mich zukommt, S. 244. Abbildung 8: Selbstwirksamkeitsentwicklung nach Alter/Geschlecht/Standort (Frage 1.2). Frage 1.2: Wenn ich Probleme habe, kann ich sie lösen, S. 245. Abbildung 9: Selbstwirksamkeitsentwicklung nach Alter/Geschlecht/Standort (Frage 1.3). Frage 1.3: Wenn ich etwas will oder bestimmte Ziele habe, kann ich sie verfolgen und umsetzen, S. 246. Abbildung 10: Selbstwirksamkeitsentwicklung nach Alter/Geschlecht/Standort (Frage 1.4). Frage 1.4: Ich mache mir keine Sorgen, weil ich vieles weiß. Deshalb kann ich mir selbst helfen, S. 247. Abbildung 11: Selbstwirksamkeitsentwicklung nach Alter/Geschlecht/Standort (Frage 1.5). Frage 1.5: Ich habe viele Ideen, wie ich Probleme lösen kann, S. 248. Abbildung 12: Kompetenzentwicklung nach Alter/Geschlecht/Standort. Fragen zu Kompetenzen: Ökonomische Kompetenz. Frage 2.3: Ich weiß, was ich für die Umsetzung einer Geschäftsidee brauche. Frage 2.4: Ich konnte die Dinge, die ich gelernt habe, umsetzen, S. 259.

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Abbildung 13: Schlüsselkompetenzen nach Alter/Geschlecht/Standort Frage zu Kompetenzen: Schlüsselkompetenz, Kreativität, personale Kompetenz. Frage 2.5: Ich konnte meine Ideen einbringen und umsetzen. Frage 2.9: Ich habe mir zugetraut etwas zu machen und anzubieten, was andere kaufen, S. 260. Abbildung 14: Soziale Kompetenz nach Alter/Geschlecht/Standort. Fragen zu Kompetenzen: Schlüsselkompetenz, Soziale Kompetenz. Frage 2.10: Wir konnten in der Gruppe gemeinsam eine Idee entwickeln und sie umsetzen. Frage 2.11: Wenn es Ärger oder Streit gab, konnten wir uns schnell einigen und vertragen, S. 261.

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Pädagogik Kay Biesel, Felix Brandhorst, Regina Rätz, Hans-Ullrich Krause

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Andreas Germershausen, Wilfried Kruse

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Ivana Pilic, Anne Wiederhold-Daryanavard (eds.)

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Melanie Groß, Katrin Niedenthal (Hg.)

Geschlecht: divers Die »Dritte Option« im Personenstandsgesetz – Perspektiven für die Soziale Arbeit Februar 2021, 264 S., kart., Dispersionsbindung, 1 SW-Abbildung 34,00 € (DE), 978-3-8376-5341-0 E-Book: PDF: 33,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-5341-4

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