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German Pages 231 [232] Year 2023
Signaturen
SIGNATUREN Auktoriale Präsenz zwischen Bild und Schrift, 1400 –1700 Herausgegeben von Alessandro Della Latta und Karin Gludovatz
De Gruyter
ISBN 978-3-11-061392-6 Library of Congress Control Number: 2022938218 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2023 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Einbandabbildung: Giovanni Battista Benvenuti, Maria mit dem segnenden Kind, um 1516, Kat.Nr. 1332 (Detail), © Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie/Christoph Schmidt Einbandgestaltung: hawemannundmosch, Berlin Satz und Bildbearbeitung: Eberl & Koesel Studio, Kempten Druck und Bindung: FINIDR, s.r.o. www.degruyter.com
INHALT
Vorwort VII Karin Gludovatz Schall und Rauch? Einleitende Gedanken 1 Ute Stehr Schrift auf Bildern – Über die technische Ausführung von Signaturen anhand von Beispielen aus der Berliner Gemäldegalerie 10 Eef Overgaauw Signaturen in mittelalterlichen Handschriften – Miniatoren, Buchbinder, Schreiber, Autoren 27 Teresa De Robertis La riscoperta delle maiuscole antiche 42 Stefano Zamponi La capitale nel Quattrocento 62 Magdalena Bushart Autorschaft im Holzschnitt – Dürer und die Folgen 79 Rudolf Preimesberger Inschriften auf Gemälden El Grecos – Kreta und Toledo 108 Holm Bevers Signaturen Rembrandts auf Zeichnungen 132
VI | Inhaltsverzeichnis
Katja Kleinert und Claudia Laurenze-Landsberg „Rembrandt f.“ Rembrandt-Signaturen in der Gemäldegalerie Berlin – eine Annäherung 151 Samuel Vitali „Iussu patris“? Prolegomena zu Form und Funktion der Signaturen von Künstlerinnen in der frühen Neuzeit 176 Abbildungsnachweis 201 Farbtafeln 205
VORWORT
Von 2016 bis 2017 wurde das Projekt „Die Namen der Künstler. Künstlersignaturen in Europa, vom Mittelalter bis zum 18. Jahrhundert“ unter Leitung von Alessandro Della Latta an der Gemäldegalerie der Staatlichen Museen zu Berlin durchgeführt. Der Fokus des von der Gerda Henkel Stiftung geförderten Vorhabens lag jedoch nicht nur auf der Malerei, jenem Medium, an das man im Zusammenhang mit Signaturen vielleicht zuallererst denkt. Vergleichend wurden auch Objekte aus dem Bode-Museum, dem Kunstgewerbemuseum und dem Kupferstichkabinett einbezogen. Somit entwickelte das Vorhaben für einen ausgewählten Bestand eine intermediale Perspektive auf Praktiken des Signierens, wie sie seit dem Spätmittelalter wesentliches Element künstlerischer Produktion waren und bis heute sind. Zentral für den Ansatz des Projekts war vor allem die Zusammenarbeit mit Kuratorinnen und Kuratoren sowie Restauratorinnen und Restauratoren der Sammlungen, sodass die auktorialen Inschriften erstmals auch unter konservatorischen und technologischen Gesichtspunkten analysiert wurden, ergänzt um philologische und paläographische Untersuchungen. Der vorliegende Band basiert auf der in diesem Zusammenhang durchgeführten Tagung „Die Namen der Künstler. Auktoriale Präsenz zwischen Bild und Schrift“, die im Januar 2017 als Kooperation der Gemäldegalerie der Staatlichen Museen zu Berlin, des Kunsthistorischen Instituts der Freien Universität Berlin und des Kunsthistorischen Instituts in Florenz, Max-Planck-Institut veranstaltet und von Alessandro Della Latta konzipiert wurde. Ziel war es, ausgehend von dem Detail der Signatur Aspekte von Autorschaft und Künstleridentität in divergierenden bildkünstlerischen Medien zu sondieren und den gesellschaftlichen Status sowie intellektuellen Anspruch von Künstlern und Künstlerinnen in verschiedenen kulturellen Milieus Europas für den Zeitraum von etwa 1400 bis etwa 1700 zu diskutieren. Erfreulicherweise fanden die meisten Vorträge der Tagung in erweiterter Form Eingang in diesen Band. Darüber hinaus konnte der Aufsatz von Katja Kleinert und Claudia Laurenze-Landsberg zu Rembrandts Gemäldesignaturen gewonnen werden. Der institutionellen Verbindung des Projekts mit den Staatlichen Museen zu Berlin verdankt sich die besondere Präsenz von Objekten aus deren Sammlungen in einigen der Beiträge.
VIII | Vorwort
Wir danken den Autorinnen und Autoren dafür, dass sie sich auf die Fragestellungen der Tagung eingelassen haben, für ihre Beiträge, durch die wir viel lernen durften, und für ihre große Geduld angesichts der Zeit, die der Band benötigte, um Gestalt anzunehmen. Der Dank gilt weiterhin der Gemäldegalerie der Staatlichen Museen zu Berlin, die das Projekt aufgenommen und die Arbeit daran nach Kräften unterstützt hat, und insbesondere den Kolleginnen und Kollegen aus den Sammlungen und Restaurierungswerkstätten der Staatlichen Museen für ihre Kooperationsbereitschaft sowie zahlreiche Gespräche und Erkenntnisse. Gedankt sei überdies allen Personen, die zur Fertigstellung des Bandes beigetragen haben, insbesondere Hubert Graml, Katja Kleinert, Jana Lambeck, Franziska Lesák, Elena Nustrini, Hella Preimesberger und Samuel Vitali sowie Clara Rainer und Katja Richter von De Gruyter. Ohne die großzügige Förderung der Gerda Henkel Stiftung wären Projekt und Tagung nicht zu realisieren gewesen. Die Publikation wurde ermöglicht durch Unterstützung der Freien Universität Berlin. Berlin, Juli 2023
Alessandro Della Latta und Karin Gludovatz
Karin Gludovatz
SCHALL UND R AUCH? EINLEITENDE GEDANKEN
Signaturen sind ebenso allgegenwärtig wie randständig. Vor allem aber sind sie meist mehr als das Notat eines Namens. Was sie über ihre Funktion als Autorschaftsnachweis hinaus jedoch bedeuten, lässt sich kaum je abschließend bestimmen: Signaturen dienen der Authentifizierung, sie affirmieren in diesem Sinn Autorschaft und entziehen sich zugleich dem damit verbundenen Anspruch, ein Werk für abgeschlossen zu erklären, indem sie in der Darstellung durch Platzierung und Gestaltung eigensinnig Wirkung entfalten. Sie sind in der Regel Schrift und haben bildliche Qualitäten, sie figurieren als Spur vergangener Anwesenheit und autorisieren durch Vergegenwärtigung, sie stehen auf der Oberfläche und überschreiten diese, etwa durch die Verbindung mit einem Element der Darstellung; in ihnen verdichten sich faktische und fingierte Materialitäten, sie konservieren den Moment der Niederschrift und zeugen von einem Streben nach Dauerhaftigkeit, das mit der ‚Verewigung‘ am Kunstwerk einhergeht. Per se ambig und an der Schwelle platziert, ist die Signatur eine paradigmatische Figur des ‚Dazwischen‘. Künstler und Künstlerinnen haben schon in der Antike, aber vor allem im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit diese Doppelwertigkeit und also die Unbestimmtheit genutzt, sich in origineller Form ihren Werken einzuschreiben und die damit in Gang gesetzten Interaktionen von Schrift und Bild, aber auch von Faktizität und Fiktionalität eingesetzt, um sich über ihr künstlerisches Selbstverständnis und den Status des Werks zu äußern und teilweise auch dessen Inhalte zu kommentieren. Vor allem aber haben sie sich das Potential von Schriftbildlichkeit zu eigen gemacht: Buchstaben, die sich im Bild zu Namen formieren, stellen zugleich Spuren aus Blut oder im Sand, Gravuren in Stein oder Metall, zarte Pflänzchen, Moosflechten, Insekten oder Brandzeichen dar; sie können prekäre Orte markieren bzw. diese durch die Signierung erst zu solchen machen; sie integrieren Schriftarten, die nicht-künstlerischen Kontexten entstammen, imitieren andere Schriftkulturen oder drohen, sich im Ornamentalen aufzulösen. Der Erfindungsreichtum kannte kaum Grenzen – zumindest lässt sich das für den in diesem Band behandelten Zeitraum sagen, in dem häufig signiert wurde. Erst im 17. Jahrhundert trat in der Malerei partiell jene Form kursiver Unterzeichnung auf, wie sie sich seit dem 18. Jahrhundert als Standard durchsetzte, als iterierbare Unterschrift und damit als Urheberschaftsnachweis im juristischen
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Sinn. Signaturen erhielten jedenfalls ein hohes Maß an Aufmerksamkeit, von denen, die sie anbrachten, und von denen, die sie ‚entdecken‘ konnten. Die Emphase für diese Form auktorialer Präsenz zwischen Schrift und Bild dürfte jedoch auch Skepsis oder zumindest das Bedürfnis hervorgerufen haben, sie auf die Probe zu stellen. Zumindest legt dies Ortolanos Madonna mit Kind (Tafel 10) nahe: Zu Füßen Mariens, auf blanker Erde, liegt ein scheinbar achtlos fallengelassenes Zettelchen, mehrfach gefaltet, aber nicht beschrieben. Solche cartellini fanden im 15. und 16. Jahrhundert bekanntlich primär als Träger von Künstlernamen Verwendung und waren als solche vor allem in der venezianischen Malerei weit verbreitet. Die Ferrareser Maler hingegen dürften insgesamt weniger signiert haben, wenngleich sie ihren Bildräumen durchaus solche illusionistischen Papiere integrierten, um darauf Informationen zu vermerken. Ortolano war dabei keine Ausnahme und bediente sich wiederholt dieser Möglichkeit, so in einem Altargemälde mit den Heiligen Sebastian, Rochus und Demetrius (London, National Gallery), um letzteren namentlich auszuweisen. In seiner Beweinung Christi (Neapel, Museo di Capodimonte) platzierte er einen gefalteten Zettel mit der Datierung (1521), ebenso verfuhr er im Bild der Heiligen Margarethe von 1524 (Kopenhagen, Statens Museum for Kunst). Auf keinem seiner Gemälde hingegen findet sich eine Signatur. Insofern erscheint das ostentative Schweigen des cartellino in der Berliner Madonna besonders beredt. Wozu dieser ‚Kunstgriff‘? Die dargestellten Personen hätte der Maler wohl kaum namentlich ausweisen müssen. Augenfällig hebt sich das Papier von dem ockerfarbenen Grund ab, leuchtet geradezu aus dem Bild heraus und doch bleibt der Maler entgegen aller Erwartung seinen Namen oder auch nur irgendeinen Hinweis schuldig. Wie die restauratorische Untersuchung durch Ute Stehr ergeben hat (vgl. ihren Beitrag in diesem Band), war das Zettelchen schon immer so leer wie es auch heute noch ist, weder ging eine Inschrift verloren, noch wurde eine etwaige Signatur übermalt. Die Leere des Papiers erscheint umso offensichtlicher als daneben eine Schreibfeder platziert ist, die bereits in Gebrauch war, wie die Tintenspuren an ihrer Spitze anzeigen, ein Tintenfass fehlt indes. Hier hätte geschrieben werden sollen – oder doch nicht? Steckt hinter dem leeren cartellino ein Bildwitz, der darin läge, dass im entscheidenden Moment die Tinte ausgegangen ist? Oder verbirgt sich hier ein vorsichtiger Hinweis darauf, dass ein Bild Mariens mit dem Jesusknaben zwangsläufig ein Bild ohne Autor bleiben muss, oder anders gewendet: nur einen Autor haben kann, nämlich den Heiligen Lukas, weshalb Ortolano in aller Bescheidenheit also nichts weiter zu hinterlassen vermochte als eine Leerstelle? Womit der Maler sich nicht nur in frommer Zurückhaltung geübt, sondern sich auch von seinen venezianischen Kollegen abgesetzt hätte, die, man denke etwa an Giovanni Bellini oder Cima da Conegliano, häufig Darstellungen der Muttergottes auf ebendiese Weise signierten und somit Anspruch auf ihre Urheberschaft erhoben. Nun ist letztlich diese Geste aber die bescheidenere, denn ein signiertes Bild der Heiligen Jungfrau bezeugt in erster Linie, dass es eine Erfindung des genannten Malers ist, seine Vorstellung der Madonna veräußert, die stolz mit dem Namen des Urhebers versehen wird, nicht aber deren wahres Antlitz zu
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schildern vorgibt. Ortolano könnte durch die Insertion dieser Leerstelle also auch bewusst offengelassen haben, wer der Schöpfer dieses Gemäldes ist, um solcherart damit zu kokettieren, an die Stelle des Malerpatrons getreten zu sein, indirekt nahezulegen, dass dieses Gemälde nicht von gewöhnlicher Hand geschaffen wurde, die es nötig gehabt hätte, zu seiner Vollendung eine Signatur zu hinterlassen. Oder ist mit dem unscheinbaren Zettel eine Herausforderung gemeint, eine Konkurrenz zwischen Text und Bild aufgerufen? Die ‚Sprachlosigkeit‘, die hier vor Augen geführt wird, scheint zumindest anzudeuten, dass Worte in der Darstellung des Nicht-Sichtbaren versagen. Die Malerei hingegen vermag es, den Schleier zu lüften, sichtbar zu machen – womit der Wettstreit nicht auf einen regionalen Vergleich zwischen Ferrara und Venedig, sondern auf das Potential unterschiedlicher Medien zielen würde. Auch in anderer Hinsicht zeugt diese Nicht-Signatur mehr von Selbstbewusstsein denn von Bescheidenheit: Der gefaltete leere Zettel war in den 1510er Jahren längst in seiner Funktion als Träger des Künstlernamens etabliert, zudem spielt auch seine Platzierung darauf an, wurden auktoriale Inschriften in Darstellungen von Heiligen üblicherweise zu deren Füßen angebracht. Vor diesem Hintergrund dürfte der cartellino erst recht die Neugier von Betrachtern und Betrachterinnen geweckt und die Frage aufgeworfen haben, warum er leer blieb, wo doch das Gemälde vollendet ist. Sollte die benutzte Feder etwa als Verweis zu deuten sein, dass der Zettel auf der Innenseite beschrieben ist und die Botschaft also durch die Faltung willentlich vorenthalten wird? Würde ein solch offensichtlicher Entzug den vermeintlichen Ausdruck von Bescheidenheit im Verzicht auf die Namensnennung nicht ebenfalls in sein Gegenteil wenden? Das ostentative Verschweigen des Malernamens weckt doch erst recht Neugierde, und wenn es keinen schriftlichen Verweis darauf gibt, wer hier am Werk war, dann rückt umso mehr die maniera, die künstlerische Handschrift, in den Blick und mit dem malerischen Stil die unverkennbare ‚Signatur‘ des Künstlers. Doch weist das Arrangement des Schreibzeugs denn überhaupt auf Ortolano als dessen Besitzer? Oder weist die Ausrichtung der Feder im Bildraum nicht vielmehr auf die Madonna, die sie mitsamt dem Zettel abgelegt haben könnte, um das Kind auf ihrem Schoß zu stützen, weil sich alle weiteren Worte erübrigen, nun, da sie das fleischgewordene Wort in ihren Händen hält. Es wird sich nicht klären lassen, welche Überlegungen Ortolano veranlasst haben, auf die Niederschrift seines Namens zu verzichten. Das Gemälde führt eine Leerstelle vor Augen, aber es belegt gerade dadurch, vielleicht mehr als signierte Werke, den Stellenwert, der auktorialer Präsenz schon historisch zugesprochen wurde. Denn der Maler bezieht sich mit seiner Erfindung auf schon etablierte Funktionen des Künstlernamens am Werk. Er arbeitet mit der Erwartungshaltung des Publikums, auf einem cartellino eine Signatur vorzufinden. Durch die Negation dieser Erwartung rückt er sich umso mehr ins Zentrum der Aufmerksamkeit, indem er das Erkennungspotential der schriftlichen Signatur gegen das der malerischen, seiner ‚Pinselschrift‘, setzt. Er spielt aber auch mit dem ‚Dazwischen‘ der Platzierung, denn wer hätte hier schreiben sollen? Der Maler? Maria? Oder ist das leere Blatt ein Angebot an die Betrachter und Betrachterinnen, eine tabula rasa, der sich jeder
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und jede mit der bereitliegenden Feder imaginär einschreiben kann, um so die Fürsprache der Madonna und des Jesusknaben zu erlangen? In jedem Fall aber ist der cartellino Teil des Bildraums, kompositorisch auf Maria bezogen, und er ist Teil der außerbildlichen Wirklichkeit, weil er als Stellvertreter des Malers fungiert, der es vorzieht, hier ex negativo seine Spur zu hinterlassen. * Eine Spurensuche besonderer Art leistet der Beitrag von Ute Stehr, die im Zusammenhang mit Alessandro Della Lattas Projekt Signaturen an Werken der Gemäldegalerie dem akribischen Blick der Restauratorin unterzog und dabei insbesondere auf Technik und Zustand der Schriftzüge fokussierte. Deren technologische Analyse ist hilfreich für die Klärung von Zuschreibungs- und Datierungsfragen und also für die museale Praxis unumgänglich. Umso erstaunlicher, dass es bislang zwar restauratorische Analysen zu Signaturen von einzelnen Künstlern, wie etwa Rembrandt und Vermeer, gibt, kaum jedoch systematische Studien. Stehr leistet hier einen wesentlichen Ansatz zur Behebung dieses Desiderats, indem sie nicht nur detailliert auf einzelne Gemälde, wie Lippo Memmis Maria mit dem Kind, Albrecht Dürers Madonna mit dem Zeisig oder eben Ortolanos Madonnen-Bild, eingeht, sondern auch eine Typologisierung von Signatur-Techniken vornimmt. Dabei wird deutlich, dass die Vielfalt der technischen Ausführungen von Signaturen mit jener der spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Maltechniken korrespondiert, die Inschriften also keineswegs schlicht am Ende des Malprozesses mit einem Strich auf das Bild gesetzt, sondern in unterschiedlichen Phasen der Arbeit und in komplexen künstlerischen Verfahren angebracht wurden. Man erfährt in den Analysen jedoch nicht nur Aufschlussreiches über historische Voraussetzungen von Signaturen, seien sie auf materieller oder technologischer Ebene, sondern auch über die zeitgenössischen Möglichkeiten der Restaurierung, die von Stehr in Hinblick auf ihre Adäquatheit für das Untersuchungsfeld diskutiert werden. Eef Overgaauw befasst sich mit einem Objekt, das bislang in der Signaturenforschung kaum beachtet wurde, dem Codex. Dabei beschränkt er sich keineswegs auf die Buchmalerei, sondern nimmt die verschiedenen Protagonisten der mittelalterlichen Buchgestaltung in den Blick: die Miniatoren, die Schreiber, die Autoren und die Buchbinder. Damit sind nicht nur die vielfältigen Produktionsschritte und der Aspekt der kollektiven Arbeit adressiert, die die Manuskriptherstellung prägten. Überdies wird die Frage aufgeworfen, wer überhaupt signierte oder dazu berechtigt war. So zentral die Signatur für das Selbstverständnis frühneuzeitlicher Künstlerinnen und Künstler gewesen sein mag, die nament liche Nennung ist keineswegs an den Künstlerstatus im modernen Verständnis gebunden. Kaum ein Objekt könnte dies besser belegen als das Artefakt Codex wie Overgaauw zeigt: Grundsätzlich scheint es für alle vier genannten, an der Buchproduktion beteiligten Gruppen möglich gewesen zu sein, einen Hinweis auf die eigene Person anzubringen, aber am häufigsten machten davon wohl die Buchbinder Gebrauch, die vor allem im Spätmittel alter in verhältnismäßig großer Zahl die Ledereinbände mit Namensstempeln prägten.
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Mit Blick auf die materielle Kultur des Mittelalters verwundert dies indes weniger, weil es nicht unüblich war, verschiedene Gebrauchsobjekte, wie etwa Glocken, mit Zunftzeichen und Namen ihrer Hersteller zu versehen. Auktoriale Ansprüche von Miniatoren lassen sich zwar schon in den raren Inschriften des 12. Jahrhunderts erkennen, doch bleiben sie die Ausnahme, selbst im Spätmittelalter, als in der Tafelmalerei zunehmend signiert wurde. Anders verhält es sich bei den Schreibern, die sich vor allem im 15. Jahrhundert meist in Form von Kolophonen den Manuskripten eintrugen und dabei wesentlich auskunftsfreudiger waren als die anderen Gruppen. Die Verfasser und Verfasserinnen von Texten scheinen sich hingegen ähnlich selten geäußert zu haben wie die Buchmaler und -malerinnen. Die Aufsätze von Teresa De Robertis und Roberto Zamponi tragen einen wesentlichen Aspekt zu diesem Band bei, der in der kunsthistorischen Signaturenforschung, zumindest soweit sie die frühe Neuzeit betrifft, wenig Berücksichtigung gefunden hat: eine paläographische Perspektive. Die Überlegungen von De Robertis gelten den Bemühungen Florentiner Humanisten des frühen 15. Jahrhunderts, basierend auf Petrarcas Ansätzen und in Abgrenzung von der gebrochenen gotischen Schrift, eine klar und leicht lesbar geformte Schrifttype zu entwickeln. Insbesondere fokussiert die Autorin dabei auf die Gestaltung der Majuskel und ihren Einsatz in den Manuskripten, die durch Poggio Bracciolinis Kopie von Ciceros Epistolae ad Atticum (Berlin, SBB-SPK, Hamilton 166) einen wesentlichen Impuls erhielt. Die Kopisten leisteten dabei doppelte ‚Übersetzungsarbeit‘, zum einen, weil sie die antiken Texte durch ihre Vervielfältigung einem breiteren Rezipientenkreis zugänglich machten, zum anderen, weil sie im Kopieren die Schrift aktualisierten. Der Einsatz der Majuskel bei Poggio und seinen Zeitgenossen sollte jedenfalls richtungsweisend für Schriftbild und Struktur der Codices werden, so etwa in Hinblick auf die Verwendung von Titeln. Die solcherart ausgestatteten Bücher entstanden zunächst für eine Gruppe von Kennern und Liebhabern, die, wie z. B. Künstler, selbst mit den neuen Schriftformen arbeiteten. Den formal strengeren, normierenden Tendenzen der Florentiner Kopisten setzt De Robertis einen Ausblick auf die venezianische Tradition entgegen, wobei sie Guarinos Übersetzung von Plutarchs Vita Dionis (Oxford, Bodleian Library, Bywater 38) eine ähnliche Wirkung wie Poggios Cicero zuschreibt. Im Kontrast zur philologischen Strenge der Florentiner gehe es bei Guarino jedoch weniger um Kanonisierung (und damit um die Erstellung eines Instrumentariums für Kopisten), sondern um eine Form ‚geistiger Freiheit‘, die in der kontinuierlichen Hybridisierung von Großbuchstaben unterschiedlicher Herkunft und Form bestanden habe. Die Ausführungen von Roberto Zamponi schließen direkt an die von De Robertis an, widmet er sich doch einerseits der Präzisierung der im frühen 15. Jahrhundert entwickelten Kapitalis, andererseits ihrem Transfer aus den Manuskripten in Inschriften von Skulpturen, Architekturen, Fresken und anderen Kunstgattungen. Zamponi betont dabei zunächst die Verbindung der Inschriften zu gotischen Schrifttraditionen, die sich erst ab der Jahrhundertmitte gelöst hätte. Die wesentlichen Impulse dafür seien von Padua ausgegan-
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gen, wo in diesem Zeitraum, innerhalb nur weniger Jahre, eine Orientierung hin zur klassischen römischen Epigraphik der Kaiserzeit vollzogen worden wäre, wie der Autor an der Gegenüberstellung des Architravs der Südtür der Eremitani-Kirche (1441) mit dem Architrav des Hauptportals der Basilica del Santo (1452) veranschaulicht. Für diese wesentlich geometrischer gestaltete Schrift nutzt Zamponi die Bezeichnung „maiuscola antiquaria“. Ihre Verbreitung verdankte sie nicht zuletzt Andrea Mantegna, der sie u. a. in seinen Fresken der Ovetari-Kapelle verwendete. In Padua hatte sich um Fantino Dandolo, den Bischof der Stadt, ein reger humanistischer Zirkel ausgebildet, der Zugriff auf die Bibliothek von Pietro Donato hatte. Diese enthielt auch Manuskripte von Ciriaco d’Ancona, dem ein entscheidender Anteil an der Erneuerung der Kapitalis im klassischen Sinn zukam. Die Suche nach der ‚römischen Antike‘, die in Padua so intensiv betrieben wurde, motivierte, wie von Zamponi an verschiedenen Beispielen dargelegt, eine eingängige Modifikation der Schriftkultur; ihre Analyse gewährt Einblicke in ein spezifisch in diesem Milieu geprägtes Verständnis von ‚Antike‘. Magdalena Bushart untersucht in ihrem Aufsatz Signaturen in der Druckgraphik, v. a. im Holzschnitt. Eine Schlüsselrolle in der Signierpraxis der Druckgraphik nahm Albrecht Dürer ein, der sich in der Tradition von Martin Schongauer, dem Meister E. S. und Israel von Meckenem regelmäßig des Monogramms bediente. Er konnte damit auf schon etablierte Strukturen zurückgreifen, insofern solcherart ausgewiesene Blätter als Handelsware an Wert gewannen und überregional vertrieben werden konnten, was auch erklärt, warum Graphiken im 16. Jahrhundert sehr viel durchgängiger signiert waren als Gemälde, für die häufig noch Aufträge vergeben wurden. Mit Dürer setzt allerdings, so Bushart, ein Paradigmenwechsel hinsichtlich der auktorialen Präsenz ein. War die Signatur in den Kupferstichen der älteren Generation primär ein unternehmerisches Zeichen, in dem die verschiedenen Ausführungsschritte zusammengefasst waren, markierte Dürers Transfer dieser Praxis auf den Holzschnitt deren Differenzierung: Anders als beim Kupferstich, bei dem zeichnerischer Entwurf und die Übertragung auf die Platte in einer Hand liegen konnten, war eine solche Personalunion beim Holzschnitt eher unwahrscheinlich, vielmehr waren hier mit Sicherheit mehrere Hände am Werk: Zeichner, Reißer, Formschneider und Drucker. Dürer rückte durch die Signierung seiner Holzschnitte mit dem Monogramm „AD“ den Anteil des Zeichners in den Vordergrund und wertete damit den künstlerischen Entwurf entschieden auf. Zudem zog er das Monogramm von der Peripherie in die Darstellung und setzte, wie Bushart an einigen Beispielen exemplifiziert, dezidiert auf die Interaktion seines Namenszeichens mit anderen Details des Bildes. Dürers Betonung der künstlerischen Erfindungsgabe als zentrales Element des Holzschnitts sollte Schule machen: Die Monogrammierung diente seinen Zeitgenossen und auch der nachfolgenden Generation einerseits dazu, dem Vorbild Wertschätzung zu erweisen, andererseits aber als Mittel, sich als Konkurrenz zu positionieren und das eigene Werk mit dem des Vorgängers zu vergleichen. Ausgehend von El Grecos Signatur der Himmelfahrt Marias vom Hochaltar des Klosters Santo Domingo de Silos in Toledo zeigt Rudolf Preimesberger vielschichtige Verflech-
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tungen von künstlerischem Selbstverständnis, humanistischer Gelehrsamkeit und Theologie auf. An Beispielen aus dem Frühwerk des Malers macht der Autor evident, dass die Setzung des Namens schon vor El Grecos Weggang nach Venedig diesem als Reflexion über die Möglichkeiten des Darstellens im Spannungsfeld von künstlerischen und theologischen Ansprüchen diente. In Analogie zu Michelangelos ikonischer Signatur im Jüngsten Gericht der Sixtina unterstellt sich der griechische Maler mit der Platzierung seiner Signatur am Buch Petri dem Schutz des Apostels, der als jener ins Bild gesetzt ist, der das Wunder von Marias Himmelfahrt schaut während Paulus darauf verweist. El Greco platzierte seinen Namen so, dass er nicht nur dieser Offenbarung beiwohnt, sondern seinen Namen auch dem Priester darbietet, der am Altar den cartellino kaum übersehen kann und so das Gedenken an den Maler in die Messe einbezieht. El Greco inszeniert sich durch den Wortlaut seiner Signatur als derjenige, „der gezeigt“ (und nicht gemacht) hat, und beansprucht damit an liturgisch brisanter Stelle, den Blick auf Marias Aufnahme in den Himmel eröffnet zu haben. Er insistiert also an prominentem Ort und unter dem Schutz Petri auf die Wirkmächtigkeit seiner Malerei, Nicht-Sichtbares vor Augen stellen zu können. Mit seiner Formulierung rekurriert El Greco auf antike Texte von Lukian und Strabon, die anhand der Dichtung Homers und der Skulpturen des Phidias die Herkunft der Götterbilder diskutieren. Durch die Verschiebung der Formulierung in den Kontext der Signatur beansprucht der Maler aber nicht nur das spezifische Vermögen der Sichtbarmachung, vielmehr stellt er sich in eine Reihe mit den genannten antiken Künstlern, kommuniziert dem gelehrten Leser, dass er, wie einst Homer und Phidias, Bilder der Götter gezeigt hat. Zwei Beiträge beschäftigen sich mit Rembrandt, der – zumindest was Gemälde und Druckgraphik betrifft – zu jenen Künstlern zählt, der häufig von seiner Namenssetzung Gebrauch gemacht hat. Anders als bei den Druckgraphiken lassen sich unter den Zeichnungen nur wenige signierte Blätter finden, wie der Beitrag von Holm Bevers darlegt. Auch wenn im Zentrum Rembrandts Handzeichnungen stehen, geht der Autor doch auch allgemeiner auf Signierpraktiken in dieser Gattung ein, nicht zuletzt, weil die Niederschrift des Künstlernamens dazu beitragen kann, den Status des Blatts näher zu bestimmen, was Bevers anhand unterschiedlicher Funktionszusammenhänge ausführt. Doch ist dabei durchaus Vorsicht geboten, da etliche vermeintliche ‚Signaturen‘ tatsächlich nachträgliche Aufschriften von Händlern oder Sammlern sind. Die Zeichnung dürfte grundsätzlich auch in Hinblick auf die Signatur als Experimentierfeld gegolten haben, zumal für die Kenner die aussagekräftigere Handschrift ohnehin im Strich, im graphischen Stil gelegen haben dürfte, was die Nähe von Zeichnen und Schreiben bekräftigt. Die Studie macht deutlich, wie uneinheitlich Signierpraktiken in diesem Medium waren, selbst innerhalb eines Oeuvres, was so weit gehen konnte, dass sogar die eigenhändige Schreibweise des Namens divergierte, was bei frühneuzeitlichen Signaturen auch auf Gemälden nicht ungewöhnlich ist. Rembrandt nutzte seinen Namenszug jedenfalls auch, um Konkurrenzen auszuhandeln, wie Bevers anhand der Paraphrasen zu Leonardos Abendmahl ausführt. Katja Kleinert und Claudia Laurenze-Landsberg analysieren Signaturen des holländischen Meisters auf Gemälden der Berliner Galerie und bauen dabei auf den Ergebnissen
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auf, die im Rahmen des von 2011 bis 2016 durchgeführten interdisziplinären Forschungsprojekts „Rembrandt Autoradiography/The Rembrandt Database: Neue Forschungen zu den Rembrandt-Beständen der Gemäldegalerie Berlin“ gewonnen wurden. Auch dieser Beitrag macht deutlich, wie ergiebig die Erforschung von Signaturen für die museale Praxis ist, umso mehr, wenn sie auf dem Austausch von Kuratorinnen und Restauratorinnen gründet. Der Beitrag schließt an ein frühes Projekt der Gemäldegalerie an: das Vorhaben einer Faksimilierung der Signaturen für das Beschreibende Verzeichnis der Gemälde von 1883, deren Resultate bis zum Bestandskatalog von 1931 wiederholt abgedruckt wurden und für diesen Aufsatz wie auch für die Untersuchungen von Ute Stehr noch hilfreich waren. Die differenzierten Analysen, die formale und technologische Aspekte verbinden, zeigen, wie sorgfältig Rembrandt an den vermeintlich ‚hingeworfenen‘ Namenszügen arbeitete, wie er nicht nur deren Platzierung durchdachte, sondern auch deren Gestaltung mit jener Präzision umsetzte, mit der er auch malte. Eine Auswahl der insgesamt 15 an den Berliner Gemälden vorhandenen Signaturen wird in drei Kategorien ausführlich diskutiert, nämlich original erhaltene, lesbare Signaturen, überlieferte Signaturen, die heute nicht oder kaum noch erkennbar sind, und gefälschte oder manipulierte Signaturen, darunter so spektakuläre Fälle wie die Susanna im Bade, die von Joshua Reynolds überarbeitet wurde, oder Jakob ringt mit dem Engel, dessen (nicht eigenhändige) Signatur im Laufe der Jahrhunderte sozusagen durch das Bild ‚wanderte‘. Mit der Frage nach Signierpraktiken von Künstlerinnen widmet sich Samuel Vitali einem bislang, jenseits von Studien zu einzelnen Malerinnen, nicht systematisch erforschten Feld. Dabei signierten Künstlerinnen in der frühen Neuzeit teilweise sogar häufiger und durchgängiger als ihre männlichen Kollegen, zumindest lässt sich das für die italienischen Malerinnen des Cinque- und Seicento feststellen, mit denen sich der Beitrag schwerpunktmäßig befasst. Die Verbreitung der Signaturen koinzidiert mit einer großen Zahl von weiblichen Selbstbildnissen, was umso mehr auffällt, als es Literatinnen zeitgleich wesentlich schwerer gehabt haben dürften, eine ähnliche auktoriale Präsenz zu behaupten. Neben zahlreichen aufschlussreichen Beobachtungen wie etwa, dass Künstlerinnen ihre Vornamen – anders als Künstler – in der Regel vollständig nannten, dass sie „Ego- Signaturen“ verwendeten oder durch den Zusatz virgo auf ein bestimmtes Weiblichkeitsbild rekurrierten, entwickelt Vitali eine These, die von bisherigen Deutungen der Künstlerinnensignaturen abweicht: Er liest diese weniger als Ausdruck des Selbstbewusstseins und Mittel der Selbstdarstellung in einem männlich dominierten Feld. Vielmehr legt er dar, dass die Einschreibungen der meist noch sehr jungen Künstlerinnen häufig durch ihre Väter und/oder Lehrer motiviert war, die sich durch die Authentifizierung des Werks als eines von weiblicher Hand aufgrund der ‚Besonderheit‘ einer solchen Leistung Wertsteigerung erhofften. Dafür spricht die Ausführlichkeit zahlreicher dieser Inschriften, die meist auch auf das Geschlecht, das Alter, den Stand – etwa als unverheiratete Frau – und gelegentlich auch auf den Vater Bezug nahmen, dafür spricht aber auch, dass etliche Künstlerinnen, wie z. B. Sofonisba Anguissola in späteren Jahren und jenseits der väterlichen Ob-
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hut kaum mehr signierten, in jedem Fall aber nicht mehr so regelmäßig wie noch in ihrer Jugend. Insofern scheint die Selbstbestimmung, zumindest bei einigen der Künstlerinnen, eher in einem Verzicht auf diese Art des Ausweises gelegen zu haben.
Ute Stehr
SCHRIFT AUF BILDERN – ÜBER DIE TECHNISCHE AUSFÜHRUNG VON SIGNATUREN ANHAND VON BEISPIELEN AUS DER BERLINER GEMÄLDEGALERIE
Im Sammlungsbestand der Gemäldegalerie der Staatlichen Museen zu Berlin, die Werke der europäischen Malerei vom 13. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts besitzt, sind von ca. 3000 Gemälden mehr als 700 signiert. Die Berliner Gemäldegalerie bietet daher nicht nur quantitativ, sondern auch durch ihren enzyklopädischen Charakter gute Voraussetzungen, um innerhalb des interdisziplinären Forschungsprojekts von Alessandro Della Latta „Die Namen der Künstler“1 auch die Materie der Signaturen zu untersuchen.2 Schon ein Rundgang durch die permanente Ausstellung der Gemäldegalerie mit dem speziellen Blickwinkel „Schrift auf Bildern“ zeigt die vielfältigen Möglichkeiten, den materiellen Aspekt der Künstlerinschriften zu hinterfragen. Die genauen Untersuchungen der Gemäldeoberflächen bieten den Reiz des Spurenerkundens über die konkrete Art und Weise, mit der ein Künstler sein Werk gekennzeichnet hat. Im Folgenden sollen anhand ausgewählter Beispiele Ergebnisse dieser Untersuchungen und die daraus resultierenden Erkenntnismöglichkeiten vorgestellt werden.3 Zwei Hauptaspekte stehen dabei im Mittelpunkt: Technik und Zustand einer Signatur. In der Kunstgeschichte dienen Signaturen allgemein als Nachweis für die Zuschreibung einzelner Werke an einen bestimmten Künstler. Was kann man in diesem Zusammenhang von der Technik einer Signatur erwarten? Die konkrete Betrachtung der Technik eignet sich für Vergleiche von Signaturen desselben Künstlers und kann im Falle von fraglichen Signaturen aufschlussreich sein: Entsprechen die Technik und die künstlerische 1
Das Projekt „Die Namen der Künstler. Künstlersignaturen in Europa, vom Mittelalter bis zum 18. Jahrhundert. Ein Forschungsprojekt in der Gemäldegalerie und im Bode-Museum der Staatlichen Museen zu Berlin“ wurde 2016 bis 2017 von der Gerda Henkel Stiftung gefördert und war an den Staatlichen Museen zu Berlin angesiedelt. 2 Das Referat vom 26. 01. 2017 auf der zum Projekt gehörenden Tagung „Die Namen der Künstler. Auktoriale Präsenz zwischen Schrift und Bild“ wird an dieser Stelle in gekürzter Form und mit reduzierter Abbildungsanzahl abgedruckt. 3 Für die Unterstützung des Vorhabens dankt die Autorin dem technischen Fotografen Christoph Schmidt und den Depotverwaltern Christine Exler und Peter Scheel, Gemäldegalerie, Staatliche Museen zu Berlin.
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Umsetzung der bekannten Arbeitsweise des Künstlers? Sind die Materialien und ihre Verarbeitung zeittypisch? Die Kenntnis der technischen Ausführung einer Signatur kann darüber hinaus Auskunft zum Künstlerselbstverständnis, zum Bildkonzept und zur inhaltlichen Deutung geben. So plante Albrecht Dürer beispielsweise einen cartellino auf einem in Venedig entstandenen Tafelbild von Beginn an als Teil der Komposition ein. Eine Signatur Lippo Memmis von 1333 existierte bereits vor der Ausführung der eigentlichen Malerei. Das Nichtvorhandensein der Signatur an einer dafür prädestinierten Stelle, wie im Falle einer Mariendarstellung von Giovanni Battista Benvenuti, gen. Ortolano, wirft inhaltliche Deutungsmöglichkeiten auf. Wofür ist die Hinterfragung des Zustandes einer Signatur wichtig? Die Untersuchung des Erhaltungszustandes kann die bisherige Lesart einer Signatur bestätigen, anzweifeln oder verwerfen. Bei mikroskopischen oder strahlendiagnostischen Untersuchungen können häufig historische Eingriffe, wie spätere Überarbeitungen oder Veränderungen, an einer Signatur differenziert werden. Durch die Kenntnis des Erhaltungszustandes kann die Eignung einer Signatur für vergleichende Forschungen bewertet werden.
1. Forschungsstand Der materielle Aspekt der Künstlersignaturen fand in der Forschung über Gemälde Alter Meister bisher wenig Berücksichtigung. Auf eine Publikation mit vergleichbaren Untersuchungen konnte die Autorin nicht zurückgreifen. In der älteren paläographischen Literatur, so bei Wilhelm Wattenbach, findet sich ein historischer Überblick zu Materialien, die von Schreibern verwendet wurden (Schriftträger, Schreibstoffe und Schreibgeräte).4 Die umfassende Darstellung Wattenbachs geht auf das Schreiben von Buchtexten, Schriftstücken und auf den Zusammenhang von Schrift und Miniaturmalerei im Mittelalter ein.5 Auf die Ausführung speziell von Signaturen finden sich keine Hinweise. Die deutschsprachige kunsttechnologische Quellenliteratur ist reich an Angaben zu Schreibstoffen, wie z. B. Tinten und deren Herstellung, zeigt sich jedoch im Hinblick auf die konkrete Ausführung von Schrift auf Gemälden nicht ergiebig. Handbücher zur Gemäldekunde geben über technische Aspekte von Signaturen Auskunft, allerdings nicht umfänglich. Auf die Frage der Echtheit geht besonders Theodor von Frimmel ein, der u. a. Hinweise zu falschen Signaturen gibt: „Versäumen wir es nicht, von eingekratzten Signaturen zu reden, die eine Zeit lang recht schwungvoll hergestellt worden sind […]. In diesen Fällen ist ein falsches Monogramm aus der alten Farbe ausgegraben und dann mit dunkler Ölfarbe ausgefüllt worden, damit ein auffallendes Relief der
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Wilhelm Wattenbach, Das Schriftwesen im Mittelalter, Leipzig: Hirzel, 1871. Wattenbach erwähnt im Zusammenhang mit der dem Schreiben nachfolgenden Ausführung der Buchmalereien u. a. die maltechnischen Quellenschriften von Theophilus Presbyter (um 1125) und von Jean Le Bègue (1431). Vgl. Wattenbach 1871 (wie Anm. 4), S. 210 – 211.
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gefälschten Unterschrift vermieden werde.“6 Frimmel kannte auch eingekratzte, mit Wasserfarbe oder mit Tempera aufgemalte Signaturen, sowie übermalte und ausgekratzte Signaturen oder Fälschungen, die die alte Signatur teilweise mit einbeziehen.7 In Knut Nicolaus’ Handbuch der Gemäldekunde finden sich kurze Definitionen von Signaturtypen und ein Überblick über die naturwissenschaftlichen Untersuchungsverfahren zur Erkennbarkeit von Signaturen und Gemäldebeschriftungen, die an Hand von Beispielen charakterisiert werden.8 Signaturen von herausragenden Künstlern wie beispielsweise Rembrandt oder Vermeer, wurden in jüngerer Zeit ausführlich dokumentiert.9 Gehören die Künstler der zu untersuchenden signierten Werke nicht zu den vom Forschungsbetrieb begünstigten Meistern, bleibt oft nur eine mühsame Suche in der monografischen Literatur und in Bestandskatalogen nach verstreuten Informationen und Vergleichsabbildungen von Signaturen. Auch in systematischen Datenbanken über Gemälde Alter Meister sind Angaben zu den Signaturen noch selten zu finden. Die Weiterentwicklung technischer Untersuchungsmethoden kann die Erkenntnismöglichkeiten der Signaturenforschung erweitern, wie das Beispiel der Entdeckung einer Signatur auf einem Gemälde von Goya zeigt.10
2. Dokumentation der Signaturen in der Berliner Gemäldegalerie Seit der Gründung der Gemäldegalerie wurden die Signaturen systematisch erfasst und in den Bestandskatalogen publiziert. Das erste Verzeichnis von 1830 gibt die Signaturen im Wortlaut an, nennt jedoch nicht die Signaturstelle im Bild.11 Ab 1883 enthalten die Kataloge bildliche Wiedergaben der Signaturen,12 die bis in den Bestandskatalog von 1931 übernommen wurden. Diese frühen grafischen Umsetzungen von Malerei sind mit Präzision ausgeführt, berücksichtigen den unterschiedlichen Schriftcharakter und den Zustand. Die Faksimiles sind annähernd in Originalgröße abgedruckt, bei Verkleinerungen sind die Maßstäbe angemerkt. Beschädigte Formen der Schriftzeichen ergänzte man nicht generell. Als erste bildliche Dokumentation sind die Faksimiles heute im Hinblick auf die damalige Lesbarkeit und den Erhaltungszustand der Signaturen interessant. Die Druckvorlagen entstanden nach Zeichnungen von Wolfgang Boehm (1823 – 1890), der ab 1879 mit Res 6 Theodor von Frimmel, Handbuch der Gemäldekunde, Leipzig: Weber, 1894, S. 195. 7 Frimmel 1894 (wie Anm. 6), S. 195 – 200. 8 Knut Nicolaus, Du Monts Handbuch der Gemäldekunde. Gemälde erkennen und bestimmen, Köln: DuMont, 2003, S. 265 – 268. 9 Zu Signaturen Rembrandts s. den Beitrag von Katja Kleinert und Claudia Laurenze-Landsberg in diesem Band. 10 C. Seco-Martorell, V. López-Domínguez, G. Arauz-Garofalo, A. Redo-Sanchez, J. Palacios und J. Tejada, Goya’s Artwork Imaging with Terahertz Waves, in: Optics Express 21 (2013), S.17800 – 17805. 11 Gustav Friedrich Waagen, Verzeichnis der Gemäldesammlung des Königlichen Museums, Berlin: Druckerei der Königlichen Akademie der Wissenschaften, 1830. 12 Königliche Museen zu Berlin, Beschreibendes Verzeichnis der Gemälde. Zweite Auflage (1. Auflage 1883). Unter Mitwirkung von Ludwig Scheibler und Wilhelm Bode. Bearbeitet von Julius Meyer, Berlin: Weidmann, 1883.
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taurierungsarbeiten für die Königliche Gemäldegalerie beauftragt war. Durch Fähigkeiten, die Boehm sich als Grafiker in London erworben hatte, war er wohl für diese Arbeiten prädestiniert.13 Vermutlich pauste Boehm die Signaturen ab oder zeichnete sie direkt auf Gelatineblätter durch, die für die Umsetzung in damaligen Buchdruckverfahren geeignet waren.14 Optisches Hilfsmittel kann dabei nur eine Lupe gewesen sein.15 Das Gesamtverzeichnis der Gemäldegalerie von 1996 verzeichnet wiederum den Wortlaut der Signaturen und die Signaturstelle.16 In neueren Bestandskatalogen über Teilbereiche der Sammlung, wie beispielsweise über die Deutsche Malerei des 18. Jahrhunderts (2002) oder über die Miniaturen aus dem 18. Jahrhundert (2012), sind die Signaturen durch Vergrößerungen von Schwarz-Weiß- oder Farbaufnahmen dokumentiert. Die Signaturen oder Inschriften auf den Gemälden sind in den Katalogen in der Regel ohne Kommentar oder Übersetzung wiedergegeben. Gute Möglichkeiten für das Studium von Signaturen bietet die moderne digitale Fotografie. Für die aktuellen Untersuchungen verwendbare Aufnahmen in hochauflösender Qualität existieren im Fotoarchiv der Gemäldegalerie nur unvollständig. Eine Erfassung der Signaturen mit den Möglichkeiten der digitalen Fotografie und der Strahlendiagnostik erfolgte bisher nicht systematisch.
3. Methodik der Untersuchung der Signaturen In Anbetracht des Umfangs und der Vielfalt besteht die Frage, nach welcher Systematik man sich sinnvollerweise mit den Signaturen unter dem Blickwinkel der jeweiligen Technik auseinandersetzen sollte und welche kunsttechnischen Klassifizierungsmöglichkeiten es gibt. Chronologisch oder allein nach Künstlern oder Kunstlandschaften geordnet vorzugehen, erschien wenig sinnvoll und nicht geeignet für vergleichende Betrachtungen. Die technische Ausführung der Signaturen spiegelt die Vielfalt der Kunsttechnologie der europäischen Malerei vom 13. Jahrhundert bis zum Ende des 18. Jahrhunderts wider. Dementsprechend gebrauchten die Künstler für ihre Signaturen die unterschiedlichsten Materialien, die sie auf Bildträgern wie Holz, Leinwand, Metall oder Elfenbein anwendeten: Pigmente, Farbstoffe, Füllstoffe, Bindemittel, Metalle und Metalloxide. In kunsttechnischer Hinsicht unterscheiden sich die Signaturen in der Art und Weise, wie die Künstler die Materialien auftrugen: Vergoldungstechniken, Schichtenmalerei, Primamalerei.
13 Matthew Hayes, What Burckhardt Saw: Restoration and the Invention of the Renaissance, c. 1840 – 1904, unveröff. Dissertation, Institute of Fine Arts, New York University, 2017. 14 Diese Technik zur Faksimilierung von Inschriften auf Gemälden erwähnt Frimmel 1894 (wie Anm. 6), S. 154. 15 Mikroskope und UV-Lampen gehörten nach heutigem Kenntnisstand erst ab 1930 zur Ausstattung der Restauratoren der Gemäldegalerie. 16 Gemäldegalerie Berlin: Gesamtverzeichnis, Staatliche Museen zu Berlin-Preußischer Kulturbesitz, Bearbeitet von Henning Bock u. a., Berlin: SMB-SPK, 1996.
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Von den Materialien ausgehend ließe sich eine Einteilung finden in Signaturen, die mit Farbmitteln (Pigmenten und Farblacken) und in Signaturen, die mit Metallen ausgeführt sind. Ginge man von der Prämisse der Auftragstechnik aus, läge eine Kategorisierung nahe in Signaturen in Vergoldungstechniken sowie in Signaturen, die mit dem Pinsel gemalt oder mit anderen Werkzeugen aufgebracht wurden. Doch genügt dies nicht der Vielfalt der Signaturen: Die individuellen Schriftzüge, die Monogramme und Bildmonogramme, die gemalten, gravierten oder reliefierten Schriftzeichen lassen sich in solchen weitgefassten Kategorien nicht sinnbringend beschreiben und vergleichen. Deshalb habe ich mich für eine Typisierung nach unterschiedlichen Kriterien entschieden, die sowohl von der Technik als auch vom Visuellen der Signaturen ausgeht. Weitere Kategorien können sich ergeben.
4. Arbeitskategorien • Signaturen in Vergoldungstechniken Die Schriftzeichen werden entweder mit Hilfe unterschiedlicher Vergoldungstechniken in die Bildfläche vertiefend hinein- oder reliefartig herausgearbeitet oder mit pulverisierten Edelmetallen und Pinsel geschrieben: Poliment-Mordent- oder Ölvergoldung, Ritz- und Punzierungstechniken, Pastiglia- und Sgrafittotechnik, Krysographien • Schriftstückimitationen/Cartellini Diese Kategorie geht von einem sich wiederholenden Motiv aus: Der Name des Künstlers steht auf einem gemalten Stück Papier, das in unterschiedlicher Art und Weise im Bild platziert sein kann. Allen cartellini gemein ist die mehr oder weniger illusionistische Wiedergabe des Schriftträgers Papier und darauf befindlicher Schriftzeichen.17 Die Ausführung mit Farben und Pinsel erfordert mehrere Arbeitsschritte. Als ein Beispiel für diese Art von Trompe-l’œil-Malereien sei der berühmte zwischen Bild und Rahmen steckende Brief von Lorenzo Lotto genannt.18 Andere cartellini auf den Bildern der Gemäldegalerie belegen die Übernahme dieses ursprünglich italienischen Signaturentypus durch nordalpine Künstler, wie Dürer und Cranach d. Ä. • Bildimmanente, gemalte Signaturen Signaturen dieser Kategorie sind integraler Bestandteil des Bildinhalts und stehen im Kontext der Bildidee. Die Schriftzeichen sind meist aufwändig mit Pinsel und Farben entsprechend der Technik des Bildes illusionistisch gestaltet. Als ein prominentes Beispiel im Sammlungsbestand ist die auf den Stiel einer Axt gemalte Signatur von Fra Filippo Lippi zu nennen.19 17 Zur Verbreitung von Papier als Schriftträger in Europa trug die frühe Papierherstellung in Italien bei. Gegen Ende des 13. Jahrhunderts existierten dort voll mechanisierte Produktionszentren. Venedig war bereits Ende des 15. Jahrhunderts ein Zentrum des Buchdrucks. Vgl. Peter F. Tschudin, Grundzüge der Papiergeschichte, Stuttgart: Hiersemann, 2002, S. 100 – 101. Man kann demnach davon ausgehen, dass die gemalten cartellini tatsächlich das Material Papier veranschaulichen. 18 Lorenzo Lotto, Christi Abschied von seiner Mutter, 1521, SMB-GG, Kat. Nr. 325. 19 Fra Filippo Lippi, Die Anbetung im Walde, um 1459, SMB-GG, Kat. Nr. 69.
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• Signaturen mit individuellem Unterschriftcharakter Dieser zunehmend seit dem 17. Jahrhundert verwendete Typus nähert sich der modernen individuellen Signaturform an. Der Künstler trug seinen Namenszug nach Vollendung mehr oder weniger virtuos, überdeutlich oder versteckt auf. Dazu gehören beispielsweise die variierenden Signaturen auf den Gemälden von Rembrandt, die Schriftzüge von Johan Spilberg d. J., Jan van Everdingen und Antonis van Dyck oder die Kalligraphien ähnelnden Namensangaben von Jacob van Loo und Willem van Aelst.20 • Fragliche Signaturen – Problemfälle In diese Kategorie werden fragmentarische, nicht lesbare oder visuell schwer erkennbare Signaturen auf Gemälden unterschiedlicher Schulen und Kunstepochen eingeordnet. Die Klärung fraglicher Signaturen erfordert die technische Untersuchung des gesamten Bildes und im Einzelfall interdisziplinäre Zusammenarbeit.
5. Technische Untersuchungsmöglichkeiten Folgende Untersuchungsmethoden können für die kunsttechnische Erforschung der Signaturen in der Berliner Gemäldegalerie genutzt werden: • Makroskopische Betrachtung, Streiflicht • Mikroskopie: Stereomikroskop WILD M3Z mit 6,5- bis 40-facher Vergrößerung bzw. Zeiss OPMI 1-FC mit 5- bis 31,25-facher Vergrößerung bei 12,5-fachen Okularen • Untersuchung mit ultravioletter Strahlung • IR-Reflektografie und Aufnahme mit einer Röhrenkamera XEVA-FPA-1.7-640, mit einer Empfindlichkeit von 900 bis 1700 nm, 640 × 512-fache Auflösung21 • Röntgenaufnahme auf 1 m breitem Filmmaterial22 • Pigmentidentifizierungen mit Hilfe der Mikro-Röntgenfluoreszenzanalysen23 Die Betrachtung der Signaturen mit dem Mikroskop bis zu einer 40-fachen Vergrößerung hat sich bisher als die aufschlussreichste Untersuchungsmethode erwiesen. In seltenen Fällen zeichnen Signaturen sich unter ultravioletter Strahlung präziser ab als im Normallicht. Neuere Veränderungen oder Retuschen im Signaturbereich können bei unterschiedlicher Reflexion der Materialien erkannt werden. Signaturen mit Unterschriftscharakter sind auf Röntgenaufnahmen in der Regel nicht erkennbar. Für die Darstellung des Papiers der cartellini wurde in der Regel bleiweißhaltige Farbe verwendet, sodass sich entsprechende Pinselstrukturen und Formveränderungen auf einer Röntgenaufnahme erkennen lassen. Auch die bildimmanenten, gemalten Signaturen 20 Beispiele in der Gemäldegalerie, SMB u. a.: Johan Spilberg d.J., Jael, Kat. Nr. 1928; Jan van Everdingen, Norwegische Gebirgslandschaft, Kat. Nr. 887 A; Anton van Dyck, Bildnis Thomas Francois de Carignan, Kat. Nr. 782; Jacob van Loo, Diana mit ihren Nymphen, Kat. Nr. 765 A; Willem van Aelst, Stillleben mit Prunkgefäßen und Früchten, Kat. Nr. 975. 21 Ausführung Christoph Schmidt, technischer Fotograf der Gemäldegalerie, SMB. 22 S. Anm. 21. 23 Ausführung durch das Rathgen-Forschungslabor, SMB.
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enthalten häufig bleiweißhaltige Farben, die Röntgenstrahlen absorbieren. Röntgenaufnahmen geben über den Gesamtzustand eines Bildes Auskunft, der besonders bei der Untersuchung von fraglichen Signaturen zu berücksichtigen ist. Die Infrarotreflektografie kann tiefer liegende, nicht sichtbare Schichten verbildlichen, wie beispielsweise Unterzeichnungen von cartellini oder bildimmanenten Signaturen sowie Pentimenti. Naturwissenschaftliche Materialanalysen ermöglicht das Rathgen-Forschungslabor der Staatlichen Museen. Materialanalysen von Signaturen sind aus mehreren Gründen problematisch: Probenentnahmen, die beispielsweise für vergleichende Bindemittelanalysen nötig wären, sind nicht möglich, ohne die Signatur zu beschädigen. Die Einordnung einer fraglichen Signatur durch naturwissenschaftliche Analytik setzt in der Regel weitgehende Kenntnisse über die von einem bestimmten Künstler häufig verwendeten Malmaterialien voraus. Pigmente können durch die als zerstörungsfrei geltende Methode der Mikro-Röntgenfluoreszenzanalysen bestimmt werden. Jedoch sind gerade dunkle kohlenstoffhaltige Pigmente, die bei Schriftzügen häufiger vorkommen, mit dieser Methode nicht erfassbar.24 Datierungen einer Signatur mit Hilfe von Pigmentanalysen sind im Bereich der Gemälde Alter Meister nicht so erfolgversprechend wie in den Kunstepochen ab ca. 1800, die durch den Aufschwung der Farbenchemie und einer damit verbundenen breiteren Palette an neuen Farbmitteln reichere Möglichkeiten bieten. Im Falle einer gefälschten Signatur können sich hier durchaus erhellende Ansätze ergeben.
6. Technik und Zustand − Fallbeispiele von Signaturen Im Folgenden werden ausgewählte Ergebnisse der Untersuchungen an Bildern der Berliner Gemäldegalerie im Zusammenhang mit dem Projekt von Alessandro Della Latta vorgestellt. Die Fallbeispiele folgen den oben beschriebenen Arbeitskategorien. Die katalogartig angeordnete Auswahl enthält eine Beschreibung der jeweiligen Signatur, der Technik sowie Angaben zur Untersuchung und zum Zustand. 6.1. Signaturen in Vergoldungstechnik Lippo Memmi (ca. 1291 – 1356), Maria mit dem Kind, 1333 Temperamalerei und Vergoldung auf Pappelholz, 66,5 × 27,5 cm, Berlin, Staatliche Museen, Gemäldegalerie, Kat. Nr. 1081 A (Tafel 1) Signatur: „+ LIPPVS + MEMMI + DE· SENIS +“ Beschreibung: Zum Sammlungsbestand der Frühitalienischen Malerei gehört ein kleines Madonnenbild von Lippo Memmi (Tafel 1). Die Signatur befindet sich unterhalb der Madonna auf einer 24 Enthalten dunkle Farben ein schwarzes Pigment, das aus Knochen hergestellt wurde, ist eine Identifizierung durch den Anteil des Elements Phosphor möglich.
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Art Brüstung, die nicht mit Farben gemalt, sondern in einer Vergoldungstechnik gestaltet ist (Tafel 2). Ursprünglich war die Tafel Teil eines Diptychons. Der rechte Flügel, heute in einer Privatsammlung in New York, weist die Datierung 1333 auf.25 Das Gemälde darf als das früheste signierte Werk unter den Bildern der Gemäldegalerie bezeichnet werden. Technik: Die technische Ausführung der Signatur geht konform mit der Arbeitsweise, die für die frühe italienische Malerei typisch ist: Vor Beginn der eigentlichen Malerei mit Pinsel und Farbe wurden Bildhintergrund und integrierter Rahmen vergoldet. Dies erforderte ein systematisches und handwerklich professionelles Arbeiten: Nach der Präparierung der Holztafel mit Gewebe und einer Grundierung konnte auf den entsprechenden Flächen eine sogenannte Polimentvergoldung ausgeführt werden. Die glatten glänzenden Goldflächen erhielten anschließend eine, von handwerklichen Traditionen der Goldblechbearbeitung beeinflusste, ornamentale Gestaltung mit Hilfe unterschiedlicher Werkzeuge. Die dabei entstandenen Vertiefungen in der Goldfläche vervielfältigen die Lichtreflexionen und erhöhen die Illusion einer Fläche aus massivem Gold.26 Die hier kurz umrissenen Abläufe der Bildentstehung sind im Zusammenhang mit der Signatur des Künstlers bemerkenswert. Sie verdeutlichen, dass die Inschrift schon existierte, als die Madonna noch gar nicht gemalt war. Die Signatur aus stilisierten Versalien war von Beginn an als Teil der ornamentalen Gestaltung des Bildes bzw. der Einheit von Bild und Rahmen geplant.27 Die Ausführung weicht somit deutlich von der später üblichen Praxis ab, bei der ein Künstler nach Vollendung seines Werkes eine individuelle Kennzeichnung setzte. Welche Werkzeug- und Arbeitsspuren sind heute noch an der Signatur erkennbar?
25 W. B. Golovin Collection, New York. Ergänzender frdl. Hinweis von Alessandro Della Latta: „Die Signatur der Verkündigung befindet sich auf einer erhaltenen Leiste des verlorenen Originalrahmens, der in den heutigen Rahmen eingesetzt wurde. Die Reihenfolge der Wörter erscheint inkongruent, vielleicht wegen der falschen Montage der Teile der Leiste: + SIMON + MARTINI + ET + LIPPVS + MEMMI + DE + ANNO + DOMINI + M + C · C · C · X · X · X · I · I · I · + SENIS + ME + PINCXERVNT +.“ Vergleichende technologische Untersuchungen beider Flügel des Diptychons liegen bisher nicht vor. Im selben Jahr signierte Lippo Memmi gemeinsam mit Simone Martini die Verkündigung mit den Hll. Margarete und Ansanus für den Dom in Siena, heute Uffizien Florenz, Inv. 1890. Die Signatur „SYMON MARTINI ET LIPPVS MEMMI DE SENIS ME PINXERVNT ANNO DOMINI MCCCXXXIII“ befindet sich in den vergoldeten Nimben. 26 Die Technik der frühitalienischen Tafelmalerei überliefert die bekannte Quellenschrift von Cennino Cennini vom Ende des 14. Jahrhunderts. Eine auf technologischen Untersuchungen und Analysen basierende Veranschaulichung der Arbeitsabläufe publizierten u. a. beispielhaft: David Bomford, Jill Dunkerton, Dillian Gordon, Ashok Roy, with contributions from Jo Kirby, Art in the Making: Italian Painting before 1400, London: Gardners Books, 1989. 27 Ob in der Werkstatt von Lippo Memmi Vergoldungen nach seinen Entwürfen von spezialisierten Mitarbeitern ausgeführt wurden oder ob Lippo Memmi diese Arbeiten stets selbst ausführte, konnte von der Autorin bisher nicht abschließend eruiert werden.
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Das querrechteckige Schriftfeld wurde auf der polimentvergoldeten Fläche mit einem Werkzeug mit gerundeter Spitze aufgezeichnet. Die Linien dieser dekorativen Trassierungen28 sind auf der Mikroskopaufnahme gut erkennbar. Die 18 Versalien der Inschrift sind gestalterisch präzise angeordnet. Dies lässt auf eine genaue Vorzeichnung der Konturen der Buchstaben auf der Goldfläche schließen, die in Ansätzen noch erkennbar ist.29 Anschließend wurde die Hintergrundfläche des Schriftfeldes mit einer Ringpunze bearbeitet, mit dem Effekt, dass die Schriftzeichen als glatte Flächen aus einem strukturierten Hintergrund hervortreten. Punzen sind stiftähnlich geformte Metallstücke, in deren Grundfläche ein Ornament eingearbeitet ist. Wird die Punze mit einem Hammer angeschlagen, entsteht ein stempelartiger Abdruck in der Goldfläche. Werden die Punzierungen sehr dicht gesetzt, wie im Falle des Signaturenhintergrundes bei Lippo Memmi, entsteht eine flächige Wirkung, die man für die Herausarbeitung von Formen, nutzte (Tafel 3). Punzierungen, für die der gleiche kleine Ringpunzentypus für diese besonders filigrane Flächengestaltung wie in der Werkstatt Lippo Memmis verwendet wurde, beobachtete Mojmír S. Frinta auch an anderen Werken Sieneser und Florentiner Künstler.30 Zustand: Die Signatur Lippo Memmis ist trotz einiger Kratzer und flächigem Goldabrieb als sehr gut erhalten zu bezeichnen. In den Fehlstellen der Goldschicht ist die für Polimentvergoldungen typische rote Bolusschicht sichtbar. 6.2. Cartellini Antonello da Messina (1430−1479), Bildnis eines jungen Mannes, 1478 Tempera(?)-Malerei auf Nussbaumholz, 20,4 × 14,5 cm, Berlin, Staatliche Museen, Gemäldegalerie, Kat. Nr. 18 (Tafel 4) Signatur: „14 [7-]/Antonellus messaneus me pin[x]it“ Beschreibung: Antonello erzeugte die visuelle Illusion, als sei ein zuvor zweimal geknicktes Zettelchen auseinandergefaltet und auf der Brüstung unterhalb des Porträtierten fixiert worden. Auf dem gemalten schmalen Papierstreifen fand nur der Zweizeiler „14 [7-]/Antonellus messaneus me pin[x]it“ Platz. Den Trompe-l’œil-Charakter des cartellino steigert ein horizonta28 Trassierung: Eindrücken von Linien im Unterschied zu Ziselierungen des Goldschmieds, dessen Arbeit mit einem Abtrag von Material verbunden ist. 29 Dank an Frau Dr. Dipl.-Rest. Babette Hartwieg, Leiterin der Restaurierung und Kunsttechnologie, Gemäldegalerie, SMB, für den freundlichen Hinweis. 30 Mojmír S. Frinta, Punched Decoration on Late Medieval Panel and Miniature Painting, Part I, Catalogue Raisonné of All Punch Shapes, Prag: Maxdorf, 1998, S. 90. Andere Punzen Lippo Memmis, die für die Gestaltung der Tafel verwendet wurden, sind bei Frinta 1998 auf S. 139, S. 321, S. 351, S. 413 katalogisiert.
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1 Antonello da Messina, Bildnis eines jungen Mannes (Detail: cartellino und spätere Aufschrift in einer Vergoldungstechnik)
ler Knick im Papier, der den unteren Zettelrand vom Mauerwerk abstehend erscheinen lässt (Abb. 1). Das kleine Porträt eines Unbekannten begrenzt am unteren Bildrand die lateinische Inschrift „PROSPERANS · MODESTVS · ESTO · INFORTVNATVS · VERO · PRVDENS“ („Im Glück sei bescheiden, im Unglück aber klug“). Technik: Der Künstler setzte die helle Farbe (Bleiweiß) des cartellino in einem späten Malstadium auf die ockerfarbene Schicht der Brüstung. Der Pinselduktus lässt erkennen, dass er die Farbe unterschiedlich dick auftrug, um so die differenzierte Hell-Dunkel-Wirkung für einen papierspezifischen Knick zu erreichen. Die verschatteten Kanten der Knickfalten sind wahrscheinlich mit einer warmtonigen Lasurfarbe nachgezogen. Eine stärkere räumliche Wirkung entsteht durch einen Hell-Dunkel-Kontrast an der Unterkante des cartellino, den Antonello durch eine dunkle Schattierung auf der Fläche unterhalb des Zettels steigerte. Für die Schrift verwendete er eine feinteilige schwarze Farbe. Die visuell extrem feinen Linien der Schrift warfen zu Beginn der Untersuchung die These des Gebrauchs von Feder und Tinte an Stelle von Pinsel und Farbe auf. Bei der vergleichenden Betrachtung anderer feiner Linien des Porträts, wie Wimpern, Haare und Pupillen, die zweifellos mit dem Pinsel gezogen wurden, zeigte sich ein übereinstimmendes Merkmal: Die schwarzen Linien zeigen zahlreiche Unterbrechungen, als ob die Farbe vom Untergrund während des Auftragens abperlte (Abb. 2). Dieses Phänomen wurde auch an anderen Bildern Antonellos beobachtet. Jill Dunkerton vermutet einen Zusammenhang mit den Bindemitteln seiner Farben (physikalische Reaktion von Wasserfarbe auf einer noch nicht durchgetrockneten ölhaltigen Schicht oder umgedreht).31 Als eine weitere Erklärungsmöglichkeit stellte sie die These auf, dass Antonello die Farbfläche vor dem Auftrag der Schrift mit wenig Feuchtigkeit benetzte, um bewusst jenen Abperleffekt zu erreichen, der die Linien feiner erscheinen lässt.32 31 Jill Dunkerton, Antonello da Messina e la tecnica fiamminga, in: Ecce Homo Antonello da Messina. Genova e Piacenza: due versioni a confronto, Giornata Internazionale di Studi presso la Galleria Nazionale di Palazzo Spinola a Genova, 24 ottobre 2000, hrsg. v. Farida Simonetti, Genua: Sagep, 2000, S. 26 – 32, S. 31. 32 S. Anm. 31.
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2 Antonello da Messina, Bildnis eines jungen Mannes (Detail: abperlende Farbe der schwarzen Linien der Schriftzeichen)
Die Inschrift am unteren Bildrand in einer Vergoldungstechnik unterscheidet sich von der bekannten Art und Weise Antonellos, Schrift im Bild zu inszenieren. Die Versalien sind mit dem Pinsel und einer Farbe aus Goldpulver auf eine braune Farbfläche geschrieben, die sich deutlich von der darunterliegenden originalen Farbschicht unterscheidet. Die nachträgliche Schicht deckt den gesamten unteren Bildrand ab. Eine Datierung dieser Übermalung und der Inschrift allein durch technische Untersuchungen ist nicht möglich. Das Alterungskrakelee sowie Schäden im Gold und in der späteren Farbschicht weisen auf eine lange gemeinsame Geschichte von Original und späterer Zutat hin. Inschrift und Übermalungen existierten definitiv bereits 1830, als das Gemälde in die Berliner Sammlung gelangte. Zustand: Die Schriftzeichen des Namens sind vergleichsweise sehr gut erhalten (kleine Verluste ab „[…] messaneus me pin[x]it“). Im Gegensatz dazu ist die für die Datierung des Werkes wichtige Jahreszahl nicht mehr eindeutig lesbar: Von der dritten Ziffer existiert noch ein Querstrich (Lage und Größe verweisen auf die Zahl 7) und von der vierten sind mehrdeutige Striche erhalten. Die Ziffern las man im Jahre 1830 als 1445, dagegen bildet das Faksimile von 1883 die letzten beiden Ziffern nicht ab. Albrecht Dürer (1471 − 1528), Die Madonna mit dem Zeisig, 1506 Öl(?)-Malerei auf Pappelholz, 93,5 × 78,9 cm, Berlin, Staatliche Museen, Gemäldegalerie, Kat. Nr. 557 F (Tafel 5) Signatur: „Albertus dürer germanus/faciebat post virginis/partum 1506 · AD“
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Beschreibung: Im Vordergrund der Madonnendarstellung Dürers liegt ein beschriebenes Blatt Papier auf einer Holzbank. Die mittige Faltung des Blattes erlaubt nur die Hälfte einzusehen, die plan auf dem Untergrund aufliegt, während von der anderen nur die Rückseite erkennbar ist. Mit bloßem Auge ist auf dem Zettel eine Nachricht lesbar (übersetzt): „Albert Dürer aus Deutschland schuf dieses nach der Niederkunft der Jungfrau 1506 · AD“ (Tafel 6). Der Schreibduktus entspricht dem einer Federschrift.33 Diese Signaturform geht über das bekannte Monogramm „AD“ Dürers hinaus: Auf dem cartellino nach italienischen Vorbildern finden wir nicht nur Dürers latinisierten Namen, sondern auch einen inhaltlichen Bezug auf die Madonnendarstellung und den Entstehungsort des Bildes, Venedig, wo Dürer sich als „germanus“ titulierte. Technik: Dürers Vorgehensweise bei der Ausarbeitung des cartellino ist in Grundzügen nachvollziehbar: Er verwendete für die Darstellung des Papiers Bleiweiß, das er in horizontalen und leicht schräg verlaufenden Pinselstrichlagen mit einem Flachpinsel auftrug. Den Knickbereich und die Rückseite des Papiers schattierte er mit einer deckenden hellgrauen Farbe. In den mit schwarzer Farbe aufgesetzten Schriftzeichen, zeigen sich mikroskopisch charakteristische Spuren, die von Pinselhaaren hinterlassen werden. Als Dürer den Zettel beschriftete, war die weiße Farbschicht noch nicht vollständig durchgetrocknet, denn sein Pinseldruck verursachte an einer Stelle (Monogramm AD) Farbverschiebungen, sodass das Monogramm in der Röntgenaufnahme schwach erkennbar ist. Diese Imitation einer Federschrift mit dem Pinsel kann als ein Beispiel der berühmten Pinselvirtuosität Dürers gelten, mit der er in Venedig u. a. Giovanni Bellini beeindruckte.34 Mikroskopie und Röntgenaufnahme im Zusammenhang ausgewertet, verdeutlichen einen interessanten Aspekt: Die braune Malfarbe für das Brett ist bis an die Kanten des cartellino herangezogen, liegt aber nicht darunter. Demnach „lag“ der Zettel bereits auf dem Tisch als Dürer dessen Holzstruktur malte. Nur die zum Abschluss gesetzten hellen Konturen entlang der Kanten des Blattes überlappen die braune Farbschicht (Tafel 7). Man darf annehmen, dass Dürer die weiße Farbfläche des cartellino im Vordergrund so wichtig war, dass er für dessen Leuchtkraft die Reflexion der hellen Grundierung der Tafel nutzte. Dürer plante seine Signatur als festen Bestandteil der Komposition ein. Das bestätigt auch die Infrarotaufnahme (Christoph Schmidt, 2017), auf der eine Unterzeichnung der Zettelumrisse als feine graue Linien sichtbar ist. Mit dieser Arbeitsweise unterscheidet sich Dürer deutlich von den italienischen Künstlern der bisher untersuchten Gemälde, die 33 Dank an Dipl.-Rest. Georg Josef Dietz, Leiter der Abteilung Konservierung/Restaurierung, SMB, Kupferstichkabinett, für den anregenden Austausch vor den Bildern der Gemäldegalerie zur Technik der Schriftzeichen Dürers. 34 Bruno Heimberg, Zur Maltechnik Albrecht Dürers, in: Peter Strieder, Dürer, Königstein im Taunus: Langewiesche, 2012, S. 334 – 341, S. 334.
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ihren cartellino auf bereits vollendete Bildbereiche im Endstadium des Malprozesses aufsetzten. Zustand: Der cartellino weist mit bloßem Auge erkennbare Verluste der weißen Farbe besonders am linken Zettelrand auf. Die Oberfläche der Schriftzeichen ist punktuell abgerieben, ausgebrochen oder mit Braun retuschiert. Die zweite Silbe in „germanus“ ist vergleichsweise stärker beschädigt. Dem Faksimile im Bestandskatalog folgend, muss es in diesem Bereich bereits 1898 Schäden gegeben haben.35 Dürers Nachricht ist dennoch in allen Teilen eindeutig nachvollziehbar.
6.3. Bildimmanente, gemalte Signaturen Jan Gossaert (1478 − 1532), Neptun und Amphitrite, 1516 Malerei auf Eichenholz, 188 × 124 cm, Berlin, Staatliche Museen, Gemäldegalerie, Kat. Nr. 648, (Tafel 8) Signatur: „·IOANNES · MALBODIVS · PINGEBAT · 1516 ·“ Beschreibung: Gossaert hinterließ seine Signatur in beachtlicher Größe (Länge 72 cm, Zeichenhöhe 2 cm) im Sockelbereich einer tempelartigen Architektur, zu Füßen der Götter Neptun und Amphitrite, die auf einem von Wasser umgebenen Podest stehen.36 Seine illusionistische Wiedergabe von in Stein gemeißelten Schriftzeichen fügt sich vollständig in die Logik der Architektur des Bildes ein und entspricht ganz der Ideenwelt eines Renaissancekünstlers. Der in Stein gehauene Name des Künstlers steht im Gegensatz zu der hellen Inschrift „· A ·/· PLVS ·/· SERA ·/p(hilipp)e · bour(gogne) ·“ im oberen Bildbereich rechts, die, obgleich Devise und Namen des Auftraggebers wiedergebend, den Charakter und Materialeffekt leichter vergänglicher Materialien wie Farbe oder Kreide zeigt.37 Technik: Das steinerne Podest mit der Inschrift ist – genau wie die Architektur – in einer braun-gelben Farbigkeit gestaltet. Gossaert verwendete für den Materialeffekt einer vertieft in Stein gearbeiteten Schrift drei Farbtöne, die er mit dem Pinsel auftrug: einen hellen und einen 35 Königliche Museen zu Berlin, Beschreibendes Verzeichnis der Gemälde, bearb. v. Max Jakob Friedländer und Hans Mackowsky, Berlin: Speemann, 1898. 36 Eine vergleichbar große Künstlerinschrift, die in steinerne Architektur gehauene Schriftzeichen nachahmt, lässt sich in der Gemäldegalerie auf einer der Tafeln des Wurzacher Altars von Hans Multscher betrachten (Der Tod Mariens, 1437, SMB-GG, Kat. Nr. 1621C). 37 Zum Wortlaut der Signatur und der Aufschrift vgl. Maryan W. Ainsworth (Hrsg.), Man, Myth and Sensual Pleasures: Jan Gossart’s Renaissance, New York: Metropolitan Museum of Art, 2010, S. 217 – 218.
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3 Jan Gossaert, Neptun und Amphitrite (Detail: gemalte Schriftzeichen „A T“ aus der Signatur am unteren Bildrand)
dunklen lasurartigen Braunton, sowie eine pastose gelbe Farbe. Mit dem hellen Braunton (Braun mit Schwarzanteil) gab er zuerst die Grundformen der Versalien an. Mit pastosem Hellgelb (vermutlich Bleiweiß mit gelbem Ocker oder Blei-Zinn-Gelb) setzte er helle Linien, die von Licht beschienene Kanten nachahmen. Die plastische Wirkung verstärkte er durch Schattenlinien mit dunkler Farbe (Abb. 3).38 Gossaert gab für die präzise Ausführung der Signatur Hilfslinien an: Eine untere Grundlinie, die sich mikroskopisch als braune Linie in der Farbschicht zeigt, ist durchgehend zu erkennen, eine obere nur teilweise. Ob es sich dabei um geritzte oder mit einem Stift gezeichnete Linien handelt, war mit den aktuellen Untersuchungsmethoden nicht eindeutig feststellbar.39 Zustand: Die Signatur weist keine größeren Beschädigungen auf und ist in allen Teilen sehr gut erhalten. Die mikroskopische Betrachtung zeigt, dass die obere Farbschicht der Schriftzeichen nur minimal abgerieben ist. Einige Kratzer und Ausbrüche sind erkennbar. Im Umfeld der Signatur gibt es kleinere Retuschen unter der vergrauten Firnisschicht.
38 Über das Vorbild der Schriftzeichen differieren die Meinungen von Experten: Paul Hofmann, Steinrestaurator und Leiter der Restaurierung SBM-SMB, zweifelt an, dass der Maler in Stein gemeißelte antike Schriften als direktes Vorbild nutzte, da die Ausformungen der Serifen deutlich abweichen. Alessandro Della Latta ist dagegen folgender Meinung: „Gossaerts Schrift basiert trotz der übermäßigen Betonung der Serifen-Endungen (was in den Traktaten über die Schreibkunst des ersten 16. Jahrhunderts nicht ungewöhnlich ist) eindeutig auf einer Capitalis Antiquaria. Das Spiel von Licht und Schatten, das den einzelnen Buchstaben Plastizität verleiht, kann nur aus der direkten Beobachtung von Schriften der Antike und Renaissance stammen, die er während seines Aufenthalts in Rom genau beobachten konnte.“ Karin Gludovatz vertritt die naheliegende Ansicht, dass sich Gossaert an Schriftgestaltungen auf Gemälden der niederländischen Maler des 15. Jahrhunderts, die er intensiv studiert hatte, orientiert haben könnte. Quelle: mündliche und schriftliche Mitteilungen an die Autorin. 39 Röntgenaufnahmen und IRR-Untersuchungen des großformatigen Gemäldes stehen noch aus.
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6.4. Signaturen mit individuellem Unterschriftscharakter Isaac van Ostade (1621 − 1649), Bauer mit Schlapphut Ölmalerei auf Eichenholz, 45,4 × 39,3 cm, Berlin, Staatliche Museen, Gemäldegalerie, Kat. Nr. 845D (Tafel 9) Signatur: „Isaak van/Ostade“ Beschreibung: Isaac van Ostade signierte das Bildnis im Hintergrund links unten. Die versierte Schrift mit schwungvoller Initiale und teilweise legierten Buchstaben mit Unterstreichung gleicht einer Unterschrift auf einem Schriftstück. Technik: Ostade schrieb seinen Namen in die noch nasse Farbe des Hintergrundes mit einem Schreibgerät, verwendete dabei aber kein Schreibmittel. Die Konturen der Schriftzeichen resultieren allein aus den Materialverdichtungen, die durch das Verschieben der noch weichen Farbe beim Schreiben entstanden. Die sichtbare gelbbraune Farbe der Schriftzeichen zeigt den Farbton der darunterliegenden Grundierung der Tafel (Abb. 4). Welches Schreibgerät verwendete Ostade? Die untere Schicht ist an keiner Stelle beschädigt oder aufgekratzt. Demnach muss es sich um ein Schreibgerät mit relativ weicher, gerader Spitze gehandelt haben, wie etwa einen flachen Pinselstil, einen schmalen Borstenpinsel oder eine Vogelfeder.40 Naheliegend scheint, dass Ostade mit einer seiner Schreib- oder Zeichenfedern in die noch weiche Farbe signierte. Zustand: Die Konturen der Schriftzeichen und die umgebende Farbschicht weisen keine Beschädigungen auf. 6.5. Fragliche Signaturen – Problemfälle Giovanni Battista Benvenuti, gen. Ortolano (1488 − 1525/27), Maria mit dem segnenden Kind, um 1516 Öl(?)-Malerei auf Leinwand, 101,1 × 77,2 cm, Berlin, Staatliche Museen, Gemäldegalerie, Kat. Nr. 1332 (Tafel 10) Signatur: nicht vorhanden
40 Nicolaus 2003 (wie Anm. 8), S. 272, Abb. 393, erwähnt beispielsweise eine mit dem Pinselstil in die frische Farbe eingeritzte Signatur von Dirck Dalens (um 1600 – 1667), die erst bei der Infrarotuntersuchung zu lesen war.
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4 Isaac van Ostade, Bauer mit Schlapphut (Detail: Signatur)
5 Giovanni Battista Benvenuti, gen. Ortolano, Maria mit dem segnenden Kind (Detail: unbeschrifteter cartellino und Schreibfeder)
Beschreibung: Auf dem Gemälde Ortolanos liegt zu Füßen der Madonna ein halb auseinandergefaltetes Blatt Papier, daneben eine Schreibfeder (Abb. 5). Dieses Motiv entspricht ganz der im 16. Jahrhundert beliebten Signaturform des cartellino. Die dargestellte, von Tinte geschwärzte Schreibfeder steigert die berechtigte Annahme, dass der Künstler hier seinen Namen oder eine andere lesbare Nachricht hinterließ. Für das bloße Auge sind keine Schriftzeichen auf dem gemalten Papier wahrnehmbar. Auf anderen Gemälden Ortolanos sind die Schriften auf den cartellini deutlich lesbar.41 In der Forschung war bisher ungeklärt, ob das Gemälde an dieser Stelle ursprünglich signiert war oder nicht.
41 Beispielsweise auf den Gemälden Ortolanos: Hl. Margarete, Kopenhagen, Statens Museum for Kunst; Hll. Sebastian, Rochus und Demetrius, London, National Gallery. Auf eine systematische Erfassung der Signaturen Ortolanos konnte nicht zurückgegriffen werden.
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Technik: Der cartellino ist mit gut deckender bleiweißhaltiger Farbe mit geringen Anteilen eines blauen Pigments gemalt. In den Schattierungen findet sich ein Grau (Mischung aus Schwarz und Weiß). Zustand: Um die Frage zu klären, ob auf dem cartellino ursprünglich eine Aufschrift existierte, die heute nicht mehr erkennbar ist, wurde nicht nur die Farboberfläche im Bereich des gemalten Papiers untersucht, sondern das gesamte Gemälde. Mikroskopie42, Röntgenaufnahme, IR-Reflektografie und UV-Fluoreszenz brachten keinerlei Hinweise auf Schriftzüge, bzw. etwaige Reste, die mit bloßem Auge nicht erkennbar wären. Die Röntgenaufnahme zeigt, dass größere Teile der Malerei gravierende Fehlstellen aufweisen, die durch großflächige Retuschen verdeckt sind. Der „Zettel-und-Feder-Bereich“ des Bildes ist von diesen gravierenden Schäden jedoch nicht betroffen. Dieser Befund bestätigt den guten Erhaltungszustand der Farboberfläche des cartellino und schließt aus, dass eine ursprünglich vorhandene Beschriftung bis zur Unkenntlichkeit beschädigt und durch Übermalungen verdeckt ist. Kommentar: Die technische Untersuchung des gemalten Zettels ergab keine Hinweise auf eine ursprünglich vorhandene Inschrift. Das Motiv des unbeschriebenen Blattes und die wie aus der Hand gefallene, mit Tinte benetzte Schreibfeder legen nahe, dass Ortolano hier bewusst auf die Niederschrift seines Namens verzichtete. Die „Nicht-Signatur“ Ortolanos eröffnet weitergehende Interpretationsmöglichkeiten der Madonnendarstellung und des Künstlerselbstverständnisses.
42 Mikroskopischer Befund: Über dem einheitlichen Alterskrakelee des cartellino liegen keine Übermalungen. Es sind mehrere kleine Farbschichtausbrüche vorhanden sowie einige verfärbte Retuschen. Auf der Oberfläche liegt ein verbräunter, partiell verfleckter Firnis.
Eef Overgaauw
SIGNATUREN IN MIT TEL ALTERLICHEN HANDSCHRIFTEN – MINIATOREN, BUCHBINDER, SCHREIBER, AUTOREN
In diesem Beitrag werden Signaturen von Personen aus dem deutschen Sprachgebiet beschrieben, die im Mittelalter an der Herstellung von Buchhandschriften (Codices) beteiligt waren.1 Es handelt sich um eigenhändige Namenseinträge auf Artefakten, aber nur in einzelnen Fällen um Künstlersignaturen. Nur wenige Personen, die ihre Namen in Handschriften eingetragen haben, sind nach dem gegenwärtigen Verständnis als Künstler zu betrachten; die übrigen sind nach heutigem Verständnis als Handwerker zu sehen. Die Künstler und Handwerker, die Gegenstand dieses Beitrags sind, waren Miniatoren, Buchbinder, Schreiber und Autoren. Hier ist zu berücksichtigen, dass eine mittelalterliche Handschrift das Ergebnis der Arbeit von mehreren, sehr unterschiedlich ausgebildeten Personen ist, deren Identität in nur wenigen Fällen festgestellt werden kann. Noch seltener sind die Fälle, in denen von diesen Personen eine Biografie oder sogar ein Werkverzeichnis erstellt werden kann.2 Die Personen, von denen die Rede sein wird, stammen überwiegend aus dem deutschen Sprachgebiet. Die Handschriften, in die sie ihre Namen eingetragen haben, datieren aus der Zeit bis 1500. Signierte Briefe sowie Urkunden und Archivalien, die von ihren Urhebern unterschrieben wurden, sind nicht Gegenstand dieses Beitrags.3 Künstler, die Codices mit historisierten Initialen und Miniaturen ausgestattet haben, nennen wir Miniatoren. Sie sind fast immer anonym. Miniatoren, die im Ergebnis kunsthistorischer, historischer und paläographischer Untersuchungen einen Namen bekommen haben, kennen wir meist nicht aus den Handschriften, die sie illuminiert haben, sondern aus archivalischen Quellen, etwa Rechnungen, Inventaren und Briefen. Solche Namen in
1 Für ihre Hinweise und praktische Unterstützung danke ich Kurt Heydeck, Martine Meuwese, Lena Oetjens und Gude Suckale-Redlefsen sehr herzlich. 2 Vgl. Eef Overgaauw, Les manuscrits copiés par Bruno de Deventer, copiste néerlandais au service de Pietro del Monte, au milieu du XVe siècle, in: Scriptorium 54 (2000), S. 64 – 86. 3 Zu Signaturen dieser Art s. Claudia Feller, Christian Lackner (Hrsg.), Manu propria. Vom eigenhändigen Schreiben der Mächtigen (13. – 15. Jahrhundert), Wien: Böhlau, 2016 (Veröffentlichungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, 67), passim.
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archivalischen Quellen können gelegentlich mit heute noch vorhandenen Handschriften in Verbindung gebracht werden.4 Nur bei wenigen Miniatoren, zum Beispiel bei den Brüdern Limburg, die für Philipp den Kühnen von Burgund und für Herzog Jean de Berry gearbeitet haben, ist die Quellenlage verhältnismäßig gut, allerdings nur was die archivalischen Quellen angeht, denn auch sie haben ihre hervorragenden Miniaturen nicht signiert. Unsere erste Künstlersignatur befindet sich in einer auf das Jahr 1332 datierten Handschrift mit der Rijmbijbel, einer mittelniederländischen Bibelübersetzung (in gereimten Versen) des flämischen Dichters Jacob van Maerlant.5 Der zweite Teil dieser Rijmbijbel (Bl. 152v – 194v) geht auf das Bellum Iudaicum des Flavius Josephus zurück. Zu Beginn dieses zweiten Teils (Bl. 152v) hat der Miniator eine Datierung seiner Arbeit und seinen Namen eingetragen: „Doe men scref int/iaer ons he-/ren Mo.CCCo.XXXoII./verlichte mi/Michiel van der borch. Bit uoer hem/dat Ghod sijns ontfarmen moete“6 (Tafel 11). Diese Künstlersignatur, die nach dem Muster eines Kolophons in einer mittelalterlichen Handschrift formuliert wurde, findet sich am unteren Rand von Bl. 152v, unter einer besonders kunstvollen ganzseitigen Miniatur mit einer Darstellung der Belagerung einer jüdischen Stadt (Jotapata oder Jerusalem?) durch das römische Heer.7 Außer dieser Miniatur enthält die Handschrift 63 weitere, meist kleinere Miniaturen, wohl alle von der Hand des Michiel van der Borch. Archivalische Quellen belegen, dass dieser Miniator um 1330 in Utrecht eine Buchmalerwerkstatt betrieben hat. Er ist der erste namentlich bekannte Maler der Niederlande.8
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Sowohl die älteren als auch die jüngeren bio-bibliographischen Verzeichnisse der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Miniatoren (oder „Miniaturisten“ und „Miniaturmaler“) beruhen weitgehend auf Nachweisen in Archivalien. S. John William Bradley, A dictionary of miniaturists, illuminators, calligraphers, and copyists (…), Bd. 1 – 3. London: Quaritch, 1887 – 1889 (Neudr. New York: Franklin, 1958) (Burt Franklin bibliography and reference series, 8); Paolo D’Ancona, Erhard Aeschlimann, Dictionnaire des miniaturistes du Moyen Age et de la Renaissance dans les différentes contrées de l’Europe. Seconde édition revue et corrigée, Mailand: Hoepli, 1949; Milvia Bollati (Hrsg.), Dizionario biografico dei miniatori Italiani, Mailand: Bonnard, 2011. Den Haag, Museum Meermanno, 10 B 21. Zu dieser Handschrift s. P. C. Boeren, Catalogus van de handschriften van het Rijksmuseum Meermanno-Westreenianum, Den Haag: Rijksmuseum Meermanno-Westreenianum, 1979, S. 50 – 51; Martine Meuwese, Beeldend vertellen. De verluchte handschriften van Jacob van Maerlants Rijmbijbel en Spiegel Historiael, Leiden: Universiteit, 2001 (Dissertation), S. 79 – 117; Claudine A. Chavannes-Mazel, Maerlants Rijmbijbel in Museum Meermanno. De kracht van woorden, de pracht van beelden, Den Haag: Museum Meermanno-Westreenianum, 2008 (mit einer Beschreibung und Abbildung der signierten Miniatur auf S. 156 – 157). In Übersetzung: „Im Jahr unseres Herren 1332 illuminierte mich Michiel van der Borch. Bete für ihn, damit Gott seiner gnädig ist“. Siehe: http://manuscripts.kb.nl/zoom/BYVANCKB%3Amimi_mmw_10b21%3A152v_min (mit e iner unvollständigen Reproduktion des Eintrags des Miniators Michiel van der Borch) (abgerufen am 29. 8. 2021). Martin de Bruijn, Michiel de verluchter. Nieuwe gegevens over Nederlands oudste bij naam bekende schilder, in: http://www.broerendebruijn.nl/MichielBorch.html (abgerufen am 29. 8. 2021). S. auch ‚Michiel van der Borch‘, in: https://www.bookilluminators.nl/met-naam-gekende-boekverluchters/ boekverluchters-m-naam/michiel-van-der-borch/ (abgerufen am 29. 8. 2021).
Signaturen in mittelalterlichen Handschriften – Miniatoren, Buchbinder, Schreiber, Autoren | 29
Die zweite Künstlersignatur finden wir auf einem heute in Bamberg aufbewahrten Einzelblatt aus einer Sammelhandschrift mit den Werken des niederländischen Humanisten Rudolf Agricola (Tafel 12).9 Die Handschrift, aus der dieses Blatt entnommen wurde, entstand 1496 in Heidelberg im Kreis der südwestdeutschen Frühhumanisten um Johann von Dalberg, Bischof von Worms (1455 – 1503).10 Das sehr schöne Einzelblatt zeigt die im deutschen Sprachgebiet früheste Darstellung der Verleumdung des antiken Malers Apelles. Der Miniator hat seinen Namen am unteren Rand der Darstellung in Gold eingetragen. Hier lesen wir „Johannes Duft de Schmalkalden“. Johannes Duft, der 1493 als Student an der Heidelberger Universität immatrikuliert war, ist der einzige namentlich bekannte Buchmaler des Heidelberger Humanismus. Es ist bemerkenswert, dass der Miniator für seine Signatur dieselbe Schrift, eine an der humanistischen Schrift orientierte Majuskelschrift, verwendet hat wie für die Beschriftungen der auf der Miniatur dargestellten Personen. Ein ganz besonderer Fall liegt in einer Handschrift aus dem späten 12. Jahrhundert in der Bibliotheca Bodmeriana in Genf vor (Tafel 13).11 Diese Handschrift, ein Passionale (das ist eine Sammlung von Heiligenlegenden für den liturgischen Gebrauch), stammt aus dem Prämonstratenserkloster Weißenau in der Diözese Konstanz. In einer prachtvollen und höchst originellen Miniatur auf Bl. 244r hat der Miniator sich selbst gemalt. Sitzend im Innenraum einer großen Initiale R, ist er gerade damit beschäftigt, diese Initiale fertigzustellen. Er sitzt auf einer kleinen Bank. Neben ihm steht ein Tisch, auf diesem Tisch stehen Gefäße mit Farben. Auf einem Schemel liegt ein Messer, ein übliches Gerät in den Händen von Schreibern. Neben dem Haupt des Miniators lesen wir seinen Namen: „Frater Rufillus“. Frater Rufillus, der nicht nur wegen des frater, sondern auch wegen seiner Tonsur als Geistlicher, womöglich als Prämonstratenser zu bezeichnen ist, hat in diesem Passionale nicht nur eine Signatur hinterlassen, sondern auch ein Selbstporträt, was als Aus-
9 Bamberg, Staatsbibliothek, I Qa 29. 10 Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek, Cod. poet. et phil. 4o 36. Zu dieser Handschrift und dem Einzelblatt in Bamberg s. Maria Effinger, Kerstin Losert (Hrsg.), „Mit schönen figuren.“ Buchmalerei im deutschen Südwesten. Ausstellungskatalog, Heidelberg: Winter, 2014, S. 53 – 55 (Kat.-Nr. I.11; Abbildung der signierten Miniatur auf S. 54) und http://www.ub.uni-heidelberg.de/ausstellungen/ buchkunst2014/sektion1/I_11.html (abgerufen am 29. 8. 2021); Karl-Georg Pfändtner, Peter Burkhart, Der Heidelberger Buchmaler Johannes Duft de Schmalkalden und seine Bamberger „Verleumdung des Apelles“ – eine Miniatur aus der Handschrift Cod. poet. et phil. 4o 36 der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart, in: Codices manuscripti & impressi 94/95 (2014), S. 49 – 54 (Abb. der Miniatur auf S. 52); Karl-Georg Pfändtner, Johannes Duft de Schmalkalden – An unknown Heidelberg illuminator of the fifteenth century and his masterpiece „The calumny of Apelles“, in: Manuscripta. A journal of manuscript studies 58, 1 (2014), S. 133 – 137. 11 Genf, Bibliotheca Bodmeriana, Cod. Bodmer 127. Zu dieser Handschrift (ehem. Sigmaringen, Hofbibl. Hs. 9) s. Élisabeth Pellegrin, Manuscrits latins de la Bodmeriana. Cologny-Genève: Fondation Martin Bodmer, 1982 (Bibliotheca Bodmeriana. Catalogues, 5), S. 265 – 280 und Abb. A; http://www.e-codices. unifr.ch/en/description/fmb/cb-0127/ (abgerufen am 29. 8. 2021); https://commons.wikimedia. org/wiki/File:Codex_Bodmer_127_244r_detail_Rufillus.jpg (abgerufen am 29. 8. 2021); http:// erikkwakkel.tumblr.com/post/68811597264/rare-self-portrait-of-a-medieval-artist-while-a (abgerufen am 29. 8. 2021).
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druck eines gesteigerten Selbstbewusstseins in Hinblick auf die eigenen Fähigkeiten und damit auf die malerische Arbeit verstanden werden kann.12 Ebenso bemerkenswert ist die Signatur von Sawalo, einem Mönch der nordfranzösischen Benediktinerabtei Saint-Amand, in einer Bibelhandschrift in Valenciennes. An mehreren Stellen in der fünfbändigen Bibel aus dem dritten Viertel des 12. Jahrhunderts hat Sawalo seinen Namen eingetragen. Die Miniatur auf Bl. 17v zeigt den segnenden Gott mit einem Buch in der linken Hand zu Beginn des Matthäus-Evangeliums, eingerahmt von den Anfangswörtern des Evangeliums (Liber generationis). Die Signatur des Miniators steht am oberen Rand: „Savvalo monacus sancti Amandi me fecit“ (Tafel 14).13 Nicht Sawalo, sondern die Handschrift spricht in dieser Zeile zu dem Leser – wie die oben präsentierte Rijmbijbel. Da Sawalos Signaturen in dieser Bibel immer in Verbindung mit einer Miniatur oder einer historisierten Initiale vorkommen, ist davon auszugehen, dass er, Sawalo, diese prachtvolle Bibel auch tatsächlich illuminiert hat. Vielleicht hat er die fünf Bände auch geschrieben. Auch wenn es außer diesen vier Beispielen weitere signierte Miniaturen in mittelalterlichen Handschriften gibt, ist ein vorläufiges Fazit schnell gezogen: Die Zahl der Miniatoren, die ihre Arbeiten signiert haben, ist sehr klein. Der hier dargestellte Befund belegt jedoch, dass es einem Miniator grundsätzlich möglich war, seine Arbeit zu signieren. Unsere Beispiele zeigen, dass es dafür unterschiedliche Möglichkeiten gab; eine einheitliche Vorgehensweise der Miniatoren in der Gestaltung ihrer Signaturen hat es offenbar nicht gegeben. Das einzige, was die hier präsentierten Beispiele gemeinsam haben, ist die ungemein hohe Qualität der signierten Miniaturen. Ohne zu tief in die Psyche der betroffenen Künstler schauen zu wollen, ist zu vermuten, dass die vier Buchmaler, Michiel van der Borch, Johannes Duft de Schmalkalden, Frater Rufillus und der Mönch Sawalo, sich der sehr guten künstlerischen Qualität ihrer Arbeit bewusst waren. Sie haben sich nicht gescheut, mit der Signatur einen auktorialen Anspruch zum Ausdruck zu bringen, was allerdings nicht erklärt, weshalb zahlreiche weitere talentierte Miniatoren sich nicht ebenfalls in dieser Weise verewigt haben.14
12 Zur Darstellung von Rufillus als Selbstporträt eines Künstlers s. Johann-Christian Klamt, Over kunstenaars, signaturen en zelfportretten, Utrecht: Universiteit Utrecht, 2006, S. 16 – 21. 13 „Sawalo, Mönch von Sankt Amand, hat mich angefertigt.“ Valenciennes, Bibl. de Valenciennes, Ms. 5, Bl. 17v. Zu dieser Handschrift s. Marie-Pierre Dion-Turkovics (Hrsg.), La représentation de l’invisible. Trésors de l’enluminure romane en Nord-Pas-de-Calais, Valenciennes: Bibliothèque Multimédia Valenciennes, 2011, S. 40 – 41. Zu Sawalo s. Norbert Garborini, Der Miniator Sawalo und seine Stellung innerhalb der Buchmalerei des Klosters Saint-Amand, Köln: König, 1978, S. 42 – 47 (grundlegend zu den Signaturen Sawalos); http://patrimoine-numerique.ville-valenciennes.fr/ark:/29755/B_596066101_ MS_0005/F_016_V/v0001 (abgerufen am 29. 8. 2021). 14 Aus den Kolophonen einiger mittelalterlicher Handschriften ergibt sich, dass mancher Schreiber seine Handschriften nicht nur geschrieben, sondern auch illuminiert hat. Ein sprechendes Beispiel ist das Kolophon der reich bebilderten, 1471 entstandenen Handschrift Frankfurt, Stadt- und Universitätsbibliothek, Ms. germ. qu. 12 mit den „Sieben weisen Meistern“. Das Kolophon auf Bl. 125v: „Dis buch vollenbracht was/in der zit also man schrip und las/nach Cristus gebort daz ist war/dar nach im dem eyn und siebentzigste jar/uff sant Paulus bekarung dag ist ware/von Hans Dirmsteyn wist vor war/der
Signaturen in mittelalterlichen Handschriften – Miniatoren, Buchbinder, Schreiber, Autoren | 31
Weniger selten sind die Signaturen von Buchbindern. Die uns namentlich bekannten mittelalterlichen Buchbinder waren mit wenigen Ausnahmen im 15. Jahrhundert tätig. Es handelt sich entweder um selbständige Buchbinder, die in einer kleineren oder größeren Stadt ihr Handwerk im Auftrag kirchlicher, städtischer und privater Kunden betrieben, oder um Buchbinder, die nur oder überwiegend im Auftrag von Klöstern oder anderen religiösen Gemeinschaften gearbeitet haben. Größere Klöster, die viele Bücher für die eigene Bibliothek schreiben ließen oder käuflich erwarben, verfügten nicht selten über eine eigene Buchbinderei, die auch für Auftraggeber außerhalb des Klosters arbeiten konnte. Wir kennen die Namen dieser Buchbinder, wie die der Miniatoren, häufiger aus archivalischen Quellen als aus den Handschriften selbst. Mehrere Dutzend Buchbinder des 15. Jahrhunderts haben jedoch ihre Signaturen auf kleinen Schriftbändern hinterlassen, die als Stempeldruck auf ihren Einbänden sichtbar sind. Besonders im deutschen Sprachgebiet, in den Niederlanden und in Nordfrankreich haben Buchbinder im Spätmittelalter ihre Einbände häufig mit Blindstempeln verziert. Die Zahl der für diese Stempel verwendeten Motive ist erstaunlich hoch. Es sind nicht nur biblische Motive, sondern auch Tiere, Pflanzen, Blüten, Rosetten, Wappen und vieles mehr, manchmal ohne Rand, häufiger in einem Kreis, Rechteck oder Viereck, gelegentlich in einer Raute. Nur in dieser Hinsicht sind die Stempel mit dem Namen eines Buchbinders den ornamentalen Stempeln gleichzusetzen. Das erste Beispiel bezieht sich auf den Buchbinder Johannes Wetherhan, dessen Namenszug auf dem Vorderdeckel einer Handschrift in der Staatsbibliothek zu Berlin gleich zweimal vorhanden ist, einmal am oberen, einmal am unteren Rand (Abb. 1). Da dieser Stempel in einem Schriftband steht, bildet der gestempelte Name „Wetherhan“ einen leicht kursiven Schriftzug und kann als Signatur des Buchbinders gelesen werden. Auch wenn der Buchbinder dies gewollt hätte, wäre es ihm nicht möglich gewesen, seine berufstypische Signatur in geschriebener Form auf dem Band des von ihm gebundenen Buches zu hinterlassen. Für eine Beschriftung war das harte Kalbleder, das hier wie bei zahllosen weiteren spätmittelalterlichen Bucheinbänden über feste Holzdeckel geklebt wurde, nicht geeignet. Die Handschrift mit dem signierten Einband entstand kurz nach 1450 in Leipzig; sie enthält die pars prima der Summa theologica des Thomas von Aquin und wurde aller Wahrscheinlichkeit nach für Marcus Scultetus, einen Angehörigen der Universität Leipzig, geschrieben. Scultetus war 1459 Dekan der Artistenfakultät, ihm gehörte die Handschrift bis 1483. Der Auftraggeber des Einbandes, wohl ebenfalls Scultetus, hat die Handschrift in Leipzig von Johannes Wetherhan binden lassen, zusammen mit den drei übrigen, etwa gleichzeitig entstandenen Bänden der Summa theologica, die heute ebenfalls in Berlin aufbewahrt werden. Wetherhan war, wie archivalische Quellen belegen, im Zeitraum von hait es geschreven und gemacht/Gemalt gebunden und gantz follenbracht“ (freundlicher Hinweis von Stephan Kemperdick). Hans Dirmsteyn war Goldschmied in Frankfurt am Main; er hat diese und eine weitere deutsche Handschrift (Frankfurt am Main, Stadt- und Universitätsbiliothek, Ms. germ. qu. 13) vermutlich für den eigenen Gebrauch hergestellt, s. https://www.deutsche-biographie.de/ gnd135666325.html#ndbcontent (abgerufen am 29. 8. 2021).
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1 Schriftzug des Buchbinders Johannes Wetherhan, Leipzig, kurz nach 1450, Berlin, SBB-PK, Ms. theol. lat. f. 601, Einband
2 Schriftzug des Buchbinders Herman, Erfurt, Mitte des 15. Jahrhunderts, Berlin, SBB-PK, Ms. theol. lat. f. 667, Einband
1466 bis 1480 als Buchbinder für die Universität Leipzig tätig. Nicht weniger als 37 Bände wurden bislang seiner Werkstatt zugeschrieben.15 Ein Stempel mit dem Namenszug eines weniger produktiven Buchbinders stammt aus Erfurt. Hier lesen wir den Namen „Herman“, den Namen eines Buchbinders, der Mitte des 15. Jahrhunderts in Erfurt tätig war (Abb. 2).16 Da der reich verzierte Einband etwas abgenutzt ist, ist der Namenszug besser auf einer Abreibung des Stempels leserlich (Abb. 3).17 Diese Abreibung ist in der Einbanddatenbank enthalten, zusammen mit mehr als 100 weiteren Stempeln mit den Namenszügen einzelner Buchbinder.18 Die humanistisch angehauchte Sammelhandschrift, die Herman in Erfurt gebunden hat, entstand im zweiten Viertel des 15. Jahrhunderts an der Universität Erfurt.19 Ein Buchbinder des 15. Jahrhunderts hat seine Signatur nicht nur als Prägestempel auf einem Bucheinband hinterlassen können. Dies belegt ein eingeklebter Vermerk im Einband einer theologischen Sammelhandschrift, dessen einzelne Teile im dritten Viertel des 15 Berlin, Staatsbibliothek zu Berlin, Ms. theol. lat. fol. 601. Zu dieser Handschrift s. Peter Jörg Becker, Tilo Brandis, Die theologischen Handschriften in Folio der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz Berlin. Teil 2: Ms. theol. lat. fol. 598 – 737, Wiesbaden: Harrassowitz, 1985, S. 49 – 50. Zum Buchbinder Wetherhan s. Gerhard Loh, Die Leipziger Buchbinder im 15. Jahrhundert, Berlin: Humboldt-Universität, 1990 (ungedruckte Dissertation), S. 49 – 54, Anlage 4 und Tafel 12 – 13 sowie https://www.hist-einband.de/de/werkzeuge/?h=false&faces-redirect=true&ex=false&v=wetherhan (abgerufen am 30. 8. 2021). Zum Stempel Wetherhan s. Ilse Schunke, Die Schwenke-Sammlung gotischer Stempel- und Einbanddurchreibungen nach Motiven geordnet und nach Werkstätten bestimmt und beschrieben. Bd. 1: Einzelstempel, Berlin: Akademie-Verlag, 1979, S. 296, Nr. 443; Id., Bd. 2 (fortgeführt von Konrad von Rabenau): Werkstätten, Berlin: Akademie-Verlag, 1996, S. 152 – 153. 16 Zu diesem Stempel und zum Buchbinder s. Schunke 1979 (wie Anm. 15), S. 294, Nr. 411; Schunke 1996 (wie Anm. 15), S. 78 – 79. 17 Quelle: https://www.hist-einband.de/de/werkzeugdetails.html?entityID=s011532 (Stempelnummer EBDB s011532) (abgerufen am 29. 8. 2021). 18 Siehe: https://www.hist-einband.de/de/ueber-uns/ (abgerufen am 29. 8. 2021). 19 Berlin, Staatsbibliothek zu Berlin, Ms. theol. lat. fol. 607. Zu dieser Handschrift s. Becker, Brandis 1985 (wie Anm. 15), S. 177 – 180.
Signaturen in mittelalterlichen Handschriften – Miniatoren, Buchbinder, Schreiber, Autoren | 33
3 Schriftzug des Buchbinders Herman (Abreibung), Erfurt, Mitte des 15. Jahrhunderts, Berlin, SBB-PK, Ms. theol. lat. f. 667, Einband
4 Vermerk des Buchbinders Dietrich Underberg, Göttingen, 15. Jahrhundert, 3. Viertel, Berlin, SBBPK, Ms. theol. lat. f. 679, Innenseite des vorderen Einbanddeckels
15. Jahrhunderts an verschiedenen Orten in Mitteldeutschland entstanden sind.20 Der jüngste Teil dieser Handschrift entstand 1476, der Einband entstand im selben Jahr. Das lesen wir in einem Vermerk des Buchbinders auf der Innenseite des Vorderdeckels: „Didericus Underberch custos ecclesie ad beatam Mariam virginem in Gottingen ligavit istum librum anno domini etc. lxxvi et fecit illud in duabus diebus“21 (Abb. 4). Als Küster der Marienkirche war Dietrich Underberch kein professioneller Buchbinder, dennoch belegt der heute etwas lädierte Einband, den er angefertigt hat, dass er dieses Metier bestens verstand. Als Küster war er offensichtlich auch für die Pflege der Bücher der Kirchenbibliothek zuständig. Der Zusatz in duabus diebus („in zwei Tagen“) muss wohl als Beleg seiner achtenswerten handwerklichen Leistung verstanden werden. Dietrich Underberch meinte vermutlich in nur zwei Tagen. Seine sachkundigen Zeitgenossen werden den Wink sofort verstanden haben.22 Soweit zu den Signaturen der Buchbinder. Kommen wir zu den Schreibern. Während im Früh- und Hochmittelalter Schreiber ihre Namen nur selten in ihre Handschriften eingetragen haben, kommen solche Einträge im Spätmittelalter, besonders im 15. Jahrhundert, in vielleicht 15 % der erhaltenen Handschriften aus dem deutschen Sprachgebiet vor. Aus diesem Befund ergibt sich, dass wir heute den Namen einiger Tausend mittelalter licher Schreiber kennen. Von vielen Schreibern ist nur eine einzige signierte Handschrift vorhanden, von einigen Schreibern kennen wir mehrere Dutzend Handschriften, sodass es 20 Berlin, Staatsbibliothek zu Berlin, Ms. theol. lat. fol. 679. 21 In Übersetzung: „Dietrich Underberch, Küster der Marienkirche in Göttingen hat dieses Buch im Jahr 76 gebunden und zwar in zwei Tagen“. 22 Zu dieser Handschrift s. Becker, Brandis 1985 (wie Anm. 15), S. 197 – 200. Ein fast gleichlautender Vermerk von der Hand Dietrich Underberchs findet sich in einer ebenfalls aus Göttingen stammenden Handschrift, die 1473 gebunden wurde (Hannover, Niedersächsische Landesbibliothek, Ms XXIII 779, Konvolut 1, hier Bl. 10r); zu dieser Handschrift s. Helmar Härtel, Felix Ekowski, Handschriften der Niedersächsischen Landesbibliothek Hannover. Erster Teil: Ms. I 1 – Ms I 174, Wiesbaden: Harrassowitz, 1989, S. 215.
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möglich ist, aufgrund der Angaben in den Kolophonen Teile ihrer Biographien zu rekonstruieren. Anhand eines Schriftvergleichs mit signierten Handschriften können nicht selten unsignierte Handschriften einem bestimmten, bereits namentlich bekannten Schreiber zugeschrieben werden. Da die Schrift vieler Schreiber nicht stabil ist, und da mancher Schreiber nachweislich mehrere Schriftarten verwendete, sind solche Zuschreibungen häufig unsicher. Dennoch ist ein Schriftvergleich in vielen Fällen möglich und führt das Ergebnis häufig zu gesicherten Erkenntnissen. Für paläographische und kodikologische Forschungen bilden Kolophone eine unerschöpfliche Quelle und eine Grundlage weiterführender Untersuchungen. Schreiber haben ihre Namen in der Regel nicht als Signatur oder, wie die Buchbinder, als gestempelten Namenszug in ihre Handschriften eingetragen, sondern in Kolophonen. In der Paläographie ist ein Kolophon ein Vermerk, in der Regel von der Hand des Schreibers, in dem mindestens eines der folgenden Elemente vorhanden ist: der Name des Schreibers, eine Datierung seiner Arbeit oder die Nennung des Ortes, an dem der Schreiber gearbeitet hat. Zusätzlich zu diesen drei Elementen finden wir in Kolophonen manchmal Angaben zum Auftraggeber der Handschrift, zur Bezahlung des Schreibers, zur Vorlage und Korrektur der abgeschriebenen Texte oder zu den räumlichen und physischen Bedingungen, unter welchen der Schreiber gearbeitet hat.23 Manchmal drückt der Schreiber in einem Kolophon seine Genugtuung über den Abschluss seiner Arbeit aus und macht dem Leser klar, dass die Arbeit mühsam war und die Bezahlung schlecht. Der Schreiber kann sich in seinem Kolophon für mögliche Fehler entschuldigen. Gelegentlich bittet er, erleichtert über das Ende seiner Mühen, um Gottes Gnade, ein Gebet des Lesers, ein Glas Wein oder sogar um ein schönes Mädchen. Es ist nicht immer auszumachen, inwieweit solche Vermerke und Äußerungen Ausdruck eines real empfundenen Gemütszustandes sind oder vielmehr floskelhafte Gemeinplätze.24 Betrachten wir einige Kolophone etwas genauer. In einer theologischen Sammelhandschrift, die vermutlich aus einem Zisterzienserkloster in Österreich stammt und nach den Merkmalen der Schrift in die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts zu datieren ist, lesen wir auf Bl. 60r: „Explicit glosa epistolarum dominicarum. Per manus Petri de Korunow“ 23 Eine brauchbare Definition des Begriffes „Kolophon“ bietet Herrad Spilling, Kolophon, in: Lexikon des Mittelalters 5 (1991), Sp. 1273 – 1274. Weitere Definitionen: Denis Muzerelle, Vocabulaire codicologique. Répertoire méthodique des termes francais relatifs aux manuscrits, Paris : CEMI, 1985, S. 136; Marilena Maniaci, Terminologia del libro manoscritto, Roma: Istituto centrale per la patologia del libro, 1996, S. 227. Zur Begriffsbestimmung s. auch Lucien Reynhout, Pour une typologie des colophons de manuscrits occidentaux, in: Gazette du livre médiéval 13 (1988), S. 1 – 4; Thérèse Glorieux-De Gand, Ann Kelders, Formules de copiste. Les colophons des manuscrits datés. Brüssel: Bibliothèque royale Albert Ier, 1991, S. 21 – 39; Paola Supino Martini, Il libro e il tempo, in: Emma Condello, Giuseppe De Gregorio (Hrsg.), Scribi e colofoni. Le sottoscrizioni di copisti dalle origini all’avento della stampa, Spoleto: Centro italiano di studi sull’alto medioevo, 1995, S. 3 – 33; Albert Derolez, Pourquoi les copistes signaient-ils leurs manuscrits?, Ibid., S. 37 – 56. 24 Bénédictins du Bouveret, Colophons de manuscrits occidentaux des origines au XVIe siècle, Bd. 1 – 6, Freiburg: Éditions universitaires, 1965 – 1982 (Spicilegii Friburgensis subsidia, 2 – 7); Lucien Reynhout, Formules latines de colophons, Turnhout: Brepols, 2006 (Bibliologia, 25 A–25B), Bd. 1, S. 17 – 43.
Signaturen in mittelalterlichen Handschriften – Miniatoren, Buchbinder, Schreiber, Autoren | 35
5 Signatur des Schreibers Petrus de Korunow, Österreich (?), zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts, Berlin, SBB-PK, Ms. theol. lat. qu. 270, Bl. 60r
6 Signatur des Schreibers Christian Valli de Soltwedel, Staßfurt, 1471, Berlin, SBB-PK, Ms. theol. lat. qu. 335, Bl. 168v
(Abb. 5). In diesem graphisch hervorgehobenen Kolophon am Ende der ersten der insgesamt fünf kodikologischen Einheiten, aus denen die Handschrift zusammengesetzt wurde, finden wir weder eine Datierung noch eine Lokalisierung, nur den als eine Signatur zu lesenden Namen des Schreibers. „Korunow“ ist wohl der slawische Name des nordöstlich von Berlin liegenden Zisterzienserklosters Chorin. Der Schreiber nennt im Kolophon auch den Titel des Werkes, das er gerade abgeschrieben hat, in diesem Fall eine ohne Verfassername überlieferte Erklärung der Epistelperikopen, die sonntags in der Messe verlesen wurden. Nennungen von Autoren und Werken kommen in Kolophonen häufig vor; nicht wenige Werke können nur anhand solcher Angaben in Kolophonen identifiziert werden, denn mittelalterliche Handschriften enthalten keine Titelseiten; Verfasser und Titel werden nicht immer in der Überschrift zu Beginn eines Werkes genannt.25 Das zweite Kolophon ist ergiebiger: „Explicit Expositorium decalogi (id est decem preceptorum) bonum et utile. Scriptum in Stasfordia anno domini 1471 per me Cristianum Soltwedel“ (Abb. 6).26 In diesem Kolophon finden wir nicht nur den Titel des Werkes, sondern auch den Namen des Schreibers, der es abgeschrieben hat, dazu eine Datierung auf das Jahr 1471 und den Namen des Ortes, in dem der Schreiber tätig war. Der Ort ist mit der Stadt Staßfurt (zwischen Magdeburg und Leipzig) zu identifizieren, während der Zuname des Schreibers wohl auf seinen Heimatort Salzwedel (in der Altmark) verweist. Christian Soltwedel war, wie die Kolophone in anderen Handschriften seiner Hand belegen, bis 1502 an mehreren Orten in Mittel- und Norddeutschland tätig. Ab 1490 war er, wie seine Kolophone und einige Besitzvermerke ebenfalls belegen, capellanus im Nonnen25 Berlin, Staatsbibliothek zu Berlin, Ms. theol. lat. qu. 270. Zu dieser Handschrift s. Gerard Achten, Die theologischen lateinischen Handschriften in Quarto der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz Berlin. Teil 2: Ms. theol. lat. qu. 267 – 378, Wiesbaden: Harrassowitz, 1980, S. 28 – 33. 26 In Übersetzung: „Hier endet eine gute und nützliche Erklärung des Dekalogs oder der Zehn Gebote. Geschrieben in Staßfurt im Jahr unseres Herren 1471 durch mich, Christian Soltwedel“ (Berlin, Staatsbibliothek zu Berlin, Ms. theol. lat. qu. 335, Bl. 168v). Zu dieser Handschrift s. Achten 1980 (wie Anm. 25), S. 145 – 149.
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kloster St. Johannes Evangelist in Lübeck.27 Dorthin hat er die Handschrift, deren Kolophon wir soeben gelesen haben, offensichtlich mitgenommen, denn auf Bl. 1r derselben Handschrift lesen wir einen Besitzeintrag von der Hand unseres Schreibers: „Hic liber est Christiani Valli capellani monialium Lubec Sancti Johannis ewangeliste. Anno Domini 1490“28 (Abb. 7). Hier, wie auch in einigen weiteren Handschriften seiner Hand, hat sich der Schreiber Christian aus Salzwedel den lateinischen Zunamen „Valli“ zugelegt. Diesen Befund nehme ich zum Anlass, darauf hinzuweisen, dass sich Schreiber in ihren Kolophonen nicht selten unterschiedlich nennen. Manchmal geben sie sich, wie Christian aus Salzwedel, einen lateinischen Nachnamen. Besonders dann, wenn sie Kleriker sind, sagen sie uns, welchem Orden sie angehören oder aus welcher Diözese sie stammen. Darüber hinaus wechselt die Buchstabierung des eigenen Namens manchmal erheblich: Schreiber des Mittelalters schreiben den eigenen Namen nicht immer gleich, eine Vorgehensweise die wir heute kaum nachvollziehen können. Die Unterschriften vieler mittelalterlicher Schreiber sind somit nicht stabil; die heute übliche Identität, die eine Person mit ihrem Namen verbindet, war im 15. Jahrhundert offensichtlich nicht vorhanden. Kommen wir zum dritten Kolophon, diesmal in einer der sehr wenigen Handschriften, die nachweislich in Berlin entstanden sind. Es handelt sich um eine 1471 entstandene moraltheologische Sammelhandschrift, die vom Dominikaner Johannes Derne signiert wurde.29 Das Kolophon auf Bl. 253r lautet: „Ffinitum et completum per me fratrem Johannem Derne conventus Tremoniensis ordinis predicatorum, tunc temporis studens theoloye in Berlin. Sub anno Domini 1471, feria quinta post Letare etc.“ 30 (Abb. 8). Das Wort Letare bezieht sich auf „Sonntag Laetare“, das ist der nach dem Anfangswort des Introitus in der Messliturgie benannte vierte Fastensonntag. 1471 fiel Sonntag Laetare auf den 24. April, der Donnerstag danach somit auf den 28. April. An diesem Tag hat der Schreiber Johannes Derne seine Arbeit beendet. Die Schrift des Schreibers und auch der Inhalt des Kolophons belegen, dass der Schreiber, ein Angehöriger des Dominikanerordens, ein gut geschulter, belesener Mensch war. Seine flüssige, gut lesbare Schrift zeigt uns, dass er es gewöhnt war, zu schreiben. Wie viele seiner Mitbrüder wurde er für eine gewisse Zeit aus seinem eigenen Kloster, dem Dominikanerkloster in Dortmund, in ein anderes Kloster seines Ordens versetzt, in diesem Fall nach Berlin, um im dortigen studium Theologie zu studieren. Erwähnungen dieser Art fin27 Zum Schreiber Christian aus Salzwedel alias Christianus Valli s. Hermann Knaus, Ein wandernder Schreiber und Buchbinder des ausgehenden Mittelalters, in: Gutenberg-Jahrbuch 1973, S. 63 – 70. Weitere, nicht bei Knaus genannten Handschriften von der Hand Vallis: Trier, Bistumsarchiv, Abt. 95 Nr. 67; Gotha, Forschungsbibliothek, Chart. B. 235. 28 In Übersetzung: „Dieses Buch gehört Christian Valli, Kapelan bei den Nonnen von Sankt Johannes Evangelist in Lübeck. Im Jahr des Herren 1490“. 29 Berlin, Staatsbibliothek zu Berlin, Ms. theol. lat. qu. 370. Zu dieser Handschrift s. Achten 1980 (wie Anm. 25), S. 218 – 220. 30 In Übersetzung: „Beendet und fertiggestellt durch mich, Bruder Johannes Derne aus dem Dominikanerkloster in Dortmund, zurzeit Student der Theologie in Berlin. Im Jahr 1471, am Donnerstag nach Letare“.
Signaturen in mittelalterlichen Handschriften – Miniatoren, Buchbinder, Schreiber, Autoren | 37
8 Kolophon des Schreibers Johannes Derne, erlin, 1471, Berlin, SBB-PK, Ms. theol. lat. qu. 370, B Bl. 253r
7 Besitzvermerk des Schreibers Christian Valli de Soltwedel, Lübeck (?), 1490, Berlin, SBB-PK, Ms. theol. lat. qu. 335, Bl. 1r
den wir häufig in Kolophonen von Handschriften von Angehörigen der Bettelorden (Dominikaner, Franziskaner, Karmeliten und Augustiner-Eremiten). Bettelmönche waren mobil und somit häufig unterwegs, nicht nur für Aufenthalte in dem einen oder anderen studium ihres Ordens, sondern auch zum Predigen und für die Seelsorge in den zahlreichen von ihnen bedienten Pfarrkirchen und Frauenklöstern. Dieser Umstand war den Schreibern dieses Ordens offensichtlich so wichtig, dass sie ihn immer wieder in den Kolophonen der von ihnen geschriebenen Handschriften festgehalten haben. Nun gibt es in Handschriften zwar häufig Kolophone mit Schreibernamen, Lokalisierungen und Datierungen, aber nicht in allen Jahrhunderten und in allen Textgattungen gleichermaßen. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass Kolophone und damit auch Schreibersignaturen in Handschriften des Früh- und Hochmittelalters nur selten vorkommen. Im 12. und 13. Jahrhundert gibt es sie schon häufiger, aber erst ab dem späteren 14. Jahrhundert finden wir sie regelmäßig. Die meisten Schreiber, die wir namentlich kennen, waren im 14. und 15. Jahrhundert tätig. Dennoch enthalten spätmittelalterliche Stundenbücher, Gebetbücher und Bibeln sowie patristische und liturgische Handschriften nur selten Kolophone, theologische, juristische und philosophische Handschriften dagegen weit häufiger. Dieser Befund könnte dadurch erklärt werden, dass Schreiber überwiegend solche Handschriften signiert haben, die für den eigenen Gebrauch, für das eigene Kloster oder für einen namentlich bekannten Auftraggeber bestimmt waren. Wenn sie dagegen Handschriften für unbekannte Personen oder Einrichtungen, weltliche oder kirchliche, geschrieben haben, haben sie ihre Arbeit in der Regel nicht mit dem eigenen Namen, einer Datierung oder einer Lokalisierung beendet.31 Dasselbe ergibt sich, wenn Schreiber in einer Schreiberwerkstatt pro pretio („gegen Bezahlung“) arbeiteten. Auch solche Hand31 Vgl. Eef Overgaauw, Where are the colophons? On the frequency of datings in late-medieval manuscripts, in: Rita Schlusemann, Jos. M. M. Hermans (Hrsg.), Sources for the history of medieval books and libraries, Groningen: Forsten, 1999, S. 81 – 93.
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schriften sind nur selten signiert. So lässt sich befriedigend erklären, warum Gebet- und Stundenbücher, die meist auf Bestellung und gegen Bezahlung geschrieben und illuminiert wurden, nur selten von ihren Schreibern signiert wurden. Und wenn es schon Kolophone in Handschriften dieser Art gibt, belegen diese, dass der Schreiber diese Handschriften für eine Person in seiner unmittelbaren Umgebung geschrieben hat. Dagegen wurden zwei der drei theologischen Handschriften des 15. Jahrhunderts, deren Kolophone hier präsentiert werden, nachweislich für den eigenen Gebrauch des Schreibers geschrieben. Die Signatur eines Schreibers in einer mittelalterlichen Handschrift ist somit als Beleg für eine enge Verbindung zwischen dem Schreiber und seiner Arbeit zu verstehen. Kolophone, in denen Schreiber verdeckt oder öffentlich Werbung für ihre bezahlte Arbeit machen, sind dagegen äußerst selten. Soweit zu den Signaturen der Schreiber. Widmen wir uns jetzt der vierten und letzten Kategorie der Signaturen, den Autorensignaturen. Es sind nicht wenige mittelalterliche Handschriften erhalten geblieben, deren Schreiber auch der Verfasser eines oder mehrerer der in diesen Handschriften erhaltenen Werke ist.32 Solche Handschriften sind somit als Autographe (eigenhändige Handschriften) zu bezeichnen. Handschriften, in denen der Schreiber uns in einem Kolophon oder in einem andersartigen Vermerk darüber unterrichtet, dass er auch der Verfasser der von ihm abgeschriebenen Werke ist, sind jedoch äußerst selten. Ein Beispiel eines solchen Autographen ist eine Handschrift im Historischen Archiv der Stadt Köln mit De quattuor coaequaevis des Albertus Magnus. Laut Kolophon am Ende dieses Werkes wurde diese Handschrift 1446 in Köln von Heinrich Bays de Breda für den damaligen Lizentiaten und späteren Kölner Theologieprofessor Johannes de Berka geschrieben.33 Nach dem Schluss des Werkes des Albertus Magnus hat Johannes de Berka einige Notizen seiner Hand und eine Tabula, ein analytisches Inhaltsverzeichnis zu der Schrift des Albertus Magnus hinzugefügt. Am Ende dieser Tabula heißt es auf Bl. 153v: „Hanc tabulam scripsi anno LX7. Jo. de Berka“34. Es ist ein knappes, aber aussagekräftiges Kolophon, das die Identität des Schreibers und des Verfassers der Tabula eindeutig belegt. Das zweite Beispiel einer Autorensignatur stammt von dem bei Altgermanisten wohlbekannten, aus Württemberg stammenden Lieddichter und Chronikschreiber Michel Be32 Zur Bestimmung und Auswertung von Autographen des Mittelalters s. Francoise Gasparri, Authenticité des autographes, in: Paolo Chiesa, Lucia Pinelli (Hrsg.), Gli autografi medievali. Problemi paleografici e filologici, Spoleto: Centro italiano di studi sull’alto medioevo, 1994, S. 3 – 22; Colette Sirat, Writing as handwork. A history of handwriting in Mediterranean and western culture, Turnhout: Brepols, 2006 (Bibliologia, 24), S. 475 – 486; Eef Overgaauw, Comment reconnaître un autographe du moyen âge?, in: Natasa Golob (Hrsg.), Medieval autograph manuscripts. Proceedings of the XVIIth Colloquium of the Comité international de paléographie latine held in Ljubljana, 7 – 10 September 2010, Turnhout: Brepols, 2013 (Bibliologia, 36), S. 3 – 15; Teresa De Robertis, Una mano tante scritture. Problemi di metodo nell’identificazione degli autografi, in: Ibid., S. 17 – 38. Deutschsprachige Autographe des Mittelalters sind nur von ganz wenigen Autoren erhalten geblieben; vgl. Joachim Bumke, Die „Nibelungenklage“: Synoptische Ausgabe aller vier Fassungen, Berlin: De Gruyter, 1999, S. 62 – 63. 33 Köln, Historisches Archiv, GB fol. 193. Zu dieser Handschrift s. Joachim Vennebusch, Die Handschriften des Stadtarchivs Köln. Teil 1: Die Folio-Handschriften der Gymnasialbibliothek, Köln-Wien: Böhlau,1976, S. 172 – 173. 34 In Übersetzung: „Diese Tabula habe ich im Jahr 67 geschrieben. Johannes de Berka“.
Signaturen in mittelalterlichen Handschriften – Miniatoren, Buchbinder, Schreiber, Autoren | 39
9 Signatur des Verfassers Michel Beheim, Wien (?), 1457 – 1465, Heidelberg, Universitätsbibliothek, cpg 312, Bl. 1r
heim (ca. 1426 – ca. 1486). Beheim war an mehreren Orten in Süddeutschland und Österreich als Dichter tätig, die er in seinen Werken nennt. In einer im Zeitraum 1457 – 1465 überwiegend in Wien entstandenen Handschrift mit seinen Liedern hat er auf dem ersten Blatt am oberen Rand folgende Notiz eingetragen: „In disem buch sten michel behams getiht genotirt und mit seiner hant geschrifft geschriben. Unde dise ersten geticht sten in seiner zug weisz und daz allererst sagt vom dem heilgen geist“ (Abb. 9).35 Auch wenn Beheim hier in der dritten Person über sich spricht, besagt diese Notiz eindeutig, dass er nicht nur der Verfasser, sondern auch der Schreiber der nachfolgenden Lieder ist. Durch diese Signatur bekräftigt er seine Autorschaft und bestätigt er die Authentizität seiner Lieder.36 Das dritte Beispiel eines vom Autor signierten Autographen ist etwas komplizierter. Wir finden seine Signatur in einem Zusatz zu einer Sammlung lateinischer Heiligenlegenden, die 1450 in Frankfurt für den Patrizier Erasmus Kemmerer geschrieben wurde.37 Kemmerer starb bereits 1452. Nach seinem Tod gelangten seine Handschriften ins Frankfurter Dominikanerkloster. Im späten 15. Jahrhundert wurde das Legendar aus seinem Besitz wohl dort mit einem 1486 abgeschlossenen Register zum inhaltsreichen Speculum historiale des Vinzenz von Beauvais zusammengebunden (Bl. 216r – 231r). Zu Beginn dieses ergiebigen Registers (Bl. 216r) hat der Schreiber, der Dominikaner Heinrich Keyserswerde, einen Vermerk eingetragen, der belegt, dass er nicht nur der Schreiber, sondern auch der Autor dieses Registers ist. Hier lesen wir zunächst den Schreibervers „Jhesus 35 Heidelberg, Universitätsbibliothek, cpg 312, Bl. 1r. 36 Zu Michel Beheim und seinen Autographen s. Ulrich Müller, Beheim, Michel, in: Verfasserlexikon. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin-New York: De Gruyter, 1978, Sp. 672 – 680. Zur Handschrift s. Matthias Miller, Karin Zimmermann, Die Codices Palatini germanici in der Universitätsbibliothek Heidelberg, Wiesbaden: Harasssowitz, 2007, S. 43 – 46. Zu dem zitierten Vermerk Beheims in Heidelberg, Universitätsbibliothek, cpg 312 und zu einigen weiteren Autorensignaturen Beheims s. Friederike Niemeyer, Ich Michel Pehn. Zum Kunst- und Rollenverständnis des meisterlichen Berufsdichters Michel Beheim. Frankfurt am Main: Peter Lang, 2001, S. 192 – 195. 37 Frankfurt, Stadt- und Universitätsbibliothek, Ms. Praed. 43. Zu dieser Handschrift s. Gerhardt Powitz, Die Handschriften des Dominikanerklosters und des Leonhardstifts in Frankfurt am Main, Frankfurt am Main: Vittorio Klostermann, 1968, S. 97 – 104, hier S. 104. Digital: http://sammlungen.ub.uni-frankfurt.de/msma/content/titleinfo/3889711 (abgerufen am 29. 8. 2021).
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10 Kolophon des Verfassers Heinrich Keyserswerde, Frankfurt am Main, 1486, Frankfurt am Main, Stadt- u. Universitätsbibliothek, Ms. Praed. 43, Bl. 216r
Maria Anna nos recreant celesti manna“ mit der Datierung 1486. Etwas weiter unten schreibt Keyserswerde: Eo ictu ego frater Henricus Keyserswerde conventus Coloniensis filius nativus, hac autem vice huius conventus supprioris gerens umbram hanc sequentem exilem tabulam pro aliquali manuduccione super Speculo huius conventus scilicet Francfordiensis et similibus in Augusta impressis iuxta eius quotaciones confeci. Et per me transita et omissa per quoscumque legentes addi aut compleri atque errata corrigi estuanter flagito, precipue cum hoc currenti tempore, scilicet anno salutis nostri Mo CCCC LXXXVI in Vigilia sanctificationis gloriose Marie inchoatum sit legi ad collacionem serotinam38 (Abb. 10).
38 In Übersetzung: „Deshalb habe ich, Bruder Heinrich Keyserswerde, ein Angehöriger des Kölner Konvents, nach dem Konventswechsel aber Gehilfe des Subpriors (in Frankfurt), das folgende kleine Register angefertigt, gewissermaßen als Wegweiser durch das Exemplar des Speculum des Frankfurter Konvents und ähnliche Augsburger Drucke und zwar mit Verweis auf die Buch- und Kapiteleinteilung (quotaciones). Und jeden Leser bitte ich in aller Dringlichkeit, das, was ich übergangen und vergessen habe, hinzufügen und nachzutragen, ebenso Irrtümer richtigzustellen, vor allem weil ich aufgrund der forteilenden Zeit, das heißt im Jahr unseres Heils tausend vierhundert und sechsundachtzig, am Vorabend des Festes der unbefleckten Empfängnis Mariä (7. Dezember 1486) die Kollation erst spät in Angriff genommen habe“.
Signaturen in mittelalterlichen Handschriften – Miniatoren, Buchbinder, Schreiber, Autoren | 41
Es kommt gelegentlich vor, dass ein Schreiber in einem Kolophon seine Leser darum bittet, eventuelle Fehler zu korrigieren. Die in diesem Zusammenhang seltene Verwendung des Wortes „ego“ lehrt uns aber, dass der Schreiber Heinrich Keyserswerde auch der Verfasser der Tabula ist. Das Kolophon ist somit als eine etwas umständliche Autorensignatur zu lesen. Autorensignaturen dieser Art sind im deutschen Sprachgebiet bis 1500 sehr selten. Wenn es in einem Autograph ein Kolophon gibt, ist dieses Kolophon nicht anders redigiert als die zahlreichen Kolophone von Schreibern, die nicht auch Verfasser sind. Der Schreiber spricht in diesen Kolophonen über sich und seine Arbeit in der dritten Person und nicht, wie Johannes de Berka und Heinrich Keyerswerde, in der ersten Person. Es reicht somit nicht aus, sich bei der Frage, ob eine signierte Handschrift ein Autograph ist, auf die Angaben im Kolophon in dieser Handschrift zu verlassen, denn im Kolophon ist keine Antwort auf diese Frage vorhanden. Aus unbekannten Gründen haben Schreiber sich nur höchst selten als Autoren in den von ihnen selber geschriebenen Handschriften mit ihren Werken an den Leser gerichtet. Eindeutig signierte mittelalterliche Autographe sind so selten wie signierte Miniaturen. Die Frage, wie man dennoch feststellen kann, ob eine signierte mittelalterliche Handschrift wahrscheinlich (oder mit Sicherheit) ein Autograph ist, habe ich an anderer Stelle behandelt.39
Fazit Signierte Miniaturen in mittelalterlichen Handschriften sind selten; sie sind sehr unterschiedlich gestaltet. Dagegen sind mehrere Hundert Bucheinbände des 15. Jahrhunderts, die von dem Buchbinder signiert wurden, bis heute erhalten geblieben. Wir finden die Signaturen von Buchbindern in Prägestempeln auf den von ihnen gebundenen Handschriften und Inkunabeln, überwiegend in der Gestalt eines Schriftbandes. Schreiber (meist Männer, selten Frauen) haben uns ihre Signaturen in den Kolophonen mehrerer Tausend Handschriften des Spätmittelalters hinterlassen, meist in Verbindung mit Angaben zu Zeit, Ort und Kontext ihrer Schreibarbeit. Eigenhändige Namenszüge von mittelalterlichen Autoren, die ohne weitere Ermittlungen als ihre Signaturen zu betrachten sind, sind nur selten überliefert. Das ist wohl nicht deshalb so, weil sie fast alle verloren gegangen wären, sondern vielmehr, weil es solche Autorensignaturen in Deutschland bis 1500 nie in größerer Zahl gegeben hat.
39 Vgl. Overgaauw 2013 (wie Anm. 32).
Teresa De Robertis
L A RISCOPERTA DELLE MAIUSCOLE ANTICHE
Nel ristretto dominio della scrittura e dei libri, in modi che la minuzia dei dettagli può talvolta occultare, si replica quanto è dato vedere in quello più ampio, variegato e per sua stessa natura più esplicito delle opere d’arte: ovvero che nel corso del Quattrocento l’esperienza dell’antico si è declinata in modi quanto mai diversi a seconda dei luoghi, della stagione e quasi della generazione dei copisti, seguendo percorsi non lineari e facendo ricorso – in forma di citazioni puntuali o rielaborazioni personali – a materiali eterogenei, talvolta contradditori e perfino riconducibili ad antichità più o meno lontane, il tutto alimentato da curiosità e intenzioni di volta in volta filologiche, pratiche ed estetiche. Tutto questo non solo risulta chiaro confrontando copisti fra loro lontani per l’ambiente o per il momento in cui hanno operato, ma anche studiando la formazione dei repertori individuali o esaminando la storia, la provenienza e il senso di ogni singolo prelievo. Ciò nonostante il manoscritto “all’antica” o, come si è abituati a dire, umanistico è e fu da subito qualcosa di ben riconoscibile. Lo dimostra la facilità con cui chi ha compilato, nel marzo del 1418, l’inventario dello “scriptoio” di Cosimo dei Medici1 è riuscito a isolare nel complesso della collezione, intuendone novità e peculiarità, un non piccolo gruppo di libri accomunati da quei caratteri che ancora associamo al codice umanistico. La data dell’inventario è significativa almeno quanto il nome del proprietario della raccolta: il momento è quello del passaggio tra la fase sperimentale di un nuovo modello di libro e quella della sua consacrazione, cui non fu certamente estranea la circostanza che ha visto questi nuovi libri occupare uno spazio di rilievo nella collezione di un uomo che a Firenze molto contava. Non ancora trentenne, senza velleità di letterato e con interessi orientati in altra direzione, Cosimo possedeva già allora 63 manoscritti, che crebbero di numero negli anni successivi. Albinia de la Mare, cui dobbiamo la ricostruzione della raccolta, l’ha definita “quite 1
L’inventario si legge in Firenze, Archivio di Stato, fondo Mediceo Avanti il Principato, filza cxxix, alla c. 61r – v (ora consultabile all’indirizzo http://www.archiviodistato.firenze.it/map/unita–archivistica/ ?id=923 (consultato il 28. 07. 2021). Fu reso noto la prima volta da Fortunato Pintor, La libreria di Cosimo de’ Medici nel 1418, [per le] Nozze Della Torre-Guidotti, Firenze: Tip. Landi, 1902, che poi lo ripubblicò (con l’identificazione soltanto di pochi codici) in: Per la storia della libreria medicea nel Rinascimento. Appunti d’archivio, in: Italia medioevale e umanistica 3 (1960), pp. 189 – 210, pp. 190 – 9.
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an impressive one”.2 Considerando che c’erano in città, e c’erano state, biblioteche private di proporzioni quasi sbalorditive (quella di Salutati era di almeno 614 volumi,3 quella di Niccolò Niccoli4 alla sua morte ne avrebbe contati circa 800), il giudizio sembrerebbe eccessivo. Eppure, quella di Cosimo era davvero – in quel momento – una raccolta impressionante, ma più per qualità che per quantità dei pezzi. Nell’Inventario di Cosimo, su un totale di 63 volumi, 29 sono indicati come “di lettera antica”, 18 dei quali sono stati riconosciuti da Albinia de la Mare. Siamo perciò in grado di dire che il valore di tale etichetta non è univoco, ma dipende dall’esemplare cui è associata. E siccome l’autore dell’Inventario la usa sia per codici effettivamente antichi, risalenti a due o tre secoli prima,5 sia per copie moderne, spesso allestite appositamente per Cosimo,6 è evidente che nel primo caso egli intende banalmente dichiarare l’età del codice, mentre nel secondo caso riconosce e definisce un genere: una scrittura nuova, ma di imitazione, usata per libri nuovi che sembrano antichi, quali sono, per esempio, l’Hamilton 166 (Cicerone, nr. 19 dell’Inventario)7 copiato nel 1408 da Poggio Bracciolini (1380 – 1459) (Tafel 15) o il Laurenziano Pl. 68.13 (Cesare, nr. 5 o 6 dell’Inventario)8 di mano di Giovanni Aretino (1390 c.–post 1423). Assuefatti al nostro attuale modello di libro, dimenticando come esso dipenda totalmente da quello umanistico, fatichiamo a percepire quanto fortemente originali dovevano sembrare i due codici appena citati e – grazie a loro – la stessa intera raccolta di Cosimo, vero e proprio prototipo e riferimento ideale per molte future biblioteche. Non va infatti dimenticato che l’Hamilton 166 e il Laur. Pl. 68.13 sono parte di una più ampia costella2 Albinia C. de la Mare, Cosimo and his Books, in: Francis Ames-Lewis (ed.), Cosimo ‘il Vecchio’ de’ Medici, 1389 – 1464. Essays in commemoration of the 600th anniversary of Cosimo de Medici’s birth, Oxford: Clarendon Press, 1992, pp. 115 – 56, p. 116. I mss. che la studiosa ha individuato come appartenuti a Cosimo sono 76, 27 dei quali identificabili con altrettante voci dell’Inventario del 1418, i restanti entrati a far parte della raccolta in momenti successivi. 3 É il più alto numero d’ordine finora rintracciato su uno dei codici che gli sono appartenuti (Città del Vaticano, Biblioteca Apostolica Vaticana, Vat. lat. 668). Per la biblioteca di Salutati si veda l’esemplare lavoro di Berthold L. Ullman, The humanism of Coluccio Salutati, Padova: Antenore, 1963; aggiornamenti in Teresa De Robertis, Giuliano Tanturli, Stefano Zamponi (eds.), Coluccio Salutati e l’invenzione dell’Umanesimo, Firenze, Biblioteca Medicea Laurenziana, 2 novembre 2008 – 30 gennaio 2009, Firenze: Mandragora, 2008, pp. 345 – 361. 4 Per le vicende, la struttura e la consistenza della raccolta si veda Berthold L. Ullman, Philip A. Stadter, The Public Library of Renaissance Florence. Niccolò Niccoli, Cosimo de Medici and the Library of San Marco, Padova: Antenore, 1972, da integrare con la recensione di Filippo Di Benedetto, in: Studi Medievali, s. III, 14 (1973), pp. 947 – 60. 5 È il caso dei mss. Firenze, Biblioteca Medicea Laurenziana, Pl. 12.17, 19.16, 38.27, 47.12; una loro breve descrizione in de la Mare 1992 (v. nota 2), pp. 149 – 50. La riproduzione integrale di tutti i codici del fondo Plutei della Laurenziana è disponibile sul sito http://mss.bmlonline.it (consultato il 28. 07. 2021). L’accesso dal Catalogo aperto della BML opac.bmlonline.it (consultato il 28. 07. 2021) permette anche la consultazione della relativa bibliografia, alla quale tacitamente si rinvia. 6 Sono i nrr. 5, 6, 15, 16, 18, 19, 21, 22, 24 – 26, 28, 29, 31, 32 e 34 dell’Inventario; de la Mare 1992 (v. nota 2). 7 Berthold L. Ullman, The Origin and Development of Humanistic Script, Roma: Edizioni di Storia e Letteratura, 1960, pp. 27 – 30; Albinia C. de la Mare, The Handwriting of Italian Humanists, I/1, Oxford: Oxford University Press for the Association internationale de bibliophilie, 1973, pp. 75 – 6. 8 De la Mare 1992 (v. nota 2), p. 142.
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zione, formata da almeno quattordici pezzi accomunati da caratteristiche quasi seriali, certo accentuate dal fatto che molti di essi sono opera di un medesimo copista, Giovanni Aretino. La combinazione che lega questi manoscritti – e che al 1418 (ma almeno dal 1410) possiamo considerare ormai cristallizzata – è fatta di scrittura (del testo e dei titoli), impaginazione e decorazione. Di essa fanno parte altri dettagli di non immediata evidenza, ma di sostanza, come i dittonghi ripristinati, la corretta grafia di mihi e nihil e, nelle citazioni, un greco che deve essere graficamente plausibile, anche a costo – se non lo consentono l’antigrafo o le capacità dello scriba – di rimandarne la scrittura ad altro momento. I fatti sono noti e così la parte giocata da Firenze nel recupero delle “litterae quae sapiunt antiquitatem”, per usare parole di Poggio,9 entro un modello di libro ad esse coerente. E per quanto molto si sia aggiunto, grazie soprattutto alle ricerche di Albinia de la Mare,10 al quadro tracciato sessant’anni fa da Ullman11 e poi ampliato all’area veneta dalle riflessioni di Casamassima,12 i rapporti di forza e la cronologia relativa rimangono in sostanza invariati. Perché se da una parte è sempre più chiaro quanto sia stato precoce, originale e alla lunga produttivo il contributo di copisti padani (soprattutto veneti, ma con interessanti esperimenti tra Milano e Bologna), dall’altra continua a infoltirsi la pattuglia dei primi sperimentatori fiorentini di littera antiqua (insomma non ci sono solo Poggio e Niccoli) e arretra sempre più nel Trecento il momento in cui possiamo riconoscere i sintomi, le avvisaglie del processo che produrrà una scrittura e un libro nuovi. E una conferma indiretta, ma tutt’altro che insignificante, che quanto realizzato a Firenze preceda ogni altro tentativo italiano, può essere trovata nel fatto che proprio a Firenze prima che altrove è avvenuta la traslazione nel territorio attiguo della pratica artistica di quel dettaglio essenziale del nuovo modello di libro che sono le maiuscole antiche, la cui riscoperta rappresenta un episodio centrale dell’Umanesimo e del Rinascimento italiano, non solo nel campo della paleografia. Come le maiuscole, nessuno degli ingredienti che fanno il codice umanistico è in sé un’invenzione: ognuno di essi è il risultato di un prelievo effettuato da fonti, in modi e tempi diversi e, almeno all’inizio, senza un’intenzione che sembra superare l’occasione contingente. Per esempio, il greco delle citazioni non proviene dall’osservazione – seppure condotta da occhi capaci di vedere – delle forme in cui era scritto in qualche manoscritto 9 Poggio Bracciolini, Lettere, ed. Helene Harth, Firenze: Olschki, 1984 – 1987, vol. I, p. 151. 10 De la Mare 1973 (v. nota 7); ead., Humanistic Script: the First Ten Years, in: Franz Krafft – Dieter Wuttke (Hrsg.), Das Verhältnis der Humanisten zum Buch, Boppard: Kommission für Humanistenforschung. 1977, pp. 89 – 110; ead., A Palaeographer’s Odyssey, in: John Onians (ed.), Sight and insight. Essays on art and culture in honour of E. H. Gombrich at 85, London: Phaidon Press, 1994, pp. 89 – 107. 11 Berthold L. Ullman, More Humanistic Manuscripts, in: A. S. Osley (ed.), Calligraphy and Palaeography: Essays Presented to Alfred Fairbank on his 70th Birthday, London: Faber & Faber, 1965, pp. 47 – 53. 12 Emanuele Casamassima, Literulae Latinae. Nota paleografica, in: Stefano Caroti e Stefano Zamponi, Lo scrittoio di Bartolomeo Fonzio umanista fiorentino, Milano: Il Polifilo, 1974, pp. ix – xxxii. Per il ramo veneto si vedano inoltre James Wardrop, The Script of Humanism. Some Aspects of Humanistic Script 1460 – 1560, Oxford: Oxford University Press, 1963, e Elisabetta Barile, Littera antiqua e scritture alla greca. Notai e cancellieri copisti a Venezia nei primi anni del Quattrocento, Venezia: Istituto Veneto di Scienze, Lettere e Arti, 1994.
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antico, il più delle volte morfologicamente già corrotte, ma è l’esito di un’operazione filo logica resa possibile da una circostanza per così dire esterna, non codicologica: la riappropriazione di una lingua e della sua scrittura grazie all’insegnamento, prima, del dotto bizantino Emanuele Crisolora, venuto da Costantinopoli nel 1397, e poi di Guarino Veronese, dal 1410 al 1414.13 Altri dettagli discendono invece da qualcosa di effettivamente osservato in manoscritti antichi. Osservata, ma sicuramente non nel modello da cui sta trascrivendo (perché esso è necessariamente moderno), è la e caudata (ȩ) che Salutati resuscita intorno al 1356 nella prima sezione del ms. Firenze, Biblioteca Nazionale, Conv. soppr. J.1.28, contenente alcune lettere di Petrarca.14 La variante ricompare nel 1370, di nuovo in un codice di Salutati (London, British Library, Add. 11987: Seneca, Tragoediae e Albertino Mussato, Ecerinis),15 stavolta accanto al più vistoso dei marcatori umanistici, la legatura & per la congiunzione in un’esecuzione semplificata e travisata del ductus da cui si deduce il carattere esordiale dell’allografo. La legatura & del Seneca di Londra è una première assoluta non solo quanto al repertorio di Salutati, ma anche rispetto a ciò che gli sta intorno, tra Toscana e Veneto. Salutati può averla riprodotta dall’antigrafo (che non è noto) o averla osservata in altri codici della sua biblioteca, ma quello che va sottolineato è che & ed e caudata non hanno, in questa fase, altro valore che quello di citazioni erudite. Sono ancora dei semplici intarsi che non mutano la sostanza della scrittura.16 Per vedere come singole osservazioni e prelievi comincino a coagularsi, a reagire e a dar vita a qualcosa che si avvia a diventare un sistema grafico nuovo, seppure su basi antiche, bisogna arrivare all’ultimo decennio del Trecento. É a questi anni che si può datare con ragionevole approssimazione un gruppo ormai non piccolo di codici in cui sono testimoniati tentativi di correggere abitudini “gotiche” e che, sebbene imperfetti e limitati a poche pagine, sono però la necessaria premessa logica e il preludio di quanto avverrà verso la fine del secolo.17 In un caso è sopravvissuto un codice in cui è rimasto documentato nel vivo della pagina l’intero processo di trasformazione della scrittura (Firenze, Biblioteca Riccardiana, 264: Lattanzio, Institutiones).18 E trecentesco è il più antico, esplicitamente datato 13 Ne è prova il fatto che, durante il suo soggiorno fiorentino, in molti si rivolsero a Guarino perché integrasse di suo pugno i passi greci in codici nei quali erano stati lasciati spazi bianchi in attesa di una lezione corretta. 14 De Robertis, Tanturli, Zamponi 2008 (v. nota 3), pp. 314 – 16 (scheda di Teresa De Robertis e Sebastiano Gentile). 15 De Robertis, Tanturli, Zamponi 2008 (v. nota 3), pp. 318 – 19 (scheda di Sandro Bertelli). 16 Teresa De Robertis, Salutati tra scrittura gotica e “littera antiqua”, in: Concetta Bianca (ed.), Coluccio Salutati e l’invenzione dell’Umanesimo, Atti del Convegno internazionale (Firenze 29 – 31 ottobre 2008), Roma: Edizioni di Storia e Letteratura, 2010, pp. 369 – 399. 17 Teresa De Robertis, I primi anni della scrittura umanistica. Materiali per un aggiornamento, in: Robert Black, Jill Kraye and Laura Nuvoloni (eds.), Palaeography, Manuscript Illumination and Humanism in Renaissance Italy: Studies in Memory of A. C. de la Mare, London: The Warburg Institute, 2016, pp. 55 – 85. 18 Teresa De Robertis, Nuovi autografi di Niccolò Niccoli (con una proposta di revisione dei tempi e dei modi e del suo contributo alla riforma grafica umanistica), in: Scrittura e civiltà 14 (1990), pp. 105 – 17: il codice, di mano di Niccolò Niccoli, è databile a prima dell’arrivo di Crisolora a Firenze.
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(“Scriptus Florentie, anno Domini M°CCC° nonagesimo septimo die decima septima octobris”) e quasi compiuto esempio di libro umanistico, cioè il Valerio Massimo Vaticano Pal. lat. 906, la cui importanza risiede nel fatto che a una scrittura che non può non dirsi “all’antica” si combinano (ed è la prima volta che avviene con questa coerenza) lettere decorate col motivo dei “bianchi girari”.19 Ma se ciò assicura, al di là di ogni possibile dubbio, che il modello dei fiorentini – non importa se ideale o concreto – è riconoscibile in codici del secolo XII, va detto però che la ripresa della decorazione sembra avere preceduto, seppure di poco, quella della scrittura del testo. La più antica riesumazione dei “bianchi girari” è infatti osservabile in una sezione del Laur. Pl. 19 sin. 1 (ff. 171 – 224), trascritta nell’ultimo quarto del Trecento per completare un codice delle Antiquitates di Flavio Giuseppe databile alla fine del sec. XI o agli inizi del XII.20 La mano di questo restauro è la stessa del Vaticano Pal. lat. 906, ma in una fase ancora pienamente “gotica”: per questo è stridente, ma tanto più suggestiva, la contraddizione tra la littera textualis del testo e le sei rustiche iniziali a “bianchi girari”. Che queste iniziali potessero essere nel modello non rende meno interessante il fatto che il copista (perché ritengo sia lui il responsabile della decorazione) abbia deciso di riprodurle, forse per creare una continuità con la prima sezione del codice e con ciò intuendole come dettaglio utile a dare al proprio lavoro una patina d’antico. Il percorso che ha portato alla riscoperta delle maiuscole antiche che vanno a comporre l’alfabeto (meglio, gli alfabeti) dei titoli, che sono usate con funzione distintiva nel testo e che sono scelte per l’iniziale miniata (tre livelli che è bene tenere distinti) sembra essere partito ancor più da lontano e aver seguito strade in parte diverse. Per due ragioni: perché i modelli possibili sono rintracciabili in un territorio più vasto di quello del libro e perché, se un po’ di libertà è lasciata al copista medievale (le cui qualità si misurano in regolarità di scrittura e rigorosa fedeltà al modello grafico), questa si esprime proprio nell’uso delle maiuscole, meno soggette a norma e caricate di intenzioni calligrafiche e funzioni espressive. Il primo codice di tradizione fiorentina in cui troviamo a loro posto, in tutti e tre i livelli prima indicati, maiuscole che possano dirsi pienamente capitali è il ricordato Cicerone di Berlino (Hamilton 166) copiato da Poggio nel 1408. Già Ullman21 metteva in relazione la straordinaria qualità e coerenza delle capitali dei titoli (là dove si possono apprezzare anche valori non soltanto legati alla forma delle lettere, quali le reciproche relazioni e l’ordinatio) con le iscrizioni antiche, che Poggio ebbe modo di vedere e raccogliere già prima
19 Riproduzione digitale integrale all’indirizzo Digivatlib, alla segnatura, https://digi.vatlib.it/mss/ (consultato il 28. 07. 2021). Ha richiamato l’attenzione su questo ms. Giuseppe Billanovich, Alle origini della scrittura umanistica: Padova 1261 e Firenze 1397, in: Miscellanea Augusto Campana, Padova: 1981, vol. I, pp. 125 – 40. Si è discusso sull’eventualità che le iniziali possano essere state aggiunte in una fase successiva, ma l’averle trovate (anche se solo disegnate o parzialmente colorate) nel Laur. Pl. 76.1 (Cicerone), della stessa mano del Pal. lat. 906 ma sicuramente anteriore, credo chiuda la questione. Ho indicato un gruppo di manoscritti del Copista del 1397 (su cui ho in preparazione un lavoro) in De Robertis 2016 (v. nota 17). 20 Sonia Chiodo, Ad usum fratris … Miniature nei manoscritti Laurenziani di Santa Croce (secoli XI – XIII), Firenze: Mandragora, 2016, pp. 250 – 51. 21 Ullman 1960 (v. nota 7), pp. 54 – 56.
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della fine del 140322 e, con maggior profitto, durante gli anni romani. Certamente la visione delle rovine di Roma è stata decisiva (e non solo in questo momento storico) nella costruzione di una consapevolezza dell’antico. Ma se si esaminano con più attenzione le capitali di Poggio e degli altri fiorentini della sua generazione (anche quelle degli artisti), guardando più in là del generico disegno, il riferimento sembra più romanico che romano e il modello più intuito che riprodotto. Le lettere hanno tratti sviluppati più in verticale che in orizzontale, ciò che discende da abitudini “gotiche” non ancora messe sotto controllo e determina un andamento complessivo piuttosto serrato, solo in parte attenuato dall’uso di interpuncta; i tratti hanno sì spessori diversi, ma senza che ciò dipenda da una ragione geo metrica (ci si accontenta di tratti verticali più larghi alle estremità, di terminazioni a spatola che risolvono in modo approssimativo il problema delle ‘grazie’; le curve al contrario trovano il punto di massimo spessore a mezza altezza); le sequenze ammettono la presenza di segni abbreviativi che non avevano ragione di esistere in epoca antica.23 Prima del 1408 non abbiamo nulla di paragonabile al codice di Berlino, ma solo situazioni incoerenti (capitali nelle iniziali miniate, ma non titoli; titoli, ma con alfabeti mescidati; capitali solo nel testo, e così via), segno che un sistema di maiuscole “nuove” non si è ancora pienamente definito. Basta verificare quanto succede, in data anteriore al 1408, in codici di mano dello stesso Poggio. Nei cinque copiati per Niccoli, e che sono in assoluto le sue prime prove di copista, databili intorno all’anno 1400, mancano – pur essendo stati lasciati gli spazi per accoglierli – titoli e decorazione, mentre le maiuscole del testo sono, salvo qualche eccezione, di ascendenza capitale.24 Nel Laur. Strozzi 96 (Salutati, De verecundia, databile per ragioni di contenuto alla fine del 1405, troviamo sì tre iniziali capitali (ff. 1r N, 1v H, 28r Q) decorate a “bianchi girari”, ma titoli (ff. 1r, 1v, 27v, 28r) che, pur volendo essere di segno nuovo, ancora includono varianti o minuscole di tradizione gotica (fig. 1a).25 Analoghe situazioni (oscillazioni morfologiche, incertezze di realizzazione, difficoltà a gestire un assetto propriamente maiuscolo, ovvero a mantenere le lettere fra due linee parallele) si ripetono in codici di copisti noti o ignoti di questa primissima fase (un precoce esperimento nel Ricc. 549, di mano di luigi di ser Michele Guidi, sui cui si tornerà; fig. 1e). Esemplare in questo senso – perché non frenato dalla timidezza o dal rigore che sembrano ancora trattenere Poggio e Niccoli – è il cosiddetto Copista di Antonio Corbinelli (se non è lo stesso Corbinelli), attivo intorno al 1404 – 1406, nei cui codici si trova un 22 É Salutati a dirlo, in una lettera a Poggio del dicembre 1403 (XIII 15): “Ago gratias de cascis illis titulis, quos tam copiose, tam celeriter transmisisti. Video quidem te pauco tempore nobis Urbem totam antiquis epigrammatibus traditurum” (Epistolario di Coluccio Salutati, ed. Francesco Novati, vol. III, Roma: Istituto Storico Italiano per il Medioevo, 1896, p. 653). 23 Un esempio molto significativo di questa congerie di dettagli è dato, in questo volume, da Stefano Zamponi alla fig. 2. 24 Laurenziani S. Marco 262, 635, 643, 665, 690. Stessa situazione nei coevi mss. S. Marco 612 e 649 di mano di Niccoli. Nel Riccardiano 264 (v. nota 18) le incoerenti maiuscole al f. 1r sono coeve alla confezione del ms. (ante 1397), quelle – coerenti – a 19r sembrano aggiunta successiva. 25 Riproduzione integrale in Teresa De Robertis, Silvia Fiaschi, Giovanni Martellucci, Giuliano Tanturli, Stefano Zamponi (eds.), Coluccio Salutati. De verecundia. Tractatus ex Epistola ad Lucilium prima. Firenze, Biblioteca Medicea Laurenziana, ms. Strozzi 96, Firenze: Mandragora, 2010.
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ttimo e abbondante campionario di titoli.26 Richiamo l’attenzione in particolare sul Laur. o Pl. 20 sin. 11, che è il più antico dei manoscritti a lui ascrivibili, dove il titolo e l’iniziale semplice rossa denunciano la dipendenza da modelli del secolo XII (fig. 1b). Se ci si limita all’osservazione del dato morfologico, il Laur. 51.4 (fig. 1c) appare più avanzato in direzione del recupero di forme capitali (gli unici dati contraddittori sono D di forma onciale in “secundus”, U minuscola in “[C]um”, E in “duae”); ovviamente altra cosa è guardare a queste brevi sequenze per come sono state eseguite (rapporti fra i tratti, fra le lettere, allineamento, uso delle cosiddette ‘grazie’). Un qualche equilibrio sembra raggiunto nel Laur. Pl. 49.15 (a parte ciò che succede in “eiusdem”): si noterà che le lettere sono qui costrette in un sistema bilineare, con l’unica eccezione di I in “incipit” (ma si tratta di una lettera che continuerà sempre a sfuggire a questa impostazione) (fig. 1d). Una prospettiva privilegiata da cui osservare e ricostruire il repertorio delle maiuscole di un copista è (ed è sempre stata) la poesia, in ragione della secolare abitudine di far cominciare i versi con una lettera maiuscola. Di fatto la serie ordinata delle iniziali di verso costituisce nella pagina l’equivalente verticale dei titoli. Anche se sono meno di una decina (anche contando i frammenti) i codici di poesia copiati “all’antica” nel corso del primo quinquennio del Quattrocento, quei pochi bastano per verificare che, anche in questa particolare sede e funzione, l’uso di varianti maiuscole di diversa forma e origine è un dato costante.27 Per Poggio si possono vedere i fogli di sua mano nell’Orazio Vaticano Barb. lat. 65 (esemplare il caso del f. 88r con tre versi consecutivi inizianti tutti per M, per i quali ha usato prima una variante minuscola sovramodulata, poi la forma capitale, poi quella onciale: qui, credo, si tratti di un gioco consapevole),28 o nel Virgilio di Holkham Hall 30329 (in entrambi casi si tratta di restauri di parti mancanti di codici più antichi). Molto interessante, e non solo per come usa le iniziali di verso, è anche l’ignoto copista (sfuggito al censimento di quelli della prima generazione) del Vaticano lat. 2781 (Ovidio).30 Per non dire del caso famoso del Catullo Marciano Lat. XII 80 [4167], già assegnato alla mano del giovane Poggio ma ancora in cerca di un’attribuzione convincente e definitiva,31 in cui la pre26 A lui si devono i Laurenziani Pl. 45.9 (con qualche incertezza), 49.15, 51.4, 76,4, 20 sin. 11 (ff. 55r – 161), Conv. Soppr. 111 e 131: De Robertis 2016 (v. nota 17), nr. 48 – 50, 55 – 57 dell’Appendice e p. 74. 27 Mi risultano, in ordine cronologico: Paris, BNF, lat. 7942 (Virgilio), copiato da Iacopo Angeli; Laur. S. Marco 690 (Properzio, scriptio inferior), copiato da Poggio; Venezia, Bibl. Nazionale Marciana, Lat. XII 80 [4167] (Catullo); Laurenziani Pl. 37. 2 (Seneca, Tragoediae), 34.33 (Giovenale e Persio, datato 1404) e Conv. Soppr. 119 (ancora Seneca, Tragoediae) copiati da Luigi di ser Michele Guidi: cfr. De Robertis 2016 (v. nota 17), nr. 23, 37, 41, 44, 46, 47. A questi vanno aggiunti alcuni fogli che Poggio ha inserito in codici più antichi e che sono indicati nelle due note successive. 28 Marco Cursi, Un’ars poetica di mano di Poggio Bracciolini (Barb. lat. 65), in: Miscellanea Bibliothecae Apostolicae Vaticanae 19 (2012), pp. 205 – 28, con numerose tavole. 29 Riproduzioni in Suzanne Reynolds, A catalogue of the manuscripts in the library at Holkham Hall, 1. Manuscripts from Italy to 1500, part 1: Shelfmarks 1 – 399, Turnhout: Brepols, 2015, pp. 161 – 64 e 337. 30 Riproduzione digitale integrale all’indirizzo Digivatlib, alla segnatura, https://digi.vatlib.it/mss/ (consultato il 28. 07. 2021). Marco Buonocore, I codici di Ovidio presso la Biblioteca Apostolica Vaticana, in: Rivista di cultura classica e medioevale 37 (1995), pp. 7 – 55, p. 41. 31 Albinia de la Mare, Douglas F.S. Thomson, Poggio’s Earliest Manuscript?, in: Italia medioevale e umanistica 16 (1973), pp. 179 – 96, tavv. x – xiv. In seguito l’attribuzione a Poggio è stata revocata in dubbio
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(c) 1 Incertezze morfologiche e di realizzazione in codici fiorentini: (a) Poggio Bracciolini, c. 1400 – 1405, Firenze, Biblioteca Medicea Laurenziana, Strozzi 96; (b) Copista di Antonio Corbinelli, c. 1400 – 1405, Firenze, Biblioteca Medicea Laurenziana, Pl. 20, sin. 11, f. 55r; (c) Copista di Antonio Corbinelli, c. 1400 – 1405, Firenze, Biblioteca Medicea Laurenziana, Pl. 51.4, f. 40v; (d) Copista di Antonio Corbinelli, c. 1400 – 1405, Firenze, Biblioteca Medicea Laurenziana, Pl. 49.15, f. 62r; (e) Luigi di ser Michele Guidi, c. 1400 – 1405, Firenze, Biblioteca Riccardiana, 549, f. 56r.
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cocità dell’esperimento si misura nelle continue oscillazioni della mano che coinvolgono anche le maiuscole a inizio dei versi. Per la fase più antica è importante considerare, almeno come ipotesi di lavoro, che spetti al copista la responsabilità della progettazione e della realizzazione delle iniziali a “bianchi girari” e in particolare la scelta della morfologia della lettera attorno alla quale si avvolgono i tralci. Ho già detto che credo che l’autore della decorazione della seconda parte del Laur. Pl. 19 sin. 1 sia il copista, come suggeriscono la rusticità dell’esecuzione e soprattutto l’idea di fondo, potremmo dire l’ideologia di questo restauro. Quello della decorazione dei più antichi codici “all’antica” è capitolo ancora tutto da scrivere, ma quel che si può già dire è che, là dove di un copista rimane un piccolo gruppo di pezzi e scrittura e decorazione si evolvono in parallelo, è più probabile essere di fronte al lavoro di una sola persona che a quello di due perfettamente sincronizzate.32 Comunque sia, nelle prime iniziali a “bianchi girari”, a cominciare da quelle del Vaticano Pal. lat. 906, del 1397 (Tafel 16a – b), le maiuscole hanno forme che ripropongono in modo amplificato le caratteristiche già osservate per quelle di titoli e testo: proporzioni allungate (tant’è vero che l’area che le contiene è solitamente un rettangolo), assenza di ‘grazie’ e loro sostituzione con tratti eseguiti come triangoli allungati, resa rudimentale dell’alternanza di spessori (come nei mss. Laur. Pl. 76.4, Pl. 48.34 e Strozzi 96, tutti dei primi anni del secolo; Tafel 16c – f). L’unico copista che sembra intuire qualcosa delle potenzialità prospettiche di queste lettere, della loro radice epigrafica, è Luigi di ser Michele Guidi, che nel Laur. Conv. Soppr. 119 (Seneca) realizza capitali dal corpo non solo diviso da un tratto di penna ma acquarellato in due toni di colore, così da creare l’illusione di una faccia in luce e l’altra in ombra (Tafel 16 g – h). Se possiamo assumere, e non solo convenzionalmente, l’anno 1408 come data a partire dalla quale non è concepibile, in ambiente fiorentino, un codice “all’antica” che non abbia il suo corredo di titoli in lettere capitali, più difficile è dire quanto indietro si possa risalire alla ricerca delle tracce di un interesse per lettere che da tempo erano uscite dal repertorio di un copista di età moderna o gotica che dir si voglia. Quale esempio più antico e notevole non di isolate e poche varianti di modello capitale, ma di una loro combinazione quasi in tutto coerente, mi risulta il manoscritto appartenuto, anzi fatto allestire e postillato sul finire della sua vita dal cardinale Landolfo Colonna (1250 c. – 1331) e poi approdato nella biblioteca di Petrarca: il Parigino lat. 5690 (fig. 2).33 Nella sezione che contiene la prima Deca di Livio (ff. 43 – 168), alle sontuose iniziali istoriate dei libri II (f. 56r), III (f. 70r), IV (f. 86r), VI (f. 111v) e VII (f. 122r) segue, su due o più dalla stessa de la Mare, specie dopo quanto osservato da D. S. McKie, Salutati, Poggio and Codex ‘M’ of Catullus, in: J. Diggle, J. B. Hall, H. D. Jocelyn (eds.), Studies in Latin Literature and Its Tradition in Honour of C. O. Brink, Cambridge: 1989, pp. 66 – 86. 32 Lo si può constatare nei codici di mano di Luigi di ser Michele Guidi. Sulla questione è in preparazione un lavoro a cura di Diana Petrognani, che sul copista ha discusso la sua tesi di laurea. 33 Riproduzione integrale all’indirizzo BnF Gallica, https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b84386221. r=Latin%205690?rk=21459;2 (consultato il 28. 07. 2021). Per la ricchissima bibliografia del ms. rimando a BnF Archives et manuscrits, alla segnatura, https://archivesetmanuscrits.bnf.fr/ (consultato il 28. 07. 2021).
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2 (a) Maiuscole nel testo di mano del copista e, nell’illustrazione, di mano del miniatore, Paris, Bibliothèque Nationale de France, lat. 5690, f. 122r; (b) Mano del rubricatore, Paris, Bibliothèque Nationale de France, lat. 5690, f. 50r – v; (c) Postille di mano di Petrarca, Paris, Bibliothèque Nationale de France, lat. 5690, f. 25v.
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righe, l’incipit del testo scritto non soltanto in lettere che sono capitali per forma (fanno eccezione H minuscola ed E onciale; una sola volta è attestata la variante gotica di T), reciproca disposizione e uso di ‘grazie’ ai vertici dei tratti verticali, ma anche seguendo uno schema tipicamente epigrafico, usando intervalli diversi in modo da occupare tutto lo spazio disponibile e giustificare il testo, e separando le parole con una peculiare interpretazione dell’interpunctum. In mancanza di uno studio sistematico della tradizione trecentesca, è difficile attribuire un significato a questa presenza, se giudicarla l’affioramento di una vena sotterranea mai prosciugata o scelta individuale di un copista dotato ed estroso (perché gli incipit sono responsabilità sua, non del miniatore: l’abissale distanza tra i due immaginari grafici risulta in tutta la sua evidenza alla fig. 2a). È certo però che a quelle maiu-
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scole, non risultando mai usate nel testo, è riconosciuta implicitamente una funzione del tutto particolare. Nel Parigino lat. 5690 ci sono altre due mani che usano singole lettere di morfologia capitale (fig. 2b – c): una è la mano di colui che, solo nella sezione di Livio, scrive le rubriche marginali (non ho fatto un controllo completo, ma vedo A capitale in tre tratti da 50v, D da 45v, M da 50r, T da 55r), l’altra è quella di Petrarca (A in due tratti da 24v, da 25v la tipica M col secondo tratto breve e col terzo prolungato fino alla riga di base). E con Petrarca sembra di poterci incamminare su sentieri più battuti. Salvo dover subito ammettere che le sue maiuscole non sono ancora compiutamente indagate, pur costituendo “l’unico fatto grafico che in maniera inequivocabile richiami un rapporto (…) con modelli antichi”,34 e potendo fornire un argomento forte a chi ancora crede all’idea di una riforma grafica petrarchesca. Quanto visto nel Parigino e che si può vedere in altri mss. che gli sono appartenuti dà sostanza al sospetto, già avanzato da Casamassima, che innesti di varianti maiuscole nel contesto “moderno” siano “più diffusi di quanto non si supponga”, trovando “nella pagina del Petrarca soltanto l’attuazione più nota”35 e neanche la più significativa. Ben più importante, intensa, ricca di suggestioni è stata l’esperienza di Boccaccio quanto alle maiuscole, nonostante della sua scrittura siano stati dati in passato giudizi molto limitativi.36 L’approfondita e sistematica conoscenza degli autografi e del complesso della sua biblioteca37 (cosa che, a un livello paragonabile, ancora manca per Petrarca – ed è paradossale, dato il ruolo che gli si assegna nella storia della scrittura), ha messo in evidenza come, se si escludono le primissime prove di copista, quando era poco più che un bambino (1328 – 29), già a partire dal 1339 entrano stabilmente a far parte del suo repertorio le varianti capitali di D, H, M, N, V, sebbene mai in modo esclusivo. Altre varianti significative (A con tratto mediano e T) arriveranno intorno al 1360.38 Ma anche nel caso di Boccaccio, al di là dei dati morfologici, pur importanti, quello che più conta è come queste varianti si combinano nei numerosi esempi di titoli, di formule incipitarie o di chiusura e in qualche sottoscrizione, tutte situazioni, cioè, in cui ciò che è davvero significativo è la sintassi complessiva: le relazioni che le lettere stabiliscono fra loro in verticale e in orizzontale, sulla riga e in altezza, l’ordinatio, nonché la presenza di tratti esornativi, la posizione e 34 Stefano Zamponi, Il libro del Canzoniere: modelli, strutture, funzioni, in: Gino Belloni, Furio Brugnolo, H. Wayne Storey, Stefano Zamponi (eds.), Rerum vulgarium fragmenta. Codice Vat. Vat. 3195, Commentario all’edizione in facsimile, Roma–Padova: Antenore, 2004, pp. 13 – 72, p. 53. 35 Emanuele Casamassima, L’autografo Riccardiano della seconda lettera del Petrarca a Urbano V (Senile IX 1), in: Quaderni petrarcheschi 3 (1985 – 1986), pp. 1 – 175, p. 31. 36 Armando Petrucci, La scrittura di Francesco Petrarca, Città del Vaticano: Biblioteca Apostolica Vaticana, 1967, p. 88. 37 Mi limito a segnalare Teresa De Robertis, Carla Maria Monti, Marco Petoletti, Giuliano Tanturli, Stefano Zamponi (eds.), Boccaccio autore e copista, Firenze: Mandragora, 2013; Maurizio Fiorilla, Marco Cursi, Giovanni Boccaccio, in: Giuseppina Brunetti, Maurizio Fiorilla, Marco Petoletti (eds.), Autografi dei letterati Italiani. Le origini e il Trecento, vol. I, Roma: Salerno Editrice, 2013, pp. 43 – 103; Marco Cursi, La scrittura e i libri di Giovanni Boccaccio, Roma: Viella, 2013. 38 Utilissime le tavole di confronto in Cursi 2013 (v. nota 37), pp. 36 – 41.
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forma dei segni abbreviativi. E si noteranno subito due fatti importanti: che Boccaccio usa sequenze di lettere maiuscole quando lavora come copista, ma non negli autografi di opere proprie o nelle tre copie della sua edizione di Dante; che in queste situazioni, fin da esempi databili al 1338 – 39, è presenza costante l’interpunctum, che è proprio della tradizione epigrafica e serve a separare le parole, abbreviate e non. Nel primo caso si può pensare a un trasferimento ‘meccanico’ alla copia di qualcosa visto nel modello concreto (e dati i testi copiati non è difficile pensare che Boccaccio avesse davanti agli occhi codici dell’XI o XII secolo), là dove invece, nel progettare un libro ‘nuovo’, necessariamente contemporaneo, che non ha giocoforza alcun precedente se non materiali di lavoro, entrano in gioco i riferimenti alla cultura grafica del suo tempo.39 E se anche per l’interpunctum non si può escluderne la ripresa da modelli librari antichi, è pero indubbio che Boccaccio ebbe interessi epigrafici precoci e praticati in modi che non hanno termini di confronto nel suo tempo. Dalle Historiae di Riccobaldo da Ferrara ricava l’iscrizione padovana che un’errata tradizione riferisce allo storico Livio, trascrivendola in lettere maiuscole e tentando di immaginarne l’impaginazione (Laur. Pl. 29.8, f. 59v).40 Come una piccola stele è impostata una delle sue rare sottoscrizioni, stretta nel margine interno del f. 86v del codice Ambrosiano A 204 inf. (fig. 3a), in cui ogni maiuscola aspira, al di là del risultato, ad essere una capitale (e si noterà come la parola τέλος, scritta in corsiva a centro dell’ultima riga, contribuisca all’illusione richiamando quegli elementi decorativi che tanto spesso chiudono la pagina epigrafica).41 Negli anni Sessanta, ormai vecchio ma primo in tutto l’Occidente, riproduce (forse dal vero e non senza difficoltà) un’iscrizione greca, l’epitaffio per un cane trovato nei pressi di Firenze, “apud Sanctum Felicem ad Emam in quadam marmorea tabula” (Laur. Pl. 29.8, f. 45v):42 la sostanziale impenetrabilità del testo ha provocato non poche difficoltà a Boccaccio, ma paradossalmente ne ha guadagnato la qualità delle maiuscole, tutte latine (tranne per i pochi casi per cui non ha trovato un corrispondente utilizzabile: gamma e omega), tutte capitali e insolitamente sobrie, in ciò anticipatrici di cose che si vedranno decenni dopo. Vero e proprio divertissement grafico infarcito di varianti capitali (quelle che da subito sono adottate da Boccaccio), è il Notamentum della laurea di Petrarca, concepito
39 Cursi 2013 (v. nota 37), che ha raccolto, classificato e discusso tutte le 82 occorrenze (ampio campionario alle figg. 29 – 31), interpreta invece il ricorso a stringhe testuali in maiuscole distintive come un’abitudine giovanile (pp. 64 – 71). 40 Marco Petoletti, Gli Zibaldoni di Giovanni Boccaccio, in: Boccaccio autore e copista 2017 (v. nota 37), pp. 291 – 326 (descrizione dei manoscritti di Stefano Zamponi), p. 307. L’iscrizione originale, che un tempo si trovava nella basilica S. Giustina, dal 1547 è collocata nel Salone del Palazzo della Ragione a Padova: Theodor Mommsen (ed.), Corpus Inscriptionum Latinarum, vol. V, pars prior, Berlin: G. Reimer, 1872, p. 282 nr. 2865. Cornelia C. Coulter, Boccaccio’s archaeological knowledge, in: Amercan Journal of Archaeology 37 (1941), pp. 397 – 405, p. 404, riteneva che Boccaccio avesse visto l’epitaffio nel 1351 quando fece visita a Petrarca e pertanto che il testo derivasse da un’osservazione diretta. In realtà il titulus funebre era nello Zibaldone Laur. fin al 1339 – 40. 41 Boccaccio copiò il commento di s. Tommaso probabilmente a Napoli, negli anni Trenta: cfr. De Robertis, Monti, Petoletti, Tanturli, Zamponi 2017 (v. nota 37), pp. 348 – 50 (scheda di Marco Petoletti). Cursi 2013 (v. nota 37), p. 71, parla piuttosto di sottoscrizione in forma di glossa. 42 Petoletti 2017 (v. nota 40), pp. 293, 295, 313.
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poco dopo il 1341 come un ampio testo epigrafico, i cui riferimenti ideali vanno però individuati nelle iscrizioni coeve (Laur. Pl. 29.8, f. 73r). Gli esperimenti di Boccaccio, anche perché confinati nel suo “libro segreto”, non hanno avuto risonanza né effetti immediati, anche se nel circolo di chi ebbe accesso ai materiali autografi, forse in ossequio al loro speciale statuto, all’atto della copia le sue capitali sono passate negli apografi, quasi che siano state avvertite come un carattere peculiare di quei testi.43 Negli anni che seguono e fino allo scadere del secolo conosco solo due episodi di rilievo per la storia del recupero delle maiuscole antiche. Il primo è legato ancora una volta a Salutati, sebbene non sia lui il protagonista. Il codice ora Laur. 49.7, che gli arrivò da Milano nel 1392 grazie ai buoni uffici del suo omologo Pasquino Capelli, cancelliere di Gian Galeazzo Visconti, contiene una serie ricchissima di titoli in lettere capitali che sono il risultato di un’operazione filologica tipicamente umanistica. Al Laurenziano44 lavorarono quattro collaboratori del Capelli, probabilmente funzionari della sua cancelleria, che in poco tempo, dividendosi i fascicoli, trascrissero per Salutati un antico codice delle Familiares di Cicerone che allora si conservava a Vercelli e che è arrivato fino a noi (è oggi il Laur. 49.9). Disporre dell’antigrafo ci mette nella rara condizione di poter misurare la fedeltà dell’apografo non solo quanto al testo, ma anche quanto ai dati materiali. E il risultato del confronto è che l’antico modello è stato riprodotto facendo coincidere fascicolo con fascicolo, pagina con pagina, adottando lo stesso specchio di scrittura, quasi quadrato. Il secondo copista (cui si devono i ff. 9 – 16, 49 – 66, 99 – 243, ovvero i fasc. II, VII – VIII, e XI – XXX) si spinge più in là, fino a procurare una copia imitativa dei titoli presenti nei fascicoli che gli sono stati affidati,45 con risultati che sono davvero impressionanti (fig. 3e – f) soprattutto se si guarda a dettagli minimi: si noti la cura messa nel tentare di riprodurre i rapporti di spessore, le ‘grazie’, l’andamento dei segni abbreviativi. Pasquino Capelli nel 1393 procurò a Salutati un altro importantissimo codice delle lettere di Cicerone (Ep. ad Brutum, ad Quintum fratrem e ad Atticum), il Laur. Pl. 49.18,46 copia di quello scoperto da Petrarca nell’antica biblioteca della cattedrale di Verona (ora perduto). Come era successo l’anno prima, alla trascrizione provvede una squadra di funzionari della cancelleria milanese, lavorando in modo analogo a quanto descritto per il Laur. Pl. 49.7, salvo che nessuno dei sette copisti si comporta qui, riguardo alle capitali, come la scrupolosa seconda mano del primo Cicerone. E se ci sono ai ff. 49r, 79v e 88r titoli in lettere 43 Si veda il caso del Laur. Pl. 39.26 copiato da un frate che ebbe accesso alla biblioteca del convento di S. Spirito di Firenze, dove si trovavano tutti i materiali serviti per l’allestimento della silloge, compreso il secondo perduto originale del Buccolicum carmen da cui il testo del Laurenziano deriva. Nonostante la diversità della lezione, il ms. condivide con l’altro originale, l’autografo Riccardiano 1232, numerosi dettagli materiali e soprattutto il paradigma delle maiuscole usate a inizio verso, che include le varianti capitali del Boccaccio più tardo; De Robertis, Monti, Petoletti, Tanturli, Zamponi 2017 (v. nota 37), pp. 211 – 13. 44 De Robertis, Tanturli, Zamponi 2008 (v. nota 3), pp. 251 – 54 (scheda di Stefano Zamponi e Alessandro Daneloni), cui si rinvia anche per la bibliografia precedente. 45 Si vedano i ff. 60r, 113v, 129v, 146v, 170r, 186r, 204v, 233v e 241r, corrispondenti ai ff. 64r, 117v, 133v, 150v, 174r, 190r, 208v, 238v e 248r del Laur. Pl. 49.9. 46 De Robertis, Tanturli, Zamponi 2008 (v. nota 3), pp. 255 – 59 scheda di Stefano Zamponi e Alessandro Daneloni).
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(c) 3 (a) Boccaccio, fine anni Trenta, Biblioteca Ambrosiana, A 204 inf., f. 86v; (b – d) Anni Settanta, Firenze, Biblioteca Medicea Laurenziana, Pl. 50.27, ff. 1v, 62r, 80r; (e) Capitali dell’antigrafo imitate nell’apografo, Sec. IX, Firenze, Biblioteca Medicea Laurenziana, Pl. 49.9, f. 117v; (f) Capitali dell’antigrafo imitate nell’apografo, 1392, Firenze, Biblioteca Medicea Laurenziana, Pl. 49.7, f. 113v.
(e)
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maiuscole che inglobano, su suggerimento dell’antigrafo, alcune forme capitali (E, M e N), la qualità della realizzazione e soprattutto l’intenzione sono abissalmente diverse. Quanto diverse anche rispetto alle maiuscole del primo decennio del Quattrocento, lo si può misurare con precisione al f. 49r, dove Niccoli corregge, cassandolo e riscrivendolo in perfette capitali (un suo intervento si ha anche nel Laur. Pl. 49.7, fig. 3 f). Il secondo episodio si può osservare nel Laur. Pl. 50.27 (Cicerone e Quintiliano), codice la cui minima notorietà è legata al fatto che al canonico Bandini sembrò di riconoscervi alcune postille marginali di mano di Petrarca.47 Bandini si è sbagliato (e non ci sono neppure notabilia di Salutati, come suggerito più di recente),48 ma ciò non diminuisce l’importanza del manoscritto, almeno dal punto di vista del paleografo. Le densissime pagine del codice sono copiate, direi non più tardi degli anni Settanta del Trecento, da un’unica mano che usa una littera textualis di grande regolarità e qualità e, là dove il De inventione è accompagnato dal commento di Mario Vittorino (ff. 1r – 35r), giocata su due moduli. Non sono state eseguite le iniziali e i titoli, per cui è predisposto lo spazio, ma il copista ha provveduto a scrivere gli initia dei testi in corrispondenza delle varie partizioni interne. Per queste sequenze utilizza un alfabeto maiuscolo che prevede per ogni lettera la variante capitale, anche se per D ed E è ammessa l’alternanza con la variante di derivazione onciale (fig. 3b, c, d, e). Le lettere sono molto serrate e allungate, in C, D, G, O e Q le curve sono trasformate in angoli, il gusto è profondamente gotico, ma il contrasto, direi la contraddizione tra i due livelli di scrittura (quasi due mondi messi a confronto), è così forte che si potrebbe dubitare della data e dell’unicità di mano. Ma le postille marginali, senza essere di Petrarca, sono sicuramente trecentesche e la mano del testo è, senza alcun dubbio, anche quella delle sequenze in capitale, come dimostrano il confronto con l’alfabeto maiuscolo dei passi greci e il fatto che, a partire da un certo punto (f. 37r), molte delle capitali prima usate solo negli initia (soprattutto A, E, H, M, N, V) passano anche nel testo con funzione distintiva. Dunque, tutto è opera di una stessa mano cui sarebbe importante dare un nome, così da valutare in termini appropriati il senso della presenza di queste eccezionali maiuscole e capire se esiste un legame e di che tipo con quanto vediamo succedere a partire dall’ultimo decennio del secolo.49 47 Angelo Maria Bandini, Catalogus codicum Latinorum Bibliothecae Mediceae Laurentianae, vol. II, Florentiae, 1775, coll. 514 – 515. 48 Michele Feo (ed.), Codici latini del Petrarca nelle biblioteche fiorentine, Firenze: Le Lettere, 1991, p. 33. 49 Si hanno casi di capitali fuori contesto anche nei primissimi anni del Quattrocento a dimostrazione dell’interesse suscitato dei primi esperimenti “all’antica”. Si veda il Laur. Pl. 78. 16 (Boezio, Consolatio) copiato da Matteo di Giovanni Totti da Imola, che usa un coerente alfabeto capitale per i titoli, per le iniziali di verso e per la traduzione dei passi greci (su questo importante copista si veda Sofia Orsino, Matteo di ser Giovanni da Imola, copista di classici, in: Medioevo e Rinascimento 32 (2018), pp. 1 – 24). È datato 1408 il codice Vaticano lat. 238 (Eusebio di Cesarea, Historiae) di mano di Piero Turchi, allievo corrispondente di Salutati, copiato in littera textualis ma con un colofone in cui si alternano, anche per la stessa lettera, varianti gotiche e capitali (Digivatlib, alla segnatura, https://digi.vatlib.it/mss/, consultato il 28. 07. 2021). Anche ben dentro il Quattrocento (e non solo nel campo della scrittura), non è fatto inconsueto trovare capitali in contesti “gotici”. Ma la situazione a quel punto è ben diversa, perché si tratta di forme ormai parte di un immaginario grafico condiviso e perciò in un certo senso depotenziate, normalizzate, depurate dell’originaria connotazione ideologica.
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Tornando allo spartiacque costituito dal codice Hamiltoniano di Poggio, dopo il 1408 e soprattutto nel decennio successivo, la presenza di titoli in capitali di buona qualità in codici fiorentini si fa straordinariamente diffusa, contribuendo al successo del nuovo modello di libro. Col secondo decennio del secolo e ancor più nel terzo, il libro “all’antica” subisce però una profonda mutazione di senso: da esperimento sostenuto da privati, concreti interessi filologici e nutrito dal confronto coi modelli, diventa il prodotto di copisti professionali che, anche se talora avranno tra le mani modelli antichi, li guarderanno con occhi diversi, il più delle volte indifferenti ai loro caratteri materiali. Ma non è ancora così per il già ricordato Giovanni Aretino, la cui prima prova “all’antica” è del 1410 (Vaticano Palat. lat. 1496)50 e che al 1418 ha già copiato almeno tredici codici di cui sette per Cosimo dei Medici,51 o per Antonio di Mario (1388 c. – post 1461), che tra 1417 e 1420 lavora a tre codici52 che inaugurano una lunghissima, straordinaria carriera.53 Le loro agili capitali, eseguite per lo più con penna sottile, trovano il proprio modello nei codici del sec. XII, ma non tanto nelle forme usate per pagine d’apertura, quanto nei titoli di rango minore che segnano le partizioni interne, là dove è attestato l’esito ultimo di quella varietà di capitale detta “rustica”. In Antonio di Mario c’è qualcosa di più e di diverso. Quanto alle maiuscole il suo occhio è più acuto di quello degli altri fiorentini, la sua sensibilità più vicina a quella dei veneti. Fin dal codice più antico (Laur. Conv. Soppr. 287, del 1417, fig. 4a), come in quelli copiati negli stessi anni dal veneziano Michele Germanico e arrivati a Firenze,54 il suo repertorio accoglie maiuscole di segno diverso (varianti onciali, lettere che non sono neppure latine, altre della più pura tradizione gotica, recuperate in forza del loro valore decorativo) e, per la prima volta a Firenze, lettere in nesso o inglobate l’una nell’altra. È il primo ad adottare il sistema di scrittura a maiuscole alternate rosse e nere,55 a occupare larghe porzioni della pagina con veri propri tappeti di maiuscole,56 a riesumare l’uso di fondi purpurei o dei bot-
50 Riproduzione digitale integrale all’indirizzo Digivatlib, alla segnatura, https://digi.vatlib.it/mss/ (consultato il 28. 07. 2021). 51 Oltre al Laur. Pl. 68.13 (v. supra p. 43), si vedano i mss. Pl. 46.13 (Quintiliano, 1416 c.), 48.10 (Cicerone, Orationes, a. 1416), 50.33 (Cicerone, Opere retoriche, 1415 c.), 64.4 (Svetonio, 1416 c.), 66.12 (Giustino, a. 1417), 78.24 (Francesco Barbaro, De re uxoria, a. 1416). Ma Giovanni Aretino continuò a lavorare per Cosimo anche dopo il 1418, tanto che i codici copiati per lui (o acquistati da Cosimo) sono almeno 16. Allo stato attuale delle ricerche i codici di sua mano sono 42 tra sottoscritti o attribuiti o con interventi parziali; cfr. de la Mare 1992 (v. nota 2) per bibliografia e aggiornamenti. Un nuovo codice aggiunge Claudio Griggio, Giovanni Aretino copista del De re uxoria di Francesco Barbaro (a Firenze e Venezia), in: Itinerari del testo per Stefano Pittaluga¸ a cura di Cristina Cocco e altri, Pisa, Dipartimento di Antichità, Filosofia e Storia, 2018, vol. I, pp. 535 – 546. 52 Laur. Conv. Soppr. 287 (Lattanzio, a. 1417), Laur. Pl. 49.6 (Cicerone, Epistulae, a. 1420, copiato per Benedetto Strozzi e poi acquistato da Cosimo dei Medici) e Vaticano lat. 1865 (Curzio Rufo, a. 1420). 53 Sono 53 i mss. finora individuati: Albinia de la Mare, New Research on Humanistic Scribes in Florence, in: Annarosa Garzelli, Miniatura fiorentina del Rinascimento, 1440 – 1525. Un primo censimento, Firenze: Giunta Regionale Toscana-La Nuova Italia, 1985, vol. I, pp. 393 – 600, pp. 482 – 84. 54 Si veda più avanti la nota 63. 55 La prima volta nel Laur. Pl. 79.19, del 1420. Alla fig. 4b un esempio del 1426 (Laur. Pl. 45.32). 56 Fig. 3 del contributo di Stefano Zamponi in questo volume.
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4 (a) Antonio di Mario, 1417, Firenze, Biblioteca Medicea Laurenziana, Conv. Soppr. 287, f. 65r; (b) Antonio di Mario, 1426, Firenze, Biblioteca Medicea Laurenziana, Pl. 45.32, f. 1r; (c) Guarino Veronese, 1414, Oxford, Bodleian Library, Bywater 38, f. 3r; (d) Michele Germanico, 1416, Firenze, Biblioteca Medicea Laurenziana, Pl. 78. 25, f. 1r.
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toni decorativi applicati ai tratti verticali, a dare un nuovo senso calligrafico ai segni abbreviativi. Ma Antonio di Mario è un caso a sé.57 Perché, se anche qualcosa della sua personalissima lezione arriverà per via diretta ad alcuni copisti particolarmente dotati e non insensibili alle novità antiquarie provenienti dal Veneto (per esempio Antonio Sinibaldi o Alessandro da Verrazzano), la cultura grafica dei copisti fiorentini rimane in sostanza legata alla originaria sobrietà neoromanica delle capitali poggiane, come testimoniano i tre esempi – tra i molti possibili – riuniti nelle fig. 5a – c: Laur. Pl. 65.21 (cop. Michele Monaco, a. 1433), Pl. 21.2 (Gherardo del Ciriagio, 1458) e Pl. 19.9 (Quirico da Prato, 1462). A rafforzare questa scelta contribuisce, come in un gioco di specchi, anche quanto si poteva osservare al di fuori del libro. Gli anni in cui prende avvio la produzione seriale e professionale di codici “all’antica”, destinata a un pubblico che non è fatto necessariamente di intellettuali, sono infatti gli stessi in cui le nuove maiuscole, nate nel e per il libro, cominciano ad essere usate in altri contesti da artisti come Ghiberti, Donatello, Michelozzo,
57 Un copista fiorentino che può essere accostato ad Antonio di Mario (ma senza dimenticare che ha lavorato anche a Venezia) è Domenico di Niccolò Pollini, che usa nei titoli una curiosa interpretazione di M onciale e una E maiuscola di ispirazione bizantina: si vedano i mss. Laur. Redi 54, copiato nel 1432 a Venezia, e Vaticano lat. 258, copiato nel 1435 (riproduzione digitale integrale all’indirizzo Digivatlib, alla segnatura, https://digi.vatlib.it/mss/ (consultato il 28. 07. 2021).
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5 (a) Michele Monaco, 1433, Firenze, Biblioteca Medicea Laurenziana, Pl. 65.21, f. 210r; (b) Gherardo di Giovanni del Ciriagio, 1458, Firenze, Biblioteca Medicea Laurenziana, Pl. 21.2, f. 289r; (c) Quirico da Prato, 1462, Firenze, Biblioteca Medicea Laurenziana, Pl. 19.9, f. 3v.
(c)
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Teresa De Robertis
Masolino, Gentile da Fabriano, Beato Angelico, Masaccio, spesso (e forse non casualmente) nel rappresentare un libro o altro contenitore di scrittura.58 Accenno soltanto, in chiusura, all’esperienza veneta che, seguendo una strada del tutto diversa da quella percorsa dai fiorentini, sarà decisiva nella seconda metà del secolo. Mi limito a qualche coordinata essenziale, prima di tutto di ordine cronologico, segnalando come, allo stato attuale delle nostre conoscenze, rimane accertata la precedenza degli esperimenti fiorentini rispetto a quelli veneti e in genere settentrionali, con uno scarto di una decina d’anni. I più antichi analoghi esempi riferibili a quell’area si datano infatti alla fine del primo decennio del secolo e consistono, come già era accaduto a Firenze alla fine del Trecento, nell’inserzione di singole varianti “antiche” in contesti ancora sostanzialmente “gotici”, come si può osservare nei ff. 63r–95r nel ms. Venezia, Biblioteca Nazionale Marciana, Z. lat. 469 [1856] (Apuleio, Apologia), di mano dell’umanista e cancelliere Antonio da Romagno († 1409),59 o nei due mss. Oxford, Bodleian Library, Canon. Class. Lat. 193 e 230, che un tempo formavano un solo volume (contenente Sallustio e Cicerone) datato 1411 e 1412.60 Nei tre codici, più che i titoli, sono le brevissime sequenze in lettere a fianco delle iniziali e le maiuscole nel testo a testimoniare che, anche qui, il processo volto a dare alla scrittura una patina d’antico si è servito degli stessi ingredienti. Semmai è da sottolineare un altro dato importante, e cioè che fin dai questi primi esempi (e anzi a partire dalla nota di possesso di Guarino Veronese datata 1406 nel Vaticano Pal. gr. 116)61 un ruolo importantissimo è svolto da varianti maiuscole di ispirazione bizantina usate insieme o in alternativa alle equivalenti latini (ci si riferisce in particolare alla lettera M, vero e proprio marcatore della tradizione veneta e in genere settentrionale: nel Canoniciano Class. Lat. 230 la si vede, per esempio, al f. 33r, nella rubrica e nel testo). È solo nel 1414 che abbiamo un vero e proprio titolo “all’antica” da cui dedurre qualcosa di più che poche lettere isolate. La testimonianza è illustre, trattandosi dell’autografo della traduzione di Guarino della Vita Dionis di Plutarco e della relativa comparatio (Oxford, Bodleian Library, Bywater 38, ff. 2 – 27 e 63 – 67bis: i titoli sono ai ff. 2r, 3r, 27v e 63r, cui si aggiunge la sequenza in verticale del f. 7r).62 Nonostante la modesta fattura, non è improprio dire che il manoscritto ha, per l’ambito veneto, la stessa rilevanza, la stessa funzione esemplare che il codice Ha58 Si vedano le capitali di Ghiberti nel volumen del san Giovanni Battista e nel libro aperto del san Matteo del Museo di Orsammichele (datate rispettivamente 1412 – 16 e 1419 – 22); quelle dell’Angelico nel rotolo del san Girolamo penitente (1424 circa, Princeton Universtity Art Museum) o di Masaccio nel libro mostrato da san Girolamo nel pannello della pala Colonna (1423 – 28 circa, Londra, National Gallery). 59 Barile 1994 (v. nota 12), pp. 62 – 4, tav. 12. 60 I due codici sono riferiti all’area ferrarese da Otto Pächt, Jonathan J.G. Alexander, Illuminated manuscripts in the Bodleian Library, Oxford: Clarendon Press, 1966 – 1973, vol II, p. 39. Per il Canon. Class. Lat. 193 v. Andrew G. Watson, Catalogue of dated and datable manuscripts c. 435 – 1600 in Oxford libraries, Oxford: Clarendon Press, 1984, p. 32, tav. 266. Mi sembra più probabile una provenienza da Padova. Dello stesso anonimo copista anche il ms. Canon. Class. Lat. 110 (Albertino Mussato, Ecerinide), decorato, come gli altri due, da Cristoforo Cortese. 61 Barile 1994 (v. nota 12), pp. 87 e 92; la sottoscrizione è commentata in Teresa De Robertis, Motivi classici nella scrittura del primo Quattrocento, in: Patrizia Castelli (ed.), L’ideale classico a Ferrara e in Italia nel Rinascimento, Firenze: Olschki, 1998, pp. 65 – 79, pp. 69 – 71. 62 De la Mare 1977 (v. nota 10), p. 106.
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miltoniano di Poggio ha per Firenze. Limitandoci alle maiuscole, ciò che è evidente è il diverso atteggiamento, direi la libertà mentale che contraddistingue le scelte di Guarino e non solo sue. Nel continuo, consapevole mescolarsi di maiuscole di diversa origine e morfologia (fig. 4c: tre varianti di M, due di E e U) – prelievi, si badi bene, non fraintendimenti, imprecisioni o residui dovuti alla mancata espunzione di varianti tradizionali –, nella rinuncia a un’impostazione rigorosamente bilineare, nella ricerca di soluzioni estrose, in sostanza nella mancata definizione di un canone, si riconosce una vena artistica e utopica (senza la quale non si spiegherebbe il recupero antiquario della seconda metà del secolo), che si contrappone in modo nettissimo al rigore filologico e alla disciplina dei pionieri fiorentini (scelta alla lunga conservatrice, che ha avuto però il merito di consegnare nelle mani di copisti professionali un funzionale strumento di lavoro). Osservando le maiuscole di Guarino e di Michele Germanico o Selvatico (fig. 4d), un copista con cui ebbe un non meglio definito sodalizio tramite il patrizio veneziano Francesco Barbaro, non sfugge la somiglianza con quelle usate da Antonio di Mario. È altamente probabile che ciò non sia dovuto a una mera coincidenza d’intenti, quanto alla conoscenza diretta di codici copiati da Michele Selvatico che raggiunsero Firenze (dove sono rimasti) intorno al 1416, viaggiando nel bagaglio di Francesco Barbaro.63 Se ciò sembra ridimensionare l’importanza del solitario esperimento fiorentino di Antonio di Mario, gli va riconosciuto il merito di aver avuto occhi capaci di leggere la novità che veniva dal Veneto e di aver provato a trapiantarla nella realtà fiorentina.64
63 Firenze, Biblioteca Medicea Laurenziana, Pl. 78.25 (Francesco Barbaro, De re uxoria, a. 1416); Biblioteca Nazionale Centrale, Conv. Soppr. J.10.44 (Plutarco, Aristidis et Catonis vitae, trad. di Francesco Barbaro, c. 1416, appartenuto a Niccolò Niccoli); Biblioteca Riccardiana, 12213 (Plutarco, De liberis educandis, trad. di Guarino Veronese, c. 1416). Per il primo si veda (anche per la bibliografia precedente) Elisabetta Barile, Michele Selvatico a Venezia copista e notaio dei Capi sestiere, in: L’umanesimo librario tra Venezia e Napoli, Contributi su Michele Selvatico e su Andrea Contrario, Venezia: Istituto Veneto di Scienze, Lettere e Arti, 1993, pp. 51 – 103, pp. 93 – 94 e 96; per gli altri Teresa De Robertis, Contributo per Michele Germanico, in: Medioevo e Rinascimento 8 (1994), pp. 241 – 49. In tutti e tre i manoscritti sono presenti correzioni di Guarino. 64 Le maiuscole del Laur. Pl. 78.25 non hanno invece colpito Giovanni Aretino, che fece una copia del codice nel maggio del 1416. Ma bisogna chiedersi se la scelta di adottare nel Laur. Pl. 78.24 una scrittura cancelleresca resa “all’antica” non sia dovuta soltanto al suo essere prima di tutto un notaio, ma anche indotta dall’osservazione dei caratteri peculiari dell’antiqua di Michele Selvatico.
Stefano Zamponi
L A CAPITALE NEL QUAT TROCENTO
Nel primo decennio del Quattrocento inizia a Firenze la diffusione di una nuova scrittura distintiva (nuova in quanto “all’antica”), la capitale, che in breve dai manoscritti passa alle iscrizioni che si accompagnano alle opere di pittori, scultori e architetti.* Questa scrittura alla metà del secolo è ripensata in profondità sul piano dell’esecuzione e dello stile, raggiungendo una definizione formale che in buona sostanza sarà un punto di riferimento per tutte le realizzazioni successive (anche per quelle che da essa in vario modo si distaccano). Le forme e i tempi di questa vicenda grafica sono documentati da un numero vastissimo di testimonianze (manoscritti, affreschi, pale d’altare, dipinti su tavola, epigrafi, statue, monumenti funebri, monete e medaglie), con una varietà e ricchezza di esempi che in questa sede non è possibile ripercorrere: in questa relazione presenterò alcune esperienze particolarmente rilevanti, che possono rappresentare i momenti salienti della storia della capitale restaurata in età umanistica. Nel prendere in esame il problema delle capitali, riallacciandomi alla relazione di T eresa De Robertis, debbo ricordare che questa indagine si incentra su una realtà grafica nuova, inizialmente circoscritta e per parte del XV secolo minoritaria, che si distacca da una prassi condivisa e di lungo periodo: la continuità d’uso delle maiuscole della “littera textualis”, le maiuscole “moderne” o gotiche, le quali sia come scritture librarie, sia come scritture esposte, soprattutto nella prima metà del secolo, costituiscono la tradizione grafica dominante (si consideri la loro presenza in dipinti, monumenti e lastre tombali). Abbiamo già visto come, dopo una sperimentazione che nella seconda metà del Trecento interessa copisti e letterati, nei manoscritti del primo decennio del XV secolo vennero a definirsi a Firenze le nuove maiuscole, attraverso la mediazione di codici (ed epigrafi) dei secoli XI e XII, che costituiscono la principale via di accesso alle forme della *
Con questo intervento, necessariamente sintetico, riprendo argomenti affrontati in più occasioni negli ultimi 15 anni; per più ampia bibliografia rimando a Stefano Zamponi, Le metamorfosi dell'antico: la tradizione antiquaria veneta, in: Caterina Tristano, Marta Calleri e Leonardo Magionami (eds.), I luoghi dello scrivere da Francesco Petrarca agli albori dell'età moderna, Spoleto: CISAM, 2006, pp. 37 – 67 e Stefano Zamponi, La capitale nel Quattrocento. Verso la fissazione di un modello (Firenze, Padova, Roma), in: Studium medievale. Revista de Cultura visual – Cultura escrita 3 (2010), pp. 63 – 77.
La capitale nel Quattrocento | 63
1 Lorenzo Ghiberti, Epigrafe alla base dell’arca dei santi Proto, Giacinto e Nemesio, c. 1428, Firenze, Museo Nazionale del Bargello
capitale classica. Queste maiuscole si diffusero al di fuori del libro in momenti successivi: prima furono impiegate da scultori e da orafi per statue, epigrafi, formelle in bronzo, reliquiari, poco dopo compaiono in affreschi o in dipinti su tavola. Ricordo fatti noti e in parte già accennati nella relazione che mi ha preceduto: nel secondo decennio del secolo le capitali sono fuse in bronzo da Lorenzo Ghiberti nelle formelle dorate per la porta nord del Battistero (conclusa nel 1424), nelle statue per Orsan michele, ove compaiono nel rotolo impugnato da san Giovanni Battista (1412 – 1416) e poi nel libro aperto di San Matteo (1419 – 1422; le due statue sono conservate a Firenze, Museo di Orsanmichele); nel terzo decennio si possono ricordare le capitali esili e rigide dell’epigrafe marmorea che è alla base dell’arca dei santi Proto, Giacinto e Nemesio del Ghiberti (c. 1428; Firenze, Museo Nazionale del Bargello; v. fig. 1). Sempre in questi anni le capitali compaiono nel sarcofago di Onofrio Strozzi (1418; Firenze, Chiesa di Santa Trinita) realizzato da Pietro Lamberti, nel rotolo del profeta Abdia di Nanni di Bartolo (1422) e nel basamento del cosiddetto Zuccone di Donatello (1423 – 1426; le due statue sono conservate a Firenze, Museo dell’Opera del Duomo); la capitale riceve infine un forte rilievo pubblico nel Battistero di Firenze, nel monumento all’antipapa Giovanni XXIII di Donatello e Michelozzo, ove classicamente compare su un rotolo retto e dispiegato da due putti (c. 1425 – 1427). Nella pittura le maiuscole all’antica si presentano in uno stesso anno, il 1423, nelle opere di due artisti per i quali sempre si ricorda il radicamento nella tradizione gotica, Masolino da Panicale (Madonna dell’Umiltà; Bremen, Kunsthalle) e Gentile da Fabriano (Adorazione dei Magi; Firenze, Galleria degli Uffizi).
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In queste realizzazioni si presentano forme che si allontanano dal canone della capitale classica (quali la G arrotondata; la M rigida, con i tratti centrali sollevati rispetto alla base di scrittura; la X dalle forme mistilinee; abbreviature e nessi di tradizione trecentesca), ma, a mio parere, molto più rilevante della forma di singole lettere è il radicamento di queste iscrizioni nella cultura grafica gotica sul piano delle scelte esecutive, che costituiscono il filtro attraverso il quale si realizza il ritorno all’antico (i singoli tratti sono connotati da un movimento, da un’alternanza di spessori, da rigonfiamenti e dall’assenza di ‘grazie’ estranei alla tradizione classica; le lettere spesso si caratterizzano per proporzioni strette e una successione serrata che realizza le singole parole in un flusso grafico talora quasi indistinto). Queste scelte, che attengono alla forma delle lettere e alla loro disposizione spaziale, a Firenze (e più in generale in Italia) non si modificano in modo significativo almeno fino alla metà del Quattrocento;1 per Firenze, come semplice esempio di questa continuità, fra le scritture epigrafiche possiamo segnalare le maiuscole usate da Luca della Robbia nello stemma di Amico della Torre (1431; Firenze, Museo Nazionale del Bargello, fig. 2) e da Bernardo Rossellino nel monumento funebre di Leonardo Bruni (1444 – 1451; Firenze, chiesa di Santa Croce), fra le capitali dipinte si debbono ricordare le maiuscole realizzate da Paolo Uccello nel monumento equestre di Giovanni Acuto (1436; Firenze, Duomo) e le iscrizioni che accompagnano il ciclo degli affreschi del Beato Angelico per il convento di San Marco nel quarto decennio del secolo. Lo stemma di Amico della Torre rappresenta il caso di una marcata interpretazione gotica di un alfabeto sostanzialmente capitale, nel quale, accanto ai fatti più evidenti, quali nessi, abbreviature, forte compressione generale delle lettere e delle parole, vorrei sottolineare gli aspetti esecutivi meno palesi ma di pari importanza, in piena continuità con la tradizione delle scritture esposte trecentesche, quali l’assenza di ‘grazie’, l’alternanza di tratti pesanti e leggeri del tutto estranea ai modelli classici, l’allargarsi a spatola dei tratti di E, L, R, T. Sempre nella prima metà del Quattrocento le capitali nei manoscritti umanistici fiorentini si collocano in continuità con i modelli dei primi decenni, a partire dalle forme esemplari fissate da Poggio Bracciolini nel 1408,2 e di norma presentano, pur in assenza di una reale alternanza di spessori, buona coerenza e qualità controllata, come mostra il copista più prolifico e inventivo del periodo, Antonio di Mario, che con piena consapevolezza si concede anche la possibilità di sperimentare inserzioni di lettere dall’alfabeto onciale (fig. 3). Nel campo delle lettere iniziali decorate a bianchi girari il riferimento a modelli classici, dopo le iniziali bipartite presenti nei manoscritti di Luigi di ser Michele Guidi, si
1 Contrariamente a quanto scrive Nicolas Bock, Kunst am Hofe der Anjou-Durazzo. Der Bildhauer Antonio Baboccio (1351 – ca. 1423), München–Berlin: Deutscher Kunstverlag, 2001, pp. 190 – 197 ritengo che la capitale classica che compare alla base del monumento funebre di Ludovico Aldomorisco, datato 1421, sia un’aggiunta molto posteriore, assolutamente non riferibile ad Antonio Boboccio. 2 Berlin, Staatsbibliothek, Preußischer Kulturbesitz, ms. Hamilton 166 (datato 1408).
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2 Luca della Robbia, Stemma di Amico della Torre (particolare dell’epigrafe), 1431, Firenze, Museo Nazionale del Bargello
presenta in alcuni manoscritti del secondo decennio, in cui le iniziali cercano di riprodurre l’aspetto di una lettera epigrafica incisa nel marmo.3 La persistenza della cultura grafica gotica assume a Firenze anche un aspetto ulteriore. In molti casi le scritte presenti in dipinti, epigrafi, manufatti d’oreficeria, sebbene di forma capitale, non aggiungono significato all’opera con una loro autonoma forza connotativa; le sedi della scrittura, il dettato dei testi, quindi la funzione dello scritto, sono spesso in continuità con la tradizione figurativa trecentesca e la scrittura si risolve nella consueta funzione didascalica. A fronte di un panorama fiorentino che alla metà Quattrocento non presenta significative innovazioni, e in forme del tutto autonome rispetto a un importante programma di
3 Giovanni Aretino copia nel 1417 il ms. Pl. 66.12 della Biblioteca Medicea Laurenziana (questo e tutti gli altri manoscritti appartenenti al fondo Plutei sono consultabili nella Teca digitale della biblioteca), che presenta 42 iniziali a bianchi girari, in oro su fondo azzurro, concepite come lettere incise, in cui il solco e l’ombreggiatura sono restituite da due diverse leghe, un oro più scuro opposto a un oro più chiaro; analoga situazione si ripete nel ms. Laur. Pl. 79.7, databile agli anni 1418 – 1421. In altri manoscritti coevi non è utilizzato l’oro, ma il colore: nel ms. Laur. Pl. 83.4 si contrappongono un giallo più scuro e un giallo più chiaro; nel ms. Marston 7 della Beinecke Library di Yale un colore giallo omogeneo caratterizza più modeste iniziali bipartite.
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3 Antonio di Mario, Capitali, 1444, in: Ms. pluteo 65. 5, Firenze, Biblioteca Medicea Laurenziana, f. 313v
epigrafia pubblica che si realizza a Rimini all’incirca fra il 1446 e il 1456,4 a Padova, immediatamente affiancata da Venezia e Verona, prende avvio un ritorno all’antico che a partire dal 1450 in pochi anni definisce e diffonde un nuovo modello di capitale e che in un decennio muterà il volto del libro umanistico (sia per la scrittura che per la miniatura).
4 Sono protagonisti di un recupero di modelli classici interpretati con libertà Matteo de’ Pasti e Agostino d’Antonio di Duccio (per una riproduzione ed analisi delle loro epigrafi v. Giovanni Mardersteig, Leon Battista Alberti e la rinascita del carattere lapidario romano nel Quattrocento, in: Italia medioevale e umanistica 2 (1959), pp. 285 – 307, pp. 286 – 293); anche la più famosa epigrafe di Matteo de’ Pasti, collocata sulla facciata del Tempio Malatestiano di Rimini (c. 1455 – 1456), la cui maggiore coerenza stilistica ha suggerito l’ipotesi di una collaborazione con Leon Battista Alberti, presenta lettere che nelle proporzioni di alcuni tratti (E, F, L) e nella modesta alternanza di peso raggiungono esiti di palese rigidità, lontani dal paradigma della capitale romana.
4a Nicolò Baroncelli, Architrave della porta meridionale (particolare dell’epigrafe), 1441, Padova, Chiesa degli Eremitani
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4b Andrea Mantegna, Architrave della porta principale (particolare dell’epigrafe), 1452, Padova, Basilica del Santo
Si tratta di fatti ampiamente studiati nell’ambito della storia della miniatura,5 ma che nella prospettiva di una storia complessiva della scrittura debbono essere messi in relazione a una varietà di testimonianze, offerte non solo dai manoscritti, ma anche dalle arti figurative, alle quali corrisponde una molteplicità di attori, quindi non sono solo copisti o miniatori, ma anche scultori, pittori, antiquarii.6 In questa sede affronto un aspetto di questo ritorno all’antico, la restaurazione della capitale di modello epigrafico classico, attraverso alcuni esempi che documentano i tempi e le forme delle innovazioni più significative. Se volessimo restituire il senso di queste innovazioni attraverso due esempi padovani di immediata evidenza si potrebbero contrapporre l’epigrafe del 1441 sull’architrave della porta meridionale della chiesa degli Eremitani (opera di Nicolò Baroncelli, con capitali all’antica di tradizione fiorentina; fig. 4a) e l’epigrafe del 1452 sull’architrave che sovrasta con esibita classicità la porta principale della basilica del Santo (fig. 4b) oppure affiancare il manoscritto che Iacopo Antonio Marcello nel 1449 dona a Isabella di Lorena, moglie di Renato d’Angiò (Paris, Bibliothèque Nationale, ms. lat. 8745; si tratta di un codice di squisita fattura, copiato da Michele Salvatico, con capitali interpretate liberamente, secondo 5 Per la miniatura padovana è d’obbligo rimandare a Giovanna Baldissin Molli, Giordana Canova Mariani, Federica Toniolo (eds.), La miniatura a Padova dal Medioevo al Settecento, Modena: Panini, 1999; si veda inoltre Giordana Mariani Canova, La miniatura a Padova nel tempo di Andrea Mantegna, in: Davide Banzato, Alberta De Nicolò Salmazo, Anna Maria Spiazzi (eds.), Mantegna e Padova. 1445 – 1460, Milano: Skira, 2006, pp. 63 – 71 e Giordana Mariani Canova, La dimensione accademica della miniatura del Rinascimento a Padova, in Robert Black, Jill Kraye, Laura Nuvoloni (eds.), Palaeo grahy, Manuscript Illumination and Humanism in Renaissance Italy: Studies in Memory of A. C. de la Mare, London: The Warburg Institute, 2016, pp. 297 – 322. 6 Comprese personalità eclettiche come Felice Feliciano, che è copista, miniatore, legatore, tipografo, alchimista, poeta e letterato in volgare; per Feliciano rimando ad Agostino Contò, Leonardo Quaquarelli (eds.), L’“Antiquario” Felice Feliciano Veronese tra epigrafia antica, letteratura e arti del libro, Padova: Editrice Antenore, 1995.
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l’estro del sommo copista e le mode grecizzanti del secondo quarto del secolo)7 al manoscritto di Tolomeo (Paris, Bibliothèque Nationale, ms. lat. 17542) che lo stesso patrizio veneziano dona a Renato d’Angiò pochi anni dopo, prima del 1457, un altro codice di eletta ma diversa fattura, in cui troviamo il primo esempio datato di capitale prismatica, di studiatissima forma capitale, e maiuscole eseguite a penna, coerentemente capitali nella loro splendida alternanza di colori (azzurro, rosso, verde, viola).8 Di fatto in pochi anni, a partire dal 1450, venne a realizzarsi in maniera compiuta la restaurazione di un tipo di capitale che prende diretta ispirazione dai modelli più alti dell’epigrafia romana classica di età imperiale.9 Le nuove capitali, che sono largamente usate nei manoscritti, sia in raffinatissime iniziali a pennello, sia in titoli e scritture distintive eseguite a penna, raggiungono la maggiore visibilità in dipinti, epigrafi e sculture. Per le capitali (siano esse incise nella pietra o realizzate a penna o a pennello), accogliendo una proposta avanzata per la maiuscola greca,10 uso una sola definizione, maiuscola antiquaria, che implica una concezione unitaria delle diverse sedi e dei differenti livelli esecutivi della capitale restaurata; in tal modo adotto un’espressione umanistica, offerta dalla Hypnerotomachia Poliphili, ove le lettere capitali delle iscrizioni classiche sono denominate “exquisite littere latine antiquarie” (ma anche “maiuscole latine”, “littere romane”.11 Nella Padova (e nel Veneto) di metà Quattrocento Andrea Mantegna è senza dubbio l’artista più noto fra quelli che diffusero l’uso delle nuove capitali. Mantegna potrebbe avere un precedente illustrissimo, Donatello, con l’iscrizione posta sul piedistallo della statua del Gattamelata nella piazza del Santo a Padova (opvs donatelli /˙flo˙, fig. 5). L’iscrizione, che non è databile ad annum (la datazione deve essere collocata nell’intervallo fra il 1447 e il 1453), presenta maiuscole modellate secondo consapevoli modelli classici,12 distaccandosi radicalmente dalle maiuscole usate in precedenza da Donatello, che potrebbe avere preso ispirazione dalle capitali che circolavano a Padova intorno al 1450.13 7 Consultabile all’indirizzo BnF Archives et manuscrits, http://archivesetmanuscrits.bnf.fr/ark:/12148/ cc680553 (accessed January 22, 2019). 8 Descrizione e riproduzione in Baldissin Molli, Canova Mariani, Toniolo 1999 (v. nota 5), pp. 241 – 243 (scheda 93, a c. di Alberta de Nicolò Salmazo). 9 Per citare modelli illustri, capitali simili a quelle che compaiono nel Pantheon o nella Colonna Traiana a Roma. 10 Anna Pontani, Le maiuscole greche antiquarie di Giano Lascaris. Per la storia dell’alfabeto greco in Italia nel ’400, in: Scrittura e civiltà, 16 (1992), pp. 77 – 227, p. 78 e nota 2. 11 Non ha una concreta motivazione storica la definizione di littera mantiniana, coniata da Millard Meiss, Andrea Mantegna as Illuminator. An Episode in Renaissance Art, Humanism and Diplomacy, New York: Columbia University Press, 1957, pp. 52 – 67, che ha goduto di un’ampia e immotivata fortuna. 12 Sono lettere modestamente contrastate, caratterizzate da tratti pesanti e leggeri in corretta alternanza, proporzioni larghe, ‘grazie’ evidenti, forme regolari e geometriche. 13 Horst Woldemar Janson, The Sculpture of Donatello, 2, Princeton: Princeton University Press, 1957, p. 152 ricorda documenti che attestano la costruzione del piedistallo nel 1447; su questa base Millard Meiss, Toward a more comprehensive Renaissance Paleography, in: The Art Bulletin, 47 (1960), pp. 97 – 112, p. 101 attribuisce l’iscrizione agli anni 1448 – 1450. Una datazione appena posteriore (entro il 1453, anno in cui la statua del Gattamelata fu collocata sul piedistallo) ridurrebbe drasticamente la novità dei modelli epigrafici donatelliani.
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5 Donatello, Basamento del monumento equestre del Gattamelata (particolare dell’epigrafe), c. 1450, Padova, Piazza del Santo
Queste nuove capitali (nuove in quanto realmente “antiche”) ottennero una pubblica consacrazione nell’opera del giovane Mantegna, in primo luogo negli affreschi che Mantegna realizzò fra il 1451 e il 1457 nella chiesa degli Eremitani per la cappella Ovetari,14 affreschi in buona parte distrutti nel bombardamento del 1944. Nel Giudizio di san Giacomo, databile al 1451 (fig. 6), Mantegna ricostruisce un compiuto ambiente classico alla cui definizione contribuisce la presenza di maiuscole antiquarie. Figure in vesti e armature antiche si collocano sullo sfondo di un mirabile arco di trionfo, ove campeggia un’autentica iscrizione romana, l’epigrafe di Tito Pullio Lino, che allora era visibile a Monte Buso, presso Este (cfr. CIL, V 2528).15 Un’analoga, coerente ricostruzione antiquaria si presenta anche nel più tardo Martirio di san Cristoforo, databile al 1456 – 1457, ove sulla parete di un edificio è riprodotta l’epigrafe di Tito Poneno.16 Le lettere di queste iscrizioni riprendono buoni modelli romani della prima età imperiale (sapiente spaziatura, proporzioni larghe, ‘grazie’ a completamento dei tratti), interpretati attraverso una modesta, ma coerente alternanza di peso fra i tratti che le costituiscono.17 In questi stessi anni le realizzazioni in cui Mantegna presenta maiuscole antiquarie sono quanto mai varie. Innanzitutto bisogna ricordare la lunetta affrescata sul portale maggiore del Santo a Padova (i santi Bernardino e Antonio che presentano il monogramma 14 Per la cronologia e le fasi di lavoro di Mantegna agli Eremitani seguo Alberta De Nicolò Salmazo, Andrea Mantegna, Ginevra–Milano: Skira–Rizzoli, 2004, pp. 81 – 108, 121 – 130. 15 La stessa epigrafe con qualche variante è ben presente nella cultura antiquaria veneta, prima nei taccuini di Iacopo Bellini, poi nella Collectio Antiquitatum di Giovanni Marcanova. 16 Anch’essa con ogni probabilità deriva da un’iscrizione presente sul territorio patavino, cfr. CIL, V 2989. 17 Anche nell’epigrafia latina del I secolo della nostra era è attestata un’esecuzione della capitale in cui si alternano tratti con moderato chiaroscuro.
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6 Andrea Mantegna, Giudizio di San Giacomo (particolare), 1451, già Padova, Chiesa degli Eremitani, Cappella Ovetari
YHS entro un tondo delimitato da una scritta circolare in maiuscola antiquaria: in nomine iesv omne genv flectatvr celestivm, terestrivm et inferorvm).18 Alla base della lunetta, sull’imposta marmorea dell’arco, troviamo un’epigrafe che data l’affresco con un testo di esibita classicità (andreas mantegna optvmo favente nvmine perfecit mcccclii xi kal sextil), in cui le lettere all’antica, improntate a modelli sicuramente ascrivibili a Mantegna, trovano
18 Solo il restauro concluso nel 1998 ha permesso di accertare l’alta qualità delle capitali e la loro accurata preparazione da parte di Mantegna; v. Gianluigi Colalucci, Il restauro della lunetta di Andrea Mantegna raffigurante i santi Antonio e Bernardino adoranti il monogramma “IHS”, in: Il Santo 38 (1988), pp. 285 – 292, p. 286 e Alberta De Nicolò Salmazo, L’affresco di Andrea Mantegna al Santo: un incontro di “maestosa gravità”, in: ibid., pp. 293 – 311, pp. 299 e 307 – 308.
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una realizzazione non sempre controllata da parte del lapicida.19 Sempre nel periodo di prima diffusione della nuova maiuscola Mantegna offre due diverse restituzioni della capitale all’interno di un dipinto su tavola, la Santa Eufemia del 1454 ora al museo di Capodimonte di Napoli, ove la santa è rappresentata entro un’edicola classicheggiante delimitata in alto da un arco in pietra. L’iscrizione sull’arco (santa ˙ evfemia) ha un chiaroscuro moderato, simile agli esiti degli Eremitani, mentre alla base dell’edicola un cartellino con un testo in maiuscola antiquaria (opvs andreae mantegnae/mccccliiii) presenta un’alternanza più marcata di tratti pesanti e leggeri nella forma di un’armoniosa scrittura alla viva mano.20 Non deve sorprendere la immediata coerenza che le capitali di Mantegna presentano sul piano dell’esecuzione e dello stile: il giovane pittore trova alimento in un circuito culturale vitalissimo, che da alcuni anni sta elaborando il nuovo canone grafico delle maiuscole, in particolare nelle scritture distintive del libro manoscritto.21 Il recupero dell’antichità esemplare ha una sede elettiva nella varia compagnia di artisti, antiquarii e copisti riunita intorno al patrizio veneziano Fantino Dandolo, vescovo di Padova dal 1450 al 1459,22 ma si innerva in una tradizione umanistica già viva con Pietro Donato, vescovo della città dal 1428 al 1447. Particolare importanza riveste la biblioteca di Pietro Donato, che conservava insigni codici, fra cui, accanto alla Notitia Dignitatum, trascritta per il vescovo, con in fine brevi estratti di Ciriaco d’Ancona, una famosa miscellanea di epigrafi e materiali antiquari (ora Berlin, Staatsbibliothek, Ms. Hamilton 254), nella quale si trova un fascicolo di Ciriaco d’Ancona (ff. 81 – 90), fitto di iscrizioni e di disegni di edifici.23 La conoscenza dei taccuini di Ciriaco significa l’accesso a maiuscole variamente ‘antiche’ e la diffusione di un repertorio figurativo in cui reciprocamente si completano il monumento classico e le sue iscrizioni. Attraverso Ciriaco viene a definirsi a Padova e nel Veneto l’impulso a una restau razione delle capitali che si allontana dai modelli fiorentini, perché diversi ne sono i 19 Si notano una certa rigidità, che nasce dal forte rilievo dei tratti discendenti pesanti (e, f, i, l, p, r, t), e qualche disarmonia (gli incerti rapporti fra i tre tratti di n, col mediano sempre leggero, le ‘grazie’ fin troppo evidenti nel tratto mediano di e e di f). 20 Pochi anni dopo Mantegna replicherà esiti di altissima qualità, usando ‘grazie’ mosse e allungate, nelle poche lettere (inri) del titulus della Crocifissione della predella per la Pala di San Zeno a Verona. 21 In questo ambiente ebbe un ruolo significativo Francesco Squarcione, la cui casa–laboratorio, la domus a relevis, abitata da diversi giovani allievi, fra cui Mantegna, con i suoi reperti archeologici favorì un accesso diretto all’antichità classica. Nelle opere dei pittori squarcioneschi ricorrono motivi comuni, quali cartellini con capitali tracciate ad inchiostro e iscrizioni classiche incise su pietra; ricordo solo due opere del cruciale sesto decennio del Quattrocento: le maiuscole antiquarie usate da Marco Zoppo nella Madonna Wimborne, conservata al museo del Louvre e concordemente datata al 1455 (cartellino con l’epigrafe: opera del zoppo • di • sqvarcio/ne) e le meno coerenti maiuscole presenti nelle prime opere di Giorgio Schiavone, il polittico conservato alla National Gallery di Londra, ove si osserveranno sia il cartellino alla base della Madonna in trono col bambino (opus • sclavoni • disipvlvs •/sqvarcioni • s) che le poche lettere (di esecuzione più controllata) del rotolo di San Giovanni Battista. 22 Per un’essenziale caratterizzazione della cultura padovana sotto i vescovi Pietro Donato e Fantino Dandolo rimando a De Nicolò Salmazo 2004 (v. nota 14), pp. 66 – 76. 23 Si veda Stefano G. Casu, Travels in Greece in the Age of Humanism. Cristoforo Buondelmonti and Cyriacus of Ancona, in Mina Gregori (ed.), In the Light of Apollo. Italian Renaissance and Greece, Athens: The Hellenic Culture organization, 2003, pp. 139 – 149, pp. 143 – 144 (scheda I. 15 Collectanea epigrafica).
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presupposti culturali. Nel primo umanesimo fiorentino la restaurazione della littera antiqua e della capitale è opera di umanisti, filologi, letterati che studiano i testi classici e patristici e propugnano il modello del codice in antiqua dei secoli XI e XII poiché questo è il tramite corretto e diretto della tradizione. Nella Padova di metà Quattrocento gli esperimenti più avanzati di riforma scrittoria non trovano impulso in una matrice filologica, non sono realizzati da letterati, ma da artisti, miniatori, copisti, antiquarii, che procedono sotto lo stimolo di sollecitazioni nutrite di immaginario classico. Usando le parole di Dionisotti potremmo definire questa temperie culturale “un’evasione nel tempo, il pellegrinaggio umanistico ai santuari dell’antichità classica”.24 Oltrepassata la mediazione dello strato grafico tardo-carolino, il mito della renovatio grafica diventa del tutto scoperto e cambia natura: l’unica, vera scrittura dell’antichità va ricercata nei marmi della latinità classica. Entro il sesto decennio del secolo, con l’energia della gioventù, una generazione di ventenni (ricordo che nel 1455, quando le nuove capitali sono ormai una realtà condivisa, Bartolomeo Sanvito ha 20 anni, Felice Feliciano 22, Mantegna 24, Biagio Saraceno fra 25 e 30) risolve lo studio della capitale nella fissazione di un canone. Con il trattato per la costruzione delle capitali secondo modelli geometrici, denominato Alphabetum Romanum dal suo editore moderno, composto da Felice Feliciano fra il 1459 e il 1460, e con un secondo manoscritto, sempre veneto, dal titolo suggestivo, Regola a fare letre antiche, probabilmente non molto posteriore,25 ha inizio una vera e propria precettistica delle capitali, che avrà un notevole successo anche nei trattati di scrittura a stampa, fino allo splendido alfabeto di Luca Orfei, in cui fin dal titolo si ribadisce la ‘misura geometrica’ che sovrintende alla costruzione delle capitali.26 Non si tratta di novità assolute, perché anche le maiuscole gotiche potevano essere costruite seguendo modelli geometrici, ma nei primi due manoscritti sulla costruzione delle capitali colpisce la volontà normativa, il richiamo costante alla geometria del ‘tondo’ e del ‘quadro’, l’uso razionalistico del compasso, l’armonia ricercata attraverso proporzioni fisse (1:10 per Feliciano, 1:12 per la Regola). Nei manoscritti le attestazioni delle nuove minuscole sono precoci e raggiungono esiti di ineguagliata eleganza. Agli inizi del periodo qui considerato, nel 1450, Biagio Saraceno, notaio, copista, cancelliere del vescovo Fantino Dandolo, trascrive uno splendido e famosissimo esemplare della cronica di Eusebio (Venezia, Biblioteca Nazionale Marciana, ms. Marc. lat. IX 1), in cui le maiuscole già mostrano nelle proporzioni e nel chiaroscuro delle
24 Carlo Dionisotti, Geografia e storia della letteratura italiana, Torino: Einaudi, 1967, p. 35. 25 Per il ms. Città del Vaticano, Biblioteca Apostolica Vaticana, Vat. Lat. 6852, v. Felice Feliciano Veronese, Alphabetum Romanum, a c. di Giovanni Mardersteig, Verona: Editiones officinae Bodoni, 1960 (il commento è ripreso in Giovanni Mardersteig, Felice Feliciano Veronese, intr. di Rino Avesani, Milano: Jaca Book, 1987, che accompagna come primo volume l’edizione in facsimile del manoscritto); per il ms. Sevilla, Biblioteca Colombina, 5 – 1 – 3 v. Francisco M. Gimeno Blay, Admirads mayúsculas. La recuperación de los modelos gráficos romanos, Madrid: Instituto de Historia del Libro y de la Lectura, 2005. 26 Alfabeto delle maiuscole antiche romane del signor Luca Horfei da Fano opera molt’utile a scrittori, pittori, e scultori nella quale con ragione geometrica s’insegnano le misure di dette lettere, Roma: all’insegna del Luppo in Parione, circa 1586 – 1587.
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lettere (soprattutto D, M, P, Q, R, V) l’attenzione ai modelli antichi.27 Pochi anni dopo, fra il 1452 e il 1455, Biagio Saraceno, nella sua veste di cancelliere vescovile, usa maiuscole di modello epigrafico in registri di curia e diplomi: conosciamo tre pergamene di sua mano28 nelle quali l’invocazione iniziale a Dio (in nomine) è scritta nelle capitali di nuovo tipo, di altissima qualità.29 In breve (la novità è forse databile già al 1455) alle maiuscole antiquarie tracciate a penna si aggiungono le lettere iniziali di modello epigrafico realizzate a pennello da sapienti miniatori. Queste lettere, concepite in rilievo, a sezione triangolare, sulle cui facce la luce provoca un gioco di zone in ombra e zone illuminate, trovano una prima realizzazione nel manoscritto di Tolomeo donato da Iacopo Antonio Marcello a Renato d’Angiò che ricordavo sopra. Questo modo di costruire le iniziali attribuendo loro un volume ha la sua realizzazione più compiuta pochi anni dopo, nel 1459, in un manoscritto di Strabone conservato ad Albi (Médiathèque municipale Pierre-Amalric, ms. 7) ancora dono del Marcello a Renato d’Angiò. In questo caso le lettere, di prepotente plasticità, si distaccano da uno sfondo geometrico dai colori vivaci (rosa, blu, verde oliva, rosso), mentre fogliami, fronde e viticci le cingono e talvolta le attraversano (fig. 7).30 Sempre in questi stessi anni, fra il 1455 e il 1460, nei manoscritti si affacciano altre invenzioni di iniziali all’antica, fra le quali bisogna ricordare almeno la lettera in rilievo, ma piatta (imita una lettera fusa in bronzo) applicata sopra una lastra marmorea che apre il Solino appartenuto a un raffinatissimo antiquarius, il patrizio veneziano Bernardo Bembo.31 Le iniziali prismatiche largamente attestate in codici di ricercata qualità precedono nettamente la diffusione delle epigrafi che riportano in vita i modelli classici. Dopo le precoci iscrizioni padovane di Donatello e di Mantegna, ricordate sopra, se facciamo eccezione per la lastra tombale di Paolo della Pergola32 e per l’iscrizione alla base del gruppo di Giuditta e 27 Per un’illustrazione generale del manoscritto si veda Baldissin Molli, Canova Mariani, Toniolo 1999 (v. nota 5), pp. 239 – 240 (scheda 92, a c. di Alberta de Nicolò Salmazo) 28 Pubblicate rispettivamente da Gian Maria Varanini, Daniela Zumiani, Ricerche su Gerardo Boldieri di Verona (1405 c.–1485), docente di medicina a Padova. La famiglia, l’inventario dei libri e dei beni, la cappella, in: Quaderni per la storia dell’Università di Padova 26 – 27 (1993 – 1994), pp. 49 – 147, tav. 1 e da Elisabetta Barile, Contributi su Biagio Saraceno, copista dell’Eusebio marciano lat. IX. 1 (3496) e cancelliere del vescovo di Padova Fantino Dandolo, in: Francesco G. B. Trolese (ed.), Studi di storia religiosa padovana dal Medioevo ai nostri giorni. Miscellanea in onore di mons. Ireneo Daniele, Padova: Istituto per la storia ecclesiastica padovana, 1997, pp. 141 – 164, alle tavv. 3 – 4. 29 Lo stesso copista, pochi anni dopo, in un manoscritto epigrafico (Venezia, Biblioteca Nazionale Marciana, ms. Lat. XIV 258), definirà un assetto antiquario anche per la maiuscola greca. 30 Ampia discussione sullo Strabone di Albi in Meiss 1957 (v. nota 11), pp. 52 – 67; una sintetica presentazione complessiva in Banzato, De Nicolò Salmazo, Spiazzi 2006 (v. nota 5), pp. 204 – 207 (scheda 31 a – d di Gennaro Toscano e Matthieu Desachy). 31 Ms. Oxford, Bodleian Library, Canon. Class. Lat. 161, per il quale rimando a Mariani Canova 2016 (v. nota 5), pp. 297 – 304. 32 Rimando a Elisabetta Barile, Le iscrizioni per la tomba di Paolo della Pergola nella chiesa di San Giovanni Elemosinario a Venezia, in: Atti dell’Istituto Veneto di Scienze, Lettere ed Arti 160 (2001 – 2002), pp. 315 – 342, pp. 337 – 341 e Debra Pincus, Dante speaks from the Tomb: The Epitaph on the Monument in Ravenna and Veneto Epigraphy, in: Molly Bourne, Arnold Victor Coonin (eds.), Encountering the Renaissance, Ramsey, New Jersey: The WAPACC Organization, 2016, pp. 293 – 308, p. 302, fig. 5 – 6.
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7 Giovanni Bellini (attri buito), Miniatura, 1459, ms. 7, Albi, Médiathèque municipale Pierre-Amalric, f. 230v
Oloferne di Donatello, tutte le principali realizzazioni antiquarie si collocano nel settimo e soprattutto nell’ottavo decennio del XV secolo, quando i possibili esempi si moltiplicano (e in questa sede è inevitabile procedere per cenni). In ambito veneto vorrei ricordare le iscrizioni che ornano la facciata rinascimentale della chiesa di San Michele in Isola (Venezia; settimo decennio)33 e le più tarde iscrizioni con cui Bernardo Bembo volle celebrare il culto di Dante in Ravenna (1482 – 1483),34 ma le testimonianze più interessanti, per la complessità dell’operazione antiquaria, sono le epigrafi che si possono attribuire a un progetto di Felice Feliciano, informate al modello del suo Alphabetum Romanum. Accanto a un’epigrafe nota da tempo, l’iscrizione sull’arco della Pescheria di Verona del 1468,35 è di massimo rilievo il programma epigrafico realizzato nel castello del Buonconsiglio, quando Feliciano cercò fortuna presso il vescovo di Trento Iohannes Hinderbach. Si tratta di un sistema di epigrafi tutte datate o databili al 1475: una è il motto delfico, Conosci te stesso, in latino e greco, che incornicia un oggetto singolarissimo, lo specchio del vescovo Hinderbach al piano superiore del Castelvecchio (fig. 8a),36 una seconda è l’epigrafe commemo33 34 35 36
Daniel Savoy, Le iscrizioni sulla facciata di San Michele in Isola, in: Arte veneta 65 (2008), pp. 132 – 137. Pincus 2016 (v. nota 32), pp. 293 – 299. Mardersteig 1959 (v. nota 4), pp. 303 – 304 e tav. XX. Per lo specchio e le altre iscrizioni trentine attribuibili a Feliciano rimando a Stefano Zamponi, Epigrafi di tradizione antiquaria nel Castello del Buonconsiglio di Trento, in: Concetta Bianca, Gabriella Capecchi, Paolo Desideri (eds.), Studi di antiquaria ed epigrafia per Ada Rita Gunnella, Roma: Edizioni di Storia e Letteratura, 2009, pp. 73 – 85.
8a Felice Feliciano (progetto), Specchio del vescovo Iohannes Hinderbach in Castelvecchio, 1475, Trento, Castello del Buonconsiglio
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8b Felice Feliciano (progetto), Epigrafe sull’abaco del capitello di una colonna nel cortile di Castelvecchio, 1475, Trento, Castello del Buonconsiglio
rativa dell’inizio dei lavori nel cortile del Castelvecchio, altre ancora sono iscrizioni, con citazioni bibliche, che compaiono negli abachi dei capitelli nelle colonne del cortile (fig. 8b); tutte presentano maiuscole antiquarie realizzate attraverso l’incisione triangolare nella pietra, con solchi di ampiezza variabile, in piena coerenza con la forma e lo stile delle migliori epigrafi classiche. Scendendo lungo la penisola è d’obbligo segnalare l’imponente programma epigrafico caratterizzato da esibite forme classiche che si diffonde nella città di Roma per impulso di Sisto IV (1471 – 1484), consistente in oltre 100 epigrafi celebrative dei restauri promossi dal papa;37 una decina di anni dopo si deve ricordare almeno la straordinaria cappella Pontano a Napoli, un vero e proprio ‘libro di pietra’ in cui le epigrafi progettate da Pontano si modellano, sia pure con alcune variazioni (le difformità interessano soprattutto le lettere B, R e S), sul nuovo gusto antiquario, oramai ampiamente diffuso nelle corti delle più colte città italiane.38 Non giova, ai fini di questa essenziale ricognizione, accumulare esempi, ma occorre almeno segnalare una particolarità dell’epigrafia fiorentina. Le nuove maiuscole proposte da Donatello nel gruppo di Giuditta e Oloferne non costituiscono un modello diffusamente recepito dai più importanti scultori e pittori attivi in città, che, non certo ignari del paradigma classico, interpretano le capitali in una variata continuità con la più alta tradizione fiorentina della prima metà del secolo.39 Anche le monumentali e famosis37 Per l’epigrafia a Roma nel Quattrocento, e in particolare per l’epigrafia sistina, rimando a Franz–Albrecht Bornschlegel, Die epigraphische Schriftentwicklung in Rom. Das 15. Jahrhundert im überregio nalen Kontext, in: Archiv für Diplomatik, Schriftgeschichte, Siegel- und Wappenkunde, 60 (2014) pp. 253 – 292. 38 Italo Sarcone, Il libro di pietra. Le iscrizioni della cappella Pontano in Napoli, Napoli: EDI, 2014. 39 La sottile dialettica fra persistenza di modelli recepiti e innovazione antiquaria in Firenze si può verificare, ad esempio, nell’affresco di Andrea del Castagno, nel Duomo, che alla base del monumento equestre di Niccolò da Tolentino reca una monumentale iscrizione (c. 1455 – 56) e nell’iscrizione incisa nel marmo alla base della tomba di Giovanni e Piero de’ Medici, opera di Andrea del Verrocchio nella basilica di San Lorenzo (c. 1469 – 1472).
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sime iscrizioni dell’Alberti, una progettata nel 1467 per il Santo Sepolcro nella cappella Rucellai nella chiesa di San Pancrazio, l’altra realizzata nel 1470 per la facciata della chiesa di Santa Maria Novella, declinano il modello classico in continuità con alcuni aspetti della tradizione fiorentina della prima metà del secolo, poiché le lettere delle due iscrizioni, non scevre da qualche deroga rispetto al canone antiquario (nella prima la Y slargata, l’esile terzo tratto di R, gli omogenei spessori di Z; nella seconda gli spessori omogenei di H, il terzo tratto mosso, di tradizione gotica, della R), sono meno solide dei modelli veneti (nella prima il rapporto fra tratto di massimo spessore e altezza è 1:12, nella seconda 1:10,5) e talora troppo ravvicinate.40 La tradizione fiorentina di lettere all’antica che, in forme più o meno marcate, derogano dal paradigma classico, continua almeno fino agli inizi del XVI secolo, trovando un cultore in Michelangelo Buonarroti, nella scritta sulla Pietà Vaticana, che per molti aspetti richiama tecnica e modelli epigrafici dei primi decenni del Quattrocento; questa tradizione non è certo esclusiva, ma si affianca a realizzazioni che documentano la conoscenza e la diffusione dei canoni antiquari, dei quali offre un esempio l’epigrafe per il monumento funebre del giurista Alessandro Tartagni nella chiesa di San Domenico a Bologna, opera del fiorentino Francesco di Simone Ferrucci (c. 1483 – 1485, v. fig. 9). Gli esempi finora addotti, sebbene limitati a una prima esemplificazione, hanno l’esplicita funzione di offrire materiali per ripensare due aspetti del rinnovamento della maiuscola a metà del Quattrocento, quali siano le sue motivazioni profonde e come queste si realizzino in un canone largamente condiviso. Abbiamo visto come il ritorno all’antico fiorentino, fondato su capitali di tradizione romanica, impostosi per il prestigio di letterati umanisti, a Padova sia stato oltrepassato nella ricerca della vera antichità romana, identificata nelle epigrafi, con un attivo coinvolgimento di artisti, antiquarii, copisti, che fanno rivivere le capitali entro una più ampia iconografia classica, alimentata dal culto dell’antichità esemplare. Le differenti realizzazioni della nuova maiuscola (lettere tracciate con penna e inchiostro; miniature di pennello; maiuscole in affreschi o dipinti su tavola; epigrafi incise nel marmo) hanno un riferimento comune nella definizione di forme, di spazi e di proporzioni: abbandonata la tradizione gotica di tratti mistilinei o variamente ingrossati, tutte le lettere antiquarie mostrano forme classiche (es. la M con i tratti esterni leggermente inclinati e tratti centrali che toccano la base di scrittura; la P non chiusa; i tratti finali ampi e vigorosi in R e Q, la presenza di ‘grazie’ che danno solidità alla costruzione della lettera, soprattutto nei tratti più leggeri); presentano proporzioni tendenti al quadrato (evidenti soprattutto nella C, la D, la O, la Q); si caratterizzano per una sapiente alternanza dei tratti pesanti e leggeri, che segue rigorosamente il modello romano classico, anche per i rapporti fra il tratto di massima larghezza e l’altezza
40 Rispetto a Mardersteig 1959 (v. nota 4), che vede nelle due epigrafi dell’Alberti il momento centrale nella “rinascita del carattere lapidario romano”, presenta opportune valutazioni limitative Armando Petrucci, L’Alberti e le scritture, in: Joseph Rykwert, Anne Engel (eds.), Leon Battista Alberti, Milano: Electa, 1994, pp. 276 – 281, pp. 280 – 281.
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9 Francesco Ferrucci, Monumento sepolcrale di Alessandro Tartagni, 1483 – 1485, Bologna, Chiesa di San Domenico
delle lettere (il rapporto 1:10, risalente a Vitruvio, è quello proposto da Feliciano nel suo Alphabetum Romanum); imitano l’antico nella sapiente distanza fra le lettere che formano le singole parole, a loro volta spesso distinte fra loro da interpuncta tricuspidali. Anche se ci muoviamo su un piano puramente formale, queste scelte rivelano, rispetto alla tradizione fiorentina, una novità profonda nella concezione dell’antico. Nell’esperienza veneta, nel sesto decennio del secolo, si sta definendo l’ideologia del più schietto ritorno all’antico, che attinge all’absolutissimum exemplum della classicità romana. In questi anni compaiono le prime affermazioni che l’unica scrittura antica, la vera scrittura della latinità romana è la capitale, quale è documentata da epigrafi, da monete e da alcuni codici tardoantichi.41 La volontà di attingere alla scrittura primigenia non solo nelle epigrafi o nelle iniziali prismatiche, ma nella copia di un intero codice non tarda a realizzarsi grazie al più disinibito antiquarius di quegli anni, Felice Feliciano. Intorno al 1463 Feliciano preparò un prezioso codicetto membranaceo, probabilmente di dedica (Padova, Biblioteca Civica, ms. BP 1099), che reca un breve testo latino, l’Ercole Senofontio, scritto tutto in capitale (con inchiostri viola, verde, giallo, azzurro), forte di richiami ai modi decorativi ottoniani e ai 41 Per indicazioni essenziali si veda Silvia Rizzo, Gli umanisti, i testi classici e le scritture maiuscole, in: Cesare Questa, Renato Raffaelli (eds.), Il libro e il testo. Atti del convegno internazionale (Urbino, 20 – 23 settembre 1982), Urbino, 1984, pp. 225 – 241, p. 226.
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Stefano Zamponi
10 Felice Feliciano (copista), ms. BP 1099, c. 1463, Padova, Biblioteca Civica, f. 8v
cromatismi del codice greco (fig. 10), che diventa il tacito manifesto della riforma grafica ultima, quella che identifica la vera littera antiqua, l’inizio e la fine (e il fine) della scrittura in codici tutti scritti in maiuscole antiquarie.42
42 Per questo codice e per il suo omologo vaticano (ms. Vat. Reg. lat. 1388) si veda Stefano Zamponi, Il paradigma e la fine della scrittura. L’Ercole senofontio del Feliciano, in: Gilda P. Mantovani, La maestà della lettera antica. L’Ercole senofontio di Felice Feliciano (o), Padova: Il Poligrafo, 2006, pp. 11 – 27.
Magdalena Bushart
AUTORSCHAFT IM HOLZSCHNIT T – DÜRER UND DIE FOLGEN
Im neunten, der Zeichenlehre der Natur gewidmeten Buch von De natura rerum erläutert Paracelsus den Begriff der „Signatura“ anhand von Beispielen aus dem Wirtschafts- und Sozialleben. Signatura, so Paracelsus, sei erstens ein Mittel der Zuordnung von Menschen und Produkten: Der Handwerker bezeichne „sein Arbeit und Werck mit seinem besonderen Marckt und Zeichen/darbey jedermann sehen und erkennen kann/wer das Werck gemacht […].“1 Zweitens ermögliche Signatura die Generierung von Werten in einem vorab festgelegten Gültigkeitsbereich: Der Prägestempel einer Münze lege fest, „auff was Werth die geschlagen/und welchem Herren sie zugehört […].“2 Drittens diene Signatura der Authentifizierung: Das Briefsiegel beglaubige die schriftliche Kommunikation und verleihe ihr dadurch überhaupt erst ihre Gültigkeit.3 Nach dem Beschauzeichen (Signatum Visitatis), das eine Qualitätsprüfung von Waren bestätigt, folgt in Paracelsus‘ Aufzählung schließlich als fünfter Punkt die Kennzeichnung von Gegenständen und Stoffen durch Buchstabenkürzel. Signatura könne Buchinhalte „mit wenig Buchstaben/Wort und Nammen“ charakterisieren und ermögliche entsprechend vorgebildeten Spezialisten die Identifikation von Dingen und Stoffen, die anders kaum zu bestimmen wären: „Also sehen ihr auch an den Gläsern unnd Büchsen in Apotecken/wie dieselbigen alle mit besondern unterschiedlichen Nammen auff Zedeln bezeichnet und Signiert werden. Wa das nicht ge-
1 Paracelsus, De natura rerum, in: Sechster Theil Der Bücher und Schrifften, des Edlen, Hochgelehrten und Bewehrten Philosophi unnd Medici, Philippi Theophrasti Bombast von Hohenheim, Paracelsi genannt, Johannes Huser (Hrsg.) (= Husersche Quartausgabe) Basel: Conrad Waldkirch, Bd. 6, 1590 (In diesem Tomo seind begriffen solche Bücher, in welchen deß mehrer theils von Spagyrischer Bereitung Natürlicher dingen, die Artzney betreffend, gehandelt wirt. Item, ettliche Alchimistische Büchlin, so allein von der Transmutation der Metallen tractiren), S. 255 – 362; S. 329. Zu Paracelsus Signaturenlehre vgl. Giorgio Agamben, Signatura rerum. Zur Methode, Frankfurt/Main: Suhrkamp Verlag, 2009, S. 41 – 51; Dieter Mersch, Die Sprache der Dinge. Semiotik der Signatur bei Paracelsus und Jakob Böhme, in: Martin Zenck u. a. (Hrsg.), Signatur und Phantastik in den schönen Künsten und in den Kulturwissenschaften der frühen Neuzeit, München u. a.: Wilhelm Fink, 2008, S. 47 – 62. 2 Paracelsus 1590 (wie Anm. 1) S. 330. 3 „Dann das Sigill ist die Conformation und Bekräfftigung des Brieffs/darum solchem Brieff in allen Rechten Glauben geben wird: Aber ohne diß Zeichen ist d’Brieff tod/unnütz und krafftlos“. Ibid.
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schehe/welcher wolt erkennen die mancherley Wasser/die mancherley Liquores, die Syrop/Olea, Pulveres/Sahmen/Salben/etc?“4 Zuordnung, Wertsetzung, Authentifizierung, Identifizierung: Mit diesen Begriffen, mit denen Paracelsus 1537 die Aufgaben der menschengemachten Signatur charakterisiert, lässt sich auch die Funktion von Signaturen in der süddeutschen Druckgraphik in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts beschreiben. Anders als Gemälde waren Kupferstiche und Holzschnitte dieser Zeit häufig gekennzeichnet – meist mit einem aus den Anfangsbuchstaben von Vor- und Nachnamen zusammengesetzten Monogramm, seltener mit Namen und Herkunftsbezeichnung, Wappen oder sprechenden Zeichen.5 Die Gründe dafür waren zunächst wirtschaftlicher Natur. Entstanden druckgraphische Blätter doch in der Regel nicht als Auftragsarbeiten, sondern als Handelsware, die über Agenten oder auf Märkten überregional vertrieben wurde. Damit unterlagen sie ähnlichen Bedingungen wie andere Waren, die gekennzeichnet wurden, um ihre Qualität zu bestätigen und sie als Produkte eines bestimmten Ortes oder Herstellers auszuweisen beziehungsweise zu schützen.6 Je mehr Bedeutung dem Graphikmarkt zuwuchs, je mehr Maler sich auf der Suche nach zusätzlichen Einnahmequellen der Druckgraphik zuwandten, je stärker schließlich der Konkurrenzdruck wurde, desto wichtiger wurde das Monogramm. Die Künstler setzten es im Sinne der Profilbildung und der Definition des eigenen Markwertes ein; mit ihm gaben sie sich als Urheber des Entwurfs, bisweilen auch des ausgeführten Blattes zu erkennen und bekräftigten ihre Rechte an der Ware.7 Die Käufer wurden durch das Monogramm in die Lage versetzt, gezielt Arbeiten bestimmter Künstler zu erwerben, zu bewerten und im visuellen Netzwerk der Zeit zu verorten. Bei entsprechender Sachkenntnis konnten sie die Kürzel auflösen – für den frühneuzeitlichen Kenner keine triviale Auf 4 Ibid., S. 331. 5 Zur Signatur in der Druckgraphik der Frühen Neuzeit im deutschen Sprachraum: Michael Liebmann, Die Künstlersignatur im 15.–16. Jahrhundert als Gegenstand soziologischer Untersuchungen, in: Peter H. Feist u. a. (Hrsg), Lucas Cranach, Künstler und Gesellschaft (Cranach-Ehrung der Deutschen Demokratischen Republik 1972), Halle: Eigenverlag der Staatlichen Lutherhalle, 1973, S. 129 – 134; Markus Naß, Stellung und Bedeutung des Monogramms Martin Schongauers in der Graphik des 15. Jahrhunderts, in: Hartmut Krohm, Jan Nicolaisen (Hrsg.), Martin Schongauer, Druckgraphik im Berliner Kupferstichkabinett, Berlin, 1991 (= Bildhefte der Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz, Heft.65/66) S. 48 – 62; Victor Stoichita, Nomi in cornice, in: Matthias Winner (Hrsg.), Der Künstler über sich in seinem Werk, (= Internationales Symposium der Bibliotheca Hertziana, 1989), Weinheim: VCH, Acta Humaniora, 1992, S. 293 – 303; Tobias Burg, Die Signatur. Formen und Funktionen vom Mittelalter bis zum 17. Jahrhundert, Berlin: LIT Verlag, 2007, S. 456 – 73; Tobias Burg, Signaturen der frühen Druckgraphik, in: Nicole Hegener (Hrsg.), Künstler-Signaturen von der Antike bis zur Gegenwart, Petersberg: Michael Imhof Verlag, 2013, S. 284 – 293. 6 Evamaria Engel, Signum Mercatoris – Signum Societatis. Zeichen und Marke im Wirtschaftsleben deutscher Städte des Spätmittelalters, in: Gertrud Blaschwitz u. a. (Hrsg.), Symbole des Alltags – Alltag der Symbole. Festschrift Harry Kühnel zum 65. Geburtstag, Graz: Akad. Druck und Verlags-Anstalt, 1992, S. 209 – 232; Wolfgang von Stomer, Marken und Zeichen des Wirtschaftslebens, in: ibid., S. 233 – 241; Burg 2007 (wie Anm. 5), S. 472 – 473. 7 Grischka Petri, Der Fall Dürer vs. Raimondi. Vasaris Erfindung, in: Brigit Münch, Andreas Tacke, Markwart Herzog, Sylvia Heudecker (Hrsg.), Fälschung – Plagiat – Kopie. Künstlerische Praktiken in der Vormoderne, Petersberg: Michael Imhof Verlag, 2014, S. 52 – 69, S. 58. Ich danke Andreas Beyer für den Hinweis auf diesen Artikel.
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gabe!8 – und die Autoren der Blätter auch dann identifizieren, wenn sie nicht zu ihrem unmittelbaren sozialen Umfeld gehörten. Umgekehrt dürfte die Möglichkeit einer Zuordnung die Entwicklung frühneuzeitlicher Graphiksammlungen wesentlich mitbefördert haben. Während bis ins zweite Drittel des 15. Jahrhunderts Druckgraphik primär unter thematischen Gesichtspunkten gesammelt und als Buchschmuck verwendet wurde,9 bildete sich um die Jahrhundertwende ein Fachpublikum heraus, das sich dezidiert für bestimmte Künstlerpersönlichkeiten und herausragende gestalterische Lösungen interessierte.10 Das Monogrammieren regelte also auf mehreren Ebenen das Verhältnis zwischen entwerfenden Künstlern und Rezipienten. Aus der Warenkennung wurde ein „Hannd zaichen“11, über das sich die Künstler auch dann in das gedruckte Bild einschreiben konnten, wenn sie dafür nur den Entwurf geliefert hatten. Selbstverständlich war diese Funktion des Monogramms nicht. Handwerker-Marken waren an das fertige Produkt gebunden und bürgten weder für Urheberschaft noch für Eigenhändigkeit, sondern ausschließlich für die Qualität der Ausführung. Das galt zunächst auch für die Druckgraphik. Die frühesten Monogramme, die eindeutig als solche gemeint sind, tauchen nach 1450 in den Kupferstichen des Meister E.S. und Israhel van Meckenem auf (wobei offenbleiben muss, wer von beiden zuerst signierte), dicht gefolgt von Martin Schongauer.12 Alle drei Künstler waren als Kupferstecher ungeheuer produktiv; Meister E.S. lassen sich 319, Israhel van Meckenem mehr als 600 und Schongauer immerhin noch 115 Blätter zuordnen. Für den Meister E.S. hat Holm Bevers aus stilkritischen Gründen eine Werkstatt angenommen, in der mehrere Mitarbeiter tätig waren.13 8 Wie hoch das Wissen um Monogramme war, lässt sich schwer beurteilen; mit Sicherheit aber hatte es eine begrenzte Halbwertszeit. So war man schon gegen Ende des 16. Jahrhunderts außerhalb Regensburgs offensichtlich nicht mehr in der Lage, das ligierte Monogramm AA als Hinweis auf Albrecht Altdorfer aufzulösen: Magdalena Bushart, Sehen und Erkennen. Albrecht Altdorfers religiöse Bilder, München/Berlin: Deutscher Kunstverlag, 2004, S. 34 – 35. 9 Peter Schmidt, Gedruckte Bilder in handgeschriebenen Büchern. Zum Gebrauch von Druckgraphik im 15. Jahrhundert (= Pictura et poesis 16), Köln (u. a.): Böhlau, 2003; Peter Schmidt, Die Anfänge des vervielfältigten Bildes im 15. Jahrhundert oder was eigentlich reproduziert das Reproduktionsmedium Druckgraphik, in: Britta Bußmann, Albrecht Hausman (Hrsg.), Übertragungen. Formen und Konzepte von Reproduktion in Mittelalter und Früher Neuzeit, Berlin u. a.: De Gruyter, 2005, S. 129 – 156; Richard S. Field, Der frühe Holzschnitt. Was man weiß und was man nicht weiß, in: Peter Parshall, Rainer Schoch (Hrsg.), Die Anfänge der europäischen Druckgraphik. Holzschnitte im 15. Jahrhundert und ihr Gebrauch (Kat. d. Ausst. Washington, D.C., National Gallery of Art; Nürnberg Germanisches Nationalmuseum, 2005 – 2006), Nürnberg: Verlag des Germanischen Nationalmuseums, 2005, S. 19 – 35. 10 Matthias Mende, Sammeln – Ordnen – Beschreiben. Klassifizierungssysteme Dürerscher Druckgraphik vor 1800, in: id., Rainer Schoch, Anna Scherbaum (Hrsg.), Albrecht Dürer, Das Druckgraphische Werk, 3 Bde., München/New York: Prestel, 2001 – 2002, Bd. 2 (2002), S. 9 – 27, S. 16 – 17. 11 Mit diesem Begriff wird im Nürnberger Ratsverlass vom 3. Januar 1512 Dürers Monogramm bezeichnet: Hans Rupprich (Hrsg.), Albrecht Dürer. Schriftlicher Nachlass, 3 Bde., Berlin: Deutscher Verein für Kunstwissenschaft, Bd. 1, 1956, S. 241, Nr. 4. 12 Folgt man Naß, dann sind die mit einer Marke versehenen Metallschnitte des Monogrammisten D noch früher als die Kupferstiche anzusetzen: Naß 1991 (wie Anm. 5), S. 49. 13 Holm Bevers, Einleitung, in: Meister E.S. Ein oberrheinischer Kupferstecher der Spätgotik (Kat. d. Ausst. Staatliche Graphische Sammlung, München, Kupferstichkabinett Berlin), München, 1986, S. 7 – 20, S. 16.
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Ähnliches dürfte auch für Israhel van Meckenem gelten, der zudem über einen längeren Zeitraum hinweg „Neuauflagen“ seiner Stiche produzierte, mithin nach Art eines Verlegers eine back list führte.14 Es ist deshalb nicht mit letzter Sicherheit zu bestimmen, in welcher Eigenschaft die Künstler die Graphiken bezeichneten – ob als Stecher oder als Werkstattinhaber beziehungsweise Verleger. Der Urheber der Bilderfindung hingegen war mit der Signatur nicht oder zumindest nicht verlässlich zu identifizieren: Wenn Israhel van Meckenem oder Wenzel von Olmütz Kopien nach Werken Schongauers oder Dürers anfertigten, setzten sie ihren eigenen Namen darunter; gleiches gilt für Israhels Kupferstiche nach Zeichnungen von Hans Holbein d. Ä.15 Beim Holzschnitt des 15. Jahrhunderts lagen die Dinge noch einmal anders. Während bei Metallschnitt und Kupferstich immerhin die Möglichkeit bestand, dass Entwurf und Ausführung in einer Hand lagen, war dies beim Holzschnitt eher unwahrscheinlich. Hier waren mehrere Spezialisten am Produktionsprozess beteiligt: der Zeichner, der den Entwurf lieferte, bisweilen ein Reißer, der ihn auf den Holzstock übertrug, der Formschneider, der ihn ins Holz schnitt und der Drucker, der ihn aufs Papier brachte. Dazu kamen unter Umständen noch der Verleger, der den Holzschnitt oder das Buch vertrieb, und der für die Kolorierung zuständige Briefmaler. Für die Namen, die in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts vereinzelt auf Holzschnitten auftauchen, sind deshalb stets mehrere Positionen in Betracht zu ziehen, zumal eine Person mehrere Aufgaben übernommen haben konnte.16 Mit großer Sicherheit auszuschließen sind lediglich die entwerfenden Künstler, sofern sich ihr Beitrag auf Vorzeichnungen beschränkte. Das heißt nicht, dass man ihre Leistung totschwieg; gerade in Buchpublikationen konnten sie durchaus im Kolophon oder in der Einleitung genannt werden.17 Im gedruckten Bild allerdings manifestierte sich ihre Arbeit nur indirekt, musste also nicht beglaubigt werden. Ähnliches ist für die Formschneider zu vermuten. Wenn sie zeichneten, dann vorzugsweise auf einer der Schmalseiten des Druckstocks, an einer Stelle, die für die Erscheinung des Endprodukts keine Rolle spielte. Ihre Beglaubigung galt der Matrize, nicht dem Abzug.18 Gemeinsam ist den frühen Kupferstich- oder Holzschnittsignaturen, dass sie, wohin sie auch immer gesetzt wurden – ob auf den Rahmen, ob unter oder im Bildfeld – stets als Zusatz erkennbar bleiben. Besonders deutlich lässt sich das bei Schongauer beobachten, 14 Achim Riether, Israhel van Meckenem (um 1440/45 – 1503), Kupferstiche – der Münchner Bestand (Kat. d. Ausst. Staatlichen Graphische Sammlung, München), München, 2006, S. 19 – 24. 15 David Landau, Peter Parshall, The Renaissance Print 1470 – 1550, New Haven/London: Yale University Press, 1994, S. 54; Christine Vogt, Das druckgraphische Bild nach Vorlagen Albrecht Dürers (1471 – 1528). Zum Phänomen der graphischen Kopie (Reproduktion) zu Lebzeiten Dürers nördlich der Alpen, München 2008, S. 37 – 43, S. 132 – 133. 16 Vgl. Parshall/Schoch 2005 (wie Anm. 9), S. 214 – 216, S. 239 – 240, S. 248. 17 Peter Schmidt, Wieso Holzschnitt? Dürer auf der Medien- und Rollensuche, in: Daniel Hess, Thomas Esser (Hrsg.), Der frühe Dürer (Kat. d. Ausst. Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg), Nürnberg: Verlag des Germanischen Nationalmuseums, 2012, S. 146 – 159, S. 154 – 155. 18 Tilman Falk, Formschneider, Formschnitt, in: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, Bd. X (2004), Sp. 190 – 224; in: RDK Labor, URL: http://www.rdklabor.de/w/?oldid=89293 (abgerufen am 29. 8. 2021).
1 Martin Schongauer, Der Erzengel Michael (L. 63), Kupferstich, um 1440/70, New York, The Metropolitan Museum of Art, Acc. No. 34.38.2
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2 Meister E.S., Große Madonna von Einsiedeln (L.81), Kupferstich, 1466, Berlin, Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett, Inv. Nr. 339 – 1 (1860)
der sein standardisiertes Monogramm, das sich in Gestaltung und Kombination der Buchstaben auch über die Jahre nur geringfügig änderte, konsequent in der Mitte des unteren Bildrandes platzierte. Diese Position war von Anfang an gesetzt; ihr hatten sich die einzelnen Motive unterzuordnen19 (Abb. 1). Aber auch Meister E.S. und Israhel van Meckenem, die mit der Kennzeichnung und ihren Anbringungsorten experimentierten, vermieden die nahtlose Integration des Monogramms in das Bildgeschehen. Selbst dort, wo sich – wie in Israhels Passionsblättern – Bezüge zwischen den kalligraphischen Schnörkeln der Buchstaben und benachbarten Formen beobachten lassen oder wo – wie bei einigen Kupferstichen des Meisters E.S. – Jahreszahl und Monogramm auf einem innerbildlichen Architekturrahmen sitzen (Abb. 2), folgen die Buchstaben anderen gestalterischen Regeln als die Repräsentation der Gegenstände (und im Falle der Großen Madonna von Einsiedeln auch anderen Regeln als die Inschrift in der Kehle des Torbogens) im Bild. Als Albrecht Dürer um 1495 begann, seine Kupferstiche mit seinem Monogramm zu versehen, konnte er also auf eine etablierte Signierpraxis Bezug nehmen – mit dem Anbringungsort mittig am vorderen Bildrand und der konsequenten Beschränkung auf die 19 Naß 1991 (Anm. 5), S. 57.
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3 Albrecht Dürer, Herkules und Cacus (Meder 238), Holzschnitt, um 1496, Amsterdam, Rijksmuseum, Inv. Nr. RP-P-OB-1467
(ligierten) Buchstaben AD stellte er sich in die Tradition, die Martin Schongauer begründet hatte.20 Von der Kennzeichnungspraxis der älteren Generation entfernte er sich jedoch schon wenig später, als er 1496 dieses Modell auf den Holzschnitt übertrug (Abb. 3). Rainer Schoch und andere haben darauf hingewiesen, dass Dürer als sein eigener Verleger agierte und Formschnitt und Druck selbst beauftragte.21 Demnach hätte der Künstler – ähnlich wie der Meister E.S. und Israhel van Meckenem im Bereich des Kupferstichs – in der Rolle eines Unternehmers monogrammiert. Für die Anfänge trifft das sicherlich zu. Doch spätestens in dem Moment, in dem Dürer sein Monogramm auch unter Werke setzte, deren Produktion durch Dritte organisiert worden war, und die Kollegen begannen, ihre Holzschnitte ebenfalls zu monogrammieren, war ein Paradigmenwechsel vollzogen, der nicht mehr die ausführenden Kräfte, sondern die Entwerfenden ins Zentrum rückte. Der Bedeutungswandel deutete sich um die Wende zum 16. Jahrhundert an, als sich Dürer von dem starren Schema Schongauers löste und mit Ort und Art der Anbringung des Monogramms zu spielen begann. Als Experimentierfeld diente ihm, folgt man der auf stilkritischer Basis erstellten Chronologie seiner Werke, der Kupferstich.22 In dem um 1499 entstandenen Heiligen Sebastian an der Säule (Meder 61) taucht erstmals ein an 20 Bis auf sechs Arbeiten sind alle im Tiefdruck gefertigten Blätter monogrammiert. 21 Rainer Schoch, ALBERTVS DVRER NORICUS FACIEBAT. Bemerkungen zur Rolle der Druckgraphik im Werk Albrecht Dürers, in: id./Mende/Scherbaum 2001 (wie Anm. 10), S. 9 – 23, S. 10; vgl. dazu die kritischen Anmerkungen bei Schmidt 2012 (wie Anm. 17), S. 154. 22 Ich folge in den Datierungen Schoch/Mende/Scherbaum 2001 und 2002 (wie Anm. 10).
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e inen Torbogen geklebter cartellino mit dem Monogramm auf; ab 1501 finden sich dann auch Monogrammtäfelchen. In einigen Fällen werden die Buchstaben mit dem Datum kombiniert, in anderen ist die Jahreszahl an anderer Stelle angebracht; häufig stehen die Monogramme aber auch für sich. Die Anregung dazu dürften italienische Arbeiten geliefert haben. Cartellini und tavolette waren dort nicht nur in der Malerei zu finden,23 sondern vereinzelt auch in Kupferstichen – etwa in Antonio Pollaiuolos Kämpfenden nackten Männern oder Andrea Mantegnas Kampf der Seegötter, zwei Werken, die Dürer nachweislich rezipiert hat.24 Schon die frühesten Beispiele zeigen die Bedeutung, die er dieser Lösung zumaß. Bisweilen fügen sich die Täfelchen in das Gesamtgefüge ein, als Gegenstand unter anderen Gegenständen – so in dem um 1501 datierten Fahnenschwinger (Meder 92), wo die tabula auf einem Baumstumpf platziert ist; bisweilen werden sie aber auch als Fremdkörper charakterisiert, der klar an den Rezipienten adressiert ist. In der Nemesis (um 1502; Meder 72) etwa übernimmt das Täfelchen am rechten vorderen Bildrand die Funktion einer Gelenkstelle zwischen der Erscheinung der Göttin in der oberen und der Übersichtslandschaft in der unteren Bildhälfte. Das Plateau, auf dem es steht, gehört weder dem einen noch dem anderen Bereich an, sondern markiert einen eigenen Betrachterraum, von dem aus eine Zusammenschau der beiden durch einen dichten Wolkensaum getrennten Sphären möglich ist (Abb. 4). Wenig später entwickelten die Täfelchen dann ein Eigenleben, das sie zu einem selbstständigen, bisweilen das Geschehen kommentierenden, bisweilen konter karierenden Bildelement machte. Sie lagen wie der tote Drache auf dem Boden hingestreckt zu Füßen des siegreichen heiligen Georg (Der heiligen Georg zu Fuß, um 1502/03; Meder 55), teilten sich einen Sockel mit dem Wappenschild des Todes (Wappen mit dem Totenkopf, 1503; Meder 98) bezeichneten wie ein am Haus aufgehängtes Wirtshausschild – ein aus dem Alltagsleben vertrautes signum – den Ort der Geburt Christi (Die Geburt Christi, 1504; Meder 2) oder wiesen, in tiefster Waldeinsamkeit an einem Ast hängend, auf den Kontrast zwischen der kultivierten Welt und der Welt der Satyrn und Nymphen hin (Satyr und Nymphe, 1505; Meder 65). Durch die Involvierung ins Bildgeschehen erhielt das Monogramm eine neue Qualität. Es war nicht mehr die Kennzeichnung eines fertigen Produkts, sondern wurde als integraler Bestandteil des Entwurfs charakterisiert und wies so auf die inventio zurück, die den Blättern zugrunde lag. Im Holzschnitt dauerte die Einführung von cartellini und tabulae etwas länger; sie wird erstmals in den Illustrationen fassbar, die Dürer zu den Epitome in Divae Parthenices Mariae historiam des Benediktiners Benedictus Chelidonius angefertigt hat.25 Bei der Verherr23 Rona Goffen, Signatures: Inscribing identity in Italian Renaissance art, in: Viator 32 (2001), S. 303 – 370. 24 Für Dürers Kopie nach Pollaiuolo vgl. Shelley R. Langdale, Battle of the Nudes. Pollaiouolo’s Renaissance Masterpiece (Kat. d. Ausst. The Cleveland Museum of Art), Cleveland, 2002, S. 48; zur Kopie nach dem Kampf der Seegötter Marzia Faietti, Aemulatio versus simulatio. Dürer oltre Mantegna, in: Kristina Herrmann-Fiore (Hrsg.), Dürer e l’Italia (Kat. d. Ausst. Scuderie del Quirinale), Rom, 2007, S. 81 – 87. 25 Die Folge erschien in Einzelblättern und 1511 in Buchform: Albrecht Dürer, Epitome in Divae Parthenices Mariae historiam ab Alberto Durero Norico per figuras digestam cum versibus annexis Chelidonii. Zur Genese zuletzt Anna Scherbaum, Albrecht Dürers Marienleben: Form – Gestalt – Funktion und sozialhistorischer Ort, Mit einem Beitrag von Claudia Wiener, Wiesbaden: Harrasowitz Verlag, 2004.
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4 Albrecht Dürer, Nemesis (Meder 72), Kupferstich, um 1502, Amsterdam, Rijksmuseum, Inv. Nr. RP-P-OB-1241
lichung Mariens (Meder 207), die wohl den Beginn der Arbeit an der Folge markiert und um 1502 entstanden ist, befindet sich das Monogramm noch mittig am vorderen Bildrand. Es hat mit dem Bildgeschehen ebenso wenig zu tun wie mit dem räumlichen Arrangement und ist ebenso wenig dinglich fassbar wie im Bildgefüge verortbar. Doch schon bei den nächsten, etwa ein Jahr später anzusetzenden Holzschnitten der Folge übernahm Dürer das Modell, das er im Kupferstich erprobt hatte, und baute es weiter aus. Die tabulae entwickelten sich zu einem Bildmotiv eigenen Rechts. Mit ihm löste sich das Monogramm von seinem bisherigen Bestimmungsort und wurde zu einem Gegenstand, der wie zufällig mitten ins Bildgeschehen geraten ist, zu einem visuellen Stolperstein, der sich der Wahrnehmung in den Weg stellt und dadurch den Blick lenkt. Das gilt auch für die Fälle, in denen das Monogramm nicht mehr an eine Tafel oder ein Papier als Trägermedium gebunden ist, sondern direkt in Möbel, Mauern oder Felsen eingeschrieben zu sein scheint. Bis auf eine Ausnahme wird es der handelnden Hauptperson zugeordnet beziehungsweise ist auf diese ausgerichtet; dabei unterliegt es stets den Lichtverhältnissen und der Perspektiv-
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5 Albrecht Dürer, Marienleben: Abschied Christi (Meder 204), Holzschnitt, um 1504, Amsterdam, Rijksmuseum, Inv. Nr. RP-P-OB-1423
konstruktion der jeweiligen Komposition. Die Anbindung an die Handlung weist dem Monogramm die Funktion einer Sehanleitung zu, die Bewegungs- (und damit Lese-)richtungen akzentuiert, ja sogar Stimmungen definiert. Besonders deutlich wird dies im Abschied Christi (um 1504; Meder 204). Dürer hat hier das Monogramm nicht auf der Vorder- sondern der Rückseite der tabula angebracht, die an eine imaginäre Bildgrenze angelehnt ist (Abb. 5). Die Verschattung und die ‚Abwendung‘ vom Geschehen lassen sich als Kommentar zu der Verzweiflung der Frauen angesichts der Gewissheit des Opfertodes Christi verstehen. Die Wendung aus dem Bildraum heraus bezieht aber auch den Betrachter mit ein. Die Tafel ist wie eine handelnde Figur an ihn adressiert und fordert ihn zum Mitleiden auf.26 26 Zur Korrespondenz zwischen der offenen Türe und Dürers Wappen vgl. Philipp P. Fehl, Dürer’s Literal Presence in his Pictures: Reflections on his Signatures in the Small Woodcut Passion, in: Winner 1992 (wie Anm. 5), S. 191 – 225.
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6 Albrecht Dürer, Marienleben: Darstellung im Tempel (Meder 200), Holzschnitt, um 1505, Amsterdam, Rijksmuseum, Inv. Nr. RP-P-OB-1416
Insgesamt suggeriert die dingliche Präsenz des Monogramms immer wieder auch eine Form von körperlicher Präsenz – nicht notwendigerweise des Künstlers, wie Philipp Fehl vermutet hat, aber doch eines mental in das Geschehen involvierten „Akteurs“.27 So wird das Monogramm in der Anbetung der Hirten (um 1502/03; Meder 197) mit einem gewaltigen Steinblock kombiniert, der zugleich die Position für den andächtigen Betrachter des Blattes vorzugeben scheint, so reagiert der Hund in der Heimsuchung (um 1503; Meder 196) auf die tabula, als knurre er einen weiteren Besucher vor dem Haus von Anna und Joachim an. Eine Sonderstellung nimmt die Darstellung im Tempel (um 1505; Meder 200) ein (Abb. 6). Hier ist die Monogrammtafel an einer Säule angebracht, die ihrerseits von einem Zuschauer im geistlichen Habit mit dem Arm umfasst wird. Die Konstellation 27 Ibid.; Ksenija Tschetschik-Hammerl hat die Monogramme sogar als „Selbstporträts“ definiert: Ksenija Tschetschik-Hammerl, Das Dürer-Monogramm als Gegenstand der Nachahmung im 16. und frühen 17. Jahrhundert, in: Kunsttexte, Ausgabe 3: Renaissance, 2018, urn:nbn:de:kobv:11-110-18452/20223-0 (abgerufen am 29. 08. 2021).
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könnte als Hinweis auf die Kooperation zwischen Dürer, dem Schöpfer der Bilder, und Chelidonius, dem Verfasser des Textes, zu verstehen sein. Beide Autoren würden dann in Bezug gesetzt zu dem greisen Propheten Simeon. Eine „Doppelsignatur“ von Dichter und Maler hätte hier durchaus ihre Berechtigung. Schließlich waren die cantica des Lukasevangeliums, zu denen Simeons Nunc dimittis gehört, nicht nur Teil der Stundengebete, sondern wurden auch als Vorbild für geistliche Dichtungen bemüht. Zugleich thematisiert Simeon in seinem Lobgesang die Rolle des Sehens mit leiblichen Augen. Er könne beruhigt sterben, „quia viderunt oculi mei salutare tuum“ (LK 2,29 – 32). In Dürers Holzschnitt wird Simeons Augenzeugenschaft mit der Aufforderung verbunden, das Nichtsichtbare durch mentale Bilder zu ergänzen: Das Kind, von dem Priester gehalten, wendet sich ausschließlich an bildinterne Zuschauer, allen voran an Maria. Unserem Blick hingegen entzieht es sich, sofern wir uns nicht nach dem Vorbild von Dürer und Chelidonius als an wesend imaginieren.28 Wie auch immer die inhaltliche Seite der Monogramme im Einzelnen zu interpretieren ist: Deutlich wird, dass die Signatur durch die Verbindung mit der Komposition zu einem Bestandteil des Entwurfs geworden ist, der nicht ohne weiteres eliminiert werden kann. Mit ihr machte Dürer unmissverständlich klar, dass er nicht nur als Verleger, sondern auch als Entwerfer für sein Werk einstand. Was das Bild bezeugt, wird im Text in der viel zitierten Privilegienformel ausgesprochen, die der Künstler 1511 in die Buchpublikationen des Marienlebens und der Großen Passion aufgenommen hat: An Raubdrucker gewandt heißt es hier: „Heus tu insidiator ac alieni laboris et ingenii surreptor, ne manus temerarias his nostris operibus inicias cave!“29 Danach umfassten Dürers Rechte an den Werken nicht nur die „labor“ der Produktion (damit war im Falle der Holzschnitte neben der unternehmerischen Leistung sicher auch die Beaufsichtigung der Formschneider gemeint),30 sondern auch das „ingenium“, die geistige Leistung, die im Endprodukt steckt.31 Auf die unterschiedlichen Möglichkeiten der Signatura, die er im Marienleben erstmals durchdekliniert hatte, griff Dürer in der Folgezeit immer wieder zurück, nicht ohne sie beständig zu variieren und zu erweitern. Zu den tabulae und cartellini sowie den Einschrei28 Zur „elliptischen“ Darstellung des Kindes, das dem Blick des Betrachtenden entzogen wird: Frank O. Büttner, ‚Fortwirken‘ in Abwandlung. Zur Verwendung von Vorlagen in einigen Darstellungen von zwei Szenen aus der Kindheit Christi. Anbetung der Könige und Darbringung im Tempel, in: Relations artistiques entre les Pays-Bas et l’Italie à la Renaissance. Études d`histoire de l’art 4, 1980, S. 15 – 41, S. 28. 29 In der Übersetzung von Claudia Wiener lautet die Warnung: „Wehe dir, Betrüger und Dieb von fremder Arbeitsleistung und Einfällen, lass es dir nicht einfallen, deine dreisten Hände an diese Werke anzu legen.!“ in: Scherbaum 2004 (wie Anm. 25), S. 98 – 99. 30 Auch wenn man sich lange stritt, ob Dürer seine Druckstöcke selbst geschnitten habe, überwiegt heute doch die Annahme, dass er der gängigen Praxis folgte und diese Arbeit ausgebildeten Spezialisten überließ. Allerdings könnte er, wie Richard Field vermutet hat, den Formschnitt durch seine gestalterischen Vorgaben unterstützt haben: Richard S. Field, The Woodcuts and Woodblocks of Albrecht Dürer: Inspiration, Standardization and Reformation of an Art, in: Daniel de Simone (Hrsg.), Seven Perspectives on the Woodcut. Presentations for a Heavenly Craft Symposium and Exhibition, Washington D. C: Library of Congress, 2008, S. 11 – 39. 31 Zur möglichen Herkunft der Wendung aus der Rhetorik vgl. Thomas Würtenberger, Albrecht Dürer. Künstler, Recht, Gerechtigkeit, Frankfurt/Main: Klostermann, 1971, S. 79 – 80.
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7 Albrecht Dürer, Kleine Passion: Christus vor Kaiphas (Meder 138), Holzschnitt, um 1508/09, Amsterdam, Rijksmuseum, Inv. Nr. RP-P-OB-1333
bungen in Gegenstände oder auf raumdefinierende Elemente gesellten sich ab 1509 (im Kupferstich) beziehungsweise 1511 (im Holzschnitt) Monogramme, die in übergroßen Lettern frei in die ungestaltete weiße Fläche der Himmelszone gesetzt sind. Die Modelle standen für Dürer wohl gleichberechtigt nebeneinander; unter formalen oder technologischen Gesichtspunkten jedenfalls lässt sich kein durchgängig gültiges Prinzip für die Art der Kennzeichnung erkennen. Allerdings konnte das Monogramm je nach Ort und Thema unterschiedliche Aufgaben im Bildgefüge übernehmen. So orientiert sich seine Anbringung in den Holzschnitten der Kleinen Passion (entstanden zwischen 1509 und 1511; Meder 125 – 162) offensichtlich an der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Passionsliteratur, die den Lesenden anweist, sich die Vielzahl schmachvoller Handlungen, die Christus erleiden muss, bildlich vorzustellen, um sie möglichst intensiv nachempfinden zu können.32 Auf einem Täfelchen oder an Wand und Boden angebracht, geben die Buchstabenkürzel bildinterne Standorte vor, von denen aus das Ge32 Zum Rezeptionsmodell von druckgraphischen Passions- und Marienzyklen allgemein vgl. Frank O. Büttner, Imitatio Pietatis. Motive der christlichen Ikonographie als Modelle der Verähnlichung, Berlin: Mann, 1983; Bushart 2004 (wie Anm. 8), S. 125 – 157.
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schehen aus nächster Nähe zu beobachten wäre, und fordern so zur geistlichen Anteilnahme auf (Abb. 7). Im Heiligen Hieronymus in der Felsgrotte (1512; Meder 229) setzte der Künstler dagegen sein eigenes Tun in Bezug zu dem des Heiligen, der in Humanistenkreisen als Modell frommer Gelehrsamkeit aufgerufen wurde – der Holzschnitt entstand möglicherweise mit Blick auf die von Lazarus Spengler besorgte Übersetzung der Hieronymus-Biographie des Eusebius, mit Sicherheit aber im Kontext der humanistischen Hieronymus-Verehrung.33 Dürers Hieronymus scheint Schauen und Schreiben miteinander zu verbinden (Abb. 8): Den Blick auf das vor ihm stehende und durch den Sockel als Bildwerk charakterisierte Kruzifix geheftet, füllt er mit der Feder die Seiten eines Buches. Dieser Form des bildaffizierten Schreibens (hier soll wohl an Hieronymus’ Passionsbetrachtungen erinnert werden) stellt der Künstler mit seinem übergroßen und prominent in die Felswand „eingemeißelten“ Monogramm eine andere Art von Autorschaft gegenüber. Die Lettern sind unmissverständlich Teil eines graphischen Gestaltungsprozesses; werden sie doch durch die Verdichtung der parallelen Schraffen gebildet, mit denen auch die Beschaffenheit der übrigen Gegenstände im Bild charakterisiert wird. Der gemeinsame Nenner ist das visuelle Erlebnis. Es ist Ausgangspunkt für das Zeichnen mit Linien ebenso wie für das Schreiben mit Linien und dient in beiden Fällen dem Erkennen eines begrifflich nur bedingt fassbaren Gehalts. Noch einmal anders thematisiert Dürer die eigene Person in dem Blatt Christus in der Vorhölle aus der Großen Passion (1510; Meder 121). Der Stein mit dem Monogramm übernimmt hier wohl tatsächlich so etwas wie eine Stellvertreterfunktion (Abb. 9). Er steht auf der Brüstung, hinter der Johannes der Täufer und die Propheten des Alten Testaments auf die Errettung aus dem Limbus warten. Diese Konstellation und die Position unterhalb der helfenden Hand, die Christus den in der Hölle Gefangenen entgegenstreckt, macht aus der Kennzeichnung ein Bekenntnis: Der Künstler bezeugt nicht nur die Autorschaft am Bild, fordert nicht nur zu aktivem Betrachterverhalten auf, sondern formuliert sehr konkret die eigene Hoffnung auf Erlösung. Da sich Dürer 1510/11 mit einer Bildserie zur Johannes-Vita beschäftigt und dabei dem büßenden Täufer Züge seiner eigenen Physiognomie gegeben hat,34 mag auch die räumliche Nähe zu Johannes bewusst gesetzt sein und die Relation von Bußfertigkeit und Heilserwartung thematisieren.35 Bei der Heiligen Familie unter dem Baum (1511; Meder 215) schließlich fehlen inhaltliche Bezüge (Abb. 10). Stattdessen scheinen marktstrategische Überlegungen zu dominieren. Die Signatur ist hier auffällig groß in den Freiraum neben die leicht aus der Mittelachse gerückte Baumgruppe gesetzt und wirkt vor allem als kompositionelles Element. Form und Anbringungsort mögen aber auch der Tatsachte geschuldet sein, dass es sich hier nicht um 33 Vgl. Schoch/Mende/Scherbaum Bd. 2, 2002 (wie Anm. 10), S. 370. 34 Dabei handelt es sich um die Holzschnitte Meder 108, 231 und 232; zur Diskussion vgl. Schoch/ Mende/Scherbaum Bd. 2, 2002 (wie Anm. 10), S. 168 – 174. 35 Im entsprechenden Blatt der Kupferstichpassion (1512; Meder 16) wird dieser Gedanke noch prägnanter vorgetragen: Hier überschneidet der vordere Bildrand den Höllenschacht, aus dem die Verdammten händeringend zu Christus emporblicken, der soeben den Täufer aus den Flammen herauszieht. Überschnitten ist auch der Quader, auf dem das Monogrammblatt aufliegt; der Künstler reiht sich so in die Gruppe der Höllenbewohner ein, die den Gnadenakt erflehen.
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8 Albrecht Dürer, Hl. Hieronymus in der Felsgrotte (Meder 229), Holzschnitt, 1512, Amsterdam, Rijksmuseum, Inv. Nr. RP-P-OB-1448
9 Albrecht Dürer, Große Passion: Christus in der Vorhölle (Meder 121), Holzschnitt, 1510, Amsterdam Rijksmuseum, Inv. Nr. RP-P-OB-1315
10 Albrecht Dürer, Heilige Familie unter dem Baum (Meder 215), Holzschnitt, 1511, Amsterdam, Rijksmuseum, Inv. Nr. RP-P-OB-1431
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eine Illustration oder den Teil einer Serie, sondern um ein Einzelblatt und um einen populären Bildgegenstand handelte, für den Dürer seine Rechte mit besonderem Nachdruck zum Ausdruck bringen wollte. Für einen Holzschnitt bleiben die Größenrelationen aber in jedem Fall ungewöhnlich; Parallelen finden sich am ehesten bei Zeichnungen und vereinzelt im Kupferstich.36 Es würde zu weit führen, hier die Erscheinungsformen von Dürers Monogramm in der Druckgraphik durchzudeklinieren; hervorgehoben seien nur drei Aspekte: Zum einen, dass Dürer in seiner Monogrammier-Praxis trotz unterschiedlicher Produktionsprozesse keinen Unterschied zwischen dem Holzschnitt und dem Kupferstich mehr machte – ein Indiz für die Gleichstellung der ungleichen Geschwister, aber auch für die Aufwertung vorgelagerter, im gedruckten Blatt nicht mehr unmittelbar erfahrbarer Arbeitsschritte. Zum anderen, dass die Monogramme auf mehreren Ebenen als Bestandteil der Bilder findung wahrgenommen werden sollten, in ihnen also der entwerfende Künstler sichtbar wurde – wobei dieses Sichtbarwerden nicht in jedem Fall als leibliche Präsenz des Künstlers gedacht werden muss, stets aber seine gedankliche Arbeit in Erinnerung ruft: das ingenium, das eine in den Druckstock übertragbare Vorlage geliefert hat. Und schließlich, dass die flexible Handhabung des Monogramms nur deshalb funktionierte, weil die Buchstaben selbst zwar in der Größe und Machart variierten, nicht aber in der Form.37 Ob als mit Linien ‚geschriebene‘ Zeichen oder als Illusion einer (dreidimensional zu denkenden) ‚Gravur‘, die an das Verfahren des Stechens in die Kupferplatte beziehungsweise an die Schraffen-Stege des Hochdrucks denken lässt; ob in perspektivischer Verkürzung oder in bildparalleler Ansicht: stets wird die Form der Buchstaben und Art der Ligatur beibehalten, wobei die Wahl der für Texte der Humanisten gebräuchlichen Antiqua den Kontext vorgab, in dem die Blätter zu sehen waren.38 Von diesem Modell wich Dürer nur in Ausnahmefällen ab, in denen er auf eine Bezeichnung verzichtete, sei es, weil es sich, wie bei Exlibris-Wappen, um Arbeiten handelte, die speziell für einen bestimmten Auftraggeber angefertigt wurden, sei es weil es um Prestigeprojekte ging, die er mit vollem Namen bezeichnete. Beim Sündenfall-Kupferstich von 1504 (Meder 1) oder den Fürsten- und Gelehrtenportraits, die sich dezidiert an ein überregionales Publikum wendeten, setzte er zum Monogramm noch Namen und Herkunftsbezeichnungen, um die Identifikation außerhalb Nürnbergs und seines Umkreises sicherzustellen. Und schließlich gab es kaiser 36 In Dürers Kupferstichen findet sich eine ähnlich auffällige Monogrammierung in der Himmelszone erstmals beim Schmerzensmann an der Säule (1509; Meder 3), dem mutmaßlichen Titelbild der Kupferstichpassion, und später beim Ecce Homo von 1512 (Meder 21), der Maria mit dem Kinde am Baum (1513; Meder 34) und beim Tanzenden Bauernpaar (1514; Meder 88). Folgt man Panofsky, dann handelte es sich bei der Kupferstichpassion um eine Folge, die sich vor allem an eine Sammlerklientel wandte: Erwin Panofsky, Das Leben und die Kunst Albrecht Dürers, übersetzt durch Lise Lotte Möller, Hamburg: Rogner & Bernhard, 1977, S. 188. 37 Am umfassendsten noch immer Lisa Oehler, Das „geschleuderte“ Dürer-Monogramm, Marburg/Lahn: Kunstgeschichtliches Seminar der Universität, 1959. 38 Dieter Wuttke, Dürer und Celtis. Von der Bedeutung des Jahres 1500 für den deutschen Humanismus. Jahrhundertfeier als symbolische Form, in: Journal of Medieval and Renaissance Studies 10 (1980), S. 73 – 129.
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liche Aufträge, bei denen er anstelle des Monogramms das sprechende Wappen einer zweiflügeligen geöffneten Türe verwendete, mit dem er auch seine Briefe siegelte.39 In diesen Fällen ging es um geteilte Autorschaft, bei der auch die anderen Beteiligten mit Wappenschilden angezeigt wurden: Im Fall des Südlichen Sternhimmels waren das Maximilians Hofhistoriograph Johannes Stabius und der Astronom Konrad Heinfogel, im Falle der Ehrenpforte Stabius (der das Projekt koordinierte) und der Hofmaler Jörg Kölderer, von dem die Gesamtkonzeption stammte.40 Die Folgen dieser ‚integrativen‘ Strategie lassen sich bei Marcantonio Raimondi beobachten, der in seinen Kupferstichen nach dem Marienleben die tabulae mit Dürers Monogramm im Sinne einer präzisen Kopie übernahm. Schließlich waren sie als Gegenstand im Bild kompositionell und inhaltlich unverzichtbar. Damit waren allerdings Konflikte mit Dürers Privileg vorprogrammiert.41 In den späteren Stichen nach der Kleinen Passion fand Raimondi eine ebenso elegante wie originelle Lösung für dieses Problem, indem er die Monogrammtafeln durch leere Täfelchen ersetzte. Dass er diese Form des ‚Ersatzes‘ auch in den Fällen beibehielt, in denen Dürer eigentlich auf eine tabula verzichtet, das Monogramm vielmehr direkt auf die Wand oder den Boden des Bildraums gesetzt hat, zeigt, wie genau er die Doppelfunktion der Kennzeichnung analysiert hat (Abb. 11). Folgt man Elizabeth Broun, dann wollte Raimondi mit dem Bild einer tabula rasa metaphorisch seine Rolle als reproduzierender Künstler umschreiben und von der des entwerfenden Künstlers abgrenzen;42 Lisa Pon hat darin hingegen einen „inside joke“ vermutet, weil die Form der gerahmten Tafeln an die ligierten Buchstaben erinnere.43 Mir scheint am naheliegendsten, dass Raimondi vor allem die kompositionelle und rezeptionsästhetische Funktion des Monogramms im Blick hatte. Die inhaltliche Akzentuierung und Blickführung erschienen ihm so zentral für das Bildganze, dass er dafür sogar die Abweichung in der Wiedergabe der Vorlage in Kauf nahm. Wie ungewöhnlich die Kennzeichnung der Holzschnitte für die Zeitgenossen gewesen sein muss, lässt sich daran ablesen, dass es trotz des intensiven Austauschs im Bereich der Druckgraphik mehrere Jahre dauerte, bis andere Künstler Dürers Vorbild folgten und ihre 39 Zu Dürers Wappen vgl. Ottfried Neubecker, Heraldik zwischen Waffenpraxis und Wappengraphik. Wappenkunst bei Dürer und zu Dürers Zeit, in: Otto Herding u. a. (Hrsg.), Albrecht Dürers Umwelt. Festschrift zum 500. Geburtstag Albrecht Dürers am 21. Mai 1971, Nürnberg: Nürnberger Forschungen 15, 1971, S. 193 – 219; Werner Schultheiß, Albrecht Dürers Beziehungen zum Recht, in: ibid, S. 220 – 254, S. 239 – 240. 40 Für die Arbeitsverteilung vgl. Christopher Wood, Forgery, Replica, Fiction. Temporalities of German Renaissance Art, Chicago, London: University of Chicago Press, 2008, S. 237; Thomas Schauerte, Die Ehrenpforte für Kaiser Maximilian I. Dürer und Altdorfer im Dienst des Herrschers, München (u. a.): Deutscher Kunstverlag, 2001 (Kunstwissenschaftliche Studien 95), S. 105, S. 109 – 112. 41 Christopher Witcombe, Copyright in the Renaissance. Prints and the privilegio in sixteenth-century Venice and Rome, Leiden/Boston: Brill, 2004 (Studies in medieval and Reformation thought, 100), S. 81 – 85. 42 Elizabeth Broun, The Portable Raphael, in: Innis H. Shoemaker (Hrsg.), The Engravings of Marcantonio Raimondi (Kat. d. Ausst. Spencer Museum of Art), Lawrence (Kansas) 1981, S. 20 – 46, S. 22. 43 Lisa Pon, Raphael, Dürer, and Marcantonio Raimondi. Copying and the Italian Renaissance Print, New Haven: Yale University Press, 2004, S. 71 – 72.
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11 Marcantonio Raimondi nach Albrecht Dürers Kleiner Passion: Christus vor Kaiphas, Kupferstich, 2. Zustand von 3, nach 1509, New York, Metropolitan Museum of Art, Acc. No. 17.37.248
Holzschnitte monogrammierten. Hans Burgkmair signierte seine Holzschnitte ab 1503,44 also etwa acht Jahre nach Dürer, Hans Schäufelein ab 1505 (zunächst mit einem sprechenden Zeichen, einer kleinen Schaufel, ab 1506 auch mit Monogramm),45 Lukas Cranach ebenfalls ab 1505,46 Hans Baldung Grien ab 151047 und Albrecht Altdorfer ab 1511, um die wichtigsten Vertreter auf diesem Gebiet in Deutschland zu nennen – wobei bei Altdorfer offenbleiben muss, ob der Künstler vor diesem Zeitpunkt überhaupt Holzschnitte produziert hat.48 Dann aber setzte ein regelrechter Kennzeichnungsboom ein, bei dem die 44 Hans Burgkmair, Das Graphische Werk 1473 – 1973 (Kat. d. Ausst. Augsburg, Städtische Kunstsammlungen), Augsburg 1973. 45 Karl Heinz Schreyl, Hans Schäufelein. Das druckgraphische Werk, 2 Bde., Nördlingen: Verlag Dr. Alfons Uhl, 1990. 46 Eduard Flechsig, Cranachstudien, Bd. 1, Leipzig: Verlag von E.A. Seemann, 1900, S. 29 – 30; Albert Giesecke, Wappen, Sigel und Signet Lucas Cranachs und seine Söhne und ihre Bedeutung für die CranachForschung, in: Zeitschrift für Kunstwissenschaft 9, 1955, S. 181 – 192, S. 184. 47 Matthias Mende, Hans Baldung Grien – Das graphische Werk. Vollständiger Bildkatalog der Einzelholzschnitte, Buchillustration und Kupferstiche, Unterschneidheim: Verlag Dr. Alfons Uhl, 1978, S. 20. 48 Das von Franz Winzinger konstruierte Frühwerk ist kaum haltbar: Franz Winzinger, Albrecht Altdorfer. Graphik. Holzschnitte, Kupferstiche, Radierungen, München: R. Piper & Co Verlag, 1963, Nr. 1 – 13.
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Blätter Dürers in mehrfacher Hinsicht Bezugs- und Reibungspunkt bildeten. Die meisten Künstler übernahmen die Ligatur der Buchstaben und experimentierten mit den von Dürer entwickelten Möglichkeiten, das Monogramm in die Bildkomposition zu integrieren und es inhaltlich einzubinden. Das konnte in Adaption, aber auch in Konkurrenz beziehungsweise Opposition zu den vorhandenen Modellen geschehen. Für die Sündenfall-Holzschnitte von Hans Baldung Grien hat Joseph Leo Koerner gezeigt, wie das Monogramm im Sinne einer Abgrenzung zu Dürers Bilderfindungen eingesetzt wurde.49 Baldung transformierte nicht nur das vorbildlich proportionierte, klassisch ponderierte und dabei ziemlich aseptisch wirkende erste Menschenpaar des Adam- und Eva-Kupferstichs in zwei Liebende, deren sexuelles Begehren aus dem Sündenfall resultiert.50 Die Signaturtafel mit der berühmten Formel „ALBERTVS DVRER NORICVS FACIEBAT“, mit der sich Dürer stolz in eine in die Antike zurückreichende Traditionslinie berühmter Künstler eingeschrieben hatte,51 erhielt in seinem ClairobscurHolzschnitt des Sündenfalls (1511; Mende 19) (Abb. 12) eine neue Funktion: Sie hängt nun wie ein Damoklesschwert über den Stammeltern und verweist statt auf die Autorschaft auf die Konsequenzen menschlicher superbia, auf den „LAPSVS HVMANI GENERIS“. Das Monogramm des Künstlers hingegen hat einen eigenen Ort am linken unteren Bildrand erhalten. Der Zettel, auf dem es zusammen mit der Jahreszahl 1511 vermerkt und mit einem flüchtig hingekritzelten langstieligen Rebblatt kombiniert ist, ist seinerseits mehr schlecht als recht auf eine tabula aufgespannt. Bei der Weinrebe handelt es sich wohl um Baldungs Gesellenzeichen.52 Hier freilich ist sie in Verbindung zu dem Blatt zu setzen, mit dem Eva ihre Scham bedeckt. Der Künstler hat also sein persönliches Zeichen mit dem Indikator des lapsus verbunden und präsentiert sich damit als Stellvertreter der Nachkommenschaft, auf die die Erbsünde (und mit ihr auch die Konkupiszenz) übergegangen ist. Bestätigt wird diese Lesart durch den Sündenfallholzschnitt von 1519 (Mende 23). Die Monogrammtafel ist hier im Fall begriffen, weil Eva ihren Fuß daraufgestellt hat.53 Auch jenseits der Sündenfall-Thematik setzte Baldung seine Monogrammtafeln häufig so ins Bild, dass sie als Stellvertreter seiner selbst verstanden werden konnten. In dem Holzschnitt Christus am Kreuz (um 1514; Mende 37) beispielsweise reiht sich die aufrecht stehende tabula in die Gruppe der Klagenden ein, der sich – der überschnittene Kreuzesstamm deutet es an – auch der Betrachter zugehörig fühlen soll. In dem Blatt Maria mit 49 Joseph Leo Koerner, The Moment of Self-Portraiture in German Renaissance Art, Chicago/London: The University of Chicago Press, 1993, S. 292 – 306; ferner, den Stand der Diskussion zusammenfassend: Sabine Söll-Tauchert, Hans Baldung Grien. Selbstbildnis und Selbstinszenierung, Köln u. a.: Böhlau, 2010, S. 245 – 249. 50 Joseph Leo Koerner, Der Fall Baldung, in: Holger Jacob-Friesen, Oliver Jehle (Hrsg), Hans Baldung Grien. Neue Perspektiven auf sein Werk, Berlin, München: Deutscher Kunstverlag, 2019, S. 18 – 35, S. 25. 51 Nicole Hegener, „Faciebat, non finito“ und andere Imperfekte Künstlersignaturen neben Michelangelo, in: ead. 2013 (wie Anm. 5), S. 188 – 231; Alessandro Della Latta, Come Apelle: memorie dell’antico in alcune firme die Dürer, in: ibid., S. 95 – 99. 52 Mende 1978 (wie Anm. 47), S. 20. 53 Koerner 2019 (wie Anm. 50), S. 34.
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12 Hans Baldung Grien, Sündenfall (Mende 1978, Nr. 19), Clairobscur-Holzschnitt, 1511, Amsterdam, Rijksmuseum, Inv. Nr. RP-P-OB-4112
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Kind und kniendem Stifter (um 1515/17; Mende 43) hingegen liegt sie vor dem betenden Stifter und neben der Kappe, die dieser abgelegt hat, als sei sie, wie die männliche Gestalt, andächtig vor der himmlischen Erscheinung zu Boden gesunken. Auch Altdorfer war darum bemüht, die eigene Position über einen Mix aus Angleichung an und Differenz zu Dürer zu definieren. Im Falle der Monogramme allerdings folgte er dem Vorbild des Nürnberger Kollegen in der stets gleichbleibenden Form der Namensinitialen, die er ab 1506 zunächst für Zeichnungen und Kupferstiche einsetzte und danach in allen Bildmedien verwendete. In seinen Holzschnitten finden sich überwiegend cartellini und Monogrammtafeln, die freilich mit raffinierten Verkürzungen oder ungewöhnlichen Platzierungen beträchtlichen Bildwitz entwickeln können. So wird in dem Holzschnitt Verkündigung Mariae (1513; B. 44) die tabula in extremer Schrägsicht dargestellt; sie orientiert sich nicht an der Betrachterperspektive, sondern an der Perspektive des Erzengels, der gerade das Gemach der Gottesmutter betritt (Abb. 13). Seine Rückenfigur wird zum Ausgangspunkt für die Auseinandersetzung mit dem Bild und lenkt den Blick in die Tiefe des Raumes. Damit macht sie nicht nur eine Selbstverortung des Betrachters im Bildgeschehen möglich, sondern auch Verortung in einer zeitlichen Abfolge: Der Engel übertritt eben erst die Schwelle. Die in das Gebet vertiefte und vom heiligen Geist erfüllte Maria hat ihn noch nicht erblickt und die Grußformel „Ave Maria“ ist noch nicht gesprochen. Diese Momente der Handlung sind zu imaginieren – und das Monogramm liefert gewissermaßen die Anleitung dazu. Neben solchen hoch originellen Lösungen stehen wiederum Signaturen, die nicht über eine reine Kennzeichnung hinausgehen. Auch die um 1513 entstandene Passionsfolge Sündenfall und Erlösung des Menschengeschlechts (B. 1 – 40) verzichtet darauf, einen Bezug zwischen Monogramm und Bildgeschehen herzustellen. Bis auf eine Ausnahme ist das ligierte Doppel-A entweder unspektakulär in den Bildraum eingeschrieben oder auf einem cartellino angebracht, der einer eigenen Realität anzugehören scheint. Das ist umso auffälliger, als Altdorfer die Folge unübersehbar als Konkurrenzprojekt zu Dürers Kleiner Passion konzipiert hat. Offensichtlich setzte er dem Modell des Vorbilds bewusst eine andere Strategie entgegen, um den Betrachter mental zu involvieren. In seinen Holdschnitten fordert statt des Monogramms die Konstellation der Figuren zu Anteilnahme auf, indem sie die eigentliche Handlung dem außerbildlichen Blick entzieht.54 Cranachs Umgang mit dem Monogramm im Holzschnitt schließlich war unübersehbar durch seine Position als Hofkünstler geprägt. Der Künstler signierte zunächst mit den ligierten Buchstaben C und L, die er nach der Verleihung des Wappenbriefes 1509 durch sein Wappentier, die Schlange mit den Fledermausflügeln, ergänzte.55 Angebracht war die Kennzeichnung zu diesem Zeitpunkt auf tabulae, die mal gerahmt, mal mit Ösen für die Aufhängung versehen waren. Als ‚Bilder‘ korrespondieren sie mit anderen innerbildlichen 54 Zur Bildstrategie der Passionsfolge: Bushart 2004 (wie Anm. 8), S. 129 – 141. 55 Cranachs Wappenbrief wurde am 6. 1. 1508 ausgestellt; zu den Problemen, die sich daraus für die Chronologie der Druckgraphik ergeben vgl. Flechsig 1900 (wie Anm. 46), S. 10 – 12; zur Signatur Werner Schade, Die Malerfamilie Cranach, Dresden: VEB Verlag der Kunst, 1974, S. 420 – 421.
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13 Albrecht Altdorfer, Verkündigung Mariae (B. 44), Holzschnitt, 1513, New York, The Metropolitan Museun, Acc. No. 26.53.3
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14 Lucas Cranach, Passion: Geißelung Christi (Geisberg I, 17), Holzschnitt, 1508, New York, Metropolitan Museum, Acc. No. 17.74.5
‚Bildern‘, dem Wappen der sächsischen Kurfürsten, und definieren so den Kontext, dem die Arbeiten entstammten. In anderen Fällen machte sich das Wappentier selbstständig von Bildträgern und Monogramm. In den Blättern der Passionsfolge, einem 1509 abgeschlossenen Unternehmen, das ebenfalls in Relation zu Dürers Passionen zu sehen ist, nahm es unterschiedliche Formen an: Es konnte sich vom Zeichen auf einem dreidimensionalen Gegenstand (so wird es in der Gefangennahme Christi, Geisberg XII, 14, eingesetzt) in ein dreidimensionales Wesen verwandeln, das sich, wie in der Geißelung (Geisberg I, 17) selbstständig durch den Bildraum zu bewegen scheint (Abb. 14). Es konnte als zweidimensionales Zeichen im Bildfeld platziert werden, wobei die Anbringung zwischen den Beinen eines Pferdes in der Kreuzigung der Folge den Eindruck einer gewissen Zufälligkeit erweckt, so, als habe der Künstler die einzige Freifläche in der unteren Bildhälfte genutzt. Und es konnte als plastisches Zeichen handlungsrelevante Funktion übernehmen. In der Auferstehung (Geisberg IV, 19) bezeichnet die Schlange das verschlossene Felsengrab, dem
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15 Lucas Cranach, Passion: Auferstehung Christi (Geisberg IV, 19), Holzschnitt, 1508, New York, Metropolitan Museum, Acc. No. 26.3.3
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Christus entstiegen ist (Abb. 15). Auch wenn sie mittig auf den Stein gesetzt ist, lässt sie doch an das Siegel denken, das die Pharisäer am Grab angebracht haben, um einem Diebstahl des Leichnams vorzubeugen (Mt. 27,66). Die Idee, die Bekräftigung der Autorschaft und des Wundercharakters der Auferstehung miteinander zu kombinieren, war nicht ganz neu; sie taucht bereits in einem Metallschnitt des 15. Jahrhunderts auf.56 Auch Cranach setzt Signatura im Bild und Signatura des Bildes in ein wechselseitiges Verhältnis zueinander; sie stehen für die Glaubwürdigkeit des Geschehens wie für die Qualität der Darstellung und für die Hoffnung auf Teilhabe am Heilsversprechen. Es will scheinen, als habe Dürer, als er 1510 die Auferstehung der Großen Passion (Meder 124) entwarf, diesen Gedanken aufgegriffen und weiterentwickelt. Das Siegel am Grab zeigt hier die Darstellung einer geöffneten Türe, Dürers Wappenzeichen (Abb. 16). Zusätzlich zum Monogramm, das zwischen den schlafenden Soldaten am Boden ‚liegt‘, visualisiert und authentifiziert seine Unversehrtheit das Wunder der Osternacht. Die Beobachtungen an den Holzschnitten lassen sich bis zu einem gewissen Grad natürlich auch auf den Kupferstich beziehen. Das Monogramm hatte sich in allen Verfahren zu einer gestalterischen Aufgabe entwickelt, deren Lösung das ingenium der Künstler sinnfällig machte, und zwar in Bezug auf die Arbeiten der Künstlerkollegen, mit denen man um Anteile am Graphikmarkt konkurrierte. Mit ihm ließ sich der Anspruch auf Originalität demonstrieren, der für die Druckgraphik – diesen Schluss jedenfalls legen die wechselseitigen Bezugnahmen in diesem Medium nahe – zu einem wichtigen Qualitätskriterium geworden war. Es deutet aber auch auf ein verändertes Publikumsverhalten hin, das dem Spiel mit dem Monogramm einen eigenen Reiz abgewann und bereit war, sich etwa in Altdorfers Heiligem Hieronymus in der Höhle (um 1513/14; B. 57) auf die Suche nach der Kennzeichnung zu machen (Abb. 17). Das im Schatten des Lesepults stehende Täfelchen ist so in das raffinierte Schraffursystem des Holzschnitts eingebunden, dass man es erst bei genauer Betrachtung findet. Eben dies: eine genaue Betrachtung forderte das Werk insgesamt ein. Die Komposition legt eine vergleichende Betrachtung von Dürers HieronymusHolzschnitt von 1512 (Abb. 8) nahe, den Altdorfer mit der betont vorgetragenen technischen Virtuosität zu übertreffen suchte.57 Zugleich zwingen das relativ kleine Format und die durch variierende Strichlagen erzeugte Tonalität zu erhöhter Aufmerksamkeit bei dem Versuch, den Gegenstand zu erfassen. In dem ungefähr gleichzeitig entstandenen Kupferstich des Heiligen Hieronymus lesend (B. 5), einer weiteren Variation der Dürerschen Invention, hat der Künstler das Versteckspiel noch einen Schritt weiter getrieben. Hier bildet das Monogramm die Initiale einer Gebetstafel, die, zur Hälfte durch ein Kruzifix verdeckt, auf dem Altar der Höhle steht. Auch in Baldungs Heiligem Hieronymus in der Wüste (um 1511; Mende 21) scheint es darum zu gehen, die Neuinterpretation eines sattsam bekannten Themas, für das Dürer eine viel rezipierte Kupferstich-Vorlage (um 1496; Meder 57) 56 Naß 1991 (wie Anm. 5), S. 49. 57 Magdalena Bushart, Schwarz auf weiß. Medienreflexion im druckgraphischen Werk Albrecht Altdorfers, in: Bildwelten des Wissens 8 (2010), Heft 2, S. 73 – 84.
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16 Albrecht Dürer, Große Passion: Auferstehung Christi (Meder 124; Detail), Holzschnitt, 1510, New York, Metropolitan Museum of Art, Acc. No. 19.73.157
geliefert hatte,58 durch eine besonders ungewöhnliche Kennzeichnung zu bekräftigen (Abb. 18): Die Monogrammtafel befindet sich in einer Felshöhlung im Bildmittelgrund, zur Hälfte verschattet und überdies verkürzt dargestellt, wird also dem Blick regelrecht entzogen. In allen drei Fällen mögen die tabulae (auch) ein frommes Bekenntnis der Künstler zur Bußfertigkeit dargestellt haben, deren Modell Hieronymus verkörpert. Als 58 Vgl. Holger Jacob-Friesen (Hrsg.), Hans Baldung Grien heilig/unheilig (Kat. d. Ausst. Staatliche Kunsthalle Karlsruhe), Berlin, München: Deutscher Kunstverlag, 2019, S. 112 – 113.
17 Albrecht Altdorfer, Hl. Hieronymus in der Höhle (B. 57), Holzschnitt, um 1513/14, New York, Metropolitan Museum of Art, Acc. No. 26.3.7
18 Hans Baldung Grien, Hl. Hieronymus in der Wüste (Mende 21), Holzschnitt, um 1511, New York, Metropolitan Museum, Acc. No. 20.24.53
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Magdalena Bushart
„Produktmarken“ jedoch, an denen, mit Paracelsus gesprochen, „jedermann sehen und erkennen kann/wer das Werck gemacht“, waren sie nur bedingt tauglich. Eher bestätigten sie ein exklusives Verhältnis zwischen den Produzenten und einer Sammlerklientel, die diese Form der Kennzeichnung zu würdigen wusste und in ihr einen Faktor der Wertschöpfung erkannte. Nicht an ‚jedermann‘ also – an die Kenner richtete sich ein Monogramm, das nicht nur labor, sondern auch ingenium anzeigte. Es definierte eine Wertzumessung, die über die Nachfrage nach populären Bildthemen und über die materielle Qualität der Ware hinausging. Dass die Sammler idealerweise auch die Spezialisten waren, die, wie bei Paracelsus der Apotheker, die Kürzel auf seinen Gefäßen, die Buchstabenfolgen auflösen konnten, versteht sich von selbst. Unter dieser Prämisse war es vermutlich kein Zufall, dass in dem Augenblick, in dem sich das Künstlermonogramm im Medium des Holzschnitts etablierte, auch ein Formschneider Sichtbarkeit einforderte und damit, gleichsam ex negativo, die veränderte Signierpraxis bestätigte. Der in Augsburg tätige Jost de Negker setzte in Drucken, die in Zusammenarbeit mit Hans Burgkmair entstanden waren, zu dessen Kennzeichnung seinen eigenen Namen beziehungsweise seine Initialen hinzu, wobei die unterschiedliche Schrifttype – Antiqua bei Burgkmair, eine gebrochene Schrift bei de Negker – als Hinweis auf unterschiedliche Zuständigkeiten des entwerfenden und des ausführenden Künstlers zu verstehen sein dürfte (Tafel 17). Auch wenn nicht immer klar ist, wann diese Zusätze erfolgt sind,59 zeigt das Beispiel de Negkers doch die Wichtigkeit, die die Kennzeichnung im gedruckten Bild für alle Seiten entwickelt hat: Dem Käufer garantierte sie nicht nur ein qualitätvolles, sondern auch ein technisch und entwerferisch innovatives Produkt, den involvierten Künstlern überregionale Wirkung und persönlichen Ruhm. Abgekürzt genannte Werkverzeichnisse und Graphikkataloge: Meder: Joseph Meder, Dürer-Katalog. Ein Handbuch über Albrecht Dürers Stiche, Radierungen, Holzschnitte, deren Zustände, Ausgaben und Wasserzeichen, Wien: Gilhofer & Ranschburg, 1932 B: Adam von Bartsch, Le Peintre-Graveur, 21 Bde., Wien: J. V. Degen, 1803 – 21 Geisberg: Max Geisberg, Der deutsche Einblatt-Holzschnitt in der ersten Hälfte des XVI. Jahrhunderts, 41 Bde., München: Hugo Schmidt, 1923 – 1930
59 Elizabeth Savage, Hans Burgkmair’s Colour Woodcuts, in: Wolfgang Augustyn, Manuel Teget-Welz (Hrsg.), Hans Burgkmair. Neue Forschungen, Passau: Dietmar Klinger Verlag, 2018, S. 333 – 366, S. 345 – 353. Es ist nicht auszuschließen, dass de Negker als Drucker und damit als Unternehmer agierte. Möglich ist aber auch, dass er mit der Doppelkennzeichnung die Signierpraxis aufgegriffen hat, die sich in Italien im sogenannten „Reproduktionsstich“, also im Tiefdruck etabliert hatte. Norberto Gramaccini, Hans Jakob Meier, Die Kunst der Interpretation. Italienische Reproduktionsgraphik 1485 – 1600, Berlin/München: Deutscher Kunstverlag, 2009, S. 53 – 83; Pon 2004 (wie Anm. 43), S. 77 – 82.
Autorschaft im Holzschnitt – Dürer und die Folgen | 107
L.: Max Lehrs, Geschichte und kritischer Katalog des deutschen, niederländischen und französischen Kupferstichs im XV. Jahrhundert, 9 Bde, Bd. 5: Martin Schongauer und seine Schule, Wien: Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst, 1925 Mende: Matthias Mende, Hans Baldung Grien – Das graphische Werk. Vollständiger Bildkatalog der Einzelholzschnitte, Buchillustration und Kupferstiche, Unterschneidheim: Verlag Dr. Alfons Uhl, 1978
Rudolf Preimesberger
INSCHRIFTEN AUF GEMÄLDEN EL GRECOS – KRETA UND TOLEDO
Name − auktoriale Präsenz − Schrift − Bild sind die als Aufgabe gestellten Begriffe, die angesichts der Lukas-Ikone El Grecos (Abb. 1) im Benaki-Museum in Athen noch einmal zu berühren sind.1 Das Gemälde zeigt bekanntlich den Maler-Evangelisten im Begriff, die Ikone der Hodegetria zu vollenden. Funktion und ursprünglicher Kontext sind nicht überliefert. Die Konjektur, es habe einer Lukasgilde gehört, wird in der Forschung vertreten. Drei Inschriften sind im Gemälde: erstens die beiden traditionellen griechischen Namenssiegel für „Mutter Gottes“ („Μητὴρ Θεοῦ“) und „Jesus Christus“ („Ιησοὺς Χριστός“) auf dem Bild im Bilde, der Ikone der Hodegetria auf der Staffelei, zweitens das unterschiedlich gedeutete Wort auf dem Spruchband in der Hand des Engels und drittens die nach allgemeiner Ansicht auf El Greco zu beziehende Signatur: „ΧείΡ [Δ]ΟΜΗΝΊ/ΚΟΥ“ („Hand des Domenikos“). Die Abkürzungen für „Μητὴρ Θεοῦ“ links oben und, kaum mehr lesbar, für „Ιησοὺς Χριστός“ rechts, erscheinen auf dem Goldgrund der Marienikone (Abb. 2), Worte mit dem 1
Nach Abschluss des Manuskripts erschien der Band Nicos Hadjinicolaou, Panayotis K. Joannou (Hrsg.), Perceptions of El Greco in 2014, Athen: Benaki Museum, Society of Cretan Historical Studies, Institute for Mediterranean Studies, 2019. Er enthält die Ergebnisse der beiden internationalen Konferenzen El Greco: The Cretan Years, veranstaltet von der Society of Cretan Historical Studies und der Stadt Heraklion im Historischen Museum von Kreta in Heraklion zwischen dem 21. und 23. Juni 2014, sowie der vom Benaki-Museum in Athen zwischen dem 21. und 23. November 2014 veranstalteten Konferenz Domenikos Theotokopoulos: From Crete, to Venice, to Rome, to Toledo. Der hier vorgelegte Beitrag bildet die Fortsetzung meines dort veröffentlichten Vortrags Details in El Greco − Mostly Iconographic, in: Hadjinocolaou, Joannou 2019 (s. o.), S. 327 – 345. Maria Constantoudaki-Kitromilides, Kat. Nr. 1, in: Sylvia Ferino-Pagden und Fernando Checa Cremades (Hrsg.), El Greco, Wien: Kunsthistorisches Museum, 2001, S. 126; Maria Stella Papadaki-Oakland, El Grecos kretische Periode: späte Nachklänge früherer Erfahrungen, ibid., S. 69 – 75; Maria Constantoudaki-Kitromilides, Ὁ Ágios Loukás tou Theotokópoulou tou Mouseíou Benáki. Nées Epimánseis, in: Zetémata metabyzentinés zografikés ste mnéne tou Manóli Chatzidáki, Athen 2002, S. 271 – 286; Gabriele Finaldi, Kat. Nr. 2, in: David Davies (Hrsg.), El Greco, London: National Gallery, New York: Metropolitan Museum of Art, 2003, S. 76; Maria Constantoudaki-Kitromilides, Kat. Nr. 2, in: José Alvarez Lopera, El Greco. Estudio y catálogo, I: Fuentes y Bibliografía, und II, 1: Catálogo de obras originales: Creta, Italia, Retablos y grandes encargos en Espana, 2 Bde., Madrid: Fundacion Arte Hispanico, 2005 – 2007, S. 76; Fernando Marías, El Greco. Life and Work − A New History, London: Thames and Hudson 2013, S. 24, 37.
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1 El Greco, Der hl. Lukas malt eine Ikone der Jungfrau mit dem Kind, Tempera und Gold auf Leinwand, 41× 33 cm, um 1560 – 1567, Athen, Benaki Museum
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2 El Greco, Der hl. Lukas malt eine Ikone der Jungfrau mit dem Kind (Detail)
3 El Greco, Der hl. Lukas malt eine Ikone der Jungfrau mit dem Kind (Detail)
bekannten Zweck, den Bezug auf die realen Personen wach zu halten und einer Verselbständigung der Verehrung der Ikone entgegenzuwirken. Sie sollen bekanntlich nicht nur lesend wahrgenommen, sondern auch gesprochen werden, enthalten also die Aufforderung zu einer Epiklesis oder Anrufung. Sie erst verleihen der ‚göttlichen Ikone‘, die hier als Ikone in der Ikone erscheint, ihre volle Wirkungskraft. Die zweite Inschrift: Der italianisierende Engel, dessen Vorbild in der zeitgenössischen italienischen Druckgraphik feststellbar ist, trägt ein Spruchband. Die darauf erscheinende Inschrift steht auf dem Kopf. Sie hat zwei ergänzend interpretierende Lesungen hervorgerufen. Constantoudaki-Kitromilides und Finaldi lasen das Wort als „ὑψαλάν“, das heißt: als den Akkusativ des griechischen Adjektivs für „erhaben“. Sie ergänzten es auf „θειὰν εἰκόνα ὑψαλάν“, lasen interpretierend „die göttliche und erhabene Ikone“ als Akkusativ-Objekt und ergänzten den Satz in Gedanken: „hat er geschaffen“. Sie deuteten die Inschrift also auktorial und lasen sie als eine Signatur des Maler-Evangelisten.2 Dem steht allerdings der eine Umstand entgegen, dass das Wort in der Hand des Engels auch als „ὑψόσε“ gelesen werden kann, das heißt: als ein Adverb mit der Bedeutung „hoch“ oder „empor“, und dies legt eine liturgische oder besser: paraliturgische Lektüre nahe. So gelesen handelt es sich um eine Epiklesis. Papadaki-Oakland ergänzt und liest deshalb: „θειὰν εἰκόνα ὑψόσε“.3 Mit anderen Worten: der Engel als das sprechende Subjekt 2 3
Constantoudaki-Kitromilides 2002 (wie Anm. 1), S. 271 – 286; Finaldi 2003 (wie Anm. 1), S. 76. Papadaki-Oakland 2001 (wie Anm. 1), S. 69 – 75.
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sagt nicht: „Lukas hat die göttliche Ikone gemacht“, ist also nicht als der Träger einer Signatur des Maler-Evangelisten, sondern, wenig überraschend, als ein Engel-Liturge anzusehen. Vergleichbar der Aufforderung des Liturgen vor der Präfation der lateinischen Messe: „Sursum corda“, „Empor die Herzen“, spricht er angesichts der Ikone der Hodegetria auf der Staffelei das − deiktisch zu verstehende − Wort „ὑψόσε“, das heißt: er spricht die Epiklesis „Empor die göttliche Ikone“ oder „Hoch die göttliche Ikone“. Die dritte Inschrift der Lukas-Ikone berührt das Thema auktorialer Präsenz unmittelbar (Abb. 3). Sie ist parallel zu dem Schemel unter der Staffelei, der den Farbkasten des Lukas trägt, auf die Malfläche geschrieben. Es ist jene schräg, aber nicht perspektivisch in kursiven Majuskeln in schwarzer Farbe geschriebene Signatur, die nach allgemeiner Meinung auf El Greco zu beziehen ist: „Χείρ Δομηνίκου“ („Hand des Domenikos“). Der Wortlaut ist nicht ganz ungewöhnlich. El Greco hat ein weiteres ihm zugeschriebenes und zuzuschreibendes Frühwerk, die Anbetung der Könige im Benaki Museum in Athen gleichlautend signiert,4 und auch Michael Damaskinos hat dieselbe Formel in seinem Letzten Abendmahl im Museum S. Katharina von Sinai in Heraklion benutzt.5 Doch bleibt festzuhalten, dass die Wahl des Nominativs „Hand des Domenikos“ von der Mehrzahl der zeitgenössischen westlichen Signaturen von der Art „di mano di […]“ oder „di sua mano“ abweicht.6 Besonderes Interesse hat die doppelte Handlungsrolle des Engels gefunden, der in der Linken das Schriftband hält, mit seiner Rechten jedoch Lukas mit einem Lorbeerkranz krönt (Abb. 1). Lorbeer für den Maler-Evangelisten! Das Motiv hat die Erinnerung an eine Reihe von westlichen Topoi wachgerufen, so an den der ‚zweifachen Translation‘ des Lorbeerkranzes. Die erste Translation ist die vom Kaiser auf den Dichter. Nur zwei Arten von Menschen sind würdig, den Lorbeer zu tragen: Kaiser und Dichter, ein Hauptfaktor in der Entwicklung der Renaissance-Idee von der Autonomie des Künstlers! Die zweite Übertragung des Lorbeers ist die vom Dichter auf den Maler, wie sie bei Cennino Cennini um 1400 erkennbar wird. An die Ikonographie des lorbeergeschmückten Apelles, etwa in dem Kupferstich des Nicoletto da Modena ist hier zu erinnern: Apelles, mit dem Lorbeerkranz des Dichters auf dem Haupt und reich gekleidet, betrachtet nachdenklich die vier geometrischen Grundformen, zusammen mit Winkeleisen, Zirkel und Farbtöpfchen, während die
4 Nicos Hadjinicolaou, Zwischen postbyzantinischem Griechentum und westlicher Modernität, in: Ferino-Pagden, Checa Cremades 2001 (wie Anm. 1), S. 59 – 67, v. a. S. 61. 5 Marías 2013 (wie Anm. 1), S. 40, 42. 6 Zu El Grecos Signaturen Michiko Matsui, Algunas observaciones acerca de la manera de firmar de El Greco, in: Archivo Espanol de Arte, 52 (1979), S. 178 – 185; Harold E. Wethey, El Greco and His School, 2 Bde., Princeton: Princeton University Press, 1962, Bd. 1, S. 111 – 114; Andrew R. Casper, El Greco, the Veronica and the Art of the Icon, in: Nicos Hadjinicolaou (Hrsg.), El Greco’s Studio. Proceedings of the International Symposium, Heraklion: Crete University Press, 2007, S. 135 – 148, v. a. 140 – 143. Andrew R. Casper, Greeks abroad: (As) signing artistic identity in early modern Europe, in: Renaissance Studies, 28, 3 (2014), S. 256 – 276; vgl. Mario Pepe, Mano, in: Luigi Grassi, Mario Pepe (Hrsg.), Dizionario dei termini artistici, Mailand: TEA, 1994, S. 502 – 503.
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4 El Greco, Koimesis-Ikone, Tempera und Gold auf Holz, 61,4 × 45 cm, um 1566, Hermoupolis, Syros
Inschrift auf das Dictum des Simonides von Keos Bezug nimmt und ihn einen „stummen Dichter“ nennt.7 Noch näher an das Thema dürfte der Blick auf die in Hermoupolis auf der Insel Syros im Jahr 1983 als Werk El Grecos identifizierte Ikone (Abb. 4) heranführen. Sie zeigt die Koimesis oder Entschlafung Mariens, verbunden mit ihrer Aufnahme in den Himmel und trägt zwei Inschriften.8 Beide sind, wie ihre Untersuchung zeigte, mit Sicherheit original und wurden gleichzeitig angebracht. In der oberen Hälfte ist es die Inschrift „ἡ Κοίμησις 7 David Summers, Michelangelo and the Language of Art, Princeton: Princeton University Press 1981, S. 33 – 40; Oskar Bätschmann, Pascal Griener, Holbein–Apelles. Wettbewerb und Definition des Künstlers, in: Zeitschrift für Kunstgeschichte, 57 (1994), S. 626 – 650, v. a. S. 633; Beate Böckem, Jacopo de’ Barbari: Ein Apelles am Fürstenhof? Die Allianz von Künstler, Humanist und Herrscher im Alten Reich, in: Beate Böckem, Ruth Hansmann, Matthias Müller, Klaus Wechenfelder (Hrsg.), Apelles am Fürstenhof. Facetten der Hofkunst um 1500 im Alten Reich, Coburg, Berlin: Lukas, 2010, S. 22 – 33; Nico letto da Modena, Apelles, Kupferstich, um 1510, Öffentliche Kunstsammlung Basel, Kupferstichkabinett, Abb. auf S. 25. 8 Myrtali Acheimastou-Potamianou, Domenicos Theotocopoulos: The Dormition of the Virgin, a Work of the Painter’s Cretan Period, in: Nicos Hadjinicolaou (Hrsg.), El Greco of Crete. Proceedings of the International Symposium held on the occasion of the 450th anniversary of the artist’s birth Iraklion, Crete, 1 – 5 September 1990, Iraclion: Municipality of Iraklion, 1995, S. 29 – 44; Finaldi 2003 (wie Anm. 1), Kat. Nr. 1, S. 74; Alvarez Lopera 2007 (wie Anm. 1), Kat. Nr. 2; Marías 2013, (wie Anm. 1), S. 31; Casper 2014 (wie Anm. 6), S. 256 – 276, v. a. S. 261 – 264.
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5 El Greco, Koimesis-Ikone (Detail)
τῆς Θεοτόκου“ („die Entschlafung der Muttergottes“),9 während El Grecos Signatur die Rundbasis des mittleren und prominentesten dreier Kandelaber am unteren Rand der Ikone umläuft (Abb. 5). Die Ikonographie der Ikone ist, wie längst beobachtet, traditionell, enthält jedoch eine Reihe von Interpolationen, von denen einige El Grecos eigene sein dürften. So ist, um nur eine zu nennen, Christus, der die Seele Mariens in Händen hält, nicht aufrecht, sondern der eben Entschlafenen zugeneigt dargestellt, während Petrus und Paulus zu Häupten und zu Füßen der Verstorbenen in traditioneller Weise hervorgehoben sind. In der oberen Zone erscheint Maria, aufgenommen in den Himmel, dessen Pforten geöffnet sind. Sie thront als Königin, umgeben von Cherubim, auf einer lichten Wolke, trägt die Sternenkrone und hat den zunehmenden Halbmond zu ihren Füßen. Zur Rechten und zur Linken schweben zwölf der Apostel auf zwei Wolken „von den Enden der Erde“ heran. Thomas ist nicht unter ihnen. Er kniet zu Füßen Mariens, die ihm ihren Gürtel überreicht. Die Signatur El Grecos, am unteren Rand der Ikone in vorderster Position, besetzt die ungefähre Mitte.10 Sie lautet in wörtlicher Übersetzung: „Domenikos Theotokopoulos, der, der gezeigt hat“ („Δομήνικος Θεοτοκόπουλος ὁ δείξας“). Der Ort der Anbringung, die Rundbasis des mittleren und am reichsten geschmückten der drei Kandelaber, ist nicht ohne Bedeutung. Der ikonographische Kontext der Koimesis ist hier zu bedenken. Er legt nahe, in den brennenden Kerzen die Sterbekerzen Mariens zu sehen. Er legt aber auch nahe, den Anbringungsort der Signatur El Grecos funktional zu interpretieren. Es geht um Interzession, die Fürbitte Mariens in der Todesstunde des Malers. In der Anbringung der Signatur just am Fuß einer Sterbekerze Mariens mag man eine zusätzliche Pointe sehen. Die Kerze, 9 Acheimastou-Potamianou, Theotocopoulos 1995 (wie Anm. 8), S. 329 – 330. 10 Olga Gratziou, Domenicos Theotokopoulos, ‚ho deixas‘. A commentary on a Rare Signature Type of El Greco, in: Hadjinicolaou 1995 (wie Anm. 8), S. 69 – 74; Nicos Hadjinicolaou, Zwischen postbyzantinischem Griechentum und westlicher Modernität, in: Ferino-Pagden, Checa Cremades 2001 (wie Anm. 1), S. 59 – 67, v. a. S. 6; zur Forschungsgeschichte der Signatur: Finaldi 2003 (wie Anm. 1), S. 74; Alvarez Lopez 2007 (wie Anm. 1), Kat. Nr. 2, S. 17 – 18; Casper 2014 (wie Anm. 6), S. 261 – 64.
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für den gewöhnlichen Sterblichen ein Sakramentale, das seine Seele in der Stunde ihrer gefahrvollen Trennung vom Körper vor Satan schützen soll, bleibt für Maria, deren Seele, wie die Ikone zeigt, schon im Augenblick ihrer Trennung vom Körper in der Hand Gottes ist, ohne Wirkung, weil Satan über sie, die von der Erbsünde bewahrt ist, von Anfang an keine Macht hatte. Für die Erforschung der Frühzeit El Grecos auf Kreta ist die Entdeckung der Signatur von großer Bedeutung gewesen. Der als antikisierend gedeutete Zusatz „ὁ δείξας“, so das Hauptargument, zeuge vom hohen Reflexionsniveau El Grecos schon vor seinem für das Jahr 1567 belegten Weggang nach Venedig, Rom und Toledo. Durch die Form der Signatur könne seine humanistische Bildung und könne die klassische Bildung seiner Auftraggeber für erwiesen gelten. Zu Grunde liegt die Beobachtung, dass das in der Signatur verwendete Verbum „δεικνύω“, beziehungsweise „δείκνυμι“ als Bezeichnung für die Tätigkeit des künstlerischen Darstellens sich bei zwei antiken Autoren findet.11 Es findet sich in seiner Tätigkeitsform im Aorist „ἔδειξεν“ („er hat gezeigt“), im Traum des Lukian, in seiner substan tivierten Form als Aorist-Partizip „ὁ δείξας“(„der, der gezeigt hat“), wie es in El Grecos Signatur wörtlich begegnet, hingegen in den Geographika des Strabon. Die exzeptionelle Stellung der Formel, die so von keinem Zeitgenossen El Grecos verwendet wurde, ist seit ihrer Entdeckung Gegenstand kontroverser Diskussion geblieben. So betont etwa Olga Gratziou, deren Untersuchungen dem Gebrauch verwandter Formeln in Texten des 16. und 17. Jahrhunderts und an einer Ikone des 18. Jahrhunderts galten, das Verb „δεικνύω“ sei als ein Synonym für creare, pingere, describere, repraesentare, nicht jedoch für monstrare, exponere, indicare anzusehen. Zu korrigieren sei auch die Hypothese, die Formel „ὁ δείξας“ entstamme unmittelbar El Grecos Lektüre. Es handle sich vielmehr wahrscheinlich einfach um ein Synonym für das westliche invenit ohne sonstige Bedeutung.12 Man könnte diese skeptische Meinung teilen, und es wäre ihr wenig hinzuzufügen, wäre da nicht der eine besondere Umstand: Derselbe Wortlaut „Domenikos Theotokopoulos, der, der gezeigt hat“, dieselbe Formel „ὁ δείξας“, begegnet ein zweites Mal und wiederum zu Füßen einer Darstellung der Aufnahme Mariens in den Himmel. Sie begegnet mehr als zehn Jahre später an dem Hochaltar der Kirche Santo Domingo el Antiguo in Toledo (Abb. 6). Mit 1577, dem Jahr seiner Ankunft und des Beginns der Arbeit an dem Gemälde, hat El Greco dieses, den Mittelpunkt des großen Altarretabels, bezeichnet (Tafel 18). Es ist nicht allein ein Abstand von mehr als zehn Jahren, der es von der Koimesis-Ikone von Hermoupolis trennt. Die Erfahrung Venedigs, die Erfahrung Roms, zahllose Erfahrungen mit italienischer Malerei liegen zwischen dem ersten Auftreten der Signatur auf Kreta und ihrem zweiten in Toledo. Es liegt nahe und ist auch nicht neu, eine dieser Erfahrungen gesondert hervorzuheben (Abb. 7).
11 Manolis Chatzidakis, Doménikos Theotocópoulos, Keímena 1950 – 1990, Athen, S. 142 – 145. 12 Gratziou 1995 (wie Anm. 10), S. 69 – 74.
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7 Michelangelo, Jüngstes Gericht, (Detail: Bartholomäus), 1534 – 1541, Rom, Vatikan, Sixtinische Kapelle
6 El Greco, Hochaltar, 1577 – 1579, Toledo, Kloster Santo Domingo de Silos (El Antiguo)
„Quae plana essent […] solida videntur“, beobachtet schon Paolo Giovio an Michel angelos Fresken der Sixtinischen Kapelle.13 Sie stecken bekanntlich voll vorgetäuschter Körperlichkeit, prominentia, eminentia oder rilievo. Dies nicht allein! Sie stecken bekanntlich auch voll provozierender Nacktheit. Der Blick auf die obere Mitte des Jüngsten Gerichts bestätigt beides: Die am weitesten hervorstehende Figur, Bartholomäus, ursprünglich völlig nackt, zudem mit gespreizten Beinen, ist eine provokante Figur. Vasari nennt sie einen „bellissimo Bartolomeo“.14Auferstehung des Fleisches am Jüngsten Tag ist bekanntlich der 13 Paolo Giovio, Michaelis Angeli Vita, in: Erwin Steinmann, Michelangelo im Spiegel seiner Zeit, Leipzig: Poeschel & Trepte, 1930, S. 77 – 78; Frank Zöllner, Michelangelos Fresken in der Sixtinischen Kapelle. Gesehen von Giorgio Vasari und Ascanio Condivi, Freiburg: Rombach, 2002, S. 83 – 84, 100; Frank Zöllner, Geschenkzeichnungen und Jüngstes Gericht 1534 – 1541 in: id., Christof Thoenes, Thomas Pöpper (Hrsg.), Michelangelo. Das vollständige Werk, Köln: Taschen, 2014, S. 245 – 250 und id., M6. Das Jüngste Gericht, 1536 – 1541, in: ibid., S. 426 – 430. 14 Giorgio Vasari, La vita di Michelangelo nelle redazioni del 1550 e del 1568, curata e commentata da Paola Barocchi, Mailand, Neapel: Ricciardi, 1962 – 1967, Bd. 1, S. 77, Bd. 3, S. 1331 – 1334.
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Inhalt, die Frage, wie der verklärte Leib des Menschen in der künftigen Welt beschaffen sein werde, ihr Problem. Die Parusie Christi, das Erscheinen des ganz Anderen am Ende der Zeiten, der Wahrheit, die alle Bilder zunichtemachen und den künftigen „bildlosen Aeon“ heraufführen wird, ist ihre raison d’ être.15 Die Figur erblickt sie schaudernd. Phóbos beim Anblick des rex tremendae maiestatis der Parusie dürfte gemeint sein, der „heilige Schauer“ der späteren Lehre vom Erhabenen.16 Zugleich geht es um eines der führenden ästhetischen Postulate: rilievo.17 Ein Detail zeigt es: So wie seine Gestalt als Ganze unter den dreihunderteinundneunzig Figuren des Freskos den am weitesten nach vorne getriebenen rilievo bezeichnet, so scheint ihr rechtes Knie zusammen mit der Wolke zwischen den Beinen einen allervordersten Punkt zu markieren. Rilievuccio hatte Cennino Cennini eine durch den weißen Punkt eines Glanzlichts markierte Spitze des rilievo genannt. Michelangelo hat den rilievo des Knies erstens durch die extreme Verkürzung und zweitens durch die starke Verschattung des rechten Unterschenkels scharf betont. Der Blick nach rechts zeigt den Grund. In derselben vordersten Zone erscheint dort ein berühmtes „herausfallendes Detail“: Bartholomäus hält in seiner Linken nahezu bildparallel eine leere menschliche Haut dem Betrachter entgegen. Da sie über die Wolke und vor dieser niederhängt, muss sie ebenso weit oder noch ein kleines Stück weiter aus dem Fresko hervor ragen als das Knie des Apostels. Sie bezeichnet den allervordersten Punkt der riesenhaften Malfläche. Warum? Der Grund dafür ist bekannt. Sie ist der Träger nicht des Namens, sondern der effigies Michelangelos. Indem Michelangelo sein Gesicht auf der leeren Haut in der Hand des eschatologischen Apostels erscheinen lässt, folgt er der Technik der Paradoxie, jenem genus der Rhetorik also, das der Anschauung der Allgemeinheit zuwiderläuft und ihre Überzeugungen und Werte um des eigenen Ziels willen verletzt.18 So auch hier! Die geschundene Haut in der Hand des Bartholomäus, zusammen mit dem Messer traditionelles Attribut seines Martyriums, wird vom Betrachter, seiner Erwartung entsprechend, zunächst als die Haut des Martyrers wahrgenommen. Eine kurze Täuschung oder inganno! Denn in einem theoretisch zweiten Schritt der Rezeption, dem der Enttäuschung oder des disinganno, wird der Betrachter auf ihr die Paradoxie eines fremden Gesichts entdecken. 15 Rudolf Preimesberger, „Und in meinem Fleisch werde ich meinen Gott schauen.“ Biblische Regenera tionsgedanken in Michelangelos Bartholomäus der Cappella Sistina, in: Steffen Martus, Andrea Polaschegg (Hrsg.), Das Buch der Bücher − gelesen. Lesarten der Bibel in den Wissenschaften und Künsten, Bern u. a.: Peter Lang 2006, S. 101 – 117 (= Publikationen zur Zeitschrift für Germanistik, Bd. 13). 16 Reinhart Meier-Kalkus, Schauer, in: Joachim Ritter, Karlfried Gründer (Hrsg.), Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 8, Basel: Schwabe, 2007, Sp. 1223 – 1224. 17 Luigi Grassi, Rilievo, in: Grassi, Pepe 1994 (wie Anm. 6), S. 792 – 793; Andreas Niehaus, Florentiner Reliefkunst von Brunelleschi bis Michelangelo, München, Berlin: Deutscher Kunstverlag, 1998, S. 17 – 45; Yih-Fen Wang-Hua, „Rilievo“ in Malerei und Bildhauerkunst der Frühneuzeit, Diss. Universität Köln, 1999; Rudolf Preimesberger, Rilievo und Michelangelo: ,… benché ignorantemente‘, in: Ulrich Pfisterer, Max Seidel (Hrsg.), Visuelle Topoi. Erfindung und tradiertes Wissen in den Künsten der Renaissance, München, Berlin: Deutscher Kunstverlag, 2003, S. 303 – 316. 18 Martina Neumeyer, Paradoxe, das, in: Gert Ueding (Hrsg.), Historisches Wörterbuch der Rhetorik, Bd. 6, Tübingen: Niemeyer, 2003, Sp. 516 – 524; Maria S. Celentano, Paradoxon, ibid., Sp. 524 – 526; zu Michelangelo’s Selbstdarstellung Zöllner 2014 (wie Anm. 13), S. 247, 426.
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Durch das üppige dunkle Haupthaar und die andersartigen Gesichtszüge ist es von der Physiognomie des Bartholomäus, den Michelangelo entgegen der ikonographischen Tradition kahlköpfig und mit einem langen grauen Bart zeigt, scharf abgesetzt. Was ist der funktionale Sinn? Michelangelos Gedankengang ist leicht zu rekonstruieren: Indem er sich ‚mit Haut und Haar‘ Bartholomäus in die Hand gibt, macht er ihn zu seinem Patron. Fürbitte beim Jüngsten Gericht durch den Heiligen, ‚in dessen Hand er sich gibt‘, ist gemeint. Es geht um gemalte Interzession. Dass dabei viel Sprache im Bild ist, sei hier nicht weiter ausgeführt.19 Wer hat im 16. Jahrhundert Michelangelos Gesichtszüge in der Hand des eschatologischen Apostels wiedererkannt? Zeugnisse der Zeitgenossen fehlen. Sie fehlen mit einer Ausnahme. Allan Braham ist meines Wissens der erste gewesen, der sie beachtet hat.20 Mit der Jahreszahl 1577 hat El Greco das im September 1579 enthüllte Hauptbild des Hochaltars von Santo Domingo el Antiguo in Toledo, die Aufnahme Mariens in den Himmel, signiert (Tafel 18).21 Ich übergehe die Fragen des Patroziniums, die Fragen nach der Stiftung und der Stifterin Dona Maria de Silva, um deren Seelengedächtnis es geht, die eine Hofdame der Kaiserin Isabella, der Gemahlin Karls V., gewesen war, ein bedeutendes Legat für den Neubau der Kirche sowie deren Altäre hinterlassen und dadurch das ius sepulturae im Presbyterium für sich erworben hatte. Ich erwähne nur kurz als zentrale Figur ihren Testaments-Vollstrecker Don Diego de Castilla, den Auftraggeber El Grecos. Castilla, Dekan des Kapitels der Kathedrale von Toledo, gehörte der Farnese-Klientel und -Fraktion in Spanien an. Er war als Sohn des gleichnamigen Dekans des Toledaner Kapitels illegitim geboren, jedoch durch Dispens Papst Pauls III. Farnese legitimiert worden, was ihm den Zugang zur Priesterweihe und einer bedeutenden kirchlichen Laufbahn eröffnet hatte. Dem Kardinalnepoten Alessandro Farnese war er persönlich ebenso verbunden wie sein illegitim geborener und gleichfalls durch Farnese-Dispens legitimierter Sohn Luis. Beide sind in El Grecos Berufung von Rom nach Toledo involviert.22 El Greco hat das Hochaltarbild in der rechten unteren Ecke mit seiner Signatur versehen (Abb. 8). Die erste Zeile lautet: „Δομήνικος Θεοτοκόπουλος Κρὴς“ („Domenikos Theotokopoulos, der Kreter“). In der zweiten Zeile erscheint die Formel „ὁ δείξας“, sowie, nicht in Ziffern, sondern in Buchstaben, die Jahreszahl „1577“. Es ist die wörtliche Wiederholung der Signatur auf der Ikone der Koimesis in Hermoupolis, erweitert um die Angabe der Herkunft aus Kreta und die Jahreszahl. 19 Preimesberger 2006 (wie Anm. 15), S. 101 – 117. 20 Allan Braham, Two Notes on El Greco and Michelangelo, in: The Burlington Magazine 108 (1966), S. 307 – 308; Yasunari Kitaura, El proceder artistico de El Greco, in: Boletin del Museo del Prado 7, 20 (1986), S. 85 – 92. 21 Wethey 1962 (wie Anm. 6), Bd. 1, S. 21 – 23, Bd. 2, S. 66 – 68; Jonathan Brown, El Greco and Toledo, in: id. (Hrsg.), El Greco of Toledo, Boston 1982, S. 75 – 147, v. a. S. 117 – 123; Alfonso E. Pérez Sánchez, On the Reconstruction of El Greco’s Dispersed Altarpieces, in: ibid., S. 149 – 176, v. a. S. 150 – 154; Keith Andrews, Xavier Bray, in: Davies 2003 (wie Anm. 1), Kat. Nr. 17 – 20, S. 115 – 120; Alvarez Lopera 2007 (wie Anm. 1), Kat. Nr. 41; Marías 2013 (wie Anm. 1), S. 132 – 145. 22 Marías 2013 (wie Anm. 1), S. 132 – 136.
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8 El Greco, Himmelfahrt arias, (Detail: Signatur) M
Zwei kapitale Unterschiede gibt es: El Greco hat die Signatur, anders als in Hermou polis, nicht in Kapitalis, sondern kursiv geschrieben. Einer der Gründe dafür liegt im thematischen Decorum: Sie erscheint auf einem cartellino.23 Es ist der erste cartellino seiner Laufbahn. Er ist verhältnismäßig groß und offensichtlich auf Fernwirkung bedacht. Auch wenn Schrift und Name auf ihm aus der Entfernung nicht lesbar sind, ist er als Träger einer Signatur gut zu erkennen. Aus der Ferne erscheint er frontal. Aus der Nähe hingegen zeigt sich, dass er leicht nach links gewendet ist, jenem Leser zugewendet, der die Stufen des Hochaltars emporgestiegen ist und vor der Mitte der Mensa steht. Wer ist der Leser der Signatur, nahe genug, um El Grecos Namen auf dem cartellino zu sehen, und gebildet genug, um die griechischen Lettern entziffern zu können? Eine Situation dieser Art lässt sich leicht rekonstruieren: Wenn der Priester, der hochrangig genug ist, um an dem Hochaltar zu zelebrieren, nicht einer der Kapläne, sondern der Probst oder Dekan, vor der Mitte der Altar-Mensa stehend die Messe liest, kann er den Namen El Grecos sehen und lesen. Keine Frage, dass hier eine Funktion der Signatur sichtbar wird: Gebetsgedenken während der Messe, liturgische Memoria für den Maler. Denn bekanntlich bewirkt allein schon das Erinnern des Namens, dass der Genannte in das Fürbitte- Gebet am Altar eingeschlossen wird.24 23 Matsui 1979 (wie Anm. 6), S. 178 – 185; Kandice Rawlings, Liminal Messages. The Cartellino in Italian Renaissance Painting, Diss. Rutgers, The State University of New Jersey, 2009; Karin Hellwig, Künstleridentität und Signatur in Spanien im 17. Jahrhundert. Velázquez, Zurbarán, Ribera und Palominos Kommentare im Parnaso Espanol Pintoresco Laureado, in: Nicole Hegener (Hrsg.), Künstlersignaturen von der Antike bis zur Gegenwart/Artists’ Signatures from Antiquity to the Present, Petersberg: Imhof, 2013, S. 316 – 339. 24 Barbara Welzel, Namensnennung und Memoria bei Conrad von Soest, in: Hegener 2013 (wie Anm. 23), S. 116 – 125, v. a. S. 123 – 124; Florian Horsthemke, Judith Ostermann, Mit einer Hand am Grab. Tullio Lombardos Signatur des Geizhalswunders in der Cappella dell’Arca im Santo zu Padua, in: ibid., S. 244 – 257, v. a. S. 253 – 254.
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Einer der Zelebranten an dem Hochaltar ist benennbar: Diego de Castilla, Grecos Auftraggeber und Testamentsvollstrecker der Stifterin. Ihrem Grab gegenüber hatte er auf der Evangelienseite des Presbyteriums für sich und seinen Sohn Luis das Begräbnisrecht erworben. Als Vertragspartner El Grecos musste er um den gewaltigen Preisnachlass wissen, den dieser von dem vertraglich festgelegten Gesamthonorar gewährt hatte: fünfhundert Dukaten. Der Maler wurde so zum Mit-Stifter. Es liegt in der Logik dieser Verhältnisse, dass El Greco später in der Kirche, der er neben seiner Arbeit bereits zusätzliche fünfhundert Dukaten für sein Seelenheil gewidmet hatte, eine Kapelle mit Begräbnisrecht erwarb. Der cartellino mit El Grecos Signatur bietet das geradezu klassische Beispiel eines „Details, das aus dem Bild fällt“.25 Dies in des Wortes wahrster Bedeutung: Er besetzt die vorderste Position im Gemälde, vergleichbar der Situation der Haut-Effigies Michelangelos an der Stirnwand der Sixtinischen Kapelle (Abb. 9). Er ist an ein aufrecht stehendes Buch geheftet. Dieses ist in der Hand eines Apostels, der es so hält, dass die Blätter des Buchs in zwei Hälften geteilt sind. Er stützt sich darauf. Als einziger der zwölf ist er eindeutig frontal, als einziger ist er voll sichtbar dargestellt, als einziger ins Knie gesunken. Blick und Gebärde richten sich nach oben. Er ist ein Muster an rilievo. Das nackte Bein mit dem hell beleuchteten Knie ist weit vorne, die große Zehe noch weiter. Sehr weit vorne die linke Hand, ebenso weit vorne das Buch, am allerweitesten vorne folglich der cartellino mit der Signatur. Indem El Greco ihn zum Bestandteil des Buchs in der Hand des Apostels macht, gibt er seinen Namen, gibt er die Memoria seiner Person und damit sich selbst in die Hand des knieenden Apostels. Der Apostel ist ein wichtiger Apostel. Er ist es, der mit den körperlichen Anzeichen des Schauderns und der ekstatischen Schau Maria am Himmel erblickt. Der Schatten ihres Körpers, Indiz der Leiblichkeit ihrer Aufnahme in den Himmel, fällt auf ihn und keinen anderen. Er fällt genau auf seinen erhobenen rechten Arm. Der Arm ist in einem Gestus erhoben, und dieser ist der hoch konventionelle und leicht erkennbare Gestus der admiratio, der Verwunderung und Bewunderung beim Anblick des Numinosen.26 Wer ist der Apostel? Alles, seine prominente Rolle, seine Physiognomie und die auf die Symbolfarben Blau und Gold anspielenden Farben seines Mantels, deutet darauf hin, dass es Petrus ist. Zufall oder nicht, es ist just der Himmelspförtner oder ianitor coeli, dem El Greco seine Signatur in die Hand gegeben hat.27
25 Daniel Arasse, Le détail. Pour une histoire rapprochée de la peinture, Paris Flammarion, 1992; Wolfram Pichler, Detaillierungen des Bildes. Zur Einleitung in den Band, in: id., Edith Futscher, Stefan Neuner, Ralph Ubl (Hrsg.), Was aus dem Bild fällt. Figuren und Details in Kunst und Literatur, Friedrich Teja Bach zum 60. Geburtstag, München: Fink, 2007, S. 9 – 42. 26 Ulrich Rehm, Stumme Sprache der Bilder. Gestik als Mittel der neuzeitlichen Bilderzählung, München, Berlin: Deutscher Kunstverlag, 2002, S. 114 – 122. 27 Wolfgang Braunfels, Petrus, Apostel, Bischof von Rom, in: Wolfgang Braunfels (Hrsg.), Lexikon der christlichen Ikonographie, Bd. 8, Rom, Freiburg, Basel, Wien: Herder, 1976, Sp. 158 – 174; Mariella Liverani, Giovanni Fallani, Pietro, in: Filippo Caraffa, Giuseppe Morelli (Hrsg.), Bibliotheca Sanctorum, Ist. Giovanni XXIII della Pontificia Univ. Lateranense, Bd. 10, Rom: Città Nuova, 1968, Sp. 640 – 650.
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9 El Greco, Himmelfahrt Marias (Detail: Petrus mit cartellino)
Abgezählte zwölf Apostel sind im Gemälde. El Greco rechnet offensichtlich mit der traditionellen Abwesenheit des Thomas. Denn der Zeigende, der sich Petrus zuwendet, ist Paulus, der dreizehnte Apostel. Wie immer folgt Greco den physiognomischen Stereo typen der Apostelikonographie mit Paulus als Kahlkopf. 28 Die dominante Handlungsrolle des Petrus und Paulus ist im Osten traditionell und war schon an Grecos Koimesis-Ikone in Hermoupolis (Abb. 4) zu beobachten gewesen. So auch hier! Beide Apostel haben prominenten Anteil an der Handlung. Nicht an deren erstem Teil, der Entdeckung des leeren Grabes, sondern an dem zweiten, der Aufnahme Mariens in den Himmel, schauend der eine, zeigend und sprechend der andere: Petrus, in der Legenda aurea „Träger besonderer Offenbarung“, offensichtlich im Zustand ekstatischer 28 Martin Lechner, Paulus, in: Braunfels 1976 (wie Anm. 27), Sp. 128 – 147; Mariella Liverani, Paolo, in: Caraffa, Morelli 1968 (wie Anm. 27), Sp. 212 – 228.
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Schau, Paulus hingegen, der Theologe der Auferstehung und des Auferstehungsleibs Christi, zeigt und scheint ihm mit Worten zu erklären, was er am Himmel sieht: den Körper Mariens (Tafel 18). Hier wäre an einige Details zu erinnern: Maria, die aus Sehnsucht nach ihrem Sohn und ohne Schmerzen gestorben ist. Maria, deren Körper „die Verwesung nicht schaute“, weil sie mit Seele und Körper dem verklärten Leib ihres auferstandenen Sohns in den Himmel folgte, sodass die Apostel nach drei Tagen ihr Grab leer fanden und daraus auf ihre Aufnahme in den Himmel schließen konnten. Maria, die „Ersterlöste“, eine Lehre, die als logische Folge aus der Lehre von ihrer Bewahrung vor der Erbsünde angesehen werden konnte. Maria, schon jetzt in den verklärten Endzustand des Menschen aufgenommen, die allgemeine Auferstehung des Fleisches am Jüngsten Tag an ihr vorweggenommen, ihr verklärter Körper nach dem Vorbild des verklärten Körpers des auferstandenen Christus das zweite corpus gloriosum.29 Der Dialog zwischen Petrus und Paulus im Gemälde könnte sich aus dieser Analogie erklären. Zwei Zeugen für die Auferstehung und den nachösterlich verklärten Leib Christi gibt es: Petrus und Paulus. Petrus der erste, Paulus der letzte! Petrus, der erste Zeuge des Osterglaubens! Beim Evangelisten Lukas in der Emmaus-Perikope ist er der Empfänger der Protophanie des Auferstandenen. Paulus selbst bestätigt es ihm in seinem ersten Brief an die Korinther: „Er erschien dem Kephas, schließlich auch mir als letztem, der Missgeburt […]“.30 Was sieht Petrus? Was zeigt und erklärt ihm Paulus? Durch eine klassische Studie Paolo Prodis wissen wir, dass 1583, just ein Jahr nach der Publikation seines Discorso intorno alle immagini sacre e profane, den Kardinal Gabriele Paleotti in Bologna eine Anfrage aus Rom erreichte. Sie war geschrieben von dem Sekretär des Kardinalskollegiums Silvio Antoniano im Auftrag Pier Antonio Bandinis und seines Sohns, des Kardinals Ottavio Bandini, die den Altar der Grabkapelle ihrer Familie in San Silvestro al Quirinale mit einem Gemälde der Aufnahme Mariens in den Himmel ausstatten wollten.31 Die erste Frage galt einem gravierenden Problem, dem der „historischen Wahrheit“ im christlichen Bild. Veritas historica war eine Hauptforderung des Dekrets über die Heiligenund Bilderverehrung gewesen, das man in der Abschluss-Sitzung des Konzils von Trient am 3. Dezember 1563 beschlossen hatte. Wie aber sollte sie hier erfüllt werden? Die Aufnahme Mariens in den Himmel und die Öffnung ihres Grabes seien ja zwei zeitlich von-
29 Johannes Beumer, Aufnahme, in: Konrad Algermissen, Ludwig Boer, Carl Feckes, Julius Tyciak (Hrsg.), Lexikon der Marienkunde, Bd. 1, Regensburg: Pustet, 1967, Sp. 421 – 438; Jean Fournée, Himmelfahrt Mariens, in: Engelbert Kirschbaum (Hrsg.), Lexikon der christlichen Ikonographie, Bd. 2, Rom, Freiburg, Basel, Wien: Herder 1970, Sp. 276 – 283; Jörg Traeger, Renaissance und Religion. Die Kunst des Glaubens im Zeitalter Raphaels, München: Beck, 1997, S. 56 – 62; Stephen J. Shoemaker, The Ancient tradi tions of the Virgin Mary’s Dormition and Assumption, Oxford: Oxford University Press, 2003. 30 Luk 24, 34; 1 Kor 15, 5. 31 Paolo Prodi, Ricerca sulla teorica delle arti figurative nella riforma cattolica, Bologna: Nuova Alfa, 1984, S. 91 – 93, S. 117 – 122; vgl. Paolo Prodi, Ricerche sulla teoria delle arti figurative nella riforma cattolica, in: Archivio italiano per la storia dell pietà III (1965), S. 123 – 212; Victor I. Stoichita, Visionary Experience in the Golden Age of Spanish Art, London: Reaktion Books, 1995, S. 39 – 44.
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einander getrennte Ereignisse gewesen. Ihre simultane Darstellung in der Kunst könne also unmöglich der historischen Wahrheit entsprechen. Noch gravierender und bildkritischer war die zweite Frage: Es sei doch „nicht zu rechtfertigen, dass die Apostel der Assunta mit ihren Blicken folgten. Denn es gibt niemand, der uns sagt, dass die Aufnahme in den Himmel sichtbar gewesen sei, und dies scheint ein Irrtum der Maler zu sein, die es von der Himmelfahrt des Erlösers übernommen hätten“32. Die Antworten aus Bologna beruhen auf zwei Argumenten: der Kategorie des verisimile und der kirchlichen Überlieferung als Norm: „[…] und hier haben wir keine Schrift, die uns darin helfen würde, und deshalb würde ich beim Gewohnten bleiben, denn dieses ist wahrscheinlich.“33 Die Apostel sollten um den Sarkophag herum dargestellt werden. Einige sollten die auffahrende Jungfrau wahrnehmen, einige in den Sarkophag blicken. Denn es sei einfach wahrscheinlich − verisimile −, dass sie es getan hätten. „Und“ − ein Argument von fundamentaler Bedeutung − „die Assumptio mag nun sichtbar oder unsichtbar gewesen sein, durch die Offenbarung des Heiligen Geistes konnten die Apostel sehen, was die anderen nicht sahen und konnten sich angesichts einer so mirakulösen Sache nur verwundern.“34 Keine Gewissheit der Theologie also, ob die Assumptio sichtbar oder unsichtbar war. Nur die Apostel konnten sehen, was die anderen Menschen nicht sehen konnten, und dies nur, weil es ihnen vom Heiligen Geist geoffenbart wurde. Die Größe des Wunders der Aufnahme Mariens in den Himmel setzt alles außer Kraft. Auch den Aposteln blieb nur eine Haltung: die der „staunenden Bewunderung“ oder admiratio. Folgerichtig wird Francisco Pacheco den Unsagbarkeits-Topos benutzen und das Geschehen als einen „Triumph, der nicht erzählt werden kann“, als einen „triunfo inenarrabile“ bezeichnen.35 Haben diese Äußerungen, geschrieben 1583 in Bologna, mit El Grecos Gemälde zu tun? Der Blick auf dessen Prototypen wie Tizians Assunta, auf Andrea del Sarto und andere, könnte zumindest eines bestätigen: Es ist kein reines Historienbild! Denn was sieht Petrus? Und was sieht der Betrachter in der Mitte des Gemäldes? Das Detail der schräg verkürzten Mondsichel, ein symbolisches Detail, das die Aufnahme Mariens in den Himmel als Historienbild durchbricht und Maria in eine Vision der Apostel verwandelt. Gezeigt ist keine istoria, sondern eine „Offenbarung“, genauer gesagt: eine „Geheime Offenbarung“ an die Apostel. Denn Maria ist dargestellt als „das große Zeichen am Himmel“, das „signum magnum“ der Geheimen Offenbarung des Johannes. Auf nichts anderes ist hier angespielt, als auf die Vision des Apokalyptischen Weibes: „Ein großes Zeichen erschien am Himmel: eine Frau, mit der Sonne umkleidet, den Mond zu ihren Füßen […]. Sie war gesegneten 32 „[…] il che non pare che in modo alcuno possa stare, non ci essendo chi dica, che l’assuntione fosse visibile, et quello pare uno errore dei pittori, preso per l’occasione dell’Ascensione del Salvatore.“ Zit. n. Prodi 1984 (wie Anm. 31), S. 92. 33 „[…] et qui non habbiamo scrittura che ne aiuti, et però starei nell’ ordinario essendo verisimile.“ Zit. n. Prodi 1984 (wie Anm. 31), S. 93. 34 „[…] et o fosse visibile o invisibile l’Assuntione, essi per revelatione dello spirito santo potero vedere quello, che gli altri non videro, ma in cosa così miracolosa, restar ammirativi.“ Zit. n. Prodi 1984 (wie Anm. 31), S. 92. 35 Zit. n. Stoichita 1995 (wie Anm. 31), S. 41.
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10 El Greco, Johannes der Evangelist, Öl auf Leinwand, 205 × 78 cm, 1577 – 79, Toledo, Santo Domingo de Silos (El Antiguo), Seitenflügel, Hochaltar
Leibes […]“. Sie gebiert einen Sohn, der von dem siebenköpfigen Drachen bedroht wird, und erhält Adlerflügel, um vor diesem für 1260 Tage in die Wüste zu fliehen usw. usf. In der Reformation war die marianische Deutung der Vision in die Krise gekommen. Luther deutete das „Weib in der Wüste“ als die „verborgene Kirche“ unter dem Druck des Papsttums.36 Dass es um eine Gleichsetzung Mariens mit dem Apokalyptischen Weib geht, kann nicht zweifelhaft sein. Denn zuseiten des Gemäldes erscheint in riesenhafter Gestalt Johannes, der Evangelist (Abb. 10), im damaligen Verständnis auch der Verfasser der Apokalypse.37 Es ist der alte Johannes, der Seher von Patmos, versunken in die Lektüre des Texts 36 Apok. 12, 1 – 18; Jutta Fonrobert, Apokalyptisches Weib, in: Engelbert Kirschbaum (Hrsg.), Lexikon der christlichen Ikonographie, Bd. 1, Rom, Freiburg, Basel, Wien: Herder, 1968, Sp. 145 – 150. 37 Xavier Bray in: Davies 2003 (wie Anm. 1), Kat. Nr. 19, S. 118 – 119; Alvarez Lopera 2007 (wie Anm. 1), Kat. Nr. 44; Marías 2013 (wie Anm. 1), S. 139 – 140.
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seiner eigenen Vision, nachsinnend über das Geheimnis des apokalyptischen Weibes und Mariens. Die Figur steht in einer großen Tradition. An einer oft zitierten Stelle hatte Leon Battista Alberti bekanntlich Figuren gefordert, die zwischen dem Gemälde und dem Publikum vermitteln: „[…] einen, der ermahnt und uns lehrt, was man dort macht.“38 Leonardo hatte in seiner unvollendeten Epiphanie in den Uffizien den Rand mit zwei Figuren dieser Art besetzt: rechts einen, der in die Handlung einfach einlädt, links aber den nachdenklichen alten Mann, der sie reflektiert, der über das Kind von Bethlehem und seine verborgene Bedeutung nachsinnt.39 Die Figur des lesend reflektierenden Johannes Evangelista hat auf der linken Seite des Retabels eine Gegenfigur in des Wortes wahrster Bedeutung (Abb. 11). Nicht Reflektieren, sondern Zeigen ist hier das Thema, und dies in einer Gestalt Johannes des Täufers.40 Er ist in seiner biblischen Hauptrolle dargestellt. Wie in zahllosen Bildern der christlichen Ikonographie zeigt er mit den Worten: „Ecce agnus Dei, qui tollit peccata mundi“ auf Jesus. Die Besonderheit: Er zeigt nicht auf den historischen Jesus, sondern in Richtung der Altarmensa mit dem Sakramentstabernakel (Abb. 6). Das heißt: Wie der Priester, der die konsekrierte Hostie in seiner erhobenen Hand zeigt und dazu dieselben Worte spricht, zeigt der Täufer auf Jesus als das „Lamm Gottes“ in seiner eucharistischen Gestalt. Im Ergebnis also eine doppelte Überredung zur Akzeptanz der Realpräsenz Christi in der konsekrierten Hostie, eine Persuasion durch Zeigen und erinnertes Sprechen! Die spezifisch post-tridentinische visuelle Pointe des hier zu Beobachtenden dürfte darin bestehen, dass Johannes in effigie naturgemäß permanent in die Richtung der Altarmensa mit dem Sakramentstabernakel zeigt und dazu permanent die Worte „Ecce agnus Dei […]“ zu sprechen scheint. Was er zeigt und wozu er überredet, ist, so gesehen, eines der katholischen Spezifika im Streit der Konfessionen schlechthin, die vom Konzil von Trient mit neuer Schärfe betonte Lehre von der „permanenten Realpräsenz“ des eucharistischen Christus in der Gestalt der konsekrierten Hostien, die im Sakramentstabernakel über dem Altar verwahrt werden.41
38 „[…] uno chi admonisca et insegni ad noi che ivi si facci”, zit. n. Oskar Bätschmann, Sandra Gianfreda (Hrsg.), Leon Battista Alberti, Della Pittura/Über die Malkunst, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 2002, S. 132; vgl. Oskar Bätschmann, Christoph Schäublin, Kristine Patz (Hrsg.), Leon Battista Alberti/De Statua. De Pictura. Elementa Picturae/Das Standbild. Die Malkunst. Grundlagen der Malerei, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 2000, S. 270 – 273, S. 330. 39 Frank Zöllner, Leonardo da Vinci 1452 – 1519, Bd. 1: Sämtliche Gemälde, Köln: Taschen, 2011, Kat. Nr. X, S. 222. 40 Xavier Bray, in: Davies 2003 (wie Anm. 1), Kat. Nr. 18, S. 118 – 119; Alvarez Lopera 2007 (wie Anm. 1), Kat. Nr. 43; Marías 2013 (wie Anm. 1), S. 138. 41 Josef Wohlmut, Realpräsenz und Transzendenz im Konzil von Trient. Eine historisch-kritische Analyse der Canones 1 – 4 der Sessio XIII, 2 Bde., Frankfurt, Bern: Peter Lang, 1975; Erwin Iserloh, Abendmahl III/2.und Abendmahl III/3., in: Gerhard Müller, Horst Balz (Hrsg.), Theologische Realenzyklopädie, Bd. 1, Berlin, New York: De Gruyter, 1977, S. 89 – 106, S. 122 – 131; Thomas Lentes, Auf der Suche nach dem Ort des Gedächtnisses. Thesen zur Umwertung der symbolischen Formen in Abendmahlslehre, Bildtheorie und Bildandacht des 14.–16. Jahrhunderts, in: Klaus Krüger, Alessandro Nova (Hrsg.), Imagination und Wirklichkeit, Mainz: Zabern, 2000, S. 21 – 45.
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11 El Greco, Johannes der Täufer, Öl auf Leinwand, 205 × 78 cm, 1577 – 79, Toledo, Santo Domingo de Silos (El Antiguo), Seitenflügel, Hochaltar
In dem Retabel, einem Polyptichon, wird viel gezeigt. Es sei daran erinnert, dass das griechische Verbum „δεικνύω“, „δείκνυμι“eine Reihe von Bedeutungen hat, die zwischen „zeigen“, „zum Vorschein bringen“, „hervorbringen“, „anzeigen“, „aufzeigen“, „lehren“, „nachweisen“, „beweisen“ oszillieren.42 Drei Hauptbedeutungen, so scheint es, lassen sich als für unseren Zusammenhang relevant annehmen. Erstens: „Ich zeige auf etwas oder jemand“ („εἰς τίνα δεικνύω“). Das prominente Beispiel ist Johannes, der Täufer, der auf Jesus zeigt (Abb. 11). Zweitens: „Ich zeige jemandem etwas“ („τὶ τίνι δεικνύω“), so, wenn, wie im Gemälde, ein Apostel einem anderen das „große Zeichen am Himmel“ zeigt und mit Worten erklärt (Abb. 9). Drittens: „Ich zeige jemanden als etwas“ („τίνα τὶ δεικνύω“). Ein Hauptbei42 Thomas Rentsch, Morris Vollmann, Zeigen, in: Joachim Ritter, Karlfried Gründer, Gottfried Gabriel (Hrsg.), Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 12, Basel: Schwabe 2004, Sp. 1182 – 1186.
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spiel für diese Art des Zeigens ist: „Ich zeige Zeus“ („τÒν Δία δεικνύω“). Das Verb „δείξειν“ erscheint hier in der Bedeutung von: „einen als etwas zur Erscheinung bringen“, „einen darstellen“, „Zeus als Zeus zur Erscheinung bringen“, „Zeus als Zeus darstellen“. Die Besonderheit: ein Abwesender wird als anwesend gezeigt! In dem Retabel wird, wie erwähnt, viel gezeigt. Allein, das Zeigen begegnet nicht nur in Körpern, sondern auch im Medium der Sprache. Auf dem cartellino ist es wörtlich benannt. El Greco bezeichnet sich dort selbst als „der, der gezeigt hat“ („ὁ δείξας“) (Abb. 8). An zwei Stellen der antiken griechischen Literatur hat man, wie eingangs gesagt, die Quelle dafür gesehen. Zum einen in Lukians Traum.43 Die Attraktivität dieser Hypothese für die Forschung bestand − oder besteht noch − darin, dass dieser, das ironisch-rhetorische Meisterstück des vielgelesenen Lukian, sich im Verzeichnis der Bücher El Grecos in Toledo nachweisen lässt. In ihm streiten sich, nach dem Vorbild der Fabel des Prodikos von der Entscheidung des Herkules, die Personifikationen der Bildhauerkunst und der Paideia oder Bildung um die Gunst eines jungen Mannes − es ist Lukian selbst. Es ist ein Paragone zwischen der Bildhauerei als schmutziger Handwerkerin mit barbarischer Sprache und der Paideia als einer das Handwerk verachtenden herausgeputzten Dame.44 Die Bildhauerei spricht: Ich bin die Bildhauerei, mein lieber Sohn, […]. Stoße Dich nicht an meinem unscheinbaren Äußeren und an meiner schmutzigen Kleidung. Auch jener große Phidias zeigte den Zeus ( „καὶ Φειδίας ἐκεῖνος ἔδειξε τὸν Δία“), Polyklet, der die Hera bildete, der berühmte Myron und der bewunderte Praxiteles sind auch aus solcher Niedrigkeit hervorgegangen, und nun werden sie zugleich mit ihren Göttern verehrt.45
Die zweite Stelle der antiken griechischen Literatur, die man als Quelle der Signatur geltend machen kann, findet sich im achten Buch der Geographika des Strabon. Es ist ein Zitat unbekannter Herkunft, sein Kontext die Beschreibung des olympischen Zeus des Phidias, sein Problem die berühmte Frage nach dessen Vorbild, sein Hintergrund die Rolle Homers als Schöpfer der Gottesvorstellung der Griechen: Man erzählt von Phidias, er habe zu Panainos, als er ihn fragte, nach welchem Modell („týpos“) er das Bild des Zeus schaffen würde, gesagt: nach dem homerischen, das in folgenden Versen entworfen ist (Ilias 1, 528 – 530): „Also sprach und nickte mit schwärzlichen Brauen Kronion;/und die ambrosischen Locken des Herrschers wallten ihm vorwärts/von dem unsterblichen Haupt; es erbebten die Höh’n des Olympos“.46
43 Lukian, Der Traum oder Lukians Lebensgang, in: Karl Mras (Hrsg.) Die Hauptwerke des Lukian. Griechisch und deutsch, Berlin: De Gruyter, 2014, S. 6 – 21. 44 Serena Zweimüller, Lukian „Rhetorum Praeceptor“. Einleitung, Text und Kommentar, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2008, zur Charakterisierung der Bildhauerei und Paideia S. 52, zu Lukians ironischer Distanz S. 53. 45 Lukian-Mras 2014 (wie Anm. 43), S. 11 – 13; vgl. Gratziou 1995 (wie Anm. 10), S. 69 – 74, v. a. S. 70. 46 Strabon, Geographika, VIII, 3, 30, P. 354 C., zit. n. Stefan Radt (Hrsg.), Strabons Geographika Band 2: Buch V – VIII, mit Übersetzung und Kommentar, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2003, S. 447.
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Es folgt im Text eine Parenthese, deren Echtheit früher bezweifelt wurde, die aber heute für original gehalten wird.47 Sie lautet: Dies gilt nämlich als eine sehr glückliche Beschreibung, vor allem wegen der Brauen, weil der Dichter dadurch auffordert, sich in Gedanken eine recht große Gestalt („μεγὰν τινὰ τύπον“) und eine große, des Zeus würdige Macht („μεγάλην δύναμιν“) auszumalen („ἀναζωγραφεῖν“), ebenso wie im Fall der Hera, wobei er gleichzeitig das jedem der beiden Angemessene („πρέπον“) beobachtet: denn er sagt (Ilias. 8, 199): „Regte sich heftig im Thron und erschütterte weit den Olympos“. Aber was geschah, als sie den ganzen Körper bewegte, sei im Falle des Zeus durch das bloße Nicken mit den Brauen eingetreten, von dem auch sein Haar etwas berührt wurde.48
Es folgt der letzte Satz, der die Formel vom Zeigen in jener Form enthält, in der sie in der Signatur El Grecos begegnet: als das substantivierte Aorist-Partizip des Verbs „δεικνύω“: „ὁ δείξας“. Strabon charakterisiert ihn als „geistreiche“ Rede: „Geistreich wurde auch gesagt, er sei der gewesen, der die Bilder der Götter entweder als einziger gesehen oder als einziger gezeigt hat (Κομψῶς δ᾽ εἴρηται καὶ τὸ ὁ τὰς τῶν θεῶν εἰκόνας ἢ μόνος ἰδὼν ἢ μόνος δείξας).“49 In seine Teile zerlegt, besagt der Satz, wörtlich übersetzt, erstens: „Geistreich/fein/ witzig/ spitzfindig/elegant wurde auch gesagt (Κομψῶς δ᾽ εἴρηται καὶ) […]“. Das zu Grunde liegende Verb „κομψεύω“ bedeutet: „ich drücke etwas witzig aus“, „τό κόμψευμα“ ist die „geistreich feinsinnige Rede“. Zweitens: „[…] er habe entweder als einziger gesehen (ἢ μόνος ἰδὼν)“. Drittens: „[…] oder aber als einziger gezeigt/zur Erscheinung gebracht/ dargestellt (ἢ μόνος δείξας).“ Viertens: Wen oder was? Das Akkusativobjekt des Satzes ist: „[…] die Bilder der Götter (τὰς τῶν θεῶν εἰκόνας).“ Εἰκόνες also, nicht εἴδωλα, auch nicht φαντάσματα oder τύποι. Es ist die Sammelbezeichnung für Bild und Bildlichkeit, der neben εἴδωλον meistverwendete Bild-Ausdruck der Griechen überhaupt, der hier begegnet: εἰκών.50 Seine Polysemie ist das implizite Thema des Satzes. Notwendigerweise müssen die εἰκόνες der Götter, zu verstehen im Sinne ihrer Gestalt und Erscheinung, die Homer als einziger gesehen habe, von anderer Art sein, als jene, die er von ihnen in seinen Dichtungen als einziger gezeigt habe. Autor und Herkunft des Satzes sind unbekannt, evident hingegen seine Struktur und Gattungszugehörigkeit. Zwei gegensätzliche Argumente stehen in ihm einander gegenüber. Ihr Gegensatz ist kontradiktorisch. Denn den Ausweg, Homer habe die εἰκόνες der Götter zuerst gesehen und das Gesehene dann in den εἰκόνες seiner Dichtungen in Worten gezeigt, 47 Stefan Radt (Hrsg.), Strabons Geographica Band 6: Buch V – VIII: Kommentar, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2007, S. 421. 48 Strabon, Geographika, VIII, 3, 30, P. 354 C., zit. n. Radt 2003 (wie Anm. 46), S. 447; Kommentar in: Radt 2007 (wie Anm. 47), S. 422. 49 Strabon, Geographika, VIII, 3, 30, P. 354 C.; Radt 2003 (wie Anm. 46), S. 446 – 447. 50 Dietrich Roloff, Eidolon, Eikon, Bild, in: Joachim Ritter (Hrsg.), Historisches Wörterbuch der Philo sophie, Bd. 2, Basel: Schwabe 1972, Sp. 330 – 331; Dietrich Schlüter, Bild I, in: Joachim Ritter (Hrsg.), Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 1, Basel: Schwabe 1971, Sp. 913 – 915; Bernhard Asmuth, Bild, Bildlichkeit A., B., in: Gert Ueding (Hrsg.), Historisches Wörterbuch der Rhetorik, Bd. 2, Tübingen: Niemeyer, 1994, S. 10 – 21, v. a. S. 11 – 12; Oliver Robert Scholz, Bild, in: Karlheinz Barck (Hrsg.), Ästhetische Grundbegriffe, Bd. 1, Stuttgart, Weimar: Metzler, 2000, S. 618 – 669, v. a. S. 620 – 623.
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bietet die Struktur des Satzes nicht. Eindeutig ist die Partikel zwischen den beiden Alternativen eine disjunktive Partikel. Entweder gesehen oder gezeigt! Tertium non datur. Was ist die Folge? Eine Antwort auf die dem Satz inhärente Frage, ob Homer in Bezug auf die Götter nun als der „μόνος ἰδῶν“, oder aber als der „μόνος δείξας“ ihrer εἰκόνες anzusehen sei, kann es nicht geben. Die Frage ist nicht zu entscheiden. Mit anderen Worten: Der Satz konfrontiert seinen Leser oder Zuhörer mit einer Situation der Ausweglosigkeit. Was hier begegnet, ist nichts anderes als der Tropus der Aporie oder dubitatio, das heißt: die rhetorische Figur der Unentscheidbarkeit einer Frage auf Grund der Gleichgewichtigkeit einander widersprechender Argumente.51 Keine leere Rhetorik! Denn eines darf angesichts des „geistreichen Satzes“ nicht übersehen werden: Es ist, eingehüllt in die Frage nach der Herkunft der εἰκόνες der Götter in den Dichtungen Homers, die Frage nach der Herkunft der Gottesvorstellung der Griechen überhaupt, die er in einer Aporie enden lässt. Sein Inhalt ist die Unmöglichkeit eines Urteils über die Herkunft der „Bilder der Götter“. Skepsis bestimmt sein semantisches Klima. Was liegt näher, als ihn persuasiv zu verstehen, was also näher als die Annahme, er enthalte die Aufforderung an seinen Leser oder Zuhörer, sich angesichts der Frage nach der Herkunft der „Bilder der Götter“ jedweden Urteils zu enthalten? Ob der Satz allein vor dem Horizont der traditionellen Religions- und Mythenkritik zu sehen ist, oder ob die ihm inhärente Aufforderung zur Urteilsenthaltung in Zusammenhang mit der Urteilsenthaltung des Skeptizismus und der Skeptiker, ihrer die Ataraxie begründenden ἐποχή gesehen werden kann, ob es, was man gerne vermuten möchte, die der Stoa ist, steht dahin.52 Der „geistreiche Satz“ benennt sein Subjekt nicht, und dies ist für die Geschichte seiner Rezeption nicht ohne Folgen geblieben. In seiner ersten und ursprünglichen Lesung, die der Intention Strabons entspricht, ist unbestritten Homer das Subjekt. Er ist es, von dem man „geistreich gesagt hat, dass er die εἰκόνες der Götter“ entweder „als einziger gesehen“, oder aber „als einziger gezeigt“ habe. Die zweite Lesung, beruhend auf der Polysemie des Wortes εἰκών, das auch die Bedeutung „Statue“ (ἄγαλμα) umfasst, ist das Ergebnis sehr viel späterer interpretierender Lektüre: Phidias, der Schöpfer der Statue des Zeus von Olympia, sei in dem Satz gemeint.53 Technisch gesehen ist das Auftreten der Formel „ὁ δείξας“ in El Grecos Signatur das Ergebnis zweier einfacher Operationen: einer Detaillierung und einer Übertragung.54 Durch das Herausschneiden aus ihrem ursprünglichen Kontext ist die Formel für die Annahme einer neuen Bedeutung offen. Diese entsteht durch ihre Übertragung in den neuen, das 51 Stefan Matuschek, Aporie, in: Gert Ueding (Hrsg.), Historisches Wörterbuch der Rhetorik, Bd. 1, Tübingen: Niemeyer, 1992, Sp. 825 – 828. 52 Anthony A. Long, Skepsis; Skeptizismus I., in: Joachim Ritter, Karlfried Gründer, Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 9, Basel: Schwabe 1995, Sp. 938 – 950; Malte Hossenfelder, Epoché I., in: Ritter 1972 (wie Anm. 50), Sp. 594 – 595. 53 Radt 2007 (wie Anm. 47), S. 422. 54 Pichler 2007 (wie Anm. 25), S. 9 – 41, v. a. S. 11 – 13; Dilek Dizdar, Translation. Um- und Irrwege, Berlin: Frank & Timme, 2006.
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heißt: den unpassend/passenden Kontext der Signatur El Grecos. Die Methode ist die der einfachen Substitution. Statt Homer oder Phidias ist nun der Maler „der, der gezeigt hat“. Wer vom ursprünglichen Kontext der Formel, wer von ihrer antiken Herkunft Kenntnis hat, für den bleiben dabei die Namen „Homer“ und „Phidias“ bestehen. Für ihn ist El Greco folglich nicht allein „der, der gezeigt hat“, sondern „der, der wie einst Homer und Phidias gezeigt hat“, und bei voller Kenntnis des antiken Kontexts ist er „der, der wie einst Homer und Phidias die Bilder oder Ikonen der Götter (τὰς τῶν θεῶν εἰκόνας) gezeigt hat“. Für ein Milieu wie das der Frühzeit El Grecos auf Kreta, in dem die Bezeichnung „göttliche Ikone“ („θεία εἰκών“) eine Selbstverständlichkeit ist, das heißt: für die Kirche des Ostens mit ihrer anderen Kultpraxis und Terminologie, dürfte es vertretbar sein, zu vermuten, es sei bei der Übertragung der antiken Formel „ὁ δείξας“ auf den christlichen Maler El Greco auch für deren antikes Akkusativobjekt „τὰς τῶν θεῶν εἰκόνας“ eine christlich interpretierende Lektüre möglich gewesen. Angesichts der Koimesis-Ikone in Hermoupolis und angesichts der Aufnahme Mariens in den Himmel in Toledo war es möglicherweise sogar leicht, die „Ikonen der Götter“ des antiken Texts den „göttlichen Ikonen“ der Gegenwart El Grecos, die er wie einst Homer und Phidias „gezeigt“ habe, sprachlich wie semantisch zu assimilieren. Name − auktoriale Präsenz − Schrift − Bild sind die Themen! Zwei Seitenaltäre flankieren den Hochaltar von Santo Domingo el Antiguo in Toledo. Ihre Gemälde zeigen die Geburt und die Auferstehung Christi. Die Geburt (Tafel 19), ehedem auf dem linken Seitenaltar und heute in der Madrider Fundación Botín, trägt wie ihr Gegenbild keine Signatur.55 Wie dieses ist sie zweigeteilt in eine istoria und eine figura. Die istoria der Geburt, bestehend aus den Figuren, die um das Kind geschart sind, steht unter dem Thema semper virgo, beziehungsweise ἀειπάρθενος. Die beiden Hebammen der Legende, Zelomi und Salome, die die immerwährende Jungfräulichkeit Mariens auch nach der Geburt Christi bezeugen, deuten darauf ebenso hin wie der Halbmond und ebenso die auffallendste Figur im Gemälde: Hieronymus mit dem aufgeschlagenen Buch und der Kerze davor. Hieronymus ist der Verteidiger der immerwährenden Jungfräulichkeit Mariens post partum.56 Um 380 hatte Helvidius in Rom eine Abhandlung dagegen geschrieben. Er hatte aus der Stelle bei Matthäus 1, 25, wo davon die Rede ist, Maria habe zu Betlehem ihren „Erstgeborenen“ zur Welt gebracht, den Schluss gezogen, Joseph und Maria wären nach der jungfräulichen Geburt Christi die eheliche Gemeinschaft eingegangen und Maria 55 Carmen Román Llorente, Entorno a la „Adoración de los pastores“ del Greco, de la Colección Emilio Botins, in: Goya, 256 (1997), S. 230 – 233; Alvarez Lopera 2007 (wie Anm. 1), Kat. Nr. 48, S. 29 – 130; Marías 2013 (wie Anm. 1), S. 137, 139. 56 Renate Mieke, Hieronymus, in: Wolfgang Braunfels (Hrsg.), Lexikon der christlichen Ikonographie, Bd. 6, Rom, Freiburg, Basel, Wien: Herder, 1974, Sp. 519 – 529; David G. Hunter, Helvidius, Jovinian, and the Virginity of Mary in Late Fourth-Century Rome, in: Journal of Early Christian Studies, 1, 1, (1993), S. 47 – 71; vgl. Peter Brown, The Body and Society. Men, Women and Sexual Renunciation in Early Christianity, New York: Columbia University Press, 1988; hier zit. n. der deutschen Übersetzung Peter Brown, Die Keuschheit der Engel. Sexuelle Entsagung, Askese und Körperlichkeit am Anfang des Christentums, München, Wien: Hanser, 1991, S. 349 – 394.
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habe noch Söhne und Töchter geboren. Hieronymus widerlegt dies in seiner Schrift adversus Helvidium de virginitate perpetua. Was ist die Besonderheit des Gemäldes? Zu der in ihm dargestellten Historie tritt ein aufgeschlagenes Buch! Hier ist an den Vordergrund in Raffaels Transfiguration Christi (Abb. 12) zu erinnern, an den Apostel-Evangelisten Matthäus in seiner Doppelrolle: zum einen ist er der ergriffene Augenzeuge der istoria des mondsüchtigen Knaben, zum anderen aber deren Chronist. Im Medium der Schrift enthält das Buch in seiner Rechten, es ist nichts anderes als das Evangelium nach Matthäus, dieselbe istoria, die er und mit ihm die Betrachter des Gemäldes vor Augen haben.57 El Grecos Hieronymus mit Buch und Kerze vor der Geburt Christi (Tafel 19) ist sein Gegenstück. Sein Gegenstück und auch nicht! Denn anders als der Matthäus Raffaels ist Hieronymus kein Augenzeuge, sondern von der istoria im Gemälde mehr als drei Jahrhunderte getrennt, kein Evangelist, sondern nur der Übersetzer eines Evangelisten: Hieronymus, der die Weihnachtserzählung des Lukas aus dem griechischen Urtext nur in das Lateinische übertragen hat. Eine translatio ist hier ins Bild gesetzt. Alles deutet darauf hin, dass das Buch, das er in Händen hält, seine in nächtlicher Arbeit in Betlehem geschriebene Übersetzung der Evangelien ist, die Vulgata. Die aufgeschlagene Seite enthält wohl die Weihnachts-Perikope des Evangelisten Lukas in seiner lateinischen Übersetzung. Wenn dem so ist, und alles spricht dafür, dann sind Text und Bild hier in einer pointierten Weise 57 Rudolf Preimesberger, Tragische Motive in Raffaels Transfiguration, in: Zeitschrift für Kunstgeschichte 50 (1987), S. 89 – 115, v. a. S. 99 – 100; Valeska von Rosen, Painterly Eloquence in El Greco’s El Espolio, in: Nicos Hadjinicolaou (Hrsg.), El Greco. The first twenty years in Spain. Proceedings of the International Symposium, Rethymno, Crete, 22 – 24 October 1999, Rethymno: University of Crete, 2005, S. 53 – 67, v. a. S. 57.
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zueinander in Beziehung gesetzt. Dass der Urtext des Evangelisten Lukas griechisch und Hieronymus nur sein Übersetzer ist, dass nicht die Lateiner, sondern die Griechen im Besitz des wahren Texts sind, hat El Greco unmissverständlich ausgedrückt. Er tut es in einem auffallenden Detail. Die Inschrift in den Händen der Engel nach Lukas: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede den Menschen auf Erden, […]“ hat er auf Griechisch ins Bild gesetzt!58 Ähnliches bleibt für den rechten Seitenaltar (Tafel 20) zu vermuten.59 Sieben Figuren konstituieren hier die istoria der Auferstehung: Christus und die sechs Wächter des Grabes. Davor als achte eine Figur der Vermittlung: der Heilige Ildefons, Patron und Erzbischof von Toledo, der Marienverehrer, hier aber offensichtlich in einer anderen historischen Rolle: als der Theologe und Verteidiger der göttlichen Natur Christi gegen den Arianismus, der diese leugnete.60 Deshalb, als Zeuge der Auferstehung, die diese beweist, ist er im Gemälde, deshalb in einem weißen Messgewand, der liturgischen Farbe des Osterfestes. Knapp lebensgroß und nur wenig über der Augenhöhe des Priesters am Altar, agiert er als Vermittler. Allein, er ist zugleich eine Figur der Distanzierung. Seine anachronistische Anwesenheit bricht die unmittelbare Vergegenwärtigung und betont die historische Ferne, wenn nicht die Bildlichkeit dessen, was das Gemälde zeigt. Die Auferstehung Christi als seine Vision? Soviel ist sichtbar: das Gemälde ist zweiteilig strukturiert. Die in ihm dargestellte istoria und die Figur ihres Betrachters davor sind offensichtlich dialogisch aufeinander bezogen. Lässt sich der Dialog verbalisieren? „Christus ist auferstanden“, „Χριστὸς ἀνέστη“ in El Grecos Sprache, ist Inhalt und Behauptung der istoria im Gemälde. Was ist die Antwort der figura davor? Ihr Blick ist zum Auferstandenen emporgerichtet. In einer Geste, die Georg Weise vor langer Zeit als den Gestus der „Beteuerung“ bezeichnet hat,61 legt Ildefons, der historische Verteidiger der göttlichen Natur Christi, die Hand an die Brust, anschaulicher Ausdruck seiner beteuernden Interjektion: „Wahrhaftig“. „Er ist wahrhaft auferstanden“ („Ἀληθὼς ἀνέστη“) sind die Worte, die er verkörpert. „Χριστὸς ἀνέστη“, „Christus ist auferstanden“, ist der Ostergruß der Griechen bis zum heutigen Tag, „Ἀληθὼς ἀνέστη“, „er ist wahrhaft auferstanden“, die Antwort. Ist es zu viel vermutet, just diesen Dialog in der dialogischen Struktur des Gemäldes veranschaulicht zu sehen? Das Ergebnis auch dieser Beobachtungen dürfte nicht überraschen: Greekness in Toledo,62 einmal mehr auch hier die forcierte auktoriale Präsenz El Grecos im Gemälde. 58 Dóxa en hypsístois theó kai epi gès eiréne en anthrópois eudokías. Luk 2, 14. 59 Maria Constantoudaki-Kitromilides, Notes on El Greco’s Resurrection in Santo Domingo el Antiguo, in: Hadjinicolaou 2005 (wie Anm. 57), S. 37 – 52; Alvarez Lopera 2007 (wie Anm. 1), Kat. Nr. 49, S. 130 – 132; von Rosen 2005 (wie Anm. 57), S. 53 – 62, v. a. S. 56 – 57; Marías 2013 (wie Anm. 1), S. 136, 139 – 140. 60 Sabine Kimpel, Ildefons (Alfonso) von Toledo, in: Braunfels 1974 (wie Anm. 56), Sp. 582 – 587; J. Francisco Rivera Recio, Ildefonso, in: Filippo Caraffa, Giuseppe Morelli (Hrsg.), Bibliotheca Sanctorum, Ist. Giovanni XXIII della Pontificia Univ. Lateranense, Bd. 7, Rom: Città Nuova, 1966, Sp. 756 – 760. 61 Georg Weise, Gertrud Otto, Die religiösen Ausdrucksgebärden des Barock und ihre Vorbereitung durch die italienische Kunst der Renaissance, Stuttgart: Kohlhammer, 1938. 62 Casper 2014 (wie Anm. 6), S. 256 – 276.
Holm Bevers
SIGNATUREN REMBR ANDTS AUF ZEICHNUNGEN
Zeichnungen sind selten signiert, jedenfalls bis ins 19. Jahrhundert hinein. Das gilt für alle Länder und Kunstgebiete, mit Ausnahme der altdeutschen Zeichenkunst im 16. Jahrhundert: Zeichnungen Dürers, Baldungs, Altdorfers, Holbeins sind häufig signiert.1 Dürer dürfte das Vorbild für die anderen Künstler geliefert haben. Die Ursache mag darin zu suchen sein, dass bei den Deutschen das Signieren in den zunftmäßigen Schulvorschriften begründet lag, mit dem Vorsatz, den „Meister“ zu betonen. Zudem signierte man in der Graphik, meist mit einem Monogramm, um die Blätter vor Nachahmung zu schützen. Die Formen namentlicher Kennzeichnungen sind unterschiedlich: Oft werden Monogramme aus den Initialen von Vor- und Zuname(n) verwendet, bisweilen in Verbindung mit weiteren Buchstaben, symbolischen Attributen oder Signets. So setzte der Schweizer Urs Graf neben sein „VG“ einen Dolch und Hans Schäufelein ergänzte sein Monogramm durch das Bild einer kleinen Schaufel. Auch vollständige Namen wurden für die Signatur von Zeichnungen genutzt. Die Orte von Monogramm und Namenszug können ganz verschieden sein; es gibt keine festen Regeln. Monogramme befinden sich oftmals auf kleinen Täfelchen, ganze Namen können am unteren oder oberen Rand des Blattes angebracht sein. Die Namen, mit denen Künstler ihre eigenen Zeichnungen signierten, können wechseln. Der in Italien tätige Paul Bril unterzeichnete mit verschiedenen niederländischen und italienischen Versionen – z. B. Pauvels Bril, Paulus Bril und Paulo Bril –,2 und auch Rembrandt signierte nicht einheitlich, wie wir noch sehen werden. Ausführliche Bezeichnungen in Form von einer Signatur mit Widmung und/oder Wahlspruch finden sich natürlich in Stammbüchern, und es gibt erweiterte Unterschriften, die neben dem Namen beispielswese ein invenit, delineavit oder ein dal vivo beziehungsweise naer het leven tragen. Von den ganz großen Zeichnern sind, mit Ausnahme von Dürer, keine oder nur ganz selten Signaturen überliefert. Michelangelo signierte nicht, Rubens nicht, und Rembrandt höchst selten. Ausnahmen sind Widmungsblätter, und immerhin gibt es etliche Blätter von Rubens mit authentischen Notizen des Künstlers, doch keine einzige Signatur auf einer 1 Joseph Meder, Die Handzeichnung. Ihre Technik und Entwicklung, Wien: Anton Schroll, 1919, S. 687 – 694. 2 Louisa Wood Ruby, Paul Bril. The Drawings, Turnhout: Brepols, 1999.
Signaturen Rembrandts auf Zeichnungen | 133
Zeichnung von seiner Hand.3 Studienblätter, die im Atelier verblieben und der Vorbereitung von anderen Kunstwerken dienten, brauchten keinen namentlichen Ausweis. Vielleicht meinten viele Meister auch, dass ihre Hand im Stil einer Zeichnung unverwechselbar zu Tage träte, sodass, wenn einmal ein Blatt das Atelier verließ, der Sammler oder Kenner den Autor sofort am Strich erkennen würde. Dafür gibt es literarische Belege, die bis zu der von Plinius überlieferten Legende zurückreichen, Apelles habe sich auf einer Tafel des Protogenes mit einer einzigen Linie zu erkennen gegeben.4 Neben echten gibt es falsche Signaturen: Namensaufschriften von späteren Sammlern und Händlern, die bisweilen genaue Kenntnis über die Autorschaft eines Blattes hatten, bisweilen aber auch ein Blatt zum besseren Verkauf adelten, indem sie einen bekannten Künstlernamen darauf setzten, wie bei einer Zeichnung des Rembrandtschülers Willem Drost.5 Solche Signaturen können Sammlernotizen sein, die nicht unbedingt eine Signatur nachahmen wollen, es können auch exakte Kopien von echten Signaturen sein. Gelegentlich kommen auch sogenannte Stellvertreter von Signaturen vor, also echte Notizen von Schülern oder Angehörigen, die um den Autor wussten. So notierte Philip Koninck, ein Schüler Rembrandts, auf der Rückseite einer Landschaftszeichnung seines Lehrers unter einer weiteren kleinen Kreideskizze Rembrandts: „dees Tekeningh vertoont de buiten amstel Kant/Zoo braaf getekent door heer rembrants Eijgen hant/P. Ko:“ („Diese Zeichnung zeigt die Außen Amstel, so gut gezeichnet von der Hand Rembrandts“).6 Sammlernotizen dieser Art können Künstlernamen in eingebürgerter Sprache wiedergeben: Eine Landschaftszeichnung im Berliner Kabinett nach Tizian, die Matthias Winner einmal Rembrandt zugeschrieben hat, trägt die Aufschrift „A. Carats“, das heißt Annibale oder Agostino Carracci.7 Insgesamt gilt, dass es kaum feste Regeln des Signierens von Zeichnungen gab.
3 Anne-Marie Logan, Peter Paul Rubens as a Draftsman, in: ead., Michiel Plomp (Hrsg.), Peter Paul Rubens. The Drawings, New York: The Metropolitan Museum of Art, 2005, S. 3 – 4. 4 Ernst Kris, Otto Kurz, Die Legende vom Künstler. Ein geschichtlicher Versuch, Frankfurt/M.: Suhrkamp, 1980, S. 127 – 128. 5 Meder 1919 (wie Anm. 1), S. 687; Werner Sumowski, Drawings of the Rembrandt School, Bd. 3, New York: Abaris, 1980, Nr. 547*. 6 Ibid., S. 692; Otto Benesch, The Drawings of Rembrandt. Complete Edition, 6 Bde., London: Phaidon, 1954 – 57 (2. ergänzte Auflage, Eva Benesch [Hrsg.], London, New York: Phaidon, 1973), Nr. 1220a; Walter L. Strauss, Marjon van der Meulen, The Rembrandt Documents, New York: Abaris, 1979, S. 615, Nr. 20; Emmanuel Starcky, Les bords de l’Amstel, près de Trompenburg, in: id., Menehould de Bazelaire, (Hrsg.), Rembrandt et son école, dessins du Musée du Louvre, Paris: Musée du Louvre, 1988 – 1989, Nr. 42; Carel van Tuyll van Serooskerken, L’Amsteldijk près de Meerhuizen, avec une vue vers Het Molentje, in: id., Peter Schatborn, Hélène Grollemund (Hrsg.), Rembrandt dessinateur. Chefs-d’oeuvre des collections en France, Paris: Somogy, Musée du Louvre, 2006, Nr. 46; Peter Schatborn, Erik Hinterding, Rembrandt. Sämtliche Zeichnungen und Radierungen, Köln: Taschen, 2019, Nr. Z534. 7 Matthias Winner, Rembrandt kopiert Tizian. Eine Zeichnung im Berliner Kupferstichkabinett, in: Detlef Heikamp (Hrsg.), Schlösser, Gärten. Berlin. Festschrift für Martin Sperlich zum 60. Geburtstag 1979, Tübingen: Wasmuth, 1980, S. 221 – 224 (als Rembrandt); Holm Bevers, Zeichnungen der Rembrandtschule im Berliner Kupferstichkabinett. Kritischer Katalog, Dresden: Sandstein, Berlin: Staatliche Museen zu Berlin, 2018, Nr. 113 (als Pieter de With).
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Es ist offensichtlich, dass die Frage der Signatur das Problem der Eigenhändigkeit von Zeichnungen unmittelbar und entscheidend berührt. Zuschreibungen im Museum beruhen zuallererst auf Vergleichen mit signierten und damit authentifizierten Blättern – wenn denn, wie oben bereits angedeutet, die Signaturen ebenfalls authentisch sind. Auf diesen Aspekt werde ich später bei Rembrandt noch einmal zu sprechen kommen. Für niederländische Zeichnungen im 17. Jahrhundert gilt das bereits Gesagte: Sie sind selten vom Künstler unterzeichnet, klare Regeln gibt es auch hier nicht. Es wird fast ausschließlich auf der Vorderseite signiert, erst im 18. Jahrhundert kommt die Gewohnheit auf, rückseitig den Künstlernamen aufzusetzen. Jacob van Ruisdael signierte bisweilen, vielleicht bei Blättern, die zum Verkauf bestimmt waren, wie bei einer frühen Waldlandschaft im Berliner Kabinett,8 Aelbert Cuyp hingegen ganz selten, wenn ich es richtig sehe, obwohl die meisten seiner farbigen Landschaften für den Markt bestimmt waren. Eigenartigerweise war es in Haarlem, dem neben Amsterdam wichtigsten künstlerischen Zentrum in den Niederlanden, wo man gerne und fast regelmäßig signierte. Der in präzisem Stil zeichnende Pieter Saenredam beispielsweise signierte stets in tagebuchartiger, fast penibler Manier mit Angabe von Namen, Tag, oft auch Uhrzeit: „den: 15: augustij. 1633. Van mijn pieter Saenredam tot Assendelft, naer’t leven geteeckent“ („am 15. August 1633, habe ich, Pieter Saenredam, dieses in Assendelft nach dem Leben gezeichnet“) heißt es auf einer Ansicht des Dorfes Assendelft im Berliner Kabinett.9 Rembrandt hat selten signiert,10 und innerhalb bestimmter Zeichnungsgruppen oder Bildgattungen nicht einheitlich. Einheitlich ist auch die Schreibweise seines Namens nicht. Insgesamt gibt es nur ca. 23 Blätter mit eigenhändigen Signaturen − Signaturen, die von den meisten Rembrandt-Zeichnungsforschern und Archivspezialisten als authentisch akzeptiert werden. Diese 23 Blätter zählen zur Kerngruppe der rund 78 gesicherten Zeichnungen des Meisters, also zu jener Gruppe von Blättern, die eben signiert und/oder eigenhändig beschriftet sind beziehungsweise Vorarbeiten für Radierungen und Gemälde darstellen;11 23 signierte Blätter von ungefähr 670 – 700 Zeichnungen, welche die Kenner heute Rembrandt noch zuschreiben. Es sei hier erwähnt, dass Rembrandt seine Radierungen, knapp 300 an der Zahl, fast durchwegs signiert hat. Sie waren für den Markt bestimmt. Fehlen Signaturen, so handelt es sich häufig um erste Probedrucke, die noch nicht verkauft wurden – wie bei dem Probedruck der Landschaft mit Baumgruppe, die erst im
8 S. Jeroen Giltaij, De tekeningen van Jacob van Ruisdael, in: Oud Holland 94 (1980), S. 141 – 208, Nr. 16; Holm Bevers (Hrsg.), Aus Rembrandts Zeit. Zeichenkunst in Hollands Goldenem Jahrhundert, Berlin: Staatliche Museen zu Berlin, Leipzig: Seemann, 2011 – 2012, Nr. 61. 9 Bevers 2011 – 2012 (wie Anm. 8), Nr. 83. 10 Für Überlegungen zu Signaturen Rembrandts auf Zeichnungen s. Peter Schatborn, The Core Group of Rembrandt Drawings, I: Overview, in: Master Drawings 49 (2011), S. 293 – 322, S. 294 – 301. 11 S. zur sogenannten Kerngruppe der Rembrandtzeichnungen ibid., S. 293 – 322; Martin Royalton-Kisch, Peter Schatborn, The Core Group of Rembrandt Drawings, II: The List, in: Master Drawings 49 (2011), S. 323 – 346.
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Auflagendruck signiert und 1652 datiert wurde.12 Ein Sonderfall ist das Hundertguldenblatt: Das Hauptblatt Rembrandts von ca. 1648 trägt keine Signatur.13 Man kann vermuten, dass diese Radierung, für Sammler, Kenner und Freunde bestimmt, bewusst ohne Autornamen blieb − der graphische Stil, den in dieser vielfältigen Bravour nur Rembrandt beherrschte, war seine Signatur. Die frühesten signierten Zeichnungen stammen von ca. 1631. Es handelt sich in allen Fällen um Figurenstudien desselben alten Mannes mit schütterem Haar und langem Bart, der Rembrandt damals in Leiden, noch vor dem Umzug nach Amsterdam Ende des Jahres 1631, öfter Modell gesessen hat.14 Wie üblich bei Figurenstudien wurden die Arbeiten mit Kreide ausgeführt, überwiegend mit Rötel. Das früheste datierte Blatt bildet eine Studie des Mannes, die sich heute in Washington befindet (Tafel 21).15 Sie zeigt diesen nach rechts gewendet, in einem Lehnstuhl sitzend und zum Zeichner beziehungsweise zum Betrachter blickend. Die Rötelzeichnung ist am linken Rand „RHL/1630“ signiert und datiert. Die Rötelstudie im Haarlemer Teylers Museum ist am unteren Rand „RHL 1631“ beschriftet,16 ebenso wie die Studie in amerikanischem Privatbesitz (Abb. 1),17 bei der das Modell nun nach links gewendet ist. Die Monogrammform RHL gebrauchte Rembrandt zu diesem Zeitpunkt ebenfalls in seinen Radierungen und Gemälden, beispielsweise bei einer Kopfstudie, dem sogenannten Vater des Künstlers, von 1630 im Innsbrucker Museum.18 Rembrandt schuf diese Modellstudien zu dem Zweck, sich einen Motiv- und Studienvorrat anzulegen, auf den er bei Bedarf zurückgreifen konnte. Die Blätter waren nicht für den Verkauf, sondern für den Werkstattgebrauch bestimmt. Die Studie in New Yorker Privatbesitz von 1631 diente etwas später als Vorlage für die Gestalt des sitzenden Jakob in der Grisaille Joseph erzählt seine Träume von ca. 1634 im Amsterdamer Rijksmuseum und für ebendiese Figur in der Radierung mit demselben Thema aus dem Jahre 1638.19 Die auf
12 Adam Bartsch, Toutes les Estampes qui forment l’oeuvre de Rembrandt et ceux de ses principeaux imitateurs, Wien 1797, Nr. 222; Erik Hinterding, Jaco Rutgers, The New Hollstein Dutch and Flemish Etchings, Engravings and Woodcuts 1450 – 1700. Rembrandt, 7 Bde., Ouderkerk aan den Ijssel, 2013, Nr. 272; Schatborn, Hinterding 2019 (wie Anm. 6), Nr. R191a und R191b. 13 Bartsch 1797 (wie Anm. 12), Nr. 74; Hinterding, Rutgers 2013 (wie Anm. 12), Nr. 239; Schatborn, Hinterding 2019 (wie Anm. 6), Nr. R51 14 Benesch 1954 – 1957 (wie Anm. 6), Nr. 20, 37, 40, 41; Schatborn, Hinterding 2019 (wie Anm. 6), Nr. Z11; Nr. Z213; Nr. Z214; Nr. Z221. 15 Benesch 1954-57 (wie Anm. 6), Nr. 37; Royalton-Kisch, Schatborn 2011 (wie Anm. 11), Nr. 8; Schatborn, Hinterding 2019 (wie Anm. 6), Nr. Z213. 16 Benesch 1954 – 57 (wie Anm. 6), Nr. 40; Michiel Plomp, The Dutch Drawings in the Teyler Museum, II: Artists born between 1575 and 1630, Gent u. a.: Snoeck Ducaij Zoon, 1997, Nr. 321; Royalton-Kisch, Schatborn 2011 (wie Anm. 11), Nr. 9; Schatborn, Hinterding 2019 (wie Anm. 6), Nr. Z221. 17 Benesch 1954 – 57 (wie Anm. 6) Nr. 20; Royalton-Kisch, Schatborn 2011 (wie Anm. 11), Nr. 10.; Schatborn, Hinterding 2019 (wie Anm. 6), Nr. Z11. 18 Ernst van de Wetering, A Corpus of Rembrandt Paintings, VI: A Complete Survey, Dordrecht: Springer, 2015, Nr. 43. 19 Ibid., Nr. 108; Bartsch 1797 (wie Anm. 12), Nr. 37; Hinterding, Rutgers 2013 (wie Anm. 12), Nr. 167; Schatborn, Hinterding 2019 (wie Anm. 6), Nr. R6.
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1 Rembrandt, Sitzender alter Mann, nach links gewendet, rote Kreide, wenig schwarze Kreide, auf rötlich-gelb getöntem Papier, 1631, New York, Privatsammlung
2 Rembrandt, Sitzender Greis (Der trunkene Loth?), 1630-1633, schwarze Kreide, stellenweise weiß gehöht, Frankfurt am Main, Städel Museum
einigen Blättern dieser Gruppe vorhandenen Monogramme, die zum Zeitpunkt der Entstehung der Zeichnungen aufgebracht wurden, dienten, so kann man mutmaßen, der individuellen Kennzeichnung: Rembrandt wollte sich offenbar absetzen von seinem Leidener Freund und Kollegen Jan Lievens, der stilistisch und technisch gleichartige Figurenstudien nach demselben Modell schuf.20 1631, als Rembrandt nach Amsterdam übersiedelte, schieden sich ihre Wege. Um 1630 – 31 entstanden zwei vergleichbare Kreideblätter für Historiengemälde Rembrandts, die verloren und nur durch zeitgenössische Reproduktionsstiche Jan Joris van Vliets, der zu dieser Zeit eng mit Rembrandt zusammenarbeitete, überliefert sind. Auch die Zeichnung Der trunkene Loth im Frankfurter Städel (Abb. 2) wurde von van Vliet mit
20 Gregory Rubinstein, Bearded Old Man in Profile. In: Arthur K. Wheelock Jr. (Hrsg.), Jan Lievens. A Dutch Master Rediscovered, Washington: National Gallery of Art, Milwaukee: Art Museum, Amsterdam: Rembrandthuis, New Haven, London: Yale University Press, 2008 – 2009, Nr. 98; Gregory Rubinstein, Brief Encounter: The Early Drawings of Jan Lievens and Their Relationship with Those of Rembrandt, in: Master Drawings 49 (2011), S. 352 – 370, S. 356 – 363.
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Veränderungen reproduziert.21 Sie ist voll signiert, aber nicht 1631, sondern 1633 datiert. Wie kann man sich das erklären? Genau wissen wir es nicht. Es ist unwahrscheinlich, dass Rembrandt im Jahre 1633 nochmals nach demselben Modell arbeitete. Auch wird er eine eigene, um 1631 entstandene Zeichnung nicht zwei Jahre später wiederholt haben. Es ist wahrscheinlicher, dass Rembrandt die ursprüngliche Version 1633 nochmals zur Hand nahm und dann mit seinem Vor- und Künstlernamen Rembrandt (ohne die offiziellen Namenszusätze Harmensz. van Rijn) signierte und datierte. Er dürfte die Zeichnung bei der Gelegenheit auch hier und da überarbeitet haben, um sie bildhafter zu gestalten und damit für einen Käufer, Sammler oder Freund interessanter zu machen, dem das Blatt nun zugedacht war. Der groß und prominent, ja überaus selbstbewusst gesetzte Namenszug ist also Ausweis der Eigenhändigkeit des Blattes − eghenen handt, wie es früher oft in alten Sammlernotizen hieß −,22 das ursprünglich eine bloße Modellstudie war, doch nun den Rang eines in sich abgeschlossenen Kunstwerkes erhielt. Es ist übrigens die erste voll ausgeschriebene Signatur auf einer Zeichnung des jungen, um Anerkennung ringenden Künstlers. Wir wissen, dass der Großteil von Rembrandts Zeichnungen Studienzwecken diente: eigenen Übungen und Lehraufgaben der Schüler in der Werkstatt. Die Zeichnungen verblieben denn auch meist in der Werkstatt, verließen sie nur selten. Doch es muss Ausnahmen gegeben haben, wie Dokumente belegen. Im Jahre 1645 wurden beispielsweise drei Zeichnungen Rembrandts in Leiden verkauft23 und Baldinucci überliefert vom Rembrandtschüler Bernhard Keil, dieser habe ihm vom Verkauf einer Zeichnung Rembrandts für 30 scudi berichtet.24 Für den Verkauf waren wohl auch zwei großformatige und mit vollem Namen gekennzeichnete Arbeiten aus dem Jahre 1634 bestimmt. Die mit verschiedenfarbigen Kreiden ausgeführte Clairobscur-Zeichnung Christus inmitten seiner Jünger im Haarlemer Teylers Museum (Abb. 3) wurde gelegentlich als Vorlage für eine Radierung betrachtet,25 denn es gibt andere Reproduktionen nach Clairobscur-Werken des Meisters. 21 Benesch 1954 – 57 (wie Anm. 6), Nr. 82; Annette Strech (Hrsg.), Nach dem Leben und aus der Phantasie. Niederländische Zeichnungen vom 15. bis 18. Jahrhundert aus dem Städelschen Kunstinstitut, Frankfurt/M.: Städel Museum, 2000, Nr. 55; Royalton-Kisch, Schatborn 2011 (wie Anm. 11), Nr. 14; Schatborn, Hinterding 2019 (wie Anm. 6), Nr. Z13; zur Radierung s. F.W.H. Hollstein, Dutch and Flemish Etchings, Engravings and Woodcuts ca. 1450 – 1700, Bde. 1 ff., Amsterdam, Blaricum, Roosendaal, Rotterdam, Ouderkern aan den Amstel, 1949 ff., Bd. 41, Nr. 1. 22 Die Notiz findet man z. B. auf Jan Gossaerts Zeichnung Ansicht des Kolosseums im Berliner Kupferstichkabinett; Elfried Bock, Jakob Rosenberg, Die Zeichnungen alter Meister im Kupferstichkabinett, Staatliche Museen zu Berlin. Die niederländischen Meister. Beschreibendes Verzeichnis sämtlicher Zeichnungen, 2 Bde., Berlin: Prestel, 1930, S. 36, KdZ 12918; zu den Sammlernotizen eghenen handt, mit eigener Hand, con propria mano, die man seit dem frühen 16. Jahrhundert antrifft, bereite ich eine kleine Studie vor. ijhoff, 23 Cornelis Hofstede de Groot, Die Urkunden über Rembrandt (1575 – 1721), Den Haag: Martinus N 1906, S. 132, Nr. 103; Strauss, van der Meulen, 1979 (wie Anm. 6), S. 245, Nr. 1645/1. 24 Hofstede de Groot 1906 (wie Anm. 23), S. 419 – 420, Nr. 360. 25 Benesch 1954 – 57 (wie Anm. 6), Nr. 89; Plomp 1997 (wie Anm. 16), Nr. 323; Royalton-Kisch, Schatborn 2011 (wie Anm. 11), Nr. 19; Schatborn, Hinterding 2019 (wie Anm. 6) Nr. Z14; S. auch Ernst van de Wetering, Remarks on Rembrandt’s oil-sketches for etchings, in: Erik Hinterding, Ger Luijten, Martin Royalton-Kisch (Hrsg.), Rembrandt the Printmaker, Rijksmuseum Amsterdam, The British Museum, London, Waanders Publishers, 2000 – 2001, S. 53 – 54.
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3 Rembrandt, Christus inmitten seiner Jünger, schwarze und rote Kreide, 1634, Feder in Braun, farbig laviert, Haarlem, Teylers Museum
Doch scheint mir, dass Rembrandt die bildmäßige und großformatige Zeichnung direkt zum Verkauf oder für einen Sammler angefertigt hat. Darauf deuten nicht nur die auffällig gesetzte Signatur und Jahreszahl, sondern auch die Tatsache, dass im Gegensatz zu den anderen Clairobscur-Arbeiten diese nicht mit Ölfarben, sondern mit verschiedenfarbigen Kreiden und Wasserfarben ausgeführt wurde. Eine Rarität ist das Bildnis Willem van der Pluym (Abb. 4).26 Die Zeichnung ist mit 37 × 27 cm recht groß, und zudem wurde sie mit farbigen Kreiden, Feder und Lavierung auf Pergament ausgeführt. Allein der Bildträger spricht dafür, dass hier ein eigenständiges, einem Gemälde gleichrangiges Porträt vorliegt. Vermutlich handelt es sich bei dem Dargestellten um den mit Rembrandt verwandten Amsterdamer Installateur Willem van der Pluym, der in seinem Testament eine „tekening van sijn persoon gedaen door Rembrandt van Rijn hangende in sijn testateurs voorhuys“ („eine Porträtzeichnung seiner selbst, gemacht von Rembrandt van Rijn, die im Vorderhaus des Erblassers hängt“) an seine Kinder vermachte.27 Die Zeichnung hing also an der 26 Benesch 1954 – 57 (wie Anm. 6), Nr. 433; Royalton-Kisch, Schatborn 2011 (wie Anm. 11), Nr. 21; Schatborn, Hinterding 2019 (wie Anm. 6), Nr. Z630. 27 I. E. van Eeghen, Willem van der Pluym en Rembrandt, in: Maandblad Amstelodamum 64 (1977), S. 6 – 13.
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4 Rembrandt, Porträt Willem van der Pluym, rote und schwarze Kreide, braun laviert, auf Pergament, 1634, New York, Privatbesitz
Wand, nichts Ungewöhnliches damals. Die mittig am unteren Rand groß angebrachte Signatur bekräftigt den eigenständigen Charakter des Bildnisses. Der steile Duktus kommt der Unterschrift auf der Frankfurter Loth-Zeichnung nahe (Abb. 2), weicht aber von der frei und locker geschriebenen Signatur auf der Haarlemer Jünger-Zeichnung ab (Abb. 3). Es ist anzunehmen, dass das großartige Porträt des ungefähr sieben Jahre alten Elefanten namens Hansken in der Albertina (Abb. 5),28 voll signiert und 1637 datiert, ebenfalls als Sammlerstück gedacht war. Zwei weitere Elefantenblätter aus derselben Zeit in der Albertina und im British Museum tragen hingegen keine Namenszüge.29 Wir wissen, 28 Benesch 1954 – 57 (wie Anm. 6), Nr. 457; Royalton-Kisch, Schatborn 2011 (wie Anm. 11), Nr. 36; Schatborn, Hinterding 2019 (wie Anm. 6), Nr. Z464. 29 Benesch 1954 – 57 (wie Anm. 6), Nr. 458, 459.; Martin Royalton-Kisch (Hrsg.), Drawings by Rembrandt and his Circle in the British Museum, London: British Museum Press, 1992, Nr. 18; Martin Royalton-Kisch, Catalogue of Drawings by Rembrandt and His School, online research catalogue, 2010, https://webarchive.nationalarchives.gov.uk/ukgwa/20190801143633/https://www.britishmuseum. org/research/publications/online_research_catalogues/search_object_details.aspx?objectid= 765075&partid=1&catalogueOnly=true&catParentPageid=27094&output=bibliography/!!/ OR/!!/5806/!//!/Catalogue%20of%20Drawings%20by%20Rembrandt%20and%20his%20 School%20in%20the%20British%20Museum/!//!!//!!!/&catalogueName=Catalogue%20of%20 Drawings%20by%20Rembrandt%20and%20his%20School%20in%20the%20British%20 Museum&catalogueSection=Catalogue%20of%20Drawings%20by%20Rembrandt%20and%20 his%20School%20in%20the%20British%20Museum&sortBy=catNumber (abgerufen am 1. 9. 2021), Nr. 19; Schatborn, Hinterding 2019 (wie Anm. 6), Nr. Z465 und Z466; Ein weiteres Blatt in der New Yorker Morgan Library and Museum ist ein Abklatsch einer vierten verlorenen Elefantenzeichnung Rembrandts; Benesch 1954 – 57 (wie Anm. 6), Nr. 460.
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5 Rembrandt, Der Elefant Hansken, schwarze Kreide, 1637, Wien, Albertina
dass Tierstücke des Meisters in der Werkstatt in einer eigenen Mappe mit dem Titel „beesten nae’t leven“ aufbewahrt wurden,30 sowohl als Motivvorrat für eigene Werke als auch als Vorbilder für Mitarbeiter im Atelier.31 Dazu gehörten vermutlich auch die beiden nicht signierten Elefantenzeichnungen; die signierte und datierte Elefantenzeichnung hingegen dürfte die Werkstatt des Meisters früh verlassen haben und in die Hände eines Sammlers gelangt sein. Signaturen auf Zeichnungen hängen naturgemäß häufig mit den Funktionen und den Adressaten der Arbeiten zusammen. Im Folgenden sei ein Überblick über einige gebräuchliche Typen gegeben. Memorialblätter: 1652 brannte der mittelalterliche Bau des Amsterdamer Rathauses ab; zu diesem Zeitpunkt wurde gerade das prestigeträchtige, in italienischen Bauformen errichtete neue Rathaus des Jacob van Campen, das heutige Schloss auf dem Dam, errichtet. Rembrandt hielt dieses Zeugnis früherer Geschichte der Stadt in einer skizzenhaften Feder- und Pinselzeichnung, heute im Rembrandthaus Museum, fest (Abb. 6),32 die er ausführlich beschriftete: „vand waech afte sien stats Huis van Amsterdam/doent afgebrandt was/den 9 Julij 1652/Rembrandt van rijn“ („Das Amsterdamer Rathaus von der Waage aus gesehen, nachdem es abgebrannt war. Am 9. Juli 1652, Rembrandt van Rijn“).33 Es ist die einzige Zeichnung, die den voll ausgeschriebenen Namen aufweist: Rembrandt van 30 Hofstede de Groot 1906 (wie Anm. 23), S. 189 – 211, S. 203, Nr. 169 – 249; Strauss, Van der Meulen 1979 (wie Anm. 6), S. 349 – 388, S. 375, Nr. 1656/12, 249. 31 Rembrandts Radierung Der Sündenfall (Adam und Eva) von 1638 zeigt im Hintergrund einen dahintrottenden Elefanten, der auf seinen kurz zuvor entstandenen Studien der Tiere basiert; Bartsch 1797 (wie Anm. 12), Nr. 28; Hinterding, Rutgers 2013 (wie Anm. 12), Nr. 168; Schatborn, Hinterding 2019 (wie Anm. 6), Nr. R7a und R7b. 32 Benesch 1954 – 57 (wie Anm. 6), Nr. 1278; Royalton-Kisch, Schatborn 2011 (wie Anm. 11), Nr. 68; Schatborn, Hinterding 2019 (wie Anm. 6), Nr. Z610. 33 Hofstede de Groot 1906 (wie Anm. 23), S. 160, Nr. 135; Strauss, Van der Meulen 1979 (wie Anm. 6). S. 286, Nr. 1652/2.
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6 Rembrandt, Das alte Amsterdamer Rathaus nach dem Brand, Feder in Braun, braun laviert, 1652, Amsterdam, Museum het Rembrandthuis
Rijn, allerdings ohne den Zusatz Harmensz. Das gibt es auch bei Gemälden nur ein oder zwei Mal. Rembrandt setzt dem Alten, Untergehenden ein Denkmal und besiegelt es durch seinen Namenszug. Beischrift und Signatur bezeugen die Wahrhaftigkeit der Darstellung, die den Charakter einer persönlichen Tagebuchaufzeichnung naer het leven und zugleich den Rang eines Dokuments, einer Urkunde innehat. In einer vergleichbaren Weise unterzeichnete Rembrandt offizielle notarielle Schriftstücke, beispielsweise die Ankündigung der Hochzeit mit Saskia van Uylenburgh vom 10. Januar 1634 und die Ver fügung des letzten Willens der beiden Eheleute vom 17. November 1635.34 Die Zeichnung kann man mit Rembrandts Verlobungsbildnis seiner Braut Saskia von 1634 im Berliner Kabinett vergleichen.35 Auch hier ist die persönliche, ja intime Darstellung der Braut, begleitet von Rembrandts Notiz, zugleich Dokument, Urkunde. Hier brauchte es jedoch keine Signatur, denn das Blatt war Saskia zugedacht. Freundschaftsalben: Es war eine Tradition seit dem 16. Jahrhundert, zunächst zwischen wandernden Studenten, Freundschaftsalben, Libri oder Alba amicorum, anzulegen. Hierin sammelten sie auf ihren Reisen durch die Universitäten Europas Erinnerungen von Freunden, Verwandten und berühmten Zeitgenossen in Form von Gedichten und Zeichnungen. Wohlhabende Personen nahmen diese Gepflogenheit bald ebenso auf. Auch hier geht es um Memoria, um Andenken. Vier Zeichnungen Rembrandts aus solchen Freundschaftsalben kennen wir. Im Album des u. a. in der berühmten Universitätsstadt Leiden weilenden Deutschen Burchard Grossmann, das sich heute in der Haager Königlichen Bibliothek 34 Hofstede de Groot 1906 (wie Anm. 23), S. 32 – 33, Nr. 34; Strauss, Van der Meulen 1979 (wie Anm. 6), S. 107, Nr. 1634/2, S. 120 – 123, Nr. 1635/5. 35 Benesch 1954 – 57 (wie Anm. 6), Nr. 427; Holm Bevers, Rembrandt. Die Zeichnungen im Berliner Kupferstichkabinett. Kritischer Katalog, Ostfildern: Hatje Cantz, 2006, Nr. 5; Royalton-Kisch, Schatborn 2011 (wie Anm. 11), Nr. 16; Schatborn, Hinterding 2019 (wie Anm. 6), S. 410, Nr. Z629.
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7 Rembrandt, Alter Mann in Gebetshaltung und Zweizeiler Rembrandts, Feder in Braun, braun laviert, 1634, Den Haag, Koninklijke Bibliotheek
befindet (Abb. 7),36 skizzierte Rembrandt in kleinem Format einen Mann in Gebethaltung und notierte auf der gegenüberliegenden Seite: „Een vroom gemoet/Acht eer voor goet/ Rembrandt/Amsterdam. 1634“. („Ein frommes Gemüt achtet Ehre mehr als irdische Güter“). Ob der dargestellte Mann ein Porträt des Grossmann ist, sei dahingestellt. Das Motto mag auf Grossmann, doch zugleich auf Rembrandt selbst anspielen. Die persönliche Devise von Hendrick Goltzius, dem großen Vorgänger, lautete ganz ähnlich Eer boven golt („Ehre über Golt“). Das Wort Golt spielt auf den Namen des Künstlers an − Goltzius −, und zugleich auf das Sinnbild für irdischen Reichtum, auf Gold (goud).37 Im Pandora genannten Album des Patriziers und Mäzens Jan Six, dessen Person Rembrandt in seinem großartigen Bildnis von 1654 und in einer Radierung von 1652 festgehalten hatte38 − das Album befindet sich noch immer im Besitz der Amsterdamer Familie Six − verewigte sich der Künstler bezeichnenderweise gleich zwei Mal, wohl nicht ohne Absicht. Homer Verse vortragend auf fol. 40 (Abb. 8) ist mit dem Namenszug des Künstlers, der Widmung an Six und der Jahreszahl versehen: „Rembrandt aen Joanus [nach anderer Lesart: Joannes] Six. 1652“.39 Zwei Seiten weiter hielt er Minerva in der Studierstube fest (Abb. 9), die er nur mit der etwas krakeligen Signatur „Rembrandt f. 1652“. unterzeichnete.40 36 Benesch 1954 – 57 (wie Anm. 6), Nr. 257; Royalton-Kisch, Schatborn 2011 (wie Anm. 11), Nr. 20, Schatborn, Hinterding 2019 (wie Anm. 6), S. 169, Nr. Z222. 37 Emil K.J. Reznicek, Die Zeichnungen von Hendrick Goltzius, 2 Bde., Utrecht: Haentjens Dekker & Gumbert, 1961, Nr. 195, 197. 38 Zum Gemälde s.: Van de Wetering 2015 (wie Anm. 18), Nr. 233; zur Radierung s.: Bartsch 1797 (wie Anm. 12), Nr. 285; Hinterding, Rutgers 2013 (wie Anm. 12), Nr. 238; Schatborn, Hinterding 2019 (wie Anm. 6), Nr. R229a und R229b. 39 Benesch 1954 – 57 (wie Anm. 6), Nr. 913; Royalton-Kisch, Schatborn 2011 (wie Anm. 11), Nr. 66; Schatborn, Hinterding 2019 (wie Anm. 6), Nr. Z114. 40 Benesch 1954 – 57 (wie Anm. 6), Nr. 914; Royalton-Kisch, Schatborn 2011 (wie Anm. 11), Nr. 67; Schatborn, Hinterding 2019 (wie Anm. 6), Nr. Z113.
8 Rembrandt, Homer Verse vortragend, Feder in Braun, 1652, Amsterdam, Collectie Six
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9 Rembrandt, Minerva in der Studierstube, Feder in Braun, braun laviert, Deckweiß,1652, Amsterdam, Collectie Six
Dass Rembrandt sein Homer-Blatt, das ganz zeichnerisch-skizzenhaft angelegt ist, Jan Six namentlich widmete, hat einen Grund: Der vielseitig gebildete Six war auch als Dichter und Dramatiker tätig. Der zeichnerische Duktus entsprach dem dichterischen Vortrag. Man mag folgern, dass Rembrandt im Minerva-Blatt auf sich selbst anspielt: auf die Malkunst. Die Widmung an Six fehlt hier, das Blatt mit der Göttin der Weisheit, Wissenschaft und Kunst ist anders als der Homer malerisch ausgeführt und an der Wand hängt der Schild mit dem Medusenhaupt Minervas, eine Anspielung auf die Malerei, ist doch der Maler im Holländischen als Schilder, die Malerei als Schilderkunst zu übersetzen. Schließlich zeichnete Rembrandt 1661 einen frommen Simeon im Tempel für das Album des Jacobus Heyblocq und signierte „Rembrandt f. 1661“ (Abb. 10).41 Wie auf den Blättern im Six-Album machte Rembrandt die Darstellung durch seitliche Linien und einen Rund bogenabschluss zu einem eigenständigen kleinen Bild. Wie dem greisen Simeon, so war wohl auch dem gelehrten Theologen und Vorsteher der Amsterdamer Grammatik-Schule Heyblock göttliche Erkenntnis zugedacht.
41 Benesch 1954 – 57 (wie Anm. 6), Nr. 1057; Royalton-Kisch, Schatborn 2011 (wie Anm. 11), Nr. 72; Schatborn, Hinterding 2019 (wie Anm. 6), Nr. Z177.
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10 Rembrandt, Simeon im Tempel, Feder in Braun, braun laviert, Deckweiß, 1661, Den Haag, Koninklijke Bibliotheek
Nachzeichnungen nach anderen Meistern: Rembrandt setzte sich häufig mit Kunstwerken älterer Meister, besonders der italienischen Renaissance, auseinander, die ihm durch Gemälde, Zeichnungen und vor allem Reproduktionsstiche vertraut waren. Auch mit seinem Lehrer Pieter Lastman, in den 1620er Jahren der führende Historienmaler in Amsterdam, beschäftigte sich Rembrandt öfter, auffallender Weise nochmals intensiv in der Mitte der 1630er Jahre, als er bereits selbständig war und als Historienmaler Anerkennung fand. Manche seiner Variationen nach Vorbildern signierte Rembrandt, andere wiederum nicht. Seine Susanna im Bade von ca. 1636 im Berliner Kabinett nach Lastmans Berliner Gemälde von 1614 trägt in der rechten untere Ecke das Monogramm „R. f.“,42 das aber nach Ausweis des Farbtons der Kreide, die von dem Rest der Zeichnung leicht abweicht, und der für diese Zeit ungewöhnlichen Monogrammform meines Erachtens eine spätere Zutat von anderer Hand ist. Hingegen signierte Rembrandt seine großformatige Albertina-Zeichnung Joseph verteilt Korn in Ägypten (Abb. 11) nach Lastmans Gemälde in Dublin eigenhändig mit vollem Namen „Rembrandt ft“.43 Er signierte nur dieses eine 42 Benesch 1954 – 57 (wie Anm. 6), Nr. 448; Bevers 2006 (wie Anm. 36), Nr. 18; Peter Schatborn, S.A.C. Dudok van Heel, The Core Group of Rembrandt Drawings, III: Supplement, in: Master Drawings 49, 2011, S. 347 – 351, Nr. III; Schatborn, Hinterding 2019 (wie Anm. 6), Nr. Z661. 43 Benesch 1954 – 57 (wie Anm. 6), Nr. 446; Royalton-Kisch, Schatborn 2011 (wie Anm. 11), Nr. 37; Schatborn, Hinterding 2019 (wie Anm. 6), Nr. Z656.
Signaturen Rembrandts auf Zeichnungen | 145
11 Rembrandt, Joseph verteilt Korn in Ägypten, schwarze Kreide, um 1636, Wien, Albertina
Blatt, nicht aber die Berliner Susanna-Paraphrase und zwei weitere Nachzeichnungen nach Gemälden Lastmans.44 Wie bei den Elefanten-Blättern dürfte das mit den Funktionen zu tun haben: Das signierte Blatt war für den Verkauf oder als Geschenk an einen Freund oder Gönner bestimmt, während die nicht unterzeichneten Werke im Atelier zur Anschauung und zum Unterricht verblieben. Kommen wir zu dem spektakulären Fall der drei Paraphrasen nach Leonardos Fresko Das letzte Abendmahl, das der Niederländer durch einen oberitalienischen Kupferstich aus dem Leonardo-Kreis kannte. Es sind drei Zeichnungen mit dem Abendmahl überliefert, zwei Rötelblätter im New Yorker Metropolitan Museum of Art und im Londoner British Museum, ferner eine Federzeichnung im Berliner Kabinett. Den Anfang bildete die großformatige New Yorker Arbeit (Abb. 12).45 Sie weist hinsichtlich der Anordnung und der Gestik der Figuren die größten Übereinstimmungen mit Leonardos Komposition auf. Ein44 Es handelt sich um Die Verstoßung der Hagar in der Wiener Albertina sowie Paulus und Barnabas in Lystra in Musée Bonnat in Bayonne; Benesch 1954 – 57 (wie Anm. 6), Nr. 447, 449; Schatborn, Hinterding 2019 (wie Anm. 6), Nr. Z662, Nr. Z664. 45 Benesch 1954 – 57 (wie Anm. 6), Nr. 443; Egbert Haverkamp-Begemann, Rembrandt van Rijn, The Last Supper, after Leonardo da Vinci, in: id., Mary Tavener Holmes, Fritz Koreny, Donald Posner, Duncan Robinson, The Robert Lehman Collection, 7: Fifteenth- to Eighteenth-Century European Drawings: Central Europe, The Netherlands, France, England, New York, 1999, Nr. 66; Royalton-Kisch, Schatborn 2011 (wie Anm. 11), Nr. 31; Schatborn, Hinterding 2019 (wie Anm. 69), Nr. Z658.
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12 Rembrandt, Das letzte Abendmahl, rote Kreide, um 1635, New York, Metropolitan Museum of Art, Robert Lehman Collection
zig die Stichreproduktion zeigt unten rechts am Fuß des Tisches ein Hündchen – Rembrandt übernahm es. Der trockenen und groben Stichwiedergabe hauchte Rembrandt gleichsam Leben ein. Er hielt sich in der Anordnung der vier Dreiergruppen an die Vorlage, er dramatisierte die Szene aber durch eine entschiedene Akzentuierung und Individualisierung der Jünger. Außerdem schuf er eine andere Raumsituation, indem er das Breitformat der Vorlage (und des Freskos) zugunsten einer Ausdehnung des Bildraums nach oben hin aufgab, diesen mit einer streng gegliederten architektonischen Kulisse abschloss und zugleich einen großen Baldachin als Ehrenmotiv einfügte. In der Londoner Rötelzeichnung liegt die Konzentration auf den beiden Gruppen der Jünger zur Rechten Christi.46 Die Dreiergruppe direkt neben Christus blieb im Wesent lichen unverändert. Die Dreiergruppe links am Rand hingegen erfuhr maßgebliche Korrekturen. Die Berliner Version (Abb. 13),47 Endpunkt der Auseinandersetzung mit Leonardos Komposition, wurde anders als die beiden vorangehenden Arbeiten mit der Feder ausgeführt. Das Format des Blattes ist extrem langgestreckt, doch dürfte es zu einem späteren Zeitpunkt oben erheblich beschnitten worden sein, wie einige am Rand übrig gebliebene, nicht deutbare Federstriche belegen. Es würde hier zu weit führen, in extenso auf die Genese dieser Darstellung einzugehen, die unter anderem viele Korrekturen erlebte. Insgesamt wurde die Komposition gegenüber der Stichvorlage nach Leonardo sowie den beiden 46 Benesch 1954 – 57 (wie Anm. 6), Nr. 444; Royalton-Kisch 1992 (wie Anm. 29), Nr. 14; Royalton-Kisch 2010 (wie Anm. 29), Nr. 11; Royalton-Kisch, Schatborn 2011 (wie Anm. 11), Nr. 32; Schatborn, Hinterding 2019 (wie Anm. 6), Nr. Z660. 47 Benesch 1954 – 57 (wie Anm. 6), Nr. 445; Bevers 2006 (wie Anm. 36), Nr. 7; Royalton-Kisch, Schatborn 2011 (wie Anm. 11), Nr. 30; Schatborn, Hinterding 2019 (wie Anm. 6), Nr. Z659.
Signaturen Rembrandts auf Zeichnungen | 147
13 Rembrandt, Das letzte Abendmahl, Feder in Braun, 1635, Berlin, Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett
vorangegangenen Fassungen, besonders der ersten Version in New York, entscheidend dramatisiert. Rembrandt spitzte alles auf den Moment der Verratsankündigung zu: „Amen dico vobis quia unus vestrum me traditurus est“ („Wahrlich, ich sage euch: Einer unter euch wird mich verraten“), wie es auch auf dem an der Tischdecke angebrachten Zettel auf dem Stich geschrieben steht. Rembrandt hob die strenge Symmetrie auf, indem er Christus aus dem Zentrum leicht nach rechts versetzte, und er variierte die Anordnung der Figuren und löste die geschlossenen Dreiergruppen auf, um zu einer entschiedeneren Bewegung und Verdichtung nach der Mitte hin zu gelangen.48 Zum Thema: Alle drei Versionen tragen Rembrandts Signatur, die Berliner Fassung zudem die Jahreszahl 1635. Die New Yorker Fassung lässt am unteren Rand eine aus radierte Aufschrift erkennen. Vermutlich erschien hier ursprünglich auch der Name des Zeichners: Rembrandt, die beiden letzten Buchstaben „dt“ sind noch recht gut erkennbar. Warum er schließlich weiter rechts signiert hat, und dieses mal ohne das „d“ in seinem Namen, bleibt ein Rätsel. Die Londoner Fassung, die wohl als reine Studie der linken Bildhälfte angelegt war, zeigt noch Reste der Signatur unterhalb dieser Gruppe in Blattmitte, beim Berliner Blatt erscheint die Inschrift „Rembrandt f. 1635“ direkt unter der Figur Christi fast in Blattmitte. Leonardos Komposition spielte für Rembrandt, der im Mai 1635 die Werkstatt Hendrick Uylenburghs verließ und ein eigenes Atelier in der Amsterdamer Nieuwe Doelenstraat bezog, offenbar eine zentrale Rolle in seinem Selbstverständnis als nunmehr selbständiger Historienmaler. An Leonardo konnte Rembrandt mehr noch als bei seinem Lehrer Lastman lernen, wie man die menschliche Seele durch die Darstellung körperlicher Bewegungen und Gestik zum Sprechen bringen kann. Davon zeugen beispielsweise die gleichzeitig entstandenen und stilistisch gleichartigen Passionsblätter Kreuztragung Christi und Beweinung Christi, beide ebenfalls im Berliner Kupferstichkabi48 Kenneth Clark charakterisierte Rembrandts Komposition einmal treffend mit dem Wort „baroque freefor-all“ (barockes, lärmendes Durcheinander); Kenneth Clark, Rembrandt and the Italian Renaissance, London 1966, S. 56.
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nett.49 Späte Werkstattwiederholungen der Abendmahlzeichnungen belegen, dass diese nicht zum Verkauf oder als Gabe an einen Mäzen bestimmt waren, sondern dass sie im Atelier zur Anschauung und zur Übung verblieben.50 Warum dann die Signaturen? Es wurde vermutet, Rembrandt habe signiert, um mit seinen Aufschriften eine Zuschreibung der Arbeiten an Leonardo zu verhindern.51 Dann könnte Rembrandt höchstens an die Nachwelt gedacht haben, denn erstens verblieben die Leonardo-Paraphrasen ja im Atelier und zweitens hätte ein Kenner zu Rembrandts Zeiten schwerlich dessen Linienführung mit dem Strich Leonardos verwechselt. Ebenso irrig erscheint mir die Meinung, Rembrandt habe betonen wollen, dass die Ausführung von ihm stamme, nicht jedoch die Erfindung.52 Eine andere Deutung erscheint plausibler: Rembrandt suchte den Wettstreit mit Leonardo. Er signierte aus Verehrung für den großen Renaissancemeister und aus Stolz auf die Neuformulierung des Themas. Wohl nicht zufällig befindet sich der Namenszug auf der Berliner Fassung, diesem Musterblatt von Affektstudien, genau unterhalb der Figur Jesu. Das mag auf die Beziehung von göttlicher und menschlicher Schöpferkraft anspielen, auf den gleich dem Künstler schaffenden Gott, und zugleich als Frömmigkeitsoder Demutsbezeugung zu verstehen sein.53 Signaturen auf Zeichnungen sind nicht immer sicher. Sicherheit über die Authentizität von Rembrandt-Signaturen kann man auf zwei Wegen erlangen: Ein erstes Kriterium ist die Übereinstimmung der Tinte, mit der der Namenszug geschrieben wurde, mit der Tinte, mit der die Zeichnung ausgeführt wurde. Der bloße Augenschein kann aber täuschen; Tinten können sich im Laufe der Zeit verändern. Wenn heute zwei Tinten identisch erscheinen, so können sie im Jahre 1635 unterschiedlich gewesen sein. Naturwissenschaftliche Untersuchungen der Tinten können helfen, sie sind aber aufwändig.54 Wichtig ist ferner das zweite Kriterium: der Vergleich einer Signatur mit dem Schriftduktus von Handschriften und Unterschriften, beispielsweise in den sieben absolut sicheren Briefen Rembrandts an den gelehrten Staatssekretär, Musiker und Dichter Constantijn Huygens (Abb. 14).55 Herrscht unter den Kennern meist Einigkeit über die Authentizität der Rembrandt-Sig49 Benesch 1954 – 57 (wie Anm. 6), Nr. 97, 100; Bevers 2006 (wie Anm. 36), Nr. 8, 9; Schatborn, Hinterding 2019 (wie Anm. 6), Nr. Z30, Nr. Z35. 50 Eine Arent de Gelder zugeschriebene Zeichnung im Berliner Kabinett von ca. 1660 – 1661 erweist sich als eine Wiederholung und Paraphrase von Rembrandts New Yorker Abendmahlsdarstellung aus dem Jahre 1635; s. Bevers 2018 (wie Anm. 7). Nr. 85. 51 So Peter Schatborn, Susanna und die beiden Alten, in: Id., Holm Bevers, Barbara Welzel (Hrsg.), Rembrandt. Der Meister und seine Werkstatt, Bd. 2: Zeichnungen und Radierungen (Kat. d. Ausst. Berlin Staatliche Museen zu Berlin 1991 – 1992), München: Schirmer/Mosel, 1991, S. 52, Nr. 11; Schatborn 2011 (wie Anm. 10), S. 296. 52 So Royalton-Kisch 1992 (wie Anm. 29), Nr. 14; Royalton-Kisch 2010 (wie Anm. 29), Nr. 11. 53 Kris, Kurz 1980 (wie Anm. 4), S. 74 – 86. 54 Für den Berliner Bestand s. z. B. die Untersuchungen von Georg Josef Dietz und Antje Penz, Zeichnen mit Rembrandt. Material und Technik in Rembrandts Werkstatt, in: Bevers 2018 (wie Anm. 7), S. 292 – 303, S. 293 – 298. Im Forschungsprojekt zu den niederländischen Zeichnungen in der Klassik Stiftung Weimar wird den Materialanalysen zu den Zeichnungen Rembrandts und der Rembrandtschule ein besonderer Schwerpunkt gelten; s. https://klassik-stiftung.de/forschung/forschungsaktivitaeten/ forschungsprojekte/kennerschaft-heute/ (aufgerufen am 29. 8. 2021). 55 Horst Gerson, Seven Letters by Rembrandt, Den Haag, 1961.
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14 Rembrandt, Brief an Constantijn Huygens, Feder in Braun, 1639, Paris, Fondation Custodia, Collection Frits Lugt
naturen, so gibt es im Falle der Namensaufschriften Rembrandt auf zwei Blättern der vier sogenannten London-Ansichten keinen Konsens (Abb. 15).56 Diese werden begleitet von der Jahreszahl 1640. Während der Amsterdamer Rembrandtkenner Peter Schatborn an die Authentizität glaubt,57 bezweifle ich sie. Die Farbe der Tinte scheint beim Augenschein identisch mit derjenigen der Zeichnungen zu sein, doch ist der Duktus der Handschrift weniger flüssig, ja zögerlich im Vergleich mit den Brief-Unterschriften von 1639 (Abb. 14).58 Die Buchstaben in der Mitte – „bran“ – werden bei Rembrandt in der Regel 56 Benesch 1954 – 57 (wie Anm. 6), Nr. 785, 786, 787, 788; Plomp 1997 (wie Anm. 16), Nr. 333; Schatborn 2011 (wie Anm. 10), S. 299 – 301. Schatborn hält die beiden vermeintlichen Signaturen und Jahreszahlen 1640 auf den beiden Blättern in Haarlem (Benesch 1954 – 1957 [wie Anm. 6], Nr. 785; Plomp 1997 [wie Anm. 16], Nr. 333; Schatborn, Hinterding 2019 [wie Anm. 6], Nr. 668) und Wien (Benesch 1954 – 57 [wie Anm. 6], Nr. 786; Schatborn, Hinterding 2019 [wie Anm. 6], Nr. Z669) für eigenhändig. Allerdings wurden die Arbeiten nicht in die Kerngruppe der eigenhändigen Rembrandtzeichnungen von Royalton-Kisch und Schatborn (Royalton-Kisch, Schatborn 2011, [wie Anm. 11]) aufgenommen, da Royalton-Kisch wie ich die Aufschriften anzweifelt. Zu dem Problem s. zuletzt Bevers 2018 (wie Anm. 7), unter Nr. 149. Eine öffentliche Diskussionsrunde zu dem Thema mit Peter Schatborn, Gregory Rubinstein, Tico Seifert und mir in der National Gallery of Scotland in Edinburgh am 14. 9. 2018 erbrachte zwar neue Vorschläge für die Gruppierung und Einteilung der vier Blätter, aber keine wirkliche Klarheit in der Frage der Authentizität der Aufschriften und der Autorschaft. 57 S. die Bemerkungen in Anm. 56. 58 Aus Rembrandts viertem Brief an Huygens; Gerson 1961 (wie Anm. 55), S. 42 – 47.
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15 Rembrandt-Umkreis, Ansicht von Schloss Windsor bei London, Feder in Braun, braun laviert, um 1640 (?), Wien, Albertina
zusammengeschrieben, in den London-Ansichten stehen „b“ und „r“ unverbunden neben „an“. Zudem zeigt der Buchstabe „R“ eine Anomalität, die sonst bei Unterschriften Rembrandts nicht vorkommt: Der schwungvolle halbrunde Bogen, der vom Ansatz der Feder her nach links oben führt, ist nicht in einer durchgehenden Linie gezogen, sondern hört in der Mitte auf und setzt dort mit einem kleinen Haken, der aus dem halbrunden Bogen verläuft, wieder neu an. Hat also ein späterer Besitzer unter Kenntnis der echten Signatur Rembrandts Namenszug nachgeahmt? Die Frage, die bis jetzt ungeklärt ist − Meinung steht gegen Meinung −, berührt natürlich auch das Problem der Eigenhändigkeit der Zeichnungen selbst. Auch hier herrscht Uneinigkeit, genährt nicht allein durch die Frage der Akzeptanz der vermeintlichen Signatur, sondern auch durch den Stil der Blätter, der für mich gegen Rembrandt als Autor spricht. Ich halte alle vier Zeichnungen für Schulblätter, von denen zwei von einer späteren Hand, offenbar im 18. Jahrhundert, mit Rembrandts Namenszug und der Jahreszahl versehen wurden, wobei dem Schreiber der Notizen Autographen des Meisters als Vorbild gedient haben dürften. Ob diese Zuschreibung im guten Glauben an den Urheber der Zeichnungen oder in bewusst fälschender Absicht vorgenommen wurde, sei dahingestellt. Zusammenfassend kann man sagen: Zeichnungen durchwegs zu signieren, hatte keine Tradition. Das hat damit zu tun, dass Zeichnungen in den überwiegenden Fällen nicht selbstständige Werke waren, sondern als Behelf für die Ausarbeitung von anderen künstlerischen Projekten dienten. Ausnahmen, wie Pieter Saenredam, der sogar Arbeitsstudien namentlich unterzeichnete, bestätigen die Regel. Rembrandt signierte die meisten Zeichnungen nicht. Sie waren Studienmaterial für den eigenen Gebrauch und für die Lehre in der Werkstatt. Zuschreibungsprobleme gab es damals noch nicht: Rembrandt und die Schüler wussten, welche Arbeiten vom Meister, welche von den Eleven waren. Signiert hat Rembrandt bei Blättern, die vermutlich verkauft wurden oder Freunden und Sammlern zugedacht waren. Bei den Nachschöpfungen des Letzten Abendmahls sind die Signaturen bewusste Setzungen.
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„REMBR ANDT F.“ REMBR ANDT-SIGNATUREN IN DER GEMÄLDEGALERIE BERLIN – EINE ANNÄHERUNG
Die Berliner Gemäldegalerie verfügt über eine ungewöhnlich frühe Dokumentation der Rembrandt-Signaturen auf den Werken ihrer Sammlung. Dies verdankt sie u. a. Wilhelm von Bode, der bereits in den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts ein großes Interesse an Künstlerinschriften entwickelte. Vermutlich steht sein ausgeprägtes Interesse an Signaturen nicht zuletzt im Zusammenhang mit einer überdurchschnittlich regen Ankaufs- und Vermittlungstätigkeit im europäischen Kunsthandel − stellte die Signatur doch meist einen unumstrittenen Authentizitätsbeweis dar.1 Wie groß die Bedeutung war, die Bode den Signaturen beimaß, lässt sich u. a. an seinen Reisetagebüchern ablesen. Auf seinem Weg durch diverse europäische Privatsammlungen und auf der Suche nach potentiell interessanten Objekten für die Gemäldegalerie dokumentierte er sehr sorgfältig vorhandene Bezeichnungen auf Bildern. So hielt er etwa Rembrandts Frühwerk Der Geldwechsler, das er im April 1879 in der Sammlung von Sir Francis F. M. Cook in Richmond sah, in Form einer kleinen Skizze fest, auf der er auch die Platzierung der Signatur einzeichnete.2 Eine detaillierte Übertragung der für den heutigen Betrachter mit bloßem Auge kaum noch erkennbaren Bezeichnung findet sich in den von ihm zusätzlich vermerkten Notizen zum Bild. Ab 1883 wurde unter Bodes Leitung schließlich konsequent jede vorhandene Signatur auf Bildern der Gemäldegalerie in Form eines Faksimiles in das beschreibende Verzeichnis der Gemäldegalerie aufgenommen. Damit sind wir in der überaus komfortablen Lage, für fast alle Signaturen auf Bildern der Gemäldegalerie eine detailgetreue Dokumentation des 19. bzw. frühen 20. Jahrhunderts zur Hand zu haben. Zusätzlich verfügen wir heute über Untersuchungsmöglichkeiten, die eine maltechnische Analyse der Künstlerbezeichnungen erst ermöglicht und eine Interpretation des vorliegenden Materials erlaubt, ohne zu „most absurd theories and
1
Vgl. hierzu auch Wilhelm Martin, Alt-Holländische Bilder (Sammeln/Bestimmen/Konservieren), Berlin: Richard Carl Schmidt & Co., 1921, S. 33 – 41. 2 Bode sah das Bild auf seiner Englandreise am 6. April 1879 und beschrieb es in seinem Reisetagebuch: Zentralarchiv SMB-ZA, IV/NL Bode 0052, S. 39v., Skizze des Bildes auf der letzten, unnummerierten Seite.
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wrong conclusions“ 3 zu gelangen. Die im Folgenden präsentierten Ergebnisse wurden im Zuge eines mehrjährigen interdisziplinären Forschungsprojektes zum Bestand der Ber liner Rembrandtgemälde erarbeitet.4 Insgesamt waren 15 Signaturen auf Bildern von Rembrandt bzw. ihm ehemals zugeschriebenen Werken zu berücksichtigen.
1. Original erhaltene, lesbare Signaturen Das oben bereits genannte Werk Der Geldwechsler (Abb. 1)5 stellt das früheste, von Rembrandt signierte Bild in der Gemäldegalerie dar. Das Gemälde ist auf dem links des alten Mannes liegenden Buch bezeichnet und datiert: „RH“ (verbunden) „1627“ (Tafel 22). Die miteinander verbundenen Buchstaben „RH“ sind in die noch weiche, dunkle Farbfläche mit einem schmalen Pinsel (ohne Farbzusatz) gezogen und nur der obere Bogen des „R“ ist mit graubrauner Farbe nachgearbeitet (Abb. 2). Die Ziffern der Signatur sind mit schmalem Pinsel mit wenig Graubraun auf die bereits feste Oberfläche aufgetragen. Die Farbe liegt flach auf der dunklen Malschicht, ist jedoch homogen mit der dunklen Farbfläche verbunden. Demnach erfolgte der Auftrag der Signatur hier in zwei zeitlich auseinanderliegenden Arbeitsvorgängen: Zunächst wurde das Kürzel des Namens in die noch weiche Farbe eingedrückt und erst anschließend auf die getrocknete Farbe die Datierung gesetzt. Eine als Relief in die Farbe vertiefte Signatur entspricht dem für dieses Bild so charakteristischen, geradezu plastischen Aufbau, bei dem der Künstler den von der Kerze beschienenen Bereich ebenfalls plastisch modellierte, um so der meisterhaften Gestaltung von Licht und Schatten Nachdruck zu verleihen. Bemerkenswert ist auch die Ausgestaltung des Buchstabens „R“ mit zusätzlicher Farbe. Eine derartige Verzierung ist, zumindest für die Berliner Bilder, hier erstmals nachweisbar, taucht jedoch auch auf späteren Werken regelmäßig auf. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass sich jene Art der Ausschmückung ausschließlich für den Namen selbst findet, nicht jedoch für die Datierung. Diese zusätzliche, für das bloße Auge häufig nicht wahrnehmbare Verzierung der Signatur passt gut zu der auch sonst für Rembrandt so charakteristischen, sehr überlegten und präzisen Maltechnik, die nur auf den ersten Blick flüchtig und schnell erscheint. 1628, nur ein Jahr nach dem Geldwechsler, schuf Rembrandt sein Frühwerk Simson und Delila (Abb. 3),6 bei dem die Signatur links auf der Stufe unterhalb des Fußes des Philisters angebracht wurde: „RHL“ (verbunden) „1628“ (Tafel 23). Die Signatur ist mit grauer Farbe auf die bereits feste Fußbodenfarbe gemalt. Zeitnah wurden die Ziffern „2“ und „6“ mit 3 Hubertus F. von Sonnenburg, Technical Aspects: Scientific Examination, in: Deirdre C. Stam (Hrsg.), Rembrandt after three Hundred Years: A Symposium. October 22 – 24, 1969, Chicago: The Art Institute of Chicago, 1973, S. 83-101, hier: S. 91. 4 Interdisziplinäres Forschungsprojekt „Rembrandt Autoradiography/The Rembrandt Database: Neue Forschungen zu den Rembrandt-Beständen der Gemäldegalerie Berlin“, 2011 – 2016 an der Gemäldegalerie SMB. Gefördert von der Andrew W. Mellon Foundation (New York) und der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. In Kooperation mit dem RKD (Netherlands Institute for Art History) Den Haag und dem Helmholtz Zentrum für Materialien und Energie Berlin. 5 Rembrandt, Der Geldwechsler, Öl auf Holz, 32 × 42,5 cm, 1627, Gemäldegalerie, SMB. 6 Rembrandt, Simson und Delila, Öl auf Holz, 61,4 × 50 cm, 1628, Gemäldegalerie SMB.
„Rembrandt f.“ Rembrandt-Signaturen in der Gemäldegalerie Berlin – eine Annäherung | 153
1 Rembrandt, Der Geldwechsler, Öl auf Holz, 31,90 × 42,50 cm, 1627, Berlin, Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie
2 Rembrandt, Der Geldwechsler (Detail: Stereo skopaufnahme). Oberer Bogen des „R“. Die miteinander verbundenen Buchstaben „RH“ sind in die noch weiche dunkle Farbfläche mit einem schmalen Pinsel ohne Farbzusatz gezogen. Nur der obere Bogen des „R“ wurde mit graubrauner Farbe betont.
gelblicherem Grau ganzflächig übergangen. Im ersten Corpus der Rembrandt Gemälde von 1982 wurde die Signatur als nicht vertrauenswürdig eingestuft, da sie sowohl in der Ausführung der Buchstaben als auch in der Linienführung und den Proportionen unstimmig sei.7 Gleichzeitig wurde die Datierung von 1628 im Zusammenhang mit der stilisti7 Josua Bruyn et al., A Corpus of Rembrandt Paintings, 6 Bde., Den Haag u. a.: Nijhoff u. a. 1982 – 2011, Bd. 1 (1625 – 1631), S. 56, A 24, S. 252.
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3 Rembrandt, Simson und Delila, Öl auf Holz, 61,30 × 50,10 cm, 1628, Berlin, Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie
„Rembrandt f.“ Rembrandt-Signaturen in der Gemäldegalerie Berlin – eine Annäherung | 155
4 Rembrandt, Die Mutter des Künstlers (Detail: Signatur), Radierung, 1628, Amsterdam, Rijksprentenkabinet
schen Einordnung des Bildes angezweifelt. Tatsächlich besteht aufgrund der maltechnischen Untersuchungen kein Zweifel daran, dass es sich hierbei um die originale Signatur handelt. Auch konnte bei der Berliner Bezeichnung aufgrund der technischen Untersuchungen kein Anhaltspunkt dafür gefunden werden, dass die Ziffer „8“ der Datierung nicht authentisch sei. Entgegen der Aussage im Corpus, entspricht das von Bode angefertigte und 1881 publizierte Faksimile der Signatur zudem exakt dem Original.8 Es zeigt sich, dass die Berliner Signatur dem für diese Zeit charakteristischen Kürzel von Rembrandts Bezeichnungen entspricht. So sind der spezifische, nach links hinten durchgezogene Bogen des „R“ und das dem „H“ durch einen Unterstrich hinzugefügte „L“ übereinstimmend auch auf zwei Radierungen desselben Jahres erkennbar (Abb. 4).9 Ferner fügt sich die Datierung von 1628 passgenau in die Genese des Bildes ein, die eine überaus intensive Auseinandersetzung mit dem Thema und grundlegende Veränderungen sowie Weiterentwicklungen während des Arbeitsprozesses erkennen lässt. Den aktuellen Forschungen zufolge ging dem Berliner Bild als eine Art erste, eigene Entwicklungsstufe eine (mittlerweile wieder an Rembrandt zugeschriebene) Grisaille des Rijksmuseums voraus, die vermutlich um 1627 entstanden sein dürfte.10 An diese schließt eine Entstehung des Berliner Bildes im Jahr 1628 überzeugend an.
8 Corpus (wie Anm. 7), Bd. 1, S. 252. Wilhelm Bode, Rembrandt’s früheste Thätigkeit: Der Künstler in seiner Vaterstadt Leiden, in: Die Graphischen Künste 3 (1881), S. 55. Dagegen weicht das Faksimile im Berliner Verzeichnis von 1912 (und folgende Jahre) überraschender Weise deutlich vom Original ab. S. Detlev von Handeln, Königliche Museen. Gemälde-Galerie. Beschreibendes Verzeichnis der während des Umbaus ausgestellten Gemälde, Berlin 1912 (erweiterte und überarbeitete 7. Aufl. des Verzeichnisses von 1878), S. 349. 9 Rembrandt, Die Mutter des Künstlers. Nur der Kopf, Radierung, 6,3 × 6,4 cm, Rijksprentenkabinet, Amsterdam (B.352). 10 Ildikó Ember (Hrsg.), Rembrandt and the Dutch Golden Age (Kat. d. Ausst. Budapest Szépművézeti Múzeum 2014 – 2015), Budapest 2014/2015, Kat. Nr. 83. Zur Bildgenese vgl. Katja Kleinert, Claudia Laurenze-Landsberg, Auf der Suche nach einer optimalen Bildlösung. Zur Bildgenese von Rembrandts Gemälde „Simson und Delia“, in: Holm Bevers, Jan Kelch, Bernd W. Lindemann et al. (Hrsg.), Rembrandt – Wissenschaft auf der Suche, Beiträge des Internationalen Symposiums Berlin, 4. und 5. November 2006, Beiheft zum Jahrbuch der Berliner Museen 51 (2009). S. ausführlich in: The Rembrandt Database, www.rembrandtdatabase.org, (abgerufen am 29. 8. 2021).
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Weitgehend unproblematisch ist dagegen die Signatur des Gemäldes Selbstbildnis mit Samtbarett. 11 Die Bezeichnung „Rembrandt •f• 1634“ ist im Bereich rechts unten mit dickflüssiger Farbe auf die bereits stabile Pinselstruktur des Hintergrunds gemalt. Die Malschicht entspricht in Konsistenz und Körnigkeit der Hintergrundfarbe, ist jedoch etwas dunkler. Wie die Autoradiographie belegt, wird der dunklere Farbton durch eine höhere Anzahl von Kupferpigmenten und Beinschwarz verursacht. Der Buchstabe „b“ wurde in neuerer Zeit fast vollständig überarbeitet. Die hinzugefügte Farbe ist grob pigmentiert. In der Mischung sind auch rote Pigmente enthalten sowie auffallend viele, sehr große, gelbe Pigmente. Außer dem „R“ wurden alle Zeichen, ohne zu verfälschen, in neuerer Zeit dunkel nachgezogen. Zusammensetzung und Formgebung der Signatur entsprechen der von Rembrandt verwendeten Bezeichnung um 1633/34, bei der er das oben erwähnte Kürzel zugunsten seines vollständig ausgeschriebenen Namens aufgibt. Ebenso wie bei dem Gemälde Der Geldwechsler sind zudem auch bei dieser Signatur einzelne Buchstaben zusätzlich gestaltet worden. So ist der untere Bogen des „R“ mit Weiß nachgezogen, das dann mit heller, graubrauner Farbe dünn bedeckt wurde. Das Gemälde Simson droht seinem Schwiegervater (Abb. 5) 12 ist rechts am Pfeiler bezeichnet und datiert: „R e m b‘ r a n d t·f ˅·163[ ]“ (Tafel 24). Die Buchstaben wurden hier zunächst dünn mit schwarzer Farbe aufgetragen und dann nochmals in Graubraun, teils etwas breiter nachgezogen. Der erste Buchstabe „R“ ist stärker differenziert. Hier ist der untere Bogen mit weißer Farbe nachgezogen, die dann mit heller graubrauner Farbe dünn bedeckt wurde. Die obere Hälfte des „R“ befindet sich auf einer gekitteten Fehlstelle und ist ergänzt. Gleich unterhalb des „R“ schließt sich ein horizontaler Bogen an, der mit weißer Farbe sowie grauen und gelben Tönen nass-in-nass aufgetragen ist. Neben der oberen Hälfte des Buchstabens „b“ befindet sich ein kurzer schräger Strich. Rechts oberhalb des Buchstabens „f“ befindet sich ein kleines Zeichen in Form eines „v“. Die Ziffern 1, 6, 3 und der Rest der letzten, nicht mehr lesbaren Ziffer sind breit und nur mit schwarzer Farbe aufgetragen. Letztere befindet sich auf der Kante des Spannrahmens. Hier zeigt die Malschicht jedoch größere Abplatzungen. Lediglich ein kleiner Rest des oberen Bereichs der Ziffer, ein von rechts oben nach links unten führender Strich, ist noch vorhanden, da die Leinwand an dieser Stelle abgeschnitten wurde. Ursprünglich muss die Datierung des Gemäldes als 1635 zu lesen gewesen sein, da auf zwei frühen Reproduktionsstichen von Georg Friedrich Schmidt und Daniel Berger aus den Jahren 1756 bzw. 1767 diese Jahreszahl als Datierung wiedergegeben wurde.13 Es ist davon auszugehen, dass beide Berliner Künstler das Bild 11 Rembrandt, Selbstbildnis mit Samtbarett und Umhang mit Pelzkragen, Öl auf Leinwand, 58,4 × 47,7 cm, 1634, Gemäldegalerie SMB. 12 Rembrandt, Simson droht seinem Schwiegervater, Öl auf Leinwand, 160 × 131 cm, 1635, Gemäldegalerie SMB. 13 Radierung von Georg Friedrich Schmidt (1712 – 1775) nach Rembrandt, Simson bedroht seinen Schwiegervater, 32 × 22,8 cm (mit Plattenrand), 1756, Kupferstichkabinett SMB. Anders als auf dem Original, ist die Jahreszahl auf den Stichen jedoch unter den Namen gesetzt. Dies ist vermutlich der Tatsache geschuldet, dass die Schrift aufgrund der Schraffuren, die den Schatten angeben, nicht zu lesen gewesen wäre.
„Rembrandt f.“ Rembrandt-Signaturen in der Gemäldegalerie Berlin – eine Annäherung | 157
5 Rembrandt, Simson droht seinem Schwiegervater, Öl auf Leinwand, 158,50 × 130,50 cm, 1635, Berlin, Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie
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im Original gekannt und ausführlich studiert haben.14 Die fehlende „5“ der Datierung ging sehr wahrscheinlich erst 1807 verloren, nachdem das Gemälde 1806 von den Franzosen beschlagnahmt und, wohl in gerolltem Zustand,15 nach Paris gebracht worden war. Im Frühjahr 1807 wurde es nachweislich von dem Gemälderestaurator François-Toussaint Hacquin in Paris restauriert („marouflé à l’huile, rentoilé, fourni le chassis“).16 Die Leinwand wurde bei dieser Gelegenheit doubliert, beschnitten und umgeschlagen, wie französisches Zeitungspapier, mit dem man die Umschlagkanten beklebte, noch heute belegt. Zu den umgeschlagenen und seitdem nicht mehr auf der Bildfläche sichtbaren Partien zählt u. a. die letzte Ziffer der Signatur.17 Auch bei diesem Bild sprechen sowohl die maltechnischen Befunde als auch die Art der Ausführung und Formgebung dafür, dass es sich hierbei um eine authentische Signatur handelt. Das belegt der vollständig ausgeschriebene Vorname „Rembrandt“ mit seinen Einzelmerkmalen, wie dem in dieser Zeit meist nach links hinten durchgezogenen Bogen des „R“, dem „m“, das sich aus drei separaten, rhythmisch gesetzten gekrümmten Linien zusammensetzt, und einem „b“, dessen oberer Bogen sich nach rechts hin schließt.18 Charakteristisch ist auch das Kürzel „f“ für fecit, mit dem spitz angesetzten Mittelstrich und der schwungvollen Unterlänge. Ganz außergewöhnlich für eine Künstlerinschrift, aber für Rembrandt mehrmals nachweisbar ist das dem „f“ nachfolgende „v“19. Fast identisch findet sich diese Art von hoch angesetztem „v“ auch auf der Zeichnung Der trunkene Loth aus dem Jahr 1633 (Abb. 6).20 Rembrandt scheint diesen Zusatz, dessen Bedeutung bislang nicht geklärt werden konnte, innerhalb eines bestimmten Zeitraumes, etwa von 1633 bis 1639, verwendet zu haben. Dafür, dass Rembrandt selbst die Bezeichnung anbrachte, spricht auch die besonders detailreiche zusätzliche Ausschmückung des Namens. So schließt sich 14 Schmidt fertigte zudem eine heute verschollene Kopie nach dem Gemälde an: G. F. Schmidt nach Rembrandt, Simson bedroht seinen Schwiegervater, Material und Maße unbekannt. Versteigerung des Kunstnachlasses von Schmidt am 22. November 1775: „Rembrand, Der Prinz von Geldern ohne Rahmen nach Rembrand“, Verkäufer: Georg Friedrich Schmidt. Thomas Ketelsen, Tilmann von Stockhausen, Verzeichnis der verkauften Gemälde im deutschsprachigen Raum vor 1800, 3 Bde., München: K. G. Saur, 2002, Bd. 2, S. 1317. 15 Dies lässt sich aus der Röntgenaufnahme ableiten. Hier sprechen viele horizontal verlaufende Ausbrüche dafür, dass das Gemälde aufgerollt wurde. 16 Bénédicte Savoy, Kunstraub: Napoleons Konfiszierungen in Deutschland und die europäischen Folgen, mit einem Katalog der Kunstwerke aus deutschen Sammlungen im Musée Napoléon, Wien u. a.: Böhlau 2011, S. 328 – 329, Katalog der Kunstwerke 289, Nr. 540. 17 Die im Inventar 1830 aufgenommene Information, das Gemälde sei 1637 datiert, dürfte auf einer Fehlinterpretation der verbliebenen Reste der Datierung zurückzuführen sein. Auch J. Smith nennt als Datierung 1637. John Smith, Catalogue raisonné of the works of the most eminent Dutch, Flemish and French painters, 9 Bde., London: Smith and Son, 1829 – 1842, Bd. 7, S. 71, Nr. 166. 18 Vgl. W. Froentjes, H. Hardy, R. Ter Kuile, Een schriftkundig onderzoek van Rembrandt signaturen, in: Oud Holland 105 (1991), S. 185 – 204, hier: S. 193. Für eine gute Übersicht an Signaturen dieser Zeit s. Josua Bruyn, A selection of signatures, in: Corpus (wie Anm. 7), 1989, Bd. 3 (1635 – 1642), S. 51 – 57. 19 Vgl. hierzu Corpus (wie Anm. 7), Bd. 2 (1631 – 1634), A 92 (als “ft” interpretiert), A 51, Bd. 3, A 113, A 129. 20 Rembrandt, Der trunkene Loth, schwarze Kreide, stellenweise weiß gehöht, 25,3 × 18,9 cm, Das Städel Museum, Frankfurt am Main. Mit Dank an Holm Bevers für diesen Hinweis, vgl. auch den Beitrag von H. B. in diesem Band.
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6 Rembrandt, Sitzender Greis (Der trunkene Loth?), 1630 – 1633, schwarze Kreide, stellenweise weiß gehöht, Frankfurt am Main, Städel Museum
gleich unterhalb des „R“ ein horizontaler Bogen an, der mit weißer Farbe und grauen und gelben Tönen nass-in-nass aufgetragen ist (Tafel 25). Auch die Platzierung auf einem konkreten Gegenstand entspricht Rembrandts Vorgehensweise, die sich vor allem für seine Historiengemälde beobachten lässt. Das wohl berühmteste Werk Rembrandts in der Berliner Gemäldegalerie, Der Mennonitenprediger Cornelis Claesz Anslo und seine Frau Aeltje Gerritsdr. Schouten,21 ist auf dem heute nicht mehr sehr deutlich erkennbaren Querstreben des Tisches links unten signiert: „Rembrandt• f ⁝ • 1641“. Die Signatur ist gut erhalten und zweifelsfrei lesbar. Sie wurde aus schwarzbraunem Farbmaterial recht flüssig aufgetragen und ist nur an einzelnen weiter nach unten reichenden Strichen leicht ergänzt. Vermutlich war sie beim Erwerb des Bildes 1894 jedoch nicht so deutlich zu erkennen, da man bei einer Reinigung des Gemäldes 1961 mehrere Firnisschichten entfernte und meinte, „das Gemälde […] als das schmutzigste in der Sammlung von Rembrandt“22 bezeichnen zu können. Möglicherweise lassen sich so einige Abweichungen von den im Verzeichnis von 1898 erstmals publizierten Fak21 Rembrandt, Der Mennonitenprediger Cornelis Claesz Anslo und seine Frau Aeltje Gerritsdr. Schouten, Öl auf Leinwand, 175,5 × 210 cm, 1641, Gemäldegalerie SMB. 22 Befund zur Restaurierung 1961.
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similes der Bezeichnung erklären.23 Insgesamt kommt diese jedoch überein mit Rembrandts Signaturen der vierziger Jahre und ist u. a. gut vergleichbar mit jener des Berliner Susanna-Gemäldes. Charakteristisch für diese Zeit ist die Art, wie jeder Buchstabe einzeln gesetzt ist. Auch das in einem Zug geschriebene „R“ mit dem nach hinten vollständig durchgezogenem Bogen und der mittig erkennbaren Schlaufe taucht regelmäßig auf. Ebenfalls sehr markant ist der gerade nach oben laufende Strich des „b“, dessen Ende oben nicht abgerundet ist, wie auch das „t“, das deutlich kleiner ist als das davorstehende „d“. Insgesamt wirkt die Signatur etwas starr. So fehlt dem „f“ beispielsweise die sonst so charakteristische, schwungvoll nach unten gezogene Unterlänge, was natürlich auch an der etwas unglücklichen Platzierung direkt an der Unterkante des Gemäldes liegt. Der auf diese Weise in der Ausführung deutlich eingeschränkte Auftrag der Inschrift ist befremdlich für Rembrandt. Nicht mehr eindeutig zuzuordnen sind die dem „f“ folgenden, drei untereinanderstehend angeordneten Punkte. Es handelt sich hierbei möglicherweise um Reste eines Zeichens oder Buchstabens, die nicht mehr identifizierbar sind. Etwa ab 1633 finden sich bei Rembrandt Signaturen mit einem „f:“, wobei der Doppelpunkt teilweise etwas verwischt ist und zu einem Strich zusammengezogen zu sein scheint.24 In einigen Fällen folgt dem „f“ ein „v“.25 In anderen Fällen ein Zeichen, das mehr einem Strich ähnelt, teilweise zusätzlich gefolgt von einem Doppelpunkt.26 Unklar bleibt, wie die von Rembrandt gesetzten Zeichen gelesen werden müssen. Denkbar wäre in einigen Fällen das Kürzel „ft“,27 das sich auch auf druckgraphischen Werken anderer Künstler als Abkürzung für „fecit“ nachweisen lässt. Eigenartigerweise verwendet Rembrandt jedoch auf seinen Radierungen fast ausschließlich das Kürzel „f“, in Ausnahmefällen auch „fe“, jedoch nie „ft“. Auch auf seinen Zeichnungen lässt sich die Abkürzung „ft“ nicht nachweisen.28 Es muss daher offenbleiben, wie die hinzugefügten Zeichen zu lesen und zu interpretieren sind. Festzustellen ist jedoch, dass Rembrandts Signatur sich, durch diese spezifischen Ergänzungen, deutlich von denen anderer niederländischer Künstler des 17. Jahrhunderts abhebt, die fast durchgängig die klassischen Bezeichnungen „fe“, „fec“ oder fecit verwendeten.29 Charakteristisch für Rembrandt ist jedoch die Anbringung der Signatur auf einem Gegenstand, in diesem Fall auf der unteren Querstrebe der Tischkonstruktion. Eigenartiger23 Max J. Friedländer, Hans Mackowsky, Königliche Museen. Gemälde-Galerie. Beschreibendes Verzeichnis der während des Umbaus ausgestellten Gemälde, Berlin: Speemann 1898 (erweiterte und überarbeitete 4. Aufl. des Verzeichnisses von 1878), S. 249. Im Gegensatz zum Faksimile ist der Bogen des „R“ hinten vollständig durchgezogen. Zudem schließt die vordere, nach schräg unten laufende Linie des „R“ direkt an das „e“ an, ist jedoch einzeln geschrieben. Dasselbe gilt für die Verbindung zwischen „m“ und „b“. Hinter dem „f“ sind im Original drei Punkte zu erkennen. 24 Vgl. Corpus (wie Anm. 7), Bd. 2 (1631 – 1634), A 75, A 98. 25 Vgl. die Ausführungen zu Simson droht seinem Schwiegervater. 26 Vgl. Corpus (wie Anm. 7), Bd. 3 (1635 – 1642), A 75, A 80, A 99, A 100, A 114, A 146/1. 27 Mit Dank an Jonathan Bikker, Rijksmuseum Amsterdam, für diesen Hinweis. 28 Mit Dank an Holm Bevers für diese Information. 29 Für eine Übersicht von niederländischen Signaturen vgl. bspw. den Berliner Bestandskatalog der Gemäldegalerie von 1931 mit Faksimiles aller in Berlin vorhandener Künstleraufschriften.
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weise findet sich die heute nur noch in Ansätzen erhaltene Querstrebe nicht auf der ältesten Kopie des Bildes aus dem Jahr 1759 wieder.30 Zudem muss die Konstruktion der Querstrebe als ungewöhnlich und in sich nicht logisch bezeichnet werden.31 Auffällig sind an dieser Stelle auch die in der Infrarotreflektographie auf der Vorderseite des Kubus sichtbaren, horizontalen, eigenartig grob aufgesetzten Pinselstriche, welche sich in der Ausführung deutlich von der Umgebung unterscheiden.32 Die Möglichkeit, dass die Querstrebe mit der darauf angebrachten Signatur erst nachträglich eingefügt wurde und damit nicht authentisch ist, darf daher nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden. Gegen eine der artige Annahme spricht jedoch der Verlauf der Pinselstruktur der Querstrebe parallel zum Bildrand, der sich deutlich von der darüber liegenden, schwungvollen Gestaltung des Hintergrunds absetzt. Zudem befindet sich auf der Kopie aus dem Jahr 1759 eine Aufschrift, die das Entstehungsdatum des Originals mit 1641 angibt. Es ist anzunehmen, dass diese Aussage auf eine als authentisch angesehene Signatur zurückgeht. 1763 erwarb der englische Sammler Sir Lawrence Dundas das Werk für den sagenhaften Betrag von 5093 Gulden von dem Amsterdamer Kunsthändler Muilman & Soonen. Auch hier ist, aufgrund dieses extrem hohen Preises, anzunehmen, dass das Gemälde zum Zeitpunkt des Ankaufs signiert und damit als nachweislich authentisches Werk von Rembrandt sein Geld wert war.33 Erstmals explizit erwähnt wird die Signatur jedoch erst 1884 im Zuge der Erwerbung des Bildes von der Gemäldegalerie.34 Auch hier dürfte die Existenz einer Bezeichnung eine entscheidende Rolle beim Ankauf gespielt haben, handelte es sich doch um das bis dahin teuerste Bild der Galeriegeschichte, dessen Erwerbung für die folgenden drei Jahre weitere Ankäufe ausschloss.35
30 Kopie von Jan Maurits Quinkhard (1688 – 1772), Der Mennonitenprediger Cornelis Claesz Anslo und seine Frau Aeltje Gerritsdr Schouten, Leinwand, 54 × 65 cm, mit der Aufschrift: „Rembrandft pinxit in major forma 1641/J M Quinkhard Exemplum ejus 1759 imitatus est“, 1759, niederländischer Privatbesitz. 1781 gab Josiah Boydell auf seinem Reproduktionsstich des Gemäldes die Querstrebe schließlich deutlich wieder (allerdings ohne Signatur). Josiah Boydell (1752 – 1817), Der Mennonitenprediger Cornelis Claesz Anslo und seine Frau, 441 × 524 mm, Mezzotinto, 45 × 53 cm, 1781, Kupferstichkabinett SMB. Das Gemälde befand sich zu diesem Zeitpunkt im Besitz von Sir Lawrence Dundas. 31 Die Querstrebe verläuft etwa parallel zum Bild und endet leicht schräg abwärts laufend in der linken unteren Ecke. Diese Konstruktion wiederspricht dem Aufbau derartiger Tische des 17. Jahrhunderts. Vgl. dazu Cornelia Willemijn Fock (Hrsg.), Het Nederlandse interieur in beeld, 1600 – 1900, Zwolle: Wbooks, 2001, S. 55, Abb. 24, S. 148, Abb. 102; Johan de Haan, „Hier ziet men uit paleizen“. Het Groninger interieur in de zeventiende en achttiende eeuw, Assen: Van Gorcum, 2005, S. 143, Abb. 51. 32 S. Rembrandt Database: www.rembrandtdatabase.org, (abgerufen am 29. 8. 2021). 33 Im März 1763 wurde das Gemälde für den enormen Preis von insgesamt 5093 Gulden (einschließlich Verpackung, Zoll, Transport etc.) an Sir Lawrence Dundas geliefert. In dem Begleitschreiben vom 22. März 1763 rechtfertigen Muilman & Soonen den hohen Preis des Bildes nochmals nachdrücklich. Es ist anzunehmen, dass Dundas einen derart teuren Preis nur für einen echten, signierten Rembrandt bezahlt hat. Zu dem Verkauf s. Denys Sutton, The Dundas Pictures, in: Apollo 86,1 (1967), S. 204– 213, hier: S. 212. 34 Erstmals erwähnt wird die Signatur 1884 in der Vorschlagliste I, wo der Ankauf des Bildes unter Vorbehalt genehmigt wurde. Zentralarchiv, SMB-ZA, I GG 48. 35 Vgl. Tilmann von Stockhausen, Gemäldegalerie Berlin. Die Geschichte ihrer Erwerbungspolitik 1830 – 1904, Berlin: Nicolai, 2000, S. 140.
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7 Rembrandt, Alter Mann mit Bart und Barett, 1645, Öl auf Leinwand, 112,4 × 84 cm, Berlin, Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie
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8 Rembrandt, Alter Mann mit Bart und Barett (Detail: 6. Autoradiographie). Detail Signatur aus der 6. Autoradiographie, die die Verteilung von Phosphor in Beinschwarz belegt. Die letzte Ziffer „3“ wurde mit Beinschwarz abgedeckt und mit einer „5“ überschrieben.
Das Gemälde Alter Mann mit Bart und Barett36 (Abb. 7) ist links unten bezeichnet und datiert: „Rembrandt. f. 1645“ (Tafel 26). Die Signatur ist auf die Hintergrundfarbe aufgesetzt und hat mit ihr ein gemeinsames Sprungnetz gebildet. Sie ist mit Beinschwarz gemalt und zeichnet sich in den letzten Autoradiographien deutlich ab. Die Buchstaben „ndt“ und alle Ziffern der Datierung sind zusätzlich mit einer feinpigmentierten, grünlich-graubraunen Farbe übergangen. Im Bereich der „5“ ist ein etwas hellerer grünlichgrauer Farbauftrag zu sehen. Der Farbe ist Beinschwarz beigemischt, das sich in der Autoradiographie wie ein abdeckender Farbauftrag abzeichnet. Die “5“ bedeckt diesen Farbauftrag vollständig. Links des oberen Schrägstrichs ist eine Pastosität sichtbar. Hier befindet sich unter dem grünlich-grauen Farbauftrag schwarze Farbe, die sich auch in der Neutronenautoradiographie abzeichnet, wo sie sich zu einem Querstrich nach rechts fortsetzt. Die Striche der Buchstaben sind nicht miteinander verbunden, sondern einzeln gesetzt. Nachdem das „f“ mit schwarzer Farbe vollendet war, wurde es noch mit hellem und mit dunklerem Gelb sowie mit graugrüner Farbe verziert (Tafel 27). Auf der Neutronenautoradiographie ist zu erkennen, dass die ursprünglich letzte Ziffer der Jahreszahl blockartig aus mit Beinschwarz ausgemischter Farbe abgedeckt und darauf mit einer „5“ ersetzt wurde (Abb. 8). Der unter der Abdeckung erkennbare obere Querstrich spricht eindeutig für eine ursprünglich vorhandene „3“. Das Gemälde dürfte demnach zunächst mit der Jahreszahl „1643“ datiert worden sein. Diese Beobachtung passt zu der Erkenntnis, dass an dem Bild während des Malprozesses verschiedene Änderungen vorgenommen wurden, sodass man von zwei Bildvarianten sprechen kann. Demnach ging der heute sichtbaren Darstellung eine abweichende Fassung voraus, die sich in Kleidung, Haartracht, Schmuck und Haltung des alten Mannes unterschied. Auch die Gestaltung des Hintergrunds war in der ersten Bildversion wolkiger angelegt, pastos strukturierend und mit kurzen Pinselstrichen ausgeführt. Diese erste Bildanlage wurde überarbeitet und in die heute sichtbare Variante umgewandelt. Anschließend wurde der Hintergrund mit dünnflüssiger Farbe gleichmäßig übergangen und flächiger gestaltet. In einem letzten Schritt wurde die Signatur des Bildes überarbeitet. Die Datierung der ersten Bildvariante in das 36 Rembrandt, Alter Mann mit Bart und Barett, Öl auf Leinwand, 112,4 × 84 cm, 1645, Gemäldegalerie SMB. Die aktuellen Untersuchungen zu dem Gemälde bestätigen die Zuschreibung Ernst van de Weterings an Rembrandt. Zur Analyse des Bildes s. ausführlich The Rembrandt Database: www.rembrandtdatabase.org, (abgerufen am 29. 8. 2021)
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Jahr 1643 ist sehr überzeugend, da sich hierfür verschiedene motivische und maltechnische Bezüge zu Rembrandts Arbeiten dieser Zeit finden lassen. Da die Signatur korrigiert und das Gemälde zweimal datiert wurde, ist davon auszugehen, dass die erste Bildvariante 1643 tatsächlich vollständig fertiggestellt war, bevor spätestens 1645 nochmals Änderungen vorgenommen wurden. Die Signatur ist, anders als von Gerson angenommen,37 als original anzusehen und belegt eine Entstehung zumindest in Rembrandts Werkstatt. Höchstwahrscheinlich stammt sie sogar von Rembrandts eigener Hand. Hierfür spricht u. a. die besondere Ausschmückung der Bezeichnung, wie sie sich auch bei anderen, hier bereits aufgeführten Fällen findet. Zudem ist die an der Signatur sichtbare Korrektur der Jahreszahl überzeugend den zwei verschiedenen Bildvarianten, die hier vorliegen, zuzuordnen und damit als authentisch anzuerkennen. Das kleine Bild Die Frau des Tobias mit der Ziege38 ist rechts unten auf der Seitenfläche eines niedrigen Podestes, auf dem das Bett steht, signiert: „Rembrandt f. 1645“. Die Signatur scheint nicht nachgezeichnet worden zu sein, es sind jedoch Reste einer in diesem Bereich flächig aufgetragenen, braunen Lasur festzustellen. Bei der letzten Ziffer handelt es sich um eine „5“, wie der gerade nach unten laufende Strich mit dem scharf nach oben gezogenen Bogen zeigt und wie der Vergleich mit der vorangehenden „6“ eindeutig belegt. Bereits Waagen publiziert im Berliner Verzeichnis von 1830 die Signatur als „Rembrandt. f. 1645“, wie sie auch im Berliner Inventar von 1833 vermerkt ist.39 Im Verzeichnis von 1883 wurde das Faksimile der Signatur schließlich mit der vollständigen Datierung abgedruckt. Diese sehr kleine, auf eine begrenzte Fläche zugeschnittene Signatur stimmt in Form und Anordnung mit Bezeichnungen Rembrandts aus den vierziger Jahren durchaus überein. Insbesondere im Vergleich mit der etwa gleich großen, in Kreide ausgeführten Bezeichnung auf der Skizze zum Porträt des Mennonitenpredigers Anslo lassen sich deut liche Übereinstimmungen feststellen.40 Ungewöhnlich sind der offene obere Bogen und der gerade verlaufende Querstrich vom „f“. Der Ort der Anbringung entspricht dagegen Rembrandts Vorgehensweise. Auf einem zweiten, parallel zu Die Frau des Tobias mit der Ziege entstandenen Bildchen, Josephs Traum41, ist die Signatur in dunkelgrau ohne erkennbare, fremde Zutat unten rechts auf einem am Boden liegenden Brett angebracht: „Rembrandt f. 164[.]“. Von der ursprünglichen Bezeichnung ist heute ausschließlich der Name ganz zu erkennen, von der Jahreszahl ist nur noch die „6“ deutlich zu lesen. 1830 publiziert Waagen im Berliner Verzeichnis die Signatur noch vollständig mit „Rembrandt. f. 1645“, wie sie auch im Berliner 37 Horst Gerson, Rembrandt Paintings, Amsterdam: Meulenhoff, 1968, S. 498. 38 Rembrandt und Werkstatt (?), Die Frau des Tobias mit der Ziege, Öl auf Holz, 21 × 28,1 cm, Gemäldegalerie SMB. 39 Gustav F. Waagen, Verzeichniss der Gemälde-Sammlung des Königlichen Museums zu Berlin, Berlin: Gedruckt in der Druckerei der Königlichen Akademie der Wissenschaften, 1830, S. 203, Nr. 302. 40 Rembrandt, Porträt des Cornelis Claesz. Anslo, signiert und datiert, Rote Kreide, weiß gehöht, 157 × 144 mm, 1640, London British Museum. 41 Rembrandt und Werkstatt (?), Josephs Traum, Öl auf Holz, 20,7 × 27,7 cm, Gemäldegalerie SMB.
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Inventar von 1833 notiert wurde. Im Verzeichnis von 1883 wurde die Signatur schließlich als Faksimile abgedruckt. Bereits zu diesem Zeitpunkt dürfte die Bezeichnung jedoch nicht mehr problemlos zu lesen gewesen sein.42 Ebenso wie bei Die Frau des Tobias mit der Ziege ist auch hier das „f“ atypisch ausgeführt. Merkwürdig ist auch die Schreibweise der „5“, die eigenartig rund gestaltet ist, ohne den typischen gerade nach unten laufenden Strich mit scharf nach oben gezogenem Bogen. Beide Signaturen weisen insgesamt jedoch große Übereinstimmungen auf, weshalb anzunehmen ist, dass sie von ein und derselben Hand ausgeführt wurden. Diese Tatsache zusammen mit der Erkenntnis, dass beide Täfelchen aus ein und demselben Brett Tropenholz stammen, das halbiert und zu zwei fast identischen Malbrettern verarbeitet wurde,43 macht es wahrscheinlich, dass beide Gemälde etwa zeitgleich entstanden. Damit ist auch davon auszugehen, dass das ursprüngliche D atum, wie bereits unter Waagen dokumentiert, als „1645“ gelesen werden muss. Das Gemälde Susanna und die beiden Alten44 zählt zu den herausragenden und in seiner Bildgenese spannendsten Werken des Künstlers in Berlin. Das Bild ist unten rechts auf der Stufe wie folgt signiert: „Rembrandt.f. [1]647“. Oberhalb des Datums befindet sich eine schmale schwarze Linie. Die Signatur ist in Schwarz auf das kühle, helle Grau der Steinstufe gemalt. Auf die schwarze Farbe wurden Lichteffekte in Gelb in die Rundung der Buchstaben „b“ und „d“, entlang der Linien für das „R“, das „m“, das „n“ und das „f“ gesetzt. Die dünne, grünlichbraune Abtönung des Steins bedeckt teilweise den schwarzen und gelben Farbauftrag. Die erste Ziffer der Jahreszahl erscheint weiß. Bei dem weißlichen Auftrag könnte es sich um eine Krepierung handeln, Reste schwarzer Farbe sind nicht zu beobachten. Entlang der Linie für die „6“ befinden sich Lichteffekte in hellgrauer Farbe. Weder in der „4“ noch in der „7“ wurden Änderungen vorgenommen. Die Signatur zeichnet sich deutlich in der fünften Autoradiographie ab, da sie mit Beinschwarz ausgeführt wurde. Für die Verwirklichung des Werkes bedurfte es insgesamt dreier Anläufe. So ist es heute möglich, die drei im Laufe der Zeit entstandenen Versionen von Rembrandts Hand zu rekonstruieren und damit die Entwicklung des Bildes bis in Details hinein nachzuvollziehen.45 Der langwierige, sich insgesamt wahrscheinlich über mehr als 12 Jahre hinziehende Malprozess, fand 1647 seinen Abschluss. Erst zu diesem Zeitpunkt signierte Rembrandt das Werk. Dies lässt darauf schließen, dass er keine der vorangegangenen Versionen als tatsächlich abgeschlossen oder verkaufsfähig einschätzte. Die von Rembrandt angebrachte Signatur ist in ihrer Formgebung und der Ausprägung der Einzelmerkmale als vertrauenswürdig und authentisch einzuschätzen. Die hier vorliegende, zusätzliche Verzierung einzelner Buchstaben sowie der Ort der Anbringung sprechen ebenfalls für eine 42 Vosmaer vermerkt 1868, das Datum der Signatur sei nicht mehr lesbar. Carel Vosmaer, Rembrandt Harmens van Rijn. Sa vie et ses oevres, Den Haag: Nijhoff, 1868, S. 198, 469. 43 S. ausführlich in: The Rembrandt Database: www.rembrandtdatabase.org, (abgerufen am 29. 8. 2021). 44 Rembrandt, Susanna und die beiden Alten, Öl auf Holz, 76,6 × 92,7 cm, 1647, Gemäldegalerie SMB. 45 Vgl. dazu Holm Bevers, Katja Kleinert Claudia Laurenze-Landsberg, Rembrandts Berliner Susanna und die beiden Alten. Die Schaffung eines Meisterwerks (Kat. d. Ausst. Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett und Gemäldegalerie), Leipzig: E. A. Seemann Verlag, 2015. S. auch: The Rembrandt Database: www.rembrandtdatabase.org, (abgerufen am 29. 8. 2021).
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eigenhändige Signatur Rembrandts. Wie die neuesten Untersuchungen des Gemäldes zeigen, nahm der englische Maler Sir Joshua Reynolds über hundert Jahre später nochmals umfangreiche Überarbeitungen an dem Bild vor, als sich dieses von 1769 – 1792 in seinem Besitz befand.46 Obgleich Reynolds einzelne Bereiche vollständig übermalte und neugestaltete, beließ er die Signatur weitgehend unangetastet. Er legte über diese Partie nur teilweise eine dünne, grünlichbraune Abtönung und zog in dieser Farbe auch die Linien der „4“ und der „7“ nach. Das späteste datierte Werk von Rembrandts Hand in der Gemäldegalerie, Moses zerschmettert die Gesetzestafeln47, stammt aus dem Jahr 1659. Die Signatur befindet sich in der rechten unteren Ecke und wurde mit breitem Borstenpinsel in schwarzer Farbe (mit einer Beimischung von Beinschwarz) auf die verschiedenen grünen und gelben Farben des Felsens aufgetragen: „R e m b r a n d t· f ·1659“. Die Zeichen entstanden ohne den Pinsel abzusetzen. Als die schwarze Farbe noch flexibel war, wurde der Bereich mit der Signatur nochmals dünn mit Grün übergangen. Dabei entstanden marmorierte Strukturen. Zwischen das „m“ und das „b“ wurde in die noch weiche Farbe ein gelber Akzent gesetzt. Die Bezeichnung wurde 1770 auf einem Reproduktionsstich von Andreas Ludwig Krüger an der originalen Stelle auf dem Felsen wiedergegeben und als Faksimile in das Verzeichnis von 1883 aufgenommen.48 Auftrag, Form und die Gestaltung der Einzelmerkmale der Schrift sind als authentisch einzuschätzen. Für einen eigenhändigen Auftrag Rembrandts spricht auch die zusätzliche, marmorierende Ausschmückung der Bezeichnung.
2. Überlieferte Signaturen, die heute nicht oder kaum noch erkennbar sind In zwei Fällen sind eine Signatur oder Reste einer solchen überliefert, die heute jedoch nicht mehr existieren oder nachvollziehbar sind. Dies gilt für Minerva,49 bei der man nach der Restaurierung von 1879 meinte, ganz rechts in der Mitte Reste eines Monogramms erkennen zu können.50 Das zu diesem Zeitpunkt noch sichtbare „R“ wurde sowohl als Faksimile im Verzeichnis von 1883 aufgenommen, als auch in einer Zinkographie nach dem Gemälde wiedergegeben.51 Heute lassen sich mit dem Mikroskop jedoch keinerlei Hin46 S. Bevers, Kleinert, Laurenze-Landsberg 2015 (wie Anm. 45), S. 61 – 73. 47 Rembrandt, Moses zerschmettert die Gesetzestafeln, Öl auf Leinwand, 168 × 136,5 cm, 1659, Gemäldegalerie SMB. 48 Kupferstich von Andreas Ludwig Krüger nach Rembrandt, Moses zerschmettert die Gesetzestafeln, 32,2 × 24 cm (mit Plattenrand), Kupferstichkabinett SMB. 49 Rembrandt, Minerva, Öl auf Holz, 60,5 × 49 cm, um 1631, Gemäldegalerie SMB. 50 „Bei der Reinigung des Bildes zeigte sich unter einer alten Retouche auch der Rest der Bezeichnung, ein R, welches muthmaßlich früher das bekannte Monogramm bildete.“ Bode 1881 (wie Anm. 8), S. 65; vgl. auch Berlin 1880, S. XX.: „Ganz rechts in der Mitte des Bildes bez. R (einige noch zur Bezeichnung gehörenden[sic!] Striche scheinen zerstört).“ 51 Zinkographie nach einer Zeichnung von Wolfgang Böhm, publiziert in: Bode 1881 (wie Anm. 8), S. 65. Wolfgang Böhm restaurierte 1879 das Bild und fertigte in diesem Zusammenhang eine Zeichnung an. Diese stellt die erste graphische Reproduktion des Gemäldes dar und diente als Vorlage für eine Abbildung in Bodes Artikel zum Frühwerk Rembrandts.
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weise auf eine Signatur im erwähnten Bereich finden. So sind braune lineare Strukturen zu erkennen, die man als großes „R“ deuten könnte. Es sind jedoch mit groben Pigmenten gemalte Linien, bei denen es sich eindeutig um eine spätere Zutat handelt, für die es keine maltechnische Begründung gibt. Für den zweiten Fall, das Gemälde Halbfigur einer Frau mit Barett,52 wird erstmals in dem von Waagen erstellten Verzeichnis 1830 die rechts über der Schulter der Frau sitzende Signatur erwähnt: „Rembrandt f. 1643“.53 1883 wird das Faksimile der Bezeichnung in das Verzeichnis der Gemäldegalerie aufgenommen.54Auch auf der Radierung von William Unger nach dem Bild ist die Signatur gut sichtbar wiedergegeben.55 Heute sind nur Reste dieser ehemals gut leserlichen Bezeichnung vorhanden, die jedoch kein Schriftbild mehr erkennen lassen. Die Signatur ist mit schwarzer Farbe auf den Hintergrund gemalt. Beide Farbschichten haben das gleiche Sprungnetz und sind daher höchstwahrscheinlich zeitgleich entstanden. Durch eine mehrfache Regenerierung des Bildes ist die Hintergrundfarbe jedoch stark gequollen, sodass Signatur und Hintergrund sich auf einer Ebene zu befinden scheinen. Zudem ist der bedeckende Firnis stark getrübt, wodurch eine genauere Aussage kaum möglich ist. Unterhalb der Signatur befinden sich weitere Zeichen, die ursprünglich wohl das Datum zeigten. Eine Jahreszahl ist jedoch nicht mehr zu entziffern.
3. Gefälschte oder manipulierte Signaturen Das Gemälde Joseph und die Frau des Potiphar56 (Abb. 9) weist zwei Signaturen auf, die in einem gewissen zeitlichen Abstand nacheinander aufgetragen worden sein müssen.57 Eine erste, heute jedoch nicht mehr sichtbare Signatur wurde mit Beinschwarz im Bereich des Bettpfostens unterhalb von Josephs erhobenem Arm aufgebracht: „Rembrandt f. 1655“. Sie befindet sich auf der Malschichtebene, auf die auch die Figur des Joseph gemalt ist und zeichnet sich deutlich auf der letzten Neutronenautoradiographie ab.58 Die Signatur 52 Rembrandt-Werkstatt, Halbfigur einer Frau mit Barett (ehemals als Saskia identifiziert), Öl auf Leinwand, 4,4 × 60,3 cm, 1643, Gemäldegalerie SMB. 53 Waagen 1830 (wie Anm. 39), S. 202, Nr. II/298. 54 Julius Meyer, Wilhelm Bode, Königliche Museen. Gemälde-Galerie. Beschreibendes Verzeichnis der während des Umbaus ausgestellten Gemälde, Berlin: Berg & v. Holten 1883 (erweiterte und überarbeitete 2. Aufl. des Verzeichnisses von 1878), S. 364 – 365. 55 Radierung von William Unger, 21 × 27 cm, publiziert in: Wilhelm Bode, Adolph Goldschmidt, Die Gemälde-Galerie der Königlichen Museen zu Berlin, 4 Bde., Berlin: Grote, 1899 – 1909, Bd. 4, S. 34, Tafel zwischen zwei Textseiten. 56 Rembrandt, Joseph und die Frau des Potiphar, Öl auf Leinwand, 114 × 90,6 cm, 1655, Gemäldegalerie SMB. 57 Vgl. auch Katja Kleinert, Claudia Laurenze-Landsberg, Three Examples of Far-reaching alterations to Rembrandt works in the Berlin Gemäldegalerie, in: Esther Van Duijn, Petria Noble (Hrsg.), Rembrandt Conservation Histories, London: Archetype Publications, 2021, S. 92-103, hier: 97-99. 58 Damit ist sie der Darstellung von Joseph und die Frau des Potiphar zuzuordnen und nicht der darunterliegenden, übermalten Darstellung eines alten Mannes. S. ausführlich zur maltechnischen Untersuchung des Gemäldes in: The Rembrandt Database: www.rembrandtdatabase.org, (abgerufen am 29. 8. 2021).
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9 Rembrandt, Joseph und die Frau des Potiphar, Öl auf Leinwand, 114 × 90,6 cm, 1655, Berlin, Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie
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wurde dann jedoch mit dem lockeren Farbauftrag, mit dem auch der breite Fuß des Bettpfostens gestaltet wurde, übermalt und ist heute mit dem bloßen Auge nur partiell zu erkennen. Vermutlich erst eine gewisse Zeit nach Vollendung des Gemäldes wurde rechts unterhalb des erhobenen Fußes der Frau des Potiphar eine zweite, heute noch sichtbare Signatur angebracht: „Rembran[..] f: 1655“ (Tafel 28). Die Bezeichnung ist nur bei sehr heller Beleuchtung zu erkennen und befindet sich an einer reichlich merkwürdigen Stelle: dem fast schwarzen Schatten des Fußes der Frau des Potiphar. Der dunkelgrau erscheinende Farbauftrag hat hier mit der tieferliegenden Malschicht und dem Firnis ein gemeinsames Sprungnetz gebildet. Partiell ist jedoch die dunkelgraue Farbe abgeplatzt. Sie hat demnach eine geringe Haftung zum Untergrund. Es ist daher anzunehmen, dass die Signatur nicht unmittelbar nach Vollendung des Bildes, sondern erst zu einem späteren, nicht bekannten Zeitpunkt aufgesetzt wurde. Auf der dunkelgrau erscheinenden Signatur befinden sich Reste eines schwarzen Farbauftrags, mit dem die Bezeichnung möglicherweise nachge zogen wurde. Der Vergleich der beiden Signaturen macht deutlich, wie genau sie sich entsprechen: Beide Bezeichnungen sind exakt gleichgroß, in beiden Fällen ist die Datierung unter den Namen gesetzt und die Anordnung und Durchgestaltung der Buchstaben und der Ziffern identisch. Diese Beobachtung lässt vermuten, dass die erste Signatur kopiert und in den rechten unteren Bildbereich übertragen wurde, bevor man sie mit dem breiten Bettpfosten übermalte. Eigenartig ist der für die zweite Signatur gewählte Ort: Die mit schwarzer Farbe in den dunklen Schatten kopierte Bezeichnung ist hier nur schwer lesbar. Diese ungewöhnliche Platzierung erweckt den Eindruck, als sollte die Bezeichnung, obschon anwesend, möglichst wenig auffallen. Es stellt sich daher die Frage, weshalb die ursprüngliche Signatur überhaupt erst übermalt und ersetzt wurde. Wie wir wissen, wurde das Bild um 1822 einer Restaurierung unterzogen, bei der man es reinigte und neu aufzog.59 Die maltechnischen Untersuchungen belegen, dass das Gemälde zudem zu einem unbekannten, länger zurückliegenden Zeitpunkt stark gereinigt, in einigen Bereichen sogar deutlich berieben und so stark verputzt wurde, dass große Partien neu gemalt werden mussten. Das u. a. hier verwendete Pigment Berliner Blau lässt auf eine Übermalung des 19. Jahrhunderts schließen − möglicherweise um 1822. Auch der Bereich des Bettpfostens wurde überarbeitet. Zuvor scheint man jedoch die Signatur „gerettet“ und übertragen zu haben60 −
59 Einem Londoner Zeitungsbericht zufolge entdeckte Sir Thomas Lawrence das Bild auf einer Auktion zwischen „a great mass of other rubbish and interior productions“ und versuchte, das Gemälde zu erwerben. Dabei wurde er jedoch von einem Kunsthändler überboten, welcher das Bild für den Betrag von etwa 200 Guineen kaufte, es anschließend reinigen und aufziehen ließ, bevor er es Lawrence für 700 Guineen anbot. Anonym, Intelligence relative to the Fine Arts, in: The European Magazine and London Review 82 (1822), S. 469 – 470, hier S. 469. Vgl. hierzu auch Smith 1829 – 1842 (wie Anm. 17), Bd. 7, S. 8, Nr. 20. 60 Ein vergleichbarer Vorgang des Kopierens einer Signatur wurde für das Bild Porträt eines stehenden Herrn in ganzer Figur in Kassel vermutet. Corpus (wie Anm. 7), Bd. 3 (1635 – 1642), A 129.
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bezeichnenderweise an eine Stelle im Bild, die es erschwerte, sie als nachträgliche Kopie und Fälschung zu identifizieren. Die Signatur von Christus und die Samariterin61 befindet sich dicht am rechten Bildrand in der unteren Ecke des Gemäldes: „Rembran[ ] f [ ] 65[?]“. Die Zeichen sind mit schmalem Pinsel gemalt. In der Farbe für den Namen ist kaum Beinschwarz enthalten. Nur das „n“ ist schwach auf der letzten Autoradiographie zu erkennen. Die Ziffern enthalten mehr Beinschwarz. Hier zeichnet sich deutlich „65“ ab. Die Ziffer nach der „5“ ist sehr schwach zu sehen und nicht eindeutig zu identifizieren. Das „R“ ist fast vollständig mit einer grünlichen, nicht transparenten Schicht bedeckt, die ein kleinteiliges Sprungnetz zeigt, zudem weist der linke Bereich viele kleine Fehlstellen auf. Der obere Bogen des „R“ scheint nicht weiter nach links zu führen. Auch am unteren Bogen ist keine Fortsetzung nach links zu erkennen. In der Mitte des „R“ ist der Farbauftrag dicker und es könnte ein geschlungener Bogen vorliegen. Das „n“ ist nur noch zur Hälfte erhalten. Die letzten beiden Buchstaben „dt“ fehlen vollständig. Das „f“ ist groß und schwungvoll aufgetragen. Das Faksimile des Berliner Katalogs gibt die Signatur leider nicht ganz akkurat wieder.62 Das hier groß geschriebene „N“ ist tatsächlich als „n“ zu lesen, was der Schreibweise von Rembrandt entsprechen würde. Insgesamt muss die Ausführung des Namens jedoch als kaum vertrauenswürdig bezeichnet werden; zu weit stehen die einzelnen Buchstaben unverbunden auseinander und zu gestückelt und wenig spontan erscheint der Auftrag. Auch der sonst so charakteristische nach hinten durchgezogene Bogen des „R“ findet sich hier nicht. Glaubwürdiger erscheint dagegen das schwungvoll geschriebene „f“ mit spitz ansetzendem Querstrich sowie die Datierung. Hier ist die vorderste Ziffer „1“ nicht mehr vorhanden. Die letzte Ziffer ist schwierig zu identifizieren und wurde bisher als „5“63, „8“64 oder „9“65 gelesen. Für eine „8“ würde die seitliche Einbuchtung rechts sprechen. Leider ist der untere Bereich der letzten Ziffer kaum zu erkennen, da er mit einer grünlichen Schicht mit kleinteiligem Sprungnetz bedeckt ist. Jedoch ist die Malschicht in diesem Bereich bogenförmig erhoben, weshalb man davon ausgehen kann, dass die letzte Ziffer auch mit einer unteren Schlaufe gestaltet war und somit eine „8“ dargestellt haben dürfte. Als problematisch erweist sich jedoch die Tatsache, dass dies der Schreibweise in den Niederlanden des 17. Jahrhunderts widerspricht. Hier begann man die „8“ in der Mitte und dann nach unten abwärts führend zu schreiben, sodass der obere Bogen durchgezogen war und 61 Rembrandt, Christus und die Samariterin, Öl auf Leinwand, 48 × 41,1 cm, 1655 – 1658, Gemäldegalerie SMB. 62 Berlin 1912 (wie Anm. 8), S. 347. 63 Berliner Verzeichnisse ab 1911 bis 1975. Abraham Bredius, Rembrandt Gemälde, Wien: Phaidon, 1935, Nr. 588. 64 Corpus (wie Anm. 7), Bd. 5 (Small-Scale History Paintings), V 25. 65 Charles Sedelmeyer, Illustrated catalogue of 300 paintings by old masters of the Dutch, Flemish, Italian, French and English schools, being some of the principal pictures which have at various time formed part of the Sedelmeyer Gallery, Paris: Sedelmeyer Gallery, 1898, S. 170; Wilhelm Bode, Cornelis Hofstede de Groot, L’oeuvre complet de Rembrandt. Reproduction par l’héliogravure de tous les tableaux du maître, accompagnée de leur historie, de leur description et d’une étude biographique et critique, 8 Bde., Paris: Charles Sedelmeyer, 1897 – 1906, Bd. 6, S. 50, Nr. 408.
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die Linie in der Mitte der Ziffer endete. Im Gegensatz dazu befindet sich bei der oben genannten „8“ der Ansatz des Pinsels an der oberen Rundung, was für eine abweichende, bspw. heute noch in Deutschland übliche Schreibweise spricht. Da der Farbauftrag sich hier zudem schwarz abhebt, liegt der Verdacht nahe, dass die letzten Ziffern zu einem nicht bekannten Zeitpunkt nachgezogen wurden. Möglicherweise geschah dies nach dem Ankauf des Werkes aus der Sammlung Rudolf Kann 1908. Wilhelm Bode zufolge trug das Gemälde entgegen der bis dahin geltenden Annahme die Datierung „1655“, eine Entdeckung, die er in mehreren Publikationen betonte.66 Vermutlich war bereits beim Ankauf der rechte untere Bereich des Bildes schwer lesbar, was auch die Unstimmigkeiten des Faksimiles erklären würde. Die dunklen Bereiche sind heute berieben und teilweise mit schwarzer Farbe übergangen. Möglicherweise hatte man das Werk nach dem Erwerb gereinigt, einige Partien dunkel ausgebessert und die letzten beiden Ziffern der Datierung („55“) dem neuesten Kenntnisstand entsprechend nachgezogen. Ein sehr interessanter Fall liegt auch bei dem Gemälde Jacob ringt mit dem Engel67 (Abb. 10) vor, das rechts unten bezeichnet wurde.68 Eine deutlich sichtbare Signatur befindet sich auf einem eingesetzten Stück Leinwand und wurde aus einem nicht mehr existierenden Bereich des Bildes ausgeschnitten. Diese Bezeichnung mit dem vollständig ausgeführten Namen entstand vermutlich erst, als das ausgeschnittene Leinwandstück in ein kleineres Format eingefügt worden war und ist somit nicht original. Die Schreibweise ist wie folgt: „Rembrandt’f“, zwischen dem „t“ und dem „f“ befindet sich oben ein kleiner Strich (Abb. 11). Hinter dem „f“ ist kein Punkt erkennbar. Die schwarze Farbe, mit der die Signatur gemalt wurde, zeigt überwiegend ein gemeinsames Sprungnetz mit der Hintergrundfarbe. An einigen Stellen wird das Sprungnetz jedoch von der schwarzen Farbe bedeckt, was belegt, dass die Signatur später aufgebracht worden sein muss. Aufgrund des Erscheinungsbildes ist jedoch anzunehmen, dass auch sie schon vergleichsweise alt ist. Für Rembrandt ganz untypisch ist die Ligatur „dt“. Ungewöhnlich ist auch die Gestaltung des kleinen, wenig schwungvollen „f“, mit dem abgesetzten Querstrich und der sehr geraden Unterlänge. Tatsächlich befinden sich auf dem genannten Stück Leinwand jedoch insgesamt zwei Signaturen. Am unteren Rand des Leinwandstückes ist der Rest einer älteren Signatur sichtbar: ein gerundeter großer Bogen und Striche einzelner Buchstaben, die horizontal abgeschnitten und daher nur im oberen Bereich zu erkennen sind. Bei den angeschnittenen Buchstaben könnte es sich möglicherweise um Reste eines „RH“ handeln. Die schwarze Farbe dieser Reste ist gemeinsam mit der tiefer liegenden Malschicht gesprungen. Da die Malschichtsprünge frei von schwarzer Farbe sind, ist davon auszugehen, dass es sich hier66 Wilhelm Bode, Neuentdeckte Rembrandtbilder, in: Zeitschrift für Bildende Kunst NF 17 (1906), S. 10; id., Erwerbungen aus der Sammlung Rudolf Kann für die Gemäldegalerie des Kaiser-Friedrich-Museums, in: Amtliche Berichte aus den Königlichen Kunstsammlungen 29, Nr. 5 (1908), Spalte 113 – 126, hier Spalte 117. 67 Rembrandt, Jakob ringt mit dem Engel, Öl auf Leinwand, 140 × 119 cm, um 1660, Gemäldegalerie SMB. 68 Vgl. auch Kleinert, Laurenze-Landsberg 2021, (wie Anm. 57), S. 93 – 95.
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10 Rembrandt, Jakob ringt mit dem Engel, Öl auf Leinwand, 137,1 × 116 cm, um 1660, Berlin, Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie
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11 Rembrandt, Jakob ringt mit dem Engel (Detail: Signatur/Faksimile der Signatur im Verzeichnis der Gemäldegalerie von 1883)
bei um einen deutlich älteren Auftrag handelt, als bei der oben genannten Signatur. Auf der schwarzen Schrift befindet sich partiell eine grob pigmentierte gelbliche und bräunliche Farbe. Vermutlich wurden die Reste der ursprünglichen Signatur dem Hintergrund entsprechend übermalt und zu späterer Zeit wieder freigelegt. Das Gemälde erfuhr im Laufe der Zeiten mehrfach eine Formatreduzierung, in deren Prozess auch die Signaturen verschiedenen Änderungen unterlagen (Tafel 29).69 So liefern die maltechnischen Befunde mehrere Hinweise darauf, dass das Originalformat von Jakob ringt mit dem Engel ursprünglich deutlich größer war. Das Bild ist an allen vier Seiten so umfangreich beschnitten, dass an den Rändern keine Spanngirlanden mehr vorhanden sind. Zudem belegt die horizontale, durch das Gesicht Jakobs verlaufende Naht, dass das ursprüngliche Format aufgrund seiner erheblichen Größe eine Anstückung erforderlich machte. Darüber hinaus weist das ausgeschnittene und wieder eingesetzte Stück Leinwand, auf dem sich die Signatur befindet, am unteren Rand noch Spannbögen auf. Es muss sich demnach ursprünglich weiter unten, am Rand der Leinwand befunden haben. Da sich die spezifische Fadenstruktur dieses Stückes nicht mit der noch vorhandenen Leinwand in Übereinstimmung bringen lässt, muss man zudem davon ausgehen, dass sich die Signatur ursprünglich nicht nur weiter unten, sondern auch nach rechts versetzt befand. Die maltechnischen Beobachtungen werden von den Ergebnissen der Provenienzrecherche zu dem Bild bestätigt. Demnach befand sich das Werk im Besitz von namentlich nicht weiter genannten Desmoiselles de Fraula und wurde am 18. Juli 1770 in Brüssel unter der Losnummer 104 versteigert.70 Zu diesem Zeitpunkt wird das Format des Bildes mit „larg[eur] 6 pied[s] 3 pou[ce], 5 pied[s] 9 pou[ce] [vermutlich im Rahmen gemessen]“ 69 Die folgenden Formatangaben von Auktionskatalogen des 18. Jahrhunderts enthalten keine wissenschaftlich exakten Angaben. Abgesehen von der Umrechnung unterschiedlicher Maßeinheiten, wissen wir heute oftmals nicht mehr, ob die Werke im Rahmen oder ausgerahmt gemessen wurden. Nichtsdestotrotz ist es aufgrund der vorliegenden Informationen möglich, eine kontinuierliche Reduzierung des Bildformats nachzuvollziehen. 70 Versteigerung les Demoiselles de Fraula, Brüssel (Krafft), 18. Juli 1770, Nr. 104: „Un Tableau représentant Jacob & l’Ange luttant, par Rymbrant. T[oile], larg[e]. 6 pied[s] 3 pouc[es], 5 pied[s] 9 pouc[es]“ [umgerechnet etwa 173 × 160 cm]. Für 38-0 Gulden, Lugt Nr. 1856.
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angegeben, was umgerechnet eine Größe von etwa 173 × 160 cm ergibt. Dies würde der oben genannten Annahme entsprechen, dass das Originalformat ursprünglich deutlich größer gewesen sein muss. Zu diesem Zeitpunkt befand sich die ältere der beiden Signaturen, das „RH“(?), höchstwahrscheinlich noch am unteren Bildrand (vgl. Tafel 29). Spätestens 1771 dürfte sich das Bild in der Sammlung des Kaufmanns Jean Baptiste Joseph Julien Horion befunden haben, wo es Joshua Reynolds auf seiner NiederlandeReise sah und in seinen Reisenotizen erwähnte. 1788 wurde es zusammen mit der Sammlung Horion in Brüssel versteigert.71 Zu diesem Zeitpunkt weist es die Maße „H 57 pouc[e], L 66 pouc[e]” auf, was umgerechnet etwa 142,5 × 165 cm ergibt. Dies lässt den Schluss zu, dass das Bild nach 1770 vor allem in der Höhe beschnitten und die Signatur „RH“ erhalten wurde, indem man sie herausschnitt und am unteren Rand in das Bild wieder „einfügte“ (vgl. Tafel 29). Käufer auf der Auktion 1788 war Markus Lauriolle, ein etablierter Kunsthändler, der zunächst in Brüssel und später in Mainz ansässig war. Mög licherweise ist er es auch, der die ältere („RH“(?)), nicht zu diesem Spätwerk von Rembrandt passende Signatur übermalen und eine neue, vertrauenswürdigere einfügen ließ. Zu einem nicht bekannten späteren Zeitpunkt wurde das Bild schließlich nochmals sowohl in der Breite als auch in der Höhe beschnitten und erhielt so die Maße 137 × 117 cm. Spätestens 1819, im Besitz des englischen Kunstsammlers Edward Solly, dürfte das Gemälde dieses Format aufgewiesen haben.72 Vermutlich wurde nun auch die alte Signatur unwissentlich, da übermalt und nicht mehr sichtbar, beschnitten und das verbleibende Fragment umgeschlagen. Im Zuge dessen befand sich der Rest der Signatur nun auf der Kante des Spannrahmens. Nach der Erwerbung aus der Sammlung Solly wurde das Bild nachweislich in den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts bzw. nochmals 1839 restauriert. Vermutlich wurde es nun auch doubliert und die heute noch auf der Röntgenaufnahme sichtbare Umschlagkante am oberen und unteren Rand des Bildes wieder in die Bildfläche integriert, sodass das heutige Format von 140 × 119 cm entstand. Damit rückte der Rest der älteren Signatur wieder auf die Bildoberfläche. Zu einem heute unbekannten Zeitpunkt wurde das Bild schließlich gereinigt und die Reste der alten, übermalten Signatur freigelegt, weshalb sie heute wieder deutlich sichtbar sind. Die Tatsache, dass das Gemälde schon vergleichsweise früh eine erste, gefälschte Signatur („RH“ [?]) aufwies, lässt vermuten, dass das Werk ursprünglich nicht signiert war.
71 Versteigerung der Sammlung Horion, Brüssel, 1. – 2. 9. 1788, Nr. 172: „Rembrandt, Un Tableau representant l’Ange Luttant contre Jacob, sur T[oile], H 57 pouc, L 66 pouc [142,5 × 165 cm]“. In dem Auktionskatalog ist nicht angegeben, ob die Werke im Rahmen oder ausgerahmt gemessen wurden. Preis: 102 Gulden, Käufer: Loriol (Lauriolle), Lugt Nr. 4346. 72 Auf der Rückseite des Gemäldes der Inventarzettel der Sammlung Solly (aufgeleimter Papierzettel): handschriftlich mit Tinte: „N N°= 76/Pie Zoll/A. 4 – 5/L. [3] – 9“ (Größenangabe: Altitude: 4 Fuß 5 Zoll = 137,8 cm/Largeur 3 Fuß 9 Zoll = 117 cm).
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4. Zum Schluss Spätestens anhand der letztgenannten Beispiele zeigt sich, dass für die Untersuchung und Beurteilung von Signaturen erst die Kombination von sowohl kunsthistorischen als auch maltechnischen Analysen zu belastbaren Ergebnissen führt. So sehr Signaturen als Authentizitätsbeweis oder Gütesiegel funktionieren können, so muss jedoch stets auch der langen, wechselvollen Geschichte der Gemälde − einschließlich der möglichen Wertsteigerung durch manipulierte oder gefälschte Signaturen − Rechnung getragen werden.73
73 Wie gängig diese Praxis im 18. Jahrhundert gewesen zu sein scheint, belegen Ausführungen des Blumenmalers und Restaurators Pieter Joseph Thijs (1749 – 1823), der 1797 über die unerfreuliche Praxis seiner Kollegen klagt, Bilder mit falschen Signaturen zu versehen. Ernst W. Moes, Eduard van Biema, De Nationale Konst-Gallery en het Koninklijk Museum, Amsterdam: Frederik Muller & Co., 1900, S. 185.
Samuel Vitali
„IUSSU PATRIS“? PROLEGOMENA ZU FORM UND FUNK TION DER SIGNATUREN VON KÜNSTLERINNEN IN DER FRÜHEN NEUZEIT
Zwischen 1592 und 1595 malte Fede Galizia (um 1573/74 – nach 1630) das Porträt des Mailänder Jesuatengenerals Paolo Morigia (Abb. 1), das am oberen Rand mit einer prominenten Inschrift in goldenen Lettern versehen ist. Noch vor dem Namen des Porträtierten nennt sie jenen der Künstlerin und hebt dabei neben ihrem jugendlichen Alter von achtzehn Jahren ihren Status als Jungfrau sowie ihre Keuschheit hervor: fides gallicia virgo pvdiciss(ima) ætat(is) svę ann(is) xviii opvs hoc, f(ratri) pavli morigii simv lacrvm, ann(is) 7Z [sic] grati animi ergo effinxit anno 1596. Obwohl nicht nur die krude Anbringung, sondern auch eine Selbstbezeichnung als „pudicissima“ vor dem Hintergrund der rhetorischen Konventionen der frühen Neuzeit die Forschung hätten skeptisch stimmen sollen, galt die Inschrift lange Zeit zumindest dem Wortlaut nach als Signatur der Künstlerin.1 Erst Giacomo Berra entlarvte sie 1989 als eine Zutat aus der Zeit um 1670, als das Gemälde in die Sammlung der Ambrosiana gelangte.2 Die eigentliche Signatur befindet sich auf dem Papier, auf das Morigia gerade im Begriff ist zu schreiben, und ist daher für den Betrachter nur mit Mühe zu entziffern. Es handelt sich zudem nicht um eine klassische Signaturformel, sondern um ein Madrigal des mit Galizia befreundeten Gherardo Borgogni, das die Autorin des Bildes nennt und deren Kunst mit einer ganzen Reihe von Topoi aus der Panegyrik zur Bildnismalerei preist.3 Dass nur wenige Jahrzehnte nach Entstehen des Bildnisses trotz dieser zwar etwas versteckten, aber unmissverständlichen auktorialen Präsenz das Bedürfnis bestand, nicht nur den Porträtierten, sondern auch die Malerin nochmals zu benennen, ist bezeichnend für die Faszination, die das Werk einer Frau in der frühen Neuzeit auf das – vorwiegend männ1 So z. B. noch Ann Sutherland Harris, in: ead., Linda Nochlin (Hrsg.), Women Artists: 1550 – 1950 (Kat. d. Ausst.), New York: Alfred A. Knopf, 1976, S. 116, Nr. 8; Gunter Schweikhart, Boccaccios De claris mulieribus und die Selbstdarstellungen von Malerinnen im 16. Jahrhundert, in: Matthias Winner (Hrsg.), Der Künstler über sich in seinem Werk, Weinheim: VCH, Acta Humaniora, 1992, S. 113 – 136, S. 118. 2 Giacomo Berra, Alcune puntualizzazioni sulla pittrice Fede Galizia attraverso le testimonianze del letterato Gherardo Borgogni, in: Paragone 40 (1989), 469, S. 14 – 29. Zum Gemälde s. zuletzt Federico Maria Giani, in: Giovanni Agosti et al. (Hrsg.), Fede Galizia. Mirabile pittoressa (Kat. d. Ausst.), Trient: Castello del Buonconsiglio, 2021, S. 204 – 214, Nr. 26. 3 Ibid., S. 204, 213.
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1 Fede Galizia, Porträt von Paolo Morigia, Öl auf Leinwand, 88 × 79 cm, 1592 – 1595, Mailand, Pinacoteca Ambrosiana
liche – Publikum ausübte, und zugleich für den Wert, den man ihm zumaß. Die zusätzliche biographische Charakterisierung Galizias als junge, unverheiratete Frau widerspiegelt die Vorstellungen und Erwartungen, die mit dem Bild der Künstlerin verbunden waren; und diese reflektieren, wie ich im Folgenden darlegen möchte, auch die authentischen Signaturen von Frauen. Obwohl die Künstlersignatur zum einen und die künstlerische Tätigkeit von Frauen zum anderen seit den siebziger Jahren zunehmend die Aufmerksamkeit der Kunstwissenschaft auf sich gezogen haben, gab es erstaunlicherweise bisher praktisch keine Schnittmenge zwischen den beiden Themenfeldern: Zwar werden die Inschriften von Malerinnen, Bildhauerinnen, Stecherinnen und Architektinnen in ihren Werken in den einschlägigen Studien registriert und – seltener – auch kommentiert; Arbeiten, die sich spezifisch mit den Signaturen weiblicher Kunstschaffender befassen, lassen sich jedoch bis heute an den Fingern einer Hand abzählen.4 Eine Untersuchung des Themas aus einer weiteren Perspektive fehlt, und bei dieser Forschungslücke setzt die vorliegende Studie an. Ziel ist 4 Babette Bohn, Il fenomeno della firma: Elisabetta Sirani e le firme dei pittori a Bologna, in: Jadranka Bentini, Vera Fortunati (Hrsg.), Elisabetta Sirani: „pittrice eroina“ 1638 – 1665 (Kat. d. Ausst.), Bologna 2004, S. 107 – 117; Judith W. Mann, Identity signs: meanings and methods in Artemisia Gentileschi’s signatures, in: Renaissance studies 23 (2009), 1, S. 71 – 107.
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es, auf einer breiteren Datenbasis zu prüfen, inwiefern sich die Signierpraxis der Frauen von jener ihrer männlichen Kollegen unterscheidet, worin diese Differenzen bestehen und was ihre Ursachen sind. Die Untersuchung wird dadurch erschwert, dass die Signaturforschung sich im Bereich der frühen Neuzeit auf einzelne Künstler oder exemplarische Fallstudien zu besonders interessanten Inschriften konzentriert. Abgesehen von der Arbeit von Tobias Burg, deren chronologischer Endpunkt allerdings schon um 1600 liegt,5 fehlen Studien, die größere Zeiträume und geographische Gebiete abdecken und vor allem auch eine statistische Auswertung der Signaturpraxis sowie ihrer ikonischen und literarischen Form unternehmen würden. Hinzu kommt, dass die Grundlagen für eine solche systematische und quantitative Untersuchung oft unzureichend sind – und zwar gerade im Falle der Künstlerinnen: Trotz der Konjunktur der Erforschung weiblichen Kunstschaffens in den letzten Jahrzehnten existieren selbst von prominenten Malerinnen oft nur veraltete oder sogar überhaupt keine Werkverzeichnisse. Auch aufgrund dieser Schwierigkeit liegt der Schwerpunkt meiner Studie auf den italienischen Malerinnen des Cinque- und Seicento, wenn auch Vergleiche mit der Situation in anderen europäischen Ländern nicht fehlen.
1. Frequenz Eine erste Besonderheit der weiblichen Signierpraxis ist ihre hohe Frequenz. Schon Babette Bohn hat dieses „fenomeno della firma“ bei den Bologneser Malerinnen Lavinia Fontana (1552 – 1614) und Elisabetta Sirani (1638 – 1665) beobachtet: Fontana bezeichnete gut die Hälfte, Sirani sogar gegen siebzig Prozent ihrer erhaltenen Gemälde, während der Anteil signierter Werke bei ihren männlichen Kollegen aus Bologna im späten 16. und frühen 17. Jahrhundert zwischen null und 15 Prozent liegt.6 Ähnlich selten, so Bohn, signierten die Florentiner Künstler im selben Zeitraum;7 dies entspricht einem Trend, den Tobias Burg für ganz Italien – im Gegensatz etwa zu den Niederlanden – registriert hat: nämlich dass ab 1500 die Häufigkeit von Künstlersignaturen abnahm.8 Zwar weist Bohn auf die hohe Zahl bezeichneter Gemälde von Sofonisba Anguissola und Artemisia Gentileschi hin, kommt aber nach einem Blick auf Künstlerinnen wie Giovanna Garzoni und Fede Galizia zum Schluss: „non si può affermare che le donne italiane apponevano la loro firma sempre più spesso dei loro contemporanei uomini“.9 Wenn die Betonung auf dem Wort sempre liegt, ist diese Aussage zweifellos richtig. Eine systemati-
5 Tobias Burg, Die Signatur. Formen und Funktionen vom Mittelalter bis zum 17. Jahrhundert, Berlin: LIT, 2007. 6 Bohn 2004 (wie Anm. 4), bes. S. 107 f. Gemäß dem aktuellsten Werkverzeichnis von Adelina Modesti, Elisabetta Sirani „Virtuosa“. Women’s Cultural Production in Early Modern Bologna, Turnhout: Brepols, 2014, beträgt die genaue Quote 67,9 %. 7 Bohn 2004 (wie Anm. 4), S. 108. 8 Burg 2007 (wie Anm. 5), S. 285, 293 – 298, 395 – 405. 9 Bohn 2004 (wie Anm. 4), S. 108.
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schere Untersuchung der Signierpraxis von Künstlerinnen in der frühen Neuzeit zeigt jedoch, dass das spezifisch weibliche fenomeno della firma nicht nur über Bologna, sondern auch über Italien hinausgeht. Zwar wissen wir von verschiedenen Künstlerinnen, von denen gar kein signiertes Werk erhalten ist; und umgekehrt gab es auch im späteren Cinquecento Männer, die ihre Arbeiten sehr oft mit ihrem Namen versahen.10 Dennoch ist die Tendenz, dass Frauen häufiger signierten, zumindest bis ins 17. Jahrhundert hinein zu beobachten. Die früheste unumstrittene Signatur einer Künstlerin der frühen Neuzeit – und die erste in der Tafelmalerei überhaupt – stammt, soweit ich sehe, von Mechteld van Lichtenberg (um 1520 – 1598) aus Utrecht.11 Sie bezeichnete 1546 eine Pietà und rund ein Vierteljahrhundert später zwei weitere Gemälde, eine Anbetung der Hirten (1572) und ein Letztes Abendmahl (1574); ein weiteres Abendmahl kann der Künstlerin aus stilistischen Gründen zugeschrieben werden.12 Wir hätten hier also gar einen Anteil von 75 Prozent signierten Werken – wenn es denn zulässig wäre, aus einer so kleinen Datenmenge eine Statistik abzuleiten. Dennoch ist der Fall von Mechteld van Lichtenberg interessant, denn in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts war das Signieren in den nördlichen Niederlanden im Allgemeinen und in Utrecht im Besonderen noch wenig gebräuchlich; ihr mutmaßlicher Lehrer Jan van Scorel etwa bezeichnete nur rund drei Prozent seiner Werke.13 Etwas breiter ist die statistische Basis bei der Antwerpener Malerin Catharina van Hemessen (1527/28–nach 1567). Aus der kurzen Zeitspanne zwischen 1548 und 1555 sind gleich 13 signierte Gemälde erhalten; weil wenig Einigkeit über die Grenzen ihres Œuvres besteht, ist schwer abzuschätzen, wie groß der Anteil an namentlich bezeichneten Werken ist.14 Doch allein die beträchtliche Zahl von Signaturen aus einem Zeitraum von nur sieben Jahren ist ein Indiz dafür, dass er relativ hoch gewesen sein muss, selbst für die
10 Ein Beispiel ist Alessandro Allori, der rund 43 % seines malerischen Œuvres signiert hat (75 der 173 Gemälde im Katalog von Simona Lecchini Giovannoni, Alessandro Allori, Torino: Allemandi, 1991); vgl. dazu jüngst Helen Barr, Vielstimmigkeit. Alessandro Alloris Nachrichten aus dem Florentiner Cinquecento, in: ead. et al. (Hrsg.), Vom Wort zur Kunst. Künstlerzeugnisse vom frühen Mittelalter bis zur Gegenwart, Emsdetten/Berlin: Edition Imorde, 2020, S. 66 – 88, bes. S. 77 – 80. 11 Zu den in der älteren Literatur als Signaturen angesehenen Inschriften, die die Äbtissin Andriola de Barrachis (1489) bzw. eine svor barbara ragnioni nennen, s. Marco Tanzi, in: Mina Gregori (Hrsg.), Pittura a Pavia dal Romanico al Settecento, Mailand: CARIPLO, 1988, S. 77, 210 f., 213, sowie Pietro Torriti, La Pinacoteca Nazionale di Siena. I dipinti, Genua: Sagep Editrice, 1990, S. 355, Nr. 299. 12 Zur Pietà s. Liesbeth M. Helmus, in: ead., Molly Faries (Hrsg.), Catalogue of paintings 1363 – 1600. Centraal Museum Utrecht, Utrecht: Centraal Museum, 2011, S. 84 – 90, Nr. 4; zur Biographie der Künstlerin und ihren übrigen Werken ibid., S. 83 (mit weiterer Literatur). 13 Burg 2007 (wie Anm. 5), S. 403 – 405. 14 Der Katalog von Karolien De Clippel, Catharina van Hemessen (1528–na 1567): een monografische studie over een „uytnemende wel geschickte vrouwe in de conste der schilderyen“, Brüssel: KVAB Paleis der Academiën, 2004, listet neben den 13 signierten Bildern fünf sichere und acht fragliche Zuschreibungen auf; der Signaturenanteil würde also bei 50 % liegen. Marguerite Droz-Emmert, Catharina van Hemessen: Malerin der Renaissance, Basel: Schwabe, 2004, verzeichnet dagegen 14 Signaturen sowie nicht weniger als 49 Zuschreibungen und Werke aus dem Umkreis, jedoch ohne diese kritisch zu sichten.
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Verhältnisse in Antwerpen, wo die Signaturdichte früher zunahm als in den übrigen Niederlanden.15 Besser unterrichtet sind wir über Leben und Werk von Sofonisba Anguissola (um 1535 – 1625) aus Cremona, welche als erste italienische Malerin ihre Bilder signierte. Von ihr sind 20 Gemälde mit mutmaßlich authentischen Signaturen erhalten oder zumindest fotografisch dokumentiert.16 In ihrem Fall ist jedoch ebenfalls nicht leicht zu beurteilen, welchen Anteil diese am Gesamtwerk ausmachen, da dessen Konturen in den letzten Jahren durch Dutzende von meist wenig plausiblen Zuschreibungen nebulös geworden sind.17 Einer realistischen Schätzung zufolge dürfte ihr bekanntes Œuvre aktuell kaum mehr als 50 Gemälde zählen;18 die Signaturenquote wäre also bei gegen 40 Prozent zu veranschlagen. Auch von Sofonisbas jüngeren Schwestern Lucia (um 1540 – 1565), Europa (um 1545 – 1578) und Anna Maria (* um 1555) sind insgesamt acht Signaturen erhalten oder überliefert;19 über ihr übriges Schaffen wissen wir jedoch nur wenig. Etwas präzisere Aussagen sind über Artemisia Gentileschi (1593–nach 1654) möglich: Von ihr sind 23 signierte Gemälde bekannt,20 die über 40 Prozent ihres gesamten Œuvres ausmachen.21 Das ist umso bemerkenswerter, als Artemisia in einem sehr viel ‚signaturfeindlicheren‘ Kontext als die Anguissola-Schwestern aufwuchs. Ähnlich wie in 15 Burg 2007 (wie Anm. 5), S. 399 f. 16 Ich zähle dazu Nr. 1 – 5, 7, 9 – 16, 18, 30, 32, 33, 55, 57 im Werkverzeichnis von Michael W. Cole, Sofonisba’s Lesson. A Renaissance Artist and Her Work, Princeton/Oxford: Princeton University Press, 2019 (Cole selber akzeptiert nur “around ten” davon als sicher authentisch; ibid., S. 10), sowie die Mystische Vermählung der hl. Katharina, in: Leticia Ruiz Gómez (Hrsg.), A Tale of Two Women Painters. Sofonisba Anguissola and Lavinia Fontana (Kat. d. Ausst.), Madrid: Museo Nacional del Prado, 2019, S. 198, Nr. 49. 17 Cole 2019 (wie Anm. 16), S. 12. Sein Œuvrekatalog listet nur 31 Gemälde als gesichert oder „largely accepted by specialists“ auf; dazu kommen nicht weniger als 129 Bilder, deren Zuschreibung stark umstritten, wenig plausibel oder nicht überprüfbar ist (ibid., S. 155 – 246). 18 Vgl. Leticia Ruiz Gómez, A Tale of Two Women Painters. Sofonisba Anguissola and Lavinia Fontana, in: Ruiz Gómez 2019 (wie Anm. 16), S. 15 – 37, S. 27. 19 Flavio Caroli, Sofonisba Anguissola e le sue sorelle, Mailand: Arnaldo Mondadori Editore, 1987, Nr. 32 – 34, 38, 41; Giuseppe Grasselli, Abecedario biografico dei Pittori, Scultori ed Architetti Cremonesi, Mailand: Omobono Manini, 1827, S. 20; Sofonisba Anguissola e le sue sorelle (Kat. d. Ausst.), Rom: Leonardo Arte, 1994, S. 286 f., Nr. 44; Loredana Olivato, Pittrici sorelle: un dipinto di Europa Anguissola, in: Mari Pietrogiovanna (Hrsg.), Uno sguardo verso Nord. Scritti in onore di Caterina Virdis Limentani, Padua: Il poligrafo, 2016, S. 305 – 310. 20 Mann 2009 (wie Anm. 4), S. 105 – 107, verzeichnet 19 Signaturen; für vier weitere, die seither entdeckt wurden, s. Adelina Modesti, A newly discovered late work by Artemisia Gentileschi: Susanna and the Elders of 1652, in: Sheila Barker (Hrsg.), Women Artists in Early Modern Italy. Careers, Fame, and Collectors, London/Turnhout: Harvey Miller Publishers, 2016, S. 135 – 149; Roberto Contini, Francesco Solinas (Hrsg.), Artemisia Gentileschi. Storia di una passione (Kat. d. Ausst.), Pero (Milano): 24 ORE Cultura, 2011, S. 190 f., Nr. 25; Roberto Contini, Napoli. Anni trenta, ibid., S. 96 – 107, S. 96, und 106, Anm. 3; Gianni Papi, A „David and Goliath“ by Artemisia Gentileschi Rediscovered, in: The Burlington Magazine 162 (2020), S. 188 – 195. 21 Mann 2009 (wie Anm. 4), S. 72 f., Anm. 3, schreibt der Künstlerin 48 Gemälde zu, während die älteren Werkkataloge von Mary Garrard, Artemisia Gentileschi. The Image of the Female Hero in Italian Baroque Art, Princeton: Princeton University Press, 1989, und R. Ward Bissell, Artemisia Gentileschi and the Authority of Art, Pennsylvania: Pennsylvania State University Press, 1999, 38 bzw. 50 Arbeiten verzeichnen.
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Florenz und Bologna war im Rom des frühen Seicento das Signieren nicht gebräuchlich: Orazio Gentileschi bezeichnete nur acht Gemälde, das heißt rund zehn Prozent seiner erhaltenen Produktion, und zwar hauptsächlich nach 1620, als seine Tochter längst unabhängig war;22 der Werkkatalog des Cavalier d’Arpino enthält gar weniger als fünf Prozent signierte Arbeiten.23 Es ist zwar richtig, dass Fede Galizia und Giovanna Garzoni (1600 – 1670) deutlich seltener als ihre Kolleginnen signierten, nämlich jeweils nur rund 15 bis 20 Prozent ihres Œuvres;24 dieses besteht allerdings zu einem großen Teil aus Stillleben, welche in Italien selten bezeichnet wurden. Zu den Ausnahmen unter den Spezialisten dieses Genres gehört im Übrigen neben Künstlern wie Giuseppe Recco und Evaristo Baschenis eine weitere Frau, Margherita Volò Caffi (1648 – 1710): Von den 151 Stillleben, die Gianluca Bocchi der Malerin zuschreibt, sind mindestens 31 signiert, also über 20 Prozent.25 Etwas anders präsentiert sich die Situation im 17. Jahrhundert in den Niederlanden, wo sich unter den Bedingungen des offenen Kunstmarkts das systematische Bezeichnen von Bildern ohnehin zunehmend ausbreitete.26 Eine signifikant höhere Frequenz als bei männlichen Künstlern ist am Anfang des Jahrhunderts noch bei Clara Peeters (1587? – nach 1636) zu beobachten, einer der Pionierinnen des niederländischen Stilllebens: Die 39 sig-
22 R. Ward Bissell, Orazio Gentileschi and the Poetic Tradition in Caravaggesque Painting, University Park/ London: The Pennsylvania State University Press, 1981, führt 70 „authentic works“, von denen Nr. 20, 42, 56, 57, 61, 62 und 69 signiert sind, sowie 26 „questionable attributions“ auf. Zur Signatur von Bissells Nr. 16 s. Keith Christiansen, Judith W. Mann (Hrsg.), Orazio e Artemisia Gentileschi (Kat. d. Ausst.), Mailand: Skira, 2001, S. 91 – 93, Nr. 15. 23 Herwarth Röttgen, Il Cavalier Giuseppe Cesari D’Arpino. Un grande pittore nello splendore della fama e nell’incostanza della fortuna, Roma: Ugo Bozzi Editore, 2002, verzeichnet 281 Gemälde und Fresken, von denen 14 signiert sind. 24 Flavio Caroli, Fede Galizia, Torino: Allemandi, 1989, katalogisiert 35 “opere autografe”, von denen sechs signiert sind (Nr. 1 – 3, 5, 22, 24); hinzu kommen 28 „opere attribuite“, die Caroli aber größtenteils nicht akzeptiert. Für vier seither publizierte Signaturen s.: Sam Segal, An Early Still Life by Fede Galizia, in: The Burlington Magazine, 140 (1998), S. 164 – 171; Maria Cristina Terzaghi, in: Francesco Frangi, Alessandro Morandotti (Hrsg.), Il ritratto in Lombardia. Da Moroni a Ceruti (Kat. d. Ausst.), Mailand: Skira, 2002, S. 104, Nr. 31, und S. 106, Nr. 32; Alessandro Morandotti, Inventare in famiglia. Un pezzo di bravura nella Milano di Federico Borromeo, in: Nuovi studi 11 (2004/05), S. 213 – 224. Zu Garzoni vgl. Gerardo Casale, Giovanna Garzoni. ‚Insigne miniatrice‘, 1600 – 1670, Mailand: Jandi Sapi Editori, 1991, der 86 Werke mit elf Signaturen verzeichnet (Nr. A1 – 5, 7, 8, 32, 55, 56 sowie das Herbar A86 – 136). Zu sechs weiteren signierten Arbeiten s. id. (Hrsg.), Gli incanti dell’iride. Giovanna Garzoni pittrice nel Seicento (Kat. d. Ausst.), Cinisello Balsamo: Silvana Editoriale, 1996, S. 32, Nr. 3, und S. 64 – 65, Nr. 19, sowie Sheila Barker (Hrsg.), „La grandezza dell’universo“ nell’arte di Giovanna Garzoni (Kat. d. Ausst.), Livorno: Sillabe, 2020, S. 58 f., Abb. 5, 6, S. 124 f., Nr. 3, und S. 138 f., Nr. 10. 25 Zu Caffi s. zuletzt Gianluca Bocchi, Ricerche genealogiche e indagini storico-artistiche intorno a una famiglia di pittori milanesi del XVII secolo: i Vicenzini, in: Arte lombarda n. s. 175 (2015), 3, S. 47 – 69, Abb. 18 – 21. Die Zahlen verdanke ich Gianluca Bocchi, der ein Werkverzeichnis der Künstlerin vorbereitet. 26 Ann Jensen Adams, Rembrandt f[ecit]. The Italic Signature and the Commodification of Artistic Identity, in: Thomas W. Gaehtgens (Hrsg.), Künstlerischer Austausch. Akten des XXVIII. Internationalen Kongresses für Kunstgeschichte Berlin, 15 – 20. Juli 1992, Berlin: Akademie-Verlag, 1993, Bd. 2, S. 581 – 594, bes. S. 581 f.; Burg 2007, S. 521 – 523, 527 – 533.
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nierten Gemälde, die von ihr bekannt sind, machen fast ihr gesamtes Œuvre aus.27 Auch Marija van Oosterwijck (1630 – 1693) und Rachel Ruysch (1664 – 1750) haben selbst für holländische Verhältnisse überdurchschnittlich viele Signaturen hinterlassen. Oosterwijck werden zur Zeit 20 Stillleben zugeschrieben, von denen drei Viertel (15) bezeichnet sind;28 von den gut 100 bekannten Werken Rachel Ruyschs sind gar rund 90 Prozent mit ihrem Namen versehen.29 Unter den Figurenmalern der südlichen Niederlande sticht Michaelina Wautier (1604 – 1689) hervor, die rund die Hälfte ihrer bekannten Werke signiert hat,30 während flämische Künstler mit ähnlichem Themenspektrum wie Jacob Jordaens, Jacob van Oost, Michael Sweerts oder Thomas Willeboirts Bosschaert nur auf Quoten zwischen 10 und 25 Prozent kommen.31 Die in den nördlichen Niederlanden tätige Judith Leyster (1609 – 1660) dagegen hat zwar immerhin rund 30 Prozent ihrer überlieferten Werke bezeichnet,32 doch hebt sie sich damit nicht von vergleichbaren Haarlemer Malern wie Frans Hals oder ihrem Ehemann Jan Miense Molenaer ab.33 Ähnlich ist der Befund bei Künstlerinnen des 16. und 17. Jahrhunderts in anderen europäischen Ländern. Die französische Stilllebenmalerin Louise Moillon (1609 – 1696), die spanisch-portugiesische Historienmalerin Josefa de Óbidos (1630 – 1684) oder die spanische Hofbildhauerin Luisa Roldán (1656 – 1704) bezeichneten zwar ihre Werke auffallend oft;34 doch arbeiteten sie ebenfalls in einem Kontext, in dem die Praxis des Signierens 27 Alejandro Vergara, Beschouwingen over kunst en cultuur in de schilderijen van Clara Peeters, in: De kunst van Clara Peeters (Kat. d. Ausst.), Antwerpen: Koninklijk Museum voor Schone Kunsten, 2016, S. 13 – 47, S. 14, mit Verweis auf die Datenbank des RKD (Nederlands Instituut voor Kunstgeschiedenis), welche nur sieben Zuschreibungen akzeptiert (vgl. www.rkd.nl, abgerufen am 13. 1. 2019). Zur Identität von Clara Peeters s. Jean Bastiaensen, Finding Clara: Establishing the Biographical Details of Clara Peeters (ca. 1587–after 1636), in: Boletín del Museo del Prado 34 (2016), S. 17 – 31. 28 Die Zahlen beruhen auf den vom RKD verzeichneten Werken (www.rkd.nlabgerufen am 13. 1. 2019), denen eines im Palazzo Pitti in Florenz hinzuzufügen ist (Marco Chiarini, Serena Padovani [Hrsg.], La Galleria Palatina e gli appartamenti reali di Palazzo Pitti. Catalogo dei dipinti, Firenze: Centro Di, 2003, Bd. 2, S. 276, Nr. 446). 29 Das RKD registriert 102 Werke mit 91 Signaturen (www.rkd.nl, abgerufen am 26. 9. 2019). Zu Ruysch s. zuletzt Tom van der Molen, s.v., in: Günter Meißner, Andreas Beyer (Hrsg.), Allgemeines Künstler lexikon, Bd. 100, Berlin: De Gruyter, 2018, S. 202. 30 Ben van Beneden, Proloog. Het wonder van Michaelina, in: Katlijne van der Stighelen (Hrsg.), Michaelina Wautier, 1604 – 1689. Triomf van een vergeten talent (Kat. d. Ausst.), Antwerpen: Rubenshuis, 2018, S. 9 – 12, S. 12. 31 Für Sweerts s. Rolf Kultzen, Michael Sweerts. Brussels 1618 – Goa 1664, Doornspijk: Davaco, 1996, der 118 erhaltene Gemälde aufführt, von denen 12 signiert sind. Für die übrigen Maler s. www.rkd.nl (abgerufen am 28. 9. 2019), wo für Jordaens 304 Gemälde mit 47 Signaturen, für van Oost 73 Gemälde mit 18 Signaturen, für Willeboirts Bosschaert 63 Gemälde mit 10 Signaturen registriert sind. 32 Vgl. Frima F. Hofrichter, Judith Leyster. A Woman Painter in Holland’s Golden Age, Doornspijk: Davaco, 1989, die 47 Gemälde (plus 7 „problem works“) verzeichnet, von denen 15 signiert sind, meist nur mit Monogramm. 33 Für Hals s. Seymour Slive, Frans Hals, London: Phaidon, 1970 – 1974 (222 Werke mit 72 Signaturen); für Molenaer s. www.rkd.nl (abgerufen am 27. 9. 2019; 246 Gemälde mit 142 Signaturen). 34 Für Moillon s. Dominique Alsina, Louyse Moillon (Paris, vers 1610 – 1696). La nature morte au Grand Siècle. Catalogue raisonné, Dijon: Éd. Faton, 2009, die 71 Werke (plus 6 „œuvres attribués) mit 34 Signaturen verzeichnet. Für de Óbidos s. Josefa de Óbidos e a invenção do Barroco Português (Kat. d. Ausst.), Lissabon: Museu Nacional de Arte Antiga/Imprensa Nacional–Casa da Moeda, 2015; für Roldán zu-
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verbreiteter war als in Italien, so dass sich schwer beurteilen lässt, inwieweit die Frequenz ihrer Namensnennungen signifikant ist.35 In Italien manifestiert sich der Unterschied zu den männlichen Künstlern jedoch nicht nur in der Anzahl, sondern auch in der Art der signierten Gemälde. Schon Bohn hat bemerkt, dass Lavinia Fontana im Gegensatz zu ihren männlichen Kollegen weniger ihre öffentlich sichtbaren Altarbilder als vielmehr die Gemälde für Privatsammlungen mit ihrem Namen versehen hat, also vor allem Porträts und kleinformatige religiöse und mythologische Darstellungen.36 Auffällig ist dies besonders im Falle der Bildnisse, die im Cinquecento auch von den Spezialisten des Genres nur selten signiert wurden: Giovanni Battista Moroni etwa bezeichnete 13 seiner 126 Porträts, Bartolomeo Passerotti gar nur ein einziges.37 Dagegen signierte Lavinia Fontanas rund 40 Prozent ihrer Bildnisse, Elisabetta Sirani vier der fünf bisher bekannten.38 Ein paralleles Phänomen ist die Häufung von weiblichen Selbstbildnissen: Von Sofonisba Anguissola sind rund ein Dutzend erhalten, von Lavinia Fontana und Catharina van Hemessen je drei, und auch aus der kurzen Karriere von Elisabetta Sirani existieren mindestens zwei gemalte und zwei gezeichnete Selbstporträts.39 Die auch als Gelehrte und
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letzt Catherine Hall-van den Elsen, Fuerza e intimismo: Luisa Roldán, escultora (1652 – 1706), Madrid: Consejo Superior de Investigaciones Científicas, 2018. In Frankreich waren Signaturen auf Stillleben im 17. Jahrhundert ähnlich geläufig wie in Holland; vgl. Éric Coatalem, Florence Thiéblot, La nature morte française au XVIIe siècle, Dijon: Faton, 2014. Zur Signierpraxis in Spanien s. Karin Hellwig, Künstleridentität und Signatur in Spanien im 17. Jahrhundert: Velázquez, Zurbarán, Ribera und Palominos Kommentare im „Parnaso Español Pintoresco Laureado“, in: Nicole Hegener (Hrsg.), Künstlersignaturen von der Antike bis zur Gegenwart, Petersberg: Michael Imhof Verlag, 2013, S. 316 – 339. Bohn 2004 (wie Anm. 4), S. 108. Vgl. Mina Gregori, Giovan Battista Moroni, in: I pittori bergamaschi dal XIII al XIX secolo. Il Cinquecento, Bd. 3, Bergamo: Poligrafiche Bolis 1979, S. 95 – 377, Nr. 11, 46, 60, 63, 66, 68, 81, 100, 103, 133, 153, 171, 217; Angela Ghirardi, Bartolomeo Passerotti pittore (1529 – 1592). Catalogo generale, Rimini: Luisè Editore, 1990, Nr. 4. Bohn 2004 (wie Anm. 4), S. 108; Modesti 2014 (wie Anm. 6), Nr. 15, 46, 62, 90, 132. Gemäß Siranis eigener Werkliste, die von Carlo Cesare Malvasia, Felsina pittrice. Vite de pittori bolognesi, Bologna: Erede di Domenico Barbieri, 1678, Bd. 2, S. 467 – 476, publiziert wurde, malte sie weitere acht Porträts, die bisher nicht identifiziert worden sind; der Anteil der signierten Bildnisse beträgt also mindestens 30 Prozent. Zu diesem Thema allgemein bes. Angela Ghirardi, Lavinia Fontana allo specchio. Pittrici e autoritratto nel secondo Cinquecento, in: Vera Fortunati (Hrsg.), Lavinia Fontana 1552 – 1614 (Kat. d. Ausst.), Mailand: Electa, 1994, S. 37 – 51; Catherine King, Looking a Sight: Sixteenth-Century Portraits of Woman Artists, in: Zeitschrift für Kunstgeschichte, 58 (1995), S. 381 – 406; Joanna Woods-Marsden, Renaissance Self-Portraiture. The Visual Construction of Identity and the Social Status of the Artist, New Haven: Yale University Press, 1998, S. 185 – 222; Babette Bohn, Female Self-Portraiture in Early Modern Bologna, in: Renaissance Studies, 18 (2004), S. 239 – 286. S. außerdem (trotz vielen Fehlern): Frances Borzello, Seeing Ourselves. Women’s Self-Portraits, Farnborough: Thames & Hudson, 22016 (11998); Liana De Girolami Cheney, Alicia Craig Faxon, Kathleen Lucey Russo, Self-Portraits by Women Painters, Alder shot (u. a.): Ashgate, 2000. Zu Anguissola s. bes. Mary D. Garrard, Here’s Looking at Me: Sofonisba Anguissola and the Problem of the Woman Artist, in: Renaissance Quarterly 47 (1994), S. 556 – 622; Maike Christadler, Kreativität und Geschlecht. Giorgio Vasaris “Vite” und Sofonisba Anguissolas SelbstBilder, Berlin: Reimer, 2000; zu Fontana zuletzt Maria Teresa Cantaro, Lavinia Fontana: il primo ‘Autoritratto alla spinetta’ ritrovato e una breve disamina sugli autroritratti della pittrice, in: Bollettino d’arte, 7. Serie, 99 (2014), 24, S. 99 – 110; zu Sirani Modesti 2014 (wie Anm. 6), S. 8 – 13.
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Dichterin berühmte Anna Maria van Schurman (1607 – 1678) hat nicht weniger als 14 Selbstdarstellungen in verschiedenen Medien in Original oder Kopie hinterlassen.40 Die franko-englische Kalligraphin und Miniaturmalerin Esther Inglis (1571 – 1624) hat ihre 55 Büchlein, die bis auf vier alle signiert sind, gar mit insgesamt 24 Selbstporträts versehen.41 Bei Artemisia Gentileschi ist die Identifikation der Selbstbildnisse umstritten, doch scheint die Referenz auf das eigene Bild ebenfalls das gesamte Werk zu durchziehen: Wie Judith Mann bemerkt hat, hat die Forschung in rund zwei Dritteln ihres Œuvres offene oder versteckte Selbstdarstellungen vermutet.42 Das weibliche fenomeno della firma sowie die große Zahl von Selbstbildnissen sind besonders bemerkenswert, weil eine vergleichbare auktoriale Präsenz von Frauen in der Literatur im selben Zeitraum gerade nicht anzutreffen ist – im Gegenteil. In der frühen Neuzeit wog das „stigma of print“ – die in aristokratischen Kreisen verbreitete Vorstellung, dass die Publikation literarischer Werke in gedruckter Form ein vulgärer Akt war43 – für Autorinnen besonders schwer: Da das Schweigen zu den höchsten Tugenden der Frau zählte und öffentliches Reden (und damit auch Schreiben) von Frauen mit der Prostitution assoziiert wurde, galt das Veröffentlichen ihrer Schriften als unmittelbare Bedrohung der moralischen und sozialen Integrität einer Autorin.44 Besonders nördlich der Alpen publizierten daher Frauen ihre Werke – wenn überhaupt – meist anonym, unter Pseudonym oder zumindest begleitet von „screen paratexts“, in denen männliche Herausgeber bezeugen, dass die Drucklegung gegen den Willen oder jedenfalls nicht auf Initiative der Autorin erfolgte.45 40 Katlijne van der Stighelen, Anna Maria van Schurman of „Hoe hooge dat een maeght kan in de konsten stijgen“, Leuven: Univ. Pers, 1987, S. 260 – 271, Nr. I.11.3, I.1.1.5, I.1.1.6, I.1.1.7 (Kopie), I.2.6 – 11, I.2.15, I.3.1., I.3.2., II.2.1. 41 A. H. Scott-Elliot, Elspeth Yeo, Calligraphic Manuscripts of Esther Inglis (1571 – 1624). A Catalogue, in: The Papers of the Bibliographical Society of America, 84, (1990), S. 10 – 86, S. 11 f.; die unsignierten Manuskripte sind Nr. 5, 6, 20, 34. 42 Judith W. Mann, The Myth of Artemisia as Chameleon: A New Look at the London „Allegory of Painting“, in: ead. (Hrsg.), Artemisia Gentileschi: Taking Stock, Turnhout: Brepols, 2005, S. 51 – 77, S. 52 und 74, Anm. 6. Zu den Selbstporträts von Gentileschi zuletzt Jesse Locker, Artemisia Gentileschi. The Language of Painting, New Haven, Conn.: Yale University Press, 2015, S. 125 – 160, und Letizia Treves, Artemisia Portraying Her Self, in: ead., (Hrsg.), Artemisia (Kat. d. Ausst.), London: National Gallery Company, 2020, S. 64 – 77. 43 Vgl. dazu grundlegend J. W. Saunders, The Stigma of Print: A Note on the Social Bases of Tudor Poetry, in: Essays in Criticism 1 (1951), S. 139 – 164. 44 Wendy Wall, The Imprint of Gender: Authorship and Publication in the English Renaissance, Ithaca, NY: Cornell University Press, 1993, bes. S. 180. 45 Wall 1993 (wie Anm. 45), bes. S. 181 – 184 (zur Situation in England); Elizabeh C. Goldsmith, Dena Goodman, Introduction, in: ead.. (Hrsg.), Going Public. Women and Publishing in Early Modern France, Ithaca, NY: Cornell University Press 1995, S. 1 – 9, bes. S. 6 – 8 (zu Frankreich um 1700). In Italien war das soziale Klima für Autorinnen etwas liberaler, doch auch hier waren „screen paratexts“ von Männern verbreitet: vgl. Virginia Cox, Women’s Writing in Italy, 1400 – 1650, Baltimore, Md.: Johns Hopkins University Press, 2008, bes. S. XXVI, 154 f. Zu den Bedingungen weiblichen Schreibens s. außerdem Rüdiger Schnell, Sprechen – Schreiben – Drucken (Speaking – Writing – Printing). Zur Autorschaft von Frauen im Kontext kommunikativer und medialer Bedingungen in der Frühen Neuzeit, in: Anne Bollmann (Hrsg.), Ein Platz für sich selbst. Schreibende Frauen und ihre Lebenswelten (1450 – 1700), Frankfurt a. M. (u. a.): Peter Lang, 2011, S. 3 – 41, bes. S. 40 f.
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2. Ikonische Form und Wortlaut Was die Anbringung der Inschrift im Bild betrifft, so unterscheiden sich die Signaturen von Künstlerinnen im 16. und 17. Jahrhundert wenig von jenen ihrer männlichen Kollegen. Sie bedienen sich – in ähnlicher quantitativer Verteilung – derselben Möglichkeiten, die Burg für die Künstlersignaturen dieser Epoche im Allgemeinen festgestellt hat.46 Nicht integrierte oder schwach illusionistische Signaturen, die gewissermaßen auf der Bildoberfläche schweben, sind – zumindest bis zum Aufkommen der modernen Kursivsignatur in den Niederlanden im 17. Jahrhundert47 – relativ selten und kommen vor allem in Porträts vor. Die überwiegende Mehrheit sind illusionistische Signaturen, die in die Realität des Bildes integriert sind; wie bei den männlichen Künstlern sind die klassischen Anbringungsorte architektonische Elemente, Bodenplatten oder Felsbrocken im Bildvordergrund, Möbelstücke (besonders Stuhllehnen und Tischkanten), Bänder, Gürtel und Kleidungssäume, Heiligenattribute und ähnliche Objekte, insbesondere Waffen. Nur vereinzelt begegnet hingegen der cartellino, also der im Bildraum platzierte Zettel mit dem Künstlernamen,48 dessen Verwendung auch bei den männlichen Künstlern jedenfalls in Italien ab dem Cinquecento immer mehr zurückgeht.49 Ebenfalls eher selten sind versteckte Signaturen, wie jene in Fede Galizias Porträt von Paolo Morigia (Abb. 1). Auffallend oft sind die Künstlerinnensignaturen vielmehr sehr prominent ins Bild gesetzt – etwa in Artemisia Gentileschis Gemälde Jael und Sisera50 oder in Sofonisba Anguissolas Selbstbildnisminiatur in Boston (Abb. 2): Hier bildet das Medaillon, das die ausführliche Signatur der Künstlerin sowie vermutlich ein Monogramm des Vornamens ihres Vaters Amilcare enthält, den eigentlichen Fokus der Komposition.51 Es gibt jedoch einzelne Fälle, wo die Integration des Namens im Bild als spezifisch ‚weiblich‘ bezeichnet werden kann – insofern als die Signatur eines männlichen Künstlers an derselben Stelle nicht möglich wäre oder nicht dasselbe semantische Feld eröffnen würde. Ein Beispiel für letzteres ist Fede Galizias Judith mit dem Haupt des Holofernes in Sarasota: Indem die Künstlerin ihre Signatur „Fede Galitia f./1596“ auf der Klinge anbrachte, nahm sie nicht nur die bildliche Darstellung der Episode für sich in Anspruch, sondern gewissermaßen, sich mit der biblischen Tugendheldin identifizierend, auch die Handlung selbst. Dabei verstärkt die wörtliche Bedeutung ihres Vornamens (fede =
46 Burg 2007 (wie Anm. 5), S. 321 – 388. 47 Dazu ibid., S. 521 – 541. 48 Zwei Beispiele finden sich in Werken Artemisia Gentileschis, wo der cartellino möglicherweise inhaltlich motiviert war; vgl. dazu Mann 2009 (wie Anm. 4), S. 97 – 99. 49 Burg 2007 (wie Anm. 5), S. 342. In Spanien war der cartellino hingegen noch im 17. Jahrhundert beliebt: vgl. Hellwig 2013 (wie Anm. 35), S. 323 f.; Steven F. Ostrow, Zurbarán’s Cartellini. Presence and the Paragone, in: The Art Bulletin 99 (2017), S. 67 – 96, bes. S. 70 – 77. 50 Dazu Mann 2009 (wie Anm. 4), S. 93 f. 51 Zum Gemälde Cole 2019 (wie Anm. 16), S. 33 – 39 und 156 f., Nr. 2. Für eine alternative, aber weniger überzeugende Deutung des Monogramms siehe Patrizia Costa, Sofonisba Anguissola’s Self-Portrait in the Boston Museum of Fine Arts, in: Arte Lombarda 126 (1999), S. 54 – 62.
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2 Sofonisba Anguissola, Selbstbildnis, Öl (?) auf Pergament, 8,3 × 6,4 cm, um 1554, Boston, Museum of Fine Arts
Glaube) die Assoziation mit Judith, dem Inbegriff weiblicher Glaubensstärke.52 Schlechterdings undenkbar wäre für einen männlichen Kollegen ein Kunstgriff wie jener von Clara Peeters gewesen, die sechs ihrer Stillleben mit ihrem Namen auf dem Griff eines Brautmessers – vermutlich ihres eigenen – bezeichnete.53 Auch im Wortlaut gleichen die Signaturen der Künstlerinnen in vieler Hinsicht jenen ihrer männlichen Kollegen. Sie sind ebenfalls überwiegend in Latein verfasst und verwenden – jedenfalls in Italien – oft das gelehrte Imperfekt faciebat (oder pingebat), das bekanntlich auf einen Passus in Plinius’ Historia naturalis zurückgeht, anstelle des einfachen fecit.54 Es gibt jedoch wiederkehrende Motive, die vor allem bis ins frühe 17. Jahrhundert typisch sind für die Signaturen von Frauen: das augenfälligste ist die häufige Angabe von Geschlecht, Zivilstand und Verwandtschaftsbeziehungen, insbesondere die Referenz auf Vater oder Ehemann. 52 Vgl. Cheney/Faxon/Russo 2000 (wie Anm. 39), S. 81. Zum Gemälde zuletzt Giovanni Agosti, Jacopo Stoppa, in: Agosti et al. 2021 (wie Anm. 2), S. 138 – 141, Nr. 17. 53 Vgl. Anne Lenders, Clara Peeters dekt de tafel. De objecten en etenswaren door de ogen van de zeventiende-eeuwse beschouwer, in: De kunst van Clara Peeters (wie Anm. 27), S. 49 – 65, S. 57. Zum wahrscheinlichen Datum von Clara Peeters’ Hochzeit (1605) s. Bastiaensen 2016 (wie Anm. 27), S. 25. 54 Zum Ursprung der faciebat-Formel s. Alessandro Della Latta, Storie di un imperfetto. Michelangelo, Plinio, Poliziano e alcune firme di fine Quattrocento, in: Hegener 2013 (wie Anm. 35), S. 128 – 141; zu ihrer Verbreitung im Gefolge von Michelangelos Pietà Nicole Hegener, Faciebat, non finito und andere Imperfekte. Künstlersignaturen neben Michelangelo, ibid., S. 188 – 231.
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Die Forschung hat sich vor allem mit der Selbstqualifikation von Künstlerinnen als virgo auseinandergesetzt.55 Sie ist meines Wissens nur in Italien nachweisbar, erstmals in mehreren Signaturen von Sofonisba, Lucia und Anna Maria Anguissola,56 danach bei Lavinia Fontana57 und schließlich zum letzten Mal 1614 auf einem Altarbild von Antonia Pinelli († 1644), einer Schülerin von Ludovico Carracci.58 Alle vier Anguissola-Schwestern nennen außerdem oft den Namen ihres Vaters, indem sie sich als „filia Hamilcaris“ bezeichnen.59 Auf dem Porträt eines Lateranischen Chorherren von 1556 erklärt Sofonisba, das Werk „coram Amilcare patre“, also in Anwesenheit des Vaters gemalt zu haben,60 in zwei weiteren Fällen gar auf dessen Befehl („iussu patris“).61 Die Erwähnung des Vaters kommt auch in Signaturen von Catharina van Hemessen, Lavinia Fontana, Barbara Longhi, Fede Galizia und Susanna Maria von Sandrart vor.62 Änderungen des Zivilstandes zogen daher oft eine Änderung der Signierweise nach sich. So gibt Lavinia Fontana nach der Hochzeit mit Gian Paolo Zappi im Jahr 1577 nicht nur die Bezeichnung als virgo auf, sondern ersetzt auch den Verweis auf ihren Vater durch jenen auf den Ehemann, meist in der standardisierten Formel „Lavinia Fontana de Zappis faciebat“ plus Jahreszahl.63 Sofonisba Anguissola verzichtet in den wenigen Signaturen aus der Zeit nach ihrer Heirat mit dem Genueser Adligen Orazio Lomellini (1579) ebenfalls auf die Nennung des Vaters und fügt stattdessen ihrem eigenen Namen meist den Fami liennamen des Mannes hinzu.64 Ihre Schwester Europa erwähnt hingegen in der Inschrift 55 S. dazu bes. die unten, Anm. 102 und 113, zitierte Literatur. 56 Cole 2019 (wie Anm. 16), Nr. 1 – 3, 9, 10, 12, 14, 16, 33 (Sofonisba); Caroli 1987 (wie Anm. 19), Nr. 32, 34 (Lucia); Grasselli 1827 (wie Anm. 19), S. 20 (Anna Maria). 57 Maria Teresa Cantaro, Lavinia Fontana bolognese. „Pittora singolare”, 1552 – 1614, Milano: Jandi Sapi Editore, 1989, Nr. 6, 7, 11, 12. 58 Vgl. Jadranka Bentini, Gian Piero Cammarota, Daniela Scaglietti Kelescian (Hrsg.), Pinacoteca Nazionale di Bologna. Catalogo generale, Bd. 3, Venezia: Marsilio, 2008, S. 164 – 166, Nr. 85. 59 Cole 2019 (wie Anm. 16), Nr. 3, 7, 10, 11, 13, 16 (Sofonisba); Caroli 1987 (wie Anm. 19), Nr. 32 – 34, sowie Sofonisba Anguissola e le sue sorelle 1994 (wie Anm. 19), Nr. 44 (Lucia); Caroli 1987 (wie Anm. 24), Nr. 41, sowie Grasselli 1827 (wie Anm. 19), S. 20 (Anna Maria); Olivato 2016 (wie Anm. 19) (Europa). In den zwei letztgenannten Signaturen erwähnen Anna Maria und Europa überdies ihre ältere Schwester Sofonisba. 60 Cole 2019 (wie Anm. 16), Nr. 3. 61 Cole 2019 (wie Anm. 16), Nr. 13 (Porträt eines Dominikanerastrologen) und Nr. 16 („Women at the Keyboard“; m. E. ein Selbstbildnis, wie auch die älteste Überlieferung der heute unleserlichen Inschrift bezeugt). 62 De Clippel 2004 (wie Anm. 14), S. 91 f., 122, Nr. A8, A9, B4; Cantaro 1989 (wie Anm. 57), Nr. 6 – 8, 10, 12; Raffaella Zama, Una Madonna autografa di Barbara Longhi già in collezione Borghese, in: Romagna arte e storia 33 (2013), S. 107 – 113, S. 107, 111; Caroli 1989 (wie Anm. 24), Nr. 22; Terzaghi 2002 (wie Anm. 24), S. 106, Nr. 32; Morandotti 2004/5 (wie Anm. 24), S. 213; Sabina Leßmann, Susanna Maria van Sandrart (1658 – 1716). Arbeitsbedingungen einer Nürnberger Graphikerin im 17. Jahrhundert, Hildesheim/Zürich/New York: Olms, 1991, S. 310, 318 – 322, 328, 330, 334 – 338, 344 – 362. 63 Cantaro 1989 (wie Anm. 57) verzeichnet nach 1577 nur sechs Signaturen, in denen jeglicher Verweis auf den Ehemann fehlt: Nr. 28, 73, 76, 82, 91, 99. Susanna Maria von Sandrart war zweimal verheiratet und änderte daher ihre Signatur gleich mehrmals: vgl. Leßmann 1991 (wie Anm. 63), S. 302, 340 bzw. S. 242 – 245, 364. 64 Cole 2019 (wie Anm. 16), Nr. 4, 5, 32. Der Verweis auf den Ehemann findet sich auch bei Mechteld van Lichtenberg (vgl. Helmus 2011 [wie Anm. 12]).
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auf der Berufung des hl. Andreas für die Familienkapelle ihres Mannes Carlo Schinchinelli sowohl den Namen des Vaters wie jenen des Ehemannes: „Europa Amilcharis / Angussolae f(ilia) et / Caroli Schinchinelli / uxor p(inxit)“.65 Von diesen Elementen sind nicht nur die Qualifikation als virgo und der Nachname des Ehemanns charakteristisch für die Signaturen von Frauen. Die Nennung des Vaters – oder des Lehrers, was bei den Künstlerinnen meist auf dasselbe hinauslief – ist bei Männern zwar im Trecento und Quattrocento noch geläufig, aber ab dem frühen 16. Jahrhundert äußerst selten.66 Diese Merkmale von Künstlerinnensignaturen erklären sich aus der sozialen und juristischen Stellung der Frau in der frühen Neuzeit, die einen Bezug auf einen Mann – sei es der Vater oder der Ehemann – fast immer nötig machte.67 Dies gilt jedoch nicht für zwei weitere Besonderheiten, die beide in der Signatur von Catharina van Hemessens Selbstbildnis in Basel (ego caterina de / hemessen me / pinxi 1548 // etatis / svæ / 20) zu finden sind.68 Die erste ist die Altersangabe: Sie lässt sich in diesem Fall zwar mit der Funktion des Porträts begründen – in männlichen Selbstbildnissen vor allem nördlich der Alpen kommt sie ebenfalls vor.69 Europa und Anna Maria Anguissola sowie Giovanna Garzoni haben jedoch auch in den Signaturen von religiösen Bildern ihr (jugendliches) Alter von dreizehn beziehungsweise fünfzehn und sechzehn Jahren festgehalten.70 Sofonisba und Lucia Anguissola hingegen unterstrichen zuweilen in Inschriften von Porträts und religiösen Werken ihre Jugendlichkeit nicht mit einer konkreten Altersangabe, sondern mit dem Attribut adolescens.71 Zumindest nördlich der Alpen haben auch reifere Künstlerinnen ihr Alter in den Signaturen vermerkt: In ihren letzten drei Handschriften, die in ihrem Todesjahr 1624 entstanden, notierte Esther Inglis jeweils, dass sie das Werk „in the fiftie thre yeere of hir age“ geschaffen habe.72 Möglicherweise war sie sich ihres nahen Endes bewusst oder sah diese Arbeiten angesichts ihrer körperlichen Verfassung zumindest als besondere Leistung an, denn in der Widmung eines dieser Büchlein, den Cinquante Emblemes Chrestiens, erwähnt sie ihre zittrige, nun 53jährige 65 Sofonisba Anguissola e le sue sorelle 1994 (wie Anm. 19), S. 310 f., Nr. 56. 66 Burg 2004 (wie Anm. 5), S. 306 – 309. Neben den von Burg genannten Künstlern sind als Ausnahmen insbesondere Alessandro Allori, der sich nicht nur in fast allen Signaturen auf seinen Lehrer Bronzino, sondern viermal auch auf seinen Vater Cristoforo bezieht (Lecchini Giovannoni 1991 [wie Anm. 10], Nr. 133, 138, 141, 155), sowie Carlo Dolci zu erwähnen (vgl. Francesca Baldassari, Carlo Dolci. Complete Catalogue of the Paintings, Florenz: Centro Di, 2015, Nr. 47, 84). 67 Vgl. dazu Christiane Klapisch-Zuber, Women, Family and Ritual in Renaissance Italy, Chicago (u. a.): University of Chicago Press, 1985, bes. S. 118, 285. S. ähnlich auch Christadler 2000 (wie Anm. 39), S. 192. 68 De Clippel 2004 (wie Anm. 14), S. 77, Nr. A2. 69 So etwa in Dürers Selbstbildnissen von 1498 und 1500 (Fedja Anzelewsky, Albrecht Dürer. Das malerische Werk, Berlin: Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, 1991, S. 154 – 156, 166 – 171, Nr. 49, 66). 70 Für Europa vgl. die von Olivato 2016 (wie Anm. 19) publizierte Verkündigung; für Anna Maria die von Grasselli 1827 (wie Anm. 19), S. 20, beschriebene Maria mit Kind und Johannesknaben; für Garzoni die Heilige Familie von 1616 (Casale 1996 [wie Anm. 24], S. 32, Nr. 3). 71 Cole 2019 (wie Anm. 16), Nr. 15 (als „Abolescens“ transkribiert) und Nr. 18; Caroli 1987 (wie Anm. 19), Nr. 33. 72 Scott-Eliott/Yeo 1990 (wie Anm. 41), Nr. 53 – 55 (zit. nach ibid., S. 79, Nr. 53; ähnlich lautet die Formulierung in Nr. 55, während die Signatur in Nr. 54 in Französisch verfasst ist).
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Hand („my totering right [hand], now being in the age of fiftie three yeeres“).73 In diesem Sinne sind sicherlich die Altersangaben zu verstehen, die die hochbetagte Rachel Ruysch in ihren letzten Lebensjahren, im Alter zwischen 76 und 84 Jahren, auf mindestens acht Stillleben anbrachte.74 Bei männlichen Künstlern hingegen sind solche Altersangaben außer in Selbstbildnissen höchst unüblich: Aus dem 16. und 17. Jahrhundert sind mir insgesamt nur elf Beispiele bekannt.75 Die zweite Eigenheit der Signatur auf van Hemessens Selbstbildnis betrifft die grammatikalische Form: Die Künstlerin spricht von sich in der ersten Person – ego […] me pinxi. Solche ‚Ego-Signaturen‘ sind in der europäischen Kunst extrem selten: Für die Zeit vor 1300 konnte Peter Cornelius Claussen ein Dutzend Beispiele nachweisen;76 in der Folge finden wir die erste Person in Signaturen männlicher Künstler, soweit ich sehe, noch in einer Pietà von Giovanni da Milano77 und einer Handvoll Werken aus den Jahren um 1500,78 während sie nach diesem Zeitpunkt praktisch ganz verschwindet.79 Anders die Künstlerinnen: außer Catharina van Hemessen benützen die Ich-Form auch Artemisia Gentileschi in der Enthauptung des Holofernes in den Uffzien, die mit den Worten „Ego Artemitia Lomi fec(i)” signiert ist,80 Lucrina Fetti in ihrer Hl. Barbara (Rom, Sammlung Strinati; “[Lucrina] Fetti fecj l’Anno 1619/in S.ta Orsola”)81 sowie Esther Inglis in nicht weniger als zehn ihrer Handschriften.82 Die genannten Merkmale kennzeichnen wie erwähnt vor allem die Inschriften bis ins erste Viertel des 17. Jahrhunderts. Danach werden die Signaturen von Frauen wie Männern zunehmend lakonischer und beschränken sich zumindest in Italien und in den Niederlanden meist auf den Namen oder gar ein Monogramm, manchmal ergänzt um die Datierung und ein „F“ für „fecit“ oder „faciebat“. Ein wesentlicher Unterschied bleibt jedoch 73 Ibid., S. 81, Nr. 54. 74 https://rkd.nl/explore/images/38169 bzw. 64635, 69554, 69556, 193066, 193081, 193095, 193523 (abgerufen am 25. 9. 2019). 75 In der Mehrzahl stammen sie ebenfalls von sehr jungen Künstlern, so Adamo Scultori, der einen Stich mit elf Jahren signierte (Paolo Bellini [Hrsg.], L’opera incisa di Adamo e Diana Scultori [Kat. d. Ausst.], Vicenza: Neri Pozza Editore, 1991, Nr. 1), Camillo Procaccini und Cristofano Allori (dazu unten, S. 194 f.). Ein Sonderfall ist Carlo Dolci, der während seiner ganzen Laufbahn Bilder mit Altersangabe versah, allerdings bis auf zwei Fälle (Baldassari 2015 [wie Anm. 66], Nr. 86, 163) immer auf der Rückseite oder dem Keilrahmen, also in einer nicht für die Öffentlichkeit bestimmten Form. 76 Peter Cornelius Claussen, Autorschaft als Egotrip im 12. Jahrhundert?, in: Hegener 2013 (wie Anm. 35), S. 76 – 89, S. 78. 77 Burg 2004 (wie Anm. 5), S. 305, Anm. 64. 78 Es handelt sich um zwei Selbstbildnisse Dürers (s. oben, wie Anm. 69), die Pala Calcina Francesco Francias (Emilio Negro, Nicosetta Roio, Francesco Francia e la sua scuola, Modena: Artioli Editore, 1998, S. 149 f., Nr. 18) sowie Botticellis Geburt Christi in der National Gallery (Frank Zöllner, Botticelli, München [u. a.]: Prestel, S. 266 f., Nr. 85). 79 Die große Ausnahme ist Carlo Dolci, der eine Reihe von Bildern in der ersten Person bezeichnet hat, jedoch außer in zwei Fällen (Baldassari 2015 [wie Anm. 66], S. 286 f., Nr. 163, und S. 322 f., Nr. 3) immer auf der Rückseite, in einer Form, die eher an die privaten ricordanze erinnert. 80 Zu diesem Gemälde vgl. zuletzt Francesca Baldassari, in: ead. (Hrsg.), Artemisia Gentileschi e il suo tempo (Kat. d. Ausst.), Mailand: Skira, 2016, S. 138, Nr. 28. 81 Harris/Nochlin 1976 (wie Anm. 1), S. 127 – 129, Nr. 16. 82 Scott-Eliott/Yeo 1990 (wie Anm. 41), Nr. 22, 23, 27, 30, 31, 33, 37, 38, 52, 54.
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bestehen: Während die männlichen Künstler den Vornamen in der Regel abkürzen oder sogar ganz weglassen, so dass die Identifikation über den Familiennamen erfolgt, schreiben ihre Kolleginnen den Vornamen in der überwiegenden Mehrheit der Fälle aus und verzichten dafür nicht selten auf den Nachnamen. Es ist aus den eingangs geschilderten Gründen nicht möglich, dies mit statistischen Zahlen auf einer breiten Datenbasis zu dokumentieren, doch bestätigen Stichproben aufgrund von begrenzten, aber repräsentativen Werkauswahlen diese Tendenz eindrücklich. Der Katalog der Ausstellung A chacun sa grâce: femmes artistes en Belgique et aux Pays-Bas 1500-1950 verzeichnet 56 Signaturen von Künstlerinnen, die zwischen 1500 und 1700 geboren wurden; von diesen enthalten 43 – also über drei Viertel – den ausgeschriebenem Vornamen (drei davon sogar nur diesen), während in 13 Fällen der Vorname abgekürzt ist oder ganz fehlt.83 Bei den männ lichen Kollegen derselben Periode ist das Verhältnis in der Tendenz genau umgekehrt: Von den 60 Signaturen von Männern im Ausstellungskatalog Het Nederlandse stilleven 1550 – 1720 bestehen 46 (fast 77 Prozent) aus dem Monogramm oder dem Nachnamen, während nur 14 den ganzen Vornamen nennen.84
3. Der soziokulturelle Kontext: Signatur als Mittel der Authentifizierung Diese notgedrungen sehr oberflächliche Exposition des Materials bestätigt also den Verdacht, dass sich die Signierpraxis von Frauen in vieler Hinsicht von jener der Männer unterscheidet. Wie erklären sich aber die Besonderheiten der Künstlerinnensignatur? Soweit in der Forschung diese Frage überhaupt thematisiert wird, herrscht die Tendenz vor, sowohl die Frequenz als auch den Wortlaut der Signaturen als Ausdruck des Selbstbewusstseins der Künstlerinnen, aber zugleich als Medium ihrer Selbstpromotion in einem von Männern dominierten und damit latent oder akut feindseligen Umfeld zu werten.85 Auch die zahlreichen Untersuchungen zu den Selbstporträts von Sofonisba Anguissola, Catharina van Hemessen und Lavinia Fontana interpretieren diese Bilder – und die darin enthaltenen Signaturen – als selbstbewusste Inszenierung ihrer Position, ja als subversive Dekonstruktion des vom männlichen Blick erwarteten und geforderten Frauenbildes.86 Stillschweigend vorausgesetzt wird dabei jeweils, dass die Künstlerinnen ihre Selbstbildnisse aus freien Stücken malten und völlig autonom konzipierten. Meine Hypothese ist hingegen, dass das fenomeno della firma und die Häufung von weiblichen Selbstbildnissen ihre Ursache zwar tatsächlich in der spezifischen gesellschaft83 Katlijne van der Stighelen und Mirjam Westen, A chacun sa grâce: femmes artistes en Belgique et aux Pays-Bas 1500 – 1950 (Kat. d. Ausst.), Gent (u. a.): Ludion (u. a.), 2000. 84 Alan Chong, Het Nederlandse stilleven: 1550 – 1720 (Kat. d. Ausst.), Amsterdam: Rijksmuseum (u. a.), 1999. 85 Vgl. u. a. Frances Borzello, A World of Our Own: Women as Artists, London: Thames & Hudson, 2000, S. 47 f.; Bohn 2004 (wie Anm. 4), S. 114; Droz-Emmert 2004 (wie Anm. 14), S. 50; Mann 2009 (wie Anm. 4), S. 104. 86 Vgl. bes. Garrard 1994 (wie Anm. 39); Christadler 2000 (wie Anm. 39), S. 254 – 256 und passim; DrozEmmert 2004 (wie Anm. 14), S. 49 – 97.
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lichen Situation der Künstlerinnen in der frühen Neuzeit haben; doch sind sie weniger Ausdruck einer emanzipierten Haltung als viel eher Konsequenz einer männlichen Per spektive auf weibliche Kreativität. Zumindest der Anstoß dazu dürfte in vielen Fällen nicht von der Künstlerin selber, sondern aus ihrem (männlichen) Umfeld gekommen sein: in erster Linie vom Vater, der ja zumeist auch ihr Lehrer war, aber auch von den Rezipienten dieser Werke. Wie die Forschung in den letzten Jahrzehnten herausgearbeitet hat, herrschte in der Renaissance die Auffassung vor, dass die Frau dem Mann aufgrund ihrer Biologie körperlich und geistig unterlegen war, ja eine Art unvollkommener Mann war.87 Entsprechend hielt man(n) Frauen zu echter – das heißt nicht bloß reproduzierender – Kreativität für unfähig.88 Aufgrund gesellschaftlicher Barrieren konnten Frauen zudem keine Lehre in einer Malerwerkstatt absolvieren und schon gar keine Aktstudien betreiben, so dass ihnen in der Regel der Künstlerberuf verwehrt blieb; die wenigen Ausnahmen waren zumeist Töchter von Malern, die das Handwerk von ihrem Vater erlernen konnten.89 Umgekehrt genossen jene Frauen, die trotz dieser Hindernisse künstlerisch tätig waren, schon zu Lebzeiten oft einen enormen Ruhm. Dieses auf den ersten Blick paradoxe Phänomen ist jedoch nur die andere Seite derselben Medaille, nämlich der Geringschätzung weiblicher Kreativität. Da man den Frauen eine künstlerische Begabung prinzipiell absprach, galt eine talentierte Malerin folgerichtig als etwas Außergewöhnliches, ja geradezu als ein Wunder der Natur.90 In der Zeit der Wunderkammern, in der meraviglia und stupore zentrale ästhetische Konzepte waren, ist es daher nicht erstaunlich, dass die raren Gemälde von begabten Frauen begehrte Sammlerstücke waren;91 und dies gab den Künstlerinnen einen nicht zu unterschätzenden Wettbewerbsvorteil gegenüber ihren männ lichen Kollegen, was wiederum nicht selten deren Neid provozierte. So berichtet Carlo Cesare Malvasia in der Vita von Elisabetta Sirani, dass „invidi, e maligni“ behaupteten, sie werde von ihrem Vater unterstützt, der ihr seine eigenen Bilder zuschrieb „per renderle più rare, et ammirate, come operazione di femmina“.92 87 S. bes. Ian MacLean, The Renaissance Notion of Woman. A Study in the Fortunes of Scholasticism and Medical Science in European Intellectual Life, Cambridge: Cambridge University Press, 1980; Constance Jordan, Renaissance Feminism. Literary Texts and Political Models, Ithaca, NY: Cornell University Press, 1990, S. 11 – 64; Merry E. Wiesner-Hanks, Women and Gender in Early Modern Europe, Cambridge: Cambridge University Press, 32008, bes. S. 17 – 51. 88 Vgl. besonders die entsprechenden Äußerungen von Giovanni Boccaccio, De claris mulieribus, LIX, 3; Paolo Pino, Dialogo di pittura, Venedig: Paolo Gherardo, 1548, fol. 12r. Zu diesem Themenkreis auch Fredrika Jacobs, Defining the Renaissance Virtuosa: Women Artists and the Language of Art History and Criticism, Cambridge: Cambridge University Press, 1997; Woods-Marsden 1998 (wie Anm. 39), bes. S. 188; Christadler 2000 (wie Anm. 39), bes. S. 69 – 71. 89 Borzello 2000 (wie Anm. 39), S. 20 – 32; Whitney Chadwick, Women, Art, and Society, London: Thames & Hudson, 42007, S. 31 – 38. 90 Zur Künstlerin als Naturwunder s. bes. Ghirardi 1994 (wie Anm. 39), S. 37 – 39; Christadler 2000 (wie Anm. 39), S. 33 f.; Julia Dabbs, Life Stories of Women Artists, 1550 – 1800. An Anthology, Aldershot: Ashgate 2009, S. 17. 91 Sheila Barker, Introduction, in: Barker 2016 (wie Anm. 20), S. 5 – 14, S. 10. 92 Malvasia 1678 (wie Anm. 38), Bd. 2, S. 478.
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Wenn also nicht allein die intrinsische künstlerische Qualität des Gemäldes seinen ideellen wie monetären Wert definierte, sondern mindestens ebenso sehr das Geschlecht seiner Urheberin, so bedurften Werke von Künstlerinnen in höherem Maße der Authentifizierung durch eine Signatur.93 Dies erklärt nicht nur die Häufigkeit der weiblichen Signaturen; es dürfte auch der Grund sein, warum sie oft prominent platziert und ausführlicher als jene von Männern sind und am Geschlecht der Autorin kaum je einen Zweifel lassen – sei es nur durch das Ausschreiben des Vornamens, sei es durch zusätzliche Qualifikationen wie virgo oder filia. Aus dieser Perspektive erhalten auch die Ego-Signaturen eine höhere Logik: Besonders die Formulierung ego feci bei Catharina van Hemessen und Artemisia Gentileschi erinnert durch die Verbindung von Personalpronomen und Namen an die Unterzeichnungspraxis von notariellen Urkunden und verleiht so der Signatur eine juristische Dimension, die ihre authentifizierende Kraft verstärkt. Da besondere Jugend oder – wie im Falle von Ruysch – hohes Alter der Autorin die meraviglia des Rezipienten noch steigern musste, dürfte dies den Anstoß für die vielen Altersangaben in den Signaturen von sehr jungen wie alten Künstlerinnen gegeben haben. Vor diesem Hintergrund erstaunt es nicht, dass italienische Malerinnen ihre Werke für Privatsammlungen mindestens ebenso oft signierten wie Altarbilder. Aus der Perspektive des männlichen Künstlers war sein Name auf einem öffentlich sichtbaren Werk deshalb sinnvoll, weil trotz der zunehmenden Herausbildung einer Kunstöffentlichkeit, die über mündliche und schriftliche Kanäle über die Kunstproduktion informiert war, nicht auszuschließen war, dass etwa auswärtige Reisende ihren Werken ohne sachverständige Begleitung begegneten. Im Falle von Kabinettbildern war die Signatur zumindest vor dem Aufkommen des secondary market weniger notwendig, da der Besitzer, der meist zugleich der Auftraggeber oder dessen Erbe war, in der Regel über den Urheber des Gemäldes Bescheid wusste und die Besucher seiner Sammlung darüber in Kenntnis setzen konnte. Stammte das Bild aber von einer Frau, so musste der Hausherr selber an einer möglichst eindeutigen auktorialen Präsenz der Malerin interessiert sein, um seinen Gast vom ‚Wunder‘, das er vor sich hatte, zu überzeugen und damit zu beeindrucken. Der Impuls, ein Werk zu signieren, konnte also ebenso vom Käufer wie von der Autorin ausgehen. Einen ganz direkten Beleg für diese Vermutung bietet ein Brief, den der Literat und Sammler Girolamo Giordani am 5. Juni 1653 an den befreundeten Maler Giovanni Francesco Guerrieri in Pesaro sandte. Darin gibt er seiner Vorfreude über den bevorstehenden Versand eines Hl. Hieronymus von Guerrieris Tochter Camilla zum Ausdruck; neben Instruktionen zur geeigneten Verpackung äußert er auch unverhohlen den Wunsch nach einer Signatur: „[…] et se alla detta sua figlia / piacerà di scriverci in qualche luogo il suo nome, con simili / parole / Camilla Guereria pingebat / Acciò che si sappia / esser quella opera
93 Auf diesen Zusammenhang hat kürzlich auch Charlotte Guichard, Signatures, Authorship and Autographie in Eighteenth-Century French Painting, in: Art History 41 (2018), S. 266 – 291, S. 279 – 282, für die französischen Malerinnen des 18. Jahrhunderts hingewiesen.
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di una Donna, non sarà se non ben fatto.“94 Es dürfte derselbe Impuls gewesen sein, der um 1670 zur Anbringung der Inschrift auf Fede Galizias Porträt von Paolo Morigia führte – und der möglicherweise den Anstoß zur Fälschung von Signaturen Artemisia Gentileschis gab, wie sie Mary Garrard vermutet hat.95
4. Signaturen als Index von Fremdbestimmung oder Emanzipation Nun könnte man daraus den Schluss ziehen, dass die weibliche Signaturpraxis ganz einfach vom Geschick zeugt, mit dem sich selbstbewusste Künstlerinnen die Marktmechanismen zunutze machten, um ihre Wettbewerbsvorteile auszuschöpfen. Das ist in vielen Fällen – etwa bei Gentileschi – nicht auszuschließen oder sogar wahrscheinlich; doch gibt es Indizien, die darauf hindeuten, dass es zumindest bei jugendlichen Malerinnen in erster Linie ihr familiäres Umfeld war, das sie zum Signieren anhielt und auch auf den Text der Inschriften Einfluss nahm. Eines davon ist die scheinbare Frühreife der frühneuzeitlichen Künstlerinnen, welche Ann Sutherland Harris bereits 1976 beobachtet hatte: Von auffällig vielen Malerinnen besitzen wir, anders als von den allermeisten ihrer männlichen Kollegen, zuverlässige Informationen über eigenständige künstlerische Arbeit schon im Teenageralter, und zwar meist dank ihrer Signaturen.96 Das spektakulärste Beispiel ist die Schweizerin Anna Waser (1678–1714), die sich als Zwölfjährige beim Malen darstellte und das Bild stolz signierte: „Durch An(n)a Waser v(on) Zürich / im 12. Jar ihres Alters gemalt / Anno 1691“ (Abb. 3).97 Diese Frühreife ist aber eine – in diesem Fall positive – Konsequenz des Ausschlusses der Frauen aus dem Werkstattbetrieb: Im selben Alter durften ihre männlichen Kollegen in der Regel bestenfalls an den Werken ihrer Meister mitarbeiten, von großen Ausnahmen wie Dürer und Raffael abgesehen, welche nicht zufällig ebenfalls Söhne von Künstlern waren. Da im Italien der Renaissance selbst verheiratete Männer grundsätzlich der patria potestas unterstellt blieben, sofern sie vom Vater nicht ausdrücklich daraus entlassen wurden,98 ist jedoch nicht anzunehmen, dass junge Frauen, welche noch im Haushalt und unter der Autorität ihrer Eltern lebten, gänzlich selbstbestimmt ihrem künstlerischen Talent nachgehen konnten. Der berechtigte Stolz von Anna Waser über ihr Können war zweifellos auch der Stolz ihrer Eltern und ihres auf der Staffelei dargestellten Lehrers Johannes Sulzer; und es ist anzunehmen, dass letzterer sie zur Ausführung des Selbstbildnisses wie der Signatur angeleitet hatte. 94 Zit. n. Andrea Emiliani, Giovanni Francesco Guerrieri da Fossombrone, Bologna: Nuova Alfa Editoriale, 1997, S. 215. Zu Camilla Guerrieri Nati (1628 – 1694) s. Eve Straussman-Pflanzer, The Medici’s First Woman Court Artist. The Life and Career of Camilla Guerrieri Nati, in: Barker 2016 (wie Anm. 20), S. 121 – 134. 95 Mary Garrard, Identifying Artemisia. The Archive and the Eye, in: Sheila Barker (Hrsg.), Artemisia Gentileschi in a Changing Light, London/Turnhout: Harvey Miller Publishers, 2017, S. 11 – 40, S. 22 f. 96 Ann Sutherland Harris, Introduction, in: Harris/Nochlin 1976 (wie Anm. 1), S. 13 – 44, S. 41 f. 97 Kunsthaus Zürich. Gesamtkatalog der Gemälde und Skulpturen, Ostfildern: Hatje Cantz, 2007, S. 52. 98 Vgl. dazu Thomas Kuehn, Emancipation in Late Medieval Florence, New Brunswick, NJ: Rutgers University Press, 1982.
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3 Anna Waser, Selbstbildnis, Öl auf Leinwand, 83 × 68 cm, 1691, Kunsthaus Zürich
Dass Elemente der Signatur, die wir als charakteristisch für die Inschriften von Künstlerinnen identifiziert haben – insbesondere die Nennung des Vaters und des (jugendlichen) Alters –, in Tat und Wahrheit vor allem Ausdruck limitierter Autonomie sind, deutet der Umstand an, dass einige der seltenen Signaturen junger Künstlersöhne dieselben Merkmale aufweisen. So bezeichnete 1577 der sechzehnjährige Camillo Procaccini sein frühestes bekanntes Gemälde, Johannes der Täufer an der Quelle, mit den Worten „Camillus / Her(culi): per(cacci)/ni fil(ius): Bon(oniensis): / fac(iebat): an(n)o E/tatis sue / XIX / 1577“;99 und 1590 signierte Cristofano Allori im Alter von sogar nur dreizehn Jahren ein Porträt des Grafen Hugo der Toskana ähnlich wie Sofonisba und Lucia Anguissola als „adolescens Alexandri Bronzini All(ori) filius“.100 Es ist unwahrscheinlich, dass die beiden kaum dem Knabenalter entwachsenen Maler diese Signaturen selbständig konzipierten und formulierten. Ähnlich wie bei den jungen Künstlerinnen dürften es eher ihre Väter – Alessandro Allori und Ercole Procaccini – gewesen sein, die sie dazu anhielten, das
99 Daniele Cassinelli, Paolo Vanoli (Hrsg.), Camillo Procaccini (1561 – 1629). Le sperimentazioni giovanili tra Emilia, Lombardia e Canton Ticino (Kat. d. Ausst.), Cinisello Balsamo: Silvana Editoriale, 2007, S. 136 – 138, Nr. 1. Unklar bleibt allerdings, warum Procaccinis Alter um zwei Jahre erhöht wurde. 100 christophorvs / allorivs adolesc/ens alexandri bro/nzini all. filivs / faciebat / a. d. mdlxxxx; vgl. Miles L. Chappell, Cristofano Allori 1577 – 1621 (Kat. d. Ausst.), Firenze: Centro Di, 1984, S. 30, Nr. 1 (mit fehlerhafter Transkription).
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jugendliche Alter und den eingeführten Namen als Werbung zu verwenden, um sie so auf dem Kunstmarkt als ihre Erben zu lancieren. Mutatis mutandis gilt dies, so vermute ich, auch für Sofonisba Anguissola. Zentral für die Deutung ihrer Signaturen ist die Definition als virgo, die nicht weniger als neun Mal in ihren Gemälden erscheint.101 Dieser Ausdruck und der explizite Verweis auf die Benutzung eines Spiegels in der Selbstbildnisminiatur in Boston (Abb. 2) sind mehrfach mit Plinius’ Bericht über die antike Malerin Iaia von Kyzikos beziehungsweise des darauf beruhenden Kapitels in Boccaccios De mulieribus claris in Verbindung gebracht worden, wo die Künstlerin wegen eines Übersetzungsfehlers zu ‚Marcia‘ mutiert: Sie habe als „perpetua virgo“ gelebt und unter anderem ihr eigenes Bildnis mit Hilfe eines Spiegels gemalt.102 Plinius’ kurze Passage über antike Malerinnen hat das Bild der Künstlerin in der frühen Neuzeit, wie es die Lebensbeschreibungen, die Selbstporträts und die Signaturen von Malerinnen reflektieren, zweifellos entscheidend geprägt.103 Angesichts der Tatsache, dass die Patriziertochter Sofonisba aus einem gebildeten Umfeld stammte, ist daher eine solche Referenz auf ein illustres antikes Vorbild plausibel. Dasselbe gilt für Lavinia Fontana, in deren frühen Selbstbildnissen der Begriff virgo und die Erwähnung des Spiegels ebenfalls vorkommen.104 Allerdings erschöpft sich das semantische Feld, das das Wort virgo eröffnet, nicht in einem gelehrten Antikenzitat; letzteres ist vielmehr eine sekundäre Konnotation. Zuallererst unterstreicht es den Status der Künstlerin als junge, unverheiratete und sittsame Frau. Der Aspekt der Keuschheit ist im erwähnten Porträt eines Lateranischen Chorherren zusätzlich betont durch die Worte „coram Amilcare patre“, die die Anwesenheit des Vaters während der Porträtsitzung beglaubigen und damit die Reputation der jungen Malerin schützen.105 Keuschheit war in der frühen Neuzeit die zentrale weibliche Tugend;106 die Charakterisierung der Künstlerin als virgo ist also zunächst einmal ein Hinweis auf ihre allgemeine Tugendhaftigkeit. Da aus damaliger Perspektive persönliche virtus und künstlerische Leistungsfähigkeit eng verknüpft waren,107 handelt es sich aber auch um eine indirekte Aussage über die Qualität ihrer Kunst. Das Attribut der Jungfräulichkeit wird da101 S. oben, Anm. 56. 102 Plinius d. Ä., Naturalis historia, XXXV, 147; Giovanni Boccaccio, De mulieribus claris, LXVI. Zu diesem Zusammenhang vgl. bes. Schweikhart 1992 (wie Anm. 1); Ghirardi 1994 (wie Anm. 39), S. 39 – 41; Christadler 2000 (wie Anm. 39), S. 114 – 116, 190 – 192, 223, 231. 103 Vgl., bezogen auf die Biographien, Dabbs 2009 (wie Anm. 91), S. 25. Zur Rezeption Plinius’ in der Renaissance vgl. den Überblick von Sarah Blake McHam, Pliny and the Artistic Culture of the Italian Renaissance. The Legacy of the Natural History, New Haven [u. a.]: Yale University Press, 2013; zu seiner Rolle für das Bild der Künstlerin S. 6 f., 80 f., 227. 104 Vgl. Ghirardi 1994 (wie Anm. 39), S. 39 – 41. 105 Vgl. Woods-Marsden 1998 (wie Anm. 39), S. 199; Cole 2019 (wie Anm. 16), S. 50. 106 Vgl. Margaret L. King, Women of the Renaissance, Chicago: University of Chicago Press, 1991, S. 29, 93 f. 107 Vgl. dazu Jana Graul, Einleitung zum Leben des Andrea del Castagno und des Domenico Veneziano, in: Giorgio Vasari, Das Leben des Filippo Lippi, des Pesello und Pesellino, des Andrea del Castagno und Domenico Castagno und des Fra Angelico, ead., Heiko Damm (Hrsg.), Berlin: Wagenbach, 2011, S. 45 – 51, S. 47 f.
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her zu einem zentralen Element des frühneuzeitlichen Idealbildes der Künstlerin, so dass es nicht nur – in Anknüpfung an Plinius und Boccaccio – in den zeitgenössischen Biographien vieler Künstlerinnen eine besondere Rolle spielt,108 sondern sogar in Inventareinträgen erwähnt ist.109 Wie sehr die Vorstellung von der jugendlichen virgo das Bild der Malerin noch im späten 17. Jahrhundert prägte, belegt die Pseudosignatur auf Galizias Porträt, welche ähnlich wie bei vielen Malerinnen des Cinquecento sowohl das tiefe Alter als auch den jungfräulichen Status der Autorin betont. Die Hervorhebung der Jungfräulichkeit begegnet jedoch auch in anderen Bereichen der kulturellen Tätigkeit in der frühen Neuzeit, etwa in der Literatur. Rüdiger Schnell hat dargelegt, dass Frauen das Schreiben für die Öffentlichkeit unter anderem dann nachgesehen wurde, wenn sie gewissermaßen „ihr Frau-Sein negierten und auf jegliche sexuelle Aktivität verzichteten“; daher finde sich in den Einleitungen der Herausgeber oft der Hinweis, dass die Autorin eine virgo sei.110 Ein vergleichbares Phänomen ist die Idealisierung von Humanistinnen wie Cassandra Fedele, Alessandra Scala und Isotta Nogarola als ‚NichtFrauen‘ in den Briefen ihrer männlichen Kollegen Guarino Guarini und Angelo Poliziano, welche dabei bevorzugt den Akzent auf die Jungfräulichkeit ihrer Korrespondentinnen legten.111 Auch wenn die oben beobachteten Unterschiede in der Signierpraxis von literarischen und künstlerischen Werken darauf hindeuten, dass die bildkünstlerische Tätigkeit von Frauen generell eine bessere soziale Akzeptanz hatte als die schriftstellerische, bestand zumindest im 16. Jahrhundert, als malende Frauen dem Publikum noch als ungewohntes Phänomen erscheinen mussten und daher auch negative Reaktionen auslösten,112 für den Schritt von Sofonisba Anguissola oder Lavinia Fontana in die ‚Kunstöffentlichkeit‘ ein gewisser Rechtfertigungsbedarf. Die virgo-Signaturen haben also vermutlich auch einen apologetischen Aspekt: Die Künstlerin betont damit zwar ihre Weiblichkeit, unterstreicht
108 So unterstreichen Marcus van Varnewijk 1568 und Karel van Mander (1603/4) in ihrer knappen Charakterisierung von Margareta van Eyck, dass sie bis an ihr Lebensende Jungfrau blieb (Diane Wolfthal, From Margarethe van Eyck to Agnes van den Bossche: Writing of the Early Netherlandish Female Painters, in: Liana De Girolami Cheney [Hrsg.], Essays on Women Artists. “The Most Excellent”, Lewiston/Queenston/Lampeter: The Edwin Mellen Press, 2003, S. 19 – 40, S. 22 f.); und mit ganz ähnlichen Worten charakterisiert Cristofano Bronzini um 1620 Barbara Longhi als „rarissima nel conservarsi Vergine sinché visse“ (zit. n. Sheila Barker, The First Biography of Artemisia Gen tileschi: Self-Fashioning and Proto-Feminist Art History in Cristofano Bronzini’s Notes on Women Artists, in: Mitteilungen des Kunsthistorischen Institutes in Florenz, 60 [2018], S. 405 – 435, S. 429). 109 So ist Michaelina Woutiers im Inventar des Erzherzogs Leopold Wilhelm (1659) zweimal als „Jungfraw“ qualifiziert (Katlijne van der Stighelen, ‚Prima inter pares‘. Over de voorkeur van aartshertog Leopold-Wilhelm voor Michaelina Woutiers [ca. 1620–na 1682], in: ead., Hans Vlieghe [Hrsg.], Sponsors of the Past. Flemish Art and Patronage 1550 – 1700, Turnhout: Brepols, 2005, S. 91 – 116, S. 91). 110 Schnell 2011 (wie Anm. 45), S. 19 f. 111 Vgl. Lisa Jardine, „O Decus Italiae Virgo“ or The Myth of the Learned Lady in the Renaissance, in: The Historical Journal 28 (1985), S. 799 – 819. Zur Verklärung der Keuschheit von Humanistinnen s. auch King 1991 (wie Anm. 106), bes. S. 193, 195 – 198. 112 Vgl. insbesondere Pino 1548 (wie Anm. 88), fol. 12r.
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aber zugleich, dass sie keine sexuell aktive Frau und daher eher legitimiert ist, sich wie ein Mann künstlerisch zu betätigen. Mary Garrard hat hingegen darzulegen versucht, dass Sofonisba Anguissola sich mit der Bezeichnung virgo in Wirklichkeit zur virago habe stilisieren wollen: zur unabhängigen, selbstbestimmten Frau, die unverheiratet bleiben will und mit männlichen Qualitäten ausgestattet ist; ihre Selbstbildnisse seien „coded self-expression disguised as proper femininity“, indem die Präsentation als „not-woman“ für Eingeweihte „like a man“ bedeute.113 Generell hätten ihre Bilder „dual meanings“: eine für den Auftraggeber, „who interpreted their expression in conventional terms“, und eine zweite „as daring, socially heretical critiques of those very conventions“, welche das traditionelle Frauenbild und die patriarchalische Gesellschaftsordnung in Frage stellte.114 Wie schon Joanna Woods-Marsden bemerkt hat, ist eine solche Perspektive jedoch anachronistisch: Es ist eher unwahrscheinlich, dass die junge Sofonisba in den frühen Zwanzigern die frauenfeindlichen Strukturen des Systems, in dem sie aufgewachsen war, als solche erkannte.115 Der springende Punkt ist jedoch, dass auch sie in ihrer Bildproduktion keineswegs autonom gewesen sein dürfte, sondern zunächst von ihren Lehrern und später vor allem vom Vater kontrolliert und gelenkt wurde; und in ihrem Fall lässt sich diese Vermutung durch eine Reihe von Indizien untermauern. Aus zahlreichen Dokumenten wissen wir, dass Amilcare Anguissola die Promotion seiner Töchter sehr intensiv betrieb, indem er sie an den benachbarten Höfen einführte und ihre Werke an Fürsten und andere einflussreiche Persönlichkeiten sandte, zweifellos auch in der Hoffnung auf Gegenleistungen materieller wie immaterieller Art.116 Wie begehrt Sofonisbas Selbstporträts bei den Sammlern waren, dokumentiert am deutlichsten der oft zitierte Brief Annibal Caros an Amilcare vom Dezember 1558, in dem der Literat um eines dieser Werke bittet, damit er seinen Gästen „due meraviglie insieme, l’una dell’opera, l’altra della Maestra“ zeigen könne – also zugleich mit dem wunderbaren Werk auch das Bild des Naturwunders, das es vollbracht hat.117 Es ist genau diese Haltung, die die oben beobachtete Häufung weiblicher Selbstbildnisse erzeugt hat.118 Ihre zahlreichen Selbstporträts malte Sofonisba daher kaum, wie gerne angenommen wird, aus freien Stücken, um der Welt selbstbewusst ihr eigenes Bild zu präsentieren, son113 Garrard 1994 (wie Anm. 39), S. 580 – 582, 589. In dieselbe Richtung geht die Vermutung von Chris tadler 2000 (wie Anm. 39), S. 222, dass die Künstlerin mit der Verdeckung der Buchstaben g und o von virgo auf dem Bostoner Selbstbildnis ‚Männlichkeit‘ für sich in Anspruch nehme; vgl. zuletzt auch Cole 2019 (wie Anm. 16), S. 14. 114 Ibid., S. 616. 115 Woods-Marsden 1998 (wie Anm. 39), S. 208. 116 Mina Gregori, Fama e oblio di Sofonisba Anguissola, in: Sofonisba Anguissola e le sue sorelle 1994 (wie Anm. 19), S. 11 – 46, S. 12 f.; Woods-Marsden 1998 (wie Anm. 39), S. 8, 193. Zur Vermarktung Anguissolas durch ihren Vater s. auch Caroline P. Murphy, The Economics of the Woman Artist, in: Italian Women Artists from Renaissance to Baroque (Kat. d. Ausst.), Mailand: Skira, 2007, S. 23 – 30, 25. 117 Zit. nach Sofonisba Anguissola e le sue sorelle 1994 (wie Anm. 19), S. 365. Vgl. dazu bes. Woods-Marsden 1998 (wie Anm. 39), S. 6. 118 Zur Nachfrage nach weiblichen Selbstporträts s. auch Borzello 2016 (wie Anm. 39), S. 28.
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dern auf Wunsch oder Geheiß ihres Vaters: iussu patris, wie zwei ihrer Signaturen unverblümt feststellen.119 Aus diesem Grund ist anzunehmen, dass Amilcare die Selbstdarstellung seiner Tochter im Bild und in der begleitenden Signatur zumindest abgesegnet, wenn nicht aktiv mitgestaltet hat; und dass er dafür sorgte, dass sie den Erwartungen der männlichen Rezipienten entsprach. Dass Sofonisbas Selbstdarstellung entscheidend von der Agenda ihres Vaters geprägt war, lässt sich ex negativo aus ihrem späteren Werk erschließen. Aus der Zeit nach 1559, als sie das Elternhaus verließ, ist nur noch ein mutmaßliches Selbstbildnis im Musée Condé in Chantilly erhalten.120 Sofonisbas Emanzipation äußert sich also nicht in ihren jugendlichen Selbstdarstellungen, sondern vielmehr darin, dass sie sich als reife Frau den Wünschen nach ihrem Bildnis zunehmend entzieht. Diese Entwicklung lässt sich auch an ihren Signaturen ablesen – oder besser an deren Verstummen: Aus den rund fünf Jahrzehnten ihrer gesamten Karriere ab 1560 sind nur gerade fünf bezeichnete Gemälde bekannt, dreimal weniger als aus den zehn Jahren zuvor; deren knappe Inschriften entsprechen, abgesehen vom doppelten Nachnamen „Lomelina (et) Anguissola“, der Signierweise von männlichen Künstlern.121 Dagegen ist keines der großen Bildnisse aus ihrer spanischen Zeit bezeichnet;122 und da in den gleichen Jahren die Hofporträtisten Alonso Sanchez-Coello und Jorge de la Rúa eine ganze Reihe ihrer Bildnisse signierten,123 können wir annehmen, dass Sofonisbas Verzicht auf Namensnennung nicht durch den neuen Kontext bedingt war.124 Hinweise für eine vergleichbare, aber weniger ausgeprägte Emanzipation sind auch bei Lavinia Fontana zu beobachten. Sie verblieb nach der Heirat unter der Autorität ihres Vaters Prospero, dem sie gemäß Ehevertrag ihre Einkünfte abliefern musste.125 Zwar bezeich119 Die väterliche Kontrolle über Sofonisbas Bildproduktion ist zwar in der Literatur vereinzelt angedeutet worden (etwa von Christadler 2000 [wie Anm. 39], S. 192, und Cole 2019 [wie Anm. 16], S. 32), jedoch ohne dass dies Konsequenzen für deren Interpretation gehabt hätte. 120 Cole 2019 (wie Anm. 16), S. 122 und Nr. 37, der allerdings Zweifel sowohl an der Identität der Porträtierten als auch an Sofonisbas Autorschaft äußert. Zum angeblichen Selbstbildnis, das durch einen Stich von Johann Nepomuk Muxel überliefert ist, s. ibid., S. 122. Das plötzliche Verebben von Sofonisbas Selbstbildnisproduktion ist, soweit ich sehe, bisher einzig von Woods-Marsden 1998 (wie Anm. 39), S. 8, und Cole 2019 (wie Anm. 16), S. 134, erwähnt worden. 121 Cole 2019 (wie Anm. 16), Nr. 4, 5, 32, 57, sowie Ruiz Gómez 2019 (wie Anm. 16), Nr. 49. Zur Einordnung von drei unsicher datierten Gemälden in die Zeit vor 1560 s. Sofonisba Anguissola e le sue sorelle 1994 (wie Anm. 19), Nr. 14, 19, 20, und Cole 2019 (wie Anm. 16), S. 119 – 122. 122 S. zu diesen Werken zuletzt ibid., S. 123 – 133, und Almudena Pérez de Tudela, Sofonisba Anguissola at the Court of Philipp II, in: Ruiz Gómez 2019 (wie Anm. 16), S. 53 – 73. 123 Vgl. die Beispiele in Stephanie Breuer-Hermann, Alonso Sánchez Coello y el retrato en la corte de Felipe II (Kat. d. Ausst.), Madrid: Museo del Prado, 1990, Nr. 11, 12, 17, 24 – 27, 31, 33, 34, 38, 44. 124 Woods-Marsden 1998 (wie Anm. 39), S. 195, erklärt das Fehlen von Signaturen auf den spanischen Werken damit, dass sich Sofonisba als adlige Hofdame nicht auf die Ebene der dem Handwerksstand angehörigen Maler begeben durfte. In Wirklichkeit betraf diese Einschränkung nicht die manuelle Arbeit selber, sondern nur ihre Bezahlung. So war die schottische Königin Mary Stuart für ihre Stickereien berühmt, die sie mit ihren Initialen signierte; vgl. Michael Bath, Emblems for a Queen. The Needlework of Mary Queen of Scots, London: Archetype Publications, 2008. 125 Cantaro 1989 (wie Anm. 57), S. 9; Caroline P. Murphy, Lavinia Fontana. A Painter and Her Patrons in Sixteenth-Century Bologna, New Haven: Yale University Press, 2003, S. 43 f.
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4 Verteilung der signierten und unsignierten Gemälde Lavinia Fontanas nach Destination und Entstehungszeit
nete Lavinia ihre Bilder bis an ihr Lebensende regelmäßig; wenn wir jedoch das Verhältnis zwischen signierten und unsignierten Werken über die rund vierzig Jahre ihrer künstlerischen Tätigkeit betrachten (Abb. 4),126 so zeigt sich ein signifikanter Wandel. In den ersten Jahren signierte sie vorzugsweise ihre Bilder für private Sammlungen, während die Gemälde mit öffentlicher Destination mehrheitlich unbezeichnet blieben. Dieses Verhältnis kehrte sich im Laufe der achtziger und vor allem neunziger Jahre allmählich um, bis sich nach dem Tod ihres Vaters 1596 die Signierpraxis der Künstlerin weitgehend der ihrer männlichen Kollegen anglich. Der Rückgang der Kabinettbilder in Fontanas letzten Lebensjahren, den die Graphik zu dokumentieren scheint, dürfte dabei kaum die Realität widerspiegeln: Aus den Quellen wissen wir, dass Lavinia in ihrer Zeit in Rom ab 1604 zahlreiche Porträtaufträge ausführte,127 von denen aber fast keine bekannt sind. Der Grund dafür kann nur darin liegen, dass sie größtenteils nicht signiert waren und deshalb wohl noch zu entdecken sind.128 126 Die Graphik beruht auf dem Werkverzeichnis von Cantaro 1989 (wie Anm. 57). 127 Cantaro 1989 (wie Anm. 57), S. 16. 128 Tatsächlich sind ein Großteil der seit 1989 publizierten Gemälde (die nicht in der Graphik berücksichtigt werden konnten) unsignierte Bilder für Privatsammlungen aus der Zeit nach 1590.
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Es lässt sich also zeigen, dass die Signierpraxis von Sofonisba Anguissola und Lavinia Fontana in ihrer Jugend stark von ihrem männlichen Umfeld konditioniert war und sie sich erst als reife Künstlerinnen allmählich von dieser Prägung befreiten. Ich vermute, dass dies auch für andere Künstlerinnen gilt – etwa für Catharina van Hemessen, die möglicherweise nach ihrer Heirat 1554 nicht, wie allgemein angenommen wird, zu malen aufhörte, sondern ihre Bilder nicht mehr signierte, oder für die junge Artemisia Gentileschi. Die Authentizität der Signatur auf ihrem Gemälde Susanna und die beiden Alten in Pommersfelden wurde wegen des frühen Datums 1610 immer wieder in Zweifel gezogen;129 doch macht sie, vor dem Hintergrund des Gesagten, gerade aus diesem Grunde Sinn. Die Tatsache, dass die Künstlerin erst einige Jahre später schreiben lernte, bedeutet nicht, wie kürzlich behauptet wurde,130 dass die Datierung bisher falsch gelesen wurde, sondern ist vielmehr ein Beleg für die Rolle ihres Vaters bei der Anbringung dieser Signatur. In einer weiteren Perspektive veranschaulicht die Untersuchung der Künstlerinneninschriften, dass die Signatur – ebenso wie das Selbstbildnis – nicht als autonome self-expression des Künstlers angesehen werden sollte, sondern eher als eine Art Schnittstelle, die zwischen dem Künstler und seinem Publikum vermittelt. Ähnlich einer Visitenkarte, deren Gestaltung bestimmten Konventionen unterworfen ist, reflektiert die Signatur nicht nur das Bild, das der Künstler von sich geben will, sondern auch jenes, das sein Publikum von ihm erwartet. Dabei zeigt gerade das Beispiel der jungen Malerinnen, dass es – entgegen der Darstellung der frühneuzeitlichen Kunstliteratur von Filarete bis Vasari, welche die Autonomie des artifex zu betonen suchten131 – keineswegs immer der Künstler selbst sein musste, der sich mit seinem Namen am Werk verewigen wollte.132 Dies ist ein Aspekt, den die Signaturenforschung in Zukunft stärker reflektieren sollte.133
129 Vgl. den Literaturüberblick von Judith Mann, in: Baldassari 2016 (wie Anm. 80), S. 112, Nr. 17. 130 Giovanna Murano, “Artemisia Lomi Gentileschi (1593 – 1654 ca.)”, in: ead. (Hrsg.), Autographa: Autografi di italiani illustri, II.1: Donne, sante e madonne (da Matilde di Canossa ad Artemisia Gentileschi), Imola/Bologna: Edizioni La Mandragora/CLUEB, 2018, S. 210 – 221, S. 211. 131 S. dazu den Beitrag von Alessandro Della Latta im vorliegenden Band. 132 Ein entsprechendes Beispiel eines männlichen Künstlers ist Michiel van Mierevelt, der 1624 in einem Vertrag über einen Porträtauftrag von der Delfter Stadtregierung verpflichtet wurde, seine Bildnisse zu signieren (vgl. Adams 1993 [wie Anm. 26], S. 584). 133 Für die Einladung, dieses Thema an der Tagung Die Namen der Künstler vorzustellen, sowie das Entgegenkommen, die schriftliche Fassung trotz beträchtlich gewachsenem Umfang hier zu publizieren, bin ich Alessandro Della Latta und Karin Gludovatz sehr verbunden. Des Weiteren danke ich allen Personen, die meine Untersuchung mit Rat und Tat unterstützt haben, insbesondere Adriana Augusti, Hannah Baader, Gianluca Bocchi, Cristina Bragaglia, Iris Brahms, Wolfgang Brückle, Michael W. Cole, Elena Fumagalli, Liesbeth Helmus, Rossella Lari, Angelo Maria Monaco, Jessica Richardson, Michael Rocke, Massimiliano Rossi, Elisabetta Scirocco, Jörn Steigerwald, Christina Strunck, Anchise Tempestini und Evelyne Vitali. Die vorliegende Fassung wurde im Wesentlichen im Januar 2020 abgeschlossen; seither erschienene Literatur konnte nur punktuell berücksichtigt werden. Eine englische Fassung dieses Aufsatzes ist im März 2022 im RIHA Journal, Nr. 0272, DOI: https://doi. org/10.11588/riha.2022.1.86935, erschienen.
ABBILDUNGSNACHWEIS
Cover: © Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie/Christoph Schmidt
Ute Stehr Abb. 1, 3 – 5; Tafel 1, 2, 4 – 10: Fotoarchiv Gemäldegalerie-SMB, Foto: Christoph Schmidt Abb. 2; Tafel 3: Fotos der Autorin
Eef Overgaauw Tafel 11: Museum Meermanno-Westeenianum, Den Haag/s-Gravenhage Tafel 12: Staatsbibliothek Bamberg Tafel 13: Fondation Martin Bodmer, Cologny Tafel 14: Bibliothèque de Valenciennes, Valenciennes Abb. 1 – 8: Staatsbibliothek zu Berlin, Preußischer Kulturbesitz Abb. 9: Universitätsbibliothek Heidelberg Abb. 10: Stadt- u. Universitätsbibliothek Frankfurt am Main
Teresa De Robertis Tafel 15: Berlin, SBB-PK Fig. 1a – d, Tafel 16c – h, Fig. 3b – f, 4a – b, 4d, 5a – c: Firenze, Biblioteca Medicea Laurenziana Fig. 1e: Firenze, Biblioteca Riccardiana Tafel 16a – b: Città del Vaticano Fig. 2a – c: Paris, Bibliothèque Nationale de France Fig. 3a: Milano, Biblioteca Ambrosiana Fig. 4c: Oxford, Bodleian Library
202 | Abbildungsnachweis
Stefano Zamponi Fig. 1: Firenze, Museo Nazionale del Bargello Fig. 2: Firenze, Museo Nazionale del Bargello Fig. 3: Firenze, Biblioteca Medicea Laurenziana Fig. 4a: Autor Fig. 4b: Autor Fig. 5: Autor Fig. 6: Alberta De Nicolò Salmazo, Mantegna, Köln: DuMont, 2004 Fig. 7: Giovanna Baldissin Molli, Giordana Mariani Canova, Federica Toniolo, La miniatura a Padova dal Medioevo al Settecento, Modena: Panini, 1999 Fig. 8a: Autor Fig. 8b: Autor Fig. 9: Autor Fig. 10: Padova, Biblioteca Civica
Magdalena Bushart Abb. 1, 3 – 18: creativecommons.org/publicdomain/zero/1.0/ Abb. 2: © Kupferstichkabinett. Staatliche Museen zu Berlin Tafel 17: Herzog Anton Ulrich-Museum Braunschweig
Rudolf Preimesberger Abb. 1: Fernando Marías, El Greco. Life and Work – A New History, London: Thames & Hudson, 2013, S. 37 Abb. 2: Ibid., S. 24 Abb. 3: Ibid., S. 37 Abb. 4: Ibid., S. 31 Abb. 5: Olga Gratziou, Domenicos Theotokopoulos, ,ho deixas‘. A commentary on a Rare Signature Type of El Greco, in: Nicos Hadjinicolaou (Hrsg.), El Greco of Crete. Proceedings of the International Symposium held on the occasion of the 450th anniversary of the artist’s birth, Iraclion, Crete, 1 – 5 September 1990, Iraklion: Municipality of Iraklion, 1995, S. 70 Abb. 6: Marías 2013, S. 135 Tafel 18: Marías 2013, S. 142 Abb. 7: Sandro Chierici (Hrsg.), Die sixtinische Kapelle. Das Jüngste Gericht, Zürich und Düsseldorf: Benziger, 1997, S. 135 Abb. 8: Detail aus Abb. 7, Marías 2013, S. 144 Abb. 9: Detail aus Abb. 7, Ibid., S. 142 Abb. 10: Ibid., S. 139 Abb. 11: Ibid., S. 138
Abbildungsnachweis | 203
Tafel 19: Marías 2013, S. 137 Abb. 12: Stephanie Buck, Peter Hohenstatt, Raffaello Santi, genannt Raffael 1483 – 1520, Köln: Könemann, 1998, S. 112 Tafel 20: Marías 2013, S. 136
Holm Bevers Tafel 21: Washington, D. C., National Gallery of Art Abb. 1: New York, Privatsammlung Abb. 2: Frankfurt am Main, Städel Museum, Foto: U. Edelmann Abb. 3: Haarlem, Teylers Museum Abb. 4: New York, Privatsammlung Abb. 5: Wien, Albertina Abb. 6: Amsterdam, Museum het Rembrandthuis Abb. 7: Den Haag, Koninklijke Bibliotheek Abb. 8: © Amsterdam, Six Collection Abb. 9: © Amsterdam, Six Collection Abb. 10: Den Haag, Koninklijke Bibliotheek Abb. 11: Wien, Albertina Abb. 12: New York, The Metropolitan Museum of Art Abb. 13: Berlin, Kupferstichkabinett, Staatliche Museen zu Berlin, Foto: Jörg P. Anders Abb. 14: Paris, Fondation Custodia, Collection Frits Lugt Abb. 15: Wien, Albertina
Katja Kleinert und Claudia Laurenze-Landsberg Abb. 1, 3, 5, 7, 9, 10, 11; Tafel 22, 23, 24, 26: Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie, Fotografie: Christoph Schmidt Abb. 2; Tafel 25, 27, 29: Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie, Foto: Claudia Laurenze-Landsberg Abb. 4: Rijksmuseum, Rijksprentenkabinet, Amsterdam Tafel 24: Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett, Foto: Jörg P. Anders Abb. 6: Städel Museum – ARTOTHEK, Frankfurt Abb. 8; Tafel 28: Helmholtz-Zentrum, Berlin
Samuel Vitali Abb. 1: aus Alessandro Rovetta, Marco Rossi, Bert Meijer (Hrsg.), Pinacoteca Ambrosiana: Tomo secondo – Dipinti dalla metà del Cinquecento alla metà del Seicento, Mailand: Electa, 2006, S. 150
204 | Abbildungsnachweis
Abb. 2: Sofonisba Anguissola e le sue sorelle (Kat. d. Ausst.), Rom: Leonardo Arte, 1994, S. 197 Abb. 3: Kunsthaus Zürich Abb. 4: Autor
FARBTAFELN
Farbtafeln | 207
1 Lippo Memmi, Maria mit dem Kind, Tempera auf Holz, 66,5 × 27,4 cm, 1333, Berlin, Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie
2 Lippo Memmi, Maria mit dem Kind (Detail der Signatur, Schriftzeichen „MEMMI DE SENIS“, Polimentvergoldung, trassiert und punziert)
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3 Lippo Memmi, Maria mit dem Kind (Detail der Signatur, Mikroskopaufnahme der Schriftzeichen „ME“)
5 Albrecht Dürer, Die Madonna mit dem Zeisig, Öl auf Holz, 93,5 × 78,9 cm, 1506, Berlin, Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie
6 Albrecht Dürer, Die Madonna mit dem Zeisig (Detail: cartellino) 4 Antonello da Messina, Bildnis eines jungen Mannes, Öl auf Holz, 20,4 × 14,5 cm, 1478, Berlin, Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie
7 Albrecht Dürer, Die Madonna mit dem Zeisig (cartellino, Detail der Aufschrift und der angrenzenden braunen Farbfläche)
Farbtafeln | 209
8 Jan Gossaert, Neptun und Amphitrite, Öl auf Holz, 191 × 128,4 cm, 1516, Berlin, Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie
210 | Farbtafeln
9 Isaac van Ostade, Bauer mit Schlapphut, Öl auf Holz, 45,4 × 39,3 cm, 1640 – 49, Berlin, Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie
Farbtafeln | 211
10 Giovanni Battista Benvenuti, gen. Ortolano, Maria mit dem segnenden Kind, Öl auf Leinwand, 102,2 × 77,5 cm, um 1516, Berlin, Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie, Kat. Nr. 1332
212 | Farbtafeln
11 Signatur des Miniators Michiel van der Borch in der Rijmbijbel des Jacob van Maerlant, Utrecht (?), 1332, Den Haag, Museum Meermanno, 10 B 21, Bl. 152v
12 Signatur des Miniators Johannes Duft de Schmalkalden in der Darstellung der Verleumdung des Apelles, Heidelberg, 1496, Bamberg, Staatsbibliothek, I Qa 29, Einzelblatt
13 Signatur des Miniators Rufillus in einem Passionale, Weissenau (?), zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts, Genf-Cologny, Bibliotheca Bodmeriana 127, Bl. 244r
Farbtafeln | 213
14 Signatur des Miniators Sawalo in einer Bibel, Saint-Amand, zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts, Valenciennes, Bibliothèque de Valenciennes, Ms. 5, Bl. 17v
214 | Farbtafeln
15 Poggio Bracciolini (copista), 1408, Berlin, SBB-PK, Hamilton 166, f. 23r
Farbtafeln | 215
(a) (b)
(c)
(f)
(d)
(e)
16 (a – b) Città del Vaticano, Pal. Lat. 906, ff. 33v, 50v; (c) Firenze, Biblioteca Medicea Laurenziana, Pl. 76.4, f. 16r; (d – e) Firenze, Biblioteca Medicea Laurenziana, Pl. 48.34, ff. 32r, 60r; (f) Firenze, Biblioteca Medicea Laurenziana, Strozzi 96, f. 1v; (g – h) Firenze, Biblioteca Medicea Laurenziana, Conv. Soppr. 119, ff. 74v, 111v.
(h)
(g)
216 | Farbtafeln
17 Hans Burgkmair, Jost de Negker, Bildnis Julius II, Clairobscur-Holzschnitt, 1511, Braunschweig, Herzog Anton Ulrich-Museum, Mus. Sign. HBurgkmair AB 3.4
18 El Greco, Himmelfahrt Marias, Öl auf Leinwand, 403,2 × 211,8 cm, 1577 – 1579, Chicago, Art Institute of Chicago
Farbtafeln | 217
218 | Farbtafeln
19 El Greco, Die Geburt Christi, Öl auf Leinwand, 210 × 128 cm, 1577 – 1579, Madrid, Fundación Botin
Farbtafeln | 219
20 El Greco, Auferstehung Christi, Öl auf Leinwand, 210 × 218 cm, 1577 – 1579, Toledo, Santo Domingo de Silos (El Antiguo)
220 | Farbtafeln
21 Rembrandt, Sitzender alter Mann, rote Kreide, 1630, Washington, National Gallery of Art, Rosenwald Collection
23 Rembrandt, Simson und Delila (Detail: ignatur/Faksimile der Signatur von Bode 1881 S publiziert)
22 Rembrandt, Der Geldwechsler (Detail: ignatur/Faksimile der Signatur im Verzeichnis S der Gemäldegalerie von 1883)
24 Rembrandt, Simson droht seinem Schwiegerva ter (Detail: Signatur/Faksimile der Signatur im Verzeichnis der Gemäldegalerie von 1883)/Georg Friedrich Schmidt nach Rembrandt, Simson droht seinem Schwiegervater (Detail: Signatur gespiegelt abgebildet), Radierung, 1756, London, British Museum
25 Rembrandt, Simson droht seinem Schwieger vater (Detail: Stereoskop). Der untere Bogen des „R“ ist mit weißer und heller, graubrauner Farbe verziert. Die obere Hälfte des „R“ befindet sich auf einer Fehlstelle. Unterhalb des „R“ befindet sich eine weitere Verzierung.
26 Rembrandt, Alter Mann mit Bart und Barett (Detail: Signatur/Faksimile der Signatur im Verzeichnis der Gemäldegalerie von 1883)
Farbtafeln | 221
222 | Farbtafeln
27 Rembrandt, Alter Mann mit Bart und Barett (Detail: Stereoskop). Das „f“ wurde mit hellem und mit dunklerem Gelb sowie mit grünlich-graubrauner Farbe verziert.
28 Rembrandt, Joseph und die Frau des Potiphar. Detail der ersten Signatur aus der 6. Autoradiographie/Detail zweite Signatur/Faksimile der Signatur im Verzeichnis der Gemäldegalerie von 1898
Farbtafeln | 223
29 Rembrandt, Jakob ringt mit dem Engel, um 1660, Berlin, Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie. Rekonstruktion der Formatveränderungen: 1. Versteigerung der Slg. Demoiselles de Fraula, 1770; 2. Versteigerung der Slg. Jean Baptiste Joseph Julien Horion, 1788; 3. Heutiges Format.