Siegmund Jacob Baumgarten: System und Geschichte in der Theologie des Übergangs zum Neuprotestantismus 9783666551314, 3525551312, 9783525551318


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German Pages [304] Year 1974

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Siegmund Jacob Baumgarten: System und Geschichte in der Theologie des Übergangs zum Neuprotestantismus
 9783666551314, 3525551312, 9783525551318

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MARTIN SCHLOEMANN Siegmund Jacob Baumgarten

MARTIN

SCHLOEMANN

Siegmund Jacob Baumgarten System und Geschichte in der Theologie des Überganges zum Neuprotestantismus

VANDENHOECK & RUPRECHT IN G Ö T T I N G E N

Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte Band 26

ISBN 3-525-55131-2 Als Habilitationsschrift auf Empfehlung der Abteilung für Evangelische Theologie der Ruhr-Universität Bochum gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft. — © Vandenhoeck 8c Ruprecht, Göttingen 1974 — Printed in Germany. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, das Buch oder Teile daraus auf foto- oder akustomechanischem Wege zu vervielfältigen. Gesamtherstellung: Hubert & Co., Göttingen

Vorwort Diese Arbeit wurde von der Fakultät der Abteilung für Evangelische Theologie der Ruhr-Universität Bochum im Sommersemester 1972 als Habilitationsschrift unter dem Titel „Siegmund Jacob Baumgartens Theologie im Übergang zum Neuprotestantismus" angenommen. Zur Veröffentlichung wurde sie durchgesehen, durch geringfügige Verbesserungen und die Anmerkungen zur Bibliographie ergänzt. Die Anregung zur Beschäftigung mit Baumgarten und großzügige Förderung der Arbeit in Assistentenjahren, welche durch die Aufbausituation der neuen Universität geprägt waren, verdanke ich Herrn Prof. Dr. G. Hornig. Femer habe ich dem Korreferenten, Herrn Prof. Dr. J . Wallmann, sowie für Hilfen aus privatem Bücherbesitz Herrn Prof. Dr. M. Tetz, Herrn Prof. Dr. L. Aalen (Oslo) und Herrn Verleger Dr. H. Rempel (Gießen) zu danken. Das Archiv der Franckeschen Stiftungen in der Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt Halle, das Archiv der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und das Deutsche Zentralarchiv Hist. Abt. II Merseburg haben unschätzbare Unterstützung geboten, nicht zuletzt auch die Universitätsbibliothek Bochum. Dem Verlag Vandenhoeck & Ruprecht danke ich für die Aufnahme der Abhandlung in die „Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte" und der Deutschen Forschungsgemeinschaft für ihre Druckbeihilfe. Bochum, im Juli 1973

Martin Schloemann

MEINER FRAU

Inhalt Vorwort

5

V o r b e m e r k u n g e n zur Schreib- u n d Zitierweise, zu den Abkürzungen u n d zur Bibliographie I.

K a p i t e l : Der theologiegeschichtliche O r t Siegmund J a c o b B a u m g a r t e n s 1. Die Wende zum Neuprotestantismus als Forschungsaufgabe 2. Das Bild Baumgartens bei seinen Schülern und in der Forschung 3. Der biographische Hintergrund der Theologie Baumgartens

II.

12 19 29

59

1. Das Erbe des Hallischen Pietismus 2. Der Einfluß Wolffs 3. Die Vereinigung mit Gott als Thema der Theologie

59 66 79

K a p i t e l : B a u m g a r t e n s Hinwendung zur G e s c h i c h t e

96

1. Die Fortentwicklung des Denkens Baumgartens über seine Systematik hinaus 2. Der Durchbruch der historischen Richtung in Baumgartens Veröffentlichungen 3. Die Uberwindung von Hemmnissen bei Baumgartens Hinwendung zur Geschichte a) Die Durchsetzung der neuen Arbeitsrichtung gegenüber dem Hallischen Pietismus b) Das Abrücken von der Geschichtsfremdheit des Wolffianismus aa) Die Geschichtsfremdheit der Wolffschen Philosophie als ein Unterscheidungsmerkmal gegenüber anderen Ausprägungen des Aufklärungsdenkens bb) Die Differenz zwischen Baumgarten und Wolff in der Stellung zur Geschichte 4. Der theologisch-apologetische Beweggrund für Baumgartens Hinwendung zur Geschichte IV.

12

K a p i t e l : Pietismus u n d Wolffianismus in B a u m g a r t e n s theologischem Ansatz

III.

9

96 109 122 122 129

129 135 156

K a p i t e l : Der E r t r a g der gelehrten A r b e i t B a u m g a r t e n s für die T h e o l o g i e 1. Baumgartens Beitrag zur Entwicklung des historischen Denkens innerhalb und außerhalb der Theologie a) Die Erweiterung des Blickfeldes b) Methodische Maßstäbe und Anstöße 2. Die weiterführenden Tendenzen in Baumgartens Theologie a) Die Inblicknahme des Christentums als historischer Religion b) Die Änderungen in der Lehre von der Heiligen Schrift c) Die Ansätze zu einer neuen Hermeneutik

171 171 171 178 202 202 214 223

8

Inhalt

Bibliographie S i e g m u n d J a c o b Baumgartens

243

I. Verzeichnis der gedruckten Schriften Siegmund Jacob Baumgartens II. Verzeichnis der unter Siegmund Jacob Baumgartens Präsidium verteidigten Dissertationen

245 274

Literaturverzeichnis

280

Personenregister

296

Vorbemerkungen zur Schreib- und Zitierweise, zu den Abkürzungen und zur Bibliographie In den zitierten Texten wurden Orthographie und Interpunktion der modernen Schreibweise vorsichtig angeglichen. Dabei wurde der Lautbestand erhalten. Sperrungen und andere Hervorhebungen wurden grundsätzlich weggelassen; wo sie aus besonderem Grund doch auftreten, ist ihre Herkunft ausgewiesen. Bei fremdsprachigen Zitaten wird in der Regel auf die Anführungszeichen verzichtet. Bei den älteren Schriften wird je nach Üblichkeit oder Bequemlichkeit nach Seiten, Paragraphen oder Druckbogen zitiert. Bloße Verweise auf Anmerkungen beziehen sich immer auf das betreffende Kapitel dieser Arbeit. Über das verwendete handschriftliche Quellenmaterial siehe S. 29 Anm. 71. In der Regel werden die Titel der angeführten Schriften abgekürzt wiedergegeben. Wird kein Verfassername genannt, handelt es sich stets um eine Schrift S. J . Baumgartens. Mit Hilfe des bei Baumgartenschriften durchweg mit angegebenen Erscheinungsjahres läßt sich in der beigefügten Bibliographie Näheres bestimmen. Auf das Erscheinungsjahr wird lediglich bei gehäufter Anführung der selben Schrift in einem Zusammenhang verzichtet, ferner bei den großen posthumen Werken. Für sie und einige andere Druckschriften sowie für die Fundorte der Handschriften werden die folgenden besonderen Abkürzungen verwendet: AFSt Ausführliche Hermeneutic Ausführliche Moral Engl. Bibelwerk

Geschichte der Religionspartheyen Glaubenslehre Nachr. hall. Bibl. Nachr. merkw. Büch.

Archiv der Francke'schen Stiftungen in Halle/S. Handschriftenhaup tab teilung. Baumgarten: Ausführlicher Vortrag der Biblischen Hermeneutic, ed. Bertram, 1769. Baumgarten: Ausführlicher Vortrag der Theologischen Moral, ed. Semler, 1767. Die Heilige Schrift des Alten und Neuen Testaments nebst einer vollständigen Erklärung . . . (s. Baumgarten-Bibliographie Nr. 142). Baumgarten: Geschichte der Religionspartheyen, ed. Semler, 1766. Baumgarten: Evangelische Glaubenslehre, ed. Semler, 1759-1760. Baumgarten: Nachrichten von einer hallischen Bibliothek, 1748-1751. Baumgarten: Nachrichten von merkwürdigen Büchern, 1752-1758.

10 UA Halle—Wittenberg Untersuchung Theologischer Streitigkeiten Welthistorie Wöch. Hall. Anz.

Vorbemerkungen

Archiv der Martin-Luther-Universität Halle—Wittenberg. Baumgarten: Untersuchung Theologischer Streitigkeiten, ed. Semler, 1762—1764. Baumgarten: Uebersetzung der Allgemeinen Welthistorie . . . , 1744-1758. Wöchentliche Hallische Anzeigen, 1729ff. (= Intelligenzblatt).

Die übrigen Abkürzungen verstehen sich von selbst oder richten sich nach den Abkürzungsverzeichnissen in: Die Religion in Geschichte und Gegenwart, 3. Auflage, Tübingen, 1957-1965 (= RGG). Die beigefügte Bibliographie Baumgartens erhebt keinen Anspruch auf endgültige Vollständigkeit, auf formale Vollkommenheit und auf Erstmaligkeit. Sie soll hauptsächlich die vorliegende Abhandlung stofflich entlasten und ihre bequemere Benutzung ermöglichen, wofür weder eine bloße Zusammenstellung der zitierten Schriften noch ein Hinweis auf frühere Verzeichnisse ausreichen. Sie ist aus folgenden Gründen erforderlich. Nach den unvollständigen Zusammenstellungen von Baumgartens Schriften noch zu dessen Lebzeiten (Brucker, Dreyhaupt, s. das Literaturverzeichnis, auch zum folgenden) veröffentlichte J . S. Semler im „Ehrengedächtnis" für Baumgarten (1758) die erste große, bis heute umfassendste und in vieler Hinsicht noch immer brauchbare Baumgarten-Bibliographie. Völlig von dieser abhängig ist F. E. Rambach (1760), etwas weniger Jöcher-Adelungs Gelehrtenlexikon (Forts.- u. Erg.-Bd. I, 1784, Sp. 1538ff.), wo auch Ergänzungen (besonders Posthuma) gebracht und vor allem eine durchgehend chronologische Ordnung versucht wird, freilich ohne die meisten Dissertationen einzeln aufzuführen. Diese, die Schulprogramme, Vorreden und Zeitschriftenaufsätze werden nur zusammenfassend erwähnt, die unter Baumgartens Aufsicht herausgekommenen Werke anderer aber in einer besonderen Gruppe aufgeführt. Engstens an Adelungs Aufbau und Inhalt schließt sich Meusel (I, 1802, S. 245ff.) an. Er bringt einige Ergänzungen und Korrekturen, aber auch häufig etwas ausführlichere Beschreibungen, wobei er sich freilich, was etwa die Gruppen der Zeitschriftenaufsätze und Vorreden angeht, wieder ganz an Semler hält (ζ. T. wörtlich und auch dessen Versehen wiedergebend). Zu dieser letzten eigentlichen Baumgarten-Bibliographie und ihren Vorgängern tritt als weitere wertvolle Hilfe der von der Preußischen Staatsbibliothek begonnene, aber beim Buchstaben B, bald nach Baumgarten steckengebliebene „Deutsche(r) Gesamtkatalog" (Stichwort Baumgarten, Bd. 13, 1938, Sp. 345ff., Nr. 13.5006—13.5164). Dieser in der Zuverlässigkeit seiner Angaben die früheren Bibliographien weit übertreffende Katalog (abgekürzt: GK) enthält die auf deutschen öffentlichen Bibliotheken vorhandenen unter Baumgartens Namen

Vorbemerkungen

11

erschienenen Schriften in alphabetischer Reihenfolge, gibt die Fundorte an (Stand 1938) und verweist knapp auf viele Veröffentlichungen, an denen Baumgarten sonst beteiligt war. Leider weist der GK aber wegen seiner besonderen Prinzipien erhebliche Lücken auf. Dazu gehört nicht nur die Beschränkung auf den Kreis der berücksichtigten Bibliotheken. Es werden auch ζ. B. mehrbändige Werke nur summarisch beschrieben, ohne Angaben über Seitenzahlen, Vorreden und Erscheinungsjahre der einzelnen Bände. Es fehlen auch die Dissertationen etwa zur Hälfte (darunter auch wichtige von Baumgarten selbst verfaßte), da von ihnen immer nur die späteren Neuauflagen und Übersetzungen aufgenommen werden, was auch für die Universitäts- und Schulschriften gilt. Dazu fehlen alle Zeitschriftenaufsätze. Wenig Hilfe bietet der GK auch bei der Aufnahme des gewichtigen Baumgartenschen Vorreden-Opus (insgesamt ca. 3500 Seiten) und anderer Beiträge zu fremden Schriften oder Sammelwerken, weil es — wenn nicht die Angaben ganz fehlen — dafür nur Verweise auf die anderen Bände gibt, die aber zum größten Teil nicht mehr erschienen sind. Unter dem Stichwort Baumgarten zählt und bibliographiert der Deutsche Gesamtkatalog nur etwa die Hälfte der bekannten Veröffentlichungen und Dissertationen. Wer sich also ein genaueres Bild von Baumgartens literarischem Werk machen will, ist darauf angewiesen, nach wie vor die bislang vollständigste Bibliographie von Semler zugrunde zu legen, zur Ergänzung und besseren chronologischen Einordnung (hiervon ausgenommen die Gruppen der Vorreden, Aufsätze und Editionen) Meusel zu vergleichen und dazu den exakten alphabetischen, aber sehr lückenhaften Deutschen Gesamtkatalog heranzuziehen. Da diese drei Hilfsmittel bei der Lektüre dieser Arbeit nur selten zugleich greifbar sein dürften und auch die Mühe des ständigen Suchens und Vergleichens der Angaben darin unzumutbar erscheint, wird die Erstellung eines neuen Schriftenverzeichnisses erforderlich. Bei dieser Gelegenheit kann dann auch noch eine ganze Reihe bislang nicht verzeichneter Publikationen beigebracht werden. Die Bibliographie führt Baumgartens Veröffentlichungen und — am Schluß zusammengestellt — die unter seinem Präsidium verteidigten Dissertationen auf, und zwar in chronologischer Reihenfolge, auch innerhalb der Jahresgruppen, soweit zu ermitteln. Nicht aufgenommen wurden die zahlreichen „Litterae academicae" zu Disputationen unter fremdem Präsidium, von denen in Baumgartens „Opuscula" (Bibliogr. Nr. 47) für die Zeit bis 1744 allein 25 abgedruckt sind, es sei denn, es lägen Sonderausgaben davon vor. Wo es bei den Baumgartenschen Dissertationen weitere Auflagen gibt, sind lediglich die Jahreszahlen dafür jeweils in Klammern hinzugesetzt. Akademische Titel werden in der Regel stillschweigend weggelassen, andere Titel durch . . . ersetzt. Die erläuternden Fußnoten zur Bibliographie sind nicht durchnumeriert, sondern mit den jeweiligen Nummern der Bibliographie versehen.

I. Der theologiegeschichtliche Ort Siegmund Jacob Baumgartens 1. Die Wende zum Neuprotestantismus

als

Forschungsaufgabe

Von allen Wandlungen, Umbrüchen und Neuansätzen, die die protestantische Theologie in ihrer Geschichte seit der Reformation verändert haben, gilt die Entstehung des Neuprotestantismus im 18. Jahrhundert als die einschneidendste Wende 1 . Gleichwohl hat dieser Sachverhalt das Bewußtsein der deutschen evangelischen Theologie in unserem Jahrhundert auf weite Strecken nur wenig bestimmt. Nachdem seit dem Ersten Weltkrieg auf verschiedene Weise versucht worden ist, einen neuen Rückbezug auf die reformatorische und teilweise auch auf die altprotestantische Theologie herzustellen, ist aber seit dem Zweiten Weltkrieg die Einsicht gewachsen, daß dies nicht unvermittelt möglich ist, sondern daß der tiefe Einschnitt, den die geistigen Bewegungen des Aufklärungszeitalters hinterlassen haben, in der Theologie bewußter in Rechnung gestellt werden muß. Am eindrucksvollsten geschah die bewußte Übernahme der neuzeitlichen Situation auf dem Felde und in Verbindung mit der exegetischen Theologie. Hier kann man sich nur so als der Reformation verbunden verstehen, daß man sich der seit dem 18. Jahrhundert offenkundigen Verpflichtung zu freier historischer Kritik an der Bibel rückhaltlos stellt. Daß man gerade hiermit an einer Aufgabe weiterarbeitet, welche die deutsche Aufklärungstheologie stärker, als man lange Zeit gemeint hat, mit der Reformation vor allem Luthers verbindet, ist heute nicht mehr zu übersehen 2 . Andererseits richtet sich gegenwärtig das Interesse der theologischen Systematik, speziell der Ethik, in besonderem Maße auf das Erbe der Aufklärung als Grundlage unseres gegenwärtigen Bewußtseins 3 . Die noch nicht abzusehenden Auswirkungen der modernen Gesellschaftstheorien auf die Theologie bringen freilich nicht allein eine Wiederanknüpfung an die Aufklärung mit sich, sondern 1 E. Troeltsch spricht vom Neuprotestantismus als von dem „zweiten Akt des Protestantismus, der der total veränderten Gesamtlage entspricht" (Was heißt „Wesen des Christentums"? In: Gesammelte Schriften II, S. 4 4 7 ) . 2 W. von Loewenich hat sich zu diesem Thema verschiedentlich geäußert; dabei betont er die in die Zukunft weisenden Züge der Reformation stärker als Troeltsch, vgl. Luther und der Neuprotestantismus, S. 130ff. 3 9 8 . G. Hornig hat für J . S. Semler den Einzelnachweis gefuhrt, besonders in bezug auf die Schriftauffassung (Die Anfänge der historisch-kritischen Theologie). 3 Vgl. T. Rendtorff: Wiederentdeckung der Aufklärung.

Die Wende zum Neuprotestantismus als Forschungsaufgabe

13

zugleich auch eine weiterzielende Kritik an ihr 4 , die es als noch nicht entschieden erscheinen läßt, ob die freiheitlichen und kritischen Traditionen der Aufklärung tatsächlich erneuert werden können oder ob sie wieder verschüttet werden. Bestimmte Vertreter einer „Theologie der Revolution" haben sich zwar in manchem auf die Aufklärung berufen, blieben aber bei ihren Bemühungen um Neuorientierung der Theologie doch an entscheidenden Stellen einem Denken verhaftet, das vom Standpunkt des 18. Jahrhunderts aus betrachtet manche unkritische und vorneuzeitliche Züge trägt 5 . Die tiefe Unsicherheit gegenüber der Frage nach der Bedeutung jener Wende zum Neuprotestantismus ist also in der Theologie noch nicht gewichen. Dies hängt nicht zuletzt damit zusammen, daß die theologiegeschichtlichen Vorgänge des Aufklärungszeitalters und damit die eigentliche Beschaffenheit jener Umwandlung heute noch weithin unbekannt oder mindestens dem Bewußtsein nicht genügend gegenwärtig sind. Weder eine beherrschende Gestalt noch ein bestimmtes Datum zwingen ja auch das schwächer entwickelte historische Bewußtsein zur ständigen Konfrontation mit einem anschaulich wahrnehmbaren Bruch, wie er etwa in der Reformation vor aller Augen liegt. „Die Umformung des christlichen Denkens in der Neuzeit" 6 ist vielmehr ein höchst verwickelter Prozeß, der im 17. Jahrhundert beginnt und bis tief ins 19. Jahrhundert hineinreicht. Nicht von ungefähr gibt darum die beste Darstellung der neueren Theologiegeschichte, das Werk von Emanuel Hirsch, auf die naheliegende Frage nach einem eindeutig zu fixierenden Wendepunkt keine klare Antwort. Zwar bildet die Zeit „um 1740" einen deutlich wahrnehmbaren Einschnitt auch im Aufbau der Darstellung 7 . Aber wenn man nach den bestimmenden Gestalten an der Wende zum Neuprotestantismus Ausschau hält, so gibt es keine, auf die allein hin die Gesamten twicklung nach vorn und rückwärts eindeutig ausgerichtet wäre. Es handelt sich hier vielmehr um einen Prozeß, in dem das Nach- und Nebeneinander größerer und kleinerer Schübe das Bild bestimmt. Immerhin an zwei Stellen 4

M. Horkheimer und Th. W. Adorno: Dialektik der Aufklärung. Da gegenwärtig die „Selbstzerstörung der Aufklärung" zu beobachten ist, muß diese sich kritisch auf sich selbst besinnen (aaO S. 7—9). „Die dabei an Aufklärung geübte Kritik soll einen positiven Begriff von ihr vorbereiten, der sie aus ihrer Verstrickung in blinder Herrschaft löst." (AaO S. 10) 5 T. Rendtorff schreibt über diese Theologie: „Sie besteht in der Verbindung politischer und sozialer Progressivität mit Tendenzen einer letztlich unkritischen Bibeltheologie und Geschichtstheologie." (Der Aufbau einer revolutionären Theologie. In: T. Rendtorff und H. E. Tödt: Theologie der Revolution, S. 67). Sie trägt „Züge von Aufklärungstheologie, einer Theologie also, die sich dem kritischen Erbe der Aufklärung verdankt. . . . Aber ihr dient die Aufklärung doch mehr als Arsenal des kritischen Instrumentariums, sie übernimmt nicht deren Motive, gerade wenn man an die Intentionen der christlichen Aufklärungstheologie denkt. Im Effekt neigt sie einer linken Orthodoxie zu . . . " (aaO S. 73f., vgl. S. 108f). 6 So der Titel des Lesebuchs von E. Hirsch mit Texten von Leibniz bis Kierkegaard. 7 E. Hirsch: Geschichte der neuern evangelischen Theologie II, S. 39 Iff.

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I. Baumgartens theologiegeschichtlicher Ort

greift die B e w e g u n g so tief, daß m a n auch nach Hirsch v o n einer „ W e n d e " sprec h e n kann: bei Philipp J a k o b Spener u n d bei J o h a n n S a l o m o Semler. In dieser D o p p e l u n g darf freilich n i c h t ein Widerspruch gesehen w e r d e n , so sehr sich auch beide T h e o l o g e n voneinander unterscheiden. D i e Wende, die sich in Speners T h e o l o g i e u n d Praxis vollzog, betraf Christentum u n d Kirche i n s g e s a m t 8 , die Wende, w e l c h e S e m l e r herbeiführte, betraf vorerst im b e s o n d e r e n die wissenschaftliche T h e o l o g i e 9 . Z w i s c h e n diese b e i d e n einigermaßen fixierbaren Wend e m a r k e n fällt die Zeit „ u m 1 7 4 0 " , in der sich in der d e u t s c h e n Ö f f e n t l i c h k e i t ein stimmungsmäßiger U m s c h w u n g vollzog, w e l c h e n äußere Ereignisse w i e der Regierungsantritt Friedrichs II. in Preußen u n d die Rehabilitierung des 1 7 2 3 aus Halle verbannten P h i l o s o p h e n Christian Wolff signalisieren 1 0 . Der pietistische N e u a n f a n g am E n d e des 17. Jahrhunderts u n d das A u f k o m m e n der eigentlichen A u f k l ä r u n g s t h e o l o g i e der n e o l o g i s c h e n Z e i t 1 1 in der z w e i t e n H ä l f t e des 18. Jahrhunderts markieren für D e u t s c h l a n d d e n Anfangs- u n d d e n vorläufigen E n d p u n k t des U m w a n d l u n g s p r o z e s s e s , dessen Ergebnis der Neuprotestantismus ist. Man m ö c h t e Walther v o n L o e w e n i c h z u s t i m m e n , w e n n er v o n „ N e u p r o t e s t a n t i s m u s " im qualifizierten Sinne nur dort sprechen will, w o es sich u m d e n durch die Aufklärung u m g e s t a l t e t e n Protestantismus h a n d e l t 1 2 . B e i m 8

„Die Analyse von Speners Theologie hier hat uns gezeigt, daß er auf jeden Fall für das deutsche evangelische Christentum der ist, in dem sich die Wende von der altprotestantischen zur neuprotestantischen Epoche vollzieht. Wer die Aufklärung für einen Irrgang hält, den die deutsche evangelische Theologie hätte vermeiden können und sollen, der muß in Spener einen Verderber erblicken . . . Wenn es . . . feststeht, daß eben dieser Spener . . . die der Aufklärung den Weg bahnende Erschütterung des Altprotestantismus herbeiführte, so kann die Aufklärungstheologie wohl nicht anders denn als Vollstreckerin eines großen geschichtlichen Schicksals verstanden werden." (AaO S. 154f.). ® „Dem geschichtlichen Urteil heute wird es unzweifelhaft sein, daß Semler die geschichtliche Wende von der altprotestantischen zur neuprotestantischen Theologie heraufgeführt hat." (AaO IV, S. 49) 10 Auch andere Forscher halten die Zeit um 1740 für die Zeit des Umschlags in Stimmung und öffentlicher Meinung, z.B. K. Aner: Die Theologie der Lessingzeit, S. 1. 14ff. " Unter der „eigentlichen Aufklärungstheologie" verstehen wir das, was K. Aner als „Die Theologie der Lessingzeit" dargestellt hat, ohne daß deswegen der allgemeine Begriff „Aufklärungstheologie" nicht auch für bestimmte Erscheinungen der Zeit vorher (Teile der Ubergangstheologie) oder nachher (Rationalismus) verwendet werden könnte. Die bdoße Bezeichnung „Neologie" für die Hauptperiode erscheint als etwas zu eng, da gerade eine Gestalt wie Semler hierunter nicht zu fassen ist, wie Aner selbst zeigt (aaO S. 98ff.). Auch führt sie bei den an sich nützlichen Versuchen einer weiteren Untergliederang (grundlegende, praktischreformierende und retardierende Neologie, so bei K. Leder: Universität Altdorf, S. 157ff. 243) zu Verengungen, so daß die Fülle der Erscheinungen der Aufklärangstheologie nur ungenau dadurch gedeckt wird. 12

„Der Neuprotestahtismus beginnt erst mit der Aufklärung" (W. v. Loewenich: Luther und der Neuprotestantismus, S. 145); mehrfach apostrophiert er die Zeit „von Semler bis Troeltsch", bleibt aber auch für den durch die Krise der Moderne gewandelten Neuprotestantismus bei dieser Bezeichnung (aaO S. 431). Über die bisherige Verwendung des Begriffs „Neuprotestantismus" informiert H.-J. Birkner: Uber den Begriff des Neuprotestantismus. In: Beiträge zur Theorie des neuzeitlichen Christentums, S. 1—15.

Die Wende zum Neuprotestantismus als Forschungsaufgabe

15

Pietismus „als Gesamterscheinung" überwiegen nach von Loewenich die altprotestantischen Züge, unter denen besonders das Fehlen des Bewußtseins wissenschaftlicher Autonomie hervortritt 13 . Abweichend davon möchte Martin Schmidt die neue Frage nach dem Menschen im Pietismus höher veranschlagt sehen und diesen deshalb nicht mehr dem Altprotestantismus zurechnen 14 . Diese Differenz ist nicht nur eine Frage der Definition dessen, was man unter Altprotestantismus und unter Neuprotestantismus verstehen will. Es tut sich hier auch die Sachfrage auf, ob der Neuprotestantismus überwiegend auf kulturelle Einflüsse von außen oder auf ein Wirksamwerden innerer Kräfte, speziell religiöser, zurückzuführen sei 15 . Über die hier auftauchenden Probleme läßt sich vermutlich erst Verständigung erzielen, wenn die Bedeutung und Auswirkung der Theologie Speners, besonders auch das Verhältnis seiner Eschatologie zum Geschichtsverständnis der deutschen Aufklärung, näher erforscht worden sind 16 . Gleichwohl kann man nicht umhin, angesichts der heute schon erkennbaren Veränderungen, die durch und seit Spener in Frömmigkeit und Theologie des deutschen Protestantismus vor sich gegangen sind und wie sie etwa Hirsch nachgezeichnet hat, auch die auflockernde Vorarbeit in Betracht zu ziehen, welche der Pietismus geleistet hat, bevor es zum eigentlichen Neuprotestantismus kommen konnte 1 7 . So liegt zwischen Speners pietistischem Neuanfang und Semlers Durchbruch zur historisch-kritischen Aufklärungstheologie ein Abschnitt, in dem sich der Abbau des Alten vollzieht und der Aufbau des Neuen vorbereitet. Dieses Zwischenstadium der Theologiegeschichte, dessen Erforschung noch kaum begonnen hat, bedarf der besonderen Aufmerksamkeit, will man die Eigenart der Wende zum Neuprotestantismus voll verstehen und auch die Rolle, die der Pietismus und andere Bewegungen dabei gespielt haben, abschließend beurteilen. Wenn die Forschung also in dieser für die neuere Theologiegeschichte entscheidenden Frage mehr Klarheit gewinnen will, muß sie sich intensiver derjenigen Theologie in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts zuwenden, für die sich der Name „Übergangstheologie" eingebürgert hat. Dazu gehört indessen nicht alle 13

AaO S. 144f. M. Schmidt: Religion und Christentum bei Wilhelm v. Humboldt. In: Humanitas — Christianitas, S. 166 Anm. 47. Er berührt sich darin mit E. Hirsch. 15 Die erstere Auffassung vertrat E. Troeltsch, die letztere H. Stephan, s. hierzu H. Hoffmann: Der neuere Protestantismus und die Reformation, S. 18ff. E. Hirsch richtet an dieser Stelle keine Alternative auf, sondern zeigt durchgehend das Zusammenwirken aller Faktoren. " Vgl. J. Wallmann: Pietismus und Orthodoxie. In: Geist und Geschichte der Reformation, S. 4 3 7 f f . Die Kirchengeschichte tut derweil gut daran, sich bei ihren Periodisierungsversuchen nicht starr an ein dogmatisch qualifiziertes, sondern an ein mehr formales Verständnis von „Neuprotestantismus" zu halten, so H. Stephan und H. Leube: Handbuch der Kirchengeschichte IV, 2. Aufl. 1931, S. 8f. " Hirsch aaO II, S. 90: „Die Aufklärungsphilosophie stieß auf eine in sich erschütterte Theologie . . . " Es geht nicht an, „den Pietismus deshalb negativ zu beurteilen, weil er im Innern von Theologie und Kirche als ein den Altprotestantismus auflösendes und die Aufklärung vielfach vorbereitendes Element gewirkt hat" (aaO S. 817). 14

16

I. Baumgartens theologiegeschichtlicher Ort

Theologie dieses Zeitraumes. Mit Recht ist die Bezeichnung „Übergangstheologie" im allgemeinen weder für die Spätorthodoxie etwa eines Valentin Ernst Löscher noch für die nachspenersche Theologie des Pietismus bei Männern wie August Hermann Francke, Joachim Justus Breithaupt, Joachim Lange, Johann Jacob Rambach und anderen gebraucht worden 1 8 . Diese beiden Richtungen gerieten ja nach ihrer Polarisierung zu Beginn des Jahrhunderts allmählich enger zusammen durch ihren gemeinsamen Gegensatz zur werdenden Aufklärungstheologie und haben die Überleitung zu ihr hin nicht gefördert, sondern ihr erheblichen Widerstand entgegengesetzt. Darum ist hier, wo der Weg eher in eine Sackgasse als in die Zukunft führte, die Bennenung „Übergangstheologie" nicht angebracht. Die rückblickende Charakterisierung der Theologie in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts als Theologie des Übergangs begegnet, wie es scheint, erstmals bei Johann Gottfried Eichhorn, und zwar bezogen auf den Hallenser und unmittelbaren Lehrer Semlers Siegmund Jacob Baumgarten: „So erschuf er sich ein Intermedium von Theologie, das der Übergang zu einer bessern Lehrart werden konnte" 1 9 . „Übergangstheologie" in diesem Sinne ist also eine Theologie auf der Grenze zwischen Alt- und Neuprotestantismus, die nicht allein das Merkmal des schwer Einzuordnenden und Vorübergehenden trägt — das träfe auch auf Randerscheinungen noch zu —, sondern das weithin maßgebliche theologische Denken, in dem sich die allmähliche Weiterentwicklung selbst vollziehen und das Neue anbahnen konnte, solange man unnötig verhärtende Streitigkeiten zu vermeiden suchte 20 . Dies trifft aber nicht nur auf S. J . Baumgarten und seinesgleichen zu, die unmittelbar vor dem Schritt auf die nächste Stufe der Entwicklung stehen, sondern auch schon für die etwas älteren Theologen vom Schlage eines Johann Franz Buddeus, Christoph Matthäus Pfaff oder Johann Lorenz Mosheim. Die Bemühungen von Buddeus und Pfaff können zu den durch Spener ermöglichten Vorarbeiten für den Neuprotestantismus gerechnet werden, die — im Lehrinhalt noch überwiegend orthodox — nicht nur den Anliegen des Pietismus Raum geben, sondern in der Dogmatik auch die Strenge der neuaristotelischen Methode zugunsten eines philosophischen Eklektizismus mildern und der Vernunft ein neuartiges Recht zugestehen. Obwohl sie zeitweise die Partei des Pietismus gegen Wolff ergreifen, ist ihr Denken schon relativ offen für das Neue. Wegen dieser und anderer Ähnlichkeiten hat die Forschung diese beiden Theo" Eine Ausnahme macht W. Gaß, der den ganzen auch diese Erscheinungen umfassenden III. Band seiner Geschichte der Protestantischen Dogmatik mit „Die Zeit des Ubergangs" überschreibt. " J. G. Eichhorn: Johann Salomo Semler. In: Allgemeine Bibliothek der biblischen Litteratur V, 1, 1793, S. 146f. 20 Vgl. E. Hirsch: Geschichte . . . II, S. 319: „Diese Übergangstheologie wird die eigentliche Trägerin der theologischen Entwicklung", weil sie extreme Streitpositionen vermeidet und zur langsamen Reform neigt.

Die Wende zum Neuprotestantismus als Forschungsaufgabe

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logen in e i n e m sehr e n g e n Z u s a m m e n h a n g g e s e h e n 2 1 . D a n e b e n verkörpert der Einzelgänger M o s h e i m m e h r die calixtinische u n d h u m a n i s t i s c h e Tradition Helmstedts. Bei aller Rechtgläubigkeit verbindet er Irenik i m D o g m a t i s c h e n m i t historisch fruchtbarer U n b e f a n g e n h e i t u n d praktisch-theologischem E n g a g e m e n t 2 2 . Die B e n e n n u n g „ Ü b e r g a n g s t h e o l o g i e " k a n n aber w e d e r auf diese frühere Grupp e beschränkt bleiben, w i e es bei A u g u s t T h o l u c k g e s c h i e h t 2 3 , n o c h allein auf die spätere Erscheinung des t h e o l o g i s c h e n Wolffianismus, für die g e w ö h n l i c h S. J . Baumgarten als Hauptvertreter genannt w i r d 2 4 . Sie b e z e i c h n e t vielmehr am z u t r e f f e n d s t e n d e n g e s a m t e n Hauptstrang der t h e o l o g i s c h e n E n t w i c k l u n g in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, s o f e r n sie sich auf d e m Wege nach vorn b e w e g t . Es ist also erforderlich, z u m Z w e c k e des genaueren Verstehens des Ubergangs z u m N e u p r o t e s t a n t i s m u s in D e u t s c h l a n d die g e s a m t e hierfür b e d e u t u n g s v o l l e T h e o l o g i e z w i s c h e n Spener u n d Semler ins A u g e zu fassen. Erstreckt sich der Blick über diesen ganzen Zeitraum, so treten — u n b e s c h a d e t der Verdienste anderer — vier repräsentative Gestalten in d e n Vordergrund: B u d d e u s , P f a f f , Mosh e i m u n d Baumgarten. Sie z u s a m m e n erst stellen die w e s e n t l i c h e n K o m p o n e n ten der d e u t s c h e n Ubergangstheologie dar 2 5 . Sie besser als bisher in ihrer Eigen21

S. die gründliche Doppeluntersuchung von A. F. Stolzenburg: Die Theologie des J o . Franc. Buddeus und des Chr. Matth. Pfaff, 1926. 22 K. Heussi: Die Kirchengeschichtsschreibung Johann Lorenz von Mosheims, Diss. 1903; ders.: Johann Lorenz Mosheim, 1906. 23 Gegen die Chronologie ordnet A. Tholuck die „Übergangstheologen" Pfaff und Mosheim hinter den „theologischen Wolffianern" (Baumgarten u. a.) ein, s. Geschichte des Rationalismus I, S. 132ff. 147ff.; B. Hägglund (History of Theology, S. 343ff.) stellt die Reihenfolge wohl richtig, bleibt aber bei der scharfen Trennung zwischen „transitional theology" (Buddeus, Pfaff, Mosheim u. a.) und „theological Wolffianism" (Canz, Carpov, Baumgarten). Offener in Richtung auf die Einbeziehung auch der späteren Vertreter einer Übergangstheologie gibt sich die Nomenklatur bei A. F. Stolzenburg: „Nunmehr dürfte es aber an der Zeit sein, auch einmal die ersten Jahrzehnte des 18. Jahrhunderts, die Zeit, für die man trotz aller gegen den Ausdruck erhobenen Bedenken doch wohl kaum einen besseren Namen als den der „Übergangstheologie" zu finden vermag, etwas näher an das Licht der Forschung zu rücken" (Die Theologie . . . , S. V). Mit Recht bezeichnet K. Heussi auch Mosheim als Übergangstheologen (Johann Lorenz Mosheim, S. 236). 24 Für H. Stephan und H. Leube ist „Übergangstheologie" eigentlich nur eine Folgeerscheinung des Auftretens von Chr. Wolff (Handbuch der Kirchengeschichte IV, 2. Aufl., S. 79), weswegen denn auch Buddeus und Pfaff nicht darunter abgehandelt, sondern etwas zu eindeutig dem Pietismus zugeordnet werden (aaO S. 50. 54). Hier ist erstens nicht genügend in Rechnung gestellt, daß nicht nur der Theologie des im Alter vor der Aufklärung resignierenden Pfaff (Stolzenburg aaO S. 43—45 Anm. 173), sondern auch der des Buddeus Obergangscharakter über die pietistischen Elemente hinaus zugesprochen werden muß (was von Stephan und Leube aaO S. 54 in bezug auf Buddeus ja auch festgestellt wird). Zweitens wird die Möglichkeit zu früh abgeschnitten, daß bei einem Vertreter des sogenannten theologischen Wolffianismus es vielleicht gar nicht so sehr das spezifisch Wolffische, sondern etwas ganz anderes war, was den Charakter des Transitorischen im Sinne von Zukunftweisendem trägt. 25 Mit Recht faßt E. Hirsch diese vier in einem Kapitel unter der Rubrik „Die Übergangstheologie" zusammen (Geschichte . . . II, S. 3 1 8 - 3 9 0 ) .

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I. Baumgartens theologiegeschichtlicher Ort

art u n d ihrer Zusammengehörigkeit zu verstehen u n d ihre aufeinander zu bez i e h e n d e n verschiedenartigen A u s w i r k u n g e n auf die G e s a m t e n t w i c k l u n g sichtbar zu m a c h e n , wäre eine dringende A u f g a b e der t h e o l o g i e g e s c h i c h t l i c h e n Forschung, w e l c h e die E n t s t e h u n g des N e u p r o t e s t a n t i s m u s in D e u t s c h l a n d u n d sein Verhältnis z u m A l t p r o t e s t a n t i s m u s zu erhellen u n d zu beurteilen versuchen k ö n n t e . D a die Erforschung dieser Übergangstheologie seit J a h r z e h n t e n vernachlässigt wird u n d für w e i t e Bereiche auch n o c h k a u m in Angriff g e n o m m e n w o r d e n ist, vermag die vorliegende U n t e r s u c h u n g nur an einer Stelle anzusetzen. A m vordringlichsten erscheint dabei n i c h t so sehr die B e h a n d l u n g des früheren Stadiums. Für B u d d e u s u n d Pfaff nämlich gibt die Arbeit v o n A . F. S t o l z e n b u r g eine solide G r u n d l a g e 2 6 u n d für M o s h e i m liegen vor allem die F o r s c h u n g e n K. Heussis v o r 2 7 . A m spürbarsten j e d o c h ist die Vernachlässigung der späteren Übergangstheologie durch die Forschung. D i e größte Unklarheit herrscht in b e z u g auf das Endstadium unmittelbar vor d e m Beginn des n e o l o g i s c h e n Zeitalters, also gerade die kritische Zeit „ u m 1 7 4 0 " . Es ist nicht einmal s c h o n ausgemacht, o b die dafür gängigen K e n n z e i c h n u n g e n w i e „vernünftige O r t h o d o x i e " o d e r „theologischer W o l f f i a n i s m u s " wirklich ausreichen u n d in die richtige R i c h t u n g w e i s e n 2 8 . D i e 26

S. o. Anm. 21. Die dogmatischen Prolegomena des Buddeus hat auch J . Reinhard in seine Untersuchung einbezogen (Die Prinzipienlehre der lutherischen Dogmatik von 1700 bis 1750, S. 39—77), seine Philosophie ist bei M. Wundt kurz dargestellt (Die deutsche Schulphilosophie im Zeitalter der Aufklärung, S. 63—75). 37 S. o. Anm. 22. Bei Reinhard (aaO S. 78—100) findet sich auch ein Kapitel über Mosheims Prinzipienlehre. Stark aus römisch-katholischer Sicht urteilt die Dissertation von S. Koersgen: Das Bild der Reformation in der Kirchengeschichtsschreibung Johann Lorenz von Mosheims, 1967. " Die Forderung nach einer Erforschung des „theologischen Wolffianismus", wie sie M. Schmidt ausspricht (Zinzendorf und die Confessio Augustana, ThLZ 93, 1968, Sp. 806f, Anm. 23; auch K. Leder vermißt bei seiner Darstellung der Altdorfer Theologie von der Spätorthodoxie bis zum Rationalismus eine Arbeit über Baumgarten, den er nur als Wolffianer ansieht, s. Universität Altdorf, S. 20 Anm. 23), ist sehr berechtigt, darf aber nicht schon einen allein auf „Wolffianismus" begrenzten Fragehorizont für alle hier zu untersuchenden Theologen präjudizieren. Die von Schmidt an dieser Stelle gegen E. Hirsch vorgebrachte Kritik stößt darum ins Leere, denn dieser will ja in der Tat nicht den theologischen Wolffianismus isoliert für sich betrachten, sondern kann ihn nur im Konnex zur übrigen Ubergangstheologie verstehen. Ein erster monographischer Beitrag zur Erforschung des theologischen Wolffianismus aus jüngerer Zeit ist die Arbeit von H. Liebing über G. B. Bilfinger (Zwischen Orthodoxie und Aufklärung, 1961). Sie zeigt exemplarisch nicht nur den Emst der Bemühung dieser Richtung um die Wissenschaftlichkeit der Theologie, sondern zugleich auch die theologiegeschichtliche Sackgasse, in die sie damit geriet. Bilfinger, so scharfsinnig er im selbständigen Nachvollzug der Wolffschen Philosophie war, blieb als überwiegend davon bestimmter Theologe doch ohne nennenswerte Wirkung, wie Liebing vermerkt (aaO S. 129). Ähnlich ging es ja auch den anderen theologischen Wolffianern, was ihre Systematik betrifft. Doch eine theologiegeschichtlich ins Gewicht fallende Bedeutung ist einer Gestalt dieser Gruppe möglicherweise erst dann beizumeb en, wenn ihre theologische Bemühung noch andere Möglichkeiten des „Ubergangs" auch über die Wolffsche Systematik hinaus enthält, die

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abschließende Beurteilung des auslaufenden Altprotestantismus ebenso wie die Würdigung des Semlerschen Neuansatzes können aber einer genaueren Kenntnis dieser letzten Phase der Übergangstheologie nicht länger entraten. So wenden wir uns denn dem Hallenser Siegmund Jacob Baumgarten zu, der als Verwalter des hallischen Erbes, als Wolffianer und als Lehrer Semlers und vieler anderer weiterschreitender Theologen eine Schlüsselposition unmittelbar an der Wende zur eigentlichen Aufklärungstheologie einnimmt. Daß eine solche Untersuchung bis auf einen Versuch 29 bislang ganz unterblieben ist, läßt sich vielleicht nur so erklären, daß in unserem Jahrhundert die mit der Entstehung und der Bedeutung des Neuprotestantismus gegebenen Probleme immer wieder zugunsten anderer zurückgestellt worden sind. Sie sind aber heute dringlicher denn je.

2. Das Bild Baumgartens bei seinen Schülern und in der Forschung Es ist also die Aufgabe gestellt, zu zeigen, in welchem Sinne die Theologie Siegmund Jacob Baumgartens als Übergangstheologie zu verstehen ist und welchen Beitrag zur Entstehung des Neuprotestantismus er geleistet hat. Dabei kann die Untersuchung, wie schon angedeutet, sich nicht auf eine Baumgarten-Forschung stützen, welche in einer längeren Geschichte alle wichtigen Seiten dieser außerordentlich komplexen Erscheinung schon einmal beleuchtet hätte. Sieht man einmal von den kurzen Darstellungen bei Paul Knothe und Emanuel Hirsch 30 ab, so hat es im Laufe von zwei Jahrhunderten immer nur einzelne Bezugnahmen auf Baumgarten gegeben, die oft bloß ein sehr flüchtiges Bild von ihm zeichnen, welches stark von einer vorher festliegenden Beurteilung der Richtungen der Theologie des 18. Jahrhunderts bestimmt ist. Die Vergessenheit, in die das 18. Jahrhundert und zumal seine erste Hälfte bei der protestantischen Theologie in Deutschland gefallen ist, ermöglichte das Aufkommen und lange Überleben von allerhand zufälligen Vorstellungen und ungegründeten Bewertungen. Die so im Laufe der Zeit entstandenen Bilder Baumgartens im einzelnen nachzuzeichnen, verlohnt sich kaum. Zunächst deswegen, weil sie fast ausnahmslos freilich weiterreichend sein müßten als die bloß lockere „Berührung" des Geschichtsproblems, die Liebing bei Bilfinger aufzeigen kann (ebd), welche aber gegenüber dem bei dem gleichfalls Tübinger Pfaff bereits vorliegenden Geschichtsbewußtsein (s. Stolzenburg aaO S. 53ff.) eher wie eine Regression wirkt. " Die Königsberger Dissertation von Paul Knothe (Siegmund Jakob Baumgarten und seine Stellung in der Aufklärungstheologie, 1928) ist eine gediegene, aber nach Quellengrundlage, und Fragehinsichten begrenzte Arbeit, die wegen ihrer Kürze auch als Aufsatz erscheinen konnte (ZKG 4 6 NF 9, 1928, S. 4 9 1 - 5 3 6 ) . Neben dieser Abhandlung scheint einzig der Baumgarten betreffende Abschnitt in E.Hirschs Theologiegeschichte (II, S. 370—388) auf ausreichende Quellenlektüre zurückzugehen. 30 S. o. Anm. 29.

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I. Baumgartens theologiegeschichtlicher Ort

so w e i t ab v o n d e n Quellen e n t w o r f e n w o r d e n s i n d 3 1 , daß sie eigentlich m e h r über d e n urteilenden A u t o r als über Baumgarten aussagen. S o d a n n auch desw e g e n , weil es n i c h t einmal e i n e n in der j e w e i l i g e n Z e i t g e b u n d e n h e i t des Betrachters eindeutig begründeten Wandel des Bildes v o n Baumgarten gibt, der wenigstens indirekt seine Gestalt plastischer hervortreten l i e ß e 3 2 . Der Grund hierfür ist, daß s c h o n zu L e b z e i t e n Baumgartens u n d unmittelbar d a n a c h das Urteil über ihn uneinheitlich war u n d , da die N a c h w e l t sich mit Vorliebe auf solche disparaten S t i m m e n v o n Z e i t g e n o s s e n stützte, das Bild so nur n o c h diffuser wurde. Es liegt, wie sich herausstellen wird, letztlich an Baumgarten selbst, daß sein Bild so vielgestaltige Züge a u f w e i s t . Sein i m m e n s e s Lebenswerk, das d e n n o c h , als er im Alter v o n nur 5 1 J a h r e n starb, nicht v o l l e n d e t genannt w e r d e n konnte, trägt in sich die K o m p l e x i t ä t , die es so schwer m a c h t , ihn e i n z u o r d n e n 3 3 . Der deutlichste Hinweis darauf sind seine Schüler, Sie lassen w e n i g Gemeinsamkeit erkennen, vielmehr s t a n d e n sie hernach in d e n verschiedensten Lagern. T r o t z d e m h a b e n sich fast alle m i t einigem R e c h t auf ihren Lehrer Baumgarten b e r u f e n k ö n n e n . In seinem Hörsaal, in seiner Bibliothek u n d an s e i n e m Tische versammelten sich während ihres S t u d i u m s oder vorübergehend auf ihren Bildungsreisen viele derjenigen, die in der F o l g e z e i t an der t h e o l o g i s c h e n Diskus-

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Einige Beispiele für die erstaunliche Leichtfertigkeit der Quellenbehandlung: W. Gaß (Geschichte der Protestantischen Dogmatik III, S. 188) behauptet, daß Baumgarten in seiner Dogmatik der analytischen Methode der Orthodoxie „gewissenhaft treu geblieben" sei. Das Gegenteil ist aber der Fall, wie nicht nur „die Einteilung des Ganzen" (aaO Anm. 1) bei der ersten Durchsicht zeigt, sondern auch die bei Gaß herangezogene Stelle aus Baumgartens Prolegomena, die lediglich einen historischen Rückblick auf die von Baumgarten nicht benutzten früheren Methoden gibt (Glaubenslehre I, S. 96f.). Bei A. Ritsehl stammen zwei Hauptbelege für Baumgartens angebliche Ausscheidung der „pietistischen Eigentümlichkeiten" in der Lehre von der Bekehrung (Geschichte des Pietismus II, S. 562f.) gar nicht von Baumgarten: Das Gutachten vom 6. Juli 1737, welches nach Ritsehl, der Tholuck hier widerspricht, „durch die Fülle der Distinktionen seinen Ursprung von Baumgarten verrät", stammt in Wirklichkeit doch von Gotthilf August Francke. Baumgarten selbst gibt diesen als Verfasser an und teilt sogar noch dessen Begleitschreiben dazu mit (Samlung einiger Bedenken der theologischen Fakultät zu Halle IV, 1751, Vorrede Bl. a3v—a5v). Auch die hier von Ritsehl und auch von anderen öfters herangezogene Disputation de conversione non instantanea von 1743 stammt nicht von Baumgarten, sondern von Ernst Friedrich Bening, wie aus Baumgartens beigefugtem akademischen Brief und Semlers Kennzeichnung (Ehrengedächtnis . . 1758, S. 144) klar ersichtlich ist (s. Bibliographie Nr. 248). K. Völker schließlich hat Baumgartens „Untersuchung Theologischer Streitigkeiten" so oberflächlich durchgeblättert, daß er Semlers fast die Hälfte des Werkes einnehmende historische Einleitung Baumgarten zuschreibt und daraus Schlüsse zieht (Die Kirchengeschichtsschreibung der Aufklärung, S. 89). 33 Als Beispiel dafür, wie man sich sonst auf diesem Wege vorteilhaft einer Gestalt jener Zeit nähern kann, sei auf die Geschichte der Semlerforschung bei G. Hornig verwiesen (Die Anfange . . . , S. 14ff.). 33 Für E. Hirsch (Geschichte . . . II, S. 370) ist Baumgarten die „theologiegeschichtlich am schwersten einzureihende Gestalt unter den Ubergangstheologen". /

Das Bild Baumgartens

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sion in D e u t s c h l a n d m a ß g e b l i c h e n A n t e i l h a t t e n 3 4 . Darunter b e f a n d e n sich außer d e m w i c h t i g s t e n u n d Baumgarten am n ä c h s t e n s t e h e n d e n Schüler Semler s o w o h l N e o l o g e n w i e Büsching, Töllner, Lüdke, Nösselt u n d Steinbart als auch die teils m e h r v o m Pietismus, teils m e h r v o n der O r t h o d o x i e h e r k o m m e n d e n Konservativen w i e G o e z e , Dietelmair, Riederer, Urlsperger u n d Wöllner, aber auch P h i l o s o p h e n w i e sein eigener Bruder A . G. Baumgarten, G. F. Meier u n d zuletzt n o c h J . A . Eberhard. Zu d e n vielen schließlich, die in ihrer E n t w i c k lungszeit Baumgarten b e g e g n e t e n , o h n e eigentlich seine Schüler zu w e r d e n , geh ö r e n z . B . auch der A l t e r t u m s f o r s c h e r Winckelmann u n d der T h e o l o g e Spald i n g 3 5 . Baumgarten hat, w i e i m m e r w i e d e r dankbar anerkannt wird, j u n g e Be-

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Hier kann nur eine Auswahl von Namen genannt werden (Näheres in K. Aner: Die Theologie der Lessingzeit, der Theologiegeschichte von E. Hirsch und den Nachschlagewerken); es sind in der Reihenfolge des Geburtsjahres: Alexander Gottlieb Baumgarten (1714-1762), Johann David Michaelis (1717-1791), Johann Augustin Dietelmair (1717—1785), Johann Melchior Goeze (1717-1786), Georg Friedrich Meier (1718-1777), Johann Bartholomäus Riederer (1720-1771), Anton Friedrich Büsching (1724-1793), Johann Gottlieb Töllner (1724-1807), Andreas Gottlieb Masch (1724-1807), Ernst Gottlieb Woltersdorf (1725-1761), Johann Salomo Semler (1725-1791), Johann David Heilmann (1727-1764), Johann August Urlsperger (1728-1806), Gotthilf Traugott Zachariä (1729-1777), Friedrich Germanus Lüdke (1730-1792), Johann Christoph Wöllner (1732-1800), Johann August Nösselt (1734-1807), Gottfried Leß (1736-1794), Gotthilf Samuel Steinbart (1738-1809), Johann August Eberhard (1739-1809). 35 Johann Joachim Winckelmann (1717—1768) rückte von seinem Theologiestudium in Halle, wo er auch Baumgarten gehört hatte, ab. Er hatte dann später noch einmal eine Begegnung mit Baumgarten, dessen verlockendes Angebot, ihn an der Universität weiter zu fördern, er aber nicht annahm (s. C. fusti: Winckelmann und seine Zeitgenossen, 2. Aufl., S. 54ff. 102). Johann Joachim Spalding (1714—1804) war 1745 bei einem zweimonatigen Aufenthalt in Halle öfters Baumgartens Gast (J. J . Spalding: Lebensbeschreibung, S. 22f.) und stark von ihm eingenommen (Baumgarten „ward mein Held", aaO S. 23). Ganz so flüchtig, wie es nach J . Schollmeier: Johann Joachim Spalding, S. 19, scheinen möchte, dürfte die Bekanntschaft nicht gewesen sein. Immerhin hat Baumgarten noch zwei Jahre später Spaldings Ubersetzung von Clericus' Untersuchung des Unglaubens (Bibliographie Nr. 94), die jener schon 1745 nach Halle mitgebracht hatte, auf den Weg geholfen und dazu eine seiner gewichtigsten Vorreden (106 S., gegen Edelmann) beigesteuert. Schollmeier hat das in seiner Ubersicht über Spaldings Leben und Arbeitsvorhaben merkwürdigerweise unerwähnt gelassen und nur in der Bibliographie (S. 238) den Titel des Buches — fehlerhaft — wiedergegeben.

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I. Baumgartens theologiegeschichtlicher Ort

gabungen, die als S t u d e n t e n o d e r K a n d i d a t e n n a c h Halle k a m e n , angezogen u n d sich d a r u m b e m ü h t , sie wissenschaftlich zu fördern. M a n c h e n T h e o l o g e n u n t e r ihnen dürfte er a u c h t r o t z des Zuges der Zeit bei der Theologie festgehalten haben36. S o unterschiedlich das Interesse war, das B a u m g a r t e n s Schüler an ihm h a t t e n , u n d so vielseitig die Anregungen waren, die er ihnen v e r m i t t e l t e , so vielgestaltig war denn a u c h das Bild, das sie sich von ihrem L e h r e r m a c h t e n . E s w a r möglich, an ihm v o r n e h m l i c h die klare u n d deutliche systematische Denkweise zu bewundern, aber a u c h , seine b e s o n n e n e Bezogenheit auf die kirchliche P r a x i s zu schätzen. Man k o n n t e v o n seiner umfassenden historischen Gelehrsamkeit profitieren, aber sich auch bei ihm m i t den m o d e r n e n Geistesströmungen des Auslands auseinandersetzen. E n t s p r e c h e n d unterschiedlich fielen die Urteile s c h o n der Zeitgenossen aus, in denen sich, j e n a c h d e m , wie m a n die Aufgaben eines T h e o l o g e n ansah, B e w u n d e r u n g u n d Kritik m i s c h t e n . War B a u m g a r t e n für die einen ein H ö h e p u n k t der Theologie u n d das u n u m s t r i t t e n e „Orakel der T h e o l o g e n 3 7 , j a überhaupt „die K r o n e d e u t s c h e r G e l e h r t e n " — wie Voltaire es f o r m u l i e r t h a b e n s o l l 3 8 —, so gereichte gerade dies anderen, die m e h r auf f r o m m e Erwecklichkeit u n d E r b a u u n g sahen, z u m Mißfallen. Diese fühlten sich m e h r v o n d e n ascetischen Veröffentlichungen u n d Predigten aus B a u m g a r t e n s Frühzeit angespro-

36 Als Baumgarten Semler nicht ohne dessen Widerstand aus Altdarf zurückholte, holte er ihn damit zugleich wieder von den Humaniora zur Theologie zurück (s. J . S. Semler: Lebensbeschreibung I, 1781, 9 6 , 107f. 181; II, 1782, S. 2ff.). Dabei hat Baumgarten das Interesse Semlers für die „schönen Wissenschaften" nicht etwa mit Mißtrauen betrachtet oder gar bekämpft, sondern weiter ermutigt, gerade zum Behuf der Theologie (vgl. ζ. B. Nachr. hall. Bibl. 5, 1750, S. 544). Der Erdrutsch weg von der Theologie, der wenige Jahre später die Pfarrerssöhne und Jungtheologen erfaßte (s. H. Schöffler: Deutscher Geist im 18. Jahrhundert, S. 65ff.), ist zu Baumgartens Lebzeiten in Halle noch nicht eingetreten. 37 So neben anderen G. S. Steinbart: System der reinen Philosophie oder Glückseligkeitslehre des Christentums . . 3 . Aufl., 1786, S. VII. In dieser Vorrede schildert Steinbart übrigens eindrucksvoll, wie er Baumgarten kurz vor dessen Tode eine Aufstellung seiner „wichtigsten Zweifel gegen das Christentum" vorlegte, unter dem Vorwand, sie stammten von einem freigeistigen Kavalier. „Herr Baumgarten sähe mein Blatt kaltblütig durch und gab mir darauf zur Antwort: ,Sie müssen sich niemals mit einem Naturalisten über Religionsfragen einlassen bevor er Ihnen nicht seine Prinzipien, was er für ausgemachte Wahrheit hält, schriftlich vorgelegt hat: denn die Herren leugnen immer rückwärts . . . ' " (S. VIII). So machte sich Steinbart daran, „ein kleines System der Wahrheiten, die ich für unbezweifelt hielt, aufzuführen". Baumgarten starb, bevor dieses fertiggestellt war, aber Steinbart blieb stets dankbar, von ihm so auf seinen Weg gezwungen worden zu sein: „Ich ward dadurch erweckt, zeitig auf ein eigenes System zu denken" (S. IX).

Erst bei A. H. Niemeyer: Die Universität Halle nach ihrem Einfluß auf gelehrte und praktische Theologie . . . , 1817, S. LXXVIII Anm., war der mündliche Ausspruch Voltaires in allgemeiner Form nachzuweisen: „Wer die Krone deutscher Gelehrten sehen wolle, müsse nach Halle reisen." Das soll Voltaire nach einem Besuch bei Baumgarten gesagt haben. Auch G. T. Zachariä preist Baumgarten als einen „Stern der ersten Größe" (Der Verlust der gelehrten Welt . . . In: Ders.: Philosophisch-theologische Abhandlungen, 1776, S. 515.). 38

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chen und die anderen mehr von der weltoffeneren Gelehrsamkeit seiner reifen Jahre 39 . So gab es, als Baumgarten starb, sehr unterschiedliche Auffassungen darüber, wie am besten in seinem Sinne die theologische Arbeit fortzusetzen sei. Schon die Nachrufe spiegeln die verschiedenen Meinungen wider, die man von ihm hatte 40 . Bei der Wiederbesetzung seines Lehrstuhls gab es ein langwieriges Tauziehen um die einzuschlagende Richtung 41 . Sogar ein offener Streit um Baum39 J . S. Semler hat das Nebeneinander der frommen und der gelehrten Partei in Halle beschrieben und wie er bei Antritt seines Ordinariats seinen eigenen Weg zwischen beiden gesucht hat (Lebensbeschreibung I, 1781, S. 181f.; II, S. 2ff.). 40 In dem von Semler herausgegebenen Ehrengedächtnis . . . , 1758, steht neben den einseitig pietistische Akzente setzenden erbaulichen Beiträgen von F. E. Rambach (s. dazu u. S. 54 Amm. 185) und A. Struensee die Vita Semlers, welche die vor allem wissenschaftliche Leistung Baumgartens hervorhebt. Das von einem ungenannten Verfasser stammende offizielle Trauergedicht der Universität (aaO S. 47ff. 2. Zählung) lobt Baumgartens Mittelstellung zwischen religiösem Fanatismus und Freigeisterei. Darin heißt es treffend und in reizvoller Gestelztheit:

Beschämt urteilt man jetzt vom Streite, Der Glauben und Vernunft entzweite; Du, Seiger, kamst: sie küßten sich. Du nahmst dem Vorurteil die Binde; Du dachtst, und Denken war nicht Sünde. Der Freigeist und der Wahn sind uns jetzt lächerlich. Die Dummheit sank vor Deinem Wissen; Der Spötter schwieg bei Deinen Schlüssen, Und Dein Beweis war Zions Sieg. Die ihr uns die Versöhnung predigt; Doch schläfrig euch der Pflicht entledigt: Bedenket, wer er war und was er überstieg! Daß wir des Glaubens große Lehren An heiiger Stätte bündig hören: O Mann! das wirkte Gott durch dich. Wie rein war deine Sittenlehre! Wie rettetest Du Gottes Ehre! Rom, Herrenhut, Socin und Tindal schämten sich. 41

Die Mehrheit der Fakultät wollte als Nachfolger den Pfarrer und Extraordinarius Adam Struensee, doch Semler, der jetzt keinen Praktiker, sondern „einen vorzüglich gelehrten Mann" für erforderlich hielt, konnte durch Intervention in Berlin die Berufung verhindern (Lebensbeschreibung I, 1781, S. 236f.). Struensee ging daraufhin (nicht schon 1752, wie H. Hohlwein: Art. Struensee, A. In: RGG, 3. Aufl., VI, Sp. 420 meint) nach Altona, von wo aus sein berühmter Sohn Johann Friedrich Str. seinen Weg in die dänische Politik antrat. Semler selbst setzte sich für den ihm sehr nahestehenden J . D. Heilmann ein, der aber nicht kommen konnte, weil die von Semler zugleich vorgesehene Heirat mit einer Tochter Baumgartens sich zerschlug (Semler aaO S. 237f.). Erfolglos blieben auch die Berufungen von J . A. Dietelmair im Jahre 1761 (s. K. Leder: Universität Altdorf, S. 94f.) und von W. A. Teller (s. Teller: August Hermann Francke, Siegmund Jakob Baumgarten, Johann Salomo

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gartens Rechtgläubigkeit drohte einige Monate nach seinem Tode in Halle aufzuflackern. Bei Gelegenheit der Disputation Christian Albrecht Döderleins am 16. Februar 17 5 8 42 wurden nämlich Stimmen laut, die — ohne seinen Namen zu nennen, aber doch kaum verhüllt — Kritik an Baumgartens Gebrauch der weltlichen Gelehrsamkeit in der Theologie übten und eine Rückkehr zu der erbaulichen Theologie des älteren Hallischen Pietismus befürworteten. Semler nahm als außerordentlicher Opponent dagegen Stellung, er hob die Legitimität wissenschaftlichen Vernunftgebrauchs in der Theologie hervor und tat die Überflüssigkeit lateinischer Homilien bei Disputationen dar, was ihm nachher eine Ovation der Studenten einbrachte. Seine viele Jahre später gegebene Beschreibung dieser Szenen in seiner Selbstbiographie 43 provozierte noch eine Gegenschrift Döderleins, in der dieser aber interessanterweise jetzt nicht mehr Baumgarten abwertet, obgleich seine Disputation dem einst Vorschub geleistet hatte, sondern nunmehr Baumgarten gerade für sich in Anspruch nimmt und Semler jetzt Abfall von seinem Lehrer zum Pelagianismus hin vorwirft 44 . Aus einem Streit für oder gegen Baumgarten ist hier eine Auseinandersetzung um das Recht auf die Inanspruchnahme Baumgartens geworden. Nach solchem doppelten Muster gestaltete sich das Bild Baumgartens in der Folgezeit immer wieder. Wo man den Schritt zur Aufklärungstheologie bejahte, wurde auch Baumgartens wissenschaftliche Leistung für die Theologie gewürdigt, auch dort, wo man — wie schon Semler 45 — mit seinem bemühten Festhalten am alten Dogma mit den Mitteln Wolffscher Rationalität nicht mehr zufrieden war 46 . Wo man aber die Entwicklung der Aufklärungstheologie mit Mißtrauen

Semler. In: Berlinische Monatsschrift 24, Juli 1794, S. 6 Anm.). Auch verzögerte der Siebenjährige Krieg die Neubesetzung erledigter Lehrstühle (s. J. C. Hoffbauer: Geschichte der Universität zu Halle . . . , S. 277f.). " Chr. A. Däderlein (1714—1789), stark pietistisch geprägter Professor zu Rostock und Biitzow, nicht zu verwechseln mit dem Altdorfer und Jenenser Johann Christoph Döderlein (1745—1792). Die Dissertation hieß: Commentatio prima theologica inauguralis de usu et abusu rationis humanae in rebus divinis . . . , Halae (1758). 43 Lebensbeschreibung I, 1781, S. 238ff. 44 Schreiben an einen Freund, über eine, ihn betreffende Stelle in der Lebensbeschreibung des Herrn D. Semlers, 1782, bes. S. 34ff. 45 Z.B. Lebensbeschreibung I, 1781, S. 256ff. 46 S. z. B. W. A. Teller (s. o. Anm. 4 1 , S. 14ff.); P. F. A. Nitsch: Die Theologie der Neuern . . . , 1790, S. 99 f.; Α. H. Niemeyer: Die Universität Halle . . . , 1805, S. LXXff.; ders.: Art. Baumgarten, S. J. In: EuG 8, 1822, S. 205ff. Zur Zeit der Neologie gab es Kreise, die sich bei jeder Gelegenheit von dem aus der Mode gekommenen Baumgarten höhnisch distanzierten (s. K. Leder: Universität Altdorf, S. 112). Aber selbst A. F. Büsching, derjenige seiner Schüler, von dessen Neuerungen in Richtung auf eine Biblische Theologie (vgl. G. Ebeling: Was heißt „Biblische Theologie"? In: Wort und Glaube, S. 78) Baumgarten kurz vor seinem Tode noch Abstand genommen hatte (Nachr. merkw. Büch. 10, 1756, S. 184, u. 11, 1757, S. 182), bewahrte ihm bei aller Gekränktheit (s. Büsching: Eigene Lebensgeschichte, 1789, S. 299ff.) ein dankbares Angedenken (aaO S. 7 1 - 1 0 4 ) .

Das Bild Baumgartens

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oder gar als ein Verhängnis ansah, da machte man sich auch die Parolen der frommen Partei in Halle wieder zu eigen 47 , welche Baumgarten auf mancherlei Weise „kalte Subtilität" vorwarf 48 und höchstens das an ihm gelten ließ, was ihn mit der alten Zeit verband. In neuerer Zeit hat das Bewußtsein Raum gewonnen, daß Baumgarten dem Hallischen Pietismus entstammte, und die Auffassung sich verbreitet, daß es diese Richtung war, von der er sich im Laufe der Zeit mehr oder weniger abgekehrt habe. Über Ausmaß und Richtung dieser Wendung gibt es allerdings verschiedene Meinungen. Für manche dominiert bei Baumgarten weiter noch das pietistische Erbe, jedoch versetzt mit dem tiefgreifenden Formalismus der Wölfischen Methode 49 . Aber im allgemeinen schließt man sich der Auffassung Albrecht Ritschis an, für den Baumgarten vor allem der Repräsentant einer im Hallischen Pietismus zu beobachtenden neuen Hinwendung zu kirchlicher Rechtgläubigkeit ist 50 . Ritsehl betont, daß Baumgartens Theologie die spezifisch pietistischen Elemente bis auf äußerliche Reste wieder ausgeschieden habe und zu weithin orthodoxen Lehrpositionen zurückgekehrt sei s i . Andere gehen hierbei sogar so weit, daß sie vorwärtsweisende Momente in Baumgartens Theologie fast gar nicht mehr sehen und ihn beinahe unbedenklich der Orthodoxie zurechnen, wobei der Wolffianismus nur eine formale Rolle spiele. F. Bosse schreibt in seinem einflußreichen Baumgart en-Artikel der Realencyklopädie: „Dem Pietismus ist der Theologe Baumgarten mit der Zeit entwachsen, darum aber doch nicht sofort den Rationalisten als deren Vorläufer beizugesellen, im Gegenteil erstrebt und verdient er den Ruhm einer nüchternden Orthodoxie" 5 2 . Eine solche Sicht taucht auch in der Darstellung Baumgartens in Karl Barths Theologiegeschichte wieder auf 5 3 . Obgleich er feststellt, daß von Baumgarten her der grundsätzliche Umschwung zur Aufklärung in Halle datiert, hat auch 47

A. Tholuck: Abriß einer Geschichte der Umwälzung . . . In: Vermischte Schriften II, S. 12f.; den.: Geschichte des Rationalismus I, S. 135ff. 139; ähnlich auch noch K. Barth: Die protestantische Theologie im 19. Jahrhundert, S. 140. 48 Vgl. J. S. Semler: Lebensbeschreibung I, 1781, S. 76. 89 u. ö. 49 So M. A. Landerer: Neueste Dogmengeschichte, S. 7. 50 A. Ritsehl: Geschichte des Pietismus II, S. 566f. Ritsehl hat sich auch die Kritik Baumgartens an Zinzendorf zu eigen gemacht (aaO III, S. 197. 240. 309f. 332f. 365). 51 AaO S. 561ff.; Ritsehl übersieht dabei freilich auch nicht die Möglichkeiten in Baumgartens Haltung, die weiter zur theologischen Aufklärung führen (S. 567f.). Ähnlich wie Ritsehl urteilte schon W. Gaß: Geschichte der Protestantischen Dogmatik III, S. 202: „Baumgarten behauptet sich also auf dem Standpunkt einer leidenschaftslosen, abgekühlten, vernunftgemäßen, d. h. der Vernunft nicht durchaus widersprechenden Kirchlichkeit; er bezeichnet den Zeitpunkt, w o die Lehre von den Schranken des Pietismus befreit, wieder vollständig zur Lehre wurde, w o sie aber, statt in die alte bewegungslose Starrheit zurückzufallen, zugleich einer erhöhten Selbständigkeit des Urteils Raum gab." " RE, 3. Aufl., Bd. 2, Sp. 4 6 5 ; dort heißt es ferner: „der Einfluß der Wolffschen Philosophie macht sich nur in der angegebenen formellen Beziehung geltend". " Die protestantische Theologie im 19. Jahrhundert, S. 139ff.

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I. Baumgartens theologiegeschichtlicher Ort

Barth Teil an der geheimen Genugtuung darüber, wie rechtgläubig Baumgarten doch noch war 54 . Auf das pietistische Erbe hin wird Baumgarten erst gar nicht mehr befragt. Seine Theologie ist für Barth so durch und durch orthodox, daß er sie mit der nüchternen Systematik eines Johann Friedrich König vergleichen kann. Aber gerade hier liegt nach Barth ihre Gefahr, da durch die Erhebung der menschlichen Vernunft zum dogmatischen Kriterium seit Buddeus 55 die in harmonischem Verhältnis zur Vernunft stehende Offenbarung bei Baumgarten vollends als etwas nur noch Gegenständliches aufgefaßt worden sei, dessen Ereignischarakter sich gänzlich verflüchtigt habe. Barth fragt, ob solche Theologie als reine Verstandesoperation, die „Freiheit von aller, aber auch aller Dämonie" nicht doch unheimlich sei 56 . Von solchen Befürchtungen frei sind die in den Quellen besser begründeten Beurteilungen, die Baumgartens Theologie durch Paul Knothe und Emanuel Hirsch erfahren hat 57 . Sie bemerken ebenfalls Baumgartens tiefe Verwurzelung in der Theologie des Pietismus und der Orthodoxie. Aber sie fassen nun entschlossen die vorwärtsweisenden Züge seiner Ubergangstheologie ins Auge. Knothe, der ihnen in Baumgartens Vorlesungen zur Dogmatik und Polemik einzeln nachgeht, stellt sie als gleichberechtigt neben die konservativen Teile 58 . Hirsch zeigt, daß wichtiger als Baumgartens Herkunft aus Pietismus und Orthodoxie sein Bemühen ist, Anschluß an das neuzeitliche Denken zu finden: „Wir stehn mit der Übergangstheologie im allgemeinen und mit Baumgartens Theologie im be-

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Er rühmt Baumgarten nicht gerade wie die RE, behandelt ihn aber doch wohlwollender als dessen Schüler. Das wird auch daran erkennbar, daß Barth die frühe Übergangstheologie von Buddeus, Pfaff u. a. als ernstzunehmende Größe, die Neologie dagegen als im Grunde uninteressant bezeichnet, dabei aber Uber Baumgarten und seinesgleichen urteilt: „Immer noch interessant und bedeutsam ist auch das Wolffische Zwischenspiel" (aaO S. 146). 55 Vgl. aaO S. 121. 56 AaO S. 140. Eine bemerkenswerte Parallele zu dieser Sicht findet sich schon bei Heinrich Heine: „Es waren nun, wenn ich nicht irre, die Halleschen Orthodoxen, welche in ihrem Kampfe mit den eingesiedelten Pietisten die Wölfische Philosophie zu Hilfe riefen. Denn die Religion, wenn sie uns nicht mehr verbrennen kann, kommt sie bei uns betteln. Aber alle unsere Gaben bringen ihr schlechten Gewinn. . . . Von dem Augenblick an, wo eine Religion bei der Philosophie Hilfe begehrt, ist ihr Untergang unabwendlich. Sie sucht sich zu verteidigen und schwatzt sich immer tiefer ins Verderben hinein. Die Religion, wie jeder Absolutismus, darf sich nicht justifizieren. Prometheus wird an den Felsen gefesselt von der schweigenden Gewalt. Ja, Äschylus läßt die personifizierte Gewalt kein einziges Wort reden. Sie muß stumm sein" (Zur Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland, ed. W. Harich, S. 133). " S. o. S. 19 Anm. 29. Hirsch sieht sogar darin, daß für Baumgarten der der Aufklärung fremde Gedanke des verborgenen Gottes keine wesentliche Rolle spielt, einen Fortschritt: „Es ist dies ein notwendiger Durchgangspunkt theologischen Denkens gewesen: auf diesem Wege hat das aufgeklärte Denken, Baumgarten folgend und ihn weiterführend, die letzten Reste des alttestamentlichen Willkürgottes aus dem christlichen Denken ausgetilgt" (aaO S. 386). 58 Knothe aaO S. 536.

Das Bild Baumgartens

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sondern am Anfang eines neuen Weges der gesamten deutschen evangelischen Theologie und damit des gesamten evangelisch-christlichen Denkens. Das Ziel, das christliche Denken auf den Boden der neuen wissenschaftlichen Weltbetrachtung zu überführen und so der christlichen Religion ihre überzeugende Kraft zu erhalten, ist klar erkannt" 5 9 . Knothe und Hirsch stellen gegenüber früheren Meinungen klar, daß der Einfluß der Wölfischen Philosophie auf Baumgartens Systematik nicht in den Grenzen des Formalen verbleibt 6 0 , sondern sich auch auf die Lehrinhalte erstreckt, wobei Knothe besonders auf die Gotteslehre, die Kosmologie und die Anthropologie 61 und Hirsch besonders auf die Frage der übernatürlichen Wirkungen Gottes und die Schriftlehre eingeht. Sie zeigen, daß Baumgarten bei alledem nach Kräften jeden direkten Widerspruch zur orthodoxen Lehrtradition vermeidet. Hirsch schreibt: „Es ist kaum möglich, Baumgarten einer Abweichung von den orthodoxen Sätzen zu überführen. Und doch ist alles anders als in der Orthodoxie, vermöge der Beleuchtung, die Baumgartens neue, andre Fragestellung auf die von ihm wiederholten alten Sätze w i r f t " 6 2 . Diese zeigt sich vor allem an einer Einschränkung des Wunderglaubens und einer veränderten Sicht der Schriftautorität und Inspiration 63 . Diese beiden modernen Deutungen Baumgartens, welche sich in vieler Hinsicht berühren und ergänzen, lassen aber noch Fragen offen. Knothe führt die alten und die neuen Elemente in Baumgartens Denken, soweit es sich in den dogmatischen und polemischen Vorlesungen niedergeschlagen hat, einfach nebeneinander vor. Er gibt sich nicht Rechenschaft über mögliche Vermittlungen zwischen ihnen, er fragt auch nicht, ob es eine erkennbare Richtung gibt, in der sich Baumgartens Theologie entwickelt hat, und nach den dabei wirksamen Faktoren. Möglicherweise könnte eine erweiterte Quellenbasis hier bessere Bewertungsmaßstäbe liefern. Hirsch, der als die beherrschende Richtung der Baumgartenschen Theologie die nach vorn zur Aufklärungstheologie für ausgemacht ansieht, kann aber doch noch nicht hinreichend aufweisen, in welchem Verhältnis die bei Semler entstehende historisch-kritische Theologie zu Baumgarten steht. Unbeschadet der zweifellos erheblichen Eigenständigkeit Semlers 64 wird man doch noch einmal fragen müssen, ob es für das Verständnis des Ausgangspunktes Semlers ausreicht, wie Hirsch nur die schon durch den Hallischen Pietismus begünstigte Auseinanderentwicklung von Theologie und Frömmigkeit 6 5 in Anschlag zu bringen und dazu noch auf mögliche Auswirkungen der aufgeweichten Inspirationsauffassung in der dogmatischen Schriftlehre Baumgartens

Hirsch aaO S. 388. Knothe aaO S. 505ff.; Hirsch aaO S. 373f. 41 Knothe aaO S. 51 Iff. " Hirsch aaO S. 383. 63 AaO S. 376ff. 379ff., vgl. Knothe aaO S. 494ff. M Dazu G. Hornig: Die Anfänge . . . , S. 26f. " Hirsch aaO S. 177. 59

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I. Baumgartens theologiegeschichtlicher Ort

zu verweisen 66 . Semler hat sich bei der Ausbildung seiner Theologie auf die Baumgartensche Glaubenslehre jedenfalls nicht berufen. Die Anwendung der Wölfischen Denkmittel auf die Dogmatik, wodurch diese ja im ganzen nur noch einmal orthodox stabilisiert wurde, war ihm eher suspekt, er sah sie bei Baumgarten, vollzog sie aber nicht nach 67 . Es bleibt also noch zu fragen, ob sich von dem Neuen aus, das bei Semler beginnt, nicht noch eine andere Verbindung zurück zu Baumgarten aufzeigen läßt, welche relativ unabhängig, ja vielleicht auch abseits von dessen Dogmatik besteht. Ist es wirklich so, daß Baumgarten weiterhin so fast ausschließlich als ein dem rationalen Wolffianismus verhafteter Theologe angesehen werden muß, wie er heute meistens eingestuft wird 68 ? Oder kann in seinem Werk nicht noch eine andere wesentliche, vielleicht nicht von Anfang an gleich deutlich hervortretende Denkbemühung aufgewiesen werden, welche die weitere Entwicklung der Aufklärungstheologie besser begreifbar macht? Unter diesen Umständen erscheint es als vorerst weniger vordringlich und — wie sich zeigen wird — auch kaum hilfreich, eine bloße Darstellung der Theologie Baumgartens an Hand seiner systematischen Werke vorzunehmen, die seine Auffassung von allen traditionell wichtigen dogmatischen Problemen nur reproduziert. So ist die Rede von „Systematik" im Untertitel auch nicht gemeint. Baumgarten als — im Ergebnis dann: überwiegend rechtgläubigen — dogmatischen und moraltheologischen Lehrer kennenzulernen, ist mit Hilfe seiner noch heute auch sprachlich durchaus zugänglichen Schriften ohne weiteres möglich. Doch wichtiger ist es, bessere als die bisher üblichen Maßstäbe für eine kritische Analyse seines Gesamtwerkes zu gewinnen, zu der diese Untersuchung einen Beitrag bieten möchte. Dies dürfte nicht möglich sein, ohne zugleich zu fragen, ob es im Laufe der Lebensentwicklung Baumgartens etwa einschneidende Änderungen seiner Theologie oder auch nur theologisch bedeutsame Schwerpunktsverlagerungen in seiner Arbeit gegeben hat. Wichtig ist dies nicht nur für das Verständnis Baumgartens selbst, sondern auch für seine theologiegeschichtliche Einordnung. Eine solche kann abschließend erst nach der genaueren Untersuchung auch seiner Wirkungsgeschichte vorgenommen werden, welche ihrerseits " AaO S. 3 7 6 - 3 7 9 . 67 Daß auf die Entwicklung von Semlers Theologie „gewisse Wölfische Elemente" einen nennenswerten Einfluß gehabt hätten (so H. Stephan: Art. Wolff, Chr. In: RE, 3. Aufl., Bd. 21, S. 463), wird durch die Semlerforschung nicht bestätigt (s. G. Hornig: Die Anfänge . . S . 29). Semler hat sich vielmehr ebensowenig wie auf die Seite der Frommen auf die der Wolffianer geschlagen (Lebensbeschreibung II, 1782, S. 5ff.). Zu Beginn seiner Lehrtätigkeit hat er sich philosophisch nicht an Wolff und dogmatisch nur mit großen Vorbehalten an Baumgarten angeschlossen, vielmehr sich von neuem selbständig in die theologische und philosophische Literatur des 16. und 17. Jahrhunderts vertieft (aaO S. 22ff. 36. 65ff. 239ff.). " Z. B. bei H. Stephan u. M. Schmidt: Geschichte der deutschen evangelischen Theologie . . 2 . Aufl., S. 9f.

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Der biographische Hintergrund

freilich den Rahmen dieser Abhandlung sprengen würde. Was aber hier schon geboten ist und wozu gerade die Inblicknahme möglicher Verschiebungen in Baumgartens Denkweise dienen kann, ist, bei dieser Gelegenheit auch einen Beitrag zur exakteren Bestimmung der Ausgangssituation für die nachbaumgartensche Theologie zu leisten. Es könnte sich nämlich herausstellen, daß sowohl die positive Anknüpfung seiner Nachfolger an ihn als auch ihr Abstandnehmen von ihm sich zuweilen auf recht verschiedene Dinge bei ihm beziehen, die möglicherweise mit solchen Schwerpunktsverschiebungen in Baumgartens eigener Entwicklung zusammenhängen. Daß wir dabei den Blick in erster Linie auf Semler richten müssen, ergibt sich aus der überragenden Bedeutung dieses seines Hauptschülers, von dessen Schlüsselstellung für die Theologie in Deutschland Johann Gottfried Eichhorn später einmal sagte, Semler habe die Theologie „aus Baumgartens Händen zur Pflege" übernommen 69 . Eine solche Fragestellung könnte außerdem der Semlerforschung bei der näheren Bestimmung ν,ση Semlers Ausgangspunkt insofern von Nutzen sein, als dadurch vielleicht auch gewisse Unausgeglichenheiten zwischen einem wichtigen frühen Urteil Semlers über Baumgarten und den späteren Erinnerungen 70 in ein neues Licht gerückt werden.

3. Der biographische

Hintergrund

der Theologie

Baumgartens

Ein Blick auf das äußerlich wenig bewegte Leben 71 Siegmund Jacob Baumgartens (1706—1757) läßt schon erkennen, welche mannigfachen Einflüsse auf ihn wirkten und zwischen welchen in Spannung zueinander stehenden Geistes" J . G. Eichhorn: Johann Salomo Semler. In: Allgemeine Bibliothek der biblischen Litteratur V, 1793, S. 1: „Was war Theologie in Deutschland, als er sie aus Baumgarten's Händen zur Pflege übernahm? " Eichhorn betont hier und im folgenden die Radikalität des Umschlages von der unaufgeklärten zur aufgeklärten Theologie und verurteilt scharf das Veraltete an Baumgarten. Uns kommt es hier nur auf die personalisierende Zuspitzung dieser Formulierung an, welche — in Semlers Schatten — auch Baumgarten eine gewisse Schlüsselstellung zuschreibt. Auch wenn man im Blick sowohl auf Semler als auch auf die deutsche Gesamtsituation hier noch an andere Theologen zu denken hat, so ist die raffende Sicht Eichhorns insofern nicht ganz unberechtigt, als das, was sich zwischen Baumgarten und Semler abspielte und daraus bei Semler später wurde, doch besondere Beachtung verdient. Denn 1. lehrten beide in Halle, dessen einflußreiche Rolle im aufstrebenden Preußen die Ausstrahlung beider vermehrte, 2. ist die Bedeutung beider als herausragender Gelehrter und zumal Semlers Verdienst um die theologische Wissenschaft unumstritten und 3. ist es selten, daß in solch einem sehr engen und doch auch distanzierten Verhältnis zwischen einem Lehrer und einem Schüler zugleich die ganze Tragweite des Umschlags von einem vergangenen zu einem neuen Zeitalter der Theologiegeschichte erkennbar wird. 70 Dazu s.u. S. 125ff. 197ff. 71 Dieser biographischen Skizze, die besonders die theologisch wichtigen Schwerpunkte in Baumgartens Leben aufsucht, liegen hauptsächlich folgende Quellen zugrunde: Handschriftliches Material (Mikrofilm) aus dem Archiv der Francke'schen Stiftungen (Handschriftenhauptabteilung, abgekürzt: AFSt, jetzt auf der Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-

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I. Baumgartens theologiegeschichtlicher Ort

m ä c h t e n er seinen Weg f i n d e n m u ß t e . Altprotestantisches K i r c h e n t u m , pietistische F r ö m m i g k e i t u n d m o d e r n e Wissenschaft — diese drei Kräfte sind an erster Stelle zu n e n n e n . Sie b e g e g n e t e n ihm s c h o n in e i n e m frühen Lebensstadium. Mehr als andere scheint Baumgarten seinem nicht u n b e d e u t e n d e n V a t e r J a c o b Baumgarten ( 1 6 6 8 — 1 7 2 2 ) zu verdanken, der freilich w e g e n seines stillen Wesens, langer Krankheit u n d frühen T o d e s nicht zu gleicher Stellung u n d einflußreicher Wirksamkeit w i e seine S ö h n e gelangte. Der V a t e r 7 2 hatte z u m innersten Kreis des frühen Hallischen Pietismus gehört. Er war die S t a t i o n e n v o n Leipzig über Erfurt nach Halle m i t g e z o g e n u n d dort ein enger Mitarbeiter A u g u s t H e r m a n n Franckes g e w o r d e n 7 3 . N a c h e i n e m längeren Compastorat in Wolmirstedt b e i Magdeburg 7 4 , w o am 14. März 1 7 0 6 S i e g m u n d J a c o b 7 5 als ältestes K i n d geboren

Anhalt in Halle) und aus dem preußischen Geheimen Staatsarchiv im Deutschen Zentralarchiv Hist. Abt. II Merseburg; ferner verdanke ich die Angaben aus dem Archiv der MartinLuther-Universität Halle-Wittenberg (abgekürzt UA Halle-Wittenberg) Herrn Wiss. Sekretär Heindorf. Die von diesem auch mitgeteilten Angaben aus dem mir nicht einsehbaren Index Lectionum decken sich mit den hier sonst benutzten halbjährlichen Vorlesungsverzeichnissen im Wöch. Hall. Anzeiger. An gedrucktem Material ist vor allem herangezogen: J . S. Semler: Ehrengedächtnis des . . . Siegmund Jacob Baumgartens S. 67—132. Der darin angekündigte Plan einer umfangreicheren Biographie wurde nicht verwirklicht, reiches Erinnerungsmaterial ist aber noch in Semlers Lebensbeschreibung von ihm selbst abgefaßt I—II, 1781/82, zu finden. Von Semler sind alle späteren Darstellungen abhängig (z. B. F. E. Rambach: Art. Baumgarten, Siegmund Jacob. In: Johan Peter Nicerons Nachrichten von den Begebenheiten und Schriften berümter Gelehrten . . . 20. Teil, 1760, S. 2 8 2 - 3 2 6 ; H. Doering: Die gelehrten Theologen Deutschlands . . . I, 1831, S. 55—63 u.a.). Allen aber, auch Semler, liegt für die Zeit vor ca. 1745 die Darstellung bei J . Brucker (Bilder-sal heutiges Tages lebender . . . Schriftsteller I, 5. Zehend, 1746) zugrunde. Die hier mitgeteilten Details aus der Frühzeit können nur von Baumgarten selbst stammen. Diese grundlegende Vita dürfte auf schriftliche Angaben, die Baumgarten Brucker überlassen hat, zurückgehen, vgl. Brucker selbst in der Vorrede des Werkes über sein Verfahren. Der erste, der Bruckers Artikel ausschrieb, war J . Chr. Breyhaupt: Beschreibung des . . . Saal-Creyses . . . II, 1755, S. 582f., dessen universitätsgeschichtliche Angaben am Anfang des Bandes aber eigenen Quellenwert haben. ™ Uber ihn s. die Leichenpredigt von Michael Rolo f f : Die liebreiche Gestalt des Todes . . . (1722) mit einer größtenteils noch von J . Baumgarten selbst verfaßten Vita, S. 27—31; ferner bei jocher ¡Adelung: Gelehrten-Lexicon, Erg.-Bd. I, 1784, Sp. 1537. 73 1688 in Leipzig immatrikuliert, erlebte Jacob Baumgarten dort die pietistischen Wirren mit, ging danach nach Quedlinburg, wo er noch Eindrücke durch Christian Scriver empfing, und zog 1691 nach Erfurt, um J . J . Breithaupt und A. H. Francke zu hören. Wohl erst hier scheint er ihnen ernstlich nähergekommen zu sein, denn als Francke ihn später gelegentlich um Überlassung von alten Nachschriften bittet, antwortet er: „Was ich in Erfurt gesammlet, ist durch das Verleihen mir alles von Händen kommen: und in Leipzig schmeckte mir leider! die Kost noch nicht, die aufgetragen ward" (Wolmirstedt am 20. 11. 1701, AFSt F 14: Bl. 126f.). In Halle Schloß er dann seine Studien ab und wirkte zugleich als Lehrkraft bei der Gründung der Anstalten mit. 1697 wurde er Inspektor des neugegründeten Pädagogiums, 1700 auch Adjunkt der Theologischen Fakultät. 74 Noch im Jahre 1700 verließ er Halle, um eine Hofpredigerstelle bei der verwitweten Herzogin von Eisenach in Ahstedt anzutreten. Daraus wurde aber nichts Permanentes und so ging er als Compastor in seine Heimatstadt Wolmirstedt. 1705 heiratete er die aus Berlin stammen-

Der biographische Hintergrund

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w u r d e , k a m er 1 7 1 3 als G a r n i s o n p r e d i g e r n a c h Berlin u n d w u r d e 1 7 1 7 d o r t Pfarrer i n F r i e d r i c h s w e r d e r u n d D o r o t h e e n s t a d t . J a c o b B a u m g a r t e n b l i e b a u c h später n o c h m i t d e n Führern d e s Werkes in Halle h e r z l i c h v e r b u n d e n . B r i e f e g e b e n Zeugnis v o n geistlicher G e m e i n s c h a f t u n d Fürbitte s o w i e v o n ä u ß e r e m B e i s t a n d u n d gegenseitigem R a t 7 6 . Der persönliche Kontakt wird bei den Besuchen Franckes in Berlin a u f g e f r i s c h t 7 1 u n d d e n K i n d e r n e i n e erste Berührung m i t d i e s e m verm i t t e l t . N o c h auf d e m S t e r b e b e t t g e d e n k t J a c o b B a u m g a r t e n d a n k b a r d e n dreie n , d i e i h m in Halle a m m e i s t e n b e d e u t e t h a b e n : A u g u s t H e r m a n n F r a n c k e , J o a c h i m J u s t u s B r e i t h a u p t u n d Paul A n t o n 7 8 . A l s J a c o b B a u m g a r t e n a m 2 9 . J u n i 1 7 2 2 i m A l t e r v o n nur 5 3 J a h r e n an d e r S c h w i n d s u c h t starb, h i n t e r l i e ß er vier S ö h n e , d i e n a c h seiner l e t z t e n V e r f ü g u n g n a c h H a l l e g e s c h i c k t u n d d o r t w e i t e r zum Theologiestudium vorbereitet werden sollten: Siegmund Jacob, Justus Jos e p h , der b a l d darauf in Halle starb, A l e x a n d e r G o t t l i e b ( 1 7 1 4 - 1 7 6 2 ) , der 1 7 4 0 als P h i l o s o p h i e p r o f e s s o r n a c h F r a n k f u r t / O d e r ging u n d als Begründer der w i s s e n s c h a f t l i c h e n Ä s t h e t i k b e r ü h m t w u r d e 7 9 , u n d N a t h a n a e l ( t 1 7 6 3 ) , der ab 1 7 4 9 als I n s p e k t o r u n d O b e r k o n s i s t o r i a l r a t an der K i r c h e s e i n e s V a t e r s in Berlin amtierte u n d a u c h B e i c h t v a t e r der K ö n i g i n w a r 8 0 .

de Rosine Elisabeth Wiedemann (So nach der Vita bei M. Rolo f f , S. 29; abweichend davon teilt Semler als Namen der Mutter Baumgartens mit: Barbara Rosine Wiedemann, Kurzer Entwurf . . . , S. 73). 75 Dies ist die einzig korrekte Schreibweise der beiden Vornamen. So unterzeichnete Baumgarten selbst; ihr folgen auch alle authentischen Drucke. Nur bei lateinischem Text heißt es zuweilen Sigismund(us) Jacob(us). Die Phantasie übrigens, die sich bei der Erfindung ganz neuer Vornamen kundtut (z. B. J . Wach: Das Verstehen I, S. 17; J . Streisand: Geschichtliches Denken . . . , S. 78; J . Baur: Salus Christiana I, S. 121), deutet an, wie verschollen Baumgarten heute ist. 76 Im Archiv der Francke'schen Stiftungen werden 24 Briefe von Jacob Baumgarten an A. H. Francke aufbewahrt. Dem Studenten galt Francke als „herzlichgeliebter Glaubensvater" (Wolmirstedt, 30. Dez. 1793, AFSt F 14: Bl. 118), als junger Pastor vermittelte er namhafte Spenden nach Halle (Wolmirstedt, 9. Febr. 1789, AFSt F 14: Bl. 1 2 0 - 1 2 3 ) und von seiner Berliner Position aus begleitet er das Werk mit förderlichen Informationen und Ratschlägen (z.B. 6. März 1716, AFSt F 14: Bl. 132f. u. 13. Dez. 1720, aaO Bl. 145f). Immer wieder will er von den Betstunden hören und ist um den geistlichen Zustand der Zöglinge besorgt, ö f t e r s sind Grüße an „Fröhlichhausen" (= Freylinghausen), Breithaupt u. a. beigefügt. 77 Die Billets liegen noch vor, m i t denen die ältesten Söhne — also auch Siegmund Jacob — durch Berlin zu Francke geschickt wurden, um ihn um Besuch und Predigtdienst zu bitten (1. u. 19. J u n i 1720, AFSt A 174: Bl. 57 u. 65). 78 M. Roloff: Die liebliche Gestalt des Todes . . . , S. 28. 79 Über ihn: G. Y.Meier: Alexander Gottlieb Baumgartens Leben, 1763; Jocher/Adelung: Gelehrten-Lexicon, Erg.-Bd. I, 1784, Sp. 1536f.; E. Bergmann: Die Begründung der deutschen Ästhetik durch A. G. Baumgarten und G. F. Meier, 1911; M. Wundt: Die deutsche Schulphilosophie im Zeitalter der Aufklärung, bes. S. 220ff. Kant hat seine Metaphysica gerühmt und bis in die neunziger J a h r e als Lehrbuch benutzt. Mit Alexander Gottlieb wird übrigens Siegmund Jacob Baumgarten heute häufig verwechselt. Über ihn: Jocher ¡Adelung aaO Sp. 1537f.

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Es ist dem weitschauenden und selbst überaus gebildeten Vater zu verdanken, daß der begabte Siegmund Jacob, als er 1722 sechzehnjährig das Pädagogium in Halle bezog, bereits eine ungewöhnlich gediegene und vielseitige Ausbildung mitbrachte. Nicht von ungefähr nimmt der detaillierte Bericht hiervon in den Lebensbeschreibungen Baumgartens von Brucker und Semler einen so großen Raum ein 81 . In der Hauptsache ist es dreierlei, was Baumgarten schon früh bei seinem Vater selbst und den von diesem sorgfältig ausgewählten Privatlehrern gelernt haben wird: Erstens ein solides theologisches Grundwissen, verbunden mit warmer, aber doch nüchtern-kirchlicher Frömmigkeit. Die häuslichen Andachtsübungen versuchten Routine ebenso wie Übertreibung 82 zu vermeiden und gründeten sich auf die Lektüre der Schrift in den Ursprachen und auf kritisch ausgewählte, auch ausländische Erbauungsbücher 83 . „Er mußte daneben unsre symbolischen Bücher und die richtigsten von unsem altem Gottesgelehrten fleißig nachlesen" 84 . Es war also ein durchaus rechtgläubiger Pietismus, den Baumgarten in früher Jugend in sich aufnahm. Das Zweite, was Baumgarten von zu Hause mitbrachte, war eine außergewöhnlich breite und solide Allgemeinbildung. Dazu gehörten nicht nur die biblischen und klassischen Sprachen und ein Grundstock der antiken Literatur, sondern auch — damals in diesem Umfang noch recht ungewöhnlich — die modernen Sprachen Französisch, Italienisch und Englisch. Französische Lehrmeister führten ihn in die Mathematik und die Zeichenkunst ein und der Vater selbst in die Anfangsgründe der Philosophie, vorab die Logik. Dazu kam — in den Freistunden, weil die eigene Neigung dafür ausreichte — eine ausgebreitete Lektüre von Werken der Historie und ihrer Hilfswissenschaften 85 . 81

Für die Einzelheiten des Lebensganges sei ein für allemal auf diese verwiesen. Semlers Kurzer Entwurf ist auf weite Strecken eine auf das Exempel Baumgartens weisende paraphrastische und durch eigene Erinnerungen an Erzähltes und Miterlebtes erweiterte Wiedergabe der Vita bei Brucker. 82

So gibt Jacob Baumgarten einmal Francke brieflich zu bedenken, im Hallischen Gesangbuch die unnötigen Extravaganzen bei der Änderung rezipierter Lieder, etwa Paul Gerhardts, fahren zu lassen. Bei der Hausandacht hätten sich die Kinder über die neuartigen Textfassungen beschwert (Berlin, 13. Dez. 1720, AFSt F 14: Bl. 145f.). 83 Brucker berichtet von Baumgartens Vater: „Er führte ihn (seil, den Sohn) bei der Erklärung der heiligen Schrift auf dem Mittelweg der Wahrheit und bewahrte ihn sorgfältig auf einer Seite vor allegorischer Auslegung . . . durch übertriebenen mystischen Verstand; auf der anderen aber vor gar zu buchstäblicher Deutung der Weissagungen, sonderlich in Absicht künftiger Zeiten und des äußern Reichs Christi, in welchem letzten Stücke er von einiger seiner besten Freunde Einsicht abgegangen und derselbigen bei aller Gelegenheit widersprochen hat" (Bilder-sal I, 5 Bl. (3r)). 84 Semler: Kurzer Entwurf . . . , S. 86. 85 In seiner kurzen Vita erinnert der Vater daran, daß er seinerzeit die Vorlesungen von Christian Thomasius und Christoph Cellarius gehört hatte (M. Roloff: Die liebliche Gestalt des Todes . . . , S. 28).

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Und drittens erwarb sich Baumgarten schon früh wichtige Fertigkeiten für den späteren wissenschaftlichen und lehrenden Beruf. So wuchs beim Unterricht seiner jüngeren Brüder sein angeborenes Lehrgeschick. Der andere Ausgangspunkt war die planmäßige Benutzung der väterlichen Bibliothek, in deren für einen Pfarrer ausnehmend reiche Bestände — Brucker und Semler sprechen von 10 000 Bänden — er sich vergraben durfte, wenn er nur allabendlich das Gelesene dem Vater wohlgeordnet vortrug. So erwarb er sich nicht nur früh eine gelehrte Bücherkenntnis, sondern lernte auch kritisch zu lesen und das Wesentliche zusammenfassend aufzubereiten. Dieser tägliche „Aufsatz" schärfte sein Beurteilungsvermögen ebenso wie den Ausdruck. Semler bemerkt dazu: „Es ist kaum zu glauben, wie selten dieser große Schriftsteller in so vielen Bogen, als er wöchentlich in den Druck gab, ein Wort oder eine Zeile geändert hat, woraus diese große Fertigkeit in richtigen Begriffen und ihren Bezeichnungen offenbar genug ist" 8 6 . Die Zeit im Pädagogium wurde bald überschattet durch den Tod des nächstjüngeren Bruders — die kleineren Brüder kamen später nach Halle — und durch krankheitsbedingte Unterbrechungen. Baumgartens Konstitution war immer schwach und sein Leben bis zu seinem frühen Tode mehrfach in Gefahr 87 , aber Wißbegier und Energie trieben ihn immer wieder zu größerem Fleiß 88 . Er war ja an selbständiges Arbeiten gewöhnt und brachte sich durch Lektüre der hebräischen Bibel, klassischer Autoren und philosophischer Schriften weiter. An dieser Arbeitsweise änderte sich nicht viel, als er 1724 an der FriedrichsUniversität immatrikuliert wurde. Nur daß er jetzt bei Α. H. Franckes Sohn, Gotthilf August Francke, als Tischgenosse und ein halbes Jahr später auch als Hausgenosse aufgenommen wurde. Nicht bloß seines Vaters, auch seiner eigenen Fähigkeiten wegen genoß er die besondere Zuneigung und das volle Vertrauen der Professoren Α. H. Francke, Abt Breithaupt, P. Anton, J . H. Michaelis und Chr. B. Michaelis 89 . Viele Vorlesungen scheint er aber bei seinem Wissensstand gar nicht mehr gehört zu haben, zumal ihm Breithaupt riet, außer einigen Philologica und bestimmten Kollegs von P. Anton sich lieber aufs eigene Studieren " Kurzer Entwurf . . . , S. 79. " Bei seiner Geburt war er so schwächlich, daß er die Nottaufe empfing (aaO S. 74), im Pädagogium hatte er u.a. 1723 einen gefährlichen Blutsturz, als er gerade am Glasschleifen für optische Geräte war (aaO S. 88). Die Brustbeschwerden blieben und neue Krankheiten kamen später hinzu. Er starb vielleicht an einer Unterleibsgeschwulst. ,s Baumgartens gesundheitsschädigender Arbeitseifer war so sprichwörtlich bekannt, daß ein Göttinger Arzt des dort 1764 verstorbenen Baumgartenschülers J. D. Heilmann schreiben konnte: „Vereor, ne schola Baumgartiana, ex qua ille exiit, et quae ad magistri sui exemplum tarn praeclara ingenia finxit, in alendo studiorum fervore rationem valetudinis nimis parvam habuerit" (Nach Chr. G. Heyne: Memoriam . . . Ioannis Davidis Heilmanni . . . , 1764. In: J. D. Heilmann: Opuscula . . . ed. E. J. Danovius II, 1778, S. 593). " Joachim Lange und Johann Jacob Rambach erwähnt Brucker in diesem Zusammenhang erst in zweiter Linie (aaO Bl. (3v)) und Semler (aaO S. 89) gar nicht.

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zu verlegen. So fuhr er auch in der Mathematik fort und verfolgte die zu dieser Zeit heftigen Streitigkeiten um die Wölfische Philosophie durch eigene Lektüre. Die Nachricht von diesen frühen Studien verdient Beachtung im Blick auf Baumgartens theologische Weiterentwicklung. Doch wie weit der Jüngling sich bei diesen Bemühungen ernsthaft auf die Wölfische Philosophie eingelassen und sich ihr angeschlossen hat, läßt sich nicht mehr sagen. Bekannt ist nur, daß er sich bei bestimmter Gelegenheit in einem Akt der Abkehr von den mathematischen Studien auch wieder auf die Seite der pietistischen Gegner Wolffs stellte. Vielleicht hat er sich — möglicherweise auch unter dem Eindruck der Schicksalsschläge in seiner Nähe — den geistlichen Motiven seiner Lehrer so geöffnet, daß er, wie Semler mitteilt, eines Tages „sehr seltene englische mathematische Bücher . . . auf wohlgemeintes Anraten eines damals sehr angesehenen Mannes auf einmal abgeschafft und verkauft hat, als seien es bei der Gottesgelehrsamkeit nicht sonderlich weiter ihn beförderliche Schriften" 9 0 . Um so eifriger betrieb er nun patristische 91 und vor allem orientalistische Studien um der Schriftauslegung willen. Letztere waren der Sektor, auf dem auch der Hallische Pietismus am ehesten noch die wissenschaftliche Forschung förderte 9 2 , und so trieb Baumgarten unter der Anleitung von beiden Michaelis, Heinrich Lysius und dem getauften Juden Fromman Aramäisch, Syrisch, Arabisch und Äthiopisch. Bald konnte er selbst arabischen Unterricht erteilen. Schon im Frühjahr 1726 krönte er seine Bemühungen durch Verteidigung einer eigenen umfangreichen und gelehrten philologischen Dissertation unter Christian Benedict Michaelis, in der er die seltsame Hypothese Hermann von der Hardts widerlegte, die semitischen Sprachen seien aus dem Griechischen abgeleitet 93 . Ein Jahr zuvor hatte Baumgarten nach bewährtem hallischen Muster auch eine Lehrtätigkeit im Waisenhaus aufgenommen, die ihm zugleich weitere Lehrerfahrung vermittelte. In der Lateinischen Schule unterrichtete er zunächst Griechisch und Hebräisch, übernahm 1726 die Theologische Klasse dort und nach seiner Disputation auch die Inspektion über die ganze Lateinische Schule. Bald richtete er hier eine „classis selecta" ein, in der einige ausgewählte Schüler in den feineren lateinischen Ausdruck und in die Philosophie eingeführt wurden. Bei dieser Arbeit bildete sich im Laufe der Jahre — nicht sofort — ein günstige90

Semler aaO S. 81, vgl. 89; Semler berichtet, daß Baumgarten später mehrfach davon erzählt habe, auch von den Mühen bei den Versuchen der Wiederbeschaffung. " Semler betont stark die hier erworbene gute und kritische Kirchenväterkenntnis Baumgartens, die leider in seinen späteren Schriften zu wenig zutage getreten sei (aaO S. 90). 92 Vgl. O. Podczeck: Die Arbeit am Alten Testament in Halle zur Zeit des Pietismus. 93 S. Bibliographie Nr. 1. H. von der Hardt (1660—1746), ursprünglich mit Spener und Francke befreundet, schließlich Professor in Helmstedt, war wegen freier Ansichten mit den Hallensern zerfallen. Er vertrat als Exeget manche Absonderlichkeit, ist aber auch als Reformationsforscher bekannt geworden, vgl. G. Frank: Geschichte der Protestantischen Theologie II, S. 228ff. u. P. Tschackert: Art. von der Hardt, Hermann. In: RE, 3. Aufl., VII, S. 4 1 7 - 4 2 0 .

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res Urteil über d i e W o l f f s c h e P h i l o s o p h i e h e r a u s 9 4 , d a s später d a z u b e i t r a g e n sollte, ihn seinen theologischen Lehrern zu e n t f r e m d e n . A b e r s o w e i t w a r es n o c h n i c h t . N o c h stand d e r j u n g e T h e o l o g e m i t n i c h t z u v e r k e n n e n d e r innerer A n t e i l n a h m e m i t in d e m Werk, das sich d i e B e k e h r u n g v o n S e e l e n z u m H a u p t z i e l g e s e t z t h a t t e 9 5 . S c h o n seit einiger Z e i t h a t t e er m i t d e n e r s t e n P r e d i g t e n in der S c h u l k i r c h e A n k l a n g g e f u n d e n . N a c h d e r O r d i n a t i o n i m M a g d e b u r g e r D o m w u r d e der Z w e i u n d z w a n z i g j ä h r i g e 1 7 2 8 z u m Predigeradj u n k t e n b e i s e i n e m b e s o n d e r e n F ö r d e r e r , d e m j ü n g e r e n F r a n c k e , an der Marktkirche b e s t e l l t . H i e r e n t f a l t e t e er e i n e s e g e n s r e i c h e T ä t i g k e i t , an d i e m a n sich, w i e S e m l e r b e z e u g t , n o c h später gern e r i n n e r t e . B a u m g a r t e n b e s c h r ä n k t e sich n i c h t auf d i e p f l i c h t m ä ß i g e n P r e d i g t e n , er h i e l t darüber h i n a u s s o n n t a g s u n d an e i n i g e n W o c h e n t a g e n i m W a i s e n h a u s E r b a u u n g s s t u n d e n ab, z u d e n e n Stud e n t e n , Bürger u n d S o l d a t e n 9 6 k a m e n . S o l c h e S t u n d e n h a t B a u m g a r t e n a u c h später als P r o f e s s o r w e i t e r g e h a l t e n . D e r Z u g a n g , d e n er d a m i t z u d e n H e r z e n seiner Z u h ö r e r f a n d , erklärt sich w o h l a u s der e b e n s o e i n d r i n g l i c h e n w i e gründ-

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Man darf sich die Sache aber nicht so denken, daß Baumgarten in dieser Zeit ein überzeugter Wolffianer gewesen wäre (so H. Hettner: Literaturgeschichte des achtzehnten Jahrhunderts III, 2, S. 35). Wenn sein damaliger Schüler J o h a n n David Michaelis, der Sohn von Christian Benedict M., später schreibt: „Die Wolffische Philosophie war damals in Halle aufs äußerste verboten und die ärgste Ketzerei; allein unter der Firma des Waisenhauses ward sie gelehrt" (Lebensbeschreibung . . . , 1793, S. 4f.), dann darf dies nicht zu weitgehend interpretiert werden, vor allem nicht für Baumgartens Anfangszeit. Michaelis sagt ja auch, diese Philosophie sei „mit Weglassung einiger Dinge" betrieben worden (aaO). Übrigens war es, wie die Vorlesungsankündigungen der Philosophischen Fakultät ausweisen (s. C. G. Ludovici: Sammlung und Auszüge . . . I, 1737, S. lOf. Anm. 11), in den dreißiger Jahren durchaus erlaubt, Logik und Mathematik nach Wolff zu lesen. Eine differenziertere Erinnerung hat G. F. Meier in: Alexander Gottlieb Baumgartens Leben, 1763, S. 12; Meier zeigt, wodurch A. G. Baumgarten nach 1730 zur Wölfischen Philosophie geführt wurde, nämlich u . a . auch durch „das Urteil seines Bruders von der Wolffischen Weltweisheit, welches nach und nach immer gelinder wurde". Danach hat sich in jenen Jahren bei S. J . Baumgarten ein zunächst ungünstiges Urteil über Wolff abgemildert. Man muß auch damit rechnen, daß es Rückwirkungen von Seiten des jüngeren Bruders und seiner für Wolff begeisterten Freunde auf Baumgarten gegeben hat, vor allem seit 1734, als Alexander Gottlieb nach Siegmund Jacobs Ernennung zum Ordinarius in dessen Haus übersiedelte und dort eine private Studiengruppe um sich sammelte (aaO S. 14f.). 95 J . D. Michaelis berichtet: „Religion hatte damals noch nicht viel Wirkung auf mich. Diese letztere ward auf der Schule, die man sich gemeiniglich als pietistisch vorstellet, zwar mit Eifer betrieben und dazu ermahnt; aber gewiß niemanden aufgezwungen, auch kein sonst moralischer Jüngling deshalb zurück gesetzt, weil man sie an ihm zu vermissen glaubte. Die rührendsten Vorträge davon, und die bisweilen alle Zuhörer auf eine erstaunliche Weise in Bewegung setzten, hielt wohl der sei. Baumgarten, und diese schweben mir noch lebhaft im Gedächtnis. Ich habe ihn auf der Schule ganz anders gekannt wie nachher auf der Universit ä t " (Lebensbeschreibung . . . , 1793, S. 10f.). 96 Dies wird auch bestätigt durch eine bei A. Tholuck (Geschichte des Rationalismus I, S. 137) wiedergegebene Äußerung Baumgartens aus dem J a h r e 1734.

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lichen Schriftauslegung und seiner warmen, aber doch von aller unnüchternen Ausschweifung und Heuchelei freien Art zu beten 9 7 . Unterdessen setzte er seine Lehrtätigkeit am Waisenhaus fort. Sie fand solchen Anklang, daß man ihm nahelegte, seine Fähigkeiten auch der Universität nutzbar zu machen. So ließ er sich die Magisterwürde erteilen 98 und hielt philologische, philosophische und gelehrtengeschichtliche Vorlesungen. Daneben lehrte er weiter an seiner Schule und repetierte die Dogmatik am Litauischen Seminar. " Außer einer Anzahl von Predigten sind nicht wenige wörtlich mitgeschriebene Betrachtungen mit z . T . langen Gebeten im Druck erschienen (Bibliographie Nr. 16. 18. 19. 26. 58. 126. 180.). Auswüchse der frommen Selbstdarstellung suchte Baumgarten dabei aber zu verhindern. Wie er darüber dachte, berichtet Semler: „Es werden sichs mehrere genau erinnern, daß dieser selige Mann umständlich erzählete, wie er sich einmal unter einer betenden Gesellschaft mit befunden habe, wo ein Prediger mit großem Affekt Gott gedanket, daß er ihm nicht zwo Seelen gegeben habe; die eine sei schon so sehr böse, daß er mit zwoen nicht würde haben sich helfen können" (Kurzer Entwurf . . . , S. 95). 98 Semlers Angabe, Baumgarten habe die Magisterwürde im Jahre 1732 erworben (Kurzer Entwurf . . . , S. 96), ist nicht ganz genau. Das hat schon A. F. Büsching bemerkt (Beyträge zu der Lebensgeschichte denkwürdiger Personen . . . I, 1783, S. 168f.). Der Zeitpunkt liegt aber nicht noch später, wie Büsching zu vermuten gibt, sondern etwas früher. W. Schräder (Geschichte der Friedrichs-Universität zu Halle I, S. 277) setzt zwar die Ausübung der Tätigkeit als Magister als „gleichzeitig" mit der Predigeradjunktur 1728 an. Aber den Magistergrad hat Baumgarten erst im dritten Dekanat von Chr. B. Michaelis (12. 7. 1731—12. 1. 1732) erworben (UA Halle-Wittenberg Rep. 21 III Nr. 261), vermutlich schon zu Beginn des Wintersemesters 1731/32, das allein für die vor die theologische Adjunktur fallende philosophische Vorlesungstätigkeit als Magister (Brucker aaO Bl. (3r)) in Frage kommt. Die Erteilung der Magisterwürde war nach der schon 1726 abgeleisteten Disputation nur noch eine — vielleicht aus Gründen der Gebührenersparnis so lange aufgeschobene — Formalität, ohne die die wohl im Herbst 1731 aufgenommene Lehrtätigkeit an der Philosophischen Fakultät aber nicht möglich war. Jedenfalls zielt der bei Büsching wiedergegebene Brief des Königs an Propst Reinbeck vom 19. März 1734 nicht auf den Beginn von Baumgartens philosophischen Vorlesungen — daß er dazu schon legitimiert war, mochte unklar geblieben sein —, sondern stellt einen zu diesem Zeitpunkt nötigen Befehl zur Ermutigung Baumgartens dar, sein Lehramt weiter wahrzunehmen (vgl. J . C. Hoffbauer: Geschichte der Universität Halle bis zum Jahre 1805, S. 216f. Anm. f.). Andererseits ist A. Ritschis betonter Feststellung, Baumgarten habe schon im Winter 1729/30 Vorlesungen gehalten (Geschichte des Pietismus III, S. 131) in diesem Zusammenhang kein besonderes Gewicht beizumessen, da die etwas knappe Erinnerung F. C Oetingers (s.dessen Selbstbiographie, S. 57), auf die Ritsehl verweist, sich wahrscheinlich auf Baumgartens erfolgreiche Wirksamkeit im Waisenhaus bezieht, vielleicht dazu auch auf die damals Anhänger und Nachschreiber anlockende Predigt- und andere Erbauungstätigkeit, nicht aber auf akademische Vorlesungen, denn dagegen steht das Faktum, daß Baumgarten noch kein Magister war. Zudem ist es möglich, daß auf Oetingers Erinnerung auch die Erlebnisse während seines späteren Aufenthalts in Halle (aaO S. 67) zur Zeit des Streits zwischen Lange und Baumgarten (darüber s.u.) ein wenig abgefärbt haben. Bis ins letzte lassen sich die Umstände der frühen Vorlesungen Baumgartens nicht mehr ausmachen, denn im Vorlesungsverzeichnis taucht Baumgartens Name als Hochschullehrer erst im Wintersemester 1734/35 auf, weil der hierfür erforderliche Grad eines magister legens von ihm nie erworben wurde (lt. Angabe von Herrn Heindorf aus dem UA Halle-Wittenberg).

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Bald bemühte sich auch die Theologische Fakultät um ihn. Neben seiner bisherigen Tätigkeit sollte er als Fakultätsadjunkt auch theologische Vorlesungen halten. Hierzu wurde er am 24. April 1 7 3 2 " bestellt, zusammen mit August Gottlieb Spangenberg100. Beide sollten gemeinsam die Stelle des verstorbenen Abts Breithaupt ausfüllen. Zu jener Zeit verbanden sich mit Baumgartens Werdegang große Hoffnungen auf Seiten derjenigen, die nach Α. H. Franckes Tode 101 dessen Erbe zu verwalten hatten und selbst schon abzutreten begannen. Es schien sich so zu fügen, daß in Baumgarten und Spangenberg die besondere Verbindung von Waisenhaus und Theologischer Fakultät auf eine neue Höhe geführt würde. Und als Spangenberg ausschied, hatte man in Baumgarten, dessen Bedeutung immer sichtbarer wurde, wenigstens eine Nachwuchskraft, die den Ruf wissen" UA Halle-Wittenberg Rep. 3 P. Nr. 20, vgl. J . Chr. Dreyhaupt: Beschreibung des . . . Saal-Creyses . . . II, 1755, S. 24. 100 Spangenberg, der Mitarbeiter Zinzendorfs, sollte eine Übereinkunft zwischen Halle und Herrnhut herbeiführen, er blieb aber nur ein Jahr. Seine Absetzung am 4. April 1733 wurde der Anlaß zum völligen Bruch zwischen dem Hallischen Pietismus und der Brüdergemeine. Über die weiteren Hintergründe s. G. Reichel: Die Entstehung einer Zinzendorf feindlichen Partei in Halle und Wernigerode, ZKG 23, 1902, S. 5 4 9 - 5 9 2 , bes. 571ff.; ders.: August Gottlieb Spangenberg, 1906, S. 64ff. Baumgarten hatte den dringenden Ruf G. A. Franckes an Spangenberg brieflich unterstützt: „Kommen Sie doch auch um meinetwillen, wir wollen an einem Joch ziehen" (18. März 1732, bei Reichel: Die Entstehung . . . , S. 572), aber die Zusammenaifeeit wurde gestört, als Spangenberg Gruppen im Stile Herrnhuts um sich scharte und auf gesonderte Abendmahlsfeier hinarbeitete (s. Baumgarten: Theologische Bedencken IV, 1747, S. 201). Später konnte Baumgarten glaubhaft versichern, daß keineswegs — wie von Herrnhuter Seite nachträglich behauptet — ein persönliches Konkurrenzverhältnis zwischen den beiden Adjunkten bestanden hat, sondern daß er selbst durch den Ausgang der Sache überaus betroffen war: „es ist zwischen demselben und mir niemals die geringste Mißhelligkeit vorgefallen, daraus ein personeller Haß entstehen können; noch viel weniger kann einiges Privatinteresse begreiflich gemacht werden, das ich von dessen Verdrängung hätte erwarten können, da er mir in keinem Stück vorgezogen gewesen, sich auch so wenig mit akademischen Arbeiten und Wissenschaften beschäftiget, daß es wohl unbegreiflich ist, worin ich denselben hätte beneiden sollen . . . ; ich bin nicht nur damals, sondern noch geraume Zeit nachher, eher im wehmütigen Mitleiden zu weit gegangen, manche Umstände seiner Absetzung zu mißbilligen, auch höchst ungern zu sehen, daß desselhen Gabe des erbaulichen Vertrags und Umgangs uns entgehen . . . solle" (Theologische Bedencken III, 1744, Vorrede Bl. c6v). Nachfolger Spangenbergs als Adjunkt wurde J . G. Knapp, der zur Zufriedenheit aller lange und segensreich in Halle wirkte (s. W. Schräder: Geschichte . . . I, S. 276). 101 Als Francke 1727 starb, steuerte Baumgarten zu den Epizedien unter zwölf Studenten ein eigenes Leichengedicht bei. Auch wenn solche kunstvoll gearbeiteten Poeme voll von stereotypen Wendungen zu sein pflegen, tritt hier doch ein natürlicher Ton persönlicher Dankbarkeit und Verbundenheit zu Tage, der in den anderen Studentengedichten fehlt oder verdeckt bleibt. Es heißt darin: Si reliquis usquam, certe mihi causa querelae prae multis, columen nosco ruisse meum. Heu quam multa dédit dubii non signa favoris: Ejus erat pro me sollicitudo patris. (Bibliographie Nr. 2)

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schaftlicher Enge, der dem Hallischen Pietismus anhaftete, widerlegen konnte 1 0 2 . So war es nicht verwunderlich, daß, als durch den Tod von Johann Liborius Zimmermann 103 im Frühjahr 1734 ein theologischer Lehrstuhl frei wurde, sich die Augen auf Baumgarten richteten. Aber bevor noch etwas geschah — vielleicht wurde von der Fakultät ein Gesuch um Ernennung zunächst einmal zum Extraordinarius erwogen 104 —, kam für alle überraschend — auch für Baumgarten 105 — aus Berlin die Ernennung des Achtundzwanzigjährigen zum Ordinarius 106 . Der Berliner Propst Michael Roloff 1 0 7 , der Baumgartens Religionslehrer und ein

101 Α. H. Niemeyer schreibt: „Seine eigene ausgezeichnete Gelehrsamkeit in so frühem Alter, sein Lehrtalent als Schulmann, seine Mäßigung in der Behandlung der anstößigen Philosophie, derem logischen Teil man wenigstens den Eingang verstatten mußte, sein reiner Wandel, seine bescheidene Ergebenheit, dies alles ließ die alternden Lehrer hoffen, daß der junge Mann einst der Erhalter dessen sein werde, was sie gebaut hatten, und daß sie ihn denen, welche sie der Vernachlässigung menschlicher Wissenschaft anklagten, als ein lebendiges und siegendes Beispiel würden entgegenstellen können." (Die Universität Halle . . . , 1817, S. LXXI) Vgl. auch das Urteil F. C. Oetingers: „Baumgarten war damals sehr fromm und ernst gesinnt und leitete mit Herrn Professor Francke die Anstalten" (Selbstbiographie, S. 56f.), gemeint ist die Zeit um 1729/30. 103 J . L. Zimmermann (1702-1734), der in Jena studiert hatte, war erst 1731 als Nachfolger J . J . Rambachs gekommen. Vorher war er Hofprediger in Wernigerode gewesen und hatte dort im Sinne des Pietismus gearbeitet (s. E. Jacobs: Johann Liborius Zimmermann und die pietistische Bewegung in Wernigerode). Dennoch hatte er sich in Jena mehr, als er sich selbst eingestehen wollte, der Wolffschen Philosophie geöffnet (s. M. Wundt: Die Philosophie an der Universität Jena, S. 87ff.). So hatte die Verbindung von Pietismus und Wolffianismus in Halle auch vor Baumgarten schon eine gewisse Vorgeschichte, zu der, wie einmal zu untersuchen wäre, auch J . J . Rambach gehören könnte. Freilich war die Wirkung Zimmermanns nur gering. 104 So A. Tholuck (Geschichte des Rationalismus I, S. 135) aufgrund der Fakultätsakten. 105 Baumgarten schreibt in seinem Antrittsprogramm: „ohne mein Wissen und Vermuten" (öffentliche Anzeige . . . , 1734, S. 3). 106 Als offizielles Ernennungsdatum wird der 26. Mai 1734 angegeben (UA Halle—Wittenberg Rep. 3 P. Nr. 20, vgl. J . C. Dreyhaupt: Beschreibung des . . . Saal-Creyses . . . II, 1755, S. 24). Das Faktum ist aber schon vorher bekannt gewesen, denn Baumgartens Vorlesungsankündigung ergeht am 22. Mai (öffentliche Anzeige . . . , 1734, S. 23). Außerdem heiratete er bereits am 13. Mai 1734, und dies geschah nach damaligem Brauch gewiß nicht ohne die Sicherheit einer Position. Der Ehe mit Henriette Eleonora von Bomsdorf entstammten fünf Kinder. So wenig anziehend, wie F. W. Kantzenbach das Familienleben der theologischen Wolffianer hinstellt (Protestantisches Christentum im Zeitalter der Aufklärung, S. 195f.), dürfte das Baumgartensche nicht gewesen sein, gerade wenn man das von Semler (Kurzer Entwurf . . . , S. 108ff.) über Baumgartens herzliches Verhältnis zu seinen Kindern Berichtete oder die verschiedenen Zeugnisse über seine Abendgesellschaften liest. 107 Uber Roloff (1684-1748) s .Jocher: Gelehrten-Lexicon III, 1751, Sp. 2196f. u. Erg.-Bd. VII, 1897, Sp. 338ff. Roloff amtierte als Inspektor an der selben Kirche wie Baumgartens Vater und hielt ihm auch die Leichenpredigt (s. o. Anm. 72); 1733 wurde er Propst von St. Nicolai. Er stand dem anderen Berliner Propst J . G. Reinbeck nahe und förderte die Sache des Luthertums und die Sache des Hallischen Pietismus, aber auch die Wiederzulassung Wolffs.

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enger Freund seines Vaters g e w e s e n war, hatte b e i seinem erheblichen E i n f l u ß auf d e n K ö n i g b e w i r k t , daß Baumgarten „ n i c h t nur d e m N a m e n nach oder in einiger geringerer B e d e u t u n g , sondern ein eigentlicher ordentlicher akademischer Lehrer sein s o l l t e " 1 0 8 , zugleich aber sollte er w e g e n seiner s c h w a c h e n Gesundheit alle bisherigen Ä m t e r in Waisenhaus u n d Kirche niederlegen. S o k o n n t e Baumgarten v o m S o m m e r s e m e s t e r 1 7 3 4 an — also nicht erst ab 1 7 4 3 , w i e neuerdings i m m e r w i e d e r b e h a u p t e t 1 0 9 — sein akademisches Lehramt in größtmöglicher Unabhängigkeit ausüben. Baumgartens t h e o l o g i s c h e 1 1 0 V o r l e s u n g e n erregten v o n A n f a n g an A u f s e h e n . Er las n u n täglich vier K o l l e g s t u n d e n über alle G e b i e t e der T h e o l o g i e , dazu kam e n n o c h die Disputationsübungen u n d die ascetischen S t u n d e n . Obgleich Baumgartens Vortragsart, w i e überliefert wird, äußerlich nicht glanzvoll w a r 1 1 1 , strömten i h m die S t u d e n t e n zu H u n d e r t e n z u 1 1 2 . Seine Kollegs u n t e r s c h i e d e n sich in vieler Hinsicht v o n d e m sonst in Halle G e b o t e n e n : „Eine u n d e b e n dieselbe Dazu und zu seinem Freimut und Einfluß auf Friedrich Wilhelm I. s. A. Tholuck: Geschichte des Rationalismus I, S. 89; W. Stolze: Friedrich Wilhelm I. und der Pietismus, JBrKG 5, 1908, s. 175. 202f.; ders.: Ein Beitrag zur Unionspolitik Friedrich Wilhelm I., JBrKG 6, 1908, S. 57ff. 108 Semler: Kurzer Entwurf . . . , S. 98. " " 1743 (statt 1734) als Jahr der Ernennung zum Ordinarius wird — seit einem offenbar durch Verschreibung entstandenen Fehler in der 1. Auflage der RE — in verschiedenen modernen Nachschlagewerken und auch theologiegeschichtlichen Arbeiten falsch angegeben. Zu korrigieren sind u.a.: RE, 3. Aufl., in verschiedenen Artikeln (s. Register s. v. Baumgarten, S. J.); RGG, 2. Aufl., Art. Baumgarten, S. J.; K. Aner: Die Theologie . . . , S. 22; Stephan/ Leube: HKG IV, 2. Aufl., S. 83; E. Hirsch: Geschichte . . . II, S. 370. M. Schmidt hebt sogar hervor: „1743 nach 13jähriger Adjunktenzeit" (NDB I, S. 660)! Richtig dagegen: EKL, Art. Baumgarten, S. J.; P. Knothe: Siegmund Jakob Baumgarten . . . , S. 491 Anm. 1; K. Barth: Die protestantische Theologie . . . , S. 139. 110 Die philosophischen Kollegs stellte er jetzt ein, obgleich er hierzu durch die neuerliche Order aus Berlin (s. o. Anm. 98) berechtigt war. Nach Brucker (aaO Bl. (4r)) tat er dies, „teils um nicht durch die vervielfältigte Arbeit zerstreuet zu werden, teils um einigen damals fast unvermeidlichen philosophischen Streitigkeiten zu entgehen". ' " Ubertrieben werden darf dieses Urteil aber auch nicht. Manchmal hat man den Eindruck, als werde von Späteren eine vernichtende Beschreibung der Vortragsart Joachim Langes durch Johann Valentin Wagner fälschlicherweise auf Baumgarten bezogen. Sie findet sich in dessen anonymer Schrift: Vernünftige und bescheidene Anmerckungen über die, wider die Wolffische Philosophie, . . . erregte . . . Strittigkeiten . . . , 1736, die Semler in seiner Vorrede zu Baumgartens Glaubenslehre (I, 1759, S. 7f.) zitiert. Semler selbst sagt aber über Baumgarten an anderem Ort nur dies: „so gar langsam und ohne allen Affekt redete er, als wäre es eben die Absicht, daß man alles nachschreiben sollte" (Lebensbeschreibung I, 1781, S. 76). Außerdem wird Baumgarten leise gesprochen haben und oft von Husten geplagt gewesen sein (s. A. H. Niemeyer: Die Universität Halle . . . , 1817, S. LXXIXf.). 112 Semler (Kurzer Entwurf . . . , S. 101) spricht von 300 bis 400 Hörern, eine für damals unerhörte Zahl. Die Zahl von 500 bis 600, die W. Schräder (Geschichte . . . I, S. 277) nennt, scheint übertrieben zu sein, Schräders Gewährsmann A. H. Niemeyer (aaO S. LXXVIII) meint damit nur die durchschnittliche Gesamtzahl der Theologiestudenten Halles zur Zeit Baumgartens.

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Deutlichkeit in allem, gleiche G e w i ß h e i t durch eigentliche gründliche Beweise, alle nötige Vollständigkeit, keine A u s s c h w e i f u n g e n , w e d e r in S a c h e n n o c h in der Lehrart, auf w e l c h e beide Wege d o c h so viele geraten, u m nicht andere Mängel an sich b l o ß z u s t e l l e n " 1 1 3 . D a n u n die Hörer sich zugleich v o n den V o r l e s u n g e n der älteren K o l l e g e n , ganz b e s o n d e r s v o n d e n e n J o a c h i m Langes, a b w a n d t e n 1 1 4 , k o n n t e es n i c h t ausbleiben, daß der junge, erfolgreiche Professor bald N e i d u n d A n f e i n d u n g zu spüren bek a m 1 1 5 . In mehreren B e s c h w e r d e n u n d A n s c h u l d i g u n g e n bei der Fakultät warf Lange s c h o n 1 7 3 3 / 3 4 i h m vor, er lese erstens zu viel, z w e i t e n s l o c k e er m i t einer b e q u e m g e m a c h t e n Möglichkeit z u m N a c h s c h r e i b e n die S t u d e n t e n an u n d drittens vertrete er die v e r b o t e n e W ö l f i s c h e Philosophie. Baumgarten a n t w o r t e t e darauf b e s c h e i d e n u n d friedfertig, o h n e in der Sache n a c h z u g e b e n , aber auch nicht bereit, sich pauschal z u m Wolffianer s t e m p e l n z u l a s s e n 1 1 6 . Langes Miß113

Semler aaO S. 101. Schon als Baumgarten noch Magister und Adjunkt war, also vor allem nach 1732 leerten sich die Bänke in Langes Hörsaal (s. J . Lange: Lebenslauf . . . , 1744, S. 96ff.); Lange spricht wiederholt von „Desertion" (!) seiner Zuhörer. Diese Erfahrung hat den in manchem Streit gegen Löscher, Wolff und anderen ergrauten Wortführer des Hallischen Pietismus zweifellos tief bekümmert. Als mir, so sagt er, die Gelegenheit genommen wurde, „meine didaktische Gabe . . . anzuwenden, so ist mir solches, wie leichtlich zu erachten, sehr nahe gegangen". Daneben tritt im Rückblick sogar „das unordentliche und unrichtige Philosophieren" als Grund für das Wegbleiben der Studenten ganz in die zweite Linie (aaO S. 98f.). 115 Brucker und Semler übergehen in ihren Lebensbildern Baumgartens die im folgenden darzustellenden Vorkommnisse, die für die Beurteilung Baumgartens sehr wichtig sind, mit Stillschweigen. Offenbar weil auf einen der Hauptbeteiligten, G. A. Francke, noch Rücksicht zu nehmen ist, begnügt sich Semler mit einigen vagen Andeutungen und betont nur, daß Baumgarten hier beispielhaft die theologischen Tugenden der Sanftmut, Geduld und Liebe gezeigt habe (Kurzer Entwurf . . . , S. 99). Später sind diese Streitigkeiten, welche zugleich die Geschichte des Pietismus, die der Wölfischen Philosophie und die der Universität Halle betreffen, auch in der Literatur behandelt worden. Auf eigene Quellenkenntnisse stützen sich dabei A. Tholuck, der besonders das Vorspiel von 1733/34 ins Auge faßt (Geschichte des Rationalismus I, S. 135ff.), und W. Schräder, der ihren Abschluß im Herbst 1736 kurz darstellt (Geschichte der Friedrichs-Universität zu Halle I, S. 293; dazu den Abdruck der königlichen Schlußerlasse Bd. II, S. 462f.). Bis jetzt fehlt eine Darstellung im Zusammenhang, die sowohl den Hauptbetroffenen Baumgarten in den Mittelpunkt stellt als auch das wesentlichste und aufschlußreichste Stück des Streits untersucht, nämlich die fakultätsinternen Vorgänge vom Frühjahr 1736. Die Aktenunterlagen hierfür sind bislang offenbar deswegen unausgewertet geblieben, weil sie von Anfang an — unter Umgehung des Dekans Baumgarten — nicht im Fakultätsarchiv, sondern anderswo gesammelt und wohl auch später nicht dort aufbewahrt wurden (s. dazu u. S. 43, bes. Anm. 126. Diese Lücke scheint auch noch in der schönen jetzt herausgegebenen Abhandlung von C. Hinrichs über „Die Auseinandersetzung mit Wolff" (sc. vonseiten der hallischen Pietisten) in: Preußentum und Pietismus (S. 388ff.) spürbar zu sein. Die Darstellung der Vorgänge des Jahres 1 736 (S. 435ff.) übergeht völlig den Streit mit Baumgarten der zwar weniger wichtig war als der mit Wolff, aber für die pietistischen Theologen in Halle doch keineswegs nebensächlich. 114

116 Das geht deutlich aus den z.T. auch bei A. Tholuck (aaO) wiedergegebenen Einlassungen aus dem Jahre 1734 hervor, auf die zu verweisen hier genügt (vgl. UA Halle—Witten-

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gunst und seine Anschuldigungen waren offenbar zunächst überwiegend durch den unbestreitbaren Lehrerfolg des jüngeren Kollegen hervorgerufen. Die Angelegenheit blieb jedoch vorerst im Rahmen der Universität und wurde noch nicht in Berlin vorgebracht. Anders wurde es zwei Jahre später, als sich Baumgartens Lehrerfolg und damit seine Bedeutung für die Fakultät noch weiter erhöht hatten und es offenkundig wurde, daß die Wölfische Philosophie die Denkweise in seinen systematischen Vorlesungen immer stärker bestimmte und für ihn dementsprechend die wissenschaftliche Argumentation immer wichtiger wurde als die fromme Betrachtung und Erklärung. Nun, am Anfang des Jahres 1736, wurden die seit einiger Zeit gehegten Befürchtungen laut, die von so viel Segen begleitete besondere Tradition der Theologischen Fakultät zu Halle könnte bei diesem Generationswechsel grundlegend verändert und ihre Theologie zu unlebendiger Scholastik zurückgeführt oder gar in Schlimmeres verwandelt werden 117 . Darum wurde jetzt auch Gotthilf August Francke, der Baumgarten vorher bei sich aufgenommen und besonders gefördert hatte, zu seinem entschiedenen berg Rep. 27 IV A 1/9, Akte „des Herrn Dr. Langes Erinnerungen in Ansehen der Lektionen des Herrn Adjunkten Baumgarten 1733—1735"). Bewußt diktiert hat Baumgarten immer nur die Thesen zu seinen Vorlesungen — in der Dogmatik lateinisch —, auch konnte er darauf verweisen, daß auch vor ihm in Halle immer viel nachgeschrieben worden war und daraus große Bücher entstanden sind. 117 Man war sich des Einschnitts in diesen Jahren durchaus bewußt. Α. H. Francke war 1727 gestorben, P. Anton 1730, Breithaupt 1732 und Rambach war 1731 nach Gießen gegangen. G. A. Francke hielt nach Breithaupts Tode Paränetische Vorlesungen, in denen er seine Sorge um den Bestand des Hallischen Pietismus ausdrückte (gehalten 1732, abgedruckt in: Das Gesegnete Gedächtniß des . . . Herrn Joachim Just Breithaupts . . . , 1736). Er spricht von einer „Stunde der Versuchung", sie „zeigt sich klärlich genug darin, daß so manche, die vordem durchs Wort Gottes kräftig aufgewecket worden, ihre eigene und andere Seelen mit allem Ernst und Eifer zu erretten, großen Teils wiederum in einen Schlummer geraten" (S. 360). Er spricht von „Mietlingen und Wölfen", die nun eindrängen (S. 356), und befürchtet, daß „wenn der bisherige periodus zu Ende sein sollte, es auf unserer Universität so aussehe, daß man ihre vorige Gestalt nicht mehr erkennen könne . . ." (S. 363). Breithaupt habe „keine einige Lektion gehalten, die nicht auf Herz und Gewissen der Auditorum gerichtet gewesen" . . . „O! wie ist zu wünschen, daß alle Knechte Gottes, insonderheit aber alle Docentes academici dem seligen Mann in diesen Stücken nacheifern möchten" (S. 384f.). Wir haben Gott anzurufen, „daß er Gnade geben wolle, daß an Statt der verstorbenen immer mehr neue Zeugen der Wahrheit erwecket werden, die mit denen, die schon da sind, fernerhin die Wahrheit zu bezeugen fortzufahren, und ihr Zeugnis auch in gleicher Kraft und Segen führen. Ach! Gott lasse unsere Theologische Fakultät auf die spätesten Jahre gleichsam sein als einen Baum, der, wenn schon der alte Stamm scheinet einzugehen, dennoch aus seiner Wurzel immer neue Sprossen treibet, und sich dadurch gleichsam verjünget . . . " (S. 388f.). Ob Baumgarten hier bei den Mietlingen und Wölfen schon mitgemeint ist, erscheint fraglich. War er es doch, der im Namen der Fakultät das offizielle Leichenprogramm fur Breithaupt verfaßte (s. Bibliographie Nr. 10). Er gehörte wohl 1732 noch zu denen, auf die Francke seine Hoffnungen setzte. Gleichwohl wird er bei seinen Ermahnungen auch an ihn gedacht haben.

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Gegner. Er und Joachim Lange fanden sich hierin zusammen 118 zunächst in der Betroffenheit über Baumgartens Wirksamkeit als „unser augenscheinliches Verderben", gegen das man kein Mittel sieht, weil Baumgartens Fähigkeiten die Studenten „verzauberten" und weil der „Schein der Gottseligkeit" und „das offenbare patrocinium Berolinensium" ihn unangreifbar machten 119 . Dennoch versuchten sie nun, ihn noch einmal zurückzudrängen, Francke vor allem in der Fakultät und Lange auch bei Hofe, wo neuerdings ja die Richtung Christian Wolffs wieder angesehen war. Nicht erst Friedrich der Große hat Wolff nach Halle zurückgerufen. Schon sein Vater änderte sein schroffes Urteil über dessen Philosophie allmählich. So war es schon Ende 1733 zu einem Versuch gekommen, Wolff für Halle zurückzugewinnen, wodurch Lange sehr beunruhigt wurde 120 . Nun im Jahre 1736 geriet auch Baumgarten mit in das Schußfeld, als Lange sich in einem letzten Versuch dem Sieg des Wolffianismus noch einmal entgegenstemmte. Wieder spielte Daniel Strähler, dessen zwielichtiges Agieren schon 1723 mit Lange abgestimmt gewesen war 121 , mit und veröffentlichte einen zweiteiligen Aufsatz im Intelligenzblatt gegen den Satz der Wölfischen Ethik 122 , der Mensch könne nur das Gute begehren, das Böse aber nur irrtümlich unter dem Schein des Guten 1 2 3 . Ohne Baumgarten direkt beim Namen zu nennen, prangert Strähler an, daß man diesen Satz „ohne Bedenken und Prüfen in einer sehr elenden Nachahmung einer sogenannten demonstrativischen Lehrart auch sogar in Handbüchern von der theologischen Moral nachschreibet" 124 . Damit war Baumgartens ,,Un118 Einige Jahre zuvor hatte es zwischen ihnen noch Spannungen gegeben, s. A. Tholuck: Geschichte des Rationalismus I, S. 31; A. Ritsehl: Geschichte des Pietismus II, S. 560; G. Reichel: August Gottlieb Spangenberg, S. 76. So in einem Brief Langes an Francke vom November 1735, z.T. abgedruckt bei A. Tholuck aaO S. 138f. 120 F. J. Schneider: Das geistige Leben von Halle im Zeichen des Endkampfes zwischen Pietismus und Rationalismus, S. 141ff. Auf die Vorgänge um Wolff kann hier nicht näher eingegangen werden, dazu sei allgemein auf die seit Ludovici vorliegende philosophiegeschichtliche Literatur verwiesen. Einen guten Überblick bieten W. Schräder: Geschichte . . . I, S. 21 Off. 316ff. und H. Droysen: Friedrich Wilhelm I., Friedrich der Große und der Philosoph Christian Wolff. 121 D. Strähler: Prüfung der vernünftigen Gedancken . . . Wolffens . . . I u. II, 1723. Das Werk durfte damals nicht fortgesetzt werden. Uber das Zusammenspiel zwischen Lange und Strähler s. Q. V. Wagner: ) Vernünftige und bescheidene Anmerckungen . . . , 1736, 5. 62. Strähler war seit 1733 Ordinarius der Philosophie. Er war eine wetterwendische Figur, zunächst ein Schüler Wolffs, hatte sich dann gegen ihn gestellt, beeilte sich aber nach dessen Rehabilitierung und noch vor der Rückkehr, eine Vorlesung über dessen Metaphysik anzukündigen (Wöch. Hall. Anz. 1740, 40. Stück, 3. Okt., Sp. 643). 122 Chr. Wolff: Vernünfftige Gedancken von der Menschen Thun und Lassen, 5. Aufl. 1736, §6 ff. 123 D. Strähler: Erweiß von der möglichen Begehrung des Bösen . . . , Wöch. Hall. Anz. 1736, 6. Stück, 6. Febr., Sp. 8 6 - 9 0 und 11. Stück, 9. Apr., Sp. 2 3 2 - 2 3 8 . 124 AaO Sp. 238 (§50); vgl. Sp. 88 (§15: „auch wohl auf unserer Universität").

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terricht vom rechtmäßigen Verhalten eines Christen oder Theologische Moral" gemeint, den er Anfang 1736 bogenweise herauszugeben begonnen hatte 1 2 5 . Dies war denn auch der Punkt, an dem G. A. Francke eingriff. Im Februar ersuchte er die Fakultätskollegen 126 , zu der Theologischen Moral Baumgartens Stellung zu nehmen und ihn von Fakultäts wegen zur Rede zu stellen. Da Baumgarten selbst Dekan war, leitete Chr. B. Michaelis als „Exdekan" die vertraulichen und weitgehend schriftlich gehaltenen Beratungen, die treibende Kraft aber war — außer Lange — der jüngere Francke. Den konkreten Anlaß bildete der Umstand, daß die ersten Bogen der Theologischen Moral herausgekommen waren, ohne daß sie, wie nach den Statuten gefordert 127 , zuvor der Fakultät zur Zensur vorgelegt worden waren. Daran hatte man sich schon lange nicht mehr genau gehalten 128 , aber nun konnte man diese Bestimmung gegenüber dem jüngeren Kollegen, zumal bei einem Lehrbuch, geltend machen. Aus den umlaufweise eingehenden Antworten kristallisierte sich der Plan heraus, Baumgarten eine „schriftliche Erinnerung" zukommen zu lassen, die freilich milder ausfallen sollte, als Francke und Lange es wohl wünschten 129 . Vor allem die beiden Michaelis waren es, die zwar auch ein Schreiben an Baumgarten befürworteten, aber zugleich dafür eintraten, daß dies ganz intern und liebevoll geschehe, damit ,,man die Schranken einer brüderlichen Erinnerung nicht überschreite" 130 . Am mildesten urteilte Johann Heinrich Michaelis, der Senior der Fakultät. Er schreibt offen, er habe in der Theologischen Moral Baumgartens „keine Heterodoxie oder grundrührenden Anstoß gefunden", auch gebe es doch nach den Statuten keine Verpflichtung für Theologieprofessoren, einer bestimmten Philosophie anzuhangen. Er sieht nur die Gefahr, daß die bislang durch die Hl. Schrift bestimmte Theologie in Halle durch exzessiven Gebrauch der Philosophie Wolffs ähnlich wie die Theologie der nachreformatorischen Zeit in eine neue Scholastik hineinmünden könnte 1 3 1 . Mit Nachdruck 125 In der Tat gibt es in Baumgartens Theologischer Moral Stellen, die diese Meinung Wolffs vorauszusetzen scheinen (Ausfuhrliche Moral, §18. 45. 47; vgl. Glaubenslehre II, S. 516). Im Lager der Wolffianer wurden schon die ersten Bogen des Buches begeistert begrüßt, C. G. Ludovici beschließt seinen Bericht (in: Ausführlicher Entwurff einer vollständigen Historie der Wolffischen Phüosophie II, 1737, S. 426f.) mit dem Ausruf: „O selige Arbeit!" 124 Die wichtigsten Unterlagen dieses ganzen Vorgangs finden sich nicht im Fakultätsarchiv, sondern im Archiv der Francke'schen Stiftungen in einer Akte mit der Aufschrift: „Einige Scripturen, des Hn. Prof. Baumgartens philosophische Lehrart betreffend De anno 1736 d. 19 Febr. bis 29 April." (AFSt E 7) 127 Vgl. W. Schräder: Geschichte . . . II, S. 405f. Darauf weist Baumgarten in seiner späteren Antwort hin (AFSt E 7 Bl. 23) und bittet um Gleichbehandlung. 129 G. A. Francke will den Fall grundsätzlich und in aller Breite aufrollen, vgl. sein Votum vom 24. Febr. 1736, AFSt E 7 Bl. 6 4 - 6 9 . 130 C. B. Michaelis, 17. Febr. 1736, AFSt E 7 Bl. 32. 131 „Ich sorge, unsere Nachkommen werden zu ihrem Schaden erfahren,.was die Nachfolger Lutheri erfahren haben" (20. Febr. 1736, AFSt E 7 Bl. 34). Ähnlich C. B. Michaelis

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aber rät der Senior, die leidige Frage der Langeschen Hörerfrequenz ganz aus dem Spiel zu lassen, weil dadurch die sachlichen Gesichtspunkte entwertet würden 132 . Das aber wollte J . Lange durchaus noch einmal zur Sprache bringen, nun gar verbunden mit der massiven Forderung, daß Baumgarten „mir die lectiones theticos", also das Dogmatikkolleg, „ . . . noch so wenige Jahre meines Lebens allein lasse" 133 . Hiervon ist aber in der fertiggestellten „Erinnerung" vom 10. März 1736, die Baumgarten tags darauf überreicht wurde 1 3 4 , nicht mehr die Rede. Drei Hauptpunkte werden Baumgarten von seinen Kollegen vorgehalten: 1. die Zensurpflicht, 2. daß in seiner Theologischen Moral — und wie man höre, auch in den dogmatischen Vorlesungen — allzusehr die Wölfische Philosophie zugrunde liege, was die davon eingenommenen Studenten von biblischen Lektionen abhalte und für den Kanzeldienst verderbe (hier wird auch die Gefahr der „Scholasterei" berührt), und 3. die Schädlichkeit der mathematischen Methode, der tabellarischen Anordnung und der neuartigen deutschen Terminologie, die die Sprache und Denkweise der Studenten der Bibel entfremde. Am Schluß wird noch auf zwei beigelegte Auszüge aus Briefen von auswärts 135 eingegangen, in denen Besorgnisse über die Entwicklung in Halle laut werden 1 3 6 , und auf den ungünstigen Eindruck verwiesen, den es machen müsse, wenn in der letzten unter Baumgarten verteidigten Dissertation 137 „die vom sel. D. Spener und hiesiger Theolog. Fakultät so gründlich erwiesene Hoffnung besserer Zeiten so schlecht angeschrieben und dagegen eine wider den sel. D. Spener ehedem herausgekommene anzügliche Schrift" herangezogen worden sei 138 .

(aaO Bl. 31), der den Ausdruck „Scholasterei" verwendet. Daß eine Affinität zwischen Wolff und der Scholastik besteht, hat man auch in neuerer Zeit bemerkt (vgl. M. Wundt: Die deutsche Schulphilosophie . . . , S. 123f.). Im übrigen liegt hier ein interessantes Zeugnis vor für die Selbsteinschätzung des Pietismus und zum Thema Luther und Spener. AFSt E 7 Bl. 35. 133 J. Lange, 21. Febr. 1736, AFSt E 7 Bl. 42f. 134 Die übergebene Reinschrift liegt nicht vor, wohl aber das von beiden Michaelis, Lange und Francke abgezeichnete Konzept (AFSt E 7 Bl. 44—59), das, wie beglaubigt (Bl. 63), nach den letzten Änderungen am Original korrigiert ist. 135 Abschriften davon: AFSt E 7 Bl. 1 0 - 1 4 . 136 Aus Berlin verlautet, daß dort ein Student aus Halle die Wolffsche Philosophie zugleich mit dem berüchtigten Wertheimischen Bibelwerk verteidige, wie ein anderer derhalben ganz von der Theologie abgesprungen sei. Aus London kommt die Warnung, schon die Englische Kirche sei durch das unendliche Raisonnieren und Philosophieren schwer geschädigt worden. 137 Es handelt sich um die am 4. Februar 1736 verteidigte Dissertatio de Christo a Judaeis conspiciendo quando dixerint celebretur veniens in nomine domini ad Matth. XXIII. com. XXXIX. von J. Chr. Gründler, s. Bibliographie Nr. 218. 138 AFSt E 7 Bl. 58. Ein später einlaufendes umfängliches Schreiben eines Ungenannten über diese Dissertation (aaO Bl. 1—8) wurde Baumgarten am 3. Juli zu lesen gegeben, aber nicht ausgehändigt (nach einer Notiz vom).

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Baumgarten ließ sich mit seiner Antwort sieben Wochen Zeit 1 3 9 . In der Zensursache erklärt er sich bereit, künftighin alle Veröffentlichungen vorzulegen, wenn auch die Kollegen sich wieder der strengeren Observanz fügen wollen. Auch auf Langes Spezialwünsche, von denen er wohl auf anderen Wegen gehört hat, geht er ein. Er weist auf den schlechten Eindruck hin, den es machen müsse, wenn in Halle nicht mehr wie früher zwei dogmatische Kollegs nebeneinander, ζ. T. aufgrund verschiedener Kompendien, gehalten würden; auch gebe es bereits ein Übergewicht an Exegetica. Zudem zeigt er sich erbötig, ein weiteres Mal dem älteren Kollegen im Stundenplan auszuweichen. In der Sache aber ist Baumgarten sich nicht bewußt, einlenken zu müssen, da er keinen grundlegenden Dissens sieht. Eine Absage an die Wolffsche Philosophie erteilt er nicht. Er ist der Meinung, daß sein Gebrauch dieser Philosophie sich mit dem Endzweck der Theologie, über den er mit seinen Kollegen einer Meinung zu sein glaubt, durchaus vereinbaren lasse und ihm nur zugute käme. Ich bezeuge, schreibt er, „aufrichtig, daß ich Gottes Wort über alle Philosophie hinaussetze, es auch vor das einige heilsame Mittel der Bekehrung und Erbauung der Seelen halte und mit nichts lieber in der Welt zu tun habe als mit demselben und dessen Forschung" 1 4 0 . Auch habe er den Studenten immer wieder eingeschärft, sich auf der Kanzel aller Künsteleien und des acroamatischen Vortrage zu enthalten. In den systematischen Vorlesungen sei es freilich bei den articulis mixtis prinzipiell und schon seit alters nicht zu vermeiden, philosophische Sätze zu gebrauchen; er wolle damit aber gern etwas sparsamer umgehen, was man schon durch Vergleich der letzten mit den früheren Kollegs erkennen könne. Die articuli puri jedoch gründe er ausschließlich und ausführlich auf das Schriftwort, gerade auch in der Ethik 1 4 1 . Überall aber versuche er, „auch alle doctrinas theoreticas ad praxin näher zu applizieren" 1 4 2 . Sollte ihm aber in der Moral wirklich ein Irrtum nachgewiesen werden, sei er bereit, ihn in der Vorrede noch richtigzustellen. Und was die Methode angehe, so gebe

Sie liegt eigenhändig vor: 28. April 1736, AFSt E 7 Bl. 2 3 - 3 0 . Vielleicht wollte Baumgarten zunächst abwarten, was auf Langes Berlinreise wirklich folgte. 140 AaO Bl. 23. Zugleich erinnert er daran, daß er trotz der ausdrücklichen Erlaubnis dazu die philosophischen Vorlesungen freiwillig aufgegeben habe, weil er zur Theologie mehr geneigt sei. " " „Daß ich in meiner Moral, sonderlich beim Anfangen viel philosophische Sätze angebracht, ist in der redlichen Absicht geschehen, dadurch manchem Widerspruch, so aus dergleichen Sätzen zuweilen, sonderlich heutzutage wider göttliche Wahrheiten hergenommen wird, zugleich realiter zu begegnen, davon der Augenschein das Gegenteil dartun kann, daß ich doctrinas puras ζ. E. die ganze Lehre von Christo, der Sinnesänderung, ingl. vom natiirl. Verderben der Menschen bloß aus der Schrift hergeleitet habe, auch in artic. mixtis nicht nur die Beweise, sondern auch sogar die Redensarten und Ausdrücke der Schrift angeführt, dabei ich meinem Bedünken nach den Stufen der göttl. Offenbarung in der Natur und Schrift gemäß gehandelt habe, allezeit vom geringem und allein unzulänglichen Licht zu dem größern und heilern fortzugehen." (AaO Bl. 24f.) 142 AaO Bl. 24.

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er zu, „daß darin noch viel zu verbessern sei, wie ich denn niemals eine Methode mit solchem Eigensinn angenommen, dabei lebenslang zu verbleiben" 1 4 3 , wenngleich er ein laufendes Kolleg schlecht ändern könne. Außerdem gebe es auch an anderen Fakultäten mehrere Methoden nebeneinander. Die stark tabellarische Einteilung — die übrigens nicht in der Ethik, sondern in der Dogmatikvorlesung vorkommt — habe er überdies gerade darum gewählt, um „mich für einer bloß philosophischen Lehrart zu hüten und faßlicher zu werden" 1 4 4 . Auch auf die unterstellte Schmähung des Andenkens Speners kommt Baumgarten noch zu sprechen. Er versichert, „daß mir nie in den Sinn kommen, die Hoffnung besserer Zeiten oder eine weitere Ausbreitung des Reichs Christi zu impugnieren, die ich von Herzen glaube, ob ich gleich nicht alle Schriftstellen dem nächsten Wortverstande nach davon verstehe, die zuweilen davor angeführet werden, daher ich sehr bedaure, daß ich kürzlich ein Feind dieser Lehre bin genannt worden" 1 4 5 . Die inkriminierte Anführung des gegen Spener gerichteten Buches sei nur auf ein Versehen zurückzuführen. Der Autor der Dissertation habe ursprünglich zum Beleg der Gegenmeinung noch mehr Schriften dieser Art nennen wollen, sie aber dann auf Anraten Baumgartens gestrichen, wobei diese eine versehentlich stehengeblieben sei. Mindestens an diesem Punkte aber müssen bei genauer Prüfung der Baumgartenschen Antwort noch Fragen offen bleiben. Es ist schwer sich vorzustellen, daß die vage Umschreibung der „Hoffnung besserer Zeiten" mit „eine weitere Ausbreitung des Reichs Christi" alles das deckt, was an chiliastischen Gedanken sich mit dieser Hoffnung verband, zumal bei Joachim Lange 1 4 6 . Schon Baumgartens

AaO Bl. 26. AaO. Also ist der Tabellarismus, die bis in die letzten Verästelungen durchgeführte und durch römische und arabische Ziffern und durch lateinische, griechische und hebräische Buchstaben markierte Zergliederung des Stoffes, keineswegs, wie oft unterstellt wird (ζ. B. P. Knothe: Siegmund Jakob Baumgarten . . . , S. 510f.), ein besonderes Kennzeichen des Wolffianismus. Bei Wolff selbst findet er sich nämlich nicht, auch nicht bei den meisten seiner Anhänger, eher wird man an die Distinktionskunst des 17. Jahrhunderts erinnert. Auffällig erscheint, daß auch Baumgartens Bruder Alexander Gottlieb diese Eigenart pflegt (vgl. M. Wundt: Die deutsche Schulphilosophie . . . , S. 221). Vielleicht wirkt sich hier eine seit dem Unterricht durch den Vater und den von diesem geforderten „Aufsätzen" in der Familie gepflegte Dispositionsfreude aus. Baumgartens Veranlagung entsprach sie in hohem Maße. Α. H. Niemeyer schreibt etwas übertreibend, aber nicht unrichtig, daß „in ihm alles, was er dachte, sogleich zur Disposition und Tabelle ward" (Art. Baumgarten, Sigmund Jacob. In: EuG 8, S. 205). 143 144

AFSt E 7 Bl. 27. S. dazu R. Dannenbaum: Joachim Lange als Wortführer des Halleschen Pietismus gegen die Orthodoxie, S. 150ff.; J . Auer: Die Kontroverse um Joachim Lange's Lehre von der allgemeinen Gnade 1732—1738. In Württemberg wirkte die Einstufung dieser Lehre unter die nichtfundamentalen Glaubensartikel praktisch als Freigabe des Chiliasmus (s. M. Brecht: Philipp Jakob Spener und die württembergische Kirche. In: Geist und Geschichte der Reformation, S. 454). 145 146

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Vater hatte sich ja in dieser Hinsicht von anderen pietistischen Freunden abgesetzt 147 . Und Baumgarten selbst hat auch später bei aller Bereitschaft, die Vertreter des Chiliasmus historisch korrekt zu verstehen, aus seiner mit CA 17 begründeten Ablehnung desselben keinen Hehl gemacht 148 . Baumgartens Antwort hat bewirkt, daß ihm von Fakultäts wegen hinfort keine ernsthaften Schwierigkeiten mehr gemacht werden konnten. Beide Michaelis erklärten sich nämlich mit ihr zufrieden, der Senior nicht ohne Ermahnung seiner Kollegen mit Phil. 4,5 1 4 9 . Nicht versöhnt hingegen zeigten sich Lange und Francke 150 . Lange sah zudem die Sache noch in einem weiteren Zusammenhang und versuchte andere Mittel, um Baumgarten beizukommen. Nach seinem Besuch beim König in Potsdam am 6. April 1736 konnte er nämlich hoffen, daß sich die Wölfische Philosophie in Halle noch einmal endgültig zurückdrängen ließe 151 . Aber wenn auch der König sich zunächst von Langes Argumenten hatte beeindrucken lassen 152 , so scheiterte doch die „zweite Verfolgung Wolffs", wie der Kronprinz das Unternehmen nannte 153 , auf der ganzen Linie. Es half auch nichts mehr, daß Lange den König danach mit Briefen eindeckte, ja einmal an dessen Ausspruch über der Tafel erinnerte, er, Lange, sei unter den Theologen der evangelischen Kirche ein „Feldmarschall" 154 . Es fruchtete auch nichts, daß Lange im September Baumgarten und dessen Bruder noch einmal in Berlin " " S. o. Anm. 83. I4 ' Nachr. merkw. Büch. 9, 1756, S. 89; Geschichte der Religionspartheyen, S. 1275f. 149 S. die dem Umlauf des Baumgartenschen Schreibens beigefügten Voten AFSt E 7 Bl. 19—21. 150 AaO Bl. 21—23. Francke schreibt: „Ich für meinen Teil gebe zu erwägen, ob es ratsam sei, sich so gleich abfertigen zu lassen . . . " (Bl. 22). 151 Lange erwirkte die Kabinettsordre vom 7. April 1736, in der der König mißbilligt, daß die Theologiestudenten in Halle „sich nicht mehr so fleißig wie vor dem auf die Theologie und auf den Grund der heiligen Schrift legen, sondern sich vielmehr auf die Philosophie und unnütze Subtilitäten und Fratzen applizieren", und befiehlt, dafür zu sorgen, „daß die Jugend mehr zum studio theologico und zwar zur wahren Erkenntnis der heiligen Schrift angeführt werde als zu unnützen philosophischen Sachen". Lange veröffentlichte diese Kabinettsordre im Intelligenzblatt (Wöch. Hall. Anz. 1736, 20. Stück, 14. Mai, Sp. 313ff.) zusammen mit einem Bericht über seinen Besuch in Potsdam und einer eigenen Interpretation, die freilich weiter geht, als der Text der Ordre hergibt. Ludovici druckt beides noch einmal mit kritischem Kommentar ab (Sammlung und Auszüge . . . I, 1737, S. Iff.) und bemerkt auch später noch richtig, daß in der Ordre von der speziell Wölfischen Philosophie oder gar von einem Verbot der Philosophie für Theologen kein Wort stünde (aaO II, 1738, S. 584ff.). Solche Umdeutung befürchtete auch M. Roloff, der am 13. April, als Lange noch in Berlin war, an Reinbeck schrieb: „Nur muß die Theol. Fakultät dies nicht dahin mißbrauchen, den studiosis die philosophischen studia überhaupt zu verbieten oder zu widerraten, sondern nach obiger Einschränkung sich stricte richten" (bei W. Stolze: Aktenstücke . . . , S. 269). Die Stimmung bei Hofe während des Besuchs von Lange und nachher schildert H. Droysen: Friedrich Wilhelm I., Friedrich der Große und der Philosoph Christian Wolff, S. 3ff. 153 „la seconde persécution que l'on intende contre Wolff" (Brief vom 20. April 1736, bei H. Droysen aaO S. 5). 154 Am 7. Juli 1736 (Deutsches Zentralarchiv Hist. Abt. II Merseburg Rep. 96 Nr. 303 Β Bl. 129).

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anschwärzte und auch entgegen dem ursprünglichen Fakultätsbeschluß eine Kopie der internen „Erinnerung" vom 10. März beifügte 155 . Der König hörte inzwischen mehr auf andere Stimmen. Am 5. Juni hatte er eine Theologenkommission eingesetzt, die ein günstiges Urteil über die Philosophie Wolffs abgab 156 , und am 11. Juli wurde Strähler sehr ungnädig Schweigen befohlen 1 5 7 . Am 22. September schließlich antwortete der König aus Wusterhausen und schrieb zugleich an Lange und Baumgarten 158 . Der Jüngere wird angehalten, sich der Zensur der Fakultät zu unterwerfen, sich aber zu den diesbezüglichen Vorwürfen noch einmal zu äußern. Er soll „von allen . . . unverständlichen philosophischen Fratzen 159 , so weder bessern noch erbauen, unschuldigen und einfältigen Gemütern aber nur Gelegenheit zu Irrwegen geben", hinfort absehen 160 . Er soll bei dem „Reellen" in der Theologie bleiben und wie Breithaupt und Α. H. Francke „auf ein wahres tätiges Christentum" führen. Den ernsteren Bescheid aber erhält Lange. Er soll sich jetzt endlich aus dem Streit um Wolffs Philosophie ganz heraushalten und „durch ruhiges Stillschweigen ein nützliches Exempel einer christlichen Gelassenheit geben". Beschämend ist, daß der König zu verstehen geben muß, daß es nicht zuletzt an der mangelnden Harmonie in der Fakultät liege, wenn die Studenten nicht „zum wahren lebendigen Christentum . . . angeführet werden", und gar in bezug auf das Verhältnis Langes zu Baumgarten schreibt: „Ich hoffe auch, wenn Ihr ihn in rechter Liebe traget und mit Freundlichkeit erinnert, wo es etwa nötig sein möchte, auch ihn den etwa habenden applausum willig gönnet, es werde sich so bezeugen, daß ihr mit ihm zufrieden sein werdet." Lange ist in dieser Sache der eigentlich Zurückgewiesene 161 und Baumgarten derjenige, der trotz der Ermahnungen nun weithin freie Hand bekommt 1 6 2 . 155 Brief an den König vom 18. Sept. 1736 (aaO Bl. 1 3 1 - 1 3 2 ) . Darin heißt es: „Da der junge Professor Baumgarten in seinen Lectionibus und Schriften einigen Geschmack an dieser Philosophie bezeuget hat, so hänget ihm allhier fast alles also an, daß wir übrigen Professores fast die leeren Bänke vor uns finden. Und gleiches Sinnes ist sein Bruder, der Magister Legens . . . " (Bl. 131 v). 156 S. W. Schräder: Geschichte . . . I, S. 318; H.-Droysen: Friedrich Wilhelm I., Friedrich der Große und der Philosoph Christian Wolff, S. 8f. 157 W. Schräder aaO S. 293. 15β Beide Briefe sind abgedruckt bei Schräder: Geschichte . . . II, S. 462f. 159 Damit nimmt der König den Ausdruck aus seiner Kabinettsordre vom 7. April wieder auf. Es ist bemerkenswert, daß der König bei alledem jetzt kein negatives Urteil über die Wölfische Philosophie selbst abgibt, sondern nur ihre befürchteten Folgen bei den jungen Theologen abwehren will. 161 Tags darauf (Wusterhausen, 23. Sept. 1736, abgedruckt bei W. Stolze: Aktenstücke . . . , S. 270) schickt der König noch eine Kabinettsordre an den Pastor J. A. Freylinghausen in Halle mit der Bitte, seinen ganzen Einfluß geltend zu machen, um vor allem Lange zu besänftigen, damit in der Fakultät wieder Friede einkehre. In der Frage der Wölfischen Philosophie wolle er nun einmal kein Richter sein. Alle Leute sagten ihm, Philosophie habe es seit Anbeginn der Welt gegeben und sie bestünde zum größten Teil in Streit um Worte. 142 Auf den nochmaligen Versuch Langes, nun durch den König eine Einschränkung der Lehrtätigkeit Baumgartens zu erwirken (Brief vom 18. Sept. 1736, s.o. Anm. 85), ging der

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Auch die Arbeit an der Theologischen Moral geht weiter und nach einer angemessenen Pause kommt das ganze Buch im Frühjahr 1738 heraus 163 , versehen mit einer Vorrede, die nichts zurücknimmt, aber das zuvor intern gegen Baumgarten Vorgebrachte als mögliche Einwürfe beantwortet, und mit einer Widmung an die Königin, die Baumgartens Sache stets Unterstützte 164 . König in seinem Antwortschreiben nicht mehr ein. Was nach dieser doppelten Stellungnahme des Königs noch folgte, ist teils archivalisch nicht mehr greifbar und teils auch nach dieser Entscheidung weniger wichtig. W. Schräder (Geschichte . . . I, S. 293) teilt noch mit: „am 7. Oktober wurde allen Professoren der Theologie befohlen, für ihre Schriften die Zensur der Fakultät nachzusuchen und jeder öffentliche Angriff unter einander ernstlich verboten. Baumgarten versprach übrigens am 13. Oktober Fügsamkeit und erhielt dieserhalb eine gnädige königliche Antwort vom 20. Dezember; auch Lange versäumte nicht, am 18. November zu berichten, daß er mit Baumgarten in liebreichem Umgang stehe." Ein längeres an den König gerichtetes Rechtfertigungsschreiben Baumgartens unter dem 18. November 1736, welches Semler auf drei eigenhändigen Bogen aus Baumgartens Nachlaß vorlag und aus dem er in seiner Vorrede zu Baumgartens Glaubenslehre (I, S. 8. lOf. 13f.) zitiert, ist vermutlich gar nicht mehr abgeschickt worden, und wenn doch, dann hat es die bereits gefestigte Stellung Baumgartens in Berlin nur gestärkt. 163 In der Vorrede vom 10. April 1738 geht Baumgarten auf die Schwierigkeiten bei der Entstehung des Buches nicht weiter ein und sagt am Ende: „Der Verzug ist aus der Menge meiner anderweitigen Arbeiten entstanden." Die Neuauflage von 1744 tritt als „dritte Auflage" auf. Zwischen 1738 und 1744 ist aber keine 2. Auflage nachzuweisen. Vielmehr spricht Baumgarten später, als die Dinge sich beruhigt haben, von der ersten vollständigen Ausgabe von 1738 als von der „ersten und zweiten Auflage" und erinnert dabei an die zunächst erfolgte bogenweise Ausgabe (Unterricht vom rechtmäßigen Verhalten . . . , 3. Aufl., 1744. Neuer Vorbericht, S. 55 nicht pag.). Daß Baumgarten für die Auflage von 1738 an den ersten Bogen noch etwas geändert hat, ist unwahrscheinlich, wenn auch durch Vergleich nicht mehr genau auszumachen, da die losen Bogen nicht vorliegen. Lange hatte am 18. Sept. 1736 an den König geschrieben: Wir haben Baumgarten „angeraten, die Moral lieber gar zurückzuhalten; wie sie denn auch noch nicht fertig ist. Er hat uns aber darin kein Gehör gegeben. Nun halte ich, da das Büchlein sonst viel Gutes in sich hält, zwar selbst dafür, daß er es wohl edieren könne: weil doch aber in dem angeschlossenen Bogen C. p. 25 und 30 die Wolffischen Principia vom fatalismo gar zu deutlich exprimieret sind und viel Aufsehens machen dürften, so würde zum wenigsten dieses nötig sein, daß er nur diesen einzigen Bogen umdrucken ließe, und zwar nach der Zensur der Fakultät . . . " (Deutsches Zentralarchiv Hist. Abt. II Merseburg Rep. 96 Nr. 303 Β Bl. 131v-132r). Eine Änderung des Textes scheint aber auf S. 25 u. 30 (§ 14.20) nicht vorgenommen worden zu sein, zumal der König in seinem Antwortschreiben vom 22. Sept. 1736 (s.o. Anm. 158) auf diese Forderung mit keinem Worte einging und auch Baumgartens spätere Vorreden nichts davon vermelden. 164 Brucker (Bilder-sal I, 5 Bl. (4r)) berichtet noch: Baumgarten wurde „einige Zeit hernach nach Potsdam berufen, ausführlicher mit ihm (seil, dem König) zu sprechen, allwo er von des Königs und der Königin Majestäten vieler außerordentlichen Gnaden gewürdiget worden ist". Dies war wohl Ende 1737 oder Anfang 1738 (s. die Widmung in Unterricht vom rechtmäßigen Verhalten . . . ) . Über eine Begegnung mit dem Kronprinzen und dann neuen König Friedrich ist nichts bekannt. In einem Brief Wolffs an Reinbeck hören wir aber von einer Reise Baumgartens nach Berlin im April 1741 (bei A. F. Büsching: Beyträge . . . I, 1783, S. 127), wohin Baumgarten eine der Gedenkmünzen auf Wolffs Rückkehr mitnahm — übrigens ein seltenes Zeugnis von direktem Kontakt zwischen Wolff und Baumgarten. Die Königin Sophia Dorothea ließ auch später als Königinmutter Baumgarten noch einmal zu

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Die Darstellung der Vorgänge des Jahres 1 7 3 6 m u ß t e e t w a s w e i t e r e n R a u m e i n n e h m e n . Diese K o n f r o n t a t i o n zu A n f a n g v o n Baumgartens Ordinariat näher zu k e n n e n , ist V o r a u s s e t z u n g für j e d e n Versuch, ihn in das Kräftespiel der in Halle w i r k s a m e n R i c h t u n g e n e i n z u o r d n e n . Sie blieb aber auch das einzige bedeutungsvolle Ereignis in Baumgartens äußerer Lebensgeschichte. V o n n u n an w i d m e t e er sich ganz seinen Vorlesungen, die n u n n o c h m e h r Zuspruch fand e n 1 6 5 , seinen Schülern, aus deren Kreise eine außergewöhnlich große Zahl v o n Dissertationen hervorging 1 6 6 , u n d einer a n w a c h s e n d e n u n d bald i m m e n s e n Forschungs- u n d V e r ö f f e n t l i c h u n g s t ä t i g k e i t . A u f letztere wird an anderer Stelle n o c h e i n z u g e h e n sein. Es wird gefragt w e r d e n müssen, ob u n d in w e l c h e r R i c h t u n g sich Baumgarten dabei t h e o l o g i s c h n o c h w e i t e r b e w e g t e . Baumgartens Stellung in der Fakultät konsolidierte sich. Wenn auch das Verhältnis zu seinen Widersachern keine n e u e Herzlichkeit gewann, so arrangierte m a n sich d o c h 1 6 7 . N a c h Langes T o d e 1 7 4 4 w u r d e Baumgarten z u m Direktor des T h e o l o g i s c h e n Seminars 1 6 8 u n d z u m Ephorus der k ö n i g l i c h e n Freitische ernannt. Seine hierbei u n d auch sonst geübte fürsorgliche Förderung v o n Be-

sieh nach Berlin kommen. Semler (Kurzer Entwurf . . . , S. 105) nennt dafür das Jahr 1749. Bei dieser Gelegenheit sei Baumgarten auch in die Königliche Akademie aufgenommen worden. Nach A. v. Hamack liegt hierfür aber der 4. Juli 1748 fest (Geschichte der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften I, 1, S. 475; übrigens wird auch in Harnacks Register Baumgarten mit seinem Bruder Alexander Gottlieb verwechselt, s. aaO I, 2, S. 619). 16! Bei den Studenten werden auch Trotzreaktionen gegen die Bevormundungsversuche durch Lange und G. A. Francke mitgespielt haben, s. dazu J . D. Michaelis: Raisonnement über die protestantischen Universitäten in Deutschland II, 1770, S. 45f. 71f. Viele kamen offenbar nur, weil es jetzt Mode war, Baumgarten gehört zu haben. Darunter hatte dann zuzeiten die Ordnung während der überfüllten Kollegs zu leiden, wo man die besten Plätze verkaufte und sich handgreiflich um sie stritt, so daß es einmal zu einem gerichtlichen Verhör kam, s. dazu Baumgartens Ermahnungen in: Zuschrift an seine Zuhörer, 1743. 166 Vgl. Semler: Kurzer Entwurf . . . , S. 102. Die Dissertationen für die Disputationen unter Baumgarten sind nur zu einem kleinen Teil von ihm selbst als Praeses verfaßt worden (s. die Bibliographie). Baumgarten hat damit die Entwicklung zu größerer wissenschaftlicher Selbständigkeit des Nachwuchses weiter gefördert (vgl. F. Eichler: Die Autorschaft der akademischen Disputationen I, S. 25f. 32ff.; II, S. 25f. 31f.). Lange wurde in seinen letzten Jahren etwas versöhnlicher. Am 16. März 1739 promovierte er Baumgarten zum D. theol. Freilich darf man hierin keine besondere Gunst erblicken, denn der Akt wurde zugleich an den fünf anderen Kollegen vollzogen und fand am Krankenbett Langes ohne Disputation statt. Man befürchtete, die akademische Sukzession könnte in Halle durch einen plötzlichen Tod des letzten Doktors abreißen (s. Dreyhaupt: Beschreibung des . . . Saal-Creyses . . . II, 1755, S. 23). Das 1691 gestiftete Seminar war noch zu Baumgartens Zeit eine Förderungseinrichtung für 12 Studenten, die freien Lebensunterhalt bekamen und Erbauungsstunden, Predigt- und katechetische Übungen abhielten; erst unter Semler wurde das ernsthafte Studium besonders von Humaniora eingeführt (s. W. Schräder: Geschichte . . . I, S. 94ff. 338). Zur Entstehung des modernen theologischen Seminars als akademischer Lehrveranstaltung s. K. Leder: Universität Altdorf, S. 105ff.

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gabungen u n d seine Mildtätigkeit gegenüber bedürftigen S t u d e n t e n , auch aus eigenen Mitteln u n d durch fast zu gutmütiges Nachlassen der Hörergelder, wurde überall gerühmt. Ä u ß e r e Ehrungen u n d V e r p f l i c h t u n g e n f o l g t e n , so 1 7 4 8 / 4 9 das P r o r e k t o r a t 1 6 9 u n d die A u f n a h m e in die Kgl. A k a d e m i e der Wissenschaft e n 1 7 0 . Auswärtige Gelehrte, auch des Auslands, standen m i t i h m in Korresp o n d e n z u n d b e s u c h t e n ihn in Halle. Kein Wunder, daß er m a n c h e n R u f an auswärtige Universitäten e r h i e l t 1 7 1 , er blieb aber in Halle. A n d e r s w o ließ sich eine solche Lehrwirkung, w i e sie nicht z u l e t z t durch die V e r p f l i c h t u n g für alle Anwärter auf preußische Stellen, m i n d e s t e n s z w e i Jahre in Halle studiert zu h a b e n 1 7 2 , g e g e b e n war, auch schwerlich erreichen. A u c h der wissenschaftliche Betrieb, der m i t Baumgartens Bibliothek als Zentrum e n t s t a n d e n war, ließ sich kaum verpflanzen. Ihre Bücherbestände w a r e n so reichhaltig, daß sich die damalige Universitätsbibliothek zu Halle d a m i t nicht messen k o n n t e 1 7 3 . Obgleich er sich d e n N a c h l a ß seines Vaters m i t seinen Brüdern h a t t e teilen m ü s s e n 1 7 4 , brachte Baumgarten im Laufe der Z e i t planmäßig u n d unter großen O p f e r n 1 7 5 eine Bibliothek z u s a m m e n , die b e i seinem T o d e

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Das Rektorat Halles nahm der König selbst wahr. Das war für einen Theologen unter Friedrich II. eine Besonderheit; zum Datum s.o. Anm. 164. 1.1 Einzelheiten darüber wollte Semler aus Gründen der Rücksichtnahme erst später mitteilen, wozu es aber nicht mehr kam (Kurzer Entwurf . . . , S. 107f.). Aus den Überlegungen, ihn als Nachfolger für den 1755 verstorbenen Kanzler Mosheim in das aufstrebende Göttingen zu holen, wurde nichts mehr. Baumgarten war schon zu krank; ein förmlicher Ruf erging nicht mehr, weil man eine Absage erwarten mußte (s. J . S. Semler: Lebensbeschreibung I, 1781, S. 231; A. F. Büsching: Beyträge . . . III, 1785, S. 2 8 6 - 2 8 9 ; ders.: Eigene Lebensgeschichte, 1789, S. 283f. 299f.; W. Buff: Gerlach Adolph Freiherr von Münchhausen . . . , S. 15f. 49). 172 „Ob und auf wie lange den studierenden Landeskindern gerade der Besuch der hallischen Hochschule vorgeschrieben war, darüber schwanken die Bestimmungen. Ein eigenhändiger Randerlaß Friedrich Wilhelms I. vom 8. September 1735 lautet: ,Es soll aber keiner in meinen Landen vocirt werden, der nit drei Jahre in Halle studiert hat'." (W. Schräder: Geschichte . . . I, S. 348). In der Kabinettsordre vom 7. April 1736 (s. o. Anm. 151) ist nur von zwei Jahren die Rede. Die seit 1717 befohlene Einschränkung der Studienfreiheit, welche oft in verschiedener Form wiederholt wurde (s. R. v. Thadden: Die Brandenburgisch-preußischen Hofprediger im 17. und 18. Jahrhundert, S. 91f.), sollte die einheimischen Ausbildungsstätten stärken, zugleich aber den Einfluß Wittenbergs zurückdrängen. Noch 1749 sagt Baumgarten zu A. F. Büsching über die Überlegungen wegen der Wiederbesetzung eines Ordinariats, „Chladenius zu Erlangen könne es nicht erhalten, weil er zu Wittenberg studieret habe, und die Verordnung, welche solche Männer von allen geistlichen Ämtern in preußischen Landen ausschlösse, noch ihre Kraft habe" (Büsching: Beyträge . . . IV, 1786, S. 95). 1,3 S. W. Suchier: Kurze Geschichte der Universitätsbibliothek zu Halle, S. lOff.; vgl. auch J . S. Semler: Lebensbeschreibung II, 1782, S. 144f,; Α. H. Niemeyer: Die Universität Halle . . . , 1817, S. LXXIIIf. 114 G. F. Meier: Alexander Gottlieb Baumgartens Leben, 1763, S. 7. 1,5 J . S. Semler: Kurzer Entwurf . . . , S. l l l f . 1.0

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w e i t über 2 2 0 0 0 Bände u m f a ß t e 1 7 6 . Im Jahre 1 7 4 8 fing er an, die Öffentlichkeit an seinen Schätzen durch eine Literaturzeitschrift teilhaben zu lassen 1 7 7 . Sie erschien m i t z w e i Bänden jährlich, zuerst o h n e N a m e n s n e n n u n g unter d e m Titel „Nachrichten v o n einer hallischen B i b l i o t h e k " u n d ab 1 7 5 2 u n t e r seinem N a m e n als „Nachrichten v o n merkwürdigen Büchern". Ihr H a u p t z w e c k war das Referat, was aber die kritische Beurteilung oder E m p f e h l u n g nicht ausschloß. Hierbei halfen — vor allem in d e n ersten J a h r e n — b e g a b t e ältere S t u d e n t e n , die in Baumgartens Hause w o h n t e n , unter seiner A u f s i c h t m i t 1 7 8 . V o r anderen Zeitschriften z e i c h n e t e n sich Baumgartens „ N a c h r i c h t e n " dadurch aus, daß durch sie die n e u e u n d n e u e s t e Literatur des Auslands, vor allem E n g l a n d s 1 7 9 , d e m d e u t s c h e n Publikum besonders ausgiebig nahegebracht w u r d e 1 8 0 . Lessing z u m Beispiel hat sie m i t G e w i n n b e n u t z t u n d g e r ü h m t 1 8 1 . N i c h t nur die Rezensionen der deistischen Literatur, auch die breite Wiedergabe der a p o l o g e t i s c h e n Werke des Auslands k o n f r o n t i e r t e n die Leserschaft — u n d sicherlich auch die studentischen Mitarbeiter — m i t den n e u e n gegen Bibel, Christentum u n d Kirche gerichteten A r g u m e n t e n . Obgleich Baumgarten dabei außer v o n e i n e m rein 176 Im mehrteiligen Auktionskatalog (Bibliothecae Baumgartenianae . . . , 1765—1767) werden zusammen 22 308 Nummern gezählt. Darunter sind aber so viele Konvolute, daß sich die Zahl der Titel um schätzungsweise mehrere Tausend erhöht (Die von B. Weißenborn: Die Bibliothek des Christian Thomasius, S. 429, angegebene Zahl von 13 164 Bänden ist unzutreffend). Wertvoll war die Bibliothek vor allem durch eine große Bibelsammlung, alte Drukke, Orientalia, Handschriften und Briefe. 177 Das Vorbild hierfür waren wohl die Summarischen Nachrichten . . . von Chr. Thomasius (s. B. Weißenbom aaO S. 430. 452). 178 Dazu S. J . S. Semler: Lebensbeschreibung I, 1781, S. 107. 114. 117. 222ff. In die späteren Jahrgänge hat Baumgarten verstärkt seine eigenen Beiträge eingebracht (s. Semler: Ehrengedächtnis . . . , 1758, S. 137). Eine starke Anglophilie, wie sie auch in der Zeit lag, ist Baumgarten nicht abzusprechen. Ζ. B. schreibt er in der Vorrede zur Samlung von merkwürdigen Lebensbeschreibungen gröstenteils aus der britannischen Biographie (I, 1754, S. lOf. nicht pag.), daß „England und die damit verbundenen Länder fruchtbarer sind an merkwürdigen Leuten von allerlei Stande und Lebensart", sie unterschieden sich durch Tugend, Laster und Fähigkeiten verschiedenster Art von anderen Völkern, „deren sämtliche Glieder nicht so viel Anteil an der höchsten Gewalt und Einfluß in die Verwaltung derselben haben, folglich auch einer bis zur Gefährlichkeit übertriebenen äußeren Freiheit ermangeln, ingleichen die Stufen nicht erreicht, dahin die gemeinschaftlich angewachsene Gelehrsamkeit, Witz, Scharfsinnigkeit, Arbeitsamkeit, Tapferkeit, Kunst, Wissenschaft, Handel, Reichtum, Ausschweifung, Verwegenheit, Narrheit, Schwärmerei und Bosheit in diesem Lande gestiegen". Hier wird England als das Land der vollen Entfaltung menschlicher Möglichkeiten zweifellos stark idealisiert, es offenbart sich in diesem Urteil aber auch ein Gespür für den Zuwachs an Humanitas durch politische Emanzipation. 180 Dazu H. Hettner: Literaturgeschichte des achtzehnten Jahrhunderts III, 2, S. 32f.; L. Zscharnack: Lessing und Semler, S. 31ff; E. Hirsch: Geschichte . . . II, S. 371; IV, S. 7. 181 In einer Rezension schreibt G. E. Lessing: „Des Hrn. D. Baumgartens Nachrichten von merkwürdigen Büchern werden glücklich fortgesetzt . . . Wir ergreifen diese Gelegenheit, um den Lesern dieses vorzügliche Werk, welches bei dem vornehmsten Hiilfsmittel der Gelehrsamkeit, bei der Kenntnis der Bücher, ungemeine Dienste leisten kann, anzupreisen" (Sämtliche Schriften, 3. Aufl., Lachmann/Muncker, Bd. 5, S. 379).

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w i s s e n s c h a f t l i c h e n auch v o n einem ausgeprägten a p o l o g e t i s c h e n Interesse geleitet w u r d e 1 8 2 , lagen die m ö g l i c h e n u n d ja w o h l auch tatsächlich e r f o l g t e n gegenteiligen Wirkungen dieser Bemühung n i c h t in seiner H a n d 1 8 3 . Man m u ß annehm e n , daß Baumgarten ein sehr w e i t r e i c h e n d e s u n d durch Toleranz 1 8 4 geprägtes Zutrauen zur freien geistigen A u s e i n a n d e r s e t z u n g b e s a ß u n d m ö g l i c h e r w e i s e auch für eine kritische B e s t a n d s a u f n a h m e der überlieferten t h e o l o g i s c h e n Positionen o f f e n war. Semler hat im „Ehrengedächtnis" für Baumgarten u n d in seiner eigenen Lebensbeschreibung die l e t z t e Periode v o n Baumgartens L e b e n aus w e i t h i n eigener A n s c h a u u n g schildern k ö n n e n . Es m u ß genügen, hier z u verweisen auf seine Beschreibung der riesigen Arbeitsleistung Baumgartens, der l i e b e n s w e r t e n De-

1,2 Es liegt Baumgarten gerade an der gründlichen, gelehrten Apologetik (vgl. seine Vorrede zu J . Leland: Abhandlung von dem göttlichen Ansehen . . . , 1756). Dabei ist ihm im Laufe der Zeit nicht verborgen geblieben, daß größere apologetische Werke weniger gelesen wurden als kürzere, gezielte Schriften (vgl. Vorrede zu J . F. Gutschmid: Die Wahrheit der Geschichte von der Auferstehung Jesu . . . , 1753). Aber er warnt oft vor unbedachter Polemik gegen die neue Geistesart: „Es werden zuweilen Steine bewegt, die man nicht heben kann", mit „bloßem Schelten" wird nur das Gegenteil erreicht (Vorrede zu G. Burnet: Verteidigung der natürlichen und geoffenbarten Religion III, 1741, S. 37). 183 Auf diesen nicht beabsichtigten Effekt solcher Schriften ist oft hingewiesen worden; s. ζ. B. für Lessing K. Aner: Die Theologie der Lessingzeit, S. 27—30, für Goethe H. Schöffler: Deutscher Geist im 18. Jahrhundert, S. llOff. 184 Baumgarten hatte eine durch Toleranz geprägte Einstellung, mochte aber doch nicht ganz auf die Zensur verzichten. Mit Bewunderung, aber auch mit einer gewissen Unruhe schaut er auf die Verhältnisse in England. Die Autoren der Biographia Britannica ζ. Β. unterscheiden sich für ihn von dem Franzosen Bayle dadurch, daß sie „zwar eine große und fast nur in England erlaubte Freiheit im Urteilen gebrauchen, dieselbe aber niemals der göttlichen Wahrheit und Tugend zum Nachteil mißbrauchen" (Nachr. hall. Bibl. 6, 1750, S. 544). Baumgarten hält dennoch die Freiheit in England für übertrieben (vgl. o. Anm. 179). Eine Einschränkung der Druckfreiheit ergibt sich für ihn noch aus der naturrechtlichen Pflicht der Obrigkeit, öffentliches Leben und Ordnung zu schützen. (Vorrede zu J . P. Nicerons Nachrichten von den Begebenheiten . . . XII, 1755, S. 11—15 nicht pag.). Jeder „Verfolgungsgeist" ist dabei aber zu meiden (s. Vorrede zu J . Baker: Volständige Historie der Inquisition, 1741). Auch die römische Kirche wendet ja schon mancherorts „das gelindere Verfahren der neueren Zeiten" an, „ohnerachtet dasselbe nicht aus einigen geänderten Grundsätzen herfließet, sondern der sogar in römischkatholischen Ländern durch die Reformation aufgeklärten und wiederhergestellten rechtmäßigen Gewalt der weltlichen Obrigkeit zu verdanken ist" (Vorrede zu J . Léger: Algemeine Geschichte der Waldenser, 1750, S. 3). Das juristisch-naturrechtliche und so eingeschränkte Toleranzverständnis, das Baumgarten auch seinem Schüler J . M. Goeze weitergab (s. H. Schultze: Toleranz und Orthodoxie, NZSTh 4, 1962, S. 217f.), ist aber nicht das einzige Moment in Baumgartens Haltung. Sein unbedingtes Eintreten für die Gewissensfreiheit, die spätestens dann Schaden erleidet, wenn auch der Privatgottesdienst verboten wird, ist nicht ohne ein christlich-humanes Pathos, vgl. Ausführl. Moral, 1767, S. 144, und vor allem: Theologisches Bedenken von gewissenhafter Duldung der Juden, 1745, in dem Baumgarten mit ungewohnter Schärfe und Leidenschaft gegen eine antijüdische Schrift Stellung bezieht, „weil die Juden als Menschen einen gegründeten Anspruch haben, auf dem Erdboden geduldet zu werden" (aaO S. 8).

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tails über seinen Umgang mit Familie und Schülern, des fortschreitenden gesundheitlichen Zerfalls, der ihn in den letzten Jahren fast ganz ans Haus fesselte, und des würdigen, christlichen Endes am 4. Juli 1757 1 8 S . In der Würdigung von Baumgartens Charakter werden immer wieder seine ruhige Gelassenheit, seine milde Friedfertigkeit und seine bei allem wissenschaftlichen Selbstbewußtsein demütige Geduld mit anderen hervorgehoben. Besondere Beachtung verdienen aber noch Semlers Andeutungen über die internen mündlichen Äußerungen Baumgartens zu theologischen Fragen bei Tischgesprächen und anderen Gelegenheiten. Semler schreibt 1758 dazu: „Wenn es je zu wünschen ist, daß die vertraulichen und nicht zurückgehaltenen Meinungen und Urteile großer Männer möchten genau angemerket und auf eine zuverlässige Art allgemein gemacht werden, so würden es gewiß diese und dergleichen andere Unterredungen mit diesem großen Mann verdienen" 186 . Aber gerade daran mangelt es so sehr, daß man sich heute kein rechtes Bild mehr davon machen kann. Was Semler 1781/82 in seiner Lebensbeschreibung noch wiedergeben kann oder will, ist trotz seines sonst so guten Gedächtnisses so dürftig und unbestimmt, daß für das heutige Urteil äußerste Vorsicht geboten ist. Jedenfalls darf mit Berufung darauf nicht einfach angenommen werden, Baumgarten sei insgeheim ein halber Deist gewesen und stände nicht voll hinter seinen öffentlichen Lehren und Schriften 187 . Es konnte freilich durchaus vorkommen, daß Baumgarten in 185

Ohne Verklärung, aber mit starker innerer Beteiligung beschreibt Semler das Ende Baumgartens. In den letzten Jahren las Baumgarten nur noch das, was zu Hause stattfinden konnte, ging auch nicht mehr zur Kirche, also auch nicht zum Abendmahl. Im Laufe der letzten zwei Lebensjahre verlor er auch sein Gehör und empfing Mitteilungen zuletzt nur noch schriftlich. Selbst konnte er aber sprechen und auf dem Sterbebette seine Anweisungen erteilen und Gebetsseufzer ausstoßen. Semler war zuletzt fast ständig bei ihm. Zur letzten Abendmahlsfeier mußte er den Anstoß geben, um einen nachteiligen Eindruck abzuwenden (Kurzer Entwurf . . . , S. 123; Lebensbeschreibung I, 1781, S. 228). Bei dieser Gelegenheit sprach Baumgarten frei ein großes Beichtgebet und eine so eindringliche Paraphrase des Vaterunsers, daß es Semler nachher leid tat, es nicht aufgezeichnet zu haben. Unter dem Gesang von „Christus der ist mein Leben" starb Baumgarten. Weniger authentisch erscheint ein Gebet, das Friedrich Eberhard Rambach (Der selige Übergang . . . In: Ehrengedächtnis . . . , 1758, S. 36) bei einem Besuch gehört haben will: „Ich habe in den zehen Tagen, darin du mich, o Gott, heimgesuchet hast, mehr Theologie gelernet, als vorher in fünfzig Jahren. Du hast mich in mich selbst zurückgeführet, da ich sonst nicht war. Ich war in der Welt, in Sprachen, in Wissenschaften, in Geschichten der Zeiten, kurz in dem weiten Felde der Gelehrsamkeit, aber nunmehr bin ich in der Schule meines Gottes, und er unterweiset mich auf eine ganz andere Art als alle diejenigen Schriften, auf deren Lesung ich sonst so viel Zeit gewendet." Hier haben sich wohl mehr die Wünsche der frommen Partei niedergeschlagen. Semler hält es vermutlich mit Hinblick auf solche Stimmen für angebracht, vor Legendenbildung zu warnen (Kurzer Entwurf . . . , S. 126). 186 Kurzer Entwurf . . S . 110. 187 So H. Hettner: Literaturgeschichte des achtzehnten Jahrhunderts III, 2, S. 35f. Etwas vorsichtiger E. Wolf: Sigmund Jakob Baumgarten 1706—1757. In: 250 Jahre Universität Halle, 1944, S. 68: „Im engeren Kreise, als Dolmetscher zwischen Voltaire und Wolff, gab er sich als gelehrten Deisten".

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gelehrter Abendrunde gelegentlich die Schrift eines deistischen Verfassers verteidigte 188 . Ob er dabei zu prinizipiell neuen Positionen vorstieß, können wir aufgrund des von Semler Referierten aber nicht mehr hinreichend erkennen, Die häufig zitierte und manchmal überbewertete Stelle in Semlers Lebensbeschreibung I, 1781, S. 108 bedarf genauerer Auslegung. Dreierlei ist festzuhalten: 1. Semler berichtet hier von zwei verschiedenen Gelegenheiten, die zeitlich freilich nicht genau zu fixieren sind. Einmal war Baumgartens Kollege Benedict Gottlieb Clauswitz (t 1749, bei Semler unrichtig Clausnitz) dabei, der über die Schädlichkeit der vielen deistischen Schriften, die jetzt aus England kämen, klagte, wobei Baumgarten im Einzelfall ein differenzierteres Urteil abgab. Die andere Gelegenheit wird in einem Einschub mehr beiläufig erwähnt, eigentlich nur, um zu illustrieren, wie Baumgarten „bei Laune" sein konnte, wenn Fremde zugegen waren: „Mir fallt dabei ein, daß einmal der berühmte Voltaire und der Kanzler von Wolff einen Abend auch zugegen war; da Wolff, der nur lateinisch, und nicht französisch sprechen konnte, manchen losen Einfalt des Franzosen mit aller Hochachtung aufnahm und ihn doch erst durch Baumgarten sehr eingeschmolzen zu hören bekam." Die erste Abendgesellschaft fand also vor Clauswitz' Tode (1749) statt, die zweite wahrscheinlich unmittelbar nach Semlers Rückkehr aus Altdorf (14. 4. 1753, s. dessen Lebensbeschreibung I, S. 202) bei der Rückreise Voltaires nach dessen Aufbruch aus Berlin im Frühjahr 1753 (vgl. auch die Angabe bei E. Barnikol: Pionier neuzeitlichen Denkens). A. Ritsehl (Geschichte des Pietismus II, S. 568) spricht irrtümlich von nur einer Privatgesellschaft, zu der Wolff, Voltaire und Clauswitz gehört hätten, und auch andere ziehen beide Ereignisse zusammen. 2. Weder für den Abend mit Clauswitz noch erst recht für den mit Voltaire und Wolff wissen wir Näheres über den Gesprächsablauf. Wir kennen nicht den englischen Deisten, für den Baumgarten sich einsetzte, auch nicht die spezielle Sachfrage, um die es sich handelte, und schon gar nicht die Weise und den Grad der Zustimmung Baumgartens. Wenn überhaupt bei dem Voltaire-Besuch der Deismus ernsthaft zur Debatte gestanden hat, was nicht sicher ist, dann dürfte sich Baumgarten gerade bei dieser Gelegenheit kaum besonders für ihn stark gemacht haben; denn wenn er die losen Reden Voltaires so abmilderte, daß sie Wolff gefielen, mußten gerade die deistischen Spitzen abgeschliffen worden sein. Wolff war nämlich ein erklärter Gegner der englischen Deisten, s. ζ. B.: „Sie schreiben von der religione revelata so lästerlich, daß ich nichts mehr von ihnen lesen mag" (Brief an Reinbeck vom 9. Sept. 1739, abgedruckt bei A. F. Büsching: Beyträge . . . I, 1783, S. 31). Baumgartens Urteile über Voltaire zeichnen sich sonst durch ungewöhnliche Schärfe der Kritik aus (z. B. Nachr. merkw. Büch. 8, 1755, S. 544ff.; 10, 1756, S. 255). 3. Was Semler vom Inhalt des Gesprächs mit Clauswitz mitteilt, ist widergespiegelt und gebrochen durch seine eigene Auffassung und Terminologie. Er erinnert sich nach langen Jahren an die Hilfe, die ihm damals das, was er aus den Äußerungen Baumgartens für sich entnehmen konnte, bei der Herausbildung seiner Unterscheidung von Theologie und Religion bot. Es ist nicht Baumgarten, der prinzipielle Deklarationen abgibt, sondern es ist Semler, der in seiner damaligen Berufsnot (vgl. den Kontext) etwas ganz Bestimmtes heraushört. Er schreibt, daß es ihm „ein inniges Vergnügen" bereitete, „zu sehen, wie die ganz gemeine Theologie so gewaltig verlor, ohne daß auch die christliche Religion dabei zu kurz kam. Alle theologische technische Kunst wurde an ihren rechten Platz gewiesen, daß sie dem Christen keinesweges wichtig seie, daß sie dem gelehrten Stande schon an sich selbst und nach ihrer Absicht und der Geschichte nach als besonder Eigentum gehöret, keinesweges aber die allgemeinen Grundsätze der Religion ausmache, oder göttliche seligmachende Belehrungen besser enthalte". Semler sieht sich durch Baumgarten nicht zum Deismus geführt, sondern zu der Meinung, daß die christliche Glaubenserkenntnis relativ unabhängig von schultheologischen Positionen ist.

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u m so besser freilich die K o n s e q u e n z e n , die Semler für sich aus d e n N u a n c e n des Gesprächs z o g u n d w e i t e r e n t w i c k e l t e . Sein ihn b e f r e i e n d e s n e u e s Verständnis der U n t e r s c h e i d u n g v o n T h e o l o g i e u n d Religion, v o n wissenschaftlicher Theologie u n d privatem G l a u b e n 1 8 9 , m e i n t e Semler z . T . auch aufgrund v o n hier empfangenen Anregungen g e w o n n e n zu haben, so w e n i g auch Baumgarten „diese B e o b a c h t u n g in seinen V o r l e s u n g e n u n d S c h r i f t e n j e m a l e n deutlich vorgetragen u n d auseinander gesetzet h a t " 1 9 0 . Baumgartens nach Semler hier g e t r o f f e n e Unterscheidung v o n T h e o l o g i e als technischer Kunst u n d d e n allgemeinen Grundsätzen der Religion oder seligmachenden g ö t t l i c h e n Belehrungen dürfte sich aber w o h l n o c h durchaus im R a h m e n dessen gehalten haben, was er auch in der Dogmatikvorlesung — vielleicht weniger deutlich — darlegte. A u c h Baumgarten steht nämlich trotz seiner H e r k u n f t aus d e m durch Spener b e e i n f l u ß t e n Hallischen Pietismus s c h o n w e i t h i n w i e d e r in der m e l a n c h t h o n i s c h - c a l i x t i n i s c h e n Tradit i o n 1 9 1 , die a b w e i c h e n d v o n der eigentlichen lutherischen O r t h o d o x i e e t w a J o h a n n Gerhards die T h e o l o g i e nicht generell als g o t t g e g e b e n e Fertigkeit u n d als unablösbar v o m Heilsglauben v e r s t a n d 1 9 2 . D o c h die v o n ihm g e t r o f f e n e Abgrenzung geht — s o w e i t n o c h zu erkennen — nur erst dahin, daß — w i e begrifflich auch s c h o n vor ihm — die e i n f a c h e Identität v o n T h e o l o g i e u n d Glaubenser1,9 Nicht die Unterscheidung von Theologie und Religion als solche war ja neu (vgl. C. H. Ratschow: Lutherische Dogmatik . . . I, S. 21. 27. 58), sondern Semlers spezielles Verständnis derselben, wobei das, was vorher in der Distinktion eng verbunden war, nun deutlich auseinanderrückt, ohne freilich ganz voneinander getrennt zu werden (vgl. E. Hirsch: Geschichte . . . IV, S. 53f.; G. Hornig: Die Anfänge . . . , S. 24f. 34f. 58f. 173f.). J . Wallmann hat gezeigt, wie sich die Semlersche Position in der Unterscheidung von theologia und fides bei Calixt vorbereitet (Der Theologiebegriff . . . , S. 9 5 - 1 2 3 ) . 190 Lebensbeschreibung I, 1781, S. 108. 1,1 Zu den beiden Linien in der Geschichte des lutherischen Theologiebegriffs s. J . Wallmann aaO S. 2f. Wallmann hat ihr Gegenüber auch bei „Spener und Dilfeld" (In: Theologie in Geschichte und Kunst, S. 229ff.) aufgezeigt. Die im Pietismus zu beobachtende „Relativierung des objektiven Moments der Ubereinstimmung mit der reinen Lehre" (Wallmann: Der Theologiebegriff . . . , S. 118) durch die Betonung der Subjektivität des Glaubens dürfte aber auch gerade in seinem Umkreis wie hier bei Baumgarten eine neue Hinwendung zur Auffassung Calixts begünstigt haben (vgl. A. Ritsehl: Geschichte des Pietismus II, S. 568f.). 192 Baumgarten geht zwar noch von dem traditionellen Begriff der theologia revelata aus (Glaubenslehre I, S. 5f.). Aber genaugenommen wird für ihn nur „die heilsame Erkenntnis, so weit sie von der Wissenschaft der Glaubenslehre noch unterschieden ist, von Gott selbst hervorgebracht und mitgeteilet" (aaO S. 85). Oratio, meditatio und tentatio, die auch Baumgarten als Hallenser in den Prolegomena noch mit abhandelt, sind, wie er sagt, zwar von Luther und anderen „als die eigentlichen Hülfsmittel der Theologie bestimmt worden, so aber eigentlich in Absicht der lebendigen Erkenntnis derselben zu verstehen ist" (ebd). Die Theologie wird zwar durch diese befördert, ist aber auch ohne sie möglich: „Es kann eine theologische Wissenschaft auch ohne lebendige Erkenntnis derselben erhalten werden und stattfinden, auch ihre erweisliche Richtigkeit behalten, wenn sie gleich ihre Brauchbarkeit in Absicht der heilsamen Wirkungen nicht mit sich führet" (aaO S. 84). Hier ist Speners Calixt entgegenlaufende Intention, Theologie und Glaube eng zusammenzusehen (s. Wallmann: Der Theologiebegriff . . . , S. 118), nur noch sehr äußerlich gewahrt, das Weiterschreiten Semlers aber begünstigt.

Der biographische Hintergrund

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kenntnis 1 9 3 bestritten und vor allem jede Prärogative der ersteren vor der letzteren abgewiesen wird 1 9 4 . Kaum denkbar aber ist, daß er — wie zunehmend Semler — von der Theologie eine inhaltlich weitgehend unabhängige und zu ihr auch in möglichem Widerspruch stehende Privatreligion abzusetzen versuchte. Semler hat denn auch sonst an diesem Punkte sich immer wieder von Baumgartens Theologiebegriff abgesetzt und die Anregungen für seinen Theologiebegriff eher direkt bei Calixt und anderswo gesucht und gefunden 1 9 5 . Aber bemerkenswert genug ist es, daß Semler sich in dieser für ihn wesentlichen Frage auf einem Weg sah, den er als eine konsequente Weiterentwicklung von Intentionen Baumgartens verstand 196 . Jedenfalls hat Baumgarten sich hier ebensowenig wie wohl auch sonst seinem Schüler Semler in den Weg gestellt. Er hat ihn zwar kurz vor seinem Tode anläßlich der ersten freimütigen Veröffentlichungen vor Widersachern gewarnt und ihm Vorsicht angeraten 197 , ihm aber doch freie Hand gelassen. Semler schreibt selbst: „Einmal redeten wir ganz ausdrücklich von der schlechten theologischen Beweisart, und daß man zu viel zusammen behalten wollte, dessen Verteidigung eben nicht merklich geraten wolle; und er gab zu erkennen, daß ich es auf meine Gefahr wagen könnte, dem Strom eine andere Richtung zu geben; er wisse, daß ich Gott fürchte und nichts aus Leichtsinn oder unwürdigen Absichten tun würde" 1 9 8 . Diese Haltung Baumgartens hat dazu beigetragen, daß sich eine eigentliche dogmatische Schule bei ihm nicht bildete. So viel seine Schüler von ihm lernten, sie gingen bald ihre eigenen Wege, dabei manche eher rückwärts und manche in die theologische Zukunft. Niemand von ihnen konnte Baumgarten ganz für sich reklamieren. Aber sicher ist auch, daß eben wegen dieser prinzipiellen Offenheit seiner Schule seine eigene Position nicht als eine ganz unbewegliche angesehen werden kann. Darum hat die sich weiterentwickelnde Auf-

193 Daß Baumgarten den Begriff Religion hier gebraucht hat, erscheint fraglich. Wir haben ja nur den sehr viel späteren Bericht Semlers. Baumgarten sagt sonst „heilsame Erkenntnis" (s. vor. Anm.) o. dgl. 1 . 4 S.o. Anm. 188, Punkt 3. 1 . 5 Vgl. nur die Stellen aus seiner Lebensbeschreibung I, 1781, S. 96. 181. 257f.; II, 1782, S. 224ff. 240f. 249ff. L. Zscharnack scheint aber die Originalität Semlers etwas zu unterschätzen und jene Stelle in der Lebensbeschreibung überzuinterpretieren, wenn er meint, Semler sei in dieser Frage „im Grunde nicht hinausgeschritten über seinen Lehrer Baumgarten" (Lessing und Semler, S. 282). 197 Ein strenges Schulhaupt ist Baumgarten aber nicht gewesen. Irreführend schreibt J . G. Eichhorn über Semler: „ . . . er wurde stark bewacht. Baumgarten, der schon frühe Semlers Freimütigkeit gewittert hatte, lauerte ihm auf jedes Wort und flöß häufig über in Ermahnungen, kein Abtrünniger seiner Schule zu werden" (Johann Salomo Semler. In: Allg. Bibliothek d. bibl. Litteratur V, 1793, S. 23f.), s. dazu richtigstellend P. Gastroui: Johann Salomo Semler, S. 47. , 9 " Lebensbeschreibung I, 1781, S. 222.

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I. Baumgartens theologiegeschichtlicher Ort

klärungstheologie doch wohl das größere Recht, sich auf Baumgarten zu berufen. Darauf deutet auch schon der Umstand, daß er zu seinem engsten und am meisten geförderten Schüler und zuletzt Freund und Verwalter seines Erbes 199 nicht eine Gestalt wie J . M. Goeze, sondern eben J . S. Semler gemacht hat.

199 Das gilt auch in ganz äußerlichem Sinne. Semler wurde Vormund von Baumgartens Kin' dem und verwaltete den literarischen Nachlaß und die Bibliothek.

II. Pietismus und Wolffianismus in Baumgartens theologischem Ansatz 1. Das Erbe des Hallischen

Pietismus

Der Versuch, den Beitrag Baumgartens zur Entstehung des Neuprotestantismus namhaft zu machen, stößt angesichts der bedächtigen und das Alte bewahrenden Art dieses Theologen auf beträchtliche Schwierigkeiten. Schon der Emanzipation seiner Schüler und der Klärung seines Bildes in der Nachwelt stand der bei aller Offenheit doch durchgehend konservative Charakter seiner theologischen Lehre hinderlich im Wege. Daß Baumgartens Theologie dem nachgeborenen Betrachter fremd erschien und erscheint, liegt nämlich nicht allein an ihrer Methode, sondern auch an ihren materialen Positionen. In seiner Systematik sind der Hallische Pietismus und die Wölfische Philosophie eine eigentümliche Verbindung eingegangen, die sie von anderen gleichzeitigen Entwürfen durchaus unterscheidet. Aber auch wer sich nicht von ihrer äußeren Gestalt, die bald als Inbegriff des Zopfigen angesehen wurde, abschrecken läßt, wird auf der Suche nach mutigen Neuansätzen bei wichtigen Lehrpunkten von dem durchgehend altgläubigen Gepräge des Ganzen enttäuscht sein. Da Baumgartens Systematik aber deswegen bald der Vergessenheit anheimfiel und auch nicht indirekt in einer sie weiterführenden Schule die nachfolgende Theologie bestimmt hat, ja sogar auch, wie noch zu zeigen, schon bei Baumgarten selbst im Laufe seines Lebens aus dem Zentrum des Interesses herausgetreten ist, möchte es angeraten erscheinen, sie als ein folgenloses theologiegeschichtliches Zwischenspiel auf sich beruhen zu lassen und sich stattdessen sogleich dem bei Baumgarten zuzuwenden, was die Entwicklung vielleicht wirksamer vorangetrieben hat. Dennoch ist es zuvor notwendig, den Hintergrund ins Auge zu fassen, von dem sich die dann weiterführende Denkbemühung Baumgartens abhebt. Der erste Faktor in Baumgartens theologischem Ansatz ist der Hallische Pietismus, bei dem er seinen Ausgang nahm. Dies verdient hervorgehoben zu werden, weil — wohl z.T. als Folge der Darstellung von Ritsehl — immer noch wieder, etwa bei Barth, dem pietistischen Element in Baumgarten keine oder, wie selbst bei Hirsch, noch nicht die richtige Beachtung geschenkt worden ist 1 . Für ein

1

Vgl. o. S. 25f. u. u. Anm. 27 u. 207. F. W. Kantzenbach

(Protestantisches Christen-

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II. Pietismus und Wolffianismus im theologischen Ansatz

starkes pietistisches Moment bei Baumgarten spricht aber sowohl die Konstanz seines Frömmigkeitsideals als auch die Gestalt seiner Theologie. Wenn Baumgarten das pietistische Erbe auch in bestimmter Weise umgeformt hat, so blieb es doch stets ihm präsent. Zunächst einmal ist es unwahrscheinlich, daß Baumgarten aus anfänglich frommer Devotion mit einem jähen Sturz in relgiöse Fühllosigkeit gefallen wäre 2 . Vielmehr hat er — wohl weniger gegen die maßvolle Frömmigkeit seiner eigenen Jugend als gegen bestimmte Erscheinungen von geistlicher Überspanntheit um ihn herum — mit der Zeit hier eine gewisse Zurückhaltung geübt. Dies war auch rein äußerlich unvermeidbar, j e stärker Baumgarten von seinen wissenschaftlichen Aufgaben beansprucht wurde und mit seinen Kräften haushalten mußte. Und j e deutlicher dies in Erscheinung trat, desto ängstlicher und hektischer gaben sich andere nun vermehrten und intensivierten Andachtsübungen hin 3 . Demgegenüber aber mußte Baumgartens Konzentration auf seine wissenschaftliche Sache wie ein Abfall von der Frömmigkeit erscheinen. Daß der neu immatrikulierte Semler im Winter 1743/44 von bestimmter Seite zu hören bekommt, Baumgarten habe erst seit kurzem den „geistlichen S a f t " und die „Nahrung der Andacht" eingebüßt 4 , besagt darum wohl mehr über die extremen Forderungen und die religiöse Introvertiertheit der Gruppen, mit denen Semler damals in Berührung kam, als über Baumgartens wirkliche Haltung. Dieser nämlich hält die geistliche Erbauung seiner selbst und anderer nach wie vor für die zentrale und nötigste Aufgabe eines Christen, nur warnt er jetzt öfters vor einer Überbetonung ihrer — berechtigten — Gefühlsseite 5 und besteht auf dem Erweis ih-

tum im Zeitalter der Aufklärung, S. 1 7 0 ) behauptet — Ritschis Urteil noch zuspitzend — sogar, daß Baumgarten „die pietistischen Besonderheiten samt und sonders abstreifte". 2 So W. Kawerau (Culturbilder . . . II Aus Halles Litteraturleben, S. 1 6 7 ) : „Wie eine Ernüchterung kommt es plötzlich über ihn, es ist, als sei seine religiöse Temperatur jählings abgekühlt, als sei durch das Streben nach logischer Schematisierung jedes warme Gefühl in ihm erstickt worden." Vgl. Α. H. Niemeyer: Die Universität Halle . . . , S. L X X I I . J . S. Semler: Lebensbeschreibung I, 1 7 8 1 , S. 7 6 ; II, 1 7 8 2 , S. 3f. 5 Vgl. Vorrede zu J . F. Starck: Morgen- und Abend-Andachten . . . ( 1 7 4 4 ) , zit. nach 3. Aufl. 1 7 5 5 , Bl. b 3 r - b 3 v : „Die Beurteilung der jedesmaligen Erbauung und der Richtigkeit so wohl als verschiedenen Stufen der Güte derselben muß mehr aus dem Erfolg und Einfluß in die ganze Gemütsverfassung, auch derselben herrschenden festen und dauerhaften Beschaffenheit, als aus einer gegenwärtigen Empfindung hergenommen werden. Die größte Heftigkeit einer fliegenden Hitze und aufgebrachten Sinnlichkeit kann ohne die geringste Besserung des Gemüts vorüber gehen, ja zur Verschlimmerung desselben gereichen, sonderlich wann dadurch das ganze Christentum in eine Leidenschaft oder Traum verwandelt wird. Es kann ein Mensch viel gute Einsichten und Gemütsbewegungen haben, ohne daß eine überwiegende und zusammenhängende richtige Gemütsverfassung erfolge." Baumgarten hat hier wohl besonders die empfindsame Frömmigkeit hermhutischer Art im Auge, wie sie auch in Halle eindrang (Vgl. Geschichte der Religionspartheyen, S. 1 1 3 6 und J . S. Semler I, S. 78f.). 3 4

Das Erbe des Hallischen Pietismus

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rer E c h t h e i t durch gesellschaftliche Fruchtbarkeit 6 . A u c h hat Baumgarten sich n o c h später stets voll zu seinen frühen A s c e t i c a b e k a n n t 7 . D e m e n t s p r e c h e n d wird m a n auch n i c h t o h n e weiteres sagen k ö n n e n , daß Baumgarten aus seiner T h e o l o g i e die pietistischen E l e m e n t e ausgeschieden habe. Sie verbinden sich vielmehr in seinem D e n k e n m i t anderen Einflüssen in positiver Weise. Darauf hin d e u t e t s c h o n seine d e m Pietismus g e m ä ß e intensive Hinwendung zur B i b e l 8 oder auch eine gewisse ü b e r k o m m e n e Strenge in e t h i s c h e n Frag e n 9 . Die pietistischen G r u n d p r o b l e m e b e s t i m m e n trotz m a n c h e r Modifikation e n w e i t e r h i n die w e s e n t l i c h e n Fragestellungen u n d auch die Lehrgestalt seiner t h e o l o g i s c h e n S y s t e m a t i k . Es k o m m t bei alledem freilich darauf an, w a s m a n hier unter „Pietismus" z u verstehen hat. Was der Pietismus nach seinem Ur6

„Die Erbauung seiner selbst und anderer ist zwar eine allgemeine Obliegenheit, ja das allernötigste und beständige Geschäfte eines Christen, so das einige Notwendige ausmacht, Luk. 10,42; kann aber niemals jemand von der Verbindlichkeit zu andern Obliegenheiten, weder allgemeiner noch besonderer gesellschaftlichen Pflichten losmachen oder zu derselben Übertretung berechtigen: indem sie sich vielmehr auf den ganzen Umfang aller Pflichten erstreckt und nicht nur derselben Beobachtung erfordert, möglich macht und erleichtert, sondern auch nur so fern echt und richtig ist, als solches geschiehet" (Baumgartens Vorrede zu J . F. Starck, s. vor. Anm., Bl. b4r). ' Dies tat er nicht nur durch Genehmigung und Förderung ihrer Edition, sondern auch durch Empfehlung ihres geistlichen Gebrauchs unter Gebet und Meditation, entsprechend ihrer Entstehung. So z. B. in der Vorrede zu: Auslegung und Anwendung einiger Psalmen, 1751, Bl. 5r: „Wie ich mir bei der eigenen Vorbereitung angelegen sein lassen, diese vorgenommene Psalme aufs pflichtmäßigste zu nutzen und aufs vorteilhafteste zu genießen, folglich über den Inhalt derselben in eine demselben gemäße und dadurch gewirkte Unterhandlung mit Gott zu treten: so habe mich auch bei dem Vortrage selbst die Empfindungen und Bewegungen des Herzens so wohl als die Einsichten des Verstandes auszudrucken beflissen, ohne die erstem weder durch übertriebene Sorgfalt einer kunstmäßigen Vorstellung der letzern zu unterdrucken, noch auch durch Beiseitsetzung derselben ausschweifen zu lassen." 8 J . G. Kirchner ( i n j . S. Semler: Ehrengedächtnis . . . , 1758, S. 68, 2. Zählung, Anm. 1) überliefert: „Der sei. Mann ließ sich mehrmals vernehmen: Die Forschung und Übung in der heiligen Schrift ist mein eigentlicher Beruf." In der Dogmatik wirkt sich diese Einstellung so aus, daß er nicht bloß dicta probantia zitiert, sondern bei jedem Artikel die sedes gründlich untersucht und in ihrem Kontext auslegt. Er schreibt: „Zu dieser Herleitung derselben (seil, der geoffenbarten Wahrheiten) aus der heiligen Schrift wird eine Untersuchung und gehöriger Beweis der richtigen Auslegung derselben erfordert; daß also keine bloße Anführung von Schriftstellen oder Häufung solcher namhaft gemachten Zeugnisse dazu hinreichet, sondern in allen zweifelhaften Fällen eine Untersuchung des Verstandes derselben nötig ist" (Glaubenslehre I, S. 30; vgl. auch Ausführlicher Vortrag der Biblischen Hermeneutic, S. 304. 497). In seinem letzten Lebensjahr wünscht er in der Vorrede zu seiner Auslegung des Propheten Joels, 1756, bekümmert: „Gott lasse diese und alle ähnliche Arbeiten zur Ausbreitung der gegründeten und richtigen Auslegung der heiligen Schrift, die anjetzt selbst unter Predigern und Gottesgelehrten seltener und unbekannter zu werden anfänget, als sie sonst gewesen, gesegnet werden" (S. 4 nicht pag.). * Vgl. dazu seine Stellungnahmen zur Frage der Sündlichkeit von Spielen und Tanzen (Theologische Bedencken I, 1742, S. 249ff.; V, 1747, S. 145ff.; VII, 1750, S. lOlff.). Es ist freilich zu beachten, daß diese Gutachten alle aus Baumgartens Frühzeit stammen.

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II. Pietismus und Wolffianismus im theologischen Ansatz

sprung und seinem Wesen als Gesamterscheinung ist, also ob ein spiritualistisch geprägtes Wiedergeburtsdenken im Zentrum steht oder eine Verlebendigung des reformatorischen Rechtfertigungsgedankens oder gar ein Drittes, darüber gehen die Meinungen in der Forschung noch weit auseinander 10 . Man muß sogar damit rechnen, daß es für das spätere Stadium, um das es hier in Halle bei Baumgarten geht, noch schwieriger ist, das typisch Pietistische namhaft zu machen, weil sich die verschiedenen Momente inzwischen stark miteinander verschmolzen haben und auch eine Angleichung an die Orthodoxie stattgefunden hat. Als theologische Größe ist ja auch der Hallische Pietismus, sowohl der der ersten als auch der der zweiten Generation, noch kaum erforscht. Alles spricht für E. Hirschs Feststellung: „Baumgarten ist schon ein Glied der Generation, für die der Gegensatz von Pietismus und Orthodoxie etwas Vergangnes ist" 11 . Wenn über all dies mehr Klarheit bestünde, könnte sich herausstellen, daß vieles von dem, was A. Ritsehl bei Baumgarten als Abweichung vom Pietismus überhaupt und Rückwendung zur Orthodoxie angesprochen hat 1 2 , dennoch im Rahmen der hallischen Richtung des Pietismus seiner Zeit verbleibt. Deutlich ist dies, daß in Halle nicht erst Baumgarten sich um eine rechtgläubige Linie der Pietät bemühte 1 3 , ohne daß deswegen das für den Hallischen Pietismus bezeichnende Ziel eines durch lebendigen Glauben tätigen Christentums mit der Voraussetzung einer wahren Bekehrung aufgegeben wurde 14 . Die theologischen Fragen, die sich mit der Lehre von der Heilsaneignung verbinden, fanden im Pietismus besondere Aufmerksamkeit. Auch für Baumgarten ist festzustellen, daß er sie sehr ernst genommen hat. Es kann keine Rede davon sein, daß bei ihm, wie A. Ritsehl meint, die Behandlung der Lehre von der Heilsordnung wieder zurückgetreten sei 15 . Baumgarten hat vielmehr nur auch den anderen Gegenständen der Dogmatik wieder größere Aufmerksamkeit zukommen lassen. Doch die dominierende Rolle des ordo salutis als Lehre vom status gratiae des Menschen ist nicht zu übersehen 16 . Diese Lehre, so erklärt Baumgarten, „fasset die ganze Heilsordnung in sich: daher in der geoffenbarten Glaubenslehre am weitläufigsten und ausführlichsten davon gehandelt werden muß" 1 7 . Und dies geschieht dann auch nicht nur an einem Orte, sondern in 10

Dazu s. J. Wallmann: Pietismus und Orthodoxie. E. Hirsch: Geschichte . . . II, S. 373. 13 13 S. o. S. 25. Vgl. E. Hirsch aaO S. 186f. 14 Vgl. aaO S. 157ff. 189f. Baumgarten hebt die Notwendigkeit einer Bekehrung häufig hervor, besonders: Ausführliche Moral, S. 314ff.; Untersuchung Theologischer Streitigkeiten II, S. 653ff. 15 Geschichte des Pietismus II, S. 562. 16 E. Hirsch weist auf „die unverhältnismäßig breite Ausführung aller zur Lehre von der persönlichen Heilsaneignung in Beziehung stehenden Stücke" hin (aaO S. 372). " Glaubenslehre II, S. 675. Neben einem weiteren Begriff von „Heilsordnung", der promiscue mit „Glaubenslehre" oder „geoffenbarte Glaubenslehre" gebraucht wird (z. B. aaO I, S. 21. 40ff.), verwendet Baumgarten hier den engeren Begriff der „eigentlichen Heilsordnung" (aaO II, S. 675 Anm.). 11

Das Erbe des Hallischen Pietismus

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doppelter Entfaltung, einmal unter dem Gesichtspunkt der göttlichen Wohltaten (Berufung, Erleuchtung, Wiedergeburt, Rechtfertigung, geistliche Vereinigung, Erneuerung oder Heiligung)18 und später unter dem Aspekt der beim Menschen vor sich gehenden Veränderungen (Buße und Bekehrung, Glaube, gute Werke, Kreuz, Gebet) 1 9 . Auch werden die Hauptbestandteile des ordo salutis noch einmal in der theologischen Ethik in breitangelegten Kapiteln über die Sinnesänderung und die Vereinigung mit Gott und an anderen Stellen entfaltet 20 . Auch in den Einzelheiten ist das hallische Erbe nicht zu übersehen. So ist es keine Baumgartensche Besonderheit 21 , im ordo salutis die Erleuchtung des Verstandes wieder vor die Wiedergeburt zu stellen 22 . Das taten schon vor ihm eindeutig pietistische Hallenser wie J . A. Freylinghausen in seiner „Grundlegung" 23 , Baumgartens Vorlage, und auch J . J . Breithaupt in seiner Dogmatik 24 , ja selbst bei J . Lange, bei dem die ¡Iluminado mit der Bekehrung zusammen abgehandelt wird, ist sie prinzipiell nicht Folge, sondern modus conversionis 25 . Und die nicht von Baumgarten verfaßte, aber unter ihm gehaltene Disputation de conversione non instantanea 26 kann nicht als eine dramatische Lossagung „von dem Hauptzuge der Halle'schen Theologie" 27 verstanden werden, sondern wie auch die entsprechenden Ausführungen in Baumgartens Dogmatik und Ethik als ein Versuch, die „mannigfaltige Verschiedenheit" 28 der Umstände einer jeden Bekehrung theologisch zu erfassen. Durch die sukzessive auf Verstand und Willen wirkende Kraft des Wortes Gottes wird bei der Bekehrung ein übernatürlicher habitus im Menschen angerichtet 29 , welcher aber „der natürlichen psychologischen Beschaffenheit des Menschen allezeit gemäß ist" 3 0 . Deswegen ist die Änderung, die mit dem Menschen vor sich geht, nicht als prinzipiell punktuelles Ereignis zu verstehen, sondern an einen Zeitablauf gebunden, und sei dieser noch so sehr auf einen Moment zusammengedrängt31. Eine ähnliche, wenn auch weniger klar ausgeführte Vorstellung von der Sache findet sich schon bei J . J . Breithaupt 32 . Glaubenslehre II, S. 6 7 5 - 9 1 6 . " AaO III, S. 3 9 5 - 5 5 9 . Ausführliche Moral, S. 3 1 4 - 3 7 2 . 1 4 8 3 - 1 5 1 6 . ' 21 Gegen A. Ritsehl: Geschichte . . . II, S. 562. 22 Glaubenslehre II, S. 712ff. 2 3 J . A. Freylinghausen: Grundlegung der Theologie, 6. Aufl., 1721, S. 162ff. 24 J . J . Breithaupt: Institutiones Theologicae, 2. Aufl., 1732, II, S. 57ff. 25 J . Lange: Oeconomia salutis, 1728, Membrum VII, Sectio II. 2 6 S. o. S. 20 Anm. 31. 27 So A. Ritsehl: Geschichte . . . II, S. 569. Ähnlich jetzt wieder J . Baur: Salus Christiana I, S. 122. 29 Glaubenslehre II, S. 770ff.; III, S. 414ff. " Ausführliche Moral, S. 355ff. 3 0 Ausführliche Moral, S. 3 4 5 ; vgl. Untersuchung Theologischer Streitigkeiten II, S. 664f. 31 Glaubenslehre II, S. 733 Anm.: „Doch kann solches sehr schnell zugehen, so daß der Mensch nicht eigentlich die Folge merkt, ohne daß es deswegen ein habitus infusus werde"; so auch aaO III, S. 417. 18

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32 J- J . Breithaupt: Institutiones Theologicae, 2. Aufl., 1732, II, S. 47, 55. 103f. Auf dessen Auffassung von der prinzipiell sukzessiven Bekehrung beruft sich auch G. A. Francke in sei-

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II. Pietismus und Wolffianismus im theologischen Ansatz

Z w e i f e l l o s hat auch die Forderung, sich seiner Bekehrung nach ihrem zeitlichen Terminus b e w u ß t zu sein, b e i Α . H. F r a n c k e 3 3 u n d auch sonst in Halle eine wichtige Rolle gespielt, d o c h stellen sich die lehrmäßigen Ä u ß e r u n g e n darüber nicht erst bei B a u m g a r t e n 3 4 , sondern auch s c h o n bei anderen T h e o l o g e n , ζ. B. J. Lange, vorsichtiger dar 3 5 , o h n e daß m a n d e s w e g e n im geringsten v o n d e m Regelfall einer b e w u ß t e n Bekehrung abging. Unabhängig v o n der Frage nach der Sukzessivität u n d genauen zeitlichen Fixierbarkeit der B e k e h r u n g 3 6 hat sie für Baumgarten e b e n s o w i e für die anderen hallischen T h e o l o g e n prinizipiell einen klar erkennbaren terminus a q u o u n d ad q u e m . „ E b e n daher ist begreiflich, daß ein Mensch sich dieser Veränderung b e w u ß t sein k ö n n e u n d müsse, weil, j e verschiedener die e x t r e m a bei einer vorgegangenen Veränderung sind, d e s t o merklicher dieselbe bewerkstelligt w e r d e n m u ß " 3 7 . S o schildert Baumgarten d e n Vorgang der Bekehrung auch als Erlebnis m i t allen s c h m e r z e n d e n u n d beseligenden D e t a i l s 3 8 . D a ß er dabei den Ausdruck „ B u ß k a m p f " nicht gebraucht, besagt w e n i g 3 9 . Er f i n d e t sich s c h o n bei Freylinghausen, dessen Lehrb u c h Baumgarten als Vorlage b e n u t z t e , n i c h t m e h r , u n d auch bei Lange spielt er keine R o l l e 4 0 . Die Sache aber ist bei allen hallischen T h e o l o g e n der damaligen nem von Ritsehl irrtümlich Baumgarten zugeschriebenen Gutachten in Baumgartens Samlung einiger Bedenken der theologischen Facultät zu Halle IV, 1751, S. 386f. 33 Vgl. E. Peschke: Studien zur Theologie August Hermann Franckes I, S. 61 f. 34 Untersuchung Theologischer Streitigkeiten II, S. 668f. 35 Vgl. P. Gennrich: Die Lehre von der Wiedergeburt, S. 176f. Interessant ist, wie Baumgarten Breithaupt biographisch einschätzt. In seinem Leichenprogramm (Memoriae incomparabilis theologi . . . Breithaupti . . 1 7 3 6 , abgedruckt in: Opuscula I, 1740, S. 1—50) vergleicht er Breithaupt durchgehend mit dem Kirchenvater Augustinus, ja er stellt ihn als eine begnadete Ausnahme sogar höher als Augustin, weil Breithaupts ganzes Leben ein stetiges Leben aus der Taufgnade und im lebendigen Glauben war, ohne abrupte Wendung wie bei Augustin (aaO S. 43f.). Vgl. über den ähnlichen Sachverhalt bei Spener: J . Wallmann: Philipp Jakob Spener . . . , S. 88f. 36 Daß Baumgarten mit der Disputation von 1743 nicht seine frühere Meinung grundsätzlich geändert hat, zeigt auch ein Blick auf die nachschriftlich überlieferten Ascetica seiner Frühzeit. Z.B. widmete er die zweite Pfingstbetrachtung vom 30. 5. 1735 über Jes. 59, 19— 21 (Festbetrachtungen, 1741, S. 56—101) ganz der Bekehrungsfrage. Darin dringt er bei seinen Zuhörern nicht nur auf die grundlegende Sinnesänderung, sondern auch auf ihre Fortsetzung im Kampf des Glaubens gegen die Sünde (bes. S. 75ff.). Im Schlußgebet heißt es: „Nun bessere uns von Grund aus, bekehre uns, ach Gott! ändere uns an Herz, Sinn, Mut und allen Kräften . . ." (S. 101), aber eben auch: „Nun wir öffnen unsern Mund und Herz vor dir. Maß, Ziel und Zeit können wir dir nicht vorschreiben . . . " (S. 100). 37 Glaubenslehre III, S. 415. 38 AaO S. 419ff.; Ausführliche Moral, S. 325ff. 39 A. Ritschis Behauptung, Baumgartens Vermeidung des Begriffs „Bußkampf" stelle wegen der angeblich mildernden Art seiner Ausführungen über den Haß gegen die Sünde auch eine Veränderung in der Sache dar (Geschichte . . . II, S. 563f.), überzeugt keineswegs. Daß man nämlich in Halle sonst stets darüber hinausgehend einen ausgesprochenen Selbsthaß des zu Bekehrenden gefordert habe, wird schwer zu beweisen sein, nicht einmal durch Ritschis eigene Erörterung des Sachverhalts bei A. H. Francke (aaO S. 250f. 257ff.). 40 Vgl. R. Dannenbaum: Joachim Lange als Wortführer . . . , S. 184.

Das Erbe des Hallischen Pietismus

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Zeit eindeutig vorhanden, wobei freilich die Suche nach einer Lehrabweichung von dem orthodoxen Luthertum wenig sinnvoll erscheint. Denn der erste Kampf zwischen dem Alten und dem Neuen Menschen wird nirgends ganz isoliert für sich betrachtet und kann nicht als ein für allemal abgeschlossen angesehen werden. Er findet im Leben des Christen seine Fortsetzung und wird mit dem immerwährenden „Glaubenskampf" in der Heiligung, das heißt in der täglichen Buße, prinzipiell auf eine Stufe gestellt 41 . Schließlich werden bei Baumgarten auch die vergewissernden Kennzeichen und Merkmale der geistlichen Sinnesänderung nicht übergangen, sondern ausführlich beschrieben 42 . Ähnliches ist auch über das im Pietismus wichtige Lehrstück von der unio mystica zu sagen, mit der es aber, wie noch zu zeigen sein wird, eine besondere Bewandtnis hat. Deutlich ist schon hier, daß Baumgarten fest auf dem Boden des in Halle herrschenden Pietismus steht, indem er nicht nur bei den Einzelpositionen des ordo salutis mit der dort üblichen Lehre übereinstimmt, sondern auch den Gesamtkomplex der zur Heilsaneignung gehörigen Artikel als das Herzstück seiner Glaubenslehre mit besonderer Aufmerksamkeit entfaltet 43 , ohne dabei von der orthodoxen Lehre abzuweichen. Überdies hängt er an jeden einzelnen Artikel der Dogmatik eine oft recht ausführliche doppelte praktische Anwendung an: „Pflichten", die sich aus der betreffenden Lehre ergeben, und „Trostgründe", die sich aus ihr herleiten. Dies Verfahren macht zwar allein noch kei-

41

Glaubenslehre II, S. 880f. 903; III, S. 464; Ausführliche Moral, S. 362f. 365 (hier erinnert Baumgarten ausdrücklich an Luthers erste Ablaßthese). 384ff. 424ff. Mit G. A. Franckes Gutachten „Von Erbauungsstunden und dem Bußkampf" (s. bei A. Ritsehl: Geschichte . . . I I , S. 563, zu Fundort und Verfasserfrage s. o. S. 20 Anm. 31), in dem sowohl der „Bußkampf" bei der ersten Bekehrung als in der Regel unausweichlich bezeichnet (S. 358) als auch ein prinzipieller Unterschied zum „Glaubenskampf" abgelehnt wird, stimmt Baumgarten also überein. Wenn damit der Anfang vom Ende des hallischen Bekehrungsverständnisses eingeleitet worden sein soll (so Ritsehl aaO), dann trifft die Verantwortung dafür Baumgarten nur in zweiter Linie. Es ist aber zu fragen, ob mit solcher Aufrechnung von Lehraussagen in dieser Sache die hallische Eigenart, ihr Entstehen und ihr Absterben, überhaupt zu fassen sind. Handelt es sich doch in Halle von Anfang an weniger um Lehrabweichungen gegenüber der Orthodoxie als um eine neue Praxis (vgl. E. Hirsch: Geschichte . . . II, S. 157ff.; J . Wallmann: Spener und Dilfeld, S. 232, Anm. 90). 41 A. Ritschis Behauptung, Baumgarten zeige daran „kein Interesse mehr" (Geschichte . . . II, S. 564), ist unrichtig. Nicht nur erwähnt er in der Pneumatologie die Versiegelung (Glaubenslehre II, S. 370. 387), sondern entfaltet auch stufenweise die versichernden Kennzeichen der Erleuchtung (aaO S. 741ff.), der Wiedergeburt (aaO S. 782f.), der Rechtfertigung (aaO S. 829ff. 836f.) und auch der Bekehrung (III, S. 428f.), jeweils mit gegenseitiger Verweisung und Ergänzung. 43 S. o. Anm. 16 und Glaubenslehre II, S. 676: „Ohne deutliche und ausfuhrliche Erkenntnis der zu diesem Stande der Gnade gehörigen besondern Stücke und einzeln Veränderungen können wir weder dieselben gewahr werden oder ihre Gegenwart erkennen und beurteilen, noch auch einen Genuß derselben erwarten und sie nach Maßgebung und Vorschrift der göttlichen Heilsordnung beobachten."

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II. Pietismus und Wolffianismus im theologischen Ansatz

nen pietistischen Theologen 4 4 , ein solcher ist aber ohne diese Anwendungen zumal in Halle nicht denkbar, und ein solcher wollte Baumgarten durchaus sein 4 5 .

2. Der Einfluß

Wolffs

Es gibt nun aber doch einen bemerkenswerten Unterschied zwischen Baumgartens Systematik, wie sie vor allem in den nach seinem Tode herausgegebenen Vorlesungen uns vorliegt, und den vergleichbaren Arbeiten der anderen Hallenser vor ihm. Das Bestreben, einer gemäßigten Rechtgläubigkeit zugleich mit dem gedanklichen Niederschlag der pietistischen Religiosität lehrmäßigen Ausdruck zu verleihen, verbindet sie. Aber das Ergebnis etwa bei Breithaupt und Lange war entsprechend der dienend zurücktretenden Aufgabe der systematischen Theologie eine vereinfachte Form der herkömmlichen Dogmatik, die man eine „summarische Orthodoxie" genannt hat 46 . Entweder ging hierbei durch nur noch eklektischen Gebrauch von Elementen der scholastischen Methode — so bei Breithaupt — die rationale Stringenz verloren 47 . Oder aber der wagemutige Versuch eines selbständigen Aufbaus der Dogmatik als reiner Heilslehre auf dem dunklen Hintergrunde sündhafter Verfinsterung des Menschen — so bei Lange — führte wegen der völligen Disqualifizierung der natürlichen Vernunft und des darauf beruhenden Mangels an Weltbezug in wissenschaftliche Isolierung 48 .

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Auch bei Orthodoxen wie Johann Gerhard und Abraham Calov finden sich die beigefügten Erörterungen de usu huius doctrinae. Der Sachverhalt darf also bei der Frage nach Baumgartens Pietismus nicht isoliert betrachtet und überbewertet werden (so ζ. B. bei F. Bosse: Art. Baumgarten. In RE, 3. Aufl., Bd. 2, S. 465, Z. 44ff.). Ursprünglich gliederte Baumgarten die Anwendungen nach vier Gesichtspunkten (1. usus didascalicus, 2. usus epanorthoticus, 3. usus paedeuticus, 4. usus paracleticus), so in der frühen Zusammenstellung: Glaubenslehre III, S. 808ff.; später vereinfachte er nach dem Vorbild von Freylinghausens Grundlegung und faßte alles unter „Pflichten" und „Trostgründe" zusammen. 45 Dazu bekannte er sich ausdrücklich bei seiner Auseinandersetzung mit Lange im Jahre 1736 (s. o. S. 45 Anm. 142). Bei Antritt seines Ordinariats hatte er in seiner Abschiedspredigt vom 20. 6. 1734 in der Marktkirche seiner Gemeinde versichert: „Was meine Verrichtung anbelanget, so habe mir durch Gottes Gnade angelegen sein lassen, bei aller möglichen Gelegenheit öffentlich und besonders jedermann den Weg des Heils zu lehren. Und was den Hauptinhalt der Lehre selbst betrifft, so gibt mir mein Gewissen Zeugnis, daß ich die Buße zu Gott und den Glauben an den Herrn Jesum für die Hauptsache und die wesentlichen Stücke der Heilsordnung gehalten habe und noch halte" (Gehaltene Predigten II, 1757, S. 391). 46 Z. B. E. Hirsch: Geschichte der neuem evangelischen Theologie II, S. 186f. 41 Vgl. W. Gaß: Geschichte der Protestantischen Dogmatik II, S. 495. 4 " Die konsequente Durchführung des Heilsgedankens in J . Langes Oeconomia salutis von 1728 hätte bei R. Dannenbaum: Joachim Lange als Wortführer . . . mehr als nur eine Er-

Der Einfluß Wolffs

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Baumgarten hingegen nimmt die systematische Arbeit der Theologie wieder ganz ernst 4 9 . Er versucht, den gesamten überlieferten dogmatischen Stoff mit den modernsten ihm zur Verfügung stehenden Mitteln strenger Wissenschaft intensiv zu durchdringen. Diese für Halle neuartige Bemühung trat gleich am Anfang seiner Lehrtätigkeit zutage, führte ihm die Menge der Hörer zu und erweckte das Mißtrauen der Kollegen. Hierbei bediente sich Baumgarten weitgehend der Philosophie Christian Wolffs. Zwar war er nicht unmittelbar dessen Schüler, wohl aber früh Zeuge der Auseinandersetzungen um Wolff und hatte sich allmählich dem Einfluß seiner Schriften geöffnet. Daß eine Einwirkung Wolffs auf Baumgartens Denken unübersehbar vorliegt, hat man stets anerkannt. Nur über ihr Ausmaß urteilte man zeitweise unterschiedlich 50 . Wo man vornehmlich die in der Tat bemerkenswerte Treue Baumgartens gegenüber den Inhalten des rechtgläubigen Dogmas zum Maßstab erhob, konnte man seinen Wolffianismus auf das Formale beschränkt sehen. Er besteht dann nur in einer äußerlichen Methode, durch die Baumgartens Theologie in den Stand gesetzt wurde, eine wenn auch nur vorübergehende Stabilisierung der traditionellen Lehre zu ermöglichen. Nun blieb es aber nicht bei dem formalen Gebrauch einer Methode. Zugleich mit ihr drangen wesentliche Gedanken der Wolffschen Metaphysik, die die Voraussetzung dieser Methode darstellt, in Baumgartens Systematik ein und bewirkten dort bestimmte innere Veränderungen. .Baumgarten wollte zweifellos durch die Errichtung eines solchen Lehrgebäudes die dogmatische Überlieferung bewahren und auf neue Weise befestigen. Solange die dabei zu Hilfe genommene Wölfische Philosophie als unüberwindlich angesehen wurde, konnte sie diese Funktion auch einigermaßen erfüllen und dennoch, wie noch zu sehen sein wird, zugleich die stille Umwandlung mancher theologischer Fragestellungen ansatzweise befördern. Sobald aber die Wölfische Philosophie nicht mehr für tragfähig angesehen-wurde — und das geschah bald, in der Theologie zugleich mit dem Durchbruch der Fragestellungen der historischen Kritik —, verloren auch Baumgartens systematische Arbeiten schnell an Uberzeugungskraft. Es dauerte nicht lange, bis ihre

wähnung verdient gehabt (S. 1 7 9 ) . Sie beruht auf den bereits religiös eingeschränkten philosophischen Grundsätzen seiner Medicina mentis von 1 7 0 4 (dazu M. Wundt: Die deutsche Schulphilosophie im Zeitalter der Aufklärung, S. 76—82). Nach Langes Oeconomia salutis las Baumgarten nur als Adjunkt die Dogmatik ( 1 7 3 2 — 1 7 3 4 , s. Theologische Lehrsätze, 1 7 4 7 , Vorrede Bl. a4r—a4v), nicht auch später noch (gegen A. Ritsehl: Geschichte des Pietismus II, S. 5 6 1 ) . So empfiehlt er am Ende seines Lebens mit Blick auf die sich ausbreitende Unkenntnis der orthodoxen Dogmatik dringend, man solle sowohl die christliche Glaubenslehre gründlicher lernen, „ohne sich mit einer natürlichen Gottesgelehrsamkeit und derselben biblischen Einkleidung oder gezeigten Übereinstimmung mit der heil. Schrift zu begnügen, als auch sich mehrerer Belesenheit in Lehrbüchern und ausgeführten Abhandlungen der ältern und neuern Gottesgelehrten zu befleißigen" (Nachr. merkw. Büch. 9, 1 7 5 6 , S. 5 3 4 ) . 49

50

S. o. S. 2 3 - 2 7 .

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II. Pietismus und Wolffianismus im theologischen Ansatz

speziell Wölfischen Elemente kein Interesse mehr erregten und Baumgartens Dogmatik als das benutzt wurde, was sie schließlich auch war, eine der letzten ausläuferhaften Gestaltungen der altprotestantischen Theologie 51 . Da der Einfluß der Wölfischen Philosophie auf Baumgartens Denken nach seiner formalen und materialen Seite von P. Knothe und E. Hirsch schon aufgewiesen worden ist, kann hier eine ergänzende Charakteristik genügen. Die Methode, deren sich Baumgarten weithin bedient, ist die neue Demonstrationsmethode Wolffs oder, wie sie auch genannt wurde, die mathematische oder geometrische Lehrart. Hierunter hat man nichts bloß Äußerliches zu verstehen, weder den speziell bei Baumgarten unübersehbaren Hang zum tabellarischen Disponieren 52 noch eine mechanische Nachahmung von Verfahren der Mathematik 53 . Vielmehr geht es um „das Innere" der mathematischen Denkweise 54 , um die rationale Deduktion. Ihre Merkmale sind nach Wolff: 1. Definition der Begriffe, 2. Beweis durch Schlüsse und 3. durchgehende Verknüpfung aller Sätze miteinander 55 . Jeder zu beweisende Satz wird durch Schlüsse auf andere Sätze, die schon bewiesen sind, zurückgeführt. Am Anfang stehen als unmittelbar gewisse Axiome der Metaphysik der Satz des Widerspruchs und das Prinzip des zureichenden Grundes 56 . Der höchste Grad wissenschaftlicher Deutlichkeit ist erreicht, wenn mit ihrer Hilfe jeder zu beweisende Satz auf Nominaldefinitionen und Identitätsurteile zurückgeführt worden ist 57 . Bei Wolff lief dieses Verfahren darauf hinaus, daß, wenn nicht jede Erweiterung der Erkenntnis unterbleiben sollte, gegen seine eigentliche Absicht doch immer wieder Rückgriffe auf die Empirie erforderlich waren 58 . 51

Als solche konnte sie jüngst noch benutzt werden von Ch. Olearius: Die Umbildung der altprotestantischen Urstandslehre durch die Aufklärungstheologie, S. 5—42. " S. o. S. 46 Anm. 144. 53 Davon hatte sich schon Wolff selbst früh freigemacht, s. M. Wundt: Die deutsche Schulphilosophie im Zeitalter der Aufklärung, S. 130f. 134f. 54 Chr. Wolff: Vernünfftige Gedancken von der Menschen Thun und Lassen, Vorrede zur 1. Aufl. 1720, abgedr. in 5. Aufl. 1736, Bl. ):( 6r. 55 „Wenn ich alles auf das genaueste überlege, was in der mathematischen Lehrart vorkommet, so finde ich diese drei Hauptstücke, 1. daß alle Wörter, dadurch die Sachen angedeutet werden, davon man etwas erweiset, durch deutliche und ausführliche Begriffe erkläret werden; 2. daß alle Sätze durch ordentlich an einander hangende Schlüsse erwiesen werden; 3. daß kein Fördersatz angenommen wird, der nicht vorher wäre ausgemacht worden, und solchergestalt die folgenden Sätze mit dem vorhergehenden verknüpft werden" (Chr. Wolff: Ausführliche Nachricht von seinen eigenen Schrifften . . . , (1726) 2. Aufl., 1733, § 25). 56 Die Metaphysik Wolffs ist unmittelbar auf seine Logik aufgebaut; vgl. E. Kohlmeyer: Kosmos und Kosmonomie bei Christian Wolff, S. 10—17. Kohlmeyer weist mit Recht darauf hin, daß der zureichende Grund im Sinne Wolffs nicht auf den Bereich der Kausalität beschränkt werden kann. Ratio (also nicht causa) sufficiens kann ζ. B. auch eine Zweckursache sein. 57 Chr. Wolff: Ausführliche Nachricht . . . , s. o. Anm. 10, § 26; vgl. E. Kohlmeyer aaO S. 17f. " Kohlmeyer aaO S. 12ff. 17ff.; Wolff unterscheidet noch nicht konsequent zwischen reiner und empirischer Erkenntnis, analytischen und synthetischen Urteilen.

Der Einfluß Wolffs

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Auf die Fortschritte, aber auch die Grenzen der Wölfischen Philosophie, die erst im Lichte der Kantschen Vernunftkritik voll sichtbar werden, kann hier nicht näher eingegangen werden. Wo Baumgarten als systematischer Theologe das Wölfische Demonstrationsverfahren strikt anwendet — das tut er durchaus nicht überall —, da hat er an ihnen teil. Auch er bedient sich einerseits des gegenüber der scholastischen Methode modernen rationalen Schlußverfahrens, andererseits aber auch vorgegebener, gefüllter Begriffe, meist in exegetischer Bemühung aus der Bibel entnommen. In der Dogmatik des 17. Jahrhunderts war man partikularmethodisch gewöhnlich so vorgegangen, daß man jeweils zunächst aus der Onomatologie eine Nominaldefinition erhob, dann die Sache selbst durch Erörterung ihrer Seinsbestimmungen nach den vier causae — efficiens, formalis, materialis, finalis — zu erfassen suchte und erst zum Schluß die daraus entwickelte Realdefinition brachte 59 . Baumgarten hingegen, wo er im Unterschied zu dieser scholastischen Methode eine dogmatische These rein demonstrativ oder, wie man sagte, „scientifisch" abhandelt — so bei dem Satz von der Gottheit Christi —, gewinnt aus dem vorangestellten „biblischen Beweis" 60 sogleich eine Reihe von „Hauptsätzen" 61 , die sich in einer endgültig definierenden „Erklärung" verdichten 62 . Diese stellt dann die näher eingeschränkte Behauptung — hier der Gottheit Christi — dar, wie sie im folgenden bewiesen werden soll. Der Beweis wird in diesem Falle gleich vierfach parallel zueinander geführt: aus Christt Würdenamen, den Eigenschaften, den Taten und den Ehrerweisungen. Der erste Syllogismus lautet: Obersatz: „Wem in der heiligen Schrift göttliche Benennungen . . . beigelegt werden, der muß wahrer Gott sein . . ," 6 3 ; Untersatz: „Es werden Christo in der heiligen Schrift göttliche Benennungen . . . beigelegt" 64 ; Schluß: „folglich muß der also benannte Christus notwendig wahrer Gott sein"65. Ähnlich verfahren die drei anderen Beweise: Wem in der heiligen Schrift göttliche Eigenschaften (Taten, Ehrerweisungen) beigelegt werden, der . . . usw. 66 . " S. B. Hägglund: Die heilige Schrift und ihre Deutung in der Theologie Johann Gerhards, S. 61—63. Interessant ist, wie Wolff die Realdefinitionen der Orthodoxie als nicht wissenschaftlich verwendbar, vielmehr als reine Gedächtnisformulierungen betrachtet: „Von dieser letzteren Art sind die Erklärungen, welche in Königs Theologia positiva zu finden, der sie auch deswegen jedesmal zu Ende des Artikuls setzet, nachdem er alles vorher erwiesen, was er von der Sache zu sagen hat. Wenn mein Vorhaben wäre gewesen, Erklärungen zum Auswendiglernen zu machen . . s o würde ich es ebenfalls so gemacht haben. . . . Wer hingegen Erklärungen für die Wissenschaft machet, der bringet . . . nichts weiter hinein als genug ist, eine Sache in ihrer Art zu determinieren und das übrige daraus zu erweisen" (Ausführliche Nachricht . . . , s. o. Anm. 55, § 26). 60 Glaubenslehre II, S. 7 - 1 8 . " AaO S. 1 9 - 2 3 . " AaO S. 2 3 - 2 5 . 63 AaO S. 26. Die Glaubwürdigkeit der Schrift ist an anderer Stelle erwiesen. 64 AaO S. 26 mit exegetischem Einzelnachweis bis S. 31. 65 AaO S. 31. Für die Benennung filius Dei wird dieser Beweis S. 32—37 gesondert wiederholt. 66 AaO S. 3 8 - 5 6 .

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II. Pietismus und Wolffianismus im theologischen Ansatz

Was so durch „förmlichen Schluß" 6 7 aufgrund von gesicherten Prämissen — und die Aussagen der Bibel waren das für Baumgarten — dargetan ist, das gilt als „erwiesen" oder, wie Baumgarten mit Vorliebe genauer sagt, das ist „erweislich gemacht" 6 8 . Es müssen nämlich nicht in jedem Falle auch alle Prämissen ausdrücklich neu bewiesen und alle vorausliegenden Schlüsse noch einmal vollzogen werden, wenn sie bereits anderweitig gesichert sind 69 . Wohl aber müssen alle Behauptungen jederzeit „auf unwidersprechliche Weise dargetan werden können", d. h. so weit wie immer erforderlich aus ihren Gründen widerspruchsfrei hergeleitet werden können, also „erweislich" sein 70 . Es genügt darum der Theologie im Prinzip, daß durch Hinweis auf die anderwärts erwiesene Schriftautorität, also durch ihre vorausgesetzte „Erweislichkeit" 71 jeweils der mögliche Widerspruch ausgeschlossen wird, sofern die Folgerungen aus den Schriftaussagen korrekt gezogen werden. So ist es für Baumgartens Dogmatik kennzeichnend, daß rationale Schlüsse in ihr zwar häufig begegnen, das Verfahren nach ihnen aber dennoch in Schranken gehalten wird. Jene extensive Anwendung des rein demonstrativen Verfahrens bei dem Hauptsatz der Christologie ist nämlich eine große Ausnahme, sieht man vom Beweis der Göttlichkeit der Schrift einmal ab. Sonst gestaltet sich der Aufbau innerhalb der einzelnen Artikel gewöhnlich nach dem Vorbild der scholastischen Methode 7 2 , wobei allerdings die Begriffsbestimmungen, Syllogismen und Verknüpfungen nach Wolffscher Art dann innerhalb der Einzelerörterungen oder erst anhangweise angebracht werden 7 3 . Man wird also bezweifeln können, AaO S. 25. AaO S. 4, vgl. aaO I, S. 29. 6 9 Auch Wolff spricht vom erlaubten „Sprung" bei Beweisen (Vernünfftige Gedancken von Gott . . 8 . Aufl., 1741, § 350), warnt aber dringend vor Mißbrauch. 70 S. u. S. 72 bei Anm. 80. 71 Obwohl der Ausdruck „Erweislichkeit", den man geradezu als einen Lieblingsbegriff Baumgartens bezeichnen kann, in Wolffs deutschen Schriften gar keine Rolle spielt (er gebraucht aber „Erweis" und „erweisen" gleichbedeutend mit „Beweis" und „Beweisen", vgl. o. Anm. 55, so auch Baumgarten), entspricht er doch durchaus der Wolffschen Methode. Gleichwohl zeigt sein auffällig häufiger Gebrauch bei Baumgarten, daß es diesem oft um eine Abbreviation des Verfahrens zu tun ist, vielleicht weil er, wie noch im Zusammenhang mit der Frage der historischen Gewißheit zu erörtern ist, auch eine andere Verifikationsart wie etwa den Wahrscheinlichkeitsnachweis stärker in Betracht zieht. Dagegen hatte Wolff, die Weitläufigkeit nicht fürchtend, „so viel wie möglich" zu demonstrieren empfohlen (Dt. Logik Kap. 7 67

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§ 2; über die Grenzen, an die Wolff damit stieß, s. M. Wundt: Die deutsche Schulphilosophie . . . , S. 194f.). 72 So.z. B. im Rechtfertigungsartikel (Glaubenslehre II, S. 7 8 9 - 8 4 1 ) : „Einleitung" (§ 1 - 3 ) , „Abhandlung" (§ 4—10): Causae (§ 4—5), obiectum (§ 6), forma (§ 7,1), affectiones (§ 7,2), finis (§ 8) usw., oder in der Abendmahlslehre (Glaubenslehre III, S. 335—394): Nach der „Einleitung" (Onomatologie und Sedes) folgt die „Abhandlung": Causae (efficiens, ministerialis, materialis, formalis), obiectum personale, finis usw. 73 Belege bei P. Knothe: Siegmund Jakob Baumgarten . . . , S. 505ff. Knothe hat freilich der starken Anlehnung an den orthodoxen Aufbau der einzelnen Artikel keine Beachtung geschenkt. Baumgarten hat aber mit der Zeit aus didaktischen Gründen wieder mehr Wert da-

Der Einfluß Wolffs

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ob gerade Baumgarten, was das Methodische betrifft, tatsächlich Wolffs sehnliche Hoffnung auf einen in seinem Sinne streng demonstrativisch vorgehenden Theologen 74 voll erfüllt hat. Immerhin hat Baumgarten die in den ersten Jahren laufend noch zusätzlich dargebotenen „scientifischen" Demonstrationen, eine rein syllogistische Kurzfassung der Dogmatik von 1734, die sich jetzt in den Anhängen zur Glaubenslehre findet 7 5 , bei seinen späteren Vorlesungen sogar wieder weggelassen. Als Grund dafür gibt Baumgarten lediglich sein Bemühen an, die Dogmatikvorlesung nicht zu lang geraten zu lassen 76 , doch die Weglassung gerade dieser Partien gibt hinsichtlich der noch aufzuwerfenden Frage einer möglichen Lockerung der Bindungen Baumgartens an Wolff zu denken. Aber dennoch begegnet die Wölfische Argumentations- und Denkweise bei Baumgarten auf Schritt und Tritt. Dem orthodoxen Verfahren, die res durch Aufweis ihrer Seinsbestimmungen zu erfassen, das gewöhnlich durch Baumgartens Aufbau innerhalb der Einzelartikel noch hindurchscheint, ist doch der Boden des neuaristotelischen Wissenschaftsverständnisses 77 entzogen. Für ihn ist Wissenschaft vielmehr im Sinne Wolffs eine Fertigkeit, „nicht nur Wahrheiten deutlich einzusehen, sondern auch dieselben und ihren ganzen Umfang und Inbegriff aus unumstößlichen Gründen auf eine richtige Weise sowohl a priori als a posteriori herzuleiten, zu erweisen und zu bestätigen" 78 . Dabei ist der wissenschaftliche Theologe aber nicht gehalten, in der Dogmatik alles stets auf die ersten allgemeinen Begriffe der Philosophie zurückzuführen. Er bedient sich vielmehr — gleichsam als gesicherter Mittelinstanz — der Heiligen Schrift, seines „eigentlichen adäquaten Erkenntnisgrunde(s)", zu dem „die anderweitigen Bestätigungen und Erläuterungen aus natürlich bekannten Wahrheiten nur als

rauf gelegt, um den Studenten den vor allem terminologischen Zugang zur alten Dogmatik offenzuhalten (s. Vorrede zu: Theologische Lehrsätze, 1747, Bl. b l v ) . Aus diesem Grunde behält er in den dogmatischen Thesen auch die lateinische Sprache bei, er will die überlieferten „Kunstwörter" nicht „mit einer Art des Aberglaubens" verabscheuen (aaO Bl. b3v; vgl. auch Nachr. merkw. Büch. 9, 1756, S. 533). 74 Chr. Wolff hatte in Ausführliche Nachricht . . . (s. o. Anm. 55, § 36) geschrieben, der Nutzen seiner Methode für die Theologie werde sich zu seiner Zeit noch zeigen, „wenn Gott einen Mann erwecket, welcher die von ihm geoffenbarte Wahrheiten, die man in der Theologie vorträget, in eine solche Ordnung bringet, wie eine in der andern gegründet ist". Mehr als Baumgarten entsprach Wolffs Vorstellungen vielleicht H. W. Bernsau, zu dessen Theologia dogmatica methodo scientifica pertractata, 1745, er selbst die Vorrede verfaßte. 75 Glaubenslehre I, S. 9 1 3 - 9 4 8 ; II, S. 9 1 7 - 9 3 5 ; III, S. 7 4 4 - 7 5 0 . Die 136 Paragraphen bilden einen geschlossenen Zusammenhang. Dieser Text erschien 1746 in Italien als geheimer Privatdruck (s. Bibliographie Nr. 88). 76 Vgl. Nachr. merkw. Büch. 7, 1755, S. 139f. und J. C. Bertrams Editionsbericht zu Baumgartens Glaubenslehre I, S. 32f. erste Zählung. 77 Dazu s. J. Wallmann: Der Theologiebegriff . . . , S. 30f. 65ff. Baumgartens frühe Metaphysikvorlesung, an der man diesen Wandlungsprozeß möglicherweise genauer ablesen könnte, ist leider nicht mehr erhalten (s. J. C. Bertrams Bericht, vor. Anm., S. 30). 71 Glaubenslehre I, S. 29.

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II. Pietismus und Wolffianismus im theologischen Ansatz

Hülfsmittel" hinzutreten 79 . Dies ist für Baumgarten auch nach dem Wölfischen Begriff von Wissenschaft völlig korrekt: „Da zu einer Wissenschaft nicht eben unentbehrlich ist, daß die ersten Gründe, daraus die übrigen Wahrheiten hergeleitet werden, allgemeine Begriffe oder natürlich bekannte Wahrheiten sein, sondern dazu hinreichet, daß die Wahrheiten ihre unwidersprechliche Gewißheit haben oder auf unwidersprechliche Weise dargetan werden können, so kann die Sammlung und Einsicht göttlicher Wahrheiten, die in der heiligen Schrift geoffenbaret worden, eine eigentliche Wissenschaft heißen, wenn die Göttlichkeit und Untrieglichkeit der heiligen Schrift erweislich ist und die Herleitung solcher Wahrheiten aus derselben auf eine so erweisliche und regelmäßige Art geschiehet, daß die Notwendigkeit der Folgerungen aus ihren Gründen dargetan werden kann." 8 0 Die generelle Vorgabe, die hiermit die Dogmatik in der Hl. Schrift erhält — wir haben sie schon bei dem angeführten christologischen Syllogismus kennengelernt —, ist für Baumgarten wissenschaftlich berechtigt, weil er nämlich in der Tat die Göttlichkeit und Glaubwürdigkeit der Bibel für „erweislich" ansieht. Und zwar dies nicht ohne weiteres durch die Selbstvergewisserung mit dem testimonium spiritus sancti internum 81 , sondern dem vorlaufend durch einen apriorisch-rationalen Beweis in Wolffscher Manier. Dieser Beweis wird geführt aus dem Begriff einer besonderen göttlichen Offenbarung über den Aufweis ihrer Möglichkeit bis zur Feststellung ihrer Tatsächlichkeit in der Schrift, zusätzlich dann noch durch einen aposteriorisch-empirischen Beweis aus eigener und fremder Erfahrung 82 . Die besondere oder wie Baumgarten sagt „nähere" Offenbarung Gottes durch die Schrift ist also vernunftgemäß! Daran hängt für Baumgarten und viele seiner theologischen Zeitgenossen ungeheuer viel 83 . Die Schriftlehre ist jetzt eindeutig zu einem articulus mixtus geworden 84 . Die ver-

" Ebd. " AaO S. 30; vgl. Chr. Wolff: „Durch die Wissenschaft verstehe ich eine Fertigkeit des Verstandes, alles, was man behauptet, aus unwidersprechlichen Gründen unumstößlich darzutun" (Dt. Logik, Vorbericht § 2). " Den Unterschied der Baumgartenschen zur reformatorischen und zur orthodoxen Auffassung hat L. Ihmels herausgestellt: Die christliche Wahrheitsgewißheit, 3. Aufl., S. 67ff. " Die Beweisführung findet sich mehrfach: Glaubenslehre I, S. 915ff.; III, S. 105ff. 751ff.; dazu vgl. P. Knothe aaO S. 501ff.; E. Hirsch aaO S. 376f. ,3 Vgl. E. Hirsch aaO S. 376: „Diese Auffassung darf als Gemeingut aller überhaupt eine Offenbarung bejahenden Theologie des achtzehnten Jahrhunderts angesehen werden." 84 „In Absicht des Erkenntnisgrundes muß die Lehre von der heiligen Schrift zu den gemischten Glaubenslehren gerechnet werden, . . . indem der göttliche Ursprung, die Glaubwürdigkeit und Verbindlichkeit der heiligen Schrift auf eine von ihren Aussprüchen unabhängige Weise (!) aus natürlich bekannten Wahrheiten und den daraus erweislichen Merkmalen dargetan werden muß, die Bestimmung oder Absicht derselben aber, ingleichen die ganze Beschaffenheit ihrer Einrichtung nebst den Eigenschaften derselben aus dem Inhalt und eigenen Zeugnis derselben erwiesen werden kann" (Glaubenslehre III, S. 5). Gelegentlich freilich fugt Baumgarten anmerkungsweise noch hinzu: „Wenn das Wort Gottes als ein Gnadenmit-

Der Einfluß Wolffs

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nünftige „Erweislichkeit" der Schriftautorität, die ihrerseits, wie aus dem Beweis hervorgeht, auf der Gotteserkenntnis der natürlichen Theologie beruht 8 5 , ist nicht mehr nur eine zusätzliche Bestätigung der Gewißheit des Glaubenden wie in der Orthodoxie, an ihr hängt jetzt die ganze Wissenschaftlichkeit der Theologie. Die natürliche Theologie, die von der Philosophie hergenommen wird, ist als Hilfsmittel hier unentbehrlich: „Weil selbst der vollständige Wissenschaftsbeweis der Göttlichkeit der heiligen Schrift und der Richtigkeit der nähern Offenbarung Gottes in derselben aus der natürlichen Theologie hergeleitet werden muß, ohne Beihülfe erwiesener Sätze der natürlichen Erkenntnis Gottes nicht überzeugend dargetan werden kann, wenn nicht ein Cirkel und petitio principii im Beweisen begangen und das Zeugnis der heiligen Schrift ohne Zuziehung anderweitiger Grundwahrheiten von Gott dazu allein gebraucht werden soll, da kein scharfsinniger eigentlicher Beweis davon aus Gründen, vermittelst allgemeiner Wahrheiten, geschehen kann, wenn die Merkmale nicht aus natürlich bekannten Wahrheiten hergeleitet werden." 86 Prinzipiell behält wohl die „nähere Offenbarung" in der Schrift auch für Baumgartens Dogmatik die unbedingte Vorrangstellung, die sie in der orthodoxen Theologie hatte 8 7 . Oft genug hebt er hervor, „ . . . wie sehr ich die schädliche und unordentliche Begierde einiger Leute verabscheue, die entweder die geoffenbarte Theologie in die natürliche verwandeln oder diese jener vorziehen" 88 . Und sein in der Glaubenslehre verwendeter Begriff von Theologie meint „nicht eine jede Lehre von Gott, sondern die aus der heiligen Schrift erweisliche und begreifliche Lehre" 8 9 . Dennoch wird auf eine im Vergleich zur Orthodoxie des 17. Jahrhunderts neue Weise die Schriftoffenbarung an der Norm des vernünftig Erkannten gemessen. Dies geschieht sowohl an der erwähnten Schlüsselstelle der Schriftlehre durch die Betonung der für die Wissenschaftlichkeit der Theologie nun nicht mehr nur erwünschten, sondern unabdingbar notwendigen „Erweislichkeit" der göttlichen Autorität der Schrift aus „natürlich bekannten Wahrheiten", als auch durch die in den Prolegomena und in der Durchführung immer wieder geforderte und demonstrativ festgestellte Übereinstimmung der inhaltlichen Offenbarungswahrheiten mit dem vernünftig Erkannten: , , . . . indem die nähere Offenbarung Gottes in der heiligen Schrift der natürlichen Offenbarung nie widersprechen kann, da beide einerlei Urheber und Zweck haben" 9 0 . Aber nicht nur solcher Vergleich mit der in der Philosophie enttel erwogen wird, in Absicht des Einflusses in der Menschen Besserung, so kann diese Lehre ein articulus purus genannt werden." (AaO Anm.) 85 Vgl. dazu auch Untersuchung Theologischer Streitigkeiten I, S. 429ff. " Glaubenslehre I, S. 53. 87 Er begründet ihren Vorzug mit ihrer leichteren Faßlichkeit — worin sich die bei Lessing wichtig werdende Abbreviationstheorie andeutet — und mit ihrem größeren Umfang (vgl. P. Knothe aaO S. 496ff.). 88 Theologische Lehrsätze, 1747, Vorrede Bl. a6v—a7r. Glaubenslehre I, S. 6. 90 AaO S. 53.

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II. Pietismus und Wolffianismus im theologischen Ansatz

wickelten natürlichen Theologie muß widerspruchsfrei ausfallen, auch innerhalb der dogmatischen Analyse von in der Schrift offenbarten Wahrheiten muß das vernünftige Erkenntnisvermögen uneingeschränkt zur Geltung kommen: „indem keine Lehre für geoffenbaret in der Schrift ausgegeben werden kann, wenn sie der Vernunft und unleugbaren Grundsätzen derselben widersprechen sollte" 9 1 . Dementsprechend wird der vernünftige Beweis aus „natürlich bekannten Wahrheiten" nicht mehr nur bei den articulis mixtis geführt, er dringt auch in die Erörterung der articuli puri wie etwa der Trinitätslehre ein, wobei freilich immer betont wird, daß er nur die Aufgabe habe zu erläutern und zu bestätigen 92 . Der alte scholastische Grundsatz der Orthodoxie, daß in der an der Schriftoffenbarung orientierten Theologie nichts contra rationem, wohl aber vieles supra rationem sein könne, wird also von Baumgarten weiter vertreten 9 3 , aber nun viel konsequenter durchgeführt. Es wird hierbei die früher immer noch gegebene Möglichkeit ausgeschlossen, daß etwas zwar nicht contra rectam rationem, wohl aber doch gegen die durch die Sünde korrumpierte Vernunft wahr sein könne. Dieser Ausweg in Richtung auf die Vorstellung von einer doppelten Wahrheit wird von Baumgarten abgeschnitten 94 . Die Schriftoffenbarung muß sich, sowohl was ihr Zustandekommen als auch was ihren Inhalt angeht, dem Urteil der Vernunft stellen. Allerdings bringt das Resultat dieser vernünftigen Prüfung gegenüber der älteren Theologie nichts wesentlich Neues, weil Baumgarten mit Hilfe der Wolffschen Philosophie nachweisen zu können meint, daß eben der Bestand des überlieferten Dogmas und seine Offenbarung in der Schrift vernunftgemäß sei. Aus der Sicht späterer Theologie, die aufgrund anderer Ergebnisse des Vernunftgebrauchs " AaO S. 559; unter „Vernunft" versteht Chr. Wolff „Die Einsicht, so wir in den Zusammenhang der Wahrheiten haben, oder das Vermögen, den Zusammenhang der Wahrheiten einzusehen" (Vemiinfftige Gedancken von Gott . . . , 8. Aufl., 1741, § 368), so auch Baumgarten (Glaubenslehre II, S. 652). " AaO S. 38f. Dies geschieht zwar nicht in der Christologie, aber z. B. in der Trinitätslehre, deren Geheimnis nach Baumgarten zwar nicht mit hinreichenden Gründen bewiesen, wohl aber mutmaßlich und wahrscheinlich gemacht werden kann (aaO S. 559. 565ff.). Vgl. hierzu R. Schwarz: Lessings .Spinozismus', ZThK 65, 1968, S. 274ff. 28Iff., der zu erwägen gibt, ob nicht Lessings Trinitätsspekulation von Baumgartens hier ausgeführten Argumentationen beeinflußt sein könnte. Dieselbe Linie hat übrigens schon P. Knothe ausgezogen (Siegmund Jakob Baumgarten . . . , S. 531). Daß Lessing Baumgartens Gedanken zur Trinitätslehre gekannt hat, ist u. E. nicht nur möglich, sondern steht fest. Wenn nicht nach Kollegnachschriften seiner Freunde, so kannte er sie mindestens nach dem von ihm selbst rezensierten Auszuge bei J . Th. Haupt: Gründe der Vernunft zur Erläuterung und zum Beweise des Geheimnisses der heiligen Dreieinigkeit . . . , 1752, S. 182ff. (dazu vgl. auch L. Zscharnacks Einleitung zu: Lessings Werke, ed. J . Petersen u. W. O. Ohlshausen, Bd. 20, S. 57). ' a Glaubenslehre III, S. 112, vgl. I, S. 564. ' 4 Belege bei P. Knothe aaO S. 494. 501f.; vgl. K. Scholder: Bibelkritik im 17. Jahrhundert, S. 1 2 4 - 1 3 0 .

Ursprünge und Probleme der

Der Einfluß Wolffs

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auch zu Dogmenkritik vorstößt, ist dies die hergebrachte De-facto-Überordnung der in der Schrift niedergelegten Offenbarungsinhalte über die vernünftigen Einsichten und Erkenntnisse. Aber für Baumgarten gibt es hier noch keinen Widerspruch, ja er spricht sogar weiterhin, wenigsten für den Fiduzialglauben, von der notwendigen Unterwerfung der Vernunft unter den Glauben 95 , nun aber mit der bezeichnenden Begründung, daß eben auch diese Unterwerfung selbst als vernunftgemäß dargetan werden kann 9 6 . Dieses durchgehend zu beobachtende Bestreben nun, bei aller Rechtgläubigkeit in den Einzellehren diese, wo immer nur möglich, als vernünftig begründbar auszuweisen und die Offenbartheit der Schrift selbst, ja sogar die Herrschaft des Glaubens über die Vernunft wiederum als nachweisbar vernunftgemäß darzutun, zeugt von einer gegenüber der Orthodoxie veränderten Geisteshaltung. Nicht nur aus apologetischen Gründen, sondern wohl auch aufgrund eines Gespürs dafür, daß die bisher anerkannten Autoritäten wanken und kritisch hinterfragt werden müssen, wird die Vernunft neben der Schriftoffenbarung zu einer immer wichtiger werdenden Instanz aufgebaut. Dieses Verhältnis unbedingter Harmonie zwischen Vernunft und Offenbarung, wodurch dieser in jener eine kritische Instanz zugeordnet wird, ist nun keineswegs eine Besonderheit des theologischen Wolffianismus. Es findet sich auch schon bei den früheren Übergangstheologen, in einer Dogmatik erstmals klar ausgesprochen bei J . F. Buddeus 97 , weswegen K. Barth bei diesem den eigentlichen theologiegeschichtlichen Wendepunkt lokalisiert 98 . Aber Wolff vertritt diese Auffassung in besonders markanter Weise99 und legt die von ihm beeinflußte Theologie in dieser Richtung fest 100 . 95

„Die Unterwerfung der Vernunft unter den Glauben besteht nicht in der Verleugnung und unterlassenen Gebrauch derselben zur Prüfung der göttlichen Offenbarung und des richtigen Verstandes derselben, sondern in der Geneigtheit und Fertigkeit, die göttlichen Zusagen und deren Erfüllung für einen sicheren Bestimmungsgrund zu halten." (Ausfuhrliche Moral, S. 337) " Im Jahre 1752 lieferte S. C. Haltmeier nach einem von Baumgarten gestellten Thema eine Dissertatio theologica de captivanda ratione sub fidem, seu de imperio fidei in rationem, ratione congruente. Baumgarten faßte ihren Inhalt folgendermaßen zusammen: „Der erste Abschnitt dieser Abhandlung enthält eine Vorbereitung der folgenden, der zweite stellet die Beschaffenheit und Notwendigkeit der Herrschaft des Glaubens über die Vernunft vor, der dritte aber erweiset, daß dieselbe höchst vernünftig sei." (Nachr. merkw. Büch. 1, 1752, S. 190) 97

Vgl. J. Reinhard: Die Prinzipienlehre der lutherischen Dogmatik von 1700 bis 1750, S. 39ff.; A. F. Stolzenburg: Die Theologie des Jo. Franc. Buddeus und des Chr. Matth. Pfaff, S. 217f. " K. Barth: Die protestantische Theologie . . S . 120ff.; vgl. auch E. Hirsch: Geschichte . . . II, S. 323ff., der aber den Einschnitt bei Buddeus nicht so stark bewertet wie den bereits von Leibniz in dieser Richtung getanen Schritt (aaO S. 16f.). " S. E. Hirsch aaO S. 73f. 100 In seiner Vorrede zu H. W. Bernsau: Theologia dogmatica . . . , 1745, Bl. 3r, erhebt Wolff Offenbarung und Vernunft zum doppelten Prinzip der Theologie: „Ratiocinia supponunt

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So ist es nicht weiter verwunderlich, daß an den Stellen, an denen Baumgarten in seiner Dogmatik der Argumentation mit Hilfe „natürlich bekannter Wahrheit e n " Raum gibt 1 0 1 , die natürliche Theologie Wolffs in ihrer besonderen Ausprägung in Erscheinung tritt. Knothe und Hirsch haben das im einzelnen dargetan. Besonders auf Baumgartens Gottes- und Schöpfungslehre haben die Gedanken Wolffs abgefärbt. Die natürliche Gotteserkenntnis ist für ihn nicht wie in der lutherischen Theologie des 17. Jahrhunderts vornehmlich cognitio insita, sie stützt sich strenggenommen nicht auf ideae innatae, welche höchstens dispositio próxima sind, sondern sie ist eigentlich cognitio acquisita, sie ergibt sich „aus der Betrachtung des uns bekannten Zusammenhangs der zufälligen Dinge 1 0 2 . Als durchschlagendster und bester Gottesbeweis gilt wie bei Wolff der kosmologische e contingentia mundi 1 0 3 . Zugleich damit gewinnt die neue Naturwissenschaft erhebliche Bedeutung für die Theologie 1 0 4 . Die Schöpfungserzählungen der Genesis sind für Baumgarten zwar bis zum Erweis des Gegenteils im wesentlichen wörtlich und als historisch zu verstehen 105 . Bei der ausführlichen Darstellung des Sechstagewerkes sucht er diese durchgehend mit Hilfe von Erkenntnissen der zeitgenössischen Naturwissenschaft zu untermauern 1 0 6 . Aber als Lehrbuch der Naturwissenschaften soll die Bibel doch keineswegs gelesen werden 1 0 7 . Sie hat einen anderen Zweck und ist aus göttlicher Herablassung dem beschränkten Vermögen des Menschen, zu verstehen und geistlich recht zu nutzen, angeglichen. Die hier stattgehabte Akkommodation 1 0 8 besteht nicht darin, daß durch die vorhandenen Zweideutigkeiten bewußt naturwissenschaftliche Irrtümer sanktioniert würden, sondern selbst in der von Gott principia. In horum vero numero non modo sunt veritates revelatae, quae notionibus insunt vocabulis Scripturae respondentibus, verum etiam principia rationis ex veriori Philosophia petenda, cum extra omnem controversiam positum sit, revelationem, quamvis in multis sphaeram rationis transcendat, eidem tamen minime contradicere." In der orthodox-lutherischen Theologie hingegen war — neben Gott als principium essendi — die Schrift alleiniges principium cognoscendi der Theologie (vgl. C. H. Ratschow: Lutherische Dogmatik . . . I, S. 71ff.). Eine ausgeführte theologia naturalis als Vorbau der Dogmatik bringt Baumgarten nicht. Glaubenslehre I, S. 100, vgl. P. Knothe aaO S. 492. 513. 103 Glaubenslehre I, S. 181f. Der ontologische Beweis wird in der Polemik auch besprochen, tritt aber demgegenüber deutlich zurück (Untersuchung Theologischer Streitigkeiten I, S. 424ff.). 104 Vgl. P. Knothe aaO S. 492ff. 517ff. , o s Glaubenslehre I, S. 59Iff. Improprie sind wie auch sonst in der Bibel nur einzelne Stellen aufzufassen, und nur solche, bei denen es hermeneutisch nachzuweisen ist (vgl. Ausführlicher Vortrag der Biblischen Hermeneutic, 1769, S. 5 1 9 ; Untersuchung Theologischer Streitigkeiten I, S. 4 9 7 ; III, S. 185ff.; Welthistorie I, 1744, S. 83f. Anm. 74B.). 106 So nimmt er z. B. beim zweiten Tagewerk das Gesetz vom Kreislauf des Wassers zu Hilfe (Glaubenslehre I, S. 617—620), ohne freilich dabei zum Physikotheologen zu werden (s. dazu richtig W. Philipp: Das Werden der Aufklärung . . . , S. 136f.). 10'' Glaubenslehre I, S. 594; III, S. 148. 157. 108 Zu Baumgartens Akkommodationsauffassung im Unterschied zu der der Orthodoxie und der Semlers vgl. G. Hornig: Die Anfänge . . . , S. 215ff. 101

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zur Beförderung des heilhaften Zwecks beabsichtigten Lückenhaftigkeit der biblischen Berichte einerseits 109 und andererseits in der Berücksichtigung der Unmöglichkeit, anders als mit bildhaften Ausdrücken eine dem Menschen faßliche und lebhafte Erzählung zu gestalten 110 . Letzteres hält Baumgarten auch für einen Beweggrund Gottes dafür, die Welt sukzessive und nicht in einem Akt erschaffen zu haben 111 . Die Schöpfung der Welt erfolgte auf doppelte Weise112, nach Gen. 1,1 unmittelbar als Erschaffung der „einfachen Dinge" 113 und im Sechstagewerk mittelbar durch „Zusammensetzung" und „Ausarbeitung" der Körperwelt und „Einrichtung der Natur- oder Veränderungs- und Bewegungsgesetze" 114 . Damit hat die aus der Orthodoxie überkommene Distinktion von creatio immediata und mediata, die vor allem darauf abzielte, die Unterscheidung von creatio ex nihilo (am ersten Tage) und der Schöpfung aus der vorhandenen Materie (an den folgenden Tagen) zu erfassen 115 , eine Neuinterpretation im Sinne der Wolffschen naturwissenschaftlich orientierten Kosmologie 116 erfahren. Vor allem aber fällt hierdurch ein Licht auf den Schöpfer: „Damit zu lehren und anzuzeigen, wie es seiner Weisheit und Güte gemäß, den übrigen Eigenschaften und Vollkommenheiten aber gar nicht zuwider und nachteilig sei, in seinen Handlungen und Werken stufenweise, nach und nach, und mittelbar zu verfahren, welches sowohl im Reich der Gnaden als im Reich der Natur beständig geschiehet, daß Gott nicht ohne erhebliche Ursach und Absichten per saltus, in instanti, momentanee, ohne Folge der in einander gegründeten Veränderungen, sondern nach und nach, im Zusammenhange, in einer Zeitfolge und durch den Gebrauch vorhandener Mittel etwas wirket und hervorbringt." 117 Gott handelt also nicht ohne Ursache. Die bei Wolff in der Konsequenz dieses Gedankens liegende Unterordnung Gottes unter die Denkgesetze 118 wird bei Baumgarten nicht ausdrücklich festgestellt, aber de facto mitvollzogen. Darauf deutet auch die Übernahme der Wolffschen Einstellung zur Wunderfrage. An-

109 Glaubenslehre I, S. 593. Die naturwissenschaftlichen Wahrheiten werden „nur beiläufig in der heiligen Schrift berühret" (III, S. 148). 1,0 Welthistorie I, 1745, S. 83f. Anm. 74 B. Glaubenslehre I, S. 614. 112 AaO S. 609ff. 113 Die prima materia wird gleichgesetzt mit Wolffs Monaden, die sich von den Leibnizschen dadurch unterscheiden, daß sie aufeinander einwirken und vorstellender Tätigkeit entbehren (vgl. E. Kohlmeyer: Kosmos und Kosmonomie . . . , S. 28). 114 Glaubenslehre I, S. 613. 115 Vgl. C. H. Ratschow: Lutherische Dogmatik . . . II, S. 163 (§ 161. 164). 177 (Anm. 17). 116 Vgl. E. Kohlmeyer aaO S. 20ff. „Die Naturgesetze sind es, die hier den Begriff des Kosmos konstituieren. Sie sind das eigentliche Reale" (aaO S. 33). 117 Glaubenslehre I, S. 614. 118 S. E. Kohlmeyer aaO S. 42f., vgl. den ähnlichen Sachverhalt bei der lex naturae in der Ethik (aaO S. 98ff.).

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ders als die rein mechanistische Naturauffassung kennt das Wölfische Denken durchaus Eingriffe Gottes in das Naturgeschehen, aber es wird nun großer Wert auf die Feststellung gelegt, daß Gott, der nichts ohne Grund tut, aus Weisheit sparsam mit wunderhaften Eingriffen umgeht 1 1 9 . Denn es „offenbaret sich die unendliche Weisheit Gottes mehr in den Werken der Natur und den Veränderungen, die nach dem Lauf der Natur vorgehen, als in den Wunderwerken, die durch bloßen Gebrauch der Allmacht bewerkstelliget und zur Wirklichkeit gebracht werden" 1 2 0 . Letztlich gründet dieses Verständnis des Weltverhältnisses Gottes in Baumgartens Gottesbild, das seine Züge von Wolff bekommen hat. Zwar geht Baumgarten immer wieder von dem Gottesverständnis des Alten und Neuen Testaments aus. Der für ihn nach Hebr. 11,6 axiomatische Satz, daß Gott sei, ist, wie Baumgarten zunächst sagt, keine allgemeine Wahrheit, er meint nicht, daß ein Gott sei, sondern daß „der Gott wirklich da sei und die ihm beigelegten Vollkommenheiten besitze, der . . . sich den Erzvätern geoffenbaret hat" 1 2 1 . Aber wo Baumgarten zur eigenen Aussage über Gott kommt, gestaltet sich das Gottesbild fast wörtlich nach der Auffassung des Philosophen 122 . Und diese versteht Gott als ein außerweltliches Geistwesen, das in Analogie zur menschlichen Vernunft gedacht ist 1 2 3 , welches unendlichen Verstand und Willen hat und sich alle Dinge auf das allervollkommenste vorstellt 124 . Nicht willkürlich, sondern durch die Einsicht seines Verstandes in alle möglichen Dinge wählt sein Wille notwendig das erkannte Beste und bringt es zur Wirklichkeit, so schon bei der Schöpfung die beste aller möglichen Welten 12S . Dieser bei Wolff zentrale Gedanke der in der Erkenntnis des Guten begründeten electio optimi

" ' AaO S. 67f., für Baumgarten vgl. P. Knothe aaO S. 519ff. Glaubenslehre I, S. 818 u. ö., vgl. auch Welthistorie I, 1744, S. 10f., w o Baumgarten sich von dem Willkürgott des Islams betont distanziert. E. Hirsch (Geschichte . . . II, S. 379ff.) hat die hier zutage tretende Modernität Baumgartens besonders hervorgehoben: „Baumgarten ist der erste deutsche evangelische Theolog, bei dem der lebendige Gottesglaube sich vom Wunderglauben im engeren Sinne zu lösen beginnt und seinen Standort in einer andern höhern Betrachtung des göttlichen Wirkens zu finden sucht, anders gesprochen, bei dem die Allmacht nicht in ihrem nackten Zutagetreten (als potentia absoluta), sondern als tragender Grund eines geordneten Welt- und Lebenszusammenhangs (als potentia ordinata) das wahrhaft Ehrfurcht, Andacht und Bewunderung Weckende ist" (S. 383f.). Diesen Punkt haben schon 1736 Baumgartens kritische Kollegen bemerkt und ihm unter anderem mit vorgehalten (AFSt E 7 (Bl. 53f.) s. o. S. 43f. Anm. 126. 134). 121 Glaubenslehre I, S. 122; demgegenüber schließt Wolff: So ist auch ein Gott" (Vernünfftige Gedancken von Gott . . . , 8. Aufl., 1741, § 946). 122 S. die vergleichende Zusammenstellung bei P. Knothe aaO S. 534ff. 123 Z. B. Glaubenslehre I, S. 204ff. 402ff. 124 AaO S. 184f. 282, auch 604, w o die Schöpfung mit der menschlichen creatio idearum verglichen wird. 125 AaO S. 208f. 278. 307. 598. 608f. u . ö . 120

Die Vereinigung mit Gott als Thema der Theologie

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ist auch ein Bestandteil der Baumgartenschen Anthropologie und Ethik 1 2 6 . Trotz Begründung in der Lehre vom Ebenbild Gottes 1 2 7 scheint der Gedanke aber nicht eigentlich aus dem Gottesverständnis abgeleitet worden zu sein 128 . Vielmehr ist hier umgekehrt schon im voraus das Gottesbild am Menschenbild orientiert und bis in die Einzelheiten hinein nach dem Aufriß der Wölfischen Psychologie gestaltet 129 .

3. Die Vereinigung mit Gott als Thema der Theologie Die sich an dieser Stelle aufdrängende Frage, wie sich der Hallische Pietismus und der Wolffianismus in Baumgartens Systematik zueinander verhalten, läßt sich nicht leicht eindeutig zugunsten des einen oder des anderen beantworten. Vor allem nicht so, daß das eine nur die äußere Gestalt des inhaltlich bestimmenden anderen darstelle. Man kann wohl der Auffassung sein, daß bei voller Würdigung beider die pietistische Theologie und die Wolffsche Philosophie letztlich nicht miteinander zu vereinbaren seien, so wie es Johann Jacob Moser zugespitzt auf den Begriff brachte, indem er mit Blick auf 1. Kor. 1 und 2 feststellte, „daß die Wolffische Weltweisheit in manchen Stücken würklich vernünftiger herauskomme als andere Arten der Weltweisheit; alleine der Schluß daraus ist nach dem Sinne Gottes der: Ist alle Weltweisheit in der Theologie verwerflich, weil sie auf der verdorbenen und blinden Vernunft beruhet, so ist die Wolffische Weltweisheit noch verwerflicher als andere, weil diese verdorbene und blinde Vernunft noch mehr Anteil daran hat als an anderen Gattungen der Weltweisheit" 130 . Es ist aber nicht ohne weiteres möglich, wie A. Ritsehl — i» gewisser Übereinstimmung mit Mosers Urteil — es versucht, gerade an Baumgarten zu zeigen, daß der Wolffianismus in seinem Denken das Pietistische ganz verdrängt habe 1 3 1 . Als theologiegeschichtliches Schlußurteil über die Bemühun126 AaO II, S. 516. Daran ändert die Zerrüttung der Vorstellungskraft durch die Unordnung unter den Seelenkräften als Folge des Sündenfalls grundsätzlich nichts (s. aaO S. 526ff. 567f£), vgl. auch o. S. 42f. Anm. 125. 127 Glaubenslehre II, S. 441f. 450ff. 128 So P. Knothe aaO S. 516. 129 Vgl. E. Kohlmeyer aaO S. 43. 54ff.; M. Wundt: Die deutsche Schulphilosophie . . . , S. 165ff. 170. 130 J. J. Moser: Schrifftmäßige Gedancken von der Verbindung der Welt-Weisheit besonders der Wolfischen mit der Theologie, 1741, S. 57. Gerade als einer der weltoffensten und praktisch wirksamsten Pietisten kam Moser zu diesem Urteil, vgl. dazu R. Riirup: Johann Jacob Moser, S. 29. 43. 131 A. Ritsehl: Geschichte des Pietismus II, S. 566: „Eine neue Probe davon, daß dessen (seil. Wolffs) Philosophie und der Pietismus sich ausschließen, bietet die Ausscheidung der pietistischen Probleme in der Theologie Baumgartens, der als Pietist und Wolffianer angefangen hatte." Vgl. o. S. 59ff.

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gen des Systematikers Baumgarten mag die Feststellung der völligen Unvereinbarkeit von Pietismus und Wolffianismus vielleicht Bestand haben, aber erst wenn zugleich dargetan werden kann, daß das Scheitern dieses Versuches nicht doch überwiegend ganz andere, etwa in neuen Fragestellungen der nächsten Generation liegende Ursachen hat. Baumgarten wenigstens hat seit seinen ersten Jahren als akademischer Lehrer bei der Ausarbeitung seines Systems versucht, beide Größen sinnvoll miteinander zu verbinden. Er will eine nach Wölfischen Prinzipien wissenschaftliche Theologie auf der Grundlage des rechtgläubigen Hallischen Pietismus lehren. Offenkundig wird dies an dem Aufbau seiner Glaubenslehre. So bereitwillig Baumgarten sich innerhalb der einzelnen Artikel dem im 17. Jahrhundert üblich gewordenen methodischen Modell angleicht 132 , so bewußt geht er von der analytischen Universalmethode ab 133 . Er kennt die Geschichte der dogmatischen Disziplin recht genau und führt sie seinen Hörern im Uberblick vor 134 . Bei der Diskussion der Methoden 135 bespricht er zwar die analytische Einteilung nach finis, subiectum und principia et media am ausführlichsten 136 , nimmt dann aber von ihr Abstand: „Es ist diese Einteilung und Folge nicht eben die bequemste gewesen, indem Wahrheiten dadurch getrennet worden, die dem inneren Verhältnis, auch der Zeitfolge nach genau zusammengehören" 137 . Baumgarten selbst entschließt sich zu einer Zweiteilung der Dogmatik in die Lehre von Gott und die Lehre vom Menschen. Dabei handelt der erste Teil, die Theologia strictissime sumta, zuerst von Gottes Wesen und dann nacheinander von den drei Personen der Trinität, wobei die der ersten Person besonders zugehörigen „Haushaltungswerke" (Schöpfung, Engel, Vorsehung, Gnadenwahl) und das Mittleramt Christi hier mit erörtert werden 138 . Der zweite Teil, die Anthropologia sacra, behandelt den Menschen in seinem Verhältnis zu Gott, und zwar nach seinen vier status: Urständ, Sündenstand, Stand der Wiederherstellung und Stand der Vollendung. Die Abhandlung des dritten status hominis — zugleich des Heilswerks des Geistes — weitet sich dabei besonders aus, sie enthält den gedoppelten ordo salutis (göttliche Wohltaten: Berufung, Erleuch132

S. o. S. 70. Gegen W. Gaß, s. o. S. 20 Anm. 31. Glaubenslehre I, S. 59ff. 135 AaO S. 95ff. 136 Den föderaltheologischen Aufriß erwähnt er nur kurz, ebenso die „Medizinaleinrichtung oder Einkleidung von der Zerrüttung des Menschen und seiner Heilung und Zurechtbringung", derer sich Joachim Lange bediente. Die Lokalmethode, deren Repristination J. J. Breithaupt vorschwebte (Institutiones Theologicae (1694), 2. Auf., 1732, Praemissa Bl. b2), übergeht Baumgarten ganz. 13 ' Glaubenslehre I, S. 97. Baumgarten wirft der Schuldogmatik auch eine aus Mangel an besserer philosophischer Erkenntnis herrührende unverständliche Terminologie und das Versäumnis genügend gründlicher Herleitung aus der Schrift vor (S. 66). 138 AaO I, S. 1—II, S. 406. 133

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tung, Wiedergeburt, Rechtfertigung, unio mystica, Erneuerung; Ordnung auf Seiten des Menschen: Buße und Bekehrung, Glaube, gute Werke, Kreuz, Gebet), zwischen dessen beiden Teilen die Lehre von den Gnadenmitteln, innerhalb derer die ganze Schriftlehre, die in den Prolegomena fehlt, abgehandelt wird, und schließlich die Ekklesiologie 139 . Baumgarten hat diese Einteilung seiner Dogmatik aus der „Grundlegung der Theologie" von Johann Anastasius Freylinghausen übernommen. Dieses zuerst 1703 und danach in vielen Auflagen 140 erschienene Kompendium, ursprünglich für den Unterricht an der Waisenhausschule gedacht und auch von Baumgarten dort gem traktiert, war ihm seit seiner Kindheit vertraut 141 . Während seiner Fakultätsadjunktur (1732—1734) unternahm Baumgarten es zwar, die Dogmatik nach Joachim Langes Oeconomia salutis zu lesen, aber schon nach zwei Jahren, bei Antritt seines Ordinariats, kehrte er aus äußeren und inneren Gründen wieder zu Freylinghausens Grundlegung zurück, der er bis zum Schluß treu blieb. Auch als er sich im Jahre 1736 bei dem Streit mit Lange veranlaßt sah, seine Vorlesung neu auszuarbeiten, legte er weiter Freylinghausens Kompendium zugrunde, das er durch die eigenen lateinischen Thesen nicht ersetzen, sondern nur erläutern und ergänzen wollte. Es waren nun nicht nur äußere Gründe und die Gewohnheit, die Baumgarten vermochten, dieses im pietistischen Halle anerkannte Schulbuch seiner wissenschaftlichen Dogmatik zugrunde zu legen. Er stellte sich damit vielmehr auch bewußt in die Lehrtradition, auf der Freylinghausens Arbeit aufruht. Sie geht nämlich direkt auf keinen geringeren als Philipp Jakob Spener, den Begründer des lutherischen Pietismus, zurück. Spener hatte seinerzeit in Frankfurt und in Dresden die ganze Dogmatik in Jahrgängen von Evangelienpredigten vorgetragen und diese 1688 unter dem Titel „Die Evangelische Glaubenslehre . . . " herausgegeben 142 . Da in diesen Predigten die Materien aber nach der Abfolge der Texte des Kirchenjahres und nicht systematisch geordnet vorlagen, fügte Spener im Anhang eine Tabelle hinzu, die dazu helfen sollte, „wie die Glaubenslehren oder Artikul in eine richtige Ordnung zu setzen und also gelesen werden können" 1 4 3 . Diese von Spener ohne besonderes eigenes Interesse an der Systembildung 144 139

AaO II, S. 407—III, S. 743. Vgl. dazu den kurzen Überblick: I, S. 97f. Uns liegt die 6. Auflage, Halle 1721, vor. 141 Hierzu und zum folgenden s. Theologische Lehrsätze, 1747, Vorrede, Bl. a3v—a7r (A. F. Büschings autorisierte Übersetzung der Praefatio von Theses theologicae, 1746), vgl. auch Semlers sich darauf stützende Vorrede zur Glaubenslehre I, S. 4ff. 142 Die Evangelische Glaubens-Lehre In einem jahrgang der Predigten . . . , Frankfurt am Main 1688. Näheres zu dieser Predigtgattung bei Spener s. bei J. Wallmann: Philipp Jakob Spener . . . , S. 204f. 143 So in der Überschrift der Tabelle aaO Bl. Xx 2, 2. Zählung. 144 In der Vorrede schreibt Spener: „ . . . wollte aber jemand die Glaubenslehr in einer natürlichen Ordnung nacheinander lesen, ist zu Ende eine Tabelle angefügt^ wie solche füglich aufeinander genommen werden mögen, und könnte man darinnen einigermaßen etwas einem Systemati Theologico Ähnliches finden, w o mans in solcher Ordnung lesen wollte" (§ 3). 140

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angefügte, aber dennoch eigenständig durchdachte Tabelle hat dann in Halle Auswirkungen gehabt, die weit über ihren ursprünglichen Zweck hinausgingen. Freylinghausen hat sie in der „Grundlegung" zu Thesen ausgebaut, eine Fülle von Schriftstellen und viele ausführliche Lutherzitate 145 angebracht und jeweils Pflicht- und Trostgründe hinzugefügt. Dieses auf Spener zurückgehende Kompendium hat viele Generationen von Zöglingen der Franckeschen Stiftungen begleitet. Als Baumgarten nun Freylinghausens „Grundlegung der Theologie" zu seinem akademischen Lehrbuch erhob, war ihm nicht nur dessen Ursprung aus Spener bekannt 146 . Er übernahm höchstwahrscheinlich von Spener auch den Titel „Glaubenslehre", unter dem er seine Dogmatik dann vortrug 147 . Mit alledem bejahte er auch — soweit er sie erkannte — die theologische Tradition, die ihm in dieser Zweiteilung der Theologie entgegentrat. Außer auf Spener berief er sich hierfür auch auf Johann Arndt und Johann Gerhard 148 . Man denkt hier sogleich auch an Luthers Satz: theologiae proprium subiectum est homo peccati reus ac perditus, et Deus iustificans ac salvator hominis peccatoris, auf den sich Johann Gerhard berufen hatte 1 4 9 . Aber unterschied sich schon Gerhard, wie J. Wallmann gezeigt hat, insofern von Luther, als er den Menschen als alleiniges subiectum der Theologie bestimmte und zu ihrem sie organisierenden Prinzip machte 150 , so schreitet Baumgarten, wie wir sehen werden, auf diesem Wege

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In welcher Beziehung dieser auffallige und umfangreiche Rückgang Freylinghausens auf Luther zu der Frage „Luther im Pietismus" steht, verdiente eine Untersuchung wie auch die Frage, wie weit die Ausarbeitung der „Grundlegung" auch im einzelnen von Speners dogmatischen Predigten abhängig ist. Freylinghausen ist von der Pietismusforschung überhaupt noch sehr im Dunkeln gelassen worden. 146 Glaubenslehre I, S. 71. Freylinghausen berichtet in seiner Vorrede auch selbst darüber und druckt die Spenersche Disposition als Conspectus noch einmal ab. 147 Der Spener ganz angeglichene Titel „Evangelische Glaubenslehre" für die posthume große Ausgabe der Baumgartenschen Vorlesung stammt aber offensichtlich von Semler. Baumgartens Titel hätte wohl geheißen: „Unterricht der christlichen Glaubenslehre" (So z. B. bei der Erörterung seiner Pläne in: Unterricht von Auslegung der heiligen Schrift, Erste Vorrede von 1742, zit. nach 3. Aufl., 1751, Bl. ):( 4r). Gewöhnlich kündigte Baumgarten auch die Dogmatikvorlesung als „Christliche Glaubenslehre" an (z.B. noch am 11. 4. 1757, Wöch. Hall. Anz. 1757, Nr. XV, Sp. 243f.). Unter diesem Titel scheint übrigens auch schon sein Vater, Jacob Baumgarten, am Waisenhaus die dogmatischen Anfangsgründe gelehrt zu haben; in Baumgartens Nachlaß fand sich nämlich noch dessen eigenhändiges Manuskript: „Kurze Verfassung der ganzen christlichen Glaubenslehre" (Bibliothecae Baumgartenianae Pars I, 1765, S. 92, 2. Zählung, Nr. 253). 148 „Insbesondere ist diese Lehrart von Arndt, Gerhard und in der Spenerschen Glaubenslehre gebraucht worden . . . Diese Einteilung kommt mit der ältern und bei den Kirchenvätern schon gebrauchten Einteilung in Theologiam, Christologiam und Anthropologiam überein, die von Meisner und andern beobachtet worden, da denn aber die Christologia füglicher mit der Theologia abgehandelt wird" (Glaubenslehre I, S. 98). 149 J . Wallmann: Der Theologiebegriff bei Johann Gerhard und Georg Calixt, S. 18f. 50. ,s0 AaO S. 50. 55.

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noch weiter. Johann Gerhard hatte sich vor einer einseitigen „Anthropologisierung der Theologie" dadurch bewahrt, daß er als ihr Thema Gottes Wesen und Willen bestimmte und danach den Stoff anordnete 151 , war damit aber in eine Spannung zwischen Gotteslehre und Heilslehre geraten 152 , die nur durch eine stark entgeschichtlichende und vergegenständlichende Betrachtungsweise ausgehalten werden konnte 1 5 3 . Die in dem Wörtchen „et" liegende Beziehung des Deus iustificans zum Menschen, sein Heilshandeln, das für Luther eigentlicher Gegenstand der Theologie war 154 , geriet bei Gerhard und nach ihm in den Schatten einer sondernden gegenständlichen Betrachtung von Gott und Mensch155. Typisch hierfür ist noch der erste Satz in Freylinghausens „Grundlegung", wo nach Wegfall der streng aristotelischen Denkvoraussetzungen der Orthodoxie einfach Gott und Mensch als doppelter Lehrgegenstand nebeneinandergesetzt werden 156 . Aber selbst in dieser schlichten und wissenschaftstheoretisch unreflektierten Gestalt — Speners Tabelle gab hier ja auch nichts her — bietet die Zweiteilung der Theologie in Gotteslehre und anthropologia sacra Baumgarten Gelegenheit, an ihre auf Luther 157 zurückgehende Tradition anzuknüpfen. Mit ihrer Hilfe sieht Baumgarten sich in der Lage, Theologie erneut als scientia practica zu treiben 158 , ohne noch an die im 17. Jahrhundert übliche analytische Methode der aristotelischen Orthodoxie gewiesen zu sein. Was Baumgarten nämlich ein dem Spener—Freylinghausenschen Aufriß besonders interessierte und diesen für besonders geeignet halten ließ, war sein zweiter Teil: „Diese Ordnung und Einteilung ist sowohl als ein Erleichterungsmittel des Gedächtnisses anzusehen, als auch in manchen Stücken und besondern Verhältnissen einiger Wahrheiten als eine Erleichterung der Herleitung der letztem Wahrheiten aus den erstem, indem die verschiedenen Stände des Menschen in der Ordnung allhier abgehandelt werden, wie sie in die Begreiflichkeit und Erweislichkeit der folgenden einen Einfluß haben" l s 9 . Hier ist der Mensch, an dessen 151

AaO S. 46f. 56ff. AaO S. 54. 153 AaO S. 60f. 154 AaO S. 18f. 155 AaO S. 60f. 156 „Alle Lehren, welche die heilige Schrift zu erkennen und zu glauben uns vorhält, gehören entweder zur Erkenntnis Gottes oder des Menschen: Daher die Christliche GlaubensLehre (obwohl kürzlich und summarischer Weise) in dieser Ordnung aus und nach der Schrift in nachfolgendem vorgestellet worden, daß der erste Teil die Lehre von Gott, der andere aber die Lehre von dem Menschen abhandelt." 157 Luther freilich sieht Baumgarten in dieser Linie, die er immerhin bis zu den Kirchenvätern verfolgt (s. o. Anm. 148), nicht stehen. Auch ist auffällig, daß Freylinghausens zahlreiche Bezugnahmen auf Luther sich bei Baumgarten nirgends niederschlagen. Das Verhältnis Baumgartens zu Luther, das hier nicht genauer erörtert werden kann, zeichnet sich eher durch die übliche Verehrung und gute kirchenhistorische Kenntnis aus als durch eine intensive Beschäftigung mit dessen Theologie. Glaubenslehre I, S. 30f. 159 AaO S. 98.

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Weg durch die vier Stände von seiner Erschaffung bis zu seiner Vollendung die Heilsordnung begreiflich dargestellt werden kann, vollends zum organisierenden Prinzip der Theologie geworden. Die „Heilsordnung" ist das eigentliche Thema der Theologie geworden, während der erste Teil, der von Gott handelt, dafür die Voraussetzung bildet 160 . Hierin sieht Baumgarten auch den Wert der Autoren, auf die er sich beruft: „Es ist schon in mehrern, sonderlich praktischen Schriften und Lehrbüchern üblich gewesen, den Menschen nach seinen verschiedenen Verhältnissen oder abwechselnden Arten seines Zustandes in Absicht auf Gott zu betrachten, wenn die Wahrheiten von Gott selbst vorausgesetzet oder vorher abgehandelt worden" 1 6 1 . Die Betrachtung des Menschen in seiner Beziehung zu Gott, das ist Baumgartens Themenstellung, oder wie er den für die Glaubenslehre gültigen Theologiebegriff zunächst definiert: „die geoffenbarte Lehre von unserm Verhältnis gegen Gott" 1 6 2 . Obgleich der Vorwurf — oder das Lob — einer „Anthropologisierung der Theologie" in gewisser Hinsicht schon Luther betreffen muß 1 6 3 , so sind hier doch die Gewichte verschoben. Wo Luther bei seinem Blick auf den sündigen Menschen das rechtfertigende Heilshandeln Gottes als bestimmende Größe gewahr wird, bleibt Baumgartens Blick gleichsam am Menschen haften. Zugespitzt könnte man sagen, daß die Theologie für Luther von der „Beziehung Gottes zum Menschen" 164 spricht, für Baumgarten dagegen von der Beziehung des Menschen zu Gott. Ungeschichtlich ist dieses Verhältnis durchaus nicht gedacht, aber jetzt regiert die Geschichte des Menschen mit Gott die Betrachtung, die Geschichte Gottes mit dem Menschen bildet die Voraussetzung dafür. Baumgarten setzt die beiden Teile der Theologie also nicht mehr wie Freylinghausen als Lehrgegenstände einfach nebeneinander. Er verbindet sie vielmehr systematisch, und zwar nicht allein durch den Begriff „Verhältnis", sondern auch durch den Begriff „Vereinigung", durch den das in Rede stehende Verhältnis des Menschen zu Gott näher bestimmt wird. Es soll nämlich der Begriff „Theologie" 165 gebraucht werden „für die geoffenbarte Lehre von unserm Verhältnis gegen Gott oder von der Vereinigung der Menschen mit ihm, die auf der nähern Offenbarung desselbigen in der heiligen Schrift beruhet" 1 6 6 . Dementsprechend muß ein theologischer Satz erstens aus der Schrift erweislich sein 160 „Welcher Teil demnach die Wahrheiten enthält, die bei der Heilsordnung vorausgesetzt werden müssen und den Grund unserer Verbindlichkeit gegen Gott enthalten" (aaO S. 97). 141 AaO S. 98. AaO S. 5; vgl. vor. Anm. und die frühere Feststellung: „Also handelt die Theologie von unserm Zustande in Absicht auf Gott" (aaO S. 914). Vgl. J. Wallmann: Der Theologiebegriff . . S . 59f. 164 AaO S. 18. 165 Baumgartens Theologiebegriff läßt erkennen, daß bei ihm Glaubenserkenntnis und wissenschaftliche Theologie noch eng zusammengehören, aber bereits auseinanderstreben (s. o. S. 56 Anm. 1 9 l f . und u. bei Anm. 176. "« Glaubenslehre I, S. 5, vgl. S. 8.

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und zweitens „entweder auf eine nähere und unmittelbare oder auf eine entferntere und mittelbare Weise unsere Vereinigung mit Gott betreffen" 1 6 7 . Dies führt Baumgarten mit erstaunlicher Konsequenz durch. Jedes Kapitel und alle wichtigen Thesen der Glaubenslehre werden in den Gesamtzusammenhang dieser „Theorie der Heilsordnung" 168 von der Vereinigung des Menschen mit Gott eingeordnet. Der Begriff „Vereinigung" wird dementsprechend nicht nur in der Anfangserörterung herausgestellt, er taucht auch in der Durchführung der Glaubenslehre an entscheidenden Stellen immer wieder auf. Durch ihn sind aber auch die anderen systematischen Disziplinen mit der Glaubenslehre verbunden. So besteht der Endzweck der polemischen Theologie, dieses notwendigen Übels 169 , „in der Befestigung des Gemüts zur Vereinigung mit Gott" 1 7 0 . Und die theologische Moral ist „die in der Schrift gegründete Lehre von Einrichtung des Verhaltens der Menschen zur Vereinigung mit Gott" 1 7 1 . Soweit wir sehen, hat Baumgarten diesen für sein Verständnis von Theologie charakteristischen Begriff der Vereinigung des Menschen mit Gott, mit dem er schon in der Definition des Theologiebegriffs die systematische Verbindung zwischen der theologia strictissime sumta und der anthropologia sacra herstellt, nicht unmittelbar aus einer der ihm in der dogmatischen Tradition vorliegenden Definitionen des Begriffs Theologie übernehmen können 172 . Er hat den Gedanken der Vereinigung mit Gott zwar auch vorgefunden 173 , ihn aber wohl selbständig an diesen Platz in der Definition des Theologiebegriffs gestellt, als er sich bei Antritt seines Ordinariats erneut der Freylinghausenschen „Grundlegung" zuwandte. Baumgartens Weg dorthin können wir in etwa nach verfolgen. In seinen frühen Ascetica hatte der Vereinigungsgedanke noch keine besondere Rolle gespielt 174 und 1732 definiert er noch mit Joachim Lange: „Theologie heißt hier im engern Verstände der Lehrbegriff vom Heil des Menschen" 175 . Doch bei seiner Vorlesungsankündigung zum Sommersemester 1734 stellt Baumgarten eine neue 167

AaO S. 9. AaO S. 21. Untersuchung Theologischer Streitigkeiten I, S. 18. 170 AaO S. 19 Anm. 171 Unterricht vom rechtmäßigen Verhalten eines Christen, 1738, § 2. 172 Vgl. z.B. die verschiedenen Definitionen bei C. H. Ratschow: Lutherische Dogmatik . . . I, S. 29. 57. Sie sind zu unterscheiden von den auf sie hinfuhrenden onomatologischen und pragmatologischen Erörterungen (s. B. Hägglund: Die heilige Schrift . . S . 61ff.). 173 S. u. Anm. 178. 217. Auch kommt der Gedanke der redunitio der Menschen mit Gott in der Erörterung der religio Christiana bei J. F. König vor (s. Ratschow aaO S. 58), nicht aber in dessen Theologie-Definition. Über „Religion" aber schweigt sich Baumgartens Einleitung zur Glaubenslehre aus, im Unterschied übrigens zu Buddeus, der im Zusammenhang damit jedoch auch nicht auf den Vereinigungsgedanken abhebt (s. u. Anm. 218). 174 Z. B. wird er in den drei Predigtbänden nur einmal aus Anlaß von Gal. 3,27 besonders herausgestellt (Gehaltene Predigten II, 1757, S. 94ff.). 11! Ausführliche Moral, S. 53. 168

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Definition von Theologie heraus: „Die Theologie ist im allgemeinen Verstände entweder die Lehre von Gott und unserer Vereinigung mit demselben, oder die rechtmäßige Erkenntnis derselben, so die Heil. Schrift Erkenntnis der Wahrheit zur Gottseligkeit nennet, Phil. 1,1. Im engem und eingeschränktem Verstände aber ist sie eine Fertigkeit, den ganzen Zusammenhang der Wahrheiten von unsrer möglichen Vereinigung mit Gott aus unumstößlichen Gründen der Heil. Schrift richtig herzuleiten und andre davon überzeugend zu unterrichten." 176 Es dauerte dann einige Zeit, bis die Definition der Theologie mit Hilfe des Vereinigungsbegriffs auch in den eigenen dogmatischen Thesen durchdrang. Noch in der Einleitung zur Dogmatikvorlesung vom Winter 1734/35 taucht der Vereinigungsbegriff — was die vorangestellten Thesen zu Freylinghausen betrifft 1 7 7 — erst in der 10. These bei der Erörterung des „Zwecks" der Theologie auf, welcher als „die Seligkeit der Menschen in Vereinigung und Genuß Gottes" bestimmt wird 178 . In der Erläuterung dazu findet sich zwar auch schon die neue Definition der Theologie als Wissenschaft: sie ist „die Fertigkeit, den Zusammenhang der Wahrheiten von unserer möglichen Vereinigung mit Gott aus der Schrift herzuleiten" 179 . Aber in der 1. These kommt die Definition der Theologie noch ohne den Begriff „Vereinigung" aus: „Die Theologie ist eine Lehre von Gott und unserm Verhältnis gegen ihn" 18°. Aus den Erläuterungen hierzu

176 öffentliche Anzeige . . . , 1734, § 2 (gemeint ist Tit. 1,1). Diese doppelte Definition erinnert — abgesehen u. a. vom Vereinigungsbegriff — noch an Johann Gerhard (s. J . Wallmann: Der Theologiebegriff . . . , S. 43f.). In der endgültigen Fassung der Thesen nach 1736 findet sich eine dreifache Definition: Theologia . . . latius sum ta significai universam doctrinam de Deo; strictius, revelatam doctrinam de hominum cum Deo coniunctione; strictissime autem, vel doctrinam de essentia, personis et operibus Dei, vel ex usu patrum doctrinam de divinitate Christi" (Glaubenslehre I, S. 3). Baumgartens Interesse richtet sich freilich auf die zweite, engere Bedeutung (A nobis iam secundus strictior significatus adhibetur . . . , ebd., vgl. auch S. 8). Auf sie bezieht sich auch die Definition der Theologie als Wissenschaft (aaO S. 28). 177 In der handschriftlichen Kurzfassung des eigenen Vortrages zu der vom 14. Dezember 1734 an gehaltenen Vorlesung zu Freylinghausen (Glaubenslehre I, S. 913ff.; dazu Semler in der Vorrede S. 13ff. und Bertram aaO S. 32f.; vgl. o. S. 71 Anm. 75f.) finden sich jeweils am Anfang der einleitenden Paragraphen durch den Druck hervorgehobene Sätze, die als Vorstufen der Thesen zu Freylinghausen nach 1736 anzusehen sind (s. o. S. 81). Glaubenslehre I, S. 921 (ähnlich in der Erläuterung zu These 6, aaO S. 919). Dies erinnert an bestimmte Formulierungen von J . J . Breithaupt (s. u. Anm. 217). Die älteren, der neuaristotelischen Methode verpflichteten lutherischen Dogmatiker hatten in der Pragmatologie eine um vieles differenziertere Behandlung des finis theologiae vorgelegt (s. z. B. bei C. H. Ratschow: Lutherische Dogmatik . . . I, S. 29. 51; vgl. auch II, S. 15ff. 248ff.), von der sich Breithaupt und noch stärker Baumgarten gelöst haben. Z. B. wird die glorificado Dei als finis theologiae in einem eigenen Paragraphen abzuhandeln (so noch 1734, Glaubenslehre I, S. 92lf.). Stattdessen bringt er die entsprechenden Ausführungen innerhalb des Paragraphen über die theologische Wissenschaft (aaO S. 29ff.). 179 AaO S. 921. 1,0 AaO S. 913.

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wird allerdings schon ersichtlich, wie der Vereinigungsbegriff weiter in die maßgebliche Definition des Theologiebegriffs eindringt, indem jenes „Verhältnis" des Menschen zu Gott nicht nur formal als eine wie auch immer geartete Beziehung aufgefaßt, sondern inhaltlich näher bestimmt wird: Die Theologie handelt „von unserm Zustande in Absicht auf Gott. Und weil derselbe, wenn er rechtmäßig ist, in Vereinigung mit demselben bestehet, so kann die Theologie auch ganz wohl eine Lehre von unserer Vereinigung mit Gott genannt werden" 1 8 1 . In der späteren Fassung der Baumgartenschen Glaubenslehre nach 1736 schließlich wird diese zunächst nur zusätzlich verwandte Definition der Theologie auch in die erste These aufgenommen und zur maßgeblichen Definition gemacht; nach ihr ist die Theologie „die geoffenbarte Lehre von Vereinigung der Menschen mit Gott" 1 8 2 . Es ist also deutlich zu erkennen, wie Baumgarten den Gedanken der Vereinigung des Menschen mit Gott, der bei ihm — vielleicht durch Breithaupts Vorbild nahegelegt 183 — zuerst in der Erörterung des heilhaften finis theologiae seinen Sitz hatte, bald auch in die Definition des Theologiebegriffs selbst hineinnahm und davon sein Verständnis von Theologie über alle Disziplinen hin bestimmen ließ. Die Herkunft des Vereinigungsgedankens aus der Bestimmung des Heilsziels und des bei Baumgarten damit noch zusammenfallenden finis theologiae bleibt stets erkennbar. An der Art aber, wie Baumgarten dieses Heilsziel der Vereinigung der Menschen mit Gott des näheren jetzt versteht, läßt sich zugleich zeigen, wie sich Pietismus und Wolffianismus bei ihm gegenseitig durchdringen. In der älteren Dogmatik, etwa bei J . F. König, war die selige fruitio Dei, der finis theologiae formalis, prinzipiell ein zukünftiges Heilsziel 184 , das

181

AaO S. 914. So die autorisierte deutsche Übersetzung in: Theologische Lehrsätze . . . , 1747, S. 1. In der lateinischen Fassung seit 1736 heißt es „coniunctio" (s. o. Anm. 176). In diesem Ausdruck sind unio und relatio zusammengefaßt. Weil das Gottesverhältnis des Menschen in der Theologie nicht nur überhaupt, sondern auf seine Rechtmäßigkeit hin betrachtet werden soll (Glaubenslehre I, S. 6), spricht die Theologie nicht nur von einem Verhältnis, sondern auch von Vereinigung und ist sie nicht irgendeine, sondern „die geoffenbarte Lehre von unserm Verhältnis gegen Gott oder von der Vereinigung der Menschen mit ihm" (aaO S. 5). Ebenso zunächst als allgemeinen, dann aber als qualifizierten Begriff behandelt Baumgarten im Zusammenhang der Unio mystica den Ausdruck „unio" (Ausführliche Moral, S. 1486ff.), den er im Deutschen ebenfalls mit „Vereinigung" wiedergibt. Am Rande sei erwähnt, daß Baumgarten auch bei der Übersetzung von „theologia unionis", jenem in den Prolegomena überlieferten christologischen Gedanken (Glaubenslehre I, S. 14f.), den Vereinigungsbegriff verwendet; zudem hat auch diese „Vereinigungstheologie" (die der Menschheit Christi eigentümliche Erkenntnis Gottes) wie alle Theologie zum Endzweck die Vereinigung der Menschen mit Gott (aaO S. 15). 1,2

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S. o. Anm. 178 und u. 217. C. H. Ratschow hat gezeigt, wie in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts die Erörterung des finis formalis gleichsam zu einem eschatologischen Lehrstück innerhalb der Gotteslehre wurde (Lutherische Dogmatik . . . II, S. 15. 248ff.). 184

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freilich im Glauben als fruitio inchoata schon Gegenwart wird 185 . So kann auch Baumgarten noch sprechen 186 , doch rückt jetzt die Frage nach der Gegenwärtigkeit des Heils, nach der Überwindung der gegenwärtigen Hindernisse und nach den jetzt schon abrufbaren „Vorrechten eines Christen" 187 in das Zentrum des Interesses. Nicht eigentlich das Eschaton bestimmt die Gegenwart der Christen, vielmehr muß „ihr künftiger Zustand nach dem Tode ihrer in der Vorbereitungszeit angefangenen Vereinigung mit Gott gemäß sein" 188 . Die sich hier kundtuende Konzentration auf die Gegenwart, in der der Christ sich zu bewähren hat, ist nun nicht ohne weiteres schon aufgeklärter Moralismus. Sie findet sich auch sonst bei bestimmten Vertretern der späten Orthodoxie 189 und hängt, zumal wenn man Baumgartens Herkunft in Rechnung stellt, sicherlich auch mit der Abschwächung der eschatologischen Spannung zusammen, die bereits den Spenerschen Pietismus kennzeichnet 190 und hier sowohl den Chiliasmus ermöglichte als auch der Bemühung um ein lebendiges, tätiges Christentum Raum verschaffte. So formulierte Spener im ersten Satz seiner Katechismuserklärung, die Baumgarten möglicherweise schon als Kind kennenlernte, die Lebensaufgabe des Christen ganz allgemein als Vereinigung mit Gott, die nicht vorrangig postmortal orientiert ist, sondern Gegenwart und Zukunft gleichberechtigt nebeneinander betrifft: „Was soll unsere allergrößte und beständigste Sorge sein? Daß wir mögen im Leben, Sterben und nach dem Tod, und also in Zeit und Ewigkeit, mit Gott als unserem alleinigen höchsten Gut unzertrennlich vereiniget sein. Joh. 17,20.21

.,."191.

Die bewußte Hereinnahme dieses Gedankens der Vereinigung des Menschen mit Gott in die Definition des Theologiebegriffs lenkt die Aufmerksamkeit des Betrachters wie von selbst auf die Behandlung des überlieferten Lehrstücks von der unio mystica durch Baumgarten. Dieses Lehrstück wurde sonst, wenn man 185 Ratschow aaO S. 253; vgl. H. E. Weber: der Einfluß der protestantischen Schulphilosophie . . S . 32. 48f. Die starke Betonung, die Ratschow dem präsentischen Aspekt dieser Eschatologie gibt, darf freilich nicht die Proportionen vergessen lassen: von der fruitio inchoata handelt bei König nur ein Satz (§ 289), die ganze übrige Abhandlung und auch die Definition (§ 322) spricht von der fruitio consummata, d.h. von der vita aetema als postmortalem status. Glaubenslehre III, S. 465; Ausführliche Moral, S. 492ff. 187 AaO S. 373ff. 436ff. 188 AaO S. 492, vgl. S. 4 9 6 . 189 Vgl. Ratschow aaO S. 263. 190 Vgl. J. Wallmann: Philipp Jakob Spener und die Anfänge des Pietismus, S. 307ff. Der bei den Dogmatikern nicht weiter ausgeführte Gedanke, „daß das Heil und die Seligkeit in diesem Leben nicht der Art, sondern nur dem Grade nach von der zukünftigen Seligkeit des ewigen Lebens unterschieden sind" (aaO S. 234), rückt bei Spener in den Mittelpunkt des Interesses (aaO S. 235). 191 Einfältige Erklärung der Christlichen Lehr, nach der Ordnung deß kleinen Catechismi deß theuren Manns Lutheri, 1677. Der Anklang an die 1. Frage des Heidelberger Katechismus ist übrigens hier unüberhörbar, aber Spener gibt dem Satz durch den Gedanken der Vereinigung eine Wendung, wie sie wohl nur in der lutherisch-amdtschen Tradition möglich war.

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es überhaupt eigens abhandelte, nicht zu den articuli fundamentales primarii gerechnet. Obwohl Baumgarten sich dieser Einstufung anschließt, nimmt dieser Artikel doch eine wichtige Position in seinem theologischen System ein 192 . Hier laufen die Fäden zusammen: „Die Vereinigung, Gemeinschaft und Ähnlichkeit oder Gleichförmigkeit mit Christo ist das wesentlichste und notwendigste Stück der Heilsordnung" 193 . Denn Christus ist durch seine Menschwerdung und sein Mittleramt der „Erwerbungsgrund" der geheimen geistlichen Vereinigung des Gläubigen mit dem dreieinigen Gott 1 9 4 . „Zueignungsgrand" für sie ist „die in dem Menschen angerichtete Heilsordnung", besonders Buße und Glaube 19S . Auf die Wiedergeburt und die Rechtfertigung folgt unausbleiblich der Anfang der geistlichen Vereinigung 196 . Durch sie gewinnt der durch die Sünde aus der ursprünglichen Gottesgemeinschaft herausgefallene und von Gott getrennte Mensch 197 „eine neue, besondere, genauere Gegenwart Gottes in und bei solchen mit ihm vereinigten Menschen" 198 . Als Folge und Wirkung der Vereinigung mit Gott, der ihr Wachstum zu befördern nun besonders geneigt ist 199 , wobei der Mensch sich vor allem empfangend (Genuß Gottes), aber auch tätig verhält 200 , schließen sich Heiligung und Erneuerung an. So wird die durch Buße und Glaube gewonnene unio als Charakteristikum des Christenstandes 201 auch zum entscheidenden Ausgangspunkt und eigentlichen Zweck der christlichen Ethik 202 . Baumgarten behandelt darum in seiner Theologischen Moral die unio mystica noch einmal in einem eigenen Kapitel 203 . 1.2 Diese Lehre ist „unter die unentbehrlichen Grundwahrheiten der Heilsordnung zu rechnen; doch aber eigentlich nur der zweiten Gattung, weil sie als eine Folge der wesentlichen Stücke der Heilsordnung angesehen werden muß, auch einigermaßen mehr zur Sittenlehre als Glaubenslehre gehört; daher sie auch in einigen Lehrbüchern der Glaubenslehre gar übergangen, oder nur unter die Consectaria der Rechtfertigung sowohl als Heiligung gerechnet wird" (Glaubenslehre II, S. 843, vgl. dazu Bd. I, S. 40ff.). Gleichwohl behandelt Baumgarten das Lehrstück ausführlich sowohl in der Doematik als auch in der Ethik. 1.3 Glaubenslehre I, S. 874. " " AaO II, S. 113-118. 854f. 856ff. " s AaO S. 855f. AaO S. 842. AaO S. 465. 525ff. 853f. 200 " 8 AaO S. 865. AaO S. 842. 8 6 5 - 8 6 8 . AaO S. 860. 866. 201 Ausführliche Moral, S. 270ff. 294ff. 202 „Weil Christen mit Christo und vermittelst desselben mit Gott vereiniget sind . . u n d daraus nicht nur eine größere Verbindlichkeit, sondern auch alle Fähigkeit zum rechtmäßigen Verhalten bekommen, folglich diese Vereinigung mit Gott zur wesentlichen Beschaffenheit derselben gehöret und den Grund aller ihrer Vorrechte enthält, so muß die Vereinigung derselben mit Gott als der eigentliche Grund und die einige Quelle alles ihres rechtmäßigen Verhaltens angesehen werden. . . . Weil aber auch die gesamte gegenwärtige und künftige Wohlfahrt oder Seligkeit der Menschen in dieser Vereinigung mit Gott bestehet, dagegen sich alle rechtmäßige Handlungen und Eigenschaften derselben als Mittel verhalten müssen, so muß solche Vereinigung mit Gott den eigentlichen Zweck alles rechtmäßigen Verhaltens der Christen ausmachen und von ihnen auch dafür angesehen, bewilliget und wirklich gebraucht werden" (aaO S. 1483f.). 203 AaO S. 1482—1516. Hier werden die in der ganzen Ethik vorkommenden Bezugnahmen auf die unio noch einmal zusammenfassend abgehandelt und zugleich die Zulässigkeit der mystischen Redeweisen differenzierend untersucht.

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II. Pietismus und Wolffianismus im theologischen Ansatz

Die dominierende Stellung, die der Gedanke der Vereinigung mit Gott in Baumgartens Theologie einnimmt, wäre nicht denkbar ohne die besondere Wertschätzung der unio mystica in der Arndtschen Tradition, in der er stand. A. Ritsehl 204 hat zwar mit Recht darauf hingewiesen, daß Baumgartens Ausführungen über die unio mystica weitgehend, auch gerade in den Abgrenzungen 205 , mit der Lehre der späteren Orthodoxie 206 übereinstimmen. Aber tat das nicht — was die Lehre betraf — auch der kirchliche Pietismus hallischer Prägung überhaupt? Es ist nicht zu erkennen, daß Baumgaten in Abweichung von seiner theologischen Herkunft die Bedingungen lehrmäßig aufgehoben hätte, „unter denen der Lehrtitel alle die bekannten Zeugnisse der frommen Phantasie gedeckt hatte" 2 0 7 . Obwohl die merkbaren Gnadenwirkungen der unio, die Baumgarten aufzählt 208 , mit den Wirkungen der Wiedergeburt sich decken — welche anderen sollte er nennen? —, läßt er doch den Charakter des nicht völlig einsehbaren Geheimnisses stehen 209 . Und wenn er die „sinnlichen" Vorstellungen von der „geistlichen Eheverbindung", von der „Einwohnung Gottes", der „Einpfropfung" usw., die er keineswegs ausschließt, als uneigentliche und bildliche Ausdrücke ansieht, tut er damit nichts anderes als das, was er in Halle von Anfang an hierüber gelernt hatte 2 1 0 . Zweifellos hat Baumgarten sich wie auch andere Hallenser gegen die übertriebene Wendung dieser Vorstellungen ins Realistische, wie sie etwa von Zinzendorf bekannt geworden waren, gestellt 211 , aber eine legitime „fromme Phantasie" bleibt für ihn davon unberührt, denn auch er ist überzeugt, daß die „sinnbildlichen Gleichnisausdrücke(n)", die die Gläubigen gebrauchen, „nicht leere Worte sein können, sondern eine wirkliche gegenseitige Gemeinschaft und deren Beschaffenheit und heilsame Wirkung anzeigen 212 . Der ganze Mensch nämlich ist subiectum quo der Vereinigung, sogar sein Leib, aber hauptsächlich der Geist, „doch ohne Ausschließung der untern sinnlichen Kräfte, auf welche sich diese Vereinigung mit Gott ebenfalls erstrecken muß,

204

Geschichte des Pietismus II, S. 564f. So wird der Gedanke der „Vergötterung" als Verirrung mystischer Schriftsteller abgelehnt (Glaubenslehre II, S. 866; Ausführliche Moral, S. 1497f.), aber: „Unio essentiarum kann sine unione essentiali stattfinden" (aaO S. 1496), vgl. Glaubenslehre II, S. 845 und 850: „Es muß nicht nur ein nexus moralis dasein, sondern auch ein eigentlicher Einfluß einer wirkenden Ursach, welches einen influxum physico analogum ausmacht" (s. auch Ausführliche Moral, S. 1488f.). 206 Darüber vgl. H. E. Weber: Der Einfluß der protestantischen Schulphilosophie . . . , S. 7 8Ff.; O. Ritsehl: Das Theologumenon von der unio mystica in der späteren orthodox-lutherischen Theologie. In: Harnack-Ehrung, S. 335ff. 207 So A. Ritsehl: Geschichte des Pietismus II, S. 566, ähnlich E. Hirsch: Geschichte der neuern evangelischen Theologie II, S. 386f. 208 Glaubenslehre II, S. 869f. 209 AaO S. 843f., gegen A. Ritsehl aaO S. 565. 210 Vgl. J. A. Freylinghausen: Grundlegung der Theologie, S. 200. 211 Besonders in Theologische Bedencken V, 1747, S. 438ff.; VI, 1748, S. 753ff. 2,2 Glaubenslehre II, S. 861. 205

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sonderlich was die Empfindung und das Gefühl der im Menschen vorgehenden Veränderungen betrifft" 2 1 3 . Und schließlich deutet auch das ethische Moment, das der Baumgartensche Gedanke der unio enthält, als solches noch nicht auf ein Verlassen der pietistischen Linie 214 , zumal nicht der hallischen 21 s . Man kann also sagen, daß bei Baumgarten die Lehre von der unio mystica keineswegs an Bedeutung verloren hat. Sie hat im Gegenteil eine Ausweitung ihrer Bezüge über die ganze Theologie hin erfahren. Baumgarten schreitet damit auf einem Wege weiter, den andere dem Pietismus nahestehende Theologen schon betreten hatten. Buddeus und Breithaupt hatten die unio nicht nur als Höhepunkt und Zusammenfassung des ganzen ordo salutis angesehen 216 . Breithaupt hatte sie auch als finis totius Scripturae ac Theologiae 217 bezeichnet und bei Buddeus bestimmt sie bereits stark die Erörterung der fruitio Dei, freilich ohne daß sie direkt für die Grundlegung der Dogmatik oder gar für die Definition des Theologiebegriffs Bedeutung gewinnt 218 . Erst bei Baumgarten ist der Gedanke der Vereinigung der Menschen mit Gott in die Definition des Theologiebegriffs selbst aufgenommen, zum bestimmenden Gedanken des Systems erhoben und nach allen Seiten gewendet worden, so daß alle Einzellehren mit ihm verknüpft sind. Dieser Gedanke ist es, der bei der als Universalmethode übernommenen Zweiteilung der Theologie zum systematischen Verbindungsglied geworden ist. Wie es scheint, hat damit die hauptsächlich von Johann Arndt herkommende Linie der lutherischen Frömmigkeit, für die die Erfahrung der „Gottseligkeit" und ihre Bewährung in einem geistlichen und sittlichen Leben

2,3

Ebd. So P. Knothe aaO S. 528, J. Baur hingegen sieht hierin eine Abweichung von der Orthodoxie (Salus Christiana I, S. 122); im übrigen unterliegt seine Vorstellung einer bei Baumgarten „stark reduzierte(n) unio mystica" den gleichen Bedenken, die gegen A. Ritschis Auffassung zu erheben sind. " s Z.B. betont J. A. Freylinghausen, daß „die Vereinigung mit Gott durch die tägliche Erneuerung erst nach und nach zu ihrem eigentliche Stande kömmt" (Grundlegung der Theologie, S. 195, vgl. S. 2 0 l f . 204). Zu Spener vgl. H. Obst: Speners Lehre vom Heilsweg, S. 204. 216 J. F. Buddeus: Institutiones theologiae dogmaticae, 1724, S. 904. 1017; J. J. Breithaupt: Institutiones Theologicae, 2. Aufl., 1732, II, S. 207 (vgl. A. Ritsehl: Geschichte des Pietismus II, S. 405). 217 Dies geschieht freilich nur beiläufig, und zwar im Abschnitt über die vocatio (Breithaupt aaO II, S. 34) und in den Prolegomena (aaO I, S. 25) im Verlauf der näheren Erörterung einzelner Aspekte des finis formalis theologiae (= fruitio Dei, AaO S. 23). In der Definition des Theologiebegriffs selbst findet sich bei Breithaupt weder fruitio noch unio (aaO S. 27). 21 " Buddeus aaO S. 444ff., vgl. A. F. Stolzenburg: Die Theologie . . . , S. 213. Der den Prolegomena zugrunde liegende Reiigionsbegriff wird nicht durch die Vereinigung mit Gott, sondern durch Dei agnitio und cultus bestimmt (Buddeus aaO S. 4), der cultus kommt allerdings in der fruitio zum Ziel (aaO S. 8). Als unio cum Deo wird das Heilsziel erst im II. Kapitel (De revelatione et scriptura sacra) bezeichnet und dies auch mehr beiläufig (aaO S. 79). 214

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II. Pietismus und Wolffianismus im theologischen Ansatz

Schwerpunkt und Ideal bildet 2 1 9 , bei Baumgarten einen vollständigen Sieg in der wissenschaftlich-theologischen Systematik errungen. Aber um welchen Preis? Es ist Ritsehl und Hirsch nun doch darin recht zu geben, daß Baumgartens Verständnis der Vereinigung des Menschen mit Gott unter dem Einfluß Wolffs bestimmte Veränderungen gegenüber der im Pietismus überlieferten Form erfahren hat. Dementsprechend bekommt die gesamte sonst so konservative Theologie Baumgartens, die durch diesen Schlüsselgedanken entscheidend geprägt wird, ein neues Gefalle. Das geschieht im Lehrstück von der unio mystica zwar, wie wir gegenüber Ritsehl und zum Teil auch noch Hirsch festhalten mußten, nicht direkt durch Beseitigung des Geheimnischarakters oder Ableugnug der unio substantiarum, auch nicht durch Ausschließung der sinnlich-bildhaften Enpfindungsseite 2 2 0 , wohl aber durch deren konsequente Unterordnung unter die Herrschaft des Verstandes. Die strenge Bindung der göttlichen Gnadenwirkungen an Wort und Glaube, welche die unio schon in der Orthodoxie vor einem Abgleiten in den Spiritualismus bewahrt hatte 2 2 1 , ist auch für Baumgarten wichtig 222 . Zu der in diesem Zusammenhang bedeutsamen Stelle 2. Petr. 1,4 223 sagt er, es könne „die Redensart einiger mystischen Schriftsteller von einer Vergötterung nicht daraus hergeleitet oder nur entschuldigt werden, indem die göttliche Natur so wenig als das göttliche Wesen anders als durch eine persönliche Vereinigung, dergleichen bei dem Gottmenschen geschehen, mit einem Geschöpfe gemein gemacht werden kann" 2 2 4 . Aber diese persönliche Vereinigung, um die es in Baumgartens gesamter Theologie geht 2 2 5 , bekommt unter dem Einfluß des Wölfischen Denkens eine Gestalt, die auf die Dauer auch die religiöse Eigenart des Vereinigungsgedankens verändern mußte. Hirsch spricht mit Recht von einer Intellektualisierung, die sich in Baumgartens Theologie emeut geltend macht 2 2 6 . „Zunächst, eigentlich und hauptsächlich, adaequate und immediate" betrifft nämlich die Vereinigung mit Gott auf Seiten des Menschen dessen Geist, das heißt „die vernünftige Vorstellungskraft desselben, die Seele, besonders nach ihren obern Kräften", also Willen und Verstand 2 2 7 . Gott, der auch als Geist 2 " Als Frömmigkeitsrichtung ist der Pietismus in diesen weiteren Zusammenhang zu stellen, vgl. J . Wallmann: Philipp Jakob Spener und die Anfänge des Pietismus, S. 8—16. S. o. S. 90f. Vgl. H. E. Weber: Der Einfluß . . . , S. 136ff. 233 S. Glaubenslehre I, S. 862f. über das Wort als „Mitteilungsmittel" und den Glauben als „Annehmungsmittel", vgl. Ausführliche Moral, S. 1494. 323 Vgl. M. Schmidt: Teilnahme an der Göttlichen Natur. 2. Petrus 1,4 in der theologischen Exegese des Pietismus und der lutherischen Orthodoxie. In: Wiedergeburt und neuer Mensch, S. 2 3 8 - 2 9 8 . 314 Ausführliche Moral, S. 354, vgl. Glaubenslehre I, S. 6; II, S. 856. 235 Glaubenslehre I, S. 6. 326 Geschichte der neuern evangelischen Theologie II, S. 374. 327 Glaubenslehre II, S. 861, vgl. Ausführliche Moral, S. 1492.

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mit Wille und Verstand gedacht wird 228 , steht dabei dem Menschen als die andere „Partei" der Vereinigung gegenüber 229 . Zwar widerspricht Baumgarten der Auffassung, daß die unio schon als eine „freundschaftliche Gesellschaft", als ein nexus moralis hinlänglich erklärt sei 230 , aber die Beziehung zwischen Gott und Mensch gestaltet sich nach einer Fülle von Aussagen dann eben doch weitgehend in dieser Weise. Selbst wo es um die Erbauung geht, die Baumgarten als „Förderung einer näheren Vereinigung der Menschen mit Gott" definiert 231 , heißt es: „Durch den Willen und dessen Richtung oder herrschende Neigung werden wir mit jemand vereiniget" 232 . Entscheidend nun ist, daß diese Neigung des Willens „bei erwachsenen und vernünftig-freien Menschen ohne Erkenntnis des Verstandes nicht stattfindet" 2 3 3 . Dies ist nun aber nicht so zu verstehen, daß die Erkenntnis bloß Voraussetzung der Willenstätigkeit wäre 234 . Sie ist vielmehr gemäß der Wölfischen Psychologie das tatsächlich bestimmende Moment 2 3 5 . Der Verstand dirigiert den Willen, der, wenn er nicht in tierische Unfreiheit fallen soll, nichts erwählt, dessen ratio nicht genügend deutlich eingesehen wird 236 . Bei jeder möglichen Gelegenheit betont Baumgarten dies. Die Überzeugung des Willens durch vernünftige Vorstellungen ist es demgemäß, die auch die Vereinigung mit Gott begründet, weil „die ganze zur Vereinigung der Menschen mit Gott erforderte Besserung derselben oder Änderung ihrer Gemütsverfassung durch hinlängliche Erkenntnis dazu bequemer Wahrheiten geschiehet" 237 . Darum steht auch die Erleuchtung vor der Wiedergeburt 238 . Die richtige Erkenntnis erst ermöglicht den heilsamen „Gebrauch" der Wahrheiten Gottes und so die Vereinigung mit ihm 239 . Kommt die Erkenntnis GotS. o. S. 78f. Glaubenslehre II, S. 856ff. 860ff. 230 AaO S. 867 Anm., vgl. Ausführliche Moral, S. 1489 u. o. Anm. 205. 231 Vorrede zu J. F. Starck: Morgen- und Abend-Andachten frommer Christen . . . , 3. Aufl., 1755, Bl. a8v. 232 AaO Bl. b2r. 233 AaO Bl. b2v. 234 Dieser Auffassung neigte J. F. Buddeus zu, vgl. A. F. Stolzenburg: Die Theologie . . . , S. 195ff.; S. Ahlstedt: Anders Nohrbergs teologiska askädning . . . , S. 53f. 235 Chr. Wolff: Vemünfftige Gedancken von Gott . . 8 . Aufl., 1741, §496. 519ff., vgl. auch P. Knothe aaO S. 514. 236 Glaubenslehre II, S. 652f., vgl. P. Knothe aaO S. 532f. 237 Glaubenslehre III, S. 744. 233 Die Wiedergeburt ist das zweite Stück, „welches sowohl der Zeitfolge nach, als auch in Absicht der Sache selbst, ingleichen der göttlichen Verordnung wegen mit dem erstem, der Erleuchtung oder Besserung des Verstandes, genau zusammenhängt und darin gegründet ist, weil die Erkenntnis des Verstandes, die durch Erleuchtung erhalten wird, in den Willen zur Besserung desselben einfließet, auch alle Besserung des Willens in der Einsicht des Verstandes bei vernünftig freien Menschen gegründet sein muß" (Glaubenslehre II, S. 749). Die Tendenz, den ordo salutis zeitlich-psychologisch auseinanderzufalten, ist jetzt bei Baumgarten voll durchgeschlagen, wenngleich gelegentlich noch von der Einheit des Aktes gesprochen wird (vgl. Glaubenslehre II, S. 712. 721; III, S. 395). 239 Ausführliche Moral, S. 272f.

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II. Pietismus und Wolffianismus im theologischen Ansatz

tes dann im Willen zum Ziel, fällt sie, wie Baumgarten sagen kann, ganz mit der Vereinigung zusammen 240 . Die lebendige Erkenntnis, in der die geoffenbarten göttlichen Wahrheiten wirksam werden, ist selbst die Vereinigung mit Gott. Oder wie Baumgarten schon 1732 einmal den „Zweck der ganzen Theologie" beschreibt: Die „Seligkeit des Menschen bestehet in freiwilliger und vernünftiger Vereinigung mit Gott und Genuß seiner Vollkommenheit" 241 . Diese Erwartung nun, daß die als wahr erkannte geoffenbarte Glaubenslehre durch heilsamen Gebrauch Einfluß auf den Willen nehmen und so den Menschen zur Vereinigung mit Gott führen kann 242 , ist der Grund für die Einführung des Vereinigungsgedankens in den Ansatz der Theologie: „Weil nun dieses rechtmäßige Verhältnis des Menschen gegen Gott in der Vereinigung mit ihm bestehet, oder daß wir Gott, wie er beschaffen ist und sich geoffenbaret hat, erkennen und gebrauchen, dafür wirklich annehmen und anwenden, als wodurch Personen miteinander vereinigt werden, so kann dieser Gegenstand der geoffenbarten Lehre von Gott auch durch die Vereinigung mit demselben ausgedruckt werden" 2 4 3 . Nur weil der Vereinigungsgedanke solcherart tief in den Bereich des Rationalen gezogen wurde, konnte er seine Funktion als Zentralbegriff der Theologie Baumgartens übernehmen. Zusammen mit den aufgezeigten Tendenzen der Anthropologisierung und Verdiesseitigung des Gottesverhältnisses 244 bedeutet dieser Sachverhalt, daß das Wolffsche Denken das pietistisch-orthodoxe Erbe in Baumgartens Theologie umgeformt hat. Baumgarten war Wolffianer, aber dennoch blieb er Pietist 245 . Der Vereinigungsgedanke hat verhindert, daß seine Systematik zu einer rein philosophischen Theologie wurde. Bei einer anderen Spielart des theologischen Wolffianismus, die den bloßen Glückseligkeitsgedanken an die Spitze der Theologie stellte, lag diese Gefahr viel näher 246 . Die bei Baumgarten domi240

„Hat solche Erkenntnis und Überzeugung Einfluß in den Willen, der Sache gemäße Bewegungen und Veränderungen zu wirken, so ist sie lebendig; und denn ist erkennen, annehmen und gebrauchen einerlei, auch vereiniget werden." (AaO S. 295) 241 Ausführliche Moral, S. 53. 242 Vgl. Glaubenslehre I, S. 77ff.; öffentliche Anzeige . . 1 7 3 4 , zit. nach 2. Aufl. 1744, § 3 . 243 Glaubenslehre I, S. 6. 244 E. Hirsch spricht von einer „Vermenschung Gottes" (Geschichte . . . II, S. 386). 245 E. Barnikol kommt sogar zu dem nicht unrichtigen Schluß: „Baumgarten war und blieb Pietist. Er ist eigentlich der letzte große Pietist der Theologischen Fakultät Halle." (Pionier neuzeitlichen Denkens) 246 Hier ist besonders an Johann Peter Reusch zu denken. Der Titel seiner Dogmatik zeigt sein Programm: Introductio in theologiam revelatam seu theologiae revelatae pars generalis, qua necessarius religionis verae ac felicitatis nexus dogmatum christianae religionis concordia cum veritatibus naturaliter cognitis atque religionis electio rationalis ad christianam determinata in luce ponuntur itemque libri canonici revelatae recensentur, Jena 1744. Natürliche und geoffenbarte Religion werden hier nach ihrem beiderseitigen Vermögen, die felicitas des Menschen zu gewährleisten, vergleichend nebeneinandergestellt. Das entscheidende V. Kapitel, in dem die richtige Entscheidung, also „Christianae religionis rationabilitatem atque

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merende Vorstellung von der Vereinigung mit Gott inkludiert trotz der möglichen mystischen Abwege das Gegenüber der Transzendenz immer noch deutlicher. Auch wo Baumgarten in seiner Frühzeit, in der er sich am weitesten auf Wolff eingelassen hatte, die theologische Wissenschaft einmal bezeichnet als „selenita de beatitudine obtinenda, ex scriptura", fügt er sogleich erklärend hinzu, sie sei „die Fertigkeit, den Zusammenhang der Wahrheiten von unserer möglichen Vereinigung mit Gott aus der Schrift herzuleiten" 247 . sufficientiam ad beatitudinem obtinendam, eoque insufficientiam religionum reliquarum" (§ 632) zusammenfassend demonstriert werden sollte, blieb aber unausgeführt. 147 Glaubenslehre I, S. 921.

III. Baumgartens Hinwendung zur Geschichte 1. Die Fortentwicklung des Denkens Baumgartens über seine Systematik hinaus Als ein theologischer Wolffianer ist Baumgarten in das Gedächtnis der Theologiegeschichte eingegangen und, wie wir sahen, nicht ohne Recht. Auch wo man die anderen Elemente in seinem Denken, das pietistische und das orthodoxe Erbe sowie Ansätze zu freieren Auffassungen bemerkt und gewürdigt hat, bleibt es doch bei dem abschließenden Urteil: „Er ist ein ganzer echter Schüler Wolffs" 1 . Dennoch bleiben hier Fragen offen. Vor allem die auch durch das bisher Gesagte noch nicht hinreichend beantwortete, wie das doch offenkundige Beieinander verschiedener Elemente im Gesamtwerk Baumgartens zu erklären und zu bewerten sei. Will eine heutige Analyse nicht bei dem unbefriedigenden Ergebnis stehenbleiben, daß eben die disparatesten Richtungen unter seinen Schülern mit Recht auf Baumgarten zurückgeführt werden können, muß sie auch noch die Frage aufwerfen, ob vielleicht eine bisher nicht recht erkannte Entwicklung in seinem Gesamtwerk ausgemacht werden könnte, deren in Wandlungen durchgehaltene oder unter Brüchen gewonnene Richtung einen übergeordneten Maßstab für die Beurteilung Baumgartens abgäbe. Nicht in den Blick gerät diese Frage für eine gewisse oberflächliche Betrachtungsweise. Für sie ist Baumgartens Theologie im Extremfall nichts weiter als eine „höchst widerliche Vermischung von Wolff'schen Anschauungen mit den Glaubensforderungen der Halleschen Pietisten" 2 , wobei in seinem mechanischen Kopfe allerlei Gedankengut unvermittelt wie in Schichten nebeneinandergelegen habe 3 . Danach wäre Baumgarten vor allem deswegen nicht zu einer ausgegliche1 E.Hirsch: Geschichte . . . II, S. 373. Persönliche Schülerschaft kann das freilich nicht bedeuten, denn Wolff war längst aus Halle vertrieben, als Baumgarten immatrikuliert wurde. Vgl. auch E. Wolf: Art. Baumgarten, S. J. in RGG, 3. Α., I, Sp. 934: „echter Wolffianer". 2 H. Hettner: Literaturgeschichte des achtzehnten Jahrhunderts, 5. Α., III, 3, S. 36. 3 So K. F. A. Kahnis: Der innere Gang des deutschen Protestantismus, 3. Α., I, S. 270; Μ. Α. Landerer: Neueste Dogmengeschichte, S. 7, spricht ebenfalls von einer „Mischung von Pietismus und Wolffianismus", fährt aber vorsichtiger (und unzutreffend) fort: „obwohl der letztere bei ihm nur in einem weit getriebenen logischen Schematismus sich äußerte". Auch P. Knothe: Siegmund Jakob Baumgarten . . . , bleibt letzten Endes bei der bloßen Feststellung der Unausgeglichenheiten stehen. Das in den posthum herausgegebenen Vorlesungen zur Bogmatik und Polemik vorliegende Nebeneinander von konservativeren und neuzeitlicheren Bestandteilen ist als solches für ihn das Kennzeichen der „Ubergangstheologie" (S. 536).

Fortentwicklung über die Systematik hinaus

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nen Lehrart durchgedrungen, weil er entweder nicht willens oder nicht in der Lage gewesen sei, seinen verborgenen radikaleren Einsichten wirksam belebenden und läuternden Einfluß auf seine Theologie einzuräumen. Auf diese letztere Problematik ist noch einzugehen, aber auch wenn sie eindeutig zu klären wäre, bliebe die Frage nach einer Entwicklung bei Baumgarten immer noch unbeantwortet, j a sie verschärfte sich dadurch noch. Deutlich ist indessen schon aus unserer bisherigen Untersuchung geworden, daß pietistischer Ansatz und orthodoxes Lehrgut auf der Grundlage Wolff'scher Philosophie und theologia naturalis in Baumgartens Dogmatik doch in einem bemerkenswerten Maße zu einem eigenständigen und ziemlich geschlossenen System integriert werden konnte. E. Hirsch hat gezeigt, daß Baumgarten mit manchen dabei gewonnenen Ergebnissen auf den Weg der theologischen Zukunft trat, auch wenn er es vielleicht nicht selbst ermessen konnte 4 . Er nimmt damit als Systematiker einen besonderen Rang ein, der seine an einer bestimmten Zeitstelle vorgefundene Aufgabe besser, weil umsichtiger, erfüllte als andere theologische Wolffianer. Deswegen ist Baumgarten nicht nur der wichtigste unter den von Wolff beeinflußten, sondern auch der am schwierigsten einzuordnende Übergangstheologe überhaupt 5 . Es stellt sich aber nun noch einmal die Frage, ob das Werk Baumgartens nur in diesem Sinne als „Übergangstheologie" angemessen verstanden werden kann. „Übergangstheologie" wäre dann nichts anderes als eine bestimmte theologische Lehrausformung, deren gleichsam wie bei einer Momentaufnahme in den Blick tretende zuständliche Beschaffenheit im Vergleich zur vorhergehenden und zur nachfolgenden Lehrweise alle Merkmale des Übergangsartigen an sich trüge. Es handelte sich dann also sozusagen um ein „System auf der Schwelle", dessen innere Vorläufgkeit und Unausgeglichenheit in einem stärkeren Maße transitorischen Charakter signalisierte und deshalb die Bezeichnung „Übergangstheologie" eher erlaubte als die Systeme anderer Zeiten. Ganz gewiß ist es nicht unberechtigt, wie bisher durchgehend die Systematik Baumgartens in diesem Sinne als Übergangstheologie anzusehen. Anders lassen sich bestimmte Unausgeglichenheiten in seiner Dogmatik vielleicht nicht verstehen, sowohl einige offene Selbstwidersprüche, wie Knothe sie bemerkt hat 6 , als auch manche die traditionelle Dogmatik auflösenden, wenn auch in ihrer Bedeutung von ihm selbst kaum erkannten Schritte nach vorn, wie Hirsch sie aufweist 7 . Gleichwohl scheint uns noch eine andere, weniger einflächige Betrachtungsweise erforderlich zu sein, um den eigentümlichen Charakter dieser Übergangs-

4 5 6 7

E. Hirsch: Geschichte . . . II, S. 384. AaO S. 388. 370. Knothe aaO S. 517. 524f. Hirsch aaO S. 376ff.

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III. Baumgartens Hinwendung zur Geschichte

theologie und damit die eigentliche Bedeutung Baumgartens recht zu erfassen. Als „System auf der Schwelle" mit entsprechend systemimmanten Unausgeglichenheiten mußte zumal die bevorzugt herangezogene „Evangelische Glaubenslehre" erscheinen, wenn man sie so, wie sie uns überkommen ist, vor Augen hatte. Gerade dies dreibändige Werk aber steht der Erkenntnis im Wege, daß sich im Denken Baumgartens im Laufe der Jahre Wandlungen und Verschiebungen vollzogen haben, die es nahelegen, die Bezeichnung „Übergangstheologie" hier weniger zur Charakterisierung eines nicht zu Ende gedachten Systems zu verwenden, als vielmehr auch für einen Prozeß in der Entwicklung des Theologen selbst. Wir müssen nämlich ernsthafter als bisher geschehen in Rechnung stellen, daß die posthum herausgegebene Dogmatik so von Baumgarten weder zur Veröffentlichung vorgesehen noch auch in der vorliegenden Form ausgearbeitet worden ist. Sie ist vielmehr der Niederschlag einer mehrfach geänderten Vorlesung Baumgartens, die von J . S. Semler und nicht zuletzt dem fleißigen Joachim Christoph Bertram 8 aus einer Fülle von eigenhändigen und vor allem nachschriftlichen Unterlagen aus verschiedenen Jahren zusammengestellt wurde 9 . Wir haben zwar keinen Anlaß, an der peinlichen Genauigkeit zu zweifeln, mit der Baumgartens Sätze wiedergegeben wurden 10 , doch es stehen in der Edition Aussagen nebeneinander, die aus immerhin drei 11 Jahrzehnten stammen. Bis zu einem gewissen Grade lassen sich zwar heute noch mit Hilfe einiger Angaben der Herausgeber 12 manche Bestandteile zeitlich in etwa auseinanderhalten, doch ist fast überall mit Zusätzen, Einschüben und Versatzstücken aus verschiedenen Jahren zu rechnen 13 . Am leichtesten fällt heute eine kritische Benutzung der Baumgartenschen Glaubenslehre immer noch dort, wo ein Vergleich der in die Anmerkungen verwiesenen Auszüge aus den frühesten eigenhändigen Kollegheften Baumgartens in lateinischer Sprache mit den im Haupttext abgedruckten, überwiegend auf Nachschriften beruhenden Äußerungen meist aus den späteren Jahren möglich ist. Auch ist besonders zu beachten, daß die in den Anhängen und Beilagen zu allen drei Bänden zusätzlich mitgeteilten Thesen-

' J . C. Bertram (1730—1802), später Magister u n d Bibliothekar in Halle, hat schon zu Baumgartens Lebzeiten an dessen Schriften mitgearbeitet (ζ. B. verfertigte er die Register zu den „Theologische(n) G u t a c h t e n " ) . Über ihn schreibt W. Suchier: Kurze Geschichte der Universitätsbibliothek zu Halle 1696—1878, S. 17: „Eine zwar bibliothekarisch begabte, aber schwächliche Persönlichkeit, dabei ein Querulant". * Siehe die Angaben in den Vorreden und Vorberichten zu allen drei Bänden. 10 Semler schreibt: „Es ist eben so wenig als vorhin auch nur ein einziger fremder oder eigener Satz oder irgend eine Veränderung eingeschoben u n d mit Baumgartens Namen beehret worden . . . " (Einleitung zu Bd. II, S. 160). 11 Schon als Waisenhauslehrer trug Baumgarten der Oberklasse die Dogmatik nach Freylinghausen vor. Im J a h r e 1746 schreibt er über seine Dogmatikvorlesung: „Vigesimus iam a n n u s " (Theses Theologicae . . 1 7 4 6 , Praefatio Bl. a3v). 12 Siehe etwa die Andeutungen Bertrams in seinen Vorberichten: Bd. I, S. 2 7 f f . ; Bd. II, S. 162. 13 Siehe Semlers Vorrede zu Bd. I, S. 17ff. und Bertram S. 27ff.

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reihen und Demonstrationsketten sämtlich den frühen und frühesten Jiihren der Lehrtätigkeit Baumgartens angehören. Sie decken sich aber inhaltlich oft nicht unbedingt mit den späteren Bestandteilen 14 . Welche Absicht die Herausgeber bei dieser Editionsmethode geleitet hat, läßt sich aus den Vorreden begreifen. Es ging ihnen, vor allem Bertram, offenbar mehr darum, eine große Dogmatik des Meisters mit möglichst vollständigen und authentischen Darlegungen zu allen Lehrpunkten ans Licht zu bringen, als die Fortentwicklung seiner Theologie zu dokumentieren. Dennoch scheint unter diesem weitverzweigten Gewebe eine wenn auch schwer zu rekonstruierende theologische Entwicklung mit ihren Brüchen, Retraktationen und Neuansätzen verborgen zu liegen, die es verbietet, heute alles auf einer Fläche zu sehen und daraufhin dann weitreichende Schlüsse auf mangelnde Kohärenz zu ziehen. Der historisch denkende Semler hat diese Schwierigkeiten bei dem harmonisierenden Verfahren des Kompilators Bertram I s immerhin gesehen. Er rechtfertigt in der Einleitung zum III. Band 16 vor den Lesern das laufende Einrücken von Anmerkungen aus den frühen lateinischen Manuskripten mit eben jener auch von ihm erwünschten Möglichkeit, hier gelegentlich einmal ein Weiterschreiten Baumgartens beobachten und für sich Nutzen daraus ziehen zu können. Er meint, daß vieles davon, „wie ich fast zu sagen mich erkühne, von dem sei. Verfasser entweder gar nicht oder mit mancher Veränderung jetzt würde sein wieder vorgebracht und mitgeteilt worden. Ich habe aber geurteilt, daß selbst die Einsicht von dem Wachstum und der Ausbesserung der eigenen Erkenntnis des sei. Mannes vielen Lesern nicht nur lieb und angenehm, sondern auch sehr vorteilhaft sein werde und müsse" 17 . Schon zum ersten Band hatte Semler festgestellt: „Es ist auch ganz gewiß, daß die allerersten Vorlesungen, die älteren, dergleichen auch hier sind mit zu Rate gezogen worden, in mancher Absicht nicht so fruchtbar haben sein können, indem der wohlselige Baumgarten nach und nach durch die stets fortgesetzte Belesenheit in den besten und neuesten Schriften immer mehr veranlasset werden müssen, dies und jenes für nötig zu achten, mehr Bestimmungen zur genauem Erkenntnis, zur Gewißheit des Umfangs der Vorstellung dazu zu setzen, als er vorher hatte für nötig erachten können; welchen Zuwachs man auch an andern Vorlesungen, der Polemik zumal, eben so deutlich erkennen kann" 1 8 . Aber jeder Versuch, heute eine wirklich ausreichende Einsicht in das „Wachstum" und die „Ausbesserung" des theologischen Denkens Baumgartens aus der 14 Ihre Herkunft ist jeweils in Fußnoten ausgewiesen. Dennoch stützt sich ζ. B. Knothe häufig ohne Vorbehalt und Unterscheidung gerade auf solche frühe Äußerungen aus dem „szientifischen Anhang". ls Bertram erklärt, es sei „der Text selbst gemeiniglich nach der größeren Übereinstimmung des mehrmaligen Vortrage bestimmet worden" (Bericht zu Bd. I S. 29). 16 S. 146; siehe hierzu auch schon die Vorrede zu Bd. I S. 16. 17 Semler: Einleitung zu Bd. III, S. 147. " Semler: Vorrede zu Bd. I, S. 16.

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vorliegenden „Glaubenslehre" zu gewinnen, stößt, wenn man von den erwähnten begrenzten Vergleichsmöglichkeiten für die allerersten Jahre absieht, angesichts der Quellenlage auf außerordentliche, wenn nicht unüberwindliche Schwierigkeiten19. Wenn sich wichtige Wandlungen in Baumgartens Denken vollzogen haben, dann fanden sie in seinen dogmatischen Vorlesungen nur einen so geringfügigen und schwer auszumachenden Niederschlag, daß es doch möglich war, nachträglich noch ein ziemlich homogenes Gesamtgebäude daraus herzustellen. Jedenfalls ist es kaum möglich, allein aufgrund der „Glaubenslehre" die Richtung, in der sich Baumgartens Denken bewegt haben könnte, hinreichend zuverlässig zu bestimmen. Wir tun also gut daran, bei der Suche nach der Eigenart und dem zeitlichen Ablauf der Fortentwicklung im Denken Baumgartens zunächst andere Quellen heranzuziehen. Ein Vergleich der leichter datierbaren Bestandteile der „Glaubenslehre" könnte höchstens nachträglich den Befund an einzelnen Punkten bestätigen 20 . Auch aus einem anderen, theologiegeschichtlichen Grunde ist es angeraten, bei der Ermittlung eines Fortschreitens im Denken Baumgartens von der Analyse seiner uns überlieferten Dogmatik (von den anderen systematischen Vorlesungen gilt Ähnliches) nicht allzuviel zu erwarten. Vorbehaltlich einer noch ausstehenden genauen Untersuchung der Wirkungen, die für die Folgezeit von Baumgarten als theologischem Lehrer und Schriftsteller ausgegangen sind, läßt sich schon so viel sagen, daß es nicht eigentlich die systematische Leistung Baumgartens war, die Geschichte gemacht hat. So sehr sein Scharfsinn bewundert wurde, Folgen hat seine Anwendung auf systematischem Gebiet kaum gezeitigt. Semlers Editionen der großen Vorlesungen haben zwar Anklang gefunden, die „Glaubenslehre" erlebte auch noch eine zweite Auflage, doch besteht hier wie bei der „Untersuchung Theologischer Streitigkeiten" auch die Möglichkeit, daß das Interesse daran bald mindestens ebenso den vorangestellten „Einleitungen" Semlers mit ihren umfangreichen und ganz neuartigen dogmenund theologiegeschichtlichen Untersuchungen gegolten hat. Die Nachfrage nach Baumgartens hinterlassenen Vorlesungen scheint in den sechziger Jahren einerseits von den unzähligen in der kirchlichen Praxis stehenden ehemaligen Hörern gekommen zu sein, die sich des ehemals Gelernten vergewissern wollten 21 . An-

" Man könnte, falls die umfangreichen Druckvorlagen noch vorhanden wären, eine chronologische Ordnung der Baumgartenschen Hefte und der Nachschriften vorzunehmen versuchen und dann auf breiter Front Textvergleiche anstellen. Ob eine ohne diese Unterlagen versuchte Quellenscheidung, die bis ins Detail gehen müßte (vgl. Semlers Vorrede zu Bd. I, S. 16), Erfolg verspricht, ist zweifelhaft. Baumgartens gleichmäßige Sprache würde andere ills die herkömmlichen analytischen Mittel erfordern. 20 Wir haben diesen Vergleich laufend durchgeführt; über die äußerst dürftigen Ergebnisse s. u. S. 203f. 208ff. 21 Ähnlich wie die eifrigen Nachschreiber dreißig Jahre zuvor wollten sie vor allem, daß ihnen und der Nachwelt kein Wort des Meisters verloren ging. Aus dieser Richtung wurden an Semler 1760 sehr weitgehende Wünsche herangetragen, die auf eine komplette Edition alles von

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dererseits ist die Dogmatik aber auch in wissenschaftlich-theologischen Kreisen hoch geschätzt worden, jedoch, wie Semler ausdrücklich bezeugt, ohne daß mein dabei in „abergläubische Verehrung" verfiel 22 . Semler sah in ihr das letzte und bislang beste Lehrbuch, eine Art solider Normaldogmatik, die zwar vor allem gegenüber unwissenschaftlicher „Enthusiasterei" den Geist strengen Denkens zu bewahren vermochte 23 , aber dennoch nicht ohne eine Fülle von modernisierenden und zum Teil auch vorsichtig kritischen Anmerkungen sowie mit den historischen Einleitungen ans Licht treten sollte. Und geht man die Theologiegeschichten oder K. Aners „Theologie der Lessingzeit" daraufhin durch, so ist nirgends zu sehen, daß die wesentlichen Antriebe zur Weiterentwicklung der Theologie speziell auf das in den dogmatischen Vorlesungen entwickelte und in der „Glaubenslehre" gesammelte eigene System Baumgartens zurückzuführen wären. Ja, es ist sogar festzustellen, daß seine fortschrittlichsten Schüler, auch der doch so pietätvolle Semler, bei aller Bewunderung des Systematikers Baumgarten sich doch von dessen spezieller, von Wolff mitgeprägter Systematik recht bald mindestens innerlich distanzierten, zum Teil schon zu seinen Lebzeiten 24 . Eine dogmatische Baumgarten-Schule hat sich eben nicht gebildet und auch eine Flügelbildung, die auf verschiedene Ausdeutungen seines dogmatischen Systems zurückzuführen wäre, hat es nicht gegeben 25 . Wesentliche neue Errungenschaften der Folgezeit, etwa bei Semler, kamen nicht aus Baumgartens Dogmatik, sondern anderswoher; allerdings könnte, wie bei anderer Gelegenheit noch zu Baumgarten Überlieferten hinausliefen (Siehe Semlers Einleitung zu Glaubenslehre III, S. 140-146). " Semlers Vorrede zur Glaubenslehre I, S. 19 (vgl. Einl. zu Bd. III, S. 12); Semler schreibt anschließend: „Es ist und bleibt an dem, sogar nach meinem geringen Urteil, wie viel mehr nach ansehnlicher Männer größerer Einsicht, daß in unserer Kirche keine Dogmatik da ist, worin dergleichen Ausbreitung und Umfang hierher gehöriger Wahrheiten und Sachen in dergleichen gründlichem Vortrage, in solcher deutlichen Auswickelung theologischer Begriffe und Bestimmungen und dergleichen innerem Zusammenhang bisher gefunden wird." 23 Semler aaO S. 141. 24 Für Semler s. Hornig: Die Anfänge . . . , S. 26 und 29 (Anm. 60); vgl. etwa auch Johann David Michaelis: Lebensbeschreibung, S. 20f.: „In der Theologie war wiederum Baumgarten mein Lehrer, der mir aber auf der Universität nicht mehr so gut gefiel als auf der Schule. Sein sehr Tabellarisches und Einförmiges, dabei auch das beständige Diktieren, bei dem ich jedoch nie nachschrieb, machten mich mißmütig; bei der Dogmatik fand ich in den Beweisen keine Überzeugung, und das scheint auch der Fall mehrerer gewesen zu sein, daher ich gerade unter seinen Schülern so manche finde, die entweder an der Lehre der evangelischen Kirche oder der christlichen Religion selbst irre geworden sind. Seine Philosophie drang auf strenge Beweise und in seiner Theologie mangelten sie sehr." Ähnlich auch A. F. Büsching: Eigene Lebensgeschichte, S. 74f. 25 Man kann zwar wie K. Leder: Universität Altdorf, S. 94 einen Unterschied machen zwischen einer „Baumgartenschen Linken" (Semler) und einer „orthodox-pietistische(n) Linie" (Dietelmaier, Goeze). Aber es ist doch wohl nicht lediglich eine Frage der „Geschwindigkeit", mit der man auf dem von Baumgarten gewiesenen Weg nach vorn vorwärtsschritt (Leder aaO, S. 75). Nicht weniger wichtig ist, ob der Systematiker Baumgarten allein das Vorbild ist oder ob auch andere von ihm kommende Anregungen aufgenommen wurden.

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zeigen ist, das, was bei Semler nicht der z u n e h m e n d in Erscheinung t r e t e n d e n eigenen Originalität 2 6 u n d f r e m d e n A n r e g u n g e n 2 7 zuzuschreiben ist, sehr w o h l auf s o l c h e Einflüsse v o n seiten Baumgartens zurückzuführen sein, die sich weniger in dessen s y s t e m a t i s c h e n V o r l e s u n g e n niederschlugen als bei anderen Arbeiten. Gewisse A n d e u t u n g e n Semlers lassen überdies die Frage a u f k o m m e n , o b nicht auch Baumgarten selbst m i t der Zeit in e i n e n selbstkritischen A b s t a n d zu seiner Vorlesung über die Glaubenslehre getreten ist, o h n e sie freilich d e s w e g e n durchgreifend zu ändern. J o h a n n G o t t f r i e d Eichhorn schrieb 1 7 9 3 über Semlers Dogmatik einige Sätze, die vielleicht auch auf Baumgarten z u t r e f f e n : „ I m theologischen Lehrbuch ist nicht der rechte Platz für freimütige Ä u ß e r u n g e n , w e n n m a n nicht z u vieles auf einmal ändern oder sich großer I n k o n s e q u e n z e n schuldig m a c h e n will. Im e r s t e m w i e im l e t z t e m Fall fällt j e d e N e u e r u n g zu gefährlich auf, der t h e o l o g i s c h e Visitator f i n d e t auf d e n ersten Blick die d o g m a t i s c h e K o n t e r b a n d e u n d gerät in Eifer. U n b e m e r k t e r u n d daher auch u n g e a h n d e t e r geht sie in jeder andern Schrift d e m R e f o r m a t o r durch u n d bringt w e i t weniger die kirchliche Rechtgläubigkeit in A n s p r u c h u n d G e f ä h r d e " 2 8 . Vielleicht ist in ähnlichen Erwägungen auch ein Grund dafür zu suchen, w e s h a l b Baumgarten sich trotz Drängens v o n vielen Seiten bis z u l e t z t geweigert hat, e i n dogmatisches Lehrbuch h e r a u s z u g e b e n 2 9 . Seine Vorsicht u n d Friedfertigkeit w e r d e n " Bei Semler ist unverkennbar, dafl er sich nach seiner Berufung und Rückkehr nach Halle (1753) auch Baumgarten gegenüber wissenschaftlich weithin auf sich selbst gestellt sah, dazu seine Lebensbeschreibung II, S. 2—10, auch die Vorrede (S. 7 nicht pag.). " S. u. S. 199 Anm. 144. " J . G. Eichhorn: Johann Salomo Semler. In: Allg. Bibl. d. bibl. Litteratur V, 1, 1793, S. 151. " Es muß schon auffallen, daß Baumgarten, obwohl zeitlebens damit befaßt, zu seiner Dogmatikvorlesung nicht einmal ein kleines deutsches Lehrbuch in der gerafften Form herausgebracht hat, vergleichbar etwa mit der Ethik (Unterricht vom rechtmäßigen Verhalten eines Christen . . . , 1738), der Hermeneutik (Unterricht von Auslegung der heiligen Schrift . . . , 1742) oder der Symbolik (Abris einer Geschichte der Religionsparteien . . . , 1755). Die kurzen lateinischen Thesen zur Dogmatik (Theses theologicae . . . , 1746) müssen hier außer Betracht bleiben. Sie sind Ergänzungen zu Freylinghausens Kompendium und wurden von Baumgarten selbst als unzureichende Zwischenlösung angesehen (aaO Praefatio, S. 24 nicht pag.), wenn es dann auch dabei blieb. Dem Druck liegt auch nur eine studentische Nachschrift zugrunde (aaO S. 26f. nicht pag.). Er kam erst 1746 und nur auf Drängen von Hörern und Verleger hin zustande (ebd). Ebensowenig geht die deutsche Ubersetzung davon auf Baumgartens Initiative zurück, sondern auf die A. F. Büschings (Theologische Lehrsätze . . . , 1747; s. dort Baumgartens „Neue Vorrede"). Es ist dies das gleiche Zögern, mit dem Baumgarten das Projekt des eigenen deutschen Lehrbuchs behandelt. Schon die erste konkrete Ankündigung (Unterricht von Auslegung . . . , 1742, Vorrede, wieder abgedruckt in der 3. Aufl. 1751) wirkt halbherzig, mehr als eine Abwehrmaßnahme gegen das Gerücht von einer bevorstehenden unbefugten Ausgabe aufgrund von Nachschriften. In den folgenden Jahren wird der Plan bei den häufigen Ankündigungen der literarischen Vorhaben in den Vorreden zwar öfters wieder erwähnt, aber immer wieder zurückgestellt, häufig aber auch ganz übergangen. Wenn Gründe für das Ausbleiben genannt werden, sind es Überlastung und Krankheit. Aber wenn man bedenkt, zu welchen literarischen Leistungen Baumgarten auch

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ja immer wieder bezeugt. Noch zuletzt rät er Semler gesprächsweise von möglicherweise anstößigen Veröffentlichungen ab: „ich (sc. Semler) würde mir eine gewisse Art Leute auf den Hals hetzen, deren es sehr viele gebe, die auch Verbindungen hätte(n)" 3 0 . Nichtsdestoweniger war Baumgarten, wenn Semlers Erinnerung nicht trügt, auch für dessen kritische Sicht auf seine bisherige dogmatische Arbeit offen oder stimmte ihr sogar weithin zu: „Einmal redeten wir ganz ausdrücklich von der schlechten theologischen Beweisart, und daß man zu viel zusammen behalten wollte, dessen Verteidigung eben nicht merklich geraten wolle .. ." 3 1 . Wenn wir sicher sein könnten, daß Baumgarten tatsächlich am Ende seines Lebens eine so kritische Distanz zu vielen von ihm selbst eingenommenen traditionell-dogmatischen Positionen gewonnen hätte, dann wäre die Frage nach der Fortentwicklung seines Denkens zu einem wesentlichen Teil schon beantwortet: Baumgarten hätte sich im Laufe der Zeit innerlich abgekehrt von seiner früheren extensiven dogmatischen Beweis- und Lehrart, die das überkommene Gut im wesentlichen bewahrte, ohne freilich noch zu einer Generalrevision des Systems vorstoßen zu können. Damit wären vielleicht nicht nur einige der mit der Zeit vorgenommenen Einzelveränderungen in seiner Dogmatikvorlesung erklärt, soweit sie sich in deren heute vorliegender Form überhaupt noch aufweisen lassen. Vor allem wäre auch eine tiefere Ursache für das Ausbleiben eines eigenen dogmatischen Lehrbuches aufgedeckt: Baumgarten wäre sich allmählich der Richtigkeit und Überzeugungskraft seiner über Jahrzehnte kaum veränderten Lehre unsicher geworden, weil er umfangreiches theologisches Terrain aufgegeben hätte. Man kann eine solche Wandlung im Lebensgang dieses Theologen der Aufklärungszeit nicht für ausgeschlossen halten. Aber angesichts der Tatsache, daß er seine dogmatischen Vorlesungen bis zuletzt nach Methode und Inhalt auf seine seit 1736 festliegenden Thesen zu Freylinghausens Lehrbuch gegründet hat 3 2 , und wegen der außerordentlichen Knappheit jener Andeutungen Semlers, denen leider jegliche Konkretisierung durch bestimmte Lehrpunkte abgeht, die man daraufhin, falls wir noch Nachschriften aus verschiedenen Zeiträumen hätten, unter jenen widrigen Umständen tatsächlich in der Lage war, muß man doch wohl auch sachliche Schwierigkeiten annehmen und mehr dahinter vermuten, wenn er gelegentlich sagt: „zumal da noch einige andere Hindernisse im Wege stehen" (Auszug der Kirchengeschichte I, 1743, Vorrede, S. 10 nicht pag.). Und ein Jahr später gesteht er offen: „Mit der Herausgebung eines Unterrichts der Glaubenslehre werde mich nicht übereilen" (Theologische Bedencken III, 1744, Vorrede Bl. k7r). Auch den dazu gehörigen Polemik-Abriß hat er übrigens nicht selbst herausgebracht (Bibliographie Nr. 117). 30 Semler: Lebensbeschreibung I, S. 222. 31 Ebd. " Die bei der Zusammenstellung der „Evangelischen Glaubenslehre" mit,am ausgiebigsten benutzten Nachschriften stammen erst aus dem Jahre 1755 (s. Bertrams Vorberichte Bd. I, S. 27 und II, S. 162).

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näher untersuchen möchte 3 3 , müssen wir diese Möglichkeit nur dahingestellt sein lassen. Man wird nach anderen Indizien dafür Ausschau halten müssen 34 . Der fragmentarische Charakter des auf seinem Höhepunkt abgebrochenen Lebenswerkes läßt ein endgültiges Urteil hierüber aber wahrscheinlich gar nicht zu. Die Frage, wie eine von dem älteren Baumgarten selbst herausgegebene Dogmatik ausgesehen haben würde, kann nicht gestellt werden. Mit größerer Wahrscheinlichkeit jedoch — und das ist in unserem Zusammenhang mindestens ebenso bedeutungsvoll — läßt sich aufgrund eigener Zeugnisse Baumgartens aufhellen, was er hinsichtlich der systematischen Methode mit jenen Andeutungen Semler gegenüber gemeint hat. Die Feststellung der Unzulänglichkeit der bisherigen „schlechten theologischen Beweisart" dürfte in erster Linie wohl kaum noch die neuaristotelische Methode der Orthodoxie betreffen, weil diese vielerorts und in Halle schon gar als überholt angesehen und auch von Baumgarten selbst nicht mehr angewendet wurde. Wahrscheinlicher ist, daß er die weitverbreitete Sorglosigkeit beim Umgang mit der Bibel, ihren sedes und dicta probantia innerhalb der Dogmatik im Blick hat — wir werden noch sehen, daß er daran arbeitete, hier zu verbessern —, zugleich damit aber auch wohl selbstkritisch seine eigene bisher geübte Methode des weithin nur logisch deduzierenden Umgangs mit denselben. Es ist nämlich, wie wir schon einmal zu erwägen Anlaß hatten, zu beobachten, daß Baumgarten in den späteren Jahren nicht mehr in demselben Maße wie zu Anfang auf die Durchschlagkraft der Wolffschen Methode rational demonstrierender Beweisführung für die Dogmatik vertraut hat 3 5 . Es kann aufhorchen lassen, wenn Baumgarten Anfang 1746 in der Vorrede zur ersten Ausgabe seiner dogmatischen Thesen 36 sein Verfahren, das Freylinghausensche Kompendium weiterhin zugrunde zu legen, unter anderem mit der folgenden Feststellung begründet: „Endlich wollte keinen ekelhaften Demonstrierer abgeben, sondern an den Tag legen, wie dafür halte, daß die Lehren sehr weislich und geschickt vorgetragen werden können ohne Anhänglichkeit an eine gewisse 33

Ähnlich allgemein bleiben auch die wichtigen Bemerkungen Semlers auf S. 108 des I. Bandes seiner Lebensbeschreibung (s. o. S. 54ff.). 34 Auf die Entdeckung von für diese Frage bedeutsamen brieflichen Äußerungen Baumgartens wird man kaum hoffen können. Der einzige hierfür denkbare Adressat, der ihm vertrauteste Semler, weilte in jenen letzten Jahren ja am selben Orte. Auch würde dieser, hätte er dergleichen seine eigene Position Stützendes bei der Abfassung seiner Lebensbeschreibung 1781/82 in Händen gehabt, ebenso dankbar davon Gebrauch gemacht haben wie von den sehr vertraulichen Schreiben Baumgartens anläßlich seiner Berufung aus Altdorf im Jahre 1752 (Lebensbeschreibung I, S. 170ff.). 35 Hierzu und zum folgenden vgl. o. S. 70f. Daß die Forschung diesen Sachverhalt bislang weder bemerkt noch in Rechnung gestellt hat, erklärt sich großenteils aus ihrer unkritischen Verwendung der Texte und hat dieselbe wiederum auch zur Folge. 34 Theses theologicae . . . , 1746, Praefatio. Wir zitieren die von Baumgarten autorisierte Übersetzung Biischings: Theologische Lehrsätze . . . , 1747, Vorrede (S. 18f. nicht pag.).

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Lehrart, die von einigen allein für eine Wissenschaft gehalten wird und die ich sonst am rechten Ort selbst hoch halte, auch mehr zu gebrauchen und zum Besten der Lehre zu verbergen als entweder vorzugeben oder damit groß zu tun und zu prahlen pflege". Man wird diesen Satz kaum nur als eine captatio benevolentiae bei den gegen Wolff eingestellten Theologen verstehen können 3 7 . Baumgarten gibt j a auch offen zu, daß er die demonstrativische Lehrart weiter zu gebrauchen gedenkt. Er legt nur Wert darauf, festzustellen, daß er ihr nicht verfallen sei und auch andere Methoden für wissenschaftlich halte und anwende. Ganz werden wir diese für den angeblich reinen Wolffianer Baumgarten erstaunlichen Bemerkungen aber erst verstehen, wenn wir sie im Zusammenhang mit bestimmten, nicht lange vor dieser Äußerung angestellten methodologischen Überlegungen und dementsprechend neugesteckten wissenschaftlichen Zielen sehen, die in gewisser Weise doch von Wolff weglenken. Dabei kann freilich keine Rede davon sein, daß Baumgarten sich von der Demonstriermethode ganz losgesagt oder sie nicht bis zuletzt zumal in seiner Dogmatik weiter mit verwendet hätte. Aber er war um jene Zeit auf einen zweiten, neuen Weg getreten, auf dem er gleichzeitig mit und parallel zu seiner gewohnten und auch in ihrer Art weitergeführten Lehrtätigkeit noch eine andere Weise wissenschaftlicher Arbeit für die Theologie in Angriff nahm, die dann in der Folgezeit viel bedeutungsvoller wurde als die erste. Es ist, kurz gesagt, die Geschichte, die Baumgartens Aufmerksamkeit seit einiger Zeit immer mehr auf sich zieht, und die historische Forschung, die in rasch zunehmendem Maße sein Interesse beansprucht, seine literarische Arbeit bestimmt und die theologische Haltung beeinflußt. Wenn diese — noch zu begründende — These zutrifft, dann muß eine Beurteilung Baumgartens, die sich vorzugsweise an seiner „Evangelischen Glaubenslehre" und damit überwiegend an dem aus seiner Frühzeit stammenden „theologischen Wolffianismus" orientiert, zu einem verengten Bild führen. Was die dogmatische Position betrifft, so gab es bekanntlich auch noch andere Vertreter des theologischen Wolffianismus. So könnte man Baumgarten als Systematiker durchaus neben oder auch vor die Wolffianer I. G. Canz, J . Carpov, J . P. Reusch, J . E. Schubert, J . G. Reinbeck und andere stellen und dabei auf viele Gemeinsamkeiten und auch auf verschiedene Besonderheiten hinweisen 38 , wozu bei Baumgarten — wie in der bisherigen Forschung nicht eigentlich erkannt worden ist — vornehmlich der aus dem lutherischen Pietismus stammende An-

37 Das hatte Baumgarten 1746 im Grunde nicht mehr nötig: Zehn Jahre zuvor hatte er sich mit seiner Lehrweise in der Fakultät durchgesetzt, Wolff war seit über fünf Jahren wieder in Halle und der wichtigste Gegenspieler Joachim Lange vor zwei Jahren gestorben. 38 Vgl. die Übersicht bei H. Stephan: Art. Wolff, Christian. In: RE 21, S. 460ff. „Alle diese Männer stehen einander sachlich sehr nahe. Sie sind konservativ und hüten ^ich instinktiv vor allen Konsequenzen" (aaO S. 464, lf.). Vereinzelte Radikale wie J . G. Darjes und J . L. Schmidt spielen in der wissenschaftlichen Theologie kaum eine Rolle.

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satz bei der „Vereinigung des M e n s c h e n m i t G o t t " gehört. Wer aber das Gesamtwerk des T h e o l o g e n Baumgarten voll verstehen u n d hierzu seinen, w i e wir m e i n e n , w i c h t i g s t e n , w e n n auch erst i m Laufe der Jahre stärker hervortretend e n I n t e n t i o n e n n a c h g e h e n will, der kann sich nicht m i t der — richtigen — Feststellung begnügen, daß bei i h m der Wolffianismus m i t d e m Erbe des Hallischen Pietismus eine enge V e r b i n d u n g eingegangen ist. Er m u ß auch die erhebliche B e d e u t u n g der, w i e wir m e i n e n , u m die Mitte seines Wirkens stattgehabten besonderen H i n w e n d u n g zur G e s c h i c h t e 3 9 e r k e n n e n , nach ihren m ö g l i c h e n Auswirkungen auf seine T h e o l o g i e fragen u n d sie bei der B e s t i m m u n g des wirklic h e n Ausgangspunktes seiner N a c h f o l g e r in R e c h n u n g stellen. Bevor die Eigenart dieser H i n w e n d u n g Baumgartens zur G e s c h i c h t e u n d die U m s t ä n d e , unter d e n e n sie sich v o l l z o g e n hat, i m w e i t e r e n Verlauf dieser Untersuchung näher dargelegt w e r d e n , sind n o c h einige B e m e r k u n g e n vorauszuschicken. Wir b e t r e t e n m i t unserer A n s i c h t insofern N e u l a n d in der gegenwärtigen Theologiegeschichtsschreibung, als dort Baumgartens b e s o n d e r e historische Interessiertheit zwar gelegentlich n o c h einmal kurz e r w ä h n t 4 0 , bislang aber nirgends untersucht u n d in ihrer B e d e u t u n g für die T h e o l o g i e erkannt w o r d e n ist. Wie bereits gezeigt, hat die T h e o l o g i e g e s c h i c h t e bis h e u t e , w e n n sie sich überhaupt m i t Baumgarten b e f a ß t hat, sehr einseitig seine stark w o l f f i a n i s c h 39

In dem von uns verwendeten Begriff „Geschichte", bei dem wir uns dem heute üblichen Sprachgebrauch anschließen (vgl. Art. Geschichte. In: Brockhaus Enzyklopädie, 7. Bd., S. 188), lassen sich die beiden Bedeutungen, die objektive (zeitlicher Ablauf des Geschehens, besonders in bezug auf den Menschen) und die subjektive (Erkenntnis und Darstellung dieses Geschehens, das Wissen seines Zusammenhangs) nicht voneinander trennen, auch aus sachlichen Gründen: „Vielfach ist vorgeschlagen und versucht worden, die Worte .Geschichte' und .geschichtlich' auf das Geschehen als solches zu beschränken und die bewußte Aneignung oder Verarbeitung der G. .Historie', .historisch' zu nennen; doch ist diese Scheidung kaum je folgerichtig durchgeführt worden. Der Zusammenhang der beiden Bedeutungen im Wort G. ist sinnvoll, weil das Vergangene zwar an sich objektive Wirklichkeit ist, aber erst als Gegenstand eines historischen Bewußtseins zu einem geordneten in der Gegenwart wirksamen Ganzen wird." (Ebd; vgl. H. Rothfels: Einleitung zu Das Fischer Lexikon 24, Geschichte, S. 7; H. G. Gadamer: Art. Geschichte . . . III. In: RGG, 3. Aufl., Bd. 2, Sp. 1489). So ist in unserer Rede von Baumgartens „Hinwendung zur Geschichte" immer beim einen das andere mitgemeint. Das Interesse an der Forschung impliziert bei ihm das Interesse am Gegenstand und umgekehrt. Wo wir bewußt eine von den beiden Bedeutungen ins Auge fassen, wird, wenn erforderlich, darauf hingewiesen oder ein anderer Ausdruck gewählt (z. B. Geschehen, Geschichtsschreibung). So verwenden wir auch öfters das heute seltenere, häufig synonym gebrauchte (s. Art. Historia, Historie. In: Brockhaus Enzyklopädie, 8. Bd., S. 527) Wort „Historie" dort, wo die zweite Bedeutung überwiegt und besonders die gelehrte Bemühung, die Disziplin gemeint ist. Damit folgen wir in bezug auf dieses Wort teilweise jenen Unterscheidungsversuchen, ohne freilich bestimmten geschichtsphilosophischen Begründungen dafür zuzustimmen (vgl. dazu: H. Albert: Traktat über kritische Vernunft, S. 137). Uber Baumgartens Gebrauch von „Historie" und „Geschichte", dem wir in Referaten zuweilen folgen, s. u. S. 134. 40

Z.B. K. Barth: Die protestantische Theologie . . . , S. 139; vgl. E. Wolf: Art. Baumgarten, S. J . In: RGG, 3. Aufl., Bd. 1, Sp. 934.

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geprägte Systematik im Blick gehabt. Bis zu einem gewissen Grade dürfte man damit immer noch von einer in der nachbaumgartenschen Zeit verbreiteten starken Betonung dés Überholten an Baumgarten abhängig sein, wie sie etwa bei Eichhorn 41 und auch in manchen späten Äußerungen Semlers 42 erkennbar wird. Jene andere Seite Baumgartens hat also noch keine ausreichende Würdigung erfahren. Lange Zeit gab es nur eine einzelne Stimme, in der ein ausgewogeneres Urteil zur Sprache kam. August Hermann Niemeyer schrieb bereits 1822 in der Allgemeinen Enzyklopädie von Ersch und Gruber über Baumgarten: „Als Dogmatiker ging er zwar nicht über die Grenze des Lehrbegriffs der Kirche, förderte jedoch die Wissenschaft mittelbar durch Erweckung historischer Forschung" 43 . Dieses dem unsrigen recht nahekommende Urteil hat sogar eine — freilich erst kürzlich bekannt gewordene — Bestätigung durch Wilhelm Dilthey erfahren. Im Rahmen der von M. Redeker 1966 veranstalteten Nachlaßausgabe des zweiten Bandes der Schleiermacherbiographie findet sich jetzt erstmals vollständig auch die frühe Arbeit Diltheys über Schleiermachers Hermeneutik, in der unter den Vorgängern auch Baumgarten behandelt wird 44 . Für Dilthey ist dessen Hermeneutik vor allem die logisch durchgeklärte Zusammenfassung der bisherigen Entwicklung. Er würdigt Baumgarten aber abschließend auch noch kurz im Blick auf die von ihm ausgehenden Anregungen bei der Entstehung der „historischen Schule" 45 in Deutschland. Baumgarten habe eine besondere Rolle gespielt, weil in ihm „ein anderes Element noch gelegen (habe) neben der logischen Kraft der Wölfischen Schule" 46 . Gemeint ist damit ein freieres, von der Scholastik bislang eingeengtes, ihr aber widerstrebendes gelehrtes Denken 47 . Baumgarten habe in Deutschland „die geschichtliche Mission" gehabt, dieses Denken durch Vermittlung der „systemfreien Engländer" entscheidend zu fördern, und zwar besonders in seiner Literaturzeitschrift mit ihren Berichten über die deistische und antideistische Literatur und in seiner und seiner Schüler Arbeit an der deutschen Ausgabe der englischen Welthistorie 48 , durch die speziell eine „kritische Geschichtsforschung" angeregt wurde. 41

S. o. S. 29 Anm. 69. " S. u. S. 197ff. Art. Baumgarten, S. J. In: EuG, Bd. 8, S. 206. 44 W. Dilthey: Leben Schleiermachers 11,2 (= Gesammelte Schriften XIV,2), S. 622ff. Dazu gehören auch die späteren Bezugnahmen auf Baumgarten in den Ausführungen über Schleiermachers Hermeneutik. 45 „Derselbe Baumgarten, der die kirchliche Hermeneutik vollendete, ward der Vater der historischen Schule" (aaO S. 625). 46 Ebd. 47 ,Jetzt nun stand die Gelehrsamkeit auch in Deutschland auf dem Punkte, sich gegen die Systematik, ihre bisherige Herrin selber zu wenden" (ebd.). 48 AaO S. 625f. Vgl. dazu und zu den zahlreichen hier noch zu nennenden Veröffentlichungen u. S. 109ff. Dilthey kannte von Baumgartens großer Zeitschrift offenbar nur die bis 1751 erschienene kleinere Folge unter dem Titel „Nachrichten von einer hallischen Bibliothek" und davon auch nur die ersten fünf Bände. 43

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III. Baumgartens Hinwendung zur Geschichte

Diese allzu lange unbekannt gebliebene und, wie wir meinen, sehr förderliche Beobachtung Diltheys, zu der man in der jüngeren Theologiegeschichtsschreibung nirgends durchgedrungen ist, bedarf, bevor wir sie im letzten Kapitel dieser Untersuchung auch im Blick auf die Hermeneutik erwägen und in gewisser Weise auch korrigieren, noch einer Präzisierung, die das theologiegeschichtliche Problem der Gestalt Baumgartens weiter zuspitzt. Dilthey hat, an Baumgarten selbst weniger interessiert, in seiner äußerst knapp gehaltenen Skizze nur das Nebeneinander der beiden Elemente in Baumgarten festgestellt. Dies trifft zweifellos zu, wenn man auf die Spannweite von Baumgartens geistiger Veranlagung und Neigung 49 abhebt, wie sie in seinen reifen Jahren voll in Erscheinung trat. Wir meinen aber, daß man darüber hinaus bei Baumgarten auch von einem gewissen Entwicklungsprozeß, in dessen Verlauf das zweite Element stärker hervortrat, sprechen muß, ja sogar von einer in den Jahren um die Mitte seines Wirkens zu beobachtenden besonderen Hinwendung des Theologen zur Geschichte. Damit soll nicht behauptet werden, Baumgarten habe zu einem genau bestimmbaren Zeitpunkt eine abrupte Wende vollzogen, als sei danach bei ihm nur noch Interessiertheit an historischen Fragestellungen, vorher aber nichts davon zu bemerken. Zur Historie hatte Baumgarten, wie er gerade 1744 selbst offen ausspricht, „eine alte Neigung" 5 0 , der er gelegentlich auch in den ersten Jahren seines Ordinariats schon nachgab 5 1 . Aber aus der Zeit gegen die Mitte der vierziger Jahre, also kurz vor jener öffentlichen Teildistanzierung von der Demonstrationsmethode, liegen uns doch Zeugnisse vor, die deutlich erkennen lassen, daß bei Baumgarten eine bemerkenswerte Neuorientierung stattgefunden hat, nämlich eine auffällige Intensivierung der Bemühung um die Geschichte, über die er sich auch Gedanken machte. Es sind dies, wie des näheren noch zu zeigen sein wird, besonders die neuen Studienempfehlungen für seine Hörer von 1744, die programmatische Vorrede am Anfang der englischen Welthistorie aus dem selben Jahre (mit ihrer Vorstufe in der Einleitung zur Kirchengeschichte von 1743), wo auch das Verhältnis zu Wolff berührt wird, und 1745 die Offenlegung der theologisch-apologetischen Motivation der historischen Bemühungen besonders in den Vorreden zu Houtteville und Saurín. Wann und auf welche

„Nur selten wird es geschehen, daß unersättliche gelehrte Polyhistorie und zähe logische Methode sich so in einem Manne durchdringen wie in i h m " (aaO S. 622). s o S. u. S. 156f. 51 Zu erwähnen wären hier etwa zwei Vorreden zu Ubersetzungen von Erbauungsbüchern aus dem Englischen von 1735 und 1737 (Bibliographie Nr. 17 u. 27), in denen er die Brauchbarkeit dieser — nichtlutherischen — Autoren dadurch gegen Einwände absichert, daß er nicht nur ihre umstrittenen Meinungen vorher bespricht, sondern auch ihre Positionen verständlich macht, indem er mit kurzen historischen Berichten sie in die englische Kirchengeschichte einordnet. In diesen Zusammenhang gehört auch die Voreinstellung eines historischen Teils im polemischen Kolleg der ersten Jahre (s. dazu u. S. 205f.). 49

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Weise vor diesem terminus ad quem sich jene wissenschaftliche Neuorientierung Baumgartens vollzogen hat, läßt sich nicht genauer bestimmen. Mit ihren Anfängen dürfte sie in die dreißiger Jahre zurückreichen; es gibt aber keine Nachrichten, die uns veranlassen, einen bruchartigen inneren Umschwung für diese Zeit anzunehmen. Klar erkennen lassen sich vor jenen Äußerungen allein die sporadischen Zeugnisse historischer Interessiertheit aus den früheren Jahren und dann eine von Ende 1739 an zunächst langsam, dann bald rapide zunehmende Konzentration auf Veröffentlichungen historischen Charakters, worüber noch zu handeln ist. Am wahrscheinlichsten ist also, daß Baumgarten, der stets historisch interessiert war, in jenen Jahren seiner alten Neigung freien Lauf gelassen hat; dies tat er zwar nicht ohne von anderer Seite dazu gedrängt zu werden", aber eben auch mit bestimmten eigenen Überlegungen, über die er (wann immer er sie auf einmal oder nach und nach zuerst anstellte) dann in den Jahren 1743 —1745 öffentlich Rechenschaft abgelegt hat.

2. Der Durchbruch der historischen Richtung in Baumgartens Veröffentlichungen

Ein sehr wichtiges, wenn auch noch ergänzungsbedürftiges erstes Indiz für Baumgartens Hinwendung zur Geschichte ist also die um den Anfang der vierziger Jahre zu beobachtende Veränderung in der Art seiner Veröffentlichungen. Hat er auch nie offen und direkt eine Umstellung seines wissenschaftlichen Arbeitsprogrammes angekündigt — es gab genug Gründe, die ihn sich davor hüten ließen —, so spricht die Liste seiner Publikationen doch eine deutliche Sprache. In seinen ersten Jahren hatten die erbaulichen Schriften klar dominiert: eigene Predigten und Schriftbetrachtungen sowie Ausgaben oder Übersetzungen fremder Ascetica. Die bedeutendste wissenschaftliche Veröffentlichung war eine systematische: der „Unterricht vom rechtmäßigen Verhalten eines Christen oder theologische Moral" (1738). Das hier vorliegende Ergebnis einer eigentümlichen Verschmelzung des hallisch-pietistischen Ansatzes mit der Philosophie Christian Wolffs fand trotz mancher Widerstände von Seiten Joachim Langes und seinesgleichen großen Anklang. Mit fünf Auflagen fand dieses Buch eine weite Verbreitung. Man hätte darum erwarten können, daß Baumgarten als nächstes Ziel nach der Ethik nun auch die anderen systematischen Lehrbücher, vorab die Dogmatik, im gleichen Stil herausgebracht hätte. Das aber unterblieb erstaunlicherweise, obwohl man gespannt darauf wartete 53 .

" Vgl. z.B. Welthistorie I, 1744, Vorrede, S. 53 Aran. 51. " S. o. Anm. 29.

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III. Baumgartens Hinwendung zur Geschichte

Als nach dem Regierungsantritt Friedrichs II. Christian Wolff in Halle wieder eingezogen war, war ja der Weg für eine an seine Philosophie angelehnte theologische Auffassung frei geworden. Es ist aber auffällig, daß Baumgarten ausgerechnet jetzt sich einerseits mit seiner Wolff nahestehenden systematischen Lehrart auf die Kollegs zurückzieht und andererseits mit seinen bald zu einer Lawine anwachsenden historischen Veröffentlichungen einen ganz anderen und von Wolffs Denkweise wegführenden Weg einschlägt. Es wird noch zu zeigen sein, inwiefern sich hierin nicht eine bloß stimmungsmäßige Abkehr von Wolff kundtut, wie sie auch anderswo gerade nach dessen äußerem Siege zu beobachten ist 54 . Es handelt sich bei Baumgarten vielmehr um die bewußte Inangriffnahme einer eigenen, selbst erkannten Aufgabe unter Zurückstellung anderer Arbeiten. Was Baumgarten jetzt publiziert, steht zunehmend unter diesem neuen Aspekt. Die überwiegende Anzahl aller Veröffentlichungen aus den letzten eineinhalb Jahrzehnten seines Wirkens, seien es eigene Schriften, Übersetzungen oder Editionen, sind historische oder doch stark historisch orientierte Arbeiten, wozu man auch die Mehrzahl der Eindeutschungen von ausländischen apologetischen Schriften rechnen muß 5 5 . Es ist nicht zu übersehen, daß das schriftstellerische Interesse Baumgartens jetzt ganz überwiegend auf die Geschichte gerichtet ist. Die eigenen Schriften anderen Charakters aus dieser späteren Phase gehen dagegen, wie die Vorreden zeigen, entweder auf dringende Bitten anderer zurück und beruhen dann meistens auf älteren, von Verlegern präsentierten studentischen Nachschriften, die Baumgarten vor dem Druck mehr oder weniger gründlich durchsehen konnte 5 6 , oder aber es sind Auftragsarbeiten wie die theologi-

54 Nach seiner Rückkehr nach Halle hatte der nun über sechzigjährige Wolff einen enttäuschenden Lehrerfolg. Obwohl seine und seiner Schüler literarische Produktion noch blühte und seine Philosophie fast überall in Deutschland durchgedrungen war, ließ seine Ausstrahlung schon nach und gingen die wacheren Geister unter seinen Schülern und anderswo bald ihre eigenen Wege, zumal sich auch die philosophische Opposition respektlos regte (vgl. C. Justi: Winckelmann und seine Zeitgenossen I, S. 69ff.; H. Hettner: Literaturgeschichte des 18. Jh. III, 1, S. 229ff.; M. Wundt: Die deutsche Schulphilosophie . . . , S. 183. 199ff. 2 3 0 f f . 247; J. Schollmeier: Johann Joachim Spalding, S. 16—18). 55 Wir werden noch sehen, daß Baumgarten die Aufgabe der Abwehr und Widerlegung der „Freigeisterei" immer stärker als eine vorwiegend historische betrachtete. 56 Typisch hierfür ist die Erleuterung des kleinen Catechismi D. Martin Luthers, 1749, deren Vorrede Baumgarten mit dem Satz beginnt: „Ohnerachtet ich den Hauptinhalt gegenwärtigen Buchs für meine Arbeit erkenne; so habe doch an der Ausgabe desselben so wenig Anteil und bei derselben Besorgung so wenig Mühe gehabt, daß es mir kaum zuzukommen und zu gebühren scheinen möchte, dasselbe mit einer Vorrede zu begleiten." Es war dies die erste Vorlesung als Ordinarius von 1734, die Baumgarten nicht wiederholt hat, die aber von dem ihm nahestehenden Pastor an der Liebfrauenkirche Johann George Kirchner zum Druck besorgt wurde. Kirchner war überhaupt der zu Lebzeiten Baumgartens eifrigste Helfer und Initiator bei dessen Veröffentlichungen. Obwohl er es war, dem Baumgarten auf dem Sterbebette seine Manuskripte übergeben hatte Q. S. Semler: Kurzer Entwurf . . . In: Ehrenge-

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sehen B e d e n k e n u n d G u t a c h t e n , d e n e n sich ein ö f f e n t l i c h e r P r o f e s s o r aus wirtschaftlichen Gründen u n d auch v o n Fakultäts w e g e n schlecht e n t z i e h e n k o n n t e . Ä h n l i c h e s gilt auch für Baumgartens E x e g e t i c a , o b w o h l diese z u n ä c h s t eine gewisse Sonderstellung e i n z u n e h m e n scheinen. Als E x e g e t sah er o f f e n b a r bald auch eine n e u e A u f g a b e vor sich, die — w i e an anderer Stelle gezeigt — im Zurückschneiden der erbaulichen Ü b e r w u c h e r u n g der Auslegung, in einer besseren Erfassung des logisch durchzuklärenden Wortsinns u n d in einer stärkeren Berücksichtigung der „historischen U m s t ä n d e " der T e x t e b e s t a n d . In diese Richtung w e i s t auch die 1 7 4 2 aus eigener Initiative herausgebrachte kleine biblische H e r m e n e u t i k (Unterricht v o n A u s l e g u n g der heiligen Schrift). Baumgarten h a t t e o f f e n s i c h t l i c h zu Beginn der vierziger Jahre vorgehabt, eine R e i h e v o n großangelegten w i s s e n s c h a f t l i c h e n K o m m e n t a r e n z u biblischen Büchern zu liefern, brach aber s c h o n bei d e m ersten Versuch, der auf mehrere Bände g e p l a n t e n „Auslegung des Buches H i o b " ( 1 7 4 0 ) , n a c h d e m 4 . K a p i t e l (bei S. 4 8 0 ! ) w i e d e r a b 5 7 . Zu w e i t e r e n K o m m e n t a r e n m i t vergleichbarer Ausführlichkeit, A u s s t a t t u n g m i t w i s s e n s c h a f t l i c h e m Apparat u n d u m f a s s e n d e r Einleitung ist es d a n n n i c h t m e h r g e k o m m e n 5 8 . V e r ö f f e n t l i c h t w u r d e n aus d e m Bereich der Schriftauslegung nur n o c h v o n anderen u n d großenteils p o s t h u m besorgte A u s g a b e n v o n z u s a m m e n -

dächtnis . . . S. 120f.), scheint er sich zugunsten des genauer beauftragten Semler (aaO S. 123) von der Editionsarbeit immer mehr zurückgezogen zu haben, zumal er anders als Semler vornehmlich am Praktisch-theologischen interessiert war. Eine lange Liste seiner Ausfertigungen von Baumgarteniana findet sich in seinem Vorbericht zu Baumgartens Auslegung der Leidens- Sterbens- und Auferstehungsgeschichte Jesu Christi . . . , 1757, § 2, Anm. a. Kirchner brachte übrigens die erwähnte Katechismuserklärung noch 1764 in 3. Auflage heraus, wobei er in der Vorrede die Ausgabe von J . F. Buddeus: Catechetische Theologie . . . durch J . F. Frisch, 1752, heftig angreift, weil hier in plagiatorischer Weise fast der gesamte Baumgartensche Text eingefügt worden ist. 57 Die Interpretation im Haupttext bleibt freilich noch in einer gewissen Nähe zu der ascetischen Auslegung, von der Nachschriften verwertet worden sind. Sie ist aber von einem ausfuhrlichen wissenschaftlichen Apparat begleitet. Auch ist eine umfangreiche gelehrte Einleitung vorangestellt, für die Semler später noch lobende Worte findet (Verzeichnis . . . In: Ehrengedächtnis . . . , S. 133). 58 Baumgartens eigene Mitwirkung an der deutschen Bearbeitung des großen „Englischen Bibelwerkes" (genauer: Bibliographie Nr. 142) beschränkte sich übrigens auf Anmerkungen wiederum zum Buch Hiob (Bd. V, 1756, S. 2 3 7 - 9 1 0 ) . Er hat zwar vom III, bis V. Band die Oberaufsicht über das Werk geführt, auch zwei Vorreden beigesteuert, aber die weitere Arbeit daran doch seinem Schüler J . A. Dietelmair überlassen (vgl. K. Leder: Universität Altdorf, S. 127ff.). Die lesenswerteste Charakterisierung dieses Unternehmens findet sich bei H. Schöffler: Der junge Goethe und das englische Bibelwerk. In: Deutscher Geist im 18. Jahrhundert, S. 97—113, wobei freilich die Angabe, Baumgarten habe erst am neutestamentlichen Teil mitgearbeitet (aaO S. 102), nicht zutrifft, weil diese Bände erst nach Baumgartens Tode erschienen. Goethe kann also durchaus auch auf die Baumgartenschen Anmerkungen zu Hiob gestoßen sein und seine Vorreden gelesen haben.

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gestellten N a c h s c h r i f t e n einzelner K o l l e g s S 9 , erbaulicher B i b e l s t u n d e n 6 0 u n d h o m i l e t i s c h ausgerichteter Perikopenerklärungen 6 1 , die z u e i n e m erheblichen Teil auf die ganz frühen Jahre zurückgehen. G r o ß e Mühe hat Baumgarten sich m i t e x e g e t i s c h e n P u b l i k a t i o n e n nach j e n e m a b g e b r o c h e n e n Versuch m i t der Hiobauslegung n i c h t m e h r g e m a c h t . N i c h t daß die N o t w e n d i g k e i t einer wissenschaftlich gründlichen Schriftauslegung i h m n i c h t stets vor A u g e n g e s t a n d e n hätte. Im Gegenteil, aber es scheint ihm gerade u m ihretwillen z u n ä c h s t eine Hinw e n d u n g zur allgemeinen G e s c h i c h t s f o r s c h u n g u n d eine Verbesserung der historischen Kenntnisse erforderlich g e w e s e n z u sein. S o verlagerte sich sein wissenschaftliches Interesse irnner m e h r hierauf u n d w e r d e n die P u b l i k a t i o n e n , die Baumgarten selbst plante u n d betrieb, n u n m e h r vornehmlich hierdurch bestimmt. Baumgartens eigene historische S c h r i f t e n s t a m m e n überwiegend aus d e m Bereich der Kirchengeschichte u n d sollten sich — abgesehen v o n kleineren Spezialarbeiten 6 2 — nach d e n Bedürfnissen seiner Lehrtätigkeit r i c h t e n 6 3 . Freilich

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Nicht nur die posthum herausgegebenen (s. Bibliographie Nr. 192. 194. 197. 202), auch die zu Lebzeiten erschienenen „Auslegungen" zum Römerbrief (1749), zum Jakobusbrief (1750) und zum Propheten Joel (1756) beruhen auf frühen Ausarbeitungen und auf Kollegnachschriften. In der Vorrede zur Römerbriefauslegung (S. 2f. nicht pag.) hebt Baumgarten hervor, er sei zur Herausgabe dieser Schriftauslegung nur dadurch bewogen worden, daß einerseits ihn auswärtige Freunde immer mehr bedrängt hätten — hier spielt er vermutlich besonders auf seinen kürzlich verstorbenen Berliner Förderer Propst M. Roloff an — und andererseits in Halle ein gewisser Bedarf entstanden sei, weil die Exegetica unter seinen Kollegs zurückgetreten seien. So träte hier eine Fassung von zergliedernder Auslegung ans Licht, bei der jegliche wissenschaftliche Diskussion von Gegenmeinungen weggelassen sei (aaO S. 3f. nicht pag.). Bei diesem ersten Auslegungsband hat Baumgarten den aus den Nachschriften erstellten Text noch ziemlich genau geprüft und viel geändert (aaO S. 4 nicht pag.), später wurde seine Mitwirkung immer geringer. 60 Auslegung und Anwendung einiger Psalmen . . . , 1751; Erbauliche Erklärung der Psalmen I—II, 1759. " Auslegung der evangelischen Texte . . . I—II, 1752; Auslegung der epistolischen Texte . . . I—II, 1754—1755; Auslegung der evangelischen Texte am Tage Pauli Bekehrung und am Grünen Donnerstage, 1754. In den Vorreden hierzu mußte sich Baumgarten verschiedentlich gegen das Gerücht wehren, diese Auslegungen seien mehr fremde (Kirchners!) als eigene Arbeit. Zu den Perikopenauslegungen gehören übrigens jeweils Zusatzbände mit kurzen Beispielen für Predigtentwürfe (Entwurf verschiedener homiletischen Zergliederungen . . . ) , von denen Α. H. Niemeyer urteilte, es sei nicht vorteilhaft gewesen, daß diese „eine Zeitlang das Haupt- und Hülfsbuch sehr vieler Prediger wurden" (Die Universität Halle . . . , S. LXXXI). " Hierzu gehören akademische Programme zu den großen Kirchenfesten (Bibliographie Nr. 20. 23. 37. 45. 62. 112. 134. 135), in denen sich Baumgarten je länger je weniger um erbauliche Betrachtungen bemüht als um kritische Beiträge zur Geschichte der Heortologie, zur Genealogie Jesu oder zur Symbolgeschichte. Auch die in Fortsetzungen gedruckten Abhandlungen in den Hallischen Wöchentlichen Anzeigen behandeln ζ. T. kirchengeschichtliche Spezialprobleme (Bibliographie Nr. 78. 130. 137. 154. 167). Unter den von Baumgarten selbst verfaßten Dissertationen findet sich eine kirchengeschichtliche Abhandlung, die 1740/41

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b l i e b e n ihre Zahl u n d ihr U m f a n g verhältnismäßig begrenzt, w a s teils auf äußere U m s t ä n d e , teils auf innere H e m m n i s s e durch d e n Wandel der Ansprüche zurückzuführen ist. Dies gilt v o r n e h m l i c h für das ursprünglich auf vier O k t a v b ä n d e angelegte kirchengeschichtliche Lehrbuch, w e l c h e s breiter als geplant geriet u n d dessen Fortführung über das 9. Jahrhundert hinaus zurückgestellt w e r d e n m u ß t e 6 4 . Baumgarten h a t t e o h n e h i n n o c h eine große Gesamtdarstellung der Kirchengeschichte im Sinn. Während der ganzen Zeit s c h w e b t e i h m nämlich eine anspruchsvolle, auch ins Detail g e h e n d e u n d Q u e l l e n u n d Literatur diskutierende „vollständige A b h a n d l u n g der g e s a m t e n Kirchengeschichte" v o r 6 S , die er aber w e g e n der dazu erforderlichen u m f a n g r e i c h e n Vorarbeiten am Quellenmaterial nicht sogleich liefern k o n n t e u n d schließlich ganz zurückstellen m u ß t e 6 6 . Später e n t s c h l o ß er sich d a n n d o c h n o c h w i d e r w i l l i g 6 7 zur Herausgabe eines früher konzipierten u n d kurzen lateinischen K i r c h e n g e s c h i c h t s k o m p e n d i u m s o h n e b e s o n d e ren Eigenwert, w e l c h e s Semler n o c h in gewisse Verlegenheit b r a c h t e 6 8 . F e m e r

unter seinem Vorsitz abschnittweise von drei Respondenten verteidigt wurde: Examen miraculi legionis fulminatricis contra Thomam Woolstonum (Bibliographie Nr. 231. 233. 235). Hier nimmt Baumgarten gründliche Untersuchungen spätantiker und altkirchlicher Quellen vor, um die Legenden zu zerstören, die sich um eine Legion mit christlichen Soldaten zur Zeit Kaiser Marc Aurels rankten, welcher besondere, den Christenglauben bestätigende Wunderkräfte (Blitz und Regen vom Himmel) zugeschrieben wurden. Die Legende wird auch in der allegorischen Umdeutung des Deisten Thomas Woolston zurückgewiesen. 63 Auszug der Kirchengeschichte I, 1743, S. 10 nicht pag.: „ . . . d a mich mit aller Ausfertigung von Schriften gerne nach den Umständen meiner Hauptarbeit des akademischen Vortrage, auch den Bedürfnissen und dem Verlangen meiner Zuhörer richte". 64 Auszug der Kirchengeschichte von der Geburt Jesu an I—III, 1743—1746. In der Praefatio zu seinem Breviarium historiae christianae, 1754, bemerkt Baumgarten, daß das gesamte Manuskript des deutschen Auszugs seit zwölf Jahren vorliege, der Abbruch des Drucks sei auf den Verleger zurückzuführen: „non mea sed librarli culpa" (S. 2 nicht pag.; die Verlagsrechte gingen von J . Α. Bauer auf J . J . Gebauer über, der einen Teil der 2. Auflage mit neuen Titelblättern versah). Semler verzichtete dann trotz Ankündigung (Nachr. merkw. Büch. 11, 1757, S. 465) auf die Herausgabe des restlichen Maunskripts Baumgartens; er versuchte vielmehr 1762 mit Band IV (das 10. Jahrhundert enthaltend) eine eigene verbesserte Fortsetzung des Werks (s. G. Hornig: Die Anfänge . . . , S. 262, Semler-Bibliographie Nr. 67), brach aber das Unternehmen danach ganz ab und lieferte später ein eigenes Lehrbuch (aaO S. 271, Nr. 123). 65 Auszug der Kirchengeschichte I, 1743, Vorrede, S. 14 nicht pag. " AaO III, 1746, Vorrede, S. 20 nicht pag. 67 1746 hatte er noch mit Bestimmtheit erklärt: „Noch viel weniger bin willens, aus gegenwärtigem Auszuge einen kleinern zu verfertigen" (aaO). " An diesem Kompendium haben sich in der Literatur Spekulationen entzündet, auf die hier eingegangen werden muß, weil sie auf die Gesamtbeurteilung Baumgartens Einfluß haben. Es handelt sich um das Breviarium historiae christianae in usum scholarum suarum . . . , 1754. In einer Selbstanzeige schreibt Baumgarten darüber: „Weil mein teutscher Auszug der Kirchengeschichte zum Gebrauch bei akademischen Vorlesungen zu groß geworden, so habe dieses kürzere Lehrbuch zu gedachtem Endzweck herausgegeben" (Nachr. merkw. Büch. 5, 1754, S. 470). Diesen Charakter als Notlösung muß man beachten. Man würde unrecht tun, wollte man den Kirchenhistoriker Baumgarten einzig an dieser seiner schwäch-

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sten Veröffentlichung aus diesem Bereich messen. Das Breviarium ist nämlich nicht aus den Quellen selbst, sondern weitgehend aus den Auszügen der Histoire ecclesiastique des Franzosen Claude Fleury geschöpft. Semler schildert beweglich, wie er — dies nicht ahnend — als junger Professor bei der Vorbereitung auf sein erstes kirchengeschichtliches Kolleg über dieses ihm vorgegebene Kompendium nächtelang bis zur Verzweiflung nach dessen Grundlage fahndete u n d schließlich, nachdem auch Baumgarten nicht mit genauerer A u s k u n f t half, mit seinem Freund Heilmann auf Fleury kam (Lebensbeschreibung I, S. 2 0 3 f f . 207f.). Daraus h a t J . G. Eichhorn (Johann Salomo Semler, 1793, S. 97ff.) sehr weitreichende Schlüsse auf mangelnde Quellentreue u n d literarische Unseriosität bei Baumgarten gezogen, denen z. B. P. Gastrow (Joh. Salomo Semler, S. 45) und K. Aner (Theologie der Lessingzeit, S. 228f.) teilweise folgen. Solches Urteil berücksichtigt aber weder Baumgartens sonstige kirchengeschichtliche Arbeit u n d sein Bemühen um Akribie (die naturgemäß noch nicht auf dem Stand des Quellenbewußtseins von 1793 war) noch die besonderen Umstände beim Z u s t a n d e k o m m e n dieses Kompendiums. Es ist nämlich nicht erst 1754 neu abgefaßt worden, sondern stammt im wesentlichen aus dem J a h r e 1740 (Breviarium, Praefatio), als Baumgartens historische Orientierung sich noch kaum durchgesetzt hatte! Das aber scheint auch schon Semler verborgen geblieben oder aber in der Erinnerung etwas unklar geworden zu sein: „Um meine ersten Collegia zu unterstützen, so fing der sei. Baumgarten an das breviarium der Kirchenhistorie des N . T . zu schreiben" (Lebensbeschreibung I, S. 203). Diese Annahme lag um so näher, als Semler 1753 für seine Vorlesung den Abdruck von Baumgartens Breviarium (nicht „sein Kollegheft", wie Aner aaO meint) nicht auf einmal, sondern bogenweise erhielt, wobei aber die Praefatio, aus der Semler die frühe H e r k u n f t des Textes h ä t t e ersehen können, erst übers J a h r mit dem fertigen Buch vorlag. Die Stockungen bei der Lieferung der Druckbogen (Semler aaO) aber gingen diesmal nicht so sehr auf Baumgartens Krankheit u n d andere Abhaltungen vom Schreiben zurück, sondern auf die Verluste einiger alter Zettel, die erst Baumgartens Helfer bei dieser Arbeit, der ehemalige Hörer J . H. Gerling, aus seinen alten Nachschriften — wohl von vor 1744, denn da kam Gerling mit seiner Disputation zum Studienabschluß (s. Bibliographie Nr. 252) — ergänzen m u ß t e , weil Baumgarten selbst außer geringfügigen Vervollständigungen am Schluß nichts neu schreiben wollte (Praefatio). Wäre Semler sich darüber im klaren gewesen, daß es sich im Grunde u m ein Manuskript von 1740 und nicht von 1753 handelte, so hätte er sich über die Abhängigkeit von Fleury weniger gewundert. Ansonsten aber ist sein Bericht zurückhaltender und gerechter als Eichhorns darauf basierende u n d abwertende Darstellung. Vor allem von der Unterstellung, Baumgarten habe Semler die A u s k u n f t über seine Quellen verweigert, weil er ihn nicht auf seine literarischen Schliche k o m m e n lassen wollte (Eichhorn aaO S. 98f.), fehlt bei Semler jede Andeutung. Dieser nahm vielmehr an, Baumgarten habe ihn in dem b e w u ß t e n Gespräch zu weiteren eigenen Forschungen anreizen wollen („ich glaube, der würdige Mann wollte mich im Eifer unterstützen, daß ich nicht nachließe", Semler aaO S. 205). Es ist bei der Beurteilung der pauschalen Antworten Baumgartens bei jenem kurzen Gespräch mit Semler jedenfalls auch in Rechnung zu stellen, daß Baumgarten vermutlich das volle Ausmaß der inneren Qualen Semlers, der j a auch nicht mehr bei ihm wohnte, verborgen geblieben sein dürfte. Ferner m u ß man fragen, ob sich Baumgarten 1753 überhaupt noch seiner Abhängigkeit von Fleury 13 J a h r e zuvor voll b e w u ß t war. Sein Urteil über das zunächst hoch eingeschätzte und zweifellos nach dem Maßstab der Zeit gute u n d an Quellenauszügen reiche Kirchengeschichtswerk Fleurys (vgl. E. Fueter: Geschichte der neueren Historiographie S. 315. 629) wurde zwar im Laufe der J a h r e ungünstiger (vgl. Welthistorie I, 1744, Vorrede, S. 4 6 Anm. 47 mit Vorrede zu Z. Theobald: Hussitenkrieg, 1750, u n d J . P. Niceron: Nachrichten . . . IX, 1754, S. 12 Anm.), wenngleich die Leistungen der gallikanischen Kirchengeschichtsschreibung für Baumgarten wie für Semler (Lebensbeschreibung II, S. 154) stets anerkannt blieben. In seinen eigenen Vorlesungen aber war Baumgarten entsprechend dem Fortschritt seiner intensiven Geschiehts-

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gehören hierher die K o m p e n d i e n zur K u n d e der christlichen A l t e r t ü m e r 6 9 u n d zur K o n f e s s i o n s k u n d e 7 0 . V o r w i e g e n d historisch orientiert sind auch die „Erleuterungen der im christl. C o n c o r d i e n b u c h e n t h a l t e n e n s y m b o l i s c h e n S c h r i f t e n " ( 1 7 4 7 ) u n d die damit z u s a m m e n h ä n g e n d e Ausgabe der lutherischen B e k e n n t n i s s c h r i f t e n 7 1 . D i e s e Ausgabe versteht sich als der erste Versuch einer „kleinern, w o h l f e i l e m u n d z u m Gebrauch b e q u e m e r n Ausgabe dieser Bekenntnisbücher in teutscher S p r a c h e " 7 2 aufgrund einer n e u e n K o l l a t i o n mit N a c h w e i s der Lesarten der w i c h t i g s t e n bisherigen Ausgaben, bei deren Herstellung w ä h r e n d einer Erkrankung Baumgartens der j u n g e Semler die Hauptlast getragen h a t 7 3 . Sie steht im Z u s a m m e n h a n g m i t d e m Projekt einer mehrbändigen Gesamtausgabe aller o f f i z i e l l e n lutherischen Lehrschriften, Territorialbekenntnisse, Corpora D o c t r i n a e u n d wichtiger Synodalakten des 16. Jahrhunderts in E u r o p a 7 4 . Baumgarten besaß hierzu wertvolles handschriftliches Material, Akten- u n d Briefsammlungen. Darunter b e f a n d sich übrigens auch das bislang u n g e d r u c k t e „Torgische B u c h " v o n 1 5 7 6 , die Vor-

studien längst über diese Bindungen hinweggeschritten und illustrierte seinen immer freieren Vortrag aus dem großen Vorrat eigener Quellenkenntnis, wie Sem 1er selbst bezeugt (Volständiger Auszug aus der Kirchengeschichte . . . IV, 1762, Vorrede, S. 13). Daß Baumgarten fur das wegen Semlers Eintritt in die Fakultät noch notwendig gewordene Kompendium zu einem früher bewährten Konzept zurückkehrte, ist nicht auf mangelndes Quellenbewußtsein zurückzuführen, sondern hängt mit seiner Verweigerung eigener Geschichtsschreibung gerade wegen der noch nicht hinreichend bewältigten Quellenarbeit zusammen. Die Zeit ist ihm noch nicht reif dazu. Selbst Semler muß später, als er in Fortsetzung von Baumgartens deutschem Auszug eine Darstellung der Kirchengeschichte aus den Quellen versucht, gestehen, „daß ich mir . . . fast zu viel vorgesetzt habe" (aaO S. 20, vgl. S. 17), und nach der Behandlung des 10. Jahrhunderts den Versuch wieder aufgeben. Insgesamt ist der fragmentarische Charakter der Baumgarten-Semlerschen Kirchengeschichtsschreibung somit gerade ein Zeugnis fur das wachsende Quellenbewußtsein. 69 Prima lineae breviarii antiquitatum christianarum, 1747 (der volle lat. Text dieses erst 1766 von Semler mit Ergänzungen wieder herausgegebenen Kompendiums findet sich auch in der durch deutsche Nachschriften erweiterten Fassung: Erläuterung der christlichen Altertümer, ed. J . C. Bertram, 1768). Dieses Kolleg unterrichtet über die „gottesdienstlichen Personen" und „Zeiten", die „heiligen ö r t e r " und „Handlungen", über die „Kirchenzucht" und „heilige Sachen" in der Alten Kirche. 70 Abris einer Geschichte der Religionsparteien, 1755 (die gesamte Vorlesung wurde nach Nachschriften von Semler mit J . C. Bertram herausgegeben: Geschichte der Religionspartheyen, 1766). 71 Christliches Concordienbuch . . . , 1747. " AaO Vorrede S. 4. " AaO Vorrede S. 6ff. 22; vgl. Semler: Lebensbeschreibung I, S. 117. ™ Christliches Concordienbuch . . V o r r e d e S. 23f.; ein ausführlicher vorläufiger Plan dafür findet sich in der Vorrede zu den „Erleuterungen" zum Konkordienbuch, 1747, vgl. auch den Anhang dort S. 247—342. Das Unternehmen scheiterte aus Mangel an Interessenten. Schon 1749 wurde der Plan von drei Quartbänden auf zwei Oktavbände reduziert, danach hört man nichts mehr davon (Nachr. hall. Bibl. 3, 1749, S. 375).

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III. Baumgartens Hinwendung zur Geschichte

stufe der K o n k o r d i e n f o r m e l 7 S , welches B a u m g a r t e n fertig z u r E d i t i o n vorbereitet h a t t e , aber erst Semler 1 7 6 0 ans L i c h t bringen k o n n t e 7 6 . Parallel zu den eigenen A r b e i t e n erscheint eine stattliche Reihe v o n E d i t i o n e n und Ubersetzungen f r e m d e r Schriften aus d e m Bereich der K i r c h e n g e s c h i c h t e . Sie wird im J a h r e 1 7 4 0 interessanterweise e r ö f f n e t mit Neuauflagen zweier Werke v o n G o t t f r i e d A r n o l d , seiner M a c a r i u s - Ü b e r s e t z u n g 7 7 u n d seiner W a h r e n Abbildung der ersten C h r i s t e n 7 8 . Diese Ausgaben w u r d e n z w a r v o n anderer Seite vorbereitet und nicht in Halle, sondern in Leipzig g e d r u c k t , aber Baumgarten, u m eine V o r r e d e zu d e m ersten Werk gebeten, f ö r d e r t e das U n t e r n e h m e n auf seine Weise, indem er in der V o r r e d e v o m N o v e m b e r 1 7 3 9 und in der V o r r e d e zu d e m zweiten Werk den wissenschaftlichen Stellenwert d e r Arnoldschen Schriften relativierte und an dessen Folgerungen aus der B e t r a c h t u n g der Alten Kirchengeschichte deutlich Kritik ü b t e 7 9 . B a u m g a r t e n e r w a r t e t nämlich von der Beschäftigung mit d e r Überlieferung der frühen Christenheit z w a r a u c h n o c h geistliche F r u c h t und E r b a u u n g 8 0 , d o c h überwiegt für ihn ihre B e d e u t u n g

S. Erleuterungen . . . , 1747, Vorrede, S. 8f. nicht pag. Abdruck des Torgischen Buchs aus einer gleichzeitigen handschriftlichen Urkunde . . . , 1760 (Vorrede S. 3f.), vgl. G. Hornig: Die Anfänge . . . , S. 119 u. 259f., Semlerbibliographie Nr. 52; zum heute noch erheblichen Wert dieser Ausgabe für die Geschichte der FC s. BSLK, S. XXXVIIIf. 77 Denckmahl des alten Christentums oder des heil. Macarii . . . Schriften (1699), 4. Aufl. 1740; s. H. Dörries: Geist und Geschichte bei Gottfried Arnold, S. 148ff. Diese Ausgabe, welcher Dörries auf keiner deutschen Bibliothek habhaft werden konnte (aaO S. 154 Anm. 11 und Nachtrag S. 214), findet sich jetzt in der Bibliothek des Evang.-Theol. Seminars der Ruhr-Universität Bochum. 78 Wahre Abbildung der ersten Christen . . . , 6. Aufl. 1740 (Ursprünglich: Die erste Liebe der Gemeinen Jesu Christi, das ist wahre Abbildung der ersten Christen, 1696); s. H. Dörries aaO S. 29ff. 79 H. Dörries meint nicht ganz zutreffend hierzu, damit habe die „beginnende Aufklärung . . . sowohl Arnolds Abbildung wie seine Macarius-Ubersetzung durch eigene Ausgaben für die neue Zeit bewahrt, in einer sich zugleich distanzierenden Anerkennung" (aaO S. 154f. Anm. 11, vgl. S. 214). Doch spricht dagegen, daß fünf Jahre später die Distanz bei weitem die Anerkennung übertrifft, ein weiteres Zeichen übrigens für die Verschärfung der historischen Maßstäbe bei Baumgarten in jenen Jahren: in der Vorrede zu Kleine teutsche Schriften II, 1745, S. lOff. nicht pag. hält er es für „kein Unglück" mehr, daß die Arnoldschen Schriften so schlecht gekauft werden, weil Zeitgeschmack und historische Einsicht sich geändert haben. Es wird also doch eher nachlassender Pietismus als „beginnende Aufklärung" die Ausgaben von 1740 veranlaßt haben. 75 76

Denckmahl des alten Christentums . . . , Vorrede S. 14ff. Dabei fordert Baumgarten aber größte Behutsamkeit, damit man nicht in schriftwidrige Überschätzung der Alten Kirche verfalle und sie nicht äußerlich nachahme, sondern wirklich nur versuche, „den Sinn und Geist der Alten zu überkommen" (Wahre Abbildung . . . , Vorrede, Bl. c4v). Uber das Wiederaufleben des altkirchlichen Einsiedlerideals s. E. Benz: Die protestantische Thebais. Zur Nachwirkung Makarios des Ägypters im Protestantismus des 17. und 18. Jahrhunderts in Europa und Amerika. 80

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als historisches Material. Als solches genommen und behutsam81 ausgewertet können die altkirchlichen Dokumente die Schriftautorität ebenso wie die Kirchenlehre bestätigen82 und als Quellennfür die Kirchengeschichtsforschung dienen 83 . Baumgartens Vorstellung von „Unparteilichkeit" in der Kirchengeschichte ist dabei nicht so wie bei Arnold an der Person Christi orientiert und in der „Inwendigkeit" des frommen Individuums verankert84, sondern allgemein ethisch im Sinne bürgerlicher Toleranz, wissenschaftlicher Gerechtigkeit und theologischer Mäßigung, ohne deswegen aber zu Indifferentismus zu neigen 85 . Unter diesen Gesichtspunkten ist auch die Förderung zu sehen, die Baumgarten weiteren kirchengeschichtlichen Werken als Herausgeber und durch Vorreden angedeihen ließ. Schon die von anderer Seite erbetene Vorrede zu der Ubersetzung von J. Bakers Inquisitionsgeschichte gab ihm Gelegenheit, sich umfassend über die historischen Gründe und Folgen des „Verfolgungsgeistes" im Christentum zu äußern86. Seine Verantwortung für die Fertigstellung des großen refor-

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Die Ungewißheit der Quellenlage ist Baumgarten schon sehr weitgehend bewußt (Denckmahl . . . , Vorrede S. 4). Im Auszug der Kirchengeschichte (I, S. 15) weist er auf den erheblichen Umfang unechter, untergeschobener und verfälschter Schriften hin. „Daher denn nötig ist, sich lieber mit wenigen, aber erweislichen Nachrichten der Begebenheiten mancher Zeiten und Orte zu behelfen und die Lücken der Kirchengeschichte zu gestehen . . . " (aaO S. 15f.). „Das Gebäude des alten Christentums wird auf die Art freilich kleiner, aber auch fester, dauerhafter und brauchbarer" (Wahre Abbildung . . . , Vorrede, Bl. clv). " Denckmahl . . ., Vorrede, S. 6 - 1 3 . 83 AaO S. 13f. 84 H. Dörries: Geist und Geschichte . . S . 18ff. 75ff. 194; vgl. E. Seeberg: Gottfried Arnold. Die Wissenschaft . . . , S. 227ff. 85 In der Geschichte der Religionspartheyen (1766, S. 9f.) stellt Baumgarten den unrichtigen Gesinnungsarten Ketzermacherei, Indifferentisterei und Synkretismus als richtige Gesinnung gegenüber: 1. Bürgerliche Toleranz und 2. Theologische Bescheidenheit (moderatio theologica), Friedfertigkeit und gemäßigter Eifer („Beruhet auf Beobachtung des nötigen Unterschiedes sowohl der Irrtümer als der irrenden Personen und ihres Verhaltens"). In der Vorrede zu Arnolds Wahrer Abbildung sagt er: Die vorurteilsfreie „Untersuchung historischer Wahrheiten erfordert eine eben so genaue Unparteilichkeit als ein Richter beim Zeugenverhör und der Beurteilung ihrer Aussagen nötig hat" (Bl. blv). Dabei übt er auch Kritik an Arnold und wirft indirekt gerade ihm Parteilichkeit vor: „so erweckt dergleichen einseitige Beschreibung nicht nur den Verdacht der Parteilichkeit, sondern hindert auch ganz unstreitig den vorteilhaften Gebrauch solcher Vorstellungen, sonderlich bei anzustellenden Versuchen der Nachahmung, überaus sehr" (aaO Bl. b4v; vgl. auch Vorrede zu Arnolds Denckmahl . . . , S. 56ff. und sehr deutlifch: Theologische Bedencken III, 1744, Vorrede Bl. k6v: eine Kirchengeschichte nach dem Vorbild Arnolds wäre „parteisch und sectirisch"). 86 Herrn Bakers volständige Historie der Inquisition . . . , 1741. Aus der langen Vorrede wird ersichtlich, daß Baumgarten sich des großen Ausmaßes religiöser Intoleranz in der Geschichte des Christentums bewußt ist. Aber er zieht daraus nicht die antikirchlichen Konsequenzen der radikalen Zeitgenossen, sondern sieht gerade einen Erweis der „Weisheit, Wahrheit, Treue und Macht Gottes" darin, daß letztlich dadurch „die Wohlfahrt der Seinigen befördert" worden sei, indem unter aller strafenden und läuternden Unterdrückung doch Bekenner „der verborgenen Kirche Gottes" überlebt hätten (Bl. d3v bis d4r).

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III. Baumgartens Hinwendung zur Geschichte

mationsgeschichtlichen Werkes v o n Christian August Salig ( 1 6 9 2 — 1 7 3 8 ) n a h m er gewissenhaft wahr. S o b e s c h r ä n k t e er sich n i c h t auf die A u f s i c h t u n d die Abfassung v o n V o r r e d e n für die l e t z t e n beiden B ä n d e d e r tridentinischen K o n zilsgeschichte 8 7 , er fügte hier n o c h eine wertvolle eigene Gelehrten- urid Literaturgeschichte der Auseinandersetzung u m das Konzil hinzu, die eine vertiefte Kenntnis der römisch-katholischen Positionen, ihrer E n t s t e h u n g u n d ihrer Vert r e t e r ermöglichen k o n n t e , o h n e deswegen konfessionell weniger b e s t i m m t zu sein88. In den fünfziger J a h r e n dann k ü m m e r t sich B a u m g a r t e n vorzugsweise u m solche kirchengeschichtlichen Vorgänge, die bislang in Deutschland wenig b e a c h t e t w o r d e n w a r e n : E n t s t e h u n g , Geschicke und B e d e u t u n g d e r ausländischen vorund n a c h r e f o r m a t o r i s c h e n Bewegungen und Sondergruppierungen außerhalb der G r o ß k i r c h e n , also besonders die Waldenser, die Hussiten u n d die englischen N o n k o n f o r m i s t e n 8 9 . Das Interesse B a u m g a r t e n s an diesen kirchenhistorischen T h e m e n w a r nicht in erster Linie ein religiöses wie bei G . A r n o l d , d e r gerade auch auf den „linken Flügeln" d e r Christenheit das w a h r e , inwendige Christent u m aufweisen wollte, sondern — vordergründig — ein apologetisches, das sow o h l gegen den r ö m i s c h e n Verfolgungsgeist als a u c h gegen die B e r u f u n g der Zinzendorfschen G e m e i n e n a u f eine K o n t i n u i t ä t zu j e n e n mittelalterlichen K i r c h e n g e m e i n s c h a f t e n gerichtet w a r 9 0 , und — darin verborgen — ein rein wisChristian August Saligs Vollständige Historie des Tridentischen Conciliums, Teil II u. III, 1742—1745. Genaueres zum Geschick dieses Werkes bei Th. Kolde: Art. Salig, C. A. In: RE, 3. Aufl., 17, S. 394ff. Baumgarten gehörte bei aller Wertschätzung der Quellenarbeit Saligs gleichwohl zu denen, die ihm vorwarfen, er habe „zu sehr arnoldisieret" (Geschichte der Religionspartheyen, S. 1148), indem er bei den osiandrischen und schwenckfeldischen Streitigkeiten einseitig Partei ergriff. ,7

Ergänzung und Fortsetzung der Saligschen Gelehrten-Geschichte der Tridentischen Kirchenversammlung (in Salig, Theil III, 1. Anhang, S. 241—320). Semler hat diese Arbeit Baumgartens besonders gelobt (Verzeichnis . . . In: Ehrengedächtnis . . . , S. 134). 89 Vorrede zu J . Léger: Algemeine Geschichte der Waldenser, 1750; Vorrede zu Z. Theobald: Hussitenkrieg, 1750. Die Pläne Baumgartens mit seinem Verleger gingen auf eine ganze Serie solcher Veröffentlichungen (s. Vorrede zu Léger, S. 25; Vorrede zu Theobald: S. l f . nicht pag.), ans Licht der Öffentlichkeit kam aber nur noch: D. Νe al: Geschichte der Puritaner oder protestantischen Nonconformisten I, 1754 (Trotz der Ankündigung auf dem Titelblatt enthält der Band keine Vorrede Baumgartens, die laut Nachr. merkw. Büch. 5, 1754, S. 469f. auf den II. Band verschoben wurde. Doch blieb das Vorhaben dann ganz liegen, obgleich Baumgarten alle vier Teile unbedingt hatte übersetzen lassen wollen, vgl. Nachr. merkw. Büch. 2, 1752, S. 260; Semler brachte 1762 die Restauflage des ersten Bandes noch einmal mit neuem Titelblatt und eigener Vorrede auf den Weg, vgl. G. Hornig: Die Anfänge . . . , S. 262, Semler-Bibliographie Nr. 68). Hierher gehört auch der noch 1756 gefaßte Entschluß Baumgartens zu einer eigenen gründlichen Geschichte der alten Brüderunität, zu der er von einem englischen Bischof als der einzig dazu Berufene aufgefordert worden war; der Plan ließ sich aber wegen der Krankheit und des nahenden Endes nicht mehr verwirklichen (s. J . S. Semler: Kurzer Entwurf . . . In: Ehrengedächtnis . . . , S. 106f.). 88

Darauf kommt Baumgarten in den Vorreden zu Léger und Theobald ausdrücklich zu sprechen. Demselben Zweck dienen auch die historischen Erörterungen in den gegen Zinzendorf gerichteten Theologischen Bedenken. 90

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senschaftlich-historisches. Dahinter treten die anderen Gründe für die A b l e h n u n g des n e u e n herrnhutischen „Fanaticismus" durchaus zurück. Es ist für Baumgarten ebensosehr aus Gründen der historischen Sauberkeit unerträglich, w e n n , w i e er erkannt zu h a b e n m e i n t , u n r e c h t m ä ß i g e historische B e z i e h u n g e n hergestellt u n d Erbfolgen b e h a u p t e t w e r d e n 9 1 . Es geht Baumgarten bis z u l e t z t bei allen kirchengeschichtlichen A r b e i t e n u n d E d i t i o n e n u m Bereitstellung v o n Wissen u n d u m B e s t a n d s a u f n a h m e der bisherigen G e s c h i c h t s s c h r e i b u n g 9 2 , w o m i t durch Erweiterung des Blickfeldes u n d kritische reitet selbst rigkeit

Ergänzung u n d Verbesserung der vorliegenden Resultate der B o d e n bew u r d e für eine u m f a s s e n d n e u e Kirchengeschichtsschreibung, z u der er aber nicht m e h r g e k o m m e n ist, j a die er in klarer Erkenntnis ihrer Schwieb e w u ß t zurückgestellt h a t 9 3 .

Aus der gleichen Einstellung ist Baumgartens intensive Beschäftigung m i t der allgemeinen G e s c h i c h t e erwachsen. D a ß er als T h e o l o g e sich so d a m i t b e f a ß t e , " Was Baumgarten gegen Zinzendorf und seine Bewegung — vor allem in einigen umfangreichen Theologischen Bedenken — vorzubringen hat, ist nur zu einem Teil systematische Apologetik, es spitzt sich vielmehr dauernd auf historische Fragen zu. Die Argumente gegen die Ableitung der Herrnhuter Bewegung von der alten mährischen und der waldensischen Kirche sind in der Vorrede zu J . Légers Waldensergeschichte gut zusammengefaßt (S. 14— 17). Baumgarten meint, jenen alten Gemeinschaften werde durch Mißbrauch ihres Namens ein historisches Unrecht zugefügt, gegen das sie sich nicht mehr wehren könnten, da weder eine Ubereinstimmung in Lehrbegriff und Verfassung vorliege noch auch eine volle Kontinuität der Gliedschaft gegeben sei. Aber selbst wenn dies alles der Fall wäre, sei Vorsicht geboten: „Die Sache selbst könnte wahr und richtig sein, ohne dadurch rechtmäßig zu werden" (aaO S. 15). Es könnte durchaus „der Anspruch auf alte Benennungen seine Richtigkeit haben, obgleich eine ununterbrochene Erbfolge daraus nicht abgeleitet werden könnte" (aaO). Aber da die Rechtmäßigkeit einer Kirche nicht eine Frage der Anciennität, sondern der Schriftgemäßheit sei und diese bei jenen alten, sympathischen Gemeinschaften auch nicht eindeutig positiv beantwortet werden könne, ja überhaupt die Kenntnis ihrer wahren Geschichte noch so im Argen liege, stifteten jene Rückbezüge nur Verwirrung und ließen gar den Verdacht aufkommen, man bediene sich hier absichtlich der historischen Unwissenheit. Um so wichtiger sei deshalb zunächst eine Verbesserung der Kenntnis jener kirchengeschichtlichen Erscheinungen, die gerade dem Protestantismus hochnötig sei (aaO S. 2). Heute ist man übrigens geneigter, die Kontinuität der Brüdergemeine zur alten mährischen Unität und auch zum Waldensertum zu würdigen (H. Stephan und H. Leube: Handbuch der Kirchengeschichte IV, 2. Aufl., S. 62; H. Renkewitz: Art. Brüderunität. In: RGG, 3. Aufl., I, Sp. 1435ff.). 92 Noch unmittelbar vor seinem Tode übernahm er die Leitung über eine neue Herausgabe der Magdeburger Centurien mit korrigierenden Supplementen und Fortsetzung bis auf die Gegenwart (s. Nachr. merkw. Büch. 11, 1757, S. 242ff. 281f. 366). Obwohl er sich der Grenzen dieses Werks wohl bewußt war, erkannte er seine epochale Bedeutung und seinen Quellenwert (aaO S. 239ff.). So beginnt er trotz seines Kräfteverfalls noch die Arbeit an dem von fränkischen Theologen vorbereiteten Manuskript, die Koordination der Mitarbeiter und die Werbung von Pränumeranten. Doch verfaßte nicht mehr er eine Vorrede zum I. Band (trotz Angabe auf dem Titelblatt, s. Bibliographie Nr. 183), sondern Semler, der das Werk auch fortführte. 93 S. o. S. 113-115.

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hat, was das Ausmaß betrifft, spezielle Gründe, die uns noch einsichtig werden. Die Hinwendung zur allgemeinen Geschichte überhaupt aber ist schon in der Sache begründet, mit der es der Theologe als Kirchenhistoriker zu tun hat: „indem nicht nur die Völkergeschichte, sondern auch die Nachrichten von den Abwechselungen der Wissenschaften und Künste, ja selbst die Geschichte der menschlichen Gewohnheiten und Gebräuche, auch der Natur in manchen Fällen zur Einsicht, Prüfung und Bestätigung der Kirchengeschichte unentbehrlich, allezeit aber dienlich und brauchbar sind" 94 . Erst die Kenntnis der allgemeinen Geschichte ermöglicht es, die Einordnung und den inneren Zusammenhang historischer Teilgebiete wie etwa der biblischen oder der Kirchengeschichte richtig zu begreifen 95 . So arbeitete Baumgarten in seiner späteren Lebensphase ständig nebenher — und das hieß oft überwiegend — an umfangreichen allgemeingeschichtlichen Übersetzungen, Bearbeitungen und Editionen. In dichter Abfolge erschienen jetzt za jeder halbjährlichen Messe mehrere Bände aus Baumgartens „Übersetzungsfabrik" 96 und Editionswerkstatt, wobei vielbändige Großprojekte, die sich über Jahrzehnte erstreckten, gleichzeitig mit Einzelwerken ans Licht traten. Allem voran steht die seit 1744 erschienene „Uebersetzung der Algemeinen Welthistorie, die in Engeland durch eine Geselschaft von Gelehrten ausgefertigt worden" 91 . Dieses Monumentalwerk, welches Baumgarten berühmt gemacht hat, absorbierte einen Großteil seiner Arbeitskraft 98 . Er selbst bearbeitete davon siebzehn Teile und vier neue Supplementbände 99 . Nach seinem To94

Auszug der Kirchengeschichte I, 1743, S. 17f. Vgl. Welthistorie I, 1744, Vorrede, S. 35f., wo Baumgarten betont, daß jede gelehrte Beschäftigung mit historischen Teilgebieten „weit besser von statten gehet, wenn ein weiterer Umfang derselben zu Hülfe genommen und die eigentliche Völkergeschichte oder Historie gemeiner Wesen zum Grunde gelegt, bei derselben aber die Verschiedenheit und Verbindung der Zeiten und Orte beobachtet wird. Woraus sich denn von selbst ergiebet, daß die Geschichtkunde nicht nur Lehrbücher der allgemeinen Historie benötiget sei, sondern auch alle nützliche Erlernung und Treibung der Geschichte dergleichen kürzern Umfang, Inbegriff und Zusammenhang der algemeinen Historie voraussetze und erfordere, ja eigentlich in Erweiterung der Kenntnis besonderer Teile derselben bestehe, die mit ihrem Ganzen zusammenhängen". " So C. Justi: Winckelmann und seine Zeitgenossen I, S. 159. Baumgarten hat in den meisten Fällen, vor allem später nicht mehr selbst übersetzt, sondern diese Arbeit durch eine große Schar Kundiger in und außerhalb von Halle ausführen lassen. Ihm selbst fiel in der Regel die — auch sprachliche — Durchsicht zu, ferner die gelehrten Vorreden, Anmerkungen und Zusätze. " Zu diesem Werk, seiner Bedeutung und seiner Aufschlüsselung nach Verfassern s. F. Borkenau-Pollak: An universal history of the world from the earliest account of times etc. 1736ff., Diss. Leipzig 1925. " S. u. S. 181 Anm. 47. " Samlung von Erleuterungsschriften und Zusätzen zur Algemeinen Welthistorie I—IV, 1747—56. Hiervon erschien 1760 auch eine zweibändige Ubersetzung ins Englische: A supplement to the English Universal History . . . (Bibliographie Nr. 191). 95

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de führte Semler das Werk bis zum 30. Teil fort und lieferte auch noch zwei Ergänzungsbände 100 . Obgleich in dieser Weltgeschichte auch auf die Religionen der Völker eingegangen wird, ergänzte Baumgarten sie an diesem Punkte noch durch eine deutsche Ausgabe des prächtigen religionsgeschichtlichen Realienwerks des Niederländers Romein de Hooghe 101 und durch wohlwollende Förderung von Semlers mit Anmerkungen versehener Übersetzung der Nachrichten Plutarchs und Herodots zur altägyptischen Religion 1 0 2 . In den späteren Jahren brachte Baumgarten noch einige umfangreiche Ländergeschichten auf den Weg, so von Johann Friedrich Schroeter die „Algemeine Geschichte der Länder und Völker von America" 1 0 3 , von J u a n de Ferreras die „Algemeine Historie von Spanien" 1 0 4 und von Paul de Rapin Thoyras die „Algemeine Geschichte von England" 1 0 5 . Auch ließ er seine Förderung einem großen deutschen territorialgeschichtlichen Werk angedeihen: „Alt- und Neues Mecklenburg" von David Franck 1 0 6 ; in der Vorrede dazu verhehlt Baumgarten nicht, daß er wegen der seit alters besonderen Verfaßtheit des Deutschen Reichs eine gründliche Beschäftigung mit der Geschichte der Einzelterritorien zunächst für dringlicher hält als eine deutsche Gesamtgeschichte 107 . Wie in der Kirchengeschichte ging es Baumgarten hier überall um Bestandsaufnahme und Vermittlung des historischen Wissens, möglichst durch neue und anerkannte Werke, die er so weit als möglich durch kritische Anmerkungen und gelehrte Vorreden oder Zusätze auf den letzten Stand zu bringen suchte. Am wenigsten war das bei Rapin Thoyras nötig, dessen englische Geschichte schon Baumgarten als einen Meilenstein auf dem Wege zu tendenzfreier, kritischer und zugleich lesbarer Geschichtsschreibung erkannt hatte 1 0 8 . Zugleich Vgl. G .Hornig: Die Anfänge . . . , S. 256f. 261. 164, Semler-Bibliographie Nr. 44. 64. 80. R. de Hooghe: Hieroglyphica oder Denkbilder der alten Völker . . . , 1744. 102 J . S. Semler: Erleuterung der egyptischen Altertümer . . . , 1748 (s. G. Hornig: Die Anfänge . . . , S. 251, Semler-Bibliographie Nr. 5); Semler hatte auch in der Welthistorie einen eigenen Beitrag zu den Ägyptologica geliefert (s. aaO Nr. 3). 103 Dies zweibändige, von Baumgarten sehr gelobte Werk erschien 1752—53 anonym und enthält zu Beginn (Bd. I, S. 1—504) eine Übersetzung von J . F. Lafitau: Moeurs des Sauvages Américains, Paris 1723. Der Ubersetzer und Verfasser des Übrigen war J . F. Schroeter (1710—1788), Kgl. Preuß. Regierungs- und Konsistorialsekretär zu Magdeburg (J. G. Meusel: Lexikon der . . . verstorbenen teutschen Schriftsteller XII, 470f.) und Baumgarten auch durch andere historische Arbeiten verbunden. 104 Ab 1754 erschienen Bd. 1—7 der deutschen Übersetzung unter Baumgartens Aufsicht, nach seinem Tode wurde das Werk von Semler fortgesetzt (s. G. Hornig: Die Anfänge . . . , S. 254f., Semler-Bibliographie Nr. 38). Die ersten Bände wurden übrigens auch von J . F. Schroeter übersetzt (s. vor. Anm.). 105 Erschien ab 1755, die ersten 5 Bände unter Baumgartens Aufsicht, nach dessen Tode von K. F. Pauli bis Bd. 11 (1760) fortgesetzt. 106 Erschien 1 7 5 3 - 5 8 in 19 Teilen. " " Vorrede zu Bd. I, S. 19f. 108 S. Baumgartens Vorrede, auch die mit Lob nicht sparenden Anzeigen der französischen Ausgaben in Nachr. merkw. Büch. 6, 1754, S. 270ff.; sein Urteil hat auch heute noch Be100 101

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III. Baumgartens Hinwendung zur Geschichte

machte Baumgarten auch mit ausländischen Hilfsmitteln der Geschichtswissenschaft bekannt. So stellte er der englischen Qeschichte das bedeutende personalgeschichtliche Sammelwerk der Biographia Britannica zur Seite, das er in einer für die kontinentalen Bedürfnisse behutsam auswählenden und ergänzenden deutschen Fassung herausbrachte 109 . Ähnlich war Baumgarten auch bei der Übersetzung des vielbändigen gelehrtengeschichtlichen und zugleich bibliographischen Nachschlagewerkes des Jean Pierre Niceron vorgegangen, von dem er ab 1749 fünfzehn Bände mit ergänzenden und korrigierenden Vorreden herausgab 110 . Überhaupt widmete er der „Bücherkenntnis" als Grundlage zumal der historischen Wissenschaft größte Aufmerksamkeit. So geht von 1748 ab neben aller anderen Tätigkeit die Herausgabe seiner Literaturzeitschrift einher, in welcher in- und ausländische, auch entlegenere und ältere Bücher vorgestellt und kritisch besprochen werden 111 . Schließlich ist hier noch zu erwähnen, daß Baumgarten dem deutschen Publikum auch das chronologische Hilfsbuch des Abts Nicolas Lenglet du Fresnoy zugänglich gemacht h a t l n .

3. Die Überwindung von Hemmnissen bei Baumgartens Hinwendung zur Geschichte

a) Die Durchsetzung der neuen Arbeitsrichtung Pietismus

gegenüber dem Hallischen

Die Tragweite der bei Baumgarten zu beobachtenden Hinwendung zur Geschichte erkennt man, wenn man sich vor Augen führt, von welchem vorgegebenen Verhältnis der Theologie zur Geschichte er in jener Zeit auszugehen hatte, als seine historisch orientierte Publikationstätigkeit in Gang kam. In Halle war seine Position bestimmt durch die beiden Mächte, die sich in seinem stand, vgl. E. Fueter: Geschichte der neueren Historiographie, S. 320ff. Rapin Thoyras war der Überwinder der in England herrschenden politisch-konfessionellen Parteigeschichtsschreibung (aaO S. 174ff.). Über die Begeisterung, die das Werk auslöste, s. auch C. Justi: Winckelmann . . . I, S. 160f. 109 Samlung von merkwürdigen Lebensbeschreibungen grösten Theils aus der britannischen Biographie . . . , erschienen ab 1754, die ersten 4 Bände zu Lebzeiten Baumgartens, fortgesetzt von Semler bis Bd. 10, 1770 (s. G. Hornig: Die Anfänge . . . , S. 259, Semler-Bibliographie Nr. 49). 110 Joh. Pet. Nicerons Nachrichten von den Begebenheiten und Schriften berühmten Gelehrten . . . ; nach Baumgartens Tode fortgeführt von F. E. Rambach. 111 Nachrichten von einer hallischen Bibliothek I—VIII, 1748—51, fortgesetzt als; Nachrichten von merkwürdigen Büchern I—XI, 1752—57, Registerband XII von Semler, 1758. Hierzu zählen auch noch historisch-bibliographische Einzelarbeiten (s. Bibliographie Nr. 96. 109). 113 Nie. Lenglet Dufresnoy: Chronologische Tafeln der Algemeinen Historie . . . I—II, 1752.

Uberwindung von Hemmnissen im Hallischen Pietismus

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Werden u n d D e n k e n u n a u f l ö s l i c h verbunden h a t t e n : d e n dort h e i m i s c h e n Pietismus u n d die unlängst glänzend rehabilitierte Philosophie Christian Wolffs. Die B e z i e h u n g e n zu b e i d e n m u ß t e n zwangsläufig tangiert w e r d e n , w e n n sich Baumgarten n u n m e h r so e n t s c h l o s s e n auf d e n Weg in eine Welt begab, z u der beide R i c h t u n g e n in e i n e m nicht u n g e b r o c h e n e n Verhältnis standen. Der Pietismus war wenigstens in Halle zu Beginn der vierziger Jahre des 18. Jahrhunderts i n einer Verfassung, die es vergessen lassen k ö n n t e , daß er in seiner ersten, Spenerschen Gestalt die Möglichkeit einer E n t w i c k l u n g w e g v o m aristotelischen S e i n s d e n k e n u n d h i n z u m geschichtlichen D e n k e n z u signalisieren s c h i e n 1 1 3 . M o c h t e auch Α . H. Franckes w e i t g e s p a n n t e u n d alte Strukturen umb r e c h e n d e Aktivität ähnlich wie später Z i n z e n d o r f s Wirksamkeit u n d Schriftstellerei Zeugnis v o n e i n e m n e u e n Zugang zur Eigenart u n d Fülle geschichtlichen Lebens g e b e n 1 1 4 , so ließ sich ein wissenschaftlicher Ertrag dieser n e u e n Einstellung in Halle n o c h k a u m ausmachen. N i c h t eigentlich gegen geschichtliches Denken scheint m a n sich gesperrt z u h a b e n , vielmehr brachte m a n sich durch lehrmäßige Verfestigung u n d w e g e n ängstlicher, religiös motivierter Behinderung des rein Wissenschaftlichen bald w i e d e r u m die B e w u ß t w e r d u n g u n d gelehrte Auswirkung des i m Pietismus A n g e l e g t e n . A u c h die in Halle h o c h g e s c h ä t z t e n 1 1 5 kirchengeschichtlichen Werke G o t t f r i e d Arnolds b r a c h t e n hierin k e i n e n schnel113 J . Wallmann (Pietismus und Orthodoxie, S. 441) fragt, ob nicht an dieser Stelle der entscheidende Bruch mit der Orthodoxie liegt. Es müsse aber noch geklärt werden, „wie sich der Übergang vom metaphysischen zum geschichtlichen Denken eigentlich vollzogen hat"; dabei wird besonders auf die in Speners Eschatologie angelegten Möglichkeiten hingewiesen. Auf diese Frage und auf die weiter zurückliegenden und anderswo in Europa wirksamen Geistesströmungen, die das historische Denken vorbereiteten, kann hier nicht eingegangen werden. Die Föderaltheologie ζ. B. nimmt dabei zweifellos eine wichtige Stelle ein (s. G. Möller: Föderalismus und Geschichtsbetrachtung); sie verlief sich aber in Sackgassen, teils in die eines heilsgeschichtlichen Chiliasmus (aaO S. 427ff.), teils in einen geschichtslosen Rationalismus aufgrund des naturrechtlich geprägten Bundesgedankens (A. F. Stolzenburg: Die Theologie des J o . Franc. Buddeus und des Chr. Matth. Pfaff, S. 3 4 4 - 3 6 5 . 446f.) und ihres verselbständigten Zeitbegriffs (G. Möller aaO S. 419—429). In Baumgartens Glaubenslehre tauchen die föderaltheologischen Schemata an den auch im Luthertum weithin üblich gewordenen Stellen auf (Folgen des Sündenfalls, Glaubenslehre II, S. 530ff., dazu Chr. Olearius: Die Umbildung . . . , S. 36f.; Gesetz und Evangelium, Glaubenslehre III, S. 244ff.), haben aber keine konstitutive Bedeutung, auch nicht für sein Geschichtsdenken. Wir müssen hier die Linie der deutschen protestantischen Theologie ins Auge fassen, die mit der faktischen Ermöglichung historisch-kritischer Theologie die Wende zum Neuprotestantismus besiegelte. 114 Siehe Wallmann aaO. P. Baumgart vermag überzeugend auch „Zinzendorf als Wegbereiter historischen Denkens" (1960) herauszustellen; dennoch kann bei diesem weder von kritischer Forschung noch von wirklicher Geschichtsschreibung die Rede sein. „Ein Historiker ist Zinzendorf nicht gewesen . . . Aber er war für das Wesen der Geschichte außerordentlich aufgeschlossen . . . Gerade im Blick auf die Kirchengeschichte besaß er ein viel tieferes Verständnis als viele seiner Zeitgenossen" (W. Jannasch in: M. Schmidt und W. Jannasch: Das Zeitalter des Pietismus, S. 261). " s Α. H. Niemeyer: Die Universität Halle . . . , 1817, S. XXXIX.

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III. Baumgartens Hinwendung zur Geschichte

len Wandel. Sie konnten wohl zu einer neuen, vom religiösen Individuum bestimmten Sicht der Kirchengeschichte führen, nicht aber schon unmittelbar und rasch wirksam zu einer allgemein neuen Art historischen Denkens und Forschens 116 , wenn man einmal von den Ansätzen dazu etwa in den Beziehungen zwischen G. Arnold und Chr. Thomasius absieht 117 . Bevor die Denkanstöße des frühen Pietismus Speners und Arnolds für die theologische und allgemeine Geschichtsforschung und -Schreibung wirklich fruchtbar werden konnten, legte sich speziell in Halle, dem wohl wichtigsten Zentrum der Spenerschule, eine Periode dazwischen, die der wissenschaftlichen Weiterarbeit an den gestellten Aufgaben nicht günstig war. Erst gleichsam in Femwirkung konnte, wie Fr. Meinicke gezeigt hat, das bei Arnold wie überhaupt im Pietismus angelegte individualitätsbezogene Denken den späteren „Historismus" mit begründen, und zwar so, daß der Pietismus „die Individualität gleichzeitig einschnürte und in ihrem tieferen Seelengrunde doch mächtig aufrührte", aus welcher Spannung im „Sturm und Drang" dann neues individuelles und damit geschichtsbewußtes Leben hervorbrach und auf diesem Nährboden später der „Historismus" erwuchs 118 . Jedenfalls war im Halle des frühen Baumgarten das Stadium des Eingeschnürtseins noch nicht überwunden und der Umschlag vom religiös verengten zum der Welt und der Geschichte frei zugewandten Individualismus lag noch in weiter Ferne. So bedurfte es schon einiger Eigenwilligkeit, zu dieser Zeit und in dieser Umgebung zu einem tieferen historischen Bewußtsein mit Auswirkungen auf die Wissenschaft zu gelangen. Wir können an Baumgarten und seiner Konzentration auf die historische Arbeit sehen, daß der auf Femwirkung angelegte Weg des Pietismus zum „Historismus" in Halle doch schon abgekürzt wurde. Baumgarten trat seinen neuen Weg zunächst allein an, kaum mit hochgesteckten Zielen spekulativer Art oder geschichtsphilosophischem Pathos, sondern mühsam und unermüdlich sich nach vorn arbeitend und forschend. Wenngleich die historische Kritik bei Baumgarten noch nicht von so bahnbrechender Radikalität war wie bei Semler, zeugt angesichts der hallischen Verhältnisse sein Alleingang doch von einem respekteinflößenden Mut. Begab er sich damit doch sogleich in einen erneuten Gegensatz zu den exklusiv frommen Kreisen in Halle. Diese griffen nun nicht allein mehr seinen „Wolffianis116

Vgl. F. Meinecke: Die Entstehung des Historismus, S. 45—53. Hierbei scheint aber auch Thomasius mehr der Gebende gewesen zu sein, s. dazu W. Bienert: Der Anbruch der christlichen deutschen Neuzeit . . . , S. 434—438. F. Meinecke aaO S. 50. Der Begriff „Historismus" bei Meinecke meint die historische Denkweise, welche durch den Individualitätsgedanken und den damit gegebenen Entwicklungsgedanken bestimmt ist (aaO S. 2ff.). Er enthält insofern die für die Entstehungsphase des historischen Denkens wesentlichen Elemente, nicht aber den komplexen Inhalt, den K. Heussi (Die Krisis des Historismus, S. 20. 39f.), sich an der Geschichtsschreibung um 1900 orientierend, feststellt, wobei der „Relativismus" (nicht abwertend verstanden, aaO S. 65ff.) eine wichtige Rolle spielt. 117

Überwindung von Hemmnissen im Hallischen Pietismus

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mus" an, was wegen der offiziellen Billigung des Philosophen nur wenig Erfolg versprach, vielmehr verlegten sie sich jetzt darauf zu beklagen, daß Baumgarten durch seine historischen und editorischen Nebenarbeiten zu stark vom Eigentlichen abgelenkt werde. Es gibt manche Vorrede aus jenen Jahren, in der Baumgarten behutsam und indirekt solchen Vorwürfen begegnen mußte, meistens versteckt in der Bitte um Verständnis an die auswärtigen, offenbar mehr am Wissenschaftlichen interessierten Leser gewandt, er dürfe alle diese historischen Bemühungen „nur als eine Nebenarbeit ansehen" 119 . Erst Semler wagt es ein knappes Vierteljahr nach Baumgartens Tode, der pietistischen Kritik an dessen Arbeitsprogramm deutlich, direkt und im vollen Bewußtsein dieses theologiegeschichtlichen Vorgangs entgegenzutreten und Baumgarten gerade als historisch orientierten Theologen öffentlich zu preisen und als Vorbild hinzustellen. In der vom 30. September 1757 datierenden Vorrede zum achten Band der Geschichte Spaniens von Ferreras 120 liegt uns zugleich ein außerordentlich wichtiges Dokument vor für das Verhältnis des jüngeren Semler zu Baumgarten und für sein wissenschaftliches Selbstverständnis an der Zeitnaht seiner Übernahme des Erbes. Dieser erste Band in der langen Reihe der von Baumgarten übernommenen und fortgesetzten Publikationen gibt Semler Gelegenheit, programmatisch und kompromißlos 121 über die — wie er es damals betont — von Baumgarten beispielhaft erfüllte und von ihm selbst noch bewußter übernommene Verpflichtung der Theologen zur historischen Arbeit zu sprechen. Im Blick auf seine eigene Lage 122 verteidigt er lebhaft seinen verstorbenen Lehrer und Freund gegen „die allerschlechtesten und nach und nach veralteten Vorstellungen von dem Umfange der eigentlichen Gegenstände eines Gottesgelehrten" 123 . Demgegenüber möchte Semler — nicht zuletzt auch ' " Vorrede zur Übersetzung der Algemeinen Welthistorie I, 53 Anm. 51 (1744). Ein Ausbruch aus seinen von ihm sehr ernstgenommenen akademischen Lehr- und Verwaltungspflichten liegt Baumgarten aber selbstverständlich fern, wenn auch A. F. Büsching zu berichten weiß, daß „Baumgarten bald wegen Unpäßlichkeit, bald wegen seiner Bücher, oft Lehrstunden ausfallen ließ" (Eigene Lebensgeschichte, 1789, S. 74). 110 Johann von Ferreras: Algemeine Historie von Spanien . . . VIII, Halle 1757, darin Semlers Vorrede (21 S. nicht pag.); s. G. Hornig: Die Anfänge . . . , S. 264f., Semler-Bibliographie Nr. 38a. 121 Semler ist sich bewußt, daß er „keine Vorrede, wie Baumgarten zu liefern pflegte, geschrieben habe" (aaO S. 21 nicht pag.), und antwortet auf den Einwand, woher er denn Ansehen und Berechtigung dazu habe: „In dem öffentlichen Gerichte der Wahrheit beruhet alles darauf, was gesagt oder geschrieben werde, wenn es auch noch niemalen an dem oder jenem Ort gesagt oder gehört worden." (AaO S. 4 nicht pag.) 122 Semler bekennt: „ich tue es um so viel lieber jetzt öffentlich, als sonst gewiß im kleinen ein ähnliches Urteil mich treffen würde" (aaO S. 3 nicht pag.). 123 Zu den Vorwürfen gegen Baumgarten sagt er: „Ich vermute es nicht allein, sondern ich weiß es auch, daß dieser große Gottesgelehrte von mehrern, von Predigern zumal oder von Personen, die sich auf Ausbreitung des Reiches Gottes neben jenen besonders legen zu müssen einen Beruf erteilen, nicht selten gar ungleich beurteilt worden ist: ab der nach ihrem Urteil und Wunsche viel vortrefflicher seine Zeit und ausnehmende Einsicht auf die Bücher

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III. Baumgartens Hinwendung zur Geschichte

durch eigene Ausführungen zur Sache 124 — dartun, „daß ein Gottesgelehrter, wenn er die Geschichte eigentlich selbst kennet und bei andern ihre Kenntnis wirklich befördert, in der Tat seinen eigentlichen Gesichtspunkt nicht verläßt; vielmehr daß er seiner ganzen Bestimmung kein Genüge tut, wenn er in der Geschichte fremd ist; und daß gute Geschichtbücher, sie mögen handeln, wovon sie wollen, wenn es nur wahre Geschichte ist, die wirklich großen Einfluß hat, zu der Aufrechterhaltung und Beförderung der christlichen wahren Religion mehr beitragen, als wenn alle Gottesgelehrte lauter theologische, ascetische und dergleichen Bücher schreiben wollten" 125 . Die letzteren Aufgaben habe Baumgarten ja auch in reichem Maße erfüllt, doch habe er eben in vorbildlicher Weise sich auch der historischen Arbeit nicht entzogen, wodurch er mittelbar sogar zu einer verbesserten Erbauung beigetragen habe 126 . Ja, Baumgartens im engeren Sinne theologische Arbeiten haben — wie Semler hier hervorhebt — erst durch seine historischen Bemühungen ihre eigentliche Qualität bekommen: „alsdenn, sage ich, weil ich es weiß, würde diese vortreffliche Güte an diesen (sc. theologischen) Schriften nicht zu entdecken und zu erfahren sein, wenn er nicht durch Gebrauch der Geschichte sich so große Fruchtbarkeit und besondre Güte seiner Einsichten und ihres Vortrags verschafft hätte, denn dies hängt gar notwendig eins am andern" 1 2 7 . Wir werden auf den auffälligen Kontrast, der zwischen dieser hohen Einschätzung der historischen Bemühungen Baumgartens und ihrer Bedeutung für die Theologie einerseits und der kritischeren Beurteilung dieser Sache in Semlers etwa zweieinhalb Jahrzehnte danach erschienener Selbstbiographie andererseits besteht, später noch als ein Problem für die Semlerforschung etwas näher eingehen müssen. Jedenfalls ist für unseren gegenwärtigen Zusammenhang bedeutsam, daß Semler im Jahre 1757 nicht nur um seiner selbst, auch um des gerechten Andenkens Baumgartens willen ihn als ein seltenes Beispiel 128 eines gerade auch historisch arbeitenden und anregenden Theologen so lobt. Er glaubt zwar nicht, Baumgartens und seine eigenen Gegner durch seine Ausführungen überzeugen zu können 1 2 9 , wohl aber andere Leser, „wodurch der wahre Ruhm, die großen Verdienste dieses Mannes, insofern sie auf desselben Kenntnis der Geschichte und fruchtbarer Beförderung eben derselben bei andern beruhen,

der heiligen Schrift, auf theologische Arbeiten verwenden könnte" (ebd). Semler scheint hier besonders auch an Nichttheologen wie Κ. H. v. Bogatzky zu denken, vgl. Semlers Lebensbeschreibung I, 89. Zur schwärmerischen Wissenschaftsfeindschaft in Halle s. G. Hornig: Die Anfange . . . , S. 132 Anm. 51. 124 Diese finden sich in der Vorrede zu Ferreras auf S. 5—14 nicht pag. 12! AaO S. 5 nicht pag. Semler weist hier auch auf das Beispiel Melanchthons und Lord Bolingbrokes Forderungen hin. 116 AaO S. 14f. nicht pag. 127 Ebd. AaO S. 16 nicht pag. AaO S. 3f. nicht pag.

Überwindung von Hemmnissen im Hallischen Pietismus

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unangetastet und heilig bleiben kann, zu einem verbindlichen Beispiel für alle Gottesgelehrten, welche eine eigentliche, gründliche und diesen Zeiten gemäße Gelehrsamkeit sich zur Pflicht machen lassen" 130 . Über die Bedenken, die Semler nach seinen späteren Äußerungen auch schon damals gegenüber dem bei Baumgarten noch nicht konsequent genug praktizierten Gebrauch der Geschichte innerhalb der Theologie gehegt haben dürfte, sagt er hier gar nichts. Vielmehr lassen diese Äußerungen erkennen, daß Semler wenigstens 1757 die historische Orientierung Baumgartens als die für ihn selbst wichtigste Seite seines ja nicht unkomplizierten Verhältnisses zu seinem Lehrer angesehen hat. Ja, Semler erblickt in den schon erkennbaren und noch zu erwartenden Auswirkungen dieses Elements im Lebenswerk Baumgartens dessen eigentliche Zukunftsbedeutung. So wagt er die bemerkenswerte, weit ausgreifende Voraussage, daß Baumgarten „insbesondere durch die Beförderung der Erkenntnis der wahren allgemeinen und besondern Geschichte den teutschen Protesteinten einen solchen Dienst geleistet habe, dessen Größe und Nützlichkeit sich teils schon in unsrer Zeit, wie von allen seinen übrigen Schülern denen er mündlichen Unterricht gegeben hat, gewiß ist, sehr merklich zeigen wird: sondern auch noch in dem folgenden Jahrhundert, wo diese hiedurch erlangte verschiedene Erkenntnisse und Fertigkeiten sich viel weiter verbreitet haben müssen, sehr nützlich erfahren und nachgeahmt werden wird" 1 3 1 . Das, was sich hier ankündigt, hat die Theologie bekanntlich in eine Richtung geführt, die den Interessen der streng gläubigen Kreise in Halle nicht entsprach. Um auf Baumgarten selbst zurückzukommen: welche Befürchtungen man dort schon zu seinen Lebzeiten hegte, läßt sich auch etwa daraus erschließen, daß Baumgarten selbst einmal unter den „Vorurteilen", die zur Geringschätzung der Geschichte führen, auch „das Vorgeben der Gefährlichkeit der Geschichte" nennt, „daraus mancher mehr Unterricht von Lastern . . . Anstoß und Zweifel gegen Vorsehung und Regierung Gottes, auch Waffen zur Bestreitung der göttlichen Offenbarung, als Anweisung und Aufmunterung zur Tugend, Klugheit und Gottseligkeit hernehme . . . " Baumgarten läßt sich aber auf dem Wege, den er eingeschlagen hat, nicht beirren, im Gegenteil: „Indessen ist selbst diesem Mißbrauch nicht nachdrücklicher und heilsamer zu begegnen als durch angelegentliche Bemühung, den richtigen Gebrauch der Geschichte zu erleichtern und zu befördern" 1 3 2 . Dementsprechend sehen jetzt auch Baumgartens Ratschläge für die Studenten aus. Vergleicht man einmal die für die spätere Phase seiner theologischen Entwicklung bezeichnende „Zweite Zuschrift an seine Zuhörer" von 1744 mit der älteren „öffentliche(n) Anzeige seiner dißmaligen Academischen Arbeit" von 130 131 132

AaO S. 4 nicht pag. AaO S. 16f. nicht pag. Vorrede zur Übersetzung der Algemeinen Welthistorie I, 1744, S. 43f.

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III. Baumgartens Hinwendung zur Geschichte

17 3 4 1 3 3 , so ist die inzwischen erfolgte Veränderung besonders in der Stellung zu den historischen Studien nicht zu übersehen. Anfangs stand auch bei Baumgarten nicht nur die allgemeine Historie, sondern auch die Kirchengeschichte noch ganz an der Peripherie 134 . Damit paßten sich Baumgartens Empfehlungen noch weithin dem seit Α. H. Franckes Reform gewohnten Aufriß der theologischen Studien an der Friedrichsuniversität ein. Noch empfahl auch er ja den Studenten die „Idea studiosi Theologiae" und die „Methodus studii Theologici" von Francke 13s , für den das Kirchenhistorische eigentlich aus den Interessen herausgefallen war 136 . Doch Baumgartens „Zweite Zuschrift", welche Franckes Studienanleitungen nun auch nicht mehr erwähnt, räumt den Geschichtsstudien eine ungleich größere Bedeutung ein. Zwar konnte er als einzelner Professor die Kirchengeschichte noch nicht zu einem ordentlichen Hauptstudienfach erheben, doch läßt er keinen Zweifel daran aufkommen, daß sie „ihres unleugbaren Einflusses wegen in alle 137 . . . Teile der Gottesgelehrsamkeit . . . zur gründlichen Erkenntnis derselben an sich unentbehrlich ist, auch daher von solchen, die Zeit haben zur ordentlichen Erlernung der Gottesgelehrsamkeit . . . , weder verabsäumt noch bis auf die letzt versparet werden darf" 138 . Und das Studium der allgemeinen Geschichte, das er 1734 noch zusammen mit der Erwerbung anderer Hilfsfertigkeiten in der Regel der vorakademischen Schulausbildung zugewiesen hatte 1 3 9 , gehört für Baumgarten jetzt 133 Die „öffentliche Anzeige" von 1734 enthält neben der ersten Vorlesungsankündigung des jungen Ordinarius, die wegen der plötzlichen Ernennung ohnehin nicht mehr am üblichen Ort bekannt werden konnte, auch eine Art programmatische Erklärung, wie sie neu eintretende Professoren damals noch aufsetzten (W. Schräder: Geschichte der FriedrichsUniversität zu Halle I, S. 33lf.). Die „Zweite Zuschrift" von 1744 steht im Zusammenhang mit Bemühungen um eine wissenschaftliche Vertiefung des theologischen Studiums, deren Notwendigkeit Baumgarten auch angesichts der Disziplinprobleme des Massenbetriebs bewußt geworden war (vgl. dazu schon die — erste! — „Zuschrift an seine Zuhörer" von 1743). Beide Broschüren bieten „Studienberatung" im besten Sinne, auch so etwas wie „Vorlesungskommentare". 134 Die Kirchengeschichte tritt 1734 nur am Rande als Hilfsdisziplin für Dogmatik und Ethik auf (öffentliche Anzeige, S. 6); im übrigen genügt es, daß der Student ids Vorbereitung auf die Theologie neben Sprachen u. dgl. „Die Historie sich kurz und notdürftig bekannt mache" (S. 18). 135 Über das Herauswachsen dieser Programmschriften Franckes aus seinen Lectiones Paraeneticae mit ihren mehr geistlichen als wissenschaftlichen Zielsetzungen gibt F. de Boor: Α. Η. Franckes paränetische Vorlesungen, S. 312—317, Auskunft. 136 So E. Hirsch: Geschichte II, S. 167. Auch wenn in Halle vergleichsweise günstige Entfaltungsmöglichkeiten für die Kirchengeschichte sich schon seit Breithaupt und Anton andeuteten, nahm sie eine Randstellung ein (vgl. E. C. Scherer: Geschichte und Kirchengeschichte an den deutschen Universitäten, S. 235ff.). 137 Alle Teile der Theologie, also nicht nur wie 1734 die systematischen! Zweite Zuschrift, 1744, S. 14f. 139 öffentliche Anzeige, 1734, S. 8: , J e mehr diese Neben-Stücke auf niedrigen Schulen erlernet werden, je weniger darf das Gemüt auf hohen Schulen durch Vervielfältigung der Arbeit zerstreuet oder wohl gar an notwendigen Dingen gehindert werden."

Die Geschichtsfremdheit des Wolffianismus

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unmittelbar zum ordentlichen Universitätsstudium eines gewissenhaften Theologen. Es soll möglichst nicht nur am Anfang oder auch erst am Ende betrieben, „sondern allezeit mit den Teilen der eigentlichen Gottesgelehrsamkeit verbunden" 1 4 0 werden. Das gesamte Theologiestudium soll also jetzt von der Bemühung um die Geschichte begleitet sein. Wer nun bei Baumgarten studieren will, muß die Theologie in ganzer Breite einer permanenten Konfrontation mit historischer Arbeit und Betrachtungsweise aussetzen. Damit ist behutsam, aber doch offenkundig genug dem Stamm des hallischen theologischen Pietismus das Reis eingepfropft, aus dem dereinst die von kritischer Historie bestimmte Theologie erwuchs. Ein Semester vor Erscheinen dieser „Zweiten Zuschrift" war der Student J . S. Semler immatrikuliert worden 1 4 1 , der somit von vornherein auf diese neue Spur gesetzt wurde. Hier liegt denn auch schon eine der möglichen Antworten auf die Frage, weswegen an Semler die Systematik Baumgartens so verhältnismäßig spurlos vorüberging: Sie war eben in jener Zeit für Baumgartens eigenes Interesse von der historischen Arbeit bereits überrundet worden.

b) Das Abrücken von der Geschichtsfremdheit

des

Wolffianismus

aa) Die Geschichtsfremdheit der Wölfischen Philosophie als ein Unterscheidungsmerkmal gegenüber anderen Ausprägungen des Aufklärungsdenkens Nicht nur gegenüber dem Hallischen Pietismus jener Jahre bedeutet Baumgartens Hinwendung zur Geschichte einen eigenen Schritt nach vorn. Auch von der philosophischen Richtung Christian Wolffs, der Baumgarten sich in seinen ersten Jahren so sehr geöffnet hatte und der er als Systematiker weithin zugerechnet werden kann, löste er sich nun in gewisser Weise. Vielleicht waren die inneren Schwierigkeiten hierbei sogar größer, denn gerade mit Hilfe Wölfischen Denkens hatte er ja gegenüber der exklusiv frommen Richtung die Wissenschaftlichkeit, das Scientifische in der Theologie hochgehalten und tat dies auch weiterhin. Aber mit der Zeit scheint ihm auch die Wölfische Methode nicht mehr recht zu genügen. Daß er ihr nicht völlig verfallen war und auch nicht verfallen wollte, sahen wir bereits an der Zurückstellung der streng demonstrativischen Dogmatik140

Zweite Zuschrift, 1744, S. 17; dies ist gerade auch um der Solidität der Theologie willen angeraten. Baumgarten möchte zugleich verhindern, daß nun hinwiederum bestimmte Studenten in der Hingabe an jene Hilfsmittel steckenbleiben und die anderen theologischen Hauptdisziplinen in der begrenzten Studienzeit kaum gründlicher kennenlernen. Es geht nicht an, daß „dergleichen ihrer Meinung nach ausgelernte Sprachverständige und Weltweisen gemeiniglich zu früh gehörte Lehrbegriffe zu beurteilen versuchen, ehe sie nur eine hinlängliche historische Erkenntnis des Zusammenhangs derselben erlangt haben und sich selbst den richtigen Gebrauch ihrer erlernten Hilfsmittel schwer machen." (S. 18 NB: „zu früh" bezieht sich auf „zu beurteilen versuchen", nicht auf „gehörte"!). 141 Semler: Lebensbeschreibung I, S. 72. 74.

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III. Baumgartens Hinwendung zur Geschichte

abhandlung von 1734 und an der scharfen Absage an die Demonstriersucht in der Vorrede von 1746. Nun gerät Baumgarten mit seinen neuen Ansprüchen und Erwartungen, die er mit seiner Hinwendung zur Geschichte hegte, auch in eine bestimmte Differenz zu Wolff, welcher der historischen Gelehrsamkeit so viel nicht zuzutrauen vermochte, wie es Baumgarten jetzt für erforderlich hielt. Zur Erhellung dieses für die Beurteilung Baumgartens entscheidenden Vorgangs ist es nötig, sich vorab noch einmal der Stellung Christian Wolffs innerhalb der deutschen Aufklärungsphilosophie speziell unter dem Aspekt des Verhältnisses von Aufklärung und Geschichte zu vergewissern. Wohl bedarf es heute nicht mehr einer weitläufigen Widerlegung des aus der Romantik stammenden pauschalen Verdikts, der Aufklärung sei überhaupt kein geschichtlicher Sinn zu eigen und das 18. Jahrhundert ein schlechthin unhistorisches Jahrhundert gewesen. Besonders Wilhelm Dilthey und Ernst Cassirer142 haben den bemerkenswerten Sachverhalt aufgedeckt, daß in bezug auf diese Frage von der im 19. Jahrhundert erklommenen Höhe geschichtlichen Bewußtseins und historiographischer Leistung herab ein gerechtes historisches Urteil über das vorangegangene Zeitalter eben nicht erging 143 . Zweifellos stand das Jahrhundert des Historismus auf den methodischen und materialen Fundamenten, die im Aufklärungszeitalter für die historische Wissenschaft und das geschichtliche Denken gelegt wurden. Freilich sollte man sich ebenso davor hüten, die Verdienste der Aufklärung um die Geschichte über Gebühr hoch einzuschätzen. Die Grenzen sind — zumal in Deutschland und im Vergleich mit dem 19. Jahrhundert — eng genug 144 . Vor

142 W. Dilthey: Das achtzehnte Jahrhundert und die geschichtliche Welt, Ges. Sehr. III, S. 2 0 9 - 2 6 8 . E. Cassirer: Die Philosophie der Aufklärung, S. 2 6 3 - 3 1 2 . 143 „Es liegt eine eigentümliche Ironie darin, daß die Romantik in der Anklage, die sie namens der Geschichte wider die Aufklärung erhoben hat, eben jenem Fehler verfällt, dessen sie den Gegner zeiht." (Cassirer aaO S. 264). 144 K. Aner (Theologie der Lessingzeit, S. 359 Anm. 1) schreibt: „Das Gerede vom unhistorischen Sinn der Aufklärung hat sich wirklich restlos überlebt." Das trifft auf die Neologie (vgl. aaO S. 309 Anm. 1) und teilweise auf den Rationalismus (s. die erste Stelle; anders beurteilt von G. Aulen: Das christliche Gottesbild, S. 283f.) wohl zu, scheint aber insgesamt doch ein wenig über das Ziel hinausgeschossen. Ein Rest von dem Vorwurf der Romantik bleibt bei näherer Betrachtung, etwa Chr. Wolffs, in Geltung. Auch E. Cassirers für das europäische Gesamtbild gültiger Satz: „Gerade die Denker des 18. Jahrhunderts sind die eigentlichen Vorkämpfer des Geschichtsdenkens" (Was ist der Mensch?, engl. 1948 /deutsch 1960, S. 243) trifft in dieser Allgemeinheit für die deutsche Situation, die ja lange Zeit durch Wolff bestimmt wurde, keineswegs zu, ohne daß diese einzelne Formulierung deswegen den sonst äußerst abgewogenen Ausführungen Abbruch täte. Im übrigen stehen wohl die späten Äußerungen Cassirers zu diesem Fragenkreis nicht in einem solchen radikalen Gegensatz zu seinen früheren, daß man wie W. Philipp (Das Werden der Aufklärung, S. 183) von einer Art „Konversion" sprechen dürfte. Dafür, daß Cassirer so wie Philipp in der „neuen historischen Haltung der Aufklärung vielleicht auch einen gewissen Reflex des Kaböd-Doxa-Komplexes" (S. 184 Anm. 2) erblickt haben könnte, scheint uns wenig zu sprechen.

Die Geschichtsfremdheit des Wolffianismus

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allem ist zu beachten, daß die deutsche Aufklärung ähnlich wie der Pietismus, dessen „Zwillingsschwester"145 sie genannt werden kann, eine zeitlich und räumlich höchst komplexe Erscheinung ist. Unsere Frage, ob die Aufklärung geschichtsfremd war oder nicht, muß erstens für Deutschland und das westliche Europa unterschiedliche Antworten finden 146 , wobei ein gewisser Vorsprung Westeuropas hier wie in anderer Beziehung nicht zu übersehen ist 147 . Zweitens muß innerhalb der deutschen Aufklärung zumindest 148 eine zeitliche Differenzierung vorgenommen werden. Vor allem ist es bei jedem Urteil über die deutsche Aufklärung unerläßlich zu fragen, welchem Abschnitt ihrer Entwicklung eine Erscheinung zugehört. Die Gliederung in drei „Menschenalter", die M. Wundt innerhalb der Schulphilosophie der Aufklärung vor Kant vornimmt 149 , verdient auch für die Frage nach 145

Der treffende Ausdruck stammt von H. Stephan: Der Pietismus als Träger des Fortschritts, S. 47, und soll anzeigen, daß beide Bewegungen engstens zusammengehören und nur miteinander zu verstehen sind. Vgl. zu dieser Frage den lehrreichen Aufsatz von D. Narr: Berührung von Aufklärung und Pietismus im Württemberg des 18. Jahrhunderts. 146 So geht E. Fueter: Geschichte der neueren Historiographie, S. 334ff. vor. 147 Näheres hierzu in den genannten Arbeiten von Dilthey, Cassirer und Fueter, jetzt prononciert auch bei K. Scholder: Ursprünge und Probleme der Bibelkritik im 17. Jahrhundert, S. 79 ff. Ob allerdings die große geistesgeschichtliche Verzögerung wirklich so rein geistesgeschichtlich erklärt und entsprechend einseitig der lutherischen Orthodoxie zur Last gelegt werden kann, wie Scholder (S. 10—12, auch 65—78) es versucht, erscheint zweifelhaft (vgl. auch die Rezension von Th. Mahlmann, ThLZ 93, 1969, Sp. 193-197). Speziell in bezug auf die Frage der Universalhistorie hat A. Klempt gezeigt, welche auflockernden Durchbrüche im protestantischen Geschichtsdenken seit Melanchthon zu beobachten sind, die im katholischen Bereich erst später folgen (Die Säkularisierung der universalhistorischen Auffassung. S. l l f . 34ff.). Ob die Herrschaft der biblizistisch dogmatisierten Urgeschichte tatsächlich und in wirksamer Breite früher im Calvinismus als im Luthertum gebrochen wurde, verdiente eine eigene Untersuchung. Die veröffentlichte reformiert-orthodoxe Dogmatik wenig? stens hält am Sechstagewerk und der Verbalinspiration ebenso bis tief ins 18. Jahrhundert hinein fest wie die lutherische (H. Heppe¡E. Bizer: Die Dogmatik der evangelischreformierten Kirche, S. LXXXVIff. lOff. 150ff.). Ähnliches gilt für ihre offizielle Geltung (E. Hirsch: Geschichte . . . I, S. 217f. 221 f.). Das frühere freie Hervortreten kritischer Stimmen im Westen und der langsamere deutsche „Provinzialismus" haben im 17./18. Jahrhundert in einem Verhältnis zueinander gestanden, das nur schwer auf einen konfessionellen Nenner zu bringen sein wird, vielmehr überwiegend durch außertheologische Faktoren erklärt werden dürfte, s. dazu nur E. Hirsch aaO II, S. 3—6. Lokale Unterschiede innerhalb Deutschlands können hier außer Betracht bleiben, weil sie teils gegenüber dem Gewicht Halles als der preußischen Massenfakultät zur Zeit Baumgartens in den Hintergrund treten und teils sich auch als Zeitverschiebungen entpuppen: So blieb z. B. Altdorf stets ein wenig zurück (K. Leder: Universität Altdorf, passim) und konnte Göttingen, spät gegründet und vom Wolffianismus relativ freigehalten, ungehindert in den dritten der gleich zu nennenden Abschnitte eintreten. 149 M. Wundt: Die deutsche Schulphilosophie im Zeitalter der Aufklärung, S. 18. Auch wenn man gegenüber Wundts psychologischer Typisierung nach dem „Menschenschlag" (S. lOff.) reservierter bleibt und stattdessen oder zusätzlich dazu auch andere Gesichtspunkte, z. B. die sozio-ökonomischen Bedingungen in Anschlag bringen möchte, bleibt seine Beschreibung des

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III. Baumgartens Hinwendung zur Geschichte

der Stellung zur G e s c h i c h t e Beachtung. Hier spiegeln sich e b e n d i e s e l b e n Schwank u n g e n der Denkart wider, die sich in der d e u t s c h e n Philosophie j e n e r Zeit überhaupt g e l t e n d m a c h t e n . Die erste Periode (bis e t w a 1 7 2 0 ) ist g e k e n n z e i c h n e t durch ein b e t o n t e s Abs t a n d n e h m e n v o n d e m S e i n s d e n k e n der Scholastik des 17. Jahrhunderts. Der „ s a c h b e z o g e n e n " D e n k w e i s e tritt n u n eine „ s e l b s t b e z o g e n e " gegenüber 1 5 0 . In d e n M i t t e l p u n k t des Interesses rückt der Mensch u n d sein Verhältnis zu G o t t u n d Welt. A u s dieser sich ins A n t h r o p o l o g i s c h e w e n d e n d e n Betrachtungsweise ergibt sich eine n e u e O f f e n h e i t gegenüber der geschichtlic h e n Existenz des M e n s c h e n u n d damit zur G e s c h i c h t e überhaupt, o h n e daß damit die Sicht des M e n s c h e n als zeitloser Naturgegebenheit sogleich überwunden w u r d e . Trotz m e t h o d i s c h n o c h enger Bindung an die Polyhistorie des 17. Jahrhunderts steckt m a n sich n e u e Ziele u n d gibt auch s c h o n einige n e u e A n s t ö ß e , e t w a für die G e s c h i c h t e der W i s s e n s c h a f t e n 1 S 1 . Demgegenüber b e d e u t e t die Ära W o l f f s ( e t w a 1 7 2 0 bis 1 7 5 0 ) in vieler Hinsicht ein Zurücklenken u n d Wiederanknüpfen an die „ s a c h b e z o g e n e " D e n k a r t der S c h u l m e t a p h y s i k des 17. J a h r h u n d e r t s 1 5 2 u n d d e m e n t s p r e c h e n d , w i e n o c h zu schubweisen Ablaufs doch im ganzen zutreffend und hilfreich. J . Streisand (Geschichtliches Denken . . . ) , der stattdessen den hier zu betrachtenden Zeitraum in nur zwei Kapitel („Frühaufklärung" und „seit der Mitte des 18. Jahrhunderts", S. 15—73) unterteilt, hat denn auch das lange Interludium des Wolffianismus mit seinen retardierenden Elementen völlig übergangen. 150 Wundt aaO S. 11. Christian Thomasius ist hier der wichtigste Name, aber auch F. Buddeus, J . Lange und A. Rüdiger gehören dazu. „Sie stehen noch nicht im Bannkreis der neuen Naturwissenschaft. Descartes wird von ihnen abgelehnt, soweit sie ihn überhaupt berücksichtigen; Leibniz ist ihnen als Philosoph unbekannt" (aaO S. 19). 151 Wundt (aaO S. 284) verweist auf die historischen Neigungen von Thomasius und Buddeus und darauf, daß der Philosophiehistoriker Brucker ein Schüler des letzteren war. Hinzuzufügen wäre vielleicht noch, daß auch die kirchengeschichtlichen Interessen des BuddeusSchwiegersohnes J . G. Walch direkt auf diese erste, von Wolff noch unberührte Phase zurückzuführen sind. Zumal in Jena gelangte der Wolffianismus ja nie völlig zur Herrschaft (M. Wundt: Die Philosophie an der Universität Jena, S. 103). In gewisser Hinsicht kann, obwohl er philosophisch eigene Wege ging, auch noch „Leibniz als Historiker" (darüber s. W. Conze) hierher gerechnet werden; freilich blieb dessen Leistungen gerade auch auf dem Gebiet der Geschichte lange Zeit die angemessene Wirkung versagt (Conze aaO S. 1. 83ff.). Wundt: Die deutsche Schulphilosophie im Zeitalter der Aufklärung, S. 12. 122—124 und passim, hat gezeigt, daß Wolff trotz seines persönlichen Schicksals und Erfolges nicht nur als ein Vorkämpfer der Aufklärung in Deutschland angesehen werden kann. Vielmehr wirkte er gegenüber dem Kreis um Thomasius auch retardierend. Er hat zwar Entscheidendes dazu beigetragen, daß die Philosophie in Deutschland eine selbständige Stellung errang. Doch steht bei ihm neben der Vermittlung wichtiger Leibnizscher Gedanken auch der erneute Aufbau einer philosophischen Scholastik (aaO S. 150f.). Zwischen der ersten und der dritten Generation der deutschen Aufklärung „liegt der große Block der Wölfischen Philosophie" (aaO S. 122), erfolgt „der große Gegenschlag des Wolffianismus" (S. 123), dessen Bedeutung, die in der gründlichen Aufarbeitung der alten Metaphysik und der Hereinnahme der naturwissenschaftlichen Problematik liegt, für die Gesamtentwicklung freilich sehr hoch einzuschätzen ist (S.

Die Geschichtsfremdheit des Wolffianismus

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zeigen ist, ein Hemmnis auf dem Wege der Entwicklung des historischen Denkens. Für dieses Zwischenstadium könnte man das Wort von der Geschichtsfremdheit der Aufklärung am ehesten gelten lassen. Das dritte Menschenalter (etwa ab 1750) gerät bald in eine spürbare Distanz zu Wolff und schreitet stattdessen wieder in der während der ersten Phase eingeschlagenen Richtung fort. „Nicht mehr die Wissenschaft vom Sein und seinen immer gültigen Gehalten beschäftigt die neue Zeit, sondern die Wissenschaft vom Menschen in seinen immer wechselnden Gestalten" l s 3 . Die anthropologische Betrachtungsweise schlägt nunmehr voll durch; weniger in logischen und metaphysischen Schulsystemen als in Einzeluntersuchungen und formal lockeren literarisch-ästhetischen Schriften wendet man sich dem empirischen Menschen zu, als einzelnem mit Hilfe der nun aufblühenden Psychologie 154 und in seinen Beziehungen durch historische Forschung. Diese erhält nun neuen Auftrieb und steuert mitten unter Pragmatismus und methodisch erst allmählich bewältigter Einzelgelehrsamkeit auf ein neues Geschichtsbewußtsein und schließlich auf eine neue Gesamtschau der Geschichte hin 1 5 5 . Es ist die Zeit der anhaltenden Auswirkungen Voltaires und Montesquieus auf die deutsche Geschichtsschreibung 156 , die Zeit der ersten eigenständigen historiographischen Leistungen Winckelmanns und Mosers 157 und in der Theologie die Zeit der Neologie, in der die historische Kritik durchschlägt 158 . 200f. 268). Ober die Verwurzelung Wolffs in der Scholastik, nicht zuletzt des Aquinaten, siehe auch H. Schöffler: Deutsches Geistesleben zwischen Reformation und Aufklärung, S. 184ff. 153 Wundt aaO S. 265; zum Ganzen weiter bis S. 286. AaO S. 272ff. 155 Siehe P. Menzer: Kants Lehre von der Entwicklung in Natur und Geschichte, S. 242ff. und Wundt aaO S. 284ff. — Eine für die deutsche Situation bezeichnende terminologische Verschiebung begleitet diesen Vorgang: „Das eingebürgerte Fremdwort der Historie, das vornehmlich den Bericht, die Erzählung von Geschehenem meinte, speziell die historischen Wissenschaften, wurde im Laufe des achtzehnten Jahrhunderts zusehends von dem Wort .Geschichte' verdrängt. Die-Abwendung von der Historie und die Hinwendung zur Geschichte vollzog sich seit etwa 1750 mit einer statistisch nachmeßbaren Vehemenz. Geschichte aber bedeutet primär die Begebenheit . . . der Ausdruck verwies eher auf das Geschehen selbst als auf dessen Bericht" (R. Koselleck: Historia magistra vitae, S. 201f.). Ein halbes Jahrhundert später ließ dieser erst nach 1770 durchgedrungene (aaO S. 203) Kollektivsingular es zu, „der Geschichte jene den menschlichen Ereignissen und Leiden innewohnende Macht zuzuschreiben, die alles nach einem geheimen oder offenbaren Plan zusammenfügt und v o r a n t r e i b t . . . " (aaO S. 205). 156 Siehe E. Fueter: Geschichte der neueren Historiographie, S. 371—389. 157 AaO S. 3 8 9 - 3 9 7 . K. Aner: Theologie der Lessingzeit, S. 57: „Überhaupt zeigt die Neologie einen ausgeprägten geschichtlichen Sinn." In diese Zeit gehört J . S. Semler, der gleichwohl kein Neologe war (aaO S. 98ff.; vgl. G. Hornig: Die Anfange . . . , passim). Daß der Sinn für das Geschichtliche ein entscheidendes Kennzeichen der dritten Periode der deutschen Aufklärung war, wird sogar an einer Gestalt wie dem Berliner F. Nicolai deutlich erkennbar (s. K. Aner: Der Aufklärer Friedrich Nicolai, S. 159f.).

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Es ist dies nicht mehr die Zeit Baumgartens. Dieser ging ζ. B. terminologisch und sachlich noch ganz von dem alten Begriff der „Historie" aus, die er als „gegründete Nachricht von geschehenen Begebenheiten" definierte 159 , und nicht von dem erst lange nach seinem Tode sich durchsetzenden Kollektivsingular „Geschichte", welcher es sprachlich möglich machte, daß „die Geschichte selbst" dann zeitweise als eine Art handelndes Subjekt aufgefaßt wurde 160 . Dennoch möchte man Baumgarten in mancher Hinsicht schon der nächsten Periode zurechnen. Hat er ihr doch besonders in seiner späteren Lebensphase in gewissem Umfange vorgearbeitet, wenn man, was die Beförderung historischen Bewußtseins und methodischer Fertigkeiten im Protestantismus betrifft, Semlers frühen Äußerungen über Baumgartens Wirkungen auf seine Schüler Glauben schenken darf. Als Gesamterscheinung gehört Baumgarten deshalb eher auf die Grenze zwischen dem zweiten und dem dritten Menschenalter der deutschen Aufklärung und nicht nur in das zweite, von Wolff geprägte. Vor allem sein frühes Ausscheiden aus der Debatte dürfte bei Zeitgenossen und Nachgeborenen der Erkenntnis im Wege gestanden haben, daß Baumgarten sich nicht nur der Wissenschaftsfremdheit, ja Wissenschaftsfeindschaft der anders engagierten zweiten Generation des hallischen Pietismus 161 entgegengestemmt hat, sondern dann auch der Sprödigkeit der Wölfischen Philosophie historischem Denken und Arbeiten gegenüber nach Kräften entgegenwirkte. Eine offene Absage an Wolff war von Baumgarten freilich nicht zu erwarten, da er ja als Dogmatiker dessen Metaphysik weiterhin veraussetzte. Vielmehr gehört Baumgarten zu den Wolffianern, die „ohne tieferen Bruch in die Haltung dieser dritten Zeit hinüberglitten" 1 6 2 . Immerhin, an dem für die Zukunft entscheidenden Punkte,· dem Verhältnis zur Geschichte, nimmt er deutlich genug Stellung. 159

Welthistorie I, 1744, Vorrede S. 7; vgl. o. Anm. 155. S. R. Koselleck aaO S. 202ff. Die von Koselleck beschriebene, zuerst terminologische und dann auch sachliche Verdrängung der „Historie" durch die „Geschichte" ist bei Baumgarten, der 1757 starb, noch nicht zu beobachten, sie kommt erst nach ihm zur Geltung. Der Begriff „Geschichte" findet sich freilich auch bei Baumgarten (vgl. ζ. B. die Vorrede zu Welthistorie I), aber er bedeutet hier durchgehend nicht „Geschehen(es)" (dafür steht „Begebenheiten"), sondern — oft noch pluralisch konstruiert — Bericht(e), Schrift(en) über Geschehen(es), also die überlieferte und zu verfertigende Geschichtsschreibung, in der das Geschehene präsent wird. Deswegen wird auch „Geschichte", zumal wenn seriöse Geschichtsschreiber gemeint sind, weithin promiscue mit dem dominierenden „Historie" gebraucht. Daneben bedeutet aber „Historie" oft auch noch „historische Gelehrsamkeit" oder das, was Baumgarten sonst gelegentlich „Geschichtkunde" nennt (z.B. Nachr. hall. Bibl. 5,1970, S. 92f.) 161 Es wäre nicht ohne Reiz, die Wundtsche Periodisierung der deutschen Aufklärung versuchsweise auf den Pietismus zu übertragen. Für Halle wenigstens könnte man die erste orthodoxiekritische Phase (A. H. Francke, z. T. auch Thomasius) deutlich von der zweiten eines „Schulpietismus" unterscheiden (hierzu gehörten dann Männer wie der jüngere Francke und Joachim Lange, der freilich als anfänglicher Philosoph noch in den Umkreis von Thomasius paßte, und in gewisser Hinsicht auch der junge S. J . Baumgarten). In der dritten Phase allerdings verliert sich die Spur teils im sich abkapselnden „Fanaticismus", teils in der kritisch-frommen Theologie Semlers. 162 Wundt aaO S. 269. 160

Die Differenz zwischen Baumgarten und Wolff

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bb) Die Differenz zwischen Baumgarten und Wolff in der Stellung zur Geschichte Für jeden, der sich der Wolffschen Denkmittel bediente und zugleich mit gutem Gewissen historisch arbeiten wollte, mußte die unübersehbare Geschichtsfremdheit der Wolffschen Philosophie ein Hemmnis sein. Hatte die Unterscheidung der Vernunftwahrheiten von den Tatsachenwahrheiten, zu denen auch das Geschichtliche gehört, Leibniz nicht gehindert, beiden zugleich forschend nachzugehen und die ihnen entsprechenden verschiedenen Arbeitsweisen, die des Logikers und Philosophen und die des Sammlers und empirischen Forschers, also gerade auch die des Historikers, in sich zu vereinigen, so hat Wolff, entsprechend der höheren Einschätzung der Vernunftwahrheiten vor den Tatsachenwahrheiten, sich ganz überwiegend der ersteren Arbeitsweise verpflichtet gewußt 1 6 3 . Darum enthalten seine Logiken auch nicht die methodischen Hilfen, deren eine weiterstrebende historische Gelehrsamkeit bedurfte. Vor allem Wolffs Einstufung der bloßen Tatsachenerkenntnis als vorwissenschaftlich hat sich auf seine Stellung zur Geschichte ausgewirkt. Er kennt nämlich drei im Rang abgestufte Arten menschlicher Erkenntnis: die historische, die philosophische und die mathematische 164 . Sie unterscheiden sich grundlegend voneinander: Die cognitio histórica bleibt bei bloßer Faktenkenntnis stehen, während die cognitio philosophica den zureichenden Grund des Seienden oder Möglichen und die cognitio mathematica die innewohnenden Quantitäten bestimmt 1 6 5 : Aliud vero est nosse factum, aliud perspicere rationem facti, aliud denique determinare quantitatem rerum 166 . Nur die zweite und dritte Erkenntnisart können für Wolff Anspruch auf Wissenschaftlichkeit erheben, nicht die historische. Denn was der cognitio histórica vor allem im Vergleich zur cognitio philosophica abgeht, ist die Fähigkeit, die wahrgenommenen Fakten auf ihre Begründung hin zu hinterfragen. Die alltägliche Tatsachenerkenntnis ist die niedrigste Stufe menschlicher Erkenntnis 167 . Aber auch jeder tieferdringende, methodisch um Aufhellung von arcana bemühte Erkenntnisgang gerät unweiger163 Zu Leibniz s. W. Conze: Leibniz als Historiker, bes. S. 32ff.; zu Wolff vgl. P. M enzer: Kants Lehre von der Entwicklung in Natur und Geschichte, S. 235ff.; R. Unger: Zur Entwicklung des Problems der historischen Objektivität bis Hegel. S. 97. 164 Chr. Wolff: Philosophia rationales, 1728, Discursus praeliminaris (abgek.: Lat. Logik, Disc, prael.) § 1—28. Vgl. hierzu auch die hilfreiche Darstellung bei H. Liebing (Zwischen Orthodoxie und Aufklärung, S. 26ff.) über Bilfinger, der mit seinen Ausführungen über den ordo cognitionum Wolff im ganzen folgt. 165 Nam cognitio historia acquiescit in nuda notitia facti, in philosophica reddimus rationem eorum, quae sunt vel esse possunt, in mathematica denique determinamus quantitates, quae rebus insunt. (AaO § 17). 166 Ebd. Histórica cognitio communis infimus humanae cognitionis gradus est, (AaO § 22); Patet hinc ratio, cur cognitio vulgi et ea, qua in vita utimur, plerumque nonnisi histórica sit. (AaO §23).

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lieh in den Sog vulgärer Unwissenschaftlichkeit, solange er nur auf der Stufe der cognitio histórica verbleibt 168 . Es ist nun wichtig zu sehen, daß der hier verwendete traditionelle Begriff des Historischen mehr als heute üblich umfaßt. Darauf deutet schon die Einbeziehung der „Naturgeschichten", also reiner Naturbeschreibungen, unter die historischen Bücher 169 . Alles, was mit den Sinnen erfaßt wird, ist historice erkannt 170 . So ist die durch Erfahrung vermittelte cognitio histórica Ausgangspunkt und Grundlage der höheren, philosophischen Erkenntnis, welche ihrerseits den Gründen nachgeht 171 . Sie kann die philosophische Erkenntnis auch nachträglich bestätigen 172 , niemals aber ihr wissenschaftlich gleichgestellt werden. In seiner deutschen Logik definiert Wolff: „Durch die Wissenschaft verstehe ich eine Fertigkeit des Verstandes, alles, was man behauptet, aus unwidersprechlichen Gründen unumstößlich darzutun" 1 7 3 , das heißt zu demonstrieren. Dies leistet aber eine nur historische Erkenntnis niemals, darum bleibt sie niederen Ranges. Prinzipiell wird durch Wolff „die gemeine Erkenntnis von der Erkenntnis eines Weltweisen unterschieden. Nämlich einer, der die Weltweisheit nicht verstehet, kann wohl auch aus der Erfahrung vieles lernen, was möglich ist: allein er weiß nicht den Grund anzuzeigen, warum es sein kann" 1 7 4 . Der hier verwendete Erfahrungsbegriff ist nun nicht sensualistisch verengt. Der Gegenstand der historischen Erkenntnis ist nicht bloß die sinnenfällig-konkrete Welt des Materiellen und aller Prozesse in ihr 175 , sondern ebensosehr jeder geistig-seelische Vorgang 176 , sofern er ohne schlüssigen Aufweis seiner Begründung bloß als geschehen wahrgenommen und vorgestellt wird. Deshalb kann Wolff

Cognitionem historicam arcanam ad formam communis saepius ars reducit. (AaO § 24). Lat. Logik § 745ff. 170 AaO Disc. prael. § 1. 22. 171 Si per experientiam stabiliuntur ea, ex quibus aliorum, quae sunt atque fiunt, vel fieri possunt, ratio reddi potest, cognitio histórica philosophicae fundamentum praebet. (AaO § 10). 172 Si quis per rationem aliquid fieri posse agnovit factoque experimento idem fieri observât, is cognitionem philosophicam histórica confirmât. (AaO § 26). 173 Verniinfftige Gedancken Von den Kräfften des menschlichen Verstandes, (1712) 10. Aufl. 1740 (abgek.: Dt. Logik), Vorbericht § 2; s. auch Kap. 7 § 1: „so ist die Wissenschaft nichts anders als eine Fertigkeit zu demonstrieren"; vgl. Lat. Logik, Disc, prael. § 30. 174 Dt. Logik, Vorbericht § 6. In der lateinischen Logik (Disc, prael. § 7) heißt es entsprechend: Differt cognitio philosophica ab histórica . . . Quis vero non videt magnam hic intercedere differentiam? Solius facti notitia et rationis illius facti cognitio nequaquam sunt una. ,7S Es ist etwas mißverständlich, wenn R. Unger (Zur Entwicklung des Problems der historischen Objektivität bis Hegel, S. 97) sagt, Wolff verstehe unter historischer Erkenntnis „den Inbegriff des empirischen, durch die Sinne vermittelten Erkennens". 176 Wolff definiert in der Lat. Logik (Disc, prael. § 3) umfassend: Cognitio eorum, quae sunt atque fiunt, sive in mundo materiali, sive in substantiis immaterialibus accidant, histórica a nobis appellatur.

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auch v o n einer b l o ß e n c o g n i t i o histórica p h i l o s o p h i s c h e r 1 7 7 oder m a t h e m a t i s c h e r 1 7 8 Erkenntnisse sprechen, w e n n diese nur in der Ü b e r n a h m e v o n Denkergebnissen anderer b e s t e h e n . Maßgeblich dafür, o b eine historische u n d also nicht wissenschaftliche Erkenntnis vorliegt, ist letztlich n i c h t ihre Verankerung in der Empirie, sondern allein, o b nur die Frage nach der Tatsächlichkeit des Gegenstandes gestellt wird u n d das D a r t u n der Gründe u n t e r b l e i b t , kurz o b sie n o t i t i a facti ist u n d nicht mehr. D e n Begriff des Historischen v e r w e n d e t Wolff also n i c h t nur für d e n g a n z e n Bereich des Empirischen im engeren Sinne, sondern in u m f a s s e n d e r Weise für alles, was o h n e demonstrative Begründung als V o r g e g e b e n e s festgestellt wird, sei es V o r h a n d e n e s , G e s c h e h e n e s o d e r Gedachtes. Man kann auch sagen: c o g n i t i o histórica ist die K e n n t n i s n a h m e „zufälliger D i n g e " oder K e n n t n i s n a h m e v o n „ T a t s a c h e n " 1 7 9 , w o m i t n i c h t nur reale Gegenstände u n d Naturvorgänge g e m e i n t sind, sondern e b e n s o geistige Sachverhalte u n d nicht z u l e t z t auch vergangenes G e s c h e h e n . Dieser Begriff des Historischen wirkt sich n u n auch im z w e i t e n , praktischen Teil der Logik aus, w o Wolff unter anderem auch auf das eingeht, w a s wir h e u t e g e w ö h n l i c h m i t „ G e s c h i c h t e " b e z e i c h n e n 1 8 0 . Dies geschieht in d e n Ab177 AaO § 8. 10. 50f. Bei den Büchern, die sich mit dogmata befassen, unterscheidet Wolff je nachdem, ob sie nur referieren oder auch demonstrieren, libri dogmatici historic! und libri dogmatici scientifici (Lat. Logik § 751). 178 AaO Disc, prael. § 15. 179 H. Scholz (Zufällige Geschichts- und notwendige Vernunftwahrheiten, S. 38Iff.) hat gezeigt, daß es — zumal für das Verständnis Lessings — wichtig ist, den Unterschied des Sprachgebrauchs zu beachten: „Was wir heute .tatsächlich' nennen, nennt das Denken des 18. Jahrhunderts .zufällig'. Für denjenigen Ausschnitt des Tatsächlichen, den wir heute .zufällig' nennen, besitzt es überhaupt keinen eigenen Begriff." (AaO S. 383). 180 Auf die Rückbeziehung, die von hier aus zu dem Discursus praeliminaris besteht, hat Wolff selbst für die Frage der wissenschaftlichen Methode beim Bücherabfassen hingewiesen (Lat. Logik § 79Iff.), sie besteht aber auch sonst. Zumal die Unterscheidung der drei Erkenntnisarten ist überall vorausgesetzt und der niedrigen Bewertung der historischen Erkenntnis entspricht genau die Einstufung der historischen Bücher als vorwissenschaftliche Tatsachenbeschreibungen. Es gibt auch Belege dafür, daß im Begriff der historischen Erkenntnis zwar die erste der Erkenntnisarten gemeint ist, dabei aber manchmal doch auch eine Vorstellung von ihrem gewöhnlichsten Gegenstande (Natur- und Menschengeschichte) mitschwingen kann. Einmal spricht Wolff (Dt. Logik Kap. 11 § 2) von der Anwendung der „historische(n) Erkenntnis zu ihrem vielfältigen Nutzen" und bezieht sich dabei auf die Abschnitte (aaO Kap. 10 § 6ff.), in denen die „Absichten, die man bei Historien haben kann" (Kap. 10 § 6 am Rande), besprochen werden. Genauer wäre an jener Stelle also zu sprechen von der Anwendung der historischen Erkenntnis der Geschichte der Menschen (Kap. 10 § 6), der Kirchen-Geschichte (§ 7), der weltlichen Geschichte (§ 8) und der Geschichte der Gelehrten (§ 9). Ähnlich auch aaO Kap. 10 § 5, wo Wolff mit Blick auf seine Experimente im Bereich der Naturkunde sagt, daß „dieser Teil der historischen Erkenntnis" mit der Wissenschaft zunimmt, aber auch genauer sagen könnte: „die historische Erkenntnis der Naturgeschichte" (wenn er nicht gar nur meint: „Erkenntnis der Naturgeschichte"). Bei den Ausfuhrungen über die Erkenntnisarten spricht Wolff aber nicht von „Teilen" derselben. Solcher leicht objektivierender Sprachgebrauch von „Erkenntnis" konnte die Tendenz, wenn

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schnitten, die von dem Abfassen, Beurteilen und Lesen von Büchern handeln 181 Alle Bücher, die nur Fakten, also nicht hinterfragte Tatsächlichkeiten beschreiben, sind historische Bücher: Libri facta recensentes dicuntur historici 182 . Hierunter fallen in drei Gruppen 183 die ganze Fülle der verschiedenen Arten von Naturgeschichte von der Astronomie bis zur empirischen Psychologie, die Darstellungen der Techniken und Künste und schließlich auch das, was nach heutigem Sprachgebrauch historische Bücher enthalten: historia civilis (einschließlich der historia universalis), historia ecclesiae, historia privata und historia literaria184. Wolff hat also keineswegs die historische Arbeit und ihre Ergebnisse aus seinem Gesichtskreis verbannt. Er bemüht sich durchaus um ihre Einordnung in sein System, weil seine Philosophie ja die Empirie voraussetzt 185 und die cognitio philosophica ja die cognitio histórica zum Fundament hat 1 8 6 . Es ist dies aber ein Fundament, das selbst doch zuletzt nicht zum Gebäude hinzugehört 187 . Die Historie kann den Rang von Wissenschaft nicht einnehmen. Denn alle diese „historischen" Bücher erfüllen nicht die hohen Ansprüche, die an wahrhaft wissenschaftliche Schriften zu stellen sind 188 . Ganz anders ist es mit der anderen Hauptgruppe von Büchern die Wolff aufführt, den libri dogmatici verschiedener Disziplinen 189 . Nur diese können als wissennicht bei Wolff selbst, dann bei anderen (vgl. u. S. 142f.) verstärken, die Abwertung der historischen Gelehrsamkeit auszuweiten, zumal auch der gemeinsame Ausdruck „historisch" dem entgegenkam. 181 Lat. Logik § 743. 967 (Die deutsche Logik, Kap. 10 u. 11, übergeht die Anweisungen zum Abfassen). 182 Lat. Logik § 744. 183 Libri recensentes facta naturae dicuntur historiae naturales; quae describunt opera artis et artes ipsas, historiae artium; quae recensent facta hominum, historiae absolute appellantur. (AaO § 745). 1.4 Näheres hierzu bei P. Menzer: Kants Lehre . . S . 236ff. 1.5 M. Wundt: Die deutsche Schulphilosophie der Aufklärung, S. 178f. 192f. 186 S. o. Anm. 171f., ferner Lat. Logik Disc, prael. § 12: Immo nobis per omnem philosophiam sanctum est utriusque connubium! 187 E. Cassirer: Die Philosphie der Aufklärung, S. 307: „In der Wissenschaftstheorie Wolffs gliedert sich jede Einzeldisziplin in einen abstrakt-rationalen und in einen konkret-empirischen, in einen .historischen' Teil. Der Erfahrung soll im Aufbau des Systems ihr volles Recht gewahrt werden: der allgemeinen Kosmologie tritt die empirische Physik, der rationalen Psychologie tritt die empirische Psychologie zur Seite. Aber das Gleichgewicht, das Wolff auf diese Weise anstrebt, läßt sich freilich rein methodologisch nicht aufrecht erhalten. Denn die Systemform selbst, die Form der mathematischen Deduktion und Demonstration, ist es, die diesem Gleichgewicht widerstreitet. Die Philosophie ist und bleibt, ihrer eigentlichen Aufgabe nach, die Wissenschaft vom Rationalen, nicht vom Historischen". 188 Wolff stellt fest: „Da die historischen Schriften bloß erzählen, was geschehen ist, so brauchet es nicht viel Verstand und Nachdenken, dieselben zu lesen, sondern man darf nur auf das acht haben, was man lieset, und sein Gemiite von fremden Gedanken befreien" (Dt. Logik Kap. 11 § 2). Lat. Logik § 743. 751.

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schaftlich angesehen werden, sofern sie mit der strengen philosophischen Methode von der Definition bis zur Demonstration der rationes facti ausgearbeitet sind 190 . Deshalb enthalten sie nicht wie die historischen Bücher nur eine verwirrende Fülle von propositiones singulares, die, wenn sie wahr sind, höchstens einzelne veritates historicae darstellen können 1 9 1 . Die dogmatischen Schriften stoßen vielmehr zu propositiones universales vor, die als mit Gründen erwiesene Lehrsätze den Rang von wissenschaftlichen veritates universales 192 erreichen, denn: „In Wissenschaften handeln wir nicht von einzelnen, sondern von allgemeinen Dingen" 193 . Darum kann die Geschichtskunde, die es nun einmal mit der Welt des Tatsächlichen, Einzelnen und Einmaligen zu tun hat, die sich der Wirklichkeit des Lebens wahrnehmend zuwendet und nicht die rationale Begründung ihrer Möglichkeit zum Ziele hat, nach Meinung Wolffs von vornherein keine Wissenschaft sein. Von dieser Auffassung haben wir bei Baumgarten auszugehen. Auch er unterscheidet wie Wolff die Erkenntnisarten und bleibt bei dessen Wissenschaftsverständnis. In der Glaubenslehre heißt es: „Beide Arten der gelehrten Erkenntnis können mit einander gar leicht bestehen, ja gehören eigentlich zusammen: daß die historische vor dieser letzteren (sc. scharfsinnigen, vernünftigen Erkenntnis) vorhergehen muß und diese letztere jene voraussetzt und erfordert. Auch können beide zur Wissenschaft gerechnet werden, die letzte aber ist dazu vorzüglich und wesentlich gehörig, nach dem eigentlichen Begriff und Erklärung einer Wissenschaft" 194 . Liest man nun aber, was Baumgarten im Jahre 1744 an exponierter Stelle 195 über die richtige Weise und den besonderen Wert der BemüAaO § 790ff.; AaO Disc, prael. § 115ff. Lat. Logik § 744. AaO § 743. 750. 193 Chr. Wolff: Verniinfftige Gedancken von Gott, der Welt und der Seele des Menschen, auch allen Dingen überhaupt, (1720) 8. Aufl. 1741 (abgek.: Dt. Metaphysik), § 991. 1,4 Glaubenslehre I, 83; vgl. S. 33f. (Die weitere Unterteilung der rationalen Erkenntnis in cognitio philosophica und cognitio mathematica steht in diesem theologischen Kontext nicht zur Debatte). Auch eine ähnliche Versicherung der Zusammengehörigkeit der Erkenntnisarten ist uns bei Wolff begegnet (s. o. Anm. 186). Aber die Formulierung: „Auch können beide zur Wissenschaft gerechnet werden" ist doch bemerkenswert; man wird sie so bei Wolff vergeblich suchen, wenngleich die anschließende Einschränkung zeigt, daß Baumgarten die von Wolff hier gesteckten Grenzen durchaus nicht überschreitet. Ebenso beachtlich ist auch die mehrfache Rede von den „anderen" Wissenschaften neben der Historie (s. u. bei Anm. 203. 205. 212), die fast schon zu viel sagt. Dem entspricht auf der anderen Seite, daß uns keine einzige Formulierung Baumgartens bekannt ist, in der er die cognitio histórica, welche er mit Wolff von der übrigen Erkenntnis unterscheidet, ausdrücklich und betont als die niedrigste Erkenntnisart abwertet, wohl aber Aussagen, die in eine andere Richtung weisen (z. B. Welthistorie I Vorrede, S. 36f., s. daraus das Zitat u. bei Anm. 206). " s Eür andere Äußerungen Baumgartens aus jener Zeit möge hier besonders die großangelegte und programmatische Vorrede vom 9. April 1744 stehen, die er dem ersten Bande der „Übersetzung der Algemeinen Welthistorie" (abgek.: Welthistorie I Vorrede) vorangestellt hat (S. 1—58, erste Zählung). Die erste Hälfte des ersten Teils behandelt die „eigentliche

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hung um die Geschichte zu sagen hat, dann wird offenkundig, daß er von der Position Wolffs, dessen Namen er freilich nicht nennt, in mancher Hinsicht doch abrückt. Unmittelbar richtet sich die Kritik Baumgartens allerdings zunächst gegen die von Frankreich her in Mode 196 gekommene Geschichtsverachtung, welche sich größtenteils aus den Quellen des historischen Pyrrhonismus speiste 197 . Gerade einer Zeit, die aufgeklärt genannt werden will, steht nach Meinung Baumgartens eine solche radikal skeptische Haltung nicht an 198 . Mit immer neuen Argumenten wendet er sich gegen die „eingerissene Zweifelsucht, die von nicht wenigen als ein Merkmal eines geübten Verstandes und starken Geistes angenommen worden" 199 sei. Die zweifellos bedeutenden positiven Auswirkungen des Pyrrhonismus auf die Entwicklung speziell der Geschichtswissenschaften bekommt Baumgarten also kaum in den Blick, was wohl auch erst später möglich war 200 . Er sieht in seiner Lage nur die abwegigen Konsequenzen, die Sackgassen, in welche die radikalen Pyrrhonisten das allgemeine Bewußtsein zu führen drohen. Die übertriebene Zweifelsucht äußert sich etwa darin, daß die gesamte geschichtliche Überlieferung des Altertums bestritten wird, „welches mit solchen Gründen geschehen, die alle nützliche Geschichte auf neue Zeitungen oder höchstens auf neuere Lebens- und Reisebeschreibungen einschränken" 201 . Um so verwunderBeschaffenheit" der Historie (S. 7—22, dies ist eine ausführliche Fassung des kurzen Abrisses in § 1 der „Vorläufigen Einleitung" zum „Auszug der Kirchengeschichte" von 1743, Bd. I, S. 1—4), die zweite Hälfte (S. 2 2 - 4 4 ) behandelt ihre „Nutzbarkeit". Im zweiten Teil der Vorrede (S. 44—58) stellt Baumgarten das vorliegende Werk vor. 196 Baumgarten spricht von einer „Gewalt der Vorurteile und abwechselnder Gewohnheiten, davon die gelehrte Welt so wenig als andere menschliche Gesellschaften frei ist" (aaO S. 4). 197 Hierzu M. Scheele: Wissen und Glaube in der Geschichtswissenschaft. Studien zum historischen Pyrrhonismus in Frankreich und Deutschland, und K. Heussi: Die Krisis des Historismus, S. 23. 198 Nicht ohne Ironie beklagt Baumgarten: „so ist wohl unstreitig, daß heutzutage die Menge der Liebhaber von Geschichten nicht aller Orten so groß sei, als man von so aufgeklärten Zeiten vermuten sollte, ja daß es sogar an öffentlichen Verächtern d erselben nicht fehle" (Welthistorie I Vorrede, S. 4). Ebd. 200 Nur sehr kritisch und ironisch stellt er fest, daß der Skeptizismus „in dem großen Umfange der Geschichte das weiteste Feld und die scheinbarste Gelegenheit zu neuen Entdeckungen" gefunden habe (aaO). Daß der Pyrrhonismus für die historische Wissenschaft letztlich doch eine vorwärtstreibende Kraft gewesen ist und nicht nur von seinen krankhaften Auswüchsen her beurteilt werden darf, hat M. Scheele überzeugend dargetan (Wissen und Glaube . . . , S. 7ff. 54ff. 13Iff.) und aus dem deutschen Bereich besonders auf Friedrich Wilhelm Bierling (de Pyrrhonismo historico, 1703) verwiesen, über ihn vgl. auch H. Müller: Johann Martin Chladenius, S. 119-125). 201 Welthistorie I Vorrede, S. 4f. Die „Letters on the Study and Use of History" von Lord Bolingbroke, die diese letzte Konsequenz ziehen (4. Brief), sind Baumgarten zu diesem Zeitpunkt noch unbekannt. Sie sind zwar 1735 verfaßt, aber erst 1752 in London posthum ans Licht gekommen und wurden auch noch von Baumgarten rezensiert (Nachr. v. merkw. Büchern 9, 1756, S. 69—78). Mit Namen nennt Baumgarten in einer Anmerkung (Vorrede S.

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licher, daß man bei einem solcherart hyperkritisch zerstörten Quellenfundament es dennoch wagt, „ein ganz neu Gebäude der Geschichte voriger Zeiten aufzuführen und der Welt bekannt zu machen" 2 0 2 . Das Resultat solchen Umgangs mit der Geschichte ist, daß man annimmt, an ihr eine allgemeine Ungewißheit menschlicher Erkenntnis aufweisen zu können. Das wiederum hat zur Folge, daß viele von emsthaften historischen Studien abgeschreckt oder gar veranlaßt werden, „zur Vermeidung des Verdachts der Leichtgläubigkeit und desto vorteilhafterer Verteidigung anderer Wissenschaften, die Geschichte, als eines scharfen Beweises unfähig, solchen Angriffen preiszugeben" 2 0 3 . An Aussagen dieser Art wird schon erkenntlich, daß Baumgarten nicht allein den aus der radikalen Quellenkritik erwachsenen Pyrrhonismus französischer Herkunft im Auge hat, sondern ebensosehr eine vornehmlich in Deutschland verbreitete Spielart des Geschichtsskeptizismus. Wichtiger als die Quellenkritik ist hier, daß die Philosophie prinzipiell höher geschätzt wird 2 0 4 als die Historie. Die Glaubwürdigkeit der einen stellt die der anderen in den Schatten. So haben nach Baumgarten philosophische Vorurteile und Moden dazu beigetragen, „daß bei manchen die übertriebene Hochachtung und Anhänglichkeit gegen andere, sogenannte eigentliche und höhere Wissenschaften, sonderlich der Weltweisheit, beinahe zu einer gänzlichen Verachtung der Historie ausgeschlagen, die den Müßiggängern oder zum scharfsinnigen Nachdenken unfähigen Leuten zu überlassen sei" 2 0 5 . Wenn wir uns an das erinnern, was Christian Wolff gegen einen wissenschaftlichen Charakter der cognitio histórica und auch der bestenfalls gelehrten und lehrreichen, aber nicht scientifischen Tatsachenbeschreibung, wie sie historische Bücher enthalten, einzuwenden hatte, dann brauchen wir nicht lange zu fragen, welche Art von in Deutschland modischer Philosophie hier gemeint ist. Mochte Baumgarten in seiner friedlichen Art auch den Namen des Meisters geflissentlich aus dem Spiele lassen, mochte er auch auf weite Strecken seiner Kritik

5 Anm. 1) an erster Stelle den französischen Jesuiten Jean Harduin (1646—1729), der auf in der Tat absonderliche Weise das Gros der antiken Überlieferung für mittelalterliche Fälschung und außer der Vulgata „alle Schriften des christlichen Altertums und der Kirchenväter vor Ausgeburten einer atheistischen Verschwörung wider die göttliche Offenbarung" hielt. Erwähnenswert erscheint Baumgarten u. a. auch der ursprünglich A. H. Francke nahestehende und in Helmstedt später umstrittene Hermann von der Hardt (1660—1746), gegen den seine eigene Dissertation unter C. B. Michaelis von 1726 (Bibliographie Nr. 1) gerichtet war: dessen Einfalle „bestehen aus ähnlichen Mißhandlungen der alten Geschichte, sonderlich der heil. Schrift". " " Welthistorie I Vorrede, S. 4. 2 0 3 Ebd. M. Scheele (Wissen und Glaube . . . , S. 120f.) verzeichnet es als Kennzeichen der deutschen Situation, daß hier der Einfluß der Philosophie auf die Beurteilung der Geschichtswissenschaft besonders ausgeprägt war. 2 0 5 Welthistorie I Vorrede, S. 4. 304

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tatsächlich mehr den grassierenden Vulgärwolffianismus im Auge haben, im Kern richten sich seine Ausführungen doch auch gegen Wolff selbst: „Das Vorgeben, die Historie sei keine eigentliche Gelehrsamkeit, j a die historische Erkenntnis die allerniedrigste und schlechteste Art menschlicher Erkenntnis und hindere nicht nur bei einzeln Menschen, sondern auch in menschlichen Gesellschaften die Treibung eigentlicher Wissenschaften, wodurch sich heutzutage viele abhalten lassen, ihren scharfsinnigen Kopf, den sie besser gebrauchen zu können vermeinen, bis zur Historie nicht zu erniedrigen und beinahe zu mißbrauchen, beruhet auf mancherlei verworrnen Vorurteilen und widerspricht der unleugbaren Erfahrung" 2 0 6 . Es ist zwar kaum anzunehmen, daß Baumgarten hier Wolff bezichtigt, er nähme aktiven Anteil an dieser im späteren Teil des Zitats erwähnten Verdächtigmachung der historischen Erkenntnis als hinderlich für die Wissenschaft und an der damit begründeten Distanzierung von der historischen Arbeit. Eine möglichst gute Faktenkenntnis war j a auch für Wolff die Voraussetzung der philosophischen Erkenntnis 2 0 7 . Aber Baumgarten wendet sich strikt gegen die Konsequenzen, die aus den zuerst genannten vorgeschützten Aufstellungen über die Unseriosität der Historie und — man sah hier einen Zusammenhang — über den niedrigen Rang der cognitio histórica gezogen worden sind. J a , noch mehr, er strebt auch — weniger deutlich, aber doch hinreichend erkennbar — fort von der dem Mißbrauch ausgesetzten Auffassung seines philosophischen Lehrers, die sich vornehmlich an den Interessen der streng rationalen Wissenschaften orientierte. Freilich widerspricht Baumgarten hinsichtlich der Unwissenschaftlichkeit der Historie und der Abwertung der cognitio histórica der Auffassung Wolffs nicht ausdrücklich, aber er betont sie auch nicht, j a er wiederholt auch dessen Sätze darüber nicht unbedingt in gleich strenger Formulierung 2 0 8 , weil dies für die historische Arbeit verheerende Folgen hätte und dem historischen Skeptizismus weiter Vorschub leistete. Vielmehr zeigt Baumgarten in seinen gegen die Geringschätzung der Geschichte gerichteten Ausführungen auf, es sei „offenbar" — man darf wohl annehmen, daß im Wolffianismus dies MiBverständnis besonders nahelag — eine unerlaubte Vermischung zweier verschiedener Fragestellungen unterlaufen, wozu die Unklarheit im Begriff der cognitio histórica j a verführt: Die erkenntnistheoretische Problematik, die in der Beziehung zwischen cognitio histórica und cognitio philosophica in Erscheinung tritt, darf nicht leichthin verwechselt werden mit den besonderen Fragen, die mit der Glaubwürdigkeitsproblematik der Geschichte gegeben sind 2 0 9 . Es müssen also, wie man formulieren könnte, cogAaO S. 36. Lat. Logik Disc, prael. § 1 0 - 1 2 , vgl. o. S. 137f. S. o. Anm. 194. 2 0 9 Als erstens und wichtigstes der zu überwindenden Vorurteile nennt Baumgarten (Welthistorie I Vorrede, S. 36): „Einmal wird offenbar die historische Erkenntnis der wesentlichen Stücken der Wissenschaften mit der Erkenntnis und Einsicht der Geschichte verwech306

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nitio histórica und cognitio historiae genau auseinandergehalten werden. Die in dem einen Fragebereich gewonnenen Wertungen lassen sich nicht ohne weiteres auf den anderen übertragen. Die Erkenntnis der Geschichte kann nach Baumgartens Überzeugung nämlich ebenso „scharfsinnig", das heißt vernünftig sein wie die von veritates universales. Der intellektuelle Anspruch ernsthafter Historie zeigt sich an der methodischen Exaktheit, mit der sie — ebensogut wie „irgendeine andere Wissenschaft" — die jeweiligen Gründe prüft und sich durchgehend über die „verschiedenen Stufen der Wahrscheinlichkeit und Gewißheit" 210 Rechenschaft abgibt. Sie unterscheidet also genau und offen zwischen gesicherten und ungesicherten Ergebnissen ihrer Arbeit 2 1 1 . Zudem deckt sie soweit als möglich die Zusammenhänge und Abhängigkeiten auf und müht sich um Sorgfalt bei der Beurteilung und Applikation. Alle diese Tätigkeiten des Historikers „erfordern, beschäftigen und schärfen das menschliche Nachdenken gewiß so sehr als irgendeine andere Wissenschaft" 212 . Bei allen diesen Argumenten ist als Hintergrund zu sehen, daß damals noch die Arbeit an der Geschichte weniger in Gestalt einer allseitig anerkannten Universitätswissenschaft getrieben wurde als durch Hofhistoriographen, politisierende Edelleute, Bibliothekare, Privatschriftsteller und Romanverfasser, vor allem außerhalb Deutschlands 213 . Um so beachtenswerter ist, daß Baumgarten auch die Beschäftigung mit der Geschichte in der „ungelehrten Welt" nicht abwertet, sondern als hilfreich ansieht 214 . seit, die so wohl scharfsinnig sein kann als die Vorstellung allgemeiner Wahrheiten." Die Bezeichnung „scharfsinnig" steht fur „vernünftig", streng rational begründend, und kommt vornehmlich systematischen Disziplinen zu (s. Glaubenslehre I, S. 20f. 24f.). Solche Begriffsverwischung findet sich übrigens nicht nur bei Gegnern der historischen Gelehrsamkeit, sondern auch bei ihrem Verteidiger Chladenius (s.u. S. 188 Anm. 97). 2,0 Welthistorie I Vorrede, S. 36. 211 Genauer wird das aaO S. 19—21 ausgeführt. 2,2 AaO S. 36. 213 In Deutschland entwickelte sich, z.T. erst durch Bestrebungen wie die Baumgartens, allmählich eine emstzunehmende Geschichtswissenschaft an den Universitäten, wenn auch die ersten bedeutenderen historiographischen Leistungen noch von Außenseitern wie Winckelmann und Moser vollbracht wurden (E. Fueter: Geschichte der neueren Historiographie, S. 371 f.). 214 Das hier überall durchscheinende Bestreben, nach Art der Zeit die Nützlichkeit der Beschäftigung mit der Geschichte darzutun, beherrscht auch die anderen Argumente des zweiten Unterteils der Vorrede. So hält es Baumgarten für nur begrüßenswert, daß bei der Historie die engen Zunftgrenzen der Universitätsgelehrsamkeit nicht streng eingehalten werden. „Besteht dieselbe (seil, die Gelehrsamkeit) in einer Fertigkeit der gründlichen Einsicht eines zusammenhängenden Umfangs von nützlichen Wahrheiten, so wird die Historie davon nicht können ausgeschlossen werden, ob sie gleich auf zunftmäßige Gelehrte nicht eingeschränkt bleibet, vielmehr das eigentliche Band der gelehrten und ungelehrten Welt ausmacht, deren keine der andern entraten kann." (S. 36) Auch ist es ein Vorurteil zu meinen, ein gutes Gedächtnis, wie es in der Geschichte erfordert werde, könne nicht zugleich mit einem scharfen Verstände auftreten; an Gegenbeispielen nennt er u. a. Grotius, Pufendorf, Leibniz, Newton, aber nicht Wolff! (S. 36f.) So ist die Geschichte der übrigen Wissenschaft nicht schäd-

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Doch hebt Baumgarten nun nicht nur das einem wissenschaftlichen Philosophen würdige intellektuelle Niveau hervor, welches die ernsthafte historische Arbeit erfordert, oder begnügt sich damit, mit Nützlichkeitserwägungen für die Geschichte zu werben 215 . Sein Hauptangriff gilt der Auffassung, es könne mit Notwendigkeit keine volle historische Gewißheit geben, wie Wolff es behauptet hatte. Für diesen stand aufgrund seiner aufgezeigten Voraussetzungen nämlich fest, „daß man die historische Wahrheit nicht wissen kann, sondern glauben muß" 2 1 6 . Mehr hat Wolff an dieser für das Geschichtsverständnis entscheidenden Stelle nicht zu sagen. Er verweist stattdessen auf das, was an anderer Stelle und unter anderem, erkenntnistheoretischem Gesichtspunkt über Wissen, Glauben, Meinen und Irren 217 ausgeführt ist. Beim Glauben hängt für Wolff aber alles an der Glaubwürdigkeit von Zeugen, denn: „Durch den Glauben verstehe ich den Beifall, den man einem Satze giebet um des Zeugnisses willen eines anderen" 218 . Zeugen stehen aber stets unter dem Verdacht, nicht authentisch oder gar absichtlich verfälschend zu berichten 219 . Nur ausnahmsweise, etwa wenn bei dem Berichtenden Augenzeugenschaft zusammen mit der Fähigkeit und dem Willen, korrekt zu beobachten, zu behalten und wiederzugeben, sicher vorliegt, kann der Glaube solches Zeugnisses gewiß werden 220 . Aber ein erweisliches Wissen des Tatbestandes ist dieser Glaube nicht: „Daß aber etwas gesche-

lich, sondern nur förderlich. Das zeigen ihm auch die Verfallserscheinungen des Mittelalters, wo es zwar keinen Mangel an scharfsinniger Wissenschaft, aber an Sprachen und Geschichte gegeben habe (S. 37). 215 P. Menzer tut Baumgarten Unrecht, wenn er bei ihm nur diesen letztgenannten Zug für erwähnenswert hält, aber die viel wichtigeren übrigen Gedanken dieser Vorrede übergeht (Kants Lehre von der Entwicklung in Natur und Geschichte, S. 240—242). a " Dt. Logik, Kap. 10 §3. ,11 Die endgültige Reihenfolge in der Lat. Logik (§ 594ff.) lautet in der Überschrift: De scientia, opinione, fide atque errore. Im Vergleich dazu überschreibt Kant den bekannten Abschnitt in der Kritik der reinen Vernunft: „Vom Meinen, Wissen und Glauben" (2. Aufl. S. 848 = Cassirer III, 550). In dieser Plazierung bekommt der Glaube deswegen die höchste Dignität, weil Kant ihn hier nicht als „pragmatischen" oder „doktrinalen", sondern als „moralischen" würdigt (aaO S. 851—856 = 552—554). Doch erkenntnistheoretisch hat auch für Kant der Glaube einen niedrigeren Stellenwert, wenn auch einen höheren als bei Wolff: Kant stellt ihn zwischen Meinen und Wissen (aaO S. 850 = 551), denn er betrachtet ihn nicht allein unter dem Gesichtspunkt der Heteronomie als Übernahme einer fremden Überzeugung, wie Wolff es tut, sondern wertet ihn als subjektive Überzeugung. 2,8 Dt. Logik, Kap. 7 § 3. J " AaO § 5 - 1 0 ; Lat. Logik, § 6 1 5 - 6 2 2 . Dt. Logik, Kap. 7 § 5ff. Wolff vermeidet hier den Ausdruck „Gewißheit". Im Unterschied zu den „historischen" Schriften bleibt er den „dogmatischen" vorbehalten, in denen man „gewisse Lehren" findet (aaO Kap. 10 § 11). Aber in dem entsprechenden Paragraphen der späteren Lat. Logik (614) wird, wenn auch zögernd, auch von Gewißheit gesprochen. Sie wird aber streng auf die fides als subjektive Anerkenntnis (§ 564) propter autoritatem dicentis (§611) bezogen. Doch von einer — womöglich wissenschaftlich erwiesenen — Wahrheit der Sache bleibt das so Anerkannte weit entfernt, denn scientia est habitus demonstrandi (§ 594) und nur scientia instructus certam habet rei Cognitionen! (§ 595).

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hen sei, kann nicht erwiesen werden. Und also muß man dem Zeugnis des andern trauen, das ist, es glauben" 221 . Die Geschichte unterliegt also prinzipiell den Grenzen der Wahrscheinlichkeit und bleibt im Raum des Vorwissenschaftlichen. Entsprechend knapp und anspruchslos sind denn auch die Anforderungen Wolffs an eine historische Methode. Wer historische Schriften abfassen will, soll sich an die „drei Tugenden" halten: Wahrheit, Vollständigkeit und Ordnung. Das sind wichtige Forderungen, die an jede Art von Schriften zu stellen sind, besagen aber in diesem Zusammenhang, zumal angesichts der abschätzigen Bewertung aller historischen Bemühungen, zu wenig 222 . Noch besondere und darüber hinausgehende Regeln speziell für die historische Arbeit zu geben, erübrigt sich nach dem Gesagten für Wolff. Lieber spricht er von den dogmatischen Schriften, in denen „gewisse Lehren" vorgetragen werden 223 . Gerade an jener Stelle aber liegt das Interesse Baumgartens, und so kommt er zu einem Wolff entgegengesetzten Ergebnis. Er meint, wenn man sich nur einer streng methodischen und unablässig mühenden historischen Arbeit hingebe, werde man erkennen, daß es sehr wohl „eine wahre und erweisliche Gewißheit der Geschichte gebe" 224 . Diese sei nur von anderer Art und beruhe auf anderen Beweisgründen als „ die mathematische Gewißheit und Erweislichkeit allgemeiner Wahrheiten". Deswegen dürfe man sie aber keinesfalls in Zweifel ziehen 22s . Dies gilt nach Baumgartens Überzeugung gerade angesichts der Tatsache, daß über die Eigenart dieser historischen Gewißheit und Erweislichkeit und über die historischen Methoden allgemein viel zu wenig Wissen verbreitet ist 226 , ganz abgesehen davon, daß mangelnder Fleiß und bequemes Ausweichen vor der mühsamen technischen und denkerischen Kleinarbeit viele dazu verleitet hat, über diese ganze Bemühung den Stab zu brechen. Jedenfalls hält er Unwissenheit und Bequemlichkeit für die wesentlichen Ursachen der hier auftauchenden Vorurteile 227 . Solange man es mit 251

Dt. Logik, Kap. 7 §4. AaO Kap. 10 § 2. „Man kann also von einer historischen Schrift nicht mehr erfordern, als daß alles in solcher Ordnung und mit solchen Umständen erzählet werde, wie es geschehen" (AaO). Auch die Lat. Logik ist bei aller sonstigen Ausführlichkeit an dieser Stelle dürftig (§ 760). R. Unger (Zur Entwicklung des Problems der historischen Objektivität bis Hegel, S. 97) urteilt: „die alten Gemeinplätze"! 223 Dt. Logik, Kap. 10 § 11. 224 Welthistorie I Vorrede, S. 19. 225 Ebd. Und nun fast ganz unverhüllt gegen die Wölfischen Logiken gerichtet fährt er fort: „Es würde nicht nur ein wichtiger Mangel, sondern offenbarer Mißbrauch der Vernunftlehre sein, wenn sich dieselbe nicht auf diese Art der Gewißheit erstrecken sollte, wie von manchen Lehrbüchern derselben wohl unleugbar ist, oder gar zu derselben Bestreitung angewandt werden." AaO S. 3f. 227 „Indessen ist unleugbar, daß teils die Unwissenheit der eigentlichen Beschaffenheit dieser Gewißheit und ihrer Regeln, teils die bemerkte Unentbehrlichkeit eines mühsamen Fleißes, mehrerer Hülfsmittel und dauerhaftem Nachdenkens bei anzustellenden Untersuchungen und Beweisen dieser Art, als mancher Bequemlichkeit zuläßt, der gewöhnlichste und häufigste, wo nicht durchgängige Grund der herrschenden Zweifelsucht in Geschichten und 221

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der Geschichte noch gar nicht ernsthaft versucht hat — das scheint ihm ein Kennzeichen der Zeit zu sein —, sollte man auch mit voreiligen Schlüssen zurückhaltend sein. Man hat den Eindruck, als sei sich Baumgarten, auch angesichts seiner eigenen Bemühungen, durchaus bewußt, wieviel noch an der Entwicklung der historischen Methodik und ihrer allgemeinen Anerkennung zu tun sei. Darum ist auch die Gewißheitsfrage in der Historie für Baumgarten anders als bei Wolff nicht mit einem Federstrich und ein für allemal bündig zu beantworten, sondern naturgemäß nur von Fall zu Fall 228 und nicht ohne Beachtung eines umfangreichen Katalogs von Regeln, wie er ihn in groben Zügen entwirft 2 2 9 . Aus der Praxis daran orientierter Forschungs- und Denkbemühung ergeben sich für Baumgarten „von selbst" eine Reihe von Antworten. Er stellt fest: 1. daß es eine erweisliche Gewißheit in der Geschichte gebe 230 , 2. „daß die Erweislichkeit einer Begebenheit, die Glaubwürdigkeit eines Geschichtschreibers, der sie berichtet, und die Erweislichkeit des gesamten Inhalts desselben" genau zu unterscheiden seien 231 , 3. daß es bei dieser Erweislichkeit Abstufungen und Grenzen gebe 232 , 4. daß die Erweislichkeit oder Unerweislichkeit eines historischen Urteils nicht für alle Zeiten feststehe, sondern je nach Änderung seiner Grundlage revidierbar sei 233 und 5. daß die Zuverlässigkeit der Geschichte nicht zwangsläufig proportional zum Zeitabstand abnehme, was besonders die alte Geschichte und die christliche Lehre betreffe 2 3 4 . Baumgarten stellt also der philosophischen Bestreitung jeglicher wissenschaftlichen Verifizierbarkeit von historischen Urteilen nicht einfach die ebenso paudes Vorurteils von unmöglicher Gewißheit in denselben sei: indem es ein nicht seltener, obwohl höchst übereilter und falscher Schluß ist, alles, was uns mißlungen und unmöglich scheint, ja in gewissen Umständen wirklich ist, vor schlechterdings und jedermann unmöglich zu halten, sonderlich wenn die Vorstellung besorglicher Schande aus dieser Unwissenheit dazu kommt." (AaO S. 19) 228 S. vor. Anm. u. aaO S. 9: Die Frage der Erweislichkeit in der Geschichte erfordert „die größte Behutsamheit und sorgfaltigste Prüfung". 229 AaO S. 9—18. Man kann nicht sagen, daß die Erörterungen Baumgartens zur historischen Methode, etwa der Quellenbenutzung, epochemachend neuartig sind. Aber sie stehen durchaus auf der Höhe ihrer Zeit, zumal wenn man die hallische Situation in Rechnung stellt und mit der deutschen antipyrrhonistischen Literatur sonst vergleicht (vgl. dazu das Material bei H. Müller: Johann Martin Chladenius, S. Xllf. 109—134). Auf diese Frage werden wir noch Bezug nehmen. 230 AaO S. 19. 231 AaO S. 19f. 232 AaO S. 20f. 233 AaO S. 21. 234 AaO S. 21 f. Dieser letzte Punkt wendet sich offenbar gegen die „mathematische" Gewißheitsberechnung von Leuten wie John Craig (Theologiae christianae principia mathematica, 1699). Dieser nahm an, daß die Zuverlässigkeit historischer Nachrichten bei Zeitgenossen in arithmetischer und bei Nachgeborenen in quadratischer Progression abnehme, und gelangte so zu dem Ergebnis, daß die Wahrscheinlichkeit der schriftlichen Jesus-Uberlieferung im Jahre 3 1 5 0 erloschen sein werde (nach H. Müller: Johann Martin Chladenius, S. 117f.).

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schale These entgegen, in der Geschichte sei alles leicht gewiß zu machen. Es kommt ihm vielmehr vor allem darauf an zu zeigen, daß es überhaupt Gewißheit in der Historie gibt. So geht er stark differenzierend vor und widerspricht direkt eigentlich nur der im Pyrrhonismus vertretenen und durch Wolff begünstigten Auffassung, daß man aus prinzipiellen Gründen eine „äußerste", j a „notwendige Ungewißheit und Unerweislichkeit" annehmen müsse, weil es überhaupt Widersprüche und Ungereimtheiten bei den Ergebnissen historischer Arbeit gebe 2 3 5 , also daß man aus der bloßen Tatsache von Lücken in der Erweislichkeit schließt, es gebe gar keine Erweislichkeit in der Geschichte 2 3 6 . Baumgarten meint dazu, bei solchem Verfahren, das aus der Unerweislichkeit einzelner historischer Behauptungen die Unerweislichkeit aller folgert, werde einfach „zuviel bewiesen", ein Fehler, dessen sich alle Vertreter eines radikalen Skeptizismus schuldig machten. Ein solches Verfahren hätte gefährliche Folgen auch für die übrigen Wissenschaften: „Wenn die widersprechende Lehrbegriffe und verschiedene Meinungen über einzele Sätze derselben eine notwendige Ungewißheit und Unerweislichkeit verursachten, so würde es gewiß um den größten Teil der Gelehrsamkeit und Wissenschaften, wo nicht um alle Gewißheit menschlicher Erkenntnis getan sein." 2 3 7 Das Problem der historischen Gewißheit kann also für Baumgarten nur so angegangen werden, daß man durchgehend zwischen dem Erweislichen und dem nicht Erweislichen und zwischen den verschiedenen Graden der Verifizierbarkeit genau zu unterscheiden lernt und darüber offen Rechenschaft ablegt. Wenn der Gewißheitsanspruch der Historie ernstgenommen werden soll, darf sie sich nicht mit der Bestimmung des Gesicherten begnügen, sondern muß sich und anderen kritisch unterscheidend eingestehen: „Viele Begebenheiten . . . und noch mehr Umstände sind ungewiß oder zweifelhaft, j a unwahrscheinlich, manche Nachrichten aber unbegründet, j a erweislich falsch" 2 3 8 . Dieses offene Eingeständnis der Abgestuftheit und Begrenztheit historischer Verifikation im Rücken kann sich Baumgarten dem Bereich dessen zuwenden, was als historisch gesichert anzusehen ist. Auch hier ist wieder zu unterscheiAaO S. 36. AaO S. 3 7 ; vgl. hierzu auch den Abschnitt der Anm. 37 (aaO S. 39), wo Baumgarten davor warnt, aus dem großen Widerspruch des Herodot und des Xenophanes über den Tod des Cyrus allzu weitreichende Schlüsse zu ziehen: „ist denn alles unmöglich, was gar so leicht nicht ist? . . . bleibt nicht noch genug von Begebenheiten Cyri übrig, wenn gleich dieser Widerspruch unmöglich zu entscheiden wäre? ja, gereicht derselbe nicht vielmehr zu desto größerer Gewißheit dessen, worin diese Geschichtschreiber übereinkommen? und, würden wir nicht endlich um alle, neue Geschichte sowohl, ja noch viel eher als um die alte kommen, wenn der bloße Widerspruch der Geschichtschreiber in einigen Stücken dieselben insgesamt verwerflich machen sollte?" 235 234

AaO S. 36f. AaO S. 20f. Baumgarten fahrt fort: „Indessen gehört die Einsicht der Unrichtigkeit dieser letztern sowohl als die Richtigkeit der erstem zur vollständigen Geschichtkunde." Ähnlich auch aaO S. 15 Anm. 14. 237

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den und einzuschränken. Ein kleinerer, wenn auch „ansehnlicher Teil von Hauptbegebenheiten der Geschichte kann zur Gewißheit . . . gebracht werden, und ein noch größerer zur überwiegenden Wahrscheinlichkeit" 239 . Die Zuverlässigkeit eines Resultats historischer Forschung beruht auf inneren und äußeren Gründen, sie wird nämlich teils aus den Begebenheiten und teils aus den Zeugnissen von denselben abgeleitet 240 . Beides muß hier Hand in Hand gehen. Die Glaubwürdigkeit der Zeugnisse 241 , unter denen die eigentlichen Quellen den Vorrang vor sekundären Nachrichten haben 242 , muß jeweils nach allen Richtungen hin geprüft werden. Zugleich müssen bei der Untersuchung jeder Einzelheit und jedes Komplexes überall auch die inneren Gründe untersucht werden 243 . Dazu gehört der Aufweis der Möglichkeit des Geschehens — es darf dieses „weder sich selbst noch anderen unleugbaren Wahrheiten widersprechen" — und der Mutmaßlichkeit oder inneren Wahrscheinlichkeit, die angenommen werden kann, wenn gezeigt wird, daß ein Geschehen den weiteren Umständen und Zusammenhängen mit Früherem, Gleichzeitigem und Späterem gemäß ist244. Aber auch solcher Nachweis der inneren Wahrscheinlichkeit würde für sich allein nicht ausreichen, wenn nicht so weit als möglich die Gegenprobe an den äußeren Zeugnissen das Ergebnis bestätigte. Innere und äußere Begründung stützen sich also gegenseitig.. Im einzelnen sieht dies von Fall zu Fall verschieden aus, denn ein einheitliches Begründungsschema würde der Fülle geschichtlicher und hermeneutischer Möglichkeiten nicht gerecht werden. Ein ansehnlicher Teil von historischen Urteilen kann also auf diese Weise für Baumgarten durchaus zur Gewißheit gebracht werden. Er scheut sich auch nicht, hier vom „schärfste(n) Begriff der Gewißheit" zu sprechen, der vorliegt, wenn die Notwendigkeit des Urteils erwiesen wird 245 . Hier wird deutlich, daß Baumgarten weiterhin im Rahmen der Philosophie Wolffs argumentieren möchte, aber gerade mit ihren Mitteln zu einer günstigeren Beurteilung der Historie kommt. Bei seiner kombinierten Anwendung des Satzes vom Widerspruch geht er davon aus, AaO S. 20. AaO S. 9f. 241 AaO S. 1 1 - 1 8 . 242 AaO S. 13. Die Anciennität einer Quelle (aaO S. 17) ist als solche noch kein Maßstab, hinzukommen muß die räumliche Nähe (S. 12), Sorgfalt (S. 13f.) und Aufrichtigkeit (S. 14—16) des Zeugen. Auf solchen guten Zeugnissen können ja auch gute spätere Quellen beruhen, die darum zuverlässiger sind als ältere, die aus dritter Hand schöpfen. 243 AaO S. 10. 244 AaO S. 10. 18. 245 „Wenn auch der schärfste Begriff der Gewißheit angenommen wird, daß dieselbe in der Notwendigkeit einer Wahrheit bestehe, deren Gegenteil unmöglich sei, so ist leicht begreiflich, daß, weil auch zufällige Dinge einen hinreichenden Grund ihrer Wirklichkeit haben, und, wenn dieselbe da ist, es unmöglich sei, daß sie zugleich auch nicht da sein sollte, es allerdings eine Gewißheit und nachfolgende äußere Notwendigkeit derselben gebe, ohne daß diese zufällige Dinge selbst dadurch eine innere Notwendigkeit bekommen." (AaO S. 19 Anm. 19) 240

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daß auch die historischen Begebenheiten als zufällige Dinge einen zureichenden Grund ihrer Wirklichkeit haben 246 und deswegen als solche widerspruchsfrei und sogar notwendig existieren können 247 . Dem könnte auch Wolff zustimmen 248 , freilich nur mit Einschränkungen. Denn der hier vorkommende Notwendigkeitsbegriff ist nicht der des schlechterdings (geometrisch, metaphysisch) Notwendigen 249 , sondern der des bedingungsweise (natürlich) Notwendigen. Das eine hat den Grund seiner Notwendigkeit in sich, das andere außerhalb seiner selbst 250 . Der Welt des Zufälligen als Natur und Geschichte eignet aber nur die letztere. Darüber geht auch Baumgarten im Prinzip nicht hinaus, indem er lediglich von einer nachfolgenden, äußeren Notwendigkeit spricht251. Von einer inneren Notwendigkeit der Begebenheiten in der Welt wollen ja beide nichts wissen, denn das würde die Behauptung einer necessitas fatalis zur Folge haben, deren sich die Wolffsche Philosophie ja stets zu erwehren hatte 252 . Um dieser Abgrenzung vom deterministischen „Atheismus" willen möchte Wolff aber die zunächst zugestandene Verwendung des Begriffs Notwendigkeit am liebsten wieder rückgängig machen 253 . Baumgarten hingegen — und das ist der Hauptunterschied in dieser Frage — möchte von dem Begriff der Notwendigkeit hier betont und gem Gebrauch machen, weil er ihm geeignet erscheint, die Historie vor einer 246

Vgl. Chr. Wolff: Dt. Metaphysik 5 579 u n d Der Vemünfftigen Gedancken von G o t t , der Welt u n d der Seele des Menschen, auch allen Dingen überhaupt, Anderer Theil, (1724) 4. Aufl. 1740, (abgek.: Dt. Metaphysik II) § 5: „Es sind zweierlei Arten der Wahrheiten, notwendige u n d zufällige, Veritates necessariae et contingentes. J e n e sind in dem Principio contradictionis, oder dem Grunde des Widerspruches, diese hingegen in dem Principio rationis sufficientis, oder dem Satze des zureichenden Grundes gegründet." 247 S. o. A n m . 245. 2 " Dt. Metaphysik § 15. 5 7 5 - 5 7 7 . 249 AaO § 3 6 , dazu II § 17. 150 Dt. Metaphysik § 575. In dem dies erläuternden Abschnitt des II. Bandes verwendet Wolff die Begriffe „necessitas absoluta" und „necessitas h y p o t h e t i c a " (Dt. Metaphysik II § 18 7ff.). 251 S. o. A n m . 245. Baumgarten fahrt f o r t : „Welches wenigstens von jedermann zugegeben werden m u ß , der die Gewißheit des göttlichen Vorhersehens aller zufälligen Dinge, selbst aus der natürlichen Erkenntnis Gottes, vor erweislich hält, ohne diese äußere Notwendigkeit mit der inneren zu verwechseln." Auch in seiner Dogmatik lehrt Baumgarten in bezug auf das providentielle Verhältnis zu den zufälligen Dingen wohl „eine untriegliche Unausbleiblichkeit", aber „keine unvermeidliche Notwendigkeit" (Glaubenslehre I, S. 797; vgl. 809). 252 Diese Streitfrage war der Anlaß der Vertreibung Wolffs aus Halle im J a h r e 1723 gewesen. In der Folgezeit hat sich Wolff immer wieder apologetisch dazu geäußert, angefangen mit der noch in Halle (datiert 10. 8. 1723) abgefaßten Schrift: De differentia nexus rerum sapientis et fatalis necessitatis . . . , 1724. 253 Chr. Wolff: Dt. Metaphysik § 578: „Es ist demnach zu merken, daß dasjenige, was man die Notwendigkeit der Natur nennet, eigentlich den Namen der Notwendigkeit nicht verdienet, indem ihr der Begriff der Notwendigkeit nicht schlechterdings z u k o m m e t , sondern vielmehr nur Gewißheit sollte genennet w e r d e n . " (Vgl. Dt. Metaphysik II § 17) Was Wolff hier „Notwendigkeit der N a t u r " n e n n t , darf nicht mit unserem Begriff von „Naturnotwendigkeit" verwechselt werden, den wir ja gerade mit der Vorstellung des absolut Zwingenden verbinden.

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III. Baumgartens Hinwendung zur Geschichte

bloßen Behauptung einer nicht näher bestimmten Gewißheit, also einem Abgleiten in Ungewißheit und damit Unseriosität zu bewahren. Wenn Wolff sagt, „daß . . . die Gewißheit der Begebenheiten sie nicht notwendig machet" 2 5 4 , so gilt das trotz dieser allgemeinen Formulierung doch nur einschränkungsweise 255 für die innere, nicht aber für die äußere Notwendigkeit. Eine bedingte Notwendigkeit müßte er für die geschichtliche Welt auch zugestehen. Es mag fraglich sein, ob Baumgarten mit dieser Überlegung bei den historischen Urteilen wirklich eine — wenn auch nur äußere — Notwendigkeit erwiesen hat. Einsichtig gemacht hat er wohl den Zusammenhang in der Welt des Geshhichtlichen, nicht aber eigentlich die notwendig gewisse Erkenntnis desselben. Auch der Hinweis auf die Gewißheit der göttlichen Vorsehung 256 verfängt da nicht, denn es geht ja nicht um deren angemessene Beschreibung, sondern um ihre Erweislichkeit. Hier unterliegt die philosophische Voraussetzung Baumgartens der „dogmatischen" Begrenztheit des Wölfischen Denkens. Wir sehen aber, wie Baumgarten den Spielraum, den ihm das Wölfische System läßt, bis zum äußersten ausschöpft, um die historische Gewißheit zu sichern. Meinte Wolff hier abwertend, in der Historie sei höchstens „nur Gewißheit" 257 , die auf Glauben beruhe, möglich, womit für ihn der Bereich des streng Wissenschaftlichen verlassen und das Interesse am historisch-Zufälligen trotz aller gegenteiligen Beteuerungen erlahmt war, so stellt Baumgarten um so freudiger fest: Es gibt in der Historie immerhin Gewißheit, wenn auch in begrenztem Umfange, ja sogar eine solche Gewißheit, von der Notwendigkeit auszusagen ist, soweit überhaupt unterhalb Gottes und der Vernunftwahrheiten von Notwendigkeit gesprochen werden kann. Ähnlich ist es auch bei der Bewertung dessen, was in der Historie nicht mit völliger Gewißheit, sondern nur mit einer „überwiegenden Wahrscheinlichkeit" als gesichert angesehen werden darf. Für Baumgarten wird die Feststellung von Wahrscheinlichkeit nicht zum Anlaß, dem historischen Zweifel mehr als erforderlich Raum zu geben. Wenn selbstverständlich auch für ihn die Wahrscheinlichkeit nicht einer unwidersprechlichen Gewißheit gleichkommt, möchte er sie doch so weit als möglich zur Sicherung der historischen Erkenntnis in Anspruch nehmen. Auch hier wieder stellt sich Baumgarten sowohl gegen den pyrrhonistischen Skeptizismus als auch gegen Wolff. Der Pyrrhonismus bei seiner Kritik der Uberlieferung war damit befaßt, in der Geschichte die Gewißheit ganz auszuschalten und zu zeigen, daß es überall höchstens Wahrscheinlichkeit und also eine durchgehende Unsicherheit gebe 258 . 154

Ebd. " s Wolff selbst bestreitet ja in Dt. Metaphysik § 564, worauf er bei § 578 verweist, auch nur, daß „die Gewißheit der Begebenheit sie nicht schlechterdings notwendig machet"! " · S. o. Anm. 251. 257 Dt. Metaphysik § 578. S. o. Anm. 253. " · Siehe die Zusammenstellung bei H. Müller: Johann Martin Chladenius, S. 114—127. Daß aber der methodische Zweifel die Geschichtswissenschaft zugleich außerordentlich befruchtete (s. o. Anm. 200), wurde von den Antipyrrhonisten kaum erkannt, zumal an einer Ge-

Die Differenz zwischen Baumgarten und Wolff

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Für Wolff gibt es prinzipiell keinen Weg von der Wahrscheinlichkeit zur wahren Gewißheit 259 . Darum hat die Erörterung der Wahrscheinlichkeitsproblematik in seiner Logik eigentlich keinen Platz 260 . Denn Schlüsse und Demonstrationsketten, in denen auch nur ein einziger wahrscheinlicher Satz als Prämisse vorkommt, können nur zu wiederum bloß wahrscheinlichen und darum wissenschaftlich unbrauchbaren Schlußsätzen führen 261 . Wolff weiß freilich, daß „es in den menschlichen Geschäften meistenteils auf Wahrscheinlichkeit ankommet, und man dannenhero das wahrscheinlichste erwählen soll" 262 . Er kennt auch die trotz mancher Versuche noch nicht abgegoltene Forderung von Leibniz, eine „Logik des Wahrscheinlichen" müsse noch geschrieben werden 263 , ja er verspricht sogar fest, diese schwierige Arbeit selbst zu leisten 264 . Doch halten seine Schüler noch nach Jahren vergeblich danach Ausschau 265 . Es ist zu vermuten, daß er es bei der Ankündigung bewenden ließ, weil er andere, seiner Auffassung nach wissenschaftlich dringendere Aufgaben zu erfüllen hatte. Jedenfalls war der Wölfischen Bewertung der Wahrscheinlichkeit für die Sicherung der historischen Erkenntnis nichts abzugewinnen 266 . Baumgarten dagegen schätzt die Brauchbarkeit der Wahrscheinlichkeitsargumentation hoch ein. Er hält historische Urteile für hinlänglich gesichert, wenn sich für sie „ein erweisliches Übergewicht der Wahrscheinlichkeit" 267 feststellen läßt. stalt wie Pierre Bayle, über den E. Cassirer schreibt: „Er verzichtet auf jede Erkenntnis der ersten absoluten .Gründe' des Seins; er will lediglich die Phänomene als solche überschauen und innerhalb ihres Umkreises das Sichere vom Unsicheren, das .Probable' von Irrtum und Schein klar und scharf abgrenzen. So wendet er den Zweifel nicht gegen das Historische; er gebraucht ihn vielmehr als Organ, um die Wahrheit des Historischen selbst zu entdecken, um zu der ihm gemäßen und ihm eigentümlichen Form der Gewißheit durchzudringen." (Die Philosophie der Aufklärung, S. 270) „Wenn wir von einem Satze einigen Grund, jedoch keinen zureichenden haben, so nennen wir ihn wahrscheinlich, weil es nämlich den Schein hat, als wenn er mit andern Wahrheiten zusammen hinge" (Dt. Metaphysik § 399). 260 In der Dt. Logik wird das Thema ganz ausgespart; erst die lateinische enthält einen Unterabschnitt darüber (§ 578—593), wohl als Antwort auf Kritik, zu der auch Dt. Metaphysik II § 127f. Stellung nimmt (mit Bezug auf Dt. Metaphysik § 3 9 9 - 4 0 3 ) . 261 Lat. Logik § 585; Dt. Metaphysik § 403 und II § 128. 262 Dt. Metaphysik § 402. 263 Ebd; vgl. Lat. Logik § 593. Zu Leibniz s. W. Conze: Leibniz als Historiker, S. 35f. 53; diese Forderung taucht auch in den später veröffentlichten Nouveaux essais auf (Die philosophischen Schriften, hg. v. C. J . Gerhardt V, 353). 264 Dt. Metaphysik II § 128. Und dies, nachdem Wolff zuvor festgestellt hatte: „derjenige, der diese Arbeit unternehmen will, muß viel mit wahrscheinlichen Dingen zu tun haben und dabei Witz und Verstand besitzen" (Dt. Metaphysik § 402)! 265 So der Hallenser J . F. Stiebritz: Erläuterung der Vernünftigen Gedancken Von den Kräfften Des Menschlichen Verstandes . . . Wolffs, 1741, S. 19f. 266 In den knappen Ausführungen zur Wahrscheinlichkeitsfrage (s. o. Anm. 261) entnimmt Wolff seine Beispiele lediglich dem Bereich der Zukunftserwartungen, etwa im menschlichen Zusammenleben oder beim mathematischen Kalkül des Würfelspiels. Welthistorie I Vorrede, S. 21 Anm. 21.

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III. Baumgartens Hinwendung zur Geschichte

Dabei beruft er sich darauf, daß auch in den exaktesten Wissenschaften die Widerspruchsfreiheit nicht bis zur letzten Konsequenz aufgewiesen werde und zu werden brauche: „ S o wenig selbst in eigentlichen Wissenschaften zur Uberzeugung von einer Wahrheit nebst deutlicher Einsicht eines hinlänglichen Beweises die Erkenntnis der Beantwortlichkeit aller Einwürfe unentbehrlich ist, deren Unrichtigkeit aus der erkannten Richtigkeit des Beweises gefolgert werden kann: eben so wenig ist zur Zuverlässigkeit der Geschichte eine Einsicht der völligen Unmöglichkeit oder auch nur gänzlichen Unwahrscheinlichkeit des Gegenteils nötig, sondern ein erweisliches Ubergewicht der Wahrscheinlichkeit hinlänglich" 2 6 8 . Baumgarten meint also, man sei sonst oft genug von der Richtigkeit wissenschaftlicher Urteile auch dann schon überzeugt, wenn sie nicht gegenüber allen Gegenthesen ausdrücklich verteidigt würden, sondern nur mit positiven Gründen untermauert werden könnten. Ohne einzelne Belege dafür zu bringen scheint er der Geschichtskunde zugute zu halten, daß auch die „eigentlichen Wissenschaften" seiner Zeit — also etwa Philosophie und Mathematik — de facto oft den strengsten und ausführlichsten Beweis aller ihrer Sätze gemäß dem Satz vom Widerspruch schuldig bleiben. Stets die völlige Unmöglichkeit oder völlige Unwahrscheinlichkeit des Gegenteils einsichtig zu machen, sei bei der Gewinnung von erweislichen Urteilen auch unnötig. Wenn aber die Resultate solcher Argumentationen in eigentlichen Wissenschaften als hinreichend gesichert angesehen würden, dann müsse dasselbe auch für die Gewißheit der Geschichte gelten. Auch hier sehen wir, wie Baumgarten den engen Spielraum des Wolffschen Denkens bis zum äußersten ausnutzt. Auch er ist sich bei aller Zuversicht, die Gesichertheit historischer Urteile dartun zu können, darüber im klaren, daß der große Bereich des nur Wahrscheinlichen nicht als völlig frei von möglichem Widerspruch erwiesen werden kann. Und obwohl er immer wieder die Historie so nahe wie nur irgend möglich an die „anderen" Wissenschaften heranrückt 2 6 9 , rechnet er sie in der Nachfolge Wolffs und der ganzen aristotelischen Tradition 2 7 0 doch noch nirgendwo zu den „eigentlichen Wissenschaften", er gebraucht für sie vielmehr meistens die Bezeichnung „Gelehrsamkeit" 2 7 1 . Ihm liegt j a nicht an einer Durchbrechung der überlieferten Rangordnung der gelehrten Bemühungen, vielmehr daran, für eine Hinwendung zur Welt des Geschichtlichen zu werben und zu diesem Zweck die nachweisbar überwiegende Wahrscheinlichkeit als hinlänglich für ein gesichertes historisches Urteil darzutun. Denn „diese ganze Zuverlässigkeit" des Wahrscheinlichen beruht für Baumgarten auf „moralischer Gewißheit" 2 7 2 . Dieser Ausdruck, der auch schon in der " · AaO S. 20f. Anm. 21. S. o. S. 139ff., bes. Anm. 194. 203. 268. 2 7 0 S. H. G. Gadamer: Art. Geschichte . . . III. In: RGG, 3. Aufl., Sp. 1488f. 2" S. besonders Welthistorie I Vorrede, S. 36ff. AaO S. 20 Anm. 21.

Die Differenz zwischen Baumgarten und Wolff

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Einleitung zu seiner Fragment gebliebenen Kirchengeschichte vorkommt 2 1 3 , ist Baumgarten bereits vorgegeben und spielt auch später noch eine Rolle. Bei ihm hat er aber eine spezielle Bedeutung. „Moralische Gewißheit" meint nicht die Vermengung der vernünftigen Überlegung mit einer hinzukommenden emotionalen Bestimmtheit, die ein wahrscheinliches Urteil gewisser erscheinen läßt, als es tatsächlich erlaubt ist 2 7 4 . Gemeint ist auch nicht ein höherer Gewißheitsgrad, der dadurch erreicht würde, daß sich die Empfindungen des Historikers seinem Gegenstand hingeben und er durch vergleichendes Einleben in die Geschehnisse und durch Nacherleben der psychischen Vorgänge bei den handelnden und leidenden Personen eine größere Nähe zu den Tatsachen gewönne 2 7 5 . Wenn aber Baumgarten etwas „moralisch" nennt, dann sieht er stets eine frei und rational zu bewältigende menschliche Entscheidungssituation vor sich. „Wobei eine freie Wahl stattfindet, oder was durch eine in allgemeiner Erkenntnis gegründete Wahl geschehen kann, wird sittlich oder moralisch genannt." 2 7 6 So steht auch der Historiker bei der Bewertung der Wahrscheinlichkeit vor einer solchen freien Wahl, zu der sein Wille gefordert ist, ohne dabei der Willkür zu verfallen. Denn der Wille wird bestimmt „durch deutliche Erkenntnis oder Einsicht von Bewegungsgründen" 277 . Die bei einer historischen Entscheidungsfrage festgestellt überwiegende Wahrscheinlichkeit gibt bei dieser Wahl den Ausschlag in Richtung auf die Gewißheit. Denn der Historiker ist zu einem freien, aber durch bestmögliche Einsicht bestimmten Urteil in gleicher Weise verpflichtet wie jeder Mensch gegenüber der Forderung von Gesetzen, die j a auch letztlich mit moralischer Notwendigkeit binden 2 7 8 . Auch die Geltung und verpflichtende Kraft von Gesetzen, Verträgen und vorgegebenen gesellschaftlichen Verhältnissen läßt sich j a nicht anders als mit solcher moralischen Gewißheit begründen 279 . 273 Es geht darum, die Erzählungen „zur möglichsten moralischen Gewißheit zu bringen, die eine Verbindlichkeit zum überwiegenden Beifall mit sich führet, ohne andere Beweise zu erwarten, als Begebenheiten erfordern und zulassen." (Auszug der Kirchengeschichte I, 1743, S. 1) 374 So könnte die Definition bei J . G. Walch: Philosophisches Lexicon, 2. Aufl. 1740, Sp. 1310, verstanden werden: „der höchste Grad der Wahrscheinlichkeit, wenn durch deren Umständen das Gemüt in einer Bewegung gesetzt wird, pflegt certitudo moralis oder die moralische Gewißheit genennet zu werden". 275 Vgl. Chr. A. Crusius: Weg zur Gewißheit und Zuverläßigkeit der menschlichen Erkenntniß, 1747, § 6 0 5 : „Daß eine historische Wahrscheinlichkeit sei und dieselbe sich auch in unzähligen Fällen gar leicht in eine moralische Gewißheit verwandele, lehret sogleich die innerliche Empfindung in den Exempeln, welche uns in dem menschlichen Leben vorkommen". M. Scheele (Wissen und Glaube . . . , S. 123 f.) hat darauf hingewiesen, daß Crusius Elemente des romantischen Geschichtsdenkens vorwegnimmt. 276 Ausführliche Moral, S. 3f. 277 AaO S. 63. 2 7 ' AaO S. 151. 279 Welthistorie I Vorrede, S. 20 Anm. 21: „Wenn diese ganze Zuverlässigkeit eine moralische Gewißheit genannt wird, so geschieht solches nicht nur um deswillen, weil alle Verbindlichkeit der geoffenbarten göttlichen sowohl als menschlichen Gesetze, ingleichen aller Verträge,

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III. Baumgartens Hinwendung zur Geschichte

Die Gewißheitsfrage des Historikers wird als Wahrscheinlichkeitsabwägung zu einem Problem des wissenschaftlichen Ethos, welches moraltheologischer und -philosophischer Beurteilung unterliegt. Für Baumgarten ist nämlich die Art der Gewissensbindung, die letzten Endes einem Grundsatz wie „pacta sunt servanda" zugrunde liegen muß, die gleiche wie bei dem Historiker, dessen wissenschaftliches Gewissen im Wahrscheinlichkeitsfall 280 eindeutig gebunden ist und nicht einem zerstörerischen Skeptizismus zum Opfer fallen darf. Freilich darf nur, wer für die Wahrheitsfindung auch die Gegengründe offenlegt und das Ungewisse, Unwahrscheinliche und Falsche namhaft macht 2 8 1 , auf solche Weise der Wahrscheinlichkeit und Gewißheit die Ehre geben. Der Begriff „moralische Gewißheit" läßt aufhorchen. Man könnte versucht sein, in Anlehnung an die Begrifflichkeit Kants 282 die moralische Gewißheit der Geschichte im Sinne Baumgartens ein moralisches Postulat der praktischen Vernunft zu nennen. Doch Baumgarten bleibt dem vorkritischen Denken verhaftet. Kant würde solchen, unter nur hypothetisch notwendigen Bedingungen 283 stehenden Glauben immer noch einen „doktrinalen Glauben" nennen 284 . Eine „moralische Gewißheit", wie sie Kant für das Dasein Gottes und das zukünftige Leben in Anspruch nimmt, erwächst allein aus einem solchen „moralischen Glauben", dessen einzige, schlechterdings notwendige Bedingung die Forderung des Sittengesetzes ist 285 und nicht, wie hier bei Baumgarten, auch noch theoretische Wahrscheinlichkeitsgründe. Baumgarten meint vielmehr: Erst wer alle jene methodischen Grundsätze sorgfaltig beachtet und alle ihre Möglichkeiten ausschöpft, wird jenseits von quellenkritischem Skeptizismus und philosophischem Perfektionismus den anderen und ja selbst der natürlichen Verhältnisse in menschlichen Gesellschaften auf Begebenheiten beruhet, die keiner andern Erweislichkeit fähig sind, und Handlungen betrifft, deren nachfolgende Beurteilung nach den Gesetzen ohne dergleichen Beweis nicht stattfindet, sondern auch weil diese überwiegende Wahrscheinlichkeit jedermann hinlänglich berechtigt und verpflichtet, derselben gemäß zu handeln, ja das Gegenteil strafbar macht." Vgl. dazu Ausführliche Moral, S. 148f.: „Gesetze heben die innere Freiheit der Menschen nicht auf, sondern erfordern dieselbe notwendig . . . Gesetze aber verursachen eine Notwendigkeit zum Gehorsam oder Strafe, die man moralisch nennet, weil sie auf Einsicht und allgemeiner Erkenntnis und einer daraus fließenden Wahl beruhet". 280

Im Wahrscheinlichkeitsfall, nicht aber im Zweifelsfall, bei dem das Für und Wider sich die Waage hält! Hier gilt entsprechend der ethische Grundsatz: in conscientia dubia actio suspendenda est (aaO S. 189—194). In einem Wahrscheinlichkeitsfall aber, w o das Gewissen probabilis oder moraliter certa (!) ist (aaO S. 181f.), gilt ohne Ausnahme der Grundsatz des non contra conscientiam (aaO S. 186—189)! 2.1 S. o. Anm. 238. 2.2 S. o. Anm. 217. 283 Baumgartens „nachfolgende äußere Notwendigkeit" (s. o. Anm. 245) meint das gleiche wie bei Wolff die „hypothetische Notwendigkeit" (s. o. Anm. 250). 284 Kritik der reinen Vernunft, 2. Aufl., S. 8 5 3 - 8 5 5 (= Werke, Cassirer III, S. 5 5 2 - 5 5 4 ) . 285 AaO S. 8 5 4 - 8 5 7 (= 554f.)

Die Differenz zwischen Baumgarten und Wolff

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allein der Historie angemessenen „genre de certitude" (P. Bayle) erreichen: „Wer die im vorhergehenden angezeigte Bestimmungsgründe und Beweise der Zuverlässigkeit in Geschichten einsiehet und gebrauchen kann, wird . . . so unvernünftig nicht sein, eine andere Art des Beweises zu erwarten und zu fordern, als die Natur der Sache verstattet, welches soviel sein würde, als Lehrsätze mit Händen betasten oder riechen zu wollen" 286 . Nur so wird man vermeiden, „das Gewisse und Erweisliche mit dem Ungewissen und Unerweislichen wegzuwerfen" 287 . Baumgarten will also, daß die vielgescholtene Geschichtskunde so exakt wie möglich und mit den ihr angemessenen Denkmitteln betrieben wird. Er ist sich gewiß, daß sie dann zu so gesicherten Ergebnissen führt, daß sie neben den etablierten Wissenschaften bestehen kann. Nicht ohne Bewegung beobachtet man die stillschweigende, aber deswegen nicht weniger schwerwiegende Auseinandersetzung mit seinem philosophischen Lehrmeister. Trotz allen Drängens kommt er aus dem Prokrustesbett der Wolffschen Theorie nicht heraus. Aber er nutzt jede Möglichkeit, die ihm das System zu lassen scheint, um sich der öffentlichen und geheimen Verachtung der Geschichte entgegenzustellen. Er tut das um so ruhiger, als er sich selbst keinen Illusionen über die Begrenztheit alles historischen Erkennens hingibt 288 . Mag uns heute auch Baumgartens Zuversichtlichkeit hinsichtlich des Umfangs dessen, was in der antiken oder biblischen Geschichte mit Gewißheit als geschehen angenommen werden kann, übertrieben erscheinen, so müssen wir doch die Position Baumgartens in seiner Zeit erkennen. Er steht am Ende der zweiten Phase der deutschen Aufklärung 289 , die durch Wolffs Philosophie beherrscht war und deshalb dem Vordringen des historischen Pyrrhonismus wenig Widerstand entgegensetzen konnte. Hier galt es vordringlich nicht so sehr, die historische Leichtgläubigkeit zu bekämpfen, was Baumgarten ja auch unternahm 2 9 0 , als vielmehr überhaupt wieder ein Zutrauen zur vielfach diskreditierten Geschichtsforschung möglich zu machen. Es war ja auch nicht damit getan, die Geschichte als gelehrte Bemühung nur in ihrem Ansehen zu rehabilitieren — wer konnte schon zu ihrer voraufklärerischen Verfassung zurückstreben! Sie mußte vielmehr als eine vollwertige Wissenschaft erst ganz neu gewonnen und etabliert werden, 284

Welthistorie I Vorrede, S. 38, vgl. 19. Zu Bayle: E. Cassirer: Die Philosophie der Aufklärung, S. 272. 287 Welthistorie I Vorrede, S. 38. 288 Ein Licht auf Baumgartens Selbstbescheidung wirft ein Satz aus der Vorrede (aaO S. 21), w o er von der Geschichtskunde sagt: „Welche zwar von sehr großem und weitem Umfange ist, am allerdeutlichsten aber die enge Einschränkung menschlicher Erkenntnis erweiset, auch eben dieser Weitläufigkeit wegen einen jeden von den engen Grenzen seiner Einsicht um soviel leichter überzeuget, je weiter ers in Erlernung der Geschichte gebracht hat." 289 S. o. S. 131ff. 2,0 Er sieht in der „Leichtgläubigkeit" den einen und in der „Zweifelsucht" den anderen der beiden möglichen Abwege, die in der Historie zu vermeiden seien (Welthistorie I Vorrede, S. 9).

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III. Bauragartens Hinwendung zur Geschichte

ehe sie ihre kritische Funktion voll erfüllen und auf neuer Basis produktiv werden konnte. Auf diesem Wege steht Baumgarten auch in Deutschland nicht allein, wenn man etwa an J . M. Chladenius denkt. Baumgarten aber hat seine Auseinandersetzung im Brennpunkt des Wolffianismus — es war weithin auch eine Auseinandersetzung mit sich selbst! — konsequenter als jener geführt, denn er hat dem Wahrscheinlichkeitsnachweis sein schon von Leibniz anerkanntes, von Wolff aber vernachlässigtes Recht eingeräumt 291 . Über das Maß des direkten und indirekten Einflusses, den Baumgarten speziell hiermit auf die werdende deutsche Geschichtswissenschaft ausgeübt hat, läßt sich in Ermanglung einer ausgeführten Wirkungsgeschichte nichts Genaues sagen. Einen Beitrag zur Überwindung der wolffianischen Geschichtsfremdheit hat er damit zweifellos geleistet und mindestens in seiner Umgebung einen von solchen Hemmnissen freien Raum offengehalten. Seinem Appell an das Gewissen als entscheidende Wahrheitsinstanz für eine auf Wahrscheinlichkeitsurteile eingehende historische Erkenntnisbemühung entspricht dann bei Semler jene eigentümliche Neubelebung altevangelischer „Gewissenhaftigkeit" und ihre Applikation auf den Bereich der Wissenschaft, welche für die Entstehung der historisch-kritischen Theologie so bedeutsam wurde 292 . 4. Der theologisch-apologetische Beweggrund für Baumgartens Hinwendung zur Geschichte Die Verfasser der großen englischen Weltgeschichte hatten an die Spitze ihres Werkes den Satz gestellt: „Die Geschichte sind ohne allen Zweifel der lehrreichste und nützlichste sowohl als der ergötzlichste Teil der Gelehrsamkeit" 293 . Diese Meinung fand je länger je mehr die Zustimmung Baumgartens. Die Gründe dafür sind vielschichtiger Art. Man würde im Blick auf das im vorhergehenden Abschnitt Ausgeführte fehlgehen mit der Annahme, Baumgarten habe sich vornehmlich von einem philosophischen Interesse leiten lassen, indem er eine schwache Stelle im System Christian Wolffs abzudecken und mit seiner Aufwertung der „historischen Erkenntnis" eine notwendige Korrektur daran anzubringen versucht hätte. Auch wäre es zu einfach, seine Hinwendung zur Geschichte bloß auf eine starke persönliche Neigung zur Selbstergötzung an der Historie zurückzuführen, welche erst in den späteren Jahren hätte frei zum Durchbruch kommen können. Zweifellos ist Baumgarten eine tiefe historische Passion zu eigen gewesen, die sich schon im Knabenalter bemerkbar machte und früh gepflegt wurde 294 . Ihr verdankt er nach eigenem Zeugnis die Fertigkeiten und die Aus291

S. o. S. 151 f.; zu Chladenius s. u. S. 187ff. Zu Semler s. G. Hornig: Die Anfange . . . , S. 1 7 1 - 1 7 5 . 293 Welthistorie I, 1744, S. 59 (erste Zählung). 294 J. Brucker, der sich wahrscheinlich auf Baumgartens eigene Angaben stützen konnte (s. o. S. 30 Anm. 71), berichtet: „Die Neigung seines damaligen Alters fiel vornehmlich 2,2

Der theologisch-apologetische Beweggrund

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dauer, ohne welche seine spätere historische „Nebenarbeit" nicht den von ihm selbst zunächst kaum für möglich gehaltenen Umfang und Grad von Ausführlichkeit erreicht hätte: „so ist dieselbe doch durch eine alte Neigung zur Historie, deren häufigen Nutzen in den Kirchengeschichten sowohl als bei Auslegung der heiligen Schrift hinlänglich erfahren habe, gar merklich erleichtert worden"295. Der entscheidende Beweggrund für Baumgartens Hinwendung zur Geschichte aber war, wie sich in dem letzten Ausspruch schon andeutet, ein theologischer. Nicht freilich auf die Weise, als könnte man bei ihm eine Flucht vor der eigentlichen, nun aber als unerfüllbar erkannten theologischen Lehrverpflichtung in die neutralen Gefilde der Historie feststellen. So etwas wird es, zumal was die Dogmatik vor allem in der folgenden Generation betrifft, wohl gegeben haben. Die Art etwa, wie in Göttingen der jüngere Walch und Johann David Michaelis die dogmatische Lehraufgabe verstanden haben, läßt Vermutungen in dieser Richtung aufkommen 2 9 6 . Auch gab es ja, wie Semler später 2 9 7 klar wurde, in England hochgelehrte Bischöfe, die „nicht sich auf theologische Gegenstände besonders eingelassen haben als vielmehr auf die freie unverdächtige Historie, auf Humaniora und dergleichen Arbeiten, welche denen theologischen Aufpassern, wenn ich so reden darf, gar nicht unterworfen waren". Aus späterer Sicht mußte sogar Baumgartens Werk in solchem Lichte erscheinen; Semler fährt in seiner Lebensbeschreibung mit der Frage fort: „Und was hat denn selbst dieser große Baumgarten vornehmlich sich zum Gegenstand seiner gelehrten Arbeiten unter uns gewählet? Und ein Ernesti?" Ein Menschenalter später durfte beim Rückblick auf die Schwierigkeiten des Zeitalters durchaus auch Baumgarten gelegentlich einmal frageweise in die Nähe auf die Geschichte, und das gab ihm Anlaß, sich mit vielem Fleiße in den Geschichtsschreibern umzusehen", und zwar den älteren und den neueren, nicht bloß konsumierend, sondern vom Vater zu schriftlichen Referaten über seine Lektüre angehalten, nicht plan- und methodenlos, sondern unter Zuhilfenahme der Anfangsgründe von Chronologie, Geographie, Generalogie und Heraldik. „Und auf diese Weise ist der Grund zu deijenigen Stärke in den Geschichten geleget worden, welche man jetzt billig an dem Herrn Doctor Baumgarten bewundert und welche seine Schriften vor andern nützlich und angenehm m a c h t " (Bilder-sal I, 5, 1 7 4 6 , Bl. 2v). Vgl. auch J . S. Semler: Kurzer Entwurf . . . In: Ehrengedächtnis . . . , 1 7 5 8 , S. 82f. Welthistorie I, 1 7 4 4 , Vorrede, S. 53 Anm. 51. Vgl. W. Buff: Gerlach Adolph Freiherr von Münchhausen als Gründer der Universität Göttingen, S. 1 6 : „Aus der Abneigung gegen bestimmte und harte Systeme ergab sich gewissermaßen ein Ausweichen in die Bevorzugung historisch-philologischer Fragen, wie sie vor allem Walch und Michaelis pflegten." So sollte 1 7 5 5 ein — vermutlich „bestellter" — Erlaß ermöglichen, die „dogmatischen Kollegs durch historische Untersuchungen, durch eine Geschichte der Lehren und Begriffe abwechslungsreicher zu machen" (aaO S. 17). 2 9 7 Lebensbeschreibung I, 1 7 8 1 , S. 183. Diese Erwägungen finden sich ipi Bericht über die Selbstprüfung, die Semler 1 7 5 2 vor dem Ubergang nach Halle angestellt hat. Semler hält aber fest, daß er solche konkreten Überlegungen damals noch nicht angestellt habe. 2,6

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III. Baumgartens Hinwendung zur Geschichte

jener historisierenden Latitudinarier gebracht werden. Gleichwohl ist es nicht berechtigt, eine subjektive Einstellung dieser Art bei Baumgarten anzunehmen. Nicht nur ist er weder als Professor der Aufgabe rein dogmatischer Lehre noch als Gutachter dogmatisch klaren Stellungnahmen jemals ausgewichen. Und auch gerade seine historische Arbeit sieht Baumgarten in engster Verbindung mit seiner sehr ernstgenommenen Pflicht als Theologe, wie unmittelbar nach seinem Tode gerade Semler rühmend hervorgehoben hat 2 9 8 . Wenn Baumgartens Hinwendung zur Geschichte tatsächlich ein Ausweichen vor den Aporien der Theologie gewesen wäre, dann wäre auch kaum verständlich, daß er in zunehmendem Maße von seinen Studenten ein gründliches Eindringen in die Geschichte gerade um einer ordentlichen Theologie willen verlangte 299 . Nein, Baumgarten sah in den intensivierten Geschichtsstudien keinen Ersatz, er erwartete von ihnen wirklich einen wesentlichen Nutzen für die Theologie. Die theologischen Gründe für die Wendung waren also nicht negativer, sondern positiver Art. Die guten Erfahrungen, die er gerade als Theologe mit der gründlichen Anwendung historischer Mittel gemacht hatte, und der Nutzen, den er nach eigenem Zeugnis für die Kirchengeschichte und Exegese daraus gezogen hatte, sollten nämlich speziell einem Zweck zugute kommen, der seine Interessen in hervorragendem Maße bestimmte: einer zeitgemäßen theologischen Apologetik. So betrieb Baumgarten die kirchenhistorische Arbeit weithin unter--apologetischem Gesichtspunkt. Die Anlage seines kirchengeschichtlichen Lehrbuchs und die Gewichtsverteilung innerhalb desselben richteten sich danach: Wenn die Behandlung des ersten nachchristlichen Jahrhunderts so verhältnismäßig breiten Raum einnimmt und von vielen Zusätzen begleitet ist, so steht dahinter die erklärte Absicht, „sowohl Einwürfen wider die Richtigkeit der erzählten Begebenheiten zu begegnen als auch besorgliche und schon ausgebrochene Mißdeutung und üble Anwendung derselben zu heben" 3 0 0 . Wer „die feindseligen Angriffe der neuern Widersacher des Christentums" 301 kennt, „wird diese historische Rettung und Verteidigung der christlichen Lehre, so eigentlich eine Arbeit der Kirchengeschichte ist, nicht für überflüssig halten" 302 . Ähnliches gilt auch für die Schriftauslegung. Baumgarten stimmt der stark apologetischen Ausrichtung des „Englischen Bibelwerkes" 303 voll zu, er freut sich auch, daß er dessen deutsche Bearbeitung bei seinem gelehrten und zugleich besonnen-konservativen Schüler J . A. Dietelmair in so guten Händen wissen

" · S. o. S. S. o. S. 300 Auszug 301 AaO S. 302 AaO S. 303 S. o. S.

125f. 127ff. der Kirchengeschichte I, 1743, Vorrede, S. 15f. nicht pag. 17 nicht pag. 18 nicht pag. 111 Anm. 58; vgl. H. Schöffler: Deutscher Geist im 18. Jahrhundert, S. HOf.

Der theologisch-apologetische Beweggrund

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kann 304 und wünscht zu Gott, daß „auch durch dieses Hülfsmittel die überzeugende Einsicht seines Wortes zur heilsamen Erkenntnis und treuen Beobachtung seines geoffenbarten Willens in unserm Vaterlande ausgebreitet und auf die Nachkommen fortgepflanzet, der Überschwemmung des Unglaubens, Aberglaubens, Irrtums, Lasters und ungöttlichen Unwesens aber gesteuert werde" 305 . Es ist also keineswegs ein neutrales Gebiet, auf das sich Baumgarten mit der Hinwendung zur Geschichte begibt, sondern der immer heftiger umstrittene Hauptkampfplatz. Bei alledem ist er sich klar bewußt, vor welche neuartigen Aufgaben die Theologie hier gestellt ist. Die Apologetik befindet sich nämlich jetzt in einer veränderten Situation. Nicht nur, daß die das 17. Jahrhundert beherrschende überwiegend interkonfessionell-kontroverstheologische „Polemik" immer mehr zurücktritt, obwohl sie als anerkanntes akademisches Lehrfach noch existiert, wozu auch Baumgarten seinen Beitrag leistet 306 . Stattdessen ist die Abwehr von Angriffen auf das Christentum überhaupt schon seit längerem dringender erforderlich geworden. Aber auch diese steht vor einem notwendigen Wandel. Mochte die theologische Apologetik sich bisher noch überwiegend philosophischer Mittel bedient haben, sei es im Stile der Jenaer Orthodoxie durch Ausbau der natürlichen Theologie und neuaristotelische Bestreitung neuerer philosophischer Positionen 307 , sei es durch Anlehnung an den Cambridger Piatonismus 308 oder auch mit Hilfe der Demonstriermethode Christian Wolffs, so wurde es angesichts des unwiderruflichen Vordringens der historischen Kritik an Bibel und Christentum jetzt nötig, sich auch in der Apologe-

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Lobend spricht Baumgarten in der Vorrede zum III. Teil über Dietelmair „von desselben gründlichen Einsicht in göttlichen Wahrheiten, Geschicklichkeit in Auslegung der heil. Schrift, Bescheidenheit in Prüfung fremder Arbeiten, Gesinnung gegen die Reinigkeit des geoffenbarten Lehrbegriffs und Entfernung von aller Neuerungssucht" (Die Heilige Schrift . . . III, 1752, Vorrede Bl. A2v); zu Dietelmairs konservativer theologischer Haltung s. auch K. Leder: Universität Altdorf, S. 112ff. 305 Die Heilige Schrift . . . III, 1752, Vorrede Bl. cv. 306 Zu Baumgartens Polemikkolleg brachte J . P. Chr. Bast erstmals 1750 in Frankfurt die Lehrsätze heraus (Kurzer Begrif der theologischen Streitigkeiten zum academischen Gebrauch ausgefertiget). Die posthum aus Nachschriften herausgegebene Vorlesung selbst (Untersuchung Theologischer Streitigkeiten I—III, 1762—1764) läßt erkennen, in wie starkem Maße die Auseinandersetzung mit neueren religiösen Strömungen und Gemeinschaften des In- und Auslandes die Thematik bestimmt. 30 ' Als Beispiel sei hier die Auseinandersetzung mit Descartes und H. v. Cherbury erwähnt, s. H. E. Weber: Der Einfluß der protestantischen Schulphilosophie auf die orthodox-lutherische Dogmatik, S. 56; C. H. Ratschow: Lutherische Dogmatik zwischen Reformation und Aufklärung II, S. 36—42; ders.: Gott existiert, passim. 308 Wenn Baumgarten in seiner Frühzeit nach England blickte, lobte er an der dortigen Apologetik vor allem ihre verschiedenartigen Bemühungen um Widerlegung der „scharfsinnigen" (philosophischen) Bestreitungen des Christentums. Bezeichnend dafür ist die Vorrede zu seiner Samlung einiger erbaulichen Predigten dreyer berühmten Gottesgelehrten in England Rad. Cudworths, J o h . Wallis und Isaac Barrows, 1737, wo er aber auch auf Cudworths Piatonismus eingeht und Kritik daran übt.

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tik entschiedener der historischen Mittel zu bedienen. Das gilt, wie Baumgarten 1743 feststellt, für den Bereich der Kirchengeschichte, welche von Freigeistern wie von Schwärmern immer unverantwortlicher „mißbraucht" wird 3 0 9 , nicht minder als für den der biblischen Geschichte; so erklärt er 1745, indem er die Bemühungen J . Saurins um die biblischen „Begebenheiten" ausdrücklich unterstützt: „Nachdem die heilige Schrift durch offenbare Angriffe der feindseligsten Widersacher heftig bestritten worden und der Gebrauch historischer Waffen beinahe gefährlicher geworden als der philosophischen . . . , so ist die Bemühung der Erläuterung und Rettung der biblischen Historie von nicht geringerer Erheblichkeit und Unentbehrlichkeit als irgend einige Vergleichung allgemeiner Wahrheiten der Weltweisheit mit dem geoffenbarten Lehrbegriff sein m a g " 3 1 0 . Es ist hier nicht der Ort, das Aufkommen der historischen Kritik an Bibel und christlichem Dogma sowie ihr Vordringen vor allem von Westeuropa aus nachzuzeichnen 3 1 1 . Wir müssen uns nur kurz vor Augen führen, welchen Stand die mit historischen Mitteln vorgehende Bestreitung des traditionellen Christentums im zweiten Drittel des 18. Jahrhunderts erreicht hat. Dafür bietet sich die besonders pointierte Stellungnahme Lord Bolingbrokes an, auf die sich auch Baumgarten bezogen hat, freilich erst am Ende seines Lebens, aber in Übereinstimmung mit den sonst hier herangezogenen Aussagen der vierziger Jahre. In seinen „Letters on the Study and Use of History" 3 1 2 kommt Bolingbroke im fünften Brief auch auf den Gebrauch oder, wie er es sieht, den Mißbrauch der Historie bei den Theologen zu sprechen 3 1 3 . Bolingbroke meint, daß die älteren und neueren Theologen bislang noch keine methodisch zufriedenstellende und emstzunehmende historische Prüfung der Wahrheit der christlichen Religion vorgenommen hätten. Wo man dies bisher versucht habe, sei man gewöhnlich mit unredlichen Mitteln vorgegangen 314 . Aber meistens habe man seit den Zeiten der Kirchenväter und bis in die Gegenwart hinein nur mit philosophischen Mitteln versucht, die christliche Religion und ihre Dogmen zu untermauern 3 1 5 . Das sei Auszug der Kirchengeschichte I, 1743, S. 6f. lOff. Vorrede zu J . Saurín: Betrachtungen über die Wichtigsten Begebenheiten des Alten und Neuen Testaments I, 1745, S. 17 Anm. 13; vgl. auch Geschichte der Religionspartheyen, 1766, S. 42. 311 Dazu s. jetzt K. Scholder: Ursprünge und Probleme der Bibelkritik im 17. Jahrhundert. 3,3 Bolingbroke, Henry St. John: The Works . . . , 1844 (Nachdruck 1967), II, S. 1 7 3 - 3 3 4 . Die „Letters" sind zwar schon 1735 verfaßt worden, kamen aber erst nach Bolingbrokes Tode ( t 1751) im Jahre 1752 zum Druck. Baumgarten wurde bald darauf aufmerksam (D. Franck: Alt- und Neues Mecklenburg I, 1753, Vorrede, S. 4ff.) und widmete ihnen später noch eine kritische Rezension (Nachr. merkw. Büch. 9, 1756, S. 69—78). 313 Bolingbroke aaO S. 230ff. 3 1 4 „No scholar will dare to deny, that false history, as well as sham miracles, has been employed to propagate Christianity formerly: and whoever examines the writers of our own age, will find the same abuse of history continued." (AaO S. 231) 3 , 5 AaO S. 231f. Welche philosophischen Beweisversuche Bolingbroke im einzelnen hier im Auge hat, sagt er nicht. In anderem Zusammenhang hat er sich aber z. B. gegen den Cam309

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aber eine d e m G e g e n s t a n d u n a n g e m e s s e n e A r g u m e n t a t i o n s w e i s e . D e m Christent u m spezifisch angemessen dagegen sei allein der historische N a c h w e i s der Glaubwürdigkeit seiner Zeugnisse u n d d a m i t der Faktizität der ihm zugrunde liegenden Ereignisse. D e n n es ist für Bolingbroke ein törichtes Unterfangen, die Geheimnisse der christlichen Religion auf M e t a p h y s i k , ihre O f f e n b a r u n g auf Philosophie u n d ihre Tatsachen auf abstraktes R a i s o n n e m e n t gründen zu w o l l e n 3 1 6 , vielmehr: „ A religion f o u n d e d o n the authority o f a divine mission, c o n f i r m e d b y p r o p h e c i e s and miracles, appeals t o facts: and the facts m u s t b e proved as all other facts that pass for authentic are proved; f o r faith so reasonable after this p r o o f , is absurd b e f o r e i t " 3 1 7 . Zu w e l c h e m Ergebnis Bolingbroke bei dieser Nachprüfung für sich selbst k o m m t , spricht er deutlich g e n u g aus. Angesichts der allerorten g e f u n d e n e n Fälschungen des historischen Sachverhalts durch Priester u n d T h e o logen, des u n a u f l ö s l i c h e n D i l e m m a s der innerchristlichen A u s l e g u n g s d i f f e r e n z e n u n d des Streites z w i s c h e n K a t h o l i k e n u n d Protestanten u m die Prävalenz v o n Schrift oder Tradition bleibt ihm, da er kein Gottesleugner sein will, nur der D e i s m u s übrig 3 1 8 . Es war zu erwarten, daß Baumgarten diese K o n s e q u e n z e n Bolingbrokes ablehnte, sobald er sie k e n n e n l e m t e . D e n n o c h ist in u n s e r e m Z u s a m m e n h a n g v o n Interesse, auf w e l c h e Weise dies geschieht. K o m p r o m i ß l o s weist er die religiösen u n d bridger Piatonismus und speziell gegen R. Cudworth gewandt (s. G. V. Lechler: Geschichte des englischen Deismus, S. 403; W. Ludwig: Lord Bolingbroke . . . , S. 47), welcher mit Hilfe der Vorstellung von eingeborenen Ideen seinen Gottesbeweis führte und auch platonisierenden Trinitätsspekulationen nachging (vgl. E. Hirsch: Geschichte . . . I, S. 191 — 194). 316 „Now it has been long matter of astonishment to me, how such persons as these could take so much silly pains to establish mystery on metaphysics, revelation on philosophy, and matters of fact on abstract reasoning?" (AaO S. 231) Bolingbroke ist stark vom philosophischen Empirismus J o h n Lockes beeinflußt gewesen und neigte, über Locke hinausgehend, zum Sensualismus (s. W. Ludwig: Lord Bolingbroke und die Aufklärung, S. 45ff.). Dieser Empirismus wirkt sich auch auf die Beurteilung der Möglichkeit historischer Wahrheitsfindung aus. So verlangt Bolingbroke angesichts der unzähligen Fälschungen in der Geschichtsschreibung von einem historischen Urteil nicht allein, daß es sich möglichst nur auf Augenzeugenschaft oder Zeitgenossenschaft stützt oder sich wenigstens auf zeitgenössische Quellen beruft, die freilich alle subjektiv gefärbt sein können. Er verlangt auch, daß es sich an der gegenwärtigen Erfahrung bewährt. Die stets angebrachte Skepsis kann dann zurückgestellt werden, wenn im Einzelfall die Anwendbarkeit des in der Historie Berichteten auf die Gegenwart und sein belehrender Charakter als Lebenshilfe von jedem, der bei Sinnen ist, unmittelbar einsichtig ist (s. Bolingbroke aaO S. 2 1 1 - 2 2 1 ; vgl. W. Ludwig aaO S. 50). 31 ' Bolingbroke aaO S. 231 (dies Zitat ist die Fortsetzung der in voriger Anm. mitgeteilten Stelle). 318 AaO S. 233. Bolingbrokes Deismus (er gebraucht den damals noch nicht anderweitig festgelegten Begriff „theism") setzt wie bei verwandten englischen Denkern jener Zeit eine Vorstellung von Gott als „erste geistige Ursache aller Dinge, als höchste schöpferische Intelligenz" (W. Ludwig aaO S. 52) voraus und mißt die Inhalte der christlichen Offenbarung an dem ihr vorgegebenen natürlichen Gesetz (aaO S. 48f.). Dazu gehört eine bemerkenswerte Hochschätzung Jesu (als Vertreter der lex naturae) und seiner Nachwirkung im Urchristentum (aaO S. 52. 55).

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philosophischen Grundanschauungen Bolingbrok.es zurück 319 . Darüber hinaus bestreitet er ihm die Richtigkeit seiner Ergebnisse in vielen bibel- und allgemeinhistorischen Einzelfragen, auch wegen methodischer und philologischer Unzulänglichkeiten 320 . Und doch ist eine gewisse Übereinstimmung mit Bolingbrokes Fragestellung nicht zu übersehen. Baumgarten widerspricht nämlich nirgends dem in den „Letters" vertretenen Grundsatz „facts must be proved" auch in bezug auf die christliche Glaubensgrundlage und Geschichte. Man möchte gern wissen, was Baumgarten gemeint hat, wenn er bei allem Tadel an Bolingbroke gelegentlich sogar einmal nur von einer unrichtigen Anwendung „einiger untermengten wahren und richtigen Grundsätze" spricht 321 . Sicherlich läßt er damit nicht vorsichtig eine Geschichtsanschauung gelten, die, wie Bolingbroke will, mit Gott höchstens als erster Ursache, sonst aber innerhalb des Geschichtsablaufs nur mit immanenten Kausalitäten rechnet und fortdauernde übernatürliche Einwirkungen ausschließt. Das liegt ihm ganz fern 322 . Aber sehr gut möglich ist, daß ihm bei Bolingbroke das scharfe Insistieren auf der Frage nach den Fakten doch Eindruck gemacht hat. Baumgarten stimmt mit der Forderung nach historisch-theologischer Faktenprüfung ja seit längerem prinzipiell überein, nicht weil er wie Bolingbroke die Theologie damit in Verlegenheit bringen möchte, sondern weil er hier eine berechtigte Herausforderung an die Theologie sieht, sich und andere ihrer Sache mit verbesserten, nämlich auch historisch zureichenden Mitteln zu vergewissern. Die Möglichkeiten einer solchen verbesserten Apologetik schätzt Baumgarten allerdings sehr optimistisch ein. Er ist davon überzeugt, daß auf dem Wfege historischer Untersuchung, wenn sie nur ernsthaft und gründlich genug betrieben wird, die historischen Einwände der Widersacher gegen den christlichen Glauben widerlegt werden können. Denn der Empfehlung Bolingbrokes, daß „those 3

" Die fiinfbändige Ausgabe der philosophischen Werke Bolingbrokes (London 1754) bespricht Baumgarten äußerst kritisch: „Diese neueste Frucht des Unglaubens übertrifft in manchen Stücken alle vorhergegangene Schriften ungläubiger Freigeister, nicht sowohl an Stärke und Schärfe der Scheingründe: als vielmehr teils an weitem Umfange des Gegenstandes der Bestreitung, indem der Verfasser die Vernunft und Philosophie, ja die ersten und allgemeinsten Grundsätze der menschlichen Erkenntnis eben so wohl angreift und bestürmet, als die geoffenbarte Glaubenslehre und den eigentümlichen Inhalt der heil. Schrift; teils . . . " (Nachr. merkw. Büch. 11, 1757, S. 260). 320 Nachr. merkw. Büch. 11, 1757, S. 264. 266ff.; es wird Bolingbroke auch mangelnde Kenntnis der antiken Quellen und der griechischen Sprache bescheinigt (aaO 9, 1756, S. 74). 321 AaO 9, 1756, S. 75. 321 So kritisiert Baumgarten auch „erweislich falsche Regeln" (aaO bei Bolingbroke, vor allem diese, daß „alle Nachrichten, die der allgemeinen Erfahrung, unsern Begriffen und den bekannten Gesetzen der Natur widersprechen, vor fabelhaft gehalten werden müssen, welches ein kurzer Weg ist, sich aller Wunderwerke sowohl als Geheimnisse auf einmal zu entledigen" (aaO S. 73). Bolingbroke hingegen hält den Grundsatz hoch: „Man is the subject of every history" (Letters . . . , S. 229).

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who make divinity their profession, should study history, particulary ecclesiastical history, with an honest and serious application in order to support Christianity against the attacks of unbelievers" 323 , dürfte Baumgarten vorbehaltlos beipflichten, mochte dieser Rat auch noch so nahe bei der Ironie angesiedelt sein und auf ein ganz anderes Christentum hinzielen, als er selbst es voraussetzt 324 . Aber so sehr Baumgarten in seinem Bereich die historische Vertiefung der Theologie bis hinein in den Studiengang der Studenten fördert, so wenig hält er Bolingbroke für berechtigt, den Theologen generell einen Mißbrauch der Geschichte, insbesondere der biblischen vorzuwerfen. Gerade für England, so meint er, könne man das am wenigsten behaupten, da man sich dort doch in besonderem Maße um das bemüht habe, wonach Bolingbroke Ausschau hält, und dort „diese Prüfung und regelmäßige Bestätigung der Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit der heil. Schrift von Gottesgelehrten" keinesfalls verabsäumt worden sei. So hätte sich Bolingbroke lieber erst einmal der Mühe unterziehen sollen, das, „was nur seine eigene Landsleute deshalb in öffentlichen Schriften getan", zu beantworten 325 . Was also die „Rettung" der für das Christentum wesentlichen „facts" betrifft, so schaut Baumgarten voller Bewunderung auf die — wie er meint, vorläufig nicht zu widerlegenden — Leistungen der englischen Apologetik. Von den Gegnern wie Bolingbroke nimmt er indessen den herausfordernden Hinweis auf die Bedeutung der historischen Wahrheitsfrage für das Christentum gern an, zumal er des guten Glaubens ist, daß gründlicher Forschung die Bestätigung der wesentlichen Inhalte des orthodoxen Geschichtsbildes zumindest durch Entkräftung aller Einwände dagegen gelingen müßte. Freilich ging Baumgarten in bezug auf die Frage nach der historischen Wahrheit von Aussagen über naturwissenschaftliche Sachverhalte in der Bibel, besonders im Alten Testament, schon neue Wege. Mit hermeneutischen Mitteln wie der Annahme von bildhaften und uneigentlichen Ausdrücken und der Vorstellung von einer Akkommodation Gottes an das begrenzte Fassungs- und Anwendungsvermögen des Menschen entschärfte er für sich die Problematik bestimmter Texte (s. o. S. 76f.). Aber die religiösen Vorstellungen der Bibel und die für das christliche Dogma grundlegenden „Bege-

323

AaO S. 232. Bolingbroke denkt, „ . . . that it is high time the clergy in all Christian communions should join their forces, and establish those historical facts, which are the foundations.of the whole system, on clear and unquestionable historical authority, such as they require in all cases of moment from others; reject candidly what cannot be thus established; and pursue their inquiries in the same spirit of truth through all the ages of the church; without any regard to historians, fathers, or councils, more than they are strictly entitled to on the face of what they have transmitted to us, on their own consistency, and on the concurrence of other authority. Our pastors would be thus, I presume, much better employed than they generally are" (aaO S. 234). 325 Nachr. merkw. Büch. 9, 1756, S. 75 („regelmäßig" heißt hier „mèthodisch korrekt"); vgl. Geschichte der Religionspartheyen, 1766, S. 85. 167f.

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benheiten" des Neuen Testaments werden einer solchen Betrachtungsweise noch nirgends unterworfen. Hier ist der wörtliche Sinn der Texte im vollen Umfang aufrechtzuerhalten, was sich, wie Baumgarten offensichtlich meint, auch historisch beglaubigen läßt. War er der Haltbarkeit seiner Position dabei sicherer, als ein nachträgliches Urteil es für erlaubt halten mag, so zeugt dies von der Uniiberschaubarkeit seiner Ubergangssituation, in der er selbst sich der vernachlässigten historischen Fragestellung erst wieder neu zuwandte. Baumgartens hellhöriger Schüler Semler ist denn auch an dieser Stelle konsequent weitergegangen 326 . Auch er hat zwar Bolingbrokes deistische Schlußfolgerungen nicht mitvollzogen, aber dessen methodischen Forderungen doch noch bewußter ids Baumgarten und seine englischen Gewährsmänner Rechnung getragen 327 , auch auf die Gefahr hin, mehr an traditionellen historischen Auffassungen preisgeben zu müssen, als man bislang in Deutschland bereit war. Wo die Aufklärung das philosophische Raisonnement hintanstellte und die Faktizitätsfrage in voller Härte vorbrachte, da galt es für die Theologie, Farbe zu bekennen und besonders in der Schriftlehre in bezug auf Kanonvorstellung und Inspirationslehre die nötigen Schritte zu tun 3 2 8 . Bei Baumgarten deutet sich das aber nur erst an. Diese scharfe und rücksichtslose Herausforderung einer auf neue Basis gestellten christlichen Geschichtsforschung durch Bolingbroke stand, wie gesagt, nicht am Anfang, sondern eher am Ende einer Entwicklung, die aber seit längerem darauf hinauslief 329 . So war Baumgarten, wie auch aus den im folgenden herangezogenen Belegen erhellt, j a nicht erst durch Bolingbrokes „Letters", sondern schon früher von der Notwendigkeit historischer Apologetik überzeugt worden. In der Reihe der von ihm veranlaßten, beaufsichtigten oder auch nur mit gewichtigen

3 2 6 Der „in der Tat gelehrte und mit großen Einsichten begabte Bolingbroke (ob er sie gleich nicht gleich gut angewendet h a t ) " wird von Semler (Vorrede zu J . von Ferreras: Algemeine Historie von Spanien VIII, 1 7 5 7 , S. 4f. nicht pag.) den Theologen ausdrücklich vorgehalten, damit ihnen die „eigentliche Notwendigkeit der gründlichen Kenntnis der Geschichte für einen Gottesgelehrten" bewußt werde; vgl. oben S. 1 2 6 Anm. 1 2 5 . „So wenig man seine da geäußerten Gedanken allesamt und in ihrer ganzen Bestimmung und Anwendung gerade hin billigen kann und soll, so gewiß sind sehr gegründete, sehr wichtige, sehr fruchtbare und vorteilhafte Beobachtungen von ihm angebracht worden" (Semler aaO). Den Deismus weist Semler an anderer Stelle dieser Vorrede zurück (aaO S. l l f . nicht Pag·)· 3 2 8 S. o. Anm. 3 2 4 ; richtig bemerkt A. Tholuck (Geschichte des Rationalismus I, S. 1 0 3 ) über die nun durchgreifende Verunsicherung der Schriftautorität und Inspirationslehre; „Dies war die Stelle, wo der Kampf vorzüglich auszufechten, hier nämlich handelte es sich um Fakta. Räsonnements sind elastisch, darum ließ sich ihnen mit andern Räsonnements begegnen, dem Faktum nur durch Fakta, und Fakta sind spröde. Eine feste Position erhält daher die Aufklärung in Deutschland erst, als die historisch-kritischen Fakta dem biegsamen Räsonnement zur Seite treten." Vgl. E. Hirsch: Geschichte . . . I, S. 3 9 1 — 3 9 3 .

So auch die Einordnung Bolingbrokes bei E. Troeltsch: Bd. 4, S. 5 4 7 f .

329

Art. Deismus. In: R E , 3. Aufl.,

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Vorreden versehenen Übersetzungen von apologetischen Schriften des Auslands 330 nehmen mit wachsender Konzentration auf historische Arbeit in den vierziger Jahren die beherrschende Stelle solche Werke ein, die sich besonders um die Widerlegung historischer Einwände gegen die Wahrheit der Bibel und des Christentums bemühen: C. F. Houtteville: Erwiesene Wahrheit der christlichen Religion durch die Geschichte (1745), J . Saurin: Betrachtungen über die wichtigsten Begebenheiten des Alten und Neuen Testaments (1745), A. Young: Historische Untersuchung abgöttischer Verderbnisse der Religion von Anfang der Welt (1749), N. Lardner: Glaubwürdigkeit der evangelischen Geschichte (1750—1751) und J . Leland: Abhandlung von dem göttlichen Ansehen des Alten und Neuen Testamentes (1756). Nicht aber nur die Zahl derartiger literarischer Bemühungen bestätigt die offen ausgesprochene Meinung Baumgartens, daß die Verteidigung des Christentums mit historischen Waffen jetzt mindestens ebenso wichtig und unentbehrlich sei wie die mit philosophischem Scharfsinn gerüstete. Er nennt vielmehr auch einen theologischen Grund dafür, daß gerade der christlichen Religion die historische Überprüfung besonders angemessen sei: es ist der von Anfang an geschichtliche Charakter des Christentums. Dieser Erkenntnis muß auch die Methode christlicher Apologetik unbedingt gerecht werden. So lobt er das historische Verfahren bei Abt Houtteville besonders: „Die Art des Beweises, so unser Verfasser hauptsächlich gebraucht, ist nicht nur die faßlichste und den meisten Lesern begreiflichste, sondern auch ein sich die unentbehrlichste und beste, da die christliche Lehre unstreitig auf Begebenheiten beruhet und von Gott selbst durch Begebenheiten bestätiget worden. Wobei unzählige Vergehungen und Fehler, auch Schwierigkeiten vermieden werden können, denen die meisten andern Beweise unterworfen zu sein pflegen; sonderlich wenn sie einigermaßen übertrieben werden: dergleichen bei dem Beweise der Notwendigkeit einer göttlichen Offenbarung überhaupt und der in der christlichen Lehre befindlichen insonderheit am häufigsten angetroffen werden." 331 Diese bemerkenswerte Passage macht ein weiteres Mal deutlich, daß Baumgarten nicht für den blindwütigen „Demonstrierer" angesehen werden darf, als der er aufgrund mancher Zeugnisse der dreißiger Jahre erscheinen mochte. Zumin330

Von allgemeiner Art sind: Verteidigung der natürlichen und geoffenbarten Religion, ober Gilbert Bumets Auszug der von Robert Boyle gestifteten Reden I—III, 1738—1741 (Nach einem Besitzwechsel am Bayreuther Waisenhausverlag kam es zu einer Unstimmigkeit, die Baumgarten veranlaßte, die Mitarbeit an der von ihm angeregten Edition niederzulegen; die Bände IV—VII wurden daher 1744—1747 von Johann Christian Schmidt in Hof herausgebracht, vgl. dazu Baumgartens Stellungnahme in Kleine teutsche Schriften II, 1745, Vorrede, S. 19ff. nicht pag.); ferner: Johann le Clercs Untersuchung des Unglaubens, 1747, und Jacob Bernards Abhandlung von der Vortrefflichkeit der Religion, 1754. 331 C. F. Houtteville: Erwiesene Wahrheit der Christlichen Religion durch die Geschichte, 1745, Vorrede Bl. d2r (Der Originaltitel läßt noch mehr an die Forderung Bolingbrokes denken: La Religion Chrétienne prouvée par les faits).

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dest in der Apologetik mißt er jetzt der historischen Erörterung höheren Wert als anderen Beweisen bei. Und dies nicht nur deswegen, weil diese Beweisart auch dem wissenschaftlichen Laien leichter zugänglich ist als das philosophische Raisonnement 332 — dies wäre noch durchaus im Stile Wolffs gedacht —, sondern vor allem deswegen, weil für ihn mit der historischen Fragestellung die christliche Lehre in ihrem Kem berührt ist. Diese über den Wölfischen „Rationalismus" hinausweisende Erkenntnis ist für Baumgarten sehr wichtig. Hier handelt es sich auch nicht nur um eine vereinzelte Äußerung. Immer wieder spricht Baumgarten von der „genauen Verbindung der christlichen Lehre und Gottesdienstes mit geschehenen Begebenheiten" 333 , wobei durch die Zusammenstellung von „Lehre und Gottesdienst" auf die gesamte Theorie und Praxis des Christentums abgehoben wird 334 . Beide sind unablösbar auf geschichtliche Fakten bezogen. Diese Verwurzelung nicht nur der christlichen, sondern auch schon der israelitischen Religion und damit der

332 „Bei scharfsinnigen Leuten kann der Beweis nicht nur weiter getrieben, sondern auch genauer eingerichtet werden. Bei ganz unwissenden Gegnern aber sind historische oder aus der Naturlehre hergenommene Beweise, die nur mit Zuziehung der metaphysischen Gründe einen völligen Beweis ausmachen, manchmal brauchbarer als die allerschärfsten Demonstrat i o n e n " (Geschichte der Religionspartheyen, S. 46). 333 Auszug der Kirchengeschichte I, 1743, S. 5. In der Vorrede zu J . Saurín (s. o. Anm. 18) stellt Baumgarten fest, daß „die christliche Lehre ihre wesentliche Beschaffenheit, j a ihren eigentlichen Kern verlieren würde, wenn sie von den Begebenheiten abgesondert und derselben beraubet werden sollte, die ihr Wesen und hauptsächlichste Unterscheidungsstücke ausmachen" (S. 5 Anm.). Die Arbeit an der biblischen Geschichte ist unentbehrlich aus dem folgenden Hauptgrund: „Die große Wahrheit, daß Jesus von Nazareth, Marien Sohn, der von G o t t verheißene Christ und Erlöser der Menschen sei, . . . läßt sich ohne Nachricht von desselben Begebenheiten nicht denken und würde vor einen leeren Schall unverständlicher Worte gehalten werden müssen . . . " (aaO S. 4) , J a , alle Geheimnisse u n d Unterscheidungsstücke des geoffenbarten Lehrbegriffs, worauf desselben Vorzüglichkeit vor der natürlichen Erkenntnis Gottes beruhet, sind dergestalt mit Begebenheiten verbunden, daß sie ohne derselben Erzählung oder Geschichte wegfallen würden, Was hätte die christliche Lehre von der Schöpfung, dem Sündenfalle u n d Ursprünge des Bösen in der Welt, dem Versöhnopfer Christi u n d der dadurch G o t t geschehenen Genugtuung wie auch der nötigen Zueignung davon und den dazu verordneten Gnadenmitteln, auch derselben Gebrauch und Wirkung, j a selbst von dem göttlichen Wesen, ingleichen von der richtigen Beschaffenheit einer gottesdienstlichen Gesellschaft und ihres Lehramts aufzuweisen, so die bloße V e r n u n f t u n d das Licht der Natur nicht entdecken k ö n n e n : wann die großen Begebenheiten, so davon in der heiligen Schrift erzählet werden u n d wodurch der dreieinige G o t t sich selbst u n d diese Wahrheiten offenbaren wollen, davon abgesondert oder in Gleichnisse und Sinnbilder verwandelt werden sollten? Ist Jesus der Christ der einige Grund unserer Gemeinschaft mit G o t t , so m u ß das wesentlichste Stück des gottesdienstlichen Lehrbegriffs aus Geschichten bestehen u n d auf denselben b e r u h e n . " (AaO S. 4—6) 334 Der Ausdruck „ G o t t e s d i e n s t " meint hier nicht nur den cultus externus, sondern das religiöse und sittliche Verhalten überhaupt, in der Ethik gleichgesetzt mit den „Pflichten gegen G o t t " (Ausführliche Moral, S. 623), die alle übrigen Pflichten in sich fassen (aaO S. 525). Vgl. Chr. Wolff: Vernünfftige Gedancken von der Menschen T h u n u n d Lassen, § 757.

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„ganze(n) g e o f f e n b a r t e ( n ) Glaubenslehre" in geschichtlichen „ B e g e b e n h e i t e n " — mit Bolingbroke k ö n n t e m a n sagen: in „ f a c t s " — ist so unabdingbar, daß die allgemeinen Wahrheiten u n d Mysterien des Christentums o h n e d e n Riickbezug darauf nicht angemessen verstanden u n d interpretiert w e r d e n k ö n n e n 3 3 5 . Das gilt nicht nur in e i n e m h e r m e n e u t i s c h vordergründigen Sinne so, daß w i e jeder andere Gelehrte auch der T h e o l o g e z u m Verständnis seines G e g e n s t a n d e s in allen Disziplinen die Historie als H a n d w e r k s z e u g b e n ö t i g t 3 3 6 . Das A u f r u h e n der Theologie auf der G e s c h i c h t e hat auch spezifische innere Gründe, die in der Gottgegebenheit des „ m i t d e n biblischen G e s c h i c h t e n unzertrennlich v e r b u n d e n e n geo f f e n b a r t e n L e h r b e g r i f f s " 3 3 7 liegen. Für Baumgarten steht nämlich fest, daß „ G o t t selbst diese Lehrart in seiner nähern O f f e n b a r u n g gebraucht hat, deren größter Teil aus G e s c h i c h t e n b e s t e h e t " 3 3 8 . Wir w e r d e n n o c h danach A u s s c h a u halten müssen, o b Baumgarten aus d e m hier im A n s a t z vorliegenden G e d a n k e n v o n der prinzipiellen G e s c h i c h t s b e z o g e n h e i t des Christentums weiterreichende theologische Folgerungen g e z o g e n hat. Festzuhalten ist hier, daß diese Erkenntnis seiner Liebe zur G e s c h i c h t e b e s o n d e r e Antriebe gegeben hat, u n d zwar durch V e r m i t t l u n g der a p o l o g e t i s c h e n A u f g a b e . 33i Baumgarten hebt die Verpflichtung hervor, „den hohen Wert der Geschichtbücher der heil. Schrift und die Weisheit sowohl als Güte Gottes in Veranstaltung derselben zu erkennen und pflichtmäßig zu nutzen: indem die jüdische und christliche Religion oder ganze geoffenbarte Glaubenslehre auf Begebenheiten beruhet, die demnach nicht nur zur Erweislichkeit derselben, sondern auch zum richtigen und fruchtbarn Verstände der damit verknüpften Lehrsätze und sogar der darunter begriffenen Geheimnisse gereichen" (Englisches Bibelwerk V, 1756, Vorrede Bl. b2r). 336 „Gottesgelehrte kommen weder mit der richtigen Auslegung der heil. Schrift, ja selbst mit dem völligen Beweise und Rettung ihrer Göttlichkeit gegen manche Einwürfe, noch mit der Einsicht und Verteidigung des gottesdienstlichen Lehrbegriffs, dessen unentbehrlichen Einschränkungen, Kunstworte und Bekenntnisse auf vorgefallenen Streitigkeiten beruhen, noch auch mit richtiger und gegründeter Beobachtung nötiger Kirchenverfassungen, gottesdienstlicher Gebräuche und menschlicher Kirchengesetze, ohne Gebrauch der Geschichte unmöglich zurechte" (Welthistorie I, 1744, Vorrede, S. 34). 337 Verteidigung der natürlichen und geoffenbarten Religion oder Gilbert Burnets Auszug der von Robert Boyle gestifteten Reden III, 1741, Vorrede, S. 60 (ähnlich auch Nachr. hall. Bibl. 5, 1750, S. 77). In dieser Vorrede bemerkt Baumgarten auch über die Unzuträglichkeit einer einseitig philosophischen Betrachtungsweise des Christentums: „Ein Feldmesser sucht aller Orten Zirkel und Maßstab anzubringen, sollte er auch darüber alles übrige verwerfen, was sich nicht ausmessen läßt. Ein Weltweiser sucht überall die Möglichkeit und den innern hinreichenden Grund der Dinge zu erklären, sollte er auch die glaubwürdigsten Geschichte von Begebenheiten, die er nicht begreiflich machen kann, ja selbst alle Wunderwerke und Geheimnisse verleugnen" (S. 54). 338 Welthistorie I, 1744, Vorrede, S. 24; s. dort auch S. 32: „Überdies erhellet aus den Geschichten sowohl die Unentbehrlichkeit und unschätzbare Wohltat, auch richtige Kenntlichkeit und Erweislichkeit einer nähern Offenbarung Gottes als auch die Unwidersprechlichkeit und Unleugbarkeit derselben in der heiligen Schrift: indem . . . der größte und wichtigste Teil derselben aus Begebenheiten bestehet und auf Begebenheiten beruhet, die mit andern Geschichten zusammenhangen . . . "

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III. Baumgartens Hinwendung zur Geschichte

Baumgarten hält es in der Tat nicht für eine der Sache unangemessene Torheit, wenn die Widersacher des Christentums auf die historischen Fragen dringen. Er meint vielmehr, hier werde durchaus auf etwas Richtiges gezielt, ist aber zuversichtlich, daß gerade eine historische Verteidigung des Christentums zu bewerkstelligen sei. Freilich wird die historische Argumentation für Baumgarten auch in der Apologetik nicht zur allein herrschenden. Es kann nämlich nicht die Rede davon sein, daß er hinfort nur noch eine historisch ausgerichtete Apologetik für sinnvoll gehalten hätte und die systematisch argumentierende ausschließen wollte. Nachdem er im ersten Vorpreschen die historische Beweisart als die für die Apologetik „unentbehrlichste und beste" bezeichnet hatte 3 3 9 , fand er bald zur Empfehlung eines nun kombinierten Verfahrens: „Indessen sind beide Arten der Verteidigung heiliger Schrift nicht allein der Schriftspötter wegen unentbehrlich, denen wenigstens mit Schelten und Verweisen, wann sie gleich noch so wohl verdienet sein, nicht hinlänglich begegnet werden kann, sondern auch den aufrichtigsten Verehrern der göttlichen Offenbarung nötig und dienlich; die sonderlich dieser Rettung und Bestätigung der Geschichte heiliger Schrift um so viel benötigter sind, je unausbleiblicher bei dem übrigen fleißigen Gebrauch solcher Nachrichten dergleichen Anstöße und Zweifel entstehen müssen, die sich durch bloße Unterdrückung nicht pflichtmäßig wegschaffen lassen." 340 Also nicht nur für die Verteidigung des Christentums nach außen, auch für die Vergewisserung desselben bei den Glaubenden ist beides nebeneinander nötig, die historische wie die rein systematische Argumentation. Nicht daß sich die Glaubensinhalte für Baumgarten andemonstrieren oder die Zustimmung zu ihnen durch historischen Beweis erzwingen ließe. Aber wie jeder Glaubenssatz rationaler Analyse standhalten muß — auch die Mysteria wie etwa die Trinität sind nur supra, nicht contra rationem —341, so sind auch die zugrunde liegenden „Begebenheiten" historischer Überprüfung gewachsen. Beide Verfahren, das historische und philosophische, sind für Baumgarten legitime Wege der Begründung und erfordern gleichen Scharfsinn, sie können zwar für sich beschritten werden, gehören aber zusammen und sind aufeinander angewiesen 342 . Die Hinwendung zur Geschichte bedeutet also für Baumgartens Theologie nicht, daß er die theoretisch-rationale Begründung wissenschaftlicher Sätze nicht mehr für nötig erachtete. Die von der radikalen Kritik in den Vordergrund geschobene Frage nach den Fakten geht er zwar bewußt und mutig an, er erwartet aber keine hinlänglichen Antworten von jener zur Beglaubigung des Christentums ausschließ339

S. o. S. 165 bei Anm. 331. J. Saurín: Betrachtungen über die Wichtigsten Begebenheiten . . . I, 1745, Vorrede, S. 17 Anm. 13 (= Fortsetzung der o. S. 160 bei Anm. 310 zitierten Stelle). Die Vorrede zu Saurín ist wenige Monate nach der zu Houtteville verfaßt worden. 341 Glaubenslehre I, S. 563f. und III, S. l l l f . 149f. 342 S. o. S. 142f., ferner Welthistorie I, 1744, S. 14 Anm. I I B . 340

Der theologisch-apologetische Beweggrund

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lieh historische Argumente zulassenden Denkweise, wie sie dann von Bolingbroke bekannt wurde. Es bleibt für Baumgarten dabei, daß eine isolierte „cognitio histórica" wie für die theologische Systematik überhaupt 343 , so auch für die Apologetik nicht hinreicht. Aber auch hier ist die historische Erkenntnis Voraussetzung für jede vernünftige Herleitung. Die historische Basis muß daher gesichert sein und stets neu gesichert werden, soll das Raisonnement sich nicht im luftleeren Raum verlieren und den historischen Waffen der Gegner wehrlos ausgeliefert sein. So beschreitet Baumgarten denn auch dort, wo er nicht nur als Editor, sondern selbständig in die Auseinandersetzung eingreift, beide Wege nebeneinander. Dem bedeutendsten deutschen Freigeist jener Zeit, Johann Christian Edelmann 344 , tritt er auf solche doppelte Weise entgegen: Nachdem er in der Vorrede zu J . Le Clerc: Untersuchung des Unglaubens (1747) die dogmatisch-scharfsinnige Widerlegung des Edelmannschen „Glaubensbekenntnisses" — besonders durch umfänglichen Aufweis von Selbstwidersprüchen — vorgenommen hatte, trat er in der Vorrede zu A. Young: Historische Betrachtungen . . . (1749) den historischen Einzelbeweis an. Dieser wird in vielen Passagen der Vorreden zu N. Lardner: Glaubwürdigkeit . . . (1750/51) laufend weitergeführt 345 . Auch das umfangreiche apologetische Werk seines Schülers Hieronymus Daniel Schleisner gegen den deutschen freidenkerischen Kirchenreformer und Unionisten Johann Michael von Loen 346 geht sowohl „historisch" als auch „dogmatisch" vor. Baumgarten hat sich in besonderer Weise hinter diese Arbeit gestellt 347 , er bedauert nur, daß die „Unrichtigkeit der angeführten Geschichte hätte noch weit häufiger gezeigt werden können, wenn es der Raum verstatten wollen" 348 . Immerhin ist die Tatsache bedeutungsvoll genug, daß Baumgarten nunmehr die eigentlich systematische Aufgabe der Apologetik bewußt auf solche zwiefache 343

Glaubenslehre I, S. 33f. 83. J. Chr. Edelmanns (1698—1767) berühmteste Schrift: Abgenöthigtes Jedoch Andern nicht wieder aufgenöthigtes Glaubens-Bekenntniß, 1746, ist jetzt im Nachdruck erschienen (Sämtliche Schriften in Einzelausgaben, Bd. IX, 1969); Näheres s. die dortige Einleitung des Herausgebers Walter Grossmann und desselben Aufsatz: Johann Christian Edelmann's Idea of Jesus (HThR 60, 1967, S. 3 7 5 - 3 8 9 ) . 34! In diesen Zusammenhang gehört auch noch die Spezialuntersuchung: Erleuterung einiger Stellen Eusebii und Ignatii, welche in Joh. Christ. Edelmanns Glaubensbekentnis aufs unverantwortlichste gemisbraucht worden (Wöchentliche Hallische Anzeigen 1748, Nr. XXIX-XXXII). 346 Historische und dogmatische Anmerkungen über das Lehrgebäude des Herrn von Loen in der Schrift: Die einzige wahre Religion, 1751. Schleisner blieb auf dem Titel ungenannt, seine Verfasserschaft geht aber aus seiner im folgenden Jahr vorgelegten Dissertation (s. Bibliographie Nr. 283) deutlich hervor. 347 In der Vorrede (S. 41) teilt Baumgarten mit, er habe den Verfasser ursprünglich beauftragt gehabt, im Rahmen der Nachrichten von einer hallischen Bibliothek zu v. Loen Stellung zu nehmen. Nachdem ihm aber die umfangreichen Vorarbeiten vorgelegen hätten, habe er sich entschieden, sie zu einem selbständigen Buch erweitern zu lassen. 348 AaO S. 43. 344

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III. Baumgartens Hinwendung zur Geschichte

Weise anfaßt, dogmatisch und — immer stärker — historisch. J e ärger der apologetische Notstand wird, desto fleißiger wendet er sich der mühsamen Arbeit historischer Faktensicherung zu, so vergeblich — an heutigem Urteil gemessen — mancher Versuch auch war. Aber solche Konzentration der Aufmerksamkeit auf die der Theologie durch die kritische Historie gestellten Fragen konnte auch unerwartete Folgen haben. Es dürfte Baumgarten selbst kaum bewußt geworden sein, daß er mit seiner immer stärkeren Bemühung um die Geschichte und besonders mit seiner Verteidigung der historischen Grundlage der christlichen Lehre die Entwicklung entscheidender Probleme der Theologie bis genau an den Punkt vorantrieb, wo es nur noch durch einen radikalen Umschlag auf breiter Front unter Abkehr von vielen traditionellen Lösungsversuchen weiter gehen konnte.

IV. Der Ertrag der gelehrten Arbeit Baumgartens für die Theologie 1. Baumgartens Beitrag zur Entwicklung des historischen innerhalb und außerhalb der Theologie

Denkens

a) Die Erweiterung des Blickfeldes Bei der Suche nach dem Ertrag des mehrschichtigen Lebenswerkes Baumgartens verdient also — anders als in der bisherigen theologiegeschichtlichen Forschung — die Frage zwar nicht ausschließliche, aber doch besondere Beachtung, welche Bedeutung seine Hinwendung zur Geschichte gehabt hat. Die letztlich theologisch-apologetische Motivation hierbei Schloß ja ein gewisses Eigengewicht dieser seiner Bemühungen nicht aus, und so konnten gerade von diesem Teil seiner gelehrten Arbeit Wirkungen ausgehen, die im theologischen wie im außertheologischen Bereich sich mit anderen Zielsetzungen und neuen Ergebnissen verbanden. Diesen und anderen Auswirkungen des Denkens Baumgartens kann hier im einzelnen nicht nachgegangen werden. Wohl aber läßt sich die von ihm mitgeschaffene Ausgangssituation für seine Nachfolger nun besser beschreiben. Es ist nun allerdings, wie sich bald herausstellt, nicht möglich, schon bei Baumgarten von irgendwelcher Art historisch-kritischer Theologie zu sprechen, ja überhaupt von vollausgebildetem historischem Bewußtsein, kritisch-historischer Methode oder historiographischer Kunst, wenn man die Maßstäbe anlegt, die vor allem im 19. Jahrhundert gesetzt wurden. Für die Zeit um die Mitte des 18. Jahrhunderts kann man wohl überhaupt nur erst von einzelnen Beiträgen sprechen, welche die Wissenschaft in Deutschland auf dem Wege zum historischen Denken weiterbrachten. Daß dabei gerade die Theologie eine entscheidende Rolle spielte, steht außer Frage 1 . Weniger offen am Tage liegt, welche unscheinbaren, aber doch nicht unwichtigen Anregungen dabei dem Hallenser Baumgarten zu verdanken sind. Diese finden sich freilich kaum in seinem dogmatischen System pietistisch-wolffischer Prägung und konservativer Haltung, 1 E. Cassirer stellt mit Bezug auf die zu überwindende Sprödigkeit der Wölfischen Philosophie gegenüber der Geschichte fest: „Wenn die Philosophie in ihrer abstrakten Reinheit sich dem bloß-Historischen entzog, wenn sie glaubte, sich seiner erwehren zu können und erwehren zu müssen, so war es die Theologie, die hier zuerst die Grenzen verschob; die die starre Schranke zwischen dem ,dogmatischen' und dem .historischen' Gehalt des Glaubens nicht länger aufrecht erhielt." (Die Philosophie der Aufklärung, S. 307f., vgl» auch 244ff., bes. 250f.)

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IV. Der Ertrag der gelehrten Arbeit Baumgartens

sondern in den mannigfachen historischen Bemühungen vor allem seiner späteren Jahre, die nicht ohne ein gewisses Weglenken von Wolff zustande kamen. Die von hier ausgehenden Impulse waren bedeutsam nicht nur für die Theologie, deren Fragerichtung in der Folgezeit stark durch historische Kritik bestimmt wurde, sie betrafen zugleich auch den Bereich der allgemeinen historischen Gelehrsamkeit, die auf dem Wege zur vollen Anerkennung als Wissenschaft war. Hier wie dort hat Baumgarten das historische Denken in zweifacher Hinsicht gefördert, inhaltlich durch eine Erweiterung des Gesichtsfeldes und — wie später zu zeigen ist — methodisch durch bestimmte maßstabsetzende Forderungen. Erweiterung des Blickfeldes — das gilt zunächst in einem mehr vordergründigen Sinne. Man muß sich einmal klar machen, welche Verwandlung der Szenerie in Halle Baumgarten in relativ kurzer Frist zustande brachte. Wo vorher die Wissenschaftlichkeit in der Theologie keinen leichten Stand hatte, wird nun gerade ein Mitglied der Theologischen Fakultät, noch dazu das bedeutendste, zu einer Berühmtheit in der historischen Gelehrsamkeit. Wo den ernsthaft Lernbegierigen bislang fast nur eine stark erbauliche Schriftauslegung und eine dieser entsprechend orientierte Systematik angeboten wurde, öffneten sich ihnen nun durch Umgang und Mitarbeit bei Baumgarten die Tore zur profanen Gelehrtheit, insbesondere zur historischen, wozu die intensiven Bemühungen um Bücherkunde und Gelehrtengeschichte nicht unwesentlich beitrugen. War man Baumgarten bei seinen ersten Versuchen als Historiker auf der internationalen Bühne noch skeptisch oder, wie von Seiten der Zürcher Literaturkritik, gar höhnisch begegnet 2 , so fand er bald auch im Ausland Anerkennung und galt ein Jahrzehnt später als eine Autorität von höchstem Ansehen. Welch ungeheurer Hochschätzung seiner historischen Sachkenntnis Baumgarten sich auf dem Höhepunkt seines Lebens erfreuen konnte, erhellt aus einer bezeichnenden Episode in der frühen literarischen Tätigkeit G. E. Lessings. Stand Lessing als „Liebhaber der Theologie" dem besonnenen und konservativen Dogmatiker Baumgarten bei aller Ablehnung der Orthodoxie in mancher Beziehung freundlicher gegenüber als den Neologen der nächsten Generation 3 , so steht sein 2

S. u. S. 185f. Direkte Sympathiebezeugungen gegenüber Baumgartens theologischen Auffassungen sind freilich von Lessing nicht überliefert, auch nicht in der Schrift „Leibniz von den ewigen Strafen" (Sämtliche Schriften, 3. Aufl., Lachmann/Muncker, Bd. 11, S. 4 6 1 - 4 8 7 ) . Lessing wendet sich zwar gegen die sozinianischen und neologischen Bestreiter der Ewigkeit der Höllenstrafen, besonders gegen J. A. Eberhard und spricht diesem das Recht ab, sich in dieser Sache auf „Baumgarten" zu berufen (S. 478). Gemeint ist hier aber nicht Siegmund Jacob Baumgarten, wie noch in P. Rillas Lessingausgabe behauptet wird (Gesammelte Werke VII, S. 477 Anm. 35), sondern Alexander Gottlieb Baumgarten, auf den sich J. A. Eberhard auch eindeutig bezogen hatte (Neue Apologie des Sokrates I, (1772) 2. Aufl. 1776, S. 427— 430). Einen sachlichen Unterschied zwischen den beiden Brüdern Baumgarten in dieser Frage dürfte es allerdings nicht gegeben haben. Auch in bezug auf die Trinitätsauffassung gab 3

Der Beitrag zur Entwicklung des historischen Denkens

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Urteil über die fast erdrückende Autorität Baumgartens als Historiker offenbar auch unabhängig davon fest. Um so schwerer tut er sich einmal, dem großen Hallenser in einer bestimmten historischen Frage widersprechen zu müssen. Lessing hatte nämlich in seiner Berliner Zeit (1753) „Des Abts von Marigny Geschichte der Araber unter der Regierung der Califen" 4 zu übersetzen in Angriff genommen und war während der Arbeit auf eine vernichtende Kritik Baumgartens an der französischen Vorlage gestoßen 5 . So ist er gezwungen, in seiner Vorrede sein Unternehmen zu verteidigen: „Der Herr D. Baumgarten, ein Mann, welcher sich mit Recht beinahe ein diktatorisches Ansehen in der Geschichte und in der Beurteilung ihrer Schriftsteller erworben, hat bei Gelegenheit seine Gedanken über den Abt von Marigny auf eine Art entdeckt, welche für ihn nichts weniger als vorteilhaft ist. Beinahe hätte mich der Tadel dieses Gelehrten, dessen Verdienste vielleicht niemand höher schätzt als ich, mitten in meiner Übersetzung zurückgehalten; und ohne Zweifel denkt mancher, daß es sehr gut gewesen wäre. Muß ich mich nicht also rechtfertigen . . .?" 6 Er versucht dies dann durch verschiedene Einzelbestreitungen der Einwände Baumgartens, ferner dadurch, daß er nun seinerseits vorsichtig auf Fehler in einer von Baumgarten veranstalteten Ubersetzung hinweist, vor allem aber durch eine Ehrenrettung des Abts von Marigny, der doch lediglich ein populärwissenschaftliches Werk beabsichtigt habe, welches wegen des Mangels an einschlägigen Büchern über die arabische Geschichte eine deutsche Ausgabe für das breite Publikum sehr wohl verdiene. Interessanterweise aber hat Lessing dann eben doch seine Arbeit an diesem Werk eingestellt und die restliche Übersetzung einem anderen überlassen 7 . Ob er hier allein vor der übermächtigen wissenschaftlichen Autorität Baumgartens zurückgewichen ist oder ob noch andere Gründe mitspielten, steht dahin. Es genügt schon, an jenen Äußerungen Lessings zu erkennen, wie hoch Baumgarten in seinen späteren Jahren als Autorität in der Historie eingeschätzt wurde. Eine so unqualifizierte Kritik wie seinerzeit die aus dem Kreise der Zürcher war jetzt nicht mehr denkbar.

es zwischen Lessing und Baumgarten nur einige indirekte Berührungen, s. Α. v. d. Goltz: Lessing's Fragment: „das Christentum der Vernunft" — eine Arbeit seiner Jugend, ThStKr 30, 1857, 56ff., bes. 72; daran anschließend jetzt R. Schwarz: Lessings ,Spinozismus', ZThK 66, 1968, S. 271ff., bes. 2 7 4 - 2 7 7 . Zum Ganzen: J. Schneider: Lessings Stellung zur Theologie vor der Herausgabe der Wolfenbiittler Fragmente, bes. 226ff. 4 Titel und Lessings Vorrede sind abgedruckt in Sämtliche Schriften, 3. Aufl., Lachmann/ Muncker, Bd. 5, S. 2 3 - 2 9 , s. auch die Zeitungsanzeigen aaO S. 171f. 450f. 5 In Baumgartens Untersuchung der Frage: Ob Kaiser Carl der grosse vom Kaliphen Aron Raschid die Herschaft über Jerusalem erhalten habe? In: Wöchentliche Hallische Anzeigen 1751, 3 4 . - 3 6 . Stück, S. 569ff. Die im Thema gestellte Frage wird übrigens verneint und dies gründlich aus mittelalterlichen und arabischen Quellen erwiesen, wobei Baumgarten seine Kenntnis der arabischen Sprache zu gute kommt. 6 Lessing aaO S. 24f. 7 AaO S. 23 Anm. d. Hrsg.

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IV. Der Ertrag der gelehrten Arbeit Baumgartens

Die gelehrte Bemühung Baumgartens um die Geschichte, mit der er solches Echo fand, hat sich nun nicht allein in den Bahnen des traditionell Bekannten bewegt, sie hat auch etwas für Deutschland Ungewohntes gebracht. Er überschritt nicht nur den einem Theologen naheliegenden Bereich der Kirchengeschichte. Er war es auch, der wie kein anderer durch seine planmäßige Vermittlung alter und neuer Literatur und durch Hereinholen der ausländischen Geschichtsforschung der deutschen Öffentlichkeit die allgemeinhistorische Perspektive freizulegen half, ohne die man sich die geistige Bewegung der folgenden Zeit nicht vorstellen kann, gerade auch in der protestantischen Theologie. Die vehemente Mobilisierung des gesamten verfügbaren historischen Wissens in einer Situation, in der die alten theologischen Positionen eben durch historische Kritik unsicher geworden waren, mußte den Punkt der Entscheidung für oder gegen die orthodoxe Lehrtradition beschleunigt herbeizwingen, und zwar für die Fachtheologie nicht weniger als für die interessierten Nichtfachleute. Welche Haltung der Initiator solcher Bemühung selbst dabei einnahm, also ob die Vertiefung in die Geschichte wie bei Baumgarten mehr aus konservativ-apologetischem Interesse oder aus dem Geiste der Kritik vorgenommen wurde, ist verhältnismäßig gleichgültig, wenn man auf den Effekt sieht, den solche Blickerweiterung in der Folgezeit haben mußte. Vor allem die von Baumgarten bearbeitete Obersetzung der monumentalen englischen ,,Welthistorie'' kommt hier in Betracht, sie „hatte einen ungemeinen Einfluß auf die Erweiterung des historischen Gesichtskreises der Deutschen" 8 . In Deutschland hatte man sich bis dahin besonders der Reichsgeschichte gewidmet und sich dabei stark von aktuellen staatsrechtlichen Problemen leiten lassen 9 . In Halle wurde diese Tradition in respektabler Weise durch den Kanzler von Ludewig verkörpert 10 . Die Universalgeschichte trat demgegenüber zurück. Sie kam zwar auf den Schulen vor, wurde aber hier gewöhnlich nur als überkommenes Gerüst kompendienhaft eingeübt und blieb stark an dem biblischen Aufriß der Heilsgeschichte orientiert 11 , wenngleich die Auflösung der theologischen Gesamtdeutung der Geschichte schon im Gange war 12 .

* C. Justi: Winckelmann und seine Zeitgenossen I, S. 159. ' AaO S. 158, es ist die Tradition Sleidans und Pufendorfs (s. E. Fueter: Geschichte der neueren Historiographie, S. 200ff.). 10 Über Johann Peter von Ludewig (1668—1743) s. die schöne Skizze bei Justi aaO I, S. 78ff. 11 AaO S. 158; E. Fueter aaO S. 186ff. Vgl. auch Baumgartens eigene Studienempfehlungen in seiner Frühzeit s. o. S. 128 Anm. 139. 12 A. Klempt hat gezeigt, daß eine gegenüber dem theologisch-eschatologischen Rahmen unabhängige welthaft-geschichtliche Betrachtungsweise schon früher im humanistischen und protestantischen Denken vorgekommen ist (ζ. B. bei Bodin, Homius, Cellarius), ohne zugleich in einen dezidierten Gegensatz zum christlichen Glauben zu treten (Die Säkularisierung der universalhistorischen Auffassung, passim, bes. S. 10—13. 124ff.). Gleichwohl haben Einzelkonzeptionen wie die von Homius die allgemeine Auffassung kaum beeinflußt, wie Klempt

Der Beitrag zur Entwicklung des historischen Denkens

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Auch Baumgarten setzt das alte Geschichtsbild noch durchgehend voraus. Seine chronologischen Auffassungen 13 stehen im Zusammenhang mit den mancherlei Versuchen, durch immer neue Kombinationen der überlieferten biblischen Zeitrechnung doch noch Genüge zu tun 1 4 . Eine Theorie, die diesen Rahmen sprengen muß wie die Präadamitenhypothese Isaak de LaPeyrères, der den Schwierigkeiten der Chronologie und Geographie damit begegnete, daß er vor Adam auf der Erde lebende Menschen annahm, ist für Baumgarten eine ungereimte „Erdichtung" 15 , weswegen „gar nicht zu besorgen ist, daß dergleichen zur Bestreitung der Glaubenslehre werde gebraucht werden; so kann eine solche Streitigkeit unter den Nebenstreitigkeiten abgehandelt werden" 1 6 . Dennoch verbirgt sich hinter dieser scheinbaren Sicherheit eine gewisse Bereitschaft zu einer anderen Betrachtungsweise, welche freilich nie näher expliziert zu werden braucht — da die alte Chronologie, mit welcher die Universalgeschichte in den Rahmen der biblischen Zeitangaben eingefügt war, ihm immer noch als nicht widerlegt gilt —, für welche es aber doch einige Indizien gibt. Wenn Baumgarten gerade angesichts der Schwierigkeiten der Chronologie zu bedenken gibt, wie begrenzt doch alle menschliche Erkenntnis sei, so läßt das aufhorchen 17 , Mit diesem Vorbehalt nämlich gibt er die chronologischen Tabellen des Lenglet Dufresnoy 18 heraus, obwohl er die hierin verwendete samaritanische Zeitrechnung ablehnte: Er meint dazu, es sei beim Gebrauch unerheblich, welcher Rechnungsart man sich anschlösse, da diese Tabellen doch nur das „Verhältnis der Begebenheiten gegeneinander" aufzuzeigen brauchten 19 . In der Tat, darauf kommt es ihm am meisten an. Bei den vielen Lücken unseres Wissens ist es vorselbst bemerkt (S. 121 f.), vgl. jetzt auch K. Scholder (Ursprünge und Probleme . . . , S. 79— 106) über Bedeutung und Schicksal der Präadamitenhypothese von Isaac de La Peyrère im Zusammenhang der Streitigkeiten um die Chronologie. Erst der später erfolgte völlige Durchbruch der neuen Resultate von Quellenkritik, Chronologie, Geographie und Archäologie hat hier einen Wandel geschaffen und den späteren geschichtsphilosophischen Gesamtdeutungen Platz bereitet (W. Kaegi: Voltaire und der Zerfall des christlichen Geschichtsbildes, S. 223ff.; F. Meinecke: Die Entstehung des Historismus, S. 73ff.). 13 S. die Vorrede zu N. Lenglet Dufresnoy: Chronologische Tafeln der Algemeinen Historie I, 1752, nicht pag. Hier wie auch sonst öfters wendet Baumgarten sich gegen die besonders in England verbreitete samaritanische Zeitrechnung, nach der die Erschaffung der Welt auf das Jahr 4 3 0 5 v. Ch. angesetzt wird, seiner Meinung nach „wenigstens an die drei Jahrhunderte" zu früh (Welthistorie I, 1744, S. 117 Anm. 104 B), und ist befriedigt, daß die englischen Gelehrten in der 2. Auflage auch zu der von ihm bevorzugten hebräischen Rechnung übergehen (aaO VII, 1748, Vorrede, S. 17). 14 Zur Bedeutung der chronologischen Bemühungen s. P. Hazard: Die Krise des europäischen Geistes, S. 66ff.; A. Klempt: Die Säkularisierung . . . , S. 81ff.; K. Scholder: Ursprünge und Probleme . . . , S. 92ff. 15 Geschichte der Religionspartheyen, 1766, S. 70; vgl. auch Untersuchung Theologischer Streitigkeiten I, 1762, S. 526. 16 AaO S. 12. " Welthistorie I, 1744, Vorrede, S. 42 Anm. 39. " S. o. Anm. 13. " Vorrede, nicht pag.

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IV. Der Ertrag der gelehrten Arbeit Baumgartens

dringlicher, das greifbare historische Geschehen nach seinen Umständen und zeitlichen Relationen zu erkennen, als über den Beginn der Urgeschichte von Welt und Menschheit letzte Klarheit zu gewinnen. Der Anfang der Welt als historisches Datum, das in einer Jahreszahl auszudrücken wäre, wird zwar noch angenommen, wie auch das Sechstagewerk der Schöpfung wörtlich genommen wird 20 , aber das historische Bewußtsein sucht sich den chronologischen Fixpunkt nicht mehr in der femer Urzeit, sondern in einem besser erhellten Zeitalter: Baumgarten zählt mit der englischen „Welthistorie" die Jahre nicht mehr nur von der Erschaffung der Welt an, sondern gemäß der nach vorn und rückwärts prinzipiell offeneren Berechnung ante und post Christum 21 . Die Urgeschichte gerät in der „Welthistorie" — trotz aller Versicherung der wörtlichen Geltung der mosaischen Erzählung — somit in eine gewisse Schwebe, nicht zuletzt auch dadurch, daß bei der Behandlung der Weltentstehung 22 „die Mythen verschiedener Völker und die philosophischen Theorien der Moderne in Art eines Konversationslexikons nebeneinander gestellt sind" 23 . Die darauf folgende Völkergeschichte ist mit ihrer hierdurch unsicherer gewordenen Grundlage nur locker verknüpft. Sie fällt dann auch nicht nur — ungewollt — in eine Fülle von Monographien auseinander 24 , es fehlt ihr vor allem jeder Versuch einer Betrachtung der Gesamtgeschichte unter dem einheitlichen Gesichtspunkt eines göttlichen Heilsplanes 25 . Von den herkömmlichen, auf den Weissagungen Daniels be20 Glaubenslehre I, S. 615ff.; zu der im 17. Jahrhundert umstrittenen Frage, zu welcher Jahreszeit die Welt erschaffen sei, nimmt Baumgarten nicht Stellung. Die Befürwortung der herbstlichen Tagundnachtgleiche durch die englische Welthistorie begleitet er nur durch Literaturhinweise, durch die die Frage wieder in die Schwebe gebracht wird (Welthistorie I, 1744, S. 107 Anm. 94 B). 21 Die „Welthistorie" bringt für die Zeit vor Christi Geburt beide Zählungen nebeneinander, für die Zeit nachher nur noch die Zählung post Christum natum. A. Klempt hat dargestellt, daß die Einigung auf diesen Fixpunkt der Chronologie ein Resultat der Auflösung des theoIogisch-eschatologischen Rahmens der Universalhistorie war (Die Säkularisierung . . . , S. 81 — 88). Obwohl vermutlich im 14. Jahrhundert in Köln aufgekommen, findet die neue Zeitrechnungsart auf dem Umwege über die französische und englische Geschichtsschreibung in Deutschland erst im 18. Jahrhundert und nach Baumgarten allmählich volle Anerkennung (aaO S. 87f.). " Welthistorie I, 1744, S. 1 - 1 1 6 . 23 F. Borkenau-Pollak: An universal history . . . , S. 201; vgl. P. Menzer: Kants Lehre von der Entwicklung in Natur und Geschichte, S. 42. 24 F. Borkenau-Pollak: An universal history . . . , S. 196. 198a. Baumgarten bemerkt: „Bei dieser Einrichtung der allgemeinen Geschichte, da die Historie eines jeden Volks und Landes besonders abgehandelt wird, kann man einen jeden Teil, wenigstens diejenigen, so die gesamten Geschichte eines Volks abhandeln, gar füglich als ein besonders Werk und vollständiges Buch ansehen und brauchen" (Welthistorie I, 1744, Vorrede, S. 49). 25 F. Borkenau-Pollak stellt dazu fest: es ist etwas prinzipiell anderes, ob gelegentlich Monographienschreiber eine universalhistorische Theorie nicht berücksichtigen, oder ob eine Weltgeschichte sie einfach beseitigt. Dies ist aber bei der UH (seil. Universal History) der Fall. Denn wie gläubig sie auch dem biblischen Bericht gegenüberstehen mag, sobald die UH sich der profanen Geschichte zuwendet, wird der göttliche Heilsplan auch nicht einmal

Der Beitrag zur Entwicklung des historischen Denkens

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ruhenden theologischen Konstruktionen des periodischen Ablaufs der Weltgeschichte finden sich nur noch Bruchstücke, nämlich die Meinung, daß der Messias genau am Ende der von Daniel (9,24) geweissagten siebzig Weltwochen oder 490 Jahre erschienen sei 26 . Für die englischen Verfasser der „Welthistorie" ist dies „eine der edelsten Weissagungen im gesamten alten Testament" 27 und auch Baumgarten noch benutzt diesen Weissagungsbeweis in der Christologie28. Aber das ehrwürdige Schema der vier Weltmonarchien (nach Dan. 2 und 7), das in der Reformationszeit mit der theologischen Einteilung der Weltgeschichte in drei Zeitalter von je 2000 Jahren verknüpft worden war 29 , spielt keine Rolle mehr30. Waren die bisherigen Ansätze, auf eine universalgeschichtliche Gesamtdeutung theologischer Art zugunsten einer säkularen Geschichtsbetrachtung zu verzichten, am Widerstand der biblizistischen Orthodoxie gescheitert, wodurch nur das Aufkommen einer neuen philosophischen Sinngebung befördert wurde 31 , so tritt nun unter der Ägide des Theologen Baumgarten diese kolossale Weltgeschichte wirksam in die deutsche Öffentlichkeit; ein Werk, bei dem ein göttlicher Heilsplan als organisierendes Prinzip der Gesamtgeschichte nicht mehr in Rechnung gestellt wird 32 , das aber auch noch keiner neuen philosophischen Ge-

erwähnt. Und dieser Augenblick, wo diese während des Humanismus für Monographien selbstverständliche, in den folgenden Jahrhunderten nur schüchtern geübte historische Betrachtungsweise sich die Universalgeschichte erobert, bezeichnet den Endpunkt jener Entwicklung, die an die Stelle der theologischen Geschichtsauffassung die profane setzt." (AaO S. 19 7f.) " Diese Konstruktionen fielen dann mit der späteren Ansetzung des Buches Daniel durch die moderne Bibelwissenschaft in sich zusammen (s. F. Buhl: Art. Daniel. In: RE, 3. Aufl., Bd. 4, S. 450). 27 Welthistorie IX, 1750, S. 194. Anm. N. " Glaubenslehre II, S. 1 6 2 - 1 6 5 . " A. Klempt: Die Säkularisierung . . S . 17—33; K. Scholder: Ursprünge und Probleme . . S. 8 1 - 8 7 . 30 Baumgarten wendet sich sogar ausdrücklich gegen die spekulative Deutung der Schöpfungstagewerke Gottes in Richtung auf eine Weltära von sechs bzw. sieben Jahrtausenden. Man kann wohl wie Hebr. 4,3—10 die geistliche Ruhe mit dem Schöpfungssabbat vergleichen, aber keine zahlensymbolische Spekulation und keine universalhistorische Theorie daran anknüpfen: „Ohne daß daraus die Bestimmung der Dinge auf eine siebenfache Zahl oder des Weltalters auf sechs oder siebentausend Jahre mit Grund und Recht hergeleitet werden könne" (Glaubenslehre I, S. 615 Anm.). 31 A. Klempt: Die Säkularisierung . . . , S. 1 2 7 - 1 2 9 . 32 Mit Recht bestreitet F. Borkenau-Pollak die durch E. Fueter (Geschichte der neueren Historiographie, S. 322) vorgenommene zu einfache Einordnung der englischen „Welthistorie" als noch ganz in der theologischen Geschichtsauffassung steckend, denn „darüber entscheidet nicht das Festhalten am biblischen Bericht, auch nicht das . . . Bemühen, den biblischen Bericht mit den Sagen anderer Völker zu harmonisieren, sondern die Betrachtung der gesamten Geschichte unter dem Gesichtspunkt der christlichen Heilslehre. Und diese eben fehlt" (An universal history . . . , S. 199).

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IV. Der Ertrag der gelehrten Arbeit Baumgartens

samtdeutung der Geschichte unterliegt 33 . Solch eine nüchtern den Fakten zugewandte Geschichtsschreibung — so wenig sie im einzelnen nach unserem Urteil auch ihr Ziel erreicht haben mag — scheint der Vorstellung Baumgartens von der Geschichte und dem Bedürfnis seiner wissenschaftlichen Situation sehr entgegengekommen zu sein. Nach seiner Definition ist j a Historie, auch die Welthistorie, „eine gegründete Nachricht von geschehenen Begebenheiten" 3 4 , mehr nicht. Aber auch nicht weniger: Die geschehenen Begebenheiten werden nicht mehr nur dort gesucht, wo ihnen die abendländisch-mittelalterliche Anschauung ihren Platz zeitlich und räumlich zuwies, sondern überall. Denn auch in geographischer Hinsicht erweitert sich der Gesichtskreis. Zwar ist auch schon früher vereinzelt versucht worden, die Geschichte der Völker, die außerhalb des mittelalterlichen Gesichtskreises lagen und inzwischen — zum Teil gut — bekannt geworden waren, in die Weltgeschichte einzugliedern 35 . Aber so, wie in der englischen „Welthistorie" die Geschichte auch der entlegensten asiatischen und amerikanischen Völker sorgfältig, in bändereicher Fülle und Vollständigkeit dargestellt wird, liegt doch etwas Neues vor den Augen einer aufnahmebereiten Öffentlichkeit 3 6 . Und wo noch eine Lücke besteht wie bei den amerikanischen Völkern der vorkolumbianischen Zeit 3 7 , da konnte Baumgarten auf ein anderes von ihm betreutes Werk, die „Algemeine Geschichte der Länder und Völker von America" von J . F. Schroeter verweisen 38 . b) Methodische

Maßstäbe und

Anstöße

So notwendig die in Baumgartens mühseliger Arbeit angestrebte Erweiterung des historischen Blickfeldes angesichts der im hallischen Pietismus und im WolffiAaO S. 198f. Eine solche scheint P. Menzer bei Baumgarten gesucht zu haben und unterstellt ihm, da er sie nicht findet, den Plan einer merkwürdigen Weltgeschichte: „Bestimmtere Ausführungen über einen solchen Plan erhalten wir nicht, aber aus dem Angegebenen läßt sich doch schon ersehen, daß es sich nur um eine Art Kompendium, einen Abriß handeln konnte, welcher dem Zweck der leichteren Übersicht dienen sollte." (Kants Lehre . . . , S. 242) Baumgarten meint aber an der betreffenden Stelle nichts weiter, als daß „alle nützliche Erlernung und Treibung der Geschichte dergleichen kürzeren Umfang, Inbegriff und Zusammenhang der allgemeinen Historie voraussetze und erfordere" (Welthistorie I, 1744, Vorrede, S. 36, s. o. S. 120 Anm. 95). Baumgarten will hier nur dem Einwand begegnen, Weltgeschichte zu betreiben sei gar nicht nötig, aber von irgendeinem Plan ist nicht die Rede. Welche Art von Weltgeschichtswerk sich Baumgarten abgesehen von den vorausgesetzten Schulkompendien vorstellt, dürfte bei dieser Gelegenheit der Herausgabe eines Riesenwerks doch wohl deutlich genug sein. 33

Welthistorie I, 1744, Vorrede, S. 7. A. Klempt (Die Säkularisierung . . . , S. 117) verweist dafür auf Georg Homius, der aber wenig beachtet wurde (S. 122). 36 F. Borkenau-Pollak: An universal history . . . , S. 187. 198a. 199. 37 Auf diesen Mangel weist A. Klempt hin (aaO S. 122). 38 S. o. S. 121 Anm. 103. In diesem Zusammenhang kann noch erwähnt werden, daß auch der durch seine „Erdbeschreibung" berühmte Theologe und Geograph A. F. Biisching ein Schüler Baumgartens war. 34 35

Der Beitrag zur Entwicklung des historischen Denkens

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anismus gegebenen Begrenztheiten auch war, so wenig konnte es dabei bleiben. Der Fortentwicklung des historischen Denkens in der Theologie und durch die Theologie 39 wäre wenig gedient gewesen, wenn Baumgartens Hinwendung zur Geschichte doch nur wieder zu einer — nun ausgeweiteten — Polyhistorie alten Stils zurückgeführt hätte 4 0 . Der Weg insbesondere zur historisch-kritischen Theologie wäre dem Baumgartenschüler Semler vielleicht erschwert worden, wenn sein unmittelbarer Lehrmeister in der Art des Umgangs mit der Geschichte ihm kein anderes Beispiel gegeben hätte als nur das einer zwar verbesserten, aber doch überwiegend kritiklosen Inventarisierung historischer Überlieferung. Wenn Semler den gerade verstorbenen Baumgarten als den beispielhaften Historiker unter den Theologen preist 41 , dann hat er ihn gewiß nicht nur als den unermüdlichen Sammler, den überragenden Bücherkenner, den Editor und Vermittler mit weitgespannten Interessen vor Augen gehabt, sondern zugleich auch dessen Forderung nach methodischer Arbeit am historischen Material. Und auch die gewisse Zurückhaltung gegenüber Baumgarten, welche bei dem jungen Semler und anderen mehr kritischen Studenten zu beobachten ist, kann nicht darauf zurückgeführt werden, daß sie bei all der historischen Sammelleidenschaft die klaren Grundsätze einer historischen Methode vermißt hätten, sondern auf die Halbheiten seiner konservativen Dogmatik 42 . Wenn auch das geschichtliche Engagement bei Baumgarten selbst noch nicht zu einer durchgreifenden Umgestaltung der Theologie ausschlug, so erschöpfte es sich doch keineswegs in der Bereitstellung des historischen Materials für seine weiterschreitenden Nachfolger, wie es später erscheinen mochte 4 3 . Baumgarten gab ihnen auch Maßstäbe mit auf den Weg, denen er selbst zwar oft genug nur erst unvollkommen zu folgen vermochte, die aber doch ihre Wirkung taten. 39

S. o. S. 171 Anm. 1. C. Justi spricht von „den unabsehbaren, wildverwachsenen Niederungen der Polymathie, die im Anfang des vorigen Jahrhunderts dem gelehrten Treiben in Deutschland seine Physiognomie gab" (Winckelmann und seine Zeitgenossen, S. 167, vgl. S. 4. 30. 41). Dieses Urteil behält seine Gültigkeit, auch wenn man heute die Verdienste der barocken Geschichtsschreibung differenzierter beurteilt, vgl. A. Kraus: Grundzüge barocker Geschichtsschreibung. 41 S. o. S. 125ff. 42 S. o. S. lOlf., ferner A. F. Büsching: Eigene Lebensgeschichte, 1789, S. 74f. 98. Über Semler schreibt Büsching: „Dieser machte dazumal und eine lange Zeit aus der Theologie sehr wenig, las lieber in den scriptoribus rei rusticae und machte kritische Anmerkungen Uber die Werke, die dem Macarius zugeschrieben werden, und andere Bücher, als daß er Baumgartens Collegium über die dogmatische Theologie besuchet hätte" (S. 77 Anm. 10). Semler selbst erinnert sich etwas anders: „ich hörte gewiß alles, was Baumgarten las, obgleich nicht mit einerlei Teilnehmung; z. E. bei der Polemik . . . " (Lebensbeschreibung I, S. 100). 43 So W. A. Teller: „Machte er nun gleich für sich wenig Gebrauch davon zur Läuterung und Reinigung des Systems, so konnte er auch das fuglich der Folgezeit überlassen. Er hatte genug zu tun, den ganzen großen Vorrat von Materialien zu sammeln; andre mochten sie nun bearbeiten." (August Hermann Francke, Siegmund Jakob Baumgarten, Johann Salomo Semler. In: Berlinische Monatsschrift, Bd. 24, 1794, S. 27) 40

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IV. Der Ertrag der gelehrten Arbeit Baumgartens

Es sind dies die drei Grundeinstellungen, die sich in Baumgartens historischem Denken bemerkbar machen: die Forderung nach Quellentreue, das Streben nach bestmöglicher Sicherung der Resultate auch auf dem Wege der Wahrscheinlichkeitsbestimmung und das Zurückdrängen des Pragmatismus verbunden mit einer Tendenz auf Zweckfreiheit in der Historie. Expressis verbis hat Baumgarten diese Grundsätze nirgendwo als methodischen Kanon so zusammengestellt. Sie werden aber — wenn auch oft unter den teils überlieferten, teils zeittypischen Praktiken und Theorien der Geschichtsforschung verborgen — doch hinreichend erkennbar. Die beiden ersten Gesichtspunkte haben wir schon berührt. Was die Quellengrundlage betrifft, so wäre es ungerecht, Baumgarten an den erst nach ihm und besonders im 19. Jahrhundert entwickelten höchsten Anforderungen zu messen. Die Aufgabe einer strikten Scheidung zwischen Quellen und Literatur war in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts noch nicht klar erkannt, noch weniger die Notwendigkeit einer vorbehaltlos kritischen Analyse auch der als beste erkannten Quellen. Hier unterliegt Baumgarten weithin noch den Begrenzungen seiner Zeit 44 , unter denen aber auch die Bemühungen derjenigen zu leiden hatten, die historiographisch schon ans eigene Gestalten gingen 45 . Baumgarten ist hier zurückhaltend. Bevor in Deutschland eine konsequent aus den Quellen schöpfende selbständige Geschichtsschreibung wirklich anheben konnte, war es nötig, volle Klarheit über die Solidität nicht nur der das Geschichtsbild noch immer beherrschenden älteren, sondern auch die der letzten, mit dem Anspruch der Modernität auftretenden historischen Werke zumal des Auslands zu gewinnen. Unter diesem Aspekt erst erkennt man die Bedeutung der mannigfachen Bemühungen Baumgartens um die kritische Edition fremder Geschichtswerke. Wenn es ihm irgend möglich war, unternahm er eine Uberprüfung ihrer Quellengrundlage und machte den Leser mit den hierbei auftauchenden Problemen vertraut. Ob es sich um die unzähligen Anmerkungen und Zusätze zur großen englischen Welthistorie handelt, um die vielen kritischen Erörterungen in den gelehrten Vorreden oder Rezensionen zu historischen Monographien oder auch um den letzten, von ihm nicht mehr durchgeführten Plan einer mit korrigierenden Zusätzen versehenen Neuausgabe der Magdeburger Centurien 46 , immer steht die Aufgabe der kritischen Sichtung und Vergewisserung der vorliegenden Geschichtsschreibung im Vordergrund.

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Dies betont sehr scharf F. Borkenau-Pollak: An universal history of the world . . . , S. 215ff.; immerhin ist bei Baumgarten die kritische Einstellung den Quellen gegenüber schon recht weit entwickelt (s. o. S. 113 Anm. 68; S. 117 Anm. 81). 45 Hier ist besonders an J. L. Mosheim zu denken; s. dazu K. Heussi: Johann Lorenz Mosheim, S. 215ff. und S. Koersgen: Das Bild der Reformation in der Kirchengeschichtsschreibung Johann Lorenz von Mosheims, S. 20ff. 44 Semler berichtet über diesen auch im Titel angekündigten Plan in der Praefatio zum I. Band der dann von ihm besorgten Ausgabe (1757, s. u. Bibliographie Nr. 183 und o. S. 119 Anm. 92).

Der Beitrag zur Entwicklung des historischen Denkens

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Wegen der noch weithin ungebrochenen Autorität jener älteren und auch der neueren Werke, die aus zweiter Hand schöpften, hatte diese Aufgabe, so unselbständig sie erscheinen mochte, zunächst Vorrang vor der eigenen Geschichtsschreibung aufgrund der Quellen. Baumgarten sah diese letztere Aufgabe als Ziel zwar auch vor sich, stellte sie aber doch entsagungsbereit zurück 47 . Mochte er sich während der Arbeit auch noch mancherlei Täuschungen über die Haltbarkeit der Grundlinien und vieler Einzelheiten des vorliegenden Geschichtsbildes hingeben, der Weg, den er einschlug, mußte, obwohl ein Umweg, zu einer neuen Geschichtsschreibung führen. In der breitangelegten Bestandsaufnahme selbst — und seine Schüler arbeiteten an der „Welthistorie" und darüber hinaus mit — bildete sich ein durch stetigen kritischen Quellenkontakt geschultes historisches Bewußtsein heraus und weiter 48 . Diese Bemühungen Baumgartens kann man in einer gewissen Parallele sehen zu denen P. Bayles, der in seinem Dictionnaire historique et critique ja auch nicht zur eigenen Geschichtsschreibung vordringt, sondern an zahllosen Einzelpunkten die überlieferte Auffassung durch Quellenrückfrage erst einmal scharf sichtend nachprüft. Man hat von Bayle sogar gesagt, er sei so „der eigentliche Schöpfer der historischen .Akribie' geworden" 49 . Wir können zwar nicht erwarten, daß Baumgarten die radikalen Ergebnisse und Folgerungen Bayles, insbesondere soweit sie die Theologie betrafen, geteilt hätte, doch stimmt er mit dessen methodischen Forderungen weithin überein und findet sogar anerkennende Worte für 47

„Ob es mir gleich leid sein würde, wenn die Durchsichtigung, Verbesserung und Vermehrung dieser allgemeinen Historie entweder meine einige oder auch nur vornehmste öffentliche und dem Druck bestimmte Arbeit sein oder jemals werden sollte, mich auch gern bescheide, . . . so finde doch noch zur Zeit keine Ursach, mich derselben zu schämen oder aufs künftige zu entziehen." (Welthistorie VII, Vorrede, S. 13) Über sein Vorgehen im einzelnen gibt Baumgarten einmal folgendermaßen Rechenschaft (Welthistorie V, Vorrede, S. 7): „Ob mir gleich diese Berichtigung der gesamten Erzählung aus gehöriger Vergleichung aller möglichen Quellen mehr Mühe verursachet, als manchem Leser bei dem ersten Anblick in die Augen fallen möchte: so hoffe doch, daß bei genauerer Untersuchung derselben leicht werde erkannt werden, daß ich nicht nur gedachte Quellen mehr gebraucht als von den Verfassern geschehen, ja öfter nachschlagen müssen, als bei eigener Ausfertigung solcher Geschichte würde nötig gewesen sein; sondern auch neuere Hülfsmittel gehöriger zu Rat gezogen als von denselben zuweilen geschehen . . . " In der Anm. 4 bemerkt er noch: „Weil ich keine andere Schriften anführe, als die ich wirklich bei der Hand gehabt und nachgeschlagen, so hat notwendig die Anführung neuer Bücher und besonderer Abhandlungen . . . nicht so zahlreich werden können". 48 Reiche Frucht trug die Arbeit an den Quellen bei seinem Schüler Semler, der sie selbständig weiterentwickelte. Neben seinem Anteil an den Zusätzen zur „Welthistorie" (s. G. Hornig: Die Anfänge . . . , S. 251ff. Semler-Bibliographie Nr. 3. 5. 14. 29. 30) sei hier genannt: Versuch den Gebrauch der Quellen in der Staats- und Kirchengeschichte der mitlern Zeit zu erleichtern, 1761 (aaO Nr. 58). E. Cassirer: Die Philosophie der Aufklärung, S. 276; vorsichtiger urteilt F. Meinecke: Die Entstehung des Historismus, S. 37. 50 S. hierzu seine aufschlußreiche Besprechung der ersten beiden Bände der Biographia Britannica (Nachr. hall. Bibl. 6, 1750, S. 540—546), deren deutsche Ausgabt er selbst bald

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IV. Der Ertrag der gelehrten Arbeit Baumgartens

Historische Akribie war in jenen Jahren um so dringlicher erfordert, als im Zusammenhang mit dem Aufblühen der schönen Literatur das Zeitalter der alten, kritikfremden Historie durch eines der leichten moralisch-literarischen Schreibart abgelöst zu werden drohte, ohne daß diese in historiéis durch kritische und gründliche Quellenausschöpfung unterbaut worden wäre. Die Resonanz phantasiereicher „historischer" Schauspiele und Romane gibt Baumgarten hier Anlaß zur Besorgnis 51 . Deshalb begrüßt er auch lebhaft Semlers „Gedanken von Übereinkommung der Romane mit den Legenden" 52 und nimmt diese und manche andere Gelegenheit wahr, vor dem Schaden zu warnen, den die wahre Geschichtsgelehrsamkeit „von der anjetzt so hoch gestiegenen Romanensucht" erleidet. Auf dieser Linie liegen auch die Bedenken, die er Voltaires neuartiger Geschichtsschreibung gegenüber hegt. Während man heute den Beitrag Voltaires zur Herausbildung des historischen Denkens und der historiographischen Kunst im allgemeinen sehr hoch einschätzt 53 und auch seine quellen- und sachkritischen Durchbrüche anerkannt werden 54 , stößt sich Baumgarten gerade an der Leichtigkeit seiner historischen Schreibart. Bei dem „Siècle de Louis XIV." z. B. bemerkt er nicht das Zukunftweisende an dem hier erstmals konsequent angewandten raffenden und typisierenden Verfahren 55 , sondern sieht nur auf dessen Nachteile und auf die oft ungenügende Verankerung gerade der vielen überraschenden und schockierenden „Nachrichten" in einwandfreien Quellen. Darum lautet sein abschließendes Urteil über Voltaires Geschichtsschreibung auf „Anekdotensucht" 56 . darauf in Angriff nahm (s. u. Bibliographie Nr. 165). Dieses Werk schließt sich ausdrücklich an die Methode Bayles an, weswegen Baumgarten es lobt; ja er meint, es habe sogar die von Bayle gesteckten Ziele auf seinem Gebiet besser als dieser erreicht, weil es nicht nur in noch gründlicherer Weise die Quellen herangezogen habe, sondern sich auch hüte, „in leichtfertige sowohl als der göttlichen Offenbarung nachteilige Abhandlungen" zu verfallen (S. 544). Auch sonst benutzt Baumgarten das Baylesche Nachschlagewerk zustimmend (z. B. Vorrede zu Houtteville, Erwiesene Wahrheit der Christlichen Religion, S. 23 nicht pag.), bewahrt aber kritischen Abstand zu dessen philosophischen Auffassungen (z. B. Welthistorie I, S. 14ff. Anm. 11. 14. 15. 22). 51

Vorrede zu David Franck: Alt- und Neues Mecklenburg I, 1753, S. 18. " 1749 (G. Hornig: Die Anfänge . . S . 252, Semler-Bibliographie Nr. 9); Baumgartens Anzeige in Nachr. hall. Bibl. 5, 1750, S. 92f. Hier berührt sich Baumgarten mit N. Lenglet du Fresnoy, der sich 1734/35 um die Absteckung der Grenzen zwischen Dichtung und Geschichte bemüht hatte (M. Scheele: Wissen und Glaube . . . , S. 43—49). Baumgarten hat Lenglet du Fresnoy hochgeschätzt und dessen Méthode pour étudier l'histoire (1713) als „am brauchbarsten" empfohlen (Welthistorie I Vorrede, S. 6 Anm. 2 u. ö.). " E. Cassirer: Die Philosophie der Aufklärung, S. 2 8 8 - 2 9 8 ; F. Meinecke: Die Entstehung des Historismus, S. 73—115; G. Pflug: Die Entwicklung der historischen Methode im 18. Jahrhundert, S. 455ff. 54 E. Fueter: Geschichte der neueren Historiographie, S. 358—360. 55 AaO S. 356f. " Vorrede zu D. Franck: Alt- und Neues Mecklenburg I, 1753, S. lOf. 1 4 - 1 7 . Ähnlich urteilt er über D. Humes History of Great Britain: „Die Schreibart macht den größten Vorzug dieser ganzen mehr aus dem Kopf als aus Büchern und Nachrichten geschriebenen Geschichte aus" (Nachr. merkw. Büch. 8, 1755, S. 462).

Der Beitrag zur Entwicklung des historischen Denkens

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Diese w i e retardierend erscheinende Haltung Baumgartens ist aber n u n nicht g l e i c h z u s e t z e n m i t einer A b l e h n u n g der n e u e n literarischen Bestrebungen. Im Gegenteil, dieser T h e o l o g e erweist sich bei näherem Z u s e h e n als überraschend o f f e n für die a n h e b e n d e d e u t s c h e Literaturbewegung S 7 . A u c h als sein Bruder A l e x a n d e r G o t t l i e b , der Begründer der Ä s t h e t i k , nach Frankfurt/Oder gegangen war, b e h i e l t u n d p f l e g t e S. J . Baumgarten d e n K o n t a k t m i t der Gruppe jüngerer Literaten, die m a n die „Erste Hallische D i c h t e r s c h u l e " genannt h a t 5 8 . Die aus ihrem Kreise herausgegebene moralische W o c h e n s c h r i f t 5 9 begleitet er regelmäßig mit w o h l w o l l e n d e n , j a überaus freundschaftlich gehaltenen A n z e i g e n in seinen „ N a c h r i c h t e n " 6 0 . Wenn er e i n e n v o n i h n e n bei literarischen F e h d e n ungerecht b e h a n d e l t w e i ß , gibt er Hilfestellung, einmal gegen d e n j u n g e n Lessing 6 1 , u n d kann auch seinerseits m i t d e m Beistand ihrer scharfen Federn rechnen, w e n n er selbst angegriffen w i r d 6 2 . N a c h seinem T o d e erscheint dann in ihrer Wochen-

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Ganz anders als noch sein eigener Vater Jacob Baumgarten, der seinerzeit an der engherzigen Verschlossenheit des hallischen Pietismus gegenüber der weltlichen Poesie teilhatte (S. W. Kawerau: Culturbilder II Aus Halles Litteraturleben, S. 57f.). S. J . Baumgarten distanziert sich ausdrücklich von dieser religiösen Ängstlichkeit und betont, daß „Gott kein Feind dieser Art des sinnlichen Vergnügens der Menschen sei", da er ja in der biblischen Offenbarung selbst die poetische Schreibart gebraucht habe (Vorrede zu S. G. Lange: Oden Davids I, 1746, S. 13 nicht pag.). " F. J . Schneider: Das geistige Leben von Halle, S. 137 (vgl. H. Hettner: Literaturgeschichte des 18. Jahrhunderts III, 2, S. 88ff.). Die bedeutendsten Vertreter der Gruppe waren Samuel Gotthold Lange (1711—1781), ein Sohn des alten Widersachers Baumgartens, Enmanuel Jakob Pyra (1715—1744) und der auch als Theoretiker fungierende Philosoph Georg Friedrich Meier (1718—1777), ein enger Schüler beider Baumgarten (s. seine theologische Dissertation s. u. Bibliographie Nr. 222). " Sie erschien nacheinander unter verschiedenen Titeln: Der Gesellige; Der Mensch; Das Reich der Natur und der Sitten; Der Glückselige. W. Martens vermerkt in seinem großen Werk über diese für die neue Richtung typische Literaturform diese von S. G. Lange und G. F. Meier herausgegebene Wochenschrift als das einzige Beispiel einer so langen und kontinuierlichen Zusammenarbeit (Die Botschaft der Tugend, S. 120). 60 So z.B. Nachr. hall. Bibl. 3, 1749, S. 281; 4, 1749, 465f.; 5, 1750, 548 u. ö. 41 Lessing hatte S. G. Lange wegen dessen Horazübersetzung heftig und mit ehrenrührigen Unterstellungen angegriffen (Sämtliche Schriften, 3. Aufl., Lachmann/Muncker, Bd. 5, S. 122ff. 223ff.). Baumgarten stellt sich an Langes Seite (Nachr. merkw. Büch. 4, 1753, S. 548; 5, 1754, S. 467. 544f.), zugleich mit G. S. Nicolai, der auch bei ihm disputiert hatte (s. u. Bibliographie Nr. 258) und ein Bruder des Berliner Buchhändlers F. Nicolai war (K. Aner: Der Aufklärer Friedrich Nicolai, S. 7). 62 So verteidigt G. F. Meier Baumgarten gegen den Zinzendorfianer Johann Paul Weise (pseudonym Albinus Sincerus) mit einer anonymen Schrift; Vorläufige Antwort auf die neueste ungeschliffene Schrift eines Herrnhuters wider den Hern Doctor Baumgarten, 1747 (s. Verlagsanzeige hinten in G. F. Meier: Alexander Gottlieb Baumgartens Leben, 1763). Zu diesem Streit steuerte S. G. Lange sogar ein satirisches Epos bei: Eine wunderschöne Historie von dem gehörnten Siegfried dem Zweeten (nach J . G. Meusel, Lexikon der . . . verstorbenen . . . Schriftsteller VIII, 58). Beide Schriften waren uns unerreichbar, sie werden rezensiert in F. W. Kraft: Neue Theologische Bibliothek III, 1748, S. 133-145.

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IV. Der Ertrag der gelehrten Arbeit Baumgartens

schrift ein iiberschwenglicher u n d dankbarer Nachruf auf d e n Förderer ihrer Bestrebungen63. Bei alledem b e w a h r t sich Baumgarten aber seine unabhängige Stellung. O b w o h l er die ästhetischen Vorzüge der n e u e n t s t e h e n d e n d e u t s c h e n Literatur zu schätz e n w e i ß , verkennt er nicht den A n t e i l , d e n die freiere u n d elegantere Schreibart am A u f k o m m e n der m o d i s c h e n „Freigeisterei" h a t 6 4 . S o liegt i h m stets daran, daß die V e r b i n d u n g der Literatur m i t d e m christlichen Erbe gewahrt bleibt. S e i n e m p o e t i s c h e n Ideal scheint F. G. K l o p s t o c k am n ä c h s t e n zu k o m m e n . Für diesen w u r d e j a „Halle recht eigentlich der Ausgangspunkt seines R u h m e s " 6 5 . Baumgartens Schüler G. F. Meier hatte hier 1 7 4 9 die erste partielle Buchausgabe des „Messias" veranstaltet, u n d Baumgarten selbst m a c h t e als einer der allerersten 6 6 in seiner Zeitschrift auf die e p o c h a l e B e d e u t u n g dieses Werkes aufm e r k s a m 6 7 . Er hält es für ein „Meisterstück der D i c h t k u n s t " , das „unserm Vaterlande Ehre bringen m u ß " , nicht z u l e t z t , weil es sich v o n der Heiligen Schrift hat inspirieren lassen 6 \ G l e i c h w o h l verlangt Baumgarten prinzipiell eine saubere S c h e i d u n g z w i s c h e n poetischer u n d wissenschaftlich argumentierender Schreibart 6 9 . D a er d a v o n überzeugt ist, daß Freigeisterei letzthin ein Ergebnis wissenschaftlicher Ober63

Denkmal des wohlseligen Herrn D. Siegmund Jacob Baumgarten. In: Das Reich der Natur und der Sitten II, 1757, 67. Stück, S. 3 6 9 - 3 8 4 . Man möchte vermuten, daß G. F. Meier den eigentlichen Nachruf und S. G. Lange die beigefügte Ode verfaßt hat. Meier hat übrigens mit Semler an Baumgartens Sterbebett gestanden (s. J . S. Semler: Kurzer Entwurf . . S . 127). 64 Vorrede zu G. Burnet: Verteidigung der natürlichen und geoffenbarten Religion . . . III, 1741, S. 26f.; H. Schöffler hat an vielen Erscheinungen aufgezeigt, wie im Laufe des 18. Jahrhunderts die schöne Literatur an die Stelle der Erbauungsliteratur getreten ist (Deutscher Geist im 18. Jahrhundert, S. 7—181). 65 W. Kawerau: Culturbilder II Aus Halles Litteraturleben, S. 84. 66 Baumgartens Name hätte bei K. Kindt (Klopstock, S. 47) nicht fehlen dürfen, sondern mit an erster Stelle der Klopstock-Protagonisten genannt werden müssen; vgl. G. Kaiser: Klopstock, S. 33 Anm. 36. " Nachr. hall. Bibl. 3, 1749, S. 279f. 6 " AaO S. 279. Das Werk ist für ihn ein neuer Beweis für die Vorteile, „welche den schönen Wissenschaften aus der geoffenbarten Religion und wahren Tugend zuwachsen: indem sich kein Dichter ohne dergleichen göttlichen Gegenstand und ohne Gebrauch der in der heil. Schrift gegründeten Bilder so hoch würde haben erheben und solchen erhabenen Schwung mit demselben Glanz und Feuer unterhalten können, als in diesem Gedichte herrschet". Näher ausgeführt ist dieser Vorgang in der Vorrede zu S. G. Langes Oden Davids (I, 1746, S. 2—14 nicht pag.). Bemerkenswert ist auch, was Baumgarten hier (s. 14—20) über die Vorteile zu sagen hat, die umgekehrt der Bibelauslegung aus der Kenntnis der allgemeinen Poetik erwachsen. " Es ist deswegen eine grobe Verzeichnung, wenn F. W. Kantzenbach Baumgarten unter der Rubrik „Zeitschriftenwesen und Popularphilosophie" abhandelt (Protestantisches Christentum im Zeitalter der Aufklärung, S. 102ff.), wobei unter „Zeitschriftenwesen" die Moralischen Wochenschriften verstanden werden, an denen Baumgarten sich aber nie beteiligt hat.

Der Beitrag zur Entwicklung des historischen Denkens

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flächlichkeit sei 70 , besteht er für die schwierigen Probleme auch auf wissenschaftlich ernster und gründlicher Behandlung und zumal für die Historie auf minutiösem Quellennachweis 71 . Darin wird er nur bestärkt durch die unkritische Art, in der die sonst doch wahrhaftig „modernen" Zürcher Literaturautoritäten die Originalfassupg der englischen Welthistorie für der historischen Weisheit letzten Schluß ansehen. Deshalb halten sie die ergänzenden und kritischen Anmerkungen Baumgartens zu jenem Werke für völlig überflüssig72. Man kann sich in Zürich nicht vorstellen, wie die monumentale ausländische Geschichtsschreibung noch von einem deutschen Professor verbessert werden könnte 7 3 . Der Vorwurf unangebrachter Pedanterie verfängt aber nicht; er erübrigt sich bei nochmaliger Untersuchung der inkriminierten Einzelstellen. Diese wird — und das ist für Baumgarten besonders hilfreich — aus dem Kreise der jungen Literaturbeflissenen selbst vorgenommen, und zwar nicht im Panzergewand einer streng wissenschaftlichen Gegenschrift, sondern in Gestalt einer wohlgelungenen, spitzigen Satire 74 , die Baumgarten zum Schmunzeln bringt und einer eigenen Replik — abgesehen von einigen Betrachtungen in der Vorrede zum folgenden Band 7S — enthebt. Das durchschlagendste Argument gegen die unzulängliche Kritik der Zürcher hatte die englische Gelehrtengesellschaft selbst Baumgarten und seinen Freunden geliefert: In der seit 1747 erscheinenden zweiten Londoner Auflage 76 über70

Baumgarten beschließt die Vorrede zum VII. Band der „Welthistorie" (S. 19) mit dem Wunsch zu Gott, „daß derselbe die nützliche Kenntnis und den heilsamen Gebrauch der Geschichte in unserm Vaterlande erhalten und ausbreiten, alle redlichen Bemühungen, der zum Behuf und mit Beihülfe des Lasters und Unglaubens einreißenden Unwissenheit unserer Zeiten zu begegnen und Einhalt zu tun, in Gnaden fördern . . . wolle" (Hervorhebung von uns). 71 „Es werden sich daher hoffentlich allezeit Leser dieses Werks finden, denen es nicht gleich viel gilt, ob eine gelesene Geschichte ihre völlige wenigstens möglichste Richtigkeit und Erweislichkeit habe oder nicht, welchen mit dieser meiner Arbeit gedienet sein wird" (Welthistorie VII Vorrede, S. 13). 72 Eine scharfe Rezension zu Band V und VI der Ubersetzung der Algemeinen Welthistorie findet sich bei Johann Jakob Bodmer: Freymüthige Nachrichten Von Neuen Büchern Und Andern zur Gelehrtheit gehörigen Sachen, V. Jg., Zürich 1748, 28. Stück S. 2 4 3 - 2 4 7 . ,3 In die Rolle der Zürcher bei der Vermittlung-der englischen Literatur gibt H. Schöffler (Deutscher Geist im 18. Jahrhundert, S. 7 - 6 0 ) Einblick. 74 Verurtheilung der Baumgartischen Anmerkungen zu der Algemeinen Welthistorie, eine Erzehlung von Blocksberge. Mitgetheilt von Hans Erlenbach dem jüngeren, Subrector zu Kiphausen unweit des Blocksberges. Halle 1748. Der Verfasser dieser 96-seitigen Schrift ist G. F. Meier (nach M. Holzmann/H. Bohatta: Deutsches Pseudonymenlexikon, S. 79); durch die Wahl des Pseudonyms möchte er trotz des Streites seine Verwandtschaft mit J . J . Bodmer, der als Konrektor Erlebach auftrat (ebd), hervorheben (Meier aaO S. 3). Eine konventionelle kurze Schutzschrift verfaßte noch F. M. Mauritii: Beantwortung der Zürichischen Critik über Hrn. D. Baumgartens Anmerkungen zum fünften und sechsten Theil der algemeinen Welthistorie, Halle 1748. 75 Welthistorie VII, Vorrede, S. 6 - 1 4 . 16 Vgl. F. Borkenau-Pollak: An universal history . . . , S. 2.

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IV. Der Ertrag der gelehrten Arbeit Baumgartens

n a h m e n die Engländer voller Dank die m e i s t e n Verbesserungen, N a c h w e i s e u n d Zusätze Baumgartens u n d ä n d e r t e n nach seinen V o r s t e l l u n g e n auch die Chronologie der A l t e n G e s c h i c h t e 7 7 . A u c h w e n n m a n sich h e u t e dessen b e w u ß t sein m u ß , w e l c h e n Begrenzungen die historische Quellen- u n d Sachkritik z u dieser Zeit n o c h unterliegt, so ist d o c h die B e d e u t u n g aller B e m ü h u n g e n darum zu würdigen. D i e Forderung nach einer akribisch arbeitenden Historie, die Baumgarten erhebt u n d auch in Z e i t e n gegenläufiger G e i s t e s s t r ö m u n g e n unbeirrt u n d u n a b h ä n g i g 7 8 h o c h h ä l t , k o n n t e sich später a u s w i r k e n 7 9 . D i e z w e i t e Grundforderung, die Baumgarten für alles historische F o r s c h e n u n d Urteilen aufstellt, ist die, daß eine eindeutige u n d positive A n t w o r t auf die Frage nach der G e w i ß h e i t historischer Erkenntnis gegeben wird. Es k o m m t ihm alles darauf an, daß im Bereich der G e s c h i c h t e „völlige w e n i g s t e n s m ö g l i c h s t e Richtigkeit u n d Erweislichkeit" erreicht w i r d 8 0 . Wir h a b e n bereits gezeigt, welc h e Stellung er selbst gegenüber d e m dezidierten historischen S k e p t i z i s m u s u n d d e m A u s w e i c h e n in die reine Philosophie b e z o g e n h a t 8 1 . Er hält es für völlig hinreichend, w e n n für e i n e n kleineren Teil des historischen G e s c h e h e n s Gewißheit u n d für e i n e n größeren Teil Wahrscheinlichkeit so festgestellt wird, daß es 77 AaO S. 7 und Welthistorie VII, Vorrede, S. 16f.; auch die Baumgartensche SupplementenSammlung wurde noch 1760 auszugsweise ins Englische übersetzt (s. u. Bibliographie Nr. 191). In dem Nachruf der Moralischen Wochenschrift (s. o. Anm. 63) heißt es: „Selbst die Nation, der wir diese vortreffliche Allgemeine Welthistorie zu danken haben, so spröde sie auch sonst ist, etwas von einem Fremden, zumal von Deutschen, anzunehmen, hat die Vorzüge seiner Arbeit erkannt . . . " (S. 377). 78 Der kurze Streit mit den Zürchern über die Welthistorie gehört nicht in den Zusammenhang der großen Kontroverse zwischen Gottsched und den Schweizern (s. H. Hettner: Literaturgeschichte des 18. Jahrhunderts III, 1, S. 321—350), stehen doch die Hallenser an sich auf der Seite der Zürcher und nicht Gottscheds (s. aaO III, 2, S. 92). Ihre begeisterte Parteinahme für Klopstock paßt schlecht zu Gottscheds Abneigung gegen ihn (W. Kawerau: Culturbilder II Aus Halles Litteraturleben, S. 85). Auch widmete S. G. Lange seine Oden Davids, zu denen Baumgarten die Vorrede schrieb (s. u. Bibliographie Nr. 83), dem Zürcher Breitinger, der sie auch lobend begrüßte (H. Schöffler: Deutscher Geist im 18. Jahrhundert, S. 39). Baumgarten scheint sich vielmehr aus den Literaturkämpfen heraushalten zu wollen. Mehrfach meint er, dergleichen schade nur dem Ansehen der schönen Künste (z. B. Nachr. merkw. Büch. 6, 1754, S. 543). 79 Baumgarten steht mit seiner Forderung nicht allein, wohl aber an einer für die Theologie und durch sie für die Gesamtentwicklung entscheidenden Stelle, und er vertritt seine Sache mit besonderem Ernst. Wie E. Fueter gezeigt hat (Geschichte der neueren Historiographie, S. 371f.), war es ein besonderes Kennzeichen der deutschen Historiker der Folgezeit, daß sie als Universitätsgelehrte bessere Sprachkenntnisse hatten und Uberhaupt die gelehrte Kleinarbeit ernster nahmen, als es sonst in Europa üblich war. So war es ein Verdienst aller derer, die sich um Gründlichkeit in der Forschung mühten, daß die Geschichtsschreibung bei ihrer durch Voltaire angeregten Weiterentwicklung doch auf dem Wege der Solidität blieb oder jederzeit auf ihn zurückfinden konnte. Welthistorie VII Vorrede, S. 13. " S. o. S. 1 3 5 - 1 5 6 .

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als „moralisch gewiß" gelten kann, wobei das Nichtverifizierbare offen und nach Graden als solches ausgewiesen werden muß 8 2 . Das Bemerkenswerte hierbei ist nun das entschlossene Zugehen auf den Wahrscheinlichkeitsnachweis als die faktisch wichtigste historische Verifikationsart. Welche Tragweite dem zukommt, erhellt aus einem Vergleich mit der Auffassung des Erlanger Theologen Johann Martin Chladenius, des bedeutendsten deutschen Geschiehtstheoretikers der Zeit 83 . Dessen Anregungen wurden freilich von kaum jemandem ernsthaft aufgegriffen, sondern fielen bald der Vergessenheit anheim 84 . Erst in neuerer Zeit hat man des Chladenius Verdienste besonders auch um die Hermeneutik gewürdigt 85 . Dazu gehört vor allem die an Leibniz anknüpfende Übertragung der Theorie des Gesichtspunktes (Chladenius sagt „Sehepunkt") aus der Optik in die Hermeneutik 86 und in die Historik 87 , wodurch eine methodische Berücksichtigung des subjektiven Faktors ermöglicht wird. Hierin ist Chladenius seiner Zeit weit voraus 88 . Aber in der Frage der historischen Gewißheit nimmt er eine Position ein, die für die aufblühende Geschichtsforschung doch unbrauchbar war, ja worauf auch, wie uns scheint, hauptsächlich zurückzuführen ist, daß er so schnell vergessen wurde. Auch Chladenius hatte sich zum Ziel gesetzt, den historischen Pyrrhonismus zu bekämpfen 8 9 . Dieser zog ja aus der Überzeugung, daß in der Historie bloß Wahrscheinlichkeitsurteile möglich sind, seine skeptizistischen Konsequenzen. Darum versucht Chladenius, den Pyrrhonisten das Wasser abzugraben, indem er die Wahrscheinlichkeit möglichst weitgehend aus der Historie verbannt und alles auf die Gewißheit abstellt 90 . Baumgarten dagegen ließ, wie wir sahen, nicht 82

S. o. S. 147. 152ff. Chladenius (1710—1759) war ebenfalls Theologe, er kam aus Wittenberg, war philosophisch auch von Wolff beeinflußt; s. H. Müller: Johann Martin Chladenius, 1917. 84 S. dazu F. X. v. Wegele: Geschichte der Deutschen Historiographie . . . , S. 777 und M. Scheele: Wissen und Glaube . . S . 130f. 85 J. Wach: Das Verstehen III, S. 2 1 - 3 2 ; H. G. Gadamer: Wahrheit und Methode, S. 1 7 0 172. 86 Einleitung zur richtigen Auslegung verniinfftiger Reden und Schrifften, 1742, § 309ff. 517ff. 87 Allgemeine Geschichtswissenschaft, worinnen der Grund zu einer neuen Einsicht in allen Arten der Gelahrtheit geleget wird, 1752, Kap. II § 17; Kap. V. " S. o. Anm. 85. Über die modernen Theorien des historischen Perspektivismus s. K. Heussi: Die Krisis des Historismus, S. 56ff. Selbst bleibt Chladenius aber hinter seiner eigenen Entdeckung, deren Bedeutung ihm nicht voll bewußt war, weit zurück (s. H. Müller: Johann Martin Chladenius, S. 88 Anm. 35; R. Unger: Zur Entwicklung des Problems der historischen Objektivität bis Hegel, S. 99f.). " Ihn selbst als einen Vertreter des Pyrrhonismus anzusehen (so Koersgen: Das Bild der Reformation . . . , S. 33 Anm. 82), ist abwegig. 90 Dem ist eine ganze Schrift gewidmet: Vernünftige Gedanken von dem Wahrscheinlichen und desselben gefährlichen Mißbrauche, 1748 (= von Urban Gottlob Thorschmid veranstaltete Übersetzung von acht Coburger Gymnasialprogrammen unter dem Titel: Idolum seculi: probabilitas, 1747, s. d. Vorrede Thorschmids). 83

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IV. Der Ertrag der gelehrten Arbeit Baumgartens

nur die „überwiegende Wahrscheinlichkeit" bei dem größeren Teil des in der Historie zu Verifizierenden gelten, sondern wertete sie grundsätzlich auf, indem er den methodisch abgesicherten Wahrscheinlichkeitsurteilen „moralische Gewißheit" zusprach. Demgegenüber legt Chladenius ebenso wie Chr. Wolff 91 größten Nachdruck darauf, daß es prinzipiell keinen Weg von der Wahrscheinlichkeit zur Gewißheit gebe. Er widerspricht ausdrücklich der These, daß „die gewisse und wahrscheinliche Erkenntnis als Dinge von gleicher Art angesehen" werden, „so daß durch das Wachstum, das bei der Wahrscheinlichkeit stets zunimmt, die gewünschte Gewißheit endlich zum Vorschein käme" 9 2 , und illustriert das mit mancherlei Beispielen wie dem, daß man von der Tapferkeit von neun Soldaten nicht auf die des zehnten schließen dürfe 93 . Darum sei auch die Feststellung von verschiedenen Graden der Wahrscheinlichkeit zur Bestimmung des höchsten Grades in der Historie nutzlos 94 , denn hierbei könne doch niemals eine objektive Gewißheit gewonnen werden, sondern höchstens eine sehr unsichere subjektive. Letztere könne zwar durchaus zugegeben werden 95 , ihre Verwendung würde aber nicht nur der Historie, sondern auch anderen „ganzen Wissenschaften das Joch der Wahrscheinlichkeit auflegen", so daß wir „einen erstaunenden Verlust an denjenigen Wahrheiten leiden" würden, „in welchen uns bereits ein langer Besitz bestätiget hat" 9 6 . Wenn solcherart einmal, um von vornherein den historischen Skeptizismus unmöglich zu machen, der Wahrscheinlichkeitsnachweis aus der Geschichte ausgeschaltet wird, dann muß alles Gewicht auf den Beweis völliger Gewißheit fallen. Die späteren Ausführungen des Chladenius hierüber 97 fallen jedoch ziemlich enttäuschend aus. Den historischen Gewißheitsbeweis hält er — übrigens ebenso wie Baumgarten und vielleicht hier und anderswo abhängig von ihm 9 8 — für einen " S. o. S. 151. Chladenius spricht sehr abfällig von der verbreiteten Sehnsucht nach einer „Wissenschaft des Wahrscheinlichen" und lobt Wolff, daß er sich nicht darauf eingelassen habe (Vernünftige Gedanken von dem Wahrscheinlichen, Kap. I § 1). 92 Vernünftige Gedanken von dem Wahrscheinlichen, Kap. VIII § 2. 93 AaO § 5. 94 AaO § 7. " AaO § 6. 96 AaO § 8. 97 Allgemeine Geschichtswissenschaft, 1752, Kap. IX: „Von der Gewißheit der Geschichte; oder der historischen Erkenntnis". 98 S. o. S. 145f. R. Unger (Zur Entwicklung . . . , S. 98) schreibt, Chladenius habe sich hiermit „zu einer dem 18. Jahrhundert sonst ganz fremden prinzipiellen Einsicht" erhoben. Das übertreibt die zweifellos vorhandene Originalität des Chladenius ein wenig. Man möchte hier nicht nur an P. Bayle denken (s. o. S. 155), sondern auch eine gewisse Abhängigkeit von Baumgarten annehmen, auf den er sich in der Vorrede zur „Allgemeinen Geschichtswissenschaft" (nicht pag. Bl. b4r) selbst dankbar beruft, um die Notwendigkeit einer mit historischer Gewißheit argumentierenden theologischen Apologetik zu erhärten. Es ist schwer sich vorzustellen, daß der so stark an der Historie interessierte Chladenius Baumgartens acht Jahre zuvor (1744) begonnene Ausgabe der englischen Welthistorie nicht gekannt und die große Vorrede zum I. Band, die genau seine Sache betrifft, nicht gelesen habe. Immerhin sind in

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Beweis anderer Art als die D e m o n s t r a t i o n allgemeiner Wahrheiten o d e r Theoremata; jeder Gattung v o n Wahrheiten ist ihre eigene Art der Erkenntnis zugeordnet. S o herrscht überall, w o keine D e m o n s t r a t i o n s t a t t f i n d e t , n o c h n i c h t zwangsläufig Ungewißheit, d e n n die G e w i ß h e i t b e s t e h t n i c h t i n d e n Schlüssen, sondern darin, daß „ m a n j e d e n Satz auf die rechte Art einsiehet u n d auf d e m r e c h t e n Wege zu i h m g e l a n g t " 9 9 . Solcher Wege gibt es mehrere, u n d darum wird auch die G e w i ß h e i t der Historie auf eine ihr eigene Weise e r w i e s e n 1 0 0 . Aber w i e das g e s c h e h e n kann, wird n i c h t klar dargestellt. D i e Erörterung geht bald zu der Frage der Glaubwürdigkeit der Erzähler über 1 0 1 . Hier s t e h e n wir vor d e m selben erkenntnistheoretischen D i l e m m a , das wir bei Baumgarten b e m e r k t e n , w o es darauf a n k a m , d e n Wolff gegenüber b e h a u p t e t e n „schärfsten Begriff der G e w i ß h e i t " für die historische Erkenntnis d a r z u t u n 1 0 2 . Baumgarten half u n d begnügte sich damit, v o n solcher G e w i ß h e i t eine w e n n auch nur „äußere" ( h y p o t h e t i s c h e , n a c h f o l g e n d e ) N o t w e n d i g k e i t aussagen z u k ö n n e n , w o b e i sie aber i m m e r n o c h auf der E b e n e eines erkenntnistheoretischen Postulats v e r b l i e b 1 0 3 . G l e i c h w o h l ist Baumgarten Chladenius gegenüber i m Vorteil, d e n n er hat nie w i e dieser d e n Wahrscheinlichkeitserweis aus der G e s c h i c h t e auszuschließen oder w e nigstens zurückzudrängen v e r s u c h t 1 0 4 . Baumgarten hat ihn vielmehr zur Hauptder 1742 erschienenen Hermeneutik des Chladenius (s. o. Anm. 86) die Gedanken über historische Wahrscheinlichkeit und Gewißheit noch nicht zu finden. Was die früheren und späteren Werke des Chladenius als Eigenheit verbindet, ist die neue Theorie des „Sehepunktes", die aber bei Baumgarten nirgendwo^ anklingt. Dafür, daß Baumgarten seinerseits die geschichtstheoretischen Gedanken des Chladenius übernommen hätte, war kein Beleg zu finden. Die Bedeutung des Chladenius hat er aber wohl gesehen. 1749 spricht er von Überlegungen, Chladenius nach Halle zu holen (s. o. S. 51 Anm. 172). " Allgemeine Geschichtswissenschaft, Kap. IX § 9. 100 AaO § 4. Baumgarten schrieb schon im ersten Bande seines „Auszug der Kirchengeschichte" (I, 1743, § 1), den Chladenius nach eigenem Zeugnis (Vorrede zu Allgemeine Geschichtswissenschaft, s. o. Anm. 98) gelesen hat, der Kirchenhistoriker müsse seine Arbeit tun, „ohne andere Beweise zu erwarten, als Begebenheiten erfordern und zulassen". 101 Allgemeine Geschichtswissenschaft, Kap. IX § 16ff. Treffend sagt R. Unger (Zur Entwicklung . . . , S. 98f.): „Dabei geht freilich seine Grundkonzeption von der Besonderheit und Gleichberechtigung der historischen Gewißheit neben der demonstrativen, also mathematisch-naturwissenschaftlichen, eine Einsicht, die er offenbar ohne eigentliches Bewufitsein ihrer ungeheueren erkenntnistheoretischen Tragweite und mehr im Sinne des landläufigen unklaren Halbempirismus der damaligen Popularphilosophie ausspricht, alsbald im Detail einer an sich verdienstvollen, prinzipiell aber unergiebigen Erörterung des Verfahrens zur Ermittlung des Wahrheitsgehaltes historischer Zeugnisse unter." 102 S. o. S. 148 Anm. 245. S. o. S. 149f. 104 An dieser Stelle gibt es Unklarheiten und Widersprüche bei Chladenius. Wollte er in den „Vernünftigen Gedanken von dem Wahrscheinlichen" von 1747 (deutsch 1748) die Wahrscheinlichkeit ganz aus der Historie ausschließen, so räumt er — durch Kritik oder andere Stellungnahmen veranlaßt — in der „Allgemeinen Geschichtswissenschaft" von 1752 (Kap. X) ein, ganz so weit wolle er durchaus nicht gehen. Aber immer noch will er Wahrscheinlich-

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art der historischen Verifikation erhoben 10s . Auf die Gewinnung der „moralischen Gewißheit" in der Geschichte auf dem Annäherungswege laufen letzten Endes alle seine Erwägungen zur historischen Methode hinaus, die zur Erhebung der äußeren Wahrscheinlichkeit der Berichterstattung wie die zu dem dazugehörigen Aufweis der inneren Möglichkeit und Mutmaßlichkeit einer Begebenheit 1 0 6 . So bleibt das Nebeneinander von „Gewißheit" und „moralischer Gewißheit" in der Vorrede zur Welthistorie 107 unausgewogen. Es sieht so aus, als käme es Baumgarten vor allem auf das zweite an, die „äußerlich notwendige" Gewißheit wird in den methodischen Erörterungen nicht weiter erläutert. Nur der, dem der Aufweis der Denkmöglichkeit als philosophischer Beweis im Sinne Wolffs ausreichte, konnte so hypothetisch von strenger, notwendiger Gewißheit sprechen. Unter dem Ansturm der Faktizitätsfrage aber blieb die so geforderte Gewißheit dahingestellt und alles Interesse wandte sich in der Geschichte dem Wahrscheinlichkeitsnachweis zu. So erweist sich von den beiden der Geschichte zugewandten theologischen Zeitgenossen der Geschichtsthoretiker 108 Chladenius im Grunde doch als der treuere Schüler Wolffs, indem er bis zuletzt auf der vollen Gewißheit historischer Erkenntnis insistiert 109 . Dagegen spricht der stärker mit der Praxis der Geschichtsforschung verbundene Baumgarten zwar auch noch von einem Bereich notwendiger Gewißheit in der Historie, wagt dies aber nur auf dem Hintergrund des voll anerkannten Wahrscheinlichkeitsnachweises, der praktisch die Hauptlast zu tragen keit und Gewißheit strikt voneinander getrennt haben und letzterer so viel wie nur möglich zusprechen (vgl. ähnlich auch H. Müller aaO S. 91f.). 105 Bezeichnenderweise spricht Baumgarten in der Einleitung zum Auszug der Kirchengeschichte (I, 1743, § 1, zitiert o. S. 153 Anm. 273) nicht allgemein von historischer Gewißheit, sondern ausschließlich vom Wahrscheinlichkeitsbeweis, der „zur möglichsten moralischen Gewißheit" führt; vgl. auch o. S. 148 bei Anm. 239. 106 S. o. S. 145f. 148. " " S. o. S. 147ff. 108 Die eigene historische Forschung und Darstellung erscheint bei Chladenius neben seinen theoretischen Schriften als geringfügig, s. H. Müller aaO S. l O l f f . 109 Auch 1752 stellt Chladenius noch das Wahrscheinliche mit dem unbedingt zu meidenden Zweifelhaften auf eine Stufe (was Baumgarten ja nicht tat, s. o. S. 154 Anm. 280): „Bei der Wahrscheinlichkeit muß, wie bei dem Zweifel überhaupt, unsere Bemühung dahin gehen, daß man aus derselben heraus kommt und zur Gewißheit gelanget" (Allgemeine Geschichtswissenschaft, Kap. 10 § 13). Mit allen Mitteln müssen „wir uns von der Ungewißheit los reißen", und wo man zu nicht mehr als zu Wahrscheinlichem gelangt, muß dieses „doch nun das letzte Refiigium bleiben" (aaO § 2). Chladenius will — hierin von Wolff abweichend und ähnlich wie Baumgarten — die Historie zur Wissenschaft erheben (aaO Vorrede Kap. IX § 1. 10; Kap. X § 16. 18f.). Das konnte auf seinem Wege aber nur schwer gelingen, solange der Wahrscheinlichkeitsbeweis nicht in den Mittelpunkt gestellt wurde. Daß J . Wach Chladenius Baumgarten gegenüber eine größere Bedeutung beimißt (Das Verstehen III, S. 22 Anm. 1 in Korrektur von Bd. I, S. 17 Anm. 2 und S..27 Anm. 2), ist im Hinblick auf die spätere Hermeneutik verständlich, nicht aber, wenn man nach seiner tatsächlichen Bedeutung für die Geschichtswissenschaft fragt, die mit der Antwort auf die historische Gewißheitsfrage eng verknüpft ist.

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bekommt. Auch für Baumgarten gibt es von der Wahrscheinlichkeit aus zwar keinen bruchlosen Übergang zur notwendigen Gewißheit, sehr wohl aber den Weg zu einer hinlänglichen „moralischen Gewißheit" historischen Erkennens, eine Gewißheit, die zwar nicht automatisch aus der Wahrscheinlichkeit herausspringt, „zum Vorschein kommt" 1 1 0 , die aber dem gewissenhaften Historiker unausweichlich wird. In der Praxis der Geschichtsforschung ist sie durch nichts zu ersetzen. Die vorläufige Brauchbarkeit dieses Gewißheitsverständnisses für Baumgartens Arbeit und seine konsequentere Anwendung bei Semler, der, wovor Chladenius sich fürchtete, das Risiko des „Verlustes" traditioneller Wahrheiten auf sich nahm 111 , ja die Entwicklung der historischen Wissenschaften bis heute hat gezeigt, daß diese Weise der Gewißheitssuche über Wahrscheinlichkeitsnachweise und Annäherungsurteile auf die Dauer die zukunftsträchtigste war. Die Suche nach einer apodiktischen Gewißheit in der Geschichte trat immer weiter zurück und es siegte der pyrrhonistische Grundsatz, daß es in der kritischen Historie nur Wahrscheinlichkeitsurteile gebe 112 . Skeptizistische Konsequenzen wurden daraus aber kaum noch gezogen 113 . Diese Haltung der modernen Historik wäre undenkbar ohne den praktischen Erweis ihrer Angemessenheit durch die Geschichtsforschung und Geschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts, welche Baumgarten einen an seiner Zeitstelle wichtigen Anstoß verdanken. Auch was die Zweckbestimmtheit der Beschäftigung mit der Historie betrifft, sehen wir Baumgarten behutsam eine Richtung einschlagen, die von dem bisher meistens beschrittenen Wege früher oder später abweichen mußte. Zunächst ist freilich festzustellen, daß Baumgarten als Kind seiner Zeit hierbei vor allem nach der „Nutzbarkeit der Geschichte" fragt und diese breit erörtert 114 : Die Geschichte bereitet 1. ein „belustigendes Vergnügen"; sie gewährt 2. einen allgemein för110

S. o. bei Anm. 92. S. o. bei Anm. 96. 112 Zu diesem Ergebnis kam bald nach Baumgarten Chr. A. Crusius; gleichzeitig mit der noch gegen den Wahrscheinlichkeitsbeweis gerichteten Schrift des Chladenius erschien sein: Weg zur Gewißheit und Zuverläßigkeit der menschlichen Erkenntnifi, 1747, darin heifit es: „Was aber die in derselben (seil. Historie) vorkommenden Beweise anlanget, . . . so ist offenbar, dafi kein anderer als der Weg der Wahrscheinlichkeit dabei möglich sei" (§ 605). Als Grundsatz der modernen Geschichtswissenschaft stellt E. Troeltsch fest, „daß es auf historischem Gebiet nur Wahrscheinlichkeitsurteile gibt, von sehr verschiedenen Graden der Wahrscheinlichkeit, vom höchsten bis zum geringsten, und daß jeder Uberlieferung gegenüber daher erst der Grad der Wahrscheinlichkeit abgemessen werden müsse, der ihr zukommt" (Über historische und dogmatische Methode in der Theologie, Ges. Sehr. II, 731). 113 Der Wissenschaftscharakter der mit Annäherungswerten arbeitenden Geschichte ist im 19. Jahrhundert noch gelegentlich von naturwissenschaftlichem Denken aus angezweifelt worden, gilt aber heute als unbestritten (s. H. Mommsen: Art. Historische Methode. In: Das Fischer Lexikon, Bd. 24, Geschichte, 1961, S. 78ff.). 114 Zum Folgenden s. Welthistorie I, 1744, Vorrede, S. 22—34; auch Auszug der Kirchengeschichte I, 1743, S. 5 - 1 2 . 1,1

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IV. Der Ertrag der gelehrten Arbeit Baumgartens

derlichen Anteil am Leben der menschlichen Gesellschaft vor und neben uns; sie befördert 3. „die sowohl allgemeine als besondere, einem jeden für seine Umstände und Lebensart nötige Klugheit"; sie befördert 4. die Tugend durch positive und negative Beispiele und überhaupt durch den Anblick menschlicher Vergänglichkeit und Begrenztheit; sie führt 5. den Menschen zu besserer Erkenntnis und Verehrung Gottes, worin der größte Nutzen besteht, und ist schließlich 6. allen übrigen Arten der Gelehrsamkeit unentbehrlich. Baumgarten hat hiermit Anteil an den Nützlichkeitserwägungen, die die Aufklärung wie überall, so auch bei ihrer Beschäftigung mit der Geschichte zugrunde legte. Die Historie war im 18. Jahrhundert noch nicht zu sich selbst gekommen, sie wurde noch nicht um ihrer selbst willen betrieben 115 . Die Methode, der man sich dabei bediente, war die der pragmatischen Geschichtsschreibung. Diese will nicht bloß Fakten sammeln, sondern vor allem den durch vornehmlich individuelle Entscheidungen 116 bestimmten Kausalzusammenhang der Ereignisse deutlich machen, so daß dann daraus allgemeine Lehren für die Gegenwart aufgezeigt werden können. Der Pragmatismus besteht also nicht in kausaler Geschichtserklärung allein, auch nicht bloß in dem Bestreben, nützliche allgemeine Wahrheiten aus der Historie abzuleiten 117 , sondern in einer charakteristischen Verbindung von beidem. Baumgarten bringt diese Methode folgendermaßen auf ihren Begriff: „Zur zusammenhängenden Beschaffenheit einer Nachricht gehört teils, daß nicht nur einzele Umstände und Begebenheiten von einerlei und ähnlicher Art oder entfernter Verbindung, sondern ein ganzer Umfang zusammengehöriger Begebenheiten erzählet, teils die Reihe und Folge der zugleich und nacheinander geschehenen Begebenheiten bemerkt, teils die Verbindung derselben, folglich die Veranlassungen, Ursachen, Absichten und Folgen einzeler Begebenheiten, wie eine aus der andern oder mehrem entstanden, aufgesucht werden: als wodurch eine Nachricht zur Herleitung allgemeiner Wahrheiten aus einzeln Fällen bequem, das ist pragmatisch, gemacht wird." 1 1 8 115

E. Troeltsch urteilt: „Wenn man die Aufklärung unhistorisch nennt, so kann das nur heißen, daß sie die Geschichte nicht um ihrer selbst willen, sondern um der aus ihr zu entnehmenden Beweise oder Angriffsmittel, um ihrer politischen und moralischen Lehren willen betrieb." (Art. Aufklärung. In: RE, 3. Aufl., Bd. 2, S. 231, 3 9 - 4 2 ) 116 Selbst Montesquieu, der auch physische Faktoren wie Klima und Bodenbeschaffenheit zuerst mit in Rechnung stellte, ordnete sie doch den geistigen — Personen und Institutionen — unter (s. E. Cassirer: Die Philosophie der Aufklärung, S. 285ff.). 117 Baumgarten bemerkt einmal, daß „bloßes Moralisieren" nicht nur der Hl. Schrift kein Genüge tun, sondern auch „zur pragmatischen Kenntnis und Anwendung anderer Geschichte nicht hinreichen würde" (Vorrede zu J. Saurín: Betrachtungen über die Wichtigsten Begebenheiten . . . , 1745, S. 32 Anm. 37). 118 Auszug der Kirchengeschichte I, 1743, S. 4; s. auch Welthistorie I, 1744, Vorrede, S. 9: „Da aber alle Begebenheiten auf und neben einander folgen, und nach diesem gedoppelten Verhältnis einen unleugbaren Einfluß in einander haben, so muß dieser zwiefache Zusammenhang aufs möglichste beobachtet werden. Wodurch die Vorstellung einzeler Begebenheiten nicht nur begreiflicher, sondern auch zur Einsicht und Herleitung allgemeiner

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Es wäre zum Verständnis Baumgartens nicht viel gewonnen, wenn man diesen Pragmatismus allein aus der späteren Sicht beurteilen wollte. Zweifellos kann solche Fremdbestimmtheit der Geschichtskunde durch moralische und religiöse Zwecke heute nicht mehr als wissenschaftlich befriedigend angesehen werden 119 . Doch muß auch der Fortschritt erkannt werden, der jenen spezifisch aufklärerischen Pragmatismus von seinen Vorläufern unterscheidet. Eduard Fueter hat mit Recht darauf hingewiesen, daß die pragmatische Geschichtsausdeutung nicht eine Erfindung der Aufklärung ist; diese hat den Pragmatismus „nur ehrlicher und offener angewandt als die frühere Historiographie" 120 . Gegenüber aller unerkannten Fremdbestimmtheit der Geschichtsschreibung durch kirchliche Interessen oder humanistisch-ästhetische Gesichtspunkte ist der eingestandene und konsequente Pragmatismus der Aufklärung schon ein Schritt nach vorn. Er leitete zwar für unsere Begriffe zu naiv die geschichtlichen Ereignisse durchgehend aus dem bewußten und motivierten Handeln einzelner ab, um daraus dann Lehren zu ziehen, blieb damit aber im Vergleich zu früherer Geschichtsschreibung schon viel näher an der Wirklichkeit und vergewaltigte die Quellen nicht mehr, sondern weniger 121 . So kann man denn auch bei den bedeutenderen Vertretern der Aufklärungshistorie die Tendenz wahrnehmen, die Einseitigkeiten einer exzessiven Anwendung der pragmatischen Methode zu vermeiden, ja diese selbst immer mehr zu überwinden 122 . Wahrheiten, Vorschriften und Ratschläge brauchbarer wird: indem die Veranlassungen, Ursachen, Absichten und Folgen, oder das ganze Triebwerk der Begebenheiten daraus am leichtesten abzunehmen." Hier ist auch zu sehen, wie Baumgarten die monokausale Geschichtserklärung zu vermeiden trachtet. Die Baumgartensche Bestimmung des Pragmatischen stimmt weithin mit der überein, die W. Dilthey gegeben hat: Die Merkmale dieser Geschichtsschreibung sind „die Richtung auf die Kausalerkenntnis, die Anerkennung der Individuen als der einzigen wahren, d. h. empirisch nachweisbaren Ursachen, und die Betrachtung dieser Individuen nicht aus dem Gesichtspunkt von unbewußt in ihnen wirksamen Kräften, sondern von Absicht, Plan, kurz von verstandesmäßiger Tätigkeit, welche vornehmlich im eigenen Interesse gegründet ist . . . Sie ist auf den Nutzen gerichtet, und sie sucht diesen in der Belehrung des Lesers über die Beweggründe der handelnden Personen, der Parteien, der religiösen Schulen oder der Massen, die unter ihrer Einwirkung stehen. Sie will den Leser .nicht bloß gelehrt, sondern auch weise' machen" (Das -achtzehnte Jahrhundert und die geschichtliche Welt, Ges. Sehr. III, S. 265f.). 119 R. Koselleck hat dargetan, wie in der Neuzeit die Historie ihren Zweck, unmittelbar auf das Leben einzuwirken, schrittweise eingebüßt hat, bis hin zur Gegenwart, in der sich der wachsende Aktualitätsrückstand aufgrund allgemeiner Akzeleration so auswirkt, daß die Geschichte nicht mehr lehren kann, wie zu handeln sei, sondern höchstens noch, wie zu reagieren (Historia magistra vitae. Uber die Auflösung des Topos im Horizont neuzeitlich bewegter Geschichte bes. S. 210. 212). 120 E. Fueter: Geschichte der neueren Historiographie, S. 342. 111 E. Fueter hebt überhaupt hervor: „Die Aufklärer haben nicht mehr, sondern weniger unhistorisch gedacht als ihre bedeutendsten Vorgänger, die Renaissancehistoriker" (aaO S. 340). AaO S. 343. Zu Montesquieu s. F. Meinecke: Die Entstehung des Historismus, S. 138f. 145. 160.

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IV. Der Ertrag der gelehrten Arbeit Baumgartens

Diese Tendenz kann man bei Baumgarten in der Tat deutlich erkennen. Einerseits polemisiert er gegen die übertriebenen Ansprüche von journalistisch vorgehenden Geschichtsschreibern, die aufgrund der durch den Pragmatismus ermöglichten Einsicht ein allgemeines Beurteilungs- und Richteramt wahrnehmen wollen 123 . Andererseits tut er alles, um selbst der Uberwucherung der Geschichtsschreibung durch moralisierende und andere „Anwendungen" und „Ratschläge" zu wehren. Seine eigenen historischen Arbeiten zeugen in dieser Beziehung sämtlich von einer bemerkenswerten Abstinenz 124 . Und über historische Bücher, in denen die gefällige Betrachtung allgemeiner Wahrheiten so ausufert, daß die Geschichtstatsachen darunter zu verschwinden oder verändert zu werden drohen und vom Leser nur erraten werden können, urteilt er hart: , J e mehr und leichter sich diese vermeinte pragmatische oder philosophische Ausschweifung der Geschichtsschreiber mit dem Witz und Feuer des Dichtergeistes vermischet, je größere Gefahr läuft die Geschichte unter den Händen solcher Schriftsteller, in Romanen verwandelt zu werden" 1 2 5 . Der Pragmatismus, den Baumgarten meint, entschlägt sich aller solcher Mittel. Der historische Schriftsteller soll die Leser „mehr durch Sachen als durch Worte in einer bewunderungsvollen Aufmerksamkeit zu erhalten suchen" 126 . Die Tatsachen und ihr Zusammenhang sollen also selber zum Sprechen gebracht werden. Der Geschichtsschreiber soll allein durch seine in der Sache begründete Darstellung dem Leser ermöglichen, seine eigenen Schlüsse zu ziehen. Die Historiker sollen „ihre Leser nicht mit angestellten Betrachtungen und eingeschärften Lehren überhäufen, sondern dieselbe ihrer eigenen Entdeckung überlassen; ihnen aber doch so merkliche Bestimmungsgründe und Reizungen dazu vorlegen, daß dieselbe bei mäßiger Aufmerksamkeit und Nachdenken nicht leicht unterbleiben könne, ja sogar unvermerkt erfolge" 127 . 113 Baumgarten meint, daß es „billig zum allgemeinen Gelächter gereichen würde, wenn ein Geschichtsschreiber bürgerlicher Händel und gemeiner Wesen, unter dem Vorwande, die pragmatische Erzählung der Geschichte berechtige und verpflichte ihn zur Beurteilung derselben, vorgeben wollte, er verwalte das Richteramt über alle öffentlichen Begebenheiten" (Welthistorie VII, Vorrede, S. 11 Anm. 8). 124 Sogar bei seinen Aufsatzfolgen im Intelligenzblatt (Wöchentliche Hallische Anzeigen), die für eine interessierte breitere Öffentlichkeit bestimmt sind, hält sich Baumgarten mit „Anwendungen" sehr zurück. Solche fehlen z. B. in der Abhandlung „Von den Freiheiten der Kirche von Frankreich" (1752) völlig; in der „Untersuchung des Übertritts der Königin Anna, König Jacobs I in England Gemalin, zur römischen Kirche" (1755) beschränken sie sich auf eine kurze Schlußbemerkung, in der die Berechtigung der Wachsamkeit gegenüber Konversionen in protestantischen Fürstenhäusern festgestellt wird (Wöch. Hall. Anz. 1755, Nr. XLVIII, Sp. 802f.). Vorrede zu D. Franck: Alt- und Neues Mecklenburg I, 1753, S. 18. 126 Nachr. hall. Bibl. 6, 1750, S. 545. 1,7 Welthistorie I, 1744, Vorrede, S. 9 Anm. 5. In der späteren Vorrede zu D. Franck (s. o. Anm. 125 aaO) noch etwas zurückhaltender: Geschichtsschreiber haben die Aufgabe, den Lesem „Begebenheiten so umständlich und zusammenhängend vorzutragen, daß sie entweder von selbst oder durch unvermerkte Beihülfe auf fruchtbare Betrachtungen allgemeiner Wahrheiten, unbekannte Erfahrungen, Vorschriften und Ratschläge kommen müssen".

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Wo dieserart die Belehrung des Lesers zwar noch angestrebt, aber doch immer mehr dem Historiker entzogen und den Geschehnissen selber zuerkannt wird, da befindet sich der Pragmatismus auf dem Wege der Selbstauflösung 128 . Zugleich verändert sich die Auffassung von der Zweckbestimmtheit der Historie. Baumgarten hält zwar noch an ihrem belehrenden Charakter fest, gibt aber auch einer solchen Beschäftigung mit historischen Dingen Raum, die ganz davon absieht. An erster Stelle der Arten von „Nutzbarkeit" der Historie nennt er nämlich, wie wir sahen, „die reizende Annehmlichkeit der Geschichte und das belustigende Vergnügen" an ihr 129 . Es gibt für Baumgarten eine ganz unmittelbare und allen Zwecken vorausgehende Freude an der Geschichte, die so allgemein verbreitet ist, daß selbst langjährige Geschichtsverächter sie nicht unterdrücken können, und die auch schon an Kindern, sobald ihre Gemüts- und Verstandeskräfte sich entfalten, erkennbar wird. Baumgarten schließt daraus, „daß also dies Vergnügen natürlich und den weisen Absichten des Urhebers der menschlichen Natur gemäß sein muß" 1 3 0 und also auch „pflichtmäßig" ist 131 . Dieser Freude an der Geschichte sollen und dürfen sich zwar auch die wissenschaftlichen Laien zur Unterhaltung und zum Zeitvertreib hingeben, wodurch sie unmerklich Kenntnisse erwerben, der Gelehrsamkeit näherkommen oder wenigstens Hochachtung vor ihr lernen und in der Gesittung zunehmen 1 3 2 . Aber nicht nur diese! Jede ernsthafte und hingebungsvolle Bemühung um die Geschich-

Damit ist freilich die Geltung des alten Topos „Historia magistra vitae" noch nicht erledigt, sondern vorerst in eine neue Dimension überfuhrt. Aus R. Kosellecks Aufsatz wird erkennbar, in welcher Richtung Baumgarten sich hier bewegt: „Die Geschichte als Begebenheit oder als Ereigniszusammenhang konnte — vereinfacht gesprochen — offensichtlich nicht in gleicher Weise belehren wie eine Historie als exemplarischer Bericht. Die gelehrten Grenzbestimmungen zwischen Rhetorik, Historie und Moral wurden unterlaufen und der deutsche Wortgebrauch von Geschichte gewann auf diese Weise der alten Formel neue Erfahrungsweisen ab. So bestand für Luden die Kunst darin, wenn überhaupt, die Beweislast für historische Lehren den Ereignissen selber zuzuspielen. Es kam ihm, wie er 1811 schrieb, darauf an, ,daß es eigentlich die Geschichte selbst sei, die da redet . . . Jedem bleibt überlassen, ihre Lehren zu benutzen oder zu vernachlässigen1. Die Geschichte gewann eine neue Dimension, die sich der Berichtbarkeit der Berichte entzog und in allen Aussagen über sie nicht einzufangen war." So eröffnet sich ein neuer Erfahrungsraum, „in dem die alte Historie auf ihren Anspruch, magistra vitae zu sein, verzichten muß te. Sie verlor ihn, sich selbst überlebend, an die Geschichte." (Historia magistra vitae, S. 202). Baumgarten spricht hier freilich noch nicht wie Luden und Koselleck von der „Geschichte", sondern von dem „ganze(n) Triebwerk der Begebenheiten" (Welthistorie I, 1744, Vorrede, S. 9). AaO S. 22. 130 Ebd. 131 Ebd. Der Gebrauch und die Entfaltung aller natürlichen Seelenkräfte und Fähigkeiten gehören zu den Pflichten des Menschen gegen sich selbst, s. Ausführliche Moral, § 125. 132 Welthistorie aaO, S. 23f. 33. Als einen „fragwürdigen Nutzen" (so. P. Menzer: Kants Lehre von der Entwicklung . . . , S. 241) vermag Baumgarten das keineswegs anzusehen, er meint vielmehr, daß dadurch „ein vernünftiger Umgang in menschlichen Gesellschaften sehr befördert wird" (Welthistorie aaO, S. 33 Anm. 33).

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IV. Der Ertrag der gelehrten Arbeit Baumgartens

te schließt dieses unmittelbare Vergnügen mit ein und kann ohne dieses nicht sein 133 . Denn es ist auch aller moralischer und sonstiger Nutzen der Geschichte abhängig von diesem Vergnügen, „so nicht nur ihre übrige Nutzbarkeit sehr vermehret, sondern auch selbst ein wichtiges Stück derselben ausmacht" 134 . Die Freude an der Geschichte, der „natürliche Trieb der Neugierigkeit" 135 und die daraus entstehende „Rührung der Leidenschaften" haben also — wie Baumgarten später sagt — ihren Wert „auch an sich" 136 . Für Baumgarten hat also das historische Interesse ein solches Eigenrecht erhalten, daß er das Vergnügen am Vergangenen und seiner Darstellung nicht nur als antreibendes Moment hochschätzt, sondern eben damit auch in zwar noch nicht ausdrücklicher 137 , aber doch als Tendenz erkennbarer Abkehr vom Pragmatismus und Utilitarismus auf eine weitgehende Ztveckfreiheit der Beschäftigung mit der Geschichte hinsteuert. Unter einer solchen Betrachtungsweise dringt eine Haltung gegenüber der Welt des Geschichtlichen vor, die sich bald von den speziellen moralischen und religiösen Zwecken der Geschichtsbetrachtung noch erheblich freier wissen muß, als es Baumgarten zu sein vermag. Er selbst bleibt ein bewußter Vertreter des Pragmatismus, aber eines eingeschränkten, bei dem die moralische und religiöse Belehrung strengstens am historischen Gegenstand orientiert ist, ja von diesem fast übernommen wird, und bei dem zugleich der unmittelbaren und freien Begegnung mit dem Gegenstand weiter Raum gegeben wird 138 . Und je 133 „Die Liebhaberei und Unersättlichkeit der Geschichte kann nicht leicht bei jemand von langer Dauer sein, wo sie nicht auf dem Vergnügen beruhet entweder der Erweiterung seiner Erkenntnis und höchst mannigfaltigen, dabei aber doch zusammenhängenden Vorstellungen, oder der angenehmen Rührung seiner Leidenschaften und Begierden." (AaO S. 42f.) 134 AaO S. 22. 135 AaO S. 25. „Und eben diese Wirkung macht nicht nur den sittlichen Gebrauch gedachter Geschichte angenehmer, sondern ist auch an sich als eine Art des Vergnügens anzusehen, welche selbst ohne denselben stattfindet und die übrige Belustigung, die von der Geschichtkunde zu erwarten ist, nicht wenig vermehret." (Samlung von merkwürdigen Lebensbeschreibungen I, 1754, Vorrede, S. 6f. nicht pag.) 131 Grundsätzlich rangieren ja auch die Erörterungen über das Vergnügen an der Geschichte noch unter „Nutzbarkeit", deren Sinn aber, wenn auch ein Vergnügen „an sich" darunter gefaßt werden soll, an dieser Stelle ausgehöhlt zu werden beginnt. 138 Baumgarten kommt es bei einem historischen Werk darauf an, daß — auch bei unvollkommener Darstellung — dies Doppelte gewährleistet ist: „daß es Lesern weder an Vergnügen durch Reizung und unterhaltene Rührung allerlei Arten der Leidenschaften, noch auch an Gelegenheiten zur lehrreichen Erweiterung und Verbesserung der Einsichten sowohl als richtigen Gesinnungen fehlen wird" (Welthistorie XIV, 1754, Vorrede, S. 5 nicht pag.). Hierin besteht auch die immer wieder berufene „Merkwürdigkeit" oder „Erheblichkeit" als entscheidendes Kriterium des Geschichtsinteresses überhaupt (hierüber z.B.: Samlung von merkwürdigen Lebensbeschreibungen I, 1754, Vorrede, S. 3—5 nicht pag.; J . de Ferreras: Algemeine Geschichte von Spanien I, 1754, Baumgartens Vorrede, S. 4—11). Ohne weiter in die Geschichte der Geschichtstheorie eindringen zu können, sei nur darauf hingewiesen, daß mit der so verstandenen „Merkwürdigkeit" nicht ohne weiteres mehr die beziehungslose „Kuriosität" der älteren Polyhistorie (s. E. Fueter: Geschichte der neueren Historiographie,

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mehr sich die Aufmerksamkeit von den Nutzanwendungen löst, desto mehr wendet sie sich dem Gegenstand nicht nur in Bewunderung seiner Einmaligkeit zu, sondern auch in der Erkenntnis seiner Fraglichkeit. Erst hier kann eine wirklich kritische Geschichtsauffassung erwachsen. Es läßt sich nicht sagen, daß die drei Grundeinstellungen im historischen Denken Baumgartens, welche wir herauszuheben versucht haben, seine eigene historische Arbeit durchgehend und konsequent bestimmt hätten. Sie sind teilweise, wie an einigen Stellen erkennbar wurde, auch erst im Laufe der Jahre entstanden. Noch weniger können wir erwarten, daß sie schon bei ihm zu einer auf breiter Front erneuerten, kritischen Geschichtsschreibung geführt hätten. Doch bestimmten sie als Maßstäbe zunehmend sein eigenes Urteil und das wissenschaftliche Klima in seiner Schule. Hinter seine Forderung nach Akribie konnte man nicht mehr zurückgehen, die mancherlei Skrupel, welche die Anwendung des Wahrscheinlichkeitsbeweises umgeben hatten, waren weithin abgebaut und der gewöhnliche Pragmatismus so modifiziert, daß er der freien Forschung weniger im Wege stand, zumal Baumgarten dem, der aus reiner Neugier und Freude eine historische Frage um ihrer selbst willen anging, das Gewissen entlastet hatte. Diese Maßstäbe haben sich in der Theologie ausgewirkt und durch sie auch auf das allgemeine Geschichtsbewußtsein. In diesen Zusammenhang nämlich sind nun auch die bereits angeführten Äußerungen Semlers in der Vorrede zu Ferreras nach Baumgartens Tod zu stellen, mit denen er dessen Verdienste und Zukunftsbedeutung besonders im Blick auf die historische Arbeit in der Theologie lobend herausgestellt hat 1 3 9 . Es ist allerdings nicht zu übersehen, daß es gewisse Unausgeglichenheiten zwischen jener S. 3 4 1 ) gemeint ist. — Auch die Forderung der Zeit nach „Unparteilichkeit", der Baumgarten so häufig und entschlossen beipflichtet, daß sich ein Beleg dafür erübrigt, verstellt ihm nicht den Blick für die hermeneutische Fruchtbarkeit, die u. U. ein einseitig engagiertes Zugehen auf den Gegenstand mit sich bringen kann. S o wirbt er um Verständnis für den nicht zu Unrecht der Parteilichkeit bezichtigten Chr. A. Salig (1692—1738), dessen „Vollständige Historie des Tridentischen Conciliums" er weiter besorgte (s. o. S. 118 Anm. 8 7 ) , und schreibt in der Vorrede zum II. Band ( 1 7 4 2 , S. 2 1 nicht ρ 3g.): „Überdies ist die mühsame Untersuchung alter ausgestorbener Streitigkeiten so verdrießlich und beschwerlich, daß selten j e m a n d darin sehr weit gehen wird, ohne durch einige Gemütsbewegungen und Leidenschaften aufgemuntert und unterhalten zu werden. S o sehr nun ein Geschichtschreiber durch solche aufgebrachte Hitze gehindert wird richtig zu urteilen, als welches mit kaltem Blut geschehen muß, so vorteilhaft ist doch solcher Eifer . . . , daß er über dergleichen unangenehmen Arbeit nicht so leicht ermüde, als sonst wohl bei größerer Gleichgültigkeit geschehen möchte. Was demnach dadurch der Richtigkeit der Urteile entgehet, wird öfters durch Güte und Fleiß der Untersuchungen e r s e t z t . " Vgl. hierzu die hermeneutische Einsicht des J . M. Chladenius: „ E i n e unparteiische Erzählung kann nicht soviel heißen, als eine Sache ohne allen Sehepunkt erzählen, denn das ist einmal nicht m ö g l i c h " (Allgemeine Geschichtswissenschaft, K a p . 6 § 3 3 ) ; von hier aus besteht noch ein prinzipieller Unterschied zu Baumgarten, doch erscheint er nicht mehr als unüberbrückbar. S . o. S. 1 2 5 f f .

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frühen Stellungnahme Semlers und seinen Erinnerungen in der Lebensbeschreibung von 1781/82 gibt. Spricht Semler doch später nicht mehr in dieser positiven Weise von der Förderung der Theologie durch Baumgartens historische Bemühungen, vielmehr öfters davon, daß gerade das, was in der Hermeneutik, Dogmatik und Polemik von ihm, Semler, theologisch neu erarbeitet werden mußte, durch die zu stark scientifisch-demonstrative Lehrart Baumgartens und den Mangel an kritisch-historischer Durchdringung der theologischen Probleme bei ihm eher aufgehalten worden sei 140 . Ja, in einer Hinsicht scheinen diese Äußerungen sogar in deutlichem Widerspruch zu den früheren zu stehen: daß auch die „vortreffliche Güte" der eigentlich theologischen Schriften Baumgartens gerade auf die sich in ihnen auswirkende historische Bemühung zurückzuführen sei 141 , meint Semler nun wohl nicht mehr. Wie sind diese Unterschiede im Urteil Semlers zu verstehen? Daß er über das Historische in Baumgartens theologischen Schriften in Wirklichkeit auch 1757 schon etwas kritischer dachte, als es nach jenem einen Satz darüber scheinen mag, ist sehr wahrscheinlich, obwohl er gerade hier eine Beteuerung hinzufügte („sage ich, weil ich es weiß"). Vielleicht meinte er damals nur die schon erwähnten kleineren Verbesserungen, die Baumgartens Vorlesungen im Laufe der Zeit

140 Bei seiner Magisterdisputation von 1750, in der Semler wie Baumgarten die Echtheit des C o m m a J o h a n n e u m gegen Whiston verteidigte, hatte er zwar, wie er später urteilte, noch nicht „die theologische Metaphysik von der wirklichen Historie unterscheiden" gelernt (Semler: Lebensbeschreibung I, S. 120). Aber als er 1752 in Altdorf um die A n n a h m e des Rufs nach Halle mit sich rang, war ihm die theologiegeschichtliche Relativität der Baumgartenschen „neuen scientifischen Theologie" voll b e w u ß t geworden: „ich vermissete stets die vorige große historische Reihe der vorausgegangenen Theorien und Systeme, die in der öffentlichen Welt doch auch das rechtmäßige und brauchbare Eigentum ihrer J a h r h u n d e r t e gewesen waren und keinesweges mit diesem neuen System gleich harmonierten; folglich müßte dies eine andre Sache sein und bleiben als die christliche Religion, die allen Christen . . . bleibet" (aaO S. 181). Uber die hiermit gegebenen Fragen h a t t e Semler sich wohl schon früher allerhand Gedanken gemacht (s. z . B . aaO S. 96. 108. 1 8 1 f „ vgl. o. S. 5 4 f f . Aber erst j e t z t nach dem Ruf auf einen theologischen Lehrstuhl neben Baumgarten wird ihm die Unvereinbarkeit jedes sich als zeitlos gültig gebenden Systems mit den Anforderungen einer geschichtlichen Betrachtungsweise der Theologie derart drängend b e w u ß t , daß er für dieses Dilemma, auf das er durch sein „individuelles Studieren" gestoßen ist, keine andere Lösung mehr sieht, als einen ganz „neuen Weg" zu einzuschlagen (aaO S. 182). Diese nur nach einigem Zögern angenommene Aufgabe wurde Semler nicht zuletzt auch dadurch schwer, daß er bei seinen Kollegs zunächst an die Baumgartenschen Kompendien gebunden war. Später spricht er dann o f f e n aus, worin für seine Begriffe ihre Mängel lagen: Baumgartens Hermeneutiklehrbuch entbehre fast ganz den „eigentlichen historischen kritischen Teil" (aaO S. 208; vgl. aaO II, S. 145ff., zur Textkritik auch aaO I, S. 209f. 302); in der Dogmatik sei besonders bezüglich der Schriftlehre „viel zu wenig historisch vorgearbeitet" w o r d e n (aaO I, S. 2 5 8 ; vgl. aaO II, 220); die Baumgartenschen Ausarbeitungen über die Polemik seien „mehr wissenschaftlich als historisch" (aaO I, S. 256); auch das Kirchengeschichtskolleg sei zu wenig aus den Quellen erarbeitet gewesen (aaO I, S. 302; vgl. S. 203ff. 207ff.). 141

S. o. S. 126.

Der Beitrag zur Entwicklung des historischen Denkens

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gegenüber ihren allerersten Ausfertigungen erfahren h a t t e n 1 4 2 , die i h m später aber nicht m e h r n e n n e n s w e r t erschienen. D e n n das, was Semler vor allem in Baumgartens l e t z t e n Lebensjahren, nach der Rückkehr aus A l t d o r f , als er 1 7 5 3 wieder anfing, „als Professor zu s t u d i e r e n " 1 4 3 , sich an t h e o l o g i s c h e m N e u l a n d durch historische Kritik e r k ä m p f t h a t t e , das hat er e b e n s o w i e später auch 1 7 5 7 schon n i c h t Baumgarten zugeschrieben, sondern vor allem seinen eigenen selbständigen u n d intensiven S t u d i e n 1 4 4 . S c h o n damals zielte er auf eine durch historische Arbeit ermöglichte „kritische Erkenntnis der heiligen Schrift u n d T h e o l o g i e " 1 4 5 u n d erwartete unter anderem davon auch d o g m a t i s c h N e u e s : „Wie viel neue Seiten b e k o m m t unser Lehrbegriff . . . ! " 1 4 6 . N u r eins war in dieser Vorrede freilich anders als J a h r z e h n t e später: Semler unterließ es nicht, m i t N a c h d r u c k auch auf das h i n z u w e i s e n , was Baumgarten als historischem A u t o r , Editor u n d Lehrer v o n den T h e o l o g e n d e n n d o c h zu d a n k e n war u n d n o c h lange zu d a n k e n sein würde. Gerade die „kritische Erkenntnis der heiligen Schrift u n d T h e o l o g i e " u n d die vielen Vorteile, die sich daraus ergeben, setzen, w i e Semler m e i n t e , ganz 142

S. o. S. 99. Semler: Lebensbeschreibung II, S. 10. 144 Vorsichtig, aber doch auffällig genug weist Semler schon 1757 darauf hin, daß er weithin Neues oder doch seit Melanchthon Vergessenes vorbringt (Vorrede zu Ferreras: Historie . . . VIII, S. 5. 13 nicht pag.) und auch — trotz der Bezugnahme auf Baumgarten — dafür selbst die Verantwortung übernehmen will (aaO S. 3—5 nicht pag.; vgl. o. S. 125 Anm. 121). Später beansprucht er noch offener eine weitgehende Eigenständigkeit (ζ. B. Lebensbeschreibung I, S. 182; II, S. Iff. 9f.; vgl. G. Hornig: Die Anfänge . . . , S. 26f.), freilich immer aufgrund von ausgebreiteter Lektüre. Aus ihr kennt er auch die Gewährsleute, auf die er sich als hilfreich für bestimmte Problemlösungen öfter beruft. Neben den von Hornig (aaO) für den Bereich der Schriftlehre, Hermeneutik und Textkritik genannten Namen wäre für den Bereich der Dogmatik und Polemik, besonders im Hinblick auf die historisch erarbeitete Unterscheidung der „algemeine(n) christliche(n) Lehrsätze von theologischen abwechselnden Theorien" und der damit zusammenhängenden glimpflicheren Beurteilung von Lehrunterschieden (Semler aaO I, S. 219), vor allem C. M. Pfaff zu erwähnen („unter den teutschen Theologen der einzige, dem ich manches mit Vergnügen danke", ebd, vgl. S. 257; II, S. 21), daneben aber auch G. Calixt (aaO I, S. 257; II, S. 241; vgl. J . Wallmann: Der Theologiebegriff . . . , S. 2. 69. 161) und nicht zuletzt die Semler schon früh vertraute Bibliotheca selecta des Jesuiten Possevinus (Semler aaO II, S. 24. 240ff.). Von J . F. Buddeus, dessen Isagoge historico-theologica ad theologiam universam er in den Umbruchsjahren neben Pfaffs Introductio in historiamtheologiae literariam u. a. als Materialsammlung benutzte, hat Semler 1759 als Stütze fur seine Unterscheidung einzelne Aussagen über das geschichtliche Zustandekommen des überlieferten dogmatischen Systems zitiert (Historische Einleitung in Baumgartens Glaubenslehre II, S. 5 Anm. 1; S. 8 Anm. 5; vgl. dazu A. F. Stolzenburg: Die Theologie . . . , S. 400f. Anm. 151). In der späteren Lebensbeschreibung hingegen erwähnt Semler zwar auch das Werk des Buddeus, er hat sich auf ihn aber nicht mehr als einen Wegbereiter seiner neuen Auffassung des Verhältnisses von geschichtlicher Lehrausprägung und allgemeiner Glaubenserkenntnis berufen, sondern kritisiert ihn vielmehr wegen seiner durchweg orthodoxen Haltung und gerade auch wegen seiner Vermengung von Theologie und Religion (Semler: Lebensbeschreibung II, S. 21. 120). 145 Semler: Vorrede zu Ferreras: Historie . . . VIII, S. 13 nicht pag. 146 Ebd. 143

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IV. Der Ertrag der gelehrten Arbeit Baumgartens

allgemein ein kritisches Bewußtsein historischer Zusammenhänge voraus, das „fast unausbleiblich" bei den Lesern der — ja kritisch bearbeiteten — Editionen Baumgartens entstehen muß 1 4 7 , und in dieser Richtung lag auch das, was Semler von den durch Baumgarten an seine Schüler vermittelten historischen „Erkenntnisse^) und Fertigkeiten" für die Zukunft des deutschen Protestantismus erwartete 148 . Dies sind aber nun alles solche Dinge, bei denen Semler in den frühen Jahren vor Altdorf, als er wirklich Baumgartens Schüler war und auch intensiv an seiner Zeitschrift und bei verschiedenen Editionen mitarbeitete, ihm durchaus einiges zu verdanken hat. Es ist ja zu beachten, daß die mehr kritischen Äußerungen in Semlers späterer Lebensbeschreibung über Baumgarten als Historiker durchweg nicht diese frühe Zeit, sondern das ganz andere Stadium seiner ersten Professorenjahre betreffen. Ging es hier um den Ausbau der eigenen kritischen Theologie, wofür das, was in Baumgartens eigentlich theologischen Vorlesungskompendien — die Semler zu traktieren hatte — an Verarbeitung historischer Erkenntnisse vorlag, in der Tat völlig unzureichend war und kaum etwas beitragen konnte, so richtete die Vorrede von 1757 den Blick wie später nicht wieder noch einmal auf Baumgartens historische Arbeiten und auch — gleichsam indirekt — auf das, was Semler besonders in seiner früheren Zeit als Student und Hilfskraft in Baumgartens Umgebung und Bibliothek an Anregungen erfahren hatte. Dazu gehörten nicht nur bei anderen, sondern zweifelsohne auch bei Semler selbst unvermeidlich eine Erweiterung der historischen Perspektiven, ein Aufmerksamwerden auf neue, heikle Probleme und auch Verfeinerungen in methodischer Hinsicht, und bei alledem hilfreiche Einübung in technische Routine neben reicher Gelegenheit zu freier Entfaltung der eigenen historischen Interessen. Mit Blick vor allem auf solche Verdienste hat Semler 1757 Baumgartens dankbar als des Vorbilds eines im Bereich der Geschichte arbeitenden und anregenden Theologen gedacht und das Bild des anderen, scientifischen Baumgarten, der für ihn weniger wichtig war, weggeblendet. Dagegen hat er sich in der späteren Lebensbeschreibung bei der rückblickenden Schilderung seines theologischen Ringens verständlicherweise vornehmlich mit diesem letzteren Baumgarten, der ihm mit seinen Lehrbüchern im Wege stand, auseinandergesetzt, während demgegenüber die Erinnerung an die frühe Förderung durch den Geschichtsforscher und -lehrer stark verblaßte 149 . 147

AaO S. 14 nicht pag. "" AaO S. 16f. nicht pag. 149 Auch später noch spricht Semler zwar von seiner ihn zeitweise lähmenden Bewunderung für Baumgartens „historische(r) Belesenheit" (Lebensbeschreibung II, S. 8, vgl. S. 2), doch ist das, wenn man nicht an die Zeit um Semlers Dienstantritt in Halle, sondern an die früheren Jahre denkt, sicherlich nicht alles, was hier gesagt werden konnte. Denn nicht nur fühlte Semler sich anfangs dadurch offensichtlich weniger belastet als vielmehr zur eigenen Leistung ermuntert. Man muß auch bedenken, daß bei Semlers selbstbiographischer Schilderung seiner frühen Jahre in Baumgartens Haus mit der intensiven, meist historischen Arbeit in dessen

Der Beitrag zur Entwicklung des historischen Denkens

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Das Recht zu solcher Verschiebung des Urteils ist Semler nicht abzusprechen, er trifft damit auch, was die Größenordnung betrifft, das letztlich Dominierende im Verhältnis zwischen Lehrer und Schüler. Die Semlerforschung wird diese Frage weiter untersuchen können, wobei — wohl nicht ohne Berücksichtigung der bei Semler wichtigen psychologischen Komponenten — zugleich auch zu erwägen ist, ob nicht das später allgemeine Vorherrschen eines ungünstigeren Urteils über den vor allem als Wolffianer bekannten Baumgarten, wie wir es z. B. von Eichhorn kennen, dabei auch eine gewisse Rolle gespielt hat. Es ist ja in der Tat verständlich, daß die gewaltigen Durchbrüche der kritischen Historie in der Theologie nach Baumgarten dessen viel unauffälligere Verdienste um die Geschichtswissenschaft allmählich in den Schatten stellten und — bis heute weithin — vergessen ließen. Es geht uns hier auch nicht darum, Baumgartens Verdienste zu übertreiben und etwa Semlers neue Theologie als direkt verursacht durch eine frühe Form von historisch-kritischer Theologie bei Baumgarten hinzustellen. Doch als wichtig für eine gerechte Beurteilung Baumgartens selbst und für eine Beschreibung der wirklichen Ausgangslage seiner Nachfolger, speziell auch Semlers, erscheint uns, daß nicht dessen späterer Bericht über die Schwierigkeiten, in die er mit Baumgartens historisch unzureichender Systematik gekommen war, den tatsächlichen Beitrag Baumgartens zur Entwicklung des historischen Denkens innerhalb und außerhalb der Theologie, den Semler selbst ja schon 1757 richtig erkannte, weiterhin überdeckt. Dieser Beitrag war weniger anspruchsvoll als der Semlers und gehörte in jenem frühen Stadium auch noch weithin — wenngleich nicht ausschließlich, wie noch näher darzustellen ist — in das Vorfeld der Theologie. Aber er ist, wie schon Niemeyer und Dilthey erkannt haben 150 , für die theologische Entwicklung in Deutschland auch nicht wegzudenken. Bibliothek, an der Zeitschrift und an den Editionen (aaO I, S. 105ff.) nicht Baumgartens Arbeit, sondern Semlers eigenes Vorankommen das Thema ist. So hört man von Baumgarten selbst verhältnismäßig wenig. Er tritt wohl in Erscheinung als Auftraggeber, als „Urheber dieser Beschäftigung" (aaO S. 109, vgl. S. 117), aber man erfährt nichts Näheres über die Anregungen, die nach Semlers lobenden Worten von 1757 bei alledem doch von ihm ausgegangen sein müssen. So sagt Semler kaum etwas von Baumgartens bei den meisten Projekten doch wohl ausschlaggebender eigener Beteiligung, von dem speziellen Inhalt der Besprechungen über die Arbeit und über die dabei auftauchenden methodischen und sachlichen Probleme. So wie es nach Semlers Bericht erscheinen muß, hat Baumgarten das ihm Vorgelegte immer nur gebilligt und höchstens zu Milde bei der Kritik anderer angehalten (aaO S. 117). Aber Semler hatte in seinem Bericht ja auch mehr seinen eigenen Weg zu beschreiben. 150 A. H. Niemeyer (Art. Baumgarten, S. J. In: EuG, Bd. 8, S. 206) schreibt: „Frühzeitig hatte er (sc. Baumgarten) . . . ihn (sc. Semler) besonders auf das Feld der Geschichte hingewiesen. Gerade dies ward aber auch der Standpunkt, von welchem alles, was Semler Neues und Großes leistete, ausging, was Baumgarten gewiß schon ahnete . . . " Für letztere Annahme spricht auch ein Satz aus Baumgartens Brief vom 16. Juni 1752, in dem er Semler ein zweites Mal zur Annahme des Rufes nach Halle bewegen will und zu den Bedenken, Semler habe bislang fast nur anderes und noch zu wenig in der eigentlichen Theologie geleistet, meint: „Die Hülfsmittel der Gelehrsamkeit, die Ihnen Gott gegeben, können nicht nur zur Theol.

IV. Der Ertrag der gelehrten Arbeit Baumgartens

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2. Die weiterführenden

a) Die Inblicknahme

Tendenzen

des Christentums

in Baumgartens

als historischer

Theologie

Religion

Unsere bisherige Untersuchung hat gezeigt, daß Siegmund Jacob Baumgarten in doppeltem Sinne ein Übergangstheologe genannt werden kann. Was sein früh konzipiertes dogmatisches System betrifft, so verbindet sich in ihm die hallischpietistische Rezeption des orthodoxen Lehrgutes mit dem philosophischen Denken Christian Wolffs. Dem theologischen Thema der Vereinigung des Menschen mit Gott wird die gesamte Systematik untergeordnet. Obgleich dies wegen der Wolffschen Denkvoraussetzungen mit gewissen inneren Verschiebungen verbunden ist, verbleibt Baumgartens dogmatische Lehre im ganzen doch im Rahmen der altprotestantischen Überlieferung. Die Wölfische Philosophie hat er vom Beginn seiner Lehrtätigkeit an in Dienst genommen, um nach Jahren der Vernachlässigung der systematischen Theologie in Halle der lutherisch-pietistischen Glaubenslehre endlich festen wissenschaftlichen Halt zu geben. Damit gehört Baumgarten auch zu der Richtung des „theologischen Wolffianismus", der etwa seit 1730 in verschiedener Ausprägung weithin das Bild der lutherischen und reformierten Theologie in Deutschland und darüber hinaus bestimmte 1 5 1 . Verschiedene Äußerungen und Indizien ließen aber erkennen, daß diese pietistisch modifizierte Orthodoxie mit Wolffschem Einschlag, wie Baumgarten sie in seinen Kollegs vortrug, nicht nur seine weiterstrebenden Schüler, sondern auch ihn selbst im Laufe der Jahre immer weniger befriedigt hat. Anstatt ein dogma-

sehr vorteilhaft gebraucht, sondern auch dabei fast am stärksten genutzet werden." (Semler: Lebensbeschreibung I, S. 178). Hiernach dürfte Semlers Konzentration auf die „Historie der sogenannten Theologie" (aaO II, S. 10) zu Beginn seines Ordinariats nicht so ganz ausschließlich von der eigenen Wahl abgehangen haben, wie es nach den späteren Erinnerungen scheinen mag. Sie war nicht ohne mindestens das bewußte Einverständnis Baumgartens möglich (vgl. auch W. Dilthey: Leben Schleiermachers II, 2, S. 631). Und über die frühen Anregungen durch die Mitarbeit an der englischen Welthistorie schreibt Dilthey: „Die Unzuverlässigkeit des Buches machte neue Untersuchungen nötig, andere wurden durch strittige Fragen angeregt. Semler, Michaelis, Heilmann, eine ganze Reihe von Gelehrten erhielt so Anregung. Aber am meisten wurden seine vertrauten Schüler, die er zur Arbeit hinzuzog, gefördert. Damals schon zeigte sich der umfassende Nutzen solcher gemeinsamen Unternehmungen für die jüngere Generation. Am wichtigsten war nun die Wirkung desselben auf Semler, in welchem der dadurch geweckte historische Spürsinn sich auf die biblischen Studien wandte." (AaO S. 626, vgl. auch S. 630). Ganz neu geweckt brauchte der historische Spürsinn Semlers wohl nicht zu werden, aber gestärkt, ermuntert und dann auch vor Anfeindungen geschützt (vgl. zum letzteren Semlers Lebensbeschreibung I, S. 215f.) hat ihn Baumgarten gewiß. 151 Der bislang beste Uberblick über die Bewegung des theologischen Wolffianismus von H. Stephan (Art. Wolff, in RE, 3. Aufl., Bd. 21, S. 460ff.) bedarf einer Ergänzung hinsichtlich der Ausstrahlung auf außerdeutsches Gebiet, z. B. auf das skandinavische Luthertum, dazu vgl. R. Josefson: Andreas Knös' teologiska äskadning, S. 6ff. und die dort angegebene Literatur.

Das Christentum als historische Religion

203

tisches Lehrbuch zu veröffentlichen, richtete er in den späteren Jahren seine Aufmerksamkeit ganz überwiegend auf historische Fragen. Die durch neuerdings immer stärker historische Kritik am Christentum veränderte Situation der Apologetik und die dementsprechend umgeformte Frage der Glaubensvergewisserung machte die Arbeit auch auf diesem anderen Felde theologischer und allgemeiner Gelehrsamkeit erforderlich. Unter Anspannung aller Kräfte ging er in seinen späteren Jahren daran, durch eigene Veröffentlichungen und mit seinen Mitarbeitern veranstaltete Editionen, Übersetzungen und Literaturberichte sowie durch methodologische Überlegungen die deutsche Theologie auf breiter Front mit historischen Fragestellungen zu konfrontieren. Will man nun den speziell theologischen Ertrag des Baumgartenschen Werkes namhaft machen, also noch nicht die Wirkungsgeschichte darstellen, vielmehr seine eigene Bedeutung und den von ihm geleisteten Beitrag zur Entstehung der Ausgangsposition deqenigen in den Blick bekommen, die in der Folgezeit theologisch arbeiteten und dabei — abgesehen von anderen Strömungen in Theologie und Philosophie — mehr oder weniger stark von Baumgarten beeinflußt wurden, so muß man dreierlei in Rechnung stellen: die orthodox-pietistische Grundhaltung seiner Dogmatik, die damit verbundenen Wolffschen Elemente und die sich aus seiner Hinwendung zur Geschichte ergebenden Möglichkeiten. Was das erste betrifft, so konnten, wie wir sahen, sowohl konservative Theologen an seine Haltung anknüpfen als auch kritische gerade deswegen von ihm Abstand nehmen. Das zweite, Baumgartens Wolffianismus, hat nicht nur seine pietistischen Gegner beunruhigt und später dann auch historisch interessierte Geister wie etwa J . S. Semler und J . D. Michaelis unbefriedigt gelassen, sondern zweifellos doch manchem Hörer und Leser seiner Schriften auch neuartige Einsichten vermittelt, und dies vermutlich auch über den Kreis derer hinaus, die zur eigentlich wolffianischen scientifischen „Partei" 152 in Halle gehörten. Dabei ist in Betracht zu ziehen, daß Baumgartens Wolffianismus sich nicht allein auf das Formale beschränkte, was bis in die Predigten hallischer Kandidaten hinein nachgeahmt wurde 153 , sondern auch die theologische Auffassung selbst betraf. Es ist also auch das zum Ertrag seiner Theologie zu rechnen, was schon seit längerem, besonders aber von Knothe und Hirsch, an vorwärtsweisenden inneren Veränderungen des überlieferten Lehrbestandes bei Baumgarten herausgestellt worden ist und wir auch hinsichtlich des ursprünglich pietistischen Ansatzes bei der Vereinigung des Menschen mit Gott als Thema der Theologie

152 Vgl. J. S. Semler: Lebensbeschreibung I, 1781, S. 181f.; II, 1782, S. Iff; Α. Η. Niemeyer sagt über die Fülle der Nachschriften und ihre weitere Bekanntmachung durch den Druck: „eben daher hat im Grunde das ganze theologische Deutschland seine Vorlesungen gehört" (Die Universität Halle . . . , 1817, S. LXXXIX). 153 Α. H. Niemeyer aaO S. LXXXf.; Gegen die Auswüchse wendet sich G. F. Meier (Gedancken vom philosophischen Predigen, 1754) ebenso wie schon Baumgarten selbst (Theologische Bedencken III, 1744, S. 338ff.).

204

IV. Der Ertrag der gelehrten Arbeit Baumgartens

aufzeigen konnten: vor allem eine weitgehende Intellektualisierung, verbunden mit einer starken Anthropologisierung und verdiesseitigenden Lösung des Gottesglaubens vom Wunderglauben. Es ist durchaus damit zu rechnen, daß dieser aus der Anlehnung an die Wolffsche Philosophie herrührende „neuprotestantische" Einschlag als ein wichtiger Ertrag der Theologie Baumgartens auch seine Auswirkungen auf die nächste Generation gehabt hat, denen wir hier aber nicht weiter nachgehen können I S 4 . Der dritte Faktor, der mit der historischen Orientierung Baumgartens besonders in seinen späteren Jahren gegeben ist, bedarf unserer besonderen Aufmerksamkeit, nicht nur weil die theologiegeschichtliche Forschung bislang fast nur mit den beiden ersten gerechnet hat, sondern vor allem, weil sich hiermit Möglichkeiten für einen Weg eröffneten, auf dem die Theologie einen wirklich entscheidenden Schritt weiterkommen sollte. Ansätze hierzu hatte es in Deutschland auch in der vorwolffschen Theologie schon gegeben 155 . Aber erst im nachwolffschen Zeitalter konnte der volle Durchbruch zum Neuprotestantismus in der wissenschaftlichen Theologie erfolgen, weil zu der stark philosophisch bestimmten Emanzipation von der Orthodoxie nun eine wirksame historisch-kritische Bemühung innerhalb der Theologie trat 1 5 6 , bei welcher Semler eine führende Stellung einnahm. So selbständig dieser dabei auch vorging, es war, wie wir sahen, doch keineswegs bedeutungslos, daß er in seinen Studienjahren ein Schüler und Mitarbeiter Baumgartens gewesen war, welcher selbst die wolffianische Geschichtsfremdheit und die pietistischen Widerstände überwand, durch seine historischen Arbeiten das Blickfeld erweiterte und dabei auf methodische Strenge drang. Semler betrieb die historische Forschung in der Theologie freilich dann anders, als es Baumgarten immer noch vorhatte, nämlich nicht mehr überwiegend zum Zwecke der Befestigung der alten Lehre. Er stieß mit Hilfe der historisch-kritischen Methode auch zum Versuch einer Umformung der Theologie insgesamt vor. War aber erst einmal die Berücksichtigung der prinzipiellen Geschichtsbezogenheit des Christentums zur dringlichen theologischen Aufgabe Solche Nachwirkungen Baumgartens dürften freilich nur schwer mit Sicherheit zu identifizieren sein, weil ja immer auch Einfluß von Wolff selbst, von anderen Wolffianern oder auch von andersartigen philosophischen und theologischen Strömungen des In- und Auslandes in Frage kommt (vgl. K. Aner: Die Theologie der Lessingzeit, S. 144—201), ja sogar auch ein Wiederaufleben von älteren Meinungen. So wird ζ. B. nicht leicht zu klären sein, ob die betont antiflacianische Sündenauffassung Semlers (s. G. Hornig: Die Anfänge . . . , S. 137ff.) allein zurückzuführen ist auf das Verständnis der Bibel und der reformatorischen Theologie, auf dogmengeschichtliche Einsichten wie eine historisch gerechtere Beurteilung des Pelagius (was ihm den Vorwurf des Pelagianismus einbrachte, vgl. Semlers Vorrede zu Baumgartens Untersuchung Theologischer Streitigkeiten III, S. 14f.) oder eben auch auf die stark „optimistische" Anthropologie, wie sie im Umkreis von Leibniz und Wolff verbreitet war und auch in Baumgartens Moral vorausgesetzt zu sein scheint (s. o. S. 42; s. dazu P. Knothe: Siegmund Jakob Baumgarten . . . , S. 494, 524. 53Iff.). 155 156

Z.B. bei Buddeus und Pfaff, vgl. A. F. Stolzenburg: Vgl. K. Aner: Die Theologie . . . , S. 202ff.

Die Theologie . . . , S. 5 3 - 1 1 3 .

Das Christentum als historische Religion

205

erhoben und die sich daraus ergebenden Fragen in die Debatte einbezogen, wie Baumgarten es getan hatte 1 5 7 , so lag es auch nahe, daß die Theologie nicht bei historischer Apologetik stehenblieb, sondern allmählich auch in der positiven systematischen Aussage die Orientierung an den Resultaten der Geschichtsforschung suchte. Damit taucht die Frage noch einmal auf, ob und, wenn ja, wie die Hinwendung zur Geschichte sich auch in Baumgartens eigener Theologie zumal der späteren Jahre niedergeschlagen hat. Die Antwort hierauf muß einigermaßen enttäuschend ausfallen. Wie bereits dargelegt, ist es zu einer durchgreifenden Revision der Dogmatik bei Baumgarten nicht mehr gekommen. J a , nicht einmal die Spuren eines unfertigen Neuansatzes sind unter den nachgelassenen Materialien in der „Evangelischen Glaubenslehre" zu entdecken und auch nicht Reste von steckengebliebenen Versuchen, einzelne Lehren planmäßig umzugestalten. Es ist ζ. B. bei der Christologie nicht zu sehen, daß die historische Perspektive etwa eine veränderte Auffassung und dogmatische Wertung des historischen Jesus zur Folge gehabt hätte. Baumgarten hat es eben nicht unternommen, von seinem auf Speners und Freylinghausens Grundlagen einmal neuerrichteten Lehrgebäude abzugehen. Seine Arbeit an den historischen Themen lief vielmehr unverbunden neben den im wesentlichen unveränderten systematischen Hauptvorlesungen einher. Daß Baumgarten in seinem späteren Lebensabschnitt solcherart zweigleisig verfuhr, erklärt sich wohl zum Teil daraus, daß er bei der übergroßen Arbeitsleistung, die die neue Aufgabe erforderte, nicht die Kraft aufbrachte, an der Dogmatik größere Änderungen vorzunehmen, welche die historischen Fragen stärker berücksichtigen, teils auch wohl daraus, daß diese Problematik nur zögernd ins Bewußtsein rückte, worauf auch seine vertrauten Gespräche mit Semler in den letzten Lebensjahren hindeuten können 1 5 8 . An anderer Stelle wird immerhin erkennbar, daß Baumgarten dem historisch gerichteten Denken durchaus einen gewissen Einfluß auf das Geschick einer theologischen Disziplin einzuräumen instande war. Es handelt sich um die zur Dogmatik parallel laufende Polemik, auf deren besonders auffällige Verbesserung im Laufe seiner Vorlesungstätigkeit schon Semler hingewiesen hat 1 5 9 . Ihre überkommene Abzweckung, die interkonfessionelle Kontroverstheologie, wird — zwar nicht erst von Baumgarten, aber bei ihm doch mit besonderem Eifer — erweitert um die Auseinandersetzung mit den neuen gegen die christliche Religion gerichteten Auffassungen, zugleich wird sie flankiert durch besondere historisch-apologetische Veröffentlichungen 1 6 0 . Hinzu kommt, daß eine eigene „Geschichte der Religionsparteien" zunächst der Polemik als erster Teil voran-

157

1,0

S. S. S. S.

o. o. o. o.

S. S. S. S.

165ff. 54ff. 102ff. 99 bei Anm. 18. 158. 163f.

206

IV. Der Ertrag der gelehrten Arbeit Baumgartens

g e s t e l l t 1 6 1 u n d später dann als selbständiges Kolleg vorgetragen 1 6 2 u n d im Abriß v o n ihm v e r ö f f e n t l i c h t wird. Hiermit hat Baumgarten auch e i n e n Beitrag zur Verselbständigung der n e u e n Disziplin der K o n f e s s i o n s k u n d e geleistet, die d a n n im Rationalismus zur „vergleichenden S y m b o l i k " ausgebaut w u r d e 1 6 3 . Er geht damit über J. G. Walchs A r b e i t e n über die Religionsstreitigkeiten innerhalb u n d außerhalb der lutherischen Kirche hinaus, w e l c h e er z u den „ A b h a n d l u n g e n der p o l e m i s c h e n T h e o l o g i e , die zugleich historische Vorberichte e n t h a l t e n " 1 6 4 , rechnet; er schließt sich vielmehr an die v o r h a n d e n e n Beschreibungen aller Religionen aus der Sicht der verschiedenen konfessionellen Lager a n 1 6 5 . Es geht Baumgarten hierbei o f f e n s i c h t l i c h u m eine historische Darstellung der „Religionsparteien" oder, w i e er auch sagt, der „ g o t t e s d i e n s t l i c h e n Gesellschaften", also der Kirchen, K o n f e s s i o n e n , R e l i g i o n e n oder religiösen Gruppierungen nach ihrer G e s c h i c h t e , ihren Gestaltungen, K o n f l i k t e n u n d Lehren. Wenn auch in der „ G e s c h i c h t e der Religionsparteien" kein Z w e i f e l darüber gelassen wird, daß die lutherische Kirche u n t e r allen Parteien die rechte s e i 1 6 6 , u n d auch n o c h

So Baumgarten in der Vorrede zu seinem Abris einer Geschichte der Religionsparteien . . . , 1755, S. 3 nicht pag. Nach J . C. Bertram (Vorbericht zu Baumgartens Geschichte der Religionspartheyen, S. 22) hielt Baumgarten ein solches Polemikkolleg mit historischem Einleitungsteil schon 1734, ein Manuskript der gleichen Vorlesung erwähnt Bertram auch noch für 1736 (Vorbericht zu Baumgartens Untersuchung Theologischer Streitigkeiten I, S. 318). Zuerst also folgt Baumgarten dem Verfahren, das schon Buddeus anwandte (s. dessen Vorrede von 1724 zu J . G. Walch: Historische und Theologische Einleitung in die Religions-Streitigkeiten, Welche sonderlich außer der Evangelisch-Lutherischen Kirche entstanden, 3. Aufl., 1733). 162 S. Baumgarten in der Vorrede zu seinem Abris . . . aaO. Im Jahre 1739 hielt Baumgarten ein selbständiges Collegium haeresiologicum (s. Bertrams Vorbericht zur Geschichte der Religionspartheyen, S. 22). Später verzichtete Baumgarten auf die zu wenig umfangreiche „Benennung einer Ketzergeschichte" (Geschichte der Religionspartheyen, S. 12; vgl. dagegen die Verwendung der älteren Bezeichnung haeresiologia für die umfassenden Beschreibungen der Religionen noch bei Buddeus: Isagoge historico-theologica ad theologiam universam . . . , 1727, S. 1834) und sagte stattdessen genauer „Geschichte der Religionsparteien oder gottesdienstlichen Gesellschaften und derselben Spaltungen außer und in der Christenheit"; deren „Abris" arbeitete er selbst 1754/55 zum Druck gründlich aus (Bertram aaO). Bertram stellte schließlich hieraus, aus seiner eigenen gleichzeitigen Vorlesungsnachschrift, aus der ursprünglichen Einleitung zum Polemikkolleg in Baumgartens Heft und aus anderen Materialien die große „Geschichte der Religionspartheyen" zusammen, die Semler 1766 herausgab. 143 Vgl. F. Kattenbusch: Lehrbuch der vergleichenden Confessionskunde I, S. 49f.; E. Wolf: Ökumenische Symbolik: zur Aufgabe der Konfessionskunde heute. In Peregrinatio (I), S. 340ff., bes. 345f. 164

Geschichte der Religionspartheyen, S. 17; vgl. o. Anm. 161 u. 162. Geschichte der Religionspartheyen, S. 17f. Hier nennt er einen Großteil der Literatur, die Buddeus in seiner Isagoge (s. o. Anm. 162) als zur haeresiologia gehörig anführt. F. Kattenbusch (aaO S. 50) stellt richtig fest: „B. ist nicht indifferent gegen die ,Religionspartheyen', er nimmt im Gegenteil seinen Standpunkt so deutlich wie möglich in .unserer evangelisch-lutherischen Kirche'. Aber er behandelt alle ,Partheyen' gleich ruhig, ohne jede eigentliche Polemik, die lutherische ohne Empfehlung." Die krönende Einordnung des 1,5

Das Christentum als historische Religion

207

regelmäßig allerhand Ratschläge für die A u s e i n a n d e r s e t z u n g m i t ihren Gegnern beigefügt w e r d e n , so gehört für Baumgarten d o c h die eigentlich kontroverstheologische Erörterung grundsätzlich in die P o l e m i k , d e n „Unterricht theologischer Streitigkeiten". Die „ G e s c h i c h t e der Religionsparteien" dagegen hat als eigentliches Ziel die u m f a s s e n d e u n d m ö g l i c h s t leidenschaftslose, genaue Darstellung, die gerade als solche für die Stärkung der eigenen P o s i t i o n v o n N u t z e n sein k a n n 1 6 7 . In Hinsicht auf unsere Frage ist s o w o h l die w e i t g e h e n d e E i n b e z i e h u n g u n d differenzierende Behandlung der A t h e i s t e n , D e i s t e n u n d Freigeister s o w i e der nichtchristlichen Religionen v o n Interesse, auch die e t w a im Vergleich z u Walch n o c h tolerantere H a l t u n g 1 6 8 , vor allem aber der ernsthafte Versuch einer leidenschaftslosen Betrachtung der religiösen Gruppierungen für sich als geschichtlicher Größen. Das Ordnungsschema der ganzen Darstellung ist zwar ein s y s t e m a t i s c h e s 1 6 9 , Baumgarten versucht aber innerhalb derselben die „Religionsparteien" klar voneinander abzugrenzen u n d zugleich die g e n e t i s c h e n Zus a m m e n h ä n g e u n d die Ubergänge z w i s c h e n ihnen sichtbar zu m a c h e n 1 7 0 . Die Bemühung u m e i n e n unverstellten Blick auf die e i n z e l n e n Gruppierungen unter

Luthertums an das Ende einer Darstellung, die mit dem Atheismus beginnt, ist freilich Empfehlung genug. " 7 Geschichte der Religionspartheyen, S. 10. 13f. 168 Vgl. o. S. 117 Anm. 85 und F. Kattenbusch aaO S. 50f. 1,9 Nur fehlende Quellenkenntnis konnte K. Völker (Die Kirchengeschichtsschreibung der Aufklärung, S. 89f., vgl. dazu o. S. 20 Anm. 31) und F. W. Kantzenbach (Evangelium und Dogma, S. 80) zu der merkwürdigen Behauptung verleiten, Baumgarten sei in einer ungesichteten Materialsammlung ohne sinnvolle Ordnung steckengeblieben. Demgegenüber ist festzuhalten, daß die „Untersuchung Theologischer Streitigkeiten" (nicht „Lehrstreitigkeiten", wie Völker ungenau schon den Titel zitiert) exakt dem klaren Aufriß der Dogmatik folgt und die „Geschichte der Religionspartheyen" eine eigene wohlüberlegte Disposition erhalten hat (s. folg. Anm.), an der man eher bedenklich finden kann, daß sie den historischen Stoff immer noch zu streng einer Ordnung unterwirft, die nur zum Teil aus ihm selbst gewonnen ist. Ferner ist es unangebracht, wie Völker und Kantzenbach die Anlage von Baumgartens Polemik und Konfessionskunde an der später aufgekommenen und ganz anders ausgerichteten Dogmengeschichte zu messen. Über die Möglichkeit, eine Geschichte der christlichen Lehre, eine „Historie der Theologie" zu schreiben, war sich Baumgarten wohl im klaren (Auszug der Kirchengeschichte III, 1746,.Vorrede Bl. ):( 6v, vgl. Glaubenslehre I, S. 27). Aber so weit wagte er sich noch nicht vor. Selbst Semler leistete in den Einleitungen zu Baumgartens posthumen dogmatischen und polemischen Vorlesungen erst nur die entscheidenden Vorarbeiten dazu. Es geht also nicht an, eine Darstellung der Dogmengeschichte bereits von Baumgarten zu erwarten oder sie in seinen ganz anders angelegten Kollegs zu suchen. Diese standen ja noch ganz im Zusammenhang eines Vorlesungsbetriebes, der, was die Systematik betraf, festgelegt war auf Dogmatik, Polemik und Moral. Daß Baumgarten mit seinem Beitrag zur Verselbständigung der neuen Disziplin der Konfessionskunde nun allerdings in anderer Hinsicht weiterschreitet, haben weder Völker noch Kantzenbach bemerkt. 170 „Sie werden am füglichsten nach dem Verhältnis ihrer Entfernung vom richtigen Lehrbegriff sowohl als der Geschlechtsfolge ihres Ursprungs wie auch nac^ dem weitern und engern Umfange ihrer Ausbreitung abgehandelt" (Geschichte der Religionspartheyen, S. 20).

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IV. Der Ertrag der gelehrten Arbeit Baumgartens

Berücksichtigung ihrer inneren Entwicklung und ihres Verhältnisses zueinander ist klar historisch 1 7 1 . Von den systematischen Disziplinen hat aber nun allein die Polemik solche Verbesserung vor allem durch die Hinzufügung einer eigenen historischen Abhandlung erfahren. Die Dringlichkeit einer vergleichbaren Ergänzung auch der Dogmatik oder gar einer ernsthaften Einbeziehung der historischen Problematik in ihre Erörterungen selbst mag Baumgarten noch nicht so stark gespürt haben, solange die Resultate seiner historischen Forschung sich weiterhin durchgehend mit dem in der überlieferten Dogmatik vorausgesetzten Geschichtsbild deckten. Erst in seinen allerletzten J a h r e n scheint Baumgarten sich hier in bezug auf manche Lehren etwas unsicherer geworden zu sein 1 1 2 . War aber einmal die Geschichtsbezogenheit des christlichen Glaubens so klar erkannt worden, wie Baumgarten nicht allein bei jener Beschreibung von dessen verschiedenen kirchlichen Gestaltungen, sondern auch schon bei seinen apologetischen Bemühungen es getan hatte, indem er die drängende Frage nach den Fakten aufgriff und die Gegründetheit des christlichen Lehrbegriffs auf „Begebenh e i t e n " behauptete und auch erweisen zu können sich sicher w a r 1 7 3 , dann konnte auch die dogmatische Theologie davon auf die Dauer nicht unberührt bleiben. Es war erst Semler, der das neue Ziel deutlich vor Augen stellte: „Wie der eigentliche Glaube und die daher benannten wirklichen Teile des ganzen Gegenstandes desselben auf historische Sachen, Begebenheiten und uns in der heiligen Schrift berichtete Verhältnisse und Beschäftigungen Gottes des Vaters, Sohns und h. Geistes auf unsern Nutzen und Vorteil gehen, welche Begebenheiten sowohl als uns zugesicherte Handlungen und unsre Veränderungen in ihrer Art die einzigen und nur nach einer Beschreibung und Vorstellung eigentlich richtig und die wahren oder dem Inhalt der Schrift gleich und gemäß sind und sein können: so muß die Dogmatik folglich vornehmlich einen eigentlich historischen Beweis führen und geben, dessen gute Beschaffenheit auf der Hermeneutik und vorzüglich erwiesenen Sprachart beruhet; sonst ist das, was wir uns hievon vorstellen, weder eigentlich Glaube noch auch wirklich vornehmlich auf das Zeugnis und Nachricht der Schrift gegründet." 1 7 4 Baumgarten dagegen hält sich in seiner Dogmatik noch an die vernünftige Herleitung und ergänzt sie nicht durch den von Semler geforderten historischen Beweis, der seinen eigenen letzten Einsichten j a durchaus angemessen war. Doch alle Versuche von anderen Theologen, 171 Vgl. F. Kattenbusch (aaO, S. 50): „Es ist nicht zu leugnen, daß B. eine Vorstellung von dem relativen Verhältnisse der Konfessionen in ihrer empirischen Ausprägung und Abgrenzung besitzt, so abstrakt im einzelnen seine Maßstäbe sind." S. o. S. 57. 102f. 173 S. o. S. 156-170. 1 , 4 Einleitung zu Baumgartens Glaubenslehre III, S. 127. Vorher sagt Semler, daß die kritischhermeneutische Aufdeckung des Grundes dogmatischer Sätze viel schwerer sei, „als die so genannte Fertigkeit zu demonstrieren und aus vorausliegenden Sätzen oder Begriffen andre und ihre ganze Folge und Einfluß auf andre herzuleiten".

Das Christentum als historische Religion

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unter bewußter Beiseitesetzung der dogmatischen Tradition methodisch völlig neue Wege zu beschreiten, wie es etwa Büsching in Richtung auf eine „Biblische Theologie" hin unternahm, betrachtete er bis zuletzt mit größtem Mißtrauen 175 . Es bleibt also dabei, daß die dogmatische Gesamtleistung Baumgartens im wesentlichen auf dem mit Hilfe Wolffs einmal gewonnenen Erkenntnisstand stehenblieb. Dennoch gibt es auch im dogmatischen Denken Baumgartens Anzeichen dafür, daß der historische Nachweis der Gegründetheit der Offenbarungswahrheiten auf „Begebenheiten" an Bedeutung gewinnt. Schon die bei der eigentlichen Glaubenslehre vorausgesetzte natürliche Theologie könnte seiner Meinung nach durch Ergänzung der metaphysischen Argumente durch den verstärkten Aufweis des Handelns Gottes in der Geschichte erheblich verbessert werden, was sich auch auf das Verständnis der Vorsehungslehre günstig auswirken müßte 176 . Und in der Glaubenslehre selbst sieht es so aus, als wolle Baumgarten der rationalen Demonstration das Feld nicht allein überlassen und sie vielleicht sogar allmählich wieder leicht zurückstellen 177 . Weil es hier in der Dogmatik um die Darstellung und Begründung des „mit den biblischen Geschichten unzertrennlich verbundenen geoffenbarten Lehrbegriffs" 178 geht, gibt es „Grundwahrheiten", bei denen szienjifische Demonstrationen nicht am Platze sind, wie etwa die Lehre von der Auferstehung Christi, „diese große Begebenheit und Grundwahrheit des Glaubens" 179 , wo es vielmehr entscheidend auf die Feststellung ihrer Faktizität durch den Aufweis der Glaubwürdigkeit der historischen Zeugnisse ankommt 1 8 0 . So unterläßt Baumgarten hier jegliche Argumentation mit „natürlich bekannten Wahrheiten", sondern geht rein exegetisch vor. Dabei vermißt man freilich die freie historisch-exegetische Untersuchung der einschlägigen Texte, an dieser Stelle die eigentlich zu erwartende Erörterung der Auferstehungsberichte und einen Versuch, ihre Widersprüche zu beheben. Aber dies wird der exegetischen Theologie überlassen oder in apologetischen 181 und historischen 182 Werken besprochen. In der Glaubenslehre, wo die 175

S. o. S. 24 Anm. 46. Welthistorie I, 1744, Vorrede, S. 32; Auszug der Kirchengeschichte I, 1743, S. 6; Glaubenslehre I, S. 849. 177 S. o. S. 70f. 104. 178 S. o. S. 167 Anm. 337. 179 Vorrede zu Johann Friedrich Gutschmid: Die Wahrheit der Geschichte von der Auferstehung Jesu . . 1 7 5 3 , S. 17 nicht pag. 1.0 „Weil diese ganze Lehre von der Erniedrigung und Erhöhung Christi Begebenheiten betrifft, so kann kein anderweitiger Beweis davon geführet werden als der auf unverwerflichen Zeugnissen und untrieglichen Aussagen beruhet." (Glaubenslehre II, S. 264; vgl. Ausführliche Hermeneu tic, S. 293f.) 1.1 S. z.B. o. Anm. 179. ,M Auszug der Kirchengeschichte I, 1743, S. 216ff. Auch im 9. Band der englischen Welthistorie (1750) ist die ganze Geschichte Jesu aufgrund einer Evangelienharmonie abgehandelt und mit reichen Anmerkungen Baumgartens versehen. 174

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IV. Der Ertrag der gelehrten Arbeit Baumgartens

Auferstehung unter dem traditionellen Titel der christologischen Ständelehre abgehandelt wird, hält sich Baumgarten an die dort üblichen Belegstellen wie Phil. 2,6—11, 2. Kor. 8,9 und Hebr. 8,1 183 . Diese werden jedoch nicht mechanisch angeführt und sofort mit den üblichen Deutungen zusammengebracht, sondern eigens gründlich exegesiert mit dem Ziel, unter Berücksichtigung des Kontextes und der sprachlichen und logischen Zusammenhänge den ursprünglichen Wortsinn zu erheben. So verfährt Baumgarten auch sonst in der Dogmatik 184 . Aus der Fülle der traditionellen dicta probantia, wie sie ihm bei Freylinghausen begegneten, werden sorgfältig einige wenige ausgewählt und diese gründlich untersucht und ausgeschöpft, allerdings noch durchgehend mit einem Ergebnis, das die überlieferte Lehre stützt. So unbefriedigend dieses Verfahren aus heutiger Sicht erscheint, in der damaligen Situation der Dogmatik war es schon ein erheblicher Fortschritt in Richtung auf einen historisch verbesserten Schriftbeweis. Es ist W. Gaß weithin zuzustimmen, wenn er feststellt: „Eingehende biblisch-theologische Erörterungen treten fast zum ersten Male an die Stelle gehäufter Zitate, und obgleich Baumgarten kein starker Exeget war: so macht er doch endlich einmal Ernst mit den sachlichen Forderungen der Untersuchung" 185 . Ja, an einer einzelnen Stelle führt das Baumgartensche Verfahren auch schon zu einer sachlichen Revision der Lehre. Es handelt sich um die dogmatische Interpretation des Satzes von der Höllenfahrt Christi. Hier war ein Eingriff allerdings relativ unerheblich, da in der theologischen Tradition das Verständnis dieser Lehraussage bekanntlich nie ganz festgelegen hatte. Aber man sieht doch, wie Baumgarten sich von seiner frühen orthodox-lutherischen Auffassung eines realen descensus ad inferos als erstem Akt der Erhöhung 186 später gelöst hat und aufgrund der auch hier genau vor-

183

Glaubenslehre II, S. 264ff. Vgl. o. S. 61 Anm. 8 und die von Baumgarten verfaßte Dissertatio theologica de dictis scripturae sacrae probantibus, 1735, bes. § XV, XXIII. Vgl. auch L. Zscharnack: Lessing und Semler, S. 29. 185 Geschichte der Protestantischen Dogmatik III, S. 188. Uber die Wirkungen dieses Umgangs mit den dicta probantia auf Baumgartens Schüler vgl. H.-J. Kraus: Die biblische Theologie, S. 32f. 310. Das bei Gaß und anderen auftauchende Urteil freilich, daß Baumgarten kein besonders guter Exeget gewesen sei, bedarf noch genauer Prüfung am Material. Uns scheint, daß es nur zu Recht besteht, wenn man die Ergebnisse der kritischeren Folgezeit zum Vergleich heranzieht, nicht aber, wenn man von den Voraussetzungen seiner Zeit ausgeht. Unter den Vertretern einer grammatisch-logischen und zergliedernden Auslegung nimmt Baumgarten offenbar eine durchaus beachtliche Position ein, die auch Sem 1er lobend würdigt, vgl. dessen Vorrede zu Baumgartens Auslegung der beiden Briefe St. Pauli an die Corinthier, 1761. 186 S. dazu den aus dem frühen lateinischen Manuskript abgedruckten Passus: Forma est realis descensus. Tempus forte est terrae motus die paschatos. Caussa finalis 1) hostium triumphatio, 2) manifestatio victoriae et potestatis in mortuos. Incertum an sola repraesentatione sui hoc factum sit, an simul voce ad praedicandum adhibita. (Glaubenslehre II, S. 325f. Anm.) 184

Das Christentum als historische Religion

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geführten Analysen verschiedener T e x t e 1 8 7 zu einer Deutung der Höllenfahrt Christi als letztem Akt seiner Erniedrigung, als „Versetzung . . . in den Stand des Todes" gekommen ist 1 8 8 . Der dogmatische Schriftbeweis bestand also auch bei Baumgarten noch aus einer in der Regel die überlieferte Lehre stützenden Interpretation der klassischen dicta probanda, wobei allerdings eine erhebliche Verbesserung des Verfahrens in Richtung auf eine historische Exegese nicht zu übersehen ist. Daß dadurch auch eine Korrektur an der orthodoxen Lehre ermöglicht wurde, blieb Ausnahme. Aber ob nun die historische Frage nach den für den christlichen Glauben grundlegenden „Begebenheiten" an solchen Stellen ausdrücklich zur Sprache kommt oder nicht, auch ob die exegetischen Ergebnisse unseren strengeren Maßstäben standhalten oder nicht, ist von geringerer Bedeutung. Wichtiger ist die Blickrichtung, unter die die dogmatische Argumentation bei Baumgarten jetzt gerät. Grundsätzlich zielt er immer bewußter auf die historisch-exegetische Begründung der dogmatischen Sätze, wobei er voraussetzt, daß sich gerade auch die zentralen „facts" auf diese Weise erweisen lassen. Dabei ist allerdings für Baumgarten nicht stets der lückenlose historische Einzelnachweis erforderlich, da die in der Dogmatik zur Sprache kommende biblische Offenbarung weiterhin noch generell durch die Untrüglichkeit der Hl. Schrift abgesichert ist, welche freilich nach Baumgarten j a ebenfalls auf vernünftige Weise erweisbar ist. Diese uns immer wieder begegnete Vorgabe des untrüglichen Schriftzeugnisses behält in seiner Dogmatik das Feld, da j a die Göttlichkeit der Schrift und ihrer Autorität im voraus feststeht. J e d e tieferdringende historische Kritik bleibt demgegenüber zwangsläufig zurück. Die kritisch-historische Analyse steht j a bei Baumgarten noch nicht prinzipiell vor jeder dogmatischen Argumentation, so sehr er auch von der Notwendigkeit einer historischen Begründung der Glaubenslehren überzeugt ist, sondern sie folgt den überlieferten Sätzen bestenfalls nach. Über angezweifelte Wunder sagt Baumgarten einmal: „Die historische Wahrheit", also das aufgrund des bisherigen Umgangs mit der Uberlieferung als geschehen Angenommene, „bleibt so lange ausgemacht, bis das Gegenteil dargetan i s t " 1 8 9 . Solange solche auch aus der wissenschaftlichen Unfertigkeit des historischen Denkens 1 9 0 herrührenden Widerstände auf dem Wege zu einem wirklich historisch-kritischen Umgang mit der Bibel noch bestehen, kommt auch die Historie in der Dogmatik nicht zu ihrem vollen Recht. AaO S. 326ff., vgl. Ausführliche Hermeneutic, S. 305. 308. Glaubenslehre II, S. 330, vgl. hierzu auch Theologische Gutachten II, 1755, S. 2 3 5 - 4 5 4 . Baumgarten verläfit damit die übliche Auffassung der lutherischen Orthodoxie und nähert sich wieder der Hauptlinie Luthers (vgl. P. Althaus: Die christliche Wahrheit, S. 482ff.). Untersuchung Theologischer Streitigkeiten III, S. 17, vgl. o. S. 76 Anm. 105. 190 Auch J . M. Chladenius, der andere bedeutende mit den Fragen der Geschichte befafite Theologe im Einflufibereich Wolffs, unterliegt ebenderselben methodischen Begrenzung, vgl. dessen Einleitung zur richtigen Auslegung verniinfftiger Reden und Schrifften, 1742, § 427ff. und Vernünftige Gedancken von dem Wahrscheinlichen . . . , 1748, III § 9. 1,7

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IV. Der Ertrag der gelehrten Arbeit Baumgartens

So bleibt die historische Begründung der dogmatischen Sätze bei Baumgarten im ganzen nur ein Postulat. Aus der von ihm geöffneten Perspektive wird erst durch Semler eine deutlich formulierte Zielsetzung gewonnen 1 9 1 . Und auch dieser arbeitet den Ansatz einer historisch hinreichend begründeten Dogmatik nur erst versuchsweise aus 1 9 2 , da für ihn die Schaffung der dogmengeschichtlichen, exegetischen und einleitungswissenschaftlichen Grundlagen die vorerst wichtigere Aufgabe war. Diese letztere historisch-kritische Bemühung um die christliche Überlieferung erlangte nun aber auf die Dauer eine viel größere Bedeutung für die weitere theologische Entwicklung als alle bis dahin unternommenen, meist apologetisch motivierten Versuche, die dogmatischen Lehraussagen auf einen sicheren historischen Grund zu stellen. Es war Lessing, der hier Ernüchterung herbeiführte. Grundsätzlich focht er die Erwartungen an, die man auf Seiten vieler Theologen an die nicht zuletzt durch Baumgarten inaugurierte historische Begründung der orthodoxen Lehre knüpfte. Überzeugt davon, daß „zufällige Geschichtswahrheiten" nie der Beweis von „notwendigen Vernunftwahrheiten" werden können 1 9 3 , kritisiert er gegenüber dem Baumgartenschüler J . M. Goeze die Versuche, das Dogma durch „historische Exegetik" zu sichern 1 9 4 . Er fragt: „ . . . wo bleiben alle historischen Beweise für die Wahrheit der christlichen Religion? — Wo sie wollen! Wäre es denn ein großes Unglück, wenn sie endlich einmal wieder in den Winkel des Zeughauses gestellt würden, in welchem sie noch vor fünfzig Jahren standen?" 1 9 5 Lessing schreibt dies im Jahre 1778 und bezieht sich offensichtlich auf die Zeit unmittelbar vor Baumgartens Auftreten. Ob er diesen direkt gemeint hat und ob er überhaupt den apologetischen Grund von dessen Hinwendung zur Geschichte wußte, bleibt ungewiß. Sicherlich aber fallen Baumgartens Bestrebungen in seiner letzten Lebensperiode und vor allem die von ihm geförderten Werke der ausländischen historisch-exegetischen Apologetik unter Lessings Verdikt. Die von Lessing mit Nachdruck gestellte Frage jedenfalls, ob die ganze so motivierte Aufgabenstellung einer historischen Fundierung nicht nur der alten Dogmatik, sondern der Religion überhaupt der Sache der Theologie angemessen sei, machte auch dort, wo man seinen religionsphilosophischen Gedanken nicht folgte, die Fragwürdigkeit des Versuchs bewußt, auf eine historisch-apologetische Weise den ganzen Bestand der alten Dogmatik zu begründen. Auch der zweite, historische Anlauf Baumgartens, die überlieferte Lehre zu sichern, hat denn auch in der Dogmatik nicht eigentlich Schule gemacht. S. o. S. 208. Institutio ad doctrinam christianam liberaliter discendam, 1774, dazu: Versuch einer freiem theologischen Lehrart, 1777. Vgl. auch das o. S. 102 zitierte Urteil Eichhorns. 193 Ueber den Beweis des Geistes und der Kraft. In: Sämmtliche Schriften, 3. Aufl., Lachmann/Muncker, Bd. 13, S. 5. 194 Eine Duplik, aaO S. 32: „ . . . so tiefe Wunden hat die scholastische Dogmatik der Religion nie geschlagen, als die historische Exegetik ihr itzt täglich schlägt". Lessing meint hier die historisch vorgehende konservative Exegese. " s Ebd. 191

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Das Christentum als historische Religion

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Aber ohne Folgen für die Theologie blieb Baumgartens Hinwendung zur Geschichte dennoch nicht. Auch wenn die Aussichten schwanden, das eigentlich damit angestrebte Ziel, eine zusätzlich zur demonstrativischen auch noch historische Begründung der lutherisch-pietistischen Lehre zu erreichen, so blieben doch die bei dieser Anstrengung ausgelösten Impulse überaus wirksam. Die von Baumgarten in Halle eingeleitete historische Orientierung der Theologie überlebte den späteren Wegfall des ursprünglichen apologetischen Zwecks. Daß bei Baumgarten die Geschichtsbezogenheit des Christentums in den Blick gefaßt und dementsprechend die intensive und methodische historische Forschung zu einer zentralen Aufgabe der Theologie erhoben wurde, ist ein nicht verlorengegangener Ertrag der Arbeit seines letzten Lebensabschnittes. Dies macht ihn gegen seine ursprüngliche Absicht zu einem entscheidenden Wegbereiter der historisch-kritischen Theologie. Nicht alle seine Schüler haben dieses wohl wichtigste Erbe Baumgartens in seiner Bedeutung erkannt. Bis heute blieb weithin das Urteil über ihn — zustimmend oder ablehnend — auf seine konservative Dogmatik fixiert 1 9 6 . Semler aber, der den zweiten Weg Baumgartens konsequent weiterging und so zum Begründer der historisch-kritischen Theologie wurde, hat wohl recht, wenn er nach Baumgartens Tode, als er noch mehr als zeitweise vorher schon auf sich allein gestellt war, die eigentliche Zukunftsbedeutung seines Lehrers nicht so sehr in dessen Leistung als Systematiker erblickt, sondern in der durch ihn bei Schülern und Nachfahren angestoßenen Neuorientierung der protestantischen Theologie in Deutschland an der historischen Aufgabe, deren Folgen, wie Semler damals vorausschauend meinte, erst im folgenden Jahrhundert voll sichtbar würden 1 9 7 . Trotz Lessings Warnung 198 mußte aus den schon von Baumgarten benannten sachlichen Gründen, die sich aus der prinzipiellen Geschichtsbezogenheit des Christentums ergaben, dieser Weg weiter beschritten werden, der schließlich zur historisch-kritischen Theologie des 19. Jahrhunderts führte 1 9 9 .

S. o. S. 96ff. S. o. S. 1 2 7 . " * Vgl. K. Aner: Die Theologie der Lessingzeit, S. 2 2 3 : „ E r selbst tat, was er der Neologie später vorwarf: er hielt den Fortschritt auf, der innerhalb der Reformationskirche nur im Anschluß an die Schrift möglich war." Es scheint freilich nicht angebracht zu sein, die Bezeichnung „historisch-kritische Theologie" erst bei F. C. Baur, der allerdings einer ihrer bedeutendsten Vertreter ist, anzuwenden, wie K. Scholder es tut (Ursprünge und Probleme der Bibelkritik im 17. Jahrhundert, S. 171). Es ist ja nicht so, daß eine einheitliche „Epoche der rationalen Kritik" (als eine „ganz und gar unhistorische Kritik" verstanden) bis Herder reichte (aaO) und vorher weder historische Kritik am Christentum und seinen Grundlagen geübt worden wäre (was ja gerade von einem Großteil des bei Scholder behandelten Materials widerlegt wird), noch die Theologie um historische Verteidigung und kritisch-historisches Verstehen sich bemüht hätte, wie an Baumgartens Hinwendung zur Geschichte und an Semlers theologischer Arbeit zu sehen ist. Ob man hierfür den Begriff „Theologie" gebrauchen (so K. Aner: Die Theologie der Lessingzeit, S. 2 0 4 , und G. Hornig: Die Anfänge . . . , passim) oder nur von einer „zusam196

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IV. Der Ertrag der gelehrten Arbeit Baumgartens

b) Die Änderungen in der Lehre von der Heiligen Schrift Wendet sich der Blick zurück auf Baumgartens eigene theologische Auffassungen, so stellt sich noch einmal die Frage nach den tatsächlichen Fortschritten über den Altprotestantismus hinaus. Nach dem bisher Dargelegten muß die Bilanz überwiegend negativ ausfallen, auch wenn der Hinwendung zur Geschichte die nötige Aufmerksamkeit geschenkt wird. Was die einzelnen Lehren innerhalb der Dogmatik betrifft, so bleibt Baumgarten nahezu ausnahmslos bei den in der lutherischen Orthodoxie und auch im Hallischen Pietismus anerkannten Aussagen stehen. Daran ändert der gegenüber der Orthodoxie verbesserte Schriftbeweis ebensowenig wie die stets geforderte und zum Teil durchgeführte Messung der Lehrinhalte an den philosophischen Erkenntnissen der natürlichen Vernunft, da ja von vornherein die Harmonie von Vernunft und Offenbarung vorausgesetzt wird und dabei die Offenbarung den Primat behält 200 . Sowohl auf der ersten, „wolffianischen" Stufe des theologischen Denkens Baumgartens, als auch auf der zweiten, auch historisch orientierten, reichen die prinzipiellen Forderungen stets viel weiter als die tatsächlichen Folgerungen daraus für die inhaltliche Dogmatik 201 . Immer wieder ist es die generelle Vorgabe der mit göttlicher Autorität ausgestatteten untrüglichen Schrift 202 , welche die Resultate der theologischen Überlegung an der überlieferten Lehrgestalt festhält. Denn die biblische Begründung der Glaubenslehre bemüht sich zwar um eine bessere Methode, bleibt aber nach wie vor an die seit langem üblichen Hauptbelege gebunden und spiegelt vollends in ihren Ergebnissen nicht eigentlich exegetische Freiheit wider, sondern immer noch „die heimliche Dominanz der bereits feststehenden dogmatischen Lehren über das Schriftzeugnis" 203 . Die Grundsätze der orthodox-lutherischen Schriftlehre stehen noch in Kraft. Auch Baumgarten geht davon aus, däß die Bibel Gottes Wort, ihr Text nach Sachen und Worten inspiriert, in ihr ein einheitlicher Lehrbegriff enthalten und ihre Auslegung gemäß der analogia fidei vorzunehmen sei. Aber gerade im Bereich dieser Fragen ist bei Baumgarten theologisch einiges in Bewegung geraten. Bei näherem Zusehen läßt sich hier erkennen, daß Baumgar-

menhängende(n) historisch-kritischen Strömung" in der Theologie seit Semler (so E. Hirsch: Geschichte . . . V, S. 491, vgl. 518) sprechen will, ist eine Definitionsfrage. Aber kann man von „historisch-kritischer Theologie" nur sprechen, wenn sie an eine bestimmte Konzeption, Systematik oder Schule gebunden ist? Widerspricht dies nicht gerade ihrem Wesen (vgl. E. Hirsch aaO S. 559)? 200 S. o. S. 7Iff. 201 E. Hirsch (Geschichte . . . II, S. 387f.) hat darauf hingewiesen, daß Baumgarten darin größere Zurückhaltung übt als andere theologische Wolffianer. 202 Vgl. o. S. 72 bei Anm. 80. 203 G. Hornig: Die Anfänge . . . , S. 51.

Änderungen in der Lehre von der HI. Schrift

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ten doch noch mehr getan hat als seine Schüler nur auf die mit dem Christentum gegebene historische Problematik hinzuweisen und ihr methodisches Bewußtsein an der Kirchen- und Profangeschichte zu schärfen. Er hat — unbeschadet der weiter vorgetragenen orthodoxen und pietistischen Grundsätze — in die Schriftlehre und Hermeneutik seine bei der Beschäftigung mit der Historie gewonnenen Maßstäbe hereinwirken lassen und bestimmte, wenn auch oft nur geringfügige Modifikationen vorgenommen, die aber geeignet waren, die später erfolgten großen Umgestaltungen zu befördern. Es war dies ein eminent theologischer Vorgang, denn jede Änderung an der Bewertung und dem Gebrauch der Heiligen Schrift, des orthodoxen Erkenntnisprinzips der Theologie, an dessen Glaubwürdigkeit gerade in der Baumgartenschen Dogmatik die ganze Wissenschaftlichkeit hing 204 , konnte unabsehbare Folgen für das Ganze der Theologie haben. An dieser Stelle gerät die als Dogmatik in ihrer Übergangsverfassung sonst fast stagnierende Theologie Baumgartens in einen spürbaren Sog nach vorn. Als ein Anzeichen dafür, daß das bisherige Verständnis der göttlichen Autorität der Schrift nicht mehr als selbstverständlich gilt und die mit ihrT Behauptung verknüpfte Problematik ins Bewußtsein gerückt ist, war schon das Bestreben zu werten, die Vernunftgemäßheit ihres Offenbarungscharakters und ihrer Inhalte mit immer neuen Gründen darzutun 205 . Auch wird die These von der Identität von Wort Gottes und Heiliger Schrift nicht mehr als so unproblematisch angesehen wie im 17. Jahrhundert, als das Compendium locorum theologicorum Leonhard Hutters, das am weitesten verbreitete dogmatische Lehrbuch, mit den Worten beginnen konnte: Quid est Scriptura sacra? Est verbum DEI .. · 2 0 6 . Diese Gleichsetzung ist jetzt bei Baumgarten etwas, was besonderer Verteidigung und Interpretation bedarf 2 0 7 . Und in der Einleitung zur dogmatischen Schriftlehre steht nicht die Aussage, daß die Heilige Schrift das Wort Gottes sei, obenan, sondern „das Wort Gottes" ist nach Baumgartens Darstellung nur eine neben anderen „Benennungen" der Schrift 208 und genaugenommen nur in einem eingeschränkten Sinne zu gebrauchen; denn diese „Benennung der heiligen Schrift mit dem Ausdruck des Worts oder der Rede Gottes ist eine synekdochische Metonymie" 209 , also ein uneigentlicher Ausdruck, der einen engeren Begriff mit einem weiteren verknüpft 210 . Der Ausdruck „Wort Gottes" ist nämlich — abge-

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S. o. S. 72f., vgl. Glaubenslehre III, S. 4f. S. o. S. 73f. 206 L. Hutter: Compendium locorum theologicorum . . . , 1610, ed. W. Trillhaas, 1961, S. 1. 207 Vgl. Untersuchung Theologischer Streitigkeiten III, S. 161 ff. Unter den hier in Frage kommenden „Fanatici", die diese Identitätsthese bestreiten, nimmt Johann Konrad Dippel einen besonderen Rang ein (vgl. E. Hirsch: Geschichte . . . II, S. 297f.), den Baumgarten aber namentlich nicht erwähnt. 208 Glaubenslehre III, S. 5ff. 2 " AaO S. 11. 210 Vgl. Ausführliche Hermeneutic, S. 50. 205

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IV. Der Ertrag der gelehrten Arbeit Baumgartens

sehen von einer weiteren Bedeutung als mündlicher, ungeschriebener Rede Gottes etwa zu den Erzvätern — „eigentlich von engerer Bedeutung als der Ausdruck der Heiligen Schrift, indem nicht alles, was in der heiligen Schrift vorkommt, von Gott geredet worden" 2 1 1 . Hier bereitet sich deutlich die bewußte Absage an jene Identitätsthese und auch schon der Gedanke des in der Schrift enthaltenen Wortes Gottes vor, die bei Baumgartens Schülern Semler und Töllner dann ausgesprochen werden 212 . Schon Baumgarten meint gelegentlich, daß die Göttlichkeit der Schrift weniger als etwas Formales denn als etwas Inhaltliches und als solches den Menschen Beanspruchendes anzusehen ist: „Wenn wir die heilige Schrift Gottes Wort nennen, so geschieht es nie mit Absonderung von ihrem Inhalt, sondern hauptsächlich ihres Inhalts wegen. Folglich halten wir eben dasselbe Wort, das in der Schrift vorgetragen worden, für das ins Herz gepflanzte Wort, wenn es gehörig angenommen und beobachtet wird" 2 1 3 . Damit wird aber auch die orthodoxe Inspirationslehre etwas relativiert. Allerdings hält Baumgarten an der Vorstellung der Theopneustie der Bibel unbedingt fest 214 , und dies sicherlich aus innerer Überzeugung. Wurzelte er doch tief in der pietistischen Tradition, die gegenüber der Schultheologie die Heilige Schrift zu neuen Ehren bringen wollte und dabei zuweilen einer im Vergleich zur Spätorthodoxie eher noch rigoroseren Auffassung von der göttlichen Inspiration der Bibel zuneigte 215 . Etwas von dieser überhaupt in Speners Einflußbereich zu beobachtenden Grundhaltung der Schrift gegenüber 216 und nicht so sehr die Rücksicht auf die Aufpasser in Halle oder auch ein philosophisches Vorurteil 217 war es wohl, worauf auch der Widerstand Baumgartens gegen alle tieferdringende Kritik an Form und Inhalt der Bibel letzten Endes zurückzuführen ist. Diese vorsichtige Grundeinstellung Baumgartens wird zumal an seinem Verhältnis zur Textkritik erkennbar. Im Unterschied zu Johann Albrecht Bengel, dessen fromme Bibelverehrung dazu führte, die neu testamentliche Textforschung um einige Schritte voranzutreiben, blieb Baumgarten im Gefolge seiner Lehrer Jo-

2.1

Glaubenslehre III, S. 13. S. Semlers Anmerkung (19) in Baumgartens Glaubenslehre III, S. 72; vgl. G. Hornig: Die Anfänge . . . , S. 65. 73. 84ff. 190; zu Töllner s. E. Hirsch: Geschichte . . . IV, S. 39. 213 Untersuchung Theologischer Streitigkeiten III, S. 163. Unmittelbar richtet sich dieser Satz gegen die schwärmerische Meinung, die Schrift könne nicht das Wort Gottes sein, da dieses nach Jak. 1,21 in die Herzen eingepflanzt sei. 2,4 Vgl. aaO S. 133ff.; Glaubenslehre II, S. 9. 32ff. 215 Vgl. J. Wallmann: Philipp Jakob Spener . . . , S. 133ff. 2 " AaO S. 134f. In diese Richtung wirkte auch die große Autorität der pietistischen Orientalisten in Halle, vgl. J. S. Semler: Lebensbeschreibung . . . II, 1782, S. 121f. Vgl. den massiven Satz bei J. J. Breithaupt: Sacra Scriptura est verbum a Deo inspiratum . . . (Theses credendorum . . . , Editio IV., 1713, S. 229). 217 Letzteres meint M. Werner: Der protestantische Weg des Glaubens I, S. 382 und Anm. 38 (S. 953), wohl im Anschluß an K. Aner: Die Theologie der Lessingzeit, S. 2 3 1 Anm. 1. 2.2

Änderungen in der Lehre von der Hl. Schrift

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hann Heinrich und Christian Benedict Michaelis in textkritischen Fragen bis zuletzt äußerst konservativ. Nicht daß er die wissenschaftliche Arbeit am Text überhaupt abgelehnt hätte 2 1 8 . Er hat sogar einige gelehrte Arbeiten auf diesem Gebiet geliefert, auch seine Schüler zu solchen Dissertationen angeregt 219 und außerdem die einschlägige in- und ausländische Literatur bekanntgemacht 220 . Aber er hat nicht nur radikaleren textkritischen Ansichten widersprochen, er hat auch Bengels Versuch, über einen Vergleich der Lesarten zu einem inspirierten Urtext zurückzufinden 221 , als aussichtslos angesehen und sich ihm auch in manchen Einzelfragen entgegengestellt; dabei hat er sich aber mit Bengel in dem Ziel, die Untrüglichkeit der Schrift zu sichern, stets verbunden gewußt und ihn als Forscher und Ausleger hoch verehrt und öfters in nobler Weise in Schutz genommen 2 2 2 . So lange bis ihm das Gegenteil nicht völlig sicher erwiesen wird, ist es für Baumgarten der bislang allgemein anerkannte Text, von dem die dogmatische Aussage der incorrupta integritas gilt 223 . Darum hat er umstrittene Stellen wie Matth. 6,13, 1. Tim. 3,16 und 1. Joh. 5,7f. in ihrer rezipierten Form verteidigt. Vor allem mit dem die Trinität stützenden Comma Johanneum, das ja auch Bengel noch verteidigte 224 , hat er sich selbst Mühe gemacht 225 und es den jungen Semler in seiner Dissertation gegen William Whiston verteidigen

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Die Formulierung von H. Mulert (Art. Baumgarten, S. J . In: RGG, 1. Aufl., Bd. I, Sp. 957): „Biblische Textkritik ablehnend . . . " darf nicht so verstanden werden. 219 Von Baumgarten selbst: Examen variantium lectionum in epistola Iacobi obviarum, Diss. Halae 1751, Resp. H. C. Zeunert; Vindicias vocis ΘΕΟΣ in oráculo paulino 1 Tim. III. c. XVI. obviae . . . , Diss. Halae 1754, Resp. C. G. Weissig. Von Baumgartens Schülern: J . S. Semler: Vindiciae plurimum praecipuarum lectionum codicis graeci novi testamenti adversus Guilelm. Whiston Anglum atque ab eo latas leges criticas, Diss. Halae 1750; C. A. Weyland: Authentiam doxologiae Matth. VI. com. XIII. obviae a recentissimis oppugnationibus vindicatam . . . , Diss. Halae 1753. Unter den exegetischen Arbeiten Baumgartens enthält die Auslegung des Briefes Pauli an die Römer, 1749, die mit Abstand meisten, z.T. ausführlichen textkritischen Anmerkungen. 220 S. z.B. die Rezensionsgruppen in Nachr. hall. Bibl. 4, 1749, S. 1 8 9 - 2 1 9 ; Nachr. merkw. Büch. 2, 1752, S. 1 - 6 3 . 221 S. E.Hirsch: Geschichte . . . II, S. 179ff. 222 Z.B. Nachr. hall. Bibl. 4, 1749, S. 470; Nachr. merkw. Büch. 2, 1752, S. 42ff.; 3, 1753, S. 545f.; 8, 1755, S. 21. 223 Glaubenslehre III, S. 125ff. Baumgarten legt es sich folgendermaßen zurecht: Die „unverfälschte Richtigkeit" muß „von der ganzen Menge der Abschriften und einzeln Stücke zusammengenommen verstanden werden". Natürlich gibt es keine Ausgabe oder Abschrift der Bibel ohne Fehler, aber es „kann doch kein Fehler in alle Abschriften und Ausgaben auf eine ganz gleichförmige Weise kommen, ohne ebenfalls ein Wunderwerk zu einer solchen Übereinstimmung zu erfordern und vorauszusetzen. Folglich behaupten wir, daß kein Fehler, der den Verstand des Textes ändern könne, in alle Handschriften und Ausgaben gekommen sei, obgleich keine ganz von Fehlern frei geblieben." (AaO S. 128) 224 S. E. Hirsch aaO S. 181f. 225 Glaubenslehre I, S. 103. 537ff.; III, S. 792ff.; Auslegung der epistoli?chen Texte . . . I, 1754, S. 508ff.

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IV. Der Ertrag der gelehrten Arbeit Baumgartens

lassen 2 2 6 . N i r g e n d w o zeigt sich Baumgartens z ö g e r n d e 2 2 7 Haltung n e u e n , i h m n o c h nicht gesichert erscheinenden A u f f a s s u n g e n gegenüber so d e u t l i c h w i e bei einer s o l c h e n Frage. Aber in A n b e t r a c h t dieser Einstellung ist es n u n u m so b e d e u t s a m e r , daß Baumgarten, auf d e m Wege P f a f f s u n d M o s h e i m s w e i t e r s c h r e i t e n d 2 2 8 , innerhalb der Inspirationslehre d o c h recht einschneidende Ä n d e r u n g e n v o r n i m m t u n d so an d e m Prozeß ihrer allmählichen „ E r w e i c h u n g " 2 2 9 mitbeteiligt ist. Ein erstes Indiz dafür u n d auch für ein Wachsen der historischen Einsicht im L a u f e der eig e n e n , vielleicht auch an m a n c h e n P u n k t e n durch E i n f l u ß v o n Jüngeren auf ihn b e f ö r d e r t e n E n t w i c k l u n g Baumgartens ist die Tatsache, daß er die o r t h o d o x e A u f f a s s u n g v o n der Inspiriertheit der hebräischen P u n k t a t i o n n i c h t nur in Frage gestellt, sondern später auch nicht m e h r eigens verteidigt h a t 2 3 0 . S. o. Anm. 219, vgl. G. Hornig: Die Anfange . . . , S. 88 (Anm. 17). 179f. (Anm. 12). Später hat Semler sich von dieser frühen Arbeit distanziert und dem auch schon in den Anmerkungen und Vorreden zu Baumgartens Glaubenslehre Ausdruck verliehen (Glaubenslehre I, Vorrede, S. 25, im Haupttext auf S. 545ff. die Anm. (107)—(109); Einleitung zu Bd. III, S. Iff. 129f. 132ff.). Über Baumgartens letztes Urteil über das Comma Johanneum schreibt Semler: „Ich kann nicht sagen, daß Baumgarten es je gegen mich klärlich oder ausdrücklich gesagt und gestanden habe, daß diese Stelle unecht seie" (aaO III, Einleitung, S. 5), aber die in Gesprächen vorgebrachten Argumente Semlers hätten ihn offensichtlich beeindruckt und verstummen lassen (aaO S. 6). " 7 Schärfer wird man, gerade auch im Blick auf Bengels Stellung zum Comma Johanneum, wohl nicht über Baumgarten urteilen dürfen. M. Werner allerdings schreibt: „ . . . Baumgarten . . . polemisiert gegen Bengels Betrieb neu testamentlicher Studien, kämpft für das Ansehen des neutestamentlichen textus receptus, lehnt jegliches Argumentieren mit überlieferten Textvarianten ab, verteidigt das unechte ,Comma Johanneum' . . . als ein dictum classicum, kurz, er geriert sich in solchen exegetisch-historischen Fragen völlig reaktionär" (aaO, s. o. Anm. 217). Nach dem oben Dargelegten erscheint aber dieses Verdikt als übertrieben. Vgl. E. Hirsch: Geschichte . . . II, S. 345f. 362f. 377f. " * L. Diestel: Geschichte des Alten Testaments in der christlichen Kirche, S. 559, vgl. auch J . Α. H. Tittmann: Pragmatische Geschichte der Theologie und Religion . . . I, S. 186ff., wo der Auflösungsprozeß des Inspirationsgedankens nachgezeichnet wird. 530 Das geht aus einem Vergleich des in der Glaubenslehre (III, S. 138ff.) noch einmal abgedruckten Passus aus Baumgartens früher Vorlesung zu Joachim Langes Oeconomia salutis mit der stark zusammengestrichenen endgültigen Fassung (aaO S. 126f.) deutlich hervor. Für Baumgarten ist diese Frage „mehr kritisch und historisch als dogmatisch" (aaO S. 126; so auch schon 1738 in der Vorrede zu: Verteidigung . . . Auszug der von Robert Boyle gestifteten Reden I, in: Kleine teutsche Schriften I, 1743, S. 184) und wird so beantwortet, „daß ein Text unverfälscht bleiben kann, wenn demselben gleich die Unterscheidungszeichen nicht beigefüget sind" (Glaubenslehre III, S. 127). Mit Wohlwollen und guten Wünschen für die Weiterarbeit annonciert Baumgarten (Nachr. merkw. Büch. 3, 1753, S. 373) die Schrift des jungen Tübingers Heinrich Wilhelm Clemm: Theologische Untersuchung der Frage: ob die heilige Schrift dunkel und zweydeutig wäre, wann die hebräische Punkte kein göttliches Ansehen hätten? . . . , 1753. Clemm verneint diese Frage und erklärt sich für die kritische Auffassung des Cappellus (aaO S. 53f.). Es ist dies der verkürzte Vorabdruck des IV. Kapitels des im gleichen Jahr erschienenen: Versuch einer Critischen Geschichte der Hebräischen Sprache . . . Dort erwähnt Clemm in der Vorrede (S. 5 nicht pag.), daß er Baumgarten in Halle kennengelemt habe.

Änderungen in der Lehre von der Hl. Schrift

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Sodann versteht er die Unterscheidung zwischen Offenbarung und Inspiration 231 anders als Theologen des 17. Jahrhunderts. Mit der Übernahme dieser schon bei Calov und Musäus verwendeten und insbesondere von Pfaff herausgestellten Unterscheidung 232 will Baumgarten zunächst sagen, daß „die göttliche Offenbarung, was die Bücher der heiligen Schrift betrifft, von engerm Umfange ist als die Eingebung, da die ganze Schrift aus Wahrheiten und Aussprüchen, die von Gott eingegeben worden, besteht, nicht aber lauter geoffenbarte Wahrheiten und Aussprüche enthält" 2 3 3 . Das Offenbarte sind nur die den biblischen Verfassern unbekannt gewesenen Wahrheiten; dagegen die aus eigenem Wissen, aus historischen Nachrichten und aus vorher geschriebenen biblischen Büchern beigesteuerten Inhalte sind nicht offenbart, sondern allein durch die die ganze Schrift umfassende göttliche Eingebung in ihrer Untrüglichkeit abgesichert 234 . Solange Baumgarten nur so quantitativ zwischen dem Offenbarten und dem Inspirierten unterschied, bewegte er sich weiter im orthodoxen Rahmen; er hätte ihn auch nicht verlassen, wenn er den verschiedenen Modus von inspiratio und revelatio so bestimmt hätte, daß der erstere Begriff allein eine übernatürliche infusio beim Diktat und der letztere auch andere Widerfahrnisse wie Träume oder Visionen bezeichnete 235 . Aber jene nicht besonders geoffenbarten Inhalte der Schrift sind es nun, von denen aus das Verständnis der Inspiration selbst sich verändert. Vor allem an diesen Teilen des biblischen Textes wirkt sich die Beteiligung der Verfasser mit ihrem Bewußtsein und Nachdenken, mit ihrem Gebrauch der Gemütskräfte und viel Fleiß voll aus. Und zwar auch so, daß ohne Schaden „in chronologischen, geographischen und historischen Kleinigkeiten" durchaus Fehler wie Gedächtnisirrtümer und falsche Vermutungen der Verfasser vorkommen können 236 , woraus nur zu folgern wäre, „daß sich die göttliche Offenbarung nicht bis auf diese Stücke erstrecket und daß Gott ihre 231

Glaubenslehre III, S. 9. 32. S. dazu die 1745 unter Baumgarten verteidigte Dissertation von J. D. Litzmann de discrimine revelationis et inspirationis; vgl. auch die Belege bei H. Schmid: Die Dogmatik der evangelisch-lutherischen Kirche, S. 25f. Baumgarten hat die überkommene Unterscheidung auch schon 1738 in der Vorrede zu den Boyleschen Reden (S. 193, s. o. Anm. 230) gemacht, ohne daß hier aber erkennbar wird, ob er ihr schon dieselbe weitreichende Bedeutung gibt wie in der späteren Dogmatikvorlesung. 233 Glaubenslehre III, S. 32f. Die Formulierung des letzten Satzteils wäre so allgemein bei den lutherischen Dogmatikern des 17. Jahrhunderts schwer vorstellbar. Auch Musäus, der die Distinktion von inspiratio und revelatio verwendet, ordnet sie dann doch wieder dem Offenbarungsbegriff unter und unterscheidet dann revelatio late dicta und revelatio stricte dicta, womit auch Calov einverstanden ist (s. die Texte über einen diese Frage betreffenden Disput bei A. Tholuck: Der Geist der lutherischen Theologen Wittenbergs im Verlaufe des 17. Jahrhunderts, S. 422ff.). 234 Glaubenslehre III, S. 33. 235 Vgl. zu Calov und Quenstedt H. Schmid: Die Dogmatik . . . , S. 25f. Bei Baumgarten findet sich auch diese Unterscheidung (Glaubenslehre III, S. 9—11). < 234 Glaubenslehre III, S. 36. 231

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IV. Der Ertrag der gelehrten Arbeit Baumgartens

historische Erkenntnis bei seiner Eingebung so gelassen, wie er sie gefunden" 2 3 7 . Doch meint Baumgarten, genauere Untersuchung dürfte auch die Annahme von Irrtümern in solchen „Nebenstücken" überflüssig machen 238 . Der Gedanke aber, daß Gott bei seiner Inspiration auch Erkenntnisse der Verfasser in die Schrift so mit einfließen läßt, wie er sie vorgefunden hat, ist für Baumgarten grundlegend. Hier läßt er die quantitative Unterscheidung zwischen dem Offenbarten und dem Inspirierten hinter sich und verändert, da ja nach alter Auffassung auch das von der Offenbarung unterschiedene Inspirierte niemals fehlerhaft sein konnte, den Begriff der Inspiration selbst. Der Vorgang der göttlichen Inspiration besteht, wie Baumgarten betont, nicht in einem wunderhaften 2 3 9 unmittelbaren Eingießen von Worten und Gedanken oder in einem Diktat in die Feder von Schreibern — damit widerspricht er direkt der orthodoxen Lehre 240 . Die Inspiration ist vielmehr etwas, was zu der selbständigen Tätigkeit der Verfasser noch hinzukommt. Sie besteht — neben dem Antrieb zu schreiben, der auch schon mit menschlichen Beweggründen durchsetzt ist 241 — in einem allgemeinen Beistand und Bewahrung vor Irrtum und in einer Lenkung der Vorstellungskraft und Wortwahl, immer aber so, daß von den beim Verfasser vorhandenen Vorstellungen, seinen Denk- und Sprachgewohnheiten 242 so viel beibehalten wird, wie nur irgend mit dem Endzweck vereinbar ist 243 . Mochte Baumgarten auch die unmittelbare Inspiration der Sachen und Worte weiterhin behaupten, ihr altes Verständnis hat er am entscheidenden Punkt aufgegeben und umgedeutet. Aus dem Diktieren ist das „Erwecken" eines weithin eigenen Beitrags der Verfasser geworden 244 . Zu einer solchen Inspirationsauffassung passen die alten Bezeichnungen der biblischen Schriftsteller ids amanuenses, notarli oder manus nicht mehr recht. Baumgarten, der sie noch aufführt, fügt denn auch hinzu: „Welche Benennungen aber der vernünftig freien Beschaffenheit derselben nicht zum Nachteil gedeutet und verstanden werden müssen, daß sie nicht als leblose Werkzeuge angesehen werden und ihnen die Erkenntnis und eigene Wahl oder das Bewußtsein und die 231

AaO S. 37. AaO S. 37f. 239 Hier wie auch sonst schränkt Baumgarten den Wunderglauben ein, er sagt, daß „Gott darin so wenig ganz unmittelbar durch Wunderwerke gehandelt als nach seinem sowohl allgemeinen als besondern Endzweck möglich gewesen, weil es wider die Weisheit Gottes streitet, Umwege zu erwählen, wenn kürzere Wege dergleichen Absicht erreichen können" (aaO S. 35). 238

240

AaO S. 37. AaO S. 34f. 242 Hier knüpft Baumgarten an die Akkommodationsvorstellung der lutherischen Orthodoxie (vgl. G. Hornig: Die Anfänge . . . , S. 213ff.) an und hier ist offenbar auch seine eigene, darüber hinaus die Naturaussagen der Bibel betreffende Akkommodationstheorie (aaO S. 215ff., vgl. o. S. 76f. 163f.) verankert. 243 Glaubenslehre III, S. 35f.; Ausführliche Hermeneutic, S. 1 4 3 - 1 4 5 . 244 Glaubenslehre III, S. 32. 241

Änderungen in der Lehre von der Hl. Schrift

221

freie Beschäftigung bei dieser Verrichtung abgesprochen werde: indem die des Inhalts der von ihnen geschriebenen Bücher sich bewußt und kundig gewesen, ja durch eigenes Nachdenken und Überlegung unter Eingebung des heiligen Geistes dergleichen ausgefertiget und aufgezeichnet!" 245 Die Verfasser der Bibel sind für Baumgarten Menschen in vollgültigem Sinne mit eigener Aktivität und Initiative. Sie tragen auch nicht immer die anerkannten Namen, die in den Uberschriften der Bücher angegeben sind. Einige Schriften des Alten Testaments sind „nach und nach durch mehrere Verfasser aufgezeichnet worden" und in den historischen, etwa den Mosebüchern „haben ältere Nachrichten gebraucht und solchen Schriften einverleibet werden können, ohne Nachteil der göttlichen Eingebung, die mit der Offenbarung nicht verwechselt werden muß" 2 4 6 . So wird das freie Menschsein der biblischen Autoren stark betont 2 4 7 und bekommt durch das veränderte Verständnis der Inspiration eine solche Bedeutung, daß darüber die überkommene Einstufung der Apostel und Propheten als autores secundarii und causae ministeriales im Dienste Gottes, des princeps autor scripturae 248 , in bemerkenswerter Weise zurücktritt. Der „vernünftig freie" Mensch spielt für Baumgarten beim Zustandekommen der Bibel eine im Vergleich zur orthodoxen Auffassung weit beachtlichere Rolle. Hierdurch fällt auch ein neues Licht auf den von Baumgarten am Anfang seiner Schriftlehre entwickelten Gedanken, man dürfe eine Analogie sehen zwischen der Verbindung der beiden Naturen in Christus und der Verbindung von göttlichen und menschlichen Eigenschaften im „Wort Gottes" als Benennung der Schrift 249 . Hieran anschließend könnte man über Baumgartens Schriftauffassung sagen: Wie Christus der Gottmensch ist, so ist auch die Heilige Schrift gottmenschlich, jedenfalls nicht ohne weiteres allein göttlich. Die menschlichen Züge der Bibel werden also von Baumgarten deutlich gesehen und ohne Skrupel anerkannt. Mit ihnen sind mögliche Fehlerquellen gegeben. Obwohl Baumgarten freilich auch bei den historischen, naturwissenschaftlichen und anderen „Nebenstücken" keine Irrtümer zugeben möchte, schließt er sie doch nicht aus 250 , ja an dieser Stelle hat man in der Tat einmal das Gefühl, als seien seine Zweifel in Wirklichkeit größer als die Bereitschaft, sie zuzugeben. Jedenfalls nimmt er diesen ganzen Bereich biblischer Inhalte aus der Gefahren" 5 AaO S. 29. 246 AaO S. 31. Die anonymen „Conjectures" des Jean Astruc über die Quellenscheidung in Gen. und Ex. 1—2 hat Baumgarten übrigens sofort nach Erscheinen gründlich zur Kenntnis genommen und angezeigt (Nachr. merkw. Büch. 5, 1754, S. 72—77). Obgleich er die neue Theorie ablehnt, referiert er sie ziemlich genau und wohlwollend. Bei den neutestamentlichen Schriften bleibt freilich die ganz traditionell aufgefafite Apostolizität der Verfasser ausschlaggebend für die Kanonizität und Autorität der Bücher (vgl. Auslegung des Briefes Jacobi, 1750, Vorrede, S. 12. 19ff.). 247 Glaubenslehre III, S. 28. 248 AaO S. 26. 28. "» AaO S. 12 Anm. und S. 13. 2S0 S. o. bei Anm. 2 3 6 - 2 3 8 .

222

IV. Der Ertrag der gelehrten Arbeit Baumgartens

zone heraus, in die die Behauptung einer allumfassenden infallibilitas scripturae geführt hatte. War in der orthodoxen Theologie, zumal an ihrem Ende, in bezug auf die Schrift eine Irrtumslosigkeit überhaupt gelehrt worden, die sich auch auf sämtliche Nebenumstände erstreckte und damit dem soteriologischen Interesse an der biblischen Wahrheit entgegenlief 2 5 1 , so legt Baumgarten nun Wert auf eine deutliche Unterscheidung zwischen dem, was in der Schrift ihrem Endzweck, der Vereinigung des Menschen mit Gott, dient und was nicht. So sagt er bei der Bestimmung derjenigen Inhalte, denen absolute „Untrüglichk e i t " (infallibilitas) und „richterliches Ansehen" (auctoritas) zukommt: „Uberhaupt sind es alle solche theoretische und praktische Wahrheiten oder Erkenntnis- und Übungssätze, die zur Vereinigung der Menschen mit Gott, zum Genuß Gottes und zu seinem Dienst erfordert werden oder die in einem wesentlichen Verhältnis gegen den erweislichen Endzweck der heiligen Schrift stehen. Folglich müssen die philosophischen, natürlichen Wahrheiten von der Natur und Einrichtung der Körperwelt, ingleichen auch historische Dinge, die bloße Umstände erzählter Begebenheiten betreffen und nicht eigentlich zum Endzweck der heiligen Schrift und ihres Inhalts gehören, davon ausgeschlossen werden; indem das richterliche Ansehen der heiligen Schrift nicht auf Wahrheiten der Physik und mathematischer Wissenschaften auszudehnen ist, die nur beiläufig in der heiligen Schrift berühret, aber nicht darin abgehandelt werden." 2 5 2 Damit hat Baumgarten eine Stellung bezogen, von der aus die schon in der Reformationszeit aktuelle Aufgabe der Bestimmung von Kriterien zur Unterscheidung innerhalb der Schrift neu angefaßt werden konnte. Ob der im Anschluß an Freylinghausen gebrachte und sehr kurz gehaltene Paragraph über Christus als den „Kern und Hauptinhalt der heiligen S c h r i f t " 2 5 3 dies allein schon leisten konnte, muß bezweifelt werden. Die Feststellung jedoch, daß es in der Bibel philosophische, historische und naturkundliche Aussagen gibt, die nicht „in einem wesentlichen Verhältnis" zu ihrem Endzweck stehen und daher irrig sein können, geht schon einen bedeutenden Schritt über die ältere Auffassung hinaus, die, was die infallibilitas anging, alles auf einer Fläche sah und allein in bezug auf die perspieuitas scripturae, und zwar bloß wegen der Begrenztheit der menschlichen Einsicht (ad nos, nicht in se), auch Abstufungen zuließ und die necessaria ad .salutem als allgemein faßlich herausstellte 2 5 4 . Demgegenüber Vgl. G. Hornig: Die Anfänge . . S . 52ff.; C. H. Ratschow: Lutherische Dogmatik . . . I, S. 117ff. bes. Anm. 9, s. auch S. 75 zu Hollaz: ein „fatale(r) Schluß". Glaubenslehre III, S. 148. Auch die perfectio scripturae versteht Baumgarten so, daß bei aller Vollständigkeit doch „kein Inbegriff anderer Künste und Wissenschaften in der heiligen Schrift zu suchen, also z. E. keine Naturlehre daraus herzuleiten sei" (aaO S. 157). 153 AaO S. 171f. 354 S. C. H. Ratschow: Lutherische Dogmatik . . . I, S. 126f. Interessant ist, daß Quenstedt (aaO bei V.) im Unterschied zu Baumgarten auch die histórica noch an der Seite der dogmatica und moralia für allgemein faßlich hält und davon die onomastica, chronologica, topographica, allegorica usw. unterscheidet.

Ansätze zu einer neuen Hermeneutik

223

hat Baumgarten die Unterscheidungen innerhalb der Schrift auch in die Erörterung der infallibilitas und auctoritas hineingezogen und dabei Inhalte der Bibel benannt — wenn auch nur vage —, die nicht nur nicht voll durchschaut zu werden brauchen, sondern auch von vornherein und als solche ohne ausreichende Verbindung zum Endzweck niedergeschrieben worden sind, ja sogar als menschlicher Beitrag einfach falsch sein können. Semler schließlich war es dann, der nun auch — wieder — die Frage stellte, ob es nicht darüber hinaus bei den religiösen Inhalten der Bibel Unterscheidungen vorzunehmen gelte, welche den Bereich des unbedingt normativ Gültigen innerhalb der Schrift noch näher zu umgrenzen und dieses von aus Gründen der kritischen Exegese strittigen Anstößigkeiten zu entlasten vermöchten. Unter diesem Aspekt hat Semler die Unterscheidung von Wort Gottes und Heiliger Schrift weitergeführt und seine mannigfaltigen Bemühungen um die Herausarbeitung der heilhaften Schriftmitte, die er sogar in eine kurze Summarie fassen wollte, im Anschluß an Luther unternommen 2 5 5 . Die wissenschaftliche Position aber, von der Semler unmittelbar ausging, war die Baumgartensche Schriftlehre, in der eine wichtige Vorstufe für seine weitergehenden theologischen Unterscheidungen innerhalb der Schrift gewonnen war.

c) Die Ansätze zu einer neuen

Hermeneutik

Das Eindringen der historischen Fragestellung in Baumgartens Theologie betraf also, wie wir gesehen haben, so gut wie gar nicht den eigentlichen Inhalt seiner Dogmatik, sehr wohl aber deren wichtigste Grundlage, die Lehre von der Heiligen Schrift. Es kommt aber noch etwas hinzu, was vielleicht noch wichtiger war als die auch anderswo schon in Gang befindliche Auflösung der alten Inspirationstheorie: seine nicht geringen Verdienste um eine Verbesserung der Hermeneutik. Alle in der dogmatischen Schriftlehre vorgenommenen Änderungen, mochten sie auch nur in teilweise geringfügigen Verschiebungen der orthodoxen Positionen bestehen, haben ja eines gemeinsam: die betonte und immer bewußtere Berücksichtigung des menschlichen Charakters der biblischen Schriften, die weder durch die — verändert — beibehaltene Inspirationsvorstellung noch durch die Apostrophierung der Heiligen Schrift als Wort Gottes mehr aufgehalten wird. Es konnten sich hieraus einmal weitreichende Konsequenzen für das Lehrsystem und darüber hinaus für das Gesamtverständnis der Theologie und die Frage ihrer Schriftbezogenheit überhaupt ergeben. Dies war aber nur möglich, wenn-zuvor eine energische Hinwendung zu den Problemen der Exegese und Einleitungswissenschaft stattfand. Dieser Anforderung an die Generation nach Baumgarten konnten sich im Bereich einer auf dem Boden der Reformation stehenden Theologie auf die Dauer auch diejenigen Neologen nicht

S. dazu das ganze IV. Kapitel bei G. Hornig: Die Anfänge . . S . 8 4 - 1 1 5 .

224

IV. Der Ertrag der gelehrten Arbeit Baumgartens

entziehen, die aus ganz anderen Beweggründen als wissenschaftlich-historischen die Umgestaltung der Theologie betrieben 256 . Da nun die Aussagen der Bibel auch bisher nicht unmittelbar, sondern immer nur in einer bestimmten, oft nur unterstellten Deutung auf die dogmatischen Sätze bezogen worden waren und diese wiederum das Verständnis der biblischen dicta offen oder versteckt präjudiziert hatten, so stellte sich immer dringlicher die Frage, wie denn nun eine ohne solche Fremdbestimmung stichhaltige theologische Auslegung beschaffen sein müßte, die zugleich dem menschlichen Charakter der Heiligen Schrift Rechnung trüge. Dies aber bedeutete, daß auch die theoretisch-hermeneutischen Grundlagen der Exegese neu durchdacht werden mußten, und zwar unter der Voraussetzung einer stärkeren Inblicknahme der menschlichen Seiten an der Bibel. Baumgartens Hermeneutik läßt die Bemühung darum schon deutlich erkennen. Und gerade in seiner Nachfolge ist es zu einer durchgreifenden Erneuerung der Theorie und Praxis der Schriftauslegung gekommen. Semler betrachtete in seiner Situation die Hermeneutik sogar als „die erheblichste Wissenschaft für einen Theologen" und das Fundament der Theologie 257 . In der protestantischen Theologie hat es seit Flacius eine ausgiebige Bemühung um die Hermeneutik gegeben, die sich in einer umfangreichen Literatur niedergeschlagen hat. Wilhelm Dilthey ist dieser Tradition nachgegangen 258 . Zudem sind in den Dogmatiken der lutherischen Orthodoxie bei dem Lehrstück von der perspicuitas scripturae in zunehmendem Maße auch die hermeneutischen Regeln abgehandelt worden 259 . Dies hat Baumgarten aber nicht mehr getan — vielleicht waren ihm die hermeneutischen Erörterungen dort zu sehr mit den dogmatischen verquickt? —, sondern er hat die selbständige Behandlung vorgezogen. Auch von der Exegese, welche die Auslegung ausübt und die in der Hermeneutik entwickelten Regeln anwendet, will er die hermeneutische Theorie unterschieden wissen 260 . Zunächst im Anschluß an das weitverbreitete Lehrbuch von Johann Jacob Rambach 261 und bald aufgrund eigener Thesen hat Baumgarten sein hermeneutisches Kolleg gehalten. Das 1742 erstmalig erschienene Kompendium mit dem Titel „Unterricht von Auslegung der heiligen Schrift" 2

" Vgl. K. Aner: Die Theologie der Lessingzeit, S. 204. Nach G. Hornig: Die Anfänge . . . , S. 79. 258 Das natürliche System der Geisteswissenschaften im 17. Jahrhundert. In: Gesammelte Schriften II, S. 115ff. Die gerade hinsichtlich Baumgartens und Semlers um vieles ausfuhrlichere Vorform dieser Partie in der „Preisschrift" des jungen Dilthey (1860) ist jetzt abgedruckt in M. Redekers Edition von W. Dilthey: Leben Schleiermachers II, 2 (= Ges. Sehr. XIV, 2, 1966), S. 597ff. J. Wach hat dagegen auf Baumgartens Beitrag zur Hermeneutik nur knapp hingewiesen (Das Verstehen I, S. 17 Anm. 2). C. H. Ratschow: Lutherische Dogmatik . . . I, S. 123ff. 260 Glaubenslehre I, S. 19. 281 Institutiones hermeneuticae sacrae . . . , 1723. Wir benutzen die Ausgabe von 1743. Über Baumgartens anfangliche Benutzung dieses Lehrbuches s. J. C. Bertrams Vorbericht in Baumgartens: Ausführlicher Vortrag der Biblischen Hermeneutic, 1769. Zu Rambach s. die Dissertation von P. Herbers: Die hermeneutische Lehre Johann Jakob Rambachs. 257

Ansätze zu einer neuen Hermeneutik

225

hat auch Semler am A n f a n g seiner Lehrtätigkeit b e n u t z t u n d w e n n er sich im späteren Rückblick auch der Mühen erinnert, die es i h m , der s c h o n zu n e u e n U f e r n aufbrach, einst g e m a c h t h a t 2 6 2 , so rühmt er es d o c h : „Es ist h i n r e i c h e n d b e k a n n t , daß dies kleine B u c h der erste t e u t s c h e wissenschaftliche E n t w u r f der H e r m e n e u t i k i s t " 2 6 3 . U n d als Bertram ein D u t z e n d Jahre nach Baumgartens Tode aus Manuskript u n d N a c h s c h r i f t e n die ganze dazugehörige V o r l e s u n g herausg a b 2 6 4 , k o n n t e er i m Vorbericht vermelden, daß Baumgartens K o m p e n d i u m im Laufe der Zeit eine b e s o n d e r s große B e a c h t u n g u n d Verbreitung g e f u n d e n hatte265. Worin b e s t a n d n u n die Vorzüglichkeit dieser H e r m e n e u t i k ? S o w i e wir Baumgarten bisher kennengelernt h a b e n , ist auch in Hinsicht auf dieses G e b i e t nicht zu erwarten, daß er in einem kühnen A u f b r u c h die B i n d u n g e n an das A l t e zerrissen u n d sich ganz der Ausarbeitung völlig neuer G e d a n k e n g e w i d m e t hätte. V i e l m e h r b e s t e h t hier w i e fast i m m e r bei ihm das N e u e hauptsächlich in bes t i m m t e n W e n d u n g e n u n d M o d i f i k a t i o n e n , die er d e m gründlich e r f o r s c h t e n Ü b e r k o m m e n e n gibt, u n d in A n r e g u n g e n für andere, w e l c h e m i t der bei ihm abgeschauten oder auch nur in seinem Umkreis e r m ö g l i c h t e n n e u e n Blickrichtung d a n n w e i t e r nach vorn stießen. D i l t h e y 2 6 6 hat sehr s c h ö n gezeigt, daß ge-

2 " S. o. S. 198. Semler bemängelt vor allem, daß die prinzipielle Unterscheidung der „historischen Auslegung" von der „Anwendung zur Belehrung" noch nicht vollzogen sei (über Baumgartens Ansätze hierzu s. u. S. 231ff.), weswegen er „den eigentlichen historischen kritischen Teil", der vernachlässigt war, erst einschob (Lebensbeschreibung I, 1781, S. 208f.). Er kritisiert auch, daß die Textkritik, die nach Baumgartens eigenen Worten am Anfang der Hermeneutik zu stehen habe, doch erst am Ende kurz behandelt werde (aaO II, 1782, S. 145ff.). " ' Lebensbeschreibung . . . I, 1781, S. 208. " 4 Ausfuhrlicher Vortrag der Biblischen Hermeneutic, 1769 (Hier abgekürzt: Ausführliche Hermeneu tic). " 5 Und zwar so, „daß an mehrern Orten und von Lehrern beider protestantischen Kirchen darüber gelesen worden, und es sind auch gedruckte Erläuterungen darüber versucht worden". Hiermit ist offenbar gemeint: Johann Friedrich Hirt: Versuch einer vollständigen Erläuterung über Herrn D. Baumgartens Unterricht von Auslegung der heil. Schrift, Jena 1750. Die neueste „Bibliographie der Hermeneutik" von N. Henrichs hilft leider nicht weiter bei den Bemühungen, solche Spuren von Nachwirkungen zu verfolgen. Sie enthält übrigens zu Baumgarten selbst nur fehlerhafte Angaben: Sowohl der „Unterricht . . . " als auch der „Ausführliche^) Vortrag . . . " haben sich z.T. erhebliche Änderungen in der Form des Titels gefallen lassen müssen (Sp. 166f.). Das Register (Sp. 447) verwechselt für Sp. 176 S. J . Baumgarten mit L. F. O. Baumgarten-Crusius. Falsch unter „Hermeneutik der klassischen Philologie" (Sp. 315) eingeordnet ist Baumgartens: Institutionum hermeneuticarum partícula prima, 1752, die dazugehörigen particulae II—V, 1752—1755, fehlen zudem. Es handelt sich nämlich bei den letztgenannten fünf Stücken um Teile einer größeren lateinischen Fassung der biblischen Hermeneutik, die Baumgarten bei Gelegenheit von Disputationen nach und nach vorlegte. Dieses Vorhaben wurde aber über das entsprechende erste Kapitel des deutschen Lehrbuchs hinaus nicht weitergeführt. " * Leben Schleiermachers (s. o. Anm. 258), S. 622ff.

226

IV. Der Ertrag der gelehrten Arbeit Baumgartens

rade bei Baumgarten und hier instruktiver als bei anderen Zeitgenossen das überlieferte hermeneutische Denken noch einmal klar zusammengefaßt vorgelegt wurde. Die altlutherische Bindung der Hermeneutik an die Dogmatik und ihre Schriftlehre sowie die Fülle der bei ihrer orthodoxen Erörterung gefundenen Regeln und Fertigkeiten 267 , die westeuropäischen Anfänge der grammatischhistorischen Auslegung 268 , die pietistische Vorstufe der psychologischen Interpretation 269 : alles das wurde unter Ausschaltung sachfremder Wucherungen 270 und mit Hilfe des strengen Denkens Wolffs, der selbst nichts Wesentliches zur Sache beigetragen hatte 2 7 1 , zu einem bisher so noch nicht dagewesenen kohärenten System verknüpft. Nach Diltheys Urteil ist Baumgarten deshalb am besten geeignet, als Repräsentant der älteren Hermeneutik bei der Analyse der neueren vergleichend herangezogen zu werden 272 . Aber Baumgarten blieb nicht bei einem Resümee stehen, als das seine Vorlesung noch heute wie eine Zusammenfassung der hermeneutischen Weisheit des älteren Protestantismus lesbar geblieben ist. Hier wie auch sonst bei ihm, etwa in seinen Beiträgen zur kirchengeschichtlichen und welthistorischen Forschung 273 ist die Bestandsaufnahme zugleich so etwas wie ein Rechnungsabschluß, in dem einige Empfehlungen für den nächsten Haushalt schon eingefügt sind. Seine hermeneutische Arbeit hat nämlich zugleich einige neue Elemente enthalten, welche die Entwicklung auf grundlegende Änderungen hin weitertrieben 274 . Als erstes ist hier zu nennen, daß Baumgarten seine hermeneutische Theorie nicht mehr als eine besonders geartete hermeneutica sacra versteht, die sich von der hermeneutica profana nicht nur durch ihren Gegenstand unterschied, sondern prinzipiell und ihrer ganzen Beschaffenheit nach, also etwa auch durch das Erfordernis von speziellen religiösen Voraussetzungen des Auslegers, wie es zuletzt noch Rambach in seinen Institutiones hermeneuticae sacrae, Baumgartens erstem Lehrbuch in dieser Wissenschaft, herausgestellt hatte 2 7 5 . Baumgarten geht vielmehr davon aus, daß auch bei der Auslegung der Heiligen Schrift grundsätzlich die allgemeinen Auslegungsregeln zu gelten haben. Zusätzliche und aus den allgemeinen nur abgeleitete besondere Auslegungsregeln für die Bibel gibt es nur 267

AaO S. 597ff. Baumgarten stellt der Ausführung seiner Hermeneutik eine Reihe von „dogmatischen Lehnsätzen" voran (Ausführliche Hermeneutic, S. 6ff.), in denen die Schriftlehre kurz zusammengefaßt ist. "" Dilthey aaO S. 615ff. AaO S. 618ff. 210 AaO S. 716. 271 AaO S. 620f. 272 Bis an das Ende seiner Arbeit hat Dilthey diesen Vergleich auch durchgeführt, weswegen seine Behandlung Baumgartens nicht auf die Seiten 622—626 beschränkt bleibt. 273 S. o. S. 119ff. 2.4 Dilthey schreibt, „daß sein System und seine Methode zugleich das Vorhandene erhielten und den Umsturz vorbereiteten" (aaO S. 622). 2.5 J. J. Rambach aaO (s. o. Anm. 261) S. 2f. (Prolegomena); vgl. G. Ebeling: Wort Gottes und Hermeneutik. In: Wort und Glaube, S. 330.

Ansätze zu einer neuen Hermeneutik

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insofern noch, als die Schrift als Gegenstand der Auslegung von anderen Büchern unterschieden ist, wie ja auch etwa juristische und poetische Bücher einer ihrer Eigenart gemäßen Interpretation bedürfen 276 . Die biblische Hermeneutik oder, wie Baumgarten auch sagt, die „Auslegungskunst der heiligen Schrift" ist ihrem Titel gemäß nicht als eine heilige Wissenschaft von der profanen geschieden, sondern als ein Spezialfall mit der hermeneutica universalis verbunden. Obwohl die Schriftinspiration als „Spezialmerkmal" die konsequente und kritische Anwendung allgemeingültiger Auslegungskriterien bei Baumgarten noch stark behindert, zeigt er doch überall die engen Beziehungen der biblischen zur allgemeinen Hermeneutik und ihre weitgehende Abhängigkeit von dieser auf 2 7 7 . Damit ist für ihn zwar eine spezifisch theologische Hermeneutik noch nicht grundsätzlich überflüssig, doch bewegt er sich — entsprechend dem in der Aufklärungszeit sich geltend machenden „Prinzip einer einzigen allgemeinen Hermeneutik" 2 7 8 — durchaus in eine Richtung, in der die allgemeinen Auslegungsgrundsätze auch in der Theologie faktisch den maßgeblichen Einfluß erlangten. Dies hängt zusammen mit der Inblicknahme des menschlichen Charakters der Schrift. War die Bibel erst einmal nicht mehr ohne weiteres mit dem Worte Gottes zu identifizieren, sondern als eine weithin menschliche Urkunde der göttlichen Offenbarung 279 anzusehen, dann eröffnete sich die Möglichkeit, sie auch immer mehr so wie andere Urkunden zu lesen und zu interpretieren. Aus dieser innerhalb der etablierten deutschen Theologie neuen Perspektive ergibt sich die wohl wichtigste und auch folgenreichste Neuerung in Baumgartens Hermeneutik. Es ist die im dritten Kapitel ausgeführte Forderung an den Ausleger, „von den historischen Umständen auszulegender Schriftstellen" sich eine genaue Vorstellung zu machen. Ohne die „historischen Umstände" so gründlich wie möglich zu berücksichtigen, könne man bei einer Rede weder die Bedeutung der in ihr vorkommenden Ausdrücke noch ihren Endzweck verstehen 280 . Das Zukunftweisende an dieser Forderung ist schon vor längerem bemerkt worden 281 , muß aber noch näher bestimmt werden. Ausführliche Hermeneutic, S. 11; Theologische Bedencken VI, 1748, S. 604ff. Auch die Kirchengeschichte muß in diesem Sinne nach den „allgemeinen Auslegungsregeln" vorgehen (Auszug der Kirchengeschichte I, 1743, S. 5). 277 S. Dilthey aaO S. 726f. "· Ebeling aaO S. 330. 179 Diese Bezeichnung, die Baumgarten u. W. nicht anwendet, trifft seine Intention durchaus, vgl. E. Hirsch: Geschichte . . . II, S. 378. 280 Ausfuhrliche Hermeneutic, S. 134f. Als Beispiel fuhrt Baumgarten Phil. 3,20 an, wo man auf die richtige Bedeutung von „politeuma" (nicht „Wandel", sondern „Bürgerrecht") erst käme, wenn man wüßte, daß die Philipper erst vor kurzem das römische Bürgerrecht erhalten und auch Paulus selbst es für sich als großen Vorzug angesehen hätte. Erst dann könne man erkennen, was Paulus an dieser Stelle wirklich habe sagen wollen. 281 Bei G. W. Meyer: Geschichte der Schrifterklärung seit Wiederherstellung der Wissenschaften IV, 1805, S. 346. Auch Dilthey (aaO S. 623) nennt dies Kapitel „trefflich", arbeitet aber Baumgartens spezifisches Verständnis von „historischen Umständen" nicht heraus.

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IV. Der Ertrag der gelehrten Arbeit Baumgartens

Was meint Baumgarten, wenn er von den „historischen Umständen" einer Rede spricht? Zunächst einmal nicht die Umstände ihrer Überlieferung, weder als Textgeschichte, von der Semler dann fordern sollte, sie müßte unbedingt schon hier berücksichtigt werden 282 , noch auch als Auslegungs- und Wirkungsgeschichte 2 8 3 . Ebensowenig sind Nachrichten der Zeitgeschichte innerhalb einer Rede wie Personen, auf die Bezug genommen ist, oder Orts- und Zeitangaben zu den hier gemeinten „historischen Umständen" zu rechnen 284 . Vielmehr ist der Begriff des Historischen hier in seiner für Baumgarten eigentlichen Bedeutung des tatsächlich sich Ereignenden, Faktischen 285 unmittelbar auf die Rede oder den Text angewandt: „Durch historische Umstände werden allhier die Verhältnisse derselben (sc. einer Rede) als einer Begebenheit gegen vorhergegangene Dinge verstanden, oder alle zufällige außerwesentliche Dinge einer Rede, so fern sie als eine Begebenheit betrachtet wird." 2 8 6 Die auszulegende Rede oder Schriftstelle ist also selbst eine historische Begebenheit! Für eine Interpretation, die den genuinen Sinn erheben will, ist es nach Baumgarten zunächst einmal unerläßlich, die besonderen Umstände zu berücksichtigen, unter denen der Text zustandegekommen ist. Und dies geht nur so, daß „die Rede bei dieser ganzen Beschäftigung und Vorstellung als eine Begebenheit betrachtet werden müsse, folglich nicht der Inhalt oder die darin vorgestellte Sache, sondern nur das factum der geschehenen Vorstellung und Bekanntmachung dieser Sache in Erwägung komme" 2 8 7 . Bei der Aufzählung dessen, was in der Regel als „historischer Umstand" in Rechnung gestellt werden muß, hält Baumgarten sich an die fünf Punkte, die schon in der hermeneu tischen Tradition und speziell bei Rambach 288 als circumstantiae 282

S. o. Anm. 262. „Z. E. wenn man gleich bei Auslegung einer Schriftstelle solche historische Verhältnisse derselben, als einer Begebenheit betrachtet, wissen sollte, daß darüber viel gestritten worden, daß aus Mißdeutung derselben sehr große Streitigkeiten in der Kirche entstanden, daß sie zum Aberglauben gemißbraucht worden etc., so sind das Umstände, die einem Ausleger nicht den geringsten Einfluß in die deutlichere Erkenntnis und Bestimmung des Verstandes gewähren." (Ausführliche Hermeneutic, S. 136) 284 „Z. E. wenn in den Evangelisten beschrieben wird, daß Christus zu Jerusalem gekreuzigt worden und daß er zu Bethanien einen Toten auferweckt habe, so gehören diese Orte nicht zu den Umständen der Erzählung, sondern der erzählten Begebenheiten." (AaO S. 138) Der gesamte Inhalt einer Rede gehört nicht zu ihren historischen Umständen, was aber nicht ausschließt, daß zuweilen in der Rede selbst Anhaltspunkte zur Bestimmung der historischen Umstände vorkommen (aaO S. 137). 28i Baumgarten sagt an anderer Stelle, daß die Historie „ihrem eigentlichen Begriff nach nur Begebenheiten enthält" (Auszug der Kirchengeschichte III, 1746, Vorrede, S. 12 nicht pag.). Den „Begebenheiten" zugeordnet sind jeweils ihre „Umstände", die in benachbarten Begebenheiten, geographischen und ähnlichen Fakten bestehen (vgl. Welthistorie I, 1744, Vorrede, S. 8ff. 20f.). 286 Ausführliche Hermeneutic, S. 136. 287 Ebd. 288 J. J. Rambach aaO (s. o. Anm. 261) S. 107ff. 283

Ansätze zu einer neuen Hermeneutik

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aufgeführt worden waren: der Urheber der Rede oder die redende Person, die angeredete Person oder die Adressaten, die Zeit ihres Zustandekommens, der Ort und schließlich der Anlaß der Rede. Um diese „Umstände" so weit als möglich zu bestimmen und ihre Relevanz für die Feststellung des Sinnes der Rede sichtbar zu machen, benötigt der Ausleger verschiedene Mittel und Methoden, die Baumgarten mit viel Scharfsinn und in breiter Entfaltung erörtert 289 . Dem braucht hier nicht im einzelnen nachgegangen zu werden. Aus Baumgartens Ausführungen wird das Neue im Unterschied zu seinem Vorgänger Rambach ersichtlich. Dieser behandelte nicht nur alles sehr viel knapper, sondern auch insofern traditioneller und unklarer, als er noch nicht voll zu der bei Baumgarten vorliegenden Betrachtung des Textes als historischer Begebenheit hindurchgestoßen war, sondern immer noch die inhaltlichen Fragen hineinmischte. Dies alles aber scheidet Baumgarten konsequent aus 290 , denn er meint mit dieser hermeneutischen Verrichtung nicht wie Rambach eine allgemeine exegetica evolutio circumstantiarum 291 , sondern eine Untersuchung der historischen Umstände, das heißt, er zielt streng auf die allein für das Zustandekommen einer Rede wichtigen Bedingungen. Dazu aber muß die Rede oder der Text zunächst selbst als ein historisch zustandegekommenes Faktum in Blick genommen werden, wenn die ganze Bemühung um die „Umstände" zur Erkenntnis ihres Inhalts verhelfen soll. Es ist leicht zu sehen, wie eng diese für die Weiterentwicklung der Hermeneutik so wichtige Erkenntnis, die bei Baumgarten voll durchbrach, mit der verstärkten Inblicknahme der menschlichen Seite der Heiligen Schrift zusammenhängt. Ob einem von diesen beiden Vorgängen Priorität zukommt, läßt sich kaum ausmachen. Es sind wohl zwei Seiten derselben Sache. Im gleichen Maße wie die Inspirationsvorstellung verblaßt und die Diktattheorie verschwindet, rückt das Zustandekommen der biblischen Bücher aus dem Dunkel des Geheimnisses heraus und wird als schriftstellerischer Vorgang in einer bestimmten Situation deutlich bewußt und zugleich auch schon der Blick für die entstehungsgeschichtlichen Besonderheiten einzelner Perikopen und Worte geschärft 292 . Man kann auch umgekehrt sagen, daß die Menschlichkeit der Bibel 289

Eine kurze Ubersicht über die „Umstände" wird vorangestellt (Ausführliche Hermeneutic, S. 137f.) und danach bis zum Ende des Kapitels entfallet (S. 140—187). Rambach nennt ζ. B. als zweiten Umstand nicht nur den oder die Adressaten wie Baumgarten (ders. aaO S. 167ff.), sondern allgemein das obiectum orationis, tum personale, tum reale (Rambach aaO S. 113); beim dritten Umstand handelt Rambach „de tempore, tum ilio, in quo sermo editus est, tum ilio, de quo sermo agit" (aaO S. 116), Baumgarten dagegen allein vom ersteren (ders. aaO S. 174ff.). 2 " Rambach aaO S. 108. 2,2 Ζ. Β Ausführliche Hermeneutic, S. 174f. 178f. 180f. Hier sind es aber immer nur die Fragestellungen, die Interesse verdienen, und nicht die noch überaus konventionellen Antworten. So mündet auch das gewisse Verständnis Baumgartens für die Methode Johann Lorenz Schmidts in der Wertheimer Bibel in Sätze ein, die dessen Forderung, keine historisch früheren Stellen aus späteren zu deuten, zwar entgegenkommen, aber doch der traditionellen

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IV. Der Ertrag der gelehrten Arbeit Baumgartens

um so klarer ins Bewußtsein rückt, je mehr man über die „historischen Umstände" ihrer Entstehung weiß. Jedenfalls ist der freiere Blick auf die menschlichen Urheber der biblischen Bücher, den wir bei der Erörterung von Baumgartens Schriftlehre bemerkt haben, auch bei der hermeneutischen Theorie von den „historischen Umständen" zu finden, ja sogar in besonders ausgeprägter Weise. Bei dem ersten „Umstand", dessen Erörterung überhaupt den größten Raum einnimmt, wird nämlich viererlei bis ins einzelne untersucht: 1. „Wer der eigentliche Verfasser eines Buches der heiligen Schrift sei. Hier ist vom auctore secundario die Rede, da der auctor primarius, Gott und die Eingebung des heiligen Geistes, vorausgesetzt wird", 2. wer an der auszulegenden Einzelstelle der Redende sei, 3. „Worin die innere und äußere Beschaffenheit desselben bestanden, dazu sowohl überhaupt die Lebensart, Fähigkeiten und Gemütsverfassung als auch der jedesmalige besondere Zustand desselben bei einer gehaltenen oder geschriebenen Rede gehöret", und 4. ob die redende Person in einem Affekt und in welchem sie gesprochen oder geschrieben habe 293 . J e besser man also den menschlichen Autor der Rede und seine Situation kennt, desto besser wird man die Schriftstelle verstehen. Der „eigentliche Verfasser" ist, wie Baumgarten hier betont hervorhebt, der menschliche Autor und nicht Gott. Auf dessen nur einfach vorausgesetzte Eigenschaft als letztverantwortlichen Urheber sich zu berufen, hilft bei der Auslegung nicht weiter 294 . Auch die Inspiration verbindet ja den Text nur auf eine mittelbare Weise mit Gott, denn das Eingeben „hebt die Art zu denken und sich auszudrücken bei den Männern Gottes nicht auf, daher also ein Ausleger hier ebenso wie bei der Auslegung anderer Bücher beschäftigt sein muß, den auctorem zu bestimmen" 295 . Viel weiter als hier Baumgarten wird man bei der Bestimmung der menschlichen Seite des Zustandekommens der Bibel zum Zweck einer besseren Auslegung nicht gehen können, ohne ganz den Rahmen der altprotestantischen Schriftauffassung zu sprengen. Dies geschah dann auch in der Generation nach Baumgarten, besonders durch seinen Schüler Semler 296 . Mochte dieser der pietistischwolffischen Dogmatik noch so kühl gegenüberstehen, die „historischen Umstände" christologischen Auslegung des Alten Testaments nicht gefahrlich werden können (Ausführliche Hermeneu tic, S. 174ff. 308ff.; vgl. E. Hirsch: Geschichte . . . II, S. 435 zu Untersuchung Theologischer Streitigkeiten III, S. 199ff.). In Schutz genommen aber hat Baumgarten den Wertheimer nicht (gegen F. W. Kantzenbach: Protestantisches Christentum im Zeitalter der Aufklärung, S. 100). 2,3 Ausführliche Hermeneutic, S. 142f., vgl. die Ausführung S. 145ff. Zu der besonders von A. H. Francke ausgebauten Lehre von den Affekten und ihrer Bedeutung für die Auslegung s. E. Peschke: Studien zur Theologie August Hermann Franckes II, S. 97ff. " 4 „Folglich muß diese Untersuchung (sc. der Verfasserschaft) notwendig sein und zu den wesentlichsten Obliegenheiten eines Auslegers gehören, ohne daß er sich damit begnügen dürfe, daß die ganze heil. Schrift von Gott herrühre." (Ausführliche Hermeneutic, S. 145) " 5 Ebd. "* Semler sagt der Vorstellung einer Eingebung von Worten ganz ab und behält nur eine Realinspiration bei (s. G. Hornig, Die Anfänge . . . , S. 74f.).

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des Zustandekommens der Bibel jedoch, von denen Baumgarten riet, daß sie der Ausleger immer „zweimal durchdenkt" 2 9 7 , hat er in der Tat in die Mitte der hermeneu tischen Bemühungen gestellt 298 . So ist Baumgartens Hermeneutik nicht allein eine letzte Zusammenfassung der bisherigen hermeneutischen Tradition, sondern vor allem wegen jenes entscheidenden Gedankens von dem Text als historischem Faktum mit eigenen Bedingtheiten zugleich der Ansatzpunkt einer neuen. Oder wie Dilthey, der allerdings gerade jenen Gedanken nicht klar genug herausgestellt hat, weiter ausschauend und Semlers frühe Vorahnung 299 bestätigend, es sagt: „Derselbe Baumgarten, der die kirchliche Hermeneutik vollendete, ward der Vater der historischen Schule" 300 . Unter den mancherlei Spuren, die diese Neuorientierung in Baumgartens eigenem hermeneutischen Denken hinterlassen hat, seien zwei noch aufgewiesen. Die eine ist die wichtige Vorarbeit, die Baumgarten für die bei Semler klar durchgeführte Trennung von historischer Auslegung und praktischer Anwendung 301 geleistet hat. Diese Vorgänge waren ja seit alters und zumal in der pietistischen Schriftauslegung so eng miteinander verquickt, daß die wissenschaftliche Exegese darunter oft zu leiden hatte 3 0 2 . Auch Baumgartens Bemühungen brachten hierin noch keine völlige Klarheit. Noch bei ihm gehört zum Gegenstand jeder Hermeneutik die Gesamtheit der möglichen Beschäftigungen mit dem Text. Die praktische Fruchtbarmachung gehört mit zur hermeneutischen Aufgabe, denn die „Fruchtbarkeit" liegt in allen Texten selbst als Endzweck beschlossen und in den biblischen in besonderem Maße 303 . So ist auch für Baumgarten noch das exegetische Ziel, den richtigen „Verstand" — das deutsche Wort für sensus — der heiligen Schriften überzeugend einzusehen 304 , nicht dann schon erreicht, wenn bei der Auslegung einer Schriftstelle die Bedeutung ihrer Worte und Redensarten 305 , ihre „historischen Umstände" 3 0 6 , ihr Kontext und die grammatisch-logische Struktur 3 0 7 sowie ihr Skopus 308 eingesehen worden sind — so weit reicht der Vorgang des Exponierens — und dann die unentbehrliche, aber schon 2,7

Baumgarten aaO S. 140. Vgl. G. Hornig aaO S. 79ff. S. o. S. 127. 300 W. Dilthey: Leben Schleiermachers (s. o. Anm. 258), S. 625. 301 Vgl. G. Hornig aaO S. 82f. 303 Vgl. L. Diestel: Geschichte des Alten Testaments in der christlichen Kirche, S. 395. 303 Ausführliche Hermeneutic, S. 41ff. „Es können die durch eine Rede erweckte Vorstellungen den Grund zu andern Vorstellungen enthalten . . . Folglich kann der einige Verstand einer Rede mehrere in einander gegründete Vorstellungen enthalten, wenn ihr Urheber dieselben bei andern zugleich erwecken wollen, darin die Fruchtbarkeit des Verstandes besteht" (S. 41). 304 AaO S. 1. 305 AaO Kap. II. 306 AaO Kap. III. 307 AaO Kap. IV. 308 AaO Kap. V.

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IV. Der Ertrag der gelehrten Arbeit Baumgartens

deutlich davon a b g e s e t z t e 3 0 9 „ E r k l ä r u n g " des d o g m a t i s c h e n u n d m o r a l i s c h e n Inhalts erfolgt i s t 3 1 0 , sondern erst dann, w e n n die W o r t e der Bibel a u c h a u f ihre „ E m p h a s e n " oder, wie B a u m g a r t e n sagt, den „ N a c h d r u c k " hin a b g e h o r c h t 3 1 1 u n d aufgrund der ganzen bisherigen Auslegung auch praktisch-applikative Folgerungen u n d N u t z a n w e n d u n g e n aus der Stelle gezogen w o r d e n s i n d 3 1 2 . A b e r o b w o h l B a u m g a r t e n dies alles n o c h einmal in dem einen A k t der Auslegung z u s a m m e n h ä l t , m a c h t er d o c h deutliche Unterscheidungen u n d Einschränkungen, die auf eine künftige T r e n n u n g der Vorgänge hinauslaufen. Ganz ähnlich wie in seiner Geschichtsauffassung die grundsätzliche P r a g m a t i k v o n einem klar erkennbaren Streben d u r c h s e t z t ist, die F a k t e n selbst sprechen zu lassen u n d die ausdrückliche „ A n w e n d u n g " der Historie so w e i t wie möglich zurückz u h a l t e n 3 1 3 , so versucht er auch hier innerhalb des a b g e s t e c k t e n R a h m e n s die Ü b e r w u c h e r u n g der biblischen E x e g e s e d u r c h übertriebene „ E m p h a s i o l o g i e " 3 1 4 u n d v o r allem d u r c h zu frühes Eindringen v o n G e s i c h t s p u n k t e n der Anwendbarkeit u n d Erbaulichkeit zurückzuschneiden. Zahllos sind die Stellen in der Hermeneutikvorlesuig, an denen B a u m g a r t e n daran erinnert, daß alle erbaulic h e n N u t z a n w e n d u n g e n o d e r p o r i s m a t a , wie m a n in Halle s a g t e 3 1 5 , erst dann AaO S. 2 8 6 : „Den Inhalt der auszulegenden Reden oder die darin vorkommenden Sachen zu erklären; das ist, die einzelnen Begriffe derselben und ihre Verhältnisse gegen einander zu untersuchen, also keinen bloßen Übersetzer abzugeben. Einen Text exponieren lernen und ihn erklären lernen sind sehr verschiedene Dinge." 3 1 0 AaO Kap. VI (vgl. dazu W. Dilthey aaO S. 624). 311 Ausführliche Hermeneutic, Kap. VII. Im Pietismus hat man diesem Punkt große Aufmerksamkeit gewidmet, vgl. J . J . Rambach aaO (s. o. Anm. 261), S. 317ff.; A. Tholuck: Geschichte des Rationalismus I, S. 82f.; W. Dilthey: Leben Schleiermachers (s. o. Anm. 258), S. 619f. Die Emphase eines Textes erklärt Baumgarten so: „Wenn der Vortrag einer Rede außer den eigentlichen Hauptvorstellungen, so dadurch erwecket werden sollen, noch einige Nebenvorstellungen verursachet, die mit dem Endzweck des Redenden zusammenhängen, so nennet man dieselben Nachdruck, weil dadurch das Gewicht und die Wirkung der Hauptvorstellungen vermehret wird." (AaO S. 4 1 2 ) Diesen göttlich intendierten „Nebenvorstellungen", die über das von dem menschlichen Verfasser unmittelbar Gemeinte hinausgehen, muß der Ausleger auf die Spur kommen. Denn „Dem Verstände der heiligen Schrift kommt die möglichste Fruchtbarkeit zu. Er ist der föcundeste, der nur stattfinden und erdacht werden oder erweislich sein kann. D. i. die Worte der heiligen Schrift müssen alles bedeuten, was die bedeuten können, nämlich der Absicht ihres Urhebers gemäß, denn was man zufällig dabei denken könnte, kann zu den Bedeutungen nicht gerechnet werden." (AaO S. 410f.) Diese letztere Warnung geht schon auf den Mißbrauch einer allzu hemmungslosen Suche nach emphatischen Nebenvorstellungen der Bibeltexte, wie sie im Pietismus vorgekommen war. 309

AaO Kap. VIII. S. o. S. 1 9 2 - 1 9 7 . 3 1 4 Nachdrücklich warnt Baumgarten vor Verirrungen hierbei und macht höchste Behutsamkeit zur Pflicht, s. Ausführliche Hermeneutic, S. 431ff., S. 447ff., z . B . „Man muß das decorum in der Emphasiologie beobachten, daß man Gott nicht solche emphases beilege, die kaum bei ernsthaften Menschen stattfinden" (S. 449). 31 s Vgl. E. Peschke: Studien zur Theologie August Hermann Franckes II, S. 27ff. 3.2

3.3

Ansätze zu einer neuen Hermeneutik

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angebracht werden dürfen, wenn vorher auf dem Wege der anderen hermeneutischen Verrichtungen der unmittelbare Sinn des Textes erhoben ist 3 1 6 . Alle Folgerungen, die gezogen werden sollen, müssen einen erweislichen Grund im Text haben und vom Urheber nachweislich beabsichtigt sein 317 . Auf keinen Fall darf die Anwendung zurückwirken auf das Verstehen des Textes. Wenn zwischen mehreren möglichen Deutungen einer Stelle abzuwägen ist, dann helfen weder die Empfindungen oder das Gefühl der „Salbung" des Bekehrten weiter 3 1 8 noch ein Urteil über die Verwendbarkeit: „Es kann also die Erbaulichkeit einer Auslegung kein Merkmal ihrer hermeneutischen Richtigkeit sein, wenn mehrere mögliche Arten der Auslegung stattfinden" 3 1 9 . Diesem Bestreben, die Auslegung so nahe wie möglich an dem historisch ermittelten Literalsinn zu halten 320 , entspricht auch Baumgartens Stellung zur Frage des mehrfachen Schriftsinnes. Ganz so weit wie Semler, der den im Pietismus gegen die Intention Luthers überall gesuchten geheimen, „mystischen" Verstand der Schrift ablehnte 321 , geht Baumgarten noch nicht. Er grenzt den sensus mysticus aber stark ein, indem er ihn als nur den Inhalt betreffend fest an den Wortverstand bindet 322 und ihn nur dann zuläßt, wenn er von dem Redenden nachweislich beabsichtigt ist 3 2 3 . Er ist zwar „ein wirklicher Verstand", hat aber keine Selbständigkeit, denn er ist nur „ein Stück des vollständigen und gänzlichen Verstandes solcher Schriftstellen" 324 . Und auch die Rede von einem „übernatürlichen" Schriftsinn im Unterschied zum „natürlichen" betrifft „mehr die Wirkungen" des Verstandes als seine „wesentliche Beschaffenheit" 325 . Ähnlich hatten Besonders in Ausführliche Hermeneu tic, S. 449ff. AaO S. 452f. 484ff. 490ff. „Die Erbaulichkeit . . . setzt . . . die Erweislichkeit des Verstandes schon voraus, wenn sie gegründet sein soll, da sie sonst zu den Wahrheiten und nicht zu der Richtigkeit der Auslegung gehöret" (aaO S. 519). 318 AaO S. 72f. 75f. „Weil die Empfindungen aus den Wahrheiten selbst und nicht aus ihrem Verhältnis gegen einen Text entstehen, so können sie keinen Bestimmungsgrund der Auslegung abgeben, zu geschweigen, daß dabei sehr leicht ein Betrug und eine Verwechselung der Einbildung mit dem Bewußtsein wirklicher Veränderungen vorgehet." (AaO S. 519) Deswegen steht Baumgarten besonders dem herrnhutischen Schriftgebrauch kritisch gegenüber (vgl. Theologische Bedencken I, 1742, S. 165; IV, 1745, S. 444f.). 319 Ausführliche Hermeneutic, S. 73. An anderer Stelle spricht Baumgarten von einem „Vorurteil der Erbaulichkeit" (S. 497), das übrigens auch in der Kirchengeschichtsschreibung vorkommt (Auszug der Kirchengeschichte I, 1743, S. 5). 320 „Die möglichste Fruchtbarkeit ist nicht mit der Vervielfältigung (sc. des Verstandes) zu verwechseln" (Ausführliche Hermeneutic, S. 43). „Alle wahre und dauerhafte Erbauung muß in dem Wortverstande der heiligen Schrift und der Einsicht desselben gegründet sein" (Auslegung und Anwendung einiger Psalmen, 1751, Vorrede, Bl. 5v). 321 Vgl. G. Hornig: Die Anfänge . . . , S. 81f. 204ff. 322 „Die Vorstellungen, welche durch die vermittelst des unmittelbaren Wortverstandes angezeigte Sachen der Absicht des Redenden gemäß erwecket werden, machen den mittelbaren oder mystischen, das ist geheimen Verstand aus." (Ausführliche Hermeneutic, S. 52) 323 AaO S. 53. 324 AaO S. 54. 325 AaO S. 69, vgl. 42f. 316

317

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auch schon orthodoxe Dogmatiker sich gegen die Verdoppelung des Schriftsinns zu wehren gesucht 326 . Wichtig ist, daß für Baumgarten ein sensus mysticus nur bei einer eng beschränkten Zahl von Schriftaussagen zu finden ist 327 , womit einer Ausweitung der Suche nach dem mystischen Verstand über die ganze Bibel hin, wie sie August Hermann Francke als dringend empfohlen hatte 328 , gesteuert und die Exegese wieder an den Wortverstand gewiesen wurde. Dabei hat Baumgarten gar nichts gegen eine erbauliche Betrachtung und Anwendung der Bibel einzuwenden, er hat sie eher fördern wollen, wie seine eigenen Beiträge und Urteile bezeugen 329 . Das, wovor er warnen möchte, ist vielmehr die eingerissene Vermischung der Erbauung mit dem Vorgang der Exegese, deren nicht vorzugreifenden Ergebnissen zuzutrauen ist, daß sie zunächst für sich selbst sprechen können 3 3 0 . Die erwähnte Parallele zu seiner Auffassung der pragmatischen Geschichtsschreibung 331 bestätigt zur Genüge, daß Baumgartens eigentliches Motiv bei der Einschränkung der Erbaulichkeit in der Schriftauslegung nicht eine antipietistische Gesinnung ist, sondern sein starkes Interesse an wissenschaftlicher Korrektheit. So macht Baumgarten sich auch die hermeneutische Affektenlehre August Hermann Franckes, die ja der künftigen psychologischen Interpretation vorarbeitete 332 , zwar weithin zu eigen 333 . Aber er verhilft ihr in seiner Situation erst dadurch zur Brauchbarkeit für die wissenschaftliche Hermeneutik, daß er sie von der Implikation befreit, nur der Wiedergeborene und nicht der homo naturalis könne die Affekte der heiligen Autoren der Bibel nachvollziehen und so erkennen 334 . Für Baumgarten ist die Erkenntnis der Affekte in den Sätzen der Heiligen Schrift nicht prinzipiell eine cognitio practica wie bei Francke 335 , sondern gehört als eine theoretisch-psychologische Untersuchung zur wissenschaftlichen Eruierung der „historischen Umstände" 336 . Vgl. C. H. Ratschow: Lutherische Dogmatik . . . I, S. 129 Anm. 4. Ausführliche Hermeneutic, S. 55f. Baumgarten warnt auch vor einer zu extensiven christologischen Deutung der Psalmen (Auslegung und Anwendung einiger Psalmen, 1751, Vorrede, Bl. 8r—8v). 328 Vgl. E .Hirsch: Geschichte . . . II, S. 173f. 338 S. o. S. 59ff. 330 Vgl. Semlers Urteil über Baumgartens exegetische Vorlesungen: „sie sind auch erbaulich, aber so wie mehrere alte würdige Schriften zugleich gründlich, geschickt, die Erkenntnis zu vermehren, sicher und nicht hin und her schwankend, nicht den Leser durch öde Ausrufungen ermüdend" (Vorrede zu Baumgartens Auslegung des Evangelii St. Johannis, 1762, S. 15). 331 S. o. S. 232. 332 Vgl. W. Dilthey: Leben Schleiermachers (s. o. Anm. 258), S. 618ff.; E. Peschke: Studien . . . II, S. 97ff. 333 Ausfuhrliche Hermeneutic, S. 161 ff., vgl. o. Anm. 293. 334 A. H. Francke: Praelectiones hermeneuticae, (1717) 1723, S. 237ff. 335 AaO S. 238. 336 , J e mehr ein Ausleger der psychologischen Wahrheiten von Beschaffenheit, Unterschied, Mischung, Ursprung und Kennzeichen der sinnlichen Gemütsbewegungen kundig ist, je leich327

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Die andere Stelle, an der den Anzeichen für eine hermeneutische Neuorientierung bei Baumgarten zum Schluß noch nachzugehen ist, ist seine Behandlung der analogia fidei, der Stelle also, an der sich die Probleme des Schriftgebrauchs in der Dogmatik, auch seiner eigenen, bündelten und sich die Verschlossenheit der altprotestantischen Hermeneutik in besonderer Weise kundtat 3 3 7 . Auch hier liegt das Neue bei Baumgarten unter dem Gewohnten verborgen, ja vielleicht sogar noch tiefer als sonst. Aber gerade daran wird die ganze Schwierigkeit der Aufgabe dieser Übergangstheologie noch einmal sichtbar. Jedenfalls gibt es auch hier Anzeichen dafür, daß die Hermeneutik bald nicht mehr bloß, wie Dilthey es ausdrückt, „ein Organon der Bildung der Dogmatik aus der Exegese" 338 blieb. Unter analogia fidei ist bei Baumgarten nicht ein der gesamten Theologie zugrunde liegendes Prinzip zu verstehen, wie es in der jüngeren kontroverstheologischen Debatte dem der analogia entis gegenübergestellt worden ist 339 , sondern gemäß dem Sprachgebrauch des älteren Protestantismus ein theologischer Maßstab für die Schriftauslegung. In der lutherischen Dogmatik des 17. Jahrhunderts hatte die Erörterung der analogia fidei ihre Stelle bei der perspicuitas scripturae als wichtigstes Hilfsmittel und Regel bei der Auslegung dunkler Schriftstellen 340 . Bei Baumgarten wird sie aber in der dogmatischen Schriftlehre gar nicht mehr abgehandelt, sondern in der Hermeneutik 341 und dann auch — in anderem Bezug — in den Prolegomena der Glaubenslehre 342 . Aber hat die Forderung einer Auslegung der Schrift secundum analogiam fidei in einer Hermeneutik, die die Texte in ihrer historischen Gegebenheit ernst nehmen will, überhaupt noch ein Recht? Man muß diese Frage stellen, wenn man bedenkt, daß die Fremdbestimmtheit der Exegese durch vorher feststehende Lehren es war, gegen die sich die folgende Theologengeneration wandte, und daß auch Baumgarten schon den Ausleger dazu anhielt, nicht nur, wie gezeigt, das „Vorurteil der Erbaulichkeit" bei exegetischen Entscheidungen auszuschalten, sondern auch das „des Lehrbegriffs seiner Kirche" 343 . Dies versucht Baumgarten, indem ter und richtiger gehet diese Untersuchung von statten, indem alsdenn die Entdeckung der Bestimmungsgründe leichter ist, auch die Anwendung und der Gebrauch derselben regelmäßiger erfolgen kann." (Ausfuhrliche Hermeneutic, S. 166) Solche Warnungen vor einem zu ausgebreiteten Gebrauch wissenschaftlicher Hilfsmittel und Nebenstudien, wie sie bei Francke immer wieder laut wurden (vgl. E. Peschke: Studien . . . II, S. 15ff.), weil sie ihm weniger bedeuteten als das Wiedergeborensein des Auslegers, sucht man bei Baumgarten vergebens. 337 Vgl. G. Hornig: Die Anfänge . . . , S. 51. 338 W. Dilthey aaO S. 620. 339 Vgl. jetzt B. Gertz: Glaubenswelt als Analogie. In diesem Buch wird nicht nur die neuere Auseinandersetzung um den Analogiegedanken durch Interpretation der Lehre Erich Przywaras behandelt, sondern ausführlich auch die Herkunft und Begriffsgeschichte der Formel von der analogia fidei. 340 Vgl. C. H. Ratschow: Lutherische Dogmatik . . . I, S. 123ff. 341 Ausführliche Hermeneutic, besonders S. 296ff. 342 Glaubenslehre I, S. 44ff. 343 Ausführliche Hermeneutic, S. 497.

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IV. Der Ertrag der gelehrten Arbeit Baumgartens

er den h e r m e n e u t i s c h e n Grundsatz der Auslegung g e m ä ß der „Glaubensähnlichkeit", w i e er sagt, zwar n i c h t aufgibt, ihn aber w o h l b e s t i m m t e n Einschränkungen unterwirft. Gegen das r ö m i s c h e Lehramt als richterliche Instanz bei der Schriftauslegung hatte die R e f o r m a t i o n d e n Grundsatz gestellt, daß die Heilige Schrift sich selbst auslege u n d dabei Christus als ihre Mitte der Maßstab s e i 3 4 4 . Bei d e n vor allem w e g e n kontroverstheologischer N ö t i g u n g u n t e r n o m m e n e n V e r s u c h e n der Folgezeit, diesen Maßstab inhaltlich näher zu b e s t i m m e n , h a t t e sich — verkürzt gesagt — w i e d e r eine F r e m d b e s t i m m u n g der Auslegung n u n durch die eigene protestantische L e h r f o r m eingeschlichen, die m a n ein „ m o d i f i z i e r t e s Traditionsp r i n z i p " 3 4 5 g e n a n n t hat. D i e s geschah weniger durch die s c h o n früh erfolgte Einführung des Begriffs analogia fidei in diesen Z u s a m m e n h a n g 3 4 6 als vielmehr durch die faktische Gleichsetzung desselben m i t d e m einer inhaltlich f i x i e r t e n N o r m , also einer regula fidei, w o r u n t e r das A p o s t o l i k u m u n d andere kirchliche S y m b o l e verstanden wurden, die m a n als Z u s a m m e n f a s s u n g der Schrift ansah 3 4 7 , Baumgarten hingegen hat überall da, w o er auf die analogia fidei zu sprechen k o m m t , ihre Gleichsetzung m i t einer regula fidei als inhaltlichem L e h r s y m b o l k o n s e q u e n t v e r m i e d e n 3 4 8 . Zweifellos hängt dies m i t der im Pietismus verbreiteten Zurückhaltung 3 4 9 gegenüber den in der lutherischen S p ä t o r t h o d o x i e 3 5 0 im344

Vgl. P. Althaus: Die Theologie Martin Luthers, S. 75ff.; C. H. Ratschow aaO S. 123. G. Ebeling: Art. Hermeneutik. In: RGG, 3. Aufl., III, Sp. 153. 344 Vgl. O. Hof: Luthers exegetischer Grundsatz von der analogia fidei; B. Gertz: Glaubenswelt als Analogie, S. 22. 24ff. 53ff., zu Flacius und Chemnitz S. 63ff. 341 Zu dieser etwa auch bei Johann Gerhard zu beobachtenden Tendenz vgl. die Stellen bei H. Schmid: Die Dogmatik der evangelisch-lutherischen Kirche, S. 46f. und C. H. Ratschow aaO S. 130. Siehe dazu Semler in seiner Einleitung zu Baumgartens Glaubenslehre I, S. 133: „Ich halte dafür, daß man solches von den so genannten Symbolis erweisen könne, sie haben in aller Zeit regulam, oder, wie wir jetzt reden, analogiam fidei abgegeben." 348 Das hat schon Johann August Ernesti bemerkt und kritisiert (Neue Theologische Bibliothek II, 1761, S. 573f. 587f.). Darauf hat J . Chr. Bertram zu antworten versucht, ohne freilich Ernestis Beobachtung widerlegen zu können (in Anmerkungen zu Baumgartens Untersuchung Theologischer Streitigkeiten III, S. 31ff. 507f.). 345 Über die Situation in Halle vgl. A. Tholuck (Geschichte des Rationalismus I, S. 33. 78), der hierin gegenüber A. Ritsehl (Geschichte des Pietismus II, S. 567) im ganzen recht behalten dürfte, denn viel mehr als eine „Rücksichtnahme" auf die Symbole kann auch Ritsehl für Halle nicht glaubhaft machen, wenn man einmal von d e n frühen Bemühungen Paul Antons (Tholuck aaO S. 19) und auch A. H. Franckes Empfehlungen (E. Peschke: Studien . . . II, S. 157f.) absieht. Daß die Bekenntnisschriften nirgendwo fleißiger gelesen worden seien als in Halle (so R. Dannenbaum: Joachim Lange . . . , S. 169ff.), mag vielleicht für einen Teil der Friihzeit gelten, klingt aber im Munde Langes eher wie eine Schutzbehauptung. Jedenfalls ist die Bindung an die Bekenntnisschriften schon vor Baumgarten im Einflußbereich des Pietismus gelockert gewesen. Auch ist dies nicht gar erst ein Spezifikum der Neologie, wie J . Schollmeier (Johann Joachim Spalding . . . , S. 213ff.) meint, vgl. dazu die Rezension von G. Hornig (ZKG 80, 1969, S. 137ff.). 3S0 Vgl. E. Hirsch: Geschichte . . . II, S. 123f.;J. Wallmann: Der Theologiebegriff bei Johann Gerhard und Georg Calixt, S. 79. 161. 345

Ansätze zu einer neuen Hermeneutik

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mer h ö h e r g e s c h ä t z t e n Bekenntnisschriften z u s a m m e n . Baumgarten hat sich nicht nur gegen die Lehre v o n einer T h e o p n e u s t i e der s y m b o l i s c h e n Bücher gew a n d t 3 5 1 , sondern auch in seiner Glaubenslehre d e n Artikel de s y m b o l i s 3 5 2 ganz weggelassen. In Halle h a t t e Baumgarten z u d e m ein Verständnis der analogia f i d e i kennengelernt, das e i n e n starken subjektivistischen Einschlag h a t t e . A u g u s t H e r m a n n Francke warf seinen o r t h o d o x e n Gegnern vor, ihre A u f f a s s u n g , bei der das ü b e r k o m m e n e Lehrsystem die E x e g e s e d o m i n i e r t e , leiste e i n e m subtilen Papism u s V o r s c h u b 3 S 3 . Für ihn ist die Analogie des Glaubens vielmehr, w i e Hirsch es z u s a m m e n f a ß t , „der d e m G e w i s s e n sich stets gleichmäßig b e z e u g e n d e lebendige G e s a m t s i n n der Schrift selbst, unabhängig v o n allem kirchlichen Lehrbegriff", zurückbezogen auf die lebendige Glaubenserfahrung 3 5 4 . N o c h deutlicher tritt das subjektive E l e m e n t bei J o a c h i m J u s t u s Breithaupt hervor. Für diesen geschieht es b e i m m e d i t a t i v e n usus scripturae zur Vereinigung der Seele m i t d e m dreieinigen G o t t , daß z u s a m m e n m i t B u ß e , Glaube, T u g e n d , Erkenntnis u n d Erfahrung auch die analogia fidei „ h e r v o r w ä c h s t " 3 5 5 . Eine ähnlich unmittelbare Begegnung m i t der Bibel u n d das w e i t g e h e n d e Zurücktreten der kirchlichen Bekenntnisse verbindet Baumgarten z w e i f e l l o s m i t der hallisch-pietistischen Tradition. Aber d e n n o c h m ö c h t e er, w i e wir sahen, m ö g l i c h s t k e i n e irrationalen 351

Z. B. Geschichte der Religionspartheyen, S. 1263, vgl. auch die polemischen Äußerungen dazu in der Dissertation seines Schülers A. W. Schwarze: Vindiciae necessitatis librorum symbolicorum . . . , 1752, S. 14. 352 Vgl. C. H. Ratschow: Lutherische Dogmatik . . . I, S. 63ff. Baumgarten spricht in der Glaubenslehre (I, S. 72) von den Bekenntnisschriften nur in einem Satz, der sie als das letzte Bestätigungsmittel noch hinter die dogmatischen Lehrbücher und Einzeluntersuchungen stellt. Aus ihnen kann man die „Unterscheidungslehren" und die bei den streitigen Stücken gebräuchlichen „Redensarten und Ausdrücke" entnehmen. Baumgartens historisches Interesse an den symbolischen Büchern war offensichtlich größer als sein dogmatisches (vgl. o. S. 115f.). 353 Praelectiones hermeneuticae, (1717) 1723, S. 167ff. 354 E. Hirsch: Geschichte II, S. 172. Die Zweifel an Hirschs Deutung, die E. Peschke vorsichtig äußert (Studien . . . II, S. 70 bei Anm. 92), lassen sich beheben durch die von Peschke nicht herangezogenen Seiten 186f. und 190ff. in Franckes Praelectiones (s. vor. Anm.). Der Nichtwiedergeborene könne, meint Francke schließlich, die Analogie des Glaubens wohl einigermaßen nach ihrer grammatischen und philosophischen Seite begreifen und gebrauchen, aber: Nos plane ex sensu Pauli ad analogiam transcendentalem fidei non modo acre, sed etiam spirituale et in rebus fidei et ad oeconomiam fidei spectantibus subactum iudicium requiri, non possumus, quin cum fidelibus Dei servis constantissime adfirmemus (S. 191 f.). 355 Institutiones theologicae . . . Editio secunda, (1716) 1732, I, S. 20ff. (ita enascitur in hac verbi usu analogia fidei, S. 20f.). Das hindert Breithaupt freilich nicht, die analogia fidei auch wieder auf eine regula fidei hin zu objektivieren, die maßgebliche Mindestform der doctrina coelestis hat sogar zwei Teile: prior de fide, cuius capita praecipua exponuntur in Symbolo Apostolico; posterior, de caritate, cuius summam explicat Decalogus (S. 21). Die so verstandene analogia fidei hat Breithaupt übrigens Christian Thomasius vorgehalten, der seinerseits hier wieder Papismus witterte (s. A. Tholuck: Geschichte des Rationalismus I, S. 108f., vgl. W. Bienert: Der Anbrach der christlichen deutschen N e u r i t . . . , S. 132ff. 472).

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IV. Der Ertrag der gelehrten Arbeit Baumgartens

Elemente die Hermeneutik bestimmen lassen. Die betende Versenkung befördert wohl die Auslegung, aber eigentlich nur durch Wirkung auf den Willen, wenn es um die Nutzbarmachung geht, nicht aber direkt durch „Entdeckung des wahren Verstandes", denn auch das Gebet richtet dabei nicht mehr aus als „die allerbesten hermeneu tischen Hilfsmittel" 356 . Und welche Rolle spielt dann die analogia fidei in Baumgartens eigener Hermeneutik? Zunächst ist bemerkenswert, daß sie nicht mehr wie bei Rambach 3 5 7 an die Spitze der hermeneutischen Mittel gestellt wird, sondern erst im VI. Kapitel bei der „Erklärung des Inhalts" auftaucht 3 5 8 . Sodann schaltet Baumgarten den gewohnten und noch bei Rambach vorgebrachten 359 direkten Schriftbeweis (Rom. 12,7) für die hermeneutische Erheblichkeit der analogia fidei aus, meint aber, da die Sache anders erweislich sei, könne auch der übliche Ausdruck weiter gebraucht werden 360 . So fordert auch er von dem Schriftinterpreten, keine Auslegung anzunehmen, die der analogia fidei widerspricht 361 , und bei nachweislich mehreren möglichen Auslegungen diejenige vorzuziehen, die „am meisten und leichtesten mit dem gesamten übrigen Lehrbegriff der heiligen Schrift" übereinkommt und zusammenhängt 362 . Andererseits aber — und hier deutet sich Kritik am bisherigen Verfahren an — wird davor gewarnt, ungewohnte Deutungen voreilig zu verwerfen, weil — und damit lenkt Baumgarten wieder ein — deren Reibung mit dem „geoffenbarten Lehrbegriff" oft auf Scheinwidersprüche zurückgeführt werden könne 3 6 3 . Grundsätzlich ist zum Erweis des richtigen „Verstandes" einer Schriftstelle nur die „Herleitung aus seinen eigentlichen Bestimmungsgründen" erforderlich und auch ausreichend zur Feststellung seiner Notwendigkeit, die — wie bei allen historischen Fragen 364 — als eine moralische oder, wie er hier sagt, „sittliche Gewißheit" hinreichend ge356

Ausführliche Hermeneutic, S. 500. J. J. Rambach aaO (s. o. Anm. 261) S. 87ff. Baumgarten ist sich seiner Abweichung bewußt, s. Theologische Bedencken VI, 1748, S. 592. 358 S. o. S. 232 Anm. 309. 310. 3 " J. J. Rambach aaO S. 88ff. 360 Ausfuhrliche Hermeneutic, S. 299; Glaubenslehre I, S. 44f. Baumgarten schließt sich hier der Auslegung C. M. Pfaffs an, der seinerseits Grotius, Clericus und Locke folgte (Von den Grund-Artikuln des Christlichen Glaubens . . . In: Gesammlete Schrifften I,· 1723, S. 73f., vgl. auch Pfaffs Institutiones theologiae . . . , 1719, S. 36f.). In dem Satz „Hat jemand Weissagung, so sei sie dem Glauben gemäß" ist nach Baumgarten (Auslegung des Briefes Pauli an die Römer, 1749, S. 681f.) unter „prophetia" nicht eigentlich die Schriftauslegung, sondern „die höchste Gabe der außerordentlichen und unmittelbaren Offenbarung göttlicher Wahrheiten in der ersten Kirche" zu verstehen und unter „pistis" nicht die fides quae (auf die es bei der analogia fidei ankommt), sondern die fides qua. Paulus habe sagen wollen, die Gnadengabe der „prophetia" müsse vorsichtig, „nach Maßgebung ihres Bewußtseins und richtiger Uberzeugung von der Gegenwart und der jedesmaligen Schranken des göttlichen Eingehens gebraucht werden". 361 Ausführliche Hermeneutic, S. 305. 3 " AaO S. 307. 363 364 AaO S. 306. S. o. S. 152ff. 357

Ansätze zu einer neuen Hermeneutik

239

sichert ist 365 . Dagegen hat der „bloße Beweis anderweitiger Richtigkeit des Inhalts", also besonders der Rekurs auf die analogia fidei immer nur vorläufigen Charakter und beschränkte Beweiskraft, er dient nur zur Erhebung der Möglichkeit, nicht aber zur Feststellung der Notwendigkeit einer Auslegung 366 . Und Baumgarten fügt hinzu: „Das ist deswegen zu bemerken, damit sich ein Ausleger nicht gleich in den parallelismum realem und die analogiam fidei hinein werfe" 3 6 7 . Es ist bei alledem zu fragen, was diese so in ihrer hermeneutischen Brauchbarkeit limitierte analogia fidei selbst für Baumgarten ist. Die Antwort muß eigentümlich zwiespältig ausfallen. Eine Aussagenreihe, die sich vor allem in der Hermeneutik findet, zielt auf etwas durchaus Inhaltliches: „Der Inhalt der heiligen Schrift, die analogia fidei et scripturae, das Lehrgebäude derselben muß einen Bestimmungsgrund der Auslegung in einzelnen Fällen ausmachen" 368 . Genauer gesagt meint die analogia fidei den „geoffenbarten Lehrberiff" 369 , den ganzen „Zusammenhang aller in der Schrift enthaltenen Wahrheiten des geoffenbarten Lehrbegriffs von der Heilsordnung" 370 . Baumgarten ist nämlich der dem Altprotestantismus gemeinsamen Überzeugung, daß „die Vollständigkeit und Hinlänglichkeit der heil. Schrift zu ihrem eigentlichen Endzweck es erfordert, daß ein zusammenhängender Lehrbegriff der darin enthaltenen geoffenbarten Wahrheiten angetroffen werde" 3 7 1 . Und worin besteht dieser Lehrbegriff? Nicht in allen Wahrheiten der Schrift, sondern nur in denen, die geoffenbart sind und zur Heilsordnung gehören. Die ganze Fülle aller Schriftaussagen dagegen steht freilich auch in einem Zusammenhang, welcher Realparallelismus oder analogia scripturae genannt wird 372 . Diese Schriftanalogie erstreckt sich somit weiter als die Glaubensanalogie, sie umfaßt auch alle historischen und anderen natürlich bekannten Wahrheiten, „die nicht zum Lehrbegriff der Heilsordnung gehören" 3 7 3 . Dieser Zusammenhang sämtlicher Schriftwahrheiten ist zwar auch eine Erkenntnisquelle der Hermeneutik 374 und auch zur Einsicht in die analogia· fidei dienlich, aber zu letzterer nicht unbedingt erforderlich 375 . Die Glaubensanalogie vielmehr stützt sich auf „eine Sammlung aller Grund- und Beweisstellen von einerlei Wahrheit" und die „Sammlung und Verbindung aller zur Heilsordnung gehörigen Wahrheiten" 376 . 36s

Ausführliche Hermeneutic, S. 524f. AaO S. 525, s. auch S. 526: „Der Hauptbeweis der Wirklichkeit und Notwendigkeit eines Verstandes aber muß aus der erweislichen Bestimmung des Zwecks hergeleitet werden, als wodurch sich eigentlich der hermeneutice verus sensus von der Doktrinalbeschaffenheit des Inhalts unterscheidet, der nur einen möglichen Verstand erweiset und dartut." 367 AaO S. 526. AaO S. 12. 369 3,0 AaO S. 488. AaO S. 296. 371 372 AaO S. 29 5 . AaO S. 296ff. 373 374 AaO S. 299. AaO S. 296. 375 AaO S. 300, s. auch Glaubenslehre I, S. 46f. 374 Ausfuhrliche Hermeneutic, S. 300: „Wozu noch kommt, daß zur Bestimmung des Lehrbegriffs der geoffenbarten Heilsordnung oder der Glaubensanalogie nicht alle Schriftstellen 366

240

IV. Der Ertrag der gelehrten Arbeit Baumgartens

Man fragt sich, worin dieser „Lehrbegriff der Schrift", dieses „Lehrgebäude" inhaltlich besteht, wenn einerseits nur ein Teil der in der Bibel befindlichen Wahrheiten dazugehört und andererseits jede kirchliche Bekenntnisregel bei seiner Bestimmung ausgeschlossen bleibt. Es i s t die Dogmatik, die Glaubenslehre 377 , auf die hier einfach verwiesen wird. Der Ausleger muß „den richtigen und vollständigen Lehrbegriff der Heilsordnung aufsuchen und vor Augen haben" 3 7 8 . Aber es sind auch wieder „nicht alle Wahrheiten, die in der Glaubensund Sittenlehre vorkommen, dahin zu rechnen, die oft nur Folgerungen anderer Wahrheiten sind, sondern bloß dieselben Grundwahrheiten, die unmittelbar aus der heiligen Schrift hergeleitet werden können" 3 7 9 . Aber was ist das für ein enger eingegrenzter Lehrbegriff, zu dem weder alle Wahrheiten der Schrift noch alle Wahrheiten der Glaubens- und Sittenlehre gehören? Was zählt genau zu jenen „Grundwahrheiten"? Schaut man bei der Suche nach einer Antwort auf die Erörterung der Glaubensähnlichkeit in den Prolegomena der Dogmatik 380 , so wird die Frage ebenfalls nicht durch Beschreibung eines klar umrissenen Inhalts beantwortet, etwa durch Aufzählung einer Reihe von Grundwahrheiten oder der Fundamentalartikel oder gar durch Hinweis auf die Bekenntnisse. Vielmehr begegnet man hier einer anderen Gedankenreihe, die zwar der in der Hermeneutik nicht widerspricht, aber doch in eine ganz andere Richtung weist. Hier interessiert Baumgarten nämlich allein die formale Beschaffenheit der analogia fidei, er versteht unter ihr „den Zusammenhang der Glaubenslehren, dadurch sie sowohl unter einander als mit ihrem gesamten und gemeinschaftlichen Endzweck verbunden werden, nebst dem daraus entstehenden Verhältnis; oder das gegenseitige Verhältnis der Glaubenslehren, das durch ihren gemeinschaftlichen Endzweck bestimmt wird" 3 8 1 . Es verhält sich also so, daß Baumgarten in der Tat seine eigene aus der Schrift geschöpfte Dogmatik in ihren nicht näher benannten Grundwahrheiten stillbrauchbar sind, sondern eigentlich nur die, so in unleugbaren Reden Gottes, Christi und der Männer Gottes vorkommen." (AaO) 377 Darauf hin deutet schon die aus dem „Unterricht von Auslegung der heiligen Schrift" stammende Überschrift von §91: „Vom Gebrauch der Glaubenslehre" (am Rande, im Inhaltsverzeichnis hieß es dagegen „Gebrauch der Glaubenslehren"). Einmal spricht Baumgarten sogar von „Analogie der Glaubenslehre" (Ausführliche Hermeneutic, S. 303). Der hier öfters auftauchende Begriff „Heilsordnung" ist in seiner weiteren Bedeutung (s. o. S. 62 Anm. 17) zu nehmen, welche mit „Glaubenslehre" zusammenfällt. 373 Ausfuhrliche Hermeneutic, S. 303. 379 Ebd, weiter heißt es hier: „Es gibt dogmatische und moralische problemata, die auf wahrscheinliche Weise aus den Grundsätzen der heiligen Schrift hergeleitet und als Folgerungen dargetan werden können; die sind zu der eigentlichen analogia fidei nicht eben zu rechnen, sondern davon abzusondern." 3.0 Glaubenslehre I, S. 44ff. 3.1 AaO S. 46. Im einzelnen bedeutet das die Homogenität der betreffenden Lehren, ihre Abhängigheit voneinander und ihre Ordnung untereinander (S. 47—49).

Ansätze zu einer neuen Hermeneutik

241

schweigend der Glaubensanalogie zugrunde legt, diese selbst aber dann — unter Rückgriff auf die mathematische Herkunft des Analogiebegriffs — als ein rein formales Verhältnis ansieht: strenggenommen ist sie „die Symmetrie in der Zusammensetzung verschiedener Teile des Ganzen, die Harmonie und Übereinstimmung der Teile untereinander" 382 . Die analogia fidei wird hier also gleichgesetzt mit der inneren Systematik der Glaubenslehre, sie fällt mit dem zusammen, was man sonst die Harmonie oder Kohärenz der Glaubensartikel genannt hatte 3 8 3 . Damit wird die Unklarheit innerhalb der Orthodoxie darüber, ob die analogia fidei ein Verhältnisbegriff oder ein Materialbegriff sei 384 , von Baumgarten weitergetragen, indem er sie in der Glaubenslehre vor allem als das erste hinstellt und in der Hermeneutik vor allem als das zweite gebraucht. Das verbindende Glied zwischen beiden Aussagen über die analogia fidei ist die gemeinsame Bezogenheit des biblischen Lehrbegriffs und des dogmatischen Systems auf den heilhaften Endzweck. Dabei wird als erwiesen vorausgesetzt, daß es in der Schrift einen diesem untergeordneten einheitlichen Lehrbegriff gibt, und alle Mühe daran gewandt, ihn in der Dogmatik in ein zweckentsprechendes System zu bringen. Andererseits aber hat die analogia fidei als auf den Endzweck ausgerichtete Systematik der Glaubenslehre faktisch — wenigstens noch für die exegetischen Grenzfälle, tatsächlich aber wohl darüber hinausgehend — die Einheit des „Lehrbegriffs der Schrift" erst zu garantieren. Auch Baumgarten reproduziert damit auf seine Weise noch einmal den altprotestantischen Zirkel von Dogmatik und Hermeneutik 385 . Zugleich deuten sich damit aber auch schon die künftigen Schwierigkeiten an, weiterhin einen auf eine Mitte bezogenen einheitlichen Lehrbegriff der Schrift als Auslegungshilfe zu finden. J e mehr sich die analogia fidei von den kirchlichen Symbolen löst und je mehr es jedem Theologen zur eigenen Aufgabe gemacht wird, sie zu bestimmen 386 , desto unaufhaltsamer verliert die analogia 382

AaO S. 45. Ähnlich C. M. Pf äff: Institutiones theologiae . . . , 1719, S. 36f. 3«3 Vgl. C. H. Ratschow: Lutherische Dogmatik . . . I, S. 146. 150f., w o auch gezeigt ist, daß die Reflexion auf die Systematik als solche zunehmend auch die Erörterung der articuli fidei in der späteren Orthodoxie bestimmte. 384 Dies stellt L. Diestel (Geschichte des Alten Testaments . . . , S. 369) mit Recht fest. Da aber auch die Geschichte der analogia-fidei-Vorstellung bei B. Gertz (s. o. Anm. 339) hier noch nicht ins einzelne geht, bleibt die genauere Erforschung dieser Problematik weiter eine Aufgabe. 3,5 Vgl. W. Dilthey: Leben Schleiermachers (s. o. Anm. 258), S. 624: „So daß hier der Zirkel, in dem sich schon die Hermeneutik des Flacius bewegte, geradezu hingestellt ist. Die Hermeneutik ruht auf Lehnsätzen der Dogmatik und begründet diese wiederum." 386 Baumgartens Schüler J. D. Wiegleb schrieb in seiner 1742 vorgelegten Dissertation (exercitatio theologica sistens scientiae fidei et experientiae discrimen et nexum in theologia necessarium): Nexus et mutua relatio omnium doctrinarum theologicarum dicitur analogia fidei: systema autem, omnium earum invicem rite coniunctarum complexus. Analogiam fidei igitur cognoscat, et systema exinde sibi formet theologus ( § 4 3 ) . . . a theologo analogia fidei atque systema formetur, et, utrumque verum ac legitimum esse, cognoscatur et ostendatur per scientiam (§ 44).

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IV. Der Ertrag der gelehrten Arbeit Baumgartens

fidei überhaupt ihr Gewicht als allgemein anerkanntes hermeneutisches Regulativ. Dies geschieht weniger dadurch, daß sie wie bei Baumgarten in der Dogmatik sich in die reine Formalität der Kohärenz zurückzieht, eher schon so, daß sie wie bei Lessing polemisch in eine regula fidei zurückverwandelt wird, die jedoch die Normativität der Schrift überhaupt auf sich beruhen läßt 387 , am folgenreichsten aber dadurch, daß mit der über Baumgarten hinausgeführten „historischen Interpretation" 3 8 8 allmählich die Annahme eines einheitlichen hiblischen Lehrbegriffs gegenstandslos und so die orthodoxe Vorstellung der analogia fidei von ihrer Grundlage aus aufgelöst wird. Erst danach konnte die Frage nach der Mitte der Schrift neu gestellt werden. So sehr die von Baumgarten ausgehenden Impulse die historische Kritik anregen konnten — man kann die spätere Bibelkritik weithin als eine radikaler durchgeführte Betrachtung des Textes als „historischer Begebenheit" ansehen —, so gewiß zeigen sich in seinem dogmatischen Lehrgebäude, zu dem auch die analogia fidei gehört, nur erst einzelne Risse. Noch steht seine Warnung vor einem „Vorurteil des Lehrbegriffs" unter der Einschränkung des Satzes, daß im Falle eines unvermeidlichen Widerspruchs bei der Auslegung schließlich doch ein göttlich eingegebenes Buch anders zu behandeln sei als ein rein menschliches 389 . Doch Baumgarten hat, wie gezeigt, selbst Erhebliches dazu beigetragen, daß die biblischen Schriften immer bewußter als von Menschen verfaßt angesehen wurden und darum jetzt vordringlich eine historische Interpretation erfahren mußten. Selbst stand Baumgarten, wie auch hier noch einmal zu sehen ist, theologisch noch sehr fest im Altprotestantismus. Er hat aber die Entwicklung der evangelischen Theologie in Deutschland auf einen Punkt zugetrieben, an dem nur ein Umschlag erfolgen konnte oder, um in seinem eigenen Bilde 390 zu bleiben, an dem der Strom nur weiterfließen konnte, wenn er sich ein neues Bett suchte. Ein Stück weit aber hat Baumgarten selbst ihm durch seinen tätigen Hinweis auf die historische Dimension der christlichen Theologie die Richtung schon abgesteckt. 387

Vgl. L. Zscharnack: Lessing und Semler, S. 143ff. Den Ausdruck „historische Interpretation" gebraucht Baumgarten selbst noch nicht. Aber welche Möglichkeiten in ihm steckten, erhellt aus einer Bemerkung, es dürfte nicht mit Blick auf den Inhalt die „Auslegung historischer Stellen eine interpretationem historicam" genannt werden, da für alle Schriftstellen eine „der inneren Beschaffenheit nach" gleiche Auslegungsmethode gelten müsse (Ausführliche Hermeneutic, S. 382f.). 389 AaO S. 12. 527f.; Glaubenslehre I, S. 48. 390 Nach Semlers Erzählung (Lebensbeschreibung . . . I, 1781, S. 222), s. o. S. 57. 3,8

BIBLIOGRAPHIE SIEGMUND J A C O B B A U M G A R T E N S

I. Verzeichnis der gedruckten Schriften Siegmund Jacob Baumgartens 1726 Nr. 1

Dissertationem philologicam, qua celeberrimi cuiusdam viri hypothesis etymologica, de hebraea et adfinibus orientis Unguis a graeca derivandis, modeste expenditur, praeside Christian. Bened. Michaelis, . . . publico examini subiiciet d. aprii. MDCCXXVI. Sigismundus Iacobus Baumgarten, . . . (Halle 1726). 82 S.

Nr. 2

Heu decus eximium periit . . . (Trauergedicht ohne Überschrift) In: Epicedia, Oder Klag- und Trost-Carmina und andere dazu gehörige Schriften, Bey dem seeligen Ableben Weyland August Hermann Francken . . . , S. 65. Angebunden an: Johann George Francke: Einen treuen Lehrer der Kirche . . . Aug. Hermann Franckens, . . . Leichen-Predigt, Halle 1727.

Nr. 3

Prolusio ab examen solemne d. III et IUI. oct. MDCCXXVIIII habitum (Schulprogramm der Lateinischen Schule des Hallischen Waisenhauses).

1727

1729

1730 Nr. 4

Trauergedicht für Johanna Elisabeth Rambach, geb. Lange.

Nr. 5

Trauergedicht für Johann Hieronymus Wiegleb.

Nr. 6

Prolusio ad examen solemne classis selectae d. III apr. MDCCXXX institutum (Schulprogramm der Lateinischen Schule des Hallischen Waisenhauses).

Nr. 7

Programma de transitu ex scholis in academias feliciter instituendo ad examen solemne d. IX et X oct. MDCCXXX (Schulprogramm der Lateinischen Schule des Hallischen Waisenhauses). 1731

Nr. 8

Programma de orationum scholasticarum argumentis bene seligendis ad examen d. II. III. aprii MDCCXXXI (Schulprogramm der Lateinischen Schule des Hallischen Waisenhauses).

Nr. 9

Programma de utilitate ex pietate in litteras redundante ad examen solemne scholae latinae in Orphanotropheo glauchensi d. VIII. et Villi, octob. anni MDCCXXXI (Schulprogramm der Lateinischen Schule des Hallischen Waisenhauses).

3

Nach Nach 5 Nach 6 Nach ' Nach 8 Nach ' Nach 4

dem Abdruck in Nr. 47a, S. 1 7 5 - 1 7 6 . Katalog der . . . Stolberg'schen Leichenpredigten-Sammlung II, S. 605, Nr. 14901. Katalog der . . . Stolberg'schen Leichenpredigten-Sammlung IV, S. 688, Nr. 23082. dem Abdruck in Nr. 47a, S. 1 7 7 - 1 8 0 . dem Abdruck in Nr. 47a, S. 1 8 1 - 1 9 0 . dem Abdruck in Nr. 47a, S. 1 9 1 - 2 0 0 . dem Abdruck in Nr. 47a, S. 2 0 1 - 2 1 8 .

246

Bibliographie Baumgartens 1732

Nr. 10

Memoriae incomparabilis theologi viri summe venerabilis excellentissimi amplissimi Ioachimi Iusti Breithaupti . . . qui die XVI martii huius anni MDCCXXXII vita beate defunctus ad diem IUI maii funebri sermone in aede scholastica condecorandus est hoc monumentum . . . Academiae Fridericianae senatus interprete prorectore Simone Petro Gasserò . . . (Halle 1732).

Nr. 11

Programma de corporis motu atque exercitatione litteratis necessaria ad examen solemne scholae latinae in Orphanotropheo glauchensi ρ rid. cal. et ipsis cal. aprii, anni MDCCXXXII (Schulprogramm der Lateinischen Schule des Hallischen Waisenhauses). 1733

Nr. 12

Programma de periculis et malis eruditorum ad examen solemne in Orphanotropheo glauchensi ad d. XVI et XVII aprii. MDCCXXXIII. instituendum (Schulprogramm der Lateinischen Schule des Hallischen Waisenhauses).

Nr. 13

Tabula nexus harmonici quatuor evangelistarum Sandhageniana, ex versione latina Pritii. In usum praelectionum exegeticarum seorsim typis exscribi curavit, additis aliquot canonibus harmonicis, M. S. I. Baumgarten, Fak. Theol. Adi. Halae 1733.

Nr. 14

Solemnitatem funebrem viri summe reverendi excellentissimi amplissimi Ioannis Liborii Zimmermanni . . . ad d. XVIII. apr. anni MDCCXXXIIII . . . sermone sacro in aede académica concelebrandam cum . . . Academiae Fridericianae senatu indicit Ioannes Henricus Michaelis. Halae 1734.

Nr. 15

öffentliche Anzeige seiner dißmaligen Academischen Arbeit, dabey zugleich Von den vornehmsten Vortheilen Bey Erlernung der Theologie auf hohen Schulen gehandelt wird, Halle 1734. 23 S.

1734

1735 Nr. 16

Betrachtung des Namens Jesus am Neuenjahrstage 1735. in der Schulkirchen angestelt, Halle (1735). 48 S.

Nr. 17

Jeremiä Burroughs Eines geistreichen Gottes Gelehrten in England Übel aller Übel Oder Grosse Siindlichkeit der Sünde Aus dem Englischen übersetzt Und Mit einer Vorrede Herrn Siegm. Jac. Baumgartens . . . Herausgegeben Von Joh. Benj. Wolffrum . . . , Halle 1735. 596 S. Vorrede vom 14. 4. 1735 (nicht paginiert, 38 S.).

Nr. 18

Betrachtungen über einige Schrifft-Steilen aus dem Propheten Jesaia auf den jährlichen hohen Festen angestellet, Halle 1735. 256 S. Mit Vorrede vom 5. 10. 1735 (nicht pagniert, 6 S.).

Nr. 19

Das zuverläßige und aller Aufname würdige Wort von der Geburth des Seligmachers . . . Predigt, Halle (1735). 48 S.

" Nach dem Abdruck in Nr. 47a, S. 2 1 9 - 2 3 5 . 12 Nach dem Abdruck in Nr. 47a, S. 2 3 6 - 2 5 0 . 13 Ein wohl verschollenes Arbeitsheft für die Studenten, nach J . G. Kirchner^ Vorbericht zu Nr. 181, § 4 . 17 Ubersetzung von: Burroughs, Jeremiah: Evil of evils.

Schriften

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1736 Nr. 20

Succincta commentatio de veterum temporibus memoriae Christi vitae restituti sacris qua nomine academiae solemnia paschatos indixit Sigism. lac. Baumgarten..., Halae 1736. 16 S.

Nr. 21

Christian Richters genaue Übersetzung der Psalmen mit einer Vorrede Hrn. Siegm. Jac. Baumgartens . . . , Halle 1736. 370 S. Vorrede vom 21. 4. 1736 (nicht paginiert, 42 S.).

Nr. 22

Memoriae . . . Ioachimi Iusti Breithaupti . . . (s. Nr. 10) In: Das Gesegnete Gedächtniß Des . . . Joachim Just Breithaupts . . . ans Licht gestellet von Gotthilf August Francken . . . , Halle 1736, S. 2 6 9 - 2 9 0 .

Nr. 23

Academiae Fridericianae prorector Iac. Gabr. Wolffius . . . proposito tempore Spiritus Dei in primos Christi discípulos effusi omnium opportunissimo solemnia pentecostes indicit, Halae 1736. 8 S.

Nr. 24

Epistola de veterum coniunctione matheseos cum philosophia qua . . . Io. Gottlob Krugero summos in philosophia honores d. XVIII cal. februar. MDCCXXXVII obtinendos amantissime gratulatur Sigism. Iac. Baumgarten (Halle 1737) (nicht paginiert, 4 S.).

Nr. 25

Trauergedicht für Fabian Heinrich Graf von Schoenaich.

Nr. 26

Betrachtung vom Wandel vor Gott über I B. Mos. 17,1. Halle 1737. 128 S. Mit Vorbericht vom 10. 5. 1737 (nicht paginiert, 60 S.).

Nr. 27

Samlung einiger erbaulichen Predigten dreyer berümten Gottesgelehrten in England Rad. Cudworths, J o h . Wallis und Isaac Barrows mit einer Vorrede ausgefertiget von Siegm. Jacob Baumgarten, Halle 1737. 510 S. Vorrede vom 11. 5. 1737 (nicht paginiert, 60 S.).

Nr. 28

Betrachtung des Namens Jesus am Neuenjahrstage 1735. in der Schulkirchen angestelt, zweite Auflage, Halle 1737. 56 S.

Nr. 29

Carl Dietloff Struvens Erste Wahrheiten unsers Heils für Anfänger als eine Einleitung in den Catechismum in Frag und Antwort kürtzlich . . . entworfen. Nebst einer Vorrede . . . S. J . Baumgarten . . . , Halle 1738. Vorrede vom 20. 12. 1737.

Nr. 30

Commentatio ad difficiliora verba Rom. I, IUI qua nomine academiae paschae solemnia indixit Sigism. Iac. Baumgarten, datiert vom 28. 3. 1738. 16 S.

Nr. 31

Unterricht vom rechtmässigen Verhalten eines Christen oder Theologische Moral zum academischen Vortrag ausgefertiget. Halle 1738. 836 S. Mit Vorrede vom 10. 4. 1738 (nicht paginiert, 40 S.).

Nr. 32

Johan Korbets geheime Selbstbeschäftigung darin 1) die Untersuchung des Zustandes seiner Seele, 2) Betrachtungen bey seinem Leiden, und 3) Erinnerungen zur eigenen Uebung enthalten, mit einer Vorrede Siegm. J a c . Baumgartens . . . (Halle) 1738. 64 S. Vorrede vom 1. 9. 1738 (nicht paginiert, 14 S.).

1737

1738

" " 31 32

Nach Katalog der . . . Stolberg'schen Leichenpredigten-Sammlung IV, S. 182, S. 20424. Nach Cat. Brit. Museum, abgedruckt auch in Nr. 63a, S. 3 6 3 - 3 7 4 . Zur Entstehung und Auflagenzählung s. o. S. 49 Anm. 163. Ubersetzung von Corbet, John: Self-Imployment in secret.

248

Bibliographie Baumgartens

Nr. 33

Trauergedicht für Friedrich Wilhelm Herold.

Nr. 34

Die Ermahnung Christi zur Barmherzigkeit: Am IV. Sontage nach Trinit. aus Luc. VI. 36 abgehandelt von Siegmund Jacob Baumgarten. In: Neue Samlung auserlesener und überzeugender Canzel-Reden . . . Erster Theil. Hamburg 1738, S. 2 0 9 - 2 4 2 . 1738-1741

Nr. 35a

Verteidigung der natürlichen und geoffenbarten Religion, oder Gilbert Burnets Auszug der von Robert Boyle gestifteten Reden, aus dem Englischen übersetzt von Elias Caspar Reichard durchgesehen und mit einer Vorrede zum Druck befördert von Siegmund J a c o b Baumgarten . . . Erster Theil. Leipzig und Bayreuth 1738. 438 S. Vorrede vom 7. 10. 1738 (nicht paginiert, 66 S.).

Nr. 35b

Verteidigung . . . Anderer Theil. Leipzig und Bayreuth 1739. 396 S. Vorrede vom 11. 6. 1739 (nicht paginiert, 8 S.).

Nr. 35c

Verteidigung . . . durchgesehen und mit einer Vorrede von der Freygeisterey zum Druck befördert von Siegmund Jacob Baumgarten . . . Dritter Theil. Leipzig und Bayreuth 1741. 78 + 325 S. Vorrede vom 27. 3. 1741 (S. 3 - 7 8 , erste Zählung). 1739

Nr. 36

Trauergedicht für Benjamin Crafft.

Nr. 37

Commentatio historicotheologica de solemnium Christo nato sacrorum originibus qua nomine senatus academiae natalem domini indixit Sigism. Iac. Baumgarten . . . , Halae 1739. 16 S.

Nr. 38

Das zuverläßige und aller Aufname würdige Wort von Der Geburt des Seligmachers in einer den zweiten Weihnachtstag 1735 in der Schulkirche zu Halle gehaltenen Predigt vorgestelt, zweite Auflage, Halle 1739. 48 S. 1740

Nr. 39

Isaac Watts Reden von der Liebe Gottes und ihrem Einflus in alle menschliche Leidenschaften, auch derselben Gebrauch und Misbrauch, aus dem Englischen übersetzt, genau durchgesehen und mit einer Vorrede herausgegeben von Siegmund Jacob Baumgarten, Frankfurt und Leipzig 1740. 260 S. Vorrede vom 5. 10. 1739 (nicht paginiert, 24 S.).

Nr. 40

Gottfried Arnolds Denckmahl des Alten Christenthums Oder des heil. Macarii und anderer hocherleuchteten Männer aus der alten Kirche auserlesene Schriften Mit einer Vorrede Siegmund J a c o b Baumgartens . . . Vierdte Auflage. Leipzig 1740. 92 + 432 + 496 S. Vorrede vom 8. 11. 1739 (S. 1 - 6 0 , erste Zählung).

Nr. 4 1

Isaac Watts Verwarung gegen die Versuchung zum Selbstmord. Aus dem englischen übersetzt von Johann Gebhard Pfeil aus Magdeburg genau durchgesehen und mit einer Vorrede ausgefertiget von Siegmund Jacob Baumgarten. Frankfurt und Leipzig 1740. 128 S. Vorrede vom 4. 5. 1740 (nicht paginiert, 12 S.).

Nach Katalog der . . . Stolberg'schen Leichenpredigten-Sammlung II, S. 271, Nr. 12188. Die Sammlung wurde bis Bd. VII (1747) ohne Baumgarten fortgesetzt, s. o. S. 165 Anm. 330. " Nach Katalog der . . . Stolberg'schen Leichenpredigten-Sammlung I, S. 371, Nr. 7843. 39 Ubersetzung von Watts, Isaac: Discourses on the love of God. 4 0 Zum Fundort s. o. S. 116 Anm. 77. 4 1 Ubersetzung von Watts, Isaac: A Defence against the temptation to selfmurder. 33

35

Schriften

249

Nr. 42

Accurate biblische Spruchconcordantz, mit S. J . Baumgartens Vorrede, Halle und Leipzig 1740. Vorrede vom 11. 5. 1740.

Nr. 43

Auslegung des Buchs Hiob erster Theil, Halle 1740. 480 S. Mit Vorrede vom 18. 5. 1740 (nicht paginiert, 6 S.).

Nr. 44

Gottfried Arnolds Wahre Abbildung der Ersten Christen . . . In der dritten Ausfertigung mit einer nöthigen Verantwortung, wie auch vollständigen Summarien und Registern vermehret, mit einer Vorrede Siegmund Jacob Baumgartens. Sechste Auflage, Leipzig 1740. 58 + 1120 S. Vorrede vom 1. 10. 1740 (nicht paginiert, 15 S.).

Nr. 45

Academiae Fridericianae prorector Joannes Juncker . . . annua sacra Jesu domini in lucem editi ad d. XXV dec. MDCCXXXX indicunt Commentatione de mense dieque memoriae Christi nati antiquitus consécrate. Halae (1740). 28 S.

Nr. 46

Programmata cum appendice epistolarum collegit et digessit Gotthilf Christoph Bakius, Halae 1740. 344 S.

Nr. 47a

Opuscula, quae latine scripsit Sigism. Iac. Baumgarten . . . collegit et digessit Gotthilf Christoph Bakius . . . Fasciculus I. Halae 1740. 344 S.

Nr. 47b

Opuscula, quae latine scripsit Sigism. Iac. Baumgarten. Fasciculus II. Halae 1746. 384 S. Darin Baumgartens praefatio vom 31. 12. 1745 (nicht paginiert, 8 S.).

1740-1746

1741 Nr. 48

Herrn Bakers volständige Historie der Inquisition aus dem englischen übersetzt von Christian Friedrich Tieffensee mit einer Vorrede Siegm. Jac. Baumgartens. Kopenhagen 1741. 1128 S. Vorrede vom 8. 10. 1740 (nicht paginiert, 70 S.).

Nr. 49

Ermanung zum Glauben und Ausübung des wahrhaften Gottesdienstes, aus dem Englischen übersetzt, mit einer Vorrede Siegm. Jac. Baumgartens, zweite Auflage, Halle 1741. 128 S. Vorrede vom 3. 3. 1741 (nicht paginiert, 30 S.).

Nr. 50

Herrn Peter Roques Gestalt eines Evangelischen Lehrers. Erster Theil aus dem frantzösischen übersetzt von Friedrich Eberhard Rambach . . . mit einer Vorrede Siegm. Jac. Baumgartens . . . , Halle 1741. 432 S. Vorrede vom 15. 4. 1741 (nicht paginiert, 40 S.).

Nr. 51

Responsum et iudicium theologicum de scripto specimine, quod eidem praemittitur, Halae 1740.

Nr. 52

Betrachtung über Sirach 33,17.18 zur feierlichen Begehung des dreihundertjährigen Gedächtnisses der Buchdruckerkunst, Halle 1741. 40 S.

42

Nach Bibliothecae Baumgartenianae Pars I, S. 209, Nr. 744, abgedruckt in Nr. 63b, S. 269-274. 43 Mehr nicht erschienen, s. o. S. 111. 46 4 7 3 Nr. 47a ist bis auf das Titelblatt identisch mit Nr. 46. 4 " Übersetzung von Baker, John: The History of the Inquisition. 49 Verfasser nicht genannt, die 1. Auflage erschien, wie Baumgarten in der Vorrede mitteilt, früher mit einer Vorrede von Chr. E. Weismann. 50 Übersetzung von Roques, Pierre: Le Pasteur évangelique; selbständig fortgesetzt von F. E. Rambach. 81 Dat. vom 14. 5. 1741, Titelfassung nach J . S. Semlers „Ehrengedächtnis", S. 139, zusammen mit der Anfrage auch abgedruckt in Nr. 47b, S. 351—384.

250

Bibliographie Baumgartens

Nr. 53

Betrachtung vom Wandel vor Gott über I. B. Mos. 17,1. zweite Auflage, Halle 1741. 128 S. Mit Vorbericht vom 10. 5. 1737 (nicht paginiert, 4 S.).

Nr. 54

Festbetrachtungen über einige Stellen aus dem Jesaia zweite Auflage, Halle 1741. 256 S. Mit Vorrede vom 5. 10. 1735 (nicht paginiert, 6 S.).

Nr. 55

Petri v. Haven commentatio analytica in epistolam Pauli in Titum cum praefatione Sigismundi Iac. Baumgarten . . . Halae 1742. 168 S. Praefatio vom 22. 7. 1741 (nicht paginiert, 19 S.).

Nr. 56

Unterricht von Auslegung der heiligen Schrift für seine Zuhörer ausgefertiget, Halle 1742. 216 S. Mit Vorrede vom 21. 4. 1742 (nicht paginiert, 6 S.).

Nr. 57

Sigismundi Jacobi Baumgarten Index tarn disputationum sub praesidio suo adhuc habitarum quam argumentorum quae opportune disputari posse videntur. Halae 1742. 16 S. (datiert vom 11. 8. 1742).

Nr. 58

Ermanung Christi zur Barmhertzigkeit aus dem ersten Theil der hamburgischen Kantzelreden auf Verlangen besonders herausgegeben, Halle 1742. 39 S.

1742

1742-1745 Nr. 59a

Christian August Saligs Vollständige Historie des Tridentischen Conciliums, Zweyter Theil . . . Als ein Beytrag, zur Fortsetzung der Seckendorfischen Historie des Lutherthums, Mitgetheilet Aus der Wolfenbütteischen Bibliothec. nebst einer Vorrede Siegm. Jac. Baumgartens, Halle 1742. 612 S. Vorrede vom 14. 4. 1742 (nicht paginiert. 22 S.).

Nr. 59b

Christian August Saligs Vollständige Historie des Tridentischen Conciliums, Dritter und letzter Theil, . . . nebst beygefügtem Fünffachen Anhange . . . mit einer Vorrede Siegm. Jac. Baumgartens, Halle 1745. 3 2 0 + 1 4 6 + 72 + 448 + 62 S. Vorrede vom 8. 5. 1745 (nicht paginiert, 13 S.) und: Siegm. Jac. Baumgartens Ergäntzung und Fortsetzung der Gelerten Geschichte der tridentischen Kirchenversamlung (S. 2 4 1 - 3 2 0 , erste Zählung). 1742-1750

Nr. 60a

Theologische Bedencken erste Samlung, Halle 1742. 368 S. (Verlag J . A. Bauer). Mit Vorrede vom 26. 1. 1742 (nicht paginiert, 60 S.).

Nr. 60b

Theologische Bedencken zweite Samlung, Halle 1743. 398 S. (Verlag J . A. Bauer). Mit Vorrede vom 16. 1. 1743 (nicht paginiert, 28 S.).

Nr. 60c

Theologische Bedencken dritte Samlung, Halle 1744. 384 S. (Verlag J . A. Bauer). Mit Vorrede vom 18. 3. 1744 (nicht paginiert, 156 S.).

54

Titel verändert gegenüber der 1. Auflage (Nr. 18). Im Nachlafi Baumgartens fand sich das wahrscheinlich nie gedruckte Manuskript einer französischen Ubersetzung: Hermeneutique, ou Manière d'interpreter les saintes écritures, par le célébré Sigmond Jaques Baumgarten, traduite de l'Allemand par Bartelmi Oeltze. Halle 1743, s. Bibliothecae Baumgartenianae Pars I, Appendix II, S. 83, zweite Zählung. " Sonderausgabe von Nr. 34. " Nr. 6Od enthält Register über Bd. 1 - 4 , Nr. 60g enthält Register über Bd. 5 - 7 . Die Sammlung wurde unter dem Titel „Theologische Gutachten" fortgesetzt (Nr. 162). 56

Schriften

251

Nr. 6Od

Theologische Bedencken vierte Samlung, Halle 1745. 690 S. (Verlag J . A. Bauer). Mit Vorrede vom 24. 5. 1745 (nicht paginiert, 12 S.).

Nr. 60e

Theologische Bedencken fünfte Samlung, Halle 1747. 78 + 464 S. (Verlag J . A. Bauer). Mit Vorrede vom 25. 9. 1746 (S. 5 - 7 8 , erste Zählung).

Nr. 60f

Theologische Bedencken sechste Samlung, Halle 1748. 888 S. (Verlag J . A. Bauer). Mit Vorrede vom 10. 2. 1748 (nicht paginiert, 56 S.).

Nr. 60g

Theologische Bedencken siebente Samlung, Halle 1750. 122 + 328 S. (Verlag J . A. Bauer). Mit Vorrede vom 18. 8. 1750 (S. 1 - 1 2 2 , erste Zählung).

Nr. 60ga Theologische Bedenken. Saml. 7. Halle 1750. 122 + 328 S. (Verlag J . J . Gebauer). Nr. 61 Nr. 62

1743 Zuschrift an seine Zuhörer. Datiert: Halle 19. 1. 1743 (nicht paginiert, 8 S.). Academiae Fridricianae prorector Martinus Schmeizel . . . natalem Jesu domini ad XXV dec. MDCCXXXIII. indicit Succincta enarratione solemnium quibus memoria Christi in lucem editi antiquitus celebrata est, Halae (1743). 23 S. 1743-1745

Nr. 63a

Kleine teutsche Schriften. Erste Samlung. Halle 1743. 374 S. Mit Vorrede vom 8. 5. 1743 (nicht paginiert, 14 S.).

Nr. 63b

Kleine teutsche Schriften. Zweite Samlung. Halle 1745. 338 S. Mit Vorrede vom 8. 5. 1745 (nicht paginiert, 26 S.).

Nr. 64a

Auszug der Kirchengeschichte, von der Geburt Jesu an. Erster Theil. Halle 1743. S. 1 - 4 6 8 . (Verlag J . A. Bauer). Mit Vorrede vom 10. 8. 1743 (nicht paginiert, 22 S.).

Nr. 64b

Auszug der Kirchengeschichte, von der Geburt Jesu an. Zweiter Theil. Halle 1744. S. 4 6 9 - 8 9 6 . (Verlag J . A. Bauer). Mit Vorrede vom 1. 5. 1744 (nicht paginiert, 2 S.).

Nr. 64c

Auszug der Kirchengeschichte, von der Geburt Jesu an. Dritter Theil. Halle 1746. S. 8 9 7 - 1 4 6 6 . (Verlag J . A. Bauer). Mit Vorrede vom 18. 3. 1746 (nicht paginiert, 22 S.).

Nr. 65a

Auszug der Kirchengeschichte, von der Geburt Jesu an. Erster Theil. Zweite Auflage. Halle 1743. Sonst wie Nr. 64a.

Nr. 65b

Auszug der Kirchengeschichte, von der Geburt Jesu an. Zweiter Theil. Zweite Auflage. Halle 1748. Sonst wie Nr. 64b.

Nr. 65c

Auszug der Kirchengeschichte, von der Geburt Jesu an. Dritter Theil. Zweite Auflage. Halle 1753. Sonst wie Nr. 64c.

1743-1746

1743-1753

Nr. 65aa Wie Nr. 65a, bis auf Verlag: J . J . Gebauer. Nr. 65ba Wie Nr. 65b, bis auf Verlag: J . J . Gebauer. Nr. 65ca Wie Nr. 65c, bis auf Verlag: J . J . Gebauer. "

Richtige Jahreszahl am Ende des Textes: MDCCXXXXIII.

252

Bibliographie Baumgartens 1744

Nr. 66

Samuel Werenfels, . . . Betrachtung von den Bewegungs-Gründen, dadurch die heilige Schrift die Menschen zur Tugend führet, nebst . . . und einer Vorrede . . . Siegmund Jacob Baumgartens von den verschiedenen Arten des Misbrauchs und der Verachtung der christlichen Sitten-Lehre. Halle 1744. 10 + 4 0 S. Vorrede vom 3. 4. 1744 (S. 3 - 1 0 , erste Zählung).

Nr. 67

Zweite Zuschrift an seine Zuhörer. Datiert: Halle 29. 5. 1744. 32 S.

Nr. 68

Hieroglyphica oder Denkbilder der alten Völker . . . in LXIII Capiteln, und so viel Kupfertafeln beschrieben und vorgestellet durch Romeyn de Hooghe . . . Obersehen und besorgt von Arnold Heinrich Westerhovius . . . Ihrer Schönheit wegen ins Hochdeutsche übersetzt und mit einer Vorrede des Herrn Siegmund J a c o b Baumgartens . . . begleitet. Amsterdam 1744. 12 + 396 S. Vorrede vom 15. 9. 1744 (nicht paginiert, 22 S.).

Nr. 69

Unterricht vom rechtmäßigen Verhalten eines Christen, oder Theologische Moral, zum academischen Vortrag ausgefertiget, dritte Auflage, Halle 1744. 806 S. Mit Vorrede vom 10. 4. 1738 (nicht paginiert, 38 S.) und Neuer Vorbericht vom 3. 10. 1744 (nicht paginiert, 68 S.).

Nr. 70

öffentliche Anzeige seiner dismaligen academischen Arbeit, dabey zugleich von den vomemsten Vortheilen bey Erlernung der Theologie auf hohen Schulen gehandelt wird, zweite Auflage. Halle 1744. 23 S. 1744-1753

Nr. 71a

Theologische Bedencken erste Samlung zweite Auflage. Halle 1744. Sonst wie Nr. 60a.

Nr. 71b

Theologische Bedencken zweite Samlung zweite Auflage. Halle 1745. Sonst wie Nr. 60b.

Nr. 71c

Theologische Bedencken dritte Samlung zweite Auflage. Halle 1747. Sonst wie Nr. 60c.

Nr. 71d

Theologische Bedencken vierte Samlung zweite Auflage. Halle 1749. Sonst wie Nr. 6 Od.

Nr. 7 l e

Theologische Bedencken fünfte Samlung zweite Auflage. Halle 1751. Sonst wie Nr. 60e.

Nr. 71f

Theologische Bedencken sechste Samlung zweite Auflage. Halle 1753. Sonst wie Nr. 60f.

Nr. 71aa Wie Nr. 71a, bis auf Verlag: J . J . Gebauer. Nr. 7 Iba Wie Nr. 71b, bis auf Verlag: J . J . Gebauer. Nr. 7 I c a Wie Nr. 71c, bis auf Verlag: J . J . Gebauer. Nr. 7 Ida Wie Nr. 71d, bis auf Verlag: J . J . Gebauer. Nr. 71fa

Wie Nr. 71f, bis auf Verlag: J . J . Gebauer.

Übersetzung von Werenfels, Samuel: Meditatio de incitamentis ad virtutem in sacra scriptura propositis. " Übersetzung von Hooghe, Romein de: Van de Hieroglyphica of merkbeeiden der oude Volkeren. 6 9 Eigentlich 2. Auflage, s. zu Nr. 31. 64

Schriften

253

1744-1758 Nr. 72a

Uebersetzung der Algemeinen Welthistorie die in Engeland durch eine Geselschaft von Gelehrten ausgefertiget worden. Erster Theil. Nebst den Anmerkungen der holländischen Uebersetzung auch vielen neuen Kupfern und Karten. Genau durchgesehen und mit häufigen Anmerkungen vermeret von Siegmund Jacob Baumgarten, Halle 1744. 108 + 630 S. Mit Vorrede vom 9. 4. 1744 (S. 3 - 5 8 , erste Zählung).

Nr. 72b

Uebersetzung der Algemeinen Welthistorie . . . Zweiter Theil. . . . , Halle 1745. 37 + 700 S. Mit Vorrede vom 8. 1. 1745 (S. 3 - 3 7 , erste Zählung).

Nr. 72c

Uebersetzung der Algemeinen Welthistorie . . . Dritter Theil. . . . , Halle 1746. 30 + 794 S. Mit Vorrede vom 8. 12. 1745 (S. 3 - 3 0 , erste Zählung).

Nr. 72d

Uebersetzung der Algemeinen Welthistorie . . . Vierter Theil. . . . , Halle 1746. 73 + 690 S. Mit Vorrede vom 9. 9. 1746 (S. 3 - 7 3 , erste Zählung).

Nr. 72e

Uebersetzung der Algemeinen Welthistorie . . . Fünfter Theil 665 S. Mit Vorrede vom 7. 5. 1747 (S. 3 - 9 , erste Zählung).

Nr. 72f

Uebersetzung der Algemeinen Welthistorie . . . Sechster Theil. . . . , Halle 1748. 49 + 687 S. Mit Vorrede vom 8. 1. 1748 (S. 3 - 4 9 , erste Zählung).

Nr. 72g

Uebersetzung der Algemeinen Welthistorie . . . Siebenter Theil 756 S. Mit Vorrede vom 13. 10. 1748 (S. 1 - 1 9 , erste Zählung).

Nr. 72h

Uebersetzung der Algemeinen Welthistorie . . . Achter Theil 716 S. Mit Vorrede vom 28. 4. 1749 (S. 3 - 9 , erste Zählung).

Nr. 72i

Uebersetzung der Algemeinen Welthistorie . . . Neunter Theil 746 S. Mit Vorrede vom 19. 4. 1750 (S. 3 - 1 1 , erste Zählung).

Nr. 72j

Uebersetzung der Algemeinen Welthistorie . . . Zehenter Theil 708 S. Mit Vorrede vom 24. 3. 1751 (S. 1 - 8 0 , erste Zählung).

Nr. 72k

Uebersetzung der Algemeinen Welthistorie . . . Eilfter Theil Halle 1751. 28 + 704 S. Mit Vorrede vom 18. 1. 1752 (S. 1 - 2 8 , erste Zählung).

Nr. 721

Uebersetzung der Algemeinen Welthistorie . . . Zwölfter Theil S. Mit Vorrede vom 9. 10. 1752 (nicht paginiert, 7 S.).

Nr. 72m

Uebersetzung der Algemeinen Welthistorie . . . Dreizehnter Theil 718 S. Mit Vorrede vom 15. 5. 1753 (nicht paginiert, 7 S.).

Halle 1753.

Nr. 72n

Uebersetzung der Algemeinen Welthistorie . . . Vierzehnter Theil 748 S. Mit Vorrede vom 6. 5. 1754 (nicht paginiert, 7 S.).

Halle 1754,

Nr. 72o

Uebersetzung der Algemeinen Welthistorie . . . Fünfzehnter Theil 714 S. Mit Vorrede vom 19. 4. 1755 (nicht paginiert, 8 S.).

Halle 1755.

Nr. 72p

Uebersetzung der Algemeinen Welthistorie . . . Sechzehnter Theil 704 S. Mit Vorrede vom 29. 12. 1756 (nicht paginiert, 8 S.).

Halle 1756.

Nr. 72q

Uebersetzung der Algemeinen Welthistorie . . . Siebzehnter Theil Halle 1758. 80 + 620 S. Darin J . S. Semlers Vorrede vom 31. 7. 1758 (S. 1 - 8 0 , erste Zählung).

Halle 1747. 9 +

Halle 1748. 19 + Halle 1749. 9 + Halle 1750. 11 + Halle 1751. 80 +

Halle 1752. 687

71 Ubersetzung von An universal History from the earliest account of time to the present. Die Bearbeitung durch Baumgarten reicht bis Bd. 17, S. 130. Fortgesetzt von J . S. Semler u. a.

254

Bibliographie Baumgartens 1745

Nr. 73

Johann Friedrich Starcks . . . Morgen- und Abend- Andachten frommer Christen auf alle Tage im Jahr . . . Mit einer Vorrede Hrn. Siegm. Jacob Baumgartens, Frankfurt 1745. 848 + 871 S. Vorrede vom 4. 10. 1744 (nicht paginiert, 48 S.).

Nr. 74

Bibliotheca beati J o . Henrici Schulze . . . die XVII mensis maii a.p.p.v. MDCCXXXXV solenni auctionis lege distrahenda in aedibus b. possessorie accedit praefamen Sigism. Iac. Baumgarten. Halae (1745). 220 S. Praefamen vom 30. 12. 1744 (nicht paginiert, 6 S.).

Nr. 75

Unterricht von Auslegung der heiligen Schrift für seine Zuhörer ausgefertiget, zweite vermerete Auflage, Halle 1745. 232 S. Mit: Erste Vorrede vom 21. 4. 1742 (nicht paginiert, 5 S.) und Zweiter Vorbericht vom 14. 1. 1745 (nicht paginiert, 9 S.).

Nr. 76

Herrn Abts Houtteville Erwiesene Wahrheit Der Christlichen Religion durch die Geschichte. Nebst einer Vorrede . . . Siegmund Jacob Baumgartens, Frankfurt und Leipzig 1745. 954 S. Vorrede vom 24. 4. 1745 (nicht paginiert, 28 S.).

Nr. 77

Jsaac Watts Zukünftige Welt, oder Reden von der Freude und dem Elende abgeschiedener Selen auch der Herlichkeit und dem Schrecken der Auferstehung, nebst vorläufigem Versuch eines Beweises vom abgeschiedenen Zustande der Selen nach dem Tode. Mit einer Vorrede Siegm. Jac. Baumgartens. Halle 1745. 348 S. Vorrede vom 15. 5. 1745 (nicht paginiert, 23 S.).

Nr. 78

Feier einiger neuern Schriftsteller in den muhammedanischen Geschichten. In: Wöchentliche Hallische Anzeigen 1745, Nr. XXVI, 28. 6., Sp. 4 1 7 - 4 3 1 ; Nr. XXVII, 5. 7., Sp. 4 4 1 - 4 5 1 ; Nr. XXVIII, 12. 7., Sp. 4 5 7 - 4 6 9 ; Nr. XXIX, 19. 7., Sp. 4 8 1 - 4 9 1 ; Nr. XXX, 26. 7., Sp. 4 9 7 - 5 0 8 .

Nr. 79

Herrn Jacob Saurin . . . Betrachtungen über die Wichtigsten Begebenheiten des Alten und Neuen Testaments. Erster Theil Aufs neue mit Fleiß übersetzet, auch hin und wieder mit einigen Registern auch Kupfern versehen von Friedrich Eberhard Rambach . . . Mit einer Vorrede begleitet von . . . Siegmund Jacob Baumgarten, Rostock 1745. 46 + 1582 S. Vorrede vom 5. 10. 1745 (S. 3 - 3 4 , erste Zählung).

Nr. 80

Appendix (zum Index disputationum, s.o. Nr. 57, datiert vom 3. 11. 1745).

Nr. 81

Theologisches Bedenken von gewissenhafter Duldung der Juden und ihres Gottesdienstes unter den Christen und über Christian Wilhelm Christliebs kurzen Auszug aus den Selichoth oder jüdischen Busgebeten ausgefertiget, Halle 1745, 80 S.

Nr. 82

Betrachtung des Namens Jesus am Neuenjahrstage 1735. in der Schulkirchen angestelt, dritte Auflage, Halle 1745. 56 S.

76 Übersetzung von Houtteville, Claude François: La Religion chrétienne prouvée par les faits. 77 Obersetzung von Watts, Isaac: The World to come. 19 Übersetzung von Saurin, Jaques: Discours historiques, critiques, théologiques, et moraux, sur les événements les plus mémorables du Vieux, et du Nouveau Testament; fortgesetzt von P. Roques u. a. " Abgedruckt in Nr. 47b, S. 1 6 1 - 1 6 6 .

Schriften

255

1746 Nr. 83

S.G.L. (= Samuel Gotthold Lange) Oden Davids oder poetische Uebersetzung der Psalmen, mit einer Vorrede . . . Baumgartens. Erster Theil. Halle 1746. 66 S. Vorrede vom 30. 9. 1745 (nicht paginiert, 21 S.).

Nr. 84

Theses theologicae elementa doctrinae sanctions ad ductum breviarii dogmatici J o . Anastas. Freylinghausen complexae. Quas in usum scholarum suarum conscripsit Sigism. Iac. Baumgarten. Halae 1746. 370 S. Mit praefatio vom 20. 1. 1746 (nicht paginiert, 26 S.).

Nr. 85

Georgii Bensonii Paraphrasis et notae philologicae atque exegeticae in epistolam S. Iacobi. Latine vertit, et suas ubique observationes addidit Ioannes David Michaelis. Cum praefatione Sigism. Iacobi Baumgarten. Halae 1746. XX+ 224 S. Praefatio vom 26. 3. 1746 (S. I - X X ) .

Nr. 86

Introductio historico-theologica in epistolam Pauli ad Philippenses adornata studio Antonii Friderici Büsching . . . cum praefatione Sigism. Iac. Baumgarten, Halae 1746. 60 S. Praefatio vom 10. 5. 1746 (nicht paginiert, 27 S.).

Nr. 87

Commentatio ad difficiliora verba Rom. Villi, V qua natalem Christi an. MDCCXXXXVI nomine senatus academici indixit Sigism. Iac. Baumgarten. 28 S.

Nr. 88

Einer christlichen Glaubenslehre zusammenhängender Auszug (Hrsg. J . B. von Cotwitz), o.O. 1746 (6+) 66 S.

Nr. 89

Carl August Wolffens . . . Neue Sammlung auserlesener Heiliger Reden . . . Nebst einer Vorrede . . . Siegismund Jacob Baumgartens . . . Von der wahren Beschaffenheit des schriftmäßigen Predigens. Jena und Leipzig 1747. 518 S. Vorrede vom 12. 8. 1746 (nicht paginiert, 31 S.).

Nr. 90

Primae lineae breviarii antiquitatum christianarum in usum scholarum suarum ductae a Sig. Iac. Baumgarten. Halae 1747. 90 S. Mit praefatio vom 27. 9. 1746 (nicht paginiert, 6 S.).

Nr. 91

Hollatz, David (III.): Lautere Gnadenspuren des Evangelii allen menschlichen eigenen und gesetzlichen Wegen entgegen gestellet, 1747. Darin Baumgartens Vorrede vom 4. 10. 1746.

Nr. 92

Io. Frid. Liideke Tabulae synopticae in Theses theologicas Sig. Iac. Baumgarten cum praefatione eiusdem. Halae 1747. 160 S. Praefatio vom 30. 12. 1746 (nicht pagniert. 10 S.).

Nr. 93

Theologische Lehrsätze von den Grundwarheiten der christlichen Lehre, nach Ordnung der Freylinghausischen Grundlegung zum academischen Gebrauch verfertiget, und aus dem Lateinischen ins Teutsche übersetzt von Anton Friedrich Büsching,

1747

8S

Übersetzung von Benson, George: A Paraphrase and notes on the Epistle of St. James. In Italien insgeheim zum Unterricht lutherischer Schüler gedruckt, der richtige Name des Herausgebers ist J . Blasius, aus Cottbus (vgl. Nr. 143g, S. 139f. und J . C. Bertrams praefatio zu Nr. 203). 90 Nach J . C. Bertram soll es 1754 eine weitere Auflage hiervon gegeben haben, die aber auch ihm nie zu Augen gekommen ist (Vorbericht zu Nr. 205, S. 5f.). Erst nach Baumgartens Tode kamen erweiterte Fassungen heraus (Nr. 201. 205). " Diese 1. Auflage war nicht zu erreichen, s. zum erneuten Abdruck Nr. 114. >s

256

Bibliographie Baumgartens nebst einer neuen Vorrede des Verfassers. Halle 1747. 422 S. Mit Übersetzung der Vorrede der lateinischen Ausgabe vom 26. 1. 1746 (nicht paginiert, 26 S.) und Neue Vorrede vom 2. 3. 1747 (nicht paginiert, 8 S.).

Nr. 94

Johann le Clercs Untersuchung des Unglaubens, nach seinen allgemeinen Quellen und Veranlassungen. Nebst zween Briefen von der Wahrheit der Christlichen Religion aus dem französischen übersetzt. Am Ende sind beygefiigt Johann Alphonsus Rossets allgemeine Gedancken über die Deisterey. Mit einer Vorrede Siegm. Jac. Baumgartens . . . wider J o h . Christ. Edelmans Glaubensbekentnis. Halle 1747. 420 S. Vorrede vom 6. 4. 1747 (nicht paginiert, 106 S.).

Nr. 95

Christliches Concordienbuch, darin öffentliche Bekentnisse und symbolische Schriften der evangelischlutherischen Kirche enthalten sind: mit Beifügung der verschiedenen Lesearten voriger Ausgaben sowol der einzeln Bekentnisse als des gesamten Concordienbuchs, herausgegeben von Siegm. Jac. Baumgarten, Halle 1747. 24 + 806 + 504 S. Mit Vorrede vom 6. 5. 1747 (S. 1 - 2 4 , erste Zählung).

Nr. 96

Nachricht von einigen seltenen und merckwürdigen Büchern. In: Wöchentliche Hallische Anzeigen 1747, Nr. XXII, 29. 5., Sp. 3 4 5 - 3 5 6 ; Nr. XXIII, 5. 6., Sp. 3 6 1 - 3 7 0 ; Nr. XXIV, 12. 6., Sp. 3 7 7 - 3 8 7 ; Nr. XXV, 19. 6., Sp. 3 9 3 - 4 0 1 ; Nr. XXVI, 26. 6., Sp. 4 0 9 - 4 1 9 ; Nr. XXVII, 3. 7., Sp. 4 2 5 - 4 3 2 ; Nr. XXVIII, 10. 7., Sp. 4 4 1 - 4 4 9 ; Nr. XXIX, 17. 7., Sp. 4 5 7 - 4 6 5 .

Nr. 97

Erleuterungen der im christl. Concordienbuch enthaltenen symbolischen Schriften der evangelischlutherischen Kirche nebst einem Anhange von den übrigen Bekentnissen und feierlichen Lehrbüchern in gedachter Kirche. Halle 1747. 370 S. Mit Vorrede vom 14. 8. 1747 (nicht paginiert, 10 S.).

Nr. 98

Theolog. Bedencken über die Umständliche Nachricht von einem tauben . . . Menschen . . . In : Umständliche Nachricht von einem tauben und stummen Menschen, Nahmens Gustav Heinrich Sore, und dessen Zubereitung zum Beichtstuhl und hochwürdigen Abendmahl . . . nebst einem Theolog. Bedencken des S. T. Herrn Siegmund Jacob Baumgartens . . . mit dessen Bewilligung zum Druck befördert von Andreas Webern, Schleusingen 1747, S. 1 8 - 4 8 .

Nr. 99a

Samlung einiger Bedenken der theologischen Facultät zu Halle. Erster Theil. Halle 1747. 414 S. Darin Baumgartens Vorrede vom 1. 5. 1747 (nicht paginiert, 14 S.).

Nr. 99b

Samlung einiger Bedenken der theologischen Facultät zu Halle. Zweiter Theil. Halle 1748. 372 S. Darin Baumgartens Vorrede vom 28. 4. 1748 (nicht paginiert, 13 S.).

Nr. 99c

Samlung einiger Bedenken der theologischen Facultät zu Halle. Dritter Theil. Halle 1749. 368 S. Darin Baumgartens Vorrede vom 2. 5. 1749 (nicht paginiert, 12 S.).

Nr. 99d

Samlung einiger Bedenken der theologischen Facultät zu Halle. Vierter Theil. Halle 1751. 388 S. Darin Baumgartens Vorrede vom 8. 10. 1750 (nicht paginiert, 16S.).

1747-1751

94

Ubersetzung von Le Clerc, Jean (= Clericus): De l'Incrédulité. Zu Spaldings Ubersetzerschaft s. o. S. 21 Anm. 35. " Enthält meist ältere Gutachten, an denen Baumgarten selbst nicht beteiligt war.

Schriften

257

1747-1756 Nr. 100a Samlung von Erleuterungsschriften und Zusätzen zur algemeinen Welthistorie . . . Erster Theil. Halle 1747. 12 + 456 + 284 S. Mit Vorrede vom 1. 5. 1747 (S. 3 - 1 2 , erste Zählung). Nr. 100b Samlung von Erleuterungsschriften und Zusätzen zur algemeinen Welthistorie . . . Zweiter Theil. Halle 1748. 13 + 650 S. Mit Vorrede vom 17. 10. 1748 (S. 3 - 1 3 , erste Zählung). Nr. 100c Samlung von Erleuterungsschriften und Zusätzen zur algemeinen Welthistorie . . . Dritter Theil. Halle 1750. 10 + 398 + 322 S. Mit Vorrede vom 10. 10. 1750 (S. 3—10, erste Zählung). Nr. lOOd Samlung von Erleuterungsschriften und Zusätzen zur algemeinen Welthistorie . . . Vierter Theil. Halle 1756. 56 + 232 + 428 S. Mit Vorrede vom 17. 4. 1756 (S. 3—56, erste Zählung). 1748 Nr. 101

Beantwortung Johann Heyns Sendschreibens vom Schlaf der abgeschiedenen Seelen, aus der sechsten Samlung Theologischer Bedencken . . . besonders abgedruckt, Halle 1748.

Nr. 102

Erleuterung einiger Stellen Eusebii und Ignatii, welche in Joh. Christ. Edelmans Glaubensbekenntnis aufs unverantwortlichste gemisbraucht worden. In: Wöchentliche Hallische Anzeigen 1748, Nr. XXIX, 15. 7., Sp. 4 6 0 - 4 6 5 ; Nr. XXX, 22. 7., Sp. 4 7 3 - 4 7 5 ; Nr. XXXI, 29. 7., Sp. 4 9 1 - 4 9 9 ; Nr. XXXII, 5. 8., Sp. 5 0 5 - 5 1 3 ;

Nr. 103

Joh. Salom. Semlers Erleuterung der egyptischen Altertümer durch Uebersetzung der Schrift Plutarchs von der Isis und dem Osiris und der Nachricht von Egypten aus Herodots zweitem Buch mit beigefügten Anmerckungen. Nebst einer Vorrede Siegm. Jac. Baumgartens. Breslau und Leipzig 1748. 292 S. Vorrede vom 20. 9. 1748 (nicht paginiert, 11 S.).

Nr. 104

Petri v. Haven commentatio analytica in epistolam Pauli ad Titum cum praefatione Sigismund! lac. Baumgarten . . . Editio altera et correctior. Halae 1748. 168 S. Praefatio vom 22. 7. 1741 (nicht paginiert, 20 S.).

Nr. 105

Piam ac religiosam natalis domini celebr. Fridericianae prorector Sigismund Iacob Baumgarten . . . indicit civibus. Simul de forma servi a Christo sumta breviter diss. Halae 1748. 1748-1751

Nr. 106a Erster Band der Nachrichten von einer hallischen Bibliothek so die sechs ersten Stücke enthält nebst einem doppelten Register. Halle 1748. 572 S. Mit Vorbericht vom 30. 1. 1748 (nicht paginiert, 6 S.). Nr. 106b Zweiter Band der Nachrichten von einer hallischen Bibliothek so das 7te bis 12te Stück enthält nebst einem 3fachen Register. Halle 1748. 577 S. 100

Wurde von J . S. Semler fortgeführt. "" Sonderausgabe von Nr. 60f., S. 270—656; war nicht erreichbar. 106 Ohne Namensnennung im Titel, Fortsetzung ab 1752 u. d. T. „Nachrichten von merkwürdigen Büchern" (Nr. 143).

258

Bibliographie Baumgartens

Nr. 106c Dritter Band der Nachrichten von einer hallischen Bibliothek so das 13te bis 18te Stück enthält nebst einem doppelten Register. Halle 1749. 563 S. Nr. 106d Vierter Band der Nachrichten von einer hallischen Bibliothek so das 19te bis 24ste Stück enthält nebst einem doppelten Register. Halle 1749. 562 S. Nr. 106e Fünfter Band der Nachrichten von einer hallischen Bibliothek so das 25ste bis 30ste Stück enthält nebst einem doppelten Register. Halle 1750. 548 S. Nr. 106f Sechster Band der Nachrichten von einer hallischen Bibliothek so das 3 Iste bis 36ste Stück enthält nebst einem doppelten Register. Halle 1750. 549 S. Nr. 106g Siebenter Band der Nachrichten von einer hallischen Bibliothek so das 37stebis 42ste Stück enthält nebst einem doppelten Register. Halle 1751. 558 S'. Nr. 106h Achter Band der Nachrichten von einer hallischen Bibliothek so das 43ste bis 48ste Stück enthält nebst einem doppelten Register. Halle 1751. 550 S. 1748-1752 Nr. 107a (Heinrich Emst Graf zu Stolberg-Wernigerode:) Geistliche Gedichte. Erste Samlung. Mit einer Vorrede Siegm. Jacob Baumgartens. Halle 1748. 16 + 240 S. Vorrede vom 3. 10. 1748 (S. 3 - 1 0 , erste Zählung). Nr. 107b (Ders.:) Geistliche Gedichte. Zweite Samlung, herausgegeben von Siegm. Jacob Baumgarten. Halle 1749. 248 S. Nr. 107c (Ders.:) Geistliche Gedichte. Dritte Samlung, herausgegeben von Siegm. Jacob Baumgarten. Halle 1750. 248 S. Nr. 107d (Ders.:) Geistliche Gedichte. Vierte Samlung, herausgegeben von Siegm. Jacob Baumgarten. Halle 1752. 248 S. 1749 Nr. 108

Arthur Youngs Historische Untersuchung Abgöttischer Verderbniße der Religion . . . wider die Deisten, aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt von Johann Conrad Mönch . . . Nebst einer Vorrede Hn. Siegm. Jacob Baumgartens . . . Berlin 1749. 536 S. Vorrede vom 25. 2. 1749 (nicht paginiert, 30 S.).

Nr. 109

Nachrichten von einigen schätzbaren Handschriften der zalreichen Bibliothek des weiland hochberümten Kanzlers von Ludwig die zum Verkauf noch vorrätig sind. Halle 1749. 45 S.

Nr. 110

Erleuterung des kleinen Catechismi D. Martin Luthers. Halle 1749. 564 S. Mit Vorrede vom 28. 4. 1749 (nicht paginiert, 11 S.).

Nr. 111

Auslegung des Briefes Pauli an die Römer. Halle 1749. 824 + XXXXIIII S. Mit Vorrede vom 5. 10. 1749 (nicht paginiert, 6 S.).

Nr. 112

Commentatio de genealogia Jesu domini qua natalem ipsius academiae nomine indixit Sigism. Iac. Baumgarten. Halae 1749. 36 S.

10 '' Verfasser nach GK, ihm hat Baumgarten auch Nr. 54 gewidmet mit dem Hinweis, der junge Graf habe einige Jahre seine ascetischen Stunden treu besucht. Unrichtige Zuschreibungen bei Holzmann/Bohatta (Dt. Anonymen-Lexikon II, 162): Zinzendorf und bei W. Schräder (Geschichte . . . I, S. 278. 326 Anm. 1): Baumgarten selbst. 108 Übersetzung von Young, Arthur: An Historical Dissertation on idolatrous corruptions in religion. 111 Enthält als Anhang Nr. 30 und 87.

Schriften

259

Nr. 113

(Catalogus dissertationum baumgartenianarum, Halle 1749).

Nr. 114

David Hollazens . . . Sämtliche Erbauliche Schriften, Leipzig und Görlitz 1749. Darin als Anhang Baumgartens Vorrede zu: Lautere Gnadenspuren des Evangelii . . . vom 4. 10. 1746 (S. 8 4 0 - 8 5 4 ) .

Nr. 115

Jsaac Watts Zukünftige Welt . . . Mit einer Vorrede Siegm. Jac. Baumgartens. Zweite Auflage. Halle 1749. 348 S. Vorrede vom 15. 5. 1745 (nicht paginiert, 23 S.). 1749-1757

Nr. 116a Joh. Pet. Nicerons Nachrichten von den Begebenheiten und Schriften beriimten Gelehrten mit einigen Zusätzen herausgegeben von Siegmund Jacob Baumgarten. Erster Theil. Halle 1749. 552 S. Mit Vorrede vom 22. 4. 1749 (nicht paginiert, 8 S.). Nr. 116b Johan Peter Nicerons Nachrichten von den Begebenheiten und Schriften berümter Gelehrten . . . Zweiter Theil. Halle 1750. 464 S. Mit Vorrede vom 25. 4. 1750 (nicht paginiert, 16 S.). Nr. 116c Joh. Pet. Nicerons Nachrichten . . . Dritter Theil. Halle 1750. 464 S. Mit Vorrede vom 14. 10. 1750 (nicht paginiert, 6 S.). Nr. 116d Joh. Pet. Nicerons Nachrichten . . . Vierter Theil. Halle 1751. 500 S. Mit Vorrede vom 7. 5. 1751 (nicht paginiert, 6 S.). Nr. 116e Johan Peter Nicerons Nachrichten . . . Fünfter Theil. Halle 1751. 526 S. Mit Vorrede vom 11. 10. 1751 (nicht paginiert, 11 S.). Nr. 116f Johan Peter Nicerons Nachrichten . . . Sechster Theil. Halle 1752. 488 S. Mit Vorrede vom 25. 4. 1752 (nicht paginiert, 6 S.). Nr. 116g Johan Peter Nicerons Nachrichten . . . Siebenter Theil. Halle 1753. 472 S. Mit Vorrede vom 5. 10. 1752 (nicht paginiert, 12 S.). Nr. 116h Johan Peter Nicerons Nachrichten . . . Achter Theil. Halle 1753. 446 S. Mit Vorrede vom 14. 5. 1753 (nicht paginiert, 14 S.). Nr. 116i Johan Peter Nicerons Nachrichten . . . Neunter Theil. Halle 1754. 480 S. Mit Vorrede vom 8. 10. 1753 (nicht paginiert, 12 S.). Nr. 116j Johan Peter Nicerons Nachrichten . . . Zehnter Theil. Halle 1754. 516 S. Mit Vorrede vom 8. 5. 1754 (nicht paginiert, 10 S.). Nr. 116k Johan Peter Nicerons Nachrichten . . . Eilfter Theil. Halle 1754. 434 S. Mit Vorrede vom 9. 10. 1754 (nicht paginiert, 10 S.). Nr. 1161 Johan Peter Nicerons Nachrichten . . . Zwölfter Theil. Halle 1755. 418 S. Mit Vorrede vom 27. 4. 1755 (nicht paginiert. 16 S.). Nr. 116mJohan Peter Nicerons Nachrichten . . . Dreizehnter Theil. Halle 1756. 440 S. Mit Vorrede vom 18. 10. 1755 (nicht paginiert, 18 S.). 1,3

Nicht erreichbar, vgl. Nr. 143c, S. 187. S. o. Nr. 91. Uber die zum polemischen Anhang gewordene Vorrede s. S. 840 Anm. Es folgt eine vom Karfreitag 1747 datierende „Bescheidene, kurtze und doch hinlängliche Antwort auf des Hrn. D. Baumgartens harte Beschuldigungen" von D. Hollatz (S. 855—870). 116 Übersetzung von Niceron, Jean Pierre: Mémoires pour servir à l'histoire des hommes illustres dans la république des lettres. Ab Bd. 14 keine Zusätze mehr, Bd. 15 ohne Vorrede, fortgeführt durch F. E. Rambach u. a. 114

260

Bibliographie Baumgartens

Nr. 116n Johan Peter Nicerons Nachrichten . . . Vierzehnter Theil. Halle 1756. 448 S. Mit Vorrede vom 15. 5. 1756 (nicht paginiert, 10 S.). Nr. 116o Johan Peter Nicerons Nachrichten . . . Fünfzehnter Theil. Halle 1757. 424 S. 1750 Nr. 117

Kurzer Begrif der theologischen Streitigkeiten, zum academischen Gebrauch ausgefertiget von . . . Siegm. Jacob Baumgarten . . . , Herausgegeben von Johan Philip Christian Bast. Frankfurt 1750. 188 S.

Nr. 118

Nachricht von den Rosenobeln und dem Misbrauch der Stelle Luc. 4,30 auf denselben. In: Wöchentliche Hallische Anzeigen 1750, Nr. VIII, 23. 2., Sp. 1 2 1 - 1 2 8 ; Nr. IX, 2. 3., Sp. 1 3 7 - 1 4 7 ; Nr. X, 9. 3., Sp. 1 5 3 - 1 6 0 ; Nr. XI, 16. 3., Sp. 1 6 9 - 1 8 0 .

Nr. 119

Johan Legers algemeine Geschichte der Waldenser in den Thälern von Piémont in zwey Büchern mit zösischen übersetzt von Hans Friedrich Freyherrn rede Siegmund Jacob Baumgartens, Breslau 1750. 1750 (S. 1 - 3 0 , erste Zählung).

Nr. 120

Zacharias Theobalds Hussitenkrieg oder Geschichte des Lebens und der Lehre Joh. Hussens ingleichen der Bömischen Kirche nebst einem Anhange des Bömischen Glaubensbekentnisses. Mit verschiedenen Kupfern und einer Vorrede Siegmund Jacob Baumgartens. Breslau 1750. 439 + 320 + 232 + 119 S. Vorrede vom 1. 5. 1750 (nicht paginiert, 8 S.).

Nr. 121

Auslegung des Briefes Jacobi. Halle 1750. 24 + 246 + LV S. Mit Vorrede vom 7. 10. 1750 (S. 3 - 2 4 , erste Zählung).

Nr. 122

Johann Friedrich Starcks . . . Morgen- und Abend- Andachten frommer Christen auf alle Tage im Jahr . .. Mit einer Vorrede Hrn. Siegm. Jacob Baumgartens . . . Zweyte, verbesserte, und mit säubern Kupfern gezierte Auflage, Frankfurt und Leipzig 1750. 848 + 871 S. Vorrede vom 4. 10. 1744 (nicht paginiert, 48 S.).

Nr. 123

Theses theologicae elementa doctrinae sanctioris ad ductum breviarii dogmatici Jo. Anastas. Freylinghausen complexae. Quas in usum scholarum suarum conscripsit Sigism. Iac. Baumgarten. Editio II. Halae 1750. 380 S. Mit praefatio vom 20. 1. 1746 (nicht paginiert, 26 S.).

Nr. 124

Unterricht vom rechtmäßigen Verhalten eines Christen, oder Theologische Moral, zum academischen Vortrag ausgefertiget, vierte Auflage. Halle 1750. 806 S. Mit Vorrede vom 10. 4. 1738 (nicht paginiert, 38 S.) und Neuer Vorbericht vom 3. 10. 1744 (nicht paginiert, 68 S.).

oder der evangelischen Kirchen vielen Kupfern. Aus dem Franvon Schweinitz mit einer Vor58 + 1720 S. Vorrede vom 30. 4.

1750-1751 Nr. 125a Nathanael Lardners Glaubwürdigkeit der evangelischen Geschichte Erster Theil, . . . Aus dem Englischen übersetzt von David Bruhn . . . Mit einer Vorrede Siegmund 119

Übersetzung von Léger, Jean: Histoire générale des Églises évangéliques, des vallées de Piémont ou vaudoises. 121 Enthält als Anhang Nr. 269. Eigentlich 3. Auflage, s. zu Nr. 31. 1JS Übersetzung von Lardner, Nathanael: Credibility of the Gospel history. Theil II, 3 erschien ohne Vorrede.

Schriften

261

Jacob Baumgartens. Berlin und Leipzig 1750. 798 S. Vorrede vom 2. 10. 1749 (nicht paginiert, 42 S.). Nr. 125b Nathanael Lardners Glaubwürdigkeit der evangelischen Geschichte Zweiter Theil, . . . Erster Band, . . . Aus dem Englischen übersetzt von David Bruhn . . . Mit einer Vorrede Siegmund Jacob Baumgartens. Berlin und Leipzig 1750. 701 S. Vorrede vom 24. 4. 1750 (nicht paginiert, 40 S.). Nr. 125c Nathanael Lardners Glaubwürdigkeit der evangelischen Geschichte Zweiter T h e i l , . . . Zweiter Band, . . . Aus dem Englischen übersetzt von David Bruhn . . . Mit einer Vorrede Siegmund Jacob Baumgartens. Berlin und Leipzig 1750. 832 S. Vorrede vom 30. 9. 1750 (nicht paginiert, 38 S.). Nr. 125d Nathanael Lardners Glaubwürdigkeit der evangelischen Geschichte Zweiter T h e i l , . . . Dritter Band, . . . Aus dem Englischen übersetzt von Johann David Heilmann, Mit einer Vorrede Siegmund Jacob Baumgartens. Berlin und Leizpzig 1750. 760 S. Nr. 125e Nathanael Lardners Glaubwürdigkeit der evangelischen Geschichte. Zweiter T h e i l , . . . Vierter Band, . . . Aus dem Englischen übersetzt von Johann David Heilmann, . . . Mit einer Vorrede Siegmund Jacob Baumgartens. Berlin und Leipzig 1751. 440 + 364 S. Vorrede vom 27. 4. 1751 (nicht paginiert, 62 S.). 1751 Nr. 126

Auslegung und Anwendung einiger Psalmen, in öffentlichen Betrachtungen auf die hohen Festtage. Halle 1751. 906 S. Mit Vorrede vom 13. 10. 1750 (nicht paginiert, 14 S.).

Nr. 127

Unterricht von Auslegung der heiligen Schrift für seine Zuhörer ausgefertiget, dritte vermehrte Auflage, Halle 1751. 232 S. (Verlag J . A. Bauer) Mit: Erste Vorrede vom 21. 4. 1742 (nicht paginiert, 5 S.), Zweiter Vorbericht vom 14. 1. 1745 (nicht paginiert, 7 S.) und Dritter Vorbericht vom 12. 12. 1750 (nicht paginiert, 6 S.).

Nr. 127a Wie Nr. 127, bis auf Verlag: J . J . Gebauer. Nr. 128

(Hieronymus Daniel Schleisner:) Historische und dogmatische Anmerkungen über das Lehrgebäude des Herrn von Loen in der Schrift die einzige wahre Religion Mit einer Vorrede Siegm. Jac. Baumgartens. Halle 1751. 48 + 352 + 1056 + 108 S. Vorrede vom 5. 5. 1751 (S. 3 - 4 8 , erste Zählung).

Nr. 129

Programma, quo viri maxime rever, et ciar. D. Caroli Papke . . . dissert, inauguralem de unione hypostatica eiusque statibus, ex decreto summe rever, theologorum ordinis edendam comitatur. Halae 1751. 23 S.

Nr. 130

Untersuchung der Frage: Ob Kaiser Carl der grosse vom Kaliphen Aron Raschid die Herschaft über Jerusalem erhalten habe? In: Wöchentliche Hallische Anzeigen 1751, Nr. XXXIV, 23. 8., Sp. 5 6 9 - 5 8 0 ; Nr. XXXV, 30. 8., Sp. 5 8 5 - 5 9 6 ; Nr. XXXVI, 6. 9., Sp. 6 0 1 - 6 1 6 .

1 2 , a Es ist fraglich, ob es diese Ausgabe gegeben hat. Auf Anfrage teilt die Mecklenburgische Landesbibliothek Schwerin (einziger Fundort nach GK) mit, ihr Exemplar sei durch Auslagerung verloren und im alten Katalog kein Verleger angegeben. 128 Zum Verfasser s. o. S. 169 Anm. 346ff. 129 Sonderdruck des Anhanges zu Nr. 274.

262

Bibliographie Baumgartens 1752

Nr. 131

Anweisung zum erbaulichen Predigen, für seine Zuhörer ausgefertiget . . . Nebst einem Auszuge der Erläuterungen aus den homiletischen Vorlesungen, und einer anderweitigen Vorrede desselben, herausgegeben von Johan Philip Christian Bast. Frankfurt 1752. 164 S. Darin „Herrn D. Baumgartens Vorrede von der wahren Beschaffenheit des schriftmäsigen Predigens, zu Hern M. Carl August Wolfens heiligen Reden" vom 12. 8. 1746 (nicht paginiert, 24 S.).

Nr. 132a Auslegung der evangelischen Texte auf alle Son- und Festtage des ganzen Jahres. Erster Theil vom ersten Advent bis Trinitatis. Halle 1752. 656 S. Mit Vorrede vom 9. 10. 1751 (nicht paginiert, 10 S.). Nr. 132b Auslegung der evangelischen Texte auf alle Son- und Festtage des ganzen Jahres. Zweiter Theil vom Fest der h. Dreieinigkeit bis zum Ende des Jahrs, nebst einem Anhange und Registern. Halle 1752. 584 S. Mit Vorrede vom 30. 9. 1752 (nicht paginiert, 4 S.). Nr. 133a Entwurf verschiedener homiletischen Zergliederungen oder Dispositionen von Predigten über alle son- und festtägliche Evangelia. Erster Theil vom ersten Advent bis Trinitatis. Halle 1752. 204 S. Nr. 133b Entwurf verschiedener homiletischen Zergliederungen oder Dispositionen von Predigten über alle son- und festtägliche Evangelia. Zweiter Theil vom Fest der heiligen Dreieinigkeit bis zu Ende des Jahrs, nebst einem Anhange und Register. Halle 1752. 199 S. Nr. 134

Commentatio in quatuor symbola theotisca qua solemnia paschae ad d. II apr. MDCCLII Nomine academiae indicuntur. Halae (1752). 22 S.

Nr. 135

Commentatio in versionem theotiscam symboli athanasiani qua pentecoste ad d. XXI mai. MDCCLII nomine academiae indicatur. Halae (1752). 12 S.

Nr. 136a Chronologische Tafeln der Algemeinen Historie mit Betrachtungen über die nötige Ordnung und Bücher die Historie zu erlernen verfertiget vom Herrn Abt Lenglet Dufresnoy. Mit einer Vorrede Siegm. Jac. Baumgartens. Erster Theil der die alte Geschichte enthält. Halle 1752. 184 + 354 S. Vorrede vom 3. 8. 1752 (nicht paginiert, 18 S.). Nr. 136b Chronologische Tafeln . . . Zweiter Theil der die neuere Geschichte enthält. Halle 1752. 56 + 498 S. Nr. 137

Von den Freiheiten der Kirche von Frankreich. In: Wöchentliche Hallische Anzeigen 1752, Nr. XXXIII, 14. 8., Sp. 5 3 7 - 5 4 7 ; Nr. XXXIV, 2 1 . 8 . , Sp. 5 5 3 - 5 6 4 ; Nr. XXXV, 28. 8., Sp. 5 6 9 - 5 7 9 ; Nr. XXXVI, 4. 9., Sp. 5 8 5 - 5 9 5 ; Nr. XXXVII, 11. 9., Sp. 6 0 1 - 6 1 1 .

Nr. 138

Abhandlung von den Freiheiten der Kirche von Frankreich. Zu Erleuterung des jetzigen Streits der Parlemente und Bischöfe. Halle 1752. 48 S.

131

Die Vorrede aus Nr. 89. Übersetzung von Lenglet du Fresnoy, Nicolas: Tablettes chronologiques de l'histoire universelle. 138 Sonderausgabe von Nr. 137. 136

Schriften Nr. 139

263

Siegm. Jac. Baumgartens kurtzgefaste casuistische Pastoraltheologie, erleutert und herausgegeben von Johan Friedrich Hesselberg. Halle 1752. 954 S. Mit Vorrede vom 10. 10. 1752 (nicht paginiert, 8 S.). 1752-1753

Nr. 140a (Johann Friedrich Schroeter:) Algemeine Geschichte der Länder und Völker von America. Erster Theil. Nebst einer Vorrede Siegmund Jacob Baumgartens . . . Mit vielen Kupfern. Halle 1752. 688 S. Vorrede vom 6. 10. 1751 (nicht paginiert, 20 S.). Nr. 140b (Johann Friedrich Schroeter:) Algemeine Geschichte der Länder und Völker von America. Zweiter Theil. Nebst einer Vorrede Siegmund Jacob Baumgartens . . . Mit vielen Kupfern. Halle 1753. 905 S. Vorrede vom 25. 5. 1753 (nicht paginiert, 19 S.). 1752-1755 Nr. 141

Institutionum hermeneuticarum partícula I—V. Halae 1752—1755. 86 S. 1752-1756

Nr. 142 a Die Heilige Schrift des Alten und Neuen Testaments, nebst einer vollständigen Erklärung derselben, welche aus den auserlesensten Anmerkungen verschiedener Engelländischen Schriftsteller zusammengetragen, und zuerst theils in der französischen, theils holländischen Sprache an das Licht gestellet, nunmehr aber in dieser deutschen Übersetzung aufs neue durchgesehen, und mit vielen Anmerkungen und einem Vorbericht begleitet worden von Johann Augustin Dietelmair . . ..nebst einer Vorrede . . . Siegmund Jacob Baumgartens . . . Der dritte Theil, welcher das Buch Josua, der Richter, das Büchlein Ruth sammt den beyden Büchern Samuelis in sich fasset. Leipzig 1752. 1128 S. Vorrede vom 15. 4. 1752 (nicht paginiert, 16 S.). Nr. 142b Die Heilige Schrift . . . Nebst einer Vorrede . . . Siegmund Jacob Baumgartens . . . Der vierte Theil, welcher die Bücher der Könige, und der Chronike, wie auch die Vorreden, des Hrn. van den Honert, über die V. Bücher Mosis in sich fasset. Leipzig 1753. 898 S. Nr. 142c Die Heilige Schrift . . . aufs neue durchgesehen, und mit vielen Anmerkungen begleitet worden von Johann Augustin Dietelmair . . . und Siegmund Jacob Baumgarten . . . mit des Letztern Vorrede. Der fünfte Theil. welcher die Bücher Esra, Nehemia, Esther und Hiob nebst dem Register enthält. Leipzig 1756. 910 S. Vorrede vom 10. 10. 1756 (nicht paginiert, 10 S.) und Bearbeitung der Hiobauslegung (S. 237-910). 1752-1758 Nr. 143a Nachrichten von merkwürdigen Büchern. Erster Band so das erste bis sechste Stück enthält nebst einem doppelten Register. Halle 1752. 560 S. Mit Vorrede vom 15. 1. 1752 (nicht paginiert, 6 S.). 139 Zusammengestellt aus Texten aus der Theologischen Moral von 1738 (§§ 192—210) und aus den Anhängen in Theol. Bedenken II und III; (Nr. 60b, S. 3 5 7 - 3 9 8 und Nr. 60c, S. 333-384). 140 Zum Verfasser s. o. S. 121 Anm. 103. 141 Nicht weitergeführt, besteht aus Nr. 276. 281. 290. 295. 307, vgl. o. S. 225 Anm. 265. 142 Das ganze Werk erschien 1749—1770 in 19 Bänden, der erste Herausgeber war Romanus Teller, zu Baumgartens Anteil s. o. S. 111 Anm. 58 und S. 158f. Anm. 303ff. 143 Fortsetzung von Nr. 106, jetzt mit Baumgartens Namen.

264

Bibliographie Baumgartens

Nr. 143b Nachrichten von merkwürdigen Büchern. Zweiter Band so das siebente bis zwölfte Stück enthält nebst einem doppelten Register. Halle 1752. 548 S. Nr. 143c Nachrichten von merkwürdigen Büchern. Dritter Band so das dreizehnte bis achtzehnte Stück enthält nebst einem doppelten Register. Halle 1753. 562 S. Nr. 143d Nachrichten von merkwürdigen Büchern. Vierter Band so das 19te bis 24ste Stück enthält nebst einem doppelten Register. Halle 1753. 5 6 4 S. Nr. 143e Nachrichten von merkwürdigen Büchern. Fünfter Band so das 25ste bis 30ste Stück enthält nebst einem doppelten Register. Halle 1754. 562 S. Nr. 143f Nachrichten von merkwürdigen Büchern. Sechster Band so das 31ste bis 36ste Stück enthält nebst einem doppelten Register. Halle 1754. 562 S. Nr. 143g Nachrichten von merkwürdigen Büchern. Siebenter Band so das 37ste bis 42ste Stück enthält nebst einem doppelten Register. Halle 1755. 565 S. Nr. 143h Nachrichten von merkwürdigen Büchern. Achter Band so das 43ste bis 48ste Stück enthält nebst einem doppelten Register. Halle 1755. 562 S. Nr. 143i

Nachrichten von merkwürdigen Büchern. Neunter Band der das 49ste bis 54ste Stück enthält nebst einem doppelten Register. Halle 1756. 562 S.

Nr. 143j

Nachrichten von merkwürdigen Büchern. Zehnter Band der das 55ste bis 60ste Stück enthält nebst einem doppelten Register. Halle 1756. 562 S.

Nr. 143k Nachrichten von merkwürdigen Büchern. Eilfter Band der das 61ste bis 66ste Stück enthält nebst einem doppelten Register. Halle 1757. 562 S. Nr. 1431 Nachrichten von merkwürdigen Büchern. Zwölfter Band welcher die volständigen Register über alle Bände sowol dieser als auch der Nachrichten von einer hallischen Bibliothek enthält. Halle 1758. 4 2 4 S. Darin J . S. Semlers Vorrede vom 14. 4. 1758 (nicht paginiert, 6 S.). 1753 Nr. 144

Kurzer Begrif der theologischen Streitigkeiten, zum akademischen Gebrauch ausgefertiget von . . . Siegm. Jacob Baumgarten . . . , herausgegeben von Johan Philip Christian Bast. Zweite Auflage. Frankfurt 1753. 188 S.

Nr. 145

David Franck, . . . Alt- und Neues Mecklenburg, darinn . . . in chronologischer Ordnung beschrieben worden, mit säubern Bildern gezieret, wie auch mit einer Vorrede von Siegm. Jacob Baumgarten, Güstrow und Leipzig 1753. 22 + 260 + 255 + 228 + 259 S. Vorrede vom 11. 5. 1753 (S. 3 - 2 2 , erste Zählung).

Nr. 146

Die Warheit der Geschichte von der Auferstehung Jesu unsers theuresten Erlösers, wider Edelmans Angriffe in seinem sogenannten Glaubensbekentnis vertheidiget von Johann Friedrich Gutschmid . . . , mit einer Vorrede Siegm. J a c . Baumgartens. Halle 1753. 216 S. Vorrede vom 2. 10. 1753 (nicht paginiert, 20 S.).

Nr. 147

Afhandling Om De sä kailade Fri-Tänkares Tanke-Frihet I Religionen, samt om deß Beskaffenhet och Orsaker. Ifrän Tyskan öfwersatt af Olof Rönigk, Stockholm 1753. 64 S.

Nr. 148

Continuatio catalogi dissertationum baumgartenianarum, Halle 1753. 4 S.

14S Wurde mit Bd. 2 - 7 (= 5 . - 1 9 . Buch u. Reg.) bis 1758 fortgeführt, 2 . - 1 9 . Buch ohne Haupttitelblätter und ohne Beiträge Baumgartens. 1 4 7 Schwedische Übersetzung des Hauptteils der Vorrede zu Nr. 35c. 148 Fortsetzung von Nr. 113.

Schriften

265

Nr. 149

Erleuterung des kleinen Catechismi D. Martin Luthers. Zweite Auflage. Halle 1753. 564 S. Mit Vorrede vom 28. 4. 1749 (nicht paginiert, 11 S.).

Nr. 150

Traite des libertés de l'Église gallicane pour l'éclaiseissement de la dispute présente entre les parlemens et les évêques, traduit de l'allemand de . . . Sigism. Jaqu. Baumgarten . . . par E. C. Pohlmann, Halle 1753. 68 S.

Nr. 151

Das zuverläßige und aller Aufname würdige Wort von der Geburt des Seligmachers in einer den zweiten Weihnachtstag 1735 in der Schulkirche zu Halle gehaltenen Predigt vorgestelt, dritte Auflage, Halle 1753. 48 S. 1753-1755

Nr. 152a Theologische Gutachten, Erste Samlung. Halle 1753. 479 S. Mit Vorrede vom 7. 5. 1753 (nicht paginiert, 58 S.). Nr. 152b Theologische Gutachten. Zweite Samlung. Halle 1755. 102 + 454 S. Mit Vorrede vom 11. 11. 1755 (S. 3 - 1 0 2 , erste Zählung). 1754 Nr. 153

Auslegung der evangelischen Texte am Tage Pauli Bekehrung und am Grünen Donnerstage. Nebst einigen homiletischen Zergliederungen derselben. Halle 1754. 56 S. Darin Vorerinnerung J . G. Kirchners vom 28. 2. 1754 (nicht paginiert, 6 S.).

Nr. 154

Untersuchung des Vorgebens der von Tiberio vergeblich versuchten Vergötterung Christi. In: Wöchentliche Hallische Anzeigen 1754, Nr. IX, 4. 3., Sp. 1 4 5 - 1 5 5 ; Nr. X, 11. 3., Sp. 1 6 9 - 1 7 7 ; Nr. XI, 18. 3., Sp. 1 8 5 - 1 9 4 ; Nr. XII, 25. 3., Sp. 2 0 9 - 2 1 7 .

Nr. 155

Jacob Bernards . . . Abhandlung von der Vortreflichkeit der Religion nebst vier Betrachtungen . . . dem Leben des Verfassers und einer Vorrede Siegm. Jac. Baumgartens. Rostock und Wismar 1754. 772 S. Vorrede vom 18. 5. 1754 (nicht paginiert, 24 S.).

Nr. 156

Breviarium historiae christianae in usum scholarum suarum editum, Halae 1754. 384 S. Mit praefatio vom 30. 5. 1754 (nicht paginiert, 6 S.).

Nr. 157

Abhandlung von dem Geschlechtsregister Jesu Christi. Aus dem Lateinischen übersetzt. Halle 1754. 64 S.

Nr. 158a Entwurf verschiedener homiletischen Zergliederungen oder Dispositionen von Predigten über alle son- und festtägliche Evangelia. Erster Theil vom ersten Advent bis Trinitatis. Halle 1754. 204 S. Nr. 158b Entwurf verschiedener homiletischen Zergliederungen oder Dispositionen von Predigten über alle son- und festtägliche Evangelia. Zweiter Theil vom Fest der heiligen Dreieinigkeit bis zu Ende des Jahrs, nebst einem Anhange und Register. Halle 1754. 199 S. lso

Französische Obersetzung von Nr. 138. Statt „éclaiseissement" muß es heißen „éclaircissement", vgl. Nr. 143c, S. 186. 152 Fortsetzung von Nr. 60. Neuer Titel wegen Verlegerwechsel, s. Nr. 143c, S. 457f.; Register über beide Bände am Schluß von Nr. 152b. 155 Übersetzung von Bernard, Jacques: De l'excellence de la religion. S. zur Entstehung o. S. 1 1 3 - 1 1 5 Anm. 68. 157 Übersetzung von Nr. 112.

266

Bibliographie Baumgartens

Nr. 159

Entwurf verschiedener homiletischen Zergliederungen oder Dispositionen von Predigten über alle son- und festtäglichen Evangelia des ganzen Jahrs. Halle 1754. 204 + 218 S. Darin J . G. Kirchners Vorbericht (nicht paginiert, 4 S.).

Nr. 160

Die Ermanung des Apostels Pauli zum Wandel im Licht, Am ersten Adventssontage 1728. in der Hauptkirche zu U.L.F. in Halle, aus Rom. 13, 11—14. abgehandelt von Siegmund Jacob Baumgarten . . . In: Samlung auserlesener Canzel-Reden, über wichtige Stellen der H. Schrift . . . von Johann Melchior Goezen . . . Erster Theil. Magdeburg 1754. S. 2 8 7 - 3 2 4 .

Nr. 161

Daniel Neals Geschichte der Puritaner oder protestantischen Nonconformisten . . . Erster Theil von ihrem Ursprung bis an den Tod der Königin Elisabet 1602. Aus dem Englischen übersetzt. Mit einer Vorrede . . . Siegm. Jac. Baumgartens, Halle 1754. 1754-1755

Nr. 162a Auslegung der epistolischen Texte auf alle Son- und Festtage des ganzen Jahres. Erster Theil vom ersten Advent bis Trinitatis. Halle 1754. 20 + 656 S. Mit Vorrede vom 4. 2. 1754 (S. 3 - 2 0 , erste Zählung). Nr. 162b Auslegung der epistolischen Texte auf alle Son- und Festtage des ganzen Jahres. Zweiter Theil vom Fest der h. Dreieinigkeit bis zum Ende des Jahrs. Nebst einem Anhange und Registern. Halle 1755. 768 S. Mit Vorrede vom 7. 10. 1755 (nicht paginiert, 6 S.). Nr. 163a Entwurf verschiedener homiletischen Zergliederungen oder Dispositionen von Predigten über alle son- und festtägliche Episteln. Erster Theil vom ersten Advent bis Trinitatis. Halle 1754. 194 S. Nr. 163b Entwurf verschiedener homiletischen Zergliederungen oder Dispositionen von Predigten über alle son- und festtägliche Episteln. Zweiter Theil vom Fest Trinitatis bis zu Ende des Jahrs. Nebst einem Anhange. Halle 1755. 246 S. 1754-1757 Nr. 164a Johan von Ferreras . . . Algemeine Historie von Spanien mit den Zusätzen der französischen Übersetzung nebst der Fortsetzung bis auf gegenwärtige Zeit. Erster Band. Unter der Aufsicht und mit einer Vorrede Siegmund Jacob Baumgartens herausgegeben. Halle 1754. 24 + 612 S. Vorrede vom 16. 5. 1754 (S. 3 - 2 4 , erste Zählung). Nr. 164b Johann von Ferreras . . . Algemeine Historie von Spanien . . . Zweiter Band . . . Halle 1754. 734 S. Nr. 164c Johann von Ferreras . . . Algemeine Historie von Spanien . . . Dritter Band . . . Halle 1755. 594 S. Nr. 164d Johann von Ferreras . . . Algemeine Historie von Spanien . . . Vierter Band . . . Halle 1755. 626 S. Nr. 164e Johann von Ferreras . . . Algemeine Historie von Spanien . . . Fünfter Band . . . Halle 1756. 628 S.

160

Baumgartens Probepredigt, s. J . G. Kirchners Vorrede zu Nr. 180c. Mehr nicht erschienen, dazu und zu Semlers Ausgabe s. o. S. 118 Anm. 89. 164 Ubersetzung von Ferreras, Juan de: Historia de España. Fortgeführt von J . S. Semler. s. o. S. 125 Anm. 120. 161

Schriften

267

Nr. 164f Johann von Ferreras . . . Algemeine Historie von Spanien . . . Sechster Band . . . Halle 1756. 678 S. Nr. 164g Johann von Ferreras . . . Algemeine Historie von Spanien . . . Siebenter Band . . . Halle 1757. 6 4 4 S. Nr. 165 a Samlung von merkwürdigen Lebensbeschreibungen grösten Theils aus der britannischen Biographie übersetzet, und unter der Aufsicht und mit einer Vorrede Siegmund Jacob Baumgartens herausgegeben. Erster Theil. Halle 1754. 870 S. Vorrede vom 20. 5. 1754 (nicht paginiert, 16 S.). Nr. 165b Samlung von merkwürdigen Lebensbeschreibungen . . . Zweiter Theil. Halle 1754. 956 S. Vorrede vom 8. 10. 1754 (nicht paginiert, 20 S.). Nr. 165c Samlung von merkwürdigen Lebensbeschreibungen . . . Dritter Theil. Halle 1755. 888 S. Vorrede vom 8. 5. 1756 (nicht paginiert, 16 S.). Nr. 165d Samlung von merkwürdigen Lebensbeschreibungen . . . Vierter Theil. Halle 1757. 608 S. 1755 Nr. 166

Abris einer Geschichte der Religionsparteien, oder gottesdienstlichen Geselschaften, und derselben Streitigkeiten so wol als Spaltungen ausser und in der Christenheit: für seine Zuhörer ausgefertiget, Halle 1755. 322 S. Mit Vorrede vom 6. 10. 1755 (nicht paginiert, 8 S.).

Nr. 167

Untersuchung des Uebertrits der Königin Anna, König Jacobs I in England Gemalin, zur römischen Kirche. In: Wöchentliche Hallische Anzeigen 1755, Nr. XLVI, 17. 11., Sp. 7 5 9 - 7 7 0 ; Nr. X L VII, 24. 11., Sp. 7 7 5 - 7 8 6 ; Nr. XLVIII, 1. 12., Sp. 7 9 1 - 8 0 3 .

Nr. 168a Auslegung der evangelischen Texte auf alle Son- und Festtage des ganzen Jahres. Erster Theil vom ersten Advent bis Trinitatis. Zweite Auflage. Halle 1755. 656 S. Mit Vorrede vom 9. 10. 1751 (nicht paginiert, 10 S.). Nr. 168b Auslegung der evangelischen Texte auf alle Son- und Festtage des ganzen Jahres. Zweiter Theil vom Fest der h. Dreieinigkeit bis zum Ende des Jahrs, nebst einem Anhange und Registern. Zweite Auflage. Halle 1755. 584 S. Mit Vorrede vom 30. 9. 1752 (nicht paginiert, 4 S.). Nr. 169

Michael Gottfried Ratichs . . . heilige Canzelreden über wichtige Stellen der heiligen Schrift zur Beförderung der Erkenntniß der Wahrheit zur Gottseligkeit, mit einer Vorrede . . . Siegm. Jac. Baumgartens . . . , Breslau und Leipzig 1755. 446 S.

Nr. 170

Johann Friedrich Starcks . . . Morgen- und Abend- Andachten frommer Christen auf alle Tage im Jahr . . . Mit einer Vorrede Hrn. Siegm. J a c o b Baumgartens . . . Dritte, verbesserte, und mit säubern Kupfern gezierte Auflage. Frankfurt 1755. 848 + 870 S. Vorrede vom 4. 10. 1744 (nicht paginiert, 48 S.).

Nr. 171

Sigmund Jacob Baumgartens Tankar Om Then Christna Sedo-Lärans mangfaldiga Mißbruk och förakt i wara tider. Wästeras 1755. 16 S.

Nr. 172

Die Wunder Christi nach ihrer Beschaffenheit und Endzweck aus dem Evangelio am sechzehnten Sonntage nach dem Feste der heil. Dreyeinigkeit, Luc. 7, 11—17,

165 1,1

Uberwiegend Ubersetzung von Biographia Britannica. Fortgeführt von J . S. Semler. Schwedische Ubersetzung der Vorrede Baumgartens zu Nr. 66.

268

Bibliographie Baumgartens in der Schulkirche zu Halle im Jahre 1728 betrachtet von Herrn Siegmund Jacob Baumgarten. In: Neue Sammlung gründlicher und erbaulicher Cantzel-Andachten über die Evangelien und Episteln des gantzen Jahres . . . Von Johann Adam Low. Anderer Theil. Gotha und Leipzig 1755. S. 5 9 7 - 6 3 4 . 1755-1757

Nr. 173a Paul von Rapin Herrn von Thoyras algemeine Geschichte von England mit Tindals und de St. Marc Anmerkungen wie auch Durands, la Martiniere und de St. Marc Fortsetzungen Erster Band. Genau durchgesehen und mit einer Vorrede begleitet von Siegmund Jacob Baumgarten, Halle 1755. LH+ 674 S. Vorrede vom 22. 4. 1755 (nicht paginiert, 12 S.). Nr. 173b Paul von Rapin Herrn von Thoyras algemeine Geschichte von England . . . Zweiter Band . . . Halle 1756. CXXXII + 596 S. Vorrede vom 12. 10. 1755 (nicht paginiert, 14 S.). Nr. 173c Paul von Rapin Herrn von Thoyras algemeine Geschichte von England . . . Dritter Band . . . Halle 1756. 744 S. Vorrede vom 11. 5. 1756 (nicht paginiert, 4 S.). Nr. 173d Paul von Rapin Herrn von Thoyras algemeine Geschichte von England . . . Vierter Band . . . Halle 1757. 589 S. Vorrede vom 11. 10. 1756 (nicht paginiert, 4 S.). Nr. 173e Paul von Rapin Herrn von Thoyras algemeine Geschichte von England . . . Fünfter Band . . . Halle 1757. 668 S. 1756 Nr. 174

Unterricht von dem rechtmäßigen Verhalten eines Christen oder Theologische Moral, zum academischen Vortrag ausgefertiget. Fünfte und verbesserte Auflage. Halle 1756. 482 S. Mit: Vorbericht vom 10. 4. 1738 (nicht paginiert, 22 S.), Neuer Vorbericht vom 3. 10. 1744 (nicht paginiert, 36 S.) und Dritter Vorbericht vom 18. 2. 1756 (nicht paginiert, 6 S.).

Nr. 175

John Lelands Abhandlung von dem göttlichen Ansehen des Alten und Neuen Testamentes, zur Widerlegung der Einwürfe des moralischen Philosophen. Aus dem Englischen übersetzet von Andreas Gottlieb Masch . . . Mit . . . Siegm. Jac. Baumgartens Vorrede. Rostock und Wismar 1756. 6 4 + 1 1 0 2 S. Vorrede vom 27. 4. 1756 (S. 3 - 2 5 , erste Zählung).

Nr. 176

Auslegung des Propheten Joels. Halle 1756. 238 S. Mit Vorrede vom 20. 5. 1756 nicht paginiert, 4 S.).

Nr. 177

Erleuterung über des Herrn Grafen Tessin Schreiben von den besten Geschichtsschreibern und den besten Ausgaben derselben. In: Wöchentliche Hallische Anzeigen 1756, Nr. XLIX, 6. 12., Sp. 8 2 1 - 8 3 2 ; Nr. L, 13. 12., Sp. 8 3 7 - 8 4 6 ; Nr. LI, 20. 12., Sp. 8 5 3 - 8 6 7 ; Nr. LII, 27. 12., Sp. 8 7 7 - 8 8 8 ;

173 Ubersetzung von Rapin Thoyras, Paul de: Histoire d'Angleterre. Bd. 5 ohne Vorrede, fortgeführt von K. F. Pauli. 174 Eigentlich 4. Auflage, s. zu Nr. 31. 175 Ubersetzung von Leland, J o h n : The Divine Authority of the Old land New Testament asserted.

Schriften

269

Nr. 178

Christian Walpurgs bekehrter Soldat: oder Erzälung seiner Bekehrung und erbauliche Betrachtungen über verschiedene Stellen der heil. Schrift und vorkommende Fälle; nebst einer Anweisung zur Gottseligkeit vor Soldaten. Mit einer Vorrede begleitet von Siegmund Jac. Baumgarten. Halle 1756. 204 S. Vorrede vom 22. 12. 1755 (nicht paginiert, 28 S.).

Nr. 179

(Anleitung zur theologischen Bücherkenntnis, Halle 1756) 336 S.

1756-1759 Nr. 180a Siegm. Jac. Baumgartens gehaltene Predigten. Erste Samlung. Halle 1756. 440 S. Mit Vorrede vom 14. 2. 1756 (nicht paginiert, 10 S.). Nr. 180b Siegm. Jac. Baumgartens gehaltene Predigten. Zweite Samlung. Halle 1757. 432 S. Nr. 180c Siegm. Jac. Baumgartens gehaltene Predigten. Dritte und letzte Samlung. herausgegeben von Johan George Kirchnern. Halle 1759. 408 S. Darin Kirchners Vorrede vom 5. 10. 1758 (nicht paginiert, 10 S.). 1757 Nr. 181

Auslegung der Leidens-, Sterbens- und Auferstehungsgeschich te Jesu Christi nach harmonischer Ordnung der vier Lebensbeschreibungen desselben. Nebst einer Paraphrasis und vierfachem Register. Halle 1757. 608 S. Darin J . S. Semlers Vorrede vom 3. 10. 1757 (nicht paginiert, 10 S.), J . G. Kirchners Vorbericht vom 5. 10. 1757 (nicht paginiert, 16 S.) und Semlers „Harmonische Paraphrasis der LeidensSterbens- u. Auferstehung-Geschichte Jesu" (S. 577—608).

Nr. 182

Entwurf verschiedener homiletischen Zergliederungen oder Dispositionen von Predigten über alle son- und festtägliche Episteln. Halle 1757. 194 + 246 S.

Nr. 183

Centuriae magdeburgenses seu historia ecclesiastica novr testamenti cum variorum theologorum continuationibus ad haec nostra tempora quas excipient supplementa emendationum defensionum illustrationumque ad priores centurias XIII. quorum curam suscipiet qui praefationes etiam singulis voluminibus addet Sigismundus Iacobus Baumgarten . . . Volumen I. Norimbergae 1757. 396 S. Darin J . S. Semlers praefatio vom 18. 10. 1757 und 1. 3. 1758 (nicht paginiert, 16 S.).

Nr. 184

Theses theologicae elementa doctrinae sanctions ad ductum breviarii dogmatici J o . Anastas. Freylinghausen complexae. Editio III. Halae 1758. 380 S.

1758

1759 Nr. 185a Erbauliche Erklärung der Psalmen. Erster Theil. Unter der Aufsicht und mit einer Vorrede Johann Salomon Semlers. Halle 1759. 16+ 1252 S. Darin Semlers Vorrede vom 30. 9. 1758 (S. 3 - 1 6 , erste Zählung). Nr. 185b Erbauliche Erklärung der Psalmen. Zweiter Theil. Unter der Aufsicht und mit einer Vorrede Johann Salomon Semlers. Nebst vollständigen Registern. Halle 1759. 1180 S. Darin Semlers Vorrede vom 28. 9. 1759 (nicht paginiert, 2 S.). Ohne Titelblatt und Vorrede ausgeliefert, von 5 vorgesehenen Kapiteln (Exegese, Kirchengeschichte, Systematik, Praktische Theologie, Hilfsmittel, vgl. S. 7) wurden nur 2 1/2 gedruckt. 1.3 Enthält nur Vol. I Lib. I. Zu Baumgartens Anteil s. o. S. 119 Anm. 92. 1.4 Nach GK, inzwischen auch auf der Bayer. Staatsbibliothek München nicht mehr vorhanden.

270

Bibliographie Baumgartens

Nr. 186

Kurzer Begrif der theologischen Streitigkeiten, zum academischen Gebrauch von neuem mit einer Vorrede von der heutigen Polemik herausgegeben von Johann Salomo Semler. Dritte und vermehrte Auflage. Halle. 198 S. Darin Semlers Vorrede vom 14. 4. 1759 (nicht paginiert, 28 S.).

Nr. 187

Kurzer Begrif der theologischen Streitigkeiten, zum akademischen Gebrauch ausgefertigt. Neue Auflage. Jena 1759. 188 S. Statt Verlagsangabe: Auf Kosten guter Freunde.

Nr. 188

Unterricht von Auslegung der heil. Schrift ehemals für seine Zuhörer ausgefertiget. Neue und mit des sei. Verfassers hinterlassenen eigenhändigen Zusätzen und Anmerkungen vermehrte Aullage. Halle 1759. 262 S. Darin J . S. Semlers Vorrede vom 8. 5. 1759 (nicht paginiert, 1 S.) und von Baumgarten: Auszug der ersten Vorrede des Verfassers (nicht paginiert, 2 S.) und Auszug des zweiten Vorberichts vom 14. 1. 1745 (nicht paginiert, 3 S.).

Nr. 189

Dissertationem philologicam, qua celeberrimi cuiusdam viri hypothesis etymologica, de hebraea et adfinibus orientis linguis a graeca derivandis, modeste expenditur, praeside Christian. Bened. Michaelis, . . . publico examini subiiciet d. aprii. MDCCXXVI. Sigismundus Iacobus Baumgarten, . . . (o.O.) Recusa anno 1759. 82 S. 1759-1760

Nr. 190a Evangelische Glaubenslehre. Erster Band. Mit einigen Anmerkungen, Vorrede und historischen Einleitung herausgegeben von Johann Salomon Semler. Halle 1759. 166 + 948 S. Darin Semlers Vorrede vom 7. 10. 1758 (S. 3 - 2 6 und 1 3 9 144, erste Zählung), J . C. Bertrams Bericht (S. 26—33, erste Zählung) und Semlers Historische Einleitung in die Dogmatische Gottesgelersamkeit von ihrem Ursprung und ihrer Beschaffenheit bis auf unsere Zeiten (S. 34—138, erste Zählung). Nr. 190b Evangelische Glaubenslehre. Zweiter Band. Mit einigen Anmerkungen, Vorrede und historischen Einleitung herausgegeben von Johann Salomon Semler. Halle 1760. 188+936 S. Darin Semlers Vorrede vom 30. 9. 1759 (S. 3 - 4 und 1 5 9 - 1 6 1 , erste Zählung), Semlers Fortsetzung der historischen Einleitung (S. 4—159, erste Zählung) und J . C. Bertrams Nachrichten zum zweiten Bande (S. 162, erste Zählung). Nr. 190c Evangelische Glaubenslehre. Dritter Band. Mit einigen Anmerkungen, Vorrede und historischen Einleitung herausgegeben von Johann Salomon Semler. Nebst vollständigen Registern. Halle 1760. 148 + 946 S. Darin Semlers Vorrede vom 4. 10. 1760 (S. 3—30 und 140—148, erste Zählung), Semlers Fortsetzung der historischen Einleitung (S. 3 0 - 1 3 2 , erste Zählung) und Anhang über I. J o h . 5,7. (S. 1 3 2 - 1 4 0 , erste Zählung). 1760 Nr. 191

A supplement to the English Universal history, lately published in London . . . designed as an improvement and illustration of that work . . . The whole carefully translated from the original German of the eminent Dr. Baumgarten. 2 vol. London 1760.

Nr. 192

Auslegung der beiden Briefe St. Pauli an die Corinthier mit Anmerkungen und einer Paraphrasi Johann August Nösselts ... nebst einer Vorrede herausgegeben von Jo-

1761

191

Nach Cat. Library of Congress Printed Cards vol. 11, p. 17, dort'auch ausführliche Inhaltsangabe.

Schriften

271

hann Salomon Semler. Halle 1761. 48 + 976 + 96 S. Darin Semlers Vorrede (S. 3 - 4 8 , erste Zählung) und Nösselts Paraphrasen (S. 1—96, dritte Zählung). Nr. 193

Erleuterungen der im christlichen Concordienbuch enthaltenen symbolischen Schriften der evangelischlutherischen Kirche, nebst einem Anhange von den übrigen Bekenntnissen und feierlichen Lehrbüchern in gedachter Kirche. Zweite und mit Anmerkungen aus dem Vortrage des sei. Verfassers sehr vermehrte Auflage, Halle 1761. 34 + 496 + 56 S. Darin Semlers Vorrede (S. 3 - 3 4 , erste Zählung).

Nr. 194

Auslegung des Evangelii St. Johannis unter der Aufsicht und mit einer Vorrede herausgegeben von Johann Salomo Semler, Halle 1762. 16 + 850 S. Darin Semlers Vorrede (S. 1—16, erste Zählung).

Nr. 195

Unterricht von dem rechtmäfiigen Verhalten eines Christen, oder Theologische Moral, zum academischen Vortrag ausgefertiget. Sechste und verbesserte Auflage. Halle 1762. 482 S. Mit: Vorbericht vom 10. 4. 1738 (nicht paginiert, 22 S.), Neuer Vorbericht vom 3. 10. 1744 (nicht paginiert, 36 S.) und Dritter Vorbericht vom 18. 2. 1756 (nicht paginiert, 6 S.).

1762

1762-1764 Nr. 196a Untersuchung Theologischer Streitigkeiten Erster Band. Mit einigen Anmerkungen, Vorrede und fortgesetzten Geschichte der christlichen Glaubenslehre herausgegeben von Johann Salomo Semler. Halle 1762. 322 + 747 S. Darin Semlers Vorrede (S. 3—10 und 311—317, erste Zählung), Semlers Vorläufige Betrachtungen bey der Geschichte der christlichen Glaubenslehren (S. 11—311, erste Zählung) und J . C. Bertrams Vorbericht (S. 318, erste Zählung). Nr. 196b Untersuchung Theologischer Streitigkeiten Zweiter Band. Mit einigen Anmerkungen, Vorrede und fortgesetzten Geschichte der christlichen Glaubenslehre herausgegeben von Johann Salomo Semler. Halle 1763. 16 + 276 + 792 S. Darin Semlers Vorrede (S. 3—13, erste Zählung), Semlers Historische Einleitung: von dem dogmatischen Inhalt der Schriften der so genanten Rechtgläubigen (S. 1—276, zweite Zählung). Nr. 196c Untersuchung Theologischer Streitigkeiten Dritter Band. Mit einigen Anmerkungen, Vorrede und fortgesetzten Geschichte der christlichen Glaubenslehre herausgegeben von Johann Salomo Semler. Halle 1764. 20 + 336 + 522 S. Darin Semlers Vorrede (S. 3—18, erste Zählung), Semlers Historische Einleitung: von dem 4ten bis 7ten Jahrhundert (S. 1 - 3 3 2 , zweite Zählung). 1763 Nr. 197

Erklärung des Briefes St. Pauli an die Hebräer mit Herrn Andreas Gottlieb Maschens . . . Anmerkungen und Paraphrasi auch Johann Salomon Semlers Beiträgen zu genauerer Einsicht dieses Briefs. Halle 1763. 8 + 150 + 538 S. Darin Semlers Vorrede (S. 3 —8, erste Zählung), Semlers Beiträge zu genauerer Einsicht des Briefs an die Hebräer (S. 1—150, zweite Zählung), Maschs Vorrede '(nicht paginiert, 4 S.) und Paraphrastische Erklärung des Briefs an die Hebräer (S. 443—538, dritte Zählung).

Nr. 198

Erläuterung des kleinen Catechismi D. Martin Luthers. Dritte Auflage. Aufs neue durchgesehen, auch noch mit verschiedenen Anmerkungen und Zusätzen vermehret

1764

195

Eigentlich 5. Auflage, s. zu Nr. 31.

272

Bibliographie Baumgartens von Johann George Kirchner, Halle 1764. 33 + 564 S. Darin Kirchners Vorbericht (S. 3—16, erste Zählung), Kirchners Abriß einer Hallischen Catechismusgeschichte und Bibliothek (S. 17—26, erste Zählung) und Baumgartens Vorrede zu der ersten Ausgabe vom 28. 4. 1749 (S. 2 7 - 3 3 , erste Zählung). 1764-1766

Nr. 199a Evangelische Glaubenslehre. Erster Band. . . . Zwote Auflage. Halle 1764. Sonst wie Nr. 189a. Nr. 199b Evangelische Glaubenslehre. Zweiter Band. . . . Zwote Auflage. Halle 1765. Sonst wie Nr. 189b. Nr. 199c Evangelische Glaubenslehre. Dritter Band. . . . Zwote Auflage. Halle 1766. 1766 Nr. 200

Geschichte der Religionspartheyen. Herausgegeben von Johann Salomon Semler, . . . Halle 1766. 3 0 + 1 3 3 5 S. Darin Semlers Vorrede (S. 3 - 2 1 , erste Zählung) und J . C. Bertrams Vorbericht (S. 22, erste Zählung).

Nr. 201

Primae lineae breviarii antiquitatum christianarum in usum schölarum suarum duc ta e a Sig. lac. Baumgarten. Scholia multa addidit I. S. Semler. Halae 1766. 254 S. Darin Baumgartens praefatio vom 27. 9. 1746 (nicht paginiert, 3 S.) und Semlers praefatio (nicht paginiert, 3 S.). 1767

Nr. 202

Auslegung der Briefe Pauli an die Galater, Epheser, Philipper, Colosser, Philemon und Thessalonicher. Mit einigen Beyträgen herausgegeben von Johann Salomon Semler. Halle 1767. 28 + 1028 S. Darin Semlers Vorrede (S. 3 - 9 , erste Zählung), Semlers: Beiträge zum genauem Verstände des Briefes an die Galater (S. 883—963, zweite Zählung), Semlers: Beiträge zum genauem Verstände des Briefes an die Epheser (S. 964—990, zweite Zählung) und J . C. Bertrams: kurze Umschreibung der Briefe Pauli an die Philipper, Colosser, Philemon und Thessalonicher (S. 991—1028, zweite Zählung).

Nr. 203

Theses dogmaticae ad ductum compendii freylinghausiani. Accedunt theses theologiae moralis et alia, curante Joach. Christoph. Bertram. Halae 1767. 528 S. Darin Bertrams praefatio (nicht paginiert, 6 S.) und eine Epitome der praefatio Baumgartens zu seinen Theses theologicae «on 1746 (nicht paginiert, 10 S.).

Nr. 2 0 4

Ausführlicher Vortrag der Theologischen Moral mit einer Vorrede Herrn J o h . Salomo Semlers. Halle 1767. 20 + 1622 S. Darin Semlers Vorrede (S. 3—14, erste Zählung) und J . C. Bertrams Vorbericht (S. 15—19, erste Zählung). 1768

Nr. 205

Erläuterung der christlichen Alterthümer herausgegeben von Joachim Christoph Bertram. Halle 1768. 12 + 580 S. Darin Bertrams Vorbericht (S. 3 - 6 , erste Zählung).

2 0 3 Enthält neben den dogmatischen Thesen (s. Nr. 84. 123. 184) mit Conspectus (nicht paginiert, 22 S.) und Appendix (S. 499—528) eine frühe Fassung von Thesen zur Moral von 1732 (S. 4 1 7 - 4 9 8 ) . Über das Verhältnis zu Nr. 90 und 201 s. o. S. 115 Anm. 69.

Schriften

273

Nr. 206

Siegm. J a c Baumgartens Theologische Moral in Tabellen. Von Johann Christian Prager, . . . Mit einer Vorrede Johann Peter Millers. Halle 1768. 2 2 4 S. Darin Millers Vorrede (nicht paginiert, 30 S.).

Nr. 207

Auslegung der evangelischen Texte auf alle Son- und Festtage des ganzen Jahres. Erster TheU. 2. Aufl. Halle 1768. 656 S.

Nr. 208

Entwurf verschiedener homiletischen Zergliederungen oder Dispositionen von Predigten über alle son- und festtäglichen Evangelia des ganzen Jahrs. Erster Theil. 2. Aufl. Halle 1768. 2 0 4 S. 1769

Nr. 209

Ausführlicher Vortrag der Biblischen Hermeneutic. Herausgegeben von Joachim Christoph Bertram. Halle 1769. 572 S. Darin Bertrams Vorbericht (nicht paginiert, 2 S.). 1770

Nr. 210

Anweisung zum erbaulichen Predigen zum Gebrauch homiletischer Vorlesungen. Neue Auflage. Altdorf und Nürnberg 1770. X X X X + 112 S. Darin Vorbericht zur zweyten Auflage (S. II—V), Des vormaligen Herausgebers Hin J o h . Philipp Christian Basts Vorrede vom 1. 9. 1751 (S. VI—X) und Baumgartens „Vorrede von der wahren Beschaffenheit des schriftmäsigen Predigens" vom 12. 8. 1746 (S. XI—XXXIII).

Nr. 211

Kurzer Begrif der theologischen Streitigkeiten, zum academischen Gebrauch von neuem mit einer Vorrede von der heutigen Polemik herausgegeben-von Johann Salomo Semler. vierte und verbesserte Auflage, Halle 1771. 198 S. Darin Semlers Vorrede vom 14. 4. 1759 (nicht paginiert, 28 S.).

Nr. 212

Aanleiding om stigtelyk to prediken, Amsterdam 1771.

1771

1786 Nr. 213

Auslegung des Propheten Joels. Neu aufgelegt. Leipzig 1786. 238 S.

Nr. 214

Geschichte der Religionspartheyen. Hildesheim 1966. Photomechanischer Nachdruck der Ausgabe von 1766 (Nr. 200).

1966

2 1 2 Holländische Übersetzung von Nr. 131 oder 210. Nachweis bei R. Arrenberg: Naamregister van de nederduitsche Boeken. 2. Aufl. Rotterdam 1788, S. 41.

II. Verzeichnis der unter Siegmund Jacob Baumgartens Präsidium verteidigten Dissertationen 1735 Nr. 215

Dissertatio theologica Explicationem loci difficilioris Joh. X., 33—38. et vindicias divinitatis Christi ex eodem exhibens. Resp. Joachimus Fridericus Hitzwedell. Halae 1735. 30 S. (1749. 1760).

Nr. 216

Exercitatio theologico-exegetica De precatione Christi pro avertendo calice ad Matth. XXVI. v. 39. Resp. Christianus Henricus Nehring. Halae 1735. 22 S. (1744. 1750).

Nr. 217

Dissertatio theologica De dictis scripturae sacrae probantibus. Resp. Matthias Drude (Autor: S. J . Baumgarten). Halae 1735. 30 S. (1739. 1744. 1749. 1760). 1736

Nr. 218

Dissertatio De Christo a Judaeis conspiciendo quando dixerint celebretur veniens in nomine domini ad Matth. XXIII. com. XXXIX. Resp. Joannes Christianus Grundler. Halae 1736. 28 S. (1744. 1756).

Nr. 219

Dissertatio theologico-moralis De gradibus peccatorum. Resp. Joannes Andreas Eilers (Autor: S. J . Baumgarten). Halae 1736. 46 S. (1744. 1749).

Nr. 220

Observationes De concilio tridentino, quantum per illud melior deteriorque facta fuerit ecclesia romana quantumque ex eo nostra ecclesia ceperit emolumenti demonstrantes. Resp. Georgius Ludovicus Roloffius. Halae 1737. 57 S. (1749).

Nr. 221

Exercitatio historico theologica De patrum primitivae ecclesiae feliciori successu in profliganda gentium superstitione quam in confirmanda doctrina Christiana. Resp. Joannes Melchior Goeze. Halae 1738. 32 S. (1747).

Nr. 222

Exercitatio theologica De Discrimine eius quod naturale et morale dicitur in theologia. Resp. Georg. Frid. Meier. Halae 1738. 63 S. (1744. 1751).

1737

1738

1739 Nr. 223

Dissertatio theologica De àvafiapTTiatff. ab hominibus in hac vita non obtinenda. Resp. Ernestus Fridericus Kesselring. Halae 1739. 32 S.

Nr. 224

De scriptura sacra dissertatio I. Resp. August. Adolph. Fosgraff (Autor: S. J . Baumgarten). Halae 1739.

Nr. 225

Dissertatio theologica Exhibens paedobaptismi demonstrationem et vindicias contra autorem der unschuldigen Warheiten. Resp. Johann Friedrich Kleinschmidt. Halae 1739. 55 S. (1749).

Nr. 226

Dissertatio theologica De polygamia simultanea illegitima. Resp. Benjamin Christopherus Hermann. Halae 1739. 34 S. (1748. 1756. 1757).

Nr. 227

Dissertatio moralis Gradus bonorum operum et virtutis generatim sistens. Resp. Samuel David Griizmacher. Halae 1739. 24 S.

Dissertationen

275

1740 Nr. 228

Dissertatio theologica De αϊιαμαρτησύ]. Christi eiusdem necessitate. Resp. Carolus Ludovicus Hoevel. Halae 1740. 37 S. (1749).

Nr. 229

Dissertatio philologico-theologica De peccato in Spiritum Sanctum ad ductum loci classici Ebr. VI, 4.5.6. Resp. Jo. Samuel Hichtel. Halae 1740. 46 S. (1744. 1748. 1759).

Nr. 230

Dissertatio moralis De pietate ministri ecclesiae ab auditore caute examinanda. Resp. Georg. Frider. Gerling. Halae 1740. 24 S. (1750).

Nr. 231

Examen miraculi legionis fulminatricis contra Thomam Woolstonum. Dissertatio I. Resp. Michael Nestius (Autor: S. J . Baumgarten). Halae 1740. S. I-XXVIII.

Nr. 232

Dissertatio historico-theologica De infallibilitate pontificum romanorum αύτοκατακρίτω. Resp. Gottefriedus Schüz. Halae 1740. 32 S. (1751).

Nr. 233

Examen miraculi legionis fulminatricis contra Thomam Woolstonum. Dissertatio II. Resp. Joan. Frieder. Opperman (Autor: S. J . Baumgarten). Halae 1740. S. XXVIIII— LVI. 1741

Nr. 234

Disputatio theologica Exhibens vindicias potiorum Christi testimoniorum quibus superioritatem Patris affirmare videtur contra Neo Arríanos et imprimis Thomam Chubbium. Resp. Joannes Gebhardus Pfeil. Halae 1741. 39 S. (1749).

Nr. 235

Examen miraculi legionis fulminatricis contra Thomam Woolstonum. Dissertatio III. Resp. Aretin Israel Bandelow (Autor: S. J . Baumgarten). Halae 1741. S. LVII— LXVII.

Nr. 236

Examen sententiae veterum christianorum de militia. Resp. Joh. Gottlieb Calov. Halae 1741. 28 S. (1745. 1754).

Nr. 237

Dissertatio theologica De Imputatione peccati adamitici posteris facta. Resp. Stephanus Christopherus Lentze. Halae 1742. 85 S. (1744. 1749. 1754. 1759).

Nr. 238

Vindiciae textus graeci Novi Testamenti contra Jo. Harduinum. Resp. Christianus Fridericus Curtius. Halae 1742. 32 S. (1746. 1754).

Nr. 239

Exercitatio theologica Sistens scientiae fidei et experientiae discrimen et nexum in theologia necessarium. Resp. Joan. Daniel Wiegleb. Halae 1742. 37 S.

Nr. 240

Vindiciae demonstrationum divinitatis sacrae scripturae a suspicione circuii vitiosi. Resp. Georg. Christian. Haine. Halae 1742. 56 S. (1753).

Nr. 241

Vindiciae poenarum aeternarum oppositae auctori epistolarum Sur la religion essentielle. Resp. Joannes Godofredus Weinschenck. Halae 1742. 24 S. (1753).

Nr. 242

Dissertatio theologica De Christo homine obligatione legum divinarum antecedente et externa soluto. Resp. Joannes Nicolaus Kirchhoff. Halae 1742. 34 S. (1748).

Nr. 243

Disputatio theologica De vocatione Dei ad salutem, variis eius gradibus et graduum rationibus. Resp. Joannes Fridericus Danneil. Halae 1742. 48 S. (1746).

Nr. 244

Disputatio theologica De efficacia s. scrip turae naturali et supernatural!. Resp. Martinus Felmer. Halae 1742. 44 S. (1753).

Nr. 245

Dissertatio theologica Exhibens demonstrationem extra ecclesiam non dari salutem. Resp. Christianus Fridericus Jericho (Autor: S. J . Baumgarten). Halae 1742. 34 S. (1749).

1742

276

Bibliographie Baumgartens 1743

Nr. 246

De praestantia religionis revelatae prae naturali. Resp. Christoph. Joseph. Suero. Halae 1743. 37 S. (1753).

Nr. 247

Dissertatio theologica De ultima coena Christi paschali. Resp. Benedictus Guilielmus Munch. Halae 1743. 61 S. (1750).

Nr. 248

Disputatio theologica De conversione non instantanea. Resp. Ernestus Fridericus Bening. Halae 1743. 30 S. (1753). 1744

Nr. 249

Historia Trisagii. Resp. Georg Philipp Schunter (Autor: S. J . Baumgarten). Halae 1744. 35 S. (1753).

Nr. 250

Vindiciae verae et realis corporis et sanguinis Christi in sacra coena praesentiae ab oppugnationibus Benjaminis Hoadly. Resp. Joannes Carolus Leekeny. Halae 1744. 28 S. (1759).

Nr. 251

Examen variarum opinionum de regno posterorum Abrahami in Aegypto. Resp. Maximilianus Hoppert (Autor: S . J . Baumgarten). Halae 1744. 44 S. (1749).

Nr. 252

Dissertatio theologica De J u d a sacrae coenae conviva. Resp. Joannes Henricus Gerling. Halae 1744. 28 S. (1750).

Nr. 253

Dissertatio theologico-historica De circumspectione haeresiologica. Resp. Joannes Andreas Thai. Halae 1744. 33 S. (1754). 1745

Nr. 254

Disputatio De Paullo gentium apostolo, contra Thomam Morganum. Resp. Christian Ernst von Windheim. Halae 1745.

Nr. 255

Dissertatio theologica De discrimine revelationis et inspirationis. Resp. Jacob Dieterich Litzmann. Halae 1745. 36 S. (1748).

Nr. 256

Dissertatio theologica De propagatione et gradibus peccati originalis. Resp. Joannes Fridericus Litzmann. Halae 1745. 60 S. (1748).

Nr. 257

Dissertatio theologica De veris signis vocationis divinae ad ministerium ecclesiasticum. Resp. Christoph. Wilhelmus Weissenborn. Halae 1746. 37 S. (1754).

1746

1747 Nr. 258

Meditationes quasdam de gemina et spuria aedificatione spirituali mediisque illius legitimis et illegitimis . . . tuebitur Resp. Gottlob Samuel Nicolai. Halae 1747. 36 S.

Nr. 259

Dissertatio historico-ecclesiastica De procrastinatione baptismi apud veteros eiusque caussis. Resp. Antonius Fridericus Biisching. Halae 1747. 32 S. (1754).

Nr. 260

Dissertatio theologico-moralis De discrimine virtutum aeternarum et cessantium post mortum. Resp. Josephus Fridericus Bando. Halae 1749. 37 S. (1754).

Nr. 261

Dissertatio De peccatis contra sine cum et ex conscientia peractis. Resp. Joannes Fridericus Zimmerman. Halae 1750. 31 S.

1749

1750

Dissertationen

277

Nr. 262

Exercitatio theologica De permutatione Christi hominumque in Dei iudicio facta legitime. Resp. Balth. Caspar Zimmermann. Halae 1750. 22 S.

Nr. 263

Specimen theologicum De usu legis necessario. Resp. Nicolaus Nannestad. Halae 1750. 95 S.

Nr. 264

Dissertatio historico theologica De ΆΓΡΑΜΜΑΣΙΑ veterum civitatis christianae doctorum. Resp. Christopherus Daniel Carsted. Halae 1750. 38 S.

Nr. 265

Dissertatio theologica De fraternitate Christiana. Resp. Gotthilf Traugott Zachariae. Halae 1750. 89 S.

Nr. 266

Vindiciae plurium praecipuarum lectionum codicis graeci Novi Testamenti adversus Guilielm. Whiston Anglum atque ab eo latas leges criticas. Resp. Io. Salomon Semler. Halae 1750. 67 S.

Nr. 267

Disputatio theologica De variis modis abutendi evangelio. Resp. David Bruhn. Halae 1750. 102 S.

Nr. 268

Dissertatio theologica De praestantia salutis humanae per Christum partae prae felicitate concreata in statu integritatis. Resp. Carolus Albertus Scheele. Halae 1750. 34 S.

Nr. 269

Examen variantium lectionum in epistola Iacobi obviarum. Resp. Herrmannus Christianus Zeunert (Autor: S . J . Baumgarten). Halae 1751. 55 S.

Nr. 270

Dissertatio historico theologica De mirabili fuga prophetae Ionae. Resp. Johannes Christopherus Lange. Halae 1751. 20 S.

Nr. 271

Meditationes De limitibus in concilianda rationi doctrina revelata observandis. Resp. Georgius Henricus Langreuter. Halae 1751. 30 S. (1760).

Nr. 272

Dissertatio theologico historico moralis Sistens ministrorum ecclesiae apud veteres christianos ope sortitionis designationem. Resp. Fridericus Wilhelmus Carsted. Halae 1751. 36 S.

Nr. 273

Vindiciae iustitiae vindicatricis in Deo. Resp. Christianus Daniel Gottlob Vogel. Halae 1751. 46 S.

Nr. 274

Disputatio theologica inauguralis De unione hypostatica eiusque statibus. Resp. Carolus Papke. Halae 1751. 76 +XXIII S.

Nr. 275

Dissertatio theologica De naturae et gratiae nexu. Resp. Joannes Fridericus Page. Halae 1751. 38 S. (1756).

Nr. 276

Institutionum hermeneuticarum partícula prima de interpretatione scripturae sacrae. Ad breviarii hermeneutici §. I—Uli seu prolegomena. Resp. Frid. Theod. Lademann (Autor: S. J . Baumgarten). Halae 1751. S. I-XXIIII. (1752, vgl. Nr. 141).

Nr. 277

Dissertatio theologica moralis De officiis circa varia scandalorum genera. Resp. Wilh. Julius Fridericus Zimmermann. Halae 1752. 26 S.

Nr. 278

Dissertatio historico-theologica De martyriis christianis variisque circa eadem notandis. Resp. Fridericus Guilielmus Ellenberger. Halae 1752. 66 S.

Nr. 279

Dissertatio theologica De captivanda ratione sub fidem, seu de imperio fidei in rationem, rationi congruente. Resp. Samuel Christophorus Haltmeier. Halae 1752. 80 S. (1760).

1751

1752

278

Bibliographie Baumgartens

Nr. 280

Orationem meditationem tentationem facere christianum et theologum . . . examini submittit Resp. Gotthilf Josephus Winckler. Halae 1752. 4 4 S.

Nr. 281

Institutionum hermeneuticarum partícula secunda de sensu scripturae sacrae. Ad breviarii hermeneutici cap. I. §. V—VIII. Resp. Pane. Bemh. Strobach (Autor: S. J . Baumgarten). Halae 1752. S. X X V - X X X X . (vgl. Nr. 141).

Nr. 282

Dissertatio theologica moralis De partieipatione peccatorum alienorum. Resp. Samuel Gottlieb Olearius. Halae 1752. 20 S. (1760).

Nr. 283

Dissertatio theologica De cautione necessaria in querelis de diseiplinae in ecclesia nostra defectu instaurandaeque desideriis. Resp. Hieronymus Daniel Schleisner. Halae 1752. 28 S.

Nr. 284

Dissertatio theologica eaque dogmatico — polemica sive Vindiciae omniscientiae in Deo. Resp. Christopherus Bangert. Halae 1752.

Nr. 285

Vindiciae necessitatis librorum symbolicorum contra recentissimas obtrectationes. Resp. Augustus Wilhelmus Schwarze. Halae 1752. 29 S. 1753

Nr. 286

De sacramentis generatim spectatis. Resp. Joannes Andreas Tafinger. Halae 1753. 26 S.

Nr. 287

Dissertatio theologica De periculosa sacramentorum in caeremonias et harum in sacramenta permutatione. Resp. Joannes Georgius Busch. Halae 1753. 47 S.

Nr. 288

Dissertatio theologica De miraculis in regno gratiae. Resp. Joannes Christopherus Thenn. Halae 1753. 51 S.

Nr. 289

Scriptio theologica De omnipraesentiae vera notione. Resp. Christianus Wendt. Halae 1753. 9 1 S.

Nr. 290

Institutionum hermeneuticarum partícula tertia de sensu scripturae sacrae. Ad breviarii hermeneutici cap. I § Villi—XII. Resp. Gottf. Henr. Lebr. Gedicke (Autor: S. J . Baumgarten). Halae 1753. S. X X X X I - L I I I I . (vgl. Nr. 141).

Nr. 291

Specimen theologicum De άνυποστασίφ et ένυποσταοίφ Resp. Joannes Dietericus Deimann. Halae 1753.

Nr. 292

Meditationes De limitibus libertati conscientiae ponendis. Resp. Ernestus Christopherus Noltenius. Halae 1753. 40 S.

Nr. 293

Authentiam doxologiae Matth. VI. com. XIII. obviae a recentissimis oppugnationibus vindicatam . . . tuebitur Resp. Carolus Abrahamus Weyland. Halae 1753. 45 S.

Nr. 294

Dissertatio theologica De vera operis operati indole eiusque necessaria sed cauta debellatione. Resp. Ernestus Petrus Rosenow. Halae 1753. 34 S.

Nr. 295

Institutionum hermeneuticarum partícula quarta de sensu scripturae sacrae. Ad breviarii hermeneutici cap. I §. XIII—XVII. Resp. Augustus Frid. Willrath (Autor: S. J . Baumgarten). Halae 1753. S. L V - L X V I I I . (vgl. Nr. 141).

Nr. 296

Brevem disquisitionem exhibentem aretos cognitionis humanae limites in rebus divinis . . . defendet . . . Resp. Sebastianus Gerhardus Ortgiesen. Halae 1753.

Nr. 297

Dissertatio theologica De indole, auetoritate, numeroque conciliorum oecumenicorum. Resp. Christianus Gottlieb Lieberkühn. Halae 1753. 50 S.

humanae Christi naturae.

Dissertationen

279

1754 Nr. 298

Historia doctrinae de statu animarum separatarum. Resp. Bernardus Georgius Dreckmann. Halae 1754. 78 S.

Nr. 299

Dissertatio theologica De mysteriorum christianae fidei vera indole eorumque contra recentissimas oppugnationes vindiciis. Resp. Joannes Augustus Urlspergerus. Halae 1754. 64 S.

Nr. 300

Dissertatio Consecrationem sanctorum apud pontificios usitatam ad ΑΠΟΘΕΩΣΕΙΣ veterum romanorum effictam ostendens. Resp. Joan. David Heilman. Halae 1754. 52 S.

Nr. 301

Vindicias vocis ΘΕΟΣ in oráculo paulino 1 Tim. III. c. XVI. obviae . . . tuebitur Resp. Carolus Guilelmus Weissigius (Autor: S . J . Baumgarten). Halae 1754. 60 S.

Nr. 302

Dissertatio exegetico-dogmatica De acquirendis donis optimis ad diet. 1 Cor. XII, 31. coll. cap. XIV, 1. Resp. Joannes Immanuel Lietze. Halae 1754.

Nr. 303

Dissertatio theologica De historia lapsus. Resp. Friedericus Krüger. Halae 1754.

Nr. 304

Commentationem de abusu locutionum anthropopathicarum . . . censurae subiiciet Resp. Joannes Andreas Hübner. Halae 1754. 1755

Nr. 305

De tentatione Christi in deserto. Resp. Joannes Henricus Schmid. Halae 1755. 32 S.

Nr. 306

Dissertatio theologica De immortalitate Christi et christianorum. Resp. Fridericus Augustus Schubart. Halae 1755.

Nr. 307

Institutionum hermeneuticarum partícula quinta de sensu scripturae sacrae. Ad breviarii hermeneutici cap. I. §. XVIII—XX. Resp. J o . Conrad Janssen et Ger. Julius Coners (Autor: S. J . Baumgarten). Halae 1755. S. L X V I I I I - L X X X V I . (vgl. Nr. 141).

Nr. 308

Dissertatio académica Qua fugam christianorum et in specie sacerdotum ad trutinam rationis et revelationis exigit. Resp. J o . Ludovicus Fridericus Schiller. Halae 1755.

Nr. 309

Dissertatio saecularis admiranda singularis providentiae divinae vestigia in vindicanda per pacem Passaviensem A. MDL1I. et Augustanam A. MDLV. sacrorum evangelicorum liberiate exponens. Resp. Joannes Augustus Noesselt. Halae 1755. 71 S.

Nr. 310

Dissertatio dogmatico-polemica De omniscientia Christi in statu exinanitionis. Resp. Benjamin Kettwich. Halae 1756. 20 S.

Nr. 311

Dissertatio historico-antithetica De iconolatría christianorum idololatrica. Resp. Carolus Fridericus Waltsgott. Halae 1756. 76 S.

Nr. 312

Demonstrationem aeternae peccatorum damnationis speciatim ex scientia Dei media . . . defendet Resp. Jacobus Elias Troschel. Halae 1757.

1756

1757

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Personenregister Adorno, Th. W. 13 Ahlstedt, S. 93 Albert, H. 106 Althaus, P. 211, 236 Aner, K. 14, 21, 39, 53, 101, 114, 130, 133, 183, 204, 213, 216, 224 Anna, Königin von England 194 Anton, P. 31, 33, 41, 236 Arndt, J . 82, 90, 91 Arnold, G. 116-118, 123, 124, 248, 249 Arrenberg, P. 273 Astrae, J . 221 Auer, J . 46 Augustinus 64 Aulén, G. 130 Baker, J . 53, 117, 249 Bakius, G. C. 249 Bandelow, A. J . 275 Bando, J . F. 276 Bangert, C. 278 Bamikol, E. 55, 94 Barrow, I. 159, 247 Barth, Κ. 25, 26, 39, 59, 75, 106 Bast, J . P. Ch. 159, 260, 262, 264, 273 Bauer, J . Α. 113 Baumgart, P. 123 Baumgarten, Alexander Gottlieb 21, 31, 35, 46, 51, 172, 183 Baumgarten, Henriette Eleonora 38 Baumgarten, Jacob 30-32, 82, 183 Baumgarten, Justus Joseph 31 Baumgarten, Nathanael 31 Baumgarten, Rosine Elisabeth 31 Baumgarten-Crusius, L. F. O. 225 Baur, F. Ch. 213 Baur, J . 31, 63, 91 Bayle, P. 53, 151, 155, 181, 182, 188 Bengel, J . Α. 216-218 Bening, E. F. 20, 276 Benson, G. 255 Benz, E. 116 Bergmann, E. 31

Bernard, J . 165, 265 Bernsau, H. W. 71, 75 Bertram, J . Ch. 71, 86, 98, 99, 103, 115, 206, 224, 225, 236, 255, 270-273 Bienert, W. 124, 237 Bierling, F. W. 140 Bilfinger, G. B. 18, 19, 135 Birkner, H.-J. 14 Bizer, E. 131 Blasius, J . 71, 255 Bodin, J . 174 Bodmer, J . J . 185 Bogatzky, K. H. von 126 Bolingbroke, H. St. John 126, 140, 160164, 167, 169 Bomsdorf, H. E. von 38 Boor, F. de 128 Borkenau-Pollak, F. 120, 176-178, 180, 185 Bosse, F. 25, 66 Boyle, R. 165, 167, 218, 219, 248 Brecht, M. 46 Breithaupt, J . J . 16, 30, 31, 33, 36, 41, 48, 63, 64, 66, 80, 86, 87, 91, 216, 237, 246, 247 Brei tinger, J . J . 186 Brucker, J . 10, 30, 32, 33, 36, 39, 40, 49, 132, 156 Bruhn, D. 260, 261, 277 Buddeus, J . F. 16-18, 26, 75, 85, 91, 93, 111, 123, 132, 199, 204, 206 Büsching, Α. F. 21, 24, 36, 49, 51, 55, 81, 101, 102, 104, 125, 178, 179, 255, 276 Buff, W. 51, 157 Buhl, F. 177 Burnet, G. 53, 165, 167, 184, 248 Burroughs, J . 246 Busch, J . G. 278 Calixt, G. 17, 56, 57, 82, 199, 236 Calov, A. 66, 219 Calov, J . G. 275 Canz, I. G. 17, 105

Personenregister Cappellus, L. 218 Carpov, J . 17, 105 Carsted, C. D. 277 Carsted, F. W. 277 Cassirer, E. 130, 131, 138, 144, 151, 154, 155, 171, 181, 182, 192 Cellarius, Ch. 32, 174 Cherbury, H. von 159 Chladenius, J . M. 50, 140, 143, 146, 150, 156, 187-191, 197, 211 Christlieb, C. W. 254 Chubb, Th. 275 Clauswitz, B. G. 55 Clemm, H. W. 218 Clericus, J . (Le Clerc) 21, 165, 169, 238, 256 Coners, G. J . 279 Conze, W. 132, 135, 151 Corbet, J . 247 Craig, J . 146 Crusius, Ch. A. 153, 191 Cudworth, R. 159, 161, 247 Curtius, C. F. 275

Danneil, J . F. 275 Dannenbaum, R. 46, 64, 66, 236 Darjes, J . G. 105 Deimann, J . D. 278 Descartes, R. 132, 159 Diestel, L. 218, 231, 241 Dietelmair, J . A. 21, 23, 101, 111, 158, 159, 263 Dilfeld, G. K. 56 Dilthey, W. 107, 130, 131, 193, 201, 202, 224-227, 231-235, 241 Dippel, J . K. 215 Döderlein, Ch. Α. 24 Döderlein, J . Ch. 24 Doering, H. 30 Dörries, H. 116, 117 Dreckmann, B. G. 279 Dreyhaupt, J . Ch. 10, 30, 36, 38, 50 Droysen, H. 42, 47 Drude, M. 274

Ebeling, G. 24, 226, 227, 236 Eberhard, J . A. 21, 172 Edelmann, J . Ch. 21, 169, 257

297

Eichhorn, J . G. 16, 29, 57, 102, 107, 114, 201, 212 Eichler, F. 50 Eilers, J . A. 274 Ellenberger, F. W. 277 Ernesti, J . A. 157, 236

Felmer, M. 275 Ferreras, J . de 121, 125, 126, 164, 196, 197, 199, 266, 267 Flacius, M. 224 Fleury, C. 114 Fosgraff, A. A. 274 Franck, D. 121, 160, 182, 194, 264 Francke, A. H. 16, 30-34, 37, 41, 48, 64, 123, 128, 134, 141, 179, 230, 232, 234-237, 245 Francke, G. A. 20, 33, 35, 37-43, 47, 50, 63, 65, 134 Frank, G. 34 Freylinghausen, J . A. 31, 48, 63, 64, 66, 81-86, 90, 91, 98, 102-104, 205, 210, 222 Friedrich II. König von Preußen 14, 42, 47, 49, 51, 110 Friedrich Wilhelm I. König von Preußen 38, 39, 42,'47-49, 51 Frisch, J . F. I l l Fromman, I. 34 Fueter, E. 114, 122, 131, 133, 143, 174, 177, 182, 186, 193, 196

Gadamer, H. G. 106, 152, 187 Gass, W. 16, 20, 25, 66, 80, 210 Gastrow, P. 57, 114 Gebauer, J . J . 113 Gedicke, G. H. L. 278 Gennrich, P. 64 Gerhard, J . 56, 66, 69, 82, 83, 86, 236 Gerhardt, P. 32 Gerling, G. F. 275 Gerling, J . H. 114, 276 Gertz, Β. 235, 236, 241 Goethe, J . W. von 53, 111 Goeze, J . M. 21, 58, 101, 212, 266, 274 Goltz, A. von der 173 Gottsched, J . Ch. 186 Grossmann, W. 169 Grotius, H. 143, 238

298

Personenregister

Gründler, J . Ch. 44, 274 Grüzmacher, S. D. 274 Gutschmid, J . F. 53, 209, 264 Hägglund, B. 17, 69, 85 Haine, G. Ch. 275 Haltmeier, S. Ch. 75, 277 Hardt, H. von der 34, 141 Harduin, J . 141 Harnack, A. von 50 Haupt, J . Th. 74 Haven, P. van 250, 257 Hazard, P. 175 Heilmann, J . D. 21, 23, 33, 114, 202, 261, 279 Heindorf 30, 36 Heine, H. 26 Henrichs, Ν. 225 Heppe, Η. 131 Herbers, P. 224 Herder, J . G. 213 Hermann, B. C. 274 Herodot 147 Hesselberg, J . F. 263 Hettner, H. 35, 52, 54, 96, 110, 183, 186 Heussi, K. 17, 18, 124, 140, 180, 187 Heyn, J . 257 Heyne, Ch. G. 33 Hichtel, J . S. 275 Hinrichs, C. 40 Hirsch, E. 13, 15, 17-21, 26-27, 39, 52, 56, 59, 62, 65, 66, 68, 72, 75, 76, 78, 90, 92, 94, 96, 97, 128, 132, 161, 164, 203, 214-218, 227, 230, 234, 236, 237 Hirt, J . F. 225 Hitzwedell, J . F. 274 Hoadly, Β. 276 Hoevel, C. L. 275 Hof, O. 236 Hoffbauer, J . Ch. 24, 36 Hoffmann, H. 15 Hohlwein, H. 23 Hollatz, D. (III.) 255, 259 Holzmann, M./Bohatta, H. 185, 258 Hooghe, R. de 121, 252 Hoppert, M. 276 Horkheimer, M. 13 Hornig, G. 12, 20, 27, 28, 56, 76, 101, 113, 116, 118, 121, 122, 125, 126, 133, 156, 181, 182, 199, 204, 213,

214, 216, 218, 220, 222-224, 230, 231, 233, 235, 236 Hornius, G. 174 Houtteville, C. F. 108, 165, 168, 182, 254 Hübner, J . A. 279 Hume, D. 182 Hutter, L. 215 Ihmels, L. 72 Jacobs, E. 38 Jakob I. König von England 194 Jannasch, W. 123 Janssen, J . C. 279 Jericho, Ch. F. 275 Jocher, Ch. G. 10, 30, 31, 38 Josefson, R. 202 Justi, C. 21, 110, 120, 174, 179 Kaegi, W. 175 Kahnis, Κ. F. Α. 96 Kaiser, G. 184 Kant, I. 31, 131, 133, 135, 138, 144, 154, 176, 178 Kantzenbach, F. W. 38, 58, 184, 207, 230 Kattenbusch, F. 206-208 Kawerau, W. 60, 183, 184, 186 Kesselring, E. F. 274 Kettwich, Β. 279 Kierkegaard, S. 13 Kindt, Κ. 184 Kirchhoff, J . Ν. 275 Kirchner, J . G. 61, 110-112, 246, 265, 266, 269, 272 Kleinschmidt, J . F. 274 Klempt, A. 174-178 Klopstock, F. G. 184, 186 Knapp, J . G. 37 Knös, A. 202 Knothe, P. 19, 26, 27, 39, 46, 68, 70, 72-74, 76, 78, 79, 91, 93, 96, 97, 99, 203, 204 König, J . F. 26, 85 Koersgen, S. 18, 180, 187 Kohlmeyer, E. 68, 77, 79 Kolde, Th. 118 Koselleck, R. 133, 134, 193, 195 Kraft, F. W. 183 Kraus, A. 179

Personenregister Kraus, H.-J. 210 Krüger, F. 279 Lademann, F. Th. 277 Lafitau, J . F. 121 Landerer, M. A. 25, 96 Lange, J . 16, 33, 36, 39-50, 63-67, 80, 81, 85, 105, 109, 132, 134, 218, 236 Lange, J . Ch. 277 Lange, S. G. 183, 184, 186, 255 Langreuter, G. H. 277 La Peyrère, I. de 175 Lardner, N. 165, 169, 260, 261 Lechler, G. V. 161 Leder, K. 14, 18, 23, 24, 50, 101, 111, 131, 159 Leekeny, J . C. 276 Léger, J . 53, 118, 119, 260 Leibniz, G. W. 13, 75, 132, 135, 143, 151, 172, 187, 204 Leland, J . 53, 165, 268 Lenglet du Fresnoy, N. 122, 175, 182, 262 Lentze, S. Ch. 275 Less, G. 21 Lessing, G. E. 52, 53, 57, 73, 74, 137, 172, 173, 183, 210, 212, 213, 242 Leube, H. 15, 17, 39, 119 Lieberkühn, Ch. G. 278 Liebing, H. 18, 19, 135 Lietze, J . I. 279 Litzmann, J . D. 219, 276 Litzmann, J . F. 276 Locke, J . 238 Loen, J . M. von 169 Löscher, V. E. 16, 40 Low, J . Α. 268 Loewenich, W. von 12, 14, 15 Luden, H. 195 Ludewig, J . P. von 174, 258 Ludovici, C. G. 35, 42, 43, 47 Ludwig, W. 161 Lüdeke, J . F. 255 Lüdke, F. G. 21 Luther, M. 12, 43, 44, 56, 65, 82-84, 110, 211, 223, 233 Lysius, H. 34 Mahlmann, Th. 131 Makarius 116, 179

299

Marigny 173 Martens, W. 183 Masch, A. G. 21, 268, 271 Mauritii, F. M. 185 Meier, G. F. 21, 31, 35, 51, 183-185, 203, 274 Meinecke, F. 124, 175, 181, 182, 193 Meisner, B. 82 Melanchthon, Ph. 126, 131, 199 Menzer, P. 133, 135, 138, 144, 176, 178, 195 Meusel, J . G. 10, 11, 121, 183 Meyer, G. W. 227 Michaelis, Ch. B. 33-36, 43, 44, 47, 141, 217 Michaelis, J . D. 21, 35, 50, 101, 157, 202, 203, 255 Michaelis, J . H. 33, 34, 43, 44, 47, 217 Miller, J . P. 273 Möller, G. 123 Moser, J . 133, 143 Mommsen, H. 191 Montesquieu 133, 192, 193 Morgan, Th. 276 Moser, J. J . 79 Mosheim, J . L. 16-18, 51, 180, 218 Müller, H. 140, 146, 150, 187, 190 Münch, B. W. 276 Münchhausen, G. A. Frhr. von 51, 157 Mulert, H. 217 Musäus, J . 219

Narinested, D. 277 Narr, D. 131 Neal, D. 118, 266 Nehring, Ch. N. 274 Nestius, M. 275 Newton, I. 143 Niceron, J . P. 30, 53, 114, 122, 259, 260 Nicolai, F. 133, 183 Nicolai, G. S. 183, 276 Niemeyer, A. H. 22, 24, 38, 39, 46, 51, 60, 107, 112, 123, 201, 203 Nitsch, P. F. A. 24 Nösselt, J . A. 21, 270, 271, 279 Noltenius, E. Ch. 278

Obst, H. 91 Oeltze, B. 250

300

Personenregister

Oetinger, F. Ch. 36, 38 Olearius, Ch. Κ. R. 68, 123 Olearius, S. G. 278 Opperman, J . F. 275 Ortgiesen, S. G. 278

Page, J . F. 277 Papke, C. 261, 277 Pauli, K. F. 121 Pelagius 204 Peschke, E. 64, 230, 232, 234-237 Pfaff, Ch. M. 16-19, 26, 123, 199, 204, 218, 219, 238, 241 Pfeil, J . G. 248, 275 Pflug, G. 182 Philipp, W. 76, 130 Podczeck, O. 34 Possevinus, A. 199 Prager, J . Ch. 273 Przywara, E. 235 Pufendorf, S. Frhr. von 143, 174 Pyra, E. J . 183

Quenstedt, J . A. 219, 222

Rambach, F. E. 10, 23, 33, 54, 122, 249, 259 Rambach, J . J . 16, 33, 38, 41, 224, 226, 228, 229, 232, 238 Rapin Thoyras, P. de 121, 122, 268 Ratich, M. G. 267 Ratschow, C. H. 56, 76, 77, 85-88, 159, 222, 224, 234-237, 241 Redeker, M. 107, 224 Reichard, E. C. 248 Reichel, G. 37, 42 Reinbeck, J . G. 36, 47, 49, 55, 105 Reinhard, J . 18, 75 Rendtorff, T. 12, 13 Renkewitz, H. 119 Reusch, J . P. 105 Richter, Ch. 247 Riederer, J . B. 21 Rilla, P. 172 Ritsehl, A. 20, 25, 36, 42, 55, 56, 59, 60, 62-65, 67, 79, 90-92, 236 Ritsehl, O. 90 Rönigk, O. 264

Roloff, G. L. 274 Roloff, M. 30-32, 38, 47, 112 Roques, P. 249, 254 Rosenow, Ε. P. 278 Rothfels, H. 106 Rüdiger, Α. 132 Rürup, R. 79

Salig, Ch. Α. 118, 197, 250 Sandhagen, Κ. Η. 246 Saurín, J . 108, 160, 165, 166, 168, 192, 254 Scheele, C. Α. 277 Scheele, M. 140, 141, 153, 182, 187 Scherer, E. C. 128 Schüler, L. F. 279 Schleiermacher, F. D. E. 107, 202, 224, 225, 234, 241 Schleisner, H. D. 169, 261, 278 Schmid, H. 219, 236 Schmid, J . H. 279 Schmidt, J . Ch. 165 Schmidt, J . L. 105, 229 Schmidt, M. 15, 18, 28, 39, 92, 123 Schneider, F. J . 42, 183 Schneider, J . 173 Schöffler, H. 22, 53, 111, 133, 158, 184, 185 Scholder, K. 74, 131, 160, 175, 177, 213 Schollmeier, J . 21, 110, 236 Scholz, H. 137 Schräder, W. 36, 37, 39, 40, 42, 48-51, 128, 258 Schroeter, J . F. 121, 178, 263 Schubart, F. A. 279 Schubert, J . E. 105 Schüz, G. 275 Schultze, H. 53 Schulze, J . H. 254 Schunter, G. P. 276 Schwarz, R. 74, 173 Schwarze, A. W. 237, 278 Schweinitz, H. F. Frhr, von 260 Scriver, Ch. 30 Seeberg, E. 117 Semler, J . S. 10-12, 14-18, 20-25, 27-30, 32-36, 38-40, 50-52, 54-60, 81, 82, 86, 98-104, 107, 110-111, 113-116, 118, 119, 121, 122, 124-127, 129, 133-134, 156-158, 164, 179^182, 184, 191, 198-

Personenregister 202, 204, 207, 208, 210, 213-215, 217218, 223-225, 228, 230, 231, 234, 236, 242, 253, 257, 264, 269-273, 277 Sleidanus, J . 174 Sophia Dorothea Königin von Preußen 49 Sore, G. H. 256 Spalding, J . J . 21, 110, 236 Spangenberg, A. G. 37, 42 Spener, Ph. J . 14-17, 34, 44, 46, 56, 64, 65, 81-83, 88, 91, 122, 124, 205, 215 Starck, J . F. 60, 61, 93, 254, 260, 267 Steinbart, G. S. 21, 22 Stephan, H. 15, 17, 28, 39, 105, 119, 131, 202 Stiebritz, J . F. 151 Stolberg-Wernigerode, Η. E. Graf zu 258 Stolze, W. 39, 47, 48 Stolzenburg, A. F. 17-19, 75, 91, 93, 123, 199, 204 Strähler, D. 42, 48 Streisand, J . 31, 132 Strobach, P. B. 278 Struensee, A. 23 Struensee, J . F. 23 Struve, C. D. 247 Suchier, S. W. 51, 98 Suero, Ch. J . 276

Tafinger, J . Α. 278 Teller, R. 263 Teller, W. A. 23, 24, 179 Thadden, R. von 51 Thal, J . A. 276 Thenn, J . Ch. 278 Theobald, Z. 114, 118, 260 Tholuck, A. 17, 20, 25, 35-40, 42, 164, 219, 232, 236, 237 Thomasius, Ch. 32, 52, 124, 132, 134, 237 Thorschmid, U. G. 187 Tiefensee, Ch. F. 249 Tittmann, J . Α. H. 218 Tödt, H. E. 13 Töllner, J . G. 21, 216 Troeltsch, E. 12, 15, 164, 191, 192 Troschel, J . E. 279 Tschackert, P. 34

Unger, R. 135, 136, 145, 187-189 Urlsperger, J . Α. 21, 279

301

Völker, Κ. 20, 207 Vogel, Ch. D. G. 277 Voltaire 22, 54, 55, 133, 182, 186

Wach, J . 31, 187, 190, 224 Wagner, J . V. 39, 42 Walch, Ch. W. F. 157 Walch, J . G. 132, 153, 206 Wallis, J . 159, 247 Wallmann, J . 15, 56, 62, 64, 65, 71, 81, 82, 84, 86, 88, 92, 123, 199, 216, 236 Walpurg, Ch. 269 Waltsgott, C. F. 279 Watts, I. 248, 254, 259 Weber, A. 256 Weber, H. E. 88, 90, 92, 159 Wegele, F. X. von 187 Weinschenck, J . G. 275 Weise, P. 183 Weismann, Ch. E. 249 Weissenborn, Β. 52, 276 Weissig, C. W. 217, 279 Wendt, Ch. 278 Werenfels, S. 252 Werner, M. 216, 218 Weyland, C. A. 217, 278 Whiston, W. 198, 217, 277 Wiedemann, R. E. 31 Wiegleb, J . D. 241, 275 Willrath, A. F. 278 Winckelmann, J . J . 21, 110, 120, 132, 143, 174, 179 Winckler, G. J . 278 Windheim, Ch. E. von 276 Wöllner, J . Ch. 21 Wolf, C. A. 255, 262 Wolf, E. 54, 96, 106, 206 Wolff, Ch. 14, 16-18, 28, 34, 35, 38, 40, 42, 43, 46-48, 54, 55, 66-72, 74-79, 92-94, 96, 97, 101, 104, 105, 107-110, 123, 129-152, 155, 156, 159, 166, 172, 187190, 202-204, 209, 211, 226 Woltersdorf, E. G. 21 Woolston, Th. 113, 275 Wundt, M. 18, 31, 38, 44, 46, 67, 68, 70, 79, 110, 131-134, 138

Xenophanes 147

302 Young, Α. 165, 169, 258 Zachariä, G. T. 21, 22, 277 Zeunert, H. Ch. 217, 277 Zimmermann, Β. C. 277

Personenregister Zimmermann, J . F. 276 Zimmermann, J . L. 38, 246 Zimmermann, W. J . F. 277 Zinzendorf, N. L. Graf von 25, 37, 90, 118, 119, 123, 258 Zscharnack, L. 52, 57, 74, 210, 242

FORSCHUNGEN

ZUR

KIRCHEN-

UND

DOGMENGESCHICHTE

Band 10: DAVID LÖFGREN, Die Theologie der Schöpfung bei 1960. 335 Seiten, broschiert, Leinen

Luther.

Band 11: HELLMUT LIEBERG, Amt und Ordination bei Luther und Melanchthon. 1963. 394 Seiten, broschiert Band 12: BERNHARD LOHSE, Mönchtum und Reformation. Luthers Auseinandersetzung mit dem Mönchsideal im Mittelalter. 1962. 379 Seiten, broschiert Band 13: O L E MODALSLI, Das Gericht nach den Werken. Ein Beitrag zu Luthers Lehre vom Gesetz. 1963. 241 Seiten, broschiert Band 14: G Ü N T H E R M E T Z G E R , Gelebter Glaube. Die Formierung reformatorischen Denkens in Luthers erster Psalmenvorlesung, dargestellt am Begriff des Affekts. 1964. 233 Seiten, broschiert Band 15: ADOLF-MARTIN RITTER, Das Konzil von Konstantinopel und sein Symbol. Studien zur Geschichte und Theologie des II. ökumenischen Konzils von Konstantinopel 1965. 316 Seiten, broschiert Band 16: E K K E H A R D MUHLENBERG, Die Unendlichkeit Gottes bei Gregor von Nyssa. Gregors Kritik am Gottesbegriff der klassischen Metaphysik. 1966. 216 Seiten, broschiert Band 17: K J E L L O V E NILSSON, Simul. Das Miteinander von Göttlichem und Menschlichem in Luthers Theologie. 1966. 457 Seiten, broschiert Band 18: FRIEDRICH BEISSER, Ciaritas scripturae bei 199 Seiten, broschiert

Martin

Luther.

1966.

Band 19: HANS-MARTIN BARTH, Der Teufel und Jesus Christus in der Theologie Martin Luthers. 1967. 222 Seiten, broschiert Band 21 : H E L M U T ROSCHER, Papst Innozenz III. und die Kreuzzüge. 1969. 323 Seiten, broschiert Band 22: WERNER A F F E L D T : Die weltliche Gewalt in der Paulus-Exegese. Römer 13,1—7 in den Römerbriefkommentaren der lateinischen Kirche bis zum Ende des 13. Jahrhunderts. 1969. 317Seiten, broschiert Band 23: E K K E H A R D MÜHLENBERG, Apollinaris von Laodicea. 1969. 257 Seiten, kartoniert Band 24: OSWALD BAYER, Promissio. Geschichte der reformatorischen Wende in Luthers Theologie. 1971. 376 Seiten, kartoniert Band 25: ADOLF-MARTIN RITTER, Charisma im Verständnis des Joannes Chrysostomos und seiner Zeit. Ein Beitrag zur Erforschung der griechisch-orientalischen Ekklesiologie in der Frühzeit der Reichskirche. 1972. 232 Seiten, kartoniert

VANDENHOECK

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Taschenlexikon Religion und Theologie Herausgegeben von Erwin Fahlbusch 2., verb. Auflage

1974. 4 Bände in Kassette

1256 Seiten,

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In den Artikeln, in denen Zahlenangaben und Bibliographie rasch veralten, sind neue Zahlen und Titel eingesetzt worden, während das Gros der Artikel unverändert nachgedruckt wurde. Die wesentlichste Verbesserung ist die Neufassung der Artikel zum römischen Katholizismus, gegen die die katholische Seite Einwendungen erhoben hatte.

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