Sich und andere führen: Wandel in Bibliotheken aktiv gestalten 9783110307085, 9783110306965

Good management begins with managing oneself, whether I am a library manager or working in an informal setting. If I wan

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German Pages 227 [228] Year 2013

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Table of contents :
Vorwort
Danksagung
Inhalt
Verwendete Marginalien
Einleitung
1 Warum wir gute Führung in Bibliotheken brauchen
2 Gute Führung fängt bei mir selbst an
3 Menschenkenntnis – Mich selbst kennen
4 So geht es mir gut, und ich kann erfolgreich arbeiten
5 Meine Haltung zu Führung und meine Führungsrolle(n)
6 Führung ist Beziehungsarbeit
7 Führung in Bibliotheken: Herausforderungen auf allen Ebenen
8 So gelingt mir gute Führung in Bibliotheken
9 Meine Bibliothek erfolgreich durch den Wandel führen
10 Mich und meine Führungsqualitäten weiterentwickeln
Nachwort
Glossar
Literaturverzeichnis
Über die Autorin
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Sich und andere führen: Wandel in Bibliotheken aktiv gestalten
 9783110307085, 9783110306965

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Birgit Inken Fingerle Sich und andere führen Praxiswissen

Praxiswissen

Birgit Inken Fingerle

Sich und andere führen Wandel in Bibliotheken aktiv gestalten

ISBN 978-3-11-030696-5 e-ISBN 978-3-11-030708-5 ISSN 2193-0198 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2013 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Zeichnungen: Angela Holzmann, aha Design, München; Oliver Köjer, Duisburg Satz: Medien Profis GmbH, Leipzig Druck und Bindung: Strauss GmbH, Mörlenbach ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com

Vorwort „Sei Du selbst die Veränderung, die Du Dir wünschst für diese Welt.“ Mahatma Gandhi Wir können uns über die schlechten Rahmenbedingungen in Bibliotheken beschweren, über neue Wettbewerber oder über die Ungerechtigkeit unserer Vorgesetzten schimpfen, die Unfähigkeit unseres Kollegen anprangern oder unser eigenes Unvermögen bedauern. Werden wir damit viel erreichen? Was wäre, wenn wir selbst das leben, woran wir glauben, wenn wir selbst die Veränderung verkörpern, die wir uns wünschen? Wenn wir uns ein Lächeln oder Aufmerksamkeit von unseren Mitmenschen wünschen, worauf warten wir? Warum fangen wir nicht selbst an, ein Lächeln oder Aufmerksamkeit zu schenken? In Bibliotheken gibt es vieles, über das wir uns beschweren könnten und das uns zu der Erkenntnis kommen lassen könnte, „es hat keinen Zweck“: Strukturen des öffentlichen Dienstes, die den Wandel oft verlangsamen, Finanznot und Gremien, die Innovationen vielleicht ausbremsen, um nur einige Punkte zu nennen. Erfolgreiche Veränderung fängt immer bei uns selbst an. Wir können einen Beitrag leisten, um die Welt oder zunächst einmal unser Umfeld ein Stück zu verbessern. Ob als Mitarbeiterin oder Mitarbeiter in einer Bibliothek oder als Führungskraft. Unser Beitrag zählt. Dabei sind wir Menschen unterschiedlich. Während die einen Schutzmauern bauen, wenn der „Wind des Wandels“ weht, suchen sich die anderen ein günstiges Plätzchen für den Bau ihrer Windmühle (wie es in einem chinesischen Sprichwort heißt). Menschen sind unterschiedlich, Individuen, die nicht über einen Kamm zu scheren sind. Das ist eine Bereicherung. Bringt jede und jeder ihre oder seine individuellen Stärken ein, so steigt die Leistungsfähigkeit von Bibliotheken. Gute Führung schafft einen Raum, in dem jede und jeder einen individuellen, wertvollen Beitrag leisten kann. So wie jede erfolgreiche Veränderung bei mir selbst anfängt, fängt auch erfolgreiche Führung bei mir selbst an. Führung bezieht sich dabei keineswegs alleine auf die Ausübung einer formalen Führungsfunktion. Führung findet auf allen Hierarchiestufen statt. So kann beispielsweise eine erfolgreiche Mitarbeiterin eine Vorbildfunktion in der Bibliothek bekommen und dadurch eine natürliche Führungsrolle. Führung geht alle an. Wir „führen“ unser Leben. Wir „führen“ Beziehungen. Wir sind Führungskraft im Berufsleben, wollen Führungskraft werden oder haben wohl in jedem Fall mit Führungskräften zu tun. Wir begegnen „Führung“ in alltäglichen Situationen. Immer wieder können oder müssen wir entscheiden, ob und wie weit wir uns führen lassen wollen oder ob wir selbst „in Führung gehen“ wollen, z. B. um Innovationen voranzubringen. Gute Führung ist keine Zauberei. Gute Führung ist auch in Bibliotheken machbar! Es sind nicht unbedingt ausgefeilte Tools und komplizierte Methoden, die dafür notwendig sind. Die Wertschätzung für die Menschen in Bibliotheken, das Vertrauen in ihre Fähigkeiten, bildet die Basis für gelingende Führung in Bibliotheken. Grundlegende Kenntnisse der eigenen Persönlichkeit, über die Gestaltung von Kommunikation und Beziehungen, Bewusstheit und Klarheit über die eigenen Motive und Beweggründe sowie die Förderung guter Arbeitsbedingungen können Wunder bewirken, was die Leistungsfähigkeit und Motivation für den Wandel betrifft. Vieles wird schon dadurch einfacher, ja sogar spielerischer, dass wir selbst wissen, was wir wollen und dies klar kommunizieren. Wenn wir selbst unseren inneren Kompass kennen und danach handeln, so haben wir die richtige Haltung für erfolgreiche Führung.

Danksagung Es gibt eine Menge Menschen, die direkt oder indirekt zur Entstehung dieses Buches beigetragen haben. Ihnen allen gilt mein Dank! Ganz besonders hervorheben möchte ich einige von den vielen tollen Menschen, mit denen ich zusammen leben oder arbeiten darf: Ich danke meinen Kindern Bennet und Luisa – Kinder sind wohl die besten und intensivsten Lehrmeister in Sachen Führung und Selbstführung. Ihr seid toll, so wie Ihr seid, und ohne Euch wäre das Buch niemals das, was es ist! Herzlich bedanken möchte ich mich bei meinem Lehrtrainer Dr. Johann Schneider und den anderen Ausbildungskandidatinnen und –kandidaten aus der Ausbildungsgruppe für Systemische Transaktionsanalyse für den wertvollen gemeinsamen Entwicklungsweg. Ein riesiges Dankeschön an Elisabeth Flieger, Regine Lipka und Melanie Schultz für ihre wertvollen Anregungen zu diesem Buch und den letzten Schliff des Textes! Schließlich möchte ich mich bei Frau Dr. Alice Keller und Frau Claudia Heyer vom Verlag De Gruyter für das Vertrauen und die Unterstützung bedanken!

Inhalt Verwendete Marginalien 

 X

Einleitung Aufbau des Buches   1 Inhaltliche Basis des Buches 

 2

1 Warum wir gute Führung in Bibliotheken brauchen  1.1 Wandel in Bibliotheken   6 1.2 Gute Führung in Bibliotheken   8

 5

 10 2 Gute Führung fängt bei mir selbst an  2.1 Was ist Führung?   10 2.1.1 Führung in ihren verschiedenen Erscheinungsformen   12 2.1.2 In welche Richtung entwickelt sich Führung in Zukunft?   15 2.2 Warum gute Führung bei mir selbst anfängt   16  23 3 Menschenkenntnis – Mich selbst kennen  3.1 Wer bin ich? Autonom entscheiden, authentisch handeln   23 3.1.1 Die Marke „Ich“   23 3.1.2 Meine Persönlichkeit    26 3.1.3 Was bringt mir Spaß und worin bin ich richtig gut?   28 3.1.4 Frei entscheiden, autonom handeln oder gefangen im Hamsterrad?   35 3.1.5 Der Wert authentischen Auftretens   42 3.2 Wie sehe ich mich und die Welt, wie handle ich?   45 3.2.1 Welches Menschenbild habe ich?   45 3.2.2 Bin ich „gut drauf“ oder schränken mich wiederkehrende Verhaltensmuster ein?   52 3.3 Auf der Suche nach Sinn und Erfüllung: Habe ich den richtigen Arbeitsplatz?   58 3.3.1 Fühle ich mich frei oder meinem Job und meiner Bibliothek „ausgeliefert“?   61  64 4 So geht es mir gut, und ich kann erfolgreich arbeiten  4.1 Mit Freude zum Erfolg   64 4.1.1 Wie gehe ich mit Stress um?   64 4.1.2 Wie kann ich einen guten Umgang mit Stress finden?   68 4.1.3 Wie kann ich meine Freude und Leistungsfähigkeit erhalten?   69 4.1.4 Wie ziehe ich gesunde Grenzen?   72 4.2 Mit Kreativität, Spaß und Leichtigkeit arbeiten   77 4.2.1 Die wichtigsten Termine in meinem Kalender: Pausen   78 4.2.2 Mit Kreativität punkten   79 4.2.3 Kann und darf ich spielerisch arbeiten?   82 4.3 Mit Gefühl in Führung   85 4.3.1 Der Wert des Bauchgefühls: Eigene Gefühle kennen, zulassen und beachten   85 4.3.2 Innere Konflikte bewältigen und für mich nutzen   86

VIII 

 Inhalt

5 Meine Haltung zu Führung und meine Führungsrolle(n)   88 5.1 Wie sehe ich Führung?   88 5.1.1 Einschränkungen meiner Führungsfähigkeit durch Vorbilder, Mythen und Ideologien   88 5.1.2 Muss ich eine Führungskraft sein, um glücklich und erfolgreich zu sein?   94 5.2 Wo gehe ich in Führung?   96 5.2.1 Wen führe ich?   96 5.2.2 Inwiefern kann ich mich auf Führung und Einfluss einlassen?   99 5.2.3 Verhalte ich mich stimmig zu meiner Führungsrolle, und wie handle ich bei Rollenkonflikten?   99 5.2.4 Wie kann ich informelle Führung gut gestalten?   101  103 6 Führung ist Beziehungsarbeit  6.1 Wie gestalte ich gute Führungsbeziehungen?   103 6.2 Wie verhalte ich mich stimmig bei schwierigen Führungsbeziehungen?   108 6.2.1 Ersatzgefühle – Jemand reagiert heftig oder unpassend   108 6.2.2 Negative Gefühle sammeln wie Rabattmarken   109 6.2.3 Situationen werden wieder und wieder gleich „inszeniert“   109 6.2.4 Opfer-, Retter- und Verfolgerrollen   110 6.2.5 Wie gehe ich gut mit privaten Problemen meiner Mitmenschen um?   112 6.3 Mit Klarheit Konflikte spielerisch lösen   113 6.3.1 In sechs Schritten Konflikte lösen   115  123 7 Führung in Bibliotheken: Herausforderungen auf allen Ebenen  7.1 Was ist das Besondere an Führung in Bibliotheken?   123 7.1.1 Menschen und Aufgaben in Bibliotheken   123 7.1.2 Professionen und Rollen in Bibliotheken   125 7.1.3 Besondere Herausforderungen von Führung in Bibliotheken   127 7.1.4 Innovation und Wandel unter schwierigen Rahmenbedingungen managen    128 7.2 Wie sieht mein professionelles Umfeld aus?   129 7.2.1 Was ist das für eine Bibliothek, in der ich arbeite?   129 7.2.2 Anspruchsgruppen und ihre Interessen   130  133 8 So gelingt mir gute Führung in Bibliotheken  8.1 Führungsaufgaben   133 8.2 Mit gutem Beispiel voran – Die Vorbildfunktion von Führung   133 8.2.1 Vorbild sein für den Umgang mit Stress   134 8.2.2 Vorbild sein im Wandel   136 8.3 Sinn vermitteln: Vision entwickeln und leben   137 8.4 Leistung fördern: Menschen ins Rampenlicht stellen   140 8.4.1 Gute Leute finden   140 8.4.2 Gute Leute binden   143 8.4.3 Führungskräfte auswählen   145 8.4.4 Menschen „groß“ machen, „Unternehmertum“ zulassen   146 8.4.5 Angst und Überanpassung – die Feinde echten Erfolgs bekämpfen   150 8.4.6 Autonomie und erwachsenes Verhalten fördern   152

Inhalt 

8.4.7 8.5 8.6 8.6.1 8.7 8.8 8.8.1 8.8.2 8.8.3 8.9

Mit Motivation und Flow Leistung ermöglichen   157 Der Ursprung guter Führung: Reflektieren   159 Die Gestaltung der Organisation als Führungsaufgabe   162 Aspekte, die Aufschluss über die Kultur in meiner Bibliothek geben   164 Zusammenarbeit fördern   167 Die Richtung bestimmen: Strategie, Ziele und Entscheidungen  Mit Strategie und Zielen den Weg entwickeln   169 Gute Entscheidungen treffen   172 Aufgaben selbst übernehmen oder delegieren   173 Woran erkenne ich, ob ich gut führe?   180

 169

 182 9 Meine Bibliothek erfolgreich durch den Wandel führen  9.1 Kreativität entwickeln   182 9.2 Neues wagen, mit Freiheit, Unterstützung und Struktur   183 9.3 Schwierige Klippen im Wandel gekonnt umschiffen   185 9.4 Wandel und Widerstand: Zwei Seiten einer Medaille   186 9.5 Souverän mit Widerständen umgehen   187 9.6 Wandel systematisch und mit Überblick gestalten   188 9.6.1 Übergeordnetes Ziel   188 9.6.2 Umfeld   189 9.6.3 Personen   189 9.6.4 Rolle    191 9.6.5 Vision   191 9.6.6 Methoden/Praxis   192 9.7 Gefühle bei Veränderungen und der Umgang mit ihnen   195 9.8 Viel Wissen, große Worte – und dann? Entschlossen handeln durch Überwindung der Umsetzungslücke   197  200 10 Mich und meine Führungsqualitäten weiterentwickeln  10.1 Wohin führt Führung für mich?   200 10.2 Wie kann ich mich persönlich weiterentwickeln?   205 10.3 Abschied und Übergang gut gestalten   209 10.4 Was brauche ich als Führungskraft, um für die Zukunft gerüstet zu sein?   210

Nachwort   213 Glossar   214 Literaturverzeichnis   215 Über die Autorin   217

 IX

Verwendete Marginalien Zur besseren Übersicht werden im Buch unterschiedliche Symbole als Marginalien verwendet. Diese haben die folgenden Bedeutungen:

Beispiel: In Fallbeispielen werden Inhalte anschaulich dargestellt.

Checkliste: Checklisten dienen als Arbeitshilfen. Durch gezielte Fragen sollen Arbeitsaufgaben gezielt abgearbeitet werden oder durch die Nennung von Kriterien Situationen eingeschätzt werden können.

Selbsttest: Selbsttest helfen bei der Einschätzung der eigenen Fähigkeiten und regen die Reflektion über die eigene Situation an.

Tipps: Hier werden Tipps, Hintergrundinformationen, Literaturhinweise aber auch Warnungen gegeben.

Übungen: Zur Vertiefung werden Übungen angeboten. Die aufgeführten Fragen helfen, das Gelesene in die eigene Arbeitspraxis zu übertragen.

Zitat: Zitate aus verschiedenen Textquellen werden hier wiedergegeben.

Einleitung Aufbau des Buches Beim Erschließen unseres inneren Kompasses und seiner Potentiale für die Führung in Bibliotheken setzt dieses Buch an. Möchten Sie sich und Ihre Führungsqualitäten systematisch weiterentwickeln, so bietet es sich an, das Buch von vorne bis hinten durchzuarbeiten. Sie können es auch als Ratgeber nutzen, in dem Sie sich Rüstzeug für eine aktuelle Situation holen. Thematisch spannt das Buch dabei einen Bogen, dessen Ausgangspunkt und Endpunkt die Beschäftigung mit der eigenen Person darstellt. Wer Menschen führen möchte, sollte sich mit Menschen auskennen, zuallererst mit sich selbst. Wer bin ich, wie ticke ich, was will ich? Wo will ich hin? Selbstkenntnis, Standortbestimmung und ein Gespür für die eigene Entwicklungsrichtung zu entwickeln, sind unabdingbare Voraussetzungen für gute Führung. Dieses Buch unterstützt Sie mit richtungsweisenden Fragen und Informationen dabei, Klarheit für sich selbst zu gewinnen. Denn den eigenen Standort zu bestimmen und die Richtung zu finden, ist eines der Erfolgsrezepte für Führung, für die Führung von Individuen ebenso wie für Gruppen oder die gesamte Organisation. Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit es mir gut geht und ich gut arbeiten kann? Was kann ich selbst dazu beitragen, meine Motivation und Leistungsfähigkeit zu erhalten? Wissen über die eigenen Bedürfnisse und Gefühle unterstützt Sie dabei, Ihre Situation zu verstehen und zu verbessern. Kommunikation und Rollen sind zentrale Themen für Führung. Wie sehe ich meine Rolle in der Bibliothek? Wie definiere ich meine Führungsrolle? Wie gestalte ich sie in einer für mich stimmigen Form? Wie kann ich informelle Führung aktiv und erfolgreich gestalten? Und auch: Wie gestalte ich Beziehungen? Denn Führung ist Beziehungsarbeit und keine Einbahnstraße. Je nachdem, wo ich führe, sind die Bedingungen meiner Arbeit sehr unterschiedlich. Mit welchen Rahmenbedingungen ist speziell Führung in Bibliotheken konfrontiert? Vor welchen Herausforderungen stehen Bibliotheken im Allgemeinen? Wie sieht mein persönliches Umfeld aus? Und wie kann gute Führung in Bibliotheken vor diesem Hintergrund gestaltet werden? Weitere Zutaten für gute Führung, wie die Vermittlung eines Sinns und einer Richtung für die Arbeit und die Förderung von Motivation können Sie reflektieren. Wie kann ich durch meine Führung dazu beitragen, meine Bibliothek erfolgreich durch den Wandel zu führen? Zunächst ist es wichtig, ein Umfeld zu schaffen, in dem Neues gedeihen kann. Es gilt, Erneuerung als etwas Normales zu etablieren. Unsichere Zeiten und Wandel haben viel mit Emotionen zu tun. In diesem Zusammenhang auftretende Fragen werden beantwortet: Welche Emotionen sind es, die in diesem Zusammenhang auftauchen und den Wandel erschweren? Wie kann ich gut mit Konflikten und Widerständen umgehen? Schließlich hört der Wandel auch bei Ihnen nicht auf: Sie können prüfen, ob und wie Sie sich als Person in Führungsfragen weiterentwickeln möchten. In diesem Zusammenhang ist es interessant, wie Sie sich Ihren Weg langfristig vorstellen und welches Umfeld das richtige für Sie ist. Auch das ist Führungsverantwortung: Nicht bloß abwarten, sondern aktiv meinen Weg gestalten. Es gilt, sich selbst keine gedanklichen Schranken aufzuerlegen. Nur wenn Sie ein Vorbild für Wandel sind und dabei nicht vor der eigenen Person Halt machen, wenn Sie bereit sind, sich immer wieder selbstkritisch zu hinterfragen, werden Andere Sie ernst nehmen und eher bereit sein, den Weg des Wandels gemeinsam mit Ihnen zu gehen.

2 

 Einleitung

Dieses Buch ist zum Gebrauch für informelle wie für formelle Führung gedacht. Die meisten Inhalte beziehen sich sowohl auf informelle Führungspersonen wie auf Personen in offiziellen Führungspositionen. Es sei denn, es wird im Text explizit zwischen beiden unterschieden. Das Buch enthält eine Reihe von Selbsttests und Übungen als Anregung für Sie zum Reflektieren. Es geht dabei nicht um ein Richtig oder Falsch, sondern darum, sich für sich selbst größere Bewusstheit und Klarheit zu erarbeiten, für einen bewussteren Umgang mit Führung. Ein Hinweis noch: Alle Namen in den Fallbeispielen sind frei erfunden. Eventuelle Ähnlichkeiten mit realen Personen wären reiner Zufall.

Inhaltliche Basis des Buches Auch unser Wissen und unsere Erfahrungen unterliegen einem permanenten Wandel. Dieses Buch ist das Ergebnis meiner eigenen langen Entwicklungsreise, die als junge Führungskraft ihren Ausgang nahm, begeistert von Methoden und Techniken und finanziellen Leistungsanreizen, wenig überzeugt von den Strukturen des Öffentlichen Dienstes, in dem ich durch „Zufall“ landete. Damals voller Unverständnis den Kopf schüttelnd, wenn andere nicht so motiviert waren wie ich. Heute mit ungläubigem Staunen und Entsetzen feststellend, wie stark der Einfluss der Organisation ist und wie wenig manche Organisationen bemüht sind, ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein motivierendes Umfeld zu bieten. Viele Erfahrungen aus dem Berufs- und Privatleben sowie Fortbildungen, haben mich mehr und mehr zu der Überzeugung gebracht, dass es letztlich die Menschen sind, die zählen, und dass mit einem guten Umgang mit diesen Menschen, mit ihrer wunderbaren, einzigartigen Individualität, der Erfolg steht und fällt. Diese Einzigartigkeit wertzuschätzen und den Individuen ein Umfeld zu bieten, in dem sie sich mit ihren Fähigkeiten entfalten können, ist die oberste und wichtigste Aufgabe von Führung. Ist dies das Ende der Reise? Ich weiß es nicht. Ich höre nicht auf, zu lernen, und bleibe offen für neue Erfahrungen und Erkenntnisse und versuche, dabei selbst möglichst wenig Schranken im Kopf zu haben. Keine Schranken oder Einschränkungen im Denken und Fühlen zu haben, das ist auch eine Intention des in vielen Teilen dieses Buches verwendeten psychologischen Ansatzes der systemischen Transaktionsanalyse. Der Transaktionsanalyse – und insofern auch diesem Buch – liegt ein humanistisches Menschenbild zugrunde. Dieses Menschenbild umfasst die Ansicht, dass Menschen, so wie sie sind, in Ordnung sind, und dass sie mit der Fähigkeit, ihre Möglichkeiten zu ihrem Vorteil und dem der Welt zu entwickeln, geboren werden. Die Transaktionsanalyse … –– wurde von Eric Berne begründet, –– analysiert Ablauf und Steuerung zwischenmenschlicher Kommunikation, –– betrachtet Transaktionen als kleinste Einheiten der Kommunikation, die aus einem Reiz und einer Antwort bestehen, –– beinhaltet auch Modelle für gesellschaftliche und psychosoziale Zusammenhänge, –– ist ein „humanistischer Behandlungs-, Beratungs-, Erziehungs-, Bildungs- und Organisationsberatungsansatz, der von Eric Berne und anderen in den 50er Jahre des letzten Jahrhunderts begründet und bis heute von vielen Transaktionsanalytikern weltweit weiterentwickelt wurde.“ (Schneider 2013, S. 252; ausführlicher

Einleitung 

siehe: Deutsche Gesellschaft für Transaktionsanalyse, http://www.dgta.de/transaktionsanalyse/ta-grundgedanken-und-urspruenge.php), –– ist bestrebt, die Autonomie der einzelnen Personen zu stärken und ihnen ein Handeln frei von hinderlichen Verhaltensmustern zu ermöglichen, –– stellt Vertragsarbeit, die Gestaltung tragfähiger „Verträge“ für Beziehungen, ins Zentrum ihrer Aktivitäten. „Systemisch“ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass Menschen nicht allein individuell oder im Kontext einzelner Beziehungen, sondern auch vor dem Hintergrund ihrer Einbindung in größere soziale Gebilde, wie Organisationen oder die gesamte Gesellschaft, betrachtet werden. Auch für dieses Buch ist die Vertragsarbeit insoweit zentral, als dass Sie wählen, wie weit Sie gehen wollen. Entscheiden Sie, welche Inhalte gerade für Sie wichtig sind, welche Übungen Sie machen möchten. Ich finde es traurig, zu sehen, wie viele Menschen und Organisationen ihr Potenzial nicht ausschöpfen und verschwenden und – oft aus mangelndem Bewusstsein oder Angst vor Veränderungen – in unglücklichen Positionen verharren. Betrachte ich dies aus der Sicht einer Volkswirtin macht es mich traurig, welches Potential dadurch unserer Wirtschaft nicht zur Verfügung steht. Aus der Sicht einer Betriebswirtin bedauere ich, welche Ressourcen durch schlechte Führung und mangelnden Wandel in einer Organisation verloren gehen. Aus der Sicht einer Soziologin betrachtet, finde ich es schade, wie viel Potential für Glück, Entfaltung und eine zufriedenstellende Gestaltung menschlicher Beziehungen unserer Gesellschaft dadurch abhandenkommt. Betrachtet aus dem Blickwinkel einer Psychologin bedauere ich es, wie viel Unglück oder Unzufriedenheit es für die einzelne Person bedeutet, wenn sie eher orientierungslos oder getrieben von inneren Zwängen als geleitet von einer inneren Führung durch die Welt „trudelt“ und ihre Fähigkeiten und Wünsche nicht zur Entfaltung bringt. Der Wunsch, Menschen auf ihrem individuellen Weg und bei ihrer individuellen Führungsfähigkeit zu fördern, ist der Grund, warum ich dieses Buches geschrieben habe. Und um Ihnen Mut zu machen: Gute Führung ist in Bibliotheken machbar!

 3

1  Warum wir gute Führung in Bibliotheken brauchen Führung in Bibliotheken ist besonders leicht – und besonders schwierig zugleich. Führung in Bibliotheken ist besonders leicht: Denn Bibliotheken haben in der Regel eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe oder einen sinnstiftenden Dienstleistungsauftrag vor einem kulturellen, bildungspolitischen oder wissenschaftlichen Hintergrund. Als Dienstleister beraten wir andere Menschen und unterstützen sie bei der Erfüllung ihrer Aufgaben. Unsere Arbeit bietet somit ein hohes Potential, sinnstiftend zu sein und uns mit Freude zu erfüllen. Wir unterstützen andere dabei, zu lernen, ein erfülltes Leben zu leben oder einen wissenschaftlichen Durchbruch zu erzielen. Nicht die finanzielle Gewinnerzielung steht bei unserer Tätigkeit im Vordergrund und so unterliegt sie in der Regel auch nicht so einem starken Druck, an diesen Kriterien gemessen zu werden. Der Maßstab für den Erfolg von Bibliotheken ist ein anderer: Ihre Nutzung, der gesellschaftliche Beitrag, den sie stiften. In einer Wissensgesellschaft sollten Bibliotheken eine zentrale Rolle einnehmen – könnte man meinen. Ist Führung in Bibliotheken angesichts dieser Bedingungen also ein Kinderspiel? Führung in Bibliotheken ist besonders schwierig: Oft ist sie von schwierigen Rahmenbedingungen begleitet, von finanziellen Einschränkungen etwa. Die meist vorhandene Einbettung in die Strukturen des Öffentlichen Dienstes mag uns persönlich eventuell Vorteile bieten, ist aber zugleich mit einigen Herausforderungen verbunden: Wir können in der Führung von Bibliotheken kaum mit Leistungsanreizen arbeiten. Begrenzte Aufstiegschancen, starre Strukturen und geringe Budgets schränken unsere Gestaltungsmöglichkeiten für Führung stark ein. Gleichzeitig birgt der Wandel im Umfeld von Bibliotheken erhebliche Herausforderungen. Zudem stehen Bibliotheken unter einem latenten Druck, etwa durch die Abhängigkeit vom Wohlwollen politischer oder hochschulinterner Gremien oder der Unternehmensleitung. Die Rolle von Bibliotheken ändert sich spätestens seit der breiten Durchdringung aller Lebensbereiche mit Informationstechnologie. Als Anbieter müssen Bibliotheken dafür Vorsorge treffen, nicht überflüssig zu werden. Disruptive Innovationen könnten auftauchen und so – wie es in anderen Branchen zuvor geschehen ist – Bibliotheken „über Nacht“ überflüssig machen. Ein Beispiel für solche disruptiven Innovationen ist die Analogfotografie, die durch das Auftauchen der Digitalfotografie „plötzlich“ nicht mehr gefragt war. Diese Gefahr besteht, wenn Bibliotheken einfach so weitermachen wie bisher, wenn sie lediglich mehr vom selben machen. Der Wandel und die Rahmenbedingungen, vor denen Bibliotheken stehen, stellen hohe Anforderungen an ihre Führung. Bei schlechter Führung ist das Risiko groß, in Chaos, Demotivation und Blockaden zu stranden. Damit Bibliotheken eine Zukunft haben, ist eine gute Führung, die Chancen ergreift und Risiken minimiert, wichtig.

Zitat: „Nach der Erfindung der Taschenlampe wirft der Fackelhändler ein neues Fackelmodell nach dem anderen auf den Markt, um gegen diese seltsamen elektrischen Handfackeln zu bestehen.“ (Lobo, Sascha; http:// www.sueddeutsche.de/medien/ serie-wozu-noch-journalismus-selbstbauftragte-publizisten-1.56772-2)

6 

 Warum wir gute Führung in Bibliotheken brauchen

Beispiel:

Fallbeispiel: Als der neue Mitarbeiter ins Büro trat, hatte er Mühe, seine Aufregung zu verbergen. Aber Herr Dr. Schache, ein großer, stattlicher Mann, stand dort und strahlte die größte Ruhe aus. „Setzen Sie sich“, lud der Bibliotheksdirektor ihn ein und deutete mit einer großzügigen Geste auf den Tisch, reich gedeckt mit Kaffee, Säften und Keksen. Mit dem guten Gefühl, hier genau richtig zu sein, setzte er sich. Er konnte Noras Bedenken nicht nachvollziehen. Herr Dr. Schache strahlte Führungsstärke aus, nahm sich Zeit, um seinen Mitarbeitern Aufmerksamkeit zu schenken. Ein wahres Vorbild. Als er das Büro nach zwei Stunden wieder verließ, war er sich sicher: Er hatte die richtige Entscheidung getroffen, als er sich für die Stelle beworben hatte – und mit Herrn Dr. Schache nun den besten Chef, den er sich vorstellen konnte. „Na, und?“ Bog Nora, frühere Kommilitonin und nun Kollegin, alsbald neugierig um die Ecke. „Alles gut, “ antwortete er und sah sie herausfordernd an. „Ja, ja, ich gönn“ dir ja deinen Honeymoon. Ich erinnere mich ja selbst noch daran, wie es mir am Anfang ging.“ Antwortete sie und machte sich augenrollend wieder von dannen. Augenscheinlich hatte es jetzt noch keinen Zweck, ihn auf den Boden der Tatsachen zu holen. Später, irgendwann, würde er das Spiel schon durchschauen. Es war bloß eine Frage der Zeit, bis er erkennen würde, dass…… –

– –

Herr Dr. Schache vor großen Herausforderungen gerne die Augen verschloss, etwa vor der immensen Unzufriedenheit der Kundinnen und Kunden über die sehr eingeschränkten Öffnungszeiten. Manchmal ermutigte er – insbesondere neue – Mitarbeiter, sich Gedanken zu machen, was getan werden könnte, oder berief er eine Arbeitsgruppe ein. Aber zu einer Umsetzung von Ideen kam es normalerweise nicht. Denn dazu gehörten Entscheidungen – und Entscheidungen waren definitiv Mangelware. Herr Dr. Schache Entscheidungen gerne auf die nächsthöhere Ebene delegierte. große Unzufriedenheit unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bestand. Bei den einen, weil es nicht recht voranging. Bei den anderen – oder möglicherweise sogar bei allen, weil sie sich nicht ernst genommen und nicht in ihrer Arbeit gewürdigt fühlten.

Eines Tages würde es einen großen Knall geben und alles zusammenbrechen, war sich Nora sicher. Nur wann?

1.1 Wandel in Bibliotheken Warum haben wir Wandel in Bibliotheken? Unser Umfeld verändert sich, und wir müssen damit umgehen. Das ist an und für sich etwas vollkommen Natürliches. Wir müssen sehen, wie wir mit dieser Herausforderung umgehen. Wir sind mit Änderungen auf verschiedenen Gebieten konfrontiert: Die Anforderungen unserer Kundinnen und Kunden ändern sich. Die Technologien ändern sich. Die Gesellschaft ändert sich. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ändern sich, neue Kolleginnen und Kollegen kommen hinzu und bringen den Wandel mit. Wie sieht der Wandel aus? In der folgenden Übersicht ist eine Auswahl von Trends, die für den Wandel verantwortlich sind, dargestellt.



Wandel in Bibliotheken 

als Anbieter auf dem Markt

auf gesellschaftlicher Ebene

Web 2.0, mobile Endgeräte, Semantic Web, Internet der Dinge

Wissensgesellschaft

Bibliothek als Lernort und Treffpunkt von Print zu Digital anspruchsvolle Kunden, neue Formen der Kundeninteraktion neue Geschäftsmodelle neue Konkurrenz

 7

Ökologie, Nachhaltigkeit Wertewandel neue Kommunikationsformen demografischer Wandel Globalisierung, geänderte ökonomische und soziale Bedingungen

Relevante Trends für Bibliotheken ... als Arbeitgeber Kampf um Talente andere Mitarbeiterinnen & Mitarbeiter mit anderen Erwartungen & Werten wie Freiheit, Sinn Bedarf an neuen Qualifikationen neue Arbeitsformen: Co-Working, verteiltes Arbeiten, dezentral, Remote Access neue Berufsbilder entstehen

als Produzenten stärkerer Innovationsdruck eigene Innovationskraft systematisch erhöhen größerer Stellenwert von Kreativität knappe Ressourcen Crowdsourcing

stärkere Professionalisierung aller Tätigkeiten, auch von Führung

Abb. 1: Auswahl an Trends, die Herausforderungen für Bibliotheken darstellen

Folgende Änderungen und Trends in Bibliotheken oder ihrer Umwelt fallen mir noch auf, die ich besonders relevant finde: Übung: Für Bibliotheken relevante Trends

8 

 Warum wir gute Führung in Bibliotheken brauchen

Zitat: „Wer ständig glücklich sein möchte, muss sich oft verändern.“ (Konfuzius)

Vielleicht ist uns der Wandel erst einmal nicht so willkommen. Schließlich kann es unbequem sein, etwas verändern zu müssen. Warum sollten wir also Wandel in Bibliotheken wollen? Vielleicht weil wir unsere Arbeit mögen und daher mit der Gesellschaft Schritt halten wollen. Weil wir erfolgreich sein wollen. Weil wir für unsere Kundinnen und Kunden da sein wollen und der Gesellschaft dienen wollen. Der Vorteil: Wenn wir selbst den Wandel wollen, können wir ihn gestalten. Wenn wir nicht proaktiv handeln, können wir nicht gestalten, sondern können höchstens auf die Aktionen anderer reagieren.

1.2 Gute Führung in Bibliotheken Menschen sind unterschiedlich, Bibliotheken sind unterschiedlich. Jede hat ihre eigenen Stärken. Es gibt es nicht, das eine Patentrezept, das alle Bibliotheken befolgen müssen, um erfolgreich zu sein. Es gilt, die eigenen Stärken herauszuarbeiten und auszubauen. Die eigene Richtung zu finden. Gute Führung in Bibliotheken ist kein Abklatsch von Führung in Unternehmen. Auch in Unternehmen gibt es nicht die eine gute Führung. Führung ist immer individuell und entsteht in der Wechselwirkung von Personen mit persönlichen Eigenschaften und ihrem Umfeld. Aufgabe von Führung ist es, wachsam zu sein für Trends und Herausforderungen, die Bibliotheken betreffen. Führung muss die gesamte Organisation wach halten, den Wandel einleiten und gestalten, bevor er eine so durchschlagende Wirkung entfaltet hat, dass alles überrollt wird. Welche Vorteile hat eine Bibliothek, wenn dort gute Führungsarbeit geleistet wird? –– Es gibt gemeinsame Ziele und es wird miteinander in eine gemeinsame Richtung gearbeitet. –– Die Arbeit wird als sinnvoll empfunden und es bringt Spaß, sich zu engagieren. –– Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fühlen sich wohl, als Personen mit ihren Fähigkeiten wahrgenommen und gefördert. –– Stress, Konflikte, Chaos, Verunsicherung, Ängste und Misstrauen haben keine Chance sich auszubreiten, da sie von der Führung aktiv bekämpft werden. –– Jede oder jeder kann das eigene Leistungspotential voll entfalten, es wird bestmöglich gearbeitet. –– Innovationen werden schnell umgesetzt. –– Die Arbeit ist erfolgreich und die eigene Existenz gesichert. Gute Führung kapituliert nicht vor Herausforderungen. Sie sucht auch in scheinbar ausweglosen Situationen nach neuen Wegen, um dennoch etwas zu bewegen und im Wandel gut zu bestehen. Gute Führung sorgt dafür, dass es keine Schranken im Kopf gibt. Das fängt damit an, dass sie selbst keine Schranken im Kopf hat. Es geht darum, den Wandel aktiv zu gestalten. Für die Zukunftsfähigkeit von Bibliotheken wird gute, proaktive Führung gebraucht. Führungskräfte und informelle Führungspersonen in Bibliotheken sind als Vorbilder für Wandel wichtig. Es ist eine Illusion, zu glauben, es könne für immer am Status Quo festgehalten werden, ohne unterzugehen. Ebenso ist es beispielsweise im Privatleben in einer dauerhaften Partnerschaft unvermeidlich, dass sie beständig dem Wandel unterliegt. Ist einer der beiden Partner – oder sogar – beide nicht in der Lage oder bereit, sich auf den Wandel einzulassen und meint, die Situation festzementieren zu können, so zerbricht die ­Beziehung. Entsprechend wenig erfolgsversprechend ist es, sich in einer Organisation



Gute Führung in Bibliotheken 

aus Angst gegen den Wandel zu sperren. Spätestens wenn dies geschieht, ist Angst ein berechtigtes Gefühl: pure Existenzangst. Veränderungen erzeugen oft Emotionen, z. B. Unsicherheit, bei den Beteiligten. Gute Führung kümmert sich um Menschen und ihre Emotionen. Konflikte und Widerstände könnten sonst den Wandel torpedieren. Für gute, professionelle Führung in Bibliotheken reicht es nicht, irgendwann eine Ausbildung oder ein Studium absolviert zu haben. Kontinuierliche Weiterentwicklung der eigenen Persönlichkeit und des eigenen Führungsstils ist für professionelle Führung gefordert. Es lohnt sich, sich und seine Führungsqualitäten weiterzuentwickeln, für erfolgreiche Bibliotheksarbeit, die mit der Zeit geht oder Trends setzt – und damit es einem selbst gut geht.

– – – – –

Gute Führung in Bibliotheken ist möglich. Bibliotheken bieten dafür prinzipiell ein gutes Umfeld. Es liegt an Ihnen, was Sie daraus machen. Wandel ist unvermeidbar und Teil des Lebens. Auch vor Bibliotheken macht der Wandel nicht halt, und wenn Sie die konstante Natur des Wandels akzeptieren, sind Sie einen Schritt weiter. Gute Führung liefert einen wichtigen Beitrag für gelungenen Wandel. Es ist sinnvoll, als Vorbild für gelingenden Wandel voranzugehen! Professionelle Führungspersonen entwickeln sich kontinuierlich weiter.

Tipps zum Mitnehmen aus dem Kapitel

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2  Gute Führung fängt bei mir selbst an Was ist Führung überhaupt? Führung gibt es in sehr verschiedenen Formen. In welchen Situationen tritt sie zutage? Wie kann Führung aussehen? Warum bin ich nur dann eine gute Führungskraft, wenn ich bei mir selbst mit guter Führung anfange? Diese Fragen werden in diesem Kapitel beantwortet.

2.1 Was ist Führung? Führung kann ganz unterschiedliche Gesichter haben. Wir begegnen ihr im Privatleben, etwa wenn der Vater seine Tochter dazu bewegt, in der Küche mitzuhelfen, nachdem er tagsüber sein Ladengeschäft geführt hat. Da ist die Frau, die ihr Leben und ihren Haushalt führt und ein Turntraining leitet. Wir begegnen ihr im Berufsleben, wo wir offizielle Führung ebenso beobachten können wie informelle. Führung kann sich genauso auf einzelne Personen beziehen wie auf eine Gruppe oder eine ganze Organisation. In unserem Berufsleben kann uns Führung z. B. als Vorgesetzte, Untergebene oder auf gleicher Ebene in folgenden Formen begegnen: –– Der Bibliotheksdirektor, der zugleich Vorgesetzter ist und Untergebener der Universitätsleitung. –– Die Mitarbeiterin einer Stadtbibliothek, die vorübergehend ein Projekt leitet. –– Die Teilprojektleiterin, die zwar eine Menge Verantwortung trägt, aber keine offizielle Weisungsbefugnis gegenüber den anderen Projektmitarbeiterinnen und -mitarbeitern besitzt und nun zwei Vorgesetzte hat, einen Linienvorgesetzten und die Projektleiterin. –– Der One-Person-Librarian in einem Forschungsinstitut, der „nur“ sich führen muss und seine Kundinnen und Kunden – und nach oben, die ihm vorgesetzte Institutsleitung. Ganz grob lassen sich folgende Dimensionen von Führung unterscheiden: –– Führung in Bezug auf mich selbst oder die Führung von anderen Personen, Gruppen oder Organisationen. –– Formelle und informelle Führung, die sich aus einer Rolle in der Organisation ergibt –– Temporäre oder „dauerhafte“ Führung, die sich ebenfalls aus einer Rolle in der Organisation ergibt. Beispiele sind etwa die temporäre Führung im Rahmen einer Workshop-Moderation, einer Sitzungsleitung oder Projektleitung. –– Führung auf verschiedenen Hierarchiestufen: z. B. die Teamleitung, die Abteilungsleitung, die stellvertretende Leitung innerhalb der Direktion. Auch informelle Führung kommt auf verschiedenen Hierarchiestufen vor. Kennzeichnen für Führungshandeln ist eine Asymmetrie der Einflussnahme, die durch mindestens eine von zwei Voraussetzungen bedingt ist: (a) „Eine Person hat kraft Wahl oder Ernennung legitimerweise das Recht oder die Pflicht, von anderen Gehorsam zu fordern. Damit ist ein Potenzial bezeichnet; machen die Adressaten die Vorgaben zu Prämissen ihrer eigenen Entscheidungen, waren die Führungsversuche erfolgreich. (…) (b) Auch wenn eine Person nicht formell als Inhaberin einer Führungsposition legitimiert ist, kann sie dennoch (stets oder wiederholt oder verlässlich erwartbar)



Was ist Führung?  

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für ihre Anregungen oder Anweisungen Gefolgschaft finden. Mit dieser Qualifikation ist auch die sogenannte ,informelle‘ Führung abgedeckt“ (Neuberger 2002,­ S. 41 f.). Bekleiden Sie eine Führungsposition oder streben Sie eine an? Gehen Sie informell in Führung? Wie oft kommt es vor, dass Sie in Führung gehen? Manchmal gehen Sie bestimmt in auf den ersten Blick unscheinbaren Situationen in Führung, ohne dass Ihnen dies bewusst ist. Vermutlich gehen manche Menschen leichter oder häufiger in Führung als andere. Kommen Ihnen ähnliche wie die folgenden Situationen bekannt vor? –– Ein volles Schwimmbecken: Alle Leute schwimmen durcheinander und kommen sich in die Quere. Wenn Sie dann anfangen, einen „Kreisverkehr“ einzuführen, unbeirrt im Kreis schwimmen, übernehmen Sie gewissermaßen die Führung. Sie werden damit meist Erfolg haben. Die anderen Schwimmer machen oft gerne mit, wenn jemand die Führung übernimmt und eine Struktur schafft. Garantiert ist dies aber keineswegs, weil dies auch von der Bereitschaft der anderen abhängt, sich führen zu lassen. –– Bei einem Telefongespräch „das Gespräch führen“: Wenn dies sozial angemessen ist, also zur eigenen Rolle passt, kann man oft beobachten, dass die Gesprächspartnerin oder der Gesprächspartner dies gerne annimmt. Vielleicht weil er oder sie selbst keinen Plan hat und daher froh ist, wenn jemand anderes die Führung übernimmt. Wenn Ihnen solche oder ähnliche Situationen bekannt vorkommen: Vielleicht gehen Sie öfter in Führung, als es Ihnen bewusst ist. Auch informell. Kennen Sie ähnliche Situationen wie die oben beschriebenen?

Selbsttest: Situationen informeller Führung

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 Gute Führung fängt bei mir selbst an

Wann gehen Sie in ähnlichen Situationen in Führung? Zählen Sie Situationen auf, in denen Sie in Führung gehen.

Ergreifen Sie gerne in solchen Situationen die Führung? Wie fühlen Sie sich dabei? Bringt es Ihnen Spaß? Vielleicht liegt Ihnen eine Führungsrolle und sie könnten eine Führungsposition anstreben – wenn Sie nicht sowieso schon eine innehaben.

2.1.1 Führung in ihren verschiedenen Erscheinungsformen Wer hat das „Recht“, Führung zu übernehmen? Wer bestimmt, wer in Führung geht? Und wie erkenne ich, welche Person eine Führungsfunktion übernimmt? Machen Sie ein Gedankenexperiment: Denken Sie an ein Gespräch, das Sie in letzter Zeit hatten und bei dem Sie keine Führungsrolle eingenommen haben. Stellen Sie sich vor, Sie würden dieses Gespräch nun noch einmal führen: Was würde geschehen, wenn Sie in dem Gespräch nun die Führung übernehmen würden?

Selbsttest: Gedankenexperiment zu Führung



Woran würde man erkennen, dass Sie in Führung gehen?

Probieren Sie es in der Praxis in einer unverfänglichen Situation aus. Welche Signale gibt es für Führung? Was passiert zum Beispiel, wenn Sie mehr Körperspannung aufbauen? Achtung: Wenn hierarchisch höhergestellte Personen dabei sind, denn es passt nicht zu Ihrer sozialen Rolle in Ihrer Bibliothek. Überlegen Sie, ob es dann ratsam ist. Auch gut: Mit Kindern oder Tieren testen: Was passiert, wenn Sie wie auftreten?

Welche Merkmale für Führungsmacht können Sie aus dem Selbsttest ableiten? Es kann interessant sein, dies mit Ihren Beobachtungen in der Praxis abzugleichen. Es kann hilfreich sein, sich darüber klar zu sein, wann Sie in Führung sind.

Was ist Führung?  

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 Gute Führung fängt bei mir selbst an

Übung: Wer ist in Führung?

Achten Sie in verschiedenen Situationen, zum Beispiel in Gesprächen, darauf, wer die Führung übernimmt: – Wer lenkt das Gespräch? Sind Sie es? Ist es eine andere Person? – Ist es bei Vorgesetztenverhältnissen die ranghöchste Person oder nicht? – Falls nein: Gibt die ranghöchste Person bewusst die Führung ab, oder nimmt sie ihr jemand weg und sie wehrt sich nicht?

Führung wird gebraucht. In Gruppen bildet sich, sofern sie nicht von vornherein formell bestimmt ist, in der Regel eine Führungsstruktur heraus. Diese „natürliche“ Führung ist möglicherweise anders strukturiert und funktioniert auf andere Art und Weise als es bei der hierarchisch bestimmten Führung der Fall gewesen ist.

Checkliste: Erkennungszeichen für (informelle) Führung

Zitat: „Freiwillige Gefolgsleute sind das unabdingbare Gegenstück zu Führungskräften. Ohne sie findet keine Führung statt. Nur derjenige, dem die Menschen freiwillig folgen, hat als Führungskraft eine Existenzberechtigung. Wer die Karriereleiter hinaufgestiegen ist, ist von denjenigen abhängig, die er hinter sich gelassen hat.“ (Sprenger 2000, S. 189)

Woran erkenne ich, dass ich in Führung bin? Wie zeigt sich informelle Führung? Mögliche Erkennungszeichen können beispielsweise sein: – Andere folgen Ihnen (freiwillig), obwohl Sie vielleicht keine offizielle Führungskraft sind. – Andere wollen Ihre Meinung wissen, suchen Ihren Kontakt. – Andere orientieren sich an Ihrem Verhalten, erheben sich z. B. erst, wenn Sie sich erheben. – Sie haben einen guten Draht zu Höhergestellten.

Das zentrale Erkennungszeichen dafür, ob Führung stattfindet und Sie eine wirksame Führungskraft sind, ist letztlich, ob es Menschen gibt, die Ihnen freiwillig folgen. Dieser Abhängigkeit von ihren „Folgern“ sollten Sie sich immer bewusst sein. Zeigt sie Ihnen im Umkehrschluss doch, dass Sie auf Ihre Folger achten müssen und sie achten müssen. Sie sind dafür zuständig, ihnen gute Führung zu bieten. Sonst können Sie als Führungskraft einpacken. Ohne Folger sind Sie keine wirksame Führungskraft. Da das freiwillige Folgen ein Erkennungszeichen wirksamer Führung ist, können Sie auch als informelle Führungskraft, die ausschließlich auf diese Freiwilligkeit bauen kann, durchgreifenden Erfolg haben. Ob informelle Führung erfolgreich ist, zeigt sich also ebenfalls daran, ob es Folger gibt. Expertinnen und Experten haben oft eine informelle Führungsrolle inne. Es kann aber auch an Ihrem Führungsantrieb oder Ihrer Persönlichkeit liegen, etwa, weil Sie durch vorbildliches Verhalten überzeugen, wenn andere Ihnen informell folgen. Oder daran, dass Sie Innovation und Wandel verkörpern.



Führung bedeutet, Individuen, Gruppen oder eine Organisation zu lenken. Genau dies tun informelle Führungskräfte auch, obgleich ohne offiziellen Auftrag. Sie bewegen sich somit auf dünnerem Eis. Führung ist echte Arbeit, kein Hobby, das man nebenher erledigt. Führung ist eine Profession. Professionelle Führung bedeutet, dass jemand es zur eigenen Sache gemacht hat, andere Leute zu führen, dass jemand anstrebt, auf diesem Arbeitsgebiet immer besser zu werden, und unter den sich ändernden Rahmenbedingungen bereit ist, Bewährtes auf den Prüfstand zu stellen.

Was ist Führung?  

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Zitat: Aufgaben von Führungskräften nach Sprenger: 1. „Zusammenarbeit organisieren 2. Transaktionskosten senken 3. Konflikte entscheiden 4. Zukunftsfähigkeit sichern 5. Mitarbeiter führen“ (Sprenger 2012, S. 50)

2.1.2 In welche Richtung entwickelt sich Führung in Zukunft? Führung selbst ist im Wandel begriffen. Durch eine sich wandelnde Umwelt, neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, neue gesellschaftliche Werte und andere Veränderungen ergibt sich auch für Führung die Notwendigkeit, sich selbst zu reflektieren und weiterzuentwickeln. So wie das Umfeld einem stetigen Wandel unterworfen ist, so wandelt sich auch die Zusammensetzung der Führungsriegen permanent. Personen wechseln ihren Aufgabenbereich, ihre Arbeitsstelle oder scheiden aus dem Berufsleben aus. Eine neue Generation mit ihren eigenen Erfahrungen und Werten wächst nach. Eine neue Führungsgeneration, die möglicherweise einen neuen Führungsstil in Bibliotheken bringt. Unter dem Einfluss von Web 2.0 und ähnlichen Trends ergeben sich vermutlich auch Änderungen für die Führung in Bibliotheken in Zukunft. Der Trend könnte folgendermaßen aussehen: –– Von der Hierarchie zur „Community“-Entstehung und weg von der Betonung formeller Führung. –– Moderation und Coaching als Führungshaltungen anstelle von Anweisung. –– Organisationsgrenzen werden zunehmend offen. Es wird mehr Unterstützung für Kooperation und durchlässigere Organisationsgrenzen benötigt. –– Veranstaltungsformate wie Open Space können als „Leitbild“ für neue Führung dienen: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter organisieren sich selbst und suchen sich selbst die Aufgaben, die ihnen am besten liegen. Was folgt aus den Zukunftstrends für Führung? Wichtigste – und doch sehr oft verkannte und unterentwickelte – Aufgabe einer Führungskraft ist nach Sprenger das Ermöglichen von Zusammenarbeit. (Sprenger 2012, S. 55) Diese Aufgabe wird in Zukunft angesichts der Entwicklungen rund um Web 2.0 und ähnliche Trends wohl noch an Bedeutung gewinnen. Als gute Führungskraft der Zukunft müssen Sie unter anderem: –– Loslassen von der inneren Haltung des „Kontrollierens“ (Gehorsam einfordern) und Hinwenden zu einem Führungsverständnis des „Steuerns“ (ermöglichen, moderieren). –– Hierarchien so weit wie möglich reduzieren. –– Raum schaffen für Selbstorganisation, Selbstverantwortung und Autonomie. –– Individuen und Diversität fördern und nutzbar machen – statt gleichzumachen. –– Die Gestaltung der Arbeitsumgebung aktiv vorantreiben.

Zitat: „Weil Führung ein gesellschaft­ liches Phänomen ist, muss sie in jeder Generation neu erfunden und stabilisiert werden.“ (Neuberger 2002, S. 106)

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 Gute Führung fängt bei mir selbst an

Zitat: „Führen erfordert eine gewachsene Persönlichkeit.“ (Schneider 2009a, S. 1)

Dies alles zu realisieren, ist nicht für jeden einfach. Vielleicht brechen Ängste bei Ihnen auf; spüren Sie bei sich selbst Widerstände. Vielleicht sind Sie unter diesen Umständen keine gute Führungskraft. Können Sie das alles zulassen? Wollen Sie das? Gerade, wenn Sie sich in Zukunft nicht mehr hinter Hierarchien verstecken können? Sie müssen an sich selbst arbeiten. Was bedeutet das für Sie als Führungskraft? –– An Sie werden hohe Anforderungen gestellt. –– Sie müssen Ihr eigenes Verhalten reflektieren. –– Sie müssen mit Ihrer und der Angst Anderer vor Komplexität, Offenheit, Unsicherheit und Unklarheit umgehen können, egal, wie irrational sie erscheinen mag.

2.2 Warum gute Führung bei mir selbst anfängt Selbstbewusstsein ist elementar für Führungskräfte. Nur wenn Sie sich Ihrer Person selbst bewusst sind, können Sie gut führen. Insbesondere das „Bewusstsein“ über die eigene Motivation, die eigenen Interessen, das eigene Verhalten und die eigene Wirkung brauchen Sie dafür.

Beispiel:

Fallbeispiel: Frau G. ist eine pflichtbewusste Bibliothekarin, immer fleißig und dienstbeflissen. Sie war schon mehr als fünfzehn Jahre in der Stadtbibliothek tätig, als ihr überraschend die Leitungsposition angeboten wurde. Einerseits fühlte sie sich geschmeichelt, andererseits war sie erfüllt von dem Gefühl, dass sie dieses Angebot nicht ablehnen dürfte. So sagte sie nach nur minimalem Zögern zu. Seit nunmehr sechs Jahren ist sie in dieser Position. Nach wie vor arbeitet sie viel, ja sogar noch deutlich mehr als vorher. Denn wer, wenn nicht sie, sollte in Anbetracht der geringen Personalausstattung die viele Arbeit erledigen? Hatten ihre Mitarbeiterinnen nicht allesamt gute Gründe, die sie davon abhielten, ihre Aufgaben zu erfüllen? Meist hatten sie sogar gute Gründe dafür, nicht einmal das Mindestmaß ihrer eigenen Arbeiten zu erledigen. Frau R. zum Beispiel: Ein Notfall in der Familie schien den nächsten zu jagen und wenn nicht, dann war sie doch ziemlich im Stress, weil sie noch die Geburtstagsfeier ihres Mannes vorbereiten mussten oder wieder einmal Weihnachten „überraschend“ vor der Tür stand . „Ja, ich habe ja Verständnis,“ dachte Frau G. dann. „Ich hab' ja keine Familie. Ich bin frei und habe diese Verpflichtungen nicht.“ Doch frei fühlte sie sich dabei nicht. Sie machte nur noch mehr Überstunden, um das, was die anderen nicht schafften, zu erledigen. Die Zeit, in der sie mit Freude zur Arbeit gegangen war, schien eine halbe Ewigkeit zurück zu liegen. Ihr ohnehin spärliches Privatleben existierte quasi nicht mehr. Wenn sie doch einmal eine Freundin traf, so schien sie kaum noch präsent zu sein. Ihre Gedanken drehten sich immerfort um ihre Arbeit. Finanznöte und die Angst vor der Schließung einer Zweigstelle trieben sie um. Wie sollte sie das ihren Mitarbeiterinnen erklären, auch dass möglicherweise die Verträge von zwei Mitarbeiterinnen nicht verlängert werden konnten? Alle würden ihr Vorwürfe machen. Ihre Verzweiflung wuchs von Tag zu Tag und gleichzeitig das Gefühl, ohnmächtig zu sein. Die einzige Antwort die ihr einfiel: Noch mehr arbeiten. Nachts fand sie kaum noch Ruhe. Völlig gerädert stand sie dann vor ihren Mitarbeiterinnen und verstand nicht, warum sie ihr augenscheinlich immer weniger zuhörten und ihr Vorwürfe machten. Sie hatte doch alles richtig gemacht. Sahen sie nicht, dass sie alles gab, um ihre Zukunft zu retten? Warum ließen sie sie im Stich? Langsam fühlte sie in sich Wut hochsteigen. Nicht mehr lange und sie würde explodieren und alle Vorwürfe würden aus ihr herausbrechen. Wir wissen nicht, wie diese Geschichte weitergegangen wäre, wenn nicht eines Tages ein Unglück wie gerufen gekommen wäre: Ein Beinbruch zwang sie, mehrere Wochen lang auszusetzen. Ein weiteres „Unglück“ führte dazu, dass sie im Krankenhaus zusammen mit zwei Frauen in einem Zimmer landete, die ihr tagelang auf die Nerven gingen. Schließlich hielt sie deren stundenlange Gespräche nicht mehr aus und blaffte die beiden voller Wut an.



Warum gute Führung bei mir selbst anfängt 

„Warum machst Du uns so an? Warum hast Du nicht früher gesagt, dass es Dich stört? Es muss Dir ja nicht gefallen, was wir reden. Versuch' doch, Dich in ein anderes Zimmer verlegen zu lassen. Oder Du lernst halt, Dich besser abzugrenzen. Schau' mal: ich habe Kinder, kleine Kinder, wenn ich mich nicht von denen abgrenzen könnte, dann würde ich mir deren Geschrei auch stundenlang auf die Nerven gehen lassen und irgendwann explodieren. Aber ich weiß mittlerweile recht gut, wo meine Grenzen sind. Ich kann zum einen gut mit meiner Aufmerksamkeit bei mir bleiben und, zum anderen, merke ich schneller, wenn meine Grenzen überschritten werden, wenn mir der Lärm zu viel wird. Zum Glück merke ich das jetzt so frühzeitig, dass ich Gegenmaßnahmen ergreifen kann – zum Beispiel sie bitten, ihre Tür zu schließen, bevor ich Gefahr laufe, zu explodieren.“ Das saß. Frau G. wurde sehr nachdenklich.

Was war geschehen? Frau G. war sich dessen nicht bewusst, was sie selbst wollte. War eine Führungsposition das Richtige für sie? Wollte sie führen? Sie wusste es nicht. Sie war mehr oder weniger unbewusst in ihre Führungsposition „hineingerutscht“ und diese geringe Bewusstheit für ihre eigenen Wünsche zog sich wie ein roter Faden durch ihre weitere Führungstätigkeit. Sie wusste nicht, was sie wollte oder wohin sie ihre Bibliothek lenken wollte. So wurde sie zum Spielball, der nur noch auf die Interessen anderer reagierte. Nicht frei und erwachsen entscheiden oder aktiv handeln war das, was sie tat. Sie war eine Getriebene. Die Signale ihres Körpers oder eigene Gedanken unterdrückte sie. Sie maß sich und ihrem eigenen Leben kaum noch Bedeutung zu. Wie konnte sie dann erwarten, dass andere Personen dies taten und das andere sie als starke, im Leben stehende und ihr Leben führende, gestaltende Führungskraft wahrnahmen? Dieses Fallbeispiel zeigt: Wenn wir von anderen als gute Führungskraft wahrgenommen werden wollen, so müssen wir bei uns selbst anfangen. –  Gute Führung fängt bei Ihnen mit der Bewusstheit über das an, was Sie selbst erreichen möchten und wer Sie sind. – Ihre Gefühle ernst nehmen und nicht verdrängen, sondern sich ihnen stellen. – Nur wenn Sie selbst wissen, wer Sie sind, was Sie können und was Sie möchten, können Sie klar und authentisch auftreten und erfolgreich führen. Nur dann können Sie klar und wirksam kommunizieren, was Ihnen wichtig ist, was Sie von Anderen wünschen oder erwarten.

Wir haben gesehen, dass Führung sehr viele Formen haben kann. Der Einfluss, den wir als formelle oder informelle Führungskraft auf Andere ausüben, variiert. Hundertprozentig bestimmen oder „steuern“, was uns unterstellte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter machen, werden wir niemals können. Unser Einfluss bleibt beschränkt – und das ist auch gut so. Wir haben es immer mit mindestens einem Gegenüber zu tun, und dieses Gegenüber ist eine eigenständige Person, die nicht vollkommen uns und unseren Entscheidungen ausgeliefert ist. Es gibt nur eine Person, über deren Verhalten wir weitgehende Macht haben: Uns selbst. Diese Macht können und müssen wir nur nutzen. Indem wir uns zum Beispiel nicht von den Erwartungen Anderer abhängig machen, sondern selbst Position beziehen. Wenn wir etwas ändern wollen, so besteht im Prinzip die einzige Möglichkeit darin, dass wir bei uns selbst anfangen. Was wir selbst tun, das können wir beeinflussen. Bei Anderen ist uns dieser Einfluss nicht sicher. Außerdem können wir mit dem, was wir selbst vorleben und ausstrahlen, oft eine Menge erreichen – auch bei unserem Gegenüber. Denn was wir ausstrahlen, das kommt auch zu uns zurück. Strahlen wir Führungsstärke aus, so haben wir diese auch eher als wenn wir selbst nicht an unsere Führungskraft glauben.

Tipp: Gute Führung bei sich selbst anfangen lassen

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 Gute Führung fängt bei mir selbst an

Diese Erfahrung kann Ihnen beispielsweise im Umgang mit Pferden bewusst werden. Sie spiegeln: Wissen Sie selbst, wohin Sie gehen möchten und sind Sie selbst davon überzeugt, dass Sie das Recht haben, den Weg vorzugeben, so wird Ihnen das Pferd folgen. Wissen Sie nicht, wo Sie hinwollen und glauben Sie auch nicht, dass Sie Andere davon überzeugen können, dann werden sie nicht mitkommen.

Beispiel:

Fallbeispiel: Sabine S. steht morgens auf. Sie ist vollkommen übernächtigt. Heute steht diese wichtige Teamsitzung an. Allein der Gedanke daran hat sie schlecht schlafen lassen. Warum? Schon seit Tagen war sie derart blockiert, dass sie das Gefühl hat, keinen klaren Gedanken fassen zu können. Also hat sie jede mentale Vorbereitung vermieden. Was könnte sie schon ausrichten? Die Anderen können doch sowieso viel besser argumentieren und ihr Auftreten wirkt viel sicherer. Wahrscheinlich wird eh wieder Kollege K. die ganze Show an sich reißen und sich mit seiner Meinung durchsetzen. Wie werden ihre Kolleginnen und Kollegen darauf reagieren? Werden sie ihr Vorwürfe machen? Sei es wie es ist, unkonzentriert und nervös, wie sie derzeit ist, kann sie einfach keine Lösung finden.

Sabine S. macht sich klein und hilflos wie ein Kind. Kann sie so erfolgreich in der Sitzung agieren? Werden ihre Kolleginnen und Kollegen oder Vorgesetzte sie so als ebenbürtige Person und als starke informelle Führungskraft empfinden? Vermutlich eher nicht. Hat sie also nicht das Zeug zur Führungskraft? Der Ausweg? Eine andere Aufgabe suchen und kapitulieren? Einfach zusammenreißen? Wird sie so erfolgreich sein? Was könnte Sabine S. helfen? Ein erster Schritt wäre es, die Situation zu reflektieren, um sich darauf vorzubereiten.

Selbsttest: Vorbereitung auf schwierige Situationen

–  Was ist es, das Sie davon abhält, Ihre Leistungskraft abzurufen und bestimmt als Führungskraft aufzutreten? – Welche Gefühle ruft die anstehende Herausforderung in Ihnen hervor? – Freude? – Trauer? – Wut? – Angst? – Falls Sie Ängste haben: Blicken Sie Ihren Ängsten ins Auge: – Was genau ist es, das Ihnen an der Situation Angst macht? – Was macht die Situation so bedrohlich? – Was könnte schlimmstenfalls passieren? Was hängt für Sie von dieser Situation ab? – Ist es realistisch, dass es so schlimm kommt? – Wo könnten Sie sich Unterstützung holen? Beispielsweise bei Freunden, Kolleginnen oder Kollegen? – Welche weiteren Ressourcen könnten Sie zu Ihrer Unterstützung mobilisieren? – Was könnte Ihnen gut tun, bevor Sie in die schwierige Situation gehen? Vielleicht hilft es, erst mal Abstand zu gewinnen?

Einzelne Aspekte hieraus werden später noch vertieft. Was deutlich werden soll: Wenn Sie nicht ehrlich zu sich selbst sind und Ihre Gefühle verdrängen, werden Sie zu einer getriebenen Person, die ihre Handlungsfähigkeit verliert. Sie reagieren nur noch, anstatt selbst die Richtung des Weges mitzubestimmen. Um in einer schwierigen Situation handlungsfähig zu bleiben und als gute Führungsperson wahrgenommen zu werden, ist es wichtig, dass Sie bei sich selbst beginnen. So lange Sie es nicht schaffen, sich selbst in dieser Situation gut zu führen, wird es Ihnen kaum gelingen, nach außen hin als führend aufzutreten. Werden Sie zunächst selbst zur Führungskraft Ihres Lebens!



Warum gute Führung bei mir selbst anfängt 

Auf Ihrem Weg zu einer erfolgreich agierenden Führungsperson ist es wichtig, dass Sie bei sich selbst anfangen. Ein ehrlicher Blick in den Spiegel kann Wunder wirken, wenn Sie anschließend wissen und wohlwollend bejahen können: „Ja, so bin ich. Ich bin eine Person mit diesen Schwächen, jenen Stärken. Ich habe bestimmte Gefühle und Wünsche. Ich erkenne sie an. Sie werden mir helfen, meinen Weg zu finden und in Einklang mit meiner Persönlichkeit meine Ziele zu erreichen, ohne, dass ich mich verstellen oder übermäßig anstrengen muss.“ Manche Illusion über Sie selbst mag verloren gehen, wenn Sie ehrlich hinschauen, dafür haben Sie dann eine solide Basis für Ihre Arbeit. Wenn ich schon bei meiner eigenen Lebensführung Probleme habe, wie soll ich andere Menschen gut führen können? Führung fängt also damit an, dass Sie ein gutes Leben führen. Treiben Sie selbst führungslos durch Ihr Leben dahin, können Sie nicht von anderen erwarten, dass sie Ihnen folgen. Wenn Sie Einfluss haben und andere Menschen führen möchten, so ist es wichtig, dass Sie sich dessen bewusst sind, wer sie selbst sind. Fangen Sie bei sich selbst an: Haben Sie das Gefühl, eine gute Führungskraft zu sein?

Selbsttest: Die eigene Führungsfähigkeit einschätzen

Warum haben Sie dieses Gefühl? Warum nicht?

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 Gute Führung fängt bei mir selbst an

Was gelingt Ihnen in Ihrem Arbeits- und Führungsalltag gut?

Wo haben Sie das Gefühl, dass Ihre Führung noch nicht optimal ist?

Welche Bedeutung hat Ihre Arbeit für Sie? Welche Bedeutung geben Sie anderen Bereichen Ihres Lebens?



Führen Sie ein ausgefülltes, zufriedenes Leben?

Was klappt in Ihrem Privatleben gut? Was klappt weniger gut?

Womit sind Sie zufrieden?

Warum gute Führung bei mir selbst anfängt 

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 Gute Führung fängt bei mir selbst an

Haben Sie das Gefühl, bewusst zu handeln, oder haben Sie oft das Gefühl, dass Ihnen Situationen entgleiten, Sie nur noch reagieren, aber nicht gestalten können?

Zitat: „Wirklich verändern kann sich jeder nur selbst, wir können aber Voraussetzungen schaffen, die dieses erleichtern.“ (Doppler 2011, S. 89)

Sie müssen auch deshalb bei sich mit guter Führung anfangen, weil Sie in Führung eine Vorbildfunktion für andere Menschen haben. Im Positiven wie im Negativen. Leben Sie beispielsweise einen schlechten Umgang mit sich und Ihrem Körper vor, sind Sie ein negatives Vorbild. Auch jede Veränderung fängt bei Ihnen selbst an. Sie können nicht nur von anderen Menschen Veränderung verlangen und selbst nie etwas ändern. Letztlich können Sie nur sich selbst wirksam verändern – und unter anderem als gutes Vorbild darauf hinwirken, dass Andere sich auch verändern.

Tipps zum Mitnehmen aus dem Kapitel

– – –

Führung ist im Wandel begriffen. Gute Führung fängt bei Ihnen selbst an. Zu guter Führung gehört Bewusstheit.

Weiterführende Literaturtipps

Ein lesenswertes Buch über Führung: Sprenger, Reinhard K.; Radikal führen; Campus, Frankfurt, 2012

3  Menschenkenntnis – Mich selbst kennen Wer Menschen führen möchte, muss Menschen gut kennen. Zuallererst sich selbst! Wer bin ich in meinem tiefsten Inneren? Was hält mich möglicherweise davon ab, so zu sein, wie ich wirklich bin?

3.1 Wer bin ich? Autonom entscheiden, authentisch handeln Wenn Sie sich selbst gut kennen, können Sie reflektierter und bewusster handeln. Wissen Sie, was Sie möglicherweise nach außen ausstrahlen, so kann Ihnen dies helfen, Ihre Führungsfähigkeit zu verbessern. Vielleicht wird Führung für Sie dann müheloser und spielerischer. Sie können, wenn Sie mehr so leben, wie Sie sind, voller Freude durch den Tag gehen, zu sich stehen und Ihr Verhalten und Ihre Wirkung auf die Außenwelt reflektieren – möglicherweise wird dies Ihr Erfolgsrezept für gute, leichte Führung.

3.1.1 Die Marke „Ich“ Für Ihren Erfolg ist es wichtig, sich zu definieren, ob nun als Führungskraft, informelle Führungskraft oder „normale“ Mitarbeiterin. Wer bin ich? Was ist meine Identität? Wenn Sie sich definieren und entsprechend verhalten, werden auch andere Sie eher so sehen. So gehen Sie „automatisch“ in Führung. Andere zu überzeugen geht dann viel einfacher, als wenn Sie unklar sind und sich „wischiwaschi“ verhalten. Ihre Identität herauszufinden und authentisch aufzutreten ist der Schlüssel zum Erfolg. Durch Kenntnis Ihrer Identität erschließen Sie sich ein großes Potential.

Was sehen Sie, wenn Sie in den Spiegel blicken? Was fällt Ihnen ein, wenn Sie sich selbst beschreiben? Wie würden Andere Sie beschreiben? Wie möchten Sie von anderen gesehen werden?

Selbsttest: Wer bin ich? Was macht den Kern meiner „Marke“ aus?

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 Menschenkenntnis – Mich selbst kennen

Jeder Mensch hat etwas Besonderes an sich. Nur wenn Sie sich Ihres Werts, Ihrer Persönlichkeit und Besonderheit selbst bewusst sind, können Sie sich stimmig verhalten und von Ihrem Umfeld eine gute Resonanz erhalten. Denn wenn Sie sich selbst gut kennen, so können Sie gezielt die Dinge tun, die Ihnen Spaß machen und die Ihnen leicht fallen. Tendenziell werden Sie dadurch zufriedener und erfolgreicher sein, als wenn Sie Dinge tun, die Sie im Grunde nicht mögen oder die Ihrer Persönlichkeit widersprechen. Als Startpunkt, um sich selbst besser kennenzulernen, möchte ich Sie einladen, sich Zeit für eine Fantasiereise zu nehmen:

Übung: Fantasiereise „Theater“

Schließen Sie, wenn Sie mögen, Ihre Augen und stellen Sie sich vor, Sie sind in einem Theater. Schauen Sie sich alles genau an: Das Foyer, den Zuschauerraum mit den Rängen, die Bühne mit dem Bühnenbild und dem Vorhang. Hinter der Bühne finden Sie u. a. die Technik, die Maske, den Pausenraum, den Probenraum usw. Es herrscht hektische Betriebsamkeit. In einigen Ecken haben sich Schauspieler zurückgezogen und konzentrieren sich für ihren bevorstehenden Auftritt. Andere unterhalten sich und lachen gemeinsam. Die Regisseurin gibt letzte Anweisungen. Der Tontechniker ist an seinem Platz. – Welche Aufgabe zieht Sie besonders an? – Welche Rolle würden Sie gerne spielen? – Würden Sie gerne auf der Bühne stehen oder lieber hinter der Bühne arbeiten? – Wenn Sie auf der Bühne auftreten möchten, welche Rolle wäre Ihnen am liebsten? – Eine Hauptrolle, eine Nebenrolle, eine Statistenrolle? – Was genau würden Sie gerne verkörpern? Beispielsweise einen Menschen, ein Tier, einen Baum? Was für einen Menschen oder welche Art von Tier gegebenenfalls? – Was finden Sie besonders gut und interessant an dieser Rolle? – Welche Eigenschaften hat diese Rolle? – Welche Aufgaben sind damit verbunden? – Gefällt Ihnen vielleicht irgendetwas nicht so sehr daran? Notieren Sie, was Ihnen auffällt, wenn Sie an diese Rolle denken.



Wer bin ich? Autonom entscheiden, authentisch handeln 

Diese Übung lehnt sich an die Theatermetapher von Schmid an (Schmid 2004 und Schmid 2008, S. 63 ff.). Welche Rolle in der Theaterwelt wählen Sie? Klassenkasper, Paradiesvogel, einsamer Wolf oder Rotkäppchen? Was ist Ihre Marke „ich“? Was können Sie aus der Fantasie-Theaterreise für sich mitnehmen? Ist die Rolle, die Sie dort ausgewählt haben, typisch für Sie?

Selbsttest: Rollenauswahl

Hat diese Rolle etwas mit Ihrer beruflichen Tätigkeit gemeinsam? Worin besteht die Gemeinsamkeit? Inwiefern bestehen Unterschiede?

Liefert Ihnen die Wahl Ihrer Rolle Anhaltspunkte über Ihre Persönlichkeit?

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 Menschenkenntnis – Mich selbst kennen

3.1.2 Meine Persönlichkeit Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Persönlichkeiten zu analysieren. Widerstrebt es Ihnen, sich „typisieren“ und in Schubladen einsortieren zu lassen? Schließlich sind Menschen vielfältig und passen nicht unbedingt in vorgefertigte Schubladen in einer bestimmten Typologie. Unterscheiden wir uns nicht oft nur graduell von anderen Menschen mit verschiedenen Schattierungen von Eigenarten, die unsere Persönlichkeit ausmachen? Sie müssen eine Typologie nicht komplett für bare Münze nehmen. Und dennoch kann sie Ihnen wertvolle Anhaltspunkte liefern. Es kann sehr aufschlussreich sein, sich in diesem Rahmen mit der eigenen Person auseinanderzusetzen, um neue Erkenntnisse und mehr Klarheit zu gewinnen. Typologien geben eher Tendenzen wieder und können daher zur Orientierung hilfreich sein. Gefährlich wird die Nutzung von Typologien nur, wenn sie als gültige und fixe Beschreibung von Personen aufgefasst werden, wenn das Negative daran betont wird, und dann einer weiteren persönlichen Entwicklung im Wege steht. In der Psychologie bekannte Typenlehren sind beispielsweise –– die Persönlichkeitstypen in der Psychoanalytischen Theorie, –– die Typen nach C.G. Jung, –– Existentielle Verhaltensanalyse, –– Temperamentlehre, Wahrnehmungsmuster (vgl. Schneider 2003, S. 16). Der relativ bekannte Myers-Briggs-Typindikator (MBTI) beruht auf der Typologie von Carl Gustav Jung (http://de.wikipedia.org/wiki/Myers-Briggs-Typindikator). Von den verschiedenen Typologien, die für die Auseinandersetzung mit der Persönlichkeit herangezogen werden können, werden hier nur einige in Kurzform dargestellt. Für eine intensivere Beschäftigung damit wird eine vertiefte Lektüre dazu empfohlen. Die „Big Five“ oder auch „Fünffaktorentheorie“ genannte Typologie unterscheidet beispielsweise folgende Kriterien: –– Emotionale Labilität vs. emotionale Stabilität, auch Zufriedenheit oder Ich-Stärke genannt: Ist jemand emotional stabil oder gerät er oder sie leicht aus dem Gleichgewicht? –– Introversion vs. Extroversion: Ist eine Person eher introvertiert oder extrovertiert? –– Offenheit für (neue) Erfahrungen vs. konservatives Verhalten: Dies zeigt zum Beispiel, ob jemand eher offen für Innovationen und Wandel ist. –– Verträglichkeit: Altruismus vs. Konkurrenzbetontes bzw. egozentrisches Verhalten. –– Rigidität oder Gewissenhaftigkeit: Hat eine Person hohe Gewissenhaftigkeitswerte oder niedrige? Personen mit niedrigen Gewissenhaftigkeitswerten handeln eher unsorgfältig, spontan und ungenau (vgl. Wikipedia; Big Five (Psychologie); http://de.wikipedia.org/wiki/Big_Five_%28Psychologie%29). Joines/Stewart unterscheiden sechs Persönlichkeitstypen. Es ist wahrscheinlich, dass man sich bei mehreren dieser Persönlichkeitstypen wiederfindet: –– Enthusiastischer Überreagierer –– Verantwortungsvoller Workaholic –– Brillanter Skeptiker –– Kreativer Tagträumer –– Verspielter Widerständler –– Charmanter Manipulator (vgl. Joines/Stewart 2008, S. 20 ff).



Wer bin ich? Autonom entscheiden, authentisch handeln 

Hilfreich können Typologien vor allem sein, wenn sie als Orientierungshilfe für die eigene Entwicklung aufgefasst werden. In dieser Hinsicht sind vor allem die neun Persönlichkeitstypen des Enneagramms aufschlussreich, da sie als Ausgangspunkt für die eigene Entwicklung gesehen werden und aufzeigen können, wo eigene Schwächen und Stärken liegen und wie die Weiterentwicklung hin zu einem glücklicheren Leben erfolgen kann. Die Persönlichkeitstypen im Enneagramm lauten: –– Typus Eins: Der Reformer –– Typus Zwei: Der Helfer –– Typus Drei: Der Macher –– Typus Vier: Der Individualist –– Typus Fünf: Der Forscher –– Typus Sechs: Der Loyale –– Typus Sieben: Der Enthusiast –– Typus Acht: Der Herausforderer –– Typus Neun: Der Friedliebende (vgl. Riso/Hudson 2000, S. 20 ff.). Habe ich das Gefühl, dass die Art und Weise wie ich arbeite, wie ich lebe meinem Tempo entspricht? Oder habe ich das Gefühl, dass mir alles zu schnell geht, zu viel wird? Oder ist es im Gegenteil so, dass mir manches zu langsam geht und ich das Gefühl habe, nicht genug Wandel und Weiterentwicklungsmöglichkeiten zu haben? Brauche ich mehr Neues oder mehr Stabilität? Brauche ich Abwechslung oder meine Ruhe? Was tut mir gut? Mag ich gerne auf andere Menschen zugehen? Kann ich gut detaillorientiert arbeiten? Bin ich eher eine Generalistin? Was spricht Sie bei den Persönlichkeitstypen direkt an?

Übung: Persönlichkeitstypen

Wo erkennen Sie sich wieder?

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 Menschenkenntnis – Mich selbst kennen

Mit welcher der Typologien möchten Sie sich eventuell intensiver beschäftigen?

Zitat: „Die aus meiner Sicht besten Führungskräfte zeichnen sich durch eins aus: Sie gehen ihren eigenen Weg.“ (Sprenger 2000, S. 188)

Wenn Sie Ihre eigene Persönlichkeit kennen, können Sie besser erkennen und leben, was gut für Sie ist und was Sie weiterentwickeln möchten. Gelingt es Ihnen, dies zu leben, können Sie authentisch auftreten, denn Sie können dann Sie selbst sein. Wie gelingt es mir, meinen eigenen Weg zu gehen, entsprechend zu leben und zu arbeiten? Den allerersten Schritt haben Sie bereits getan, wenn Sie sich die Zeit genommen haben, sich noch besser kennenzulernen. Sie sind damit dem Ziel einen großen Schritt näher gekommen, sich gut zu kennen und dadurch so zu leben, wie es Ihnen gut tut. Dieses Wissen ist die Basis dafür, das in die Tat umzusetzen, was Ihnen gut tut.

3.1.3 Was bringt mir Spaß und worin bin ich richtig gut? Stellt sich als nächstes die Frage, welche Aufgaben es sind, die Ihnen richtig Spaß bringen, Ihnen „liegen“. Verrät Ihnen Ihre Rolle aus der „Theater“-Fantasiereise vielleicht etwas darüber, welche Aufgaben Sie besonders mit Freude erfüllen?

Übung: Welche Aufgaben liegen mir besonders?



Wer bin ich? Autonom entscheiden, authentisch handeln 

Was verrät Ihre Rolle darüber, welche Aufgaben Ihnen gut tun und welche nicht?

Fallbeispiel: Früher war Marco niemals so motiviert zur Arbeit gegangen, wie heutzutage: Da hatte er seine Arbeit als anstrengend und langatmig wahrgenommen. Für ihn war der Reorganisationsprozess damals vor drei Jahren wie gerufen gekommen. Er hatte ihn als seine Chance gesehen, sich intern noch einmal zu verändern. Schon lange war er fasziniert von allen Themen, die mit dem Internet und elektronischen Medien zu tun hatten. Die Arbeit in der Ausleihe war nicht seins gewesen.

Beispiel:

Wenn Sie sich verschiedene Kategorien von Tätigkeiten ansehen, welche sprechen Sie besonders an? Mögen Sie z. B. gerne Tätigkeiten, die – kaufmännisch oder – technisch ausgerichtet sind, oder die – organisieren oder managen, – forschen oder entwickeln, – beraten oder informieren, – lehren oder – kommunizieren umfassen, die – verwaltungsbezogen, – künstlerisch, kreativ, – pflegend oder sichernd sind, – die mit der Anwendung von Recht, – mit Menschen oder – mit Sachen zu tun haben? Faszinieren Sie eher – produzierende oder eher dienstleistende Tätigkeiten?

Selbsttest: Welche Arten von Tätigkeiten gefallen mir?

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 Menschenkenntnis – Mich selbst kennen

Welche Aufgaben bringen mir richtig Spaß? Welche Aufgaben fallen mir leicht? Bei welchen Aufgaben habe ich das Gefühl, „aufzublühen“ und mich richtig einbringen oder austoben zu können? Bei welchen Aufgaben habe ich das Gefühl, dass meine Fähigkeiten richtig gefordert werden oder dass ich mich weiterentwickeln kann? Schauen Sie sich Ihre verschiedenen Aufgaben und Tätigkeiten, auch in Ihrem Privatleben und auch Ihre Hobbies, an. Welche Aufgaben übernehmen Sie in Ihrem Leben? Welche Hobbys haben Sie?

Selbsttest: Welche von meinen Aufgaben mag ich besonders?

Welche von diesen Tätigkeiten mögen Sie besonders?

Welche Tätigkeiten fallen Ihnen besonders leicht?



Wer bin ich? Autonom entscheiden, authentisch handeln 

Und welche mögen Sie nicht so?

Was an diesen Tätigkeiten gefällt Ihnen und was nicht?

Fallen Ihnen Situationen ein, in denen Sie sich energiegeladen fühlen? Wann haben Sie eher das Gefühl, Energie zu verlieren – und nicht genügend nachzutanken?

Eine ehrliche Analyse ist ein erster Schritt, Energieräuber ausfindig zu machen und solche Aufgaben, bei denen Sie das Gefühl haben, aufzublühen. Eine weitere Fantasiereise kann noch stärker verdeutlichen, welche Aufgaben Sie aufblühen lassen.

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 Menschenkenntnis – Mich selbst kennen

Übung: Fantasiereise „Eine Million Euro“

Machen Sie es sich gemütlich. Entspannen Sie sich. Stellen Sie sich vor, Sie haben eine Million Euro gewonnen. Sie müssen nie mehr arbeiten gehen, um Ihr Geld zu verdienen. Was würden Sie jetzt gerne tun? Wovon träumen Sie? Welches Bild erscheint spontan vor Ihren Augen? Nehmen Sie sich ausreichend Zeit, um sich an den Gedanken des vielen Geldes und Ihrer neu gewonnenen Freiheit zu gewöhnen und dies auch gefühlsmäßig zu verinnerlichen, um sich so richtig in die neue Situation einzufühlen. Malen Sie sich das Bild in allen seinen Einzelheiten aus. Welches Gefühl haben Sie in Ihrer neuen Arbeitssituation? Notieren Sie sich, was Ihre Fantasiereise erbracht hat. Noch besser: Malen Sie Ihr Bild auf.

Was ist das Ergebnis Ihres Gedankenexperiments? Was für eine Zukunftsvision entsteht daraus? Hatten Sie ein gutes Gefühl bei dem Gedanken an die Freiheit und daran, sich Ihre Arbeit vollkommen frei aussuchen zu können? Würden Sie auch mit viel Geld weiterhin Ihrer derzeitigen Arbeit in der Bibliothek nachgehen oder schlägt Ihr Herz für etwas anderes? Würden Sie kleine Änderungen vornehmen oder würden Sie alles über den Haufen schmeißen, Ihr Leben umkrempeln und noch einmal neu anfangen? Sind Sie überrascht über Ihre Wünsche, Gefühle, Gedanken? Prüfen Sie: Wie können Sie die Aufgaben, die Ihnen besonders Spaß bringen, in Ihr tägliches Leben integrieren? Wie können Sie davon mehr machen, und von den anderen Aufgaben weniger? Vielleicht wird Ihnen dies nicht 1:1 gelingen, aber vielleicht können sie zumindest teilweise solche Aufgaben in abgewandelter Form in Ihr Leben integrieren?



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Inwiefern passt das, was Sie jetzt über sich herausgefunden haben, zu Ihrem derzeitigen Arbeitsplatz?

Selbsttest: Wie kann ich Aufgaben, die mir liegen, in meine Arbeit integrieren?

Inwiefern ließe es sich dort integrieren?

Inwiefern stehen die Zeichen auf „Neuanfang“? Sollten Sie Ihr Berufsleben komplett überdenken und die Segel neu hissen, um eine vollkommen neue Richtung einzuschlagen?

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 Menschenkenntnis – Mich selbst kennen

Sie können nun Ihre Zukunftsvision konkretisieren. So gewinnen Sie ein genaueres Bild davon, wie Sie in Zukunft optimal arbeiten. Stellen Sie sich selbst in zehn Jahren vor: Sie leben das Leben, dass Sie sich immer gewünscht haben:

Übung: Fantasiereise: Ihr Leben in zehn Jahren

– – – – – – – – – – – –

Wie fühlen Sie sich? Was sehen Sie? Welche Menschen umgeben Sie? Wo leben Sie? Wie wohnen Sie? Wo arbeiten Sie? Was machen Sie? Wie ist Ihre Arbeit? Welchen Aufgaben gehen Sie nach? Was tun Sie für andere Menschen? Was haben andere Menschen von Ihrem Tun? Wie kleiden Sie sich? Wonach riecht es? Wie schmeckt Ihr Leben? Wie fühlen Sie sich körperlich?

Wenn Sie mögen, können Sie sich nun an die Planung der Umsetzung machen. Falls Sie denken sollten „Aber das geht doch nicht!“: Warum sollte es nicht gehen? Wer verbietet es Ihnen? Ist Ihr Leben nicht zu wichtig, um es einfach so laufen zu lassen, falls Sie nicht zufrieden sind? Tun Sie Ihrer Bibliothek damit einen Gefallen, wenn Sie dort derzeit vielleicht nicht an der richtigen Stelle eingesetzt werden und dadurch nicht Ihr volles Leistungspotential abrufen? Sie sind nun noch einen Schritt weiter vorangeschritten: Sie haben mehr Wissen darüber, wie Sie sich definieren und welche Aufgaben es sind, mit denen Sie sich umgeben sollten. Da diese Sie mit Freude erfüllen, haben Sie mit ihnen beste Voraussetzungen für Ihre Zufriedenheit und Ihren Erfolg. Stellt sich als nächstes die Frage, ob es Ihnen gelingt, Ihre Persönlichkeit und damit in Einklang stehende Aufgaben stimmig zu leben und zu übernehmen. Wie können Sie Ihre Persönlichkeit stimmig in Ihrem Arbeitsalltag leben und Tätigkeiten, die Ihnen Freude bereiten, integrieren? Eine gewisse innere Freiheit ist dafür wichtig.



Wer bin ich? Autonom entscheiden, authentisch handeln 

3.1.4 Frei entscheiden, autonom handeln oder gefangen im Hamsterrad? Treten Sie autonom und authentisch auf, oder sind Sie abhängig davon, wie andere auf Sie reagieren? Lassen Sie sich zum Beispiel persönlich „klein“ machen, weil andere Sie nicht so akzeptieren, wie Sie sind, Sie nicht mit Ihren besonderen Eigenheiten und Fähigkeiten zu schätzen wissen? Wie frei fühlen Sie sich?

Selbsttest: Wie frei bin ich?

Wie frei können Sie in Ihrem Leben, insbesondere in Ihrem Berufsleben, agieren?

Fühlen Sie sich Ihrem Arbeitgeber (Ihrer Bibliothek/Ihrem Vorgesetzten) ausgeliefert?

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 Menschenkenntnis – Mich selbst kennen

Fühlen Sie sich frei, was die Nutzung Ihrer Zeit betrifft? Oder haben Sie das Gefühl, wie im Hamsterrad zu laufen? Hetzen Sie nur noch von einem Termin zum anderen? Vielleicht nicht nur im Berufsleben, sondern auch in Ihrem Privatleben? – Wer ist Herrscher oder Herrscherin über Ihre Zeit? Sind Sie es? – Entscheiden Sie darüber, wofür Sie Ihre Zeit einsetzen wollen oder sind Sie vielmehr getrieben und reagieren schlicht auf die Anforderungen von außen?

Was würde eine außenstehende Person sagen: Sind Sie objektiv betrachtet unfrei?

Sind sie wirklich so unfrei, oder haben Sie in Wirklichkeit viel mehr Freiheitsgrade als Sie sich bewusst machen?



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Haben Sie es sich in Ihrer „Unfreiheit“ behaglich eingerichtet?

Wie ist Ihr Gesamteindruck nach diesem Selbsttest? Sind Sie unfrei? Vielleicht ist es ja manchmal auch ganz bequem, sich eingeschränkt zu fühlen. Denn alles selbst entscheiden zu müssen, kann anstrengend sein und uns verunsichern. Wir könnten ja eine falsche Entscheidung treffen – und könnten dann nicht mehr andere Menschen dafür verantwortlich machen. Autonom und frei heißt nicht rücksichtslos zu handeln und andere vor den Kopf zu stoßen. Vielmehr geht es darum, bewusst zu entscheiden, sich über die eigenen Gefühle und Wünsche im Klaren zu sein und diese bei Entscheidungen zu berücksichtigen. Im Hier und Jetzt sein, eigenständig zu fühlen und sich zu verhalten. Autonom und gleichzeitig mit anderen Menschen verbunden zu sein, lautet das Ziel. Denn gute Beziehungen und Autonomie schließen sich nicht aus. Im Gegenteil: Autonomie ist eine Bedingung dafür. Das bedeutet auch, sich bei einer Entscheidung ihre Vor- und Nachteile bewusst zu überlegen. Was bedeutet die Entscheidung für das Zusammenleben mit anderen Menschen? Und dann selbst zu entscheiden, diese Vor- oder Nachteile in Kauf zu nehmen, weil Sie, hinter dieser Entscheidung stehen und es Ihnen wichtig ist, sie in die Tat umzusetzen. Autonomie bedeutet selbstbestimmtes, souveränes Verhalten. Dazu sind viele Menschen nicht in der Lage, weil sie im Laufe ihrer Erziehung oft entgegengesetzt geprägt wurden und sich im Alltag allzu leicht in psychologische Spiele oder andere ungünstige Verhaltensmuster verstricken. Auch wenn jemand nach außen hin stark wirkt, so kann es doch sein, dass er oder sie im Inneren sehr unfrei ist, und seine oder ihre Handlungen durch bestimmte „Zwänge“ geprägt sind. Nach Berne ist autonomes Handeln gekennzeichnet durch drei Fähigkeiten, die wir oft erst wiedererlangen müssen: –– Bewusstheit: „Der bewusste Mensch ist lebendig, denn er weiß, was er empfindet, wo er ist und in welcher Zeit er lebt.“ –– Spontaneität: „Spontaneität bedeutet in gewissem Sinn Option: die Freiheit, seine Empfindungen (…) auszuwählen und auszudrücken.“ –– Intimität: „Intimität bedeutet: spontane, nicht spielanfällige Offenheit eines bewussten Menschen (…) im Hier und Heute (…).“ Dies ist nicht unbedingt gleichbedeutend mit körperlicher Intimität. (Berne 2002, S. 291) Offenheit bedeutet in diesem Zusammenhang, dass Sie wahre Gefühle zeigen. Dass Sie sich so zeigen, wie Sie sind.

Zitat: „Autonomie (…) ist etwas anderes als Unabhängigkeit. Es ist nicht der raue, mach es alleine, verlasse Dich auf niemanden Individualismus des amerikanischen Cowboys. Es bedeutet Handeln mit Wahlmöglichkeit – was bedeutet, dass wir gleichzeitig autonom und glücklich verflochten mit anderen sein können.“ (Pink 2009, S. 90 [Übersetzung der Autorin])

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 Menschenkenntnis – Mich selbst kennen

Zitat: „Die Bewusstheit zwingt uns, im Hier und Heute zu leben und nicht irgendwo in der Vergangenheit oder in der Zukunft.“ (Berne 2002, S. 288)

Beispiel:

Gewissermaßen ist Autonomie eine Art innere Entscheidungsfreiheit und Selbstbestimmtheit, die dadurch entsteht, dass Sie sich zunächst Ihre Wahlmöglichkeiten bewusst machen. Autonomie zu erlangen ist keine Entwicklung, die einmal abgeschlossen ist. Es ist vielmehr eine immerwährende Übung, Bewusstheit, Spontaneität und Intimität zu erlangen, um ein autonom handelnder und denkender Mensch zu sein. Diese Übung lohnt sich, denn dadurch können wir uns weiterentwickeln, erreichen wir neue innere Freiheit und mehr Zufriedenheit.

Fallbeispiel: Sabine S. war schon lange unzufrieden mit ihrer beruflichen Entwicklung. Als gelernte FAMI hatte sie irgendwann keine Möglichkeit mehr gesehen, sich in der vorgesehenen Berufslaufbahn ernsthaft weiterentwickeln zu können. Also hatte sie vor einigen Jahren einen zaghaften Vorstoß gewagt, sich im Fernstudium weiterzubilden. Ihr Vorgesetzter war von dieser Idee wenig angetan und hatte den Vorstoß im Keim erstickt. Schließlich würde das Vorhaben viel Geld und Zeit verschlingen und sie als eine tragende Säule seiner Bibliothek, bekannt für ihre zuverlässige Arbeit, teilweise und vielleicht eines Tages komplett wegbrechen lassen. Bei diesem Vorstoß hatte sie es erst einmal belassen. Erst vor kurzem, als sie erneut deutlich spürte, wie sehr die Unzufriedenheit an ihr nagte, hatte sie sich wieder ein Herz gefasst und ihn auf ihre beruflichen Weiterentwicklungsmöglichkeiten angesprochen. Im Gepäck hatte sie dabei ein Weiterbildungsprogramm, das ihr besonders interessant erschien. Vielleicht, so ihre vage Hoffnung, sah er ja auch, wie wichtig ihre Arbeit war und gönnte ihr nun endlich die so lange zurückgehaltene Anerkennung in Form einer Weiterbildungsmöglichkeit? Das Ergebnis war niederschmetternd. Von Anfang an hatte ihr Vorgesetzter ihren Vorstoß unterbunden und die Weiterbildung kategorisch abgelehnt. Sabine S. merkte, wie die Wut in ihr hochstieg. Sie sann auf Rache. Wie könnte sie es ihm heimzahlen?

Sabine S. ist ein Beispiel für eine Person, die sich nicht autonom verhält. Allzu schnell passt sie sich an das an, was ihr Vorgesetzter möchte, und lebt und arbeitet angepasst weiter, obwohl sie weiß, dass sie etwas anderes möchte. Sie steht nicht für sich selbst ein. Als ihr zweiter Vorstoß abgelehnt wird, ersinnt sie Rache. Aus der Anpassung wechselt sie nun in eine Art Trotzreaktion. Selbst wenn sie ihre Rache ausüben würde, wäre sie noch lange nicht frei. Sie ist bloß die andere Seite der Medaille der Abhängigkeit. Auf allgemeinerer Ebene ist diese Abhängigkeit in dem Modell „Stufen der Autonomie“ dargestellt, das sehr hilfreich ist. Das Modell zeigt die Entwicklung, den Reifegrad von Beziehungen. Dabei kann es sich um eine Paarbeziehung handeln, es lässt sich aber auch auf andere Arten von Beziehungen übertragen, auch auf Freundschaften oder auf eine Person, die neu in einer Bibliothek anfängt und im Laufe der Zeit verschiedene Formen der Beziehung zu der Bibliothek durchlebt. Wenn es gut läuft, entwickelt sie sich in ihrer Beziehung zu der Bibliothek immer wieder weiter, wird immer autonomer in der Beziehung und dabei gleichzeitig auch reifer und besser. Viel öfter ist es jedoch so, dass Menschen in dieser Entwicklung stecken bleiben und nicht weiter voranschreiten. Am Fallbeispiel der Sabine S. erläutert, bedeuten die Stufen der Autonomie: Als sie neu in der Bibliothek war, war sie eine lange Weile begeistert von ihrer Arbeit. Sie hat sich voll hineingekniet, mit Leib und Seele „hingegeben“ und „Ja“ gesagt zu ihrer Arbeit. Irgendwann begann ihre Begeisterung zu bröckeln und die Beziehung bekam erste Risse. Sie sah, was alles dort nicht so gut funktionierte, was schlecht organisiert war und dass es wenig Aussicht darauf gab, daran etwas zu ändern, da ihr zu diesem Zeitpunkt bereits aufgefallen war, dass ihre Kolleginnen und Kollegen und ihr Vorgesetzter nicht nur nett waren, wie sie in der ersten Zeit erschienen waren, sondern auch „nur Menschen“, die zum Teil eklatante Schwächen aufwiesen.



Wer bin ich? Autonom entscheiden, authentisch handeln 

Rollenfreiheit Freiheit zu verschiedenen

Hingabe „Ja“

Beziehungsarten

Abhängigkeit

Überanpassung „Harmonie“

Sinn

Wechselseitige Bereicherung „Gegenüber“

Selbstbehauptung

Wechselseitige Abhängigkeit

„Nein“ Selbständigkeit

Gegenabhängigkeit

Rebellion Frust

„Allein“ Unabhängigkeit „Isolation“

Abb. 2: „Stufen der Autonomie“ [modifiziert nach Schneider 2001, S. 177]

Sabine S. kam dann in eine Phase starker Selbstbehauptung gegenüber der Bibliothek, in der sie vieles sehr kritisch beurteilte, Schuldzuweisungen aussprach und an Sachen, die ihr missfielen „herumnörgelte“. Weiter ging dies aber nicht, da sie in diesem Stadium im Grunde ebenso abhängig von der Bibliothek war wie in dem vorangegangenen der „Hingabe“. Wäre sie in der Entwicklung ihrer Autonomie weiter fortgeschritten, so hätte sie sich auf dem Weg zum nächsten Stadium innerlich noch weiter abgrenzt von der Bibliothek, mit der Folge, dass sie erst einmal gefühlsmäßig zwar unabhängig, aber auch „alleine“ gewesen wäre. Auf dem Weg in nächste Stadium hätte sie sich von einigen ihrer ursprünglichen Hoffnungen, die mit der Bibliothek verbunden waren, verabschiedet. Sie hätte dann darüber trauern können, dass ihre ursprünglichen Erwartungen nicht eingetroffen waren, z. B. hier den perfekten Arbeitsplatz zu finden, und wäre dann vollkommen „desillusioniert“ gewesen. Gleichzeitig wäre ihr Blick dadurch wieder klarer geworden, und sie hätte einen ungetrübten Blick auf ihre Bibliothek werfen können. Sie hätte dann auch wieder die positiven Seiten ihrer Arbeit dort gesehen, diese als wechselseitige Bereicherung empfinden können und sich bewusst für das Bleiben entscheiden können. Hätte sie schließlich noch den letzten Schritt der Autonomieentwicklung vollzogen, so wäre sie im Stadium der „Rollenfreiheit“ angekommen. In diesem Stadium wäre sie innerlich so klar, gefestigt und frei gewesen, dass sie sich verschiedene Arten von „Beziehungen“ zu ihrer Bibliothek vorstellen und diese auch in die Praxis umsetzen könnte. Dazu gehört auch die „Freiheit“ zu kündigen und sich einen anderen Arbeitsplatz zu suchen oder in der Bibliothek zu bleiben, dort vielleicht eine andere Position anzustreben, die eigene Arbeitszeit zu reduzieren oder andere Rahmenbedingungen so zu ändern, dass es ihr in der Beziehung zu der Bibliothek noch besser gegangen wäre. Dies wird aber nur klappen, wenn man selbst diese innere Einstellung der Autonomie in sich trägt. Erst in diesem Stadium können wir richtig frei entscheiden über die Beziehung zu unserer Bibliothek und uns auch erst richtig freiwillig aus vollen Stücken dafür entscheiden, hierbleiben zu wollen. Nur dann, wenn wir uns frei füh-

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 Menschenkenntnis – Mich selbst kennen

len und aus freien Stücken dort bleiben wollen, sind wir richtig gut in unserer Arbeit und können gut in Führung gehen! Aus einer Position der Abhängigkeit kann uns dies nicht gelingen, weil wir dann nicht authentisch, aus freiem Herzen bejahend und gleichzeitig ehrlich auftreten können. Die meisten Menschen allerdings bleiben, so wie Sabine S. im Fallbeispiel, auf der zweiten Stufe der Autonomieentwicklung hängen. Weil sie sich vor der zeitweiligen „Einsamkeit“ und „Isolation“ der folgenden Stufe fürchten, gehen sie nicht dort hindurch und so bleibt ihnen die weitere Entwicklung verwehrt. Stattdessen pendeln sie nun in einer Schlaufe hin und her zwischen Überanpassung an den Beziehungspartner (hier die Bibliothek bzw. der Vorgesetzte). Dies ist verbunden mit scheinbarer „Harmonie“ als dem einen Pol, und Frust und Rebellion als dem anderen Pol. Im Fallbeispiel ist Sabine S.’s Verhalten überangepasst und sie tut nur das, was ihr Vorgesetzter für OK erachtet, um im nächsten Moment sozusagen mit der geballten Faust in der Tasche zu überlegen, wie sie sich dafür revanchieren könnte, dass ihre Weiterbildung abgelehnt wurde. Sind wir im Stadium der Abhängigkeit oder im Stadium der Gegenabhängigkeit, so zeigen wir kein reifes erwachsenes Verhalten. Da der Wechsel in eine neue Stufe der Autonomie mit einer Umformung der Persönlichkeit und möglicherweise einer tiefen Krise einhergeht, ist es aber nicht verwunderlich, dass viele Menschen davor zurückschrecken und Ängste haben, insbesondere wenn eine professionelle Begleitung und ein unterstützendes Umfeld fehlen. Wir können uns diese aber auch selbst organisieren und dies ist unsere Aufgabe. Fragen als Anregung zum Selbstreflektieren

Selbsttest: Handle ich autonom?

– Wie treffen Sie wichtige Entscheidungen? Ist dies ein bewusster oder eher ein unbewusster, automatischer Prozess? – Bitten Sie andere Personen oft, sich an der Entscheidungsfindung zu beteiligen? Wenn ja, wie? – Fragen Sie sie nach ihrer Meinung? – Bitten Sie sie, Ihnen zu sagen, wie Sie sich entscheiden sollten? – Bitten Sie sie, Ihnen einen Weg aufzuzeigen, wie Sie zu einer guten Entscheidung kommen könnten? – Fällt es Ihnen leicht, alleine Entscheidungen zu treffen? – Welche Rolle spielen die Erwartungen anderer Menschen für Ihre Entscheidungen? – Fragen Sie andere Menschen nach ihren Erwartungen? – Befolgen Sie die Erwartungen anderer Menschen, ohne sie zu hinterfragen? – Kennen Sie die Erwartungen anderer Menschen und beziehen sie diese in Ihre Entscheidung ein, ohne Ihre Entscheidung davon abhängig zu machen? – Welche Rolle spielen Gefühle und Gedanken für Sie bei Entscheidungen? Gelingt es Ihnen, be de bei Entscheidungen einzubeziehen? – Denken oder machen Sie manchmal Sachen, die „man“ nicht macht? – Wenn ja, unterbinden Sie dies sofort, wenn Ihnen bewusst wird, dass „man“ dies nicht macht? Oder lassen Sie es zu, obwohl es anderen möglicherweise missfällt? – Sind Sie selbst in der Lage, sich die Zuwendung zu organisieren, die Sie brauchen, wenn Ihnen andere diese versagen? – Ist es Ihnen sehr wichtig, dass Sie bei anderen Menschen beliebt sind?



Wer bin ich? Autonom entscheiden, authentisch handeln 

Je mehr Sie selbstständig entscheiden mögen und dabei auch auswählen, inwiefern Sie die Erwartungen anderer einbeziehen, umso autonomer sind Sie. Kennzeichnend für den Grad Ihrer Autonomie ist es darüber hinaus, inwiefern Sie abhängig sind von der Zuwendung anderer Menschen. Wenn Sie das Gefühl haben, ohne die Wertschätzung der anderen Menschen nicht auszukommen, so werden Sie vermutlich nichts unternehmen, was diese Menschen stören würde und werden vorsichtshalber nur das tun, was „man“ macht. Auf welcher Stufe der „Stufen der Autonomie“ Sie stehen, sagt viel darüber aus, auf welche Weise Sie in der Lage sind, Ihr Zuwendungsbedürfnis zu befriedigen. Können Sie Zuwendung autonom geben und bewusst nehmen, wenn Sie es möchten, oder sind Sie währenddessen nicht autonom, haben z. B. Angst, sich unbeliebt zu machen? Sind Sie nicht autonom, so laufen Sie leicht in Schwierigkeiten. Dies gilt insbesondere für Führungskräfte. Dann fehlt die Fähigkeit, sich abzugrenzen, eigenständige Entscheidungen zu treffen und zur eigenen Meinung zu stehen. Inwiefern es Ihnen gelingt, sich stimmig und zu Ihrer Person passend zu verhalten und zu handeln, hängt auch davon ab, wie autonom Sie in Ihren Entscheidungen sind. Fühlen Sie sich anderen Menschen und ihren Erwartungen ausgeliefert, so wird es Ihnen eher schwer fallen, eine bewusste Entscheidung zu fällen. Wenn Sie das Gefühl haben, nicht autonom handeln zu können, so ist es schwierig, zu sich zu stehen und authentisch aufzutreten – und Ihre Interessen durchzusetzen. Besitzen Sie diese Autonomie nicht, die auch eine Ressource für Ihre Abgrenzungs-, Entscheidungs- und Zuwendungsorganisationsmöglichkeit darstellt, so laufen Sie als Führungskraft beispielsweise Gefahr, in die Harmoniefalle zu laufen. Statt Entscheidungen zu treffen und das Potential konstruktiv gelöster Konflikte für den Wandel zu nutzen, wird das Verhalten von Führungskräften in der Harmoniefalle durch Konfliktvermeidung geprägt – Wandel wird ausgebremst. Statt notwendige Konfrontationen und sinnvolle Reflektion bewusst zuzulassen, werden diese verdrängt, im Dienste der guten Stimmung und Harmonie unter allen Beteiligten. Eine Führungskraft, die sich derart verhält, gibt damit auch ein schlechtes Vorbild für ihr Umfeld ab. Konfliktvermeidung und Unaufrichtigkeit sind die Kulturbotschaften, die diese Führungskraft aussendet. Hinter der Harmoniefalle steht die Angst davor, zurückgewiesen und abgelehnt zu werden. Dieses Muster ist meist als Kind erlernt worden, als unangepasstes Verhalten mit dem Entzug von Zuwendung „bestraft“ wurde

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und das Zurückstellen eigener Gefühle und Bedürfnisse „belohnt“ wurde. (Doppler/ Fuhrmann/Lebbe-Waschke/Voigt 2011, S. 187) Es ist gar nicht so einfach, sich die Freiheit zu nehmen, um immer frei und autonom zu entscheiden. Vielmehr ist es ein immerwährender Prozess, sich die eigene Autonomie zu erhalten und glücklich zu sein. Verhalten Sie sich autonom, so steigen die Chancen dafür, dass Sie in einer Art und Weise, die Ihnen gut tut, an den Aufgaben arbeiten können, die Ihnen liegen. Die eigene Autonomie zu fördern, dazu können verschiedene Faktoren beitragen, die im weiteren Verlauf dieses Kapitels und von Kapitel 4 erläutert werden.

3.1.5 Der Wert authentischen Auftretens Nur wenn Sie zu sich stehen, können Sie authentisch auftreten. Nur wenn Sie authentisch sind, können andere Menschen Ihnen vertrauen und Ihnen folgen. Gerade als Führungskraft ist dies wichtig. Haben Sie das Gefühl, dass jemand nicht zu sich selbst steht, sich verstellt und eine aufgesetzte, nicht zu ihm oder ihr passende Rolle spielt, so werden Sie kaum geneigt sein, sie oder ihn als formelle oder informelle Führungskraft zu akzeptieren. Eher werden Sie ihn oder sie hinterfragen und herauszufinden versuchen, wer er oder sie wirklich ist und welches „Spiel“ er oder sie spielt. Im Übrigen gibt es nicht den einen guten und erfolgreichen Führungsstil. Es macht also keinen Sinn, sich einen bestimmten Führungsstil anzutrainieren, zumal dies höchstwahrscheinlich nicht stimmig wirken würde. Wichtig ist, dass Sie einen für Sie stimmigen Stil finden, mit dem Sie in Ihrem Umfeld erfolgreich sein können. Dann können Sie noch besser das in Ihnen schlummernde Potential für gute Führung erschließen. Wenn Sie authentisch auftreten, merken andere leichter, dass Sie es ernst meinen. Treten Sie nicht authentisch auf, wirkt dies leicht unpassend und unsicher und kann darüber auch beim Gegenüber zu Unsicherheit führen. Als „Authentiker“ haben Sie eine zuverlässige Ausstrahlung, ein zuverlässiger Partner für gemeinsame Unternehmungen zu sein, der Verantwortung übernimmt. Tiere oder Kinder können beispielsweise oft gut erkennen, ob jemand authentisch auftritt. Wie können wir Erwachsene dies erkennen? Wie können Sie erkennen, ob jemand authentisch auftritt?

Selbsttest: Authentisches Auftreten



Wer bin ich? Autonom entscheiden, authentisch handeln 

Welche Rolle spielen dabei beispielsweise – die Körpersprache und – die Übereinstimmung von gesprochenem Wort, Körpersprache und dem Handeln?

Wie können Sie für sich selbst erkennen, ob Sie authentisch auftreten?

Wie ist Ihr Körpergefühl dann? Wie ist Ihr Stand, Ihre Körperspannung dann? Wissen Sie, wo Sie beispielsweise Ihre Hände halten sollen oder müssen Sie darüber länger nachdenken oder finden Sie keine passende Position?

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Wie ist Ihr Bauchgefühl dann? Wie ist Ihre Stimmung?

Wie fühlt sich das, was Sie dann gerade tun, für Sie selbst an, wenn Sie sich authentisch verhalten?

Fallbeispiel:

Beispiel:

Zitat: „Führungskräfte handeln nur dann authentisch, wenn sie ihre Persönlichkeit und ihr Wesen entwickeln und ihre Führung stimmig aus ihrem Wesen heraus gestalten.“ (Schneider 2009a, S. 5)

Marco war zufrieden: Bei seiner Arbeit fühlte er sich außerordentlich wohl. Er hatte das Gefühl, sich richtig austoben zu können, bekam sehr viele positive Rückmeldungen und ging nachmittags mit einem guten Gefühl nach Hause, ohne sonderlich erschöpft zu sein. Mit der Reorganisation war seine Stunde gekommen. Er packte seine Chance, sich mit seinen Fähigkeiten bei der Arbeit besser einzubringen. Es wurde sein Hauptgewinn! Es machte ihm nun auch keine Mühe mehr, seine Kolleginnen und Kollegen von ihren Aufgaben zu überzeugen. Früher, als er selbst nicht so recht dahinter stand, hatte er sich oft in Erklärungsnot gefühlt. Nun war er motiviert bis in die Zehenspitzen und steckte andere mit seiner Motivation an. Er arbeitete nun mit dem Gefühl, so sein zu dürfen, wie er war, und genau dafür Anerkennung zu bekommen. Er fühlte sich gut, ganz im Einklang mit sich selbst. Er war autonom. Trat authentisch und natürlich auf, war locker, strahlte Offenheit und Freude aus, wirkte natürlich.

Was zeigt uns dieses Fallbeispiel? Dadurch, dass Marco das machen kann, was ihm liegt, sein Umfeld dies akzeptiert und er autonom ist, kann er authentisch auftreten. Seine Arbeit hat etwas Spielerisches und andere folgen ihm bereitwillig, ohne dass große Kraftanstrengungen notwendig wären. Wie kommt es, dass es Menschen oft so schwer fällt, zu sich zu stehen, offen und authentisch zu sein? Die Art und Weise, wie wir die Welt sehen und wie wir unseren Platz in der Welt wahrnehmen, ist der Grund dafür. Erlernte Verhaltensmuster schränken immer wieder unsere Entscheidungs- oder Handlungsfreiheit ein.



Wie sehe ich mich und die Welt, wie handle ich?  

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3.2 Wie sehe ich mich und die Welt, wie handle ich? 3.2.1 Welches Menschenbild habe ich? Inwiefern ist das Bild, das ich von Menschen habe, wichtig? Unser Menschenbild stellt den Spiegel dar, vor dessen Hintergrund wir kommunizieren. Schwierig daran ist, dass dieser Spiegel uns in der Regel unbewusst ist und so unbemerkt die Kommunikation verzerrt. Die Kommunikation läuft schief, ohne dass wir es uns erklären können, warum. Abhilfe versprechen kann es, wenn wir uns über unseren „Spiegel“ bewusst werden. Wenn wir wissen, welches Menschenbild unser Verhalten steuert, fällt es uns leichter, zu verstehen, welche Botschaften wir dadurch unbewusst aussenden. Erst das Bewusstmachen unseres „Spiegels“ macht ihn zudem einer rationalen Überprüfung zugänglich: Ist das, was wir von Menschen im Allgemeinen denken, überhaupt zutreffend oder gibt es Indizien, die dagegen sprechen? Stellen Sie sich vor, Sie lernen eine neue Person kennen. Wie gehen Sie auf diese zu?

Selbsttest: Fantasiereise zum Menschenbild

Welche Überzeugungen haben Sie über das Wesen von Menschen – in Bezug auf sich selbst oder andere Menschen?

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 Menschenkenntnis – Mich selbst kennen

Wie Sie mit einer fremden Person umgehen, mag zum Teil dadurch bedingt sein, wer die andere Person ist und wie sie sich verhält, wie die Situation und das Umfeld sind, wie Ihre eigene Tagesform ist. Eine Rolle spielen wird aber auch, wie Sie generell über Menschen denken. Als Führungskraft lohnt sich also das Reflektieren: Welche Grundüberzeugungen über das Wesen von Menschen prägen mich? Ein paar Fragen, die Sie für sich beantworten können: Vervollständigen Sie diese beiden Sätze: 1. Menschen sind … 2. Für den Umgang mit Menschen ist es wichtig…

Selbsttest: Meinem Menschenbild auf die Schliche kommen

Reflektieren Sie die folgenden Aussagen für sich und machen Sie sich Notizen: – Haben Sie generell Vertrauen in das Wohlwollen und die Fähigkeiten anderer? – Behandeln Sie andere Menschen manchmal wie Kinder, denen Sie eine schwierige Entscheidung abnehmen möchten? – Stimmen Sie dieser Aussage zu? „Ich vertraue darauf, dass meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bzw. meine Kolleginnen und Kollegen gute Arbeit machen.“ – Stimmen Sie dieser Aussage zu? „Ich muss die Arbeit meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bzw. Kolleginnen und Kollegen regelmäßig kontrollieren.“ – Betrachten Sie andere Menschen als Ihnen gleichwertig oder als minderwertig oder als Ihnen überlegen? – Glauben Sie, dass Sie etwas Besonderes sind? Oder sind Sie ein Mensch wie andere auch, mit bestimmten Fähigkeiten und Erfahrungen, Stärken und Schwächen – und vielleicht mit einer bestimmten Rolle ausgestattet (z. B. als Führungskraft), aber nichts Besonderes. – Glauben Sie, dass andere Menschen von Ihnen motiviert werden müssen? Oder glauben Sie, dass Menschen von sich aus motiviert sind?



Wie sehe ich mich und die Welt, wie handle ich?  

Treten Sie mit Freude und Vertrauen mit anderen Menschen in Kontakt? Nein? Warum wollen Sie dann Führungskraft sein? Sind Sie davon überzeugt, dass andere Menschen in den allermeisten Fällen wohlwollend sind, so wird dies Ihre Art und Weise der Kontaktgestaltung prägen und die andere Person wird dies spüren. Oder schwingen bei Ihnen negative Gefühle mit, weil Sie schlechte Erfahrungen im Hinterkopf haben und Sie der Überzeugung sind, dass andere Menschen grundsätzlich nach ihrem eigenen Vorteil trachten, ohne Rücksicht auf andere Menschen oder Interesse daran, gemeinsame Ziele zu verfolgen? Für die Gestaltung von Beziehungen im Arbeitsumfeld ist das eigene Menschenbild ebenso von großer Bedeutung wie für private Kontakte. Denn wie wird sich ein Vorgesetzter verhalten, der glaubt, dass seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter alleine am eigenen Vorteil Interesse hätten? Wie wird er ihr Arbeitsumfeld und seinen Führungsstil gestalten, wenn er davon überzeugt ist, dass andere Menschen vom Grundsatz her faul sind und ihre Arbeit nur widerwillig verrichten würden? Fallbeispiel: Frau G., die Leiterin einer Stadtbibliothek, übernahm immer wieder mehr oder weniger bereitwillig Aufgaben ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu deren Erledigung sie sich außerstande sahen, weil z. B. Weihnachten „überraschend“ vor der Tür stand und sie noch Vorbereitungen treffen mussten. Ihr eigenes Privatleben kam darüber zu kurz. Dennoch gilt in dem Augenblick, als die Stadtbibliothek möglicherweise zwei Stellen streichen muss, Ihre Sorge hauptsächlich möglichen Vorwürfen ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Frau G. ist eine Vorgesetzte, die sich im Grunde ihres Herzens unzureichend und ungeliebt fühlt. Mitmenschlichkeit oder gegenseitige Unterstützung sind wichtige Werte, aber im Fall von Frau G. scheinen sie zu weit zu gehen. Sie scheint ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eher aus der Position einer „Mutter“ heraus, mildtätig wie arme Kinder, zu behandeln, die es halt nicht besser können. Denn sie lässt es ihnen offenbar immer wieder durchgehen, dass sie ihr Privatleben nicht im Griff haben und dadurch meinen, ihre Arbeit nicht erledigen zu können. Gleichzeitig misst sie ihrem eigenen Privatleben und damit sich selbst offenbar keinen großen Stellenwert bei. Sonst würde sie es nicht immer wieder derart leiden lassen. Ihr Menschenbild ist somit sowohl in Bezug auf sich selbst als auch in Bezug auf andere Menschen negativ. Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern traut sie offenbar nicht zu, erwachsen zu handeln und ihr Privatleben anders in den Griff zu bekommen. Kein Wunder ist es, dass ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich unter diesen Bedingungen so verhalten, wie sie sich verhalten. Interessant in Zusammenhang mit Führung und dem Menschenbild ist das Phänomen der selbsterfüllenden Prophezeiungen (vgl. Pircher-Friedrich 2001, S. 83). Wenn Sie sich wie eine Mutter oder ein Vater verhalten und Erwachsene wie Kinder

Beispiel:

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behandeln, müssen Sie sich nicht wundern, wenn sie sich wirklich so verhalten und Sie in ein symbiotisches Abhängigkeitsverhältnis geraten. Wenn Sie ihnen nichts zutrauen, müssen Sie sich nicht wundern, wenn sie nichts leisten. „Wie es in den Wald ruft, so schallt es auch hinaus.“ Wie anders hingegen eine Person, die wie Marco in dem vorhergehenden Fallbeispiel, voller Vertrauen, in sich, andere Menschen und die Welt in den Tag startet. Sie oder er wird sich vielleicht auch nicht für perfekt halten, weiß, dass sie bzw. er auch nur ein Mensch ist und fühlt sich damit OK. So eine Person kennt ihre eigenen Schwächen und kann darüber auch einmal lachen. Andere Menschen schätzt sie in ihrer Einzigartigkeit, mit ihren individuellen Stärken und Schwächen. Sie versucht, andere Menschen groß zu machen. Fördert ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, damit sie ihre Stärken voll ausspielen können. Auch dort, wo sie besser sind als sie selbst. Sie vertraut ihnen, in ihrer Unperfektheit und hat es nicht nötig, ihnen Schranken zu setzen. Sie handelt damit zum Wohle aller. Nach dem Menschenbild von Eric Berne, das der Transaktionsanalyse zugrunde liegt, sind wir Menschen „von Art, Wesen und Entwicklungsmöglichkeiten her in Ordnung, so wie wir sind. Jedes normale menschliche Kind kommt mit der Fähigkeit auf die Welt, seine Möglichkeiten zu seinem und zum Vorteil der Gesellschaft zu entwickeln, sich seines Lebens zu freuen, produktive und kreative Arbeit zu leisten und frei von psychischen Störungen zu sein“ (Berne, 1966, S. 259).

Zitat: „Es wäre (…) bedenklich, wollte man die menschlichen Störungen grundsätzlich individualisieren. Eine gesellschaftpolitisch reflektierte pädagogische und psychologische Beschäftigung mit Menschen muss daher zugleich auf eine Veränderung der Lebensbedingungen gerichtet sein, um mehr Autonomie, Selbstverwirklichung, Sinngebung und Ganzheitlichkeit zu ermöglichen.“ (Gührs/Nowak 2006, S. 26 f.)

Im Menschenbild der humanistischen Psychologie, zu der die Transaktionsanalyse gehört, sind folgende Punkte zentral: 1. Ziel- und Sinnorientierung menschlichen Verhaltens: Menschliches Verhalten, und mag es noch so destruktiv erscheinen, verfolgt ein Ziel, wenn auch oft unbewusst. 2. Autonomie und Interdependenz: Jeder Mensch strebt nach Selbstständigkeit und Unabhängigkeit und hat gleichzeitig das Bedürfnis, in eine soziale Gemeinschaft eingebunden zu sein. Wenn die Entwicklung des Kindes in diesem Spannungsfeld durch die Eltern gut begleitet wird, so wachsen beim Kind die Bereitschaft und die Fähigkeit, Verantwortung für das eigene Verhalten zu übernehmen und sich zu einem eigenständigen und unterscheidbaren Individuum zu entwickeln. 3. Selbstverwirklichung: Jeder Mensch strebt nach der Entfaltung der eigenen Fähigkeiten und Fertigkeiten, ohne dabei die Beziehungen zu anderen Menschen außer Acht zu lassen. Selbstverwirklichung findet dann statt, wenn Sie Ihre Fähigkeiten immer wieder zum Einsatz bringen können und sich im Kontakt mit anderen immer wieder als kompetent erleben können. 4. Ganzheitlichkeit: Die Verbindung von Körper und Seele, die es dadurch gibt, dass Gefühle körperliche Reaktionen hervorrufen und körperliche Bedingungen wiederum Gefühle verursachen, wird betont, da es wichtig ist, beide in einem Zusammenhang zu betrachten (vgl. Gührs/Nowak 2006, S. 24 ff.). Das eigene Menschenbild wird auch von der Gesellschaft, der Politik und der Wirtschaft beeinflusst. Mitunter kann dies einen bewusst manipulativen Charakter haben. Es ist insofern wichtig, auch diese Ebene zu reflektieren. Wenn Sie selbst autonom denken, erhöht dies Ihren persönlichen Freiheitsgrad. Dennoch werden Sie an gewisse Grenzen stoßen, weil Sie sich vielleicht in einer unfreien Organisation oder unfreien Gesellschaft bewegen. Wenn Sie sich dessen bewusst sind, können Sie damit reflektiert umgehen, und diese äußeren Gegebenheiten in Ihre Entscheidungen einbeziehen.



Wie sehe ich mich und die Welt, wie handle ich?  

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Sie haben nun die Menschenbilder Eric Bernes bzw. der humanistischen Psychologie kennengelernt. Wie schätzen Sie diese in Verbindung zu Ihrem eigenen Menschenbild ein? Inwiefern überschneiden sich die Menschenbilder Eric Bernes bzw. der humanistischen Psychologie mit dem, was Sie sich oben über Ihr eigenes Menschenbild notiert haben? Wo stellen Sie Abweichungen fest? Was schließen Sie daraus in Bezug auf Ihr eigenes Menschenbild? Übung: Reflektion Menschenbilder

Hilfreich für Sie als Führungskraft ist die Beschäftigung mit dem Menschenbild folgendermaßen: Haben Sie ein anderes Menschenbild, zeigt Ihnen dies möglicherweise ein Entwicklungspotential. Eine zentrale Fähigkeit für Sie als Führungskraft ist der Aufbau und die Gestaltung von Beziehungen zu anderen Menschen. Wenn Sie mit sich selbst nicht im Reinen sind oder anderen (unbewusst) negative Motive unterstellen, so wird dies Ihre Fähigkeit, unvoreingenommen tragfähige Beziehungen aufzubauen, trüben. Aus dem Menschenbild Eric Bernes folgt: Die Grundüberzeugung der Transaktionsanalyse schlechthin ist, dass alle Menschen in Ordnung sind, so wie sie sind. Wenn wir diese Haltung verinnerlicht haben, so akzeptieren wir uns selbst und unsere Mitmenschen, so wie sie sind. Wir mögen vielleicht nicht mit allem einverstanden sein, was sie tun, aber als Menschen sind sie für uns in Ordnung, und wir nehmen sie als ebenbürtig wahr. Wenn wir uns selbst und andere OK finden, haben wir eine „OKOK-Haltung“. Nun erleben wir immer wieder, dass Menschen sich gegenüber ihren Mitmenschen selbst klein machen oder sich überhöhen. Dies besagt einiges darüber, welches Menschenbild sie von sich selbst oder anderen haben. Wenn wir von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, Kolleginnen und Kollegen im Allgemeinen ein negatives Bild haben, beispielsweise meinen, dass sie nur handeln, wenn wir ihnen genau sagen, „wo es langgeht“, so haben wir eine Haltung des „Du bist nicht OK“, „Ich bin OK“. Andersherum, wenn wir selbst uns nicht für in Ordnung halten und glauben, dass andere Menschen besser wären als wir selbst, so sind wir von einem „Du bist OK“, „Ich bin nicht OK“ geprägt. Besonders fatal sein kann die Haltung „Du bist nicht OK“, „Ich bin nicht OK“. Einen Überblick über diese Haltungen gibt die folgende Abbildung.

Zitat: „Wir müssen Abschied nehmen von den mechanistischen, egozentrischen Menschenbildern der klassischen Motivationstheorien, die den Menschen auf das Niveau von reiner Bedürfnisbefriedigung, Lustgewinn und Eigennutz degradieren.“ (Pircher-Friedrich 2011, S. 25)

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 Menschenkenntnis – Mich selbst kennen

Für mich bist Du OK

Für mich bin ich nicht OK

Führt zu der Grundeinstellung: Für mich bin ich nicht OK, und für mich bist du OK

Führt zu der Position: Für mich bin ich OK, und für mich bist du OK

(Depressive Position)

(Gesunde Position)

Führt zu der Position: Für mich bin ich nicht OK, und für mich bist du nicht OK

Führt zu der Position: Für mich bin ich OK, und für mich bist du nicht OK

(Nihilistische Position)

(Wahnhaft autoritäre Position)

Für mich bin ich OK

Für mich bist Du nicht OK Abb. 3: Das OK-Geviert: Was in den einzelnen Grundeinstellungen geschieht (modifiziert nach Stewart/Joines 2010, S. 181)

Welche Beobachtungen machen Sie im Alltag hinsichtlich Ihres Menschenbildes? Übung: Das Menschenbild reflektieren

In welchen Situationen sehen Sie, welchen Einfluss das Menschenbild haben kann?



Wie sehe ich mich und die Welt, wie handle ich?  

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Welches Bild haben Sie von sich selbst?

Es ist schon ein Wert an sich, dass Sie Ihr Menschenbild erkannt haben. Nun können Sie es weiter reflektieren.

Hinterfragen Sie Ihr Menschenbild. – Tauschen Sie sich offen mit anderen Menschen über Ihre Menschenbilder aus. – Beobachten Sie sich und Ihr Verhalten selbstkritisch. – Beobachten Sie andere Menschen genau. Lässt sich das, was Sie ihnen unterstellen, wirklich beobachten? Oder haben Sie da etwas hineininterpretiert? Wenn es sich beobachten lässt, könnte das Verhalten dieser Person auch andere Ursachen haben als die von Ihnen unterstellten? Wie ist Ihr Einfluss auf das Verhalten dieser Person? Kann sie sich unter den gegebenen Umständen gar nicht anders verhalten? – Wodurch könnte Ihr negatives Menschenbild entstanden sein? Fallen Ihnen „Vorbilder“ dafür ein? Möglicherweise hilft Ihnen das Verstehen der Entstehung Ihres Menschenbildes, wenn es darum geht, es zu revidieren.

Tipps: Was kann ich machen, wenn ich ein negatives Menschenbild habe?

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 Menschenkenntnis – Mich selbst kennen

Ein negatives Menschenbild erfüllt Sie mit Misstrauen und hindert Sie daran, erfüllte Beziehungen zu anderen Menschen aufzubauen. Aufrichtige Arbeitsbeziehungen werden dadurch ebenfalls erschwert. Wenn Sie aber nicht aufrichtig und authentisch in Beziehungen zu anderen auftreten, so sind diese Beziehungen kaum tragfähig genug für eine gelingende Zusammenarbeit. Denn die Grundpfeiler guter Beziehungen sind bei einem negativen Menschenbild nicht vorhanden. Angesichts von Veränderungen im Umfeld von Bibliotheken, wie der breiten gesellschaftlichen Durchdringung mit Web 2.0, dem demographischen Wandel, dem Kampf um Talente und dem Aufkommen anderer Werte, neuer Arbeitsformen, neuer Kommunikationsformen und -strukturen sowie einer stärkeren Professionalisierung, wird es mit einem negativen Menschenbild zunehmend schwierig, langfristig erfolgreich in Führung zu sein. Es passt nicht zu der Freiheit, die Web 2.0 und andere neuere Entwicklungen fordern. Angesichts von demographischem Wandel und der Knappheit an qualifizierten Mitarbeitern wird es für Sie immer schwieriger werden, so gute Leute zu halten. Sie sollten also gegebenenfalls Ihr Menschenbild einem „Update“ unterziehen. Wenn Sie vor allem von sich selbst ein negatives Bild haben, dürfte der folgende Abschnitt besonders interessant für Sie sein.

3.2.2 Bin ich „gut drauf“ oder schränken mich wiederkehrende Verhaltensmuster ein? 3.2.2.1   Ich-Zustände – Selbstbestimmt und gut drauf oder fremdgesteuert? In dem Augenblick, wo Sie autonom sind und eine OK-OK-Haltung haben, spricht man in der Transaktionsanalyse davon, dass Sie in einem Erwachsenen-Ich-Zustand sind. Wenn Sie aus einem Erwachsenen-Ich-Zustand handeln, sind Sie voll im Hier und Jetzt, gut drauf und in der Lage, frei zu entscheiden und gut funktionierende Beziehungen zu führen. Sich selbst in diesem Erwachsenen-Ich-Zustand zu befinden und autonom handeln zu können, ist das Ideal der Transaktionsanalyse. Es ist eine immerwährende Übung, dort hinzukommen. Denn automatisch sind die wenigsten Menschen immer in einem Erwachsenen-Ich-Zustand. Leicht passiert es, dass Menschen immer wieder automatisch in Verhaltensmuster rutschen, die sie gut kennen, aber nicht wollen. In so einem Verhaltensmuster sind sie nicht so frei und reflektiert, sondern ihre Entscheidungen und ihr Verhalten sind von bestimmten Zwängen geprägt. Besonders leicht rutschen Menschen in solche Verhaltensmuster, wenn sie gestresst sind. Diese Verhaltensmuster können auch als Eltern-Ich-Zustände oder Kind-IchZustände bezeichnet werden. Eltern-Ich oder Kind-Ich-Zustände sind in der Vergangenheit erlernte Lösungsversuche bzw. Kommunikationsmuster, die im Hier und Jetzt nicht passen und daher nicht problemlösend und weiterführend sind. Eine Person im Kind- oder Eltern-Ich-Zustand ist nicht gut drauf und hat auch kein gutes Menschenbild. Je nachdem, in welchem Ich-Zustand eine Person sich gerade befindet, kann ihre Reaktion auf ein und denselben Auslöser sehr unterschiedlich aussehen, wie die folgende Abbildung zeigt.



Wie sehe ich mich und die Welt, wie handle ich?  

Wie konnte das passieren?

Egal! Das haben die davon!

Haben Sie nicht richtig aufgepasst?

Sollen die uns doch mehr Geld geben!

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Wie können Sie verhindern, dass das noch mal passiert?

EL

LE

EL

ER

E ER

EERR

KI

KI

KIKI

Abb. 4: Drei mögliche Reaktionen einer Vorgesetzten auf die Mitteilung einer Mitarbeiterin, dass ihr ein Fehler unterlaufen ist

In der Abbildung zeigt die Vorgesetzte im ersten Fall einen Eltern-Ich-Zustand (EL), im zweiten Fall einen Kind-Ich-Zustand (KI) und im dritten einen Erwachsenen-IchZustand (ER). Analysiert man die Ich-Zustände, der an einer Kommunikation beteiligten Menschen, so gibt einem dies ein wertvolles Instrument an die Hand, um zu verstehen, was in einer Situation abläuft bzw. abgelaufen ist. Wenn zwei oder mehr Personen miteinander kommunizieren, ob nun verbal oder nonverbal, so finden zwischen ihnen immer Kommunikationstransaktionen statt, zu denen ein wie auch immer gearteter Austausch von Information und Zuwendung gehört. Diese Transaktionen unter dem Gesichtspunkt der Ich-Zustände zu analysieren, hilft, förderliche und hinderliche Kommunikation zu analysieren – eine wichtige Grundlage, um sie verbessern zu können. Ist die Beziehungsgestaltung befriedigend, problemlösend und kreativ, erfolgen die Transaktionen aus Erwachsenen-Ich-Zuständen und werden damit empfangen. In den Erwachsenen-Ich-Zustand zu kommen und gute Beziehungen zu führen, ist ein zufriedenstellendes Erlebnis, das sowohl fürs Privat- als auch fürs Berufsleben einen großen Entwicklungsschritt, ein größeres Freiheitsgefühl und gleichzeitig tragfähigere Beziehungen mit sich bringt. Manchmal kann es blitzschnell gehen, dass Menschen von einem Ich-Zustand in einen anderen wechseln – oder wieder zurück. Da alle Menschen die verschiedenen Ich-Zustände in sich tragen, reichen unter ungünstigen Umständen oft schon kleine Ereignisse und in Sekundenschnelle wird ein Kind- oder Eltern-Ich-Zustand angetriggert. Insbesondere wenn Sie gestresst sind, kann es sehr leicht passieren, dass Sie in Skriptverhalten rutschen. Hierbei handelt es sich um eine vereinfachte Darstellung der Ich-Zustände. In der Transaktionsanalyse wird oft eine feinere Unterscheidung von zwei verschiedenen Formen des Eltern-Ichs vorgenommen, nämlich des „kritisch-normativen Eltern-Ichs“ und des „fürsorglich-nährenden Eltern-Ichs“, die mit unterschiedlichen Einstellungen und Verhaltensweisen einhergehen. Ebenso kann beim Kind-Ich-Zustand zwischen dem „freien Kind-Ich“, dem „rebellischen Kind-Ich“ und dem „angepassten Kind-Ich“ unterschieden werden.

Zitat: Eltern-Ich-Zustand: „Verhalten, Denken und Fühlen, das von den Eltern oder Elternfiguren übernommen wurde.“ Erwachsenen-Ich-Zustand: „Verhalten, Denken und Fühlen, das eine direkte Reaktion auf das Hier und Jetzt ist.“ Kind-Ich-Zustand: „Verhalten, Denken und Fühlen, das aus der Kindheit stammt und jetzt wieder abläuft.“ (Stewart/Joines 2010, S. 34)

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 Menschenkenntnis – Mich selbst kennen

Anhand welcher Einstellungen, Verhaltensweisen, Kommunikationsstile, Körper-, Mimik- und Stimmausdruck Sie die Ich-Zustände unterscheiden können, finden Sie z. B. bei Gührs/Nowak 2006, S. 100 ff.

Tipp: Woran kann ich die Ich-Zustände erkennen?

Wissen Sie, dass Menschen bei Stress leicht in Eltern- oder Kind-Ich-Zustände zurückfallen, können Sie dem wirksam vorbeugen, indem Sie Ihren Stress verringern. Je mehr Bewusstheit und Reflektion Sie bezüglich Ihres Verhaltens haben, umso eher können Sie auch erkennen, wenn Sie doch wieder in einen Kind- oder Eltern-Ich-Zustand gerutscht sind und gegensteuern. Dieses Zurückkommen auf die ErwachsenenIch-Ebene ist eine ständige Übung. Treffen die folgenden Aussagen zu?

Checkliste: Bin ich wirklich präsent? Bin ich im Erwachsenen-Ich-Zustand?

– – –

Ich nehme meine Umgebung bewusst wahr. Ich atme ruhig. Ich bin mit meinen Gedanken im Hier und Jetzt, bleibe damit nicht dauerhaft in der Vergangenheit hängen oder in der Zukunft. – Ich nehme meine Gefühle wahr. Sie passen zur Situation. Sie gehen und verschwinden nach angemessener Zeit. Dann spricht dies dafür, dass Sie im Erwachsenen-Ich-Zustand sind.

3.2.2.2   Skriptverhalten – von einem geheimen Drehbuch gesteuert Kennen Sie das? Sie verfallen plötzlich, scheinbar automatisch in ein Verhalten, das sie gar nicht wollen, das Ihnen aber leider wohlbekannt ist? Immer und immer wieder passiert Ihnen dies? Sogenanntes Skriptverhalten folgt einem geheimen „Drehbuch“ (Skript) des eigenen Lebens, das immer wieder inszeniert wird. Insbesondere bei negativem Stress rutschen Menschen leicht in ein Skriptverhalten. Eine Person steckt dann unfreiwillig in diesem Verhalten fest und kommt so nicht konstruktiv weiter, und die gesamte Kommunikation läuft nicht zufriedenstellend. In einem Kind-IchZustand oder Eltern-Ich-Zustand verhalten Sie sich unfrei, so als müssten Sie zwangsläufig einem Drehbuch folgen. Wie inszenieren Sie das Theaterstück Ihres Lebens?

Selbsttest: Skriptverhalten



Wie sehe ich mich und die Welt, wie handle ich?  

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Gibt es Verhaltensweisen, die bei Ihnen immer wieder „plötzlich“ auftauchen? Welche sind dies?

Zitat: „Berne (1975) gibt dafür die folgende Definition: ,Beim Skript handelt es sich um ein kontinuierliches Programm, das in der Zeit der frühen Kindheit unter elterlichem Einfluss entwickelt wird und welches das Verhalten eines Individuums in den wichtigsten Aspekten seines Lebens bestimmt.‘ “ (Gührs/Nowak, S. 77)

Diese Verhaltensmuster, die automatisch immer wieder durchbrechen, lassen das Leben in gewisser Weise vorbestimmt erscheinen. Es wird davon ausgegangen, dass eine Analyse des eigenen Lebensskripts dazu führen kann, ihm zu „entrinnen“, indem man sich seine Verhaltensweisen und immer wieder auftretende Muster bewusst macht. Dies stellt einen elementar wichtigen Schritt dar, um sie abzulegen. Daher ist die Skriptanalyse ein zentraler Bestandteil der Transaktionsanalyse. – – –

Jemand „rutscht“ automatisch in ein ungewolltes Verhalten hinein. Es handelt sich um ein wiederkehrendes Verhaltensmuster, das scheinbar automatisch anspringt. Die Person hat das Gefühl, sich nicht anders verhalten zu können, nicht Herr(in) der Lage zu sein.

Checkliste: Skriptverhalten erkennen

Vollkommen skriptfrei werden Menschen niemals sein. Es ist als erster Schritt sehr gut, eigenes Skriptverhalten zu erkennen. Denn im Skriptverhalten geht es Menschen nicht richtig gut und die Fähigkeit ist eingeschränkt, gut drauf zu sein und autonom zu handeln. Wenn Sie bei sich Skriptverhalten feststellen, können Sie aktiv dagegen angehen. Das Skriptverhalten kann auch ein Hinweis darauf sein, dass Sie zu viel Stress haben. – – –

Ins Erwachsenen-Ich kommen, z. B. durch das Stellen von Fragen. Stress aktiv abbauen. Ihre Autonomie stärken. – Ihr Selbstwertgefühl stärken. – Sich bewusst dafür entscheiden, in der Bibliothek zu arbeiten. – Ihren eigenen Marktwert steigern.

Was hiervon könnte für Sie besonders hilfreich sein?

Tipp: Skriptverhalten vermeiden bzw. beenden

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 Menschenkenntnis – Mich selbst kennen

3.2.2.3   Passive Verhaltensweisen Passives Denken schränkt ebenfalls das Wohlbefinden sehr ein und die Fähigkeit zur Realisierung von Chancen im Leben. Es ist davon geprägt, dass die Realität durch bestimmte Wahrnehmungsfilter betrachtet wird. Die Realität wird dabei gedanklich abgewertet.

Checkliste: Passives Denken

Vier Stufen der Abwertung der Realität im Denken werden unterschieden: 1. Die Existenz des Problems wird bestritten. 2. Die Bedeutung des Problems wird heruntergespielt. 3. Das Problem wird als unvermeidbar bzw. als nicht anders lösbar dargestellt. 4. Es wird keine Möglichkeit gesehen, sich persönlich anders zu verhalten (vgl. Gührs/Nowak 2006, S. 181 ff).

In der Praxis können diese vier Stufen beispielsweise folgendermaßen aussehen: Fallbeispiel:

Beispiel:

Ein Kunde hat sich beschwert. Es gibt ein Qualitätsproblem bei der Datenerfassung 1. Obwohl ein gravierendes Problem offensichtlich ist, behauptet eine FAMI steif und fest, es gäbe kein Problem mit der Qualität der Titeldatensätze. 2. Ihre Kollegin gibt zwar zu, dass es ein Qualitätsproblem gibt, meint aber, dass dieses keine Auswirkungen hätte. 3. Ein Kollege der beiden stellt sich hin und sagt, dass es keine Möglichkeit gibt, das Qualitätsproblem zu lösen. 4. Die Vorgesetzte der drei Personen sieht – auch angesichts des Verhaltens ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – keine Möglichkeit, selbst etwas zu verändern und das Problem zu lösen.

Wenn Sie also Einwände oder Begründungen hören, die Ihnen unpassend vorkommen, wenn sich jemand partout weigert, andere Möglichkeiten, die Realität einzuschätzen, in Betracht zu ziehen, so könnte möglicherweise passives Denken vorliegen. Es gibt noch andere Anhaltspunkte, um passives Verhalten bei sich oder bei anderen zu erkennen. Dass jemand schlichtweg nichts tut, mag noch unmittelbar einleuchten. Dass sich jemand an das, was andere denken und sagen unreflektiert anpasst, wird als Überanpassung bezeichnet und stellt ebenfalls eine mögliche Ausprägung von passivem Verhalten dar. Passivität kann manchmal aber auch sehr aktiv aussehen! Eine passive Verhaltensweise ist die Agitation: Hier zeigt jemand eine ziellose Betriebsamkeit. Jemand ist sehr aktiv und fängt z. B. ständig etwas Neues an oder stellt sehr viele Fragen. Agitation ist oft schwierig zu erkennen und noch schwieriger mag es sein, darin eine passive Verhaltensweise zu erkennen. Es handelt sich dabei jedoch um eine passive Verhaltensweise, weil dabei die eigene Verantwortung durch Ablenkung auf andere abgeschoben wird. Die höchste Steigerungsstufe passiver Ver-



Wie sehe ich mich und die Welt, wie handle ich?  

haltensweisen stellt die Gewalt dar. Dazu kann auch autoaggressives Verhalten gehören, wie der Konsum von Drogen. Die Aggression stellt insofern eine passive Verhaltensweise dar, als die Person sich damit unfähig macht und sich der Verantwortung entzieht, selbst ein Problem zu lösen. 1. Nichtstun 2. Überanpassung 3. Agitation 4. Gewalt (Manfred / Nowak 2006, S. 184 ff)

Checkliste: Erscheinungsformen passiven Denkens

Passive Denk- und Verhaltensweisen gefährden in ihren verschiedenen Ausprägungen die Zukunft einer Bibliothek. Verantwortung übernehmen, Querdenken, mit gutem Beispiel voranschreiten und gewinnbringend zusammenarbeiten, dies alles sind wichtige Voraussetzungen für die Zukunftsfähigkeit von Bibliotheken. In sich passiv verhaltenden Menschen und Organisationen können sie nicht gedeihen. Was mache ich nun, wenn ich erkenne, dass sich jemand passiv verhält? In der Anwendung der Handlungskaskade besteht eine Möglichkeit, passivem Denken zu begegnen – bei sich selbst und bei anderen Menschen. Die Handlungskaskade wird angewendet, indem alle Stufen davon, z. B. bei einer Entscheidung, bewusst durchlaufen werden. So wird sichergestellt, dass man eine bewusste Entscheidung trifft und nicht automatisch in ein passives Verhalten abrutscht. D.h. es werden zunächst die vorliegenden Reize oder Tatsachen wahrgenommen, eingeschätzt und schließlich gegebenenfalls für so bedeutsam eingeschätzt, dass sie zu einem Thema oder Problem werden. Diese drei Schritte können differenziert in Bezug auf die Situation, andere Menschen und die eigene Person durchgegangen werden. Auf der nächsten Stufe der Handlungskaskade, werden für das Thema oder Problem erneut die drei Schritte „wahrnehmen“, „einschätzen“, „als bedeutsam einschätzen“ durchlaufen, bevor es auf der nächsten Stufe der Handlungskaskade weitergeht und so weiter. Die Handlungskaskade systematisiert Denkvorgänge insofern durch ihre Strukturierung und beugt so unreflektiertem Verhalten vor. Handlungskaskade Selbst Andere Situation REIZ/ Tatsachen 1. Wahrnehmen 2. Einschätzen 3. Bedeutsam

Selbst Andere Situation THEMA/ Problem 4. Wahrnehmen 5. Einschätzen 6. Bedeutsam

Selbst Andere Situation

Selbst Andere

LÖSUNGEN/ Handl.mögl. 7. Wahrnehmen 8. Einschätzen 9. Bedeutsam

Situation HANDLUNG

Abb. 5: Handlungskaskade (leicht modifiziert nach Schneider 2011, S. 14)

10. Wahrnehmen 11. Einschätzen 12. Bedeutsam Erfolgreich

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 Menschenkenntnis – Mich selbst kennen

3.3 Auf der Suche nach Sinn und Erfüllung: Habe ich den richtigen Arbeitsplatz? Weiter oben ging es darum, welche Aufgaben Ihnen besonders liegen und welche Sie daher anstreben sollten, um langfristig zufrieden zu arbeiten. Führen Sie sich noch einmal das Ergebnis Ihrer Fantasiereise „Eine Million Euro“ und „Ihr Leben in zehn Jahren“ vor Augen. Welche Erkenntnisse haben Sie daraus gewonnen? Inwiefern ergeben sich daraus Ihre Antworten für den folgenden Selbsttest?

Wofür schlägt Ihr Herz?

Selbsttest: Wie kann ich Sinn und Erfüllung bei meiner Arbeit finden?

Wofür brennen Sie leidenschaftlich?



Auf der Suche nach Sinn und Erfüllung: Habe ich den richtigen Arbeitsplatz?  

Was ist Ihre Berufung?

Was möchten Sie in der Welt verbessern?

Was bietet Ihnen einen Sinn, um jeden Tag aufzustehen?

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 Menschenkenntnis – Mich selbst kennen

Was könnten Sie mit Ihren Gedanken aus dem Selbsttest weiter machen? Sie könnten sich fragen: Bin ich die richtige Person im richtigen Job? Ist diese Bibliothek das richtige Umfeld für mich?

Wenn ich an meine Arbeit denke, dann denke ich, …

Selbsttest: Bin ich die richtige Person im richtigen Job und im richtigen Umfeld?

Sind Sie stolz auf Ihre Arbeit?

Sind Sie stolz auf Ihren Arbeitgeber?



Auf der Suche nach Sinn und Erfüllung: Habe ich den richtigen Arbeitsplatz?  

Ihre Gefühle, die mit Ihrer Arbeit verbunden sind …

Gehen Sie mit Freude zur Arbeit?

Haben Sie das Gefühl, den richtigen Job und den richtigen Arbeitgeber zu haben? Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang, welche Gefühle Sie mit Ihrer Arbeit assoziieren. Sind dies positive Gefühle: Glückwunsch! Dann weiter so! Sind dies negative Gefühle, sollten Sie Ihnen auf den Grund gehen: Welchen Anteil habe ich selbst an den Gefühlen meiner Arbeit gegenüber? Wäre es denkbar, dass ich meine Einstellung im Laufe der Zeit etwas ändere? Habe ich so negative Gefühle, auch wenn ich im Erwachsenen-Ich-Zustand bin, dass ich so schnell wie möglich dort weg möchte? Bin ich in meiner Bibliothek also am richtigen Ort? Ist das, was ich gut kann dort wirklich erwünscht? Kann ich mich dort mit meinen Stärken einbringen, so wie ich bin? Kann ich dort Erfüllung finden? Gehen Sie dahin, wo Sie mit Ihren Fähigkeiten wirklich gewollt sind. Sonst werden Sie langfristig kaum erfolgreich sein können und vor allem nicht glücklich.

3.3.1 Fühle ich mich frei oder meinem Job und meiner Bibliothek „ausgeliefert“? Gleicht Ihre Beziehung zu Ihrer Bibliothek eher einer Vernunftehe oder einer Liebeshochzeit? Was „bindet“ Sie an diese Bibliothek? Sind Sie aus freien Stücken hier, weil Sie hier sein möchten und glauben, dass Sie hier am richtigen Platz sind, um etwas bewirken zu können?

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 Menschenkenntnis – Mich selbst kennen

Welche Fortsetzung trifft am besten auf Sie zu? Vervollständigen Sie den Satz.

Selbsttest: Ihre Motivation für diesen Job in dieser Bibliothek

Zitat: „Obwohl Menschen gerne darüber reden, wie es wohl wäre, einen radikalen Schnitt zu machen, ist es etwas ganz anders, den Status quo zu verlassen, selbst wenn er einem missfällt. Viele Menschen fürchten die negativen Konsequenzen ihres mutigen Handelns und ignorieren das viel größere Risiko – nichts zu tun. Bloß: Die Gefahr zu scheitern lauert nicht nur im Neuen, sondern auch im Altbewährten. Wer ewig in der vermeintlichen Sicherheitszone verharrt, verliert Antrieb und Mut. Absolute Sicherheit bedeutet Stillstand. Und Stillstand bedeutet Rückschritt.“ (Förster/Kreuz 2008, S. 248)

Ich arbeite in dieser Bibliothek, weil ich … – keine Ahnung habe, was ich sonst machen könnte. – nicht glaube, dass ich woanders eine Stelle finden könnte. – irgendwie ja Geld verdienen muss. – zwar nicht vollkommen begeistert bin, aber mich bewusst dafür entschieden habe, hier zu bleiben. – es so bequem finde. – gern hier bin. – hier den besten Arbeitsplatz der Welt habe.

Wovon ist Ihre Antwort geprägt? Ist es eine bewusste Entscheidung für diese Bibliothek, oder ist es einfacher hier zu bleiben, oder haben Sie die Befürchtung, keine Alternative zu haben? Können Sie aus vollem Herzen sagen: Ja, ich will hier arbeiten? Wollen Sie unbedingt hier weg? Oder ist es prinzipiell OK, es gibt aber Dinge, die Sie gerne anders haben würden, um rundum gut arbeiten zu können? Falls Sie gerne etwas ändern möchten, können Sie sich nun an Ihre Planung machen. Hören Sie auf, alles hinzunehmen, was Ihnen missfällt und beginnen sie, den Wandel in Ihrer Bibliothek anzuführen. Haben Sie Hemmungen, dort Veränderungen anzustoßen? Fällt es Ihnen schwer, aus einer bislang möglicherweise passiven Rolle auszusteigen und selbst das Heft des Handelns in die Hand zu nehmen? Möglicherweise könnten Sie Ihre Autonomie noch stärken. Sie fühlen sich eventuell in der Beziehung zur Bibliothek eher „ausgeliefert“ und abhängig und haben nicht das Gefühl, etwas bewirken zu können? Dann könnte auch ein Skriptverhalten dahinter stecken. Wie autonom Sie sich fühlen, hat sicherlich auch mit Ihrem Selbstbewusstsein zu tun. Dieses hat im Laufe Ihrer Berufsjahre eventuell unter ungünstigen Umständen etc. gelitten und dadurch dazu geführt, dass Sie sich überangepasst verhalten. Was kann ich tun, um mein Selbstwertgefühl zu stärken? Wenn Sie in einem Erwachsenen-Ich-Zustand sind, dann haben Sie die Wahl! Dann können Sie frei und bewusst entscheiden. Sie selbst entscheiden, wo Sie arbeiten, ob Sie gehen oder ob Sie bleiben. Falls Sie sich Ihrer Bibliothek ausgeliefert fühlen und keine andere Möglichkeit sehen, als dort weiter so zu verharren, ist es vermutlich an der Zeit, bewusst Ihre Autonomie zu stärken, indem Sie Ihren Marktwert erhöhen. Möglicherweise denken oder wissen Sie, dass Ihr „Marktwert“ derzeit nicht so hoch ist und dies erschwert Ihnen eine eventuell sinnvolle Suche nach einer anderen Arbeitsstelle. Hier könnte es helfen, sich folgende Fragen zu stellen: –– Welchen Marktwert habe ich (realistisch betrachtet)? –– Was könnte ich tun, um meinen Marktwert zu testen (Bewerbung schreiben, das Gespräch suchen, …)? –– Was könnte ich tun, um meinen Marktwert zu steigern (siehe dazu auch Kapitel 10)? Ist für Sie die Entscheidung gefallen, zu bleiben oder zu gehen? Wie könnte Ihr weiterer Weg aussehen? Dies soll kein Plädoyer darstellen, dass Sie kündigen. Es ist vielmehr wertvoll, sich über die eigenen Wünsche und den Arbeitsplatz bewusst zu sein. Sie dürfen gerne dort weiterarbeiten, solange Sie sich bewusst dafür entscheiden.





– – – –

– –

Auf der Suche nach Sinn und Erfüllung: Habe ich den richtigen Arbeitsplatz?  

Der Umgang und die Kommunikation mit Menschen ist ein zentraler Inhalt von Führung. Um diese gut gestalten zu können, ist es wichtig, dass Sie sich über Ihr Menschenbild bewusst sind. Denn Ihr Menschenbild prägt Ihr Verhalten. Menschenkenntnis, die bei Ihnen selbst anfängt, ist elementar für gute Führung. Persönlichkeitstypologien können einen Ausgangspunkt für die Reflektion über sich selbst darstellen. Wenn Sie zu sich stehen und so handeln, wie Sie sind, gehen Sie „automatischer“ und viel natürlicher in Führung. Ihr Menschenbild und erlernte Verhaltensweisen können Ihre Führungsfähigkeit und Ihr gesamtes Verhalten trüben. Ein erster, wichtiger Schritt ist bereits getan, wenn Sie dies erkennen und reflektieren. Herauszufinden, was Ihnen liegt und gut tut, kann Ihre Arbeit spielerischer machen. Sind Sie Herrin Ihres Lebens oder von anderen beherrscht? Sie sollten prüfen, ob Sie Ihre Autonomie stärken sollten!

Weiterführende Literaturtipps

Für eine praxisnahe Einführung in die Transaktionsanalyse: Hagehülsmann, Ute; Hagehülsmann, Heinrich; Der Mensch im Spannungsfeld seiner Organisation: Transaktionsanalyse in Managementtraining, Coaching, Team- und Personalentwicklung; Junfermann, Paderborn, 3. Auflage, 2007 Für einen intensiven Überblick über die Transaktionsanalyse: Stewart, Ian; Joines, Vann; Die Transaktionsanalyse – Eine Einführung; Herder, Freiburg, 1990/2010 Zum Thema „Passivität“ u.a.: Gührs, Manfred; Nowak, Claus; Das konstruktive Gespräch – Ein Leitfaden für Beratung, Unterricht und Mitarbeiterführung mit Konzepten der Transaktionsanalyse; Limmer, Meezen, 6. Auflage, 2006, S. 181 ff. Eine schöne Managementfibel, in der auch implizit das Menschenbild ein Thema ist: Lundin, Stephen C.; Nelson, Bob; Ubuntu – An Inspiring Story About an African Tradition of Teamwork and Collaboration; Broadway Books, New York, 2010 Zur vertieften Beschäftigung mit der eigenen Persönlichkeit: Riso, Don Richard; Hudson, Ross; Die Weisheit des Enneagramms – Entdecken Sie Ihren inneren Reichtum; Goldmann, München, 2000

Tipps zum Mitnehmen aus dem Kapitel

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4  So geht es mir gut, und ich kann erfolgreich arbeiten Richtig gut sind Sie, wenn Sie mit Freude statt verbissen arbeiten, wenn Sie Leben und Arbeiten integrieren und wenn Sie Gefühle und Denken zusammenbringen. So sind Sie gut drauf und können zu guten Entscheidungen kommen. Das ist der Grundstein für zufriedenes Leben und erfolgreiches Arbeiten.

4.1 Mit Freude zum Erfolg Voller Freude arbeiten? Ist das nicht eine Utopie? Ist Arbeit nicht ein anstrengender täglicher Kampf, der nicht unbedingt Spaß bringt? Wie soll ich bei all dem Stress voller Freude arbeiten und Erfolg haben?

4.1.1 Wie gehe ich mit Stress um? In einem gewissen Maße ist Stress natürlich und unschädlich. Man spricht sogar von „positivem Stress“, dem Eustress. Unter Eustress sind wir zwar auch gefordert durch unsere Arbeit, Lebenssituation oder was auch immer, aber wir können damit gut umgehen. Wir haben den Stress „im Griff“ und nicht er uns. Wir fühlen uns lebendig und auf angenehme Weise herausgefordert. Befinden wir uns allerdings auf Dauer im Eustress und vergessen darüber andere Lebensbereiche, vergessen, Pausen einzuplanen und überhaupt Zeiten zum Regenerieren, kann auch Eustress zu Disstress werden. Diesen „negativen“, unsere Gesundheit gefährdenden Disstress sollten wir vermeiden bzw. zu minimieren versuchen. Manche Situationen scheinen automatisch Disstress mit sich zu bringen, wie z. B. ein schwerwiegender Arbeitskonflikt. Aber in diesen Fällen können Sie durch einen guten und bewussten Umgang mit sich selbst dafür sorgen, dass der Stress Sie nicht automatisch krank macht. Warum ist Stress schlecht? Im Disstress sinkt Ihre Leistungsfähigkeit, Ihre Kreativität, ja sogar Ihre Fähigkeit, die Realität realistisch einzuschätzen, ist eingeschränkt, mit der Gefahr verheerender Fehlentscheidungen. Denn Stress führt zu schlechteren Entscheidungen. Unter dem Einfluss von Disstress fallen Entscheidungen anders aus: Zeitmangel und fehlende Informationen führen dazu, dass –– Probleme nicht in ihrer Komplexität erfasst werden und –– versucht wird, sie nach dem Muster bereits gelöster Probleme zu lösen. Zitat: „Die Bedeutung des Entspanntseins für geistige Prozesse wird völlig verkannt, und unser modernes Leben mit hohem Leistungs- und damit Zeitdruck führt uns genau in die falsche Richtung.“ (Mehlhorn 2010, S. 293ff)

Je stärker der Zeitdruck ist, umso mehr verschärft sich dieses Problem (vgl. FörsterTrallo 02/2012, S. 60–62). Disstress ist nicht nur für Sie als Person ein Problem, sondern auch für die Menschen in Ihrem Umfeld und die Organisation, in der Sie tätig sind. Andere Menschen spüren, wenn Sie gestresst sind, zum Beispiel, wenn Sie sehr schnell genervt reagieren, sich keine Zeit für ein paar persönliche Worte nehmen oder krankheitsbedingt ausfallen. In der Summe werden Sie dann nicht mehr so viel leisten (obwohl Sie selbst glauben, viel zu leisten) oder schlechte Entscheidungen treffen.



Mit Freude zum Erfolg  

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Kennen Sie den Gedanken „Aber, ich arbeite doch so viel, um viel für meine Bibliothek zu leisten?“ Achtung: Dass Sie viel arbeiten, heißt nicht automatisch, dass Sie viel erreichen. Im Gegenteil! Möglicherweise leisten Sie weniger oder verursachen durch Fehlentscheidungen hohe Kosten oder mehr Arbeit für andere. Da wir in einem gestressten Zustand wenig reflektieren, kann es sein, dass wir unnötige Arbeiten ausführen oder zusätzliche Arbeiten an uns „reißen“. Außerdem verbreiten wir möglicherweise ein unangenehmes Klima in unserem Umfeld. Der Stress breitet sich aus wie ein Virus, gegen den nur wenige immun zu sein scheinen. Die Rechnung mehr arbeiten gleich mehr Output stimmt also nicht. Wir verschwenden möglicherweise viele Ressourcen. Vor allem unsere körperlichen und seelischen. Noch dazu ist es in der Regel ein mühevolles und wenig lustvolles Arbeiten. Es bringt irgendwann keinen Spaß mehr! Auch wenn wir das vielleicht das Gefühl haben, viel zu schaffen, wahnsinnig wichtig und fleißig zu sein: Auf Dauer ist das eine Illusion! Und fahrlässig! Auch eine Batterie muss wieder aufgeladen werden – oder ist irgendwann leer. Es ist Ihre Verantwortung, für das Aufladen zu sorgen! Fallbeispiel: Frau G., die Leiterin der Stadtbibliothek, hat ständig zu viel zu tun. Ihre Einstellung dazu: „Stress? Finde ich vollkommen normal. Ich hab’ halt zu viel zu tun. Da kann man nichts machen. Nächstes Jahr wird’s vielleicht weniger. Mal schauen.“

Beispiel:

Das Fallbeispiel zeigt, dass sich Frau G. in einem passiven Verhalten befindet. Sie nimmt den Stress als von außen gegeben hin und leugnet damit ihre eigene Gestaltungsfähigkeit der Situation. So, als wäre es ihr unabänderliches Schicksal, gestresst zu sein. „Ist halt so.“ Kennen Sie es von sich, dass Sie Ihrer Vorgesetzten, der Situation in Ihrer Bibliothek, Ihren Kolleginnen und Kollegen, die Schuld an Ihrem Stress geben? Die anderen sind schuld. Und Sie können nichts dafür? Welchen Anteil haben Sie möglicherweise selbst daran? Nehmen Sie es z. B. klaglos hin, wenn andere Sie mit Aufgaben überschütten? Halten Sie Ihre Situation für unabänderlich? Welche Möglichkeit hätte Frau G., welche haben Sie, einen anderen Umgang mit stressigen Situationen zu finden? Als erstes ist es wichtig, Ihre Situation, Ihren Anteil daran bzw. Ihre Gestaltungsmöglichkeiten zu analysieren. 1.

Nehmen Sie Ihre Arbeitssituation genau wahr. Spüren Sie hinein.

Selbsttest: Analyse meiner Arbeitssituation als Grundlage für einen besseren Umgang mit Stress

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 So geht es mir gut, und ich kann erfolgreich arbeiten

2. Was an Ihrer Arbeit empfinden Sie als stressig? Welche Faktoren, Menschen, Konflikte, … tragen dazu bei?

3.

Was an dieser Situation ist gegeben? Was ist unabänderlich?

4.

Warum ist es unabänderlich?



Mit Freude zum Erfolg  

5. Ist es wirklich unabänderlich? Können Sie wirklich nichts daran ändern oder andere darum bitten?

6.

Was können Sie ändern?

7.

Was werden Sie ändern?

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 So geht es mir gut, und ich kann erfolgreich arbeiten

Stress ist in gewissem Umfang zwar noch normal, aber wie kann ich beurteilen, ob ich zu viel Stress habe? Ist es bereits bedenklich, wenn ich keine Zeit für Freunde, keine Zeit für Pausen oder zu wenig Schlaf über längere Zeit habe? Wann ist der Punkt überschritten an dem Eustress zu Disstress wird?

Checkliste: Merkmale von Stress

– – – – – – – – – – – – – –

Sind Sie leicht reizbar? Fühlt Ihr Körper sich stark verspannt an? Wie fühlt sich Ihr Atem an? Fließt er richtig? Fallen Ihnen öfter Wörter nicht ein oder sind Sie zerstreut? Drehen sich Ihre Gedanken oft um einzelne Probleme, nehmen Sie die Welt um sich herum oder die Bedürfnisse anderer nicht so stark wahr? Spüren Sie oft Ungeduld? Setzen Sie andere und sich selbst unter starken Druck? Ziehen Sie sich aus Beziehungen zu anderen Menschen zurück? Haben Sie starke Stimmungsschwankungen? Nehmen Sie andere oft als unfähig wahr? Verhalten Sie sich ungeschickt, sind Sie anfällig für Unfälle? Verhalten Sie sich anderen Menschen gegenüber taktlos? Unterlaufen Ihnen schwerwiegende Fehler? Haben Sie körperliche Probleme wie Schlafprobleme, Herzschmerzen, Magen-Darm-Probleme?

Auswertung: Haben Sie mindestens eine dieser Fragen mit „ja“ beantwortet, so haben Sie wahrscheinlich zu viel Stress. Die Fragen beschreiben eine Auswahl möglicher Warnsignale, die auf zu viel Stress hindeuten könnten. Je weiter unten in der Liste Sie Fragen bejahen, umso schwerwiegender ist der Schweregrad Ihres Stresses wahrscheinlich.

Tipp:

Weitere Signale für Disstress und eine genauere Abstufung des Schweregrades finden sich in Schneider 2013, S. 149 ff.

Hat der Test bei Ihnen einen zu hohen Stresslevel ergeben? Werden Sie aktiv. Nehmen Sie die Alarmsignale ernst. Es ist Ihr Leben! Schützen Sie sich. Hören Sie auf Ihren Körper. Stress kann ernsthaft krank machen! Dieser Test liefert lediglich erste Anhaltspunkte. Eventuell sollten Sie sich eine professionelle Begleitung suchen. Gerade als Führungskraft sollten Sie sich sowieso immer wieder fragen: Wie kann ich selbst so gut drauf sein, dass ich zum Erfolg meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beitrage, dass ich nicht Probleme schaffe, sondern für sie aus dem Weg räume, so dass sie erfolgreich sein können? Es fängt damit an, dass es Ihnen selbst gut geht.

4.1.2 Wie kann ich einen guten Umgang mit Stress finden? Für einen gesunden Umgang mit Stress ist es im ersten Schritt hilfreich, Stress als etwas Natürliches zu betrachten. Stress wird immer wieder auftauchen und wird sich nie vollkommen vermeiden lassen, auch wenn Sie durchaus Einfluss darauf haben, wie viel Stress Sie haben. D.h. Sie müssen die Hoffnung aufgeben, dass Sie irgendwann einmal gar keinen Stress mehr haben werden. Dann können Sie der Realität ins Auge blicken, dass es immer wieder Stress auslösende Momente geben wird und einen realistischen Umgang damit finden. Die Hoffnung auf ein dauerhaft stressfreies Leben gilt es also zunächst zu beerdigen.



1. 2. 3. 4. 5.

Mit Freude zum Erfolg  

Stress als etwas Natürliches akzeptieren. Sie können sich dann darauf einstellen und dadurch einen guten Umgang damit finden. Negativen Stress möglichst vermeiden. Erkennen, dass Sie an oder über eigene (körperliche) Grenzen gegangen sind und aktiv für eine Wiedererrichtung Ihrer Grenzen sorgen. Ihre Grundbedürfnisse beachten. Allen Lebensbereichen Bedeutung zumessen.

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Checkliste: Wie kann ich mit Stress umgehen?

Es liegt an Ihnen, einen guten Umgang mit Stress zu finden. Es ist eine Daueraufgabe, Disstress aus dem Weg zu räumen. Dazu kann auch gehören, dass Sie beispielsweise Konflikte lösen, die Ihnen sonst viel Energie rauben. Auf der einen Seite sollten Sie Disstress so weit wie möglich vermeiden bzw. reduzieren. Auf der anderen Seite sollten Sie schauen, was sie sich Gutes tun können, um dem Stress gewachsen zu sein und nicht aus dem Gleichgewicht zu geraten. Diese Waage immer wieder auszutarieren, ist das Ziel. – – – –

Pausen machen. Wahrnehmen. Sich, Ihren Körper, Ihre Gefühle spüren. Ihre Grundbedürfnisse beachten. Allen Lebensbereichen ausreichend Raum geben. Sie sind ebenso wichtig wie Ihre Arbeit.

Checkliste: Rechtzeitig verhindern, dass die Stresswaage kippt

Ausgeruht und reflektiert, mit vielen Pausen, erreichen Sie viel mehr! Haben Sie Ihre Balance bereits verloren? Was können Sie tun, wenn die Situation gekippt ist und Sie zu viel Stress empfinden? – Atmen. – Rausgehen, einen Spaziergang machen. – Bei Konflikten den Raum verlassen. – Spielen, z. B. mit Ihren Kindern, Freunden oder alleine. – Einen Ort aufsuchen, der Ihnen gut tut. – Sich in ein Café setzen, wo Sie sich wohlfühlen, und in Ruhe einen Kaffee trinken. – Sauna, Wellness. – Sport machen. – Bewusst etwas Schönes betrachten, z. B. Blumen, eine Kunstausstellung oder Mode.

4.1.3 Wie kann ich meine Freude und Leistungsfähigkeit erhalten? Zu einem bedeutenden Teil können Sie beeinflussen, wie es Ihnen geht und dieser Teil liegt in Ihrer Verantwortung. Sie können nicht von anderen erwarten, dass sie immer dafür sorgen, dass es Ihnen gut geht. Da Sie selbst Ihr wichtigstes Führungsinstrument sind, müssen Sie in sich und Ihre Leistungsfähigkeit gut investieren, sie immer im Blick haben und stärken. Sie können nicht andere ausschließlich dafür verantwortlich machen, wenn es Ihnen schlecht geht. Sie sind erwachsen und im Großen und Ganzen selbst für Ihr Leben verantwortlich. Für sich selbst gut zu sorgen ist gerade als Führungskraft Ihre Verantwortung. Schließlich ist nichts damit gewonnen, wenn Sie gestresst sind und dadurch Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unter Druck setzen. Sie dürfen auch nicht dazu beitragen, dass sie unter Stress geraten und womöglich ein Burnout bekommen. Vielmehr haben Sie sogar eine Vorsorgepflicht, müssen ihre Leistungsfähigkeit erhalten und sie nicht „runterwirtschaften“. In diesem Zusammenhang sind Sie auch ein Vorbild,

Tipps: Sofortabhilfe bei Stress, auch für Kreativität und Entspannung

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indem Sie gut für sich sorgen, einen guten Umgang mit Stress vorleben, krankmachendes Verhalten bei sich abstellen. Das gilt auch, wenn Sie eine informelle Führungsfunktion übernehmen. Denn auch dann orientieren sich andere an Ihnen. Wenn Sie eine informelle Führungsrolle haben möchten, ist es auch aus einem anderen Grund wichtig, dass es Ihnen gut geht. Denn wer sollte Ihnen folgen wollen, wenn Sie nicht persönlich überzeugen? Gehören Sie zu den Menschen, die Ihre Arbeit lieben? Geben Sie alles für Ihre Arbeit und haben Sie Angst vor den Konsequenzen, wenn Sie weniger „leisten“? Gerade dann: Wenn Sie dauerhaft leistungsfähig bleiben wollen und etwas Sinnvolles leisten möchten, dürfen Sie nicht ausschließlich für Ihre Arbeit leben. Investieren Sie in Ihre Leistungsfähigkeit, indem Sie andere Lebensbereiche aktiv mit Leben füllen. Ihre Leistungsfähigkeit ist wie eine Blume, die gehegt und gepflegt werden will. Dies drückt Schneider mit dem Bild der Lebensblume aus, deren Blütenblätter die verschiedenen Lebensbereiche symbolisieren, die dafür geachtet werden müssen. (Schneider 2013, S. 18) Sie können sich Ihre Leistungsfähigkeit auch wie einen „Dauerlauf“ vorstellen, der gut bewältigt werden kann, wenn immer wieder an den verschiedenen Verpflegungsstationen unterwegs Kraft aufgetankt wird. Nur wenn alle Stationen, die für die verschiedenen Lebensbereiche stehen, dabei integriert werden, ist ein erfülltes Leben möglich und man kommt gut ins Ziel. Der Dauerlauf mit den Zwischenstopps kann für die Gestaltung eines Tages, einer Woche oder eines Monats berücksichtigt werden. Alle Zwischenstopps sind wichtig!

Körper

Kinder

Beruf

Alleinsein

Haushalt Spiritualität

Start Start

Familie

Freunde

Ziel Ziel Paar

Abb. 6: Leistungsfähigkeit erhalten im Dauerlauf des Lebens

Gesellschaft

Hobby



Fallbeispiel: Frau G., die sich als Leiterin einer Stadtbibliothek immer ohnmächtiger, gestresster fühlte, war vollkommen übernächtigt und hatte ihren Körper vernachlässigt. Freundinnen traf sie kaum noch. Sie hatte keine Kinder und keinen Partner. Für die Pflege anderer familiärer Beziehungen fehlte ihr die Kraft. Ihre Wohnung war lieblos gestaltet und wirkte schon seit einiger Zeit nicht mehr richtig gepflegt. Für Hobbies nahm sie sich schon seit einer Weile keine Zeit mehr.

Das Privatleben von Frau G. war verkümmert und keine Kraftquelle für sie. Es existierte faktisch nicht. Wo sollte sie neue Kraft auftanken? Frau G. hatte gleich mehrere Lebensbereiche vernachlässigt. Wie sieht es bei Ihnen aus? Gibt es bei Ihnen Lebensbereiche, die mehr Aufmerksamkeit bekommen sollten? Die Verpflegungsstationen des Laufes bilden die verschiedenen Lebensbereiche ab, die wichtig für das Wohlbefinden eines Menschen sind. Sie alle verlangen nach Aufmerksamkeit. Wird einer oder werden mehrere dieser Bereiche vernachlässigt, so kann es Ihnen auf Dauer nicht gut gehen und Sie haben nicht genügend Energie. Sie brauchen Zeit für: –– Körper: Die Grundbedürfnisse Ihres Körpers wie gute Ernährung, ausreichend Schlaf, Pausen und Bewegung. –– Hobby: Zeiten, in denen Sie ungestört Ihren Hobbys nachgehen können. –– Beruf: Der Beruf ist nur einer von vielen Lebensbereichen. Zu ihm gehört auch die berufliche Weiterbildung. –– Alleinsein: Es gibt ein menschliches Grundbedürfnis, alleine zu sein. Wir alle brauchen diese Zeiten, in denen wir einfach einmal unsere Seele baumeln lassen können, in denen keiner etwas von uns möchte. –– Haushalt: Unseren Haushalt in Schuss zu halten, zu pflegen und wohnlich zu gestalten ist ebenfalls ein berechtigter Lebensbereich. –– Paarbeziehung: Zeiten, in denen die Paarbeziehung im Vordergrund steht und nicht durch den Haushalt, Kinder, Familie oder Freunde zu kurz kommt, sind sehr wichtig, um sie am Leben zu erhalten. –– Kinder: Für unsere Kinder ebenso wie für uns sind diese Zeiten, die wir gerne und ohne andere Verpflichtungen miteinander verbringen, Gold wert. –– Familie: Auch der Familie insgesamt spezielle Zeiten einzuräumen ist wichtig. –– Freunde: Die Pflege freundschaftlicher Beziehungen ist eine große Bereicherung für unser Leben und kann unsere familiären Beziehungen und die Paarbeziehung von der Überfrachtung mit Erwartungen entlasten. –– Gesellschaft: Zeiten, in denen wir aktiv etwas zur Gesellschaft beitragen, wobei wir aufpassen müssen, dann z. B. nicht zwischen Ehrenämtern aufgerieben zu werden. –– Spiritualität: Wir haben das Bedürfnis, uns mit Fragen der menschlichen Existenz und des Glaubens zu beschäftigen, uns in die Natur und ins große Ganze eingebunden zu fühlen (vgl. Schneider 2013, S. 17 ff.). Gelingt es Ihnen, alle Lebensbereiche mit Leben zu füllen, so haben Sie gute Voraussetzungen dafür, ein erfülltes und stressarmes Leben zu führen. Das kommt jedoch nicht von alleine. Sie müssen aktiv werden. Sie müssen Ihr Leben in die Hand nehmen. Da Ihr Leben vermutlich nicht von alleine von heute auf morgen von weniger Anforderungen und Belastungen geprägt sein wird, brauchen Sie die Fähigkeit, sich abzugrenzen, um Ihren Lebensbereichen genug Zeit zu widmen: Eine Grenze ziehen zu

Mit Freude zum Erfolg  

Beispiel:

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können und zu sagen: „Bis hier hin und nicht weiter.“ Alles, was weiter gehen würde, würde Ihre Leistungsfähigkeit arg in Mitleidenschaft ziehen. Wenn Sie es nicht schaffen, diesen Schlussstrich zu ziehen, wird es höchstwahrscheinlich nicht klappen, dass alle Ihre Lebensbereiche zur Geltung kommen. Denn jemand anderes wird dies nicht für Sie tun und es wird immer so viele andere Dinge geben, die nur Sie machen können und die Sie unbedingt jetzt gerade, „noch mal schnell“ erledigen müssen. Sie werden dann wohl nie Zeit haben, etwas Schönes zu unternehmen, für Ihren Körper wohltuenden Sport zu treiben, Freunde in einem Café zu treffen oder bei einem Spaziergang Sonnenstrahlen, frische Luft und Vogelgezwitscher zu genießen. Dann wird es wohl wieder nichts damit, Ihren anderen Lebensbereichen genügend Geltung zu verschaffen. Lebensfreude und Leistungsfähigkeit leiden auf Dauer unter dieser Nichtbeachtung.

4.1.4 Wie ziehe ich gesunde Grenzen? Um Ihren bislang ungenügend beachteten Lebensbereichen mehr Raum zu geben, ist es sinnvoll, sich zunächst abgrenzen zu lernen. Zum Abgrenzen gehört: Sich nicht für alles verantwortlich fühlen, was in der Welt geschieht. Sie können sich noch so sehr engagieren, noch so viel leisten: Es liegt nicht in Ihrer Macht, alles zu erreichen. Und Sie müssen manchmal einen Schlussstrich ziehen, auch im Interesse Ihrer Bibliothek. Denn auch sie hätte nichts davon, wenn Sie eines Tages zusammenbrechen! Fallbeispiel:

Beispiel:

„Oh, Sabine, wie gut, dass du gerade jetzt kommst, “ wurde Sabine S. von ihrer Kollegin Hanne begrüßt. „Weißt du, ich habe hier gerade so ein Problem mit diesem Datensatz. Ich weiß überhaupt nicht, wie das funktioniert. Hast du dir das bei der Fortbildung gemerkt?“ „Ja, Hanne, das war so, …“ setzte Sabine S. zu einer Erklärung an. „Ach, wie gut du wieder aufgepasst hast! Du hast so ein gutes Gedächtnis! Weißt Du, Sabine, eigentlich habe ich das bei der Fortbildung alles nicht so richtig verstanden. Ich weiß gar nicht, ob die Titelaufnahmen, die ich heute schon alle gemacht habe, richtig sind. Ich befürchte, dass da ziemlich viele Fehler drin sind. Wenn Carola das sieht: … Oh je, … wahrscheinlich pfeift sie mich wieder zusammen.“ Sabine S. sah sie mitleidig an. „Soll ich vielleicht noch mal einen Blick drauf werfen?“ „Oh ja, das wäre toll!“ rief Hanne begeistert. „Ich gebe Dir gleich mal die Datensatznummern. Es müssten so ca. 50 Stück gewesen sein. Wenn du sie alle korrigierst, ist das toll. Danke!“ Mit reichlich neuer Arbeit beladen, stiefelte Sabine S. zurück in ihr Büro. So hatte sie sich das nicht vorgestellt. Sie hatte eigentlich nur ein paar nette Worte wechseln wollen und danach den Stapel abarbeiten wollen, der sich gestern, an ihrem freien Tag, bei ihr angesammelt hatte. Wahrscheinlich würde sie dann heute Abend noch eine Stunde länger dranhängen müssen. Tja, das war es dann wohl mit ihrem Plan, heute Abend noch zum Aerobic zu gehen.

Das Fallbeispiel macht deutlich: Sabine S. konnte sich nicht von den Erwartungen ihrer Kollegin Hanne abgrenzen. Quasi automatisch hat sie deren Arbeitsaufgabe übernommen, auch wenn sie dafür überhaupt nicht zuständig ist. Vorteile hat sie dadurch keine, abgesehen von Hannes Wohlwollen. Im Gegenteil: Ihr Privatleben und ihre Gesundheit leiden darunter. Statt sich so zu verhalten, hätte sie besser erst einmal einen Moment innehalten und hinterfragen sollen, warum sie diese Aufgabe auf sich nehmen sollte.



Mit Freude zum Erfolg  

Einige Fragen können Sie dabei unterstützen, sich nicht fremde Aufgaben aufladen zu lassen. 1. 2. 3. 4.

Warum sollten Sie diese Aufgabe übernehmen? Ist das Ihr Aufgabengebiet? Sind Sie dafür zuständig? Falls nein: Möchten Sie diese Aufgabe übernehmen? Falls ja: Können Sie diese Aufgabe übernehmen? – Ist es Ihnen zeitlich überhaupt möglich? – Ist es Ihnen überhaupt möglich, ohne dass Ihre eigene Arbeit bzw. andere Lebensbereiche darunter leiden und es mit mehr Stress verbunden wäre?

Fallen eine oder mehrere Ihrer Antworten negativ aus? Eignen sich diese als Begründung für Ihre Absage?

Alleine durch ein kurzes Innehalten und Reflektieren hätte Sabine S. vermeiden können, in ein automatisches Verhaltensmuster zu rutschen. Vielleicht hätte es für sie einen inneren Kampf bedeutet, aber wenn sie nach ihren Überlegungen zu dem Schluss gekommen wäre, dass die Aufgabe von Hanne „nicht ihr Bier“ war, hätte sie sich wahrscheinlich insgesamt gut damit gefühlt, sie abzulehnen. Anfangs mag es sich eventuell merkwürdig, „böse“, „egoistisch“ oder wie auch immer anfühlen, wenn Sie es gewöhnt waren, schnell anderer Leute Aufgaben zu übernehmen. Diese Gefühle sind vollkommen normal, da sie etwas verändern und aus einem bekannten Verhaltensmuster ausbrechen. Sie werden sich mit der Zeit daran gewöhnen und es lohnt sich, die zunächst unangenehmen Gefühle, die mit dieser Veränderung – wie jeder anderen – verbunden sind, in Kauf zu nehmen. Denn es ist ein „gesunder Egoismus“, der bewirkt, dass Sie Ihre Kräfte schonen und sich nicht für andere verausgaben. In dem Fallbeispiel finden wir eine symbiotische Beziehung zwischen Sabine S. und Hanne vor. Hanne verhält sich wie ein hilfloses Kind, das hilfesuchend zu einem höher stehenden, „allmächtigen“ Erwachsenen aufschaut. Sie macht sich selbst klein und zementiert ihre vermeintliche Unfähigkeit. Sabine S. ihrerseits besetzt zunächst den Erwachsenen-Ich-Zustand, gerät dann aber allzu leicht in eine elterliche Position und hilft als „fürsorgliche Mutter“ dem hilflos wirkenden „Kind“. Was wir nicht wissen: Zwischen den beiden spielen sich Szenen, wie die im Fallbeispiel, regelmäßig ab. Beide besetzen dann stets dieselben präferierten Ich-Zustände. Was auffällt: In ihren Interaktionen sind die beiden nie mit sämtlichen Ich-Zuständen präsent. Während Hanne die kindliche Position einnimmt, ist Sabine S.’s Part mit schöner Regelmäßigkeit der des Erwachsenen- und Eltern-Ichs. Nur beide gemeinsam besetzen also die drei Ich-Zustände, die eine Person ausmachen, den Erwachsenen-Ich-Zustand, den Kind-Ich-Zustand und den Eltern-Ich-Zustand. Nur durch ihre Verschmelzung werden sie „vollständig“. Die Kehrseite davon? Es entsteht eine gewisse Abhängigkeit. Beide sind unfrei und können nicht recht definieren, wo die eigene Person beginnt und wo sie endet. Die Folge: Eine gesunde Abgrenzung kann nicht stattfinden. Eine weitere Folge: Insbesondere für die Person im Kind-Ich-Zustand ist es schwierig, sich so weiterzuentwickeln und ihre Hilflosigkeit zu beenden. Zu verlockend kann es sein, in dieser „hilflosen“ Position zu verharren, zumindest so lange sich „eine Dumme“ findet, die dann die Arbeit für einen macht. Langfristig ist es besser, aus einer symbiotischen, kindlichen Haltung herauszufinden, auch wenn zunächst Enttäuschung aufbrechen mag, wenn jemand das „süße Gift“ der Unterstützung verweigert. Für die Person, die sich so bislang immer zusätzliche Aufgaben „angelacht“ hat, mag es verlockender sein, die Symbiose aufzubrechen, geht es doch darum, sich selbst zu schützen und mit den eigenen Kräften besser zu haushalten. Andererseits verliert sie dann auch das schmeichelhafte Gefühl, gebraucht zu werden. Um diesen Schritt zu gehen, muss sie sich als erstes der Situation bewusst sein, dann ihre eigenen Grenzen definieren und sie im nächsten Schritt kommunikativ errichten.

Checkliste: Mich wirksam von fremden Aufgaben abgrenzen

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EL ER KI

Symbiose

EL

EL

ER

ER

ER

KI

KI

KI

EL

Gesunde, „erwachsene“ Begegnung

Abb. 7: Personen verschmelzen in der Symbiose oder begegnen sich als Erwachsene auf Augenhöhe

1.

Checkliste: Wie erkenne ich eine symbiotische Beziehung?

2. 3.

4.

Haben Sie das Gefühl, dass irgendetwas nicht stimmt? Werden Sie möglicherweise ausgenutzt oder übervorteilt? Haben Sie den Eindruck, dass hier etwas zu Lasten Ihrer Kräfte läuft? Haben Sie das Gefühl, dass jemand zu weit geht und übergriffig wird auf Ihren Freiraum? In welchem Ich-Zustand sind Sie? In welchem Ich-Zustand ist die andere Person? Besetzen Sie beide immer wieder die gleichen Ich-Zustände, eine von Ihnen typischerweise den Kind-Ich-Zustand, die andere den Eltern-Ich-Zustand? – Ersucht eine Person die andere, direkt oder indirekt um Hilfe? – Vermittelt eine Person das Gefühl von Überlegenheit? Was würde passieren, wenn Sie anders reagieren würden, als Sie es bislang gewöhnt sind? Hätte dies eine (massive) Irritation der anderen Person zur Folge?

Wenn ja, spricht einiges dafür, dass Sie sich in einer symbiotischen Beziehung befinden.

In einer von Abhängigkeit geprägten Beziehung fühlen Sie sich eventuell gefangen. Warum lassen Sie es zu, dass Ihnen jemand Ihren Freiraum raubt? Möchten Sie etwas an der Situation ändern? Möchten Sie sich stärker als bislang von anderen Personen abgrenzen? Wie kann dies gehen, ohne andere vor den Kopf zu stoßen und sich selbst damit auszugrenzen?

Checkliste: Meine Grenzen kommunizieren, ohne andere zu verletzen

1. Sich der Situation bewusst sein. 2. Sich der Endlichkeit Ihrer Kräfte bewusst werden. Ihre Kräfte realistisch einzuschätzen lernen und selbst akzeptieren, dass Sie niemals alles schaffen können; Sie also Prioritäten setzen müssen. 3. Ihre eigenen Grenzen definieren: So weit und nicht weiter! „Das und das geht mir zu weit!“ Hier kommt es auf Ihr eigenes Empfinden an! 4. Sich klar machen, dass Ihr Gegenüber nur so viel Einfluss auf Sie hat, wie Sie ihm zugestehen. Dass Sie andererseits auf sie oder ihn auch nur so viel Einfluss haben, wie sie bzw. er Ihnen gibt. 5. Dann erst die Grenzen kommunizieren. Dafür: 6. Sicherstellen, dass Sie im Erwachsenen-Ich-Zustand sind. 7. Konstruktives Feedback geben, indem Sie aus Ihrer Sicht argumentieren (und eventuell mit dem Nutzen, den andere davon haben, wenn es Ihnen gut geht. – z. B. gute Arbeitsbeziehung zwischen Ihnen.) 8. Ihre Grenzen durchsetzen. Manchmal müssen Sie sich energisch abgrenzen und Ihre Grenzen entschieden verteidigen, weil manche Mitmenschen leicht übergriffig werden und Ihnen sonst Ihren Freiraum streitig machen. Eine Möglichkeit ist z. B., sich nicht auf lange Diskussionen einzulassen, sondern kurz und knapp reagieren, den eigenen Standpunkt verdeutlichen und weiteres abzublocken. Eventuell müssen Sie dies mehrmals wiederholen. Dafür ist es wichtig, dass Sie sich eine psychische „Schutzmauer“ aufbauen – diese möglicherweise auch räumlich errichten, und dass Sie mental gut für sich sorgen.



Möglicherweise geht es nicht immer ohne Verletzungen, aber Sie haben dann Ihren Teil für eine gute Beziehung getan, und es liegt bei den anderen Personen, wie sie mit Ihren Grenzen umgehen. Beim Abgrenzen geht es also darum, ein Gleichgewicht zu finden und Erwartungen anderer und Ihre Erwartungen bewusst auszutarieren. Dass damit nicht unbedingt immer alle einverstanden sind, wenn Sie sich klarer definieren und Ihre Grenzen ziehen, ist leicht verständlich. Die Erwartungen anderer sind aber erst einmal die Erwartungen anderer. Was Sie damit machen, ist Ihre Entscheidung. Es mag natürlich manchmal schwieriger sein als in anderen Fällen, diesen Erwartungen nicht zu entsprechen. Aber auch wenn jemand, der Ihnen hierarchisch übergeordnet ist, sie geäußert hat, können Sie bewusst entscheiden, ob Sie den Erwartungen entsprechen möchten oder nicht, nachdem Sie die Vor- und Nachteile der Entscheidungsoptionen abgewogen haben. Es ist also gut und gesund, wenn Sie Ihre Grenzen selbst setzen und akzeptieren. Wenn Sie sich abgrenzen können, haben Sie die Möglichkeit, alle Lebensbereiche zur Entfaltung zu bringen. Vor allem, um Ihrem Bedürfnis nach alleine sein, gerecht zu werden, ist es doppelt wichtig, dass Sie sich abgrenzen können. Alleine sein zu wollen, ist in Ordnung, und in unserer Gesellschaft ist dies oft nicht als wichtig anerkannt. Aber es ist von sehr großer Bedeutung, damit Sie sich gut fühlen, reflektiert und kreativ handeln können. Gerade dieses Grundbedürfnis ist in besonderer Gefahr, nicht beachtet zu werden, wenn Sie es nicht schaffen, sich gut abzugrenzen, insbesondere dann, wenn Sie nicht alleine leben. Aber auch gegenüber Kolleginnen und Kollegen haben Sie das Recht, alleine zu sein. Aber wer gibt mir das Recht, mich aus der Gesellschaft der anderen herauszuziehen? Bin ich nicht unhöflich und sie fassen es möglicherweise als Ablehnung auf, wenn ich mich zurückziehe oder alleine einen Spaziergang machen möchte? Wir brauchen diese Phasen der Ruhe, des Gedankenschweifenlassens, des nur für uns sein, wo niemand etwas von uns will. Zeiten, in denen wir uns nach niemandem richten müssen, sondern in unserem Tempo unterwegs sein können. Ein Spaziergang z. B., bei dem wir uns nach niemandem richten „müssen“. Es ist vollkommen in Ordnung, es so einzurichten, dass Sie Zeiten haben, in denen Sie für sich alleine sein können. Es ist keine Ablehnung der anderen Personen. Sie sorgen damit einfach dafür, dass es Ihnen gut geht. Frisch gestärkt können Sie dann aus Ihrer „Auszeit“ zurückkehren – und sich wieder auf die Gesellschaft der anderen freuen, die sonst für Sie vielleicht nur noch nervig gewesen wäre. Es bringt ja auch anderen Menschen nichts, wenn Sie aus bloßer Gewohnheit bei ihnen sind – und von ihrer Anwesenheit irgendwann genervt sind. Gelingen wird Ihnen eine gute Abgrenzung nur dann, wenn Sie nicht im Skriptverhalten sind und sich selbst wichtig nehmen. Nicht nur die Bedürfnisse anderer zählen! Ihre eigenen sind ebenso wichtig! Abgrenzung bedeutet nicht, andere vor den Kopf zu stoßen oder niemandem Hilfe zukommen zu lassen. Es geht vielmehr um ein bewusstes Entscheiden dafür oder dagegen. Wichtig ist, dass es keinen Automatismus gibt, der Sie dazu bringt, quasi automatisch sämtliche Erwartungen anderer Menschen zu erfüllen. Wichtig ist, dass Sie sich selbst entscheiden, was Sie tun können und möchten, und gleichzeitig selbst gut drauf zu sein. Echte Freunde, Leute, die selbst gut drauf sind, werden das aller Wahrscheinlichkeit nach verstehen. Die übrigen haben vielleicht selbst ein Problem. Aber Sie sind nicht für die Probleme aller Menschen der Welt zuständig. Abgrenzen bedeutet, dass Sie sich dessen bewusst sind, wer Sie sind, und dass andere Menschen i.d.R. eigenständige, erwachsene Menschen sind, die selbst gut für sich sorgen kön-

Mit Freude zum Erfolg  

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nen. Wenn sie etwas von Ihnen erwarten, können Sie entscheiden, ob Sie diesen Erwartungen gerecht werden möchten. Wenn wir und andere uns so „frei“ innerhalb von Beziehungen verhalten können, mit verschiedenem Verhalten reagieren können und nicht immer wieder die gleiche „alte Leier“ bringen, ja uns sogar in verschiedenen Rollen ein und derselben Person gegenüber unterschiedlich, aber jeweils passend, zu verhalten, so sind wir ziemlich autonome Personen. Mit den Entwicklungsstufen der Autonomie ausgedrückt sind wir dann weit in unserer Entwicklung vorangeschritten (zu den Stufen der Autonomie siehe auch Kapitel 3).

Rollenfreiheit Freiheit zu

Symbiose „Abhängigkeit“

verschiedenen Beziehungsarten

Überanpassung „Harmonie“

Sinn

Selbstbehauptung

Wechselseitige

„Vor den Kopf

Bereicherung

stoßen“

„Gegenüber“

Rebellion „Frust“

Wechselseitige Abhängigkeit

Selbständigkeit „Isolation“

Abb. 8: „Stufen der Autonomie“ [modifiziert nach Schneider 2001, S. 177]

Während die Symbiose mit der „Hingabe“ am Anfang der Beziehung verglichen werden kann, sind wir im Stadium wechselseitiger Bereicherung oder der Rollenfreiheit, der höchsten Stufe, in der Lage, unsere Beziehung zueinander in stimmiger Art und Weise zu variieren. Die Phase trotziger Selbstbehauptung, in der wir noch ziemlich unfrei waren, und die der Isolation, haben wir dann überwunden. Es geht nicht um Isolation, um selbstgewählte Ausgrenzung, sondern das Ziel ist eine gesunde Abgrenzung und damit einhergehende belastbare und freie Beziehungen. Sich gut abgrenzen zu können, verspricht also einen weiteren Gewinn: Wer es schafft, sich stimmig abzugrenzen und damit gut für sich selbst zu sorgen, tut gleichzeitig etwas für die Qualität seiner Beziehungen. Denn schaffen Sie sich diese Freiräume des Alleinseins, so können Sie andererseits auch wieder gut für die anderen Menschen da sein.



Mit Kreativität, Spaß und Leichtigkeit arbeiten  

Wie kann ich meine Grenzen kennenlernen? – Auf Ihr Gefühl hören! Wann wird es Ihnen zu viel? – Fühlen Sie sich von der Anwesenheit anderer Menschen genervt? – Sind Sie generell von der Anwesenheit anderer Menschen genervt oder nur von bestimmten Menschen? – Was nervt Sie an diesen Menschen? Wollen Sie z. B. etwas Bestimmtes von Ihnen? – Haben Sie Angst vor Einsamkeit, wenn Sie sich abgrenzen? Angst, dass keiner Sie mehr mag? – Halten Sie es mit sich alleine aus? – Wie verhalten Sie sich selbst? Welchen Ich-Zustand besetzen Sie? Zeigen Sie Skriptverhalten? Sind Sie im Erwachsenen-Ich-Zustand? – Welchen Anteil haben Sie daran, dass die andere Person sich so verhält, wie sie sich verhält? – Warum verhalten Sie sich so?

Schaffen Sie es, Ihre Grundbedürfnisse und Lebensbereiche ausreichend zu beachten, so hilft Ihnen dies zweifach: zum einen, einem Burnout vorzubeugen, und auf der anderen Seite, kreativ, leistungsfähig und mit Freude arbeiten zu können.

4.2 Mit Kreativität, Spaß und Leichtigkeit arbeiten Eine Grundvoraussetzung, damit Sie gut arbeiten können, ist, dass Sie im Erwachsenen-Ich-Zustand sind. Sie sind dann bewusst und klar, können gut für ich sorgen und merken, wenn Ihnen etwas nicht gut tut. Dann können Sie sich gut und passend abgrenzen. Gut ist es in diesem Zusammenhang auch, wenn Sie in der Lage sind, sich selbst Zuwendung und Wertschätzung zukommen zu lassen. Wie kann ich mich selbst motivieren? Mit welchen Belohnungen kann ich mir selbst den Alltag versüßen? Schreckt Sie der Gedanke ab, sich zu belohnen, obwohl Sie noch gar nichts geleistet haben? Fragen Sie sich „Habe ich eine Belohnung überhaupt verdient?“ Sind Sie möglicherweise der Ansicht, dass Sie erst perfekt sein müssten, alles geschafft haben müssten, bevor Sie sich belohnen dürfen? Nein: Sie müssen nicht alles erreicht haben. Sie dürfen sich auch hier und jetzt schon belohnen. Sich selbst etwas Gutes tun, ohne jegliche Einschränkung. Sie sind Ihre wichtigste Ressource, und die einzige. Also ist es Ihre Pflicht, dass Sie gut für sich sorgen.

Selbsttest: Meine Grenzen kennenlernen

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Checkliste: So kann ich mir den Alltag mit kleinen Belohnungen versüßen

– – – – – –

Regelmäßige Zeiten für Sport im Kalender reservieren. Einen Abendspaziergang einplanen. Etwas Leckeres zu essen kochen. Morgens vor der Arbeit einen Kaffee trinken gehen. Seinen Körper pflegen und verwöhnen. Sich Arbeitsaufgaben suchen, die Ihnen Spaß bringen.

Was würde mir noch richtig gut tun?

Arbeiten Sie an Aufgaben, die Ihnen liegen, die Ihnen Spaß bringen und die dennoch eine gewisse Herausforderung beinhalten, so können Sie auch dies als Belohnung erfahren. Sie können sich gedanklich richtig darin vertiefen, Raum und Zeit vergessen und sich im Flow erleben. Irgendwann tauchen Sie dann wieder schütteln verwundert den Kopf und freuen sich über die intensiv erlebte Zeit, über die gute Arbeit, die Sie erleben durften. Man kann Dinge so tun, dass sie schwer und anstrengend sind oder leicht und Spaß bringen. Wird man es dem Resultat ansehen, ob es anstrengend oder leicht war? Vielleicht. Vermutlich sind die Ergebnisse besser, wenn es leicht war und Spaß brachte. In der Regel „lohnt“ es sich jedenfalls nicht, es schwer und anstrengend zu machen. Der Preis ist zu hoch und das Ergebnis in Relation dazu zu schlecht. Eine Möglichkeit, die Dinge leicht zu machen, ist es, Pausen einzuplanen. Alleine die Aussicht auf eine Pause bzw. regelmäßige Pausen und Ruhephasen kann sehr motivierend sein. Ihrem Leben eine dafür geeignete Struktur zu geben, kann helfen, dies umzusetzen. Oft sind es die kleinen Dinge, die das Leben lebenswert machen.

4.2.1 Die wichtigsten Termine in meinem Kalender: Pausen Pausen machen, Abstand vom Alltag gewinnen, durchschnaufen: Das ist von elementarer Bedeutung für unseren Körper. Wenn wir auf unseren Biorhythmus achten, sind wir tendenziell leistungsfähiger und auch weniger krankheitsanfällig. Wenn Sie danach leben und arbeiten, was Ihr Körper Ihnen signalisiert, hilft Ihnen das sehr. Wenn Sie Pausensignale Ihres Körpers, wie Gähnen oder mühsames, unkonzentriertes Arbeiten bei sich feststellen, ist es Zeit, eine Pause einzulegen. Wenn Sie sie übergehen, gehen mit der Zeit Leistung und Lust verloren.



Mit Kreativität, Spaß und Leichtigkeit arbeiten  

Wir haben unsere natürlichen Leistungs- und Ruhephasen. Wir brauchen spätestens nach 90 Minuten intensiven Arbeitens oder Lernens eine Pause von mindestens 20 Minuten, optimal wären 30 Minuten, um wieder aufzutanken. Anschließend können wir dann mit voller Kraft wieder durchstarten, es sei denn, wir haben zuvor unser Pausenbedürfnis missachtet. Dann wird es jetzt entsprechend größer sein. Vielleicht denken Sie jetzt: „Ich habe keine Zeit!“ Wenn Sie sich Ihre Pause gönnen, so gewinnen Sie anschließend ja wieder Zeit, weil Sie Ihre Aufgaben dann vermutlich deutlich konzentrierter und schneller erledigen können. Auch die Qualität Ihrer Arbeit wird so tendenziell steigen und vielleicht kommen Sie ganz nebenher auch noch auf ganz neue Ideen. „Aber, ich kann doch nicht während meiner Arbeitszeit einfach mehrmals 30 Minuten Pause machen. So viel Pausenzeit steht mir doch nicht zu.“ Falls Sie ganztags arbeiten, haben Sie ja hoffentlich eh eine Mittagspause eingeplant. Dann könnten Sie ja noch einmal am Vormittag und einmal am Nachmittag eine Pause einplanen. Gehen Sie zum Beispiel zunächst auf die Toilette, kochen Sie sich dann einen Tee und halten vielleicht noch ein kleines Schwätzchen. Anschließend suchen Sie sich vielleicht eine kleine Aufgabe, die nicht Ihre volle Konzentration erfordert. Vielleicht räumen Sie einfach Ihren Schreibtisch auf. So haben Sie auch in Ihrer Arbeitszeit Abwechslung und ein gewisses Maß an Erholung eingebaut. Und danach sind Sie wieder leistungsfähiger. Denn eine Pause zahlt sich vielfach aus.

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Zitat: „Jede übergangene Pause müssen wir nachholen, das liegt in der Natur unseres Körpers.“ (Schneider 2013, S. 86)

Zitat: „Die Kunst des Ausruhens ist ein Teil der Kunst des Arbeitens.“ (Förster/Kreuz 2009, S. 244)

4.2.2 Mit Kreativität punkten Kreativität ist eine Fähigkeit, die im Berufsleben immer wichtiger wird, nicht nur in Werbeagenturen, auch in Bibliotheken. Es geht hier nicht unbedingt um eine „wilde“ Kreativität, darum sich verrückte Ideen auszudenken, wobei dies auch manchmal gefragt ist. Vor allem ist es wichtig, sich nicht selbst Schranken im Denken aufzuerlegen. Wir brauchen auch die „kleine“ Alltagskreativität, die uns hilft, Herausforderungen im Alltag besser, leichter, spielerischer zu bewältigen. Glücklicherweise ist in jedem Menschen die Fähigkeit zur Kreativität angelegt. Gesellschaftliche Rahmenbedingungen, unser Arbeitsumfeld, antrainierte Verhaltensweisen etc. sorgen allerdings dafür, dass diese Fähigkeit bei vielen von uns verschüttet ist.

Zitat: „Jeder Mensch hat kreative Fähigkeiten; sie sind in Art und Ausmaß unterschiedlich.“ (Thesen der Gesellschaft für Kreativität e.V., in: Mehlhorn 2010, S. 293ff)

Fallbeispiel: Marco stand unter Druck. „Zwei Stunden“, hatte seine Bibliotheksdirektorin gesagt, als sie ihn verabschiedete und ihm hinterhergerufen: „Sie wollen doch immer kreativ sein. Jetzt haben Sie Gelegenheit, es zu beweisen.“. Bis dahin sollte er eine Lösung für ein Problem gefunden haben, das unerwartet aufgetaucht war. Da bereits zwei aufgebrachte Wissenschaftler bei ihr angerufen hatten, um sich über die verlorenen Daten zu beschweren, hatte sie ihn herbeizitiert und schnell den Schuldigen ausfindig gemacht. Nun sollte er binnen kürzester Zeit Abhilfe schaffen. Aber Marco fiel nichts ein. Heute war sowieso nicht sein Tag. Er hatte schlecht geschlafen letzte Nacht. Seine Mutter war schwer erkrankt und er machte sich Sorgen. Möglicherweise war bei ihm eine Erkältung im Anmarsch. Nun bereute er es, dass er sich heute nicht frei genommen hatte. Gut arbeiten konnte er so ohnehin nicht und dem Druck seiner Vorgesetzten fühlte er sich heute überhaupt nicht gewachsen. Seine Gedanken drehten sich nur im Kreise und ihm war schwindelig. Dass er Hunger hatte und auf die Toilette musste, bemerkte er nicht.

Beispiel:

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 So geht es mir gut, und ich kann erfolgreich arbeiten

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Bibliotheksdirektorin: „Zwei Stunden, um das Problem zu lösen!“

Marco: „OK...“

Abb. 9: Angepasstes Verhalten unter Stress untergräbt Kreativität

Zitat: „Wenn ganz Deutschland jeden Tag für eine Stunde nicht kommunizieren würde, dann hätten wir hier den größten Innovationsund Kreativitätsschub, den man sich vorstellen kann.“ (Ernst Pöppel)

In dem Fallbeispiel verhält sich die Bibliotheksdirektorin aus einem kritischen ElternIch-Zustand. Marco hat es als Kind erlernt, sich in solchen Situationen anzupassen. Jetzt, wo er sowieso gestresst ist, rutscht er automatisch in dieses früher erlernte Verhaltensmuster und akzeptiert ohne den geringsten Zweifel an der Angemessenheit die Vorgabe seiner Vorgesetzten. Er reagiert folglich aus einer angepassten Kind-IchPosition. In so einem von vornherein angepassten Verhaltensmuster „gefangen“ fällt es ihm verständlicherweise schwer, kreativ zu sein. Kreativität ist schließlich das Gegenteil von Anpassung. Was das Fallbeispiel unterstreicht: Stress ist einer der größten Kreativitätskiller überhaupt, insbesondere gepaart mit rigiden Zeitvorgaben und Kriterien. Und: Unter Stress werden automatische Verhaltensmuster aktiviert und wir haben einen Tunnelblick. Wollen oder „müssen“ wir kreativ sein, ist es aber wichtig, rechts und links zu gucken! Was hätte Marco machen können? Hilfreich gewesen wäre es z. B., wenn er sich einer Kollegin oder einem Kollegen anvertraut hätte, sich Verbündete gesucht hätte und das Problem aus seiner alleinigen Zuständigkeit herausgelöst hätte und Teile der Lösungsarbeit an seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter delegiert hätte. Ein Spaziergang, etwas essen oder einfach der Gang zur Toilette hätten schon ein kleines Stück dazu beitragen können, seinen Stress zu durchbrechen. Folgende Punkte können helfen, Ihre Kreativität zu steigern. –

Checkliste: Meine Kreativität steigern

– – – – –

Allen Ihren Lebensbereichen und Grundbedürfnissen genügend Aufmerksamkeit schenken. So schlagen Sie zwei Fliegen mit einer Klappe: Stressmanagement bzw. Burnout-Prävention und Kreativitätsförderung in einem. Besonders wichtig in diesem Zusammenhang scheint es, das Bedürfnis, alleine zu sein, zu versorgen. Bewegung ist sehr wichtig. Regelmäßiger Sport hilft uns, Stress abzubauen, abzuschalten und den Kopf frei zu bekommen – für neue Gedanken und Lösungen. Nicht denken, wie „man“ denkt. Es hilft oft, unvoreingenommen an Dinge heranzugehen. Andere Gedanken zulassen! Immer ein Notizbuch für Ideen dabei haben. Alle Ideen, die einem selbst etwas bedeuten, dort eintragen. Von Zeit zu Zeit das Buch durchsehen. Träumen und die Träume aufschreiben: Auch wenn sie möglicherweise absurd erscheinen. Vielleicht entsteht daraus bei näherem Betrachten eine Idee oder eine Lösung für ein vorhandenes Problem. Zugleich wird dadurch die eigene Aufmerksamkeit für das Unbewusste geschult, das eine wertvolle Ressource darstellen kann.



Mit Kreativität, Spaß und Leichtigkeit arbeiten  

In dem Augenblick, wo wir kreativ sind, führen gesellschaftliche Normen und unsere eigenen Gedanken oft dazu, dass wir uns selbst Denkschranken auferlegen – und damit unsere Kreativität im Ansatz ersticken. Oft ist unser erster Gedanke der beste, aber wir schenken ihm keine Aufmerksamkeit oder verdrängen ihn von vornherein, weil er nicht „passt“. Wir sind der größte Kritiker und Feind unserer eigenen Ideen, noch bevor sie überhaupt das Licht der Welt erblickt haben und sorgen so selbst dafür, dass sie es nie tun werden. In vorauseilendem Gehorsam passen wir uns an das an, was vermeintlich gesellschaftlich erwünscht ist. Fallbeispiel: Sabine S. hat eine revolutionäre Idee, wie sie die Auskunft umstrukturieren und gleichzeitig viel kundenfreundlicher organisieren könnten. In dem Augenblick, als ihr die Idee ins Bewusstsein gelangt, hört sie kritische Gegenstimmen in sich.

Das kann man doch nicht machen. Wie kann man nur so verrückte Ideen

Du bist doch zu

haben?

dämlich. Wen interessiert schon, was Du denkst?

EL ER KI

Abb. 10: Sabine S. nimmt Stimmen aus ihrem Eltern-Ich wahr.

Sabine S. ist in dem Augenblick, als sie ihre Idee hatte, nicht mehr im ErwachsenenIch. Wie sie es als Kind erlernt hat, fühlt sie sich klein und unwichtig. Sie nimmt kritische Stimmen wahr, die ihr dies vor Augen halten, so wie es früher ihre Eltern getan haben. Da sie in einem Skriptverhalten ist und ihr dies nicht bewusst ist, sind die Stimmen „übermächtig“ und es gelingt ihr nicht, davon Abstand zu gewinnen. Mit mehr Übung und Bewusstheit für sich selbst könnte es ihr in Zukunft gelingen, zu bemerken, dass sie nun in einem Skriptverhalten steckt und Botschaften ihrer Eltern zu ihr sprechen. Sie könnte diese dann hinterfragen und sich bewusst entscheiden, ihnen kein Gehör zu schenken. Ohne diese Bewusstheit kann ihr dies jedoch nicht gelingen und die Botschaften haben die Macht über sie. Die Folge? Ihre Idee verwirft sie ganz schnell.

Beispiel:

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 So geht es mir gut, und ich kann erfolgreich arbeiten

1. 2. Checkliste: Wie kann ich verhindern, dass ich selbst meine Kreativität zerstöre?

Zitat: „Jeder Mensch ist ein Künstler, das Problem ist nur, es zu bleiben, wenn man erwachsen wird!“ (Pablo Picasso)

Dafür sorgen, dass es Ihnen gut geht. Überprüfen: Sind Sie im Hier und Jetzt? Sind Sie im Erwachsenen-Ich-Zustand? Sind Sie gut drauf oder merken Sie bei sich Merkmale von Skriptverhalten? 3. Welche Stimmen hören Sie in sich, die Ihre Gedanken bzw. Ihre Ideen kritisieren? 4. Was sagen sie? Was ist dran an dem, was sie sagen? Sind es berechtigte Einwände oder halten Sie sie für übertrieben? 5. Kommen Ihnen diese Stimmen bekannt vor? Hören Sie diese oder ähnliche Argumentationsmuster öfter? Kennen Sie sie von früher, aus Ihrer Kindheit? Erinnern sie Sie an bestimmte Personen? 6. Könnte es sein, dass diese Stimmen ein erlerntes Skriptverhalten darstellen, das Sie zum Beispiel von Ihren Eltern übernommen haben oder das gesellschaftlich bedingt ist?

4.2.3 Kann und darf ich spielerisch arbeiten? Wie fühlt sich meine Arbeit an, bunt oder grau? Wie empfinde ich ihr Gewicht? Ist sie eher eine Last, die ich durchs Leben schleppen muss oder wie ein Spielfeld, auf dem ich mich auch mal austoben darf oder herumexperimentieren kann? Fallbeispiel:

Beispiel:

Als Nora nach ihrem Studium anfing zu arbeiten, war sie oft angestrengt bei der Sache gewesen. Sie konnte nicht verstehen, warum so vieles nicht so recht voranzugehen schien. Sie strengte sich noch mehr an, versuchte, es noch besser zu machen, versuchte, Herrn Dr. Schache zu überzeugen, dass manche Sachen geändert werden müssten – und kam nicht recht weiter. Es war bloß anstrengend und frustrierend und statt erfolgreich zu sein, lief sie mit gehetztem Gesicht durch die Gegend. Irgendwann hatte sie der bitteren Realität ins Auge gesehen, dass sie sich so nur verausgabte, aber mit ihren Veränderungsinitiativen kein Stück weiter kam. Sie hatte auch erkannt, dass Herr Dr. Schache ein bestimmtes Spiel spielte und dass sie sich bei diesem Spiel so nur aufreiben würde. Im ersten Augenblick des Erkennens war sie entsetzt. Kurze Zeit später hatte sie dies als Realität akzeptiert und für sich entschieden, so nicht weiterzumachen. Fortan probierte sie verschiedene Taktiken im Umgang mit Herrn Dr. Schache aus und fand Gefallen daran, ihre Lernerfahrungen auszuwerten. Manchmal kam es ihr vor, als wäre ihre Bibliothek ein großes Brettspiel und es war interessant zu sehen, welche Spielzüge die anderen Spielfiguren als Reaktion auf ihre Spielzüge zeigten.

Wenn Sie wie Nora diese Bewusstheit erlangt haben, können Sie selbst wählen, mit welcher Einstellung Sie zur Arbeit gehen und Ihre Arbeit durchführen. Allerdings ist dafür notwendig, dass Sie sich dessen bewusst sind, dass Sie Ihre eigene Herrin, Ihr eigener Herr sind und bewusst darüber entscheiden können. Gesellschaftliche Normen, Sprichwörter wie „Erst die Arbeit, dann das Vergnügen“ und verinnerlichte Überzeugungen führen in unserer Kultur dazu, dass viele ein Bild von Arbeit haben, das mit Entbehrungen und Anstrengung verbunden ist. Arbeit wird dann als drückend schwer, als automatisch, per se anstrengender Kampf gesehen. Dies ist, was wir oft erlernt haben, aber es ist keine unabänderliche Wahrheit. Beantworten Sie diese drei Fragen offen und ehrlich für sich selbst: – – –

Selbsttest: Meine Einstellung zur Arbeit

Darf Arbeit Spaß machen? Kann Arbeit spielerisch sein? Darf es Ihnen überhaupt richtig gut gehen?



Mit Kreativität, Spaß und Leichtigkeit arbeiten  

Ihre Antwort ist ein „Nein“ oder Sie können sich nicht recht zu einem eindeutigen „Ja“ durchringen? Vielleicht haben Sie das Gefühl, dass Spaß und spielerisches Verhalten nichts mit Arbeit zu tun haben? Aber wer spielerisch und leicht arbeitet, arbeitet richtig gut! Auch was spielerisch aussieht, kann Arbeit sein. Es ist doch toll, wenn Arbeit Spiel und Spaß ist – und richtig gut ist! Sie sind dann richtig gut. Es ist wichtig, dass Sie dies verinnerlichen. Denn unsere Gesellschaft macht es uns nicht gerade leicht, danach zu leben. Vielmehr gilt: Arbeit darf Spaß machen. Es darf Ihnen bei der Arbeit richtig gut gehen. Und wenn es Ihnen bei der Arbeit richtig gut geht, dann sind Sie auch richtig gut. Ihnen geht es bei Ihrer Arbeit nicht richtig gut? Das könnte zum einen an Ihrer Arbeit liegen, an Ihrem Arbeitsumfeld oder auch an Ihrer Einstellung zu Ihrer Arbeit. Hier anzusetzen, wäre die einfachste Möglichkeit, etwas zu verändern. Möglicherweise trifft die Frage „Darf es mir richtig gut gehen?“ bei Ihnen auf Skriptverhalten und wird daher von Ihnen abgelehnt? Vielleicht haben Sie das Gefühl, selbst nicht gut genug zu sein, und sind von sich selbst nicht überzeugt? Sie meinen vielleicht, immer mehr und mehr machen zu müssen, bis Sie eines Tages vermeintlich perfekt sind. Das kann dazu führen, dass Sie sich immer bei Ihrer Arbeit beeilen oder dass Sie glauben, sich immer stark anstrengen zu müssen. Lustvolles, erfülltes Arbeiten sieht anders aus. Erfolgreiches Arbeiten auch. Warum sollte unsere Arbeit uns keine Energie zurückgeben dürfen? Was wäre verwerflich an spielerischem Arbeiten? Wäre das egoistisch? Im Gegenteil: Wer spielerisch arbeitet, ist richtig gut und gut drauf! – – – – –

Nicht alles so verbissen sehen. Holen Sie sich immer wieder auf den Boden der Tatsachen zurück: Ihre Arbeit ist nur ein Teil Ihres Lebens. Sie macht nicht Ihr ganzes Leben und Ihr ganzes Glück aus! Wie wäre es, wenn Sie Ihre Arbeit einmal als ein Strategie- oder Gesellschaftsspiel betrachten? Stellen Sie sich Ihre Arbeit, Ihre Bibliothek wie einen Film vor. Was geht hier ab? Bauen Sie Ihre Arbeitssituation mit Lego oder Playmobil nach. Machen Sie sich einen Spaß daraus, passende Figuren für die einzelnen Rollen auszuwählen. Darf es auch ein Schwein sein?

Sie arbeiten dann richtig gut, wenn Sie die richtige Aufgabe und das richtige Umfeld haben. Wenn Sie Ihre Arbeit zu Ihrer Sache machen, hinter der Sie voll stehen, in der Sie Meisterschaft anstrebe, sich immer weiter verbessern möchten: Ja, ich will das! Um richtig leicht und gut arbeiten zu können, müssen Sie sich geeignete Strukturen schaffen, die es fördern, dass es Ihnen gut geht und dass Sie spielerisch arbeiten können. Dazu gehören sowohl zeitliche Strukturen, wie beispielsweise Pausen, die Ihre Arbeit strukturieren, als auch die richtige Umgebung für ich zu finden und eine geeignete Ausstattung mit Ressourcen.

Tipps: Spielerisch arbeiten?

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 So geht es mir gut, und ich kann erfolgreich arbeiten

Checkliste: Woran merke ich, dass es mir richtig gut geht?

– – – – – – – –

Sie fühlen sich leicht, schwebend und gleichzeitig geerdet. Alles „fließt“. Sie haben einen Ohrwurm. Sie lächeln (in sich hinein/vor sich hin). Es geht Ihnen leicht von der Hand. Es fühlt sich richtig gut an. Sie nehmen Ihre Umgebung bewusst wahr. Sie fühlen sich gut. Sie nehmen Ihren Körper bewusst wahr.

Sind die Rahmenbedingungen in Ihrer Bibliothek nicht so, wie es Ihnen guttun würde, ist spielerisches Arbeiten dort nicht „erlaubt“? Sie könnten entscheiden: Welche Konsequenzen ziehen Sie daraus? Gehen, bleiben oder ändern? Dafür müssen Sie wissen: Wie muss mein Umfeld gestaltet sein, damit ich richtig gut arbeiten kann?

Stellen Sie sich vor, eine Fee kommt und bietet Ihnen an, Ihr Arbeitsumfeld so zu gestalten, wie es für Sie optimal wäre: Wie würde Ihr Traum-Arbeitsumfeld aussehen? Übung: Wie würde mein ideales Umfeld aussehen?



Was ergibt die Übung? Was ist für Sie wichtig? Was wünschen Sie sich? Wenn Sie es mit Ihrem derzeitigen Arbeitsumfeld vergleichen: Welche Gemeinsamkeiten können Sie feststellen und welche Unterschiede? Haben Sie momentan das richtige Umfeld für sich?

Falls derzeit nicht alles optimal ist, können Sie sich fragen: Welchen Einfluss habe ich darauf, wie mein Umfeld gestaltet ist? Muss ich alles passiv so hinnehmen, wie es ist? Alles stumm ertragen? Oder habe ich Möglichkeiten, selbst aktiv zu werden und einen Wandel einzuleiten. Wie kann ich das, was mir derzeit fehlt – vielleicht über Umwege – in meine Arbeit einbringen und mein Umfeld (Schritt für Schritt) verändern? Vielleicht macht es schon einen Unterschied, wenn Sie von sich aus mit einem Lächeln durch die Welt gehen. Vielleicht reagieren Ihre Mitmenschen dann auch mit einem Lächeln? Es ist einen Versuch wert, den ersten Schritt zu machen.

4.3 Mit Gefühl in Führung 4.3.1 Der Wert des Bauchgefühls: Eigene Gefühle kennen, zulassen und beachten Wenn Sie es schaffen, Ihren Gefühlen eine Stimme zu schenken und sie zu beachten, so ist dies ein wichtiger Schritt für ein stimmiges und spielerisches Arbeiten. In unserer Gesellschaft haben Gefühle leider oft nur eine leise Stimme, werden als irrational abgetan und schnell „weggedrückt“. Dabei könnten sie uns wertvolle Dienste erweisen, wenn wir auf sie hören. Sie können uns zu einem einfacheren Arbeiten verhelfen und zu mehr Einklang mit uns selbst. Unsere Intuition ist ein wunderbares Instrument. Wie schade, dass es so oft überhaupt nicht gehört wird! Manche Gefühle sind auf den ersten Blick unangenehm, und so ist es wenig verwunderlich, dass wir sie am liebsten loswerden wollen. Dabei erfüllen auch sogenannte „negative“ Gefühle eine positive Funktion. Dies wird im Folgenden an drei Gefühlen geschildert, die neben der Freude zu den grundlegenden Gefühlen gehören.

Mit Gefühl in Führung  

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 So geht es mir gut, und ich kann erfolgreich arbeiten

Checklisten: Angst

– – – –

Auslöser: Bedrohung. Wie kann Angst sich im Verhalten äußern? Zum Beispiel als „Flucht“, „totstellen“ oder Angriff. Positive Funktion: Schutz. Angst hindert uns beispielsweise daran, unvorsichtig zu werden und den Wandel blauäugig anzugehen. Wie kann ich gut mit Angst umgehen? Auf jeden Fall anerkennen und akzeptieren, dass Sie Angst haben. Hilfreich ist es, sich zu fragen: „Wovor habe ich Angst?“ Dann ist es möglich, eine Strategie für den Umgang damit zu entwickeln.

Ärger

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Auslöser: Es läuft nicht so, wie man es möchte. Positive Funktion: Ärger liefert Energie für Veränderung; etwa für eine Veränderung der Situation oder des eigenen Verhaltens.

Traurigkeit

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Auslöser: Verlust Positive Funktion: Loslassen. Dies ist in Zusammenhang mit Veränderungen sehr wichtig.

Tipp: Weitere Informationen zu Grundgefühlen und Ersatzgefühlen finden Sie bei Schneider (Schneider 2013, S. 91 ff.)

Für den Umgang mit diesen Gefühlen ist es wichtig, genau hinzuschauen und zu unterscheiden: Tritt der Ärger, die Angst oder die Traurigkeit als eigenständiges Gefühl auf oder ist es ein Ersatzgefühl, also ein gezeigtes Gefühl, hinter dem eigentlich ein anderes Grundgefühl steckt? Was steckt dahinter? Ist dies bei dem gezeigten Gefühl „Ärger“ zum Beispiel Angst? In unserer Kultur wird Angst oft von Ärger überdeckt, so dass die Angst nicht direkt erkennbar ist und daher möglicherweise in ungeeigneter Weise darauf reagiert wird. Wenn Sie dies wissen, können Sie sich selbst fragen, zum Beispiel, wenn Sie Ärger empfinden, ob nicht im Hintergrund ein anderes Gefühl mitschwingt. Steckt in Wirklichkeit Angst dahinter, so bringt es wenig, gut mit dem Ärger umzugehen. Viel wirksamer ist es, wenn Sie die Angst identifizieren und Sie sich genau anschauen. Nehmen Sie Ihre Gefühle und das Potential, das sie mitbringen, wahr, so erschließen Sie sich damit das wertvolle Potential Ihrer Intuition. Es ist meistens ein untrügliches Gespür, nur halt viel zu oft ungehört. Vertrauen Sie auf Ihr Bauchgefühl und bringen es mit Ihrem Denken zusammen, so unterstützt Sie das dabei, die richtige Entscheidung zu treffen. Bei wichtigen Entscheidungen ist es daher ratsam, darauf zu achten, dass Gefühl und Denken beteiligt sind. Mit Gefühlen eng verbunden ist auch das Träumen. Träume können uns auch ein Gefühl dafür geben, ob wir auf dem richtigen Weg sind. Unseren Träumen Aufmerksamkeit zu schenken, unterstützt uns dabei, mit Gefühl in Führung zu gehen. Durch Träumen gewinnt man wiederum sehr viel Zeit. Denn das Gehirn arbeitet viel effektiver, weil eine gute Verbindung zwischen Verstand und Unterbewusstsein geschaffen wird (vgl. o.V. 2/2005, S. 20). Ihre Gefühle und Ihre Träume sind wertvolle innere Ressourcen, die Sie sich nur erschließen müssen. Wenn Sie auf sie hören, können Sie sehr erfolgreich sein und gleichzeitig so leben, dass es Ihnen gut geht.

4.3.2 Innere Konflikte bewältigen und für mich nutzen Manchmal sind es gar nicht so sehr die Konflikte mit anderen Menschen, die uns belasten, sondern Konflikte, die wir in uns selbst spüren. Am liebsten würden wir sie loswerden. Aber bei genauerem Hinsehen können auch sie sich als wichtige Ressourcen für uns und unsere Weiterentwicklung entpuppen.



Mit Gefühl in Führung  

Oft ist es unser Körper, der uns signalisiert, dass etwas nicht „stimmt“. Es liegt an uns, ob wir ihm zuhören. Eine Auswahl möglicher Signale: – Verspannungen – Träume – Schlechtes Gefühl im Magen, Bauchschmerzen, kein Appetit – Genervt sein – Angespannter Atem

Checkliste: Welche Signale sendet mein Körper mir möglicherweise bei inneren Konflikten?

Wichtig ist es darum, dass Sie die Signale Ihres eigenen Körpers spüren und deuten! Dafür können Sie Ihre Wahrnehmung trainieren und sich fragen: Was hat das zu bedeuten? Was will mein Körper mir damit möglicherweise sagen? – Entspannt sein – Sich abgrenzen – Bewusst atmen – Spazieren gehen – Ruhe – Reizarmut fördern

Checkliste: Was kann ich tun, um die Signale meines Körpers besser wahrzunehmen?

Innere Konflikte können aus vielfältigen Ursachen resultieren. Möglicherweise haben Sie zum Beispiel verschiedene Rollen in Ihrem Leben, die im Widerspruch zueinander stehen. Oder Sie merken, dass das, was Sie beruflich tun, nicht Ihrem Wesen entspricht, sehen aber erst mal aber keine Möglichkeit, daran etwas zu ändern. Das ist dann vielleicht erst einmal so. Wichtig ist es, dass Sie sich der Tragweite dieses Konfliktes bewusst sind. Wenn Sie ihn nicht ernst nehmen, kann es passieren, dass er sich auf Ihre Gesundheit niederschlägt. Wenn Sie ihn ernst nehmen, so haben Sie andererseits die Chance, daran etwas zu ändern. Der erste Schritt ist erst einmal, den inneren Konflikt in Ihr Bewusstsein zu holen. Der zweite Schritt besteht darin, seine Bedeutsamkeit anzuerkennen. Der dritte bedeutet, den Konflikt als eine wertvolle Ressource für möglicherweise überfällige Veränderungen in Ihrem Leben aufzufassen. – – – – –

Eigene psychische Belastung auszutarieren, Ihre Grenzen erkennen und selbst erst einmal anzuerkennen ist Ihre Aufgabe. Die Fähigkeit, sich abzugrenzen, ist elementar für Ihre Leistungsfähigkeit und für den Umgang mit anderen Menschen. Arbeit darf leicht sein und Spaß bringen! Jeder Mensch kann kreativ sein! Gefühle und Träume können wichtige Ressourcen für Sie und Ihre Arbeit sein.

Weiterführende Literaturtipps

Ausführliche Informationen zum Umgang mit Stress, Lebensbereichen, Grundbedürfnissen, Pausen und Burn-Out-Prävention: Schneider 2013, S. 17 ff.

Tipps zum Mitnehmen aus dem Kapitel

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5  Meine Haltung zu Führung und meine Führungsrolle(n) Geringe Bewusstheit darüber, was Führung für Sie bedeutet und wie Sie Führung sehen, können eine Einschränkung Ihrer Fähigkeit zum Führen bedeuten. Leicht passiert es Ihnen dann, dass Sie sich widersprüchlich oder kontraproduktiv verhalten. Wenn Sie andere Personen erfolgreich führen möchten, ist es wichtig, dass Sie für sich klären, welches Rollenverständnis von Führung Sie haben.

5.1 Wie sehe ich Führung? 5.1.1 Einschränkungen meiner Führungsfähigkeit durch Vorbilder, Mythen und Ideologien Bilder von Führung, die Sie unbewusst in sich tragen, können von Mythen, Ideologien und Archetypen beeinflusst sein. Beispiele für ihren möglichen Einfluss auf Ihre Führungsfähigkeit werden im Folgenden vorgestellt. Zunächst einmal stellt es einen Wert an sich dar, wenn Sie sich Ihre eigenen Gedanken bewusst machen.

Schließen Sie für einen Moment die Augen und denken Sie an „Führung“. Was kommt Ihnen als erstes in den Sinn, wenn Sie an „Führung“ denken?

Selbsttest: Wie sieht Führung für mich aus?

Welches Bild bzw. welche Bilder tauchen vor Ihrem inneren Auge auf?



Fallen Ihnen Überzeugungen oder „Glaubenssätze“ ein, die Sie zu „Führung“ haben?

Vervollständigen Sie den Satz: „Führung ist für mich ……

Vervollständigen Sie den Satz: „Es gibt Führung, weil……

Wie sehe ich Führung?  

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 Meine Haltung zu Führung und meine Führungsrolle(n)

Haben Sie Vorbilder für Führung?

Sie haben nun begonnen, über Ihre Überzeugungen zu Führung nachzudenken. Diese können Sie im weiteren Verlauf immer wieder in Zusammenhang mit den Inhalten dieses Kapitels reflektieren. Fallbeispiel:

Beispiel:

Herr Dr. Schache dachte selten über seine Führungstätigkeit nach. Er hatte das Gefühl, dass sie ihm einfach zuflog und dass er es so, wie er es machte, gut machte. Hätte Herr Dr. Schache diesen Selbsttest gemacht, so wäre ihm wohl sein Großvater als Vorbild in den Sinn gekommen. Als Kind hatte er viel Zeit im großväterlichen Betrieb verbracht und seinen Großvater dafür bewundert, dass er so ein wichtiger Mann war. Dennoch hatte er sich dort so geborgen gefühlt, weil er so viel Väterlichkeit und Geborgenheit ausstrahlte. Wie ein gütiger Vater saß er in seinem Büro und nickte erfreut ab, was seine Mitarbeiter ihm an positiven Nachrichten überbrachten. So lange es positiv war. Nur an eine Gelegenheit konnte er sich erinnern, wo er aus der Haut gefahren war. Das war, als jemand wagte, ihm die Nachricht zu überbringen, dass es ein Problem in der Produktion gab und dass es darüber zu einer Auseinandersetzung unter mehreren beteiligten Personen gekommen war.

Auch wenn er sich dessen nicht bewusst ist: Das Ideal des gütigen Vaters prägt bis heute die Arbeitsweise von Herrn Dr. Schache als Bibliotheksdirektor. Mit Konflikten und Problemen will auch er nichts zu tun haben und schiebt sie weit weg von sich: Sollen sich doch seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Hände schmutzig machen. Bei ihm ist es jedenfalls ruhig und angenehm. Solche oder andere Bilder und Vorbilder für Führung, Überzeugungen und Begründungen sind es, die die eigene Führungsfähigkeit schwächen können, wenn sie unreflektiert übernommen werden und nicht auf ihre Stimmigkeit für das eigene Verhalten überprüft werden. Daher ist es wichtig, dass Sie sie sich bewusst machen und immer wieder in Führungssituationen für sich prüfen, inwiefern Sie sich davon leiten lassen. Dabei lassen sich verschiedene Arten unterscheiden, wie Ihre Einstellung zu Führung beeinflusst werden kann. Zunächst lohnt sich eine Beschäftigung mit Führungsideologien. Führungsideologien sind Überzeugungen, die sich darauf beziehen, warum Führung überhaupt „notwendig“ sei. Mit Führungsideologien kann daher der folgende Satz vervollständigt werden: „Es gibt Führung weil …“



Wie sehe ich Führung?  

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–– Menschen geführt werden wollen: Diese Ideologie unterstellt, dass die meisten Menschen unmündige, schutzbedürftige Kinder seien, die sich unterordnen wollten. –– Gruppen geführt werden müssen: Nach dieser Ideologie würden Gruppen ohne eine starke Führung Opfer des individuellen Egoismus werden und zerfallen. Führung soll dem entgegenwirken und Geschlossenheit erzwingen. Gleichzeitig wird unterstellt, dass geschlossenes, gemeinsames Handeln einen Wert an sich darstellen würde. Nicht berücksichtigt wird dabei, dass gerade unangepasstes Verhalten und Konkurrenz zu wichtigen neuen Entwicklungen führen können. –– Menschen der Führung bedürfen: Demnach hätte eine einzelne Person so wenig Überblick über Zusammenhänge, dass sie ihr Handeln nicht sinnvoll koordinieren könnte und dass es ohne das steuernde Eingreifen einer übergeordneten Person, die den Überblick hat, zu Chaos kommen würde. –– Hierarchie ein universales soziales Prinzip ist: Hierbei handelt es sich um eine faschistische, antidemokratische Haltung, dass es eine natürliche Elite gäbe, die zur Begründung dafür herangezogen wird, Betroffene nicht an der Entscheidung zu beteiligen. –– Führung funktional ist und erfolgreiches Handeln sichert: Bei dieser Sichtweise wird davon ausgegangen, dass aufgrund der Größe, Komplexität und Differenzierung in Organisationen die Menschen die Zusammenhänge dort nicht überschauen könnten und es deshalb sachliche Lösungen bräuchte, um Koordination zu ermöglichen. In dieser Ansicht wird Führung versachlicht und als technischer natürlich gegebener Regelungsprozess deklariert, ohne die dahinter stehenden Interessen offenzulegen. –– Führungshierarchie menschliche Fähigkeits- und Motivationsunterschiede widerspiegelt: Demnach werden besondere Fähigkeiten und Leistungen mit dem Aufstieg in der Hierarchie belohnt. Durch die Aussicht auf den Aufstieg treten demnach die besonders Begabten in einen Wettbewerb miteinander, der in der Folge einen höheren Gesamtnutzen für die Gesellschaft hat. Andere Quellen der Motivation, wie das Interesse an der Aufgabe, werden bei dieser Ideologie geleugnet (vgl. Neuberger 2002, S. 58 ff.). Offensichtlich ist, dass Führungsideologien mit bestimmten Menschenbildern zusammenhängen, in denen vor allem Überlegenheit und Unterlegenheit eine Rolle spielen. Ideologien können ein Menschenbild negativ prägen oder andersherum durch ein Menschenbild bedingt oder gedeckt sein. Ebenfalls eng mit Ideologien und Menschenbildern verwandt sind Mythen, die sich auf Führung beziehen. Beispiele für Führungsmythen sind: –– „Es geht rational zu. –– Alles ist machbar. –– Der/die Beste setzt sich durch. –– Es kommt auf die Einzelnen/den Einzelnen an. –– Die Führungskraft hat alles im Griff“ (Neuberger 2002, S. 100). Anders als Ideologien dienen Führungsmythen nicht zur Rechtfertigung des Vorhandenseins von Führung, sondern dazu, Handlungsweisen und Anschauungen durch Erzählung als normal und erwünscht darzustellen. Mythen sollen Orientierung in mehrdeutigen Situationen bieten und so Komplexität reduzieren, Ängste und Bedrohungen unter Kontrolle halten. Sie sollen dafür sorgen, dass mögliche soziale Spannungen beherrschbar bleiben, die aus unklaren oder widersprüchlichen Erwartun-

Zitat: „Unter Mythen verstehe ich Aussagen, die mit Wahrheitsanspruch auftreten, die Wirklichkeit aber nicht umfassend abbilden, sondern einseitig und selektiv beleuchten und damit einen anderen Teil der Wirklichkeit abdunkeln oder verleugnen.“ (Neuberger 2002, S. 101)

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 Meine Haltung zu Führung und meine Führungsrolle(n)

gen und Ansprüchen entstehen können. Dies geht mit einer starken Vereinfachung und Verwendung von Stereotypen einher, die eine Sichtweise als die allein Richtige deklariert. Dinge, die erwünscht sind, werden mit Mythen als das Bestehende deklariert und damit vorhandene Sehnsüchte erfüllt. So wird beispielsweise mit dem Rationalitätsmythos suggeriert, es ginge alles mit rechten Dingen, objektiv, sachlich und nachprüfbar zu. Damit verbunden ist die Botschaft, die Betroffenen bräuchten keine Angst vor fremder Willkür zu haben und könnten sich Zweifel sparen und auch, eigene Bemühungen zur Absicherung zu ergreifen. (Neuberger 2002, S. 101 f.) Eine weitere Quelle für Einschränkungen der Führungsfähigkeit können Führungsmetaphern darstellen. Sie gehen mit der Gefahr einher, dass sie so eindrucksvoll sind, dass ihre eigentliche Aufgabe, etwas zu veranschaulichen, vergessen wird und sie für „bare Münze“ genommen werden. Ein Beispiel für solche Metaphern ist beispielsweise das Bild von „Führung als Krieg“ (vgl. Neuberger 2002, S. S. 137 f.). Eine Verherrlichung von Führung und eine damit einhergehende Verzerrung der Realität bringen auch Bilder von Führung mit sich, die wir unbewusst in uns tragen und in denen Führungskräfte beispielsweise als Macher oder Genies hochstilisiert werden. Dies lässt sich auf Archetypen, in uns verwurzelte Ur-Bilder, von Führung zurückführen. Die Archetypen der Führung sind in der Regel männlich, lassen sich aber ähnlich auf weibliche Archetypen übertragen.

Zitat: „Vorgesetzte können die narzisstische Verklärung ihrer Person genießen und betreiben. Wer sich als Held sehen kann, ist oder wird größer, stärker, mächtiger. Daraus schöpft er das Selbstbewusstsein, bedingungslosen Gehorsam zu fordern.“ (Neuberger 2002, S: 123)

Männliche Archetypen der Führung: –– Der Vater: In diesem Ur-Bild von Führung schwingt die familiäre Situation, übertragen auf eine Organisation, mit, mit allem, was dazu gehört: emotionale Beziehungen, ein Reife-Gefälle zwischen den Personen und natürlich das Vorhandensein von Kindern. –– Der Held: Wird Heldenkult betrieben, so wird eine „große“ geniale und visionäre Einzelperson in den Vordergrund gestellt und regelrecht als Bühnen-Held inszeniert, andererseits wird die Bedeutung anderer Personen abgewertet. Dies funktioniert insbesondere je größer, anonymer, intransparenter ein System ist. Angst und Verunsicherung lassen die Sehnsucht nach dem Helden entstehen. Mit dem Helden verbunden ist die Hoffnung, von ihm angesichts von übermächtigen chaotischen Mächten gerettet zu werden. Eine Führungskraft, die zum Helden wird, stellt eine mythische Figur dar, die Wünsche und Phantasien verkörpert und damit gleichzeitig Ängste abwehrt. Im selben Zuge kann man durch die Heldenverehrung Teil des Heldentums sein, das einem selbst nicht gelingt bzw. das man sich nicht zutraut. Lassen sich Vorgesetzte als Helden darstellen oder feiern, bekommen sie dadurch ein Image strahlender Überlegenheit, das auf der anderen Seite Kritikverbot und Gehorsamsanspruch nach sich zieht. Dies funktioniert dann gut, wenn die Geführten ein „Verlangen nach Unterwerfung“ haben. – Geist: Bei diesem Archetypen werden vier Typen unterschieden: – Visionär: Die Führungsfigur mit dem Blick in die Zukunft. – Transformator (Magier): Alleskönner mit übernatürlichen Kräften. – Erleuchteter: Jemand, der den Weg nach innen gegangen ist, sich und das Wesen der Dinge erkannt hat, dadurch in sich ruht und sich durch das chaotische Leben nicht mehr irritieren lässt. – Asket: Dieser Archetyp ist geprägt von Selbstbeherrschung, Selbstdisziplin und Selbstkontrolle (vgl. Neuberger 2002, S. 109 ff.).



Wie sehe ich Führung?  

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Ich bin ein Held. Ich muss stark sein. Ihr seid schwach. Puh, bin ganz schön geschlaucht von der langen Dienstreise eben.

So, ich habe jetzt eine Stunde Zeit, um die neue Strategie zu planen und über die beiden Stellenbesetzungen zu entscheiden.

Da wird bestimmt etwas sehr durchdachtes dabei herauskommen.

Ein Glück, dass Sie sich vor Ihrem Vortrag noch so viel Zeit für die Zukunftsthemen nehmen können. EL

EL

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KI

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Führungskraft

Mitarbeiter

Abb. 11: Führungskraft als „Held“

Im Fallbeispiel in der Abbildung ist eine Führungskraft zu sehen, die dem Ideal einer Führungskraft als „Held“ folgt. Ihre Führungsfähigkeit ist insofern beeinträchtigt, als dass sie … … –– „meint“, stark sein zu müssen und ihre eigenen (körperlichen) Grenzen missachtet, –– sich gegenüber ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern überhöht, deren Fähigkeiten nicht wertschätzt und meint, alles selbst machen oder entscheiden zu müssen, –– dadurch die Motivation ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schwächt, –– unglaubwürdig wirkt, wenn sie zwar behauptet, dass Zukunftsthemen wichtig seien, sich dafür aber keine Zeit nimmt, –– letztlich schlechte Entscheidungen trifft, weil sie gestresst ist und den Bezug zur Realität etwas verloren hat. Sie ist nicht vollkommen präsent im Hier und Jetzt, sondern befindet sich in einem Eltern-Ich-Zustand und zeigt Skriptverhalten. Der Mitarbeiter im Fallbeispiel befindet sich hingegen im Erwachsenen-Ich-Zustand. Er ist desillusioniert und hat gewissermaßen eine gesunde Distanz gegenüber dem Verhalten seines Vorgesetzten. – – – –

Keine Bewusstheit: Wenn Sie an einen Mythos glauben, nach einem Archetypen einer Metapher oder Ideologie handeln, sind Sie sich dessen nicht bewusst und nicht reflektiert. Ihr Menschenbild wird dadurch getrübt. Sie haben dann wahrscheinlich kein positives Bild von anderen Menschen. Das erschwert einen konstruktiven Umgang mit anderen Menschen. Sie sind vermutlich im Skriptverhalten des Eltern-Ich- oder Kind-Ich-Verhalten. Sie verhalten sich in unangemessener Art und Weise, unstimmig zu Ihrer Rolle und unpassend den anderen Menschen gegenüber.

Checkliste: Einschränkungen der Führungsfähigkeit durch Mythen, Metaphern & Co. erkennen

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 Meine Haltung zu Führung und meine Führungsrolle(n)

Nicht nur Sie können unter dem Einfluss solcher Überzeugungen stehen und in Ihrem Verhalten einschränkt sein. Das Gleiche kann auch auf Ihre Mitmenschen zutreffen. Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können beispielsweise in Ihnen eine „Heldin“ oder einen „Vater“ sehen oder an eine Ideologie glauben, dass Führungskräfte demzufolge automatisch besser Bescheid wüssten.

Checkliste: Wie kann mir als Führungskraft das Wissen über Archetypen helfen?

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Reflektieren, inwiefern Sie selbst solche Archetypen verinnerlicht haben. Beobachten, in welchem Ich-Zustand Sie sich befinden. Beobachten, in welchem Ich-Zustand sich Ihr Gegenüber befindet. Beobachten, welchen Ich-Zustand Sie bei anderen Menschen adressieren. Beachten, dass andere Menschen, z. B. Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Kolleginnen und Kollegen auch von Ideologien, Mythen, Metaphern und Archetypen geprägt sein können und im Einzelfall reflektieren, inwiefern dies der Fall ist. Reflektieren, ob Sie in Ihrer Sprache Führungsmetaphern verwenden. Beobachten, ob Sie zur Begründung von Entscheidungen oder Hierarchien Ideologien oder Mythen heranziehen. Reflektieren, ob Sie mit Ihrem Verhalten Archetypen der Führung bei anderen Menschen antriggern, beispielsweise wenn Sie im Eltern-Ich-Zustand auftreten und sie im Kind-Ich-Zustand ansprechen.

5.1.2 Muss ich eine Führungskraft sein, um glücklich und erfolgreich zu sein? In diesem Abschnitt geht es darum, Ihre Motivation für Führung zu betrachten. Sie sind bereits Führungskraft? Sie wollen Führungskraft werden? Warum ist dies das Richtige für Sie? Fühlen Sie sich damit wohl? Passt es zu Ihnen? Sind Sie aus freien Stücken in Führung gegangen oder da irgendwie „reingerutscht“ oder „reingedrängt“ worden? Stellen Sie sich vor, Ihre Bibliothek würde vollkommen neu gegründet und aufgebaut werden. Für welchen Job würden Sie sich bewerben?

Selbsttest: Führung aus vollem Herzen?

Was hat der Selbsttest bei Ihnen ergeben? Welche Art von Aufgabe würden Sie anstreben? Würden Sie sich im Falle einer Neugründung Ihrer Bibliothek für eine Führungsrolle entscheiden? Nein? Sie sind aber bereits Führungskraft oder nehmen eine informelle Führungsrolle ein? Eventuell wäre es gut, noch einmal, Ihre Führungsaufgabe zu überdenken. Würde Ihnen eine andere Aufgabe eventuell besser gerecht werden, Ihnen besser „stehen“? Im dritten Kapitel haben wir uns bereits mit der Frage beschäftigt, welche Tätigkeiten Ihnen besonders liegen und welche Sie daher möglichst anstreben sollten. Was



Wie sehe ich Führung?  

waren dies für Tätigkeiten? Gehörte die Übernahme von Führungsaufgaben zu der Liste an Tätigkeiten, die Sie gerne ausüben? Meinen Sie, dass Sie eine Führungsaufgabe übernehmen müssen, vielleicht weil alle meinen, man müsste eine Führungsaufgabe anstreben, obwohl Ihnen dies eigentlich gar nicht liegt und Ihnen der Gedanke fremd ist? Fühlen Sie sich mit der Führungsverantwortung wohl? Wenn Sie glauben, dass Sie eine Führungsaufgabe brauchen, sind Sie nicht autonom, denn dies ist vermutlich keine freie, reflektierte Entscheidung. Glauben Sie, dass Sie sonst nicht wichtig wären? Denken Sie daran, wie viel Unzufriedenheit Sie sich ersparen können, wenn Sie darauf verzichten, eine Führungsaufgabe zu übernehmen, die Ihnen gar nicht liegt. Ist es Ihnen das Wert? Oder möchten Sie lieber ein für Sie stimmiges und zufriedenstellendes Leben führen? Kann Erfolg für Sie auch bedeuten, ein gutes Leben zu führen? – – – – –

Sind Sie und wenn ja, warum sind Sie der Überzeugung, dass Sie eine Führungskraft sein müssen, um glücklich und erfolgreich zu sein? Haben Sie an dieser Stelle möglicherweise Archetypen, Mythen oder Ideologien unbewusst beeinflusst? Wollen Sie eine Heldin sein? Glauben Sie, nur dann eine Heldin zu sein und glücklich sein zu können, wenn Sie in Führung gehen? Warum wollen Sie führen? Was glauben Sie, was wäre, wenn Sie keine Führungskraft wären bzw. werden würden? Wären Sie dann nicht erfolgreich? Wären Sie dann unglücklich, weil Sie keine Führungskraft wären oder hätte Ihr „Unglück“ möglicherweise andere Ursachen?

Was haben Ihre Überlegungen ergeben? Ist eine Führungsrolle das, was Sie weiterhin anstreben? Oder möchten Sie nach eingehenden Überlegungen doch eher von einer Führungsrolle Abstand nehmen?

Selbsttest: Meine Motivation zur Führung überprüfen

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 Meine Haltung zu Führung und meine Führungsrolle(n)

5.2 Wo gehe ich in Führung? 5.2.1 Wen führe ich? Wie definiere ich meine Führungsrolle und wer ist die Person bzw. sind die Personen, die ich führe oder führen möchte? Jeder Mensch kann in seinem Arbeitsleben mehrere Rollen besetzen. Welche Rollen spielen Sie im Berufsleben?

Selbsttest: Berufliche Rollen

Möglicherweise haben Sie in einer Rolle eine Führungsposition inne und in anderen nicht oder Sie treten dort als informelle Führung auf. Daher ist es wichtig, dass Sie diese verschiedenen Rollen abgrenzen und auseinanderhalten, um sich stimmig verhalten zu können. In den jeweiligen Rollen sollten Sie dann wieder darauf achten, im Erwachsenen-Ich-Zustand zu sein, um sich bewusst und stimmig zur Rolle zu verhalten. Welche Rollen möchten Sie spielen? Warum?

Selbsttest: Angestrebte Rollen



In Führung gehen können Sie sowohl nach „oben“, wie nach „unten“ und zur Seite. Wer sind die „Kundinnen und Kunden“ Ihrer „Dienstleistung“ der „Führungsarbeit“? Möchten Sie wirkungsvoll in Führung sein, so können bzw. müssen Sie sich Gedanken darüber machen, wie Sie –– Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter führen, –– Vorgesetzte führen, und –– Personen auf der gleichen Ebene führen, insbesondere als informelle Führungskraft. So betrachtet ist es kein Wunder, dass die „Sandwichposition“ als mittlere Führungskraft, besonders verzwickt ist, müssen Sie hier doch in alle Richtungen führen, haben dort überall „Kundinnen“ und „Kunden“, ohne dass Sie letztlich die Richtung komplett alleine vorgeben können. In Bezug auf Ihre verschiedenen „Kundinnen und Kunden“ ist es sinnvoll, sich klar zu machen, auf welcher Basis sie Erwartungen an Ihre Arbeit stellen. Dafür ist es nützlich, zu klären, welchen Auftrag Sie haben: –– Welche Rolle habe ich in der Organisation? –– Wie ist der Auftrag für meine Führungsrolle definiert – oder auch nicht? –– Was ergibt ein Blick in meinen Vertrag? –– Welche Erwartungen gibt es im Allgemeinen in meiner Bibliothek an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und insbesondere an solche in Führungsfunktionen? –– Gibt es bei uns Führungsgrundsätze oder ein Leitbild, an dem ich mich orientieren sollte? Werden sie bei uns wirklich gelebt und ernst genommen? Um sich auch über mögliche negative Konsequenzen Ihrer Führung klar zu werden, können Sie anders herum fragen, welchen Nutzen andere von Ihrer Führungsarbeit haben. Vielleicht empfangen sie durch Ihre Tätigkeit einen Nutzen, den Sie als negativ einstufen und den Sie nicht liefern möchten. Versucht eine andere Person beispielsweise, Schuld auf Sie in der Führungsfunktion abzuwälzen? Geraten Sie in Gefahr, ein „Opferlamm“ oder eine „Retterin“ zu werden? Versucht jemand, Sie in ein unwürdiges Spiel zu verwickeln? Wenn ja, möchten Sie das? Gerade, wenn Sie eine informelle Führungsfunktion innehaben, sind Sie ja vertraglich gar nicht zur Führung verpflichtet. Da die Rolle als informelle Führungskraft besonders verzwickt sein kann, sollten Sie sich überlegen, ob Sie sie wirklich übernehmen möchten. Sie können also mehr oder weniger frei entscheiden, ob Sie aus der Führung aussteigen möchten. Auch als offizielle Führungsperson haben Sie gewisse Freiheiten hinsichtlich der Ausgestaltung Ihrer Rollen. Sie haben die Wahlfreiheit, ob Sie in bestimmte Verhaltensweisen o.ä. einsteigen und Sie können entscheiden, ob Sie aussteigen. Natürlich endet die Ausgestaltung Ihrer Rolle nicht damit, dass Sie sich an den Erwartungen anderer orientieren. Es geht vielmehr darum Ihre eigene Identität zu finden, Ihre Rolle zu definieren. Wie möchten Sie Ihre Führungsrolle gestalten? Wenn Sie dies für sich selbst klären, haben Sie eine gute Basis für Ihre Führungsarbeit.

Wo gehe ich in Führung? 

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 Meine Haltung zu Führung und meine Führungsrolle(n)

Welches Selbstverständnis haben Sie als Führungskraft? Oder: Welches Selbstverständnis haben Sie von Ihrer informellen Führungsrolle?

Selbsttest: Wie definiere ich meine Führungsrolle?

Wie füllen Sie Ihre Führungsrolle aus?

Welche Schwerpunkte setzen Sie bei Ihrer Führungsarbeit?

Je nachdem, wie Sie Führung für sich definieren und leben möchten, wird es Ihnen mehr oder weniger erfolgreich gelingen, zu führen.



5.2.2 Inwiefern kann ich mich auf Führung und Einfluss einlassen? Bei Führungsbeziehungen sind immer zwei Seiten beteiligt. Wie gut die Führung funktioniert, hängt davon ab, inwiefern sich beide Seiten darauf einlassen. Das gilt sowohl für die Führung Ihrer „Untergebenen“ als auch für die Führung Ihnen übergeordneter Personen. Je nachdem, wie gut sich das Gegenüber auf Ihre Führung einlässt, umso besser funktioniert Ihre Führung. Je nachdem, wie stark Sie sich selbst auf Ihre Führung einlassen und Ihre Führungsmacht annehmen, können Sie andererseits auch führen. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, dass Sie sich fragen, wie selbstbewusst Sie Ihre Führungsrolle ausfüllen. Vor allem: wie bewusst? In diesem Zusammenhang ist es sehr interessant, wie Sie Macht sehen. Hat Macht für Sie eine negative Bedeutung, was beispielsweise mit Unterlegenheitsgefühlen zu tun haben kann? Wenn Sie in der Führungskraft vielleicht unbewusst den überlegenen Vater sehen, werden Sie sich ihm gegenüber vielleicht manchmal plötzlich wie der wehrlose Sohn fühlen oder wie die aufmüpfige Tochter. Oder Sie weigern sich selbst, in diese „unsympathische“ Rolle der überlegenen, machtausübenden Führungskraft zu schlüpfen. Bei Ihnen werden also vermutlich Kind-Ich-Zustände angetriggert, und Sie rutschen leicht in ein Skriptverhalten oder haben Mühe, dort nicht hineinzurutschen. Nur wenn Ihre Führungsrolle überhaupt von Ihnen selbst angenommen wird, werden andere sie akzeptieren.

5.2.3 Verhalte ich mich stimmig zu meiner Führungsrolle, und wie handle ich bei Rollenkonflikten? Wenn ich mich nicht stimmig zu meiner Führungsrolle bzw. meinen Führungsrollen verhalte, trete ich unklar auf und bin wenig wirksam. Dies kann zu Beeinträchtigungen in der Rollenausübung führen, zu nicht genutzten Chancen der Rollengestaltung oder dazu, dass die Differenzierung verschiedener Rollen nicht beachtet wird. Im Einzelnen können sich diese Beeinträchtigungen folgendermaßen auswirken: –– Rollenfixierung: Eine Person ist auf eine bestimmte Rolle fixiert und es gelingt ihr nicht, sich aus dieser Rolle zu lösen und in eine andere zu wechseln, auch wenn es im Hier und Jetzt unpassend ist. Ein Beispiel hierfür wäre eine Führungskraft, die sich auch in einem von einem externen Moderator geleiteten Workshop nicht von ihrer Vorgesetztenrolle lösen und in die Rolle eines „einfachen“ Teilnehmers begeben kann. –– Rollenausschluss: Eine Person schließt bestimmte Rollen für sich aus. Eine Führungskraft, die versucht, alles kollegial und in Abstimmung zu lösen, und sich auch bei Konflikten weigert, ihre Vorgesetztenfunktion auszufüllen und eine Entscheidung zu treffen, ist hierfür ein Beispiel. –– Rollentrübung: In eine Rolle schleichen sich unbemerkt Elemente aus anderen Rollen ein und prägen das Verhalten in dieser Rolle, obgleich sie hier unpassend sind. Beispiel: Mitleid mit einer Kollegin, das aus einer privaten Freundschaft herrührt, aber in der Situation unpassend ist und das eigene Verhalten trüben und nicht rollengemäß erscheinen lassen kann. Gefordert wäre beispielsweise eine rein sachbezogene Entscheidung als Kollegin oder Mitarbeiterin, wenn die Kollegin sich eines Diebstahls schuldig gemacht hat. –– Rollenverwirrung: Hier leidet die Person unter einem Durcheinander ihrer verschiedenen Rollen und kann daher kein in sich stimmiges Gesamtbild ihrer verschiedenen Rollen entwickeln. Das Verhalten dieser Person ist dann oft so wirr,

Wo gehe ich in Führung? 

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 Meine Haltung zu Führung und meine Führungsrolle(n)

dass für Außenstehende nicht nachvollziehbar ist, aus welcher Rolle heraus diese Person gerade handelt. –– Rollengewohnheiten: Diese führen nur dann zu Beeinträchtigungen, wenn es sich dabei um Gewohnheiten handelt, die für die aktuelle Situation nicht passen bzw. die nicht stimmig zu der Rolle sind (vgl. Schmid 2008, S. 92 ff.). Rollenkonflikte können auch in der Form auftreten, dass zwei verschiedene Rollen in Ihnen miteinander kämpfen. Fallbeispiel: Beispiel:

Marco war gestresst. Er musste scheinbar alles gleichzeitig machen und konnte dabei doch nichts davon so wirklich richtig machen. Einerseits musste er noch eine wichtige Präsentation für den kommenden Tag vorbereiten. Andererseits lag seine kranke Tochter nebenan im Bett und spuckte immer wieder. Während er wieder einmal die Bettwäsche auswechselte und eine Waschmaschine füllte, versuchte er, einen klaren Gedanken zu fassen. Er war unzufrieden. Denn er konnte sich so auf keine seiner Rollen richtig konzentrieren und dies machte beide Aufgaben sehr anstrengend. Weder seiner Arbeit, noch seiner Tochter konnte er so wirklich gerecht werden.

Wie im Fallbeispiel zu erkennen ist, können Konflikte leicht aus den verschiedenen Rollen entstehen, die eine Person in ihrem Leben besetzt. Neben den Rollen im beruflichen Kontext sind hier auch die im privaten Leben zu betrachten. Differenziert werden können die verschiedenen Rollenarten einer Person beispielsweise folgendermaßen: –– Organisationsrollen: Rollen, die eine Person innerhalb einer Organisation einnimmt. –– Professionsrollen: Rollen aufgrund der Profession, der professionellen Identität, durch Ausbildung oder Studium beispielsweise. –– Privatrollen: Rollen im Privatleben. (Schmid 2008, S. 83 ff.)

Zitat: „In dysfunktionalen oder destruktiven Begegnungen werden die sozialen Rollen bewusst, vorbewusst oder unbewusst nicht beachtet und wir finden bewusste, vorbewusste und unbewusste Machtspiele von Seite eines oder beider (oder mehrerer) Beziehungspartner vor.“ (Schneider 2003, S. 8)

Auch zwischen zwei oder mehr Personen kann es passieren, dass die verschiedenen Rollen aus den verschiedenen Lebensbereichen zu einem Rollenkonflikt führen. Es kann beispielsweise sein, dass zwei Personen im Arbeitsleben gleichgeordnete Kollegen sind oder in einem „übergeordnet – untergeordnet“-Verhältnis stehen und dass sie privat eine Freundschaft verbindet. Ein guter Nährboden für Rollenkonflikte, denn daraus kann leicht misslungene Kommunikation entstehen, wenn z. B. der eine bei der Arbeit, auf ein Problem angesprochen, aus seiner privaten Freundesrolle reagiert. Generell gilt: Wenn es Konflikte gibt, sind oft Rollen im Spiel. Wenn sich jemand bei Konflikten ausschließlich über psychologische Gesichtspunkte Gedanken macht und die soziale Ebene der Rollen und damit verbundene Macht außer Acht lässt, wird er bzw. sie kaum Erfolg haben, zumal bei einem ungelösten Konflikt letztlich zumeist die Organisationsrollen den Ausgang bestimmen werden (vgl. Schneider 2003, S. 12 ff.). Kommunikation misslingt leicht, weil sich die Beteiligten ihrer sozialen Rolle nicht bewusst sind und dann unpassend aus Eltern- oder Kind-Ich-Zuständen heraus agieren. Das Aufhalten in Kind- oder Eltern-Ich-Zuständen führt auch dazu, dass sich Menschen ihrer Rolle nicht bewusst sind. Sind sich die Beteiligten hingegen ihrer Rollen bewusst und handeln aus Erwachsenen-Ich-Zuständen, so gelingt die Kommunikation. Ein Beispiel, in dem die Kommunikation aufgrund der Nichtbeachtung der Rolle misslingt: „Ein Vorgesetzter verhält sich seinem Mitarbeiter gegenüber übersicher und agiert aus einem Elternichzustand, oder er fühlt sich unsicher und agiert aus einem Kind-Ich-Zustand“ (Schneider 2003, S. 10 ff.).



Wo gehe ich in Führung? 

Was kann ich tun, um das Entstehen von Rollenkonflikten möglichst von vornherein zu verhindern? Hier können Sie jeweils reflektieren und sich für jede Situation bewusst machen: – In welcher Rolle sind Sie jetzt gerade hier? – Was gehört zu dieser Rolle? – Welche Ziele und Aufgaben haben Sie in dieser Rolle? – Sind Sie sich dessen bewusst, dass Sie, je nachdem in welcher Rolle Sie hier sind, ein differenziertes Verhalten an den Tag legen müssen?

Checkliste: Rollenkonflikte vermeiden

Beim Stichwort „Rollenklärung“ ist es wichtig, nicht nur Ihre Rolle zu klären, sondern auch die Rollen Ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Mitstreiterinnen und Mitstreiter müssen klar sein.

5.2.4 Wie kann ich informelle Führung gut gestalten? Im Prinzip kann jede und jeder eine informelle Führungsrolle innehaben. Gerade Spezialistinnen und Spezialisten, von denen es in Bibliotheken einige gibt, sind oft informelle Führer in ihrer Organisation. Fallbeispiel: Als Projektkoordinatorin hatte Nora gewissermaßen eine informelle Führungsrolle inne. Sie hatte zwar das Projekt zu koordinieren, hatte irgendwie dafür zu sorgen, dass die Ziele fristgerecht erreicht wurden, hatte aber nicht wirklich etwas in der Hand: Sie besaß keinerlei Weisungsbefugnis den Kolleginnen und Kollegen gegenüber, die mitarbeiten sollten, ja, durfte offiziell noch nicht einmal deren Entgeltstufe kennen – obwohl sich danach ja teilweise definierte, welche Aufgaben jemand übernehmen durfte. Es war wie ein Stochern im Nebel. Sie war auf das Wohlwollen aller angewiesen. Ein Balanceakt, hierbei immer den richtigen Ton zu treffen, alle zum Mitmachen zu motivieren und mit dem Projekt vorwärts zu kommen.

Wenn Sie keinerlei formale Macht besitzen, bleibt Ihnen letztlich nur, die Leute durch Ihre Person zu überzeugen und für Ihre eigenen Ideen zu werben – für eine formale Führungskraft ist nur zu hoffen, dass sie dies auch schafft. Es ist eine Art „natürliche Führung“, die Sie übernehmen. Empfehlenswert ist es, bewusst zu entscheiden, ob Sie inoffizielle Führung übernehmen möchten. Gibt es jemanden, der oder die meint, Sie müssten dies, so könnte dies ein Versuch sein, Sie in eine Retterrolle zu manövrieren. Wenn Sie „ohne Macht“ führen, so brauchen sie umso mehr Führungsqualitäten, Ausstrahlung, Überzeugungskraft, um Erfolg zu haben und „Folger“ zu haben. Wie kann ich informelle Führung gestalten? Welche Möglichkeiten und Grenzen beinhaltet meine Rolle? In diesem Zusammenhang sollten Sie sich zunächst anschauen, welche Rollen Sie überhaupt im beruflichen Leben haben. Vor allem die Organisationsrollen sind hier zu betrachten, aber auch die Professionsrollen. Haben Sie möglicherweise mehrere Organisationsrollen, so sind diese einzeln zu betrachten. Aus jeder Rolle innerhalb der Organisation können sich andere Möglichkeiten und Grenzen für informelle Führung ergeben. Es gibt eine Reihe von Fragen, die sich in Zusammenhang mit der Ausgestaltung informeller Führung ergeben und es ist schwierig, diese pauschal für alle möglichen Formen von informeller Führung in allen möglichen Bibliotheken zu beantworten. Den folgenden Fragenkatalog können Sie für Ihren eigenen Kontext prüfen.

Beispiel:

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 Meine Haltung zu Führung und meine Führungsrolle(n)

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Welche Möglichkeiten bietet Ihnen die informelle Führungsrolle? Welche Grenzen sind damit verbunden? Welches sind Gefahren der informellen Führung? Wo lauern (unsichtbare) Grenzen? Wo laufen Sie Gefahr, sie zu überschreiten? Wie können Sie sicher agieren? Wie können Sie ohne offiziellen Auftrag führen – und möchten Sie das?

Selbsttest: Fragenkatalog zur informellen Führung

Wichtig für informelle Führung: klären, klären, klären und sich selbst darüber klar sein, was Sie dort gerade machen und ob Sie das möchten. Der positive Nebeneffekt: Wenn Sie sich klar sind, wo Sie hin möchten und Ihre Rolle für sich definiert haben, dann werden Ihnen andere auch leichter folgen, auch wenn Sie keine offizielle Führungsposition bekleiden. – Tipps zum Mitnehmen aus dem Kapitel



Ideologien, Mythen, Archetypen können Ihre Führungsfähigkeit einschränken, aber auch andere in ihrem Umgang mit Führung. Bewusstheit darüber zu erlangen, ist ein erster und zentraler Schritt, um sie ihrer automatisch mitreißenden Kraft zu berauben. Klarheit über Ihre Rolle(n) kann Ihnen helfen, Konflikte zu vermeiden oder zu lösen, und wirksam zu führen.

Weiterführende Literaturtipps

Zu Rollen und Rollenkonflikten: Schmid, Bernd; Systemische Professionalität und Transaktionsanalyse; EHP, Bergisch Gladbach, 3. Auflage, 2008 Zur Bedeutung von Rollen in der Kommunikation: Schneider, Johann; Rollenintegrierte „Transaktionsanalyse“ (RITA) – ein psychosoziales Transaktionsmodell; Junfermann, www.active-books.de, 2003

6  Führung ist Beziehungsarbeit 6.1 Wie gestalte ich gute Führungsbeziehungen? Alleine kann die beste Führungskraft nicht erfolgreich sein. Per Definition wäre sie nicht einmal eine Führungskraft, weil ihr die „Folger“ fehlen würden. Eine einzelne Person kann normalerweise nicht viel ausrichten. Sie braucht Leute, die am gleichen Strang ziehen und das richtige Umfeld. Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden für einen Erfolg gebraucht. Wenn viele gemeinsam in eine Richtung arbeiten, dann macht dies den Unterschied und bringt den Erfolg. Gerade als Führungskraft müssen Sie bewusst kommunizieren. Tragfähige Arbeitsbeziehungen zu gestalten ist das A und O Ihrer Führungstätigkeit und dafür ist Kommunikation die Voraussetzung. Um professionell zu agieren, sollten Sie sich mit Kommunikation beschäftigen. Zu leicht geschieht es sonst: Jemand ist nicht gut drauf, ein falsches Wort fällt, schon ist der andere eingeschnappt. Ein Wort ergibt das andere. Die einst gute Beziehung ist schneller zerstört, als sie begonnen hat. Grundvoraussetzung für eine funktionierende Führungsbeziehung ist, dass die Beteiligten im Erwachsenen-Ich-Zustand sind und sich gegenseitig im ErwachsenenIch-Zustand adressieren. Unter dieser Voraussetzung haben alle Beteiligten eine Haltung des „Ich bin OK – Du bist OK“. Auch wenn sie vielleicht nicht immer mit allem einverstanden sind, was die anderen tun, so wissen sie sich doch gegenseitig als Personen wertzuschätzen. Zu einer guten Beziehung gehört auch ein hoher Grad an individueller Autonomie. Damit verbunden ist die Wahlfreiheit zwischen verschiedenen Beziehungsrollen. Ich können und „dürfen“ sich beispielsweise eigenständig definieren, abgrenzen und alleine sein. Ebenso wie Sie auch privat keine guten Beziehungen haben werden, wenn Sie selbst nicht „da“, nicht als Person im Hier und Jetzt präsent sind, funktioniert dies auch für professionelle Beziehungen nicht. Nun kann es sein, dass Sie sich als Kind oder im Laufe der Jahre ein bestimmtes Repertoire an Beziehungsmustern zugelegt haben, die für Ihre Arbeit hinderlich sein können. Insofern ist es wertvoll, wenn Sie sich selbstkritisch hinterfragen, ob Sie bestimmte Beziehungsmuster haben. Haben Sie wiederkehrende Beziehungsmuster, die Sie in bestimmten Situationen zeigen? – Ziehen Sie sich bei Stress zurück? – Können Sie „Intimität“ zulassen? Lassen Sie andere wirklich „nah“ an sich heran, zeigen Ihre wahren Gefühle und zeigen sich so, wie Sie sind? – Reagieren Sie mit Rückzug, wenn Ihnen jemand zu „nah“ kommt? Stoßen Sie die Person dann zurück? – Fühlen Sie sich leicht überlegen oder unterlegen? – Wie strukturieren Sie Zeit?

Zitat: „Die Art und Weise, wie Menschen miteinander umgehen, wird zum entscheidenden Erfolgsfaktor.“ (Sprenger 2000, S. 186)

Selbsttest: Beziehungsmuster

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 Führung ist Beziehungsarbeit

Als Führungskraft ist es wichtig, dass Sie sich dessen bewusst sind, was und wie Sie kommunizieren. Wissen Sie selbst genau, was Sie kommunizieren möchten und Sind Sie selbst davon überzeugt? Sonst besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass das Ergebnis der Kommunikation unklar ausfallen wird und es schwierig wird, andere davon zu überzeugen. Bei aller Bedeutung von guten Beziehungen und Mitmenschlichkeit am Arbeitsplatz sollten Sie nicht aus den Augen verlieren, dass es sich dabei immer um Arbeitsbzw. Führungsbeziehungen handelt. Sie sollten also darauf achten, dass Sie dabei nicht „aus der Rolle fallen“, sondern sich stimmig zu Ihrer Rolle als Führungskraft verhalten. Wenn Sie im Erwachsenen-Ich-Zustand bleiben und nicht in einen Kindoder Eltern-Ich-Zustand fallen, ist gewährleistet, dass Sie sich Ihrer Rolle bewusst sind und stimmig handeln (siehe auch Kap. 4.). Für eine Führungsbeziehung ist es professionell, wenn Sie sich als Führungskraft abgrenzen können von anderen Leuten, von ihren Problemen, Erwartungen oder Konflikten. Können Sie dies nicht, so besteht die Gefahr, dass Sie aus Ihrer Rolle fallen und sich dann beispielsweise in eine symbiotische Arbeitsbeziehung hineinbegeben. Durch die Entwicklung Ihrer Autonomie bekommen Sie diese Abgrenzungsfähigkeit. Ihre Autonomie zu fördern ist demzufolge eine wichtige Entwicklungsaufgabe für Sie als Führungsperson. Fallbeispiel: Beispiel:

Als absoluter Experte auf seinem Gebiet hatte Marco in der Bibliothek gewissermaßen eine informelle Führungsrolle inne. Er konnte auf einige feste Verbündete zählen, die dieselbe Wellenlänge hatten und zu ihm hielten. Dies hatte ihm bei seinen Projekten schon einige Male den Weg geebnet. Auf Katrin, die in der EDV-Abteilung eine Schlüsselposition besetzte, konnte er sich dabei stets verlassen. Nun war sie zu ihm gekommen, um ihn zu einem Problem um Rat zu fragen. Ganz im Gegensatz zu ihrer sonst guten Beziehung nahm das Gespräch eine plötzliche Wendung: Marco: „Warum machst Du das denn nicht folgendermaßen…? Also, wenn Du das von Anfang an so gemacht hättest, dann wärst Du gar nicht erst in diese Schwierigkeiten gekommen. Warum hast Du es eigentlich nicht gleich so gemacht? Warum hast Du es denn erst so komisch gemacht?“ Katrin: „Danke für den tollen Rat! Das habe ich jetzt wirklich gebraucht! Dann frag’ ich dich halt nicht noch mal!“ Sagte es und stürmte hinaus.

Was war geschehen? Katrin hatte sich von Marco aus dem Eltern-Ich-Zustand angesprochen gefühlt und war unwillkürlich in eine trotzige Kind-Ich-Position gerutscht. Gerade als informelle Führungsperson hat Marco sich mit diesem Verhalten keinen Gefallen getan – und Katrin sich genau so wenig. Wäre Marco im Erwachsenen-Ich-Zustand gewesen, dann wäre er einfühlsamer mit ihr umgegangen und hätte vermutlich mehr Fragen gestellt. Falls er ihr eine Rückmeldung zu ihrem bisherigen Verhalten geben wollte, hätte er sie um Erlaubnis fragen sollen, anstatt ihr seine Meinung vor die Füße zu „knallen“. Er hätte ihr dann nicht ungefragt ihre Autonomie genommen. Vielleicht hätte sie am Ende sogar selbst eine Lösung zu ihrem Problem gefunden.



Wie gestalte ich gute Führungsbeziehungen?  

EL

EL

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Marco

Katrin

Abb. 12: Marco und Katrin im Fallbeispiel

Man darf bei der Betrachtung individueller Führungsbeziehungen und anderer Beziehungen am Arbeitsplatz nicht vergessen, dass die Beziehungen sich immer auch vor dem Hintergrund der Organisation entwickeln. Je nachdem, wie die Bibliothek gestrickt ist, beeinflusst sie die Beziehungen in ihrer Organisation in die eine oder andere Richtung. Wie soll sich beispielsweise ein Gefühl des Eingebunden seins und Dazugehörens in einer „kalten“ Organisation durchsetzen, in der die Menschen nicht zählen? In sozialen Beziehungen geben sich die Menschen gegenseitig Zuwendung in den verschiedensten Formen, positive wie negative. Als Führungskraft ist es wichtig, dass Sie darauf achten, welche Art von Zuwendung Sie wem wofür geben. Andererseits ist es wichtig, dass Sie sich nicht von Zuwendung im beruflichen Kontext abhängig machen. Schließlich kann es immer wieder Zeiten geben, in denen nicht alle Ihre Entscheidungen voll mittragen, in denen es aber aus Ihrer Sicht keine andere Lösung gibt und Sie sich durchsetzen müssen. Würden Sie die Zuwendung, die Sie wie jede andere Person benötigen, überwiegend oder ausschließlich von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, Kolleginnen und Kollegen oder Vorgesetzten beziehen, so hätten Sie vermutlich Schwierigkeiten damit, klare und sachdienliche Entscheidungen zu treffen, weil Sie eventuell befürchten würden, dass Ihre Entscheidungen bei den anderen nicht auf Gegenliebe stoßen. Eine andere wichtige Aufgabe in diesem Zusammenhang ist es, dass sie bewusst entscheiden, wie Sie mit der Zuwendung anderer Menschen umgehen. Sie haben die Freiheit, Zuwendung anderer Personen abzulehnen, wenn sie Ihnen unpassend erscheint. Dieses gilt für positive Formen der Zuwendung ebenso wie für negative Formen. Sie müssen weder die Kritik anderer Personen zwangsläufig einstecken, noch Schmeicheleien oder deren Lob, wenn Ihnen das unpassend oder unaufrichtig erscheint. Zur Führungsarbeit gehört es, selbst in einer passenden Form Zuwendung zu geben. Welche Formen von Zuwendung gibt es und welche Form ist passend? Welche Art von Zuwendung Kinder von ihren Eltern oder anderen Bezugspersonen erhalten, ist von entscheidender Bedeutung dafür, was für eine Einstellung sie zu sich selbst und zu anderen Menschen entwickeln. Kommunikation ist im Allgemeinen mit dem Geben von Zuwendung verbunden. Diese kann sowohl verbal als auch nonverbal (beispielsweise ein Blickkontakt oder ein Lächeln) erfolgen. Menschliche Zuwendung lässt sich grob in vier verschiedene Qualitäten untergliedern:

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Zitat: „Auch ein ehrlich wohlmeinender Paternalismus ist blind für den zugreifenden und bevormundenden Modus seiner Beziehung zum Menschen.“ (Sprenger 2000, S. 262)

Zitat: „Manch einer, der sich darüber beklagt, Arbeitskräfte würden heute nur noch ,jobben‘ und kein Geschäftsinteresse mehr zeigen, sollte zunächst scharf hingucken, wie es um die Qualität der menschlichen Beziehungen in seinem Verantwortungsbereich bestellt ist. Dieser Teil der Führungsaufgabe stellt allerdings spezifische Anforderungen: Freude am Kontakt mit Menschen; Gespür für die emotionale Lage anderer; aber auch eine gewisse Ruhe und etwas Zeit (…).“ (Doppler/ Lauterburg 2008, S. 47)

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 Führung ist Beziehungsarbeit

–– Unbedingte positive Zuwendung: Diese Zuwendung ist an keine Gegenleistung oder Erwartung von Gegenleistung gebunden. Es ist die Art von Zuwendung, die beispielsweise Babys in ihren ersten Lebensmonaten bekommen bzw. bekommen sollten: Das Gefühl angenommen und geliebt zu sein, so wie man ist, einfach weil man da ist. Das Vorhandensein unbedingter positiver Zuwendung festigt die Grundeinstellung des „Ich bin OK“. Das Fehlen dieser Art der Zuwendung führt hingegen meist zu einer „Ich bin nicht OK“-Einstellung. Bezogen auf eine Arbeitssituation könnte positive Zuwendung z. B. so aussehen: Eine Mitarbeiterin wird nach längerer Abwesenheit aufgrund einer Mutterschutzzeit von ihrer Vorgesetzten mit den Worten begrüßt: „Schön, dass Sie wieder da sind!“. –– Bedingte positive Zuwendung: Hier ist die positive Zuwendung mit einer bestimmten Bedingung, Verhaltensweise, Eigenschaft oder Fähigkeit verknüpft. So wird eine Grundeinstellung gefördert, die „Ich bin OK, wenn ich … (eine bestimmte Arbeit gut erledige o.ä.).“ Diese Form der Zuwendung bekommen wir von anderen Personen dafür, dass wir ihren Erwartungen entsprechen, aber nicht dafür, dass wir einfach so sind, wie wir sind. Somit wird mit der bedingten positiven Zuwendung die Anpassung an das soziale Umfeld gefördert. –– Bedingte negative Zuwendung: Diese Zuwendungsform funktioniert analog zur bedingten positiven Zuwendung. Ebenso wie diese dient sie der Anpassung an das soziale Umfeld. Wir bekommen sie, wenn wir nicht den Erwartungen anderer Menschen entsprechen, etwa wenn wir gegen geltende Normen verstoßen. Sie führt dazu, dass wir viel Beachtung erfahren, aber sie fühlt sich nicht wirklich gut an. Gefördert wird damit die Grundeinstellung „Ich bin nicht in Ordnung, wenn ich nicht … (immer arbeite und nie krank werde; etwas Bestimmtes tue).“ Kritische Hinweise und Strafen können als Maßnahmen für eine klare Grenzsetzung ebenfalls mit dieser Zuwendungsform verbunden sein. Für die Entwicklung eines realistischen Bildes von der eigenen Person haben bedingte negative Zuwendungen eine wichtige Funktion. Erhält ein Kind jedoch immer wieder nur bedingte negative Zuwendung, kann es sich nicht gut entwickeln, da die positiven Zuwendungsformen fehlen. –– Bedingungslose negative Zuwendung: Dies ist eine Zuwendungsform, die sehr problematisch ist, da sie sich allein destruktiv an eine Person richtet. Damit wird die Grundeinstellung „Ich bin nicht OK, egal was ich tue (am besten, es gäbe mich gar nicht)“ gefördert. Obwohl diese Form der Zuwendung so schädlich ist, kommt sie in der Kommunikation immer wieder vor. Manche Menschen suchen diese Form der Zuwendung geradezu, da sie ihnen immerhin eine gewisse Beachtung sichert, die sie auf anderem Wege sonst vielleicht nicht bekommen würden. Schließlich brauchen wir Zuwendung (vgl. Gührs/Nowak 2006, S. 85 ff.). Je nachdem, welche Form der Zuwendung wir als Kind oft erhalten haben, kann es sein, dass wir auch später noch oft eine bestimmte Rolle einnehmen, um uns diese Form der Zuwendung zu sichern. Dazu gehören beispielsweise die Rolle des „Sorgenkindes“, des „Tollpatsches“, des „Klassenclowns“, des „Musterschülers“ oder des „Prügelknaben“ (vgl. Gührs/Nowak 2006, S. 90). Bedingungslose negative Zuwendung sollte im Arbeitskontext, wie in jedem anderen Kontext, ein Tabu sein. Eine Person sollte immer mit Respekt für ihre Person behandelt werden, auch wenn er oder sie einen Fehler macht. Trotzdem Wertschätzung für die Person zu zeigen, aber ihr Verhalten zu kritisieren, also bedingte negative Zuwendung zu geben, ist eine geeignete Handlungsmöglichkeit für Fälle von Fehlverhalten. Wichtig ist es als Führungskraft, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bewusst bedingte und bedingungslose positive Zuwendung zu geben. Dadurch entsteht



Wie gestalte ich gute Führungsbeziehungen?  

Vertrauen und auch dadurch, dass die anderen Personen darauf vertrauen können, dass sie keine komplette Ablehnung ihrer Person erleben werden, sondern, dass mit ihnen unter allen Umständen fair und wertschätzend umgegangen wird. Dabei sollten Sie explizit darauf achten, dass Sie die verschiedenen Arten von Zuwendung verwenden, mit Ausnahme der bedingungslosen negativen Zuwendung. Manche Personen neigen dazu, nichts zu sagen, wenn alles gut läuft, aber sobald es irgendwo schlecht läuft, werfen sie mit negativer Zuwendung um sich. Wenn Fehler also die einzige Möglichkeit sind, die Aufmerksamkeit der Führungskraft zu erlangen, kann es zum einen demotivierend wirken, zum anderen bei manchen Personen geradezu ein schwieriges Verhalten „heranzüchten“. Sind Personen stark auf der Suche nach Zuwendung und sind durch ihre bisherige Entwicklung auf entsprechende Rollen getrimmt, so kann es sein, dass sie auch unter diesen Bedingungen den „Tollpatsch“ oder den „Prügelknaben“ „geben“, einfach um überhaupt Aufmerksamkeit zu erlangen. Als Führungskraft sollten Sie also darauf achten, dass Sie keine Fehlanreize setzen, indem Sie problematisches Verhalten „belohnen“. Nur wenn Sie klar auftreten und klar kommunizieren, besteht eine realistische Chance, dass andere Ihnen folgen. Was brauchen Sie dafür? 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Sich auf die Situation vorbereiten. Überprüfen: Sind Sie präsent, im Hier und Jetzt? Klarheit gewinnen I: Wer sind Sie? Wo sind Ihre Grenzen? Klarheit gewinnen II: Was wollen Sie in dieser konkreten Situation? Klar kommunizieren, was Sie wollen. Andere mit ihren Wünschen einbeziehen.

Checkliste: Klar kommunizieren

Wenn Sie selbst innerlich klar sind, so wird es Ihnen leichter fallen, andere von Ihren Vorhaben zu überzeugen und gemeinsam erfolgreich in dieselbe Richtung zu ziehen. Es kommt also auf Ihren inneren Kompass an, auf Ihre Haltung. Ob Sie erfolgreich führen, hängt zwar nicht ausschließlich von Ihnen ab, aber ohne eine geeignete Haltung von Ihnen dazu, fehlt die Grundlage dafür, andere zu überzeugen. Der Grund für Misserfolg – der Konflikt bzw. dessen Wurzel – liegt dann in Ihnen selbst. 1. 2.

Sie sind im Erwachsenen-Ich-Zustand, haben eine „Ich bin OK – Du bist OK“-Haltung. Sie sind autonom. Sie können sich professionell abgrenzen, ohne jedoch an Einfühlungsvermögen zu verlieren. 3. Guter Kontakt ist möglich, wenn Sie wirklich präsent im Hier und Jetzt sind und nicht nur physisch anwesend. 4. Sie achten darauf, ob die andere Person auch im Erwachsenen-Ich-Zustand ist. 5. Gegebenenfalls versuchen Sie, darauf hinzuwirken, dass sie aus einem Skriptverhalten herausfindet, indem Sie sie als OK und ebenbürtig behandeln und versuchen, mit Fragen ihr Erwachsenen-Ich und ihre Autonomie zu aktivieren. In jedem Fall nutzen Sie es nicht manipulierend aus, dass sie nicht im Erwachsenen-Ich-Zustand ist. 6. Treten Sie klar auf? Wissen Sie, was Sie kommunizieren wollen? Sind Sie selbst davon überzeugt?

Checkliste: Gute Führungsbeziehungen gestalten

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 Führung ist Beziehungsarbeit

6.2 Wie verhalte ich mich stimmig bei schwierigen Führungsbeziehungen? Manchmal haben Sie vermutlich auch Führungsbeziehungen, die Sie als schwierig empfinden oder in denen Sie Ihr Gegenüber als schwierig empfinden. Vielleicht fühlen Sie sich dem nicht gewachsen oder die Situation ist festgefahren. Die Arbeit leidet darunter, Entscheidungen oder Innovationen stocken. Hilfreich ist es in all diesen Situationen, wenn Sie Ihre Rolle in der Führungsbeziehung selbstkritisch reflektieren. Zitat: „Was tue ich dazu, dass der andere sich verhält, wie er sich verhält?“ (Sprenger 2000, S. 90)

Im Folgenden werden speziell herausfordernde Führungssituationen dargestellt.

6.2.1 Ersatzgefühle – Jemand reagiert heftig oder unpassend Manchmal erleben wir, dass Menschen Gefühle zeigen, die nicht zur Situation passen, oder dass die Gefühle heftiger ausfallen, als es normal zu erwarten gewesen wäre. Oft halten solche Gefühle zudem über längere Zeit an. Fallbeispiel:

Beispiel:

Nora hatte sich in einer Sitzung von einer Kollegin schlecht behandelt gefühlt, weil diese eine Aussage zu ihrem Zuständigkeitsbereich getroffen hatte. Sie brodelte innerlich nach der Sitzung und sprach die Kollegin an. Diese entschuldigte sich sofort und schickte eine E-Mail zur Klarstellung an alle Beteiligten. Obwohl Nora mit dieser E-Mail im Prinzip einverstanden war, spürte sie weiterhin Wut in sich nagen und spielte in Gedanken verschiedene Szenarien durch, wie sie selbst es der Kollegin heimzahlte und auf ihrem Gebiet „wilderte“. Diese Gefühle tauchten über Tage immer wieder bei ihr auf. Nora begann sich selbst über ihre Wut und Rachsucht zu wundern. Rational konnte sie sich dies nicht erklären. Sie horchte mehr in sich hinein. Schließlich merkte sie, dass sie innerlich von der Angst erfüllt war, jemand könnte ihren Arbeitsbereich antasten.

Als Kinder lernen wir in unseren Familien zum Teil, dass bestimmte Gefühle gerne gesehen sind, andere abgelehnt werden. Da wir als Kinder vom Wohlwollen und der Zuwendung unserer Eltern abhängig sind, werden wir fortan bestrebt sein, Gefühle, die sie nicht sehen möchten, zu unterdrücken. Zu diesem Zweck überdecken wir diese ursprünglichen Gefühle dann mit anderen, unechten Gefühlen, den sogenannten „Ersatzgefühlen“. Als Kind war dies ein hilfreiches Verhalten. Legen wir es als Erwachsene später an den Tag ist es unproduktiv und zeigt, dass wir nicht im Erwachsenen-Ich-Zustand sind. Wir müssen dann zum Teil erst wieder erlernen, die ursprünglichen Gefühle zuzulassen (vgl. Stewart/Joines 2010, S. 27). Ersatzgefühle lassen sich daran erkennen, dass sie länger andauern als „echte“, ursprüngliche Gefühle. Außerdem haben sie im Gegensatz zu ursprünglichen Gefühlen keine „produktive“ Funktion zur Lösung eines Problems. Es handelt sich dabei um Gefühle, die ein Unwohlsein bei uns hinterlassen und nicht wie funktionale Gefühle mit der Zeit abklingen. Vielmehr tauchen sie immer wieder auf und führen zu keiner Erleichterung. Sie bestehen auch dann noch fort, wenn der eigentliche Auslöser bereits abgestellt wurde (Gührs/Nowak 2006, S. 171 ff.). Erleben wir ein Ersatzgefühl, drücken es aber nicht aus, sondern „sammeln“ es für später, so spricht man davon, dass wir eine „Rabattmarke“ gesammelt haben.



Wie verhalte ich mich stimmig bei schwierigen Führungsbeziehungen? 

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6.2.2 Negative Gefühle sammeln wie Rabattmarken Fallbeispiel: Frau G., die Leiterin der Stadtbibliothek, wirkte fast immer freundlich im Umgang mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Selbst wenn sie ihr eröffneten, dass sie manche Arbeiten unmöglich übernehmen konnten, weil sie ihnen aus privaten Gründen nicht passten oder weil sie sich dafür nicht als genügend qualifiziert empfanden oder zu viel zu tun hätten, lächelte sie darüber hinweg und ertrug es mit stoischer Ruhe – auch wenn sie anderer Meinung war. Hin und wieder brach jedoch der still und heimlich aufgestaute Ärger darüber aus Ihr heraus und sie verschaffte sich Luft. Meistens traf es dann allerdings nicht die Personen, über die sie sich geärgert hatte, denn vor diesen hatte sie in gewisser Weise Angst. Vielmehr war es eine bestimmte Mitarbeiterin, Frau V., die normalerweise die aufgestaute Wut abbekam. Sie war eine sehr fleißige Mitarbeiterin, wohl so ziemlich die einzige, die ihr dauerhaft die Treue zu halten schien. Manchmal stellte sie sich allerdings etwas ungeschickt an. Das brachte Frau G.’s Fass dann zum Überlaufen. Frau V. nahm dies klaglos hin.

Als Analogie zum Sammeln von Treupunkten im Supermarkt wird in der Transaktionsanalyse vom psychologischen Sammeln von „Rabattmarken“ gesprochen. Hat eine Person in ihrem „Sammelheft“ eine gewisse Anzahl an Punkten gesammelt, so kann sie entscheiden, ob sie das Sammelheft einlösen möchte. Für das Einlösen des „Sammelheftes“ winkt ein „Preis“, dessen Größe davon abhängt, wie viele Rabattmarken gesammelt wurden. Eine Person, die oft eine kleinere Anzahl an Rabattmarken einlöst, bekommt nur einen kleinen Preis, während einer Person, die längere Zeit gesammelt hat, ein großer Preis für die Einlösung des Sammelheftes winkt. Da es bei den psychologischen Rabattmarken eine Wahl bezüglich des Zeitpunkts der Einlösung gibt, kann es sein, dass Sie Ihre Rabattmarken an einer ganz anderen Stelle einlösen und nicht dort, wo Sie sie gesammelt haben. Es trifft daher möglicherweise eine vollkommen unbeteiligte Person mit der Einlösung der Rabattmarken (vgl. Stewart / Joines 2010, S. 312). Immer wieder lässt sich beobachten, dass Menschen ungute Gefühle wie Wut sammeln, bis es irgendwann zum großen Ausbruch kommt. Die Rabattmarken können vielfältiger Art sein, neben „Wutmarken“, die sich gegen andere, aber auch gegen die eigene Person richten können, beispielsweise „Depressionsmarken“. Manche Menschen sammeln ihre Rabattmarken über einen kurzen Zeitraum und brechen zur Einlösung einen Konflikt mit einem Kollegen vom Zaun. Andere hingegen sammeln über Monate, manchmal Jahre und lösen dann gleich einen ganzen Haufen von Rabattmarken auf einmal ein, um als Endauszahlung einen richtigen „Hauptgewinn“ zu bekommen. In schweren Fällen kann dies beispielsweise bin hin zur Entlassung, zum Magengeschwür, Herzinfarkt oder Suizid führen (vgl. Stewart/Joines 2010, S. 312 f.).

6.2.3 Situationen werden wieder und wieder gleich „inszeniert“ Vielleicht kennen Sie das: Eine Situation wiederholt sich in ähnlicher Weise immer wieder und Sie haben den Eindruck, „Dieses Spiel kenne ich doch.“? Immer wiederkehrende, zueinander passende Kommunikationsmuster von zwei oder mehr Personen, die sich periodisch wiederholen und immer wieder zu einem bestimmten Ergebnis führen, das schon von Anfang an vorausgesagt werden kann, werden als psychologische Spiele bezeichnet. Psychologische Spiele sehen nach außen hin zwar plausibel aus, haben aber verborgene Motive im Hintergrund. Sie sind stets mit einer Falle oder einem Trick verbunden. Als Nutzen erhalten die Spieler Zuwendung und eine Bestätigung ihrer eigenen Position.

Beispiel:

Zitat: „Ein Spiel ist eine ständig wiederholte Abfolge von Transaktionen, bei der beide Seiten am Ende Maschengefühle (Anmerkung der Autorin: Ersatzgefühle) erleben. Dazu gehört immer ein Umschlag, ein Augenblick, wo beide Spieler erleben, daß etwas Unerwartetes und Unangenehmes passiert ist. Die Menschen spielen ihre Spiele, ohne dass sie sich das richtig klarmachen.“ (Stewart/Joines 2010, S. 27)

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 Führung ist Beziehungsarbeit

Anders als das Wort „Spiel“ vermuten lassen könnte, führen psychologische Spiele nicht unbedingt zu Freude oder Vergnügen, sondern sind oft mit unangenehmen Gefühlen verbunden. (Berne 2002, S. 67 ff)

Beispiel:

Fallbeispiel: „Wasch‘ mir den Pelz, aber mach‘ mich nicht nass,“ hatte Nora das Spiel von Herrn Dr. Schache getauft. Er spielte es folgendermaßen: Herr Dr. Schache forderte in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen einen Wandel und mehr Innovationen in der Bibliothek. Es müsse einen „Ruck“ geben. In Sitzungen kündigte er an, dass es jetzt richtig losgehen würde. Voller Hoffnung war Nora dann aus den Sitzungen gegangen. Ihre Kolleginnen und Kollegen waren auch mehr oder weniger motiviert. Wenn es in der nächsten Sitzung dann darum ging, dass die Einzelnen konkrete Vorschläge dafür einbringen konnten, wie jetzt begonnen werden könnte, lautetet seine Antwort stets in etwa: „Ja, das ist eine gute Idee, aber es geht nicht, weil …“ Mittlerweile hatte das Spiel dazu geführt, dass sich verschiedene verfeindete Gruppen in der Bibliothek gebildet hatten. Entscheidungen wurden nicht gefällt – oder nicht umgesetzt. Frustration machte sich allenthalben breit.

Tipp: Bei Berne 2002 oder bei Gührs/ Nowak 2006, S. 193 ff. werden verschiedene Formen psychologischer Spiele beschrieben.

Im Fallbeispiel spielt Herr Dr. Schache ein „Ja, aber …“-Spiel, u.a. im Arbeitskontext ein recht häufiges psychologisches Spiel. Mit verschiedenen Lösungsoptionen für ein Problem konfrontiert, lehnt der Initiator des Spiels alle Lösungsoptionen mit den Worten „Ja, aber…“ ab. Dieses Verhaltensmuster kann er eine ganze Weile aufrechterhalten, bis seine Mitspieler letztlich entnervt aufgeben und er als „Sieger“ aus dem Spiel hervorgeht. Das „Ja, aber …“-Spiel ist nur eines von vielen psychologischen Spielen. Eine Reihe anderer Spielmuster sind oft im Arbeitskontext zu finden. Eine ausführliche Beschäftigung damit kann sehr erhellend sein. Im Führungskontext ist es wichtig, nicht selbst in psychologische Spiele zu gelangen, da sie unproduktive Energie binden. Sie sollten hinterfragen: Inwiefern bin ich selbst anfällig für solche Spielmuster? Initiiere ich selbst psychologische Spiele? Lade ich andere dazu ein oder steige ich bei anderen Personen leicht in solche Spiele ein, wenn ich dazu eingeladen werde?

6.2.4 Opfer-, Retter- und Verfolgerrollen Das Drama-Dreieck ist ein einfaches und wirkungsvolles Analyseinstrument für psychologische Spiele. Kennzeichen von psychologischen Spielen ist es, dass die am Spiel beteiligten Menschen bestimmte Rollen besetzen, die mit Skriptverhalten zusammenhängen: Die Rollen des Retters, des Opfers oder des Verfolgers. Diese drei Rollen können zeitgleich von drei verschiedenen Personen ausgefüllt werden oder tauchen zumindest im Laufe des Spiels alle auf: –– Opfer: Eine Person in der Opferrolle findet sich selbst unterlegen und nicht OK. Dies kann manchmal dazu führen, dass das Opfer sich einen Verfolger sucht, der ihm schadet, oder einen Retter, der ihm zur Hilfe kommt. Geschieht dies, wird das Opfer in seiner Auffassung bestätigt, dass es alleine nicht klar kommt. –– Retter: Für eine Person in der Retterrolle sind andere Personen nicht OK und ihr unterlegen. Aus seiner als überlegen wahrgenommenen Position bietet er ihnen daher Hilfe an. –– Verfolger: Eine Person in der Verfolgerrolle sieht andere Personen als nicht OK und als unterlegen an. Sie verfolgt andere, indem sie sie schlecht macht oder ihnen schadet. (Stewart / Joines 2010, S. 338 ff.)



Wie verhalte ich mich stimmig bei schwierigen Führungsbeziehungen? 

Menschen, die in den Rollen des Drama-Dreiecks handeln, befinden sich im Skriptverhalten und nicht im Hier und Jetzt des Erwachsenen-Ichs. Bei psychologischen Spielen lässt sich in der Regel beobachten, dass eine Person ein Spiel in einer dieser drei Rollen beginnt und andere zum Mitmachen „einlädt“. Irgendwann im Laufe des Spiels findet ein plötzlicher Rollenwechsel bei dieser Person statt. Ein Beispiel hierfür wäre, dass jemand erst aus einer Opferposition agiert und, wenn sich ein hilfreicher Retter gefunden hat, irgendwann von einer Sekunde auf die nächste in eine Verfolgerrolle wechselt und den Retter schikaniert. Fallbeispiel: Frau G. sieht sich in einem heroischen Kampf. Sie will die Stadtbibliothek, die sie leitet, retten und auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die dort arbeiten. Sie rettet alles und jeden, egal, ob dies wirklich notwendig und erwünscht ist oder nicht. Jemand klagt über leiseste Anzeichen eines Schnupfens? Frau G. schickt sie nach Hause und übernimmt bereitwillig ihre Aufgaben, zusätzlich zu ihren eigenen. Denn sie hinterfragt weder die Notwendigkeit zum Retten, noch ob es ein passendes Verhalten für sie als Führungskraft ist, alles und jeden zu retten. Für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist es oft sehr bequem, sich in eine Opferrolle zu begeben. Aber wehe, die Situation ändert sich und ihre eigenen Interessen sind in Gefahr! Dann kann es wie von Zauberhand passieren, dass sie ganz schnell ihre Opferrolle ablegen und Frau G. das Ziel ihres Unmutes wird. Als die Stadtbibliothek in neue Räumlichkeiten umzieht und in diesem Zuge das Rauchen in sämtlichen Räumen des Gebäudes verboten wird, stehen auf einmal drei aufgebrachte Kolleginnen vor Frau G. und machen ihr vor versammelter Mannschaft die Hölle heiß. Es könne doch wohl nicht angehen, dass sie sich nicht für ihre Interessen eingesetzt habe. Wie schwach wäre das denn? Wie könnte eine Leiterin zulassen, dass sie nun immer draußen rauchen müssten? Wie ein begossener Pudel steht Frau G. da und lässt die Vorwürfe auf sich einprasseln. Klein und hilflos fühlt sie sich in diesem Augenblick.

Wie unpassend ein solches Verhalten ist und wie schwierig es für eine Führungsbeziehung ist, wenn die Vorgesetzte sich gegenüber ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern klein und hilflos fühlt, dürfte auf der Hand liegen. Genauso unpassend ist natürlich das Verhalten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Auch das, was dem Ganzen vorausgegangen war, nämlich dass Frau G. sich in ihrer Retterrolle gegenüber ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern überhöht hat, ist unpassend. Retter

Drama-Dreieck

Opfer

Verfolger

Abb. 13: Drama-Dreieck (modifiziert nach Stewart/Joines 2010, S. 340)

Wenn Sie sich selbst darüber bewusst werden, ob Sie standardmäßig zu bestimmten Rollen tendieren, kann Sie das in Zukunft davor bewahren, in die Komplikationen von psychologischen Spielen hineinzugeraten. Gerade in Führung ist dies wichtig,

Beispiel:

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 Führung ist Beziehungsarbeit

denn als Teilnehmerin im Drama-Dreieck können Sie sonst allzu leicht in ein Verhalten abrutschen, das nicht stimmig für Ihre Rolle ist und dadurch Schaden anrichtet.

Selbsttest: Rollen im Drama-Dreieck

– – – –





Kommen Ihnen Situationen mit immer wiederkehrenden Kommunikationsmustern bekannt vor? Sind Sie in psychologische Spiele verwickelt? Welches ist Ihre bevorzugte Rolle im Drama-Dreieck? Kommt es regelmäßig vor, dass jemand Sie um Hilfe, Unterstützung oder Ratschläge bittet? Könnte es sein, dass diese Person sich in einer Opferposition befindet und den „Retter“ bzw. die „Retterin“ in Ihnen ansprechen möchte? Kommt es regelmäßig vor, dass jemand Sie schikaniert, herunterputzt, fertig macht oder Sie im Gegenteil gerne unterstützen möchte und Ihnen ungefragt Hilfe und Rat zukommen lässt? Möglicherweise sieht er oder sie Sie in einer Opferrolle oder möchte Sie dort gerne haben. Kommt es regelmäßig vor, dass Sie andere unsachlich kritisieren, auf ihnen herumhacken, sie schlecht machen? Möglicherweise sind Sie dann in einer Verfolgerrolle.

6.2.5 Wie gehe ich gut mit privaten Problemen meiner Mitmenschen um? Besonderes Fingerspitzengefühl ist gefragt, wenn es um den Umgang mit privaten Problemen meiner Kolleginnen und Kollegen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geht. Die eigene Abgrenzungsfähigkeit und Beachtung der Ich-Zustände ist gerade in diesen Situationen von herausragender Bedeutung. Einfach übergehen sollten wir Situationen nicht, in denen jemand private Probleme hat. Schließlich sollten wir den Menschen als Ganzes betrachten und können nicht nur einen Teil-Menschen als „Arbeitskraft einkaufen“! Sie müssen sich also darüber Gedanken machen, wie Sie mit solchen Situationen umgehen und gleichzeitig professionell und stimmig in Ihrer informellen oder offiziellen Führungsrolle sein können. Das gilt sowohl für Situationen, in denen jemand auf Sie zukommt und Sie um Hilfe oder Verständnis bittet, als auch für Situationen, in denen Sie als Führungskraft aktiv werden müssen, beispielsweise weil jemand alkoholabhängig ist oder in einer privaten Krise seine Arbeitspflichten grob vernachlässigt. Um hierbei professionell zu agieren, müssen Sie sich professionell abgrenzen. Es ist also auch hier sehr wichtig, dass Sie sich selbst im Erwachsenen-Ich-Zustand befinden, um Ihre Rolle zu wahren. Dann widerstehen Sie auch leicht der Versuchung, in eine Retterrolle und damit ins Drama-Dreieck eingeladen zu werden. Aber wie kann ich überhaupt helfen, ohne selbst zum Retter zu werden? Nun, ein Teil der Lösung ist sicherlich schon einmal dadurch erreicht, dass Sie selbst im Erwachsenen-Ich-Zustand sind. Aus diesem Zustand heraus können Sie dann etwas machen, was in der Transaktionsanalyse als Vertragsarbeit bezeichnet wird: Mit Ihrem Gegenüber klären, was er oder sie von Ihnen möchte, wie Sie ihm oder ihr helfen könnten – und bei sich selbst zu schauen, ob Sie das machen können und möchten, was er oder sie von Ihnen möchte. Außerdem kann es schon sehr helfen, wenn Ihr Gegenüber Ihre Zuwendung spürt, wenn er oder sie merkt, da interessiert sich jemand für mich, sogar wenn nicht alles gut ist.



Mit Klarheit Konflikte spielerisch lösen 

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6.3 Mit Klarheit Konflikte spielerisch lösen Leider ist die Welt nicht immer ideal. Allzu oft gibt es Konflikte bei der Arbeit. Was ist, wenn die Beziehung bereits Schaden genommen hat und es einen Konflikt gibt? Fallbeispiel: Nora zuckte noch immer zusammen, wenn sie an das Scheppern der Tür dachte. Niemals zuvor hatte ein solcher Lärm die Ruhe in dieser Bibliothek durchschnitten. „Macht doch, was ihr wollt“, hatte Herr O. gebrüllt, bevor die Tür zuflog. „Ich werde hier ja eh nicht mehr gebraucht.“

Beispiel:

Vorausgegangen war ein Gespräch, bei dem auch die Leiterin der Benutzung anwesend war. Im Mittelpunkt des Gesprächs hatte die Abschaffung eines speziellen Ausleih- und Beratungsservices für ein befreundetes Forschungsinstitut vor Ort in einem anderen Stadtteil gestanden. Ein Steckenpferd von Herrn O., das er ursprünglich ins Leben gerufen hatte – und wohl so ziemlich das Einzige, was er hier voller Leidenschaft tat. 24 Jahre war das nun her, und angesichts geänderter Rahmenbedingungen war dieser Service nicht mehr zeitgemäß. Nora wollte ihn daher im Zuge eines Auskunftsservices über Facebook, an dem sie arbeitete, einstellen.

Hier ist das Vorliegen eines Konflikts offensichtlich, aber es gibt auch subtilere Anzeichen, beispielsweise bei verdeckten Konflikten. Woran können Sie sonst erkennen, dass ein Konflikt vorliegt? Mögliche Zeichen für Konflikte sind beispielsweise: –– „Mauern“. –– Dienst nach Vorschrift. –– Prioritäten werden verändert. –– Es ist schwierig, einen gemeinsamen Termin zu finden. Konflikte sind ein normaler Bestandteil unseres Lebens. Gerade im Kontext von Wandel, der Einführung neuer Angebote und Prozesse bzw. der Veränderung oder Abschaffung vorhandener sind Konflikte vollkommen natürlich. Ein Alarmzeichen wäre eher das völlige Ausbleiben von Konflikten. Stehen Änderungen an, aber es treten keine Konflikte offen zutage, so erscheint dies zunächst bequem. Aber spiegelt es die Realität wider? Folgende Punkte könnten Sie abprüfen, wenn Konflikte, mit denen Sie gerechnet haben, nicht zutage treten: – – – – –

Sind wirklich alle einer Meinung? Aus welchen Ecken wären eigentlich Widerstände zu erwarten? Bei welchen Themen wären eigentlich Widerstände zu erwarten? Woran könnte es liegen, dass Widerstände nicht in Erscheinung treten? Was kann getan werden, um den Konflikt oder die Konflikte offen auszutragen und dafür zu sorgen, dass nichts im Verborgenen schwelt und dort womöglich großen Schaden anrichtet?

Obwohl – oder gerade weil – die meisten von uns eher bestrebt sind, Konflikte zu vermeiden, kann es sehr hilfreich sein, wenn wir sie als Chance begreifen. Durch eine konstruktive Lösung können Dinge geklärt werden und Beziehungen auf eine neue Basis gestellt werden. Kaum etwas ist Kraft raubender als ein dauerhaft schwelender Konflikt, dem immer aus dem Weg gegangen wird, und kaum etwas kann derart viel Kraft freisetzen, wie die Bewältigung oder Klärung eines Konfliktes. Die Klärung von Beziehungen und Standpunkten kann ein gutes Gefühl des „aufgeräumt seins“ bei

Checkliste: Erwartbare Konflikte bleiben aus

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 Führung ist Beziehungsarbeit

Zitat: „Konstruktive Konfliktaustragung kann zur Lösung von sachlichen Problemen führen, neue Perspektiven eröffnen, kreatives Verhalten stimulieren, kann Veränderungen von Personen, von Wertvorstellungen und letztendlich der Gesellschaft bewirken.“ (Hintz 2011, S. 117)

uns hinterlassen und uns die Power geben, neu durchzustarten – sogar wenn wir am Ende immer noch verschiedener Meinung sind. Die Klärung von Standpunkten und die anschließend vorhandene gemeinsame Basis für Austausch und Kommunikation, für die Fortsetzung des Dialogs sowie der Beziehung, geben uns die Chance, auf einer ehrlichen und authentischen Basis die Beziehung in der Zukunft weiterzuknüpfen. Wir können gemeinsam weiterarbeiten und vielleicht eines Tages wieder in größerer Übereinstimmung an gemeinsamen Zielen zu arbeiten. Bei einem dauerhaft fortgesetzten Konflikt oder einem mit großer Aufregung inszenierten Beziehungsabbruch würde die Basis hierfür fehlen. Kraft geht verloren und die Produktivität verzeichnet starke Einbußen. Alle Seiten stehen am Ende als Verlierer da. In der Praxis werden Konflikte allerdings häufig verdrängt oder vermieden, anstatt sie konstruktiv anzugehen. Würde etwa der im Fallbeispiel bestehende Konflikt mit Herrn O. im weiteren Verlauf verdrängt, so könnte dies die Einführung des Facebook-Auskunftsservices torpedieren. Herr O. würde sich weiterhin um sein nicht mehr zeitgemäßes Steckenpferd kümmern und seine Arbeitskraft würde im Prinzip „verschwendet“ werden, weil sich die ohnehin geringe Nachfrage nach diesem Service schon seit Jahren auf einem absteigenden Ast befindet. Gleichzeitig würde Herr O. sich vermutlich gekränkt und nicht wertgeschätzt fühlen und möglicherweise auf Rache sinnen.

EL

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KI

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Herr O.

Leiterin Benutzung

Nora

Abb. 14: Ich-Zustände während des Konflikts im Fallbeispiel

Ein konstruktiver Umgang mit Konflikten ist somit von großem Wert. Welche Möglichkeiten gibt es, um in der Praxis konstruktiv mit auftauchenden Konflikten umzugehen?



Mit Klarheit Konflikte spielerisch lösen 

6.3.1 In sechs Schritten Konflikte lösen Im Folgenden wird ein sechsteiliger Prozess zur systematischen Konfliktlösung vorgestellt. 1.  Schritt: Zur Ruhe kommen, entspannen, äußerlich Abstand gewinnen Dies ist der erste und wichtigste Schritt. Sie sollten ihn auf keinen Fall auslassen! Wird dieser Schritt übersprungen, wird eine gute Konfliktlösung schwierig: Suchen Sie erst wieder das Gespräch, wenn Sie sich beruhigt haben. So vermeiden Sie auch, sich um Kopf und Kragen zu reden! Fallbeispiel: Herr O. spürte die Wut in sich hochkochen, ist aber in der Konfliktsituation geblieben.

Beispiel:

Hilfreich wäre es im Fallbeispiel gewesen, wenn Herr O. sich rechtzeitig zurückgezogen hätte, um im räumlichen Abstand zur Ruhe zu kommen. Er hätte sich etwa mit den Worten verabschieden können: „Ich denke, wir finden jetzt keine gemeinsame Linie. Lassen Sie uns das Gespräch bitte vertagen.“ Auch Nora oder die Benutzungsleiterin hätten dies anbieten können, bevor die Situation eskalierte. Jetzt im Nachhinein erscheint es am besten, wenn sie sich erst wieder ins Gespräch begeben, wenn sich alle Gemüter abgekühlt haben. Bis dahin sollten sie sich auch räumlich, soweit es geht, voneinander entfernt halten. Es hilft, mindestens eine Nacht darüber schlafen, sich etwas Gutes zu tun und zu entspannen. Insbesondere wenn die Situation emotional aufgeladen ist: Beenden Sie das Gespräch, entfernen Sie sich aus der Situation, gewinnen Sie Abstand – am besten auch räumlich. Notizen für Ihre Konfliktlösung:

2.  Schritt: Innerlich Abstand gewinnen Dem äußerlichen Abstand sollte das Gewinnen eines innerlichen Abstands folgen. Sie sollten zur Ruhe kommen und sich auf sich selbst besinnen. Denn bei Ihnen selbst liegt auch der Startpunkt, wenn Sie wieder in die Konfliktlösung einsteigen möchten.

Tipp: Sofortmaßnahme

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 Führung ist Beziehungsarbeit

Fallbeispiel:

Beispiel:

Checkliste: Innerlich Abstand gewinnen im Konfliktfall

Alle Beteiligten haben sich räumlich zurückgezogen und gehen gewissermaßen in Klausur mit sich selbst. Nora überlegt, was der Konflikt mit ihr zu tun hat, warum sie sich so betroffen fühlt und inwiefern dabei ihre eigenen Werte und Grenzen verletzt wurden.

Sie besinnen sich auf sich selbst: – „Wer bin ich?“ So definieren Sie sich. – „Wer bist Du?“ Setzen Sie Ihre „Brille“ mit vorhandenen Erfahrungen und Denkmustern ab. Betrachten Sie Ihr Gegenüber unvoreingenommen. – Wo wurden zwischen Ihnen Grenzen verletzt? – Welche Grenzen möchten Sie bewusst wieder setzen?

3.  Schritt: Die Situation mit Ruhe und Abstand analysieren Als nächster Schritt folgt nun eine Analyse der Situation. Dafür ist es wichtig, ruhig und im Hier und Jetzt zu sein. Gelingt es nicht, Ruhe und Abstand beizubehalten: Gehen Sie einen Schritt zurück, gewinnen Sie wieder Abstand und kommen Sie zur Ruhe. Fallbeispiel:

Beispiel:

Nachdem Nora innerlich Abstand gewonnen hatte und das starke Gefühl persönlicher Betroffenheit bei ihr langsam verschwunden war, begann sie in Ruhe, den Konflikt von vorne bis hinten zu analysieren: Wodurch war er entstanden? Wie hatte sie sich verhalten? Was hätte sie anders machen können?

3 a)  Worin besteht der Konflikt? Voraussetzungen für einen Konflikt sind: –– „Mindestens zwei Parteien –– Gemeinsame Berührungspunkte –– Unterschiedliche Ansichten hinsichtlich der –– Ziele –– Wege –– Verteilung von Ressourcen –– Gestaltung von Beziehungen –– Unterschiedliche Rollendefinitionen –– Unterschiedliche Beziehungserwartungen –– Gefühle“ (Hintz 2011, S. 118).



Mit Klarheit Konflikte spielerisch lösen 

Die Ursachen für Konflikte liegen beispielsweise begründet in Verhaltensweisen wie einer Unterschätzung oder Geringschätzung. Jemand wird nicht für „voll“ genommen oder, mit anderen Worten z. B. von Ihnen aus einem Eltern-Ich-Zustand in einem KindIch-Zustand angesprochen. Negativer Stress, das Gefühl, von der Arbeitssituation überfordert zu sein, oder Missverständnisse können darüber hinaus dazu beitragen, Konflikte zu befeuern. Recht häufig sind nicht geklärte Machtfragen, mehr oder weniger offen ausgetragene Machtkämpfe, Konkurrenzdenken oder einfache Antipathien und damit verbunden eine nicht vorhandene Wertschätzung der anderen Person die Ursache. Auch nicht abschließend abgestimmte Ziele und Aufgaben, unterschiedliche Erwartungen, Schuldzuweisungen, Unterstellungen und Konkurrenzkämpfe können Konflikte befördern (vgl. Hintz 2011, S. 118). Neben unterschiedlichen Erwartungen entstehen Konflikte oft auch aus unausgesprochenen oder aus uneingestandenen Erwartungen. Aufgrund ihres umwälzenden Charakters und der „Bedrohung“ bestehender Gewohnheiten und Privilegien ist es wenig verwunderlich, dass gerade im Umfeld von Innovation und Veränderung leicht Konflikte entstehen können. Konflikte, die in Bibliotheken auftreten, können darüber hinaus auch andere Ursachen haben. Etwa können sie durch herausfordernde Situationen wie die folgenden entstehen: –– Überforderungsreaktionen auf zu viel Stress, –– Sparmaßnahmen, –– hoher Krankenstand, –– keine Nachbesetzung von vakanten Stellen, –– keine passende Eingruppierung, –– keine Honorierung herausragender Leistungen, –– unterschiedliche Werte, –– unterschiedliche Haltung zu Traditionen bzw. Innovationen, –– unterschiedliche Auffassungen über Prioritäten, –– unklares Führungsverhalten (mal Hü, mal Hott).

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Zitat: „Schlimmer noch und beharrlicher sind die Konflikte, die aus uneingestandenen Erwartungen entstehen. Sie haben vielleicht Erwartungen, derer Sie sich schämen, weil sie öffentliche Tabuzonen verletzen. Deshalb äußern Sie sie nicht, hoffen aber inständig, der andere möge sie doch ahnen. Und wenn er es nicht tut, strafen Sie ihn dafür bei günstiger Gelegenheit, die in den seltensten Fällen Bezug zum Gegenstand der Erwartungen hat. Etliche glauben auch, zu viel zu sagen und damit Selbstverständlichkeiten zu strapazieren. Aber diese Selbstverständlichkeiten gibt es nicht. Ich kenne keine Führungskraft, die zu viel und zu deutlich Erwartungen kommuniziert.“ (Sprenger 2000, S. 237)

Es ist im nächsten Schritt gut, sich dezidiert darüber Gedanken zu machen, wer in einen Konflikt involviert ist. – – – –

Ist es ein Konflikt zwischen oder innerhalb von Einzelnen, Gruppen oder der gesamten Organisation? Sind Personen unterschiedlicher Hierarchiestufen beteiligt? Sind nur die Personen an dem Konflikt beteiligt, zwischen denen er offensichtlich ausgebrochen ist? Sind im Hintergrund noch andere Personen am Konflikt beteiligt, die derzeit vielleicht nicht sichtbar sind, aber eventuell aus dem Verborgenen die Fäden ziehen?

Checkliste: In den Konflikt involvierte Personen

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 Führung ist Beziehungsarbeit

3 b)  Wie ist der Konflikt entstanden? Es sind verschiedenste Verhaltensweisen, die dazu beitragen können, dass ein Konflikt entsteht oder dass er gravierender wird, als dies notwendig wäre. Hier können u.a. psychologische Aspekte eine Rolle spielen, die in diesem Buch bereits vorgestellt wurden. Fallbeispiel

Beispiel:

Checkliste: Mögliche Verhaltensweisen, die zur Entstehung oder Verschlimmerung eines Konflikts führen

Der Konflikt mit Herrn O. schwelte schon längere Zeit. Es wollte ihn nur keiner anpacken. Befeuert durch das in diesem Punkt passive Verhalten des Herrn Dr. Schache, haben auch alle anderen den Konflikt wie eine „heiße Kartoffel“ weitergereicht. Er ist nun durch das gemeinsame Gespräch das erste Mal direkt ans Tageslicht gekommen. Ein Aspekt, der dem Konflikt zugrundeliegt, ist sicherlich, dass Herr O. sich nicht mit seinen Fähigkeiten wertgeschätzt fühlt.

– Ersatzgefühle, – Rabattmarken sammeln, – unterschiedliche Ziele, – Konkurrenz, Abteilungsegoismus, – Skriptverhalten, – Rollenkonflikte, oder unterschiedliche Sichtweisen von einer Rolle, – Angst vor Veränderungen und das Gefühl, dem Wandel nicht gewachsen zu sein, – passives Denken, – Symbiose, die einseitig aufgekündigt wird.

3 c)  Wie habe ich mich verhalten? Wie haben andere Beteiligte sich verhalten? Das eigene Verhalten in einem bereits bestehenden Konflikt oder einem früher erlebten Konflikt zu analysieren, hilft, Verbesserungsmöglichkeiten für die Zukunft zu identifizieren. Fallbeispiel

Beispiel:

Nora reflektiert ihr Verhalten im Konflikt. Möglicherweise war es ungünstig, denkt sie jetzt, dass sie zu zweit das Gespräch gesucht haben, während Herr O. alleine war. Dadurch waren sie zahlenmäßig überlegen. Außerdem überlegt sie, dass sie Herrn O. gegenüber vielleicht zu belehrend aufgetreten ist und dass sein trotziges Verhalten daher eventuell kein Wunder ist.



Mit Klarheit Konflikte spielerisch lösen 

In so einer Situation könnten Sie sich folgende Fragen stellen: – – – – – – – – – – – – –

Haben Sie sich passend zu Ihrer Rolle verhalten? Haben die anderen Beteiligten passend zu ihren Rollen agiert? Waren Sie „gut drauf“? Wie gestresst sind Sie derzeit? Bekommen Ihre verschiedenen Lebensbereiche genügend Beachtung? Schöpfen Sie daraus genügend Kraft? Waren Sie sich selbst Ihrer Ziele klar? Was haben Sie für Signale ausgesendet? Waren Sie in einem Skriptverhalten? Wie haben Sie kommuniziert? In welchem Ich-Zustand waren Sie? Haben Sie sich z. B. wie ein rebellisches Kind oder wie ein „Oberlehrer“ verhalten? Gibt es automatische Reaktionen, in die Sie leicht rutschen, wenn es im Gespräch schwierig wird und war dies hier der Fall? Hätten Sie sich anders verhalten können? Was hätten Sie besser machen können? Haben Sie gut zugehört? Haben Sie auf die nonverbalen Signale der anderen Beteiligten geachtet? Haben Sie gegenseitig Ihre Grenzen akzeptiert oder wurden Grenzen überschritten?

Checkliste: Verhalten im Konflikt

Jede Person hat ein eigenes Konfliktbewältigungsmuster. Kennen Sie das „Stück“, das eben in Ihrem Konflikt aufgeführt wurde oder handelt es sich um eine „Uraufführung“? Ist es Ihnen in ähnlicher Form schon öfter passiert, wie Sie sich in diesem Konflikt verhalten haben, handelt es sich möglicherweise um ein psychologisches Spiel bzw. Skriptverhalten. 4.  Schritt: Was wünsche ich mir? Was würde mir jetzt gut tun? Es ist hilfreich, sich nun zu fragen, was Sie sich selbst in dieser Situation wünschen. Fallbeispiel: Nora überlegt, was sie sich nun wünscht. Einerseits möchte sie ein gutes Verhältnis zu Herrn O. herstellen. Andererseits wünscht sie sich im Augenblick Ruhe und hat das Gefühl, noch nicht die Kraft für ein erneutes Gespräch und eine mögliche erneute Konfrontation zu haben.

Als nächstes ist es sinnvoll, sich selbst etwas Gutes zu tun, das man sich jetzt wünscht. So kann man gestärkt im Erwachsenen-Ich-Zustand in die Konfliktlösung starten: Was kann ich selbst tun, damit es mir gut geht?

Beispiel:

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 Führung ist Beziehungsarbeit

Checkliste: Was könnte mir jetzt gut tun?

– – – – – – – – –

Heute früher Feierabend machen. Eine Runde spazieren gehen. Sport machen. Ein Eis essen gehen. Freunde treffen. Ins Kino gehen. Zur Massage gehen. Etwas Leckeres kochen. Eigene Ideen:

Was tue ich mir jetzt Gutes?

5.  Schritt: Was kann ich tun, um den Konflikt beizulegen? Bevor Sie wieder ins Gespräch einsteigen, ist es sinnvoll, dass Sie sich überlegen, welches Ziel Sie sich dafür setzen. Wie könnte ein erstes, realistisches Ziel lauten? Fallbeispiel:

Beispiel:

Nora entschließt sich, noch einmal das Gespräch mit Herrn O. zu suchen. Dieses Mal alleine. Sie möchte zunächst die menschliche Ebene zwischen sich wieder in Ordnung bringen, bevor es an eine Lösung des inhaltlichen Konflikts geht. Sie gesteht sich zu, dass dies etwas Zeit kosten wird und auch darf.



Mit Klarheit Konflikte spielerisch lösen 

Zunächst könnte es zur Lösung des Konflikts helfen, auf die andere Person aus dem Eltern-Ich-Zustand zuzugehen, unbedingte positive Zuwendung zu geben, eigene Wünsche zu äußern und Feedback zu geben. Auf der zwischenmenschlichen Ebene sollte klar werden: Du bist OK – Dein Verhalten nicht. Anschließend könnte gemeinsam „Vertragsarbeit“ gemacht werden: –– Wie wollen wir die „Vertragsgestaltung“ zwischen uns machen, damit wir zukünftig eine gute Arbeitsbeziehung haben? –– Wie wollen wir mit dem Thema, das Inhalt unseres Konfliktes ist, umgehen? –– Was tun wir diesbezüglich? –– Wie könnte ein Weg hin zu einer Lösung aussehen?

6.  Schritt: Was kann ich zukünftig verändern? Ein aktueller oder ein durchstandener Konflikt kann mir wertvolle Lernmöglichkeiten für mein zukünftiges Verhalten aufzeigen. Fallbeispiel: Nora überlegt sich, dass zukünftig nur noch eine Person von ihnen ein 1:1-Gespräch mit Herrn O. führen sollte, damit O. sich nicht so unter Druck gesetzt fühlt durch die „Übermacht“. Ferner nimmt sie sich vor, sich bei zukünftigen Situationen, bei denen sich bereits im Vorfeld ein gewisses Konfliktpotential abzeichnet, besser und bewusster darauf vorzubereiten.

Beispiel:

Wenn Sie sich selbst auf eine eventuell schwierige oder konfliktreiche Situation vorbereiten wollen, was können Sie tun? Gesprächsvorbereitung: – Atmen! Tief ein- und ausatmen. – Bewusstheit gewinnen, sich Klarheit verschaffen. – Wo wollen Sie hin, …? (Maximaler Effekt) – Welche Kompromisse wären für Sie akzeptabel? (Minimaler Effekt) – Fallen Ihnen noch weitere Lösungsmöglichkeiten ein, die den Interessen und Bedürfnissen beider Parteien entgegenkommen (Win-Win) – Was wünschen Sie sich von Ihrem Gegenüber? – Sich vorher bewusst machen, ob Sie in schwierigen Gesprächen zu bestimmten Verhaltensweisen neigen. Gibt es automatische Reaktionen, in die Sie allzu leicht verfallen, wenn es im Gespräch schwierig wird? Wenn Sie dies wissen, dann können Sie diese eher vermeiden. – Klären, ob Ihr Gesprächspartner und Sie genug Zeit für das Gespräch haben.

Checkliste … für schwierige bzw. wichtige Gespräche:

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 Führung ist Beziehungsarbeit

– –



Hinfühlen, ob Sie jetzt wirklich bereit sind, das Gespräch zu führen. Sich vor dem Gespräch „sammeln“ und innerlich auf die bevorstehende Situation vorbereiten. Nicht dort hineinrauschen wie auf der Durchreise von einem Termin zum nächsten. Es ist jetzt besonders wichtig, dass Sie präsent sind, sich innerlich für mögliche Schwierigkeiten gewappnet haben und mit einer klaren Haltung in das Gespräch gehen. Nur dann können Sie sie auch klar artikulieren. Was erwarten Sie? Was erwartet vermutlich die andere Person?

Im Gespräch: – Klären, wer welche Erwartungen hat. – Wollen Sie zu Beginn des Gesprächs Regeln vereinbaren? Z. B.: Beide dürfen aussprechen, Gesprächsinhalte sind vertraulich, … – Welche guten Rahmenbedingungen können Sie schaffen, damit eine möglichst entspannte Atmosphäre entstehen kann (z. B. neutraler Raum, Störungsfreiheit, vielleicht ein Getränk)? – Wie können Sie ggf. bei unterschiedlichen Hierarchiestellungen (Vorgesetzte / Mitarbeiterin bzw. Mitarbeiter) für das Konfliktgespräch einen ausbalancierten Machtausgleich schaffen, um ein positives und konstruktives Klima zu ermöglichen? Was möchte ich zukünftig in (potentiellen) Konfliktsituationen verändern?

Tipps zum Mitnehmen aus dem Kapitel

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Eigene Klarheit hilft, Konflikten vorzubeugen und sie zu lösen. Klarheit fängt beim sich selbst definieren und abgrenzen an. Den eigenen Anteil bei Konflikten und Beziehungen selbstkritisch zu analysieren, ist Teil Ihrer Arbeit. Vielfältige unterschiedliche psychologische Aspekte können dazu führen, dass Führungsbeziehungen sich schwierig gestalten und es zu Konflikten kommt.

Weiterführende Literaturtipps

Weiterführende Informationen u.a. zu Zuwendung, Widerstand, psychologischen Spielen sowie konkrete Tipps für die Gesprächsführung enthält: Gührs, Manfred; Nowak, Claus; Das konstruktive Gespräch – Ein Leitfaden für Beratung, Unterricht und Mitarbeiterführung mit Konzepten der Transaktionsanalyse; Limmer, Meezen, 6. Auflage, 2006 Informationen zu allen Inhalten der Transaktionsanalyse wie psychologischen Spielen, DramaDreieck, Rabattmarken usw.: Stewart, Ian; Joines, Vann; Die Transaktionsanalyse – Eine Einführung; Herder, Freiburg im Breisgau, 10. Auflage der Taschenbuchauflage, 2010 Eine ausführliche Darstellung psychologischer Spiele: Berne, Eric; Spiele der Erwachsenen – Psychologie der menschlichen Beziehungen; Rowohlt, Reinbek, 2. Auflage, 2002

7  Führung in Bibliotheken: Herausforderungen auf allen Ebenen 7.1 Was ist das Besondere an Führung in Bibliotheken? 7.1.1 Menschen und Aufgaben in Bibliotheken Die Aufgaben, die in Bibliotheken zu bewältigen sind, sind vielfältig, ebenso vielfältig wie die Materialien, mit denen wir arbeiten. Von klassischen gedruckten, teilweise historischen, Buchbeständen bis hin zu hochmoderner Technik wird das ganze Spektrum abgedeckt: Bücher, Zeitschriften, elektronische Publikationen, Computer, mobile Endgeräte. Auch die Gestaltung von Arbeits- und Lernorten gehört dazu. Genauso unterschiedlich sind die Menschen, für die Bibliotheken arbeiten, ihre Kundinnen und Kunden. Die Vielfalt an Bibliotheken deckt die vielfältigen Bevölkerungsgruppen ab und aus ihren Bedürfnissen ergeben sich die verschiedensten Anwendungsszenarien, beispielsweise: –– Kinder, die zusammen mit ihren Eltern, einer Kindergartengruppe oder der Schulklasse die Bibliothek aufsuchen. –– Jugendliche, die die Bibliothek als Treffpunkt, Bildungs- oder Aufenthaltsort nutzen. –– Erwachsene, die in der Bibliothek Bücher für ihre Freizeit wählen. –– Studentinnen und Studenten, die die Bibliothek als Lernort nutzen. –– Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die die Bibliothek fast ausschließlich aus der Ferne von ihrem Schreibtisch aus nutzen, um sich über neue Forschungserkenntnisse auf dem Laufenden zu halten. –– Berufstätige, die die Bibliothek als Wissensquelle für ihre berufliche Weiterqualifizierung nutzen. Die Herausforderungen, die sich daraus für die Bibliothek ergeben, können sehr unterschiedlich aussehen, je nachdem, mit welchen Zielgruppen und deren unterschiedlichen Erwartungen und Anforderungen es eine Bibliothek zu tun hat. Auch durch die Menschen, die in Bibliotheken arbeiten, können sehr unterschiedliche Herausforderungen für die Führung in Bibliotheken entstehen. Die Unterschiede fangen mit der Vielfalt der Einstiege in Bibliotheken an. Neben den drei typischen Einstiegen entweder über –– die Berufsausbildung zu Fachangestellten für Medien- und Informationsdienste oder ein –– bibliotheksspezifisches (Bachelor-)Studium oder –– das Fachstudium mit Masterabschluss, zuzüglich Referendariat oder Masterabschluss in einem bibliotheks- bzw. informationswissenschaftlichen Studiengang gehen manche Bibliotheken auch andere Wege, indem sie z. B. Quereinsteiger aus anderen Fachrichtungen ohne Referendariat einstellen. Teilweise werden zudem anoder ungelernte Personen eingesetzt oder Personen aus anderen Berufen für ganz spezielle Aufgaben. Die verschiedenen Tätigkeiten in einer Bibliothek unterscheiden sich in Bezug auf die fachlichen Spezialisierungen und den Anteil an Managementtätigkeiten zum Teil beträchtlich. Betrachtet man die Bildungsabschlüsse, so sind mindestens große Bibliotheken mit sehr unterschiedlichen Qualifikationen bestückt. Von ungelernten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, über solche mit abgeschlossener Berufsausbildung, studierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, bis hin zu promovierten Personen und einzelnen

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 Führung in Bibliotheken: Herausforderungen auf allen Ebenen

mit Professorentitel. Weitere Unterschiede ergeben sich zum Teil auch daraus, dass in manchen Bibliotheken sowohl Angestellte als auch Beamte arbeiten. Die meisten Menschen, mit denen wir es innerhalb unserer Bibliothek als Kolleginnen und Kollegen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu tun haben, sind Personen, die einen bibliotheksspezifischen Werdegang eingeschlagen haben und dies zu ihrer Profession gemacht haben. Diese Professionen fördern bestimmte Fähigkeiten oder setzen diese voraus. Insofern ziehen sie häufig Leute mit bestimmten Fähigkeiten an. Auf dem „Bibliotheksportal“ werden die Interessen und Eigenschaften, die man für die Arbeit in Bibliotheken mitbringen sollte, folgendermaßen beschrieben: –– Freude am Umgang mit Menschen und Kommunikationstalent  –– Dienstleistungsorientierung  –– Vielseitigkeit –– Genauigkeit und Ordnungssinn –– Organisationstalent  –– Interesse an EDV und der Arbeit am PC –– Strukturiertes und systematisches Denken –– Interesse für aktuelle Entwicklungen in der Bildungs- und Kulturpolitik (vgl. Bibliotheksportal; Berufswege in Bibliotheken und Informationseinrichtungen; http://www.bibliotheksportal.de/themen/beruf/berufswege.html) Nicht die Rede ist hingegen von Eigenschaften wie Kreativität, Innovationsfähigkeit und strategischem Denken. Entsprechende Fähigkeiten und Eigenschaften sind daher bei Personen in Bibliotheken vermutlich überdurchschnittlich ausgeprägt, wie: –– Genaues, detailgetreues Arbeiten, –– Perfektionismus, –– Serviceorientierung, –– Sicherheitsbedürfnis, das in der Regel im Öffentlichen Dienst besonders stark ausgeprägt ist. –– Eine eher traditionelle Haltung des Sammelns, Archivierens und Bewahrens, bedingt durch die historische Aufgabenstellung von Bibliotheken, und nicht unbedingt ein innovatives Rollenverständnis. Dies sind wertvolle und berechtigte Fähigkeiten für die Arbeit in Bibliotheken. Für bestimmte Tätigkeiten sind sie extrem wertvoll. Sie haben jedoch – wie jede Stärke – auch eine Kehrseite. Eine solche Kehrseite ist, dass bestimmte Fähigkeiten, die für die Gestaltung der Zukunft von großer Bedeutung sind, bei diesen Personen tendenziell – im Einzelfall kann dies natürlich ganz anders aussehen – schwach ausgeprägt sind, beispielsweise: –– Kreativität, –– Offenheit für ganz neue Denkweisen, –– visionäres Denken, –– strategisches Denken, –– ganzheitliches und systemisches Denken, –– Bereitschaft, einfach etwas auszuprobieren, obwohl das Ergebnis nicht perfekt sein wird. Diese Fähigkeiten sind für Innovationen und Wandel und die Führung dabei besonders wichtig! Für Führung in Bibliotheken besteht daher eine besondere Verantwortung darin, diese Fähigkeiten in ihre Bibliothek zu holen bzw. bei den vorhandenen Personen zu fördern. Die gute Nachricht ist, dass sich diese Fähigkeiten trainieren lassen.



Was ist das Besondere an Führung in Bibliotheken?  

Auffällig in Bibliotheken ist zudem die Dominanz von Frauen. Sie stellen die Mehrheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Bibliotheken, zumindest auf den unteren Hierarchiestufen. Je weiter es in der Hierarchie aufwärts geht, umso mehr Männer tauchen, „wie von Zauberhand“ auf. Ein Phänomen, das sich in vielen Branchen beobachten lässt. Ob es Auswirkungen auf Bibliotheken hat, dass dort mehrheitlich Frauen arbeiten – und in den Führungsposition wiederum relativ viele Männer – könnten Sie für sich reflektieren.

7.1.2 Professionen und Rollen in Bibliotheken In den letzten Jahren lässt sich beobachten, dass vermehrt Personen aus anderen Berufen in Bibliotheken Fuß fassen. Dies geschieht im Zuge einer zunehmenden Professionalisierung von Aufgaben in Bibliotheken, die vorher nicht so einen großen Stellenwert hatten oder die neu sind. Ein Vorteil einer immer stärkeren Durchdringung von Bibliotheken mit anderen Professionen besteht darin, dass entsprechende Personen teilweise eher Fähigkeiten mitbringen, die bislang in Bibliotheken nicht so ausgeprägt waren, und dass dadurch die Heterogenität der Zusammensetzung gefördert wird. Zu beobachten sind eine zunehmende Professionalisierung und ein gewisser Wandel bei den Professionen, die in Bibliotheken vertreten sind. Wo vorher vielleicht eine Person nebenher das Marketing betreut hat, sind es in großen Bibliotheken mittlerweile mehrere Personen, die dies professionell tun. Wo früher niemand etwas programmieren konnte, gibt es heute vielleicht eine ganze IT-Entwicklungsabteilung. Es gibt Personen, die sich professionell um das Management von Social Media-Aktivitäten kümmern, solche, die sich auf die Schulung von Informationskompetenz spezialisieren, mitunter gibt es ausgebildete Designer, professionelle Projektleitungen und Personalentwicklungsexpertinnen bzw. -experten. Mit den neuen Professionen und Professionsrollen geht auch insofern ein Wandel einher, als dass sie andere Werte, Arbeitsgewohnheiten und Ansprüche ins Arbeitsleben mitbringen. Aus der Professionalisierung ergibt sich insofern in einem zweiten Schritt der Bedarf, diese anderen Professionen in Bibliotheken (vermehrt) zu integrieren. Andere Professionen werden auch Veränderungen der Organisationskultur nach sich ziehen. Ein bewusster Umgang damit ist wichtig. Leicht könnte es in diesem Zuge passieren, dass sich „alteingesessene“ Berufsgruppen oder Personen ohne Zusatzqualifikation nicht mehr wertgeschätzt fühlen und den Eindruck bekommen, ins Hintertreffen zu geraten. Möglicherweise mit Recht: Welche Art der Zuwendung, Wertschätzung, Beachtung für ihr Können, welche Möglichkeiten, sich weiter zu qualifizieren, erhalten sie? Durch die unterschiedlichen Professionen werden in Bibliotheken auch vermehrt verschiedene „Sprachen“ gesprochen: Metadatenspezialisten sprechen beispielsweise eine andere Sprache als Informatiker, als Auskunft und Marketing. Aus diesem „Sprachenwirrwarr“ können innerhalb einer Bibliothek Konflikte entstehen. Leicht passiert es, dass man aufgrund unterschiedlichen Hintergrundwissens aneinander vorbeiredet oder aufgrund seiner professionellen Identität entgegengesetzte Zielrichtungen verfolgt. Klassisches Beispiel ist – auch in Unternehmen – ein Konflikt zwischen IT-Abteilung und Marketing. Dieses „Sprachenwirrwarr“ kann folglich die Kommunikation erschweren. Toleranz und Offenheit im Umgang sind daher gefordert. Wertschätzung zu zeigen, auch wenn man eine andere „Sprache“ spricht, ist elementar und zeugt von Professionalität. Die Wertschätzung des Andersartigen und die Heterogenität innerhalb der eigenen Einrichtung zu fördern, sind eine wichtige Führungsaufgabe in Bibliotheken.

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 Führung in Bibliotheken: Herausforderungen auf allen Ebenen



Übung: Verschiedene Professionen und ihre professionellen Identitäten und Werte

Ausgebildete oder studierte Bibliotheksfachleute:

– –

– Was ist ihre Profession? – Was ist ihre professionelle Identität? – Welche Werte vertreten sie? Un- und angelernte Personen: – Haben sie eine professionelle Identität? – Wie sieht diese aus? – Wie stark ist diese Identität mit der Tätigkeit in einer Bibliothek identifiziert? Personen, die etwas gelernt bzw. studiert haben, das ursprünglich nichts mit Bibliotheken zu tun hatte. – Welche Professionsrollen haben sie? – Wie definieren sie ihre berufliche Identität? Z. B. wenn sie durch ihr Studium – Informatiker, – Ökonomen, – Geisteswissenschaftler oder – Naturwissenschaftler sind. – Personen, die ursprünglich etwas anderes studiert haben und dann ein Bibliotheksaufbaustudium angeschlossen haben: – Wie ist ihre Professionsrolle? – Ist die professionelle Identität bei ihnen stärker mit Bibliotheken verbunden?

Typische Professionsrollen bringen bestimmte Werte mit sich. Aus diesen können leicht bestimmte, „typische“ Konflikte resultieren; in Hinblick auf die Zukunftsfähigkeit der Bibliothek kann dies auch zu Einschränkungen führen. Es lässt sich also zum Teil eine heterogene Zusammensetzung der Mitarbeiterstruktur in Bibliotheken beobachten. Personen aus den verschiedenen Professionen bringen unterschiedliche Erwartungen mit, was zu besonderen Anforderungen für die Führung führt. Aus der Vielfalt an Menschen, die in Bibliotheken arbeiten, ergeben sich spezielle Herausforderungen für Führung. Wir sollten für uns selbst prüfen, inwiefern diese auch in unserem Umfeld zutreffen. Gleichzeitig bedeutet das Zusammentreffen der verschiedenen Professionen mit ihren verschiedenen Blickwinkeln und Erfahrungen auch einen reichhaltigen Fundus, um Verbesserungen und Innovationen zu kreieren. Zitat: „Das Gleiche lässt uns in Ruhe, aber der Widerspruch ist es, der uns produktiv macht.“ (Johann Wolfgang von Goethe)

Neben den Professionsrollen gibt es auch typische Organisationsrollen in Bibliotheken, etwa: –– Direktorin bzw. Direktor, Stellvertreterin oder Stellvertreter, –– Fachreferentinnen und Fachreferenten, –– Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Benutzung, –– Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Katalogisierung, –– Projektleitung, –– Personalrat, –– Gleichstellungsbeauftragte, Datenschutzbeauftragte, Sicherheitsbeauftragte und weitere Beauftragte, –– Mitglieder in Gremien außerhalb der eigenen Bibliothek, z. B. in Gremien der Universität, eines Berufsverbandes, in Normierungsarbeitsgruppen, als Gutachter etc. Mit ihnen sind teilweise typische Konfliktfelder verbunden. Bestimmte Konflikte können „vorprogrammiert“ sein, z. B.: –– Konflikte zwischen Bibliotheksleitung und Personalrat, –– Konflikte zwischen Projektleitung und Linienvorgesetzten – und auch hier –– Konflikte mit dem Personalrat, wenn es zum Beispiel um die Einführung von Innovationen geht.



Was ist das Besondere an Führung in Bibliotheken?  

Speziell in Bezug auf die Professionsrollen sind One-Person-Libraries: Mit anderen Bibliothekarinnen und Bibliothekaren oder anderen typischen Bibliotheksmitarbeiterinnen und -mitarbeitern hat man es hier nur außerhalb der eigenen Bibliothek zu tun, z. B. in professionellen Netzwerken oder bei Tagungen. „Professionelle Zuwendung“ müssen Sie sich hier daher anders organisieren. In der eigenen Institution gibt es vermutlich nämlich keine Person, die Ihre Sprache spricht und einen ähnlichen Blickwinkel einnimmt wie Sie.

7.1.3 Besondere Herausforderungen von Führung in Bibliotheken Welche Besonderheiten ergeben sich durch die Strukturen des Öffentlichen Dienstes? Welche Anforderungen bedeuten diese für Sie als Führungskraft, als Bibliotheksmitarbeiterin oder -mitarbeiter? Auf der Habenseite lässt sich wohl verbuchen, dass es um die Arbeit in einer Kultur-, Wissenschafts- oder Bildungseinrichtung geht, die gesellschaftliche Relevanz besitzt. Dies bietet potentiell einen guten, sinnstiftenden Nährboden. In Firmenbibliotheken oder in Anwaltskanzleien sind Sie hingegen in betriebliche Strukturen eingebunden. Herausforderungen ergeben sich durch die Strukturen des Öffentlichen Dienstes: Ungleichheit unter Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern besteht nicht nur durch die Qualifikationen etc., sondern zum Teil dadurch, dass hier Beamte und Angestellte Seite an Seite arbeiten, hinsichtlich ihrer Vergütung und ihrer Arbeitszeit aber unterschiedlich behandelt werden. Da es höchstens begrenzt extrinsische Leistungsanreize gibt, bekommen alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit der gleichen Qualifikation mehr oder weniger dasselbe Gehalt. Meist können Sie als Führungskraft daher nicht mit finanziellen Leistungsanreizen arbeiten – und mit anderen Anreizen auch kaum. Auch der Aufstieg als Anreiz kommt kaum zum Tragen. Beamtenstatus und -stufen und damit verbundene Entgeltstufen fördern eher die Stabilität als den Wandel. Entgeltstufen für Angestellte können ebenso Konfliktquellen und Innovationshürden darstellen und große Motivationsbarrieren sein! Werden beispielsweise bestimmte formale Kriterien nicht erfüllt, ist ein Aufstieg über eine bestimmte Stufe hinaus nicht möglich, egal wie sehr Sie sich engagieren. Beschränkte Ressourcen, starre Stellenpläne etc. stellen weitere Innovationshemmnisse dar. Es gibt keine flexiblen Einstellungsmöglichkeiten und oft ist der Öffentliche Dienst für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer finanziell nicht attraktiv. Womit können Bibliotheken dann punkten? Positiv in Bibliotheken ist, dass sie möglicherweise eher als Unternehmen ein familiengerechtes Umfeld bieten können, das die Work-Life-Balance unterstützt. Im Öffentlichen Dienst können nicht einfach Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter „ausgetauscht“ werden. Wir haben einerseits eine gewisse „Entspannung“ dadurch, dass die Leute oft sichere Verträge haben und nicht um ihre Zukunft bangen müssen. Andererseits haben es gerade Berufsanfänger oft mit befristeten Verträgen zu tun, und wir können ihnen oft nicht für einen längeren Zeitraum eine Stelle anbieten. Da nicht einfach „nach Belieben“ neue Leute eingestellt werden können, sollte besonders viel Wert auf Nachhaltigkeit in der Personalentwicklung gelegt werden. Sie müssen mit den Menschen arbeiten, die da sind, sie weiterentwickeln und Konflikte mit ihnen lösen. Diese Menschen sind, was auch positiv gesehen werden kann, gewissermaßen stärker an die Bibliothek gebunden, als dieses vielleicht in der Privatwirtschaft der Fall ist. Gleichzeitig kann dies auch negative Auswirkungen haben,

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 Führung in Bibliotheken: Herausforderungen auf allen Ebenen

wenn diese Leute „zwangsgebunden“ sind, weil sie keine andere Chance auf dem Arbeitsmarkt haben oder sehen. Insofern kann es sinnvoll sein, ihre Marktchancen und damit ihre Autonomie zu fördern, um nicht mit einem „Haufen“ abhängiger, angepasster Leute arbeiten zu müssen – und wenig zu erreichen. Als positiv daran kann es betrachtet werden, dass ein langes kontinuierliches Arbeitsleben zu einem großen Erfahrungsschatz führt, der bei guter Kombination mit kreativem Denken im Prinzip optimal genutzt werden kann. Ein Problem für und von Führung in Bibliotheken, das möglicherweise stärker als in privaten Unternehmen ist, kann darin bestehen, dass Führungskräfte hier oft auf Dauer bestellt werden. So hat manche Führungskraft „lebenslänglich“, obwohl Führung vielleicht gar nicht ihre Stärke ist. Der Weg für andere Personen, die es möglicherweise besser könnten, ist so auf lange Sicht verbaut und er oder sie kann so möglicherweise jahrzehntelang sein bzw. ihr „Unwesen“ treiben und der Bibliothek schaden – die Organisation fängt immer vom Kopf her zu stinken an!

7.1.4 Innovation und Wandel unter schwierigen Rahmenbedingungen managen In einer sich wandelnden Umwelt müssen sich auch Bibliotheken wandeln. Wer bestehen bleiben will, muss sich immer wieder wandeln und Wandel als Normalität akzeptieren. Die Zersplitterung der heterogenen Bibliothekslandschaft und die föderalen Strukturen in Deutschland machen Kooperationen oft mühsam. Bibliotheksverbünde mit ihren unterschiedlichen Systemen stellen potentielle Innovationshemmnisse dar. Andererseits herrscht Ressourcenknappheit: Alleine kann man wenig erreichen. Effektivere Kooperationen könnten daher eine Chance für Bibliotheken bieten, um sich gegen die scheinbar übermächtige kommerzielle Konkurrenten zu behaupten. Inflexible Strukturen innerhalb der Bibliotheken tragen ihren Teil dazu bei, dass Innovation und Wandel oft mühsam sind. Vorhandenes Personal kann zum Teil nicht einfach so eingesetzt werden, wie es sinnvoll wäre. Sie selbst dürfen eventuell nicht offiziell die Aufgaben übernehmen, für die jemand gebraucht wird, die Ihnen gut liegen und die ein Gewinn für die Bibliothek wären. Aufgrund von Stellenplänen und Ähnlichem sind dem teilweise Grenzen gesetzt. Auch beschränkt vorhandenes technisches Know-how, verschärft durch die Inflexibilität hinsichtlich des Personaleinsatzes, stellt eine Innovationsbarriere dar. Sie können manche Dinge, die vielleicht für den Wandel wichtig wären, nicht „einfach so“ entscheiden. Sie müssen in öffentlichen Einrichtungen langwierige Ausschreibungen abwarten o.ä. Viel Zeit verstreicht dabei ungenutzt. Selbstverständlich sind an dieser Stelle auch knappe Ressourcen zu nennen, die ein ständiges Innovationshindernis darstellen. Sie zu erhöhen, ist schwierig. Oft ist dies höchstens befristet über die Akquise zusätzlicher Projektmittel möglich. Gefährlich für Bibliotheken ist es, dass ihre Konkurrenz größtenteils außerhalb des Öffentlichen Dienstes agiert und daher andere Möglichkeiten hat. Nicht andere Bibliotheken sind die Hauptkonkurrenz! Aber woran orientieren wir uns? Wo liegt unsere Messlatte? Oft sind dies nur andere Bibliotheken. Eine gefährliche Strategie. Denn: gerade kommerzielle Anbieter sind unsere Konkurrenten. Unsere Kundinnen und Kunden sind die gleichen. Sie werden uns mindestens unbewusst mit diesen vergleichen. Private Anbieter konkurrieren auch um die gleichen Arbeitskräfte wie Bibliotheken! Eine Bibliothek muss, um Erfolg zu haben, ihre Anspruchsgruppen managen bzw. mit ihnen im Dialog stehen. Dabei handelt es sich um Personengruppen, die ein



Wie sieht mein professionelles Umfeld aus?  

Interesse an der Entwicklung der Bibliothek haben. Wichtige Anspruchsgruppen von Bibliotheken können beispielsweise sein: –– Kundinnen und Kunden, –– Geldgeber: z. B. Bund und Länder, Politik, Unternehmen, Universität, Stadtverwaltung, –– Bibliotheksverbünde, –– Bibliotheksgremien, –– Wissenschaftsorganisationen, –– Lieferanten, –– Kooperationspartner und Netzwerke, –– Allgemeine Öffentlichkeit.

7.2 Wie sieht mein professionelles Umfeld aus? 7.2.1 Was ist das für eine Bibliothek, in der ich arbeite? Wie sieht mein persönliches Umfeld in meiner Bibliothek aus? Wie sieht es bei mir vor Ort im Detail aus? Stellen Sie sich Ihre Bibliothek wie ein Theaterstück vor, das Tag für Tag inszeniert wird: – – – – – – – – – – – – – –

Wie sieht Ihr Bühnenbild aus? Wer besetzt welche Rollen? Wer hat die Regie inne? Wie viel Freiraum lässt das Drehbuch? Wer bezahlt das Theater? Wer bestimmt den Spielplan? Wer sind die Schauspieler? Wer hat welche Rolle? Welchen Einfluss haben die einzelnen Rollen? Wie setzt sich das Ensemble zusammen? Gibt es bestimmte Charakteristika des Ensembles? Welche Rollen gibt es? Wer führt die Regie? Wer entscheidet?

Übung: Theatermetapher

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 Führung in Bibliotheken: Herausforderungen auf allen Ebenen

Zitate: „Hier gibt es jedenfalls einen ganz einfachen Indikator, um zu testen, ob in einem Unternehmen das Klima für eine Ja-Kultur herrscht: Geschwindigkeit. Sie ist ein Maßstab dafür, wie lange eine Organisation braucht, um auf Neues zu reagieren. Wie flott poppen Ideen auf, wie lange brauchen sie, um getestet und umgesetzt zu werden?“ (Förster/Kreuz 2008, S. 198) „Intelligente Menschen haben in dummen Organisationen keine Chance.“ (Sprenger 2000, S. 122)

Was lerne ich durch die Theatermetapher über das Bibliotheksumfeld, in dem ich arbeite? Welche Art von Organisation ist meine Bibliothek? Ist es zum Beispiel eigentlich eine Volksbühne mit Anspruch auf „großes Theater“? Inwiefern hat sie eine Innovationskultur? Ist Anpassung das vorherrschende Motiv? Eine Bibliothek, die eher grau als bunt wirkt, wird vermutlich nicht so gut Innovationen hervorbringen können, wie eine Bibliothek, in der bunte Farben und Andersartigkeit bewusst gefördert werden. Wie stark ist der Einfluss, den die Organisationskultur hat? Sie können ihn kaum überschätzen! Die Organisation ist stark! Anpassung, Symbiosen, passives Verhalten etc. können eine Organisation kennzeichnen und sich auf ihre Mitglieder niederschlagen. Und die Organisation führt ein starkes Eigenleben, gegen das der Einzelne oder die Einzelne relativ machtlos ist! Es bedarf massiver gemeinsamer Kraftanstrengungen, um hier einen nachhaltigen Wandel zu bewirken. Sie können aber selbst einen Start machen. Sie können selbst Farbe, Leben, Freude oder was Ihnen sonst wichtig ist, in Ihr Umfeld bringen.

7.2.2 Anspruchsgruppen und ihre Interessen Es hilft, sich darüber klar zu werden, mit welchen Anspruchsgruppen die Bibliothek, in der Sie arbeiten, zu tun hat. Dann können Sie Ihr Handeln zum Wohle der Gesamtorganisation daran ausrichten. Denn Anspruchsgruppen haben einen großen Einfluss auf den Erfolg der Bibliothek. Ein gezieltes Anspruchsgruppenmanagement ist daher sinnvoll. Welche Anspruchsgruppen hat Ihre Bibliothek? Dafür können Sie die oben aufgeführte Liste als Vorlage nehmen. Überlegen Sie die Anspruchsgruppen und tragen Sie sie hier ein: Übung: Anspruchsgruppen meiner Bibliothek



Wie sieht mein professionelles Umfeld aus?  

Welche dieser Anspruchsgruppen haben für Ihre persönliche Arbeit Relevanz? Dies können andere sein als die Anspruchsgruppen der Gesamtorganisation, z. B. Ihre Vorgesetzte. Sie müssen diese für Ihr persönliches Management im Auge haben. Welche Anspruchsgruppen haben Sie persönlich bei Ihrer Arbeit, für Ihre Aufgaben?

£

Eigene Vorgesetzte, eigener Vorgesetzter (ggfs. mehrere Vorgesetzte, z. B. bei paralleler Projekttätigkeit)

£ Kolleginnen, Kollegen £ Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter £ Gremien innerhalb der Bibliothek £ Gremien außerhalb der Bibliothek £ Geldgeber £ Weitere Anspruchsgruppen zum selbst ergänzen:

Selbsttest: Anspruchsgruppen

Wie ein sinnvoller Umgang mit den Anspruchsgruppen, die für Ihre Arbeit Bedeutung haben, aussehen kann, kann im Einzelfall sehr unterschiedlich aussehen. – – – – –

Welche Bedeutung haben die Anspruchsgruppen der Bibliothek für Ihre Arbeit? Welche Erwartungen haben diese Anspruchsgruppen an Sie? Wie können Sie die Anspruchsgruppen und ihre Erwartungen sinnvollerweise bei Ihrer Arbeit berücksichtigen? Möchten Sie das? Wie können Sie Ihre verschiedenen Anspruchsgruppen mit ihren verschiedenen Zielen und Erwartungen gut managen, ohne dabei zerrieben oder zerrissen zu werden? Wie können Sie gut arbeiten, leicht und spielerisch?

Selbsttest: Mein Umgang mit Anspruchsgruppen

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 Führung in Bibliotheken: Herausforderungen auf allen Ebenen

Für ein leichtes und spielerisches Arbeiten in Bezug auf Ihre Anspruchsgruppen ist es eine Voraussetzung, dass Sie sich Ihre jeweilige Rolle klar machen. Welches sind die damit verbundenen Erwartungen, Freiheiten und Grenzen, und was möchten Sie selbst daraus machen? Auch in diesem Fall gilt, dass Sie souverän arbeiten können, wenn Sie autonom sind, frei entscheiden und handeln können. –

Tipps zum Mitnehmen aus dem Kapitel



In Bibliotheken arbeiten Menschen mit verschiedenen Rollen und Fähigkeiten. Typische Stärken und Schwächen und Konflikte lassen sich dabei beobachten. Der Einfluss des Umfeldes und der Bibliothek als Organisation auf das eigene mentale Modell ist elementar und kann gar nicht groß genug eingeschätzt werden. Er sollte daher immer mit analysiert werden.

Weiterführende Literaturtipps

Schmid, Bernd; Die Theatermetapher in der Praxis; 2004, http://www.systemische-professionalitaet. de/isbweb/component/option,com_docman/task,doc_view/gid,535/

8  So gelingt mir gute Führung in Bibliotheken 8.1 Führungsaufgaben Wichtiger als jede einzelne Führungstechnik oder -methode ist Ihre eigene innere Haltung. Ohne eine passende Haltung sind es nur „leere“ Techniken, deren Anwendung eine sinnvolle Basis fehlt, da sie nicht an Ihrem inneren Erleben ankoppeln. Aufgesetzt wie eine Maske wirkt dies, nicht authentisch, und kann daher nicht nachhaltig wirken. Fehlt es Ihnen allerdings an einer geeigneten inneren Haltung und am nötigen Selbstvertrauen, so müssen Sie sich an diesen Prothesen festklammern, die das Erlernen von Führungsmethoden Ihnen bieten. Ohne Achtsamkeit für Personen, Ihre eigene Persönlichkeitsentwicklung, Personal- und Organisationsentwicklung kann das „Handwerkszeug“ von Führungstechniken kontraproduktiv sein oder bestenfalls wirkungslos. Es geht daher nicht so sehr um einzelne Führungsmethoden oder -instrumente, sondern die eigene Haltung, und Sie selbst als Ihr wichtigstes Instrument stehen auch hier im Mittelpunkt. Wichtige Führungsaufgaben sind: –– Organisation der Zusammenarbeit, –– Entscheidung bei Konflikten, –– Sicherung der Zukunftsfähigkeit, –– Kommunikation und die Gestaltung von (Führungs-)Beziehungen, –– Strategie entwickeln, –– Ziele definieren, –– Entscheidungsstrukturen schaffen und grundsätzliche Entscheidungen treffen, –– Ressourceneinsatz festlegen, –– (Weiter-)Entwicklung und Steuerung von Strukturen, Prozessen und der Organisationskultur, –– Planen, Steuern und Reflektieren, –– Fördern und fordern von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, –– Delegieren. Als informelle Führungskraft sind Sie zwar nicht offiziell mit der Ausführung von Führungsaufgaben beauftragt. Streben Sie jedoch die Führung an, so sind diese Führungsaufgaben die Aufgaben, an denen Sie sich orientieren und die Sie anstreben sollten. Wie kraftvoll Sie sie angehen können und möchten, hängt davon ab, wie Ihre Rolle in der Bibliothek ist und inwieweit Sie dies möchten.

8.2 Mit gutem Beispiel voran – Die Vorbildfunktion von Führung Als Führungskraft haben Sie zuerst und immerzu eine Vorbildfunktion – automatisch. Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Kolleginnen und Kollegen werden genau schauen, wie Sie sich verhalten und sich daran orientieren – oder eben nicht. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter orientieren sich an Ihnen, weil Sie beispielsweise übergeordnet sind, Macht und Einfluss haben, beliebt sind oder sich vorbildlich verhalten. Sind Sie nicht mit wirklichem Einfluss ausgestattet oder handeln Sie ethisch fragwürdig, sind Sie eventuell kein Vorbild. Andere Personen folgen Ihnen nicht unbedingt blind.

Zitate: „Instrumente sind daher vor allem eines: Prothesen bei mangelndem Selbstbewusstsein der Führungskräfte. Ersatz für Kontakt und Kommunikation auf Augenhöhe. Deshalb ruft schwache Führung immer nach neuen Systemen und Instrumenten.“ (Sprenger 2000, S. 34)

– – – – – –

„Finden Sie die Richtigen, fordern Sie sie heraus, sprechen Sie oft miteinander, vertrauen Sie Ihnen, bezahlen Sie sie gut und fair und gehen Sie dann aus dem Weg.“ (Sprenger 2012, S. 238)

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 So gelingt mir gute Führung in Bibliotheken

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Wenn Sie nicht als Vorbild wahrgenommen werden, an dem sich andere orientieren, woran liegt es? Nehmen Sie selbst Ihre Führungsrolle an? Stellt es ein Problem für Ihre Führungsrolle dar, wenn niemand Sie als Vorbild wahrnimmt? Ist es Ihnen fremd, ein Vorbild zu sein? Was möchten Sie als Vorbild vorleben? Welche Werte und Verhaltensweisen sind es beispielsweise?

Selbsttest: Wie stehe ich zu meiner Vorbildfunktion?

Sie sollten sich fragen, wie Sie Ihrer Vorbildfunktion gerecht werden können. Wie wollen Sie sie ausfüllen? Wie gehen Sie verantwortungsbewusst damit um, ohne andere zu manipulieren?

8.2.1 Vorbild sein für den Umgang mit Stress Eine Führungskraft ist auch ein Vorbild für den Umgang mit Stress. Gutes Zeitmanagement und Projektmanagement fangen bei Ihnen an und tragen dazu bei, dass andere nicht unnötig unter Stress geraten. Es liegt in Ihrer Verantwortung, dass Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht durch Sie unter vermeidbaren Disstress (negativen Stress) geraten, und dass ihre Leistungsfähigkeit bewahrt wird. Ihren eigenen Disstress sollten Sie nicht ungefiltert an sie weitergeben. Andernfalls könnten sie in der Folge möglicherweise längere Zeit ausfallen. Dann hätten Sie und die anderen noch mehr Stress und Ihre Gesamtleistungsfähigkeit würde noch weiter sinken. Es ist somit auch aus diesem Blickwinkel betrachtet wichtig, dass Sie sich gut führen! Welche Auswirkungen kann es auf unsere Bibliothek haben, wenn Stress dort um sich greift? Bei Stress entsteht leicht Aktionismus. Dabei handelt es sich möglicherweise zumindest zum Teil um Agitation, eine Form passiven Verhaltens. Das kann eine schlimme Falle darstellen und die gesamte Bibliothek „befallen“. Begleiterscheinungen können sein: –– Personen geraten in die „Verfügbarkeitsfalle“. Sie glauben, sie wären multitaskingfähig, könnten immer schneller arbeiten. Tatsächlich handelt es sich um eine Scheinparallelität, Projekte kommen kaum voran und es gibt – zeitlich verzögert – einen Einbruch des Outputs.



Mit gutem Beispiel voran – Die Vorbildfunktion von Führung 

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–– Es wird nicht in Ruhe, konzentriert und zügig gearbeitet, sondern durch ständige Mehrfachbeschäftigung und zunehmende Kommunikationsfrequenz entstehen chronische Zerstreuung und ein Qualitätseinbruch. Gleichzeitig wird Dringendes überschätzt und wichtige strategische Aufgaben werden verdrängt. –– Koordinationswut und Vollkaskomentalität führen dazu, dass deutlich mehr koordiniert wird, als notwendig wäre. Alle möglichen Beteiligten werden ins CC gesetzt, um sich abzusichern. –– Ein Gefühl des Kontrollverlusts greift um sich. Mittel- bis langfristig wird daraus negativer Stress. Die Motivation sinkt. Oft kommt es in der Folge zu innerer Kündigung. –– Suchtsymptome, wie das Gefühl ständig online und reaktionsbereit zu sein, entstehen. Mentales Abschalten ist dann nicht möglich. Durch fehlende Ruhephasen entsteht ein Kreativitätsloch (vgl. Gassmann/Sutter 2011, S. 245 ff.). –– Treten keine sichtbaren Erfolge ein, wird dazu geneigt, immer wieder vom Gleichen mehr zu tun (z. B. wird noch ein weiterer Flyer produziert, um neue Kundinnen und Kunden zu gewinnen). Reflexion und Kreativität bei der Problemlösung bleiben immer mehr auf der Strecke. –– Tendenziell werden unter Stress immer mehr kurzfristige anstelle grundsätzlicher Problemlösungen angepeilt (z. B. werden immer häufiger Überstunden geleistet wegen fehlender Personalkapazitäten). Mittel- bis langfristig treten infolge dieser Problemverschiebungen neue Probleme ein (z. B. wird wegen permanenter Überforderung die Dienstleistungsqualität schlechter, das Personal unfreundlicher und schließlich bleibt die Kundschaft weg). Es ist also wichtig, dass Sie selbst gut mit Stress umgehen, damit sich Ihr Stress nicht auf Ihre Umgebung ausbreitet und es nicht zu einem persönlichen oder organisationalen Burnout kommt. Mit folgenden Punkten können Sie selbst einen Beitrag zur Leistungsfähigkeit anderer Menschen leisten: – – – – – – – – –

Darauf achten, dass Sie nicht unrealistisch viel verlangen. Selbst ein gutes Zeit- und Projektmanagement haben. Einen guten Umgang mit Stress vorleben. Ein Vorbild sein in Sachen Pausen machen, Urlaub nehmen, ein Privatleben und Interessen neben dem Arbeitsleben haben. Selbst nicht permanent Überstunden machen. Darauf achten, dass Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht permanent Überstunden machen. Stressmanagement-Schulungen anbieten. Coaching- und Beratungsangebote zur Verfügung stellen. Das Thema überhaupt ansprechen und damit enttabuisieren. Entsprechende Vorträge organisieren, um die Reflektion anzuregen.

Teil Ihrer Vorbildfunktion kann es sein, Schutz in turbulenten Zeiten zu geben. Mit Verständnis sollten Sie darauf reagieren, wenn sich Personen vom Wandel überfordert fühlen, Ängste und Unsicherheit haben. Damit Sie Ihr Gegenüber nicht aus einem Eltern-Ich-Zustand wie ein Kind behandeln und ihre oder seine Autonomie achten, sollten Sie sich im Erwachsenen-Ich-Zustand befinden und eine „ich bin OK, Du bist OK“-Haltung zeigen. Dann laufen Sie nicht Gefahr, übergriffig auf die Autonomie Ihres Gegenübers zu werden und können stimmig Zuwendung geben.

Checkliste: Wie kann ich bei meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Stress bzw. Burnout vermeiden?

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 So gelingt mir gute Führung in Bibliotheken

8.2.2 Vorbild sein im Wandel Füllen Sie Ihre Vorbildfunktion aus, stellt sie ein wertvolles Potential dar. Sie gibt Ihnen Gestaltungsmöglichkeiten, die Sie für die Führung nutzen können. Wenn andere Ihnen folgen, dann können Sie es für den Wandel nutzen, wenn Sie selbst ein Vorbild für den Wandel sind. Sind Sie sich Ihrer Vorbildfunktion allerdings nicht bewusst oder tun Dinge, die dem widersprechen, was Sie sagen, dann wirkt dies unglaubwürdig. Da dies mitnichten Ihrer Führung nutzen wird, ist es als Führungskraft besonders wichtig, authentisch zu kommunizieren. Denn nur dann sind Sie glaubwürdig und können andere überzeugen. Fallbeispiel:

Beispiel:

Herr Dr. Schache, der Bibliotheksdirektor, betonte immer wieder, wie wichtig es ihm sei, dass sie Innovationen umsetzten. Es hatte eine Weile gedauert, bis Nora bewusst geworden war, dass bei ihm Sagen und Handeln auseinanderklaffen. Aber davor hatte sie bereits eine Zeitlang ein merkwürdiges Gefühl, wenn Herr Dr. Schache seine „Auftritte“ in Sitzungen hatte. Irgendetwas irritierte sie. Eines Tages wurde ihr klar, woran dies lag: Gerade in den Augenblicken, wo er von der Bedeutung von Innovationen sprach, stand er nicht wie sonst sicher wie ein „Fels in der Brandung“ im Raum. Er schwankte dabei leicht hin und her und nestelte in seiner Hosentasche herum. „Ist das Unsicherheit?“, dachte sie.

Ob Sie glaubwürdig und vorbildlich wirken, ist also auch eine Frage der Körperhaltung. Zu Ihrer Körperhaltung gehört auch Ihr Stand. Welches „Standing“ habe ich? Habe ich einen sicheren Stand, bin ich gut mit der Erde verwurzelt? Da die Köperhaltung und andere nonverbale Signale so wichtig sind, sind auch physische Treffen sehr wichtig. Sonst kann der Körper nicht als „Medium“ eingesetzt werden und auch eine Vielzahl anderer Signale, die für die Kommunikation wichtig sind und sie unterstützen können, werden nicht übermittelt. Die Körperhaltung ist eines von mehreren Signalen, zu denen auch Ihre Mimik und Stimme zählen, die die Wahrnehmung als eine authentische Person fördern oder negativ beeinflussen können. Überzeugen Sie mit Stimmigkeit und natürlicher Leichtigkeit? Auch mit Ihrer Kleidung können Sie etwas signalisieren. Sie kann eine authentische Wirkung unterstreichen oder einfach nur wahllos oder überangepasst aussehen. Die Wirkung Ihrer Kleidung sollten Sie in jedem Fall überdenken. Ihre Kleidung kann authentisch sein, ohne aus dem Rahmen zu fallen. Eine gewisse Anpassung ist nicht unbedingt schädlich. Je nach Situation und Tätigkeitsbereich ist es sinnvoll, Ihre Kleidung etwas anzupassen, aber das heißt nicht, dass Sie sich vollkommen verleugnen und nur noch in Grau herumlaufen müssen. Mit Ihrer Kleidung können sie zum Beispiel auch Modernität und Aufgeschlossenheit für Neues demonstrieren – oder konservativ oder lieblos wirken. Was bedeutet der Einfluss von Körperhaltung und anderen nonverbalen Signalen? 1. Sie kommunizieren auch dann, wenn Sie sich dessen nicht bewusst sind. Es ist wichtig, dass Sie sich Ihrer Vorbildfunktion bewusst sind und reflektieren, welche Signale Sie – auch nonverbal – ausstrahlen. Denn es ist wenig gewonnen, wenn Sie Ihren Leuten erzählen, dass Ihre Bibliothek ein entspannter Arbeitsplatz sei, an dem Stress bekämpft werden soll und Kreativität gefördert werden soll – und Sie gleichzeitig nur im Stechschritt mit verbissenem Gesicht und blasser Hautfarbe unterwegs sind – und somit das glatte Gegenteil vorleben. 2. Wenn Sie nicht da sind, können Sie allenfalls beschränkt oder indirekt kommunizieren und somit schlecht vorleben, dass Wandel Spaß macht – oder was auch immer Sie kommunizieren möchten.



Sinn vermitteln: Vision entwickeln und leben 

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Reflektieren Sie, welche Signale Sie mit Ihrer Körpersprache aussenden. Sie können die eigene Kommunikation unterstützen – oder im ungünstigen Fall konterkarieren und Sie unglaubwürdig erscheinen lassen. Führung bei Abwesenheit, Führung über mehrere Standorte und andere spezielle Führungssituationen können Führung erschweren. Genauso, wenn Sie keine Zeit haben. Dies ist ein Problem für alle Bereiche der Führung. Wenn Sie sich keine Zeit für ihre Ideen und Sorgen nehmen, kommt darin eventuell auch mangelnde Wertschätzung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum Ausdruck. Wenn Sie davon überzeugt sind, dass Sie selbst OK sind und auch Ihr Gegenüber OK ist, so können Sie eher authentisch auftreten. Authentisch sind Sie, wenn Sie zu sich und dem, was Sie tun, stehen. Wenn Sie selbst nicht an das glauben, was Sie tun, werden Sie kaum ein Vorbild sein. Sie müssen auch selbst einen Sinn darin sehen. Sie sind auch ein Vorbild für einen fairen Umgang mit anderen. Sie sollten Wertschätzung zeigen, qualifiziertes Feedback geben, wenn es erwünscht ist, und Kritik konstruktiv äußern. Die Autonomie Ihres Gegenübers sollten Sie dabei nicht verletzen. Sie sind ein Vorbild für einen guten Umgang mit sich und Ihrem Körper. Sie müssen daher bei sich selbst anfangen, passives Denken abzuschaffen. Ein Vorbild für den Wandel zu sein, bedeutet: Mit Optimismus, Vertrauen und Klarheit authentisch vorangehen. Dazu gehört auch die Fähigkeit, sich selbst zu wandeln und selbstkritisch zu sein.

8.3 Sinn vermitteln: Vision entwickeln und leben Voll engagieren können Sie sich nur dann, wenn Sie einen tieferen Sinn in Ihrer Arbeit sehen, wenn Sie wissen, wofür Sie arbeiten und wenn Sie davon überzeugt sind. Widerspricht Ihre Arbeit oder ihr „Sinn“ Ihren Werten oder Wünschen, so werden Sie nicht so erfolgreich arbeiten. Gleiches gilt für die Personen, mit denen Sie zusammenarbeiten. Warum sollten sie das Gleiche wollen wie Sie, wenn sie darin keinen Sinn erkennen können oder diesen nicht mittragen? Eine Vision ist „ein umfassendes Bild der Zukunft, die Menschen sich beispielsweise für ihre Unternehmung, ihre Sparte oder ein Projekt vorstellen oder wünschen“ (Jöstingmeier 2010, S. 262). Eine Vision gibt unserem Handeln einen Sinn, weil sie es in einem Rahmen einbettet und uns eine Ahnung davon vermittelt, wo die Reise hingehen könnte. Sie zeigt uns, wie unsere Zukunft aussehen könnte, zumindest wie wir sie uns vorstellen, und dass es sich lohnt, gemeinsam in diese Richtung zu gehen. Eine gemeinsam getragene Sinndefinition ist Voraussetzung für eine gute und erfolgreiche Zusammenarbeit und, um Motivation zu schaffen. In Bibliotheken bestehen dafür prinzipiell gute Voraussetzungen. Schließlich müssen hier keine Zigaretten oder Waffen verkauft werden. In einer Vision kann dieser Sinn ausformuliert werden. Das gemeinsame Kreieren der Vision, das Ringen um Formulierungen, ein erzielter Konsens, machen diesen Prozess wertvoll. So kann ein gemeinsamer Sinn definiert werden. Wozu ist Ihre Bibliothek da? Was ist der tiefere Sinn Ihrer Arbeit? –– Wie lautet die langfristige Vision für Ihre Bibliothek? –– Wozu arbeiten Sie hier? –– Was hält Sie zusammen? –– Warum sind Innovationen überhaupt erstrebenswert? –– Wollen Sie gemeinsam die Welt verbessern? –– Zur Demokratie beitragen?

Zitat: Es „steigen die Ansprüche von Professionellen an Kultur und Sinn ihres professionellen Engagements. Neue Aufgaben werden zunehmend auch auf ihre Eignung als Mittel einer sinnvollen Wesens- und Lebensentwicklung überprüft.“ (Schmid 2008, S. 77)

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 So gelingt mir gute Führung in Bibliotheken

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Zitat: „Wenn Du ein Schiff bauen willst, so trommle nicht Leute zusammen, um Holz zu beschaffen, Werkzeuge vorzubereiten, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre sie die Sehnsucht nach dem weiten endlosen Meer.“ (Antoine Saint-Exupéry)

Menschen mit solchen Fragenstellungen zu inspirieren und zu eigenen Überlegungen anzuregen, ist die Aufgabe von Führungskräften! Was kann ich machen, wenn andere den Sinn, wie ich ihn sehe, derzeit nicht so sehen? Sie können ihnen Ihren Sinn nicht einfach aufdrücken. Sinnvoller ist es, ihnen zu ermöglichen, selbst ihre eigenen Überlegungen zum Sinn anzustellen und sich gemeinsam im Dialog darüber auszutauschen. Dafür brauchen Sie Toleranz für Offenheit und Komplexität, sowie die Bereitschaft, die Zügel ein Stück weit locker zu lassen. Wichtig ist es, dass Führungskräfte im Auge haben, dass auch ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einen Sinn in ihrer Arbeit sehen müssen. Wenn sie ihre Arbeit als sinnlos erleben, werden viele andere Maßnahmen zu ihrer Motivation wirkungslos sein. Als Person in Führung müssen Sie anderen Personen die Möglichkeit geben, die Vision, die Sie selbst von Ihrer Bibliothek haben, zu reflektieren und mit ihr zu „spielen“, so dass sie so oder in einer abgewandelten Form zu ihrer eigenen werden kann. Neue Perspektiven zu fördern, Visionen gemeinsam zu entwickeln, sind die Aufgabe von Führungskräften. Zu den größten Motivatoren gehört es, wenn Sie Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ermöglichen, sich mit ihren Stärken bei der Arbeit einzubringen. Dann kann Arbeit auch dadurch als sinnstiftend erlebt werden. Denn warum sollten sie sich sonst engagieren, wenn sie selbst gar nicht darin vorkommen?

– – – –

Selbsttest: Meine Vision

Zur Bildung von Kindern beitragen? Den wissenschaftlichen Fortschritt fördern? Das kulturelle Leben Ihrer Stadt beleben? Oder sehen Sie einen anderen Sinn in Ihrer Arbeit?

Wovon träumen Sie? Was inspiriert Sie? Haben Sie eine Vision für Ihre Bibliothek? Wie sieht Ihre Vision aus?



Sinn vermitteln: Vision entwickeln und leben 

2025??? Ich weiß nicht so recht!

2025!! Hey, komm‘ mit! Ich weiß, wo die Reise hingeht!

In 2025 könnten wir zum Beispiel

Abb: 15: Begeisterung wecken mit Visionen

Zur Frage des Sinnstiftens gehört für Führungskräfte auch: Was können wir für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tun? Was bedeutet die Vision für sie? Die Vision der Bibliothek sollte auch für die eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter greifbar sein. Eine Vision sollte ihnen ein Bild von ihrem „Arbeitsplatz Bibliothek in der Zukunft“ vermitteln, das für sie sinnvoll und erstrebenswert ist. Die Vision sollte die Frage beantworten können: Wie und zu welchem Zweck wollen wir gemeinsam arbeiten? Auch die Einbindung ins größere Ganze sollte dabei nicht aus den Augen verloren werden: Was können wir der Gesellschaft geben? Schließlich gilt es zu bedenken, dass etwas nur dann als sinnvoll empfunden wird, wenn es in Einklang mit Ihren Werten steht. Wenn Sie etwas tun, das gegen Ihre Werte verstößt, so hat es keinen Sinn für Sie. Eine für alle Beteiligten sinnvolle und überzeugende Vision kann alle Kräfte bündeln. Dass alle Beteiligten einen Sinn in ihrer Arbeit finden, ist Voraussetzung für ein gutes Gelingen von Wandel und dafür, dass alle bereit sind, ihr Bestes zu geben (vgl. Pircher-Friedrich 2001, S. 200). Die aktuell vorherrschende starke Fokussierung auf Zahlen, Wachstum und materielle Werte führt dazu, dass leicht vergessen wird, dass sie immer nur als Ergebnis menschlichen Handelns entstehen können. In der Folge entsteht eine große Sinnleere im Management und in Organisationen, die mit krankmachenden Faktoren und negativem Stress einhergeht. Kreativität und Innovationsfreude werden blockiert. Veränderungsprozesse scheitern oft daran, dass sie allein auf Führungstechniken gründen, die Vermittlung von Sinn und entsprechenden Führungshaltungen aber nicht berücksichtigt werden (vgl. Pircher-Friedrich 2011, S. 20). Pircher-Friedrich hat die vielfältigen Gründe für Sinnverlust in einer Abbildung zusammengefasst:

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 So gelingt mir gute Führung in Bibliotheken

Gründe für Sinnverlust Mangelnde Entscheidungsfreiheit

Unterforderung

Gründe für Sinnverlust

Verlust der Verantwortung

Übertriebene Beschäftigung mit sich selbst

Abb. 16: Gründe für Sinnverlust (Pircher-Friedrich 2001, S. 157)

Die Abbildung zeigt, dass mangelnde Entscheidungsfreiheit und der Verlust der Verantwortung einen Sinnverlust bedeuten können. Dies bedeutet folglich einen Mangel an Autonomie als Grund für Sinnverlust. Die Abbildung macht deutlich, wie wichtig es ist, die Menschen ins Rampenlicht zu stellen, und wie gravierend die Folgen von Unterforderung und zu wenig Entscheidungsspielraum sein können. Bietet die Arbeit keinen Sinn, so wirkt sich dies unter anderem negativ auf die Motivation und Produktivität aus und kann bis hin zur inneren Kündigung oder tatsächlich vollzogenen Kündigung führen.

8.4 Leistung fördern: Menschen ins Rampenlicht stellen Das Herzstück einer Bibliothek sind die Menschen, die dort arbeiten. Gerade im Dienstleistungssektor sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die wertvollste und wichtigste Ressource. Werden sie gut behandelt, können sie sich einbringen und sinnvollen Aufgaben nachgehen, so stehen die Chancen sehr gut, dass sie hochmotiviert sind und die Bibliothek zum Erfolg tragen. Was muss beachtet werden, um die Menschen in der Bibliothek ins Rampenlicht zu stellen?

8.4.1 Gute Leute finden Neue Bibliotheksmitarbeiterinnen und -mitarbeiter einzustellen – und zwar die am besten geeigneten – gehört zu den wichtigsten Aufgaben einer Führungskraft. Haben Sie das richtige Personal an Bord, um gut arbeiten zu können, auch um kreativ und innovativ unterwegs zu sein? Was sind es für Personen, die im Allgemeinen bei Ihnen eingestellt werden? Ähneln sich diese Personen sehr? Haben Quereinsteiger und Querdenker eine Chance? Oder könnte man beim Betreten Ihrer Bibliothek meinen, es handele sich bei den dort arbeitenden Personen um eineiige Zwillinge, Drillinge, Mehrlinge? Gleicht einer mehr oder weniger dem anderen? Wie sieht es bei Ihnen aus?



Leistung fördern: Menschen ins Rampenlicht stellen  

Hand auf‘s Herz! Wenn Sie ehrlich zu sich sind: Was sind es für Personen, die Sie einstellen? – – –

– –

Sind es genau die angepassten Leute, die Sie eingestellt haben oder einstellen würden? Ist das nicht am bequemsten, weil sie Ihnen ähnlich sind und Ihnen nicht gefährlich werden können? Mit wem arbeiten Sie am liebsten zusammen, wen würden Sie am liebsten einstellen? Personen, die Ihnen ähnlich sind, mit denen Sie reibungslos, konfliktfrei zusammenarbeiten können, mit denen die Kommunikation scheinbar ohne Worte klappt? Oder wenn mit Worten, dann schnell, da Sie die gleiche „Sprache“ sprechen? Mögen Sie gerne mit Personen zusammenarbeiten, die anders als Sie „ticken“, die andere Kenntnisse und Erfahrungen mitbringen, eine andere Denkweise und Sicht der Welt, mit denen es auch mal richtig „kracht“? Empfinden Sie das als Bereicherung?

Was können Sie aus dem Selbsttest lernen? Gehen Sie möglichen Reibungen und Konflikten – bewusst oder unbewusst – aus dem Weg, so berauben Sie sich und Ihre Bibliothek eines großen Potentials. Gerade aus der Unterschiedlichkeit der Personen, der größeren Komplexität im Umgang miteinander innerhalb der eigenen Bibliothek und den verschiedenen Blickwinkel entsteht der wertvolle Boden, auf dem Innovationen gedeihen. Auch wenn Sie sich für die – hoffentlich richtige – Person entschieden haben, kann immer noch eine Menge schief gehen, bis bzw. wenn die neue Person bei Ihnen beginnt. Häufige Fehler beim Einführen neuer Mitarbeiter sind etwa, dass –– der Einführung nicht genügend Bedeutung beigemessen wird, sie nicht gründlich genug gemacht wird und vor allem die viele damit verbundene Arbeit gesehen wird, nicht aber der potentielle Gewinn einer guten Einführung, –– vorhandene Kolleginnen und Kollegen nicht ausreichend auf die neue Person vorbereitet werden, –– der neue Mitarbeiter oder die neue Mitarbeiterin von einer ungenügend qualifizierten Person vorgestellt wird und keine geeignete „Patin“ oder keinen „Paten“ für die Einarbeitung zur Seite gestellt bekommt (vgl. Hintz 2011, S. 341). Die neue Mitarbeiterin bzw. der neue Mitarbeiter spürt zumindest indirekt, mit welcher Einstellung man ihm oder ihr gegenüber tritt. Wird dabei Wertschätzung vermittelt oder eben nicht?

Selbsttest: Wen stellen Sie ein oder würden Sie einstellen?

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 So gelingt mir gute Führung in Bibliotheken

– – Checkliste: für das Einführen neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

– – – –



– –

Sehen Sie die Einführung der neuen Person als Zukunftsinvestition an. Je besser die Einführung verläuft, umso mehr werden Sie von der neuen Person profitieren können. Sind alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, zumindest die direkten Kolleginnen und Kollegen darüber informiert, welche neue Person sie begrüßen dürfen und welche Aufgaben sie haben wird? Welche Informationen muss die neue Mitarbeiterin, der neue Mitarbeiter zum Arbeitsbeginn bekommen? Ist ein Arbeitsplatz mit PC bzw. allen notwendigen Arbeitsmaterialien eingerichtet? Haben Sie eine „Begrüßungszeremonie“ überlegt? Eine Vorstellung der neuen Mitarbeiterin, des neuen Mitarbeiters in einer Sitzung oder ein gemeinsames Frühstück mit der Abteilung, …? Ist organisiert, wer die neue Mitarbeiterin oder den neuen Mitarbeiter in Empfang nimmt und herumführt? Ist diese Person dafür gut geeignet? Ist sie anerkannt? Drückt sich durch die Entscheidung Wertschätzung gegenüber der neuen Mitarbeiterin, dem neuen Mitarbeiter aus? Ist eine „Mentorin“ oder ein „Mentor“ benannt, an den oder die sich die neue Person jederzeit mit Fragen wenden kann? Wer wird dies machen und warum? Wer ist dafür geeignet und motiviert, dies zu tun? Ist diese Person dem Wandel und neuen Personen gegenüber aufgeschlossen? Haben Sie selbst Zeit für die Begrüßung eingeplant? Seien Sie dann unbedingt persönlich anwesend! Das ist ebenfalls ein wichtiges Signal der Wertschätzung! Ist ein Einarbeitungsprogramm für die ersten Tage organisiert?

Gruppendynamische Aspekte spielen immer eine Rolle, wenn mehrere Menschen beteiligt sind, auch bei einer Gruppe, die schon längere Zeit besteht. Kommt eine neue Person hinzu, so ist dies für die Gruppe ein gravierender Einschnitt, der in seiner Bedeutung nicht unterschätzt und der nicht übergangen werden sollte. Die Gruppe, so wie sie vorher bestand, wird es ab diesem Augenblick nicht mehr geben. Durch das Hinzukommen einer neuen Person oder möglicherweise den zeitgleichen Abschied von einer anderen Person wird es so sein, dass die Gruppe unweigerlich eine andere sein wird als bislang. Es heißt also, sich von dem Gewohnten zu verabschieden. War es vorher eine gut eingespielte Konstellation, in der die Zusammenarbeit Spaß gemacht hat, so kann dies einen schmerzhaften Einschnitt bedeuten. Der Abschied und der Neuanfang sollten daher bewusst gestaltet werden. Rituale, wie eine Begrüßungsfeier, können dafür sehr hilfreich sein. Sie als Führungsperson sollten sich dessen bewusst sein, dass die Gruppe nicht sofort wieder so arbeitsfähig sein wird, wie sie es zuvor war. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass sie sich erst einmal wieder neu finden muss. Jede Person muss ihre Position und ihre Rolle in der Gruppe neu finden, Spielregeln werden neu ausgehandelt oder überprüft. Diese Findungsphase zuzulassen und den Prozess bewusst zu gestalten, wenn möglich unterstützende Maßnahmen und ausreichend Zeit dafür einzuplanen, sind Ihre Aufgabe als Führungskraft. Wenn diese Phase gut gestaltet wird, so wird die dafür aufgewendete Zeit später vielfach wieder eingespart, weil die Gruppe dann arbeitsfähig ist und gemeinsam eine gute Leistung liefern kann. Die gruppendynamischen Aspekte, die beim Auftauchen einer neuen Person stattfinden und bei Nichtbeachtung den Energiefluss blockieren, Kraft rauben und die Arbeitsfähigkeit hemmen können, drehen sich um Fragen wie: –– Wer spielt welche Rolle in der Gruppe? –– Wer hat hier das Sagen? –– Welche Beziehungen gibt es unter den Gruppenmitgliedern? –– An wem kann ich mich orientieren? –– Wie passe ich hier rein? Kann ich hier dazu gehören? –– Welche Rolle kann ich hier spielen? –– Um welche Ziele geht es hier eigentlich? –– Inwiefern passt dies zu meinen persönlichen Zielen? –– Welche Einzelinteressen bringen die anderen Personen mit? –– Gibt es hier explizite oder ungeschriebene Regeln, die ich beachten muss?



Leistung fördern: Menschen ins Rampenlicht stellen  

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8.4.2 Gute Leute binden Gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wird man in der Regel halten und an die Bibliothek binden wollen. Und die weniger Guten? Die, die hier „falsch“ sind? Es gibt nicht die „falschen“ Leute, wohl aber falsch behandelte oder am falschen Platz eingesetzte! Jeder hat seine bzw. ihre Stärken. Trotzdem ist es legitim, sich zu fragen, ob sich jemand woanders besser entfalten könnte. Sind dessen individuelle Stärken hier wirklich gefragt? Vor allem aber auch: Wissen wir überhaupt um die individuellen Stärken der oder des Einzelnen? Kennen wir ihr oder sein „Starpotential“, das Besondere, das jeder und jede hat? Möchten Sie gute Leute anziehen, so müssen Sie bereits gute Leute in Ihrer Bibliothek beschäftigen. Es müssen Leute da sein, die „Stars“ sind, die gut drauf sind. Sonst kommen oder bleiben andere Stars nicht. Wir müssen den Menschen, die bei uns arbeiten, das optimale Umfeld geben, in dem sie sich „austoben“ können, in dem sie optimal arbeiten können. Wir müssen die vorhandenen Personen „groß“ machen und in ihrer Autonomie fördern. Denn jede Person trägt ein Starpotential in sich. Es muss nur entdeckt und zugelassen werden. Eine Person ist auf einem Arbeitsgebiet ein „Star“, die nächste auf einem anderen Arbeitsgebiet. Als Führungsperson sollten Sie sich gemeinsam mit den Personen in Ihrer Umgebung anschauen, welche Stärken sie haben. Dieses Potential herauszukitzeln und zur Entfaltung zu bringen, ist es, was wahre Führungskunst ausmacht. Es ist schön, zu sehen, wie eine andere Person aufblüht. Es kann mitunter erstaunlich sein, welche explosionsartige Entwicklung eine Person dann zeigt, welche Fülle an Kompetenzen zum Vorschein kommt, wenn dies zugelassen wird. Wird jeder Mensch mit seinen individuellen Stärken gefördert, so haben Sie einen Haufen Stars und eine tolle Arbeitsatmosphäre. Das wird weitere Stars anziehen. Wer macht dann die „Drecksarbeit“, die langweiligen Aufgaben? Wie kann ein Team dann funktionieren? Sind sich die Stars dafür nicht zu fein? Ein „Star“ muss keine Starallüren entwickeln. Im Gegenteil: Ein wirklicher Star wird keine Starallüren entwickeln. Denn er oder sie ist psychisch gut drauf und hat dies gar nicht nötig. Auch ein Team kann nur dann richtig gut funktionieren, wenn es den einzelnen Personen im Team gut geht. Ist jede Person „groß“, gut drauf und fühlt sich als Individuum wahrgenommen, so kann sie sich auch mit ihren speziellen Fähigkeiten in das Team einbringen. Denn dann braucht sie keine Befürchtungen zu haben, vom Team „vereinnahmt“ und als Individuum nicht gesehen zu werden. Das „Starpotential“ einer jeden Person herauszukitzeln und aktiv zu fördern, ist eine der Möglichkeiten, die es für Bibliotheken gibt, um gute Leute zu binden. Bekommen alle Stars ein angenehmes und anregendes Arbeitsumfeld geboten, können sie aufblühen und haben insofern keinen Anreiz, sich einen anderen Arbeitsplatz zu suchen. Gepaart mit der oft relativ hohen Sicherheit der Arbeitsplätze in Bibliotheken und der Einrichtung familienfreundlicher bzw. Work-Life-Balance-freundlicher Arbeitsbedingungen, haben Sie in Ihrer Bibliothek die Möglichkeit, gute Leute zu halten, die Sie für eine erfolgreiche Arbeit brauchen. Wissenswert ist in diesem Zusammenhang, dass den Ausschlag dafür, ob jemand geht, oft die direkte Führungskraft gibt. Auch Kolleginnen und Kollegen spielen eine Rolle. Sie selbst können sich in Bezug auf die einzelnen Personen immer wieder fragen, inwiefern Sie persönlich in Ihrer Rolle dazu beitragen können, dass gute Leute bleiben. Keinen Zweck hat es allerdings, Leute zu binden, die eigentlich weg wollen. In Bibliotheken lässt sich allerdings oft eine „Bindung“ durch den Öffentlichen Dienst beobachten und schlechte Marktchancen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, zu-

Zitat: „Erstens müssen sie ,Talentmagnete‘ werden, also TopLeute anziehen. Warum Talentmagnet? Stars ziehen Stars an, Verlierer ziehen Verlierer an. (…) Mittelmäßige Ideen und mittelmäßige Leistungen führen zu mittelmäßigen Ergebnissen.“ (Förster/Kreuz 2008, S. 105)

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 So gelingt mir gute Führung in Bibliotheken

Zitat: „Sie machen aus Ihrem Unternehmen nicht das Beste Ihrer Branche, indem Sie die besten Leute einstellen. Das schaffen Sie nicht! Sie machen vielmehr aus Ihrem Unternehmen das beste Ihrer Branche, indem Sie so gut werden, dass die besten Leute unbedingt bei Ihnen arbeiten wollen. Zweitens müssen Unternehmen erkennen, was genau die Passgenauigkeit zwischen den Talenten und der eigenen Organisation ausmacht, wie die Rahmenbedingungen aussehen müssen, damit diese ihre optimale Leistung bringen können.“ (Förster/Kreuz 2008, S. 106)

mindest in anderen Branchen, tun ihr Übriges. Durch ihre Berufswahl und oft langjährige Berufspraxis sind viele von ihnen schon ziemlich festgelegt auf die Arbeit in Bibliotheken, sofern sie sich nicht in Eigeninitiative fortgebildet haben. Alle Menschen und gerade gute Leute haben das Bedürfnis, sich weiterzuentwickeln. Möglicherweise bietet Ihre Bibliothek ihnen dafür nicht genügend Möglichkeiten. Dann kann es sein, dass sie sich neben ihrer Arbeit andere Spielfelder suchen, um z. B. nebenher etwas Neues zu lernen. Sie sind dann während ihrer Arbeitszeit in der Bibliothek besonders gut, wenn sie gerne da sind und die Möglichkeit haben, sich anderswo noch weitere Anregung zu holen oder ihren Marktwert zu steigern. Begrüßen Sie es, wenn sie einen hohen Marktwert haben bzw. wenn sie ihn steigern. Manche Menschen brauchen diese Abwechslung. Was gibt es besseres, als wenn sie gut sind – und bei Ihnen bleiben wollen! Menschen, die sich diese innere Freiheit nehmen, auch neben der Bibliothek ein eigenes Leben zu führen, sind sehr wertvoll, wenn sie aus freien Stücken da sind und gerne da sind. Um dies bei anderen Personen zu akzeptieren und sie dabei zu unterstützen, müssen Sie als Führungskraft selbst über ein gesundes Selbstwertgefühl und Autonomie verfügen. Sie müssen andere groß sein lassen und weiter wachsen lassen können – möglicherweise auch an Ihnen vorbei. Zugleich sollten Sie sich auch fragen, ob es ein Alarmsignal sein könnte, wenn gute Leute ganz oder teilweise gehen. Vielleicht wollen sie etwas anderes machen, weil sie hier kein attraktives Arbeitsumfeld bekommen? Vielleicht bieten Sie Ihnen nicht genügend? Oder haben Sie noch gar nicht erkannt, wie gut sie wirklich sind und ihnen nicht genügend Wertschätzung gezeigt? Ist diese Person oder sind diese Personen überzeugt von ihrer Arbeit? Haben sie in unserer Bibliothek das Gefühl, zu etwas Sinnvollem beizutragen und sich dabei in sinnvoller Art und Weise einbringen zu können? Begeistert sie die Vision und die Organisationskultur? Vielleicht haben sie auch den Eindruck, dass hier etwas schief läuft oder sie in Wirklichkeit gar nicht mit ihren individuellen Stärken gefragt sind. Stehen sie hinter den Dienstleistungen, die wir anbieten? Diese Fragen sollten sowieso von Zeit zu Zeit gestellt werden. Schließlich sind die eigenen Leute die besten Markenbotschafter. Stehen sie nicht hinter dem eigenen Angebot, so kann dies a) langfristig zu Schwierigkeiten führen, die Angebote gut nach außen zu kommunizieren und b) bedeuten, dass es wirklich große Schwächen beim eigenen Angebot gibt: Dies führt auch dazu, dass die Arbeit als demotivierend empfunden wird und eine Abwärtsspirale in Gang gesetzt wird. Es ist ein starkes Alarmzeichen, wenn die eigenen Leute nicht hinter dem Produkt ihrer Arbeit stehen. Sie sollten dann unbedingt hinschauen, was los ist. Solche Zeichen wahrzunehmen und ernst zu nehmen, ist Ihre Aufgabe als Führungskraft. Das bedeutet, dass Sie ein gutes Gespür für solche Signale ausbilden müssen, und dass Sie ernst nehmen müssen, was die anderen sagen oder gerade nicht sagen, aber dafür durch ihr Verhalten und ihre Gefühle indirekt ausdrücken. Nichtsdestotrotz wird es immer wieder vorkommen, dass jemand sich dafür entscheidet, die Bibliothek zu verlassen und eine andere Arbeitsstelle anzunehmen. Dieser Realität müssen Sie ins Auge blicken. Wird dies akzeptiert, so kann ein guter, bewusst gestalteter Abschied geschehen. Wenn es Zeit für den Abschied ist: Verabschieden Sie Leute, die gehen, gebührend. Man sieht sich immer zweimal im Leben und außerdem färbt es auf die Personen ab, die bleiben, wenn mit den Gehenden nicht gut umgegangen wird. Es ist für alle Seiten wichtig, an dieser Stelle bewusst innezuhalten oder eine Zeremonie für den Abschied zu berücksichtigen.



Leistung fördern: Menschen ins Rampenlicht stellen  

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8.4.3 Führungskräfte auswählen Ein Thema in Zusammenhang mit der Auswahl der richtigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die Bibliothek ist natürlich die Besetzung von Führungspositionen. Leider lässt sich in der Praxis oft beobachten, dass bei der Auswahl von Führungskräften nicht sorgfältig vorgegangen wird – in Bibliotheken ebenso wie in Unternehmen. Wer Führungskraft wird, darüber entscheidet allzu oft die Fachkompetenz oder der Erfolg als Experte oder Expertin auf einem Gebiet. Die erfolgreiche Übernahme einer Führungsposition ist allerdings von ganz anderen Kriterien abhängig. Hierfür ist es wichtig, selbstbewusst und reflektiert zu sein, gerne mit Menschen umzugehen und bewusst zu kommunizieren. Wie werden bei Ihnen Führungskräfte ausgewählt? Wer entscheidet darüber und welches sind die Kriterien? Besonders geeignet erscheinen dafür Personen, die… – – – – – –

psychisch gut drauf sind, in der Regel aus dem Erwachsenen-Ich-Zustand agieren. Jemand, der oder die selbst nicht gut drauf ist, wird kaum gut führen. ins Umfeld passen. Kann er oder sie in diesem Umfeld erfolgreich sein? in der Lage sind und willens sind, sich weiterzuentwickeln, ihr Verhalten zu reflektieren und gegebenenfalls neue Wege zu gehen. Gibt es Anzeichen dafür, dass dies zutrifft? zu der Führungsaufgabe passen, um die es geht. Interessiert er oder sie sich für das Thema? zu den Personen passen, um deren Führung es geht – ohne dass es Überanpassung bedeutet. bereit sind, sich von Fachaufgaben zu verabschieden und Führung zu ihrer Aufgabe zu machen.

Muss eine Führungsposition immer auf lange Sicht besetzt werden, wie es oft die Praxis ist? Wird bei der Verlängerung einer befristeten Führungsposition die Führungsqualität der Person ernsthaft überprüft? Bei all den Risiken, die damit verbunden sind, wenn eine ungeeignete Person Führungskraft wird, ist es vielleicht besser, Führungspositionen nur auf Zeit zu besetzen und deren Eignung ernsthaft zu überprüfen. Schließlich ändern sich die Führungsaufgaben im Zeitablauf, und eine Person, die für eine Führungsaufgabe ideal sein mag, ist in einem anderen Arbeitsfeld vielleicht eine „Fehlbesetzung“. Schließlich stellt sich im Nachhinein allzu oft heraus, dass eine Person doch nicht so gut als Führungskraft geeignet ist. Vielleicht war sie gut darin, Sachaufgaben zu erledigen und ist deshalb zur Führungskraft geworden, weil nicht die geeigneten Auswahlkriterien für diese Position zugrundegelegt wurden. Vielleicht merkt die Person in der Führungsposition nach einiger Zeit, dass sie diese gar nicht mehr haben möchte, dass sie ihr keinen Spaß bringt oder dass sie andere Aufgaben anstrebt. Für all diese Fälle ist es wichtig, dass Führungspositionen nicht für alle Zeiten in Beton gegossen werden und dass die Rückgabe einer Führungsposition nicht als Misserfolg verstanden wird und damit einen persönlichen Makel darstellt. Kommunizieren Sie, dass gerade dies einen Erfolg darstellen kann und dass es sein kann, dass die Person danach möglicherweise erst recht erfolgreich werden kann. Das Innehaben einer Führungsposition bedeutet nicht per se Erfolg!

Checkliste: Wer sollte eine Führungskraft werden?

Zitat: „Die Auswahl von Führungskräften ist die wichtigste Managementaufgabe überhaupt. (…) Und langfristig wirkt eine falsche Entscheidung wie eine Kopiervorlage: Sie infiziert das gesamte Unternehmen auf Jahre hinaus. Dennoch gibt es kaum einen Unternehmensbereich, in dem mit weniger Systematik und Expertise vergleichbar hohe Risiken eingegangen werden. Nach wie vor wird die Auswahlentscheidung von der Fachkompetenz dominiert. Nach wie vor werden kontrollorientierte Macher bevorzugt. Nach wie vor rollt die Ähnlichkeitsmaschinerie.“ (Sprenger 2000, S. 213 f.)

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 So gelingt mir gute Führung in Bibliotheken

8.4.4 Menschen „groß“ machen, „Unternehmertum“ zulassen Wenden Sie das Bild eines Theaters auf Ihre Bibliothek an, bedeutet dies, dass Sie die Menschen ins Rampenlicht stellen und fördern müssen. Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Kolleginnen und Kollegen, Vorgesetzte: Sie sind die Darsteller auf Ihrer Bühne und hinter den Kulissen. Wenn Sie Erfolg haben wollen, so müssen sie alle groß sein, jeder auf seine Art und Weise. Es reicht nicht, selbst einsam groß an der Spitze zu sein – zumal Sie das kräftemäßig und auch nicht lange erfolgreich durchhalten werden – die Inszenierung braucht viele motivierte Personen. Möchten Sie andere „groß“ machen, so sollten Sie sich fragen: Wie kann ich meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dienen? Wie kann ich dafür sorgen, dass sie gut arbeiten können? Wie und wo kann ich sie unterstützen? Individuen sind individuell und wissen selbst am besten, was sie können und was sie brauchen. Sie sollten sie also individuell fragen und individuell fördern! Interessieren Sie sich nicht für die einzelnen Menschen, sondern sind sie für Sie eher eine graue Masse gesichtsloser austauschbarer Nummern, so schauen Sie sich auch nicht an, was das Besondere an jedem einzelnen von ihnen ist. Wenn Sie die Stärken übersehen, bleibt ein großes Potential ungenutzt. Die einzelne Person setzen Sie dann vermutlich nicht adäquat ein. Stärken und Expertenwissen bleiben ungenutzt und werden mit der Zeit zudem weniger, wenn sie nicht trainiert werden, so wie ein ungenutzter Muskel, oder sie werden von den Betroffenen außerhalb der Bibliothek eingesetzt und dort trainiert. Bedauerlicherweise findet diese Ressourcenverschwendung im doppelten Sinne statt: Erstens dadurch, dass Potential nicht genutzt wird, zweitens spürt die einzelne Person, dass sie nicht interessiert, dass ihre Stärken nicht wahrgenommen werden und keiner davon wissen will. Dies ist eine schmerzhafte Erfahrung, ebenso, wie es schmerzt, die eigenen Stärken nicht in seine Arbeit einfließen lassen und ausleben zu können. Ob Sie andere Menschen groß machen, hängt nicht zuletzt natürlich mit Ihrem eigenen Kommunikationsverhalten zusammen. – – – –

Selbsttest: Mache ich andere mit meinem Verhalten groß oder klein?

Befinden Sie sich im Erwachsenen-Ich-Zustand und können andere so lassen, wie sie sind? Können Sie zulassen, wenn andere bei etwas besser sind als Sie und Sie überstrahlen? Behandeln Sie andere leicht mal von oben herab, weisen sie zum Beispiel zurecht? Was signalisieren Sie mit Ihrer Körpersprache und Mimik hinsichtlich der Wertschätzung für andere Personen?



Leistung fördern: Menschen ins Rampenlicht stellen  

Das Erfolgsrezept für das Großmachen? Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an die erste Stelle stellen: Sie gut ausbilden und gut ausstatten, mit guten Arbeitsmaterialien und mit großen Entscheidungsspielräumen. Schenken Sie ihnen Ihr Vertrauen und sorgen Sie dafür, dass sie Vertrauen zu Ihnen aufbauen können, indem Sie sich an Absprachen halten und sie nicht ohne guten Grund enttäuschen. Damit haben sie eine starke Basis, um das Beste für ihre Kundinnen und Kunden zu tun und diese in all ihren Handlungen an die erste Stelle zu stellen. So kann wahre Kundenorientierung gelebt und der Wandel zu Gunsten der Bibliothek wird auf breiter Basis getragen werden. Stellen Sie die Menschen in Ihrer Umgebung an die erste Stelle, so können Sie die Schätze heben, die sie in sich tragen. Vermutlich kennen Sie noch lange nicht das ganze Potential, das in Ihren Mitmenschen steckt. Das Potential ist da. Es ist nur meistens verschüttet. Als Führungskraft ist es Ihre Aufgabe, Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dabei zu unterstützen, ihr Potential freizulegen, und sie zu fördern. Es ist gar nicht so schwierig. Sie müssen es nur wollen und zwar wirklich. Sie müssen offen und ehrlich mit diesen Schätzen Ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter umgehen. Auch auf die „Gefahr“ hin, dass Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zumindest in Teilbereichen besser sind als Sie. Machen Sie diese ungeahnten Schätze zugänglich! Es geht nicht so sehr darum, etwas vollkommen Neues zu schaffen, sondern das, was da ist, zu entdecken. Andere Menschen groß zu machen, erfordert, „unternehmerisches“ Handeln in der Bibliothek zuzulassen, und so wenig wie möglich zu kontrollieren und andere mit Regeln in ihren Handlungen einzuschränken. Seien Sie sehr vorsichtig mit dem Einsatz von Kontrolle und Befehl als „Führungsmethode“! Kontrolle signalisiert Misstrauen. Kontrolle und Befehl zusammen führen schnell dazu, dass sich Menschen in ihrer Autonomie eingeschränkt fühlen. Ihre Motivation sinkt. Kontrolle sollten Sie daher nur dort einsetzen, wo sie unbedingt notwendig ist. Nicht wenige Menschen haben allerdings das Bedürfnis, alles regeln und kontrollieren zu wollen. Bei Führungskräften ist dies fatal. Demotivation und eine geringe Arbeitsgeschwindigkeit sind in der Regel das Ergebnis von überbordenden Regeln und Kontrolle. Mit gravierenden Folgen u.a. für die Innovationsfähigkeit der Organisation. Leider suchen gerade ängstliche Führungskräfte oft das Heil in der Kontrolle, in dem Glauben, so alle Risiken minimieren zu können. Nur Menschen mit ausgeprägtem Selbstvertrauen werden bereit sein, Kontrollmaßnahmen zurückzufahren, Unvertrautes zu akzeptieren und gelassen mit Überraschungen umzugehen. Sie vertrauen sich selbst und ihren Fähigkeiten und wissen, dass es unmöglich ist, alles im Griff zu haben. Durch misstrauische Manager mit geringem Selbstvertrauen entstehen hohe Transaktionskosten (vgl. Sprenger 2012, S 142). Interessant ist in diesem Zusammenhang der Unterschied zwischen autoritärer Führung und natürlicher Autorität, sowie zwischen straff-lockerer Führung und Laissez-faire. Laissez-faire bedeutet, dass im Prinzip gar keine Führung stattfindet: Die Führungskraft führt nicht und lässt zu, dass alle machen, was sie wollen. Autoritär bedeutet das genaue Gegenteil: Es wird zu viel und zu hart geführt. Als „State of the art“ ist, eine mit natürlicher Autorität verbundene straff-lockere Führung anzustreben: Leute folgen dann freiwillig und nicht, weil sie unter Druck sind. Die Führung erfolgt nicht über Druck, sondern weil sie als Vorbild und als sinnvoll anerkannt wird, authentisch auftritt und eine Ahnung von Sinn und Richtung vermittelt. Generell ist die Führung dabei locker und lässt viel Raum für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Bei manchen Punkten ist sie jedoch straff und sorgt für die Durchsetzung grundlegender Punkte, etwa wenn Werte in Gefahr sind. Würde beispielsweise eine Person gemobbt werden, würde die Führung energisch einschreiten.

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Zitat: „Die Statue ist bereits im Stein und war schon immer im Stein. Es ist die Aufgabe des Bildhauers, diese zu sehen und freizulegen, indem er vorsichtig das überschüssige Material abkratzt.” (Michelangelo)

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 So gelingt mir gute Führung in Bibliotheken

Stars – und insofern alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die gut drauf sind – brauchen Freiheiten. Sie brauchen die Möglichkeit, unternehmerisch tätig zu sein. Ihnen Grenzen zu setzen, die nicht wohlbegründet und notwendig sind, bedeutet eine hochgradige Verschwendung von Ressourcen. Regeln und Kontrolle stehen der Möglichkeit unternehmerischen Handelns leider allzu oft entgegen. Deutlich besser ist es, Unternehmertun zuzulassen. Natürlich werden Bibliotheken dadurch nicht zu Unternehmen, wohl aber geht es darum, gemeinsam etwas zu „unternehmen“, etwas zu bewegen. Es geht darum, der einzelnen Person unternehmerische Freiräume einzuräumen. Jede und jeder sollte unternehmerische Spielräume nutzen können, um die Bibliothek voranzubringen. Macht jeder nur Dienst nach Vorschrift oder kümmert sich nur um die Dinge, die definitiv ins jeweilige Arbeitsgebiet fallen, so ist es sehr wahrscheinlich, dass die meisten Personen in dieser Bibliothek nicht das Gesamtbild vor Augen haben. Die Zukunft der Bibliothek kann durch eingeschränktes, auf einzelne Bereiche fixiertes Denken gefährdet werden. Haben sie keine Schranken für ihr Denken und Handeln, so können sie leichter wie ein „Unternehmer“ über den Horizont hinausschauen und das machen, was sie als notwendig für die Bibliothek erkennen. Einige Fragen, die Ihnen Aufschluss über das unternehmerische Potential Ihrer Bibliothek geben können: – – – – Selbsttest: Ist unternehmerisches Handeln bei Ihnen möglich?

– –

Wie viele Regeln gibt es in Ihrer Bibliothek, die die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei ihrem alltäglichen Handeln beachten müssen? Inwiefern behindern sie unternehmerisches Handeln? Welche dieser Regelungen sind notwendig? Welche sind möglicherweise verzichtbar? Wie viele „Stationen“ oder Gremien müssen durchlaufen werden, bevor mit der Umsetzung einer Idee begonnen werden kann? Wer muss alles gefragt werden? Wie lange dauert es in der Regel, bis eine Idee als Innovation umgesetzt wurde? Wie viele Personen müssen um „Erlaubnis“ gefragt werden, bevor etwas getan werden kann, das „aus der Reihe tanzt“, das vom Standardverhalten abweicht?



Leistung fördern: Menschen ins Rampenlicht stellen  

Einschränkungen führen zu eingeschränkter Leistung, zu Druck und Gegendruck. Das lässt sich auch beim Umgang mit Kindern beobachten: Wenn Sie selbst viel reinpowern, ihnen kaum Freiraum geben, viel kontrollieren und dadurch zugleich wenig Vertrauen signalisieren, müssen Sie sich nicht wundern, wenn sie nicht viel leisten und Sie andererseits nachher ausgepowert sind. Optionen von Betroffenen, um mit Druck und Kontrolle halbwegs gesund umgehen zu können sind: –– sich anpassen (mitschwimmen im Strom), –– das Szenario aufmischen oder –– ausbrechen. Das alles spricht dagegen, anderen Schranken für ihr Verhalten zu bauen, wo sie nicht unbedingt notwendig sind. Andere Menschen groß zu machen, ihnen Autonomie zu bieten, ist eine Möglichkeit, gute Leute in Bibliotheken zu binden. Autonomie fördern, indem Sie andere Menschen wie Erwachsene behandeln, ist eine Möglichkeit, aber auch das Ermöglichen guter Fortbildung und persönlicher Weiterentwicklung. Wer freiwillig hier ist und sich weiterentwickeln kann, wird am ehesten einen guten Job machen.

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Zitat: „Man installiert Fluchtverhinderungssysteme wie Arbeitszeitkontrolle, Reportingsysteme, Anreizprogramme (…). Man erlässt Richtlinien, die die Freiräume, die zu nutzen wären, schließen; Vorgaben, die die Art und Weise, wie eine Aufgabe gelöst werden kann, vorschreiben.“ (Sprenger 2000, S. 34)

Fallbeispiel: Frau K. wäre wohl beleidigt, wenn wir sie als kontrollsüchtige Führungskraft bezeichnen würden. Aber genau das ist sie. Mit einem schlechten Selbstwertgefühl ausgestattet und von permanenter Angst getrieben, dass ihre eigene, vermeintliche Unzulänglichkeit auffliegen könnte, gelingt es ihr nicht, ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu fördern. Tagtäglich unternimmt sie bewusst oder unbewusst alles Mögliche, um zu verhindern, dass jemand merkt, dass ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vermeintlich „besser“ sind als sie. Vielleicht sind sie es sogar, denn sie selbst verwendet einen Großteil ihrer Energie und Arbeitszeit dafür, Vorsorge dafür zu treffen, dass sie nicht „auffliegt“. Einen weiteren großen Teil ihrer Energie verwendet sie darauf, ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu kontrollieren, ihnen Schranken zu setzen und ein Umfeld zu schaffen, das verhindert, dass sie sich mit ihren Fähigkeiten voll entfalten können. So wird ihre Abteilung bestimmt sehr „erfolgreich“ arbeiten! Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in ihrer Abteilung reagieren darauf – wenig verwunderlich – mit Misstrauen, Demotivation und schlechten Leistungen. Das wiederum bestärkt sie in einer anderen Überzeugung, nämlich, dass Menschen im Allgemeinen von ihrem wahren Wesen her faul seien. Sie verschärft ihre Kontrollmaßnahmen noch weiter. So behandelt und derart ihrer Autonomie beraubt, reduzieren ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre Leistung letztlich noch mehr. Sie sieht sich „gezwungen“, sie noch stärker zu kontrollieren. In der Folge nehmen Motivation und Leistung noch weiter ab. Ein Teufelskreis, an dessen Ende sie sich vollkommen in ihrer Überzeugung bestätigt fühlen wird – ein Erfolg, der nur „leider“ von dem fahlen Gefühl begleitet wird, dass dieser Triumpf zugleich bedeutet, dass in ihrer Abteilung keine gute Arbeit geleistet wird.

Derart ihrer Freiheiten beraubt, werden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehen, dass sie ihre Energie woanders hin umlenken. Das, was sie ausmacht, was sie besonders macht, findet dann in der Freizeit statt, wo mitunter wahre Höchstleistungen vollbracht werden. – – – – –

Selbst im Erwachsenen-Ich-Zustand sein und andere wie Erwachsene behandeln. Autonomie anderer Personen zulassen und fördern. Akzeptieren und begrüßen, dass andere Personen anders sind als Sie. Unternehmerisches Handeln ermöglichen. Alle Regeln und Hürden soweit es geht aus dem Weg räumen. Freiheiten und Vertrauen geben und möglichst wenig kontrollieren.

Beispiel:

Zitat: „Das alles, um Menschen zurechtzustutzen. Die Konsequenz: Stärken trocknen aus oder werden in die Freizeit umgeleitet. Vorschriften erzeugen eben Dienst nach Vorschrift. Das Besondere des Menschen findet anderswo statt.“ (Sprenger 2000, S, 34)

Checkliste: Was kann ich machen, um andere groß zu machen?

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 So gelingt mir gute Führung in Bibliotheken

Zitate: „Hierarchie ist hochleistungsfähig, wenn eine Aufgabe gleichsam ‚blind‘ und routiniert erledigt werden soll. Aber sie versagt, wenn es darum geht, die Augen aufzumachen. Sie liefert zu viele Gründe, nicht hinzusehen. Insofern stellt sich nachdrücklich die Frage nach der Leistungsfähigkeit der Hierarchie für die Gegenwartsprobleme.“ (Sprenger 2000, S. 134)

„Out sind Ab-Teilungen, vertikale Bereichs-Silos, tief gestaffelte Führungshierarchien nach dem Prinzip: ‚Führen nach An- und Zurechtweisung‘. Moderne Organisationswelten sind geprägt von horizontalen Prozessketten, flachen Hierarchien, Netzwerken und deutlich mehr Selbststeuerung als früher. Wer diese Welt zum Leben bringen will, benötigt Menschen, die Lust haben und fähig sind, zu kommunizieren.“ (Doppler 2011, S. 125 f.)

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen Wahlmöglichkeiten haben und Freiheiten. Wenn ihr ganzes Handeln nur durch Vorgaben vorbestimmt ist, können sie nicht „unternehmerisch“ tätig werden, können auch keine Verantwortung übernehmen. Dazu gehört auch, Unterschiede zu fördern, mehr Unsicherheit und Komplexität zuzulassen. Ebenso wie Kontrolle und autoritäres Verhalten können Hierarchien dem Aufblühen der Individuen und dem unternehmerischen Handeln im Wege stehen. In bestimmten Zusammenhängen und für bestimmte Entscheidungen braucht es sicherlich ein gewisses Maß an Hierarchie. Wird Hierarchie aber übermäßig betont, so kann dies sehr demotivierend wirken, das Handeln sehr verlangsamen und Impulse unternehmerischen Handelns stark einschränken. Der Versuch, Chaos durch Zentralisierung zu bändigen, kann für die einzelne Führungskraft ein Gefühl von Sicherheit und Effizienz bringen. Mit negativen Begleiterscheinung für ihr Umfeld, wie der Einschränkung der Freiheit und der Förderung von Anpassung. Innovation basiert aber auf Freiheit und Widerspruch (vgl. Sprenger 2012, S. 217 ff.). Da Hierarchien für Wandel und Innovation oftmals hinderlich sind, sollten sie so weit wie möglich in den Hintergrund gedrängt werden und zumindest im tagtäglichen Umgang nicht so stark betont werden. Bewegen Sie sich mit der Bibliothek im Web 2.0 und kommunizieren dort mit Kundinnen und Kunden, spätestens dann müssen Sie auch intern „Web 2.0“ leben! Sie müssen intern „Communities“ zulassen und fördern. Sie müssen Offenheit leben und ermutigen, Austausch unterstützen, wo es nur geht! Sie müssen auf Selbstorganisation vertrauen. Wie soll das enden? Was passiert ohne offiziell bestimmte Hierarchie? Gruppen ohne offiziell bestimmte Führungskraft bilden von alleine selbst gewählte Führungsstrukturen. Das mag zunächst konfliktreicher sein, aber hat man sich einmal auf eine Führungsstruktur geeinigt, so dürfte diese die Akzeptanz der Gruppenmitglieder finden und damit eine gute Zusammenarbeit gewährleisten. Führt der Weg also hin zu selbstgewählter Führung? Wenn Gruppen selbst ihre Führung hervorbringen, so besteht zumindest die Chance, dass diese die bestmögliche Führung sein kann und eine besser akzeptierte, als wenn sie von außen drübergestülpt wurde. Es wäre also zumindest ein bedenkenswerter Ansatz. Weder pure Hierarchie ist das Richtige, noch Autonomie pur. Würde alleine auf Autonomie gesetzt, so sähe das allzu leicht so aus: Auf Autonomie wird gesetzt und vor Verantwortung wird sich gleichzeitig gedrückt. Es braucht aber schon noch Führung in gewisser Form. Personen, die im Konfliktfall entscheiden können, Werte vorleben und die dem Ganzen eine Richtung geben. Ein guter Mittelweg ist gefragt. Und dieser kann darin bestehen, Hierarchien in bestimmten Bereichen für bestimmte Aufgaben zu haben und in anderen Bereichen auf die Selbstorganisation von Individuen bzw. Gruppen zu setzen.

8.4.5 Angst und Überanpassung – die Feinde echten Erfolgs bekämpfen Mit was für Personen haben Sie es in Ihrer Bibliothek zu tun? Sind es unterscheidbare Individuen? Welche Farben tragen sie? Welche Farbe strahlen sie aus? Ist es ein helles Grau, das keinen stört, das aber auch keinem auffällt? Sind Farbe, Leidenschaft und Spaß erwünscht? Typische Bibliotheksberufe, in denen genaues Arbeiten und ähnliche Qualitäten im Vordergrund stehen und beispielsweise Kreativität nicht so sehr, fördern vielleicht an sich schon die Anpassungsbereitschaft von Menschen. Die Strukturen und Moda-



Leistung fördern: Menschen ins Rampenlicht stellen  

litäten des öffentlichen Dienstes, die Art und Weise wie bislang in vielen Bibliotheken gearbeitet wurde und die dort vorhandene Organisationskultur fördern diese vermutlich Anpassung noch mehr. Überanpassung ist eine Form der Anpassung, die weiter geht als eine gesunde Anpassung, die im Organisationsumfeld hilfreich und wichtig ist. In der Überanpassung ist sich das Individuum seiner Grenzen und eigenen Ziele meist nicht mehr bewusst. Vielmehr übernimmt es unhinterfragt die von anderen. Überanpassung führt leicht zu einer Reihe gravierender negativer Folgen: von mangelnder Bereitschaft, vorhandene Gepflogenheiten oder Dienstleistungen in Fragen zu stellen, die für Innovation und Wandel lebensnotwendig ist, bis hin zu expliziter Minderleistung bei der Erledigung von Routineaufgaben. „Blind“ wird dem gefolgt, was andere denken, sagen oder wie sie handeln. Eigene Gedanken werden verdrängt oder verleugnet. Sie dürfen nicht das Licht der Welt erblicken, obwohl sie möglicherweise geeignet wären, die Leistungen der Bibliothek deutlich zu steigern. Zu den negativen Begleiterscheinungen von Überanpassung gehören u.a. unklare Kommunikation und unklare Entscheidungen. Klare Verabredungen werden gescheut. Anstatt beispielsweise nachzufragen, warum etwas getan wird, wird unreflektiert unterstellt, der andere wüsste, was er tue. Verhalten sich nun beide Seiten derart überangepasst und unterstellen einander, der jeweils andere wüsste, was er oder sie tut und dies wäre gut so, so führt dies zu schlechtem Handeln und schlechten Entscheidungen. Das gegenseitige sich aneinander Anpassen führt zu unentschlossenem, unreflektiertem Herumlavieren, ohne schnell und sinnvoll zum Punkt guter Entscheidungen zu kommen. Möchten Sie langfristig erfolgreich arbeiten, so müssen Sie – ob nun Führungskraft oder nicht – darauf achten, dass Sie sich selbst nicht zu sehr an andere Menschen und an die Organisation anpassen und darüber sich und Ihre eigenständige Urteilsfähigkeit verlieren. Betriebsblindheit gilt es um jeden Preis zu vermeiden und immer wieder zu bekämpfen. Auch nach vielen Jahren an ein und derselben Arbeitsstelle ist es Ihre Verantwortung, Ihre Betriebsblindheit einzuschränken, indem Sie immer wieder über den Tellerrand blicken, bewusst andere Branchen anschauen und neue Erfahrungen suchen. Wenn Sie irgendwo neu anfangen, gilt dies genauso: Sie sollten aufpassen, dass Sie nicht unreflektiert Einstellungen oder die Passivität von anderen übernehmen. Mindestens Sie als Person, die in Führung gehen will, sollten Ihre „Unabhängigkeit“ wahren. Reflektiert und bewusst zu handeln, ist Ihre Aufgabe. Nicht nur Mitlaufen mit der „Meute“! Denn wer sagt, dass die Meute weiß, was richtig ist? Eines sei an dieser Stelle betont: So gefährlich wie Überanpassung einerseits ist, das komplette Gegenteil ist nicht das Ziel, nämlich das keinerlei Anpassung stattfindet. Wollen Sie immer nur mit dem Kopf durch die Wand und Ihre Interessen um jeden Preis durchsetzen, passen sich in keinster Weise an die Gepflogenheiten an und halten sich aus zwischenmenschlichen Kontakten raus, so fehlt Ihnen eine Ankoppelungsfläche und Sie können keine Wirkung entfalten. Es gibt eine gesunde Form der Anpassung, die es Ihnen gleichzeitig ermöglicht, Ihre innere Unabhängigkeit zu bewahren. Eine erstaunliche Erfahrung kann es sein, festzustellen, dass auch Führungskräfte, die auf uns einen selbstbewussten Eindruck machen, sich manchmal sehr angepasst verhalten. Man sieht es ihnen nicht unbedingt an. Aber in ihrem tiefsten Inneren sind sie von Unsicherheit getrieben und dies bringt sie dazu, sich an andere Menschen anzupassen. Auch dahinter stecken letztlich Ängste: Angst, nicht gut genug zu sein, Angst, von anderen nicht akzeptiert oder gemocht zu werden.

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Zitat: „Individualität ist offenbar ein Karrierehandicap. Unterschieden wird zwischen steingrau, schlammgrau und mausgrau. Zu einer kritischen Auseinandersetzung mit der Organisation sind viele dieser ‚entwickelten‘ Führungskräfte weder bereit noch in der Lage. Sie sind Geschöpfe des Systems, Exponate des Systems und werden vom System geschützt.“ (Sprenger 2000, S. 108)

Zitat: „Firmen und Teams, die innovative Arbeit leisten, brauchen zumindest einige Mitstreiter, die nur langsam lernen, wie Dinge ‚angeblich gemacht werden‘ sollten.“ (Sutton 2005, S. 9)

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 So gelingt mir gute Führung in Bibliotheken

Zitate: „Angst führt günstigstenfalls zu Anpassung und Disziplin. Echter Motivation und Identifikation ist sie abträglich.“ (Doppler/Lauterburg 2008, S. 347)

„Ein Klima von Angst und Misstrauen lässt keinen Raum für Experimente, Innovation, Aneignung und Umsetzung von Wissen. Zur langfristigen Leistungssteigerung in einem Unternehmen müssen es sich die Führungskräfte zu einer ihrer wichtigsten Aufgaben machen, ein angstfreies Arbeitsklima zu schaffen. Wie schade, dass so viele Manager genau das Gegenteil befolgen.“ (Pfeffer/Sutton 2001, S. 123 ff)

Als Führungsperson müssen Sie sich überlegen, inwiefern Sie sich selbst angepasst verhalten und mit Ihrem Verhalten dazu beitragen, dass sich eine Kollegin oder ein Mitarbeiter angepasst verhält. Welchen Beitrag liefert mein eigenes Verhalten zu diesem Verhalten? Leiste ich angepasstem Verhalten Vorschub? Gebe ich den anderen Personen Freiheiten? Oder habe ich selbst Angst vor der Nichtkontrollierbarkeit, wenn sie frei handeln? Sie sollten sich immer wieder vor Augen halten: Nur mit verschiedenen Individuen, die ihren eigenen Kopf haben, unterschiedlich denken und verschiedene Optionen sehen, sind Innovation, Wandel und letztlich Erfolg überhaupt möglich. Der Konformitätsdruck, den viele Menschen empfinden, kann je nach Organisationskultur sehr unterschiedlich ausgeprägt sein. Da die meisten Menschen zur Überanpassung neigen, ist es sehr wichtig, dass es mindestens einige Personen in der Bibliothek gibt, die den Konformitätsdruck entweder nicht merken oder sich nicht davon beeinflussen lassen. Es ist ein Gewinn, wenn es solche Menschen in der Bibliothek gibt. Diese Menschen mögen zum Teil vielleicht „unbequem“ sein, aber sie sind elementar für die Zukunftssicherung der Bibliothek. Ohne Querdenker, wenn alle nur brav in die gleiche Richtung rennen, gibt es kaum dauerhaft eine zukunftsfähige Organisation. Allzu leicht wird das Wichtige übersehen, Chancen und Risiken werden nicht wahrgenommen oder ausgeblendet. Angst, Zeitmangel und Stress fördern Überanpassung (siehe auch Kapitel 4). Wollen Sie Überanpassung verhindern, so liegt ein Schlüssel zum Erfolg in der Bekämpfung dieser Faktoren. – –

Tipp: Wie lassen sich Angst und Anpassung reduzieren?

– – – –

Selbst als authentisches und vertrauenswürdiges Vorbild handeln. Das Vertrauen der anderen nicht enttäuschen. (Dazu gehört auch, dass Sie keine zu hohen Erwartungen aufbauen, die Sie nur enttäuschen können. Es ist daher wichtig, Erwartungen immer wieder gegenseitig abzuklären.) Sagen und zeigen, dass es in Ordnung ist, andere Gedanken zu haben als Sie selbst, und diese wertschätzend anerkennen. Andere ermutigen, sich in einer Diskussion bewusst einen „anderen Hut“ aufzusetzen. Durch die Gestaltung des Umfeldes unterstreichen, dass es OK ist, mal etwas Verrücktes zu tun und „aus dem Rahmen zu fallen“. Autonomie fördern, fördern und nochmal fördern!

Möchten Sie Angst und Überanpassung in Ihrem Umfeld minimieren, um die Organisation zum Erfolg zu führen, sollten Sie autonomes und erwachsenes Verhalten fördern, wo es nur geht.

8.4.6 Autonomie und erwachsenes Verhalten fördern Menschen, die sich autonom verhalten und gerne in der Bibliothek arbeiten, sind die Basis, für den Erfolg. Wie wichtig Autonomie für Ihren persönlichen Erfolg ist, das war Thema in Kapitel 3. Für erfolgreiche Führung müssen Sie andere Personen bei ihrer Autonomieentwicklung unterstützen. Hierfür ist es wiederum wichtig, dass Sie bei sich selbst anfangen. Fühlen Sie sich autonom? Treten Sie entsprechend auf, dann ist das wie eine Einladung an andere Personen, sich ebenfalls autonom zu verhalten.



Leistung fördern: Menschen ins Rampenlicht stellen  

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Durch Autonomie werden folgende Fähigkeiten unterstützt: – Kreativität, – Innovation, – Motivation, – Produktivität, – Zufriedenheit, – Bindung, – Erkennen und Kommunizieren von Fehlern, Ansprechen von Missständen, unabdingbare Voraussetzungen, damit Verbesserungen und Innovationen ermöglicht werden.

Checkliste: Worin besteht der Nutzen von Autonomie für unsere Bibliothek in „barer Münze“?

In Studien an Unternehmen wurde herausgefunden, dass die Arbeitszufriedenheit bei Personen, deren Vorgesetzte „Autonomieunterstützung“ anboten, besonders hoch war. Aus der höheren Zufriedenheit resultierte zudem eine bessere Arbeitsleistung. Dies lässt sich auch für ganze Organisationen nachweisen: Unternehmen, die die Autonomie ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter achteten, wuchsen demnach viermal so schnell wie Unternehmen, die top-down gesteuert wurden und hatten nur ein Drittel der Fluktuation (vgl. Pink 2009, S. 91). – – – – – – – – – – – – – – – –

Für ein offenes Arbeitsklima sorgen. „Vertragsarbeit“ durchführen: Gemeinsam offen besprechen, wie die Zusammenarbeit gestaltet werden soll. Autonomie immer wieder ermutigen, Von anderen Leuten verlangen, eigene Entscheidungen zu treffen und ihnen diese nicht abzunehmen. Den Leuten deutlich machen, wie wichtig ihre Meinung, ihr Wissen und Können sind. Andere Personen so weit wie möglich wählen lassen, mit wem sie zusammenarbeiten möchten. Anderen Personen die Möglichkeit und Unterstützung für die eigene Weiterentwicklung anbieten und sie dabei selbst entscheiden lassen, in welche Richtung sie sich weiterentwickeln möchten. Professionelle Begleitung für Autonomieentwicklung anbieten, zum Beispiel durch einen Coach. Ein unterstützendes Umfeld anbieten. Arbeitszeit frei wählen lassen. Arbeitsort frei wählen lassen. Personalentwicklungsmaßnahmen frei wählen lassen. Qualifiziertes Feedback geben. Viele Informationen geben. Möglichst große Wahlfreiheit geben hinsichtlich der Aufgaben und der Art der Aufgabenerledigung Zur Übernahme neuer Projekte ermutigen.

Eine Möglichkeit zur Förderung von Autonomie besteht darin, offiziell einen Teil der Arbeitszeit für die Arbeit an eigenen Projekten freizugeben, wie dies etwa die Firma 3M für 20% der Arbeitszeit getan hat. Wenn Sie sich nicht recht trauen, so fangen Sie doch an, indem Sie 10% der Arbeitszeit dafür freigeben, dass alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an selbstgewählten Projekten arbeiten dürfen. Ganz autonom wäre hundertprozentiges Vertrauen darauf, dass die Leute auch bei vollkommener Autonomie gut arbeiten und die wichtigen Arbeiten erledigen. Aber immerhin ist es ein Anfang, und diese „Hausnummer“ signalisiert als Richtwert deutlich, dass Sie es ernst meinen und dass Eigenständigkeit erwünscht ist. Ganz ehrlich: Was haben Sie dadurch zu verlieren? Sind die meisten Menschen nicht eh einen Teil ihrer Arbeitszeit unproduktiv, und wenn sie diese Zeit für die Arbeit an Dingen, denen sie mit Leidenschaft nachgehen, einsetzen können, ist dann nicht sowieso schon viel gewonnen – egal, was am Ende dann wirklich dabei herauskommt? Sie könnten dies als Experiment erst einmal probeweise auf einen bestimm-

Checkliste: Mit welchen Maßnahmen kann ich Autonomie fördern?

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 So gelingt mir gute Führung in Bibliotheken

Zitate: „Wenn der Mitarbeiter einen Job macht, in dem er nur noch seine Routine abfackelt, ist er nicht mehr mit ganzem Herzen bei der Sache. Wenn er etwas kann oder erlernt hat, schließlich aber keine Möglichkeit findet, das Erlernte zu erproben, wird er in die Demotivation abwandern. Ohne Herausforderung keine dauerhafte Motivation! Dann haben Sie als Führungskraft eine EinsatzAufgabe. Finden Sie einen Ort, wo der Mitarbeiter sich wieder herausgefordert fühlt, wo er Spannung erlebt, seine Fähigkeiten ausspielen kann, wo er Arbeit wieder als persönlichkeitsbildendes Lebensprojekt begreift.“ (Sprenger 2000, S. 222)

„Fehlender Zugang zu aufregenden Projekten, zu Ausbildung und Förderung sind auch die Hauptmotive für den gefürchteten ,brain drain‘. Und Unterforderung ist hochgradig demotivierend.“ (Sprenger 2000, S. 222)

ten Zeitraum begrenzen. Wie wäre es, wenn Sie daraus ein sechsmonatiges Experiment auf Probe machten? Autonomie fördern par excellence geschieht auch im Rahmen sogenannter Open Space-Veranstaltungen. Im Open Space, dem „offenen Raum“, einem offen gestalteten Veranstaltungsformat bringen die Teilnehmenden selbst die Themen ein, die sie bearbeiten möchten, und wählen auch selbst aus, an welchen Themen sie mitarbeiten möchten. Mit der Durchführung solcher Open Space-Veranstaltungen in einer Bibliothek verdeutlichen Sie, dass dort selbstbestimmtes Arbeiten wirklich erwünscht ist. Das Bild des Open Space kann außerdem als inneres Vorbild für die eigene Führung dienen, wenn Sie Autonomie fördern möchten. Autonomie in die Tat umzusetzen bedeutet auch, an den Aufgaben arbeiten zu können, die sie interessieren. Dürfen sie das machen, was sie gerne und gut machen, so sind sie besonders gut und motiviert. Dies kommt der Bibliothek zugute. Gleichzeitig hat das Arbeiten an den Aufgaben, die ihnen liegen, den Vorteil, dass sie dabei leicht in einen Zustand des Flow kommen. Erreichen sie den Flow, so sind sie vollkommen in ihre Arbeit vertieft, verlieren das Gefühl von Raum und Zeit, während sie richtig gute Arbeit abliefern. Das Erlebnis des Arbeitens im Flow ist daher auch höchst motivierend. So arbeiten zu können, macht richtig Spaß. Und sie möchten das immer wieder erleben. Um dieses Flow-Erlebnis bei der Arbeit zu haben, brauchen Sie ein gutes Umfeld, Aufgaben, die Sie interessieren und Sie herausfordern. Sind Ihre Aufgaben schwierig, aber zu schaffen, so können Sie Flow erleben. Sind sie zu schwierig oder aber zu leicht, so können Sie dabei kein Flow-Gefühl entwickeln. Wichtig ist es, dass Sie Ihren Mitmenschen, Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Flow ermöglichen. Deshalb sollten Sie darauf achten, dass ihre Aufgaben weder zu einfach noch zu schwierig zu bewältigen sind. Sie sollten ein gutes Maß an Herausforderung beinhalten, um Flow zu ermöglichen. Dafür ist ein genaues Hingucken und Beschäftigen mit dem Individuum wichtig. Haben Sie in einer Bibliothek Personen, die jahrein, jahraus mehr oder weniger das Gleiche machen, die Tag für Tag Routinearbeiten wie am Fließband abarbeiten, so dürfte es mit der Zeit immer schwieriger für sie werden, damit in einen Flow-Zustand zu kommen. Haben sie bereits jahrelang in der Katalogisierung gearbeitet und beherrschen inzwischen selbst die schwierigsten Datensätze aus dem Effeff, wo ist dann die Herausforderung, die es ihnen ermöglicht, weiter zu wachsen, über sich hinaus zu wachsen? Ein Arbeiten ohne die Möglichkeit des weiteren Wachstums und die Möglichkeit, das Gefühl des Flows zu erleben, ist auf Dauer nicht menschenwürdig und leistungswidrig. Als Führungskraft ist es Ihre Aufgabe, immer wieder dafür zu sorgen, dass die Personen, mit denen Sie zu tun haben, die Möglichkeit haben, das Flow-Gefühl bei ihrer Arbeit zu erleben. Entsprechend müssen Sie auch bei einer Person, die seit zwanzig Jahren immer wieder das Gleiche macht, immer wieder schauen, dass Sie neue Herausforderungen für sie finden. Am besten gemeinsam mit dieser Person: Sie fragen, was sie sich wünscht, welche Aufgaben sie sich zutrauen würde, was sie gerne ausprobieren möchte. Vielleicht hat sie ja Lust, etwas vollkommen Neues auszuprobieren. Es mag zwar bequem erscheinen, nur Arbeiten zu erledigen, die man „blind“ beherrscht, aber letztlich wollen alle Menschen wachsen. Bietet die Arbeit ihnen nicht mehr die Möglichkeit, zu wachsen, so sinkt die Motivation und es wird einfach nur noch öde und anstrengend.



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Leistung fördern: Menschen ins Rampenlicht stellen  

Wirken sie zufrieden und in ihre Arbeit vertieft? Wie schätzen Sie es ein: Sind die einzelnen Personen überfordert oder unterfordert von ihrer Arbeit? Sprechen Sie regelmäßig mit den einzelnen Personen, um herauszubekommen, ob sie teilweise im Flow arbeiten oder über- bzw. unterfordert sind. Passen Sie die Anforderungen individuell an, so dass sie in den Flow kommen können. Können sie an Sachen arbeiten, die sie wirklich interessieren? Können sie bei diesen Aufgaben immer besser werden? Haben sie die Möglichkeit, Neues zu erlernen und sich weiterzuentwickeln?

Von sich aus werden vermutlich nur manche Ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit der Idee zu Ihnen kommen, neue Aufgaben zu übernehmen. Denn auch dafür bedarf es Autonomie. Insofern ist es wichtig, dass Sie einen Schritt auf sie zugehen. Autonomie wurde vielen Menschen im Laufe der Zeit, in Institutionen wie der Schule, aberzogen, und viele haben sich in passiven Verhaltensweisen eingerichtet oder haben auch im Arbeitsumfeld wiederholt die Erfahrung machen müssen, dass sie mit ihrem Können und ihren Wünschen nicht wirklich gefragt sind, und stecken daher von vornherein zurück. Umso wichtiger ist es, dass Sie als Ermöglicher von Autonomie auftreten. Autonomie zu ermöglichen, bedeutet nicht zuletzt, dass Sie selbst immer wieder Ihren eigenen Standpunkt überprüfen. Verhalten Sie sich wirklich so, dass Sie Autonomie fördern? Oder halten Sie sich still und heimlich mit Ihrem Wissen doch für unersetzlich? Springen Sie Ihren Leuten beispielsweise bereitwillig allzu schnell zur Seite, wenn es darum geht, ihnen doch eine Entscheidung abzunehmen? Im Zusammenhang mit der Übernahme neuer Aufgaben und der Weiterentwicklung der eigenen Person, die auch wichtig ist, um selbst im Flow zu bleiben, spielen Personalentwicklungsmaßnahmen eine wichtige Rolle. Bei der Auswahl und Gestaltung von Personalentwicklungsmaßnahmen ist es ebenfalls wichtig, die Autonomie der Person zu stärken und nicht zu untergraben. Auch hier lohnt es sich, auf die Urteilsfähigkeit der einzelnen Person zu vertrauen.

Checkliste: Sind meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Flow?

Zitat: „Es ist auch heute sicher noch einigen Mitarbeitern recht, in einer behüteten Welt zu leben, die von Vorgesetzten gewährleistet wird. Nicht selten infantilisieren sie sich gerne selbst, um passiv bleiben zu können. Sie fürchten Freiheit, wollen nicht erwachsen werden, wollen nicht für die Wirkungen ihres Handelns gerade stehen.“ (Sprenger 2000, S. 261)

Fallbeispiel: Vorgesetzte: „Ich habe hier eine Fortbildung für Sie. Ich möchte, dass Sie da hingehen.“ Marco: „Aha. Wofür brauche ich die Fortbildung denn? Ich dachte eigentlich, ich würde mich mit dem Thema schon gut auskennen. Ich habe da eine andere Fortbildung gesehen, die mich sehr interessiert und die ich für meine Arbeit in den nächsten Monaten gut gebrauchen könnte.“ Vorgesetzte: „Ja, ja, ist ja schön und gut. Aber ich finde es wichtig, dass sie hier hingehen. Es ist wichtig, dass sie sich noch intensiver damit beschäftigen, denn das ist ein großes Zukunftsthema.“

EL

EL

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Vorgesetzte

Marco

Abb. 17: Fallbeispiel Vorgesetzte schlägt Marco eine Schulung vor

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Beispiel:

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 So gelingt mir gute Führung in Bibliotheken

Zitat: „Gelingt Persönlichkeitsentwicklung in einer seelisch bedeutsamen Weise auch im Beruf, bleibt die Seele für die eigene Person sowie für Aufgaben, Arbeitgeber, Kunden und Partner engagiert. Wenn Identität und Orientierung am Sinn verloren gehen, schwinden persönliche Kraftfelder (…).“ (Schmid 2008, S. 62)

In dem Fallbeispiel besetzt die Vorgesetzte einen Eltern-Ich-Zustand und spricht Marco in einem Kind-Ich-Zustand an. Jedoch durchkreuzt dieser die Transaktion und reagiert aus dem Erwachsenen-Ich-Zustand, was zu einer leichten Irritation führt, die Vorgesetzte hier aber nicht von ihrem Kurs abbringt. Marco hingegen fühlt sich nicht wohl mit dieser Situation. Was bleibt in diesem Fallbeispiel bei ihm zurück? Wird er sich ernstgenommen fühlen? Wird er sich wertgeschätzt fühlen? Hat er nicht eher das Gefühl, dass er mit seinen Qualifikationen nicht wahrgenommen wird, ja, dass seine Vorgesetzte nicht einmal bereit ist, genau hinzuschauen, was er kann und welche Qualifikationen ihm wirklich noch fehlen. Ist das motivierend? Wer ist denn nun verantwortlich für die Personalentwicklung? Weiß der oder die Vorgesetzte oder eine zentrale Personalentwicklungsstelle – so es diese gibt – am besten, wie jede einzelne Person „entwickelt werden“ sollte? Wie soll der oder die Einzelne wissen, welche Qualifikationen jetzt und in Zukunft in der Bibliothek benötigt werden? Gegenfrage: Woher nimmt der oder die Vorgesetzte oder die Personalentwicklungsstelle dieses Wissen? Besitzen sie eine Glaskugel, die es ihnen ermöglicht, in die Zukunft zu schauen, und die die Antwort liefert? Können sie besser als die direkt mit einer Aufgabe betrauten Personen einschätzen, welche Fähigkeiten sie für die Erledigung ihrer Aufgabe brauchen? Teilweise ergeben sich die notwendigen Qualifikationen sicherlich aus der Strategie der Bibliothek. Insofern kann es schon sinnvoll sein, dass Personalentwicklungsmaßnahmen in einem Dialog zwischen Mitarbeiterin oder Mitarbeiter und Führungskraft, bzw. eventuell noch Personalentwicklungskraft, geplant werden. Wäre es für alles, was darüber hinaus geht, nicht ein erwachsenes und autonomieförderndes Verhalten, der Mitarbeiterin oder dem Mitarbeiter selbst die Urteilskraft darüber zuzutrauen, wohin sie sich entwickeln möchte und welche Entwicklungsschritte für die gesamte Bibliothek sinnvoll wären? Welche Stärken und Potentiale sie hat und wie sie diese nutzbringend für alle einbringen kann? Da jede einzelne Person selbst das größte Interesse an der eigenen Entwicklung hat, wäre es nur sinnvoll, darauf zu setzen, in dem Vertrauen, dass sie diese Möglichkeit nicht missbraucht, sondern gleichzeitig darauf achtet, dass sie sich nicht von der Organisation entkoppelt. Wenn sich jemand so entwickeln kann, wie es dem individuellen Wesen und den eigenen Interessen entspricht, so sind die Erfolgsaussichten am größten. Denn dann ist die Motivation groß. Es ist daher gesund für eine Bibliothek, diese „egoistische“ Personalentwicklung zu unterstützen, wo es nur geht. Natürlich ist es möglich, dass sich jemand dabei so weit entwickelt, dass das ursprüngliche Arbeitsgebiet oder die Bibliothek ihr oder ihm irgendwann zu eng wird. Dann wird es möglicherweise Zeit für einen Abschied. Aber besser, diesen Weg zu wählen, als dauerhaft eine unzufriedene, nicht geförderte oder geforderte Person in den eigenen Reihen zu haben. Denn daraus kann schnell ein ansteckender Flächenbrand werden. Es ist prinzipiell begrüßenswert, wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Chance haben, ihre Attraktivität für den Arbeitsmarkt zu steigern: Denn dies stärkt sie in ihrer Autonomie. Sie bleiben dann nicht in Ihrer Bibliothek, weil niemand anderes sie einstellen würde, sondern hoffentlich aus freien Stücken, weil sie hier eine sinnvolle Tätigkeit finden, bei der sie sich voll entfalten und einbringen können. Stellen Sie sich vor, wie motiviert sie arbeiten werden!



Leistung fördern: Menschen ins Rampenlicht stellen  

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Ein paar Anregungen dazu, wie Sie die selbstgesteuerte „Personalentwicklung“ umsetzen könnten: – –





Stellen Sie einen bestimmten Betrag pro Jahr zur Verfügung, den jede Person eigenverantwortlich für die Teilnahme an Schulungen, Konferenzen, Coachings etc. investieren kann. Stellen Sie ein bestimmtes Zeitbudget zur Verfügung oder signalisieren Sie vollkommene zeitliche Autonomie, was die Entscheidung über die Verwendung für Trainings o.ä. betrifft. Vielleicht ist es hilfreich, eine „Hausnummer“ zu nennen, wie „5 Tage“ Zeit für Fortbildungsinitiativen pro Jahr. Denn dies unterstreicht, dass die Aufforderung ernst gemeint ist. Schaffen Sie Ihre zentrale Personalentwicklung ab, falls Sie eine haben. Das Geld, mit dem Sie diese Stelle bezahlen, ist ein erstes Personalentwicklungsbudget, das Sie Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zur Verfügung stellen können, um selbstgewählte Lernmöglichkeiten zu finanzieren! Lassen Sie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich gegenseitig untereinander Fortbildungen geben zu den Themen, die sie besonders wichtig finden oder mit denen sie sich besonders gut auskennen.

Tipp: Autonomiefördernde Personalentwicklung

8.4.7 Mit Motivation und Flow Leistung ermöglichen Arbeit sollte Spaß bringen, Sinn bieten und Flow ermöglichen. Wird dies beachtet, so stehen die Chancen gut, dass motiviert gearbeitet und gute Leistung erbracht werden kann. Wie bereits erwähnt wurde, ist die Förderung von Autonomie zugleich wichtig, um die Motivation zu steigern. Woran liegt dies und wie lässt sich Motivation generell fördern? Wenn es um Motivation geht, macht es Sinn, wieder das Menschenbild ins Spiel zu bringen. Denn je nach Ihrem Menschenbild werden Sie eher auf den einen oder den anderen Ansatz zur Entstehung von Motivation vertrauen, und Ihre Führungsarbeit darauf aufbauen. Die Bedeutung des Menschenbildes fängt schon an mit der Frage, wer für die Motivation einer Person zuständig ist. Ist eine Person ausschließlich und alleine dafür zuständig, sich selbst zu motivieren? Ist es die Vorgesetzte, die für die Motivation ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu sorgen hat? Wie so oft liegt die Lösung vermutlich in einem Mittelweg, einer Mischung aus beidem, und der Ausschlag in die eine oder andere Richtung wäre kontraproduktiv. Als Führungskraft sollten Sie mindestens alles unterlassen, was die Motivation Ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stören könnte. Gleichzeitig würden Sie sich als Führungsperson überhöhen, wenn Sie meinen würden, Sie alleine wären für die Motivation anderer Personen zuständig. Denn Sie würden ihnen damit keine eigene Motivation zutrauen. Ihr Menschenbild bestimmt auch, ob Sie eher auf extrinsische, also von außen kommende, Motivationsanreize setzen, wie etwa finanzielle Belohnungen, oder ob Sie daran glauben, dass auch die Arbeit an sich Zufriedenheit bringen und Motivation erzeugen kann. Vertrauen Sie darauf, dass andere auch selbst Motivation mitbringen, dass sie intrinsische Motivation in Aufgaben, die Sinn und Freude geben, finden können? Oder gehen Sie davon aus, dass Menschen ausschließlich extrinsisch zu motivieren sind, dass sie nur dann etwas leisten, wenn sie dafür eine materielle Belohnung bekommen? Dann wäre es zumindest im Öffentlichen Dienst, mit wenigen Möglichkeiten zu leistungsorientierter Bezahlung, schwierig.

Zitat: „Führung wird in den nächsten Jahren bedeuten, den Menschen den Spaß an der Arbeit zurückzugeben.“ (Förster/Kreuz 2009, S. 204)

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 So gelingt mir gute Führung in Bibliotheken

Fallbeispiel:

Beispiel:

Zitat: „Es ist ein fragwürdiges Menschenbild, wenn Mitarbeiter erst durch Anreize und Belohnungen dazu gebracht werden müssen, Ideen zu haben und diese weiterzugeben. Wenn also in Unternehmen keine Ideen geäußert werden, dann liegt das nicht daran, dass die Belohnungen zu niedrig sind, sondern daran, dass in der Führungskultur etwas nicht stimmt.“ (Förster/Kreuz 2009, S. 42)

Marco geht mittlerweile Tag für Tag motiviert zur Arbeit. Er freut sich, weil er spannende Aufgaben hat, die ihn immer wieder aufs Neue fordern, ohne dass es ihm zu viel wird. Er hat das Gefühl, sich weiterentwickeln zu können und immer besser in seiner Arbeit zu werden. Seine gute Arbeit wird anerkannt und er fühlt sich in seiner Bibliothek als Person mit speziellen Fähigkeiten geschätzt. Er hat auch schon einmal ganz anderes erlebt. Früher hatte er eine Zeitlang einen Vorgesetzten, der davon überzeugt war, im Öffentlichen Dienst würden ohnehin nur faule Personen arbeiten und da er keine finanziellen Anreize bieten konnte, sah er Hopfen und Malz von vornherein als verloren an, und hatte keine Hoffnung auf Motivation seiner Leute.

Die gute Nachricht ist, dass extrinsische Anreize gar nicht so wirksam sind, wie oft angenommen wird. Im Gegenteil: Extrinsische Anreize können in der Praxis viel Schaden anrichten und langfristig die Motivation verringern. Bibliotheken haben die Chance, ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein leistungsförderndes Umfeld zu bieten, ohne extrinsische Anreize und ihre negativen Nebeneffekte. Das erfordert allerdings von vielen Führungskräften ein Umlernen bisher vorhandener Überzeugungen: Ein Verlernen, der auch in Wirtschaftsunternehmen verbreiteten Ansicht, dass materielle Anreize motivationsfördernd wirken würden. Dieses Umlernen erfordert zugleich die Bereitschaft, alte Verhaltensweisen abzulegen und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unter anderem mehr Freiheit zuzugestehen. Nicht mehr „Zuckerbrot und Peitsche“ heißt die Devise! Führungstechnisch ist dies tiefstes Industriezeitalter! Das Operieren mit einer Mischung aus dem Druck hierarchischer Entscheidungen und süßen Leistungsanreizen ist in der Praxis eher leistungshemmend. Womit begründet sich die Erkenntnis, dass extrinsische Anreize mit Vorsicht zu genießen sind? Auch hier geht es im Grunde darum, dass die Autonomie der Beteiligten durch diese Art der Anreizgestaltung vermindert wird. Für Nicht-RoutineAufgaben, also für Aufgaben, die in irgendeiner Form Kreativität erfordern, sollten bedingte Wenn-Dann-Belohnungen („Wenn Du dies tust, dann bekommst Du diese Belohnung.“) vermieden werden. Extrinsische Belohnungen sind für kreative Aufgaben nur dann angeraten, wenn sie unerwartet verliehen werden und erst nachdem eine Aufgabe erledigt wurde. („Nachdem Ihr diese Aufgabe so toll gelöst habt, würde ich Euch gerne zum Essen einladen.“) Aber auch in diesen Fällen ist nicht-materiellen Belohnungen der Vorzug zu geben, wie zum Beispiel positivem Feedback, weil dadurch tendenziell weniger intrinsische Motivation zerstört wird. Besonders gut ist es, nützliche Informationen zu geben, etwa ein spezifisches, qualifiziertes Feedback, das den Leuten verdeutlicht, was genau Ihnen an ihrer Arbeit besonders gefallen hat (vgl. Pink 2009/2011, S. 66 f.). Unerwartete Belohnungen beeinflussen die intrinsische Motivation nicht, so dass sie erhalten bleibt. Bedingte Belohnungen haben deshalb einen negativen Effekt auf die intrinsische Motivation, weil sie dazu führen, dass Leute einen Teil ihrer Autonomie einbüßen (vgl. Pink 2009/2011, S. 38). Die Verwendung extrinsisch bedingter, materieller Belohnungen kann lediglich dann sinnvoll sein, wenn es um die Erledigung einer Aufgabe geht, die weder Leidenschaft noch besonderes Nachdenken erfordert, sondern Routine. In diesen Fällen können die negativen Effekte der Belohnung auf die intrinsische Motivation vernachlässigt werden und die Belohnung kann hilfreich sein, um eine langweilige oder unangenehme Aufgabe erledigt zu bekommen. Unterstützt werden kann die Umsetzung der Aufgabe zudem, indem begründet wird, warum ihre Erledigung wichtig und sinnvoll ist, und indem zugestanden wird, dass die Aufgabe langweilig ist und dass es deshalb in diesem Fall ausnahmsweise eine Wenn-dann-Belohnung gibt. Darüber hinaus ist es gerade hier wichtig, den Leuten bei der Erledigung der Arbeit größtmögliche Freiheit zu geben und sie entscheiden zu lassen, auf welche Art und Weise sie



Der Ursprung guter Führung: Reflektieren 

die Aufgabe erledigen. So können sie zumindest hier ihre Autonomie behalten (vgl. Pink 2009/2011, S. 64). Was verspricht denn dann noch motivationsfördernd zu sein? Was kann ich tun, um die Motivation meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter positiv zu beeinflussen – oder immerhin nicht zu zerstören? Daniel Pink unterscheidet in seinem Buch „Drive“ drei Elemente, die wirklich und nachhaltig zur Förderung von Motivation geeignet sind: –– Autonomie, –– Meisterschaft und –– Sinnstiftung (Pink 2009/2011, S. 85 ff.). Autonomie und Sinn in der Arbeit zu finden, sind Aspekte, die in diesem Buch bereits mehrfach erwähnt wurden. Meisterschaft bedeutet, dass eine Person in ihrer Arbeit die Möglichkeit hat, sich unermüdlich weiterzuentwickeln. Das Umfeld und die Aufgabe ermöglichen es ihr, zu einem „Meister ihres Faches“ zu werden. Don’ts: – –

Extrinsische Anreize verwenden (höchstens bei langweiligen Fleißaufgaben oder als unerwartete Belohnung nach erfolgreicher Arbeit). Vorgaben machen bezüglich der Art und Weise, wie Aufgaben erledigt werden.

Do’s: – Autonomie, – Meisterschaft, – Sinnfindung ermöglichen.

Je mehr Sie versuchen, andere Menschen direkt über Belohnungen zu motivieren, umso demotivierender wirkt dies in der Regel. Schließlich sagt es ja auch viel über das Menschenbild des Gegenübers aus oder darüber, was diejenige Person von Ihnen denkt. Stellt sie Ihnen eine Belohnung in Aussicht, so könnten Sie implizit daraus schließen, dass sie nicht glaubt, dass Sie ohne eine Belohnung gut arbeiten würden. Das Beste, was man machen kann, ist es, ein Umfeld zu schaffen, das dazu beiträgt, dass unsere eigenen psychologischen Bedürfnisse aufblühen können (vgl. Pink 2009/2011, S. 72). Wenn wir uns in unserer Umgebung wohlfühlen, können wir am besten arbeiten und unsere Kreativität freilegen.

8.5 Der Ursprung guter Führung: Reflektieren Reflektieren sollte der Anfang und das Ende von allem sein. Ob Sie nun eine neue Aufgabe übernehmen, eine neue Strategie für Ihre Bibliothek anstreben, Wandel fördern oder eine Entscheidung vorbereiten möchten. Sich Zeit und Ruhe zum Reflektieren zu nehmen, ist dafür unerlässlich. Auf den ersten Blick mag es zwar so erscheinen, als würde dies zu viel Zeit kosten. Aber dieser Eindruck täuscht insofern, als dass Sie die Zeit, die es Sie kostet, später mehrfach wieder dadurch reinholen, dass Sie systematischer und planvoller vorgehen, nicht hektisch irgendetwas machen, sondern Dinge tun, die sinnvoll sind. Ihr Vorgehen wird dann auch nicht so leicht Konflikte heraufbeschwören, wie wenn Sie wild beginnen, irgendetwas zu tun. Gerade in einer schnelllebigen Welt ist es Ihre Verantwortung als Person, die sich in einer Führungsrolle sieht, dass Sie sich Zeit fürs Reflektieren nehmen und dass Sie reflektiert handeln. Es gibt keine Entschuldigung dafür, es nicht zu tun! Sie müssen sich diesen Ruhepol schaffen und möglichst auch anderen Leuten bereitstellen.

Checkliste: Motivation fördern – Do’s and Don’ts

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 So gelingt mir gute Führung in Bibliotheken

Denn genauso ist es Ihre Aufgabe, anderen Menschen zu ermöglichen, sich Zeit fürs Reflektieren zu nehmen. Ihnen zu zeigen, dass Sie sich Zeit zum Nachdenken nehmen und dass es erlaubt ist, zu reflektieren, ist ein erster Schritt in diese Richtung. Nicht zu reflektieren und immer irgendetwas „schnell schnell“ zu machen, was irgendjemand meint, was wichtig wäre, ist unverzeihlich. Denn wer weiß, ob sie oder er recht hat? Dadurch entsteht Stress, der vermeidbar wäre, unnötige Kosten, unsinnige und damit demotivierende Aktionen sowie schlechte Entscheidungen. Das ist grob fahrlässig! Gegenstand Ihrer Reflektion sollte immer wieder Ihr wichtigstes Führungsinstrument sein, Sie selbst: Wie wirksam bin ich als Führungsperson? Funktioniert es so, wie ich es mache, gut, oder müsste etwas daran verändert werden? Wie ist mein Führungsstil? Passt er zu mir und meiner Situation und kann er daher wirksam meine Führungsarbeit unterstützen? Zwar gibt es nicht den einen richtigen Führungsstil, aber als formelle oder informelle Führungskraft ist es Ihre Verantwortung, zu reflektieren, was Sie bei Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bzw. Mitstreiterinnen und Mitstreitern mit Ihrem Führungsstil erreichen oder „anrichten“: –– Was kommt bei ihnen an durch die Art, wie ich kommuniziere? –– Behandle ich andere Personen voller Wertschätzung? –– Geht es mir selbst überhaupt gut genug, um anderen Wertschätzung zu zeigen? –– Ist es wirklich zielführend, was ich mache? –– Können die anderen so erfolgreich arbeiten oder bedeutet meine Art zu führen Hindernisse für sie? Welches sind, über die eigene Person hinaus, die Themen, über die ich nachdenken sollte? Relevant sind hier, ohne Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben, vor allem folgende Themen: –– Die Zukunft. –– Das (Markt-) Umfeld der Bibliothek. –– Die Bibliothek als Organisation. –– Ihre Mitmenschen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: Geht es ihnen gut, können sie sich entfalten, werden sie genügend gefördert? –– Welche Ressourcen haben Sie zur Verfügung, welche brauchen Sie? –– Entscheidungen vorbereiten und treffen. Sich über die Zukunft der Bibliothek Gedanken zu machen und dafür zu sorgen, dass der Weg dorthin erfolgreich gestaltet werden kann, ist Ihre zentrale Aufgabe als Führungskraft. Während dies von anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht unbedingt erwartet werden kann, so sind Sie als Führungskraft dafür verantwortlich. Ist es bei anderen Personen noch verzeihlich, wenn das Nachdenken über Zukunftsthemen in den „Mühlen des Alltags“ zerrieben wird, so dürfen Sie sich dies als Führungskraft nicht erlauben. Der Weg in die Zukunft muss gestaltet werden und wenn es sich niemand zur Sache macht, diesen Weg bewusst zu gestalten, so wird er nur ein Zufallsprodukt sein. Auch Erfolg wird dann zum Zufallsprodukt! Als Führungsperson sind Sie die bzw. der „oberste Zukunftsbeauftragte“, zumindest für Ihren Bereich. Nehmen Sie diese Aufgabe nicht ernst und sorgen Sie nicht mit Nachdruck dafür, dass Sie Zeit für die Beschäftigung mit Zukunftsthemen haben, so ist dies im Prinzip Arbeitsverweigerung! Leider machen viele Führungskräfte genau das. Anstatt sich selbst und ihr Umfeld gut zu führen, so dass Zeit zum Reflektieren bleibt, gehen sie in der Hektik des Alltags auf, springen von einem Termin zum nächsten, lösen „im Vorbeigehen“ mal eben hier und dort ein Problem. Diese Hektik, dieses ständige Gefordert sein, bewirkt



Der Ursprung guter Führung: Reflektieren 

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bei ihnen, dass sie sich lebendig, wichtig und unentbehrlich fühlen. Ein tolles Gefühl! Und es hilft so sehr dabei, sich keine kritischen Gedanken über sich selbst oder über die Zukunft machen zu müssen! Denn dazu fehlt „leider“ die Zeit. Möglicherweise arbeiten Sie in einem Umfeld, das genau dieses Verhalten fördert und das Reflektieren zu verhindern versucht. Ist dies in meiner Bibliothek der Fall? Falls ja, wie kann ich dafür sorgen, dass Reflektieren in meinem Umfeld Normalität wird und nicht mehr als unnötig abgetan wird? –

– –

Kommunizieren, welchen Nutzen es für die Bibliothek bringt, wenn Zeit für bewusstes Reflektieren eingeplant wird: – Bessere Chancen, die Zukunft erfolgreich zu gestalten. – Weniger Konflikte im Alltag. – Höhere Leistungsfähigkeit. – Mehr Motivation entsteht. – Sinnvolle Dinge werden getan. Selbst mit gutem Beispiel vorangehen: Zeigen, dass und wie Reflektieren ganz normal sein kann im Alltag. Dafür sorgen, dass Zeiten fürs Reflektieren zu einem normalen, regelmäßigen Bestandteil des Alltags werden.

Gegenstand Ihrer Reflektion sollte auch Ihre Führung im Wechselspiel mit der Organisation sein. Führung und ihr potentieller Erfolg sind abhängig von dem Umfeld, in dem sie stattfinden. Habe ich die für mein Umfeld passende Art der Führung? Kann ich hier mit meiner Art der Führung erfolgreich sein? Erlaubt mein Umfeld gute Führung? Kann oder möchte ich etwas an meinem Umfeld ändern? Gleichzeitigt sollten Sie sich immer wieder bewusst machen, dass die Führungsarbeit von Ihnen und anderen Personen auf die Organisationskultur zurückwirkt. Das bedeutet auch, dass es eine Führungsaufgabe ist, das eigene Verhalten und seine Auswirkungen auf die Organisationskultur zu reflektieren und sich bewusst Gedanken darüber zu machen, inwiefern die Organisationskultur auf eine positive Weise beeinflusst werden könnte. Während es bei vielen Aufgaben sinnvoll ist, zu überlegen, ob Sie sie delegieren können, gilt dies fürs Reflektieren nicht. Diese Aufgabe können und dürfen Sie nicht delegieren. Sie persönlich müssen sich, wenn Sie erfolgreich sein wollen, immer wieder Zeit zum Reflektieren nehmen. Darüber hinaus sollten Sie die Ausübung dieser Aufgabe auch von anderen einfordern. Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollten Sie dazu anhalten, sich Zeit zum Reflektieren über ihre Arbeit, die gemeinsame Zusammenarbeit und die Zukunft der Bibliothek zu nehmen, und sie dabei unterstützen, dass sie sich diese Zeit nehmen. Das bedeutet für Sie wiederum, sie in ihrer Autonomie zu stärken und sie dabei zu unterstützen, dass ihr Stress reduziert wird. Das Reflektieren sollte keineswegs immer nur alleine stattfinden, sondern auch gemeinsam mit anderen Menschen, zu zweit, in kleinen oder großen Gruppen. Als Führungsperson sollten Sie dafür sorgen, dass dieses gemeinsame Reflektieren auch Eingang in den Bibliotheksalltag findet, indem entsprechende Zeiten in regelmäßigen Abständen eingeplant werden. Mögliche Beispiele dafür sind: –– Jährliche Klausurtagung aller Führungskräfte der Bibliothek oder aller Abteilungen. –– Workshop aller Bibliotheksmitarbeiterinnen und -mitarbeiter, um das nächste Jahr zu planen. –– Vorbereitung einer neuen Bibliotheksstrategie im Rahmen eines World Cafés mit allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. –– Diskussion von Zukunftsthemen, organisiert als Open Space Veranstaltung.

Tipp: Reflektieren in meiner Bibliothek zur Normalität machen

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 So gelingt mir gute Führung in Bibliotheken

–– Monatlicher Austausch in der Abteilungssitzung darüber, welche neuen Trends es im Umfeld der Bibliothek gibt. –– Schreiben in einem Blog über Bibliothekstrends, innovative Vorbilder in der Bibliothekswelt und in Unternehmen. Auf den ersten Blick kostet dies viel Zeit. Am Ende des Tages werden Ihnen diese „Reflektionseinheiten“ aber jede Menge Zeit einsparen und jede Menge Power liefern. Sie werden immer wieder gestärkt und mit einer klaren Richtung durchstarten können, wenn Sie sich diese Zeiten zum Innehalten, zum Rekapitulieren und wieder Ausrichten Ihrer Kräfte nehmen. Konflikte im Alltag werden so auf ein Minimum reduziert. Denn oft entstehen sie dadurch, dass keine gemeinsame Linie und Richtung mehr besteht.

8.6 Die Gestaltung der Organisation als Führungsaufgabe

Zitat: „Die Menschen sind immer die richtigen. Die Organisationen sind die falschen. Und es wäre ein Missverständnis, zu meinen, man könne die Spannung mit floskelhaften Werten, Visionen und Leitbildern lösen.“ (Sprenger 2000, S. 15)

Übung: Vertiefung Theatermetapher

In was für einem Umfeld arbeite ich in meiner Bibliothek? Wie empfinde ich die Bibliothek? Hat sie eher eine bunte oder eine graue Ausstrahlung? Werden hier Wertschätzung, Autonomie und Individualität gelebt oder eher verhindert? Von der Ausgestaltung der Organisation und ihrer „Persönlichkeit“ ist es abhängig, wie gut Leute sich einbringen und wie erfolgreich sie arbeiten können. Ist die Organisation nicht dafür geeignet, ist der Misserfolg vorprogrammiert. Insofern leuchtet es ein, dass die Entwicklung und Weiterentwicklung einer Organisation und damit die Schaffung eines guten Umfeldes, eine zentrale Führungsaufgabe darstellt. Ist das Umfeld gut, so besteht der Gewinn für die Organisation darin, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich wohl fühlen und gut arbeiten können. Nur so kann Leistung entstehen. In Kapitel 7 wurde die Theatermetapher bereits einmal im Rahmen einer Übung genutzt, um die eigene Bibliothek durch die Einnahme eines anderen Blickwinkels besser kennenzulernen. Im Folgenden können Sie mit diesem Bild des Theaters weiterarbeiten, um sich darüber klar zu werden, was an dem „Theaterstück“ und der Gestaltung Ihres „Theaters“ gut ist und was Sie daran ändern sollten, um auch in Zukunft erfolgreich bzw. noch erfolgreicher zu sein. Stellen Sie sich Ihre Bibliothek wie ein Theaterstück vor, das Tag für Tag inszeniert wird. Tauchen Sie ein in die Vorstellung. Fragen Sie sich: Wie ist das Theater ausgestaltet? Wo muss etwas geändert werden, um erfolgreich aufführen zu können? Welche Maßnahmen sind erfolgsversprechend? Sind wir gut ausgestattet oder brauchen wir: – bessere Schauspieler, – flächendeckende Schulungen für eine bessere Performance aller Beteiligten, – anderes Drehbuch, – neue Story, – andere Rollen, – übersichtlichere Szenen, – andere Regie, – verändertes Bühnenbild, – neue Impulse für Maske, Licht, Kostüme & Co, – neue Spielorte für die Tournee?



Die Gestaltung der Organisation als Führungsaufgabe 

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Was verrät Ihnen die Theatermetapher über Ihre Bibliothek? (vgl. Schmid 2004, S. 1 ff)

Der Charme der Theatermetapher liegt gerade in der Einnahme eines ungewohnten Blickwinkels. Dies unterstützt die individuelle Analyse. Es lassen sich aber auch allgemeingültige Lektionen daraus ableiten. –

Umgang mit knappen Ressourcen: Ein Schauspieler kann nicht mehrere Rollen in mehreren Stücken oder auf mehreren Bühnen gleichzeitig ausfüllen. Eine Führungskraft oder eine andere Person kann auch nicht alles gleichzeitig. – Neuinszenierungen kosten immer Kraft. – Das Bühnenbild umzusetzen bringt nichts, wenn das Geld für gute Schauspieler oder ein gutes Drehbuch fehlt. – Teure Einzelinvestitionen sind kein Ersatz für fehlende Gesamtstimmigkeit. – Manche Theater besitzen eine Organisationsstruktur, die für Neuinszenierungen (Innovationen) vielleicht nicht förderlich ist. (vgl. Schmid 2004, S. 1 ff.)

In einer sehr konservativ und hierarchisch geprägten Bibliothek, die sich mit Wandel schwer tut und in der es nicht gerne gesehen wird, wenn dort die alten, ausgetretenen Pfade verlassen werden, ist es schwierig, kreativ zu arbeiten. Jemanden zu einer Fortbildung über Kreativitätstechniken zu schicken, damit er oder sie kreativer wird, dürfte in der Praxis kaum erfolgreich sein, wenn das Umfeld anschließend jegliche Kreativität im Ansatz erstickt. Auch um die Entwicklung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter richtig zu fördern, ist Organisationsentwicklung also Voraussetzung. Personalentwicklung alleine reicht nicht. Echte Veränderung, echtes Lernen kann nur stattfinden, wenn gleichzeitig Organisationsentwicklung stattfindet. Beides kann nicht abgespalten voneinander erfolgreich sein. Soll sich die Person weiterentwickeln können, muss ihr Umfeld dies auch zulassen. Ist das „Theaterstück“ meiner Bibliothek von Zusammenarbeit oder von heroischen Einzelkämpfern geprägt? Gibt es in meiner Bibliothek „Gemeinschaft“? Oder nur Einzelkämpfer? Wie soll bei Einzelkämpfertum Teamarbeit gedeihen können? Wird Teamarbeit immer wieder gefordert, aber entsprechende Umfeldbedingungen nicht hergestellt, so verpufft dies wirkungslos und wirkt wenig glaubhaft. Die Arbeitsbedingungen, das Umfeld und die Organisationskultur sind die Basis für den Erfolg der Individuen in der Organisation. Stimmen sie, dann ist der Erfolg „vorprogrammiert“.

Tipps: Lektionen, die sich aus der Theatermetapher ableiten lassen

Zitat: „Keine Personalentwicklung ohne Organisationsentwicklung!“ (Sprenger 2000, S. 124)

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 So gelingt mir gute Führung in Bibliotheken

Somit ist die Gestaltung des Umfelds eine zentrale Aufgabe von Führung. Die Organisation ist immer wieder zu hinterfragen und es ist dafür zu sorgen, dass sie so gestaltet wird, dass Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter darin optimal ihre Stärken ausleben können. Führung muss für optimale Arbeitsbedingungen sorgen! Untrennbar dazu gehört die Gestaltung der Organisationskultur. Traditionen spielen dabei eine besondere Rolle. Platz für „gemeinsame Geschichten“ zu kreieren, Zeit und Raum für informellen Austausch anzubieten, gemeinsam zu feiern. Diese Dinge sollte die Führung im Auge haben und nicht als „unnötig“ abtun. Traditionen lassen sich gut mit Feierlichkeiten verbinden. Haben Sie selbst die Organisationskultur zu Ihrem Führungsthema gemacht? Insofern verbietet sich eine stiefmütterliche Behandlung von Betriebsausflügen oder Weihnachtsfeiern. Sie sollten als Bausteine für die Gestaltung der Organisationskultur und damit als Potential für die Organisationsentwicklung betrachtet werden. Um damit den Wandel zu unterstützen – und um die Bindung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an die Organisation zu stärken. Die Art und Weise mit der Feierlichkeiten behandelt werden, kann im Umkehrschluss viel über die Organisationskultur aussagen, über die Achtung vor Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, über ihre Bindung an die und ihre Zufriedenheit mit der Organisation. Haben nur wenige ein Interesse, daran teilzunehmen? Woran könnte dies liegen? In diesem Zusammenhang ist es auch interessant, zu fragen, wie mit Geburtstagen umgegangen wird. Werden die Geburtstagskinder gewürdigt? Von wem? Obliegt dies der Eigeninitiative der einzelnen Kolleginnen und Kollegen? Gibt es einen offiziellen Gruß von der Leitung? Macht es sich die oder der Vorgesetzte zur Aufgabe, persönlich vorbeizukommen und zu gratulieren?

8.6.1 Aspekte, die Aufschluss über die Kultur in meiner Bibliothek geben Es lassen sich verschiedene Ebenen bezüglich einer Organisationskultur unterscheiden. Sie sind teilweise bewusst, teilweise unbewusst, teils sichtbar, teils unsichtbar. Zugrunde liegen ihnen die Annahmen, die die Menschen in der Organisation über Menschen, ihre Beziehungen und die Umwelt treffen. Diese sind zumeist unbewusst und unsichtbar. Sie manifestieren sich in Form von Vorschriften, Richtlinien, Verhaltensnormen, kollektiv gelebten Werten und ähnlichem. Aspekte, die nach außen sichtbar sind, aber nicht unbedingt auf den ersten Blick Aufschluss über die Ausgestaltung der Organisationskultur geben, sind: Sprache, Rituale, Kleidung und Umgangsformen. Oft zeigt sich schon an der Kleidung der Beteiligten oder an der Einrichtung der Gebäude, welcher Geist hier weht: Sind es alles angepasste Menschen oder sind auch unangepasste Menschen erwünscht?



Die Gestaltung der Organisation als Führungsaufgabe  3 Ebenen der Organisationskultur 3 Ebenen der Organisationskultur 3 Ebenen der Organisationskultur Symbolsysteme Symbolsysteme Sprache, Rituale, Kleidung, Symbolsysteme Sprache, Rituale, Kleidung, Sprache, Rituale, Kleidung, Umgangsformen Umgangsformen Umgangsformen

Normen und Standards Normen und Standards Maximen, Ideologien, Normen und Standards Maximen, Ideologien, Maximen, Ideologien, Verbote Verhaltensrichtlinien, Verhaltensrichtlinien, Verbote Verhaltensrichtlinien, Verbote

Basis-Annahmen Basis-Annahmen Beziehungen zur Umwelt Basis-Annahmen Beziehungen zur Umwelt Beziehungen zur Umwelt Wahrheit Wahrheit Wahrheit Wesen des Menschen Wesen des Menschen des MenschenHandlungen Wesen menschlicher Wesen menschlicher Handlungen Handlungen Wesen menschlicher Beziehungen Wesen menschlicher Beziehungen Wesen menschlicher Beziehungen

Sichtbar, aber interpretationsbedürftig Sichtbar, aber interpretationsbedürftig Sichtbar, aber interpretationsbedürftig

Teils sichtbar, teils unbewusst Teils sichtbar, teils unbewusst Teils sichtbar, teils unbewusst

unsichtbar, meist unbewusst unsichtbar, meist unbewusst unsichtbar, meist unbewusst

Abb. 18: 3-Ebenen-Modell der Organisationskultur, modifiziert nach Steinmann/Schreyögg, 1993, S. 588 (zitiert nach Quirrenbach 2011, S. 174)

Aus der Abbildung wird im unteren Block der „Basis-Annahmen“ deutlich, dass das eigene Menschenbild bei der Ausformung der Organisationskultur eine bedeutende Rolle spielt. Vertrauen Sie als Führungskraft in andere Menschen und sind ihnen grundsätzlich wohlgesonnen, so wird sich dies in der Organisationskultur wiederfinden, ebenso wie sich dort wiederspiegeln wird, wenn Sie ihnen mit Misstrauen entgegentreten – zumindest, wenn diese Einstellung viele Personen in Ihrer Bibliothek erfasst hat. Eine Organisationskultur wird teilweise von Faktoren geprägt, die sich kaum beeinflussen lassen, wie die Größe der Organisation, die Nationalität, die geographische Lage, Alter und Geschichte der Organisation, die Personalstruktur, die Eigentumsstruktur oder die Kunden. Aber es gibt auch eine Reihe von organisationsspezifischen Faktoren, die sich beeinflussen lassen, wie: –– Verhalten des Managements, –– Strategie, –– Organisationsphilosophie und –struktur, –– Personalpolitik, –– Arbeitsplatzgestaltung, Architektur und Raumgestaltung, –– Belohnungs- und Sanktionsprinzipien, –– Regelungsdichte und Regelkommunikation, –– Informationspolitik und -medien, –– Gestaltung sozialer Ereignisse (vgl. Doppler/Lauterburg 2008, S. 474 ff.).

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 So gelingt mir gute Führung in Bibliotheken

Zitat: „Die Freude am Mitmachen, Motivation und Leistungsbereitschaft entwickeln sich nicht durch Ziele oder das umgreifende Visionsgeraune, sondern in der personalen Erfahrung des gemeinsamen Weges. Denn Menschen arbeiten nicht in Unternehmen; Menschen arbeiten in Nachbarschaften. Diese Nachbarschaften sind symbolisch repräsentiert: durch ein paar Kollegen, Büros, Flure, Kaffeeecke, gemeinsame Rituale. Hier konkretisiert sich ‚wir‘, Gemeinsamkeit, Nähe, Solidarität. Hier entwickeln sich die Gefühle, die der Mitarbeiter am Wochenende hat, wenn er an Montagmorgen denkt.“ (Sprenger 2000, S. 146)

Die Gestaltung des Umfelds sollte ruhig wörtlich genommen werden und eine schöne Umgebung gestaltet werden, in der die Menschen gerne und gut arbeiten können. Gut durchdacht werden sollte, wer wo seinen Arbeitsplatz bekommt. Leute, die viel zusammen arbeiten, in räumliche Nähe zu setzen, kann sinnvoll sein. Die Schaffung von Begegnungszonen für die informelle Kommunikation kann zudem die Kontakte zwischen diesen Menschen aber auch zu Menschen aus anderen Abteilungen fördern. Für Wandel und Innovation kann der Förderung des freien Flusses von Informationen über Abteilungsgrenzen hinweg gar nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt werden. Die Einrichtung solcher Begegnungszonen, über den „Klassiker“ Teeküche hinaus, z. B. eines Lounge-Bereichs, Kreativraums oder eines Raums mit variablen Arbeitsplätzen ist somit auch eine Maßnahme der Innovationsförderung. Damit kann möglicherweise dem Phänomen begegnet werden, dass die größte Hürde für Kommunikation bei 30 Metern liegt: „Innerhalb dieser Zone werden noch Kaffee-Ecken geteilt und die gleichen Kopiergeräte benutzt. Daher sind zufällige und informelle Kontakte häufiger. Diese sind von zentraler Bedeutung für Innovation. Dies hat sich auch mit Mails nicht drastisch verändert. Die meisten Mails werden zwischen räumlich nahe sitzenden Kollegen versendet“ (Gassmann 2011, S. 16). Wie sollte die Kultur in Ihrer Bibliothek beschaffen sein, um eine aktive Gestaltung des Wandels zu ermöglichen? Bei Firmen, die sich durch eine veränderungsfreundliche Kultur auszeichnen, sind fünf Schlüsselfaktoren identifiziert worden (vgl. Doppler/Lauterburg 2008, S. 68 ff.): –– Das Vorhandensein von kreativer Unruhe, Experimentierfreude und Pioniergeist auf allen Hierarchiestufen. Die vielfältigen Veränderungen, mit denen eine Organisation konfrontiert ist bzw. vor denen sie steht, erfordern es geradezu, dass Unruhe im System entsteht. Eine große Herausforderung für Führungskräfte, die bislang alles versucht haben, um Unruhe unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in ihrer Organisation zu vermeiden. –– Eine konstruktive Streitkultur ermöglicht es, dass Spannungen und Konflikte, die im Zuge von Veränderungen natürlicherweise auftreten, thematisiert und konstruktiv gelöst werden. –– Ein Zusammengehörigkeitsgefühl, das von Offenheit, gegenseitiger Akzeptanz, Beteiligung und Vertrauen geprägt ist. –– Sinnvermittlung, die sowohl den Sinn der Tätigkeit der Gesamtorganisation für ihre Kunden und die Gesellschaft als auch den Sinn des Beitrags der einzelnen Person zum Gesamtergebnis, im Auge hat. –– Kommunikation so viel es geht. Es kann kein Zuviel an Kommunikation geben und informelle Kommunikation ist von enormer Bedeutung. „Die formale Organisation ist grundsätzlich nicht in der Lage, das Maß an direkter und persönlicher Kommunikation sicherzustellen, das in Zeiten lebhafter Veränderungen im Unternehmen notwendig ist. Die informelle Kommunikation muss konsequent gefördert und genutzt werden.“ Für Innovation, Kreativität und Wandel sind eine gute Umgebung und Kultur also eine Voraussetzung, deren Bedeutung gar nicht überschätzt werden kann. Die Anwendung einzelner Kreativitätsmethoden oder anderer Methoden, ausgefeilter teuer Tools etc. bringt nicht annähernd so viel, wie wenn Sie ein gutes Umfeld bieten. Eine offene Unternehmenskultur, in der auch das Denken und Aussprechen kritischer Themen möglich ist, stellt das bestmögliche Frühwarnsystem zur Sicherung der Zukunft dar. Die Kultur einer Organisation ist entscheidend für die Identifikation mit der Arbeit und dafür, ob sich jemand langfristig engagiert oder nur jobbt und bei nächster Gelegenheit den Arbeitgeber wechselt (vgl. Doppler/Lauterburg 2008, S. 71).



Von elementarer Bedeutung für Sie als Führungsperson ist es, dass Sie sich darüber Gedanken machen, wie die Organisationskultur beschaffen ist, wie sie optimalerweise gestaltet sein sollte und wie Sie den Weg dorthin – gemeinsam mit anderen Personen – gestalten könnten. Dabei sollten Sie berücksichtigen, dass die Organisation selbst eine große Macht besitzt, die Sie bei der Planung von Maßnahmen zur Gestaltung der Organisationskultur berücksichtigen sollten. Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels kann eine gute Organisationskultur wertvolle Dienste leisten für die Rekrutierung neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oder um vorhandene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von ernsthaften Abwanderungsgedanken fernzuhalten. Wer würde nicht gerne in einem tollen, bunt gestalteten Bürogebäude arbeiten und von vorne bis hinten durch nette Mitarbeiterservices wie kostenloses Kantinenessen, Massagen und ähnliches spüren, dass dem Arbeitgeber an der eigenen Person gelegen ist? Auch wenn wir in Bibliotheken aufgrund knapper Ressourcen so ein Spektrum meist nicht bieten können, so können wir doch überlegen, was möglich ist. In jedem Fall können Bibliotheken damit punkten, wenn sie Sinn vermitteln und zwischenmenschliche Beziehungen gut gedeihen lassen, vielleicht sogar besser als in Unternehmen.

8.7 Zusammenarbeit fördern Zusammenarbeit zu fördern, kann nur in einem Umfeld zum Erfolg führen, das Zusammenarbeit unterstützt. Ist die Organisationskultur von Wettbewerbsdenken geprägt, so wird die Forderung nach Zusammenarbeit zwangsläufig bei einem Lippenbekenntnis bleiben. Dies verdeutlicht erneut, dass Organisationskultur und ihre bewusste Gestaltung kein Luxusgut sind. Um Zusammenarbeit zu fördern, muss es überhaupt ein Miteinander geben: Dass Menschen, die zusammenarbeiten sollen, örtlich möglichst nahe beieinander sind, dass Gelegenheiten geschaffen werden, an denen sie sich treffen – das zeigt auch wieder, wie wichtig beispielsweise Feierlichkeiten sind. Sie sind Gelegenheiten, bei denen Gemeinsamkeit gespürt werden kann. Die Förderung der Zusammenarbeit wird oftmals mit Teamarbeit gleichgesetzt. Tatsächlich wird der Begriff „Team“ oder „Teamarbeit“ recht inflationär gebraucht. Eine gute Zusammenarbeit ist wichtig und sollte gefördert werden, aber das heißt nicht zwangsläufig, dass als Ziel am Ende ein Team stehen muss. Ein Team ist eine Gruppe, deren Mitglieder sehr eng miteinander arbeiten. Da ihre Arbeitsaufgaben sehr eng miteinander verwoben sind, sind sie gegenseitig aufeinander angewiesen und verfolgen ein gemeinsames Arbeitsziel. Für manche Aufgabenbereiche ist eine so enge Zusammenarbeit sinnvoll, für andere nicht. Setzen Sie auf Teamarbeit, so sollten Sie zunächst prüfen, inwiefern Teamarbeit in diesem Fall überhaupt angezeigt ist. Gibt es ein gemeinsames Arbeitsziel, eine gemeinsame Aufgabe, der sich alle Gruppenmitglieder verschreiben bzw. verschreiben können? Sonst sind es nur Einzelkämpfer und es macht keinen Sinn, auf Teamarbeit zu setzten, wenn ihre Arbeit gar nicht so beschaffen ist. Neben dem gemeinsamen Ziel gibt es weitere Voraussetzungen für ein gutes Funktionieren eines Teams: –– Autonomie und Rahmensetzung, –– Aufgaben- und Rollenverteilung, –– schnelle Kommunikation, –– Führung, egal, auf welche Art und Weise sie organisiert wird, –– Unterstützung (vgl. Doppler/Fuhrman/Lebbe-Waschke/Voigt 2011, S. 214 ff.).

Zusammenarbeit fördern  

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Überall, wo Zusammenarbeit stattfindet, sollte von Zeit zu Zeit bewusst reflektiert werden, ob die Zusammenarbeit, so wie sie derzeit abläuft, optimal ist und wo sie gefördert werden sollte. Besonders herausfordernd ist die Situation, wenn es sich um eine Bibliothek mit mehreren Standorten handelt, von denen Personen zusammenarbeiten sollen. Wie kann die Kooperation über mehrere Standorte gefördert werden, auch wenn die Leute sich selten sehen? Möchten Sie die Zusammenarbeit in Gruppen, welcher Art auch immer, fördern, so sollten Sie sich mit den Phasen, die Gruppen typischerweise durchlaufen, beschäftigen. Diese Phasen werden sowohl bei Gruppen, die kurzfristig bestehen als auch bei Gruppen, die über längere Zeit bestehen, durchlaufen. In Form eines Mini-Prozesses werden sie beispielsweise in Sitzungen oft in Kurzform durchlaufen. Wichtig ist es, das Durchlaufen dieser verschiedenen Phasen bewusst zu gestalten, um nicht in einer Phase, in der die Gruppe noch nicht produktiv arbeitsfähig ist, hängenzubleiben. Die einzelnen Phasen sind: –– Forming: Die Gruppe entsteht, die Gruppenmitglieder verhalten sich zumeist vorsichtig abwartend und lernen sich kennen. –– Storming: Es kommt zu ersten „Rangeleien“ unter den Mitgliedern oder mit der Gruppenleitung, Meinungsunterschiede treten zutage, die Gruppe und ihre Leitung werden getestet. –– Norming: Normen und Regeln für die Gruppe werden diskutiert und nach einem längeren Prozess verbindlich eingeführt. –– Performing: Sind die vorherigen Phasen gut durchlaufen worden, ist die Gruppe nun in einer Phase, in der sie gut gemeinsam arbeiten und Leistung liefern kann. –– Transforming: Die Gruppe löst sich auf, weil ihre Arbeit beendet ist, oder einzelne Personen verlassen die Gruppe, so dass sie in ihrer bisherigen Form nicht mehr bestehen wird. Dies ist mit Abschied und Trauerprozessen verbunden (vgl. Tuckman, Jensen 1977). Werden diese Phasen beachtet und bewusst durchlaufen, so stehen die Chancen für eine produktive Zusammenarbeit gut. Zusammenarbeit fördern können Sie auch, indem Sie auch hier als gutes Beispiel vorangehen, indem Sie selbst mit anderen gut zusammenarbeiten und indem Sie Werte verkörpern, die für eine gute Zusammenarbeit wichtig sind: Kooperation, Fairness, Gerechtigkeit. Auch, dass Sie sich für Menschen interessieren, ihnen auf eine angemessene Art Zuwendung geben, insbesondere für kooperatives Verhalten, und dass Sie sie wie erwachsene Menschen behandeln und ihnen auch in einer Gruppe ihre Individualität zugestehen, sind Voraussetzungen für ein Gedeihen der Zusammenarbeit. Auch innerhalb von Kooperationen mit anderen Organisationen ist Zusammenarbeit ein Thema. Wenig erfolgsversprechend dürfte es sein, die eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit einem einfachen „So, nun kooperiert mal.“ in die Kooperation zu schicken. Dies dürfte bei ihnen möglicherweise zu Verunsicherung führen und die Kooperation zwischen den Organisationen würde vermutlich nicht nachhaltig gedeihen. Vielversprechender erscheint es, sich innerhalb der eigenen Bibliothek darüber Gedanken zu machen, welche Ziele mit der Kooperation bezweckt werden und diese zu kommunizieren. Dies kann den Beteiligten ein Gefühl dafür geben, wie sie sich angemessen verhalten können, um die Interessen der eigenen Organisation zu vertreten und gleichzeitig in der Kooperation ergebnisorientiert zusammenzuarbeiten. Dafür sind Führungskräfte erforderlich, die es zu ihrer Sache machen, den Beteiligten für Fragen zum Sinn und Zweck der Kooperation und angemessenen Verhaltensweisen zur Verfügung zu stehen. Für eine gute Kooperationsbeziehung ist eine



Die Richtung bestimmen: Strategie, Ziele und Entscheidungen 

erfolgsversprechende Voraussetzung, dass dieses Abklären der Ziele der Kooperation und des Rahmens, der eine realistische, sinnvolle Zusammenarbeit ermöglicht, auch zwischen den beteiligten Organisationen stattfindet. Weitere Erfolgsfaktoren der Kooperation sind Absprachen bezüglich des Input an Ressourcen, über geplante Aktivitäten und Entwicklungsziele. Am wichtigsten erscheint in diesem Zusammenhang das gegenseitige Vertrauen. Voraussetzung ist, dass es eine offene und gute Organisationskultur gibt, die Führungskräfte eine entsprechende Haltung haben und Vertrauen in die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie in die Kooperation „investieren“ bzw. vorleben. Wie das Thema „Förderung der Zusammenarbeit“ zeigt, dürfen Sie als Führungskraft oder informelle Führungskraft nicht nur an Sachthemen denken, aber auch nicht nur an Individuen und individuelle Beziehungen. Sie müssen auch in Gruppen, Machtstrukturen und Organisationen denken und sie dabei berücksichtigen.

8.8 Die Richtung bestimmen: Strategie, Ziele und Entscheidungen Es gilt, den zu beschreitenden Weg festzulegen und unterwegs viele große und kleine Entscheidungen zu treffen, um dort anzukommen.

8.8.1 Mit Strategie und Zielen den Weg entwickeln Aus der Vision ergibt sich, wohin die lange Reise geht. Die Strategie stellt den Fahrplan dorthin in Bezug auf die nächsten Jahre dar und gibt dem gemeinsamen Handeln Richtung. Natürlich nur dann, wenn es in Ihrer Bibliothek eine Strategie gibt und danach gehandelt wird. Falls es in Ihrer Bibliothek keine Strategie gibt: Brauchen Sie eine Strategie? Inwiefern ist es Ihre Aufgabe, dafür zu sorgen, dass es eine Strategie gibt? Wie sollte die Strategie entstehen? Wichtig ist vor allem, dass es sich um eine eigene Strategie handelt. Eine Strategie, die sich lediglich an der Konkurrenz orientiert, ist wenig kraftvoll und inspirierend. Ebenso ist die reine Orientierung an Benchmarks relativ „sinnlos“. Das Schielen auf andere, der Versuch, ihre Erfolge abzukupfern, kann kaum zum Erfolg führen. Was woanders heutzutage oder zu einem früheren Zeitpunkt erfolgreich war, muss für Sie heutzutage oder in Zukunft nicht passen und zum Erfolg führen. Außerdem kann man durch Abkupfern bestenfalls so erfolgreich werden wie das Original, man wird aber kaum die Konkurrenz übertreffen können. Gut ist es, wenn die Bibliotheksstrategie nicht im stillen Kämmerlein von einem kleinen Kreis Eingeweihter ersonnen wird, sondern wenn dies ein breiter Prozess ist, in dem sich Personen aus den verschiedenen Bereichen der Bibliothek einbringen können. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen schließlich die Strategie umsetzen und daher ist es sinnvoll, dass sie in den Prozess einbezogen sind. Bestenfalls werden so gemeinsam motivierende Ziele entwickelt, die eine anspornende Basis für die weitere Zusammenarbeit bilden. Die Strategie repräsentiert in etwa das übergeordnete Ziel der Bibliothek, das hinter einzelnen Zielen steht. An ihm werden die einzelnen Aktivitäten in eine Richtung ausgerichtet. In der Strategie sind entsprechend einzelne Unterziele definiert. Diese wiederum werden beispielsweise im Rahmen von Projekten mit dazu passenden Pro-

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 So gelingt mir gute Führung in Bibliotheken

Zitat: „Das ist übrigens der wichtigste Nebeneffekt hoher Ziele: die Freisetzung von Motivation und Energie. Visionen, mit denen sich die Mitarbeiter identifizieren, Ziele, die sie mittragen, und seien sie auch noch so schwer umzusetzen, entfalten eine normative Kraft. Es entsteht ein Spirit, der das ganze Unternehmen mitzieht.“ (Förster/Kreuz 2008, S. 211)

Zitat: „Zielvereinbarung hat nichts zu tun mit Basisdemokratie. Sie bedeutet lediglich, dass Ziele und Prioritäten sorgfältig bedacht und abgestimmt werden, bevor man sie festlegt. Nur die Zielvereinbarung im Dialog kann sicherstellen, – dass die Ziele wirklich verstanden und akzeptiert sind; – dass die Prioritäten richtig gesetzt und keine Zielkonflikte eingebaut sind; – dass nicht Ziele formuliert werden, ohne dass man sich über die notwendigen Mittel und Ressourcen Gedanken gemacht hat.“ (Doppler/ Lauterburg 2008, S. 274)

jektzielen umgesetzt. Um diese übergeordnete, strategische Zielebene zu erreichen, ist es immer wieder wichtig, das Ziel hinter dem Ziel zu erfragen. Eine erfolgsversprechende Führungsmethode scheint das Führen durch Ziele darzustellen, wenn es richtig gemacht wird. Dies kann im Rahmen eines kohärenten Gesamtbildes geschehen, wenn eine Strategie für die Bibliothek als Arbeitsgrundlage feststeht. Warum sind Ziele außerdem noch wichtig? Wenn Sie sich ein Ziel gesetzt haben und davon überzeugt sind, dass es realistisch erreicht werden kann, so können Sie es kraftvoll anstreben. Wenn andere sich fragen, „Wer weiß, wo es langgeht?“ und Sie forschen Schrittes voranschreiten, so machen Sie auf andere Personen den Eindruck, das Ziel zu kennen und eine entschlossene Führungsperson zu sein. Sie werden Ihnen dann eher folgen. Dies lässt sich auch im Umgang mit Pferden beobachten, beispielsweise in Führungskräftetrainings, in denen Pferde mit oder ohne Leine geführt werden. Pferde besitzen ein feines Gespür für die Menschen, mit denen sie zu tun haben, insbesondere für ihre Körperhaltung. Beim Pferd lässt sich beobachten, dass es Ihnen folgt, –– wenn Sie wissen, wo Sie hin wollen, –– wenn Sie (in Ihrem tiefsten Inneren) darauf vertrauen, dass es mitkommt, –– wenn Sie Sicherheit, Respekt und Überzeugung ausstrahlen. Diese Überzeugung können Sie nur dann ausstrahlen, wenn erster Punkt auch zutrifft, nämlich, dass Sie wissen, wo Sie hin möchten. Noch etwas anderes lässt sich vom Umgang mit Pferden lernen, dieses Mal vom Reiten: –– Es läuft dann gut, wenn Sie dem Pferd klar die Richtung vorgeben, aber es nicht übermäßig „gängeln“, wo es nicht notwendig ist, sondern darauf vertrauen, dass es am besten weiß, wo es seine Hufe hinsetzt, egal ob nun 20 cm weiter rechts oder weiter links. Übertragen auf die Führungsposition bedeutet dies, dass Sie zwar letztlich über das Ziel entscheiden, aber die jeweilige Person selbst festlegt, wie sie mit ihrer Arbeit dorthin kommt. –– Sie können fest im Sattel sitzen und gleichzeitig locker sein. Dies ist kein Widerspruch und lässt, auf die Führungsposition übertragen, zweierlei Rückschlüsse zu: Einerseits müssen Sie fest im Sattel sitzen, um überhaupt locker sein zu können. Andererseits können Sie sich auch locker verhalten, ohne dadurch Ihren „festen Sitz“, Ihre Autorität, aufzugeben. Gerade ein partizipativer, zurückhaltender Führungsstil kann manchmal richtig sein, um Integration zu fördern und Vertrauen aufzubauen. Als Führungskraft fest im Sattel zu sitzen, muss nicht zwangsläufig bedeuten, dass Sie alles vorgeben. Entscheidend ist Ihre eigene Haltung, dass Sie sich sicher im Sattel fühlen. Dann können Sie Partizipation zulassen und andere sich einbringen lassen; gemeinsam kann dann gute Arbeit gelingen. Das alles können Sie auch als informelle Führungsperson beachten und leben, und es wird Ihnen helfen, die Führungsrolle, die Sie haben möchten, zu unterstreichen. Die Bilder vom Pferde Führen und Reiten lassen sich insofern auch auf die Vereinbarung von Zielen anwenden, als dass die Ziele gemeinsam entwickelt und miteinander abgestimmt werden sollten, wobei die endgültige Entscheidung darüber bei der Führungskraft liegen sollte.



Die Richtung bestimmen: Strategie, Ziele und Entscheidungen 

Zu den häufigsten Fehlern in Zielvereinbarungsprozessen gehört, dass nicht Ziele, sondern Tätigkeiten vereinbart werden oder dass keine wirkliche Vereinbarung stattfindet, sondern die Ziele einseitig vorgegeben werden. Andersherum lässt sich mitunter beobachten, dass die Ziele nur bottom-up vereinbart werden, ohne dass es einen Führungswillen gibt, mit dem sie abgeglichen werden, da die Führung schwach ist, oder dass die Ziele auf horizontaler Ebene nicht abgeglichen werden (vgl. Doppler/Lauterburg 2008, S. 275). Nur zum Teil können Sie die Richtung bestimmen. Denn Sie sind darauf angewiesen, wie die anderen Menschen sich verhalten – und wenn sie in eine ganz andere Richtung ziehen, so wird es womöglich schwierig, in Ihre Richtung voranzuschreiten. Wie viel Erfolg Sie damit haben werden, hängt davon ab, wie viel Einfluss Sie sich selbst zutrauen und wie viel Einfluss Ihnen andere geben. Generell sollten Sie möglichst wenig managen und Leute selbst ihren Weg finden lassen. Sogenanntes „Mikro-Management“ sollten Sie unbedingt unterlassen! Es ist frustrierend für andere Personen. Sie fühlen sich dann nicht für voll genommen und als Erwachsene behandelt. Sie fühlen, dass ihnen kein Vertrauen entgegengebracht wird. Besser ist es, auf Autonomie zu setzen. In einer Führungsrolle kann es also zu Ihren Herausforderungen gehören, zu lernen, anderen Menschen zu vertrauen. In den Menschen, mit denen Sie zu tun haben, die erwachsene Frau oder den erwachsenen Mann zu sehen, die in der Lage sind, erfolgreich und eigenständig ihr Leben zu führen. Wenn Sie dazu in der Lage sind, so wird es Ihnen auch gelingen, das Vertrauen aufzubauen, das Sie brauchen, um andere ihren eigenen Weg bei der Erledigung ihrer Aufgaben gehen zu lassen: Das Vertrauen, dass jede einzelne Personen selbst am besten weiß, wo, wann und wie sie am besten arbeiten kann. In einer schnelllebigen Umwelt, die von immer kürzeren Innovationszyklen geprägt ist, wird das Arbeiten mit langfristig festgelegten Zielen zwangsläufig an Grenzen stoßen. Angesichts der Dynamik, der Offenheit von Institutionen, von Kooperationen und der Komplexität von Entscheidungen gibt es nicht mehr so viel Planbarkeit, wie dies früher erschien. Entsprechende Planungsinstrumente sind daher oft wirkungslos. Umso wichtiger sind Autonomie und die Unterstützung der einzelnen Person: Selbstorganisation und -management, Freiheit, Freiräume fördern und Unterstützung geben sind von elementarer Bedeutung. Auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sind die richtige Haltung und der innere Kompass entscheidend, um auch bei dynamischen, komplexen Situationen gute Entscheidungen zu treffen. Auch daher sind Vertrauen und Autonomie wichtig. Nichtsdestotrotz hat die Definition von Zielen ihre Berechtigung, denn sonst würde man relativ orientierungslos dahintreiben. Es reicht allerdings nicht, Ziele zu definieren und dann in der Schublade verstauben zu lassen. Zielvereinbarungen müssen immer wieder, in kürzeren Zyklen, hervorgeholt und gemeinsam überprüft werden. Bei Bedarf soll dann eine Anpassung erfolgen. Das gilt auch für die große, übergeordnete „Zielvereinbarung“, die Strategie der Bibliothek. Zielvereinbarungen dürfen nicht zu starr sein und nicht zu starr gehandhabt werden. Denn in einer flexiblen, sich ständig ändernden Welt ist keine gute Arbeit möglich, wenn Sie sich an einem starren Zielkorsett orientieren müssen. Wie kann ich nun dafür sorgen, dass Ziele wirklich umgesetzt werden, ohne dass ich ein zu starres Zielkorsett schaffe oder in demotivierendes Mikro-Management verfalle?

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Zitate: „Führungskräfte glauben zumeist, sie seien gut in der Definition der Ziele, ließen aber ihren Mitarbeitern den Raum, ihre eigenen Wege zum Ziel zu finden. Das Gegenteil ist der Fall: Sie sind ausgezeichnet im ‚Ratschlagen‘ und Maßnahmen vorgeben, jedoch schlecht bei der Zielbeschreibung. Es ist ausgesprochen wichtig, dass eine Führungskraft dem Mitarbeiter Verantwortung für die Wege überlässt, auf denen er das Ziel erreichen will. Das ist vor allem eine Übung in Selbstdisziplin und Demutsfähigkeit für die Führungskräfte.“ (Sprenger 2000, S. 238 f.)

„Vertrauen entsteht, wenn man weiß, wofür das Gegenüber steht und wie weit es gegebenenfalls gehen würde. Es hängt also von den grundlegenden menschlichen Qualitäten wie Authentizität, Integrität und Charakter ab.“ (Förster/Kreuz 2008, S. 229)

„Die Mitarbeiter ihre eigenen Ziele setzen lassen – das erfordert Vertrauen. Auch ein SichZufriedengeben mit etwas, was ‚gut genug‘ heißen kann, die bewusste Mäßigung.“ (Sprenger 2000, S. 160)

„Zielvereinbarungen sind inflexibel und leistungswidrig.“ (Sprenger 2000, S. 154)

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 So gelingt mir gute Führung in Bibliotheken

– – Checkliste: Wie stelle ich sicher, dass Ziele erreicht werden? Dass andere mir folgen?

– –

Ziele im Dialog entwickeln. Überprüfen: Sind Sie selbst von dem Ziel überzeugt und sind Sie selbst entschlossen, es umzusetzen? Nur das Ziel definieren, nicht den Weg dorthin. Ziele in regelmäßigen Abständen gemeinsam überprüfen, reflektieren, ob sie noch angemessen sind, und bei Bedarf Ziele anpassen.

8.8.2 Gute Entscheidungen treffen

Zitat: „Wer glaubt, Ziele diktieren und top down anweisen zu können, bekommt naturgemäß nur eine Anpassungsleistung. Die Menschen sagen Ja und meinen innerlich Nein. Vielleicht reicht Ihnen ja eine Anpassungsleistung. Glückwunsch! Abhaken können Sie dann jedoch Eigeninitiative, Kreativität und Selbstverantwortung.“ (Sprenger 2000, S. 236)

Für die Definition von Strategie und Zielen ist es wichtig, gute Entscheidungen zu treffen. Sie für sich müssen gute Entscheidungen treffen. Gemeinsame Entscheidungsprozess müssen gut gestaltet werden, um eine gute Gemeinschaftsentscheidung zu ermöglichen. Es gibt verschiedene Arten von Entscheidungen: Solche Entscheidungen, die einmal getroffen werden und in deren Folge nichts mehr geschieht, und solche Entscheidungen, auf die entschlossenes Handeln folgt. Nur die letzteren sind gute Entscheidungen. Auch wenn damit nicht von vornherein gesagt werden kann, dass hier inhaltlich die richtige Entscheidung getroffen wurde, so liegt nur in diesem Fall eine richtige Entscheidung vor. In ersterem Fall hingegen liegt keine richtige Entscheidung vor, auch wenn etwas als Entscheidung kommuniziert wurde. Denn hier ist sie nicht mit der Entschlossenheit zum Handeln gekoppelt. Eine gute Entscheidung erkennen Sie also daran, dass sie mit der Entschlossenheit zum Handeln verbunden ist. Dass dies zutrifft und Sie eine gute Entscheidung getroffen haben, können Sie merken, wenn Sie sich Ihre Körperwahrnehmung im Moment der Entscheidung bewusst machen. Wie fühlt sich die Entscheidung an? Was sagt mein Bauchgefühl? Je mehr Informationen Sie haben, umso schwieriger ist es, den Durchblick zu behalten und eine Entscheidung zu treffen. Gerade in verzwickten Situationen, in denen Sie angesichts der Komplexität rein rational kaum noch eine Entscheidung fällen können, können Ihnen Ihre Intuition und Ihr Körpergefühl eine wichtige Hilfestellung bieten. Aber auch in anderen Fällen ist es sehr hilfreich, auf die eigene Intuition zu hören. So ist ein weiteres Kennzeichen einer guten Entscheidung, dass Sie hierbei Bauch und Kopf, Gefühl und Rationalität zusammengebracht haben und sie beide für die gleiche Entscheidung sprachen. „Gutes Gefühl“ und klares Denken spielen dann zusammen und zeigen in dieselbe Richtung. Sobald Sie eine gute Entscheidung getroffen haben, können Sie mit der Umsetzung beginnen. Das bedeutet andererseits, dass es keinen Sinn macht, einfach zu starten, ohne das Ziel, die Richtung zu kennen, da dann kein starker Start erfolgen könnte. Sie müssen erst in die gute Entscheidung investieren und sie vorbereiten, aber irgendwann auch zu einer Entscheidung kommen – und dann entschlossen handeln. Werden nur Entscheidungen getroffen oder Ziele definiert, ohne dass Handlungen folgen, so zeigt Ihnen dies, dass es keine guten Entscheidungen sind. Wichtig, damit auch die Umsetzung funktionieren kann, ist es, anderen nicht bloß Entscheidungen überzustülpen, sondern gemeinsam Entscheidungen vorbereiten. Die Handlungskaskade, die in Kapitel 3 zum Aspekt passiven Verhaltens vorgestellt wurde, ist auch ein großartiges Hilfsmittel, um gute Entscheidungen zu treffen. Sie startet mit dem Wahrnehmen der Situation. Dies ist es, was Sie als Basis für jede Entscheidung brauchen: Die Situation wahrnehmen, in ihrer Komplexität erfassen und im nächsten Schritt analysieren. So erfahren Sie systematisch, was die Rahmenbedingungen für Ihre Entscheidung sind.



Die Richtung bestimmen: Strategie, Ziele und Entscheidungen 

Handlungskaskade Selbst Andere Situation REIZ/ Tatsachen 1. Wahrnehmen 2. Einschätzen 3. Bedeutsam

Selbst Andere Situation THEMA/ Problem 4. Wahrnehmen 5. Einschätzen 6. Bedeutsam

Selbst Andere Situation

Selbst Andere

LÖSUNGEN/ Handl.mögl. 7. Wahrnehmen 8. Einschätzen 9. Bedeutsam

Situation HANDLUNG 10. Wahrnehmen 11. Einschätzen 12. Bedeutsam Erfolgreich

Abb. 19: Handlungskaskade (leicht modifiziert nach Schneider 2011, S. 14)

Als Zwischenschritt zwischen allen Stufen liegt eine Entscheidung. Die Handlungskaskade hilft somit dabei, systematisch gute Entscheidungen zu treffen. Zur Anwendung für die Definition von Zielen eignet sich die Handlungskaskade insbesondere auch für folgende Punkte: –– Bewusst innezuhalten: Automatische Verhaltensmuster werden gestoppt. Schnellschüsse werden verhindert und Entscheidungen bewusst getroffen. –– Gemeinsam gute Entscheidungen vorbereiten. –– Andere unterstützen, gute Entscheidungen zu treffen.

8.8.3 Aufgaben selbst übernehmen oder delegieren Je weiter Sie mit Ihren formellen oder informellen Führungsaufgaben aufgestiegen, je weiter Sie oben in der Hierarchie sind, desto weniger sollten Sie selbst die Umsetzung von Fachaufgaben übernehmen. Desto mehr sollten Sie die Lenkung und Weiterentwicklung Ihres Bereiches oder der gesamten Bibliothek im Auge haben. Als informelle Führungskraft können Sie sich an diesen Richtwerten orientieren. Wie kann ich all die Aufgaben, die ich übernommen habe, überhaupt schaffen? Insbesondere, wenn ich vielleicht aufgrund von dienstlichen Reisen viel abwesend und nicht so präsent bin? Möglicherweise fehlt Ihnen im Grunde die Zeit, um Ihren Führungsaufgaben angemessen nachzugehen. Führung machen Sie so „nebenher“? Wie kann ich dennoch ein Vorbild für andere sein, wenn ich wenig Zeit habe oder wenig vor Ort bin? Nun, wenn Sie abwesend sind, ist es sicherlich schwierig, ein Vorbild zu sein. Wer abwesend ist, ist „unsichtbar“. Aus den Augen, aus dem Sinn… Telefon und andere Kommunikationsmittel wie E-Mail und Wiki können nur Krücken darstellen, aber keinen vollwertigen Ersatz bieten, transportieren sie doch nur einen Teil der möglichen Sinnesreize. Gestik und Mimik? Zum Teil auch die Stimme. All dies geht bei diesen Medien verloren. Es hat eine ganz andere Wirkung, jemandem direkt in die

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Augen zu sehen, darin ein Strahlen zu entdecken oder auch Sorge. Die Art und Weise, wie jemand beim Gespräch gestikuliert, den Augenkontakt sucht, den Gang gelassen entlang schlendert, federnden Schrittes den Weg zurücklegt oder hektisch von einer Besprechung zur anderen rennt, sendet viele Signale aus, die zumindest unbewusst viele Informationen vermitteln. Weitere Probleme, wenn Sie ständig abwesend sind – und sei es nur mental, wenn Sie sich keine Zeit für Ihre Führungsaufgaben und Ihre Mitarbeiterinnen und -mitarbeiter nehmen, sind: –– Keine Zeit für Kommunikation und für die Beziehungsgestaltung. –– Keine Zeit für gemeinsames Reflektieren. Das heißt nun nicht, dass Sie niemals abwesend sein dürften und sich rund um die Uhr ausschließlich um Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kümmern müssten. Aber es liegt in Ihrer Verantwortung, sich bewusst ausreichend Zeit für Ihre Führungsaufgaben zu nehmen. Führung nur so „nebenher“, wenn mal fünf Minuten übrig sind, wird vermutlich nicht sonderlich erfolgreich sein – zumindest nicht so erfolgreich, wie sie sein könnte. Sie berauben sich vieler Möglichkeiten, noch leichter noch erfolgreicher zu sein, indem Sie Ihre Führungsrolle wirklich aktiv mit Leben füllen und nicht so wichtige Aufgaben abgeben. Aber, aber, es gibt so viele wichtige Termine, Arbeitsgruppentreffen, andere Gremien und Tagungen, wo Sie unbedingt auftauchen müssen? Die können Sie nicht einfach ausfallen lassen? Sie „müssen“ also unbedingt überall hinfahren. Keine Zeit für die mühsame Arbeit im Alltag und die Führung an der „Front“? Ist das so?

Test: Überprüfen Sie Ihre Termine außer Haus: Welche sind wichtig für die Bibliothek?

Was sind es für Termine, für die Sie unterwegs sind? Sind sie wirklich alle so wichtig, dass es unverzichtbar ist, dass Ihre Bibliothek dort vertreten ist? Kriterien, die Ihnen helfen können, zu entscheiden, ob ein Termin wirklich wichtig ist: – Hohe politische Bedeutung, – Große strategische Bedeutung, – Wichtig für die Reputation (Halten eines Vortrags, …), – Ihre eigenen wichtigen Kriterien, und zwar: Überprüfen Sie Ihre Termine mit Ihren Kriterien. Welche Termine sind demnach wichtig?



Die Richtung bestimmen: Strategie, Ziele und Entscheidungen 

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Herausgekommen ist eine Liste von Terminen, die Sie hinsichtlich ihrer Bedeutung bewertet haben. Welche Termine können Sie nach diesem Test aussortieren?

Haben Sie weiterhin viele Termine auf Ihrer Liste, die Sie unbedingt wahrnehmen müssen, dann könnte es möglicherweise hilfreich sein, noch einmal Ihre Rolle als Führungskraft zu definieren. Sind Sie als Führungskraft dafür zuständig, auf allen Hochzeiten zu tanzen und überall Ihr Gesicht zu zeigen? Wie wichtig Sie Ihre eigene Führungsarbeit nehmen, zeigt nicht zuletzt eine Aufstellung darüber, wie viel Zeit Sie darauf verwenden. Wie sieht Ihre typische Arbeitswoche aus? Zeichnen Sie die Anteile für verschiedene Aufgaben in Form eines Tortendiagramms auf, auch: Wie viel Zeit nehmen Sie sich für das Reflektieren?

Selbsttest: Zeitanteile für meine verschiedenen Aufgaben

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Schauen Sie sich von Ihren verschiedenen Aufgaben nun ausschließlich diejenigen an, die sich direkt auf Führung beziehen. Wie viel Ihrer Zeit verwenden Sie für Führungsaufgaben? – 5 min am Tag? – 1 Tag pro Woche? – 2 Tage pro Woche? – …? Hand aufs Herz: Was glauben Sie selbst: Reicht das? Selbsttest: Wie viel Ihrer Zeit verwenden Sie für Führungsaufgaben?

– – – –

Wenden Sie einen angemessenen Teil Ihrer Zeit für die auf Ihrer Hierarchiestufe wichtigen Führungsaufgaben auf? In welchen Bereichen sollten Sie zukünftig mehr Zeit aufwenden? In welchen Bereichen werden Sie zukünftig mehr Zeit aufwenden? In welchen Bereichen sollten Sie sich weiterentwickeln?

Selbsttest: Zeiteinsatz für Führungsaufgaben

Haben Sie bislang das Gefühl, genügend Zeit in Ihre Führungsarbeit zu investieren? Möchten Sie mehr Zeit dafür einsetzen und müssen Sie sie irgendwo „freimachen“?

Checkliste: Wie kann ich mehr Zeit für meine Führungsarbeit haben?

– – –

Aufgaben streichen. Mehr delegieren. Und zwar alles, was Sie in Ihren Führungsrollen nicht unbedingt machen müssen. Welche weiteren Möglichkeiten fallen Ihnen ein?



Die Richtung bestimmen: Strategie, Ziele und Entscheidungen 

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Haben Sie zu wenig Zeit für ihre Führungsaufgaben und sind nach wie vor viele Termine auf Ihrer Liste, die Sie für unverzichtbar für Ihre Bibliothek halten? Ok, diese Termine sind von großer Bedeutung für Ihre Bibliothek, und es ist ja auch schön und vielleicht auch ein Zeichen für Ihren Erfolg, wenn Sie „draußen“ so gefragt sind. Fragt sich nur, wer diese Termine wahrnehmen sollte oder muss. Ist es überhaupt notwendig, dass Sie diese Termine alle persönlich wahrnehmen und ist das Pensum zu schaffen, wenn Sie gleichzeitig genügend Zeit für Ihre Führungsaufgaben haben wollen? Könnte eine andere Person diese Termine wahrnehmen? Es könnte gut sein, dass es für die anderen Personen motivierend ist, wenn sie diese Termine übernehmen dürfen. Für welche Termine sind Sie unverzichtbar? Welche Termine könnten Sie delegieren, weil Sie Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter haben, die diese wahrnehmen könnten? Kriterien, die Sie für Ihre Entscheidung heranziehen könnten: – – –

Aufgrund der Zusammensetzung des Personenkreises ist es notwendig, dass jemand auf Ihrer Stufe der Hierarchie Ihre Bibliothek dort vertritt. Aus politischen Gründen, aufgrund hoher strategischer Bedeutung, müssen Sie dort erscheinen. Es gibt auch andere Personen bei Ihnen in der Bibliothek, die sich fachlich mit dem Thema genauso gut auskennen. Daher kann eine davon den Termin genauso gut übernehmen wie Sie.

Checkliste: Müssen Sie alle Termine auf Ihrer Liste wirklich selbst übernehmen?

Nun, wie viele auswärtige Verpflichtungen konnten Sie identifizieren, die Sie delegieren können? Wie viele Termine bleiben weiterhin bei Ihnen „kleben“?

Auch nach reiflicher Überlegung müssen Sie alle oder fast alle Termine selbst übernehmen? Herzlichen Glückwunsch: Sie sind so wichtig und offenbar viel besser als die Leute, mit denen Sie zusammenarbeiten! Herzlichen Glückwunsch? Nein, Ironie beiseite: Vielleicht ist es doch noch mal an der Zeit, dass Sie Ihre Rolle überdenken. Sind Sie die einzige Person, der Sie die Übernahme dieser Aufgaben zutrauen? „Müssen“ Sie überall selbst hinfahren und fehlt Ihnen dadurch „leider“ die Zeit, sich mit Führungsaufgaben und Zukunftsthemen zu beschäftigen, ist es erneut interessant, welches Bild Sie von sich und von den Leuten haben, mit denen Sie arbeiten. Denn wenn wirklich keiner da ist, der vielleicht einen Teil Ihrer Aufgaben übernehmen könnte, könnte es an Ihrem Menschenbild liegen oder Sie haben vielleicht bislang eine Ihrer ureigensten Führungsaufgaben verschlafen: Andere Menschen fördern, andere Menschen groß machen. Es ist Ihre Aufgabe, Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Möglichkeit zu geben, Ihr Potenzial zu entfalten, über sich bzw. über das, was sie derzeit von ihrem Potenzial zeigen, „hinauszuwachsen“. Auch als Ergebnis reiflicher und selbstkritischer Überlegung wird vielleicht herauskommen, dass Sie einen Teil ihrer Außenverpflichtungen auch in Zukunft ausüben wollen oder „müssen“. Sie werden also zwangsläufig hin und wieder abwesend sein. Abgesehen davon haben ja auch Sie ein Recht auf Urlaub und können Sie auch einmal krankheitsbedingt ausfallen. Und falls Ihre Bibliothek möglicherweise verschiedene Standorte hat, bleibt diese Tatsache ja auch erst mal bestehen.

Zitat: „Häufig kalkulieren Führungskräfte für ihre Führungsarbeit zu wenig oder gar keine Zeit ein, sie meinen, das müsse so nebenher gehen. Manche geraten dann durch mehr Anstrengung und mehr Einsatz an Zeit bei einem gleichzeitig fehlenden passenden Selbstverständnis an ihre körperlich-seelischen Belastungsgrenzen, manche entwickeln Burn-Out-Phänomene. Diese Phänomene verstärken sie auch dadurch, dass sie die privaten Lebensbereiche und damit die Befriedigung wesentlicher Grundbedürfnisse nicht mehr genügend beachten und vernachlässigen.“ (Schneider 2009a, S. 8)

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 So gelingt mir gute Führung in Bibliotheken

Zitat: „Das beste Mittel, eine Führungskraft zu messen, ist mithin die Leistung ihrer Mitarbeiter während ihrer Abwesenheit. Die beste Führungskraft macht sich überflüssig.“ (Sprenger 2000, S. 269)

Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass ein Erkennungsmerkmal für die Güte der Führungsarbeit ist, wie gut die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dann arbeiten, wenn die Führungskraft abwesend ist. Was passiert, wenn Sie abwesend sind? Bricht dann das Chaos aus oder arbeiten alle routiniert weiter? Was ist, wenn die Leistung der Mitarbeiter dann besser ist, wenn der oder die Vorgesetzte weg ist als wenn sie da ist? „Stören“ Sie Ihre Leute möglichweise durch Ihre Führungsinterventionen und halten Sie sie damit vom richtigen Arbeiten ab? Wichtig ist, dass Ihre Leute in der Lage sind, auch dann gut zu arbeiten, wenn Sie nicht da sind. Beispielsweise, dass sie auch dann Entscheidungen treffen dürfen (Erlaubnis) und können (Kompetenz). Es geht also um die Förderung von Autonomie und die Delegation von Führung. Stellen Sie sich vor, Sie fallen aufgrund einer Erkrankung für drei Monate aus. Was glauben Sie, was dann passieren würde? Was würden Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ohne Sie machen? Wie würden Sie ohne Sie zurechtkommen?

Selbsttest: Fantasiereise: Was passiert, wenn Sie längere Zeit nicht da sind?

Was hat Ihre Fantasiereise ergeben? Je nachdem, was ohne Sie passieren würde, sind unterschiedliche Vorbereitungen für den Ernstfall notwendig, z. B. unterschiedliche Vertretungsregelungen. Wenn bzw. da Sie nicht immer da sein können, ist es vielleicht möglich, dass andere Menschen Ihren „Spirit“, Ihr Führungsverhalten, Ihre Werte und Überzeugungen, vertreten und hochhalten. Wenn Sie weg sind, so muss Ihr Spirit weiterhin da sein. Es braucht Leute, die ihn verinnerlicht haben und ihn auch in Ihrer Abwesenheit präsent halten. So verhindern Sie auch, dass Sie alleine alle „Last“ der Führung zu tragen haben.



Die Richtung bestimmen: Strategie, Ziele und Entscheidungen 

Wie kann ich dafür sorgen, dass andere meinen Spirit hochhalten? Dass andere in meinem Sinne führen oder für ihren Bereich Entscheidungen treffen? Wohl vor allem, indem Sie sich sehr genau ansehen, wer eine geeignete Stellvertretung darstellt. Wer kann diese Aufgabe gut übernehmen? Und diese Person bzw. Personen behandeln Sie dann – wie andere Personen auch – mit Respekt und Wertschätzung. Vorsorge für den Fall der Abwesenheit zu treffen, ist besser, als wenn die Leute im Falle einer plötzlichen Abwesenheit orientierungslos dastehen und alles still steht, weil keiner sich traut, etwas zu entscheiden. Die Königsdisziplin schlechthin ist es in jedem Fall, für alle Leute größtmögliche Autonomie zu ermöglichen. Das hat den schönen „Nebeneffekt“, dass dadurch gleichzeitig die Motivation stark gefördert werden kann. Aber Sie müssen natürlich auch dahinter stehen und bereit sein, den Weg der Autonomie zu gehen. Sind Sie nicht bereit, Macht und Kontrolle abzugeben, hat es keinen Zweck. Seien Sie ehrlich zu sich selbst. Delegieren bedeutet nicht nur Entlastung für die Führungskraft auf der einen Seite, sondern kann auch eine Bereicherung der Aufgaben der Mitarbeiterin bzw. des Mitarbeiters auf der anderen Seite bedeuten und ihre Motivation erhöhen. Viele Leute haben allerdings ein Problem damit, zu delegieren. Fragen Sie sich öfter: „Wie kann ich das bloß alles alleine schaffen?“ Dies könnte ein Anzeichen dafür sein, dass Sie ein Stressthema, ein Delegationsthema oder ein Rollenthema haben. Glauben Sie, dass Sie alles alleine machen müssen? In Kapitel 4 können Sie möglichweise wertvolle Anregungen finden. Auch wenn es für viele motivierend wirken mag, kann es natürlich auch vorkommen, dass einzelne Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter es ablehnen, zusätzliche Aufgaben zu übernehmen, die Sie abgeben möchten. Für diese Fälle und generell für die Erfolgssicherung beim Delegieren, ist es wichtig, dass gut miteinander kommuniziert wird – und dies liegt zuvorderst in Ihrer Führungsverantwortung. Wenn Sie mit anderen Personen kommunizieren, insbesondere wenn Sie Aufgaben delegieren möchten, sollten Sie sich immer fragen, ob Sie präzise genug kommunizieren. Sagen Sie zum Beispiel genau, was Sie von der anderen Person bis wann erledigt haben möchten? Unpräzise Angaben sollten Sie unbedingt vermeiden. Andere häufige Fehler beim Delegieren sind: –– „Anordnen, ohne den Sinn der Aufgabe zu erklären –– Aufgabe übertragen, ohne die für die Erledigung erforderliche Kompetenz zu geben –– Sich ständig in die Erledigung der Aufgabe einmischen, statt nur in Ausnahmefällen einzugreifen –– Rückdelegation zulassen –– Zu selten, zu spät oder nie die Erledigung der Aufgabe überprüfen –– Versuchen, gegenüber seinem Vorgesetzten auch die Führungsverantwortung auf den Mitarbeiter abzuladen“ (Hintz 2011, S. 339). Es empfiehlt sich, ein ausführliches Briefing und Re-Briefing mit der Mitarbeiterin oder dem Mitarbeiter zu machen. Auch ist es gut, zu signalisieren, dass man im Falle von Schwierigkeiten jederzeit gerne für einen Rat zur Verfügung stehen würde. Die Inhalte, die das Briefing beinhalten sollte, ergeben sich aus der folgenden Checkliste.

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Zitate: „Erstaunlicherweise sind insbesondere ständig überarbeitete Manager zurückhaltend, Aufgaben an ihre Mitarbeiter zu delegieren.“ (Hintz 2011, S. 75)

„Manche Manager fürchten, durch Delegation sich selbst zu schaden. Nicht nur mangelndes Vertrauen in die Fähigkeiten der Mitarbeiter, sondern auch das Gegenteil, die Befürchtung, dass jemand es ebenso gut oder besser machen könnte als man selbst, führt zu Ablehnung von Delegation.“ (Hintz 2011, S. 75)

„Ob aber auch Sie selbst mit dem Ergebnis Ihres Mitarbeiters zufrieden sind, hängt wesentlich von der Klarheit Ihrer Erwartungen ab. Es ist hilfreich, sich zunächst selbst Rechenschaft abzulegen. Was erwarte ich von dem anderen? Was will ich? Was will ich nicht? Was soll zwischen uns gelten? Was sollte möglichst nicht passieren? Viele Konflikte entwickeln sich aus unausgesprochenen Erwartungen.“ (Sprenger 2000, S. 236)

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 So gelingt mir gute Führung in Bibliotheken

Checkliste: Gekonnt delegieren

Zitate: „Eine Führungskraft ist erfolgreich und kann es darin zur Meisterschaft bringen, wenn sie sich das Führen zur Sache macht, es gerne und kreativ gestaltend, ständig weiterentwickelt, sich dabei eine innere und äußere Struktur gibt und in passender Weise sich selbst und den anderen Mitarbeitern, den Mitmenschen und dem größeren Ganzen zuwendet.“ (Schneider 2009b, S. 220 f)

„Führen erfordert eine gewachsene Persönlichkeit, Fachkompetenz, die Fähigkeit Menschen zu führen und die Fähigkeit Organisationen und Systeme zu verstehen und sie zu führen.“ (Schneider 2009a, S. 1)

Was delegieren? – Welche Aufgaben eignen sich zum Delegieren? Hilfreich ist in diesem Zusammenhang, wenn Sie sich selbst fragen: Müssen Sie selbst diese Aufgabe übernehmen? An wen delegieren? – Wer eignet sich, um diese Aufgabe zu übernehmen? – Hat er oder sie genügend Zeit, um diese Aufgabe zu übernehmen? – Welche Aufgaben kann er oder sie dafür liegen lassen oder abgeben? – Wer könnte noch zur Unterstützung oder zur Beratung hinzugezogen werden? Wie delegieren? – Sie sollten kommunizieren · was Sie erwarten, · Hintergrundinformationen zur Aufgabe geben, · bis wann die Aufgabe erledigt werden soll, · ob es (von außen) Einschränkungen oder Vorgaben für die Art und Weise der Erledigung der Aufgabe gibt. Dabei sollten Sie so wenig wie möglich Vorgaben geben, am besten der anderen Person die Freiheit lassen, die Aufgabe so zu erledigen, wie sie oder er es für richtig hält und am besten kann.

8.9 Woran erkenne ich, ob ich gut führe? Es gibt nicht die optimale Führungskraft, sondern nur eine passende Führungskraft für die jeweilige Situation, das Umfeld, die Personen, mit denen sie zu tun hat. Insofern ist es von vielen Faktoren abhängig, ob Sie gut führen, und die Gestaltung dieser Faktoren liegt nur teilweise in Ihrem Einflussbereich. Eine wichtige Grundvoraussetzung für Ihren Erfolg als Führungskraft ist, dass Sie das Führen an sich als Ihre Aufgabe definieren, dass Sie es zu Ihrer Sache machen und als professionelle Aufgabe betrachten, die Sie mit der Zeit immer besser erfüllen möchten. Führung fängt bei Ihnen selbst an. Wie gut Sie darin sind, hängt auch davon ab, wie ausgereift Ihre Persönlichkeit ist. – – – – –

Selbsttest: Erkennen, ob ich wirkungsvoll führe

Gibt es Leute, die Ihnen freiwillig folgen? Fühlt Führung sich für Sie stimmig und natürlich an? Was glauben Sie: Sind Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stolz darauf, bei Ihnen in der Bibliothek arbeiten zu dürfen? Sind Sie gut drauf? Sind Sie autonom? Lassen Sie anderen ihre Autonomie?



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Woran erkenne ich, ob ich gut führe? 

Die Vorbildfunktion von Führung sollten Sie im Bewusstsein haben und als Potential nutzen. Körperhaltung bewusst eingesetzt, beinhaltet ein starkes Potential, Ihre Führungsfunktion zu unterstreichen. Für nachhaltige Motivation sind Autonomie, das Erleben von Flow, Sinn und die Möglichkeit, immer besser zu werden, wichtig. Die eigene Haltung zur Führungsaufgabe und zu den anderen Menschen ist wichtiger als jede denkbare Methode.

Weiterführende Literaturtipps

Die Handlungskaskade zur Vorbereitung von Entscheidungen: Schneider, Johann; Grundlagen des Handelns – Die Handlungskaskade, www.active-books.de, Junfermann, Paderborn, 2011 Eine sehr anregende und eingängig zu lesende Managementfibel: Lundin, Stephen C.; Paul, Harry; Christensen, John; FISH – Ein ungewöhnliches Motivationsbuch; Redline Wirtschaft, Frankfurt/Wien, 2001

Tipps zum Mitnehmen aus dem Kapitel

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9  Meine Bibliothek erfolgreich durch den Wandel führen 9.1 Kreativität entwickeln

Zitate: „Echte Kreativität erkennt man daran, dass sie unwillkommen ist.“ (Sprenger 2000, S. 50)

„Angst und fehlende Freiräume können Kreativität stark hemmen.“ „Kreativ zu sein heißt, Neues zu schaffen, das möglichst originell sein soll, sich also deutlich vom Bestehenden entfernt. Diese Abweichung von der Norm, von den Standards des Gewohnten erfordert Mut und noch mal Mut.“ „…… wie groß die Sorge ist, man könne sich vor den anderen blamieren, etwas Unrealistisches oder gar Unmoralisches sagen – und sich lächerlich machen. Schließlich werden wir ja in der Berufswelt als Experten gesehen, die sich am Machbaren zu orientieren haben.“ (Thesen der Gesellschaft für Kreativität e.V., in: Mehlhorn 2010, S. 293ff)

Checkliste: Kreativität im eigenen Umfeld fördern

Kreativität wird im Zusammenhang mit Wandel und Innovationen auf vielfältige Art gebraucht. Wenn Dinge sich ändern, brauchen wir nicht nur Ideen für neue Angebote, sondern auch Kreativität, um das Neue einzuführen, etwa weil neue Prozesse benötigt werden. Wenn wir Neues wagen wollen, Neues ausprobieren wollen, so müssen wir neue Wege beschreiten. Als Führungskraft, die Wandel fördern oder auf informellem Wege voranbringen möchte, sollten Sie Kreativität daher in Ihrem Umfeld fördern und zulassen, auch wenn Querdenker und „verrückte“ Ideen manchmal unbequem sein können. Die Faktoren, die Kreativität beeinflussen und mit denen Kreativität gefördert werden kann, können in drei Bereiche eingeteilt werden: –– Person: Sie müssen u.a. dafür sorgen, dass Stress, Angst und Überanpassung nicht die Kreativität bei den Menschen in Ihrem Umfeld zunichtemachen. –– Prozess: Zur Verbesserung der Kreativität im Prozess können z. B. Kreativitätstechniken eingesetzt werden. –– Umwelt: Wichtig ist die Umfeldgestaltung. Je nachdem, wie das Arbeitsumfeld äußerlich gestaltet ist oder wie die Kultur in Ihrer Bibliothek ist, kann es die Kreativität einschränken oder fördern. Weitere Barrieren, die die Kreativität einer Person einschränken können, sind beispielsweise: – Auffassungsbarrieren. –– Es gelingt nicht, das Problem auf einer abstrakteren Ebene zu formulieren. –– Unklarheit, was das eigentliche Problem ist und was nicht. – Emotionale Barrieren –– Geistige Trägheit, eingefahrenes Denken. –– Kulturelle Barriere, Pflege von Traditionen, gesellschaftliche Schranken und Tabus. –– Desinteresse, Passivität, Widerstand gegen Änderungen. –– Übermotivation. –– Furcht vor Fehlern, Risiko oder Misserfolg, Mangel an Mut bzw. Konfliktbereitschaft. –– Persönliches Wertesystem. – Barrieren der Umwelt –– Soziale und organisatorische Einflüsse, etwa des Systems oder des Arbeitsplatzes. –– Mangel an Kooperationsbereitschaft, persönliche Konflikte, Leistungsdruck, Hierarchie, Routine, etc. (vgl. Koltze/Souchkov 2011, S. 11). Um Kreativität zu fördern, sollten Sie: – Autonomie fördern, – erwachsenes Verhalten fördern, etwa indem Sie Reflektion fördern, – Stress abbauen, – eine gute Umgebung schaffen.



Neues wagen, mit Freiheit, Unterstützung und Struktur  

Viele Menschen meinen, dass sie selbst gar nicht kreativ wären. Dabei kann jeder Mensch kreativ sein! Gerade in Bibliotheken, in denen es bei vielen Berufen ja nicht vordringlich um Kreativität geht, ist dieser Glaube vielleicht besonders verbreitet. Sie messen sich dann an den „Kreativen“ aus Werbeagenturen und meinen, dass sie nicht an deren Kreativität heranreichen würden. Dabei ist mit Kreativität zum einen nicht unbedingt die Form „verrückter“ Kreativität gemeint, die man dabei zum Teil sehen kann, zum anderen bringt jeder Mensch die Fähigkeit zur Kreativität mit. Auch wenn Sie mit handwerklichen Ideen ein bauliches Problem in der Bibliothek beheben, ist Kreativität im Spiel. Die meisten Menschen sind viel kreativer, als sie glauben. Daher kann es sehr hilfreich sein, wenn Sie Ihre Mitmenschen in Ihrer Bibliothek zur Kreativität ermutigen. Im Zulassen und Erlauben von Kreativität, gepaart mit dem Vermitteln von Zutrauen in die kreativen Fähigkeiten der anderen Menschen liegt der Schlüssel zum Erfolg für Kreativität. Mit engen Zielvorgaben, starkem Druck und Kontrolle wird man hier kaum Brauchbares erreichen. Wichtig ist hingegen das Ermöglichen von Kreativität. Dass Kreativität erwünscht ist, kann u.a. vermittelt werden, indem die äußere Umgebung verspielter gestaltet wird und so diese Erlaubnis ausdrückt. Auch das Erlernen und Anwenden von Kreativitätstechniken für Problemlösungsprozesse kann verdeutlichen, dass Kreativität erwünscht ist, und gleichzeitig die Kreativität trainieren. Bei allen Bemühungen sollte allerdings nicht übersehen werden, dass die wenigsten Ideen in Sitzungen „erzwungen“ werden können. Vielmehr entstehen sie oft genau dann, wenn es gar nicht darum geht, eine Idee zu entwickeln. Wenn man entspannt ist, trifft einen „wie aus dem Nichts“ ein Geistesblitz – und da ist sie: Die Idee zur Lösung eines Problems, mit dem man sich schon seit Tagen beschäftigt. Passieren kann dies nur, wenn man sich explizit um solche Freiräume kümmert.

9.2 Neues wagen, mit Freiheit, Unterstützung und Struktur Als Führungskraft habe ich dafür Sorge zu tragen, dass Innovation und Wandel im Alltagsgeschäft nicht zu kurz kommen. Wer, wenn nicht ich, sollte sonst dafür verantwortlich sein? Leider ist es so, dass sich viele Führungskräfte „bis unter die Decke“ mit Alltagsgeschäft „zuschaufeln“ und dann selbst nicht zum Reflektieren über notwendigen Wandel kommen; ein schlechtes Vorbild für die Gestaltung von Wandel. Planen Sie daher regelmäßig Zeiten zum Reflektieren und Zeiten für die Vorbereitung von Innovation in Ihren eigenen Kalender ein. Sorgen Sie dafür, dass es Termine gibt, an denen Ihre ganze Abteilung, Ihr Team oder die ganze Bibliothek sich gemeinsam dafür Zeit nimmt. Sorgen Sie für einen sich stetig wiederholenden Rhythmus, der Neues in Ihrem Alltag etabliert. Das kann für den Anfang z. B. eine jährliche Klausur sein. Später können Termine in kürzeren Abständen dazu kommen – in wöchentlichen oder monatlichen Abständen. Grundlage für Neues sind Freiräume im Alltag, um über den Wandel zu reflektieren und dann handeln zu können. Wir werden dann nicht vom Alltag überrollt, sondern können proaktiv handeln. Wenn wir uns der vermeintlichen „Gefahr“ des Wandels stellen, sie beachten, ihr Zeit einräumen, so gibt uns dies die Möglichkeit, mit ihr umzugehen. Es bringt nichts, wegzusehen oder wegzurennen. Unsere Umwelt wandelt sich und so müssen auch wir uns permanent wandeln. Leben ist Wandel. Wer sich dem Wandel stellt, gewinnt. Wer davor die Augen schließt, beraubt sich der Möglichkeit, zu handeln.

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Zitate: „Wenn Du eine Idee in die Welt setzen möchtest, musst Du erst verstehen, dass Du das Auto bist und dass der Motor, der Dein Auto antreibt, Deine Leidenschaft dafür ist, etwas Neues in die Welt zu bringen. Nur wenn das der Fall ist, machen Tools und Techniken irgendeinen Sinn.“ (Dittkoff 2008, S. 73 [Übersetzung der Autorin])

„Managen von Kreativität, so fand ich heraus, bedeutet im Grunde, das meiste von dem, was wir über Management wissen, auf den Kopf zu stellen.“ (Sutton 2005, S. 7)

„Kreativität ist entwicklungsfähig und kann durch Einsicht, Erleben und Üben wie jede andere Fähigkeit gefördert werden.“ (Thesen der Gesellschaft für Kreativität e.V., in: Mehlhorn 2010, S. 293ff)

„98% der Ideen wurden außerhalb von Meetings generiert, z. B. beim gemeinsamen Kaffee, Duschen oder Joggen.“ (Gassmann 2011, S. 16)

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 Meine Bibliothek erfolgreich durch den Wandel führen

Beachten Sie dabei auch, die „Macht“ der Organisation. Organisationen führen eine Art „Eigenleben“ und sind i.d.R. äußerst wandlungsresistent. Über Jahre und Jahrzehnte eingeschliffene Verhaltensweisen, Werte und Traditionen der Organisation bleiben sonst bestehen und können sich dem Wandel in den Weg stellen. Organisationsentwicklung ist daher auch unter diesem Gesichtspunkt ein Thema, dem Sie große Aufmerksamkeit schenken sollten. Zur Organisationskultur gehört auch ein guter Umgang mit Scheitern. Wird Scheitern nämlich bestraft, so kann allein dies schon Ängste wecken. Scheitern ist kein Anzeichen für Erfolglosigkeit. Es ist mit vielen Neuerungen und dem Lernen im Allgemeinen natürlicherweise verbunden. Oft genug ist Scheitern vorübergehend und gehört zum Leben dazu. Haben die Beteiligten allerdings die Sorge, im Falle des Misserfolgs einer Neuerung, einen „auf den Deckel“ zu bekommen, so werden sie wenig motiviert sein, eine tragende Rolle in diesem Zusammenhang zu übernehmen. –

Checkliste: Guter Umgang mit Scheitern

Zitat: „Leute, die keine Risiken eingehen, machen im allgemeinen ungefähr 2 große Fehler im Jahr, Leute die Risiken eingehen, machen im allgemeinen ungefähr 2 große Fehler im Jahr.“ (Peter Drucker [Übersetzung der Autorin])

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Feedback und Fehlertoleranz: Offene und faire Feedback-Kultur etablieren, die es ermöglicht, sich positiv weiterzuentwickeln. Fehler sind normal und keine persönlichen Misserfolge. Scheitern feiern: Es ist eine Möglichkeit, um daraus zu lernen! Anerkennen, dass das Abbrechen von Projekten eine wichtige Aufgabe ist und viel Geld und Ressourcen sparen kann, die für erfolgsversprechende Projekte eingesetzt werden können, insbesondere, wenn es früh geschieht.

Für eine innovationsfreundliche Haltung und einen guten Umgang mit dem Scheitern ist es wichtig, nicht in die „Perfektionismusfalle“ zu geraten. Übertriebener Perfektionismus kann die Arbeitsfähigkeit Einzelner sehr einschränken, weil sie dann nicht „lieferfähig“ sind und Neuerungen verhindern. Personen, die davon betroffen sind, tragen in sich oft die Überzeugung „Ich muss perfekt sein (um OK zu sein)“. Dies führt zu Unzufriedenheit, selbst mit guter Arbeit, und übermäßigen Investitionen von Zeit und Anstrengung in Arbeiten, in dem Glauben, irgendwann perfekt zu sein. Mit Innovationen kann außerdem eine tiefsitzende Angst vor dem Scheitern verbunden sein. Denn Innovationen sind per se in den seltensten Fällen perfekt. Perfektionismus hat auch positive Seiten, wie den Sinn für Vollkommenheit. Dies anzuerkennen, hilft, ihn auf ein gesundes Maß zurückzuführen. Es ist vollkommen ausreichend, wenn Sie 80% der Leistung bringen. Das reicht aus, um die Erwartungen zu erfüllen. So wird die Person wieder arbeitsfähig und traut sich vielleicht auch mal „nicht perfekte“ Ideen auszusprechen und „nicht perfekte“ Innovationsprojekte umzusetzen. Perfektionismus ist in Bibliotheken vermutlich stark verbreitet – passt er doch gut zu dem detailgetreuen Arbeiten, das für manche Aufgaben benötigt wird. Zu viel davon kann jedoch allzu leicht Innovationen verhindern. Die Option, nicht zu handeln, bietet außerdem nur eine scheinbare Sicherheit. Wenn Sie nichts tun, können Sie ebenso scheitern. Als Führungsperson ein Bewusstsein dafür zu haben, wie man selbst zum Wandel steht, ist hilfreich, um sich selbst zu hinterfragen und die eigene Führungsfähigkeit in diesem Punkt zu erhalten. In Kapitel 3 wurde gezeigt, dass es verschiedene Persönlichkeitstypen gibt und dass Menschen sich u.a. hinsichtlich ihrer Offenheit für neue Erfahrungen unterscheiden. Manche legen eine große Offenheit an den Tag, während andere zu einem sehr konservativen Verhalten neigen. Entsprechend unterscheiden sie sich in Bezug auf ihre Offenheit für Innovationen und Wandel. Sind Sie eine Person, die nicht so offen für neue Sachen ist, wird es Ihnen eventuell schwerer fallen, die Führung in Wandlungsprozessen zu übernehmen. Bei vielen Menschen erzeugen Offenheit und Ungewissheit, die der Wandel mit sich bringen kann, Ängste, ebenso bei Führungskräften, auch wenn sie sich dies nicht



Schwierige Klippen im Wandel gekonnt umschiffen 

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eingestehen. Sie brauchen die Bereitschaft, sich Ihre eigene Angst anzuschauen, um mit den möglicherweise ambivalenten Gefühlen, die der Wandel bei Ihnen auslöst, umgehen zu können. Nur so bleiben Sie handlungsfähig und rutschen nicht in eine passive Haltung. Eigene Existenzängste können berechtigt sein. Schauen Sie sich an, wodurch die Existenz Ihrer Bibliothek bedroht sein könnte, so können Sie dazu beitragen, ihre Zukunft zu sichern. Zum Teil richten sich Widerstände von Führungskräften auch gegen bestimmte geplante Maßnahmen. Würde eine organisatorische Veränderung etwa den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mehr Autonomie einräumen, wäre es denkbar, dass Führungskräfte einen Verlust ihrer Macht oder einen Kontrollverlust fürchten. – – – –

Haben Sie es gerne, wenn alles immer beim Alten bleibt? Probieren Sie gerne etwas Neues aus? Wie gehen Sie selbst im Allgemeinen mit Veränderungen um? Wie stehen Sie zu der geplanten Veränderung?

Wenn Sie als Führungskraft Erfolg haben wollen, müssen Sie sich über solche Fragen in Bezug auf sich selbst im Klaren sein. Wenn Sie selbst nicht voll hinter dem Wandel stehen, dann ist es schwierig, als Vorbild zu agieren und andere davon zu überzeugen. – – – – –

Führung hat eine Vorbildfunktion: Wie geht die Führung mit Innovationen um? Geht sie voran? Formulierung einer Vision: Den Sinn des Wandels kommunizieren, ein erstrebenswertes Bild der Zukunft zeichnen. Erreichbare und messbare Zwischenschritte einplanen, damit das Ziel erreichbar wird und der Fortschritt systematisch geplant werden kann. Setzen von Zielen bzw. Verantwortlichkeit für den Prozess der Zielbestimmung. Erreichbarkeit und Erreichung des Ziels sicherstellen.

Selbsttest: Bin ich selbst innovationsfreundlich?

Checkliste: Aufgaben von Führung bei Innovationen

9.3 Schwierige Klippen im Wandel gekonnt umschiffen Problematische Verhaltensweisen auf individueller Ebene lassen sich ebenso auf Organisationsebene beobachten und können sich negativ auf den Wandel auswirken. Die Folge: Die gesamte Organisation oder zumindest die meisten Menschen in der Organisation werden davon „infiziert“: Überanpassung, Skriptverhalten, Symbiosen können auch auf die Organisationsebene übertragen Innovationshürden darstellen. Insbesondere passives Verhalten kann immer wieder ein Hindernis darstellen, wenn man den Wandel in Bibliotheken vorantreiben möchte. Im Kontext von Wandel können die vier Stufen passiven Verhaltens folgendermaßen aussehen: 1. Die Existenz eines Problems wird geleugnet: „Wieso sollten wir etwas ändern, es gibt doch gar kein Problem.“ 2. Die Bedeutung eines Problems wird heruntergespielt: „Ach, die paar unzufriedenen Kunden, … Das waren doch nur Einzelfälle!“ 3. Das Problem wird als unvermeidbar, nicht anders lösbar dargestellt: „Der OPAC sieht halt aus, wie er aussieht. Vielleicht ist er nicht optimal gestaltet, aber da kann man halt nichts machen.“ 4. Die Möglichkeit, sich anders zu verhalten, wird geleugnet: „Tut mir leid. Wenn Kollege xy das nicht machen will, bin ich machtlos.“

Zitat: „Solange nämlich die Betroffenen rundum zufrieden sind, ihre Situation für selbstverständlich oder für unveränderbar halten, fehlt grundsätzlich die Voraussetzung für eine Veränderung. Diese Ruhe gilt es zu destabilisieren, zum Beispiel mithilfe von Szenarien über die zukünftige Entwicklung, die echte Überlebensängste aufkommen lassen. Zum anderen geht es darum, die Betroffenen dort abzuholen, wo sie sind. Um für den Prozess der Sensibilisierung das richtige Vorgehen wählen und die Betroffenen dort abholen zu können, wo sie sich befinden, muss man sich ein Bild über ihre Ausgangssituation machen.“ (Doppler 2011, S. 25 f.)

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 Meine Bibliothek erfolgreich durch den Wandel führen

Zitate: „Es ist überlebenswichtig, Routinen immer wieder aufzubrechen, die Strukturen im Unternehmen regelmäßig infrage zu stellen, die Leute von den Stühlen zu schieben. Es ist wie das Aufwärmen vor dem Laufen: Es lockert die Bänder. Auch wenn es scheinbar widersinnig klingt: Störung ist per se ein Wert. In erfolgreichen Firmen ist die Revolution permanent.“ (Sprenger 2000, S. 200) „Es gibt in der Praxis kein Lernen und keine Veränderung ohne Widerstand.“ (Doppler/Lauterburg 2008, S. 336)

Um dem Problem zu begegnen, dass Wandel von Anfang an durch passives Denken torpediert wird, ist es wichtig, gezielt dafür zu sorgen, dass das innere Gleichgewicht der Organisation gestört wird. Oft genug ist dies ein Zustand der Selbstzufriedenheit, der dazu führt, dass sich nichts ändert. Als im Wandel führende Person sollten Sie sich über die Organisationskultur Gedanken machen: Was kann ich machen, um eine Kultur des Wandels und des permanenten Lernens zu etablieren? Veränderungsbereitschaft, Veränderungsfähigkeit und Veränderungsmöglichkeit systematisch zu fördern, ist Ihre Aufgabe. Dafür muss das System, die ganze Bibliothek, angestoßen und irritiert werden, um für Veränderungen „aufgeweckt“ zu werden. Eventuelle Barrieren auf individueller Ebene und auf der Ebene der Organisation, die dem Wandel entgegenstehen, müssen aufdeckt und angegangen werden.

9.4 Wandel und Widerstand: Zwei Seiten einer Medaille Passives Denken und Verhalten ist eine Möglichkeit, wie sich Widerstand gegen Wandel in der Praxis äußern kann. Es ist eine normale Reaktion, wenn Wandel mit Widerstand verbunden ist. Fallbeispiel:

Beispiel:

Es konnte doch nicht angehen: Eigentlich war doch allen schon seit Jahren klar, dass es so nicht weitergehen konnte. Und doch: Nichts tat sich. Ein Workshop nach dem anderen, eine neue Strategie, ein neues Leitbild, ein neues Veränderungsprojekt: Alles zog ins Land und doch tat sich nichts Grundlegendes. Gundlach hatte den Eindruck, dass alle seine Initiativen wirkungslos verpufften. Viel Energie hatte er hineingesteckt – und dabei verloren. Wofür war er eigentlich Bibliotheksdirektor geworden, wenn sein Einfluss anscheinend gegen Null tendierte? Wie sollte es weitergehen? Sollte er noch einmal mit dem Norstein sprechen, dass er doch etwas ändern möge. Oder die Christiani anflehen, doch, bitte, bitte endlich das lange versprochene und verschobene Projekt ins Laufen zu bringen? Er spürte instinktiv, dass er auf diesem Wege nur noch mehr Kraft verlieren würde – mehr Kraft als er hatte – und dass auch diese Initiative verpuffen würde. Er spürte, wie machtlos er im Grunde war – und wie mächtig seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Resignieren? So durfte es nicht weitergehen. Er musste einen neuen Weg einschlagen. Eine grundlegend andere Strategie wählen. Nur welche?

Widerstände können sich ähnlich wie Konflikte äußern. Wie dies neben passivem Verhalten aussehen kann, zeigt die folgende Checkliste. Anzeichen für Widerstand bei Einzelpersonen oder kleinen Gruppen sind: Checkliste: Anzeichen für Widerstand

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Die Arbeit gerät ins Stocken und wird lustlos ausgeführt. Arbeiten werden verbummelt oder verschleppt. Es wird herumgeblödelt und lange über Nebensächlichkeiten diskutiert. Peinliche Schweigepausen und betretene Gesichter lassen sich beobachten. Es herrscht auffallende Zurückhaltung und Ratlosigkeit. Klare Fragen werden mit unklaren Antworten beantwortet. Viele Antworten lassen sich nicht richtig „einordnen“ (vgl. Doppler/Lauterburg, 2008, S. 338).

Anzeichen für Widerstand auf Organisationsebene sind: – – – –

„hoher Krankenstand, hohe Fehlzeiten- und Fluktuationsraten; Unruhe, Intrigen, Gerüchtebildung; Papierkrieg, interner Verkehr per Memo mit ellenlangen Verteilern; Hoher Ausschuss, Reibungsverluste, Pannen.“

(Doppler/ Lauterburg 2008, S. 338)



Souverän mit Widerständen umgehen 

Widerstände entstehen, weil sich jede betroffene Person in Anbetracht von Veränderungen zumindest unbewusst drei einfache Fragen stellt: 1. „Warum und wozu das Ganze?“ 2. „Kann ich das?“ 3. „Will ich das?“ (vgl. Doppler/Lauterburg 2008, S. 339 f.) Auch Sie persönlich werden sich diese Fragen stellen. Eine Person, die diese Fragen nicht bejahen oder beantworten kann, wird Widerstände gegen die geplante Maßnahme entwickeln. Welche Ursachen haben Widerstände? –– Gründe und Ziele einer Maßnahme werden nicht verstanden. Möglicherweise wurden sie nicht gut kommuniziert. –– Es gibt kein Vertrauen in das, was kommuniziert wird. –– Ängste bestehen, die mit einer geplanten Maßnahme verbunden sind, etwa Angst vor dem Versagen oder die Angst, nicht mehr gebraucht zu werden. –– Es ist keine Bereitschaft vorhanden, den geplanten Weg mitzugehen, oder es mangelt an der Fähigkeit dazu bei den Beteiligten. Der Umgang mit Widerständen erscheint uns zum Teil deshalb schwierig, weil dabei so viele Gefühle involviert sind und wir vor dem Umgang mit Gefühlen vielleicht zurückschrecken. Auch die Betroffenen zögern meistens vermutlich, offen über ihre Gefühle zu sprechen. Sie antworten oft eher ausweichend, als direkt zu benennen, worum es ihnen geht, bzw. es ist ihnen oft selbst nicht bewusst. Insofern wird man hier mit einer schlichten Befragung kaum weiterkommen. Wie kann ich denn gut mit Widerständen umgehen, wenn die Frage danach nicht ausreicht?

9.5 Souverän mit Widerständen umgehen Dafür müssen Sie erst einmal bei sich selbst anfangen und sich selbst im Wandel gut führen. Ihre eigene Haltung ist gerade in dieser Situation wichtiger als jede Aktion, die Sie starten könnten. Sonst kann es allzu leicht passieren, dass Sie selbst verborgene Motive haben, die Ihr Handeln beeinträchtigen, weil sie Ihnen nicht bewusst sind. Außerdem ist es wichtig, bewusst und mit Ruhe vorzugehen und den Wandel nicht übers Knie brechen zu wollen. Es bringt nichts, von heute auf morgen alles ändern zu wollen, vorhandenes niederzuwalzen und alles mit „Gewalt“ neu machen zu wollen. Was können Sie als Führungskraft tun, um selbst behutsam zu sein und den Wandel nicht zu gefährden? Zunächst einmal: Dafür sorgen, dass Sie selbst nicht unter Druck stehen. Wenn es Ihnen gut geht, Sie den Kopf frei haben und klar sehen können, so können Sie mit einem guten Gefühl im Wandel voranschreiten und von anderen als Vorbild wahrgenommen werden. Gehen Sie selbst gut mit Stress um, sorgen Sie dafür, dass Sie nicht in ein überangepasstes Verhalten rutschen, und sind in einem Erwachsenen-Ich-Zustand, so können Sie die anderen gut im Wandel führen. Für Probleme, die mit einiger Wahrscheinlichkeit auftauchen werden, sind Sie gut gerüstet. Es „schockiert“ Sie dann nicht so, wenn Hindernisse auf dem Weg auftauchen, sondern Sie können gelassen damit umgehen, wenn andere Personen Widerstände haben. Schließlich können Sie sich, wenn Sie gut drauf sind, auch gut abgrenzen und

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Zitate: „Von Widerstand kann immer dann gesprochen werden, wenn vorgesehene Entscheidungen oder getroffene Maßnahmen, die auch bei sorgfältiger Prüfung als sinnvoll, ,logisch‘ oder sogar dringend notwendig erscheinen, aus zunächst nicht ersichtlichen Gründen bei einzelnen Individuen, bei einzelnen Gruppen oder bei der ganzen Belegschaft auf diffuse Ablehnung stoßen, nicht unmittelbar nachvollziehbare Bedenken erzeugen oder durch passives Verhalten unterlaufen werden.“ (Doppler/Lauterburg 2008, S. 336)

„Wenn normal intelligente und nicht verhaltensgestörte Menschen sich gegen sinnvoll erscheinende Maßnahmen sträuben, dann haben sie irgendwelche Bedenken, Befürchtungen oder Angst. Mit anderen Worten: Man hat es nicht mit sachlichen Überlegungen oder logischen Argumenten, sondern mit Emotionen, das heißt mit Gefühlen zu tun.“ (Doppler/Lauterburg 2008, S. 337)

„Zum anderen kann es sein, dass die Betroffenen durchaus konkrete Befürchtungen haben, es jedoch aus Angst, jemanden zu verletzen oder selbst in ein schiefes Licht zu geraten, peinlich finden würden, darüber zu sprechen. Auch in diesem Falle wird es auf dem Wege einer klaren Frage und einer direkten Antwort kaum gelingen, die eigentlichen Ursachen des Problems zu ermitteln.“ (Doppler/Lauterburg, 2008, S. 337 f.)

„Das gefährlichste Hindernis liegt nicht im Widerstand der Betroffenen – sondern in der gestörten Wahrnehmung und in der Ungeduld der Planer und Entscheider.“ (Doppler/Lauterburg, 2008, S. 346 f.)

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 Meine Bibliothek erfolgreich durch den Wandel führen

Zitate: „Wenn Manager einmal überzeugt sind, den richtigen Weg gefunden zu haben, ertragen sie es sehr schlecht, wenn ihnen die Mitarbeiter keine Gefolgschaft leisten. Ihr Ärger, ihr Selbstmitleid, ihre Ungehaltenheit und ihr Handlungsdruck sind die schwierigsten und letztlich die einzig wirklich gefährlichen Hindernisse auf dem Weg zu einvernehmlichen Lösungen. Mit anderen Worten: Der kritische Faktor im Umgang mit Widerstand ist letztlich der Umgang mit sich selbst.“ (Doppler/Lauterburg 2008, S. 347)

„Es ist für den Fortgang eines Veränderungsprojekts von entscheidender Bedeutung, dass Widerstand – in welcher Form auch immer – rechtzeitig erkannt und richtig beantwortet wird. Wenn dies nicht der Fall ist, kommt es zu ernsthaften Verzögerungen, schwerwiegenden Blockaden und kostspieligen Fehlschlägen. Konstruktiver Umgang mit Widerstand ist deshalb einer der zentralen Erfolgsfaktoren beim Management von Veränderungen.“ (Doppler/Lauterburg, 2008, S. 336)

fühlen sich durch Widerstände und Konflikte nicht gleich in Ihrem tiefsten Inneren verletzt. Im Folgenden wird dargestellt, wie Wandel systematisch angegangen und kommuniziert werden kann, und so Widerständen vorgebeugt oder mit ihnen umgegangen werden kann.

9.6 Wandel systematisch und mit Überblick gestalten Eine systematische Situationsanalyse ist eine wichtige Grundlage für erfolgreiche Veränderungsprozesse. Sie kann helfen, alles, was im Zuge des Wandels zu bedenken ist, zu planen und mögliche Ursachen für Widerstände und damit Ansatzpunkte für gelungene Kommunikation zu finden. Für die Situationsanalyse kann das Prozesssteuerungsmodell sehr hilfreich sein:

Vision

Personen

übergeordnetes Ziel

Methode n/ Praxis

Umfeld

Rolle(n) Abb. 20: Prozesssteuerungsmodell (leicht modifiziert nach Schneider 2001: S. 97 ff.)

Die einzelnen Bereiche des Prozesssteuerungsmodells werden im Folgenden in Hinblick auf Veränderungsprozesse erläutert.

9.6.1 Übergeordnetes Ziel Im Zentrum des Prozesssteuerungsmodells steht das „übergeordnete Ziel“. Mit ihm verbunden ist die Frage, welchem übergeordneten Ziel die geplanten Veränderungen dienen. Das übergeordnete Ziel können Sie mit der Frage präzisieren, welches Ziel



Wandel systematisch und mit Überblick gestalten 

hinter dem kommunizierten Ziel steht. Diese Frage müssen Sie gegebenenfalls mehrfach stellen, bis Sie auf die tiefer gelegene Ebene gekommen sind und das übergeordnete Ziel kommunizieren können. Schließlich stellen geplante Veränderungen i.d.R. keinen Selbstzweck dar, sollten sie zumindest nicht, sondern dienen beispielsweise der Zukunftssicherung der Bibliothek und der Sicherheit der Arbeitsplätze. Diese Aspekte können bei der Kommunikation der Veränderungen aufgegriffen werden. Die Frage nach dem übergeordneten Ziel hilft somit, die eigentlichen Gründe für Veränderungen zu identifizieren und damit kommunizierbar zu machen. Die Gründe für Veränderungen betreffen oft die Entwicklung der Gesamtorganisation und erscheinen aus der Sicht einzelner Personen mitunter nicht als sinnvoll.

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Zitat: „Für den Einzelnen ist das Risiko einer Innovation meistens zu groß und damit sinnlos. Für die Summe aller Mitarbeiter (…) ist kalkuliertes Risiko jedoch die erfolgversprechendste Strategie zur langfristigen Bestandssicherung.“ (Groh 2010, S. 244)

9.6.2 Umfeld Auch das Umfeld, in welchem sich Veränderungen abspielen, hat einen großen Einfluss auf die Veränderungsbereitschaft. In diesem Zusammenhang spielt insbesondere die in Kapitel 8 angesprochene Organisationskultur in der Bibliothek eine wichtige Rolle. Je nachdem, wie sie ausgestaltet und gelebt wird, kann sie den Wandel eher befördern oder behindern. Ganz allgemein lässt sich festhalten, dass Organisationen oft dem Wandel hinderlich im Weg stehen. Denn Organisationen als solche streben meist nach Aufrechterhaltung des Status Quo und behindern damit beispielsweise einen notwendigen Wandel der Organisationskultur. Zur Umfeldanalyse können folgende Fragen aufschlussreich sein: – Wie ist das Umfeld für Innovationen gestaltet? Wie sehen bei Ihnen Organisationsstruktur und Organisationskultur aus? – Könnten aus dem Umfeld Widerstände entstehen? – Können sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einbringen und entfalten? Gibt es Freiräume? – Ist eine Weiterentwicklung der Organisation notwendig, um Innovationen zu fördern? – Werden Betroffene zu Beteiligten gemacht?

Checkliste: Umfeldanalyse

9.6.3 Personen Die Betrachtung der einzelnen Personen mit ihren Wünschen und Bedürfnissen ist von elementarer Bedeutung für eine gute Gestaltung der Kommunikation. Meist sind es weniger rationale Gründe, sondern eher emotionale Barrieren, die Veränderungsprojekte ins Stocken geraten lassen. Dennoch sollte geprüft werden, ob es rational begründbare, berechtigte Bedenken der Betroffenen gibt, die bislang nicht berücksichtigt wurden und die gegen die Veränderung sprechen oder die bei ihrer weiteren Umsetzung berücksichtigt werden sollten. Emotionale Barrieren können beispielsweise dadurch entstehen, dass jemand Angst hat, aufgrund mangelnder Qualifikationen nicht in der Lage zu sein, mit den Veränderungen Schritt zu halten. Ein weiterer Grund könnte sein, dass er oder sie aufgrund mangelnder Informationen über die Veränderungen befürchtet, dass sich die eigene Position durch die Veränderungen verschlechtern könnte. Einen Überblick über emotionale Barrieren gibt die folgende Abbildung.

Zitat: „Und jeder Mitarbeiter muss auch ein Innovator sein.“ (Förster/Kreuz 2009, S. 41)

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 Meine Bibliothek erfolgreich durch den Wandel führen Emotionale Barrieren bei Veränderungsprojekten Emotionale Barrieren

Überforderung (Qualifikationsdefizit)

Idee

Unkenntnis (Informationsdefizit)

Innovation

Ohnmacht (Organisationsdefizit)

Schlechterstellung (Motivationsdefizit) (Quelle: Marcus Disselkamp ; Innovationsmanagement – Instrumente und Methoden zur Umsetzung Abb. 21: Emotionale Barrieren bei Veränderungsprojekten (Disselkamp 2005, S. 213) im Unternehmen; Gabler, 2005, S. 213)

Für einen guten Umgang mit emotionalen Barrieren, der geeignet ist, den Veränderungsprozess voranzutreiben, sind Einzelgespräche sinnvoll. Zur Vorbereitung ist es hilfreich, sich für jede betroffene Person individuell folgende Fragen zu überlegen – und im Gespräch mit ihr zu klären: –

Checkliste: Fragen zu emotionalen Barrieren

– – –



Was könnte sich für diese Person im Zuge der Veränderung ändern? Was steht für sie auf dem Spiel? Was hat sie Positives zu erwarten? Was könnte negativ für sie sein? Welche emotionalen Barrieren könnten bei dieser Person eine Rolle spielen? Wie könnte die Person unterstützt werden? – Könnten ihr beispielsweise Personalentwicklungsmaßnahmen angeboten werden, damit sie Fähigkeiten und Fertigkeiten erwerben kann, um mit dem Wandel Schritt zu halten? – Sollten organisatorische Veränderungen ergriffen werden? Andernfalls könnten beispielsweise die Personalentwicklungsmaßnahmen leicht verpuffen, wenn sie nicht mit passenden Organisationsentwicklungsmaßnahmen verknüpft werden, die es ermöglichen, die neu erlernten Fähigkeiten überhaupt einzusetzen. Wie könnte eine neue Perspektive für die betroffene Person aussehen?

Wahrscheinlich treffen Sie in Ihrem Umfeld auch auf Personen, die sich in ihrer Opferrolle bzw. ihrer Passivität „komfortabel“ eingerichtet haben. Personen, die sich möglicherweise über alles beklagen, aber sich gegen jeglichen Wandel wehren. Hier ist es wichtig, sie immer wieder im Erwachsenen-Ich-Zustand anzusprechen und mit Fragen zu versuchen, sie dorthin zu holen.



Wandel systematisch und mit Überblick gestalten 

9.6.4 Rolle In Organisationen ist das Thema „Rollen“ generell von großer Bedeutung. Auch Widerstände resultieren leicht aus Rollenkonflikten oder sich verändernden beruflichen Rollen. In Zusammenhang mit Veränderungen ist es sinnvoll, die eigene Rolle hierbei zu reflektieren und die der anderen Personen. Schließlich stellt die eigene Rolle einen der bedeutendsten Faktoren für den Erfolg von Veränderungen dar. Für die emotionale Barriere der „Angst vor Schlechterstellung“ kann die Rolle der betroffenen Person in der Organisation zudem von herausragender Bedeutung sein. Insofern lohnt sich eine nähere Auseinandersetzung mit den Organisations- und Professionsrollen (siehe dazu auch Kapitel 5). Im Laufe von Veränderungsprozessen kann es geschehen, dass alte Organisationsrollen wegfallen oder sich ändern oder dass neue Organisationsrollen auf jemanden zukommen. Das kann mit (gefühlten) Prestigeverlusten verbunden sein. Genauso kann eine Überforderung durch die neue Rolle oder die damit verbundenen Rollenkonflikte entstehen. Insofern ist es wichtig, zu prüfen, inwiefern sich die Organisationsrolle einer Person verändern wird und wie sie beim Umgang mit der Veränderung unterstützt werden könnte. Mit einiger Wahrscheinlichkeit kommt es zu einem Wandel der Professionsrolle einer Person bzw. dieser Wandel könnte angesagt sein. Da die Professionsrolle eng mit der professionellen Identität einer Person verknüpft ist, können tiefgreifende Veränderungen den Kern einer Professionsrolle und damit die eigene Identität in Frage stellen bzw. in eine Krise stürzen. Hat eine Person im Laufe von Ausbildung und beruflicher Tätigkeit ihre Professionsrolle beispielsweise als „Qualitätswächterin für Metadaten“ definiert und es wird ein Crowdsourcing-Projekt zur Metadatenerfassung geplant, so könnte dies den Kern ihrer Identität ins Wanken bringen. Dieses Projekt würde damit aus ihrer Sicht vermutlich große Nachteile für sie bedeuten. Insofern ist es wichtig, sensibel zu schauen, wie sich betroffene Personen beruflich definieren und ob die Veränderungen einen Einfluss darauf haben könnten. Sollte sich ein Einfluss feststellen lassen, so ist zu klären, wie damit gut umgegangen werden kann. Kann die vorhandene Professionsrolle möglicherweise „aktualisiert“ und an neue Gegebenheiten angepasst werden? Im Falle der „Qualitätswächterin für Metadaten“: Könnte es ihrer Professionsrolle gerecht werden, wenn sie weiterhin „Qualitätswächterin für Metadaten“ ist, aber ihre Kompetenzen auf das Feld der Daten ausweitet, die per Crowdsourcing erfasst werden? Vielleicht könnte sie gut die Entwicklung eines Qualitätsmanagementkonzepts für diese Daten übernehmen, und damit ihre wichtige und berechtigte Rolle auch in einer verwandelten Umwelt ausüben? – – – –

Wie sieht Ihre eigene Rolle hier aus? Wie sieht die derzeitige Rolle der betroffenen Person aus? Wie könnte eine neue, zeitgemäße Rolle aussehen? Wie können Sie eine betroffene Person unterstützen, eine neue berufliche Identität zu entwickeln?

9.6.5 Vision Die Existenz und die Kommunikation einer Vision ist wichtig, um auch über aktuell anstehende Veränderungen hinaus eine Vorstellung davon zu entwickeln, wohin sich die eigene Arbeit in Zukunft weiterentwickeln könnte. Wenn wir ungefähr am Horizont erahnen können, wohin die Reise für alle Beteiligten gehen könnte, so gibt dies

Checkliste: Fragen zur Vorbereitung und Klärung der Rolle

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 Meine Bibliothek erfolgreich durch den Wandel führen

Kraft für Veränderungen und Mut für die nächsten Schritte. Das Handeln bekommt Richtung und Sinn, ohne dass dies mit großem Administrations- oder Planungsaufwand verbunden ist. Die Vision sollte daher im Rahmen der geplanten Veränderungen bewusst kommuniziert werden. Checkliste: Fragen, die eine Vision beantworten sollte

– – –

Wo wird es hingehen? Was haben wir davon? Was ist davon für uns erstrebenswert?

9.6.6 Methoden/Praxis Zum Aspekt „Methoden/Praxis“ gehört das konkrete Vorgehen im Veränderungsprozess. Schwerpunktmäßig ist dies hier die Gestaltung des Kommunikationsprozesses. Es empfiehlt sich für die Gestaltung des Prozesses: –– Über Pilotprojekte Wandel in einzelnen Bereichen der Bibliothek anstoßen: Im Idealfall kann dieser Wandel eine „Sogwirkung“ entfachen, weil andere Bereiche sehen, dass es positiv läuft und sie ebenfalls daran partizipieren wollen. –– Die Wahl eines „agilen“ Ansatzes, bei dem auf der Grundlage der gesammelten Erfahrungen in kurzen Zyklen immer wieder das Neue gemeinsam mit den Betroffenen modifiziert wird, kann Vertrauen schaffen. Denn damit steht eine Veränderung nicht unumstößlich für alle Zeiten fest, sondern bietet Raum für eine Überarbeitung, sofern diese notwendig erscheint. Positiv daran kann ebenfalls sein, dass ein „agiles“ Vorgehen indirekt für das Experimentieren im Alltag wirbt und damit den Boden für eine innovationsfreundliche Organisationskultur bereitet. Damit ein derartiger Ansatz Erfolg haben kann, ist es Voraussetzung, dass sich Führungskräfte Zeit nehmen für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und für die Auswertung der mit der Veränderung gemachten Erfahrungen. –– Die Beachtung der einzelnen Bereiche des Prozessteuerungsmodells kann bei der Vorbereitung der Kommunikation hilfreich sein. –– Vormachen, selbst den Wandel vorleben und als gutes Beispiel vorangehen genügt oft schon, damit andere mitziehen. –– Die Definition überschaubarer Zwischenschritte kann Mut für das Bewältigen der Strecke schaffen. Sie erscheint dann nicht so lang und unbezwingbar. Gerade zu Beginn kann es unterstützend wirken, sogenannte „Quick wins“ zu realisieren, um dadurch für das Bewältigen der gesamten Strecke Mut zu gewinnen. –– Erreichte positive Zwischenschritte wahrzunehmen und anzuerkennen, kann Veränderungen positiv bestärken. –– Hoffnung erfahrbar zu machen und damit spürbar zu machen, dass es sich lohnt, an die Zukunft zu glauben, kann Personen ermutigen, den Wandel mitzutragen, weil sie spüren, dass sich das Ergebnis lohnen wird. Wird Wandel mit verschiedenen Sinnen spürbar gemacht, können möglicherweise positive Aspekte entdeckt werden, die im Gespräch nicht zugänglich gewesen wären. Von Wandel zu sprechen, überzeugt oft nicht genügend, auch weil die auditive Wahrnehmung alleine bei den meisten Menschen zum Lernen nicht ausreicht. Werden mehrere Sinneskanäle bedient, etwa zusätzlich die visuelle Ebene, bleibt mehr hängen.



Wandel systematisch und mit Überblick gestalten 

Von herausragender Bedeutung für die Veränderungsbereitschaft ist es, möglichst viel miteinander zu kommunizieren und alle Betroffenen mit einer Vielzahl an Informationen zu versorgen. Ein sehr hilfreiches Instrument für die Gestaltung der Kommunikation bei Veränderungsprozessen stellt erneut die Handlungskaskade von Schneider dar. Sie unterstreicht, wie wichtig es ist, viele Kontextinformationen mitzuliefern. Die Handlungskaskade veranschaulicht, aus welchen Elementen ein gut gestalteter Kommunikations- bzw. Entscheidungsprozess meist, zumindest unbewusst, besteht. Das Bewusstmachen der einzelnen Stufen, die dabei durchlaufen werden, kann die Vorbereitung von Gesprächen oder Entscheidungen wirksam unterstützen und im Falle von Widerständen helfen, diese konstruktiv zu gestalten.

Zitat: „Innovationsbereitschaft entsteht durch die Förderung von massiven Kontextinformationen: ‚Das größte Risiko für unser Unternehmen ist, sich nicht zu ändern‘.“ (Groh 2010, S. 244)

Fallbeispiel: Sie sagen: „Wir schmeißen alle Bücher weg.“ Wie würde Ihr Gegenüber, nehmen wir an, es ist eine Person, die in Ihrer Bibliothek in der Ausleihe tätig ist, auf die Aussage „Wir schmeißen alle Bücher weg.“ reagieren?

Es ist ziemlich wahrscheinlich, dass sie mit Widerständen reagiert. Vielleicht wären es berechtigte Widerstände. Vielleicht gäbe es aber aus ihrer Sicht gute Gründe für diese – fiktive – Veränderung. Wie könnten Sie mit den Widerständen umgehen und die andere Person für Ihr Vorhaben gewinnen oder zumindest den Prozess konstruktiv gestalten? Gehen Sie gedanklich noch einmal einen Schritt zurück: Was machen Sie, wenn Sie sagen „Wir schmeißen alle Bücher weg.“? Sie benennen eine Entscheidung ohne Kontextinformationen mitzuliefern und ohne zu begründen, wie und warum Sie zu dieser Entscheidung gelangt sind. Übertragen auf die Handlungskaskade steigen Sie also bei der letzten Stufe „HANDLUNG“ ein. Vorher haben Sie – zumindest unbewusst – einen ganzen Entscheidungsprozess durchlaufen, den Sie in diesem fiktiven Fallbeispiel aber nicht kommunizieren. Sie haben Reize oder Tatsachen in Bezug auf die Situation, sich selbst oder andere wahrgenommen, eingeschätzt und als bedeutsam eingestuft. In diesem fiktiven Fallbeispiel könnte dies bedeuten, dass Sie wahrgenommen haben, dass Sie immer wieder Werbung für eBooks sehen und dass Sie den Eindruck haben, dass es immer mehr wird. Sie haben die Situation als bedeutsam für sich eingestuft und damit einen Handlungsbedarf für sich feststellt. Im nächsten Schritt haben Sie – vielleicht unbewusst – wahrgenommen, dass das Thema oder Problem der „Wandel der Medienform“ ist. Sie haben es so eingeschätzt, dass gedruckte Bücher bald nicht mehr gefragt sein werden. Dieses Thema haben Sie als bedeutsam und damit handlungsrelevant für Ihre Bibliothek eingeschätzt. Danach haben Sie verschiedene Lösungen oder Handlungsmöglichkeiten eruiert. Eine davon wäre vielleicht gewesen, so weiter zu machen wie bislang. Aber Sie haben sich für die Option „alle Bücher wegschmeißen“ entschieden.

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Beispiel:

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 Meine Bibliothek erfolgreich durch den Wandel führen Handlungskaskade Selbst Andere Situation REIZ/ Tatsachen 1. Wahrnehmen 2. Einschätzen 3. Bedeutsam

Selbst Andere Situation THEMA/ Problem 4. Wahrnehmen 5. Einschätzen 6. Bedeutsam

Selbst Andere Situation

Selbst Andere

LÖSUNGEN/ Handl.mögl. 7. Wahrnehmen 8. Einschätzen 9. Bedeutsam

Situation HANDLUNG 10. Wahrnehmen 11. Einschätzen 12. Bedeutsam Erfolgreich

Abb. 22: Handlungskaskade (leicht modifiziert nach Schneider, 2011, S. 14)

Ob diese fiktive Entscheidung nun richtig war oder nicht, wenn Sie sie ohne weitere Informationen über Ihren Entscheidungsprozess kommunizieren, ist es nur natürlich, wenn sie auf Widerstand bei Ihrem Gegenüber trifft. Denn während Sie sich auf der Handlungskaskade bis zur letzten Stufe „Handlung“ vorgearbeitet haben, steht Ihr Gegenüber vielleicht noch ganz am Anfang der Handlungskaskade und hat die äußeren „Reize“ oder Tatsachen noch gar nicht wahrgenommen oder als relevant eingeschätzt. Möchten Sie ihn oder sie mitnehmen, so sollten Sie darauf achten, auf welcher Stufe der Handlungskaskade er oder sie sich befindet. Dann beginnen Sie kommunikativ ebenfalls auf dieser Stufe und achten Sie darauf, dass Sie mit ihm oder ihr zusammen alle Stufen nacheinander durchlaufen. Natürlich kann als Ergebnis eines guten Prozesses immer noch stehen, dass er oder sie anderer Meinung ist als Sie. Zitat: „Man kann ein Problem niemals mit derselben Denkweise lösen, mit der es entstanden ist.” (Albert Einstein)

In unserem fiktiven Beispiel „Wir schmeißen alle Bücher weg.“ könnten Sie das Durchlaufen der gesamten Handlungskaskade beispielsweise durch folgende Informationen unterstützen: –– Reiz/Tatsachen: „Immer mehr eBooks.“: Wenn Sie viele Informationen zur Entwicklung des Publikationsmarktes zusammentragen, das Recherchieren eigener Informationen dazu, die Formulierung von Positiv- oder Negativ-Szenarien und eigenes Erleben ermöglichen, etwa durch die Bereitstellung von E-Book-Readern, Fortbildungen fördern, die das Wahrnehmen der Veränderungen unterstützen, so kann dies die andere Personen darin unterstützen, die Situation wahrzunehmen. –– Thema/Problem: Dies könnte sein: Wandel der Medienform, Digitalisierung, weniger Bedeutung von Print, die Arbeit ändert sich und damit die Prioritäten: Durch gemeinsames Analysieren der Situation und Fördern der Reflektion kann das Bewusstsein für das Thema bzw. Problem geschärft werden. –– Lösungen/Handlungsmöglichkeiten: Hier ist es wichtig, verschiedene Handlungsmöglichkeiten zu überlegen und in Erwägung zu ziehen, z. B. keine Bücher mehr, nur Online-Ressourcen, mehr Beratung, mehr Bedeutung von Ort und Service. Die verschiedenen Handlungsoptionen sollten transparent hinsichtlich ih-



Gefühle bei Veränderungen und der Umgang mit ihnen 

rer Vor- und Nachteile bewertet werden, um die Entscheidung transparent kommunizieren zu können. –– Handlung: Hier ist es wichtig, zu kommunizieren, warum die Entscheidung für die Wahl dieser Handlungsoption gefallen ist. Dies ist dann möglich, wenn eine transparente Bewertung stattgefunden hat. Für den Umgang mit Widerständen: Schauen Sie zuerst, auf welcher Stufe sich die andere Person befindet und gehen Sie auf diese Stufe zurück. Gehen Sie erst auf die nächste Stufe weiter, wenn ein gemeinsamer Nenner gefunden wurde. Für die Vermeidung von Widerständen: Achten Sie bei der Vorbereitung von Entscheidungen und Gesprächen bewusst auf das Durchlaufen aller Stufen.

Tipp: Praktische Anwendung der Handlungskaskade

9.7 Gefühle bei Veränderungen und der Umgang mit ihnen Das Wichtigste ist, dass Sie sich Zeit für Gespräche nehmen und nicht mal eben schnell zwischendrin den Wandel durchpeitschen wollen. Ihre Offenheit, Ihre gute eigene Verfassung in Gesprächen und die Bereitschaft, sich auf Gefühle und Gegenwind einzulassen, sind eine zentrale Voraussetzung, um den Wandel zu fördern Für einen guten Umgang mit Veränderungen ist es unabdingbar, dass Sie sich – Zeit für Gespräche nehmen, einzeln und in Gruppen. – Dabei geht es in erster Linie darum, gut zuzuhören. – Lassen Sie Gefühle zu und nehmen Sie sie ernst. – Zeigen Sie Unterstützung und wählen Sie offene Worte.

Lassen Sie Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Kolleginnen und Kollegen nicht alleine mit ihren Gefühlen. Wenn Sie zuvor eine vertrauensvolle Beziehung aufgebaut haben, kommt Ihnen das nun zugute, um diese Gefühle zu thematisieren. Das Zulassen und Beachten von Gefühlen ist elementar für den Erfolg von Veränderungsprozessen. Alles versachlichen zu wollen, ist keinesfalls hilfreich, auch wenn dies oft verlockend und einfacher erscheint. Da Veränderungen mit Wandel und zum Teil mit Verlust verbunden sind, können sie die unterschiedlichsten Gefühle auslösen: –– Schmerz –– Ärger –– Angst –– Freude –– Neugierde –– Ohnmacht –– Traurigkeit Diese Gefühle können wie in einer Spirale in Wandlungsprozessen immer wieder durchlebt werden. Für den Umgang mit den „negativen“ Gefühlen ist es u.a. wichtig, zu wissen, dass sie auch eine positive Funktion erfüllen. Im Folgenden wird auf die einzelnen Gefühle und einen möglichen Umgang mit ihnen eingegangen. Ein besonders verbreitetes Gefühl in Zusammenhang mit Veränderungen ist die Angst vor dem Neuen.

Checkliste: Guter Umgang mit Gefühlen im Veränderungsprozess

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 Meine Bibliothek erfolgreich durch den Wandel führen

– – – Checkliste: Umgang mit Angst im Veränderungsprozess – –

Auslöser: Bedrohung. Wie kann Angst sich im Verhalten äußern? Zum Beispiel als „Flucht“, „totstellen“ oder Angriff. Angst ist eine fast unvermeidbare Begleiterscheinung von Veränderungen. Selbst Veränderungen, die Sie selbst angestoßen haben, gehen oft mit Angst einher. Wenn Sie auf einmal neue Sachen machen oder Sachen neu bzw. auf andere Art und Weise machen, so tritt in diesem Prozess fast unvermeidbar auch Angst auf und ist Teil des „Umlernens“. Lassen Sie sich davon nicht entmutigen. Denn Angst ist hier normal. Genauso, wie das Umsetzen von persönlichen Veränderungen auch oft von Alpträumen begleitet ist. Positive Funktion: Schutz. Denn Angst hindert uns beispielsweise daran, unvorsichtig zu werden und den Wandel blauäugig anzugehen. Wie kann ich gut mit Angst umgehen? Angst sollte auf jeden Fall anerkannt und akzeptiert werden. Auf keinen Fall sollten Sie sagen: „Sie brauchen keine Angst zu haben.“ Denn dies würde einen fehlenden Halt für die Person bedeuten und die Angst eher noch steigern. Besser ist es, zu fragen: „Wovor haben Sie Angst?“

Auch Ärger kann eine bedeutende Rolle bei Veränderungen spielen. Oft kann es gerade bei Veränderungsprozessen sein, dass Ärger auftritt, um andere Gefühle zu überdecken, vor allem Ängste. – – Checkliste: Umgang mit Ärger im Veränderungsprozess



Auslöser: Es läuft nicht so, wie man es möchte. Positive Funktion: Ärger liefert Energie für eine Veränderung, z. B. der Situation oder des eigenen Verhaltens. Für den Umgang mit Ärger ist es wichtig, genau hinzuschauen und zu unterscheiden: – Tritt der Ärger als eigenständiges Gefühl auf oder ist er ein Ersatzgefühl, ein gezeigtes Gefühl, hinter dem eigentlich ein anderes Gefühl steckt? – Was steckt hinter dem Ärger? Ist dies Traurigkeit oder Angst? In unserer Kultur wird Angst oft von Ärger überdeckt, so dass die Angst nicht direkt erkennbar ist und daher möglicherweise in ungeeigneter Weise darauf reagiert wird. Auch hinter anderen gezeigten Gefühlen können in Wirklichkeit andere genuine Gefühle stecken.

Was kann getan werden, wenn hinter Ärger oder anderen Gefühlen in Veränderungsprozessen eigentlich andere Gefühle stecken, wenn es sich also um Ersatzgefühle handelt (siehe dazu auch Kapitel 6)?

Tipp: Optionen im Umgang mit Ersatzgefühlen

– – – –

Wahrnehmen, welche echten Gefühle Sie selbst bei sich und der anderen Person verspüren. Sich auf die genuinen Gefühle und Bedürfnisse beziehen, ohne sie direkt zu benennen. Die genuinen Gefühle und Bedürfnisse erfragen, benennen, ansprechen, mit dem Gegenüber herausarbeiten. Die eigenen Reaktionen mitteilen.

Auch zu einem bestehenden Produkt oder Prozess können wir eine emotionale Bindung haben. Traurigkeit ist bei der Einstellung eines Produkts oder Prozesses daher berechtigt, und Fingerspitzengefühl im Umgang damit gefragt. Schließlich geht es darum, etwas Altes abzulösen, also um einen geeigneten Umgang mit Traditionen und Historie. Es ist sehr wertvoll, wenn Traurigkeit bewusst zugelassen und anerkannt wird, und es kann sehr Kraft raubend sein, wenn dieses Gefühl verdrängt wird.



– – – –

Viel Wissen, große Worte – und dann? Entschlossen handeln durch Überwindung der Umsetzungslücke 

Auslöser: Verlust Positive Funktion: Loslassen Der Endgültigkeit des Abschieds ins Auge zu sehen und die Trauer darüber bewusst zuzulassen, kann hilfreich sein. Gut ist es, Altes zu verabschieden, es zu würdigen, ihm seinen Platz einräumen. Möglicherweise ist es sinnvoll, mit einer Art „Abschiedsfeier“ einen Schlusspunkt zu setzen, Abschied zu nehmen und das Alte zu würdigen.

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Checkliste: Umgang mit Traurigkeit im Veränderungsprozess

So gelingt das Loslassen besser und Platz und Bereitschaft für etwas Neues können geschaffen werden.

9.8 Viel Wissen, große Worte – und dann? Entschlossen handeln durch Überwindung der Umsetzungslücke Kennen Sie das? Es wird viel diskutiert. Konzepte und Präsentationen werden erstellt. Entscheidungen getroffen. Ideen werden aber nicht umgesetzt. Ein wesentliches Problem in diesem Kontext ist sicherlich, dass Entscheidungen nicht wirklich getroffen werden, dass man nicht entschlossen ist, zu handeln. Nur wenn bewusste Entscheidungen getroffen werden, besteht die Chance, dass sie auch zur Umsetzung kommen. Es ist oft ein Problem, dass zwar alles Mögliche gemacht wird, aber neue Ideen dennoch nicht umgesetzt werden. Man spricht dann von einer „Umsetzungslücke“, die Wandel und Innovation verhindert (vgl. Pfeffer/Sutton 2001, S. 38 ff.). Aufgrund der Umsetzunglücke wird oft an Bestehendem festgehalten, obwohl bekannt ist, dass es nicht optimal ist. Die Umsetzungslücke entsteht dadurch, dass alte Gewohnheiten eine prägende Rolle für die Organisationskultur haben: Statt eigene Überlegungen anzustellen, wird an den vorhandenen Praktiken festgehalten, da auch die Konkurrenz diese anwendet und zudem Druck empfunden wird, früher getroffene Entscheidungen im Nachhinein zu legitimieren. Ein weiterer Grund dafür ist, dass es auf kurze Frist gesehen einfacher ist, als etwas Neues einzuführen (vgl. Pfeffer/Sutton 2001, S. 84 ff.). Die Umsetzungslücke entsteht durch das Bedürfnis, die kognitive Entwicklung abzuschließen, aus dem Wunsch des Menschen, auf eine Frage eine klare Antwort zu bekommen, und seiner Abneigung gegen Zweideutigkeit. Daraus ergibt sich eine „Neigung zur Dauerhaftigkeit“: Menschen haben den Wunsch, etwas abschließen zu können, sich mit ihrem Wissenstand zufrieden zu geben und nichts zuzulassen, das ihren Überzeugungen widerspricht. Denn wenn sie der Notwendigkeit von Veränderungen offen ins Auge blicken würden, müssten sie möglicherweise alle ihre Überzeugungen in Frage stellen und eine komfortable Situation aufgeben, was unbequem wäre. Besonders stark tritt die Abneigung gegen Neues auf –– bei Termindruck oder dringend anstehenden Entscheidungen, –– bei Müdigkeit oder Erschöpfung, körperlichem Unbehagen oder Furcht (vgl. Pfeffer/Sutton 2001, S. 93). Dies zeigt erneut, wie wichtig es ist, als Führungsperson Stress abzubauen und selbst gut drauf zu sein, um gut durch den Wandel führen und gute Entscheidungen treffen zu können. Erst wenn Sie erkannt und akzeptiert haben, dass der Wandel nie aufhört und Sie persönlich immer weiter lernen müssen, haben Sie das notwendige Bewusstsein, um durch den Wandel zu führen.

Zitat: „Eingefahrene Muster werden in manchen Unternehmen zum Ersatz für eigene Überlegungen, da erstens die Konkurrenz auch keine anderen Praktiken anwendet und zweitens ein gewisser Druck besteht, bereits erfolgte Handlungen als sinnvoll zu rechtfertigen.“ (Pfeffer/Sutton 2001, S. 84ff)

„Und wir alle müssen lernen, die Offenheit der Zukunft auszuhalten. Aushalten der Offenheit ist aber nicht nur eine Zumutung, sondern bringt uns Vorteile.“ (Sprenger, 2000, S. 160)

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 Meine Bibliothek erfolgreich durch den Wandel führen

Zitate: „Wiederholt wurde ich von Managern gefragt, wann wir denn ‚da‘ wären. Dabei wissen wir alle: Es gibt kein ‚da‘. Einige der geschicktesten Verhaltensweisen langlebiger Unternehmen sind Experimentierfreude, Herumprobieren und Irrtum, Opportunismus und Zufall.“ (Sprenger 2000, S. 268) „In Unternehmen, in denen Wissen erfolgreich umgesetzt wird, herrscht oft ein dringender Handlungsbedarf. Deshalb gelten Probleme oder Hindernisse nicht als Entschuldigung, untätig zu bleiben, sondern werden so umformuliert, dass sich die Fragestellung mit dem Überwinden der Probleme beschäftigt.“ (Pfeffer/Sutton 2001, S. 76)

Ein zentraler Faktor für die große Macht der Umsetzungslücke ist die Angst, die bei allen Beteiligten, auch den Führungskräften, oft vorhanden ist. Denn Angst wirkt sich negativ auf das Teilen von Wissen und das Erlernen neuen Wissens aus; Verbesserungsvorschläge werden nicht gemacht. Selbst in Unternehmen, die für ihren vergleichsweise guten Umgang mit Menschen bekannt waren, wiesen die Menschen in einer Untersuchung ein bemerkenswertes Niveau an Unsicherheit auf (vgl. Pfeffer/ Sutton 2001, S. 123 f.). Obwohl die wenigsten Personen in deutschen Bibliotheken wohl wirklich etwas zu befürchten haben, wenn sie sich unangepasst verhalten und neue Ideen äußern, so ist zu vermuten, dass Angst auch hier eine große Rolle spielt. Dies hängt vor allem mit der in Deutschland verbreiteten, kulturell bedingten Anpassungskultur zusammen. Eine zentrale Aufgabe von Führung kann daher nicht oft genug betont werden: Angst abbauen. Denn Angst und angepasstes Verhalten sind Gift für den Wandel. Zumindest, sobald sie über eine gut dosierte, sinnvolle Angst hinausgehen, die wichtig ist, um nicht zu unvorsichtig zu werden, oder über jene hilfreiche Angst, die davor bewahrt, in eine lähmende, selbstzufriedene Starre zu verfallen. Es gilt, eine sinnvolle Balance zu finden. Wenn selbst die Führungskräfte Angst haben und sich angepasst verhalten, ist dies ein gravierendes Hindernis für den Wandel. Zumal sie sich dies meist nicht eingestehen und nicht wahrhaben wollen. Wie lässt sich die Umsetzungslücke also schließen?

– – – Tipp: Umsetzungslücke schließen –

Der beste Weg, sich aus dem Einfluss unbewusster Urteile zu befreien: Gewissenhaftes Nachdenken darüber, welche Urteile den gewünschten Praktiken oder Maßnahmen zugrunde liegen. Die Aufdeckung unbewusster Urteile macht es möglich, Entscheidungen vernünftiger zu treffen. Durch drastische Maßnahmen den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Problematik gewohnter Verhaltensmuster deutlich machen. So könnten Unternehmen, die an ihrem gewohnten Verhalten festhielten, Marktveränderungen ausblendeten und aus ihrer Sicht „über Nacht“ durch disruptive Innovationen von der Bildfläche verdrängt wurden, als Negativbeispiele angeführt werden. Organisationen so strukturieren und führen, dass Mitarbeiter ständig ihre Gewohnheiten hinterfragen und sich nicht auf Automatismen stützen (vgl. Pfeffer/Sutton 2001, S. 93).

Die Umsetzungslücke schließen durch Überwindung von Angst und Untätigkeit: – – – – –

Zitat: „Verantwortlich ist man nicht nur für das, was man tut, sondern auch für das, was man nicht tut.“ (Laotse)

Loben, belohnen und fördern Sie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die ihren Vorgesetzten schlechte Nachrichten übermitteln. Werten Sie Untätigkeit als den einzigen wirklichen Fehler; bestrafen Sie Passivität, aber nicht fehlgeschlagene Aktivität. Ermutigen Sie Führungskräfte, über ihre Fehler zu sprechen und über das, was sie daraus gelernt haben. Fördern Sie offene Kommunikation. Lernen Sie aus Fehlern und freuen Sie sich darüber, besonders wenn sie beim Ausprobieren neuer Ideen auftraten (vgl. Pfeffer/Sutton 2001, S. 139f).

Letztlich sind es immer die Menschen, auf die es ankommt! Das gilt in besonderem Maße für Situationen des Wandels. Mit den Menschen geht fast alles, ohne sie gar nichts.



– – –

Viel Wissen, große Worte – und dann? Entschlossen handeln durch Überwindung der Umsetzungslücke 

Die Handlungskaskade eignet sich zur guten Kommunikation von Veränderungsnotwendigkeit. Das Prozesssteuerungsmodell ist für eine systematische Situationsanalyse hilfreich. Obwohl alle sehr aktiv erscheinen und über Wandel reden und entscheiden, kann es sein, dass die Umsetzungslücke dazu führt, dass nichts Neues umgesetzt wird.

Weiterführende Literaturtipps

Pfeffer, Jeffrey; Sutton, Robert I.; Wie aus Wissen Taten werden – So schließen die besten Unternehmen die Umsetzungslücke; Campus, Frankfurt/New York, 2001

Tipps zum Mitnehmen aus dem Kapitel

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10  Mich und meine Führungsqualitäten weiterentwickeln 10.1 Wohin führt Führung für mich? Wann bin ich endlich eine gute Führungsperson? Wann habe ich genügend Fortbildungen besucht und kann meine Entwicklung guten Gewissens abschließen? Der Besuch von Fortbildungen alleine wird sicherlich nicht ausreichen, um sich weiterzuentwickeln. Ständige Weiterentwicklungsbereitschaft ist eher eine Haltung, auf die es ankommt, genauso wie auf ständiges sich Überprüfen und Reflektieren im Alltag. Ebenso wie der Wandel einer Organisation niemals abgeschlossen sein wird, sondern aufgrund von sich ändernden inneren und äußeren Gegebenheiten immer wieder Wandel erforderlich sein wird, um weiterbestehen zu können, hört auch die eigene Entwicklung niemals auf. Auch hier beginnen immer wieder neue Zyklen des Wandels. So ist zumindest zu hoffen. Neue Herausforderungen, Veränderungen im Umfeld oder das Gefühl, in manchen Situationen mit dem eigenen „Latein“ an Grenzen zu stoßen, zeigen Ihnen, dass eine Weiterentwicklung angesagt und sinnvoll ist. Wenn Sie dies als Tatsache akzeptieren und den Wandel und die Arbeit an der eigenen Person proaktiv begrüßen, haben Sie beste Voraussetzungen, erfolgreich und zufrieden zu arbeiten. Sie können nur dann dauerhaft gut arbeiten, wenn Sie eine stimmige Rolle und Position gefunden haben, ob nun Führungsrolle oder nicht. Sie müssen nicht Führungskraft oder informelle Führungskraft sein, aber es muss für Sie stimmig sein, damit Sie sich wohlfühlen und die Chance auf Erfolg haben. Fallbeispiel:

Beispiel:

Eine latente Unzufriedenheit hatte Nora seit Monaten erfasst. Irgendetwas stimmte nicht. Sie hatte nun drei Jahre in dieser Bibliothek gearbeitet, sich mal mehr, mal weniger mit Herrn Dr. Schache arrangiert. Als Projektkoordinatorin hatte sie etwas Verantwortung übernehmen können. Nun fehlte ihr die Entwicklungsperspektive. Klar, sie könnte immer weiter so vor sich hinarbeiten. Aber die Unzufriedenheit würde wohl weiter an ihr nagen. Das konnte doch nicht alles gewesen sein. Aber was dann? Sollte sie den Sprung wagen und eine Führungsposition anstreben? Könnte sie das überhaupt? Was müsste sie dafür noch alles lernen? Und wollte sie das überhaupt? Wenn sie eines wusste, dann dies: So würde sie kaum weiterkommen, weder zu einer Entscheidung, geschweige denn zu einer Führungsposition.

Was könnte Nora in dieser Situation weiterbringen? Wäre es sinnvoll, es einfach mal auszutesten und ein paar Bewerbungen zu schreiben? Wenn Sie nicht wissen, wohin Sie gehen wollen, werden Sie vermutlich nicht dort ankommen. Es nützt also meist wenig, sich in blinden Aktionismus zu stürzen. Zunächst gilt es, innezuhalten und sich auf sich selbst zu besinnen. Eine Auszeit aus dem Alltag kann dies unterstützen. Sich über grundlegende Fragen Gedanken zu machen, kann Klarheit bringen:



Wohin führt Führung für mich?  

Wo möchte ich überhaupt hin in meiner Entwicklung? Welche Vision habe ich für mich, für mein Leben? Was ist mir noch alles wichtig, abgesehen von der Arbeit?

Selbsttest: Berufliche Entwicklung

Wenn Sie mögen, schauen Sie sich noch einmal Ihre Ergebnisse der Übung „Fantasiereise: Ihr Leben in zehn Jahren“ aus Kapitel 3 an. Sie können nun beginnen, das Bild von Ihrer Zukunft systematisch auszuarbeiten. Das Prozesssteuerungsmodell, das in Kapitel 9 bei der Kommunikation bei Wandel vorkam, kann Ihnen auch an dieser Stelle wertvolle Dienste erweisen. Es kann Ihnen für die Entscheidung, wohin Sie sich entwickeln wollen, Orientierung bieten:

Welche Vision habe ich, wie ich in 10 Jahren arbeite?

Mit welchen Personen möchte ich zusammenarbeiten? Was ist das übergeordnete Ziel meines Lebens?

Wie soll meine Arbeitspraxis aussehen?

In welchem Umfeld möchte ich arbeiten?

Welche Rolle(n) möchte ich haben? Abb. 23: Prozesssteuerungsmodell (modifiziert nach Schneider 2001: S. 97 ff.)

 201

202 

 Mich und meine Führungsqualitäten weiterentwickeln

Mit dem Prozesssteuerungsmodell können Sie Ihre Vorstellungen präzisieren, wenn Sie die einzelnen Bereiche daraus durchgehen: Übung: Meine berufliche Zukunft konkretisieren

Übergeordnetes Ziel: – Welches übergeordnete Ziel ist mir derzeit besonders wichtig? – Welchem übergeordneten Ziel widme ich mein Leben bzw. mein Berufsleben? – Für welche Werte, welchen Sinn stehe ich? Welche Werte sind mir wichtig?

Vision: – Wie sehe ich mich in zehn, zwanzig Jahren arbeiten? – Wie fühlt es sich an? – Was ist daran für mich erstrebenswert?



Wohin führt Führung für mich?  

Umfeld: In welchem Umfeld möchte ich arbeiten?

Personen: Mit welchen Personen möchte ich arbeiten? Wie sind diese Personen? Wie fühlt es sich an, mit ihnen zusammenzuarbeiten?

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 Mich und meine Führungsqualitäten weiterentwickeln

Arbeitspraxis: – Wie soll mein Arbeitsalltag aussehen? – Welche Methoden möchte ich anwenden? – In welche Arbeitsaufgaben und -abläufe möchte ich involviert sein?

Rolle(n): – Welche Rolle bzw. Rollen möchte ich im Privat- und Berufsleben innehaben? – Wie möchte ich meine Organisationsrolle(n) bzw. Professionsrolle(n) ausgestalten?



Wie kann ich mich persönlich weiterentwickeln? 

Fallbeispiel: Entspannt schaukelte Nora in der Hängematte im Garten ihrer Großeltern. Sie reckte sich und vergewisserte sich noch einmal, wo sie war. Dann tauchte sie wieder ein in ihre Fantasiereise. Ein Lächeln huschte über ihren Mund, als sie sich selbst sah. In 10 Jahren, ja, das war sie, die Abteilungsleiterin. Mit 25 Personen war ihre Abteilung groß und sehr heterogen besetzt. Menschen aus den verschiedensten Berufen und Altersgruppen arbeiteten konstruktiv zusammen. Ihr gefiel dieses „Multikulti“. Sie fand die Unruhe, die dadurch mitunter entstand als sehr gewinnbringend. Hier war Leben drin! Der Kontakt zu den meisten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und auch unter diesen war gut und offen. Hierarchie spielte eine untergeordnete Rolle und sie besann sich immer wieder darauf, ihre hierarchische Rolle im Alltag nicht so stark zu betonen, um so die Motivation der anderen zu fördern. Sie gefiel sich in ihrer Rolle, wie sie mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern redete und auf Abteilungsleitersitzungen die Leistungen ihrer Abteilung verkaufte. Die Bibliothek, in der sie nun arbeitete war deutlich größer – und moderner. Sie fühlte sich wohl dort, denn das ganze Ambiente strahlte Modernität aus, ohne deswegen ungemütlich oder kalt zu wirken. Ihr Vorgesetzter war ein ausgezeichneter „Außenpolitiker“ und hatte zugleich ein gutes Händchen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. „Tja, Herr Dr. Schache,“ dachte sie mitleidig, und das gab ihr den letzten Anstoß: Sie hüpfte auf. Wie konnte sie das in die Tat umsetzen?

Wenn wir wissen, wohin unser Berufsweg führen soll, können wir den Weg dorthin gestalten. Daraus können wir ableiten, welche Entwicklungsschritte als nächstes für uns geeignet sein könnten. Die Investition in die genaue Planung und Umsetzung des Weges ist nur dann sinnvoll, wenn wir wirklich eine Entscheidung getroffen haben. Denn sonst kann es leicht vorkommen, dass wir gar nicht richtig entschlossen sind und halbherzig und aktionistisch beginnen, etwas zu tun – oder es schließlich gar nicht tun. Unsere Gefühle können uns zeigen, ob wir auf dem richtigen Weg sind. Ein Lächeln und ein Gefühl der Entspannung sprechen dafür.

10.2 Wie kann ich mich persönlich weiterentwickeln? Ihr wichtigstes Führungsinstrument ist Ihre eigene Person. Als überangepasstes Wesen, das sich unreflektiert an anderen orientiert, werden Sie kaum dauerhaft erfolgreich sein. Ausschlaggebend für Ihren Erfolg als Führungskraft ist Ihre eigene Persönlichkeit. Dies ist deswegen auch das Instrument, dessen ständige Weiterentwicklung höchste Priorität für Sie haben sollte. Keine Methode, kein Tool der Welt kann Ihnen den Erfolg liefern, den Sie haben können, wenn es Ihnen gut geht und Sie klar und gut reflektiert als Führungskraft agieren. Persönlichkeitsentwicklung ist somit das A und O für eine professionelle Führungskraft. Definieren Sie Führung als Ihre Profession oder möchten Sie als informelle Führungskraft wirksam sein, so sollte Ihr Hauptaugenmerk auf Ihrer Persönlichkeitsentwicklung liegen. Führungskräfte müssen die eigene Persönlichkeitsentwicklung vorantreiben. Mehr Vertrauen zu sich und anderen entwickeln, weniger Angst haben und Sport treiben zur Entspannung sind immens wichtig (vgl. Sprenger 2012, S. 232). Insgesamt könnten Sie die Professionalisierung Ihrer Führungsqualität in folgenden Dimensionen systematisch weiterentwickeln: –– Persönlichkeits-Kompetenz (u.a. Werte, Einstellungen, Auftreten, Erscheinungsbild, Sprache, Kreativität), –– Soziale Kompetenz (u.a. Kommunikationsfähigkeit, Kooperationsbereitschaft, Intuition), –– Methodische Kompetenz (u.a. Komplexität reduzieren, Konflikte handhaben), –– Fachliche Kompetenz (vgl. Pircher-Friedrich 2001, S. 66).

Beispiel:

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 Mich und meine Führungsqualitäten weiterentwickeln

Je weiter man aufsteigt, je mehr Personalverantwortung man übernimmt, desto wichtiger werden die sogenannten Soft Skills und desto unwichtiger werden Fachkenntnisse. Von daher ändert sich der Schwerpunkt der Kompetenzen, die Sie weiterentwickeln sollten. Menschenkenntnis, kommunikative Fähigkeiten, methodisches Wissen und Fähigkeiten in Hinblick auf die Steuerung von Gruppen oder ganzen Organisationen werden immer wichtiger, je weiter Sie sich in Führungsverantwortung hinein entwickeln. Im Umkehrschluss bedeutet dies: Wollen Sie als Führungskraft aufsteigen und mehr Verantwortung übernehmen, müssen Sie von anderen, vielleicht liebgewonnenen, Sachaufgaben Abschied nehmen. Die Vertiefung in inhaltliche Aufgabenbereiche ist dann nicht mehr Ihre Aufgabe, sondern das Organisieren, Steuern und Unterstützen guter Arbeitsmöglichkeiten für Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Folgende Stufen lassen sich in der Entwicklung als Führungskraft unterscheiden: 1. Stufe I: Dies ist die Vorstufe zur Führungskraft, auf der hohe Fachkompetenz in Bezug auf das Produkt oder die Dienstleistung wichtig ist. Auf dieser Stufe beziehen sich die Ziele auf das Produkt bzw. die Dienstleistung. 2. Stufe II: Als Führungskraft stellen Sie das Produkt selbst gar nicht mehr oder nur noch teilweise her. Sachkenntnisse und Konzentration auf die Sache reichen daher nicht aus, sondern die Führungskraft muss nun ihre sozialen Führungskompetenzen entfalten und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dabei unterstützen, die Ziele zu erreichen und das Produkt oder die Dienstleistung zu erstellen. Insofern ist die Fähigkeit, Menschen zu verstehen, mit ihnen zu kommunizieren und sie zu führen auf dieser Stufe von höchster Bedeutung. Die Führung bezieht sich dabei neben einzelnen Personen auch auf Gruppen. Außerdem sind Sie für die Aufrechterhaltung und Entwicklung von Strukturen und Prozessen in Ihrem Führungsbereich zuständig. Auf dieser Stufe sind Managementfähigkeiten besonders gefordert. Bei ihnen steht die Umsetzung von Zielen, die zumeist von der nächsten Führungsstufe vorgegeben wurden und sich auf die Arbeitsorganisation und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beziehen, im Mittelpunkt der Führungsarbeit. 3. Stufe III: In dieser höchsten Stufe der Führungsverantwortung und der Hierarchie ist Systemkompetenz, das Verständnis für und die Steuerung von Systemen und Komplexität, Struktur, Gruppen und Organisationen von höchster Priorität. Ziele werden auf dieser Stufe selbst festgelegt und beziehen sich vor allem auf die Gesamtorganisation. Über den eigenen Zuständigkeitsbereich und die eigene Organisation hinaus gilt es, den Gesamtmarkt und dessen Entwicklung im Blick zu behalten und darauf bezogene Entwicklungen anzustoßen, um die eigene Organisation zu steuern. Dazu gehören auch strategische Überlegungen und Sinnfragen. (Schneider 2009a, S. 3 f.)

Wie kann ich mich persönlich weiterentwickeln? 

Arbeitszeit



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Qualitative Veränderung, Identitäts-, Abschieds- und Annahmeprozesse

das System führen

direkte Arbeit am Produkt

Mitarbeiter führen „Menschen“ Strukturen u. Prozesse „Machen machen“

„Systeme“ „Machbares machen“

„Sache“ „machen“ t

Abb. 24: Tätigkeitsbereiche und ihr Zeitaufwand in der Entwicklung als Führungskraft (Schneider 2009a, S. 7)

Wie aus der Abbildung deutlich wird: Auch wenn sich der Schwerpunkt ändert, ist es auf allen Stufen wichtig, alle drei Fähigkeiten zu beherrschen: Fachkompetenz (für das Produkt oder die Dienstleistung), soziale Kompetenz und Systemkompetenz (Sinnentwicklung).

Zitat: „Führungskräfte wirken eingeschränkt und tönern, wenn sie diese drei Fähigkeiten nicht miteinander verbinden können, auch wenn der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit sich auf eine dieser Fähigkeiten bezieht.“ (Schneider 2009a, S. 6)

Fallbeispiel: Nora wusste, dass bisher in ihrem Berufsleben ihre Fachkenntnisse im Vordergrund gestanden hatten. Zwar hatte sie für ihre informelle Rolle als Projektkoordinatorin, in der sie faktisch keine offiziellen Entscheidungsbefugnisse besaß, Menschenkenntnisse gebraucht. Aber sie war sich dessen bewusst, dass bei ihren nächsten Karriereschritten ihre soziale Kompetenz, die Fähigkeit, mit Menschen umzugehen und sie zu führen, weiter in den Vordergrund rücken würde. Als Zwischenschritt strebte sie eine Gruppenleiterposition an – und dann die Abteilungsleitung. Sie war sich sicher, dass sie auch diesen Sprung gut meistern würde und dass es ihr auch liegen würde, auf dann mehr und mehr politischer Ebene zu agieren und die Weiterentwicklung ihrer Abteilung anzustoßen und voranzutreiben.

Beispiel:

Sind Sie bereit, sich mehr und mehr von der Bearbeitung von Sachaufgaben zu trennen?

Selbsttest: Abschied von Aufgaben

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 Mich und meine Führungsqualitäten weiterentwickeln

Oder möchten Sie sich nicht von bestimmten Aufgaben trennen? Von welchen?

Falls nein, sollten Sie überlegen, ob Sie lieber Fachexperte sein oder bleiben möchten. Vielleicht können Sie andere Optionen finden, sich weiterzuentwickeln, einen alternativen Weg zur „klassischen“ Führungslaufbahn einschlagen. Welche anderen Optionen fallen Ihnen ein, mit denen Sie sich beruflich weiterentwickeln und wohlfühlen könnten? Selbsttest: Andere Optionen

Zitat: „Nicht selten klagen Führungskräfte darüber, dass ihre Vorgesetzten ihre Fähigkeiten und ihre Management- und Leadershipqualitäten nicht zu schätzen wissen, sie sogar daran hindern, diese einzusetzen. Sie fragen sich (…), warum diese sich so verhielten, wie es dazu komme. Dies hat häufig damit zu tun, dass die Führungskräfte diese Bereiche selbst nicht entwickelt haben, sie nicht zu schätzen wissen, oder damit, dass sie darauf wegen ihrer autoritären oder totalitären Führungsauffassung gar keinen Wert legen.“ (Schneider 2009a, S. 11)

An dieser Stelle ist es auch sinnvoll, zu hinterfragen, ob Sie in der richtigen Umgebung, der passenden Bibliothek arbeiten, um Ihre Weiterentwicklung zu fördern. Persönlichkeitsentwicklung kann schließlich nie komplett abgespalten von der umgebenden Organisation zum Erfolg führen. Ist die Organisation bereit und förderlich für Ihre Entwicklung? Ist Organisationsentwicklung möglich oder brauchen Sie ein anderes Umfeld, weil Sie den Rahmen „sprengen“?



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Abschied und Übergang gut gestalten 

Wie können Sie das umsetzen, was Sie machen möchten? Geht das in Ihrer Bibliothek? Sind Sie hier (noch) am richtigen Platz? Sind Sie hier in einer Umgebung, in der Sie sich weiterentwickeln können? Sind Sie in einer Umgebung, in der Sie wachsen können? Sollten Sie sich ein anderes Umfeld suchen (eine andere Bibliothek oder etwas ganz anderes)? Sollten Sie zweigleisig fahren, z. B. mit einer Selbstständigkeit als Nebentätigkeit?

Vielleicht zeigt sich nun, dass es an der Zeit ist, dass Sie sich einen neuen Wirkungsbereich suchen – bei sich in der Bibliothek oder woanders. Wenn Sie wissen, wo Sie hin wollen, können Sie mit dem Selbstmarketing starten. Mit der Bestimmung der Zielrichtung haben Sie schon einmal die Hälfte Ihres Erfolgs gesichert. Nun gilt es, sich selbst gut zu vermarkten, um die Position, zu bekommen, die Sie anstreben. Neben direkten Bewerbungen können Sie über Networking, über persönliche oder soziale Netzwerke, die Veröffentlichung von Publikationen oder Blogbeiträgen oder öffentliche Vorträge Stück für Stück dazu beitragen, sich sichtbarer zu machen und als Expertin oder Experten für Führung oder bestimmte Bibliotheksthemen ins Gespräch zu bringen.

10.3 Abschied und Übergang gut gestalten Es ist wichtig, bewusst Abschied zu nehmen und ihn zu zelebrieren, egal, ob Sie nun kündigen, um sich anderswo beruflich weiterzuentwickeln oder sich in Ihrer Bibliothek beruflich verändern. Wenn Sie sich von Ihren inhaltlichen Aufgaben trennen und sich in Richtung Führung weiterentwickeln möchten, müssen Sie Abschied nehmen von der bisherigen Art und Weise zu arbeiten. Dabei kann eine ganze Palette an Gefühlen auftauchen, beispielsweise Traurigkeit oder Angst. Es ist wichtig, diesen Übergang in ein neues Stadium, und das damit verbundene Verabschieden von dem bisherigen Zustand, bewusst wahrzunehmen und gewissermaßen zu „zelebrieren“. Wird der Abschied nicht wahrgenommen bzw. als unwichtig abgetan, so kann dies produktive Kräfte für einen gelungenen Neustart in die neue Position binden. So wie bei einem nicht ausgelebten Trauerprozess.

Selbsttest: Welchen Raum gibt mir meine Organisation?

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 Mich und meine Führungsqualitäten weiterentwickeln

Nehmen Sie bewusst Abschied, geben Sie der Trauer Raum. Dann kann auch der Abschied gelingen und in dem Bewusstsein, dass nun ein ganz neuer Abschnitt beginnt, neu durchgestartet werden. Tipp: Abschied gut gestalten

Dafür kann eine kleine Feier ebenso hilfreich sein, wie das bewusste Innehalten und Zulassen der Traurigkeit – um dann wieder nach vorne zu schauen.

Schließlich stellt die Übernahme von mehr Führungsverantwortung auch einen sozialen Einschnitt dar. Sie werden damit aus einer Gruppe herausgerissen, deren Mitglied Sie bislang waren. Beziehungen verändern sich und Sie müssen sich Ihre Zuwendung anders organisieren. Ihre Rolle wandelt sich. Vielleicht empfinden Sie dann, zumindest vorübergehend, dass Sie „alleine“ dastehen. Umso wichtiger ist es, dass Sie nicht Ihre gesamte Kraft und Zuwendung aus dem beruflichen Umfeld schöpfen. Umso wichtiger ist es, dass Sie sich um ein erfülltes Privatleben kümmern, ihm Aufmerksamkeit einräumen. Nehmen Sie dies nicht ernst und leben Sie nur für Ihre Arbeit, so untergraben Sie die Basis dafür, eine gute Führungskraft zu sein. Sie müssen auch bewusst Ihre Kräfte immer wieder neu austarieren. Gerade an den Übergängen von einer Tätigkeit zur nächsten Führungstätigkeit kann es leicht zu Burn-Out-Phänomenen kommen (vgl. Schneider 2009a, S. 1).

10.4 Was brauche ich als Führungskraft, um für die Zukunft gerüstet zu sein? Sie können sich nun daran machen, die weitere Entwicklung Ihrer formellen oder informellen Führungstätigkeit zu planen, um besser für die Zukunft gerüstet zu sein und zufrieden leben und arbeiten zu können.

Beispiel:

Übung: Ihre persönliche Weiterentwicklung in Führung planen

Fallbeispiel: Mit dem Ziel, ihre soziale Kompetenz weiterzuentwickeln, hatte sich Nora bei verschiedenen Weiterbildungsanbietern kundig gemacht. Das Angebot war schier unüberschaubar und sie hatte eine Weile gebraucht, bis sie für sich das Richtige gefunden hatte. Gestartet war sie mit zwei Seminaren zur Kommunikation. Nun neigte sich der letzte Tag des zweiten Seminars dem Ende zu und sie verließ zufrieden den Raum. Was würde als nächstes kommen? Im Moment liebäugelte sie mit einem Selbsterfahrungsseminar, das ihre Haltung als Führungskraft weiter stärken sollte.

Stellen Sie sich Ihre berufliche Weiterentwicklung wie eine Reise vor. Sie haben ein bestimmtes Ziel vor Augen. Wo möchten Sie in zehn Jahren sein? Planen Sie nun die einzelnen Etappen Ihrer Reise dorthin: Wo sind sinnvolle Zwischenhalte einzuplanen?



Was brauche ich als Führungskraft, um für die Zukunft gerüstet zu sein?  

Wo sind Oasen, an denen Sie Halt machen und neue Kraft schöpfen?

Wie kommen Sie von einem Punkt zum nächsten? Was transportiert Sie dorthin?

Aus den Inhalten dieses Buches, den Ergebnissen der Übungen und Ihrer individuellen Reflektion können Sie ableiten, welche Schritte Sie weiterbringen könnten. Wenn Sie bewusst hinschauen, werden Sie sicherlich auch in Ihrem beruflichen Alltag hier und dort merken, bei welchen Themen sich eine tiefergehende Beschäftigung lohnen könnte. Mögliche Themen zu denen Sie sich fortbilden könnten: –– Achtsamkeit, um die eigene Wahrnehmung zu schulen –– Psychologie –– Kommunikation –– Trends, Zukunftsforschung, Entwicklungen in anderen Branchen –– Stresskompetenz –– Kreativität –– Körpersprache –– Typberatung –– Rhetorik –– Moderation –– Konfliktmoderation, -kommunikation

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 Mich und meine Führungsqualitäten weiterentwickeln

Neben Fortbildungsseminaren gibt es eine Reihe anderer Formate, die Ihre Weiterentwicklung unterstützen könnten, wie: –– Coaching –– Supervision –– Mentoring –– Kollegiale Fallberatung –– Selbsterfahrung –– Therapie –– Hospitationen –– Ehrenamtliche Arbeit

Tipp:

Wenn Sie Interesse daran haben, Ihre Kenntnisse der Transaktionsanalyse zu vertiefen, bieten sich sogenannte TA 101-Einsteigerkurse an oder andere Fortbildungsangebote, die Sie bei der DGTA – Deutsche Gesellschaft für Transaktionsanalyse (http://www.dgta.de/) finden können.

Sollten Sie für Ihre persönliche Weiterentwicklung auf der Suche nach einem guten Coach sein, so könnten formale Auswahlkriterien, die Sie zum Teil analog für die Suche nach Trainern anwenden könnten, sein: –– Studium, –– Coaching-Ausbildung, –– Lebens-, Berufs- und Führungserfahrung, –– Felderfahrung und Ethik als Coach, –– regelmäßige Supervision, –– aktuelle Zertifizierungen und Weiterbildungen, –– thematische Spezialisierungen, –– Branchenkenntnisse, –– Referenzen (vgl. Lehnen 2013, S. 17). Sind die formalen Referenzen erfüllt, bietet sich im nächsten Schritt ein Vorgespräch, ein erstes Coaching-Gespräch zum Testen, an.

Tipp: Mögliche Einstiege für die Suche nach einem Coach

Tipps zum Mitnehmen aus dem Kapitel

– www.coaching-report.de – http://www.personalwirtschaft.de/media/Personalwirtschaft_neu_161209/Startseite/Downloads-zum-Heft/Downloads_2013/0313/Checkliste-Coach-Auswahl.pdf – http://www.personalwirtschaft.de/media/Personalwirtschaft_neu_161209/Startseite/Downloads-zum-Heft/Downloads_2013/0313/Coaching-Verbaende.pdf

– –

Zu wissen, wo Sie hinmöchten, ist Grundvoraussetzung, um erfolgreich sein zu können. Das Prozesssteuerungsmodell kann Sie dabei unterstützen, Ihre Planung zu systematisieren.

Weiterführende Literaturtipps

Schneider, Johann: Bewusst Führen – Stufen in der Entwicklung als Führungskraft; Junfermann, Paderborn, www.active-books.de, 2009a

Nachwort Wir haben einen Schwenk gemacht: Begonnen bei der eigenen Person, über die Auseinandersetzung mit dem Thema „Führung“, die Beschäftigung mit der Arbeit im eigenen Umfeld und dem Wandel in der eigenen Bibliothek, sind wir schließlich wieder bei der eigenen Person angekommen. Dies ist sinnvoll und wichtig, da wir selbst unser bestes Führungsinstrument sind. Ihre Führungsarbeit zu professionalisieren gibt Ihnen Sicherheit, Freiheit und Kraft. Professionalität bedeutet dabei auch, Führung so zu gestalten, wie sie für Sie und Ihre Persönlichkeit stimmig ist. Immer wieder hinzuspüren ist die Basis Ihres Erfolgs: Fühlt es sich gut an, was ich mache? Fühle ich mich gut? Spüre ich, ob es mir gut geht? Nein? Warum nicht? Sollte ich etwas ändern? Dieses wahrzunehmen und sich bewusst zu machen, ist Ihre Verantwortung als Führungskraft oder als Person, die in anderer Form in Führung gehen will. Über ungute Gefühle von sich oder in Ihrem Umfeld dürfen Sie nicht einfach hinweg gehen, als wäre nichts geschehen. Fühlen Sie sich schlecht mit dem, was Sie machen oder wie Sie es machen, so ist dies ein Alarmzeichen. Dieses Alarmzeichen wahrzunehmen und hinzuschauen, spricht für Ihre Professionalität. Ja, es stimmt: Wandel ist nicht einfach. Ängste, Alpträume und Konflikte können auftauchen. Aber wer sagt, dass es einfach wäre, sich nicht zu wandeln? Geht das überhaupt? Fühlt es sich gut an, stehen zu bleiben? Aufgabe einer professionellen Führungskraft ist es auch, immer wieder zu prüfen: Wo stehe ich? Wo will ich hin? Und immer wieder neu zu entscheiden: Wohin gehe ich? Dahin gehe ich! Wir alle haben das Bedürfnis, zu wachsen, wie die Blumen. Fühlt es sich nicht auch gut an, zu erleben, wie entwicklungsfähig ich bin und die Freude am eigenen Wandel zu genießen? Spielerisch und leicht, mit Spaß arbeiten und Schätze heben. Am Ende sagen können: Ich bin gut drauf und genieße, was ich tue. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg für Ihren Weg!

Glossar Autonomie Selbstbestimmtes, souveränes Verhalten. Eine Art

Eltern-Ich-Zustand Erwachsenen-Ich-Zustand Kind-Ich-Zustand OK-OK-Haltung

Passivität

Skriptverhalten

Transaktionsanalyse

Vertragsarbeit

innere Entscheidungsfreiheit und Selbstbestimmtheit, die dadurch entsteht, dass man sich die eigenen Wahlmöglichkeiten bewusst macht und bewusst entscheidet. Autonomie zu erlangen ist keine Entwicklung, die einmal abgeschlossen ist, sondern eine immerwährende Übung. Von den Eltern oder Elternfiguren übernommenes Verhalten, Denken und Fühlen. Verhalten, Denken und Fühlen als direkte Reaktion auf das Hier und Jetzt. Aus der Kindheit stammendes Verhalten, Denken und Fühlen, das in der Gegenwart wieder abläuft. Die eigene Haltung, sich selbst und anderen Menschen gegenüber, ist durch das Menschenbild bedingt: Wenn wir uns selbst anderen Menschen gegenüber weder klein machen noch überhöhen, so haben wir eine OK-OK-Haltung („Ich bin OK, Du bist OK.“). Wir gehen dann mit uns selbst und mit anderen Menschen wertschätzend um. Passives Denken ist davon geprägt, dass die Realität durch bestimmte Wahrnehmungsfilter betrachtet wird und gedanklich abgewertet wird. Bei passiven Verhaltensweisen machen sich Personen unfähig und entziehen sich der Verantwortung, selbst ein Problem zu lösen. Passives Denken kann sich in folgenden Verhaltensformen äußern: Nichtstun, Überanpassung, Agitation, Gewalt.

Verhaltensmuster, in die Menschen scheinbar automatisch hineinrutschen, obwohl sie dies nicht wollen, und in denen sie feststecken. Skriptver-

halten folgt scheinbar einem geheimen „Drehbuch“ des eigenen Lebens, das immer wieder inszeniert wird. Ein „humanistischer Behandlungs-, Beratungs-, Erziehungs-, Bildungs- und Organisationsberatungsansatz“ (Schneider 2013, S. 252). Analysiert Ablauf und Steuerung zwischenmenschlicher Kommunikation, wobei Transaktionen als kleinste Einheiten der Kommunikation, die aus einem Reiz und einer Antwort bestehen, betrachtet werden, ebenso, wie die Transaktionsanalyse auch Modelle für gesellschaftliche und psychosoziale Zusammenhänge beinhaltet. Die Gestaltung tragfähiger „Verträge“ für Beziehungen. Es wird dem anderen nichts übergestülpt, was er oder sie nicht möchte, sondern jeder kann eigenständig entscheiden, wie weit er oder sie gehen möchte und dies wird gemeinsam ausgehandelt.

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Über die Autorin

Birgit Inken Fingerle arbeitet seit ihrem Studium der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften zur Diplom-Ökonomin seit Anfang 2002 in der ZBW – Deutsche Zentralbibliothek für Wirtschaftswissenschaften – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft. Nach Stationen dort als Projektmanagerin, Direktionsreferentin und Leiterin der Stabsstelle Marketing & Öffentlichkeitsarbeit ist sie nun als Innovationsmanagerin tätig. 2012 wurde sie für ihre Tätigkeit mit dem Preis „Zukunftsgestalter in Bibliotheken“ ausgezeichnet. Angetrieben von dem Wunsch, das Wissen über psychologische Themen, die in der Praxis oft Innovation, persönlicher wie organisationaler Weiterentwicklung im Wege stehen, zu vertiefen, bildet sie sich seit Anfang 2010 in „Systemischer Transaktionsanalyse“ fort und ist mit dem Zertifikat „Praxiskompetenz“ der Deutschen Gesellschaft für Transaktionsanalyse zertifiziert. Ihre Kenntnisse über wirksamere, konstruktive und wertschätzende Herangehensweisen bei Themen wie Führung, Kommunikation und der Gestaltung der Work-Life-Balance fließen in ihre begleitende freiberufliche Tätigkeit als Innovationsmanagement-Trainerin, Beraterin, Coach und Autorin ein.