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German Pages 216 Year 1978
Linguistische Arbeiten
67
Herausgegeben von Herbert E. Brekle, Hans Jürgen Heringer, Christian Rohrer, Heinz Vater und Otmar Werner
Tilman N. Höhle
Lexikalistische Syntax Die Aktiv-Passiv-Relation und andere Infinitkonstruktionen im Deutschen
Max Niemeyer Verlag Tübingen 1978
CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Höhle, Tilman N.: Lexikalistische Syntax : d. Aktiv-Passiv-Relation u. andere Infinitkonstruktionen im Dt. / Tilman N. Höhle. - Tübingen : Niemeyer, 1978. (Linguistische Arbeiten ; 67) ISBN 3-484-10319-1
ISBN 3-484-10319-1/ISSN 0344-6727 © Max Niemeyer Verlag Tübingen 1978 Alle Rechte vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf photomechanischern Wege zu vervielfältigen. Printed in Germany
VORWORT
Dies ist eine revidierte Fassung einer Arbeit, die - auf früheren Vorarbeiten beruhend - Ende 1975/Anfang 1976 entstanden ist.
Für den Druck
habe ich die Arbeit teils gekürzt, teils etwas erweitert, in einem Punkt korrigiert. Insgesamt habe ich mich bemüht, überall zu kürzen, wo es für den Zusartinenhang unschädlich war. Diesem Bemühen sind vor allem einige Ausführungen über eine lexikalistische Wortbildungstheorie in 2.1 o. zum Opfer gefallen. Andererseits habe ich mich nicht vor gewissen Wiederholungen gescheut, wo sie für das Verständnis nützlich erschienen. Die Gliederung ist, im Interesse besserer Übersicht, etwas geändert. Nach Abschluß der Dissertation hatte ich die Freude, mit mehreren Kollegen kleinere oder größere Teilgebiete der Arbeit diskutieren zu können. In dieser Hinsicht bin ich Sturla H^yem, Walter Huber, Jürgen Lenerz, Marga Reis und Craig Thiersch verpflichtet. Für viele Gespräche und Hilfe bei der Beschaffung von Literatur danke ich besonders Oddleif Leirbukt und Jindrich Tonan; 0. Leirbukt hat mir darüber hinaus ermöglicht, einige Themen dieser Arbeit auf einem Seminar in Tränst (Norwegen) im Herbst 1977 vorzustellen und hat mir dort wie bei der Drucklegung dieser Arbeit wichtige technische Hilfe angedeihen lassen. Diese Auseinandersetzungen haben mich zu einer Reihe von Präzisierungen und Explikationen gegenüber der ursprünglichen Fassung veranlaßt. l
Von der Philosophischen Fakultät der Universität Köln im Frühjahr 1976 als Dissertation in Allgemeiner Sprachwissenschaft angenommen; Rigorosum am 8.v. 1976. Referenten waren Prof.Dr. Hansjakob Seiler und Prof.Dr·. Heinz Vater. Prof. Seiler bin ich für Beratung bei der Einschränkung des Themas und langmütige Förderung zu Dank verpflichtet. Heinz Vater hat mich, auch in schwierigen Situationen, ideell und institutionell nachhaltig unterstützt.
vi
Relevante Literatur, die seit Abschluß der Dissertation erschienen oder mir nachträglich bekannt geworden ist, habe ich nach Mäglichkeit eingearbeitet; dies gilt besonders für (Bresnan 1976, 1977) , (Wascw 1977), (Anderson 1977). Im allgemeinen schien es mir jedoch weder möglich noch wünschenswert, so etwas wie Vollständigkeit im Literaturverzeichnis anzustreben. Bemerkungen über das Passiv finden sich in einer Unzahl grammatischer Arbeiten, und auch über andere Infinitkonstruktionen ist zumindest in transformationalistischer Literatur an vielen Stellen gehandelt worden. Die Titel, die für die Zusammenhänge dieser Arbeit relevant sind, sind aufgeführt; vcn dort aus kann man sich leicht weitere Literatur erschließen. (Literatur zum Passiv findet sich bes. bei Robson (1972) und Brinker (1971).) Das Passiv von versuch- (8.1.3.) war in der ursprünglichen Fassung inadäquat behandelt; auf ähnliche Probleme bei 'freien1 Objekten (8.2.) bin ich erst nachträglich aufmerksam geworden.
Köln, Juli 1978
INHALT
O.
EINLEITUNG
0. 1 . 0. 2. 0. 3.
Grundsätzliches Aufbau der Arbeit Schlußfolgerungen
1.
DIE GRUNDZÜGE DER AKTIV-PASSIV-REIATION
1.1. 1.2.
Einige Fakten 6 Die lexikalis tische und die transfconationalistische Beschreibung der Fakten 9 Einfache Lexikoneinträge 13 Der Aufbau im allgemeinen . Der Begriff der Abhängigkeit 13 Argumentstellen mit variablen Konstituenten 19 Argumentstellen ohne Konstituenten 22 Konstituenten ohne Argumsntstellen 24 Idions 26 Komplexe Lexikoneinträge : Die Passivregel als Lexikoneintrag 29
1.3. 1.3.1. 1.3.2. 1.3.3. 1.3.4. 1.3.5. 1.4.
1
1 2 4
2.
PASSIVTYPEN
35
2. O. 2.1. 2.2.
Ziel der Zusammenstellung werd- mit yP2 37 bleib- mit Partizip 4o
2.3.
sei- mit V*52
2.4. 2.5.
krieg- usw mit v 44 zi sei- mit V (adhortativ)
35
41
46
6
viii
2.6. 2.7. 2.8. 2.9. 2.9.0. 2.9.1. 2.9.2. 2.10. 2.11. 2.12.
bleib- mit V x 48 gehör- mit V& 5o Z1 sei- mit V (possibilitatis) 51 61 lass- mit V und Ref lexivum 53 Vorbemerkung 53 Exkurs über Konstruktionen mit lassDer Typ 8 62
Adjektive auf -bar 61
lass- mit V Folgerungen
53
65
(Typ 6) 73
68
3.
ANDERE INFTNITKONSTRUKTIONEN
3.1. 3.2.
Lexikalistische Analyse von Infinitkonstruktionen
4.
PRIORITÄT DES AKTIVS
4.1. 4i2. 4.3.
Einführung 93 Agenslosigkeit 95 Implikationen der
Zum Begriff 'Hilfsverb
1
77
77
86 93
lexikalis tischen Analyse von 'Hilfsverben1 5.
KASUSRESTRIRTIONEN
1o6
5.1. 5.2.
etwas/ nichts, was man 1o9
1o6
5.2.1. 5.2.2.
Spezifisches und generisches man man als primäres Subjekt 113
5.2.3.
man als sekundäres Subjekt
1oi
1o9
116
6.
STRUKTURBEWAHRENDE EIGENSCHAFTEN
6.1. 6.2.
Die Fakten 121 Die formale Darstellung strukturbewahrender Relationen 127 Der Structure-Preserving-Constraint von Emends 127 Kritik an der Definition von Structure-Preserving Transformations 128 Kritik am Structure-Preserving Constraint 133
6.2.1. 6.2.2. 6.2.3.
121
IX
7.
AGENSAUSDRUCKE
137
7.1.
Grundlegung
7.2.
Kontextdefiniter Agens
7.3. 7.4.
zwischen, unter, in, auf 147 Reziprokes zwischen; bei, durch
7.5.
Das interpretative Verfahren
7.6.
für, von
8.
REGELINTERAKTIONEN
8.1.
Passiv und kohärente Infinitkonstrukticnen
137
153 158
161
8.1.1.
A.c.I.
8.1.2.
woll-, soll-
8.1.3. 8.2. 8.2.1.
141
166 167
167 173
versuch175 'Freie' Objekte 178 Akkusativ 178
8.2.2.
Dativ
18o
8.3. 8.3.1. 8.3.2.
Passiv und satzwertige Infinitivkonstruktionen 183 Konjunktionale Infinitivkonstruktionen 183 Infinitivkonstruktionen ohne Konjunktion 186
9.
RÜCKBLICK
LITERATUR
199
196
0.
EINLEITUNG
0.1.
Grundsätzliches
Diese Arbeit verfolgt ein doppeltes Ziel. Sie möchte zum einen einen Beitrag zu genauerer Kenntnis und vertieftem Verständnis eines wichtigen Teilgebiets der Syntax des Deutschen leisten, und sie möchte zum anderen, indem sie dieses tut, einen Beitrag zur Theorie von Aufbau natürlicher Sprache leisten, insofern sie an dem besprochenen Sprachmaterial zu zeigen versucht, daß bestimmte ('lexikalistische1) Annahmen über den Charakter sprachlicher Regularitäten im Gegensatz zu anderen ('transformationalistischen1) Annahmen über denselben Phänonenbereich zu adäquaten Ergebnissen führen. Der Phänomenbereich, mit dem sich die Arbeit beschäftigt, sind kohärente Infinitkonstruktionen, und unter diesen besonders die Aktiv-Passiv-Relation. Da sie zu den relativ wenigen wirklich zweifelsfrei existierenden syntaktischen Pegularitäten (mit eng verwandten Erscheinungen in vielen Einzelsprachen) gehört, gibt es kaum eine sprachwissenschaftliche Argumentation von einiger Komplexität, in der sie nicht in irgendeiner Weise eine wichtige Rolle spielt; jede Änderung an der Formulierung dieser Relation ist deshalb potentiell folgenreich für die Darstellung anderer grammatischer Relationen. An dieser Relation läßt sich besonders deutlich zeigen, daß es in natürlichen Sprachen 'strukturabhängige1 - dh in diesem allgemeinen Sinne des Wortes: 'transformationelle' - Relationen gibt, mit allen Implikationen, die das für das Verständnis sprachlicher Regularitäten und ihrer formalen Eigenschaften hat. An ihr ist aber auch besonders klar nachweisbar, daß eine solche Relation nicht 'transformationalistisch' interpretiert werden darf, dh als Verhältnis zwischen (aus Wörtern gebildeten) Sätzen bzw deren Repräsentationen, wie es die transformationeile Standardtheorie (Chomsky 1965; künftig: ATS) tut, sondern 'lexikalistisch' verstanden werden muß, dh als Verhältnis zwischen Satzformen, das mittels einer 'Lexikonregel1 zu formulieren ist.
Das bedeutet, daß, jedenfalls für diesen Phänomenbereich, die 'Tiefenstruktur1 der Standardtheorie prinzipiell identisch ist mit der 'Oberflächenstruktur '. Satzcharakter haben in einer lexikalistischen Syntax nur die Gebilde, die tatsächlich als Sätze zu den Beobachtungsdaten gehören. Intuitiv ist der Unterschied zwischen einer lexikalistischen und einer transformationalistischen Darstellung deshalb tiefgreifend, und solange man nicht die empirischen Implikationen verschiedener präzisierter Formulierungen sorgfältig verfolgt, kann man leicht geneigt sein, die eine oder die andere Darstellung für evident richtig bzw falsch zu halten. Ein wichtiges Ergebnis der näheren Betrachtung ist, rend ist:
daß diese Intuition völlig irrefüh-
Für große Teile des grammatischen·Forschungsfeldes haben lexika-
listische und transformationalistische Formulierungen von Hypothesen völlig gleichartige empirische Konsequenzen, und klare Fälle eines empirischen Unterschieds zu finden ist eine Aufgabe, die alles andere als trivial ist. Umso bedeutsamer ist,
daß bei der Aktiv-Passiv-Relation und anderen Infinit-
konstruktionen mehrere voneinander unabhängige empirische Unterschiede zwischen lexikalistischer und transformationalistischer Darstellung nachweisbar sind, wobei in jedem Fall eine eindeutige Überlegenheit der lexikalistischen Formulierung besteht.
0.2.
Aufbau der Arbeit
Die Beobachtung der Unterschiede zwischen den beiden Deutungen der AktivPassiv-Relation ergibt sich im Verlauf der Besprechung verschiedener formaler und semantischer Eigenschaften der Relation. Der Gang der Erörterung ist der folgende.· In einem ersten Kapitel (1.) werden die Grundlagen für die nachfolgenden Erörterungen gelegt, indem anhand des werden-Passivs die distributionellen Faktoren, die die Postulierung einer syntaktischen Aktiv-Passiv-Relation erzwingen, besprochen und eine transformationalistische und eine lexikalistische Formulierung der Relation vorgestellt und erklärt werden; dazu gehört eine Erläuterung des Aufbaus von Lexikoneinträgen (1.3.) und von Lexikonregeln als kcmplexen Lexikoneinträgen (1.4.). Die verschiedenen Passivtypen, die die Materialgrundlage der Arbeit darstellen, werden in 2. geschildert. Die Gesamtheit der Passivtypen von 2. ist Gegenstand der weiteren Überlegungen.
Andere Infinitkonstruktionen - bes. die bei droh-, schein- usw, wollund soll- und A.c.I.-Konstruktionen - werden in 3. in analoger Weise behandelt. In 4. wenden wir uns der alten Frage zu,
ob das Aktiv gegenüber
dem Passiv primär ist oder umgekehrt (falls eins gegenüber dem anderen primär ist).
Diese Frage wird fast überall, wo diese Relation behandelt wird,
kurz gestreift, aber selten sorgfältig behandelt, und fast ausnahmslos wird in irgend einer Weise die Priorität des Aktivs angedeutet oder behauptet. Ich zeige zunächst ( 4 . 2 . ) , daß die distributionellen Fakten beim agenslosen Passiv unter den üblichen Voraussetzungen und jedenfalls in einer transformationalistischen Deutung der Relation gegen diese Auffassung sprechen. Dieser Lhistand spricht jedoch nicht gegen die Priorität des Aktivs, sondern gegen die transformationalistische Deutung, denn es gibt eine Analyse, in der das Aktiv (soweit das Passiv mit Hilfsverb oder Affix gebildet wird) der üblichen Auffassung entsprechend notwendig primär ist: die lexikalistische Darstellung. Das folgt aus gewissen Eigenschaften der lexikalistischen Analyse von Hilfsverben ( 4 . 3 . ) . Ein anderer formaler Aspekt der Aktiv-Passiv-Relation ist ihre Eigenschaft - die sie mit A.c.I.-Konstruktionen teilt -, daß einander entsprechende Konstituenten in ihr verschiedene Kasus haben: Ein Akkusativ bzw Dativ des Aktivs entspricht im Passiv einem Nominativ. Es ist häufig bemerkt worden, daß das für ein kasusrestringiertes Wort wie man Implikationen haben muß. Ich zeige in 5., daß diese Implikationen bei näherer Betrachtung weiterreichend sind, als oft angenommen wird; gleiches gilt für etwas, nichts u.a. Für eine transformationalistische Theorie entstehen daraus Schwierigkeiten, die eine lexikalistische nicht hat. Als weitere formale Eigenart der Aktiv-Passiv-Relation und von A.c.I.Konstruktionen betrachten wir ihre strukturbewahrenden Eigenschaften. Es zeigt sich, daß das Passiv in jeder Einzelheit eine Form hat, die auch im Aktiv vorkonnit. Daraus folgt nicht nur, daß passive Sätze durch Basisregeln generiert werden können; eine solche - lexikalistische - Analyse ist ihren Alternativen auch explanatorisch überlegen. Damit sind die wesentlichen formalen Eigenschaften des Passivs in seiner Relation zum Aktiv besprochen; in 7. wenden wir uns gewissen semantischen Phänomenen zu. Dabei geht es zunächst noch einmal, unter anderen Gesichtspunkten als in 4.2, um die Interpretation agensloser Passive, und die Bedingungen verschiedener Interpretationen werden umrissen. Anhand ge-
wisser Fälle mit zwischen und anderen Präpositionen zeige ich dann, daß auch in Fällen, in denen der Agens im eigenen Satz genannt ist, das logische Subjekt des Verbs nicht lexikalisch belegt ist, und diese Überlegungen werden auf die Agens ausdrücke mit für und von angewendet (7.6.). Daraus folgt die These, daß das Passiv auch dann, wenn es eine dem Aktiv äquivalente logische Charakterisierung hat, eine andere Konstruktionsbedeutung als das Aktiv hat. Dies aber kann formal nur erfaßt werden, wenn man von lexikalistischen Mitteln Gebrauch macht. In 8. betrachten wir die Interaktion der Aktiv-Passiv-Hslation mit anderen syntaktischen Regularitäten, vor allem mit der A.c.I.-Bildung (8.1.1.) und satzwertigen Infinitiven (8.3.). Dabei ergibt sich, daß diese Interaktionen mit der lexikalistischen Passivanalyse völlig verträglich sind und gewisse Eigenschaften dieser Analyse in jedem Fall bestätigen. Außerdem erörtern wir Probleme, die sich in einer lexikalistischen Passivtheorie bei Passiven mit versuch- (8.1.3.) und 'freien* Akkusativen und Dativen (8.2.) stellen. Zum Abschluß fassen wir in 9. die Eigenschaften von Lexikonregeln und ihre Implikationen zusanmen. O.3.
Schlußfolgerungen
Aufgrund dieser Erörterungen kann man das Passiv im Verhältnis zum Aktiv so bestimmen, daß seine syntaktische Form und seine semantische Interpretation unabhängig von der des Aktivs generiert werden; insofern sind Aktiv und Passiv voneinander unabhängig. Semantisch eng verwandt sind sie insofern, als das beteiligte Hauptverb in Aktiv und Passiv identische semantische Eigenschaften hat; da die semantische Interpretation des Passivs sich jedoch in bestimmter Hinsicht etwas anders als die des Aktivs aufbaut, kann man zugleich von einem Unterschied in der 'Konstruktionsbedeutung1 sprechen. Das Passiv ist sekundär gegenüber dem Aktiv, insofern die distributionalen Eigenschaften des Verbs im Passiv auf seine Distributionseigenschaften im Aktiv zurückgeführt werden müssen. Diese Zusammenhänge und Einzelbeobachtungen konnten nur im Rahmen der lexikalistischen Deutung der Relation expliziert und in Ansätzen präzise formuliert werden; insofern danit empirisch wahre Erkenntnisse gewonnen
sind, sind sie der Konzeption der Lexikonregel zu verdanken. Da diese Darstellung der Aktiv-Passiv^Relation in der Tat allen Kriterien der empirischen Mäquatheit genügt, findet die Konzeption einer Oberflächensyntax mit Lexikonregeln in der Aktiv-Passiv-Relation und in anderen Infinitkonstruktionen ihrerseits eine starke empirische Stütze.
l.
DIE GFIUDZÜGE DER AKTIV-PASSIV-RELATION
1.1.
Einige Fakten
Es ist eine traditionelle Erkenntnis, daß zwischen Sätzen wie a und b a b
(weil) Karl die Begonien wässerte,... (weil) die Begonien von Karl gewässert w u r d e n , . . .
regelmäßige Entsprechungsverhältnisse bestehen. Man sagt deshalb, daß b 'das Passiv zu (oder von)' a ist: a ist umgekehrt 'das Aktiv zu (oder von)' b. Gewöhnlich wird der Begriff
'Aktiv1 dann so erweitert, daß jeder Satz
S , der nicht als Passiv zu einem Satz S, erkennbar ist, als Aktiv oder als aktiver Satz bezeichnet wixd. In diesem Beispiel wie in fast allen parallel gebauten gilt folgende Entsprechung: Der von von regierten Nominalphrase in b entspricht das Subjekt von a; dem Subjekt von b entspricht das Akkusativobjekt von a; dem Partizip 2 in b entspricht das Finitum in a; dem werd- und dem von in b entspricht in a nichts. Da dieses regelmäßige Entsprechungsverhältnis in dieser Form gilt, sind die Distributionseigenschaften, die das 'Hauptverb1 hat, aufgrund von a für b bzw aufgrund von b für a vorhersagbar. Deshalb sind Aktiv und Passiv in Paaren wie euer Einwand gegen den Plan bedauerte den Laubfrosch der Laubfrosch wurde von euerm Einwand gegen den Plan bedauert Karl verknüpfte das Wort zu einem Satz das Wort wurde von Karl zu einem Satz verknüpft
gleichermaßen unakzeptabel, während Aktiv und Passiv in den Paaren der Laubfrosch bedauert euern Einwand gegen den Plan euer Einwand gegen den Plan wurde von dem Laubfrosch bedauert Karl verknüpfte die Wörter zu einem Satz die Wörter wurden von Karl zu einem Satz verknüpft
gleichermaßen akzeptabel sind (und, je nach dem, was für seelische Regungen man Laubfröschen zubilligt, mehr oder weniger befremdlich). Besonders auffällig ist das dort, wo ungewöhnliche Distributionsverhältnisse zwischen Verb und Cfojekt bestehen. So sind Kollokation und Bedeutung von Prüfung ableg-, Mut fass- und Schwur brech- in als wir die Prüfung ablegten als wir neuen Mut faßten als wir den Schwur brachen
idiomatisch, weil nicht nach Regeln zu erwarten: genau dasselbe Verhältnis besteht zwischen Subjekt und Verb, sobald die Sätze im Passiv stehen: als die Prüfung von uns abgelegt wurde als von uns neuer Mut gefaßt wurde als der Schwur von uns gebrochen wurde.
Ähnlich ist es, wo gewisse Vförter überhaupt nur in spezieller tlngebung existieren. So gibt es Hehl, Garaus, Leviten, Vorschub nur als Objekt zu mach- bzw les- oder leist-, vgl. keiner machte einen Hehl daraus Karl machte ihm den Garaus Karl las ihm die Leviten Karl leistete diesem Unfug heftigen Vorschub;
die einzige Ausnahme ist,
daß sie auch als Subjekt zu eben diesen Verben
auftreten, wenn der Satz passiv
ist:
daraus wurde von keinem ein Hehl gemacht ihm wurde von Karl der Garaus gemacht uns wurden von Karl die Leviten gelesen diesem Unfug wurde von Karl heftiger Vorschub geleistet.
Über distributionale Zusammenhänge hinaus sind derartige Aktiv-PassivPaare i.a. inhaltlich gleichbedeutend. Durch den Zusammenhang zwischen den Satztypen a und b sind zugleich die distributionalen Eigenschaften des 'Passiv-Hilfsverbs1 werd- definiert. Denn in welchen Umgebungen ist dieses werd- zu finden? Es verbindet sich immer mit einem anderen Verb im Partizip 2 (V*3 ) · darüber hinaus kamt es mit einem Nominativ (NPn) , mit Nominativ und Dativ (NP ) , mit Nominativ und Genitiv (NP") , aber auch mit NP oder NP^ alleine oder ganz ohne Ncminalohrase vor:
weil weil weil weil weil weil
er von Karl befördert wurde er ihr von Karl vorgestellt wurde er von Karl der Untreue bezichtigt wurde ihm von Karl geholfen wurde seiner von Karl gedacht wurde nur von wenigen gearbeitet wurde.
Daraus könnte man schließen, daß alle diese Ergänzungen fakultativ sind, daß werd- also allgemein in der Umgebung (r) vorkamt: f
(r)
(NP")
Q
j
^
«!?dH von NPd Vp2
Dies ist zwar nicht falsch; aber soweit keine anderen Angaben gemacht sind, sollte man daraus schließen, daß Sätze wie die folgenden möglich sind: * * * *
als als als als
ihm von Karl befördert wurde er von Karl geholfen wurde seiner von Karl vorgestellt wurde er nur von wenigen gearbeitet wurde.
Der Mangel von (r) liegt offensichtlich darin, daß nicht zum Ausdruck könnt, daß die Distribution von werd- eine Funktion der Distribution des V^ ist: Dann und nur dann wenn das regierte Verb in anderen Fällen eine NP erlaubt, kamt werd- mit NP vor; dann und nur dann wenn es sonst NP™ oder NP erlaubt, erlaubt auch werd- N?" bzw NP . Die syntaktischen Distributionseigenschaften des V^ wiederum sind in charakteristischer Weise verändert: Was sonst bei diesem Verb als NPa auftritt, erscheint hier als NP , und der Akkusativ ist verschwunden; und was sonst als NPn auftritt, erscheint hier als 'Agens1 mit von. Da das Subjekt im Passiv also einerseits vom infiniten Verb bestimmt wird, insofern es seinem normalen Akkusativobjekt entspricht, und andererseits von werd- bestimmt wird, insofern es sonst eben nicht als NPn auftritt, sondern als NPa, kann man sagen, daß das Passivsubjekt in sehr spezieller Weise doppelt (nämlich von 2 Verben) selegiert ist und daß das Hilfsverb zur Bestimmung seiner Distributionseigenschaften in sehr spezieller Weise auf die Distributionseigenschaften eines anderen Verbs rekurrieren muß. Dieses ungewöhnliche Verhältnis ist es, was das Passiv allgemein charakterisiert.
Diesen Zusammenhang hat erstmals Chomsky (1957:5.4) mit Klarheit formuliert.
1.2.
Die lexikalistische und die transformationalistische Beschreibung der Fakten
Da dieses Entsprediungsverhältnis offensichtlich eine von Sprecher beherrschte Regularität der Sprache ist,
die nicht aus allgemeineren Regularitäten
oder Prinzipien der Gramnatik zu deduzieren ist,
gibt es keinen Zweifel, daß
sie durch eine Regel der Grammatik erfaßt und expliziert werden muß.
Die
syntaktischen Systeme, die als erste streng formuliert wurden - Konstituentenstrukturgraitrnatiken verschiedener Typen - , waren zwar im Stande , die Perm von a und b zu beschreiben: sie konnten jedoch nicht das zwischen ihnen bestehende strukturabhängige Entsprechungsverhältnis formulieren. Dazu wären Regeln der Art L oder der Art T nötig gewesen: L -Für jedes Verb V. : Wenn V. als V in der Ungebung (d) vorkommen kann, dann kann V. auch als V in der Ungebung (r) vorkommen (und/oder umgekehrt) : (d)
NPn,
(r)
, von Npf , X,,, V^2 , werd£t
-
T
~"~~
l
J
'""
T Für alle Ketten K. : Wenn K. die Form (d) hat und wohlgeformt ist, dann ist auch eine Kette der Form (r) wohlgeformt (und/oder umgekehrt) : (d)
°, , X 3 , V 4
( r ) < N P > ' v o n N P , X , V 2 , werdDabei bezeichnen Winkelklammern gleichzeitige Anwesenheit bzw Abwesenheit der eingeklammerten Konstituenten in (d) und (r) ; "X" ist eine Variable über beliebig viele (auch null) Konstituenten beliebigen Typs. Reihenfolgebeziehungen bleiben außer Betracht. Gleiche Subskripte in (d) und (r) ordnen die indizierten Konstituenten einander zu. Konstituentenstrukturgrammatiken enthalten keine Regeln, die in der nötigen Weise eine Entsprechung zwischen verschiedenen Sätzen oder Satzformen wie (d) und (r) formulieren können. Es hat deshalb wesentlich zum Erfolg der transformationeilen Grammatik beigetragen, daß sie zum ersten Mal das Entsprechungsverhältnis zwischen Aktiv und Passiv mit Hilfe von Regeln der Art T in strenger Formulierung angegeben hat. Innerhalb des Aufbaus der transformationeilen Grammatik ist die Passiv-
Regel besonders wichtig geworden, weil sie bei allen Argumentationen als zweifelsfrei existierende Transformationsregel angenorrrnen wird; besonders Fragen der Regelordnung und des transformationeilen Zyklus werden gewöhnlich anhand der Interaktion der Passivregel mit anderen syntaktischen Regularitäten (im Englischen) erörtert. Es ist leicht zu sehen, daß L und T in wesentlicher Hinsicht gleich sind: Dank der für L und T identischen Strukturbeschreibungen (d) und (r) ist die Zuordnung zwischen ihnen eine strukturabhängige Funktion, die man - in einem sehr allgemeinen Sinne des Wortes - als granmatische Transformation bezeichnen kann. Der Unterschied zwischen L und T liegt in folgendem: Da T eine Zuordnung zwischen Ketten definiert, ist T eine Abbildung von Phrase Markem (PM) auf PM, und Konstituenten mit gleichem Index enthalten gleiches morphologisches Material. Aufgrund eines unabhängig von T generierten PM der Form (d) generiert T jeweils einen entsprechenden PM der Form (r) (oder umgekehrt); damit ist T eine syntaktische Transformationsregel im traditionellen Sinne des Wortes. L hingegen nimmt nicht Bezug auf Ketten bzw PM, sondern auf Umgebungstypen eines Verbs. Das geschieht, indem L aufgrund der Distributionsangabe (d) für V . , die unabhängig von L durch den Lexikoneintrag von V. definiert ist, eine zweite Distributionsangäbe (r) für V^ generiert (oder umgekehrt). Dabei können Kategorien mit gleichem Index mit verschiedenem morDholcgischen Material belegt sein. Man kann die Distributionsangaben für ein Verb V. (den Lexikoneintrag) extensional deuten als Wohlgeformtheitsbedingung für die PM, in denen V. vorkommt. Entsprechend dieser Deutung kann man sagen, daß L ein Paar ML von Mengen von Phrase Markem definiert, ML = (Md, tf) , für M0 = {PM^, PM^,.. } und vr = {PM7, P M ~ , . . . } . Demgegenüber definiert T eine Menge von Paaren J von Phrase Markern, MT = {(PM. , PM^), (PM2, PM?),...} . Dabei ist jeder PM7 entsprechend (d) und jeder Plf. entsprechend (r) analysierbar, und alle PM., PN: mit i. = j haben in den einander entsprechenden (durch gleichen Index markierten) Konstituenten gleiches morphologisches Material. Innerhalb einer Grammatik von Typ der Standardtheorie kann sich dieser Unterschied sehr einfach so ausdrücken, daß L 'vor1 der Einsetzung von V.
11
in den Basis Phrase Marker operiert, während T 'danach1 operiert.
Das hat
zur Folge, daß die von einer NP. dominierten Endketten in (d) und (r) von T identisch sein müssen; in L hingegen müssen nur die für NP. im Lexikoneintrag von V. formulierten Distributionsangaben in (d) und (r) beachtet sein, die von NP. dominierten Endketten können sich unterscheiden (das gleiche gilt für die anderen indizierten Konstituenten). T definiert deshalb eine Zuordnung innerhalb der Paare (1a, 2 a ) , (1b, 2b), und stellt keine Verbindung zwischen 3 und 1 oder 2 her, während L aussagt, daß 1 in derselben Weise granroatisch ist wie 2 und 3: la b 2a b 3a b
weil weil weil weil weil weil
der der der der der der
Junge den Hund beißt Hund den Jungen beißt Hund von dem Jungen gebissen wird Junge von dem Hund gebissen wird Junge von dem Jungen gebissen wird Hund von dem Hund gebissen wird
Allerdings sollte aus einer korrekten Formulierung von L hervorgehen, daß bei Belegung der einander entsprechenden Konstituenten im Aktiv und Passiv wie in 1a, 2a und 1b, 2b eine prädiktable logische Relation zwischen Aktiv und Passiv besteht. Die lexikalistische - mit einer Regel wie L operierende - Interpretation einer transformationellen (strukturabhängigen) syntaktischen Relation unterscheidet sich nach diesen Überlegungen vor allem in 2 Kriterien von der transformationalistischen - mit einer klassischen Transformationsregel wie T operierenden - Interpretation: (1) T-Regeln sind für (Repräsentationen von) Sätze(n) formuliert; die von ihnen erfaßten Phrase Marker sind deshalb in Chomsky (1957) und - im Normalfall, cf. 4.2. - in ATS nicht anders als zB In Harris (1954) lexikalisch voll spezifiziert. L-Regeln sind für Satzformen formuliert; die in ihnen erwähnten Konstituenten sind deshalb, wenn nicht ausdrücklich anders angegeben, nicht lexikalisch spezifiziert (belegt). l
Das gilt auch in einem System wie dem von (Evers 1975) , wo nicht alle lexikalischen Einsetzungen 'vor' allen syntaktischen Transformationen operieren wie in ATS, sondern zyklisch geschehen, solange nur die lexikalische Einsetzung in jedem Zyklus allen syntaktischen Transformationen desselben Zyklus vorhergeht und keine für unseren Zusammenhang relevanten präzyklischen Transformationsregeln existieren. - Obwohl Seuren (1969: 175 ff) das Passiv "in the deep structure component" generiert, ist sein Mechanismus nicht mit L zu vergleichen, da sein 'deep structure component' ein völlig unrestringiertes Ersetzungssystem ist, das u . a . auf partiell mit morphologischem Material belegten Strukturen operiert.
12
(2) T-Regeln generieren Phrase-Marker (wobei die 'neu1 generierten Formen zufällig mit 'schon vorhandenen' strukturell identisch sein können). L-Regeln hingegen generieren Distributionsangaben, die - nach den Vorstellungen von AIS, denen ich hier folge - die Vorkortmensmöglichkeit lexikalischer Elemente in Satzformen, die von Phrasenstrukturregeln generiert sind, regeln. Transformationalistischen Systemen ist deshalb eine syntaktische Repräsentation eigen, die im allgemeinen Fall von der der 'Oberflächenstruktur' verschieden ist: die Tiefenstruktur und die Sequenz transformationell aus ihr hervorgehender 'Zwischenstrukturen1. Lexikalistische Systeme lassen sich demgegenüber so charakterisieren, daß in ihnen die Tiefenstruktur notwendig mit der Oberflächenstruktur identisch ist. Verschiedene Arten von Mischsystemen sind möglich. Man könnte L-Regeln die Möglichkeit zugestehen, das Kriterium (2) zu verletzen und Strukturen zu generieren; entweder zusätzlich zu den Phrasenstrukturregeln, oder überhaupt an ihrer statt. Dieser Gedanke ist besonders für dependenzgrammatische Zwecke keineswegs abwegig; nach meiner Kenntnis ist es aber nirgendwo ausgearbeitet worden, und ich werde ihn hier nicht verfolgen. Man könnte syntaktische Transformationsregeln entgegen Kriterium (1) grundsätzlich für lexikalisch unspezifizierte Knoten formulieren; das hieße, daß sie 'vor 1 der Einsetzung lexikalischer Elemente operieren. Ein solches Verfahren wäre offensichtlich reich an Problemen und speziellen Voraussetzungen. Soweit mir bekannt ist, ist es deshalb erstmals im Rahmen der Trace Theory diskutiert worden (den Besten 1976). Ich werde diese Möglichkeit hier nicht verfolgen. Eine besondere Variante transfonnationalistischer Systeme mit Verletzung von Kriterium (1) sind Grammatiken in der Tradition der 'Generativen Semantik'. Von anderen Grammatiktypen unterscheiden sie sich besonders dadurch, daß die Einsetzung eines lexikalischen Elements an beliebigen Punkten in der Ableitung geschehen kann, daß zugleich aber die Knoten 'vor' dieser Belegung nicht etwa leer sind; sie sollen vielmehr mit 'semantischem Material', dh Symbolen für Aspekte der Bedeutungsrepräsentation belegt sein. Das gibt ihnen außerordentliche deskriptive Flexibilität, die durch die freie Benutzung von 'Global Rules' noch weiter erhöht wird. Es ist deshalb außerordentlich schwierig, die Vorzüge solcher Systeme im Vergleich zu anderen Systemen zu beurteilen, und ich lasse diese Frage hier offen.
13
1.3.
Einfache Lexikoneinträge
1.3.1. Der Aufbau im allgemeinen. Der Begriff der Abhängigkeit Für die vorigen und für. künftige Überlegungen benutze ich einen Begriff von Lexikoneinträgen, der der Erläuterung bedarf. Wir wollen anhand eines Beispiels überlegen, welche Eigenschaften ein Lexikoneintrag haben soll. Betrachten wir die Distribution eines Verbs wie gesteh-. Es verbindet sich obligatorisch mit einer NPn (l vs 2) und fakultativ mit einer NPa (3) und zusätzlich einer NP ( 4 ) . Eine NP^ kann gar nicht (5), die NP nur zusammen mit der NP auftreten (6): 1 weil Karl gestand 2 »weil gestand 3 weil Karl den Mord gestand 4 weil Karl ihr den Mord gestand 5 »weil Karl des Mordes gestand 6 »weil Karl ihr gestand 7 weil Karl jemand den Mord gestand 8 weil Karl jemand etwas gestand.
Dies sind unprädiktable Eigenschaften der kategorialen Ungebung von gesteh-, die als 'kategoriale Charakterisierung1 (KC) in den Lexikoneintrag eingehen müssen. Während das Verb mit nur l oder 2 Konstituenten vorkommen kann wie in l und 3, ist es logisch immer 3-wertig, denn 3 wie 4 implizieren 7, und l wie 4 und 7 implizieren 8. Diese Eigenschaft muß als Teil der 'logischen Charakterisierung1 (LC) wiederum zum Lexikoneintrag gehören, da sie durch keine allgemeine Rsgel vorhergesagt werden kann. Uhprädiktabel sind ferner die phonolögischen und morphologischen Eigenschaften von gesteh-; sie bilden die "phonologische1 (PC) bzw "morphologische Charakterisierung1 (MC) des Verbs. Da beide für unsere a/ecke weitgehend uninteressant sind, benutze ich statt PC eine konventionelle orthographische Repräsentation und lasse MC offen. Es ist nicht klar, ct> darüber hinaus Angaben in der Art der 'selectional features' von ATS bzw 'selectional restrictions' vcn Katz (1972) nötig sind, die festhalten, daß die NPn bei gesteh- einen konkreten (und intellektbegabDer Akkusativ alterniert mit Sätzen und satzwertigen Infinitivkonstruktionen : Karl hat (ihr) gestanden, daß er Hunde liebt Karl hat (ihr) gestanden, den Hund geliebt zu haben Derartige Alternationen werde ich in dieser Arbeit i.a. ignorieren.
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ten) Gegenstand bezeichnet, während die NP
einen Vorgang bezeichnet. So-
weit derartige Angaben nicht adäquater in LC zu lokalisieren sind, sollen sie in einer 'subselektionalen Charakterisierung1 (SSC) formuliert werden. Der Lexikoneintrag von gesteh- ist demnach ein 5-tupel (PC, MC, KC, SSC, LC) folgender Art: PC : gesteh MC:
...
KC:
NPn, < (
NP*),
[y PC]
LC: GESTEH ( ^, 5?2 , Die Klammern in KC sind wie üblich zu interpretieren, dh diese KC entspricht einer Disjunktion der 3 KC I:
NP", NP 2 , NP*, [^
KC2: NPn, NP*, [v KC3: NPJ, [v
PC]
PC]
PC]
In Ergänzung und Präzisierung der bisherigen Überlegungen können wir die folgenden Konventionen für die Interpretation derartiger Lexikoneinträge aufstellen (wobei wir von NC und SSC absehen) : Konventionen für einfache Lsxikoneinträge: (i)
LE sei ein n
(einfacher) Lexikoneintrag der folgenden Form:
PC: pf K , ..., L l 2 LC: P (« , S , ..., 3 ist 3 1 2 KC: K
X
(ii)
[ P C ] K i X . n ; , wobei "P" eine Prädikatsvariable 3 m
Wenn ein Satz eine Menge M, von syntaktischen Konstituenten s . , s„, ...,s enthält, H = {s., s , . . . , s } , dann ist l £, n ^ M, syntaktisch wohlgeformt hinsichtlich LE , wenn (a)
(b)
= pf ist und n s., s„, ..., s i £. n K. gehört. n s
jeweils zur Kategorie K. , K 1 9
'
...,
15 (iii)
Wenn (a) M,
syntaktisch wohlgeformt ist und es
(b) eine K.
in KC und ein K . in LC gibt, derart daß i i i. = j . , dann ist
(c) P ( . . . , I . , . . . )
eine Übersetzung von s
(s
= pf)
für jedes i = i. = j . , wenn s. der Kategorie K. zugehört und I. eine Überi± Setzung von s. ist.
Wenn "KARL" eine Übersetzung von Karl, "SIE" eine Übersetzung von sie und "MDRD" eine Übersetzung von der Mord ist, ist Ib die Übersetzung des Verbs in la; 2b ist die Übersetzung des Verbs in 2a; 3b ist die Übersetzung des Verbs in 3a, wenn wir das Tempus vernachlässigen. 4 wird keine Übersetzung zugeordnet, da der Satz nicht syntaktisch wohlgeformt ist: la b
Karl gestand ihr den Mord GESTEH (KARL, SIE, MORD)
2a b
Karl gestand den Mord GESTEH (KARL, S , MORD)
3a b
Karl gestand GESTEH (KARL, J? , 5 )
4 *Karl gestand ihr 5 Karl gestand jemand den Mord 6 Karl gestand jemand etwas 2b und 3b sind, n.b., im Gegensatz zu Ib nicht Propositionen, sondern offene Propositionsfunktionen, da sie freie Argumentsteilen enthalten. Ich nehme an, daß es einen Interpretstionsmechanismus PIM gibt, der innerhalb einer pragmatischen Theorie zu spezifizieren ist, der in Abhängigkeit vom Kontext die freien Argumentstellen in 2b und 3b mit geeigneten gebundenen Variablen belegt. Dabei ist zu beachten, daß die beiden ausgelassenen Konstituenten in 3a verschiedene logische Eigenschaften haben. Ohne Kontext besagt 2a nicht mehr als 5, wenngleich in einem gegebenen Kontext die Person, der der Ward gestanden wird, bekannt sein mag, so daß 5 nicht adäquat gebraucht werden könnte, da indefinite Nominalphrasen nur zur Einführung unbekannter Designate gebraucht werden (cf. 7 . 2 . ) . 3a dagegen kann nur unter der Annahme gebraucht werden, daß das, was gestanden wurde, bereits bekannt ist; insofern ist 3a in keinem Fall gleichwertig mit 6. Die Ellipse des Dativobjekts ist eine 'indefinite1, die des Akkusativobjekts eine 'definite Ellipse1 (Shopen 1972, Fillmore 1971). Dieser unterschied zeigt sich deutlich bei
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negierten Sätzen: Während al außerhalb eines Kontexts a2 impliziert, impliziert bl nicht b2 oder b3: al 2
Karl hat den Mord nicht gestanden Karl hat den Mord niemandem gestanden
bl 2 3
Karl hat nicht gestanden Karl hat nichts gestanden Karl hat niemandem etwas gestanden.
Offensichtlich muß die LC eines Prädikats auf irgendeine Weise angeben, ob eine ausgelassene Konstituente definit verstanden werden muß oder indefinit verstanden werden kann; wie das zu erfassen ist, lasse ich offen. Darüber hinaus sind einige allgemeine Bemerkungen zu den Konventionen am Platze. In ihrer Funktion entspricht die KC den 'strict subcategorization features' von ATS. Das Komma zwischen den Kategorien deutet an, daß keine Aussage über Reihenfolgeverhältnisse gemacht wird. Dies ist keine prinzipielle Eigenschaft der Konventionen; ich möchte lediglich in diesem Zusammenhang offenlassen, ob es so etwas wie eine 'zugrundeliegende Reihenfolge 1 der relevanten Konstituenten gibt. Die Notation in KC enthält hier auch keinen Hinweis auf dominierende Kategorien, etwa VP. Dies ist wiederum keine prinzipielle Eigenschaft, aber es ist hinsichtlich VP wohlmotiviert. Ich sehe keine Evidenz, daß Akkusative, Dative und Genitive in ihrer Position in der Konstituentenstruktur konsistent unterschieden wären; der Kasus einer vom Verb regierten Nominalphrase ist daher nicht vorhersagbar und wird von idiosynkratischen Eigenschaften des Verbs bestimmt. Die Superskripte an den NP in der KC drücken dieses Faktum aus. Im Gegensatz zu ATS ist auch das Subjekt, die NP n , in KC erwähnt. Dies ist nötig, da es im Deutschen Prädikate gibt, die kein Subjekt zulassen. Daraus folgt, daß a und/oder b zutreffen muß: a Im Deutschen sind Subjektkonstituenten ebenso wie Objektkonstituenten Schwesterkonstituenten des Verbs, dh es gibt keine Kategorie VP. b Die strikte (dh kategoriale) Subkategorisierung des Verbs ist nicht strikt lokal im Sinne von ATS; 99. Die Korrektheit von a ist schwer zu beurteilen, da die Evidenz teilweise widersprüchlich erscheint. Für b besteht unabhängige Evidenz zB in Konstruktionen mit zu und genug und Adjektiv, die mit einem Dativ oder mit um und einem Verb im Infinitiv mit zu (V 2 ^·) vorkommen, ohne jemals mit ihnen eine Konstituente zu bilden: «Karl ist mir dumm «Karl ist dumm, um das zu verstehen Karl ist mir zu dumm Karl ist mir nicht dumm genug Karl ist zu dumm, um das zu verstehen. Die Auslaßbarkeit von Konstituenten wie NP und NP bei gesteh- wird in ATS; Io7 durch Regelmerkmale wie [ +Object-Deletion] beschrieben. Es ist klar, daß Regelmerkmale ein Deskriptionsmittel von immenser Ausdruckskraft sind, da sie die Kodierung arbiträrer globaler Derivationseiyenschaften erlauben, und deshalb nach Möglichkeit vermieden werden
17 sollten. Darüber hinaus müßte eine solche Tilgungsregel, wenn sie Koreferenzbeziehungen adäquat erfassen soll, in derselben Weise wie der pragmatische Interpretationsmechanismus PIM Zugang zu pragmatischer Information haben, wodurch das Konzept einer syntaktischen Regel weitgehend seinen Inhalt verlieren würde. Alternativ wäre es vorstellbar, daß die Tilgungsregel eine spezifizierte Klasse von Pronomen tilgen kann, die vor ihrer Tilgung mittels PIM interpretiert werden. Diese Idee scheitert daran, daß etwa bei weiger- der satzwertige Infinitiv ausgelassen werden kann (mit definiter Interpretation): Karl weigerte sich, etwas dagegen zu tun Karl weigerte sich. Für diesen Infinitiv kann aber kein Pronomen eintreten, das der so konzipierten Tilgungsregel unterliegen könnte: *Karl weigerte sich es/das/dagegen/... Zudem haben wir gesehen, daß bei Verben wie gesteh- die Auslassung der NPa nur möglich ist, wenn auch die NP ausgelassen ist. Derartige Dependenzen sind im Deutschen sehr häufig, und ich sehe nicht, wie sie mit Regelmerkmalen beschrieben werden könnten. Die Klammern im Lexikoneintrag von gesteh- erfassen sie dagegen auf natürliche Weise. Die LC eines lexikalischen Elements ist in wesentlicher Hinsicht einem "Reading 1 von Katz (1972) ähnlich. Hier wie dort wird die in einer formalen Sprache formulierte Übersetzung einem Wort, nämlich s , vor allem also einem Verb,zugeordnet und nicht, wie es häufig in logisch inspirierten Grammatiken geschieht, einem ganzen Ausdruck (etwa M ^ ) ; diese Eigenschaft von Lexikoneinträgen wird beim Aufbau komplexer Lexikoneinträge eine wichtige Rolle spielen. Die Bedingung (iii) der Konventionen entspricht inhaltlich genau der universalen Projektionsregel von Katz (1972: 114-6). Ein offensichtlicher Unterschied besteht darin, daß die Argumentstellen (Katz: 'Variables') bei Katz Namen für syntaktische Punktionen als Subskripte haben, während hier arbiträre Indizes verwendet sind, die den Indizes der Kategorien in KC entsprechen. Dies ist wiederum keine Sache des Prinzips; es scheint durchaus möglich, Subskripte in der Art von Katz zu verwenden oder, unter gewissen allerdings zweifelhaften Voraussetzungen, auf Subskripte ganz zu verzichten und eine allgemeine Regel zu formulieren, die Argumentstellen und Kategorien einander in geeigneter Weise zuordnet.^
In einem Lexikoneintrag finden sich per Definition alle Angaben über ein Lexikcnelement, die nicht aufgrund allgemeiner Regeln vorhersagbar sind. Dazu gehört besonders die Zuordnung zwischen PC, MC, KC, LC, dh die Zuordnung zwischen lautlichen, morphologischen, syntaktischen und semantischen Eine solche Zuordnungsvorschrift ist relativ leicht für obligatorische Kategorien aufzustellen. Es ergeben sich jedoch kaum lösbare Probleme bei fakultativen Kategorien, bes. wenn, wie etwa bei vorles-, NPa und NP unabhängig voneinander elidierbar sind. Vgl. ( i ) , wo alle 4 durch Auflösung der Klammern entstehenden Sätze (ii) implizieren: (i) er las (ihr) (eine Geschichte) vor (ii) er las jemand etwas vor.
18 Eigenschaften.
Unter der KC gehört dazu, mit welchen Kategorien ein Verb
sich idiosynkratisch verbindet: Es ist mit einer NP
zB nicht vorhersagbar, daß gratulier-
vorkamt, während beglückwünsch- eine NPa hat, und es folgt
aus keiner Regel, daß lieg- in der Konstruktion mir liegt sehr an dieser Sache ohne Subjekt, aber mit einer NP und einer Präpositionalphrase mit an vorkamt. Selbst wenn es aber prädiktabel ist, daß eine gewisse Kategorie mit einem Verb vorkommt, wie vermutlich das Subjekt im Englischen, muß sie dann in der KC aufgeführt werden, wenn ihre Zuordnung zu einer Argumentstelle in der LC nicht prädiktabel
ist.
Kategorien, die aufgrund dieser Kriterien in KC angegeben sind, sind von dem lexikalischen Element 'selegiert1, äie werden von ihm 'regiert' und stehen in einer grammatischen Relation zu ihm.
In demselben Sinne wird
oft gesagt, diese Kategorien seien (vom Verb) 'abhängig'. Die Frage einer derartigen - lexikalischen - Abhängigkeit hat nichts damit zu tun, ob eine Kategorie fakultativ oder obligatorisch ist. Die Npd und NPa bei gesteh- sind fakultativ, aber vom Verb abhängig. Das Verb verzieht- kommt mit einer Präpositionalphrase mit auf vor; da dies ein unprädiktables Faktum ist, muß sie in der KC angegeben werden, ist also lexikalisch abhängig (und wird dann 'Präpositionalobjekt' genannt). Diese PP ist fakultativ: Karl verzichtete ist voll akzeptabel. Zu beschreiben ist das, wie bei gesteh-, dadurch daß die PP in der KC in runden Klammern steht; die LC wird dadurch nicht berührt. Parallele Beispiele mit anderen Verben - zB ess-, schreib-, gehorch- - gibt es in Fülle. Wie eine Konstituente lexikalisch abhängig sein kann, die nicht obligatorisch ist, so ist umgekehrt nicht jede obligatorische Konstituente lexikalisch abhängig. Verben etwa kommen im Deutschen nur gebunden an Flexions- oder Derivationsmorpheme vor, die also (relativ zum Verb) obligatorisch sind. Trotzdem sind sie nicht lexikalisch abhängig, denn ihr Auftreten ist vorhersagbar. Ein völlig anderer Abhängigkeitsbegriff wird verwendet, wenn man sagt, daß ein adnominales Attribut, also etwa ein Relativsatz oder eine Adjektivphrase:, von seinem Substantiv oder daß ein Hilfsverb vom Vollverb 'abhängig 1 sei. Vermutlich liegt dabei die Vorstellung zugrunde, daß die derart 'abhängigen' Elemente hinsichtlich allgemeiner syntaktischer Wohlgeformtheitsbedingungen fakultativ sind, während ihr 'Regens' obligatorisch ist. Nach diesem Kriterium dürften Nominalphrasen im Nominativ , Akkusativ oder Dativ und eingebettete Sätze wie in
Diese Explikation der Begriffe 'regieren' bzw 'grammatische Relation' entspricht genau der von Akmajian (1977:456) und von Katz (1972:11) und stimmt, soweit ich sehe, mit dem traditionellen Sprachgebrauch (soweit er konsistent ist) überein.
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ich befürchte, daß Karl sich daneben benimmt daß Karl vermutet, er solle sich profilieren, ist bekannt nicht als abhängig gelten, denn sie kommen unabhängig vor: Mein lieber Freund! ewigen Kampf den Palästen! daß Karl sich aber auch immer daneben benimmt! er soll sich profilieren; hinsichtlich eines einzelnen Verbs wie abtast- wiederum dürfte das Akkusativobjekt nicht als abhängig gelten, weil es dort obligatorisch ist. Bei der 'lexikalischen Abhängigkeit', wie ich sie erläutert habe, haben w.'.r es jedoch nicht mit allgemeinen syntaktischen Wohlgeformtheitsbedingungen zu tun - deren Rolle wird von syntaktischen Regeln übernommen -, sondern mit der Feststellung unprädiktabler Distributionseigenschaften einzelner lexikalischer Elemente, also mit Lexikoneinträgen. (Unter diesem Gesichtspunkt ist das Vollverb vom Hilfsverb (lexikalisch) abhängig.) Der Begriff der lexikalischen Abhängigkeit, der mit dem der lexikalischen Selektion zusammenfällt, ist offenbar genau der Abhängigkeitsbeg r i f f , der für die sog. Valenzlehre relevant ist, dort aber überraschenderweise weitgehend als unklar empfunden wird und zu ausgedehnten - und weitgehend ergebnislosen - terminologischen Erörterungen Anlaß gegeben hat. 1 Es liegt auf der Hand, daß aus der (jedenfalls terminologischen) Gleichsetzung der lexikalischen Abhängigkeit mit einer 'Abhängigkeit' hinsichtlich allgemeiner syntaktischer Regularitäten, wie sie sich in allen mir bekannten Abhandlungen zur sog. Dependenzgrammatik dokumentiert, Konfusion entstehen muß.
1.3.2. Argumentstellen mit variablen Konstituenten Orts-, Zeit- oder MDdalangaben nehmen bei manchen Verben in gewisser Weise eine Zwischenstellung zwischen obligatorischem und fakultativem Vorkamen einer Konstituente ein. Solche Angaben sind im allgemeinen einem Verb frei hinzufügbar: etwaige Beschränkungen scheinen allgemeinen semantischen Regularitäten zu folgen und nicht lexikalischer Natur zu sein. Das Verb verbringbraucht jedoch, wenn es wie in Karl Karl Karl Karl
l
verbrachte verbrachte verbrachte verbrachte
einige Jahre in Köln dort seine Jugend die Zeit unter Fischern den Krieg auf den Bermudas
Eine seltene Ausnahme ist Günther (1978).
2 Karl verbrachte sein Studium, indem er in Vorlesungen ging wie verbrachte Karl den Tag? Karl verbrachte seine Jugend auf sehr angenehme Weise hat Karl die Zwischenzeit angenehm verbracht? Karl Karl Karl Karl Karl
verbrachte den Abend unter Krämpfen verbrachte den Krieg in angenehmer Gesellschaft verbringt den Sommer als Reiseleiter hat seine Jugend in ärmlichen Verhältnissen verbracht verbrachte die Ferien mit der Suche nach Abenteuern
Karl verbrachte den Sommer mit Heinz Karl und Heinz haben den Sommer zusammen verbracht Karl verbrachte den Sommer allein *Karl verbrachte seine Jugend
gebraucht ist, außer einem Subjekt und einem Akkusativobjekt, das einen Zeitraum bezeichnet, noch eine dritte Konstituente, die entweder einen Ort oder eine Bestimmung der Art und Weise oder begleitende Utistände bezeichnet, und dabei ist die syntaktische Form dieser Konstituente frei. Sie kann ein Adverb, eine Präpositionalphrase oder ein Satz sein; lediglich der Ausdruck einer solchen semantischen Kategorie ist gefordert. Wie vorhergesagt werden könnte, daß eine solche Konstituente nicht fehlen kann, ist nicht zu sehen; deshalb ist sie als lexikalisch selegiert zu betrachten. Beispiele dieser Art gibt es in großer Zahl. Wohn- zB verlangt den Ausdruck einer Orts- oder Nbdalangabe, vgl. *Karl wohnt Karl wohnt weit weg wo wohnt Karl? Karl wohnt hinterm Bahndamm Karl Karl Karl Karl
wohnt wohnt wohnt wohnt
sehr teuer kleinbürgerlich furchtbar laut idyllisch
Karl wohnt allein Karl und Heinz wohnen zusammen Karl wohnt bei Heinz,
und währ- verlangt den Ausdruck eines Zeitraumes, wie immer er auch formal realisiert ist: *Karls Herrschaft währte Karls Karls Karls Karls Karls
Herrschaft Herrschaft Herrschaft Herrschaft Herrschaft
währte lange währte den ganzen Sommer währte bis zum September währte, solange der Weizen blühte währte, bis der Iwan kam.
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Zur Beschreibung solcher Fälle muß ein neuer Typ syntaktischer Variablen eingeführt werden. Während X beliebige Konstituentenfolgen bezeichnet, brauchen wir hier Variablen, die - wie NP, V usw - genau l Konstituente bezeichnen, die aber - wie X - von unbestimmtem syntaktischem Typ sind; ich verwende dafür den Buchstaben K.Der Lexikoneintrag von währ- enthält daher unter KC die Angabe NPn , K2 [ 1
PC] 3
und in SSC oder in LC ist K2 die Charakterisierung "Zeitraum" zugeordnet; entsprechend bei den anderen Beispielen. Eine wichtige Folge der Variabilität der syntaktischen Kategorie von K ist, daß die sonst verwendete Argument-Substitutionsregel (Bedingung (iiic) der Konventionen) nicht unmittelbar anwendbar ist,
die die logische
Charakterisierung einer Konstituente in die zugeordnete Argumentstelle des Prädikats einsetzt? denn um operieren zu können, braucht diese Regel die Angabe einer bestimmten syntaktischen Kategorie, aufgrund deren sie die geeignete Konstituente des Satzes identifiziert. Ntxjlich wird die Übersetzung eines solchen Satzes dadurch, daß die von K erfaßte Konstituente einen semantischen Eigencharakter hat, wie er für adverbiale Ausdrücke typisch ist,
selegierten Konstituenten sonst aber typischerweise abgeht.
Ncminalphrasen im Akkusativ können zB einen semantischen Eigencharakter als Bezeichnung eines Zeitraums haben; Akkusativobjekte haben dieses semantische Moment normalerweise nicht. Eine Präpositionalphrase mit auf kann als Bezeichnung eines bestimmten räumlichen Verhältnisses semantischen Eigencharakter haben; als Präpositionalobjekt zB bei verzieht- hat sie dieses semantische Manent nicht. Un für die Übersetzung des Satzes verwendbar zu sein, müssen solche selegierten Ausdrücke mit 'Adverbialcharakter1 zunächst selbst eine logische Charakterisierung erhalten. Nur wenn ihr so festgestellter semantischer Eigencharakter mit den Anforderungen für K übereinstimmt, kann die Übersetzung von K in die logische Charakterisierung des Prädikates integriert werden.
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1.3.3. Argumentstellen ohne Konstituente Bei gesteh- und anderen Beispielen haben wir gesehen, daß eine Konstituente, der eine Argumentstelle zugeordnet ist, fakultativ ist,
so daß das lexika-
lische Element, wenn die Konstituente nicht gewählt wird, eine Argumentstelle hat, der kein sprachlicher Ausdruck zugeordnet ist. Ein solches Verhältnis gibt es gelegentlich auch obligatorisch; bei Substantiven leichter nachweisbar als bei Verben. So ist eine Erbin jemand (AI), der von jemand (A2) etwas (A3) erbt, Erbin muß als dreistellige Relation dargestellt werden. Erwartungsgemäß können A2 und A3 als Genitiv realisiert werden, aber nicht beides auf einmal: Zizzi ist Karls Erbin Zizzi ist die Erbin des Hofes, *Zizzi ist Karls Erbin des Hofes.
Ähnlich ist es bei dem Erbe: Das ist etwas (A3) , das jemand (A2) jemandem (AI) vererbt, und A2 wie AI können als Genitiv auftreten, aber nicht beides auf einmal: dieser Hof ist Karls (A2) Erbe dieser Hof ist das Erbe meines Freundes ( A I ) »dieser Hof ist Karls Erbe meines Freundes ( A l ) ;
Erbe und Erbin müssen also je eine Argumentstelle lexikalisch unspezifiziert lassen; dabei ist offen, welche. Ein weiteres Beispiel ist Attentäter: Mit dem Wort wird jemand (AI) bezeichnet, der auf jemand (A2) ein Attentat verübt (hat). Wenn Karl auf Joseph ein Attentat verübt hat, kann man zwar sagen Karls Attentat auf Joseph, aber die parellelen Formulierungen mit Attentäter sind (in der intendierten Bedeutung) nicht akzeptabel: *Karl ist Josephs Attentäter *Karl ist der Attentäter auf Joseph;
auch hier muß in der LC des Wortes eine Argumentstelle (für A2) auftreten, der keine Konstituente zugeordnet
ist.
Bei Verben finden sich Beispiele wie zufass-. Dieses Verb bezeichnet wie erfass- einen Vorgang, bei dem jemand (AI) einen Gegenstand (A2) zu ergreifen versucht; bei erfass- ist der Versuch erfolgreich, bei zufass- nicht unbedingt, vgl. Karl faßte schnell zu, aber der Fisch entkam ihm. Das eigentümliche bei zufass- ist,
daß es nicht möglich ist, das Ziel der
Greifbewegung (im Beispiel:der Fisch) anzugeben; es muß sich aus dem Kontext
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ergeben, wenn der Satz sinnvoll sein soll. Eine lexikalisch nicht realisierbare Argumentstelle haben wir auch bei soll- in Beispielen wie Karl soll grade schlafen. Aus diesem Satz folgt jemand behauptet, daß Karl grade schläft, und aus dem Kontext kann u.U. mit Klarheit hervorgehen, wer die Behauptung aufstellt, vgl.: Sprecher: Ich muß dir mitteilen, daß Karl krank ist. Antwort: Karl soll krank sein? Das glaube ich nicht.
Gleichwohl ist es nicht möglich, ihn in dem Satz zu nennen; Beispiele wie Karl soll laut/nach Hans grade schlafen, die am ehesten das Gesuchte treffen, sind für midi nicht voll akzeptabel, wenn damit ausgedrückt sein soll, daß Hans behauptet, daß Karl schläft. Ein Beispiel, das im Hinblick auf die in 7. zu besprechenden Phänomene besonders interessant ist, ist verles-. Wie vorles- ist das Verb logisch 3-steilig: Eine erste Argumentstelle nimmt eine Beschreibung des Vorlesers auf und ist dem Subjekt zugeordnet, eine zweite Argumentstelle nimmt eine Beschreibung des verlesenen Textes auf und ist dem Akkusativobjekt zugeordnet, und eine dritte Argumentstelle nimmt eine Beschreibung des Zuhörers auf und ist bei vorles- dem Dativobjekt zugeordnet; bei verles- ist sie keiner Konstituente zugeordnet. Diese Argumentstelle ist jedoch impliziert, was zB daraus deutlich wird, daß Karl verlas das Gedicht erst, als^ er sich völlig allein wußte in derselben Weise widersinnig ist wie Karl las das Gedicht erst vor, als er sich völlig allein wußte, während zB Karl rezitierte das Gedicht erst, als er sich völlig allein wußte einwandfrei ist; rezitierimpliziert kein Argument für einen Zuhörer, verles- impliziert eins. In gewissen Fällen ist bei verles- der Zuhörer aus der Bedeutung einer Konstituente des Satzes zu erschließen. In Karl verlas das Gedicht in der Fraktionssitzung Karl verlas das Gedicht vor der Versammlung Karl verlas das Gedicht unter seinen Kollegen
werden durch die Präpositionalphrasen mit in, vor und unter Ortsangaben gemacht. Da die angegebenen Lokalisationen Mengen von Manschen sind, liegt es nahe, anzunehmen, daß diese Manschen bei der Verlesung nicht nur zugegen waren, sondern den Text auch vernommen haben; man kann deshalb vermuten, daß sie mit dem implizierten Zuhörer identisch sind. Diese Erkenntnis beruht jedoch auf einem Schlußverfahren, nicht auf einer unmittelbaren Zuordnung zwi-
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sehen Argumentstelle und Konstituente. Es ist deshalb berechtigt, dem Lexikoneintrag von verles- diese Form zu geben: KC: NP", NP^, [ v PC] LC:
VERLES (^, 5?2, £3)
Der dritten Argumentstelle ist keine syntaktische Kategorie zugeordnet. Sie kann nur durch den pragmatischen Interpretationsmechanisitius PIM, nicht aufgrund der Argumentsubstitutionsregel belegt werden.
1.3.4. Konstituenten ohne Argumentstelle Wir haben Fälle betrachtet, wo einer Argumentstelle keine Konstituente zugeordnet war. Der umgekehrte Fall, daß eine Konstituente keiner Argumentstelle zugeordnet ist, ist häufig und wohlbekannt. Solche Konstituenten werden in Subjektfunktion durch das ' Impersonale' es (unter Emphase alternierend mit das) gebildet: dann kam es zu Gewalttätigkeiten damals haperte es an Graupen bald gibt es nur noch Arier bald ist es Frühling jetzt ist es zu spät bald dämmert es draußen stinkt es hier zieht es bei dieser Regelung blieb es bis Echternach sind es noch einige Sprünge;
in Cbjektfunktion tritt sehr häufig das Reflexivum, gelegentlich es auf: schämst du dich? diese Folgerung ergibt sich aus den Prämissen so was gehört sich nicht wir bedankten uns bei Karl für die Zigarre du begnügtest dich mit Stultitia ich nahm mir einiges vor Karl Karl Karl Karl Karl Karl Karl
wird es noch weit bringen hat es gut will es uns zeigen hat es satt mit ihm hält es in Italien kaum noch aus nimmt es mit jedem auf hält es mit Nietzsche.
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In den Lexikoneinträgen solcher Verben muß es explizit angegeben werden, wenn ein obligatorisches Reflexivum vorhanden ist. Man könnte es ebenso explizit angeben, wenn ein inipersonales es vorhanden ist,
so daß derartige
Verben wie Idioms behandelt würden, cf. 1.3.5. Vielleicht gibt es jedoch ein interessanteres Verfahren. Wir können die Konvention postulieren, daß jede Konstituente eines Satzes in die logische Charakterisierung des Satzes integriert werden muß; entweder aufgrund von Lexikoneinträgen oder aufgrund genereller Übersetzungsregeln. Wenn wir weiter annehmen, daß es und das im Deutschen die einzigen nicht-idiomatischen Nominalphrasen ohne zugeordnete logische Charakterisierung sind, können wir etwa komm- den folgenden Lexikoneintrag geben: KC:
NP", zu NP0., [ y
LC:
GESCHEH (x"2)
Nur der NP
PC]
ist eine Argumentstelle zugeordnet. Wäre die NP11 mit einem nor-
malen Nomen wie Baum belegt ( * dann kam der Baum zu Gewalttätigkeiten), könnte der Baum nicht aufgrund des Lexikoneintrags in die logische Charakterisierung des Satzes integriert werden; da es auch keine generelle Ubersetzungsregel für nominativische NominaIphräsen gibt, wäre die Integrationskonvention verletzt. Umgekehrt sind auch beliebige Vorkommen von impersonalem es_ (etwa »Karl half es dem Jungen) ausgeschlossen. Da die von- es_ gebildete NP weder durch einen Lexikoneintrag noch durch eine generelle Ubersetzungsregel erfaßt wird, würde ein solcher Satz wiederum die Integrationskonvention verletzen. Den interessanten Fall eines Verbs mit 4 selegierten Konstituenten, aber - je nach gewähltem Formalismus - nur l oder 2 Argumentstellen haben wir bei handel- in Konstruktionen wie hier/da/bei dieser Theorie handelt es sich um eine Irrlehre. Das Reflexivum und es sind obligatorisch. Logisch wird durch einen solchen Satz offenbar eine Eigenschaft über einen Gegenstand prädiziert. Die Eigenschaft wird in der von um regierten NP genannt, der Gegenstand entweder durch eine von bei regierte NP oder durch ein deiktisches Adverb wie hier, da. Mir scheint, m.a.W., daß ein solcher Satz einem kopulativen Ausdruck wie dies hier/das da/ diese Iheorie ist eine Irrlehre logisch äquivalent ist.
Es gibt diverse Probleme, wie ein solches Verhält-
nis logisch so zu repräsentieren ist,
daß ein gewisser Zusammenhang mit der
26 variablen Form solcher Prädikationen gewahrt bleibt. Ich will hier annehmen, daß man ein 2-stelliges Prädikat "EIGENSCH (x, y ) " definieren kann, das besagt, daß der Gegenstand
die Eigenschaft
y hat. Unter dieser An-
nahme können wir den Lexikoneintrag von handel- so formulieren:
, um NP^ •^
Die
·
[y PC ]
-
LG:
EIGENSCH (£3, x^)
,,
auf geeignete Weise als reflexiv markiert werden; die NP
kann
aufgrund der Integrationskonvention nur als es realisiert werden. Da die einzigen Adverbien, die auf Gegenstände (im allgemeinen Sinn des Wortes, also auch Theorien, Annahmen usw) referieren können, lokaldeiktische Adverbien sind, kcmmen nur solche als Realisierung der Advb-Kategorie in Betracht. Es ist zu beachten, daß diese Adverbien, da sie hier direkt als Konstituenten selegiert sind, ihres semantisehen Eigencharakters als Ortsbezeichnung entkleidet sind, so wie adverbiale
(nicht als Konstituenten-
typ selegierte) PPs einen bestimmten semantischen Eigencharakter haben, der Präpositionalobjekten normalerweise abgeht (cf. 1.3.2.).
1.3.5. Idioms Wir haben in 1.1. gesehen, daß einige Substantive jeweils nur zusammen mit je einem bestimmten Verb vorkommen, etwa er machte ihr den Garaus er las uns die Leviten er leistete dem Unfug einigen Vorschub. Gewöhnlich sind Substantive überall dort einsetzbar, wo die grammatischen Regeln ein N generieren, sofern sie den für den jeweiligen Kontext bestimmten subselektionalen Bedingungen nicht widersprechen. Wenn man nicht besondere Vorkehrungen trifft, müßte die Grammatik deshalb auch etwa *wir beobachteten den Garaus *sein Garaus gefiel ihr überhaupt nicht oder *die Leviten kamen ihr bekannt vor *sie lauschte den Leviten aufmerksam
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zulassen, denn welche subselektionalen oder sonstigen Eigenschaften von Leviten oder Garaus die Einsetzbarkeit hier verhindern könnten, ist nicht zu sehen. Offensichtlich muß auf irgend eine Weise ausdrücklich angegeben werden, daß Garaus nur als Akkusativobjekt zu mach- vorkamt; entsprechend bei Leviten usw. Es sind verschiedene Möglichkeiten denkbar, wie eine solche Angabe formuliert werden könnte. Die naheliegendste ist vielleicht, daß man zu diesem Zweck beim Lexikoneintrag des Substantivs - als
so etwas wie eine subselek-
tionale Kontextrestriktion - ein bestimmtes Kennzeichen auffuhr^ (aus dem auch hervorgehen muß, daß das Wort nur im Singular und nur mit dem 'bestimmten Artikel' vorkommt). Diese Kennzeichnung hätte den Effekt, daß Garaus nur dann in eine N-Position eingesetzt werden kann, wenn diese als Akkusativobjekt zu mach- fungiert. Bei mach- könnte dann, in Anlehnung an Erwägungen in Weinreich (1969: 34-42) eine Angabe gemacht werden, daß das Verb, wenn es mit Garaus vorkommt, anders als sonst soviel wie "töten" bedeutet. Dieses Verfahren, die Distribution von Garaus u.a. zu beschreiben, nenne ich 1
Substantiveinschränkung'. Wenn man jedoch zu präzisieren versucht, wie bei der
Substantivein-
schränkung die relevante Kontextrestriktion "nur im Akkusativ bei mach-" eigentlich genau zu formulieren ist,
zeigt sich, daß dieses Verfahren,
in der skizzierten Weise vorgestellt, inadäquat ist.
Zunächst ist nicht
klar, welchen Teil des Lexikoneintrags die Kontextrestriktion bilden sollte. Normale Substantive müssen zwar Angaben haben, aus denen hervorgeht, wieviele Argumentstellen ihre logische Charakterisierung enthält, welchen Konstituenten diese Argumentstellen zugeordnet werden können und welche logischen und subselektionalen Eigenschaften diese Konstituenten haben. Garaus hat jedoch, als Substantiv, das nicht prädikativ verwendbar
ist,
alle diese Eigenschaften eines normalen Substantivs nicht. Inhaltlich allerdings ist es völlig sinnvoll, zu sagen, daß auch Garaus eine lexikalisch abhängige Konstituente hat, das Verb mach- nämlich: Da Garaus ein lexikalisches Element ist, dessen Distribution unvorhersagbarerweise mach- enthält, fällt das Verb unter diesen Begriff; in jedem Fall muß mach- auf irgend eine Weise in der Definition der Distribution von Garaus genannt wer-
den. Durch diese Erwähnung von mach- ist aber wiederum ein eigener Lexikoneintrag für mach- definiert; ein Eintrag nämlich, aus dem hervorgeht, daß
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nach- unvorhersagbarerweise mit Garaus vorkommt. Deshalb ist es auch richtig, zu sagen, daß Garaus von mach- lexikalisch abhängig ist
(wie alle Cb-
jekte von ihren jeweiligen Verben es sind); Garaus und mach- befinden sich also in wechselseitiger lexikalischer Abhängigkeit, sie sind (lexikalisch) interdependent. Der Lexikoneintrag von Garaus muß deshalb mit dem Lexikoneintrag dieses mach- identisch sein; die beiden Wörter bilden zusammen einen einzigen Laxikoneintrag - was völlig sinnvoll ist, denn die Bedeutung des Ausdrucks "jemandem den Garaus machen" ist weder ganz noch teilweise aus der Bedeutung seiner Teile zu gewinnen: Das ganze ist ein Idiom. Dasselbe gilt für jemandem die Leviten les-, einer Sache Vorschub leistusw. Von anderen Lexikoneinträgen unterscheidet sich ein Eintrag für idiomatische Ausdrücke dadurch, daß er mehr als l PC enthält. Die folgende Form bietet sich an: PCj^: garaus MC,:
maskulin, Singular
PC2: mach KC: NP", NP 2 , LC:
[^a
defArt [ N PC, ] ] , [y
PC2 ]
TOT (x^, X 2 )
Es ist retrospektiv klar, daß die Substantiveinschränkung für Fälle wie Garaus inadäquat ist, soweit sie nicht mit dem Verfahren, Garaus mach- als einen einzigen Lexikoneintrag zu beschreiben, identisch ist, da sie - wie die in Weinreich (1969) erwähnten ähnlichen Verfahren - ein Versuch ist, Lexikcneinträge für je ein einzelnes Wort mit der Tatsache in Einklang zu bringen, daß die beiden Wörter eine einzige lexikalische Einheit bilden. Dieses Verfahren, konsequent angewendet auch auf Fälle wie "die Flinte ins Korn werfen", deren einzelne Bestandteile auch selbständig vorkommen, führt zum Ansatz völlig willkürlicher wechselseitiger Selektionen und logischer Charakterisierungen etwa nach dem Muster: "die Flinte ins Korn werfen" bedeutet "den Mut sinken lassen", denn Flinte bedeutet "Mut", wenn mit ins Korn werf- kombiniert; ins Korn bedeutet "sinken", wenn mit die Flinte ._.. werf- kontoiniert; und werf- bedeutet "lassen" , wenn mit die Flinte ins Korn kcntoiniert. Entsprechend wäre "die Leviten lesen" auflösbar in Leviten = "Vorhaltungen", wenn kcntoiniert mit les-, und les- = "machen", wenn kombiniert mit Leviten, cf. Weinreich (1969: 36-8) - der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. An der Absurdität einer solchen Ana-
29 lyse wird deutlich, wie verkehrt es ist,
die Unregelmäßigkeit von Idions
durch die Auflösung in mehrere einzelne Lexikoneinträge eskamotieren zu wollen, die grade darin besteht, daß sich ihre Bedeutung nicht aus der Bedeutung ihrer Teile ergibt. Im Hinblick auf Überlegungen, die wir in 1.4. anstellen, ist es wichtig, daß aufgrund des Lexikoneintrags für Garaus mach- und der Explikation des Begriffs 'grammatische Relation1 aus 1.3.1. die NP den Garaus in einer grammatischen Relation zu dem V mach- steht; ebenso wie die impersonalen es und obligatorischen Reflexiva in 1.3.4. in einer grama tischen Relation zu dem Verb stehen, das sie regiert. Entgegen dem ersten Anschein gilt das auch unter der von Katz (1972: 111) vorgeschlagenen Explikation, die darauf abhebt, welche Konstituenten für die Operation der Ubersetzungsregel spezifiziert werden müssen: Es ist offensichtlich, daß das Vorkaimen von Wörtern wie Garaus, es^ und Reflexivum in der Zuordnung zwischen KC und LC eines Verbs berücksichtigt werden muß, da sie anders nicht in die logische Charakterisierung des Satzes integrierbar wären - sie müßten, wie adverbiale Ausdrücke, unabhängig von regierenden Verb übersetzt werden und einen semantischen Eigencharakter haben, der ihnen aber grade fehlt.
1.4.
Komplexe Lexikoneinträge: Die Passivregel als Lexikoneintrag
Wir können jetzt die (Verlegungen von 1.2. wieder aufnehmen. Dort haben wir gesehen, daß eine adäquate Beschreibung der Distributionsverhältnisse im Passiv nur unter Rekurs auf die Distributionsverhältnisse im Aktiv möglich ist.
Ein Lexikoneintrag für das Passivhilfsverb werd- muß deshalb
karplex sein: Er benötigt einen Teil ( r ) , der die unprädiktablen Eigenschaften von werd- und seine syntaktische tlngebung spezifiziert, und einen Teil (d), der auf die Distributionseigenschaften des 'passivierten' Verbs im Aktiv verweist. In erster Annäherung können wir das so formulieren: Diese Analyse des Passivs ist inhaltlich Shopen (1972). Es ist eindrucksvoll, daß der Formulierungen und zugrundeliegenden Bresnan (1976, 1977) dargelegte Programm
eng verwandt mit der von Shopen bis in Einzelheiten Motivation hinein das in enthält.
3 (r)
PC: werd KC: < N P n > , van NP^, X^ v|2 , [ y E (*4)
LC:
(d)
PC ]
KC:
, ' < N P ^ > , X3, V^
In Präzisierung und Ergänzung der Erklärung in 1.2. sollen die folgenden Konventionen für die Interpretation eines solchen Lexikoneintrags gelten: Konventionen für komplexe Lexikoneinträge: (i)
LE
sei ein (komplexer) Lexikoneintrag der folgenden Form:
(r) PC: pf KC: K
X
, K
1
l
LC: P (x
J
, X
l
PC ] i
n
, ...,
X
2
\
l
LC: P (S
)
^m r , ..., 2
,2 A
(ii)
D
K
, K , ..., K
(d) KC: K K
, ... ,[
2
l
2
) s
Wenn es eine Variable X,
in (r) gibt, dann gibt es auch
eine Variable X
in ( d ) , mit i. = k . . Sie werden für . i i i (r) und (d) in identischer Weise interpretiert als null oder mehr Kategorien beliebigen Typs, mit identischen Indizes bei den korrespondierenden Kategorien. (iii)
Wenn eine Kategorie K. in (r) in Winkelklammern steht, i dann gibt es eine Kategorie K, in (d) in Winkelklammern, i mit i. = k . . Sie werden für (r) und (d) in gleicher Weise als anwesend oder abwesend interpretiert,
(iv)
Wenn es Kategorien K. , 1 1
K
k
, K,
, ..., K
. , ... 2'"i
K. u
in
(r) und Kategorien
in (d) gibt mit i. = k . , dann gibt es einen
l *2 u 1 1 Lexikoneintrag LE , der nicht verschieden (nondistinct) von ( d ) .
(v)
Wenn es in
(d) eine Kategorie K
eine Kategorie K.
l
ist
gibt, ohne daß es in (r) i gibt mit i. = k . , dann gibt es in der K. ,
Unterschiedliche Indizes in (d) und LE, konstituieren natürlich keine VerQ schiedenheit im relevanten Sinn.
31
LC von LE (vi) LE
d
ein x. mit 1. = k . , l. 1 1
wird entsprechend den Konventionen für einfache Lexikonein-
träge interpretiert, mit der Einschränkung, daß K. , und nur K (vii)
·*· ,
, anstelle von K
K. .
verwendet wird, für alle i.
1
= k.. l
·
(r) wird entsprechend den Konventionen für einfache Lexikoneinträge interpretiert.
Diese Konventionen mögen kompliziert erscheinen, inhaltlich sind sie aber sehr einfach. In (ii) ist die Funktion von Variablen, in (iii) die von Winkelklanmern erläutert. In (iv) ist die Zuordnungsvorschrift formuliert, die den Kern komplexer Lexikoneinträge bildet, indem den regierten Kategorien in (r) über (d) ein Lexikoneintrag zugeordnet wird. Die Konvention (v) besagt, daß eine Kategorie von ( d ) , die in (r) obligatorisch oder fakultativ keine Entsprechung hat, nicht semantisch leer sein kann. Diese Konvention ist durch Fälle, die wir später besprechen, empirisch motiviert. Prüfen wir anhand eines Beispiels, wie diese Konventionen mit dem Lexikoneintrag für werd- und dem für zeig- interagieren, um einen Satz wie l zu beschreiben*. l ihr wurde von dem Kerl ein Garten gezeigt. Er erfüllt die KC in Teil (r) von werd-, wenn diese wie 2 interpretiert wird: 2 NP™ , vcn NP|, NP^ , V^
,[y
werd]f
wenn also NP1 als anwesend und X_ als NP., interpretiert wird. 1 ist also syntaktisch wohlgeformt hinsichtlich 2. Nach Konvention (ii) und (iii) bedeutet das, daß die KC in Teil (d) von werd- wie 3 zu interpretieren ist: 3 NPiJ, NP a , NPd, V4
Nach Konvention (iv) muß es nun einen Lexikcneintrag geben, der vcn 3 nicht verschieden ist. Ein solcher Lexikoneintrag, der von 3 nicht verschieden ist (und die weitere Analyse von 1 gestattet), ist 4, der Lexikoneintrag von zeig-. Nach Konvention (vi) wird 4 auf 1 angewendet, nur daß statt der NP^ aus 4 die NPd aus 2 und statt der NPa aus 4 die NF11 aus 2 zu verwenden ist. In einem gewissen Sinne wird also für die Zwecke der Analyse von 1 der Lexikoneintrag 4 durch 5 ersetzt: 4
PC:
zeig
KC:
NP", NPa, NP , [y
LC:
ZEIG (x^ , x2 , £3)
PC]
32 5
PC;
zeig
KG:
NPn, von
DC:
ZEIG (^,
NP^ , NP^
[yp2 PC]
^, Jc-j)
Das abhängige Verb wird mithin durch einen solchen komplexen Laxikoneintrag für Umgebungen zugelassen, die in seinem Lexikoneintrag nicht vorgesehen sind. Da dies für eine ganze Klasse abhängiger Verben gilt, fungieren komplexe Lexikoneinträge als Lexikonregeln. Wenn wir nun 5 gemäß den Konventionen für einfache Lexikcneinträge auf l anwenden, zeigt sich, daß die Substruktur 6 6 ihr ... von dem Kerl ein Garten gezeigt hinsichtlich 5 syntaktisch wohlgeformt ist. Wenn wir "SIE" , "KERL" , "GARTEN" als Übersetzungen von sie, der Kerl, ein Garten betrachten, ist 7 die Übersetzung von gezeigt: 7
ZEIG (KERL, GARTEN, SIE)
8
E(ZEIG(KERL, GARTEN, SIE))
Wenn wir das Tempus vernachlässigen, wird wurde in 1 dann als 8 übersetzt, da in der LC vcn werd- angegeben ist, daß die Übersetzung des abhängigen Verbs Argument des Prädikats "E" ist. Dabei ist "E" ein Identitätsprädikat derart, daß, für jeden Ausdruck a. mit der Übersetzung I., E ( I . ) äquivalent mit I. ist. Demzufolge ist 8 äquivalent mit 7; da 7 - unter Vernachlässigung des Tempus - zugleich die Übersetzung von 9 ist, erhalten l und 9 äquivalente logische Charakterisierungen: 9
der Kerl zeigte ihr einen Garten.
In dieser Hinsicht unterscheidet sich werd- von den meisten anderen Passivhilfsverben, die wir in 2. besprechen. Fast alle anderen Hilfsverben haben eine LC, die mit "der LC des 'passivierten' Verbs nicht äquivalent ist. Wir sehen an diesem Beispiel, daß ein komplexer Lexikoneintrag wie der für werd- eine rekursive Definition darstellt nicht nur für syntaktische Wohlgeformtheitsbedingungen für Ausdrücke, die das regierende Element enthalten, sondern zugleich auch für die logische Charakterisierung dieser Ausdrücke. Dies ist ein inhaltlicher Unterschied zu der Theorie von Bresnan (1976, 1977), die eine besondere Übersetzungsregel für Passive benötigt, bei der mindestens fraglich ist, ob sie alle Fälle, etwa 3-stellige Verben und Idioms, konsistent erfaßt.
33
Es liegt auf der Hand, daß Passive von Idioms wie dem Kerl wurde von ihr der Garaus gemacht dem Kerl wurden von ihr die Leviten gelesen,
deren Existenz wir in 1.1. beobachtet haben, von dem Lexikcneintrag für werd- automatisch erfaßt werden, da Garaus bzw Leviten, wie wir in 1.3.5. gesehen haben, Teil des Lexikoneintrags von mach- bzw les- sind. Es ist daher unverständlich, warum Chomsky (1975: 243 n. 45) glaubt, daß derartige Passive mit 'idiom-rChunks' nicht von Lexikonregeln generiert werden können und daher eine Beschreibung des Passiv durch syntaktische Transformationsregeln motivieren. Bei korrekter Analyse idiomatischer Ausdrücke werden solche Passive im Gegenteil auf völlig natürliche Weise erfaßt. 1 Auch Anderson (1977) glaubt, daß Lexikonregeln derartige Passive nicht generieren, weil nach seiner (nicht weiter begründeten) Überzeugung Lexikonregeln nur Kategorien erfassen können, die in einer 'thematischen', dh einer spezifischen 'semantischen', Beziehung zum Verb stehen, was bei 1 idiom-chunks' offensichtlich nicht der Fall ist. Aber neben einer Fülle anderer Einwände gegen Andersons Thesen besteht für seine Theorie das Problem, daß in ihr das Subjekt eines intransitiven Verbs und das Objekt eines transitiven Verbs 'Theme' sind; eben dadurch will er die Entsprechung zwischen Objekt im Aktiv und Subjekt im Passiv erfassen. Das impliziert jedoch, daß a und b in einem passivähnlichen Verhältnis stehen was nicht der Fall ist: a die Katze frißt b der Hund frißt die Katze. Aus diesen und anderen Gründen scheint mir diese Theorie derart problembeladen, daß sie nicht gegen die lexikalistische Behandlung von Idiom-Passiven angewendet werden kann. Wir haben oben gesehen, daß die Lexikonregel für das Passiv mit werdso wirkt, als ob sie zusätzlich zu dem 'primären' Lexikoneintrag für zeigim Aktiv einen weiteren 'sekundären' Lexikoneintrag für zeig- im Passiv generiert. Alternativ zu dieser Darstellung könnten wir annehmen, daß zeig- tatsächlich 2 Lexikoneinträge hat, je einen fürs Aktiv und fürs Passiv. Dies entspräche einer 'Full-Entry'-Theorie des Passivs, wie sie Jackendoff (1975) für die Morphologie entwickelt hat; der Lexikoneintrag für werd- würde dann nur als'Redundanzregel' für die Bewertung des Lexikons dienen. Bresnan (1977) macht sich diese Vorstellung zu eigen; ebenso, für einen Teil des Passivs, Wasow (1977). (Dabei bleibt die Rolle des Hilfsverbs bei Bresnan völlig ungeklärt.) Das Motiv für die Annahme einer 'Full-Entry'-Theorie sind bei Bresnan und Wasow 'Ausnahmen 1 zur Passivregel, dh offenbar die Tatsache, daß nicht alle Verben ein Passiv bilden. Umgekehrt ist jedoch nicht klar, wie die in (Chomsky 1973, 1975) entworfene und u.a. in (Chomsky/Lasnik 1977) weiterentwickelte Trace Theory das Passiv im allgemeinen und deutsche Passive von Intrasitiva im besonderen überhaupt konsistent beschreiben kann, cf. p. Io2 Fn. 1.
34
Die Logik dieser Motivation ist mir jedoch nicht klar. Im Deutschen gibt es eine umfangreiche Klasse von Verben wie bauspar-, die der Regel für die Erst- bzw- Zweitstellung des Finitums nicht unterworfen werden können (vgi. *er bauspart seit langem vs. ich weiß, daß er seit langem bauspart). Diese Verben sind Ausnahmen zu der Verbstellungsregel; da die Regel nach konventionellen Annahmen nicht strukturbewahrend ist, kann sie in dem von Bresnan und Wasow akzeptierten Rahmen aber keine 'Redundanzregel· 1 sein. Die Existenz von Ausnahmen läßt daher keinen Schluß darauf zu, ob ein Phänomen durch Transformationsregeln, Lexikonregeln in unserem Sinne oder eine 'Full-Entry'-Theorie plus 'Redundanzregeln' zu beschreiben ist. Positive Gründe für eine Full-Entry-Theorie gibt es immer dann, wenn ein komplexes Wort zwar einem regelmäßigen Bildungstyp entspricht, aber idiosynkratische Eigenschaften aufweist, besonders etwa semantische Spezialisierung bei Komposita. Etwas derartiges gibt es beim Passiv aber nur in sehr seltenen Ausnahmefäll·en; i.a. ist die Aktiv-Passiv-Reiation ein Musterbeispiel für völlig reguläre grammatische Zusammenhänge. Darüber hinaus führt die Behandlung des Passivs in einer Full-EntryTheorie zu einer Inkonsistenz. Angeblich kann man das Fehlen gewisser an sich zu erwartender Passive in einer Ful^Entry-Theorie sehr einfach dadurch beschreiben, daß die fragiichen Verben nur l Lexikoneintrag, den für das Aktiv, haben. Jackendoff (1975) iäßt jedoch zu Recht zu, daß ein Sprecher neue Wörter bildet und in sein Lexikon aufnimmt, und soweit die neuen Bildungen einem produktiven Muster, dh einer 'Redundanzregel·' entsprechen, wird das Lexikon dadurch nur minimal belastet. Nichts verhindert in einer solchen Theorie, daß ein bis dahin nicht gebildetes Passiv ins Lexikon aufgenommen wird, soiange es der Passiyregel· entspricht. Zur Lösung des Probiems, auf we^he Weise unsystematische Ausnahmen von Regein zu erfassen sind, ieistet diese Theorie, entgegen den Annahmen von Bresnan und Wasow, keineriei Beitrag: Sie kann wohl· das Nichtvorhandensein eines iexikaiischen Eiements erfassen, aber nicht die Ünmögiichkeit, es zu biiden. Ich werde deshaüo weiterhin annehmen, daß die Passivregel eine Lexikonregel im erläuterten Sinne ist und daß so etwas wie 5 von p. 32 kein Lexikoneintrag ist, sondern nur in metaphorischem Sinne existiert, indem es die Wirkungsweise der Konvention (vi) illustriert.
1
Material· und Bemerkungen dazu bei Asdahl·-Hol·mberg (1976).
2
So^he Fä^e sind auch gegen die Kritik immun, die Hust (1978) gegen Jackendoff (1975) vorbringt.
2.
PASSIVTYPEN
2.0.
Ziel der Zusammenstellung
Dieses Kapitel verfolgt drei verschiedene, aber miteinander in Zusammenhang stehende Ziele. Anknüpfend an 1.1. versuche ich (a) zu klären, was eigentlich allgemein unter der 'Aktiv-Passiv-Relation1 zu verstehen ist.
Im Zu-
ge dieser Überlegung kommen (b) verschiedene Passivtypen zur Sprache. Soweit es auf beschränktem Raum und angesichts oft unklarer Primärdaten möglich und interessant erscheint, versuche ich dabei in manchen Einzelheiten über allgemein bekannte Tatsachen hinauszugehen. Es geht mir aber nicht in erster Linie darum, in allen Einzelheiten eine genaue Beschreibung zu geben - die relevanten Verhältnisse sind überall so unzureichend geklärt, daß vieles im Dunkel bleibt -; in erster Linie soll dadurch klar werden, daß das werden-Passiv
zusammen mit vielen ähnlichen Konstruktionen ein ganzes
Paradigma eng verwandter Relationen bildet, und daß jede Beschreibungsmethode für den einen Passivtyp mit der Beschreibungsmethode für den anderen Passivtyp vereinbar sein muß. Dabei sollte (c) deutlich werden, daß einige naheliegende Nöglichkeiten, das Passiv zu beschreiben, nicht gangbar sind. Beispielsweise könnte es nahe liegen, das Partizip bei werd-, sei- und bleib-, die ja sonst als kopulative Verben vorkommen, als Adjektiv zu analysieren, so daß manche Eigenarten der Konstruktion sich auf solche von Konulasätzen zurückführen ließen.
Freidin (1975) analysiert alle Partizipien im englischen Passiv als Adjektive; anscheinend ist das auch bei Chomsky/Lasnik (1977) vorgesehen. Dagegen wendet sich Culicover (1976: 166f) und, für gewisse Fälle, Wasow (1977). Robson (1972) markiert Adjektive und Passiv-Partizipien mit einem gemeinsamen syntaktischen Merkmal. Das spanische Passiv mit ser und estar analysiert Siva-Corvalän (1977) plausibel als Adjektivkonstruktion.
36
Beim Passiv mit werd- ist diese Annahme problematisch: Das Partizip 2 der Kopula werd- heißt geworden, das des Passivhilfsverbs jedoch (gegen alle Regel) worden. Das wäre schwer zu verstehen, wenn das von werd- regierte passivierte Verb ein Adjektiv wäre. Auch die Stellungs- und Korbinationsmöglichkeiten der V^
sind z.T. anders als die von Adjektiven, vgl.
klug ist er geworden *geachtet ist er worden weil wirklich gesund nur wenige werden *weil wirklich geachtet nur wenige werden
Außerdem blieben die grundlegenden syntaktischen Probleme bei den Passivtypen mit einfachem Infinitiv (Vs1) oder mit Infinitiv mit zu (V21) und bei gehör- und krieg- mit V*3 doch ungelöst; der Weg zu ihrer Beschreibung ist aber auch für das Passiv mit werd- u.a. benutzbar. Deshalb ist die Gesamtheit der hier dargestellten Passivtypen Gegenstand der späteren Überlegungen, auch wenn ich mich dort meist einfachheitshalber nur auf das werden-Passiv ausdrücklich beziehe. Bei der Betrachtung der verschiedenen Passivtypen tritt auch deutlich hervor, daß es sinnlos ist,
allgemein von der 'Passivierbarkeit'eines Verbs
zu sprechen: Viele Verben bilden ein Passiv von einen, aber nicht vom anderen Typ. Das schließt es aus, die Passivierbarkeit eines Verbs allgemein etwa durch ein Regelmerkmal wie [+Passiv] zu erfassen und erschwert insofern die Beschreibung. Andererseits können künftige Untersuchungen darauf eine vielversprechende Forschungs.strategie gründen: Wenn es gelingt, die formalen und semantischen Unterschiede zwischen den verschiedenen Passivtypen , die hier nur sehr grob angedeutet werden, zu präzisieren, kann man versuchen, die nach Passivtyp verschiedene Passivierbarkeit der Verben damit zu korrelieren und hat damit Aussicht, über die bloße Feststellung der 1
(Nicht-) Passivierbarkeit1 hinauszugehen und die Ursachen aufzudecken,
die die Passivierbarkeit beeinflussen. Wir besprechen in 2.1. - 2 . 4 . die Passivtypen, Aktiv, wenn überhaupt, nur 'aspektuell
1
die sich semantisch vom
unterscheiden; in 2.5. - 2.7.
fol-
gen 'adhortative' und in 2.8 - 2.1o. 'möglichkeitsbezeichnende' Typen; zum Schluß besprechen wir in 2.11. einen kausativen Typ. In 2.12. ziehen wir aus dieser Übersicht Schlußfolgerungen für eine allgemeine Passivdefinition und für die Möglichkeiten, die Ähnlichkeiten zwischen verschiedenen Passivtypen formal darzustellen.
37
2.1.
werd- mit V
Die Regel, cue im Verlauf der bisherigen Erörterung für das werden-Passiv aufgestellt wurde, muß in einigen Punkten korrigiert und präzisiert werden. So wie sie bisher formuliert ist, gibt es nur Passive mit obligatorischem Agens. Das ist unkorrekt, denn Sätze wie die Begonien wurden gewässert sind einwandfrei.
Die gegenwärtige Formulierung läßt auch zu geb- wie in a ein Passiv wie b zu: a damals gab es viele Saurier b «damals wurden (von ihm) viele Saurier gegeben.
Die Passivregel muß zum Ausdruck bringen, daß es ganz allgemein kein Passiv 201 Verben gibt, die kein Subjekt haben oder deren Subjekt keiner Argumentstelle zugeordnet ist. Zudem werden wir in 7. sehen, daß es außer Ausdrücken mit von eine ganze Reihe weiterer Agens ausdrücke gibt, deren Vorkommen nicht mit syntaktischen Regeln erfaßt werden kann. Wir wollen deshalb zwar bei den einzelnen Passivtypen erwähnen, mit welchen Agensausdrücken sie im tyoischen Fall vorkommen bzw. nicht vorkamen, dies aber in der Regelformulierung nicht berücksichtigen. Die Regel lautet dann für werd- : (r)
(d)
PC: werd KC:
, X2,
LC:
E (5tj)
, [
PC]
KC: NP", , J^, V3
Dem logischen Subjekt des abhängigen Verbs ist in (r) keine Konstituente zugeordnet. Aus Bedingung (v) der Konventionen für komplexe Lexikoneinträge folgt, daß ihm eine Argumentstelle zugeordnet ist. Da diese Argumentstelle nicht durch den Lexikoneintrag von werd- belegt wird, muß für die logische Als 'Agens' bezeichne ich die Konstituente eines Passivsatzes, die dem Subjekt im Aktiv entspricht. Dieser Begriff ist frei von semantischen Konnotationen, er hat insbesondere mit dem 'Agent' von Jackendoff (1972) oder Fillmore (1971) nichts zu tun.
38
Charakterisierung aller passiven Sätze von dem pragmatischen Interoretationsmechanismus PIM Gebrauch gemacht werden. Darauf kamen wir in 7. ausführlich zurück; vorläufig mögen diese Andeutungen genügen. Für den Akkusativ gelten Einschränkungen, die zT durch rein formale Angaben nicht zu erfassen sind. Relativ unproblematisch sind Maßangaben wie bei kost-, wieg-, dauer-; dieser Sack kostet einen Taler dieser Sack wiegt einen Zentner die Sitzung dauerte einen Monat *von diesem Sack wird ein Taler gekostet *von diesem Sack wird ein Zentner gewogen *von der Sitzung wurde ein Monat gedauert.
Vermutlich sind diese Konstituenten zwar vom Verb selegiert, aber nicht als Akkusative, sondern als K-Variable, die einem adverbialen Ausdruck zugeordnet ist
(vgl. 1.3.2.). Dafür spricht, daß sie durch Adverbien wie
viel (aber nicht die NP vieles) bzw lange substituiert werden können. Während eine transformationalistische Passivregel nicht ohne weiteres zwischen adverbialen und verbabhängigen Akkusativen unterscheiden kann, ist dies für eine Lexikonregel automatisch gegeben, da in den Lexikoneinträgen dieser Verben nicht NPa, sondern K auftritt. Daraus folgt auch, daß der adverbiale Akkusativ in Karl schrieb einen Monat *von Karl wurde ein Monat geschrieben
nicht passiviert werden kann: Als 'freier' Adverbialausdruck wird er im Lexikoneintrag von schreib- überhaupt nicht repräsentiert. Unklar ist dagegen, wie das generelle Phänomen zu erklären ist, daß Subjekt und Agens im Passiv nicht in einer Pertinenz- oder Koreferenzbeziehung zueinander stehen können: *ich wurde von dem Augapfel geschmerzt *Karl wurde von sich (selbst) rasiert *die Kerle wurden von einander verfolgt.
1
Wir werden allerdings in 8.2.1. sehen, daß gewisse "freie 1 , anscheinend nicht-verbabhängige Akkusative dem Passiv unterliegen können. Vorläufig sehen wir von solchen Fällen ab.
2
Zur Pertinenzbeziehung vgl. Isacenko (1965), zu Reflexiva Postal (1971) und Jackendoff (1972) .
39
Wir haben gesehen, daß einer NPn im Passiv eine NPa im Aktiv entspricht; daher ist es nur zu erwarten, daß ein Aktiv ohne NPa einem subjektlosen Passiv entspricht. Das hat Konsequenzen für Verben wie stör-: Wenn sie mit Objekt gebraucht sind, hat das entsprechende Passiv ein Subjekt; wenn sie ohne Subjekt gebraucht sind, hat das Passiv kein Subjekt, vgl. l vs. 2: 1 (weil) die Linken natürlich immer den Unterricht stören,... (weil) der Unterricht natürlich immer von den Linken gestört wird ,... 2 (weil) die Linken natürlich immer stören,... (weil) von den Linken natürlich immer gestört w i r d , . . .
Dadurch ergeben sich also Sätze mit fakultativem Subjekt. Das gibt es sonst nur in gewissen - idiolektal stark schwankenden - FHllen mit impersonalem es als Subjekt wie davor graust (es) mir. Aus diesen Daten folgt, daß die Aktiv-Passiv-Relation grundlegend formal-syntaktischer Art ist,
auch wenn gewisse Bedeutungsmornente dabei eine
zusätzliche Rolle spielen können; denn es gibt keine anderen Eigenschaften, durch die sich Akkusativobjekte allgemein auszeichnen, als rein formale, und bei stör- geht mit dem Ausfall des Akkusativobjekts ja nicht etwa ein Ausfall der Argumentstelle einher, die ihm zugeordnet
ist.
Ebensowenig zeichnet sich das Akkusativobjekt in l gegenüber dem Dativobjekt in 2 inhaltlich in einer Weise aus, die es verständlich machen würde, daß die Passive zu l ein Subjekt haben ( 3 ) , die zu 2 aber nicht ( 4 ) : 1
sie bedrohte ihn mit einem Knüppel sie beschenkte ihn mit einem Blumenstrauß
2
sie drohte ihm mit einem Knüppel sie schenkte ihm einen Blumenstrauß
3
er wurde von ihr mit einem Knüppel bedroht er wurde von ihr mit einem Blumenstrauß beschenkt
4
ihm wurde von ihr mit einem Knüppel gedroht ihm wurde von ihr ein Blumenstrauß geschenkt.
Durch solche Eigenschaften unterscheidet sich das Passiv grundlegend von Ausdrücken wie es zog ihn nach Italien, man brachte ihn nach Italien, die häufig 'passiv* oder 'passivähnlich' genannt werden, weil sie mit agenslosen Passiven die Eigenschaft teilen, in einem vagen Sinne 'unpersönlich' zu sein. Es liegt auf der Hand, daß diese Eigenschaft (soweit sie präzisierbar ist und tatsächlich besteht) rein semantischer Art und mit allgemeinen Mitteln der semantischen Theorie zu beschreiben ist.
Dem-
4
gegenüber ist es unmöglich, die eigentümlichen formalen Eigenarten der Aktiv-Passiv-Relation auf rein semantische Eigenschaften zu reduzieren.
2.2.
bleib- mit Partizip
Neben dem Passiv b zum Aktiv a gibt es auch eine formell ähnliche Formulierung c: a (weil) Karl den Hasen verfolgte b (weil) der Hase (von Karl) verfolgt wurde c (weil) der Hase (von Karl) verfolgt blieb.
In diesem Beispiel entspricht das bleiben-Passiv genau dem werden-Passiv, nur daß statt einer Form von werd- eine von bleib- steht. Das gilt nicht allgemein, zB scheint es bei intransitiven Verben nicht zulässig zu sein: solange ihnen geglaubt wurde solange hier gearbeitet wird solange über ihn nicht geredet wird *solange ihnen geglaubt bleibt *solange hier gearbeitet bleibt »solange über ihn nicht geredet bleibt.
Auch bei transitiven Verben tritt bleib- nicht annähernd so frei auf wie werd-; zB ist l einwandfrei, während 2 ausgeschlossen
ist:
1 Karl wurde beim Überqueren der Straße gesehen 2 Karl blieb beim Überqueren der Straße gesehen.
Ein relevantes Moment ist dabei offenbar, ob das 'Hauptverb1 einen dauernden Zustand oder den Eintritt eines solchen Zustands bezeichnet. Da sehdiese Eigenschaft nicht hat, ist das letzte Beispiel unakzeptabel; die folgenden Beispiele sind akzeptabel, weil die im Partizip stehenden Verben dieser Bedingung genügen: die Abzugsfähigkeit von Diätkosten bleibt abgeschafft Karl blieb von allen verachtet die Heimatverbände bleiben auch weiterhin gefördert die Benutzung blieb uns von den Behörden untersagt die Straße blieb gesperrt Tiere bleiben vom Gesetz gegen inhumane Behandlung geschützt die Verantwortlichen bleiben von allen Bürgern zum Handeln aufgefordert.
41 Die Beispiele zeigen zugleich, daß eine Agensphrase mit von auftreten kann, wenn sie auch in manchen Fällen
schwer zu akzeptieren ist.
Die re-
stringierenden Faktoren sind nicht bekannt. Aufgrund dieser Beispiele liegt die folgende Lexikonregel nahe: (r)
PC: bleib KC: NPn, X2, V?2, [y
PC ]
4
LC: BLEIB (£3) KC: N P , NP *
(d)
,
,
3
Von der Regel für werd- unterscheidet sich diese bescnders dadurch, daß bleib- eine von "E" verschiedene logische Charakterisierung hat (wie immer diese auch zu präzisieren ist) . Wie die semantischen Restriktionen für das abhängige Verb formal wiederzugeben sind, lasse ich offen. Man muß betonen, daß es durchaus unklar ist, ob das von bleib- regierte Partizip tatsächlich, wie bei werd-, eine Verbform ist, ein Mjektiv ist.
oder cfo es
Dafür sprechen besonders die zahlreichen Bildungen mit
un- wie die beiden blieben unentdeckt das Problem blieb ungelöst der Einwand blieb unberücksichtigt. Die Regel müßte dann in geeigneter Weise modifiziert werden (vgl. 2.1o. ) . Bevor sie eine genauere Formulierung erhalten kann, bedarf es jedoch umfangreicher, tfoer (Leirbukt 1969) und (Vaagland 1974) hinausgehender Untersuchungen.
2.3.
sei - mit
v?2
Von transitiven und intransitiven Verben kann ein sog. 'Zustandspassiv1 gebildet werden: der Brief ist an Karl gerichtet alle Bürger sind zur Mithilfe aufgerufen Karl war von mehreren Hüten umgeben nach diesem Plan ist nicht daran gedacht, große Mittel aufzuwenden der Energieverschwendung war durch dicke Isolierungen vorgebeugt.
42
Bei manchen Verben ist das sein-Passiv im Präsens oder Präteritum dem Perfekt bzw Plusquamperfekt des entsprechenden Werden-Passivs etwa äquivalent. So ist a etwa Gleichbedeutend mit b: a die Liste ist von Karl zusammengestellt b die Liste ist von Karl zusammengestellt worden;
mindestens impliziert der erste Satz den zweiten. Da Perfekt/Plusquamperfekt von werd- mit Hilfe von sei- gebildet werden, kann man in solchen Fällen durch Elision von worden einen Satz mit Werden-Passiv in einen mit seinPassiv umformen. Daß dieser Zusammenhang jedoch zufällig ist und nicht zur allgemeinen Charakterisierung des sein-Passivs herangezogen werden kann, zeigt sich an mehreren Fakten. Die angeführte Äquivalenz besteht nur bei einem Teil der relevanten Verben. So sind Beispiele wie l keineswegs mit 2 äquivalent: 1 ihr seid herzlich zu unserem Abschiedsfest eingeladen mit lo Mark wären die Plätze aber sehr teuer bezahlt 2 ihr seid herzlich zu unserem Abschiedsfest eingeladen worden mit lo Mark wären die Plätze aber sehr teuer bezahlt worden;
hingegen ist das werden-Passiv von statischen Verben teilweise mit deren sein-Passiv im gleichen Tempus äquivalent, vgl. die Lampe ist/wird von einem starken Haken gehalten die Wiese ist/wird von einer Landstraße durchzogen.
Auch kommt das sein-Passiv in Kontexten wie im Augenblick, im Moment oder zukunftsbezogenem morgen vor: im Augenblick ist die Straße von Schneemassen blockiert im Moment war Karl entlassen, aber er hatte schon eine Zusage für eine neue Stelle morgen ist der Damm errichtet,
wo - jedenfalls i.a. und in diesen Beispielen - nur Präsens und Präteritum erlaubt sind, während das Perfekt ausgeschlossen ist: *im Augenblick ist die Straße von Schneemassen blockiert worden *im Moment war Karl entlassen worden «morgen ist der Damm errichtet worden.
Solche Beispiele müssen deshalb als Präsens bzw Präteritum analysiert werden; die Zurückführung auf ein Perfekt bzw Plusquamperfekt mit Ellipse vcn worden ist hier ausgeschlossen.
43 Die Idee, das sein-Passiv auf ein Perfekt zurückzuführen, ist ganz unabhängig von solchen Unterschieden schon deshalb abwegig, weil - jedenfalls in vielen Idiolekten ~ das sein-Passiv ein Perfekt bildet (während das entsprechende 'Super-Perfekt' allenfalls als Hyperurbanismus süddeutscher Dialektsprecher vorkamen könnte) : die Straßen sind von Schneemassen blockiert gewesen noch ehe diese Fragen völlig geklärt gewesen waren, ... *die Straßen sind blockiert worden gewesen *noch ehe diese Fragen geklärt worden gewesen w a r e n , . . .
Man kann also auf keinen Fall allgemein das Vorkamen des sein-Passivs aufgrund des werden-Passivs vorhersagen. Ebensowenig kann man etwa aus der Perfektbildung des Aktivs auf das Vorkommen des sein-Passivs schließen. Man könnte vermuten, daß ein sein-Passiv nicht von Verben gebildet werden kann, die ein sein-Perfekt bilden, und tatsächlich ist diese Konbination bei sehr vielen Verben ausgeschlossen; so typische Verben wie ankomm-, einschlaf-, erschreck- bilden ein sein-Perfekt, aber kein sein-Passiv. Das ist aber keine durchgehende Regulär!tat, denn Verben wie über etwas setz-, antret-, durchgeh-, die ein sein-Perfekt bilden: sobald alle über den Fluß gesetzt sind, ... sobald alle angetreten sind, ... sobald wir alle Listen durchgegangen sind, ...
haben auch ein einwandfreies sein-Passiv: sobald (von allen) über den Fluß gesetzt ist, ... sobald (von allen) angetreten ist, ... sobald alle Listen (von uns) durchgegangen sind, ...
Insgesamt ist die Verteilung des sein-Passivs der Verteilung des werdenPassivs ähnlich, aber i.a. stärker restringiert. Allgemeine restringierende Faktoren sind bislang nicht bekannt.
Wir können für dieses sei- folgenden Lexikoneintrag formulieren: (r)
PC: sei
KC: , y^, Vtp , [ v PC] LC: SEI (x3) (d)
KC: NP n ,
44 2.4.
krieg- usw mit
Allen Passivtypen ist gemeinsam, daß das Subjekt des Aktivs im Passiv, wenn überhaupt, nicht als Subjekt, sondern in irgend einer anderen Form auftritt. Sie unterscheiden sich u.a. darin, ob im Passiv ein Subjekt auftreten muß und welchem Teil der aktiven Konstruktion es entspricht (wenn es eine Entsprechung hat, cf. 2.9.). In den meisten Fällen tritt als Subjekt des Passivs eine Konstituente auf, die im Aktiv ein Akkusativobjekt bildet. Bei den hier zu besprechenden Hilfsverben ist das anders: Ihrem Subjekt entspricht im Aktiv eine Nominalphrase im Dativ. Zu Aktiven wie weil Karl meinem Freund die Urkunde aushändigte weil der Fleischer meinem Freund einen fetten Bauchlappen abgeschnitten hat weil Karl meinem Freund die Mütze weggenommen hat weil niemand meinem Freund eine Geschichte vorliest weil er dem Satz eine Übersetzung zuordnete finden wir deshalb Konstruktionen mit krieg- wie weil mein Freund die Urkunde von Karl ausgehändigt kriegte weil mein Freund vom Fleischer einen fetten Bauchlappen abgeschnitten gekriegt hat weil mein Freund von Karl die Mütze weggenommen gekriegt hat weil mein Freund von niemand eine Geschichte vorgelesen kriegt weil der Satz von ihm eine Übersetzung zugeordnet kriegte. Das Subjekt im Passiv, entsprechend dem Dativ im Aktiv, ist dabei obligatorisch; zu einem Aktiv wie weil der Fleischer einen fetten Bauchlappen abgeschnitten hat gibt es kein kriegen-Passiv:
*weil von Fleischer einen
fetten Bauchlappen abgeschnitten gekriegt hat. Huber/Kummer (1974: 232) möchten die Annahmen eines besonderen Passivtyps, der das Subjekt von krieg- auf einen Dativ des abhängigen Verbs zurückführt, vermeiden und setzen Tiefenstrukturen der Form NP" - NP a [ NPn - NPa - V ]krieg an, in denen Subjekt, Akkusativ und S von krieg- selegiert sind und das eingebettete Verb keinen Dativ bei sich hat. Von anderen Mängeln abgesehen ist diese Analyse mit Beispielen wie den folgenden nicht verträglich, wo der Akkusativ ein 'iuiom-chunk 1 und/oder der Dativ obligatorisch ist: Karl kriegte die Kinder zugesprochen die Tür kriegt einen neuen Anstrich verpaßt er kriegt eine gescheuert er kriegt den Marsch geblasen er kriegt die Leviten gelesen.
45 Umgekehrt sagt sie nicht voraus, daß Verben, die keinen Dativ zulassen, nicht in dieser Konstruktion auftreten: •»Heinz kriegt (von Karl) das Problem vermieden *er kriegt (von ihr) das Hindernis umfahren *er kriegt (von ihr) ein Unglück verhindert *er kriegt (von Heinz) ein Unglück herbeigeführt. Die einzige Alternative, die Huber/ Kummers Unbehagen Rechnung trägt, müßte Tiefenstrukturen der Form NP n [ NPn - NPd - NP a - V ]krieg und eine Tilgung der NP unter Identität mit aem Matrixsubjekt ansetzen; vgl. (Reis 1976). Von technischen Problemen abgesehen, hätte eine solche Analyse die LC von krieg- zu klären. Nach dieser Struktur ist krieg- eine zweistellige Relation zwischen einem Gegenstand und einer Proposition. Ich sehe aber nicht, wie eine solche logische Analyse auf nicht-zirkuläre Weise zu rechtfertigen wäre. Im übrigen scheint mir, daß die typologischen Bedenken gegen die Dativ-Nominativ-Alternation zu Unrecht erhoben werden. Zweifellos ist sie selten und 'markiert', aber Parallelen finden sich zB im Tschechischen (Daneä 1976) , im Swahili (Johnson 1976) und in skandinavischen Sprachen. Interessant ist die Frage nach dem direkten Cbjekt. Es ist nicht obligatorisch, wie sich an Beispielen wie Karl kriegte jeden Abend vorgelesen wir kriegten reichlich eingeschenkt wann kriegen wir aufgetan? zeigt; trotzdem sind Fälle wie Karl Karl Karl Karl Karl Karl
kriegte kriegte kriegte kriegte kriegte kriegte
(von Stultitia) gefolgt von allen zugehört gewöhnlich überall ausgewichen von allen Seiten zugesprochen (von Humilitas) herzlich gratuliert für seine Hilfe nachdrücklich gedankt,
die im Aktiv ein Dativ-, aber kein Akkusativobjekt haben, unakzeptabel. Der relevante Unterschied zwischen diesen beiden Typen von Beispielen scheint zu sein, daß zu dem ersten Typ Verben gehören, die ein Akkusativobjekt haben können. Wenn dies die korrekte Generalisierung ist, ergeben sich gewisse Formalisierungsprcbleine für eine Lexikonregel, die hier nicht diskutiert werden sollen. Da diese Generalisierung auf sehr wenigen Beispielen basiert, ist es durchaus fraglich, ob sie zutrifft. Wenn wir von dem letztgenannten Problem absehen, können wir folgenden Lexikoneintrag für krieg- annehmen: Ein Problem besteht für die lexikalistische Behandlung der Konstruktion darin, daß viele Dative, die ihr unterliegen, nicht verbabhängig zu sein scheinen. Wir kommen darauf in 8 . 2 . 2 . zurück.
46
(r)
PC: krieg
(d)
KC:
NPn, N?2, V^2
LC:
E (x3)
KC:
,
[y
PC]
,
Neben werd- ist dies das einzige Passivhilfsverb, dessen Übersetzung mit der des abhängigen Verbs äquivalent ist. Es ist bemerkenswert, daß krieg- in dieser Konstruktion weitgehend durch seine Synonyme erhalt- und bekamt- substituierbar ist; bemerkenswert deshalb, weil es hier nicht die normale Bedeutung 'etwas hinzugewinnen1 hat, vgl. Karl kriegte den Titel aberkannt u.a. Zwar gibt es in manchen Fällen gewisse Akzeptabilitätsunterschiede besonders zwischen dem Passiv mit erhalteinerseits und bekorm-und krieg- andererseits: das scheinen aber stilistische Unterschiede ohne weiteres Interesse zu sein.
Mindestens in gewissen
Dialekten kann auch jenes hab- eintreten, das - in bestimmter 'modaler' Ungebung - die Bedeutung von bekomm- hat:
2
möchten Sie so einen Bauchlappen abgeschnitten haben? niemand wollte noch eine Geschichte vorgelesen haben du kannst die Bescheinigung dann gleich ausgehändigt haben.
2.5.
sei- mit Vzl (adhortativ)
Als -Hilfsverb verbindet sich sei- mit einem v"
in zwei verschiedenen Funk-
tionen: als Perfekt-Hilfsverb und als Passiv-Hilfsverb. Mit einfachem Infinitiv wie in Karl ist einkaufen gewesen bildet sei- eine Konstruktion, die wir hier nicht näher besprechen werden. Mit einem V21 verbindet sich seiin der Funktion zweier 'modaler' Passivtypen: zur Bezeichnung der Möglichkeit und zur Bezeichnung der Notwendigkeit. Die beiden Typen sind aufgrund der Agensphrase, die sie zulassen, i.a. leicht auseinanderzuhalten. Mit für wie in a verbindet sich nur c als Para-
1
Eine sehr detaillierte Untersuchung des Materials hat Leirbukt (1976) vorgenommen, in den Grundzügen zusammengefaßt in (Leirbukt 1977).
2
Genauer in
3
Material ist
(Leirbukt M s . ) . bei Zorn (197o) und Gelhaus (1977) dokumentiert.
47
phrase, mit von wie in b nur d: l a b c d
mindestens eine Aufgabe ist für jeden Prüfling zu lösen mindestens eine Aufgabe ist von jedem Prüfling zu lösen jedem Prüfling ist es möglich, mindestens eine Aufgabe zu lösen für jeden Prüfling ist es nötig, mindestens eine Aufgabe zu lösen.
Da die Agensphrase bei beiden Typen fakultativ ist, sind Sätze dieses Typs ohne Agens häufig zweideutig. Der erste Typ (a) kamt in 2.8. näher zur Sprache; der zweite (b) soll hier betrachtet werden. Dieses sein-Passiv hat etwa dieselbe Verteilung wie das Werden-Passiv. Es kann von transitiven und intransitiven Verben verschiedener Art gebildet werden: der Engpaß wäre umgehend von den Behörden zu beseitigen gewesen jedem Antragsteller ist (vom Pförtner) eine Antragstellerordnungsnummer zuzuteilen von allen ist unbedingt zu beachten, daß es immer später wird dem Antragsteller ist umgehend durch Gewährung eines Zuschusses zu helfen dem Angriff ist mit entschiedener Härte entgegenzutreten darüber ist noch nachzudenken auf Karl ist besonders zu achten während der Fahrt ist nach Möglichkeit nicht zu rauchen an einem solchen Ort ist zu schweigen.
(Die Beispiele mit einstelligen Verben wie rauch- und schweig- wirken allerdings - aus unklaren Gründen - etwas zweifelhaft). Offenbar folgt der 'adhortative' Charakter dieser Konstruktion daraus, daß zum einen eine Bedeutungskomponente der Notwendigkeit vorhanden ist 2 und zum anderen das logische Subjekt agentiv sein muß. Da für das werdenPassiv diese Bedingung nicht allgemein gilt, sind Werden-Passive wie die die das der das
Lampe wird von einem starken Haken gehalten Wiese wird von einer Straße durchzogen Dach wird von schlanken Säulen getragen Fluß wird von mehreren Bächen gespeist Licht wird von der Folie reflektiert
1
Mit gewissen Pronomen akzeptieren viele Sprecher anscheinend auch beim Typ a/c einen Agens mit von, also die Aufgabe war von allen zu lösen äquivalent mit alle konnten die Aufgabe lösen; vgl. Eggers (1973) , dessen Beispiele für mich jedoch größtenteils zweifelhaft sind. - S. H«5yem weist mich auf Belege wie diese Beziehung ist von einem Angehörigen der Sprachgemeinschaft (nicht) ohne weiteres zu verändern hin, wo ebenfalls von in Typ a/c vorkommt. Die Bedingungen, unter denen dies möglich ist (zB spielt ohne weiteres eine R o l l e ) , sind vorläufig nicht klar.
2
Eine Konstituente ist agentiv, wenn sie einen "Agent" im Sinne von Jackendoff (1972) darstellt.
48
möglich, zu denen keine Parallele mit adhortativem sei- existiert: •»die »die »das «der »das
Lampe ist Wiese ist Dach ist Fluß ist Licht ist
von einem starken Haken zu halten von einer Straße zu durchziehen von schlanken Säulen zu tragen von mehreren Bächen zu speisen von der Folie zu reflektieren.
Derselbe Grund verbietet das sein-Passiv von hab-, bekannt- usw und das Auftreten von Adverbien wie versehentlich, zufällig; das Haus wurde (von den Soldaten) versehentlich angezündet »das Haus ist (von den Soldaten) versehentlich anzuzünden.
Wie das formal zu repräsentieren ist, lasse.ich offen. Wir können folgenden Lexikoneintrag für dieses sei- formulieren: (r) PC: sei K C : < N P J >, X2> Vf
(
PC]
4 LC: NECESS (2-j) (d) KC: NP£, , X^ V3
2.6.
21 bleib- mit v
Ähnlichen semantischen Charakter wie das adhortative sein-Passiv haben gewisse Konstruktionen mit bleib-. Man muß dabei 2 verschiedene Tvpsn unterscheiden. Der eine hat eine 'satzwertige' Infinitivkonstruktion als Subjekt: weil jetzt nur noch bleibt, den Entwurf zu diskutieren; statt der Infinitivkonstruktion - die auch Reflexiva enthalten kann - kann auch ein daß-Satz eintreten, und beides kann als Ergänzung zu einer Noninalphrase erscheinen: weil jetzt nur noch bleibt, sich zurückzuziehen weil jetzt nur noch die Möglichkeit bleibt, sich zurückzuziehen weil jetzt nur noch bleibt, daß wir uns zurückziehen.
Als Ergänzung zu bleib- kann hier außerdem ein Adjektiv wie übrig auftreten und, als Dativ oder als Präpositionalphrase mit für, die Angabe eines Betroffenen: weil jetzt nur noch übrig bleibt, sich zurückzuziehen weil uns jetzt nur noch (übrig) bleibt, uns zurückzuziehen.
Diese Konstruktion folgt dem üblichen tester satzwertiger Infinitivkonstruktionen und hat nichts spezifisch Passivähnliches an sich.
49
In manchen Fällen leicht damit zu verwechseln ist das adhortative bleiben-Passiv. Es ist insofern spezifisch passivähnlich, als der Infinitiv nicht satzwertig ist
(also kein eigenes Kohärenzfeld (Bech 1955: § 55 ff)
bildet), sondern mit dem regierenden bleib- ein kohärentes Feld bildet, und ein (im Aktiv) von infiniten Verb abhängiger Akkusativ hier als Subjekt erscheint. (Reflexiva sind, wie meist beim Passiv, dabei ausgeschlossen) . Neben der aktiven Konstruktion jetzt bleibt nur noch, di-esen Entwurf zu diskutieren jetz.t bleibt nur noch, diese Entwürfe zu diskutieren weil jetzt nur noch bleibt, diesen Entwurf zu diskutieren
gibt es also die Passivkonstruktion jetzt bleibt nur noch dieser Entwurf zu diskutieren jetzt bleiben nur noch diese Entwürfe zu diskutieren •weil jetzt nur noch bleibt dieser Entwurf zu diskutieren weil jetzt nur noch dieser Entwurf zu diskutieren bleibt.
Für dieses Passiv bestehen offenbar strenge Restriktionen. Sein Subjekt (das Akkusativobjekt des Aktivs) kann nicht beliebiger Art sein; Beispiele wie solange/weil noch Straßenbäume zu beseitigen bleiben diese Anträge auszufüllen bleiben dein Fahrrad zu reparieren bleibt diese Photographien noch zu prüfen bleiben
mit Konkretum als Subjekt scheinen mir unakzeptabel/ während solche wie solange/weil noch einige Bedenken anzumelden bleiben das Ergebnis abzuwarten bleibt diese Ausführungen zu begründen bleiben zu untersuchen bleibt, ob Karl recht hat noch festzustellen bleibt, wie das geschehen konnte einige Probleme zu klären bleiben diese Theorien noch zu prüfen bleiben da noch etwas kritisch anzumerken bleibt
mit Abstrakta, speziell mit Sätzen und Verbalabstrakta als Subjekt, einwandfrei sind. Eine Präpositionalphrase mit von zur Bezeichnung des Agens ist in solchen Passivsätzen nicht einsetzbar: *weil das Ergebnis noch von uns abzuwarten bleibt.
5
Hingegen.scheint in manchen Fällen ein Dativ oder vielleicht auch eine Präpositionalphrase mit für in dieser Funktion auftreten zu können: weil mir nur noch ein Entwurf zu diskutieren bleibt weil uns noch einige Theorien zu prüfen bleiben für euch bleibt zu untersuchen, ob Karl recht hat.
Das Urteil über solche Beispiele ist jedoch sehr oft unsicher, und es ist unklar, von welchen Faktoren es positiv und negativ beeinflußt wird. Ein Subjekt muß im bleiben-Passiv in jedem Fall auftreten; Passive von intransitiven Verben wie darüber bleibt abzustimmen darüber bleibt nachzudenken dem Antrag bleibt jetzt nur noch zuzustimmen daran bleibt festzuhalten davon bleibt auszugehen
sind sämtlich unakzeptabel. Wie es scheint, können vom abhängigen Verb nur Subjekt und Akkusativobjekt regiert werden; Beispiele mit zusätzlichem Dativ- oder Präpositionalobjekt finde ich nicht.
Wenn das zutrifft, können
wir den Lexikoneintrag für dieses bleib- folgendermaßen formulieren: (r)
PC: bleib KC: NP^, V^,[ v
PC]
LC: BliJECESS (x"2) (d)
KC: NP^J, NP*, V2
2.7.
gehör- mit
Große Ähnlichkeit mit dem adhortativen bleiben-Passiv hat eine Konstruktion mit gehör-, wie sie in solchen Beispielen zu finden
ist:
Fälle wie diese sind eine empirische Motivation für die Verwendung von X-Variablen in komplexen Lexikoneinträgen. Ohne sie wäre schwer zu formulieren, daß bei werd- usw beliebige Kategorien vom abhängigen Verb regiert werden können, während das hier nicht der Fall ist.
51
so ein Kerl gehört aufgeknüpft der Graben gehört zugeschüttet dem gehören die Ohren langgezogen der hätte schon längst zum Vorstandsmitglied befördert gehört wer so was tut, gehört von seinen Aufgaben entbunden.
Nur transitive Verben sind zugelassen; intransitive sind in dieser Konstruktion unakzeptabel: *dem Leiter gehört gehorcht »einem solchen Vorschlag gehört entgegengetreten *den Gratulanten gehört freundlich gedankt »jetzt gehört geschlafen »unter solchen Umständen gehört hart gearbeitet. Die Angabe eines Agens ist
durchweg ausgeschlossen:
»der Graben gehört von den Verantwortlichen zugeschüttet »der Graben gehört für die Verantwortlichen zugeschüttet »wer so was tut/ gehört seinem Vorgesetzten von seinen Aufgaben entbunden.
Wir können folgenden Lexikoneintrag aufstellen: (r) PC: gehör KC: NP£, y^, v|2 [ v PC] 4
LC:
NECESS (£3)
(d) KC: NP£ , NP*, X 2 , V3
Dabei nehme ich an, daß Paare wie dieser Kerl gehört aufgeknüpft/dieser Kerl ist aufzuknüpfen logisch äquivalent sind.
2.8.
sei- mit V21 (oossibilitatis)
Mit gehör- & V
ist die Gruppe der adhortativen 'modalen1 Passive abge-
schlossen; wir kamen zur Gnrope jener 'modalen' Passive, die eine l^öglichkeit bezeichnen. Schon in 2.5. ist das nöglichkeitsbezeichnende sein-Passiv erwähnt und gegen das adhortative abgegrenzt worden. Dort haben wir gesehen, daß der Agens bei diesem sei- mit für, beim adhortativen mit von gekennzeichnet wird. Ansonsten sind die beiden modalen sein-Passive formal weitgehend ähnlich. Verschiedenartige transitive und intransitive Verben können auftreten:
52 das Tor ist (für einen tüchtigen Schlosser) leicht zu reparieren einem ehrlichen Menschen war so was kaum zuzutrauen an dieser Stelle ist einem Entgegenkommenden schwer auszuweichen über solche Vorschläge ist schlecht zu diskutieren dieser Idee ist für einen ehrlichen Menschen nicht ohne weiteres zuzustimmen.
Mit einstelligen Verben sind gute Beispiele etwas schwer zu konstruieren, aber offenbar durchaus zulässig: so lange hier für jemand mit Geld so angenehm zu leben ist, da in dieser Stadt großartig zu filmen ist,...
Modale Adverbien wie gut, angenehm, kaum, unschwer u.a., die oft auftreten, sind aus offensichtlich semantischen Gründen hier zulässig und beim adhortativen sei- unzulässig. Breckenridge (1975) analysiert beide modalen sein-Passive analog dem englischen 'tough-movement'. Während es beim adhortativen sei- dafür nicht die geringste Stütze gibt, sprechen Beispiele wie dieser Weg ist beschwerlich zu gehen eine Posaune ist unbequem zu tragen beim 'Möglichkeits-sei-' dafür. Denn während Adverbien wie angenehm, lelclvt usw allgemein in modalen Umgebungen dieser Art vorkommen, ist dies bei beschwerlich, unbequem nicht so: »diesen Weg kann man beschwerlich gehen *eine Posaune kann man unbequem tragen. Sie kommen vielmehr als prädikative Adjektive vor: es ist beschwerlich, diesen Weg zu gehen es ist unbequem, eine Posaune zu tragen. Dies scheint jedoch ein marginaler Typ zu sein, und für typische Beispiele wie daran ist kaum zu denken hier ist es auszuhalten ist diese Analyse nicht anwendbar, weil sie kein Element enthalten, das als Prädikativum eines Matrixsatzes auftreten kann. Vgl. Ebert (1976: 47 f) für problematische Fälle anderer Art.
Das logische Subjekt muß anscheinend einen intentionsbegabten Gegenstand bezeichnen; Beispiele wie so ein Kanal ist für eine starke Quelle ohne weiteres zu speisen das Dach ist für diese Säule leicht zu tragen
sind daher unakzeptabel. Dagegen muß es nicht agentiv sein; es gibt eine Fülle von Beispielen wie dagegen ist schwer anzukommen die Aufregung war ihm anzumerken dort war es auszuhalten mit Karl war schwer auszukommen
53 auch für dich ist etwas Brot zu bekommen der Zeitpunkt war schwer zu erfahren gewesen Karten waren noch lange zu erhalten es ist kaum zu glauben, wie aufgeregt er war Karl ist unmöglich klein zu kriegen es war zu merken, wie aufgeregt er war der Aufstieg ist bis morgen zu schaffen die Kälte war jetzt zu spüren damit war leicht fertig zu werden,
zu denen weder mit adhortativem sei- noch mit werd- Parallelen bestehen. Hier zeigt sich besonders deutlich, daß man nicht allgemein von der 'Passivierbarkeit' eines Prädikats sprechen kann, denn offensichtlich sind etwa ankamt- und fertigwerd- aus diesen Beispielen nicht mit werd-, wohl aber mit dem 'Kxjlicnkeits-sei-' 'passivierbar'. Der Lexikoneintrag für diese sei(r)
(d)
PC:
sei
KC:
, Xj, vf
LC:
POSSIBIL(x3)
, [v
hat folgende Form:
PC]
KC: NP", , y^, V3
2.9.
ei lass- mit V und Reflexivum
2.9.0.
Vorbemerkung
In diesem Abschnitt haben wir Konstruktionen wie der Stein ließ sich schwer heben, hier läßt es sich aushalten zu besprechen, in denen sich lass- mit einem Vei und einem Reflexivum verbindet; sie sind semantisch eng mit dem sei- von 2.8. verwandt. Dazu möchte ich etwas ausholen.
2.9.1.
Exkurs über Konstruktionen mit lass-
Die grammatische Analyse von lass- gehört zu den interessantesten, aber auch schwierigsten Aufgaben der deutschen Verbalsyntax, da dieses Verb in einer Reihe verwandter, aber doch unterscheidbarer Bedeutungen vorkommt, mit denen - teilweise recht subtile - Unterschiede der formalen Konstruktion einhergehen; für die Kenntnis der Zusammenhänge zwischen Syntax und Seman-
54
tik ergibt sich hier ein fruchtbares Forschungsfeld. Leider sind viele wichtige Einzelfragen so schwer zu beurteilen, daß nicht einmal über grundlegende Klassifikationsprobleme Klarheit herrscht; einer erklärenden systematischen Darstellung der Zusammenhänge ?wischen semantisdien und formalen Typen von lass- sind wir weit entfernt. Ich versuche im Rahmen dieser Arbeit, als ersten Schritt für künftige weitergehende Untersuchungen einige lassen-Typen voneinander abzuheben, die mir deutlich unterscheidbar und in bestimmter Weise interessant zu sein scheinen. Das Augenmerk liegt dabei besonders auf Rassen-Konstruktionen, die ein Reflexivum enthalten.
2
Es ist zu betonen, daß die hier vorgetragene Klassi-
fikation teilweise vorläufigen Charakter hat und stark von den praktischen Zwecken des Abschnitts bestimmt ist;
es werden daher mehr die Unterschiede
zwischen verschiedenen Typen als ihre ebenso wichtigen Gemeinsamkeiten herausgestellt. Im übrigen ist die Zusammenstellung unvollständig; so wichtige Konstruktionstypen wie das Wetter ließ (uns) auf eine gute Ernte hoffen mit nicht-intentionsbegabtem Subjekt und das sog. auktoriale lass- wie der Autor läßt den Verbrecher schließlich getötet werden können nur ganz am Rande zur Sprache. Die 'normale1 A.c.I.-Konstruktion bei lass- mit intentionsbegabtem Subjekt wie Karl ließ mich den Hund streicheln Karl ließ mich eintreten wird unten und in 3.1. besprochen. Auf eine Unterklasse von diesem Typ, nämlich Beispiele wie 1
Zeitgenössisches Material ist in Nedjalkov (1976) dokumentiert; wichtiges historisches Material findet sich in Bondzio (1958). Vgl. im übrigen Been (1955) und Reis (1976a). Walter Huber habe ich für Einblick in Huber (Ms) zu danken. Harbert (1977) und Sweetser (1977) thematisieren einige wichtige Einzelfragen, sind aber m . E . in der Beobachtung und Interpretation der Daten unzuverlässig.
2
Ich gehe nicht ein auf koreferente, speziell auf reflexive Nominalphrasen in Präpositionalphrasen; zum einen, weil sie für die Abgrenzung des Typs 8 aus 2.9.0. irrelevant sind, zum anderen, weil mir hier die Primärdaten außerordentlich ungewiß scheinen. Vgl. aber Reis (1976a) und Huber ( M s ) .
55
Karl ließ die Tonne den Berg hinabrollen kamen wir unten zurück. Eine andere Unterklasse, nämlich solche Beispiele wie
Karl ließ ihn dort stehen Karl hat ihn dort stehen gelassen Karl wurde dort stehen gelassen, die das Perfekt mit dem Partizip 2 bilden und passivierbar sind, wird uns in 8.1.1. beschäftigen. Auf Beispiele wie Karl ließ den Hund (von uns) streicheln, in denen das logische Subjekt des abhängigen Verbs weder als Akkusativ noch als Nominativ realisiert ist, kommen wir unten zurück; vor allem sind sie das Thema von 2.11. Eine weitere Unterklasse von Typ 3 spielt unten eine wichtige Rolle: Karl ließ ihr einen Stein auf die Hiße fallen. Das Thema von 2.9.2. schließlich ist der in 2.9.O. genannte der Stein ließ sich schwer hochheben über dieses Angebot läßt sich reden, in dem lass- obligatorisch mit Reflexivum vorkamt und das logische Objekt transitiver Verben als Nominativ realisiert ist. Der Typ 8 muß von Konstruktionstypen unterschieden werden, in denen deshalb ein Reflexivum steht, weil sie eine Noninalphrase enthalten, die mit dem Subjekt von lass- koreferent ist, deren Reflexivum also i.a. durch eine andere NP substituiert werden kann. Ein Beispiel ist der Typ 4. Neben Beispielen ohne Reflexivum wie in l finden wir solche mit Reflexivum wie in 2: 1
Karl ließ die Tonne den Berg hinabrollen er ließ den Kahn in den Wellen treiben sie ließ den Stein auf den Boden fallen
2
Karl ließ sich den Berg hinabrollen er ließ sich in den Wellen treiben sie ließ sich auf den Boden fallen er ließ sich aus dem Bett gleiten sie ließ sich bis auf den Grund sinken.
56
Dies ist der einzige Konstruktionstyp, der ein agentives Subjekt zu lassverlangt und zugleich ein Ref lexivum als Repräsentation des logischen Subjekts des abhängigen Verbs zuläßt. Er ist sehr stark restringiert. Das abhängige Verb ist ein Bewegungsverb, dessen logisches Subjekt nicht agentiv ist;
es beschreibt die Einwirkung einer nicht spezifizierten (aber
aus der Verbbedeutung deduzierbaren) physischen Kraft auf den von Subjekt bezeichneten Gegenstand. Da zugleich das Subjekt vcn lass- agentiv ist, wird in dieser Konstruktion, wenn ein Ref lexivum vorhanden ist, derselbe Gegenstand als intentional handelnd und als einer äußerlichen Einwirkung folgend beschrieben. Ein Ref lexivum finden wir auch beim Typ 7. Neben Beispielen chne Ref lexivum wie in l finden wir solche mit Ref lexivum wie in 2: ließ ihr einen Stein auf die Füße fallen sie ließ dem Kerl den Scheinwerfer ins Gesicht leuchten 2 Karl ließ sich einen Stein auf die Füße fallen sie ließ sich den Scheinwerfer ins Gesicht leuchten er ließ sich die Sonne auf den Bauch brennen sie ließ sich den Honig auf die Lippen tropfen.
Dieser Konstruktionstyp hat eine Reihe bemerkenswerter Eigenschaften. Wir müssen zunächst bemerken, daß 'normale' A. c.I. -Konstruktionen (Typ 3) gewöhnlich eigentümliche Wortstel lungs- und Koreferenzrestriktionen zeigen. So finden wir etwa die folgenden Daten bei transitiven und intransitiven Indefinita: Karl sah/ließ den Knaben ihr ein Bild zeigen *Karl sah/ließ ihr den Knaben ein Bild zeigen *die Dame, der Karl den Knaben ein Bild zeigen sah/ließ *wem sah/ließ Karl den Knaben ein Bild zeigen? Karl sah/ließ den Knaben ihr helfen *Karl sah/ließ ihr den Knaben helfen »die Dame, der Karl den Knaben helfen sah/ließ *wera sah/ließ Karl den Knaben helfen? Thiersch (1978) hat einen interessanten Versuch unternommen, für die hier diskutierten Daten im Rahmen der Trace Theory eine Erklärung zu finden. In der gegenwärtigen Formulierung ist diese Theorie jedoch mit Problemen behaftet, die mich von einer eingehenderen Diskussion abhalten.
57
Ein prononinaler Dativ kann hier offenbar nicht vor einem nominalen Akkusativ stehen. Dies ist überraschend, denn gewöhnlich kann ein proncminaler Dativ ohne weiteres vor (und schlecht nach) einem von demselben Verb abhängigen noninalen Akkusativ stehen: Karl hat ihr das Bild gezeigt ?Karl hat das Bild ihr gezeigt die Dame, der Karl ein Bild zeigte wem zeigte Karl ein Bild?
Ein pronominaler Dativ kann sonst auch durchaus vor einem von demselben Verb abhängigen Subjekt stehen: weil ihr der Knabe ein Bild gezeigt hat die Dame, der Karl ein Bild gezeigt hat wem hat der Knabe ein Bild gezeigt? weil ihr der Knabe geholfen hat die Dame, der der Knabe geholfen hat wem hat der Knabe geholfen?
Die gleiche überraschende Restriktion gilt für nominale Dative. Die Reihenfolge 'definiter Dativ vor (betontem) ist i.a. durchaus möglich:
indefinitem Akkusativ/Notiinativ
weil Karl der Dame ein Bild gezeigt hat weil der Dame ein Knabe geholfen hat,
nicht jedoch im A.c.I.: *Karl sah/ließ der Dame einen Knaben ein Bild zeigen *Karl sah/ließ der Dame einen Knaben helfen.
Wie sind diese Daten zu erklären? Offensichtlich ist es gleichgültig, ob wir annehmen, daß der A.c.I. ein eingebetteter Satz ist, oder nicht. In keinem von beiden Fällen folgen die Fakten aus der einen oder anderen Annahme. Der einzige Unterschied, den ich sehe, ist der, daß das A.c.I.-Subjekt in diesen Fällen agentiv ist,
während Akkusative sonst nie agentiv sind. Wir
können daraus schließen, daß die Reihenfolge 'Dativ vor Akkusativ1 dann ausgeschlossen ist, wenn der Akkusativ agentiv
ist.
In eben diesen Fällen von Typ 3 kann der Dativ auch nicht ein Reflexiwm oder Reziprokpronomen sein, das mit dem Subjekt von lass- koreferent l
ist:
Lenerz (1977) hat gezeigt, daß derartige semantische Bedingungen für gewisse Wortstellungsphänomene im Deutschen eine Rolle spielen.
58 *Karl. sah/ließ den Knaben./ihn. sich, ein Bild zeigen *Karl, sah/ließ sich, den Knaben./ihn. ein Bild zeigen *Karl. sah/ließ den Knaben ./ihn. sich, helfen i D D i *Karl. sah/ließ sich, den Knaben ./ihn . helfen i i j j *die beiden sahen/ließen den Knaben einander helfen. Dasselbe gilt für einen von abhängigen Verb regierten Akkusativ: *Karl. ließ den Knaben ./ihn . sich, der Dame vorstellen i 3 D i *Karl. ließ den Knaben ./ihn, sich, streicheln. i j j i
All dies ist beim Typ 7 anders. Ein nominaler oder pronominaler Dativ kann vor einem noninalen Akkusativ stehen: Karl sah/ließ dem Knaben einen Stein auf die Füße fallen er sah/ließ dem Knaben Honig auf die Lippen tropfen Karl sah/ließ ihm einen Stein auf die Füße fallen er sah/ließ ihm Honig auf die Lippen tropfen der Knabe, dem Karl einen Stein auf die Füße fallen sah/ließ wem sah/ließ Karl einen Stein auf die Füße fallen? Hier können auch, wie wir eben sehen gesehen haben, reflexive Dative bei lass- vorkamen, und zwar vor einem nominalen Akkusativ; ebenso kommt das Reziprokpronanen vor: Karl ließ sich den Stein auf die Füße fallen die beiden ließen einander Honig auf die Lippen tropfen.
Wodurch unterscheidet sich der Typ 7 vom Typ 3 derart, daß diese Daten verständlich werden? Zum einen sind die Dative in diesen Beispielen für Typ 7 Pertinenzdative, während sie bei Typ 3 Dativobjekte sind. Unterschied aber sonst nicht mit Stellungseigenschaften
2
Da dieser
korreliert und
auch für unten zu besprechende Beispiele nicht gilt, ist er als Erklärungsfaktor wenig hilfreich. Ein weiterer Unterschied ist jedoch offensichtlich: Während die A.c.I.-Subjekte bei Typ 3 agentiv sind, sind sie es bei Typ 7 nicht. Daraus und aus der für Typ 3 formulierten Stellungsregel folgt bereits, daß in Typ 7 die Reihenfolge 'Dativ vor Akkusativ1 möglich 1
Diese Restriktion gilt für das heutige Deutsch. Unter typologischen Gesichtspunkten ist es wichtig, daß sie in früheren Sprachstadien nicht bestand, zB Luther (nach Bondzio ( 1 9 5 8 ) ) : Eyn weyser son lesst sich den vater zuchtigen
2
Zu dieser Unterscheidung vgl. 8 . 2 . 2 .
59
ist.
Wir brauchen nur die zusätzliche Annahme, daß ein agentiver Akkusativ
die Reflexivierung verhindert. Eine Raine von Beispielen dieses Typs haben ein nicht-substituierbares Reflexivum: er ließ sich einen Bart wachsen er ließ sich selten etwas Gutes entgehen er ließ sich die Arbeit sauer werden.
NCglicherweise hängt das damit zusanmen, daß sie nur permissiven Sinn haben, vgl. unten die Bemerkungen über Bedeutungstypen bei den Konstruktionstypen 3 und 6. In Typ 7 finden wir, um es zusatmenzufassen, reflexive Dative bei Verben, die kein Akkusativobjekt haben und deren logisches Subjekt nicht agentiv
ist. Auch bei Typ 6 finden wir Reflexiva. Betrachten wir zunächst transitive und intransitive Verben, die ein agentives logisches Subjekt haben, dieses jedoch nicht als Akkusativ realisieren: Karl Karl Karl Karl
ließ ließ ließ ließ
sich sich sich sich
die Knaben zeigen oft helfen den Leuten vorstellen abtasten
Ist, bei transitiven Verben, der Akkusativ ein Prononen, steht es vor dem Reflexivum: Karl i ließ sie.
sichi zeigen
Diese Reflexivierungsmöglichkeit und die leicht überprüfbaren Stellungseigenschaften der Dative folgen aus den bei Typ 7 besprochenen Regularitäten, denn
sofern überhaupt ein Akkusativ vorhanden ist,
der die Reflexi-
vierung blockieren könnte , ist er offensichtlich nicht agentiv. Diese Beispiele mit Reflexiva bei Verben mit agentivem logischen Subjekt haben den für die j.assen-Typen 3,4 und wohl auch 7 charakteristischen permissiven und kausativen Doppelsinn; Beispiele wie 1 Eng verwandte Fakten gibt es in romanischen Sprachen, cf. Für das Englische cf. Chomsky (1973:261).
Bordelois (1977)
2 Diese Deutung der Reflexivierung bei Typ 6 und 7 weicht in wichtigen Einzelheiten von der in Reis (1976a) ab. Aus Raumgründen kann ich mich mit dieser Arbeit hier nicht näher auseinandersetzen.
6
Karl ließ mir das Bild zeigen er ließ mich abtasten
ohne Reflexivum sind dagegen eindeutig, und zwar nur kausativ. Ist das logische Subjekt des abhängigen Verbs nicht agentiv, kann umgekehrt kein kausativer Sinn resultieren: Karl ließ sich (von Jakobs Reichtum) beeindrucken (von dem Argument) überzeugen (von dem Anblick) nicht erschüttern (von dem Fehlschlag) nicht entmutigen von der Melodie in den Schlaf wiegen (davon) nicht verblüffen.
Allgemein ist bei transitiven Verben, deren logisches Subjekt als Akkusativ realisiert ist, anders als bei Typ 7, auch dann die Reflexivierung unmöglich, wenn Ha.g Subjekt nicht agentiv ist: *Karl. ließ die Sonne sich
bräunen
*Karl. ließ sich, die Sonne den Rücken verbrennen.
Mit Reflexivum können sie daher nur in Typ 6 auftreten. Da die Substitution des Reflexivum einen kausativen Sinn erzwingen würde, den sie auch mit Reflexivum nicht annehmen können, ist das Reflexivum hier obligatorisch, vgl. *Karl ließ mich von Jakobs Reichtum beeindrucken *er ließ mich von den Argument überzeugen.
(Vgl. die vermutlich verwandten Fälle mit obligatorischem Reflexivum bei Typ 7). In den Fallen, in denen das Reflexivum ein Akkusativ ist, entsteht dadurch eine Überschneidung mit Typ 8. Auch in diesen Fällen sind die beiden Typen jedoch zu unterscheiden. Typ 8 zeichnet sich u.a. dadurch aus, daß er eine Föglichkeit bezeichnet und i.a. keinen Agens mit von zuläßt, a kann man mit b umschreiben, aber c kann man nicht mit d umschreiben: a b c d
der Junge ließ sich kaum tragen es war kaum möglich, den Jungen zu tragen der Junge ließ sich von dem Reichtum beeindrucken es war ( *für den Reichtum) möglich, den Jungen zu beeindrucken.
Eine Ausnahme ist der persönliche Akkusativ bei kost-: . er ließ sich das Fest viel kosten. Die Annahme scheint erlaubt, daß dieser Akkusativ sehr spezielle Eigenschaften hat, die ihn von anderen unterscheiden.
61
Im Normalfall sind Beispiele von Typ 6 mit Reflexivum zweideutig. Da Sätze von Typ 8, wenn sie ein intentionsfähiges Subjekt und ein geeignetes transitives Verb haben, mit solchen von Typ 6 hononym sind, sind solche Sätze gewöhnlich dreideutig. Ein Beispiel wie Karl Ließ sich hochheben hat erstens die Paraphrase a, in der es Typ 8 verkörpert, und zweitens die Paraphrasen b (permissiv) und c (kausativ), in denen es zum Typ 6 gehört: a es war möglich, Karl hochzuheben b Karl gestattete, daß man ihn hochhob c Karl veranlaßte, daß man ihn hochhcb. Die jeweils intendierte Interpretation läßt sich meist durch Einsetzen geeigneter Adverbialausdrücke erzwingen. So gehört Karl ließ sich unschwer hochheben nur zum Paraphrasentyn a, zu dem auch zB Karl war unschwer hochzuheben gehört; Karl ließ sich nur unter lautem Protest hochheben gehört wohl nur zum permissiven Typ b, und Karl ließ sich gegen unseren Wunsch von uns hochheben nur zum kausativen Typ c. Andererseits ist die Interpretation eines Beispiels nach Typ a nur möglich, wenn das Subjekt als nicht-agentiv betrachtet wird. Wenn es durch Adverbien wie freiwillig oder ein 'Modalverb1 wie wpll- als intentional handelnd charakterisiert ist wie in Karl ließ sich freiwillig kastrieren Karl wollte sich kastrieren lassen
ist der Paraphrasentyp a ausgeschlossen. Die 3 Paraphrasentypen sind eng miteinander verwandt. Ihr gegenseitiges Verhältnis ist folgendermaßen. Aus b und c wie auch aus ihren Verneinungen folgt in jedem Fall a; sie setzen also a voraus, und in diesem Sinn ist a in allen 3 Typen enthalten. Das Ungekehrte gilt jedoch nicht, so daß Beispiele vom Paraphrasentyp a semantisch eindeutig gegen solche vom Typ b oder c abgegrenzt sind. Aus der Formulierung, die unter b und c steht, müßte man schließen, daß b von c impliziert wird, denn wenn man p veranlaßt, dann gestattet man notwendig, daß p. Intuitiv scheint das inadäquat; man würde b gern durch b 1 ersetzen: b 1 Karl gestattete, daß man ihn hochhob , tat aber nichts, um das herbeizuführen. Mir ist nicht klar, ob das eine korrekte logische Charakterisierung ist oder nur eine konversationell übliche Implikatur.
62
2.9.2.
Der Typ 8
Nach dieser Abgrenzung gegen andere Kcnstruktionstypen kehren wir zum reflexiven lass-
zurück. Die Frage, cb bei diesem Typ ein Subjekt auftritt,
ist unproblematisch, scweit vcn lass- ein transitives Verb abhängt. In diesen Fällen ist Subjekt, was sonst Akkusativcbjekt des abhängigen Verbs ist: in einer Kneipe läßt sich leicht ein Streit vom Zaun brechen so einem läßt sich kaum ein Schnippchen schlagen Neandertaler lassen sich am besten in Köln beobachten Sie ließen sich ohne große Mühe auf den Rücken drehen du läßt dich wohl leicht in Bockshorn jagen?
Viele Beispiele haben keine Parallele beim werden-Passiv, kamen aber im seipossibilitatis vor: dort läßt es sich aushalten dem läßt sich abhelfen damit läßt sich leicht fertig werden damit läßt sich schon etwas anfangen. Zu das läßt sich leicht denken gibt es gar keine Passivparallele.
Wenn ein einstelliges Verb wie tanz-, arbeit- usw von lass- abhängt, steht kein Subjekt: dort läßt sich nicht gut tanzen bei dieser Bezahlung läßt sich gut arbeiten dort läßt sich besser leben auf feuchtem Waldboden läßt sich schlecht schlafen in dem Waldsee läßt sich wunderbar schwimmen.
Hier kann aber auch, und das ist eigentümlich und ohne Erklärung, ein impersonales es_ als Subjekt stehen: dort läßt es sich nicht gut tanzen bei dieser Bezahlung läßt es sich gut arbeiten dort läßt es sich besser leben auf feuchtem Waldboden läßt es sich schlecht schlafen in dem Waldsee läßt es sich wunderbar schwimmen.
Für die Sprecher, für die diese Daten zutreffen, ist das offenbar so wie das fakultative es bei graus- u.a.: mir graust (es) vor dir dort ist (es) Sommer mir ist (es) nicht gut;
63
und wie es Sprecher gibt, die nur mir wurde schlecht chne es akzeptieren, und solche, die nur mir wurde es schlecht mit es akzeptieren, sowie solche, die beides einwandfrei finden, so mag es auch bei reflexivem lassneben den geschilderten Dialekten mit fakultativem es_ solche mit obligatorisch anwesendem und solche mit obligatorisch abwesendem es geben. Verben, die ein Dativobjekt (und kein Akkusativobjekt) haben, erscheinen hier ohne Subjekt; das es kann nicht stehen: dieser Drohung läßt (*es) sich unschwer mit begegnen einem so verbohrten Kerl läßt (*es) sich schwer helfen Vorbestraften läßt (*es) sich unmöglich vertrauen diesem Argument läßt (*es) sich nicht widersprechen dem letzten Angebot läßt (*es) sich zustimmen.
Bei Verben mit Präpositionalobjekt ist das es ebenfalls ausgeschlossen: von den Folterungen läßt (*es) sich nicht einfach absehen auf eine solche Gelegenheit läßt (*es) sich wirklich einmal anstoßen mit Karl läßt (*es) sich gut auskommen auf solchen Bedingungen läßt (*es) sich schwerlich bestehen daran läßt (*es) sich jetzt noch nicht denken auf diesen Vorschlag läßt (*es) sich nur unter gewissen Vorbehalten eingehen nur gegen Tierquälerei läßt (*es) sich nachhaltig einschreiten in dieser Situation läßt (*es) sich an dem alten Vorschlag nicht länger festhalten darüber läßt (*es) sich auch noch später nachdenken darüber läßt (*es) sich streiten darauf läßt (*es) sich leicht verzichten damit läßt (*es) sich leicht fertig werden an ihrer Sittsamkeit läßt (*es) sich schwerlich zweifeln;
daß in Beispielen mit Präpositionalphrasen wie für dieses Ziel läßt (es) sich schon mal hart arbeiten mit solchen Gedanken läßt (es) sich schlecht einschlafen mit Karl läßt (es) sich angenehm leben davon läßt (es) sich schlecht leben auf glattem Boden läßt (es) sich gut tanzen
ein es auftreten kann, liegt daran, daß die Präpositionalphrase hier nicht lexikalisch selegiert, dh idiosynkratisch mit dem Verb verbunden ist, wie es per Definition bei 'Objekten1, insbesondere 'Präpositionalobjekten' der Fall ist, sondern aufgrund allgemeiner Regularitäten in solchen Sätzen auftreten können.
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Nachdem geklärt ist, welche Konstituente beim reflexiven lassen-Passiv als Subjekt auftritt, ist zu fragen, was mit dem logischen Subjekt des abhängigen Verbs geschieht, ob also eine Agensphrase auftreten kann, und was für eine. In vielen Fällen ist
gar kein Agens möglich; Beispiele wie einem so ver-
bohrten Kerl läßt sich von/für niemand helfen sind ausgeschlossen.
In gewissen Fällen kann offenbar ein Agens mit von auftreten; jedenfalls scheint mir derartige Türen lassen sich von jedem Schlosser aufbrechen auch von einem Dummkopf läßt sich ein Entschuldigungsgrund finden
nicht ganz ausgeschlossen. Im allgemeinen sind Agensangaben mit von aber nicht möglich: *hier läßt es sich von allen aushalten *mit Karl läßt sich von jedem gut auskommen *der Stein ließ sich von mir nur mit Mühe hochheben *in dem Waldsee läßt (es) sich von geübten Schwimmern wunderbar schwimmen •»dort läßt (es) sich von niemand gut tanzen . *an ihrer Sittsamkeit läßt sich von niemand zweifeln.
Es ist nicht klar, unter welchen Bedingungen solche von-Phrasen. ausnahmsweise doch zulässig sind (falls sie es wirklich sind). In vielen Fällen gibt eine Präpositionalphrase mit für einen Agens an; Beispiele wie die folgenden scheinen mir einwandfrei: dort ließ es sich für alle aushalten der Stein ließ sich für den schwachen Knaben nur mit Mühe hochheben Neandertaler lassen sich für uns am besten in Köln beobachten für einen friedlichen Menschen läßt sich mit Karl gut auskommen in dem Waldsee läßt (es) sich für geübte Schwimmer wunderbar schwimmen für mich läßt sich darauf leicht verzichten. Auch hier gibt es jedoch eine breite Zone der Unsicherheit, Beispiele wie an ihrer Sittsamkeit läßt sich für keinen zweifeln dieser Drohung läßt sich für uns mit begegnen für einen Erwachsenen läßt sich davon schlecht leben halte ich für zweifelhaft.
Nach diesen Beobachtungen können wir den Lexikoneintrag für dieses lassfolgendermaßen formulieren:
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(r)
PC: lass
KC:
i
LC: POSSIBIL n KC' _ · MP INf—
tn\ ICIJ
,
t
< STir.
>
,
— ,
Vv.
Die NP? muß als reflexiv markiert werden. Die geschweiften Klammern in (r) sind wie üblich als Disjunktion der oberen und unteren Zeile zu interpretieren; diese KC ist also ein Zusammenfassung der beiden folgenden KC: KC X :
, JC,, NP* , vf
KC2:
NPg, NP^ , vj1 [ y
, [y PC]
PC].
Da der NP" keine Argumentstelle zugeordnet ist, kann sie nur als es realisiert werden. Aus der Disjunktion von KC^ und KC,, folgt, daß dieses impersonale es nicht auftreten kann, wenn das abhängige Verb mehr als das Subjekt selegiert. Da die NP1 fakultativ ist und X- als null Kategorien interpre^·*·
tiert werden kann, kann lass- allein mit dem Reflexivum NP, und dem v vorkommen, so daß das es, im Effekt, fakultativ ist.
2.10.
Adjektive auf -bar
Wir haben bisher Passivtypen betrachtet, bei denen das selektional relevante Verb (das 'Vollverb1) des Aktivs im Passiv als Infinitum erscheint. Dabei habe ich angenommen, daß man diese Infinita als Flexionsfarmen des Verbs betrachten kann, daß also beim Übergang vom Passiv zun Aktiv bzw ungekehrt kein Wechsel der Wortart stattfindet. Diese Annahme ist nicht selbstverständlich, und sie ist besonders beim Partizip 2 auch nicht ohne Probleme. Andererseits sehe ich keine zwingenden Gründe, anders zu verfahren; statt eine recht komplizierte und inkonklusive Diskussion darüber zu eröffnen, möchte ich die Frage hier auf sich beruhen lassen. Die läge ist anders bei Paaren wie a er vermied diese Begegnung mit Karl b diese Begegnung mit Karl war für ihn vermeidbar.
66
Daß zwischen a und b ein regelmäßiges Entsprechungsverhältnis ähnlich dem des werden-Passivs besteht, ist leicht zu sehen: Der von für abhängigen Noninalphrase in b entspricht das Subjekt von a; dem Subjekt von b entspricht das Akkusativobjekt von a; dem Adjektiv auf -bar in b entspricht das Finitum in a; dem für in b entspricht in a nichts. (Die Kopula in b steht außerhalb der hier interessierenden Beziehungen.) Die Distributionsrestriktionen, die von dem Hauptverb bzw dem Adjektiv ausgehen, sind aufgrund von a für b bzw von b für a vorhersagbar; deshalb sind beide Sätze in einem Paar wie diese Begegnung mit Karl vermied ihn er war für diese Begegnung mit Karl vermeidbar gleichermaßen unakzeptabel, während die Sätze a und b im Paar a/b gleichermaßen akzeptabel sind. Anders als in den anderen Fällen haben wir hier als Entsprechung zum Verb des Aktivs eindeutig ein Adjektiv. Daß derartige Formen wirklich Adjektive genannt werden müssen und keine Verbalformen sind, geht aus der für Adjektive charakteristischen Distribution hervor: die Begegnung war vermeidbar ich hielt die Begegnung für vermeidbar ich finde die Begegnung vermeidbar die Begegnung scheint vermeidbar eine vermeidbare Begegnung die Begegnung war unvermeidbar die Begegnung wurde unvermeidbar die Begegnung wirkte unvermeidbar die Vermeidbarkeit der Begegnung
Das Deverbativum auf -bar kommt als Prädikativ bei verschiedenen adjektivselegierenden VerBen und pränominal (mit Adjektivflexion) vor; man kann un- präfigieren, was bei Verben ausgeschlossen ist, figieren, was nur bei Adjektiven möglich
und man kann -keit suf-
ist.
Bevor wir Strukturbeschreibungen für das Entsprechungsverhältnis notieren, müssen die Bedingungen für die Entsprechung etwas geklärt werden. Zunächst halten wir fest, daß neben b auch die Begegnung mit Karl war vermeidbar möglich ist;
der in der Präpositionalphrase mit für ausgedrückte Agens ist
also nicht obligatorisch. Wenn wir verschiedene Verbtypen der bar-Ableitung unterwerfen, finden wir
67
Daten wie die folgenden: la b
Frösche sind eßbar der Irrtum ist ( f ü r einen Sachverständigen) leicht nachweisbar
2a «im Sommer ist (für mich) oft nicht eßbar b «dort ist gut arbeitbar 3a «einem solchen Plan ist unmöglich zustimmbar b «darauf ist leicht verzichtbar 4a «der Irrtum ist dem Gericht ( f ü r einen Fachmann) leicht nachweisbar b «das Vermögen ist den Erben nicht zusprechbar 5a b c d
«Karl war zu diesem Schritt nicht veranlaßbar «der Patient ist von der Krankheit durchaus befreibar «er war dazu nicht überredbar «er ist leicht zu einer Lüge verleitbar.
Das der Ableitung zugrundeliegende Verb muß ein (semantisch nicht-leeres) Subjekt und ein Akkusativobjekt haben (1); Verben ohne Cfojekt (2) oder nur mit Dativ- oder Präpositionalobjekt (3) scheiden aus. Außer dem Akkusativobjekt darf kein Dativ- (4) und kein Präpositionalobjekt (5) auftreten. Wir können den folgenden Lexikoneintrag für -bar formulieren: (r)
(d)
PC:
bar
KC:
NPn
LC:
POSSIBIL (S.,) .
KC:
NP n , NP* , J i
' U V2
[APC
V
2£.
Im Gegensatz zu den anderen Lexikonregeln, die wir besprochen haben,
o
ist
dies eine Wortbildungsregel, was daraus hervorgeht, daß das in der KC von (r) charakterisierte Lexikonelement bar als Teil eines Wortes (eines Adjektivs) auftritt. Da ein bar mit dieser LC sonst nicht im Lexikon existiert, ist es zugleich als gebundenes Suffix charakterisiert.
1
In einigen Fällen sind Präpositionalobjekte möglich: diese Aussage ist auf beziehbar dies ist von ableitbar. Mir ist nicht klar, ob eine echte Regularität vorliegt.
2
Evtl. mit Ausnahme des bleib- von 2 . 2 .
3
Den Vorschlag, Derivationen - und speziell die able-Bildungen des Englischen - nicht transformationell, sondern innerhalb des Lexikons zu behandeln, hat erstmals Chomsky (197o) gemacht. Seine Andeutungen, wie das geschehen könnte, hat Hust (1978) formell entwickelt. Soweit ich sehe, ist sein System empirisch nicht verschieden von einer Lexikonregel, wie ich sie für -bar formuliert habe.
68
Entgegen der üblichen Praxis habe ich -bar als Element seiner syntaktischen Kategorie (Adjektiv) markiert, so daß etwa die Ableitung vermeidbar dieselbe Struktur [ V + A] erhält wie das Kompositum denkfaul. In der ursprünglichen Fassung dieser Arbeit habe ich diesen Ansatz in einem Exkurs zu einer lexikalistischen Wortbildungstheorie ausführlich begründet; aus Raumgründen muß dieser Exkurs hier entfallen. Der Grundgedanke beim Ansatz eines gebundenen Adjektivs bar ist, daß es eine große Zahl von Übereinstimmungen zwischen Konposition und Affixderivation gibt, ein irgendwie gearteter kategorialer Unterschied aber, der über die Unterscheidung von gebundenen und freien Morphemen hinausgeht, nicht nachweisbar ist.
2.11.
lass- mit V61
(Typ 6)
In 2.9. sind als Beispiele für die lassen-Kbnstruktion des Typs 6 Sätze aufgetreten wie Karl Karl Karl Karl
ließ ließ ließ ließ
mich den Leuten vorstellen mich abtasten nur helfen mir das Bild zeigen;
wir haben besprochen, daß sie kausative Bedeutung haben und nur dann eine zweite permissive Bedeutung haben können, wenn an der Stelle von mir/mich ein Reflexivum steht. In solche Sätze kann man eine Präpositionalphrase mit von einsetzen, die das logische Subjekt des Infinitiven Verbs angibt: Karl Karl Karl Karl
ließ ließ ließ ließ
mich von seinem.Freund den Leuten vorstellen mich von seinem Freund abtasten mir von seinem Freund helfen mir von seinem Freund das Bild zeigen,
und sie stehen in offensichtlichem Zusammenhang zu Sätzen des Konstruktionstyps 3, in dem das logische Subjekt des infiniten Verbs als Akkusativ auftritt: Karl Karl Karl Karl
ließ ließ ließ ließ
seinen seinen seinen seinen
Freund Freund Freund Freund
mich den Leuten vorstellen mich abtasten mir helfen mir das Bild zeigen.
Dieses regelmäßige Nebeneinander von einer Konstruktion, in der das logische Subjekt auf eine (für A.c.I.-Konstruktionen) reguläre Weise ausgedrückt ist
(Typ 3), und einer Konstruktion, in der es entweder gar nicht oder
durch einen Agensausdruck mit der Präposition von ausgedrückt ist
(Typ 6 ) ,
69
konstituiert zwischen Typ 3 und Typ 6 ein Verhältnis, das dem der AktivPassiv-Relation in offensichtlicher Weise ähnlich ist. Diese A>inlichkeit hat häufig zu der Annahme man den in Typ 6 auftretenden
Veranlassung gegeben, daß
Akkusativ - das logische Akkusativobjekt
des infiniten Verbs V. - auch, in Parallele zu den Verhältnissen beim werden-Passiv, als A.c.I.-Subjekt von V. betrachten müsse, cf. etwa Reis (1973, 1976a). Für einen Satz wie a a Karl ließ dich von ihr abtasten b Karl ließ [sie dich abtast-] c Karl ließ [du von ihr abtast+f HP] wäre nach dieser Hypothese eine Ableitung anzunehmen, die von einer eingebetteten aktiven Struktur wie in b zu einer Zwischenform wie c übergeht. Da Passivsätze wie der in c eingebettete, wenn sie an der Cberflache beobachtbar sind, ein Hilfsverb haben, nehmen viele Autoren an, daß in c ein Hilfsverb HP, zB werd-, anzunehmen sei, wobeif^ eine Variable über Flexionsformen ist und hier f = Partizip 2 sein müßte. Auf c wäre die - wie auch inmer zu formulierende - A.c.I.-Regel anzuwenden, aus der a resultiert. Diese Analyse hat 2 Vorzüge: Aus ihr folgt, daß das logische Subjekt des abhängigen Verbs nicht oder durch einen von-Agens repräsentiert ist, und - da die Passivregel fakultativ ist - daß Typ 3 und Typ 6 i.a. in freier Alternation zueinander stehen. Sie enthält jedoch mindestens 2 Probleme. Zum ersten gibt es zwar für a und b gute Evidenz: a ist als Cberflächenstruktur beobachtbar, und b stellt im eingebetteten Satz die normalen Distributionsverhältnisse von V. dar; für c jedoch gibt es keine direkte Evidenz. Zum zweiten ist die Frage, was mit HP geschieht. Wenn HP /= 0 ist, müßte es beim Übergang von c zu a als Infinitiv erhalten bleiben. Man würde etwa einen Satz wie Karl ließ dich von ihr abgetastet werden erwarten; so etwas ist aber allenfalls beim sog. auktorialen lass- (Typ 2) möglich. Als kausative lassen-Konstruktion i.S. dieses Abschnitts ist der Satz nicht akzeptabel. Beispiele mit intransitiven Verben wie »Karl ließ ihr von Heinz geholfen werden kommen darüber hinaus auch in Typ 2 nicht vor, und zu Beispielen wie Karl ließ sich von dem Reichtum beeindrucken gibt es gar keine Parallele mit dem werden-Passiv. Wenn V. , im Gegensatz zu anderen A.c.I.-Konstruktionen bei lass-, hier l "* im Partizip 2 auftreten würde, könnte man das vielleicht noch als indirek-
7
te Evidenz für HP ^ 0 werten. Da das nicht der Fall ist, vielmehr i_ = Infinitiv ist, muß man entweder eine Sonderregel postulieren, die HP tilgt und f = Infinitiv setzt, oder von vornherein Iff = 0 annehmen. Im zweiten Fall ist aber die Frage, welcher Lhistand den Übergang von b zu c auslösen könnte; vermutlich kamt dafür nur die Anwesenheit von lass- selbst in Frage, so daß dieses Verb gleichzeitig als Passivhilfsverb in der Art von werdmit V^ und als A.c.I.-Regens in der Art von seh- usw mit Vs dienen würde. Für eine solche doppelte Funktion von lass- gibt es aber natürlich gar keine Anhaltspunkte. Die in jedem Sinne des Wortes einfachste Analyse ist es deshalb, auf die hypothetische Ableitungsstufe c zu verzichten, lass- in dieser Konstruktion also nicht als (u.a.) A.c.I.-Verb, sondern nur als Passivhilfsverb zu betrachten. Daß es nicht möglich ist,
allgemein a auf c zurückzuführen, folgt zwin-
gend auch aus Beispielen mit Verben ohne Akkusativobjekt wie in Karl ließ ihr von der Tante unter die Arme greifen. Solche Verben können im werdenPassiv kein Subjekt haben, und auch in dieser lassen-Konstruktion tritt kein Akkusativ auf, der dem Subjekt entsprechen würde. Subjektlose Prädikate karroen sonst aber bei Typ 3 nicht vor. Während das A.c.I.-Verb seh- etwa für viele Srarecher Beispiele wie er sah ihr schlecht werden zuläßt, ist dies für dieselben Sprecher bei lass- unmöglich: *er/das Brechmittel ließ ihr schlecht werden *die Medizin ließ ihr rasch besser werden.
Da lass- im A.c.1. also nur Prädikate mit Subjekt zuläßt, können subjektlose Passive nicht im A.c.I. eingebettet sein, und ein Beispiel wie das obige ist unter dieser Theorie gar nicht ableitbar. Darüber hinaus macht die Theorie, die die Ableitungsstufe c annimmt, einige falsche Voraussagen. Da in c transitive Verben in derselben Struktur erscheinen wie aktive intransitive Verben, sollte man erwarten, daß diese Struktur, wie bei Typ 5, das Perfekt mit dem Partizip bildet und passivierbar Das ist jedoch nicht der Fall: Typ 5: Karl hat den Hammer fallen gelassen der Hammer wurde fallen gelassen Typ 6: Karl hat ihn abtasten lassen
*Karl hat ihn abtasten gelassen *er wurde abtasten gelassen.
ist.
71
Wie andere intransitive Strukturen in Typ 3 sollten solche Beispiele auch regelmäßig 2-deutig sein. Wir haben aber schon in 2.9.1. gesehen, daß sie nur kausativ sein können, solange sie kein Reflexivum enthalten. Auch die i.a. zu beobachtende freie Alternation zwischen Typ 6 und Typ 3 besteht nicht durchweg. Zu Beispielen wie Karl ließ sich von dem Reichtum beeindrucken von dem Argument überzeugen von dem Ereignis nicht entmutigen
gibt es - aus Gründen, die vermutlich mit semantischen Restriktionen des Typs 3 zusammenhängen - keine Parallele in Typ 3: *Karl ließ den Reichtum sie/sich beeindrucken »Karl ließ das Argument sie/sich überzeugen *Karl ließ das Ereignis sie/sich nicht entmutigen
Es ist nicht zu sehen, wie die unakzeptablen Beispiele ausgeschlossen und zugleich die akzeptablen generiert werden können, wenn beide als Typ 3 analysiert werden. Direkte Evidenz gegen diese Analyse findet sich bei Infinitivkonstruktionen mit ohne & VZ1. Solche Konstruktionen haben gewöhnlich das grantnatische Subjekt des Satzes (im Noninativ) als Antezedens. Es ist in Curval peitschte Ray aus, ohne einen Laut von sich zu geben unmöglich, Ray als implizites Subjekt des Infinitivs zu verstehen, wie es in Ray wurde von Curval ausgepeitscht, ohne einen Laut von sich zu geben unmöglich
ist,
Curval so zu interpretieren. Bemerkenswerterweise kann jedoch auch das im Akkusativ stehende logische Subjekt des Infinitums im A. c.I. als Antezedens vcn ohne zu-Infinitiven dienen. In ich sah/ließ Ray Curval auspeitschen, ohne einen Laut von sich zu geben ist Ray, und zwar nur diese Konstituente, als implizites Subjekt von geh- zu verstehen; das gleiche gilt für Karl in ich ich ich ich
sah/ließ sah/ließ sah/ließ sah/ließ
Karl Karl Karl Karl
arbeiten, ohne einen Laut von sich zu geben ihr gratulieren, ohne einen Laut von sich zu geben abreisen, ohne sich verabschiedet zu haben den Kater umbringen, ohne sich zu verletzen.
Wenn der Akkusativ beim passiven lass- den Charakter eines A.c.I.-Subjekts hätte, sollte er in derselben Weise als Antezedens fungieren können. Entsprechend konstruierte Sätze wie
72 ich ließ Curval (von Ray) auspeitschen, ohne einen Laut von sich zu geben ich ließ sie (von Karl) fesseln, ohne einen Laut von sich zu geben
sind jedoch unakzeptabel, und in einem Beispiel wie sie ließ den Kater von Karl umbringen, ohne sich zu verletzen kann nur das graitmatische Subjekt sie als Antezedens des Infinitivs verstanden werden. Auch hier verhält sich also in der passivähnlichen Konstruktion ein Akkusativ nicht wie ein Subjekt des abhängigen Verbs , sondern wie sein Akkusativobjekt. Nach diesen Beobachtungen sind wir berechtigt, für lass- von Typ 6 folgenden Lexikoneintrag zu formulieren: (r)
PC: lass .,
1C: LASS (d)
KC: NP n ,
Im Gegensatz zu allen anderen Passivtypen involviert dieses lassenPassiv demnach gegenüber dem Aktiv nur l Veränderung, den Ausfall des logischen Subjekts (bzw dessen Ersatz durch den Agens) . Typologisch ist dies keineswegs einzigartig. Der lassen-Typ 6 ist offensichtlich verwandt mit französischen Kausativkonstruktionen mit par (Kayne 1975:3.6.) und solchen mit einem Instrumental im Kannada (Cole/Sridhar 1977) , die ebenfalls nicht aus eingebetteten Passiven hergeleitet werden können. Zum anderen kann man ihn mit den 'unpersönlichen1 Konstruktionen des Walisischen vergleichen, in denen das logische Subjekt ausfällt, ohne daß das logische Akkusativobjekt zum Subjekt wird (Corarie 1977) . Es ist eine rein terminologische Frage, ob man derartige Erscheinungen 'passivähnlich1 nennt oder ihre Ähnlichkeit mit klaren Passivkonstruktionen sen möchte.
terminologisch unerfaßt
las-
73
2.12.
Folgerungen
In 2.2. - 2.11. haben wir gesehen, daß es eine ganze Reihe von Konstruktionstypen gibt, die in formaler Hinsicht dem Werden-Passiv eng verwandt sind. In allen Fällen mußte die Distributionsbeschreibung der "passiven1 Konstruktion auf die Distributionsbeschreibung rekurrieren, die das "passivierte" Verb im Aktiv hat; dadurch entsteht eine charakteristische zweiteilige Distributionsbeschreibung für die 'passive1 Konstruktion. In allen Fällen bestand ein regelmäßiger Zusanitienhang zwischen der logischen Charakterisierung der 'passiven1 Konstruktion und der der aktiven Konstruktion derart, daß die der aktiven in der der 'passiven' enthalten ist; nur in 2 Fällen sind die logischen Charakterisierungen von aktiver und 'passiver' Konstruktion äquivalent. Von anderen zweiteiligen Distributionsangaben, die wir im folgenden Kapitel besprechen, unterscheiden sich die der 'passiven' Konstruktion dadurch, daß das Subjekt der aktiven Konstruktion nicht - oder nur indirekt (cf. 7.) durch einen 'Agensausdruck' gewisser Art - realisiert ist. Zusammenfassend können wir als 'passiv' oder 'passivähnlich' eine Konstruktion bezeichnen, (a) die potentiell finit vorkamt und (b) nur unter Rekurs auf eine andere ('aktive') Konstruktion beschrieben werden kann, (c) wobei das Subjekt des Aktivs in keiner grammatischen Relation zum Prädikat des Passivs steht (dh gar nicht oder nur indirekt repräsentiert ist), so daß eine Argumentstelle der logischen Charakterisierung nicht direkt belegt werden kann (die im Aktiv direkt durch den Lexikoneintrag belegt wird) , und (d) ein grammatisches Element - ein Verb, ein Affix o.a. - vorhanden ist, mit dem die 'aktive* Konstruktion nicht vorkamen kann. 1
Bedingung (a) dient zur Abgrenzung gegen satzwertige Infinitivkonstruktionen .
2
Diese Explikation entspricht der von Langacker/Munro (1975) und von Keenan ( 1 9 7 5 ) .
3
Bedingung (d) dient zur Abgrenzung gegen Konstruktionen mit 'PronounDrop' wie lat. (is) amat te. Die Bedingungen (a) - (d) t r e f f e n auch auf reflexive Konstruktionen wie die Tür öffnet sich leicht hier lebt es sich angenehm zu, auf die ich in dieser Arbeit - ohne systematische Gründe - nicht weiter eingehe.
74
Es liegt auf der Hand, daß die Verschiedenartigkeit der Passivtypen es verbietet, sie alle in vollkommen gleicher Weise zu generieren. Immerhin ist es verlockend, die Passivtypen, die (1) eine infinite Verbform aufweisen und (2) ein Subjekt haben (können), das dem Akkusativobjekt des Aktivs entspricht, in möglichst gleichartiger Weise zu beschreiben. In einer transformationalistischen Theorie könnte dag so geschehen, daß jedem derartigen Passivhilfsverb Regelmerkmale zugeordnet werden, die den obligatorischen Ausfall des Subjekts und den Wechsel des Akkusativs (soweit vorhanden) zum Noninativ bewirken. Außerdem sind Tiefenstrukturbeschränkunzi gen nötig, um zB zu erfassen, daß bei bleib- mit V der Akkusativ obligatorisch ist;
auch den verschiedenen Infinitformen muß Rechnung getragen
werden. Unter Inanspruchnahme eines solchen Apparats dürfte dieses Programm für werd-, sei-, gehör- mit V^
und die beiden sei- und bjsib- mit V
durchführbar sein. Das reflexive lass- wird deenit jedoch nicht erfaßt, da diese Regeln kein Impersonales es einführen; in der Tat sehe ich überhaupt keinen Weg, wie ein transformationalistisches System das Vorkamen von es_ bei diesem lass- korrekt vorhersagen könnte. Eine generalisierte lexikalistische Passivregel hat dieses Problem nicht, da sie per Definition Zugang zur Struktur der passiven Konstruktion hat. Wir können den Teil (d) der Lexikoneinträge für die genannten Passivhilfsverben fallen lassen und einen generalisierten Lexikoneintrag der folgenden Form einführen: (r)
(d)
KC: , X 3 , [^ X4 V ]
Ein ähnliches Verfahren ist für Verben wie woll- und wiss- anzuwenden, woll- mit V61 in der Bedeutung "wünschen" konmt mit semantisch nicht-leerem Subjekt vor (l vs 2)
und verschiedenen abhängigen Prädikaten
(la,b,c), die allerdings alle ein Subjekt haben müssen (l vs 3): l a Karl wollte ihn ihr vorstellen b Karl wollte ihr helfen c Karl wollte sie sehen 2a *ihm wollte schlecht werden b es wollte Abend werden 3
*Karl wollte ihr schlecht werden.
Da diese Zusammenhänge nicht in einem einfachen Lexikoneintrag repräsentiert werden können, formulieren wir einen komplexen Lexikoneintrag: (r)
PC: woll n TW KL·:. iMD Nf^ , .2 ly£ iy^
6 ^ 3 V4·""· l' 'v
^JJ 5
LC: WÜNSCH (x^, £„)
(d)
l
KC: NP-J, y^, 1^X3 V 4 ]
In der Bedeutung von woll-, in der das Verb ausdrückt, daß der Eintritt eines Ereignisses bevorsteht, sind 2ab akzeptabel; das ist jedoch ein anderes woll-.
85
Entsprechend der üblichen Auffassung nehme ich an, daß woll- logisch eine 2-stellige Relation zwischen einem Individuum und einer Proposition ist. Wenn helf- den Lexikoneintrag PC: helf KC· \ -, tip" "
NP^ '
VK V
PCl l
LC: HELF (^, $2) hat, ist dieser Lexikoneintrag auf die Teilkette er ihr helfen in a direkt anwendbar, so daß helfen die Übersetzung b erhält: a weil er ihr helfen wollte b
HELF(ER, SIE)
C
WÜNSCH (ER, HELF(ER, SIE))
Auf a ist der Lexikoneintrag von woll- anwendbar, so daß wollte - unter Vernachlässigung des Tempus - die Übersetzung c erhält. Ä>mliche Verhältnisse wie bei woll- liegen bei wiss- mit V21 vor, vgl. weil weil *weil *weil •»weil
Karl einen flüssigen Stil zu schreiben weiß Karl gut zu leben weiß es stark zu schneien weiß ihm schlecht zu werden weiß Karl ihr schlecht zu werden weiß.
Wir formulieren den Lexikoneintrag für dieses wiss- deshalb wie den von woll-: (r)
PC: wiss KC: Wj, X 2 , LC:
(d)
[VK[VK
X 3 vf
[VSPC]]
WISS (xi, x 4 )
KC: NP", X 2 ,[ VK X3 V^]
Die Konstruktionen mit woll- und wiss- wie auch A.c.I.-Konstruktionen werden in transformationalistischen Beschreibungen gewöhnlich auf Konstruktionen mit Satzeinbettung zurückgeführt, weil die NPn bei woll- und wissbzw die NP a bei lass- und seh- sowie die X vom abhängigen Verb selegiert 2 sind. 1 ~
Bresnan (1976, 1977) behandelt in einem Rahmen, der der hier entwickelten lexikalistischen Theorie in grundlegender Hinsicht sehr ähnlich ist, englische A.c.I.-Konstruktionen und solche wie wiss- (vergleichbar engl. try) ohne komplexe Lexikoneinträge sehr elegant, indem sie Verben für das Vorkommen mit VP subkategorisiert. Auf das Deutsche ist dieses Vorgehen nicht anwendbar, da zum einen die Existenz der Kategorie VP hier sehr zweifelhaft ist, zum anderen die bei lass-, woll·- und wiss- besprochenen Restriktionen gegen subjektlose Prädikate damit in keiner Weise erfaßt werden können.
86 Dabei spielt anscheinend eine unausgedrückte Vorstellung von Kernsätzen eine Rolle, nach der jeweils ein Verb mit seinen abhängigen Konstituenten einen Satz bildet; ebenso wird oft bei den kohärenten Konstruktionen mit droh-, pfleg-, schein- usw verfahren. Ein weiteres Motiv ist offenbar das Bedürfnis, möglichst enge Zusamraenhcinge zwischen syntaktischer und logischer Charakterisierung eines Satzes herzustellen, indem Propositionen immer Sätzen zugeordnet sind. Die distributioneilen und logischen Verhältnisse sind jedoch, wie wir sehen, auch ohne derart komplexe syntaktische Voraussetzungen - denen i.a. jede unabhängige Rechtfertigung fehlt - zu beschreiben. Die Probleme, die sich im Deutschen einer Herleitung dieser Konstruktionen aus komplexen Sätzen entgegenstellen, sind in der Literatur mehrfach besprochen worden, vgl. bes. Reis (1973, 1976a) und Evers (1975) und dort angegebene Literatur. Den erfolgreichsten Ansatz innerhalb einer transformationalistischen Theorie macht Evers, indem er für alle Konstruktionen mit kohärentem Verbaldfeld, also die Klasse droh-, pfleg- usw (traditionell mit Subjekt-zu-Subjekt-Hebung beschrieben) , die Klasse der A.c.I.-Konstruktionen (traditionell mit Subjekt-zu-Objekt-Hebung beschrieben) und die Klasse wo11- , wünsch- usw (traditionell allein mit Equi-NP-Tilgung beschrieben) eine Regel Verb-Hebung postuliert, die die eingebetteten Verben zu Kokonstituenten des Matrixverbs macht und zur Auflösung der eingebetteten S-Struktur führt. 2 Diesem Vorgehen steht natürlich entgegen, daß es für alle Verben, bei denen die Konstruktion mit kohärentem Verbalfeld nicht mit einer Konstruktion mit explizitem Satz alterniert, keine unmittelbare Motivation hat und zum Gebrauch von Regelmerkmalen, Tiefenstrukturbeschränkungen und evtl. positiven absoluten Ausnahmen zwingt; dies ist zB bei droh-, pfleg-, müss-, lass-, wiss- und bei gewissen Fällen mit -wo 11- der Fall: wollkann in daß-Sätzen zwar ein nicht-agentives Subjekt haben, aber ein agentives Subjekt, das mit dem Subjekt von woll- koreferent ist, ist nicht zugelassen: Karl, Karl, »Karl1 *Karl.
will, will, will, will,
daß daß daß daß
er. er. er1 er.
den ein den ihr
Leuten gefällt großes Geschenk bekommt Leuten h i l f t ein Auto schenkt.
In diesen Fällen wäre die Equi-Tilgung obligatorisch (sonst fakultativ), denn mit Infinitiv sind alle diese Prädikate möglich: Karl will den Leuten gefallen ein großes Geschenk bekommen den Leuten helfen ihr ein Auto schenken. 2 ^
Probleme ergeben sich auch bei schein^. Wenn schein- mit V motiviert auf einen komplexen Satz zurückgeführt werden soll, müßte er dem da_ß-Satz in Vgl. etwa die Behandlung verwandten englischen Materials bei Kajita (1968). 2
In ähnlicher Weise arbeitet Thiersch (1978) mit einer Reanalysis-Regel, deren formale Eigenschaften mir allerdings gänzlich unklar sind.
87 da es scheint, daß die Theorie nicht haltbar ist trotzdem scheint es, daß Karl Recht hat entsprechen. Nichts weist jedoch darauf h i n , daß dies ein Subjektsatz ist, wie es in Evers ' Theorie zwingend vorausgesetzt ist; alle Indizien - das obligatorische es, Stellungseigenschaften des claß_-Satzes und Parenthesen mit es neben wie/so wie Karl hat, wie es scheint, geschlafen Karl hat, so scheint es, geschlafen - weisen darauf hin, daß der daß-Satz ein Objektsatz ist. Unter diesen Voraussetzungen führt die Verb-Hebung jedoch zu falschen Ergebnissen.
Ein ähnliches Problem besteht bei soll-. Dieses Verb hat ähnliche logische Eigenschaften wie woll-, insofern es eine Relation zwischen einem Individuum I. und einer Proposition P. bezeichnet, die man mit "WÜNSCH (I. , P . ) " symbolisieren kann. Es wäre, unter transformationalistischen Voraussetzungen, daher wünschenswert, soll- auf die gleiche tiefenstrukturelle .Form wie woll- zurückzuführen. Dann aber wäre der eingebettete Satz ein Objektsatz, und wie daraus die korrekten Oberflächenstrukturen resultieren, ist nicht offensichtlich.
In einer lexikalistischen Darstellung erhält soll-
den Lexikoneintrag PC:
soll
KC:
[
LC:
WÜNSCH (x"4, x^)
VK
[
^ ] [v3
PC
"
In einem Satz wie weil Karl ihr nicht helfen soll erhält soll
demnach die
Übersetzung WÜNSCH (£., HELF(KAKL, S I E ) ) .
Die erste Argumentstelle wird durch den Lexikoneintrag von soll-, anders als bei woll-, nicht belegt und muß durch PIM belegt werden. Dabei ist zu beachten, daß a, wie es scheint, nicht so verstanden werden kann wie b, während unter geeigneten Kontextbedingungen c wie d verstanden werden kann: a ich soll nicht krank werden b ich wünsche, daß ich nicht krank werde c mir soll nicht schlecht werden d ich wünsche, daß mir nicht schlecht wird. l
Für parallele Überlegungen zum Englischen vgl. Culicover (1976: 256 f) , zum Französischen Ruwet ( 1 9 7 6 ) .
88
Offenbar kann das erste Argument von WÜNSCH bei soll- nicht koreferent mit dem Referenten des Subjekts von soll- sein (während es bei woll- koreferent sein muß). Wir brauchen diese Restriktion jedoch nicht in den Lexikoneintrag aufzunehmen, denn soweit ich sehe, gilt für die LC aller Verben, daß eine Argumentstelle, der keine Konstituente zugeordnet ist,
nicht über PIM
mit einem Argument belegt werden darf, das mit dem Subjekt des Verbs koreferent
ist.
Wir sehen, daß transformationalistische Beschreibungen der hier besprochenen Infinitkonstruktionen auf Probleme verschiedener Art stoßen. Alle diese Probleme treten nicht auf, wenn wir vom Mittel des komplexen Lexikoneintrags Gebrauch machen, das wir aus völlig unabhängigen Niotiven anhand von Passivhilfsverben entwickelt haben.
3.2.
Zum Begriff
'Hilfsverb'
Kehren wir noch einmal zur Unterscheidung von Hilfs- vs. Vollverben zurück, pfleg- und yersprech- usw werden traditionell zu den Hilfsverben gerechnet, in einem Teil der Literatur auch lass-; offenbar weil sie sich, in einer gegebenen semantischen Funktion, obligatorisch mit infiniten Verben verbinden, seh-, hör- usw als A.c.I.-Verben jedoch werden durchweg nicht dazu gerechnet; vielleicht weil sie auch mit expliziten eingebetteten Sätzen vorkommen. Dies gilt jedoch auch für schein-; gleichwohl wird schein- meist zur selben Gruppe wie verspredi-, pfleg- usw gerechnet. Der Gesichtspunkt, daß die A.c.I.-Verben außer dem abhängigen Verb noch weitere Konstituenten selegieren, nämlich ihr Subjekt und den Akkusativ, der das 'A.c.I.-Subjekt1 darstellt, kann schwerlich der differenzierende Faktor sein. Denn wenn man 'Hilfsverb' so explizieren wollte, daß ein.Hilfsverb nur eine infinite Verbalform selegiert, würde dadurch allen Passivhilfsverben, die gewöhnlich als typische Hilfsverben angesehen werden, der Hilfsverbstatus aberkannt, denn per Definition muß in ihren Distributionsangaben auf andere Konstituenten als nur das abhängige Verb Bezug genommen werden, und das beschränkt sich nicht immer nur auf die Erwähnung der syntaktischen Kategorie NP; oft müssen subselekticnale und semantische Eigenschaften der Konstituente berücksichtigt werden.
89 Diese Schwierigkeiten, gängigen Sprachgebrauch zu explizieren und eine (unter Absehung von kopulativen Verben) eindeutige und adäquate Zweiteilung in Vollverben und Hilfsverben aufzustellen (vgl. auch die Diskussion in Reis 1976) , ist vergleichbar mit den Schwierigkeiten, Konposition und Derivation auf eindeutige und adäcruate Weise von einander zu scheiden, die mich, wie p. 68 angedeutet, zur Ablehnung einer grundsätzlichen Zweiteilung dieser Art führen. Es ist instruktiv, diese Analogie etwas zu verfolgen. 'Hilfsverben1 weichen von typischen Vollverben dadurch ab, daß sie nicht zusammen mit von ihnen abhängigen Substantiven oder Sätzen einen Satz bilden können, sondern dazu einer anderen Konstituente bedürfen - eines VK -, die die wesentlichen Distributionsrestriktionen ausübt. Hilfsverben sind in dieser Hinsicht Suffixen ähnlich, die ja gleichfalls nur zusannen mit einer anderen Konstituente bestimmter Art grammatisch wirksam werden können. Wenn man Suffixe als
'gebundene Morpheme' bezeichnet, könnte man Hilfs-
verben als 'gebundene Wörter' bezeichnen, oder man könnte sagen, daß Suffixe morphologisch 'gebunden1 sind, während Hilfsverben syntaktisch 'gebunden' sind. Wenn man, wie ich in 2.1o. vorgeschlagen habe, Derivat!onssuffixe einer lexikalischen Kategorie - das dort besprochene -bar zB der Kategorie A zuordnet, zeichnen sie sich so wie die typischen Hilfsverben dadurch aus, daß sie an das Vorkamen in einer rekursiven Struktur - hier:[
V[
bar] ]
für -bar bzw [ VK VK V] bei Hilfsverben - gebunden sind. Suffixen - also Wortbildungselementen - und Hilfsverben eine formal so ähnliche Analyse zu geben, ist synchron begründet, hat aber besonders auch unter dem Gesichtspunkt des diachronen und typologischen Sprachvergleichs große Attraktivität, da in manchen Sprachen Passiv- und Kausativkonstruktionen, die ansonsten mit denen des Deutschen gut vergleichbar sind, nicht mit Hilfsverben, sondern mit
Suffixen gebildet werden. (Das Lateinische hat interes-
santerweise ein gemischtes System; in einigen Tempora verwendet es Suffixe, in anderen Hilfsverben.) Daß temporale Hilfsverben im Lauf der Sprachgeschichte zu Tempussuffixen verkümmern können, gilt als bewiesen anhand romanischer Sprachen. Wie sich bei der Unterscheidung gebundener und freier Morpheme bei näherer Betrachtung zeigt, daß diese Zweiteilung durch eine mehrdimensionale - hinsichtlich verschiedener phonologischer, kombinatorischer und seman-
9
tischer Eigenschaften differenzierte - kontinuierliche Auffächerung ersetzt werden muß, so ist auch die Zweiteilung in Vollverb und Hilfsverb durch eine - im Lexikoneintrag präzise erfaßbare - graduelle mehrdimensionale Auffächerung zu ersetzen. Eine der Dimensionen ist die Frage, ob das jeweils betrachtete Verb statt mit VK auch mit anderen Konstituenten konstruiert werden kann. Das setzt die Klärung der anderen Frage voraus, unter welchen Bedingungen zwei phonologisch gleiche Elemente mit verschiedener Verteilung als identisch betrachtet werden sollen. Wenn sie semantisch eindeutig gleich sind, wird sich kein Problem erheben; aber es gibt bei den Hilfsverben wie bei 'gebundenen1 Morphemen feine Abstufungen der semantischen Ähnlichkeit, die die Identifizierung problematisch machen. So hat das Passivhilfsverb gehör- mit V^ zweifellos große semantische Ähnlichkeit mit dem reflexiven gehör-, wie es in es gehört sich do.ch wohl, daß er einen Diener macht ein solches Vorgehen gehört sich einfach nicht
vorkotimt. Das Passiv-gehör- hat jedoch eine ausgeprägt adhortative Wirkung, die diesem gehör-, das eher konstativ ist, anscheinend abgeht. Ist dieser semantische Unterschied (wenn er wirklich so besteht) ausreichend, von 2 verschiedenen Verben gehör- zu sprechen? Wenn nein, muß man sagen, daß gehör- auch anders als mit VK vorkamt. Ist es deshalb, entsprechend dem genannten Kriterium, kein Hilfsverb? Dieses Kriterium ist sehr zweifelhaft. versprech- ist demnach ein Hilfsverb, da es in dieser Bedeutung nur mit VK vorkommt. Aber droh-, das mit versprech- in dieser Hilfsverbfunktion bis auf eine bestimmte Bedeutungsnuance praktisch identisch ist, kommt auch mit einem Substantiv vor: jetzt droht eine Seuche, Man wird nicht wegen dieses minimalen Unterschieds alle Gemeinsamkeiten der beiden Verben für irrelevant erklären und sie auf zwei ganz verschiedene Kategorien verteilen wollen. Gleiche Überlegungen gelten, wie schon erwähnt, für das Verhältnis zwischen pfleg- und schein- (schein- kamt in gleicher Bedeutung auch mit abhängigem es_ und Satz sowie in kopulaähnlicher Konstruktion vor) und zwischen soll- und woll- (nur woll- kann statt VK auch ein Akkusativobjekt oder einen Satz regieren). Da den Hilfsverben (wie auch den gebundenen Morphemen) oft armut
1
'Bedeutungs-
im Vergleich zu Vollverben nachgesagt wird, ist es bemerkenswert,
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zu sehen, in wie hohem Maße sie - teilweise - tatsächlich bedeutungshaltig und verwandten Vollverben ähnlich sind. (Daß dieser behauptete Unterschied nicht generell besteht, hat sich eben schon gezeigt, denn scheinmit Satz und woll- mit Akkusativobjekt werden gewöhnlich als Vollverben bezeichnet, obwohl sie in gleicher Bedeutung sonst als Hilfsverben gelten). So ist zwischen droh- und versprech- als Hilfsverben genau der gleiche Unterschied wie zwischen diesen Verben als Vollverben, und hier wie dort haben sie den Bedeutungsaspekt des Zukünftigen; der Unterschied gegenüber den Vollverben ist nur, daß sie kein Subjekt selegieren. Ein ähnlicher Unterschied besteht zwischen beginn- als Hilfsverb und als Vollverb: ihm begann schlecht zu werden gegenüber er begann (damit), den Hund zu schlagen. Auch das Passiv-krieg- usw ist dem Vollverb krieg- semantisch eng verwandt, wenngleich ihm das Moment des Zugewinns fehlt; mit diesem kriegen-Passiv ist eine passivähnliche Konstruktion mit hab- zu vergleichen,
die dieselbe Ähnlichkeit mit und Differenz zu dem Vollverb hab-
hat und zu der das Passivhilfsverb krieg- dasselbe semantische Verhältnis hat, wie es zwischen den beiden Vollverben besteht. Dieses passivische hab- ist in Sätzen wie Karl hat die Haut ganz zerstochen
(gehabt)
Karl hat die Haare geschnitten (gehabt) Karl hat alle Sachen gewaschen (gehabt) Karl hat ein Ohr amputiert (gehabt) zu finden, wo sie nicht als Perfekt, sondern als Präsens zu interpretieren sind, wie durch das hinzufügbare gehabt deutlich wird. Welchen Status schließlich sollen wiss- und komm- haben, wenn es nur Hilfsverben und Vollverben (und, vielleicht, die Kopula) gibt und die besprochenen Faktoren relevant sind? Wiss- dürfte kein Hilfsverb sein, da es Distributionsrestriktionen für das Subjekt hat, und kamt- kommt in offenbar gleicher Bedeutung auch ohne VK vor: Karl kam zu uns^ neben Karl kam zu uns gelaufen. Vollverben können sie nach dem üblichen Verständnis aber auch nicht sein, da diese einekohärente Infinitkonstruktion allenfalls als Variante einer satzwertigen (inkohärenten) Infinitivkonstruktion kennen. Es ist offensichtlich, daß eine solche Zwei- oder Dreiteilung der Verben, wenn man sie präzise zu machen versucht, zu arbiträren Ergebnissen
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führt: sie wird - wenn sie auch unter rein methologischen Gesichtspunkten vorzuziehen wäre - den vielfältig dimensionierten und abgestuften Verhältnissen der sprachlichen Realität nicht gerecht, und die Diskussion, ob ein gegebenes Element ein Hilfsverb oder ein Vollverb ist,
ist so unfrucht-
bar wie die kategoriale Unterscheidung von Kcmposition und Derivation es in vielen Fällen ist.
In beiden Fällen sind die empirischen Fakten nur zu
erfassen, wenn das flexible Instrument des Lexikoneintrags - das aus unabhängigen Gründen ohnehin unentbehrlich ist - voll ausgenutzt wird.
4.
PRIORITÄT DES AKTIVS
4.1.
Einführung
Die in den vorhergehenden Kapiteln entwickelte Analyse von hiIfsverbähnliehen Konstruktionen hat interessante Brplikationen für das alte Problem, wie die Intuition, daß aktive Konstruktionen gegenüber passiven irgendwie primär oder grundlegend sind, expliziert werden kann. Es ist charakteristisch, daß - zumal in transformationalistischen Darstellungen- sich nicht selten die Bemerkung findet, daß man rein technisch auch das Aktiv auf das Passiv zurückführen könnte (wenn ein Passiv mit Agens gegeben ist), daß dies aber nach meiner Kenntnis niemals ernstlich durchgeführt worden ist. In allen mir bekannten Darstellungen traditioneller oder moderner Art wird das Aktiv vielmehr gegenüber dem Passiv (dabei wird immer nur das werden-Passiv betrachtet) als irgendwie primär ausgezeichnet; dadurch etwa, daß Konstruktionseigenschaften des Passivs mit Ausdrücken beschrieben werden, die anhand des Aktivs erklärt sind, und auf Eigenschaften des jeweils involvierten Verbs im Aktiv zurückgeführt werden, während nirgendwo Eigenschaften des Aktivs auf solche des Passivs zurückgeführt werden. Offensichtlich wird die Aktiv-Passiv-Relation intuitiv zwingend so beurteilt, daß das Aktiv primär ist;
das Problem ist, wie eine Theorie klar machen
kann, warum das so ist. Aus rein innertheoretischen Gründen führt Emonds (1976: lol ff) passive und solche aktive Konstruktionen, die mit passiven alternieren, auf eine 'gemischte 1 Struktur "np - V - NP - (by N P ) " zurück (wobei "np" eine leere NP i s t ) . Dieser Ansatz ist (1) nicht das, was ich mit 'Zurückführung des Aktivs aufs Passiv 1 meine und (2) innerhalb seiner Theorie für das Deutsche nicht adäquat, weil entweder - wenn die Subjektkonstituente adäquaterweise fakultativ ist - bei transitiven Verben Sätze wie »weil den Knaben von dem Mädchen gesehen wurde generiert werden, oder - wenn die Subjektkonstituente obligatorisch ist - Passive von Intransitiva wie weil von allen gebetet wurde nicht generierbar sind.
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Es wäre innerhalb der üblichen Darstellungen einleuchtend, daß dieses Verhältnis zwischen Aktiv und Passiv gilt, wenn (a) jeder Passivsatz einen ihm regelmäßig korrespondierenden Aktivsatz hätte und (b) die Aktivsätze mit korrespondierendem Passiv eine echte Untermenge der Aktivsätze wären. In diesem Fall könnte jeder Passivsatz aufgrund einer Regel auf einen Aktivsatz zurückgeführt werden, während das Umgekehrte nicht gälte. So ist es aber nicht. Es gibt im Widerspruch zu (a) einige Beispiele wie euer Auftritt wurde von Kohls Auftritt gefolgt du wirst auch bald von diesem Typ gekündigt,
zu denen es kein regelmäßig entsprechendes Aktiv gibt: * Kohls Auftritt folgte euern A u f t r i t t * dieser Typ kündigt dich auch bald.
(Bei anderen Passivtypen gibt es entsprechende Beispiele). Dagegen kann man jedoch einwenden, daß diese Passive idiosynkratisch sind, indem sie sich gar keiner Regel fügen; da sie zugleich eine Form haben, die die Rückführbarkeit auf eine andere Form an sich erwarten ließe, kann man sie als idiomatisch betrachten. Solange es keine allgemeine Theorie der Idioms gibt, mit deren Hilfe aus Eigenschaften des Idioms unmittelbar Rückschlüsse auf seine lexikalische Repräsentation und seine Derivation zu ziehen sind, sind solche Fälle schlechterdings irrelevant. Es gibt andererseits zwar, entsprechend ( b ) , eine Reihe von Verben, die kein werden-Passiv bilden, zB hab-, bekenn-, wachs-, sein-, werd-, solche mit obligatorischem es_ als Subjekt wie es gibt
, und Konstruktionen mit
Koreferenz- oder Teil-Ganzes-Beziehungen wie Karl setzt sich hin und Karl breitet die (= seine) Arme aus. Dagegen kann man aber einwenden, daß es zu hab- und bekannt- mit dem sei- possibilitatis ein Passiv gibt; das Fehlen des Passivs bei wachs- könnte idiosynkratisch (und bei angenommener Herleitung des Aktivs aus dem Passiv: idiomatisch) sein. Bei Reflexiv- und Partitivkonstruktionen ist das merkwürdige, daß es in manchen Idiolekten ein Passiv gibt wie da wurde sich hingesetzt und wohl auch da wurde/wurden (?) die Arme ausgebreitet, so daß hier wieder vielleicht idicsynkratische und jedenfalls schwer zu beurteilende Verhältnisse vorliegen. Bei sei- und werd- schließlich ist - wie bei manchen anderen Beispielen auch - nicht ohne weiteres klar, ob sie zu dem Konstruktionstyp zu rechnen sind, der
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als Aktiv zu bezeichnen ist; es ist chne weiteres denkbar, daß neben Aktiv und Passiv ein dritter Konstruktionstyp anzusetzen wäre, zu dem solche Fälle zu rechnen wären. Es ist deshalb nicht ohne sehr sorgfältige Argumentation möglich, (b) als gegeben anzusehen. Ein weiterer Gesichtspunkt könnte darin gesehen werden, daß die Agensphrase im Passiv mit adverbialen Ausdrücken honcnym sein kann, so daß eine Passiv-zu-Aktiv Umformung u.U. zu falschen Ergebnissen führen würde. In dem Beispiel der Sack wurde (von Karl) von Dach hinabgeworfen könnte die Regel die Adverbialbestimmung vom Dach fälschlich als Agens identifizieren und dazu ein Aktiv *das Dach warf den Sack (von Karl) hinab bilden; dieser Fehler kann bei der Generierung des Passivs auf der Grundlage des Aktivs nicht auftreten; cf.
(Harris 1954: 49 Anm. 2 2 ) , (Chomsky
1957: § 7 . 5 ) . Dieses Problem besteht jedoch - diesmal hinsichtlich des Akkusativobjekts - in genau gleicher Weise, wenn man von Aktiv ausgeht, denn nicht jeder Akkusativ des Aktivs kann im Passiv als Subjekt auftreten, etwa *ein halber Tag wurde von Karl geschrieben. In jedem Fall müssen deshalb restringierende Bedingungen für die an der Aktiv-Passiv-Relation teilnehmenden Konstituenten aufgestellt werden. Gehen wir davon aus, daß die für das werden-Passiv relevanten Konstituenten vom Verb abhängig (lexikalisch selegiert) sein müssen, werden dadurch die meisten Akkusative des Aktivs, denen kein Passiv-Subjekt entspricht, ausgeschlossen; diese Bedingung reicht aber auch aus, adverbiale von-Phrasen des Passivs wie in unserem Beispiel, denen kein Aktiv-Subjekt entspricht, auszuschließen, da sie von Verb nicht lexikalisch selegiert sind; Agensphrasen hingegen wollen wir, entgegen unseren bisherigen, auf 7. fußenden Annahmen, für die Zwecke dieser Diskussion als lexikalisch selegiert betrachten.
4.2.
Agenslosigkeit
Die bisherigen Überlegungen haben keine Gründe für die Priorität des Passivs und sehr zweifelhafte für die des Aktivs gebracht. Daß trotzdem das Aktiv überall als primär angesehen wird, ist umso erstaunlicher, als es einen Satztyp gibt, der regelmäßig im Widerspruch zu (a) steht: die agenslosen Passive. Da der Agens i.a. fakultativ und gelegentlich, zB bei
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gehör-, sogar ausgeschlossen ist,
gibt es von (fast) jedem Passivsatz eine
Fassung ohne Agens. Aber welcher Aktivsatz sollte einem solchen Passiv entsprechen? Ein agensloses Passiv wie gestern wurdest du umarmt entspricht ja nicht etwa einem subjektlosen Aktiv »gestern umarmte dich; zu subjektlosen Aktiven gibt es vielmehr generell kein Passiv. Was man über solche Passive sagen kann, ist nur, daß der nicht ausgedrückte, aber im regelmäßigen Fall immer implizit vorhandene Agens ein unbestimmtes Element jener Mange MAg ist,
deren Elemente als Agensausdrücke bei diesem Verb zu-
gelassen sind. Die Msnge MAg wiederum ist nach der Passivregel eine - selten echte Untermenge der bei dem Verb zugelassenen Subjektausdrücke. Einem solchen agenslosen Passivsatz kann man nur dann einen entsprechenden Aktivsatz zuordnen, wenn es einen nicht-koordinierten (s.u. p. 97 ) sprachlichen Ausdruck AgA gibt, dessen grammatische Merkmale in den Distributionsrestriktionen, die MAg definieren, enthalten sind; nur dann ist AgA als Subjekt für das Aktiv verwendbar. AgA darf also - mit der unten besprochenen Ausnahme - nicht spezifischer sein als die Distributionsrestriktionen, die das Verb hinsichtlich des Agens ausübt (wohl aber weniger spezifisch) ; deshalb kcrnmen dafür am ehesten Ausdrücke in Frage, die möglichst wenige grammatische Merkmale haben, und das sind vor allem die indefiniten Pronomen: irgendwer, irgendwas, jemand, man u.a. Darum kann man zB dem agenslosen Satz Karl wurde angezeigt i.a. den Satz mit Agens Karl wurde von irgendwem angezeigt zuordnen (\jnä
diesem das Aktiv irgend-
wer zeigte Karl an). Wenn das Verb hinreichend spezifische Restriktionen hat, kann der implizierte Agens jedoch auch recht spezifisch sein. So hat verfass- die Eigenschaft, daß das logische Subjekt jemand bezeichnet, der den als logisches Objekt genannten Text formuliert hat, und da der Verfasser eines Textes als 'Autor 1 bezeichnet werden kann, kann man das Aktiv der Autor verfaßte diesen Antrag in großer Eile als Entsprechung zu dem agenslosen Passiv dieser Antrag wurde in großer Eile verfaßt betrachten. Auch Objekte usw können, über die für das Subjekt geltenden Distributionsrestriktionen hinaus, zur Spezifizierung des Subjektes beitragen. So kann man jemand, der ein Gemälde anfertigt, generell als 'Maler 1 bezeichnen, und deshalb entspricht dem agenslosen Passiv dieses Gemälde wurde vor 3 Jahren angefertigt einem Aktiv der Maler (des Gemäldes) fertigte das Gemäl-
97
de vor 3 Jahren an; aus den Distributionsrestriktionen für das logische Subjekt und der Bedeutung der übrigen Teile des Satzes kann man also zu einem agenslosen Passiv oft einen Ausdruck für das Aktivsubjekt konstruieren. Daß der Subjektausdruck in solchen Fällen von Rest des Satzes impliziert wird, tritt besonders deutlich hervor, wenn man im Beispiel oben statt Substantiven wie Autor Relativsätze wählt wie derjenige, der diesen Antrag verfaßte, da sie weitgehend gleiches sprachliches Material enthalten wie der Matrixsatz. Ein Problem, das im Normalfall unlösbar ist, entsteht immer dann, wenn das gewählte Substantiv oder Prononen hinsichtlich der Extension auf Einzahl oder Mehrzahl spezifiziert ist: Man kann der Autor oder die Autoren, der oder die Maler, derjenige, der ... oder diejenigen, die... einsetzen; ebenso jemand oder alle. Unvermeidlich ist ein solcher sprachlicher Ausdruck dadurch in einer Hinsicht spezifisch, in der das agenslose Passiv es i.a. nicht ist.
Eine zutreffende Unschreibung wäre eine Disjunktion wie
der oder die Maler; die aber wäre keine echte Entsprechung. Diese Möglichkeiten, einen einfachen sprachlichen Ausdruck für den impliziten Agens zu finden, bestehen nun aber nicht immer; besonders da, wo man sowohl einen belebten als auch einen unbelebten Agens einsetzen kann, wie in Karl ließ sich (von den Wellen/von Heinz) ans Ufer tragen Eduard wurde (von Ottilie/von « i u e m Schuß) mitten auf der Straße getötet Otto wurde (von Ottilie/von dem Erdrutsch) in der Gruft eingeschlossen,
ist die Möglichkeit, einen einzigen unkoordinierten Ausdruck AgA zu finden, verschlossen, weil es kein Pronomen gibt, das zugleich Belebtes und Unbelebtes bezeichnen kann. Mit Koordination ist so etwas möglich wie Karl ließ sich von jemand oder von etwas ans Ufer tragen; da dieser Satz aber zu zwei koordinierten Sätzen in Beziehung zu setzen ist:
jemand trug Karl ans Ufer
oder etwas trug Karl ans Ufer, ist das in Wahrheit nicht ein entsprechender Aktivsatz, wie er gesucht ist,
sondern eine Disjunktion von zwei nicht voll
entsprechenden Sätzen. Wenn wir daran festhalten, daß in der transformationalistischen Darstellung eine Zuordnung zwischen einander entsprechen-
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den Sätzen hergestellt wird, sind diese Fälle nicht erfaßbar. Auch dort, wo dem ersten Anschein nach der nicht ausgedrückte Agens auf jemand o.a. zurückführbar ist,
kann man in gewissen Kontexten zeigen, daß
diese Lösung deskriptiv ausgeschlossen und nur eine Lösung mit unspezifiziertem Agens möglich ist.
Dies ist das Thema von 7.2.
Eine inhaltlich von dieser nur geringfügig abweichende technische Möglichkeit wäre es, im Passiv zu Aktiven mit beliebigen Subjekten den Agens auszulassen, wie es zB in (Chomsky 1957: 81 Fn. 7) getan wird. Das hätte den Effekt, daß ein gegebener agensloser Passivsatz unendlich vielen verschiedenen Aktivsätzen entspräche, die sich nur durch ihre Subjekte unterschieden (wobei die Menge der Subjekte durch die Distributionseigenschaften des Verbs bestimmt ist). Diese Lösung ist insofern richtig, als dadurch im Effekt der implizite Agens mit der ganzen durch die Distributionsrestriktionen definierten Menge potentieller Subjekte in Bezug gesetzt wird. Das geht in der transformationalistischen Theorie, da sie per Definition mit lexikalisch belegten Sätzen arbeitet, nur so, daß für jeden einfachen agenslosen Satz eine unendliche Menge aktiver Sätze postuliert wird, jeder einzelne einem anderen Passivsatz entsprechend. Das aber ist deskriptiv falsch; ein agensloses Passiv wie Karl wurde umarmt hat zu Aktiven wie Otto umarmte Karl Ottilie umarmte Karl Heinrich umarmte Karl die Kleine umarmte Karl der Dicke mit der Glatze umarmte Karl sein mit Recht so beliebter Vorgesetzter umarmte Karl
keineswegs dieselbe Beziehung wie Passive mit Agens sie haben, die durch eine syntaktische Transformation mit ihnen verbunden sind: l
Dieser Entsprechungsbgriff ist - das ist nicht immer gesehen worden ein Undefinierter Grundbegriff transformationeller Theorien. Da Synonymie ein weder notwendiges noch hinreichendes Kriterium dafür ist, ist er auf semantische Begriffe nicht reduzierbar; cf. (Chomsky 1957: loo-l) und ATS: 162-3, 224-5, 226. - Überlegungen, die sich mit den oben entwickelten teilweise eng berühren, finden sich in (Watt 197o: 158-68).
99 Karl Karl Karl Karl Karl Karl
wurde wurde wurde wurde wurde wurde
von von von von von von
Otto umarmt Ottilie umarmt Heinrich umarmt der Kleinen umarmt dem Dicken mit der Glatze umarmt seinem mit Recht so beliebten Vorgesetzten umarmt
Das äußert sich besonders darin, daß jeder der Passivsätze einen eigenen wchlbestirnnten Sinn hat, der ihn von den Passivsätzen mit einem anderen Agens semantisch unterscheidet; die (infinite) Menge dieser Passivsätze, die sich nur durch ihren Agens unterscheiden, enthält eine Menge wohlunterschiedener logischer Charakterisierungen. Der agenslose Passivsatz hat im Gegensatz dazu durchaus nicht (unendlich) viele wohlbestimmte Bedeutungen, sondern er ist - innerhalb der durch die Distributionsrestriktionen gesetzten Grenzen - unbestimmt. Ein ganz entsprechender Gedankengang wird in (Chomsky 1964: 42) entwickelt, wo die Diskussion jedoch, anders als h i e r , von ganz speziellen Annahmen zur formellen Darstellung der logischen Charakterisierung ausgeht, ohne die allgemeinen Entsprechungsverhältnisse ausdrücklich zu berücksichtigen. Aus meiner Argumentation wie aus der von Chomsky ist klar zu sehen, daß es dabei um ein Problem der deskriptiven Adäquatheit geht; die Tilgung verschiedener Aktivsubjekte muß aus deskriptiven Gründen ausgeschlossen werden. Die weithin übliche Darstellung, nach der es um ein Problem der deskriptiven Mächtigkeit der Theorie, also um eine Frage der explanatorischen Adäquatheit geht, ist irrig. Um für Fälle dieser Art recoverability of deletions im technischen Sinne von (Chomsky 1964: 41) und ATS: 144 zu garantieren, würde es auch reichen, daß die getilgten Konstituenten aus einer endlichen Menge vorher bestimmter Elemente - etwa aller im Lexikon definierten einfachen Substantive - stammten; die Einschränkung auf ganz bestimmte ausgezeichnete Elemente ( s . u . ) wäre mit rein explanatorischen Argumenten gar nicht zu rechtfertigen.
Unter den normalen Voraussetzungen der transformationalistischen Theorie sind also agenslose Passiva nur im Ausnahmefall auf Aktiva zurückführbar. Umgekehrt könnte man aber so verfahren, daß man die aktiven Sätze auf passive mit Agens zurückführt. Da bei diesem Verfahren das Passiv primär wäre, könnte man die agenslosen Passive als direkt definiert ansehen; es wäre gar nicht nötig, sie mit aktiven Sätze n in Verbindung zu bringen. Während die Gründe, die für die Priorität des Aktivs sprechen, insgesamt schwach sind, sind diese Grunde für die Priorität des Passivs für eine transformationalistische Theorie zwingend. Dennoch ist auch in transformationalistischen Theorien dieser Schluß niemals gezogen worden, sondern überall wird an der Priorität des Aktivs fest-
loo
gehalten. Dazu ist jedoch eine wichtige Modifikation transformationalistischer Prinzipien nötig, wie sie in (Chomsky 1964: 41) eingeführt und seither weitgehend befolgt worden ist.
Dort wird vorgeschlagen, solche Konsti-
tuenten, die, wie das logische Subjekt beim agenslosen Passiv, an der Oberfläche nicht realisiert sind, in der zugrundeliegenden Repräsentation durch ein "designated element" darzustellen - hier wäre das also das Subjekt des aktiven Satzes -, das im allgemeinen Fall nicht lexikalisch repräsentiert ist.
Aus den wenigen und nicht eben luziden Bemerkungen, die an die-
ser Stelle und anderen (bes. ATS: 222 Anm. 1) über den Charakter solcher "ausgezeichneten Elemente1 gemacht werden, ist zu schließen, daß sie
ein-
fach die Wirkung haben, die Einsetzung eines lexikalischen Elements an der strukturell vorgesehenen Stelle, etwa eines Substantivs als Subjekt zu einem gegebenen Verb, zu verhindern. Diese Wirkung kann auf verschiedene Weise erreicht werden; man kann ein willkürliches Symbol wie etwa PRO, das keine phonologischen, syntaktischen oder semantischen Eigenschaften hat, dort wie ein normales Morphem einsetzen und dadurch andere Einsetzungen verhindern, oder man betrachtet die lexikalische Einsetzung einfach als fakultativ. Das Aktivsubjekt zu einem agenslosen Passiv ist nach dieser Darstellung eine Noninalphrase, die entweder ein leeres Morphem PRO oder gar kein Morphem enthält. Die systematischen Eigenschaften der Nominalphrase werden dann ausschließlich von den für das Subjekt geltenden Distributionsrestriktionen des Verbs bestimmt; dadurch wird richtig charakterisiert, daß der unausgedrückte Agens ein unbestimmtes Element aus der Menge ist, die das Verb für sein logisches Subjekt selegiert. Wenn nun die syntaktische Transformationsregel
auf einem solchen Aktiv-
satz operiert, um den entsprechenden Passivsatz zu generieren, tut sie im Effekt hinsichtlich des logischen Subjekt genau das, was eine Lexikonregel für die Aktiv-Passiv-Relation hinsichtlich aller erfaßten tut:
Konstituenten
Sie ändert die Zuordnung zwischen Konstituententyp und Distributions-
restriktionen, indem sie die subselektionalen Eigenschaften des logischen Subjekts entweder der leeren Kette oder der Agensphrase zuordnet. Dies tut die syntaktische Transformation, um es zu wiederholen, dadurch daß und insofern als das logische Subjekt nicht lexikalisch belegt ist. der Fall ist,
Wenn dies
generiert die Transformation eine Agenskonstituente (bzw
leere Kette), die außer ihrem syntaktischen Formtypus keine anderen Eigen-
Schäften hat als jene, die von den Distributionseigenschaften
des Verbs de-
finiert sind. Offensichtlich kann das agenslose Passiv also, wenn es gegenüber dem Aktiv sekundär sein soll, nicht anders beschrieben werden als dadurch, daß man von einer wesentlichen Eigentümlichkeit lexikalistischer Regeln, nämlich lexikalisch unspezifizierten Kategorien, Gebrauch macht. Rein transformationalistische Regelsysteme sind für diese Beschreibungsaufgabe nicht brauchbar, da sie per Definition Aussagen über lexikalisch voll spezifizierte Konstituenten machen. Seit
Chomsky (1964) sind die gängigen
transformationellen Grammatiken keine rein transformationalistischen Systeme, sondern Niischsysteme. Diese Vermischung zweier verschiedener Prinzipien führt zu gewissen Problemen. Zwar machen Grammatiken vom Typ (Chomsky 1964) die lexikalistische Anleihe, mit lexikalisch unspezifizierten Konstituenten zu arbeiten; zugleich halten sie aber an dem transformationalistischen Prinzip fest, mit voll spezifizierten Konstituenten zu operieren. Dieser Widerspruch fällt besonders ins Auge, wo mit einem willkürlichen Element wie PRO gearbeitet wird. PRO hat, da es keine anderen Eigenschaften als die seiner einfachen Existenz hat, denselben Effekt wie die Nichtspezifizierung einer Konstituente; damit ist dem lexikalistischen Bedürfnis Rechnung getragen. Andererseits wird PRO i.a. genau so manipuliert wie ein normales Nbrphem; damit ist dem transformationalistischen
Bedürfnis genügt. Der Widerspruch
muß dort manifest werden, wo PRO an der Oberfläche auftaucht; eine Oberflächenstruktur mit einem derartigen Element (oder mit einer Konstituente ohne lexikalische Manifestation) wäre ein Widerspruch in sich selbst. Deshalb muß es im Verlauf der Ableitung durch eine obligatorische Regel getilgt werden (Chomsky (1964: 41); ATS: 222); das ist auch völlig sinnvoll, weil es im Fall des Passivs ja grade eingeführt worden ist,
um dem elidier-
ten Agens eine adäquate Entsprechung im Aktiv zu verschaffen. Was geschieht aber, wenn keine Tilguncrstransformation durchgeführt werden kann, wenn PRO etwa in der Basis als Subjekt zu einem Verb wie verkümmer- eingesetzt ist? Ein Passiv bildet dieses Verb (aus unbekannten Gründen) nicht, als Subjekt an der Oberfläche darf PRO nicht auftreten, und getilgt werden darf es auch nicht, weil dieses Verb i.a. nicht ohne Subjekt stehen kann. Zu Problemen dieser Art findet sich weder in (Chomsky 1964) oder ATS noch
12
sonstwo in der klassischen Literatur eine Bemerkung, geschweige eine befriedigende Lösung. Dabei ist nicht die Frage, ob es technisch möglich ist, mit dem Problem fertig· zu werden; es gibt sogar eine ganze Reihe verschiedener l^Gglichkeiten. Die Frage ist, ob es eine adäquate Lösung gibt, und da ist die Antwort eindeutig negativ.
Es ist klar, daß alle Lösungs-
wege nur ad hoc-Maßnahmen ohne unabhängige Rechtfertigung sind, aufgestellt, um die Fehler auszugleichen, die durch die Aufnahme eines lexikalistischen Prinzips in ein transformationalistisches System naturgemäß entstehen. Eine deskriptiv insgesamt adäquate Beschreibung kann so nicht entstehen. Daß diese Probleme in einem rein lexikalistischen System nicht auftreten, liegt auf der Hand. Wir haben gesehen: Wenn das Aktiv primär ist, dann ist das agenslose Passiv nur mit lexikalistischen Mitteln beschreibbar. Deren Inkorporation in eine transformationalistische Graimatik führt zu deskriptiv insgesamt inadäquaten Ergebnissen. Trotzdem hält jedermann daran fest, daß das Aktiv Auch in neuesten Veröffentlichungen zur Trace Theory (etwa (Chomsky/ Lasnik 1977) ) , die die adäquate Behandlung leerer Knoten zum ausdrücklichen Thema haben und in der Tat hochinteressante Fortschritte erzielen, bleiben viele essentielle Fragen o f f e n . Grade im Zusammenhang mit dem Passiv werden, wenn überhaupt, typischerweise inkonsistente Lösungen vorgeschlagen. So wird in (Lightfoot 1976: 566 Fn. 11) das Passiv durch eine Struktur V + t (1; = trace, dh leerer Knoten bestimmter Art) charakterisiert, ähnlich (Chomsky/ Lasnik 1977: 4 3 2 ) ; zugleich wird aber das intransitive melt (ib. : 567 Fn. 13) durch melt + t charakterisiert. Es ist nicht zu sehen, wie eine konsistente Übersetzungsprozed u r , die ex hypothesi auf der durch 'Traces' angereicherten Oberflächenstruktur operiert, beim Passiv die Übersetzung in eine 2-stellige Relation erreicht und zugleich melt als 1-stelliges Prädikat übersetzt, wenn sie in gleichen oberflächenstrukturellen Konfigurationen vorkommen. Freidin (1978: 413 und 414 Fn. 18) bespricht das innerhalb der Trace Theory wichtige Problem, wie ( 1 5 ) und ( 1 6 ) blockiert werden (15) *Mary was seen John (16) *Ralph seems ( f o r ) Mary to like John können, und schlägt als Erklärung vor, daß die Subjektposition in beiden Fällen keine 'Argumentposition' ist. Während dies für seem einleuchtet, t r i f f t es für das Verb see entschieden nicht zu; see hat 2 'Argumentpositionen 1 , deren eine das Subjekt ist. Falls gemeint ist, daß das Partizip seen sich in dieser Hinsicht vom Verb unterscheidet, müßte nachgewiesen werden, wieso was seen gleichwohl eine logisch 2-stellige Relation bezeichnet und wie die Unterschiede zwischen Verb und Partizip ohne Rückgriff auf Lexikonregeln zu beschreiben sind. In allen Fällen basiert die Behandlung des Passivs in der Trace Theor Y darauf, daß ein leerer Knoten für das Objekt vorhanden ist. Es ist nicht zu sehen, wie dieser Ansatz dem Passiv von Verben ohne Akkusativobjekt im Deutschen Rechnung tragen könnte.
1 3
primär ist; dafür sind aber niemals zwingende Gründe genannt worden. Da eine rein lexikalistische Grammatik keine Probleme mit agenslosen Passiven hat, ist sie einer rein oder gemischt transformalistischen überlegen, wenn das Aktiv primär ist. Im folgenden möchte ich zeigen, daß in einer lexikalistischen Grammatik das Aktiv zwingend als primär angesehen werden muß. Insofern damit offensichtlich existierende Intuitionen der Sprecher erstmals eine Erklärung erfahren, ist damit die Überlegenheit der lexikalistischen Interpretation der Aktiv-Passiv-Relation nachgewiesen.
4.3.
Implikationen der lexikalistischen Analyse von 'Hilfsverben1
Bei der Frage, ob die Distributionseigenschaften des Aktivs oder die des Passivs primär sind, muß man hinsichtlich des Passivs 2 Möglichkeiten unterscheiden: Die ganze Kollokation von Verb, Passivhilfsverb und selegierten weiteren Elementen könnte primär sein, oder nur das Verb mit seinen abhängigen Elementen, ohne das Hilfsverb. Die erste Möglichkeit ist aus einfachen Gründen abzulehnen. Wenn wir vom Aktiv absehen und nur das Verhältnis zwischen Passivkonstruktion und derselben Konstruktion ohne das Hilfsverb betrachten, ist sofort zu sehen, daß die Konstruktion mit Hilfsverb gegenüber der ohne Hilfsverb sekundär ist; denn innerhalb des Passivgefüges
(mit werd- und den anderen Hilfs-
verben) gehen alle relevanten Distributionsrestriktionen vom Hauptverb aus, vom Hilfsverb sind sie unabhängig: Ob ein Subjekt auftritt, welcher Art der Agens ist, ob ein Dativ auftritt usw, hängt hier allein vom Hauptverb ab. Diese Eigenschaften - von denen wiederum die Form des entsprechenden Aktivs bestimmt wird - müssen also als Distributionseigenschaften des Hauptverbs notiert werden; das mögliche Auftreten von werd- (oder einem anderen Passivhilfsverb)
ist dann mit generellen Regeln vorhersag-
bar, während das flngekehrte nicht gilt. Deshalb käme es nicht in Frage, die Konstruktion einschließlich Hilfsverb als irreduzible primäre Struktur zugrundezulegen; sie wäre selbst sekundär.
Aktiv und Passiv mit Hilfsverb
wären allenfalls auf das zurückführbar, was übrig bleibt, wenn man aus der l
Das gilt auch, wenn man eine Full-Entry Theorie des Passivs vertritt. Zum Ausdruck der offensichtlichen Generalisierung müßte dann eine 'Redundanzregel 1 die Struktur mit H i l f s v e r b einer Struktur ohne H i l f s v e r b zuordnen.
1 4
Passivkonstruktion das Hilfsverb entfernt; mangels eines anderen Ausdrucks bezeichne ich das als 'ergative Konstruktion'. Zur Debatte steht also, ob n a die aktive Konstruktion vom Typ 'NP schlag-' oder die ergative i - NP ^ - —^—· Konstruktion von Typ 'NP2 - (von NP^) - schlag' als primär zu betrachten ist. In einer transformationalistischen Theorie könnte die ergative Konstruktion in der Basis generiert werden, Passivhilfsverben könnten (in der Basis oder transformationeil) fakultativ - wenn kein Agens vorhanden ist, obligatorisch - eingeführt werden und sich mit der ergativen Konstruktion zu einer wohlgeformten Struktur verbinden; wenn kein Passivhilfsverb eingeführt ist, müßte die ergative in die aktive Konstruktion transformiert werden. Es gäbe - jedenfalls in klassischen transformationalistischen Systemen - eine ganze Reihe technischer K5gliohkeiten, das Nicht-Auftreten von Passivhilfsverben als einheitliche Bedingung für die Aktiv-Transformation zu formulieren, so daß die aktive Konstruktion für Hilfsverben wie die des Perfekts u.a. und für unabhängige Verben durch dieselbe Regel generiert werden könnte. Soweit die Verhältnisse zu beurteilen sind, wäre diese Lösung im transformationalistischen Rahmen der Zugrundelegung des Aktivs ih keiner formalen Hinsicht unterlegen. Eine Lexikonregel fügt nach dem intuitiven Verständnis (das technisch nicht ganz korrekt, aber in diesem Zusammenhang unschädlich ist) bei jedem betroffenen Element V. zu bereits bestehenden tltKjebungsangaben neue hinzu. Wenn der ursprüngliche, 'primäre' Lexikoneintrag von V. für die aktive Konstruktion formuliert ist, fügt die Passivregel die Angabe "ergative Konstruktion anstelle der aktiven Konstruktion bei werd-" hinzu; ist die primäre Eintragung für die ergative Konstruktion formuliert, müßte sie die Angabe "aktive Konstruktion, wenn kein Passivhilfsverb vorhanden ist, dh bei schein- usw und bei Nichtabhängigkeit" hinzufügen. Dabei ist die Angabe der für Hilfsverben wie schein- usw gültigen aktiven Konstruktion aufgrund einer Lexikonregel, die mit dem Lexikoneintrag für scheinusw identisch ist, zu den Angaben von V.l hinzugefügt. Die Angabe - "bei Nichtabhängigkeit" muß auf eine andere Regel zurückgehen, die etwa die Form Rerg hat und zu interpretieren ist als: Für alle V.: i Wenn (i) wchlgeformt ist, dann ist auch (ii) wchlgeformt: R
erg
(i)
(ii)
^1 >' V =£ ™3 NPn , j
X_, £*
' [ VK
,[ V ] i vis, j.
V ]
i
15
In jedem Fall braucht jedes Hilfsverb einen Lexikoneintrag, der seine Ungebung angibt, und in beiden Fällen muß dieser Lexikcneintrag bei einem Teil der Hilfsverben eine Zuordnung zwischen aktiver und ergativer Konstruktion definierten: Wenn die ergative Konstruktion primär ist, brauchen Verben mit aktiv konstruiertem Infinitum wie schein-, pfleg-, Perfekthilfsverben usw diese Zuordnung; wenn die aktive Konstruktion primär ist,
brauchen die
Passivhilfsverben werd-, sei- usw diese Zuordnung. Wenn die ergative Konstruktion primär ist, brauchen wir außerdem aber noch eine weitere Regel R , die in der konkurrierenden Analyse mit primärer Aktivkonstruktion nicht vonnöten ist, und eine Möglichkeit, die Ungebung 'schein- usw und Nichtabhängigkeit' als komplementär zu der Ungebung 'Passivhilfsverb1 zusatmenzufassen, wie es in der transformationalistischen Darstellung realisierbar erscheint, sehe ich unter den Voraussetzungen der lexikalistisohen Iheorie nicht. Da es keine unabhängige Begründung für R
gibt, käme diese Regel
allenfalls in Betracht, wenn unabhängige Gründe für die Priorität der ergativen Konstruktion sprächen. Das ist in der lexikalistischen Theorie aber nicht der Fall; die Regel und mit ihr die Priorität der ergativen Konstruktion sind eindeutig abzulehnen. Die aktive Konstruktion ist demnach, wie die Dinge im Deutschen liegen, unausweichlich die primäre, und dies nicht, weil es Aktive gibt, denen keine Passive entsprechen, sondern weil es die Konstruktion des unabhängigen Verbs ist
( nicht zu verwechseln mit unabhängigem Satz).
Es muß sehr für diese Theorie sprechen, daß es für das naive Sprachbewußtsein zweifellos vollkamen banal ist, die Konstruktion, die ein Verb hat, wenn es unabhängig ist, gegenüber allen anderen Konstruktionen des Verbs als primär zu betrachten. Die Überlegenheit der lexikalistischen Theorie liegt darin, daß die verschiedenen Ungebungsangaben zu einem Verb in der lexikalistisohen Darstellung alle für l Ableitungsstufe definiert sind, während die transformationalistische Darstellung, da sie mit lexikalisch belegten Sätzen operiert, die Freiheit hat, einen Teil der Ungebungsangaben außerhalb des Lexikcneintrags in einem 'späteren' Teil der Ableitung zu definieren. l
Darüber hinaus ist es offenbar nicht möglich, im Lexikoneintrag selbst zum Ausdruck zu bringen, daß das Verb in ergativer Konstruktion nicht unabhänaia vorkommt. Das hat zur Folge, daß R zwar die aktive Konstruktion bei ^ ^ erg Nichtabhängigkeit zuläßt, aber nur als freie Variante der ergativen Konstruktion. Die Postulation von R ist daher nicht nur deskriptiv inadäquat; sie ist nicht einmal hinreichend, um observationelle Adäquatheit zu erzielen.
5.
KASUSRESTRIKTICNEN
In der Aktiv-Passiv-Pelation besteht eine Entsprechung zwischen einer Nominalphrase im Nominativ (im Passiv) und einer im Akkusativ bzw im Dativ (im Aktiv); sie ist insofern - das ähnliche Verhältnis zwischen Agensausdruck und Subjekt des Aktivs lassen wir hier außer Betracht - eine kasusverändernde Relation. Kasusverändemd ist auch das Verhältnis zwischen einem A. c.I. und den primären Distributionseigenschaften des infiniten Verbs, da dem primär im Noninativ stehenden Subjekt hier ein Akkusativ entspricht. In den beiden folgenden Abschnitten beobachten wir, auf welche Weise sich die transformationalistische und die lexikalistische Interpretation von syntaktischen Relationen unterscheiden, in denen nominale Elemente betroffen sind, die es nicht in allen Kasus gibt. Zu diesen zählen zB sich und einander , die nur die Funktionen von Noninalphrasen im Akkusativ oder Dativ ausfüllen können; man gibt es nur im Ncminativ und etwas i.a. nicht im Dativ. Wir besprechen die Beschränkungen von etwas und die von man.
5.1.
etwas, nichts, was
Etwas kcmmt, wie auch nichts und indefinites (irgend) was und interrogatives was, als Nominativ und als Akkusativ abhängig von einem Verb vor: ihm ist etwas aufgefallen ihm ist (irgend)was aufgefallen nichts ist ihm aufgefallen was ist ihm aufgefallen? er hat etwas vergessen er hat (irgend)was vergessen nichts hat er vergessen was hat er vergessen?
1 7
Auch abhängig von. Präpositionen können diese Wörter - als Dativ und als Akkusativ - vor: jeder schwärmt für etwas jeder schwärmt für (irgend)was niemand schwärmt für nichts für was schwärmst du? er ist mit etwas beschäftigt er ist mit (irgend)was beschäftigt er ist mit nichts beschäftigt mit was ist er beschäftigt?
Als Dativ können sie ohne adjektivische Kokonstituente aber nur in dieser Konfiguration, einer Präpositionalphrase, vorkommen; ein Dativobjekt können sie nur dann bilden, wenn ein Adjektiv hinzutritt. Das Dativobjekt von ausweich- zB kann unbelebt sein: niemals ist
er einer Aufgabe ausgewichen,
und es kann heißen niemals ist er etwas Neuem ausgewichen er ist nichts Neuem jemals ausgewichen,
aber der Einsatz von etwas usw allein ist nicht möglich: »niemals ist er etwas ausgewichen »niemals ist er (irgend)was ausgewichen *er ist nichts ausgewichen *was ist er ausgewichen?
Ebenso ist es bei Verben wie *sie verpaßten etwas/nichts einen neuen Anstrich »etwas/nichts montieren sie den Sichtschutz an.
Formal zu erfassen ist diese eigentümliche Distributionsbeschränkung durch eine Vorschrift, daß diese Wörter nur dann allein in eine NP im Dativ eingesetzt werden dürfen, wenn diese NP von einer Präposition abhängig
ist.
Eine solche Formulierung ist, wie es dem ungewöhnlichen Fall entspricht, komplizierter als die Formulierung der unrestringierten Verteilung normaler noninaler Elemente, entsorioht formal und inhaltlich aber ansonsten durchaus dem, was sonst bei Lexikoneinträgen üblich
ist.
Zu derartigen unakzeptablen Aktiven gibt es nun akzeptable Passive mit krieg- usw:
1 8
etwas/nichts kriegte von ihnen einen neuen Anstrich verpaßt was kriegte von ihnen einen neuen Anstrich verpaßt? etwas/nichts kriegt von ihnen den Sichtschutz anmontiert was kriegt von ihnen den Sichtschutz anmontiert?
Hir die lexikalistische Passivregel ist das natürlich grade das, was zu erwarten ist, da es der normalen Verteilung dieser Wörter entspricht, und beinhaltet keine Probleme. Für die transformaticnalistische Regel sind diese Fakten jedoch problematisch. Da das Passiv bei ihr nicht nur in seiner syntaktischen Form, sondern auch mit seiner lexikalischen Belegung auf das Aktiv zurückgeführt wird, müßte es zu solchen akzeptablen Passivsätzen akzeptable aktive Vorgängersätze geben, die werden aber durch die Distributionsrestriktionen dieser Wörter auch als Tiefenstrukturen ausgeschlossen. Um diese Passive generieren zu können, müßte die transformationalistische Iheorie die Distributionsrestriktionen derart ändern, daß etwas, nichts usw in Nominalphrasen von beliebigem Kasus frei einsetzbar sind, und müßte eine Oberflächenrestriktion für dieselben Elemente aufstellen, die besagt, daß sie nur innerhalb einer Präpositionalphrase allein eine NP bilden können. Diese Wörter hätten also, im Effekt, jeweils 2 Distributionsangaben: eine für die Tiefenstruktur (auf die man nicht verzichten kann, wenn das transformationelle Konzept überhaupt irgendwelche Substanz behalten soll) und eine für die Oberflächenstruktur; erst deren Konjunktion definiert dann die Distribution dieser Wörter. Es ist klar, daß eine solche Verdoppelung des Apparats zur Formulierung von Distributionsrestriktionen ganz neue deskriptive NCglichkeiten eröffnen würde; alles, was aufgrund inadäquat formulierter tiefenstruktureller Distributionsangaben an der Cfoerflache einen unakzeptablen Satz ergibt, kann durch solche zusätzlichen cberflächenstrukturellen Distributionsrestrikticnen 'nachträglich1 ausgefiltert werden. In der lexikalistischen Theorie dagegen sind solche NCglichkeiten prinzipiell ausgeschlossen, da in ihr die tiefenstrukturellen Distributionsrestriktionen mit denen der Oberflächenstruktur identisch sind. Hinsichtlich solcher Phänomene ist die lexikalistische Theorie deshalb der transfoimationalistischen explanatorisch überlegen.
1 9
5.2.
man
Ähnliche Beobachtungen wie bei etwas usw sind bei man zu machen. Dieses Wort steht in komplizierten semantisoh-syntaktischen Bezügen zu Personalpronomen einerseits und generisohen Ausdrücken andererseits, die hier nicht im wünschenswerten Maß verfolgt werden können, zumal die rechte Analyse generischer Ausdrücke in vielen Aspekten ungewiß ist;
einige Grund-
züge müssen jedoch zur Sprache können.
5.2.1. Spezifisches und generisches man Man kann i.a. zwei semantisch verschiedene man voneinander unterscheiden. Das eine wie in ich sah, wie man auf die Demons trän ten einschlug bezeichnet jeweils eine spezifische mehrzahlige Menge von Manschen, zu der Sprecher und Hörer nicht gehören. Semantisch fungiert es also wie ein definites Pronomen der 3. Person Plural; deshalb ist es gewöhnlich als they; ins Englische zu übersetzen. Das Auftreten dieses man ist im wesentlichen an nicht-generelle Kontexte gebunden. Von diesem 'spezifischen' man (man-spez) unterscheidet sich ein 'generisches ' man (man-gen) wie in wenn man Demonstranten schlägt, macht man sich strafbar, das etwa die Bedeutung von "jeder" hat und Sprecher und Hörer einschließen kann. Es bezeichnet nicht unbedingt mehrzahlige Mengen, wie sich an einem Paar wie *weil man Orden bekommen hat, gilt man als feiner Mann wenn man Orden bekommen hat, gilt man als feiner Mann zeigt: In dem nicht-generischen weil-Satz kann nur das spezifische man stehen, das, da es semantisch mehrzahlig ist, mit dem einzahligen Ausdruck feiner Mann nicht übereinstimmt, wie es gramnatisch nötig wäre; deshalb ist der Satz unakzeptabel. In dem generellen wenn-Satz hingegen steht das generische man, das diese Bedingung erfüllen kann. An solche generischen Kontexte, besonders das generelle Präsens und generische Konditionalsätze, ist das generische man gebunden. Ins Englische wird es als you oder one übersetzt. l
Einschlägige Beobachtungen, mit denen ich in den Grundzügen, wenn auch nicht in allen Einzelheiten, übereinstimme, finden sich in (Schiebe 1972).
llo
Gleichzeitig muß man zwei semantisdi verschiedene ein- unterscheiden. Das eine wie in noch nie wurde hier einer geschlagen dort hat man einen umgebracht
hat etwa die Bedeutung von jemand. Es hat keine besonderen Distributionsbeschränkungen. Von diesem indefiniten ein- (ein-indef) unterscheidet sich ein 'generisches' ein (ein-gen) wie in es kann einem nicht gefallen, wenn Demonstranten geschlagen werden. Es kommt nur im Dativ oder Akkusativ vor und bezeichnet, ähnlich wie j eder, je einzelne Menschen, offenbar immer unter Einschluß des Sprechers. Wie man und die definiten Personalproncmen (ich, wir, Sie, du, ihr, er, es , sie (Sg.) , sie (Pl.) , sich, einander) und im Gegensatz zu Indefinita, besonders ein-indef, bevorzugt ein-gen eine Position möglichst unmittelbar nach der Konjunktion bzw nach dem Finitum, wenn dieses in Zweitstellung steht. Von zwei ein- in einem Satz ist deshalb das in diesem Bereich erste jeweils als ein-gen zu interpretieren; in l ist also einem generisch, und in 2 ist es einen: 1 wenn einem der eigene Freund einen vorstellt, den man schon kennt, entsteht eine ungewöhnliche Situation 2 wenn einen der eigene Freund einem vorstellt, den man schon kennt, entsteht eine ungewöhnliche Situation
(Gleichzeitig ändert sich der Bezug des
telativsatzes:
er muß immer an das
indefinite ein- angeschlossen werden.) Da der Sprecher in der von ein-gen bezeichneten Menge immer eingeschlossen ist, führt es zu semantischer Anomalie, wenn man in solchen Sätzen ein Pronotien der 1. Person einzusetzen versucht: *wenn einem der eigene Freund einen vorstellt, den man schon kennt, bin ich immer gespannt, was man daraufhin tut;
ersetzt man bin ich durch ist er, ist der Satz einwandfrei. Der gleiche Grund verhindert 3, während etwa 4 völlig akzeptabel
ist.
3 *wenn man mich/uns bestrafen w i l l , renne(n) ich/wir einem immer schnell weg 4
wenn man euch bestrafen w i l l , rennt ihr einem immer schnell weg
Dabei ist ein-gen an generische Kontexte gebunden; in einem spezifischen Kontext wie er sah, wie die Demonstranten auf einen einschlugen kann das ejjien nur als ein-indef interpretiert werden. Das indefinite ein- wäre ins Englische als someone zu übersetzen, das generische als you.
Ill
Die beiden man und ein-gen bilden - wie ich, wir, Sie, du, ihr und der Vokativ - Nominalphrasen, die nicht mit er, es_ oder sie in Koreferenz treten können. So müssen er und man in 5 referenzverschieden sein, und zwischen einem und er in 6 kann nur dann Koreferenz bestehen, wenn man einem als jemand paraphrasiert, wenn es also ein-indef ist: wenn man es als ein-gen interpretiert und mit mir (oder dir) paraphrasiert, kann keine Koreferenz mit er bestehen. 5 wenn man arbeitet, ist er glücklich 6 wenn einem übel ist,
ist
er unglücklich
Koreferenz über Satzgrenzen hinweg können man-gen und ein-gen nur zu zwei Wörtern aufbauen: zu man-gen und ein-gen. Daß ein-gen durch man-gen wiederaufgenommen werden kann, wie in wenn einem, schlecht ist, fühlt man, sich unglücklich, ist nicht überraschend, da ihre Bedeutungen nahezu identisch sind, wobei man-gen etwas weiteren Umfang hat, insofern es mehrzahlige Objekte bezeichnen kann, was ein-gen nicht kann; deshalb sind Beispiele wie ?wenn man. einander, tief in die Augen sieht, wird einem, warm 1 1 ' i ums Herz ?man. pflegte sich im Saal zu versammeln, wenn der Diener einen, dazu aufforderte ?wenn man. sich einig ist,
daß diese Vorlagen einen, gemeinsam be-
t r e f f e n , muß man. dazu Stellung beziehen
so zweifelhaft, wo das man-gen wegen einander bzw versammeln oder einig und gemeinsam mehrzahlig sein muß, während das folgende ein-gen einzahlig ist. Wo f^g-s man-gen einzahlig sein kann wie in wenn man,i fleißig arbeitet, —-~— wird einem. warm ums Herz, steht dieser Wortfolge nichts im Wege. Auf diese Weise entsteht zwischen man-gen und ein-gen ein quasi-suppletives Verhältnis: man kamt nur im Nominativ, ein-gen nur im Dativ und Akkusativ vor, sie sind also komplementär verteilt. Ihre Bedeutungen sind nicht völlig identisch, wie es im Verhältnis von ich zu mir, mich, da zu dir, dich der Fall ist, wo man deshalb wie bei allen Personalpronomen von einem echten Suppletivismus sprechen kann; immerhin sind sie so ähnlich, daß man das Verhältnis quasi-suppletiv nennen kann.
112
Man-spez kann dannentsprechend, da es kein semantisch verwandtes eingibt, nur mit man-spez in einem anderen Satz koreferent sein wie in ich weiß, daß man, auf Widerstand stieß, als man, in das Gebäude eindrang. Auffällig ist, daß - anders als Personalpronomen und Indefinitprcnonen, aber ebenso wie einander - beide man und ein-gen auch nicht mit einem Relativpronomen in Koreferenz treten, daß sie also nicht mit einem Relativsatz vorkommen können. Auch mit dem Possessivum kann keine Koreferenz über Satzgrenzen hinweg bestehen: •»wenn man. vergißt, wo seine. Wohnung ist, *ich beobachtete, wie man
ist man. schlecht dran
die Thesen bekämpfte, die seinen, eige-
nen Ansichten widersprachen *auch wenn einen. (= ein-gen) solche Angebote sehr reizen, sollten m 1.
™
sie seine. Entscheidungen nicht beeinflussen.
Innerhalb desselben einfachen Satzes können beide man in Koreferenz zu sich treten: als man sich ankleidete, tagte es bereits wenn man sich
abmeldet, zahlt er eine Prämie.
Beide können auch in Koreferenz zu einander treten: ich sah, wie man einander aus dem Wege ging wenn man einander
nur aus dem Wege geht, kann kein gutes Betriebs-
klima entstehen;
ein-gen dagegen hat diese Nöglichkeit schon wegen seiner rein einzahligen Bedeutung nicht: *wenn die Behörden einen, von einander, trennen, ist man. traurig. Das generische man kann auch koreferent mit einem Possessivum sein: wenn man. sein. Auto liebt, hält es länger da man. damals seine, Möbel nicht verkaufen konnte, nahmen viele i i sie mit auf die Reise;
wo ein man eindeutig spezifisch ist,
ist diese Nöglichkeit jedoch nicht ge-
geben: *ich sah, wie man. seine. Möbel verkaufte *ich sah, wie man. mit seinen. Knüppeln auf die Demonstranten einschlug,
113
während semantisch identische Sätze mit Noninalphrasen ohne Possessivum voll akzeptabel sind: ich sah, wie man die eigenen Möbel verkaufte ich sah, wie man mit (den) eigenen Knüppeln auf die Demonstranten einschlug.
Ebenso unmöglich ist Koreferenz mit dem Possessivum bei ein-gen, während sie bei ein-indef einwandfrei ist: Ein Satz wie wenn sie einen, mit seinem, eigenen 'KnüppelL schlagen kann, freut sie sich erlaubt nur die InterJ ·*- l pretation mit einem = jemand, nicht einen = mich (oder dich). Eine indirekte Koreferenzbeziehung zwischen man und dem Reflexivum bzw Possessivum besteht bei satzwertigen Infinitiven wie als man. beschloß, sich, auszuziehen, tagte es bereits wenn man. beschließt, sich, auszuziehen, ist
es manchmal schon spät
wenn man. beschließt, sein, Auto zu verkaufen, muß man. sich um ein neues kümmern,
wo das implizierte Subjekt des infiniten Nebensatzes ein man ist. Eine solche indirekte Beziehung kann ein-gen offenbar nicht eingehen: Sätze wie wenn sie einem, empfiehlt, sich, anzumelden, soll man. es auch tun wenn sie einem, empfiehlt, sein. Auto zu verkaufen, soll man. es auch tun
scheinen mir klar unakzeptabel, während die Paraphrasen mit daß-Satz erwartungsgemäß voll akzeptabel sind: wenn sie einem empfiehlt, daß man. sich anmel-det, sol] man. es auch tun i 3* wenn sie einem, empfiehlt, daß man. sein. Auto verkauft, soll man. i 1 1 i es auch tun.
5.2.2. man als primäres Subjekt Für das Passiv ist man dadurch interessant, daß es nur im Nominativ auftritt. Für die lexikalistische Theorie kann daraus nur dann ein Problem entstehen, wenn es einen Typ von man, der als Subjekt im Aktiv existiert, nicht auch als Passiv-Subjekt gibt; einen solchen Unterschied sagt die transforma-
114
tionalistische Theorie voraus. Gibt es einen solchen Unterschied zwischen Aktiv und Passiv nicht, steht sie vor ähnlichen Problernen, wie wir sie bei etwas gefunden haben, und zwar 1. hinsichtlich des primären Subjekts, wenn also ein Aktiv mit man als Subjekt zum Passiv transformiert wird, wie auch 2. hinsichtlich des sekundären Subjekts, wenn also ein Passiv man als Subjekt hat, so daß sich die Frage ergibt, auf was für ein Objekt im Aktiv ein solches man zurückgehen könnte. Das erste dieser Probleme ist allgemein als solches anerkannt. Es findet dadurch relativ leicht eine technische Lösung, daß der Agens generell im Passiv fakultativ ist;
einen auf man zurückgehenden Agens kann man des-
halb chne Schaden für die observationelle Adäquatheit einfach tilgen. Da die Behandlung des Agens ohnehin in 7. in einer Weise erörtert wird, die diese Frage gegenstandslos macht, will ich sie hier nicht verfolgen. Die Probleme, die beim Agens bestehen würden, wenn er nicht fakultativ wäre und in der syntaktischen Entsprechung zum Aktivsubjekt stände, die häufig angenoitrnen wird, sind als reale Probleme jedoch beim A.c.I. zu beobachten. Nach transformationalistischer Auffassung geht die abhängige Infinitivkonstruktion
ja auf einen eingebetteten Satz zurück, dessen Sub-
jekt naturgemäß im Nominativ steht. In solchen Theorien besteht deshalb ein regelmäßiges syntaktisches Entsprechungsverhältnis zwischen einem Satz mit seh- und explizitem Nebensatz als Objekt wie a und der A.c.I.Konstruktion b: a
wenn der sieht, wie ich vom Fahrrad steige, will er mir immer sofort helfen
b
wenn der mich vom Fahrrad steigen sieht, will er mir immer sofort helfen.
Wenn wrr davon absehen, daß die Behandlung eines Suppletivismus in transformationeilen Theorien grundsätzlich Problemen gegenübersteht, die lexikalistische Theorien nicht haben, und wenn wir die generischen gin- und man als Suppletivparadigma betrachten, können wir auch die Nebensatzkonstruktion c bzw. den ihr zugrunde liegenden Satz in die A.c.I.-Konstruktion d mit ein-gen transformieren. c
wenn der sieht, wie man, vom Fahrrad steigt, will er einem. immer sofort helfen
d
wenn der einen, vom Fahrrad steigen sieht, will er einem, immer sofort helfen
115
Wie wir festgestellt haben, haben ein-gen und man-gen jedoch nicht identische Eigenschaften. So könnte man annehmen, daß es zu e die A.c.I.Konstruktion f e
wenn sie sieht, daß man. seine, eigene Frau umarmt, wird sie immer ganz wild
f
wenn sie einen, seine, eigene Frau umarmen sieht, wird sie immer ganz wild
gibt - dieser Satz enthält aber ein indefinites gin-, kein generisches, denn ein-gen kann nicht mit einem Possessivum koreferieren; zu g ist
die
zu erwartende Parallele h g
wenn sie sieht, daß m a n . von einander. Abschied nimmt, wird sie immer ganz traurig
h
wenn sie einen, von einander. Abschied nehmen sieht, ist
sie
immer ganz traurig
überhaupt unakzeptabel, weil weder ein-gen noch ein-indef mit dem Reziprokprononen einander koreferieren können. Zu einem Satz mit spezifischem man wie i schließlich ist eine Parallele mit ein- gar nicht zu erwarten: ausfallen aber kann das man auch nicht, denn ein Satz wie j i
als sie sah, wie man von allen Seiten auf ihren Bruder einschlug, rief sie um H i l f e
j
als sie von allen Seiten auf ihren Bruder einschlagen sah, rief sie um H i l f e
ist in nicht-literarisierendem Deutsch nicht akzeptabel. Es ist nicht zu sehen, wie zur Vermeidung dieser
falschen Ergebnisse
etwa die Ableitung, in der der zugrunde liegende Nominativ zur Herleitung des A.c.I. in einen Akkusativ verwandelt wird, grade dann blockiert werden könnte, wenn man das primäre Subjekt bildet. Offensichtlich laufen alle Mechanismen, die diesen Effekt erzielen könnten, darauf hinaus, die für einfache Sätze ohnehin nötigen Distributionsrestriktionen von man ein zweites Mal zu formulieren. Es ist keine Frage, daß die lexikalistische Theorie hier deskriptiv überlegen ist,
da sie bei der Generierung des
A.c.I. ohne Kasusveränderungen an Wörtern arbeitet und deshalb damit auskamt, alle Eigenschaften von man und ein- für eine einzige Ableitungsstufe, die Cberflächenstruktur, zu formulieren. Da sie auch gar keine andere
116
^öglichkeit als diese offen läßt, ist sie hinsichtlich dieser Phänomene auch allen Alternativen explanatcarisch überlegen, die die Formulierung lexikalischer Distributionsangaben für andere 'Ebenen' als die Oberflache im Grundsatz zulassen.
5.2.3. man als sekundäres Subjekt Wir wenden uns dem zweiten Problem beim Passiv zu, der Herleitung des sekundären Subjekts, soweit es von man gebildet wird. Nach meiner Kenntnis ist es, im Gegensatz zum ersten Problem - Ableitungsgeschichte von man als primärem Subjekt - nirgendwo in der Literatur als solches erkannt (oder gar gelöst). In einer transformationalistischen Theorie ist ein Passiv mit generischem man wie a auf ein Aktiv b zurückzuführen: a wenn man. von der Polizei verfolgt wird, gewähren einem, auch gute Freunde ungern Unterstützung b wenn einen, die Polizei verfolgt, gewähren einem, auch gute Freunde ungern Unterstützung
und c kann man auf d zurückführen: c wenn man. von der Polizei eine Leibwache gestellt kriegt, kann es einem, nur recht sein d wenn die Polizei einem, eine Leibwache stellt, kann es einem. nur recht sein
Dementsprechend sollten die Passive wenn man. von der Polizei beschuldigt wird, seinen. Hund zu mißbrauchen, ist einem, das nicht egal es ist
einem, nicht egal, wenn man
von ihnen mit seinen^ Problemen
allein gelassen wird wenn man. von ihnen aufgetragen kriegt, sein, Auto zu verkaufen, ist einem, das nicht egal wenn man. sein Auto von ihr abgenommen kriegt, ist egal
einem, das nicht
117
mit generischem man und ein- auf Aktive wie wenn einen, die Polizei beschuldigt, seinen. Hund zu mißbrauchen, ist einem, das nicht egal es ist einem, nicht egal, wenn sie einen, mit seinen. Problemen so allein lassen wenn sie einem, auftragen, sein. Auto zu verkaufen, ist
einem.
das nicht egal wenn sie einem, sein. Auto abnimmt, ist
einem, das nicht egal
zurückführbar sein; diese Sätze sind aber unakzeptabel, weil sie Koreferenz zwischen ein-gen und dem Possessivum verlangen würden, was, wie wir wissen, sowohl im gleichen einfachen Satz wie auch über die Grenzen eines satzwertigen Infinitivs hinweg ausgeschlessen ist. Ähnliches gilt für Passive wie man. ist
natürlich unglücklich, wenn man. durch die Behörde von
einander. getrennt wird man. ist
natürlich glücklich, wenn man. von einer Freundin mit
einander, bekannt gemacht wird;
da nur man-gen, aber nicht ein-gen (oder auch ein-indef) mehrzahlig sein und dadurch in Koreferenz mit einander treten kann, sind die vermuteten Entsprechungen man. ist natürlich unglücklich, wenn die Behörden einen, von einander . trennen i man. ist natürlich glücklich, wenn eine Freundin einen, mit einander, bekannt macht i
unakzeptabel. Es ist also trotz des quasi-suppletiven Verhältnisses zwischen man-gen und ein-gen offenbar nicht allgemein möglich, ein Passiv, dessen Subjekt von einem generisdien man gebildet wird, transformationell auf ein entsprechendes Aktiv zurückzuführen. Eine Hilfe für die transformationalistische Theorie könnte darin bestehen, daß man sie durch gewisse QberfläohenInterpretationsregeln ergänzt. Die Beispiele nämlich, die nicht transfernationalistisch erfaßbar waren, hingen jeweils von bestimmten Koreferenzverhältnissen ab. Man könnte nun postulieren, daß transformationalistische Prinzipien insgesamt beizubehalten seien, daß jedoch die Feststellung
118
von Koreferenzverhältnissen mindestens zum Teil auf die Verhältnisse der Oberfläche Bezug nimmt. Ein solcher Vorschlag wäre nicht ganz abwegig, da zumindest für die Interpretation von 'logischen Elementen1 wie Negation und Quantoren nach allgemeiner Erkenntnis die Verhältnisse der Oberfläche relevant sind. Wenn diese I^öglichkeit zugestanden ist,
könn-
ten vielleicht die Elemente des generischen 'man/ein-Paradigmas' tiefenstrukturell frei eingesetzt werden, während eine Oberflächenregel Köreferenz zwischen man-gen und dem Possessivum bzw einander zuläßt, für eingen aber ausschließt. Eine solche Lösung kann jedoch nur auf den ersten Blick attraktiv wirken. Bei näherem Hinsehen zeigt sich, daß sie einfach als Oberflächen1
Regel' formuliert, was nach sonst verfolgten Konventionen in den Lexi-
koneintrag gehört, nämlich bestimmte semantische und (damit zusammenhängende) distributioneile Unterschiede zwischen man-gen und ein-gen. Daß diese Unterschiede sich nicht auf Koreferenzunterschiede beschränken, zeigt sich an Beisoielen wie auch wenn man. vom Schicksal in alle Winde zerstreut worden
ist,
vergißt m a n . die Gemeinsamkeiten nicht *auch wenn das Schicksal einen, in alle Winde zerstreut h a t ,
ver-
gißt man. die Gemeinsamkeiten nicht,
wo die Unakzeptabilität des Satzes mit ein- nicht aus Koreferenzverhältnissen, sondern aus der semantischen Eigenart des Prädikats resultiert, das für sein primäres Objekt ein mehrzahliges Argument verlangt. Man muß dem ein- deshalb ganz allgemein den semantischen Charakter der Einzahligkeit zusprechen; die Koreferenzbeschränkungen von ein- folgen (mindestens zum Teil) daraus, sind also nicht auf spezielle Koreferenzregeln der Oberfläche zurückführbar. Das Konzept des suppletiven Paradigmas, mit dessen Hilfe die transformationelle Theorie die passiven Sätze mit generischem man als Subjekt zu bewältigen versuchte, könnte allenfalls eingeschränkt aufrecht erhalten werden: für die Fälle von man-gen, die wie ein-gen einzahlig sind und nicht mit einander oder dem Possessivum koreferieren. Für mehrzahliges mangen gilt nach dieser Korrektur dasselbe wie für das spezifische man: Es ist ein isoliertes Element, das nur im Nominativ vorkamt und keine suppletiven Elemente zur Ergänzung seines Paradigmas neben sich hat.
119
Wir haben gesehen, daß dieses mehrzahlige man-gen als Subjekt von Passiven vorkamt. Ebenso gibt es man-spez als Passivsubjekt: ich sah zu, wie man vor dem Richter vereidigt wurde da man von allen Seiten beschossen wurde, sammelte man sich wieder im Tal ich habe beobachtet, wie man von der Polizei abgedrängt und scharenweise in Gefängniswagen verladen wurde.
Der spezifische Kontext erzwingt hier die Interpretation des man als spezifisch. Daß ihm kein Elanent in einem obliquen Kasus entsnricht, haben wir früher gesehen; aktive Sätze, die diesen Passiven regelmäßig entsprechen, gibt es deshalb nicht. Wir stehen hier vor dem umgekehrten Problem wie in den Fällen mit primärem man aus dem vorigen Abschnitt. Dort war das Problem, wie es innerhalb der transformaticnalistischen Theorie verhindert werden könnte, daß allgemeingültige syntaktische Regeln aufgrund akzeptabler Sätze mit man unakzeptable A.c.I.-Konstruktionen (und, gegebenenfalls, Passive) generieren. Hier haben wir das Problem, wie innerhalb der transformationalistischen Theorie akzeptable Passivsätze mit man aus unakzeptablen Aktiven hergeleitet werden könnten. In beiden Fällen resultiert Has Problem daraus, daß die Distributionseigenschaften von man nach den Annahmen der transformationalistischen Theorie für Tiefenstrukturen zu formulieren sind, die im allgemeinen Fall von ihren Oberflächenstrukturen verschieden sind. Zum einen gerät ein solches man jedoch durch die Wirkung kasusverändernder Regeln in Umgebungen, die mittels seiner Distributionsrestriktionen ausgeschlossen werden sollten, zum anderen gerät sein tiefenstruktureller Vorgänger erst durch das Wirken solcher Regeln in Positionen, die für man zugelassen sind. Der Schluß, der aus diesen empirischen Verhältnissen zu ziehen
ist,
liegt auf der Hand: Für die Distribution von man sind einzig die Verhältnisse der Oberflache relevant; Verhältnisse der Tiefenstruktur, soweit sie infolge des Wirkens einer transformationalistischen A.c.I.- oder Passiv-Regel davon abweichen, sind für man ohne Belang. Die Standardtheorie oder überhauot eine transformationalistische Theorie könnte diese Fakten, die ihren grundlegenden Annahmen völlig widersprechen, nur auf
12
die bei etwas usw besprochene Methode integrieren, indem sie zusätzlich zu tiefenstrukturellen Distributionsangaben für man, die die Kompatibilität mit verbalen Distributionsrestriktionen regulieren, die Beschränkung auf den Noninativ als oberflächenstrukturelle Distributionsangabe formuliert. In noch höherem Maße als bei etwas ist hier deutlich, daß lexikalistische Theorien in Fällen wie diesen deskriptiv und explanatorisch überlegen sein müssen, da sie Distributionsrestriktionen aus Prinzip nur für die Oberfläche formulieren, die mit der Tiefenstruktur identisch sind.
6.
STRUKTURBEWAHRENDE EIGENSCHAFTEN
6.1.
Die Fakten
Einer der interessantesten formalen Aspekte der Aktiv-Passiv-Relaticn ist der ünstand, daß Aktiv und Passiv bis in alle Einzelheiten hinein von genau gleichen formalen Mitteln Gebrauch machen. Das ist keineswegs selbstverständlich. Da - intuitiv wie auch präzise explizierbar, cf. 4.3. das Passiv in einem bestimmten Sinne auf das Aktiv zurückgeht, wäre, besonders im Rahmen der Standardtheorie, ohne weiteres vorstellbar, daß das Passiv ganz andere formale Charakteristika als das Aktiv hat. So könnte etwa das Verb in eine Wortart verwandelt werden, die keine Ähnlichkeit mit einer der sonstigen größeren lexikalischen Klassen Verb, Substantiv, Adjektiv, Präposition usw hat; die Nominalphrasen könnten sämtlich als Adjektivphrasen auftreten
(referentielle Adjektive gibt es ja immerhin
auch sonst: Possessiva und 'Pseudo-Adjektive' wie französisch, richterlich in die französische Weigerung, die richterliche Entscheidung, aber die Form des Satzes müßte dann ganz anders sein, weil diese Adjektive nur adnoninal vorkamen) , oder sie könnten ganz besondere Kasus annehmen; die Regeln für die Kongruenz des Verbs könnten anders als im Aktiv operieren, usw. Keine der vorstellbaren Abweichungen von sonst Gewohnten findet sich jedoch in den verschiedenen Passivtypen. Im Passiv ist das regierende Verb nicht das Vollverb, sondern ein Hilfsverb; das Vollverb hat eine bestimmte infinite Form. Dasselbe gibt es im Aktiv: Dort gibt es Hilfsverben wie hab-, pfleg-, soll- usw, die mit Vollverben in derselben Weise einen Verbalkomplex bilden wie die Passivhilfsverben mit ihrem Vollverb, und die infinite Form des abhängigen Vollverbs ist im Passiv dieselbe wie im Aktiv: einfacher Infinitiv, Infinitiv mit zu oder Partizip 2, abhängig vom jeweiligen Hilfsverb.
122
Im Aktiv wie im Passiv unterliegen infinites und finites Verb jeweils gleichen Regularitäten hinsichtlich ihrer Stellungs- und Tilgungsmöglichkeiten, und die Finita werden in gleicher Weise flektiert; insbesondere ist in beiden Fällen die 'Personalform' davon abhängig, ob und was für ein Nominativ im Satz vorhanden ist.
Nach seiner Person und seinem Nume-
rus richtet sich in jedem Fall die Form des Finiturns; diese Nominalphrase ist (i.a.) als Subjekt des Satzes zu betrachten. Auch sonst verhält sich der Nominativ des Passivs, der i.a. auf ein Akkusativ- bzw Dativobjekt des Aktivs zurückgellt, genauso wie das Subjekt eines Aktivs. So kann, wenn das Finitum in Zweitstellung steht, ein satzeinleitendes es auftreten, es sei denn, das Subjekt sei ein Personalpronomen: es hat aber keiner das Mädchen gesehen *es hat aber sie das Mädchen gesehen;
während das Objekt, außer es ist es, durchaus ein Personalpronomen sein kann: es hat sie aber keiner gesehen es hat sie ihm dann aber doch einer der Leute weggenommen.
Wenn ein solches pronominales Objekt durch die Passivregel zum Subjekt wird, schließt es wie jedes andere pronominale Subjekt das Auftreten eines expletiven es_ aus: *es ist sie aber von keinem gesehen worden *es hat er sie dann aber doch von einem der Leute weggenommen gekriegt ,
während ein pronominales Subjekt des Aktivs, im Passiv zum Agens geworden, seine es-verhindernde Wirkung verliert; das Passiv zum unakzeptablen Aktiv von oben ist akzeptabel: es ist das Mdchen aber von ihr gesehen worden. Umgekehrt kann ein akkusativisches es nicht ins Vorfeld treten: »es hat der Knabe angemalt. Sobald das es aber passiviert und dadurch Nominativ ist,
kann es dort stehen: es wurde von dem Knaben angemalt.
Auch hinsichtlich anderer Stellungsregularitäten unterscheidet sich das Subjekt des Passivs nicht von dem des Aktivs. Lenerz (1977: 116 f) beobachtet richtig, daß in passiven Sätzen die Reihenfolge 'Dativ vor
123
Nominativ" im Sinne seiner Definition 'unmarkiert' ist,
während dies im
Aktiv gewöhnlich für die umgekehrte Reihenfolge gilt. Der Unterschied zeigt sich zB daran, daß die Folge 'Nominativ vor Dativ1 in a (= (59b) bei Lenerz) zweifelhaft ist, frei
während dieselbe Reihenfolge in b einwand-
ist: a ?*Ich glaube, daß das Fahrrad dem Kind geschenkt worden ist b Ich glaube, daß der Amtsrat dem Kind gratulieren wollte
(Die Unterstreichung markiert die Betonung.) Der Vergleich von passiven Sätzen mit solchen wie b veranlaßt Lenerz zu der Vermutung, daß diese Abfolge im Passiv "aus der Übereinstiitmung mit der entsprechenden Abfolge von [Dativ vor Akkusativ] im Aktivsatz erklärbar" sei gleich zwischen a und b ist
(p. 117). Der Ver-
jedoch irreführend, denn das Subjekt von b
ist agentiv, das von a nicht. Lenerz selbst hat zuvor (p. 112 ff) festgestellt,
daß für nicht-agentive Subjekte die Folge 'Dativ vor Nominativ1
unmarkiert ist. Die im Passiv zu beobachtende Reihenfolge ist daher genau das, was wir aus unabhängigen Gründen bei Subjekten mit dieser semantischen Charakteristik erwarten. Speziell für die Erkennung des Subjekts relevant sind auch die satzwertigen Infinitive mit der Konjunktion ohne: Karl quälte den Hund, ohne zu bellen Karl ertrank vor unseren Augen, ohne helfen zu können Karl bekam von Zizzi ein Präsent, ohne es zu wissen.
In allen diesen Fällen kann nur das Subjekt Karl als implizites Subjekt des Infinitivs verstanden werden; im Gegensatz zu Ausdrücken wie absichtlich, die sich immer auf ein agentives Argument von beliebigem Kasus beziehen, in Karl^bekam von Zizzi absichtlich kein Präsent zB auf Zizzi, sind solche ohne zu-Infinitive nicht semantisch, sondern rein formal, nämlich aufs Subjekt, orientiert. Auch der Ncminativ des Passivs dient als Antezedens für solche Infinitive: In der Verurteilte wurde von dem Anführer erschossen, ohne eineErklärung abgegeben zu haben kann nur der Verurteilte als implizites Subjekt des Infinitivs dienen; dadurch weist sich dieser Ncminativ als normales Subjekt aus. Auch innerhalb eines satzwertigen Infinitivs selbst ist es inroer und ausnahmslos das gramtiatische Subjekt, das ausfällt; derartige Infinitive von subjektlosen Konstruktionen sind deshalb nicht möglich:
124 es ist es ist
entsetzlich, einen Hund zu quälen entsetzlich, im Wasser zu ertrinken
es ist entsetzlich, ein Präsent zu bekommen *es ist entsetzlich, keinem ehrlichen Menschen an dieser Sache besonders zu liegen.
Dieselbe Regulär!tat gilt für den Noninativ, und nur diesen Kasus, von passiven Konstruktionen; zu den Passiven er wurde von einem Hund gequält er wurde einem Sadisten übergeben oft wurde gebetet
lauten die Infinitivkonstruktionen: es ist es ist *es ist
entsetzlich, von einem Hund gequält zu werden entsetzlich, einem Sadisten übergeben zu werden entsetzlich, oft gebetet zu werden.
Es kann demnach nicht der geringste Zweifel daran bestehen, daß hinsichtlich aller charakteristischen syntaktischen Eigenschaften der Nominativ eines passiven Satzes sich als Subjekt nicht von dem Nominativ eines aktiven Satzes unterscheidet. Wie ein Aktiv mit Akkusativobjekt (bzw Dativobjekt) also einem Passiv mit einem Nominativ entspricht, der in demselben Sinne ein Subjekt ist wie der Noninativ des Aktivs, so entspricht ein Aktiv ohne Akkusativobjekt einem Passiv ohne Nominativ, so daß eine subjektlose Konstruktion entsteht, wie sie auch unabhängig vom Passiv im Deutschen wchlvertraut ist; im Aktiv wie im Passiv steht das Finitum dann in der 3. Sg. - Dieser Zusammenhang ist vermutlich bedeutsam. Im Englischen ist wahrscheinlich deshalb nur von (mindestens) zweistelligen Verben ein Passiv zu bilden, weil, unabhängig von Passiv, Verben ohne Subjektselektion dort offenbar nicht klar nachweisbar sind. Da es solche Verben im Deutschen jedoch gibt, kann man hier auch mit subjektlosen Passiven rechnen. Der Agens im Passiv hat in jedem Fall eine Form, gewöhnlich eine Präpositionalphrase, die völlig dem auch sonst üblichen entspricht. Präpositionen dieser lautfarm - und, wie wir in 7.6. sehen werden, vergleichbarer Funktion - gibt es auch außerhalb des Passivs, zB in habt ihr von Karl erfahren, daß ich hier bin? es war entsetzlich für Karl, sich verstecken zu müssen,
wo sie auch dieselbe Kasusrektion haben.
125
Dies sind die Punkte, in denen sich das Passiv von Aktiv unterscheidet: Statt des potentiell finiten Vollverbs steht im Passiv eine infinite Form, abhängig von einem Hilfsverb (bzw bei den Adjektiven auf -bar: der Verbalstamm abhängig von Suffix -bar); statt des Subjekts steht der Agens oder nichts, und soweit vorhanden, steht i.a. statt des Akkusativ- bzw Dativobjekts ein neues Subjekt. Alle diese Veränderungen gegenüber dem Aktiv ergeben aufs neue eine Form, wie sie ein Aktiv haben könnte. Da alle Eigenschaften aktiver Sätze ansonsten unverändert bleiben - zB bleiben Genitiv-, Dativ- (bzw Akkusativ-) und Präpositionalobjekte von der Relation unbeeinflußt -, ist die syntaktische Form eines passiven Satzes in nichts von der eines aktiven zu unterscheiden; der Unterschied zwischen Aktiv und Passiv liegt einzig in den speziellen Distributionseigenschaften des Passiv-Hilfsverbs (bzw -suffixes) und den damit zusammenhängenden Distributionsunterschieden des Vollverbs zwischen Aktiv und Passiv; außerdem wird sich in 7. ergeben, daß damit auch ein bestimmter Bedeutungsunterschied - in einem speziellen Sinne von "Bedeutung" - einhergeht. Daß A.c.I.-Konstruktionen, die wir ebenfalls mit Hilfe von Lexikoneinträgen beschrieben haben, eine syntaktische Form haben, die unabhängig von Basisregeln generiert wird, liegt auf der Hand. Lediglich Fälle wie Karl ließ mich sie den Walzer lehren verlangen eine Bemerkung. Wir haben hier 3 Akkusative, und das scheint auf den ersten Blick außerhalb des A.c.I. nicht vorzukommen. Tatsächlich gibt es dergleichen jedoch, wenn einer der Akkusative adverbial ist:
letzten Monat lehrte ich sie den Walzer. Auch
Häufungen von Dativen kommen vor, wenn einer davon ein "ethischer1 Dativ ist: daß du mir ja nicht den Kerlen das Geld gibst! Offensichtlich müssen die Basisregeln außer dem Subjekt mindestens 3 NP bereitstellen, und es gibt keinen Grund, anzunehmen, daß sie nur eine beschränkte Anzahl bestimmter Kasus generieren. Die für ein gegebenes Verb geltenden Beschränkungen werden von seinem Lexikoneintrag beschrieben, und die Vorkommensmöglichkeiten adverbialer Kasus und 'ethischer' Dative unterliegen
all-
gemein nicht-strukturellen Reguläritäten, so daß Basisregeln zur Beschreibung ihrer Verteilung chnehin nicht in Anspruch genonroen werden können. Die Stellungs- und Reflexivierungseigenschaften von A.c.I.-Konstruktionen haben wir in 2.9.
weitgehend auf 'semantische' Eigen-
schaften zurückführen können, die einen strukturellen Unterschied zwi-
126
sehen A.c.I.-Konstruktionen und einfachem Satz nicht voraussetzen. Es ist zu hoffen, daß auch andere Probleme, die bei lass- bestehen, auf diese oder ähnliche Weise eine Lösung finden. Geläufige Ansichten darüber, wie ein A.c.I. strukturell ausgezeichnet sein könnte - indem er zB ein eingebetteter Satz ist -, tragen nach meiner Kenntnis verschiedener Ansätze zur Lösung der Probleme nichts bei oder sind mit anderen Gesichtspunkten nicht vereinbar. Ich schließe daraus, daß kein ernster Grund dagegen spricht, solche Konstruktionen durch Lexikoneinträge für die regierenden Verben seh-, lass- usw zu beschreiben. Da der Unterschied zwischen Aktiv und Passiv sowie zwischen 'einfachem Satz' und A.c.I.-Konstruktion keiner der syntaktischen Form ist, sondern einer der Distributionseigenschaften von Wörtern und Wortklassen (sowie
von deren logischen Charakterisierungen), ist es naheliegend, die
Relation nicht als eine zwischen Sätzen, sondern als eine zwischen Distributionsbeschreibungen von Wörtern zu beschreiben, also als L-Regel und nicht als T-Regel. Die Formulierung als L-Regel ist nicht nur naheliegend und mit den bisher besprochenen deskriptiven und explanatorischen Vorteilen verbunden, die daraus resultieren, daß eine L-Regel gewissermaßen 'vor1 der Einsetzung lexikalischer Elemente operiert. Darüber hinaus ist es eine Vorbedingung für L-Regeln, daß sie keine syntaktischen Strukturen generieren, sondern lediglich Beschreibungen von Satzfarmen in Relation zu einander setzen, die von unabhängig begründeten Phrasenstrukturregeln generiert werden. Wenn die Behauptung aufgestellt wird, eine syntaktische Relation, also etwa die Aktiv-Passiv-Relation, sei durch eine Lexikonregel zu beschreiben, so impliziert das mit Notwendigkeit, daß die Relation strukturbewahrend ist in dem Sinne, daß der eine Term der Relation dieselben durch Basisregeln definierten Formelemente benutzt wie der andere. In dieser Hinsicht macht eine L-Regel eine wesentlich stärkere Behauptung als eine T-Regel der Standardtheorie; insoweit ist eine lexikalistische Passiv- oder A.c.I.Theorie, wenn sie deskriptive Adäquatheit erlangt, einer transformationalistischen explanatorisch überlegen. Allerdings gibt es eine Modifikation der Standardtheorie, die ebenfalls ausdrücklich formuliert, daß die Aktiv-Passiv-Relation strukturbewahrend ist.
Ihrer Betrachtung gilt der folgende Abschnitt.
127
6.2.
Die formale Darstellung strukturbewahrender Relationen
6.2.1. Der Structure-Preserving Constraint von Emonds Einer der bedeutendsten Ansätze nach ATS, die Iheorie der Syntax zu spezifizieren und empirisch zu vertiefen, ist die Theorie des "StructurePreserving Constraint', die in Emonds (1975, 1976) entwickelt wird. Diese Theorie stellt die Hypothese auf, daß es 4 genau charakterisierbare Typen von Transformationen gibt: All grammatical transformational operations are either root, structure-preserving, local, or deletion operations. (Emonds 1975: 4)
Für unsere Zwecke können wir von den beiden letzten Typen i.a. absehen. Das Interessante an den beiden ersten Typen ist, daß aus der Definition der formalen Unterschiede ihrer Operationen und dem Structure-Preserving Constraint folgt, daß sie i.a. verschiedene Anwendungsbereiche haben. Die Definition von Root Transformations (Hauptsatztransformationen) lautet: Root Sentence: root S is an S that is not dominated by a node other than S. (1976: 2) Root Transformation: A transformation ... that moves, copies, or inserts a node C into a position in which C is immediately dominated by a root S in derived structure is a "root transformation..." (1976: 3)
Aus der Anwendung einer Hauptsatztransformation resultiert demnach eine bestinmte Konstituentenstruktur des Hauptsatzes, wie sie i.a. sonst nicht zu beobachten ist. Aus der Anwendung von strukturbewahrenden Transformationen hingegen resultieren Konstituentenstrukturen, wie sie auch von Basisregeln definiert werden: Structure-Preserving Transformation: A transformation ... that introduces or substitutes a constituent C into a position in a phrase marker held by a node C is called "structure-preserving." (1976: 3) A transformational operation T that substitues a node B and all the material dominated by it for some node C that is a constituent of the same category is structure-preserving. (1976: 68) This notion of moving a constituent labeled X into a position where a node X is already provided for by the phrase structure rules is the central idea in the definition of a structure-preserving transformation. ( 1 9 7 6 : 67)
128
Wenn eine Regel R. eine Struktur generiert, die nicht von Phrasenstrukturregeln der Basis generiert werden kann, ist sie demnach keine strukturbewahrende Hegel; da es nach dem Structure-Preserving Constraint außer strukturbewahrenden Transformationen (und lokalen und Tilgungstransfonnationen, von denen wir absehen) nur Hauptsatztransformationen gibt, muß R. zu diesem Typ gehören; das heißt, daß sie einen ganz bestürmten strukturellen Effekt im Hauptsatz haben muß. Wenn, umgekehrt, eine Regel R. in eingebetteten Sätzen operiert, muß sie die strukturbewahrenden Eigenschaften haben; eine Abweichung von den in der Basis zugelassenen Grundformen ist nur als Resultat von Hauptsatztransformationen in Hauptsätzen möglich. Alle in eingebetteten Sätzen beobachtbaren Konfigurationen sind deshalb mögliche Grundformen: The essential empirical claim embodied in the structure-preserving constraint ist that, abstracting away from the effects of local rules on the grammar, any dependent clause position for a category C is a base position for that category. (1975: 4)
Da die Passiv-Regeln in Sätzen beliebiger semantischer Art und beliebigen Einbettungsgrades wirksam sind und keiner Definition von lokalen Transformationen genügen, müssen sie nach dieser Theorie strukturbewah1rend sein, was sie, wie wir besprochen haben, tatsächlich sind. Wenn der Structure-Preserving Constraint empirisch signifikant und richtig
ist,
bietet er damit eine Erklärung dafür, daß das Passiv diese Eigenschaft
hat.
6.2.2. Kritik an der Definition der Structure-Preserving Transformations Wenn eine Eigenschaft wie die der strukturbewahrenden Relationen erklärt werden soll, muß sie zuvor beschrieben sein. Ob eine gegebene Regel strukturbewahrend im erläuterten Sinne ist,
könnte man einfach durch Vergleich
ihrer möglichen Ausgabestrukturen mit den möglichen Basis-Konfigurationen feststellen; dieses Vergleichsverfahren wäre metatheoretischer Natur, insofern es nicht Teil des deskriptiven Regelapparats wäre, sondern über ihn Aussagen zu treffen hätte, und selbst nicht formalisiert. Das müßte nicht unbedingt als Fehler oder Niangel gelten. Vorteilhafter aber ist es natür-
129
lieh, erstens auch hier zur Formalisierung zu kamen - zum einen, um sich der größtmöglichen Präzision der Aussage zu vergewissern, zum anderen, weil nur so die Entwicklung einer Evaluationsmetrik möglich wird -; und zweitens, den deskriptiven Apparat so einzurichten, daß er die gewünschte Klassifikation automatisch selbst liefert und metatheoretische Operationen überflüssig macht. Eine solche Formalisierung des Begriffs der strukturbewahrenden Relation ist die Lexikonregel: Da sie 'vor1 den VergleichsOperationen wirksam ist, die in Bedingungen (ii) und (iii) der Konventionen für einfache Lexikcneinträge formuliert sind, gibt sie notwendig eine strukturbewahrende Relation an. Da Emonds im Grundsatz den transformationalistischen Rahmen beibehält, muß er einen anderen Weg wählen, die strukturbewahrende Eigenschaft einer Regel formal zu charakterisieren. Er greift zu diesem Zweck die Idee von Chcmsky (1964: 41) auf, in der Tiefenstruktur nicht mit Notwendigkeit alle Knoten mit lexikalischem Material zu belegen, sie 'leer1 zu lassen. Er bestimmt, daß die Anwesenheit solcher leerer Knoten in der Tiefenstruktur eines Satzes nicht durch Distributionsrestriktionen ausgeschlossen, unter gewissen Bedingungen aber gefordert werden kann; Knoten, die aufgrund von Distributionsrestriktionen oder Phrasenstrukturregeln in einem Satz obligatorisch sind, müssen lediglich an irgendeinem Punkt seiner Ableitung, nicht unbedingt in der Tiefenstruktur, lexikalisch gefüllt sein (1976: 67 f ) . Wenn eine strukturbewahrende Regel eine Konstituente K_ umstellt oder kopiert, kann sie nach dieser Idee immer mit dem Strukturindex ,l· _ V··
_ "
l 4.
notiert und als Substitution von K1 für K1 dargestellt werden. Denn da m n . K1 nur in eine Position treten kann, wo ein K von den Basisregeln generiert wird, kann man dort, auch wenn keine lexikalisch realisierte Konstituente K vorhanden ist, doch immer einen von der Basis generierten leeren Knoten dieser Kategorie annehmen. (Bei einer Insertion findet sich K1 in der Angabe der strukturellen Veränderung und nur K3" in der Angabe der strukturellen Analyse). Damit diese Nöglichkeit auch dann gegeben
ist,
wenn K im Verlauf der Ableitung schon einmal belegt gewesen und durch die Wirkung einer Regel wieder frei geworden ist, muß auch jede durch
13
eine strukturbewahrende Transformation umgestellte Konstituente einen leeren Knoten ihrer Kategorie -optional! - hinterlassen können (1976: 68). Aus der Formulierung der Regel selbst ist also, ohne Rückgriff auf die Basisregeln, erkennbar, um welchen Trans forma tionstyp es sich handelt: Ist die relevante Konstituente K in der Ausgabestruktur unmittelbar von dem S eines Hauptsatzes dominiert, haben wir eine Hauptsatztransformation; tritt K1 an die Stelle eines K 1 , wie oben beschrieben, haben wir eine strukm n turbewahrende Transformation; entsprechende Bestimmungen gelten für die beiden anderen Typen (lokale und Tilgungstransformationen) . Eine einfache Überlegung zeigt jedoch, daß dieses Konzept der leeren Knoten keine adäquate Formalisierung des Begriffs der strukturbewahrenden Relation, wie er inhaltlich charakterisiert worden ist, herbeiführen kann, insofern es enger ist als dieser. Nehmen wir an, es gebe in einer Sprache Iv,, die Phrasenstrukturregeln VP- V - (NP) pp _ p _
NP
und zwischen Sätzen der Form X1 - V -
- P - NP2
- V - NP2 -
bestehe eine regelmäßige syntaktische Entsprechung. Dann könnte man eine Trans formationsregel aufstellen, die wie SA: XL - [ y p V - N P - P - N P - X j ] l SV: l
2
3
4
5
6
2 5 3 ) 0 0
6
formuliert ist und Sätze mit der Struktur
Tatsächlich lassen die Definitionen jedoch z u , daß eine Transformation sowohl strukturbewahrend als auch eine Hauptsatztransformation ist: wfenn K unmittelbar von dem S eines Hauptsatzes dominiert n ist. Die Form der Ausgabestruktur allein läßt also keinen Schluß auf den Status der Regel zu. Demnach könnte eine Regel formuliert werden, die auf Root Sentences beschränkt und dennoch strukturbewahrend ist. Dergleichen ist mit Lexikonregeln unmöglich.
131
1
auf Sätze mit der Struktur S
X
V
1
^2
^1
X
2
abbildet, und nach der inhaltlichen Bestürmung, daß eine Regel, deren Ausgabestruktur von Basisregeln generierbar ist, strukturbewahrend ist, wäre diese Regel strukturbewahrend. Nach der Formalisierung als Substitution leerer Knoten jedoch wäre sie es nicht, denn bei der Ableitung des Satzes kann in der Basis nur entweder PP oder NP gewählt werden; ein leerer NPKnoten steht bei Anwendung der Iransformationsregel nicht zur Verfügung. Da die Formalisierung strukturbewahrender Relationen ganz auf die Substitution von - vorzugsweise leeren - Knoten abgestellt ist,
läßt sie eine
weitere Abweichung von der Formalisierung durch Lexikonregeln zu. Lexikonregeln formulieren eine Relation zwischen Satzformen, die jeweils mögliche Basiskonfigurationen sind; hinsichtlich anderer Konfigurationen sind sie, solange die Einsetzung lexikalischer Elemente nur in der Basis stattfindet, wie wir es hier voraussetzen, nicht interpretierbar. In Emonds' Definition können demgegenüber nur für die Ausgabestruktur Restriktionen aufgestellt werden, mit den Mitteln seines Apparates kann nicht gesichert werden, daß auch die Eingabestruktur eine mögliche Basiskonfiguration ist.
Nehmen wir zB an, in einer Sprache LS sei eine Struktur
X1 - B - A - X2
mit B unmittelbar vor A nicht durch Phrasenstrukturregeln allein, aber durch Anwendung nicht-strukturbewahrender Regeln auf eine Basiskonfigura-
132
tion generierbar, und es gebe außerdem eine Basiskonfiguration X1-B-X2-A-X3. Dann ist eine Ableitung denkbar, in der eine Basis Sl l On
X
l ~ ^1 ~ ^2 ~~ ^1 ~ X3 ~ ^2 ~ X4 -.
1
™ D
^ -"O ^
O "~ ^^i
^
O ^
yl
durch nicht-strukturbewahrende Regeln in eine Konfiguration S2 überführt wird. Wenn darauf nun eine Regel R. operiert, die S2 auf S3 abbildet, indem sie B» für B., substituiert, dann ist nach der Definition von Emonds R. eine Structure-Preserving Transformation, obwohl die Eingabestruktur keine mögliche Basiskonfiguration ist.
Verhindern könnte man diese nicht
wünschenswerte - und in adäquaten Analyse offenbar nicht nutzbare - Konsequenz, soweit ich sehe, nur durch die Postulation einer Zusatzbedingung, daß nicht-strukturbewahrende Regeln grundsätzlich nur nach strukturbewahrenden Regeln angewendet werden. Man sieht, daß die Formulierung strukturbewahrender Relationen als Lexikonregeln hier explanatorisch überlegen ist, denn sie impliziert diese Bedingung automatisch. Ähnliches gilt für die eigenartige Bestimmung, daß strukturbewahrende Transformationen, aber nicht
Hauptsatztransformationen,
leere Knoten zurücklassen - aber nur fakultativ, weil sonst die Oberflächenrestriktion gegen leere Knoten u.U. verletzt würde. In Emonds' Zusanmenhang sind beide Bestimmungen völlig willkürliche Festsetzungen,ad hoc eingeführt, um den sprachlichen Fakten Rechnung zu tragen. Lexikonregeln dagegen können selbstverständlich untereinander interagieren und benötigen weder als 'Eingabe1 noch als 'Ausgabe' leere Knoten. l
Daß strukturbewahrende Relationen i.a. durch lexikalische Regeln erfaßt werden können, ist öfter bemerkt worden, cf. Shopen (1972: 2 7 5 ) , Freidin (1975: 4o4) , Bresnan (1976, 1977), Wasow (1977). Die Signifikanz dieser Tatsache ist aber, soweit ich sehe, nicht realisiert worden. Die Theorie der leeren Knoten ist, wie erwähnt, inzwischen in der Trace Theory erheblich weiterentwickelt worden, cf. (Chomsky/Lasnik 1977) , (Freidin 1978). Hier ist nicht der Raum, darauf einzugehen. Mir scheint, daß wesentliche Bedenken bestehen bleiben; zur Behandlung des Passivs vgl. p. io2 Fn.l.
133 Unabhängig davon ist klar, daß die Benutzung leerer Knoten, wie wir sehen in 4.2. festgestellt haben, im Grundsatz ein lexikalistisches, antitransformationalistisches Verfahren ist, da es die Beschreibung syntaktischer Zusanroenhänge 'vor1 der Einsetzung lexikalischer Elemente an dieser Stelle erlaubt. Selbst der Versuch also, strukturbewahrende Relationen unter Beibehaltung transformationalistischer Prinzipien zu formalisieren, muß essentiell lexikalistische Prinzipien verwenden.
6.2.3. Kritik am Structure-Preserving Constraint Ein Einwand, der noch wesentlich weiter geht, betrifft die Analyse des 'Dative Movement' (= 'Indirect Objekt Movement'), die in (Emonds 1976: 80 ff) vertreten wird. Nach dieser Analyse ist ein Satz wie sane Student paid the bank back his loan auf einen Satz sane student paid his loan back to the bank zurückzuführen. Dies geschieht durch eine Transformationsregel wie f to l SA: - V - NP - (P) -[pp| for} - NP] - ^ 1 S
V
:
2
3
1 2 6
4
5
6
7
4
0
3
7,
durch die die beiden Ncminalphrasen für einander substituiert werden und die Präposition ausfällt. Wenn man die Präposition nicht ausfallen läßt, sondern durch with substituiert, kann diese Regel den Zusammenhang zwischen Sätzen mit to-Präpositicnalphrase und solchen mit with wie they credited this discovery to Smith they credited Smith (with this discovery) the company furnished a car (to us) the company furnished us with a car France used to supply jets (to Israel) France used to supply Israel (with jets) einleuchtend beschreiben (1976: 81) : Die beiden Sätze eines Paares haben völlig identische Struktur; sie unterscheiden sich nur durch die Präposition und durch die Reihenfolge der Ncminalphrasen (bzw dadurch, von welchen Symbolen diese dominiert werden), wenn wir davon absehen, daß die Präpositionalchrasen in verschiedenem Maß obligatorisch sein können; daß
134
dies eine strukturbewahrende Relation ist - wenn es eine reguläre syntaktische Relation ist -, steht außer Frage. Bei den Satzpaaren, deren Verhältnis durch die Regel mit Tilgung der Präposition charakterisiert werden soll, ist die Lage jedoch anders. Aufgrund der üblichen Konventionen für die abgeleitete Konstituentenstruktur ist a letter in dem abgeleiteten Satz John gave Bill a letter nämlich auf jeden Fall eine Präpositionalphrase, da diese NP eine von PP dominierte NP in dem zugrundeliegenden Satz John gave a letter to Bill substituiert hat; nach dem Willen von Emonds kann man sogar das Vorhandensein eines leeren P-Knotens annehmen (1976: 81):
John
gave Bill
a letter.
Für eine solche Konstituentenstruktur gibt es aber zweifellos nicht die geringste unabhängige Motivation; alle ersichtliche Evidenz weist darauf hin, daß solche Sätze die Form
John
gave Bill
a letter
haben, wo keine PP-Konstituente vorhanden ist.
Bei solchen Konventionen
für die abgeleitete Konstituentenstruktur generiert Emonds1 Regel, die in seinem Sinne strukturbewahrend ist,
deshalb unkorrekte Cberflächen-
strukturen. Man könnte erwägen, diese Konventionen zu ändern; zB ist vielleicht die Metaregel zu rechtfertigen, daß eine Konstituente ihren Charakter als Präpositionalphrase verliert, wenn sie ihre Präposition verliert. Nach dieser
135
Konvention würde das Transformationsprodukt mit getilgter Präposition automatisch die PP-Kennzeichnung verlieren, und das Ergebnis wäre eine Struktur wie die zuletzt aufgeführte. Diese Konvention würde also wohl zur richtigen Oberflächenstruktur führen; die Regel wäre dann aber nicht mehr im inhaltlichen Sinne strukturbewahrend, denn nach Emonds' Voraussetzungen gibt es eine Phrasenstrukturregel VP- V - (NP) - (NP)
im Englischen nicht. Wenn zugelassen wäre, daß Dative Movement einerseits im Sinne von Emonds strukturbewahrend ist,
da eine Noninalphrase für die
andere substituiert wird, und andererseits infolge der Metaregel dennoch eine abgeleitete Konstituentenstruktur resultiert, die in der Basis nicht vorkamen kann, müßte dies als weiterer Einwand gegen diesen Weg der Formalisierung gewertet werden. Dative Movement ist, mit anderen Worten, keine strukturbewahrende Relation, wenn es die oben gegebene Phrasenstrukturregel nicht gibt. Wenn sie, entgegen Emonds1 Annahmen, doch existiert,
stellt sich das eben
für Lp,, diskutierte Prcblem ein: Da das zweite NP in der Basis alternativ zu PP gewählt werden müßte, gäbe es keine IVöglichkeit, die Relation mit dem Apparat von Emonds als strukturbewahrend zu charakterisieren, wohl aber bei Verwendung von Lexikonregeln; in diesem Fall wäre Emonds' Formalisierung zugunsten der Formalisierung durch L-Regeln widerlegt. Wenn man diese Konsequenz nicht ziehen will oder diese Basisregel nicht unabhängig begründbar ist, müßte eine noch weiter gehende Konsequenz gezogen werden: Da Dative Movement dann nicht strukturbewahrend wäre, aber doch in Sätzen beliebiger Art operiert, könnte die Regel nur noch als Local Transformation beschrieben werden. Das ganze Bemühen von (Emonds 1976: 81 ff) ist
jedoch, zwingend nachzuweisen, daß Dative MD-
vement eine wechselseitige Substitution der beiden Noninalphrasen über eine Partikel hinweg beinhaltet und deshalb auf keinen Fall als lokale Transformation analysiert werden kann. Wenn nun die Definition von Local Transformations so erweitert werden müßte, daß sie auch Dative Move1
Oehrle (1976) plädiert für die Existenz einer solchen Basisregel.
136
ment erfaßt, würde die empirische Signifikanz der ganzen Theorie des Structure-Preserving Constraint zusammenbrechen. Denn empirisches Interesse hat die Vorhersage, daß alle syntaktischen Relationen, die in beliebigen Sätzen operieren, so wie die Aktiv-Passiv-Relation strukturbewahrend sind, nur unter der Bedingung, daß die Ausnahmen zu dieser Regel selbst regelmäßiger Art und präzise definierbar sind. Es war deshalb von Anfang an ein Problem der Theorie, daß die genaue Charakterisierung dieser Ausnahmen nie ganz klar und ständiger Modifikation unterworfen war. Wenn man nun auch die Rslation Dative Movement, die zuvor als Glanzstück einer strukturbewahrenden Analyse herausgestellt wurde, als Ausnahme betrachten müßte, könnte die Unterscheidung von strukturbewahrenden und lokalen Transformationen nicht länger als systematisch gelten; sie wäre nur noch ad hoc zu treffen, und es wäre nicht mehr vorhersagbar, welche Relationen strukturbewahrend sein müssen und welche nicht. Ich schließe aus dieser Diskussion, daß das Konzept der Lexikonregeln die einzige adäquate Formalisierung strukturbewahrender Relationen darstellt und der Formalisierung von Qnonds in jedem Fall explanatorisch überlegen ist,
und daß die Theorie des Structure-Preserving Constraint, so-
weit sie allgemeine Bedingungen für strukturbewahrende Relationen angibt, entweder empirisch leer oder aber gezwungen ist, mit Lexikonregeln an Stelle von transfonnationellen Substitutionsregeln zu operieren.
7.
AGENSAUSDFÜCKE
In diesen Kapitel will ich zeigen, daß die Prcblerne, die sich beim agenslosen Passiv in 4.2. gezeigt haben, allgemeiner Natur sind, daß nämlich der Agens nicht, wie es gewöhnlich vorausgesetzt wird, in demselben Sinne wie das primäre (und auch das sekundäre) Subjekt direkt selegiert ist,
sondern
daß man allenfalls von einem indirekten Zuordnungsverhältnis sprechen kann, da es das Ergebnis von pragmatischen Interpretaticnsmechanismen voraussetzt, wie wir es ähnlich in 1.3.1. und 1.3.3. kennengelernt haben. Ein Passiv mit ausgedrücktem Agens kann nach dieser Analyse auf keine Weise auf ein Aktiv mit lexikalisch - etwa pronominal - spezifiziertem Subjekt zurückgeführt werden, wie es in einer rein transformationellen Iheorie nötig wäre; allenfalls ein Mischsystem wie (Chomsky 1964) hätte, da es wesentlich lexikalistisch verfährt, die Voraussetzungen, die hier besprochenen Fakten und ihre Analyse in wesentlichen Teilen zu integrieren.
7.1.
Grundlegung
Es ist für die Überlegungen in diesem Kapitel wichtig, daß über das logische Verhältnis arischen Aktiv und Passiv grundsätzliche Klarheit besteht; wir gehen noch einmal auf sehen mehrfach angeschnittene Erwägungen ein. Das Vollverb hat in Aktiv und Passiv nicht nur i.a. dieselben distributicnellen Eigenschaften, die sich lediglich kategorial in bestimmter Weise anders realisieren, sondern auch dieselben logischen Eigenschaften: l
Zu inhaltlich ähnlichen Schlüssen sind, aufgrund völlig anderer Evidenz und mit wichtigen Abweichungen in Einzelheiten der formalen Deskription, Langacker/Munro (1975) gelangt.
138
Es hat dieselben Wahrheitsbedingungen und beschreibt dieselben Situationen. Insbesondere gibt es in Aktiv und Passiv dieselben Argumentstellen, die in derselben logischen Charakterisierung des Verbs dieselbe Funktion erfüllen; anders ist nur, parallel zu den subselektionalen Restriktionen, deren Zuordnung zu den syntaktischen Konstituenten: Das Argument A. , das im Aktiv vom Akkusativobjekt charakterisiert wird, wird im (werden-) Passiv vom Subjekt charakterisiert, und das Argument A3. , das im Aktiv von Subjekt charakterisiert wird, wird im Passiv entweder gar nicht ausdrücklich oder von einer Präpositionalphrase mit von charakterisiert. Eine wesentliche Abweichung des Passivs vom Aktiv ist, daß eine der Konstituenten, der Agens, i.a. fakultativ ist, obwohl die ihm zugeordnete Argumentstelle (im regelmäßigen Fall) nie verloren geht und die ihm entsprechende Konstituente des Aktivs, das Subjekt, nie fakultativ ist.
In
diesem Punkt ist das Passiv Verben wie ess-, gratulier-, reagier- ähnlich, die immer (mindestens) 2 Argumente haben, auch wenn die der zweiten Argumentstelle zugeordnete Konstituente nicht realisiert ist.
Daher impli-
zieren die Sätze unter a jeweils die Sätze unter b: a b
Karl wurde geschlagen Karl wurde von jemand geschlagen
a b
Karl aß Karl aß etwas
a b
Karl gratulierte Karl gratulierte jemand
a b
Karl reagierte selten Karl reagierte selten auf etwas.
Das agenslose Passiv unterscheidet sich durch das Vorhandensein eines nicht lautlich realisierten Arguments einerseits von Verben wie schlaf und betas t-, die (im Aktiv) stets so viele Konstituenten wie Argumentstellen haben, und andererseits von Beispielen wie die Tür schließt sich die Stange biegt sich der Balken senkt sich,
die gegenüber verwandten Sätzen wie
139 Karl schließt die Tür Karl biegt die Stange Karl senkt den Balken
zwar die gleiche Anzahl und Art von Konstituenten, aber jeweils l Argument weniger haben; hier implizieren die Sätze unter a deshalb nicht die unter b: a die Tür schloß sich b jemand/etwas schloß die Tür a die Stange biegt sich b jemand/etwas biegt die Stange a der Balken senkt sich b jemand/etwas senkt den Balken.
Eine verwandte Reduktion der Argumentstellenzahl
(aber mit gleichzeitiger
Reduktion der Konstituentenzahl) finden wir bei Verben wie roll-, verbrennu.ä. , etwa Karl rollte das Faß weg gegenüber das Faß rollte weg\ Dort impliziert l sowohl 2 als auch 3, aber 2 impliziert weder l noch 3: 1 das Holz wurde verbrannt 2 das Holz verbrannte 3 jemand verbrannte das Holz
Wir wollen terminologisch festhalten: Wenn ein passiver Satz mit Agensausdruck von der Form a den gleichen Satz ohne Agensausdruck (b) impliziert, dann ist der Agensausdruck fakultativ. Dabei ist vorausgesetzt, daß b einen Satz mit Agensausdruck impliziert (c): a
X. wurde von NP,
b
X^ wurde \P2
c
X, wurde von NP2
Am Beispiel: a 1 impliziert b 1 , und dieses impliziert c 1 : a' Karl wurde von Heinz geschlagen b 1 Karl wurde geschlagen c 1 Karl wurde von jemand geschlagen. Diese Voraussetzung ist zB nicht erfüllt in wir wurden in einen Unfall verwickelt bei dem Unfall wurden mehrere Leute verletzt. Es scheint sich hier um halbwegs idiomatisierte Bildungen, nicht um reguläre Passive zu handeln.
jedenfalls
14
Agensausdrüdce sind in aller Regel in diesem Sinne fakultativ. Allerdings müssen wir eine Reihe von Ausnahmen festhalten. So implizieren in den folgenden Beispielen die Sätze unter a nicht die unter b: a das Dach wurde von 4 Säulen getragen b das Dach wurde getragen a der Garten wurde von einem Zaun begrenzt b der Garten wurde begrenzt a Karl wurde von Halluzinationen verfolgt b Karl wurde verfolgt.
In den folgenden Beispielen ist der Satz ohne Agens sogar unakzeptabel: a wenn dieses Amt von Heinemann bekleidet werden soll, ... b *wenn dieses Amt bekleidet werden soll, ... a obwohl der Höhepunkt des Festes von Karls Auftritt gebildet wurde,, b *obwohl der Höhepunkt des Festes gebildet wurde, ...
Weitere Beispiele mit nicht-fakultativem Agens: das Gefäß wurde von der Flüssigkeit völlig ausgefüllt die Lampe wird von einem starken Haken gehalten das Tal wird von einem Fluß durchzogen letzte Nacht wurde ein Wanderer von einem herabfallenden Ast erschlagen die Maschine wurde von einem -Motor angetrieben solange der Fluß von mehreren Quellen gespeist wird wenn von einem Betrunkenen ein Unfall verursacht wird das Gebäude wird von einer Linde überragt.
Es ist unklar, auf was für Faktoren dies zurückzuführen ist. Für einen Teil der Fälle mag die Vermutung von Oksaar (197o: 91) zutreffen, daß "Verben mit übertragener Bedeutung" die relevante Variable sind. Allgemein kann das jedoch nicht stimmen, denn zB verursach- und überrag- in den beiden letzten Beispiele sind nicht in 'übertragener Bedeutung1 gebraucht. Ein Ant/einen Posten bekleid- ist keine Metapher, sondern am ehesten mit idiomatischen Verbindungen zu vergleichen; diese können sonst durchaus ohne Agens vor (ihm wurde der Gaus gemacht). Falls durchzieh-, ausfüll-, antreib- in den obigen Beispielen eine 'übertragene Bedeutung' haben, sollte das auch für treib- in er wurde (von den Wogen) an Land getrieben gelten; hier ist der Agens aber fakultativ. Auch eine Reihe anderer naheliegender Hypothesen, die ich hier nicht verfolgen will, scheitern als allgemeines Erklärungsprinzip. Diese Fälle sollen hier als Problem festgehalten sein; für den allgemeinen Fall können wir davon ausgehen, daß Agensausdrücke fakultativ sind.
141
Das Ziel des folgenden ist es nun, zu zeigen, daß die Argumentstelle für A in der Definition des Passivs (dh in den Distributionsangaben des Passivhilfsverbs bzw -suffixes) niemals direkt einer Konstituente zuzuordnen ist. Soweit dieser Argumentsteile im Passiv eine Agenskonstituente zugeordnet werden kann oder muß, soll das indirekt aufgrund eines interpretativen Verfahrens geschehen, das wir bereits bei der Behandlung von Prädikaten mit Argunentstellen ohne zugeordnete Konstituenten voraussetzen mußten. Die Passivregel definiert keine direkte Argumentstellen-Konstituenten-Zuordnung für den Agens; im Vorgriff auf dieses Kapitel haben wir das bereits bisher berücksichtigt. Ein Paar wie Karl schenkte den kranken Goldhanster einem Kind der kranke Goldhamster wurde von Karl einem Kind geschenkt ist auch in der hier zu entwickelnden Analyse inhaltlich gleichbedeutend. Ein Unterschied besteht darin, daß die logische Charakterisierung des passiven Satzes nicht direkt aufgrund von Verbbedeutung und lexikalisch selegierten Konstituenten, sondern indirekt aufgrund der Verbbedeutung und der Wirkung eines Schlußverfahrens zustande kamt. Wenn man das für eine bestimmte grammatische Form charakteristische übersetzungsverfahren als Explikation und Präzisierung des traditionellen Begriffs der 'Konstruktionsbedeutung1 ansieht, kann man also sagen, daß Aktiv und Passiv verschiedene Konstruktionsbedeutungen haben, auch dann, wenn sie in einem gegebenen Satzpaar identische oder äquivalente logische Charakterisierungen haben.1 7.2.
Kontextdefiniter Agens
Das normale Ubersetzungsverfahren verläuft so, daß eine Argumentstelle durch ein Argument, dh durch eine durch einen Operator gebundene Variable, ausgefüllt wird, wobei die Art des Operators und die weitere Beschreibung l
Bedeutungsentsprechung im engeren Sinne ist natürlich ohnehin nur insoweit zu erwarten, als man von den speziellen Bedeutungsmomenten der verschiedenen Passivtypen absieht; lediglich das Werden-Passiv und ein Teil des sein-Passivs sowie das Passiv mit krieg- usw leisten zur Bedeutung des Satzes praktisch keinen eigenen Beitrag. - Unterschiede in der Topic-Comment-Verteilung zwischen Aktiv und Passiv sind, soweit diese Verteilung besonders mit dem grammatischen Subjekt zu tun hat, natürlich zu erwarten.
142
der Variablen aus der Übersetzung jener Konstituente gewonnen werden, die der Argumentstelle lexikalisch zugeordnet ist. Wenn im Passivsatz keine Konstituente enthalten ist, die das Argument Ae charakterisiert, und die Argumentstelle für A demzufolge nicht im nora a malen Übersetzungsprozeß ausgefüllt werden kann, muß sie mittels einer besonderen Regel (die auch für Fälle wie Karl aß verwendbar ist) durch eine gebundene Variable ausgefüllt werden. Im allgemeinen geschieht die Bindung durch den Existenzquantor, da A im agenslosen Passiv gewöhnlich unbe3.
stimmt ist und der Satz lediglich impliziert, daß es irgend einen nicht näher bestimmten Gegenstand gibt, der die Wahrheitsbedingungen des Verbs hinsichtlich dieser Argumentstelle erfüllt. Das ist jedoch nicht in allen Beispielen so. Die Sätze die Gesetze wurden damals noch befolgt Karl wird in seiner Firma als Sonderling angesehen in guten Zeiten wird mehr gearbeitet als sonst
implizieren nicht nur, daß irgend jemand Gesetze befolgte, Karl als Sonderling ansieht oder mehr als sonst arbeitet, sondern daß dies - innerhalb eines gewissen Bereichs - jeder tut oder mindestens, daß es als typisches Verhalten gilt. Das ist ganz so wie in Aktiven der Art ein Parlament ist dazu da, Gesetze zu beschließen ein Sonderling bringt es selten weit ein fleißiger Mensch arbeitet auch ohne Gehalt,
wo eine singularische indefinite Ncminalphrase die gleiche generelle Extension auf alle oder mindestens alle typischen Elemente der von Substantiv charakterisierten Msnge hat, cbwchl sie normalerweise nur eine Existenzbehapptung impliziert. Wie diese semantisohe Eigentümlichkeit adäquat zu repräsentieren ist und auf welche Weise sie sich aus der Bedeutung der Satzteile regelmäßig ergibt, ist nicht klar. Da dies jedoch ein allgemeines Problem der generischen Ausdrücke ist und nicht unmittelbar mit dem Passiv zu tun hat, können wir es hier außer acht lassen. Das Passiv kann auch performativ gebraucht werden. Beispiele wie die Höchstlast wird (hiermit) auf 2 t begrenzt dem Antrag wird (hiermit) stattgegeben
implizieren den Sprecher (bzw Autor) als Agens. (Da ein Gesetz als gewissermaßen losgelöst vom Gesetzgeber erscheint, wäre im ersten der beiden Bei-
143
spiele möglicherweise sogar dieses Gesetz o.a. als Agens zu supponieren.) Wie bei den vorigen Beispielen ist auch hier deutlich, daß es zum guten Teil von semantischen Eigenschaften der verschiedenen Teile des Satzes abhängt, ob diese Interpretation möglich ist,
ohne daß die Regularitäten
im einzelnen genau bekannt sind. (Es ist auch, unabhängig davon, nicht klar, wie die besonderen Eigenschaften performativer Äusserungen in der Grammatik adäquat zu formulieren sind - falls sie dort formuliert werden müssen.) Wir wollen überlegen, ob das Auftreten dieser Interpretationstypen mit transformationalistischen Mitteln adäquat beschrieben werden könnte. Beispielsweise könnte in generisohen Sätzen ein Agens von allen unter ganz bestimmten Bedingungen getilgt werden, und ebenso könnte in performativen Sätzen mit einem Agens von mir unter ganz bestimmten anderen Bedingungen verfahren werden. Da die Tilgung dieser Agensphrase an je spezielle Bedingungen geknüpft wäre, könnte nicht der naheliegende Einwand dagegen erhoben werden, daß jedes agenslose Passiv fälschlich als mehrdeutig hinsichtlich eines "generellen1, 'performativen' oder unbestimmten Agens gekennzeichnet würde. Da die relevanten Faktoren nicht in Einzelheiten bekannt sind und weder eine transformationelle noch eine interpretative Analyse präzise ausgearbeitet ist,
kann man nicht ausschließen,
daß die beiden Verfahren in diesen Fällen deskriptiv äquivalent sind. Etwas anders sind Beispiele, deren Agens innerhalb eines gegebenen Kontexts als definit, und zwar als anaphorisch verstanden werden kann oder muß.
Wenn in einem darlegenden Text steht im folgenden soll die
Agensphrase näher betrachtet werden, dann ist klar, daß dem ein Aktiv mit einer ersten Person als Subjekt entspricht: im folgenden will ich/wollen 2 wir die Agensphrase näher betrachten; keineswegs soll die Betrachtung von irgendeinem unbestimmten Wesen durchgeführt werden. Nöglicherweise muß man hier spezielle rhetorische Konventionen in Rechnung stellen, die für das Verständnis allgemeiner sprachlicher Prinzipien von sekundärem Interesse sind. 1
Vgl. die Besprechung'definiter Ellipsen' in 1.3.1.
2
Auf die Alternation zwischen soll- und woll- gehen wir in 8.1.2.
ein.
144
Dieser Ausweg ist nicht offen bei einer Satzfolge wie Karl haßt seine Eltern. Er ist in seiner ganzen Jugend nur getadelt und geschlagen worden. Wenn dies als zusamnenhängendes Textstück gelten soll, muß ein direkter semantisdier Zusammenhang zwischen den Sätzen bestehen, und die natürlichste Annahme ist, daß der zweite Satz eine Begründung für den ersten angibt, was, wenn andere Evidenz nicht ausdrücklich dagegen spricht, die Annahme begründet, daß es die Eltern waren, die Karl in seiner ganzen Jugend schlugen. Mindestens in der naheliegendsten Interpretation ist zu er ist ... geschlagen werden also ein anaphorischer Agens wie von ihnen anzunehmen. Ähnliche Überlegungen gelten für Folgen wie Müllers mästen ein Kaninchen. Es soll Weihnachten verspeist werden; sie freuen sich schon darauf. Karl dankte seinen Kollegen dafür, daß sein Vorschlag so stark unterstützt worden war/ in denen, soweit keine anderen Informationen gegeben sind, jeweils von ihnen als Agens einsetzbar ist. Bei transformationeller Darstellung sind solche Fälle entweder auf anaphorische Tilgung einer Noninalphrase oder auf Tilgung eines anaphorischen Pronomens zurückzuführen. Das Problem dabei ist die rechte Formulierung der Bedingungen, unter denen eine Konstituente als anaphorisch im relevanten Sinne gelten kann; wenn der erste Weg - Tilgung einer vollen Noninalphrase - beschritten wird, müssen diese Bedingungen in der syntaktischen Tilgungstransformationsregel formuliert sein; am naheliegendsten ist eine Tilgung unter Identität nach geläufigen Vorbildern. Die Schwierigkeit aber ist, daß der Agens grundsätzlich in dieser Weise definit sein kann, wenn aus dem Vorwissen von Sprecher und Hörer klar oder wahrscheinlich ist, wie die ungefüllte Argumentstelle zu füllen ist: Auch die isolierte Äußerung eines Satzes wie die Begonien werden grade gewässert kann unter geeigneten situativen anständen mit genauer' Kenntnis des Agens bei Sprecher und Hörer verbunden sein. Solches Vorwissen kann auf verschiedene Weise zustande kamen: Dadurch daß Sprecher und Hörer gemeinsame Kenntnis eines vorhergehenden Textes (oder einer Rede) haben, in dem der Agens wörtlich genannt oder aus dem er deduzierbar ist; oder dadurch, daß Sprecher und Hörer gemeinsame Kenntnis einer lebensweltlichen Situation haben, auf die sie sich
145
bei der Äußerung des Satzes stillschweigend beziehen; oder dadurch, daß sie einen Teil ihrer Biographie gemeinsam haben. Da wir es hier ganz
all-
gemein mit der psychischen Repräsentation von Wissen, u.U. ohne alle sprachliche Vermittlung, zu tun haben, ist die (manchen 'Texttheorien1 zugrunde liegende) Idee, solche 'anaphorischen1 Phänomene unter direktem Bezug auf den rein sprachlichen Kontext zu erklären, hier keine Hilfe. Wenn sie beschrieben werden sollen, geht das offensichtlich nur mit einer Theorie, die den Bezug auf das allgemeine kognitive System erlaubt. Die Tilgung einer Nominalphrase unter Bedingungen der sprachlichen Identität ist also in unseren Fällen keine brauchbare Lösung, weil damit nicht alle Beispiele zu behandeln sind, die zu dem zu behandelnden Typ gehören. Wenn man andererseits die Behandlung der anaphorischen Zusammenhänge, soweit sie nicht für den Einzelsatz spezifisch sind, wie zB die Reflexive, einer allgemeinen kognitiven Theorie überläßt, kann man sich darauf beschränken, Agensphrasen mit anaphorischen Pronomen fakultativ zu tilgen. (Da Äußerungen ohne sprachlichen Kontext definite Pronomen enthalten können - ein Gespräch kann durchaus mit ich habe ihn vorhin gesehen beginnen ist die Notwendigkeit des ersten Schrittes auf jeden Fall gesichert.) Dabei ergibt sich jedoch dasselbe Problem wie beim indefiniten Agens in 4.2. Die in Frage kommenden anaphorischen und deiktischen Pronomen sind alle numsrus- und genusdifferenziert, ein agensloses Passiv hätte also eine ganze Reihe verschiedener möglicher Vorgängersätze. Ein Satz wie die Begonien werden grade gewässert wäre mindestens zurückführbar auf die die die die
Begonien Begonien Begonien Begonien
werden werden werden werden
grade grade grade grade
von von von von
ihnen gewässert ihm (mask.) gewässert ihm (neutr.) gewässert ihr gewässert.
Semantische Einwände wären dagegen nicht zu erheben, denn da die Pronomen laut Hypothese durch ein eigenes Regelsystem anaphorisch interpretiert werden, muß man ihnen über diesen definit-anaphorischen Charakter hinaus keine l
Es ist leicht vorstellbar, daß diese kognitive Theorie zusammen mit einer Theorie des sinnvollen Verhaltens (aus der hervorgeht, unter welchen Bedingungen Sequenzen von Verhaltenseinheiten als sinnvoll zusammengehörig empfunden werden) automatisch die Tatsachen erfaßt, zu deren Beschreibung Texttheorien gewöhnlich gedacht sind.
146
individue.llen semantischen Eigenschaften zuerkennen; ihre Unterschiede können als rein formal betrachtet werden. Mehrdeutig wäre der Satz ohne Agensausdruck nur insofern, als er entweder auf einen indefiniten oder auf einen definiten Agensausdruck zurückgeführt würde; entsprechend wäre Karl las grade zweideutig, da der Satz je nach Kontext als Entsprechung zu Karl las grade etwas oder zu Karl las es/ihn/sie grade zu betrachten wäre. Es scheint mir zweifelhaft, solche Sätze in dieser Weise als 'strukturell' zweideutig zu analysieren; ich vermute, daß die Argumentstelle für den Agens, dem unten umrissenen interpretativen Verfahren entsprechend, 'strukturell1 semantisch unbestimmt ist und durch kontextabhängige Interpretationsregeln, wie sie auch das transformationelle Verfahren voraussetzt, verschiedene Interpretationen erhalten kann und in diesem Sinne referentiell - aber eben nicht der semantischen Form nach - mehrdeutig ist.
Solange aber über den Unterschied von struktureller und re-
ferentieller Mehrdeutigkeit keine präzise und abgesicherte Theorie vorliegt, die generell eindeutige Entscheidungen erlaubt, sind solche intuitiv nicht völlig klaren Fälle schwer für ein Argument zu verwenden. Selbst wenn gegen diese transformationeile Behandlung definit interpretierter Agensstellen kein semantisch begründeter Einwand erhoben wird, ist jedoch der Einwand von 4.2. dagegen anzuführen:
Durch die transfor-
mationelle Zurückführung auf Sätze mit hinsichtlich Numerus und Genus verschiedenen Pronomen wird behauptet, daß ein einziger Cberflächensatz im agenslosen Passiv verschiedenen anderen Sätzen entspricht und in diesem Sinne hcmonym ist;
das aber ist deskriptiv inadäquat. Hier offenbart sich
erneut der grundsätzliche Mangel des rein transformationeilen Verfahrens: Es ist gezwungen,^ein einheitliches semantisches Phänomen - hier die definite Interpretation, früher die indefinite Interpretation einer lexikalisch ungefüllten Argumentstelle - mit unsemantischen Hilfsmitteln zu beschreiben, nämlich durch Rückführung auf natursprachliche Wörter, überall, wo es wie hier zwischen semantischen Kategorien und Ausdruckselementen keine eindeutige Entsprechung gibt - und solche Entsprechungen sind, falls sie überhaupt existieren, die Ausnahme -, muß eine inadäquate Analyse resultieren, wenn semantische Zusammenhänge mittels des für lexikalisch belegte Sätze geltenden Entsprechungsbgriffs rein transformationalistischer Systeme beschrieben werden.
147
In der interpretativen Darstellung des definiten Agens können diese Probleme hingegen nicht auftreten, da sie per Definition mit semantisohen Begriffen operiert. Tatsächlich können kontextdefinite Argumente der besprochenen Art ohne irgendwelche Zusatzannahmen mittels der allgemeinen kognitiven Theorie, die ja so oder so vorausgesetzt werden muß, als anaphorisch markiert werden, wenn wir bei der bisherigen Auffassung bleiben, daß die freie Agensstelle durch eine durch Existenzquantor gebundene Variable belegt wird. Ganz das gleiche geschieht ja, wenn ein definites Pronomen wie er durch das Operieren pragmatischer Regeln einen Referenten zugeordnet bekommt. Eine Möglichkeit für dieses Interpretationsverfahren besteht nicht, wenn der Agens zugrundeliegend durch ein Indefinitpronomen wie irgendwer, jemand ausgedrückt ist, das der existenzquantorgebundenen Variablen ansonsten semantisch eng verwandt ist.
Es ist
(in referentiellen Kontexten)
die allgemeine sprachliche Funktion indefiniter Ausdrücke, einen neuen Referenten in den Diskurs einzuführen; sie können per Definition nicht anaphorisch fungieren. Dieser Restriktion unterliegen Variablen in einer logischen Repräsentation nicht; kein Prinzip spricht dagegen, für verschiedene eingeführte Variablen in einem Interpretationsprozeß Koreferenz festzustellen. Technisch legen sich eine ganze Reihe verschiedener l^figlichkeiten nahe, die gewünschten Ergebnisse zu erzielen; aber es scheint mir unfruchtbar, über die Vor- und Nachteile verschiedener Verfahren zu spekulieren, solange keine einschlägige pragmatische Theorie, die hinreichend spezifiziert und empirisch abgesichert ist,
vorliegt. Für den Zusarmenhang unse-
res Themas ist in jedem Fall wichtig, daß eine lexikalisch unspezifizierte Argumentstelle als Ausgangspunkt internretativer Operationen dient.
7.3.
zwischen, unter, in, auf
In den Fällen, die in 1. und 2. betrachtet wurden, war ein Agens, soweit er bestimmt war, durch eine Konstituente spezifiziert, die in einer syntaktischen Entsprechungsregel angegeben werden konnte; ansonsten war er unbestimmt. Im vorigen Abschnitt haben wir Fälle betrachtet, in denen der
148
Agens nicht unbestintnt, aber auch nicht in einer Konstituente desselben Satzes angegeben war. Wir kennen jetzt zu Fällen, in denen der Agens durch eine Konstituente desselben. Satzes bestürmt ist, ohne daß ein regelmäßiges syntaktisches Entsprechungsverhältnis besteht. Ein Satz wie a ist paraphrasierbar durch b: a der Verletzte wurde zwischen 2 Sanitätern zum Krankenwagen geleitet b der Verletzte wurde von 2 Sanitätern, die ihn zwischen sich ten, zum Krankenwagen geleitet.
hat-
Er beinhaltet also nicht nur, daß der Verletzte sich zwischen den Sanitätern befand, sondern auch, daß sie es waren, die ihn geleiteten. Dies ist offenbar die einzige vernünftige Interpretation; eine zusätzliche Agensangabe erscheint unverständlich: •»der Verletzte wurde von Karl zwischen 2 Sanitätern zum Krankenwagen geleitet.
Eine solche Konstruktion ist wohl möglich bei anderen Verben, wenn in der zwischen-Phrase nichtintentionale Wesen genannt sind: der Verletzte wurde von Karl zwischen 2 Ziegenböcken zum Krankenwagen gebracht der Demonstrant wurde von Karl zwischen 2 Ziegenböcken abgeführt,
aber auch dort ergeben sich unstinmige Sätze, wenn nicht von Ziegenböcken, sondern zB von Polizisten die Rede ist: ?der Verletzte wurde von Karl zwischen 2 Polizisten zum Krankenwagen gebracht ?der Demonstrant wurde von Karl zwischen 2 Polizisten abgeführt; die entsprechenden aktiven Sätze haben dieselbe Eigenschaft:
Für diesen und den folgenden Abschnitt ist mir die - höchst provisorische - Materialsammlung (Brinker 1971) sehr nützlich gewesen. Das Thema dieses Kapitels wird in (Brenna 1972) nicht erschöpfend, aber sorgfältig behandelt.
149
* Karl geleitete/brachte den Verletzten zwischen 2 Sanitätern zum Krankenwagen
? Karl führte den Demonstranten zwischen 2 Polizisten ab. Welche aktiven Sätze entsprechen den passiven Sätzen, deren Agens in der Präpositicnalphrase mit zwischen genannt ist; wie können solche Passive transfonnationalistisch behandelt werden?
Da im allgemeinen eine einfache formale Entsprechung zwischen Subjekt des Aktivs und einer bestürmten Präpositionalphrase des Passivs besteht, wäre die erste Vermutung, daß von einem Aktiv a auszugehen sei. Das 'normale' Passiv dazu ist b: a
2 Sanitäter geleiteten den Verletzten zum Krankenwagen
b
der Verletzte wurde von 2 Sanitätern zum Krankenwagen geleitet.
Wie kann die Passivregel die Präposition zwischen statt des 'regulären' von einführen? Zwischen kann nicht einfach innerhalb der Regel als Alternative zu von auftreten, so daß die beiden Präpositionen freie Varianten wären; da« würde Sätze wie c zu dem Aktiv d generieren: c »zwischen Karl und Heinz wurde eine Wanderung unternommen d
Karl und Heinz unternahmen eine Wanderung.
Es ist auch klar, warum solche Passive nicht möglich sind: Zwischen hat in diesen Beispielen den normalen lokalen Sinn (und ist nicht speziell agensbezeichnend) , und es ist offenbar nicht sinnvoll, zu sagen, daß eine Wanderung sich zwischen 2 Personen befindet. Die Distribution dieses zwischen ist also nur dann adäquat zu beschreiben, wenn man die - von Vorkamen im Passiv ganz unabhängige - Bedeutung des Worts berücksichtigt. Es müßte entweder ein Aktiv gefunden werden, in dem die relevanten Monente alle ausdrücklich enthalten sind, oder die Generierung des Passivs müßte direkt auf eine semantische statt auf eine lexikalisch spezifizierte syntaktische Repräsentation gegründet werden. Der zweite Weg wäre natürlich kein transformationalistischer; er ist, soweit zu sehen ist, mit dem später zu behandelnden interpretativen Verfahren deskriptiv äquivalent. Eine Möglichkeit, den ersten Weg zu realisieren, besteht darin, den Agens im Aktiv sowohl in der Präpositionalphrase als auch im Subjekt zu repräsentieren. Das ergibt Sätze wie
15 ?2 Sanitäter geleiteten/brachten den Verletzten zwischen sich zum Krankenwagen 2 Polizisten führten den Demonstranten zwischen sich ab.
Bei diesem Konstruktionstyp sind die sich ergebenden Sätze meist einigermaßen akzeptabel. (Bei anderen ist dies anders, s.u.; auch die etwa zu erwägende Niiglichkeit, ein Indefinitum als Subjekt zu verwenden, führt zur Unakzeptabilität: »jemand geleitete/brachte den Verletzten zwischen 2 Sa^ nitätern zum Krankenwagen). Es ist aber nicht klar, wie die Passivregel auf solchen Sätzen operieren soll. Der sonst übliche von-Agens darf nicht auftreten: *der Demonstrant wurde von 2 Polizisten zwischen sich/ihnen abgeführt *der Demonstrant wurde zwischen 2 Polizisten von sich/ihnen abgeführt.
Vielmehr müßte das logische Subjekt gewissermaßen mit der koreferenten Nominalphrase in der Präpositionalphrase verschmolzen werden. Das Problem dabei ist,
daß das nicht generell möglich ist.
Das Passiv a gehört zB nicht
zu dem Aktiv b: a der Knüppel wurde hinter die Polizisten gelegt b die Polizisten legten den Knüppel hinter sich;
vielmehr impliziert es, daß jemand anders als die Polizisten den Knüppel dorthin legte, wie es überhaupt i.a. kein Passiv zu einem Aktiv gibt, das koreferente Konstituenten oder solche in Teil-Ganzes-Beziehung enthält. Um die Passive mit zwischen auf solche Aktive zurückführen zu können, müßte man eine Sonderbedingung angeben, die diesen Verstoß gegen die
all-
gemeine Regel sanktioniert. Es ist aber nicht zu sehen, wie diese Sonderbedingung formuliert werden könnte, ohne zirkulär zu sein. Das Problem verschärft sich bei Beispielen, die den bisherigen parallel sind bis auf die Tatsache, daß sie keine reflexiven Präpositionalphrasen im Aktiv haben können. Die naheliegendste Interpretation des Satzes Karls Bein wurde zwischen plötzlich herabstürzenden Felsmassen zerquetscht
identifiziert Felsmassen als logisches Subjekt des Satzes; die Paraphrase
151
jemand zerquetschte Karls Bein zwischen plötzlich herabstürzenden Felsmassen
ist nur mit Mühe zu realisieren. Hier ist es aber nicht leicht möglich, eine reflexive Präpositicnalphrase im Aktiv zu haben: plötzlich herabstürzende Felsmassen zerquetschten Karls Bein (?zwischen sich).
Es scheint, daß ein solches Reflexivum i.a. nur bei intentionsfähigen Subjekten ohne weiteres auftreten kann. Wenn wir andere Präpositionen hinzunehmsn, zeigt sich das zT noch deutlicher. So sind in einer Interpretation des Satzes Karl wäre unter diesen Platten fast erdrückt worden die Platten als die erdrückende Last zu verstehen, entsprechen also dem logischen Subjekt. Das Aktiv, in dem die Platten als Subjekt und in der Lokalbes tininung mit unter genannt sind, ist von sehr zweifelhafter Akzeptabilität: diese Platten hätten Karl fast (Tunter sich) erdrückt. Gänzlich ausgeschlossen ist das Reflexivum bei der Präposition in, von der in Passiven wie Karl wurde in dem Expresslift schnell nach oben getragen das Haus wurde in den Flammen zerstört Karl wurde in der Strömung abgetrieben Karl wurde in dem Sog emporgerissen
zugleich eine Lokalbezeichnung und die Agensangabe abhängt, wie sich daran zeigt, daß (in der hier relevanten Interpretation) weder im Aktiv noch im Passiv eine Agensangabe hinzugefügt werden kann: *von jemand/etwas wurde Karl in dem Expresslift schnell nach oben getragen *das Haus wurde von jemand/etwas in den Flammen zerstört *Karl wurde von jemand/etwas ia der Strömung 'abgetrieben *Karl wurde von jemand/etwas in dem Sog emporgerissen
Aber zu a kann man b stellen, wo das Reflexivum einwandfrei ist: a die Bergsteiger wurden unter der Lawine begraben b die Lawine begrub die Bergsteiger unter sich. Die Tatsache, daß unter sich in b , anders als normale Lokalangaben, nicht ausgeschlossen werden kann, mag darauf hindeuten, daß es sich hier um einen halbwegs idiomatisierten Ausdruck handelt.
152
»etwas/jemand *etwas/jemand *etwas/jemand *etwas/jemand
trug Karl in dem Expresslift schnell nach oben zerstörte das Haus in den Flammen trieb Karl in der Strömung ab riß Karl in dem Sog empor.
Versucht man, die Präpositionalphrase mit in im Aktiv beizubehalten und zugleich den in ihr enthaltenen Agens als Subjekt einzusetzen, resultiert Unakzeptabilität: der die die der
Expresslift trug Karl (*in sich) schnell nach oben Flammen zerstörten (*in sich) das Haus Strömung trieb Karl (*in sich) ab Sog riß Karl (*in sich) enpor.
Gleichartige Fakten gibt es bei Präpositionalphrasen mit auf. In einer gewissen Interpretation ist a inhaltlich gleichwertig mit b: a Karl wurde auf dem fliegenden Teppich sicher nach Agadir getragen b der fliegende Teppich trug Karl sicher nach Agadir (*auf s i c h ) ;
ein Peflexivum ist nicht einfügbar. Wir sehen: Es gibt Passive, deren Agens (mindestens in einer ihrer Bedeutungen) durch eine Präpositionalphrase bezeichnet wird, die primär spezifische lokalbezeichnende Funktionen hat (die auch die Vorkonmensmöglichkeiten der Präpositionen beeinflussen). Diese spezifischen Funktionen sind nicht aufgrund eines Aktivs vorhersagbar, das diese Präpositionalphrasen nicht enthält. Im allgemeinen Fall kann das Aktiv die Präpositionalphrase aber nicht enthalten. Selbst wo es sie enthalten kann, kann darauf kein Passiv beruhen, denn das Passiv zu Sätzen mit Reflexivum ist i.a. ausgeschlossen, und eine nicht-zirkuläre Ausnahmeregelung ist nicht zu sehen. Solche Passive haben, mit anderen Worten, kein entsprechendes Aktiv. Sie transformationeil aus aktiven Sätzen abzuleiten ist mit motivierten Regeln, ohne ad hoc-Maßnahmen, nicht möglich. Wie solche Beispiele mit interoretativen Mitteln zu beschreiben sind, wird unten erörtert: vorher sollen noch einige andere 'Agensausdrücke1 diskutiert werden.
153
7.4.
Reziprokes zwischen; bei, durch
Gegen den eben besprochenen Tyr> mit "lokalem1 zwischen ausdrücklich abzuheben ist ein Typ mit "reziprokem1 zwischen. Damit meine ich Fälle wie zwischen Karl und Heinz wurde ein Abkommen ausgehandelt ein T r e f f e n ausgemacht nur kurz beraten lange debattiert manches erörtert gekämpft ein Vertrag geschlossen häufig gestritten ein Termin vereinbart angespannt verhandelt kein Wort gewechselt.
Agensausdrücke sind nicht einsetzbar: »zwischen Karl und Heinz wurde von jemand ein Abkommen ausgehandelt »jemand handelte ein Abkommen zwischen Karl und Heinz aus,
und wenn eine aktive Entsprechung gebildet werden soll, kann das nur so geschehen, daß die von zwischen abhängige Ncminalphrase als Subjekt verwendet wird: Karl und Heinz handelten ein Abkommen aus machten ein Treffen aus berieten nur kurz debattierten lange erörterten manches kämpften schlössen einen Vertrag stritten häufig verabredeten einen Termin verhandelten angespannt wechselten kein Wort.
Das semantische Charakteristikum ist, daß jeweils ein Verhältnis der Gegenseitigkeit vorliegt; dadurch unterscheidet sich dieses zwischen von dem lokalen zwischen in der Verletzte wurde zwischen 2 Sanitätern weggeführt. Im Gegensatz zum lokalen kann das reziproke zwischen im Aktiv definitiv nicht stehen bleiben: ?2 Sanitäter führten den Verletzten zwischen sich weg gegenüber »Karl und Heinz verabredeten zwischen sich einen Termin. Hingegen kann im Aktiv eine reziproke Präpositionalphrase mit mit eingefügt werden:
154 Karl und Heinz handelten miteinander ein Abkommen aus machten miteinander ein Treffen aus berieten nur kurz miteinander debattierten lange miteinander erörterten manches miteinander usw.
Im Passiv kann sie nicht auftreten bzw impliziert sie einen anderen Agens: *von/*zwischen Karl und Heinz wurde miteinander ein Abkommen ausgehandelt mit Karl und Heinz wurde (von jemand) ein Abkommen ausgehandelt.
Da das zwischen andererseits nicht im entsprechenden Aktiv auftreten kann, scheint die technische IVCglichkeit gegeben, das Passiv aufgrund des Aktivs vorauszusagen und transfonnationell daraus herzuleiten. Da mit und zwischen (in dieser Funkticn) konplementär verteilt sind, bietet es sich an, beim Übergang von Aktiv zum Passiv mit durch zwischen zu ersetzen. Was hier für mit gesagt ist, gilt - mindestens für viele Beispiele auch (bzw statt dessen) für unter: zwischen Karl und Heinz wurde die Beute aufgeteilt Handelsware ausgetauscht die Notwendigkeit eines Opfers betont Einigkeit erzielt meist geschwiegen jedes unnötige Wort vermieden kaum noch der Anstand gewahrt Karl und Heinz teilten unter/*mit-einander die Beute auf tauschten unter/*mit-einander Handelsware aus betonten unter/*mit-einander die Notwendigkeit eines Opfers erzielten unter/*mit-einander Einigkeit schwiegen unter/*mit-einander meist vermieden unter/*mit-einander jedes unnötige Wort wahrten unter/*mit-einander kaum noch den Anstand.
(Das ist insofern naheliegend, als mit und unter hier semantisch sehr eng verwandt sind: sie verabredeten miteinander einen neuen Termin ist nahezu bedeutungsidentisch mit sie verabredeten untereinander einen neuen Termin.) Allerdings herrscht hier kein durchgängiges Verhältnis der KoriDlementarität, auch Passive mit unter wie unter Karl und Heinz wurde Einigkeit erzielt sind akzeptabel. Es gibt außerdem zwischen-Phrasen in gleicher Funktion wie beim Passiv, die sich nicht transformationeil auf eine aktive mit- oder
155
unter-Phrase zurückführen lassen: Sie sind der regelmäßige Ausdruck reziproker Verhältnisse im adnoninalen Bereich, zB zwischen Karl und Heinz besteht Einigkeit das Verhältnis zwischen Karl und Heinz ist schlecht die Zuordnung zwischen Karl und Heinz zwischen Karl und Heinz gibt es Meinungsverschiedenheiten der Haß zwischen Karl und Heinz wird immer größer die Solidarität zwischen Karl und Heinz kennt keine Grenzen die gegenseitige Abhängigkeit zwischen Karl und Heinz.
Es ist deshalb nicht möglich, reziproke zwischen-Phrasen allgemein transformationell einzuführen; der entsprechende Vorschlag verliert darum sehr an Attraktivität. Mit lexikalistischen und interpretativen Mitteln sind die Distributionsverhältnisse darstellbar; ob sich eine klare überleger-heit dieser Methode ergibt, ist erst zu beurteilen, wenn weitere genauere Kenntnisse über Form und Funktion reziproker Ausdrücke vorhanden sind. In unserem Zusammenhang führen diese allgemeinen Fragen zu weit ab. Eine weitere Präposition von besonderem Interesse ist
^
eigentümliche
'Autoren-bei ' , wie es in Beispielen wie bei Herodot wird ein Ungetüm beschrieben bei Kant wird das Verhältnis zwischen Theorie und Empirie behandelt bei Karl wird das anders formuliert
auftritt. Die Lage ist hier ganz so wie bei den lokalen Präpositionen. Generell hat bei keinerlei agensbezeichnende Funktion; bei 'in den Schriften von x
1
bedeutet etwa
(ist also im weiteren Sinne auch eine lokale Prä-
position) , und nur aus den Bedeutungsverhältnissen im Satz geht hervor , daß durch
zugleich der Agens eines Passivs charakterisiert wird. In den
Beispielen bei Herodot lernen wir ein Ungetüm kennen bei Kant besteht ein Verhältnis der Interdependenz zwischen Theorie und Empirie bei Karl stirbt der König schon im ersten Akt
haben wir bei im Aktiv, und in bei Herodot wird immer viel gegessen und getrunken bei Kant wird die Erfahrung nicht allein von den Sinnesdaten bestimmt bei Karl wird der König schon im ersten Akt umgebracht
156
haben wir Passive, deren bei-Phrase nicht den Agens enthält. Als Agens wird die von dieser Präpositionalphrase bezeichnete Person dann interpretiert, wenn der Satz passiv ist, keinen expliziten Agens enthält und durch ihn ausgedrückt wird, daß den betreffenden Schriften gewisse Formulierungen oder Inhalte eigentümlich sind. Da diese Eigenschaften der Schriften i.a. von dem Autor stammen, der durch die bei-Phrase bezeichnet wird, ist diese Autorenbezeichnung zugleich als Agens zu dem Passiv zu betrachten. Wie bei den anderen lokalen Präpositionen ist auch hier nicht zu sehen, wie solche Passive transformationell auf Aktive mit spezifiziertem logischen Subjekt zurückgeführt werden könnten, zumal die bei-Phrase (in dieser Bedeutung) nicht koreferent mit dem Subjekt sein kann: Karl definiert das (*bei sich) anders. Besonders interessant ist im Zusammenhang mit Agensausdrücken die Präposition durch. Im allgemeinen wird damit etwas oder jemand gekennzeichnet, das/der bei der Einwirkung auf einen Gegenstand vermittelnd beteiligt ist: Karl Karl Karl Karl Karl Karl Karl
zerstörte das Bild durch einen Hammersehlag löste durch lautes Schreien eine Panik aus stützte die Decke durch mehrere Balken übermittelte den Gruß durch seinen Freund verkauft seine Bilder durch einen Makler dämmte den Hof durch viele Sandsäcke gegen das Hochwasser ab wurde durch seine schwere Last schnell müde.
Es ist nach dieser Bedeutung naheliegend, daß durch in einem passiven Satz auch den Agens bezeichnen kann, denn wenn Karl den Hund schlägt, dann ist Karl bei diesem den Hund betreffenden Vorgang zweifellos vermittelnd beteiligt. So finden sich auch zahlreiche Beispiele, in denen, wie bei den besprochenen lokalen Präpositionen, die von durch abhängige Konstituente eindeutig oder in einer möglichen Interpretation den Agens charakterisiert: die Entscheidung wurde (*von jemand) durch das Gericht bestätigt diese Ausdrucksweise wurde (*von jemand) durch die Akademie zur allgemeinen Norm erhoben jene Theorie wurde (*von jemand) im wesentlichen durch 3 Forscher konzipiert diese Maßnahme wurde (*von Karl) durch die Knappheit veranlaßt ein Kind wurde durch herabfallende Steine schwer verletzt die Begonien wurden durch Karl regelmäßig gewässert das Haus wurde durch das Feuer völlig zerstört.
157
Zu diesen Passiven gehören demnach die Aktive das Gericht bestätigte die Entscheidung die Akademie erhob diese Ausdrucksweise zur allgemeinen Norm im wesentlichen haben 3 Forscher jene Theorie konzipiert die Knappheit veranlaßte diese Maßnahme herabfallende Steine verletzten ein Kind schwer Narl wässerte die Begonien regelmäßig das Feuer hat das Haus völlig zerstört.
Der semantische Unterschied zwischen Agensausdrücken mit von und solchen mit durch ist wegen der angedeuteten Bedeutung von durch notwendig gering, aber er ist
(entgegen manchen grarmatischen Darstellungen) immer vorhan-
den und intuitiv feststellbar: Durch-Phrasen haben immer einen 'instrumentellen1 und nie den 'intentionalen1 Charakter, den von-Phrasen haben können. Dieser Unterschied äußert sich auch in Distributicnsunterschieden. Während ein Agens, wo er überhaupt ausgedrückt werden kann, inner durch eine von- (bzw für-)Phrase ausgedrückt werden kann (gewisse ganz spezielle Fälle ausgenommen) , ist das Vorkamen von durch beschränkt; die folgenden Sätze zB können einen Agens mit von, aber keinen mit durch enthalten: von/*durch keinen/keinem wurde das geahnt/vermutet/angenommen das Englische wurde von den/*durch die Schüler (n) schon nach 2 Wochen vollkommen beherrscht von den/*durch die Kranken werden dringend Arzneimittel benötigt das Gebirge wurde von/*durch viele (n) Wanderer(n) durchstreift das ganze Land wird von/*durch Telephonkabel(n) durchzogen die Notwendigkeit des Schrittes wurde von/*durch alle (n) eingesehen das Feuer wurde auch von/*durch Karl erblickt/wahrgenommen das Fest wurde von/*durch alle (n) genossen von den/*durch die Dorfler(n) wurde an Donar geglaubt laute Schreie wurden von/*durch alle(n) gehört viele Gedichte wurden von/*durch Karl auswendig gelernt von/*durch niemand wurde ihr Aufmerksamkeit geschenkt die Strapazen wurden von/*durch a l l e ( n ) gut überstanden die Truppe wurde von/*durch Flugzeuge(n) umkreist Karl wurde von/*durch Neugierige(n) umstanden der Termin wurde von/*durch alle(n) vergessen solche Risiken werden von/*durch vernünftige(n) Leute(n) vermieden keine Vorstellung wurde von/*durch Karl versäumt/ausgelassen die Nachricht wurde nur von/*durch Karl verstanden von den/*durch die Alten wird gern gebastelt hier wird von/*durch viele (n) gebetet hier wird von der/*durch die Jugend getanzt.
Die Gemeinsamkeit, die solche Beispiele von anderen, die mit durch vorkommen, unterscheidet, ist offenbar, daß der vom Satz bezeichnete Vorgang nicht affizierend oder effizierend einen Gegenstand betrifft. Das wird be-
158
sonders deutlich, wenn man zu den Sätzen mit beherrsch- und umkreis- Parallen bildet wie Heinz wurde durch die Teilnehmer vollständig beherrscht die Truppe wurde durch Flugzeuge eingekreist.
Daß man bei der Beherrschung einer Person, aber nicht bei der Beherrschung einer Sprache durch verwenden kann, hängt offenbar damit zusammen, daß die Person von diesem Verhältnis affiziert wird, während das für die Sprache nicht gilt; und wenn eine Truppe eingekreist wird, berührt sie das sehr, wenn sie dagegen umkreist wird, dient sie'nur als lokaler Beziehungspunkt, ohne von der Umkreisung notwendig irgendwie beeinflußt zu werden. Dieser 'einwirkende1 Charakter des Vorgangs ist grade das, was die durchPhrasen auch sonst, außerhalb des Passivs kennzeichnet. Aus ihm folgt auch, daß ein Passiv von einstelligen Verben grundsätzlich nicht mit durch zu verbinden ist.
So zeigt sich auf sehr deutliche Weise, daß das intuiti-
ve urteil, nach dem ein durch-Agens spezielle semantische Eigenschaften hat, die ihn von einem yon-Agens unterscheiden, völlig begründet
ist.
Wie bei den behandelten lokalen Präpositionen ist es auch bei durch so, daß dieser besondere Bedeutungsaspekt mitsamt den daraus folgenden Distributionseigenschaften in dem Aktiv, das das logische Subjekt explizit als solches darstellt, nicht ausdrücklich enthalten ist,
und er ist auch
nicht durch die Einfügung einer koreferenten durch-Phrase unterzubringen: »die Knappheit veranlaßte diese Maßnahme durch sich (davon abgesehen, daß aus einem solchen Satz kein Passiv gebildet werden könnte). Auch dieser Passivagenstyp ist deshalb mit transformationalistischen Mitteln nicht adäquat zu behandeln.
7.5.
Das interpretative Verfahren
Wie aber sind solche Beispiele zu behandeln? Ich habe das Verfahren schon bei der Besprechung des 'Autoren-bei' angedeutet und will es hier an je einem Beispiel mit lokalem zwischen und unter ausführlicher erläutern. Betrachten wir noch einmal das Passiv Karl wäre unter dieser Platte l
Die gleiche Restriktion gilt für das durch bei Verbalnomen, das dem logischen Subjekt des entsprechenden Verbs zugeordnet werden kann: die Vertreibung (des Wildes) durch die Touristen, aber *die Zuckungen durch den Verletzten und »das inbrünstige Beten durch die Gläubigen.
159
fast erdrückt worden, erdrück- ist ein zweistelliges Verb mit dem Argument A
für das Drückende (im Aktiv das Subjekt) und A. für den Erdrückten (im
Aktiv das Akkusativobjekt). Im Passiv wird A, durch das Subjekt, hier: Karl, charakterisiert; die Frage ist, wie AcL , wenn überhaupt, ausgedrückt ' wird. Man kann den Satz so verstehen, daß Karl von etwas, zB von seinem Rucksack, oder von jemand fast erdrückt worden wäre, als er sich zusammen mit dieser drückenden Last unter der Platte befand. In diesem Fall ist das logische Subjekt in dem Beispiel nicht lexikalisch spezifiziert; man kann es spezifizieren, indem man von jemand oder von dem Rucksack hinzufügt. Man kann den Satz aber auch so verstehen, daß die genannte Platte selbst die erdrückende Last ist,
so daß A= durch diese Platte charakterio.
~~*————————
siert wird; das entspräche einem Aktiv diese Platte hätte Karl fast erdrückt. Da unter eine normale lokale Präposition ohne spezifisch agensbezeichnende Funktion ist, kann diese Interpretation nicht auf eine rein formale Zuordnung zwischen Konstituenten und Argumenten zurückgeführt werden, wie sie für den Lexikoneintrag und Lexikonregeln typisch ist,· vielmehr spielen die semantischen \ferhaltnisse des Satzes und Kenntnisse physikalischer Gesetzmäßigkeiten eine entscheidende Rolle. Das Verb erdrück- beinhaltet, daß
auf y einen Druck ausübt, und die
Präposition unter beinhaltet, daß w sich - mit oder ohne körperlichen Kontakt - über z befindet; aufgrund allgemeiner Regeln für die Interpretation derartiger Adverbialbestimmungen gilt hier y = z. Es ist eine lebensweltliche Tatsache, daß ein Gegenstand a, der sich über einem Gegenstand b befindet und körperlichen Kontakt mit ihm hat, unter bestimmten Bedingungen Druck auf b ausübt. Unter solchen Bedingungen ist deshalb eine Interpretation möglich, in der
= w.
Ganz entsprechende Überlegungen gelten für Beispiele wie Karl wurde zwischen 2 Polizisten abgeführt. Abfuhr- beinhaltet, daß
unter Anwen-
dung von Zwang y an einen anderen Ort bringt. Zwischen beinhaltet, daß a und b sich auf gegenüberliegenden Seiten von c befinden; und allgemeine Regeln bestimmen, daß in diesem Satzzusammenhang y = c. Da intentionsfähig sein und die Möglichkeit zur Zwangsausübung auf y haben muß und a und b diese Bedingungen in diesem Satz erfüllen, ist eine Interpretation möglich, in der
= a und b.
Wenn diese Identität nicht angenommen würde,
also ein nicht genann-
ter Dritter wäre, müßte man annehmen, daß a und b, die beiden Polizisten, auf intentionales und zwangausübendes Verhalten verzichten und sich von
16
wie die Maultiere in Karl wurde zwischen 2 Maultieren abgeführt gebrauchen lassen. Diese Interpretation ist nicht ausgeschlossen, aber man sieht, warum sie fern liegt. Diese Überlegungen umreißen, wie eine präzise formale Darstellung aufgebaut sein muß, wenn sie Sätzen dieser Art adäquat eine Interpretation zuordnen soll. Grundlage ist die Erkenntnis, daß diese Interpretation nicht auf die Interpretation von aktiven Sätzen zurückgeführt werden kann, wie es das geläufige transformationalistische Verfahren voraussetzt, da die Bedeutungsuntersohiede etwa zwischen das Haus wurde in den Flammen völlig zerstört das Haus wurde durch die Flammen völlig zerstört das Haus wurde von den Flammen völlig zerstört oder zwischen ein ein ein ein
Kind Kind Kind Kind
wurde wurde wurde wurde
zwischen herabstürzenden Bauteilen zerquetscht unter herabstürzenden Bauteilen zerquetscht durch herabstürzende Bauteile zerquetscht von herabstürzenden Bauteilen zerquetscht
im Aktiv nicht zu repräsentieren sind. Diese Überlegungen sind noch nicht selber eine formale Darstellung. Es ist ohne Zweifel technisch möglich, den Überlegungen, so weit wie für granmatisohe Zwecke nötig, eine völlig präzise Formulierung zu geben; das Problem ist, daß beim gegenwärtigen Stand der Kenntnisse nicht etwa zu wenige, sondern zu viele verschiedene Möglichkeiten der Präzisierung gegeben sind: In zu vielen Einzelpunkten müßten willkürliche Entscheidungen getroffen werden. Einige Aspekte der formalen Behandlung sind jedoch klar; vor allem, daß wir es hier nicht mit der Einsetzung eines Terms in eine Argumentstelle aufgrund einfacher formaler Zuordnungsvorschriften zu tun haben. Vielmehr wird das logische Subjekt in einem vergleichsweise komplizierten, weil viele Faktoren berücksichtigenden, Schlußverfahren mit einer Konstituente des Satzes identifiziert. Entscheidend ist dabei für unseren Zusammenhang, daß diese Schlußregeln, wie immer sie präzise zu formulieren sind, nur dann operieren können, wenn die Argumentstelle für das logische Subjekt eine solche Identifikation zuläßt, ffa« bedeutet, wenn sie nicht lexikalisch spezifiziert ist. Für den Interpretationsprozeß im einzelnen bieten sich die gleichen v
161
Alternativen an wie bei der Behandlung des kontextdefiniten Agens: Die Stelle für das logische Subjekt kann zunächst mit einer existenzquantorgebundenen Variablen belegt v/erden, und der weitere Prozeß legt dann deren Identität mit jener Variablen fest, die in der Konstituente charakterisiert wird, die von der in Frage kommenden Präposition (zwischen, unter, ...) abhängt; oder aber die freie Argumentstelle wird direkt mit jener in der Präpositionalphrase charakterisierten Variablen belegt. Diese Alternativen und das Interpretationsverfahren im einzelnen weiter zu verfolgen ist erst dann sinnvoll, wenn weitere Vorarbeiten über den Aufbau einer adäquaten Syntax und deren Interakticn mit logischen und pragmatischen Systemen einen Pahmen für motivierte Entscheidungen liefern.
7.6.
für, von
In den vorigen Abschnitten hat sich gezeigt, daß in einer Reihe von Fällen der Agens eines Passivsatzes als lexikalisch unspezifiziert dargestellt werden muß - präziser: daß der Argumentstelle für den Agens keine lexikalisch spezifizierte Konstituente direkt zugeordnet ist -, obwohl in demselben Satz eine Konstituente enthalten ist, deren logische Charakterisierung den Agens charakterisiert. Ein wesentliches Manen t in der Argumentation, die zu diesem Schluß führte, war die Beobachtung, daß die betreffenden Präpositionen einen auch außerhalb der Passivkonstruktion feststellbaren spezifischen Bedeutungsgehalt haben, der in keiner aktiven Entsprechung enthalten ist.
Wie verhalten sich unter diesem
Gesichtspunkt die Agenspräpositionen, die wir in den verschiedenen Passivtypen in 2. vorgestellt haben? Es gibt dort mehrere Fälle, bei denen die Unsicherheit des sprachlichen Urteils betont werden mußte. Wenn wir von denen absehen und nur die wirklich klaren Fälle betrachten, ergibt sich eine deutliche Zweiteilung: Die möglichkeitsbezeichnenden Passive (sei- possibilitatis, Adjektive auf -bar, manche Beispiele mit reflexivem lass-) benutzen für, die anderen von. Das ist durchaus bemerkenswert, insofern es eine Regular!tat ist, die nirgendwo als solche expliziten Ausdruck findet. Das gilt umso mehr,
162
als von und für in Passivregeln, die den Agens berücksichtigen, in ihrer Lautgestalt angeführt werden müßten; solche Ftegeln definieren also, jede für sich, einen tlngebungstyp von von bzw für, jede Regel bildet einen eigenen Lexikoneintrag der Präposition. Das wäre richtig, wenn jeder Passivtyp auf idiosynkratische Weise seine eigene Präposition für den Agens verwendete. Da ^as nicht der Fall ist,
erhalten wir etliche verschiedene
Einträge für von: beim Passiv mit werd-, bleib-, sei-, krieg-, erhalt-, bekam-, sei- adhortativum, kausativem lass-; ähnlich, wenn auch weniger extrem, bei für. Das ist offensichtlich inadäquat: Diese mehrfach auftretenden Präpositionen sind ja nicht nur phonologisch und in ihren Rektionseigenschaften identisch, sondern auch in ihrer Funktion, das logische Subjekt des Hauptverbs zu kennzeichnen. Darüber hinaus kamen beide Präpositionen in der gleichen Funktion auch außerhalb des Passivs vor. Bei für ist das wohl offensichtlich. Eine solche Präpositionsphrase gibt in vielerlei Umgebung an, in Hinsicht auf wen etwas qualifiziert wird, vgl. etwa dieses Thema ist ihr für dieses Publikum zu anspruchsvoll es war für Karl schwierig, einen passenden Anzug zu bekommen für Karl bestand die Notwendigkeit, einen Anzug zu kaufen.
Ganz der gleiche Bezug scheint beim möglichkeitsbezeichnenden Passiv vorzuliegen; die für-Phrase kennzeichnet dort also eigentlich nicht direkt den Agens, sondern denjenigen, hinsichtlich dessen die Vollziehbarkeit des Vorgangs als kaum, schwer, leicht, gut oder nicht möglich qualifiziert wird. Bei von ist die Lage insofern anders als in allen anderen Fällen, als es offenbar tatsächlich die wesentliche Funktion ('Bedeutung') dieser Präposition ist, ein Argument für eine Proposition zu kennzeichnen. Von so spezifischen Bedeutungsmanenten, wie die anderen hier behandelten Präpositionen sie haben, scheint von weitgehend frei zu sein; das macht die Idee so attraktiv, eine rein formale Zuordnung zwischen von-Phrase und Agens in der Passivregel aufzustellen. (Allerdings ist so etwas wie 'Ursache, Ausgangspunkt einer Handlung' häufig involviert. Beim Versuch, diese Empfindung über einzelne Beispiele hinaus allgemeingültig zu explizieren, ergeben sich jedoch inmer wieder Probleme; es ist nicht klar, ob eine nicht zirkuläre Charakterisierung durchfi-ihrbar ist.) Umso bemer-
163
kenswerter ist es, daß von in eben dieser Funktion auch außerhalb des Passivs auftritt. Es gibt eine Konstruktion mit Prädikativum und abhängigem Satz, in der durch die von-Phrase das logische Subjekt des abhängigen Satzes angegeben wird: es war nett von Karl, daß er/*seine Großmutter/*der junge Mann uns half ich fand es geschickt von Karl, ihr zu helfen es ist eine Frechheit von Karl, uns nicht zu h e l f e n .
Der abhängige Satz hat dabei als Infinitivkonstruktion kein spezifiziertes Subjekt; glg finiter Satz hat er ein anaphorisches Pronomen als Subjekt ; eine lexikalische Spezifizierung anderer Art ist nicht zulässig. Man könnte diese Konstruktion selbst als passivähnlich ansehen, denn zu vielen solchen Sätzen gibt es Parallelen, in denen als Subjekt auftritt, was hier von von abhängt: Karl war so nett, uns zu helfen Karl hatte die Frechheit, uns nicht zu h e l f e n .
Das Entsprechungsverhältnis ist jedoch beschränkt. Es gilt nur, wenn die Kopula vorhanden ist;
ich fand Karl so geschickt, ihr zu helfen ist nicht
akzeptabel. Vor allem gibt es viele Fälle, denen eine der beiden Parallelen fehlt, zB es ist schön/scheußlich von K a r l , sich nicht um sie zu kümmern *Karl ist so schön/scheußlich, sich nicht um sie zu kümmern *es ist frei/unglückselig von K a r l , sich daneben zu benehmen Karl ist so frei/unglückselig, sich daneben zu benehmen.
Es ist deshalb ungewiß, ob wirklich eine passivähnliche Regel für solche Fälle anzusetzen ist.
So oder so dokumentieren sie aber einen weiteren
Umgebungstyp für das agensbezeichnende von. Einen verwandten Ungebungstyp, in dem von das logische Subjekt einer u.U. nur implizierten Proposition markiert, haben wir in Fällen wie wir wir wir wir
erwarten von Karl, verlangen von Karl benötigen von Karl erhielten von Karl
daß er ihr h i l f t eine Erklärung die Zustimmung zu dem Plan einige Auskünfte
164 von Karl droht uns ein Anschlag wir befürchten von Karl einen Anschlag.
Diese Beobachtungen führen zu dem Schluß, daß für von ebenso wie für andere Präpositionen ein eigener Lexikoneintrag formuliert werden muß, aus dem ersichtlich ist,
daß von das logische Subjekt zu einer Proposition an-
gibt, wenn dieses Subjekt nicht anders spezifiziert
ist.
Die Mechanismen, die die semantische Integration einer solchen Konstituente in den Satz erlauben, sind dieselben wie jene, die die Integration der Agensangaben mit zwischen usw erlauben. Da von jedoch nur agensbezeichnende Funktion hat, während zB durch primär 'mittelangebende1 Funktion hat, ist für Beispiele wie das Haus wurde_ vom lieben Gott durch einen Plitzschlag zerstört eine eindeutige Interpretation gesichert. Ohne die yonPhrase ist der Satz insofern zweideutig, als nicht klar ist,
mit welchem
der beiden Aktive der Blitzschlag hat das Haus zerstört jemand hat das Haus durch einen Blitzschlag zerstört das Passiv inhaltlich zu vergleichen ist.
(Dementsprechend ist je nach In-
terpretation die Hinzufügung von absichtlich sinnvoll oder sinnlos.)Mit vonPhrase jedoch bleibt für die durch-Phrase nur die Funktion, die sie in dem zweiten Aktiv hat, da der yon-Agens in das erste der beiden Aktive nicht integriert werden kann: Das Subjekt des eigenen Satzes ist bereits spezifiziert, und ein abhängiger Satz in geeigneter semantischer Relation, dessen Subjekt die von-Phrase angeben könnte·, ist nicht vorhanden. Die Schlußfolgerung ist,
daß auch Agensangaben mit für und von nicht
in die Entsprechungsregeln für das formale Aktiv-Passiv-Verhältnis als direkt selegierte Konstituente aufgenommen werden dürfen. Die naheliegendste Beschreibung ist demnach, der Argumentstelle für das primäre Subjekt in den verschiedenen Passivtypen keine Konstituente zuzuordnen. Dadurch entstehen Lexikoneinträge, wie wir sie in 1.3.3. bei Verben wie sollund verles- gefunden haben, bei denen man aufgrund ihrer logischen Implikationen jeweils eine Argumentstelle postulieren muß, die nie direkt durch die Übersetzung einer Konstituente gefüllt wird, über deren Argument jedoch die Interpretation des Kontexts oft Schlüsse zuläßt. Besonders die lokalen Ausdrücke bei verles-, die zugleich als Angaben der Zuhörerschaft zu
165
verstehen sind, fungieren ganz ähnlich wie die 'Agens-Ausdrücke' (besonders die lokalen) beim Passiv. Insofern dadurch das formelle Verfahren der semantischen Interpretation eines passiven Satzes in ganz bestürmter Hinsicht anders ist als in aktiven Sätzen - aber auch nur insofern -, kann man davon sprechen, daß das Passiv eine andere 'Bedeutung1 habe als das Aktiv.
8.
PEX3LINTERAKTIOSIEN
Wir haben untersucht, in welcher Weise sich die transformationalistische und die lexikalistische Interpretation der Aktiv-Passiv-Relation empirisch voneinander unterscheiden, und haben unter formalen und semantischen Gesichtspunkten Vorzüge der lexikalistischen Interpretation gefunden. Wir wollen in diesem Abschnitt überlegen, in welcher Weise die Interaktion mit anderen syntaktischen Relationen interessante Gesichtspunkte ergibt. Dies ist besonders dann zu erwarten, wenn eine Regel "vor" der Passivregel operiert. Wenn gezeigt werden kann, daß eine solche Regel eine syntaktische Iransformationsregel und keine Lexikonregel ist - daß sie also auf einem der bisher besprochenen Gebiete andere Schlüsse erfordert als die Aktiv-Passiv-Relation, insbesondere, daß sie nicht strukturbewahrend ist-, dann ist die zentrale These dieser Arbeit widerlegt, daß die AktivPassiv-Relation durch eine Lexikonregel zu beschreiben ist. Denn nach der Konzeption, die ich zu erläutern und zu begründen versucht habe, geben derartige Lexikcnregeln an, welche Form ein von den Phrasenstrukturregeln der Basis generierter Phrase Marker haben muß, in dem lexikalische Elemente der von der Regel erfaßten Art - beim Passiv: Verben und Adjektive gewisser Art - vorkommen können; dabei sollen alle lexikalischen Einsetzungen vor der Anwendung aller syntaktischen Regeln erfolgen. Wenn vor einer Regel R. eine andere Pegel R. operiert und R. keine Lexikonregel ist, kann R. deshalb auch keine Lexikonregel sein.
167
8.1.
Passiv und kohärente Infinitkonstruktionen
8.1.1. A.C.I. Zu den beliebtesten Demonstrationen dafür, daß syntaktische Transformationsregeln einem zyklischen Anwendungsprinzip unterliegen, gehört die im Englischen zu beobachtende Interaktion zwischen Passiv- und A.c.I.-Bildung ('Subject-to-Object-Paising'). Nach der üblichen Analyse wird ein Satz wie considerable headway is said to be believed to be expected to be made in the case durch viermalige Anwendung der Passivregel und dreimalige Anwendung von Raising auf eine Tiefenstruktur wie [c say [S y believe [_ z expect b[c w make headway]]]] S °0 1 2 3 zurückgeführt, wobei die Anwendung der einen Regel jeweils die Bedingung für die Anwendung der anderen ist, da (nach dieser Analyse) die Passivregel auf den Konstituenten eines einfachen Satzes operiert: In S-, wird T-Passiv angewendet, so daß [„ headway be made] S 3 resultiert; in S2 wird durch Raising das Subjekt von S., zum Objekt von S 2 , so daß [_S z expect headway to be made] 2 resultiert. Darauf kann wieder T-Passiv operieren: [„b headway be expected to be made ]. 2 Die erneute Anwendung von Raising und Passiv in S., und Raising und Passiv in SQ ergibt diese Ableitungsschritte: [Sc y believe headway to be expected to be made] 1 [ b headway be believed to be expected to be made] 1 [Sc say headway to be believed to be expected to be made] 0 [_S headway be said to be believed to be expected to be made]. 0
168
Zwei Fragen stellen sich: Gibt es gleichartige Phänomene im Deutschen? Haben sie, falls es sie gibt, Einfluß auf die Interpretation der Passivregel als Lexikonregel? Betrachten wir zunächst die zweite Frage, und nehmen wir an, daß es auch im Deutschen Fälle gibt, in denen die Bildung eines A.c.I. der Passivbildung vorhergehen muß. In 3.1. haben wir die Bildung des A.c.I. bei seh- und .lass- durch Lexikonregeln beschrieben und in 5.2.2. Vorzüge dieser Analyse festgestellt. Wenn sie richtig ist, müßten Fakten wie die im vorgeführten englischen Beispiel in einer lexikalis tischen Iheorie durchaus erfaßbar sein. Nach der Einführung von VK in 3.1. hat der Lexikoneintrag von werd- die Form (r) PC: werd
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KC:
< N E > P > , JC,, [w [ W X 3
LC:
E (£4)
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Wir haben gesehen, daß die Variablen in VK (hier: X3) von Verbzusätzen (VZ) wie von abhängigen infiniten Verben in kohärenter Konstruktion (VK) belegt werden können. Im Einzelfall kann also X3 als VK interpretiert werden, wodurch ein Satz der Form a mit der KC von (r) verträglich ist; (d) müßte dann wie b interpretiert werden: ' ^W VK VK
l
·
b ist aber grade die Form, die als Teil (r) von A.c.I.-Verben vorkommt, denn dem lassen-Typ 3 zB haben wir in 3.1. den Lexikoneintrag (r)
PC: lass KC:
NP'J
, M?2 , X 3 ,[ VJ^VK X4 V^1] [y
PC]]
6 1 T/" - ^·
(d)
TJ\