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German Pages 480 Year 1846
Sibirien .
Nach ſeiner Naturbeſchaffenheit, ſeinen geſellſchaft: lichen und politiſchen Verhältniſſen und als Strafcolonic geſchildert 1 von
Charles Herbert Cottrell.
Aus dem Engliſchen überſeßt und mit Anmerkungen begleitet von
M.
B. findau .
Erſter Theil .
Dresden und Leipzig, Ar 11 uro iſche
Buchhandlung . 1846 .
!
2
Cer
AY
915.7
(82SG
V or w o r t .
Der Verfaſſer, welcher ſich als einen Mann an kündigt, „ der vicler Menſchen Städte geſehen und Sitte gelernt hat“ , beſuchte im Jahre 1940 Sibi rien ,
nachdem er längere Zeit im curopäiſchen
Rußland ſich aufgehalten hatte.
Sein Reiſebericht,
der unter dem Titel : „ Recollections of Siberia in the years 1840 and 1841. By Charles Herbert Cot trell“ (London 1842 ), Nachrichten ,
die
erſchien ,
enthält manche
in anderen Werken nicht vor
kommen, mehre Berichtigungen geographiſcher Jrr: thümer und weit verbreiteter Angaben über die Behandlung und den Zuſtand der Verbannten . Er war mit Empfehlungen an die Vorſtände der Oberbehörden in Sibirien verſehen , die ihn eben ſo gaſtfrei aufnahmen
als bei ſeinen
ungen zuvorkommend unterſtützten.
Nachforſch
Schildert er
IV manche Dinge in einem für Rußland günſtigeren
mit si me
Lichte, als es gewöhnlich geſchicht, ſo könnte man
Seide gelebt
glauben , daß man den Fremdling nicht immer
klaublich
genau unterrichtet oder dem Kreiſe ſeiner Beobacht ung Manches entrückt habe , aber es würde unge
wiridig un mubt werden
an der Wahrhaftigkeit des Mannes zu
heb - iit ci
recht ſein ,
von welchen
get chat mir
er ſich nach ſeiner Verſicherung genau unterrichtet
be borul ,
ein freies und unbe:
Ring unbek
,, Der Verfaſſer " , ſagt er im Vorworte, ,, kann kaum hoffen , daß die Erinnerungen an eine Reiſe
poder bal midt hent itulacalic
in Sibirien für das Publicum fo anziehend ſein werden , als ſie es für ihn ſelber find ; aber die
Thrich Alam
zweifeln , wo er
hat.
Thatſachen erzählt ,
Er bewährt überall
fangenes Urtheil .
beſchränkte und oft unrichtige
Kenntniß , die wir
von jenem Lande haben , und die geringe Glaub
bir haben di menie Ca n p
würdigkeit der wenigen Nachrichten über den mo raliſchen Zuſtand deſſelben ermuthigten ihn,
die
Bemerkungen zu veröffentlichen , die er auf einer gemacht hat.
Monaten
Reiſe von beinahe ſechs
In Rußland ſelbſt iſt Sibirien faſt ſo wenig
be
kannt als in England, und ſchon der bloße Name reicht hin , ohne Unterſuchung ein Urtheil auszuſprechen.
liker
icht ze
egnet trar an den Beri Mrre guen al terzia bermin
verdammendes
Bei unſerer
Ankunft in
tiks
ciet
ung
Moskau wünſchte man uns Glück, einer Verbann ung entronnen
zu ſein ,
aus
welcher , ſo
wenig
Menſchen zurückkehren , und Mancher fragte une,
Sam
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V
wie es möglich geweſen wäre, ſo lange in jenom Lande gelebt zu haben, Alle aber ſtaunten uns an, ſo unglaublich kam es ihnen vor, daß eine ſolche Reiſe freiwillig und ohne einen beſtimmten Zweck
ge
macht worden ſei . Omne ignotum est pro magni fico iſt ein Sprüchwort , das in unſeren Ta gen nicht minder wahr iſt als zur Zeit , wo
Ta
citus fchrieb , vielleicht um ſo mehr , da wenigere Dinge unbekannt find als zu jener Zeit “ . „ Wir haben in neueren Zeiten allerdings den Bericht von einer Reiſe in Sibirien und Kamt fchatka erhalten, die der Jrländer Dobell in den Jahren 1812 und 1814 unternahm , fchrieb Kamtſchatka weit
aber er be:
genauer als
Sibirien.
Wir haben die Beſchreibung der Fußreiſe des ver ſtorbenen Capitäns Cochrane, die unter fo au Berordentlichen Umſtänden gemacht wurde, und den Reiſebericht des blinden Holman , die zivar beide geeignet waren ,
die Theilnahme des Publicum :
an den Berichterſtattern zu erhöhen , aber das Vertrauen auf die Richtigkeit ihrer Mittheilungen ctivas verminderten.
In weit neuerer Zeit erſchien
auf Anregung des Majors Sabine die engliſche Ueberſetzung des Berichtes über die Entdeckungreiſe des Barons Wrangel im nördlichen
Sibirien
und Kamtſchatka , die in demſelben Jahre unter: nommen wurde, 1co Cochrane jene Länder beſuchte.
VI
Es werden darin jedoch keineswegs diejenigen Theile
fa rürde
Sibiricns beſchrieben , die wir geſehen haben ;
in then ic
war lediglich cinc wiſſenſchaftliche Reiſe,
es
die auf
Befehl des Kaiſers Alerander gemacht ward. Auf fallend iſt es ,
daß
in Rußland
nie Nachrichten
über dieſe Reiſe veröffentlicht wurden ,
und
konnten nicht erfahren, aus welchem Grunde.
wir
itin iete, al Then Heide Brunije anzumer en
Wir
haben in unſerem Reiſeberichte uns einige Bemerk: ungen über diejenigen Puncte erlaubt, worin wir
agen
mit dem Verfaſſer nicht einig ſind , und zwar im
ti ht , wo die in Spaiton ?
Vertrauen auf die im Lande ſelbſt von uns geſam :
obro nad
s
melten Nachrichten “ . „ Es gibt verſchiedene deutide Werke über Si birien ,
unter
welchen mehre
Jahrhundert angehören ,
dem
achtzehenten
ܕ ܕ ܬet Lyrai un n c
und darunter behauptet
den erſten Rang der Bericht über die von Pallas
Saari
en
in den Jahren 1768 bis 1774 unternommene Reiſe, ein ſehr verdienſtvolles Werk , das aber für den Naturforſcher anziehender als für das Publicum iſt.
Selbſt wo Pallas umſtändlichere
ten über den Zuſtand
Nachrich
in auf den Unter den
und die Lebensweiſe der
Bewohner des Landes zu jener Zeit mittheilt, kann fein Wert doch nicht für ein treues Gemälde Si biriens in der Mitte des neunzehnten erts gelten.
Rußland hat ſeit Peter dem
Jahrhund Großen
mächtigere Fortſchritte in der Geſittung gemacht als in derſelben Zeit irgend ein Land in der Welt .
G. Don waa geb r en
VII
Es würde unbillig ſein ,
zu erwarten , daß Sibi:
rien eben ſo raſch in der Geſittung vorgeſchritten ſein ſollte, als viele andere Theile jenes unermeſ lichen
Reiches ;
aber
Tvir glauben ,
daß
es
im
Verhältniſſe zu ſeinen natürlichen Vortheilen keine langſameren Länder.
Schritte
Man
muß
gemacht
hat
als
fürchten ,
daß
Gaſtfreiheit
andere
eine Tugend ſei, die in Zeiten und Ländern geehrt wird , wo die künſtliche Verfeinerung noch nicht den höchſten Punct erreicht hat.
Beurtheilen wir
Sibirien nach dieſem Maßſtabe, ſo müßten ivir das Land freilich ſehr niedrig ſtellen , denn es gibt, wie wir glauben ,
kein Land ,
wo Gaſtfreiheit ſo
allgemein und ſo herzlich geübt wird.
Wir wür :
den undankbar ſein, wenn wir nicht jede Gelegen : heit ergreifen wollten , unſer Zeugniſ für die Bes wahrung dicſer patriarchaliſchen Sitte unter allen Volfallaffen ,
von dem
General-Gouverneur bis
herab auf den Bauer , hier nicderzulegen . "
Unter den
neueſten ,
in Rußland erſchienenen
Werken verdient der ſicbente Band der auf Koſten der kaiſerlichen Akademie der K.
G. von
Baer und Gr.
Wiſſenſchaften von von
Helmerſen
herauøgegebenen „ Beiträge zur Kenntniß des ruſ ſiſchen Reiches und der angränzenden Länder Afi ens “ ( Petersburg
1845 ) beſondere Audzeichnung.
Dieſer Band enthält bloß Nachrichten über
Sibi:
VIII
rien und die Kirgijen - Steppe, namentlid , über den Kornbau in einem Theile des Landes , über die Zunahme der eingeborenen Bevölkerung, über den Jagderwerb beſonders im öſtlichen Sibirien , vor: züglich über die Jagd
auf Belzthiere
und den
Pelzhandel , und über eine im Jahre 1840 in dic öſtliche dſtungariſche Kirgiſen -Steppe unternommene Reiſe. lichen
Dem hier geſammelten ,
meiſt aus amt
Quellen geſchöpften reichlichen ſtatiſtiſchen
Stoffe ſind einige Anmerkungen und Erläuterungen entlehnt worden ,
welche die Angaben des Ver:
Bier bisher
WAS
faſſero ergänzen fönnen .
Im Auguſt 1846 .
:1 Cbrileeat 2 ura. maleri : e
mahnet. I that bir W Grai oppe n.
ra obdees run a ig mByobnd n n tarie er . ns
bwierntde. Ad ung D Stier, La
Inhalt .
Seite,
Erſter Abſchnitt. Moskau . Die Sperlingsberge. Zuſtand der Gefangenen. Dr. Haas. Suden: befehrung. Robbolniken. Abgang der Verbann ten nach Sibirien . Ihre Behandlung auf dem Wege. Unſer Aufbruch nach Sibirien. Das Reifen in Rußland. Wladimir. Mafatelum . Beſuch bei Herrn von Karamſin . Landleben in Rußland. Murom . Simbirst. Uebergang über die Wolga an der Gränze des Gouvernements Orenburg . Poftmeiſter. Unehrlichkeit ruffiſcher Chinowniks Ruſſiſche Artillerie. Einkauf von Cavalerie- Pferden . Koraken am Ural. Ruſfiſche Kaufleute. Ankunft in Orenburg ...... Zweiter Abſchnitt. Orenburg . Die Steppenbe wohner . Die Kirgiſen . Kriegszug der Ruſſen nach Khima . General Perowski. Ruſſiſche Ma nufacturen. Geſellſchaftliches Leben in Orenburg . Der Graf Simonitſch . Weg an der Gränze. Ruſſiſche Veſten . Der Ural. Iroitska . Die Steppen . Kameele. Die ſibiriſche Gränze......... Dritter Abſchnitt. Sibirien . Gleichheit der Sprache und des Glaubens . Aeltere Geſchichte des Landes . Eroberung durch die Nuſſen . Iermal Timofeew . Brand in Tobolsk. Alte Gräber. Verſchiedene Bewohner. Urſprung des Landesnamens . Si :. biriens geographiſche Verhältniſſe. Vertrag mit China . Boden und Klima Sibiriens. Berg werke. Aderbau . Möglichkeit einer Waſſerver: bindung zwiſchen dem Stillen Meere und der Offee . Landverbindung.........
1
39
71
Seite. Vierter Abſchnitt. Unterſchied der Kälte in beiden Abtheilungen Sibiriens. Wirkungen heftiger Kälte . Tiefe des gefrorenen Bodens. Urſachen dieſer Erſcheinung. Art des Anbaus und Er: zeugniſſe Sibiriens. Fiſche. Die Buräten . Jagd. Branntweinliebe. Schelmerei der Händler. Die Tunguſen . Ihre Lebensweiſe . Die Jakuten . Das Mammuth . Geologiſche Erſcheinungen. Veränderungen des Klimas in Sibirien. Andere foſſile Ueberreſte. Die Flüſſe... Fünfter Abſchnitt. Gefrorener Boden. Maß für Entfernungen bei den Jakuten . Ihr Urſprung. Sommerhütten. Ihre Nahrung . Aberglaube. Wrangel und Hedenſtröm . Pugatſcheff. Petro pawlowsk. Handel mit den Kirgiſen Omst. Die Koſaken . Anſiedelungen an der Gränze von Goldſand in den Kirgiſen - Steppen . Tibet. Die ge : Schulen und Generalſtab in Omsk heimniſvolle Grotte. ' Semipalatinst. Die chi neſtſcheGränze. Handel mit den Chineſen . Reiſe nach uſt- Kamenogorsk. Der Altai ...
149
un bat gran
Sechster Abſchnitt. Bienen in Sibirien . Buchtar minsk. Zmenogorsk. Silbergruben . Bearbeit ung der Erze. Kronbauern . Iiefer Schnee. Barnaul. Bergwerfe. Schneeſturm . Straße nach Tomsk. Sechszehn Pferde vor einem Wa : gen . Geſellſchaft in Tomsk. Die Goldſucher. Wirkungen des Mangels an Preßfreiheit.........
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Erſter Abſchnitt. Moskau . Die Sperlingsberge. Zuſtand der Gefangenen . Dr. Haas. Judenbekehrung, Roskolniken. Abgang Ihre Behandlung der Verbannten nach Sibirien. auf dem Wege. Unjer Aufbruch nach Sibirien. Das Reiſen in Rußland . Wladimir. Makatelum. Beſuch bei Herrn von Karamſin . Landleben in Ruß land . Murom. Simbirsk. Uebergang über die Bolga an der Gränze des Gouvernements Orenburg. Poſt meiſter. Unehrlichkeit ruſſiſcher Chinowniks. Nuſfiſche Artillerie. Einkauf von Cavalerie - Pferden . Koſaten am Ural. Ruſſiſche Kaufleute. Ankunft in Orenburg .
Wie die meiſten anderen Reiſenden , die bis zu der alten Czaarenſtadt gewandert find , benugten wir erſte Gelegenheit ,
die
einer der periodiſchen Kerferentleer
ungen und einer Abführung nach Sibirien beizuwohnen . Auf einer Höhe ,
ungefähr eine Stunde vom Kremi,
obgleich bei der großen Fläche, welche Moskau bedeckt, nur in geringer Entfernung von ſeinen Mauern , bes findet ſich der Hauptverwahrort faſt aller jener Unter thanen des ruffiſchen Reiche, die entneder wegen fdnerer Verbrechen zur Verbannung oder nur dazu verurtheilt Find 1, in Sibirien Coloniſten zu werden . 1 Sottrell's Sibirien, 1,
2
Man darf nicht glauben , daß Ade, deren Loos es iſt,
den Reft ihres Lebens in dieſen entlegenen Theis
Ien des ruſſiſchen Reichs zuzubringen , bürgerlicher oder politiſcher Vergehungen wegen dazu verurtheilt ſind. Noch weniger aber liegt in dieſem Looſe für die große Mehr zahl irgend ' eine Strafe .
Der größere Theil beſteht aus
Landſtreichern , die Niemand angehören , ohne Heimat und ohne Mittel , nen .
einen ehrlichen Unterhalt zu gewin
Kurz Alle, die keinen Paß oder kein Zeugniſ
von der Polizeibehörde ihres Diſtricts aufweiſen kön nen , werden als Anſiedler in die dünn bevölkerten Theile Sibiriens geſchickt.
Wir werden anderwärts ihren Zu
fand ſchildern , nachdem ſie an ihren verſchiedenen Bes ftimmungorten
angelangt find ,
und
glauben , unſre
Leſer überzeugen zu können -- wenn fie überzeugt ſein wollen daß der gewöhnliche Eindruck, den die Worte ,, Verbannung
nach
Sibirien "
hervorbringen ,
ebenſo
irrthümlich in Bezug auf die Verbannten als ungerecht gegen die ruſſiſche Regierung iſt. Die lange Hügelkette, die unter dem Namen der Sperlingsberge befannt iſt, würde in einer weniger flachen Gegend feinen hinlänglich bemerkend werthen Zug bilden ,
doch da bie ganze Strecke von Petersburg bis
Moskau , eine Entfernung von neunzig geographiſchen Meilen , mit Auốnahme eines kleinen Theils , moder Weg über das Waldaiſche Gebirge läuft , cine todte Ebene iſt,
nichts als
ſo erſcheint dieſe unbedeutende
3 Anhöhe faſt als Gebirge. Einen beſonderen Reiz aber gewinnt fte durch die Ausſicht, welche ſie gewährt, und die Erinnerungen , die fich an ſie anknüpfen. liegt hier vor uns
Moskau
ein lebendes Panorama .
An
ſeinem Fuße fließt die kleine Moskawa , die, durch die angränzenden Wieſen fich windend ,
all das maleriſde
Anſehen eines Baches hat, während ihr Strom ſtarf ge nug iſt,
der Stadt das nöthige Brennholz zuzuführen .
Näher bei uns liegen die prächtigen Klöſter Donsfoi, Siminofskoi und Dewißkoi , über welche der unvergleich liche Kreml ſeine majeſtätiſche Stirn erhebt.
Moskaus Anblick macht nicht bloß durch den un geheueren Raum, ben es bedeckt, einen ſo gewaltigen Eindruc obgleich es faſt die größte Stadt der Erde iſt, denn der Umfang ihrer Mauern beträgt elf Stunden – ſondern durch ſeine unregelmäßige Erbauung auf Terraſſen ,
die übereinander emporſteigen , ſodaß das
Auge auf einmal all ſeine auffallenden Züge überſchaut. Seine dreihundert Kirchen in allen nur denkbaren Ge ſtalten und in allen Farben des Regenbogens , movon viele tatariſche Moſcheeen waren , die geweiht wurden und jetzt über dem Halbmond das Kreuz zeigen , und jede in ihren
verſchiedenen Farben die Strahlen einer
faſt tropiſchen Sonne zurückwirft,
geben
ihm
einen
morgenländiſchen Charakter, wie ihn keine andere Stadt befißt.
In der That rühmt fich Raſan einiger ſeiner
ſchönſten Puncte und hat eine überraſchende Aehnlich 1 *
4 keit mit Moskau , wozu nod) der Vorzug foinit, baß man von ſeinen Mauern die großartige Wolga ſteht. Rönnte ein Maler al die maleriſchen Gegenſtände, die man von den Sperlingsbergen mit einem Blicke über ſchaut, auf ein einziges Stück Leinwand bringen , ſo wäre es zu bezweifeln ,
ob ſeine Phantaſie irgend et
was wählen und ordnen könnte , fein ſchönes Ideal zu bilden .
das hier fehlte ,
am
Die ungeheuere Anzahl
goldener Kuppeln im Kreml alein , mit dem über alle emporragenden hohen Iwan Welifi , die phantaſtiſche Geſtalt, Farbe und Malerei der Kirche des heiligen Ba filius, dem Kreml ſo nahe , daß fie dazu zu gehören ein Gegenſaß zu der weißen Farbe der präch ſcheint tigen neuen Paläſte und palaſtartigen Hoậpitäler die Theater , die Kaſernen ,
die Militärſchule mit der
größten Reitbahn in Europa – mit hier und da höl zernen Gebäuden untermiſcht
bilden ein Ganzes,
wovon man ſich ſchwer einen Begriff machen kann, weil es nichts in der Welt gibt ,
womit man es ver
gleichen könnte. Die Sperlingsberge nehmen als der Punct , von wo die Franzoſen im
Jahre 1812 den erſten Blick auf
die dem Verderben geweihte Stadt warfen , unbedeutendes Intereſſe in Anſpruch.
ein nicht
Man fann fich
denken, was ſie fühlten , als ſie, wie Hannibal's Krie ger von dem Gipfel der Alpen hinab in Italiens frudt bare Ebenen ſchauend, das lange vermuthete Ziel , wo
5
ihre Beſchwerden zu Ende gehen, ihre beiſpielloſen An ſtrengungen mit Sieg gekrönt werden ſollten , endlich in ihrem Bereiche ſahen.
Von hier konnten fie deut
lidh wahrnehmen , wie die ruffiſche Nachhut fich zurück zog und die zahlreiche Einwohnerſchaft hinausſtrömte, um ihnen den ungeftörten Befig zu laſſen.
Hier kann
man ſich Napoleon vorſtellen , wie er ungeduldig ſeinen theuerſten Triumph erwartet - jenen Augenblick, der nie erſchien , wo eine Deputation der berühmteſten Se natoren ihm die Schlüſſel des in Demuth gebeugten Moskaus überbringen würde. Kreml ,
Und läge in Moskaus
in ſeinen Kirchen und ſeiner Univerſität keine
Anziehung
für
den
Reiſenden ; hätte
ſeine Geſells
ichaft keinen Reiz , hätten ſeine Einwohner feine Gaft freundſchaft,
keine Ueppigkeit zu bieten ,
dennoch um ſeiner Selbſtaufopferung Stunde der Gefahr,
ſo würde es
willen
in
der
als das Schickſal Europas nicht
minder als das Schickſal Rußlands auf dem Spiele ftand , emig der Ort bleiben , wohin er begierig ſeine Schritte lenkt, und in ihm die Begeiſterung erwecken , die ſo
lebendig
in
der Bruſt
Tochter Moskauß lebt.
jedes Sohne ,
jeder
Es hat ſich wahrlich wie ein
Phönir reizender als vorher aus ſeiner Aſche erhoben und uns wenigſtens wird es unvergeßlich bleiben , daß wir ,
nachdem wir faſt alles geſehen haben , was
Europa Anziehendeß aufzuweiſen hat , auf keinen Zeits raum unſeres Lebens zurückblicken können, der ſo viele anges
-
6
nehme Erinnerungen hinterlaſſen hätte ,
als die drei
Monate, die wir in Moskau verlebten . Dodh wir vergeſſen, daß wir über Sibirien ſchrei ben wollten .
Es war damals auf den Sperlingsbergen,
wo zuerſt der Wunſch in uns erwachte, den wirklichen Zuſtand Sibirien und die Lage ſeiner Bewohner kens nen zu lernen. Einer unſerer erſten Ausflüge in Moss kau hatte wie geſagt den Zweck , einer Abführung von Verurtheilten nach dem Orte ihrer Verbannung beizus wohnen .
Unſere Meinungen hierüber waren natürlich
aus
Berichten
ſucht.
den
anderer
Reiſenden
zuſammenge
Wir hatten geleſen , wie in dieſem allgemeinen
Sammelplag ,, jedes Alter und Oerdylecht -
Der Knute und der Kette erſt entgangen ohne Unterſchied zuſammengepfercht würden ,
bis die
zerfleiſchten und verſtümmelten Glieder wieder hinlängs liche Kraft für die Reiſe erlangt
hätten ,
und
wie
die unglückſelige Schaar weder ihr Urtheil, noch ihr Verbrechen fenne. " Doch da wir ſchon ein gutes Theil gereift waren und recht gut wußten , wie wenig man im Allgemeinen auf den Ausſpruch der Reiſenden geben kann ,
der nach ihrer Renntniß der Sprachen ,
nach ihren perſönlichen Vortheilen und nach der Ge fellſchaft , in welche der Zufall fie wirft ,
fo weſentlich
verſchieden iſt, war uns natürlich viel daran gelegen , bierüber wie über andere Dinge ſelbſt zu urtheilen. gaben
einem
Wir
uns befreundeten Engländer, der gegen
-
7
vierzig Jahre in Moskau feßhaft iſt, deſte bon ſeiner
ohne das Mins
vaterländiſchen Geſinnung
verloren
zu haben , ben Wunſch zu erkennen , jener Ceremonie beizuwohnen , und er übernahm es mit Artigkeit , uns dahin zu
führen.
Mögen die
verſchiedenen anderen
Engländer, die uns begleiteten, die Richtigkeit unſeres Berichtes durch ihr Zeugniß beſtätigen , wenn ja dieſes Buch in ihre Hände kommt. Wir hätten in Hinſicht unſeres Cicerone auf jeden Fall keine glücklichere Wahl treffen können. Unſer Freund, Herr Rowand ,
hat viele Jahre zum Verwaltungauß
chuß für alle das Gefängnißweſen betreffenden Angeles genheiten gehört, und es war daher ſeine beſondere Db liegenheit, von Zeit zu Zeit die Anſtalt auf den Sper lingsbergen zu beſuchen . Er ftellte uns einem Dr. Haas vor , einem römiſch -katholiſchen Arzt aus dem
Rhein
lande , der wie er ein Vorſteher des Gefängniſſes war. Dieſer Mann iſt mehr als ein zweiter Howard er bringt buchſtäblich ſein ganzes Leben damit zu, Gutes zu thun , mit Aufopferung ſeiner Geſundheit und feines Vermögens .
Er hat ein Zimmer in dem hieſigen Ge
fängnißhospitale . und eines in einem anderen innerhalb der Stadt und wäre , während unſeres Aufenthalts in Moskau, beinahe als Opfer ſeiner Menſchenliebe gefal len , indem er vierhundert und fünfzig Kranke zu ver ſorgen hatte ,
wovon der größte Theil mit einem an
ſteckenden Fieber behaftet war , das alle Hospitalmunds
ärzte hinweggerafft und ihn ſomit ihres Beiſtandes bes raubt hatte. Um ſein ganzes Leben irgend einem Stre ben zu weihen , ſei eß welches eß wolle, ohne die an reizende Ausſicht auf Ehre und Vortheil ,
muß der
Menſch ein Enthuſiaſt ſein , und obgleich dieſer Mann gewiß
von feinen anderen Beweggründen
in ſeinem
ſchwierigen Unternehmen geleitet und angefeuert wird, als von einem hohen Gefühl von Chriſtenpflicht und Wohlwollen, ſo hat doch auch die Macht der Gewohn beit ſein Stedenpferd und ſein Vergnügen daraus gemacht. Wir fanden ihn unter
achtzig Gefangenen ,
die
an
dieſem Morgen ihre traurige Reiſe antreten ſollten , und er ſprach mit jedem einzelnen und tröſtete fie, obgleich wir nicht eben bemerkten, daß das Legtere nöthig war, ausgenommen bei einem jungen noch nicht zwanzig= jährigen Weibe, das ein ganzes Dorf in Brand geſteckt hatte und vor drei Monaten geknutet worden war, Sie ſah offenbar nicht mit Wohlgefallen auf das, was ihr bevorſtand, alle übrigen ſchienen völlig gleichgiltig. Wir hatten Gelegenheit, mit deutſch ſprachen ,
vielen
von
ihnen , die
ein Geſpräch anzuknüpfen und
fie
find ſo weit davon entfernt, ihr Schickſal zu beklagen , daß wir in dem Gefängniſſe zu Moskau eß mit anjahen , wie ein alter neunzigjähriger Mann vor dem Factor auf die Kniee fiel und ihn bat, es zu vermitteln , daß ar nach Sibirien geſchickt werde.
Es war diez
jedoch unmöglich , da das Geles feinen , der das ſeche :
-
9
zigſte Jahr überſchritten hat ,
dieſe beſchwerliche Reiſe
thun läßt.
Dr. Haas bemüht fich , zu erfahren ,
aus welchen
Gründen jede einzelne Perſon zur Verbannung nach Sibirien verurtheilt iſt,
und findet er auf geſchehene
Unterſuchung irgend ein Pförtchen der Gnade, ſo wirkt er für den Gefangenen ſtets einen Aufſchub feiner Ab führung aus und erlangt häufig auch eine Milderung des Urtheils, wenn irgend eine Ungerechtigkeit vorgekommen zu ſein ſcheint.
Es erhalten Ade ein neues Teftament
von ihm, worin fie die auf ihre verſchiedenen Verhältniſſe am meiſten anwendbaren Stellen beſonders angemerkt fin den. Er erzählte uns, vor einigen Jahren hätte eine Eng länderin , welche der
Handlung , die wir beſchreiben ,
beiwohnte, und der er mehre angemerkte Stellen wies, die naive Frage geſtellt, welche Terte er für die polni ichen Verbannten auswähle ; er geſtand, er ſei etras in Verlegenheit geweſen , obgleich es
nicht
an
Stellen
mangele,
welche Unterwerfung unter die eingeſepte Obrigkeit befehlen. Er gab uns ein deutſches Tefta ment, in welches er einſchrieb, unter welchen Umſtänden es uns eingehändigt worden war ,
und wir werden
ſeine Handſchrift ftets mit einer angenehmen Erinner ung an unſeren Beſuch auf den Sperlingsbergen bez trachten. Es iſt nichte Seltenes, daß fich unter den Miffethätern einige Juden befinden , bei welchen der Doctor keine Ueberredung (part,
um fte zum Eintritt
10 ins Chriſtenthum zu veranlaſſen.
Wir wollen hoffen,
daß ſeine Bemühungen nicht erfolglos ſind , aber wir fürchten , daß er nur zu oft betrogen wird. Auch gegenwärtig ſahen wir ihn in ernftem Geſpräch mit einem Profelyten dieſer Art , der deutſch mit ihm ſprach, und wir bemerkten , daß er kurz vor dem Ab ſchied einige Gewiſſensangſt darüber fühlte oder erkünſtelte, den würdigen Doctor hinſichtlich ſeiner Bekehrung ge täuſcht zu haben , und ſeine Zerknirſchung und aufrichtige Reue zu erkennen gab. Es ergab ſich, daß er viermal ge tauft worden war und jedesmal einige gediegene Beweiſe von der Mildthätigkeit der Leute empfangen hatte , die fich ſchmeichelten, einer Seele die Seligkeit verſchafft zu ha ben . Er erklärte, der Doctor ſei einer von dieſen Betroge nen geweſen und er hätte ſelbſt das Teſtament verkauft, das er bei der Taufe von ihm erhalten hätte. Er befannte jedoch endlich, er ſei von ſeinem Irrthum wirklich über zeugt, und verſprach , in Wahrheit ein Chriſt zu wer den .
Es iſt wahrſcheinlich, daß er es mit ſeinem Ver
ſprechen ,
fich zum Chriſtenthum zu bekennen ,
endlich
einmal aufrichtig meinte , da man den Juden , die den Olauben ihrer Väter verlaffen, in Sibirien große Vor theile genährt. Sie können dann heirathen und ſich behag licher als Coloniſten niederlaſſen, und , was ein weſent licher Punct für einen Juden iſt,
den Umgang
berje
nigen genießen , unter welche ihr Schickſal ſte geworfen hat.
Der Jude war ſchon vorher in Sibirien geweſen
11
und entflohen , war dort wahrſcheinlich getauft worden und wieder zum Zudenthum übergetreten, um bei ſeiner Wiederbekehrung von des Doctors Freigebigkeit Nußen zu ziehen .
Solche wiederholte Abſchwörungen ſind in
Rußland nichts Seltenes und man hört bei der legten den neuen Chriſten zuweilen klagen , daß
er bei den
früheren mehr empfangen hätte. Die unglücklichen Leute merben , ehe die Reihe an fie fommt, brechen ,
nach dem Orte ihrer Beſtimmung aufzus
in dieſem Gemahrſam ſo verſorgt und ver
pflegt, wie es fich mit ihrer Lage vereinigen läßt .
Die
weiblichen Gefangenen find von den männlichen abge ſondert und kommen nie mit ihnen zuſammen , wenn fie nidyt Verwandte darunter haben ; ebenſo find auch die verſchiedenen Klaffen von Miſſethätern fo viel als möglich nach der Art ihrer Verbrechen abgetheilt. jenigen ,
Die
die fich verzeihlichere Vergehungen haben zu
Schulden kommen laffen , find von den verworfenen Verbrechern getrennt , während jene , die nur des Va: gabondirens wegen in die
Verbannung gehen
( und
dieſe bilden die große Mehrzahl) und nur Coloniſten werden ſollen , von der Geſellſchaft der Verberbten und Lafterhaften völlig geſchieden find. Wir ſahen in einem beſonderen Gemache brei Pers jonen , die offenbar einer beſſern Klaffe angehörten und in welchen wir an ihren großen Bärten ,,Roskolniken " ober, wie ſie fich ſelber nennen , Leute vom alten
12
Glauben erkannten . Diſſenter
Es gibt in Rußland von den
dieſer Benennung
eine ungeheuere Anzahl ,
deren Lehrgrundfäße einigermaßen mit dem Puſeyismus ſich vereinigen
laſſen.
Im
ftebzehnten
unter der Regierung des Czaré Aleris ,
Jahrhundert, erkannte der
Patriarch Nifon , ein Mann von großer Gelehrſamkeit, daß die ruſftſch - ſlaviſche Bibelüberſegung und
andere
heilige Bücher aus dem griechiſchen Original in vielen Stellen fehlerhaft und finnentſtellt wären ,
und erhielt
von ſeinem Oberherrn die Erlaubniß, die erforderlichen Verbeſſerungen zu machen, welche allgemein angenommen werden ſollten.
Eine Anzahl
Beſſerunggegner
aber
überredeten das gemeine Volk, dieſe Neuerungen wären Fegeriſch und griffen die Grundlage ihres Glaubens an , und veranlaßten eß auf dieſe Weiſe, der alten Ueber ſeßung treu zu bleiben .
Es wurde ein ſehr ftrenges
Gefeß gegen dieſe argloſen Leute erlaſſen , und ſie wur ben buchſtäblich verfolgt bis zur Herrſchaft des Kaiſers Alerander , als der berühmte Metropolit von Moskau , Plato , einige mildere Anordnungen in Vorſchlag brachte, welchen der Kaiſer Gefeßkraft gab , und jene Verfolg ung endlich aufhörte. Vor dieſer Zeit hatte Beter der Große, wie es uns ſcheint, fehr unweislich das Volf ſeiner Bärte zu be rauben geſucht; bas Verfahren fand heftigen Widerſtand, beſonders bei dieſen Roskolnifen ,
für trelche
eg
ein
Glaubensartikel iſt, ſich das Geficht nicht zu ſcheeren,
13
und er war in ſo weit von Erfolg ,
daß die . Bärte,
ſtatt durchaus vertilgt zu werden , mit einer Steuer bes legt wurden, und die Roskolniken waren zufrieden ſtellt.
ge
Heutiges Tages weiß man, daß jeder, der einen
langen Bart trägt und kein Priefter und mehr als ein Mujik ift, zu jener Secte gehört.
Nach Gibbon
rraren die erſten Chriften die Urheber dieſes Aberglau bens . Tertullian nennt den Gebrauch des Scheermeſſers „ eine Lüge gegen das Menſchengeſchlecht gottloſen Verſuch , beſſern ."
und
einen
an den Werken des Schöpfers zu
Der ruſſiſche Bauer hat in dem Schuße,
den ihm ſein Bart gegen die ſtrenge Kälte gewährt, einen beſſeren Vorwand als der Rarthager , und der Bart ſcheint in einem lande ,
wo
nicht ſelten das
Quedfilber gefriert, eine ſehr weiſe Fürſorge der Natur
zu ſein . Die Zahl der Schismatifer hat in den legten Jah ren ſo zugenommen , und das Unheil, daß fie erzeugt haben , iſt ſo groß geworden , daß der Kaiſer genöthigt geweſen iſt , ſie zu beſtrafen.
Aus den urſprünglichen
Roskolniken find in Folge der lächerlichſten und ſchäd lidhſten Beweggründe mehre andere Secten
hervorges
gangen .
Eine davon hat zum Beiſpiel die Entdeckung
gemacht,
daß der Name Jefus mit vier Buchſtaben
ftatt mit fünf geſchrieben werden ſollte oder umgekehrt, und um folder Dinge
willen
haben
ihre
Berfechter
den Frieden von Familien und ſelbſt von Dörfern ge
14 ſtört, indem ſie ihre Anhänger überrebeten , daß es ein abſcheuliches Vergehen gegen den Himmel ſei, mit Denje nigen , die nicht derſelben Meinung anhingen , in Ver ſodaß
301 11
ſolcher kleinlichen Unterſchiede wegen Kinder gegen ihre Aeltern Partei nehmen und die theuerſten Bande zer
irin
bindung zu
treten oder irgend zu verkehren ,
riſſen werden.
Worin die genaue Meinungverſchieden
heit der Leute beſtand, die wir auf den Sperlingebergen trafen , haben wir vergeſſen ;
aber ſie
brilie
waren ſchwere
Verbrecher, die lange als Miſſionare gedient hatten, um für ihren Glauben Proſelyten zu machen , wofür fte ießt auf dem Puncte waren , eine Reiſe nach Sibirien anzutreten .
Wir fühlten uns durch ihre Erſcheinung
und ihr achtungwürdiges Weſen überraſcht und dachten, wie die Worte des Lucretius :
Tantum religio potuit suadere malorum " heute wahrer ſind als damals. Nachdem Alles zum Aufbruch des Schußgeleites vor bereitet iſt und die Geſellſchaft eine tüchtige Mahlzeit von Brod , Suppe und Quas eingenommen hat (wir aßen von Adem und fanden es ſehr ſchmackhaft ),
har en
wird
ſie in Marſchordnung gebracht und tritt unter einer
ܐܕܐ
Bedeckung von Soldaten mit einem Offizier , der jeden Tag abgelöſt wird , bei Trommelwirbel ihre Reiſe an . Vor den Gefängnißmauern wird der Zug der Verira theilten bedeutend durch deren Familien vermehrt, welchen es jederzeit erlaubt iſt,
ihre Verwandten zu begleiten,
119
.93
15 ein
und Diejenigen , welche die Mittel dazu haben , können ſich,
njes
ftatt zu Fuß zu gehen, mit geringen Roſten einen ,, abooz' '
Bers
oder Schlitten verſchaffen.
obab
von
ihre
dieſem
Brauche gibt ,
Der Bericht, den Bremner wird mit dem
unſrigen
zer
größtentheils übereinſtimmen ; er bemerkt jedoch, daß er nicht zu entdecken vermocht hätte , ob bei einem Ebel
den
manne ein Unterſchied gemacht werde und ihm eine für
rgen vere
gewöhnlich nicht gebräuchliche Fuhrgelegenheit oder Gr leichterung
nachgelaſſen ſei.
Hätte er fich erkundigt,
um
ſo würde er ohne Schwierigkeit erfahren haben , daß
fie
ſolche Schonung, ſo weit fte mit der Sicherheit des
ien
Gefangenen vereinbar iſt, allerdings erwieſen wird , ſo
ing
wenig e8 auch mit der Gerechtigkeit übereinſtimmen mag ,
en,
zwiſchen dem Neichen und dem Armen , dem Edelmann und dem Bauer einen Unterſchied zu machen . Wir ſind auf der Reiſe nach und aus Sibirien häufig auf ſolche Züge von Gefangenen geſtoßen und ſie waren ſtets von einer
ra
Anzahl von Fuhrwerken begleitet, welche die Regierung für
eit
diejenigen ,
ir
ihnen mitgibt .
-8
n
die unterwegs frank oder hinfädig werden ,
Wir gaben uns viele Mühe , das genaue Gericht ihrer Ketten fennen zu lernen , und haben wägen ſehen ,
können wir
nachdem wir fie
verſichern ,
daß ſie
bei dem verwegerſten Verbrecher nie mehr als Pfund Schwere haben .
vier
Man legt fte an die Hände
oder an die Beine , je nach der Wahl der Gefangenen, die Zwei und zwei an einander beveſtigt werden ;
fie
16
ziehen es gewöhnlich vor , Hände und
Arme frei zu
haben .. Der Marſch
der
Verbannten beträgt am
erſten
Mufieber te
Tage nur vier Stunden , verändert ſich aber nach Ent
lie WA
fernung der Dörfer , wo fie übernachten , und geht nie
Nie barbant
über ſechs bis fteben Stunden hinaus . ſelben Weg ,
Da wir den=
ben fie gewöhnlich wandern , bis zum
eutfernteſten Ziele verfolgt haben , ſo können wir das Zeugniß geben , daß, je weiter fte kommen , ihre Herbergen immer beſſer werden .
Es
gibt in jedem Dorfe ein
ausſchließend für die Gefangenen beſtimmtes Haus , das meiſtens das beßte in der Umgegend iſt.
Sie bekom
men ein kleines Taggeld für ihren Lebensunterhalt, das fie zuſammenſchießen, und vermehren ihre Mittel durch die milden Gaben ,
die fte ſtets von den Einwohnern
der Orte empfangen , durch welche ihr Weg führt. Ich glaube, die Pflicht des Almoſenſpendens wird felbft in England nicht allgemeiner geübt als in Rußland .
Die
Kaufleute und die reicheren Krämer beſonders widmen dieſem Zwecke jährlich große Summen, und in Sibirien werden die Berbannten
oder , wie man fte flichtweg
nennt, die „ Nefttſchaftni ludi" (unglüdlichen Leute) oft ganz
durch die Mildthätigkeit
der Eingeborenen
erhalten .
Wir find veſt überzeugt , daß diejenigen , die fich gut aufführen ,
unterwegs ſelten ſchlecht behandelt werden ,
doch da der Offizier , der fte unter ſeiner Obhut hat,
A gehe
17 nur auf eine Jagereiſe mit
ihnen
geht ,
ſo mag es
wohl vorkommen , daß ſie beim häufigen Wechſel der Aufſeher bann und wann in die Hände eines gefühl . loſen
und
tyrannijden
Mannes
fallen .
Wenn
wir
die Behauptung aufſtellen , daß im Allgemeinen, wann die Regierung irrt, es auf Seiten der Gnade geſchieht, und daß, wann irgend Grauſamkeiten vorkommen , die Unterbeamten die lirheber find , ſo berufen
wir uns
auf das Zeugniß des Dr. Þaad , und ſeine große Men= ſdhenliebe wird ihn gegen die Beſchuldigung ſchüßen, als bege er gegen jene armen Geſchöpfe eine ungünſtige Gefinnung .
Wir ſind weiter abgeſd weift, als es an
fänglich unſere Abficht war , aber wir hoffen , daß dieſe einleitenden Bemerkungen , wenn ſie auch nicht durchs aus neu find, doch nicht ganz unintereſſant ſein dürf= ten ; fie verdienen , ba fte mit Sibirien als Verbann ungort innig verbunden ſind, Beachtung, ehe wir die Lage der Verbannten beſchreiben , nachdem
fte an dem
Orte ihrer Beſtimmung angelangt find. Wir waren im Begriff, Moskau Lebewohl zu ja gen , ale und eine höchſt günſtige Gelegenheit zu eis nem Beſude Sibiriens ftch barbot. Seit genommen , prüfen ,
Bätten wir uns
das Für und Wiber ſyſtematiſch zu
fo hätten wir wahrſcheinlich eine verneinende
Entſcheidung gefaßt, und wir wünſchen
uns Glück,
bem Antriebe bes Augenblicke gefolgt zu ſein und die Gelegenheit benußt zu haben . Cottrell's Sibirien. I.
Es lag offenbar nicht 2
18
eben eine reizende Ausſicht vor uns ; eine Reiſe von 1000 Meilen *) in der rauheſten Jahreszeit , durch ein Land, das nach all unſeren ſeitherigen Begriffen ein halb barbariſches war, und mit deſſen Sprache mir faſt völlig unbekannt waren , und die Ungewißheit, ob man uns jene Theile bereiſen laſſen rrürde ,
die wir
hauptſächlich zu beſuchen wünſchten, das waren Schmie rigkeiten ,
welchen
entgegenzutreten , reiniger
Ent
ſchloſſenheit bedurfte. Unſer Reiſegefährte flöfte uns Muth ein , und ſo machten wir uns am 8. September auf den Weg . Der Fürft Dmitri Galişin , der General - Gouverneur von Moskau , hatte uns ſehr gütig mit Briefen an die Gouverneure der verſchiedenen Brovinzen ver ſehen ,
durch
welche
une
mahrſcheinlicher Weiſe der
Weg führte , ſo wie an den General-Gouverneur von Weſt-Sibirien ; verdankten
und dieſen
wir die
Tchäzbaren Empfehlungen
befriedigende
Ausführung
einer
Reiſe , die, wie wir glauben , fein anderer lebender Gngländer gemacht hat, zwei Miffionare ausgenommen , bie viele Jahre in Selenginsk lebten .
Wir beſaßen bei
unſerem Aufbruch drei Vortheile , einen ſehr bequemen Reiſemagen ,
einen
angenehmen Gefährten und einen
guter Diener , aber mir wußten recht gut , daß erſterer mit einer einheimiſchen Ribitfe vertauſcht werden mußte,
*)
200 geographiſche.
·
19
ſobald fich Schnee einſtellte , und daß es ſehr ungewiß war, wie weit unſer Geſellſchafter mit uns denſelben Weg haben würde.
&& ift in jedem Lande , wo es
ſchlechte Wege gibt , immer beſſer , mit den Fuhrwerfen zu reiſen , welche die Erfahrung der Eingeborenen für die zweckmäßigften erkannt hat, in Norwegen , Schweden und Rußland aber iſt es im Winter unumgänglich nö thig , diefen Grundſaß anzunehmen.
Durch Rußland
und beſonders durch Sibirien reift man ſchneller als in ir gend einem anderen Theile der Welt, wo es keine Els ſenbahnen gibt,
aber wir wollen Niemand gerathen
haben , eine große Strecke im Inneren mit Poft zu reifen, ohne einen Kuſſen zum Begleiter zu haben, deſſen Baß Berückſichtigung ſichert oder ihn wenigftens vor Schererei ſchügt. Der größte Nachtheil für gewöhnliche Reiſende find die vielen Beamten und Offiziere, die beſtändig auf Reis ſen fich befinden ; denn da wir einen großen Theil uns ferer Reiſe mit einem General- Gouverneur zurückgelegt haben, wiſſen wir über den Privatvortheil und die öf= fentlichen Nachtheile, welche hieraus hervorgehen , zu ur theilen.
Will zum Beiſpiel ein hoher öffentlicher Be
amter mit einem zahlreichen Gefolge
eine Reiſe von
tauſend Meilen machen , ſo hat er, wenn er im Range cines Generale fteht, Anſpruch auf zmanzig Pferde; die Anzahl derſelben richtet ſich immer nach dem dee Reiſenden .
Range
Er ſchreibt sinige Zeit vorher , ehe er 2*
20
aufzubrechen gedenkt, an alle Poſtmeiſter auf dem Wege, den er reiſt, um ihnen bekannt zu machen , daß er an einem beſtimmten Tage
eintreffen werde.
Dieſer be:
ſtimmte Tag iſt wahrſcheinlich der unbeſtimmteſte, den ps geben kann, und es iſt, wie wir ſelbſt erfahren ha ben, feine Seltenheit, daß für den fragliden Herrn auf jeder Station zwanzig Pferde einen Monat lang bereit gehalten werden , ehe er ankommt.
Die Folge iſt, daß
andere Reiſende von geringerer Bedeutung Stunden , ja Tage lang aufgehalten werden , bis ihre Geduld erſchöpft iſt und ignen endlich nichts übrig bleibt ale Beſtechung; aber zuweilen läßt fich auch felbft mit dieſem
Mittel
nichts ausrichten , weil es mirklich an Pferden mangelt. Der Verluſt der Eigenthümer , was nicht die Poſtmei fter, ſondern die Bauern find, iſt beſonders in der Ern tezeit ſehr bedeutend ,
da
ſie für die
Zeit ,
wo die
Pferde in Bereitſchaft ftehen, nicht bezahlt werden ; ihr vödiges Verderben aber ift es, im Fall der Hof in dies fer Jahreszeit reiſt, obgleich er großmüthiger zahlt als andere Leute. die Briefpoſten
Eine Anzahl Pferde und
die
muß immer für
zahlreichen Feldjäger bereit
ſtehen , die beſtändig nach allen Richtungen entſendet werden ; kurz die Zahl der Bevorzugten , die bei dem geringſten Verzug das Geſeg ſelbſt in die Hand nehmen, ift ſo groß , daß ein unbeſchüßter Reifender oft nicht weiter fann, wenn er nicht jedenfalls die doppelte Care bezahlt.
Dieß giſt jedoch hauptſächlich von den Haupt
-
21
ftraßen , und je tiefer man in Sibirien eindringt, deſto geringer wird der Verkehr und deſto größer die Anzahl der Pferde.
Die einzige Entſchädigung für dieſe Bee
Qwerden iſt die außerordentliche Billigkeit des Poſt relſens.
Zwiſchen Petersburg und Moskau foſten ziet
Pferde nur gegen vierzehn Farthings *) für die halbe geographiſdie Meile und in Sibirien nur halb ſo viel . Die Poſtillons find berhältnißmäßig beſcheiden in ihren Anſprüchen.
Gine trübe nordiſche Sonne mahnte uns an bal Nahen des Winters ,
als wir durch das Thor von
Moskau fuhren , doch da unſer Weg nach Süden und Dſten ging , hofften wir zwei Monate zu Wagen relſen zu können .
Der Weg bis Wladimir war uns nicht
neu , da wir vierzehn Tage vorher auf der Meſſe von Nijdnei Nongorod oder, wie die Ruſſen ſie noch immer nennen , von Maharief , geweſen waren , von welchem Orte ſie vor nicht vielen Jahren verlegt wurde .
Er iſt
überdieß auch ſchon oft beſchrieben worden und wird vielen unſerer Leſer ſehr wahrſcheinlich bekannt feln ; für diejenigen aber, die ihn nicht kennen, wird die Bes merkung genügen , daß eine maleriſche Landſchaft bad Leßte iſt, was man erwarten darf eine ungeheuere Strece uneingefriedigtes Land, hier und da mit einem Wald oder einein Fluß, dann und wann ein Dorf zwis fchen den Poftſtationen , menig Verkehr , ausgenommen unmittelbar vor oder nach der erwähnten Meffe , und · *)
28 Pfennige fächfiſch .
£.
22 ein ungeheueres Theil Staub oder Schmuž, je nadjem die Witterung trođen oder naß iſt, bilden die Haupt züge von dieſem Theile Rußlande. Der Sommer des Jahres 1840 trar ungewöhnlich naß ; wir hatten kaum einen einzigen Tchönen Tag, und der Zuſtand des Wetters übt einen ſolchen Einfluß auf ben Zuſtand der Wege, daß die Hoffnungen eines Nei 1 fenden in Rußland vorzugsweiſe von der Höhe des Barometers abhangen.
Zur Zeit, in welcher wir ſchret
ben, iſt die neue Chauſſee von Moskau nach Niſchnei vollendet, damals war ſie es nur zum Theil , und es gibt kaum eine größere Beſchwerde in einem Lande, als eine neue Straße bruen zu helfen . Es iſt ſchlimm genug, iro fich eine fehr dicke macadamiftrte Steindede befindet, aber wenn der Stein weit herkommt , wie es an vielen Theilen der Straße von Niſchnei der Fall iſt, und man folglich mit dem
Material ökonomiſch ums
geht und ſtatt der Steine, weiche unbindſame Erde bez nußt, die nach jedem Regenſchauer zu Schlamm wird, ſo iſt es unerträglich. Che wir zwanzig Wegſtunden von Moskau entfernt waren , überfiel uns ein heftiges Ungeritter , das die Chauſſee nicht eben verbeſſerte, und nachdem
dimir verlaſſen hatten , wendeten wir uns ganz von ihr ab, um einen ſandigen Umweg zu verfolgen , der jeßt ein Meer von Samuz var.
.
wir Wla
Doch ehe wir hier an
langten , hatten wir den Troſt, bei unſerer Ankunft an der
1
23 Boft die ,, elege" des Adjutanten eines Generals wüth end heranfahren zu ſehen , um die Pferde in Benchlag zu nehmen, welche, wie wir glaubten, für uns beſtimmt waren . Wir wurden baburch um drei Stunden aufgehalten ; aber wir waren glüdlich genug, auf der ganzen Reiſe kaum einer zweiten Verzögerung dieſer Art zu begegnen . Wladimir , eine der älteſten Städte in Rußland, liegt ungefähr fünf und zwanzig Meilen von Moskau . Es war einſt die Hauptſtadt und beſaß mehre ſchöne Gebäude , wovon noch immer Spuren vorhanden ſind ; aber es iſt bedeutend herabgefonimen , obgleich es neuers lich zur Univerfität erhoben worden iſt.
Es liegt auf
einer Anhöhe, hat eine Kathedrale, die gewöhnliche An zahl Kirden und, was für den Reiſenden von beſonde rer Wichtigkeit ift, ein leidliches Wirthshaus .
Unge
fähr vierzig Wegſtunden weiter liegt die große und ſchön gebaute Stadt Murom an der Oka, die ſich bei Niſha nei mit der Wolga vereint.
Der Fluß iſt breit und
reißend und wir ſeşten auf einem großen Floß hin über, was ungefähr zwanzig Minuten dauerte, obgleich unſere Leute tüchtig arbeiteten .
Von einer Seite zur
anderen iſt ein ſehr langes Seil gezogen , an welchem das Floß fortgetrieben wird .
Wenn es viele Pferde
und Rinder überzuleben gibt , geht es natürlich lang jam , aber ficher.
Wir ſahen hier eine Anzahl großer
Fahrzeuge mit allerlei Waaren von der Meſſe von Niſch nei beladen , deren jedes von fünfzig Pferden , je fünf
-
24
neben einander geſpannt , gezogen wurde .
Da fie na
türlich nur im Schritt gehen können, fo fann man fich denken , daß der Waſſertransport fein ſchneller iſt ; aber man hat hier keine Dampfboote und kann daher ſchwere Güter nicht beſſer fortſchaffen. Der Gebrauch von Dampfſchiffen
ift im Inneren
troß der großen Anzahl ſchiffbarer Flüſſe, bis jept noch fehr beſchränkt.
Eine Privat-Unternehmung
in
gez
meinnüßigen Angelegenheiten iſt eine Seltenheit, und die Einrichtung einer Dampfſchifffahrt zwiſchen Faroes law , Niſchnei, Raſan und Aſtrachan allein würde ein wichtiges Unternehmen
für die Regierung ſein.
68
gibt feßt feine Boote, die nicht mehr als zwei Mos nate im
Jahre zwiſchen Nijchnet und Aftrachan fahren ,
und ihre Führung iſt ſchlecht genug ; dennoch läßt fich vermuthen , daß es einen bedeutenden (Ertrag abwerfen würde , wenn man einige Dampfboote baute, um die Lafte ſchiffe zwiſchen dieſen beiden Buncten zu bugftren . Die Stadt Murom iſt berühmt wegen des Sterlet,
eines der vielen köftlichen Fiſche, die man allein Rußland findet.
in
Bald nach unſerem Uebergang famen
mir durch einen der größten Fichtenwälder dießſeit des Ural.
Unſer Weg ging nad, Simbirsk und Orenburg,
aber am dritten Tage verließen wir auf vierzig bis fünf= zig Werfte * ) die gerade Straße , um in einem Dorfe Namens Mahatelum einen Offizier der Garde-Artillerie zu beſuchen.
*)
Wir fanden in der That nichts mehr ale
Eine Werft - 3281 Par, Fuß .
25 ein Dorf, da das Gut noch kein Haus hat ;
es zählt
jedoch tauſend Bauern und gehört der Witwe des bes rühmten
Geſchichtſchreibers
Raramfin.
ſehr gaftfreundlich von ihrem
Wir wurden
Sohne empfangen , der
einen Jahresurlaub von ſeinem Regimente benußt hatte, um ſeine eigenen Angelegenheiten zu beſorgen .
Wenn
die ruſfiſchen Gdelleute das Beiſpiel dieſes jungen Mana ned häufiger nachahmten , ſo würden ihre Finanzen in weit blühenderem Zuſtande fein , ale e8 der Fall ift. Verwalter und Geſchäftsführer ſind in allen Ländern bas Berberben des Landwirthe , zumal in Rußland, wo fte einen weiteren Raubgier haben .
Spielraum
für
Unredlichkeit
und
Unſer Wirth bewohnte ein kleines
Haus, das nicht viel beſſer war als sie Wohnungen feiner Bauern, ausgenommen , daß er Hausgeräth und Bücher von Moskau mitgebracht hatte.
Er führte nach
feiner Verficherung ein ganz einfames Leben , da feine wenigen Nachbarn nicht viel höher ftanden Leibeigenen .
als ihre
Der Landebelmann iſt ein England ganz
eigenthümliches Weſen, da nirgend allgemeine Bildung hinlänglich verbreitet ift, ein ſolches Wefen hervorzue bringen. Landeigenthümer beſuchen in anderen Ländern zuweilen ihre Güter, und in Deutſchland, beſonders in Ungarn , haben wir ihre Einrichtungen nicht ſchlechter als in England gefunden , aber ein Aufenthalt auf dem Bande iſt immer mehr oder weniger ein Beſuch und wird nicht wie bei uns jährlich gemacht.
Man be:
-
26
trachtet ihn als eine Pflicht und ein Opfer, bas man zuweilen bringen muß , kurz ne iſt keine Heimat.
In
Rußland iſt es eine Verbannung, die oft von dem Kai fer als Strafe aufgelegt wird .
Jedermann beſucht frei
lich während des Sommers das Land, wo ſein Beſig= thum nicht zu weit von einer der beiden Hauptftädte entfernt iſt,
aber nur eine Verpflichtung mürde die
Mehrzahl der Edeleute bewegen können , ein ganzes Jahr dort zuzubringen .
Die Verkehrmittel find ſchlecht und
die Entfernungen unermeßlich ,
alle Lurusartifel und
felbft viele Lebensbedürfniſſe müſſen aus ſo weiter Ferne geholt werden, daß ihr Preis dadurch vertheuert wird, und an Geſellſchaft läßt fich oft gar nicht denken . Wir brachten in Makatelum zwei Tage ſehr ange nehm zu , und am 13. September gingen wir auf dem Wege nach Drenburg weiter.
Zu Azamae, einer Flet
nen Stadt , ungefähr zehn Wegſtunden weiter ,
famen
wir wieder auf die Landſtraße und erreichten Simbiret am folgenden Morgen. gedeihende Stadt. erem Styr , fter in
Simbirsk iſt
eine große und
Die Gebäude' find faſt alle in neu
obgleich die Stadt eines der älteſten Klb
Rußland
beſigt.
Sie
iſt der Wohnfig
des
Gouverneurs der Provinz , bes Adeldmarſchalls und der Winteraufenthalt des Landabele.
Die Stadt hat
eine gute Lage auf einer Anhöhe über dem Fluſſe, der hier weit breiter als bei Murom ift. Das Wetter war ungemein ſchön und die Anſicht weit maleriſcher als
27 irgend
etwas ,
das wir gefehn
halten.
Auge
Das
folgte mellenweit den Windungen des Fluffc8, und es herrſchte mehr Rührigkeit und Bewegung , als wir zu finden gewohnt waren .
Wir vermeilten einige Stun
den , da eine hellere Sonne uns anlockte, als wir in dieſem naffen Sommer geſehen hatten .
418 wir die
Stadt verließen , gingen wir eine Strede weit durch eine wohl angebaute Ebene , wo wir im Laufe des Tages ben Wohnfig eines Herrn Davidow jahen, eines der reichften ruſſtſchen Edelleute , der in Edinburg uns ter den Augen Walter Scott's erzogen wurde. hat, wenn auch nicht Geſchmad am Landleben gewone nen , doch den Vortheil kennen gelernt,
ſeine Beamten
zu überwachen , und ſich zu dieſem Zweď mit ſeiner Familie hierher verbannt.
Wir hatten bereits ſo
viel
Beit verloren , daß wir ſeine gaſtfreundſchaftliche Ein= ladung ablehnen mußten , um bald nach Orenburg zu kommen ,
und
bis dahin mußten
wir an einem bei
ſchledytem Wetter gefährlichen Puncte über die Wolga gehen , und wir fahen bereits Vorzeichen eines Unge witters . Die Wolga bildet faſt die Gränze der Statthalter ſchaften Drenburg und Simbirøk und iſt an Stelle
ungefähr eine Werft breit.
Wir kamen
dieſer um
fieben Uhr abends am Ufer an und fanden , daß wäh rend des ganzen Tages ein heftiger Wind bas Ueber ſchiffen verwehrt batte , aber e8 war etwae windftider
28
geworden und wir verloren keinen Augenblid, unſeren Wagen auf das zerbredilichfte Floß zu
fchaffen.
Der
Wind war uns entgegen und der Strom ſehr reißend. Wir hatten ein großes Segel ,
das den
oberen Sheil
des Floſſes ſchwerer als den unteren machte, und wir mußten. beftändig umlegen . läßt e8 fich nicht
Auf einem
leicht verhüten , daß
Pferde über Bord ſtürzen. anderthalb Stunden und wieder auf veftem
offenen Floß Wagen
Die Ueberfahrt
wir waren
und
dauerte
ſehr froh , uns
Lande zu finden .
Wir ſchmeichelten uns , nun alle Schwierig feiten übere wunden zu haben , ale wir aber eine kleine Stadt , els nige Stunden vom Ufer entfernt ,
erreichten ,
wo wir
die Pferde wechſeln mußten, wurde unſere Geduld wies der auf die Probe geſtellt. Im Allgemeinen ſind die Poftmeiſter in den Städten und auf den Hauptſtraßen Beamte der Regierung;
abwärts von
der Hauptſtraße
aber findet man nur einen auf jeder vierten Station. Dieſe Leute , die gern das kurze Anfehen mißbraus chen , das ſie ihrer Uniform verdanken , find fehr ges neigt , die Reiſenden ihre laſſen.
Ueberlegenheit fühlen
Da fte einen um einige Stufen höheren
zu
Rang
haben als ein Bauernpoftmeiſter, ſo ſind ihre Bedürf niffe größer und ihr Gehalt weniger angemeſſen , fie zu befriedigen.
Die Folge iſt,
funden werden muß,
daß ein Vorwand ges
dem Reifenden
eine Beſtechung
abzupreffen , der nur zu oft ihrer Widfür Preis ge
29 Nach einiger Uebung wurden wir ſo ges
geben iſt.
faidt, die ordentlichen und außerordentlichen Poſtmeiſter zu unterſcheiden , thun brauchten . rigkeit eintrat ,
daß wir beßhalb keine Fragen zu So oft eine Zögerung oder Schwies
hatten wir es immer mit einem dieſer
Tyrannen zu thun. Bei jener Gelegenheit fielen wir in die Hände eines ſolchen Schelms, der uns drei Stunden auf die Pferde warten ließ.
Mein Begleiter
beſchwerte ſich bei dem Oberbeamten in der Stadt, wir fanden aber keine Abhilfe, und obgleich e8 unzweifel haft mar ,
daß
der
Poſtmeiſter fich bloß durch die
Hoffnung auf eine Beſtechung hatte
verleiten
laſſen,
uns aufzuhalten , ſo kamen wir doch zu dem Schluſſe, daß eine förmliche Beſchwerde bei einer höheren Behdrde uns in mehr Ungelegenheiten verwickelt haben würde, als die Sadie werth war.
Hier und anderswo wer
den die Zwecke der Rechtspflege nur zu oft vereitelt durch die Schmierigkeit und die Koſten , Recht zu ers halten .
Gewöhnlich verſchafft man
und prügelt den Poſtmeiſter , men ,
ſich
ſelbft Recht
bis die Pferde ankom
und wir hielten dieß für ein nothwendiges und
wohl zu rechtfertigendes Verfahren. Endlich waren wir wieder in Bewegung , aber die Galle meines Begleiters war ſo ſehr aufgeregt ,
daß
er uns während der ganzen Nacht durch die Erzähl ung unzähliger von ihm beobachteten Fälle dieſer Art beläftigte, und ich fürchte, ehe Rußland fich einer grða
30 Beren fittlichen Verbeſſerung rühmen fann , muß etirad mehr geichehen ,
die Quelle der Gerechtigkeit zu rein
igen . Beſtechlichkeit gehört ſo ſehr zu dem Finanzplan jedes Beamten , daß wir , wenn wir dem
Kuſſen felbft
Glauben beimeſſen wollen , faft bezweifeln müßten , fich ein ehrlicher Mann , dieſes Wortes , finden laffe.
ob
in der engliſchen Bedeutung Die Volf&meinung brande
markt dieſe Art von Unredlichkeit nicht und fie hört auf , Unredlichkeit zu ſein , eben weil ſie ſo vorherrſche end ift.
Wir find ſehr geneigt zu glauben, daß dieſer
Mangel einer öffentlichen Meinung in Rußland haupts fächlid zu beklagen iſt, und ſo wenig wir eine zügele loſe Preffe vertheidigen wollen ,
ſo
haben wir body
in keinem Lande Europae eine Volkemeinung gefannt, wo nicht die Preiſe mehr oder weniger frei war . liegt am Lage ,
Gs
daß die Furcht vor Strafe die Leute
nicht abſchreckt, denn der Kaiſer hat Ades gethan, durch Straforohungen dieſem unredlichen Benehmen Ginhalt zu thun . Niß ,
Das Gewiſſen iſt leider auch kein Hemm
denn jeder anzuftellenbe Beamte muß fich durch
einen Gid verpflichten , außer ſeinem monatlichen Ge= halt, keine Bezahlung , kein Geſchenk irgend einer Art anzunehmen .
Als der Raifer Nikolaus den hron be
flieg , erhöhete er alle Gehalte anſehnlid ), um die Ent duldiguug feitigen .
einer unangemeſſenen
Das lebel
hat nicht
Bezahlung zu
be
abgenommen .
Audy
halten wir den in vielen Werken über Rußland
ange
4
31 führten Grund, daß die Beſoldung der Beamten una angemeffen ſei,
nicht für treffend oder
giltig .
Daß
darin nicht die Urſache des Uebels liegt, beweiſt der Um ſtand ,
daß ein Beamter ,
vom Kaiſer erhält ,
der jährlich 20,000 Rubel
ein ebenſo großer Räuber iſt als
berjenige , der nur 200 bezieht. Beſoldungen
Vergleichen wir die
mit denjenigen in England ,
die Vergleichung
gegen
uns
ausfallen.
ſo
möchte
Der
große
Unterſchied aber liegt darin , daß ein Bodhausſchreiber oder ein Steuereinnehmer in England durch ſeine An ſtellung keinen Rang erhält , da er in der bürgerlichen Geltung das bleibt , was er vorher war ; in Rußland aber gehört jeder von der Regierung angeſtellte Beamte zu
einer beſonderen Klaffe,
Ein Knabe,
deren
eß vierzehn
einer Univerſität aufgenommen wird , eine der
gibt.
der in das Cadettencorp8 tritt oder von
vierzehn Klaſſen , und je
tritt ſogleich in
höher er fich er
hebt, deſto höher ſteigen auch ſeine Anſichten und Bee Wir haben es von betheiligten Perſonen
dürfniffe.
ſelber gehört, daß fie auf der Univerſität zu Moskau als Studenten der legten Klaſſe mit einem
jährlichen
@infommen von dreihundert Rubeln anſtändig lebten und einen akademiſchen Grad annahmen ;
hatten fie aber beim Au & tritt aus ihrem Collegium einen höheren Grab erlangt, ſo wurden ſie in die neunte Klaffe befördert und gelangten bald in den Beſtz eines Gehalte von 5000 - 6000 Rubel . Gind fie in die achte Klaffe hinta
32 aufgerückt, ſo werden ſie- & delleute, und ihre Anſichten haben fich mit ihrem Range ſo ſehr erweitert, daß fie mit 5000 Rubeln nicht auskommen können , wiewohl fte ein Jahr früher mit 300 ganz zufrieden geweſen maren . trerden .
Der Ausfall muß durch Erpreſſungen
gedeckt
Die Gehalte find inſofern unangemeſſen , da
Jedermann einen eingebildeten Rang hat , ben er in feinem anderen europäiſchen Lande befißt. Die Strafdrohungen ſind zwar ſehr ſchwer , doch wird dieſe Art von Unredlichkeit nur ſelten beſtraft. Peder Einzelne iſt nur ein Glied in der allgemeinen Rette, und wenn der Unterbeamte in kleinen Dingen plündert, ſo thut es der höhere gervöhnlich in großen . Es liegt im wechſelſeitigen Intereſſe ,
einander gegen dieſe Bergebs
ungen zu ſchügen, und der geringere Beamte wird dadurch gegen die Anflage des höheren
geſichert :
Der Kaiſer
würde eine ſchwere Aufgabe haben, wenn er alle Ver gehungen dieſer Art ſelbſt bei höheren Beamten unter: ſuchen wollte. Wir wiſſen, daß es glänzende und ehren volle Ausnahmen gibt, fürchten aber, daß fte nur Aus . nahmen und nicht Regel find. Wenn aus dem Paffe des Reiſenden nicht hervor geht, daß er einen Kang hat, ber Ehrerbietung forbert, ſo find dieſe Poſtmeifter ſo unverſchämt und übermü thig, als knechtiſch im entgegengeſeßten Falle. 3m Ada gemeinen hat niemand unter
dem Range eines
ſten ſonderliche Höflichkeit zu erwarten .
Ober
Viele Offiziere
33
von geringerem Range aber verſchaffen ſich ſelber Recht, und Drobungen und Beitſchenhiebe bewirfen oft eine ſchnelle Herbeiſchaffung von Poſtpferden. Ungefähr fünfzig Wegſtunden vor Orenburg bemerkt der Reiſende , daß er ſich den Steppen nähert.
Das
Land iſt noch immer angebaut und gehört in der That zu einem
der fruchtbarſten Theile Rußlands.
Die Wal
der aber haben aufgehört, und da es keine Einfriedig . ungen irgend einer Art gibt, ſo ſchweift das Auge über eine endloſe Ebene, wo man nach der Ernte feine Spur von Anbau oder Bewohnung ſieht. oft wie
Wir haben
ung
in Sicilien gewundert,
wo die Feldarbeiter Dbbach für die Nacht finden möchten . Wir hielten eines Tages nicht weit von Orenburg in dem kleinen Dorfe Pakrowka, wo wir eine Abtheil ung der Artillerie fanden , die ihre Uebungen machte Sie zog von Orenburg in ihre Winterquartiere.
Die
ruſſiſche Artillerie iſt ſehr gut , beſonders die reitende. Die Ruſſen ſelber halten ſie für ihre beßte Waffe, viels leicht für die beſte in der Welt.
Ein alter Offizier
von ber engliſchen Reiterei ſagte dem Kaiſer in meiner Gegenwart , daß mit Augnahme der Gardebrigade wir nichts hätten , was ſich mit einem ſeiner Regimenter vergleichen ließe, da die Zahl ſeiner Gardereiter allein auf 50,000 ſteige.
Der Kaiſer war ſehr zufrieden mit
dieſer Bemerkung, die in der That nicht für eine bloße Schmeichelei gelten ſollte, und er ſagte, på ſeien in den 3 Cottrel's Sibirien . 1.
31
legten Jahren allerdings große Verbeſſerungen gemacht worden . Die Pferde der Neiterei foſten eben ſo viel ale in England , und man jollte doch glauben , die Pferde müßten wohlfeiler in Rußland ſein.
Wie ein glaubwürdiger
Mann in Rußland uns verſicherte, iſt die Cavalerie der ganzen Armee eben ſo gut beritten.
Der Offizier, den
jedes Regiment auswählt , die Pferde zu kaufen , hat ſchwere Opfer zu tragen, und wir ſehen hier einen an beren Beweis ,
wie wenig Wichtigkeit einer eidlichen
Verpflichtung beigelegt wird, da es allgemein üblich iſt, fte ungeſtraft zu verlegen .
Jedes Regiment wählt jährs
lich einige Offiziere, die den Einkauf der Pferde beſor: gen müſſen, und für dieſen Dienſt haben fte einen Jah regurlaub.
Während dieſer Zeit ſollen fie im Inneren
des Landes , auf den großen Roßmärkten und
in
den
Stutereien, Pferde ausſuchen . Die Regierung bewilligt 250 Rubel für jedes Pferd und der Offizier, der die Remonte zu beſorgen hat , wie der Oberft des Regia mente, verpflichten ſich eidlich , nicht aus eigenen Mits teln darauf zu wenden .
Wird nach vollendetem Ginz
fauf Muſterung gehalten , ſo müſſen der Offizier und der Oberſt abermals beſchwören, daß fte nicht mehr als den von der Regierung bewilligten Einkaufpreis gege: ben haben , obgleich jeder wahrſcheinlich 10000 Rubel aus eignen Mitteln aufgewendet hat.
In der Regel irers
den die reichften Offiziere zu dieſem Dienſte ausgewählt, trelche gern jährlich 500 Rubel für den Urlaub bezahs
35
len und den Einkauf durch Roßhändler machen laſſen . In den Linienregimentern, wo niemand dieſen Aufwand beſtreiten kann , erhält ein Oifizier die Beſorgung der Remonte für mehre Jahre
nach einander.
Er kauft
Stuten ein und hält irgendwo im Inneren des Landes ein ordentliches Geſtüte, wo er fich Pferde zieht , was für ihn eine einträgliche Speculation ift.
Man hat
uns erzählt , daß Offiziere um Urlaub gebeten haben , um der eidlichen Verſicherung auszuweichen , daß fte nur den von der Regierung veftgelegten Preis bezahlt hätten.
Aber folche Gewiſſensbedenklichkeiten find ſelten.
Dieß iſt der Fall , wo der Kaiſer oder der Großfürft Michael die Aufſicht führen können . Sie wiffen ſo gut als jeder Offizier, was täglich vorgeht, und dem unredlichen Verfehr könnte nicht anders Einhalt gethan werden , als daß man dem Offizier die Verficherung erläßt, nichts auß eigener Taſche bezahlt, oder den Contract anderen Leuten überlaſſen zu haben .
Es ſteht ſogar die Strafe
der Verbannung nach Sibirien auf einem ſolchen Ver gehen, wodurch das Gefeß zu einer Ungereimtheit wird. Man hat Beiſpiele geſehen , daß einem unbemittelten Dffiziere, der unbeliebt in ſeinem Regimente war und den man gern beſeitigen wollte, die Beſorgung der Nes monte übrrtragen wurde. Außer Stande, die erforderlichen Ergänzungen der Kaufſumme zu bezahlen , kann er die Anſtellung nicht annehmen und muß ſeinen Abſchied verlangen .
In den Garbe- Regimentern 3*
bezahlt ,
wie
36 man berechnet, der Offizier 250 Rubel aus ſeiner Taſche für ein Pferd und der Oberſt vielleicht 100 , ſo daß jedes Pferd in der That ſechshundert Rubel foftet. Wir reiſten gewöhnlich Tag und Nacht, wie es bei den . Ruſſen immer der Fall iſt.
Mögen die Bequem :
lichkeiten im Nachtlager beſſer oder ſchlechter ſein, Bet ten find nirgend zu finden, und in einer gerröhnlichen Ribitfe hat man im Winter eine beſſere Ruheſtätte als auf dem Fußboden einer Hütte. Zucker und einige in Moskau
Wir hatten Thee und eingekaufte Lebensmittel
bei uns, fanden aber immer, ſelbſt in den unbeſuchtes ften Gegenden eine erträgliche Koft.
Ein Sammorar
oder Theeheffel und Rahm laffen ſich überall finden ; Weißbrod kauften wir von einer Stadt zur andern ein und fühwarzes Brod war immer zu haben.
Stschi,
ein vortreffliches Gericht von Kohl ,
gerröhnlich
einem
eine
Stück Rindfleiſch
darin ,
iſt
mit
allgemeine
Speiſe, und wir fanden weit mehr Bequemlichkeit in den Bauernhäuſern , als wir zu finden erwartet hatten . Nirgend bemerkt man elende Armuth ; oft faben wir die Arbeiter und unſere Iemtſgids bei einer reichlichen Mahlzeit von vier Schüſſeln, die Leute von einer an deren Klaſſe in anderen Ländern fich nicht verſchaffen können . In 3 amarra, einer Stadt unneit der Wolga, an der Gränze der Statthalterſchaft Orenburg, beginnt das Land der Kojafen.
Es iſt auffallend,
wie man
37 augenblicklich
in der zunehmenden Lebensbequemlichkeit
und den Wohlbefinden des Volkes einen Unterſchied er fennt.
Abgerechnet die doniſchen , gibt es länge der
ganzen Gränze Sibiriens 35,000 Roſaken.
Sie blle
den eine Militärcolonie ; jeder erhält ' von der Regiers ung ein Haus und ein Stück Felb, gewöhnlich ſo viel als er bebauen fann.
Sie müſſen dafür ein Pferd er
nähren , ihre Waffen in gutem Stande halten und im mer muß ein Drittel der Mannſchaft zum Dienft ber reit ſein, ſobald ſie aufgerufen werden .
Jährlich geht
eine gewiffe Anzahl nach Petersburg, um die Roſakens garde des Kaiſers zu bilden, und kehrt nach drei Jahren in ihre Heimat zurück.
Während dieſer Zeit erhalten
fte beſſeren Sold als der übrige Theil der Armee . Am 20. September kamen wir am frühen Morgen in Drenburg an und fanden in dem Hauſe eine geſehenen Kaufmannes eine ſehr gute Wohnung.
an Statt
ein Haus ausſchließend für reiſende Beamte zu halten , übernehmen die Bürger der Stadt abwechſelnd die Bes wirthung jedes Beamten , der im Dienſte des Kaifers reift.
Dieß iſt keine drückende Auflage, und gewöhn
lich zeigen ſie gern ihre Gaſtfreiheit, beſonders gegen einen General oder ſonſt einen vornehmen Beamten . Rufftiche Kaufleute, mögen ſie noch ſo reich, mag ihre Einrichtung noch ſo großartig ſein , bewohnen ſelten ihre beßten Zimmer, die man für irgend eine Feſtlich keit aufbewahrt und vielleicht nur eine Woche im gan
39
zen Jahre benußt.
Gs inacht daher wenig Ungelegens
heit, einen Reiſenden aufzunehmen , beſonders wenn man von ſeiner Ankunft vorher benachrichtigt wird.
Wir
haben zuweilen , wenn wir einen General begleiteten , in wahren Paläſten gewohnt.
Zweiter Abſchnitt. Orenburg . Die Steppenbewohner. Die Kirgijen . Kriege : zug der Ruſſen nach Khiwa . General Perowski . Ruſſiſche Manufacturen . Geſellſchaftliches Leben in Orenburg . Der Graf Simonitid . Weg an der Gränge. Ruſſiſche Veſten . Der Ural. Troitska . Die Steppen . Kameele . Die ſibiriſche Gränze.
Drenburg iſt als Stadt nidt ausgezeichnet.
Sie
hat auf der europäiſchen Seite einen ſtarken Wall und ein Thor ,
burdy welches wir eintraten , aber die öfts
liche Seite iſt ſchwady und ſcuglos . im Befiße der Tataren war ,
A18 die Stadt
hatte fie eine Art von
Beveſtigung, aber nicht gegen Geſchüß , die aus einer nicht ſehr bedeutenden Bollwerk gegen den
Erhöhung beſtand ,
welche als
plöglichen Anfall leidster Reiteret
diente und nody jest ziemlich in demſelben Zuſtande iſt. Die Straßen find regelmäßig und die Häuſer gut gea baut ,
doch meiſt von Holz.
Es gibt noch viele
Ue
berreſte der alten tatariſchen Wohnungen, und ein gro Bed Rarawanſerai, wo die wandernden Kaufleute ihre Waaren auf dem
Wege naď, und von Niſchnei-Now
40 gorod niederlegten .
Die Stadt erhält durch ihre Lage
am Saume der Wüſte ein ſehr auffallendes Anſehen. Hier beginnen die Steppen , die ſich fübwärts und oftwärts länge der Gränze von China und nach Bof hara und Turkeſtan ausdehnen.
Es ſcheint hier die
Stelle zu ſein , wo alle Gefittung aufhört, und wo der Menſch , ftatt einen veſten Wohnſis und eine Heimat zu haben ,
ein Wanderer zu ſein anfängt ,
Vaterland ,
ohne irgend ein Eigenthum außer ſeinem
Pferde und ſeinen Heerden .
Ein fleiner
ohne ein
Fluß
läuft
am Fuße der Stadt und jenſeit liegt ein Wald mit ſchös nem Bauholze, ſonſt aber ſteht man nicht eine Spur von Anbau, ſo weit das Auge auf der aftatiſchen Seite reicht. Wir fahen hier zum erſtenmal die langen Reis hen von Kameelen ,
die mit
Morgenlande fommen ,
und
welche aus Schlitten , die
ihren Laſten aus dem ungeheuere Rarawanen ,
mit Pferden und
Ochſen
beſpannt ſind, beſtehen und nach Europa ziehen .
Die
Bevölkerung von Orenburg iſt von der bunteſten und ſonderbarſten Art. weit zahlreicher
Die nomadiſchen Einwohner find
als die
Febhaften
und
beſtehen
aus
Tataren, Kirgiſen und Bokharen , die ſich in Sprache, Kleidung und Gefichtzügen wenig gleichen . brauchen den Namen Tataren ,
weil
die Mongolen
Stämme gewöhnlich ro bezeichnet werden ; aber nennen ſie
nie ſo ,
Wir ge
und begreifen
die Ruffer
unter dieſem
Namen die ganze große türkiſche Völferfamilie ,
von
41 welcher ſo viele der wandernden Völker ihren Urſprung ableiten . Die Kirgiſen haben ein unbeſchreiblich wildee und unmenſchliches Ausſehen.
Ihre
Häßlichkeit
übertrifft
Alles, was wir unter den Mongolen , Kalmücen,
Ja
kuten und anderen Nomaden , die in den öftlichen Theilen Sibiriens und den mongoliſchen Wüſten wohnen, geſehen haben . Der Bezirf, den ſie durchziehen , iſt nicht unpaſſend „ Niemand 8 Land " genannt worden , wiewohl die Zeit nicht fern ſein mag , wo fic von dem ungeheueren Ge biete ihres
Leviathan Nachbars
verſchlungen
werden .
Es iſt ſchwer zu entſcheiden , ob fte einſt eine einzelne Völkerſchaft waren , die unter die Gewalt Dſchingis . khans *) kam , oder aus den
Ueberreften verſchiedener
Stämme beſtehen, die von jenem Groberer aus ihrem Ge biete vertrieben wurden und ſich in den Steppen anftedelten, die feinen ſtegreichen Waffen keine Verſuchung darbo ten .
Sie ſcheinen auf alle Fälle mit den Mongolen
verwandt zu ſein ,
von welchen fie wahrſcheinlich zu
verſchiedenen Zeiten der allgemeinen Wanderung getrennt wurden . Sie beſtehen aus vielen unabhängigen Stämmen , die von
ihren
eigenen Häuptlingen
regiert werden .
Dieſe Khane leiten
ihren Urſprung von dem großen
Dichingiskhan ab ,
aber die früheren Geſchichtſchreiber
* ) Seit 1206 .
42 dieſes wandernden Volfes geben nur wenige und dürf tige Madriditen von ihrem ſtammung.
Urſprunge und ihrer 26
Sie ſind unftreitig die
zahlreichften aller
Nomaden in dieſem Theile Aftens, id wierig aber iſt es, ihre Anzahl zu beſtimmen.
Man hat fte zu britthalb
Millionen gefchäßt, von welchen nur ein kleiner Theil dem Kaiſer von Rußland eine zweifelhafte Unterthän igkeit zeigt.
Sie find zwar bei ihrer geringen Anzahl
und bei dem Mangel an Einigkeit ein nicht fehr furcht barer Feind Rußlands , aber eben deßhalb iſt es auch nicht möglich , mit ihnen insgeſammt als Verbündeten oder als Zinspflichtigen zu unterhandeln. Ihre Anftedel ungen , die aus einigen Ribitfen beſtehen, welche fte in ſehr kurzer Zeit wegräumen können , und ihre zahlreichen Heerden ſind
ihr
einzige
Befigthum .
Die
Khane
haben zuweilen zehntauſend Pferde und wechſeln be ſtändig ihren Wohnplaß, um friſche Nahrung für ihre Thiere zu finden .
Sie beſchäftigen fich faſt gar nicht mit
Ackerbau, obgleich das weit ausgedehnte Gebiet, bas fie beherrſchen, durch Klima und Boden von mannigfaltiger Beſchaffenheit ift. In ihren Zügen gleichen fite mehr als irgend ein andere
Volf , das
wir
in
jenen
Gegenden
ſaben,
dem Negerftamme durch breite und flache Naſen , ſehr dicke Lippen und einen nicht&ſagenden Ausdruck. Weiber find
empörend häßlich.
Der
Liebling
Die einer
Familie trägt gewöhnlich einen großen goldenen Ring,
43 Naſenknorpel , über das Kinn herabhängt . der im Die Lataren haben gewöhnlid nicht ſo häßliche Züge, als wir erwartet hatten, und die Bokharen haben oft fchöne Geftchter. Die Tracht der vornehmen und der
iſt maleriſch
Kirgiſen
Sonntagtracht der römiſchen Bauern
nicht
unähnlich , außer daß die Beinkleider lang und ſehr weit find. Ueber den Beinkleidern tragen fte ſehr hohe lederne Stiefel,
die
mit einer Art von
Moſaik in
Wamme und Bein
verſchiedenen Farben belegt ſind.
kleider beftehen aus ſchwarzem Plüſch, oft reich geſtickt, mit filbernen und
zuweilen goldenen Knöpfen beſett,
und werden durch einen Gürtel von Sammet veſtge = balten , in welchen fie ihre Waffen ſteden. iſt von ſeltſamer Form ,
hoch
und
Die Müße
fegelförmig.
In
ihren einheimiſchen Fehden gebrauchen fie felten Feuer gewehre und haben die größte Furcht vor Geſchüß. Beſonders an Markttagen ſind ſie ſehr zahlreich in Orenburg , und gegen Abend fteht man fte in großer Anzahl
auf den
offnen
Plagen
effen ,
trofte
ihre
Handeløgeſchäfte abmachen . Sie kaufen Schöpfenfleiſch zu unglaublich geringen Preiſen , fite iſt ,
was ein Glück für
wenn die Geſchichten mahr ſind ,
die man
von
ihrer Gefräßigkeit erzählt. Aber ſo ungeheuere Maffen fte auch nach langer Enthaltſamkeit verſchlingen können ,
To find fte doch auch im Stande ,
Zeit ohne Nahrung zuzubringen.
ſehr lange
Auf einem Kriege
zuge beſteht ihre einzige Nahrung aus Kumis , faus rer Stutenmilch , die ſie in einem am Sattelknopfe bei fid führen.
ledernen Schlauche Sie können vierzehn
Tage lang davon leben , fädt dann aber ein Schaf in ihre Hände, ſo bleibt wenig davon übrig .
Diejenigen , die
wenig Verfehr mit den Ruffen gehabt haben , find ſehr efel, von einem Thiere zu eſſen , das nicht von einem ihrer Glaubensbrüder getödtet worden iſt, und erlauben einem Fremden auch nicht, ein getödtetes Thier zu zers legen.
Schöpſenfleiſch wird ſo wenig als Nahrung ges
ſchäßt, daß man ein ganzes Schaf für einen Rubel *) kaufen kann . Die Religion der Kirgiſen iſt unbeſtimmt in ihren Glaubenslehren, obgleich ſie dem Islam ähnlicher iſt als irgend eine andere, und ihre Unwiſſenheit und folglich ihr Aberglaube iſt ſehr groß. Sie treiben in Oren . burg einen anſehnlichen Handel mit den verſchiedenen Trandernden Stämmen.
Ade für die Meffe in Nifchnei
beftimmten Waaren gehen über Orenburg , und was dort nicht abgelegt wird , kommt bei der Rückkehr der Rarawanen hier zum Verkauf. Man hat vor Kurzem ein großes Karawanſerai für die Baſchkiren außerhalb der Stadt gebaut ; das alte in der Stadt iſt von Buden und großen Waarenhäuſern umgeben , wo die Rauf mannégüter und die Ramcele Obdach finden . *) Ein Papierrubel = ſechs Groſchen oder
Die Kir
Silberrubel..
45 giſen bringen eine große Menge von Häuten zu Markte, beſonders von ungeborenen Füllen , welche fehr geſchäßt werden und vortreffliche Pelze geben , die warm halten und ein ſchönes Ausſehen haben . Drenburg war uns merkwürdig als der Ausgange des berühmten Kriegszuges gegen Khima im dort wahre Nachrichten
punct
Sahre 1839, und wir hofften
über dieſes Ereigniß einſammeln zu können .
Die alls
gemeine Zeitung war das einzige Blatt in Europa , das
die Shatſachen
und
die
irabren Umſtände der
ganzen Sache mittheilte, und id) vertraue ber_ Unpar trilichkeit
der Angaben
ihres
Berichterſtatters,
welchem ich zufällig bekannt wurde.
mit
Franzöfiſche Zeit
ungen wurden von engliſchen Zeitſchriftſtellern ale glaubwürdige Quellen angeführt, und umſtändliche Ar: tifel von Berichterſtattern in dem Zelte des Generals Perowski; die aber verriethen , daß fie in dem Arbeit zimmer des Herausgebers zuſammengefeßt waren , er: ſchienen
nach einander ,
um Europa zu den Waffen
aufzuſchrecken .. Es wurde mehrmal erzählt, die Ruſſen wären im Beſig von Khima, während ſie dort gar nicht verweilt hatten, ſondern im vollen Marſche nach Herat waren ,
um den Engländern entgegenzutreten.
Nichts
Geringeres als das Schidfal des britiſchen Indiens ſollte von dem Erfolge dieſer Waffenthat abhangen , und der Weg nach Ralfutta ging burdy Khina, ſtatt über Kon ftantinopel. So dreift man dieſe Behauptungen aufge =
46 ftellt hatte und ſo auffallend fte widerlegt worden waren , ſo blieb doch der Ehrgeiz der Ruffen der Popanz der Barteiſchriftſteller, von welchen feiner ſo ehrlich war, zu geftehen , daß er einmal falſche Berichte erhalten hätte. Als die Stellung unhaltbar geworden war, wurde end lich die Entdeckung gemacht , daß der Kriegszug miß lungen wäre ;
aber eben dieſes Mißlingen , ftatt den
Schmähungen der Zeitungſchreiber Einhalt zu thun, machte ſie nur noch boshafter.
Sie hätten einen gefals
lenen Feind fchonen ſollen, aber man hielt es für noths
!
wendig, nach ſeinem Falle ihn durch Uebertreibung ſei=
1
ner Berluſte zu beſchimpfen und dem Heerführer, der den Zug geleitet hatte, Mangel an Geſchidlichkeit vor zuwerfen .
Er ſollte ein verdienſtloſer junger Mann fein,
der ſeine Anſtellung in dieſem ſchwierigen
Dienfte nur
der perſönlichen Gunſt des Kaiſers verdankte, als ob, wenn Indien auf dem Spiele geftanben hätte, nicht ein talentvoller und erfahrener Mann außerſehen worden wäre, das Unternehmen auszuführen. Khiwa liegt ungefähr dreihundert Wegſtunden von
Orenburg , und der Weg geht durch Steppen , deren Bewohner gegen Rußland feindlid, geſinnte Turfmanen find.
Die Schwierigkeit, auf jenem Krieg &zuge Waffer
zu erhalten ,
war ſo groß , daß der Winter , als die
am wenigſten ungünſtige Zeit, gewählt wurde.
Keine
Vorfehrung , die Vorausſicht angeben konnte oder die fich durch Geld bewirken ließ, ward verſäumt, und
47
obgleich die Entfernung nur unbedeutend ift, doch der Kaiſer von wunden
den
Schwierigkeiten ,
werden mußten ,
ſo überzeugt ,
ſo war
die
übers
daß er den
Herzog von Wellington um ſeine Meinung über die Ausführung des Unternehmens bat.
Der Herzog mar
gewiß nie in einem Lande gleider Art geweſen , aber ſeine in Indien gemachten Erfahrungen hatten ihn in Stand geſeßt,
beſtegenden
über die nicht leicht zu
Schwierigkeiten ein ſo richtiges Urtheil zu fällen , daß er in ſeiner Antwort gerade ſolche Urſachen des Miße lingens angab ,
deren Beſeitigung außer der Gewalt
des Kaiſers gelegen hatte.
Die Zahl der zu dieſein
Unternehmen verwendeten Kriegsvölker iſt franzöftſchen worden ,
Zeitungen
ſehr übertrieben
von
den
angegeben
ſie war aber gewiß mehr als hinlänglich für
den Widerſtand, den ſte
fanden .
Zwölftauſend Kaa
meele wurden zur Fortſchaffung des Gepäckes und der Kriegebedürfniffe gebraucht,
und als der
Schnee ſehr
tief wurde , kamen dieſe viel ertragenden Thiere elend um, weil ſie nicht im Stande waren, mit ihren Füßen das Gras aufzuſcharren , daß ihnen zu ihrer Nahrung nothwendig iſt.
Das Geleit brach an jedem Morgen
um ſieben Uhr auf, und da die Tage ſehr kurz waren , ſo wurde gewöhnlich
um zwei Uhr angehalten ,
und
oft hatte der Zug um dieſe Zeit nicht über zwei Werfte zurückgelegt.
Die Wegſchaffung des Sanees und das
Aufſchlagen der Zelte verurſachten ſo großen Zeitverluſt,
48 Daß der General, ber nicht eher ſpeijete, bis alles in Ordnung war, oft erſt um Mitternacht zur Ruhe fam . Die Kälte war in den Vormittagſtunden äußerſt beftig , ſo daß eine Flaſche mit irländiſchem Branntwein , die an des Generals Bette hing , oft gefroren war.
Das
Stöhnen der Kameele war kläglich ; eines nach dem an deren kam um, und ich glaube es ſind nicht hundert, vielleicht gar keine nach Orenburg zurückgekehrt. 1 Der Kriegszug dauerte fünf bis ſechs Monate und kam nicht weit jenſeit der Gmba, eines Fluſjes, der die namentliche Gränze Rußlands bildet.
Während dieſer
ganzen Zeit gab es nur ein einziges Scharmügel mit dem Feinde , das mit einigen Kartätſchenſchüſſen abgemacht war, die nur zwei Mann tödteten .
Die Ruſſen hatten
aber ihre fämmtlichen Rameele verloren . Ein Rofaken anführer meinte, daß man , wenn man nur
Roſakens,
pferde ſtatt der Kameele gebraucht hätte , bis Khiwa gefommen ſein würde. Der Anführer des Kriegozuges war der General Perowski, Gouverneur der Statthalterſchaft Orenburg , die größer als Frankreich iſt und den tätigſten und gefdhid teſten Mann zur Leitung der öffentlichen Angelegenhei ten verlangt.
Wir lernten ihn im Jahre 1840 kennen
und hörten nur günſtige Urtheile. über ihn . Mißlingen
des Internehmens in Petersburg
und der General dahin berufen
wurde ,
um
Als das befannt Redena
49
ſchaft abzulegen , glaubte man allgemein ,
er würde in
Ungnade fallen , was jedoch keineswegs der Fall war.
Man fann benken , daß forrohl der Kaiſer als der General Perowski über das Mißlingen des Plans vers brießlich war.
Das Unternehmen hatte viel Geld ges
foftet , und die Eigenliebe wird natürlich durch einen geſcheiterten Plan verlegt.
Wir ſind der Meinung, daß
der wirkliche Zweck des Kriegsjuges, der ausdrücklich ane gegebene war, nämlich die Gefangenen zu befreien und den Räubereien Einhalt zu thun, die der Khan von Khima lange geduldet, wo nicht begünſtigt hatte.
Auch glaus
ben wir nicht, daß der Befitz von Khiwa der Schlüſſel zu dem britiſchen Indien rei , oder baß das Mißlingen des Feldzuges Nußlands
Anſehen
in Mittelaften
ge
ſchwächt habe. Der Kaiſer mochte es natürlich vora ziehen , ſeinen Zweck durch eigne Mittel und ohne den Beiſtand britiſcher Vermittelung
zu
erreichen.
Eben
ſo wenig finden wir ſonderliche Urſachen, mit ihm dars über zu habern , daß er bei der Nachricht von der Wies derherſtellung der friedlichen Verhältniſſe mit dem Khan nichts von lemmiflungenen Krieg zuge des Generals Perowski ſagt und für die britiſche Vermittlung danft. Wir halten es ſogar für möglich , daß er nicht beſon ders dankbar dafür war. Ruffen iſt
In
unſerem Verkehr
mit
und die Aehnlichkeit der Meinung aufge
fallen , welche Engländer und Ruffen von einander hes gen . Wir ſchreiben den Cottrell's Sibirien I.
Ruffen ehrgeizige Entwürfe 4
50 und Plane zu Vergrößerungen zu
und beziehen uns
zur Unterſtüßung dieſer Meinung auf die Geſchichte, die Ruſſen führen dieſelbe Sprache in Beziehung auf uns und berufen fick auf die Geſchichte Indien . Wir geſtehen ihren Geſchäftführern und Unterhändlern höhere Talente und Geſchicklichkeit im Manövriren zu , die Ruſ ſen aber meinen , daß wir beſſer ale fie unſere Swede erreichen .
Im Ganzen ſind wir der Meinung, daß ſie
nicht unrecht haben ; denn wir glauben , daß wir ziema ļic gleiche Zwecke verfolgen, nämlich die Vergrößerung unſeres Handels , obgleich weiter Spielraum für uns beide ift, ohne gegenſeitig in das Gebiet unſerer Tha tigkeit einzugreifen .
Wir haben immer gehört, daß nian
den thörigen Plan abläugnete, ein Fahon zu ausgedehn tes und wenig verbundenes Reich geographiſch zu er weitern, und noch mehr gegen den abenteuerlichen Ver ſud) einer Eroberung Indiens fich erklärte. Die
Mitbewerbung
Nußlands
ift furchtbarer
in
Beziehung auf den Handel als auf Gebietsverhältniſſe; aber wir finden jegt darin unſere Sicherheit und werden fte noch viele Jahre finden , daß wir wohlfeiler ver faufen können und zwar Waaren von beſſerer Beſchaf fenheit.
Wir glauben
daher nicht , daß Rußland es
verſuchen werde , uns Indien durch Waffengewalt oder Liſt zu entreißen , und fönnen ebenſo wenig ernſtliche Beſorgniffe begen , daß e8 unſeren Handel im lande zu Grunde richten werde.
Morgen
Ja , wir wollen nod)
9
weiter
51 unſeren
gehen und halten den Verſuch , mit
Manufacturen in Mitbewerbung zu treten , für uns weiſe.
Rußland kann bei ſeiner ſchwachen Bevölferung und würde un=
dem Aferbau feine Hände entziehen endlich mehr gewinnen ,
wenn es den Anbau
ſeiner
pflugbaren Ländereien verbeſſerte und den Pflug auf jene Millionen Leder brächte, die jest wüft liegen und bem Landwirth ſeine Mühe vollkommen bezahlen würden , ſtatt ſeine Manufacturen zu vermehren , wie es in den legten
zehn Jahren geſchehen
Wir wollen die
iſt.
Fortſchritte, die es gemacht hat, nicht unterſchäßen, da fie ſehr groß ſind, bezweifeln aber, daß ein Vortheil daraus Es gibt nur eine Volksklaſſe in erwachſen werde. Rußland ſelbft, und eine nicht ſehr zahlreiche, die auf Lurus hält und bemittelt genug iſt,
Manufacturwaa Es iſt der
ren von ſehr vorzüglicher Güte zu kaufen.
So hodh der in neuerer Zeit noch erhöhte Zoll auf engliſche Manufacturen iſt, ſo fauft doch dieſe eine Adel.
Klaffe feine anderen. verboten , ſo
Würden dieſe Waaren gänzlich
ſo würden fte doch eingeſchwärzt und eben
ſehr als jeßt gebraucht
Manufacturwaaren aber ,
werden.
wiewohl
Die
nicht
ſo
ruffiſden gut als
die engliſchen , foſten beinahe eben ſo viel und können daher nie auf fremden Märften die Mitbewerbung init Ein britiſcher Staatemann
ben engliſchen aushalten.
fönnte im Zweifel ſein ,
ob
nicht eine
Ermäßigung
ber 3odſäge zum Vortheile der öffentlichen Einfünfte 4 *
52 ausſchlagen würde, der Kaiſer von Nußland aber fann feinen Zweifel begen ,
weil dieſelbe Menge von britis
den Waaren ing Land fommt, oder niedrig ſein ,
mag
der Zou hodh
und jede Herabſegung der Zollfäße
würde dem Staatsſchaße einen entſprechenden Verluſt bringen.
Wir wiſſen , daß man den Zollbetrag herab
geſegt hat ,
weil mehr Waaren für den
einheimiſchen
Verbrauch erzeugt worden find als vor zehn Jahren , und daß man ießt rufftſche Waaren in Petersburg für engliſche verfauft ; aber aus den angeführten Gründen glauben wir nicht, daß die Zölle nod) tiefer fallen wers ben .
Wir wollen nicht unterſuchen , ob die Herabſeßung
der Getreidezöde aus vielen anderen Gründen wünſcheng werth ſei oder nicht , aber mögen die Nuffen fich noch ſo ſehr darüber freuen , die hohen Getreidezölle in Gngs land als einen Grund gegen die Herabſegung ihrer Zollfäße benußen zu fönnen , ſo haben fte doch immer verſprochen, dieſe herabzuſegen , ſobald jene vermindert würden .
N
Der Grundſaß aber , den Rußland befolgt,
fich von engliſchen Manufacturen unabhängig zu maden , iſt ſehr verſchieden von dem Grundlage der Engländer, Hinſichtlich der Getreidezufuhr unabhängig von Nußland zu werden . Rußland fann nicht glauben , daß 88 – uns ſelbſt im Fall eines Krieges nicht gelingen werde , ihn Waaren zuzuführen, da ſeine reichen Edelleute ein ſeltſames Vorurtheil für alle engliſchen Erzeugniffe ha ben , wogegen på eine unbeſtreitbare I hatſache iſt, daß
1
53
es uns in Friedenzeiten nur ſehr wenig von dem
Ge
treide liefern kann , das wir brauchen , und wenn wir es ſelber erzeugten , würden ander8wo zu ſuchen.
wir nicht wünſchen , es
Wir haben nicht die Abftcht, uns näher darüber zu verbreiten , ob es wahrſcheinlich ſei, daß Rußland unſere indiſche Gränze angreifen oder Khiwa zu dieſem Zwecke befeßen würde, wenn es darauf au @ ginge.
Wir wollen
nur ſagen, daß , obgleich die rufftſmen Zeitungen dieſe Puncte nicht erörtern, wie die engliſchen Blätter, das Volt doch zuweilen eine Meinung darüber hören läßt, und daß die Anſichten Anderer von uns nicht immer ſo günſtig find als unſere eigenen . Orenburg fol ein ſehr munterer Ort fein
und
eine
im Winter
angenehme Geſellſchaft haben.
Wir
hatten wenig Gelegenheit, darüber zu urtheilen, da der größte Theil der Einwohner noch nicht aus den Soma merivohnungen heimgekehrt war. Herrn Sanifoff kennen , der
im
Wir lernten einen Departement der auf
wärtigen Angelegenheiten arbeitete und eine anziehende Probe der aufſtrebenden ruffiſchen Diplomatie war, die von den Rücffichten europäiſcher Hoffttte nicht gefeſſelt ift. Er bewies uns , was wir freilich ſchon wußten , daß dieſe Perſonen in Rußland an Bildung und Kennt niſſen weit über den, bei den engliſchen Geſandtſchaften und in unſerem Departement der auswärtigen Angelegen heiten angeſtellten jungen Leuten ſtehen. Eine umfaſſende
54 Kenntniß der Sprachen und der Geographie, große Ge ſchicklichkeit im Zeichnen und Kartenaufnehmen und eine vertraute Bekanntſchaft mit der ganzen Geſchichte der Diplomatie und den Verhältniſſen des Morgenlandes, feßen
einen ſolchen jungen Mann in Stand , es mit
jedent engliſchen Agenten in jenen Gegenden aufzunch men . Ich glaube, dieß iſt einer der Hauptgründe, warum wir ſo viel von Rußlands ſogenannten Ränken hören .
Was für Unterhandlungen auch geführt werden
mögen, ſie werden von Perſonen geleitet , die zu dieſem Zwecke ausgebildet und vollfommen in die Sache ein geweiht ſind, und man darf ſich daher nicht wundern, daß die engliſchen Geſchäftführer zuweilen von ihnen überliftet werden.
Wir wollen nicht läugnen , daß fte
gewiſſenloſer in der Wahl der Mittel zu ihrem Zwede find, aber ihre Geſchäftführer ſind geſchickter und un = terrichteter als die engliſchen. Die Geſchichte des Grafen Simonitſch
in Herat
und ber plößliche geheimnißvolle Tod des
Leutnants
Vifowitſch in Petersburg gaben den franzöfiſchen und engliſchen Zeitungen fruchtbaren Stoff zu Schmäha ungen gegen Rußland . Man wollte der ruffiſchen Re gierung in keiner Sache Aufrichtigkeit zugeftehen und behauptete wiederholt, daß fle bas Benehmen des Gra fen Simonitſch in Herat gemißbidigt und
ihm
den
Abſchied gegeben habe, um ihre boshaften Plane deſto beffer zu verſchleiern und ihm
zu paſſender Zeit
eine
55
vortheilhaftere Anſtellung zu geben .
Der geheimnißvolle
Lod deo Leutnants Vifowitſch, der gleichfalls in Berat angeſtellt geweſen war , wurde einem
teufliſchen Rache
plane zugeſchrieben , weil ihm feine Ränke mißlungen wären .
Wir wiſſen , daß der Graf Simonitſch bis auf
dieſen Tag in Ungnabe iſt und wahrſcheinlich bis zu ſeinem Tode darin bleiben wird.
Er iſt zum
Befehl
haber einer kleinen , noch nicht gebauten Vefte in einem unbedeutenden Orte beſtimmt, was nicht beſſer als Vers bannung iſt.
Hat er nur halb ſo viel Vermögen zu
ſammengebracht, als man ihm zuſchreibt, ſo muß man fich wundern , daß er es nicht verſucht, Rußland für immter zu verlaſſen.
Er war in ſeiner Jugend in frans
zöftſder Gefangenſchaft und lehrte in Raſan die frans zöftſche Sprache, aber mit wirklichen
Talente begabt,
machte er ſich bekannt und trat in rufftſche Dienſte. fr machte eine glänzende Laufbahn, doch trieb er ſeine Habſucht und ſeine Erpreſſungen ſo weit und ſein Be nehmen in Berat , das erſt durch die Beſchwerden der britiſchen Regierung dem Kaiſer bekannt wurde , fand ſo große Mißbilligung, daß er ſogleich zurüdberufen ward. Wir bezweifeln nicht, daß die ruſſiſche Regierung günſtig für Doft Mohammed
gefinnt
war ,
und
lê würde für die Engländer beſſer geweſen ſein , wenn fie gleiche Geſinnungen gehegt hätten , ja es iſt uns bekannt, daß Vikon -itſch mit zehntauſend Ducaten Hilfe
56 geldern an ihn abgeſendet wurde , nie aber ermächtigte jene Regierung ihren Geſandten , Mohammed's Kriegs völfer gegen ein britiſches Heer anzuführen . Dieß wird auch in Rußland nicht algenrein geglaubt , denn obgleich einft ein ruſſtider General die Ereigniſſe in Herat als eine der glänzendſten Waffenthaten der Brits en rühmte, ſo fdrieb er doch den glüdlichen Erfolg auch dem Umſtande zu ,
daß es der Gegenpartei an
einem talentvollen Offiziere gefehlt habe , und wollte nicht glauben , daß ein Mann von Simonitſch's Fähig . keiten
ſie einer ſo ſchmählichen Niederlage
haben würde.
ausgeſept
Ein vertrauter Freund Vifowitſch's , der
ibn am Tage vor ſeinem Selbſtmorde fah , ſagte uns, es werde immer ein Geheimniß bleiben , warum er fich das Leben genommen habe . derbar.
Seine Geſchichte war fons
Er war ein geborener Pole und ward als ge
meiner Soldat nach Orenburg verbannt.
418 Aleran der von Humboldt in jenen Gegenben reiſete, tam er zufällig in die Hütte, die Vifowitſch bewohnte, und mit
Ueberraſchung fah er ſeine Werke in franzöſiſcher Sprache auf
dem
Tiſche liegen.
Er unterhielt
jungen Manne
und
ſeiner Rüdfehr
nach Petersburg
Dieß geſchah auch.
fich mit dem
verſprach ihm , dem Kaiſer bei
Bifowitſch
ihn wurde
zu
empfehlen .
bald
nachher
Offizier und als ein ſehr thätiger und geſchidter Mann ward er beſtändig von dem General Perowski verwen. det , Streifpartieen in den Steppen der Kirgiſen anzu:
führen .
Später erhielt er eine Sendung nach Herat
und ſoll mit einigen Geheimniſſen des Grafen Simo nitſch bekannt geworden ſein .
Er fürchtete jedoch ſo
wenig eine Ungnade, daß er nach der Verſicherung mei nes Gewährsmannes fich eine neue Uniform hatte ma chen laſſen und dem Raiſer an demſelben Tage, wo er fich das Leben nahm , zur Beförderung im Dienſte vors geſtellt werden ſollte.
Man glaubt, daß er am Lage
vor der That einen Zwift mit Simonitſch gehabt und im Aerger fich getödtet habe. Wir verließen Orenburg in der Abſicht, der Linie kleiner Städte ober vielmehr Dörfer zu folgen , die man mit dem Namen Beſtungen beehrt hat , weil ſie eine kleine Artillerie-Abtheilung enthalten .
Sie bilden die
Gränze des ruſfiſchen Gebietes in den Kirgiſenſteppen. Zuweilen liegen in einem kleinen Dorfe nur fünf Mann mit einem einzigen Geſchüße, in anderen aber weit mehr. Ueberall aber wird die größte Regelmäßigkeit beobachtet; die Waffenvorräthe find in der beßten Ordnung und Ades richtet ſich nach ruſftſcher Kriegszudyt, welche die ſtrengſte in Europa iſt.
Es läßt ſich nicht leicht ſagen ,
wie viele Geſchüße fich längs der ganzen Gränzlinie bis Nertſchinsk befinden , aber wir zweifeln nicht, daß fich in der kürzeſten Zeit dreihundert auf einem gege benen Puncte zuſammenbringen laſſen . Die Straßen find gut und Pferde gibt es in Ueberfluß, ſo daß die Fortſchaffung leicht ſein würde.
Viele Geſchüße find
58
ſehr alt und wurden zur Zeit Peter's des Großen ab geſendet.
Der Czar, der zureilen feine Rache an lebs
loſen wie an lebendigen Gegenſtänden ausließ, ſoll einige Geſchüße nach Sibirien verbannt haben , weil ſie bei einer gewiſſen Gelegenheit ſeine Befehle nicht erfüllt hatten .
Gerriß iſt, daß, als er dem
Schiffbruche auf
dem Ladogaſee entgangen trar, wo er ſelber das Steuer ruber führte und die erſchrockenen Seeleute fragte, ob fte je
gehört hätten , daß ein Czar ertrunken wäre,
er das Waſſer knuten ließ , und daß bis auf dieſen Tag die Bauern
auf einer gewiſſen Stelle
und
zu
be
ſtimmten Zeiten die Wellen von den Wirkungen der vor hundert Jahren ausgetheilten Knutenhiebe roth gefärbt ſehen wollen .
Es iſt daher ganz glaublich , daß er die
Kanonen verbannt habe und vielleicht gute Gründe das zu haben mochte , die er unter dem Vorwande, bie Geſchüge zu beftrafen , verſchleierte. Von Drenburg hat das Land auf einer Strede von mehren Hunderten von Werften nichts merkwürdiges. Unſer Weg lief länge dem kleinen Fluge Ural,
der
uns von den Kirgiſenfteppen trennte, und die Obes ' men haben auf beiden Seiten ziemlich gleiches Anſehen, Auf
unſerer Seite
verriethen
zuweilen Zeichen von
Anbau und große Heerden von Schafen und Ziegen , daß es dort veſte Wohnfiße gab , aber ſehr ſelten ſaben wir Häuſer.
Der Ural, obgleich nur ein kleiner Fluß,
hat doch einen Lauf von 2000 Werften und fällt in das
.
59 Kaspiſche Meer.
Der Name bedeutet im Tatariſchent
einen Gürtel ; früher hieß der Fluß Rhymus , und die Ruſſen
nennen
ihn Jaik.
Durch
einen Befehl der
Raiſerin Katharina erhielt er den Namen Ural , der Empörung Pugatſchew's ,
nach
der aus dieſer Gegend
ftammte, indem fte hoffte, dadurch die Erinnerung an jenes Ereigniß
zu
verwiſchen.
Hier und da
ſaben
mir am Ufer die Hütten oder Kibitken der Kirgiſen, die in Freundſchaft mit den Ruffen leben und daher die ,, Friedlichen "
(Miruoi) genannt werden .
Viele
von ihnen haben dem weißen Rhan gehuldigt , wie fie den Kaiſer nennen , und zahlen ihm einen geringen Tribut als Kopfſteuer, während Andere, die einen bes deutenden Handel mit Rußland treiben, einen geringen Zou von den Waaren bezahlen , die fte zum Lauſche bringen. Bis
in die neueſte Zeit waren dieſe gefegloſen
Plünderer eine beftändige Qual der Rofafen , die längs der Gränze wohnen. Der Fluß ift nicht breit und an vielen Stellen leicht zu Pferbe zu -burchwaten ,
ſo daß
dieſe behenden Reiter ftete Räubereien begingen, indem fte in Schaaren
von fünfzig Mann überlegten
Schafe und Rindvieh hinwegführten .
und
Seit der General
Perowski ben Oberbefehl in der Provinz führt, hat er eifrige Maßregeln ergriffen , dieſem Uebel zu ſteuern, und es iſt ihm volftändig gelungen, dieſen nomadiſchen Räubern den Unterſchied zwiſchen Mein und Dein bes
60 greiflich zu machen .
Dieß war um
ſo leichter ,
ba fie
feltſam genug keinen Muth haben , eine Tugend, die dodh allen wilden und halbrilden Stämmen gemein iſt.
Die
Koſaken hegen die tiefſte Verachtung gegen fle ,
und
berſicherten uns ,
daß ein halbes Dußend von ihnen
(8 mit fünfzig Kirgiſen aufnehmen könnte.
Sie find
allerdings beſſer bewaffnet, und dieß inacht einen großen Unterſchied. den ,
M
In ihren einheimiſchen Kriegen und Feh
wo ſte mit gleichen Waffen fechten ,
Kirgiſen nicht ſolche Memmen
ſein.
ſollen die
Einſchüchterung
hat ohne Zweifel einen großen Antheil an der Unter : brückung ihres Raubgelüftes , aber die rufftfche Res gierung hat ihnen auch die gewiſſeren Vortheile gezeigt, die fich durch friedlichen Handelsverkehr erlangen laſſen, und wir zweifeln nicht,
daß in einigen Jahren alle
Stämme in der Nachbarſchaft der Ruffen wirklich ruſo fiſche Unterthanen ſein werden . Man ſagte uns zwar ,
daß ein Jahr vorher der
Weg ganz ficher geweſen wäre , aber wir nahmen dodh auf eine Strecke von 300 Werſten ein Geleite ,
das
auf der Poſt unentgeltlich gegeben mard und das wir daher nicht ablehnten .
Hätte, aber
wirkliche
Gefahr
gedroht, ſo wäre es ein ungereimter Gedanke geweſen , von
dieſem Geleite nur
erwarten .
den
geringſten
Nugen
zu
Es beſtand meiſt aus nur zwei , zuweilen
aus drei Reitern von ſo ſeltſamem
und faſt eben ſo
wiſdem Ausſehen , als Diejenigen, gegen welche fte uns
.
61 ſchüßen ſollten.
Freilich waren ſie bis an die Zähne
bewaffnet, da fte einen Karabiner,
ein paar Piftolen,
einen Säbel, Bogen und Pfeile und eine Lanze führten ; ob
aber die Waffen in
wären ,
wenn ſie
gehörigem Zuſtande geweſen
gebraucht
werden ſollten ,
möchte
fich ſehr bezweifeln laſſen. Sehr wahrſcheinlich ift es, daß ein ſoldes Schautragen von Trußwaffen , deren Kraft die Kirgiſen bei anderen Gelegenheiten kennen gelernt hatten , hinlänglich geweſen ſein möchte , ſie zu beunruhigen und fie auf der anderen Seite des Fluſſes zu halten , zu erwarten
aber ich muß geſtehen , gehabt haben ,
als
wir würden wohl Gefangene zu dem
Khan von Khiwa oder dem Häuptling eines anderen ebenſo barbariſchen Stammes gebracht zu werden, wenn ein zahlreicher Haufe uns angegriffen hätte. Die
Roſaken
erzählten uns
eine Geſchichte von
einem Kampfe mit den Kirgiſen , an welchem einige Jahre vorher einer von ihnen Theil genommen hatte. Eine Schaar dieſer Plünderer war ,
wie gewöhnlich ,
über den Fluß gegangen , um Beute zu machen , aber von dem Wächter ertappt.
ward
Da die Feinde zahls
reich waren , ſo verfloß einige Zeit, ehe ein Haufe ges ſammelt werden konnte,
um fte zu verfolgen , beun
fie hatten ſich , als ſie entdeckt wurden, in der größten Gile
zurückgezogen.
Eine
weit ſchwächere Kofafeus
jdaar verfolgte fie zwei Tage und Nächte lang in den Steppen , und ale man fte einholte, trockneten fic ihre
62 Rleider ,
die ſie bei dem
durchnäßt hatten.
Uebergange über den Fluß
Die armen Teufel nurden überfallen
und alle niedergemepelt.
Wir hörten viele wunderbare
1
Geſchichten von der Tapferkeit der Roſaken gegen dieſe Kinder der Wüſte.
Wir nahmen fte zwar nicht budy
ſtäblich , es iſt aber gar nicht zu bezweifeln, daß dieſe an
phyſiſchen Schußmitteln und perſönlichem Muthe
weit unter den Roſafen ftehen.
Wir fahen oft die Gr
höhungen, von welchen die Ruſſen dieſe unwillkommenen Beſucher erſpähen ,
und da die Gegend äußerſt flach
ift, ſo können ſte bei hellem Wetter weit ſehen . ſagte uns in jedem Poſthauſe,
Man
es wäre keine Gefahr
mehr zu beſorgen , aber ſobald wir auf derſelben Sta tion das Geleit entlaſſen hatten ,
erfuhren wir ,
daß
erft am vorigen Tage ein Kaufen Plünderer in der Nachbarſchaft geweſen war ; doch
war die
Thatſache
nicht klar.
Ungefähr hundert
Werfte vor
Drefa , einer
der
ſtärkſten Veſtungen an dieſer Gränze, wurde die Ein förmigkeit der Steppenreiſe durch eine Bergreihe von der ſonderbarften Geſtalt unterbrodjen.
Sie heißen die
Guberlinski-Berge und find ein Theil der großen Kette bes Uralgebirges, das fich in weiter Ausdehnung nördlich und jüdlich
Dieſe lange Reihe läuft
erſtredt.
von
Uft-Urt in der turkmanniſchen Landenge zwiſchen dem Kaspiſchen Meere und dem Ural- See bis über den Polarkreis
hinaus,
in
einer Strecke von mehr als
HI
63 2000 Werften .
Man kann ſie in den nördlichen , mitt
leren und füdliden Ural theilen .
Auf ihnen entſpringen
die Flüſſe Ural , Ram und Petſchora.
Sie ſcheiden
Europa von Aften , wiewohl die Gränze , welche die Ruffen
annehmen , ein wenig öftlicher läuft. Der nördliche Theil iſt die fälteſte Gegend in Europa und
jeſt faſt gänzlich eine Wüfte.
Durch die mittlere Ab
theilung ging, wie Lehrberg glaubt, die eiſerne Pforte, durch weldje die Nowgoroder, zu jener Zeit ein mächs tiges Wolf, in das dicht bevölkerte Gebiet der Ugrier Die ſüdlichen Theile waren einſt ſehr anges
brangen .
baut und von einem Volfe bewohnt, deſſen Hauptbes ſchäftigung der Ackerbau war. Es gibt in Afien vier große Gebirgketten , die von Morgen nach Abend laufen, und von einer anderen For mation zu ſein und einen anderen Urſprung zu haben ſcheinen als die nördlich und füdlich ſtreichenden.
Der
Ural iſt nach ſeiner geologiſchen Geſtalt, wie Alerander von Humbolbt meint, von neuerer Bildung als der Himalaja.
Jm Ural findet man , nahe an der Ober
fläche, Knochen des Rhinocero8 und vieler anderen Thiere, die mit Mineralien , Geld und Edelſteinen gemiſcht ſind. Die Schichten ſind Granit , Schiefer und Kreide , mit einer großen Menge von Kupfer und Gold in der Ges gend von Jekaterinburg, die fich in reichen Adern hin durdy ziehen.
Auch findet man (Siſenerz und Magnet in
großer Menge , mit Achat, Cornelian , Amethyſt, Topas,
6+ Jaspis ,
Chalcedon
und Marmor
verſchiedener
Art.
Der Ural war den Alten unter dem Namen der hye perboräiſchen Berge bekannt .
Die Höhe des Gebirges
ift bedeutend verſchieben , nirgend aber anſehnlich im Verhältniß zu ſeiner Länge. Deſtlich vom Ob iſt ſie 4000 Fuß über dem Meere , in einigen Theilen gegen 6000 , wogegen in der Nähe von Jekaterinburg Höhe fehr unbedeutend iſt.
die
In verſchiedenen Theilen
hat das Gebirge verſchiedene Namen .
Unter dem 50 .
Breitengrade heißt es das Werchoturiſche Gebirge, von Werchotura , einem Felſengipfel, an deffen Fuße der Fluß Tura entſpringt, und wo eine große Menge von Giſen und anderen ſibiriſchen Handelsartikeln fich findet. mineraliſchen
Schäße
des
Gebirges
Die
beſchäftigen ſehr
viele Arbeiter und ſind die Quelle eines bedeutenden Gewinnes für die Krone und viele Privatperſonen. Die Höhe der Guberlinski - Berge war an der Stelle, wo wir ſie durchſchritten , ſehr unbedeutend , nur 500 Fuß über dem Raspiſchen Meere, wiewohl fie bei der Flachheit der ganzen Umgegend bedeutend erſcheint. Die Breite der Kette iſt an dieſer Stelle größer als gewöhnlich bei Gebirgen von gleicher Höhe.
Es iſt
hier ein flaches Tafelland ohne Gipfel, ohne
Abwech
ſelung von Anhöhen und Thälern und hat ein fonder bares Anſehen , das ich nie in anderen Gebirgen
ge
funden habe . Man denkt fidy, was das Meer ſein würde, wenn er plöglich
in dem Zuſtande leichter Aufregung
65
fid, verſteinerte.
Die wellenförmigen Erhöhungen ſind res
gelmäßig und gleichförmig und die Schichten in verticalen Lagen , ohne Kräuter oder Zeichen von Pflanzenwuchs. Man findet häufig Salzſeen in der Nachbarſchaft von dem Fluffe Tobol bis nach Saratow und Drenburg, und wir fahen große Lager von natürlichem Salze, die vielleicht bei dem Ueberfluthen des Meeres in unbe kannter Zeit dort niedergeſchlagen wurden . Ganz Sibirien zeigt Spuren , daß einft das Weft land mit Waſſer
bedeckt war ,
und jene Bildungen
mögen entſtanden ſein, als ſich das Polarmeer in ſeine jebigen Gränzen zurückzog.
Es iſt eine ausgemachte
Thatſache, daß eine verſchiedene Bertheilung von Land und Waſſer mächtig dazu beiträgt , an demſelben Orte unter verſchiedenen Ilmſtänden eine Veränderung des Klimas hervorzubringen , und wenn bei dem Rücktritte des Meeres eine anſehnliche Erhöhung der Niederungen ſtattfindet,
ſo würde dieß ein anderer ſtarker Grund
für die Vermuthung, ſein , daß die
Temperatur dieſes
Theiles von Sibirien , ja des ganzen Landes , in frühes ren Zeiten weit höher war als jeßt .
Die Schwierige
keit, den Umſtand zu erklären, daß man hier die Kno dhen von Thieren findet, die gewöhnlich nur in Ländern von
hoher oder
doch
gemäßigter Temperatur lebten ,
würde dadurch zum großen Theil beſeitigt ſein . Wir brachten auf dem Orsfa ,
Wege von Orenburg nach
einer Strecke von beinahe 400 Werſten , ein
Cottrell's Sibirien . I.
5
66
und dreißig Stunden zu ,
was , eben nicht ſchnell ges
reifet war , aber die Stationen waren zum Theil ſehr lang,
und es war für die Pferde ein großer Unter
fohled , eine leichte Telega Reiſewagen zu ziehen .
oder
einen
Moskauifchen
Die kleine Stadt Orska beſteht,
wie die meiften anderen an der Gränze , einzigen langen geraden Straße. Holz .
aus einer
Alle Häuſer ſind von
Man findet, wie gewöhnlich in Rußland, mehre
Kirchen, einen großen Marktplaß und eine kleine Ba racke für die Artillerie. reinlich
und bequem .
Unſer Nachtquartier war ſehr In
hölzerne Häuſer weit vor ; Ziegelgebäude.
falten
Ländern
ziehe
fie find viel wärmer als
Die Wände find
juneilen
zwei bis
drei Fuß dick und beſtehen aus zwei großen , einander gelegten Fichtenftämmen , find.
ich
die
neben
nicht behauen
Die Fugen werden mit Moos und Werg aus :
geſtopft, ſo daß nichts von der äußeren Luft eindringen fann .
Doppelte Thüren und Fenſter und Defen , wors
in das Feuer Monate lang Tag und Nacht brennt, machen fte zu ſehr behaglichen Wohnungen . Am folgenden Lage reiſeten wir nach Troitsfa, dem nächſten Orte auf unſerem Wege, den man mit dem Namen einer Veſte beehrt hatte , der aber in der That nicht mehr als ein großes Dorf iſt, wo die Soldaten ihr
Quartier hatten .
Wir
reifeten
wieder
langſam
und braudten für eine Entfernung von ungefähr 600
67
Werften fünf und fünfzig
Stunden *) .
Der größte
Theil dieſer Reiſe ging durch ein Öderes Land, als mir ſeither geſehen hatten.
Dieſer Mangel an Anbau hat
jedoch nicht darin ſeinen Grund, daß die Beſchaffenheit des Bodens die Arbeit nicht lohnte ,
ſondern in dem
Mangel an Bevölkerung , dem Mangel an Abſaß für die Erzeugniſſe, die über den eigenen Bedarf gewonnen werden . Sollte dieſer Theil Rußlands eine dichte Bet völferung
erhalten ,
ſo
würden
all
dieſe Steppen
vielleicht nach dem Ablauf von Jahrhunderten ,
einge,
friedigt werden und ohne Zweifel den Bewohnern ihren Bedarf gewähren , wie ſehr auch ihre Zahl gewachſen fein möchte.
Selbſt jeßt ſind fte ohne den Beiſtand des
Menſchen fruchtbar.
Es wächſt langes Gras in großer
Menge auf der ganzen Oberfläche, daß im Sommer gca ſchnitten ,
in große Schober aufgebäuft wird. und zur
Ernährung des Kindviehes und der Schafe im Wina ter während
der Schneezeit im Freien liegen bleibt.
*) Die alte Straße war weit länger, da ſie weit mehr Krümmungen hatte. Die Straße , der wir folgten , war zwar nicht anziehend , gewährte aber großen Seitgetinn . Sie heißt die Koſakenlinie und iſt einer der Eingriffe, den die Ruſſen von Zeit zu Zeit in das Gebiet der Kirgiſen machen . Zwiſchen Orska und Troitska haben fie dieſen ihren Nachbarn entzogenen Weg zu einem Theile ihres eignen Gebiets gemacht. Durch dieſe ſchein bar unbedeutenden Vorſchritte gegen Süden regen ſie ſich almälig näher an der Gränze von Khiwa und Tibet veſt. ; 5*
68
Man kann leicht denken , daß dieſe unermeßlichen ofs fenen Ebenen , deren Einförmigkeit faum durch einen ver krüppelten Strauch oder einen von Stürmen gepeitichten Baumſtamm
unterbrochen wird , der ſich kaum über
die Oberfläche erhebt , dem Reiſenden einen ſehr öden und traurigen Anblic darbietet.
Aber es liegt etwas
in der Idee ihres ungeheuren Umfanges , was ihnen ben
Charakter der Erhabenheit
gibt.
Der Horizont
zeigt uns in allen Richtungen dieſelben Steppen , die einen unendlichen Raum einzunehmen
ſcheinen ,
und
könnte das Auge ſo weit reichen , es würde wenig oder gar keine Abwechſelung vom Fuße des Kaufaſus bis zur Gränze von China finden. Bild von Einſamkeit im
Sie ſind das wahre
größten Maßſtabe.
Zuweilen
zeigt ſich eine lange Reihe ftattlicher Kameele in der Ferne, und große Heerden von mißgeſtalteten Schafen , Kaufen von halbwilden Pferden und zahlreiche Nind viebhecrden rufen in uns den angenehmen Gedanken hervor, daß wir nicht die einzigen lebenden Geſchöpfe in dieſer ungeheueren Wildniß ſind.
Das Kameel hat einen majeſtätiſchen Gang, und die Art , wie es Kopf und Hals trägt , könnte uns auf den Gedanken bringen , daß es ein ftolzes Thier iſt.
Es
iſt in der That ein ſehr nüşlides und viel erbuldendes Geſchöpf, und ſo ſchlecht es oft behandelt wird, ſo zeigt eß doch nur ſelten Luſt, gegen den Menſchentyrannen die Stärke auszuüben , womit die Natur es ausgerüſtet hat.
1
69 Es iſt ein Glück für uns , daß der. Inſtinct der Thiere nicht hinreicht, ihnen zu zeigen, wie fte ihre Kräfte zu unſerem
Schaden zu üben haben , ſonſt würden wir bald
die Herrſchaft einbüßen , deren Verluſt wir durch ihren Mißbrauch verdienen .
Das vorderſte Kameel
in der
Reihe reitet der Treiber und lenkt es mittels eines großen eiſernen Ringes , der durch die Naſe geht und an welchem eine Leine beveſtigt iſt.
Dieſer Naſenzaum ift
ſehr läſtig, und es wird dadurch der Hals faſt aus der Stellung gerückt, welche die Natur ihm gegeben hat. Die übrigen Kameele folgen dem vorderſten ohne Eins miſchung eines Treibers, und wenn ſie zu einem Waſſer kommen , werden ihre Laften abgeladen , und man ſieht ſie frei mie Hausthiere weiden . In der Gegend von Troitska wird das Land mehr beholzt und man ſieht 'hier und da Wälder , die aber nicht auêgedchnt ſind.
Der kleine Fluß Ural, der uns
faſt auf dem ganzen Wege von Orenburg begleitet hatte verſdwand hier.
In Troitska wurde , wie es ſchien ,
ein lebhafter Handel mit den Kirgiſen getrieben , und es war hier mehr Geſchäftigkeit und Bewegung als in irgend einem anderen Orte diebſeit Orenburg . Sobald wir die Stadt verlaſſen hatten , kamen wir über einen anderen kleinen Nebenfluß, den Di , dem wir von Zeit zu Zeit bis Petro- Pawlowsk
folgten ,
der
nächſten anſehnlichen Veſtung , durch welche wir famen . Ungefähr zweihundert Werfte von Troitafa betraten
70
wir Sibirien .
Nichts verrieth uns , daß wir über
die Gränze gekommen waren, als der auffallendſte Un terſchied in dem fittlichen und geſellſchaftlichen Zuſtande ber Einwohner.
Wir bemerkten ſogleich eine zunehmende
Bequemlichkeit und Reinlichkeit in den Häuſern und un verkennbare Zeichen beſſerer Vermögensumſtände der Bauern.
Die beſſer genährten Pferde
und fähiger , ihre Arbeit zu verrichten.
waren ſtärker Wir hatten
fein Geleit mehr, und man ſagte uns, in Sibirien wäre eine Wache unnöthig . Wir begannen unſere Reiſe durch das Land unter günſtigen Vorzeichen und fingen an zu vermuthen , daß wir mit anderen Anſichten nach Europa heimkehren würden , als mir dort zurückgelaſſen hatten.
1
Dritter Abſchnitt.
Sibirien. Gleichheit der Sprache und des Glaubens. Aeltere Geſchichte des Landes . Eroberung burch die Ruſſen . Iermal Timofeew . Brand in Tobolsk. Alte Gräber. Berſchiebenheit der Bewohner. Urſprung des Landesnamend. Sibiriens geograpiſche Verhält: niſſe, Vertrag mit China. Boden und Klima Sibi: riens. Bergwerke. Aderbau . Möglichkeit einer Waſ ferverbindung zwiſchen dem Stillen Meere und der Oft: ſee. Landverbindung .
Sibirien iſt vielleicht das am wenigſten gekannte, wiewohl größte bewohnte und unter einem Scepter ver einigte Land in der Welt, deffen Ginwohner zum größten Theil dieſelbe Sprache ſprechen und ſich zu demſelben Olauben bekennen . Nichts trägt wohl ſo ſehr dazu bei , ein ſo ungeheuere& Reich als dasjenige, das dem Rais ſer Nicolaus gehorcht, zu beveſtigen und zuſammenzu halten , als Gleichheit der Sprache und des Glaubens. Der Kaiſer ſcheint dieſe Wahrheit vollkommen anzuer Fennen , und man möchte faſt glauben , es habe ihn auf dieſe Politik eine Bemerkung Gibbon's geführt, der von den alten Römern ſagt: „ Sie fühlten ſo ſehr den Einfluß der Sprache auf die Volffiiten , daß es
-
72
ihre ernſteſte Sorge war , mit dem Fortſchritt ihrer Waffen auch den Gebrauch auszubreiten .“
der lateiniſchen Sprache
Von Petersburg bis Ramtſchatka , auf
einer Strecke von mehr als 13000 Werften , gibt es keine merkliche Verſchiedenheit in der
Sprache.
ruſſiſche, ein alter flavoniſcher Dialekt,
Die
hat weniger
eine gemeine Volfſprache als jede andere lebende Sprache, und der einzige Unterſchied iſt eine leichte landſchafts liche Ausſprache einiger, den Sibiriern eigenen Worte. Das Band eines gemeinſamen Glaubens iſt aber nodi ſtärker als das Band der Sprache
und knüpft jeßt
weit befter ale bei den alten Römern , beren Bielgöt: terei jede Form der Gottesverehrung annahm , ſo lange die Zahl der Gottheiten nur vermehrt , nicht aber ein Verſuch gemacht wurde , die Attribute ber bereits vore handenen abzuſchaffen.. Vor der Groberung Sibiriens durch die
Ruffen
gibt es kaum eine glaubwürdige Geſchichte des Landes, und die früheren ruſſiſchen Eroberer bekümmerten fich wenig
um
dieſen
Gegenſtand.
Theile des Landes waren
bis
Die
nordweftlichen
zum Fluſſe Db
von
verſchiedenen räuberiſchen Horden in der zweiten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts überſchwemmt
worden .
Sie begnügten fich damit, einige Gefangene und eine uns bedeutende Beute zu machen, mit welcher ſie nach Mosfau zurückkehrten, zufrieden mit dem Tribut, den fie von den tatarijden Stämmen erpreßit hatten , die zu jener Zeit
73 über diefe unwirthlichen Gegenben herrſchten . Czar zehnten
Alle det
Iwan Waffilijewitſch um die Mitte des reche Jahrhunderte
die
Königreiche
Raſan
und
Atrachan erobert hatte, beſchloß er, fich in den dauern Lange vorher ,
den Beſi Sibiriens zu legen.
ehe er
einen anſehnlichen Theil des ungeheueren Landes wirf lich erobert hatte , nahm er den Sitel eine Ezare von ganz Sibirien an ,
das zu jener Zeit wahrſchein
lich nur einen ſehr kleinen Theil des jegt unter dieſem Namen bekannten Landes begriff.
418 die Groberungen
der Ruſſen allmälig fich ausdehnten , erhielten die bes ſiegten Länder den Namen Sibirien , bis endlich das ganze Land vom Ural bis Japan ,
von der Tatarei
bis zum Polarmeere, unter jener Benennung befannt war. 3n den erſten Jahren nach der Eroberung Sibis riens durch die Nuſſen ward eine große Menge koſt barer Zierrathen in den Gräbern an den Ufern des Irtiſch und Jeniffei gefunden.
Armbänder von reinem
Golde und Halsbänder à la Pompeiana , , wie man fie jeßt nennt ,
in Schlangengeſtalt, Vaſen , Ringe und
Edelſteine, und überdieß allerlei Kriegswerfzeuge,
Si
bel mit goldenen Griffen , Schilde , Speere, Schwerter und Meſſer von Bronze nebſt Gögenbildern und Alter thümern von
tatariſchem
Urſprunge.
Da man dieſe
Ueberreſte untermiſcht ' mit menſchlichen Gebeinen fand, ſo iſt es klar ,
daß man ſie mit ihren Eigenthümern
74. begraben hatte , welche dem den alten morgenländiſchen wie auch den Aegyptern ,
Völkern ,
eignen Gebrauche
folgten, folche Gegenſtände mit den Verſtorbenen zu bes graben, und wie bei den Aegyptern , wurde der Rang der Todten durch den Werth ber in den Gräbern
ge
fundenen Gegenſtände bezeichnet. Dſchingiskhan wurde nicht weit von der jebigen ruſſiſchen
Gränze geboren ,
in
geringer
Entfernung
von den Ufern des Amur , und ſeine Hauptſtadt fou zwiſchen den Flüfſen Jaif ( Ural) und Irtiſch gelegen haben .
Man hat daher in dieſer Gegend die reichſten
Gräber gefunden , und bei einiger Anſtrengung der Phantafie könnte man glauben , daß ein Grab , deſſen Eröffnung in der
rufftſchen
Archäologie beſchrieben
wird, dem berühmten Groberer gehört habe. * )
Nach
bem man eine ſehr tiefe Decke von Erbe und Steinen weggeräumt,
kamen
die Arbeiter auf frei ſteinerne
Gräber von roher Arbeit. dem größten , graben , genſtände
In dem mittleren Grabe,
war ein Mann von hohem Range be
wie die bei ihm gefundenen werthvollen Ge andeuteten .
neigte Lage
Der Leichnam hatte
auf einem Goldblede,
das
eine vom
ges Kopf
bis zu den Füßen
ging , und ein ähnliches Blech
war auf ihn gedeckt.
Ein koſtbarer mit Gold einge
faßter, mit Rubinen und Smaragden befekter Mantel
*) Er ſtarb 1227.
34
75 umhülte ihn. deckt und
Kopf ,
Hals und Arme waren unbe
ohne Zierrathen .
ſeine Waffen ,
An
Schwert, Lanze ,
einer Köcher ,
Seite
lagen
Bogen und
Pfeile, auf der anderen Seite ſein Pferd , mit Baum, Sattel und Steigbügel.
In einem anderen Gewölbe
lag ein weiblicher Körper , Zierrathen zeigten .
wie die dabei gefundenen
Er war gegen die Wand
gelehnt
und hatte um den Hals eiue goldene mit Rubinen be feßte
vielgliederige
Kette ,
und
goldene
Armbänder
um die Arme , welche wie Kopf und Bruft unbe bedft maren. Der Körper mar in ein koſtbares Ge wand gehüdt ,
das aber keine Einfaſſung von Gold
oder Edelſteinen hatte ,
und wie die andere Leiche auf
ein Goldblech gelegt und mit einem ähnlichen bedeckt. Die vier Goldbleche wogen vierzig Pfund. der hatten ein friſches
Anſehen und
Die
Klei
waren bei der
Deffnung des Grabee unverſehrt, aber der Luft ausge= feßt, zerfielen fte alobald in Staub .
Rubruquis, der den
Hof des Nachfolgers des großen Dichingisthan * ) bes ſuchte, **) fand
dort
einen
franzöftſchen
Juwelier,
Wilhelm Boucher , und wahrſcheinlich waren jene foft baren
Gegenſtände
von
Europäern
verfertigt.
Die
Menge goldener Zierrathen und verſchiedener Erzeug niffe abendländiſcher Manufacturen deutet
*) Détai. **) 1253 -
1255
auf einen
76 lebhaften Verfehr mit dem Abendlande , beſonders mit den Chaſaren .
ſechzehnten Jahrhunderte in Si
im
Als die Ruſſen birien
Kutſchum ,
war
einfielen ,
ein
Abfömmling
Dichingiskhans, der mächtigſte Häuptling aller unab hängigen Stämme.
Sein Gebiet erſtreckte ſich vom 06
und Irtiſch bis zum Tobol und der Tura , und eine Veſte in der Nähe der jeßigen Stadt Tobolsk, wovon noch einige Trümmer fichtbar ſind ,
war ſein
Wohnfig.
1
Jermaf
Timofeem , ein Häuptling der doniſchen Koſaken , die zu jener Zeit eine Räuberbande
waren , wurde von
dem Czar geſchlagen und mit 5000 ſeiner Anhänger bis Orel getrieben.
Er hielt es für Flüger, in freunds
liche Verhältniſſe mit den Kuſſen zu treten , als ſeine Räubereien fortzuſeßen.
Auf Anreizen Stroganow's,
des Gouverneurs von Orel , ließ er ſich bald bewegen , ſeine Waffen gegen Rutſchum -Khan zu richten , ben er nach verſchiedenen Glüdswechſeln auf endlich völlig beſiegte.
Sein
beiden Seiten
Sieg kan ihm jedoch
theuer zu ſtehen , da ſein Beer auf 500 Mann herab ſchmolz.
Aber
die Tataren ,
die feine Geſchidlichkeit
und ſeinen Muth bewunderten , huldigten ihm ,
und
aus einem Räuberhauptmanne warn er auf einmal ein unabhängiger Fürft.
Sein ehemaliger Feind war in
dem allgemeinen Gemegel entkommen . Durch Ers regung beſtändiger Empörungen unter den Stämmen machte Timofeew ſeine Lage ſo bedenklich , daß er den
î
77
Entſchluß faßte , fich rrerfen .
in
die Hände des Czars zu 218 er eine kleine Verſtärkung erhalten hatte,
ging er zum Angriff über , breitete ſeine Eroberungen im Namen des Czars aus , und einige Zeit ftanden ſeine Sachen gut.
Endlich aber ließ er fich mit drei
hundert Ruſſen in einem ſorgloſen Augenblice von Kuta ſhum -Khan überfallen und kam mit ſeinen Anhängern um.
Die übrigen Kriegsvölker räumten Sibirien und
die Herrſchaft der Ruffen hörte für einige Zeit auf. G8 brachen bald Zwiftigkeiten unter den Latarens ftammen
aus ,
die der
Gzar
benuşte ,
der
wieder
mit einem Heerhaufen von nicht mehr als dreihundert Mann in Sibirien einfiel.
Sie wurden verſtärkt, und
in ſehr kurzer Ztit ſeşten ſie fich in den dauernden Beſig von ganz Sibirien und ſelbſt von
einem Theile
des jeßigen chineſiſchen Gebietes , das aber die Chineſen ſpäter wieder eroberten .
Der große Brand , der Tos
bolsk zerſtörte und die Archive des Landes vernichtete, hat uns viele geſchidtliche Nachrichten aus der früheren Zeit der alten Bewohner geraubt,
und
in
anderen
Städten wurden die Urkunden ſo forglos bewahrt, daß eine jeßt nicht mehr ausfüllbare Lücke entſtanden iſt. Die mittleren Theile des weſtlichen Sibiriens
waren
wahrſcheinlich die Wiege der urſprünglichen Anſiedler des nördlichen Europas .
Wie die chineſiſchen Geſchichte
ſchreiber erzählen , erſchienen die erſten Zeichen einer Bewegung nach Weſten
in
dem
jebigen
Gebiete der
78 Mandſchu , und dieß war vielleicht der Anfang der all gemeinen Wanderung der Völker vom Amur bis zu den Man hat auf einem Felſen im
Säulen des Hercules .
füdlichen Sibirien ſehr alte und unlesbare Schriftzüge gefunden , und ganz dieſelben auf einen Stein in Nord amerika :
Die Ueberreſte
eine
ſehr entfernten Alters
thums, die man in den Bergwerken zu Nertſchinsk und in den Gebirgen in der Nachbarſchaft des Baikal und Altai gefunden hat, können beweiſen, daß dieſe Gegen den von einem Stamme bewohnt waren , deſſen Name und Daſein unbekannt ſind.
Ich ſelber befiße einige
Ueberreſte ſehr alter Waffen , die in einem Kreidelager bei Irkutsk gefunden wurden und aus einer Art des härteſten Jaspis beſtehen, den die Eingeborenen rrahr ſcheinlich benußten, ehe ſie das Eiſen kannten.
lernten dieſe Völker den Gebrauch des Eiſens durch die Chineſen kennen , und als ſie ſich bewaffnet hatten, trieben ſie leicht die Sibirier vor ſich her, die nicht im Stande waren , es mit Gegnern aufzunehmen , welche ſo überlegene Waffen hatten.
So bauerte die Wanderung
nordwärts und weſtwärts fort, am leichteſten nordwärts, weil die meiſten Flüſſe Sibiriens nach Norden laufen und ins Eismeer fallen . Die Hunnen kamen, wie es ſcheint, urſprünglich aus China und verheerten das Abendland .
Die tatariſchen
Stämme folgten ihnen ſpäter nach und wurden ends lich von den Ruſſen vertrieben .
1
Später
So brängte ein Volf
1
79
das andere,
bis in Sibirien kleine Abtheilungen ver
ſchiedener Völker fich veftfepten, die bei der allgemeinen Bewegung zurückgeblieben waren . fernung von einander
In geringer Ent
finden wir eine Anzahl kleiner
Stämme, Buräten , Kalmücken , Baſchkiren, Tunguſen, Jakuten, Dſtiaken , Tſchuftſchen , Samojeden, Ramtſcha dalen und viele andere Völker, faſt alle nach Herkunft und Sprache verſchieden .
Einige von ihnen find noch
Heiden , andere bekehrten fich zum 3slam , aber nur ſehr wenige find Chriſten.
Troz dieſen Ueberreſten der alten
Einwohner, trop den Kolonieen von Ruſſen , die jährlich einſtrömen , nimmt jedoch die Bevölkerung von Sibirien nur ſehr langſam zu
und
überſteigt nicht ' drei Mil
jionen , wovon der größte Theil auf Weſtſibirien kommt. in den entlegenen Theilen des Landes richten die Boden und
die
Luftfeuche große Verheerungen
an ,
welche
neben der Strenge des Klimaß und der ungeſunden Nahrung , die Scorbut und andere Krankheiten erzeugt, eine anſehnliche Zunahme der Bevölkerung verhindern werden , bis etwas gethan ſein wird, den fittlichen und phyfifchen Zuſtand der Bewohner zu verbeſfern.
Dieß
iſt beſonders der Fall in den entlegenen Gegenden nörd lich von 3rkutøf, und bei den beſten Abſichten find die Schwierigkeiten idywer zu heben. Sibirien
ſoll den
Namen
tatariſchen Veſte am Irtiſch ten haben .
von
Sibir ,
unweit Tobolsk
Dieß iſt jedod nicht gegründet , da
einer erhal dieſe
80 Veſte bei den
Tataren Isker hieß und
jüdliche
der
Theil des Landes von den Nufſen bereits Sibirien genannt wurde, ehe ſie von jener Veſte etwas wußten . Daß Wort Sibir bedeutet in ganz Aften den Often, den Sonnenaufgang , und in der ſlavoniſchen Sprache ein Gefängniß , was wahrſcheinlich die Veranlaſſung war, dem ganzen Lande, wie jener Vefte, dieſen Namen zu geben . Sibirien liegt zwiſden 45 °
30 '
und
770
40
nördlicher Breite und 60 ° und 1900 öſtlicher Länge. Der Flächenraum beträgt
über
211,847
Quadrat
meilen , doch weder dieß , noch die Länge des Landes läßt fich
genau beſtimmen ,
da die ruſſiſche Gränze
ſtets weiter in die Steppen der Kirgiſen ausgedehnt wird ,
weiter, als wir in Europa wiſſen.
Deftlich iſt
Dae Gebiet der Ruſſen ſeit dem ſiebzehnten Jahrhunds ert etwag þeſchränkt worden .
Zu jener Zeit umfaßte
es bas ungeheuere , von dem Fluffe Amur Land.
bewäſſerte
Der , Amur iſt einer der größten Ströme in
jenem Theile Afiens .
Von dem
Zuſammenfluſſe
der
Ströme Argur und Chilka , wo er jenen Namen er hält ,
verzweigt er ſich in verſchiedenen Richtungen,
während
er viele
Nebenflüſſe
aufnimmt,
und
nach
einem Laufe von 400 Meilen ergießt er ſich in das Stille Meer.
Seine Quelle iſt der Punct, der in dem
zwiſchen den Ruffen und Chineſen abgeſchloſſenen Ver trag als die Gränze
beider Reidje veſtgelegt
wurde.
81
Un ſeinen füdlichen Ufern gibt es einige kleine Städte, die von
den Chineſen als Berbannungörter
werden .
Der Fluß iſt fiſchreich, und an
gibt es die köſtlichſten Zobel.
Im
benugt
ſeinen Ufern
fiebzehnten Jahr
hunderte hörten die Kofafen von den Sungufen an der Lena etwas vom Amur, der das fruchtbarfte Land bes wäſſern und Zobel der ſeltenſten Art an ſeinen Ufern haben
ſollte.
Wie der Golddurft der
Spanier
die
Wildniſſe Amerikas ausbeutete , fo machten jene füh nen Jäger Einfälle in dieſes unbekannte Land ,
um
dieſe Thiere zu ſuchen , von welchen vierzig Häute, nad Herberſtein , ein königliches Geſchenk waren . Dieſe Jäger waren nicht zahlreid ; und hatten unermeß liche Schwierigkeiten zu überwinden , aber ihr Muth und ihre Verwegenheit wurden durch den volftändigſten Erfolg belohnt .
Sie eroberten bald im Namen Ruß=
lands das ganze Land und erhielten von den furcht ſamen Bewohnern den ,, Jaſſat" oder Pelztribut.
Sie
benhundert Werfte jenſeit Nertſchinsk erbauten ſie die Stadt Albaſyna, die ſie mit einem Walle und Paliſſa den umgaben und dadurch gegen die Angriffe der Mand ichu ſchüßten. Kang- Rhi, der Kaiſer von China, beffen Großvater dieſes unermeßliche Land erobert hatte , war entrüſtet darüber, daß einige Fremdlinge das Beiſpiel ſeines Ahr herrn nachahmen wollten , und ſchickte gegen fie anſehna liche Heerhaufen, die aber ftetë von den fühnen 6 Cottrell's Sibirien , I,
Roſa
fen geſchlagen wurden .
Endlich " ward
zehntauſend
Geſchüßen
Mann
mit
am
ein Seer von Amur hin- .
abgeſandt, um die kleine Stadt zu belagern , die nur mit fünfhundert Mann befekt war. derftande
Nach langem Wi
wurden dieſe heldenmüthigen Krieger burdy
Krankheit und Hunger genöthigt, fich auf Bedingungen zu ergeben.
Ein großer Theil der Beſaßung wurde gez
fangen nach Peking geſchickt.
Es leben dort noch einige
ihrer Abfömulinge, die ihren Glauben bewahrt haben und der
ruſſiſchen Regierung der
ein Collegium
Vorrand
gaben ,
zu gründen und Geiſtliche abzuſenden ,
die von zehn zu zehn Jahren abgelöſet werden . man ſagt, waren unter ihnen auch
Wie
Schottländer deren
viele zu jener Zeit ihre Dienſte fremden Völkern vers fauften ;
unter anderen auch den Czaren ,
eine ſdottiſche Leibwache hatten .
die lange
Die Stadt Arbaſyna
wurde geſchleift, als aber die Chineſen fich zurückgezos gen hatten, kehrten
einige entkommene Einwohner zu =
rück und bauten ſie zum Theil wieder auf. Sie irurden aber bald genöthigt, den Ort zu räumen , als zwiſchen den Ruſſen und Chineſen über einen Frieden unterhana delt werden ſollte.
Wären zu jener Zeit die Verbinds
ungen fo leicht gemeſen al
jeßt ,
fo hätte man ' mohl
Verſtärkungen nach Albaſyna fchicken fönnen, und niahrs ſcheinlich würde jener Bezirk noch zu Rußland gehören . Man mard in furzer Zeit über die vorläufigen Beding ungen einig , aber die Streitigkeiten über die Oränze
83
dauerten vierzig Jahre
und wurden erſt 1728 unter
Peter II. durch den Grafen Raguſinski geſchlichtet, der ale der geſchickteſte Diplomat Zwecke abgeſendet wurde.
ſeiner Zeit zu dieſem
Die chineſiſchen Geſandten,
von den Jeſuiten aus Peking begleitet und durch einen zahlreichen Heerhaufen unterſtüßt, entmuthigten die Rufs ſen , die ſehr ungern fich genöthigt fahen , den Amur und die umliegende Gegend zu verlaſſen .
Beſorgt, durch
vergeblichen Widerſtand ihre Beftzungen in der Nähe des Baifal in Gefahr zu reken , gab der Geſandte den Unſpruch auf ein Gebiet auf , welches Diejenigen , die etwas von der Sache wiſſen, noch immer als die Perle der ruſſtichen Eroberungen jenſeit des Ural betrachten. Die Zeit dürfte nicht fern ſein, wo ſie dieſes Beſikthum wieder erlangen werden ; der Boden iſt fruchtbar, das Klima gemäßigt und das Land gegen Norden durch eine ſehr hohe Bergkette geſchüßt.
Die Felder , welche
die urſprünglichen Bewohner von Albaſyna anbauten , erzeugen noch immer Getreide ,
das aus dem Samen
wächſt, der jährlich aus den Aehren fält, wie ein Ofs fizier mir ſagte, der 1832 das Land beſuchte.
58 fönnte in Sibirien fein paſſenderer Ort für eine Strafcolonie gefunden werden .
Wenn man alle dabin
gebrachten Verbrecher hier vereinigte, ſo würde der übs rige Theil des Landes von ihrer Gegenwart befreit ſein , die jest oft eine furchtbare Geißel ift.
Die unermeß
lichen Vortheile, welche der fruchtbare Boden ihnen ge 6*
84
mähren würde, und die Milde des Klimas , ' die Leich tigkeit der Waſſerverbindung würden zur Geſtttung dies ſer Unglüdlichen beitragen Anfteblern machen.
und fle einſt zu nüßlichen
Die unermeßliche Entfernung von
Rußland würde ihnen jede Hoffnung rauben , durch die Flucht zu entfommen , fte würden ſelbſt eine beſſere Hei mat unter befferen Ausſichten finden , und ohne Zweifel möchte
fich
mit ihnen
die überflüſſige Bevölkerung
Chinas vereinigen , die jährlich ihre Heimat verläßt und nur eine angemeſſene Richtung ihrer Auswanderung braucht. Man kann wohl nicht bezweifeln , daß die Rette der Jablonnoi-Berge, die dieſes Land durchſchneidet, ſo reich an Mineralien
und edlen Metallen ſei, als der Ural
und Altai, da man zuweilen Goldſand gefunden hat. Der Beftg des Amur aber würde das fehlende Ketten glied einer Waſſerverbindung zwiſchen dem Stillen Meere und der Oftſee ſein .
Rußland fönnte dann feinen Hans
del bis in den indiſchen Ocean ausdehnen , und die Vors theile, die daraus für die nordöftlichen Theile Sibiriens und für Ramtſchatka erwachſen würden ,
wären nicht
zu berechnen.
Doch wir
wollen
der Zukunft
nicht vorgreifen.
Die Verhältniffe zwiſchen Rußland und China haben fich ſeit dem Anfange des fiebzehnten Jahrhunderte mun derbar umgeſtaltet,
und obgleich Rußland nie gegen
China ſich unterwürfig gezeigt hat, ſo ward
es dod
85
in den zahlreichen , 1728 bewilligten Artifeln als eine untergeordnete Macht behandelt.
Wir bezweifeln nicht,
daß die Lehre , welche die . Engländer den Chineſen in Tſchuſan und Kanton gegeben haben , nicht verloren ſein werde.
für die Ruſſen
Als wir über den Kriegos
zug der Engländer gegen China mit ruſſtichen Beam ten ſprachen , ſchienen fie fich darüber zu freuen , daß England den Bruder der Sonne und des Mondes zur Vernunft gebracht hatte, und ich glaubte, einen Rüds haltgebanfen zu bemerken .
Es gibt Leute, die ba glau
ben, daß England und Rußland einſt die Welt unter fich theilen werden.
Wer weiß !
Wie fich bei der großen Ausdehnung des Landes erwarten läßt, ſind Boden , Klima , Grzeugniſſe und Nac turbeſchaffenheit ſo verſchieden , als die Bewohner uns gleichartig.
Es beſteht genau genommen nur aus zirei
Theilen , Weſtſibirien
und Oſtſibirien.
Der
weſtliche
Theil umfaßt das ganze Gebiet von der Gränze des Gouvernements Orenburg nordmärts nach Tobolsk und oftwärts bis zum äußerſten Ende des Gouvernements Lomat.
Obgleid
geographiſch
weit kleiner als
der
öftliche Theil, enthält Weſtſibirien doch eine größere Fläche von anbaufähigem Lande und iſt zahlreicher bevölkert, ungefähr in dem Millionen.
Verhältniſſe von zwei zu anderthalb
Das Land erſcheint durchaus als eine Ebene,
außer in dem Theile des Altai, der reich an Eiſen und Silbererzen iſt und vielleicht reicheren Ertrag gibt, als
86
wenn er dem Aferbau genvidmet wäre. ' Der ſüdweſt liche Theil iſt, wie geſagt, meiſt Steppe .
Nordwärts
nach dem Ural iſt auch ein großer Theil des Bodens
TE
unangebaut, aber es fehlt nur an hinlänglicher Bevöl
in
kerung , um ihn unter den Pflug zu bringen.
Nach
MT Tobolsk hin gibt es noch große Birken- und Fichten wälder, die aber allmälig fich vermindern, weil die Berga werfe viel verzehren .
Sind die Wälder verſchwunden,
ſo wird der Boden angebaut, aber das Klima, faſt das ſchlimmſte in ganz Sibirien , iſt großen Verbeſſerungen nicht günſtig.
Es gibt jedoch einen anſehnlichen Land
ſtrich in der Nähe des Jrtiſch und des unteren Tobol, der fruditbar iſt. degtheile
Der Ackerbau hört in dieſem Lan
unter dem ſechszigſten Breitengrade beinahe
auf. Von dem Mineralreichthum des Ural wollen wir auf dem Rückwege bei Jekaterinburg reden , wohin er eigents lich gehört.
Die weſtliche Seite des Altai iſt nicht mes
niger reich an Metallen, Kupfer, Blei , Silber und et was Gold ,
das gewöhnlich mit ihnen gemiſdht iſt.
Wir werden uns umſtändlicher über diefen Gegenſtand verbreiten , menn wir in Bernaul ankommen, dem Haupt orte des Bergwerkbezirkes am Altat.
Die Gebirggegend
und überhaupt die ſüdliche Gränze ,
iſt beſonders ane
ziehend für den Botaniker, und die Wiſſenſchaft iſt durch viele neue worden .
Gattungen
aus
jener
Gegend
bereichert
&
87 Bei den Gebirgen müſſen auch die Flüſſe betrachs tet werden , da die meiſten am Fuße der Gebirge ent ſpringen und ein wichtiger Theil des Landesreichthums Im weſtlichen Sheile iſt einer der Hauptſtröme
find.
der Zrtid , der in das Meer von Odotek fädt, nachs dem
er den größten Theil des öſtlichen Sibiriens be
wäſſert hat .
Er entſpringt in den Gebirgen an der
Gränze von China . Balbi iſt in ſeiner Geographie hinſichtlich der Flüſſe Zrtiſch und D6 in einen frrs thum gefallen. Jener ſoll wegen ſeines längeren Laufes, ſeiner größeren Breite und anſehnlicheren Waſſermaſſe des Db ſein, da er doch nur der bedeu
der Hauptarm
tendſte Zufluß deſſelben iſt. Er hat allerdings einen läng eren Lauf als ber 06 , und iſt eigentlid) ein fremder, nicht ein fibiriſder Fluß . tai . entſpringt,
Der Db aber ,
Al
der im
beginnt dort als reißender
Strom ,
Diulychman, der fich durch ein langes und enges Thal windet ,
durch den See Teleskoi ſtrömt und bei dem
Ausfluffe aus dieſem den Namen Bi erhält .
Unge
fähr fünfzehn Werſte von der Stadt Biibf
nimmt
dieſer Strom den Fluß Katun auf, der nidyt weit von der Quelle
des Tſqulydıman
dieſer Vereinigung
erhält er
entſpringt, und
nad
den Namen Ob .
Der
3rtiſch geht durch den See Zaizan auf das chinefiſche Gebiet
und ſtrömt mit großem Ungeſtüm durch
die
Steppen bis Dusk , wo er die urſprüngliche Gränze der Ruffen und Kirgiſen bildete. In ſeinem weiteren
88 Laufe nimmt er den Fluß Om auf , der überall außer Sibirien ein großer Fluß fein würde, läuft dann taus fend Werfte bis Tobolsk, wo er in den Tobol zu fallen fdheint, der aber wirklich nur ein Nebenfluß von ihm ift.
Von
dort bis Samarow
hat der Jrtiſch
viele
Windungen und fält nach einem weiteren Laufe in den Db .
Hier iſt er nur anderthalb Werſte breit, während
daß rechte Ufer des Ob dreißig Werſte von Samarow entfernt ift.
Hier theilt ſich, der Ob in mehre Arme,
deren jeder breiter als der Jrtiſch iſt, und ehe er mit dieſem zuſammenfließt, iſt er dreihundert Fuß tiefer, woe gegen der Irtiſch nur fünfzig Fuß Siefe hat. Zwiſchen Tomsk und Tobolsk iſt ein großes Waſa ſerbecken , das in der Landesſprache Sor von Laimine genannt wird , daß heißt , eine aus einem Landſee gex bildete Waſſermaſſe.
68 liegt 80 Werfte von der kleia
nen Stadt Surgut nady Tobolsk hin , an dem rechten Ufer des Ob .
Beim Ausfluß iſt es fünf Werſte breit,
und bei einem ftarken Nordweftminde bricht es über ſeine Ufer und ſtürzt mit ſolcher Heftigkeit in den Db, daß
die
Schifffahrt auf einige Tage gehemmt wird.
Einige Oftiafen und Roſaken von Surgut verſuchten es einft, dieſen Binnenſee zu erforſchen , als ſie aber über hun dert Werſte gefahren waren, glichen die Wellen, nach ihrer Beſdireibung, Heftigen Meeresmogen und fie wagten fich nid )t weiter.
Sie ſahen einige , von wilden Oſtiafen
und Samojeden bewohnte Inſeln , die feither ganz uns
89
bekannt waren , und obgleich der Buſen
ſehr fiſchreich
zu ſein ſchien , ſo wagten fte es doch nicht zu fifchen , aus Furcht, von dem wilden Volfe angegriffen zu wers ben.
Die Einwohner von Berezow und Ohoorsk fene
nen den Sor und wollen ihn von einem anderen 500 Werſte langen Buſen des Ob aus geſehen haben, mit wele chem er auf der Südſeite verbunden iſt.
G8 ſcheint
daher dieſe ungeheuere Waſſermaſſe zwei geſonderte Vers bindungen mit dem Db an zwei verſchiedenen Orten zu haben, die 800. Werfte von einander entfernt find. Wir haben bereits geſagt, daß der Ural nach einem Laufe von 2000 Werften, fich in das faspiſche Meer ergießt, faft der einzige Fluß in Sibirien, der nicht in das Eidmeer fält.
Außer dieſen gibt es noch die Flüſſe
Jura, Lobol und Ritfa in Norden , den Ret und viele andere in den fübweftlichen Theilen von Weftftbirien , die ſämmtlich als Glieder einer Verbindung zwiſchen dem Stillen Meere und der Ditſee dienen könnten, wenn der Amur wieder Rußland angehörte.
So ſchwierig
die Herftellung dieſer Verbindung ſein würde, fo ift fte doch keinewegs unmöglich, und wenn das jeßige ruſ fiſche Reich ungetrennt bliebe, könnte fte im Laufe eine iger Jahrhunderte ausgeführt werden .
Erwägen wir,
was Amerika vor zwei Jahrhunderten war , fo können wir uns die Ströme Sibirieng mit Dampfſchiffen bes deckt denken , wie es ießt Amerikas Flüffe find.
Bes
völferung iſt das Hauptbedürfniß, das Uebrige könnte
90 eben ſo leicht herbeigeführt werden als in Amerika, wies wohl die Speculationen wahrſcheinlich nicht ſo ſchnell ſteigen würden , weil die für die Schifffahrt paſſende Fahrzeit ſo kurz iſt und der Gewinn daher geringer ſein rürde. Man hat behauptet , die Natur der Regierung lei der Unternehmungluft nicht günſtig.
Wir halten jedoch
die unermeßliche Entwickelung der Manufacturen ganz Rußland während der
neueſten
Widerlegung dieſes Einwurfes.
in
Zeit für eine
Die Edelleute,
als
Volføclaffe zwar keineswegs reich, haben doch in ihrer Mitte viele Perſonen von unermeßlichem Vermögen und weit mehr Neigung, als diejenigen von gleichem Range, felbft in unſerm Krämerlande, ftch in nehmungen
einzulaffen.
Bis
vor
Handelsunter
kurzer Zeit
aber
hatten ſie keinen Kredit an der Börſe zu Petersburg oder Moskau , weil ihre Adeldvorrechte ſtrengen Verbindlichkeiten ſchüßten , unterworfen find. des
ſie gegen die
welchen Kaufleute
Der Raifer hat zur Begünſtigung
Handelégeiftes dieſe
Vorrechte
aufgehoben ,
file
als Kaufleute wie die Anderen verantwortlich) gemacht und dadurch der Gpeculation einen gewaltigen Anſtoß gegeben . Wenn die Regierung die Dinge in der Hand des Einzelnen läßt , talien anzulegen , Erfolg öffnen ,
ſo feblt es nicht an Neigung , wo
fich Ausſichten
Kapi
auf günſtigen
aber nur unter dieſen Bedingungen.
Die Privatſpeculation in öffentlichen Angelegenheiten iſt
.
91
zwar nicht bedeutend , in Rußland , Grunde ,
aber nur aus dem
weil es ſchwer iſt, die Leitung eines großen
Unternehmens ganz unabhängig von einer Beſchränks ung durch die Regierung zu erhalten.
Die Beſtech
lichkeit, von welcher alle Klaſſen von öffentlichen Bes amten angeſteckt find, iſt ſo bekannt, daß fie den Eifer mindern und dämpfen muß , fich in eine große Unters nehmung einzulaffen , die von Perſonen geleitet wird, welche durch ihre Stellung oft unverantwortlich macht werden.
ges
Der erſte Miniſter in England kann
an der Spiße einer Eiſenbahngeſellſchaft oder einer Actienbank ftehen ,
aber
er
einzelne
hat nur feine
Stimme in Geſchäftsangelegenheiten und Einfluß als jeder andere Mitvorſtand.
nicht mehr In
Rußland
gibt die Uniform und der Rang ein Anſehen , das gewiß nicht unbenugt bleibt, und dem ein unbevorrechteter Menſch ,
der ſein Kapital in einem Unternehmen an:
zulegen wünſcht, ſich nicht unterwerfen wird. Das
gemeine Volk in Rußland hat eine
wurzelte Abneigung gegen Umänderungen .
einges
Man geht
lieber auf dem Wege, den die Väter betreten haben , und iſt
äußerſt eiferſüchtig
gegen Fremde ,
felbft in
Dingen , worin man bei anerkannter Unwiſſenbeit mit Vortheil lernen könnte.
Wir kennen mehre Beiſpiele,
daß Manufacturen und landwirthſchaftliche
Gebäude
durch Bauern angezündet wurden , auß keinem anderen denkbaren Grunde, als weil Fremde dabei
betheiligt
92
fvaren.
Es wäre Thorheit, wenn ein Ausländer ſich
auf eigene Hand im Inneren niederlaſſen wollte , um landwirthſchaftliche Anſtalten
Manufacturen
oder
zu
gründen. In Sibirien ſind die Verbindungen zu Lande vor trefflich und die Fracht iſt ungemein wohlfeil, aber die Fortfchaffung geht langſam und die Entfernungen ſind unermeßlich . Die Waſſerverbindung iſt ſo ſchlecht als jene gut, und man kann denken , daß Schiffe und fees männiſche Geſchicklichkeit noch in einem rohen Zuſtande find.
Ungeheuere flache Boote mit einem einzigen uns
lenfſamen Segel ſind die einzigen Transportinittel, wobei aber nichts an Zeit gerronnen wird .
Nur , der Hans
del mit China iſt ſehr bedeutend, und der ſämmtliche Chce und alle Waaren , die aus jenem Lande eingeführt werden , müſſen auf einer Strecke von 6000 Werſten durch Sibirien gehen , tersburg kommen.
ehe fte nach Moskau und Pes
Von Siächta bie Tumen wird ver
hältniſmäßig wenig fortgeſchafft, jährlich ungefähr 30,000 Pub .
Die ungeheuere Menge Blei ,
die für die Eis
ſengießereien erforderlich iſt, wird allerdings von Nerts ſchinge zu Waſſer fortgeſchafft, aber die Schwierigkeiten find dabei ſo groß , daß die Minen in jener Gegend nicht mehr bearbeitet werden ,
weil man dieſen Artikel
wohlfeiler aus England bezieht.
Es werden Schiffe
1400 Werfte weit von Tobolsk zu dem fow geſchickt,
um
Dorfe Rorais
Salz aus den dortigen Magazinen
93 zu holen , welche dieſelbe Gentfernung wieder zurüdlegen müſſen ,
um ihre Ladungen
im
Reiche zu vertheilen .
Kurz , es wird nichts zur Verbeſſerung der Waſſerver bindung verſucht.
Sibirien iſt nicht nur nach allen Richtungen von fchiffbaren Flüffen durchſchnitten , ſo daß der Handel in aden Theilen des Landes blühen könnte , wenn ihm ein gehöriger Anſtoß gegeben würde, ſondern ſelbft die gerade Verbindung zwiſchen dem Stillen Meere und der Oftfee iſt ein ausführbarer , wenn auch rieſenhafs ter Plan.
Der Amur ift ſchiffbar von dem Stillen
Meere bis zu feiner Vereinigung mit den Flüſſen Ar gun und Chilka.
Von der Chilka bis zur Selenga gibt
es eine beſtändige Folge ichiffbarer Flüffe , die zwar hier und da Stromſchnellen und Untiefen haben , übera haupt vielleicht in einer Strecke von dreißig Werſten, die aber ohne große Roſten überwunden werden könnten. Es würde eine Straße über die Kette der Jablonnois Berge angelegt werden müſſen , Puncte nicht ſehr hoch find.
die aber auf dieſem
In der Nähe gibt es
Ueberfluß an Holz zum Bau von Schiffen , und Eiſen und
Seilerarbeiten werden im Lande
erzeugt.
Selenga ergießt fich in den Baikalſee , aus die prächtige Angara hervorgeht.
Die
welchem
Man findet darin
zwiſchen Irkutsk und Jenifſeist die einzigen Waſſerfälle, die in einem Strome Sibiriens vorkommen , aber dieſe werben ſelbft jeßt feicht überſchifft. Von der
Stadt
94
Jeniſſeisk muß eine zweite Landreiſe von 90 Werſten bis zur Stadt Mafowsk am Ret gemacht werden , der zwar Windungen hat , Db chiffbar iſt.
aber bis zum Einfluß in den
Auf dieſe Weiſe würden die tiefften und
breiteften Flüſſe Sibiriens und der Irtiſch kein Hinderniß darbieten bis Tobolsk, wo 'von die Flüſſe Tobol, Tura und Nitfa eine Verbindung mit den großen Salzlagern zu Krasnoſlobodsk haben . Hier würde die dritte und leßte Schwierigkeit eintreten, eine Verbindungslinie mit dem Fluffe Sichuſovaia ,
weſtlich vom Ural, zweihuns
dert und achtzig Werſte. Dieſer Fluß fällt in die Rama , die fich in die Wolga ergießt , welche jegt brei vera ſchiedene Verbindungen mit Petersburg
und
folglich
mit dem finnländiſchen Meerbuſen und der Oſtſee hat. Es ſcheinen daher nur vierhundert Werſte zwiſchen dem Stillen Meere und der Dftſee zu ſein , wo ein Kas nal und eine Straße nothwendig find, um die bindung vollſtändig zu machen . Scwierigkeiten
Ver
Es mußten größere
beſiegt werden , um eine Linie von
Dampfſchiffen zwiſchen Wien und Konſtantinopel hers zuſtellen , derſelbe unternehmende Geiſt fönnte ebenſo leicht überwinden , und in dem leßten Falle iſt
die
Schifffahrt auch nur während eine Theiles des Jahres offen . Sibirien hat die Grzeugniſſe und das Klima beis der Hemiſphären , übermäßige Hiße und Kälte , Sage ohne Nacht und Monate, iro die Sonne nicht über
95 den Horizont fommt.
Ade gewöhnlichen Getreidearten
und Pflanzen Europas findet man
ſo
weit nördlich
bis zum Irtiſch , bie über 55 ° nördlicher Breite in Weſtſibirien, wo auch zuweilen Wafferunelonen wachſen, die am füblichen Ende Oftſtbiriens Selenga gewöhnlich find.
in der
Unter 70°
Difibirien hört jeder Pflanzenwuchs auf , ausgenommen .
Nähe der
der Breite in das Moos
Die meiſten unſerer Hausthiere findet
man auch in Sibirien, und in den nördlichften und jüdlichſten Theilen viele, die in Europa und Alften wild find ,
und mehre Sibirien eigenthümliche.
In allen
Flüſſen gibt es Biſche in großer Menge und darunter mehre in Europa unbekannte Arten , und fie find die Hauptnahrung der Einwohner.
Der Sterlet, der Stör,
der gemeine Lachs, der hier nicht ſehr geſchäßt wird , die Omula , eine Art Häring ,
die Beluga , eine weiße
Pacheart, die zu
einer ungeheueren Größe anvächſt,
find ebenſo gut ,
wo nicht beſſer als alles , was Lone
don und Parie dem Feinſchmecker barbieten . Die Kauhheit des Klimas iſt bedeutend größer, je weiter man oſtwärts fommt.
&& laffen fich viele Gründe
für dieſe unzweifelhafte Thatjache angeben, aber ob dies fer Umſtand ein allgemeine örtlichen,
Geſeß oder durchaus nur
für fich beſtehenden Umſtänden zuzuſchreiben
Fet , ift noch zu entſcheiden. daß unter allen Imſtänden ,
Es iſt jedoch erwieſen, die ſich vereinigen ,
auf
die Temperatur zu wirfen , der Breitegrad den ſchwäche
96
ſten Einfluß hat , und daß es nach Humboldt's Bez merkung ein Errthum ift, Europas Klima' als eine durchſchnittliche Temperatur aller Länder unter gleichem Breitegrade zu betrachten. Ausnahme , nicht die Regel.
Es iſt in der
That
eine
Bierter Abſchnitt. Unterſchied der Kälte in beiden Abtheilungen Sibiriens. Wirkungen heftiger Kälte. Tiefe des gefrorenen Bo dens. Urſachen dieſer Erſcheinung. Art des Anbaus und Erzeugniſſe Sibiriens. Fiſche. Die Buräten. Iagd. Branntweinliebe. Schelmerei der Händler. Die Junguſen. Ihre Lebensweiſe. Die Satuten. Geologiſche Erſcheinungen . Das Mammuth . Ber : änderungen des Klimas in Sibirien. Andere foſſile Ueberreſte. Die Flüſſe.
Wenn eine bedeutende Anzahl von Beobachtungen angeſtellt würden , wie es zwiſchen
der engliſchen und
ruſſtichen Regierung verabredet worden iſt , ſo könnte die eben berührte Frage endlich gelöſet werden ; bis jest aber hat man noch kein allgemeines Geſeß aufgefunden , nach
welchem die Temperatur in Beziehung auf die
Längengrade fich zu richten ſcheint. ſchaffenheit
des
Landes in
Die gebirgige Bes
Oftfibirien ,
welche
den
gewöhnlichen wohlthätigen Einfluß der Seewinde auf die Temperatur abhält , und die Nähe unermeßlicher Wüften, wo kein Pflanzenwuchs, feine Einfriedigungen oder
Bäume
die
Cottrel's Sibirien. I.
Kraft
der
falten
Luftſtrömungen 7
98
brechen , find unzulänglich, die zunehmende Kälte zu ers klären ,
und dieſen
und Weftfibirien
legten Umſtand haben Oſtſibirien nicht
einmal gemein .
In Weſt
fibirien erſtreckt fich die Region der heftigſten Kälte weit weniger füdlich als in dem öſtlichen Theile des Landes , und die Gränze des emigen Grundeiſes iſt auch in Oſtfibirien ſüdlicher als im weſtlichen Theile ;
in
dem einen Theile geht ſie bis Berezom, während ſie in bem anderen bei Nertſchinsk gefunden wird .
Die Nähe
des Meeres hat gemöhnlich die Wirkung , in dem ans gränzenden Lande eine mittlere Temperatur zu erhalten und übermäßige Hiße und Rälte zu mildern.
In den
öfilichen Theilen Sibiriens iſt keines von beidem der Fal.
Inſofern die vorherrſchenden Winde hier zu be
trachten find ,
hat Herr von Bedenſtröm durch eine
lange Reihe meteorologiſcher Beobachtungen dargethan, daß in der Gegend von Lomsk, mo das Uebermaß von Hiße und Kälte ſehr groß iſt, Südwinde im Winter vorherrſchen , und daß die Kälte mit ihnen mehr als beim Nordwinde zunimmt, während die Norbirinde die Kälte bis zu Ende des Aprils mäßigen ,
worauf die
gewöhnlichen Wirkungen bemerkt werden, daß es näms lich mit dem Südwinde trärmer, mit dem Nordwinde fälter wird . Nordkap , der nördlichſte Punct in Gus ropa ,
hat eine mittlere Temperatur
von
Gegend am Fluſſe Jana in Oftſibirien , demſelben Breitegrad , aber nur von 4 ° 30 ' .
32 ° ,
die
faſt unter Irkutet
1
99 und London liegen innerhalb eines halben Breitegrabes von einander, und es findet fich da ein Unterſchied von beinahe 20 ° in der mittleren Temperatur. Der Baron Wrangel hat in dem ſeiner Reiſe in die Polargegend
Berichte von
verſchiedene Tabellen
mitgetheilt, welche dieſelbe Thatſache berreifen , die aus Hedenſtröm's Beobachtungen hervorgeht , welchen wir aber größeres Gewidyt beilegen als Wrangel's Angaben, da er gegen dreißig Jahre in jenem Lande gewohnt bat.
Hedenſtröm
iſt aber entſchieden
daß die Kälte in
der Meinung,
Sibirien merklich abnimmt.
Kamtſchatka ſteigt fte felten über 25 ° Réaumur.
in Nach
den Beobachtungen des Doctors Albert war im Jahre 1830 die größte Kälte in Tobolsk 36 ° , im Jahre 1839 in der Gegend von Tomsk 33 ° und fam nur viermal in jenem Jahre auf 30 °
3n Irkutsk ftieg fie einmal
auf 38 °, uno in der Gegend von Tomok zeigte in dem felben Jahre das Weingeift - Thermometer am 31. December 1810
36º .
Seit 1834 hat es dort jährlich in der
Zeit der heftigſten Kälte theilweiſe gethaut , felber ſah im
und ich
November 1840 das Thermometer
in
Tomsk auf + 2 ° 2' , nachdem es bis auf – 35º gefallen war, es war ſpäter beſtändig 30 ° und wie geſagt nur einmal 36º. Vor 1834 hatte es nie, auch nur theil weiſe gethaut.
Die Verminderung der Wälder in dieſen
Bezirken iſt noch zu unbedeutend , als daß fie Einfluß auf die Temperatur haben könnte , aber die Veränder
100 ungen des Barometers find auch außerordentlich. könnte ſonderbar ideinen , daß dieſe
Abnahme der
ſtrengen Kälte nichts weniger , als erwünſcht iſt. Krankheiten nehmen nach Verhältniß
Gs
Die
zu , beſonders
richten die Pocken furchtbare Verheerungen an und der Ginfluß auf die Ernte iſt überall verberblich. Hedenſtröm beluſtigte uns mit ſeiner Beſchreibung der verſchiedenen Wirkungen der Kälte bei verſchiedenen Graben . Wie er ſagt, hört man bei 39 ° ben Athem, indem er aus dem Munde kommt , einen kniſterns den Ton geben, wie ſehr dürres Heu, das man in der Hand zerdrückt, und der Schlitten geht nicht mehr ſanft über den Schnee.
Bei - 45 ° friert der Speichel, ebe
er den Boden erreidit, und bildet eine vefte Kugel auf dem Schnee. Am Heiligen Vorgebirge im Eiêmeer fühlte Hedenſtröm auf dem Wege durch eine Gebirg ſchlucht, als das Thermometer nur — 30 ° zeigte, einen Luftftrom , der auf der Haut brannte und ftach wie eine Nadel. Dieſen Wind nennen die Eingeborenen „ k i us" und feßen ihm ftetß das Geſicht aus ,
um ſich daran
zu gewöhnen , bis die Haut hart und unempfindlich gegen ſeine Wirkungen rird.
Sonderbar iſt es, daß der
Kiu 8 nid )t gefühlt wird , wann der Wind ſcarf weht. Hedenſtröm warf bei dieſem Winde eine Feder in die Luft, die aber nicht weggeweht wurde , ſondern ſenkrecht zu Boden fiel.
Zur
Erflärung dieſer
Erſcheinung
nimmt er an, daß hier eigentlich fein Luftſtrom wirf -
1
101 fam ſei, Tondern ein mit der ſtärkſten Kälte beladener Luftförper, welcher von bedeutend größerer Dichtheit als die gewöhnliche Luft
ſei und fich derſelben allmälig
und unmerflich mittheile. So heftig in einigen Gegenden die Rälte iſt, die nach Wrangel unter
50 oder beinahe 120 ° unter
Nul Fahrenheit iſt, ſo verfichert uns doch Hedenſtröm , daß die von Seefahrern gegebenen Beſchreibungen ſehr übertrieben und ihre Berichte falſch und lächerlich find. Bei der Beſchreibung der Drangſae, die Behrens und Heemskirk in Nova Zembla von der Kälte erlitten haben ſollen , mo das Feuer durch die Gewalt der Kälte ſeine Eigenſchaften verloren hatte, rief er aus : „ Voilà comment on écrit l'histoire “ ! Nach unſeren eigenen Erfahrungen bei
einem Thermometerſtande von - 35 ° find wir
äußerſt ungläubig bei all dieſen Wundererzählungen. Es iſt zu bemerken , daß bei dieſer heftigen Kälte kein Wind weht , ſonſt würde fte ganz unerträglich ſein . Wir haben bei 15° und Wind, wie immer in Peterss burg , mehr gelitten ale in Sibirien . mit einer angemeſſenen ,
Bei 35 ° und
aber nicht übermäßigen Bes
kleidung und einer guten Geſundheit, fühlt ein Fremder, der ſeinen erſten Winter in Rußland zubringt mas einen großen Unterſchied machen ſoll – feine nach theilige Wirkung , wenn er viel zu einem
Fuße geht .
In
offenen Schlitten ſchneidet die Rälte allerdings
Naſe und Ohren und verurſacht beſondere ein ſchmerz
102 Daftes Gefühl über den Augen und der Stirne ,
aber
auf eine kurze Zeit wenigſtens ift fte nicht unerträglich, und wenn wir ſehen, was die unteren Volksklaſſen der Eingeborenen aushalten , ſo iſt es klar, daß Gewohnheit Alles leicht und
verhältnißmäßig unbedeutend macht.
Die höheren Klaſſen , die ſelten oder nie zu Fuße gehen und den Umlauf des Blutes nicht gehörig fördern, müſſen freilich
zu fünftlichen Mitteln
ihre Zuflucht
nehmen, um ſich gegen das Erfrieren zu ſchüßen , und bei ad ihren Pelzen ſind unter ihnen die Klagen am lauteften.
Nichts iſt gewöhnlicher in Petersburg und
Moskau, als daß ein Rutſcher von zehn Uhr Vormits tags bis um drei Uhr nach Mitternacht bei der heftig ften Kälte auf ſeinem Bocke fikt, ohne abzuſteigen , und nur ſehr ſelten hört man , daß einer erfroren ſei. In den drei Wintern 1808 , 1809 und 1810, die Hedenſtröm in der Nähe bed Giêmeeres nördlich von Jakutsk verlebte, fand das Thermometer nie unter -46 °, doch in Jakutof ſelbſt tiefer ,
weil der Ort von
ſchönen Wäldern umgeben iſt, die fehr gerade und hoch wachſen .
Doctor Rößleyn , ein ausgezeichneter Naturs
forſcher, mohnte dort viele Jahre , und es erhellt aus feinen Beobachtungen , daß 1809 die Rälte - 51 ° war . Der fälteſte von all dieſen Orten fol Omefone, unweit der Quelle der Indigirfa fein , 3500 Werften hat.
die einen Lauf von
Hedenſtröm glaubt, daß die Nähe
dieſes feines damaligen Wohnortes an der See und die
1
103
vorherrſchenden heftigen Winde , welche die Maſſe der Froftluft hinwegzuführen ſcheinen , den Unterſchied in der Temperatur beider Orte erklären .
Die Dichtheit der
Luft in ſehr kalten Gegenden erzeugt bei den Ginge borenen ſcorbutiſche Krankheiten , und die Poftpferde müffen oft zwiſchen
den nicht ſelten fünfzig Werſte
langen Stationen Halt machen , um
ſich die Nüſtern
reinigen zu laſſen , da die große Kälte ſtarkes Naſen bluten verurſacht. Auf ſeiner Reiſe durd, Weftfibirien im Jahre 1829 bat Humboldt den Doctor Albert ,
der viele Jahre in
Tobolsk gewohnt hatte , ihm nähere Nachrichten über den Zuſtand
des Bodens bei Berezow und Obdoret
mitzutheilen .
Er wünſchte zu wiſſen , ob der Boden
dort gerröhnlich zu Anfange des Septembers, dem Ende Deß dortigen Sommers , gefroren wäre ,
oder nur in
naſſen fumpfigen Stellen , und erkundigte fich nach der Tiefe unter der Oberfläche, wo der Froſt beginne, nach der Dide der gefrorenen Schicht und ob es dort Stellen gebe, wo es nie thaue.
Das Ergebniß der Nachforſch
ungen, die bei einigen Beamten in jenen Gegenden ges macht wurden, war, daß an beiden Orten zu Ende des Sommers die Erde zireiundvierzig Zoll unter der Ober fläche gefroren und daß dieſe gefrorene Maſſe fechound fünfzig zod did war.
Man kann auf die Genauigkeit
ſolcher Angaben kein großes Vertrauen ſeßen.
Es iſt
nur möglich, daß zwei Orte, deren nördliche Breite ſo
104
verſchieden iſt, ganz dieſelben Erſcheinungen darbieten ſollten , zumal da auch ihr Klima fehr verſchieden iſt, und Berezow in einem waldigen Bezirke liegt, in Obdorst aber der Pflanzenwuchs faſt ganz aufhört.
Wir wollen
zu Begründung unſeres Zweifeld gewiſſe Thatſachen mittheilen, die dieſen Angaben zu widerſprechen ſcheinen . Nicht weit vom Fluſſe Biruſſa, der die Gränze der Gouvernements 3rkutsk und Jenifſeisk bildet, unter 55 nördlicher Breite , entdeckten vor einigen Jahren ver ſchiedene Leute einen ſehr reichen Goldſand.
Doctor
Leſſing, ein auøgezeichneter Botaniker, gefelte ſich zu ihnen, um den Sand zu waſchen.
Wie er Herrn von Bedens
ftröm agte , wurde das Unternehmen aufgegeben , weil Der gefrorene Untergrund, ſelbſt im Sommer , die Are
VE
beiter durchaus hinderte, in die Tiefe zu bringen. Wäre diefe gefrorene Maſſe nur fechbundfünfzig zod did gea meſen, fo würden die Leute ihr Unternehmen wahrſcheinlich fortgeſeßt haben , da das Hinderniß ſo leicht zu beftegen war. Berezow , ſüdweſtlich von Obdorse , liegt unter 64 ° nördlicher Breite und folglich der Birufſa 9 ° füblicher.
Im Frühjahre 1840 machte Hedenſtröm
verſchiedene Verſudje in der Gegend von Tomsk und fand den Boden nur bis zu einer Tiefe von fünfunde dreißig zou gefroren .
In Bakutel , unter 62 ° nörde
licher Breite, bohrte die rufftſch -amerifaniſche Handel8 = geſellſchaft im Hofe ihrer Niederlaſſung 380 Fuß tief nach Waſſer.
Der Boden war noch immer gefroren
0
105
und man fand kein Waffer, ſo daß, die Richtigkeit all dieſer Beobachtungen vorausgeſeßt, in 3afutek, 2 ° füd lich von Berezow , die gefrorene Schicht trenigftens Die Richtige achtzigmal dider als in Berezow war. keit der legten Angabe iſt nicht zu bezweifeln ; ſie bes findet ſich in den Annalen der kaiſerlichen Akademie zu Petersburg vom Jahre 1837 .
Auch wird fie durch
den Profeſſor Erman beſtätigt, ber 1838 ſelber bort war und verfichert, daß das Thermometer, welches er in das fünfzig Fuß tiefe Loch hinab ließ, - 6° zeigte. Die mittlere Semperatur zu Jakutsk ift, nach den im Jahre 1827 gemachten Beobachtungen, -5 ° 9 , und 1828 thaute das Quedfiber drei Monate lang nicht auf. 6° iſt, Da nun die mittlere Temperatur beinahe
To würde der Boben nicht eher aufgethaut ſein , bis die durch
die Annäherung zum Erdmittelpuncte bewirkte
Wärmezunahme 6 Réaumur betragen hätte, und Erman erwartete nicht, daß die Aufthauung eher als in einer Tiefe von 200 Fuß erfolgen würde , Fall war .
wie es auch der
Er ſchließt daraus ,
daß die Schichten zu Jakutsk eine größere wärmeleitende Kraft haben als die gewöhnlichen Schichten in Europa .
Kamtſchatka
liegt weit mehr öftlich als Fakutek , und es würde ins tereſſant fein , zu wiſſen , ob dieß eine Wirkung habe, und wäre dieß der Fall , bis zu welcher Tiefe dort der Boden friere.
Da Kamtſchatka in der Nähe des Meeres Tiegt und vulcaniſche Thätigkeit noch häufig bort wirft,
106 ſo würde es von dem höchſten Intereſſe ſein , auszus mitteln, ob die Vereinigung dieſer beiden Umſtände einen und welchen Einfluß auf das Frieren des Bodens habe. Eine Reihe von Verſuchen , angeſtellt von den Ruffen bis zum 190 ° öftlicher Länge, ſo weit ihr Gebiet reicht, und von den Briten in der Nähe der Hudſonsbai, wo der magnetiſche Meridian angenommen wird , und in den Felſengebirgen , oder noch weiter darüber hinaus, könnte zu wichtigen Ergebniſſen führen, um eine Theorie über das Gefrieren im Norben aufzuſtellen und den vers meinten Einfluß des magnetiſchen Meridians auf die Kälte jener Gegenden darzuthun .
Die Tiefe , bis zu
welcher der Boden gefroren iſt, beweiſet, daß er ſehr lange in dem Zuſtande geweſen ſein muß , worin wir ihn jegt finden, und wir geſtehen, daß wir uns zu der Meinung binneigen , das Gefrieren ſei plößlich und nicht allmälig geſchehen , wiewohl es anmaßend fein rürde, eine entſcheidende Meinung auszuſprechen , wo zwei To hohe Autoritäten , als Cuvier und Humboldt , nicht Es iſt ſehr zu wünſchen , daß gleicher Anfidt find. wir mehr Angaben erhalten , auf welche wir eine Hys potheſe bauen fönnten und die den Nebel aufzuklären vermöchten , in welchen der Urſprung dieſer Erſcheinung gehüllt ift. In Jakutsk haben die Einwohner Reler in allen Häuſern, die in dem gefrorenen Boden wie unſere Eis keller angelegt ſind.
Im Sommer ,
wo die Hiße To
1
107 übermäßig iſt als die Rälte im
Winter , ſtellen ſie all
ihre friſchen Lebensmittel, wie Milch, Fleiſch, Fiſche, in dieſe Keller ,
worin Adee in zwei Stunden gefriert .
Auch ihre Gräber legen fie auf dieſe Weiſe an , aus genommen , daß fie oben große Feuer anzünden und die Löcher in den Boden brennen .
So könnten ihre
Leichen , ohne ſte einzubalſamiren , lange unverſehrt barin erhalten werden .
Sollte dieß je geſchehen , ſo würden
nach dem Berlaufe von
Fahrtauſenden neue Veran
laſſungen zu Vermuthungen ſich darbieten, eben ſo ins tereſſant als jeßt die Entdeckungen in Aegypten für uns find.
In dieſer Provinz find Waſſerquellen nicht ſo ge wöhnlich als in einigen anderen aber es gibt deren .
Theilen Sibiriens,
Es wäre der Mühe werth, außzus
mitteln , ob ſie auf Quellen entſtehen , die ihren Weg durch den gefrorenen Boden finden , oder durch das Schmelzen des Schnees und der dünnen Rinde, die auf der Oberfläche aufthaut.
Baer behauptet, das Waſſer
bringe durch das ewige Grundeig.
Da der Fluß Lena,
der durch die Stadt Jakutsk fließt, nicht ſo tief iſt als die Bodenſchicht in der Nachbarſchaft, die ſich ſtets in gefrorenem Zuſtande befindet, ſo würde es auch intereſſant ſein, darzuthun , ob das Flußbett gefroren ſei, oder ob die Maſſe des gefrorenen
Waſſer
über demſelben 68
gegen die Wirkungen der ſtrengen Kälte ſchüße, die auf dein umliegenden Boden fich zeigen .
108 Man könnte erwarten , daß Sibirien , welches in Vergleichung mit faſt allen anderen Theilen unſerer Hemiſphäre der heftigften Rälte ausgelegt iſt, in Pflanzen erzeugniſſen weit hinter Europa zurückbleibe. jedoch keineswegs der Fall.
Dieß ift
Die freigebige Natur hat
für den langen und ſtrengen Winter durch ein ſchnelles Reifen der Früchte in dem kurzen Sommer Erfag ges geben.
Die Stärke der Hiße und die Kraft der Sonne 5
ftehen überall in Verhältniß mit der kurzen Dauer des Sommers ; ſo daß die Zeit der Reife des Getreides nady der Ausſaat bort nad Zagen , nicht nach Wochen berechnet wird.
Die größere Zahl der Stunden im Laufe deg
Tages, wo die Sonne über dem Horizonte ſteht, verhindert, daß der Boden wieder erkalte, wie in Ländern wo die Sommernächte länger find.
V
Es iſt vielen, von Klima und Wetter unabhängigen Urſachen zuzuſchreiben, daß der Ackerbau nicht zu grös Berer Vollkommenheit gediehen iſt. Eine der Haupturs fachen iſt der Mangel an hinlänglicher Bevölkerung und die Abneigung der Eingeborenen , Verbeſſerungen anzunehmen, die fte für unnöthig und ungereimt halten . Sie fangen jegt in der Gegend von Lumen und To bolsk an, Dünger zu gebrauchen, aber in keinem anderen Theile
Sibiriens .
68 geſchieht nur auf Feldern , die
vielleicht nicht ein einziges Jahr ſeit der Eroberung des Landes brach gelegen haben , freihundert Jahren .
oder ſeit mehr als
In den meiſten Gegenden iſt das
109 Düngen ganz unbekannt, in anderen hat es ſich nach theilig gezeigt , indem eß die Saaten ſo hoch aufſchießen ließ, daß fie nicht Zeit zum Reifen hatten.
Nach der
gewöhnlichen Berechnung erhält man das fünfzehnte bis zwanzigfte Korn.
In Nertſchinsk ,
dem äußerſten
ſüdlichen Theile Sibiriens , iſt das Land ſo gut , daß es zuweilen das fechazigſte Korn gibt.
Das Getreide
mächſt dort aber zu ſolcher Höhe , daß ein Reiter fich darin verbergen kann .
Die Folge iſt, daß bei einem
im Julius nicht ungewöhnlichen Reife die Aehren fich nicht füllen und die Ernte gänzlich mißräth.
Einige
freiwillige Roloniſten aus der Ukraine ließen ſich vor einigen Jahren in Doroniſch am Fluſſe Ingoda nieder unt brachten ihre ſchweren Pflüge mit , vor welche ſie Ochſen nach heimatlicher Sitte ſpannten .
In Sibirien
bat man ſehr leichte Pflüge, die von einem einzigen armſeligen Pferde gezogen werden .
Die Eingeborenen
lachten über die neuen Ankömmlinge, die bald gewahr wurden , daß das Land zu gut war , und ſtatt es zu. düngen, bedeckten fie es mit einer Lage von Sand und Thon. Die Eingeborenen ſchrieen über die Gottloſigkeit, gutes Land auf dieſe Weiſe zu verderben , aber der Erfolg war , daß das Getreibe der Ukrainer nicht ſo hody wuchs als auf den Feldern der Einheimiſchen , weit ſchneller reifte und den Wirkungen des Reifes entging.
Nun hatten ſie Urſache zu lachen :
Ein großer Theil des nördlichen Sibiriens beſteht
110 aus einem Boden , der nichts als Moos erzeugen kann . In den ſüdöſtlichen Bezirken , wie von Lomef nach Jrkutaf, einer Strecke von 1500 Werſten, wo das Land fehr hoch über der Meereófläche liegt und die Kälte groß iſt, werden Roggen , die ausſchließende Brotfrucht des gemeinen Volfes, Weizen , Hafer, Buchweizen , Hanf und Tabak in großem Ueberfluſſe erzeugt. In den mehr mittleren Landestheilen gedeihen alle europäiſchen Gewächſe ſo gut als an der ſüdlichen Gränze , Fruchts bäume aber werden nicht allgemein gezogen . Viele wilde Beeren und dem Lande eigene Früchte erſegen zum Theil den Mangel beſſerer Arten .
Wir fahen je
doch in Gewächshäuſern viele erotiſche Gewächſe üppig gedeihen .
Die Eiche iſt unbekannt in Sibirien , außer
in der Umgegend von Nertſchinge, und auch dort nur eine
verfrüppelte
Art.
Nirgend fanden wir Nuße
bäume, wiewohl wir beiberlei Bäume unmittelbar vor dem Uebergang über die Gränze oft geſehen hatten . Es ſcheint, die Natur hat in dieſer Beziehung geſagt: ,, So weit fouft du geben und nicht weiter ." Beide ſind auch an der mongoliſchen Gränze wieder gemein genug . Man findet dort auch im Fluffe Ingoba den Bachfrebe , der ſonſt nirgend öftlich vom Uralgebirge vorkommt.
In den
Gewäſſern
weſtlich
vom Ural
findet man ihn zwar in Menge, aber die Einwohner von Jefaterinburg haben es vergebens verſucht,
ihn auch
nur in einer Entfernung von fünfzig Werften , jedoch
1
III
auf der Oſtſeite des Gebirges , hat daher geſagt,
fortzupflanzen .
wir wiffen nicht,
Mart
ob mit gutem
Grunde, daß er in keinem Fluſſe leben könne , der ſich in das Giemeer ergießt. Die Straße von Jerfojansk nach Uſtiansf geht über eine Gebirgreihe, die Jerkojangkaia , die ein Zweig der großen Sablonnoi-Kette ift.
Sie iſt ſehr fteil und cr
hebt fich an einigen Stellen bis zur Höhe von 3000 Fuß über dem Meere .
Die Umgegend iſt äußerſt öde
und faſt unbewohnt, iſt aber merkwürdig als die Gränze, jenſeit welder Riefer und Fichte nicht mehr wachſen . Wie die Eiche und der Nußbaum an der äußerſten öftlichen Gränze. Rußlands , ehe man Sibirien betritt, gewöhnlich ſind, ſo hören Kiefer und Fichte , die am ſüdlichen Fuße dieſes Gebirges üppig gedeihen, plöglich auf , ſobald man eß erſteigt.
Die Zwergbirke iſt der
einzige Baum, der nördlich vom Gebirge wächſt. Der Ackerbau iſt in einigen Theilen Oftfibiriens faft zurückgeſchritten.
Die ruſſiſche Regierung ermun
tert oft einen nüblichen Grwerbzweig , aber
ſie ents
muthigt die Mehrheit, indem fie einzelnen
Perſonen
ausſchließende Rechte und Vorrechte gibt. fall in der Gegend von Nertſchinsk,
Dieß iſt der
wo ein großer
Theil des Landes anbaufähig iſt und reichen Ertrag bringen könnte. Niemand jäet aber mehr, als nach ſeiner Berechnung zum Unterhalt ſeiner Familie nothwendig ift, theile weil es an Mitteln fehlt, das Getreide auf
112
entfernte Märkte zu ſchaffen , theils weil die Bergwerf verwaltung ein Monopol bat , ihre eigenen Ländereien anzubauen, ftatt von dein Bauer zu kaufen . jedoch große Schafheerden und
Man hat
viel Rindvieh.
Die
Buräten von einem Stamme haben alle nomadiſchen Gitten ihrer mongoliſchen Vorfahren bewahrt und ver achten das figende Leben des Landwirthes ; im Jahre 1812 aber nöthigte die Regierung Diejenigen , die fen ſeit des Baikal wohnen, jährlich anderthalb Deſfätinen *) Land auf den Kopf anzubauen, und ſte fanden ihren Vortheil dabei , aber die meiſten thun nicht viel mehr, als das Geſet fodert.
Vor fener Zeit aßen ſie fein
Brot, und da es ihnen noch immer an Badüfen fehlt, kochen ſie die Körner. Der Bauer , ſelbſt wo er mit landwirthſchaftlichen Arbeiten beſchäftigt iſt, vergißt nie ſein Gewehr, wenn er ſo reich iſt, ſich eines kaufen zu können , das dann bei allen Gelegenheiten auf ſeinem Rüden hängt.
In
allen Theilen Sibiriens iſt das gemeine Volk der Jagd leidenſchaftlich ergeben , und in vielen Gegenden ift fie ſeine Lebensbeſchäftigung und ſein Hauptmittel zum Un = terhalt.
Es gibt in keiner anderen Sprache ale im
Kufftfchen ein Wort, welches die Bedeutung ausbrüdt, die wir mit dem Worte Jagt verbinden . Die rufftfche Sprache hat zwei Wörter , die in verſchiedenem Sinne
*) Gine Deffätine -- 33,803 franz. Quadratfuß.
113
umfaffen, was wir mit dieſem Ausbruce bezeichnen. Das eine iſt „ Okha ta “ und bedeutet ausſchließend jede Feld beluftigung ( sporting,) die wie in England bloß zur Unterhaltung getrieben wird .
Das andere Wort iſt
,, Promisle" welches bedeutet , daß Derjenige, der ſich damit abgibt, bloß ſeinen Lebensunterhalt damit gewin : nen will, ed ift ein Gewerbe. Das Wort Dihata wird daher nur von dem Jagdliebhaber in den höheren Klafſen gebraucht.
Promisle aber gehört ausſchlie
Bend dem gemeinen Volfe, das ſeinen Lebensunterhalt damit erwirbt.
Angeln zum Zeitvertreib würde mit
dem erſten Worte , Häring- und Walfiſchfang, Perlen und Korallenfiſcherei mit dem zweiten bezeichnet werden , Das Promille fodert Uebung , die erſt mit der Zeit erlangt
wird.
Renthiere bei dem Durchgange durch
einen Fluß zu erlegen , verlangt Gefchidlichkeit und Lift. Es geſchieht mit Hilfe eines gezähmten und abgerich teten Thieres , hinter welchem der Jäger fich verbirgt, um auf die vorüberziehende Heerde zu fchießen. Die Jukagiren am Ufer des Anui leben das ganze Jahr von Renthieren , die ſte im Frühling und Herbſt er In dieſen Jahreszeiten werden dieſe armen Thiere durch die Muskitofliegen aus den Wäldern ge legen .
trieben und ſuchen Schuß in den Flüffen und felbft an der Seefüfte, wo die Kühe immer Junge werfen ; dem Winter aber kehren ſie in ihre wohin die Böde ihnen vorausgehen. Cottrell's Sibirien , I.
vor
Heimat zurück, Haben die Haben 8
Gin
114
geborenen entdedt ,
wo ein Haufen vorber feinen Weg
genommen hat, fo verbergen fie fichi in leichten Kähnen unter dem Ufer , fallen auf die vorübergehende Heerde und ſuchen fte gegen den Strom zu treiben.
Während
die Renthiere umherfchwimmen , ohne auf einer Seite landen
zu fönnen ,
tödtet ein geſchickter
Jäger mit
einer langen Lanze eines nad dem anderen , und ſehr oft entkommt nicht ein
einziges.
Die Weiber
und
Kinder werfen den verwundeten Thieren Solingen um die Körner und ziehen ſie an's Ufer. Noch
mehr Kunſt und
Geduld
ift
nöthig ,
die
Thiere zu fangen , deren Häute die wichtigſte Quelle des Lebensunterhaltes der Eingeborenen find. der Wolf,
der
ſchwarze,
blaue,
rothe
Der Bär; und
weiße
Fuchs , Eichhorn , Robel , Marder; Raßen und Biber werden neift in Fallen gefangen , um den Pelz fo wenig als möglich zu beſchädigen. Jedes dieſer Shiere muß auf eine beſondere Art und durch einen eigenen Röber gelodt werden ,
und es gehört viel Erfahrung
dazu ,
um genau zu wiſſen , was für jede Gattung
paßt.
Das Eichhorn beſondere ändert beſtändig ſeinen
Geſchmack iperden .
und muß mit
großer Sorgfalt behandelt
1
Auf einzelnes Geflügel zu ſchießen , iſt in Sibirien nicht üblich. Fluge ſchießt,
Sieht ein Bauer ſo ſteht er mit
einen Jäger , der im offenem Munde und
wundert fich, nicht über die Geſchidlichkeit des Jägers,
115
ſondern über die Thorheit, ſo viel theueres Pulver und Blei an einen Vogel zu verſchwenden .
Er glaubt, es
gehöre , wie es wirklich der Fall iſt, mehr lichkeit dazu ,
mit ſeinem Gewehre ,
Geſchick
das mit der gez
ringften Menge von Pulver und einem einzigen großen Schrotkorne geladen iſt ,
fo außerordentlich ſcharf und
genau ſchießen , daß der Pelz nicht durchbohrt wird. Sie übertreffen darin vielleicht alle
anderen Völker:
Schießen ſie, wiewohl ſte lieber ſelbſt das Birkhuhn und den Auerhahn in Faden fangen , ſo treffen fie ben Vogel immer am Kopfe und zwar in einer Ents fernung von 200 bis 300 Schritten . Sie fangen ſelbſt die Doppelbecaſfine, die periodiſch nach Rußland und Sibirien kommt und das föftlichſte Geflügel iſt, welches ich fenne.
Beim Schießen nähern fie fich dem Gegens
ftande zuerſt auf allen Bieren und kriechen dann auf dem Leibe , bie fie in gehöriger Schußweite find. wöhnlich haben fie für ihre
Gewehre
Ges
zwei Stüßen,
die fie in den Schnee oder gefrorenen Boden ſtecken, und haben fte, gut gezielt ,
ſo fehlen fie felten .
Die
gewöhnlichen Flintenläufe werden in Tobolse gemacht, find ſchwer und ſehr enge gebohrt.
Die Rinnen laufen
rund , nicht ſenkrecht, und die Kugel wird geſchnitten, nicht gegoſſen, und beim Niederſtoßen werden die Eden abgerundet. Anſehen.
Das Schloß iſt groß und von plumpem Die Federn
find
an der Außenſeite.
Die
Peder des Hahns iſt ſchwerfällig und nicht gehärtet
-
116
und die ganze Maſchine wirkt äußerſt langſam . Labung enthält nicht eine Feder ,
fünfzig
Pulverförner.
Die Bricht
ſo erfeßt der Jäger fte leicht durch eine
hölzerne, gewöhnlich von Lärchenholz, die ihren Zweck erfült ,
und er iſt unabhängig vom Büchſenmacher.
Iroß all dieſen Unvollkommenheiten
ſchießen ſte vor
trefflich , und immer trifft der Schüße das Thier, deffen Pelz koſtbar iſt, durch die Schnauze. Diejenigen , die ihr Wild ſchießen , gehen im Win= ter allein in die Wälder mit einem Vorrath von Les bensmitteln ,
der bloß aus Mehl beſteht, und einem
4 Topfe,
worin fie es mit dem Fleiſche kochen ,
fie irgend ein Thier töbten , ohne Unterſchied eſſen .
wenn
ba fte faſt alle Thiere
Ein vorn gekrümmter Schlitts
ſchuh von einem dünnen Streifen Birkenholz, gegen acht Bol breit und zwei bis drei Fuß lang ,
wird unter
den Fuß gelegt und mit einem Riemen über der Fuß biege beveſtigt.
Der untere Theil iſt mit einer behaar
ten Thierhaut bedeckt, die beſſere Art mit Renthier haut, um das zu fahnelle Gleiten auf dem Schnee zu ver hüten .
Dazu ein Hund und eine Flinte, und der Jäger
hat all ſeine Bedürfniſſe.
Sobald der Hund ein Thier
wittert oder von ſeinem Herrn auf eine Fährte führt wird ,
geht er hinweg und ſchlägt an ,
ges
bis er
das Thier eingeholt hat , das in einem Baume Zu flucht ſucht.
Hier ſteht er ftill und fängt an zu bellen ,
um dem Jäger den Ort anzuzeigen , wo das Wild ift.
M
117 Der 3äger legt ſein Gewehr auf und fchießt.
Dieſe
Leute haben einen außerordentlichen Scharfflnn, ſogleich eine Thieres aufzufinden und zwiſchen
die Fährte
alten und neuen Fährten zu unterſcheiden , indem fte ben Schnee betaſten und nach ſeiner Härte beurtheilen , wie alt die Fährte ift. Das „ Promisle " , das im Aufſtellen von Faden und Anlegen von Gruben beſteht, wird verſchiedentlich ausgeführt.
Im October liegt in
vielen
Gegenden
Schnee und der Pelz iſt in ſeiner Vodkommenheit, Zu dieſer Zeit haben der Fuchs und das Eichhorn ihr langes Winterhaar und der
Zobel
Puncte, die dem Pelze höheren
ſeine
Werth
ſchwarzen
geben .
Der
Bär muß vierzehn Tage aus der Erde hervorgekommen fein , ehe ſeine Haut vollkommen iſt.
Auf dieſe Jagd
gehen viele Perſonen zuſammen , oft weit entfernt von ihrer Heimat , und jeder hat einen Schlitten , der fein Gepäcke und ſeine Lebensmittel enthält.
Der Schlitten
hat eine Vorrichtung, an welche fte fich um ihn zu ziehen. begleitet.
anſpannen,
Oft werden ſte von ihrer Familie
Beim Aufbruche wählen fie einen Aelteſten,
der die Streitigkeiten ſchlichtet, die etwa unter ihnen entſtehen.
Auch die Weiber haben ihre Schlittſchuhe,
auf welchen ſie ſchnell über den Schneeboden gleiten, und oft machen fte nicht eher Halt, als bis fte dreihun dert Werfte von ihrer Heimat entfernt ſind.
Das erſte
Geſchäft ift, eine Hütte zu erbauen oder eine im vor
118
Die Jäger
igen Jahre benußte aufzuſuchen.
werden
dann nach allen Richtungen wertheilt, um ihre Fallen aufzuſtellen und ihre Gruben anzulegen.
Die Faden
werden früh an jedem Morgen beſucht, es wird friſcher Röder eingelegt und herausgenommen , fangen hat .
was fich ges
Die Ruffen häuten die gefangenen Thiere
ſogleich ab und werfen den Körper weg ; die Einges borenen aber tragen Alles in die Hütte und effen das Fleiſch, nur nicht von Füchſen , Wölfen und Zobeln.
Die
wohl auch Bären- und Eichhornfleiſch verſichern , daß Bärenfleiſch vortrefflich können wir und
Ruſſen eſſen
ift.
Zu Weihnacht bricht die Geſellſchaft wieder auf
und kehrt heim , um die Feſtlichkeiten der Jahre@ zeit zu genießen und die Märkte zu beſuchen , die um jene Die Fleißigen Fehren auf die
i
Jagd zurück und bleiben bis zum Frühlinge , doch ge ſchieht dieß nur fehr ſelten . Bei der Heimkehr wird
1
Zeit gehalten werden .
1
der arme Jäger von ſeinen Gläubigern erwartet , bez zahlt feine Schulden , wenn er glücklich geweſen
iſt,
0
iſt
der
2
und
kauft für den Ueberreft Branntwein ;
Branntrein aufgezehrt, ſo verdingt er fich den Fiſchern ale Gehilfe , bloß für die Koft.
Der Winter fommt
wieder und mit ihm baffelbe Leben . von Krankheit
oder
kommen fte elend um .
Werden bie Leute
Alterſchwäche heimgeſucht, ſo Die Gewohnheit, ihre geringe
Habe in Branntwein zu verzehren , raubt ihnen die Mittel, fich zur Jagd auszurüften, und fie müſſen ihre
1
1
119 Buflucht zum Borgen nehmen .
Die Fleinen Krämer in
den Städten ,
die Roſafen und die Prieſter halten dieſe unglücklichen Leute lebenlang in ihrer Schuld. Im October verſorgen ſie die Jäger mit den Bedürf niffen für ihr Unternehmen und treiben fte gleichſam dazu , ja , fie müſſen die Leute bis auf den halben Weg begleiten, damit niemand zurückkehre, um die zur Aus rüftung erhaltenen Dinge gegen Branntwein zu ver tauſchen .
Der Vertrag zwiſchen ihnen iſt ganz einfach.
Der Jäger wirb mit allen Bedürfniffen verſorgt, unter der Bedingung , daß er bei ſeiner Rückkehr feine ges ſammte Beute dem Mann überliefere , rüftet hat .
immer zu Gunſten deß Gläubigers, ichuß
der ihn ausge=
Die verſchiedenen Häute werden geſchäft,
zurücknimmt und den
dem Jäger gibt .
der ſeinen Vor
Ueberreft des rtrages
Hatte das Sagbunternehmen
einen
ungünſtigen Erfolg , ſo kann der arme Mann ſeine Schuld nicht bezahlen , , und es werden dann Zinſen auf Zinſen gebäuft, bis er keine Ausſicht mehr hat, fich von ſeinen Schulden
zu befreien ,
ſo lange er lebt.
Die Folge ift, daß man jede Lift verſucht, den Gläu biger zu betrügen , nicht aus bloßer Unredlichkeit, ſons dern um fich Branntwein zu verſchaffen , ohne welchen die
Leute nicht leben können . In
anderen Beziehs
ungen ſind fie ehrliche, arbeitſame, unerſchrockene Ge fchöpfe. Nicht weit vom Giêmeer gibt es eine Anſtedelung
120 von Ruffen , die dort ſeit der erſten Ueberziehung des Landes wohnen , beſonders am Fluſſe Indigirka.
Sie
haben die Lebensweiſe der Jakuten und Zufagiren angenom men , von welchen ſie umgeben ſind.
Ihren Unterhalt
gewinnen fie durch Fiſcherei und durch den
Fang.
verſchiedener Arten von Füchſen , die es in jener Gec gend
in Ueberfluß gibt.
Die Krämer erlauben fich
gegen fie dieſelben Schurkereien , die wir eben beſchries ben haben ; das Beiſpiel aber , das wir anführen wole len ,
läßt fich nur mit dem Verfahren der jüdiſchen
Geldverleiher
in
London
vergleichen.
Vor
einigen
Jahren wendete ſich ein Mann von der beſſeren Klaſſe an einen Händler in Jakutsk , um einen geſchnigten vergoldeten Rahmen für ein geerbtes Bild des heiligen Nikolaus zu beſtellen. Rubel veſtgelegt.
Der Preis ward
auf ſiebzig
Im folgenden Jahre war die Arbeit
fertig und der glückliche Eigenthümer gab dem Manne fechs und fünfzig Felle von weißen Füchſen , die eben ſo viel Kubel galten , und blieb Rubel fchuldig.
Nach
noch immer vierzehn
Verlauf von
fteben
Jahren,
während der arme Befiger des Heiligenbildeß ſeinem Gläubiger neunzig Häute oder Rubel für Rapital und Zinſen bezahlt hatte , bemächtigte ſich der Händler mit Gemalt des Bildes , für welches er einen Wechſel von 1200 Rubeln abpreßte.
Wucher folcher Art iſt gewöhn
ilch in jenen entlegenen Gegenden. ward ſo gemacht.
Die Berechnung
Der Händler erhielt
ein Fuchsfell
1
121 für einen
und
verkaufte
e für
folglich war die urſprüngliche
drittehalb
Rubel,
Schuld von vierzehn
Fellen für ihn fünf und breißig Rubel werth. er das Geld in Jakutsk angelegt ,
Hätte
ſo hätte er einen
Gewinn von 150 Procent durch den Handel machen können , und ſo weiter in dem folgenden Jahre und fort ins Unendliche. er ſich ſelber,
Nach dieſer Berechnung betrog
indem er nur 1200 Nubel foderte,
aber zum Unglück fam die Sache vor keinen Gerichte hof , ba der Wucherer, wenn es zur Unterſuchung gee kommen wäre , haben würde. bot ,
eine ſchwere geſeßliche Strafe erlitten Es beſteht überdieß ein ſtrenges Pere
jemand aus der geringen Volksklaſſe mehr als
fünf Rubel zu borgen.
Wer dieſes wohlthätige Geſet
verleßt, kann von dem Schuldner nicht mehr als dieſe Summe verlangen , aber wie gewöhnlich wird das Gee ſeß nicht geachtet. Seltſam genug, daß die Landwirthe, die das Recht haben , Branntwein zu deftilliren und zu
verkaufen ,
in jenen Gegenden ihn nicht an die Eingeborenen ver kaufen dürfen ; nur die Ruſſen dürfen geſesmäßig bere giftet werden.
Wenn aber der Jäger nicht im Stande
wäre, fich ſeinen Branntwein zu verſchaffen , ſo könnte er nicht mehr auf die Jagd gehen und aller Handel würde aufhören , der hauptſächlich auf Pelzwaaren be ruht, und das Elend bes Wolfes würde zehnfach vermehrt werden .
Der arme Mann kann den Branntwein nicht
122
oſjen in einem Laden kaufen und iſt oft genöthigt, den fünffachen geſeßlichen Preis zu bezahlen , um ihn heim : lich Fich zu verſchaffen , ſo daß das Gefeß nur dazu beiträgt, ihn
ſchneller zu Grunde zu richten , und
doch ihn nie vom Trinken abhält.
Der Landwirth,
der mit der Regierung für das Monopol einen Vers trag ſchließt, bezahlt eine große Summe , was er nicht vermöchte, wenn er nicht ftcher wäre, daß die Strenge des Gefeßeß es ihm möglich machte,
ſeinen Brannt
wein zu dieſem 'ungeheueren Preiſe zu verkaufen , To daß die Regierung am Ende in ihren
Einkünften
winnt; aber das Gefeß wird zweifach verleßt, der Branntwein überhaupt an die Jäger
ge
indem
und zwar
weit über den geſeßlichen Preis verkauft wird, und die armen Leute werden zu Grunde gerichtet. wie es nur zu
oft geſchieht,
bie
So werden,
rufftfchen
Gefeße
zum Spott und zum Fluche.
Unter allen Nomadenſtämmen in dieſem Theile von Oftſibirien ſorglofeften .
ſind die Junguſen
die
robeften
und
Urſprünglich von den Mandſchu abftam =
mend , haben fte alle Aehnlichkeit mit den Mandſchu verloren .
heutigen
Mit Außnahme derjenigen , die
in ber Umgegend von Nertſchinok wohnen , halten ſie weder Pferde,
noch
Rindvieh ,
noch
Hunde.
Sie
leben ausſchließend vom Fange der Pelzthiere , und in dem langen tagloſen Winter ſind fte , in großem Elend und müſſen bei ihren rufftfchen Nachbarn betteln .
123
Ihre Hütten oder ,, Iurten ' gleichen ziemlich den Wohn ungen der Kirgiſen. Das Gerippe der Hütte befteht aus einigen ,
in den Boden
oder Schnee
geftecten
Stangen , die einwärts gegen einander kegelförmig gee bogen und oben beveſtigt find.
Das Gerüfte mirb mit
zugerichteten und zuſammengenähten Renthierhäuten be deckt und die Jurte iſt fertig. Es wird an irgend einer Stelle eine kleine Lücke Renthierhaut als
Thüre.
gelaffen , um die
offen
aufheben zu können , Ein
und
dieſe dient
großes Feuer wird in der Mitte
angezündet und der Rauch findet überall ſeinen gang .
Ihre Kochgeſchirre
Hängen
Aus
an Stöcken über
dem Feuer und werden im Winter mit Schnee gefüllt. Renthierhäute und Bärenfelle
dienen zu Lagerſtätten
und zur Bekleidung. Sie machen daraus gewöhnlich eine Art Sack, der bis auf den halben und in welchen fie friechen ,
Leib
reicht
ehe ſie ſich ſchlafen legen.
Ade Dinge dieſer Art , ſo lange ſie nicht im lichen Gebrauche find , werden
wirke
in den Schneeber
graben , um das Haar zu erhalten , das ſonſt bei dem Mangel an gehöriger Gerbung bald ausfallen Die Jurten der Aelteften ,
wohlhabenden
Tunguſen ,
haben ſtatt der gewöhnlichen
würde. wie
der
Stangen
ein
Gitterwerf und eine Thüre , die gehörig verſchloffen und geöffnet werden kann , und die innere Seite iſt mit Leber bekleidet.
Viele haben
Koffer und
Haus
geräthe und etwas Silberwerk, aber der Unbequemlich
124 feit des Rauches läßt fich nicht abhelfen ; auf der einen Geite ein glühendes Feuer unb falte Luft anderen .
auf der
Sie haben eine Anzahl zahmer Renthiere,
die ihnen im Winter Nahrung geben, aber die Armen tödten dieſe Thiere nur bei bringender Noth. Selten lagern fte fich an einem Orte länger als einen Tag , bloß aus Liebe zur Ortsveränderung. denken in keiner Weiſe an den folgenden Tag. ihre Vorräthe verzehrt ,
Sie Sind
ſo geht der Mann auf die
Jagd , deutet mit dem Finger nach der Richtung , die er nehmen will, und gibt ſeinem Weibe durch ein an deres ſtummes Zeichen an, wo ſte ihn finden rol .
So
bald er fich entfernt hat, bricht fie die Jurte ab, ladet die geſammte Habe auf Renthiere und begibt ſich an den Ort, den ihr Mann angedeutet hat und den fie nie verfehlt.
Das Zelt wird dann aufgeſchlagen, und Ades
für die Rückehr des Mannes bereit gehalten.
3ft er
glüdlich geweſen , ſo bringt er ein Stück Fleiſch zum Abendeſſen mit und gibt ſeiner Frau durch Zeichen
KE
an, wo er den Ueberreft niedergelegt hat , den fte am anderen Tage holen muß .
So lange die Vorräthe aus.
halten, thut er nichts als rauchen , effen und ſchlafen.
SE
Sollte er keine Jagdbeute gemacht haben , fo kommt er heim , ohne ein Wort zu ſagen , ſept fich ans Feuer, zündet ſeine Pfeife an, zieht ſeinen Gürtel veft und legt
be
fich ſchlafen.
HE
eben ſo.
Seine Frau und ſeine Kinder machen es
Durch das Einſchnüren des Magens mit dem
125 Gürtel glaubt man das Gefühl des Hunger terbrüden .
zu un
Der Tunguſe gibt das erſte hier , bas er
erlegt, wie werthvoll es auch ſei, dem erſten beßten , der ihm begegnet, weil er ſeinen glüdlichen Erfolg auf der Jagd dem Glücke dieſer Perſon zuſchreibt. Die Jukagiren , die Ruſſen zu Nachbarn haben, bes ſuchen dieſe in den zwei finſteren Monaten der Polars nacht, um Beiſtand von ihnen zu erhalten oder mo möglich
ihre Häute
für
Labak
auszutauſchen.
Sie
rauchen den ftarken Tabaf aus der Ukraine, den fte mit Sägeſpänen vermiſchen, um länger auszukommen .
Der
Rauch wird nie aus dem Munde geblaſen, ſondern vers ſaludt und bringt einige der föftlichen Wirkungen hers vor, die der Opiumeſſer genießt. Ade Familienglieder, Männer, Weiber und Kinder, rauchen von früher Ju gend an , und ihre erſte und einzige Sorge iſt, ſich den nöthigen Vorrath von Tabak zu verſchaffen , und was ihnen dann übrig bleibt, wird zu Branntwein det.
vermen
Sie trinken jedoch nicht für ſich allein , ſondern
theilen ihren Nektar mit Jedermann, ſelbſt mit dem Kinde auf dem Arme der Mutter.
Beide Stämme find un
gemein ehrlich , ſchlicht und gutmüthig , wenn fte aber ein Unrecht erlitten zu haben glauben , ſo find die Folgen oft verderblich für die Roſafen und die Kommiſſare des Bezirke.
Hedenſtröm erzählt uns einen Zug , der jes
dem geſitteten Volke Ehre machen würde. giren am Ufer des Anui ftehen
Die
Juka
in freundſchaftlichem
126 Verfehr mit den Ruffen in Nidnei- Rolingf.
Wann
fte ihren Vorrath ' von Renthierfleiſch eingelegt haben , erhalten ſie von den Ruſſen einen Beſudy, der eine Woche und länger dauert , und während dieſer Zeit werden die Gäſte und ihre Hunde reichlich genährt. Beini Abſchiede bittet der Ruffe ſeinen Wirth unt les bensmittel für die Reiſe.
BE
Die Antwort ift : „ Verſorge
Der rufftiche Gaſtfreund läßt fich durch falſche
dich ."
Beſcheidenheit nicht davon abhalten , ſondern
füllt den
Schlitten, daß die Hunde ihn kaum ziehen können . Der Jukagire beſudyt dann die Stadt und wird von ſeis nem ehemaligen Gaſte am erſten Tage freigebig bewirá thet, nachher aber muß er bezahlen , was er und ſeine Hunde verzehren .
Hedenſtröm fragte einen von ihnen ,
warum er nicht die Ruſſen auf gleiche Weiſe behandle, wann fie
ihm
einen Beſuch machten .
Nachdenken antwortete der Mann :
Nach kurzem
„ Wer hat ſich zu
ſchämen ?“ Wir glauben, wenige Chriſten würden auf eine ſolche Antwort vorbereitet geweſen ſein. Wir haben bereits geſagt, daß in dieſem Theile Sibiriens der Pflanzenwuchs unter 70 ° nörblicher Breite aufhört. aber
Weiter hinaus gibt es nichts als Moosgrund,
die Seen ſind größer und zahlreicher
Marſchen erſtrecken ſich weit und breit.
und die
Einer dieſer
Seen, von den Jakuten Tastaf, das heißt voll von Steis nen , genannt, iſt merkwürdig wegen der Menge von bituminöſem Holze, das er auðmirft. Man findet darin
1
127
Stüde von verſteinertem Harz ,
die ſo klar als Bern
ftein ſind und zuweilen auch
eingeſchloſſene Jujecten
enthalten.
Es ſcheint jedoch leichter • alø Bernſtein zu
ſein , und beim Anbrennen hat es nicht deſſen angenehe men Geruch .
Man findet hier wildes Geflügel in gro
Ber Menge, und darunter zwei Arten der
wilden
Gand , die an anderen Orten nicht gewöhnlich iſt; eine; die kleiner iſt als die graue Wildgans, ift ganz weiß , aufgenommen
an den Flügelſpigen , die ſchwarz find;
Füße, und Schenkel aber ſind
roth .
Die andere Art
iſt ganz ſchwarz und heißt bei den Ruſſen „ Nemot" die Stumme, weil ſie im Fluge nicht ſchreit.
Sie hat
die Größe einer wilden & nte, aber eine rundere Geſtalt. Man findet hier nur zwei Arten eine größere und eine kleinere.
von
Schwänen ,
Jene legt ihr Neft immer
in den Wäldern , abwärts von dem Moosgrunde an, dieſe aber immer auf dem Mooſe, wo kein Holz wächſt Es gibt hier eine merkwürdige kleine Schnepfe (Iringa lobata ) von der Größe eines Sperlings mit Schwimus häuten an den Füßen ,
ſo daß fie ſchwimmen kann.
Die Raubmove (Larus parasiticus) kommt in dieſe Ges Das
genden , aber in keine anderen Theile Sibiriens.
weiße Rebhuhn oder Schneehuhn ( Tetraó lagopus) und die weiße Eule ftud die einzigen Vögel, außer den Waſſervögeln, die hier überwintern.
Das große Glen
wreidet an dem Saume des Moosgrundes, verläßt aber nie die Wälder. && iſt ſehr groß, und ein jähriges
128 Thier
hat die Gr8ße eines Pferdes.
Den Argali
( capra Ammon ) findet man oftlich von Kolinsk, wie auch an der ſüdlichen Gränze und auf den Bergen im chineftfchen Gebiete.
1
Die nördlichen und öflichen Theile Sibiriens find zwar nicht ſo reich an Mineralien als die füdlicheren und weſtlichen Gebirggegenden ; man findet jedoch ſelbft unter der Oberfläche des Bodens viele intereſſante Gr ſcheinungen und Gegenſtände von Werth.
Die fteilen
Ufer der Flüſſe und Seen in der Nähe des Meeres beſtehen oft aus wechſelnden Schichten von Erbe und Gie .
Die Eisſchichten liegen Horizontal wie die Erb
fchichten, die wahrſcheinlich von neuerem Urſprunge und durch Spalten gebildet wurden , durch welche Waſſer und Schnee eingedrungen find.
Aber es erſcheint ſon
derbar, wie dieſe Schichten , die in ganz regelmäßiger Drdnung über einander liegen, gebildet werden konnten , und zwar nicht auf einmal, ſondern über einander bis zu einer unbekannten Liefe.
Eine kleine Inſel in Neu
fibirien , fünf und zwanzig Werſte breit, iſt ſehr merk würdig wegen eines Berges an ihrer füdöflichen Küſte, der gegen zweihundert Fuß ift.
hoch und ganz ſenkrecht
Dieſer Berg beſteht aus abwechſelnden Horizontalen
Schichten von Quaderſteinen und glänzendem bituminö ſen Holze. Die untere Schicht bilden Quaderſteine. Dben auf dem Berge findet man hier und da Rohlen , die Weidenfohlen gleichen und wie mit Arche beſprengt
.
129 find, als ob ſie noch warm wären, wiewohl fie fo hart find, daß es fchwer ift, fte mit einem Meffer zu ſchneiden. Auf den Gipfel del Berges ift bas bituminöfe Holz , das man am Fuße in horizontalen Schichten findet, ſenkrecht geſtellt und ſteht aus dem oberen Boden her vor , der gleichfalls Quaderftein iſt, wie regelmäßig eins getriebene Pfeiler.
An den Ufern der Seen auf dem
Moosgrund zwiſchen der Jana und Indigirka finden fich ganze Birkenſtämme, die mit Wurzeln , Rinde und Zweigen in dem Boden incruftirt find.
Die Eingebore
nen nennen fte Adamsholz, zur Bezeichnung ihres hos hen Alters ,
und gebrauchen fie zur Feuerung.
geben keine Flamme, aber viel Hiße.
Sie
Man findet jegt
keine Birkenſtämme von dieſer Größe näher als dret Breitegrade füblich von der Stelle, wo jene Stämme im Boden liegen .
Wie wurden fte dahin gebracht ?
Oder waren fte einſt hier einheimiſd ), und war der Polarkreis einſt weit wärmer als jeßt?
Wann und
wodurch wurde dieſe Veränderung bewirkt ? Der wichtigſte unterirdiſche Reichthum dieſer Ges genden find die foffilen Ueberrefte eines Thiere , das zu der Klaffe der Unbekannten gerechnet werden ſollte. Die Tataren haben ihm den Namen Mammuth gegeben von dem Worte Mama ,I das in der tibetaniſchen Sprache Erde bedeutet.
Die alten Archive Chinas, die Buräten
und Tungufen ſprechen davon als einem noch lebenden Thiere, das fich aber in Erdhöhlen verberge und beim Cottrell's Sibirien. I.
9
130
Anblide der Sonne ſterbe.
Die Chineſen ſagen , es
habe die Natur einer Maus, obgleich es die Größe eines Ochſen
oder Elephanten hat.
Die Tunguſen
halten
es für ein Thier von böſer Vorbedeutung und behaupten , man habe es auf der Landenge Jamut lebendig geſehen , die ganze Familie Derjenigen aber, die es ſahen, ſei ges ſtorben .
Das Vorurtheil verlor fich endlich , rreil der
Häuptling ,
der das jeßt in Petersburg aufbenahrte
Gerippe fand , zwar nachher frank warb , aber wieder genas.
Die Naturforſcher nennen es Elephas
primo
genitus. Zu welcher Gattung es auch gehören möge, Sibirien iſt das Land , wo man ſeine Ueberreſte in der größten Menge findet.
Sie werden ſehr häufig an der
norböftlichen Rüfte aufgegraben , weiter nördlich aber nimmt ihre Größe ab, wiewohl fich die Menge bedeu tend vermehrt.
In Neuſibirien, das er ſelber entdeckte,
fand · Hedenſtröm einſt zehn Zähne innerhalb des Rau : men einer Werft von einander. Man nennt dieſe Ueberreſte dort Hörner ,
obgleich fie aus der Kinnlade
hervorgehen , daher eigentlich Zähne find, doch von etwas anderer Art als bei dem lebenden Elephanten. Das Elfenbein, woraus ſie beſtehen , iſt ſehr vorzüglich. Sie ſind immer rund , nach innen gebogen , ſo daß fie drei Viertheile eines Kreiſes bilden . find verſchieden.
Größe und Gewicht
An der Mündung der Lena hat man
deren bis zwölf Pud ſchwer gefunden, während ſie auf den Inſeln des Eismeeres felten über drei Pud ſchwer find .
1
131 Wie wir bereits
bemerkt haben , findet man
dieſer Gegend abwechſelnd
Schichten
Eis bis zu unbekannter Tiefe , iſt immer gefroren . hier
die
foffilen
Schnee und Regen , bringen ,
Erbe und
und der Boden ſelbſt
An den Ufern Ueberrefte
von
in
der Flüffe find
gewöhnlich
die durch
die
niedergelegt.
obere Erdrinde
verurſachen ungeheuere Spalten ,
und große
Maſſen von Erde und Eis Ibſen ſich ab , worauf dann dieſe rieſigen Iteberreſte nach Verlauf einer
Zeit ,
die
niemand zählen kann , wieder aus ihrem Verſted her vorkommen .
Auf dieſe Weiſe kam das vollkommenſte
Gerippe, bas je gefunden wurde , zum Vorſchein. ſteht jeßt im Muſeum zu Petersburg in einem
68
kleinen
Zimmer neben dem Gerippe eines Elephanten, das fich wie ein Zwerg an ſeiner Seite ausnimmt.
Es
ward
am öſtlichen Ufer der Lena in einer Maſſe von Eis und Erbe gefunden ,
die fich von einander getrennt hatte,
und lag einige
Jahre unbeachtet. Der Kopf wurde
zuerſt geſehen
und wurde die Beute des
glüdlichen
Finders, der das Thier 1799 entdeckte und ſich nicht bes mühete den Körper auszugraben . Engländer Adams ,
G8 traf fich, daß der
Mitglied der kaiſerlichen
Geſelle
fchaft der Wiſſenſchaften zu Petersburg, der 1806 den Grafen Goloffin
auf ſeiner Geſandtſchaftsreiſe
nach
China begleitete, die Gelegenheit benugte, eine Reiſe in jene Gegend
zu machen , um
Forſchungen fortzuſepen .
Gr
ſeine wiffenſchaftlichen hörte
in Jafutet von 9 *
132 dieſer Entbedung , die
ein
Aeltefter
der
Tunguſen
machte, der das Elfenbein an den Geſchäftführer eines Raufmanne
Namens Papow verkauft hatte.
Dieſer
hatte die Zähne mit einer Abzeichnung des Thieres an feinen Principal geſchickt, in deſſen Hauſe
Adams
fte fah.
Stelle,
Er begab fich fogleich an Ort
wo er das Skelet faft noch
ganz fand,
und
nebſt einem
Theile von der unteren Seite des Fleiſches, bie fo friſch war, daß die Bären und Hunde bereits etwas davon abgefreſſen hatten . Ueberreft
des
Mit großer Mühe entfernte er den
Fleiſches
und
reinigte
das
Gerippe.
Der untere Theil , der noch immer in Eis und Erde begraben war , wurde gegen die Raubthiere gefchüßt. & iner der Borderfüße war zerbrochen, mard aber ſpäter gefunden.
1
Nur acht Wirbel deß Rücgrates unter un
01
gefähr dreißig waren vollkommen ; ein Schulterblatt das andere wurde fpäter gefunden das Becken und
1
drei andere Ertremitäten hingen noch durch Bänder zu:
員
fammen und ungefähr die Hälfte der Haut hatte fich erhalten .
Der Ropf war mit einem trockenen Säutchen
bedeckt, und ein Dhr , das zugeſpigt und daher ver ſchieben von den Dhren des lebenden Elephanten oder des Seepferdes war , hatte fich gut erhalten und war mit einigen Saarbüſcheln bebedt.
Adams glaubte die
Pupille des Auge unterſcheiden zu fönnen , aber es iſt zweifelhaft, ob es mehr als ein trodnes Häutchen ſei, was
fichtbar
ift.
Man
fand
treder
Rumpf ,
noch
133
Schwanz, aber einige Naturforſcher glauben , daß man die Stellen der Muskeln des Rüffele in dem das del unterſcheiden könne.
Die Spiße der Unterlippe war
leider durch Adams abgehauen worden , und die obere gänzlich zerſtört, ſo daß die Badenzähne frei ftanden , die nicht zum Fleiſchfreſſen eingerichtet waren . Sileftus hat im fünften Bande ber Annalen der Akademie zu Petersburg eine lange anatomiſche Beſchreibe ung des Gerippes gegeben . Auch Cuvier gab eine Be ſchreibung, ſtimmt aber nicht in allen Puncten mit Ti leſius überein, der doch das Thier vor ſich hatte, währ end Cuvier nur eine ungenaue Zeichnung beſaß. Nady Tileſius
find
die Kinnladen
unregelmäßig
gebildet,
und die Badenzähne hangen zuſammen, wie man dieß bei keinem anderen Thiere bemerkt.
Der Fuß gleicht
in einigen Beziehungen dem Elephantenfuße, ausgenom men , daß die Sohle größer und mehr abgerundet iſt, als ob das Gewidyt des Körpers, den fie tragen mußte, fie gedrückt hätte.
Die Zwiſchenräume zwiſchen den
Şufen und fünf Sehen find gleichfalls bei beiden Thier arten ähnlich. Die Zehen , im Gerippe zwar zu uns terſcheiden , waren , als das Thier lebte, durch eine hor nige Membran in eine Marie vereinigt, fo jedoch , daß die Spigen der Zehen kaum fichtbar in den Kufen waren.
Der Schädel iſt ohne knochige Höhlen und auss
gezeichnet durch eine Vertiefung in der Stirne, welche
134 kleine Zeden hat und fidi in röhrenförmigen Höhlungen nach dem vorderen Theile der Zähne erſtreckt. Adams hat , wie es ſcheint, das Mammuth nicht mit dem gemeinen Elephanten in Beziehung auf Schär del, Wirbel und Füße anatomiſch verglichen.
Einige
Naturforſcher bezweifeln , ob es je einen Schwanz ges habt habe und ob das Steißbein vorhanden ſei , es iſt aber nicht wahrſcheinlich, daß ein ſo nothwendiges An hängſel gefehlt habe. Es mag klein geweſen ſein, wie bei dem Rhinoceros und dem Maſtodon, zumal wenn , wie wir glauben , das Thier Waſſerzügen und ſumpfigem Boden folgte .
Die Höhe des Skelete, ehe es in der
Haut ausgeſtopft war, betrug neun Fuß vier Jou , die Länge ſechszehn Fuß vier Zod , die Länge der Zähne längs der Krümmung neun Fuß feche Zoll, und nur drei Fuß fleben zou von der Wurzel bis zur Spiße, wegen der beträchtlichen Krümmung ; beide zuſammen wogen 360 Pfund und mit dem Kopfe 414 Pfund. Der Schädel enthielt wenig Gehirn , das ganz vertrods net war.
Die Hörner ſind ſchwerer zu drechſeln als
gemeines Elfenbein und von verſchiedener Farbe.
Ich
habe einige geſehen , deren jedes gegen fleben Pfund ſchwer und zranzig Fuß lang war.
A18 das Thier
gefunden wurde, hatte es noch viele Haare, die von der Farbe der Rameelhaare find.
Die Haarbedeckung
ſteht aus drei verſchiedenen Lagen .
bes
Die unterfte, unge
fähr anderthalb Zou lang, iſt dick und gekräuſelt, dann
135 kommt eine Art Borſten, brei bis vier Bod lang, von dunkelröthlicher Farbe, dann einige ſtarke Borſten, znóölf bis achtzehn Zou lang, dider als Pferdehaare. dieß hatte das Thier eine lange Mähne.
Ueber
Die Haut iſt
einen halben Zou did , von dunkelgrauer Farbe, wie bei dem gemeinen Elephanten , und ſcheint ſchußveft zu ſein.
Man fand ungefähr ein Pub ausgefallener Haare,
und man kann ſich einen Begriff von dem Gewichte der Haut machen , wenn wir ſagen , daß zehn Mann nothwendig waren , fie eine halbe Stunde weit in das Haus zu ſchaffen , wo Adams wohnte .
Die Rücken
wirbel waren länger als bei dem Elephanten, und der Kalé kurz. Wie die Zunguſen ſagten , die das Thier zuerſt ganz fanden , ſchien es ſehr wohl genährt zu ſein, und der Wanſt reichte bis auf die Kniee herab , auch ein Grund für die Vermuthung, daß es feuchte und ſumpf ige Stellen bewohnte.
Adams faufte, was er für die
Zähne hielt, da ſte aber ſchon lange vorher weggenoms men worden waren , ſo darf man bezweifeln, ob es wirk lich die zu dem Gerippe gehörenden waren.
Heden
ftröm ſammelte eine große Menge ähnlicher Zähne und Gebeine zu Uſtjansk, da es ihm aber an Mitteln fehlte, ſo ſchwere Maffen fortzuſchaffen , ſo zerſchlug er fie und nahm das Mark heraus , das er in Säcke that.
Es
ſchmolz in einer einzigen Nacht in einem warmen Zim mer, aber ohne unangenehmen Geruch .
136 Unterſuchen wir nun , auß welchen Gründen das Thier ein Elephant genannt wird .
Wir wiſſen , daß
fich dieß auf die Gattung, nicht auf die Art bezieht, und daß viele der gefundenen Ueberrefte des Rhinoceros, des Elephanten und anderer foffilen Thiere von einer anderen
Art
find
als die jest lebenden .
In
der
That find keine foſftlen Ueberreſte irgend eines unters gegangenen Thieres den lebenden Arten ganz ähnlich. Der Elephant unſerer Seit wohnt in tropiſchen Län , dern, es iſt aber wahrſcheinlich , daß er in einer gemäß Sibirien muß vor Zets
igten Temperatur leben kann .
ten ein gemäßigtes Klima gehabt haben, wenn die Tau = fende von Mammuthen, die man bort ſo häufig findet, vorausgefegt, daß fte zur Gattung des Elephanten gea hört haben, gelebt haben und geſtorben find , wo man fte findet.
Hat alſo die, durch die allgemeine Flut bes
wirkte Umwälzung oder eine ſpäteré plögliche Wirkung die Jahrzeiten ſo ganz verändert, daß der Polarkreis, der früher war, mas jeßt die heiße oder gemäßigte Zone ift, bei dem Rüctritt der Gewäffer die Gegend der hefs tigften Kälte geworden iſt ?
Cuvier
war entſchieden
der Meinung , daß die Schichten , mo bieſe Ueberreſte gefunden werden ,
plößlich gefroren
hält dieß nicht für nothwendig.
find.
Humboldt
Niemand aber bezweis
felt, daß fite ziemlich in demſelben Zuftande geblieben ſind, worin wir fte jegt finden , feit dieſe Thiere bort begraben wurden , und daß die Temperatur ſeit jener
137 Zeit feine Veränderung erlitten hat.
Sehr wahrſcheine
lich iſt, daß fte durch eine der großen Fluten , welcher Sibiriens Ströme unterworfen ſind, aus einer beträcht lichen Entfernung her von Süden angeſchwemmt wurden . Auch kann man mit Grunb annehmen , daß fie, ba die Flüſſe an ihrer Mündung noch immer gefroren find, während ihr oberer Lauf fließendes Waſſer hat , durch das Giß aufgehalten und begraben wurden .
Aber wir
ſeben keinen Grund für die Vermuthung , daß die ſüda lichen Gegenden Sibiriens, woher das Waſſer fie allein herabgeſchwemmt haben kann , je eine ſolche Temperatur gehabt haben, daß das Mammuth darin habe leben föne nen, vorausgeſeßt, daß es zur Gattung des Elephanten gehört habe.
Der Umſtand, daß man fte zuweilen in
anderen Gegenden findet, mag die Wirkung eines Zu falles ſein , der fie aus einer noch ſo weiten Entfern ung dahin gebracht hat, aber die ungeheuere, una noch unbekannte Menge, die noch immer in Sibirien begras ben liegt, würde uns zu dem Schluſſe führen , daß dort ihr Wohnſit geweſen ift. Man findet oft foſſile Gebeine bes Elephas primo genitus auf den britiſchen Inſeln, beſonders an der ſüds öftlichen
Küfte ,
im
Meeresgrunde,
zwiſchen ehemaligen Gebirgreihen.
in
den Thälern
Nicht ſelten ziehen
die Fiſcher in jenen Gegenden ſtatt einer Steinbutte Elephantenknochen in ihren Neben herauf, und man darf glauben , daß die Thiere, welchen die Knochen gehörten,
138 auf der Stelle umgekommen ſind, wo dieſe Ueberreſte fich finden.
Was auch den Untergang dieſes Thierge
fdylechte herbeigeführt haben mag
und es gibt keinen
Grund, irgend eine außerordentliche Urſache dafür auf zuſuchen oder zu glauben , daß fie alle auf einmal uns tergegangen ſeien - eß iſt ſehr wahrſcheinlich, daß dieß vor der Erſchaffung des Menſchen geſchah.
Auch iſt
8 wahrſcheinlich , daß die britiſchen Inſeln zu jener Zeit ein Theil des großen europäiſchen Veſtlandes waren, und daß eine der großen Veränderungen in der Ver theilung des Waſſers und des Landes, die noch immer vor fich gehen ,
ſte
vom Veſtlande losgeriffen habe.
Sonderbar , daß während man ſo viele Knochen dieſes Thieres in Großbritannien findet, ſo wenig Zähne bort entdeckt worden ſind, während man ſie in Sibirien in folcher Menge findet.
Man darf dieß wohl dem ge
frorenen Zuſtande des Bodens zuſchreiben, der die Zähne gegen Verfall und Zerſegung ſchüßte. Es läßt ſich nicht beſtreiten , daß Thiere zuweilen Wanderungen machen, und wir halten es ſogar für mög lich , daß die Mammuth nochen , die man in anderen Theilen Sibiriens, wiewohl in geringer Anzahl gefunden hat , einigen der Thiere gehört haben , die aus ihrer urſprünglichen Heimat wanderten und umfamen.
Wie
Wilfinſon ſagt, find viele Thiere und Pflanzen, die vor Seiten im nördlichen Aegypten gewöhnlich waren , ießt dort nicht mehr zu finden.
Dazu gehört das Kroko
-
139
dill, und umgekehrt wird das Flußpferd nicht mehr in Unterägypten gefunden . Wir haben auf andere Thiere hingedeutet, die gleich falls außerhalb ihrer heimiſchen Breitegrade gefunden wurden , aber dieß find einzelne Fälle, die ſich nicht auf das Mammuth im nördlichen Sibirien beziehen laſſen, wiewohl ſie erklären , wie die Ueberreſte in anderen Ge genden gefunden wurden .
Das Mammuth in Peters
burg fand man an den Ufern der Lena in einem E18s lager, 42 Fuß unter der Oberfläche des Eiſed, mit ciner vierzehn zou diden Schicht von Moos und zer reiblicher Erde bedeckt.
Nur dort, an den Küſten des Eiß
meeres und nordöſtlich findet man dieſe Ueberreſte in un ermeßlicher Anzahl . Man hat erſt in der neueſten Zeit be zweifelt , ob ſte vom Süden dahin gekommen wären , und der einzige Grund dagegen war das Bedenken , wie fte dahin gekommen wären .
Einige vermutheten, daß die
Wirkung der zurückgetretenen Gewäſſer der großen Flut fte auf tropiſchen Breitegraden dahin gebracht und in Sibiu rien begraben hätte.
Dieß iſt offenbar eine Ungereimt
heit. Wir glauben , man hat nie ein Mammuth in der Nähe des Aequators gefunden , gemiß nicht ſüdlich von demſelben , und warum ſollte die ganze Gattung zu der Zeit, wo ſie un terging, nach einer einzigen Richtung und faſt zu derſelben Stelle getrieben worden ſein ? Mag fich überdieß das Thier lange in der gefrorenen Rinde erhalten haben , wo man es jeßt findet, ſo möchte doch wohl auf der Reiſe aus einem wärmeren Klima die Zerſeßung ſchnell genug erfolgt und
140
die Knoden und Zähne würden zu Boden geſunken ſein . Nach der Theorie der Rotation gibt die bewegende Kraft eine Richtung nach dem Mittelpuncte ,
und
folglich
würden Gegenſtände eher von den Polen zu dem Aequa tor, ale umgekehrt geführt worden ſein. Die Winde müßten
daher
ſehr ſtark
geweſen
und
immer von
Süden gekommen ſein, um die Thiere gegen die Ströms ung in einer nördlichen Richtung zu treiben .
id
Das Mammuth im Muſeum zu Petersburg fann nur für ein kleines Thier gelten ,
da man oft Zähne
gefunden hat , die noch einmal ſo die zu ihm gehörenden .
ſchwer waren all
Sie ſind von anderer Geſtalt
als die Zähne des gewöhnlichen Elephanten ; das Haar iſt von ganz anderer Art und der Elephant hat keine Mähne.
Dieß und einige Beſonderheiten in der
ftalt der Kinnbaden und der Füße ,
Ger
und der Mangel
eines Rüſſels ſind die auffallendſten Ungleichheiten.
Ich
wil nicht beſtimmt behaupten , daß es keinen Nüffel gehabt habe ,
aber man darf zweifeln , wo es keinen
offenbaren Beweis dafür gibt.
Oken ſagt: „ Es war
von dem gewöhnlichen Elephanten mehr verſchieben als der Eſel vom Pferde.
Daß
es
keinen Nüffel hatte,
obgleich die Lippen abgebiffen waren , würde ihm eine Verwandtſchaft mit dem Seepferde geben , aber daß es eine Mähne hatte, burch ſeine Haare gegen die Wirkung der Kälte geſchüßt war und zugeſpigte Dhren
hatte,
macht es dem Elephanten ſo ungleich als dem Seepferde."
141 Das Haar und die Mähne ſcheinen einem Thiere anzugehören ,
das kalte Gegenden bewohnte, vielleicht
Gewäſſer und Waſſerbetten , wie wir angedeutet haben. Das Mammuth Thier.
war
durchaus
ein
fräuterfreſſendes
88 konnte ſeine Nahrung nicht in den Gegens
den finden , wo es jeßt begraben iſt,
weil nur Moos
dort wächſt, und eben ſo wenig im füdlichen Sibirien. Aber obgleich es in
feinem anatomiſchen Bau dem
Elephanten noch ſo ähnlich ſein mag , ſo kann es doch hin fichtlich ſeiner Gewohnheiten , feiner Nahrung und ſeiner Wohnpläße von dem lebenden Thiere ſehr verſchieden ge weſen ſein .
Es würde dann nichts gegen die Voraus
feßung ſtreiten, daß eß die Gegenden bewohnt habe, wo ſeine Ueberreſte in der größten Anzahl gefunden werden, und ſeine dice, aus drei Lagen warmer Bekleidung beſteh ende Haut mürde für die Vermuthung ſprechen , daß die Natur eß auf dieſe Weiſe gegen die Wirkungen der Kälte
geſchüßt habe.
Lebte
8
aber
vorzüglich
im
Waſſer , has würde denn im Winter aus ihm gewor den fein , mo alle Flüſſe und Waſſerbetten gefroren ? Ging es dann in die Höhlen , wo es nach der Meinung der Shineren wohnte ? Man würde zu weit gehen , wenn man es , in der Vorausſeßung , daß dieſer Theil Sibiriens jegt weit fälter ſei
als vor Zeiten , für möglich halten wollte,
es ſeien zur Zeit, wo es hier in großer Anzahl lebte, die Flüſſe nicht ſo ſtark gefroren geweſen als heutiges
142 Tages , und das Mammuth ſei bei der großen Zus nahme der Kälte , welche die Flüffe fechs Monate lang mit Eis bedeckte, aus ſeinem gewöhnlichen Wohnfiße getrieben worden und umgekommen .
Peter der Große,
der wie Core ſagt, ein großer Monarch war, ohne ein großer Naturfenner zu ſein , hielt die foſſilen Elephantens überreſte für die Gebeine der Thiere, die in dem Kriege Alerander's des Großen umfamen , der über den Don gegangen
ſein ſoll.
lich von Moskau
Man hat hat deren deren Man
unweit Woroneſch
einige
ſüds
gefunden.
Die
verſchiedenen Meinungen ausgezeichneter Naturforſcher laſſen die Sache ſo zweifelhaft , daß eine Theorie mehr oder weniger, wo alle falſch ſein können , wohl zuläffig ſein mag.
68 ſtreiten jeßt zwar triftige Gründe für
die Meinung , daß das Mammuth in Sibirien miſch geweſen ſei,
einhei
als aber Pallas , deſſen Stimme
großes Gewicht hat , die eben aufgefundenen Ueberreſte geſehen hatte ,
widerrief er dieſe früher von ihm ges
äußerte Meinung. Er neigte fich dann zu der Anfidit, daß
dieſe Ueberreſte durch
eine große Waſſerflut an
ihre jeßige Stelle gekommen wären , von
zumal da fie 'oft
verſchiedenen See - Erzeugniſſen umgeben gefunden
werden .
Aber obgleich
es offenbar iſt,
daß fie auf
eine unbeſtimmbar lange Zeit überflutet geweſen ſind, ſo zeigen ſich doch keine Spuren , daß ſie vom Waſſer weggeſchwemmt worden ſeien , den Ertremitäten zeigen müßte.
was ſich wenigſtens an Sind fie,
nach Clls
ha
M
13 M
143
vier's Anſicht ,
plößlich eingefroren ,
nicht geſchehen , und das Gerippe in
ſo konnte dieß Peteréburg
wie
derlegt es hinlänglich.
An der weſtlichen Rüfte der Inſel Laifoff finden , fich die Ueberreſte am zahlreichſten , ſo daß ſte gleicha fam die Grundlage der Inſel bilden , und obgleich im Laufe
von
achtzig . Sommern ſehr viele weggeſchafft
worden find , ſo iſt doch noch keine Verminderung bez merklich. Nach lange anhaltenden Oſtwinden wird bas Ufer,
iro fie begraben
find , entblößt und
eine
große Anzahl derſelben ausgeworfen , wie aus der Liefe des Meeres. Das große Gerippe wurde fechszig Schritt von der Küſte gefunden und hunbert Schritte von dem hundert bis hundert und fünfzig Fuß hohen Gisberge, von welchem es herabfiel.
Aber dieß war eine zufäl
lige Erſcheinung und nicht ein allgemeines Lager von Ueberreſten.
Ohne Zweifel war eine lange Reihe von
Jahren zu dieſer Anhäufung nöthig , und wenn ,
wie
Cuvier meint, die Zeit der Fleiſchfreſſenden Shiere ſpas ter als die Lebzeit der Mammuthgattung
eintrat, fo
kann das Daſein dieſer Gattung auf eine unbegränzte Entfernung ausgedehnt werden , und Lauf der Natur ,
der gewöhnliche
die in all dieſen Dingen wirkt, iſt
völlig hinlänglich , dieſe Erſcheinung zu erklären . In dieſem Theile Sibiriens haben fich noch
einige
andere Thiere erhalten , die eben ſo wenig bekannt ſind als das Mammuth .
Man hat nur ihre Köpfe aufge=
144 funden .
Einer von ihnen
Renthierkopf;
iſt etwas länger als
ein
die Zähne find fräuterfreſſend und die
Geweihe groß und verzweigt. Der Schädel hat eine Kornbecke, und auf der Oberfläche iſt eine bis in die Mitte laufende Furche ausgehöhlt.
Die dadurch gebil
deten beiden Abtheilungen in dem Horne laufen zuge ſpißt zu einem Puncte , wo der Hals angeſeßt geweſen zu ſein ſcheint.
Das Innere der hornigen Decke iſt gelb
mit gelbbraunen Abern, und zerſägt ſieht eß aus wie Einer dieſer Köpfe befindet ſich im Muſeum zu Petersburg und wurde bem Kaiſer Alerander von
Birkenholz.
einem Kaufmanne
in uſtiansk
überreicht, der dafür
eine goldene Medaille am Bande des Annenordens er hielt.
Der andere Ropf ift 314 Zoll lang und 124
Bol breit.
Die Stirn iſt hoch , aber flach, die Schnauze
abwärts gerichtet und mit regelmäßigen Säumen von knöchernen Spißen befest, nicht unähnlich den born ähnlichen Hervorragungen des Miſſouri-Leviathan. Das bei ein Ding , daß mehr der Kralle eines großen Bo gels als dem Horn eines Thieres gleicht. das wir geſehen haben ,
maß 35 Zoll.
Das längſte, Die Ober
fläche iſt flach und die untere Seite in Geſtalt eines Dreieds zugeſpißt. Die Subſtanz hat einen þornge ruch , läßt fich aber in ſenkrechte Streifen ſpalten . Die Jukagiren bedienen fich dieſer Maſſe, um ihre Bogen elaftiſch zu machen.
Sie legen einen Streif länge des
Bogens, wie andere Stämme Ochſenhörner oder Fiſch
145 bein dazu gebrauchen . als andere .
Aber ihre Bogen tragen weiter
Sie glauben , das Thier ſei
ein Vogel
von wundervoller Geſtalt geweſen ,
und die Jakuten
wollen eine ſo große Feder von ihm
gefunden haben,
daß fie einen Köcher für ihre Pfeile daraus machen konnten .
Man fou qud) in Nordamerika einen ungeheueren, fünfzehn Fuß hohen Schädel gefunden haben. Dr. Ryber, der den Baron Wrangel
als Naturforſcher begleitete,
hält dieſen Heberreſt für
den Kopf eines
Rhinoceros
und meint , daß die Geſtalt der Hörner durch zufällige Umſtände verändert worden ſei.
Aber der Unterſchied
der Länge und Breite dieſes Kopfes paßt nicht zu einem Rhinoceroskopfe.
Auch ſind
die Zehen
dieſes
Thieres kegelförmig, nicht flach und dreieckig, nicht kno tig oder inwendig von gelblicher Farbe. Die Ströme,
die ſämmtlich zu Oftſibirien gehören
und den weſtlichen Theil des Landes gar nicht berühren , find ſehr zahlreich und nicht nur eine merkwürdige Er ſcheinung in jenem Lande, ſondern es gebührt ihnen auch bei ihrer großen Länge und Breite und bei dem Flädiens raum, den ſte bedecken , Flüſſen der Erde.
der erſte
Rang
unter allen
Wir haben bereits den Ob genannt,
der in den Altaigebirgen entſpringt , eine nordöſtliche Richtung nimmt und endlid ins Eismeer fält . Man bat ihn unpaſſend den größten Strom des alten
Veſt
landes genannt, da doch die Pena einen weit längeren Cottrell's Sibirien. I.
10
146
Lauf hat und in der That einen
weit längeren ,
die Geographen gewöhnlich annehmen .
als
Die Lena ents
ſpringt in den Gebirgen , die den Baifalſee begränzen , nimmt faft gleich nach ihrem
Urſprunge
eine nörds
liche Richtung und fällt nach der Aufnahme vieler Zus flüſſe in das Eiêmeer.
Sie iſt bei ihren zahlreichen
Windungen weit länger, als fte bei der Berechnung nach Breitegraben erſcheint, ihre Länge beträgt 5000 Werſte und ihre Breite in einiger fieben Werſte.
Entfernung von Jakutsk
David ſagt in
ſeinem
leßten
über China , der Keang ſei der dritte Fluß
Werfe in der
Welt und hinſichtlich ſeiner Größe komme er nach dem Mifftffippi und Amazonenfluſſe, ſei gegen drei engliſche Meilen breit und 2400 Meilen lang , oder fünfzehnmal gro ßer als die Themſe. Nach Humboldt's Berechnung hat der Amazonenfluß genau die Länge der Lena , engliſche Meilen.
3300
Der Miſſiſſippi hat gewiß keinen
Nebenbuhler in der Länge ſeines Laufes, der von ſeiner Quelle unter 49 ° der Breite bis zu ſeiner Mündung im Meerbuſen von Mejico unter 29 ° eine Entfernung von beinahe 5000 engliſchen Meilen
beträgt .
jedoch hinſichtlich der Breite nicht mit
der
Er ift Lena
zu
vergleichen , denn ſelbſt nach der Vereinigung mit dem Min ſouri ſind beide zuſammen
nicht
über drei
engliſche
Meilen breit, und die durchſchnittliche Breite beträgt nur drei Viertelmeilen . gehört haben ,
Was mir in Sibirien über die Lena
beſtätigt Dobell,
ein ſehr guter Ger
147
währómann , da er dem Laufe des Stromes
in ſeiner
ganzen Länge zwei- bis dreimal gefolgt ift.
Er ſagt,
die Länge betrage von der Quelle bis Jakutsk 2600, und von dort bis zum Meere 2370 Werfte, und der Strom nehme in Bäche auf.
ſeinem Laufe fechezig Flüſſe und
Dem Reang find viele Ströme in Si
birien gleich zu ſtellen . ·
Die Zuflüffe der Lena find ſelbſt ſehr anſehnlich. Der
Bitime, die Olekma, der Aldan und Vilui gehören zu ſeinen Nebenflüffen, und jeder derſelben hat einen Lauf von vielen hundert engliſchen Meilen . Der Vilui hat ſeine Münde ung ungefähr 300 Werfte unter der Stadt Jakutek und fein Name bedeutet, daß er viele Windungen hat. Man findet in ſeinem Bette mehre Waſſerfäde,
die
ſonſt in Sibirien ungewöhnlich find, und obgleich man ihn nur unvollkommen kennt ,
fol er doch
viele für
den Naturforſcher wichtige Gegenſtände enthalten .
Vor
einigen Jahren entdeckte Profeffor Larmann in dieſem Strome zwei früher unbekannte Steine, den einen nannte man Jdiocras oder Viluijothe, den anderen , den icly be fige, Dlintholit, dieſer legtere iſt ein gelblich grüner Granat und äußerſt hart.
In der Nähe diefes Flufſeß
gibt
es einige große Berge von durchfichtigem Steinſalz und mehre Galzquellen. gebaut ,
Dieſe Minen werden jedoch nicht
weil die Bevölkerung zu
jdhwach
iſt
und
andere Salzgruben an dem in die Lena fallenden Fluſſe Kuto , oberhalb der Stadt Kirinsk , fich finden , welche 10 *
148
die Provinz Jakutsk mit dieſem Bedürfniſſe reichlich vers ſorgen .
Bei dem Einfluſſe des Vilui in die Lena ift
der Sammelplaß der Fiſcher, die dort ihre Fiſche Falzen, ehe fte dieſelben über dieſe ungeheuere Landſchaft vers breiten . Angeblich findet man in der Lena zuweilen eine Art Sterlet , der ganz dem gemöhnlichen Fiſche dieſes Nas mens gleicht, deſſen Genuß aber giftig iſt, und
die
Thatſache, daß es einen Fiſch mit dieſen Eigenſchaften geben kann , beweiſt der Umſtand, daß hier alle Fiſche gefangen werden . Die Lena ift
lebendig in Neßen
auf einem großen Theile ihres Laufes von hohen Ber gen umgeben ,
die dicht an
ihre
Ilfer herabſteigen .
Die Umgegend iſt meiſt ſchwach bevölfert , und felten findet man andere Wohnungen als die Pofthäufer, die überall angelegt find.
Fünfter Abſchnitt. Gefrorener Boden. Maß für Entfernungen bei den Jaku ten. Ihr Urſprung. Sommerhütten. Ihre Nahrung . Aberglaube . Wrangel und Hedenſtröm . Pugatſcheff. Petropawlowsl. Handel mit den Kirgiſen. Omsk. Die Koſaken . Anſiedelungen an der Gränze von Tibet. Goldſand in den Kirgiſen -Steppen . Schulen und Ge neralſtab in Omsk. Die geheimnißvolle Grotte. Se mipalatinsk. Die chineſiſche Gränze. Handel mit den Chineſen. Reiſe nach Uſt Kamenogorsk . Der Altai.
ungefähr fünfhundert Werfte unterhalb
der Stadt
Kirinek , faſt an der Gränze des Gouvernements von Jakutsk , fällt der Vitime , ein ſehr großer Fluß , in die Lena. Von hier norbwärte iſt der Boden das ganze Jahr hindurch zu einer größeren oder geringeren Tiefe gefroren .
Der Vitine iſt an
ſeiner Mündung
breiter als die Lena. Nicht weit davon entfernt liegen die Gruben , wo Sluba , burchſichtiger Talk , gewonnen wird , der unter dem
Namen Marienglas bekannt ift.
Man findet es zuweilen in Tafeln von zwei Fuß Gevierte und benußt es in wöhnliches Glas zu Fenſtern. einem Kaufmanne,
vielen
im
Häuſern wie ge
Dieſe Gruben gehören
der fie durch viele Arbeiter aus :
150
beuten läßt , und obgleich fich dieſes Mineral auch in vielen anderen Theilen Sibiriens findet,
ſo wird 68
doch nirgend in ſo anſehnlicher Menge zu Tage gefördert. Nicht weit von dem Dorfe Dlefmindf, gegen fieben : hundert Werfte weiter ,
fädt die Olekna in die Lena ,
die hier ſchon brei Werfte breit ift.
In dieſer Gegend
werden die beßten Zobel gefangen , welche wegen der Bequemlichkeit der Waſſerverbindung von hier auf ent ferntere Märkte
gebracht
trerben .
Im
Sommer
ift
die Waſſerfahrt auf der Lena raſch und angenehm und bie Ausſicht auf die Gebirge oft ſehr maleriſch , aber aufwärts geht es langſam . In der Gegend von Jakutsk iſt eine ſonderbare Weiſe , Entfernungen zu Lande abzumeſſen , üblich , die den Jafuten eigen zu
ſein ſcheint,
da die Kirgiſen
zwar eine ähnliche, aber doch verſchiedene Sitte haben . Die Fakuten berechnen die Entfernung nach der Zeit, die zum Kochen ihrer Nahrang in den Keſſeln erfor dert wird , womit jede Hütte verſehen iſt.
Die Nahr
ung beſteht in der Rinde von Föhren und
Lärchen
bäumen , die ihnen das Brod erſeßt, doch iſt es nicht die äußere , ſondern ein dünne
inneres Häutchen , das
zwiſchen der Außenrinde und dem Holze wächſt und den Jahrwuchs des Baumes bezeichnet.
Es dauert eine
Stunde, dieſe Rinde zu kochen ,
und die Entfernung,
die in dieſer Zeit zurückgelegt
werden kann ,
heißt
Seuffe." Man hat eine Reuffe zu Fuße und eine zu
151
Pferde,
die natürlich ſehr verſchieden
immer ein ſehr ungenaues
ſind.
Es muß
Maß für Entfernungen
ſein , da es nach dem Zuſtande der Wege und der Schnelligkeit des Pferdes und der Menſchen abweichen muß. Die Jana iſt ein anderer ſehr großer Strom ,
der
mit der Lena parallel läuft und auch in das Eismeer fält.
Nicht weit von ſeiner Quelle in den
Jerkojang
kajabergen wurde vor fünfzig Jahren eine Silbergrube gebaut ,
die man aber aufgegeben hat , weil die Fort
ſchaffung des Erzes in eine Schmelzhütte am Aldan zu ſchwierig war.
Die
Indigirka ,, die Kolyma und
der Anadyr ſtnd gleichfalls ſehr große Flüſſe im nord öftlichen Gebiete. Es gibt nod ; viele andere große Ströme ,
die in jedem anderen Theile der Welt für
ungeheuer gelten würden , hier aber wenig beachtet werden , weil es ſo viele von noch größerer Ausdehn ung gibt. Die Stämme in dem nordweſtliden und reftlichen Landestheile zerfallen in vier þauptſtämme, mit Augs fdhluß einiger kleineren in den zu den nordöftlichen Theilen gehörenden Inſeln und der rufftſchen Bevölker ung , nämlich in Mafuten, Tungufen , 3ufagiren und Dichuktſoen .
Die Jafuten theilen ſich in Ges
meinden , die von ,,Golova" und Anaizegen " regiert werden .
Jene werden aus dieſen genommen ,
die das
Volk wählt , doch ſtehen Ade unter den Provinzialcom
152
miffaren , welche die ruſſiſche Regierung ernennt. Bei der Aehnlichkeit zwiſchen dem ruſſtichen Worte Inàs oder Fürft und Rnaizey , erhalten dieſe in Rußland den Titel Hoheit ,
aber die Jakuten hatten felbft vor
ihrer Unterwerfung Fürſten .
unter
Rußland
Der Titel Golova aber ,
von ſehr geringer
Bedeutung
iſt ,
nie unabhängige der in Rußland ftand unter dem
Knaizeß , wiewohl er in der . Heimat der Jafuten einen weit höheren Rang
hat .
Die
Aehnlichkeit zwijdjen
einigen türkiſchen und jakutiſden Wörtern hat auf die Vermuthung geführt , daß die Fakuten von den Lürfen abftammen ,
aber ſo viel man weiß ,
wohnten fie vor
Zeiten in den weit füdlicheren Gegenden um die An gara, wurden von den Buräten vertrieben und ſuchten Zuflucht in ihren jeßigen Wohnfißen . nen fich Jakuten ,
Safha , und
die
Sie ſelber nen
Bedeutung
des
den die Ruſſen ihnen geben ,
Namens
iſt unbekannt.
Sie find ein weit lebhafteref Volf als die meiſten ih rer Nachbarn und wandern nur einmal jährlich, friſche Weide für ihr Vieh zu ſuchen .
um
Ihre Sommer
hütten beſtehen aus Birkenrinde , von welcher Streifen mit Noßhaaren zuſammengenäht werden.
Im Herbſte
gehen ſie wieder in ihre Hölzernen Hütten in den Wäl dern , machen
die an die Wieſen gränzen , und
in
Schobern
haben eine dicke Bedeckung warm
jält ,
und
wo
aufhäufen . von
werden nicyt
ſie ihr Heu Dieſe
Hütten
Kuhsünger,
die ſie
vom Rauch beläftigt,
153 da ſte Sqornſteine haben , beſtehen ,
die aus hölzernen Röhren
welche gegen das Feuer durch einen
dichten
Ueberzug von Thon und Kuhdünger geſchüßt werden . Die Hütte hat nur , ein
Fenſter , immer rechts vom
Gingange , das mit einem großen Block von durchſich tigem Eiſe auðgefüllt wird , von welchem man
den
Rauchfroſt abfraßt, der ſich anſept, während die Rauch röhre in der Nacht geſchloffen iſt. 3hr gewöhnliches Getränk im Sommer iſt Kumib ", gegohrene Stuten mild , welche auch die Kirgiſen trinken , und ihre Nahrs ung, beſteht aus der dünnen Binnenrinde von Lärchen bäumen und Föhren , die mit friſcher oder geronnener Milch gefocht wird .
Die wohlhabenderen Volfsklaffen
efſen Butter und Fett dazu , und Viele von ihnen haben gegen hundert Rühe und Pferde.
Die Kälte hindert
fie , Schafe , Ziegen , Schweine und Federvieh zu hal ten.
In der Nähe des gefrorenen Meereß haben ſie
weder Weiden , noch Rindvieh oder Pferde, halten aber viele Hunde für ihre Fiſcherei.
In der Brütezeit ſam
meln fte die Eier vieler wilden Vögel.
Die Jagd und
der Fiſchfang feßen fie in den Stand ,
ihre Abgaben
zu bezahlen und fich einige Lebensbedürfniſſe zu ſchaffen .
Diejenigen ,
die
entfernt von den
vers
Städten
wohnen und daher, wie man vorausſeßen könnte, we niger geſittet ſein müßten , haben viele Tugenden und gute Eigenſchaften , welche diejenigen, die nur theilweiſe gefittet, fich an Bedürfniſſe gewöhnt haben , die ſie nicht
154 befriedigen können ,
nicht mehr beſtzen.
Dieſe Mens
ſchen ſchämen fich nicht, Niederträchtigkeiten zu begehen , um zu und
erlangen ,
was Bedürfniß für fte geworden
zum Glücke
ihren
entfernteren Brüdern
unbe
fannt geblieben iſt. Sie hangen wovon wir
an manchem ſeltſamen Aberglauben ,
nur einige Beiſpiele mittheilen
wollen .
Das Fleiſch des weißen Rebhuhns, das in allen nörds lichen Gegenden Europas und Aftens gewöhnlich iſt, hat eine viel weißere Farbe als das Fleiſch von ande rem Wild.
Die Jakuten nun glauben, daß dieſes Reb
huhn vor Zeiten der größte Vogel in der ganzen Schöpf ung war und , ſtolz keinein
anderen
auf ſeine Größe und Geſtalt,
Geſchöpfe
den
Rang
laſſen
wollte.
Eines Tages begegnete der Vogel auf ſeinem Fluge der Gottheit Langara mitten in der Luft , nicht
ausreichen
Berachtung mit
und
wollte ihr
ſtreifte fie zum Zeichen der
ſeinem Flügel.
Zur
Strafe
für
dieſe Anmaßung wurde ſein weißes Fleiſch unter alle Vögel vertheilt, und ſeitdem hat er nur bie Größe, morin wir ihn jeßt finden .
Ein anderer eben ſo läch
erlicher Wahn, nach welchem ſie noch immer im Soin mer gläubig handeln , iſt die Meinung, daß es gewiffe Steine gebe , welche die Kraft haben , eine . plöbliche Veränderung in der Lemperatur der bringen.
Luft hervorzus
Dies iſt ein alter Aberglaube,
der wahr
ſcheinlich ſo allgemein angenommen war, daß vor mehr
155
als hundert Jahren unter der Regierung der Kaiſerin Anna ein Ukas erlaffen wurde, der bei fchwerer Strafe ben Gebrauch dieſer Steine verbot.
Ade Volksklaſſen
in Jakutsk, hohe und niedere, find veft überzeugt, daß fte die Kraft haben , Regen oder kalten Wind nach Belieben 9 Tage nach einander hervorzubringen, wenn die gehöris gen Förmlichkeiten dabei beobachtet werden . erwieſen ſein , daß der Stein
Es muß
in dem Magen eines
Thieres gefunden worden iſt, und je wilder das Thier, defto wirkſamer iſt der Stein , Bärenmagen
gefundene
am
ſo daß der in einem höchſten
nach ihm der Stein aus einem
geſchäßt
wird,
Wolfsmagen, aber die
bei Pferden oder anderen zahmen Thieren gefundenen gelten
weit weniger.
Man nennt ihn die , Sata ",
und die Art des Gebrauchs iſt ganz einfach und macht keinen Anſpruch
auf Zauberei
God Regen bewirkt
oder ſchwarze Runft.
rerden , ſo muß Derjenige , der
das Werk übernehmen will, vor Tagesanbruche auf ſtehen und in dem Augenblicke, wo die Sonne über den Horizont emporfteigt ,
den Stein in Quellwaſſer
tauchen und, ihn zwiſchen dem Daumen und Vorder finger der rechten Hand haltend, dem aufgehenden Ge ftirne
barbringen .
Zu
gleicher Zeit muß
er brei
Luftſpringe in der, dem Laufe der Sonne entgegenge fepten Richtung machen , und der Zauber iſt vollendet. Solen aber neun Tage lang falte Winde wehen , muß der Sata in das
fo
Blut eines friſch getödteten
156 Vogels oder wilden Thieres getaucht und der Sonne mit denſelben Wendungen dargebracht werden.
Wer in
Sommer in Sibirien reiſet, wird durch Hiße und Ins ſecten unerträglich geplagt. Sobald er in einer Stadt angekommen iſt, didt er einen Sakuten mit dem Aufs trage ab, um jemand aufzuſuchen, der jenen Schak be: fißt, und iſt der Mann gefunden , ſo wird am folgenden Morgen für einige Loth Tabak das Verfahren durch gemacht und der Reiſende, hat neun Tage lang nichts mehr von Hiße oder Musfitofliegen zu fürchten. 3d beſige einen dieſer Zauberſteine, der im Magen eines Wolfes gefunden wurde. Es iſt ein abgerundeter uns durchſidytiger Quarz , der vielleicht Jahrhunderte lang in einem Bergſtrome fortgewälzt ſein mochte, bis er ganz glatt
und
rund
geworden
war
und
Wolfe beim Trinken verſchlungen wurde.
von
einem
Dieſer Aber
glaube iſt ſehr alt und ſtammt von den Hunnen, wenn wir Gibbon glauben wollen .
Er ſagt, Attila ſei nicht
allein als Krieger gefürchtet worden , ſondern auch als Zauberer, und habe durch Zauberkünfte den Khan der Gerugen befiegt.
Die Befürchtungen der Gerugen bez
zogen fich auf eine ſolche Zauberei, da ſte glaubten, daß die Hunnen nach Belieben Sturm und Regen hervor bringen könnten.
In der Geſchichte Timur-Beg's wird erzählt, daß dieß durch einen Stein geſchehe, Gezi ge= nannt , deſſen Zauberfraft
auch von den mohammed
157
aniſchen Tataren im vierzehnten Jahrhunderte der Ver luft einer Schlacht zugeſchrieben wurde. Die Tungufen ſind einer der zahlreichften Stämme und über ein großes Gebiet verbreitet.
Einige find in
den Küftengegenden am Ochozkiſchen Meere angeftebelt
1 und werden Lamuten genannt, von dem Worte lam, das See bedeutet. Sie ſtammen von den Mandfihu und ihr Dialekt weicht wenig von der Mandſchuſprache ab.
Sie bekennen ſich zur Religion des Dalai-lama.
Die 3 ufagiren , ein kleiner Nomadenftamm , wohnen in der Nähe des Gl & meeres zwiſchen den Flüſſen Lena und Kolyma.
Sie waren in früheren Zeiten viel zahlreicher
und nannten fich Omef , verließen aber ihre Heimat gegen Ende des ftebzehnten Jahrhunderts wegen der Vers heerungen der Pocken , die viele von ihnen hinwegraff ten . Sie ſollen mit ihren Renthieren über das Eie meer auf die Inſeln vor der Mündung der Jana und Indigirka gegangen fein .
Man hat einige Ueberrefte
der Stangen ihrer Hütten gefunden, und da noch viele Inſeln unentdeckt find, ſo iſt es möglich , daß ſie noch einige derſelben berrohnen , oder auf das Beſtland von Amerika fich begeben haben . Es iſt wenig Unterſchied zwiſchen den Sitten der Sufagiren und Tunguſen .
Einige, die
ihre Renthiere
verloren hatten, ftebelten ſich am Anui an, unweit Niſcha nei-Kolinek, wo nach Wrangel's Bericht das
Thermo
meter am 5. Januar auf — 57 °. fiel.. Sie haben ihre
158
Mutterſprache vergeſſen und ſprechen ruſilich. ihrer nur noch gegen dreihundert.
Es find
Die Tſchuftſchen
werden zur Provinz Irkutsk gezählt, find aber in der That ein unabhängiger Stamm von zehntauſend Seelen . Vor mehr als hundert Jahren warb ein Kriegszug ges gen ſie entſendet, um ſie durch Einſchüchterung von Los bolek nach dem Fluſſe Anadyr zu brängen , aber ohne Erfolg.
Vierzig Jahre ſpäter waren fte den Gränzbe
wohnern an der Rolyma wieder fo furchtbar geworden , daß ein Beamter an fie abgeſchickt wurde , der durch milde Mittel fte dahin brachte, friedliche Gewohnheiten anzunehmen .
Auf dieſe Weiſe lernten ſie die Vortheile
des Handelsverkehrs kennen , und ſeitdem kommen ſie regelmäßig , um ihr Pelzwerk, ihre Maminuthe
und
Wolfsgebeine gegen eiſerne und kupferne Waaren und Tabak auszutauſchen. Da ihr Land eine Wüſte iſt, ſo haben fte feine anderen Lebensbedürfniſſe als diejenigen , die ihnen die Thiere liefern , welche die Wüfte mit ihnen theilen .
Viele find getauft , aber es iſt zu bezweifeln ,
daß dieß auf ſie gewirkt habe , ba fie den Prieſter nur einmal jährlich ſehen , wenn ſie den Markt beſuchen, und ſie ſind dann fo ganz mit ihreun Tauſdhandel be fchäftigt, daß die Religion wahrſcheinlich keinen ſehr ftarken Eindrud auf fte machen kann.
Die Schwierig
keit, ihnen die chriftliche Lehre in einem nur wenig bea fannten Dialekt zu erklären , ift auch ein großes fina derniß ihrer wirklichen Bekehrung.
159 Es dürfte hier nicht am unredyten Orte ſein , einige Worte über eine Bemerkung in Wrangel'8 Berichte von ſeiner Reiſe in den Polargegenden zu ſagen , die Hedenſtröm's Anſichten von der Ausdehnung des noch unerforſchten Landes in äußerſten Often betrifft. Hedenſtröm wohnt am äußerſten Ende von Weſtſibirien, und Wrangel's Bericht wurde nie in Rußland veröfa fentlicht.
Es war daher nicht leicht für ihn , die deutſche
Ausgabe in jener großen Entfernung zu erhalten, und die Umſtände erlaubten ihm nicht, auf diejenigen Stellen des Werkes zu antworten , wo ſein Name häufig vors kommt. Wrangel ſagt, Hedenſtröm habe, in der Uebers jeugung von dem bedränkten Umfange Neuſibiriens auf der Oſtſeite, feine urſprüngliche Abſicht aufgegeben , einen Sommer dort zuzubringen.
Als
er
ſelber in
einem Theile des Meeres angekommen ſei , den Hedens ſtröm 1810 beſucht habe, ſei es ihm unnüş erſchienen , in jener Richtung weiter vorzubringen. daher glauben , daß Hedenſtröm
Man könnte
es nicht für möglich
gehalten habe, weiter vorzubringen, und daß die Mittel, die Wrangel zu ſeiner Verfügung hatte, zur Ausführ ung eines ſolchen Unternehmens nicht hinlänglich ge weſen ſeien . Es geht jedoch aus ſeinem Verichte her vor, daß er eine weit angemeſſenere Unterſtügung von der Regierung erhielt . Hedenſtröm war drei Jahre, 1808 - 1810, in den ſelben Gegenden , die Wrangel bereiſete ,
und entdeckte
160
unter Anderem Neuſibirien .
Er fehrte 1811 nach
Irkutel zurück , um ſeinen Bericht behauptete darin ,
zu erſtatten .
Er
daß er von zwei Inſeln im nord
öftlichen Archipelagus Land zu ſehen geglaubt habe; welches er mit Hunden nicht erreichen könnte , nur auf der , lich wäre.
da
es
im März nicht gefrorenen See zugäng=
Man wunderte fich , daß das Meer in
einer ſolchen nördlichen Breite in jener Zeit und über haupt ſchiffbar fein ſollte, Wrangel aber hat die That ſadhe beſtätigt. Fahrt,
Im Jahre
1820. unternahm
er eine
um Hedenſtröm'e Angaben zu bewähren und
die angeblich noch unerforſchten Länder zu
entdecken .
&r war mit wirkſameren Mitteln ausgerüſtet als Hea denſtröm acht Jahre früher.
Es wurden 90,000 Rubel
dazu bewilligt, fünfmal ſo viel, als Hedenſtröm ten hatte.
erhal
Aué Wrangel's Unterſuchungen geht hera
vor , daß Hedenſtröm’s Karten ziemlich richtig waren und ſeine Beſtimmungen der Breite und Länge nidit bedeutend von denjenigen abwichen ,
die Wrangel auf
der von ihm in ſeinem Hauptquartier errichteten , mit allen aſtronomiſchen Werfzeugen verſehenen Sternwarte gegeben hatte.
Als Hedenſtröm im Mai 1810 zweis
hundert und vierzig Werſte nord - nord- öftlich vom Vors gebirge Argali (oder dem
Bärenvorgebirge nad Wran
gel's Sarte) in der See
war ,
Licht vor fich ,
ſah er
ein hellblaues
das durch ſeine Farbe und veſte Stella
ung Land in der Ferne ankündigte.
Ein differ Nebel,
161 den ber um
Mittag gefallene Schnee verurſachte, hin
berte die Ausficht , aber ein Strahl von gleicher Art war von Zeit zu
Zeit in einer ſüdlichen Richtung
fichtbar , ' wo , wie Hedenſtröm wußte , Tſchuktfchen lag ,
und einen noch
das Land der
dunkleren Punct
hielt er für das Vorgebirge Schelagskoi, doch wagte er es nicht, ihn in ſeiner Karte anzugeben. Die Son dirungen verminderten fich beſtändig und fielen
inner
halb einiger Werfte von 114 auf 11 Faden.
Nord:
wärts war der Himmel berrölkt, See
und das Bett der
chien in dieſer Richtung höher zu ſein .
Die
Spalten im Eiſe hinderten von Zeit zu Zeit die Fahrt, endlich aber hemmte eine ſechszig Fuß breite Spalte gänz lich das Vorbringen, und eß zeigte fich eine ſtarke Strömung nach Südweſt, in einer geraden Linie zwiſchen ihm und Behringſtraße. Auf einer dieſer Spalten bemerkte er einen Boden von ganz anderer Art, als der veftländi ſche war ,
aber fehr ähnlich dem Boden Neufibiriens,
das jedoch zu weit entfernt war , als daß der Boden von dorther herbeigeführt worden ſein konnte.
Wahr
cheinlicher war es, daß er von dem vermutheten nörd : lichen Lande gekommen fein möchte.
Auch ſah Beden
ftröm eine weiße Eule und mehre Züge wilder Gänſe, die alle in der Richtung des blauen Lichtes flogen, wie er glaubt, um dort ihre Nefter zu bauen , da es in der Zeit war , wo fie bas Waffer verlaffen.
A18
Coot aus der Behringſtraße in die See fam , marb 11 Cottrell's Sibirien, 1,
162 er fogleich durch Treibeis gehemmt, und ſein Begleitet Brotton war der Meinung , daß dieß ein nahes Land anzeigte.
Clerke, der nach Co of'8 Tode den Befehl
übernahm ,
machte im
folgenden Jahre einen neuen
Verſuch weiter nordwärts vorzubringen , gleichfalls durch Eis aufgehalten .
ward aber
Er bemerkte jedoch
eine Deffnung gegen Norden und ſah denſelben Nebel, den Hedenſtröm für einen der Berreiſe hielt , daß Land in der Nähe wäre.
Die Eisberge muften von bem
ſelben Winde getrieben
werden ,
der Clerfe's Segel
Ich welte, und war die Gee zu Hedenftröm's Zeit nords wärts offen , ſo mußten fie ihren Lauf in derſelben Richtung fortfeßen , biß fie durch eine Untiefe aufge Halten " wurden , was ein anderer Beweis fein würde, baß Land nicht weit entfernt war.
Hedenſtröm glaubt,
daß dieß die Urſache der Hemmung war ,
die Clerfe
erfuhr , wierrohl wir keine Nachricht von ſeinen Sons pirungen an dem entfernteſten Puncte haben , den er erreichte.
Der Nebel, der im Sommer durch die Aus
dünftungen verurſacht wird, die dann ſtärker find zu der Zeit, wo Luft und Waſſer eine ähnliche
als Tem
peratur haben , würde den Anblic des Landes verhins dert haben , ſelbſt wenn es ſo nahe geweſen wäre , als er glaubte.
Im Jahr 1762 wurde ein ruſfiſcher Ser:
geant, Namens Andreeff mit einem kleinen Boote von der Kolyma in nördlicher Richtung entſendet, um jene Gegenden zu erforſchen.
Bei Feiner Rückkehr übergab
163 er eine Skizze von einem in jener Richtung. der Kolyma
-
großen
bewohnten Lande
Als Bidinge ſpäter zu Lande von
in das Gebiet
der ſchuftfchen reifete,
begleitete ihn ein Unteroffizier, der Roſal Robeleff, der in Anadyrek die gemeine Sprache jene8 Volkes gelernt hatte.
Nach ſeiner Angabe hatte er von den Iſchut
tſchen , gehört, daß in der Nähe des Vorgebirge Sches Tagakoi vor Zeiten ein zahlreiches Bott gewohnt hatte, welches endlich, von den Dſchuftſchen beſiegt, mit ſeinen Renthieren in ein großes nördlich liegendes Land geflohen mar , wo es fich niederließ , während die Tſhuktſchen das Land am Vorgebirge
befeßten.
Da
Hedenſtröm
bargethan hat , daß die See im März nordweſtlich von dieſem Puncte offen iſt, ſo darf man wohl eher ſchlies Ben , daß ſie auch zu jener Zeit offen ſein mußte , und daß das Eis in ſeinem Fortgange durch Untiefen oder Land aufgehalten ward , als daß die See ſpäter im Sommer und weit mehr ſübwärts von dem Puncte, wo fie offen iſt , gefroren ſein ſollte. überzeugt,
Hedenſtröm
war
daß er ſeinen Plan ausführen und durch
die Hudſonsbai fahren könnte , und legte dem Kaiſer Alerander den Entwurf einer Unternehmung vor , der Beifall fand.
Die Ereigniſſe der
Jahre 1812 und
1813 hinderten aber die Ausführung, und Hedenftröm's Geſundheit hatte ſo ſehr gelitten , daß er ſpäter nicht im Stande geweſen ſein würde, ein ſo ſchwieriges Uns ternehmen zu verſuchen.
11 *
164 !
Das Land ,
führen wollen ,
wir unſere Leſer nun
durch welche
iſt eine Strecke weit äußerſt eintönig
und kann wenigſtens diejenigen , die mit der Dertlid fert nicht bekannt ſind, nicht ſehr anziehen .
Nach dem
Eintritte in Sibirien erhält das Land bis auf eine gewiſſe Entfernung mehr als vorher das Anſehen einer Die Dörfer liegen gewöhnlich am Ufer eines
Steppe.
großen Sees , der den Einwohnern und ihrem Bieh Waffer liefert , und man findet Hausthiere in großem Ueberfluß. In
einem der Dörfer ,
burd, welche wir famen ,
wurde der bekannte Empörer und Betrüger Pugat fcheff geboren , der ſeine Liſten mit glüdlichem Erfolg übte , und während wir die Pferde wechſelten , erzähl ten und die Landleute dieſes Ereigniß in ihrer Gea ſchichte.
Die Umſtände waren zu jener Zeit ſo wich
tig und merkwürdig , daß es wohl an ſeinem
Dete
ſein dürfte , hier einige Worte über dieſen Mann zu ſagen , gegen welchen und einige andere noch immer jährlich bei gewiſſen
Gelegenheiten ein Fluch in den
ruſfiſchen Kirchen geleſen wird . ein
& r war von Geburt
boniſcher Korak und ein Ausreißer von feinem
Stamme.
Beſorgt vor den Folgen ,
begab er fich in
die Nähe des Ural und verbarg fich einige Zeit unter den zahlreichen Sectirern in jener Gegend. ftand, der kurz vorher unter
Ein Auf
den Roſafen am
Jait
ausgebrochen und noch immer nicht gedämpft war, und
1
165 das Bruterband, das ſtets diejenigen vereint, die ſonſt in nichts einig find als in Glaubenszwiften , begünſtigte Als er unter einen Haufen & m=
ſein Unternehmen . pörer gerathen mar , Peter III. aug.
gab er ſich fühn für den Kaiſer
Man hätte Verſuche gemacht, ihn zu
ermorden , behauptete er , aber er wäre glüdlich ents kommen ;
die Raiſerin Katharina
hätte das Gerücht
von ſeinem Tode verbreitet und ſogar feinen Leichnam öffentlich ausſtellen laſſen ; doch
dieß wäre nur eine
fchwache Erfindung des Feindes gereſen , und er fönnte keinen beſſeren Beweis von ſeinem Daſein geben, a18 daß er unter ihnen erſchiene, um ihren Beiſtand und Gehorſam zu fordern .
Einige ſeiner Anhänger mochten an ſeine Ge
ſchichte glauben , während andere nur wenig Ueberredung brauchten , den Aufſtand fortzuſeßen , den frie ſchon lange begonnen hatten .
Er beſaß unſtreitig perſönlichen Muth,
und obgleich er keine Aehnlichkeit mit dem verſtorbenen Kaiſer hatte, fo hatte doch keiner von denjenigen , deren Vereinigung mit ihm wahrſcheinlich war , irgend eine Gelegenheit , über dieſen Punct zu urtheilen .
Er be
gann mit der Blocirung der Stadt Saidf, doch wurde dieſer Verſuch durch die Unerſchrockenheit der Beſaßung vereitelt. & r gab daher dieſes Unternehmen auf, zog gegen Orenburg und ſchlug auf dem Wege einige gegen ihn entſendete Seerabtheilungen . Darauf belagerte er die Stadt, da man aber Verſtärkung hineingeworfen hatte, ſo mißlang ſein Plan , fte zu überrumpeln . Im Winter
166 ftieß ein anſehnlicher Haufen von Kalmücken zu ihm , und nachdem er Gewaltthaten aller Art begangen hatte, zog er gegen die reiche und wichtige Stadt Jekaterin : burg. Es würde ihm wahrſcheinlich nicht ſchwer ges worden ſein , fte einzunehmen, wenn nicht das Gerücht von der Annäherung eines ſtarken Heerhaufens ihn bewogen hätte, ſein Unternehmen zu verzögern . Er fand bei der allgemeinen Anhänglichkeit des Volkes keine Schwierig keiten, fid Lebensmittel und Kriegebedarf zu verſchaffen , und zeigte einige Zeit große Mäßigung ; er erklärte fogar ſeine Abficht, ſeinem Sohne die Krone abzutreten und fich in ein Kloſter zurückzuziehen , ſo bald er die Em= pörung gedämpft haben würde. Stolz auf ſein Glück , und wie die meiſten aus ſeiner Volksklaſſe, eher fähig Mißgeſchid als Glück zu ertragen , warf er bald die Larve ab und beging die ſchrecklichſten Grauſamkeiten zum
großen Nachtheil ſeiner Sache.
Seine Anhänger
TE
waren ſämmtlich aus den unteren Ständen , und um bei einer Gelegenheit zu verbergen , daß er der deutſchen Sprache nicht mächtig war, da er viele deutſche Offiziere hatte , ließ er alle niedermegeln. Endlich überfiel ihn der Fürſt Galißin mit einem ftarken Heerhaufen .
Pugatſcheff zog fich in die Gegend
von Orenburg zurück , wo ſeine Soldaten eine völlige Niederlage erlitten und er ſelber nur mit Mühe entkam . Er wußte jedoch ſeine zerſtreuten Krieger
wieder zu
ſammeln und ftellte fich noch einmal den faiſerlichen
41
167
Truppen entgegen .
Plößlich
erſchien
er vor Raſan ,
verbrannte die Vorſtädte und belagerte die Veſte, in welche der Gouverneur mit der Befaßung fich zurüd gezogen hatte.
Sein Glück
war von kurzer Dauer.
A16 ein Heerhaufen heranzog, würden ſeine Soldaten zuſammen gebauen und er rettete ſein Leben durch Flucht. Mit dreihundert ſeiner verwegenften Anhänger ging er über die Wolga und wurde noch einmal durch 70,000 Mann verſtärkt, ſo daß er auf einen Augenblick den Gedanken fabite, gegen Moskau zu ziehen , wo ſeine Runds ſchafter eifrig bemüht waren , die Unzufriedenen und Auffäffigen aufzuregen.
Als aber mit den Türfen Friede
geſchloſſen war, fürchtete er, die geſammten Streitkräfte des Reidies auf fich zu ziehen, und gab den Plan auf. @r überließ fich wieder ſeinen ungeſtümen Leidenſchaften und beſchleunigte durch die empörendften Grauſamkeiten ſein
Schidial.
Der Graf Panin
wurde nach ſeiner
Rückkehr von der Belagerung der Veſtung Bender gegen ihn entſendet und ſein Heer völlig geſchlagen .
416 er von
den meiſten ſeiner Anhänger ſchon verlaſſen war, ſo wollten die übrigen ihn bewegen, ſich gegen Begnadigung zu erges ben, aber er mochte nichts davon hören, und diejenigen, die ihm vergebens zugeredet hatten, bebachten fich nicht, ihn zu verrathen .
Er wurde gefangen und dem General
Sumarrow überliefert.
Im Januar 1775 warb er zu
Moskau enthauptet , nachdem er alle Umſtände ſeiner kurzen ,
aber
ereignißvollen Laufbahn
entdeckt hatte.
168 Dieß
iſt der Hauptinhalt der
Berichte, den Core
von dieſer Begebenheit mittheilt und den man ale ben ausführlichften und genaueſten betrachten kann , da der Verfaſſer kurze Zeit nachher in Rußland war und viele Nachrichten von Perſonen erhielt , die thätigen Antheil an dem Ereigniffe genommen hatten . Die ungünſtige Witterung war nun eingetreten. Wir brauchten drei
Tage und drei Nächte, um 520
Werfte zurückzulegen , und obgleich wir bald nachher fehr ſchönes Wetter an der chineſiſchen Gränze hatten , fo begann doch der Winter mit dem 2. October.
Es fiel
zwei Nächte hindurch bider Schnee , ehe wir nach Bes tropawlowsk
famen ;
wir
uhneten ,
daß
unſeren bequemen Wagen verlaffen müßten. wir früher gewußt ,
wir bald Hätten
wie weit beſſer es fich in jenem
Lande , felbft bei heftiger Kälte, in einer Kibitke reiſen läßt,
ſo würden wir die bevorſtehende Veränderung
weniger gefürchtet haben. Petropawlowsk iſt eine Stadt von zerſtreuten
nies
brigen hölzernen Häuſern , die eine kleine Veſtung, ein Karavanſerai,
mehre Kirchen und eine Anzahl
von Kaufläden hat, wo man eine größere Menge cus Topäiſcher Waaren findet, als man an einem Orte ers warten ſollte , der wie aus den Wolken in die Steppe gefallen
iſt.
Am Tage nach
unſerer Ankunft
mar
Markt, und eine ſolche bunte Verſammlung von Reitern hatten wir nie geſehen .
Die meiſten waren Kirgiſen ;
169 die Häuptlinge in ihrem
Feſtſchmucke waren maleriſch
in ihrer Hüßlichkeit, ihren bunten geſtidten Oberkleidern und
weiten
mißgeftalteten
Beinkleidern.
Unzählige
Kameele trabten durch die engen Straßen , oder wann ſte an Pfähle auf dem Marktplage gebunden waren , während ihre Eigenthümer um Häute oder Salg feilſch ten, beluftigten fie fich, in den übellautendſten Tönen zu ſchreien , die je ein ungewohntes Ohr beſtürmt hatten. Ghe wir in die Stadt kamen , gingen wir auf einer großen Schiffbrücke über den Sichim .
Mit dem Zoll
hauſe, wo alle Kaufleute ihre Abgaben bezahlen müſ fen , iſt ein ungeheueres Magazin "verbunden , das eine größere Menge Waaren aller Art enthielt, als vir hätten denken können .
Die Kirgiſen fabriciren in ihrer
eignen Weiſe, und die Proben , bie wir fahen , waren keineswegs zu verachten.
Sie haben alle Arten , das
Beder zu nüßlichen Zwecken zu verwenden angenommen, und die Geſchicklichkeit, die fich in ihren Trachten zeigt, ift in der That erſtaunlich.
Viele Waaren kommen aus
weiter Ferne, wie fich aus dem Umftande abnehmen läßt, daß der Werth der Waaren , die im Jahre 1840 in dem Zolhauſe angegeben wurden , fünfzehn Millionen Ku bel betrug .
Die Kirgiſen joden in ihren Verſprechungen unge mein ehrlich und treu ſein , wiewohl wir die Vermuth ung ausſprechen hörten, daß eine etwas längere Bekannt: ſchaft mit ihren Nachbarn , den Ruſſen , fie in die Ges
170 heimniſſe be8 Truge und der Unredlichkeit einweihen müſſe.
Der Charakter der eingeborenen Sihirier ſoll ſich
ſehr verſchlimmert haben, ſeit fte in ſo nahe Berührung mit ihren Beftegern gekommen ſind, beſonders mit den jenigen, die als Beamte in das Land geſchickt werden. Die Kirgiſen haben ein Gemiffendgericht oder Friedens gericht in allen Städten , deſſen Ausſpruch fie fich in allen Streitigkeiten unterwerfen müffen ; eine gute Einrichtung , wenigſtens wenn fle gut gehandhabt wird , da ſte das durch den Verzögerungen und Koſten der Proceſſe ent gehen , welche in jedem Lande ſchlimm , aber in Ruß land beiſpiellos arg ſind.
Man erzählte uns eine luſtige
Geſchichte, die ſich kurz zuvor ereignet hatte und vor dieſes Gericht gekommen war.
Zwei Kirgiſen fanden
eine lebendige Maus in einem Mehlſacke.
Der Anblick
war ihnen neu und ſeşte fie in das größte Erſtaunen . Ein Kirgiſe iſt alles, was eßbar ift, lebendig oder tobt, und einer der beiden Leute erbot ſich , dem anderen ein Schaf zu geben , wenn er die Maus lebendig verſchlingen molte.
Der Handel
ward
augenblicklich
abgeſchloſ
ſen , und die Maus ging ichnell in die Gurgel des Can nibalen hinab . Der andere bereute jedoch den Kandel, obgleich ein abgehäutetes Schaf ein Gegenſtand von ſehr geringem Werth iſt.
Er machte Einwendungen und
wurde vor das Gewiſſensgericht geladen , das ihn ver urtheilte, die Strafe für feine Thorheit zu bezahlen . Außer dem
täglichen und wöchentlichen Handelsvers
171
kehre mit den Kirgiſen ,
ſteht man von
Zeit zu Zeit
große Karavanen von Tibet , Bokhara und ankommen und
dahin abgehen .
Rokhan
Armenier , Bokharer,
Kirgiſen und viele andere Nomaden , die unter dem allgemeinen Namen ,, Tataren “ bekannt ſind, gehen be ſtändig hin und her auf ihren Handelsreiſen , da ſte ohne Beläftigung über die Gränzen China derer Länder gehen dürfen , ftattet ift.
und an
was den Ruffen nicht gea
Die rufftſchen Behörden geben keine Päffe
für jene Länder, wiewohl allerdings Viele fich über die Gränze wagen , beſonders in die Mongolei. Den Chineſen iſt es natürlich bekannt, daß die Reiſenden Fremdlinge ſind, aber ſo lange fie ſich gut betragen, werden ihnen keine Schwierigkeiten gemacht, wenigſtens nicht jenigen ,
Den
die zu den geringeren Volfsklaſſen gehören .
Wüßte man , daß Leute von höherem Rang ſich einzu ſhleichen pflegen , ſo würde ihre Eiferſucht ein ſolches Benehmen alsbald ungehörigen Beweggründen zuſchreiben. A18 im Sommer 1810, wie wir wiſſen , ſo etwas ge= dah ,
machte der Hof in Peking Vorſtellungen in
Petersburg . Seite, baumwollene Waaren , grobe wollene Teppiche, getrocknete Früchte und Türkiſe ſind die ge wöhnlichen Tauſchwaaren gegen Leder, Pelzwerf, Glas, Giſen und gewöhnliche Töpferwaaren , wovon jährlich eine große Menge ausgeführt wird .
Die Hauptge
ſchäfte werden im Tauſchhandel gemacht, beſonders mit den Kirgiſen, wiewohl auch dieſe bald mit dem Werthe
172 des Geldes bekannt ſein werden .
Der Einfuhrzod in
Nußland beträgt an dieſer Gränze zwei Procent, ſo daß das reine Einkommen im Solhauſe zu Petropawlowse im Jahre 1840 fich auf 300,000 Nubel belief, und ohne Zweifel wird es jährlich zunehmen. Engliſche Goyriftſteller find über dieſen Theil des ruffiſchen Han dels hinſichtlich ſeiner Außdehnung völlig im Dunkeln, und weil über den Verfall des Handele auf dieſem ober jenem Plaße allgemeine Angaben in Umlauf kommen , ſo wird ſogleich gefolgert , daß
der Handel überhaupt
feineêregs gedeihe ; aber nach den Bemerkungen , die wir an verſchiedenen Orten gemacht haben , überzeugt, daß dieß nicht der .Fal iſt.
ſind wir
Nechnet man
den Betrag der Einfuhr und Ausfuhr längs der Gränze von Orenburg bis Riachta
zuſammen ,
ſo wird der
Geſammtbetrag, wie wir glauben, weit größer ſein, als man gewöhnlich annimmt.
Hier iſt der Handel burcha
aus Monopol , und man hat auf dieſer Seite von der Mitbewerbung der Engländer nichts zu fürchten.
Wir
wiſſen zwar wohl, daß vor einiger Zeit britiſche Manu : facturvaaren in Perſten vielen läſtigen Rückzöllen una terworfen waren, welche die rufftſchen Waaren nicht be zahlten ,
aber troßdem ſind die Engländer wegen der
wohlfeileren
Erzeugung
Preiſen zu verkaufen .
im
Stande ,
zu
geringeren
Auf dieſer Gränzlinie hingegen,
wo die Rohſtoffe meiſt ausgeführt werden , gibt es keine Ich geftche , daß ich die Handelseifer
Mitbewerbung.
173 ſucht, die man zeriſchen den beiden Wölfern zu erhöhen , ſo eifrig ſich bemüht, für Höchft ungereimt Halte.
Es
ift nicht abzuſehen , warum ihre beiderſeitigen Intereffen fitch feindlich begegnen ſollten.
Das öftliche Veftland iſt
groß genug für beide Theile , und wenn es den Eng= ländern gelingt, einen regelmäßigen Handel mit Kanton zur See zu eröffnen, fo läßt ſich nicht einſehen , warum nicht Rußland auch ſeinen Antheil zu Lande über Klachta nach den nördlichen Provinzen von China haben ſollte. Auf alle Fälle kann nichts gewonnen werden durch den beftändigen Hader, den die Handelérelt ſo gern erregt. Es ift recht ſchön, von der Unabhängigkeit der Tſdhera teffen zu ſchwagen, aber England hat an andere Dinge zu denken als an einen Kreuzzug nach dem Raukaſus, während die lauteſten Schreier, welche die reinfte Theils nahme zur Schau
tragen ,
in der That nur an die
Pfunde und Schillinge benfen, und berechnen, wie viel mehr Salpeter und andere Waaren die Tſcherkeſſen von ben Engländern kaufen würden,
wenn Rußland freien
Durdigang geſtatten wollte. Wir ſind feinebwege Schußrebner für ruftſche An maßung und haben von beiden Seiten viel über den Tſcherkefſenfrieg gehört, und der eine Theil ſchildert die Sache ſo ſchrecklich als der andere.
Wir find jedoch
überzeugt, daß , wenn die Politik in ſolchen Dingen zu Rathe gezogen werden muß, es für die Engländer deſto beffer ift, je weniger fie fld einmiſchen.
Ze länger der
17+ Krieg dauert , und es iſt keine Ausſteht auf nahe Bea endigung , deſto berberblicher wird er für Rußland ſein . Der Kampf koſtet den Ruffen mehr Streitkräfte und Geld, als man gervöhnlich glaubt.
Siebzig Jahre find
feit ſeinem Anfange verfloſſen , und e8 iſt nicht näher biß zu ſeinem Ende.
Der jegige Kampfplaş iſt nicht
die Gränze Indiene ; das Gebiet der Ruſſen, in deffen ruhigem Beſige fie ſind, und zu welchem einen unges ftörten Durchgang zu gewinnen, der Zweck dieſes grau ſamen Krieges ift, liegt meit davon entfernt.
Was
man auch über den legten Zweck , den man im Auge babe, ſchreiben mag, die Beſchaffenheit des Landes zeigt offenbar, daß nicht wegen reicher Erzeugniſſe der Krieg Aber wäre das Land nid )ts als eine
geführt wird .
Steppe, ſo würde Rußland daſſelbe Intereſſe haben , eine fichere Straße nach Georgien zu erlangen , als wenn es ein Paradies wäre. Wir bezweifeln ſehr , ob es je mehr als ein Durchgang ſein könne , Eingeborenen
und wenn die
nid )t Rußlands Raravanen beläftigten
und ſeine Unterthanen angriffen, ſo würde eß fich wohl ſchon lange zufrieden gezeigt haben.
Aber ſeine Eigens
liebe iſt nun die Haupttriebfeder geworden, und Ruß land würde jeßt vielleicht nicht mit demjenigen zufrieden ſein , was es vor zwanzig Jahren gern angenommen hätte.
Die Reiſe von Petropawlowdf nach Omst , 285 Werſte, legten wir in dreißig Stunden zurück.
Wir
175 gingen auf einer Fähre über den Jrtiſch, da der Strom zu ſchnell und zu breit für eine Brücke ift.
Omsf hat
ein gutes Anfehen vom jenſeitigen Ufer aus und zählt ge gen 10,000 Einwohner. in die Stadt ,
Tritt man von der Waſſerſeite
fo fommt man gleich in die Beſtung ,
die hübſch, aber nicht ſehr ſtark ift.
Sie hat einen
Graben mit einer Zugbrücke nach der Stadt hin , aber ohne Waſſer.
Der Dm , ein Sufluß deb Šrtifda, läuft
zwiſchen dem Graben der Veſtung und der Stadt und hat eine Schiffbrücke. Stab
Der General- Gouverneur ,
der
und die meiſten Oberoffiziere wohnen in der
Beftung. Omek iſt erſt ſeit einigen Jahren die Hauptſtadt von Weſtſibirien.
Früher war Tobolsk der Siß des Ober
befehlhabers und die Offiziere haben die Veränderung Tobolsk lag auf der geraden Straße
ungern geſehen.
zwiſchen beiden Sibirien oder doch nicht weit aus dem Wege, wogegen Omsk am Rande der Steppe liegt und keine Hauptſtraße von dort ausgeht ; die Einrichtungen waren weit beſſer in Tobolsk und es war leichter, die täglichen Lebensbedürfniſſe zu erlangen .
Dazu kommt,
daß der Aufwand für die Offiziere fich vermehrt hat, welche, da fie als Geſammtheit ſchlecht bezahlt werden , keine reichlichen Geldmittel befigen mögen. Omsk ift jeßt der theuerfte Ort in Sibirien . Faſt alle Bedürf wiffe müffen aus Moskau geholt werden ; es gibt noch keine Handwerker , kurz jeder Artikel muß als augs
176
ländiſches Erzeugniß bezahlt werden .
Der Oberbefehl
haber, Fürſt Gortſchakow , hatte indeß gute Gründe, dem Kaiſer die Verlegung des Sißes der Regierung anzurathen.
Getriß bewogen ihn nicht Privatrüderichten,
weil ſein Aufwand größer fein muß als in Coboler. Sein Haus iſt nichts weniger als gut, da eine Amte wohnung noch nicht gebaut ift, und bei feiner Vera pflichtung, jährlich einmal bis zweimal eine Reiſe durch den ſeiner Verwaltung anvertrauten unermeßlichen Be= zirk zu machen , war die Lage von Tobolsk im Mittel puncte deffelben weit bequemer für ihn . die
Aber gerade
Nähe der Steppen , die für ſeine Unterbeamten
nachtheilig iſt, war für ihn von großer Wichtigkeit. Einer der Hauptzrecke, bie er im Auge hatte, war die Gründung einer rufftſchen Anſiedelung durch die Kir giſenſteppe in gerader Linie nach Tibet.
Die Entferna
ung von Omsk bis an die Gränze von Tibet beträgt 1200 Werfte, und die Bewohner eines Theiles dieſer Wüfte find in freundlichem Verkehr mit den Ruffen . Šo bald daher eine bauernde Anſtedelung burch das ganze Gebiet angelegt ſein wird, werden ftch dem Handel der Ruffen unermeßliche Vortheile darbieten .
In dies
ſem Augenblicke iſt dieſes Unternehmen auf einer Strede von 900 Werften oder drei Viertheilen des Wegeß aus geführt.
Es iſt eine Koſakenlinie dauernd eingerichtet,
die mit Geſchüßen, Kriegsbedarf und allen Bedürfniffen für einen veſten Wohnfiß verſehen iſt, der von Zeit zu
177 Zeit feindlichen Einfäden ausgeſegt ſein kann. Die Kirgiſen aber fürdjten ſich ſo ſehr vor den Koſaken ziehen ſo viele Vortheile aus dem Handel mit
und
Rußland ,
daß die Rarawanen ießt auf der ganzen
Strecke von 900 Werſten ſo ſicher reiſen als in irgend einem Theile des Reicheb. einen
Jeden Sommer gewinnt man
neuen Punct, und ohne Zweifel wird in ſehr
wenigen Jahren das rufftſdye Reich endigen , wo Tibet beginnt .
Man ward auf einige Zeit durch einen Lands
ſtrich gehemmt , der öder und unwirthlicher war als das übrige Land und, wie man glaubte, bis an Tibete Gränze reichte; ein Kofak aber, der drei Jahre als Gee fangener in dem
Lande lebte , hat berichtet, daß fich
dieſer Bezirk nur auf neunzig Werſte erſtreckt, und er beſchreibt bas jenſeitige Gebiet als fruchtbar , gut bes wäſſert und ganz Steppen.
verſchieden von
den gewöhnlichen
Es wird ſich daher wahrſcheinlich den Fort
ſchritten der Rufſen kein Hinderniß mehr entgegenſtellen, und ein Blick auf die Karte zeigt , daß fie dort den Gränzen des britiſchen Reiches in Indien weit näher ſind als auf einem anderen Wege, den fte nehmen fönnten . Sind die Ruſſen einmal bis an die Gränze von Tibet gekommen, ſo wird es ihnen nicht ſchwer werden, veften Fuß im Lande zu faſſen ,
und der Durchgang
für ihre Waaren nach Indien würde fich dann von ſelbft verſtehen. Cottrell's Sibirien, 1,
12
178 Der Handel mit den Kirgiſen
in
Omøf iſt ſehr
bedeutend, und es geſchieht Alles zu deſſen Ermunterung. Häute find der Hauptgegenſtand, den
ſie
zu Markte
bringen , und ſie kaufen dagegen Pulver und Vorräthe von den Behörden.
G8 fragt fidy ,
ob es klug ſei,
ihnen ohne Unterſchied zu verkaufen , was gegen die Verkäufer gebraucht oder an Feinde der Ruſſen ver kauft werden könnte.
Aber die Kirgiſen find ſo feig,
daß man feine große Gefahr fürdytet, wiewohl es des Kaiſers großer Zweck iſt, ſo viele von ihnen als mög lich durch milde Mittel zu gewinnen .
Shre Steppen
hat man ſeit einigen Jahren gut benußt, da in dem Sande viel Gold aufgefunden wurde. hat das Gouvernement Omsk ,
Im Jahre 1840
das man früher nicht
für goldreich hielt , 85 Pud von dieſem
Mineral ge
liefert, und zwar einen anſehnlichen Theil davon aus den Steppen .
Haben die Unternehmer den Boden un
terſucht und ſich überzeugt, daß es belohnend ſein werde, Gold aufzuſuchen ,
fo miethen ſie von den Kirgiſen
einen Landſtrich für einen jährlichen Zins , Sand zu waſchen.
um
Nad Beendigung der Unternehme
ung fällt der Boden an die Eigenthümer zurück , ihn dann ,
vom Sande gereinigt,
Zuſtande finden .
den
Man hatte im
die
in anbaufähigerem lezten Jahre große
Hoffnung auf Vermehrung des Ertrages, da es wahr cheinlich iſt, daß die Däche, die von den Bergen an der dineſijden Gränze fommen , räufig Gold führen .
179
In Omsk befteht eine Kriegſchule, wo fünfhundert Knaben , meiſt Soldatenkinder , einige Kirgiſenknaben und die Söhne von Verbannten zu Soldaten erzogen werden .
Die Anſtalt wird vortrefflich geleitet.
Wir
beſuchten ſie zu verſchiedenen Zeiten und es ging nichts über die herrſchende Regelmäßigkeit und Drönung. In der Schule wird Lancaſter's Lehrart angewendet, und wie fich verſteht, ift kriegeriſche Zucht eingeführt.
Ades
war äußerſt reinlich und wir fanden das Eſſen und die Betten vortrefflich.
Es gibt noch eine andere Krieg
ſchule bloß für Roſaken , deren Zöglinge
in einigen
Beziehungen für eine andere Laufbahn beſtimmt ſind, als die übrigen naben .
Wir find überzeugt, daß kein
land in der Welt eine vorzüglichere Anſtalt habe als dieſe, nur bezweifeln wir , ob ſte nicht zu gut für diejenigen ſei, die darin erzogen werden, wenn wir bedenken, was ihre fünftige Beſtimmung ſein ſoll. Sie enthält ſechszig Söhne von Edelleuten und hundert zwanzig gemeine Koſaken.
Das Gebäude iſt hübſch und hat ſehr be
queme Schlafräume.
Die Knaben werden im Zeichnen,
in der Algebra, im Sprechen , in Geſchichte und Be veftigungkunft unterrichtet.
Die erſte Klaſſe , die nur
Knaben unter fiebzehn Jahren enthält, lernt hauptſäch lidh die morgenländiſchen Sprachen , und die Zöglinge find zu Dolmetſchen und Geſchäftführern im Morgen lande beſtimmt. Wie der General Schramm, der Ober aufſeher der Schule ,
ung ſagte, verſtehen die meiſten 12 *
180 Zöglinge der erften Klaffe Mongoliſch ,
Arabiſch und
Perftſch und werden von eingeborenen Jünglingen auch in
der Volfſprache der Nomadenftämme unterrichtet.
Wir ſahen zwölfjährige Knaben mit dem Franzöſiſchen beſchäftigt, das fte ſehr geläufig und genau ausſprachen und nach dem Dictiren ſchrieben .
Mehre Proben von
ihren Zeichnungen, die wir mitnahmen , zeigten großes Talent. Sehen wir , wie viel Mühe angetrendet wird ,
in
den Wildniſſen Sibiriens Knaben für die Dienſte zu erziehen ,
die fte als Männer leiften ſollen , ſo können
wir uns nicht wundern ,
daß Rußlands Diplomaten
den engliſchen ſo überlegen find, und die Denkweiſe, die eine folche Vorbereitung erzeugt haben muß , wird ihnen große Vortheile als Unterhändler und Geſchäft= führer gewähren . Das Mittageffen der Zöglinge beſteht aus Suppe mit Fleiſch und Gemüſe, reichlichem Brot und Quas, dem Erſaß für Bier in Rußland , den wir für ſehr geſund halten und keineswegs unſchmackhaft fanden, ob gleich die meiſten Reiſenden dieſes Getränk faft als ein Gift ſchildern.
Frühſtück und
Abendeſſen find von
ziemlich gleicher Art, und man berechnet, daß die Roft für den Kopf täglich 12 Ropefen foftet.
Die Regiers
ung bezahlt für die ganze Anſtalt jährlich 60,000 Rubel, die alle Ausgaben decken , und es muß gut gewirth ſchaftet werden, um von einer ſo geringen Summe 180
181
Knaben zu kleiden
und zu ernähren , die Gehalte der
Lehrer zu bezahlen , die Gebäude in baulichem Stande und Ades zu erhalten, was mit der Anſtalt in Ver bindung fteht, zumal an einem Orte , mo , außer den gewöhnlichen Brot iſt
Nahrungmitteln , Ades fehr theuer ift.
wohlfeil, das Pfund Rindfleiſch koſtet zwei
Kopeken, Wild gibt es in Ueberfluß, Haſen aber werden faſt nie gegeſſen , zum Theil aus religiöſem Vorurtheil; ein Birkhuhn foſtet nur fünfzehn Ropefen , Fiſche find ziemlich häufig, doch nicht in ſolchem Ueberflufſe wie weiter in Sibirien . Die Knaben , die nicht zu Beamten beſtimmt find, werden Roſakenoffiziere,
können
aber nie das Corps
verlaſſen oder barin über den Rang eines Oberſten hins aufrüten .
Die Koſakengenerale
anderen Dienſtzweigen genommen .
werden
immer aus
Betrachtet man die
Erziehung , die fte erhalten , und die Befähigung , die man ihnen zutrauen kann , ſo halten wir dieſe Anord nungen für hart und fte werden auch von Offizieren anderer Waffen ſo angeſehen.
Ein Subalternoffizier
unter den Roſaken hat jährlich nicht mehr als 115 Rubel *) , ein Hauptmann 300. Es iſt ihnen aller dings ein beträchtliches Stück Land angewieſen , aber der Dienft an dieſer Gränze iſt ſo mühſam , daß fie dem Feldbau wenig Zeit widmen können .
*) Papierrubel.
Sie haben mehr
182
Dienſte zu leiſten als die Kofafen am Don und doch nicht dieſelben Einkünfte und Vortheile.
Es iſt zu ver
wundern , daß fte bei ſo geringem Solde fich wie Offi ziere und Leute von Bildung Kleiden können, und doch fahen wir fte auf einem Bale zu Omsk in guten Unis formen und nicht ſchlechter gekleidet als andere Offi ziere.
Eine andere Anſtalt in Omsk , phiſche Raferne ,
die
topogra
iſt ganz vortrefflich
eingerichtet
und macht den Ingenieuroffizieren , unter deren Leits ung fte fteht,
die größte Ehre.
Die Zöglinge find
auch Goldatenföhne, die als Zeichner gebraucht werden . Wer den Generalftab in Petersburg geſehen hat , wird fich wundern , wenn wir ihm verſichern , daß die An ftalt in Omsk , die zu jener Zeit unter der Leitung bes Barons Homen und des Generals Gorski ftand, in keiner Beziehung hinter der hauptſtädtiſchen zurücfſteht. Die Karten vom Kaukaſus, von Georgien , der kei und allen weſtlichen Theilen Aftens find
in
Tür einem
Maßſtabe und mit einer Genauigkeit in den Einzel heiten und
einer Geſchicklichkeit gezeichnet,
worüber
nichts geht. Leider dürfen fle nicht veröffentlicht werden . Nad zehnjähriger Dienſtzeit in dieſer Anſtalt werden die jungen Leute Offiziere und erhalten während jener Zeit jährlich 120 Rubel, die aber zurückgelegt werden , um ihnen nach Ablauf der zehn Jahre ein kleines Kapital zu fichern.
Alles in der Anſtalt iſt in
vollkommener
183
Drönung ,
und daß Eſſen und die Betten ſind gut.
Die Bettwäſche wird zweimal monatlich gewechſelt und ſtreng auf Reinlichkeit geſehen. Die Geſellſchaft in Omsk beſteht, mit einigen Aus nahmen ,
nur aus Kriegsmännern ,
iſt aber ſehr gut,
vrenn man den Umfang des Ortes und die Zahl der Einwohner in Erwägung zieht.
Wir können dem Für
ften Gortſchafow für feine Höflichkeit und Gaſtfreund ſchaft nicht genug
banken .
Von Rurik abftammend
und im Beſitz eines hohen Kriegsranges
und eines
guten Vermögens, iſt er als General -Gouverneur nach Sibirien verbannt, ſtatt in einer der beiden ftädte zu wohnen , ſein würde.
Haupt
in deren Geſellſchaft er eine Zierbe
Niemand aber fann , ſo lange er in tvirf
lichem Dienſte iſt, eine Stelle ablehnen ,
und eine ſo
ehrenvolle, als das Amt eines General-Gouverneurs ift, würde
nicht
leidyt jemand
aufzugeben
geneigt
ſein.
Auch von anderen Generalen wurden wir mit Wohl wollen und Gaſtfreundſchaft aufgenommen, und obgleich ein neuerer engliſcher Schriftſteller den Ruffen wirflidhje Gaſtfreundſchaft abſprechen will, ſo können wir doch nicht zu oft wiederholen , daß wir , was Europa betrifft und nicht viel weiter reicht unſere Erfahrung
fie
in keinem Lande auf gleiche Weiſe gefunden haben . Wir hatten mehrmal Gelegenheit , jenſeit des Jr tiſch in der Kirgiſenſteppe an Jagden Theil zu nehmen , die der Baron Silvarhielm veranſtaltete,
ein ruſſiſcher
184 Offizier aus einer finnländiſchen Familie ,
die bei der
Groberung ihres Vaterlandes fich entſchloß ,
auf die
Wir machten große Ver
ſtegende Seite überzugehen. heerungen unter den Baſen ,
Birkhühnern und weißen
Die Hafen find weit größer als in Engs
Rebhühnern .
land, werden aber wenig gefchäßt, ausgenommen von Jägern und Pelzhändlern .
Das levitiſche Geſeß, wel
ches den Haſen als unrein verurtheilt, gilt in einigen Beziehungen in der griechiſchen Kirche, und obgleich viele Menſchen fich ohne Zweifel kein Gewiffen daraus machen würden , eo zu mißachten , ſo iſt doch die Sitte, kein Haſenfleiſch zu eſſen , ſo herrſchend , daß ich mich nicht erinnere, es je auf einer rufftſchen Tafel geſehen zu haben.
Das Wetter war während unſeres Aufenthaltes in Omsk ſchön und angenehm bis zum 5. October , wo wir in der Nacht 12 ° Réaumur Rälte mit Wind und Schnee hatten.
Der kleine Fluß Om war am näch
ften Sage ganz zugefroren und das is wegbar.
Am
7. ward es wieder milder und die Sonne mar faſt verſchwunden. mipalatinsk ,
An dieſem Tage reiſeten wir bis Ses einer Stadt von 8000 Einwohnern am
Prtiſch, faft am Fuße des Altaigebirges.
Wir folgten
auf dem ganzen Wege der Roſakenlinie und reifeten ſchneller als irgendwo feit unſerer Abreiſe von MOB kau .
Der Roſafengeneral
in Omsk , Dlenitd ,
war
ſo gütig geweſen , unſere Pferde zu beſtellen , und wir
185 fanden ſie überall bereit. zen ſehr gut.
Die Straßen waren im Ganz
Wir bemerkten den größten
Unterſchieb
zwiſchen den behenden Roſaken und den Tataren , ſehr träge und langſam find.
die
Unſere Nichtung ging
ſüdmärte , immer länge der Gränze Chinas, und wir fanden eine merklich höhere Temperatur. Gegen Mittag den 22. October famen wir nach Gemipalatinsk ,
und während wir in der Nacht vor
unſerer Abreiſe von Omsk 12 ° Kälte gehabt hatten, zeigte das Thermometer hier 20 ° Wärme, ein vollfom mener Sommertag.
Von der legten
Boftſtation vor
Semipalatinsk waren wir faſt immer durch einen ſandigen Wald gekommen , und unſere acht Pferde Hatten Mühe, den Wagen zu ziehen . zogenen Röcken .
Wir gingen meiſt mit
ausges
Die Sonne ſchien ſo warm , und die
Ausſichten waren ſo reizend , daß wir lange zögerten, um uns an der morgenländiſchen Landſchaft zu er freuen .
Die Straße lief länge einer Höhe hin .
Vor
uns lag der Altai und die mit ihm verbundene Bergkette innerhalb der Gränze Chinas , die den ausgedehnteſten Bezirk einer Gebirgreihe auf der ganzen Erde umfaßt. Es iſt keine gleichförmig zuſammenhangende Rette, aber doch eine Verlängerung derſelben Kette, die unter den Namen Altai, Tian =tſchan und Kuen- tun fortläuft und in dem rieftgen Himalaja endigt . ihnen füllen ungeheuere Seen , gibt es viele Vulfane ,
die
Den Raum zwiſchen und
im
Sian -tichan
entfernteften vom Meere,
186
die man in der Welt findet .
Viele anſehnlide Berge
laufen von ihnen aus,
viele ſehr reich an Mineralien und viele noch zu wenig bekannt, als daß Geographen
fie beſchreiben
Von Ramtſchatka bis zum
könnten.
Birmanenreiche läuft eine faft zuſammenhangende Ge birgreihe , die nur von Zeit zu Zeit theilweiſe unter brochen
wird .
Altai heißt
Es iſt ungewiß ,
im Türkiſchen
Goldberg .
ob dieſer Name auf das in ſeinem
Schooße gefundene Gold hindeute ,
oder ob die Ral
mücken ihn wegen der vielen goldenen Zierrathen auf gebracht haben ,
die fie in Gräbern an ſeinem Fuße
fanden . Der Irtiſch ,
ein
ſchöner und raſcher Fluß ,
war
zu unſeren Füßen , auf beiden Seiten eine Ebene , die ſo weit reichte, als das Auge trug , und noch immer im Sommerſdymuce, vor uns .
und die Stadt Semipalatinsk
Alles vereinigte ficy,
Panoramen zu bilden ,
eines der reizendſten
das man ſelbſt in einem
lichen Klima finden kann.
jüd
Dieß iſt der Garten Sibiu
riens, der eine der reichſten Floren im nördlichen Aſten enthält.
Die nächſte Umgegend
von
Semipalatinsk,
ein Bezirk von zwanzig Werften rings um die Stadt , erzeugt achthundert verſchiedene Arten ſeltener Blumen und Geſträuche.
Fruchtbäume werden wenig angebaut,
weil die Einwohner gleichgiltig dagegen ſind , aber wir fahen Trauben , die unter freiem Himmel gereift und eßbar waren .
Der Polizeimeiſter,
der Baron Hül
187 leſen , ein Kurländer , ſchickt der botaniſchen Geſell ſchaft in Moskau jährlich eine Anzahl neuer Pflanzen Es ift auffallend , daß Pflanzen , die in anderen Ländern die Kälte nicht ertragen , ihr hier
und Geſträuche.
auf eine ſo
außerordentliche Weiſe widerſtehen.
die Mitte des Septembers hatte man
18 °
Um
Réaumur
Kälte gehabt, und jeßt einen Monat ſpäter hatten wir Die äußerſten Gränzpuncte
eben ſo viele Grade Wärme.
von beiden find höchft bedwerlich , beſonders die Hiße. Wie Baron Hüllefen uns fagte , iſt es im Sommer kaum möglich, anderswo als in einem Keller zu ſchla fen ,
wegen der erbrückenden Hiße und der Schwärme
von Musfitofliegen und anderem Ungeziefer aller Art. Wie der Weinſtock mitten in ſo großer Hiße nach einer plöglichen Kälte von 18 ° fortbauern und einen Monat ſpäter reife Trauben haben könne , ſcheint faft unglaublich zu ſein, und doch iſt es eine unbezweifelte Thatſadze. Die Winterkälte iſt nicht ſo heftig als die Sommerhiße , die zuweilen auf 45 ° ſteigt. Ein Naturforſcher könnte keinen beſſeren Sommer aufenthalt wählen als dieſe Gegend.
Man findet hier
Inſecten in großer Anzahl und von wenig Arten .
bekannten
Die Tarantel iſt faſt in jedem Hauſe zu
den , und . obgleich
ihr Biß
giftig
iſt und
fin =
kräftige
Mittel zur Heilung fordert, ſo find doch die Einwoh ner ſo ſehr daran gewöhnt, daß ſie wenig Inſect achten .
auf das
Opium iſt das gewöhnliche Heilmittel.
188 Der Jäger fühlt die größte Verſuchung,
eine ſolche
Neiſe zu machen , da es faum eine Art von großem oder kleinem Wild gibt, die nicht in jener Gegend und um Buchtarminsk in Ueberfluß zu finden wäre.
3ch
fah mehre , mir unbekannte Arten des Haſelhuhns und die Francolini ,
die ich nur einmal oder zweimal in
Sibirien geſehen habe.
Nicht weit über die Gränze
hinaus findet man in Ueberfluß Elenthiere , Rothrild aller Art ,
das Argali und den Büffel.
Dieſes Thier
ſtammt aus Tibet und findet fich in verſchiedenen Far ben , jdwarz ,
weiß , grau und braun .
Er hat einen
langen Körper, und die Mitte des Rückens ſcheint ein gebogen zu ſein , weil Hals und
Kreuz mit ſteifen
aufrecht ſtehenden Haaren beſegt ſind , wodurch beide höher erſcheinen.
Einige haben
Hörner.
Der Kopf
ift flein , der Hals dünn und kurz wie der Schweif, und der Fuß klein .
Das Haar der Mähne ift kurz,
aber auf der Bruſt, dem oberen Theile der Schenkel und am Schwanze iſt es fieben his acht Boulang ; es iſt ungemein glänzend , ſeidenartig und in Tibet ein bedeutender Handelsartikel. chen es
zu
Standarten
Quaſten an
Die Chineſen gebrau
ihren Sommermügen und
und färben es gewöhnlich
ſcharlachroth.
Die ſogenannten Robichweife der Türken werden gleich falls daraus gemacht.
Die meiſten kommen von Tan=
gut und werden in Hong -ticheu gefärbt,
der Haupts
ftadt der chineſiſchen Provinz Tſchi- Kiang , die wegen
189
ihrer
Seidenmanufacturen berühmt
ift.
Das
Thier
brüllt nicht, ſondern grunzt wie ein Schwein , und wird wild und gezähmt an den treftlichen Gebirgen Chinas, in
Sangut und Tibet gefunden.
ſchöne Arten des Iber ,
Wir ſahen mehre
aber nicht
von dieſer
Gatt
ung iſt dem Argali zu vergleichen , deſſen Hörner un geheuer groß ,
ſehr gewunden und
ſtark find.
Wir
glauben , er würde ein furchtbarer Gegner ſein , wenn man
ihn zur Vertheidigung triebe.
Das
Thier iſt
jedoch ſehr ſcheu und wohnt , wie die Gemſe , an den unzugänglichſten Orten.
Die Stadt Semipalatinek hat mehr das Anſehen eines großen zerſtreut liegenden Dorfes.
Alle Häuſer
ſind von Holz , doch wohnen dort einige reiche Rauf leute, die veftere und ſchönere Häuſer zu bauen anfans gen . Der Handel mit China iſt hier ſehr bedeutend und möchte noch mehr zunehmen, wenn der Gedanke, dieſen Drt, ftatt Riachta, zum Stapelplage zu machen , je auss geführt würde .
Graf Cancrin roll dieſen Plan vor einiger Zeit gehabt haben , aber die Hartnäckigkeit der
Chineſen und ihre Abneigung gegen irgend eine Ver änderung , wie vortheilhaft fle ihnen felbft auch ſein möchte, hat die Ausführung ſeither verhindert. Der Irtiſch bildet hier die Gränze beider Reiche, und das Solhaus liegt auf dem jenſeitigen Ufer.
Wir
kauften einige ſchöne Seidenſtoffe zu einem ſehr billigen Preiſe. Sie Heißen „ Ranfer" ſind ungemein dick, ſchön
190
geſtift und gewöhnlid ) von zwei Farben, hochroth auf der einen und blau auf der anderen Seite ; obgleich fie ein Stück zu ſein ſcheinen, ſo find ſie doch , aber ſo ge ſchicit zuſammengewebt, daß man nicht unterſcheiden fann , wo fte verbunden ſind.
Es wird auf dieſem Wege nur
wenig Thee eingeführt, aber die Ausfuhr aus Rußland iſt ſehr anſehnlich, da die Reiſe nach Peking eben ſo weit iſt als von Riachta aus, und die Kaufleute er ſparen gegen 2000 Werfte, wenn ffe ihre Waaren von Moskau bringen
und
hier verkaufen .
Gegen 1440
Pfund Opium werden jährlich von hier nach China ausgeführt ; im Jahre 1839 wurde die ganze Opiumzus fuhr angehalten und weggenommen .
Gewöhnliche Töp
fermaaren ſind ein bedeutender Gegenſtand der Ausfuhr, wie auch Pelzwerf , Leber und Eiſen .
Die Ausfuhr
edler Metalle aus China iſt - ſtreng verboten , aber den = noch gingen vor zwei Jahren 180 Pub Silber durch das Solhaus in Semipalatinsk , wo die Barren ges ſtempelt werden , die von verſchiedener Größe zu dem Werthe von 400 bis 450 Nubel find .
Auf die Barren
iſt ein Schiff und zuweilen ein Schuh mit mehren dhineſiſchen Schriftzeichen geſtempelt. ſteht
in Nußland in hohem
Das Seißiſilber
Werthe , da es von den
Chineſen nie geläutert wird und eine Beimiſdung von Gold enthält. dieſem
Die Einfuhr in England
Grunde eine Prämie.
erhält aus
In einem Stücke, das ich
191
beſige, iſt das Gold ſehr ſichtbar. Der Name für dieſe Geldſtücke iſt Jamba.
gewöhnlicye
Ungefähr 450 Werfte jenſeit der Gränze liegt eine anſehnliche chineſiſche Stadt ,
Namens Tſchugotſcheck,
wohin jährlich viele Nuſſen verkleidet gehen, aber es iſt gegen die Gefeße beider Länder, wiewohl wir glauben, daß die ruſſtichen Behörden ſich nidyt viel darum bes kümmern.
Wir lernten in Barnaul einen Offizier ken =
nen , der im vorigen Sommer einige Tage dort geweſen war.
Nach ſeiner Beſchreibung iſt die Stadt groß und
volfreich, wird durch hölzerne Staketen vertheidigt und ſcheint unter ihren Einwohnern viele angeſehene Leute zu zählen ; wahrſcheinlich iſt ſie ein Strafort der Chines fen .
Sie hat eine Beratung von tauſend Mann , die
aus Chineſen beſteht, welche fortdauernd da bleiben, die übrigen Soldaten aber werden jährlich gewechſelt. Stadt liegt auf dem
Die
geraden Wege von Semipalatinsk
nach Peking, nicht vierhundert Wegſtunden davon ent fernt ,
ſo
daß die Chineſen wahrſdeinlich
gewinnen
würden, wenn ſie den Siß des Handels auf dieſen Punct verlegten ; aber ſo lange ſie glauben , daß dieſe Aenderung den Ruſſen vortheilhaft ſein müſſe, werden ſie ſich das gegen werden
wehren .
Die
neueſten
Ereigniſſe
ſie vielleicht vernünftiger machen .
in
Kanton
Sie kaufen
von den Kuſſen viele Körner von jungen Böcken , die ſie oft theuer bezahlen , um
Hirſchhorngeiſt daraus zu
bereiten , eine bei ihnen felr beliebte Arznei.
192
Eine andere große Straße führt von hier nad; Rar : karali in der Kirgiſenſteppe, und nicht weit davon fin : det man eine Höhle , die der Gegenſtand eines großen Aberglaubens ift.
Der Weg dahin geht durch
eine
große, eine Werft lange Felſenſpalte , an deren Ende man eine zertrümmerte Treppe fteht, auf welcher man von außen in die Grotte ſteigt.
Es gibt dort zwei
Zelte , ein blaues und ein rothes , aber wag darunter iſt, weiß man nicht, da niemand es wagt, fte zu une terſuchen.
Zwei fühne junge Kirgiſen , die ſo dreift
waren, es zu verſuchen , wurden, ehe ſie etwas geſehen hatten, von den bewachenden Geiſtern ſo übel zugerich tet, daß fie eilig entflohen.
Die Kirgiſen haben daher
große Furcht vor der Höhle ,
und wann eine ihrer
Kühe krank ift, opfern ffe Speiſen vor dem Eingange, die dann von unfichtbaren Händen weggeholt werden . Man findet bort in der That viele Argali- und Argo cerosknochen ,
Wir wurden von dem Baron Hülleſen , an welchen wir Empfehlungen hatten , ſehr gaſtfrei aufgenommen, und
am Morgen
nach unſerer Ankunft veranſtaltete
er für uns eine Jagd , wo wir beſtätigt fanden , was man ung von der Veränderlichkeit des Wetters geſagt hatte.
Statt des heißen Sommertages , den wir mit
brachten, war der nächſte Tag ein kalter windiger More gen , es fielen ziemlich dicke Schloßen und die Ausſicht für die Jagd war ſehr ungünftig.
Die Vorbereitungen
193 1 waren jedoch gemacht, und wir fuhren auf einigen Banf wagen zu dem vier Stunden entfernten Sammelplaß mit einer halben Compagnie Soldaten , die als Treiber dienen folten.
Wir ſchoffen einige Haſen und Birke
hühner, aber das Wetter war ſo ſchlecht , daß wir die Jagd bald aufgaben. es an nicht
Man hatte. dafür geſorgt, daß
fehlte, uns innerlich gegen die äußere
Kälte zu flårken.
Es wurde bald ein Feuer im Walde
angezündet, und wir labten uns an unſerer Suppe und falten Speiſen, den Champagner nicht zu vergeſſen, der von Riga bis Ramtſchatka nie in einer Zechgeſellſchaft fehlt. Zur Verbauung des Imbiffes mußten wir uns einem Mittel unterwerfen , das uns nicht wenig in Erſtaunen gefeßt haben würde, wenn wir nicht ſchon früher damit befannt geworden wären .
Ein Dugend Soldaten ſtellten
fich in zwei Reihen dicht neben einander, nahmen jeden von der Geſellſchaft in die Arme und warfen ihn in die Luft, fingen ihn dann in ihren Armen auf und warfen
ihn
wieder
empor ,
ſo
ſchnell als möglich,
und zwar eine beträchtliche Höhe.
Dieß geſchieht mit
großer Geſchicklichkeit.
Wer das Ding mitgemacht hat,
drückt die Arme veft an die Seiten , ftreckt die Beine fteif aus und fühlt keine Unbequemlichkeit. Dabei fingen die Soldaten einige ihrer vielen gefälligen, aber eintön igen Nationalmelodieen, welchen die Weichheit der Sprache eine Harmonie gibt, die ſie an fich nid )t haben . 13 Cottrra's Sibirien I.
Ein
194
tönig ſind ſie allerdings, aber ich geſtehe, daß ich mit großem Bergnügen den 3em tích if in der Nacht fein Liedchen trälern Höre, während er ſeines Weges fährt, wiewohl der Refrain immer derſelbe und der Sinn ganz unverſtändlich iſt.
Nach der Behauptung des Capis
" täne Jeſſe ſoll es den Kuſſen an Frohſinn fehlen , und er nennt fte das dimifofte Volf in der Welt, ſo lange fie nicht betrunken ſind.
Dieß iſt durchauß gegen uns
ſere Erfahrung, die auch von allen Schriftſtellern über Nuß land beſtätigt wirb .
Viele haben über die außerordent
lidhe Luftigkeit der Rufſen fich ausgelaſſen und Einige hinzugefeßt, was audy wahr iſt, daß Trunkenheit ihre Stimmung nicht ändert , da ſte nie grob oder unvers Tchämt werden.
Wir möchten ſie das fröhlichfte Volk
nennen , das wir fennen , und gewiß ſingen fie mehr als irgend ein anderes Volk. Als das Schwingen worüber war, fuhren wir heim , aber in dem erſten Bauernhauſe, das wir erreichten , ſtiegen wir ab , um wieder Champagner zu trinken . Nie ſah ich in ſo kurzer Zeit ſo viele Flaſchen leeren . Wir , die Fremden , zu deren Ehren die Jagd veran ftaltet wurde , mußten natürlich den heftigſten Angriff aushalten, und gewiß verſchlangen wir nie ſo viel He benſaft wider Widen. In einem kleinen Zimmer, das bis zum Erfticken
geheizt war , mußten wir ein Glas
nach dem anderen hinabftürzen , ſo ſchnell die Flaſchen die Runde madyen fonnten, und ohne zu verſchnaufen,
195
ohne etwas dabei zu eſſen.
Saum war dieß vorüber,
als wir in einem Wagen ohne Federn ſchnell babin rollten , bis wir in einem anderen Bauernhauſe hielten ,
an
um dieſelbe Büßung noch einmal zu beftehen .
Ich mag nicht ſagen , wie viel wir getrunken haben , denn niemand würde mir glauben ,
zumal wenn ich
hinzuſege, daß wir unſere Wohnung bei vollem Bet roußtſein erreichten ; aber allerdings befanden wir uns beffer nad; einigen Stunden Schlaf, ehe wir uns zum Whift niederlegten.
Es läßt ſich
nicht vorausſegen,
daß auch nur der hunderifte Theil der Flüffigkeit, die
2 als Champagner verkauft und getrunken wird , je die Champagne ſah, da der Verbrauch in Petersburg allein Jährlich auf eine Million Flaſchen ſteigt, und es iſt keine Uebertreibung, zu ſagen, daß in jedem , ſelbſt bem entlegenſten wird .
Theile Rußlands
Champagner getrunken
Der Verbrauch in Maimatſchin ,
während der
Meſſe in Riachta fol unglaublich bedeutend fein , aber wie dem auch ſei ,
8 wird die Flaſche dort mit fünf
und zwanzig Rubel bezahlt.
Ich kann bezeugen ,
daß
viel echter und vortrefflicher Champagner eingeführt wird. Der hohe Einfuhrzoll iſt eine gute Einnahme. quelle der Regierung. In Moskau koftet guter Cham. pagner fünfzehn Rubel. # Wir lernten hier den , auch in der wiſſenſchaft lidhen Welt befannten Herrn von Raveline kennen , der im
Departement de Finanzminiſtero Grafen Cancrin 13
196
angeſtellt ift.
Er
machte eben
Neiſe durch ganz Oſtfibirien Sammlung von Thieren ,
eine
und
wijfenſdaftliche
hat eine
herrliche
Pflanzen und anderen nge
turhiſtoriſchen Gegenftänden angelegt . Er gehört zu den echt ruſfiſchen Weſen , welde das Talent befizen , überall zu Hauſe zu
ſein ,
mit
allen
Dingen mehr
oder weniger fich bekannt zu machen und dadurdy ihrer Negierung unter dem Gewande eines Botanikers und Boologen nüglich zu werden . Bu Karfali in der Kirgiſenſteppe iſt eine , feit 1823 gegründete rufftiche Anfiebelung am Fuße der Ulutange= birge unter 500 nördlicher Breite und 75 ° öſtlicher länge.
Es iſt dort unter den Kirgiſen eine Art von
patriarchaliſcher Regierung eingerichtet , die von ihnen ſelbft gewählt wird und von den Ruſſen gewährleiſtet ift.
Der Präſident wird von ihnen befoldet und von
brei zu drei Jahren gewählt.
Sein Anſehen wird im
nöthigen Fall durch Rojaken - Bayonette unterſtüßt, und es fteht ihm ein Divan zur Seite , den Ruſſen gewählt wird
deſſen Hälfte von
Unter dieſen Umſtänden
wird in nicht langer Zeit die große Maffe dieſer Nos madenſtämme, deren Anzahl fich nicyt genau ſchägen läßt , obgleich fte gewiß ſehr anſehnlich iſt , in rufftiche Unterthanen verrandelt ſein. Zur Zeit der Kaiſerin Katharina wurde hier ein neues Mineral ,
der Dioptaz, von einem Manne Na
mens Aſcher entdect, der demſelben ſeinen Namen gab .
-197 GS ſoll ſonſt nirgend in der Welt fich finden .
Es iſt
ein Oryd von Kupfer und Eiſen in Kryſtallen angea ſchoſſen , von der Farbe des Malachit, auf einer Schicht von Quarz.
Die Kryſtalle: find ſo zerreiblich , daß ſte
nie ale Steine geſchnitten rrerden können. Wir verließen Semipalatinsk am 24. October bei Hellem ſchönen Wetter, aber die Nacht war kalt.
Auf
einer Strecke von 40 Werſten kamen wir durch das gewöhnliche offene Land , bis wir wieder das Ufer des Srtiſch erreichten , Tage in einem
über welchen wir zum Glück bei
gerbrechlichen Boote fuhren . Der Strom
war ſchnell, aber die Ueberfahrt glücklich, und am
jena
ſeitigen Ufer waren wir in dem Gebiete der Kirgiſen . Sie find in dieſer Gegend ſehr friedlich, und es iſt kein Geleite nöthig.
Wir fahen von
Zeit zu Zeit ihre
Kibitfen in der Ferne und große Heuſchober für ihr Bieb im Winter.
Die Straße war ſchlecht genug und
wahrſcheinlich nie von einem Wagen wie der unſerige befahren worden.
Wir folgten bem Strom auf einer
Strecke von mehr als 20 Werſten , bis wir wieder hinüberſeßen mußten.
Es war finſter.
Das jenſeitige
Ufer zeigte uns ſteile Klippen mit einem Dorfe , das wie ein Adlerhorft auf dem Gipfel ſtand.
Es war
nicht möglid ), mit Wagen und Pferden hinanzukommen. Wir ließen baber die Pferde zurückgehen , und es verging eine Stunde, ehe wir hinüberkamen.
Wir hatten ſchon
einige Zeit den Leuten am jenſeitigen Ilfer zugefchrieen , als
198 mir ein Floß in der Dunfelteit fommen ſahen ,
aber
der Strom
ver
ging ,
war ſo ſchnell,
daß eine lange Zeit
ehe es zur Stelle fam ,
wo wir waren .
A18
wir beinahe das jenſeitige Ufer erreicht hatten , ſtürzten fich einige Roſaken trop der heftigen Rätte in's Waſſer und brachten und mit großer Mühe auf den Landes plaß .
Wir kamen bald zu dem Poſthauſe,
und nur
bei ſolchen Gelegenheiten gibt guter Thee mit Milch einen üppigen Genuß . Die Gegend gewann von hier an eine ganz andere Geftalt. ſo
Aus der tobten Ebene ,
lange
gewöhnt
hatten ,
an welche wir uns
famen
eine offene maleriſche Gebirggegend .
wir plößlich
in
Dieß iſt der Ans
fang der niederen Rette des Altaigebirges ,
daß die
Gränze zwiſchen China und Rußland bildet.
Blumen ,
die wir zwei Tage früher im ſommerlichen Schmude geſehen haben würden , ſchrumpften
verbargen ihre
zuſammenge
Häupter unter ihrem Winterkleide.
So
plöglich iſt hier der Uebergang von einer Jahreszeit in die andere. die Erde.
Bei Anbruche der Nacht bedeckte Schnee Die Straßen waren ſchlecht und öde.
Zwei
Poftſtationen weiter mußten wir über den kleinen Fluß Ula gehen ,
was bei
ſein würde.
Der Fluß aber war zum Theil zugefroren ,
Tage eine Kleinigkeit gerreſen
1 und das gebrechliche Floß wurde ſo ungeſchickt geführt, daß das Hintertheil unſeres Wagens ins Gis hinabfuhr. Da ſaßen wir mitten in der falten Nacht veft.
Wir
199
mußten nun ſo gut wir konnten, herauszukommen ſuchen und bei Mondenſchein zu Fuße in das nädſte Dorf gehen.
Wir ſchliefen einige Stunden auf einem
rein
lichen Tiſche, bis der Wagen wieder in Ordnung war. Unſer Unglüd fing nun erſt an .
Die Straßen
waren
ſchlechter, als ſich jemand denken kann , der nicht in einem ſolchen Lande in der Zeit des Wedſele der Jahreszeit gereiſet iſt, wo es nicht Schnee genug für Schlitten gibt, und Eis und Waſſer et faſt unmöglich machen , Räderfuhrwerk zu gebrauchen .
Sechster Abſchnitt.
Bienen in Sibirien, Buchtarminsk. Smenogorsk. Sil: bergruben. Bearbeitung der Erze . Kronbauern . Dies Barnaul. Bergwerke. Schneeſturm . fer Schnee. Straße nach Iomst. Sechszehn Pferde vor einem Wagen. Geſellſchaft in Tomsk. Die Goldſucher. Wirfungen des Mangels an Preßfreiheit.
In den nächſten zwölf Stunden legten
wir
nur
achtzig Werſte mit acht , zehn und zwölf vorgeſpann ten Pferden zurück.
Wir hatten die Abficht, in dieſer
Nacht die Veſtung Uft -Kamenogorsk zu erreichen , die nur 90 Werfte entfernt war ; aber als wir ihr bis auf fünfzehn Werfte nahe waren , erfuhren wir in einem Dorfe, daß der ſehr ſchnelle Fluß urba, den wir über ſchreiten mußten , wegen des vielen Treibeiſes ganz un fahrbar war , daß man die große Schiffbrücke hinweg gebracht hatte und daß es ſehr ungewiß wäre , ob in zwei Tagen die Ueberfahrt möglich ſein würde.
Wir
fügten uns in die Nothwendigkeit, erhielten aber ein bequemes Nachtlager , wo wir geduldig bis zum näch ften Morgen auf Nachrichten warten wollten .
201
Der Anblick der Gegend, curd, welche wir gekommen waren ,
gab und die Hoffnung ,
gute Lebenômittel zu
finden , und wir ſahen uns audy nicht getäuſcht.
Die
Abwechſelung von Hügel und Thal und der überal fichtbare ſorgfältige Anbau des Landes verſprachen uns gute Roſafenquartiere, und wir fanden gaftfreundliche Aufnahme.
Vortreffliche Fiſche verſchiedener Art, eine
Menge wilder Früchte,
die für den Wintergebrauch
aufberrahrt werden , und Honig in Ueberfluß ſcheinen die Hauptnahrung der Einwohner zu ſein . Bauer
und ſagte, waren gegen Ende
Wie ein
des vorigen
Jahrhunderts drei Bienen aus Moskau geſchickt wors den ,
und dieſer kleine Stamm hatte nun das ganze
Land mit dieſen nüglichen kleinen Thieren verſorgt. Sie gedeihen bei der Menge der dort wachſenden Blu men ſehr gut, aber zuweilen thun die Bären ben Bies nenftöcken großen Schaden . Biber waren früher febr gewöhnlich in dieſem Sheile Sibiriens ,
aber man hat
fie ihrer Pelze wegen nach und nach vernichtet, biß fte jeßt beinahe ausgeſtorben find.
Ihre Felle gehören zu
dem theuerſten Pelzwerke, und ein Rodfragen , der einen Silberſchein hat, koſtet nicyt weniger als hundert Rus bel.
Biele engliſche Kaufleute in Petersburg kaufen
Pelzwerk aller Art in den Verſteigerungen der Hud ſonsbai - Compagnie
zu London und
ſenden eg nach
Kamtſchatka an die ruſfiſch - amerikaniſche Compagnie, die das Vorredyt hat , es zodfrei einzuführen , und fo
202
geht es nach Petersburg zurück, wiewohl natürlich audy viel eingeſchmuggelt wird . Am nächſten Morgen erhielten wir die Nachricht, daß wir c8 verſuchen könnten , in einem Boote über die Uiba zu kommen, unſeren Wagen aber zurüdlaſſen , müßten.
Dieſ hatte nichts zu bedeuten ,
einigen Tagen zurückkehren wollten .
da wir in
Wir festen und
in eine Telega und fuhren fünfzehn Werſte weit auf einer noch ſchlechteren Straße als vorher, aber wir ka : men mit der Telega weit ſchneller fort .
Bei der
Ueberfahrt über den Fluß war die größte Vorſicht nos thig , um das Boot im
Gleichgewichte zu halten ,
da
auf dem reißenden Strome viele Eisſchollen ſchwammen . Unſer Fahrzeug war nichts als ein ausgehöhlter Baum ſtamm , den jede Schole umzuwerfen drohte. Die Veſtung liegt vortheilhaft auf einer Anhöhe und iſt ſowohl durch Kunſt als durch ihre natürliche Lage ziemlich weſt. Sie iſt auf einer Seite von dem hier 1800 Fuß hohen Altaigebirge umgeben , die Straße nach Buchtarminsk geht.
über welches
Die kleine Stadt
uft-Ramenogorsk liegt in einem Thale ,
ungefähr brei
Werſte von der ulba , aber 1150 Fuß über dem Ras piſchen Meere.
Die Beſtung bat etwas Geſchüß und
gegen 400 Mann Beſaßung, wohner.
die Stadt 2000. Eins
Wie Cochrane berichtet,
wurde ſie zu ſeiner
Seit von einem Franzoſen befehligt,
der ſo lange
in
Sibirien wohnte, daß er ſein Vaterland vergeſſen hatte ,
203
3d fand einft eine noch weit merkwürdigere ung , den Befehlhaber
einer Veſtung
in
richein Norwegen ,
der nur einige Jahre vor Bernadette ſeine Anſtellung erhalten, aber ſeine Mutterſprache vergeſſen hatte, ohne die Landesſprache zu lernen . erſtaunt ,
Wir waren nicht wenig
als wir hörten , daß er ein Franzoſe war.
Sein Franzöfiſch war kaum verſtändlich, und wäre nicht ſeine Angabe von anderen Leuten beſtätigt worden , ſo würden wir nicht geglaubt haben , daß ſein Gedächtniß ihm treu wäre. Uft -Ramenogorsk ſcheint beſtimmt zu ſein, immer einen Ausländer zum Befehlshaber zu ha ben .
Zu jener Zeit war der Commandant der Oberſt
Maden , der aus Schottland ſtammte, aber in Riga geboren war . @r ſprach nidyt ein Wort Engliſch, aber ziemlich geläufig Deutſch.
Mit Rührung ſprach
er von ſeiner einſamen Lage ,
vielleicht als Vorſpiel
oder Entſchuldigung für ein Stück ſeiner Lebenøges ſchichte, deſſen Mittheilung fich ſonſt nicht rechtfertigen lief.
Er hatte erft kurz zuvor , im ftebzigſten Jahre,
ein ſehr hübſches Mäddhen von achtzehn Jahren geheiz rathet.
Sie war in dem vortrefflichen Findelhauſe in
Moskau erzogen und ſollte nach vollendeter Lernzeit als Hebamme in uft -Ramenogorsk angeſtellt werden . Sie hatte eine gute Erziehung erhalten und wurde als ſchäßbarer Zuwache der Geſellſchaft
in Ramenogorsk
betrachtet, felbft von denjenigen , die ihren Beiſtand nidyt brauchten.
Der Oberft fam ,
ſa
fie und war beffegt,
>
201
und ohne Zögerung raubte er ihre Dienſte ben Frauen , indem er ihr feine Hand gab.
Wir ſpeiſeten bei
alten würdigen Krieger und brachten
dem
den Abend bei
ihm zu , und ſein Haushalt erweckte in uns eine gün = ftige Meinung von den wirthſdhaftlidien Vorzügen fei ner Frau. Die Stadt Buchtarminst iſt ungefähr hundert Werfte von Uſt-Kamenogorsk entfernt, und bei gutem Wetter läßt fich die Reiſe leicht in einem halben Tage zurücf legen , obgleich der Weg durch eine ſehr gebirgige Gee gend geht.
Man kehrt gewöhnlich zu Waſſer auf dem
Irtiſch zurück und fährt angenehm und ſchnell auf dem raſchen Strome.
Davon war jegt nicht die Rede , obe
gleich die Straße ſchlecht genug mar. muß die Reiſe
reizend ſein
Im
Sommer
und anziehend für den
Naturforſcher und den Maler ,
die auf dieſem kurzen
Wege alle nur möglichen Abwechſelungen von Hüs geln und Thälern, von Gebirge und Waſſer, von an gebautem Lande und den wildeſten Landſchaften finden . Die Vefte liegt ungefähr eine Werft vom des Irtiſch , in
rechten Ufer
reizender Lage und bedeutend höher
als Uft-Kamenogorsk.
gegen
800
Ginipohner, und die Kälte ſteigt ſelten über 25º.
Die
Stadt hat
Die
einzige Merkwürdigkeit ſind die Abdrücke eines ſchenfußes und eines Pferdehufes im ſcheinlid, entſtanden , Zuſtand war.
Men
Granit, die wahr:
als der Stein noch im
weichen
Beide Abdrücke ſind nur ſo weit von
205 einander entfernt ,
daß man ſich einen Mann denken
kann , der ein Pferd auf Armlänge hielt, das ihm ent ſpringen wollte.
Es läßt fich leicht benken , daß
in
einem ſo abergläubigen Lande die ungereimteſten Ueber lieferungen über den Urſprung dieſer Abdrücke in Um lauf find. Ungefähr hundert Werſte von hier, zu Narim, fins bet man die erſten chineſiſchen Außenpoſten , die dort Kod - Zuba oder Rhoni-Mai-lafu heißen , nördlich vom Gee Zaizang;
aber die fühnen Gränzwächter verlaſſen
bei Annäherung des Winters ihre Station und kehren in das Innere zurüd.
Wir konnten daher über ihr
militäriſches Ausſehen nicht urtheilen , doch ſchilderte man fte uns als eine burleske Soldatenſchaft. Piquet wird oft gewechſelt,
Das
damit die Soldaten nicht
zu vertraute Freundſchaft mit den Ruffen machen . gibt mehre Orte
in
dieſer Gegend ,
68
wo die Ruſſen
Goldwäſchen angelegt und einige Silbergruben geöffnet haben .
In früheren Seiten wurden ſie in dieſen Un
ternehmungen von den Chineſen und Kirgiſen
geſtört,
iegt aber ſind ſie über dieſen Punct in gutem Bernehmen mit ihnen. Die Landſchaft iſt reizend. Ohne Zweifel würde keine günſtigere lage für eine Colonie gewählt werden können, und man hat auch daran gedacht, hier die Nie derlage für den Handel mit China , ftatt in Kiachta , anzulegen
Die Chineſen würden auf einem Theile des
Weges , eine Waſſerverbindung durch den
Fluß Narim
206 haben , der in die Buchtarma und den 3rtiſch fält, und auf dieſem Wege könnten Waaren ohne Schwierigheit nach und von Tobolsk fortgeſchafft werden . Während der Zeit, wo wir hier verweilten , war die Ulba wieder zu einem ruhigen Strome geworden.
Das
Gis war weggeſchwemmt, und ohne Schwierigkeit fuhren wir hinüber.
Wir kehrten nach dem Dorfe zurück, wo
wir unſeren Wagen zurückgelaſſen hatten , und fanden Alles wieder in gehörigem Zuſtande, aber die Wege hatten ein ſehr abſchreckendes Anſehen, und wir mußten über die Ulba auf einem Puncte gehen , der ganz vere ſchieden von demjenigen war ,
wo wir während der
Nacht beinahe ins Waſſer gefallen wären . jebody daran ,
Es lag uns
den Uebergang ſobald als möglich zu
lvagen, da das Sie fichtbar zunahm, und es war ſehr wahrſcheinlich, daß wir einige Tage mit dem Wagen warten müßten , bis das Eis veſt genug zum Uebergange
war.
Die erſten fünf und dreißig Werfte vom Dorfe
aber koſteten uns über neun Stunden.
Es ging immer
bergan über ſchlüpferige, halb gefrorene Hügel , ſo daß acht Pferde Mühe hatten , uns vor dem Zurüdgleiten zu bewahren .
Wir kamen in der Nacht dem Fluffe bis auf einige Werſte nahe und mußten in dem Poſthauſe ſchlafen , da nicht daran zu denfen war, in der Dunkelheit über zufahren.
Am Morgen aber gelang uns , was einige
Stunden ſpäter unmöglich geweſen ſein würde.
Der
207 Strom war ſehr breit und reißend, und die Eismaſſen trieben ſo ſchnell, daß nur das veſteſte Floß mit Beis ſtand von ziranzig Mann uns hinüberbringen konnte . Auf dem jenſeitigen Ufer fanden wir den Schnee ſehr tief und beſchloſſen , in Zmenogorsk , das
wir
am
Abend zu erreichen hofften , unſere Räder abzunehmen und den Wagen auf einen Schlitten zu ſtellen.
Wir
mußten noch über einen anderen kleinen Fluß feßen, was nicht ſehr ſchwierig war, aber der Schnee lag auf der legten Station vor Zmenogorsk ſo tief , daß wir feche Stunden brauchten , um neunzehn Werſte zurücks zulegen.
Wir wollten hier einige Tage verweilen, um
die Bergwerfe und einige Fabriken in der Nachbarſchaft zu ſehen , und hatten Zeit genug , Alles zu unſerem Winterfeldzuge in Ordnung zu bringen . Zmenogorsf, oder der Schredenberg, iſt der Wohns fiß des Oberaufſehers der Silbergruben , deren Ertrag zu den Einfünften des Kaiſers gehört. Das Dorf liegt mitten unter den Gruben und iſt für die Krons einfünfte,
was Barnaul
für den Staatsſdag.
Der
Oberft Oftermayer, unter deffen Leitung das Bergwerk ſteht, empfing uns mit der größten Gaſtfreiheit , und wir hatten nur zu bedauern, daß er , obgleich ein gee borener Deutſcher, doch nichts al& Ruffiſch verſteht, was uns hinderte, ſeine Erläuterungen über die Aufbeutung der Silbererze ſo gut zu benußen , als es ſonſt hätte geſchehen können .
Das Dorf liegt gleichſam in ciner
208
alten Grube, und wahrſcheinlich ſah man in früheren Seiten an der Stelle, die es jeßt einnimmt , dieſelben Verrichtungen , die wir in den angränzenden Bergen beobachteten . Ghe wir in die unterirdiſchen Höhlen hinabſtiegen , legten wir einen Bergmannanzug an und jeder erhielt eine Lampe , leuchten.
um uns
durch die langen Gänge
zu
Wir ſtiegen auf einer Treppe fünfzig Ladyter
tief hinab und kamen zu einem hundert und fünfzig Lachter langen Stoln ,
an deſſen Ende ein Waſſerrad,
von zwei und vierzig Fuß im Durchmeſſer fich befand, welches das Erz in einen brachte.
ſenkrechten Schachte hinauf
Dieſes Rad heißt Preobraſchenska und
das Waſſer , von dem es getrieben wird , kommt aus zwei unterirdiſchen Canälen ,
deren
einer 241 , der
Dieſe ftehen durch einen
andere 130 Lachter lang iſt.
anderen ſechszig Lachter langen Canal in Verbindung mit einem kleinen Rade , Jefaterinsfaja genannt. Ein drittes Rad wird gleichfalls von jenen Strömen getrieben , ehe es die ſogenannte Blephantenmaſchine er reicht, ſo daß vier Räder durch dieſelbe Waſſerfraft in Bewegung geſegt werden,
Weiterhin
in allen Richtungen angelegt ,
waren Gänge
die zu anderen ,
nicht
mehr benugten Schachten führten. Granit und Por phyr find die Schichten , in welchen das Grz ftch fins bet. Das Waſſer ſtrömte von den Wänden , obgleid) die Temperatur unten immer gegen 8 ° iſt.
Der Un
209
terſchied in
der äußeren Luft war ſehr merklich , denn
€ 8 fror ſtart, obgleich das Wetter hell war ,
und die
Sonne , wiewohl flar und erquicfend, hatte nur wenig Ginfluß auf die Temperatur.
A18 wir wieder
oben waren ,
ſaben wir einige
Verbrecher in Feſſeln, die an dem Felſen arbeiteten , der aber ſo hart war, daß fie nur wenig Grze löſen fonns ten.
Wie wir glauben , iſt dieß . Das einzige Beiſpiel vom Vorkommen des Silbers in Porphyr. Wir hiels
ten dieſe Unglüdlichen natürlich für Ruſſen , elendes Leben in dieſen aber bei
die ihr
Bergwerken endigen ſollten,
näherer Erkundigung fanden
Verbrecher aus der Umgegend waren ,
wir , baß
fte
die wegen ge
ringer Vergehungen auf einige Tage zu ſchwerer Ar beit verurtheilt maren . Der Granit und Porphyr , den wir in dem leben= digen Felſen ' ſahen , muß ſechsmal bearbeitet werden , ehe man das Silber daraus gewinnen fann ,
und die
Koſten find ſo groß , daß nur wenige Privatperſonen es der Mühe werth
halten ,
fie aufzuwenden .
Nur
für die Krone , die ihre eigenen Bauern benugt und fte unter allen Umſtänden bezahlt, iſt der Gewinn dem Aufwande gleich ,
wenn nicht zufällig eine Ader ge
funden wird , die ungewöhnlich reich iſt oder mit ge ringeren Auslagen als gewöhnlich bearbeitet werden kann . Die erſte Arbeit
iſt das Ablöſen vom Felſen ,
durch Sprengen geſchieht. Cottrell's Sibirien. I.
das
Dann wird das Erz mit 14
-
210
Hämmern in kleine Stücke zerklopft . beit iſt das Zerpulvern des
Die dritte Urs
Erzes mit großen , durch
Maſchinen in Bewegung geſeßten Hämmern . pulverten Erze werden dann die
metalliſchen Theile
werden .
Die ge
in Defen gebracht , wo
von den Schlacken
gedieden
Dieß geſchieht in ungeheueren Schmelzhütten ,
in welche ein Luftſtrom
durch oben angebrachte Deff
nungen eindringt, der wie ein Blaſebalg das Feuer im Ofen anfacht, aus welchem die Maſſe herauøgenommen wird, zwar von den ſchlechteren Theilen geſchieden, aber dem
Anſcheine nach nicht ſehr geläutert.
Die Erze
werden dann in einen anderen Ofen gebracht, wo alle metalliſchen Theile , das Silber ausgenommen , Qieben werden .
abge
Die ſecháte und legte Arbeit iſt , die
Maſſe in einen Treibofen zu bringen , wo Bleiklumpen hinzugelegt werden ,
welche bei dem
ichladigen Theile niederſchlagen , Arbeiten zurückgeblieben
ſind ,
Schmelzen
die
die bei den früheren und
da das Silber fchwerer iſt, ſo fällt es auf den Boden dieſer unge heueren Defen , worin es bis zum Erkalten liegen bleibt. In dieſem Zuſtande kommt es in die Münze zu Peters burg, mo eine treitere Verfeinerung ſtattfindet, um es von den Goldtheilen zu ſcheiden , die immer in größerer oder geringerer Menge im Silber fich finden . Dieſe
Bergwerke
werden
ſeit
mehr
als hundert
Jahren bearbeitet und find beinahe erſchöpft. Die Aug.
211 beute beträgt nur ein und ein halb Zolotnit* ) Sils ber auf hundert Pub Erze.
Die Rronbauern erhalten
monatlich zwei Rubel und zwölf Pfund Mehl, fte mös gen in den Bergwerfen arbeiten oder nicht , aber die Koſten der Erzeugung werden gewöhnlich auf ein hal bes Zolotnif mehr für hundert Pud berechnet , ſo daß die Krone nur einen ſehr unbedeutenden Gewinn hat . Es gibt Silbergruben ,
die
vier bis fünf Zolotnik
Silber auf hundert Pud liefern , aber ſelbſt dann
iſt
der Gewinn für Privatunternehmer unzureichend , weil bie Arbeiter
einen ſehr hohen Lohn
erhalten .
Arbeit iſt hier keineswegs übermäßig.
Die
Die Grubens
arbeiten gehen zmar Tag und Nacht fort ,
aber es
werden drei Abtheilungen von Bergleiten gebraucht, die fich von acht zu
acht Stunden ablöſen , ſo daß
niemand länger als acht Stunden in vier und zwanzig zu arbeiten
hat .
Pud jährlich ,
Der reine Ertrag iſt ungefähr 200
und der reine Gewinn vom Pub wirt
hier nur zu 3000 Rubel berechnet,
ſo daß das Ger
fammteinkommen nur 600,000 Rubel jährlich betragen würde.
Die Kronbauern haben , außer ihrem
Lohne
und zwölf Pfund Mehl, ihre Felder und Häuſer zinga frei und genießen mehre Vorrechte, die ihnen eine weit beffere Lage verſchaffen, als die gewöhnlichen Leibeigenen haben.. *) Pud
Pfund. Ein ruſſiſches Pfund 33 Pariſer Pfunde.
* Leipziger, ein 14 *
212 Beiläufig
mag
hier
ein
Jeffe berichtigt werden . gabe ,
Frrthum des
Capitäng
Er ſchäßt nach einer Ans
die aus glaubwürdiger Quelle fließen ſoll , die
Anzahl der Leibeigenen in Rußland auf 45 Millionen . Nun aber ſchäßt man die Volksmenge des Reiches zu ungefähr 60 Millionen , mit Einſchluß aller Nomadena ſtämme und der Bewohner beider Sibirien , unter wel dhen es gar keine Leibeigenen gibt .
Die Kronbauern
zählen nach einer Angabe im Quarterly Review (März 1841 ) 22 Millionen . und Prieſter ,
Dann find noch die Edelleute
eine ziemlich zahlreiche Klaſſe, und der
Kriegerſtand zu rechnen . Wie kann es nun , in Jeffe's Sinne , 45 Millionen Leibeigene geben , worunter er Sclaven find !
verſteht,
was die Kronbauern gewiß nicht
Sein Gewährsmann hat unter jene Zahl ohne
Zweifel die Kronbauern , kurz Ade begriffen , die nicht Ebelleute find, aber er konnte dem Capitän Jeſſe nicht fagen wollen , daß es 45 Millionen Sclaven gebe. Die
Bergwerke
haben ,
ſeit
find , ſeit beinahe 150 Jahren ,
fte
Kroneigenthum
55,000 Pub Silber
und 1700 Pub Gold , außer Blei und anderen Mines ralien von größerem ober geringerem Werthe geliefert. Die Anſtalt iſt nach einem ungeheueren Maßſtabe an gelegt und
beſchäftigt in dem dazu gehörigen Labora
torium beſtändig 300 Arbeiter.
Sie ſcheint mit der
größten Regelmäßigkeit geleitet zu werden . liegt ſehr hübſch ,
Das Dorf
und das Aufſteigen aus den unters
213 irdiſchen Höhlen an das Tageslicht iſt äußerſt malere iſch.
Wir hatten 20 ° Kälte bei einem klaren blauen
Himmel und glänzender Sonne. decke auf den Häuſer ,
die
unregelmäßig
Die weiße Schnees
geſtalteten Dächern der
ohne Ordnung zerſtreut
find , wie die
Aushöhlungen der Gruben ihnen Raum ließen , gaben dem Gemälde eine für europäiſde Augen ganz neue Färbung.
Es gibt hier ein ſehr gutes Muſeum und
eine Schule, worin gegen neunzig Knaben Sprachlehre,
in
der
im Leſen , Schreiben und in der Arith
metik unterrichtet werden . Wir
machten einen Ausflug nach Kolivan , eine Fabrik angelegt
die Regierung
vaſen , Säulen und andere
wo
hat , die Zier:
Kunſtgegenſtände
liefert.
Sie liegt am Fluſſe Belago im Mittelpuncte des Altai und iſt faſt von allen Steinarten umgeben , die Sibi: rien enthält. pie ,
Ungeheuere Blöde von
Porphyr , Jase
feinförnigem Granit und Marmor werden hier
geſammelt, um die Paläfte in Petersburg und anderen Orten zu zieren.
Die Berge in der nächſten Umgeba
ung des Sees Rolivan beſtehen aus Granit in horis zontalen Schichten , in einiger Entfernung aber hat Pora phyr den Granit burchbrochen und liegt über demſelben in Schichten von Porphyr, Schiefer und Jaspis. Die größte Merkwürdigkeit iſt eine Vaſe von grünem Pors phyr, welche für den Kaiſer verfertigt wird und vollendet iſt biß auf die Politur, die wegen der Bärte des Steines
214 eine lange unb mühſame Arbeit erfordert. Sie iſt fedt84 zehn Fuß lang ,
zehn Fuß breit ,
acht Fuß hoch und
hat ein Gericht von 30,000 Pfund. zierlich,
ein Oval
Die Form
ift
auf einem fein geſchnißten Piedes
ftal; die Arbeit fehr gut , und da der Stein einer ho hen Politur fähig iſt,
ſo wird das Werf nach ſeiner
Vollendung eine herrliche Wirkung madzen . der Fortſchaffung nach Petersburg ſein ,
Die Koſten
werden ungeheuer
weil ſie meiſt zu Waffer geſchehen muß .
Die
Arbeit hat bereits fünf Jahre gekoſtet , und es werden noch zwei Jahre erfordert werden , ehe ſie ihre Beſtimm = ung erreichen kann . Die Anſtalt beſchäftigt brei
+ hundert Arbeiter und wird von einem deutſchen Offi zier geleitet, der den Rang eines Oberſten hat und ein fehr angenehmer, gut unterrichteter Mann iſt. Er war höchlich erfreut, einen Beſuch von Fremden zu empfan gen, und beſchrieb: feinen Wohnſit weilig .
Es gibt nur vier Perſonen ,
als höchſt
lang
mit welchen er
umgehen kann , und ein Reiſender iſt ihm eine höchſt willkommene und feltene Erſcheinung. Wie er uns ſagte, bieten die benachbarten Berge dem
Naturforſcher
das reidſte Gebiet im ganzen Altaigebirge bar , und im Sommer ift die Landſchaft unbeſchreiblich prachtvou . Die Kälte iſt nicht übermäßig 20° , ift.
unb ' fteigt ſelten
über
da die- Gegend völlig durch die Berge geſchüßt Im Sommer iſt die Hiße ain Tage zwar beträcht
lich, doch kommen nur wenige Pflanzen und Gewächſe
215
zur Reife, weil die Kälte in der Nadyt jo groß iſt, daß man das ganze Jahr hindurch am Abend Feuer machen muß, ausgenommen im Julius. Wir machten hier unſere erſte Reiſe zu Schlitten, und ſchlecht genug war ſie; auf Rädern wäre ſie ganz uns möglich geweſen . durch Wälder,
Die Straße war ſehr gebirgig und ging die acht bis zehn Werſte lang waren ,
wo der Schnee viele Fuß hoch zuſammengeweht war, und wir mußten uns mühſam unſeren Weg bahnen, da der Schnee noch nicht hart genug war , die Pferde zu tragen.
Schnell hinabſchießend, rollten wir dahin . Schlitten hatten
aber drei Pferde vor einem leichten die größte Mühe , nzufahren , weiß nicht,
wo
die langen, ſtellen Schneehügel, þins ſie keinen veſten Tritt hatten .
30
wie wir mit unſerem Wagen , auf ſolchen
Wegen hätten
fortkommen ſollen ,
und noch
hatten wir eine lange Reiſe vor uns , Stadt erreichten ,
immer
ehe wir
eine
wo wir den Wagen bis zu unſerer
Rückkehr aus dem fernen Oſten ſtehen laſſen konnten, und eb : war nicht
daran zu denken ,
ganzen Wege mitzunehmen.
ihn auf dem
Am nächſten Lage wurbe
Kriegsrath gehalten und wir kamen zu den Beſchluſſe, bie Barnaul, 280 Werſte weit, in dem Wagen zu fahs ren .
Man ſchilderte uns den Weg als gut und ſagte
ung ,
wir würden nicht viel Schnee finden ,
Straße weiſt über eine Ebene ginge.
da die
Wir beveſtigten
den Wagen mit ſehr ſtarken Stangen von Eſchenholz,
216 die rings um denſelben gingen ,
um uns im Nothiad
den Weg durch den Schnee zu bahnen ,
und ſo bras
chen wir nach Barnaul auf.
So
ſeit einiger Zeit geweſen war ,
es war offenbar , daß
ſchlecht der Weg
uns noch Schlimmeres bevorftand und die Wege fich täglich verſchlechtern würden , bis der Schnee veft ges worden wäre , was in Gegenden ,
wo es wenig Vere
kehr gibt, immer einige Zeit erfordert.
Wir hatten gee
wöhnlich zehn bis zwölf Pferde auf der ganzen Reiſe und fuhren doch im Durchſchnitte nicht über fünf Werfte in einer Stunde. Unſere erfte Station war gebirgig, ſpäter aber fine gen die
Steppen
wieder an ,
bei Schneeſturm und
Wind , der faſt zu einem Wirbelwinde oder ,,Buran" wie man ihn in Sibirien nennt, anwuchs , der den Reiſenden oft verberblich wird, wenn viel Schnee fällt. Nachdem wir die Wirkungen von Feuer ,
Waſſer und
Luft unter den furchtbarften Formen erprobt hatten, waren wir geneigt, dem Winde hinfichtlich ſeiner Gdreds niffe den
Vorzug zu geben .
Ein Buran , der den
Reifenben in einem Walde überfält, iſt weniger furchte bar,
weil man aus ſeiner Richtung gehen kann und
keine andere Gefahr dabei iſt, zu werden .
ale lebendig verſchneit
Iſt er aber in einem offenen Steppenlande
heftig, ſo wird der fallende Schnee umhergewirbelt und vermiſcht fich mit demjenigen, den der Wind von der Erde aufmeht,
ſo daß der · Fuhrmann am hellen Tage
217
nicht einen Zo weiß ,
weit vor fich ſehen kann und nicht
ob er rechte oder links fährt.
Viele Unglüden
fälle ereignen fich auf dieſe Weiſe; Wagen werden in Abgründe geſtürzt oder Menſchen und Pferde ere frieren in den Schneewehen , die fich um den einzigen Gegenſtand anhäufen , der ihren Zug meilenweit un. terbricht. Nach einer ſehr unangenehmen Reiſe von ſechs und dreißig Stunden erreichten wir Barnaul, eineder wich tigſten Städte in dieſem Theile Sibiriens, und waren erfreut, ein bequemes, wiewohl nicht glänzendes Wirthes haus zu finden .
Die Kälte war
ziemlich heftig gee
worden , und wir bemerkten alle Vorzeichen eines ftar fen Schneefalles, der immer um dieſe Zeit eintritt und gewöhnlich vierzehn Tage dauert, worauf es viele Mos nate lang nicht ſchneit. Die Umgegend von Barnaul ift fehr angebaut, da der Getreidebedarf zur Verſorgung der Fabriken in der Nachbarſchaft fehr anſehnlich iſt.
Einige Werfte von
der Stadt kamen wir durch unermeßliche Wälder , die jedoch bei dem ungeheueren Holzbedarf für die Schmelze öfen, die jährlich 80,000 Klaftern brauchen, täglich mehr gelichtet werden .
Als wir und der Stadt näherten,
machten Dörfer und Einfriedigungen eine angenehme Veränderung in der Ausſicht.
Ein langer und fteiler
Hügel führt in die Stadt , die nur 366 Fuß über der Fläche des
Raspiſchen
Meeres
am
Ob liegt.
Die
218 Stabt ift drei Werſte lang und in dem idmalſten Theile eine Werft breit.
Die Stelle, wo fie fteht, war wahr.
ſcheinlich einft eine Erzgrube,
da
fie weit niedriger
liegt als ihre nächſte Umgebung , die, unten aus dem Die Bewölf Thale betradytet, ganz gebirgig erſcheint. erung ſteigt und beträgt Der
jeßt gegen
Handel iſt anſehnlich ,
von allem , in Sibirien Golde ift.
12,000 Seclen
da hier die Niederlage
öftlich vom Ural gefundenen
Auf einem Freiplaße ſteht eine ſchöne, ftebzig Fuß hohe Granitfäule, die im
Jahre 1825 zur Erinnerung
an das hundertjährige Beſtehen der Bergwerke errichtet wurde. Der Gouverneur von Lomer , der ſeines Amtes wegen die Oberaufſicht über bie Bergwerke führt
und
gewöhnlich ein Ingenieur- General iſt, wohnt in den Sommermonaten hier, und es gibt unter der Geſell ſchaft mehr wiſſenſchaftlich gebildete Leute als im gans zen übrigen Sibirien . In der Umgegend zählt man eine große Anzahl von Silbergruben , welche wie Zmenogorsk, Kroneigen thum ſind und ihren Ertrag in die Schmelzhütten zu Barnaul ſchiden, wo gewöhnlich Barren, jede zu hun dert Pud, daraus gemacht werden .
In dem Laborator
ium arbeiten fünfhundert Menſchen. Die älteſte Schmelz = hütte iſt fünfzig Klafter lang und eine neuere vier und fechezig.
Sie find ſehr breit und haben mehre Reihen
von Oefen , die mittels einer hinten angebrachten Treppe
219
gefült werden . Größe.
Die Blaſebälge ſind von rieſenhafter
Der jährliche Ertrag iſt ungefähr 250 Bud
Silber und gegen eine Million andere Metalle, Blei ; Kupfer und Eiſen.
Das Verhältniß des in der Münze
zu Petersburg aus dem Silber gewonnenen Goldes ift ungefähr 25
Pfund
auf 1000 Bud Silber.
Man
zählt überhaupt 115 Schmelzöfen , zwölf große offene Herde, zwölf läuterungöfen, fünf Defen zur Reinigung des Kupfers
und vierzehn Calciniröfen.
Es werden
jährlich 260,000 Maß Kohlen , jedes zu 20 Pud, und überdieß 400,000 Pub für die großen Läuterungöfen verbraucht.
Viele Millionen Bud Erze werden hierher
gebracht, um das Metall zu gewinnen , das ungefähr auf dieſelbe Weiſe wie in Zmenogorsk bearbeitet wird, nur daß hier Alles in weit größerem Maßſtabe er : ſcheint.
Die Bevölkerung des ganzen Gouvernements beträgt nicht viel unter 100,000 Menſchen , von welchen die Hälfte gebraucht wird, die Erze und die Metalle nach der Bearbeitung auf die Puncte zu bringen, wo ſie nach allen Theilen des Reiches eingeſchifft werden .
Der Lohn
für dieſe Arbeit iſt gering , 12 bis 13 Kopeken für da Pub, und doch berechnet man , daß 65,000 Rubel jährlich
darauf
vern'endet werden.
Auf dieſe Weiſe
wirb Jedermann beſchäftigt, und es iſt daher kein Theil Sibiriens in einem ſo blühenden Zuſtande als dieſes Gouvernement.
Dazu kommt ,
daß
die Beſoldungen
220
der Bergwerkbeamten , die eine anſehnliche Summe bez tragen, hier verzehrt werden , und die Geſchenke, welche die Vorſtände bekanntlich der Stadt. Es gibt
erhalten ,
hier überdieß
eine Glasfabrik große Quelle
und
eine
eine
bleiben
auch
in
große Papiermühle,
Zwillidhmanufactur.
Die
des Reichthums aber in Barnaul iſt,
daß alles Gold aus dem Altaigebirge und aus ganz Offibirien dahin gebracht wird.
Das Verfahren bei
dem Schmelzen in Barren , vor der Abſendung nach Peteréburg, iſt ganz einfach.
Jeder Eigenthümer bringt
ſein Gold in verſiegelten Beuteln ,
Ades unter ein
ander , Staub ,
zuweilen Maſſen
kleine Stücke
von mehren Pfunden. des
Vorſtehers
und
du dieß wird in Gegenwart
der Anſtalt und
des
Eigenthümers
in die Wagſchalen gelegt und dann in große eiſerne Töpfe
geſchüttet mit einer Beimiſchung
im Ofen ausgeglühtem Thon .
von
vorher
Darauf wird die Maſſe
wieder auf vierzig Minuten in den ſtark geheizten Ofen gebracht.
Nach Verlauf dieſer Zeit iſt das Gold in
flüffigem Zuſtande und wird in große vieredige eiſerne Gefäße gegoſſen , die ein Þud enthalten , wenn Gold genug von einem einzelnen Eigenthümer vorhanden iſt. Aládann werden die Maſſen wieder gewogen , um zu ſehen, wie viel Gold durch das Schmelzen verloren ges gangen iſt.
Das Gold wird darauf probirt und der
Werth nach dem Rarat abgeſchäßt.
Der Verluſt. beim
l
221 Schmelzen beträgt
durchſchnittlic lị , zuweilen aber
auch 2 bis 3. Procent. Die großen Eigenthümer von Goldgruben machen jährlich den angeſtellten Beamten ungeheuere Geſchenke, und der Vorſteher der ganzen Anſtalt fommt dadurch oft in einigen Jahren zu einem anſehnlichen Vermögen. Da von ihm die Beſtimmung des Werthes nach der Beſchaffenheit des Goldes abhängt , ſo iſt es für den Eigenthümer von großer Wichtigkeit, mit ihm in gutem Bernehmen zu ſtehen.
Man ſagt, es gebe viele anges
ſehenere Leute als er, die ihren Antheil von dieſen Ge ſchenken erhalten , und iſt dieſes Syſtem ſo durchaus verderbt, ſo muß der Schas bedeutend verlieren. GB liegt auf der Hand , daß nicht jährlich große Summen zu Geſchenken an die Beamten verwendet werden können , wenn nicht das Gold über den wahren Werth geſchäft wird, weil ſonſt offenbarer Verluſt fich ergeben würde. Wo aber niemand ſein Gold anders als auf dieſem Wege log werden kann, da iſt die Verſuchung zum Bea truge groß , und in Barnaul wird auch viel geſchmuggelt. Das Gold wird oft unter dem Preiſe, den die Regier ung gewährt , von anderen Eigenthümern erfauft, die etwas in das Hauptquartier abzuſenden haben .
Die
kleineren Eigenthümer erſparen dadurch die Roften für Fracht und Geſchenke an die Beamten , und ſo kommt es für fie auf Eines heraus.
Vielleicht haben ſie auch
nie eine geſeßliche Erlaubniß zum Aufſuchen des Goldes
222
gehabt.
Ghe dieß geſchehen kann , muß die Regierung
um die Bewilligung des Bodens , wo man arbeiten laffen will, gebeten werden , was mit einigen Koſten verbunden iſt, die man erſpart, wenn man das Gold Heimlich an Diejenigen veräußert, die zum Aufſuchen be fugt ſind.
3ft das Gold einmal gewogen und geſchäßt,
ſo hat der Eigenthümer weiter keine Koſten .
Die Re
gierung ſendet es ſelber nach Petersburg , wohin drei Sendungen in jedem Winter abgehen , um gemünzt zu werden .
Der Kaiſer erhält funfzehn Procent für die
Koſten der Fortſchaffung und Ausprägung .
Der Werth
des Goldes iſt ungefähr 50,000 Rubel für das Pud, und gewöhnlich rechnet man , daß der Eigenthümer, nach Abzug der Abgabe an die Regierung und der Geſchenke, 37,000 Rubel erhält. Golowäſche
in
Die durchſchnittlichen Koſten der
einem ziemlich guten Lager betragen
12,000 Rubel für das Pub , ſo daß fich ein reiner Gewinn von 25,000 Rubel auf das Pud ergibt .
Dieſe
Berechnung gilt nur, wie ſich verſteht, wo die Betheis ligten beim Beginn des Unternehmens glücklich find ; Viele aber werden zu Grunde gerichtet, ohne etwas zu finden, und es iſt nicht möglich , eine allgemeine Bes rechnung zu machen .
Diejenigen , die ſehr glücklich ge
meſen find , haben mir verſichert, daß ſehr wenig Ge wandtheit erforderlich iſt, nichts als Glück. vergeudet ein Vermögen auf einem
Mancher
Boden , der allem
Anſcheine nach Golt enthält , ohne etwas
zu
finden ,
223
während ein Anderer mit dem erſten Spatenſtich auf ein reiche& lager ftößt.
Das Silbererz ift hier bedeuts
end reicher als in Zmenogorsk, und einige Steine ge ben vier, ja bis acht Zolotnik auf hundert Pub .
Pria
vatperſonen betrachten die Sadie jedoch nicht als ein gutes Unternehmen.
Es iſt weit mehr Gefahr bei dem
Aufſuchen des Goldes , wobei oft die geſammten Auß lagen weggeworfen ſind, gelingt es aber , ſo ſind die Koſten der Auswaſchung des Sandes geringer als die zahlreichen Vorrichtungen zum Gewinn des Silbers , und der Vortheil iſt bedeutend größer. 88 gibt eine ſehr gute Gabettenſdule in Barnaul, wo Mathematik, Zeichuen und die verſchiedenen Ziréige des Ingenieurdienſtes gelehrt werden .
Das mineraloga
ische Muſeum iſt ausgezeid net, und die Sammlung von ausgeſtopften Vögeln und Thieren und von den Trachten der Kamtſchabalen
und anderer
nördliden Stämme,
eine der beßten im Reiche, und faſt Sdade , daß man fte nicht nach Moskau oder Petersburg geſchickt hat , wo ſie mehr Würdigung finden würde. Unter den auss geſtopften Thieren zog ung , beſonders ein Tiger an , der ein Jahr früher zwiſchen
Barnaul
52 ° 10 ° erlegt worden war.
und Biist unter
Einige Bauern fanden
ihn in einem Sumpfe , und da ſie ihn unglücklicher Weiſe für einen Wolf bielten , griffen ſie ihn mit Stöcken an ; er tödtete zwei von ihnen , ehe einige Jäger ihnen zu Hilfe famen .
Er iſt nicht ſo groß als der Könige
224 tiger ,
hat
einen
kurzen
Hale ,
und eine geflecte hellgelbe Farbe.
einen
langen
Leib
Die Veränderung
deß Klimas hatte ihn wahrſcheinlich abgemagert und er mar in ſchlechtem Zuſtande.
Aus welcher Ferne 'mußte
dieſes Thier gewandert ſein und was für eine Abficht konnte e8 bei dieſem Zuge gehabt haben ?
Wie Hum =
boldt ſagt, ſind die Tiger am Raspiſchen Meere in der Nachbarſchaft des Uralſees gewöhnlich, aber ſelbft dieſer iſt weit entfernt. Vielleicht war der Wanderer über ben fimalaja gegangen und hatte den Winter nördlich von demſelben zugebracht.
Der lebte Liger , ben man
vor dieſem in Sibirien geſehen hat , wurde 1828 an der Lena getödtet, in einer Gegend , die eine nicht viel niedrigere Temperatur als Petersburg hat.
Lemſchin
beſchreibt einen Tiger, Bahr genannt , ber im Rohr am Ural gefunden ward und wohl von derſelben Art wie dieſer in Barnaul ſein mag.
Es iſt daher offen
bar, daß die Bewohner der heißen Zone unter der ganz entgegengeſepten leben können . Wir fanden in Barnaul mehr Perſonen , die Franzö fiſch und Deutſch verſtanden , als in anderen Städten Sibirieng . Schule. Garten
Auch gibt es dort eine deutſche Kirche und 68 traf fich zufädig, daß einige im botaniſchen
zu
Petersburg angeſtellte Männer
anweſend
1 waren , die während des Sommers in der Umgegend botaniftrt hatten und mit dem Geleite, das zu Ende
225 des Decembers bas Gold nach Petersburg bringen ſollte, zurückfehren wollten. Ehe wir nach Offibirien gingen ,
wünſchten wir
den öftlichen Theil des Altai zu ſehen , wo die Sals müden und die Runetéti wohnen .
Die Kunetefi -
vom rufftfchen Worte Suneto" , ein Schmied -- find ein Tatarenſtamm , der in den Zifengießereien arbeitet, deren es viele in jener Gegend gibt.
Wir hielten eß nach
unſeren legten Erfahrungen für beffer , einen einheimis ſchen Wagen zu nehmen und den unſrigen in Barnaul zu laſſen , wohin wir zurückehren mußten . unſer Glüd.
Es war
Anfänglich fanden wir faum Schnee ges
nug für den Schlitten , da der Sturmwind ihn von den Straßen weggenvehet hatte.
Die Poſthäuſer, wo
wir anhielten , hatten ein elendes Anſehen
und wir
fanden feinemege den Anſchein von Bequemlichkeit, woran wir gewöhnt waren .
Almälig
wurden
die
Straßen beffer, wenigſtens nahm der Schnee zu , aber die hundert und achtzig Werſte bis zur Stadt Biisk kofteten uns fünf und zwanzig Stunden .
Auf der leke
ten Station ſprang die ſchöne Rette deß Altaigebirges ror unſere Augen , die im Sommer einen prächtigen Anblid gewähren muß.
Man ſteigt von einem fteilen
Berge in das Thal hinab , wo die Beſtung zwiſchen zwei Reihen von Bergen liegt, die fich 5000 Fuß über Das Raspiſche Meer erheben . Biief iſt nur ein großes Dorf mit ungefähr 2000 15 Cottrelles Sibirien , 1 ,
226 Einwohnern und liegt am Zuſammenfluſſe des Bii und der Ratunga, mitten in einem natürlichen, von dem Altai gebildeten Amphitheater.
Zwiſchen dem Dorfe und dem
Berghintergrunde liegt ein ſchöner Wald , der von der Anhöhe auf der entgegengeſepten Seite , rro .man in das Thal tritt, einen prächtigen Anblic darbietet. Die Veſtung hat einige Geſchüße, aber wir begriffen nicht, wozu ſte ſonſt dienen können , als daß ſie an einen anderen Ort geſchafft werden .
Wir brachten den größten Theil
des Lages hier zu , obgleich uns nichts anziehen konnte ; e8 ſchneite ſo ftarf, daß wir im Hauſe bleiben mußten , und der Wind blies heftig, eine unangenehme Ausſicht für uns , da wir noch 225 Werfte durch ein wenig bes ſuchte
Land reiſen mußten ,
wo
wir
wahrſcheinlich
keine vorzüglichen Nachtlager zu erwarten hatten .
Je
länger wir zögerten, deſto ſchlimmer würde eß für uns geweſen ſein, und auf jeder Station lauteten die Nacho richten ungünſtiger als auf der legten .
Schneewehen, die
nicht gefroren waren , machten die Straßen faſt unzu gänglich, und wir wurden dann und wann durch die Mittheilung erfreut , daß die Poſt zuweilen eine ganze Woche aufgehalten wird ,
während man den Schnee
aushaut .
Go ſchlecht aber das Wetter war, das zumeilen faſt in einen Buran überging , es war doch nicht falt, ba
.
wir oft durch die Wälder geſchüßt wurden, deren einer
. fünfzig Werſte breit und ſehr hügelig ift.
In dem
227
-
Pofthauſe mitten im Walde glaubten wir wenigſtens eine Racht verweilen zu müſſen , da weder Pferde noch Menſchen Luft hatten ,
bem unfreundlichen Wetter zu
trogen , aber wir beſtanden auf unſeren Entſchlüſſen, und als wir am
nächſten Morgen in die Nähe von
Kusnetek kamen , war es hell und ſonnig.
Dieſe Veſt
ung hat die ſchönſte Lage , die wir auf unſerer ganzen Reiſe ſahen, und könnte, wenn es nöthig wäre, außer ordentlich ſtark gemacht werden .
Sie liegt auf einem
hohen Felſen , wo ſie tas Dorf unten in der Ebene be herrſcht und ſchüßt.
Im Thale liegt ein ſchöner Waſſer:
fpiegel, der von dem nicht meit entfernten Altai einge ſchloſſen wird, doch ſteigt dieſe Rette hier nicht ſo hoch als bei Blief. G8 wohnen hier 10,000 Kalmücken, von welchen wir viele in den Läden fanden , und es überraſchte uns, Leute zu ſehen , die gegen die Geſichter der Kirgiſen und Tataren , woran wir ſo lange ge wöhnt waren , ſich gut außnahmen .
Sie bringen Pelze
werk verſchiedener Art zu Markte und bezahlen ſowohl den Ruſſen als den Chineſen einen Tribut, der einzige Stamm, der die Oberherrſchaft beider Bölfer anerkennt. Das Dorf iſt ganz hübſch und enthielt mehr Läden , als man in einem
ſo abgelegenen Orte erwarten ſollte.
Es hat auch eine merkwürdige -alte Kirche, älteften in Sibirien .
eine der
Wir verweilten vier und zwanzig
Stunden und kehrten dann nach Barnaul zurück. Wir brauchten elf Stunden , die lange Station von
15*
228
28 Werften durch den Wald zurückzulegen; der Schnee war hoch angeneht, als wir aber Barnaul uns näherten , hatte ſich das Wetter geändert und die Schlittenbahn war gut.
Wir hatten neun und dreißig Stunden ge
braucht, die 225 Werfte von Bilief nach Kusnetet zus rückzulegen , aber von dort bis Barnaul, nur 250 Werfte, waren zwei und vierzig Stunden nöthig.
Wir kamen
am 31. October gegen Mittag, bet einer hellen Sonne und klarem Gimmel, zurück und das Thermometer ftand 25 ° unter Rull .
Die Wetterkundigen fagten uns , wir
dürften nicht auf eine Fortbauer des guten Wetters rechnen, da die gewöhnliche Schneemenge noch nicht ge= fallen wäre , was gerade um dieſe Zeit zu geſdeben pflegte.
Wir verweilten bis zum 14. November , wo
wir bei allen Vorzeichen eines herannahenden Sturm windes einen Ausflug nach Tomsk machten . Als wir den halben Weg zurückgelegt hatten, was Ten die Vorzeichen nicht mehr zweifelhaft. Wir hatten um vier Uhr Nachmittage in einem Dorfe die Pferde gerrechſelt, als es eben zu dunkeln begann, und waren ungefähr eine Werft weit gefahren , als der Schnees fturm fo furchtbar wurde, daß unſere Fuhrleute fich gänzlich verirrt hatten und nicht wußten , ob fie rechte oder links fuhren.
Zum Glück waren
wir in der
Nähe des Dorfes , und es blieb uns nichts übrig, als den Rückweg zu ſuchen , den wir endlich fanden .
Der
Sturm nahm zu, als die Nacht anbrach, und wir fäße
229
ten und ſehr glücftich, ein gutes Obdach
zu haben .
Wir wurden fünfzehn Stunden aufgehalten , und
al8
der Wind
wir
bedeutend
unſere Reiſe fort.
nachgelaſſen hatte ,
festen
Der Schnee lag ſehr tief, aber das
Wetter irar heiter und nicht ſehr falt.
Wir hatten
auf dem ganzen Wege zwölf bis fechszehn Pferde vor geſpannt und kamen doch erſt am
5. ſehr ſpät in
Tomsk an , das nicht viel über 400 Werfte von Bare naul entfernt iſt.
Als wir uns Tomsk näherten, zeigte
fich eine fichtbare Verbeſſerung im Anbau und
Einfriedigungen
wurden
häufig.
des Landes, Die Wälder
waren gelichtet, und hier und da Gruppen ſchöner Ficha ten ſtehen geblieben , welche die Windſtröme brechen , die über die rieftgen Ebenen fahren . Tomsk liegt am Fluffe. Som nicht weit von deſſen Vereinigung mit der Katunga.
Die vereinigten Flüffe
bilden den großen Db , welcher, wie bereits erwähnt, fich in ziemlidy weiter Entfernung nördlich von Lobolet in einen gleichnamigen Buſen ergießt und endlich in's Gismeer fädt.
Die Kälte war nun heftig geworden ,
und in der Nacht nach unſerer Ankunft ftand bag Thermometer auf 27 °.
Wir fanden nur ein mittels
mäßiges Quartier, das wir aber nicht lange behielten , da wir nach unſerem Beſuche bei dem Gouverneur, Ges peral Beger , eine beſſere Wohnung erhielten, als wir auf unſerer ganzen Reiſe gehabt hatten . Urſache, uns darüber zu freuen ,
Wir hatten
da an dieſem Fage
230 das Weingeift - Thermometer 37 ° zeigte , mit einer ein zigen Ausnahme der fälteſte Tag, den man im ganzen Fahre in Tomek gehabt hatte.
&&
war babet
klarer blauer Himmel und heller Gonnenſchein ,
ein und
die Kälte keineswegs unerträglich , wenn man zu Fuße ging ;
als wir aber in einem offenen Schlitten zum
Gouverneur fuhren ,
mußten wir beftändig Naſe und
Ohren reiben , um fte gegen das Erfrieren zu ſchüßen . Lomst hat ſeit einigen Jahren bedeutend an Wichtige keit gewonnen und die Bevölkerung iſt bis auf 12,000 Köpfe geſtiegen .
Die Stadt hat mehre Gerbereien und
Baumwollenmanufacturen , die von den ſogenannten Ta taren geleitet werden .
Sie dient für den Thee und die
übrigen Waaren , die von Riachta auf die große Meffe zu 3rbit * ) und nach Moskau geführt werden , ale zeitweilige Niederlage, und da fie überdieß der Punct ift,
durch welchen Alles gehen muß, was nach Ramt
fchatka und den nördlichen Theilen Sibiriens gebracht wird und daher kommt , fo herrſcht viel Leben und es find oft anſehnliche Waarenvorräthe in den dazu bes ftimmten Magazinen gelagert.
Die Bauart der Stadt
iſt gut und regelmäßig, die Straßen find breit und die Häuſer vieler reichen Raufleute von Ziegeln und mit Øyp8mörtel überzogen .
Abgeſehen von Feuergefahr,
ziehe ich hölzerne Häuſer weit vor.
*) In der Statthalterſchaft Perm ,
Das Haus , wo
231 wir wohnten ,
war ſo bequem eingerichtet ,
nur wünſchen konnte,
als man
und wie wir glaubten ,
weit
wärmer als die Wohnung des Gouverneurs, die aller dinge in jeder Hinſicht beffer und weniger feuergefähr lich war .
Die Geſellſchaft in Tomsk iſt zahlreich und ange nehm .
Es beſteht ein ſehr guter Club ,
wo fich die
Männer dreimal wöchentlich verſammeln , um Karten und Bidard zu ſpielen , und am Sonntag wirb Ball gehalten.
Wir waren nicht wenig über den
Anzug
der Frauen erſtaunt, der immer zierlich und oft fehr hübſch war,
Nie ſahen wir auf einem Bau eine Dame,
die ſich nicht in einer der beiden Hauptſtädte hätte zeigen fönnen ,
welche wegen der Pracht und Koſtbarkeit der
Frauenanzüge berühmt ſind.
Wenige Städte von glei
cher Größe haben ſo viele reiche Einwohner.
Dieſe
Reichen find Gigenthümer von Goldgruben und woh nen im Winter in Lomel , da die Stadt ihren Berg werfen am nächſten liegt.
Es wohnen dort überdieß
Diejenigen , die mit der Regierung wegen der Brannt weinbrennerei Verträge abgeſchloſſen haben , was ein ſehr einträgliche
Unternehmen ift,
mehre Perſonen von Tomsk gezogen ,
Betereburg
und
e$ find auch
und Moskau nach
wegen der Nähe der goldhaltigen
Flüſſe , um den Sand auszuwaſchen.
Der Präſident
der Regierung , die richterlichen Beamten , der Polizeis meiſter ein angeſehener Mann und viele andere
232 untergeordnete
bürgerliche Staatsbiener ,
welche
die
kaiſerliche Uniform tragen , bilden eine zahlreiche Ges fellſchaft.
Man
beſucht einander jeden
Whift oder Boſton zu ſpielen .
Abend , um
Ade Welt ſpielt, Män
ner und Frauen , aber ſehr niedrig , und je reicher die Leute find , deſto weniger waren ſie , wie wir bemerk ten , zu hohen Einſägen geneigt . An jedem Tage, wo wir während unſereß ziemlich langen Aufenthalteß nicht verſagt waren , ſpeiſeten wir bei dein Gouverneur., und eine vollkommnere Gaſtfreis heit möchte fich nirgend finden laſſen .
Wir möchten
die. Verleumder ruſſiſcher Gaſtfreiheit wohl fragen , ob e
in England ein gewöhnlicher Umſtand für einen
Fremden ,
und dazu für einen Ausländer , ſei , jeden
Tag im Monate als ein Familienglied bei jedem ſeiner Befannten ohne Umſtände zu Tiſche zu gehen.
Wir
brauchen nicht soms als ein einzelnes Beiſpiel hins zuſtellen , da wir es im ganzen Reiche eben ſo gefuns den haben.
Während unſeres dreimonatlichen Aufente
haltes in Moskau hätten wir nie auf eigene Koſten zu ſpeiſen gebraucht. General Beger , ficher Herkunft ,
ein
Bergbeamter ,
hat aber ſeine
ift von deuts
Mutterſprache ver
geffen ; ſeine Gemahlin und eine angenommene Tochter ſprachen deutſch ,
und wir hatten Mittel genug zur
Unterhaltung , ohne an
ſeiner Tafel unſeren geringen
233 Borrath von rufftfchen Worten in Anſpruch zu neh men . Die Kriegsmänner find hier weniger zahlreich ale in irgend einer Geſellſchaft, in welche wir während unſeres Aufenthalted in Rußland kamen , und fte nebs men nicht, wie ſonſt gewöhnlich , alle Beachtung auss ſchließend in Anſpruch.
Außer dem Gouverneur gibt
eß hier keinen General noch ſonft jemand von hohem Range, und dieß bringt einen leichten Ton in die Ges ſellſchaft, dert es nirgend geben kann , wo die ſtrengſte Etiquette verlangt wird , ſelbſt bis auf die Knöpfe ber Uniform .
Kein Offizier
darf
bürgerliche Kleidung
tragen , bis er die Gränzen des Reiches überſchritten hat.
An der Tafel des Gouverneurs,
wann die Fas
milie allein war, trugen die eingeladenen Offiziere im mer bürgerliche Kleidung , wie er felber. Gr erwies uns al die kleinen Höflichkeiten ,
welche -echte Gafts
freiheit von den falten Förmlichkeiten unterſcheiden , die ein Empfehlungſchreiben gewiſſermaßen fordert.
Ich
wiederhole es , überall in Rußland fanden wir bei jes der Gelegenheit daſſelbe Wohlwollen , und
ich glaube,
daß diejenigen Reiſenden , die fich nicht auf gleiche Weife behandelt ſehen , es fich
ſelber zuzuſchreiben
haben . Der Capitän Jeffe
ſcheint zu
der unglücklichen
Klaſſe von Heiſenden zu gehören , welchen nichts ges fält. Es ſei felten , ſagt er , Gaſtfreiheit zu finden, und doch ſcheint er ein Behagen dabei zu fühlen , diejes
231
nigen zu tadeln, von welchen er ſte nach ſeinein eigenen Geftändniffe erhalten hat.
Büder ſolcher Art können
ſehr leidit die Folge haben , daß
ihre Behauptungen
bei fünftigen Reiſenden wahr werden.
Ohne es zu
unſerem Geſchäfte zu machen , die Irrthümer in andes ren Reiſebeſchreibungen zu berichtigen , wollen wir breift behaupten , daß die in England herrſchende una günſtige Meinung gegen Rußland zum großen Theile verſchwinden hat ,
würde , wenn jemand , der bazu Beruf
in allen ſeit zehn Jahren erſchienenen Büchern
über Rußland die Unrichtigkeiten ſtreichen wollte, ro von fie wimmeln .
Wo es auf Meinungen ankommt
oder perſönliche Anſichten mitgetheilt werden ,
wollen
wir Ades muſtern laſſen, aber unbiegſame Dinge, Thats fachen genannt, ſollten wahr ſein .
Wir wollten durch
unſere Bemerkungen über gleichzeitige Schriftfteller nur beweiſen , daß zwei Perſonen , die zu derſelben Zeit die felben Länder bereiſet haben ,
mit ganz verſchiedenen
Eindrücken zurückkommen können . bemerkt , daß
Wir haben ſo oft
wenn Schriftſteller behaupten , gewiſſe
Dinge mit eigenen Augen geſehen zu haben ,
wir e8
nicht fchwer finden, ihnen zu glauben , weil wir ſelber von ähnlichen Dingen Zeugen geweſen ſind, wenn aber wunderbare Dinge nach Hörenſagen erzählt werden , ohne Angabe einer glaubwürdigen Quelle,
ſo iſt es
gewöhnlich der Fall, daß es der Erfahrung widerſpricht,
235
weil wir in einer Page , wo wir es hätten ſeben un'o wiſſen müſſen , wofern es wirklich geſchehen wäre , nicht geſehen haben.
es
Allgemeine Bemerkungen , wie die
folgende , widerlegen fich felbft.
, Ade ,
die den Cha
rakter des Raiſers erforſcht haben , find darin einig , baß er nichts anderes im Auge hat ale allgemeine Eroberung.“
Ich wundere mich , wie ein Menſch von
gefundem Verſtande ſolche Dinge niederſchreiben kann, da es vielleicht keinen Gegenſtand gibt , über welchen Schriftſteller ſo abweichender Meinung find, als in der Würdigung des Charakters bes Raiſers. Wir möchten glauben , daß menn Zeitungen in Rußland
fo idonell
als
in Frankreich und England
entſtanden, und dort dieſelbe Prebfreiheit herrſchte, der Raiſer dabei gewinnen würde. Da aber jegt faum et was bort veröffentlicht wird , als unter der Autorität der Regierung , ſo wird das unbedeutendſte Ereigniß zur Wichtigkeit geſteigert, und Alles, was geſchieht, in ausländiſchen Schriften grundloſen Urſachen zugeſchrie ben , bloß weil ruſſiſche Blätter gänzlich darüber ſchwei gen. Ich habe mich oft über die völlige Gleichgiltigkeit gewundert , Landes ,
mo
womit dic Ruſſen, ſelbſt im Inneren des Neuigkeiten nicht ſchnell fich verbreiten
und nicht beftändig ankommen, die Zeitungen betrachten . Wir ließen es uns in Sibirien weit mehr angelegen fein, die engliſchen Neuigkeiten in den rufftfchen Blät
236
tern zu entziffern ,
als die Ruſſen fich darum befüms
merten, zu erfahren, was ſie ſelber anging.
Hatten fte
die Zeitung geleſen , welche die Beförderungen enthielt, ſo waren ſie gewöhnlich zufrieden , und nur um fich die Zeit zu vertreiben , laſen fte noch etwas mehr.
Anmerkungen .
Der Zobel. ( S. 81.) Schon in frühen Seiten war das 3 obelfell ein weit verbreiteter Lurusgegenſtand im weſtlichen Europa und faſt unter denſelben Benennungen wie jest im Handel bekannt. Lange vor Jermal , der 1581 in Sibirien eindrang, tannte man den Zobel in Eu: ropa als ein den Wäldern der Moskowiten eigenthümliches Jagdthier. Schon Olav der Veilige, König von Norwegen , ſchidte um das Jahr 1020 Schiffe nach Permien, um dort, außer Grauwerk und Biber , auch 3 obel ( Safala) einzu: tauſchen , und dieſe Schiffe kamen zur Zeit des Jahrmarktes an dem Stapelorte an, ein Beweis, daß man in Norwegen dieſen Ort und die Zeit des Marktes kannte. Im Morgen = lande war der Zobel bereits zu Anfange des zehnten Iahrs hunderts der Gegenſtand eines weitgehenden Handels, und der Araber Jón Foßlan fand in Bulgar ruſſiſche Kauf leute , die mit Mädchen und mit Zobeln handelten. Die Bobelfelle wurden , wie ſpäter und noch jest in einem großen Theile Aftens , Sammer genannt. Im früheren Mittelalter ſcheint in Europa das weiße Pelzwert das geſchägteſte geweſen zu ſein , und daher der hobe Preis des Hermelins und des Grauwerks. Das Hermelin war könig licher Schmud . Jegt iſt man in Sibirien froh, wenn die Chineſen , die noch helles Pelzwert lieben , für die über flüſſigen Hermeline eine Kleinigkeit zahlen. In neueren Zeiten adelte die ſo warze Farbe das Pelzwerk.
238 Die Mongolen ſtanden ſchon durch ihre urſprüngliche Heimat, die Länder nordwärts von der großen chineſiſchen Mauer bis nach Sibirien , mit dem Lande der Zobel im Verkehr, aber nicht erſt durch ihre Einfälle in Europa, zu Anfange des dreizehnten Jahrhunderts wurde der Zobel bekannt. Schon vorher mußte es in Konſtantinopel ans ſehnliche Vorräthe von Zobelfellen geben , da die Kaiſerin jedem Krieger Heinrich's des Löwen ein Zobelfell ſchenkte. Die Mongolen trieben mit dieſen Fellen ſo großen Lurus, daß ein Pelz wohl 2000 Byzantiner werth ſein konnte, wie Marco Polo verſichert. Auch im Abendlande griff der Lurus mit koſtbarem Pelzwerke po ſehr um fich , daß die weltlichen und kirchlichen Behörden in England, Frankreich und Italien demſelben durch Verbote zu ſteuern ſuchten , und es gibt Verordnungen aus dem elften und zwölften Iahrhunderte , in welchem der Zobel (Sabellum , Sobelus , Zebelus) namentlich angeführt wird . Die frühe Bekannt: fchaft der Europäer mit dieſem Pelzwerte könnte auf den Glauben führen , daß der Zobel in früheren Zeiten viel weiter nach Weſten vorgekommen ſei als jeßt. Prüft man aber die Zeugniſſe , die für dieſe Meinung angeführt wer: den, ſo findet fich , daß man ſchon vor Jermal's Zug nach Sibirien das Vaterland des Zobels als ein ſebr entferntes Land bezeichnete. Ein Italiener, der Gelegenheit hatte, im fünfzehnten Jahrhunderte Ruſſen in Italien zu ſprechen , läßt die Zobel auch erſt am Ural vorkommen. Ießt wenigſtens gehört der Zobel Sibirien eigenthüm lich , und es iſt dabei zu bemerken , daß der Marder dort im Allgemeinen fehlt, beide Thierarten alſo einander aus ſchließen . Nur auf dem Ural , im weſtlichen Altai und überhaupt an der Gränze von Sibirien, finden fich Zobel und Marder zugleich. Behaupten ältere Nachrichten , daß der Zobel in früheren Zeiten auch im nordöſtlichen Theile des europäiſchen Rußlands , ja ſogar in Lappland einbeis miſch geweſen ſei, ſo muß das gegenſeitige Ausſchließen der Marder und Zubel , das man jest bemerkt , zweifel gegen dieſe Angaben erregen .
239 A18 Jermat Sibirien beſegte, war der Zufluß von 306 beln ſehr groß. Ein Schwarm von Pelzjägern folgte ſchnell den eindringenden Koſaken , und Jermat fonnte ſchon im erſten Vierteljahre ſeines Feldzuges, im December 1581 , 2400 Zobel nach Moskau ſenden . Im Jahre 1594, lange vorher , ehe man den zobelreichen Seniſſei erreichte, ſchickte der Czaar dem deutſchen Kaiſer als Beihilfe zum Türkenkriege Pelzwerf, worunter 40,360 Zobelfelle waren, mehr als fich wohl je wieder zuſammengefunden haben. Bei dem Vordringen am Jeniſſei fanden die erſten Bes fucher wieder einen großen Zufluß von Zobelfellen . Die Jäger der Roſaken waren den Zügen vorangeeilt , und oft entſtand Streit unter den einzelnen Haufen . Der Zobel, ein ſehr ſcheues Thier , zog fich bald vor der Menge der Ankömmlinge in die wenig beſuchten Wildniſſe zurüd, und ſo geſchah es , daß die Jäger jegt mehr Mühe anwenden und in entlegenere Gegenden vordringen müſſen , um dem Zobel nachzuſtellen , und daß es dem einzelnen Jäger und Händler ſchwer fält, jeßt ſo viele Felle zu erlangen, als in früheren Seiten. Die Thätigkeit der Jäger ver mehrt fich und es nehmen mehr Perſonen Antheil am Handel. In Sibirien iſt daher die Abnahme des Pelz werkes allgemeine Klage, aber die Zunahme der Bevölker: ung und des Aderbaues macht eine ſolche Abnahme un vermeidlich , wiewohl ſie nur eine langſame iſt und wohl überſchägt wird . Noch immer liefert Sibirien jährlich in runder Summe 45,000 Zobel. Der Pelzhandel iſt vielfachen Veränderungen und Lau nen unterworfen. Außer dem großen Wechſel in dem Werthe des hellen Pelzwerkes gegen das dunkle , haben auf dieſen Handel noch eine Menge kleinerer Veränder ungen in der Werthſchägung Einfluß , die bald vorüber: gebend , bald anhaltend find , und die Wirkung ſolcher Veränderungen erſtreckt ſich oft ſehr weit von der Urſache. So baben die Verſuche des Sultans M a b mud , die Türken mit europäiſcher Gefittung zu befreunden , auf
240 Sibirien und auf die Sakuten und Tunguſen , die mit Pelzwert handeln , einen nachtheiligen Einfluß gehabt. Seit die vornehmen Türken angefangen haben , fich euro : päiſch zu kleiden , iſt der Preis der beſſeren Sobel um 40 bis 50 procent gefallen . Der Werth des Sobels wird beſtimmt nach der Farbe, dem Glanze , der Feinheit und der Fülle des Haares und zuleßt wird auch auf die Größe Rüdficht genommen . Das Haar ift theils Bolhaar, theils Conturhaar, das fich wie : der in längere, mehr vereinzelte Stachelhaare und fürgere theilt. Das Wolbaar mit dem unteren Theile des Con turhaares ift ſebr verſchieden gefärbt; durch Gelb und alle Scattirungen von Braunroth und Grau bis in's Bläuliche übergebenb. Dieſe Grundlage, wiewohl durch die obere Hälfte des Conturbaares faſt ganz verbedt, zeigt doch eine durchſchimmernde Grundfarbe, die der ruffiſche Pelzhändler das Waſſer nennt. Je mehr dieſes Conturhaar einen bläulichen Schimmer gibt , je ſchwärzer und glänzender es iſt, deſto höheren Werth hat der Balg. Se mehr aber die Farbe in Rothbraun oder Gelbbraun übergeht, deſto ge: ringer iſt der Werth. Wenn die längeren Stachelbaare am ſchwarzen Zobel weiße Spigen haben , ſo heißt er ein Silberzobel und wird höher geſchäßt, doch noch koſt barer iſt er, wenn auch die längſten Stachelbaare in ganz ſchwarzen Spigen endigen. Die Zobel find nach den Gegenden , auf welchen fie kommen , ſehr verſchieden an Größe der Felle , an Farbe, Glanz und Fülle des Haares. Die an der Oletma und ihren Nebenflüſſen erlegten Zobel werden als die koſtbarſten geſchäßt. Sehr nahe aber kommen ihnen die in der Ge gend von Nertſchinsk erlegten. Beide ſind durch Schwärze und Glanz , Länge , Feinheit und Fülle des Haares mit dunkelbläulichem Waſſer ausgezeichnet. Das Sortiren erhöht den Werth des Pelzwerkes , da zulegt nur ſolche Sorten zuſammenkommen , die einander ſo gleich find, als ob fie in Größe und Farbe nach einem Muſter gebildet
241 wären . Sehr ſchöne Zobel verkauft man paarweiſe und die ganz ſeltenen einzeln , die daher auch Einzelne (soli taires) beißen . Gewöhnlich aber werden zwanzig gleich artige Zubel zuſammengebunden , und zwei Bündel werden ein Zimmer genannt . Die Schwänze bilden in der Ne gel einen beſonderen Handelsartikel , der meiſt zu dem be kannten Pußſtücke der Frauen , der Boa , verwendet wird . Auch die Hinterfüße konimen beſonders in den Handel, während man die Vorderfüße gewöhnlich am Balge läßt, die beim Nähen der Pelze zur Ausfüllung kleiner Lüden gebraucht werben . Das Halsſtüc wird oft abgetrennt, weil der roſtbraune Kehlfleck die gleichmäßige Schönheit des Pelzes ſtören würde. Nach Ausſchneidung des Kehl fledes werden dann die Halsſtüde wieder zuſammenges näht. Auch der übrige Balg wird zuweilen in ein Rüden : ſtüd , das immer einen höheren Werth hat, und ein Bauch ſtü & getheilt. Aus 120 Bauchſtüden näht man einen Sad , doch kommen auch Säde von 80 ganzen Zobeln im Handel vor. Das Wort Sac bedeutet überhaupt die: jenige Anzahl von zuſammengenähten Fellen , die zu ei nem vollen Pelze gehört. Man darf aber nicht glauben , daß die Pelze immer aus ſo großen Stüden gemacht werden , und es werden fertige Pelze verkauft, die ein ſehr gutes Ausſehen haben , aber aus tauſend und mehr Stück : chen zuſammengenäht ſind, wozu beſonders die Pfoten die nen . Die koſtbaren Olekma: Zobel werden zu den höch: ſten Preiſen verkauft , 1200 bis 2500 Rubel Banko das Zimmer. Die weſſibiriſchen gelten nur den neunten Theil der Olekma -Pelze. Es iſt zweifelhaft , ob man jegt noch den Lurus ſo weit treibt , aus einzeln verkauften Zobeln (solitaires ), die ſehr hoch im Preiſe ſtehen, ganze Pelze zu nähen , gewiß aber geſchah es in früheren Zeiten , und die Pelze , die der ruſſide Hof nach dem unglüdlichen Feld juge am Pruth dem Sultan ſchenkte , mögen von dieſer Art geweſen ſein , da man ſie viele Jahre in Konſtantinopel zur Schau ausgeſtellt haben ſou . 16 Cottrell's Sibirien . 1.
272 Der Kumiß. (Seite 153.) Das bei den Kirgiſen und anderen Nomaden beliebte Getränk, der Kumiß, iſt eine in Gährung übergegangene Stutenmilch , doch kann nicht jede gegohrene Stutenmilch ſo genannt werden , da keine Ueberſäuerung ſtattfinden darf. Die Bereitung iſt einfach . Die friſch gemolkene Milch wird in einen durchräucherten Sad oder Schlauch aus der abgezogenen Schenkelbaut von Pferden gegoſſen und mittels eines langen Quirls, der beſtändig im Schlauche ftedt, gepeitſcht und geſtoßen , wo durch ein ſtarker Schaum hervorgebracht wird. Die Gähr ung wird dadurch aufgebalten und zugleich viel atmo: ſphäriſche Luft unter die Flüſſigkeit gemengt. Es iſt Sitte, daß jeder Beſucher, der in das Filzzelt tritt, gleichſam zur Bewilkommnung , nach dem Quirl des Schlauches greift, der rechts von Eingange ſteht, und ihn auf und nieder bewegt. Täglich wird in den Schlauch die friſche Milch zugegoſſen , die in einigen Stunden ſäuert , zumal da der Kumiß immer nur im Sommer bereitet wird . Die Stuten milch ſcheint nach ihren Beſtandtheilen der Menſchenmilch febr nahe zu ſtehen , ſie enthält viel Zuder , aber wenig Käſeſtoff und Buttertheile. Von dem Käſeſtoffe zeigt ſich faſt gar nichts , da die Milch ſelbſt nach der Säuerung nicht dider wird. Die Bereitung des Kumiß ſcheint darin zu beſtehen , daß die ſauere Gährung durch das beſtändige Quirlen geſtört wird . Sobald die weinige Gährung anfängt, iſt das Getränk fertig , das dann oft meilenweit in die Städte zu Markte gebracht oder auch auf Reiſen mitgenommen wird . Der Kumiß iſt je nach der Bereitung und anderen Umſtänden verſchieden , ſchmeckt bald einfach ſauer , oft ſogar etwas ranzig , iſt aber zuweilen fehr ſüß und ſtark ſchäumend. Der echte Kumiß muß nur ſtark fäuerlich , etwas ſüßlich , dabei reizend ſein und auf der Zunge prideln . Vor und nach dem Genuſſe hat der Ku miß einen nicht jedermann angenehmen Geruch und Beige: ( chmad , was zum Theil von dem geräucherten Schlauche berrührt ; doch gewöhnt man ſich ſehr leicht daran, zumal
243 wenn man ihn zum erſtenmale gleich in bedeutender Menge und bei heftigem Durfte trinft. Nach einer ſtarken Bes wegung iſt er ſehr angenehm und labend , und hat man ſich einmal an den eigenthümlichen Geruch und Geſchmad gewöhnt, fo tvird man ihn nicht leicht für ein anderes Getränk hingeben. Er iſt ſehr erfriſchend und beſchwich tigt fogar den Hunger , ohne ſättigend zu ſein , da er die Efluß nicht nimmt. Man kann einige Zeit recht gut ohne Speiſe mit ihm auskommen , wohl aber auch eben ſo viel nebenbei eſſen als fonft. Auch hat er die beſondere Eigen fichaft, daß er nie überfüllt, und ſo viel man auch davon trinken mag, fo fühlt man fich doch immer leicht und wohl. Die berauſchende Eigenſchaft des Kumiß iſt nach der Bes. reitung verſchieden . Je weniger ſauer das Getränt iſt, je mehr es ſchäumt, deſto mehr iſt die Weingährung bereits. vorgeſchritten , doch iſt dieſe berauſchende Eigenſchaft nur gering und die Wirkung geht ſchnell vorüber, ohne läſtig und unangenehm zu fein . Diejenigen , die das Getränk als ſtart berauſchend beſchreiben , verwechſeln es wahrſchein fich mit dem aus Kumiß und anderen Beimiſdungen von den Kalmüden bereiteten Branntwein . Selbſt Kranken und Kindern iſt das Getränk nicht nachtheilig. Der Nos made könnte unter den ihm eigenen Naturverhältniſſen ohne Kumiß kaum leben. Er iſt das Getränt aller Mens! fchen , vom Säugling an bis in das reifere Alter , das Labſal der Greiſe und Kranten . Die anfäffig gewordenen Nomaden bereiten aus Mangel an Stutenmilch ihren Airan, gefäuerte und geſchlagene Kuhmilch mit Waffer verdünnt, dieß iſt aber ein ſo ſchlechtes Erſagmittel, daß nur die Gewöhnung an ein weißes ſäuerliches Getränk dazu treiben kann. Im Winter , auch wohl im Sommer auf Neiſen , wird ein harter , geſalzener Klumpen Käſe, gewöhnlich aus Schafmilch , in warmes Waſſer geſchabt, auch ' wohl mit etwas Mehl vermiſcht, um ein anderes Erſaßmittel des Kumiß zu gewinnen . Man fönnte zwar glauben , der kumiſ fomme ben Kuhmilchmollen ziemlich 16 *
241 nabe, ivorin Käje : und Fetttheile abgeſondert werden, und nur die Molfen und der Zuder bleiben , doch iſt dieß Pei neswegs der Fall, wenigſtens wirken beide Getränke ganz verſchieben . Nach häufigem Genuſſe des Kumiß tritt an fangs Hartleibigkeit ein , doch ohne weitere Beſchwerde, ohne Verminderung der Ebluſt. Zwar regelt ſich nach einigen Tagen die Ausleerung, doch bleibt immer eine Neigs ung zu Verſtopfung zurück. Auch der Harn ändert fich nach Beſchaffenheit und Menge, und es iſt auffallend, wie gering die Abſonderung im Vergleich mit der genoſſenen Menge des Getränkes iſt. Wenn man" auch täglich zehn bis zwölf Gläſer mehr als gewöhnlich trinkt, ſo wird doch die Harnabſonderung nicht vermehrt, ſondern vermindert. Die Nachwirkungen , die ſich ſchon nach acht Tagen zeigen, find eine gute Ernährung des ganzen Körpers , Zunahme der Kräfte und allgemeines Wohlbefinden ; man athmet leichter, die Stimme iſt freier und die Geſichtsfarbe wird blühender. Sieht man die im Winter ausgemergelten Geſichter , die eingefallenen Augäpfel und breit hervorſtehenden Baden Pnochen der Nomaden im Frühling wieder, ſo erkennt man fie oft kaum, ſo ganz anders und kerngeſund iſt ihr Aus ſehen geworden. Es iſt ſehr zu bezweifeln , ob irgend eine andere Nahrung nach dem langen Faſten und bei der ſpär lichen Koſt der Nomaden dem geſchwächten Körper ſo zu träglich ſein würde als der Kumiß . Die Krankheiten , in welchen der Kumiß wohlthätig iſt, ſind diejenigen , die eine leichte, die Verdauung nicht beſchwerende gute Ernährung fordern, und beſonders zuträglich ſcheint er bei chroniſchen Bruſtübeln zu ſein , nicht nur bei den Leiden der Lunge, ſondern auch der Luftröhrenäfte und des Kehlkopfer. Ge wiß iſt, daß bei den Kirgiſen Auszehrungen, Bruſtſchwinds ſuchten äußerſt ſelten ſind, wie auch Bruſtentzündungen, das Aſthma der. Greiſe und Bruſtwaſſerſucht im höheren Alter. Von knotigen , ſchleimigen und anderen Lungen ſchwindſuchten findet man unter den Kirgiſen ſchwerlich ein Beiſpiel. Bei dem Gebrauche des Kumiß iſt es heilſam ,
215 fich an die gewöhnliche Diät der Nomaben zu halten. Am zuträglichſten iſt eine ganz einfache Koſt, beſonders abge : tootes , in flachen Keſſeln abgedämpftes Schaffleiſch und nur wenig oder gar kein Brod . Man thut wohl, täglich 15 bis 30 Biergläſer zu trinken , was fich leicht macht, wenn man kein anderes Getränk zu fich nimmt. Am beßten wird freilich die Geneſung bewirkt, wenn man im Sommer in ein Nomadenzelt zieht und ganz nach Nomadenſitte lebt! Dr. Dablin : „ Beiträge zur Kenntniß des ruſſiſchen Reiches .“ Band 7 (Petersburg 1845.) Goldſand. (Seite 178) Die goldhaltigen Schuttlager finden ſich meiſt an den Bäden und kleinen Flüſſen , und find 6 bis 50 Faben breit. Der Goldgehalt der Lager eines Zolotniť in 100 Pub Sand, geht von 1 bis und felten iſt er bedeutender. Das Gold findet ſich meiſt in kleinen Körnchen , das größte in der Kirgiſen -Steppe bis jegt gefundene Goldſtüd wog 1 Pfund 60 Zolotnik. Die Goldwäſchereien in der Steppe find erſt ſeit 1834 durch die Bemühungen des Commerzienrathes Stepan Iwanowitſch Popow entſtanden . Sein Bruder führte den Goldbau am nördlichen Abhange des Altai ein, wo jest jährlich bis 300 Pud Gold gewonnen werden. Biber. (Seite 201 ) In Sibirien iſt der Biber in ſeiner Verbreitung weit beſchränkter als in Nordamerika, obgleich man bei der Aehnlichkeit beider Länder erwarten könnte, dieſelben Thiere oder nahe verwandte Arten in un: gefähr gleicher Menge zu finden ; und auch wo er noch vorkommt, iſt er im Allgemeinen nicht ſo zahlreich als in Nordamerika . In der größeren Hälfte Sibiriens fehlt er ganz ; da man ihn öftlich vom Jeniſſei nicht findet. Man könnte glauben, daß die Biber in Sibirien nach dem Ein dringen der Kuſſen durch übermäßige Jagd vertilgt worden ſeien, da in Nordamerika noch immer jährlich über 100,000
246 Biber erlegt werden ; aber ſchon vor hundert Jahren gab es öftlich vom Seniſſei keine Biber mehr, und ohne Zweifel auch nicht zur Zeit der Eroberung, da ſie in der Geſchichte dieſer Eroberung nicht erwähnt werden . In Weſtfibirien mögen ſie häufiger geweſen ſein als jeßt, doch auch nicht ſehr häufig. Schon vor hundert Jahren waren fie nicht hinreichend für den einheimiſchen Gebrauch , ſondern man brachte aus Rußland Biberfelle. Es iſt wohl weniger die Jagd als der lebhaftere Verkehr auf den Flüſſen , was die Biber ausgerottet hat. (K. G. v. Baer in : „ Beiträge zur Kenntniß Rußlands “ . Bd . 7. S. 240 f.)
Dresden , gedrudt bei Carl Xamning.
Sibirien .
Nach ſeiner Naturbeſchaffenheit, ſeinen geſellſchaft: lichen und politiſchen Verhältniſſen und als
Strafcolonie geſchildert
von
Charles Herbert Cottrell.
Aus dem Engliſchen überſeßt und mit Anmerkungen begleitet von
M. B. Lindau.
Zweiter Sheil.
Dresden und Leipzig , Arnoldirde
Buchhandlung.
18 46.
Inb alt .
Seite. Siebenter Abſchnitt. Herr Aftaſchef. Das Goldſuchen . Ausbeute im Jahre 1829. Gefährliche und koſt Ablieferung des Goldes ſpielige Speculation. nach Barnaul und Petersburg. Werth. Rein: ertrag . Gewinn für Rußland. Zuſtand der Vers bannten in Jomsl. Keine politiſchen Verbrecher in den Bergwerken Sibiriens. Gouvernement Tomsf. Meteorologiſche Beobachtungen . Der Albino. Tatariſcher Aberglaube. Vervollkomm nung der Stadt Tomsk. Feuer. Lebensdauer. Weg nach Irkutsk. Krasnojesk. Das Thal des Teniſſei. Fruchtbarkeit. Flüffe in Oſtfibirien . Angara und Jeniſſei. Gouvernement Irkutsk ... 1 Achter Abſchnitt. Die Stadt Irkutsk. Eintheilung der Verbrecher. Ihr Zuſtand. Ihre Behandlung. Aufführung einiger Verbrecher. Nothwendigkeit größerer Strenge. Des Grafen Speranski fibiri fches Gefeßbuch . Die Knute. Todesſtrafen . Der Weg nach dem Baikal. Die Angara. Der Bai falſee. Gebirge . Wahrſcheinliche Entſtehung des See's. Erzeugniſſe. Weg nach Selengingk. Ros kolniken . Buräten. Ihre Regierung. Brandmark ung. . Alte Einwohner. Schamanismus . Die ſibiriſche Peſt. Buddhaismus . Engliſche Miffionare 49 in Selenginst.. Neunter Abſchnitt. Die Bäder von Turka. Lama prieſter. Von Verkne -udinsłnach Riachta . Troitsko Sausti. Vertrag mit China im Jahre 1728 . Beſchreibung der Beſtung. Timkowski. Entferns ung bis Peking. Theebandel. Die Douane von Riachta, Qandel mit China im Augemeinen.
IV Seite , Mai-ma- tſchin . Deſſen Beſchreibung. Ausſchließ ung chinefiſcher Weiber daſelbſt. Chinefiſche Mahl zeiten . Dzar - gou - tſchai. Pagoden . Die Scha manen . Seltſame Alterthümlichkeit am Seniſſei. Nertſchinsk. Kronbauern. Bergwerke. Verbrecher. Eiſen- und Bleigießereien . Wilde Thiere. Ein wohner. Wettrennen . Jakutpferde. Handel mit Ochotsk. Uebergang über das Eis des Baikal... 102 Behater Abſchnitt. Aufbruch nach Petersburg. Domsk. Die Steppe von Barbarinsli. Kainst. Goldkarawane. Omst. Weihnachtfeſt . Tobolsk, Gouvernement und Stadt. Die ruſfiſche Gränze . Iekaterinburg . Das Haus des Kaufmanns Ria: zanof. Ungeziefer. Goldbergwerke. Sakoblefs und Demibofs Anſtalten. Steinſchneiderei. Perm . Magnetismus. Ein „ Buran “ und ſeine Folgen . Raſan . Reiſe nach richnet-Nowgorob. Ankunft. Rüdblic auf Sibirien. Moskau. Liebe zur Muſik. Zigeuner. Ofterfeier. Petersburg.. ..... 142 Elfter Abſchnitt. Bemerkungen über ruffiſche Zu ftände ... ...... 192
Siebenter Abfchnitt.
1
Herr Aſtaſchef. Das Goldſuchen . Ausbeute im Jahre 1829. Gefährliche und koſtſpielige Speculation. Ablieferung des Goldes nach Barnaul und Petersburg. Werth . Reinertrag. Gewinn für Rußland . Zuſtand der Ver bannten in Tomst. Keine politiſchen Berbrecher in den Bergwerden Sibiriens. Gouvernement JomsF. Meteorologiſche Beobachtungen . Der Albino . Tatar iſcher Aberglaube. Vervollkommnung der Stadt Jomsk. Feuer. Lebensdauer. Weg nach Irkutsk. Krasnojesk. Das Thal des Jeniſſei. Fruchtbarkeit. Flüſſe in Oſt ſibirien. Angara und Jeniſſei. Gouvernement Irkutsk .
Bu jenen Berrohnern von Tomsk , deren Unternehm ungen im Goldſuchen am und die ungemein
erfolgreichſten geweſen find
ſchnell ſich Reichthümer erworben
haben, gehört ein gewiſſer Aftaſchef.
Sein Erfolg be
weiſt, was die tägliche Erfahrung beſtätigt, daß, Glück am
Ende eine unentbehrliche Hauptſache iſt, um in der
Welt
fortzukommen ,
und
daß nur wenige von den
vielen , die mit gleiden Fähigkeiten und gleichem Fleiße begabt find , welchen
es aber an Gelegenheit oder an
Glück fehlt , um ihnen fortzuhelfen , ungen fidy emporſdwingen. Cottrell's Sibirien , II.
in
ihren Beſtreb
Dieſer Mann nahm vor una 1
gefähr zehn Jahren ſeine Entlaſſung aus dem Staats dienſte, wo er im Büreau des Finanzminiſters mit dem Rang als Oberſt angeſtellt war, und zwar ohne alles Vermögen .
Dieſes Amt hatte ihn wahrſcheinlich mit
dem wahren Zuſtande des Bergweſens vertrauter ges macht, als es bei dem Publicum gewöhnlich der Fall iſt, und beſonders mit dem Geſchäftsfreis, der das Gold und Silber umfaßt.
Von dem Grfolge in Verſuchung
geführt, der, wie ihm wohl bekannt war, die Unternehm = ungen Einiger begleitete, ohne aber vielleidyt zu wiſſen , wie wenig Gerrinne verhältniſmäßig in dieſer Lotterie enthalten ſind , befoloß er , aus dem Staatsdienſt fich zurückzuziehen und jenes verführiſche Gewerbe zu be treiben. Niemand, der bei der Regierung angeſtellt iſt, darf unmittelbar oder mittelbar bei der Goldwäſde betheiligt ſein , eine ſehr zweckmäßige und heilſame Verordnung in Rußland , wo Beamte ſo viel ungebührlichen Gins fluß haben und wo er ini dem fraglichen Falle ſo er: folgreich
und ungerecht gelibt werden könnte.
unabhängige Mann
hingegen
Jeder
hat das Vorrecht,
in
dieſem Unternehmen unbeſchränkt und ungehindert ſich zu Grunde zu richten oder ſein Glück zu machen.
Die
Verlufte der Leute ſind jedoch häufig ſo bedeutend ge meſen, daß die Regierung , wie man ſagt, bereits er mägt, der Leichtigkeit, womit man ſich in dieſe gewag ten Unternehmungen einläßt, eine heilſame Schranke zu
ſegen.
3
Der Geninn für die Staatsiaſje ſo wie für
die Unternehmer iſt im Falle eines glücklichen Erfolges unbedingt bedeutend, doch da ein ſolcher nur die Auss nahme und nicht die Regel bildet, ſo ſind die aus dem Mißlingen entſpringenden Uebel ſo groß , das in die Familie eingreifende Verderben iſt ſo furchtbar, daß es zweifelhaft iſt, ob die Geſammtheit bei der Sache ge winnt oder nicht.
Sobald jemand ben Bezirk, wo er
zu ſuchen gedenkt, erforſcht und ſich vielleicht dadurch, daß er einige AB des foftbaren Metalls auffand, über zeugt hat, daß die Vorzeichen günſtig find , ſo muß er die Entdeckung dem nächſten öffentlichen Beamten ans zeigen .
Dann hat er bei dem Director des nächſten ,
der Krone zugehörigen Bergwerfbezirkes um die Era laubniß nachzuſuchen , fein Unternehmen zu beginnen . Es wird hierauf ein Bergbeainter abgeſendet, um das Land abzumeſſen , das geſeglich auf fünf Quadratwerfte beſchränkt iſt.
Dieſes Gebiet wird der fraglichen Bere
fon auf ſo lange überwieſen, als ſie es zu benußen be liebt, und ſie iſt während dieſer Zeit völliger Eigen thümer und zahlt keinen Zins an die Regierung .
Nach
dem Alles vorbereitet iſt, errichtet der Unternehmer Hüt ten für die Arbeiter und ſeine Maſchinen zum Warden des Sandes
Die einzige angefügte Bedingung iſt, wie
bereits erwähnt , daß er alles Gold , was er findet, unmittelbar nach Beendigung
der Arbeitzeit (Anfang
Orto bers) , an das Regierungsdepot zu Barnaul abliefern 1*
4
muß.
Was meiter geſchieht,
haben wir bereits be
ſchrieben Die Mehrzahl der bei dieſen Anſtalten beſchäftigten Arbeiter find ruffiſche Verbannte , die von der Polizei eine geſtempelte und auf ein Jahr giltige Erlaubniß erhalten , daſelbſt zu wohnen , und dieſe Erlaubniß fann nach Ablauf dieſer Friſt wieder erneuert werden .
Da
die Zahl der Unternehmer fich vermehrt und die Zahl der Arbeiter zieinlich immer dieſelbe bleibt , ſo iſt der Arbeitslohn in den legten Jahren bedeutend geſtiegen . Wir erhielten unſere Berichte von den ficherſten Leuten , nämlich von den Eigentümern ſelbſt, und da wir nicht wüßten , was für eine Urſache fie hätten haben fönnen , uns zu täuſchen , ſo halten wir ſie für richtig. Arbeiter empfängt
monatlich
Der
zwanzig Silber - Rubel
dabei hat er freie Wohnung und Speiſung und em pfängt noch überdieß verſdiedene Dinge, die Luruse artikel für
ihn
find ,
als
Tabak und Branntwein .
Einige Hauptanſtalten liegen dreihundert Werfte von Tomsk, fern von jeder Landſtraße , und es müſſen ihnen alle Lebensmittel, Mehl, Fleiſch , Fiſche für die
zahl
reichen Faſttage und andere Bedürfniſſe zu Pferde zuges führt werden , was dem verurſacht.
Unternehmer bedeutende often
GB erzählte und einer , daß ihn jeder Ar
beiter täglich drei Rubel koſte, eine Summe, die viel leicht in
keinem
anderen Lande der Welt ein Diann
durch gewöhnliche Handarbeit fich verdienen kann .
Afta
( chef beſchäftigt jährlich tauſend Arbeiter für dieſen Lohn, aber nur früheſtens vom April bis Anfang Octobers . Vor dem Jahre 1829 wurde in dieſem
Theile Si
biriens kein Gold gefunden und wirklich auch nur wes nig im
öſtlichen Ural.
In jenem Jahre hörte zufällig
ein Kaufmann in Tomsk, Namens Popom , der bereits ein bedeutendes Vermögen beſaß , daß
ein Flüchtling,
der ſich in den Wäldern gegen hundert uns fünfzig Werſte öftlich von der Stadt verborgen hielt, Gold im Sande gefunden hätte.
Der Flüchtling war ein alter
Mann und hatte eine Tochter, durch welche Popow die Stelle entdeckte, wo ihr Vater gegraben hatte , und augens blicklich wirfte er ſich eine Verwilligung des Diftricts aus .
Im Anfang war er nicht eben glücklich, indem
nur ungefähr ein halber Zolotnik aus hundert Pub Sand gewaſdien wurde.
Er verlegte dann den Schaus
plaß ſeiner Unternehmungen nach Norden , ſechszehn hundert Werſte nördlich von Tobolsk und nordöſtlich von Berezow .
Hier fand er Gold, aber nicht in bea
deutender Menge, und da der Boden dort beſtändig ges froren iſt, ſo waren die Koſten ſehr bedeutend ; alle Le bensbedürfniſſe waren übermäßig theuer , es gab keine Häuſer und nur wenig Arbeiter.
Nachdem er im Ganzen
drei und ſechszig tauſend Nubel aufgewendet hatte, kehrte er zu der früheren Stelle zurück,
und zur Zeit ſeines
Todes im Jahre 1832 war es ihm gelungen, jährlich vier bis fünf Pub Gold zu gewinnen .
Doch ehe er
6 18 dahin brachte, hatte er an dreihundert verſchiedenen Stellen in der Nähe von Tomsk geſucht.
Er fod kurz
vor feinem Tode dem erwähnten Aftaſchef vierzigtaus ſend Rubel zum Beginn ſeiner Nachſuchungen geliehen haben.. Um dieſelbe Zeit fam ein reicher Raufmann von Jekaterinburg , Namens Riazanom , mit einem Capital von zweimal hundert tauſend Rubel, um dieſelbe Spe= culation zu wagen , und verwendete Ades , ohne Gold zu finden .
Endlich entdeckte er eine reiche Ader bei
dem kleinen Fluſſe Runduſtnif, aber faum hatte Aftas chef davon gehört, als er um Verleihung des Landes anſuchte, um den Anderen ſeines rechtmäßigen Eigen: thums zu berauben , nachdem dieſer ſo viel Zeit und Geld geopfert hatte , ehe er ſo glücklich war , auf den Schat zu ſtoßen.
Es entſtand natürlich ein
Proceß ,
dod ) als Riazanow fand, daß ſein Gegner zu ſehr bez günſtigt wurde und er wahrſcheinlich ſeine Sache ver lieren würde, hielt er es für's Beſte , Vergleich einzugehen .
mit ihm einen
Der kleine Fluß, bei welchem fie
ihre Unternehmungen begonnen hatten , hundert Werſte lang , und theilen.
iſt ungefähr
fie famen überein , ihn zu
Die Speculation hatte einen glücklichen Erfolg,
indem man auf hundert Pud ein Zolotnik gewann , oder doppelt ſo viel, ale Popow gefunden hatte.
Sie verein
igten fich hierauf, wie man ſagt, mit mehrer der be deutendſten Leute in Petersburg , ſo daß jedoch natür
-
7
lich die Leitung immer in ihren Händen blieb, während jene nur ſogenannte ftille Geſellſchafter waren , aber durch ihr Capital und ihren Einfluß zu ſehr erwünſchten Mitgliedern wurden .
Man ſagt, der Kaiſer hätte von
dieſer Verbindung gehört und einigen von der Geſella ſchaft zu verſtehen gegeben , daß ihre Theilnahme an einem
ſolchen Unternehmen
geſegwidrig ſei,
worauf
fte ihre Antheile an Aftaſchef verkauften , der jeßt ein Millionär ift. Der Ort ihres ſo einträglichen Geſchäfts liegt im Gouvernement Jenifſeiek Kan.
Man findet
an den Flüſſen Tuba
und
die beſten Adern gewöhnlich in
kleinen Flüſſen , die ftch in größere ergießen , und es wäre in der That nuklos , wenn man Gold in einer Gegend fände, wo es fein Waſſer gibt, da man ſo viel zum Waſchen des Sandes braucht, worin es enthalten iſt.
Die einträglichſte dieſer Goldwäſchereien in dieſem
Theile. Sibiriens gehört ebenfalls den Herren Aftaſchef und Compagnie ; fie liegt am Flufſe Rhorma , die ſich in die Biruſſa , die Gränze der zwei Gouvernemente Irkutsk und Jeniſſeisk, ergießt, in dem Lande der Rare agas, die eben ſo wild und ungefittet find wie die Rir giſen .
Aftaſchef ſagte uns , fte hätte im Jahre 1840
neun und ſechezig Pub Gold gegeben , drei Zolotnik auf hunbert Pub Sand und Stein .
Berechnet man
den reinen Gewinn vom Pub auf 25,000 Rubel , ſo gewann dieſe glückliche Geſellſchaft in einem Jahre zwei
Millionen Rubel, und der größere Theil davon fiel einem einzigen Manne zu , da er die meiſten Antheile derjeni gen an fich gekauft hatte , die auf des Kaiſers Winf zurücktraten.
Die ungeheuere Maſſe Sand , die ger
waſchen werden mußte, um dieſes goldene Ergebniß zu geminnen , iſt faſt unglaublich , und trag noch mehr ſagen will, es läßt ſich für den Reichthum jenes Mannes, der noch nicht fünfzig
Jahre zählt, keine Gränze bez
ftimmen , denn es iſt alle Wahrſcheinlichkeit vorhanden, daß nicht nur der Sand, wo ſte jeßt arbeiten , vor funfzehn bis zwanzig Jahren nicht erſchöpft ſein wird, ſondern daß noch viele andere Stellen
in der Nähe
einen eben ſo reichen Schaß enthalten.
Sollte jedoch
dergleichen ungeheuerer Gewinn irgend eine Zeit lang fortdauern , ſo wird die Regierung höchſt wahrſchein lich fich ins Mittel (dlagen und einen Theil des Gr trages wenigſtens dadurch in Anſpruch nehmen, daß fte die Tare erhöht, die jept ganz unbedeutend ift, und man kann nicht ſagen , daß dieß eine ungerechtigkeit wäre.
Das Verfahren bei der Wäſche iſt ſehr einfad), ob gleich
ein verbeſſertes Getriebe die Koſten bedeutend
vermindern und , was bei dem Mangel an Arbeitern von noch größerer Wichtigkeit ift , eine umfänglichere Thätigkeit möglich machen würde , die ſich jeßt nadı der Zahl der Arbeiter richten muß.
Es wäre ohne
Zweifel eine ſehr einträglide Speculation , wenn eiu
9
geſchichter Maſchinenerfinder dorthin
ginge ,
um eine
neue Reinigungsart des Materials zu erfinnen , , aus welchem das Gold gewonnen wird; er würde ſicherlich ſein Olüd machen und ohne Schwierigkeiti ein Patent erhalten .
Auf einer abhängigen Fläche ſteht eine große
bölzerne Maſchine, die in verſchiedene, durch ungeheuere eiſerne Stämme von einander getrennte Fächer abgetheilt ift.
Der erſte dieſer Kämme iſt ſehr ſtark und grob,
da das Material, welches , er durchlaſſen
ſoll , aus
großen Stücken Quarz, Stein und Sand beſteht. Gold wird gewöhnlich im Quarz gefunden , der in mäßige Stücke zermalmt werden muß , aber es
erfordert dieß
oft ſo viel Zeit, daß man ein gutes Sheil Gold ſchwin den läßt, weil es nicht der Mühe werth iſt, ſich lange mit Bermalmung
der Steine" zu befaſſen .
Hierauf
gießt man Waſſer auf die Maſſe, das die größeren Stücken und einen großen
Theil des Sandesi hinweg
ſpült, während das Gold , weil es ſchwerer iſt , fich zu Boden feßt.
Dieſes Verfahren wird mehrmal wies
derholt, biß aller Sand und Abfall entfernt iſt, worauf das Gold
in
ſeiner gewöhnlichen Vermiſchung
mit
Eiſenſtaub zurückbleibt. Man findet nicht ſelten große Stücke Gold ohne Beimiſchung geringerer Metalle; wir fahen dergleichen in Sibirien von ſechs und ſieben Pfund Schwere, und ein im Petersburger Muſeum aufbewahrtes Stück, das der Kaiſer Alexander im
Ural fand , wiegt 24 Pfund
10
und wird auf 26,286 Pfund Sterling geſchäßt.
A18
der Raifer die Mine beſuchte, wo es gefunden wurde (man fand es nicht im Sande ) , fou er zufällig mit dem Fuße daran geſtoßen ſein , und es ergab fich bei genauerer Unterſuchung , daß der Gegenſtand , der mit der kaiſerlichen Zehe in Berührung gekommen , jener unſchägbare Goldklumpen war.
Es iſt möglich , daß
man ihn ſchon vorher außgegraben und hierher gelegt hatte , um dem Raifer die Chre der Auffindung zu laffen .
Man fand
ihn in der Mine Aleranbrofski
im Ural.
Go bedeutend jener Ertrag auch ift, ſo find doch die Anſtalten im Ural noch viel ergiebiger;
in Miast
bei Zlatauſt iſt das Verhältniß des Goldes zu den Schlađen um vieles größer und die Behandlungsweiſe zweckmäßiger. In einem Flüßchen , das ſich in die Tonguska er gießt, ungefähr 800 Werſte von Tomsk , nicht weit vom Jeniſſet, gibt es einen kleinen Sandfleck, der viel leicht der ergiebigſte iſt, den man ſeither bearbeitet hat. G8 heißt , man hätte ein Pfund Gold aus hundert Pud Sand gewonnen, im Durchſchnitt ziranzig Zolot nik auf hundert Pub Sand.
Dies iſt leicht möglich,
wenn es in großen Maſſen frei von Stein und Sand gefunden wird .
Die tauſend Arbeiter ,
die Aftaſchef
beſchäftigt, foften für die ſechs Monate, wo ſie arbeiten, in Adem vielleicht fünfhundert Rubel der Kopf.
Die
II
Ausgabe beträgt
eine halbe Million Rubel; hierzu
kommt noch der nöthige Aufwand zur Erhaltung der Maſchinerie und der Häuſer für die Arbeiter , die Ros ften der Fortſchaffung des Goldes nach Barnaul , verſchiedenen Geſchenke
die
an die Beamten jeder Klaffe
dort und in der Münze in Petersburg und die fünfs zehn Procent , welche die Regierung für Prüfung und Gepräge erhält, und dann empfängt der Eigenthümer nach
dem
Karat fünfunddreißige bis vierzigtauſend
Rubel auf das Pub .
Nach all dieſen Abzügen beläuft
fich der Reinertrag von einem Pud ficherlich auf nicht weniger als fünf und zwanzig tauſend Rubel.
Das
Gold wird in Petersburg in Ducaten geprägt und der Eigenthümer hat die Wahl , dieſe oder Papiergeld zu nehmen. Auch weiter öſtlich an der Angara und in den Gebirgen bei Nertſchinsk hat man Gold gefunden, und es iſt unzweifelhaft , daß mit der Zeit, wann die Be völkerung zugenommen hat und diefer Theil des Reiches mehr civilifirt und beſſer, organiſirt iſt, der Schag, den man jährlich aus den Eingeweiden der Erde gewinnt, fitch ungeheuer vergrößern wird .
Der Rohertrag des
Golbe , das jest in den rufftſchen Gebieten erzeugt wird ,
überſteigt
wahrſcheinlich ſchon weit ſelbſt die
Ausbeute Braſiliens, und die Maſſe nimmt mit jedem Jahre bedeutend zu.
Es iſt zwedlos , die veröffent
lichten Tabellen der Ausbeute in den verſchiedenen Bes
-
12
zirken zu geben . , und ſelbft zweifelhaft , ob nicht der in den
ung eheuere. Betrag ringer angelegt
iſt.
Wir
amtlichen Urkunden
ges
wiſſen 'aus zuverläſſiger
Quelle , daß im Jahre 1840 die Geſammtſumme ſich auf achthundert Pud belief, und man hoffte, ſie würde im
vergangenen
wir haben nicht
Jahre bis auf tauſend ſteigen , aber erfahren , w98 das Ergebniß war .
Nad) amtlichen Beriďten iſt in den Gouvernements Tomsk und Seniſſeist ſeit dem Jahre 1829 die Auge beute von einem Pub zehn Pfund auf zwei hundert und elf Pud neun und dreißig Pfund geſtiegen .
An =
genommen , daß der größte Theil davon in Papier be zahlt wird,
was unzweifelhaft der Fall iſt,
und daß
für die Regierung der Werth cines. Puds eber fünfzig als vierzigtauſend Rubel beträgt , ſo hat ſie jährlich eine Summe von zwei Millionen Pfund Sterling in klingender Münze zu ihrer Verfügung, rrenn man adit hundert Pub , zu fieben und vierzig tauſend Rubel das Pud, berechnet.
Es liegt nichts daran, ob der Gewinn
der Regierung oder Privatleuten immer im allgemeinen dem
zufällt,
Volke zu gute.
er kommt Dennod ,
ſcheint nicht ſo viel Geld im Umlauf zu ſein , als ſich nach der Maſſe , die jährlich aus der Münze fommt, erwarten ließe, und es wird dieß zwei verſchiedenen Urſachen zugeſchrieben . Die eine liegt in dem Abfluß der klingenden Münze, bei der Zahlung der Zinſen im Auslande , die andere iſt ſeltſamer und beweiſt den
13 Nachtheil ber Unſicherheit des Eigenthums ſelbft untet den Landleuten. Viele von ihnen, die reicher ſind, als man vermuthet, befürchten, daß ihr Reichthum entdeckt und ihnen von der Polizei oder ihren Herren und Ge bietern abgenommen werde, in die Erde.
und vergraben ihn daher
Sie ziehen felbft ihre zuverläffigften und
nächſten Verwandten nicht in's Geheimniß und gehen häufig aus der Welt, ohne den Verſteck ihrer Schätze verrathen zu haben ;
und ſo gehen , wie man glaubt,
große Summen in Gold und Silber auf ewig verloren . Wir haben von vielen Fällen der Art gehört, wo der Eigenthümer die Enthüllung des Geheimniſſes fo lange verzögerte, bis es zu ſpät war ,
und die Hand des
Tobes ihn früher erfapte, als er berechnet hatte. Von den vierzig tauſend Rubeln , die Aftaſchef zum Beginn ſeines Unternehmens lieh , ſoll er fünf und dreißig tauſend ohne Erfolg verwendet haben Er bez kennt ohne Hehl , daß die Auffindung einer Schapaber weder Geſchicklichkeit noch Verdienſt ſei, daß es Bielen , die
bei
ihrer Ortskenntniß und einigen
geologiſchen
Kenntniſſen obendrein , fehr glücklich hätten ſein müſſen , fortwährend fehlgeſchlagen Tei, und daß , wie geſagt, gutes Glück das
einzige Erforderniß ſei.
Droßdem
follten wir meinen , daß ein tüchtiger Geolog wenigſtens darin einen Vortheil beſigen müßte, daß er die Schich ten kennt; wo wahrſoheinlicher Weiſe kein Gold gefun den trerden
kann ,
und
auf dieſe Art viel Zeit und
14
Koſten erſparen würde ,
obgleich er eß vielleicht nicht
leichter findet als ein Ununterrichteter.
Doch würden
geologiſche Renntniſſe bei Nachforſchungen im Gebirge vielleicht nüßlicher ſein als im Sande eines Fluſſes. ; Da Tomsk eine der bedeutendſten Niederlaſſungen der Verbannten ift,
ſo hatten wir Gelegenheit,
ihrer Lage etwas bekannt zu machen .
uns mit
Wir haben bes
reits erwähnt, daß ein großer Theil derſelben bei den Goldwäſchereien beſchäftigt ift mehr verdient und beſſer lebt ,
und
dabei unendlich
als es ihm nicht nur
in Rußland, ſondern auch in irgend einem anderen uns bekannten Lande jemals
möglich
wäre.
Außerdem
gehören faſt alle Dienſtleute in den Häuſern der Vors nehmen und Reichen in Tomek jener Klaffe an .
Wir
haben ſie immer von ihren Gebietern als die beßten und zuverläſſigſten Leute ſchildern hören , und die Vera fidherung ,
daß feine Diebſtähle und Ungehörigkeiten
vorkämen , können wir aus unſerer eigenen Erfahrung als Thatfache Beſtätigen.
Wir büßten
auf unſerer
ganzen ungeheueren Reiſe, ohne je größere Vorſichtes maßregeln zu treffen, als wir in irgend einem anderen Lande gethan haben würden , nur einen einzigen Ge genſtand ein , und dieß geſchah nicht in Sibirien . haben bereite
im
Eingange dieſes Werkes ,
Wir
wovon
den Sperlingsbergen die Rede war , erwähnt , daß die meiſten der Verbannten nur wegen heimatloſen Herums treibens hierher kommen ,
und wahrſcheinlich gehören
15 zu
dieſer Klaſſe Ade ,
beſchäftigt ſind.
die
als
häusliche Dienſtleute
Diejenigen , welche es vorziehen , ſich
als Landbauer niederzulaſſen, erhalten ein paus, dreis Big Acer Land
oder , wenn ſie es beſtellen fönnen ,
noch mehr, eine Kuh , einige Schafe und hundert fünf und zwanzig Rubel als Ausſtattung, und hiermit has ben ſie, wenn ſie .fleißig ſind, alle Ausſicht , nicht nur unabhängig, ſondern auch reich zu werden. Der Preis des Korns ift in wenigen Jahren un hundert Procent geſtiegen, weil ſich die Zahl der Spe= culanten in und um
Tomsk vermehrt hat , ſo daß der
Ackerbauer für ſeine Arbeit hinlänglichen Lohn findet und auf ein gutes Auskommen rechnen kann .
Von
Setten , Strafen oder Bedrückung iſt keine Rede ; die Ver bannten ftehen nur ganz einfach unter polizeilicher Auf ficht, ein Verhältniß, dem mehr oder weniger niemand enthoben iſt. Diejenigen , die irgend ein Gewerbe verſtehen oder ſich mit irgend einem Handwerke zu befaſſen wiſſen , das über
die
gewöhnliche Taglöhnerarbeit fich erhebt,
können mit Gewißheit auf gute Geſchäfte rechnen .
Da
es keine eingeborenen Schneider , Schuhmacher, uhra macher oder Handwerker irgend einer Art gibt,
ſo ift
die Ankunft einer derartigen Perſon eine Eroberung für die Geſellſchaft, und man findet jeßt hier: all dieſe Leute eben ſo gut , wenn nicht beſſer,
alê in irgend
einer anderen Provinzialſtadt ruffiſcher oder nicht ruſ fiſcher Herrſchaft.
Die vermorfenen Berbreder werden
16
weiter in's Land gebracht,
und wir werden
Beſchreibung von 3rfuták von ihnen
bei der
ſpreden , aber
Felbſt dieſe find um 'vieles beſſer daran , als ſie zu er warten berechtigt find oder es ohne Zweifel verdienen . Wir wiffen , daß es unter
denjenigen ,
die bei den
Goldwäſchereien um das tägliche Brod arbeiten , viele und beſonders Polen gibt , die beſſere Tage gekannt haben und zu einer ganz anderen Klaffe der Geſellſchaft gehörten , alß diejenige ift , unter welche fte hier ge rathen .
Sie ziehen es wahrſcheinlich vor, hier in der
Verborgenheit zu leben , ftatt öffentlich als Diener oder Krämer aufzutreten ,
denn vom Ackerbaue 'verſtehen fte
nichts ; eben ſo ivenig fällt es uns ein , zu leugnen, daß nicht ſelten Bedrudung und Ungerechtigkeit vorfommen , wo politiſche Verbrechen die Urſache der Verbannung find.
Wir ſprechen nur von dem allgemeinen Zuſtande
der Maffen .
Das aber können wir gegen allen Wider
fpruch verſichern , daß in dieſem Augenblicke in keinen Theile des tuffiſchen Reiches ein einziges menſchliches Weſen politiſcher Verbreche'nt wegen auf Befehl der Regierung in
den
Bergwerken arbeitet.
Berböte eß uns nicht das Zartgefühl, ſo könnten wir unter den Verbannten einige bedeutende Leute nennen , bei welchen ſelbſt der größte Freidenfer nicht leugnen kann , daß fie abſdheuliche Verbrechen begangen haben und nach Gerechtigkeit verurtheilt worden ſind, deren Lage aber dennoch , ausgenommen ,
daß fie nicht nachy
17
Petersburg und in ihre Heimat zurückkehren dürfen , ſo behaglich iſt, als
irgend möglich.
Sie haben ihre
Familien bei fich), und obgleich ihre Kinder , die in Sibirien geboren werden , nicht adelig find , ſo werden ſte es doch ohne Zweifel werden, wenn ſie in die mi litäriſche Schule kommen und wie andere Leute in den Dienft treten. Nach dem Gefeß darf jeder dieſer Ver bannten von ſeiner Familie jährlich nicht mehr als tauſend Rubel an Geld empfangen , obgleidy ihnen Ge genſtände der Nothdurft oder des Lurus bis zu jedem Jenes Geſet aber, wird,
Betrage zufließen können .
wie viele andere , fortwährend übertreten , und bei vie len
Gelegenheiten
wahrſcheinlich nicht
ſtändniß der Behörden .
Wir
ohne Einvers
könnten Viele nennen ,
die bedeutend mehr bezogen. Die Ruſſen , wir ſprechen natürlich nur von den niederen Klaſſen , ſind vielleicht
mit weniger Banden
an Heimat und Freunde gefettet als die meiſten an: deren Völker, da fie von dem Eigenthümer ihrer heim iſchen Erdſcholle abhangen und nie in dem Zuſtande leben , den man gewöhnlich Freiheit nennt, aber dennoch hangen fte inniger an ihrem Vaterlande ale viele ans dere Nationen . Wir glauben, ein ruſítſcher Bauer würde ſich ſehr ſchwer zu einer freiwilligen Anſtedelung über reden laſſen , und wäre es auch in einem Lande, wo er nur Landsleute und ſeine heimiſche Sprache wieder fände. In England kommt ein Mann von niederem Stande, II. 2 Cottrell's Sibirien,
18 der daheim faum zu leben hat, ſchwerer zu dem
ent
chluſſe, feinen Sohn nach Auſtralien zu ſchicken , ale Leute von höherem Stande fich entſchließen, ihre Söhne auf zwanzig Jahre nach Indien zu ſenden .
Die Ur
fache mag vielleicht in der Ungewißheit liegen, ob auch wirklich für ihn geſorgt iſt, wenn er bort hin kommt. Daſſelbe iſt in Rußland der Fall.
Wir haben oft von
Verbannten in Sibirien , nachdem
ſie eine Zeit lang
dort angeſiedelt waren, die Verſicherung gehört, daß ſte fich bedeutend verbeſſert hätten und ihren Freunden in der Heimat rathen würden , wo möglich nachzukommen und ihr Glück zu machen .
Aber trofdem
ergreift all
jährlich eine große Anzahl die Flucht und kehrt nach Rußland zurück, mit der ſehr wahrſcheinlichen Ausſicht, entdeckt und geknutet zu werden , und die lange Reiſe noch einmal zu machen.
Doch ſind dieß Verbrecher,
die lieber Alles wagen , als in ſchlichter Ruhe leben, ob gleich fie nicht klagen können und unſtreitig beffer daran ſind, als es in der beſtändigen Angſt vor Entdeckung möglich iſt.
Wir haben felbft mit Leuten geſprochen ,
die wieder eingefangen waren, und fte haben die That fache eingeſtanden , ſo daß fich aus den häufigen Flucht verſuchen kein Sdluß gegen ihren Zuſtand in Sibirien ziehen läßt.
Es iſt eine Zwangverbannung, das iſt
Alles , was fie dagegen vorbringen können , aber dieß ift genug ,
ſie
zu
dem Verſuche
jede Gefahr daraus zu befreien .
zu verleiten , fich auf Die meiſten ſolcher
19 Flüchtlinge ſind aus Irkutsk , wo die ruchloſeren Ver brecher, Mörder und Brandſtifter zu harter Arbeit vers urtheilt find, die jedoch , wie wir ſpäter darthun werden, nicht allzuſtrenge ift. Das Gouvernement Tomsk , das kleinſte der vier Gouvernements von Weſtſibirien , umfaßt einen Flächen raum von 22,446 engliſchen D. Meilen.
Es mag jest
vielleicht etwas größer geworden ſein , da vor einigen Fahren in der Eintheilung der Gouvernements Omsk, Tomsk und Tobolsk eine Veränderung vorgenommen und ein Theil des erſteren den beiden legteren zugefallen -ift. Nach
dieſer Berechnung
iſt es gleich dem
1627ſten
Theile der ganzen Quadratfläche des Erdbaus. ( 8 liegt zwiſden den 49 ° 30' nördlicher Breite.
und 61 ° 30' Parallelkreiſen
Die füdöſtliche Spiße
iſt ſehr ge
birgig und enthält einen großen Theil des Altai ; der ſüdweſtliche Theil iſt von Moräften und Seen bedeckt, wovon die meiſten , mit ſchwefeligem Natron oder una reinem Glauberſalz geſchwängert, bitter find. In ein= igen iſt ſüßes Waſſer mit einem bedeutenden Nieder ſchlag von gewöhnlichem Küchenſalz
in anderen Mas
gneſia . Wo es viel Seen gibt, ſind keine Wälder. Der nördliche Theil iſt wieder ſumpfig und mit großen Wäld ern bedeckt und wird von einem Volke Taygar bewohnt.
mit Namen
Der größere Theil des jüdlichen Dis
ſtricte gehört zu den Minen und umfaßt Biisk, Roly wan
und. Barnaul,
die
urſprünglich Kroneigenthum 2*
20 waren und vom Kaiſer den Bergwerfen verliehen wurden, mit Ausnahme jene
Theiles von Bilst, wo im Süd
often des Altai die Kalmücken wohnen , die, wie ſchon erwähnt , ſo gut an Rußland , als an China Tribut zahlen .
Kusnetek schört ebenfalls zu dem Bergwerk
diſtrict, den Theil ausgenommen , der von den ſogenannten Lataren von Tomsk ,
ben Lelenguten und dreihundert
ruſſiſchen Kronbauern bewohnt ift. Der
übrige Theil von Tomsk ,
der den Diſtrict
Kainsk umfaßt, iſt noch immer Kroneigenthum und wird von Kronbauern , die unabhängig von den Bergwerf beamten find, einigen Tataren und Oſtiafen bewohnt. Die Stadt Rainsk jedoch,
ſteht rrie Kolywan ,
Bar
naul , Rußnetsk , Biisk , Semipalatinsk , Uft - Ramen ogorsk , 3 menogorsk und die ehemalige Stadt Narym unter der Bergwerksobrigkeit.
Es dürfte einigen un
ſerer Leſer vielleicht willkommen ſein , wenn wir hier eine Tabelle von Beobachtungen beifügen ,
die
unſer
Freund Hedenſtröm während ſeines Aufenthaltes neun Werfte von der Stadt Tomsk gemacht hat.
Die
mittle
Temperatur
jedes
Monats
Réaumur folgende : Grade. November 1840
12,7847666 ,
December
18,5132580 ,
Januar Februar
1841
17,7940379 , 12,5376964,
ift
nach
21 Grade : März
1841
April
bis zum
4,5277777, 0,0026530 ,
+
Mai
+ 13,5365000,
Junius
+ 13,1370000,
Julius
+ 15,2225800 ,
Auguſt
+
9,3666666,
September
+
2,3488888,
26. October
+
0,3680000.
Hiernach ſcheint ſich die mittle jährliche Temperatur auf - 1008 herauszuſtellen .
Die größte Kälte war
am 31. December , — 36 ° ; die größte Hiße im Schats ten nach Norden + 23 ° 25 um zwölf, zwei und vier Uhr am 13. Julius.
In der Sonne zeigte das
Thers
mometer am 21. Julius 40 ° . Die durchſchnittliche Varometerhöhe nach engliſchen Zollen und den entſprechenden Graden Réaumur's war folgende : Bom 17. Januar
Zoll :
Grade :
30,19546 30,15046071
+ 13,99106 , + 14,25871 ,
März
29,693290
+ 15,164,
April
29,9109
+ 14,2818, 3
bis zum 1. Februar : im Februar
= 11
Mai
29,581
Junius
29,496
+ 15,543 , + 14,563,
Julius
29,596451
+ 16,98,
Auguſt
29,686
+ 13,7474 ,
22 Grade :
3 oll :
September
im
bis zum 20. October Durchſchnitt :
29,692
+ 13,556 ,
29,800
+ 14,4 ,
29,78
+ 14,65
Die Windtabelle war folgende .
Oft- und
Weſt
wind iſt nur angegeben , wenn es beſtimmter Oſt- und Weſtwind war ; Nord -Weſt, Weſt -Nord -Weſt, Oſt-Nord Oft ſind unter Nord verzeichnet, Oft -Süd -Oft,
Weſt
Süd - Weſt, Süd-Weſt und Süd -Oſt unter Süd . In der legten Hälfte S. N. 2. W des Januar
1841
im Februar
zum
16 35
9
5mar , 7
März April
322 147
16
6
358 154
Ô
4
Mai
223
48
1
11
Junius
151
91
5
15 -
141
88
12
39
Auguſt
145
98
1
35
September
188
34
30
18 -
20. October
137
22
3
8
Julius
bis
42 192
-
1899 733
83 148
Im Jahre 1841 fam die milde Jahreszeit ſpäter als im vorigen , und das Thauwetter trat vierzehn Tage ſpäter ein .
Im Jahre 1810 war der Boden con am
21. April zur Ausſaat tüchtig ,
im Jahre 1841 erſt
am 5. Mai . Die Reiffröſte ſind hier für das Getreide eben ſo gefährlich als weiter füdöſtlich . In den beiden
23
legten Jahren begannen fte am
2. und 3. Auguft und
ſo erfroren Hafer und Tabaf. Der Roggen leidet am wenigften von ihnen und ift baher für den Landwirth bas einträglidifte vierzigfte Rorn.
Getreibe.
Er gibt
das
dreiund
Zum Erſatz für das ſpäte Frühjahr
im Jahre 1841 trat auch der Winter verhältniſmäßig ſpät ein ; der Fluß Tom , der durch die Stadt Tomok fließt, war am 8. October 1840 völlig zugefroren und am 20. October 1841 war er noch frei vom Eiſe, wie lange ferner noch, wiſſen wir nicht.
Auch in Petere
burg fchien fich der Winter ungewöhnlich verſpätet zu haben.
Die im Jahre 1811 vorgenommene Volfzählung im Gouvernement Tomsk ergab eine Geſammtſumme von 459,000 Menſchen beiderlei Geſchlechts ,
ſo daß
nach der obigen Flächenberechnung nicht ganz drei und zwanzig Menſchen auf die engliſche Quadratmeile kommen , und ſobald ein großer Theil dieſer Zahl andere Geſchäfte als Ackerbau treibt , ſo iſt es offenbar , daß viel Land, das mit Bortheil bebaut werden könnte, unbenugt lies gen bleibt. Menſchen ,
Wir fanden in Tomsk einen
ſeltſamen
einen engliſchen Landemann , der hier eine
„ trakhtir” oder kleine Schenke mit einem Billardzimmer, dem erſten dieſer Art in dieſer Stadt, eingerichtet hat. Sein Name iſt Crawley) und er gehört zu der Albinos familie, die vor einigen Jahren in London ſich ſehen ließ und nachher durch ganz Europa nach Griechenland
24 und der Türkei ging; er glaubte dann ein gutes Get ſchäft zu machen ,
wenn er nach China reiſte.
Sein
Vater wurde als junger Mann von einem Reiſenden aus Abyſſinien gebracht und heirathete in London eine Engländerin , deren Namen er annahm . Es entſprangen aus dieſer Ehe fünf Kinder, drei Söhne, welche alle dem Gdhenkirth in Tomsk gleichen , und zwei Töchter von dem Ausſehen der Mutter.
Derjenige , von
welchem
hier die Rede iſt, zählt jeßt neun und breißig Jahre, trägt lange Haare wie ein Weib , die ,
milchweiß und
fein und meich wie Seide , hinten in einen Zopf ges bunden find.
Er hat eine ſchöne Geſichtfarbe und wes
nig oder gar keinen Bart,
und alle Haare an ſeinem
Körper find von derſelben Farbe wie das Haupthaari Seine Brauen und Augenwimpern ſind von gleider Art und ſeine Augen roſenroth , etwas lichter als die Augen
eines Frettwieſels.
Gr hat
fich für Gelb fehen zu laſſen ,
längſt aufgehört,
machte aber in Peters
burg und Moskau gute Geſchäfte. Nach dieſer Zeit fand er auf ſeiner Reiſe oſtmärts nach Sibirien nicht mehr ſo viele Neugierige, und da ſein Beutel zuſam menſchmolz, ſo hielt er es für beſſer, den Neſt an kein ungewiſſes Unternehmen
zu ſehen.
Er kaufte ſich in
Tomek einige Grundſtücke und befindet ſich wohl , wie er ſagt, und würde fich noch beſſer befinden , müßte er nicht einer gewiſſen Klaſſe von Gäſten einen zu langen Credit geben .
Er lebt hier ſeit drei Jahren und hat
25 fich im vorigen Winter ein neues Haus für eine be deutende Suminé gekauft, ein Beweis, daß er Geſchäfte macht.
Er ſpridit fünf bis ſeche Sprachen .
John Buu kommt überall purch , wo er fich nieders läßt; aber der große Reichthum , den die Engländer in früheren Zeiten in Rußland fich erwarben , mehr ſo leicht zu erſchwingen , Enkel derjenigen ,
iſt nicht
weil die Söhne und
die ſich vor fiebenzig und achtzig
Jahren hier niederließen ; den Vortheil haben , daß fie Engländer ſind , aber in Rußland geboren wurden und daher Sprache und Sitten natürlich beſſer kennen als jeder neue Ankömmling .
Bei alledem befinden ſie fich
in Petersburg ſehr frohl, aber die Eiferſucht der nie deren klaffen im Lande iſt ein ſehr ernſtliches und faft unüberrindliches Hinderniß. Wir haben bereits von verſchiedenen abergläubigen Meinungen in den nördlichen Theilen Sibiriens ged ſprochen ;
ſie ſcheinen weit nach Süden hin verzweigt
zu ſein, wenn nicht dort, ' was wahrſcheinlicher iſt, ihr urſprünglicher Siß war.
Ein Deutſcher ,
der einige
Jahre in Tomek wohnhaft war, ein artiger verſtändi: ger Mann , ein guter Mechaniker und Muſiker , der nichts an ſich hat, woraus man abnehmen könnte, daß er wunderbaren Geſchichten ein zu leichtgläubiges Dht leihe , erzählte und folgenden Vorfall , widerfahren war.
der ihm ſelbft
Er erklärte feierlid ), daß er von
dem Aberglauben häufig gehört hätte und eben ſo un
26
gläubig geweſen wäre , als wir , die vorliegende That fache aber hätte ihn ſtupig gemacht. Bei einem Baue, den er in der Nähe aufführte, beſchäftigte er mehre Tataren , und mit einem derſelben gerieth, er in Streit und mußte ihn
entlaſſen.
Der Menſch ging davon
und brummte , daß er fich rächen würde.
Unſer Gr
zähler iſt ein ausgezeichneter Schüße und ſeine Flinte , die wir oft geſehen haben , iſt vortrefflich. Eines Tages bald nach dem Vorfalle mit dem Tataren war er, auf der Gelinottenjagd und hatte den ganzen Morgen nicht einen einzigen Fehlſchuß gethan .
Es war Feiertag
und der Tatar war ebenfalls auf der Fago- und be gegnete ihm ; er fam auf ihn zu und ſprach :
,, Ihr
habt heute euere legte Gelinotte geſchoſſen ; 3hr werdet keine mehr ſchießen ".
Unſer Freund wußte ,
was er
damit ſagen wollte, und ließ fich nicht aus der Faſſung bringen , ſondern lachte über den Menſchen , der ſeine Worte wiederholte.
In dieſem Augenblicke ſah er eine
Gelinotte auf dem Gipfel eines Baumes ,
ſchoß
und
fehlte, und verſicherte uns, er hätte achtmal auf dieſen Vogel gefeuert und ihm
nicht eine Feder gekrümmt.
In der Meinung , die deußerung des Tataren habe ihn unruhig gemacht und er fei nervenkranf , bat er einen Freund,
der ein eben ſo guter Schüge war - was
man hier faſt von allen Leuten ſagen kann
ſeine
Flinte zu nehmem und auch ſein Glück damit zu ver fuchen.
Dieſer that es und mit demſelben Erfolge ; er
27 traf ben ganzen Tag feine Feber . Am folgenden Morgen , nachdem er darauf geſchlafen hatte,
verſuchte
er
die
Flinte an einem Zielpunkte, aber er fehlte noch immer. Nach dem herrſchenden Aberglauben haben jene Tataren ein Zaubermittel, durch weldzes fie mittels bloßer Worte einer Flinte den geraden Schuß nehmen.
Andere bez
ſigen wieder ein Gegenzaubermittel, und es folgt nicht, daß Jemand, der das eine Fennt, auch das andere fen : nen ſollte.
Unſer Freund
war troftlos,
er fing an
ein Neubekehrter des Volfåglaubens zu werden ,
und
fand auch wirklich , wie er uns erzählte, einen Tataren , der den Gegenzauber fannte, zahlte eine Summe Geld für
die Entzauberung
ſeiner Flinte,
Zeit ſchoß ſie wieder ſo
und
von dieſer
gut wie vorher.
Daß das
Leßtere wahr Fei, können wir verbürgen , zu dem Uebri gen fönnen wir nichts ſagen , als daß wir keinen Grund hatten , die Wahrhaftigkeit unſeres Erzählers in Zwei fel zu
ziehen .
Man iſt erbötig , das Geheimniß für
fünf und zwanzig Nubel zu verkaufen , aber wir waren nicht gläubig merfen .
genug ,
um
dafür unſer Geld wegzu
So erzählt man fich noch eine andere wunderbare Geſchichte von derſelben Art , die , wie man uns ver ficherte, ebenfalls wirklich fich ereignet hat.
Es gab
vor einiger Zeit einen Räuber, der wegen ſeiner vielen Diebereien und Mordthafen
berüchtigt war und mit
ſeinem Weibe im Gebirge ſeinen Wohnfig hatte , und
28
alle Verſuche, ihn einzufangen , waren vergeblich weſen .
in all ſeinen Kämpfen mit der Polizei. ein
gee
Seine Frau lub ihm die Flinte und half ihm Endlich wurde
dreihundert Bauern
thätiger Offizier mit
gegen
ihn ausgeſendet , wovon er vierzig erſchoß, ohne daß ihn eine einzige Kugel traf, fo daß am Ende nichts Anderes übrig blieb , als der Verſuch , ihn durch eine Grſtürm : ung des fteilen Felſens gefangen zu nehmen, auf welchem er ſeinen Standpunkt hatte. Bauern fielen einer nach dem mehr angreifen wollten .
Alles war vergebens ; die anderen , biß fie nicht
In dieſer Noth erbot ſich ein
alter Mann, für fünfhundert Rubel und gegen die Ver ficherung, daß man ihn nicht als Zauberer in Unter: ſuchung ziehen würde, den Räuber zum Gefangenen zu machen. Der Handel wurde abgeſchloſſen , und der Alte that weiter nichts, als daß er um den Berg ritt, wo der Räuber verſchanzt war, und ſeine Zauberformel ſprach, worauf der Verbrecher ohne weitere Schwierigkeit
ge
fangen genommen wurde. Credat Judaeus ! Die Stadt Tomsk macht in ihren Gebäuden und ihrer allgemeinen Erſcheinung mit jedem Jahre gemalte ige Fortſchritte.
Es find mehre
ſchöne Häuſer
von
Backſteinen im Bau begriffen , und wenn viele andere Speculanten im Goldſuchen ſo glücklich ſind, wie einige ihrer Einwohner es geweſen , fo wird ſie in einigen Jahren ein höchft angenehmer Aufenthalt werden .
Es
gibt hier mehre Seifen- und Tuchmanufacturen, cine große
29 Branntweinbrennerei, gute Caſernen, Militärs und Ci vilhospitäler, ein Findelhaus, eine große Militärſchule, ein Bezirkecollegium ,
eine
wohl verſehene Apotheke,
einen guten Club und, wie wir bereits erwähnt haben , eine ſehr gaſtfreie und geſellige Einwohnerſchaft.
Wir
hatten während unſeres Aufenthaltes das Vergnügen, den General- Gouverneur Fürſten Gortſchafof wiederzu ſehen , der fich auf ſeiner jährlichen Inſpectionsreiſe be fand, und die Stadt gab ihm zu Ehren Gaſtmähler und Bäde.
Auch General Falkenburg von Omsk hielt ſich
einige Zeit hier auf ; er befand fich , als General der Gengd'armerie, auf dem Wege nad Riachta , ſeinen Di ſtrict, der bis dorthin ganz Sibirien umfaßt. Wir ſuchten
gleich nach unſerer Ankunft unſeren
Wagen zu verkaufen, da es außer allem Zweifel ſtand, daß man nicht anders weiter kommen konnte, ale in einenı landesüblichen Fuhrwerke, einer auf einen Schlitten geſepten ,, Tarantaß“, denn es war völlig Winter geworden . Es glüfte uns , den Wagen für denſelben Preis wieder los zu werden , den wir in Moskau dafür bezahlt hatten. Gr hatte durch die Reiſe auf keinen Fall Schaden gee litten , und ſo erhielt der Käufer einen guten Moskauer Wagen, ohne für die Koſten der Herſchaffung auf einer Strede von 4000 Werſten
zahlen zu müſſen .
wohnten , wie geſagt, vortrefflich ,
Wir
in einem ſchönen ,
veſten, aber hölzernen Hauſe, der Wohnung des Gou verneurs gegenüber ;
der Wagen war von dem neuen
30
Eigenthüner fortgeſchafft und eine an ſeiner Statt ers kaufte Tarantaß in den Hof gebracht worden , und un ſere Habſeligkeiten lagen daher in verſchiedenen Theilen unſerer Zimmer umher.
In der ftebenten Morgenſtunde
des 29. Novembers (es war Sonntag), als wir auf dem denn wir waren Boden in tiefem Schlafe lagen ſeit unſerer Abreiſe von Moskau , zweimal ausgenommen , nie in ein Bett gekommen
wurden wir plößlich von
unſeren Gefährten durch den Ruf : ,, Fruer ! Feuer ! " erweckt.
Wir erhoben uns im Anfang
ziemlich ges
mächlich , und es kam uns vor , als goſſe jemand im anſtoßenden Zimmer, das nicht zu und gehörte, Waffer gegen die Thüre, an welcher unſer Kopffiffen lag ; wir ſprachen gegen unſeren Gefährten die Vermuthung aus, daß das Feuer wahrſcheinlich gelöſcht ſei, aber er war verfdwunden .
Im nächſten Augenblicke drängten fich
Rauch und Flammen unter der Thüre hervor, an welcher wir eine Minute früher nach geſchlafen hatten , und es blieb uns kaum noch Zeit, den Mantel zu erfaſſen , der und als Dede gedient hatte , und in aller Gile einen Pelz und ein paar Stiefel anzuzichen , um unſere Habe zu retten. So gingen wir bei 25 ° Kälte in den Hof hinab mit ſo viel von unſerem Eigenthume, als wir tragen konnten .
Wir eilten dreimal hinauf und hin =
unter und retteten alles Wichtige , das wir zu finden wußten .
Beim dritten Male war die Hike ſo furcht
bar geworden , daß es unmöglich war , nød ; etwas zu
31
thun , aber das Schauſpiel wird uns unvergeßlich bleiben . unſere Zimmer lagen im Das obere Stocwerk erſten
war von der Familie bewohnt, der das Haus
gehörte ; fie hatte mehre kleine Kinder , und das Ge ſchrei und die Verwirrung gingen über alle Beſchreibung, denn da Sonntag war , hatte Alles noch im Solafe gelegen.
Es gab nur eine einzige Treppe mit einem
gemeinſchaftlichen Gange für uns beide, den wir durch einen jener ungeheueren Goldkoffer geſperrt fanden, wie manfte in allen Häuſern reicher ruſſiſcher Kaufleute findet, auf deſſen Rettung man natürlich zuerſt bedacht geweſen war.
Wir waren glücklich genug , alle Dinge
von einigem Werth zu retten , und verloren nichte als einige Kleinigkeiten mit einigen Mineralien und ein paar chineſiſche Seltenheiten , die wir in Semipalatinsk get ſammelt hatten .
Unſer Gefährte war weniger glüdlich ,
denn ftatt bei der Rettung feiner Habe behilflich zu fein , überließ er Ades ſeinem Diener und eilte in das Haus des Gouverneurs , um deſſen Leute zu Hilfe zu rufen.
Die Folge war , daß er einen großen
Theil
ſeiner Habſeligkeiten einbüßte, und da man auf einer Reiſe folcher Art natürlich
nur Dinge bei fich führt,
die unbedingt nöthig find, ſo iſt jeder Verluſt empfind lich, beſonders da , wo man nicht ſicher weiß, daß man ihn erſegen fann . Geſchrei
Als wir unſere Habe mit tüchtigem
in die Tarantaß gepackt hatten , überredeten
wir einige Bauern , fie hinüber zum Gouverneur zu
32
ziehen ,
und nachdem fie in Sicherheit gebracht war,
gingen wir in ſein Haus , um uns anzufleiden. Die Aufregung des Augenblicks ließ uns die heftige Kälte nicht empfinden . Fenſtern bot fich
Aus den gegenüber liegenden
ein großartiger Anblick
bar ;
eine
halbe Stunde, nachdem wir es verlaſſen; ſtand das ganze Baus in Flammen, und in zwei Stunden war es nieder gebrannt.
Man bot Ades auf , das Feuer zu löſchen,
aber vergebens.
Die Sprißen waren augenblidlich bei
der Hand und Militair und Polizei , ſowie ein großer Theil
der Einwohner verſammelt, die Alle
an den
Sprigen arbeiten und Waſſer tragen mußten , das troß der ſtrengen Kälte in Ueberfluß vorhanden war ; natür lich aber fror es ſogleich , und bei einem Hanſe, das be ſtändig durchaus mit Defen geheizt wird vodkonimen
außgetrocknet
iſt ,
ſcheint
und folglich es
ganz
un
möglich , den Flammen Einhalt zu thun. Glücklicher Weiſe fam Niemand ums Leben . Der Eigenthümer rettete außer der veſten Kiſte, die man beim erſten Lärm die Treppe hinabſchaffte, buchſtäblich gar nichte.
Es
gab Silberwerk , im Werthe von zehn tauſend Rubeln im Hauſe, das natürlich alles ſchmolz und wovon man nachher einen kleinen Theil aus den Trüminern hervor grub. Das Feuer hatte, wie man vermuthete, ſchon einige Stunden gebrannt , ehe es entdeckt wurde , und man bemerkte die Flammen
auf der Straße in demſelbert
Augenblicke, wo wir fte im Inneren gewahr wurden .
1
33 Den Ausbruch des Feuers erklärte man folgender Weiſe. In
dem
Zimmer neben
uns ,
und zwar
in einem
Winkel dicht hinter unſerem Kopfe, hing wie in jedem Zimmer eines jeden ruſſiſchen Hauſes, ſei es groß oder klein , ein Heiligenbild, zufällig ein ſehr ſchönes und foftbares, und ein paar Roskolnifen, ein alter Mann 1 und eine,alte halb blödſinnige Frau , die zur Familie gehörten, waren um vier Uhr aufgeſtanden , um ihre Andacht zu verrichten.
Ehe die Frau wegging, hatte
ſie wie gewöhnlich vor dem Bilde
ein Wachslicht an=
gebrannt, aber ſtatt es gerade aufzuſtecken, damit es nicht den Rahmen des Bildes erfaſſen fonnte, hatte ſie es ſchief geſtellt, ſo daß es natürlich, als es bis zu einem gewiſſen Punkte herabgebrannt war, das Gehäuſe, das die Jung frau umſchloß, in Brand fteckte.
Wir waren ohne Zweifel mit genauer Noth dem Feuertode entgangen ; noch eine Viertelſtunde, und eg wäre zu ſpät geweſen.
Mein Schlaf war ſo veft, daß
die Flammen bereits unter der Thüre hervorkamen , an welcher ich ſchlief, und mein Freund mich fragte, ob meine Haare nicht verſengt wären ; aber dennoch hatte er nicht geringe Mühe mid zu weden , und doch ſchlief er in einiger Entfernung von der Stelle , wo der Rauch bervordrang ,
ſo
daß
es eigentlich an
mir geweſen
wäre, ihm dieſen Dienſt zu leiſten. Die Beamten und Sprißenleute thaten alles Möga liche, die Flammen zu Cottrell's Sibirien , II.
bewältigen ; überhaupt find in 3
34 ganz Rußland und beſonders in Petersburg und Moss fau- die Anſtalten bei Feuersnoth wahrhaft berunderns werth und werden aufs ſchnellſte
ausgeführt.
Doch
wo ſo viele Häuſer völlig aus Holz erbaut ſind, bleibt nichts Anderes übrig, als die Verbindung abzuſchneiden und darauf zu denken, daß das Unglück auf das Haus beſchränkt bleibt ,
worin e
entſtanden iſt.
3n dieſer
Beziehung glückte es ihnen ; unſer Haus ſtand abges fondert in einem großen Hofraume, und wiewohl an: fänglich ein heftiger Wind ging und das Dach des ans gränzenden Bauſe8 aus Vorſicht abgedeckt wurde , ſo brannte doch nichts ab als das Haus ſelbft, fogar die dazu gehörigen Nebengebäude blieben verſchont. gleich . wir in der Hauptſtraße wohnten , die von
Oba be
deutender Breite iſt, ſo wurden doch die Flammen un : mittelbar gegen das Haus des Gouverneurs getrieben, wo wir dem
Schauſpiel zuſahen , und die Hiße mar
eine Weile ſo bedeutend , daß wir unſere Hände nicht an die Fenſter legen konnten , und wir befürdyteten jeden Augenblid , die Flammen würden ſelbſt bis auf dieſe Entfernung um fich greifen.
Doch glüdlicher Weiſe
trat völlige Windſtille ein und am Mittag war Ades vorüber , obgleich, wie wir hörten , die Trümmer ſectie Wochen lang geraucht haben ſollen.
Das Haus war
in Petersburg verſichert, wie wir glauben zum vollen Werthe, ein bedeutender Troſt, beſonders da es ganz neu war , denn der Eigenthümer hatte vor drei oder
35 vier Jahren bereits baffelbe Unglück gehabt. Wir wurden augenblicklich mit dem General Falkenburg , der dieſen Abend anlangte , in einer neuen Wohnung unterges bracht, und das Erſte, was wir thaten , da wir unbes merkt waren , beſtand darin , das Licht vor dem Bilde der Jungfrau auszulöſchen , ohne Zweifel ein abſcheu liches Vergehen , aber ictus piscator timet.
Wir hörten
davon flüftern , daß man das Unglück der Einwirkung eines Repers zuſchreibe , der in dem Hauſe gewohnt habe , aber ich glaube , e8 mar dicß nur der Scherz eines Freundes, denn ſo abergläubig das Volk auch ift und ſo beft eß an ſeiner Religion hangt , ſo iſt doch die Duldſamkeit gegen Ade , die fich zu einem anderen Glauben bekennen , ein eigenthümliches Merkmal
eines
Ruſſen . Troß dem ftrengen Klima und der nur ſehr lang ſamen Zunahme der Bevölkerung Sibiriens, wenn übers haupt
eine Zunahme ſtattfindet, find Beiſpiele von außerordentlichen Lebensdauer nicht eben ungewöhnlich. Der Biſchof von Tomsk erzählte uns, es ſei im vorigen Jahre in ſeinem Sprengel ein Mann von hundert zwei und fechezig Jahren geſtorben , der damals einen Sohn von hundert und zehn Jahren gehabt habe. Außerdem wir , daß nur ſechs Werfte von Tomsk ein
hörten
Menich von hundert und dreißig Jahren lebe ; aber es war zu weit, um nach einem ſolchen Wunder zu gehen . Dieſes hohe Alter läßt ſich vielleicht
der Enthaltung 3*
36
aler animaliſchen Nahrung zuſchreiben ; denn in dieſer Gegend, wo die Biſche ſo billig find, iſt es ganz wahr fcheinlich , daß ein Mann von geringem Stande jene ungeheuere Zahl von Jahren verlebt hat , einmal Fleiſch gekoſtet zu haben .
ohne nur
In den ruſfiſchen
Statiſtiken jedoch find mehre Fälle von ungewöhnlich hohem Alter aufgeführt; wir erinnern uns , von einem Manne geleſen zu haben , der zur Zeit der Kaiſerin Katharina, hundert und vierzig Jahre alt, an den Hof beſchieden wurde und ihrer Majeſtät und ihren Vor gängern mit fünf Weibern ſech und achtzig Untertha men gegeben hatte. Er kann , beiläufig erwähnt, kein Mit glied der rufftſch - griechiſchen Kirche geweſen ſein, denn ſie geſtattet ihren Kindern, ihren Töchtern wenigſtens, nur dreimal in den heiligen Stand der Ehe zu treten, und wir können uns nicht denken , daß fie ſo parteilich ſein follte, dem ſchönen Geſchlechte einen ſo auffallenden Nachtheil
aufzubürden.
Der
alte Parr
hatte
einen
Sohn, nachdem er fein zweites Jahrhundert angetreten, und ſtarb hundert und fünf und fünfzig Jahre alt.
Wir verließen Tomek äußerſt zufrieden mit unſerem Aufenthalt und mit Dant erfüllt für die Güte und Gaſtfreundſchaft, welche alle Gtände uns erwieſen hatten . Unter den Befanntſchaften, die wir machten, befand fich auch Herr von Hedenſtröm , den wir ſo häufig genannt Haben und dem wir ſo viele von den Nachrichten ber banken, die es uns möglich machten, tant bien que mal
37 dieſe Blätter zu füller
-
Er kennt vielleicht Dfiſibirien
beſſer als ſonſt jemand , und obgleich er nicht mehr amta lidh damit in Berührung ſteht, ſo hat er doch , weil er ſeit 1808, nur mit einer Unterbrechung von zwei Jahren , iro er ſich in Petersburg aufhielt ,
in
verſchiedenen
Theilen Sibiriens gelebt hat, eine ſo warme Vorliebe für daø Land gefaßt, wie vielleicht Wenige für irgend ein Land, am alerwenigſten für eines, das nicht ihre Heimat iſt: Er war unter der vorigen Regierung drei Jahre lang mit Entdeckungen in Kamtſchatka beſchäftigt, durch
eine Intrigue
verdrängt wurde.
bis er
Der : jekige
Kaiſer gab ihm im Jahre 1828 in Petersburg wieder Beſchäftigung.
Auch hier trurde er wieder das Opfer
Derjenigen , die er fich zu Feinden gemacht hatte , meil er die Wahrheit freier redete, als es üblich oder anges nehm iſt, kam aber als Poſtmeiſter nach Tomsk, au & welcher Stelle ihn im Jahre 1839 eine dritte Cabale vertrieb.
Bei alle dem hat er die Gunft des Kaiſers
behalten , denn wir wiſſen , daß er , ſeit nir Sibirien verlaſſen haben , giltige Berreiſe davon erhalten hat: In Folge eines Rheumatiemus, den er ſich in Jafutet und am See von Ochotsk zugezogen hat , iſt ſein Ge= ſundheitszuſtand jekt von der Art , daß er unmöglich wieder irgend einen Dienſt verſehen kann .
Seine Mit
tel find unbedeutend ; er hat ein kleines Beſikthum neun Werſte von Tomsk, das aber , weil er ſein Sofa nicht verlaſſen kann , nicht ſo viel einbringt, als es einbringen
-
38
fönnte, und außerben nur eine Penſion von zwölfhun dert und funfzig Rubeln . Es iſt ein nicht geringes Ver dienft in Rußland , fich zu ſeiner Rechtfertigung gegen irgend eine Anklage auf Armuth berufen zu können , und einer der ficherften und ſtärkſten Beweiſe der lins ſchuld .
Er hat einen guten Freund an dem Generala
Gouverneur, aber es iſt zu ſpät, ihm erhebliche Dienſte zu leiften.
Obgleich noch lange kein alter Mann , 10
hat dodh Krankheit ihn
vor
der Zeit dazu gemacht,
und er hat in ſeiner Seele die Zahl der Jahre beſtimmt, die er noch zu leben hat, und es ſind deren nach ſeiner Berechnung nicht viele mehr.
Er iſt wie ein wahrer
Philofoph in ſeinen wiſſenſchaftlichen Beſtrebungen ver tieft und erwartet fein Schickſal mit der vollkommenſten Faffung.
Wir hoffen , daß er ſich in ſeiner Berech
nung geirrt habe und das ſelbſt beſtimmte Ziel um Sibiriend Wohlfahrt viele Jahre überleben werde. nimmt ſeine regſte Theilnahme in Anſpruch und 'er be bauert nur, daß es außer ſeiner Macht liegt , bie Uebel zu hemmen , die er um ſich hervormachſen fieht.
Aber
er iſt, wie e& Andere vor ihm don geweſen ſind, dem Zeitalter
jenes
Landes
etwas
vorausgeeilt
under
weiß es ; doch er tröſtet ſich mit der Ueberzeugung, daß bem Lande feiner Wahl eine große Zukunft bevorſtehe, und mit dieſem Gedanken wird er zufrieden die Augen foließen . Der Weg von Tomek nach Irkutsk, eine Strecke
39
von fünfzehn hundert Werſten, iſt bis nach Krasnojest, fünf hundert Werfte, faſt ganz po wie auf der anderen Seite von
Tomst.
Anfänglich
eine Steppe
ohne
Waltung, weiterhin in größerer Zahl Dörfer von La taren bewohnt, das heißt von Leuten deſſelben Stam meg , den die Ruſſen in den Gouvernemento Kaſan und Perm fanden.
Ueber dieſe hinaus wird der Reis
ſende durch allmälig beginnendes wellenförmiges Land auf den gebirgigen Bezirk vorbereitet, durch welchen in Djtſibirien
ſein Weg führt.
Es gibt einige ziemlid
große Wälder und mehre kleine Flüſſe, während das Land, nur, theilweiſe angebaut iſt. Man berührt eine kleine Fluffe Tſchulyma,
Stadt ,
Atſchinst ,
ſich in gedeihlichem Zuſtande zu befinden ſcheint. enthält :verſchiedene Kirchen Häuſer.
an
ehe man Krasnojes erreicht, das
und
Es
mehre , anſehnliche
Der Weg iſt bedeutend von den Schlitten
zerſchnitten , die beftändig mit den ſchweren Gütern von Riachta kommen , und es gibt kein Mittel dagegen , denn es wäre unmöglich ,
den Schnee wegzuſchaffen , der fich bedeutend aufhäuft und das Reiſen in Fuhr werf ohne Federn nichts weniger als angenehm macht. Es iſt jedoch auf keinen Fall der ſchlechteſte zwiſchen Moskau und Irfut & f.
Nahe bei Kragnojeøk muß die Landſchaft im Som mer febr anmuthig ſein , denn es gibt hier eine reiche Abwechſelung an Berg und Thal , und der Anbau iſt
40 ausgedehnter ,
als uns ſonſt wo auf dieſer Seite des
Ural vorgekommen
war.
Der ſchöne Fluß Jeniffei,
der fein reißendes Waſſer durch Korn- und Tabakfelder treibt, gibt der Gegend einen ſehr maleriſchen Charafe ter.
Sener Sweig des Altaigebirge ,
der in dieſer
Richtung von Biisk und Kusnetsk läuft, wird zwiſchen Atſchinsk und Krasnojeột zur Ebene ; ſüdoftwärts lies gen die ſogenannten Goldgebirge , die fehr reich an verſchiedenen Mineralien find , die ihren Fuß beſpülen , Goldmaſſen.
und in den Flüßchen ,
findet man jett bedeutende
Dieſes Thal des Jeniffet iſt der frucht=
barſte Theil Sibirien
nach Often hin .
die es umgeben , ſchüßen die Hiße, die im
Die Gebirge,
es gegen heftige Winde , und
Sommer ſehr bedeutend iſt, erzeugt
eine ſo ſchnelle Vegetation , daß es die vortrefflichften Grnten an Rorn , Labak und Buchmeizen gibt , aus welchem man eine von allen Ständen der Eingeborenen fehr gern gegeſſene, ( chmachafte Suppe bereitet. Weft lich nimmt das Altaigebirge den Namen ,, Telet & foi " an , einer der höchſten Gipfel dieſes Gebirged ; ſüdlich find die Gajane- Gebirge, wo ebenfalls Gold gefunden wird, und dieſe bilden das Berbindungeglied zwiſchen dem Altai und der chineſiſchen Gebirgkette.
Der Bodent
dieſes Thales iſt ein Niederſchlag von angeſchwemmtem Salamm ,
der Aded hervorbringen
Fleiß des Menſchen ihm
anvertraut,
berafferten Wieſen
eine
ſind
kann , was der und die ſchönent
reiche Quelle bee Oes
41
winneß, weil der Landwirth hier nicht nur ſein eigenes Vieh weidet ;
ſondern auch anderes aus entfernteren
Gegenben auf die Welbe nimmt. nicht fo ftreng wie
in
Irkutsk.
Auch iſt der Winter Capitän Cochrane
erzählt uns, wir wiſſen nicht, ob mit Grund, der Stai fer Paul Fei damit umgegangen , hier eine ſchottiſche Colonie zu ' gründen ;
wir glauben , es wäre für beide
Lander vortheilhaft,
wenn der Kaiſer Nikolaus einen
Theil unſerer überflüſſigen Bevölferung ießt hierher TH verpflanzte. Die Stadt Krasnojest iſt groß und ſtark bevölkerti Sie iſt wie Tomst ,
nur in geringerem Grabe ,
Sammelplag von Goldgräbern ,
der
wovon viele hier in
der Nähe ſehr glüdlich geweſen findli Es gibt hier eine ganz leidliche Geſellſchaft, man trinkt wie gewöhna lich viel Champagner und iſt gegen Fremde ſehr gaſta frei. Der Ort liegt auf einer Art Inſel, welche durch die Vereinigung des
Jeniſſe
und der Ratſcha gebildet
wird , und indem man ihn berläßt, reßt man über den Jeniffel,
der hier ziemlich eine halbe Werft breit ift:
Hinter der fleinen Stadt Ransfoi , gegen 200 Werfte von Krasnojeef ,
iſt die Gränze de
Gouvernemente
Jrkutöf, ber Anfang von Dritfibirien. Unglüdlicher Weiſe beſteht keine Waſſerverbindung zwiſchen den Gouvernements Jeniffeisk und Frkutek, was für das leştere ein bedeutender Verluft ift, da den Erzeugniſſen dcß erſteren ,
dic faft bis zu jeder Aus
dehnung vermehrt werden könnten ,
die Mittel eines
abgeſchnitten
unbeſchwerlichen Austauſches
Die
find.
Folge iſt , daß das ungeheuere Gouvernement Irkutse ſeine Einwohner mit den Erzeugniſſen ſeines eigenen Aderbaueß ernähren muß , und ſelbft die beiden Alba theilungen deſſelben, die öſtlichen und neſtlichen Seiten des Baifal, haben gegenſeitig
einen ſo
beſchwerlichen
Zugang , daß Roften und Mühe es zu einem ſehr uns einträglichen Geſchäfte machen, Rorn -über den See zu ſchaffen .
Die Bauern haben
einen ſchweren
Stand
dabei , denn fte müſſen nicht allein das nöthige Korn für fich und ihre Familien bauen, Städte,
das
ſondern auch die
ganze Militär im Gouvernement ,
die
Branntweinbrennereien , die Salzminen und die Berg irerke von Nertſchinsk verſorgen , ſo wie auch die nörda lichen Provinzen Jakutsk ,
Ochotsk und Kamtſchatka
faft ihren ganzen Brodbedarf von ihnen beziehen. Doch ehe wir weiter gehen ,
müſſen wir von den
Flüſſen berichten , die zu dieſem Bezirke gehören , und beren wir in unſerer Beſchreibung der fibiriſchen Flüſſe nicht gedacht haben .
Die bedeutendſten derſelben cra
gießen ſich in den See Baikal und find folgende : die Ober- und Unter- Angara , die . Selenga, die Barguſina, die Birufia, die Turka und die Snegenaja.
Es ſollen
im Ganzen tauſend große und kleine Flüſſe und Bäche in jenen
ungeheueren See fich
ergießen .
Natürlich
ſind viele davon ſehr klein ; auf den Karten ſind nicht
43 mehr als ziveihundert angegeben ,
aber ſo reich Nuß
land an Karten auch ſein mag,
ſo ift body Sibirien
das einzige zu ihm gehörige Land , keine genaue Aufnahme gibt.
wovon es noch
Sie wäre unftreitig eine
änßerſt ſchwierige Arbeit , die man aber trojdem nicht fcheuen würde,
wenn ich irgend ein wirklicher Vor
theil davon erwarten ließe.
Die Zeit wird kommen,
wo ſte nüßlich und ſelbft nöthig iſt. Die Ober - Angara fädt in den Baikal nach einem Laufe von ftebenhundert Werſten.
Die Unter - Angara
entſpringt aus ihm , ein und ſechszig Werfte von der Stadt 3rfutók , und iſt faſt gleich im Anfange von An zwei Stellen in ungeheuerer Tiefe und Breite. der Nähe der Stadt wechſelt
ihre Breite von ſteben
hundert bis zu zireitauſend Fuß , während ihre Liefe bereits faſt fechezig Fuß beträgt.
Bei ihrem Ausfluß
aus dem See jedoch hat ſie, obgleich faſt zwei Werfte breit , noch nicht einmal zehn Fuß Liefe. Sie tritt bald in einen engen Paß , und kleine Waſſerfäde bildet ,
wofte zahlreiche Wirbel welche durch die großen
Steine entſtehen , die vielleicht bei der Erberſchütterung, welche den Baikal ſchuf, in denſelben hinabgeſtürzt find; dann aber wird fie immer breiter ,
bis fte fich der
Stadt Frkutsk nähert , wo der kleine Fluß Frkut ihr zufließt.
Nach Erman liegt die Stadt dreihundert
fünf und zwanzig Fuß über der Oberfläche bed Sees, der Abfall des Fluffes iſt daher ſehr reißend , denn er
hat
bis
zur Ebene der Stadt " eine Strecke von
ein
und ſechezig Werften oder vierzig engliſchen Meilen . Balbi iſt der Meinung , daß die Selenga und die Unter-Angara urſprünglich ein und derſelbe Fluß ge weſen feien ; wahrſcheinlicher iſt es vielleicht, daß die beiden Angara eß waren und daß die furchtbare Ans ftrengung der Natur, welche den Baifalſee hervorbrachte, fte ſchieb.
Die vollkommene Aehnlichkeit in der Schnel
ligkeit dieſer beiden Flüſſe, ſowie die Beſchaffenheit ihres Waſſer
und die Richtung des Baikal machen
Vermuthung ſehr annehmlich.
dieſe
Wenn zur Ober -Angara
die Länge des Baikal bis zum Ausfluß der Unter -Angara gehörte , ſo wäre fte in ihrim ganzen Laufe größer als die Selenga.
Balbi ftellt, ebenfalls mit Grund , die
Unter- Angara über den Jeniffei, denn ihr Lauf iſt be deutend länger als der Lauf des Jeniffei oder des sem, von ihrer Quelle bis zum Punkte ihrer Vereinigung bei der Stadt Jeniffeisk.
Sie iſt auch breiter und tiefer.
Höchft wahrſd einlich hat Balbi nichts davon gewußt, warum der Rem
oder Jeniffel zu dem Vorzuge gefom
men war, der ihm von einigen Geographen zugeſtanden wurde , die den Stem
für den Hauptzweig hielten *).
*) So erzählt Murray itt ſeinen Reifen in Nord Amerika, daß der Miſſouri und der Miffiffippi auf ähnliche Weiſe verwechſelt wurden und daß dem leşteren die unge : bührliche Ehre widerfahren ſei, für den Stammfluß gehalten zu werden .
45 Der Grund
war folgender und der Jrrthum ſtammt
aus dem ſtebenzehnten Jahrhundert.
Die Koſaken , die
aus Weſten kamen und im Namen Rußlands Sibirien eroberten , gingen, nachdem fie Narym im Norden des Gouvernements Tomsk erbaut hatten , den Ret, einen fchiffbaren Fluß, hinauf und hörten von den Tunguſen , daß fie von einem Drte Namens Makofak aus , nod; einige Iagereiſen von einem ungeheueren Fluſſe entfernt wären, in deſſen Näge andere Tunguſen wohnten und den fie in ihrer Sprache „ Joandeſi" - den großen Fluß nannten .
Die Roſaken ſuchten das Land auf und kamen
an das linke Ufer des großen Flufſeß, wo fie ein , Dit rog" oder von Baliſſaden umgebenes Dorf bauten, dem ſie den Namen Jenifſeist, eine Verſtümmelung von Joan = deft, gaben und von ihrem Vorrücken nad Moskau be riditeten.
Bald nachher folgte ein anderer Haufen von
Roſaken , ihre Siege fortſegend , tem rechten Ufer des Fluſſes, in dem Wahne, es ſei derſelbe, und hielten , an einem Punkte, den ſie von den Eingeborenen des Landes dicht bevölkert fanden .
Da fte einen Wohnſis haben
mußten , der einigermaßen gegen die Angriffe der Tun guſen beveſtigt war , ſo bauten
fie an der Mündung
des Fluſſes Ratcha , wo die Ufer hoch und abhängig maren , ein anderes Dorf, dem ſie nach der rothen Farbe des umliegenden Bodens den Namen Krasnojese beis legten .
Obgleich fie bald trahrnahmen , daß der Fluß,
der dicht an ihrem Oſtrog vorüber floß, ein anderer
46 war, als jener, an welchem Jeniffeise erbaut war , ſo molten fte dody, da fte einmal in dem Wahne , deme ſelben Fluſſe gefolgt zu ſein , nad Moffau davon bes richtet hatten , ihren Irrthum nicht eingeſtehen . galt der Rem oder Jeniffei für den in das Gifincer fällt.
So
großen Fluß, der
Die Koſaken von Jeniffeisk, die
über ihren Fluß gingen und dem rechten Ufer folgten , entdeckten bald den wahren Joandeft, fchwiegen aber das von ,
um
ihre
Gefährten
nicht
bloßzuſtellen ,
und
nannten ihn, nach den Einwohnern des Landes, Luna guska.
Hinter Irkutsk wird die Angara weniger reißend, da das Land fich allmälig nach Norden neigt , ehe der Jeniffei bei Kraốnojest fich mit ihr
vereinigt.
Er
nimmt dann den Namen Ober- Tunguska an. Der An gara: fließt von Often noch die Unter - Tunguskazu, und nachdem fte“ noch verſchiedene andere Flüffe aufge nommen , ergießt fie fich in einen großen Golf , der Golf des Jeniffei genannt, ungefähr unter 70 ° nördlicher Breite, und von dort in das Gisnieer. Die Selenga entleert ſich nach einem Laufe von faft tauſend Werſten in den Baikal mächtige Waſſermaſſe zu.
und
führt ihm eine
Ihre Quelle iſt bedeutend
weiter entfernt von der nächſten Gränze als die Quelle der Angara oder der Barguſina, die ſich weiter nörd lich in ihn ergießt .
Die Waſſermaſſe, welche dieſe und
unzählige andere.Flüſſe in den See führen , iſt unge
47
heuer und ſein einziger Ausfluß iſt die Unter -Angara. Von den anderen Flüffen in dieſer Gegend, deren eina ige in den Baifal fallen , andere nicht, iſt keine gea nauere Angabe nöthig und vom See felbft werden wir 1 am geeigneten Orte ſprechen . Capitän Cochrane ſpricht ſchon im Jahre 1821, to er ſeine Reiſe in Sibirien machte, von dem beim Eins tritt ins Gouvernement Irkutsk auffallenden Unterſchiede in
der Ordnung ,
welche die Bezirk@polizei eingeführt
hat, und dem merkbaren Fortſchritt in der Reinlichkeit und Wohlfahrt der Einwohner.
Dieß iſt ſeitdem immer
beffer geworden , und unter der Fähigen Verwaltung des jebigen vortrefflichen General -Gouverneurs Rupert iſt auch
unter den verbannten Verbrechern ,
ſchlechteſte Klafle in
wovon die
rfutet und deſſen Nähe ihren
Aufenthalt hat , eine beffere Ordnung der Dinge eine geführt worden . Die Gegend beginnt jegt
jenen
ſchönen Gebirge
charakter anzunehmen, weßhalb Oftfibirien berühmt iſt; auch Dörfer find häufig, worin Verbannte anderer Art wohnen als jene , haben. ten
Es
iſt
von
ihnen ,
welchen wir eben geſprochen wie
ihren
Schickſalegefährs
in Zomøf, feine Beſchränkung auferlegt , es fteht
ihnen vielmehr vollkommen frei, jeder beliebigen Bes ſchäftigung zu folgen , obgleich die meiſten
ihr eigenes
Land beſißen und hauptſächlich Ackerbau treiben .
Unter
dieſen Verbannten , die größtentheile geringer Verbrechen
48 fich ſchuldig gemacht haben und meiſt nur wegen matloftgkeit
verbannt
norden ſind ,
meinen gute Ordnung gehalten.
wird im
Hei Adge
Wo viele verſammelt
find , kommen , wie man ſich denken kann ,
dann und
wann Aubbrüche vor, und die anderen Einwohner ber klagen fich nicht ohne Grund, daß man jenen zu viel Freiheit laſſe.
Von Zeit zu Zeit findet man Dörfer,
die nur von Dataren bewohnt find; die Wege find gut und überall ſteht man angebautes Land .
Eine Ans
zahl kleiner Städte, die nichts darbieten, was den Reis ſenden , der Irkutsk zu erreichen verlangt,
aufhalten
könnte, liegt an dem maleriſchen Wege zerſtreut, und es würde uns gefallen , die Reiſe im Sommer zurück zulegen ,
da natürlich die ſchnecige Jahreszeit
großen Theil der landſchaftlichen Reize verhüllt .
einen
Achter Abfonitt. Die Stadt Irkutsk. Eintheilung der Verbrecher. Ihr Zu : ſtand. Ihre Behandlung . Aufführung einiger Ber: brecher . Nothwendigkeit größerer Strenge. Des Grafen Speranski ſibiriſches Gefegbuch . Die Knute. Todes ſtrafen . Der Weg nach dem Baikal. Die Angara. Der Baitalſee. Gebirge. Wahrſcheinliche Entſtehung des Sees. Erzeugniſſe. Weg nach Selenginsk. Roskolnilen. Buräten . Ihre Regierung. Brandmarkung. Alte Gin wohner. Schamanismus. Die ſibiriſche Peſt. Buddhais mus. Engliſche Miffionare in Selenginst .
Ungefähr fechezig Werſte von Zrkutek befindet ſich eine kaiſerliche Manufactur für Tuch, Glas, Leinwand und Papier , werben.
Die
in welcher die Verbannten beſchäftigt urſprünglichen Maſchinen
kamen aus
England und die anderen ſind nach dieſen Muſtern verfertigt worden. Man hat es in dieſen verſchiedenen Gewerbzweigen , beſonders in der Glasbereitung , zu großer Volfоmmenheit gebracht. Die Anſtalt beſteht aus zwei tauſend Perſonen , mit einem Beamten vom Range eine
Oberften
Manufactur Telminski
an der Spiße. und
liegt an
Sie heißt die einem kleinen
Fluſſe, der in die Angara fält. Die Einwohner find nicht wenig ſtolz darauf und halten ſie für eine wahre Cottrell's Sibirien . 11.
4
50 Daje in der Wüſte.
Beim Gintritt in die Stadt Ir
kutsf, die für cine ſibiriſche Stadt ein impoſantes An = fehen hat, ſeßt man auf einer Fähre über den Fluß . Irkutsk liegt unter dem 52 ° aber die Kälte iſt beſtändig zu ſein
im
Winter ſehr ſtreng,
wie anderwärts.
fädt oft bis auf 35 ° , als in Tomek.
nördlicher Breite ; ohne ſo
Das Therniometer
doch wird es früher Frühling
Die Stadt erhält durch die Windung
der Angara und durch zwei andere Flüſſe , die ſie be ſpülen, den Irkut und Uſchafofski, das Anſehen einer Halbinſel.
Ein großer Theil der Häuſer und faſt alle
Regierunggebäude, deren es ſehr viele gibt , find jegt aus Ziegeln erbaut . Sie iſt, wie alle ruſijden Städte, ſehr reichlich mit Kirchen verſehen ;
man zählt deren
vierzehn , movon eine zum proteſtantiſchen Gottesdienſt beſtimmt iſt und einen deutſchen Geiſtlichen mit veſter Beſoldung hat.
Das Haus des Generalgouverneurs
iſt ein wahrer Palaft und die Wohnung des Civils gouverneurs ebenfalls ſehr ſchön.
Es gibt in Oftfibi
rien nur eine einzige Familie von erblichem Adel (die Civil- und Militärbeamten natürlich ausgenommen ), und dieſe iſt von engliſcher Abſtammung.
Ihr Vor
Fahr ſoll in der ſchottiſchen Garde gedient haben und einer von den
Wenigen geweſen ſein , die von den
tapferen Wertheidigern Albaſynes übrig blieben .
Die
Geſellſchaft iſt jedoch zahlreich und es herrſcht viel Gaſtfreundſchaft. Es gibt mehre ſehr reide Kaufleute
51 in der Stadt, eine ſtarke Beſaßung und ein þeer von Civil: Iſdinownifs und Attachés beim Generalgouverneur. Die Bevölkerung tauſend Geelen .
beläuft fich
etwa auf zwanzig
Lebensmittel aller Art find in Fülle
vorhanden und billig, und man findet alle Lurusartikel des Lebens ,
die aber natürlich ,
kommen , nicht billig find.
da fie aus Moffau
Die Verbannten beſchäftigt
man bei den öffentlichen Arbeiten, deren viele im Gange find; unabhängig von dieſen gibt es eine ausſchließend für fte beſtimmte Anſtalt, die vortrefflich geleitet wird und den Vortheil hat , daß fte Nüglichkeit mit Strafe vereinigt. Hier arbeitet die zweite Klaſſe der ſchwereren Verbrecher , die auf eine gewiſſe Reihe von Jahren zu harter Arbeit verurtheilt find.
In dem großen ,
für
fie beſtimmten Bazar werden alle möglichen Gewerbe betrieben , und den Erlös verwendet man nach Abzug der Koften zur Erbauung und Erhaltung von Hospi tälern und zu anderen mohlthätigen Zwecken. Die Gefangenen tragen keine Ketten ,
ſondern werden von
Goldaten bewacht, und ihre Arbeitzeit iſt im Sommer auf zwölf ,
im
Winter auf acht Stunden veſtgeſeßt.
Ihre Gemächer ſind reinlich und bequem , Speiſung und Kleidung gut.
Aber wir können in Bezug auf
die glüdlichen Grfolge einer milderen Behandlung dies ſer Verbrecher , ale fie in den Strafcolonieen anderer Länder gewöhnlich iſt, mit Herrn Dobell nicht ganz übereinſtimmen . Er ergießt ſich in einer beredten Tirade
52
über den Vorzug harter Arbeit vor Schaffoten, Beilen und Feſſeln , hauptſächlich wie es ſcheint, um auf Koften Anderer dem Herrſcher und dem Lande ſeiner Wahl zu ſchmeicheln , ,, deſſen , aus dem Alterthum des bürgera liden Vertrags hergeleiteter Anſpruch auf den Namen weit we eines civiliftrten Landes " ſo ſagt er
niger gerecht iſt, als jener , der ftch auf den Fortſchritt ftügt, den 8 burch die Verbannung barbariſcher See bräuche und durch die Einführung von Gefeßen ge macht hat , welche den Zweck haben , die Lafter der Menſchen zu beſſern , ftatt zu ftrafen , und das daraus entſpringende Elend zu erleichtern . " Die Bemerkungen des Capitäns Jeffe über ruſſiſche Civiliſation beweiſen , mie die Leute felbft über Ihatſachen verſchiedener Meinung find , und er citirt Guizot , um zu beweiſen , daß Civiliſation eine Ihatſache ſei. Bei einer ſo ungeheueren Verſchiedenheit der Meinung
wird
die
Mitte zwiſchen beiden der Wahrheit vielleicht näher ſein. Gegen Dobel's abſtracten Vorſchlag rrird Niemand etwas einzuwenden haben , e8 fragt fich nur ,
ob das
Syftem von guter Wirkung iſt, ob es die lafterhaften Neigungen derjenigen , die ihnen verfallen find , augs rottet, und ob man nicht durch die Freiheit, die man folchen Leuten läßt, eine Ungerechtigkeit gegen die übrige Geſellſchaft begeht.
Dobell ſagt, es mache ihm Freude,
zu ſehen, wie diejenigen , die einft die Opfer der Vera
53 dorbenheit geweſen wären , burch nichts mehr den Gedanken ihm einflößten , Ohne nen
daß
wir
unſtreitig
druck nicht
baß fte Berbrecher ſeien .
viel auf Gefichtskunde geben , ihre Gefichter
hervorbringen ,
auf uns jenen
fön: Eine
denn ſie ſind gewöhnlich
int höchften Grade abftoßend.
Doch wir kommen in
Bezug auf dieſe Leute auf gewiſſe Thatſachen , die Dobell's Anſichten widerſprechen . Als vor wenigen Jahren der gegenwärtige Generalgouverneur Hupert die Verwaltung dieſes (dywierigen Gouvernements über : nahm , fand er es in einem Zuſtande, daß Niemand fich aus der Stadt wagte, der nicht volftändig bewaffs net war ,
aus Furcht ermordet zu werden ,
und es
wurden von den Verbrechern ſo viele Mordthaten vers übt, daß die übrigen Einwohner über die Unficherheit des Lebens und Eigenthums die lautefte Klage führs ten ; er mußte daher die ſtrengſten Maßregeln ergreifen , um einem ſolchen Zuſtand repen.
der Dinge ein Ziel zu
Wir wollen nur zwei Thatſachen erwähnen ,
die wir faft von Augenzeugen haben , und fte gehörten zu ben gewöhnlichen Vorfäden . Eines Tages ging einer von jenen Verbannten, für welche ſelbſt in Rußland ein frankhafte
Mitget
fühl fich regt , zur Stadt hinaus in eine Bauerhütte, wo er nur ein kleineê , zehnjähriges Mädchen fand. &r fragte nach ihrer Mutter,
und ale
fte ihm zur
Antwort gab , fie wäre ausgegangen , zog er ſein Meffer
54 hervor ,
idnitt dem Kinde den Leib auf und ließ e8
halb todt liegen ,
ohne das Haus zu berauben oder
die Flucht zu ergreifen . Bald nachher kehrte die Mutter zurück und fand ihr Kind noch am Leben , und es nannte ihr den Namen des Menſchen , der die verruchte That begangen hatte . Sie machte augenblicklich An zeige bei der Polizei; der Verbrecher wurde verhaftet und er geſtand ſeine Schandthat ohne Zögern und bes kannte noch
überdieß ,
in den leßten ſechs Monaten
nicht weniger als acht und zwanzig taltblütige Mord thaten dieſer Art begangen zu haben.
Als einzigen
Beweggrund führte er an , er ſei des einförmigen Lebens, das er führte, überprüffig und bedürfe einiger Aufrega ung , die er fich auf jene Weiſe zu verſchaffen ſuchte. Der andere Fall betrifft einen Verbannten , der in einem der öffentlichen Gebäude beſchäftigt war
und
den unſer Gewährømann gleich nach begangener Chat zu ſehen bekam .
Er ging mit ſeiner Art im Gürtel
ein Werkzeug, das in Sibirien Feber trägt , das man
aber wenigſtens einem verurtheilten Verbrecher
nicht geſtatten foute - durch einen Gang und ſah eine ſchlafende Schildwache; er zerſdimetterte bem armen Mann den Schädel und tödtete ihn auf der Stelle. Hierauf entfernte er ſich ,
und als er an die nächſte
Wache kam , ſagte er ihr ganz kaltblütig , fte möchte gehen und den Leichnam ihres Kameraden wegſchaffen, den er todtgeſchlagen habe.
Von der Wahrheit dieſer
55
beiden Geſchichten ſind wir ſo veſt überzeugt, wie von unſerem Daſein ,
und eben ſo gewiß iſt es , daß dieß
vor drei oder vier Jahren feine ungewöhnlichen Vor fäde waren . Der Generalgouverneur hat jedoch Schritte gethan , jene nichtswürdigen Menſchen , welchen foldhe Gräßlichkeiten zur Gewohnheit geworden waren , aus zurotten ; aber er hat eine ſchwere, Aufgabe zu löſen gehabt.
Das iſt der Erfolg des Syſtems der Milde,
das lange genug in Gebrauch geweſen , um fich zu bewähren und gute Früchte zu tragen , frkutsk anwendbar.
G
wäre e8 in
ift allgemein bekannt ,
daß
es in Rußland keine Todesſtrafe gibt , audgenommen in außerordentlichen Fäden , wie Aufruhr und Hoch = verrath , wo der Kaiſer es über fich nimmt, das Ges Teße zu überſchreiten. Der verſtorbene Graf Sperandki ,
zur Zeit ſeines
Lodes Miniſter des Innern und früher Generalgou : verneur von ganz Sibirien , einer der fähigſten Män ner , außer
die Rußland je hervorgebracht hat, anderen Dingen die
minal - Gefeßbuches
Entwerfung
und eines
unternahm eines
volftändigen
Cri
Gefeßs
buches für das Gouvernement Sibirien insbeſon dere. Das fibiriſche Gefeßbuch würde vielleicht von allen Rechtsgelehrten der Welt , welchen man es vor legte ,
für
ein Meiſterſtück
der
Geſepgebung erklärt
werden und ſeinem Verfaſſer die höchfte Ehre bringen ; aber es war ein Entwurf für einen utopiſdien Zu :
56 ftand der Geſellſchaft, wie er bio jeßt noch nie , ja faum in der Einbildung eines praktiſchen Menſchen vorhanden war , am alerwenigften für eine Geſellſchaft, wie in Oftftbirien, dem Sammelplaß der ſchlimmſten Verbrecher aller Art, welche die verſchiedenen Völkerſchaften , aus welchen das ungeheuere ruſſiſche Reich zuſammengeſegt ift, ihm zuſenden , eine Geſellſchaft ,
die einige Mit
glieder in fich faßt, welche, wie wir um der Menſchens natur willen hoffen wollen , in der ganzen Welt,' we = nigſtens unter geſitteten Bölfern , ihres Oleichen nicht haben. Ein Geſepbuch dieſer Art, das den verruchteften Verbrechern eine Art Freiheit gibt, die mit der Sicher heit der übrigen Einwohner auf keine Weiſe fich vers einigen läßt ,
iſt eine entſchiedene Albernheit und Uns
gerechtigkeit. Einem Generalgouverneur, der nichts thun fann , ohne zuvor mit der Regierung in Petersburg ver : handelt zu haben , was hin und zurüd mindeſtens zwei Monate erfordert, find die Bände fo völlig ges bunden , daß er , wie er ftch Felber gegen uns äußerte, ſehr viel Unrecht thun kann , aber außer Stande ift, etwas Gutes zu thun. Als wir mit ihm nach Peters burg reiften , theilte er uns mit , er mode dem Raiſer ſagen, daß in Sibirien nur er ſelber und ſeine Unter gebenen wirklich
im Zaume gehalten würden . Doch daß nothwendig
das Uebel hatte einen Grad erreicht,
etwas geſchehen mußte, und ſo wenig der Kaiſer auch
57
geneigt ſein mag , zu der Strenge des alten Syſtems zurückzukehren , ſo hat er fich doch genöthigt geſehen, den beiden Generalgouverneuren die geheime. Macht zu verleihen , Verbrechen von jener verruchten Art auf eine Weiſe zu beftrafen , daß der Tod erfolgt, Förmlichkeiten der Todesſtrafe.
ohne die
Mit dieſer Ermächtige
ung ſtellte General Rupert ein halbes Dußend dieſer abſcheulidhen Rotte vor ein Kriegsgericht und ſie wurs den verurtheilt, durch feche tauſend Mann Spießruthen zu
laufen .
Jene beiden ,
von
welchen wir erzählt
haben, waren inbegriffen , und obgleich dieſes furchtbare Urtheil pünctlich vollzogen wurde ,
ſo ftarben ſie doch
nicht daran , natürlich aber lebten fte nicht lange mehr, als man fie in's Hospital brachte. Das Beiſpiel hatte ſeine gute Wirkung , und für den Augenblick kommen wenigftend jene entſeglichen Begebenheiten nicht mehr vor ; aber man möchte zweifeln , ob es nicht nöthig ſein wird, wenigſtens für die äußerſten Fälle wieder zur Todesftrafe zurückzukehren , und iſt es nöthig , fo ſcheint es von größerer Wirkung zu ſein , wenn es öffentlich bekannt gemacht wird , daß auf erwieſenem Mord un abwendbar dię Lodesſtrafe fteht. 68 fragt fich, ob der Anblick der Todesſtrafe Andere von den Verbrechen abſchrecke , durch welche ſie verwirkt wird ; aber wenn einem Menſchen das Leben genommen werden ſoll , ſo iſt es jedenfalls beffer , es geſchieht offen und unver bohlen, ſtatt daß es den Schein hat , als wäre der Tod
58
nur die zufällige Folge einer harten Strafe , bei wels cher notoriſch jene Wirkung nicht beabſichtigt wurde. Wir ſagen
notoriſch ,
denn was ſollte man mit
einem Spießruthenlaufen
durch ſechs tauſend Mann
wohl Anderes beabſichtigen als Tödtung, obgleich wir von dem, was dieſe Böſewichte an körperlichen Strafen ertragen können ,
fo wunderbare Dinge gehört haben ,
daß jene Folge nicht immer unvermeidlich zu
ſein
ſcheint. Wir haben vom Herrn von Hedenſtröm eine Geſchichte gehört, die fich vor dreißig Jahren in Ir kutsk ereignete , während er dafelbft fich aufhielt , und durch welche man in Zweifel geräth ,
ob man dieſe
Geſchöpfe, ſowohl der Abſcheulichkeiten wegen , die ſie begehen können , als auch wegen der körperlichen Leiden , die fte ,
ohne daß der Lob erfolgt , zu ertragen im
Stande find , überhaupt für Men den halten ſoll ober nicht. Die Knute war damals ein Werkzeug,
das mit
Handhabe und Zubehör fechszehn Pfund wog; fte ift text gefeßlich auf zwei Pfund beſchränkt.
Ein
Mann hatte ein Verbrechen der erwähnten Art be gangen, und der damalige Gouverneur beſchloß, an ihm ein abſchreckendes Beiſpiel aufzuſtellen, und verurtheilte ihn zu hundert achtzig Hieben mit jenem furchtbaren Strafwerkzeuge, die ihm auf zweimal, jedesmal neunzig aufgezählt werden ſollten.
Herr von Hedenſtröm hatte
einen franzöfiſchen Diener, der ftch ftets damit rühmte,
59
Alles geſehen zu haben, aber ſehnlichft verlangte, einen Menſchen knuten zu ſehen.
Sein Herr ſagte ihm , er
habe jeßt eine treffliche Gelegenheit ,
ſeine Neugier zu
befriedigen ; er rieb die Hände und war entzügt.
So
bald der Verbrecher entkleidet und an den Pfahl ge bunden war, ſank dem Franzoſen der Muth und bei'm erſten Streiche fiel er in Ohnmacht.
Der Verbrecher
erhielt ſeine neunzig Hiebe und wurde in's Hospital gebracht, wo ihn der Franzoſe beſuchte. Nach vierzehn Tagen war er wieder in einem Zuſtande, daß ihm die anderen neunzig Hiebe ertheilt werden konnten ; ftarb auch unter diefen nicht.
er
Doch lebte er nur noch
eine Woche, weil es Winter war , in welcher Jahreßa zeit , wie es heißt , die Herſtellung fehr ſchwierig iſt; im Sommer aber hätte er wieder geneſen können , was jedoch natürlich nicht im Willen des Gouverneurs lag . Wenn man
nach
einer
minder
furchtbaren
Strafe
dem Leidenden im Hospital etwas Branntwein gibt, ſo kommt er gewöhnlich davon ; will man ihn aber aber aus der Welt ſchaffen , ſo braucht man ihm nur ein Glas Waſſer zu reichen , worauf der Schlag und augenblicklicher Tod erfolgt. Es gibt unter dieſen Verbrechern eine Klaſſe von Menſchen , die in der moraliſchen Welt eine merkwür dige Erſcheinung bilden , eine Erſcheinung,
die ,
wie
rrir hoffen und glauben , nirgenbro ihres Gleichen hat. Sie haben eine ſolche Gier nach Blut,
daß fie in
60 ihrem Parorismus , der periodiſch zu ſein ſcheint, der Verſuchung nicht widerftehen können , ſobald fich Ges legenheit zu ihrer Befriedigung darbietet. Ein Beamter in Irkutsk erzählte uns ,
was er ſelbft hiervon erlebt
hatte , und obgleich die Geſchichte faft unglaublich iſt, ſo haben wir ſte doch aus lauterer Quelle: Ein Ver bannter ,
nicht aus der Klaffe der verworfenen Ver
brecher, der als Kutſcher bei einem Raufmann in der Stadt dient, iſt jenen Anfällen von Wahnſinn unter worfen , hat aber fo riel Verſtand, daß er vollkommen weiß , woran er leidet, und ſorgfältig die Folgen zu vermeiden ſucht. einſtellt,
Wenn er fühlt,
daß die Wuth fich
erſucht er ſeinen Herrn ,
ihn in Ketten zu
legen, bis der Anfad vorüber ſei. Er bauert gewöhns lich einige Tage, und der Diener erklärt dann feinem Herrn , daß er ihn wieder loslaffen könne ,
daß die
Wuth ihn verlaſſen habe und er nun völlig unſchädlich ſein werde.
Was für ein angenehmer geſellſchaftlicher
Zuſtand das ift! Wir wollen unſere Lejer durch keine weiteren Beis ſpiele von der beklagenswerthen Verborbenheit Theils der Mifſethäter
ermüden ,
eines
welche unter einer
Herrſchaft , die man als einen unbarmherzigen Despo tismus ſchildert, in einer geriffen Freiheit leben , wäh= rend fie in jedem anderen Lande ihre Verbrechen vermeidlich auf dem Schaffot
gebüßt
un
haben würden .
Wir haben hoffentlid genügende Beneiſe gegeben , um
61 felbft den wärmſten Menſchenfreund zu überzeugen , daß Barmherzigkeit über einen gewiffen Punct hinaus in Sdwäche ausartet und ein Fluch für die Gutgefinnten wirb, ohne bei den Miffethätern einen wirklich guten Erfolg hervorzubringen .
Sofern es uns auch liegt,
eine blutdürftige Gerechtigkeit und eine unnöthige Aus Dehnung der Todesftrafe zu wünſchen, ſo ſteht doch die Meinung bei uns veft, daß menſchliche wie göttliche Gefeßgebung nicht nur ermächtigt, ſondern gebietet, das Verbrechen bes Morbé mit der höchſten Strafe zu . fühnen. ,, Wer Menſchenblut vergießt, deſſen Blut fou wieder vergoffen werden ",
heißt das Gebot eines Ger
ſeßgebers , deffen Zeugniß Wenige beſtreiten werden. Allerdings iſt der Zweck aller Gefeßgebung Verhütung und nicht allein Beſtrafung des Verbrechens, aber wir wüßten nichts , was die Menſchen von der Begehung der abſcheulichſten Miffethaten ſo ſehr abſchrecken könnte, als die Gewißheit, daß der Lob ihre Strafe ift. Wenn das nicht abſchreckt, wie ſollte dann das Hinſchleppen eines : hoffnungloſen Daſeins unter ſo peinlichen Um ſtänden, wie jene, worin fich die Verbrecher in unſeren Strafcolonieen befinden , ein fonderlich wirkſames Mittel zur Berhinderung des Verbrechens ſein ? andere Sache iſt eß ,
wo
Eine ganz
bei geringeren Verbrechen
einige Leute das Recht des Menſchen , einem anderen das Leben zu nehmen , ' in Zweifel ziehen und daher die Thäter unverfolgt laſſen .
Morb flößt faſt jedem
62
Gemüthe einen ſo eigenthümlichen Schrecken ein ,
daß
vielleicht niemand zögern wird , einen Mörder vor Ges richt zu bringen , hielte.
weil er die Strafe für zu ſtrenge
Wir hoffen genug geſagt zu haben ,
diejenigen ,
um auch
die mit Dobel über die Vortheile eines
milderen Syſtems in Sibirien gleicher Meinung find, zu der Ueberzeugung zu führen ,
daß es gerade dort
jedenfalls am unrechten Orte iſt und daß es nicht ſo leicht iſt , wie er es darſtellt, die größten Verbrecher durch Errichtung von Arbeithäuſern und Manufacturen in gute Menſchen umzuwandeln . Allerdings laſſen ſich auf dieſe Weiſe, wie er ſagt ,
folche Menſchen dem
Staate- nüglich machen , während ihnen felbft. Gelegens heit geboten iſt,
über ihre Vergehungen nachzudenken
und mit dem beleidigten Gott fich auszuſöhnen ;
aber
es folgt nicht, daß fie dieſe Gelegenheit benußen , und die Beiſpiele , die wir aufgeführt haben , möchten ſehr für das Gegentheil zeugen . Es herrſcht in Irkutsk eine lebendige Thätigkeit in vielen Manufacturzweigen ,
ſowie im Schiffsbau für
den Verkehr auf dem Baikal, für die Fortſchaffung von Waaren und Lebenämitteln nach den Bergwerken von Nertſchinst und die Zufuhr ihrer Ausbeute. Das Militär, das in der Stadt ftellt und fich mit Einſchluß der Roſafen ziemlich auf vier tauſend Mann beläuft, bringt viel Leben in dieſen Ort. chyönen Flüffen und dem
Seine Lage ,
von
großartigen Gebirge umgeben ,
63
aus welchem
der See . entſtand, ift herrlich. Ein Jäger
fann faum einen beſſeren Wohnort finden ; es gibt in geringer (Entfernung Bären , Wölfe, Glenthiere, Gemſen und vieles andere
Wild in Ueberfluß ,
worunter die
hieftge.Gelinotte ihres feineren Geſchmads wegen bes rühmt iſt ,
den
ſie durch
ihre Hauptnahrung ,
die
Zapfen der pinus cembra , gewinnt. Der Baifal bietet eine große Mannigfaltigkeit von Fiſchen , obgleich es in der Angara ,
weil ihr Waſſer ſehr ftark mit Kale
geſchwängert iſt , nur ſehr wenige gibt.
Wir hatten
von dem Fürſten Gortſchakow ein Empfehlungſdreiben an den General Rupert , Generalgouverneur, das uns weſentliche Dienſte leiſtete. freundlich.
Der General war überaus
Von Geburt ein Hollander , ein Neffe des
verſtorbenen Grafen Suditelen , kam er mit dem achten Jahre nach Rußland und iſt natürlich in jeder Beziehs ung ein Ruſſe geworden , ja er ſpricht nicht einmal ſeine Mutterſprache. Er iſt auch Proteſtant, und ihm hat man hauptſächlid, die Gründung einer proteſtant iſchen Kirche in Irkutsk zu verdanfen .
foftbare und anziehende Sammlung
Seine ſehr
von Mineralien
und Adem , was zur Naturgeſchichte Sibiriens gehört , iſt ſehr reich an roben ,! die in europäiſchen Samm lungen ſelten zu finden ſind. (Sin Generalgouverneur, der an folchen Beſtrebungen Geſchmack findet , hat natürlich viel Gelegenheit zum Sammeln , wie fie.Pri : vatleuten gar nicht geboten
wird .
Die
Sammlung,
64 von welcher hier die Rede iſt, hat ihrem Eigenthümer eine bedeutende Summe gekoſtet. 1 Aber es fteht uns eine lange und ſehr fchlechte Reiſe nach Klachta bevor , und da der Winter noc nicht ſo weit vorgerückt iſt, daß man auf bem Eije über den Baikal gehen könnte , großen Umweg
an
ſeinen
ſo muß man einen
Ufern
machen .
General
Rupert rüftet fich zu einer Reiſe nach Petersburg und hat fich freundlich erboten , uns in ſein Gefolge zu nehmen ;
es bleibt uns fonach nur ſehr wenig Zeit
übrig , da wir , um nicht zurückzubleiben , vor Weih nacht von Kiachta wieder eintreffen müſſen.
Von Jr:
kutsk zum Baikal , eine Strecke von vierzig engliſchen Meilen ,
gibt das Gedränge der beladenen Schlitten,
die beſtändig hin und her fahren , ein höchſt lebendiges Schauſpiel , wie man es vielleicht
kurze Zeit vor
und nach den Meſſen von Niſchnei und Srbit ausge nommen in Rußland nirgend wieder findet. 06 gleich der See noch nicht mit Salitten fich befahren ließ, fo verſammelte fich doch bereits eine große Anzahl Menſchen, um das wichtige Ereigniß abzuwarten, während einige davon , wie wir, an ſeiner Küſte ihn umgingen , ftatt zu harren , biß das Eis veft genug war, darüber hin zu fahren .
Der Anblic, wenn man nahe fommt,
ift großartig , und im Sommer muß er wahrhaft un äbertrefflich ſein .
Das Land iſt durchgängig angebaut
und die Ufer der Angara
ſind
mit Dörfern befest,
63 während jedes Haus ſeinen Landantheil hat und unter den unfreiwilligen Bewohnern viel Betriebſamkeit zu herrſchen ſcheint.
Hier wird der Reiſende allerdings
nicht meinen , daß er von Verbrechern umgeben iſt, deren viele in jedem anderen Lande die höchſte Strafe würden erlitten haben , welche das Gefeß verhängen kann . Die Angara wird , wie bereits erwähnt, nach ihrem Urſprung hin inimer weiter, und bildet an der Stelle, wo ſie aus dem Baikal fließt, eine Bucht, worin man , ſobald die Jahreszeit der Schifffahrt vorüber iſt,
die
Fahrzeuge in die Dods bringt. Der Baikal friert felten vor dem 22. Januar ſo veſt , daß er Reiſenden den Uebergang geſtattet, ſeltſam genug ,
und die Angara hat überhaupt,
auf den erſten zwanzig Werſten von
ihrem Ausfluß nur äußerſt ſelten eine Eisbecke.
Nach
der Ueberlieferung ereignete fich dieſer ungewöhnliche Fal im Jahre 1740 , wo ein merkwürdig
ſtrenger
Winter war. Nahe an der Stadt friert fie gewöhnlich im December , zuweilen aber auch , wie der See, nicht vor Januar , während alle anderen Flüſſe in der Um gegend ſchon im October gefroren find.
Zwiſchen dem
20. und 30. März alten Styls thaut fie in einer ein zigen Nacht wieder auf; das Gis bridit in aller Rube und verſchwindet unter dem Waſſer , und in ein paar Tagen iſt der Fluß wieder völlig rein.
Das Flüßchen
Irkut, das ſich in die Angara ergießt, und die anderent Gewäſſer in der Umgegend legen ihr Winterkleid erſt 5 Cottrell's Sibirien . II.
66 bedeutend ſpäter ab.
&& iſt dieß eine Naturerſcheins
ung , die man , unſerer Unſicht nach , nicht zu erklären vermag , die Beſchaffenheit des Waſſers wird keinen Grund barbieten , und die äußere Luft muß es in dems ſelben Grade berühren als jeden anderen Fluß .
Das
Waſſer iſt im Winter wärmer als in anderen Flüffen und im Sommer bedeuiend fälter ;
es
iſt auffallend
flar und enthält eine bedeutende Menge Salz und Kalf, ſo daß es für Fremde nicht ſonderlich geſund fein fou , gleich dem
Waſſer der Nena ,
neuen Ankömmlingen
welches bei den meiſtert
in Petersburg eine ſo heftige
diuretiſche Wirkung hervorbringt, daß uns Engländer vorgekommen ſind, die ſchon nach einigen Tagen wegen des Einfluſſes, den das Waſſer auf ihre Körperbeidjafs fenheit übte, wieder abreiſten .
Zur Zeit , ehe die Angara friert , iſt die Kälte in Irkutsk empfindlicher als zu jeder anderen Jahreszeit. Die Ausdünſtungen , die fidi zu Nebeln geſtalten , ges frieren und ſtacheln das Geſicht wie unzählige Nadeln , ſo daß 25 ° unerträglicher find als fpäter 38 ° -- der äußerſt ſeltene höchſte Kältegrad hier zu Lande.
Die
Luft iſt dann rein, ohne Wind oder Rebel. An feiner Quelle iſt der Fluß, wie mir ſchon erwähnten , furcht bar reißend und bei der Stadt zwiſchen fünfzig big ſechszig Fuß tief , ſo daß es unmöglich iſt , gegen den Strom zu rudern . nur von Menſchen
Gin etwas größeres Boot fann oder Pferden
fortgezogen
werden ,
67 und ein kleiner leidyter Rahn muß fich didit am Ufer halten, wo Grund zu finden iſt. Das Bett des Fluſſes iſt mit mächtigen Steinen bedeckt, die von den an gränzenden Felſen herabgeſtürzt find, und da dieſe ge legentlich mit den Giêmaffen fich verbinden, ſo hat man in Irkutsk, gegen allen geſunden Menſchenverſtand, die Meinung, die Angara gefriere zuerſt vom Grunde hers: auf , ftatt von der Oberfläche aus , was natürlich uns möglich ift. kleine Flüffe,
Es gibt im nördlichen Sibirien die volftändig ausfrieren ,
einige
ſo daß man
kein Waſſer findet, wenn man ein Loch in's Gis bohrt ; aber die Angara iſt natürlich viel zu tief, als daß bei ihr fich dieß ereignen fönnte.
Das Eis im Baikal ift!
nicht über ſechs Fuß dick. Sobald vorzeitig Chauwetter Fommt, wie es bisweilen geſchieht, ſo entſtehen unmäßige Fluthen , weil der Fluß unterhalb noch nicht ſobald aufge thaut iſt ; die Maffen des Treibeiſes werden durch die vefte Oberfläche gehemmt, das Waſſer ſteigt über fie empor; ) und ſo entſteht gleichſam mitten im Winter eine Ueber ſchwemmung,
denn die Flüffe find noch eingefroren .
68 iſt die Hiße der Frühlingsfonne an anderen Daten , die dieß hervorbringt. Der Baikal ift in vielen Hinſichten einer der mert: würdigften Seen in der Welt. Er liegt unter dem 51 ° und 56° nördlicher Breite und 104 ° und 111 ° öftlicher Länge.
Im Verhältniß zu feiner Länge ſehr ſchmal,
wechſelt er in ſeiner Breite von dreißig bis zu Hundert 5*
68 Werften , während ſeine
Länge
ſechshundert
Werfte
beträgt, Faſt ganz von hohen und abhängigen Felſen umſchloſſen ,
ſcheint
er offenbar durch eine plöbliche
Erſchütterung der Natur entſtanden zu ſein , die durch dieſelben einen Weg gebrochen hat.
Die Waſſermaſſe,
die ihm jährlich von den vielen Flüſſen , die fich in ihn ergießen , und von den Gebirgmäſſern zugeführt wird , die unmittelbar von den Felſen herabſtürzen , welche bis dicht an den Rand des Waſſers treten , ſoll zehn mal größer ſein als jene, welche die Angara , der ein zige Ausfluß , davonführt, und dennoch findet in dem See keine bedeutende Anſchwellung ftatt.
Die Einge
borenen nennen ihn den heiligen See , und tauſend abergläubige Meinungen, die ſich daran knüpfen, machen ihn in ihren Augen zu einem Gegenſtand der Ehrfurcht – nicht zu ſagen der Furcht, denn die Schifffahrt auf ihm iſt äußerſt gefährlich und mühſam , und fie glauben, er würde erzürnen und ſie Schiffbruch leiden laſſen, wenn er nicht ſeinen gehörigen Namen erhielte. Er iſt mehr als andere Seen plöblichen Windſtößen ausgeſeßt, die, mit großem Ungeſtüm hervorbrechend, ein Boot , das volle Segel hat, augenblicklich umwerfen, und da die Kauf fahrer für Riachta nnd Nertſchinsk flachbodige, fielloſe Fahrzeuge ftud und nur ein einziges großes Segel am Hintertheil führen , ſo iſt die Gefahr für ſte ſehr be deutend und wird bei dem Preiſe der Waaren mit in Anſchlag gebracht.
Die Fahrt geht äußerſt langſam ,
69 meil man nur mit vollkommen günſtigem Winde ſegeln kann und dieſen oft lange Zeit abwarten muß.
Nicht
felten werden auch die Galioten der Admiralität ums geworfen , und man weiß , daß fie zuneilen ftebenzehn Tage zur Ueberfahrt gebraucht haben. Die unendliche Liefe des See's ift nie von Sees offizieren regelrecht ergründet worden .
Eine rufftſche
Zeitſchrift enthält die Angabe , daß fie an zwei Punc ten ,
zwiſchen der Stelle,
wo die Angara von ihm
ausfließt und die Selenga einmündet ,
eine Entfern
ung von hundert und zwei und dreißig Werften , einen Unterſchied von vierhundert funfzig bis zu dert Klaftern mache;
fünfhun
aber es möchte dieß wohl kaum
ſeine Richtigkeit haben , da es ſehr fchwierig iſt, eine ſolche Tiefe außzumeffen. von
Man ſagt, der Gouverneur
Irkutsk hätte es vor vielen Jahren mit einer
Schnur von tauſend Faden Länge verſucht, ohne Grund zu finden ;
aber wahrſcheinlich fant das Blei nicht.
Bei der Mündung der Angara , Admiralität vor Anker liegt ,
wo die Badiote der
warf im Jahre 1832
Herr von Hedenſtröm das Blei aus .
Auf der einen
Seite des Fahrzeuge war das Waſſer vollkommen flar und man fah den Anker in einer Tiefe von funfzehn Faden , auf der anderen war es dunkelfarbig und dick und
zwei und ftebenzig Faden tief.
wegen Mangel
Er hat fonach
an Ankergrund und wegen der Steil
heit der Felſen nur wenig Puncte,
wo ein Fahrzeug
70
anlegen kann .
Troßdem
hat die Regierung bei dem
wichtigen Handel, den man auf diefem See betreibt , nicht einmal ein paar Dampfboote hergeſtellt, welche die Rauffahrer hinüber bugſiren fönnten , und aus den Aeußerungen des Generalgouverneurs , mit dem wir über dieſe Sache ſprachen , ging nicht hervor , daß fie hierzu geneigt ſei. Man fagt, es würde ſchwere Koſten verurſachen, die Jahreszeit , wo die Dampfboote fahren könnten , ſei kurz , die Ingenieure, die Ausländer fein müßten, würden nothwendiger Weiſe für das ganze Jahr bezahlt werden müſſen , und die Eigenthümer der Schiffe, welche die Handeløgüter überfahren , würden einen ſehr empfindlichen Verluft erleiden .
Kurz , es
gilt
nur,
einige Vorurtheile und eigennüßige Rücficiten zu be feitigen , und ihretwegen läßt man eines der nüßlichſten Werke, welche die Regierung unternehmen könnte, Fahr auf Fahr unausgeführt.
Rohlen gibt es in unmittel
barer Nähe und natürlich auch ſo viel Holz , als nöthig ift , und ein Dampfboot könnte ſeine Ladung in ge ringer Entfernung von Riachta löſchen , ſo daß die Reiſe zu Lande für die Gefangenen , die in die Berg werke von Nertſchinsk gehen , und für die Erzeugniſſe des Bergbaues, die man zurüdbringt , bedeutend abge kürzt würde. Man folte denken , die Kaufleute würden für die größere Sicherheit und Schnelligkeit der Reiſe gern die Koſten tragen. Die Gefahr, welcher die Schifffahrt auf dem Baikal
71 durch die häufigen Windſtöße und die ſchwierige Auf findung eines Ankergrundes ausgeſegt iſt, bedeutend burdh den Umſtand erhöht, Oberfläche Thätigkeit
wird noch
daß unter der
des Waſſers beſtändig eine vulkaniſche obzuwalten ſcheint. Die Wellen find
äußerſt unregelmäßig und erreichen zuweilen eine au Berordentliche Höhe ; doch bemerkt man, daß dieß nicht der Fall iſt, wenn ein ſtarker Wind weht, von welchem fich natürlicher Weiſe eine ſolche Wirkung ließe.
Ein
erwarten
andermal ſteigen bei völliger Ruhe des
See's an einzelnen Stellen plößlich wüthende berghohe Wogen empor, während in geringer Entfernung rings um dieſe Brandung das Waſſer vollkommen ruhig iſt. Dieſe Erſcheinungen , die offenbar mit allen gerröhn lichen Urſachen in keiner Verbindung ſtehen , können nur einer verborgenen Macht zugeſchrieben werden, die unter dem Waffer wirkt , und dürften möglicher Weiſe durch einen plöblichen Luftſtoß entſtehen , den die Auf löfung gabartiger Stoffe in dem unterirdiſchen Labora torium hervorbringt.
Die Geſtalt der Berge , welche
den See umgeben , beweiſt deutlich genug , daß der Be hälter dieſer ungeheueren Wafjermaffe durch ein Erd beben oder eine vulkaniſche Wirkung entftanden
iſt.
Die Felſen ſcheinen am Rande des jebigen See's fo ſenfrecht abgeſchnitten zu ſein , wie es allein eine fo heftige und plößliche Urſache bewirken konnte. Spuren erloſchener Vulfane und viele heiße Quellen in ſeiner
72
Nähe, ſowie Maffen ſehr alter Lava, die man gefunden hat , heben jeden Zweifel über die Beſchaffenheit des Untergrundes.
Vielleicht find Tauſende von Jahren
ſeit dieſen mächtigen
Umwälzungen
verſtrichen ,
die
wahrſcheinlich in geringerem Grabe noch immer fort wirken ; aber die großartigen Fichtenwälder geben Zeug niß ,
daß hier ſeit vielen Jahrhunderten ein kräftiges
Wachsthum herrſcht.
Leichte Erdſtöße
verſpürt man
jedes Jahr in der Nähe.
Das Bett bes See's muß von ungewöhnlicher Be ſchaffenheit ſein , um die Waffermaſſen aufzunehmen und einzuſaugen , die jährlich ihm zufließen , aber nie, mögen fte größer oder geringer ſein ,
eine bemerkbare
Veränderung in feiner Höhe hervorbringen.
Er tritt
nie über ſeine Ufer , und ftatt daß er im
Frühling,
wann der Schnee ſchmilzt, ſeine bedeutendſte Höhe er : reichen ſollte, ſo geſchieht eg im Herbſt, wo eine Ver änderung von fieben bis zu vierzehn Zoll eintritt, aber nicht darüber. 68
ſchweben ſelbſt
im Sommer bec
ſtändig Nebel über dem See , was ihn allezeit falt macht, und ohne Zweifel n -ird eine gewiſſe Maffe von Waſſer durch Verbunftung abgeführt; aber dieſe iſt im Vergleich mit anderen ähnlichen Gewäſſern nicht hin reichend , um die ſo regelmäßig erhaltene Höhe zu er klären . Im Sommer des Jahres 1818 ſtieg das Waſſer plößlich über ſechs Fuß und behielt dieſen Stand geraume Zeit ohne alle ſichtliche Urſache. Seit
73 bem iſt
die Oberfläche
etwas
höher als vor dieſem
Fahre. Gleichzeitig mit dieſer Anſchwellung des See's überſchwemmte auch ein kleiner Fluß, die Srete, in ges raber Linie nach Nordweſt hundert und zwanzig Werfte von
ihm entfernt , plöglich ſeine Ufer.
Die Quelle
dieſes Fluſſes iſt am Fuße eines Gebirges und gleich anfänglich von bedeutender Größe ; die Anſchwellung war unterirdiſch und augenblicklich, indem das Waſſer in großen Maſſen aus der Quelle felbft Hervorſtrömte. Es iſt möglich , daß zwiſchen beiden eine Verbindung mittels unterirdiſcher Kanäle ftattfindet, wovon einige vielleicht ſich verſtopft hatten , ſo daß das Waſſer, in dem es ſeinen gewöhnlichen Ausgang nicht fand , aus ein und derſelben Urſache die Anſchwellung des See's wie des Fluſſes berrirfte.
Vor einigen Jahren ,
in
einem ſehr trockenen Sommer , trat auf gleiche Weiſe *auch die Lena in ungewöhnlicher Flut aus ihrem Bette und vernichtete das ganze Heu der armen Leute, die an ihren Ufern wohnten.
Dieſe plöglichen und uner
flärbaren Anſchwellungen des Waſſers drohen der Stadt Irkuték eines Tages verberblich zu werden . der Angara
Der Paß
durch das enge Thalmürde bei irgend
einer Vermehrung der Waſſermaſſe nothwendiger Weiſe zu enge ſein , ſie zu faſſen , und ſo die ganze Umgebung überſchwemmt und wahrſcheinlich jede Spur lebender Weſen vertilgt werden . Die häufigſten Winde auf dem See find diejenigen ,
74 die von einem Endpunkte deffelben nach dem anderen wehen , Norboft und oft oder Südmeft und Weft. Der Nordweft
iſt der beſtändigſte und gefährlichſte.
Die
Höchſten Gebirge , die den See umgeben , liegen ſüdlich und füböftlic ), und dennoch find die Winde aus dieſer Richtung ſeltſamer Weiſe nur ſelten und keineswegs furchtbar. Man iſt der Meinung geweſen, daß zwiſchen dem Baikal und dem Meere eine geheime Verbindung ftattfinde; aber die Oberfläche des See's liegt gegen zweitauſend Fuß höher als der Meeresſpiegel, und die Entfernung von drei tauſend Werften ift faft zu bedeu tend, um dieſe Möglichkeit gelten zu laffen. Man tödtet, hier jährlich eine Anzahl Seehunde von derſelben Art, wie man ſte in den nördlichen Meeren findet ,
und
Salme, Schwämme und Korallen , die nur im Salzwaſſer vorkommen , bekräftigen die Meinung von einer Ver bindung mit dem Ocean.
Es hat dieſe Vermuthung
wenigſtens eben ſo viel Wahrſcheinlichkeit für fidh, ale die Anſicht des Reiſenden Pallas und feines Gefährten Georgi, die
in
einer entlegenen Zeit den Gedanken
hatten , der Baikal bilde einen Theil ber Nordſee oder dieſe Meererzeugniſſe
wären ihm durch
ſchwemmung der Lena zugeführt.
eine
Ueber
Wie das Waſſer
über drei tauſend Fuß hohe Gebirge ſteigen ſoll , will uns nicht einleuchten , und wenn das Bett Des Baikal ſo entſtanden iſt , wie wir vermuthen , ſo fann er mit dem Meere keine
offene
Verbindung
gehabt haben,
75
wenigſtens nicht ſeit der Zeit , tro vielleicht ganz Si birien im Meere gebettet lag . Der Baikal enthält bedeutend mehr Fiſche, als es bei Gebirgſeeen gewöhnlich der Fall ift. Salme
findet
Störe und
man in ihm von bedeutender Größe,
und fie verſorgen die Bewohner das ganze Jahr hin durch mit Nahrung . Der Omoula (von Pallas Salma autumnalis genannt), ein häringartiger Fiſch , der ge trocknet einen vortrefflichen Geſchmack hat, iſt in Ueber fluß vorhanden , und die Seehunde , movon wir eben geſprochen haben , find ihres Thrano imb ihrer Felle wegen
ein werthvoller Artikel für den Handel mit
China.
In den Wäldern gibt es wilde Thiere aller
Art in Ueberfluß, wovon viele ein treffliches Nahrung mittel und alle ein mehr oder minder koſtbares. Pelz werk geben.
Die Gebirge beftehen hauptſächlich auß
Granit mit Schichten von Gneiß und Kalkſtein .
Ein
kleiner Fluß, die Slubenka , ber am Fuße der Gebirge feinen Lauf hat und ſich in den Baikal ergießt, ent= hält
eine Menge von
Fofftlien und
unter anderen
Dingen den lapis lazuli , faft von derſelben Art ,
wie
er aus Libet fommt. Man findet ihn nicht in großen Maffen , ſondern in dünnen Stücken , welche von dem Waſſer, das fte niedergeſpült hat, abgerundet ſind. Alle Nachforſchungen , den Steinbruch zu finden , aus wel chem fie kommen, find vergeblich geweſen, und obgleich die Stelle, wo man fte findet, pon keiner großen Auß
76
dehnung ift, ſo find doch bis jeßt alle Verſuche, ihren Gang zu entdecken , ohne Erfolg geblieben . Ade Stücke, die wir geſehen haben , ſind von hellerer blauer Farbe als der lapis lazuli von Tibet ; aber er jo ſein als dieſer.
fleckenloſer
Man findet hier auch den Baikalith,
den Prenith und den Glaufolith , der dem lapis lazuli nicht unähnlich iſt. Es führen zur Zeit zwei Wege um den Baikal nach Riachta, und ein dritter iſt unter dem Schuße der Regierung jeßt im Werke , wenigſtens wurde , als wir in Petersburg waren , der Plan dazu von einem In genieur dem Raifer vorgelegt und hat wahrſcheinlich feine Genehmigung erhalten .
Man ſollte meinen , es
gäbe für die Verbrecher keine beſſere Arbeit als Stra Benbau , General Rupert aber erwiderte uns auf dieſe Bemerkung , er müßte dann , um fte zu beaufſichtigen , ſeine militäriſchen Kräfte verbreifachen , und die Straße würde dann ſehr koſtſpielig werden .
Wir fehen nicht
ein, warum nicht, wie in anderen Ländern , Retten zum Zwecke helfen ſollten ; wie es jegt iſt, entwiſcht alljähr lich
eine ziemliche Anzahl und verhungert in den Wäldern oder wird von wilden Thieren getödtet , und dennoch baut man keinen Weg , was ſo wichtig ift. Wir würden daher ein anderes Syſtem verſuchen. Der
beßte der beiden
jegt vorhandenen Wege iſt auf alle
Fäle derjenige ,
den vor
ungefähr drei Jahren
ein
Kaufmann von Riachta auf eigene Koſten bauen ließ ,
77
da er den Zeitverluſt und die Gefahr zu Waffer und auf dem alten Wege zu groß fand.
Doch fcheint es
nicht, ale würde dieſer Weg von Dauer ſein ; jeben = falls wird ein neuer auf Koſten des Raiſers erbaut , der wahrſcheinlich für den Ingenieur, welcher die Leit ung hat, einträglicher ſein wird als für fonft Jemand ; aber er wird die Poſtſtraße werden , und die Reiſenden werden fich darauf verlaffen können , finden .
daß fte Pferde
Gegenwärtig muß man auf dem alten Wege
den größten Theil der Reiſe , der gebirgigen Gegend wegen, zu Pferde machen ; der neue aber wird auf der ganzen Strece mit Schlitten fahrbar fein . Bis zur Kultukbai im Baikal , ſechs und neunzig Werfte, iſt der Weg in gutem Stande ,
obgleich ſteil
und uneben ; bis zu dieſem Punkte ſind die beiden Wege fich gleich , und was die Entfernung betrifft , ſo ift in der That kein großer Unterſchied zwiſchen ihnen. Man rechnet gegen Fieben hundert Werſte bis Riachta, aber die Entfernungen find nichts weniger als genau gemeſſen . Von Kultuk nach Snenaja zahlt man für bundert und vier Werſte, denn es iſt die Abficht eines Jeden , der den Weg zurückgelegt hat , die Entfernung ſo kurz als möglich erſcheinen zu laſſen ; man hat die Gtrede kürzlich wieder gemeſſen und gefunden , daß fte hundert und vierzig Werſte beträgt , aber man zahlt dennoch immer nur für hundert und vier .
Ohne dieſe
ermüdendſte aller Reiſen näher zu beſchreiben , wird die
78 Bemerkung genügen , daß es wahrſcheinlich der ſchled ) tefte Weg im ganzen ruffiſchen Reiche iſt.
Ueber die
Gebirge , die ſtellenweiſe ſehr hoch find ,
laufen die
Wege im Zickzad wie auf den Alpen und ſind ſtatt durch Mauern von Granit durch hölzerne geſtüßt, die fortwährend der Ausbeſſerung bedürfen und für die benachbarten Buräten , die ſie ohne Vergütung in einer gerriffen Ordnung halten müſſen , eine were Auflage find.
Der Kamardoban , der höchſte dieſer Berge , iſt
außerordentlich ſteil, und es würde unſtreitig bedeutende Roften verurſachen, wollte man einen leicht zu erſteige enden Weg über ihn anlegen . Der jeßige Weg iſt nach der Richtung der zahlreichen Gebirgwäffer und Flüſſe angelegt , die , wenn auch nicht tief , doch ſehr reißend find, und damit man fichier über ſie hinwegkommt, eine ungeheuere. Anzahl befter Brücken
erfordern
merben :
Das Ganze iſt eine Reihe von Schluchten , welche die Betten jener Gebirgwäſſer bilden , von Gebirgen , Flüſſen und Thälern.
Man ſagt,
die Buräten wüßten eine
beffere und kürzere Weglinie; aber fte fchweigen dar über, entweder, weil fte nicht wünſchen , daß ſo viele Reiſende an ihren Wohnſigen vorüberziehen, oder weil er ihre liebſten Jagdbezirke für Eichhörnchen und Zobel berühren , und der häufige Verkehr dieſe verſcheuchen würde, oder weil ſie fein Bedürfniß fühlen , den Weg für nichts herzuſtellen . In der That Adeh gute Gründe, verſchwiegen zu ſein.
79
Ehe man Verkne- Udinsk erreicht, ſieht man wieder flaches und angebautes Land ; deren rechten
aber die Selenga , an
Ufer dieſe Stadt liegt, iſt wieder von
hohen kegelförmigen Felſen überhangen , die ihre gegen wärtige Geſtalt, ſo gut wie die Berge ,
welche
den
Baifal umſchließen, durch eine Erſchütterung der Natur erhalten zu haben ſcheinen .
Verkne - Udinst iſt eine
der wichtigſten Städte auf dieſer Seite von Irkutet ; fie enthält eine Anzahl anſehnlicher Gebäude , mehre Kirchen und iſt der Wohnort der verſchiedenen Sichis nomnife ,
welchen die Leitung aller minder wichtigen
Angelegenheiten des Bezirfs obliegt, die Einſammlung des ,, Jaffat" von den Buräten ,
die Abhilfe von Bes
ſchwerden , die darin beſteht, daß man von beiden Pars . teien eine Beſtechung nimmt , die Beaufſichtigung der Wege, kurz alle örtlichen Angelegenheiten . Früher war Selenging , hundert Meilen Höher ſtromaufwärts , der Hauptort des Bezirks ; jeßt aber hat es aufgehört, Stadt zu ſein . Seine Vorrechte ſind auf ſeinen Neben= buhler übergegangen.
Es liegt hier eine ſtarke Beſaß =
ung und man treibt lebhaften Handel mit den Buräten , von welchen diejenigen , die in unmittelbarer Nachbar ſchaft wohnen , die reichften des ganzen Stammes find. Die Zahl der Einwohner dieſes Bezirke iſt ſehr bedeutend ;
man beredynet fie auf ſechstauſenb.
beftehen zum Theil aus freien Kronbauern ,
Gie
Buräteit
und Tungufen, ſowie den Verbannten, die in den ver
80
fchiedenen Dörfern zerſtreut ſind. In dieſem Theile treiben die Buräten viel Ackerbau , in früherer Zeit aus Nothwendigkeit, und jeßt , weil fte ihren Vortheil } dabei finden . Von den Kronbauern beſteht ein Theil aus -Ros kolnifen , von welchen wir früher geſprochen haben ; es find ihrer achttaufend, und fie gehören zu den reichſten und angeſehenften aller Unterthanen ſeiner kaiſerlichen Majeſtät. Ihre Vorfahren wurden zur Zeit der Raiſerin Katharina als Anſiedler hierher gebracht, und der Of fizier, deſſen Obhut man fie übergeben hatte, ein eifri dem Reperei ein Greuel war , wies
ger Orthodorer ,
ihnen Land in den Wäldern und Gebirgen an , in der menſchenfreundlichen Abficht , ihre Ausſichten to hoff nunglos als möglich zu machen . durch Fleiß und Arbeit gefällt,
Die Wälder wurden und das Befigthüm
der Roskolniken iſt jeßt das am beßten bebaute und ergiebigfte im
Gouvernement
Zrkut &f.
Shre Dörfer
find auffallend hübſch gebaut und ihre Gäuſer fo nett und reinlich wie die Wohnungen der Sofafen an der füblichen Gränze von Weftfibirien .
Sie find in ihren
religiöſen Gebräuchen noch immer ſo gewiſſenhaft wie ihre
Vorfahren .
Die meiſten
Popen , die aus irgend einem
haben
ihre
ruſſiſchen " Kloſter
ent
Dörfer
flohen find, ohne daß man ihnen Päſſe verſchafft, weil man glaubt , daß fie eine größere Aehnlichkeit mit ih ren Vorgängern , den Apoſteln , erhalten , wenn fie in
81 einem Zuſtande der Verheimlicfung und der Gefahr leben .
Sobald einer von ihnen ftirbt, werden Abge
ordnete nach Rußland an , die zu den Sectirern ges hörigen Klöſter geſendet , um einen neuen zurückzu bringen . Eine ſolche Reiſe und die Geſchenke an die Klöfter ſol ihnen dreißig tauſend Rubel foſten.
Die
Abgeordneten ſowie der Pope müſſen ohne Paß reiſen , und wenn er anlangt , wird er an einen verborgenen Drt in Sicherheit gebracht und Wache beſchüßt.
von einer tüchtigen
Einige Dörfer ſind von einer Secte
bewohnt , die keine Popen annimmt , und deren Mits glieder nur in die Kirche gehen , wenn ſie heirathen , damit ihre Ehe geſeßlich ſei und ihre Weiber nicht das
Recht haben ,
ihnen davonzulaufen.
Die Stelle
eines Popen vertritt ein , Alter", der ihre Gebete lieft und in der Schrift bewandert iſt.
Ihre urſprüngliche
Anzahl war ſehr gering, aber ſte haben ,fich durch ihr mäßiges und ordentliches Leben in einem Verhältniß vermehrt , das in Rußland vielleicht beiſpiellos ift , ein Beweis , daß man weder Klima , noch Nahrung oder ſonſt etwas als Grund für den Mangel an Zunahme der Bevölkerung in Sibirien anführen kann ,
ſondern
daß einzig und allein das wüfte Leben daran Schuld ift.
In ihrer Kleidung und beſonders ihrer Perſön
lichkeit übertreffen fte alle ihre Nachbarn. Außer dieſen gibt es ziemlich eben ſo viele Ab fömmlinge ber Ruſſen , die auf die erfte Nachridit von Cottrell's Sibirien.
II.
6
C
82
der Eroberung Sibiriens als Anftedler hierher fament und die Weiber der Buräten heiratheten , die ſie aus ihren Wohnfigen vertrieben .
Zu dieſen haben fich die
Abkömmlinge von Verbannten geſellt, die nach Beend igung ihrer Strafzeit frei wurden , und fte bilden eine zahlreiche Colonie.
Ihre Züge und ihr dunkles Haar
verrathen die Beimiſchung tatariſchen Blutes in ihren in ihrer Lebensart , Kleidung und Nahrung
Adern ;
gleichen ſie aber mehr den Buräten al8 ihren ruſitſchen Nachbarn. Sie beſchäftigen ſich zum großen Theil mit Fiſchfang und Jagd, weniger mit Ackerbau, obgleich fie bedeutend beſſeres Land befißen als die Sectirer . Ziegele thee, von allen Miſchungen unſtreitig die miderlichſte, bildet einen großen Theil ihrer Nahrung.
Sie kaufen
ihn in Riachta , und man bereitet ihn aus den gröbs ften Blättern und kleinen Zweigen , die man in ein Ding von der Geſtalt und Größe eines Ziegels zus ſammenpreßt. Er wird in einein Mörſer zerſtoßen und gekocht, indem man , um ihm Geſchmack zu geben , ein wenig Salz und etwas Butter oder Fett hinzuthut , damit er in der Gurgel hinunterrutſcht; zuweilen wird auch etwas Milch und Roggenmehl beigemiſcht ,
und
dann iſt es ein Gericht eines , Taifcha " würdig . Die Buräten , hier Bratski genannt , find ein ſehr zahlreiches Volf und zerfallen in vier Stämme.
Der
Stamm Koringk zählt zwei tauſend , der Stamm Ses lenginst ſechszehn tauſend , wovon ein Theil Roſafens
83 dienft thut, der Stamm Rondarinek zwei tauſend und der Stamm Berguſine ziemlich eben ſo
viel.
Dér
legtere ift von all den verſchiedenen ,Ulus " der ges müthlichfte.
Er wohnt in der Nähe des Fluffes Ber
guftne und hat ein unbegränztes Landgebiet zu bebauen. Es gibt weder Reiche noch Arme unter ihm , eine goldene Mittelmäßigkeit , die er , wie man ſagt, dem Umftande verdankt , die
zu
geizig
ſchlicht zu ſein .
daß er von „ Alten " regiert wird ,
und Sie
unverfeinert
ſind ,
um
ehr
haben aus ihrer mongoliſchen
Heimat einige ihrer Gebräuche mitgebracht, und dar unter einen ſehr vortheilhaften , nämlich die Bewäſſer ung ihrer ländereien burch fünftliche Kanäle , wovon man überall zahlreiche Spuren aus alten Zeiten findet, ein Beweis , daß diefe Steppen einft eine weit zahl reichere und in der Ackerbaukunde ſehr erfahrene Be völkerung gehabt haben. Man macht aus einem kleinen Fluffe eine Anzahl Gräben , die verſtopft werden , bis daø Land der Bewäſſerung bedarf , worauf man fie öffnet,
und es fehlt nie an guten Heu - und Korn
ernten , ſo daß dieſer Boden , troß ſeiner ſandigen Bes ſchaffenheit, in trockener Seit fruchtbarer iſt als das weit beſſere Land der Nachbarn .
Ade Buräten find mehr oder weniger Nomaden , denn fte halten große Viehheerben und wechſeln ihren Aufenthalt, um friſche Weide zu gewinnen . dieß im Frühling ,
Sie thun
im Sommer und zu Anfang des
6*
84
Winters. Einige von ihnen wohnen in ,,Jurten" von Filz, wie wir fte bei den Kirgiſen kennen gelernt haben , andere in Hütten von Holz von ſehr urthümlicher Beſchaffenheit.
Sie werden von ,, Laiſch a 8 " regiert,
die das Boll auf Lebenszeit wählt und die ruſfiſche Regierung auf beliebige Zeit beftätigt, und unter dieſen ſtehen andere Beamte , ,,Ghoulengas' und Zaiſang genannt, die vom ,, Saſſaf" befreit find, indem ihn das Volk für fte bezahlt.
Der „Taiſcha" empfängt ſeine
Befehle von der Bezirkspolizei und ichidt ſte in feine Kanzlei, um fte von ſeinen Unterbeamten vollziehen zu laſſen .
Ihre Vermaltung ift natürlich von derſelben Art wie bei den rufftfchen Bauern , aufgenommen , daß die Wahl vom Bolfe ausgeht und lebenslänglich ift, und daß fite das Recht haben , das Volk nach Widfür zu beſteuern ,
ohne daß es gegen ihr fiat irgend eine
Berufung gibt.
Eine ungeheuere Bedrüdung iſt die
Folge davon ; die Taiſchas erlangen von den ruſſiſchen Obrigkeiten einen Rang, ihre Anſprüche vermehren fich , die Abgaben werden ungleichmäßig erhoben , den Begünſtigten Geſchenke zu
um von
erhalten , und eben ſo
verfährt man in der Bertheilung ihrer Ländereien , fo daß das ganze ungerechte Syſtem rufftſcher Mißbräuche und Beftechungen auch unter dieſem einfachen Volfe eingeführt wird .
Vor einiger Zeit wurde ein Taiſcha der Buräten , welche die Inſel
Difone
im Baikal
bewohnen ,
der
85
Räuberei überführt, ein nicht gewöhnliches Verbrechen , bei ihnen ,
und von der rufflfchen Obrigkeit beftraft.
Er hatte mit einigen Gehilfen einem Kaufmann ,
ber
mit Waaren nach Riachta ging , aufgelauert, ihn bez raubt und ermordet, wurde aber bald entdeckt, geknutet und mit feinen Mitſchuldigen auf Lebenszeit in die Salzbergwerke von Ochotsk gefchickt.
Seine Gefährten
waren in kurzer Zeit entwiſcht und kehrten in ihren alten Wohnfig zurück , der Daiſcha allein blieb und ftart bort , obgleich er dieſelbe Gelegenheit zur Flucht gehabt hatte wie die Anderen .
Das Verbrechen des
Mordes wurde damals durch Aufreißen der Naſenlöcher mittels heißer Sangen beſtraft ,
eine Operation , die
gewiß feineswege angenehm , aber dennoch nicht mit dem Schmerz zu vergleichen iſt, den ein halbes Dußend Knutenhiebe verurſachen.
Dieſe Strafe ift fchon lange
abgeſchafft worden , und viele Leute in Sibirien wollen dieſe Menſchlichkeit nicht gutheißen , da jenes unvertilga bare Brandmal den Verbrecher auf enige Zeiten kennt lich gemacht, mit Schande bezeichnet und ihn gehindert habe, dem Orte ſeiner Verbannung zu entfliehen . Dieß war es audy
was den erwähnten Laiſcha bon ber
Rüdfehr in ſeine Heimat abhielt;
er war ficher, von
ſeinem Nachfolger oder irgend Semani , gegen welchen er fich eine Ungerechtigkeit hatte zu Schulben kommen laffen, angezeigt zu werden, und die innere Wuth über die Unmöglichkeit, ſeine Schande zu verbergen ,
trieb
86
ih
art, lieber in der Verbannung zu fterben, als wie
feine Gefährten die Flucht zu ſuchen . Die Verbrechen haben , ſeitdem bieſe verhängnißvode Brandmarfung abs geſchafft.ift, bedeutend zugenommen ; der Miffethäter mirb jeßt nur noch mit einem heißen Gifen auf der Stirne gezeichnet, und wenn man auf die drei Buch ftaben eben fo viele Schnitte Knoblauch legt ,
fo ift
dieſes Brandmal in wenigen Tagen ſpurlos verſchwuns den. In jenem Falle konnte der Verbrecher feine Naſe nicht ſehen laſſen ; ohne augenblicklich erkannt zu wet den ,
und alle Fluchtverſuche waren daher fruchtlos.
Man ftößt einen Schrei aus , geſprochen wird ,
wenn von der Knute
aber man bernimmt kein Wort des
Mitleide für die armen Geſchöpfe, die von jenen Bife wichten
in der Art, wie wir es vorher beſchrieben
haben - grauſam ermordet werden . dne !
Gmelin und Pallas haben die Gräber des alten Volks beſchrieben , das in früheſter Zeit dieſe Steppen der Buräten berrohnte;
aber es befindet fich in der
Nähe der Salzbergwerke von Selenginsk eine Denk: fäule aus jenen alten Zeiten, die, ſoviel wir glauben, noch Niemand beſchrieben hat.
Gte fteht nahe am
Goufinoje " oder Gänſefee, ein einziger gerundeter Granitblod, zwölf Fuß hoch und zum großen Theil in die Erde gegraben.
An dem Gipfel fteht man
ein
männliches Geficht in Basrelief und an beiden Seiten zwei ovale Figuren als Verzierungen, ebenfalls in Bags
87 relief.
Obgleich von alter Arbeit ,
ſo iſt dieſes Dent
mal doch nichts weniger als kunſtlos und war offenbar bas Werk eines Volke , das in den Künſten der Ge fittung bedeutende Fortſchritte gemacht hatte. Es wäre werth, daß man es als rufftſche Merkwürdigkeit in bas Petersburger Muſeum ſchickte.
Die chineſiſchen Ges
fchichtbücher erwähnen nach De Ouignes eines Volfb, das im neunten Jahrhundert dieſe Landeêtheile bewohnt und einen Hunnenſtamm daraus vertrieben hatte.
So
findet man hier herum auch Ueberreſte von bronzenen Pfeilen
und Aerten ,
wahrſcheinlich aus einer noch
älteren Zeit , wo der Gebrauch des Eiſens noch nicht eingeführt war.
Die Ueberrefte der gleichartigen Ge
genſtände aus Bitterſtein , wovon wir früher geſprochen haben ,
wurden ebenfalls , in geringer Entfernung von
Irkutsk in einer Kalkgrube auf einem Berge , dreißig Fuß unter der Oberfläche, gefunden . Einige Nachforſch ung würde mahrſcheinlich in dieſem für Alterthums forſcher jungfräulichen Boden viele Merkivürdigkeiten an den Tag bringen, ſowie die Nufſen bei ihrer erſten Befignahme vom Lande in den Gräbern der Ureinwoh ner viele werthvolle Dinge fanden. Die Buräten von Selenginsk und Rorinsk beken nen fick zur Religion des Buddha, die anderen hangen noch immer bem Schamanismus an .
Die Geiftlichen
ber erſteren , ſo abgeſchmadt viele ihrer Lehren auch ſein mögen , werden als äußerſt mufterhafte und nüßliche
88
Leute geſchildert,
und da fte mit der Gorge für die
Seelen ihrer Gemeinden Körper' verbinden ,
auch die Sorger für deren
ſo find ſte allerdings ein unſchäge
barer Segen für die armen Leute, unb felbft die Ruffen find ihnen für ärztlichen Beiftand ' verpflichtet.
Shre
geringe Renntniß der Heilkräuter ſtammt aus tibetiſchen und chinefiſchen Werfen, und fle kaufen Häufig in Mais ma - chin die Arzneien , die fie brauchen , ohne fte gex nauer als dem Namen nach zu kennen . Diefe Gegenden werden fehr von anftedenden Kranks heiten heimgeſucht, beſonders haben die Maſern vor einigen Jahren unter den Ruffen große Verheerungen angerichtet, unter den Buräten aber nur wenig. Behandlungsweiſe ift ſehr einfach.
Ihre
Man gießt kalte
Waſſer, worunter ein wenig Milch gemiſcht iſt, über den nackten Körper deß Kranken , bis ein Schauer ers folgt, worauf man ihn in Röde von Schaffell widelt und ſo warm als möglich macht, was den Ausſchlag in dem erforderlichen Grade Hervortreibt, und auf dieſe Weife Heilten die Lamas dieſe Krantheit mit fehr glück lichen Erfolge.
Richt minder glücklich fitnb fte in der
Impfung der Kinder , und in einem Jahre, wo die fibiriſche Peft hier wüthete, waren fte für die Bezirke beamten ein ſehr großer Beiftand. Dieſe Krankheit ift von Zeit zu Zeit in verſchiedenen Sheilen Sibiriens herrſchend ; ſie trüthete im Jahre 1829 gerade in dem Theile, den damals Humboldt und Mofe bereiften, und
89
führte auf dieſe Weiſe für bie wiffenſchaftliche Welt einen bedeutenden Berluſt herbei, inſofern fich dieſe Herren überreden ließen, fte ſet ſehr anſteckend, und den Bezirk, wo fte herrſchte , ſo ſchnell als möglich durch flogen , ohne mit den Einwohnern den mindeſten Bere kehr zu pflegen, ſo daß ihnen unfehlbar viele anziehende Dinge aus der Naturgeſchichte des Landes entgangen ſein müſſen .
Man unterwirft allerdings bad Bieh
dieſer Krankheit wegen einer Quarantaine ;
aber obe
gleich fle epidemiſch iſt , fo ſcheint fte doch , nach dem zuverläffigen Zeugniß des Dr. Albert, der in Tobolek achtzehn Jahre lang mit ihrer Erforſchung fich beſchäfs tigte, nicht anſteckend zu ſein.
Sie bridjt ,
wie die
Cholera , nicht an allen Orten derſelben Gegenb auß. Sener deutſche Arzt iſt der Meinung, fte entftehe durch die Auskünftungen ſumpfiger Niederungen , und nach einigen Anderen ſolfte fich durch ſehr kleine, dem bloßen Auge unfichtbare Inſekten verbreiten . Wir bes Fennen, daß wir von der holera baffelbe halten ; wir haben fte ſehr genau kennen gelernt und gefunden , daß fte nicht anſteckender Natur ift.
Doch wird dieſe Beft,
ſobald man nicht ſchleunig zu Hilfe kommt, beſonders bei Rindvich und Pferben , nicht ſelten töbtlich . gibt fich bei Menſchen , wie
Sie
bei Thieren durch eine
kleine Puftel oder Beule zu erkennen , die anfänglich wie ein Mückenſtich ausfteht, aber fich ſchnell vergrößert und ſehr entzündet ,
hart uno fnorpelig wird.
Das
90
Mittel für Menſchen, das gewöhnlich einen guten Er : folg hat, befteht darin , daß man das Geſchwür öffnet und eine Miſchung von Salmiak,
gepulvertem Kalf
und Tabak hineinreibt; bei Pferden aber iſt es durch aus erfolglos. Bei ihnen zeigt fich jene Blaſe gewöhn lich am Bauche, und ein Augenzeuge erzählte uns von einem Pferde , daß , auf jene Weiſe behandelt , augen blidlich wiederhergeſtellt worden fei und in wenigen Minuten wieder gefreffen
habe.
Eine Viertelſtunde
ſpäter aber hatte ſich das Gift ber äußeren Ader des Magens mitgetheilt, was einen ſehr heftigen Pulsſchlag bis zur Bruft hinauf erzeugte, und das Pferd fuel ohne weitere Zeichen von Schmerz und Krankheit todt zu Boden . In allen Fäden , we man zur Deffnung ſchritt, fand man alle inneren Organe ſehr ftark angegriffen.
Aeßende Sublimat auf jene Weiſe angewendet, ſcheint fich als das einzige wirkſame Mittel bewährt zu
haben ; es erzeugt eine reichliche Eiterung und
ſcheint dem Pferde bedeutenden Schmerz zu verurſachen ; in zehn Tagen aber hat es faft immer die Heilung Die Schwierigkeit, Quedfilber zu bekommen ,
bewirkt.
und ſein Preis in dieſen Gegenden machen es ſehr münſchenswerth, daß ein gewöhnlicheres und leichter zu erlangendes Heilmittel für dieſe äußerſt verberblidhe Rrants heit entdeckt würde. Hier und da gibt man den Pferden im Frühling Eiſenhut als Abwehrmittel und glaubt fte damit vor der Krankheit zu ſchüßen.
91 Gie iſt im weſtlichen Sibirien Häufiger als im öft lichen ; früher kam fte in den Marſchländern des Die ftricts Tara zum Ausbruch
und verbreitete fich in
Bftlicher Richtung bis Comey, wo fie ftehen blieb . Seit 1883 ober 1834 hat fte einen anderen Weg . einge ſchlagen , indem fie von Süden her , wie die Cholera, den Lauf der Flüffe nach Norden verfolgte, bis fte in's Gouvernement Tobolsk und in die Gegend von Narym kam .
An legterem Orte, den fte früher noch nie oder
nur in geringem Grade heimgeſucht hatte , richtete fte furchtbare Verheerungen an. Eine kleine Heuſchrecen art , bie fich den Grnten in Sibirien ſehr verberblich zeigt, wenn nicht die gehörige Vorſicht zu ihrer Tödt ung angewendet wird , nahm in den Diftricten Bar naul , Koliwan u. ſ. w. , wo fte zuvor fich zeigte , zu derſelben Zeit eine gleiche Richtung mit der Peſt , in . dem fte von Weſten nach Often 309 ; ſeit jener Zeit haben auch fte ihren Weg von Süden nach Norden genommen. Der Buddhaismus , muthmaßlich aus Indien ftam
mend, befteht ſeit einer langen Reihe von Fahren , und man bekennt ihn von den Ufern des Meeres bis zum Imaus , in einem großen Theile von Mittelaften , China und Tibet ; wann er in der Mongolei eingeführt wurde, ift nicht ganz entſchieden . Er iſt ſeinen Lehren , ſeiner Mythologie und man kann ſeiner Gebote
wegen
bas
hinzufügen ,
der Moral
merkwürbigſte von allen
92 Glaubensbekenntniffen des Morgenlandes und ſcheint große Aehnlichkeit mit der muthmaßlichen Religion der alten Aegypter zu haben , das heißt mit deren Wefen , wie es die Briefter und Diejenigen verſtanden , die in die höheren Geheimniſſe eingeweiht waren ,
nicht mit
dem Aberglauben und den Albernheiten , die man für den gemeinen Haufen für genügend hielt. Seine Grunds lage iſt der Glaube an das Daſein eines einzigen höchs ften Weſens, deſſen verſchiedene Attribute unter man nigfaltigen
Geſtalten dargeſtellt
werden .
Er enthält
die Lehre von der Unſterblichkeit der Seele mit der Lehre von der Seelenwanderung und von einer ewigen Glüdſeligkeit oder Verdammniß, je nach dem Leben auf Grben .
Seine Begriffe von Ewigkeit find fein und
metaphyftich , aber von der wildeſten Sinnbilder und Abgeſchmacktheiten *) . Seine Gebote find ftreng morals iſch und das
Berzeichniß von Tob
ſünden ungeheuer.
und Erlaſſungs 7
Die Prieſter , die in verſchiedene Klaffen zerfallen und eine ſehr zahlreiche Körperſchaft bilden , ſtehen in höherem Anſehen als
in irgend einer anderen
uns
* ) Das höchſte Weſen iſt nach der metaphyfiſchen An ſchauungsweiſe Raum , der die Keime der Zukunft birgt. Das Daſein iſt nur eine Täuſchung der Sinne. Der große Geift befindet ſich in einem Zuſtande der Kube , während alle anderen allmälig ihre Körperlichkeit verändern und abwerfen und fich, wann dieſes Werk der Reinigung voll endet iſt, wieder vereinigen .
93
bekannten Religion .
Ein Lamá kann nach ihren Hei
ligen Büchern nicht irren ,
und e8 ſoll das Beſtreben
jedes frommen Anhängers des Buddha fein , ihm auf alle mögliche Weiſe Genüge zu thun . Iim Fow & ki gibt folgende Ueberſebung von einer Stelle eines dieſer Hei ligen Bücher. „ Du wirft die Höchfte Weisheit erlangen, wenn du die Lamas ebreft; die Sonne felbft, die un durchdringliche Nebel zerſtreut,
geht allein nur auf,
damit den Lamad Ehre geſchehe ;
furchtbarſten
die
Sünden finden Vergebung durch Ehrfurcht gegen die gelehrten Lamas . Bama gewinneft
Durch Verherrlichung des großen bu die
Burkhans
und
Bodiſadou
(göttliche Ausflüffe ), daß fte Segen ſpenden und Uebel verhüten .
Der Segen des großen Lama gibt förper
liche Kraft, ertheilt der Jugend große Vortheile und verleiht Ruhm .
Wenn
du
aufrichtig
einen ganzen
Tag lang den Segen eines Lama erflenft, werden alle Sünden , die im Laufe unzähliger Geſchlechter begangen find , getilgt; der Menſch wird dann ein Burkhan . Wenn wir aber im Gegentheil einer ſolchen Gunft uns unwürdig machen , ſo werden wir die Beute ber Gode. Jede Beleidigung eines Lama vernichtet jedes durch tauſend Geſchlechter errorbene Verdienſt. Wer gegen die Heiligkeit der Lamas die mindeſte Verachtung zeigt, wird durch Unfälle, burch Krankheit und allerlei Miß geſchick , wer die Gebote des Lama verlacht, durch eine ſchwere Zunge ,
durch Schwindel und Tod
1
beſtraft.
-
94
Der Seele des Lama (potten, führt in die Gewalt des Teufels, zum Verluſt des Verſtandes und des Gedächt niffes und zur Verbannung an den Ort ewiger Qual. Dieſer Spott iſt die größte aller Sünden .
Wer ihrer
fich ſchuldig macht, wird niemals Ruhe finden ; weder ſein Körper, noch ſeine Zunge , noch feine Seele wers den die lette Ruhe genießen.
Wem es gelingt , von
dieſem Lafter fich zu reinigen ,
der darf Hoffen , bem
Schickſal zu entgehen , das ihn bevorſteht.
Wenn er
dieſen böſen Hang durch das Bekenntniß , daß er das ſchädlichfte aller Uebel ſei, zu beftegen vermag, To barf er gewiß ſein, ſeine Feinde zu bezwingen. Aus dieſem Grunde befehlen
uns die heiligen Bücher , zu beten
und mit unermüdlicher Ausdauer den Dalat Lama zu 1/ ehren ." Der Dalai Lama iſt ihr hoher Briefter , der Ges genſtand ihrer Höchften Verehrung , aber ein Sterblicher. Nach ſeinem Ableben erſcheint er wieder in menſchlicher Geſtalt, gewöhnlich in der Geſtalt eines Knaben , indem er ihn unmittelbar vor ſeinem Tode bezeichnet und den Drt angibt, wo man ihn finden werde. Der Leib des Todten wird mit der größten Achtung behandelt, aber nie wieder ſehen gelaſſen.
Man geht dann zunächſt
dorthin, wo der Nachfolger zu finden iſt, und nachdem man ſich von den Merkmalen der Aehnlichkeit hinlänge lich überzeugt hat , wird er nach Tibet gebracit , über einige Lehrpuncte geprüft und dann in ſein hohes Amt
95
eingelegt. hin ,
Seine Jugend bringt er
natürlich damit
von den Prieſtern die Geheimniſſe der Religion
zu erlernen, deren lebenden Haupt und Ginnbild er ift, und in den Heiligen Büchern zu ſtudiren.
Der Bana
tſchan ift an Rang die zweite Vermenſchlichung und hat in einigen Buncten felbft den Vorrang.
Bei ſeis
nem Ableben finden dieſelben Ceremonieen ftatt ,
und
fte geben beide dem neuen Vertreter der Gottheit ihren Segen .
IN
Dieſen zunächſt ftehen die Kutuktus , die Statt halter der beiden Hochprieſter.
Es gibt ihrer viele,,
die in verſchiedenen Theilen der Mongolei, von China ,
bytet
Tibet u. ſ. m . ihren Siß haben.
Sie ſind hoch ges
achtet, und man glaubt, daß fie unmittelbar nach ihrem Tode in den Leib einer jungen und ſchönen Perſon zurückkehren.
dir
Die Prieſter find dem ftrengſten Cölibat unters worfen .
Sie bilden eine ſehr zahlreiche Körperſchaft,
ivre
und jeder Mongole weiht einen
feiner Söhne dem
Prieſterſtande. Nachdem ſie durch verſchiedene Reinigung grade gegangen ſind ,
gelangen fte in einen Zuftand
der Wiedergeburt, der ihnen nichts mehr zu wünſchen
MI
übrig läßt.
Die Ceremonieen in ihren Tempeln und
die Verehrung von Bildern find den Gebräuchen der römiſch - katholiſchen Religion
ſo ähnlich , daß Sir
g
ht
von
der
Geſandtſchaft nach. Beking die Bemerkung madt ,
George
Staunton
in ſeinem Bericht
die
96
Mifflonäre hätten geglaubt, ſte müßten von den Neſto rianern
mittels
der Tatarei einen Schimmer
Chriſtenthum erhaſcht haben.
vom
Wir erwähnten bereits
die Einführung des Chriſtenthums bei dieſen Völkern im neunten Jahrhundert, worauf die Mongolen fte be ftegten und den Mohammedanismus darauf pfropften ; nicht unwahrſcheinlich , daß fte dagegen einige Lehren und Ceromonieen der von ihnen beftegten Völfer ers lernten und auf dieſe Weiſe den Brauch und die Leho ren einer Religion bewahrt haben , die ſte verſchmähen und verachten . Da bie Abhängigkeit der Lamas von einem außers halb des ruſſiſchen Gebiets wohnenden Kutuftu ber ruffiſchen Regierung nicht gelegen war, ſo hat ſie unter den Lamas einen Biſchof, den . , Ramba - Lama “, eingea ſeßt, der baffelbe Anſehen haben ſollte mie der Kutuktu in der Mongolei , und die Macht , die Prieſterwürde zu ertheilen, ohne daß die Candidaten nach Urga, dem Sige des Kutuktu , zweihundert ſechézig Werfte über Riachta , zu gehen brauchen , um die Einfeßung zu empfangen. Der Ramba - Lama wird von den anderen Lamas und den Taiſchas erwählt und ſeine Ernennung von der Ortsobrigkeit beſtätigt; aber er iſt der Bes zirkspolizei untergeben.
Die übrigen Stämme hangen
noch am Schamaniðinus, der gemeinſten aller Religionen und faum eines ſolchen Namens werth , benn fie hat weder Prieſter, noch Tempel, noch Moral.
97 Von Verkne - Udinsk nach Selenginsk find längs dem linken Ufer des Fluffes hundert Werfte. Die Ge gend ift anſprechend und das Thalland gut angebaut . In Selenginst iſt noch immer eine Veſtung und Be ſazung , aber es ift keine Stadt mehr. Die Lage bon Verkne-Udinst iſt in jeder Beziehung paſſender ;: wäh rënd Selenginst durch die Verheerungen des zu einem ſehr unſicheren Aufenthalt wird.
Fluſſes
Zwei eng
liſche Miffionäre, Swan und Stalybras , hatten ſeit drei und zwanzig
Jahren
hier ihren Siß gehabt ,
waren
aber in Folge eines Befehls aus Petersburg unglück licher Weife eben im Begriff, ihn zu verlaſſen.
Capi
tän Cochrane verlebte einige Jahre in ihrer Geſellſchaft, als fite erft drei Jahre in Selenginsk waren , und er deint ſchon vor zwanzig Jahren mit ſehr richtigem Blic erkannt zu haben , was der Erfolg ihrer Mühen ſein würde.
Er ſagt, fte Hätten damals" bei dem un ermüdlichſten Beſtreben nicht einen einzigen Proſelyten gemacht. ,,Und ? es wird ihnen auch kaum gelingen ,“ fährt er fort , weil die Buräten eben erſt mit unge heueren Koften dreißig Wagenladungen heiliger Bücher aus Eibet
bekommen haben , weil ihr Glaube zu alt
iſt und fie felbft zu Haleftarrig daran hangen .
Es iſt
abgeſchmadt, wenn man glaubt , daß drei Fremdlinge ( es waren damals drei) einen Glauben umſtürzen fol len , deſſen Befenner ſeine Lehrfäße leſen und ſchreiben können , wenn auch Cottrell's Sibirien. II.
Einige uin des Geldes 'millen fich 7
98 ſtellen ,
als wollten ſte Chriſten frerben . "
Die Sache
fteht nach drei und zwanzig Jahren faſt noch auf dem felben Puncte. Daß diefe Miſſionäre thätig und pflichtgetreu ges wirft haben, läßt fich nicht bezweifeln , und daß fie in anderen Beziehungen mußterhaft und nüßlich genrefen find, bezeugt ihnen Jedermann von Irfutst bis nach Rertichinsk ; aber.fte berichten felber, daß fie fich nicht mit dem Gedanken ſchmeicheln können , während ihrer ganzen Wirkſamkeit ein halbes Dugend, wirkliche Ben kehrte gewonnen zu haben.
Sie hatten in Selenginst
eine Preffe eingerichtet , und da ſie die rufftfche , mons goliſche und tibetiſche Sprache erlernt hatten , verbreis teten fte die Bibel in jeder dieſer Sprachen, in großer Anzahl.
Aber dieß ficheint auch faſt das einzige Gr *
gebniß ihrer. dreiundzwanzigjährigen Mühe und Ver bawnig
getrefen zu ſein ,
äußerſt angenehm ;
Ihre
Niederlaſſung war
fte wurden anfänglich vom Raifer
Alexander ſehr begünſtigt, der ihnen Häufer baute und Ländereien gab, und ſie waren hier . fo eingewöhnt, daß kaum einem Kinde banger zu Muthe fein kann , wenn 28.zum erſtenmal von der Seite ſeiner Mutter geriffen wird, als dieſen Männern bei'm Abfichied von Sibirien . Sie waren mit uns zu, gleicher Zeit in Postau und Petersburg;
wir hätten , um ihnen dienfich zu ſein,
gern. Alles gethan , was in unſeren Kräften ftand, und da wir mit dem Generalgouverneur,
den
fle für die
99
Urſache ihrer Ausweiſung hielten, 'nach Moskau gingen , ſo hofften wir ihnen nüglich werden zu fönnen ; aber es war zu ſpät. Der General ift felbft Proteftant und in jeder Be ziehung geneigt, ihnen ein 'günſtiges Ohr zu leihen ; aber der Blichof des Sprengels hatte gegen fte die Anklage erhoben, daß ſte, mit dem Mißlingen
einer
Bekehrung der Burätert nicht zufrieben wären, ſondern fie davon abzubringen (uchytent, fich von den Ruffen taufen zu laffen , die fte als eben ſolche Gögendienter ſchilderten wie fte felber wären . Wenn dieß der Fall mar , unb fo lautete die Angabe , die der Synode in Petersburg vorlag, von welcher das Ausweiſungurtheit ausging ;
fo fonnten fte über ihr Schifal fidy nidt
beklagen . Wir fönnten 'une faum einen anderen mög = lichen Grund denken ,
als den unitgetheilten , 'weßhalb
man geründt hätte, fie lo8 zu werden , und ta Gris thufiaften gemöhnlich mehr Eifer als Beſonnenheit be figen, fo mag die gegen file gerichtete Anklage vielleicht nicht ganz aus der Luft gegriffen ſein .
Sie ſelber
fonnten , wie wir glauben , feinen Grund ihrer Ente faffung aufweifen. Der Generalgouverneur war nur die Mittel @perſon ,
welche ihnen den auß Petersburg
ftammenden Befehl zu ihrer Entfernung fundzumacher hatte , aber er trug uns auf , mit ihnen wegen des Anfaufe ihrer Druckerei zu unterhandeln , die er int Irkutsk zu behalten wünſchte und deren Fortſchaffung
100
-
aus Rußland mit ungeheueren Roſten verbunden war ; doch geſchah nichts, in der Sachen Die Ruſſen ,
Geiftliche wie Laien ,
find ohne alle
Ausnahme in Bezug auf Glaubensmeinungen das , duld ſamſte. Vole in Europa. Wir wollen nicht ſagen, daß die Dogmen der griechiſchen Kirche buldſamer feien als die römiſch - katholiſchen , aber ihre Befenner findes in der Ausübung.
Nie hörten wir eine Bemerkung über
Glaubenganſichten , und wenn man von den Lehren der verſchiedenen Kirchen ſpricht, ſcheint die römiſch- kathol iſche die einzige zu fein ,
gegen
welche man fich mit
einiger Bitterkeit außert, vielleicht weil fie fich von ihr getrennt haben, oder die Römiſch - katholiſchen vielmehr von ihnen . Nachdem baber unſere Miffionare brei und zwanzig Jahre geduldet und unterſtüßt worden waren , muß die Schuld wohl an ihnen gelegen haben , wenn dieſe Duldſamkeit aufhörte. Wo in Zukunft das Felb ihrer Wirkſamkeit auc liegen mag, es kann ichwerlich ein unfruchtbarerer Bo den ſein als derjenige, welchen fte verlaſſen haben, und welcher Art ihre Meinungirrthümner auch geweſen ſein mögen , Jeder muß ihnen das höchſte Lob ſpenden , daß ſie mit einer Ausdauer ,
die eine
beſſeren Erfolges
werth geweſen wäre, ſo viele Jahre lang mit ſo wenig Glück gegen ſo mannigfache Schwierigkeiten gekämpft haben .
Mit Hilfe ihrer Kenntniß
ber mongoliſchen
und chinefiſchen Sprache werden ſie ihr frommes Werk
101 in dieſen Ländern fortfegen können ,
zu welchen man
in nicht ſehr ferner Zeit wahrſcheinlich einen dauernden Zugang öffnen wird. Die rufftiche Regierung iſt , gleichviel in welcher Abſicht, offenbar ſehr eifrig bemüht, alle ihre Unters thanen unter einer Form
religiöfer Gottesverehrung zu
vereinigen , und würde daher gegen jegliche Klaffe von Menſchen, von welchen fie eine Hemmung ihrer Plane vermuthen könntee',' einen mehr als gemöhnlichen Grou empfinden.
Es iſt wenigſtens ein großer Staatskunft:
griff, und die neuerliche Aufhebung der religiöſen An ftalten mit der Ausſicht , die Geifilichkeit inniger mit dem
Staate zu verbinden , bezweckt nichts . Anderes als
eine Ausdehnung der Macht des Staats , ſowie fte auch finanzielle Zwecke hat.
Daß es in beiden Hinrichten
eine ſehr weiſe Maßregel iſt, ſind wir überzeugt, und wir hoffen den Tag zu erleben , wo etwas Aehnliches mit unſeren katholiſchen Nachbarn in Irland zu Stande kommt.
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1935
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Neunter Abſchnitt. Iwasi . Die Bäder von Lurka. Lamaprieſter. Bon Berane Udinst nach Kiachta . Troitsko Sauski. Bertrag mit China 1. im Jahre 1728. Beſchreibung der Beſtung. Tim towski. Entfernung bis Peking. Threhandel. 1 : Die Douane von Riachta . Handel mit China im Auge: meinen. Mai-ma - tſchin . Deffen Beſchreibung. Uus: foließung chinefiſcher Weiber bafelbft. Chinefiſche Mahl: the geitert. Djar - gou etichai. Pagoden . Die Schamanen. Seltſame Alterthümlichkeit am Jenifſei. Nertidinst. Kronbauern . Bergwerke. Berbrecher. Eiſen- und Blei : gießereien . Wilde Thiere. Einwohner. Betfrennen . Jakutpferde. Handel mit Dhotsk. Uebergang über das Eis des. Baikal.. Ungefähr zweihundert Werfte von Verfne -Uvinet find die beißen Quellen von Lurka, nur einige Meiten von der öftlichen Gränze del Baikat. Neun " Werfte bevor man fte erreicht, fegt man über den Fluß, der in den See fädt, und in einem siden Walde, durch wels chen der Weg führt, liegen die Bäder.
Sie find ſehr
ſchwefelhaltig, und ihr Wärmegrab beträgt 48 ° Réau mur.
Shre Heilkräfte find als Eigenmittel
in ver
ſchiedenen Krankheiten in dieſem Lande ſehr berühmt, und file werden im März und April und dann wieder ſpäter im Gommer ſehr ſtark beſucht.
Doch fehlt es
dort an gutem ärztlichen Kath ; jeder Kranke Hat die
103
Beſchaffenheit ſeiner Beſchnverde, die Heilmittel , die der anwendete, und deren Wirkung in ein großes, zu bie fem Zwecke gehaltenes Tagebuch einzutragen , ſo daß jeder neue Ankömmling wenigſtens die Ausſicht hat, auß der Erfahrung ſeiner Borgänger Nußen zu ziehen. In den legten Sahren hat dieſe Bäder ein Arzt bes fucht, der als Chemifer in Rußland in bebeutendem Stufer fteht und dem Publicum , über die Sigenſchaften deB Maffers und deren Wirkungen wahrſcheinlich eini: gen Aufſchluß gegeben.
Das Walſer ift vollkommen
flarn aber von widerlichem Gerudy und Geſchmact, ob gleich es die Gäſte als
Thee trinken , und gefocht
chmedte auch wirklich nicht unangenehmeris "
Die Lamas, bie, wie wir erwähnt haben , die för
petlichen wie die geiſtigen Aerzte ihrer Beerbe find, fnüpfen
an den Gebrauch dieſer Bäder , wie an die
meiften Dinge, seinen Abenglauben . Die belang muß sin nicht mehr and nicht weniger als ein und zwanzig Lagen wollendet ſein , und wenn effe in dieſer Beit nicht erreicht worden iſt, bie zum nächften Jahre aufgegeben werben.
Bor einigen Jahren wurde ein Burate hier
her gebracht, det den Gebrauch ſeiner Glieder fo weit - eingebüßt Hatte, daß er nicht zu Pferbe figen konnte ; er wurde soon feinen Freunden in die Bäder getragen , : täglich zweimal , 1 ſo heißt er es ertragen konnte , ge babet und ſo lange darin gelafſen , bis er in Dhnmacht fiel. Hierauf warf man ihn in den Schnee und bedeckte 1
104 ihn damit von Kopf bis zu Fuße, und ſobald er wie der zu fich fam und natürlich heftig - fror, wurde erin cein übermäßig beißes Zimmer igebracht und in Pelz gehüllt , bis er i ungehindert fchwißte: . Am Ende der Woche konnte er ohne Beiftandi in's Bab gehen , und am ein
und zwanzigften Lage ritt er svöllig geneſen
von dannen. 1.8 gibt außer den heißen Quellen noch verſchiedene falte , undan fheint fie nach demſelben Grundſaße anzumenden wie in Gräfenberg . Man fin = det in der Nähe des Baikal noch viele andere beiße Quellen , und eine chemiſche Zerfeßung würde wahr ſcheinlich Waffer
eben
fo viele verſchiedene Eigenſchaften des
entdecken , als zwiſchen Gm8 und Marienbad
oder Franzensbab. Von Verkne- Udinsk nach Riachta folgt der Weg hundert ſechs und zwanzig Werfte weit dem linken Ufer der Selenga, durch eine Steppe vonisbefferem und me niger fandigem
Boden , i als er zum großen Theil das
Land der Nachbarſchaft bedeckt.
Einige Werfte unter
.. der Stadt Selenginsk feßt man über , und von hier auß nimmt der Boden eine gänzlich verſchiedene Be ſchaffenheit an , indem er fandig und gebirgig witb. Die lebte
Poft von Lipows ,
achtzehn Werfte , ift
außerordentlich beſchwerlich , denn man hat brei Berge durch tiefen Sanda zu süberſteigen, ziemlich wie auf der legten Poftftation vor Semipalatinst... di
Die Beſtung Iroit & fo Sauktis, seine anmuthige
105 gut gebaute Stadt an dem Ufer des Flübchens Riachta , liegt vier Werfte von der weftlichen Seite der wohlbe= 1 kannten Gränze deg rufftfchen und chineftſchen Reiche . Die Befter hat ſich nicht fehr außgebildet, und wahr ſcheinlich wirdefter auch nicht viel ftärker werden , als fte zur Zeit ihrer Gründung durch den Vertrag von 1728. war.
In dieſem Bertragen war veftgefeßt, daß
eine Kirche für den ruſſiſchen Gotteødienft erbaut wers den ſollte ; da aber von einer Erlaubnis , andere vefte Gebäudeszurzerrichten binichts erwähnt war, ſo gibt es nur die gewöhnlichen hölzernen Häuſer. Die Lage des Drtesrin einem engen , xon hohen Bergen umgebenen Thale siſt ungünſtig für die Einwohner und für den Handel, und die Zhatſache, daß der Vertrag unter dem Btrange eines
chineftichen Heeren eingegangen wurde,
das bereit war, die Bedingungen , worauf ſeine Bevol s.mächtigten beftanden , mit Gewalt izu erzwingen , wie die Ausbrücke der Untergebenheit, mit welchen China beftändig von Nußland :ſpricht, beweiſen es, daß dem Grafeni Sawa Wladislawitſch Ragufinski hinfichtlich
der Debingungen des Vertrags felbft, ſowie der Grän 1-zen : der beiden Reiche und vor allem inftchtlich der Wahl des Plage für ihren Handelsverkehr keine freie Wahl zuſtand. Die Veftung enthält gegen fünftauſend Einwohner , worunter les viele reiche Kaufleute aus verſchiedenen Theilen Rußland
gibt, alle Regierung:
beamte , ben Director der Douane und einige Militär
106 unbi Civilbeainte.
Vielleicht hat keine Stadt in Ruß
land im Verhältniß zu threr Einwohnerzahl fo wenig Kirchentd'oro Der Name Riachtaí ſtammt von dem mongoliſchen Worte Ria , Toviel wie Triticum repens , ber hier in der Nähe Tehr reichlich gebeiht.
Doch ift der Boden
nicht durchgängig fruchtbar, obgleich auf der chinefischen Seite bed Riachta eine Anzahl Gärten liegt , welche man mittels kleiner Schleußen aus dem Gränzbache bewäffert, den man zu Fuße überfdpreiten kann .
Auf
feinen beiden Ufern , etwas weiter entfernt, wurden aus Granit gehauene , achtzehn Fuß hohe Säulen errichtet, um die gegenſeitige Gränze zu bezeichnen , und dieſe werden wahrſcheinlich noch ſtehen , nachdem das Ereig niß , beffen Andenken fte fint , längft nicht mehr ges wiffenhaft beachtet wird . 4.111 ar Die Rätte ift hier rim Winter fehr bedeutend ,
ba
Riachta zweitauſend vierhundert Fuß über dem Meereſ sfpiegel liegt, alſo beträchtlich höher als der Baital und die Städte in den Schweizeralpert.
Auf chineftſcher
Seite fließt in geringer Entfernung das Flüßchen Bura, bei wielchem der Vertrag geldloffen wurde, ba Riachta noch nicht vorhanden war. Alle Lebensbedürfniſſe wer den aus der Ferne gebracht, felbft das Waffer kommt aus einer Quelle auf chineftfcher Seite. Es wird eine ſehr ftarfe , aus Linientruppen und Kofafen beſtehende Beſaßung unterhalten , und der Befehlshaber, bem die
107 Aufficit über
alle minder wichtigen Angelegenheiten
Bufteht , werkehrt mit dem Generalgouverneur in 3rs kutok ;
alle Handelsangelegenheiten von größerer Birim
Deutung werden in vi
Petersburg erledigt.
fu Deinem der Artikel Beg Bertrag von 1728. ift
vefigeſept, daß die rufftſdhe Regierung in Peking einen Sig für vier Geiftliche und feche andere Perſonen uns terhalten darfs die aller zehn Jahre wechſeln ſollen, und Daß für eine Kirche zum griechiſchen Gotteodienft ge- , ſorgt werden : cfoltes a Dar es in Peking: noch immer viele von den ruſſiſchen Gefangenen von Albafyne und ihren Abkömmlingen gab, fo geſchah dieß ſcheinbar zum Beßten ihrer geiftigen Wohlfahrt. Die jüngeren Glie der der auf diefe Weiſe beſtellten Geſandtſchaft mußten nad Verlauf von zehn Jahren zurückehren und galten für Studenten , die man dorthin ſchickte , um Sprache und Sitten der Chinefen zu serlernen .
68 iſt dort für
fie ein Geſandtſchaftshaus eingerichtet, welches von den Chineſen unterhalten wirb , 1i und für die Prieſter ein Klofter und eine Stirche auf rufftiche Roften .
Ob die
Petersburger Archive über die Statiftit unb ben wirt lichen Buftand ideo himmliſchen Reichs irgend einen geheimen Bericht weniger unbeftimmter Art enthalten , als andere europäiſche Reifende geliefert haben, iſt uns unbekanntz aber wir
haben
aus dieſer
Duelle nie
etwas Ausführliches erfahren. Der Bericht , den Limfowski von feiner Sendung
108
nach Peking im Jahre 1809 herausgab, enthält nichts von allgemeiner Wichtigkeit , mag nicht von mehr als einem engliſchen Schriftfteller einer weit neueren Zeit viel ausführlicher wäre , mitgetheilt worden .
Es war
nicht ſeine Aufgabe, über den Stand des zwiſchen bei: den Wölfern betriebenen Handel8 zu berichten , der je doch ſeit jener Zeit bedeutenb an Ausdehnung gemons nen hat.
Im Sommer 1840 wurde die Geſandtſchaft
gewechſelt,
und wir ſahen mehre Perſonen , die auf
verſchiedene Weiſe beſchäftigt geweſen waren , von Irs kutsk und Petersburg aus die nöthigen Anordnungen zu treffen . Hier hörten wir zuerſt von der Befignahme der
Inſel Tſchuſan durch
die Engländer ,
da Peking
nur gegen tauſend engliſche Meilen entfernt iſt und ein beftändiger Verkehr mit Riachta binnen zehn Tagen ftattfindet. Das Ereigniß machte gewaltiges Aufſehen, da man vermuthete, daß in Folge deſſen der Theevorrath für die Meffe, von Nifchnet in dieſem Jahre , 1842 , nicht zulangen würde; und da hierdurch das ganze ruffiſche Reich verſorgt wirb, ſo wirb in dieſem Falle der Ver luft für Einzelne wie für den Handel im Adgemeinen fehr bedeutend ſein .
Ale wir Sibirien verließen , war
die gerröhnliche. Quantität noch nicht angelangt; aber man dachte
die Wirkung erft im Auguſt 1842 zu
empfinden ;
ſo langer Zeit bedarf es , das unentbehr
liche Rraut von der Stätte, ſeiner Erzeugung nach dem
109
Orte ſeines
Verbrauchs
zu
befördern.
Die
Preiſe
ftanden im Jahre 1841 , 'weil man ein ſolches Ereig= niß vermuthete, höher als gewöhnlich ; der Grund das von mochte zum Theil darin liegen , daß die Monopols iften den Schrecken benußten ; Thatſache aber iſt, daß in Moskau in den erften Monaten des Jahres 1841, wo wir uns , dort aufhielten , ſehr viele und bedeutendere kaufmänniſche Bankerotte ausbrachen , als feither vorgekommen
waren .
Der
je
Handel von Riachta ift
nichts als ein reiner Tauſdhandel ; wenn daher die gewöhnlichen Cheeeinfuhren nachlafſen , fo verringert fich in demſelben Verhältniß auch die Ausfuhr ruſftſcher Erzeugniffe.
Ein
Bekannter von uns,: der Werft vor
einigen Jahren eine Manufactur für eine beſondere Art von Zeuch errichtet hatte ,
das ausſchließend für den
chineſiſchen Markt beſtimmt war , fagte uns , er habe Teither gewöhnlich in jedem Jahre für fechsmalhundert tauſend Rubel von ſeinem Fabrikat ausgeführt, bis zu dem Augenblick aber ,
wo er mit uns fprach , Oftern
1941 , wäre in Folge jenes Schlage , den der Handel erlitten hatte ,
noch nicht eine einzige Elle bei ihm
beſtellt. Es iſt ungemein ſchwierig, eine befriedigende Kennt niß von dem Betrage der zwiſchen beiden Ländern aus getauſchten: Waaren zu erhalten .
Von Zeit zu Zeit
erſcheinen Berichte von einzelnen Geſchäften , aber eine glaubwürdige Ueberſicht des Rohbetrags iſt ſehr ſchner ,
110 aufzutreiben. Die rufftiche Zeitung brachte fürzlich die Angabe, daß im Jahre 1823 das Gewicht der in dest Lauldharbel gebrachten Waaren 130,256 Pub betragen und im
Jahre 1837 bis zu 203,603 Pud fich vers
wehrt habe ; aber es fehlt jede weitere Bemerkung über die Art und den Werth der in diefer ungeheueren Maffe begriffenen Baaren . Ein großer Theil war ohne Zweifel Sheer und *foviel wir aus der zuverläffigfter Duellen zu ſchöpfen vermochten , kann man die ausges tauſchten Werthe in den
lezten Jahren führlich auf
hundert: Millionen Rubel veranſchlagert." Die von den rufftfchen Saufleuten auf die Einfuhr des Jahre
1834
bezahlte Steuer betrug nach derſelben Zeitung 11,262,603 Nubet, für einen einzigen Ort eine ungeheuere Steuer fumme, und wir ſehen , daß durch einen neueren Ufas eine Durchficht der Steuerfäße vorgenommen worden ift undimit November 1842 ein neuer Tarif in's Leben tritt.
Die Steuer für alle
europäiſchen Manufacture
waaren ſcheint dadurch bedeutend erhöht zu werden , und wir haben bereits zu beweiſent verſucht, daß die Staatskaffe in dieſem Falle der gerinnende Theil ſein wirb. Bu gleicher Zeit liegt darin ein prafttider Comitentar zu der Wahrheit einer anderen Behaupts ung des Capitäns Jeffe , nach welcher der Kaiſer in allen Dingen allmächtig ift, ausgenommen , daß er feine neue Steuer einführen kann. Ganz anders 'aber verhält € 8 fich mit dem chineftfchen Handel, beſondere in Shee,
11
einem Artikel von ſo weſentlicher Bichtigkeit für alle Klaſſen ,
und jede Erhöhung des Einfuhrzolle, wird
für diejenigen , die am wenigften im Stunde find , eine Preißerhdhung eines ihrer Lebensbedürfniſſe zu ertragen , ein empfindlicher Streich ſein. B. Im Jahre 1812 wurde der Thee mit einer Steuer von hundert Rubel auf die Kiſte belegt, unb fte it bis jest in Kraft geblieben.
Bierin , ſowie in der unge
heuer langwierigen Fortſchraffung zu Lande Itegt zumt Theil der Grund , weßhalb diefer Artikel in Rußland fo - theuer ift. getrunfen hat Arten
feber, der guten
Shee in dieſem Lande
denn es gibt verſchiedene geringere
wird zugeben , daß er Alles übertrifft,
was
man anderwärts bekommt. Man hat dieß daburch eré klären wollen , daß er nicht der Geeluft ausgefegt gea weſen ſetz aber man tret fich . Die nach England eins, geführten Sheefiftens werden
vor ihrer Einſchiffung
gleichſam hermetido perfiegelt und können von jenter Gintvirkung wenig oder gar nicht berührt werden ; aber der über Sand gebende Thee wachaft in einem anderen Theite von China und ift beffer von Haue auß. Man verbraucht in Rußland gewöhnlich nur ſchwarzen Thee, grüner wird nicht ſonderlich geſchäft und noch billiger verkauft als die gewöhnliche Art , die man in Private .. häuſern verbrauchte
Aber der Preis ift übermäßig.
Von dem gewöhnlichen
guten Familienthee toftet das
Pfund gegen fünfzehn Kubel, und man fauft ihn mit
112 $ fünfzig , ſelten
und die kleinen Kiſten , diefelbft sin
stiachta
find , mit hundert Rubel. u @r wird nur in
ger,
ringer Menge den geringeren Arten beigemiſcht ; allein getrunken , wie wir aus Neugierbe ihn gekoftet haben , ift er äußerſt unſchmachaft und hat einen blumigen Wohlgeruch , wie Schlüffelblumen ober andere Kräuter ihn ausſtrömen würden .111.41. i
j.171.71211. :: Die Artikel des Vertrage, wodurch die Einzelheiten
des Handeláverkehrs zwiſchen den ruffiſden und chine fiſchen Kaufleuten beſtimmt wurden
,waren ſorgenau ,
daß die Ruffen i dadurch ſowohl , als auch
durch die
ftrenge Anhänglichkeit der Chineſen an dem Buchſtaben des Gefeßes, beſonders aber durch deren Schlauheit, in der Wahrnehmung ihrer Bortbeile , mit ihren Kunden auf ſehr ungleichen Fußa gereßt zu ſein glauben .
Sie
wählen jährlich eine gewiffen Unzahl Kaufleute , welche unter dem Vorfige deß , oberftentat Bedbeamten alø Han delsgericht wirken und init Uebereinſtimmung des chi nefiſchen Handelsgerichts, den Preis der auszutauſchen den Waaren beftimmen . Dieße geſchieht ſchriftlich und die Beſtimmungen müſſen bei jedem Geſchäfte beachtet werden . Anfänglich war man hievin fehr gewiſſenhaft, und die Muſter wurden in Bezug auf Gewicht und Güte: mit großer Genauigkeit ausgetauſcht; 11 aber 06 gleich der Rufſe weder fehr genifſenhafte noch von ge wöhnlichen Kaufleuten , leicht zu übervortheilen ift roſo kann : er doch nicht gegen den verſchmigten Chineſen
113 ſeinen Mann ſtellen , zumal da bieſer: von begünſtigt wirb.
Umſtänden
Auf der Meffe von Niſchnel ergeşte
uns ein alter Kaufmann, ein Deutſchruffe, der in der ganzen Welt herumgekommen war und mit allen Arten von Menſchen Geſchäfte gemacht hatte, mit ſeiner Eins theilung
ſpißbübiſcher Handelsleute. Dbenan in der
Reihenfolge der Betrüger ftanden die Armenier , bann kamen die Griechen, dann die Chineſen, dann die Ruffen und endlich die Suden . Wir haben über ſeine Ver theilung des Berdienftes , andere Beute zu betrügen, fein
Urtheit , aber Grund genug, ihn
Autorität zu halten.
putation der Juden zu Peter dem um ihm
für eine gute
Man erzählt, es wäre eine Des
für die Erlaubniß ,
Großen gekommen ,
in Rußland Handel zu
treiben , zweimalhunderttauſend Ducaten anzubieten ; der Kaiſer lächelte und ſprach : eueren Tafohen ,
,, Bewahrt enter Geld in
denn meine Nuffen werden euch in
kurzer Zeit als Bettler aus dem Lande jagen ."
Gr
ſcheint fonach ſeine guten Unterthanen in der Rang ordnung noch höher geſtellt zu haben als vielleicht unſer Freund in Niſchnei. : 1 : :
l's
Was die Art des Tauſchhandels in Kiachta antes langt, ſo wird der Chineſe, deffen Waaren, wie andere
Dinge in dem himmliſchen Reiche, nie ihren Werth vers ändern und den in der europäiſchen Handelswelt durch tauſend Umſtände erzeugten Preisveränderungen nicht unterworfen find, nie ein Jota von ſeinen Forderungen 8 Cottrell's Sibirien . II.
ablaffen , während der Ruffe; der genöthigt iſt , ſeine Waare für jeden Breis loszuſchlagen , in dem Geſchäfte nichtfelten ſehr empfindlidze Verluſte leidet und, menn er bie chineftfchen Waaren zu den verlangten Preiſen nicht annimmt,
wahrſcheinlich
banferott
ift. Viele
haben außer dem Waarenvorrath ; den fte von Jahr zu Fahr austauſchen , wenig oder gar fein Capital, und Andere übertreiben ihre Handelsſpeculationen, in mehr als
einem Lande eine Haupturſache
Verderbene.
kaufmänniſden
Auf den Meſſen von Nichnet und Frbit
werben alle Gefchäfte auf Credit von einer Meffe zur anderen , b . h . von Jahr zu fahr ,
abgeſchloſſen , die
Folge iſt, daß ein Raufmann, wenn er ſeine Waaren in Kiadhta "nicht abfeßt und einen Vorrath , anderer Artikel
für die Meffe be
folgenden Jahres zurück
bringt, feine Verbindlichkeiten nicht erfüllen kann.
Da
die Preiſe auf dieſen großen Märkten bedeutend ſchwan = fen ,
fo fann er nicht im Voraus berechnen ,
ob er
gewinnen oder verlieren werbe, ſo daß ſein Riftco noch größer wird, und in dem Jahre, wo wir in Niſchnei waren , wurde trosdem , baß dieſe Meffe die größte rar, beren man ſich erinnerte , eine ungeheuere Maſſe von Rechnungen des vorhergehenden Jahres auf das nächſte übertragen.
Die Chineſen find überbieß auch äußerſt
gewandt und ſchlau ,
auf . Genauefte die Preiſe der
europäiſchen Handeløgüter zu erfahren , und ob nach einer Art von Waaren , die ſte zu verkaufen haben,
115
beſondere Nachfrage ſtattfindet, und wieviel der Markt von den Artifeln ihreð eigenen Bedarfs :enthält.
Go :
bald ſie daher bemerken , daß es mit dieſen Puncten für fte günſtig ſteht, ſo machen fte aus ihren Waaren ein Monopol und eben nur den Preis folcher Artikel Herab , womit, wie ſie wiſſen, der ruſſiſche Markt übers füllt ift; und bafte nicht, wie ihre Gegner , zu ber kaufen genöthigt ſind, ſo können ſie immer am läng= ften Stand halten und zuleßt ihren Zweck erreichen , Einen anderen großen Vortheil über die Kuſſen haben fte durch ihr Zuſammenhalten in allen Dingen.
Sie
handeln wie ein einziger Mann, vielleicht weniger weil fte darin ihren Vortheil finden ,
ſondern weil ſie ihr
Handelégericht ftrenger im Zaume hält, welches bereit wilig nachläßt, wenn etwas dabei zu gewinnen iſt, aber nie eine Ermäßigung gegen den eigenen Vortheil zugeben wird. Die Ruſſen , welchen ein ſolches Hinder: niß nicht im Wege ſteht, und von welchen jeder Gin zelne fich von ſeinen augenblicklichen Umſtänden leiten lafſen muß , ſchließen perſönliche Räufe zu geringeren Preiſen ab , als von den beiden Handelågerichten seft gelegt worden find; und ſobald Einer dieß gethan hat, müſſen alle anderen daſſelbe thun , handeln gar nicht.
oder die Chineſen
Die ungemeine Gewandtheit der
Himmliſchen in allerlei Kniffen iſt anerkannt, und ſie laffen fie am vortheilhafteſten in Riachta wirken , indem
116 fie aus den Theefiften
eine gewiffe Quantität heraus.
ſtehlen und in ihren Seiten zu kurzes a Maß geben .
und Baumirollenwaaren
Sie haben ſo fehr die Ober:
hand über die Ruffen , daß mart babet ohne alle Scheu zu Werke geht ,
ohne von Geiten des
Räufer
einen
Einſpruch zu befürchten
Da die Entfernung von Kiachta nach Nifchnet gegen fünftaufend Werfte beträgt, ſo erfordert natürlich die Fortſchaffung der Güter einen bedeutenden Zeitaufwand, und da eß Hauptfache ift,
unter Denjenigen zu ſein,
die' zuerſt dort ankommen , ſo ſchließen die Ruffen fo ſchnell als möglich ihre Geſchäfte ab und brechen auf. Der Berluſt trifft aber wahrſcheinlich mehr den A6 nehmer als den Verkäufer.
Der Kaufmann muß bei
dem rufftfchen Solhausdirector eine geſtempelte Bürg Tchaft ſeiner Zahlungfähigkeit von dem Bezirke, wel chem er angehört, niederlegen und deđt die Steuern für die Waaren, die er einführt, mit Anweiſungen, die im nächften Jahre zahlbar ſind.
Ebenſo muß er hinz
gegen , ehe er von ſeiner Gemeinde jene Bürgſchaft bea kommt, die Duittung über volftändige Bezahlung der vorjährigen Steuern " voin Zollamte vorzeigen ,
zwei
Geſchäfte, die in Rußland ohne bedeutende Geſchenke an alle betreffenden Parteien nicht zu erledigen find. Am erſprießlichſten für die Manufacturen märe es, wenn man in die öftlichen und nördlichen Theile Gi biriens rohe Baumwollenwaaren und jene Stoffe ein
117
führte, aus welchen der Ranking verfertigt wird.
$
Anlegung von Manufacturen für dieſe Waaren ,
Die als
Arbeithäuſer für Verbrecher, würde der Regierung gute Zinſen tragen und dem Nußen ſein.
Fa
ganzen Lande von weſentlichem
Die hauptſächlichen Audtauſchgegenſtände
find Shee, Ziegelthee, Labat, grobe Baumwollenwaaren , Seibenzeuche, Rhabarber und eine Menge unbedeutender
24 Gegenſtände,
die in China, mit großer Geſchidlichkeit
verfertigt werden , als Fächer, Börſen , Spielwaaren und Elfenbeinarbeiten ; auf der anderen Seite Bieh . Pelzwerk, Leder, Glas, Tuch und gewöhnliche Töpfers waaren . Vier Werfte jenſeit der Veſte Troitsko Sausti liegt bas eigentliche, nur aus einigen Häuſern beſtehende Dorf Kiachta, mo, nur Raufleute wohnen : dürfen , und dreihundert Schritt weiter jenſeit des Fluffes das dineftiche Dorf Maismatchin
oder beſſer die
Mat-ma -tſchin, denn das Wort bedeutet im Mongoliſchen ſoviel wie Handel&niederlage.
Zwiſchen dieſen beiden
Orten erheben fich die erwähnten Säulen ,
auf deren
cafe bei perſchiedenen Seiten in ruſſtiden und chineftichen Schrifts zügen die Umſtände eingeſchrieben ſind, als deren An
t
creatmen
denken fte hier ſtehen , nämlich die Beſtimmung der Gränzen zwiſchen den beiden Reichen , deren Kubicon das geringe Riachta bildet.
nie A
je tai
Die Mat - ina - tſchin iſt ein kleines, rechtwinkelig gebautes Dorf mit zwei Hauptſtraßen, die fich einander
118 in rechten Winkeln durchſchneiden und deren Shore an ben verſchiedenen Endpuncten nach alent vier Himmels gégenden gerichtet ſind.
Der Ort iſt nur mit einer
bölzernen Mauer umgeben , die feine einzige Beveſtiga ung
bildet.
außerordentlich“ enge
Die Straßen find
und ſchlecht gepflaftert, ſo daß , wie in Kahira , kaum zwei Ramcele an einander vorüber können ; aber es zeigt fich in der Höhe der Käufer an den beiden Orten eine klein ,
bedeutende verſchiedenheit.
Hier find fie Fehr von Holz ; die
nur ein Stockwerk hoch und
Dächer ſind meiſt von demſelben Material, die geringe eren aber mit Torf bedeđt; fte haben nach der Straße zu keine Fenſter und beſtehen aus zwei kleinen Gemächern, wovon eines zur Niederlage und zum Gewölbe , andere zum
Wohnzimmer dient.
Auf der
das
anderen
Seite beſtehen die Fenſter auß geöltem Papier
und
ſind mit allerlei Sinnſprüchen bemalt. Es herrſcht im Allgemeinen viel Reinlichkeit , und das Hausgeräth ift Häufig von vorzüglicher Art . Die Käuſer werden , wie die rufftichen, mit Defen geheizt , die, trog den kleinen Gemächern , der großen Kälte wegen nothwendig find ; aber bei alledem
bleiben ſie immer noch kalt genug .
Ade die unbeſchreiblichen Waaren , die man zum Vers kauf im Laden hat , geſtellt, leute
werden ſehr prunkend zur Schau
und in den Häuſern der bedeutenderen Kauf herrſcht
große Ordnung
in
der Wegräumung
ihrer Betten und Hausgeräthſchaften ,
die fich alle in
idia
ridt i i utt
119
dem einzigen gemeinſchaftlichen Wohn-, Speiſe- und Schlafzimmer befinden . Man zählt gegen fünfzehnhundert Einwohner, nichts als Männer, ba Frauen nicht zugelaſſen werden , einige geringe
mongoliſche
Weiber
ausgenommen .
Das
,, Quarterly Review " bezweifelte dieſe Thatſache in der Beurtheilung von Capitän Cochrane's Buche, aber , wir können
fte. alo durchaus wahr verbürgen.
Vor einigen Jahren ſoll ein Civilgouverneur von Ir futsk mit Frau und Lochter , die Männerfleidung an gelegt hatten , hierher gekommen ſein, um den Ort zu ſehen , wo gern Ade einmal hineingucken möchten , be ſonders Diejenigen, welchen er verboten iſt.
Die Chi
neſen bekamen Wind davon , und ba fte befanntlich in Der Erfindung, und Ausführung von Zeichnungen und anderen Dingen der unanſtändigſten Art fehr frucht bar ſind, ſo wurde ein Haus, das die Damen beſuch ten, mit einer Anzahl ſolcher Gegenſtände auøgeſtattet, und man zeigte ſie ihnen plößlich auf eine Weiſe, daß fte in die abſcheulichfte Verlegenheit geriethen und über aus glüdlich waren, ohne Entdeckung ihres Geſchlechts davonzukommen. Dieſe himmliſchen Kaufleute find eine ſehr üppige Art von Verworfenen , die ein herrliches Leben führen . ! Wann fie ein Gaſtmahl geben, ſo beginnt es mit einem Frühſtück von ſechzig kleinen Gerichten ,
und dieſem
folgt eine Mahlzeit mit eben ſo vielen Gängen . Jeder
120
Gaft wird mit einem beſonderen Gericht bedient, das ihm in Jaſſen gereicht wird und aus Gemüſen und allerlei Ragout befteht; aber es ift Flüger, die Beftands theile unerörtert zu laſſen , wenn man davon genießen will .
Ein ſehr beliebte
Gericht
ift eine Suppe , die
man aus dem zwei Bod langen und einen Zou breiten Seewurm bereitet; der, vödig troden und ſchrrarz, einer geſalzenen Schnecke, gleicht. Man verflüſfigt dieſe Thiere in heißem Waſſer, und da ſie von elaſtiſcher Beſchaf fenheit ſind, ſo werden ſie zu einer Art Gallerte oder kleberigen Subſtanz, die vielleicht nicht ganz unſchmack haft wäre , fönnte man fich von der Erinnerung an urſprüngliche Geſtalt
befreien . Wein regen ſie nicht vor, dafür aber viele andere ihnen eigenthümliche
ihre
Getränke; doch haben ſie durch ihren Verkehr mit ihren rufflichen Nachbarn die ſchäßen gelernt,
Vorzüge des Champagners
und fie trinken ihr während des
weißen Monat 8 im Uebermaß. nat
ift der Anfang des
Dieſer weiße Mo
chinefiſchen
Jahres , unſer
Februar , und wir hätten uns gern bis zu dieſer Zeit dort aufgehalten und unſere Reiſe bis Nertſchinsk, in dieſer Richtung Rußlande ultima Thule, ausgedehnt, um die dortigen Bergwerke zu ſehen und den Beluft igungen beizuwohnen, welche zu dieſer Zeit in Riachta bei dem großen Umtauſch der Waaren ftattfinden . Aber wir würden dann unſere Rüdfehr nach Petersburg zu lange verzögert und die Bermählung des Großfürften
-
121
verſäumt haben , der ich um
jeden Preis beiwohnen
wollte, und überdieß war die Gelegenheit, mit einem Generalgouverneur zurüdtfehren zu können , ein Vortheil, den man nicht ſo leicht aufgab . Luftigkeit in
Die Zecheret und
jenem Monat wird als höchft ergeßlich
geſchildert und würde unbedingt die beßte Gelegenheit fein, den Chineſen in dem günſtigften lichte zu ſchauen . & wird während dieſer Zeit ein Theater geöffinet, wo natürlich, wie überall in China, nur männliche Schaus ſpieler auf die Bühne treten .
Vor Anfang der Meffe
findet eine religiöſe Feierlichkeit ftatt, die brei Tage dauert, einen Tag vor und einen nach dem Vollmond. Die Straßen werden mit Laternen von
bunter und
bemalter Seide erleuchtet, die man in regelmäßigent Zwiſchenräumen aufhängt und während des Feſtes Tag und Nacht brennen läßt. Nach Ablauf der Meſſe ziehen fich die Raufleute in'a Innere zurück und werden aller ſechs Monate von
anderen abgelöft.
Der Vorſtand
dieſer Handel & colonie iſt der Djar - gou = tfchat, der in allen die polizeilichen Beftimmungen und die Handels geſchäfte betreffenden Angelegenheiten allmächtig ift. Er iſt ſtets ein Mandichu ,
fein geborener Chineſe , dem
man , als einem Angehörigen des königlichen Geſchlechts, der Groberer des Landes, bie unbeſchränktefte Ehrfurdt erweiſt und alle Anliegen knieend vortragen muß. Dic Zeit ſeiner Macht währt drei Jahrë , worauf er nach Peking zurü & fehrt.
Wenn das Volt mit ihm zufrie
122 den iſt , ſo begleitet es ihn bei ſeiner Abreiſe bis zum Thore und zieht ihm , indem er hinausgeht, einen Stiefel aus , der dann als ein Zeichen der Zufriedenheit mit dem Benehmen des Scheidenden über dem Thore ſeinen Plag erhält. Dieß iſt die größte Ehre, die einem fol chen Beamten widerfahren kann , und ſcheint um fo mehr zu gelten, ie feltener fte ertheilt wird, & ܡܶܝܢhangen nur zwei Stiefel über dem Thore. Der Dzar gou -tſchai iſt ein Despot in der Aufmerkſamkeit, die er von ſei nen Untergebenen fordert,
und es muß die ftrengſte
Gtifette beobachtet werden , um für die unbedeutendſte Kleinigkeit feine Genehmigung zu erfleben .
Im Jahre
1814 wünſchte der Kaiſer von Rußland, daß die ober ſten Zollbeamten in Troitska Sauski eine Feier. Der Ginnahme von
Paris
veranſtalten
ſollten.
Hierzu
wurde auch der Dzar - gou - tſchal und andere Chineſen eingeladen ,
aber ſte verſäumten , feine Erlaubniß zur
Annahme dieſer Einladung einzuholen.
A18 man -zur
Tafel ging , verbot er ihnen daher , fich niederzuſeßen , und fie mußten fich vor ihm auf die Kniee werfen und um ſeine Genehmigung bitten , die ihnen dann gnädig gewährt wurde. Es gibt wenig bemerkenswerthe Gebäude in dieſer kleinen Anftebelung ; die Wohnung des Dzar- gou -tidai ift wenig beſſer als die Häuſer ſeiner Unterthanen und zeichnet fich hauptſächlich durch zwei vor dem Eingang aufgeftecte Flaggenſtangen
aus . Die zwei Pagoden
deja
123
find nicht eben " großartig ,
da nicht Mai - ma - tſchin ,
ſondern Urga ber irdiſche Giß des Kutuktu für dieſe Theile des Landes ift.
Die größereift mit Bildwerk
und Vergoldung von der geſchmadloſeſten Art übers laden und
enthält fünf foloſſale ,
mit verſchränkten
Beinen fißende Bilder von übergoldetem Thon, in fei dene Gewänder gekleidet, mit eitter Krone auf dem Vor dem Haupte und langen dwarzen Bärten . Hauptaltar ftehen vier andere Ungeheuer mit einer Rolle in den Händen , welche die Lehren be8 Bubbha enthält ,
wovon die Lamas nur wenige verſtehen , die
man aber Wort für Wort ausrendig lernt, denn der Verluft eine
Sota würde Verderben bringen, da jedes
Wort eine myſtiſche Bedeutung hat und als Sinnbild irgend
einer Eigenſchaft
Gottheit gilt.
oder
eines Ausflufſeß der
Das gen -öhnliche und beſtändige Gebet
jedes frommen Gläubigen beſteht aus vier indiſchen Worten , und Klaproth ſagt,
ipenn ſie ſonſt eine
Bedeutung hätten , ſo hießen fte ſo viel als : ,, barer Lotus !"
kofta
Der übrige Theil des umfänglichen
Tempel & ift mit vielen anderen Ungeheuern derſelben Art, mit allerlei Waffen und zwei thönernen, geſattel ten
und gezäumten Pferden angefüllt.
Die kleinere
Pagode beſigt ein Abbild des höchſten Wefenß mit eis ner Strahlenkrone und einem Schwerte in der Band. In den
Steppen auf rufftfcher Seite befinden fich
noch viele
Ueberreſte alter
Pagoden ,
die feit der
124
Groberung find.
durch
die Nuffen in
Trümmer gefallen
sebi
Giner von unſeren Gefährten auf der Rüdfehr nach Petersburg , ein deutſcher Attaché des Generalgouver teurs, der im vergangenen Sommer nach Urga, zwete hundert und fechazig Werfte in den Steppen von Gobi auf dem
Wege nach Peking , geſendet worden
mar,
hatte der großen Feierlichkeit im heiligen Monate beis gewohnt. Er beſchrieb die Prozeſſion von fünfhundert Lamas in ihren gelben - und fcharlachrothen Gewändern ale
ſehr impoſant... " Die Buddhaprieſter haben in dieſem Theile ihres
weiten Gebietes wenigftens dadurch etwas Gutes ges ftiftet, daß ifte ben Schamanismus meiftentheils ausges rottet haben .
Der Schamanismus , das ſpißbübiſchfte
Syftem der Schurkeret, daß man je der Menſchheit ale Glauben aufgedrungen hat,
gründet: fich auf die
Wirkſamkeit böfer Geifter, welche von ihren Anhängeru durch die Drohung, ifte in dieſer und jener Welt zu verfolgen ,
Ades erzwingen , was ſie verlangen .
Der
einzige Ruhm der Schamang iſt ihre Macht, Bofe $ zu thun ,
und hierdurch erpreifen fte von den gläubigen
Mongolen: Alles , was Menſchen sunter
dem
Einfluß
geſpenftiſcher Furcht vollbringen können . Sie werden , ihrem eigenen Wunſche gemäß , an einem Kreuzwege oder irgend einem bedeutenden Orte begraben , um nach dem Sobe defto gewaltiger die unglücklichen Geſchöpfe
125
peinigen zu können , die geiſter
beſuchen .
den Wohnort ihrer Sauber
Sie machen unter den nördlichen
Stämmen , die an fie glauben, die Aerzte , die Geiſter bannet und bei
vorkommenden Fällen die Richter.
Männer und Frauen werden in eine Lehre eingeweiht, die man beffer ein Gemiſch von Zauberet und Ber ſchwörungen , als eine Religion nennt.
Bet Kranks
heiten wendet man Zauberſprüche und Dpfer an , um die böfen Geiſter auszutreiben , da alles nur von dies fen ausgeht... Man glaubt, daß ſie aus dem
Körper
des Kranken in ein Thier getrieben werden , das der Schaman bezeichnet, sund um dieß zu bevirken , ver richtet man die lächerlichften Ceremonieen mit Häufigem und tüchtigem Gegeche in dem berauſchenden Sumiß. Die Schaman
brauchen Zauberſprüche,
Gebete und
Das unverſtändlichſte Rauberwelſch , um das Schickſal deß Rranken zu weifſagen , zu deffen Beiſtand fte hers beigerufen ſind, und wenn er geneſet, fo haben ſie den Ruhm bavon, wenn nicht, fo fagt man , das Opfer ſei dem böfen Geift nicht annehmbar geweſen . Ihre Kleide ung befteht in einer ledernen Sade mit Aermeln von der Schulter bis zum Elbogen , und an der äußerſten Naht und an dem unteren Theile find lederne Streifen angenäht, die bis auf den Boden reichen . Die Jade ift mit eiſernen Plättchen bedeckt , und die Meffing und Eiſenſtäbchen , die daran hangen , klingen und klap pern , wann der Scaman , fein Tambourin fchlagend,
126 herumſpringt. Schurzfell,
Er
trägt
-
außerdem noch
eine
Art
daß vom Kinn bis zu den Knieen reicht;
fein Iainbourin iſt ebenfalls mit Stüdchen von Meis fing und Biſen . Verziert und der Trommelſchlägel mit einer Thierhaut überzogen .
Seinen Kopf bedeckt eine
Pelzmüge , die er abwirft, wenn das Bauberwerf bes ginnt. Bet ber Unterſuchung gegen Jemand, der des Dieb ftahls oder eines ähnlichen Verbrechens beſchuldigt ift, legt der Schaman fein Tambourin und ſein Kleid vor ein Feuer , wovon nur noch die Aſche brennt, und der Angeſchuldigte wird , das Geſicht nach der Sonne gee kehrt , daran
geſtellt und ruft die furchtbarſten Vers
nünſdungen auf fich herab , wofern er ſchuldig wäre. Der Schaman wirft dann Butter in die Aſche
und
der Angeſchuldigte fchreitet über das Lambourin und das Gewand, verſchluckt etwas von dem
Butterbampfe
und ruft , zur Sonne emporblickend: ,, Wenn ich falſch gedworen habe , beraube mich deines Lichts und deis ner Wärme! "
Einige Zeit nachher muß er in den
Kopf eines Bären beißen , und da man dieſem Thiere eine ſelbſt übermenſchliche Weisheit beilegt, man ,
fo glaubt
daß .68. fich umdrehen und ihn tödten würde ,
wenn er ſchuldig ſei.
Man hat jedoch gegen diefes
Gotteøgericht , felbſt wenn man ſich unſchuldig fühlt, eine gewaltige Abneigung , da natürlich den Beſchulds igten die Fähigkeit des Bären , zwiſchen Schuld und
127
Unſchulb zu unterſcheiden , 3
näher
angeht
ale , den
Gchaman. ES ſpukte:früher in den Köpfen einiger Ruffen , die den Zweck einer Niederlaſſung engliſcher Mifftonare in Gelenginsk nicht begreifen konnten , die Meinung , die britifche Regierung habe Abfidhten auf Tibet, und jene würdigen Leute wären dorthin geſendet, um die Sprache zu erlernen und die Agenten jenes Planes zu werden . Die Engländer , fo fagte man , wollten dadurch ben Dalai Lama
in
ihre Gewalt bekommen , und danh
würden alle Ralmücken , Mongolen und die anderen Anhänger. deſſelben ihre eifrigſten Verbündcten werden und ihre Siege in Mittelaſten befördern . . Die Idee war wahrhaft ruſſiſch ; wir
fprechen
nicht von der
Regierung, ſondern von ihren untergebenen Geſchäfte führern , die Andere gern ein wenig nach ſich ſelber beurtheilen. heit eines
Man behauptete ſogar, daß bei Gelegen : fünfjährigen Zwiſchenreiche , nachdem der
leßte Dalai Lama feine irdiſche Hülle verlaſſen hatte und ehe ein neuer an ſeiner Statt eingelegt war , der himmliſche Kaiſer nicht geſtattet. habe, einen Nachfolger unter den Tibetanern zu wählen , ſondern nur unter ſeinen näheren Unterthanen , lifchem Ginfluß.
vielleicht aus Furcht vor engs
Wir ftehen bei einigen Völfern im
Rufe der Weitſidytigkeit, aber wahrſcheinlich weit fie glauben , daß wir mit ihren Augen ſehen ... Am
Seniffei in einem Gebirgepaß an einem hohen
128 Felſen gibt es ein merkwürdiges Naturwunder , ein ſolches wenigſtens
halten
Aberglaube der eingeborenen
wir eß , Sataren
für
obgleich der
ibm , wie fich
Denken läßt , einen übernatürlichen Urſprung beigelegt hat. Es hat das Anſehen einer verſteinerten Menſchen geftalt,
und die Täuſchung iſt auf der
Obe , wo es
ſteht, ſo groß, daß fich nidht ſo leicht ſagen läßt, was es eigentlich iſt . Nach der tatariſchen Sage ging in frühefter Beit, lange vor
der Eroberung durch
die
Nuffen , ein gewiſſer :Khan zum Chriſtenthum über und wurde vom Teufel, auß Rache für ſeine Abtrüns nigkeit, nacerb auf dieſer Stelle veftgebannt, wo er verſteinerte. € 8,
In den Steppen von Mynafinski
wie uns Jemand verſtcherte,
gibt
der e8 geſehen zu
haben behauptete , ein aus ſehr alter Zeit ſtammended mit achtzehn aus dem Felfen gewölbten
Labyrinth
Gemächern.
Seine Bewölbe und Mauern find woll:
ftändig ausgehauen , und es ftellt eine Menge abgött tiſcher Gegenſtände und Opferungen dar, deren viele in Freộco gemalt und noch ſo friſch ſein ſollen , als wären fie erft fürzlich unter dem Pinſel des Malers geweſen, was bei der Einwirkung der äußeren Luft , der fte ausgeſept find , nicht ganz glaublich ſcheint. Gerährsmann verſicherte uns ,
Unſer
daß ein Fremder , der
phne Führer oder ohne den Faden der Ariadne in dieſes unrettbar : verloren fei und fich nie wieder heraus finden könnte. Wir erzählen dieſe
Labyrinth gertethe,
129 Geſchichten nicht als Chatſachen , ſondern nur um zu zeigen , daß in dieſen Gegenden im neunzehnten Jahr hundert ſolche fabelhafte und abergläubige Begriffe noch immer ſo herrſchend find, als je in den Zeitalternt der Finſterniß. Die Bergwerke von Nertſchinst liegen fteben hundert Werſte nordöſtlich von Riachta ; der Weg Da hin iſt entſeßlich und führt, wenn man unmittelbar von Verkne-Udinst ausgeht, über die Kette des großen Jablonnoigebirges. Dieſe ungeheuere Gebirgskette trennt die Flüſſe, die fich in's Ciêmeer ergießen , von denen , die ihren Lauf oftwärts nach dem Stillen Meere nehs men .
Sie tritt aus der Mongolei in Sibirien ein
und durchzieht von hier aus, das ganzeLand , bis fte am Kap Iſchukotskoi in der Beringſtraße zu Śnde geht. Mach Norben heißt fite Stannomoi.. Obgleich fie nicht fehr hoch erſcheint,
muß
ihre Erhöhung über dem
Meeresſpiegel an dem Puncte, der Verfne - Ubinok zu nächft liegt, doch ſehr bedeutend ſein. Hier entſpringt der Witim , der in die Lena fält, während dieſe fic in'e in's . Giśmeer :ergießt ;, der ganze
Lauf mißt
fünftauſend
Werfte , obgleich die gerade Entfernung vom Anfang der Bergfette in Sibirien biß zum Meere nicht mehr als zwanzig Breitengrade beträgt: Berechnet man nun den Fall des Fluſſes durchſchnittlich mit einem Fuß auf die Werft, ſo erhebt fich das Jablonnoigebirge fünf taufend Fuß über den Meeresſpiegel.. Cottrell's Sibirien . II.
9
130 Nertſchinst iſt ein efendes Dorf , am Zuſammens fluffe der Nertſcha und Chilfe gelegen,
welche lektere
in einer Entfernung von ſechszig Werſten durch die Bereinigung des Ingoda und des Onon fich und
bildet
in entgegengefekter Nichtung bei ihrer eigenen
Berbindung mit dem Argun , ernähnt haben ,
wie wir bereits früher
den Namen Umur annimmt.
Der
Bezirk Nertſchinse tirb theile von den alten freien Kronbauern , theils von den neueren bewohnt, die nad Beendigung ihrer Strafzeit aus Verbannter zu Colo niften werden .
Einige andere, beſonders zu den Berg
werken gehörige Kronbauern , die Buräten von Korinsk und die berittenen Lungufen, wie man fte zur Untera ſcheidung von den Nomaden nennt , deren ganzes Gi genthum fich auf
ihre Renthiere befchränkt, während
dieſe Pferde, Schafe und Rindviet halten , machen die Zahl der Einwohner vellſtändig.
Man
fchäßt dieſe
Tunguſen auf fünftauſend Köpfe. Sht Häuptling hatte urſprünglich zur Zeit Peter'a des Großen den Rang eines Moskauer Gbelmannd , als Belohnung für die Dienſte, die er leiftete, indem er ſich von ſeinem Mandidhu oberhaupte losjagte und fich in Rußlands Arme warf. Der Aelteſte des Stammes wird noch immer unter den Nachkommen jenes Mannes erwählt und erhält ſein Amt auf Lebenszeit.
Der Boden dieſer Gegend iſt ſchwarz und äußerft fruchtbar, aber das rauhe Rlima macht den Ackerban
131
zu einem ſehr unſicheren Griverbzweig ,
obgleich die
Ausſaat nicht ſelten einen vierzigfachen Ertrag bringt. Es gibt oder gab : achtzehntauſend zu den Bergwerfen gehörige Bauern , deren Dienft ſo mühevoll und deren Zeit fo fehr von den Arbeiten für die Regierung in Anſpruch genommen iſt, fich felber thun können .
daß
fle nicht mehr viel für
Zehntauſenb Bauern wurden
in der beßten Abficht vom Kaiſer Alerander hierher geſchickt, aber fte find , ſtatt fich zu vermehren denn fiet hatten Weiber und Familien mitgebracht - durch verſchiedene Umſtände bis auf eine ſehr geringe Anzahl zuſammengeſchmolzen . Die Anſtalt der Regierung liegt eine weite Strece vom Dorfe Nertſchinge entfernt, und hierher kommt nur die verworfenſte Klafie von Vers brechern , die in Retten gelegt werden , und andere, die ziar feine To abſcheulichen Berbrechen begangen haben, aber mehrmals - entflohen find.
Ihre tägliche Arbeitzeit
beträgt im Sommer zwölf, im Winter Tech & Stunden ; aber es gibe unter ihnen keinen politiſchen Verbann ten . Die Arbeit in den SchmelzHütten wird jedoch für Härter und der Ausdünftung wegen gehalten als
die in den Bergwerken.
für ungeſunder Man arbeitete
früher an einem Queckfilberbergwerke, aber es envies fich fo Fchädlich für Alle, die darin beſchäftigt waren , Aufſeher fomohl als Arbeiter, daß man e wieder auf gegeben
hat. Die meifter fibiriſchen Bergwerke find
warm , einige hingegen aber auch fehr falt. Man baut 9*
132 fte auf dem alten Grunde einiger Schachte,
die hier
von einem vorzeitlichen unbekannten Einwohnergeſchlecht geöffnet wurden .
Die meiſten davon ſind Bleigruben ,
worin man das Silber findet; aber das Silber allein herauszuziehen, iſt, wie wir bereits erwähnt haben , ſo koftſpielig , daß es fich nicht der Mühe lohnen würde, es fortzuſeßen ; Blei jedoch iſt für die Schmelzwerke in Barnaul fo unentbehrlich, daß deffen Bedarf, abge ſehen von einer Beſchäftigung der Verbrecher , nicht leicht aus einer anderen Quelle geweckt werden könnte . Capitän Cochrane hat in ſeinem Berichte von dies ſen Bergwerken ſehr irrthümliche Angaben mitgetheilt ; er hat in mehrfacher Hinricht den Ertrag des Silbers übertrieben , der fich, wie er unbeſtimmt angibt , frü her , d. h. vor zwanzig Jahren , jährlich auf dreis hundert Pub mit nur fünfundzwanzigtauſend Pud Blei belief. Das ſei nichts , meint er , und erklärt demnach die Sache für ein verderbliches Geſchäft.
Er
hätte recht gehabt, wenn das Blei wirklich feinen Werth Hätte , denn eine halbe Million Nubel würde kaum die Roſten deden ; aber das Blei iſt in dieſem fonderbaren Lande von den beiden Metallen das koſtbarere,
und
das Silber würde etwas mehr als eine halbe Million Rubel werth geweſen ſein , hätte es fich fo verhalten , wie er angegeben .
Auch eine Eiſengießerei gibt es ,
die ſehr thätig iſt. Außerdem findet man noch Magnet, Arſenik und Spießglas. Im Jahre 1812 entdeckten
133 die Buräten auf ihrem eigenen Gebiete eine Zinngrube, Doch,
welche der Saiſcha an die Regierung abtrat. obgleich das
Erz außerordentlich reich war , indem eß
fechezig Brocent Metall gab ,
ſo fand man es doch
nicht in einer regelmäßigen Ader, ſondern nur in ein zelnen Klumpen , und der Ertrag bedte
daher die
Koften nicht. fierzu fand man noch die Fortſchaffung nach Rußland ſo foftſpielig , daß es billiger war , das Metall in England zu kaufen . 1. Auf dem Berge Odontichelone hier in der Nähe findet man die ſchönſten Aquamarine von allen Gor: ten , grüne, blaue und orangefarbige, welche legtere ſehr felten find. Oft kommen auch Topaſe vor. Nicht mine der reich iſt dieſe Gegend an Mineralquellen , die nie analyfirt oder beſucht worden find, eine einzige ausge nommen , die Ballad beſchreibt und chemiſch unterſucht hat.
Da die Oberbeamten der Bergwerke ihre eigenen
Ländereien befigen , auf welchen ſie das für ihre Ars beiter nöthige Getreide erbauen , ſo haben die Bauern feinen Markt , und ihre Arbeit beſchränkt fich daher einzig und allein auf das , Familien , brauchen.
mas fte ſelber und ihre
Sie haben gutes Weideland für die
Sago
iſt
ein
ihre Schafe und Kinder ,
und
Haupterwerbzweig für fte.
Die Luchſe ſind hier von
vorzüglicher Güte ; das äußerſt weiche Fel vom Bauche hat dwarze Flecken auf völlig weißem Grunde. Rußland werden dieſe Flecken fünftlich erzeugt.
In
134 Alle Bewohner dieſes Bezirks find leidenſchaftliche Freunde von Wettrennen , und das Wetten , das man für eine Anregung gefitteter Bölfer hält, wird bei dies fen Nomadenſtämmen zu einer wahrhaft verberblichen Höhe getrieben. 48 iſt keine Seltenheit, daß die Ber als ihre Peitſche mit heinbringen .
lierenden nichts
Ihre Pferde find eine gute, dauerhafte Art von mon goliſcher Zucht, und die Entfernungen , die ſte laufen , betragen gewöhnlich zwanzig bis dreißig Werfte. halten auch eine Art Turnier
zu Pferde ,
das
Sie im
Schießen mit Bogen und Pfeil beſteht, worin fie eine wunderbare Geſchicklichkeit befißen ; dieſe Luftbarkeit heißt Oblava ".
Sie find ſo geſchikt, daß fte einen Pfeil in die Luft fchießen und ihn dann mit einem
anderen zerſplittern können . Auch die Oftiafen von Berezof ſchießen
fliehend die Zugvögel aus der Luft.
Das Turnier bei den Tunguſen und Buräten
von
Nertſdinsk befteht darin , daß einige Hundert derſelben zu Pferde ein großes Waldrevier umſtellen , welches fie auf ein gegebenes Zeichen in Maſſe durchftreifen und das Wild in der Richtung heraustreiben , wo ihre Gefährten aufgeſtellt find.
Rothwild gibt die meifte
Beluftigung; ſobald ein Rebbock aufſpringt, folgt ihm der nächfte Neiter oder fein dazu abgerichtetes Pferd . Er läßt die Bügel dießen , und das Pferd verfolgt das Thier auf allen ſeinen Wendungen , während der Jäger nach ihm ſchießt und ſelten fehlt, ſo ſchwierig es
( 135
deniowe
auch ſein mag .
Die Pfeile find lang und haben eine
eiſerne Spige , die in einer durchlöcherten hörnernen Rugel beveſtigt iſt, welche, bei einem
Feblichuß um die
Dhren des Thieres, pfeifend, daſſelbe ſtubig macht , daß
eß für einen anderen
ſo
zu einer leichten Beute
wird. Der Taiſcha beranſtaltet dieſe Luftbarkeit häufig im Winter und ſo oft ein ruſſticher Beamter durch dieſe. Oegend kommt. Die Jakutpferde gelten für die beßten in Sibirien ; fie find groß und ftarfenochig und ungeheuerer An ftrengungen fähig , und wenn , fte im Winter benußt werden , finden ſie ihr Futter ſelbſt, indem ſie mit den Füßen den Schnee wegſcharren , um das barunter be findliche Gras zu erlangen . Sobald der Verbſt kommt , wird ihr Fell dicker, und im Winter iſt es , faft ſo dick
Ø mm G
und langhaarig, wie ein Bärenpelz. Sie haben plumpe
urate #
Löpfen; aber
zeigen in anderen Beziehungen ſo piel
Race, daß viele derſelben in die berühmte Stuterei des meldet
verſtorbenen Grafen Drlof gebracht wurden . Zehntaut
riften 8
fend von ihnen benußt man alljährlich zur Fortſchaff
mo
7 pering fremti
miernig
ung von Getreide, Branntwein und Schiffsbedürfniſſen nach Ochotok , was eine bedeutende & rwerbsquelle bile det. : Die
Art und Weiſe ,
wird , iſt ziemlich
wie bieß bewerkſtelligt
urthümlich. Jeder Şafut. bat elf
Pferde unter ſeiner Leitung, die in einer Reihe gehen und durch ein Seil von Ropbaaren mit einander ver bunden find, bas um den Bale des erſten geſchlungen
136
wird ,
auf welchem der Führer fißt, dann unter dem
Bauche der übrigen fortläuft und an dem Schwanze jedes einzelnen beveſtigt ift.
So lange es guten Weg
gibt, iſt dieſe Einrichtung ganz zweckmäßig ; aber wenn ein Pferd in Moraft finkt, ſo müſſen die anderen nothwendig ſtehen bleiben und ebenfalls verſinken. Je des der zehn Pferde trägt zwei lederne Waarenſäde, zuſammen fechs Pub an Gewicht, die auf einer Art Sattel ohne Polſter ruhen , welcher auf zwei kreuzweiſe gelegten Stöden liegt, die durch eine Schlinge beveſtigt find , ſo daß fie fich gegenſeitig im Gleichgewicht hals ten. Sobald die Thiere in einem Sumpfe zum Stehen kommen, muß der unglückliche Führer zuvörberſt fämmt= liche Pferde abpacken und die Güter auf trockenes Land ſeßen, dann die Pferde herausziehen, auch fte auf veften Boden bringen and wieder aufpaden , ſo daß er ,
ſo
oft dieſer Unfall ihm begegnet - und das geſchieht ſehr häufig - zweimal fünfundzwanzig
ohne allen Beiftand gegen
Centner zu tragen
hat.
ftößt er fürchterliche
dieſer Verrichtung
Während Flüche aus,
doch fobald er damit zu Stande ift, brennt er gemüths lich ſeine Pfeife an und ſpringt glüdlich wie ein Rö nig auf fein Pferd , Hundert Schritte
obgleich er wahrſcheinlich einige
weiter dieſelbe Arbeit
aufs Neue
vornehmen muß. So geht es von früh bie Abend und vielleicht von Abend bie früh , einen ganzen Monat lang ; denn ſo lange Zeit ift erforderlich , um
137
auf dieſe Weiſe von men .
Irkutsk nach Ochotse zú fom =
Da das Eis des Baikal noch nicht fahrbar war, ſo blieb nichts anderes übrig , als auf demſelben un angenehmen Wege wieder zurückzukehren, der nicht nur ſehr beſchwerlich, ſondern auch bedeutend länger iſt als der gerade Weg über den See. Die Fahrt im Schlitz ten iſt angenehm und geht reißend ſchnell von Gtatten ; die Stelle, wo man überfährt , beträgt nicht ganz ſecho= zig Werfte, die zuweilen in drittehalb Stunden zurück = gelegt werden, und die gebirgigen Ufer bieten ein große artige
und majeftätiſche Schauſpiel.
Das Eis hat
dann und wann kleine Spalten , beſonders im Früh ling , wann die Zeit feiner Auflöſung kommt, die für einen Reiſenden , der nicht daran gewöhnt iſt, entſegi liche Erſcheinungen
ſein
müffen ; doch da die Pferde
und ihre Führer trefflich darüber hinwegzukommen ver ftehen , ſo gibt es keine wirkliche Gefahr dabet. Wenn die Spalte klein ift , to ſpringen die Pferde darüber, ohne anzuhalten ; ift fte groß, ſo bildet man mit Bre tern eine Art Brüde, ſchlagen und
die in einem
Augenblick gee
wieder abgenommen wird ;
die Breter
hierzu fchleift man hinter dem Schlitten her.
Wenn
die Niffe felbft für dieſes Mittel zu breit ſind, ſo bile det man eine Brücke aus großen Eisſchollen , die man an der Seite der Deffnung abftößt,
worauf der Rute
ſcher mit einer Schwungftange über die Tiefe ſpringt,
138 um auf der anderen Seite eine ähnliche Scholle zu beveſtigen.
Dieſe Brücke iſt natürlich nicht von der
veſteſten Art; aber die Pferde werden abgeſchirrt und zuerſt hinübergebracht, und dann zieht man mit Stricken fo ranell als möglich den Schlitten hinüber. Zuweilen geſchieht eß
daß ein Pferd in vollem
Laufe im Eife
verfinkt, das, ftatt zu brechen , weich und porös gewor Den iſt; der Führer ſpringt in dieſem Falle mit großer Schnelligkeit dem Gaul auf den Rücken , friecht über ihn hinweg , macht ihn in einem Augenblicke
vom
Schlitten los und zieht ihn mit mächtiger Gewalt her: aus , ehe er Zeit hat , fich zu wehren und noch dieſer in
dem
eifigen Morafte zu verfinfen. : Um ihn noch
fårker anguregen , irft ihm der Rutſcher eine Schlinge um den Hals und zieht fie: fo veſt ale möglich , um dem Zhiere das Bißchen Athem noch übrig blieb.
zu nehmen , das ihm
Hat er es herausgezogen, ſo ſpannt
er eß mit Blißraſchnelle, wieder ein , und die ganze Arbeit erfordert nicht mehr Zeit als ihre Beſchreibung Die Rarawanen ,
die mit Handelsgütern
von 3rs
kutsk nach Riachta.gehen , haben auf lange Zeit , ehe das Eis gangbar iſt, einen weit beſchwerlicheren Weg um den See als alle anderen Reiſenden.
Sie müſſen
vom Anfang Novembers , und zwar zwei Monate lang , biefen Umweg machen , und die Koſten ftud um Vicles bedeutender, obgleich fie mit der Mühe der Führer keineswegs im Verhältniß ſtehen. Der Schnee fält im
139 Gebirge im Auguft , Fuß tief.
und im November liegt er fecha
Die Art, ihn wegzuſchaffen , wenn er noch
nicht hinlänglich gefroren iſt , um eine veſte Decke zu bilden , ift ziemlich mühſam . Man gräbt zuerſt einen Gang von einer gewiffen Anzahl Werfte auß und treibt die Pferde hinein, um den Schnee weſttreten zu laſſen ; bierauf bilbet man and großen Kieferzweigen, die man an einem leeren Schlitten beveſtigt, eine Art Egge und räumt damit den Schnee von den Seiten weg.
Nach
dieſen Vorbereitungen wird eine lange Reihe von Pfer den an die Maſchine geſpannt, die, beſtändig hin und zurüdlaufend, almälig einen guten Weg herſtellen, der breit genug iſt, daß die Schlitten leicht hindurchfommen können .
Die Frachtſchlitten folgen in einer Reihe, ei
ner nach dem anderen , bis au's Ende des auf dieſe Weiſe gebahnten Weges , worauf man eine neue Strede in Arbeit nimmt und ſo fort ,
bis Alles überſtan
den iſt. 5. Jeder Bug hat in dieſer Jahreszeit nicht mehr als fünfzehn Pub geladen.
Der erſte legt täglich nicht über
zehn Werfte zurück ; die folgenden , nachdem der Weg gehärter ift , ſo viel wie gewöhnlich
vierzig Werfte.
&& ift auffallend , daß dieſe Schlittentreiber nicht zu : ſammentreten und Arbeiter anſtellen , die dieſes nöthige Werk für fte verrichten, währeno bei dem jebigen Ver fahren die ganze Laft auf den Erften ruht und alle Uebrigen deren Bemühungen fich zu Nugen machen .
140
Dieß find die verſchiedenen Durchfuhrarten für Waaren und Reiſende, für die Poſten , die Erzeugniſſe der Bergwerke,
die Verbrecher, die darin arbeiten ſollen ,
und für den ganzen Ein- und Ausfuhrhandel zwiſchen Rußland und China.
Hierzu kommt noch , daß ein
großer Theil des Getreides für die entfernten Provin zen , ſowie das Pelzwerk für die ruſfiſchen und chines fiſchen Märkte dieſen Weg nehmen muß, ſo daß man faſt ſagen kann, es gehen die bedeutendſten Reichthümer dieſes ungeheueren Reiches entweder über oder um dies ſen Binnenſee, und dennoch wird von Seiten der Re gierung nichts gethan, die Fortſchaffung zu erleichtern und ſomit dem Handel einen höheren Aufſchwung zu geben. Es läßt fich nicht berechnen , welche Ausdehn ung man ihm geben könnte, wenn man für den Ver kehr mit den Himmliſchen beſſere Anordnungen träfe und eine wirklich gute Straße um den Baikal baute, die während der ſchneeigen Jahreszeit von der Regiers ung im Stande erhalten würde , ſowie Dampfboote herſtellte, um die Fahrzeuge hinüber zu bugfiren und dadurch die Zeit , welche der Uebergang erfordert, bez deutend abzukürzen, wenn ich ſonſt nicht für die Ruſſen ſowohl als für die Chineſen ein paſſenderer Ort ale Riachta, ein Ort wie Semipalatinsk oder Buchtarminsk, finden ließe. Bei bem jezigen Zuſtande des chineſtfchen Reiche8 iſt ſelbft dieſes nicht ſchwer, denn wir glauben nicht, daß die Berichte von den Niederlagen der ruſfis
141 fichen Heere im Raukaſus mit denſelben Uebertreibungen zu den Ohren des chineſiſchen Kaiſers gelangen.
Die
Elemente eines großartigen Handels find vorhanden, obgleich er ſeine Gränze hat , da die Engländer zur See billiger Waaren nach Canton ſchaffen können , als die Ruffen zu Lande nach Pefing.
Sobald dieß der
Fal tft , wird die Zeit Gelegenheit bringen , Vortheil zu ziehen .
daraus
Zehnter Abſchnitt.
Aufbruch nach Petersburg. Tomsk. Die Steppe von Bar: barinski. Kainst. Goldkarawane. Omsk. Weihnacht feſt. Tobolsk, Gouvernement und Stadt. Die ruffiche Gränze. Jekaterinburg . Das Haus des Kaufmanns Riazanof. Ungeziefer. Goldbergwerte. Jakoblef's und Demidof's Anſtalten . Steinſchneiderei. Perm. Magne tismus . Ein Buran “ und ſeine Folgen . Kaſan . Reiſe nach Niſchnei - Nowgorod. Ankunft. Rückblid auf Sibirien. Moskau. Liebe zur Muſik. Zigeuner. Oſterfeier, Petersburg .
In dem Hofe des Generals Rupert ſtanden fünf bepacte Tarantaſſen zu der fünftauſend Meilen langen Reiſe nach Petersburg bereit , und
in einer derſelben
wollten wir bei unſerer Rückkehr nach Jrkutsk
den
Heimweg einſchlagen. Wir lernten nun das Vergnügen fennen ,
in Geſellſchaft eines bedeutenden Mannes zu
reifen. Ueberall, wo wir hinkamen , fanden mir Pferde. Unſer Koch ging mit einer Reiſeküche voraus , um in dem Dorfe, wo wir halten und ſpeiſen wollten , Alles vorzubereiten ,
und gerröhnlich erwartete uns in dem
erſten Hauſe jeder Stadt ,
burch welche unſer Weg
führte, ein üppiges Gaſtmahl . So gut man im Win ter in einer ſolchen Tarantae auch reiſt, denn man hat
1 143
ſtets eine horizontale Lage und ſo viel fünftliche Wärine als möglich , während das Blut , eben diefer Stellung wegen, fortwährend in freiem Umlauf ficts befindet, ſo iſt es doch keine Kleinigkeit ,
fünf Wochen lang faſt
ohne Unterbrechung Tag und Nacht unterwegs zu ſein, und nicht ſelten auf Wegen ,
wo man eher glauben
möchte ,' man fei in einem offenen Boote, das bei ſtür mifcher See hinabfährt in den Abgrund zweier Wogen, ale in einem Fuhriverk auf veftem Lanbe, beffene Schneea decke fo Hart iſt, als dreißig Grad Kälte und ein lebe hafter Verkehr fie herſtellen können. Um einige zwanzig Jahre jünger als der General, fühlten wir uns auch durch dieſe Anſtrengung bedeu tend weniger angegriffen als er ; in Moskau veranlaffen nehmen .
bei unſerer Ankunft
geftand. er unverhohlen , daß ihn nichts folle ,
wieder eine ſolche Reife zu
Bis Tomst,
unter :
wo wir kurze Beit verneilten
und der General die Huldigung aller bei den Gold wäſchereien Feines Gouvernements betheiligten Perſonen empfing,
war der Weg derſelbe ; von hier aus aber
nahmen wir einen anderen als jenen, auf welchem wir von Barnaul hierher gekommen waren , da wir die gerade Richtung über Rainek nad Omsk einſchlugen . Bald nachdem man die Stadt verlaſſen hat , gelangt inan in die ſogenannte Steppe von Barbarinski , 06 gleich ſie nach ihrem bebauten und bewohnten Anſehen dieſen Namen
nicht verdient.
Por ſechzig Jahren
144 war fte es noch , und es gab kaum in ganz Weftftbi rien eine odere, ungaftlichere Stätte ; aber der damalige Generalgouverneur überrebete die Kaiſerin Katharina, ihm die Rekruten einer einzigen Conſcription , die das mals noch nicht eine fo zahlreiche Schaar ausmachten, wie ießt , zur Bebauung dieſer Wüfte zu überlaffen . Das Unternehmen hat den glüdlichften Erfolg gehabt ; die Steppe ift ießt ein bebautes , fruchtbares Gelände mit einer maleriſchen Vertheilung von Flüffen Wäldern .
und
Es gibt noch viele von den eingeborenen
Lataren, Sugais genannt , die fehr brauchbare Pferde ziehen , und man reift äußerſt geſchwind. Bei unſerer Ankunft in Rainsk, einer bedeutenden, fünfhundert Werfte von Lomst entfernten Stadt, ftie Ben wir auf das einzige Hinderniß, das , den Hof aus genommen , einem Generalgouverneur begegnen und uns nöthigte, hier zu übernachten . bie Karamane ,
kann
Es war dieß
die das Gold von Barngul nach
Pe
tersburg bringt und ſechszig Pferde brauchte, und man hielt eß für rathſam , ihr zwölf Stunden Vorſprung zu laſſen , damit wir ihr vor Omsk , wo wir einige Lage verweilen wollten , nicht wieder in den Weg kämen .
Kainst iſt allem anſcheine nach eine blühende
Stadt mit
mehren guten Gebäuden
und lebhaftem
Handel. Man verkauft hier große Maffen von Schwan dunen und äußerſt billig , da es in den benachbarten Seen Schwäne in Ueberfluß gibt.
Wir hatten eine
145 gute Wohnung und machten uns am nächſten Morgen auf den Weg nad Omsk, der burdy eine Gegend führt, die im Sommer überaus freundlich und maleriſch ſein muß. ::
Wir erreichten Omsk am Morgen des 5. Januar
und wurden von unſerem Freunde, Baron Hoven, dem Chef des Generalſtabes ,
gaftfreundlich aufgenommen ;
der General nahm ſeine Wohnung bei dem Fürſten Gortſchafof , und die übrige Reiſegeſellſchaft wurde in ben für fte beftimmten Quartieren untergebracht. Unſer Aufenthalt währte biß zum Morgen des 28. Decem = bers alten Styls, da das Weihnachtfeft, nach der Sitte aller Länder , mit Gaftinählern und Bäden und hier noch außerdem durch eine Parade gefeiert wird .
Wir
gingen mit der zahlreichen proteſtantiſchen Gemeinde, die aber noch feinen eigenen Geiſtlichen hat , zur Rir che, wo ein Deutſcher aus der Gegend von Barnaul Gottesdienſt hielt. Der Fürft, bei welchem wir täglich zu Tiſche waren,
zeigte fich wo möglich noch gütiger
und gaſtfreundlicher gegen uns als früher, und bedauerte nur, daß wir uns aller Wahrſcheinlichkeit nach erft im „ Thale Joſaphat " wiederſehen würden .
Dieß iſt es
eben, was den Genuß verbittert , in fremden Ländern angenehme Bekanntſchaften zu machen , der Gedanke, daß es nur ſelten fich fügt, je wieder mit ihnen zu= ſammenzutreffen , beſonders mit Senen , die in einem ſo entlegenen Theile der Erde wohnen. Cottrell's Sibirien.
II.
10
146
w !. Ungefähr hundert Werfte vor Omsk famen
wir
durch die Stadt Lumen , einen blühenden Drt mit eis ner großen Teppich- und Papiermanufactur und be deutendem Handel
in Talg und Holz .
Sie enthält
auch einige große Lobgerbereien , und da ſte auf dem geraden Wege vom Often
nach Irbit liegt , ſo gee
währt bie . Waarendurchfuhr den Kärrnern Beſchäftigung. Tobolsk, dem
reidlide
Von hier ſcheidet ſich der Weg nach früheren Siß der Regierung, einer Stadt,
die jeßt ungefähr ſo groß iſt wie Zrkutek , aber faum ſo ſchnell fich emporheben wird wie dieſes.
G8 bildet
nicht mehr den Hebergangøpunct zwiſchen Rußland und Oftfibirien und hat nichts , wodurch eß fich erhalten fann , als die Meſſe von Irbit, die in Februar und März ſtattfindet und faſt eben ſo beſucht iſt wie die Meffe von Niſchnei. Sobolel liegt am Tobol und fr tiſch , an dem Punete, wo ſie in den Jeniffei oder Db ſich ergießen ,
und iſt der Siß des Erzbiſchofe von
ganz Sibirien . Hier und in der Nähe leben viele politiſche Verbannte. Zu Peter's deg Großen Zeiten wurden hier von den ſchwediſchen Gefangenen , die der Frieben von Nyſtadt befreite, Sibirien gegründet.
die erſten Sdulen
in
Was die Geſellſchaft anbelangt,
io fteht es mit jeder anderen Stadt Sibiriens
auf
gleicher Stufe, und da es ſo lange Zeit die Haupts ftabt geweſen iſt, gibt es hier mehr Künftler und Hands werfer als in Oméf oder Tomsf. && hatte ein ſehr
1
147
großes Rarawanſerai, das vor einigen Jahren mit viee len der beſten Kaufläden niederbrannte.
Man findet
hier viele Tataren , die Waaren von und nad Bokhara bringen . :
Die Stadt liegt , wie Niſchnei - Nongorod, auf ei
ner Erhöhung , die eine anmuthige Ausſicht gewährt ; aber es
herrſcht hier eine ſo grimmige Kälte ,
wie
vielleicht in keiner anderen civilifirten Stadt der Welt. Das Thermometer fällt zuweilen bis auf 40 ° .
Aber
troßdem iſt der Diſtrict vielleicht einer der bebauteſten und fruchtbarſten in Sibirien .
Fiſche find ein bedeu
tendes Unterhaltsmittel für die Einwohner ,
ſowie fte
in der Fortſchaffung des Salzes aus den großen Ma gazinen , beren wir bereits gedacht haben , einen reich lichen Erwerb finden. Es gibt hier auch eine Papier: manufactur, und das beßte Leder , das wir unter dem Namen des ruſſiſchen Leders kennen , wird in Tobolsk gegerbt. Im Sommer iſt die Hiße eben ſo übertrieben, als im Winter die Kälte , ſonſt würde natürlich der Pflanzenwuchs nicht ſo raſch von Statten gehen ,
als
PB der Fall iſt ; Gurfen und Melonen machen unter freiem Himmel .
Der Ob gefriert nicht vor November,
und der Boden thaut im Sommer volftändig auf. Bes rezof iſt der füdweſtlichſte Punct , wo es niemals thaut, aber weiter oſtwärts iſt die Gränze des erigen Grunds Es iſt jedoch erwieſen,
eifes mehr nach Süden hin .
daß die für immer gefrorene Unterſchicht dem Waches
10 *
148 thum
der Bäume keinen Eintrag thut, da man auf
Boden ,
der niemals mehr als einen Fuß tief thaut,
die größten Wälder findet. Bei Nertſchinsk iſt die ge frorene Schicht nur fechs Fuß dick und wird mit jedem Jahre dünner. Im Jahre 1821 grub man in Berezof zufälig eine Leiche aus , die zweiundneunzig Jahre in der Erde gelegen hatte , aber keine Spur von Auflöſa ung zeigte und ſeit ihrer Eingrabung ſich
nicht
in
mindeſten verändert hatte. Wir gelangten in das Gouvernement Loborsk am zweiten Tage nach unſerem Aufbruch von Omsk, von iro wir mit einmal den Steppen den Rücken gekehrt hatten .
Das
Wetter war hell und ſonnig und der
Unterſchied in der Gegend und Landſchaft überraſchend. Ueberall ſieht man wellenförmige Thäler und gewun dene Flüſſe und ídyöne Wälder auf dem ganzen Wege bis nady Jefaterinburg .
Tobolsk iſt daher , wie zu
erwarten , das bevölkertſte Gouvernement Sibiriens und enthält ungefähr die Hälfte der ganzen Einwohnerzahl der weſtlichen Abtheilung. Wir näherten uns jeßt den Gränzen des eigentlichen Rußlands und waren erſtaunt, in Sibirien nie einen Bettler oder ein Nordlicht ges ſehen zu haben. Legtere ſind im Sommer häufiger als im Winter, aber wir haben dergleichen in Rußland nie zu ſehen befonimen , ſo gewöhnlid ſie auch in Schwe den und anderen nördlichen Ländern ſind, und was die erſteren betrifft, ſo halten wir Sibirien für das einzige
149 Land, wo ed deren weder im Sommer noch im Win ter viele gibt. Vor Jekaterinburg überſchreitet man die nament liche Gränze von Sibirien , obgleich offenbar das Ural gebirge die natürliche Gränze bildet. Wir erreichten dieſe ſchöne Stadt nach viertehalb Tagereiſen gegen ein Uhr Morgens des ruſſiſchen Neujahrs und mur den von einem reichen Kaufmann , prächtig beherbergt.
einem Riazanof,
Sein Haus iſt ein Palaft und
mit allem Lurus und Geldymack außgeftattet, den Moga kaus Handwerker erſtnnen konnten ; er fagte uns , die Einrichtung koſte ihm ſechszigtauſend Rubel. Wie Alle ſeines Standes, bewohnt er ihn nicht, d . 6. nicht das erſte und zweite Stodmerk ; feine Zimmer, die ebenfalls ſehr ſchön und bequem ſind, ſchoß ,
wo es ein Bilard
Dinge gibt.
befinden ſich im Erdge und viele andere üppige
Wir begannen die Bekanntſchaft,
felbft
noch zu dieſer fpäten Stunde , mit einen reichliden Trankopfer vortrefflichen Champagners zu Ehren des neuen Jahres , das faft bis zum Aufgang der Sonne dauerte, und waren froh, zu gleicher Zeit auf ein gu tes Bett rechnen zu können . Aber leider täuſchten mir uns ; denn obgleich wir eine prächtige, neue , grün = lederne Matraße fanden , ſo ſaben wir doch , ehe wir das Licht auslöſchten ,
aus
der Hölzernen Bettſtelle
lebendige, ,, ſchlafmordende " Geſchöpfe entrinnen , die mahrſcheinlich
ſeit Jahren nicht die belebende Wärnte
150
eines menſchlichen Körpers aus ihren Schlupfwinkeln gelockt hatte.
Doch wir waren zu ſchläfrig , um dieſe
ekelhafte Vermehrung unſerer Geſellſchaft für ein Hin berniß unſerer nächtlichen Ruhe zu halten ; aber am nächften Morgen bot fich ein unbeſchreiblicher Anblick bar.
Das Bettzeuch
wimmelte
förmlich
von
dem
ſchmuzigen Ungeziefer, wovon viele als Opfer unſerer unwillkürlichen Gegenwehr während der Nacht gefallen waren, und es war uns eine unbeſtimmte Erinnerung geblieben , daß wir im Schlafe gefühlt hatten , wie fte uns über das Geficht gelaufen waren . Hieran war einzig ſchuld ,
und
allein
die
Nachläffigkeit der Dienftleute
welche die Bettſtelle einige Tage der ſtrengen
Kälte hätten auslegen ſollen ,
um die ganze Familie
von Grund aus zu vertilgen , denn feiner unſerer Reiſe gefährten wurde von einer ähnlichen Plage heimgeſucht. Es war bieß das einzige Mal auf unſerer ganzen Reife, daß wir dieſe abſcheulidhen Thiere zu ſehen be kamen. Auch ftahl man mir hier ben goldenen Knopf von meinem Stoce, der ungefähr fünf Pfund Sterling werth ſein mochte ;
er war natürlich maffiv und gut
beveſtigt, und es mußte viel Mühe gekoſtet haben, ihn loezumadjen ;
das inutile lignum " hatte man wieder
in das Fuhrwerk gelegt, und wir wurden den Verluſt nicht ſogleich gewahr.
Den Lag vorher hatte ,
mert
würdig genug , der Generalgouverneur gegen uns ge äußert : ,,Jeßt kominen wir nach Rußland und müſſen
-
151
nun Leute anſtellen , die unſer Gepäck bewachen."
Ún
ſer Wirth war einer der reichſten Kaufleute in
Ruß
land , und er gab ftch burch ſeinen Bart als einen Rosfolnit zu erfennen .
Am nächſten Morgen beſuchte
und der Gouverneur, General Glinka, ein ſehr artiger Mann, mit dem wir ſpäter in Petersburg ſehr häufig zuſammengekommen find. Er bewohnt einen ſehr ſchö nen Palaft. Jekaterinburg liegt am 3ſet und würde in jedem Theile der Welt für eine ſehr ſchöne Stadt gelten . Es it weber ganz ſo groß wie Rafan , noch hat es , wie dieſes , irgend Ueberreſte aus dem Alterthum ; aber die vielen ſchönen , neugebauten öffentlichen Gebäude, die breiten Straßen , daß rege Leben, die vielen Manufacs turen
in
der Stadt felbft und die Gießereien und
Bergwerke in ihrer Nähe , verleihen ihr ein Anſehen von Behaglichkeit und Wohlſtand, wie ſelten in ruffi ſchen Städten zu finden iſt. Die ſchnelle Zunahme ihrer Bevölferung, die ſchönen Häuſer, die mit jedem Lage emporſteigen, laffen vorausſehen , daß fte in eini gen Jahren eine der wichtigſten Städte des Landes werden wird . Das Verlangen nach Arbeit hat in und um Jekaterinburg Feine Wirkungen gehabt , denn das Land umher ift trefflich angebaut und hat Heber fluß an allen Bedürfniffen und vielen Lurusgegenſtän : den .
Die Einwohnerzahl muß fich
fünfundzwanzigtauſend
mindeſtens
Seelen belaufen ;
auf
aber es iſt
152
fehr ſchwierig , zwiſchen den beſtändigen und nur zeit weiligen Bewohnern genau zu unterſcheiden , wovon Legtere, in Folge des fortwährenden Verkehrsi:mit den verſchiedenen
Bergwerken
und Manufacturen in der
Nähe, ſehr zahlreich find .... 1
Jefaterinburg wurde von Peter dem Großen im Jahre 1723 gegründet und von ſeiner Gemahlint , tider Kaiſerin Katharina, von welcher eß den Namen erhielt, vollendet. Es war daher ein Jahrhundert früher kaum ſchon vorhanden und
beftande höchſtens aus einigen
hölzernen Häuſern, ein Stationsort für die Ratawanen zwiſchen Rußland und Sibirien , der Siß des Dhere aufſehers der Bergwerte im Ural und ein Sammelplas der Verbrecher , die an ſeiner Beveftigung arbeiteten ; aber ieß erhob fich fchnell zur Wichtigkeit , da die Re gierung und Privatleuter neue Quellen des Reichthums öffneten. Es liegt am Abhanger des Ural, achthundert und ſechszig Fuß über dem Meere. beſtand faft das ſchiedenen
En früherer Seit
ganze bei der Verwaltung der ver
Bergwerke in der Nähe angeſtellte Perſonal
aus Deutſchen und Engländern ; jeßt aber hat fich die Zahl derſelben bedeutend vermindert, und die Leitung dieſer ungeheuteren Geſchäfte liegt zum großen Theil ini den Händen von Ruſſen .
Jekaterinburg ift für Kuß
land - denn es bildet , obgleich öftlich vom
Ural ge
legen , dem Namen nach einen Theil des eigentlichen Rußlands – was Barnaul für Sibirien lift, bie Nies
153 derlage für alles Gold und Silber, das man aus dem Schooße dieſes Gebirge gräbt.
und der benachbarten Gegend
Erfteres , das man entréder aus den Wäſches
reien , oder aus Bergwerfen gewinnt, nimmt an Menge mit jedem Sahre zu , während das lettere fich vermin = dert jt tund zwar aus dem bereits erwähnten Gründe, weil bie Roften der Gewinnung der einen wie des andern faſt ganz dieſelben find , ja bei'm Silber zu = weilen
bedeutender ausfallen , und diefes daher zu
Gunften del Goldes vernachläffigt wird... Das älteſte Goldbergwerk liegt 'ungefähr fünfzehn Werfte von der Stadt, wo es eine Schmelzhütte , mie zu Barnaul, gibt; aber es iſt nicht fehr ergiebig. Deſto ergiebiger jedodh find die Goldwäſchereien , und das Berhältniß des gewonnenen Goldes zu dem ausgema fchenen Sande iſt viel bedeutender als im Altai. Hun dert Pud geben gewöhnlich acht Bolotnik Oolt . Außer dem hat Jekaterinburg durch Maſchinen
und beſonders
ſowie durch
den Vortheil verbeſſerter
durch die Dampfmaſchine,
die Nähe von Moskau und Petersburg,
ein weiteres felb für vortheilhafte Anlegung von Ca pitalien.
Qumboldt berechnete vor dreißig Jahren , daß
damals die Umgegend des Ural fährlich halb ſo viel Gold
erzeugt habe,
Tagen ;
dagegen
als
Braſilien
in
einmal feit jener Zeit nur ben zehnten früheren
ſeinen
beſten
haben : die brafilianiſchen Bergwerke
Ausbeute gegeben ,
Sheil ihrer
und die Bergwerke des
154
Ural ſind jest bedeutend ergiebiger als damals , wo er jeine Berechnung machte... Sie geben jest wahrſchein lid) eben ſo viel Gold , und weit mehr,
als Braſilien je gegeben hat,
als dieſes Land, jegt erzeugt.
Aber
der Reichthum dieſes Bezirkes beſteht keineswegs nur in Platin , Gold und Silber ;: Giſen und Kupfer find für Privatbefiber vielleicht gewinnreicher als die koft baren Metalle. das
Es gibt
in der Nähe zwei wahrhaft königliche
Privatanſtalten . Die eine , ungefähr dreißig bis vier zig Werfte entfernt, gehört einem gewiſſen Safoblef in Petersburg, an verfügbarem Gelde vielleicht dem reichſten Manne in der Welt, und die andere, dreihundert Werſte " von hier , die wir aber nicht beſuchen konnten , einem Herrn Demidof, den viele unſerer Leſer perſönlich, noch mehre aber durch den Ruf ſeines rieſenhaften Reicha thums fennen , der aber bedeutend geringer iſt als das Vermögen des Herrn Jakoblef.
Die Anſtalt des Lega
teren iſt eine vollſtändige Stadt. Gr beſchäftigt mehre Laufend Arbeiter , die ſämmtlich Nahrung haben .
gute Wohnung und
Es gibt für ſte ein Hospital , eine
Kirche, mehre Schulen , eine öffentliche Apothefe, Geift liche, Aerzte , Schullehrer und ſehr gute Kaufläden jeder Art, die, ale bem .Befiger zugehörig., auf deſſen Koften erhalten werden.
Der Vorſteher des Ganzen
bezieht einen Fahrgehalt von fünfzigtauſend Kubeln , und das Wohlſein und die gute Verwaltung , die man
155
der Anſtalt anſieht,
find ein
ficherer Beweis ihres
Gebeibens , in Bezug auf den Beſchäftiger ſowohl als auf die Beſchäftigten.
Jakoblef hat mehre ſehr ergies
bige Goldwäſchereien, feine große Anftalt aber iſt eine Gifengießerei, die einen großen Theil des Landes ver forgt.
Die Anſtalt
deß Herrn Demidof beſteht in
Rupfer- und Malachitwerfen ; aus ſeinen Gruben kommt der größere Theil des Materials, auß welchem man die prächtigen Vafen "fertigt, bon welchen die Königin von England eine der ſchönſten vom Raifer zum Geſchenk erhielt. Dieſes ſchöne Material ift, fobald e8 Politur erhalten hat ,
wegen ſeiner Bärte und der Schwierig
Feit feiner Bearbeitung ein äußerſt koftſpieliger Gegen
+ ftand.
An Ort und Stelle berkauft man die rohen
Blöde das Pub für achthundert Rubel oder ungefähr eine Guinee das Pfund; aber es iſt kein Verhältniß zwiſchen dem abſoluten Werthe best rohen Metalle und den angefertigten Gegenſtänden , die felbft in Zefaterin burg einen ſehr hohen Breiß haben. Es iſt weder von beſonderem Nußen , noch eben leicht, die Maffen von Eiſen und Rupfer aufzuzählen , die man aus einzelnen Gruben 'gewinnt. . Die Ge= ſammtausbeute des Uralbezirke kann man jährlich auf zehn Millionen Puð veranſchlagen , wovon ein bedeu tender Theil aus den Bergwerfen der Fürſtin Butera kommt.
Eben ſo ſchwierig ift es , einen
durchſchnitt
lichen Werth anzugeben , da er fich weſentlich verändert;
156
mir wollen nur eine einzige Thatſache anführen , die und der Geſchäftsführer der Fürſtin , ein geborener Deutſcher, mittheilte, an welchen fie uns auf der Meffe in Nichnet im Jahre 1840 einen Empfehlungbrief gab . Bei unſerer Ankunft -fragten wir ihn, wie dieſes Jahr der Handel ginge , und er fagte uns , das Elfen hätte einen ſehr niedrigen Preis und es wären wenig Käu fer vorhanden ,
er ſei aber inforreit glüglich geweſen,
daß er feine ganze Ladung abgeſest hätte, allerdings zu niedrigem Preiſe, doch immer noch für achtmal hunderttauſend Rubel. Wie er hinzufügte, hatte ſein Mitberrerber, Herr Jakoblef, wenigftens für zwei Mils lionen Kubel Eifen auf dem Markte , aber noch nichts davon abgefegt, weil er auf den Preis von fünf Hubel für das Pub beſtand, während ber Marktpreis nur vier Rubel war ; fein ungeheuerer Reichthum " aber gab ihm bis zu einer gewiffen Ausdehnung ein Monopol, und es berſchlug ihm nichts , mit feinen Gelde bie nächſtes Jahr zu warten .
Man kann fich hiernach einen Begriff bon bein Reichthum einzelner Perſonen
machen , der aus einer einzigen Quelle entſpringt, die innerlich am wenigften werthvoll , aber in die Länge vieleicht wie einträglichfte ift. Von der Ausbeute der Kupferbergwerke des Herrn Demidof wird ein großer Theit in der Münze von Jekaterinburg zu Geld ge ichlagen .
Diefer Herr gewann im vergangenen Jahre
auch hundert Pub Platin ,
nach Abzug der fünfzehn
157
Procent, welche die Regierung, auch von dieſem
Metal ,
ſo gut wie vom Gold und Silber, empfängt.
G .;
Außer dieſen
Anſtalten
gibt es noch
verſchiedene
andere, die viele Arbeiter beſchäftigen , wie eine Manu factur zum Ladiren eiſerner Teller , Sheebreter und an derer Dinge; eine andere zum Boliren des Malachit und deſſen Verarbeitung zu Bierſachen , und eine große Anfalt zum Schneiden der Edelſteine, woran der Ural ſo reich iſt. Man hat es hierin zu einer Vollkommen heit gebracht,
die den Künftlern jedes Landes Ehre
madien würde.
Es werden hier Amethyfte , Topaſe,
Smaragde , und Diamanten gefunden ; Jaspis ; Achat, Porphyr,
verſchiedene Arten Marmor , obgleich bem
italieniſchen nadſtehend , Zirkon , verſchiedene Quarz arten und eine Menge anderer Mineralien , die durch die Politur äußerſt ſchön werden ,
find Stapelwaaren,
welche für Diejenigen , die mit ihrer Bearbeitung bea dhäftigt
ſind ,
einen bedeutenden
Gewinn abwerfen .
Man fertigt hier auch Asbefthandſchuhe, die mehr fünft lidh ale nüglich ſind ; fte werden gereinigt, indem man ſie wieder durch '& Feuer gehen
läßt. Auch eine Raz
nonengießerei gibt es in der Nähe,
obgleich man im
Adgemeinen das ruſſiſche Eiſen zu dieſem Zwecke nicht für ſo geeignet hält als das ſchwediſche. Die faiſerliche Regierung hat beſtändig einen Artillerieoffizier in Schmer den , der bei dem Bohren der Kanonen , wovon alljährs
1
158
lich ſehr viele aus dieſem Lande eingeführt werden , die Aufſicht führt. 4 Doch alle dieſe Anſtalten geben , außer Denjenigen , die wirklich darin beſchäftigt find, noch vielen anderen Menſchen Beſchäftigung, da die Materialien , wenn ſie auß den verſchiedenen Werfftätten kommen , zu allerlei Bedürfniffen verarbeitet werden müſſen . künftler aller Art: find mit Malen und Schnißen beſchäftigt, und auf dieſe Weiſe
wird unvermerkt Sinn für ſchöne
Künfte in das Land gebracht und der Ueberſchuß des Einkommen
auf Verzierung der Häuſer mit Dingen
des lurus und des feinen Geſchmad8 verwendet. Wir haben in Privathäufern von Jekaterinburg viele äußerſt foftbare Dinge geſehen ,
die jeden vornehmen Palaft
der Welt geziert haben würden, und die sämmtlich er: zeugniſſe der Stadt und ihrer Einwohner waren .
So
gering die Folgen der Verbreitung eines ſolchen Ges ſchmacks von
den Politikern auch
mögen ,
für unſere Perſon find geneigt ,
wir
geſchäßt
werden ihm
einen bedeutenden Einfluß auf die Geſtttung der Menſd heit und die Veredlung des Gemüthes zuzuſchreiben . Wohl iſt er allerdings kein Beleg eines hohen Grades von Gefittung, aber wo er allgemein fich fundgibt , bezeugt er wenigſtens,
daß man fortſchreitet.
Wenn
nur auf eine einzige Klaſſe beſchränkt, kann er ohne Zweifel mit dem tiefften Grade moraliſcher und geifti ger Ausbildung des Volkes verbunden fein ;
aber in
159 einer Stadt wie Jekaterinburg , wo die Stufen der Geſellſchaft nicht ſo ſtreng geſondert ſind: wie in den Hauptſtädten , halten wir ihn für ein gutes Zeichen . Er iſt ein Zeichen von Wohlſtand und ein
Beweie ,
daß Diejenigen , die ihm huldigen , mehr haben , ale für ihre phyſiſchen Bedürfniſſe nöthig iſt , und hin = länglich geftttet find, um ſich veranlaßt zu fühlen, den Ueberfluß auf
etwas Beſſeres
als
die Befriedigung
unedler Gelüfte zu verwenden . *** Im Mittelpunct der Stadt führt eine ſchöne Brücke von fünf Bogen über den Fluß , um welche die Haupt gebäude artig gruppirt ſind und in deren Nähe ein großer und ſchön befindet.
angelegter
öffentlicher Garten fich
Es gibt hier fünf Kirchen , ein griechiſches
Kloſter. und ein ſchönes mineralogiſches Muſeum .
In
der Nähe befinden fich einige Mineralquellen , die im Monat Mai von Irink- und Badegäſten reich beſucht werden .
Wir haben
nicht lange genug aufgehalten ,
uns
ſehr zahl hier
leider
um über die Gefell
ſchaft im Allgemeinen ein Urtheil fällen zu fönnen ; aber fie fou ſehr gut ſein . Wäre und nicht Allen daran gelegen geweſen , nach Moskau zu kommen , ſo hätten wir vierzehn Tage ſehr angenehm darauf ver wenden können , die verſchiedenen betriebenen Werke in der Nachbarſchaft zu beſuchen , deren einige dreihundert Werfte entfernt find. Nach einer zweitägigen Raft brachen wir nach Rae
160 fan auf, und fünfzig Werfte von der Stadt begann die Erfteigung des Ural; doch ba dieſer über einen Raum von achtzig. Werften fid, außbehnt, ſo iſt die Höhe, weil es nur almälig bergauf geht, nicht ſehr bemerk bar.
Die Kälte war bedeutend und der Weg gräßlich ;
ja wir waren, wie man uns fagte, in der erſten Nacht mehr als einmal in gefährlicher Lage geweſen . Die die Wege find auf beiden Seiten
Landſchaft ift gut;
von großen Wäldern eingefaßt , Stadt reichen , und überal ,
die bis dicht an die
mo fte gelichtet find , ift
das Land angebaut.
Die Rarawanen , die zur Meſſe
nach Srbit gingen ,
machten eben den Berkehr Tehr
lebhaft, und die Wege, die im Sommer vortrefflich find, waren jeßt in einem Zuſtande, der, wie wir veſt glau ben , auf der ganzen Erde ſeines Gleichen nicht hat. Durch den ſtarken Verkehr, ehe der Schnee gehörig veft geworden war, um den Schlitten Widerſtand zu leiſten, war die ganze Straße
in tiefe Furchen zerſchnitten ,
und die Fahrt auf einer folchen Bahn in einem Fuhr werk ohne Federn ,
mit einer Schnelligkeit, daß man
dritthalb geographiſche Meilen in einer Stunde zurüd legt, kann man leichter fich denken , als beſchreiben . Wann die Gerinne weit genug waren , daß die Taran taß auf den Grund kommen und die gegenüber liegende Höhe hinanfahren konnte, ſo ging es leidlich i rraren ſte aber eng, ſo daß die Pferde darüber hinweg ſprangen , dann fegte es wahrhaft gliederverrenkende Stöße; doch
161
wurden wir niemals umgeworfen.
Nachdem die Berge
glüdlich übernunden waren , kamen wir auf trefflichen Weg, aber das ganze Gelände ſdien mit Wald bebedt zu ſein.
Das Gouvernement Perm iſt ſeiner guten Straßen wegen ſprüchwörtlich geworden, da es faft durchaus eine macabamiſirte Chauſſee hat, aber gegen die natürlichen Hinderniſſe, die der Schnee erzeugt, gibt es keine Vers wahrung.
Die zweite Nacht ſchliefen wir in der Stadt
Stongur in einer trefflichen Wohnung. ein alter Tatarenſis , von welchem refte vorhanden ſind.
Am
Es iſt dieß
noch einige Uebers
folgenden Lage erreichten
wir die Stadt Perm und ſtiegen bei Herrn
Agarrof,
dem artigen und gaſtfreien Gouverneur ab, der früher in Das
gleicher Gigenſchaft
in
Gouvernenient , Perm
Archangel
geweſen
irar.
iſt eines der bevölkertſten
und am beßten angebauten in dieſem Theile des Reiches. Permt ſelbſt liegt am Kama und
iſt gut und regels
mäßig gebaut, obgleich alle Häuſer von Holz ſind, was für die Bewohner in einem ſo falten Klima äußerſt behaglich ſein muß. .
Go
treibt bedeutenden Handel
und hat ſehr viele Eiſen- und Kupferbergwerke in der Nähe. Unſer Wirth , Herr Agarrof, fand das Klima zwar ídledyt genug, doch immer noch beſſer als in
Archan
gel. Er erzählte uns, er wäre bort ſo ſehr von Rheu matismus gelähmt worden, daß er den Gebrauch ſeiner 11 Cottrea's Sibirien. II.
162
-
Glieder völlig eingebüßt hätte und an allen Gelenken ſeiner
Beine und
Arme mit Stücken abgeblätterter
Knochen bedeckt geweſen ſei.
Von allen Äerzten als
unheilbar aufgegeben, überließ er fich den Händen einer alten Frau , die ihn burd Magnetismus
wiederher
ſtellte; fte beſuchte ihn alle Morgen eine Stunde lang und ftrich die Theile leicht mit ihrer Hand , worauf fte in kurzer Zeit ihr natürliches Anſehen wieder an nahmen .
Er wurde, mie ung der Augenſchein über
zeugte, vollkommen geſund und erfreut ſich eines friſchen Greifenaltere. Sein Rammerbiener, fagte er uns, den er mit aue Archangel gebracht hätte, befäße magnetiſche Rraft in geringerem Grabe ale jene alte Frau , wäre ihm aber , ſo oft er einen Rückfall des alten Uebels fühle, von großem Nußen .
Wir erfuhren bieß ,
das Bild einer alten Frau ,
das
als
über ſeinem Tiſche
hing , unſere Aufmerkſamkeit auf fich žog, und auf un ſere Frage , men es vorſtelle, erwiderte er: ' ,, Das iſt ntéine Retterin ; " und theilte uns obige Anekdote mit. Wir hatten dieſem Gouvernentent faum den Rücken gefehrt ,
als die Wege wieder
wahrhaft abſcheulich
wurden ; es ſchneite, während ein heftiger Wind die Kälte ſehr empfindlich machte, und wir wurden in vier undzwanzig Stunden viermal umgeworfen ; zum Glück fonnten wir der fichlechten Wege wegen 'nidit ſchnell genug fahren , um beim Umwerfen Schaden zu nehmen . Wir tätten am Abend des 19. Januar in Raſan ſein
163 follen , aber wir mußten , weil gewiffe Verzeichen cines 'naheitden ,, Buran " * ) fich einſtellten, fünfundzwanzig Werfte davon entfernt in dem kleinen Dorfe Sabatina halten.
Wir ſchliefen in einer Bauerhütte bei einer
zahlreichen Roskolnifenfamilie, die ſich äußerſt wohl zu Defindent
und in welcher , to weit es mit den
dien
vielen Leuten , die unter einem Dache idyllefon , fich vereinigen ließ ,
der größte Anſtand
herrſchte.
Das
Bauptgemady war groß und in mehre Abſonderungen getheilt , jedenfalls beffer als eine frländiſche Barracke, no Männer ", Weißer und Kinder unter einander in ein und demſelben Bette liegen .
Wir Felber ſchliefen
bis Tagesanbruch ſehr veft auf einem
Tiſche und hat
ten dann nichts Elligeres zu thun, ale nach dem Wetter zu ſehen, das nichts weniger als vielverſprechend mar ; Doch als wir in die Wohnung des Generale famen , fanden wir ,
daß er fich hatte berichten laſjen ,
wir
würden glücklich nach Kafan kommen , obgleich mir darauf aufmerſam machten , der Wind im Dorfe könne in der Ebene zum , Buran " werden ; und unſere Bers muthung bewährte fich.
Sieben Werſte vor der Stadt,
ale wir ebon ihre Thürme ſahen , wurde auf
dem
*) Ein „ Buran “ iſt in der Landesſprache ein Wirbébe wind, der den fallenden Schnee mit jenem vermiſcht, den er vom Boden aufwühlt, ſo daß der Fuhrmann den Weg nicht ſehen kann, und wer ihm ausgeſégt iſt, wird oft ver: dyneit und muß erfrieren .
164 Winde , der auf dem ganzen Wege immer heftiger ge= worden war, was wir vermuthet hatten , ein ,,Buran ," obgleich es glücklidher Weiſe nicht mehr ſchneite.
Als
er den höchften Grab erreicht hatte , befanden wir uns am Rande eines Abgrundes , der, durch den Wind vont Schnee entblößt, fo glatt war , daß die Pferde kaum fußen konnten .
Zwei Tarantaffen waren ins voraus
gegangen , wir faßen in der dritten, und es ſchien, daß unſer 3åntſchir nicht eben ſehr gewandt war und daß einer von denen , die vorausfuhren , ihm ein Zeichen gegeben hatte , einen anderen Weg zu nehmen , menit er nicht umwerfen wollte ; aber er hatte nicht darauf geachtet, und ſo ſchlugen wir mit einem furchtbaren Stoße über,
doch glücklicher Weiſe auf der anderen
Seite 9om Abgrunde.
Unſer Fuhrwerf war bedeutend
beſcädigt und wir krochen heraus, in der Abſicht, den ſchledyteſten Theil des Gebirges , dus jeßt abwärt8 ging, zu Fuß zurückzulegen.
Doch kaum waren
wir ſechs
Schritt gegangen , als uns der Sturm zu Boden riß, und wir follerten nun , ohne uns Halten zu können , kopfs über den Berg hinab , mit der Ausſicht das Genič zu breden. Dabei herridhte eine fcyneidende Kälte . Durch einen glücklidhen Zufall frießen wir mit der Ferſe gegen einen Stein und kamen auf dieſe Weiſe endlich zum Stilſtand ; id hatte ben gut verloren , den der Wind in einem Augenblick meilenireit davon trug, und meine Stnice zerriffen , ſowie natürlich auch ihre Bedeckung.
165
-
68 war uns unmöglich, aufzuſtehen , und bergebene riefen wir nach Beiſtand ; der Wind fam ung entgegen , und unſere Gefährten konnten und weder Hören , noch augenbliclich uns
zu Hilfe eilen.
Endlich wurden
wir wieder in die. Tarantas gebracht und erreichten , während das Wetter immer ſchlechter wurde, die be rühmte alte Tatarenſtadt Kaſan ohne weiteren Unfall. GG ergab fid ,
daß die Stelle, wo wir umgeworfen
hatten , eine um einige Meilen fürzere
Durchſchnitt
richtung war, welche der „, Leufelsweg " hieß. Wir fuhren vor das ungeheuere Gaſthaus, mo wir unſere Wohnung nahmen ; ſeit wir Moskau verlaſſen, das erſtemal, daß wir nicht in einem Privathauſe abe ſtiegen , und waren nicht eben bekümmert , wieder eine mal allein zu ſein .
Raſan liegt an der Kajanka, und
ungefähr fünf Werſte davon auf der Weftſeite fließt die Wolga, ein großartiger, breiter und reißender Fluß. Von dem
Urſprung dieſer alten Stadt find
glaubhafte Berichte vorhanden ,
wenig
da eß vor der Ein
nahme durch die Ruffen mehrmale war erſtürmt und geplündert worden , und wenn ſeine Archive bei dieſen Gelegenheiten nicht ihren Untergang fanden , ſo nahmen die Einwohner fie mit fort, die vor den Siegern nach Turkeftan flohen ,
von wo ſie wahrſcheinlich ehedem
ausgewandert waren .
Es war ſchon lange vor ſeiner
leßten Eroberung den rufftfchen Fürften untergeben und von vielen Nuffen bewohnt gemeſen , die man bald als
166 Beſchüber , bald als Verbündete oder Feinde betrachtetë, je nachdem
die Sajaner bei den benachbarten Völfern
Unterſtügung fanden .
Im Jahre 1552 wurde es dem
Sznar Iwan Waſiljewitſch II. ſteuerpflichtig, und obgleich einige Sahre nachher Empörungen ausbrachen, fo blieb po dodh feit diefer Zeit fortwährend ein integrirender Thel Des rufftfchen Reid . Die Satarenmofcheert wurden dann gereiht; dad Boll ging zum Chriſtenthum über , ent weder mit Gewalt dazu gezwungen oder wahrſdeinlich weil jedes Bolt gewöhnlich den Glauben ſeiner Beſteger annimmt, und Kafan wurde ein Grzbisthum urid der Sts des Grzbiſchofs.
Im Jahre 1815. zerſtörte ein großes Feuer ,
mit
Ausnahme des Kremile und einiger Kirchen , faft die ganze Stadt, da die meiſten Häuſer von Holz waxen , ſo daß außerdent feine Spur der alten Stadt mehr übrig iſt.
Sie hat, wie wir ſchon früher bemerkt ha
ben, eine auffallende Aehnlichkeit mit Moskau , und ihre neue Schönheit iſt derſelben Urſache entſprungen einer vorhergegangenen Zerſtörung durch Feder. · Ihre Ausbehnung ift bebeütend, doch ba die Straßen breiter ſind als in Modkau, ſo ift ihre Bevölkerung um vieles geringer, gegen 65,000 , wovon ein Drittel Tataren find, die einen befondeten Stadttheil bewohnen , der je doch in ſeinena Heußeren den übrigen wegs nachſteht.
Theilen keines
Der Kreml ift von derſelben Geſtalt
wie der in Moskau , aber fleiner , und feht auf einer
167 Höhe, welche die Wolga überſchaut und den Zugang von der weſtlichen Seite beherricht. Ein großer Theil der Käuſer beſteht jegt aus Badſteinen und ihre Bau art iſt ſehr geſchmadvoll.
Die Unwerfität und die
Sternwarte ſind zwei ſtattliche Gebäude, und es gibt viele ſchöne Kirchen mit Kuppein von allen Geſtalten und farben wie in Moskau . , Kaſan rühmt ſich einer geiſtlichen Akademie , mehrer Schulen für die inges borenen wie für die Tataren, einer ſchönen Bibliothek, eines botaniſchen Gartens, kurz aller nüßlichen Anſtalten , die eine große Stadt bezeichnen.
Die Profeſſoren der
Univerſität gehören zu den ausgezeichnetften Perſonen in Rußland. Außerhalb der Stadt, auf der Seite nach Moskau , erhebt ſich ein ungeheuere
pyramidenförmige
Dent
mal, das der Kaiſer Alexander den Manen der Ruilen ſepte, die bei der endlichen
Vertreibung der Tataren
aus ihrem Khanat und ihrer Hauptſtadt den Tod fanden . Gå ħat rieſenhafte Verhältniſſe und macht, da es ver einzelt am Ufer pes Eindruck.
Flufſeß ſteht,
einen ſehr guten
Es gibt hier einen vortrefflichen Club, und
das Gaſthaug, worin wir wohnten, iſt eines der größ ten , wenn nicht dus größte von allen , worin wir je geweſen ſind. Die öffentlichen Zimmer ſind großartiger, als man fte erwartet, und viele derſelben in orjentaliſchem Geſchmad mit Divang ausgeſtattet und nach der Mode per tatariſchen Zeiten gemalt. Man findet zwei Billard
+
168
zimmer, Bäder und eine dazu gehörige treffliche Speiſee wirthſchaft, die ſehr beſucht zu ſein ſchien.
In einem
ganz anderen Zuſtande aber als der öffentliche Theil des Hauſes , befinden ſich die eigentlichen Fremdenzima iner, die ſo unbehaglich und ohne alle Einrichtung find , mie die gemeinfte Bierſchenke
in einer kleinen Stadt.
Ein elendes, ſchmuziges Lederfopha, ein einſamer Stuhl und ein Tiſch machen das ganze Geräthe auß .
Betten
find Gegenſtände, die alle ruffiſche Reiſenden ,
welche
folche Bequemlichkeiten zu ſchaben wiſſen , felber bei fiu führen , und ſelbſt in Moskau und Petersburg gibt und der Gaſtwirth auf die Frage , warum ſein Haus nicht beſſer eingerichtet ſei, die Antwort, daß es übers flüffig ſein würde, da alle Leute ihre Bedürfniffe mit: brächten. Die Schuld liegt ronach offenbar am Publicum , denn die Ausſtattung richtet fich nach dem Begehr, und mehr zu geben , wäre loſer Verluft.
für den Eigenthümer ein nuß.
In dieſes Gaſthaus, das in Kaſan noch
verſchiedene andere feines
Gleichen hat, kamen täglich
mehre Kundert Speiſegäfte. fluid Tataren und Raufleute ,
Ein großer Theil davon aber es kommen aud
Leute von anderem Stande, welche Geld genug beſigen, die Bequemlichkeiten zu bezahlen , die ſie finden ; aber fie haben keinen Begriff von dem , was wir Comfort nennen , und weniger Bedürfniſſe als Leute deſſelben Standes in jedem anderen Lande.
68 leben hier mehre zur Univerſität gehörige Gee
169
lehrte und die Geſellſchaft foll vortrefflich fein.
Gafte
freundſchaft, oder man fagt vielleicht richtiger, Liebe zu Gaftereien , herrſdit in ſo unbegränzter Ausdehnung, daß die meiſten der hieſigen
Vornehmen mehr oder
minder verſchuldet find. Der Handel mit Bokhara und ganz Turkeſtan ift Tehr bedeutend , Leder.
beſonders in rohem und verarbeitetem
Die Stiefel aus Kaſan , auß eingefepten bunt
farbigen Lederſtücken gefertigt , find im
ganzen Lande
berühmt, und nicht minder bekannt ift die hieſige auð Fiſchgräten bereitete Seife.
Stidereien in Gold und
Silber zu Mügen , Pantoffeln u. f. io. bildet einen anderen Artikel , der viele Arbeiter beſchäftigt.
Tuch
und Stahlmanufacturen find ebenfalls ſehr zahlreich. Salg und Potaſche find Stapelngaren , worin bedeuten der Handel getrieben wird, und die Provinz iſt meiſtens Die mittle reich an Korn und trefflich angebaut. Temperatur iſt dieſelbe wie in Moskau . Troß dem ſchlechten Wetter konnten wir nicht umhin, durch die Stadt zu jagen , da unſer Aufenthalt allein von deffen Dauer abhing , und wir , ſobald Befferung zu hoffen war , nach Niſchnei aufbrechen mußten .
G8
beluftigte uns , die Wirkung des Windes in den Straßen zu beobachten ; jeden Augenblick ſah man Fußgänger dahin kollern , die völlig außer Stande waren , wieder auf die Beine zu kommen , und mir wunderten uns, Daß unferer Droſchfe nicht ein gleiches Schickſal wider
170 jahr.
Wir wünſchten einen Profeſſor der Univerſität
zu beſuchen ,
einen jungen Armenier, der ſechezehn
Sprachen ſprechen ſoll und
gegen einige und bekannte
Engländer im vorigen Jahre äußerſt freundlid fich ges zeigt hatte, und da er eine bedeutende Strede von un ferem Gaſthofe pobute, ſo bekamen wir auf dem Wege nach ſeinen Bauſe einen großen Theil der Stadt, zu ſehen ; aber er war unglücklicher Weiſe bei sinem Gaſt mahl, das man dem Gouverneur , General Strefalon, in einigen Tagen nart . Petersburg, geben wollte. Weil unſer Aufenthalt wahrſcheinlich pur von kurzer Dauer war, ſo gaben wir nicht erſt unſere & m =
gab ,
der
bfehlungſdreiben ab, und er mar faſt eben ſo bald in Moskau als wir. Saran. iſt in ſeinem Aeußeren und in ſeiner Be völkerung pie orientaliſchfte Stadt ,
die wir geſehen
Þaben ; das Verhältniß der tatariſchen Einwohner und ienes der Kaufleute, die gelegentlich hierher kommen , ift gegen die eigentlichen Rufſen ſo groß, daß jeder Andere, dem man begegnet , burch eine uneuropäiſche Geſichts bildung und eine verſchiedene Eracht ſich auszeichnet. Am zweiten Tage unſeres Aufenthalte wurde das Wetter etwas günſtiger und wir brachen wieder auf. Der Weg war bis Nijchnei meiſtens, fehr gut , denn wir legten faſt die ganze Strecke auf der Wolga zurück, über welche eine Straße gebahut war ; die Entfernung
.
beträgt vierhundert Werfte, und wir erreichten Nid
171 nei
am
23. Januar. “
Da man
ung dte folgende
Strecke als ſehr beſchwerlich ſchilderte und ein heftiger Wind blies,
ſo blieben wir für dieſe Nacht hier , waa
une perſönlich ſehr lieb har , indem wir dadurch ge legenheit , fanden , den Gouverneur , General Buturlin ) zu Fehen, der ung im vorigen Jahre während der Meffe mit Freuudlichteiten überhäuft hatte.
Seine Gemahlin,
eine Baſe der Fürſtin Butera , war eben aus Peters , burg zurückgekehrt und mir hörten endlich einiges von dem , was während unſerer rechsmonatlichen Berbang ung fich zugetragen hatte. Nifonei und ſeine Meffe ift icon von Anderen fo gut und ausführlich beſchrieben worden , daß eine Wieder holung überflüſfig iſt.
Die Lage der Stadt iſt ſo
reizend , daß viele Leute bedauern , daß die Stelle nicht zu einer der beiden Sauptſtädte erwählt wurde, aber fie vergrößext fich fo ſchnell, paß fte in einigen Jahren eine der bedeutendſten Städte des Landes werden wird . Sie liegt auf einer anſehnlichen Höhe ; an ihrem Fuße vereinigen fich die Wolga und Oka und jenſeit derſelben wird die Meffe gehalten , mit welcher die Verbindung durch eine fehr breite Schiffbrücke hergeſtellt wird , die man im Winter, wann die Flüffe gefroren find , wieder wegſchafft. Vor fünf Jahren kam der Staiſer hierher, und ſeit dieſer Zeit find zur Verfchönerung der Stadt ungeheuere Gummen verwendet worden . Sie hat einen Kremi, der mit ſechshundert hölzernen Häuſern beladen
172 war, die fämmtlich niedergeriffen find ; man baut einen Palaft für den Kaiſer , eine Kathedrale und eine neue Kirche, die ſeinen Namen erhalten fou , einen neuen Rai und durchſchneidet alle Theile der Stadt mit Wegen , die ſehr nothwendig waren , indem man
um von einer
Seite des Berges auf die andere zu gelangen , einen bedeutenden Umweg machen mußte, der jegt durch einen großen Tunnel erſpart ift. --
In Niſchnei treffen breiunddreißig Wege zuſammen, ſo daß es den Abweichpunkt für den ganzen Verkehr mit dieſem Theile des Reiches , fomie für die Land : ftraße nach Aften bildet.
Es enthält 33,000 Einwoh
ner und wir zählten dreißig Kirchen . Es gibt in der oberen Stadt ein großes hölzernes Theater und ein anderes in der unteren , das während der Meſſe benußt wird, und der Gouverneur hat an beiden Orten einen guten
Palaft.
Die obere Stadt hat jedoch mit
der
Mefſe wenig zu ſchaffen , denn es wohnen hier weder Käufer noch Verkäufer, und Diejenigen , die, aus dem Drient fommend, mit ihren Handelégütern ihren Weg durch 'ſte nehmen, find faft die einzigen , die ſie betreten. Au' dieſe Leute werden in einem großen Bazar unters gebracht, den die Regierung vor zehn Jahren mit einem Aufwand von elf Millionen Rubel erbaute. Er bildet ein Viereck von ungeheuerem Umfang, das von den bere ſchiedenen Straßen in rechten Winkeln durchſchnitten ift. Ge herrſcht hier die größte Ordnung und Reinlichkeit;
173 rundherum befinden fich die Raufladen caden ;
mit ihren Ara
fte werden auf die Dauer der Mefe an die
Kaufleute vermiethet und der Pacht dient zur Abzahl ung des verbauten Capitals.
Unabhängig von dieſer
großen Anſtalt, wird eine kleine einftweilige Stadt vor hölzernen Häuſern errichtet , die nach Beendigung der Meſſe wieder verſchwinden, und daß nahe Dorf Kuna vina iſt ebenfalls mit Wohnhäuſern und der geringeren Klaffe von Handeldleuten angefüdt. Es gibt hier Kirchen und eine tatariſche Moſchee, welche der Regierung ge hört , ein Theater und eine vortreffliche Speiſewirth ſchaft aus Moskau , und die verſchiedenen Theehäuſer in der Art, wie man ſie in dieſer Hauptſtadt findet, gehören zu den merkwürdigften Erſcheinungen , die ei nem Fremden dort aufftoßen. Der Thee, der den wichtigſten Handeløartikel bildet, bat ſein beſonderes Departement; die Riften werden in cin lager am Fluſſe gepackt, ſobald ſie aus den Fahr zeugen kommen , was die wunderlichſten und unbehilf lichften Dinge ſind , die man je geſehen hat.
In dem
Jahre, wo wir dort, waren, wurde der Werth des Thee's auf ſiebenunddreißig Millionen geſdäßt und dieſe Meſje beſtimmt den Preis für den übrigen Theil des Jahres im
ganzen Lande.
Wie General Buturlin uns mit
theilte, waren auf der Meſſe von 1840 nach den offis ciellen Angaben, die jeder Kaufmann von ſeinem Vor eath geben muß , für 162 Midionen Waaren, wovon
174 für achtúndzitanzig Millionen unverkauft bliebent. Zehir Jahre früher, als die Weffe von Makarief verlegt irurge, hatte der hödyfte Waarennerth nur ftebenzig Millionen Þetragen . Gs ift äußerſt ſchwierig, die Zahl der Mens Fchen anzugebert, welche die Meffe beſuchen , da Manche ohne Paß itur auf einen Tag konímen und des Abende wieber Fortgehen nach den Paffen aber und demit Orod verbrauch ,' berechnete ſie der
General auf
Doch die Mejje beginnt den 25.
300,000 .
Julius alten Style
und dattert bis zum Septeniber, fo daß dieſe Menſchen mafle nicht zu gleicher Zeit bort verſammelt iſt , und mer in der Hoffnung nach Niſchnei geht, fich bort burd Haufen von Türken 'nüſſen , wird fich
oder anderen
Leuken Brängen zu
gewaltig getäuſcht Tehen.
Es hát
eher das Anſehn einer düimen Bevölkerung', als das Gegentheil; alle Geſchäfte werden im Inneren der Käufer abgemadyt und von der lebendigen lärmenden Verfeht, den man hier zu finden erwartet, wenn inan Bremner's Beſchreibung geleſen hat, ift faum eine Spur vorhants den .
8 wurde uns in Petersburg und Moskau ernit
lich abgerathen, nach Niſchnei zu geben , aber obgleid) wir gerade das Gegentheil von dem fanden , was mir gehofft hatten , ſo bereuen wir es doch nicyt , darnac) gegangen zu ſein . Die beißte Zeit ift Mitte Auguſt, vor welcher die Kararanen von Bokhara gewöhnlich nicht anfangen
und fle gehören für den fremden , den
* nicht der Gandel, ſondern die Neugierde hierher führt,
175
-
zu den Dingen , die ſeine Aufmerkſamkeit am meiſten in Anſpruch nehmen .
Die beiden - Artifel, welche die
Handelmaſſe bilden , find Thee und Eiſen , und es iſt nicht ſonderlich intereſſant, viele
Tauſend Riften
des
einert und Millionen Barren de anderen auf einander gehäuft
und auf Räufer warten zu ſehen.
Andere
Gegenſtände aller Art werden in Gewölben verkauft, bie den Kaufläden in großen Städten beveutend nach ſtehen, und Güterballen , die aus einer Niederlage in die andere geſchafft werben, bekonimt man nicht einmal zu ſehen . Es geht jekt von Moskau ein Cilwagen auf einer neuen Chauſſee, und iras die Wohnung anlangt , ſo darf der Reifende nidt viel Geräth verlangen und et Der beſte
trird hinlängliche Bequemlichkeit finden .
Gaſthof ift der Brücke gegenüber in dem unteren Theile der Stadt, aber es gibt noch verſchiedenie andere. Bazar ift , es verboten , in
Im
den Häuſern nach elf Uhr
Licht zu brennen , und es iſt auf die Uebertretung die fer Heilſamen Verordnung eine ſchwere Geldſtrafe geſetzt. Das Gefes wird aber von vielen Leuten verleßt, die hölzerne Fenfterladen habent, welche der Patrulle ,
bie
um dieſe Stunde die Nunde macht', um zu ſehen , ob Ades finſter ift, bas innerhalb brennende licht verbergen . -Es ift dieß , da man vor Feuer fo große Furcht hat, ein ſehr weiſes Verbot.
Früher durften keine Lichter
gebrannt werden , aber der Kaiſer hat neuerlid den
176 Gebrauch berſelben bis zu dieſer Stunde geſtattet , um den Kaufleuten etwas Zeit zu gönnen , ihre täglichen technungen abzuſchließen . Gine andere berundernswerthe Einrichtung trägt nicht wenig zur Geſundheit und Reinlichkeit des Ortes bei.
Der ganze Bazar iſt auf Gewölben gebaut , in
welchen fich ungeheuere Abzüge befinden , und an der Ede jedes Vierecká ſteht ein großer Thurm mit einer Thüre, zu welcher jedes Haus einen Schlüſſel hat, mit deſſen Hilfe man herabſteigt in den unterirdiſchen Tem pel der Cloacina ,
und ein alter Soldat , der unten
Wache hält, fteht auf Drdnung und Reinlichkeit.
Wir
rathen dem Reiſenden, die Meſſe zu beſuchen , fich bei einem Kaufmann einzuführen , der ihn beherbergt, und ſeine Betten mitzubringen , er wird fich dann, ſelbft in einem Gaſthauſe der oberen Stadt oder dem Dorfe Kunavina , ganz wohl befinden ,
aber wir rathen ihm
auch, ſeine Erwartungen nicht zu hoch zu ſtellen , was meiſt die Urſache iſt, warum
die Menſchen ſo häufig
getäuſcht werden . Unſer kurzer Bericht iſt nicht poetiſch wie jener, den Bremner gibt, aber in praktiſcher Kin ſicht, als Führer, wird man ihn richtiger finden. Wir haben vielerlei geſehen und vielerlei Beſchreibungen ge leſen , ſehen aber am Ende, daß nichts über eigenes Ur theil geht , beſonders in unſerer krittelnden Zeit , wo nüchterne Schriftſteller die Peterskirche ein großes archi tektoniſches Verſehen ohne allen Eindruck" nennen .
-
Am Morgen be nach Moskau auf ,
177 vierundzwanzigſten brachen aber Wege ,
wir
Pferde und Wetter
waren ſo ſchlecht, daß wir auf der zweiten Station fünfzehn Stunden liegen bleiben mußten .
Die Poſt
häuſer ſind hier ohne Ausnahme vorzüglich, und in den meiſten findet man eine Niederlage ber in ganz Rußland berühmten Mefferſchmiedwaaren von den Bauern des Grafen
Scheremetief .
Wir kauften verſchiedene
Gegenftände dieſer Art, die ſeitdem in beſtändigem Ge brauch geweſen ſind und in ihrem Ausſehen ſowohl, wie in ihrer Nußbarkeit den engliſchen nicht nachſtehen . Die Bauern verfertigen fie natürlich nur in geringer Menge, ſeken aber dennoch auf der Meſſe von Niſchnei einen ziemlichen Vorrath ab ; : ihr Preis beträgt nicht ein Drittel von dem, was ſie in England koſten wür: den .
Bei den Bauern oder Leibeigenen dieſe8 reichen
Edelmanns fällt uns ein , daß er , wie allgemein bes fannt , vielen der reichſten in Petersburg die Freiheit angeboten hat, dieſe aber das Geſchenk nicht angenom men haben. : Sie und ihre Väter vor
ihnen
waren
ihm eigen und fie fühlen kein Berlangen , eine Dienſt barkeit aufzugeben, die nur noch dem Namen nach vor banden iſt, mit welcher aber manche auch einem wirf lichen Schuße entſagen müßten .
In der Nähe von Wladimir wurden die Wege beffer, und von hier nach Moskau fuhr es fich auf der -neuen Chauſſee vortrefflich . Cottrell's Sibirien. II.
Wir hielten daſelbſt zur großen 12
178
Freude , der ganzen Geſellſchaft
am Abend des 27.
Januar geſund und wohlbehalten unſeren Ginzug, wir für unſeren Theil mit Gefühlen der Dankbarkeit , daß wir eine ſo lange und beſchwerliche Reiſe glücklich zu rückgelegt hatten und von derſelben gnädigen Vorſehung, ohne deren Zulaſſung kein Sperling zu Boben fällt, in ſo manchen Gefahren beldhüßt worden waren . Was aud Underen auf der Reiſe durch dieſes große Reich widerfah ren mag, wir für unſeren Theil haben nie die geringſten Schwierigkeiten gefunden, einen Paß zu bekommen , und äußerft felten die Erfahrung gemacht, daß man uns burch Verzögerung oder Schererei Gelb zu erpreſſen ſuchte.
Außer in Moskau haben wir nie einen Beller
für unſeren Paß oder » podoroschnac bezahlt, was in ber Ihat ein und daſſelbe ift. Kapitän Jeſſe behauptet, ein ruſſiſcher Edelmann brauche keinen Paß ;. wir müſſen dagegen einwenden , daß dieſer To gut wie jeder Andere einen nöthig hat, und nach ſeiner Steiſerechnung fönnte er diejenigen , die nie hier gereiſt ſind, zu dem Glauben verleiten , als ſei
für den Podoroſchna eine
ich were
Gebühr zu entrichten, während man bei Deſſen Gmpfang nur für jedes Pferd zwei Ropefen auf die Werſt vor ausbezahlt, alſo natürlich auf der ganzen Reiſe immer zwei Kopeken weniger gibt. Erlangung von Pferden
Wer in Bezug auf die
auf gut
braudt gar keinen Podoroſchną.
Glüc reijen
mil ,
Wie wir boffen , ift
aus unſerer Beſchreibung hervorgegangen , daß wir über
179 dieß von Beamten ſowohl, als von Privatleuten ftet: mit der größten Aufmerkſamkeit und Gaſtfreundſchaft behandelt wurden .
Dhne Zweifel verdankten wir dieß
zumeiſt der Artigkeit des Fürſten Dmitri Goligin , der uns ſehr zuvorkommtend für den größeren Sheil unſerer Reiſe mit Empfehlungbriefen ausſtattete, die ftets auf's pünktlichfte beachtet wurden und uns immer neue verſchafften .
Eine Reiſebeſchreibung ift wirklich ein
Stüd Geſchichte des Landes, von welchem fte handelt , und ſo untauglich der Reiſende auch ſein mag ,
die
Gelegenheit zu ergreifen , Ereigniſſe mit Talent : und Ginſicht zu erzählen, ſo iſt er doch nicht zu entſchuldigen, wenn er die Wahrheit opfert.
Wir können kein an
deres
als das Motto ,
Verdienft beanſpruchen ,
das
Rapitän Jeſſe ſeinem Titelblatte vorgeſegt hat – „ nicts zu verringern und nichts in Orod zu ſchreiben , " praktiſch befolgt zu haben.
Wenn unſere Anſichten den
feinigen widerfprechen , ſo können wir nur ſagen , daß fte nicht in vorgefaßten Meinungen befangen und das Srgebniß unſerer perſönlichen Erfahrung find.
Zwei
Menſchen können dieſelben Dinge nicht in einem und demſelben Lichte ſehen , und günſtige Eindrücke von ei nem Lande und einem Volfe müſſen natürlich die Folge einer günſtigen Aufnahme ſein . Geſchmeichelte Eigenliebe gibt oft
unbedeutenden
Dingen eine Färbung , die fie außerdem nicht erlangt haben würden , aber viel Häufiger noch verleitet beleidigte 12 *
180
Eitelkeit zu einer falſchen, und unwidfürlich auch un gerechten. Anſchauung.
Es iſt uns häufig begegnet,
daß Reiſende, die mit uns an demſelben Orte lebten, in ihrer Anſicht über Menſchen und Dinge ſo verſchieden von der unſerigen abwichen, daß wir oft daran gedacht haben , wie das nicht reiſende Publicum , wenn jeder ſeine Reiſen beſchreiben wollte, in Verlegenheit ſein würde , aus
den unvereinbaren Angaben von Leuten ,
die fcheinbar gleichmäßig befähigt find , eine genaue Beſchreibung von einem Lande zu geben , ſich von dies ſem einen Begriff zu machen. Es iſt daher nöthig zu wiſſen , mit wem der Schriftfteller umgegangen iſt, welche Mittel zur Erlangung von Berichten ihm zu Gebote ftanden ,
oder ob mit ſeiner Aufnahme oder
ſeinen perſönlichen Vortheilen irgend
Umſtände vers bunden find, die vielleicht ſeine Gefühle einnehmen oder
ihn hindern können, die Dinge zu ſehen , wie fte ſind. Noch lächerlicher aber iſt es , ein Buch mit einem bes ſonderen Zweď zu ſchreiben , ſei es geſellſchaftlich oder politiſch ; dieß kann man auch thun , ohne die eigenen Penaten zu verlaſſen , und es wird vielleicht eben ſo richtig werden , ohne daß eß Andere ſo leicht täuſchen kann . Was die Maſſe der Leſer und die Recenſenten von einem Buche halten , ſollte für einen unabhängigen Schriftſteller wenig Gewicht haben, da verhältnißmäßig ſo wenige von dieſen beiden Parteien befähigt ſind, aus dem, mas ihnen ſeither von dem Gegenſtande ſeines
181 Inhalts bekannt war , ein richtiges Urtheil zu fäden. Sie können über ſeinen Werth
höchſtens nach dem
augenblicklichen Intereſſe urtheilen , das fte bei'm Leſen empfunden haben , und inſofern feine Anſichten mit den ihrigen und mit denjenigen übereinſtimmen ,
die ,
ob
richtig oder falſdy, auch anderen über dieſe Sache bei: wohnen möchten.
„ Magna est veritas et praevalebit“,
iſt ein Sprüchwort, das früher oder ſpäter fich geltend machen wird ,
und wie erfolgreid die Kunſtgriffe der
Herausgeber und Verfaſſer die öffentliche Meinung für den Augenblick auch leiten mögen, die Zeit, jene mäch tige Ausgleicherin , wird jedem Werfe das Zeichen aufs drücken , das es verdient. In Bezug auf Bücher über Rußland müſſen wir die Bemerkung machen , daß in den meiſten neuerer und in denjenigen, die im leßten Jahrhundert geſchrie ben wurden , eine auffallende Verſchiedenheit des Tones herrſcht.
Core , Wrarall und andere Schriftſteller
dieſer Klaſſe, von welchen wir vorausſeßen fönnen , daß fte eben ſo befähigt find, über den Zuſtand des Landes zu urtheilen, mie neuere Reiſende, ſcheinen in der Bes ſchreibung deſſelben einen ganz verſchiedenen Ton ans genommen zu haben . Wir wiſſen , daß Engländer jeßt wie ehemals bort freundliche Aufnahme finden ,
und
wir ſind eben ſo veſt überzeugt, daß Rußland ſeit jener Zeit auf der Stufenleiter der Geſittung nicht zurüde gegangen iſt.
Wie geht es dann zu , daß die Anfichs
182 ten ,
die das Publicum natürlich nur nach dem fico
bildet , was es lieſt, ſo verſchieden find ?
Kommt es
vielleicht daher, weil feßt die Schriftſteller darauf auge gehen, einen ungünſtigen Eindrud hervorzubringen, da im Gegentheil fte früher nur niederſchrieben , waß fie dort ſahen und fühlten ?
Wir können nach der gräns
zenloſen Bosheit; womit Viele gegen Rußland fich ge äußert haben, deren Aufnahme fte zu einer ganz anderen Sprache hätte veranlaffen ſollen , uns nur wundern , daß
Engländer hier noch einen fo guten Empfang
finden , und wir wiſſen, daß viele Leute in Petersburg und Moskau eine gewiſſe Scheu haben, ihre Gaſtfreunds ſchaft gemißbraucht und übel vergolten zu fehen .
So
wenig Einfluß die öffentliche Meinung im Allgemeinen hier auch äußern mag , ' ſo wiſſen wir doch , daß alle Klaſſen ,
von den Höchften Perſonen abwärts ,
nichts
weniger als gleichgiltig gegen das Urtheil find , daß von Reifenden über fie gefällt wird, befonders von fols then ,
die ihre Anſichten der Preſſe übergeben .
Man
darf nicht vergeſſen, wie unwillig wir waren , als der Fürſt Püdler faft in demſelben Lone über England drieb , wie unſere rufftfchen Reiſenden über Rußland zu ſchreiben pflegen .
Hätten wir nicht mit Wahrheit
und zu Gunſten des Landes fchreiben fönnen , fo hät= ten wir nie zur Feder gegriffen ,
obgleich mir nicht
Anſtand genommen haben , zu tadeln , wo wir 18 no thig fanden .
183 Man hat Moskau die Stadt der Mißvergnügten genannt, ein Name, den es in feiner buchſtäblichen Bedeutung auf keine Weiſe verdient ; denn nie hat eine Hauptſtadt ihre Loyalität auf herzlichere Weiſe an den Jag gelegt, als dieſe alte Metropolis im Jahre 1841 , bei dem Beſuche des Kaiſero mit dem Gefarewitſch und ſeiner jungen Braut. Aber es iſt der Sit des alten Reichsadele , unterſchieden von den betitelten Empore kömmlingen , die ihren Rang ohne Zweifel oft wirk: lichem Verdienſt, zuweilen aber auch bloßer Hofgunft verbanken.
Viele ,
die den Staatsdienft verlaſſen und
durch dieſen Sdritt etras von den Vortheilen ihrer Stellung in Petersburg eingebüßt haben , welche nach bem Range abgemeſſen werden, der mit dem wirklichen Dienſte verbunden iſt , ziehen es vor , in Moskau das unabhängige Anſehen zu genießen, wozu ihr Reichthum und ihre erblichen Würden ſie berechtigen. Einige, die in Ungnade gefallen find, ſuchen hier eine Zuflucht vor der Geringſchäßung, welche die Geſellſchaft nur zu gern Diejenigen fühlen läßt, die das Borrecht verſcherzt haben, fich in dem Sonnenſcheine der kaiſerlichen Gunft zu wärmen, eine Darlegung kleinlicher Seelen , die ſich nur auf den Bezirk des Palaſtes beforänkt und auf: hört, ſobald ihr Gegenſtand die Gränze der kaiſerlichen Reftdenz überſchritten hat.
Eine
andere Klaffe der
gaſtfreundlichen Geſellſchaft Mobkaus beſteht aus Leu ten , die reich genug find, allen ihren Neigungen genugs
184
zuthun, aber doch nicht ſo reich , um es mit dem
rie
ſenhaften Reichthum und der üppigen Lebensart Ders jenigen aufnehmen zu können ,
welche an der Spiße
der ſchönen Welt von Petersburg ſtehen.
Es foll das
mit nicht geſagt ſein , daß es in Moskau nicht viele Leute gibt ,
die ſo reich find ,
wie ihre Nachbarn in
Petersburg ; doch der bloße Reichthum , wenn er nicht mit einem amtlichen Range verbunden iſt, läßt fte an bem einen Orte nur als Ziffern in der Geſellſchaft gelten , während er fie an dem anderen in den Stand fest, eine ausgezeichnete Rolle in der Welt zu ſpielen . Aber es gibt auch Einige , die ,
bei allen Vortheilen
erblicher und amtlicher Würden und ungeheuerem Reichs thum obendrein , dennoch Moskaus Unabhängigkeit vors ziehen, wie der Fürft Serge Goligin , in jeder Bedeuts ung des Wortes einer der großen Herren Europas. Auch ift es eine ſehr paſſende Zuflucht für Diejenigen , die durch übertriebene Verſchwendung in Petersburg in Schulden gerathen find und nun einige Jahre ſpas ren wollen , um dann wieder auf dem Schauplaße zu erſcheinen, den fte auf kurze Zeit verlaffen haben .
Moskau ift
überdieß
auch
die
Pflanzſchule der
Schönheit, aus welcher die Schönen der heranwachſen den Generation hervorgehen ,
und von hier ſtammen
die lieblichften Erſcheinungen unter den Ehrendamen der Kaiſerin.
Unter den unverheiratheten jungen Das
men in Moskau gibt es unvergleichlich mehr Schönheit
185
ale in Petersburg, während dagegen die verheiratheten Frauen in dieſer Stadt über den Sieg bayontragen .
ihre
Oleichen in jener
Wer nicht in Petersburg ges
weſen iſt, kann fich keinen Begriff von dem ren Aufwand
ungeheues
und dem Wetteifer Derjenigen machen,
welche die Ehre haben , die kaiſerlichen Majeftäten zu bewirthen .
Bei
ſolchen
Gelegenheiten iſt kein Opfer
zu groß , um bei einem Fefte , das die Raiſerin durch ihre Gegenwart verherrlichen ſoll,
etwas Glänzenderes
zu leiſten als die Vorgänger, und die Folgen find auf viele Weiſe verderblich.
Dieſe außerordentliche Aus
gabe wird in Moskau vermieden , Geſellſchaften
beigerrohnt haben ,
obgleich wir hier
die in irgend einer
Stadt außer Rußland nicht ſo leicht übertroffen wers den können.
Die Folge iſt , daß an dem einen Orte
Alles für eine einzige Gelegenheit aufgeſpart wird, an dem anderen aber jeder Abend diefelben Feftlichkeiten bringt.
Während des Carnevals in Moskau nahmen
glänzende Bälle und Concerte kein Ende.
In Peterse
burg gibt Jedermann zu, daß man oft nicht weiß, wie man den Abend zubringen ſoll;
in Moskau aber ift
das nie der Fall , und ſei es eine große Abendgeſells ſchaft, oder nur ein Kreis von einem Dußend Leuten, Etwas gibt es immer. Daſſelbe ift es mit Gaftmählern ; gewiffe Leute
haben
an beſtimmten Tagen für ihre
Freunde offene Tafel, und man erhält die freundlich ften Vorwürfe, tvenn man von dieſer wirklichen Gafte
186
freundſchaft keinen Gebrauch macht.
Mag dieſe Sitte
unſeren Begriffen von engliſcher Hauseinſamkeit auch noch ſo ſehr zuwiderlaufen , fte iſt jedenfalls ſehr ans genehm , und ſte kommt weber , wie es bei uns der Fall ſein würde, mit Familieneinrichtungen in Streit, noch brauchen Diejenigen , die ihre Freunde empfangen, ohne fte vierzehn Tage vorher förmlich eingeladen : zu haben , ihre Zeit oder ihre Häusliche Bequemlichkeit zu opfern.
Die gewöhnliche Itſchzeit ift zwiſchen vier
und fünf,
und jeder Gaſt hat um ſieben Uhr wieder
das Haus verlaſſen ,
oder ,
wenn nach der Mahlzeit
Spieltiſche hereingebracht werden , uhr.
ſpäteſtens um acht
Seber kennt die Sitte des Hauſes , daß er bes
ſucht, und überſchreitet nie die gewöhnliche Stunde, fo daß es . dem
Kausherrn und feiner Gattin ſtets frei
ſteht, die prima sera zu beſuchen oder häusliche Be ſchäftigungen vorzunehmen , bis die Zeit der Abendge wie er den ſellſchaften komint. Rapitän Jeſſe war : Lobenswerthen Muth hat zu bekennen om ein ſolcher Neuling in den Regeln
veſtländiſcher Sitte ,
daß er
feinen Wagen um zehn Uhr beſtellte, um ihn von ei nem Gaſtmahle abzuholen, das wahrſcheinlich ſpäteſtens um fünf Uhr feinen Anfang nahm. wollen zu Abend effent,
Die Engländer
wo fte Mittag machen ,
und
ſchlafen, wo fte zu Abend effen. Daher kommt es zum Theil,
daß die Geſellſchaft überall beſſer iſt als in
England , weil fte von Denjenigen , die ihr Haus Öff
187 nen , kein fo großes Opfer" von Mühe und Zeit vers langt .
Moskaus Theater find gut , obgleich nicht zu ver gleichen 'nit jenen der anderen Hauptſtadt; auch wet den fie ,
bei beſonderen Gelegenheiten au @genommen ,
nicht ſo häufig beſucht. muſtfaliſch .
Die Moðkauer Welt iſt ſehr
Während der brei Monate,
die wir hier
zubrachten , hatten wir Gelegenheit, außer vielen Pris vatconcerten , zu gleicher Seit die Heinefetter, die Pafta , Bodha, Biſchof und den Geiger Ole Bull und mehre ausgezeichnete deutſche Künſtler zu hören, die Ade eine goldene Ernte machten . Außerdem gibt es hier fortwährend Zigeuner, und die hieſigen ſind die berühmteſten in Rußland.
Die
Muſik dieſer Spielleute iſt das Außerordentlichſte, was man fich denken kann , und man muß fie : Hören , fie' gehörig würdigen zu fönnen .
um
Ste ift fo wild und
eigenthümlich wie die Leute ſelber, und wird von uns gefähr zwanzig Perſonen beiderlet Geſchlechts in der urthümlichen Tracht aufgeführt und mit den rundets lichſten Geberben und Gaukeleien begleitet.
&& ift faft
unglaublich, welche ungeheuere Geldſummen fie fich vets dienen ; die jungen Moskowiter bringen , auf ihre Mu fik lauſchend , ganze Abende in ihren Häufern zu und berſchwenden an fte in einer einzigen Nacht manchmal mehre Lauſend Rubcl. Zuweilen läßt man biefe Mus ſikanten auch in Privathäuſer kommen .
Wir hörten
188 fte in
dem
glänzenden Palafte eines der zahlreichen
Fürften Goligin .
Sie fingen in ihrer Zigeunerſprache,
und es ift unſtreitig die ſeelenrührendfte Melodie , die man hören kann . An ihrer Spiße ſteht ein Anführer, der Ade8 zu leiten hat ,
und man fagt, er habe das
Anerbieten ausgeſchlagen , für fünfinalhunderttauſend Rubel mit ſeiner Geſellſchaft auf ein Jahr nach Paris zu gehen ; daraus ſteht man , was fte daheim erwerben müſſen .
Es wäre da ziemlich auf die Perſon tauſend
Pfund gekommen. Muſikaliſcher Sinn iſt dem ganzen ruſſiſchen Volfe eigen ,
und in keinem Lande ift Straßen- und Dorf
muſik po gewöhnlich ; jeder Bauer ſingt, Jemtſchik jubelt ſein Lied ,
und
und jeder
ſo einförmig dieſe
Weiſen gewöhnlich auch ſein mögen , ſo liegt doch eine beſondere Anmuth
und Harmonie darin.
Da eine
große Anzahl ruſſiſcher Wörter mit Vokalen endigt und die Sprache in ihren Tönen viel Abwechſelung hat, ſo ift fte zur Mufte ganz beſonders geeignet , ob gleich das heimiſche Talent nur geringe Ermunterung findet
und
Rußland
daher
nur
wenig
bedeutende
Muſiker hat. Moskaus unmittelbare Umgebung iſt im Sommer ſehr anmuthig, und ſobald die Sonne den winterlichen Schnee geſchinolzen hat , auf's Land .
In
eilt die ganze Bevölkerung
Petrof& ki,
einige Werfte
von den
Mauern , verſammelt ſich vorzugsweiſe die feine Welt,
189
-
und den Feften in der Stadt folgen Beluftigungen im Freien.
Oftern iſt
eine Zeit großer Feftlichkeiten
und Vergnügungen , und die folgenden vierzehn Tage wird
mit demſelben Eifer . getanzt wie während des ſich alle
Carnevals ; find dieſe verſtrichen , ſo rüſtet Welt
zum
Landhäuſer
Aufbruch , in
um zu
der Nähe
lichen Feierlichkeiten
zu
verreiſen , beziehen .
oder
die
Die kirch
in der heiligen Woche und die
Oſtergebräuche find in Moskau äußerſt volksthümlich . Faſt Jedermann beobachtet das ſtrengſte Faſten , bis in der Nacht des Sonnabends die zwölfte Stunde ſchlägt, und Diejenigen , die minder gewiſſenhaft ſind,
ſpeiſen
dann , des böſen Beiſpiels wegen , wenigftens nicht zu Hauſe . Die Kirchen find während der ganzen Woche mit Andächtigen angefüllt ; die meiſten Leute gehen zur Beichte, nehmen das Abendmahl und erfüllen die ans deren Pflichten ihrer Religion.
Am leßten Abend fins
det eine glänzende Proceſſion nach der Kathedrale deg Kremle ſtatt, und mit dem Schlage der mitternächtigen Stunde werden plöglich alle Kirchen wie durch einen Zauber äußerlich erleuchtet, während gleichzeitig alle Oloden der Stadt ertönen , um der Welt die frohe Botſchaft von der Auferſtehung zu verkünden . In dies ſem Augenblick ift, mit Ausnahme der Bettlägerigen, die ganze Bevölkerung auf den Beinen , um der Mits ternachtmeffe beizuwohnen und Freunden und Bekann ten zu dem
frohen Greigniß Olück zu wünſchen.
Je
190 der füßt ſeinen Nachbar, vom Raiſer bis zum gering ften Bauer, und begrüßt ihn mit den Worten : ,, Christos cres - woskreſs !“ Chriſtus iſt :erſtanden ! Die Sitte der gegenſeitigen Begrüßung ohne Unters fdzied des Geſchlechten kommt bei den Höheren Ständen , in vertrauten Kreiſen auêgenommen , almälig aus der Mode ; im Bolte aber herrſcht fte noch , wie ehemale, in voller Kraft.
So ift bedauerlich , daß dieſe charaf
teriſtiſchen Volf& thümlichkeiten auf das alles abgleich ende Gebot der Verfeinerung außer Gebrauch kommen ſollen . find
Sie werden einmal
wenn ſie eß noch nicht
die einzigen Merkmale ſein , wodurdo fich ein
Volf von dem anderen unterſcheidet ,
und wir können
keinen Grund abſehen , warum die ganze Welt unter ein und baffelbe Maß der Sitte und Mode gebracht werden ſoll. Die Feier eines für die ganze Menſchheit ſo wichtigen Ereigniſſes , wie die Auferſtehung , rects fertigt einen ſolchen ungewöhnlichen Gebrauch, und es iſt kein Ziveifel, daß die große Mehrzahl bei der Sache fich begeiſtert fühlt ,
was nicht mehr der Fall ſein wird,
wenn die alte , volfethümliche Gitte , die dieſes Gefühl hervorruft ,
den
falten
Förmlichkeiten
berechnender
Schidlichkeit weicht. Vor einigen Jahren trat der Rais ſer am Morgen des Oſtertages aus dem Palafte und begrüßte die Schildwache mit dem gewöhnlichen ,, Christos woskreſs.“ „ Nein , Sire ", erwiderte der Soldat. ,, Was
191 meinft Du ?" ſprach der Raiſer. ,, Sire , ich bin ein Iude“ , lautete die Antwort. Wir verließen Moskau am 19. April alten Style oder Quaftmobo -Montag, wie er im rufftſchen Kalender heißt, und bei der Erinnerung an die große Freund lichkeit und Gaſtfreundſchaft, die uns Jedermann erwie ſen hatte, und bei der Ungewißheit , ob wir je in dieſes ferne tand zurüdfehren würden , nahmen mir mit gro Berem Bedauern von ihm Abſchieb , als je von einer anderen Stadt." Petersburg fanden wir bei
unſerer
Ankunft in den Vorbereitungen zur Vermählungsfeier dre Ceſareritſch.
}
Elfter Abſchnitt. Bemertungen über rufiirde 3 uſtände.
Unſere Pilgerfahrt durch dieſes ungeheuere Reich iſt beendigt, und man wird uns hoffentlich zugeſtehen, daß wir eben ſo viel Gelegenheit gehabt haben , über die äußeren und ſichtbaren Verhältniſſe aller Klaſſen uns ein Urtheil anzueignen , als die meiſten unſerer reiſen den Vorgänger.
Man ſollte es ſich bei dem Beſuche
fremder Länder zu einer hauptſächlichen Aufgabe machen , einige Kenntniſſe von ihnen zu gewinnen und zwiſchen dem fremden und dem eigenen moraliſchen und phys ftſchen Zuſtande einen Vergleich anzuſtellen. Doch wir halten e8 für einen falſden Grundfaß, die ganze übrige Welt nach unſerem Ideal zu beurtheilen, ohne die Ver ſchiebenheit der Umſtände, der Gefühle und der volf thümlichen Gebräuche zu berückſichtigen , und gerade in dieſen Fehler verfallen ſo viele, indem ſie alles ſchmähen , was uicht wie in der Heimat iſt , als ob mit dem Schlage eines Zauberſtabes Länder und Völker nach den Anforderungen dieſer Herren ſich umgeſtalten könnten . Alles in der Natur befindet ſich in einem Zuſtande all mäligen Ueberganges , aber er iſt eben nur allmälig , nicht plößlich , und um der Vollkommenheit ſo nahe
193
als möglich zu kommen , muß man langſam und mit Vorſicht gehen. England iſt in ſeinen bürgerlichen und ſtaatlichen Einrichtungen allen anderen Staaten voraus geeilt , aber nur deßhalb , weil es früher
als fte den
Grund gelegt hat , zu deffen Emporwachſen eß langer Jahre bedurfte .
Wäre zur Zeit der Königin Eliſabeth
irgend ein Land uns ſo weit voraus geweſen , als wir ießt anderen voraus find , ſo hätte ein Optimiſt ſich eben ſo lächerlich gemacht, wenn er hätte vorſchlagen wollen , man ſollte mit einem einzigen Sprunge fich auf jenen Standpunct ſchwingen, als die Schriftſteller unſerer Zeit, wenn fte denſelben Schritt in Bezug auf Rußland in Vorſchlag bringen .
Zu der Zeit , von
welcher mir ſprechen, und noch ein Jahrhundert ſpäter, war Rußland kaum aus der Wildheit emporgetaucht; wie kann man alſo verlangen , daß einhundert Jahre ihm Früchte getragen haben ſollen , die zweihundert Jahre brauchten , um für uns zur Reife zu kommen ? Aber ſein Fortſchritt muß in der That ſchneller fein ale der unferige , denn wir waren
beim Tode der
Königin Maria viel weiter vorgeſchritten , als Rußland bei der Thronbeſteigung Peter's des Großen .
Unter
dieſer einzigen Herrſchaft wurde mehr für das Land gethan , als irgend ein Jahrhundert für uns gethan hat.
Man muß auch bedenken , daß der Anfang eine
große Schwierigkeit hat.
Ift man zu einer gewiſſen
Stufe gekomwen , ſo wird jeder Schritt leidyter und 13 Cottrel's Sibirien. II.
194 ſchneller, und hat einmal eine öffentliche Meinung fich gebildet, ſo
werden ihre Ergebniffe unmerflich und
täglich wirkſamer.
Dieß iſt die Schwierigkeit in Rum =
land und der Mangel , woran das Land leidet. Auch das vollkommenſte Syſtem
der Gefeßgebung
und die eifrigſte Verwaltung der Geſeke wird
nicht
hinlänglich ſein , wenn nicht der Verlegung derſelben ein moraliſches Brandmal aufgedrückt iſt, und die Ges ſammtheit, die mit der Vollziehung nicht8 31 thun hat, nicht ein Intereſſe dabei fühlt und freiwillig ſich an ftrengt, Gelepübertretungen zu verhüten .
Strafen ha
ben , wie bereits geſagt, nicht die Wirkung gehabt, von Verbrechen abzuhalten , wie ſtrenge fte auch ſein mochten ; es fragt fich, ob es nicht der Mühe werth ſei, für ein gewiſſes Gut fich der Gefahr auszuſeßen , ein ungewiſſes Uebel herbeizuführen , und da die Wahrſcheinlichkeit zu Gunſten der Strafloſigkeit iſt, ſo haben Geſeße in der That keine Kraft mehr.
Es iſt eben ſo mit den Oes
regen , welche die geſellſchaftliche Verfeinerung in wer : ſchiedenen
Ländern auflegt.
Wo
es
leichte und bes
ſtändige Verbindungen mit anderen Völfern gibt und ſelbſt mit Fremden aus
demſelben Bolfe,
ba merden
dieſe Verfeinerungen ſchnell verbreitet, und die Frage, was Andere von der Vernachläffigung derſelben denken werden , hat die Folge , daß man fte allgemein befolgt. Wo aber die Entfernungen ſo groß find und der Mangel an Verkehrmitteln von der Art iſt, daß in
-
193
demſelben Reiche eine Stadt ganz abgeſondert von der anderen iſt , als ob Meere fie trennten , und nur ein einziges Mufter der Oefittung gilt, zu welchem alle hinauf- und über welches niemand hinausblickt, da wird kein Fortſchritt gemacht, weil Niemand einen Zweck Hat, ihn zu machen .
Man erleichtere die Verbindung durch
Straßen und Dampfboote, und bringe auf dieſe Weiſe Petersburg in die Nähe von Odeſſa, ſo werden in ſehr furzer Zeit die Sitten der einen Stadt von der andes ren angenommen werden .
Hier aber zeigt
fich
eine
andere große Schwierigkeit , mit welcher Rußland zu kämpfen hat. anders als
Seine Größe macht es unmöglich , dieß thun . Wie wir glauben ,
allmälig zu
find außerordentlich viele Verfeinerungen des Lebens bereits eingeführt , daß es
an einigen
und fehlt.
wir Es
habern
nicht
darüber
iſt schade ,
daß der
Schriftſteller , auf welchen wir oft hingedeutet haben , nicht weiß ,' was einſt dem Kaiſer Alerander an der Tafel in Tilfit begegnete ,
während er mit Napoleon
unterhandelte, er türde jonft die Gelegenheit fich nicht Haben entgehen laſſen , ihm einen Naſenſtüber zu geben, um ihm zu zeigen , wie in ſeinen Anſichten von An ſtand ein engliſcher Edelmann ihm überlegen ſei.
Der
Kaiſer bewirthete alle ausgezeichneten Perſonen, welche zu jener merkwürdigen Zeit in Tilfft waren , und es traf fich, daß die rufftiche Suppe, „ Bidwinia“ genannt; aufgetragen war , an welcher wahrſcheinlich nur aus 13 *
196 Gewohnheit die Leute Geſchmack finden , die man aber allerdings leicht ſchmachaft zu finden lernen kann . Der Kaiſer fragte ſeine Gäfte, wie ihnen das Gericht ſchinecte, die meiſten fanden es als echte Göflinge föftlich , gleich es ihnen ſchwer wurde, auch nur einen einzigen Löffel voll hinunter zu
bringen.
einen angeſehenen engliſchen
Zulegt fragte er
Edelmann , wie er die
Suppe fände ; „diablement mauvaise, votre majesté im periale!“ war die aufrichtige, Antirort.
aber
minder
höfiſche
Die Wirkung des Verkehrsmit Fremden auf das Volf, ift nirgend auffallender als in Rußland.
Leute,
die gereiſt ſind , zeigen fich ſehr verſchieden von dens jenigen, welche die Fremde nicht geſehen haben, befons ders in ihren Vorurtheilen für alles Rufitſche. Gefühl,
das achtbar iſt,
Dieſes
wenn es in den gehörigen
Gränzen bleibt , wird bedeutend vermindert durch die Berührung mit Fremden, und ſie erlangen einen höhe ren Maßſtab für. Trefflichkeit.
Dieſes Nationalgefühl
iſt unter der Geſammtheit der Ruffen weit ſtärker, als man glauben könnte , ba fte aus ſo verſchiedenen Ele: menten beſtehen, beſonders in den höheren Klaſſen, die nicht echte Ruſſen find.
In den unteren Volksklaſſen
iſt es ein veſter Grundſaß, daß fie allen Völkern übers legen ſind und daß ihnen fein fremder Sauerteig zul = gelegt werden müſſe.
Es herrſcht die ſtärffte Eiferſucht
gegen jede folche Einmiſchung , und eine Abneigung,
197
Nußen davon zu ziehen , wie groß auch der Vortheil fein möge . Es wird eben ießt eine Eiſenbahn zwiſchen Peters burg und Moskau gebaut , welche verſchiedene Seiten zweige erhalten und bis nach Niſchnei - Nowgorod und Raſan geführt werden ſoll, dem äußerſten Puncte in jener Richtung, wo fie für eine lange Zukunft großen Nußen bringen wird.
Wir zweifeln ſehr, ob ſie als
Speculation gelingen werde oder nicht. Schnelle Waaren fortſchaffung iſt nicht ſehr wichtig in einem Lande, mo der heimiſche Markt beſchränkt iſt und der Ausfuhr handel nur vom April bis October geführt wird. Dazu kommt, daß die Entfernungen , aus welchen die große Maſſe der ſchweren Handelsartikel herbeigebracht wird, ſo bedeutend find, daß jährlich nur eine einzige Ladung ankommen kann ; es iſt daher von geringer Bedeutung, die Zeit ihrer Fortſchaffung von Peter& burg nach Mob = fau um einige Tage zu vermindern , und fie fönnen auf Eiſenbahnen nicht wohlfeiler fortgeſchafft werden ale jeßt durch die
gewöhnlichen Verkehrmittel.
Die
Reiſenden zwiſchen den beiden Städten find nicht zahle reich genug, eine Eiſenbahn einträglich zu machen, und fte fann es nirgend werden , wo fte Hauptſächlich von Reifenben abhängt .
Der ſchlechte Zuſtand der Eiſen
bahn zwiſchen Petersburg und Zardfoe -Selo , welche eine außerordentliche Menge von Reiſenden hin- und zurüdbringt, wird die Frage über jene große Eiſenbahn,
198 inſofern Rußland dabei betheiligt ift, entſcheiden .
Der
große Vortheil derſelben wird darin beſtehen, daß ſie die beiden Hauptſtädte einander näher bringt und Einſicht und Bildung unter Leuten verbreitet, die jest wenig von einander wiſſen.
Es iſt ein großer Vorſchritt in der
Geſittung und wird
in dieſer Beziehung eine gute
Wirkung haben , ſelbft wenn die Actien keine Divis dende geben. Wir laſen neulich eine Bemerkung in Wilfinjon's ,,Sitten und Gebräuche der Aegypter ", welche und als ſehr treffend erſchien , daß nämlich Bölfer ſorrohl als Individuen alt werden .
Rußland hat einen Vortheil
vor allen anderen europäiſchen Völkern , nämlich die Jugend ; die Kraft und die Hilfsmittel, welche in jener Lebensperiode die Individuen haben ,beſigt Rußland, und die Zeit wird fie allmälig hervorloden und reifen, in einem Augenblice, wo , wie es bas 2008 aller Vilfer zu ſein ſcheint, einige ihrer Zeitgenoſſen abgeblüht ha ben und dem Alter mit ſeinen Gebrechlichkeiten fich zuneigen .
So ungereimt es daher iſt, wenn Schrift:
ſteller den Rufſen den Vorwurf machen , daß fite nicht ſo weit vorgeſchritten ſind , alb einige
andere Völker,
ſo iſt es doch noch abgeſchmadter, zu glauben , daß fich ihr gegenwärtiger geſellſchaftlicher Zuſtand nie verbeſſern werde.
Die Manufacturen find erſt ganz neuerlich er:
muntert worden , und man bemerke die Fortſchritte, die Das ruſftide ſie ſeit zehn Jahren gemacht haben.
-
199
Manufacturweſen hat den außerordentlichen Daß e
Vortheil,
erſt ſpät mit anderen in Mitbewerbung getres
ten iſt , und es beutet nun als ſein eigenes Capital die Erfahrung Anderer aus und findet die Maſchinen fertig, die in England mit jahrelanger Arbeit und uns geheuerent Geldauslagen zur Vodkommenheit gediehen find. Rußland ſteht nidyt ftill und fann nidt ftia fiteben ; ſo wenig als irgend etwas in der Natur , ob gleich, es langſamere Fortſchritte, als einige ſeiner Nach barn machen mag . Die Volksmeinung , verlangt keine raſderen Fortſchritte, und daher gibt es kein Verlangen nach Reform.
Es gibt dort Freunde der Reform und
Unzufriedene wie überall , aber es gibt keine Einheit der Abſicht und feinen beſtimmten Gegenſtand , auf welchen ihre Beſtrebungen gerichtet wären. Selbſt über den Gegenſtand , in welchem
vor allem Anderen eine
Veränderung zu wünſchen iſt , den Zuſtand der Leibs eigenen , ſind nicht
zwei Perſonen gleider Meinung ,
weder in der Art , fte zu bewirken , noch darin , wie weit : ſie gehen müſſe.
Der Kaiſer iſt
derjenige , der
wirklich eine Veränderung wünſcht, keineêwege, aber die Gbelleute, und die Beſorgniß, daß er mehr thun werde, als fie wünſchen,
und ihnen
ihre Vorrechte rauben
könnte , hat ihm die Zuneigung einiger Grundeigen : thümer entfremdet; andere haben freiwillig ihren Bauern die Freiheit gegeben ; einige haben fte angeboten, aber man hat bie Gabe nicht angenommen . Dieſe Maßregel
200
muß allmälig ausgeführt werden oder fte wird für die eine Klaffe ſo verderblich wie für die andere ſein . && find uns Fälle bekannt, daß Landeigenthümer ihren Bauern die Freiheit angeboten haben, als dieſe aber uns terſuchten, was aus ihnen nach ihrer Freilaſſung wer den würde , und die Entdeckung machten , daß fie forts während ihr Brod auf gleiche Weiſe erwerben oder verhungern müßten , wollten fie lieber in ihrem alten Freiheit hat in der That keinen
Zuſtande bleiben .
gefunden wird,
Werth für fte , menn fte nicht darin
daß die gegenwärtigen Eigenthümer ihrer Güter beraubt werden und dieſe den Bauern in die Hände fallen . Die Kronbauern, die frei find , zählen jeßt 22 Millionen, obgleich eine engliſche Zeitſchrift im vorigen Jahre dieß leugnete.
Wir haben im vorigen Frühjahr in Peter
burg die Angabe bewährt gefunden.
Es ift kein uns
bedeutender Theil einer Bevölkerung , die nicht über 60 Millionen beträgt. Ein anderer, weit wichtigerer Schritt wurde zur Zeit der Vermählung des Großfürften gethan , um je nen Zwed zu erreichen , den man aber zu jener Zeit in Rußland nicht völlig verſtand und würdigte , und den natürlich Rußlande Verläumber in England nie beachtet haben.
Bei jener Gelegenheit
wurde durch
einen Ufas die Dienftzeit des gemeinen Soldaten ,
die
früher 25 Jahre geweſen war , auf 10 Jahre herabs gefeßt.
Nach Verlauf dieſer Dienſtzeit fod der Solbat
201 die Wahl haben ,
in ſein Dorf als freier Mann zu
rüdzukehren und von ſeinem Berdienft zu leben, oder fich unter die Kronbauern einſchreiben zu laſſen. Auf dieſe Weiſe werden mit der Zeit alle Bauern frei werden.
Dieß wird aber eine moraliſche Wirkung und eine weit wichtigere auf die geſellſchaftlichen Verhältniffe det Landes haben , als die dadurch erlangte namentliche Freiheit.
Ein Soldat, der im achtzehnten Jahre durch
die Conſcription für eine fünfundzwanzigjährige Dienft zeit weggenommen wurde, hatte feine Ausficht, je in ſeine Heimat zurückzukehren ; es war gegen alle Wahr ſcheinlichkeit, daß er jene Zeit überleben werde, und er wurde daher verdroffen und hatte mit einem Worte feine Zukunft. der
Niemand ſteht niedriger auf der Stufenleiter
Gefittung
Quartier ,
als ein rufftſcher
audgenommen
Soldat in
ſeinem
den Gehorſam gegen ſeine
Oberen und die ſtrenge Mannszucht,
und es gab auf
einem Gute nichts Beſchwerlicheres als einen Menſchen dieſer Art , der heimkehrte mit allen Laftern und bös ſen Gewohnheiten, die er während feiner Dienftzeit in Feldlägern und vielleicht in Tſcherkeffien angenommen hatte.
In dem Augenblice, wo ein Menſch angetror
ben wurde, konnte ſein Herr nichts Beſſeres wünſchen , als daß er nie zurückehren möchte. Er hatte allers dings eine Seele verloren, wie die Ruſſen fagen , aber dieß war ein unbedeutender Verluft gegen den Nache theil ; - jemand
zurückzuerhalten,
der fünfundzwanzig
202 Jahre ein Laugenichts geweſen war . Wenn dagegen jeßt ein junger Mann im ſechzehnten oder achtzehnten Jahre geworben wird ,
ſo hat er die Hoffnung,
im reiferen
Alter Heimizukehren ; zehn Jahre ſind kein ſo entferntes Ziel und er hat eine Anregung, während ſeiner Dienſt geit ein anſtändiges Leben zu führen , weil er die Früchte davon , am
Ende ſeiner
konnte nicht leicht eine
Dienſtzeit
ernten kann .
Es
Regierung eine weiſere Maß
regel ergreifen ; fte wird allmålig
das Syſtem
der
Leibeigenſchaft verändern , eine höhere Sittlichkeit unter die Soldaten bringen und auf alle Fälle den Vortheil haben , ſte nur: zehn
Jahre , flatt fünfundzwanzig, der
Anſteckung böſer Beiſpiele audzuſegen. Der Landeigen thümer wird gewinnen, weil ein beſſerer Unterthan auf feine
Güter zurückehren wird als unter dem alten
Syſtew ; und ob er täglich für freie Arbeit einen lohn geben muß , oder der Gefahr ausgefeßt ift ,
ihn einen
ganzen Winter bindurch zu füttern , wenn das Brod eren raungerpreis hat, kann keinen großen Unterſøied für ihn machen , und die Veränderung wird wahrſchein lich zu ſeinem Vortheil ausſchlagen.
Viele kurzfichtige
Menſchen haben die Veränderung des Syſtems getadelt, weil ſie es nur auß einem Geſichtspunete betrachteten , der für den Landeigenthümer nachtheilig zu ſein ſchien , daß fte nämlich öfter nach der zehnjährigen Dienſtzeit gezwungen ſein würden, einen neuen Beitrag zur Con feription
zu
geben ,
und , fie überſaben
gänzlich
die
203 Wohlthaten, die für die Gefammtheit aus der Maßregel hervorgehen müſſen . Dieß und die weite Ausbreitung der Volkserziehung, die im ganzen Reidye ſtattfindet, muß auf die Geſammt heit des Volfes wirken, und wir halten den angenoms
iframe
menen Erziehungplan
für beſſer als den preußiſchen .
Die Schulen ſtehen zwar unter der Leitung der Re gierung, wie in Preußen , aber es fteht Jedermann frei, Gebrauch davon zu machen .
Vortheile mancherlei Art
werben Demjenigen angeboten , der fte benußt, aber die Benußung wird nicht durch Strafbefehle eingeſchärft, und keine Einmiſchung des Gefeßes macht fte zu einem
Banega
by
Swange.
Die höheren Klaſſen in Rußland find ſo
gut erzogen , als in irgend einem Lande von Europa, und die wohlhabenderen Kaufleute wetteifern jeßt darin, ihren Kindern alle ! Vortheile einer
guten
Erzichung
zu geben. Die tiefe Stufe
des moraliſchen Zuſtandes des
ruſitiden Volkes iſt vorzüglich der Unwiſſenheit der
apricho
Prieſter zuzuſchreiben .
friday
großer Fortſchritt gemacht werden , ſo lange es nicht
G8 kann in dieſer Hinſicht fein
eine höher ſtehende Klaſſe
der Geiſtlichkeit gibt, nicht
eine Klaſſe, die ſo hoch über ihren Heerden ſteht, daß fte den Einfluß Serliert , den ſte jekt auf dieſelben ba ben , ſondern die e8 verſteht, ihnen eine vernünftigere Leitung zu geben .
In keinem Lande hat die Religion
einen größeren Einfluß
auf die Volkemaſſe
ale in
204
Rußland ,
aber e8 iſt der unbernünftigſte und unges
reimtefte Aberglaube, beffen ganze Wirkſamkeit in For men beſteht und ber keine guten Folgen für die Sitt lichkeit der Gläubigen haben kann. Ehe ein Ruffe ein Verbrechen begeht , ſei es ein Mord oder irgend ein anderes, fängt er damit an , fich zu befreuzen und ein beſtimmtes kurze8 Gebet auszuſprechen , indem er oft einen Segen auf das Dpfer herabruft, das er im näch ften Augenblice furchtbar verflucht, ehe er es dem Tode weiht.
Die Religion aber ift eine große Staatama
ſchine,
die auf mancherlei Weiſe nüglich wirft.
Sie
ſchärft die tieffte Ergebenheit gegen die Perſon des Raiſers und ſeine Familie ein , und dieſes Gefühl ift der einzig wirkſame Beſtandtheil derſelben.
Der ges
meine Bauer glaubt, der Kaiſer fönne nicht unrecht Handeln , der in ſeinen Augen eine Perſonification der Gottheit auf Erden iſt und in der That weit mehr von ihm berehrt wird .
&& fann gewiß
nicht der
Wunſch der höheren Klaſſen ſein, dieſen Zauber zu ver mindern ; aber dieß würde auch nicht nothwendig und auf alle Fäde nicht unmittelbar die Folge ſein , wenn man den Anfichten über religiöſe Gegenſtände einen höheren Charakter geben wollte, als einige Gebete zu murmeln und eine gewiſſe Zahl von Faſttagen während des ganzen Jahres zu beobachten.
Wir halten es für eine ganz
falſche Meinung, welche einige Schriftſteller über Rus land ausgeſprochen haben , daß nämlich das Volf und
ot come
71.1
205 das Geer mit dem Raiſer und ſeiner Dynaftie unzua frieden feien , fte fühlen im Gegentheil eine allgemeine Begeiſterung, welche, wie wir glauben, in keinem Lande ſo ausgezeichnet iſt , und die man ſehen muß , um fic zu begreifen. Sie hat ſich während der Regierung des Raiſers Nifolaus bei vielen Gelegenheiten gezeigt und ift, wie es ſcheint, allgemein und ganz aufrichtig. Wir haben bereits unſere Anſicht über die in allen Zweigen der Verwaltung herrſ( hende Beſtechlichkeit ſtark aufgeſprochen .
Dieß iſt das Geſchwür in der Verfaſſ
ung , das jeden anderen Theil derſelben befleckt.
Man
bat alles Vertrauen auf die Rechtspflege verloren , weil Jedermann weiß, daß ein Urtheil in neun Fäden unter zehn mit Rückſicht auf die gewinnende
Partei gegeben
wird, welche die höchften Beamten beſtochen hat. Koſten
und Verzögerungen
ſind zu groß ,
Die
als daß
man fich bei allen Gelegenheiten an die höduſte Quelle wenden könnte, und wäre es auch möglich ,
ſo würde
das Uebel in den unteren Regionen doch nicht beſeitigt werden.
Die Bolf& meinung muß hier einwirken alle
anderen Verſuche , die Krankheit zu heilen , find ver geblich.
Es iſt auffallend , daß des Kaiſers bekannter
Wunſch , dem Uebel zu wehren ,
ſo ganz unwirkſam
geblieben iſt. Nirgend wird der Ton und das Beiſpiel des Hofes ſo ſehr beachtet, als in Rußland , und dieſem
37 4:29 Umftande kann man die Sittlichkeit aller Hofdamen der Kaiſerin zuſchreiben.
Wo die geringſte Verlegung des
206 fittlichen Anfanbe8 ftattfindet, würde man ſie serachten und ahnben , und die natürliche Folge davon iſt, daß Ades, 'was vorkommt, ganz geheim geſchieht, und inſo fern wird der äußere Anſtand nicht verlegt.
So viel
aber ein Fremder nach dem Hörenſagen urtheilen kann, ſo möchten wir ſagen , daß dieß in Vergleichung mit anderen Hauptſtädten günſtig für Petersburg ſpricht, wiewohl man nicht leugnet, daß unter einer anderen Kaiſerin Katharina die Sitten der Höflinge wieder fo. zügello8 werden würden , als fle vor ſechszig Jahren maren .
Bei der Wirkung , welche die Wünſche und
das Beiſpiel der kaiſerlichen Familie haben , iſt es aufe fallend, daß dadurch nicht etwas mehr Ehrlichkeit und . Redlichkeit unter den Behörden bewirkt wird.
Man findet unter den echten Ruffen noch ſehr alte und wahrſcheinlich morgenländiſche Gebräuche verbreie tet, und ſie fcheinen dort veſter geivurzelt zu ſein als unter einem anderen europäiſchen Volfe. Man waſcht fich ganz auf dieſelbe Weiſe, wie es die alten Aegypter, die alten Griechen und Römer thaten , und wie es noch bis auf dieſen Tag bei den Mohammedanern Sitte iſt. Sie können fich jedoch der Reinlichkeit der Anhänger Moham med'e in
Allgemeinen nicht rühmen , und obgleich der
Gebrauch der Bäder häufig iſt ,
ſo iſt dieß doch nicht
Alles, was für nothwendig gehalten wird. Unſer Reifes gefährte, ein fehr gutes Mufter eines vornehmen Ruſ fen , beluftigte uns anfänglich durch die Art , wie er
207 feine Abwaſdungen vornahm , als er aber nach einiger Zeit es verſuchte, uns zur Nachahmung zu bewegen , erregte er un8 Efel.
Der Beiſtand des Diener8 iſt
nothwendig, um das Geficht zu waſchen , gewiß aber halten ſie viele Dinge , die wir für die Toiletté ver langen , für unnöthig.
Die erſte Verrichtung iſt, die
Hände zu waſden , wozu kein Waſchbecken oder etwas. Aehnliches nothwendig iſt.
Man feßt fich auf einen
Stuhl und auf einem anderen gegenüber ſteht ein Bes hältniß, gleichviel welches , für das Waſſer; der Herr nimmt dann ein Stüc Seife, über welches ſein Diener zwei- oder dreimal Waſſer gießt, bis die Hände hinlänglich rein zu ſein ſcheinen , worauf der Diener ein Handtuch zum Abtrocknen reicht.
Dann kommt das Geſidit an
die Reihe. Man läßt ſich wieder Waſſer in die hohlen Hände gießen , die man ſo veft zuſammenpreßt, daß ſie Gin Theil des ſo waſſerdid )t als möglich werden . Waſſers wird getrunken und im Munde behalten , das übrige aber über das Geſicht gegoſſen .
Hat man dieß
zwei- bis dreimal wiederholt, ſo wird der Vorderfinger in den Mund geſteckt und die Zahnbürſte baburch er feßt. Der Mund wird dann ausgeſpült und die Toi lette iſt fertig. Jeder Ruſſe trägt ein Amulet , das ſeinen Schuß heiligen vorſtellt, wie die alten Aegypter, Etrusker und Römer hatten .
Es wird nie unter irgend einem Vors
mande abgelegt und um den Hals auf der bloßen Haut
..208
getragen .
Man ſchreibt ihnen alle Wirkungen zu , die
es im Alterthume hatte , nämlich das böſe Auge und Mißgeſchick überhaupt abzuwenden .
Man
glaubt zu
wellen , daß fie Vorzeichen geben, und die Andächtigen glauben , daß fie die Wirkung haben , den Träger zur Tugend und Weisheit aufzumuntern. Es find noch viele Vorurtheile füblicher Länder in voller Kraft, z . B. daß es glückliche und unglüdliche Tage gebe , daß die Begegnung eine
Prieſters oder eine
Schweines auf
einer Reiſe etwas zu bedeuten habe , und viele Abges ſchmacktheiten , die ſeit alten Zeiten ihren Einfluß auf das Volk behaupten. Das Spiel iſt die Herrſchende Leidenſchaft unter allen Klaſſen von jedem Alter in Rußland .
Hohes
Spiel iſt nicht gewöhnlicher als andermärts ; aber ade ſpielen Karten- und Glückſpiele, doch nie
ſahen wir
Würfel oder Roulette. Wir ſind überzeugt , daß die Mehrzahl der Ruſſen ein ſo hohes Ghrgefühl hat und ſo ehrlich ſpielt, als ihre Nachbarn , aber leider haben bekannte Fäde vom Gegentheil , die vorgefommen find, ihnen im Auslande einen ſchlechten Ruf gegeben , den wir im Ganzen für höchſt ungerecht halten . Die öffent liche Meinung aber hemmt auch hier nicht.
Es gibt
Leute von hohem Range , welche mehr als verdächtig ſind , daß fte betrügen , und doch meidet fie Niemand oder weigert fich , mit ihnen zu ſpielen.
Dieß iſt auch
der Fall in anderen Dingen, auf welche mit deutlichen
209 Worten hinzuweiſen unnöthig iſt, und ſonderbar , daß Perſonen , die durchaus nicht fähig ſein würden , ſelber ſo etwas zu thun, und ſolche Vergebungen für eben ſo abſcheulich halten , als es in irgend einem Lande der Fall iſt, doch nie ihre Mißbilligung dadurch verrathen , daß fte die Bekanntſchaft mit Menſchen meiden , die in dieſer Hinſicht berüchtigt find.
Ohne eine moraliſche
Hemmung dieſer Art, die geſeglichen Verfügungen Ge wicht geben könnte ,
wird es ganz unnüß ſein ,
Ver
brechen vorzubeugen oder Mißbräuchen abzuhelfen , und ohne eine größere Freiheit der Preſſe kann eine ſolche Hemmung nicht ftattfinden.
Einige Artifel in einer
allgemein verbreiteten Zeitung würden mehr unehrbare Menſchen beſchämen , als die Furcht vor Strafe je ab idreden wird, und vorzüglich in den höheren Klaſſen, wo die Reform ihren Anfang nehmen muß.
Dieß ift
ein Schritt, der nothwendig einer Veränderung in dem Syſtem der Verwaltung vorhergehen muß und ihr den Weg bahnen wird, ſobald die Gingeborenen fähig ſind, fte aufzunehmen.
Dieß iſt in
der
That eine weit
wichtigere Frage, als ob die Miniſter dem Fürſten allein oder auch dem Volke verantwortlich ſind.
Man führe
eine Voff @meinung ein und fte werden ihm verants wortlich ſein , ohne einen Ufas oder ein Gefeß, das fte dazu verpflichtet, und die Politik der Regierung wird dadurch geleitet werden , ftatt Diejenigen zu leiten , zu deren Vortheil fie angenoinmen ift. Cottrell's Sibirien , II.
14
210 Es iſt ſehr ſchwierig, eine richtige Anſicht von dem Finanzguftande in Rußland zu gewinnen .
Die darüber
abgelegte Redhen daft ift von der Art , daß fie feines wegs eine richtige Anſicht von der Einnahme oder Aus gabe geben könnte.
Gø läßt fich nicht bezweifeln , daß
die Einnahme ſteigt und fortirährend ſteigen wird, aber der große Nachtheil beſteht darin, daß ein großer Theil der Staatsſchuld nicht wie in England die Sould des Volfes iſt, wo derjenige, der mit der einen Band die Steuern bezahlt , mit der anderen , ſeine Dividende er hält. Die Schuld wird im
Auslande gemacht und ein
fteter Abfluß des umkaufenden Geldee geht aus dem Lande, um die Zinſen und natürlich
zulegt auch das
Kapital zu bezahlen . Auf dieſe Weiſe wird der Ertrag der Old-
und Silbergruben in's Ausland verſchickt,
ftatt im Inlande im Umlauf zu ſein , obgleich Ruß lande Ausfuhr gewiß Qäufiger in bagrem Gelde be zahlt wird, als die engliſche . Die großen Hemmniſſe des ruſſiſchen Finanzweſens find das Heer und die Seemacht, welche die Hälfte der Staatseinfünfte verſchlingen. (8 fann in der Finanza vermaltung keine große
Verbeſſerung gemacht werden ,
bevor man nicht Einſchränkung im Heere gemacht hat, und es iſt ſehr unwahrſcheinlich , daß dieß in irgend einer Ausdehnung geichehen werde. Eine unbedeutende Verminderung hat eben ſtattgefunden , wird aber wahr (deinlich nicht weiter
gehen .
Die 500,000 Mann ,
211 die für den febr zweifelhaften Fall eines europäiſchen
priber
Krieges ihr Brod verzehren , ſind eine Geißel für das Land. Was den Solb betrifft, ſo hat man in England ganz falſche Anſichten darüber verbreitet.
Die unmittel
baren ober mittelbaren Einfünfte der
Soldaten ſind
ebenſo groß als in engliſchem Dienſte und oft weit
stab mi
größer.
AX
die Privatvermögen beſtgen , ihren Halbſold nicht an
***
nehmen , wenn ſie den Dienſt verlaſſen ; aber man kennt
Kapitän Jeffe hat behauptet , daß diejenigen,
in Rußland keinen Halbſold.
Jeder höhere oder ge
ringere Offizier, ſo lange er auf der Armeelifte fteht, erhält vollen Sold und leiſtet wirkliche Dienſte, und e8 ereignet fich beſtändig , daß der Kaiſer einem General außer ſeiner Befoldung ein Geſchenk, gewöhnlich von 2000 Silberrubel jährlich , auf zwölf Jahre gewährt, die ihm ausgezahlt werden ,
er mag feinen Abſchied
nehmen oder nicht. Will man den Sold und die Ein na
delje
künfte der ruſſiſchen Soldaten oder irgend eines ande
IX
ren
ausländiſchen Kriegsdienſte
mit
den
engliſchen
vergleichen , ſo darf man nicht vergeſſen, daß dort keine Zinſen von dem Raufgelde einer Offizierſtelle abgezogen werden müſſen.
Der Sold eines britiſchen Offiziers
11
läßt fich kaum anders betrachten , als ein Jahrgeld , das
out
der rufftfche Offizier beffer geſtellt.
er auf Lebzeit gekauft hat, und in dieſer Beziehung ift
Wir find eben ſo geneigt zu glauben , als Rapitän
14 *
212 Feile, daß die rufftiche Seemacht
chwerlich je die eng
liſche erreichen werde, wir möchten aber nicht behaupten, daß wedet Nikolaus noch eine Nachfolger je hoffent können , Mannſchaft für die Schiffe zu erhalten .
Es
find in dieſer Beziehung in einigen Jahren große Ber befferungen eingetreten , und wir wiffen , daß nach der Meinung engliſcher Seeoffiziere die rufftfchen Matroſen in ihren Mandvern ungemein ſchnell find.
Das ruffts
ſche Schiffbauholz iſt nicht ſo dauerhaft als die britiſde Eiche, aber es gibt viele Eichenwälder um Perm und Kaſan .
Wenn man aber aller zehn Jahre neue Schiffe
bauen kann , ſo werden fte eben ſo furchtbar ſein , wenn fte neu find, als diejenigen , die zehn Jahre länger auß gehalten haben . Indem wir unſere Bemerkungen über Nußland und die Ruſſen ſchließen , haben wir nur noch die Beweg gründe anzugeben , die uns dazu vermochten , und den Plan , den wir dabei befolgt haben.
Wir haben uns
nicht viel in ſtatiſtiſche Angaben eingelaſſen , weil ſie, wenn auch dem Anſcheine nach aus amtlichen Quellen fließend , doch oft unvollſtändig ſind und Anſichten führen.
zu ' irrigen
18 vereinzelte Chatſadyen, voraus
geſeßt, daß man ſie ſo nennen kann , ſind ſie unnüş, wenn fte nicht mit vielen Umſtänden in Verbindung gebracht werden , die man gänzlich unterdrückt, oder wenigſtens nur theilweiſe darlegt. Wir haben bedeus tenden Verkehr mit allen Volksklaſſen gehabt , obgleid)
213 bei einer ſehr unvollkommenen Kenntniß der Landes ſprache, mit den unteren Klaſſen weniger, als wir ge wünſcht hätten .
Nichts Wichtiges Haben tvir berichtet,
das wir nicht ſelbſt geſehen haben, Wahrheit war un ſer großes Ziel ohne Vorgunft oder Abgunft.
Wir
haben verſucht, unſeren Leſern etwas von dem moralis ichen Zuſtande des Landes zu zeigen und ihnen mits zutheilen , was wir für die Kinderniſſe einer ſchnellen und unmittelbaren Verbeſſerung deſſelben halten ; aber wir ſind auch nicht blind gegen die Mängel der polis tiſchen
und geſellſchaftlichen
Einrichtungen
geweſen .
Wie despotiſch auch die Form der Regierung ſein möge, ſo glauben wir doch , daß der Kaiſer in ſeiner Gefeß= gebung und ſeiner Verwaltung nach den väterlichſten und beßten Beweggründen handele.
Man darf es nicht
ihm zuſchreiben , wenn die Verwaltung mangelhaft iſt und wenn die Werkzeuge, deren er fich bedienen muß, ihre Pflichten nicht in demſelben patriotiſchen Sinne erfüllen, in welchem ſie ihnen vorgeſchrieben find. Man urtheilt parteilich , wenn man
ihm Groberungsgelüfte
zuſchreibt, wo die blindefte. Ehrſucht ſo viele löbliche Gegenſtände der Befriedigung findet, wie in ſeinem Ge biete. Dieß iſt unſere Anficht, welche durch die Mein ung Ader beſtätigt wird, mit welchen wir in Rußland über dieſen Gegenſtand geſprochen haben.
Ich ſpreche
unbedenklich die Ueberzeugung aus, daß er ſo ſehr als der eifrigſte Republikaner wünſcht, den Zuſtand der
-
214
-
Bauern zu heben , indem er fte unabhängig von un gebührlicher Beauffichtigung macht, Maßregeln, die fte jekt nicht zu würdigen und benußen verftehen. Noch ein paar Worte über den rufftfchen Bauer und die unteren Volfeflaſſen. Friedrich der Große hat in ſeinen nachgelaſſenen Werken fte nicht ungerecht be= handelt, aber auch keineswege ihnen Gerechtigkeit wi derfahren laſſen .
Er ſagt: „ Le caractère de la nation
Russe est un mélange de méfiance et de finesse, pa resseux mais intéressés , les Russes ont le talent qui copie , mais non le génie qui crée.
Sie haben aller
dinge eine ungemeine Leichtigkeit ,
Ades mit großer
Vollkommenheit nachzúahmen und Alles zu lernen, was fle angreifen , es iſt aber faſt unmöglich, daß Diejenigen , die fo gut nachahmen ,
in eigenen Erfindungen Genie
zeigen ſollten . Bei den gemeinen Ruſſen bemerken wir in ihren Bügen , wie in ihrem Benehmen , einen gerriffen Scharf finn und eine Gewandtheit; fobald fte auf irgend etras finnen , das ihnen Nußen geben kann . Es iſt ſchwierig, über ihre Gemüthſtimmung im Allgemeinen zu reden , die in einigen Beziehungen gut, in anderen ſchlecht ift, aber wir halten ſie im Ganzen für ein wohlgefinntes Volf. Wir wollen ein Beiſpiel aus dem Jahre 1840 erzählen , tro eine große Hungersnoth herrſchte.
Eine
Bande von verhungerten Unglücklichen hielt einen Reiſe wagen an , aber als fie mit abgezogenen Hüten um ein
215 Almofen
gebeten und
einige
Rubel erhalten hatten,
ſtörten fie die darin figenden Damen nicht und ent fernten ſich mit Segenswünſchen.
Man ſchreibt ihnen
allgemein Gutmüthigkeit zu , mögen fte betrunfen oder nüchtern ſein, zuweilen aber find fie wild und begehen die ſchrecklichften Verbrechen . Sie find ſtets ſehr höf= lich gegen einander, wie gegen ihre Vorgefeßten und ungemein gaſtfrei. Ihre Anhänglichkeit an ihren Glauben , wenn auch mit Aberglauben gemiſcht, iſt ſehr ftark, fie find jedoch duldſamer ale irgend ein Volt in der Welt, gegen die* jenigen, die einem anderen Olauben anhangen .
Durch
Krieg & zucht geſchult oder ungeübt, ſind ſie ein ſehr muthiges Volk, bas Beſchwerden ertragen kann und gleichgiltig gegen Gefahren iſt.
Merkwürdig iſt auch
ihre Anhänglichkeit an ihr Vaterland, obgleich fte keis neswegs wirkliche Nationalität haben . Dieß iſt allge mein bei Aden , die einen Raftan tragen . Gdynell era lernen ſte ein Gewerbe, und ſehr oft erhält der Bauer von feinem
Herrn die Erlaubniß zu reifen , um.fich
Arbeit zu verſchaffen, er bezahlt aber noch immer ſeine Geldabgabe, die im Angeineinen zu 30 Rubel auf den Kopf berechnet wird.
fr geht in dieſem Falle ſo weit
als möglich , um Beſchäftigung zu erlangen , und ſehr oft kehrt er nach Ablauf ſeines Urlaubes mit Geld in ſeiner Taſche zurück.
Die großen Gebäude in Peterá :
burg find alle auf dieſe Weiſe entſtanden , und ſelbſt
216
die Verzierungen in den Kirchen oft von ſolchen Künft lern gemacht worden. Bei diefen natürlichen
guten
Eigenſchaften
und
einigen Talenten 'werden dieſe Vorzüge durch den außer ordentlichen Hang zu Betrügereien in ihrem Verkehr mit anderen verbunkelt und
entwürdigt.
Die beſſere
Klaſſe der rufftſchen Kaufleute und der gemeinſte Hånd ler find fich darin gleich und gleichgiltig in Beziehung auf den Betrug ,
ſo lange fie nur den Grundlag ber
haupten können , zu übervortheilen.
Shre ganze Lift
und all' ihre Kenntniſſe find auf dieſen Hauptzwed gerichtet. Wir glauben, es macht der Gedanke fte glück lich , ihren Zwed, wenn auch in einem noch ſo unbedeu tenden Grabe, erreicht zu haben.
Wie wir von frem =
den Kaufleuten in Petersburg gehört haben , ift ihnen ihr Wort für die Erfüllung eines einmal geſchloſſenen Vertrags fo heilig , als einem Engländer, wenn auch die Verabredung für fte noch ſo ungünſtig ſein möge und eine anſehnliche Summe auf dem Spiele fteht; aber bei dem Abſchluß des Vertrages iſt es ihr Zwed, fich einen unehrlichen Vortheil zu verſchaffen, und wenn er auch nur einige Rubel betrüge. Sie find ungemein wohlthätig und verwenden jährlich anſehnliche Summen auf Almofen ; Trunkenheit iſt ein gewöhnlicheres Lafter bei ihnen als vielleicht in irgend
einem Lande
Euro
Vielleicht finden fte einige Entſchuldigung in ihrem unmäßig falten Klima, body find diejenigen, die
pas.
217
der Stälte
beſtändig
ausgeſeßt
find ,
keineswegs
am
trunkſüchtigſten ; fte werden durch die Trunkenheit wes niger entſtellt als andere Völker ,
fte find auch eben
ſo höflich im trunkenen als im nüchternen Zuſtande, und ſelten haben Verbrechen Quelle.
Sie ſind
in der Trunkenheit ihre
ungemein eiferſüchtig
gegen Außs
länder, und wahrſcheinlich iſt die Beſorgniß, daß dieſe ihnen ihren Gewinn und ihre Unterhaltmittel verfürzen würden , die Urſache davon. Während ſie ſehr gaſtfrei gegen die Einzelnen find, verabſcheuen fte die Geſammtheit. Sft dieſe Anſicht des rufftfchen Charakters richtig, ſo zeigen fte auffallendere Widerſprüche als irgend ein Volt in der Welt. Dieß aber feßt ein Verhältniß von guten ſomohl, als böſen Eigenſchaften voraus , das man bei ihnen vielleicht
nicht gehörig berückſichtigt.
88
würde ichwierig ſein, jede dieſer Eigenſchaften auf ihre Quelle zurüdzuführen , aber der Urſprung des Volfes und die niedrige Stufe ſeiner Geſittung können derſelben erklären .
viele
Das morgenländiſche Blut, das in
ſeinen Adern fließt, gibt ihm viele dieſer Eigenſchaften . Vielleicht wird die Zeit die günſtigeren Züge des Ge mäldes erhöhen und die ungünſtigeren verbeffern oder entfernen.
Die Fehler der Ruſſen ſind die Fehler von
Scaven, wann fte aber alle frei ſind und es lange genug geweſen ſind, Freiheit zu begreifen und zu genießen , ſo werden dieſe Fehler ohne Zweifel verſchwinden .
Anmerkung.
Eingeborene Bevölkerung. Der Verfaſſer äußert an einigen Stellen , jo B. S. 181 , daß die Bevölkerung von Sibirien nur ſchwach ſei und nur wenig zugenommen babe, was jedoch nach neueren Mittheilungen nicht unbe dingt zugegeben werden kann. Von den einzelnen ein : beimiſchen Völkerſtämmen haben ſich größtentheils die : jenigen , die fich auf Viehzucht legten , früher oder ſpäter auch dem Aderbau ergaben, raſch vermehrt. Die Zahl der männlichen Iafuten oder Socha, wie ſie ſich nennen , die an der mittleren und unteren Lena verbreitet und wahrſcheinlich von einem alten Tataren ftamme entſproffen find, der ſich noch nicht zu dem Selam gewendet hatte, iſt in der Statthalterſchaft Irkutsk in den Jahren 1817 bis 1839 von 35,079 auf 41,733 geſtiegen. Heyne gab die Geſammtzahl der Jakuten, nach den Liſten bon 1783 im Gouvernement Irkutsk für die damalige Zeit, mit Inbegriff der ganzen Provinz Jakutsk, zu 42,956 männ lichen und 41,607 weiblichen Köpfen an. Im Jahre 1814 wurden in der Provinz Irkutsk 64,852 männliche Indivi duen aufgeführt , der Bericht vom Jahre 1839 zählt aber 81,119 männliche und 82,834 weibliche Nomaden , die doch meiſt Sakuten ſein müſſen , obgleich auch einige Stämme ber Tunguſen , deren Vermögen hauptſächlich in Rennthieren beſteht , zu den Nomaden gezählt werden mögen , und nur der größere Iheil zu Jägern oder Umherziehenden gehört. Die neueſten Mittheilungen ſeit 1822 unterſcheiden nur Leute, die nach den Iahrzeiten ihren Aufenthalt ändern, Noma : den , und ſolche, die hin- und herziehen, Iäger.
219
-
Weit ſtärker als die Jakuten aber vermehren fich die Buräten, und der Ackerbau hat bei ihnen einen weiteren Umfang erlangt, als er je bei den Safuten gewinnen kann . Die Buräten, ein mongoliſcher Stamm , der ſich von allen Mongolen am weiteſten nach Norden verbreitet hat und viel mechaniſche Fertigkeit beſigt, fingen zu Georgi's Zeit ( 1772) erſt an, ſich mit dem Ackerbau zu beſchäftigen , be fonders die Proſelyten der rufftſchen Kirche, vielleicht wie jeßt die Fakuten. Ritter irrt , wenn er noch 1833 in ſeiner „ Erdkunde" behauptet, daß fich nur wenige Buräten dem Aderbau gewidmet haben. Weiter nach Oſten hat fich dieß noch vielmehr entwickelt. Der Antrieb dazu iſt größtentheils von dem Volke ſelbſt ausgegangen. Der Obertaiſcha des öſtlichen Stammes, ſüdlich von Nertſchinsk, wurde gegen Ende des 18. Jahrhunderts der Reformator ſeines Volkes und führte auch den Akerbau ein . Am Schluſſe dieſes Jahrhunderts waren ſchon 1200 Individuen anfäffig, die fich ihr Adergeräthe ſelber verfertigten . Im Jahre 1802 konnten ſie ſchon 15,000 Pud Getreide nach Irkutse ſenden . Die Häuptlinge der zwölf Burätenſtämme im Kreiſe Verkne - Udinsk äußerten 1803 den Wunſch , ſich dem Aderbau zu widmen. Der Kaiſer Alerander ſchidte ihnen Saatkorn und A&ergeräthe , aber die Natur be: günſtigte dieſe Unternehmungen nicht und beſonders wurde der Regenmangel nachtheilig. Die Buräten fernten nun ihre Felder bewäſſern , und ſie haben ſeitdem oft die ruſ fiſche Bevölkerung mit Getreide verſorgt. Im Jahre 1839 hatten die Buräten 84,479 Deſſätinen befäet. Noch lange find jedoch nicht alle Buräten Aderbauer. Dieſer Volta ſtamm hat ſich außerordentlich ſtark vermehrt, wozu ohne Zweifel die veränderte Lebensweiſe beigetragen hat. Es zeigt ſich in dieſer Beziehung ein auffallender Ge genjag zwiſchen dem aſiatiſchen Rußland und den Vereinig ten Staaten von Nordamerika. Während hier die einge borene Bevölkerung nicht ohne ſchwere Schuld der Weißen fich vermindert und die traurige Aussicht hat , almälig
. :220 unterzugeben, widmet die ruffiſche Regierung den einheim iſchen Stämmen und ihrem Gedeihen große Sorgfalt. Der verſtorbene Graf Speranski entwarf ein eigenes Ge regbuch für die eingeborenen Stämme, das die edelſten und menſchenfreundlichſten Abfichten darlegte, aber faſt utopiſch war und eine Geſittungſtufe vorausſegte , welche dieſe Stämme noch nicht erreicht haben.
Dresden , gedrudt bei Cari Kamming.