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German Pages 398 [400] Year 1857
Shakspeare^s
dramatische Werke übersetzt von
August Wilhelm vo« Schlegel und
Ludwig Tieck.
Fünfte Ottav-Ausgabe.
Zehnter Kand. Antonius und Cleopatra.
Maaß für Maaß.
Timon von Athen.
Berlin. Druck und Verlag von Georg Reimer.
1857.
Antonius und Cleopatra.
Personen MarcuS Antonius,
| Triumvirn
OctaviuS Cäsar,
M. AemiliuS Lepiduö, SextuS Pompejus.-
DomitiuS EnobarbuS, Eros,
BentidiuS,
ScaruS,
DercetaS,
Demetrius, MäcenaS,
gieunbc dt« Antonlu«
Philo,
Agrippa,
Dolabella, ProculejuS, J Freunde de« Cäsar. ThyräuS, Gallus, I
Menas, \ MenecrateS, | Freunde de« Pompejus. BarriuS,
!
Taurus, Oberbefehlshaber unter Cäsar.
CanidiuS, Oberbefehlshaber unter Antonius. Soli US, ein Officter tn der Armee des BentidiuS.
Cuphronius, ein Gesandter des Antonius an Cäsar. AlexaS, Mardian, I Ä-r rvs • c - Z im Dienste der Cleopatra. SeleucuS, DromedeS, )
Ein Wahrsager. Ein Bauer.
Cleopatra, Königin von Cgypten.
Octavia, Cäsar'- Schwester, Gemahlin des Antonius. Charmion, | Q Ä > tm Dienste der Cleopatra. 3raS, f
Hauptleute, Soldaten, Boten und Gefolge.
Erster Aufzug Erste Scene. Alexandria.
Ein Zimmer in Cleopatra'» Palast.
(Demetrius und Philo treten auf)
Philo. Nein, dieser Liebeswahnsinn unsres Feldherrn
Steigt über Maaß und Ziel.
Die tapfern Augen,
Die über Kriegsreih'n und Legionen glühtm, Wie die des erzumschirmten Mars, sie heftm
Und wenden ihrer Blicke Dienst und Andacht Auf eine braune Stirn: sein stählern Herz,
DaS im Gewühl der Schlachten sonst gesprengt
Die Spangen seiner Brust, verläugnet sich.
Und ist ein Fächer nun, ein Blasebalg, Die Wollust einer Mohrin abzukühlm.
Seht da, sie kommm! (Trompetenstoß. AntoniuS und Cleopatra mit ihrem Gefolge und Ver schnittenen, die ihr Luft znfächeln, treten auf)
Bemerkt ihn recht, und ihr erblickt in ihm
DeS Weltalls dritte Säule umgewandelt Zum Narren einer Buhlerin; schaut hin und seht! — Cleopatra.
JstS wirklich Liebe, sag mir denn, wie viel?
AntoniuS. Armsel'ge Liebe, die sich zählen ließe! —
G
Intoilu« «at Cleopatra. Cleopatra
Ich will den Grenzstein setzen deiner Liebe!
AntoainS. So mußt du neue Erd' und Himmel schaffen.
(Hin Bote tritt auf) Bote. Zeitung aus Rom, Herr!
Antonius. Plage mir — Machs kurz.
Cleopatra. Nein, höre ste, Antonius.
Fulvia vielleicht ist zornig? Oder hat, —
— Wer weiß es? — der dünnbärt'gr Cäsar dir Sein Machtgebot mtsandt: «Thu dieß, und daS!
«Dieß Reich erobre und befreie daS!
»Thu'ö gleich, sonst zürnen wir!« Antonius.
Wie nun! Geliebte! Cleopatra.
Vielleicht, — nein doch, gewiß Darfst du nicht länger bleibm: Cäsar weigert Dir fernem Urlaub! drum, AntoniuS, hör' ihn. —
Wo ist Fulvia'S Aufmf? Cäsar'S meint' ich — beider? Ruft die Gefandtm. — So wahr ich Königin, AntoniuS, du erröthest, uud dein Blut
Huldigt dem Cäsar.
Sonst zollt so die Wange
Der Scham Tribut, wenn Fulvia kreischend zankt! Die Abgesandtm! AatoutuS.
Schmilz in die Tiber, Rom! Der weite Bogm
Des festen Reichs, zerbrich!
Hier ist die Welt,
Throne sind Staub: — die koth'ge Erd« nährt
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Erster Aufzug. Erste Scene.
Wie Mensch, so Thier: der Adel nur de« Lebens Ist, so zu thun, wenn solch ein liebend Paar,
(umarmt fU)
Und solch Zwillings-Gestirn es darf: worin
(Bei schwerer Ahndung wisse das die Welt), Wir unerreichbar sind.
Cleopatra. Erhabne Lüge!
Wie ward Fulvia sein Weib, liebt' er sie nicht? — Ich will die Thörin scheinen und nicht seyn; —
Anton bleibt stets er selbst. AntoniuS. Nur nicht, reizt ihn Cleopatra.
Wohlan,
Zu Liebe unsrer Lieb' und süßen Stundm, Nicht sei durch herb Gespräch die Zeit verschwendet.
Kein Punct in unserm Lebm, den nicht dehne Noch neue Lust.
Welch Zeitvertreib zu Natch? — Cleopatra.
Hör' die Gesandten. Antonius.
Pfui, zanksücht'ge Königin! Der Alles zierlich steht, Schelten und Lache«, Und Weinen; jede Unart kämpft in dir.
Daß sie zur Schönheit und Bewundrung wird. —
Kein Bote!
Einzig dein, und ganz allein! —
Zu Nacht durchwandern wir die Stadt, und merlen Des Volkes Launen.
Komm, o Königin,
Noch gestern wünschtest du'S. — Sprecht nicht zu uns. (AntontuS und Cleopatra mit Sefolge ab)
Demetrius.
Wie! schätzt AntoniuS Cäsar« so gering?
Phil,. Zu Zeiten, wenn er nicht AntoniuS ist.
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Intoniel und Cleopatra.
Entzieht sich chm die große, würd'ge Haltung,
Die stet- ihn sollte schmücken. DemetrinS.
Mich bekümmert-. Daß er bekräftigt den gemeinen Lügner,
Der so von ihm in Rom erzählt.
Doch hoff' ich
Morgm auf ein verständ'ger Thun. — Schlaft wohl! —
(Seite ab)
Zweite Daselbst.
Scene.
Ein andre» Zimmer.
(6« treten auf Charmion, Ira». Alexa» und ein Wahrsager)
Charmiou.
Herzens AlexaS, süßer AlexaS, ausbündig.
ster AlexaS, du allerfublimirtester AlexaS, wo ist der Wahr
sager, dm du der Königin so gerühmt? O lernte ich doch dm Mann kmnm, der, wie du sagst, seine Homer mit Krän-
zm «mflechtm muß. AlexaS.
Wahrsager! —
Wahrsager.
WaS wollt ihr? —
Charmiou.
Ist dieß der Mann? Seid ihr-, der Alle- weiß?
Wahrsager. In der Natur unmdlichrm Geheimniß Les' ich ein wmig.
AlexaS. Zeig' ihm deine Hand. (Cnobarbu» tritt auf)
CaobarbuS. Bringt da- Bankett sogleich, und Wein genug, Aufs Wohl Cleopatra'- zu ttinkm.
Erster Aufzug.
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Zweite Scene.
Charmioa.
Freund, schenk' mir gutes Glück.
Wahrsager.
Ich mach' eS nicht, ich seh' eS nur voraus. Charmioa. Ersieh mir eins.
Wahrsager. Ihr werdet noch vollkommner als ihr seid. Charmion.
Er meint an Umfang. JraS.
Nein, wenn du alt geworden bist, wirst du dich schminken. Charmion.
Nur keine Runzeln! — AlexaS.
Stört den Propheten nicht! gebt Achtung!
Charmioa. Mum! —
Wahrsager. Ihr werdet mehr verliebt seyn als geliebt. Charmion.
Nein, lieber mag mir Wein die Leber wärmm.
AlexaS.
So hört ihn doch!
Charmioa.
Nun ein recht schönes Glück: laß mich
an einem Vormittage drei Könige heirathen, und sie alle be»
grabm: laß mich im fünfzigsten Jahr ein Kind bekommen, dem HerodeS, der Iudenkönig, huldigt: sieh zu, daß du mich mit dem OctaviuS Cäsar verheirathest, und meiner Gebiete»
rin gleich stellst. Wahrsager. Ähr überlebt die Fürstin, der ihr bitnt —
10 Charmiou. als Feigen.
■eteiüi* und 61(« at)
Antonio-. Run, Freund? Du sehnst dich heim wohl nach Egypten?
Wahrsager. Ging' ich doch nie von dort, noch jemals ihr Dahin! —
Antonio-. Den Grund, wenn- einen giebt?
Wahrsager. Ich seh' ihn Im Geist; doch nicht mit Worten fass' ichs.
Dennoch
Gilt nur nach Afrika.
Antonio». Weissage mir,
Weß Glück steigt höher? Cäsar's oder mein»?
Wahrsager. Cäsar'S;
Drum, o Antonius, weile nicht bei ihm. Dein Geist, der dich beschützt, dein Dämon, ist
Hochherzig, muthig, edel, unerreichbar, Dem Cäsar fern: doch nah ihm wird dein (Engel,
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■atoaM äa» W*efkit«e.
Wie überwältigt, schüchtern.
Detern Meile
Raum zwischen dir und ihm.
«iteiiela Sag da- nicht mehr. Wehrsager. Niemand als dir: nie wieder als zu dir.
Versuche du mit ihm, welch Spiel du willst, Gewiß verlierst du; sein natürlich Glück
Schlägt dich, wie schlecht er steht; dein Glanz wird trübt.
Strahlt er daneben: noch einmal, dein Geist, Kommt er ihm nah, verliert den Muth zu herrschen,
Doch ihm entfernt, erhebt er sich. Antoni»-.
Hinweg!
Sag dem Ventidius, ich woll' ihn sprechen. (Wahrsager at>
Er soll nach Parthien. — Ob Geschick, ob Zufall, Er sagte wahr.
Der Würfel selbst gehorcht ihm!
In unsern Spielm weicht vor seinem Glück Mein besi'rer Plan: ziehn wir ein Loos, gewinnt er;
Sein Hahn siegt' über meinm stet- im Kampf,
Wenn Alles gegen Richt- stand: seine Wachtel
Schlug meine, ob auch schwächer.
Nach Egypten!
Und schließ' ich diese Heirath mir zum Friedm,
(Ventidius kommt) Wohnt meine Lust doch dort.
O komm, Bentidiu»,
Du mußt nach Parthien; fertig ist dein Auftrag, Komm mit und hol' ihn. (Geh, ab>
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Zweiter Aufzog. Vierte Seme.
Vierte Scene. Eine Straße.
Daselbst.
(Ci treten auf ötpidus, Mäceaa- und Agrippa) LepidnS. Bemüht euch ferner nicht; ich bitt' euch, eilt.
Folgt eurem Feldherrn nach. Agrippa. Herr, Marc Anton Umarmt nur noch Octavien; gleich dann gehn wir.
Lepida». Bis ich euch wiederseh' in Kriegerttacht, Die Beide zier« wird, lebt wohl.
RiireaaS. Wir stab,
Kenn' ich die Gegend recht, am Borgebirg
Noch eh'r als ihr.
LeptduS Weil eure Straße kürz« — Mein Borsatz führt mich einen weiten Umweg,
Ihr kommt zwei Tage früh«. Riirrna-. Biel Erfolg!
LepidnS. i»ll« a»)
Lebt wohl!
Fünfte Scene. Alexandrien.
Zimmer Im Palast.
lCleopatra, Cbarmion. Ira» und Alexa» treten auf) Cleopatra. Gebt mir Musik; Musik, schwermüch'gr Nahrung
Für uns v«lirbteS Volk! —
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litoili« ub
Zweite Scene. Alexandrien.
Ein Zimmer im Palast.
(8* ftdtn auf Antoniu«, Cleopatra, Enobarbll«, Eharmion, Ira«. Alexa« und >nd») AotoaiiS. Er schlug den Zweikampf aus, DomitiuS?
EuobarbuS.
Äa. AntontuS.
Und warum chat erS? EuobarbuS.
Er meinte, weil er zehnmal glücklicher, Sei er Zehn gegen Einen.
AutouiuS.
Morgen schlag' ich
Zu Meer und Land; dann leb' ich, oder bade Die sterbende Ehre in dem Blute mir,
DaS wieder Lebm schafft.
Wirst du brav einhaun?
EuobarbuS. Fechte» und schrei«: jetzt giltS! — Antonia». Brav!
Ruf meine HauSbcdienten.
Geh, mein Freund,
Diese Nacht
Seid fröhlich beim Gelag! —
(Diener komme») Gieb mir die Hand,
Du warst ehrlich und treu: und so auch du,
Und du, und du, und du: ihr dientet brav, Und Kön'ge warm eure Kameraden. Cleopatra. WaS soll das?
EnobarbnS. c»«is»iy
Der seltum Launen eine, die der Gram AuS dem Gemüth läßt keimen. Antoni»-.
Treue Schaar, Würd' ich in euch, ihr Bielen, doch verwandelt. Und ihr zusammen ausgeprägt zu Einem AntoniuS, daß ich euch könnte bienen, So gut wie ihr- gethan. Diener.
Verhüt' a Gott! Antoni»-.
Gut denn, Kam'raden, heut bedient mich «och. Füllt fleißig meine Becher; ehrt mich so, AIS wäre noch mein Weltreich en'r Kam'rad, Und litte mein Gebot. Cleopatra.
WaS sinnt er nur? Enobarbn».
Zum Weinen sie zu bringen. Aatontu-.
Pflegt mich heut; Kann seyn, eS ist das eure letzte Pflicht! Wer weiß, ob ihr mich wiederseht, und wenn, Ob nicht als blut'ge» Schatten; ob nicht morgen Ihr einem Andern folgt. Ich seh' euch an, Als nährn' ich Abschied. Ehrliche, liebe Freunde, Ich stoß' euch nicht von mir, nein, bleib' en’r Herr, Vermählt bis in den Tod so treuem Dienst. — Pflegt mich zwei Stunden noch, mehr bitt' ich nicht. Und lohnens euch die Götter! —
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Sntontaf und Cleopatra.
Ciihthl. Herr, was macht ihr.
Daß ihr sie so entmuthigt? Seht, sie wein«.
Ich Esel rieche Zwiebeln auch: ei schämt euch. Und macht unS nicht zu Weibern! — AutooiuS.
Ha, ha, ha! —
So will ich doch verhext sehn, meint' ich daS! Heil sprieße diesem Thränmthau! Herzfreund«,
Ihr nehmt mich in zu schmerzm-vollem Sinn, Denn ich sprach euch zum Trost: ich wünschte ja,
Daß wir die Nacht durchschwärmteu; wißt ihr, Kinder, Ich hoff' auf morgen Glück, und will euch führen, Wo ich ein siegreich Leben eh'r erwarte,
AlS Tod und Nachruhm.
Kommt zum Mahle, kommt,
Und trinkt euch weg die Sorgen! (Alle )
Vierter Aufzug.
Sechste Scene.
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EnobarbuS. AlexaS wurde treulos: in Judäa, Wohin Antonius ihn geschickt, verführt' er
HerodeS, sich zum Cäsar hinzuneigen.
Abtrünnig seinem Herrn.
Für diese Müh'
Hat Cäsar ihn gehängt.
CanidiuS und die Andern,
Die übergingen, haben Kost und Löhnung, Nicht ehrendes Vertrau'«.
Schlecht handelt' ich,
Und dessen klag' ich mich so schmerzlich an. Daß nichts mich freut. (Einer von EäsarS Soldaten tritt auf)
Soldat. EnobarbuS, Marc Anton
Hat deinen ganzen Schatz dir nachgesandt Mit seiner Liebe. — Zu meinem Posten kam
Der Bote; der ist jetzt vor deinem Zelt,
Und lädt die Mäuler ab. —
EuotartaS. Ich schenk' eS dir! — Soldat. Spotte nicht, EnobarbuS;
Ich rede wahr.
Schaff' nur in Sicherheit
Den Boten fort; ich muß auf meint» Poste»,
Sonst hätt' ichs selbst gethan.
Dein Imperator
Bleibt doch ein Zeus! —
at)
EnobarbuS. Ich bin der einz'ge Bösewicht auf Erde« Und fühl' eS selbst am tiefsten.
O Anton,
Goldgrube du von Huld, wie hättest du Treue gelohnt, wenn du die Schändlichkeit So krönst mit Gold! Dieß schwellt mein Herz empor; BrichtS nicht ein schneller Gram, soll schnellre- Mittel
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lahmte« und Cleopatra.
Dem Gram voreilen: doch Gram, ich fühl'-, genügt. Ich föchte gegm dich? Nein, suchen will ich 'Nm ©raten, wo ich sterben mag. — Der schmutzigste Ziemt meiner letztm That am besten.
(ab)
Siebente Scene. Schlachtfeld zwischen den Lagern. (Echlachtgrschret. Trommeln und Trompeten. Agrippa und Andre treten auf)
Agrippa. Zurück!
Wir habm unS zu weit gewagt,
Selbst Cäsar hat zu thun, und unsre Klemme
Ist stärker, al» wir dachtm. (Echlnchtgeschrei.
(®
Scene.
Ein Kloster. (-« treten auf »er
Herzog
un»
Pater Thomas)
Herzog.
Nein, heil'ger Vater! Fort mit dem Gedankm! Glaubt nicht, der Liebe leichter Pfeil durchbohre De- ächten Manne» Brust.
Daß ich dich bat
Um ein geheim Asyl, hat ernsten Zweck, Gereifteren, al- Ziel und Wünsche sind
Der glüh'uden Jugend.
Röuch.
Könnt ihr mir vertraun? Herzog.
Mein frommer Freund, ihr selber wißt am besten. Wie sehr ich stet- die Einsamkeit geliebt,
Geringe Freude fand am eitlen Schwarm, Wo Jugend herrscht und Gold und sinnlos Prunkm.
Dem Grafen Angelo hab' ich vertraut
Erster Aufzug. Vierte Scene
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(Als einem Mann von strenger Zucht und Keuschheit)
Mein unumschränktes Ansehn hier in Wien;
Und dieser wähnt, ich sei verreist nach Polm,
Dmn also hab' ichs ausgesprengt im Volk, Und also glaubt man'S.
Nun, mein heil'ger Freund,
Fragt ihr mich wohl, weßhalb ich dieß gethan?
Mönch. So fragt' ich gern. Herzog.
Hier gilt ein scharf Gesetz, ein starres Recht, Als Kappzaum und Gebiß halsstarr'gen Pferdm,
Das wir seit vierzehn Jahren ließen schlafen. Gleich einem alten Löwm in der Höhle,
Der nicht mehr raubt.
Nun, wie ein schwacher Bat«,
D« wohl die Birkmreis« drohmd bindet.
Und fie zur Schau aufhängt vor seinen Kindern, Zum Schreck, nicht zum Gebrauch; so daß die Ruthe Verhöhnt wird statt gescheut: so unsre Satzung,
Todt für die Sttaf', ist für sich selbst auch todt,
Und Frechheit zieht dm Richt« au d« Nase; D« Säugling schlägt die Amm', und ganz v«lorm Geht aller Anstand.
«önch. Euch, mein Fürst, lag ob,
Die Feffeln d«S gebundnm Recht- zu lösm;
Und dieß «schim von euch noch schrecklich«, Al» von Lord Angelo.
He«»,.
Zu schrecklich, fürcht' ich. Da meine Stumniß Freiheit ließ dem Volk, Wär'» Tyrannei, wollt' ich mit Härt« strafe».
Was ich «laubt.
x.
Denn d« ertheilt Erlaubniß,
ia
178
Maaß str Maaß.
Der freien Lauf der bösen Lust gewährt.
Anstatt der Strafe.
Drum, verehrter Vater,
Hab' ich auf Angelo dieß Amt gelegt: Thu' er dm Schlag in meine- Namm- Schutz, Derweil ich selbst vom Kampfe fern mich halte,
Und frei vom Tadel bleibe.
Sein Vrrfahrm
Zu prüfen, will ich al- ein Ordmsbruder Befuchm Fürst und Volk; drum bitt' ich euch.
Schafft mir ein klösterlich Gewand, belehrt mich, Wie ich in aller äußern Form erscheine Al- wahrer Mönch.
Mehr Gründe für dieß Thun
Will ich bei beff'rer Muße euch mthüllm.
Nur dieß: — Lord Angelo ist scharf und strmg. Vor Lästrung auf der Hut, und giebt kaum zu, Blut fließ' in feinen Adern, und fein Hunger
Sei mehr nach Brod al- Stein.
Bald wird stch- zeigm.
Ob Macht ihn lock', ob ächte Treu' ihm eigen.
Fünfte Scene. Ein Ronntukloster. (
Dritte Scene. Zimmer
im
Gefängniß.
(61 treten auf der Htpzog, all Mönch gekleidet, und der
Schließer)
-erzog. Heil euch. Freund Schließer! Denn da- seid ihr, denk' ich.
Schließer. Der Schließer bin ich, toafl begehrt ihr, Pater? -erzog. Nach Christenlieb' und meiner heil'gen Regel, Komm' ich mit Anspruch zu den armen Seelen In diesem Kerker. Laßt, so wie'- der Brauch, Sie dort mich sehn, und nennet mir den Grund Bon ihrer Hast, daß ich, wie sich- geziemt, Mein Amt verwalten mag. Schließer. Gern thät ich mehr, wenn ihr noch mehr bedürft. (Julia komm»)
Blickt auf, dort kommt ein Fräulein, hier verhaftet, Die durch den Sturm der eignen Jugend fiel. Und ihren Ruf befleckt. Sie trägt ein Kind, Deß Sätet sterben muß: ein junger Mann, Geeigneter den Fehl zu wiederholen, Al» drum zu sterben.
204
»«O ftr «„». He»,,
Wan« soll er sterben?
6 (bliebet. Morgen, wie ich glaube. ($« Julia, Ich traf schon Anstalt, wartet noch ein wenig.
Dann führt man euch von hier. Her»»,. Bereu'st du, Kind, waS du gesündigt hast? —
Julia.
Ich thu'S, und trage meine Schmach geduldig. Herzog. Ich lehr' euch, wie ihr eu'r Gewissen prüft,
Und eure Reu' erforscht, ob sie aufrichtig, Ob hohl im Innern.
Julia.
Freudig will ichs lernen. Herzog.
Liebt ihr den Mann, der euch ins Unglück stürzte? Julia.
Ja, wie das Weib, das ihn iuS Unglück stürzte. Herzog.
So sch' ich denn, daß beide ihr gesündigt
Im Einverständniß?
Julia.
Ja, im Einverständniß. Herzog. Dann ist euer Unrecht schwerer noch als sein-.
Julia. Ja, daS bekenn' ich, Baler, und bereu’ e».
Her,,,. Recht, lieber Kind, doch ist die Sien’ nur klein,
Denkst du der Schmach nur, die der Süud' entsprang;
Zweiter Aufzug.
205
Dritte Scene.
Solch Leid ist immer selbstisch, himmlisch nicht. Und zeigt, daß man aus Furcht nur statt au» Liebe
Dem Himmel dient. Julia. Ich fühle Reu', weil es ein Unrecht war, Und trage gern die Schmach.
Herzog. Beharrt dabei.
Eu'r Schuldgeuoß muß morgen, hör' ich, sterb«: Ich geh' zu ihm, und spend' ihm Trost und Rath. —
ab)
Gnade geleit' euch! Benedicite! —
Julia.
Muß morgen sterb«! £ grausame Milde, Die mir ein Leb« schont, das immerdar
Nur Grau'n des Tode» b«t statt Trost! Schließer. 'S ist schad' um ihn! —
(•4* a»)
Vierte Scene. Zimmer in Angelo's Hause. (Angelo tritt auf) Angelo. Bet' ich, und denk' ich, geht Gedank' und Betm Berschiednev Weg.
Gott hat mein hohle- Wort,
Indeß mein Tichten, nicht die Zunge hörend, An Isabellen ankert.
Gott im Munde —
AIS prägten die Lippen seinen Namen nur, Wohnt mir im Herzen giftig schwell'nde Sünde
De- bösen Trachtens. — Der Staat, mein Studium einst,
Ist wie ein gutes Buch, zu oft gelesen,
206
Maaß für Maaß.
Schaal und verhaßt: ja selbst mebt Tugmdruhm,
Der sonst — o hör' e* Niemand! — all «ein Stolz, Ich gab' ihn für ein Federchen mit Freuden, Das müßig spielt im Wind.
O Rang! O Würde!
Wie oft durch äußre Schal' und Form erzwingst du Ehrfurcht von Thoren; lockst die Bessern selbst Durch falschen Schein!----------Blut, du behältst dein Recht;
Schreibt »guter Engel!» auf des Teufels Hörner,
So sind sie nicht fein Zeichen mehr.
(•in Dimer summt) Was giebt»?
Diene». Eine Nonn' ist draußen, Isabella heißt sie,
Die Zutritt wünscht.
Angel». Führt fle zu mir herein.
(Dienet ,Hi>
£ Hnmnel! Wie sich mein Blut im Sturm zum Herzen drängt,
Dort alle Kraft und Regsamkeit erstickend,
Und allen meinen andern Gliedern raubend Dm nöth'gm Geist! —
So zum Ohnmächt'gm drängt die thör'ge Menge, Bereit zu helfm, und entzieht die Luft, Die ihn Weben sollte: eben so
Der BolkSdrang, zeigt sich ein geliebter König,
Läuft vom Gewerb' und schwärmt in läst'gem Eifer Um seine Gegmwart, wo ungezogne Liebe
Beleid'gung scheinm muß. Isabella tritt aas) Nun, schöne Jungfrau?
Isabell». Ich faxn, zu wissen, waS wch wohl gefällig.
Zweiter Aufzug.
207
Sicrtt Scene.
Äugele. Viel mehr gefiele mir, wenn tu es wüßtest.
Als daß dn mich drum fragst. — Dein Bruder kann nicht leben! — Steten«.
Das war»? — Gott schütz' euch, Herr!
«Will geh-»
Angele. Zwar konnt' er wohl noch leben, und vielleicht So lang' als ihr und ich; doch muß er sterben. Sfebelle.
Durch euer Urtheil? Angele.
3«.
Isnbelle. Ich bitt' euch: Wann? — Damit in seiner Frist —
Lang oder kurz — er sich bereiten mag,
Daß er nicht Schadm nehm' an seiner Seele! —
Angele.
Ha! Pfui dem schnöden Kehl! Mit gleichem Recht Verzieh ich dem, der an» der Welt entwandt
Ein schon geformte» Wese», al» willfahrt' ich
Umeiner Lust, de» Himmels Bild zu prägen Mit unerlaubtem Stempel.
Ganz so leicht.
Ein ächt geschaffne» Lebm falsch vernicht«, Al» Saat zu streuen wider da» Gebot,
Ein falsches zu erzeug«. Isabella.
So stehtS im Himmel fest, doch nicht auf Erd«.
Angelo. Ah, meinst du? dann bist du mir schnei gefangm! —
WaS wählst du jetzt?
Daß höchst gerechtem Spruch
Dein Bruder fällt; wo nicht, ihn zu erlös«,
Du selbst ben Leib so süßer Schmach dahingäbst, Al» sie, die er entchrt? dfebtlU.
Herr, glaubt e» mir, Eh geb' ich meinen Leib hin al» die Seele. Angel». Nicht sprech' ich von der Seel'. Erzwungne Sünden, Sie werden nur gezählt, nicht angerechnet. Isabella. Wie meint ihr, Herr? — Aagelo. Nun, nicht verbürg' ich da»; denn ich darf sprechen Auch gegen meine Worte. Doch erwäge: Ich, jetzt der Mund de» anerkannten Recht», Fälle da» Todesurtheil deinem Bruder: Wär' etwa nicht Barmherzigkeit die Sünde, Dir ihn befreite? Isabella. So begeht sie denn, Ich nehm' auf meine Seele die Gefahr. Durchaus nicht Sünde wär' e», nur Erbarmung! — Angela. Begingt ihr sie, und nähmt auf euch die That, Gleich schwer dann wögm Sünde wie Erbarmung. Isabella. Wenn ich sein Leben bitt', ist Sünde da», Die laß mich tragen Gott! gewährt ihr e», Ist Sünde da», — dann fei'» mein Frühgebet, Daß sie zu meinem Unrecht sei gezählt, Und ihr sie nicht vertretet. Angelo. Nein doch, hört mich: —
Zweiter Aufzug.
909
Vierte Scene.
Dein Sinn erfaßt mich nicht, sprichst du's in Einfalt? Stellst du dich listig so? Das ist nicht gut! —
Isabella. Sei ich einfältig dann und gut in Nichts,
Als daß ich fromm erkenn', ich sei nicht besser.
Angela. So strebt die Weisheit nur nach hellstem Manz, Setzt sie sich selbst herab, wie schwarze MaSken
Zehnmal mehr heben die verdeckte Schönheit, Als der enthüllte Reiz.
Doch merket auf;
Daß ihr mich ganz begreift, red' ich bestimmter: Eu'r Bruder kann nicht leben.
Isabella. Wohl! —
Angelo. Und sein Vergehn ist so, daß offenbar Nach dem Gesetz ihn diese Strafe trifft.
Isabella. Wahr! —
Angel». Nehmt an, kein Mittel gäb'S, ihn zu erretten —
(Zwar nicht verbürg' ich dieses, noch ein andres, Und fetze nur den Fall) — ihr, feine Schwester,
Würdet begehrt von einem Mächtig«, Deß hoher Rang und Einfluß auf dm Richter Dm Bruder könnt' erlösen au- dm Fesseln
Allbindender Gesetze; und eS gäbe
D« einz'gen Ausweg nur, ihn zu beftein,
Daß ihr dm Reichthum mrer Schönheit schmftet Dem Mächtig«, — wo nicht, — stürb' euer Bruder: — Was thätet ihr? —
x.
14
Isobelli. So viel für meinen Bruder, als für mich; Da- heißt: wär' über mich der Tod verhängt, Der Geißel Striemen trüg' ich als Rubinen, Und zög' mich ans zum Tode, wie zum Schlaf, Den ich mir längst ersehnt, eh ich den Leib Der Schmach hingäbe. Angel». Daun müßt' euer Bruder fierten. Isabella. Und bester wär'S gewiß. Biel lieber mag ein Bruder einmal sterben, Als daß die Schwester, um ihn frei zu kaufen, Auf ewig sterben sollte. Angelo. Wärt ihr dann minder grausam, als der Spruch, Auf den ihr so geschmäht? — Isabella. Ein schändlich Lös'geld und ein frei Verzeihn, Sind nicht Geschwister: des Gesetzes Gnade Hat nichts zu thun mit schmählichem Erkauf! Angel». Noch eien schien das Recht euch ein Tyrann, Und eures Bruders Fehltritt dünkt' euch mehr Ein Scherz al» ein Verbrechen. Isabella. O gnäd'ger Herr, verzeiht! Oft ja geschieht e»: Zn haben, wa» man wünscht, spricht man nicht, wie most'* meint. So möcht' ich daS Verhaßte wohl entschuld'gen Zum Vortheil besten, der mir theuer ist.
Zweiter Aufzug.
Vierte Scene.
211
Angelo.
Schwach sind wir Alle. Isabella. Möcht' er immer sterbe». Wär' er der einzige Vasall der Schwachheit;
O wir sind Alle der Versuchung Erben! —
Angelo. Nun, auch daS Weib ist schwach! —
Isabella. Ja, wie der Spiegel, d'riu sie sich beschaut, So leicht zerbricht, als er Gestalten prägt.
Das Weib! Hilf Gott! Der Mann entweiht' ihr Edles, Wenn erS mißbraucht.
Nennt mich denn zehnmal schwach.
Denn wir sind sauft, wie unsre Bildung ist,
Nachgiebig falschem Eindruck. Angelo.
Ja, so istS:
Und auf eu'r eignes Zeugniß eurer Schwäch«, (Denn auch wir Männer, mein' ich, sind nicht stärker. Als daß un» Fehler schütteln) dreist nun sprech' ich:
Ich halte dich beim Wort: sei, waS du bist, Ein Weib; willst mehr du sehn, so bist du keinS;
Und bist du eins (wie all' dein äußrer Reiz So holde Bürgschaft giebt), so zeig' eS jetzt,
Und kleide dich in die bestimmte Farbe. Isabella. Ich hab' nur eine Zunge: theurer Herr, Ich fleh' euch an, sprecht eure vor'ge Sprache. Angelo.
Ich sag' eS frei und klar, ich liebe dich. 14 *
212
Maaß für Maaß.
Isabella. Mein Bruder liebte Julien, und ihr sagt:
Er müsse dafür sterben.
«igelt. Liebst du mich, Isabella, soll er nicht. Ss-bella. Ich weiß es, eurer Würde ward dieß Vorrecht, Sie scheint ein wenig schlimmer, als sie ist.
Und prüft unS Andre.
Angelo. Glaub auf meine Ehre, Mein Wort spricht meinen Vorsatz.
Isabella.
O kleine Ehre, so viel ihr zu glauben! Und Gott verhaßter Vorsatz! Schein, o Schein! —
Ich werde dich verkünden, sich dich vor:
Gleich unterzeichne mir deS Bruders Gnade, Sonst ruf' ichs aller Welt mit lautem Schrei,
WaS für ein Mann du bist. Angel«.
Wer wird dirs glauben? Mein unbefleckter Ruf, des Lebens Strenge,
Mein Zeugniß gegen dich, mein Rang im Staat
Wird also dein Beschuld'gen überbieten, Daß du ersticken wirst am eignen Wort, Und nach Verläumdung schmecken.
Ich begann;
Und nun, entzügelt, nehmt den Lauf, ihr Sinne: Ergieb dich meiner glühenden Begier,
Weg sprödes Weigern, zögerndes Erröchen,
DaS abweif't, WaS eS wünscht; kauf deinen Bruder, Indem du meinem Willen dich «giebst,
Sonst muß er nicht allein des Todes sterben,
Zweiter
Statt Scene.
213
Nein, deine Härte soll durch Marter auch
Dm Tod ihm dehnm.
Antwort gieb mir morgen;
Denn, bei der Leidenschaft, die mich beherrscht.
Ich werd' ihm ein Tyrann! Und dir sei klar, Sprich, waS du kannst; mein Falsch besiegt dein Wahr.
tÄeh« ab)
Isabella.
Wem sollt' ichs klagen? Wem ich dieß erzählte. Wer glaubte mirs? O gleißnerischer Mund, Welcher mit einer und derselbm Zunge
Verdammniß spricht und Billigung zugleich! Der daS Gesetz nach Willkür schweigm heißt. Und krümmt nach seinen Lüstm Recht und Unrecht, Sich ihm zu schmiegm! Hin zum Bruder eil' ich,
Und fiel er auch durch allzu heißes Blut,
Doch lebt in ihm so großer Geist der @$rt,
Daß, hätt' er zwanzig Häupter hinzustreckm Auf zwanzig blut'ge Block', er böte sie.
Eh seine Schwester ihr« Leib entheiligt Zu so abschmlicher Erniedrigung. Ja, Claudio, stirb, ich bleibe kmsch und rein; Mehr al» ein Bruder muß mir Keuschheit seyn:
Ich sag' ihm noch, waS Augtto beschiedm. Dann gch er durch dm Tod zum ew'gm Fried«.
214
Maaß für Maaß.
Dritter Aufzug. Erste Scene. Im Gefängniß.
(He treten auf der Herzog, Claudio und der Schließer) —,
Her,»«.
So hofft ihr Gnade von Lord Angelo? Claudio. Im (Elenb bleibt kein andres Heilung-mittel, Al- Hoffnung nur:
Ich hoffe Leben, bin gefaßt auf Tod. Her,»«.
Sei'- unbedingt auf Tod! Tod so wie Leben, Wird dadurch süßer.
Sprich zum Leb« so:
Verlier' ich dich, so geb' ich hin, wa- nur Ein Thor festhielte.
Sprich: du bist em Hauch,
Abhängig jedem Wechsel in der Luft,
Der diese Wohnung, die dir angewiesen,
Stündlich bedroht; d« bist nnr Narr des Tode-, Denn dnrch die Nucht strebst du ihm zu entgehn, Und rennst ihm ewig zu.
Du bist nicht edel;
Denn alle- Angenehme, da» dich freut,
Erwuchs aus Niederm.
Tapfer bist du nicht;
Dn fürchtest ja die zartgespaltne Zunge
Des armen Wurms: — dein bestes Ruhn ist Schlaf, Den rufst du oft, und zitterst vor dem Tod, Der doch nichts weiter.
Du bist nicht dn selbst;
Dritter Aufzug.
Erste Scene.
Denn du bestehst durch tausende von Körnern, Aus Staub entsprossen.
Glücklich bist du nicht:
WaS du nicht hast, dem jagst du ewig nach,
Vergessend, was du hast.
Du bist nicht stetig.
Denn dein Befinden wechselt seltsam launisch
Mit jedem Mond.
Reich, bist du dennoch arm;
Dem Esel gleich, der unter Gold sich krümmt, Trägst du den schweren Schatz nur einen Tag,
Und Tod entlastet dich.
Freunde hast du keine;
Denn selbst dein Blut, das Bater dich begrüßt, Die Wirkung deiner eignen innern Kraft, Flucht deiner Gicht, dem Aussatz und der Lähmung,
Daß sie nicht schneller mit dir enden.
Du hast zu eigen Jugend nicht noch Alter, Nein, gleichsam nur 'nm Schlaf am Nachmittag, Der beide- träumt; denn all' dein Iugmdglanz
Lebt wie bejahrt, und fleht vom welken Mer Die Zehrung sich: und bist du alt und reich, Hast du nicht Glut noch Triebe, Mark noch Schönheit, Der Güter froh zu seyn.
WaS bleibt nun noch,
DaS man ein Lebm nmnt? und dmnoch birgt Dieß Lebm tausmd Tode; dennoch schm'n wir Dm Tod, der all' die Widersprüche löst.
Claudio.
Habt Dank, mein Vater!
Ich seh', nach Leben strebmd, such' ich Sterbm, Tod suchmd, find' ich Lebm.
Nun, er komme! —
(Isabella kommt) Isabella. Macht auf! Heil fei mit euch, und Gnad' und Friedm! Schließer.
Wer da? Herein! der Wunsch verdient Willkommen!
216
216
Äee| für Mckaß.
He»» Bald, lieber Sohu, werd' ich euch Wiedersehn.
Ehrwürd'ger Herr, ich dank' euch.
Isabella.
Ich wünsche nur ein kurzes Wort mit Claudio. Schließer.
Von Herzen gern; Herr, eure Schwester ists. Herzog,
(fciftio
Schließer, ein Wort mit euch. Schließer.
So viel ihr wollt.
Herzog.
Verbergt mich, Freund, wo ich sie sprechen höre. (Der Herzog und der Schließer
Claudio. Nun, Schwester, was für Trost? —
Isabella.
Nun ja, wie aller Trost ist; gut, sehr gut! —
Lord Angelo hat ein Geschäft im Himmel, Und sendet dich al» schnellen Boten hin, Wo du dann bleibst als ew'ger Stellvertreter.
Drum schick dich an zur Wandrung ungesäumt;
Auf morgen reisest du.
Claudio. Ist denn kein Mittel?
Isabella. Nein; nur ein Mittel, da», ein Haupt zu retten,
Zerspalt« würd' ein Herz.
Claudto. So giebt e» Ein» ? —
nb)
Dritter ftnftng. Erste Scene. 3frbe(fr.
Ja, Bruder, du kannst (eben. — In diesem Richter wohnt ein teuflisch Mitleid:
Willst du dieß anfiehn, wird dein Leben frei,
Du aber bleibst gefesselt bis ans Grab. Klandio. Wie! Ew'ge Haft'? As-bella.
Ja, nenn’ es ew'ge Hast; eS wär' ein Zwang,
Der, stünd' auch offen dir der weite Weltraum, Dich band' an Eine Qual.
«freite. Bon welcher Art?
As-bella. Bon solcher Art, daß, wenn du eingewilligt,
Du schältest ab die Ehre deinem Stamm, Und bliebest nackt.
«freite. Laß mich die Sache toiffen!
Afrbella.
SL Claudio, ich fürchte dich, und zittre. Du möcht'st ein fiebernd Leben dehnen wollen; Sechs oder sieben Winter theurer achten,
Al« ew'ge Ehre.
Hast du Muth zum Tod? —
Des Todes Schmerz liegt in der Borstellung; Der arme Käser, den dein Fuß zertritt,
Fühlt körperlich ei« Leiden, ganz so groß. Als wenn ein Riese stirbt.
«freite. Deßhalb beschämst du mich?
Meinst du, ich suche mir entschlossnen Muth Au« zartem Blumenschmelz? Rein, muß ich sterben,
217
«nn,
An unsre» Plane» Nutzen, wie er sagt. Martaae. Folgt ihm nur ganz.
Isabella.
Und frmer warnt er, daß, wenn alleufall» Er spräche wider mich für weinen Feind,
Mich» nicht befremden soll: e» sei Arznei, Bitter, doch heilsam.
Mariane. Wenn nur Bruder Pettr
Sletelle. O still, da kmrmt er schon. (Bruder Peter ihm auf)
Pater.
Kommt, Fräulein^ einen höchst gelegnen Platz
Fand ich, wo euch der Herzog nicht entgcht. Zwei Mal gab die Trompete schon da» Zeichen; Die Timon's Diener. Servilius, 1 CaPhiS, \ Philotus, f Titus, ) Diener von Timon's Gläubigern. Lucius, l HortensinS, / Zwei Diener des Varrus. Ein Diener des Isidor. Cupido und andre Masken.
Zwei Fremde.
Dichter, ein Maler, ein Kaufmann und ein Juwelier. Sin alter Athenienser, ein Page, ein Narr. Phrynia, I ( Courtisanen. Timandra, i Lin
Senatoren, Hauptleute, Krieger, Diebe, Gefolge.
Die Scene ist in Athen und dem nahen Walde.
Erster Aufzug. Erste Scene. Silben.
Versaal in Timons Hause
(Der Dichter und der Maler treten auf)
Dichter.
Eulen Tag!
Maler. Mich frents, euch wohl zu sehn.
Dichter.
Ich
sah Äch lange nicht.
Wie geht die Welt?
Maler. Sic trägt sich ab im Lauf.
Dichter. DaS ist bekannt. Doch welch besonder Seltnes, Fremdes, da-
Vielfach Erzählen noch nicht kennt? — Doch seht — (Der Kaufmann, der Juwelier und mehrere Andre treten auf)
Magie des Reichthums! Diese Geister alle
Beschwor dein Zauber her zum Dienst.
Den Kaufmann.
Maler. Ich Beide; jener ist ein Juwelier.
Kaufmann. Höchst würdig ist der Lord.
Ich senile
Timo» von Athen.
Juwelier.
Ei, da- sicht fest.
Ein Mann, höchst unvergleichbar; so zu sagen
Geschult zu unermüdlich steter Güte: Ein Musterbild.
Juwelier.
Hier hab' ich ein Juwel.
Äenfmene. O bitte, zeigt: für den Lord Timon wohl? Juwelier.
Wenn er dm Prei- zahlt — doch waS da» betrifft —
Dichter, (recttircne) »Wenn wir um Lohn dm Schändlichm gepriesen,
»Dämpft es den Glanz de- wohlgeluugnen Reime», »Deß Kunst dm Edeln singt.«
Saufmauu.
(6m etcln betrachtend)
Ha! schön geschnitten.
Juwelier.
Und reich; da» ist ein Wasser, seht nur selbst. Maler. Ihr seid verzückt.
Ein Werk, wohl eine Huld'gung
Dem großm Lord? Dichter.
Ein Ding, mir leicht entschlüpft. Denn unser Dicht« quillt hervor wie Harz
Bon da, wo sich'» erzmgt; da» Fm'r im Stein
Glänzt nur, schlägt man» heran»; von selbst erregt
Sich unsre edle Flamm', flieht, gleich dem Strom, Anrück von jeder Hemmung. — Wa» ist da»?
Maler. Ein Bild, Herr.
Wan» tritt «er Buch hervor?
Erster Artzug.
Erste Scene.
287
Dichter. Es folgt der Uebrrreichung auf dem Fuß. Zeigt mir das Stück.
Helft. Es ist ein gute-
Stück.
Dichter. Gewiß, dieß hebt sich trefflich, herrlich ab.
Niler. So ziemlich.
Dichter. Unvergleichlich! Wie die Grazie Sich durch sich selbst ausspricht! wie geist'ge straft
Aus diesem Auge blitzt! wie Phantasie
Sich auf der Lippe regt! stumme Geberdung, Die jeder möcht' in Worten deuten.
Maler. Wohl leidlich hübsch da- Leben nachgeässt;
Hier dieser Zug; spricht er?
Dichter. Ich möchte sage», Er meistert die Natur: kunstreiche- Strckru
Lebt in der Färb' lebend'ger al» da- Lebeu. (einigt Senatoren treten ein nn» gehn nach »en innern Gemächern)
Maler. Die viele Freund« hat der 6bU!
Dichter. Ätherische Senatoren! — Die Beglückte»!
Maler. Schaut, mehr «och!
Dichter. Schwall der Frmnde! —
Seht dm Zusammmfluß, dm
In diesem rohm Werk zeichnet' ich Eium,
288
Timon von Athen.
Den diese ird'sche Welt umfängt und hegt Mit reicher Gunst; mein freier Zug wird nirgend Gehemmt durch Einzelnes, nein, segelt fort
In weitem Bersemeer: kein boshaft Zielen Vergiftet eine Sylbe meiner Fahrt;
Sie fliegt den Adlerflug, kühn, stets gradaus, Kein Wölkchen hinter sich.
Maler. Wie soll ich euch verstehn?
Dichter. Ich will es euch entriegeln. Ihr seht, wie alle Stand' und alle Menschen, Sowohl von leicht geschmeidigem Sinn» als auch Von strenger, ernster Art, dem Timon weihn In Demuth ihren Dienst.
Sein großer Reichthum,
Umkleidend seinen adlich-güt'gen Sinn, Bezwingt und kauft für seine Lieb' und Herrschaft
Ein jeglich Herz; vom wangenglatten Schmeichler, Bis zu Apemantus selbst, der nichts so liebt,
Als er sich selber haßt: auch er beugt ihm Sein Knie, und kehrt in Frieden heim, bereichert Vom Nicken Timon's.
Maler. Ich sahs, er sprach mit ihm.
Dichter. Ich stelle dar auf Lieblich grünem Hügel,
Fortuna thronend: au des Berges Fuß Gedrängte Reihn von jedem Stand und Wesen,
Die auf der Wölbung dieses Balls sich mühen, Ihr Glück zu steigern; unter allen diesen.
Die auf die Königin den Blick geheftet, Stell ich den Einen dar in Timon's Bildung,
Erster Aufzug.
289
Erste Gceue.
Den zu sich winkt Fortuna'- elfne Hand;
Und ihre schnelle Gunst verkehrt in schnellt Sklaven und Diener seine Mitbewerber.
Maler. Trefflich ersonnen!
Der Thron, der Hügel, die Fortuna, dünkt mich, Der Ein', herauf gewinkt von Mm unten, Sein Haupt geneigt zum steflm Berg hinan.
Sein Glück erklimmmd, wär' ein schöner Borwurf Für unsre Kunst.
Dichter. Nein, hört nur weiter, Freund: Sie alle (die noch ebm ihm Kam'radm,'
Ja, manche höhem Rang-), von dem Moment an Folgm nur seinem Pfad; belagern ihm Borplatz und Hof mit uuterwürf'gem Dimst;
Gießen vergötternd Flüstem in sein Ohr,
Und, heil'gend selbst dm Bügel seine- Rosse-,
Athmm sie nur durch ihn.
Maler. Nun, und wa» weiter? Dichter. Wem» nun Fortun', in Saun’ und Wankelmuth,
Herab stößt ihrm Günstling: lassen Alle,
Die hinter ihm auf Knien und Händen selbst Dm Berg hinauf fich mühtm, hin ihn stürzen.
Und nicht Ein Freund begleitet feinen Fall.
Maler. Da- ist gewöhnlich. Ich kann der Art mch tausmd Bilder weism. Die auch de- Glücke- schnellm Wandel malm,
Lebmd'ger al« da- Wort. X.
Doch thut ihr wohl, 19
Timon von Achen.
290
Zeigt ihr Lord Timon, daß geringe Nagen Den Fuß schon höher als da- Haupt gesehn. (Timon tritt auf mit Begleitung, ein Diener des Dentldiu« sprich! mit ihm)
$tmee. Verhaftet ist er, sagst du?
Diener. Ja, Herr, und fünf Talent' ist seine Schuld, Klein sein Vermögen, seine Gläub'ger hart;
Eu'r edles Fürwort spricht er an, bei baten, Die ihn gefangen setzten; fehlt ihm dieß,
So stirbt sein Trost.
Timon. Edler Bmtidius! Gut! Nicht meine Weis' ist-, abzuschütteln Freund«,
Wenn meiner sie zumeist bedürfen.
Ist
Sein edler Sinn doch solcher Hülfe werth.
Die wird ihm, denn ich zahl' und er sei frei.
Diener. Euer Gnaden wird auf ewig ihn verbinden.
Timon. Empfiehl mich ihm! gleich fatb’ ich seine Lösung;
Nachdem er frei, bitt' ihn, zu mir zu kommen — Denn nicht genug, daß man dem Schwachen aufhilft.
Auch halten muß man dann ihn — fahre wohl!
Diener. Sei alle- Glück mit meinem gnäd'gen Herrn! (Diener geht ab) (Ain alter Athenienser tritt auf)
Athenienser. Lord Timon, hör' mich an.
Timon. Sprich, guter Alter.
Athenienser. D» hast ’nen Diener, der LuciliuS heißt? Timon. So ists: Was soll er?
Athrnieaser. Höchst edler Timon, last' ihn vor dich kommen. Timon. Ist er hier im Gefolge? — He, Vuciliu«! LncilinS. (vortretend) Hier, zu Euer ©nahen Dienst! Athenienser. Ter Mensch hier, edler Timon, er, dein Knecht, Kommt Abends oft zu mir. Ich bin ein Mann, Der von früh auf waS vor sich bringen wollte, Und etwa- höher sucht mein Gut den Erben, Als der mit Tellern läuft. Timon. Nun gut, waS weiter? Athenienser. Ich hab' nur eine Tochter, nicht- verwandte-, Und ihr vermache ich mein ganze- ®ut Schön ist das Mädchen, alt genug zur Braut, Und viel hat mich gekostet ihr Erziehn, Kein Lehrer war zu theuer. Er, dein Diener, Geht ihr in Liebe nach: nun, edler Lord, Weis' ihn mit mir auS meinem Hause fort; Was ich sprach, war umsonst. Timon. Der Mann ist redlich. Athenienser. So wird ers hier beweisen, würd'ger Timon; 19 *
292 E» Es
Itmoti v«, Lth«.
wird fern redlich Thu» sich selbst belohn«, mutz nicht meiue Tochter just gewinn«.
Tims». Und liebt sie ihn?
Atheuieuser. Jung ist sie, leicht gereizt;
U«S
lehrt der Irrthum unsrer eign« Iugmd,
Wie unbedacht sie sei.
Tim»». Liebst du das Mädchen?
Luciliu». Ja, theurer Herr, und mir ward Gegenliebe.
Atheuieuser. Fehlt meine Zustimmung bei diesem Bund,
Die Götter sei'n mir Z«gm, so erwähl' ich
Mir au» d« Sttaßmbettlern ein« Erb«, Und nehm' ihr Alle-.
Tim»». Wa» bestimmst du ihr. Wird sie vermähtt dem Gatt« gleich« Stande»?
Atheuieuser. Nun, drei Talmte jetzt; in Zukunft Alles.
Tim»». Der gut erzogne Jüngling dient mir lange; Sein Glück zu bau'u thu' ich ein Uebrige»,
Denn da» ist Mmsch«pflicht.
Sch«k ihm dein stind;
Wa» du ihr giebst, soll er von mir erhalt«,
Und so nicht leichter wieg«.
Atheuieuser. Edler Lord,
Zum Pfande deine Ehr', und sie ist sein.
Limen. Schlag' ein, ich halte Wort, bei meiner Ehre! indltnl. In Demuth dank' ich euch, mein gnäd'ger Lord; Und nimmer mög' ich Glück und Gut genießen, Das euch nicht angehört! (üuctliul und der alte Alhemcnser
gehn ab)
Dichter. Nehmt huldreich auf dieß Werk: lebt lang' und Mcklich! timen. Ich dank' euch sehr; bald sollt ihr von mir hörm: (Entfernt euch nicht. — Was habt ihr da, mein Freund?
Naler. Ein kleines Bild: geruh', mein Gnäd'ger, nicht ES zu verschmähn.
Timen. Erfreulich ist ein Bild. Das Bildwerk ist beinah der wahre Mmsch; Denn seit Ehrlosigkeit mit Menschheit schachert. Ist er nur Außenseite: diese Bilder Sind, was sie scheinen. Mr gefällt dieß Werk; Und du erfährst, wie mirs gefällt; komm wieder Zur Aufwartung, und du wirst von mir hören.
Naler. Der Himmel schütz' euch!
Liman. Lebt wohl, ihr Freunde! gebt mir eure Hand, Wir speisen heut zusammen. — Euer Stein Litt unter seiner Schätzung.
Juwelier. Wie, Herr, so wär' er unterschätzt? Sheen. Nein, Uebersülle allerhöchsten Lobe».
294
VS» Lthen.
Bezahlt' ich ihn, so wie er angepriesen,
Würd' e» mich ganz entkleid«.
Jnwelier. Seine Schätzung
Ist, wie Berkäoser zahlen würden: doch Ein Ding, von gleichem Werth, den Eigner tauschend, Wird, wie ihr wißt, nach seinem Herrn geschätzt:
Daß ihr ihn tragt, erhöht den Werth de» Stein».
Stwea. Ein guter Spott. «aufmauu.
Nein, edler Herr, er spricht gemeine Rede, Die Jeder spricht gleich ihm.
Timon. Seht, wer hier kommt.
Wollt ihr euch schelten lasten?
(ApkMailtUs tritt auf)
Juwelier. Wir theilen mit En'r Gnadm.
Ätefmenn. Er schont Kein«.
Timon.
Sei mir willkommen, edler Apemantuö. Apemautu». Spar', bi» ich edel werde, dein« Willkomm',
Dann bist du Timon» Hund, die Schuft' hier ehrlich. Timon.
Waö nennst du Schufte fie, du kennst sie nicht. Aprmantn». Ti«»».
Sind fie keine Athener?
Ja.
Apemantns.
Juwelier.
So widerruf' ich nicht.
Ihr kennt mich, Apemantu».
ApemantuS. Du weißt, ich thu's; ich nannte dich bei Namen. Timo». Du bist stolz, ApemantuS. ApemantuS. Auf nichts so sehr, als daß ich nicht wie Timon bin. Simon. Wohin gehst du? ApemantuS. Einem ehrlichen Athener das Gehirn auszuschlagen. Timon. DaS ist eine That, für die du sterben mußt. ApemantuS. Ja, wenn Nichtsthun den Tod durch das Gesetz verdient. Timon. Wie gefällt dir dieß Gemälde, ApemautuSh ApemantuS. Gut, weil eS nicht» Böse» thut. Timon. Richtete der nicht viel aus, der eS matte? ApemantuS. Der noch mehr, der dm Maler hervor brachte; und doch ist der selbst nur ein schmutziges Stück Arbeit. Malen. Du bist ein Hund. ApemantuS. Deine Mutter ist von meinem Stamm; was ist sie, wenn ich ein Hund bin? Timon. Willst du mit mir zu Mittag speis«, Apemautus? ApemantuS. Nein, ich esse keine große Herren. Timon. Thätest du daS, so würdest du die Frauen er zürnen. ApemantuS. O, die essen große Herr«, und dadurch nehmen sie zu. Timon. DaS ist eine unanständige Andeutung. ApemantuS. Wenn du sie deutest, nimm sie für deine Mühe. Timon. Wie gefällt dir dieser Edelstein, Apemautus? ApemantuS. Nicht so gut, al» Aufrichtigkeit, die doch keinem Mmschm einen Heller kostet.
296
Timon von Athen.
Timon.
Wie viel denkst du, daß er werth sei?
Apemantus. Nicht meines Denkens werth. — Wie stehts, Poet?
Dichter.
Wie stehts, Philosoph?
Apemantus.
Dichter.
Apemantus.
Dichter.
Du lügst.
Bist du keiner? Ja.
So lüg' ich nicht.
Apemantus.
Dichter.
Bist du nicht ein Poet?
Ja.
Apemantus.
So lügst du: sieh nur in dein neuestes
Werk, wo du erdichtest, er sei ein würd'ger Mensch.
Dichter.
Das ist nicht erdichtet, er ist es wirklich.
Apemantus.
Ja, er ist deiner werth, um dich für
deine Arbeit zu bezahlen: wer die Schmeichelei liebt, ist des Schmeichlers würdig.
Timon.
Himmel, wäre ich doch ein Lord!
Was wolltest du dann thun, Apemantus?
Apemantus. Dasselbe, was Apemantus jetzt thut, ei nen Lord von Herzen hassen.
Timon.
Wie, dich selbst?
Apemantus. Timon.
Ja.
Weßhalb?
Apemantus.
Daß ich einen so hungrigen Witz hatte,
ein Lord zu seyn. — Bist du nicht ein Kaufmann?
Kaufmann. Ja, Apemantus. Apemantus. Der Handel richte dich zu Grunde, wenn es die Götter nicht thun!
Kaufmann. Wenn es der Handel thut, so thun es die Götter.
Apemantus.
Der Handel ist dein Gott, und dein
Gott richte dich zu Grunde! (Trompeten.
Es tritt ein Diener auf)
297
Erste Aufzug. Erste Vceue.
Tina,. Was für Trompetm?
Die,er.' tllcibiadeS, Mit zwanzig Rittern, einen AriegSgefährteu.
Ti,«,. Geht, führt sie ein, gelitet sie zu uns. (Einige au- dem Gefolge gehn ab)
Ihr müßt heut mit mr speisen: — geht nicht fort, Bis ich euch dankte; naß der Mahlzeit bann
Zeigt unS das Bild. - Erfreut, euch hier zu sehn. (Alcibiadts in» stine E«fLhrlm litten auf)
Willkommen, Freund!
(Sie 6tgnljtn sich)
KpemsntuS. So, so, nun geht es los! —
Gicht lähm' und dorr' och die geschmeid'gm Glied«! — Don Liebe nichts in all'den süßen Schuften,
Und laut« Höflichkeit! Die Menschenbrut Renkt sich in Aff' und Pavian «och hinein.
AlcibtadeS. Ihr stilltet meine Sehnücht, und ich schwelge In Gi« an eurem Anbick.
Sinan. Sehr willkommen! Und eh wir scheiden, eirt uns manche Stunde
In Freud' und Lust,
ich bitte, tretet ein. (Alle gehn ab, außer Apemautus)
(Brot Lord- treten auf)
erster Lar». Was ist die Zeit am T»ge, ApemaniuS?
lpemautns. Zeit, daß man ehrlich ist
298
vv» Ache».
Erster Lord. Die Zeit ist immer.
ApemautuS. Um so verruchter du, sie nie zu nutzen.
Zweiter Lord.
Gehst zu Lord TimonS Fest?
ApemantvS. Ja, um zu sehn, wie Schurken Speise nährt,
Und Narren Wein erhitzt. Zweiter Lord.
Leb' wohl, leb' wohl!
ApemantvS. Du bist ein Narr, daß du mirs zweimal sagst. Zweiter Lord. Apemantus.
Warum, Apemantus?
Du hättest daS eine für dich behalten
sollen, denn ich denke dir keines zu geben.
Erster Lord.
Gch, häng' dich auf.
ApemantvS.
Nein, ich thue nichts auf deinen Beßchl:
bring deine Gesuche bei deinem Freunde an. Zweiter Lord.
Fort, du zänkischer Hund,
oder ich
stoße dich mit dem Fuß hinaus.
ApemautuS.
Ich will, wie der Hund, die Hufen des
Esels fliehen.
(Apemantus geht ab)
Erster Lord. Er ist ein Widerspiel der Menschheit.
Kommt hinein,
Laßt TimonS Güt' unS kosten, sie ist reicher,
AlS selbst daS Herz der Milde.
Zweiter Lord. Er strömt sie auS; PlntuS, der Gott des Goldes, Ist sein Verwalter nur: wer ihn beschenkt,
Wird siebenfach belohnt; und keine Gabe,
Erster Aufzug.
Erfte Scene.
Tie nicht Vergeltung ihrem Geber bringt, Weir über alles Maaß.
Erster Lord. DaS edelste
Gemüth hat er, das je im Menschen herrschte. Zweiter Lord. Er lebe lang' und glücklich! Woll'n wir gehn?
Erster Lord. Ja, ich begleite euch.
(Sie gehn a»>
Zweite Scene. Prunksaal in Timon'S Hause. (Hoboen, (aut* Musik. Sin große- vanquet wird augerichtet. Flavios und andre Diener. Dann treten auf: Timon, AlcibiadeS, Lucius, SemproniuS, LuculluS, DentidtuS und andre Senatoren und Ge folge. Zuletzt ApemantuS)
BentidinS. Erlauchter Timon, Götterrathschluß sandte Zur langen Ruh' den greisen Baler hin. Er schied beglückt und hinterließ mich reich;
Drum, wie mich Lieb' und Dankbarkeit verpflichten,
Erstatt' ich deiner Großmuth die latente, Zugleich dir dienstergeben, der durch sie
Mir Freiheit schuf.
Timon. O nimmermehr, BentidiuS.
Rechtschaffner Mann, da kränkt ihr meine Liebe; Ich gab sie weg auf immer.
Wer zurück nimmt,
Kann nicht mit Recht behaupten, daß er giebt: Wenn so der Große thut, nicht ziemt unS, nachzuspielen,
Weil an den Reichen stets die Fehler selbst gefielen. (Sic stehn AUe mit Ehrfurcht um Timon her)
900
Xüeei »»» Ache».
Statikia«. Welch edler Geist!
Xlaiaa. Nein, Lords, die Complimmte
Sind nur erfunden, eine« Glanz zu leihu
Verstellter Freundlichkeit und hohlem Gruß, Gutthun vernichtend, um nicht zu gewährm;
Doch wahre Freundschaft kann sie ganz entbehren.
Setzt euch; ihr seid willkommner meinem Glück, Als mir mein Reichthum ist.