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German Pages 406 Year 2023
Julian Bergau Selbstverständnis im Gotteslob
Beihefte zur Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft
Herausgegeben von Knut Backhaus, Matthias Konradt, Judith Lieu, Laura Nasrallah, Jens Schröter und Gregory Sterling
Band 258
Julian Bergau
Selbstverständnis im Gotteslob
Der Epheserbrief als Entwurf einer ekklesialen Gründungsgeschichte
ISBN 978-3-11-079442-7 e-ISBN (PDF) 978-3-11-079445-8 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-079451-9 ISSN 0171-6441 Library of Congress Control Number: 2023931054 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2023 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com
Vorwort Die vorliegende Arbeit ist die leicht überarbeitete Fassung meiner Dissertation, die als solche im Sommersemester 2020 von der Theologischen Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen angenommen wurde. Dieses Datum markiert zugleich den Zeitpunkt, bis zu welchem Forschungsliteratur berücksichtigt werden konnte. Die Arbeit blickt auf eine mehrjährige Entstehungsgeschichte zurück. Mein grundlegender, herzlicher Dank gilt Prof. Dr. Florian Wilk, an dessen neutestamentlichem Göttinger Lehrstuhl ich von 2014–2019 als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig sein durfte und der mir auf diese Weise die Möglichkeit gab, ein Promotionsprojekt überhaupt zu realisieren. Den mir gewährten Freiraum, eine eigenständige Forschungsfrage zu entwickeln, wusste ich besonders im Verbund mit dem intensiven, konstruktiv-kritischen Austausch, den er als Doktorvater mit mir zugleich führte, sehr zu schätzen. Bauen durfte ich dabei auch auf die aufmerksame Begleitung durch die weiteren Mitglieder des Betreuungsausschusses. Prof. Dr. Reinhard Feldmeier übernahm nicht zuletzt die Mühen des Zweitgutachtens. In den Gesprächen mit Prof. Dr. Werner Kahl konnten immer wieder Linien hinein in Fragen der kontemporären, kontextuell orientierten Rezeptionsforschung gezogen werden. Diese stellten im Übrigen ein wichtiges Antriebsmoment des Projektes dar, wenngleich sich für die vorliegende Arbeit letztlich ein anderer Fokus ergab. Für gemeinsame Erkundungen in jenem Feld bin ich indes insbesondere meinem Kollegen Dr. Michael F. Wandusim sehr dankbar. Unverzichtbar für das Heranreifen und Prüfen der Gedanken waren zudem die regelmäßigen Diskussionen im Göttinger Neutestamentlichen Kolloquium. Dessen Mitgliedern bin ich ebenso zum Dank verpflichtet wie den Studierenden der Fakultät, die sich in Lehrveranstaltungen mit mir gemeinsam ein ums andere Mal auch dem Epheserbrief zuwandten. Wichtige Stützen auch über den unmittelbar wissenschaftlichen Bereich hinaus waren mir ferner die Abende beim „NT-Stammtisch“ der vor Ort in Göttingen ansässigen Promovierenden und Habilitierenden sowie das Arbeiten und Leben an der Fakultät in einem umfassenderen Sinne – auf den Wegen zwischen Bibliothek und Studiendekanat konnte sich in Begegnungen und Gesprächen auch mancher gedankliche Knoten ganz nebenbei durch etwas Ablenkung lösen. Vor allem mit Blick auf die Anfangszeit meiner theologischen Ausbildung möchte ich außerdem besonders Dr. Andrea Bencsik sowie Prof. Dr. Rainer Hirsch-Luipold danken, die mir – auf je eigene Weise – Wege eröffneten zur ver-
https://doi.org/10.1515/9783110794458-201
VI | Vorwort
tieften Auseinandersetzung mit den Texten des Neuen Testaments, zur Freude an der Sprache und der wissenschaftlichen, zumal exegetischen Arbeit. Im Zuge der Erstellung des finalen Manuskripts haben Dr. Elena Iakovou und Martin Bergau dafür gesorgt, dass dieses noch um manchen Fehler ärmer geworden ist. Für die umfassende Begleitung des Weges zur Erstellung der Druckvorlage möchte ich schließlich Alice Meroz sowie André Horn und Aaron Sanborn-Overby vom Verlag De Gruyter ebenso herzlich danken wie den Herausgebenden für die Aufnahme der Arbeit in die BZNW. In sprachlicher Hinsicht sei darauf hingewiesen, dass in der vorliegenden Arbeit grammatisch maskuline oder feminine Formen, die der allgemeinen Bezeichnung von Personen dienen, grundsätzlich Personen jedweden Geschlechts inkludieren. Peine, im Dezember 2022 Julian Bergau
Inhalt I I.1 I.2 I.3 I.3.1 I.3.2
Einleitung | 1 Fragestellung und These | 1 Kontextualisierungen | 8 Methodologie | 17 Textlinguistische Grundierung | 18 Operationalisierung und Aufbau der Arbeit | 28
II Orientierung: Kommunikative Situierung des Epheserbriefs | 31 II.1 Erarbeitung eines Basismodells literarischer Kommunikation | 31 II.1.1 Das Schema Hannelore Links: Darstellung und Reflexion | 32 II.1.1.1 Zum Grundaufbau | 33 II.1.1.2 Zum textexternen Bereich | 33 II.1.1.3 Zum textinternen Bereich | 35 II.1.2 Fazit | 39 II.2 Überlegungen zur kommunikativen Eigenart der deuteropaulinischen Briefe | 40 II.3 Zur textintern konstruierten Kommunikationssituation im Epheserbrief | 43 II.3.1 Der fiktive Verfasser | 44 II.3.2 Die fiktiven Adressaten | 46 II.3.3 Anlass und Zweck des Schreibens | 55 II.4 Koordinaten der mutmaßlichen textexternen Kommunikationssituation | 55 II.4.1 Der Epheserbrief als nachpaulinisches Pseudepigraphon | 56 II.4.2 Abfassungsumstände, Ort und Zeit der Entstehung | 59 III Grundlegung: Exegese von Eph 1,3–14 | 66 III.1 Hinführung | 66 III.2 Abgrenzung und Verortung im Nahkontext | 69 III.3 Analyse der sprachlichen Gestalt | 73 III.3.1 Gliederung auf sprachlich-syntaktischer Grundlage | 74 III.3.2 Beobachtungen zur Wiederaufnahmestruktur | 82 III.4 Analyse der Textwelt | 87 III.4.1 Charakteristika der narrativen Struktur von Eph 1,3–14 | 90 III.4.2 Beobachtungen zur Handlungssequenz | 101 III.4.2.1 V.3b–4 | 101 III.4.2.2 V.5–8 | 103
VIII | Inhalt
III.4.2.3 III.4.3 III.5 III.5.1 III.5.2 III.5.3 III.5.4 III.5.5 III.6 III.6.1 III.6.2 III.6.2.1 III.6.2.2 Exkurs: III.6.2.3
V.9–14 | 105 Fazit | 114 Formale Analyse: Die Textsorte ‚Briefeingangseulogie‘ | 116 Die Eulogie | 117 Einbindung der Eulogie in übergeordnete Textsorten I: Gebetsartiges | 123 Einbindung der Eulogie in übergeordnete Textsorten II: Epistolographisches | 131 Fazit | 136 Vertiefung: Eph 1,3–14 vor dem Hintergrund paganer Formen des Gotteslobs | 137 Analyse der pragmatisch-funktionalen Struktur | 142 Eph 1,3a als kommunikativ-funktionale Leitzeile | 144 Aspektuelle Vertiefungen | 147 Kontaktfunktion | 147 Informationsfunktion | 150 ‚Ethnizität‘ als Paradigma der Erforschung frühchristlicher Identitätsbildungsprozesse | 152 Appellfunktion | 159
IV
Eph 1,19b–23 als grundlegende Elaboration des Gründungsnarrativs | 161 IV.1 Abgrenzung und Kontexteinbindung | 162 IV.2 Gliederung von Eph 1,20–23 | 169 IV.3 Wiederaufnahmestruktur | 173 IV.4 Textwelt | 180 IV.4.1 νῦν (I): Die δύναμις Gottes und das Gründungsnarrativ (V.19.20a) | 181 IV.4.2 Die Fortschreibung der soteriologischen Wende (V.20b–22) | 184 IV.4.3 νῦν (II): Christus, die ἐκκλησία und das All (V.23) | 192 IV.4.4 Vertiefung: Zur Traditionsverarbeitung in Eph 1,19b–23 | 196 IV.4.4.1 Aufnahme traditioneller Formulierungen | 197 IV.4.4.2 Schriftgebrauch | 200 IV.4.4.3 Fazit | 204 IV.5 Zusammenfassung | 204 V V.1
Drei ‚Moves‘ zur Vertiefung des Gründungsnarrativs: Eph 2,1– 3,13 | 207 Zur Einordnung von Eph 2,1–3,13 in den Zusammenhang des Gründungsnarrativs | 207
Inhalt | IX
V.2 V.2.1 V.2.1.1 V.2.1.2 V.2.1.3 V.2.1.4 V.2.2 V.3 V.3.1 V.3.1.1 V.3.1.2 V.3.1.3 V.3.2 V.3.2.1 V.3.2.2 V.3.2.3 V.3.3 V.4 V.4.1 V.4.2 V.4.2.1 V.4.2.2 V.4.3 V.4.3.1 V.4.3.2 V.5 V.5.1 V.5.2 V.5.2.1 V.5.2.2 V.6
Aufbau und diegetisches Profil der Sequenz | 211 Aufbau | 211 Zur Struktur von Eph 2,1–10 | 212 Zur Struktur von Eph 2,11–22 | 214 Zur Struktur von Eph 3,1–13 | 217 Zum Zusammenhang der drei Abschnitte | 220 Diegetisches Profil | 223 Querschnitt I: Das ποτέ als Hintergrundfolie | 226 Analyse von Eph 2,1–3 | 227 Syntaktische Struktur | 227 Wiederaufnahmestruktur und Referenzträger | 230 Inhaltliche Analyse | 233 Analyse von Eph 2,11f. im Kontext von Eph 2,11–22 | 237 Syntaktische Struktur | 237 Wiederaufnahmestruktur und Referenzträger | 239 Inhaltliche Analyse | 241 Eph 3,5f. | 248 Querschnitt II: Das Christusgeschehen als soteriologische Wende | 248 Einleitendes anhand von Eph 2,4–6(.7–10) | 250 Analyse von Eph 2,14–18 | 251 Syntaktische Struktur | 251 Inhaltliche Analyse | 257 Eph 3,1–13: Zur Zueignung des Heilsgeschehens | 264 Vorgaben aus Eph 2 | 264 Fortführungen | 265 Querschnitt III: Das νῦν | 268 Resultativ-präsentische Perspektivierungen | 268 Prospektive Perspektivierungen | 274 Eph 2,7/3,10 | 275 Eph 2,21f. | 277 Zusammenfassung und pragmatische Vertiefung | 281
Fortführungen des Gründungsnarrativs in Eph 4,1–6,20 | 287 Zur Einordnung von Eph 4,1–6,20 in den Zusammenhang des Gründungsnarrativs | 287 VI.2 Aufbau und diegetisches Profil | 290 VI.2.1 Aufbau | 290 VI.2.2 Diegetisches Profil | 293 VI VI.1
X | Inhalt
VI.3 VI.3.1 VI.3.2 VI.4 VI.4.1 VI.4.2 VI.4.2.1 VI.4.2.2 VI.4.2.3 VI.5 VI.5.1 VI.5.1.1 VI.5.1.2 VI.5.1.3 VI.5.2 VII VII.1 VII.2 VII.2.1 VII.2.2 VII.2.3 VII.2.4 VII.2.5 VII.3
Querschnitt I: Das ποτέ | 295 Eph 4,17–24 | 295 Vertiefungen | 299 Querschnitt II: Die soteriologische Wende | 302 Eph 4,20–24 | 302 Analyse von Eph 4,7–16 | 305 Beobachtungen zu Struktur und diegetischem Profil | 305 Inhaltliche Analyse | 311 Zusammenfassung | 327 Querschnitt III: Das νῦν | 328 Resultativ-präsentische Perspektivierungen (Eph 4,15f.; 5,11–14; 5,21–6,9) | 330 Eph 4,15f. | 330 Eph 5,11–14 | 334 Eph 5,21–6,9 | 344 Prospektive Perspektivierungen (Eph 4,13.30) | 348 Bündelung und Ertrag | 354 Charakteristika der sprachlich-literarischen Eigenart des Epheserbriefes | 354 Summa der Gründungsgeschichte | 355 Protologie und allgemeine Voraussetzungen | 355 Einst (ποτέ) | 357 Soteriologische Wende (ἀπολύτρωσις I) | 359 Jetzt (νῦν) | 361 Vollendung (ἀπολύτρωσις II) | 363 Fazit | 363
Literaturverzeichnis | 365 Quellen | 365 Hilfsmittel | 366 Sekundärliteratur | 367 Register | 385 Autorinnen und Autoren | 385 Begriffe | 388 Stellen | 390
I I.1
Einleitung Fragestellung und These
Anliegen der vorliegenden Arbeit ist die Untersuchung des Epheserbriefs als Dokument der Konstruktion eines gemeinschaftlichen Selbstverständnisses. Damit wird sich gleichsam auf einen ‚Hotspot‘ der jüngeren neutestamentlichen Forschungsdiskussion begeben, nämlich die Frage nach den Prozessen kollektiver Identitätsbildung unter den frühen Christusgläubigen.1 Eine Verortung in diesem disparaten Feld klingt dabei bereits in der eingangs gegebenen Formulierung an: So rekurrieren die nachfolgenden Ausführungen auf ein konstruktivistisch geprägtes Paradigma, wonach ‚kollektive Identität‘ als ein nicht zuletzt durch diskursive Praktiken etablier- und formbares Konzept zu gelten hat, das im Bewusstsein der sich einem bestimmten Kollektiv zugehörig fühlenden Subjekte verankert ist.2 Auf dieser Grundlage wird davon ausgegangen, dass sich
|| 1 Für eine fundierte, survey-artige Beleuchtung dieses ‚Hotspots‘ samt kritischer Diskussion vgl. Strecker, „Identität“. 2 Orientiert wird sich hierfür an den vielfach rezipierten Bestimmungen Jan Assmanns, wonach der Begriff der „kollektiven oder Wir-Identität“ zu konzeptualisieren ist als „das Bild, das eine Gruppe von sich aufbaut und mit dem sich deren Mitglieder identifizieren“; vgl. Assmann, Gedächtnis, 132. In Abgrenzung von essentialistischen Sichtweisen verweist ‚kollektive Identität‘ mithin nicht auf eine vorfindliche, objektiv gegebene Größe. Ihren Ort hat sie vielmehr im Bewusstsein der einzelnen Subjekte, die sich einer bestimmten Gruppe zugehörig fühlen (und diese zugleich eben dadurch konstituieren); der „‚Sozialkörper‘“, als den die Rede von der kollektiven Identität ein menschliches Kollektiv vorstellig macht, „ist eine Metapher, eine imaginäre Größe, ein soziales Konstrukt“ (ebd.) – was freilich nicht heißt, dass zum einen derart ‚imaginäre Größen‘ nicht sehr wohl ganz reale Wirkmacht entfalten können, zum anderen die diskursiven Strategien, die zum Aufbau kollektiver Selbstbilder herangezogen werden, gerade auf eine (vermeintliche) Unvorgreiflichkeit bzw. ‚Naturgegebenheit‘ bestimmter Identitätsmerkmale abstellen können. Zu betonen ist zudem, dass die Formierung solcher Selbstbeschreibungen sich nicht im luftleeren Raum, sondern in vielfältigen Wechselwirkungen mit dem gesellschaftlichen Umfeld und zumal mit dort etwaig anzutreffenden Fremdzuschreibungen vollzieht; vgl. dazu Stephan, Honoratioren, 18: „Die Genese kollektiver Identitäten ist keine souveräne Setzung durch ein autonomes Subjekt, sondern ein dialektischer Prozess zwischen dem einzelnen und seiner sozialen Umgebung“. Auf die Relevanz solcher Dialektik für die Prozesse der Herausbildung kollektiver Selbstbilder weist bereits die ‚λέγειν-Dynamik‘ in Eph 2,11 hin; vgl. dazu in dieser Arbeit unter V.3.2. – Wenn im Zusammenhang der vorliegenden Arbeit im Übrigen der Begriff ‚gemeinschaftliches Selbstverständnis‘ gegenüber dem der ‚kollektiven Identität‘ präferiert wird, so geschieht dies vor dem Hintergrund, dass jener das Moment des Diskursiv-Reflexiven deutlicher zum Ausdruck zu bringen vermag, während letzterer https://doi.org/10.1515/9783110794458-001
2 | Einleitung
die neutestamentlichen Texte als – durchaus vielstimmige – ‚Aufbauarbeit‘ an konjunktiven „Selbst- und Weltbeschreibungen“3, mithin spezifischen gemeinschaftlichen Selbstverständnissen der frühen Christusgläubigen ansprechen lassen.4 Der Epheserbrief mag in dieser Hinsicht als ein naheliegendes Exemplum erscheinen, stellt nach verbreiteter Auffassung doch die ἐκκλησία und also ein Begriff, der tragende Bedeutung für die Beschreibung des Selbstverständnisses der Christusgläubigen gewinnen sollte5, das zentrale Thema des Schreibens dar.6 Zudem wird ein Proprium der Verhandlung dieses Themas im Epheserbrief vielfach eben darin gesehen, dass die ἐκκλησία auf prononcierte Weise als eine universale, ortsgemeindliche Kontexte transzendierende Größe in den Blick komme.7 Solch grundsätzlicher Ausrichtung mag der scheinbare Verzicht auf die Diskussion situativer adressatenbezogener Spezifika nur entsprechen, wie sich ein ‚ökumenischer‘ Horizont denn auch (spätestens) im abschließenden Gnadenwunsch, der sich in entgrenzender Weise an „alle, die unseren Herrn
|| – vgl. Rammert u.a., „Identitäten“, 11 – noch allzu leicht unterstellen könnte, es gebe so etwas wie einen fixen ‚Wesenskern‘ o.ä. 3 Vgl. Straub, „Identität“, 299f. 4 Einen ähnlichen hermeneutischen Ausgangspunkt wählt Stefan Alkier, wenn er seinen Überlegungen zur „Identitätsbildung im Medium der Schrift“ die Annahme zugrunde legt, die Schriften des Neuen Testaments bildeten „nicht die kollektive Identität der Christenheit des 1. Jahrhunderts deskriptiv ab“, sondern seien „darum bemüht, auf je eigene Weise eine kollektive Identität von Christusanhängern und ihren Versammlungen zu generieren“; vgl. Alkier, „Identitätsbildung“, 105. Die neutestamentlichen Schriften seien dabei als ein „kleiner, aber wirkmächtiger Ausschnitt“ aus einer umfassenderen „Diversität der Christusanhänger“ anzusehen, so dass sie als „positionelle Zeugen der Komplexität, Vielfalt und Widersprüchlichkeit kollektiver Identitätsbildungsprozesse unter den Christusanhängern ihrer Zeit“ gelten können (ebd.), deren Rezeption sie zugleich zu „Medien kollektiver Identitätsbildungsprozesse“ werden ließ (a.a.O., 135). 5 Vgl. Korner, „Ekklēsia“, 56: „As the second century dawned, it was ekklēsia which came to predominate as Christ-followers’ group designation of choice“. 6 Exemplarisch seien angeführt Schnelle, Theologie, 529 („Die Ekklesiologie ist das bestimmende Thema des Epheserbriefs, von dem her die Gesamtargumentation ihr Gepräge erhält.“); Söding, „Haus“, 75 („Die Kirche ist – erstmals und einmalig im Neuen Testament – das Hauptthema einer ganzen Schrift.“). Es scheint sich hierbei nach wie vor (vgl. bereits Holtzmann, Kritik, 239: „Der Epheserbrief wird in der Theologie gewissermaassen als Locus classicus für die Lehre von der Kirche betrachtet.“) geradezu um einen Topos der Epheserbrief-Exegese zu handeln, der auch manche Kritik, wie sie etwa von Luz, „Überlegungen“, 377 formuliert wurde, überstanden hat. 7 Vgl. etwa Schnackenburg, Eph, 301.
Fragestellung und These | 3
Jesus Christus lieben“, richtet (Eph 6,24), einigermaßen unverhüllt zu erkennen zu geben scheint. So begründet die Vermutung daher sein mag, der Epheserbrief betreibe ekklesiale Grundlagenarbeit in verbindender Absicht, so schillernd nimmt sich bekanntlich das Profil derselben aus. Dies betrifft zum einen die theologischkonzeptionelle Ebene. Hingewiesen wird hier insbesondere auf im Gegenüber zu den allgemein als authentisch anerkannten Paulusbriefen vermeintlich zu konstatierende Gewichtsverlagerungen, die geradezu nach Art einer „kopernikanischen Wende“8 die Ekklesiologie im Epheserbrief in die Funktion eines theologischen Zentraltopos einrückten, von dem aus sämtliche weitere Fäden – zumal die Christologie und Soteriologie – entwickelt würden.9 Derlei Grundsatzfragen stehen dabei in Wechselwirkung mit, zum anderen, der nicht minder kontroversen Ebene einer adäquaten Kontextualisierung des Schreibens, die auch die Bestimmung seiner literarischen Eigenart betrifft. Diese Ebene setzt bei den Fragen nach Verfasserschaft, Adresse und (literarischen) Abhängigkeiten an und führt hinein in ein komplexes Geflecht traditions-, religions- wie auch zeitgeschichtlicher Zusammenhänge, denen mitunter eine maßgebliche Rolle für die Gesamtdeutung des Epheserbriefs beigemessen wird.10 Unter diesem Eindruck systematisierender Durchdringungen einerseits, intertextuell ausgerichteter Situierungsarbeit andererseits droht freilich eine intratextuell orientierte Perspektive, welche auf die Frage nach der kommunikativen Eigendynamik des Schreibens fokussiert, in den Hintergrund zu treten. Auf die Relevanz gerade einer solchen Perspektive für das Verständnis des Epheserbriefes, wie sie die vorliegende Arbeit prägen soll, vermag aber nicht zuletzt die dortige Verhandlung der ἐκκλησία-Thematik hinzuweisen, wie im Folgenden anhand einiger schlaglichtartiger Erkundungen verdeutlicht werden soll.
|| 8 Roloff, Kirche, 231. Jene Wende besteht nach Roloff eben darin, dass der deuteropaulinische Epheserbrief „die Kirche zum Ausgangspunkt“ nehme, „um das Christusereignis von ihr her zu interpretieren“ (a.a.O., 231f.). Roloff sieht darin „eine Wirkungsgeschichte angestoßen, die in direkter Linie zu den altkirchlichen Glaubensbekenntnissen führt, in denen die Kirche als eigenständiger Glaubensinhalt thematisiert ist“ (ebd.). 9 Pointiert formuliert etwa Merklein, Christus, 66: „‚Kirche‘ selbst ist der Begriff oder die Idee, von wo aus alle anderen Theologumena gedacht und entwickelt werden“. 10 Exemplarisch für die ältere Forschung etwa Käsemann, Leib, 155: Der Epheserbrief (wie der Kolosserbrief) werde „erst von einer die Gnosis berücksichtigenden Interpretation verständlich“.
4 | Einleitung
a) Die Konkordanz weist neun Belege für den Begriff ἐκκλησία im Epheserbrief aus.11 Dies darf, die relative Kürze des Schreibens in Rechnung gestellt, tatsächlich als eine vergleichsweise hohe Frequenz angesehen werden, die zumindest auf ein Interesse an der Thematik hindeuten mag.12 Indes entfallen allein sechs der Belege auf die ‚Ehetafel‘ Eph 5,22–33 und also einen schon formal recht geschlossenen Passus. Der Begriff als solcher wird in dem auch sonst an begrifflicher Rekurrenz nicht armen Schreiben somit zunächst kaum zwingend sogleich als Leitmotiv erkennbar; im Gegenteil, er begegnet erstmalig erst in Eph 1,22. Ebendiese Einführung in Eph 1,22 hat es freilich in sich: Denn nicht nur beschließt der Blick auf die ἐκκλησία in 1,22f. den an 1,19 angeschlossenen, hymnisch anmutenden Aussagezusammenhang, der grundlegende Parameter des christuszentrierten, sich in allumfassend-kosmischen Dimensionen bewegenden göttlichen Heilshandelns zur Darstellung bringt13, sondern die umgehende definitionsartige (ἥτις ἐστὶν κτλ.) Erläuterung des Begriffs in 1,23 rückt diesen zugleich in ein semantisches Netzwerk ein, das im Gesamtbrief auf facettenreiche Weise entfaltet wird. In der Folge vermag sich die ἐκκλησία in der Tat als ein zentraler, in der Tiefenstruktur des Textes verankerter – aber eben auch nur von hier aus anzusprechender – Referenzträger zu erweisen. b) Dieser Befund wird durch die Beobachtung vertieft, dass markante Aussagen, die über die ἐκκλησία gemacht werden, an anderer Stelle im Epheserbrief auf einen weiteren Referenzträger, dem für das Anliegen der vorliegenden Untersuchung höchstes Interesse gebührt, bezogen werden, nämlich eine sich in der 1.Pl. artikulierende Wir-Gruppe.14
Einschlägig sind in dieser Hinsicht insbesondere zwei Belege aus dem besagten Passus Eph 5,22–33. So findet die Aussage 5,25c eine nahezu wörtliche Entsprechung in 5,2b – bei in der beschriebenen Weise differierendem Bezugsobjekt: καθὼς καὶ ὁ Χριστὸς ἠγάπησεν τὴν ἐκκλησίαν καὶ ἑαυτὸν παρέδωκεν ὑπὲρ αὐτῆς Eph 5,25c
|| 11 Eph 1,22; 3,10.21; 5,23.24.25.27.29.32. 12 So wertet Bormann, Theologie, 183 die „häufige Verwendung [des Begriffs ἐκκλησία, J.B.] im Epheser“ als Hinweis „auf die besondere Stellung des Themas Kirche in diesem Schreiben“. 13 Zur Analyse von Eph 1,19b–23 vgl. näherhin unter IV. 14 Auf diesen Sachverhalt macht auch Gerber, „Braut“ aufmerksam; vgl. bes. die tabellarische Übersicht a.a.O., 210f.
Fragestellung und These | 5
καθὼς καὶ ὁ Χριστὸς ἠγάπησεν ἡμᾶς καὶ παρέδωκεν ἑαυτὸν ὑπὲρ ἡμῶν κτλ. Eph 5,2b
Ähnlich kehrt die an ein final-konsekutives εἶναι gekoppelte Attributivwendung ἅγιος καὶ ἅμωμος, die in Eph 1,4 einem ἡμεῖς zugeordnet wird, in der auf die ἐκκλησία bezogenen Aussage 5,27c wieder: … εἶναι ἡμᾶς ἁγίους καὶ ἀμώμους κτλ. Eph 1,4 … ἵνα ᾖ [nämlich ἡ ἐκκλησία; vgl. 5,27a] ἁγία καὶ ἄμωμος Eph 5,27c
Diese Parallelen legen zumindest eine Verbindung zwischen ἐκκλησία und jener 1.Pl. bzw. der dadurch designierten Wir-Gruppe im Epheserbrief nahe. Die 1.Pl. ist dabei – im Unterschied zum ἐκκλησία-Begriff – im Epheserbrief bereits von Anfang an (vgl. Eph 1,2) präsent, ja, zumal in der Briefeingangseulogie Eph 1,3– 14 nachgerade prominent vertreten (siehe dazu III) und begegnet auch im weiteren Schreiben wiederholt – und dies trotz des Umstands, dass das Präskript Paulus als alleinigen Absender ausweist. In diesen Beobachtungen können erste Hinweise darauf erblickt werden, dass die ἐκκλησία im Epheserbrief gezielt auch als personal verfasste Gruppe in den Blick genommen wird.15 c) Die ἐκκλησία-Thematik im Epheserbrief erscheint somit als eingebettet in eine vielschichtige Verhandlung der Eigenart und Beschaffenheit der Gemeinschaft der Christusgläubigen. Es sind nun Beobachtungen zur Struktur der Textoberfläche, die weiteren Aufschluss geben über die Eigenart dieser Verhandlung. So geht der eigentümliche, sich nicht zuletzt durch seine Plerophorie auszeichnende Stil des Epheserbriefs schon auf sprachlich-syntaktischer Ebene einher mit der Evokation zahlreicher Ambiguitäten. Beispielhaft sei hierfür die Frage nach der Zuordnung von ἐν ἀγάπῃ am Ende von Eph 1,4 angeführt: Die Wendung lässt sich in Verbindung bringen a) mit dem ἐξελέξατο als dem übergeordneten Prädikat des καθώς-Satzes, b) mit der davon abhängigen finalen Infinitivwendung εἶναι κτλ. sowie c) mit dem in V.5 nachfolgenden Partizip προορίσας. Im erst- wie letztgenannten Fall würde sich || 15 Der weitere Gang der Untersuchung wird zeigen, dass die 1.Pl. im Epheserbrief tatsächlich durchgängig – eine Ausnahme stellt allenfalls Eph 6,22 dar – in einem inklusiv-gesamtchristlichen Sinn zu verstehen ist. Die Einschätzung bei Wolter, „Epheserbrief“, 202, wonach ἐκκλησία und die durch die 1.Pl. bezeichnete Wir-Gruppe im Epheserbrief „referenzsemantisch isotop“ sind, wird sich insofern bestätigen.
6 | Einleitung
ἐν ἀγάπῃ auf Gott als Subjekt beziehen, im zweitgenannten Fall wohl auf die 1.Pl., d.h. die Christusgläubigen. Inhaltlich scheint vom Gesamtbefund des Briefes her zunächst durchaus beides denkbar (vgl. nur Eph 1,15; 2,4; 4,2; 5,1f.).16 Insofern solche Ambiguitäten aber geradezu als ,Leerstellen‘ im rezeptionsästhetischen Sinn aufgefasst werden können17, fordern sie eine aktive Rolle der Rezipienten im Prozess der Bedeutungskonstitution in besonderer Weise ein. Dies aber zeigt an, wie sehr dem Schreiben an der rezipientenseitigen Partizipation gelegen ist. In eine ähnliche Richtung weist im Übrigen der reichhaltige Gebrauch, den der Epheserbrief von hymnisch-liturgischen Sprachformen macht.18 Fazit: Die Briefform scheint mithin durchaus nicht als bloßes Vehikel für die Übermittlung eines theologisch-ekklesiologischen Lehrgehalts zu dienen.19 Der schon textsortenbedingte dialogische Grundcharakter20 kann vielmehr als richtungsweisend angesehen werden für das kommunikative Potential des Schreibens. So ist dieses gemäß den angeführten Beobachtungen offenbar bestrebt, seine Rezipientinnen in die ihm eigene ‚Textwelt‘ zu verwickeln und in die Bewegungen, die in ebendieser vorgenommen werden, hineinzunehmen. Die prominente Rolle, die der ἐκκλησία-Thematik im Epheserbrief zukommt, legt dabei wiederum nahe, dass eine Bearbeitung des Selbstverständnisses der Gemeinschaft der Christusgläubigen einen maßgeblichen Bezugshorizont dieser Textbewegungen darstellt. Die vorliegende Untersuchung nimmt die aufgezeigten Spuren zum Ausgangspunkt und wendet sich der Frage nach der kommunikativen Struktur und Dynamik des Epheserbriefes in intratextueller Ausrichtung zu.21 Sie beruht auf || 16 Zur weiteren Analyse vgl. III. 17 Vgl. dazu insbesondere Iser, „Appellstruktur“. 18 Vgl. dazu die Hinweise bei Schlier, Eph, 18 Anm. 4. Die beschriebenen Beobachtungen bestätigen zum einen die Einschätzung bei Merklein, Amt, 45, wonach der Epheserbrief durchaus „kein introvertierter theologischer Traktat“ sei, sondern „auf die Gemeinde hin angelegt und für den Gebrauch in der Gemeinde bestimmt“. Zum anderen mahnen sie zur Vorsicht gegenüber der von Gerber, „Briefe“, 318 formulierten Ansicht, der Epheserbrief zeige „in der Beziehungspflege zwischen Adressant und Adressaten“ vergleichsweise „sehr wenig Engagement“. 19 Wirkmächtig bestimmte wiederum Ernst Käsemann in seinem RGG3-Artikel den Epheserbrief als einen „brieflich nur eingekleidete[n] Traktat“; vgl. Käsemann, „Epheserbrief“, 517. 20 Vgl. dazu Hoegen-Rohls, Augenblickskorrespondenz, 26–31. 21 Dieses Ansinnen weist innerhalb der Vielzahl von Ansätzen zur Analyse frühchristlicher ‚Identität‘ eine Nähe insbesondere zu Positionen auf, die eine solche wesentlich als eine den Texten inhärente ‚rhetorical construction‘ – so in Aufnahme der von Holmberg, „Understanding“, 5–27 vorgelegten Typologisierung von Forschungsansätzen – auffassen. Als rich-
Fragestellung und These | 7
der Annahme, dass der Epheserbrief als ein literarisches Dokument angesehen werden kann, dem es nicht um die abstrakte Darlegung einer ekklesiologischen Konzeption geht, sondern das darauf angelegt ist, ein bestimmtes gemeinschaftliches Selbstverständnis der Christusgläubigen – das sich, insofern der Begriff ἐκκλησία in diesem Zusammenhang eine gewichtige Rolle spielt, heuristisch als ein ,ekklesiales‘ bezeichnen lässt – zu konstruieren.22 Entsprechend soll nach dem spezifischen Profil sowohl der Konstruktionsweise als auch des solchermaßen Konstruierten selbst gefragt werden. Die Grundthese, die im Zuge der nachfolgenden Ausführungen entwickelt werden wird, sei dabei bereits an dieser Stelle umrissen: Die textintern entworfene, fiktive Kommunikationssituation zwischen dem Absender ‚Paulus‘ und seinen Adressaten dient im Epheserbrief als Rahmen, in den der Entwurf einer Gründungsgeschichte der Gemeinschaft der Christusglaubenden eingespannt ist. Ausweislich ihrer Grundlegung in der Briefeingangseulogie Eph 1,3–14 wird dieses Narrativ maßgeblich im Modus des Gotteslobs entfaltet, dessen konnektives Potential es sich zunutze macht. Als ‚Verlautbarungsinstanz‘ dient dabei eine inklusiv-gesamtchristliche 1.Pl., die ihren paradigmatischen Repräsentanten in dem Apostel Paulus findet, dabei jedoch zugleich identifikationsoffen für die intendierten Rezipienten des Schreibens ist. Auf diese Weise wird im Epheserbrief eine umfassende Gesamtschau christusgläubiger Existenz in ekklesialer Ausrichtung entwickelt, wobei sich das gemeinschaftsstiftende Potential dieser Gesamtschau in pragmatischer Hinsicht nicht zuletzt durch einen diskursiven
|| tungsweisend sind in diesem Zusammenhang die Arbeiten von Judith M. Lieu anzusehen: Lieu zufolge sind die frühchristlichen Texte wesentlich eben als Konstruktionen eines je spezifischen Selbstverständnisses anzusehen; ihnen kann entsprechend eine Schlüsselrolle in der Herausbildung eines ebensolchen zugewiesen werden; vgl. bes. die Ausführungen zu „Text and Identity“ in Lieu, Identity, 27–61. Gerade der Briefliteratur attestiert Lieu dabei die Eigenschaft, unter Bereitstellung eines eigenen ,symbolic universe‘ einen distinkten Kommunikationsraum zu eröffnen, in dem Welterfahrung und Weltsicht der am Rezeptionsprozess Beteiligten neu verhandelt und aufeinander abgestimmt werden können, so dass diese Texte in besonderer Weise auf die Stiftung von Gemeinschaft hin tendieren; vgl. Lieu, „Letters“, bes. 170. 22 Ähnlich lautet auch die „These“ zur Ekklesiologie des Epheserbriefs bei Gerber, „Braut“, 199, „dass der Epheserbrief sprachlich und damit auch konzeptuell noch keinen prägnanten Begriff von ,Kirche‘ voraussetzt“, sondern dass es ihm vielmehr darum geht, eine bestimmte „Idee“ von der Gemeinschaft der Christusgläubigen – von Gerber näherhin als die Vorstellung einer Zusammengehörigkeit der Gläubigen „jenseits der Pluralität von einzelnen Gemeinschaften“ bestimmt – „metaphorisch [zu] entwerfen und [zu] begründen“. Indem sich Gerber in dem betreffenden Beitrag der Sache indes von der Semantik und Gebrauchsweise des ἐκκλησίαBegriffs her annähert, unterscheidet sich ihr Zugang von dem hier gewählten.
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Wechselschritt aus dem Zuspruch unvorgreiflicher Heilsteilhabe und der Betonung der Notwendigkeit eines heilsstandgemäßen Selbstvollzugs als Moment der Dynamisierung und Fluidisierung auszeichnet.
I.2
Kontextualisierungen
Die beschriebene Perspektive auf den Epheserbrief schließt in mehrfacher Hinsicht an Tendenzen der jüngeren Forschung an: Stellte im 20.Jh. die Frage nach den religionsgeschichtlichen Kontexten weithin den Brennpunkt der Debatten dar23, so ist zum einen etwa seit den 1990er Jahren eine gesteigerte Aufmerksamkeit für das ,Funktionieren‘ des Epheserbriefs als Gesamtschreiben zu verzeichnen. Intratextuell orientierte Aspekte treten auf diese Weise stärker in den Vordergrund.24 Dies bedeutet nicht zuletzt eine Aufwertung der Kapitel 4–6 als des zweiten, parakletisch geprägten Hauptteils, der bewusst als integraler theologisch-konzeptioneller Bestandteil des Epheserbriefs in den Blick genommen
|| 23 Vgl. den Forschungsbericht bei Merkel, „Epheserbrief“, der auf die Verhandlung der diversen religionsgeschichtlichen Bezugsfelder in der Forschung fokussiert und in der „unabgeschlossenen Diskussion über den religionsgeschichtlichen Horizont“ im Anschluss an Ernst Käsemann „in der Tat ,das Interpretationsproblem des Eph‘“ sieht (a.a.O., 3212f.). Eine einstweilige Bündelung und weiterführende Zusammenschau liegt inzwischen mit Schwindt, Weltbild vor. Als konsensuale Tendenz der neueren Forschung zeichnet sich eine Betonung der Relevanz hellenistisch-jüdischer Konzepte, wie sie exemplarisch bei Philo greifbar werden, für die Kontextualisierung des Epheserbriefes ab; vgl. Gerber, „Paulus“, 318. Die facettenreiche Diskussion um die enzyklopädischen Zusammenhänge, mit denen der Epheserbrief in Verbindung zu bringen ist, wird freilich fortgeführt, zumal sich eine adäquate Wahrnehmung des Schreibens letztlich erst aus dem Zusammenspiel intra- und intertextueller Perspektiven ergeben kann. 24 Diese Neuorientierung, die freilich auch in der vorangehenden Diskussion ihre Vorläufer hat, macht sich markant bemerkbar etwa in dem Kommentar von Andrew T. Lincoln (WBC, 1990) mit seiner Verwendung rhetorischer Kategorien zur Erhebung der textinternen Dynamiken, denen eine Schlüsselrolle für das Verständnis des Schreibens zugesprochen wird: So sind Lincoln zufolge die Fragen nach Situation und Abfassungszweck des Epheserbriefs von der Durchleuchtung der im Text erkennbaren „rhetorical situation“ her anzugehen; vgl. Lincoln, Eph, lxxiv. Insofern er dabei die Aufmerksamkeit „first and foremost“ auf „what can be inferred both from the picture of the implied writer and recipients that emerges from a text and from the text’s rhetorical genre and strategies“ zu richten sucht (ebd.), weist sein Ansatz Berührungspunkte mit der in der vorliegenden Arbeit verfolgten Herangehensweise auf. Einer umfassenden rhetorischen Analyse unterzogen wurde der Epheserbrief ferner durch Jeal, Theology (Publikationsjahr 2000).
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wird.25 Als ein übergeordnetes Anliegen des Briefs wird dabei zum anderen zunehmend die kollektive Identitätsbildung benannt; treffend verweist Julien Smith auf die Zusammengehörigkeit der beiden genannten Aspekte und bezeichnet die Wahrnehmung des Schreibens als „addressing the related issues of identity formation and behavior“ als eine inzwischen erkennbare „new line of research“.26 Als richtungsweisend für einen prominenten Strang in dieser neueren Debatte kann dabei der 2000 erschienene Sacra Pagina-Kommentar von Margaret Y. MacDonald angesehen werden: Nicht nur wird hier – ganz im soeben beschriebenen Sinne – das Interesse des Epheserbriefes an der ἐκκλησία-Thematik explizit als ein Interesse an der „identity of the church“ bestimmt27; MacDonalds Kommentar zeichnet sich zudem durch die Integration soziologischer Theoriebildungen in die Analyse aus. Eben darin aber hat sie Nachfolge erfahren, haben doch insbesondere die Studien von Minna Shkul (2009) und Rikard Roitto (2011) ähnlich gelagerte Zugänge zum Epheserbrief zum Zuge gebracht.28 Ein weiteres, elementares Bezugsfeld stellt angesichts der auch in der vorliegenden Arbeit vertretenen Annahme einer deuteropaulinischen Verfasserschaft des Epheserbriefs (vgl. dazu II.4) die Pseudepigraphieforschung dar. Auch hier ist in der jüngeren Diskussion eine Reihe von Neuansätzen zu ver-
|| 25 Demgegenüber lautete die Problemanzeige bei Luz, „Überlegungen“, 377f. noch: „Die Paränese wird nur selten als Proprium des Briefes ernst genommen“. 26 Vgl. Smith, Christ, 3. Einen prägnanten Ausdruck findet der beschriebene Konnex auch in dem Begriff des ,Identitätsmanagement‘, auf den Michael Wolter das Anliegen des Epheserbriefs bringt; vgl. Wolter, „Epheserbrief“. Wolter versteht darunter den „Entwurf eines zweiteiligen Begründungszusammenhangs“, der anhand „sog. ,Seins-Aussagen‘“ in einem ersten Schritt „die Identität einer Gruppe zu konzeptualisieren“ sucht und sodann in einem zweiten Schritt mittels „sog. ,Sollens-Aussagen‘“ eine „Beschreibung der Institutionen und institutionalisierten Handlungen“ liefert, die der „sozialen Veranschaulichung von Identität“ dienen (a.a.O., 200). Zur ausführlicheren Darlegung dieses Modells siehe auch Wolter, „Identität“. Wenngleich die Verteilung der beiden genannten Schritte auf Eph 1–3 einerseits, Eph 4–6 andererseits (vgl. Wolter, „Epheserbrief“, 200) wohl zu schematisch ist (s.u. VI.1–2), bietet Wolters Konzept anregende Perspektiven, um die identitätskonstruierenden Dimensionen der (deutero-)paulinischen Briefliteratur in den Blick zu bekommen. 27 MacDonald, Eph, 22. 28 Vgl. Shkul, Reading; Roitto, Behaving. Zur Paraklese des Epheserbriefs vgl. zudem Darko, Gentiles. – Demgegenüber gestaltet sich die Rezeption der Impulse, die sich unter dem Oberbegriff der ,New Perspective on Paul‘ bündeln lassen, in der exegetischen Diskussion zum Epheserbrief bislang eher zurückhaltend; mit Yee, Jews liegt immerhin eine ausführliche Studie für diesen Bereich vor, die zu weiterer Diskussion einlädt.
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zeichnen29, auf denen auch die folgenden Ausführungen fußen. Dies gilt nicht nur für die allgemeine „Tendenz, pseudepigraphische Schriften als eigene theologische Entwürfe wahrzunehmen und zu würdigen“30, sondern insbesondere auch für die „konsequente Deutung pseudepigraphischer Texte als fiktionale Literatur“.31 Der genannten Deutungsperspektive liegt die Annahme zugrunde, dass die pseudepigraphe Briefliteratur im Neuen Testament sich jeweils nicht allein durch eine – im Falle des Epheserbriefs paulinische – Autorfiktion auszeichnet. Vielmehr ist damit zu rechnen, dass auch die weiteren kommunikativen Koordinaten, d.h. die in den Blick genommenen Adressaten wie auch die im Text erkennbare ,Situation‘ überhaupt, als fiktiv anzusehen sind. Damit aber eröffnet sich in methodologisch-hermeneutischer Hinsicht das Feld für ein kommunikationstheoretisch-literaturwissenschaftlich, zumal narratologisch informiertes Instrumentarium. Denn dieses kann nicht zuletzt zu einem Textmodell verhelfen, auf dessen Grundlage auf Emittenten- wie Adressatenseite unterschiedliche Instanzen voneinander abgehoben werden können32; eine entsprechende Her-
|| 29 Vgl. dazu den einführenden Beitrag von Martina Janßen und Jörg Frey in dem vom ihnen 2007 herausgegebenen Sammelband (Janßen/Frey, „Einführung“). 30 Janßen/Frey, „Einführung“, 12. Für die Forschung zum Epheserbrief können insbesondere die Arbeiten von Faust, Pax (1993) und Gese, Vermächtnis (1997) von jener Tendenz zeugen, insofern beide Studien jeweils eine Art ‚Gesamtsicht‘ im beschriebenen Sinne entwickeln – wenn auch aus ganz unterschiedlichen Perspektiven heraus. So bestimmt Eberhard Faust die Darstellung der Gemeinschaft der Christusgläubigen unter Christus als Haupt im Epheserbrief pointiert als „Kontrafaktur“, die diese Gemeinschaft als eine „universale, soziale Gegengröße zum Imperium Romanum unter seinem kaiserlichen Haupt“ entwirft (vgl. Faust, Pax, 482 [Hervorhebung im Original]). Demgegenüber widmet sich Michael Gese dem Verhältnis des Epheserbriefs zur paulinischen Tradition und gelangt zu der – nicht minder pointiert formulierten – Einschätzung, der Epheserbrief sei als „das theologische Vermächtnis der Paulusschule“ anzusprechen, das „eine umfassende Gesamtschau der paulinischen Theologie“ biete; vgl. Gese, Vermächtnis, 275 bzw. 271 (Hervorhebungen im Original). 31 Janßen/Frey, „Einführung“, 14. Zur Plausibilisierung dieser Zugangsweise vgl. auch Zimmermann, „Unecht“, bes. 33–35. Hübenthal, „Pseudepigraphie“, 61 spricht mit Blick auf diese Entwicklung wohl zu Recht von einem „Paradigmenwechsel“. 32 Wichtige Impulse verdankt die Diskussion Eckart Reinmuths kompaktem Exkurs „Zur neutestamentlichen Paulus-Pseudepigraphie“ in seinem NTD-Kommentar zum 2.Thessalonicherbrief; vgl. Reinmuth, „Exkurs“. Im Blick auf den Epheserbrief ist die skizzierte Zugangsweise insbesondere – vgl. aber auch die Bemerkungen zu Lincolns Eph-Kommentar oben Anm. 24 – von Christine Gerber vorangetrieben worden; vgl. insbes. dies., „Briefe“. Insofern Gerber dabei die „,pseudepigraphe Brieffiktion‘“ nicht nur als ein ‚Medium‘ anspricht, das einen „Beitrag […] für die Identitätsbildung“ leisten kann, sondern die Pragmatik des Epheserbriefs gerade dadurch bestimmt sieht, einer heterogenen Rezipientenschaft – „Glaubend[e]
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angehensweise wird auch in der vorliegenden Arbeit gewählt und entwickelt werden (II.1–2). Vor dem Hintergrund der oben (I.1) formulierten Grundthese, die im Epheserbrief den Entwurf einer Gründungsgeschichte der Gemeinschaft der Christusglaubenden angelegt findet, stellt sich nicht zuletzt die Frage, inwiefern in der jüngeren Diskussion die Relevanz narrativer Elemente für Struktur und Textwelt des Schreibens bereits herausgestellt worden ist. In der Tat sind zumal im Zusammenhang der im Vorangehenden angeführten Forschungsbeiträge entsprechende Beobachtungen gemacht worden; dem jeweils gewählten Zugang gemäß ist dies aus durchaus unterschiedlicher methodologischhermeneutischer Warte heraus der Fall. Ein Blick auf entsprechende Beiträge vermag insofern der weiteren Profilierung des eigenen Ansatzes zu dienen. a) Im Zusammenhang seiner als detaillierte „Rhetorical Critical analysis of Ephesians“ angelegten Studie fragt Roy R. Jeal auch nach dem übergeordneten „rhetorical arrangement“, das dem Schreiben zugrunde liege und Auskunft darüber gebe, wie sich dessen Einzelabschnitte zusammenfügen.33 Jeal orientiert sich dabei an den Kategorien der klassischen Rhetorik. Diese zählt eben auch die narratio – im Sinne eines „announcement or report of the circumstances upon which the audience members were to base their decisions or actions“ – zu den grundlegenden Aufbauelementen einer Rede.34 Jeal identifiziert || verschiedener Ortsgemeinden, Organisationsformen und Traditionen“ – ihre „jenseits dieser Unterschiede durch den gemeinsamen Christusglauben, durch eine gemeinsame Identität“ gegebene Verbundenheit darzutun (vgl. Gerber, a.a.O., 313f.), ergeben sich enge Berührungspunkte nicht nur zu den im Vorangehenden genannten Tendenzen der neueren Forschung zum Epheserbrief, sondern auch zu Anliegen und methodologischem Zugang der vorliegenden Arbeit. Von der konzeptionellen Stoßrichtung her liegt der Schwerpunkt bei Gerber indes insgesamt noch etwas stärker auf der Frage nach der enzyklopädischen Kompetenz der diversen ‚Modellleser‘ und damit auf der Rezipientenseite. Demgegenüber fokussiert die vorliegende Arbeit vor allem auf die Textseite. 33 Vgl. Jeal, Theology, 62–67 (Teilzitate iv bzw. 62). Leitend für die Untersuchung Jeals ist die Frage, wie sich Eph 1–3 und Eph 4–6 als „the two distinct and diverse parts of the text“ (iv) zueinander verhielten. Insofern Jeal diese beiden Teile dabei als ‚theology‘ einerseits, ‚ethics‘ andererseits anspricht und voneinander abhebt (zur Begründung vgl. a.a.O., 8–13), kann er dies in die Kernfrage überführen, wie es um die Verbindung von ‚theology‘ und ‚ethics‘ im Epheserbrief bestellt sei. Eine derart grundsätzliche Gegenüberstellung der beiden Hälften des Schreibens, wie sie Jeal zum Ausgangspunkt nimmt, wird sich im Verlauf der vorliegenden Arbeit jedoch als problematisch erweisen, da sie das vielschichtige Zusammenspiel der beiden Hauptteile des Epheserbriefs und ihren inneren Zusammenhang nicht adäquat zu erfassen vermag. 34 Vgl. Jeal, Theology, 62f. (Teilzitat 63).
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nun Eph 2,1–22 als narratio, der auch 3,2–13 als „digression on the message and ministry of Paul“ zuzurechnen sei. Zugleich weise diese narratio enge Verbindungspunkte mit 1,19b–23; 2,1–6 auf, so dass an sich auch 1,19b als ihr Auftakt in Betracht kommen könne.35 Für Jeals Modell grundlegend ist jedenfalls der Befund, dass die narratio im Epheserbrief eingebettet sei in das durch 1,3 eröffnete exordium, das sich bis 3,21 erstrecke. Eph 1,3–3,21 als erster Hauptteil des Epheserbriefs habe Jeal zufolge somit in rhetorischer Hinsicht als „combined exordium/narratio“ zu gelten – eine Möglichkeit, die im formalen Repertoire antiker Rhetorik durchaus vorgesehen sei.36 Der weitere Gang der Untersuchung wird zeigen, dass Jeal den Bogen, der sich von 1,3 bis zu 3,21 spannt, treffend erkennt und eine besondere Eigenart desselben erfasst, nämlich die Einflechtung narrativer Elemente. Gleichwohl führt die Applikation rhetorischer Kategorien bei Jeal gerade dazu, dass die für die Gesamtdynamik des Epheserbriefs, um die es auch Jeal letztlich geht37, konstitutive Einflechtung ebensolcher Elemente auch in anderen Partien des Schreibens und der dadurch entstehende, übergreifende erzählerische Zusammenhang tendenziell verdeckt werden. Dies gilt – infolge der schematisierenden Zuordnung zum exordium in Abhebung von der narratio – zumal für die Grundlegung jenes narrativen Zusammenhangs in der Briefeingangseulogie Eph 1,3–14, aber auch für den Großabschnitt Eph 4,1–6,20.38 b) Im Rahmen seiner kognitionspsychologisch basierten Untersuchung der Konstruktion christusgläubiger Identität im Epheserbrief unter besonderer Be-
|| 35 Jeal, Theology, 65 mit Anm. 219. 36 Jeal, Theology, 73f. (Teilzitat 73) mit Verweis auf Aristot. rhet. Alex. 1438b.15–28; 1442b.28– 32. Von den rhetorischen Vorgaben weicht die narratio im Epheserbrief Jeal zufolge freilich dadurch ab, dass sie eben nicht als „statement of facts“ fungiere, „upon which definite argument is made in a subsequent section“ (a.a.O., 65). Dies entspricht freilich auch seiner Auffassung, dass die beiden Hauptteile weitgehend voneinander abzuheben seien, s.o. Anm. 33. 37 Jeal, Theology, iv sieht seine „Rhetorical Critical analysis of Ephesians as a way of observing the dynamics at work in it“. 38 Ähnlich stellt sich der Befund auch hinsichtlich des enzyklopädisch-intertextuell geprägten Zugangs bei Gombis, „Ephesians 2“ dar: So sieht Gombis den Aussagegang in Eph 1,20–2,22 (was dem Kernbestand der von Jeal ausgemachten narratio entspricht, s.o.) durch die Orientierung an einem „narrative pattern of divine warfare found in the ANE, developed in the Old Testament, widespread in the first century and reflected in several other places in the New Testament“ bestimmt; vgl. Gombis, a.a.O., 404. Die Applikation jenes ‚pattern‘ auf Eph 1,20– 2,22 bietet erhellende Perspektiven auf den Aufbau und die innere Dramatik des Abschnitts. Indes wird wiederum die Verflechtung dieses narrativen Zusammenhangs mit dem Gesamtschreiben auch von Gombis nicht eingehender herausgearbeitet.
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rücksichtigung der Frage nach ihrer Relation zu spezifischen ‚behavior norms‘ hebt auch Rikard Roitto die fundamentale Rolle narrativer Elemente hervor; die Bezugnahme auf und die Etablierung von begründenden ‚ingroup narratives‘, welche der Selbstvergewisserung und Verhaltensmotivierung dienen, sind nach Roitto eine der grundlegenden Strategien des Verfassers „to persuade the recipients and thus inspire identity formation“.39 Roitto schaltet der Anwendung seines zunächst theoretisch entfalteten Ansatzes auf den Epheserbrief dabei zwar auch Erörterungen zu „Structure, Rhetorical Strategy, and Purpose of the Letter“ vor.40 Die weitere Analyse erfolgt indes – von Roittos Ansatz her freilich folgerichtig – in thematisch-deduktiver Weise anhand der im ersten Hauptteil entwickelten theoretischen Parameter. Dies hat zur Folge, dass der im Epheserbrief entwickelte narrative Begründungszusammenhang wesentlich in der Form einer systematisierten Zusammenschau zur Darstellung kommt.41 Wird sich die vorliegende Arbeit im Ergebnis inhaltlich zwar in mancher Hinsicht mit den Beobachtungen Roittos berühren42, so verfolgt sie doch die auch von Roitto benannte Frage nach einem im Epheserbrief auszumachenden „narrative web of coherence“ in einer stärker an der Textstruktur orientierten Weise und bietet somit eine ergänzende Perspektive. c) Eine Verbindung von enzyklopädisch ausgerichtetem Zugang und intratextuell orientierter Frage nach der rhetorischen Strategie des Epheserbriefs, die auf die Identitäts- und Verhaltensbildung auf Seiten der Rezipienten abstelle, kennzeichnet die von Julien Smith vorgelegte Studie „Christ the Ideal King“: Das Konzept des ‚idealen Königs‘ wird von Smith als Element des kulturellen Repertoires der Kommunikationspartner angesehen, dem eine Schlüsselrolle für die rhetorische Strategie des Schreibens zukomme, insofern Christus hier „as a type of ideal king“43 gezeichnet werde; ja, der entsprechenden Darstellung Christi komme die rhetorische Funktion zu, „the letter’s major themes“ zu einen und „argument and purpose“ des Schreibens zu erhellen.44
|| 39 Vgl. Roitto, Behaving, 163. Roitto geht von „identity formation“ als Zweck des Schreibens aus (a.a.O., 158), wobei der Konnex „between identity as a Christ-believer and behavior norms“ gerade im Epheserbrief „in a most elaborate way“ zum Ausdruck komme (a.a.O., 145). 40 Roitto, Behaving, 157–171. 41 Vgl. insbesondere Roitto, Behaving, 172–179 („The Narrative Rationale of the Identity in Christ“). 42 So wertet Roitto, Behaving, 164 etwa die Ausführungen in Eph 1,3–14 zu Recht als Darlegung von „important positive elements in the ingroup narrative“. 43 Smith, Christ, 3 und passim. 44 Vgl. Smith, Christ, 5.
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Im Zusammenhang seiner literarischen Analyse des Epheserbriefs (174ff.) rekurriert Smith nun gezielt auch auf narratologische Kategorien. Dabei spricht er das Schreiben zwar als einen „non-narrative text“ an (13), schließt sich aber Norman R. Petersen in der Ansicht an, dass jeder Brief die ‚story‘ der Beziehung zwischen Sender und Rezipienten erzähle. Ebendiese Beziehungsgeschichte könne dabei „as a narrative consisting of a sequence of actions“ (14) verstanden und entsprechend untersucht werden. Grundlegend sei hierbei insbesondere eine Differenzierung zwischen der ‚poetic‘ und ‚referential sequence‘ jener Handlungen (ebd.). Vor diesem Hintergrund gelangt Smith zu der Frage nach der ‚narrative world‘ des Schreibens (195–203), wobei er diese Frage entsprechend weitgehend auf den Aspekt der Handlungssequenz fokussiert. Schwierigkeiten scheint allerdings der Versuch zu bereiten, für den im Gesamtbrief gebotenen Befund eine einzige zusammenhängende Sequenz zu entwerfen; die nachfolgende Untersuchung wird hier auf der Grundlage des Textbefundes denn auch andere Wege gehen und stärkere Differenzierungen – etwa im Blick auf diegetische Ebenen sowie einzelne Handlungsstränge – vornehmen. Der Gang der Diskussion um die Gemeinschaft der Christusgläubigen im Epheserbrief lässt somit im Gesamt eine Akzentverschiebung erkennen hin zu den Fragen nach der diskursiven Kohärenz des Schreibens und den kollektiven Identitätsbildungsprozessen, die durch den Epheserbrief angestoßen bzw. in ihm verarbeitet und gestaltet werden; auch die Relevanz narrativer Elemente ist dabei verschiedentlich bereits in den Blick gekommen. Die vorliegende Arbeit bewegt sich im Geflecht der solchermaßen skizzierten Diskussionen; einige grundlegende Gedanken nicht zuletzt zur Struktur des Epheserbriefs, die im weiteren Verlauf der Arbeit entwickelt werden, sind dabei bereits angeklungen. In ihnen deutet sich an, was vor dem Hintergrund der aktuellen Forschungsdiskussion als ein Proprium des in dieser Arbeit gewählten Zugangs anzusehen ist, nämlich der Versuch, sich der Struktur und kommunikativen Dynamik des Epheserbriefes auf möglichst induktive Weise anzunähern. Dem dient der Ausgang von der Briefeingangseulogie Eph 1,3–14, die als ‚Eingangstor‘ in den Gesamtbrief gewertet wird und als solche ins Licht gestellt werden soll. Bevor die methodologischen Grundlagen für dieses Vorhaben erläutert werden, gilt es daher – gleich einem Exkurs, der bereits in den exegeti-
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schen Teil hineinspielt45 – die beschriebene Einschätzung der Briefeingangseulogie zu plausibilisieren. * Auf den ouvertürenartigen, bereits die „die Tendenz des ganzen Schreibens“46 in sich bergenden Charakter von Eph 1,3–14 deutet insbesondere die zu konstatierende Fülle an begrifflich-motivischen Verbindungslinien hin, die sich nicht nur in die unmittelbar angrenzenden Textbereiche (siehe dazu III.2), sondern auch in den Gesamtbrief als Makrokontext hinein ziehen lassen. So ergibt bereits ein Abschreiten der Textoberfläche, dass umfangreiche Rekurrenzen sprachlichen Materials aus der Briefeingangseulogie zu verzeichnen ist.47 Vielfach sind diese unmittelbar begrifflicher Art oder beruhen zumindest auf der Aufnahme des jeweiligen Wortstamms48; gerade eine Reihe derjenigen Termini, denen zumeist tragende Bedeutung innerhalb der theologischen Konzeption des Epheserbriefs zuerkannt wird, findet sich somit in 1,3–14 prominent eingeführt.49 Als besonders markant und insofern übergreifende Bezüge nachdrücklich signalisierend nehmen sich in diesem Zusammenhang wörtliche Wiederholungen ganzer Wendungen aus, wie dies zumal hinsichtlich des im Epheserbrief scheinbar geradezu technisch gebrauchten ἐν τοῖς ἐπουρανίοις (1,3.20; 2,6; 3,10; 6,12), aber etwa auch im Blick auf den Ausdruck εἶναι ἅγιος καὶ ἄμωμος (1,4; 5,27) der Fall ist.50 Sodann sind – auch wenn deren Identifikation im Einzelnen bereits weitergehende inhaltliche Erwägungen impliziert – diesen Rekurrenzen grundsätzlich auch motivische Aufnahmen in einem weitergefassten Sinne
|| 45 Die grundlegenden Fragen zu Abgrenzung und Kontexteinbindung werden erst ebendort behandelt werden; vgl. unter III.2. 46 So mit Schnackenburg, „Eulogie“, 86 Anm. 34. Pointiert formuliert Maurer, „Hymnus“, 168, „die entscheidenden Aussagen des ganzen Briefes“ seien „im Eingangshymnus in nuce enthalten“. 47 Die Bezüge werden herausgearbeitet von O’Brien, „Ephesians I“, 510–512; vgl. auch die kompakte (wenn auch nicht ganz erschöpfende: nicht verzeichnet sind etwa πατήρ oder die ἐν Χριστῷ-Wendungen, mithin Begriffe und Motive, die eine tragende Rolle im Epheserbrief spielen) Übersicht bei Caragounis, Mysterion, 51. 48 So lässt sich die Rede von der ἐλπίς in Eph 1,18; 2,12; 4,4 als Aufnahme von προελπίζω 1,12 ansehen, ebenso σῴζω (2,5.8) und σωτήρ (5,23) als Nachklang von σωτηρία (1,13). 49 Markante Beispiele sind etwa μυστήριον (Eph 1,9; 3,3.4.9; 6,19; vgl. 5,32), γνωρίζω (1,9; 3,3.5.10; 6,19; vgl. 6,21), οἰκονομία (1,10; 3,2.9), πλήρωμα (1,10.23; 3,19; 4,13), τὰ πάντα (1,10.11.23; 3,9; vgl. 4,6.15). 50 Vgl. ferner die Aufnahme der Rede von der Versiegelung mit dem heiligen Geist (Eph 1,13) in 4,30.
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hinzuzurechnen, wie sie sich etwa durch den Rekurs auf ein gemeinsames Wortfeld ergeben.51 Diese Wortschatz und Motivik betreffenden Verbindungslinien vertiefend und sie gleichsam fundierend kommen Konvergenzen in strukturell-inhaltlicher Hinsicht hinzu, deren Herausarbeitung Aufgabe der weiteren Analyse sein wird. Terminologische Beobachtungen deuten indes gleichermaßen darauf hin, dass man die Eulogie auch nicht unumwunden als ,Summe‘ des Briefs wird bezeichnen können. Mancher sich im Epheserbrief als Hapaxlegomenon darstellender Begriff aus der Eulogie findet im Weiteren tatsächlich nur eine zumindest sorgsam zu durchleuchtende Aufnahme, was aufschlussreich sein mag im Blick auf spezifische Akzente in 1,3–14.52 Gleichermaßen ist bisweilen gewissermaßen eine sukzessive Formung der in der Eulogie eingeführten Begrifflichkeit feststellbar: So dominieren bei πλήρωμα (1,10) offenbar zunächst zeitliche Konnotationen53, während mit 1,23 stärker räumliche Aspekte antönen. Auf eine weitergehende begriffliche und somit mutmaßlich auch konzeptionelle Durchdringung des in der Eulogie Angelegten im Zusammenhang des weiteren Briefs weist zudem die Beobachtung hin, dass gerade mancher mutmaßliche Schlüsselbegriff – wie etwa ἐκκλησία oder σῶμα – in der Eulogie nicht begegnet.54 Die somit trotz einiger Einschränkungen erkennbare Funktion der Eulogie als ,Impulsgeberin‘ für den Gesamtbrief scheint nun nicht auf die lexikalischthematische Ebene beschränkt zu bleiben, sondern auch in weiterer, nament-
|| 51 So lässt sich etwa die τέκνον-Begrifflichkeit Eph 2,3; 5,1.8 als Reprise des υἱοθεσία-Motivs 1,5 ansehen. Gleichermaßen macht die Prädizierung Gottes als ὁ τὰ πάντα κτίσας 3,9 die Beschaffenheit der Welt als Schöpfung Gottes explizit, die bereits in der Rede von der καταβολὴ κόσμου 1,4 anklingt; vgl. hierzu im Übrigen auch das – in der Eulogie dem Vatersein (1,3) zur Seite tretende – Gottesprädikat ὁ τὰ πάντα ἐνεργῶν 1,11, das den verwandten Aspekt der göttlichen Kraft und Wirkmächtigkeit einspielt, der im Weiteren zugleich nachhaltige Akzentuierung im Rahmen des durch ἐνεργέω eröffneten Wortfeldes erfährt (vgl. bes. 1,19f.; 3,7.20; 6,10). In der Diskussion umstritten ist demgegenüber etwa die Frage, ob ein Konnex hergestellt werden darf zwischen dem ἀνακεφαλαιώσασθαι 1,10 und der anschließenden Bezeichnung Christi als κεφαλή (1,22; 4,15; 5,23); die nachfolgende Schlüsselrolle des κεφαλή-Begriffs lässt es in der Tat als denkbar erscheinen, dass „der Verfasser auch hier eine Art Äquivokation (zu κεφαλή) intendiert hat“; vgl. Sellin, Eph, 106 Anm. 201. 52 In diesem Zusammenhang wäre zum Beispiel zu denken an die Frage der Verhältnisbestimmung zwischen dem Erwählungsmotiv, das nicht zuletzt über das im Epheserbrief einzig 1,4 gebrauchte ἐκλέγομαι eingespielt wird, und der nachfolgend in den Vordergrund tretenden κλῆσις-Motivik (vgl. nur 4,1). 53 Mit Sellin, Eph, 103f. 54 Hinsichtlich des Leibmotivs hält etwa O’Brien, „Ephesians I“, 512 Anm. 56 fest, dieses „important motif in Ephesians“ begegne hier zwar nicht, jedoch fänden sich „related ideas“.
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lich stilistischer Hinsicht zu gelten: zahlreiche diesbezügliche Charakteristika des Epheserbriefs begegnen in diesem Abschnitt in geballter Form, ja finden hier vielfach geradezu ihre Paradebeispiele.55 Dies aber deutet darauf hin, dass in der Eulogie „language, style and tone of the letter“56 in einem umfassenden Sinne geprägt werden. Mithin wird gerade hier auch den kommunikativen Anliegen des Epheserbriefs und seiner Wirkabsicht in besonderer Weise nachgespürt werden können. * Die vorstehenden Ausführungen vermögen somit die Annahme einer horizontabsteckenden Funktion von Eph 1,3–14 zu untermauern. In diesem Abschnitt scheinen maßgebliche Keime ausgestreut zu werden, die im weiteren Brief einer Entwicklung zugeführt werden. Ebendiese wiederum erscheint aber ihrerseits als für die Frage nach der näheren Eigenart dieser Keime konstitutiv, indem sie deren Entfaltung darstellt und somit das in ihnen Angelegte erhellt.
I.3
Methodologie
Insofern sich die Wahl des methodischen Instrumentariums von der Zielsetzung des angestrebten Unterfangens her bestimmt, ist an dieser Stelle auf die eingangs gegebene, leitthesenartige Benennung des Anliegens der vorliegenden Arbeit als ‚Untersuchung des Epheserbriefes als Dokument der Konstruktion eines ekklesialen Selbstverständnisses‘ zurückzukommen. Gemäß diesem Anliegen hat die Methodik ein Mehrfaches zu leisten: So verweist die Bezeichnung des Epheserbriefs als ‚Dokument‘ auf dessen Beschaffenheit als literarisch verfasster Text im Sinne einer abgegrenzten, gestalteten Anordnung sprachlicher Zeichen. Daraus aber ergibt sich zunächst als grundlegende Aufgabe, Wege zu finden, die jenes Dokument als eine solche beschreibbar machen. Die beigefügte doppelte genitivische Näherbestimmung weist sodann darauf hin, dass dabei nicht abgesehen werden kann von inhaltlich-thematischen Aspekten sowie der Frage nach der kommunikativen Stoßrichtung des Textes. Das methodische Instrumentarium muss es demnach ermöglichen, Zugriff auf die sprachliche Struktur, den thematischen Gehalt und das kommunikative Potential des Epheserbriefs gleichermaßen zu erlangen.
|| 55 Vgl. dazu näherhin die Exegese unter III. 56 O’Brien, „Ephesians I“, 515.
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Als basisgebend hierfür können textlinguistische Verfahren erscheinen. Denn diese zielen gerade darauf, „die Struktur, d.h. den grammatischen und thematischen Aufbau sowie die kommunikative Funktion konkreter Texte transparent zu machen und nachprüfbar darzustellen“.57 Die sogenannte Textlinguistik, wie sie sich seit den 1960er Jahren als eigenständiges, dabei zugleich weit verzweigtes und interdisziplinär orientiertes Forschungsfeld innerhalb der Sprachwissenschaften etabliert hat58, bietet sich somit als orientierender Bezugsrahmen für die Arbeit an. Dieser Brückenschlag stellt für biblische Exegese freilich kein Neuland dar. Im Gegenteil gehören textlinguistische Verfahrensweisen hier mittlerweile zum etablierten Handwerkszeug59; die vorliegende Untersuchung kann daran anknüpfen. Die Heterogenität textlinguistischer Ansätze wie auch der sich anhaltend dynamisch gestaltende Prozess der Rezeption sprachwissenschaftlicher Impulse in der Exegese machen an dieser Stelle indes eine grundständige Verortung erforderlich, um den spezifischen eigenen Zugang offenzulegen, aus dem sodann konkretes Instrumentarium für die Untersuchung abgeleitet werden kann.
I.3.1
Textlinguistische Grundierung
In der oben im Anschluss an Klaus Brinker angeführten mehrdimensionalen Zielbestimmung linguistischer Textanalyse klingt bereits an, dass die vorliegende Untersuchung sich vor dem Hintergrund eines integrativen Modells bewegt, das die grundlegenden Stränge der textlinguistischen Theoriebildung miteinander zu verbinden sucht.60 Demnach kann ein Text sowohl als ‚Gewebe‘ im Sinne einer gestalteten Anordnung sprachlicher Zeichen wie auch als kommunikative Handlung, die als solche an ein in eine bestimmte Interaktionssituation eingebettetes Beziehungsgeschehen gekoppelt ist, angesehen werden. Ein Text stellt mithin eine sprachliche und zugleich kommunikative Einheit dar. Diese Bestimmung, in der die beiden fundierenden, nachgerade ‚klassischen‘ || 57 Brinker/Cölfen/Pappert, Textanalyse, 9. 58 Zu Forschungsgeschichte und aktuellem Stand der Diskussion vgl. Adamzik, Textlinguistik, 1–39. 59 So konstatiert etwa Wischmeyer, Hermeneutik, 104, die „Textanalyse“ – worunter sie eben spezifisch textlinguistische „Verfahren zur Textbeschreibung“ fasst – gehöre „inzwischen auch zum methodischen Standard im Umgang mit den neutestamentlichen Texten“. 60 Ein solcher Ansatz prägt den Diskurs; vgl. dazu – nicht unkritisch – Adamzik, Textlinguistik, 350.356.
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Etappen textlinguistischer Forschung – die sprachsystematisch ausgerichtete einerseits, die pragmalinguistisch orientierte andererseits – eine Aufnahme finden, ist dabei zu verbinden mit den jüngeren kognitiv-konstruktivistischen Impulsen, wonach Textproduktion und insbesondere auch -rezeption als kreative Prozesse aufzufassen sind, bei denen die verwenderseitigen Wissensbestände eine konstitutive Rolle spielen. Für die nähere Profilierung eines solchermaßen umrissenen integrativen Modells wird hier Konzeptionen gefolgt, welche einem kommunikativ-funktionalen Textverständnis basisgebende Bedeutung beimessen. Damit wird sich zum einen an der fundierenden Rolle, die dem pragmatischen Ansatz zumeist noch immer zuerkannt wird61, orientiert, zum anderen wird dem Untersuchungsgegenstand selbst Rechnung getragen, gibt der Epheserbrief sich doch schon textsortenbedingt als ‚Beziehungsarbeit‘ zu erkennen. Von einem kommunikativ-funktionalen Ansatz her ist Sprachgebrauch als kommunikatives Handeln zu konzeptualisieren62, wobei die Größe ‚Text‘ – gewissermaßen als Grundeinheit solchen Handelns – dessen konkrete Erscheinungsform bezeichnen kann. Unter einem ‚Text‘ wird hier somit zunächst eine „kommunikative Okkurrenz“63 verstanden, im Sinne einer abgegrenzten Anordnung sprachlicher Zeichen, die als das sinnhafte, kommunikativ relevante Resultat der Produktionstätigkeit eines Emittenten und zugleich als Bezugs- und Ermöglichungsgrund der Rezeptionstätigkeit eines (anderen) Subjekts wahrgenommen/aufgefasst wird. Dieser Zusammenhang ist zugleich Ausweis der gemeinsamen Kommunikationssituation, in die jene beiden Subjekte gestellt sind; Produktions- und Rezeptionsvorgang konstituieren in ihrem Verbund einen Kommunikationsakt.64 Ein Text ist also kein frei schwebendes Gebilde, sondern || 61 Prominent etwa bei Brinker/Cölfen/Pappert, Textanalyse, 17; entsprechend konstatiert – und problematisiert – Adamzik, Textlinguistik, 365 im Blick auf die Gesamtdiskussion eine „fortdauernde Orientierung an einer ,kommunikativ-funktionalen‘ Perspektive im Sinne der pragmatischen Wende“. 62 Das Fundament ist handlungstheoretischer Art: Sprechen ist demnach als eine Form von Handeln anzusehen, mithin als die intentionale Tätigkeit eines personalen Subjekts. Des Näheren gilt für sprachliches Handeln zum einen der Aspekt der Partnerorientierung als spezifizierend; der sprachlich Handelnde sucht auf ein personales Gegenüber einzuwirken. Dazu bedient er sich zum anderen sprachlicher Zeichen als eines symbolischen Mittels, dem entsprechend eine bestimmte, an die Intention gekoppelte Funktion zukommt. Ebendieses Ineinander von Intentionalität, Partnerorientiertheit und zeichenhafter Verfasstheit erweisen das sprachliche als ein kommunikatives Handeln, das seinen Ort in der sozialen Interaktion hat. Vgl. dazu Linke/Nussbaumer/Portmann, Studienbuch, 173f. 63 In Anlehnung an Beaugrande/Dressler, Einführung, 3. 64 Vgl. Gülich/Raible, Textmodelle.
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vielmehr Handlungsakt in einer bestimmten Kommunikationssituation und insofern dynamischer Kristallisationspunkt eines Beziehungsgeschehens, an dem Emittent wie Rezipient als Kommunikationspartner gleichermaßen beteiligt sind. An diese grundlegenden Bestimmungen schließt sich sogleich die Frage an, welche Merkmale eine gegebene Anordnung sprachlicher Zeichen zu erfüllen hat, um im beschriebenen Sinne als Text gelten zu können. In der älteren Forschung verband sich damit die Frage nach Textualitätskriterien, die zugleich einer Grenzziehung gegenüber sogenannten Nicht-Texten dienen konnten. In der neueren Forschung ist man diesbezüglich zurückhaltender, kann doch unter der Prämisse der „kognitiven Konstruktivität des sprachverarbeitenden Subjekts“65 Textualität wesentlich als eine durch die Kommunikationspartner zugeschriebene und einer Anordnung sprachlicher Zeichen also keinesfalls statisch inhärente Qualität in den Blick kommen.66 Dies freilich macht die Rückfrage danach, welche Merkmale es befördern können, dass eine Anordnung sprachlicher Zeichen als Text wahrgenommen wird, nicht obsolet. Im Gegenteil wird man in methodologischer Hinsicht derartigen Merkmalen bzw. Eigenschaften grundlegende Relevanz zuzuerkennen haben, insofern sie sich als Blickwinkel, unter denen Texte analysiert werden können, ansehen lassen. Zumal in Bezug auf die für schriftkonstituierte Texte maßgeblichen Beschreibungsdimensionen sind diesbezüglich Konvergenzen in der Diskussion zu erkennen67, die sich im Horizont eines integrativen Ansatzes, wie er oben angesprochen wurde, bewegen. So lassen sich diese Beschreibungsdimensionen – in Anknüpfung an die oben vorgenommene Grundbestimmung eines Textes als ‚Anordnung sprachlicher Zeichen‘, worin bereits ein gewisser Rekurs auf die Semiotik als „Grundla-
|| 65 Christmann/Schreier, „Kognitionspsychologie“, 247 mit Verweis auf Frederic Bartlett. 66 In Anlehnung an Linke/Nussbaumer/Portmann, Studienbuch, 247 kann gesagt werden, dass letztlich keine sprachliche Zeichenfolge – das Zitat selbst spricht von „Satzfolge“, diese Bestimmung ist indes bei Abkehr von einem transphrastischen Paradigma im beschriebenen Sinne zu erweitern – „davor geschützt“ ist, „als Text verstanden zu werden“. Somit wird an dieser Stelle in Aufnahme verwenderorientierter Sichtweisen davon ausgegangen, dass kommunikativer Charakter und somit auch Texthaftigkeit einer bestimmten Anordnung sprachlicher Zeichen nicht einfach an und für sich zukommen, sondern als Deutungskategorien aufzufassen sind, die sogar auch nur einseitig zugesprochen werden können; dies ist zumal gegenüber der tendenziell produzentenzentrierten Sichtweise des kommunikativ-funktionalen Ansatzes festzuhalten. 67 Vgl. die entsprechende, als „Kataloge von Beschreibungsdimensionen“ überschriebene Synopse bei Adamzik, Textlinguistik, 103.
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genwissenschaft, welche für die Auseinandersetzung mit Sprache unverzichtbare Begriffe und übergreifende Konzepte liefert“68, anklingt – mit der auf Charles W. Morris zurückgehenden Unterscheidung von drei Dimensionen des Zeichenprozesses in Verbindung bringen. Namentlich Syntax, Semantik und Pragmatik erscheinen somit heuristisch als Basiskategorien der textlinguistischen Analyse und werden auch in der vorliegenden Arbeit als solche behandelt. Ihre nähere Explikation soll an dieser Stelle im Anschluss an die von Robert-Alain de Beaugrande und Wolfgang Dressler formulierten Textualitätsmerkmale erfolgen, haben diese sich in der textlinguistischen Diskussion doch als ein wichtiger Referenzpunkt erwiesen.69 Das oben angedeutete triadische Modell wird dabei eine Vertiefung und Erweiterung erfahren durch den von Beaugrande/Dressler so bezeichneten Aspekt der Intertextualität. a) Mit dem Aspekt der Syntax zu assoziieren sind mit Beaugrande/Dressler das Merkmal der ,Kohäsion‘ sowie das Konzept eines ,Oberflächentextes‘. Mit letzterem wird gewissermaßen die Eigenart texthaften Zeichenmaterials bezeichnet, sich der Wahrnehmung als eine Anordnung einzelner ,Komponenten‘ – nämlich der „Worte, wie wir sie tatsächlich hören oder sehen“ (3f.) – darzubieten, die in spezifischer Weise miteinander verbunden sind. Der Text lässt somit auf seiner Oberfläche eine bestimmte Form der Strukturiertheit erkennen. Es ist nun die Syntax als „Sprachsystem“, welche dem Oberflächentext die hierfür maßgeblichen „Organisationsmuster“ (50) bereitstellt und insofern der Herstellung einer bestimmten „Oberflächenstruktur“ dient, die zugleich „mögliche Hypothesen über die Organisation“ des sprachlichen Materials „eingrenzt“ (73). Jene Organisationsmuster sind dabei grammatischer Art; entsprechend werden die Anordnungen und Verknüpfungen zwischen den Oberflächenkomponenten „durch grammatische Formen und Konventionen“ (4) konstituiert. Wenn daher unter dem Begriff der ‚Kohäsion‘ „[a]lle Funktionen, die man verwenden kann, um Beziehungen zwischen Oberflächenelementen zu signalisieren“ (4), verstanden werden, so erhellt, dass dieser im Wesentlichen grammatisch ausgerichtet ist.70
|| 68 Linke/Nussbaumer/Portmann, Studienbuch, 7. 69 Zu den „sieben Kriterien der TEXTUALITÄT“ (Hervorhebung im Original) nach Beaugrande/Dressler vgl. grundlegend den Überblick in dies., Einführung, 3–14 (Teilzitat 3). Die nachfolgenden Zitate im Fließtext stammen – sofern nicht anders vermerkt – aus Beaugrande/ Dressler, Einführung. 70 Beaugrande/Dressler wollen den Begriff der Kohäsion freilich zugleich nicht darauf eingegrenzt sehen; vgl. dies., Einführung, 87. Im Hintergrund stehen wohl die Interdependenzen mit
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b) Dem Aspekt der Semantik lässt sich zuvörderst das Merkmal der ‚Kohärenz‘ zuordnen. Die sprachlichen Ausdrücke, die als spezifisch angeordnete Komponenten des Oberflächentextes fungieren, gelten nämlich zugleich als Träger von Bedeutungen, die sich in einem konkreten Text als Sinn aktualisieren. Damit aber ist angedeutet, dass einem Text eine weitere, gleichsam tiefere Ebene inhäriert, als deren Vehikel die Oberflächenstruktur dient und die inhaltlich-thematischer Art ist. Beaugrande/Dressler bezeichnen diese Ebene als ‚Textwelt‘; ihre Eigenart wird durch die spezifische ‚Konstellation‘ der bedeutungstragenden Komponenten bestimmt. ‚Kohärenz‘ bezeichnet dabei offenbar eine solche Beschaffenheit der Textwelt, bei der diese Komponenten „für einander gegenseitig zugänglich und relevant sind“.71 Auf Seiten des Rezipienten manifestiert sich dies nicht zuletzt dadurch, dass ihm ein Text insgesamt als sinnhaft erscheint, er also eine sich durch den Text hindurchziehende ‚Sinnkontinuität‘ (88) ausmachen kann. Von eminenter Bedeutung ist nun, dass (auch) Beaugrande/Dressler Kohärenz als „Ergebnis kognitiver Prozesse der Textverwender“ (7) deklarieren. Diese Prozesse werden zwar durch die Textoberfläche induziert und finden in grundlegender Rückkoppelung an dieselbe statt, sind aber zugleich elementar dadurch geprägt, dass sie sich in Interaktion mit verwenderseitigen Wissensbeständen vollziehen. Folglich ist die Textwelt keine ‚pure‘ Dimension der Textstruktur, sondern unausweichlich angereichert mit spezifischen Wissensbeständen der Textverwender.72 Sie ist demnach keine statische Größe, sondern wird in ihrer konkreten Beschaffenheit je und je durch die Sprachverwender konstituiert. Für die Wahrnehmung eines Textes als Sinneinheit ist entsprechend letztlich nicht die kohäsive Beschaffenheit der Textoberfläche ausschlaggebend, sondern die rezipientenseitige Möglichkeit des Aufbaus einer sinnhaften Tiefenstruktur bzw. Textwelt. c) Dem semiotischen Zeichenmodell nach Morris zufolge richtet die Pragmatik den Blick auf die Relation zwischen Zeichen und ihren Interpreten, d.h. den sie verwendenden Subjekten. Dieser Perspektivierung entsprechen bei Beaugrande/Dressler die von ihnen in Abhebung von den ‚text-zentrierten Begriffen‘ Kohäsion und Kohärenz als ,verwender-zentrierte‘ eingeführten Kriterien, die
|| anderen Texteigenschaften und insbesondere die Relevanz verwenderseitiger Wissensbestände auch für die Kohäsionsstiftung; vgl. dazu im Folgenden. 71 Beaugrande/Dressler, Einführung, 5 (Hervorhebung im Original); vgl. a.a.O., 88. 72 Vgl. Beaugrande/Dressler, Einführung, 89.
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„die Aktivität der Text-Kommunikation betreffen“, wobei Textproduzent wie Textrezipient gleichermaßen berücksichtigt werden (8). Die in diesem Zusammenhang zunächst angeführten Aspekte der produzentenseitigen ,Intentionalität‘ sowie der ihr rezipientenseitig korrespondierenden ‚Akzeptabilität‘ stehen dabei in Beziehung zu dem Phänomen, dass einer Anordnung sprachlicher Zeichen Texthaftigkeit zuerkannt werden kann, obgleich ihr Mängel bezüglich Kohäsion oder gar Kohärenz attestiert werden könnten. Als kommunikativer ‚Kitt‘ kann in solchem Fall nämlich die Übereinkunft wirken, dass der Rezipient berechtigterweise unterstellen darf, dass der Emittent mit einer bestimmten Zeichenanordnung tatsächlich die Bildung eines Textes als einer funktionalen, kohäsiven und kohärenten Größe intendiert, so dass jener selbst bereit ist, eine solche Zeichenanordnung als Text zu akzeptieren, sollte ihm dies auch einiges Maß an ‚Textarbeit‘ abverlangen. Intentionalität und Akzeptabilität betreffen somit gewissermaßen die grundlegenden ‚Einstellungen‘ der Kommunikationspartner, die Haltungen, die sie mitbringen (müssen), damit Kommunikation sich ereignen kann. Während das weiterhin angeführte Merkmal der ,Informativität‘ das „Ausmaß der Erwartetheit bzw. Unerwartetheit oder Bekanntheit bzw. Unbekanntheit/Ungewissheit der dargebotenen Textelemente“ (10f.) bezeichnet und somit das Verhältnis zwischen Textinhalt und rezipientenseitigen Wissensbeständen in den Vordergrund rückt, kommt mit dem Kriterium der ,Situationalität‘, das nach den „Faktoren“ fragt, „die einen Text für eine Kommunikations-SITUATION RELEVANT machen“ (12, Hervorhebung im Original), der textexterne Kontext, das kommunikative Setting, in das ein Text eingebettet ist, in umfassender Weise in den Blick. Die verwenderorientierten Merkmale basieren somit wesentlich auf den Aspekten ‚Intention‘ und ‚Situation‘. Damit aber scheint im Grundsatz eine Differenzierung zwischen einer funktionalen und einer situativen Dimension vorgezeichnet, die in der textlinguistischen Diskussion im Bereich der Pragmatik durchaus geläufig ist73; diese soll aufgegriffen werden. Der Begriff der Funktion bezeichnet dabei mit Kirsten Adamzik den „intendierte[n] Zweck […], den der Produzent mit dem Text zu erreichen sucht“, bzw. „die soziale Handlung, die er damit vollziehen will“.74 Eine Grundannahme, die sich zumal aus der sprechakttheoretischen Fundierung kommunikationsorientierter Konzeptionen ergibt, ist nun, dass „sprachliche Handlungen nicht nur
|| 73 Vgl. Adamzik, Textlinguistik, 102. 74 Adamzik, Textlinguistik, 173.
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intentional, sondern auch konventionell“75 sind, dass mithin Sprachhandlungen stets in Form soziokulturell geprägter funktionaler Regeln vollzogen werden. Diese ermöglichen es nicht zuletzt, dass die produzentenseitigen Intentionen dem Rezipienten tatsächlich transparent zu werden vermögen. Eine konkrete Sprachhandlung erscheint daher stets als „Realisierung eines bestimmten Sprechhandlungstyps“76, wobei diese einzelnen Typen eben bestimmte textuelle Grundfunktionen bezeichnen.77 Vor diesem Hintergrund lässt sich mit Klaus Brinker die Textfunktion als „die im Text mit bestimmten, konventionell festgelegten Mitteln ausgedrückte Kommunikationsabsicht des Emittenten“78 bestimmen. Postuliert werden kann auf diese Weise aber gleichsam eine Oberflächentext und Textwelt ergänzende dritte Ebene der Textstruktur, kann doch davon ausgegangen werden, dass sich die kommunikative Funktion eines Textes in seiner konkreten sprachlichen Gestalt manifestiert und dass dies aufgrund der Regelhaftigkeit dieses Vorgangs auch auf methodisch nachvollziehbare Weise der Fall ist. Gleichwohl ist anzunehmen, dass sich die Textfunktion nicht allein aus der Textgestalt heraus erheben lässt. Vielmehr ist hierfür gleichermaßen die Berücksichtigung der Eingebundenheit eines Textes in einen „Handlungs- und Situationszusammenhang“ konstitutiv, ja die textfunktionsrelevanten „Kontextindikatoren“ mögen „letztlich über die sprachlichen Indikatoren dominant“79 sein, so dass geradezu von einem Primat der Situiertheit gesprochen werden kann. d) Als letztes Textualitätskriterium führen Beaugrande/Dressler ‚Intertextualität‘ an.80 Dieser Begriff scheint das triadisch-semiotische Modell zu transzendieren, lässt sich hier zumindest nicht einseitig zuordnen. Jedoch eignet ihm eine
|| 75 Brinker/Cölfen/Pappert, Textanalyse, 89. 76 Brinker/Cölfen/Pappert, Textanalyse, 92. 77 Die Benennung und Explikation dieser Grundfunktionen erfolgt in der Diskussion insbesondere unter Rekurs auf Karl Bühlers Organon-Modell mit seiner an den drei „Relationsfundamenten“ orientierten Unterscheidung zwischen Ausdrucks-, Darstellungs- und Appellfunktion (vgl. Bühler, Sprachtheorie, 24–33) sowie die von John R. Searle vorgelegte Illokutionstypologie (vgl. Searle, „Taxonomy“); die Funktion eines Textes wird mit dem illokutionären Akt im sprechakttheoretischen Sinne assoziiert. 78 Vgl. Brinker/Cölfen/Pappert, Textanalyse, 97. 79 Vgl. Brinker/Cölfen/Pappert, Textanalyse, 94. 80 Adamzik, Textlinguistik, 325 zufolge waren es Beaugrande/Dressler, die diesen durchaus schillernden Begriff nachhaltig im textlinguistischen Diskurs verankerten. Die dadurch beschriebenen Phänomene spielten dort freilich seit jeher eine wichtige Rolle.
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fundamentale Relevanz für die Textgestalt insgesamt, spielt er doch geradezu in sämtliche Dimensionen der Textbeschreibung hinein (s.u.). Der grundlegenden Begriffserläuterung von Beaugrande/Dressler zufolge richtet der Intertextualitätsaspekt den Blick auf „die Faktoren, welche die Verwendung eines Textes von der Kenntnis eines oder mehrerer vorher aufgenommener Texte abhängig macht [sic!]“ (13). Rechnung getragen wird damit dem Umstand, dass Texte nicht nur insofern keine isolierten Entitäten darstellen, als sie konstitutiv in eine spezifische Kommunikationssituation eingebunden sind, sondern zudem dadurch, dass sie zugleich und darüber hinaus mit anderen Texten in vielschichtiger Verbindung stehen. Das Merkmal der Intertextualität wird von Beaugrande/Dressler sodann nach zwei Richtungen hin entwickelt: Zum einen wird „die Entwicklung von TEXTSORTEN als Klassen von Texten mit typischen Mustern von Eigenschaften“ als Resultat von Intertextualität beschrieben (13, Hervorhebung im Original) – woraus sich umgekehrt folgern lässt, dass mit Ulla Fix „alle Textexemplare über das Muster der Textsorte, in der sie realisiert sind, miteinander verbunden“ sind.81 Damit aber ist hingewiesen auf das Phänomen der Textsortenhaftigkeit jeglichen Textgebrauchs – ein Aspekt, dem „fundamentale Bedeutung für die kommunikative Praxis“82 zuerkannt werden kann. Demnach gilt ein konkreter Text stets als Repräsentant einer bestimmten Textsorte; es wird mithin nicht nur stets in Texten, sondern zugleich stets nur in textsortenhaften Texten miteinander kommuniziert. Unter Textsorten werden gemeinhin soziokulturell geprägte und also konventionelle kommunikative Muster verstanden, die aus den situativ-kommunikativen Bedürfnissen einer Gemeinschaft heraus erwachsen und den Kommunikationspartnern als „Handlungsroutine“83 zur Verfügung stehen. Sie gehören zur kulturell geformten kommunikativen Kompetenz der Sprachverwender und regeln Produktion wie Rezeption von Texten gleichermaßen. Indem diese Muster mit Brinker als „jeweils typische Verbindungen von kontextuellen (situativen), kommunikativ-funktionalen und strukturellen (grammatischen und thematischen) Merkmalen“ beschrieben werden können84, wird die sämtliche Texteigenschaften affizierende Prägekraft des Aspekts ‚Textsorte‘ deutlich. So eröffnet die Frage nach der Textsorte nicht nur relevante Perspektiven für die Situiertheit und Funktion von Texten, sondern ihr kommt
|| 81 Fix, „Text“, 26. 82 Brinker/Cölfen/Pappert, Textanalyse, 133. 83 Fix, „Text“, 27. 84 Brinker/Cölfen/Pappert, Textanalyse, 139; vgl. Adamzik, Textlinguistik, 328.
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auch maßgebliche Bedeutung für die Ermittlung der Makrostruktur als des übergeordneten Bauplans eines Textes zu.85 Stellt der Aspekt der Textsortenhaftigkeit somit eine gleichsam radikale Verbundenheit eines Textes mit anderen Texten heraus, benennen Beaugrande/Dressler zum anderen einen „zweite[n] Fragekomplex der Intertextualität“, den sie unter den Oberbegriff der „TEXTANSPIELUNG“ als der „Art und Weise, wie man auf bekannte Texte Bezug nimmt“, fassen.86 Im Blick sind somit „gleichsam fakultative“87 Beziehungen eines Textes zu anderen Texten. In beiden Spielarten der Intertextualität wird somit letztlich deutlich, dass im Zusammenhang dieses Merkmals wiederum die verwenderseitigen Wissensbestände eine elementare Rolle spielen. Mit den solchermaßen ‚gefüllten‘ Grunddimensionen ist der Weg vorgespurt zu einem integrativen Modell der Textbeschreibung, wie es oben als Horizont der methodologischen Reflexion benannt worden war: So finden zentrale Anliegen und Perspektiven der systemorientierten Analyse in den Merkmalen der Kohäsion und Kohärenz eine Aufnahme. Das ‚kommunikativ-funktionale Herz‘ lässt sich in den verwenderorientierten Aspekten auffinden; das merkmalsübergreifende Hervorheben der Relevanz der Wissensbestände der Kommunikationspartner für Textproduktion und -rezeption lässt eine Orientierung am kognitivkonstruktivistischen Paradigma erkennen. Syntax, Semantik und Pragmatik als Grunddimensionen scheinen dabei je bestimmte Ebenen der Textstruktur zu korrespondieren, die somit unlöslich zusammenhängen, analytisch aber differenziert werden können. Die Ausführungen zur Pragmatik legen es dabei nahe, der Erhellung des kommunikativen Settings, in das ein Text eingebettet ist, eigenständige Bedeutung beizumessen. Das damit angedeutete grundlegende Raster wird ergänzt durch die mit dem Merkmal der Intertextualität verbundenen Einsichten: Hier wurde zum einen die Textsortenhaftigkeit – ähnlich der Frage nach der situativen Dimension im Bereich der Pragmatik – als ein gleichsam übergeordnetes, das Textganze betreffendes Steuerungsmoment beschrieben. Unter dem Oberbegriff der Textanspielung kam zum anderen die Vernetztheit eines konkreten Textes mit weiteren Texten in den Blick, wodurch die scheinbar paradoxe Eigenart eines Textes als in sich geschlossener und doch zugleich offener, sich selbst transzendierender Größe vor Augen geführt wird.
|| 85 Vgl. Gülich/Raible, Textmodelle, 52f. 86 Beaugrande/Dressler, Einführung, 193 (Hervorhebung im Original). 87 Fix, „Text“, 26.
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Es steht nun zu vermuten, dass dieses Beziehungsgeflecht besonders auch für Profil und Kohärenz der ‚Textwelt‘ von Bedeutung ist – wenn hier auch freilich nicht notwendig im begrenzten Sinne der Bezugnahme auf bestimmte Einzeltexte, sondern letztlich im umfassenden Sinne der Enzyklopädie als derjenigen textexternen Wissensbestände, derer sich der jeweilige Text bedient: Die Textwelt gewinnt im Zusammenhang einer umfassenden Diskurswelt ihre Gestalt; extratextuelle Wissensbestände fließen sowohl in den Prozess der Produktion als auch der Rezeption ein. Konkret ist insbesondere zuzugestehen, dass der Produzent bestimmte Wissensbestände voraussetzt, was zu einer (mehr oder minder ausgeprägten) Unterdeterminierung der Textoberfläche führt: In der Textstruktur finden sich gewissermaßen bestimmte Wissensbestände gleichsam eingekapselt; ihre Aktivierung ist für die Rezeption einer Zeichenfolge als Text im oben beschriebenen Sinne konstitutiv. Diese extratextuellen Wissensbestände wurden oben bereits unter dem Sammelbegriff der Enzyklopädie zusammengefasst; im Anschluss an kognitivistische Paradigmen werden sie vielfach in Anlehnung an schematheoretische Ansätze konzeptualisiert.88 Kognitive Schemata bzw. Frames können dann als netzwerkartige, geordnete und zugleich dynamische „Strukturen aus Begriffsund Wissenselementen“89 gelten, die von den Kommunikationspartnern eingebracht werden. Die adäquate Beschreibung der Textwelt beruht somit letztlich auf einer Verbindung von der Beschreibung der textintern konstruierten Schemata unter Berücksichtigung der im Text eingekapselten enzyklopädischen Wissensbestände. Für die Untersuchung ergibt sich damit die Frage, wie das Verhältnis zwischen den beiden Aspekten bestimmt wird bzw. in welchem Maße jene textextern-enzyklopädischen Wissensbestände rekonstruiert und in die Analyse der Textwelt einbezogen werden sollen. Die vorliegende Arbeit wird sich in letztgenannter Hinsicht – den einleitend gegebenen Ausführungen zu Fragestellung und These entsprechend – weitgehend auf ein Mindestmaß beschränken und sich auf die Erhebung der Schemata, wie sie sich im internen Zusammenhang des Epheserbriefs ergeben, konzentrieren. Freilich kann auch ein solcher intratextueller Fokus keinesfalls einen textimmanenten Zugang bedeuten – auch eine textintern ausgerichtete Perspektive hat sich an den enzyklopädischen Wissensbeständen auszuweisen, die für die betreffende Kommunikationssituation als relevant vorausgesetzt werden können; auch textintern entwickelte Schemata sind als enzyklopädisch || 88 Vgl. dazu Busse, Sprachverstehen, 189–233. 89 Busse, Sprachverstehen, 203.
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eingebettete zu betrachten. Gleichwohl besteht ein Proprium des vorliegenden Beitrags zum Epheserbrief, in Abhebung von vorrangig intertextuell orientierten Arbeiten, eben in der Profilierung der textintern konstruierten Textwelt bzw. näherhin: in der an der Textdynamik orientierten Frage nach dem Aufbau lektürebezogener Schemata.
I.3.2
Operationalisierung und Aufbau der Arbeit
Vorgezeichnet in der jeweils vorgenommenen Orientierung am semiotischen Zeichenbegriff nach Morris, weist der solchermaßen konturierte methodologische Zugang grundlegende Gemeinsamkeiten mit der „Lektüre unter synchronem Aspekt“ bzw. den darunter gefassten Einzelschritten der Textanalyse auf, wie sie für den deutschsprachigen Raum nachhaltig von Wilhelm Egger im neutestamentlich-exegetischen Methodenverbund verankert wurden.90 Insofern bietet es sich an, bei der Auswahl konkreter Verfahrensweisen für die Textanalyse auf den von Egger vorgelegten Operationalisierungen aufzubauen, freilich unter Berücksichtigung der weitergehenden Diskussion. Die Grunddimension der Syntax wurde oben mit dem Merkmal der Kohäsion und also der Frage nach den Organisationsmustern, d.h. der Anordnung und dem spezifischen Ineinandergreifen der Elemente des Oberflächentextes assoziiert. Die Ausleuchtung dieser Grunddimension vollzieht sich gemäß dem oben Ausgeführten konstitutiv in Form einer grammatischen bzw. syntaktischen Analyse, die nicht zuletzt auf die Herausarbeitung einer begründeten Textgliederung zielt, der fundamentale Bedeutung für jegliche weitergehende Aussagen über den Text zukommt. Plausibel scheint indes zugleich eine umfas-
|| 90 Eggers „Methodenlehre“ erschien erstmals 1987 und verstand sich als „Versuch, die Methoden der historisch-kritischen Exegese und eine Auswahl aus den neueren, von der Sprachwissenschaft herkommenden Methoden anhand eines texttheoretischen Modells und anhand hermeneutischer Überlegungen zum Akt des Lesens in einen organischen Zusammenhang zu bringen“ (Egger, Methodenlehre, 23). Egger untergliederte die „Lektüre unter synchronem Aspekt“ in sprachlich-syntaktische, semantische, pragmatische Analyse sowie die Analyse der Textsorten (a.a.O., 74ff.; zum Verweis auf Morris vgl. 75 Anm. 4). Eggers Darstellung stellt – worauf er auch selbst hinweist (a.a.O., 23 Anm. 20) – freilich nicht den ersten Entwurf einer derartigen Integration von sprachwissenschaftlichen Konzepten in den exegetischen Methodenverbund dar; für den neutestamentlichen Bereich ist nicht zuletzt hinzuweisen auf Berger, Exegese, der – auf der Grundlage der Annahme, „Ausgangspunkt der Exegese“ sei „die sprachliche Gestalt des Textes, die zunächst für sich betrachtet wird“ (a.a.O., 11) – sein erstes Kapitel als „Textlinguistik“ überschreibt.
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sendere Konzeptualisierung dieser Dimension als Ebene der ‚sprachlichen Gestalt‘, die insbesondere auch stilistisch-rhetorische Aspekte berücksichtigt, wie dies auch in Eggers Konzept der ‚sprachlich-syntaktischen Analyse‘ anklingt.91 Besondere Aufmerksamkeit gebührt bei alledem der Frage nach der (satzübergreifenden) Wiederaufnahmestruktur, womit ein wesentliches Anliegen der transphrastisch orientierten Textlinguistik aufgenommen wird. Hinsichtlich der Grunddimension der Semantik, die auf die Beschreibung der Kohärenz im Sinne einer Texttiefenstruktur fokussiert und solchermaßen als Ebene der Textwelt und also des Bedeutungsuniversums, das ein Text entfaltet, konzeptualisiert wurde, soll dem Isotopiekonzept, das auf die Herausarbeitung tragender Sinnlinien abstellt und auf diese Weise eng an die kohäsionsorientierte Perspektive anzuschließen vermag, grundlegende Bedeutung zuerkannt werden. Wird darin wiederum Egger und seinem Konzept der semantischen Analyse gefolgt, so gilt dies auch für die Erweiterung der spezifisch semantischen Verfahren um narratologische Perspektiven. Diese Erweiterung bietet sich zumal insofern an, als die Narratologie sich ihrerseits der Erforschung spezifischer – nämlich erzählter – Textwelten92 widmet und dabei grundlegende Methoden entwickelt, die im Blick auf die vorliegende Arbeit von Relevanz sind: So ist für die Frage nach dem kollektiven Selbstverständnis im Epheserbrief etwa nicht zuletzt die Eigenart des dort begegnenden ,Wir‘ von zentraler Bedeutung. Dieses aber scheint doch zum einen mit der Erzählinstanz und ihren Adressaten auf spezifische Weise verwoben, zum anderen erscheint es vielfach – etwa in Eph 1,3–14; 2,1–10 – geradezu als kollektive Figur innerhalb der erzählten Welt. Die beiden grundlegenden Achsen der Erzähltheorie, das ,Wie‘ und das ,Was‘, scheinen somit gleichermaßen tangiert durch die Forschungsfrage. Insbesondere durch eine discourse-Analyse kommen dabei Fragen der Gestaltung in den Blick, die den sich aus der Analyse der sprachlichen Gestalt ergebenden Befund zu ergänzen vermögen, während die Analyse von Handlungssequenz und -trägern in dem mit narrativen Elementen arbeitenden Dokument von maßgeblicher Bedeutung für die Erschließung der Textwelt sind. Im Blick auf die Grunddimension der Pragmatik wurde der funktionale Aspekt als eine eigene Ebene der Textstruktur profiliert, deren Beschreibung auf
|| 91 Damit wird den Wurzeln und neueren Trends der Textlinguistik gleichermaßen entsprochen; vgl. bes. Fix, „Text“, 30f. 92 Vgl. Eisen, Poetik, 13: „In erzählte Welten einzutauchen, diese in ihren Strukturen und Funktionsweisen zu erfassen, zu beschreiben und ihre Bedeutungen zu entschlüsseln, ist das Ziel der Erzählforschung bzw. der Narratologie“.
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einem sprechakttheoretisch basierten Instrumentarium beruht.93 Der in der Pragmatik gleichermaßen angelegten situativen Dimension wurde demgegenüber eine übergeordnete Steuerungsfunktion zuerkannt. Dies gilt gleichermaßen für die Frage nach der Textsorte, die insofern als ein eigener Aspekt der Analyse anzusehen ist. Von der literarischen Eigenart des Epheserbriefs her kommt dabei epistolographischen Gesichtspunkten grundlegende und koordinierende Bedeutung zu; diese sind jeweils zu verbinden mit Beobachtungen zu den im Zusammenhang der übergeordneten Textsorte, die eng mit der rahmengebenden Kommunikationssituation verbunden ist, etwaig realisierten weiteren Textsorten. Der Aufbau der Untersuchung ergibt sich aus dem Vorangehenden: Vorzuschalten ist eine Analyse der Kommunikationssituation, in die der Epheserbrief eingebettet ist (II); Voraussetzung ist dabei die Darlegung eines Modells, das die strukturierte Beschreibung literarischer Kommunikationsprozesse ermöglicht (II.1). Die weitere Textanalyse ist in ihrer inneren Dynamik durch die Achsen sprachliche Gestalt, Textsorte, Textwelt und pragmatisch-funktionale Struktur bestimmt. Die Applikation erfolgt dabei mit Blick auf die Briefeingangseulogie Eph 1,3–14 in ausführlicher Auffächerung (III); hierin ist mithin das ‚Herzstück‘ der vorliegenden Arbeit zu erblicken, aus dem sich sämtliche weitere Fäden ableiten. Entsprechend kann die Untersuchung im Anschluss an die Exegese der Briefeingangseulogie in einer stärker bedarfsorientierten Weise erfolgen (IV–VI). Der Schwerpunkt liegt dabei insgesamt auf der (Re-)Konstruktion der in Eph 1,3–14 grundgelegten, im Zusammenhang des Gesamtschreibens näher entfalteten ekklesialen Gründungsgeschichte und dem Erweis derselben als eines den Epheserbrief prägenden Strukturmerkmals; dies korrespondiert mit der Fokussierung auf die Frage nach dem Aufbau lektürebezogener Schemata innerhalb der Textwelt.
|| 93 Vgl. zur näheren Entfaltung die Anwendung unter III.6.
II II.1
Orientierung: Kommunikative Situierung des Epheserbriefs Erarbeitung eines Basismodells literarischer Kommunikation
Die vorliegende Arbeit rekurriert auf ein textlinguistisch grundiertes, kommunikativ-funktional geprägtes Textverständnis, welches das Eingebundensein von Texten in ein konkretes Kommunikationsgeschehen herausstellt.94 Dabei wird davon ausgegangen, dass es sich bei dem Epheserbrief um einen pseudepigraphen Text handelt.95 Die Bezeichnung eines Textes als Pseudepigraphon lässt sich nun aber begreifen als eine Aussage, die das Verhältnis von zweien der an einem Prozess literarischer Kommunikation beteiligten Instanzen zueinander betrifft, verweist sie doch auf eine Differenz zwischen einem im Text erscheinenden, vorgeblichen Verfasser einerseits und dem tatsächlichen, empirischhistorischen Autor andererseits. Um diesen Sachverhalt systematisch beschreibbar zu machen und – unter Aufnahme von Impulsen aus der neueren Pseudepigraphieforschung – auf seine etwaigen weitergehenden Implikationen bedenken zu können, soll er hineingestellt werden in den Zusammenhang eines Modells, das die an einem Prozess literarischer Kommunikation beteiligten Instanzen darzustellen vermag. Entsprechende Modelle sind in der literaturwissenschaftlichen Diskussion aus unterschiedlicher Warte heraus vorgelegt und auch für die Exegese der neutestamentlichen Briefliteratur verschiedentlich rezipiert worden. Beachtung gefunden haben dabei besonders die im Bereich der Rezeptionsforschung angesiedelten Überlegungen Hannelore Links96 sowie erzähltheoretische Konzeptionen, zumal in ihrer Ausarbeitung durch Ansgar Nünning97. Aufgrund ihres elementarisierenden und in unterschiedliche, nicht zuletzt kognitiv-konstruktivis-
|| 94 Vgl. I.3. 95 Zur Begründung siehe II.4. 96 Vgl. Link, Rezeptionsforschung. Auf Link rekurrieren etwa Karrer, Johannesoffenbarung, 41– 48; Bickmann, Kommunikation, 52f. und Doering, Letters, 25–27. 97 Vgl. Nünning, Grundzüge. Den Ansatz Nünnings rezipiert z.B. Hübenthal, „Pseudepigraphie“. https://doi.org/10.1515/9783110794458-002
32 | Orientierung: Kommunikative Situierung des Epheserbriefs
tische Richtungen hin anschlussfähigen Ansatzes soll das Modell Links an dieser Stelle als Grundlage dienen.98 Die Darstellung wird dabei in ertragsorientierter Weise vorgehen und die Perspektive der eigenen Aneignung fortlaufend mitführen; die Ergebnisse werden abschließend in einem eigenen Schaubild zusammengefasst. Die dabei vorgenommenen Modifizierungen und Präzisierungen des Schemas Links können unter besonderer Berücksichtigung der genannten erzähltheoretischen Ansätze erfolgen, nehmen diese doch ebenfalls von Überlegungen zu den grundlegenden Verfasstheiten literarischer Kommunikation ihren Ausgang.
II.1.1
Das Schema Hannelore Links: Darstellung und Reflexion
Tab. 1: Die „Instanzen der Autor- und Leserseite“ nach Hannelore Link, Rezeptionsforschung. Eine Einführung in Methoden und Probleme, Stuttgart u.a. 1976, 25.
Autor realer Autor
Leser A1
L1
realer Leser
L2
abstrakter Leser = impliziter Leser
L3
fiktiver Leser, expliziter Leser
(empirische historische Person)
abstrakter Autor = impliziter Autor
A2
fiktiver Autor A3 (Erzähler, Sprecher) expliziter Autor
(abstrakte Instanz = theoretisches Konstrukt)
(fiktive Gestalt = Figur im Text)
u.a. viele kommunikative Situationen innerhalb der dargestellten Welt (Gespräche, Anreden usw.) – dazu alle anderen Ereignisse der „Fabel“
E1 textexterne Ebene
textinterne Ebenen: E2 abstrakte Kommunikationssituation (normativ)
E3 fiktive Kommunikationssituation
E4 „Welt im Text“
|| 98 Die nachfolgenden Zitate und Stellenangaben im Fließtext beziehen sich entsprechend auf Link, Rezeptionsforschung.
Erarbeitung eines Basismodells literarischer Kommunikation | 33
II.1.1.1 Zum Grundaufbau Einem Konsens in der Diskussion entspricht zunächst der Grundaufbau des Schemas. Dieser nimmt eine Zweiteilung in textexternen und textinternen Bereich vor und unterscheidet sodann in beiden Bereichen bestimmte kommunikative Ebenen, deren Anzahl von Modell zu Modell in gewissem Maße variiert. Auf den einzelnen Ebenen werden in der Regel jeweils zwei kommunikativ aufeinander bezogene Instanzen verortet, was die vorausgesetzte Eingebundenheit eines Textes in ein Kommunikationsgeschehen vor Augen führt. Link benennt jene Instanzen als ‚Autor‘ und ‚Leser‘; verallgemeinernd lässt sich von einer ‚produzierenden‘ bzw. einer ‚rezipierenden Instanz‘ sprechen. Diese Bipolarität ist somit Merkmal der Binnenstruktur der einzelnen Ebenen und bedingt für das Gesamtschema eine Mehrzahl an Autor- und Leserinstanzen, die der Ebenenanordnung entsprechend nummeriert werden. Als durchaus markant erscheint, dass Link das genannte Strukturprinzip auf der als „Welt im Text“ bezeichneten E4 durchbricht. Auch hierauf wird einzugehen sein in der näheren Betrachtung der einzelnen Ebenen, der sich nun zuzuwenden ist. II.1.1.2 Zum textexternen Bereich Kennzeichen der textexternen Ebene E1 ist es, Textproduzent und -rezipient als empirisch-historische Personen in den Blick zu nehmen, die in einer über einen Text vermittelten kommunikativen Beziehung stehen. Vorausgesetzt wird mithin, dass ein konkreter Text ein reales, personales Subjekt A1 zum Urheber hat und von zumindest einem realen Subjekt L1 rezipiert wird. Tatsächlich erweist sich E1 als komplexer, als das Schema zunächst andeuten mag. Dies geht aus den begrifflichen Differenzierungen hervor, die Link in ihren Erläuterungen beifügt. Relevant ist hier insbesondere die dort anzutreffende Unterscheidung zwischen dem „Publikum“ als der „offene[n] Menge all derer, denen das publizierte Werk im materiellen Sinn zugänglich ist“, und dem damit keinesfalls ohne Weiteres deckungsgleichen Personenkreis, an den „der Autor sich mit seiner Botschaft wendet“ (27). Das ,Publikum‘ wird demnach gebildet durch all diejenigen Subjekte, deren schlichte Gemeinsamkeit es zunächst ist, einen bestimmten, vorfindlichen Text rezipieren zu können. In den Blick kommen somit aber letztlich sämtliche faktische Rezipienten eines Textes; das Publikum kann sich entsprechend über raum-zeitliche Grenzen hinweg konstituieren. Das Vorliegen von Dokumenten realen Rezeptionsverhaltens scheint insofern Voraussetzung für das Erforschen einer so verstandenen Leserinstanz L1, dem sich Rezeptionsgeschichte oder auch empirische Rezeptionsforschung widmen.
34 | Orientierung: Kommunikative Situierung des Epheserbriefs
Der zweitgenannte Personenkreis lässt sich demgegenüber mit dem von Link im Weiteren (zunächst 28f.) herangezogenen Begriff des ,intendierten Lesers‘ in Verbindung bringen. Dieser gründet sich in dem kommunikationstheoretischen Postulat, dass ein Textproduzent als ,kommunikativ Handelnder‘ „stets auf Leser als Mithandelnde bezogen“ ist (52). In den Blick kommt somit aber das begrenzte, spezifisch-geschichtliche kommunikative Setting, in dem ein Text wurzelt. Der intendierte Leser scheint hier präzis diejenige textexterne, personale Instanz zu benennen, auf die als Rezipientin hin der Urheber eines Textes ebendiesen formuliert. Ob ein realer Rezeptionsprozess durch diesen intendierten Leser tatsächlich stattfindet, ist zunächst unerheblich, ist doch – zumal unter den Bedingungen literarischer Kommunikation – eine gleichsam vorgängige Ebene im Blick, die in der „Vorstellung des realen Autors“ (51) zu verankern ist. Diese Bezogenheit des Textproduzenten auf die intendierte Leserschaft dürfte sich dabei in vielschichtiger Weise auf die Disposition des Textes, etwa das in ihm vorausgesetzte Sprach- und Weltwissen, auswirken. Als personale Instanz der textexternen Ebene ist der intendierte Leser jedoch zugleich potentieller Gegenstand einer auf extratextuellen Informationen – etwa sozialgeschichtlicher Art – basierenden Rückfrage. Entsprechend ist die Rekonstruktion des intendierten Lesers charakterisiert durch eine Verschränkung textinterner und textexterner Aspekte. Für die Erhellung des historischen kommunikativen Settings eines Textes ist demnach der intendierte, nicht der reale Leser im Sinne des Publikums die maßgebliche Bezugsgröße. Sofern nun der einleitungswissenschaftliche Topos der Frage nach ,den Adressaten‘ zur Durchleuchtung ebenjenes Settings beizutragen sucht, ist er wesentlich als Rekonstruktion der intendierten Leserschaft zu konzeptualisieren. Link verortet den intendierten Leser etwas schwebend zwischen textexternem und -internem Bereich. Dies erscheint insofern als nachvollziehbar, als der intendierte Leser nach Maßgabe des Gesagten tatsächlich einen Faktor der Textproduktion darstellt, der sich in der Textstruktur – womöglich sogar explizit – niederschlägt. Gleichwohl macht es der grundsätzlich empirisch-personale Charakter des als kommunikatives Gegenüber des realen Autors vorstellig gemachten intendierten Lesers erforderlich, diesen konzeptionell als Instanz der textexternen Kommunikationsebene einzuordnen und dies auch im Modell (s.u.) entsprechend abzubilden (L1*).
Erarbeitung eines Basismodells literarischer Kommunikation | 35
II.1.1.3 Zum textinternen Bereich Ebene 3 Die Betrachtung der textinternen Kommunikationsebenen kann einsetzen mit der Ebene 3. So scheint diese nach Link in enger Wechselwirkung mit E1 zu stehen, ,transponiere‘ sie doch strukturell das „textexterne Verhältnis A1/L1 in den Text“ (30). E3 erfasst nämlich eine im Text erkennbare und als fiktiv bezeichnete Kommunikationssituation, die daraus resultiert, dass sich hier eine sprechende Instanz an einen textintern profilierten Adressaten richtet, so dass der Text selbst ein „fiktives Abbild“ (26) eines Kommunikationsvorgangs enthält. Bei den solchermaßen in den Blick kommenden Kommunikationspartnern handelt es sich also um personalisierbare Subjekte der textinternen Ebene. Link betrachtet diese Ebene als eine fakultative (ebd.). In der Kommunikationsform ,Brief‘ jedenfalls stellt sie den Regelfall, ja, wohl ein wichtiges Kennzeichen dar; in den Paulusbriefen findet sie sich grundgelegt im Präskript. Ebene 4 Die Ebene der fiktiven Kommunikationssituation kann als Rahmen gelten, innerhalb dessen im Text sukzessive die Ebene 4, die ,Welt im Text‘, entfaltet wird. Diese erscheint in Links Schema gleichsam als Fundament des textinternen Bereichs. Link zufolge ist eine solche ,Welt im Text‘ diesem „schon aufgrund der Bedeutungen seiner Wörter“ (26) inhärent. Sie beinhaltet „auch sämtliche erzählten oder dargestellten Vorgänge und Ereignisse“ (ebd.). Es scheint sich um einen umfassenden Begriff für das Gesamtszenario zu handeln, das ein Text im Bewusstsein der Rezipienten evoziert; gewisse rezipientenseitige Strukturierungs- und Verarbeitungsprozesse des hierfür aufgebotenen sprachlichen Materials sind offenbar vorausgesetzt. Auf E4 unterscheidet Link keine kommunikativen Instanzen; die Beschreibung von E4 – wie auch ihre Verhältnisbestimmung zur textexternen Ebene – erfordere vielmehr eine umfassendere, das Kommunikationsmodell transzendierende Erschließungsweise, der Link am angegebenen Ort jedoch nicht weiter nachgeht.99 Eigens erwähnt wird demgegenüber die Möglichkeit, dass die ,Welt im Text‘ wiederum „kommunikative Situationen zwischen handelnden Personen“ umfassen könne (26). Damit gemeint sind aber wohl von A3/L3 zu unterscheidende, personalisierbare Instanzen der textinternen Ebene. Denkbar
|| 99 In Fortführung des zum Verhältnis E1/E3 Formulierten wird aus E4 aber die prinzipielle Möglichkeit, ja Notwendigkeit ersichtlich, zu differenzieren zwischen einem textintern entwickelten Szenario – etwa einer bestimmten ,Gemeindesituation‘, die im Brief thematisiert wird – und ihren Referenzen im textexternen Bereich.
36 | Orientierung: Kommunikative Situierung des Epheserbriefs
scheint daher die Konzipierung einer weiteren textinternen Ebene, auf der derartige Konstellationen zwischen Textfiguren verortet werden. Ein erzähltheoretisches Kommunikationsmodell wie dasjenige Nünnings sieht eine solche Ebene der ,erzählten Figuren‘ tatsächlich vor.100 Dies soll aufgegriffen werden (E5). Zum Verhältnis von E3 und E4 ist weiterhin zu bemerken, dass beide Ebenen in enger Wechselwirkung stehen, da die textintern konstruierte fiktive Kommunikationssituation als integraler Bestandteil der ,Welt im Text‘ anzusehen ist. Dies ergibt sich schon daraus, dass Link die Textwelt offenbar in dem semantischen Gehalt eines Textes grundgelegt sieht. Die Beschreibung der Kommunikationspartner auf E3, d.h. die Ermittlung und Deutung von Textelementen, die der Profilierung von E3 dienen, beruht aber wesentlich auf dem nicht zuletzt semantischen Gehalt eines Textes bzw. auf einer bestimmten Strukturierung und Interpretation jener Elemente. E3 erweist sich somit als Auslagerung eines bestimmten Aspektes der Textwelt. Darauf wird im Folgenden zurückzukommen sein. Ebene 2 Zu erläutern gilt es zuvor E2, die wohl schillerndste der textinternen Ebenen in Links Modell.101 Als konstitutiv für E2 erscheint zunächst ihre Bezogenheit auf das Textganze; es handelt sich – darin offenbar ähnlich der ,Welt im Text‘ – um eine durchgängig präsente, im Textfluss fortlaufend ,gestrickte‘ Ebene. Im Unterschied zu E4 zielt E2 aber auf die Wahrnehmung „sämtlicher Verfahren und Eigenheiten“ (21) eines Textes, die ihn zugleich als ein spezifisch strukturiertes Gefüge mit einer einheitlich-sinnvollen Kommunikationsabsicht erweisen. Es geht somit gewissermaßen um eine umfassende Erschließung des Textes als Text, in seiner Texthaftigkeit. Die konkreten „Einzelheiten eines Textes“ gelten Link dabei als eine Auswahl aus vorfindlichen „Repertoires“ (22), die sich mutmaßlich im kontextuellkulturell geprägten Sprach- und Weltwissen des Textproduzenten, das somit in die Textgestalt einfließt, verankern lassen; diese unhintergehbare intertextuelle || 100 Vgl. Nünning, Grundzüge, 27–30. Charakteristisch ist die hierarchische Unterordnung, das Einbettungsverhältnis einer solchen Ebene gegenüber der Ebene der erzählenden Instanz und ihres Anredekorrelats, E3 in Links Schema. Insbesondere sogenannte inquit-Formeln vermögen den Übergang auf diese eingebettete Kommunikationsebene der erzählten Figuren zu markieren. 101 Charakteristisch für E2 ist die Spannung, die sich daraus ergibt, dass es sich Link zufolge hierbei um ein ,abstraktes‘, „theoretisches Konstrukt“ (Rezeptionsforschung, 26) handelt, das aber wiederum in personalisierender Weise durch zwei aufeinander bezogene kommunikative Instanzen näher erfasst wird.
Erarbeitung eines Basismodells literarischer Kommunikation | 37
Verwobenheit zeigt dabei zugleich die Verwurzelung eines Textes in einem bestimmten geschichtlich-situativen Zusammenhang an.102 Link geht somit davon aus, dass einer gegebenen Textgestalt „Verfahrensweisen und Strategien“ inhärent sind, die im Dienste einer bestimmten „Wirkungsabsicht“ stehen (23). Dabei aber gilt nun: „Strategien setzen jemanden voraus, der sie anwendet, und jemanden, auf den sie wirken sollen“ (ebd.). Ebendiese Personen erfasst Link durch das Begriffspaar abstrakter/impliziter Autor bzw. Leser. So gilt der implizite Autor als „Urheber“ jener Strategien und „Träger“ der durch sie beförderten „Kommunikationsabsicht“; er dient als einender, gleichsam steuernder „,Integrationspunkt‘“ (22); in ihm haben „alle Einzelheiten der Textgestalt ihren Sinn“ (ebd.). Der implizite Autor ist gewissermaßen die Subjekthaftigkeit, die produzentenseitig vorausgesetzt werden muss, um die Existenz und Texthaftigkeit eines konkreten Textes erklären zu können, und entsprechend ist dies auch diejenige Instanz, die für die spezifische Repertoireauswahl verantwortlich zeichnet. Könne der implizite Autor qua seiner Beschaffenheit als „aus dem Text erschlossenes Bewusstsein“ dabei zwar „nie die konkrete Individualität einer textexternen historischen Person haben“ (21), so konstatiert Link gleichwohl eine „partielle Deckungsgleichheit“ (34) mit dem realen Autor. Denn A2 sei letztlich A1 „unter Absehung (Abstraktion) von allen individuellen Zufälligkeiten seiner empirischen Person“, die „auf das, was an ihm ,Autor des Textes T‘ ist“, reduziert sei (34). A1 erscheint demnach als Bedingungs- und Ermöglichungsgrund der Existenz von A2. Der implizite Leser nun stellt ein vom impliziten Autor spiegelbildlich abgeleitetes „Parallelkonstrukt“ dar und bezeichnet „[d]asjenige Leserbewusstsein, das mit seiner Kompetenz den Strategien und Eigenschaften des Textes gewachsen ist“ (23), diese also im Rezeptionsprozess in ihrer Eigenart zu erfassen vermag. Insofern kann der implizite Leser als „Norm für den adäquaten Lesevorgang“ dienen (ebd.). So erweist sich L2 in Links Modell letztlich als ein ,Kompetenzenbündel‘, das auch bestimmte Repertoirekenntnisse umfasst und zu einem der Kommunikationsabsicht des impliziten Autors gemäßen Verarbeitungsprozess des sprachlichen Materials befähigt. Die Einführung des Begriffspaars A2/L2 verdeutlicht das Interesse Links, einen Text als „Medium eines Kommunikationsprozesses“ zu begreifen, in aus-
|| 102 In diesem Begriff des Repertoires zeigt sich in besonderer Weise auch die Anschlussfähigkeit von Links Schema für kognitiv-konstruktivistische Textmodelle. Denn diesen zufolge handelt es sich bei Textproduktion wie -rezeption jeweils um konstruktive Prozesse, die sich eben in Interaktion mit dem Sprach- und Weltwissen der beteiligten Subjekte vollziehen. Ebendafür kann das Repertoirekonzept gleichsam als Chiffre dienen.
38 | Orientierung: Kommunikative Situierung des Epheserbriefs
drücklicher Abgrenzung von einer zur Werkimmanenz tendierenden Wahrnehmung eines Textes als „selbstgenügsame Wesenheit mit quasi-menschlichen Eigenschaften“ (44). Dies geht freilich einher mit einer produzentenzentrierten Sichtweise, die die Autorintention zum konzeptionellen Eckpunkt macht. Mit dem Gegenüber von implizitem Autor und dem von ihm abgeleiteten impliziten Leser wird dabei ein Steuerungsmoment von Textstrukturen stark betont.103 Die dahinterstehenden texttheoretischen Annahmen erscheinen vom Grundsatz her plausibel, fängt das Gegenüber von implizitem Autor und Leser doch die Eigenart von Texten ein, gleichermaßen als Resultat wie als Ermöglichungsgrund konstruktiver Prozesse personaler Subjekte gelten zu können. Plausibel ist auch der weitergehende Gedanke, dass sinnvoll gefragt werden kann nach dem kommunikativen Potential, das einem Text in einem bestimmten kommunikativen Kontext – der eben auch der seines mutmaßlichen Entstehungszusammenhangs sein kann – zukommt. Der Begriff des impliziten Autors droht jedoch zu insinuieren, dass dabei so etwas wie die Ermittlung der einen ,richtigen‘ Interpretation als Zielvorgabe zu gelten habe. Dies aber verschleiert tendenziell gerade den Umstand, dass es sich bei der Erschließung von Textstrukturen (und auch der Analyse der jeweils relevanten Repertoires) um – methodisch freilich kontrollierbare – Konstruktionsleistungen empirischer Rezipienten und nicht einfach objektiv gegebene Größen handelt. Im Zusammenhang des vorliegenden Schemas ergibt sich ferner die Schwierigkeit, dass mit dem Gegenüber von A2/L2 eine autor- bzw. rezipientenseitige Instanz konzipiert wird, die im Unterschied zu ihren Korrelaten auf den anderen Ebenen allenfalls in abgeleiteter Form personalisierbar ist. Überdies scheint sich E2 insgesamt nicht klar von der ,Welt im Text‘ abheben zu lassen: So beschreibt E2 offenbar zwar gerade die Anordnungsprinzipien von E4, entfaltet sich selbst aber letztlich nur in Form von E4, wird nur hier greifbar. E4 wiederum setzt, wie gesagt, bestimmte Strukturierungsprozesse voraus – die aber vermutlich mit E2 zu assoziieren sind. Kann sich E3 als Auslagerung eines besonderen Aspektes aus E4 insofern stimmig in den Rahmen des Schemas fügen, als es sich bei A3 und L3 um personalisierbare Instanzen handelt, so legt der angedeutete Zusammenhang zwischen E2 und E4 es nahe, diese Ebenen zusammenzuziehen zu einer gemeinsamen Ebene des ,Textganzen‘. Die Beschreibung dieser Ebene, bei der es im Anschluss an Link um eine umfassende Erschließung von Gehalt, Struktur und kommunikativer Funktion eines Textes geht, kann auf der Grundlage insbesondere textlinguistischer Kategorien erfol|| 103 Zum weiteren rezeptionstheoretischen Diskussionszusammenhang vgl. Strasen, Rezeptionstheorien.
Erarbeitung eines Basismodells literarischer Kommunikation | 39
gen und als Bezugsrahmen der Erfassung der weiteren Kommunikationsebenen dienen; ebendieser Ansatz wird in der vorliegenden Arbeit verfolgt.
II.1.2
Fazit
Den im Vorangehenden verschiedentlich bereits zur Sprache gebrachten Ertrag der Auseinandersetzung mit Links Schema bündelt der nachfolgende, eng daran anknüpfende eigene Entwurf. Tab. 2: Instanzen der textproduzierenden und -rezipierenden Seite Produzierende Instanz
realer Autor
A1
(empirische historische Person)
Rezipierende Instanz L1 L1*
realer Leser intendierter Leser/Adressat
Der Text und seine „Welt“ als strukturiertes Resultat einer Produktionstätigkeit und Ermöglichungsgrund einer Rezeptionstätigkeit
textinterne Ebenen: E2 + E4 Ebene des Textganzen
(abstrakte Instanz = theoretisches Konstrukt)
(L2)
(impliziter Leser)
fiktiver Autor A3
(Übergeordnete sprechende Instanz und ihr Anredekorrelat)
L3
fiktiver Adressat
E3 fiktive Kommunikationssituation
A5
(kommunikative Situation innerhalb der dargestellten Welt)
L5
Angesprochene Figur
E5 In E3 eingebettete fiktive Kommunikationssituation
(impliziter Autor)
Sprechende Figur
(A2)
E1 textexterne Ebene
Betont sei unter dem Eindruck der letztgenannten Aspekte, dass es sich bei der Erschließung sämtlicher Instanzen um Konstruktionsleistungen handelt, die rückgekoppelt sind an bestimmte Interpretationen der Textstruktur. Diese wer-
40 | Orientierung: Kommunikative Situierung des Epheserbriefs
den maßgeblich auf E2 geleistet, so dass diese Ebene des Textganzen als zentrale Achse der Analyse anzusehen ist.104
II.2
Überlegungen zur kommunikativen Eigenart der deuteropaulinischen Briefe
Das solchermaßen entwickelte Basismodell ermöglicht mit seinem mehrdimensionalen Autor- und Leserbegriff eine differenzierte Betrachtung der Verhältnisbestimmung von textexternem und textinternem Bereich. An ebendieser Stelle setzen die eingangs (s.o. I.2) angesprochenen Neuorientierungen in der Pseudepigraphieforschung an. Hinterfragt wird nämlich ein Verständnis von Pseudepigraphie, das diese auf den Aspekt der Autorfiktion – also das Verhältnis A1/A3 – verengt und dazu tendiert, für die Adressatenseite sowie das textintern entwickelte Szenario von einer weitgehenden Transparenz der textinternen Ebenen für den textexternen Bereich auszugehen. Demgegenüber wird angeführt, dass gleichermaßen das Verhältnis von L1*/L3 sowie des im Briefkontext entworfenen Szenarios zur intendierten Situation überhaupt als komplex zu betrachten sind und die Referenzbezüge zum textexternen Bereich auch hier eigentümlich gebrochener Art sein können, ja, dass dies mitunter sogar wahrscheinlich sein mag. Ein von dem genannten Transparenzgedanken ausgehendes Rekonstruktionsverfahren erscheint dann aber als problematisch. An sich ist die Unterscheidung zwischen der textintern konstruierten, fiktiven Kommunikationssituation und ihren intendierten textexternen Referenzen freilich auch für die Auslegung der paulinischen Homologumena von Bedeutung. Denn sie verweist auf das vielleicht gerade dem Brief als Kommunikationsform inhärente Potential zur Formung von Welt- und Selbstverständnissen in einem distinkten, eigendynamischen Diskursraum.105 Auch für die mutmaß-
|| 104 Auch im Blick auf den Epheserbrief ist nun durchaus nicht selbstverständlich, was als dieses maßgebliche Textganze zu gelten hat. So kann etwa eine Assoziierung des Epheserbriefs mit Prozessen der Entstehung paulinischer Briefsammlungen – man denke nur an die insbesondere von Edgar Goodspeed formulierte These, wonach der Epheserbrief als Einleitung in eine Paulusbriefsammlung verfasst worden sei (vgl. Goodspeed, „Ephesians“) – Anlass dafür geben, die Ebene des Textganzen durch einen briefübergreifenden Zusammenhang konstituiert zu sehen. Der formal in sich geschlossene Epheserbrief gibt jedoch keine zwingenden Hinweise darauf, dass ein weiterer literarischer Kontext in einem über den Aspekt der Repertoireauswahl hinausgehenden Sinne konzeptionell vorausgesetzt würde. Eine Begrenzung der Ebene des Textganzen auf den Epheserbrief erscheint daher als angemessen. 105 Vgl. dazu Lieu, „Letters“.
Überlegungen zur kommunikativen Eigenart der deuteropaulinischen Briefe | 41
lich authentischen Paulusbriefe fallen textexterne und -interne Ebenen nicht einfach ineinander; auf den textinternen Ebenen finden vielmehr auch hier spezifische Inszenierungen und Konstruktionsprozesse statt.106 Gleichwohl unterscheiden sich die Deuteropaulinen hinsichtlich ihrer Zuordnung von textinternen und textexternen Ebenen und dem damit verbundenen Anspruch auf Referentialisierbarkeit in nicht bloß gradueller Weise von den Homologumena. Dies liegt wesentlich in ihrer kommunikativen Eigenart begründet, die wiederum eng mit ihrer mutmaßlich nachpaulinischen Situiertheit verknüpft ist. Dies ist nachfolgend zu erläutern, wobei insbesondere an Überlegungen Eckart Reinmuths angeschlossen werden soll.107 Der Ansatz Reinmuths zeichnet sich nicht zuletzt dadurch aus, dass literaturwissenschaftlich-kommunikationstheoretische Perspektiven verbunden werden mit der Frage nach den literarischen und hermeneutischen ,Konventionen‘ (191), die für die Produktion und Rezeption neutestamentlich-pseudepigrapher Texte vorauszusetzen sind. Als maßgeblich erachtet werden dabei vor allem die Vorgaben, die sich aus den alttestamentlichen und antikjüdischen Kontexten ergeben. Eine wichtige Rolle spielt hier das Motiv der aktualisierenden Interpretation von als autoritativ anerkannten Glaubens- und Offenbarungszeugnissen. In Aufnahme dieses Ansatzes ergibt sich in groben Grundzügen für die Paulus-Pseudepigraphie das folgende Bild: Vorauszusetzen ist zunächst, dass ein realer, deuteropaulinischer Verfasser bei der Abfassung seines Schreibens reale textexterne Adressaten und Situationen im Blick hat. Diese Ebene E1 will er mit seinem Text erreichen; er verfolgt darauf bezogene Kommunikationsabsichten, die sich im Text manifestieren. E1 wird im Text indes nicht unmittelbar thematisiert. Vielmehr entwirft der Verfasser im Text ein fiktives, in Leben und Wirksamkeit des Paulus angesiedeltes Szenario, das als Folie dient zur Bearbeitung jener gegenwärtigen Zusammenhänge. Es stellt sich also die Aufgabe der textinternen Konstruktion einer Kommunikationssituation, die einerseits als eine solche des historischen Apostels denkbar ist, andererseits im Rezeptionsvorgang transparent werden kann auf die intendierten, der gegenwärtigen Kommunikationssituation auf E1 angehörenden extratextuellen Referenzen hin. Die textintern konstruierte Situation
|| 106 Die Briefe des Apostels bilden nicht einfach textexterne Faktizität ab, sondern entwerfen bestimmte Bilder der Person des Paulus, der Adressaten, der Beziehungen und Gegebenheiten, in denen sie sich vorfinden; ja, die Textwelt entwickelt so in gewisser Weise auch hier ihr Eigenleben. 107 Vgl. grundlegend Reinmuth, „Exkurs“; hierauf beziehen sich auch die nachfolgenden Zitate und Seitenangaben im Fließtext.
42 | Orientierung: Kommunikative Situierung des Epheserbriefs
oszilliert somit gewissermaßen zwischen zwei Welten, denen sie gleichermaßen zugehört. Diese ,Horizontverschmelzung‘ kann sich bemerkbar machen, ja gezielt befördert werden durch Spannungen an der Textoberfläche, die signalhafte Symptome dessen sind, dass der Text letztlich in die intendierte Kommunikationssituation auf E1 als der gemeinsamen Gegenwart von A1 und L1 hineinzusprechen sucht und einen entsprechenden Transfer einfordert.108 Hinsichtlich der Frage nach der Referentialisierbarkeit vermutet Reinmuth näherhin, die „fiktive Adressatenschaft“ – also L3 – übernehme in diesen pseudepigraphen Texten „tendenziell“ bzw. „mittelbar“ die Rolle der intendierten Adressatenschaft (194), im obigen Modell also der Instanz L1*. Dies scheint in der Tat zumal hinsichtlich des Epheserbriefs plausibel, der – sofern die ortsangabenlose Lesart als die mutmaßlich ursprüngliche gelten darf109 – schon ausweislich seiner ,katholischen‘ Adresse L3 in besonderer Weise als identifikationsoffene Größe zeichnet. Dennoch ist es unwahrscheinlich, dass damit ein Anspruch auf direkte Referentialisierbarkeit des textinternen Gesamtszenarios verbunden ist. Denn dies schiene für den Verfasser die Erwartung einer Rezeptionshaltung zu unterstellen, wonach die Rezipienten den Text als ein direkt an sie selbst gerichtetes und entsprechend zu referentialisierendes Schreiben wahrnähmen. Dies aber ist für die nachpaulinische Zeit wenig wahrscheinlich – zumindest unter der Prämisse, dass der Tod des Apostels ein bekanntes Faktum war. Als verfasserseitig vorausgesetzte Rezeptionshaltung scheint sich vielmehr nahezulegen, dass den intendierten Adressaten die (vorgebliche) Verwurzelung der in den paulinischen Briefen ,konservierten‘ Kommunikation in einer von der eigenen zu unterscheidenden Situation bewusst ist. Gleichwohl sollen sie dazu angehalten werden, nach deren Relevanz für die eigene Gegenwart zu fragen.
|| 108 Markante Beispiele bieten mit Reinmuth, „Exkurs“, 194f. die syrische Baruch-Apokalypse sowie insbesondere das 4. Esrabuch. Exemplarisch sei nur die schillernde Selbstdatierung des letzteren angeführt: Gemäß 4 Es 3,1 verortet sich der Text im „30. Jahr nach dem Untergang der Stadt“, womit vom Zusammenhang her das 30. Jahr nach der Zerstörung Jerusalems im Jahr 587 v.Chr. gemeint sein muss. Die als Offenbarungsempfängerin vorstellig gemachte biblische Figur des Esra ist indes nach Esr 7,1–10 allererst in späterer, persischer Zeit verwurzelt. Dieser Befund lässt sich nun aber dahingehend deuten, dass die Datierung in 4 Es 3,1 den Blick auf die textexterne Kommunikationssituation zwischen realem Verfasser und intendierten Adressaten richten mag: Hier wäre das Geschehen von 70 n.Chr. rund um die Zerstörung des zweiten Tempels der maßgebliche Bezugspunkt. Die Formulierung 3,1 wiese somit subtil auf das Ende des 1. Jahrhunderts n.Chr. und damit den mutmaßlichen Entstehungszeitraum des 4. Esrabuches, mithin die Gegenwart der realen Kommunikationspartner: „Die Katastrophe von 587 v.Chr. ist zur Folie für das Geschehen 70 n.Chr. geworden“ (Reinmuth, a.a.O., 194). 109 Zur textkritischen Diskussion siehe II.3.2.
Zur textintern konstruierten Kommunikationssituation im Epheserbrief | 43
Für die deutero-, nachpaulinische Literatur ist somit für sämtliche Koordinaten des Kommunikationsprozesses mit keiner unmittelbaren Deckungsgleichheit, wohl aber mit einer eigentümlichen Verflochtenheit zwischen textinternem und dem intendierten textexternen Bereich zu rechnen. Als übergeordnete Charakterisierung dieses Verhältnisses sei die These formuliert, dass der textintern konstruierten Kommunikationssituation gewissermaßen prototypische Funktion zukommt. Demnach ginge es darum, innerhalb der Textwelt in grundsätzlicher, gleichsam idealtypischer Form zentrale Merkmale und Eigenschaften bestimmter Sachverhalte vor Augen zu führen, die sich aufgrund von Strukturparallelen zu E1 als für die Auseinandersetzung mit spezifischen Gegenwartsfragen relevant erweisen.
II.3
Zur textintern konstruierten Kommunikationssituation im Epheserbrief
Gemäß den vorangehenden Bestimmungen hat die Erhebung der Kommunikationssituation, in die der Epheserbrief eingebettet ist, grundlegend zwei Ebenen zu unterscheiden. So ist das textintern konstruierte, durch die Relation von fiktivem Verfasser und fiktiven Adressaten gekennzeichnete Setting (E3) zu unterscheiden von der textexternen Ebene (E1), auf der sich realer Verfasser und intendierte Adressaten als Kommunikationspartner gegenüberstehen. Wenngleich insbesondere in die Rekonstruktion der letzteren Ebene zahlreiche textexterne Aspekte einfließen, so hat sie sich doch maßgeblich an den textinternen Vorgaben auszuweisen. Insofern ist an dieser Stelle anzusetzen. Der in den Paulusbriefen rezipierten antik-epistolaren Konvention110 gemäß ist auch die Makrostruktur des Epheserbriefes durch den Dreischritt von Briefeingang, Briefkorpus und Briefschluss geprägt. Dem Präskript Eph 1,1f. kommt somit die Funktion zu, die grundlegenden Koordinaten für die textintern entworfene Kommunikationssituation aufzustellen. So werden die Kommunikationspartner durch superscriptio und adscriptio explizit benannt (1,1), und das ‚Gespräch‘ wird durch die salutatio programmatisch eröffnet (1,2). Konstituiert das Präskript solchermaßen den kommunikativen Kontakt, so ist der Briefschluss als komplementäre ‚ausleitende‘ Schwelle, die ihrerseits mit geprägten Topoi operiert, wiederum in besonderer Weise konventioneller Ort einer Clusterung von auf die Kommunikationspartner bzw. deren Relation bezogenen In-
|| 110 Vgl. dazu Hoegen-Rohls, Augenblickskorrespondenz, 25f.
44 | Orientierung: Kommunikative Situierung des Epheserbriefs
formationen. Die Erhebung der textinternen Kommunikationssituation kann insofern von der Betrachtung dieses brieflichen Rahmens ausgehen. Ist die Abgrenzung des Präskripts Eph 1,1f. dabei hinreichend deutlich, so gestalten sich die Zusammenhänge am Briefende deutlich fließender. Der syntaktisch zusammengehörige Passus Eph 6,10–20 wird an dieser Stelle als Abschluss des Briefkorpus aufgefasst, so dass das Postskript auf Eph 6,21–24 zu begrenzen ist. Gleichwohl ist zu berücksichtigen, dass bereits die Aufforderung zur Fürbitte in 6,18–20 explizit auf die Relation zwischen den Kommunikationspartnern fokussiert und dabei auch die Situation des fiktiven Verfassers ins (wenn auch eher spärliche) Licht stellt; zumal 6,19f. ist daher bei der nachfolgenden Rekonstruktion zu berücksichtigen.
II.3.1
Der fiktive Verfasser
Die um eine intitulatio erweiterte superscriptio in Eph 1,1 dient der prägnanten Selbstvorstellung des Emittenten: Es ist Paulus, der Apostel Christi Jesu – und zwar durch Gottes Willen – ist, der im Epheserbrief das Wort ergreift. Die relational ausgerichteten Bestimmungen in der intitulatio bewirken dabei von vornherein eine gleichsam vertikale Ausweitung der horizontalen Kommunikationsebene von Absender und Adressaten; das kommunikative Beziehungsgefüge, das im Epheserbrief aktualisiert wird, ist nicht einfach bilateraler Art, sondern umfasst konstitutiv auch Christus und Gott, mehr noch: der performative Charakter der salutatio in 1,2 deutet an, dass der Kommunikationsakt, der mit dem Epheserbrief vollzogen wird, indirekt auch Gott und Christus als vergegenwärtigte Handlungsinstanzen umfasst. Vor dem Hintergrund des weiteren Schreibens gewinnt die intitulatio eine spezifische, mit der Eingliederung des Apostels in die göttliche Heilsökonomie verbundene intratextuelle Tiefenschärfe, deren Explikation im Verlauf der weiteren Analyse zu erfolgen hat (siehe bes. V.4.3). In intertextueller Hinsicht ist zugleich zu notieren, dass bereits superscriptio und intitulatio textsortenindizierende Funktion zuerkannt werden kann, insofern sie den Epheserbrief als ‚Paulusbrief‘ ausweisen und entsprechende Rezeptionsanweisungen mit sich führen.111 An dieser Stelle zu vermerken ist dabei, dass die Beschränkung der Absenderangabe auf Paulus sich im Ensemble der an ein Adressatenkollektiv
|| 111 Vgl. diesbezüglich die Überlegungen von Hoegen-Rohls, Augenblickskorrespondenz, 92– 117 zum ‚Paulusbrief‘ als ‚kerygmatischem Brief‘.
Zur textintern konstruierten Kommunikationssituation im Epheserbrief | 45
gerichteten Paulusbriefe durchaus als markant erweist; Paulus wird somit betont als alleiniger Emittent in den Blick gerückt.112 Anhaltspunkte für die Umstände, in denen sich Paulus bei Abfassung des Briefs befindet, bietet der Briefschluss. So weist Eph 6,20a auf eine Situation der Gefangenschaft, die im Zusammenhang mit der Verkündigungstätigkeit des Apostels steht. Auf dieser Linie liegt auch die Selbstcharakterisierung als ὁ δέσμιος τοῦ Χριστοῦ κτλ. in Eph 3,1 (vgl. 3,13; 4,1), wenngleich diese – zumal angesichts ihres durch den Artikel angezeigten ‚titularen‘ Gepräges – von einer topischen Tendenz geprägt ist, wonach die an seinen Auftrag gekoppelte Bedrängnis als grundlegendes Signum der apostolischen Existenz des Paulus überhaupt anzusehen ist. Dem entspricht im Übrigen, dass jenes ‚Gefangensein‘ bzw. jene Bedrängnis den Adressaten als ἔθνη zugutekommt, gelten doch gerade diese als Adressaten des paulinischen Apostolats (3,8). Indes legt der kompositorische Ort von 6,20a mit seiner unmittelbaren Nähe zum expliziten Verweis auf die konkreten persönlichen Umstände des Paulus in 6,21ab(.22a) nahe, dass ἐν ἁλύσει zumindest auch als akute äußere Situationsbeschreibung zu verstehen ist. Für die Erfassung der näheren Eigenart jener Umstände verweist Paulus zwar auf den Bericht eines gewissen Tychikus, den er den Adressaten als ἀγαπητὸς ἀδελφὸς καὶ πιστὸς διάκονος ἐν κυρίῳ (6,21) anempfiehlt. Deutlich wird aber immerhin, dass Paulus an seinem Aufenthaltsort Nachrichten über die Adressaten empfängt (1,15) und zumindest Tychikus bei ihm gewesen ist, den er – womöglich als Überbringer des Briefs – nunmehr zu den Adressaten geschickt hat; der Apostel ist mithin in seiner Gefangenschaft nicht vollständig isoliert. Die an die Adressaten gerichtete Bitte um persönliche Fürbitte weist sodann darauf hin, dass Paulus für die Zukunft durchaus eine Fortsetzung seiner Verkündigungstätigkeit ins Auge fasst. Diese scheint jedoch seine Gefangenschaft zum prägenden Begleitumstand zu haben, bleibt jenes Verkündigen ‚in Kette‘ doch der einzige Hinweis auf Vorhaben und künftiges Ergehen des Apostels, so dass sich gleichsam eine Verstetigung dieses Szenarios andeutet.113 Von Reiseplänen verlautet denn auch nichts, eine auch nur als Möglichkeit erwogene persönliche Begegnung mit den Adressaten wird nicht in Aussicht gestellt; vielmehr beschränkt sich der Topos der apostolischen Parusie auf den angekündigten Bericht des Tychikus. Dieser Eindruck einer ‚Zielgeraden‘, auf der sich Paulus befindet, wird textintern auch eben dadurch bestärkt, dass die Adressaten im Verlauf des Briefes || 112 Vgl. Gese, Vermächtnis, 30. 113 Vgl. dagegen Phil 1,24–26 vor dem Hintergrund insbesondere von 1,19f.
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wiederholt als ἔθνη angeredet werden (2,11; 3,1), denen durch die Evangeliumsverkündigung die Heilsteilhabe eröffnet wurde (1,13). Denn als ἔθνη fallen sie ja in den ‚Zuständigkeitsbereich‘ der paulinischen Mission (3,8). Insofern setzt das Faktum ihrer Heilsteilhabe voraus, dass Paulus seinem Auftrag zur Verkündigung unter den ἔθνη bereits in beträchtlicher Weise nachgekommen sein muss, ja, womöglich sogar bereits in einem solchen Maße, dass diese von ihm beförderte Verkündigung indirekte Kreise gezogen hat, von anderen als ihm selbst fortgetragen worden ist. Dies gilt zumindest dann, wenn man die offenkundige Absenz anderslautender Formulierungen als Hinweis auf die persönliche Unbekanntheit zwischen Absender und Adressaten auffassen darf. Paulinische Grundlagenarbeit scheint mithin als erfolgt vorausgesetzt; die textinternen Hinweise verorten das Schreiben insgesamt in der Spätphase des Wirkens des Apostels.
II.3.2
Die fiktiven Adressaten
Gebotener Ausgangspunkt der Profilierung der fiktiven Adressaten ist die adscriptio in Eph 1,1. Mit dieser verbindet sich nun das bekannte textkritische Problem, dass die in der Mehrzahl der Textzeugen überlieferte Ortsangabe ἐν Ἐφέσῳ umstritten ist. Dem ist sich daher zunächst zuzuwenden. Der handschriftliche Befund lässt in Bezug auf die adscriptio insgesamt sieben Varianten erkennen114; relevant für die Ermittlung des mutmaßlich ältesten Wortlauts sind jedoch die vier nachfolgend aufgeführten.115 (1)116 τοῖς ἁγίοις τοῖς οὖσιν ἐν Ἐφέσῳ καὶ πιστοῖς ἐν Χριστῷ Ἰησοῦ (2)117 τοῖς ἁγίοις πᾶσιν τοῖς οὖσιν ἐν Ἐφέσῳ καὶ πιστοῖς ἐν Χριστῷ Ἰησοῦ (3)118 τοῖς ἁγίοις τοῖς οὖσιν καὶ πιστοῖς ἐν Χριστῷ Ἰησοῦ (4)119 τοῖς ἁγίοις οὖσιν καὶ πιστοῖς ἐν Χριστῷ Ἰησοῦ
|| 114 Vgl. Aland, Text, 356–358. 115 Die übrigen Lesarten, die jeweils nur durch eine einzige Minuskel bezeugt werden (1115: τοῖς ἁγίοις τοῖς οὖσιν ἐν τῇ Ἐφέσῳ καὶ πιστοῖς ἐν Χριστῷ Ἰησοῦ; 2544: τοῖς ἁγίοις τοῖς ἐν Ἐφέσῳ καὶ πιστοῖς ἐν Χριστῷ Ἰησοῦ; 1149: τοῖς ἁγίοις τοῖς ἐν Ἐφέσῳ οὖσιν καὶ πιστοῖς ἐν Χριστῷ Ἰησοῦ) lassen sich mit Sellin, Adresse, 172 als „späte singuläre Varianten“ von (1) ansprechen. 116 So die Mehrheit der Handschriften, u.a. B2 D F G Ψ 33. 1175. 1881. 117 א2 A P 81. 2464 u.a. 118 *אB* 6. 424c. 1739. 119 P46.
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Die Varianten (1) und (2) einerseits, (3) und (4) andererseits unterscheiden sich grundlegend eben in der Frage des Vorhandenseins der Ortsangabe. In textkritischer Hinsicht wird man dem Kurztext in Gestalt von Lesart (3) den Vorzug zu geben haben. Folgende Argumente sind ausschlaggebend: a) Mit P46, *א, B* als in dieser Hinsicht übereinstimmenden, für den Epheserbrief besonders gewichtigen Textzeugen kann eine ortsangabenlose adscriptio als qualitativ besser bezeugt gelten. Die von P46 gebotene Variante ist dabei gegenüber (3) als sekundär anzusehen; der Ausfall des Artikels vor οὖσιν in (4) lässt sich wahlweise auf Haplographie oder auf Glättung aufgrund grammatikalischer Erwägungen (s.u.) zurückführen.120 b) Die bereits sprachlich schwierige Lesart (3) ist auch inhaltlich in inter- wie intratextueller Hinsicht als lectio difficilior anzusehen. So lassen es zum einen die paulinischen Konventionen an sich geradezu erwarten, dass einem die Adressaten näher spezifizierenden τοῖς οὖσιν ein ἐν-Ausdruck mit lokaler Referenz folgt (Röm 1,7; II Kor 1,1; Phil 1,1; vgl. auch I Kor 1,2).121 Zum anderen impliziert die zielgerichtete Sendung des Tychikus (Eph 6,22) eine lokale Spezifizierung der Adressaten, zu der sich eine explizite Ortsangabe im Präskript prinzipiell gut fügen würde. Dass der Verzicht auf eine solche in 1,1 wiederum keine unzumutbare Härte im Zusammenhang des textinternen Befundes darstellt, geht daraus hervor, dass die, wie sich zeigen wird, verallgemeinernde Tendenz einer ortsangabenlosen Adresse auch den Friedens- und Gnadenwunsch am Briefende (6,23f.) prägt. c) Lesart (3) fügt sich zudem – ein bestimmtes, sogleich darzulegendes syntaktisches Verständnis der Konstruktion vorausgesetzt – in den Sprachgebrauch und die inhaltlichen Tendenzen des Epheserbriefes. d) Eine Rekonstruktion der Entstehung der übrigen Lesarten auf der Grundlage von (3) bereitet insgesamt die geringsten Schwierigkeiten; die Annahme
|| 120 So mit Pokorný, Eph, 36 u.a. Anders z.B. Faust, Pax, 14, der die Lesart von P46 für die ursprünglichere hält und auf die starke Beleglage verweist, die sich hierfür aus der Kombination von P46 und D ergebe; vgl. auch Best, „Ephesians i.1“, 35 Anm. 5. Jedoch liest der Claromontanus laut Trobisch, Entstehung, 80 Anm. 61 an dieser Stelle entgegen der Tischendorf-Ausgabe, die darin offenbar zunächst prägend für „alle gängigen Textausgaben“ war, tatsächlich den Artikel vor οὖσιν. Im Nestle-Aland sei im Zusammenhang von Nachdrucken der 26. Auflage „der Apparat an dieser Stelle stillschweigend korrigiert“ worden. 121 Vgl. Gnilka, Eph, 5, dort jedoch als Argument für die Ursprünglichkeit der Ortsangabe: Den Gleichklang mit den anderen Paulusbriefen hätte ein deuteropaulinischer Verfasser nicht missen wollen. Ebendiese Abweichung könnte indes auch als intendierte Kohärenzstörung im II.2 beschriebenen Sinne aufgefasst werden.
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einer sekundären Angleichung an die Präskripte der übrigen Paulusbriefe durch Einfügung der Ortsangabe in der adscriptio ist plausibel. Die Option für den Kurztext in dem von (3) gebotenen Wortlaut setzt freilich voraus, dass dieser überhaupt als sinnvoll aufgefasst werden kann, dass mithin die lectio difficilior nicht eine unmögliche Lesart darstellt. Ebendiese Voraussetzung wird nun aber z.T. explizit bestritten.122 Die (zutreffende) Einschätzung Andrew T. Lincolns, „the Greek syntax“ sei „extraordinarily difficult to construe“123, weist dabei darauf hin, dass eine Auseinandersetzung mit dieser Frage auf sprachlich-syntaktischer Ebene anzusetzen hat. Hier bieten sich nun offenbar zwei grundlegende Möglichkeiten für das Verständnis der adscriptio nach Lesart (3)124: 1. So könnte τοῖς οὖσιν mit dem vorangehenden τοῖς ἁγίοις verbunden werden. Es ergäbe sich für Eph 1,1 eine zweigliedrige, durch das καί koordinierte Bezeichnung der Adressaten, wobei τοῖς οὖσιν als alleinstehende Apposition zu τοῖς ἁγίοις fungierte. Diese Auffassung erscheint jedoch insofern als sprachlich problematisch125, als ein substantiviertes Partizip ὤν offenbar nur dann gebraucht werden kann, „wenn sich außer dem Prädikatsnomen noch weitere Bestimmungen finden“126 – was bei dieser Konstruktionsweise aber nicht der || 122 Theobald, „Epheserbrief“, 423 formuliert etwa apodiktisch, dem „Kurztext“ sei „keine sinnvolle Deutung abzuringen“. 123 Lincoln, Eph, 2. Lindemann, „Bemerkungen“, 235 hält „die von B* und *אüberlieferte Lesart“ sogar schlechterdings für „grammatisch unmöglich“. 124 Diese werden auch von Sellin, „Adresse“, 172–178 aufgezeigt; vgl. im Übrigen die Diskussion bei Schmid, Epheserbrief, 110–115 zu Möglichkeiten der syntaktischen Zuordnung in Auseinandersetzung mit der älteren Forschung. 125 Einen prominenten Befürworter hat sie gleichwohl in der Person des Origenes, der den Text offensichtlich in der beschriebenen Weise interpretierte (Nachweis bei Schmid, Epheserbrief, 61f.) – und damit im Übrigen wohl zugleich als indirekter Zeuge für eine ortsangabenlose adscriptio gelten kann. 126 BDR § 413,4. Mit dem Rekurs auf diese Ansicht wird sich zugleich abgegrenzt von dem etwa von Schnackenburg, Eph, 38 unter Berufung insbesondere auf K. Lake / H. J. Cadbury und E. Mayser vorgetragenen Interpretationsmodell, wonach τοῖς οὖσιν sehr wohl als alleinstehende Apposition verstanden werden könne: In „,idiomatischer Ausdrucksweise‘“ könne ein substantiviertes, ortsangabenloses ὤν die Bedeutung ,dortig, derzeitig‘ erhalten. Als neutestamentliche Parallelen wird dabei auf Act 5,17; 13,1; 14,13; 28,17 verwiesen. Diese Textstellen können jedoch mit Sellin, „Adresse“, 175f. als Vergleichsbelege nicht hinreichend überzeugen, da das Partizip in Act 5,17; 13,1 adjektivisch verwendet wird, während sich 14,13; 28,17 jeweils noch eine weitere Bestimmung findet. Somit bleibt wohl letztlich festzuhalten, dass „[e]in absolutes ὁ ὤν in appositioneller Stellung […] bisher nicht belegt [ist]“ (ebd., Hervorhebung im
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Fall wäre.127 Als alternative Deutung, auf deren Grundlage eine solche Zuordnung von τοῖς οὖσιν aufrechterhalten werden könnte, bietet sich allenfalls die sogenannte Enzyklika-Hypothese an.128 Dieser zufolge wäre von einer im Autograph vorhandenen Textlücke nach τοῖς οὖσιν auszugehen, in die jeweils eine spezifische Adresse eingefügt worden wäre, was dem Epheserbrief den Charakter eines Rundschreibens, das an diverse lokale Adressen gerichtet werden kann, verliehen hätte. In der konkreten Abschrift hätte sich dann auf sprachlich korrekte Weise eine ‚weitere Bestimmung‘ im beschriebenen Sinne gefunden. Der Kurztext könnte dann – wenn auch in modifizierter Weise – als ursprünglich angesehen werden. Das Enzyklika-Modell vermag gleichwohl insgesamt nicht zu überzeugen.129 2. Vor diesem Hintergrund kommt im Grunde nurmehr die zweite Möglichkeit in Betracht, nämlich τοῖς οὖσιν mit dem nachfolgenden πιστοῖς zu verbinden und τοῖς οὖσιν καὶ πιστοῖς als zusammenhängenden Ausdruck aufzufassen, der in appositioneller Stellung zu τοῖς ἁγίοις steht.130 Diesem Ausdruck käme somit die Funktion einer erläuternden Beschreibung von οἱ ἅγιοι zu. Eph 2,13 (ὑμεῖς οἵ ποτε ὄντες μακράν) und 4,18 (τὴν ἄγνοιαν τὴν οὖσαν ἐν αὐτοῖς) bieten tatsächlich Parallelen für eine solche Konstruktionsweise, so dass sie den stilistischen Eigenarten des Schreibens entspricht.131 Es scheint daher grundsätzlich denkbar, Derartiges auch hier vorauszusetzen; dieses Textverständnis ist im Weiteren zu verfolgen und auf seine inhaltliche Plausibilität zu überprüfen. Mit der Deutung des Ausdrucks τοῖς οὖσιν καὶ πιστοῖς als Apposition zu τοῖς ἁγίοις verbinden sich nämlich zumindest drei weitergehende Problemstellungen: So sind a) die Zuordnung der die adscriptio beschließenden Präpositionalwendung ἐν Χριστῷ Ἰησοῦ, b) Verwendungsweise und Semantik von πιστός sowie c) die Funktion des καί gleichermaßen zu erörtern. Insofern die genann-
|| Original). Diese Analogielosigkeit aber geht deutlich zu Lasten der Überzeugungskraft dieses Erklärungsmodells, weshalb ihm hier nicht gefolgt wird. 127 Möglicherweise entfiel aus ebendiesem Grund, d.h. der Annahme einer grammatikalischen Unsauberkeit im Text der Variante (3), der Artikel in P46. So auch Sellin, „Adresse“, 173. 128 Diese lässt sich in ihrer für die moderne Forschung prägenden Form auf J. Ussher zurückführen, vgl. Schmid, Epheserbrief, 94; unter den neueren Auslegern wird sie etwa vertreten von Luz, Eph, 108. 129 Eine Zusammenstellung von in ihrem Zusammenspiel überzeugenden Gegenargumenten findet sich etwa bei Best, „Ephesians i.1“, 36f. Grundlegendes Problem ist wiederum die Analogielosigkeit einer derartigen Rundbriefkonzeption. 130 Für diese Variante votieren u.a. auch Schenk, „Entstehung“, 73–78, 76; Pokorný, Eph, 36. 131 Darauf weist insbesondere Sellin, „Adresse“, 177 hin.
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ten Aspekte untereinander verbunden sind, greift auch ihre Diskussion ineinander. ad a): Phil 1,1; 4,21; I Kor 1,2 als paulinische Vergleichsstellen weisen auf eine Affinität der Präpositionalwendung zum auf die Adressaten bezogenen ἅγιοςPrädikat. Dies eröffnet die Möglichkeit, die Begriffe τοῖς ἁγίοις ἐν Χριστῷ Ἰησοῦ als zusammenhängenden Ausdruck aufzufassen, der die Näherbestimmung τοῖς οὖσιν καὶ πιστοῖς parenthetisch umschließt. Der Zusatz ἐν Χριστῷ Ἰησοῦ diente dann gleichsam dazu, ‚Ort und Raum und Grund‘ des Heiligseins der fiktiven Adressaten – das zugleich eine (indirekte) Aussage über ihre spezifische, nämlich partizipative Gottesrelation ist, wie sie in der Christusrelation erschlossen wird – zu bezeichnen.132 Andererseits kann auch πιστός in der neutestamentlichen Gräzität mit ἐν konstruiert werden; für diese Zuordnung spricht sowohl die Wortfolge als auch die Verbindung von πιστ-Begrifflichkeit mit auf Christus bezogenen ἐνWendungen an späterer Stelle (1,15; vgl. 1,13). So verstanden würde die Wendung ἐν Χριστῷ Ἰησοῦ den Bereich angeben, im Hinblick auf den die Adressaten πιστός sind.133 Die Frage, was damit gemeint wäre, führt zum zweiten der oben genannten Gesichtspunkte. ad b): Die neutestamentlichen Belege für die Konstruktion πιστός (alleinstehend) + ἐν lassen sich der Verwendungsweise, die auf die Zuverlässigkeit oder Treue in einer bestimmten Sache abstellt, zuordnen (vgl. Lk 16,10–22; 19,17; I Tim 3,11). Die Formulierung εἶναι πιστός im Sinne von ‚gläubigsein‘ mit nachfolgender, durch ἐν angeschlossener Bestimmung des Glaubensobjekts bzw. gehalts wäre demgegenüber im Neuen Testament (vgl. aber Herm. 29,4) singulär134; in dieser Hinsicht überwiegt der absolute Gebrauch von πιστός. Dieser
|| 132 Die Briefeingangseulogie wird die fundamentale Bedeutung des Christusbezugs für die Gottesbeziehung der fiktiven Adressaten als Teil der Gemeinschaft der Christusglaubenden nachdrücklich herausstellen, und zwar eben leitmotivisch anhand der Wendung ἐν Χριστῷ (o.ä.). 133 Vgl. Bauer, Wörterbuch, s.v.: „πιστὸς ἔν τινι in einer Sache zuverlässig oder treu“. 134 Gleichwohl ist zur Kenntnis zu nehmen, dass schon die nächsten Parallelen Act 16,15 sowie I Petr 1,21 je unterschiedliche Konstruktionsweisen erkennen lassen, wie überhaupt bezüglich der sprachlichen Möglichkeiten, im Zusammenhang mit den von dem Wortstamm πιστgebildeten Begriffen einen Glaubensinhalt eigens zu spezifizieren, schon innerhalb des paulinischen Schrifttums eine recht große Vielfalt zu konstatieren ist, so dass wohl tatsächlich mit einer gewissen „looseness of Hellenistic Greek grammar“ (Barth, Eph I, 68) zu rechnen ist. Diese könnte zumal von Eph 1,15 her auch das erstgenannte Verständnis von πιστός als denk-
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Befund aber spricht dafür, den Ausdruck πιστὸς ἐν Χριστῷ Ἰησοῦ an dieser Stelle (vgl. Eph 6,21; Kol 1,2) im erstgenannten, adjektivischen Sinne aufzufassen: Es geht demnach um ein Treusein ‚im Hinblick auf Christus Jesus‘, was gemäß dem oben Gesagten soviel meinen würde wie: im Hinblick auf die in der Relation zu ihm erschlossene Existenzsphäre. Freilich weist bereits der weitere Gebrauch der πιστ-Begrifflichkeit im Epheserbrief (1,13; 2,8) darauf hin, dass man πιστός hier nicht vom Aspekt des Glaubens abzukoppeln haben wird – wie ja der Glaube für die Konstituierung der spezifischen Christus- und Gottesrelation überhaupt elementar ist (vgl. den Gebrauch des partizipialen τοὺς πιστεύοντας als Apposition zur 1.Pl. in Eph 1,19). Die Treue gegenüber dieser Relation meint insofern eben gerade eine Treue im Glauben; eine Wiedergabe von πιστός mit ‚glaubenstreu‘135 kann diese Doppeldeutigkeit einfangen. Zu beachten ist nun, dass durch die partizipiale Formulierung das Attribut πιστός gewissermaßen einer Dynamisierung zugeführt wird, die einer Annäherung an eine verbale Aussage gleichkommt. Damit kommt das πιστός-Sein als ein aktiv zu vollbringender Vollzug im Sinne einer tatsächlich zu erbringenden Bewährung in ebenjener, in der Christusrelation erschlossenen Existenzsphäre in den Blick; Kennzeichen der Adressaten als ‚Heilige‘ ist es insofern gerade, sich in diesem ihnen zugesprochenen Existenzstatus als standhaft zu erweisen durch die Treue, mit der sie sich an den Grund ihres Heiligseins halten. Präludiert wird damit aber letztlich das Szenario, das den Schlussakkord des Briefkorpus darstellt (6,10ff.): eine Situation des existentiellen Kampfes und der Anfechtung, die allgemeine Standfestigkeit erfordert (vgl. das leitmotivische στῆναι Eph 6,11.13.14).136 ad c): Vor diesem Hintergrund lässt sich das καί als ein emphatisches verstehen, das die Dringlichkeit der fortlaufenden Bewährung in dem durch die Christusrelation erschlossenen Heilsstand hervorhebt. Darin deutet sich eine prinzipielle Gefährdetheit desselben an, welche somit von Anfang an als Unterton mitgeführt wird in diesem die Faktizität der Heilsteilhabe ansonsten in derart strah|| bar erscheinen lassen. Allein würde damit von dem Sprachgebrauch im corpus Paulinum doch insofern markant abgewichen, als πιστός im Sinne von ,christusgläubig‘ sonst in der Regel absolut gebraucht wird und insofern gleichsam als technischer Begriff dienen kann. 135 So in Aufnahme einer Formulierung von Petr Pokorný im Rahmen einer Lehrveranstaltung an der Theologischen Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen im Wintersemester 2015/2016. 136 Der Ausdruck εἶναι πιστός in Eph 1,1 weist somit Berührungspunkte mit der Aufforderung γίνου πιστὸς ἄχρι θανάτου in Apk 2,10 auf.
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lenden Klängen zu Gehör bringenden Schreiben. Die Bestimmung des in der Christusrelation eröffneten Status, wie sie in der Bezeichnung der fiktiven Adressaten als ἅγιοι in der adscriptio programmatisch anklingt, hat somit von Anfang an im Blick, dass es ebenjenen im konkreten Selbstvollzug fortwährend zu bewähren gilt. Als Fazit aus diesen Überlegungen zum Verständnis des Kurztextes der adscriptio ergibt sich, dass es sich empfiehlt, eine einseitige Festlegung der Zuordnung der Präpositionalwendung zu vermeiden und damit zu rechnen, dass ἐν Χριστῷ Ἰησοῦ der Qualifizierung der adscriptio in einem umfassenden Sinne dient: Sie stellt die Bezugsgrundlage für das Heiligsein der Adressaten ins Licht und damit zugleich und nachdrücklich Grundlage und Gestaltungsraum ihres Heiligseins im Sinne des der Christusbeziehung entsprechenden Selbstvollzugs bzw. Lebenswandels.137 Die adscriptio weist die fiktiven Adressaten somit als solche aus, die aufgrund ihrer (im Glauben gegründeten) Christusbeziehung als ‚Heilige‘ angesprochen werden können und dem in ihrem tatsächlichen Selbstvollzug entsprechen; darauf, dass der zugesprochene Existenzzustand ein aktiv gelebter ist, liegt der Akzent. Eine darüber hinausgehende Determinierung der fiktiven Adressaten unterbleibt in der adscriptio somit offenbar. Dies aber hat für den Kommunikationsprozess zur Folge, dass der Bestimmung der fiktiven Adressaten des Schreibens eine grundlegende Offenheit eignet: Es bleibt zunächst der Deutung der Rezipienten überlassen, wer mit dem in der adscriptio benannten Personenkreis zu identifizieren ist. Sofern sich die Rezipienten nun selbst als Heilige im Eph 1,1 beschriebenen Sinne verstehen, eröffnet dies insbesondere die Möglichkeit, sich selbst unmittelbar angesprochen zu fühlen: Die fiktiven Adressaten werden somit zur Identifikationsinstanz für die Rezipienten; die textintern entworfene Kommunikationssituation ist von einem eigentümlichen Übergriff auf die textexterne Ebene gekennzeichnet. Die insgesamt unsicher verbleibende textkritische Lage mahnt freilich zur Vorsicht gegenüber allzu weitreichenden Schlussfolgerungen auf Grundlage der adscriptio. Der vorgetragene Deutungsansatz kann sich zu seiner Plausibilisierung indes, wie oben bereits angedeutet, darauf berufen, dass er sich stimmig
|| 137 Die von Best, Eph, 10 konstatierte Spannung im Sinne einer „unresolved tension in his [sc. des Verfassers des Epheserbriefs] thinking between what we might describe as the ‚theological‘ position of believers (they sit in the heavenlies, 2.6; the powers have been conquered, 1.20f) and their position ‚on the ground‘ (they are still subject to sinful failure, 4.25ff; they still need to fight the powers, 6.10ff)“ würde sich somit schon in der Adresse angedeutet finden.
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zum Friedens- und Gnadenwunsch, der das Schreiben in Eph 6,23f. unter erkennbarem Rückbezug auf das Präskript beschließt, fügt. Denn die Adressaten jenes Wunsches werden hier doch, was sich im Ensemble der Paulusbriefe wiederum als markant ausnimmt, in der 3.Pl. angesprochen – mit der nämlichen Folge einer verallgemeinernden Tendenz, welche die Bestimmung des Adressatenkreises den Rezipienten überlässt. Kommunikationspartner des fiktiven Verfassers sind an dieser Stelle die ἀδελφοί schlechthin bzw. all (πάντες!) jene, die ‚unsern Herrn Jesus Christus lieben‘ – und damit recht eigentlich alle, die sich selbst als solche verstehen. Diese einer Entgrenzung des Adressatenkreises Vorschub leistende Stoßrichtung, wie sie in 1,1f.; 6,23f. verankert ist, dient nun freilich als Rahmen für eine dazu gegenläufige, restringierende Tendenz, die sich im weiteren Schreiben hinsichtlich der Profilierung der fiktiven Adressaten findet und die ebendiese zumindest dem Grundsatz nach im raum-zeitlichen Sinne näher bestimmt, situativ verwurzelt. Prägnantestes Signal in diese Richtung ist die TychikusNotiz in 6,21f., insofern diese eine lokale Spezifiziertheit der fiktiven Adressaten voraussetzt und somit den fiktiven Adressatenkreis auf den dem Tychikus aufgetragenen Zielort – wobei es sich auch um mehrere Zielorte handeln kann; das weitere Bild der fiktiven Adressaten steht der Vorstellung einer Reiseroute mit mehreren Stationen nicht entgegen – begrenzt. Die fiktiven Adressaten werden demnach durchaus als konkrete, zeitgenössische Personen auf der textexternen Ebene, die zumindest potentiell als reale Kommunikationspartner des fiktiven Verfassers in Frage kommen, vorstellig gemacht. Dem entspricht, dass Paulus an seinem Aufenthaltsort von seinen Adressaten ‚gehört‘ hat (1,15), sie ihm mithin als konkrete Personen vor Augen stehen, die ihm zumindest mittelbar bekannt sind, wie umgekehrt auch die fiktiven Adressaten über ein zumindest auf Hörensagen gegründetes Bild vom Apostel verfügen (3,2). Dass es freilich im Weiteren zu einer persönlichen Begegnung der fiktiven Kommunikationspartner kommen wird, das hält der Paulus des Epheserbriefs offenbar nicht für wahrscheinlich (s.o. II.3.1); für eine vertiefte Einsicht in das ihn Betreffende verweist er vielmehr nicht nur auf den Bericht des Tychikus, sondern – in einem gleichsam fundamentaleren, selbstreferenziellen Sinne – auf seine(n) eigene(n) Brief(e) (3,3f.).138 Diese Hinweise setzen somit aber immerhin ein lebendiges kommunikatives Netzwerk voraus, das den fiktiven Verfasser und seine Adressaten verbindet und das neben Wegen der
|| 138 Die Referenz des Textverweises in Eph 3,3 ist umstritten; es werden intra- wie intertextuelle Deutungen gleichermaßen vertreten; zur Diskussion vgl. Sellin, Eph, 250–252, der mit einer Bezugnahme auf Gal 1,12.15f. rechnet.
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persönlichen Informationsübermittlung (Tychikus) auch solche der schriftbasierten Kommunikation (Brief) umfasst; in diesen Gesprächsgang fügt sich der Epheserbrief ein. Die weiteren Informationen, die sich im Briefkorpus über die fiktiven Adressaten finden, plausibilisieren, weshalb ein solches Netzwerk, das die Kommunikationspartner verbindet, überhaupt existiert. So werden die Adressaten als ἔθνη und also als Menschen nichtjüdischer Provenienz angesprochen, deren Inklusion in die Gemeinschaft der Christusglaubenden auf einen biographischen Umbruch zurückgeht; ihrer Existenz als an dem auf Gottes Betreiben durch Christus eröffneten Heilsraum Partizipierende geht eine Zeit nichtchristusgläubiger Existenz nach Art der ἔθνη voran (4,17; vgl. 2,1–3), die durch die mit der Evangeliumsverkündigung verbundene Geschehensfolge (1,13; vgl. 4,20f.) – die im Begriff der Taufe (4,5) ihre Bündelung erfahren mag – beendet wurde. Insofern die Verkündigung unter den ἔθνη aber gerade das Proprium des paulinischen Apostolats ist (3,8), muss jene ‚Bekehrung‘ als Auswirkung der Mission des Apostels gelten (s.o.). Das Wissen eben darum scheint der fiktive Verfasser gemäß 3,2 auch auf Seiten seiner Adressaten vorauszusetzen. Aus dieser Konstellation erhellt auch die wechselseitige Verbundenheit und Anteilhabe, die der Apostel sowohl seinerseits demonstriert (1,15f.) wie auch auf Seiten seiner Adressaten im Blick auf seine Person voraussetzt (3,13; 6,22); jene unlösliche Bezogenheit aufeinander ist den Kommunikationspartnern somit vorgegeben. Gemäß der sogenannten Haustafel Eph 5,21–6,9 setzt Paulus weiterhin voraus, dass das Kollektiv der fiktiven Adressaten sich aus sämtlichen Statusgruppen, die den antiken Haushalt als gesamtgesellschaftliche Keimzelle bilden, zusammensetzt; dieses Konzept eines von Grund auf ‚evangelisierten‘ Hauses unterstreicht aber zumindest die oben aufgezeigte Tendenz, das paulinische Wirken als ein bereits sehr weit gediegenes, seine Fruchtbarkeit nunmehr umfassend entfaltendes darzustellen. Insofern explizite Angaben zu situativen Spezifika auf Seiten der fiktiven Adressaten fehlen, erweisen sich weitergehende Rekonstruktionen als schwierig; vor dem Hintergrund von Eph 2,11ff. könnte man zumindest annehmen, dass für den weiteren sozialen Lebenskontext der fiktiven Adressaten die Vertrautheit mit potentiell konflikthaften Beziehungen zwischen jüdischen und nichtjüdischen Menschen vorausgesetzt werden.
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II.3.3
Anlass und Zweck des Schreibens
Die textinterne Kommunikationssituation ergibt somit im Gesamt das Bild einer Hinwendung des ‚Völkerapostels‘ zu einem (vorrangig?) jenem Kollektiv der ἔθνη zuzurechnenden, lokal zumindest implizit spezifizierten Adressatenkreis. Diese Hinwendung hat ein Wirken des Paulus zur Voraussetzung, das bereits in einem solchen Maße erfolgt ist, dass es feste Wurzeln geschlagen hat. Davon zeugt auch das kommunikative Netzwerk, in das die fiktiven Adressaten eingebunden sind und dessen Fäden zum Apostel hin laufen bzw. von ihm ausgehen und somit ein wechselseitiges Voneinander-Hören ermöglichen. Demgemäß steht das Schreiben grundlegend unter dem Vorzeichen des Austauschs und der wechselseitigen Beziehungspflege im Horizont und auf der Grundlage der gemeinsamen (und doch je spezifischen), in Christus eröffneten Gottesbeziehung. Als maßgebliche Praxis, in der jene Beziehung Gestalt gewinnt, erscheint nun nach Auskunft des Briefes das wechselseitige Gebet füreinander, das ein Bewahrtwerden in bzw. eine Intensivierung und Verstärkung der je eigenen Gottesbeziehung intendiert (vgl. Eph 1,16ff.; 3,14ff.; 6,18f.). Die Absenz anderweitiger Anhaltspunkte im Briefkorpus lässt diese solchermaßen horizontale wie vertikale Aspekte gleichermaßen umfassende Beziehungspflege als Zweck des Schreibens insgesamt erscheinen. Der fiktive Verfasser scheint dabei von einer gemeinschaftlichen Rezeption seines Schreibens in der ἐκκλησία als umfassender, personaler und gottesdienstlich geprägter Versammlung der Angeschriebenen auszugehen (3,20f.).
II.4
Koordinaten der mutmaßlichen textexternen Kommunikationssituation
In Unterscheidung von der textintern konstruierten Ebene betrifft die textexterne Kommunikationssituation die Eigenart und Relation von realem Verfasser und intendierten Rezipienten sowie den textexternen situativen Entstehungskontext, in den der Epheserbrief eingebettet ist. In einem ersten Schritt gilt es dabei, die in dieser Arbeit vorausgesetzte Annahme, bei dem Schreiben handele es sich um ein nachpaulinisches Pseudepigraphon, zu begründen, um sodann – soweit möglich bzw. für den vorliegenden Zweck nötig – grundlegende Parameter des textexternen Entstehungskontextes zu ermitteln.
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II.4.1
Der Epheserbrief als nachpaulinisches Pseudepigraphon
Gemäß den vorangehenden Erwägungen zur Eigenart der neutestamentlichen Paulus-Pseudepigraphie (s.o. II.2) ist zunächst zu fragen, ob sich das hierfür mutmaßlich charakteristische Oszillieren zwischen zwei ‚kommunikativen Welten‘, in dem sich eine Transparenz des Schreibens für eine nachpaulinische Situation manifestiert, im Epheserbrief nachweisen lässt. Nun boten bereits die Beobachtungen zum Profil der fiktiven Adressaten erste Anhaltspunkte in diese Richtung, insofern die Determinierung derselben im äußersten Rahmen des Schreibens gerade in einer solchen Weise erfolgt, die sie nahezu als identifikationsoffen für Christusgläubige schlechthin erscheinen lässt, was oben als kommunikativer Übergriff auf die textexterne Ebene gewertet wurde. Auf dieser zunächst noch textintern orientierten Spur ist daher fortzufahren, und tatsächlich lassen sich auf der Ebene der textintern konstruierten Kommunikationssituation Eigentümlichkeiten beobachten, die sich vor dem Hintergrund nachpaulinisch-pseudepigrapher Abfassung erklären lassen. So finden sich wiederholt Hinweise darauf, dass der Apostel als fiktiver Verfasser in eine Situation hineinspricht, die nicht nur in eine (ihm offenbar auch als solche vor Augen stehende) Spätphase seines Wirkens fällt, sondern die im Grunde auf dieses Wirken als ein abgeschlossenes, nurmehr vergangenes zurückblickt. a) Einschlägig in dieser Hinsicht ist zunächst der Passus Eph 2,20–22. Sowohl syntaktisch als auch semantisch (Wortfeld οἰκ-) an V.19 anschließend, entwerfen die Verse das Bild von einer zu einem ναὸς ἅγιος bzw. κατοικητήριον τοῦ θεοῦ heranwachsenden οἰκοδομή; die in der 2.Pl. angesprochenen fiktiven Adressaten sind in diesen Bau miteinbezogen, werden gleichsam mit ‚eingebaut‘ (V.22). Diese Heranbildung der οἰκοδομή geschieht nun auf dem „Fundament (θεμέλιος) der Apostel und Propheten“, als dessen „Eckstein“ (ἀκρογωνιαῖος) in V.20b Christus Jesus benannt wird. Dieser wird somit offenbar herausgehoben innerhalb eines umfassenderen Fundaments; es scheint zumindest angedeutet, dass dieses nicht allein aus Christus besteht, so sehr es von ihm aus sein Gepräge erhält. Der Genitiv τῶν ἀποστόλων καὶ προφητῶν ist daher als Genitivus appositivus (BDR § 167) zu verstehen und erläutert, ,worin‘ der θεμέλιος im Weiteren besteht, nämlich in den Aposteln und Propheten – und damit nicht zuletzt Paulus selbst. Von Bedeutung ist dabei in sprachlich-syntaktischer Hinsicht, dass die gesamte Erläuterung des ,Bauplans‘ auf dem partizipialen ἐποικοδομηθέντες in
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V.20a fußt. Denn von Eph 1,3–14.20–23; 2,9.14–18 her sind die auf Gott bzw. Christus als Subjekt verweisenden Aorist-Partizipien, denen die vorliegende Passivform sich zurechnen lässt, im Kontext des Epheserbriefs geprägt als bevorzugte Sprachform zur Beschreibung unvorgreiflicher Tatsachen, die für den gegenwärtigen Heilsstand der Glaubenden konstitutiv sind.139 Indem sich das ἐποικοδομηθέντες 2,20 in diese Reihe einfügt, wird deutlich, dass das Fundament aus Aposteln und Propheten als ein faktisch bereits Bereitgestelltes gilt; die im Blick befindliche Gegenwart ist ausweislich der präsentischen Formulierungen in V.21f. (αὔξει bzw. συνοικοδομεῖσθε) demgegenüber ganz durch den auf diesem Fundamt als Grundlage erfolgenden Prozess des fortwährenden Wachsens bzw. Erbautwerdens gekennzeichnet. Paulus selbst richtet somit letztlich den Fokus auf eine Zeit, die ihn selbst bzw. sein Wirken nurmehr zur Voraussetzung hat. b) Bestätigt wird dieser Eindruck durch den unmittelbar nachfolgenden, auf die Person des Apostels fokussierenden – vgl. das markante ἐγὼ Παῦλος V.1 – Abschnitt Eph 3,1–13. Die Struktur von V.2–12 lässt eine Orientierung am sogenannten Revelationsschema140 erkennen, das um das in V.6 inhaltlich explizierte göttliche Mysterium herum entfaltet wird. Prägend für dieses Schema ist ein Dreischritt von Verborgenheit, Offenbartsein und Kundgetanwerden des Mysteriums, der auch einen Kontrast zwischen einem Einst und einem Jetzt evozieren kann. Vor diesem Hintergrund ist für V.2–12 ein breit angelegter Bogen zu erkennen, der sich von den Motiven der Verborgenheit und des Offenbartseins in V.5 – vorgeschaltet wird dem V.3 freilich die Paulus persönlich gewährte, exklusive Eröffnung des Mysteriums – bis zum finalen Kundgabemotiv in V.10 spannt und dabei zugleich von einer eigentümlichen Zerdehnung gekennzeichnet ist. Diese scheint aber auf einer unterschwelligen Verdoppelung des Schemas zu beruhen, wie auf der Textoberfläche besonders die Wiederholung des Verborgenheitsmotivs (V.5.9) und das doppelte νῦν (V.5.10) anzeigen. Der Abschnitt lässt somit gewissermaßen zwei ineinandergreifende Revelationskreise erkennen, wobei der erste den zweiten geradezu aus sich heraussetzt. So scheint ein erster Kreis konstituiert durch das Offenbartwerden des Mysteriums an Apostel und Propheten, das offenbar auf ein darauf bezogenes Kundgabegeschehen vor den ἔθνη (bzw. πάντες) zielt. Letzteres geht jedoch erst aus den Ausführungen zum Wirken des Paulus in V.7–9 hervor. Diese indirekte || 139 Zur Begründung vgl. die Analyse der Briefeingangseulogie unter III. 140 Vgl. dazu Sellin, Eph, 253ff.
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Realisierung des Kundgabemotivs gehört nun aber strukturell bereits einem zweiten Revelationskreis an, insofern es hier zugleich – ähnlich indirekt – als Motiv des Offenbartwerdens fungiert, nun eben mit den ἔθνη/πάντες als Adressaten. Entsprechend wird an dieser Stelle, den Neuansatz markierend, auch das Verborgenheitsmotiv wiederholt. Direkt realisiert wird demgegenüber, auf gewissermaßen komplementäre Weise, im zweiten Revelationskreis abschließend (V.10) das Kundgabemotiv. Diesem zufolge – vgl. das finale ἵνα – zielt das gesamte Revelationsgeschehen letztlich auf die Bekanntmachung vor den Mächten und Gewalten ἐν τοῖς ἐπουρανίοις, und zwar nunmehr διὰ τῆς ἐκκλησίας. Das paulinische Wirken steht somit scharnierartig zwischen den beiden Revelationskreisen und scheint gewissermaßen dazu zu dienen, die ἐκκλησία ,auf die Bühne zu holen‘. Auf diese mit V.10 in den Blick genommene Ebene des zweiten νῦν läuft das Gefälle des Abschnitts zu. Das auch für die fiktive Gegenwart der Adressaten maßgebliche νῦν ist damit offenbar nicht mehr jenes aus V.5, das in Aposteln und Propheten seine maßgeblichen Protagonisten fand, sondern das in V.10 skizzierte – das freilich ganz auf jenem ersten Revelationskreis als ,Fundament‘ aufruht. c) Doch auch im Blick auf die fiktiven Adressaten als Kommunikationspartner des fiktiven Verfassers lassen sich Störungen der Kohärenz ausmachen, die vor dem Hintergrund des weiteren paulinischen wie neutestamentlichen Befundes an Gewicht gewinnen. Denn für die fiktiven Adressaten scheint doch ein ‚Bekehrungsvorgang‘, also ein Anschluss an die Gemeinschaft der Christusglaubenden, dem biographisch eine Zeit nichtchristusgläubiger Existenz vorausging, vorausgesetzt zu werden.141 Dann aber hebt sich das im Grundsatz ‚glatte‘ Bild, das Eph 5,21ff. – offenbar vor dem Hintergrund des vollständig ‚evangelisierten‘ Hauses – von den häuslichen Relationen zeichnet, doch markant ab von der Verhandlung entsprechender Herausforderungen an anderer Stelle, etwa I Kor 7,12–16; I Petr 3,1.142 Die vorstehenden Aspekte sind insgesamt grundlegende Hinweise auf eine Doppelbödigkeit der fiktiven Gegenwart, die das Schreiben entwirft. Diese Doppelbödigkeit lässt sich nun aber gerade als Hinweis darauf verstehen, dass die Situation, in die hinein das Schreiben spricht, nicht jene ‚historische‘ des Apo-
|| 141 Vgl. nur Eph 1,13f.; 2,1–3.11–13.19; 4,17–24. 142 Dies hebt besonders Best, Eph, 524–527 hervor: „the rest of the NT belies the idea that all believers lived in wholly Christian households“ (525), der Abschnitt habe insofern als „pastorally unrealistic“ (526) zu gelten.
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stels, sondern eine spätere ist, die auf dessen Wirken bereits als ein abgeschlossenes zurückblickt – nämlich die Situation der textexternen Kommunikationspartner. In Kauf genommen wird dabei, wie die aufgezeigten Eigentümlichkeiten der textinternen Kommunikationssituation verdeutlichen, dass der fiktionale Charakter der textintern konstruierten Kommunikationssituation rezipientenseitig durchschaut wird. Ja, womöglich besteht die Funktion der schillernden adscriptio nicht zuletzt darin, als Stolperstein ebenjene Transparenz geradezu zu provozieren.143 Die Rezeption des Epheserbriefes als eines für die intendierten nachpaulinischen Adressaten bestimmten Textes wird jedenfalls sowohl textintern durch die programmatische Identifikationsoffenheit der fiktiven Adressaten als auch intertextuell durch die an die Paulusbriefe als Textsorte mutmaßlich gekoppelte Rezeptionshaltung, die von einer transsituativen Relevanz der Briefe des Apostels ausgeht, befördert. Auf dieser Grundlage, die in Richtung eines nachpaulinischen Ursprungs des Epheserbriefes weist, können die zahlreichen sprachlich-stilistischen und auch inhaltlichen Argumente, die gegen die Verfasserschaft durch Paulus ins Feld geführt werden können, ihr kumulatives Gewicht entfalten.144
II.4.2
Abfassungsumstände, Ort und Zeit der Entstehung
Im Zusammenhang der vorliegenden Arbeit kommt einer der weiteren Analyse vorgeschalteten Erhellung der textexternen Ebene E1 wesentlich die Funktion eines Abschreitens der enzyklopädischen Horizonte zu, vor deren Hintergrund sich die Textwelt im Epheserbrief entfaltet. Insofern finden hier grundlegende perspektivische Voreinstellungen statt, die auch für eine intratextuell orientierte Analyse von Belang sind. Gleichwohl gilt jenen enzyklopädischen Horizonten sowie Fragen der textexternen Situierung des Schreibens nicht das Hauptaugenmerk dieser Studie. Daher wird im Folgenden in dieser Hinsicht eher rezeptiv verfahren, im Anschluss an die Forschungsdiskussion. Die Einschätzungen werden sich im Einzelnen in der Textanalyse zu bewähren haben, gleichwohl werden sie im Vorausgriff auf ebendiese bereits mit Blick auf die Briefeingangseulogie Eph 1,3–14 zum Teil exemplarisch konkretisiert. Zumindest produzentenseitig ist für den Epheserbrief eine umfassende Beheimatung in der paulinischen Tradition vorauszusetzen: Der Kolosserbrief
|| 143 Eine Entsprechung hierzu mag wiederum in dem abschließenden, in der 3.Pl. gehaltenen Friedens- und Gnadenwunsch in Eph 6,23f. vorliegen. 144 Vgl. dazu etwa die bündige Darstellung bei Lincoln, Eph, lix–lxxiii.
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wird in kreativer und eigenständiger Weise als Vorlage genutzt145, aber auch mit der Kenntnis weiterer Paulusbriefe kann für den Verfasser gerechnet werden.146 Die konkrete Aktualisierung, die die paulinische Tradition im Epheserbrief erfährt, weist zudem darauf hin, dass neben den Briefen auch mit anderen, mündlichen Wegen der Traditionsweitergabe zu rechnen ist: So kann die von einem eigentümlichen Wechselspiel von Nähe und Distanz zu den Homologumena geprägte Sprache auf einen lebendigen ‚paulinischen Soziolekt‘ verweisen, der durch den Verfasser des Epheserbriefs auf eigenständige Weise aufgegriffen und womöglich fortgeprägt wird.147
|| 145 Zum Nachweis der Abhängigkeit vom Kolosserbrief als einer literarischen vgl. van Kooten, Christology, 227–229. Van Kooten zeigt im Grundsatz überzeugend auf, dass sich die ihm zufolge neunteilige Grundstruktur des Kol – bis auf die markante Ausnahme der Auseinandersetzung mit der ,kolossischen Philosophie‘ Kol 2,8–3,4, die jedoch insbesondere in den im Epheserbrief gegenüber dem Kolosserbrief überschüssigen Abschnitten 2,11–22; 4,1–16 eine Aufnahme fände – auch im Epheserbrief wiederfindet, wobei die jeweiligen Kol-Passagen zugleich als primäre Bezugspunkte der korrespondierenden Eph-Passagen zu erkennen sind. Letztere weisen darüber hinaus vielfältige sprachliche Bezüge auch zu anderen Textstellen im Kol auf; die Umgangsweise des Autors des Epheserbriefs mit seinem Prätext wird daher von van Kooten in Aufnahme des von C. Leslie Mitton geprägten Begriffs als ‚conflation‘ charakterisiert, womit eben das Phänomen einer Überführung diversen Materials aus unterschiedlichen Passagen des Kolosserbriefs in eine einzelne Passage im Epheserbrief bezeichnet wird. Gerade diese Übereinstimmung im Grundaufriss bei gleichzeitigem elaboriertem Verweben weiteren Stoffs in die eigene Darstellung hinein wird von van Kooten wohl zu Recht als Indiz einer seitens des Epheserbriefs bestehenden literarischen Abhängigkeit angesehen. 146 Vgl. dazu Gese, Vermächtnis, 54–85. Gese geht von einer weitreichenden Kenntnis der Paulusbriefe aus; mit Ausnahme des Philipperbriefes lasse sich „für alle übrigen authentischen Paulusbriefe mit guten Gründen die Kenntnis und Rezeption durch den Verfasser im Epheserbrief annehmen“ (84). Diese Annahme wäre im Einzelnen jeweils zu prüfen. 147 Vgl. dazu Barclay, „Churches“, 26, der gemeinschaftlichen verbalsprachlichen Vollzügen zumal in liturgischen Kontexten – zu denen der Epheserbrief einige Affinität erkennen lässt; vgl. Eph 3,20f.; 5,19 – eine konstitutive Rolle für die Identitätsbildung in den paulinischen Gemeinden zuweist: „in their communal life, and especially in their highly charged meetings for worship, believers talked themselves enthusiastically into being“. Dies sei Barclay zufolge einhergegangen mit der Herausbildung von „new vocabulary“ und „new linguistic patterns, constituting a form of Christian social dialect“ (ebd.). Mit dem Epheserbrief und seinem eigenwilligen, bisweilen geradezu sprachschöpferischen (siehe etwa das für dieses Schreiben zentrale, zuvor nicht belegte – vgl. bei Paulus aber die Wendung ἐν [τοῖς] οὐρανοῖς [II Kor 5,1; Phil 3,20; siehe auch Kol 1,5.16.20] sowie den Gebrauch des Begriffs ἐπουράνιος [I Kor 15,40.48f.; Phil 2,10] – Syntagma ἐν τοῖς ἐπουρανίοις) Duktus scheint nachgerade ein Dokument vorzuliegen, in dem sich derlei Prozesse gleichermaßen niedergeschlagen haben mögen, wie sie durch ebendieses befördert werden konnten.
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Das Hineinstellen in eine paulinische Enzyklopädie steht bereits durch die Wahl der Form aufs Deutlichste vor Augen, bringt dies doch schon in den epistolaren Grundzügen beträchtliche Überschneidungen mit der paulinischen Diktion mit sich. Entsprechend hat diese von vornherein als ein konstitutiver sprachlicher Bezugshintergrund zu gelten. Dies bestätigt sich mit Blick auf die Briefeingangseulogie Eph 1,3–14 zum einen schon dadurch, dass die hier zu beobachtenden stilistischen Eigentümlichkeiten dem Befund in den Homologumena durchaus nicht unverbunden gegenüberstehen.148 Zum anderen bieten sich aber auch auf lexikalischer Ebene in Eph 1,3–14 Hinweise auf die Schlüsselrolle, die dem paulinischen Sprachhintergrund beizumessen ist: Als paradigmatisch kann das in Eph 1,3 prominent platzierte Adjektiv πνευματικός angesehen werden. Denn hierbei handelt es sich um einen im paulinischen Kontext markant eigengeprägten Begriff, in dem sich ein bestimmtes Wirklichkeitsverständnis verdichtet, das sich um den Gedanken vom πνεῦμα als eschatologischer Gnadengabe Gottes herum entfaltet.149 Von V.3 her setzt sich der Epheserbrief also offenbar dezidiert zu diesem Wirklichkeitsverständnis in Beziehung – was im Übrigen, wie sich zeigen wird, dem Stellenwert entspricht, der der πνεῦμα-Thematik im Epheserbrief insgesamt zukommt. Auf der Begriffsebene vielleicht sogar noch eine Spur einschlägiger nimmt sich zudem die neutestamentlich sonst nur in den Homologumena (Röm 8,15.23; 9,4; Gal 4,5) belegte Rede von der υἱοθεσία (Eph 1,5) aus. Diese erscheint im Zusammenhang der Eulogie dabei als ein maßgebliches Deutungskonzept für das gesamte ἀπολύτρωσις-Geschehen und insofern als ein theologischer Schlüsselbegriff. Eph 1,3–14, so deutet sich an, nimmt die Rezipienten somit gleichermaßen hinein in ein paulinisch geprägtes Diskursuniversum. Eine wichtige Rolle, die in der weiteren Analyse an einzelnen Stellen (vgl. VI.4.2, siehe auch IV.4.4) in den Blick kommen wird, spielt zudem die Verbindung von auch auf der Textoberfläche als solchen markierten Schriftbezügen – diese stechen ja gerade gegenüber dem Kolosserbrief heraus150 – und daran angedockten weiteren frühchristlichen Traditionselementen. Im Anschluss an Eberhard Faust kann dabei auch das Verhältnis zum Kolosserbrief dahingehend näherbestimmt werden, dass die Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Texten „über einen bloß literarisch vermittelten Zusammenhang“ hinausgehen und auf
|| 148 Dazu bes. Percy, Probleme, 202–250. 149 Vgl. Barclay, „Πνευματικός“, der das Adjektiv als „one small, but significant, item in the ‘social dialect’ of Pauline Christians“ (a.a.O., 206) erweist. 150 Zur Schriftrezeption im Epheserbrief vgl. Lincoln, „Use“; Moritz, Mystery; Bormann, „Schriftgebrauch“.
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die Verwurzelung in einem „gemeinsamen theologischen Lokalmilieu[]“ hindeuten.151 Ebendieses ist, wie Faust überzeugend dargelegt hat, zumal in soteriologischer Hinsicht durch eine Nähe zu hellenistisch-jüdischen Konzepten geprägt, wie sie paradigmatisch bei Philo greifbar werden.152 Diesem Wurzelmilieu mag im Übrigen auch der Sprachstil des Epheserbriefs insofern entsprechen, als sich ihm eine besondere Nähe zu den genuinen Texten der Qumrangemeinschaft attestieren lässt; ja, die stilistischen Charakteristika des Epheserbriefs sind nach Karl Georg Kuhn „genau auch die Kennzeichen des hebräischen Sprachstils der Qumrantexte, ihrer ‚liturgischen‘, besser hymnischen Sprache“.153 Eben hierbei wird man aber mit Gerhard Sellin tatsächlich „wohl eher an die Vermittlung der hellenistisch-jüdischen Synagoge zu denken haben“.154 * Beobachtungen zum Wortmaterial der Briefeingangseulogie Eph 1,3–14 vermögen diese Einschätzung exemplarisch zu konkretisieren: Angesetzt werden kann bei der εὐλογεῖν-Paronomasie in Eph 1,3. Dieser kann nämlich auch in sprachlicher Hinsicht Signalfunktion zugesprochen werden. So klingt mit dem hier angedeuteten Korrespondenzverhältnis von göttlichem Segnen und menschlichem Loben nicht nur in nuce ein Grundmoment alttestamentlicher Segenskonzeptionen an155, sondern dieser polyvalente Gebrauch von εὐλογεῖν weist hinein in den hellenistisch-jüdischen Sprachraum, wo – wohl in Orientierung an der semantischen Kompetenz des hebräischen ברךund in markanter Abhebung von der Verwendungsweise im nichtbiblischen Griechisch – für beide Vorgänge das gleiche Verb verwendet werden konnte.156 || 151 Vgl. Faust, Pax, 12f. 152 Eine zentrale Rolle bespielt dabei nach der Darstellung von Faust, Pax, 19–72 ein ‚gnoseologisches Heilsverständnis‘. Die traditionsgeschichtliche Nähe zu Philo bzw. zur hellenistischjüdischen Tradition bedingt dabei auch, dass „wesentliche Motive aus der antiken Philosophie, vor allem platonisch-pythagoreische […], aber auch stoische und aristotelische“ zum enzyklopädischen Hintergrund des Epheserbriefs gehören; vgl. Sellin, Eph, 60. 153 Vgl. Kuhn, „Epheserbrief“, 335; vgl. auch die Hinweise bei Deichgräber, Gotteshymnus, 72–75, ferner aus der älteren Forschung bes. noch Mußner, „Beiträge“ sowie die Übersicht bei Braun, Qumran I, 215–225. 154 Sellin, Eph, 59. 155 Vgl. zu diesem Zusammenhang Feldmeier/Spieckermann, Gott, 272–275. 156 Maßgebliche Bedeutung kam in begriffsgeschichtlicher Hinsicht offenbar dem Sprachgebrauch der Septuaginta zu, der die Tendenz zu einer standardisierenden, kontextunabhängigen Wiedergabe von ברךmit εὐλογεῖν erkennen lässt; vgl. Joosten, „Blessings“, 107–109; Aus-
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Besagte Abhebung, die letztlich eine Weitung des semantischen Spektrums mit sich bringt, betrifft dabei insbesondere die Verwendung des Begriffs im Sinne eines Segnens, das Gott zum Subjekt hat und dem Menschen zugutekommt, mithin im Sinne der heilvollen Zuwendung Gottes zu seiner Schöpfung. So entspricht zwar ein Gebrauch von εὐλογεῖν im Sinne von ,loben/preisen‘, wie er alttestamentlich für die mit ברך/εὐλογεῖν bezeichnete Hinwendung des Menschen zu Gott vorliegt, durchaus der gängigen Gebrauchsweise des Verbs157, das darin vereinzelt auch für die Bezeichnung des Gotteslobs Verwendung finden kann.158 Während sich der biblische Gebrauch in dieser Hinsicht also zumindest der grundlegenden Tendenz nach in den etablierten Bahnen bewegt, so gilt dies kaum mehr für eine Verwendung im Sinne eines Segnens, das Gott zum Subjekt hat und dem Menschen zugutekommt, mithin der heilvollen Zuwendung Gottes zu seiner Schöpfung.159 Ebendiese Gebrauchsweise aber wird durch das partizi-
|| nahmen bei Scharbert, „“ברך, 834, der jedoch insgesamt auch eine „konsequente Wiedergabe mit dem Stamm εὐλογ -“ konstatiert. Joosten, ebd. zufolge stellt es ein durchaus gängiges Phänomen in LXX dar, dass ein bestimmter hebräischer Begriff konkordant mit einem griechischen Äquivalent wiedergegeben wird, auch wenn das sich dadurch ergebende Gebrauchsspektrum denjenigen des nichtbiblischen Griechisch überschreitet. Nach Joosten fügt sich die ברך-εὐλογεῖν-Äquivalenz in dieses Bild, ja stellt geradezu ein Musterbeispiel der „two-wayacculturation“ (a.a.O., 106) dar, die im Übersetzungsprozess stattfindet und bei dem auch die Zielsprache einen gewissen Transformationsprozess durchläuft. In der Folge erscheint εὐλογεῖν im biblisch geprägten griechischen Sprachmilieu als ein Begriff, der zuvörderst in Aussagezusammenhängen beheimatet ist, die die Beziehung von Gott und Mensch/Welt betreffen; vgl. die pointierte Formulierung bei Heckel, Segen, 17: „Was rühmenswert ist, wird vom hebräischen Äquivalent her als Segen interpretiert, auf Gott zurückgeführt und auf seinen Lobpreis ausgerichtet.“ Freilich wird die herkömmliche Gebrauchsweise dadurch nicht einfach ersetzt; vgl. nur Prov 31,30; Hi 29,13; Röm 16,18. 157 Zur „Wortfamilie εὐλογεῖν im paganen Griechisch“ vgl. Heckel, Segen, 13–15; Joosten, „Blessings“, 107. 158 Die Verwendung im Sinne des preisenden Lobs konzentriert sich mit Joosten, „Blessings“, 107 insgesamt aber auf soziopolitische Kontexte. Ist es demgegenüber in religiösen Zusammenhängen „extremely rare“ und tritt es hier hinter anderen Begriffen (bes. ἐπαινεῖν, ὑμνεῖν) zurück, so lassen sich gleichwohl in hellenistischer Zeit Hinweise auf eine zunehmende Beliebtheit von εὐλογεῖν im Zusammenhang des Gotteslobs ausmachen (ebd.); zurückhaltender diesbezüglich (da für die auch von Joosten angeführten inschriftlichen Belege jüdischen Einfluss erwägend) Heckel, Segen, 15. 159 Als einzigen pagangriechischen Beleg für den Gebrauch des Verbs mit Gott als Subjekt und Mensch als Objekt führt Beyer, „εὐλογέω κτλ.“, 752 eine Stelle bei Euripides (Suppl. 925) an; die Semantik – zumeist wird an ein ‚Ehren‘ gedacht, vgl. Heckel, Segen, 15 mit Verweis auf LSJ – liegt hier jedoch letztlich offenbar auf der Linie des beschriebenen gängigen Gebrauchs.
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piale εὐλογήσας sowie das Substantiv εὐλογία in Eph 1,3b auf markante Weise aufgerufen.160 Der Gebrauch von εὐλογέω/εὐλογία in V.3 weist somit in eine Sprachwelt hinein, die durch das biblische Griechisch geprägt ist; die der dortigen Begriffssemantik durchaus anhaftende ‚interkulturelle Sperrigkeit‘, auf die nicht zuletzt der vielschichtige Umgang mit dem Wortfeld εὐλογέω bei Philo und Josephus schließen lassen kann161, wird nicht nur in Kauf genommen, sondern angesichts der basisgebenden Funktion von V.3b geradezu in den Vordergrund gerückt. Eine biblisch geprägte Sprachwelt wird somit als ein elementares Begriffs- und Vorstellungsreservoire markiert – die Textwelt erschließt sich offenbar maßgeblich aus ihrer Grundierung in der Schrift heraus. In die gleiche Richtung weisen Beobachtungen zu weiteren strukturell herausgehobenen Begriffen in der Eulogie. Verwiesen sei zunächst auf das ἐξελέξατο Eph 1,4, von dem aus die Entfaltung des göttlichen Heilshandelns in der Eulogie im Anschluss an die Leitaussage V.3b ihren Ausgang nimmt. So erscheint das Verb in der Septuaginta (LXX) als „vornehmstes Äquivalent von “בחר, so dass ihm dort „erhebliches theologisches Gewicht zukommt“, ja es geradezu „als theologisierende Redeweise“ aufgefasst werden kann162 – die nicht zuletzt auf die Relation des Gottes Israels zu seinem Volk bezogen wird. Ebendieser Begriffshintergrund aber wird offenbar auch in der Erwählungsaussage Eph 1,4 mit ihrer Ausrichtung auf das kollektive ἡμεῖς zur Geltung gebracht. Ähnlich markant nimmt sich die Substitution Christi durch ὁ ἠγαπημένος in V.6 aus. Kommt ihr als einziger Substitution für diesen Referenzträger im Zusammenhang des Begründungssatzes der Briefeingangseulogie dabei schon strukturell eine prominente Rolle zu (vgl. dazu III.3), so trägt auch sie ‚biblischen Klang‘, handelt es sich doch um ein im neutestamentlichen Schrifttum singuläres Christusprädikat, das „aber direkt aus der Septuaginta stammt“ und von dort her titulares Gepräge hat.163 So erscheint es dort als Ehrenname insbe-
|| 160 So auch Tomson, „Blessing“, 48: „[…] the ‘biblical’ sense is on full display in the florid exordium of Ephesians“. Damit korrespondiert im Übrigen auch, dass das Verbaladjektiv εὐλογητός erstmals in der Septuaginta belegt ist. 161 Vgl. dazu Tomson, „Blessing“, 40–44.46f.; Joosten, „Blessings“, 110–115. Insbesondere Josephus scheint eine spürbare Zurückhaltung gegenüber dem ‚biblischen‘ Gebrauch des Begriffs im Sinne von ,segnen‘ erkennen zu lassen. 162 Quell, „ἐκλέγομαι“, 148. 163 Maurer, „Hymnus“, 162. In der weiteren frühchristlichen Literatur findet sich der Begriff als Christusbezeichnung dann häufiger; vgl. Barn 3,6; 4,3.8; 1 Clem 59,2f.; IgnSm inscr.; Weiteres bei Schlier, Eph, 57 Anm. 1.
Koordinaten der mutmaßlichen textexternen Kommunikationssituation | 65
sondere für Israel, aber auch für herausgehobene Einzelpersonen aus der Geschichte des Gottesvolks.164 Für die theologische Linienführung in der Eulogie und darüber hinaus ist gerade letztgenannter Befund bedeutsam, wird auf diese Weise doch die Liebesmotivik im Epheserbrief von Grund auf in Beziehung gesetzt zu der Liebesgeschichte Gottes mit seinem Volk, die aber zugleich in Christus einen neuen Kristallisationspunkt findet. Ebendiese Tendenz zur ‚christologischen Relecture‘ der Tradition lässt sich auch für die anderen der angesprochenen Begriffe aufweisen, insofern auch diese mit einem expliziten Christusbezug versehen werden: So geschehen Segnung und Erwählung gleichermaßen ἐν Χριστῷ/αὐτῷ (1,3f.), wie auch die εὐδοκία gemäß dem beigefügten Relativsatz in V.9 eine vorzeitig in ebenjenem gefasste ist. * Neben den Verbindungen zum Kolosserbrief, der zumindest sehr alten Ephesus-Adresse sowie der weiteren frühen Rezeption des Schreibens165 weist auch das weitere religionsgeschichtliche Kolorit, das im Epheserbrief zu erkennen ist, in den kleinasiatischen Raum; im Blick auf die Mächtethematik (vgl. Eph 1,21; 3,10; 6,12) wurde dies von Clinton E. Arnold herausgestellt.166 Entsprechend liegt es nahe, hier den Entstehungskontext des Epheserbriefes zu verorten; dies gilt mutmaßlich auch für die intendierten Rezipienten des Schreibens.167 Hinsichtlich der zeitlichen Einordnung ist auf den Umstand zu verweisen, dass die Darstellung des fiktiven Verfassers im Zusammenhang des Briefes den Tod des (realen) Paulus zu einer naheliegenden rezipientenseitigen Inferenz hat, mithin offenbar vorausgesetzt ist. Auf der Grundlage der Annahme, dass der Epheserbrief nicht nur den Kolosserbrief, sondern zumindest auch einzelne weitere Paulusbriefe voraussetzt, scheint näherhin eine Einordnung gegen Ende des 1. Jahrhunderts denkbar, insofern zu dieser Zeit mit der Existenz von „Kleincorpora paulinischer Briefe“ gerechnet werden kann.168
|| 164 Als Ehrenname Israels vgl. Dtn 32,15; 33,5.26; Jes 44,2; für Einzelpersonen etwa Dan 3,35; II Chr 20,7 (Abraham); Sir 45,1 (Mose); Sir 46,13 (Samuel). 165 Siehe dazu Schwindt, Weltbild, 55–62. 166 Vgl. Arnold, Powers. 167 Vgl. das entsprechende, nach abgewogener Diskussion erfolgende Fazit bei Best, Eph, 6. 168 So mit Theobald, „Epheserbrief“, 420 (im Anschluss an Ulrich Luz).
III III.1
Grundlegung: Exegese von Eph 1,3–14 Hinführung
Mit der Briefeingangseulogie Eph 1,3–14 stellt der deuteropaulinische Verfasser dem weiteren Briefkorpus ein markantes Eingangsportal voran. In V.3a programmatisch eröffnet, entfaltet sich dieses Gotteslob in einem einzigen syntaktischen Zusammenhang, vorangetrieben insbesondere durch partizipiale, präpositionale, genitivische und relativische Strukturen der Verknüpfung und Fortführung, die zur feierlich-gehobenen Sprachgestalt des Abschnitts maßgeblich beitragen. In makrostruktureller Hinsicht kommt der Eulogie im unmittelbaren Anschluss an das Präskript exponierte Stellung im Epheserbrief zu; bereits hingewiesen (vgl. I.2) wurde zudem auf das dichte Netz von begrifflichmotivischen Verbindungslinien, das sich von hier aus in den Gesamtbrief hinein erstreckt.169 In der Folge wurde der Eulogie ein ouvertürenartiger Charakter und somit eine wichtige rezeptionslenkende Funktion zuerkannt; in diesem Abschnitt findet mutmaßlich die Grundlegung zentraler textinterner Schemata statt, die als Wahrnehmungsmuster die weitere Lektüre mitbestimmen. Die nachfolgende Analyse beruht auf der damit verbundenen Annahme, dass maßgebliche Fäden der theologischen und auch pragmatischen Gesamtkonzeption des Epheserbriefs hier in verdichteter Form greifbar werden.170 Ebendies lässt sich nun auch und vielleicht gerade für die Entfaltung eines WirBewusstseins im Epheserbrief erhoffen: So sind allein für das Personalpronomen ἡμεῖς zehn Belege zu verzeichnen, die sich über die gesamte Briefeingangseulogie verteilen.171 Hinzu kommen mehrere Verbalformen, die auf die 1.Pl. als
|| 169 Damit korrespondiert, dass sich auch die sprachlich-stilistischen Eigenarten des Epheserbriefs in 1,3–14 bündeln. Entsprechend fokussiert etwa die eingehende Stilanalyse bei van Roon, Authenticity, 100–212 über weite Strecken auf diesen Abschnitt bzw. nimmt von hier aus ihren Ausgang. 170 Ähnlich bestimmen die Eigenart des Abschnitts etwa Maurer, „Hymnus“; Schlier, Eph, 72; Dahl, „Proömium“, 326; Cambier, „bénédiction“, 230; Barth, Eph I, 78; Caragounis, Mysterion, 47; Schnackenburg, „Eulogie“, 86 Anm. 34; Lincoln, Eph, 19; Sellin, Eph, 119. Auf inhaltliche und pragmatische Aspekte wird dabei freilich in durchaus unterschiedlichem Maße abgehoben, wie z.T. auch – etwa bei Schlier und Sellin – der entsprechende Befund mit expliziten Einschränkungen versehen wird. In der Tat wird man den Abschnitt nicht einfach unumwunden als ‚Summe‘ o.ä. des Epheserbriefs bezeichnen können; maßgeblich ist vielmehr seine basisbildende, auf nachfolgende Entfaltung angelegte Funktion. 171 Vgl. Eph 1,3(bis).4(bis).5.6.8.9.12.14. https://doi.org/10.1515/9783110794458-003
Hinführung | 67
grammatikalisches Subjekt referieren.172 Der Abschnitt zeigt sich somit ausgesprochen interessiert an einem ‚Wir‘; dieses stellt einen wesentlichen, in der Wiederaufnahmestruktur fest verankerten Referenzträger in Eph 1,3–14 dar. Entsprechend findet die Frage nach dem Profil eines gemeinschaftlichen Selbstverständnisses, wie es im Epheserbrief im Zusammenhang seiner übergeordneten theologischen Linienführung und diskursiven Dynamik konstruiert wird, hier ihren gebotenen Ausgangspunkt.173 Dieser mutmaßlich horizontabsteckenden Funktion von Eph 1,3–14 entspricht es indes auch, dass sich mit dem Abschnitt zugleich brennglasartig eine Reihe von exegetischen Streitfragen verbinden, die letztlich für ein Gesamtverständnis des Schreibens relevant sind. Im Einzelnen werden diese zwar im Gang der Diskussion zu benennen und zu erörtern sein. Davon betroffen ist jedoch nicht zuletzt die Gebrauchsweise der 1.Pl. in der Eulogie, weshalb die diesbezügliche Kontroverse bereits an dieser Stelle zu umreißen ist. Zur Debatte steht insbesondere, welche Bedeutung dem in V.13 zu verzeichnenden (zwischenzeitlichen) Wechsel in die 2.Pl. beizumessen ist, dem Übergang vom ‚wir‘ zum ‚ihr‘, das sich von der in der Eulogie ansonsten dominierenden 1.Pl. doch markant abhebt. Zu fragen ist dabei näherhin, inwiefern das ἡμεῖς der Eulogie die fiktiven Adressaten inkludiert bzw. ob der Übergang zur 2.Pl. ein Hinweis darauf ist, dass mit ‚wir‘ und ‚ihr‘ zwei unterschiedliche Gruppen in den Blick genommen werden. Textlinguistisch gewendet ist dies die Frage, ob das Verhältnis der ‚Ihr‘ zu den ‚Wir‘ als ‚Enthaltenseinsrelation‘ zu bestimmen ist und die 2.Pl. demgemäß als ‚implizite Wiederaufnahme‘ der 1.Pl.
|| 172 V.7.11 (vgl. zudem die Infinitivkonstruktionen V.4.12). Caragounis, Mysterion, 48f. ist darin zuzustimmen, dass auch an diesen Stellen letztlich Gott als maßgeblich handelndes Subjekt erscheint, dem ‚Wir‘ also trotz des Subjektwechsels eine gewissermaßen rezeptive Rolle eignet. Wenig überzeugend ist aber gerade deshalb sein Versuch, einen gliederungsmäßigen Einschnitt nach V.10 nichtsdestotrotz damit zu begründen, dass „suddenly in vs. 11 the gramm. subj. is changed to ‘we’“ (48). Denn die von Caragounis hierfür als Argument angeführte Beobachtung, mit der Passivform ἐκληρώθημεν trete Gott in den Hinter- und das ‚Wir‘ in den Vordergrund, lässt sich eben analog schon für das – sogar aktivisch formulierte – ἔχομεν V.7 anführen. So ist die mit einem deutlichen Interesse am ‚Wir‘ verbundene theozentrische Ausrichtung vielmehr als ein grundlegendes Charakteristikum der Briefeingangseulogie als ganzer anzusehen. 173 Ein solcher Zugang zur Sache im Epheserbrief kann besonders an die bei Gnilka, Eph, 60f. gegebenen Hinweise anknüpfen. Gnilka zufolge stellt die Eulogie nämlich nicht nur die „Basis des Schreibens“ dar, sondern lässt sich zugleich wesentlich als eine spezifische „Selbstbestimmung der christlichen Gemeinde“ ansprechen. Konsequent zum Ausgangspunkt der Erörterung der ekklesialen Thematik im Epheserbrief ist diese Beobachtung jedoch offenbar noch nicht gemacht worden.
68 | Grundlegung: Exegese von Eph 1,3–14
aufgefasst werden kann174 – oder ob die beiden Personalpronomen auf zwei konzeptionell zu unterscheidende Referenzträger zu beziehen sind. Ihren Ermöglichungsgrund und zugleich ihr spezifisches Profil findet die Diskussion darin, dass die fiktiven Adressaten im weiteren Schreiben als τὰ ἔθνη angesprochen werden, als die einst ,Fernen‘, der πολιτεία Israels als Fremde Gegenüberstehenden, die nunmehr in Christus zu ,Nahen‘ geworden sind (2,11–13; vgl. 3,1). Denn in der Folge können sich hinsichtlich der Verhältnisbestimmung von ‚wir‘ und ‚ihr‘ in der Eulogie idealtypisch zwei Positionen gegenüberstehen. Dies ist zum einen die Ansicht, dass die fiktiven Adressaten in V.13 zwar explizit angesprochen werden, jedoch auch in der weiteren Eulogie als selbstverständlicher Teil der 1.Pl. vorausgesetzt sind; in den 1.Pl.-Aussagen der Eulogie artikulierte sich demnach gewissermaßen ein gesamtchristliches Wir.175 Diesem inklusiven Verständnis stehen, zum andern, exklusive Deutungen gegenüber. Ihnen zufolge unterscheidet der Verfasser zwischen den in der 2.Pl. angeredeten Adressaten und einer Wir-Gruppe, der er sich selbst zwar hinzurechnet, die Adressaten hingegen nicht. Demgemäß wäre zumindest ein Teil der Wir-Aussagen176 in der Eulogie nicht ohne weiteres auch auf die zu den Christusglaubenden aus den ἔθνη gezählten fiktiven Adressaten zu beziehen. Zu Wort käme in jenen Wir-Aussagen vielmehr ein christusglaubendes „Israel“ (vgl. 2,12), also gewissermaßen ein ‚judenchristliches‘ Wir.177 Diese Skizze lässt die Relevanz der Kontroverse für die in dieser Arbeit verfolgte Forschungsfrage vor Augen treten. Denn in diesem Zusammenhang erscheint es doch von tragender Bedeutung, welche ‚Reichweite‘ die Basisaussagen der Eulogie schon auf der grundlegenden Kommunikationsebene von fiktivem Verfasser und fiktiven Adressaten erheben.178 Im Vorangehenden wurde dabei bereits angedeutet, dass die Klärung des Verhältnisses von 1. und 2.Pl. maßgeblich auf der Ebene der Wiederaufnahmestruktur zu verorten ist, geht es doch letztlich um Fragen der Referenzidentität. Insofern wird jenes Verhältnis grundlegend im Zusammenhang der Betrachtung des Oberflächentextes zu bedenken sein. Berührt sind indes auch die weiteren Arbeitsschritte: So erweist || 174 Vgl. zu dieser Form der Wiederaufnahme Brinker/Cölfen/Pappert, Textanalyse, 36–38. 175 So etwa Percy, Probleme, 266f. Anm. 16; Jeal, Theology, 91; Sellin, Eph, 113f. 176 Zumeist wird mit einem im Verlauf der Eulogie statthabenden Übergang zu einer solch exklusiven 1.Pl. gerechnet, wobei V.11f. Kristallisationspunkt der Diskussion sind. 177 In diese Richtung etwa Schlier, Eph, 66; Barth, Eph I, 92; Schnackenburg, „Eulogie“, 79 (anders aber dann ders., Eph, 62f.); in jüngerer Zeit Faust, Pax, 212–217; Schneider, „Lobpreis“. 178 Vor dem Hintergrund einer Differenzierung unterschiedlicher Verfasser- und Adressateninstanzen, wie sie in dieser Arbeit vorausgesetzt wird, dürfte das Bild freilich noch einmal an Komplexität gewinnen.
Abgrenzung und Verortung im Nahkontext | 69
sich zum einen die Deutung der Bezeichnung der Wir-Gruppe als οἱ προηλπικότες in V.12 als neuralgischer Punkt in der Diskussion; dieser vermag allerdings erst in der semantisch orientierten Analyse der Textwelt umfassend bedacht zu werden. Zum anderen hat die Frage nach der textintern konstruierten Kommunikationssituation sowie, darauf aufbauend, den durch den Text eröffneten Identifikationsangeboten unmittelbare pragmatische Implikationen, die nicht zuletzt durch die Textsorte bedingt sind. Der in der kohäsionsorientierten Analyse zu erhebende Befund wird sich mithin im Weiteren zu bewähren haben, so dass sich die Frage nach dem Verhältnis von ‚Wir‘ und ‚Ihr‘ geradezu als ‚Querschnittsfrage‘ der Auslegung von Eph 1,3–14 erweist. Mit den letztgenannten Überlegungen sind nun zugleich die Leitlinien für die nachfolgende Untersuchung vorgezeichnet, die – entsprechend dem in dieser Arbeit gewählten methodologischen Bezugsrahmen – in Form einer Betrachtung von sprachlicher Gestalt, Textwelt, Textsorte und Pragmatik nacheinander die Leitachsen einer textlinguistisch orientierten Analyse abschreitet, um im Resultat ein möglichst umfassendes Bild von Eph 1,3–14 als Fundament der ekklesialen Konstruktionsdynamiken des Epheserbriefs zu gewinnen. Der (epistolaren) Einbindung von Eph 1,3–14 ist es dabei gemäß, vorab die Einbettung des Abschnitts in seinen literarischen Kontext eingehender zu beleuchten, zumal es in der Diskussion durchaus nicht unumstritten ist, dass die Zäsur zum Nachfolgenden erst nach V.14 zu setzen ist.179
III.2
Abgrenzung und Verortung im Nahkontext
Dem Abschnitt voran geht das mit der salutatio 1,2 textsortengemäß abgeschlossene Präskript; mit der in einen Fürbittgebetsbericht übergehenden Danksagung in 1,15–19(23) folgt ein weiteres geprägtes Element des paulinischen Briefformulars, wobei besonders das rückverweisende διὰ τοῦτο sowie der Wechsel in die 1.Sg. zu Beginn von V.15 den Neuansatz signalisieren.180 Die-
|| 179 So beschränkt Caragounis, Mysterion, 47 (vgl. 60–62) die „Eulogy proper“ bzw. „Eulogy in narrower sense“ auf die Verse 3–10. Deichgräber, Gotteshymnus, 65 zufolge reicht der „Lobpreis […] nur bis V. 12“, die „Applikation auf die Briefempfänger“ V.13f. sei entsprechend davon abzuheben. Zur Sache vgl. auch Fischer, Tendenz, 111f. 180 Fischer, Tendenz, 112 sieht in dem διὰ τοῦτο V.15 „eine typische Anknüpfung an ein Zitat“. Dies fügt sich in die von ihm vertretene Auffassung zur literarischen Eigenart von Eph 1,3–14, wonach hier „ein ursprünglicher Hymnus vom Verfasser erweitert und glossiert wurde“. Fischer gesteht indes selbst zu, dass seine Rekonstruktion „im einzelnen […] natürlich sehr unsicher“ (a.a.O., 114) sei. Dem kann nur zugestimmt werden; die Funktion der Wendung ist denn
70 | Grundlegung: Exegese von Eph 1,3–14
sem Rahmenbefund entspricht die innere Geschlossenheit von V.3–14. Diese erhellt schon aus der syntaktischen Kohäsion der Verse und wird unterstrichen durch die Klammer, die das Motiv des Gotteslobs bildet: So korrespondiert dem trompetenstoßartigen εὐλογητός (V.3a) abrundend die im Verlauf der Eulogie geradezu zu einem (stets leicht variierten) Leitmotiv (vgl. V.6.12) avancierende, doxologisierende Wendung εἰς ἔπαινον τῆς δόξης αὐτοῦ (V.14c).181 Ferner nimmt V.14 die in V.13 zunächst verlassene 1.Pl. abschließend wieder auf, wie auch – den Inklusionscharakter der beiden Schlussverse verstärkend – die Rede von der εὐλογία πνευματική (V.3b) ein Gegenstück findet in dem durch V.13f. in den Vordergrund gerückten τὸ πνεύμα τὸ ἅγιον.182 Scheinen die Verse 3–14 mithin einen durchaus eigenständigen Zusammenhang zu bilden, so ist zugleich auf die Verbindungslinien zum näheren Kontext hinzuweisen. So bereitet V.3a, indem hier eine Dreieckskonstellation aus Gottvater, 1.Pl. und dem Kyrios Jesus Christus aufgerufen wird, nicht nur der anschließenden Entfaltung des Gotteslobs den Boden – denn dieses ist wesentlich Darstellung eines durch den Christusbezug geprägten Heilshandelns Gottes an der 1.Pl.; vgl. dazu im Weiteren –, sondern greift damit auch unmittelbar auf die salutatio zurück, wo bereits eine nämliche Konstellation begegnet. Dieser enge Anschluss aber legt nahe, dass V.3 an das im Präskript grundgelegte Beziehungsgefüge anzuknüpfen sucht. Es ist daher zunächst von einer Identität der jeweiligen Referenzträger auszugehen. Sofern nun in der adscriptio V.1 gerade die Adressaten durch ihren Christusbezug charakterisiert werden, ein solcher aber gemäß V.3 auch die dortige 1.Pl. kennzeichnet, ist von diesem gemeinsamen Merkmal her anzunehmen, dass die 1.Pl. in V.2f. die Adressaten inkludiert. Die Nahtstelle zwischen Prä|| wohl auch eher im Zusammenhang einer kohärenzorientierten Gestaltung von Übergängen, die zur Entwicklung eines fortlaufenden Gedankenflusses beitragen, zu sehen. 181 Vgl. Sanders, „Elements“, 226, der die Wendung unter Verweis auf Phil 1,11; I Petr 1,7 als „a fitting close for a berachah“ bezeichnet. Vorgespurt wird somit eine gliedernde Funktion doxologischer Aussagen, wie sie im Folgenden besonders in 3,20f. als der prägnantesten Zäsur im Epheserbrief zum Tragen kommt. 182 Ein derartiger über die πνεῦμα-Motivik gebildeter Zusammenhang, der sich schon strukturell und textsemantisch nahelegt, wird mitunter bestritten, so etwa bei Sellin, Eph, 86, dem zufolge πνευματικός V.3b „im Sinne von 1Petr 2,5 verblasst“ sei „zu der allgemeinen Bedeutung: das Irdische transzendierend“. (Treffend wird die Verbindungslinie hingegen herausgestellt etwa bei Lincoln, Eph, 19f.) Demgegenüber kann mit John Barclay darauf hingewiesen werden, dass – insbesondere ausweislich des Sprachgebrauchs im 1. Korintherbrief – das Adjektiv im paulinischen Kontext „strongly associated with, even coined from, the noun πνεῦμα“ ist, und zwar in dessen spezifischem Sinne als „the eschatological gift of God’s power and grace“, vgl. Barclay, „Πνευματικός“, 208.
Abgrenzung und Verortung im Nahkontext | 71
skript und Eulogie deutet somit darauf hin, dass das ‚Wir‘ am Briefeingang die Adressaten mit einschließt und als ein solches auch in die Eulogie hineingetragen wird. Weitere begrifflich-motivische Wiederaufnahmen in V.3–14 erhärten die Annahme eines derartigen Konnexes zwischen Präskript und Eulogie183; für die Frage nach der Referenz der 1.Pl. ist besonders die Korrespondenz zwischen der Prädikation Gottes als „unserem“ Vater (V.2) und der Rede von der christologisch vermittelten υἱοθεσία der 1.Pl. (V.5) relevant. Denn diese Korrespondenz legt nahe, dass jeweils das gleiche Kindschaftsverhältnis im Blick und also die 1.Pl. in beiden Fällen referenzidentisch ist.184 Zur anderen Seite hin weist auch der Folgeabschnitt 1,15–23 zahlreiche terminologische Bezüge auf die Eulogie auf. Markant ist wiederum bereits die unmittelbare Nahtstelle.185 So kehrt in V.15 das Motiv des Glaubens der Adressaten aus V.13 wieder, wobei die jeweiligen ἀκούω-Partizipien diese Verbindung begrifflich markieren: dem zum Glauben führenden Hören der Adressaten (V.13) folgt das Hören des Apostels von ihrem Glauben (V.15), das ihn wiederum in Bewegung setzt zu Dank und Fürbitte für die Adressaten (V.16); das κἀγώ hebt diesen reaktiven Charakter der Danksagung hervor.186 Somit ist ein Gefälle von
|| 183 Rekurrenz ist außerdem zu verzeichnen für θέλημα (vgl. V.1 mit V.5.9.11), χάρις (vgl. V.2 mit V.6.7) und das Begriffsfeld πιστ- (vgl. V.1 mit V.13). Ferner ergibt sich eine weitere markante strukturelle Gemeinsamkeit, wenn der Ausdruck τοῖς οὖσιν καὶ πιστοῖς tatsächlich als der Benennung der Adressaten als ἅγιοι beigefügte intitulatio aufgefasst werden kann, die ethisierend auf den Aspekt des heilsstandgemäßen Selbstvollzugs abhebt (vgl. II.3.2). Denn ebendiesen führt auch die Infinitivkonstruktion εἶναι ἡμᾶς ἁγίους [!] καὶ ἀμώμους V.4 für die 1.Pl. als grundlegende Zielbestimmung der göttlichen Heilszuwendung vor Augen. 184 Entsprechend ist der Präpositionalausdruck εἰς αὐτόν V.5a auf Gott zu beziehen. So auch – mit weiteren, stärker auf den eulogie-internen Befund abhebenden Argumenten – Schnackenburg, Eph, 53; Sellin, Eph, 96. Betont auf Christus hin wird der Ausdruck hingegen insbesondere bei Gnilka, Eph, 73 bezogen; vgl. auch – mit Verweis auf Kol 1,16.20 – Luz, Eph, 119. In der Tat scheint ein gewisses Schillern bei der Bestimmung des Referenzbezugs des Personalpronomens durchaus in Kauf genommen zu werden, vgl. dazu die Ausführungen zur Wiederaufnahmestruktur (III.3.2). 185 Zu V.17–19 vgl. die Zusammenstellung bei O’Brien, „Ephesians I“, 514. Wenn O’Brien diese – im Anschluss an H. Chadwick – zugleich mit der Schlussfolgerung versieht, das Gebet in 1,17–19 richte sich darauf, dass „the ideal of vv. 3 ff. may be realized in the recipients“, so rückt er damit in der Tat einen zentralen Aspekt der pragmatischen Dynamik in den Blick, auf den im Weiteren zurückzukommen sein wird. 186 Vgl. Percy, Probleme, 387 Anm. 42, wonach es „der hinter dem καί liegende Gedanke“ sei, „dass die Danksagung bzw. die Fürbitte des Apostels dem entspricht, was nach dem Vorhergehenden mit den Adressaten geschehen ist“. Wiederum gewissermaßen spiegelbildlich dazu kann schließlich in Eph 6,21f. die Sendung des Tychikus dem Zwecke dienen, dass die Adressaten bezüglich der Paulus betreffenden Dinge unterrichtet werden. Das καί vor ὑμεῖς in 6,21 lässt
72 | Grundlegung: Exegese von Eph 1,3–14
V.13f. auf das Folgende hin nicht zu verkennen, wie ja überhaupt der Gebrauch der 2.Pl. in V.13 die 1,15 in den Vordergrund tretende Hinwendung zu den Adressaten vorbereitet. Dieser auch transitorische Charakter der Schlussverse berechtigt schon vor dem Hintergrund des oben zur Einbindung von V.13f. in den Zusammenhang der Eulogie Gesagten gleichwohl keineswegs, V.13f. innerhalb der Briefeingangseulogie als überschüssiges Anhängsel zu betrachten. Vielmehr kann gerade jene Scharnierfunktion insofern als textsortengemäß angesehen werden, als sich in der direkten Anrede eine am Briefeingang zu erwartende Thematisierung der Beziehung zwischen Absender und Adressaten in besonders deutlicher Weise manifestiert.187 Die mikrokontextuelle Verortung bestätigt somit das Bild von 1,3–14 als eines profilierten eigenen Zusammenhangs, der sich jedoch zugleich als eingebunden in den fortlaufenden Gedankenfluss des Schreibens erweist und jenem nicht zu entheben ist – die Eulogie steht ihrem literarischen Kontext nicht frei schwebend gegenüber; dies bestätigt ihren ‚eingangsportalartigen‘ Charakter.188
|| sich demnach aus der textintern entwickelten Fiktion eines wechselseitigen Austauschs, in dem sich Apostel und Adressaten befinden, heraus erklären, so dass es nicht nötig ist, hierin einen expliziten intertextuellen Verweis auf Kol 4,7–9 zu erblicken. So aber u.a. Sellin, Eph, 490f., der das καὶ ὑμεῖς im Sinne eines betonten „‚auch ihr (neben den Kolossern)‘“ verstanden wissen will. 187 Vgl. Gnilka, Eph, 84. Mit Dahl, „Proömium“, 319 ist also gerade V.13f. als eines der „strukturell tragenden Elemente“ des Abschnitts anzusehen. Die Strukturanalyse wird zwar durchaus eine Sonderrolle von V.13f. aufzeigen; diese kommt den Versen jedoch abschnittsintern und ganz im Rahmen des mit V.3–12 gebildeten Zusammenhangs zu. Auch Schneider, „Lobpreis“, 175 beschreibt den Charakter der Schlussverse an sich treffend, ordnet dann jedoch das ἐν ᾧ καὶ ἐκληρώθημεν V.11 dem ἐν ᾧ καὶ ὑμεῖς aus V.13 zu und übersieht dadurch den (entscheidenden) Rückbezug von V.11 auf V.7. 188 Entsprechend ist es nicht unproblematisch, wenn Faust, Pax, 215f. die Verhältnisbestimmung von 1. und 2.Pl. in der Eulogie letztlich maßgeblich von Eph 3,6 her bestimmt sein lässt. Denn die Orientierung am Textfluss heraus würde in methodischer Hinsicht gerade das umgekehrte Verfahren nahelegen, nämlich den in der Eulogie gebotenen Befund zum Deutungshintergrund für das weitere Schreiben zu machen. Zu Recht problematisiert daher auch Jeal, Theology, 90 in Abgrenzung von Markus Barth dessen – im Grundsatz demjenigen Fausts vergleichbaren – Versuch, eine in Eph 2,11–20 mutmaßlich auszumachende Unterscheidung zwischen „Gentile Christians and Israel“ als Deutungsfolie für die Zuordnung von ‚Wir‘ und ‚Ihr‘ in der Eulogie heranzuziehen.
Analyse der sprachlichen Gestalt | 73
III.3
Analyse der sprachlichen Gestalt
Kaum eine Auslegung von Eph 1,3–14 übergeht das scharfe Urteil Eduard Nordens, es handele sich hierbei um „das monströseste Satzkonglomerat (denn von einer Periode kann man da gar nicht mehr reden)“, das ihm „in griechischer Sprache begegnet“ sei.189 Wenngleich es an Stimmen, die demgegenüber in dem Abschnitt etwa „ein vollendetes Gebilde von reich gegliederten Maßen“190 ausmachen, durchaus nicht mangelt, weist die Einschätzung Nordens darauf hin, dass die Betrachtung der sprachlichen Gestalt der Eulogie von einer Durchleuchtung von Struktur und Aufbau des Abschnitts mit seinen zahlreichen sprachlichen Ambiguitäten auszugehen hat. Der diesbezügliche Diskussionsstand gestaltet sich freilich (erwartungsgemäß) kontrovers. Dies mag nicht zuletzt in dem Umstand begründet liegen, dass unterschiedliche methodologische Paradigmen bzw. exegetische Interessen und ‚Großwetterlagen‘ das Herangehen bestimmen.191 Der an dieser Stelle verfolgte Zugang geht indes gemäß den methodologischen Vorentscheidungen von der Beschaffenheit des Oberflächentextes, mithin von sprachlich-syntaktischen Aspekten aus.192 Aus den bisherigen Ausführungen ergibt sich dabei zum einen,
|| 189 Norden, Agnostos Theos, 253 Anm. 1. Norden verbindet diese Einschätzung im Übrigen mit einer klaren Positionierung hinsichtlich der Verfasserschaft des Epheserbriefs („[D]ie Unechtheit dieses Briefes ist erwiesen.“). 190 Lohmeyer, „Proömium“, 122. Lohmeyer stimmt der obigen Einschätzung Nordens freilich insofern zu, als er die von ihm (Lohmeyer) postulierten „Strophen“ des Abschnitts „nicht mehr durch die Regeln der griechischen Syntax verbunden“ sieht (ebd.). 191 Vgl. dazu die typologisierende Übersicht bei Sellin, Eph, 74f. In der Diskussion des 20. Jh. hat im Gefolge des zeitweiligen Aufschwungs formgeschichtlicher Hymnenforschung (vgl. dazu den forschungsgeschichtlichen Überblick bei Brucker, ,Christushymnen‘, 1–17) insbesondere die Frage, ob und ggf. in welchem Umfang der Verfasser hier eine vorfindliche, zumal hymnisch-liturgische Tradition rezipiert bzw. seinem Stoff selbst eine hymnische Gestalt verliehen hat, eine tragende Rolle gespielt; vgl. dazu den Überblick bei Merkel, „Epheserbrief“, 3224–3226. Doch auch wenn in jüngerer Zeit demgegenüber zumeist (und aus guten Gründen) mit einer (nichtpoetischen) Eigenkreation des Verfassers – die freilich eine Aufnahme geprägten, indes eher auf phraseologischer Ebene anzusiedelnden sprachlichen Materials keinesfalls auszuschließen braucht – gerechnet wird (vgl. Lincoln, Eph, 14), bleibt das Spektrum an Gliederungsvorschlägen breit gefächert. 192 Einen ähnlichen Ausgangspunkt der Analyse wählen bes. Schnackenburg, Eph, 44; Lincoln, Eph, 15; Sellin, Eph, 75. Im Grundansatz gefolgt wird damit zugleich der schon von Debrunner, „Grundsätzliches“, 232 in seiner Kritik an Lohmeyers Gliederungsvorschlag (vgl. Lohmeyer, „Proömium“) formulierten Maxime, wonach der „grammatisch-syntaktisch[e] Bau der Periode [gesperrt i.O.]“ als maßgebliche „Richtschnur“ für deren analytische Strukturierung zu gelten habe. In der Tat können die Ausführungen Lohmeyers letztlich einer zweifelhaf-
74 | Grundlegung: Exegese von Eph 1,3–14
dass V.3–14 als zusammenhängende Texteinheit zu behandeln ist, zum anderen, dass V.3a als Textsortenmarkierung aufgefasst wird (vgl. III.5.1), welcher grundlegende Bedeutung auch für die syntaktische Perspektivierung beizumessen ist.
III.3.1
Gliederung auf sprachlich-syntaktischer Grundlage
Um die Nachvollziehbarkeit der anschließenden Ausführungen zu erhöhen, wird an dieser Stelle eine strukturierte Textdarstellung von Eph 1,3–14 mitsamt Arbeitsübersetzung vorangestellt.193 Beide beruhen auf den Ergebnissen der nachfolgenden Analyse und finden somit ebendort ihre Begründung und Erläuterung. 3
Εὐλογητὸς ὁ θεὸς καὶ πατὴρ τοῦ κυρίου ἡμῶν Ἰησοῦ Χριστοῦ, ὁ εὐλογήσας ἡμᾶς ἐν πάσῃ εὐλογίᾳ πνευματικῇ ἐν τοῖς ἐπουρανίοις ἐν Χριστῷ, 4 καθὼς ἐξελέξατο ἡμᾶς ἐν αὐτῷ πρὸ καταβολῆς κόσμου εἶναι ἡμᾶς ἁγίους καὶ ἀμώμους κατενώπιον αὐτοῦ ἐν ἀγάπῃ, 5 προορίσας ἡμᾶς εἰς υἱοθεσίαν διὰ Ἰησοῦ Χριστοῦ εἰς αὐτόν, κατὰ τὴν εὐδοκίαν τοῦ θελήματος αὐτοῦ, 6εἰς ἔπαινον δόξης τῆς χάριτος αὐτοῦ ἧς ἐχαρίτωσεν ἡμᾶς ἐν τῷ ἠγαπημένῳ. 7 Ἐν ᾧ ἔχομεν τὴν ἀπολύτρωσιν διὰ τοῦ αἵματος αὐτοῦ, τὴν ἄφεσιν τῶν παραπτωμάτων, κατὰ τὸ πλοῦτος τῆς χάριτος αὐτοῦ 8ἧς ἐπερίσσευσεν εἰς ἡμᾶς, ἐν πάσῃ σοφίᾳ καὶ φρονήσει, 9 γνωρίσας ἡμῖν τὸ μυστήριον τοῦ θελήματος αὐτοῦ, κατὰ τὴν εὐδοκίαν αὐτοῦ ἣν προέθετο ἐν αὐτῷ 10εἰς οἰκονομίαν τοῦ πληρώματος τῶν καιρῶν, ἀνακεφαλαιώσασθαι τὰ πάντα ἐν τῷ Χριστῷ, τὰ ἐπὶ τοῖς οὐρανοῖς καὶ τὰ ἐπὶ τῆς γῆς ἐν αὐτῷ.
|| ten Hintanstellung syntaktischer Aspekte Vorschub leisten, wenn er („Proömium“, 122) konstatiert, dass auf einer übergeordneten Ebene die „Ganzheit der Periode der syntaktischen Ordnung der griechischen Sprache entrückt“ sei. – Dem gewählten Zugang entspricht es weiterhin, dass gegenüber metrischen Gesichtspunkten im Folgenden Zurückhaltung geübt wird, zumal die Einschätzung Klaus Bergers, es habe sich „trotz weitgehender Versuche in der neutestamentlichen Forschung nicht als möglich erwiesen, auch nur den Anschein eines Konsenses über die etwaige metrische Struktur neutestamentlicher Hymnen zu erreichen“, nach wie vor Gültigkeit für sich beanspruchen können dürfte, vgl. Berger, „Hellenistische Gattungen“, 1150. Dies bedeutet freilich an sich nicht, dass eine metrisch-rhythmische Erforschung der betreffenden Texte einfach überholt wäre; vgl. Löhr, „Beginnings“, 170. Der sprachliche Charakter der Eulogie ist aber wohl ohnehin ein prosaischer, wie besonders von Deichgräber, Gotteshymnus, 66f. betont wird. 193 Die hier vorgelegte Strukturdarstellung steht besonders den Übersichten bei Lincoln, Eph, 15f. sowie Sellin, Eph, 75f. nahe.
Analyse der sprachlichen Gestalt | 75
11
Ἐν ᾧ καὶ ἐκληρώθημεν προορισθέντες κατὰ πρόθεσιν τοῦ τὰ πάντα ἐνεργοῦντος κατὰ τὴν βουλὴν τοῦ θελήματος αὐτοῦ 12εἰς τὸ εἶναι ἡμᾶς εἰς ἔπαινον δόξης αὐτοῦ τοὺς προηλπικότας ἐν τῷ Χριστῷ. 13 Ἐν ᾧ καὶ ὑμεῖς ἀκούσαντες τὸν λόγον τῆς ἀληθείας, τὸ εὐαγγέλιον τῆς σωτηρίας ὑμῶν, ἐν ᾧ καὶ πιστεύσαντες ἐσφραγίσθητε τῷ πνεύματι τῆς ἐπαγγελίας τῷ ἁγίῳ, 14ὅ ἐστιν ἀρραβὼν τῆς κληρονομίας ἡμῶν, εἰς ἀπολύτρωσιν τῆς περιποιήσεως, εἰς ἔπαινον τῆς δόξης αὐτοῦ. Eph 1,3–14 3
Gelobt [ist] Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns gesegnet hat mit allem geistlichen Segen in den himmlischen Bereichen in Christus, 4 wie er uns ja erwählt hat in ihm vor Grundlegung der Welt, dass wir heilig und untadelig seien vor ihm, in Liebe, 5 [der] uns vorherbestimmt hat zur Kindschaft durch Jesus Christus zu sich hin, gemäß dem Wohlgefallen seines Willens, 6zum Lob der Herrlichkeit seiner Gnade, mit der er uns begnadet hat in dem Geliebten, 7 in dem wir die Erlösung haben durch sein Blut, den Erlass der Fehltritte, gemäß der Fülle seiner Gnade, 8die er uns überreichlich gewährt hat, in aller Weisheit und Einsicht, 9 [der] uns kundgetan hat das Geheimnis seines Willens, gemäß seinem Wohlgefallen, das er zuvor in ihm festgesetzt hat 10zur Durchführung der Fülle der Zeiten, unter einem Haupt zusammenzufassen das All in Christus, das in den Himmeln und das auf der Erde in ihm, 11 in dem wir auch beerblost wurden, vorherbestimmt gemäß dem Vorsatz dessen, der alles bewirkt gemäß dem Ratschluss seines Willens, 12 dass wir zum Lob seiner Herrlichkeit seien, die wir zur Voraushoffnung gekommen sind und insofern Voraushoffende sind in Christus. 13 In ihm seid auch ihr, als ihr das Wort der Wahrheit gehört habt, das Evangelium eurer Rettung, in ihm seid auch ihr, als ihr geglaubt habt, versiegelt worden mit dem heiligen Geist der Verheißung, 14der das Angeld unseres Erbes ist auf die Erlösung der Inbesitznahme hin, zum Lob seiner Herrlichkeit. Eph 1,3–14 (Übers. J.B.)
Gemäß einem verbreiteten formgeschichtlichen Konsens194 greift der Verfasser in V.3–14 die alttestamentlich-antikjüdische Berakah/Eulogie auf. Aus dieser Zuordnung vermag zunächst die übergeordnete Grundstruktur des Textes zu erhellen, kann doch das Formular der Eulogie als Hintergrundfolie herangezo-
|| 194 Vgl. MacDonald, Eph, 206.
76 | Grundlegung: Exegese von Eph 1,3–14
gen werden.195 Charakteristischerweise umfasst dieses in der entfalteten, auf Gott bezogenen Form einerseits einen als Leitzeile dienenden Nominalsatz, bestehend aus dem formprägenden Prädikat ( ברוךin LXX zumeist εὐλογητός) sowie dem gepriesenen, durch Apposition näher bestimmten Subjekt, andererseits einen Begründungssatz, der partizipial angeschlossen werden kann. Im Blick auf Eph 1,3–14 fungiert V.3a demnach als Leitzeile, während mit V.3b der partizipiale Begründungssatz eröffnet wird, der sich sodann sukzessive fortästelt. Es ergibt sich somit eine grundlegende Zweiteilung in V.3a und V.3b–14.196 Strittig ist nun insbesondere die nähere Struktur bzw. Untergliederung von V.3b–14. Weitgehende Einigkeit scheint zunächst darin zu bestehen, dass der Verfasser sich (nicht nur) bei dieser Entfaltung der Leitzeile V.3a der sog. anfügenden Redeweise (λέξις εἰρομένη) bedient, bei der mehrere syntaktisch potentiell eigenständige Aussagen zu einer einzigen zusammenhängenden Sequenz verkettet werden.197 Auf einer übergeordneten Ebene signalisiert dabei insbesondere der wiederholte Gebrauch von Partizipien und Relativsätzen eine hypotaktische Grundstruktur. Als deren markanteste Kennzeichen auf der Mikroebene erscheinen die zahlreichen, vielfach in asyndetischer Reihung begegnenden Präpositionalausdrücke sowie adnominale, ebenfalls teils mehrgliedrige Genitivkonstruktionen. Diese treiben den Aussagegang gleichsam schubweise voran; indem sie jeweils eng an das unmittelbar zuvor Gesagte anschließen, eignet ihnen zugleich ein rhythmisierender Charakter, der ein hohes Maß an Eingängigkeit und Kohärenz suggeriert.198 Ebendies wird verstärkt durch die besagten
|| 195 Zum Folgenden vgl. die bündigen Ausführungen bei Sellin, Eph, 77–79 sowie näherhin die formale Analyse unter III.5. 196 Eine Alternative hierzu stellt insbesondere das Gliederungsmodell Schliers dar, wie Sellin, Eph, 79 hervorhebt. So rechnet Schlier, Eph, 39 die „partizipiale Apposition“ V.3b noch der „Benediktionsformel“ hinzu. Diese – mithin der gesamte V.3 – diene als „Basis der ganzen Eulogie“ und werde sodann in V.4–10 in Form des καθώς-Satzes, der seinerseits auf den drei finiten Verbformen ἐξελέξατο (V.4), ἐχαρίτωσεν (V.6) und ἐπερίσσευσεν (V.8) aufruhe, zunächst „des näheren entfaltet“, bevor sich in V.11–14 eine „Doppelstrophe“ (40) anfüge. In der nachfolgenden Analyse werden sich demgegenüber indes mit Gnilka, Eph, 59 gerade „die drei Partizipien [in V.3b.5.9, J.B.] als die bestimmenden Faktoren“ für den Aufbau des gesamten Abschnitts nach V.3a erweisen; in den dadurch gesteckten Rahmen lässt sich auch die durch das καθώς gesetzte Zäsur einordnen. 197 Vgl. BDR § 458 sowie van Roon, Authenticity, 111–113, der als weitere Beispiele im Epheserbrief 1,15–23; 2,19–22; 3,1–7.8–13; 4,11–16 anführt. 198 Die genitivischen Attraktionen des Relativpronomens in V.6 und V.8 fügen sich in dieses Bild stimmig ein. Die rhythmisierende Funktion von Präpositionalwendungen und Genitiven hebt besonders van Roon, Authenticity, 119 hervor: die gehäuften und ungewöhnlich platzierten „adjuncts with a preposition […] function as a break in the flow; they involuntarily
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syntaktischen Parallelismen auf der übergeordneten Ebene, weitere begrifflichmotivische Wiederaufnahmen sowie die mehrfach begegnenden Zusammenstellungen synonym anmutender (oder aber durch die Zusammenstellung als synonym erscheinender) Begriffe oder Wortverbindungen.199 In ihrem Zusammenspiel führen die genannten Merkmale zu einem voluminös anmutenden, plerophoren (siehe auch das wiederholte πᾶς V.3.8; vgl. τὰ πάντα V.10.11) Sprachfluss, der als Hinweis auf eine enge Durchdringung von Inhalt und sprachlicher Darstellungsform aufgefasst werden kann.200 In der Folge können jedoch zugleich – wie die vielfältigen Vorschläge in der Forschung zeigen – unterschiedliche Textelemente zur Gliederungsgrundlage erhoben werden.201 Diese spielen sicherlich je für sich eine für die Beschreibung der Textstruktur relevante Rolle. Allein, es ist nötig, sie in ein adäquates Verhältnis zueinander zu setzen. Angesichts der nachgerade kaskadenartigen202 Entfaltung des Aussagezusammenhangs scheint es dabei sinnvoll, bei der Frage nach rezeptionslenkenden Gliederungssignalen von der Leserichtung auszugehen.
|| produce a momentary pause in the stream of words“. Van Roon rückt diesen Befund treffend in die Nähe einer gezielten Klauselgestaltung (ebd.). Die einen „liturgical style“ befördernde „rhythmic quality“ der Genitive konstatiert auch Jeal, Theology, 87. 199 Letztere können appositionsartig gestaltet sein (vgl. etwa in V.7 die Erläuterung von τὴν ἀπολύτρωσιν κτλ. durch das nachfolgende τὴν ἄφεσιν τῶν παραπτωμάτων, ähnlich V.12.13; vgl. auch den Merismus V.10) oder auch syndetisch aneinander gekoppelt (vgl. V.4 ἁγίους καὶ ἀμώμους; V.8 σοφίᾳ καὶ φρονήσει), erscheinen aber auch in Form adnominaler Genitivkonstruktionen (vgl. V.5.11: κατὰ τὴν εὐδοκίαν – bzw. τὴν βουλὴν – τοῦ θελήματος αὐτοῦ). 200 Das hebt Deichgräber, Gotteshymnus, 75 pointiert hervor: „Dem Anliegen der PleromaTheologie des Epheserbriefes dient die plerophore Redeweise“. 201 Auf das Gliederungsmodell Schliers, der in den drei finiten Verben ἐξελέξατο (V.4), ἐχαρίτωσεν (V.6), ἐπερίσσευσεν (V.8) das maßgebliche Strukturmerkmal in V.4–10 erblickt, wurde bereits hingewiesen, s.o. Anm. 196. Die wiederholte εἰς ἔπαινον-Formel V.6.12.14 wird u.a. bei Fischer, Tendenz, 113 in den Vordergrund gerückt. Krämer, „Form“, 38 wertet hingegen das „formelhafte ἐν Χριστῷ“ mitsamt dessen „Äquivalenten“ als das „durchgehende Ordnungsprinzip der ganzen Eulogie im Sinne der Durchdringung von Form und Inhalt“. Die Benennung der Aoristpartizipien V.3b.5.9 als tragender Gliederungsmarker, wie sie auch in der vorliegenden Analyse behauptet werden wird, findet sich bei Lohmeyer, „Proömium“, 121 vorgespurt (und auch Debrunner, „Grundsätzliches“, 232 stimmte Lohmeyer jedenfalls in dieser Hinsicht zu); auf dieser Linie sodann u.a. Gnilka, Eph, 58f.; Lincoln, Eph, 15f.; Sellin, Eph, 80f. 202 Zu diesem Bild vgl. Schneider, „Lobpreis“, 174 im Anschluss an J.-N. Aletti; ähnlich hebt Lincoln, Eph, 18 hervor, die Struktur des in einem „meditative style“ gehaltenen Abschnitts bilde sich heraus „as each thought builds on the previous one“.
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Ausweislich seiner Funktion als Eröffnung des Begründungssatzes in V.3b dient zunächst das im Aorist gehaltene, auf ein göttliches Handeln an der 1.Pl. verweisende Partizip (ὁ εὐλογήσας ἡμᾶς) als Gliederungsmarker. Von daher liegt es nahe, auch den diesbezüglichen Parallelen in V.5 und V.9 gliedernde Funktion zuzuerkennen; auch hier folgt auf ein (im Unterschied zu V.3b freilich artikelloses, s.u.) Partizip Aorist, das auf ein Handeln Gottes verweist, jeweils unmittelbar ein Personalpronomen 1.Pl., das jenem als Objekt zugeordnet ist. Jene drei Partizipien sind mithin als tragende Pfeiler der Konstruktion erkennbar und konstituieren entsprechend drei Unterabschnitte.203 Diese werden durch die Partizipien jeweils eröffnet, wie wiederum V.3b vorgibt; das auf die 1.Pl. gerichtete göttliche Handeln dient somit gleichsam als roter Faden im Begründungssatz.204 Zwar wird nur das erste Partizip V.3b substantiviert, so dass die beiden folgenden als untergeordnet erscheinen.205 Dies ist jedoch nicht notwendig Ausdruck mangelnder Parallelität und insofern Argument gegen eine gliedernde Funktion der Partizipien206, sondern kann als Hinweis auf einen übergeordnet-summarischen Charakter der ersten Partizipialaussage aufgefasst werden. V.3b–4 ist im Begründungssatz somit als ein erster Unterabschnitt zu betrachten, dem – gemäß der These vom Primat der Leserichtung – als solchem strukturbildende Funktion zukommt bzw. der als Leseanweisung im umfassenden Sinn dient.207 Mit καθώς wird innerhalb dieses Unterabschnitts eine syntak-
|| 203 Gnilka, Eph, 59 verweist hierfür zu Recht auf das „Vorbild der atl. erweiterten Lobsprüche“ und also die formgeschichtlichen Hintergründe, s. dazu unter III.5. 204 Auf diese Weise profiliert der Verfasser – der damit freilich in geprägter Tradition steht – das Partizip Aorist als besondere Sprachform für heilsgeschichtliche Zusammenhänge, wie sie ähnlich etwa auch Eph 1,20 und sodann insbesondere 2,14–16 aufgegriffen wird. 205 Vgl. Gnilka, Eph, 57 Anm. 7 mit Verweis auf Deichgräber, Gotteshymnus, der jedoch die beiden artikellosen Partizipien als participia coniuncta auffasst, die „dem jeweils vorangehenden Verbum untergeordnet sind“ (68, dagegen Sellin, Eph, 80), während Gnilka, Eph, 59 ebenjene offenbar direkt dem substantivierten Partizip unterordnet. Dafür spricht mit Sellin, Eph, 80 insbesondere die vergleichbare Konstruktion in Eph 2,14–16. Jedoch wird man die syntaktisch zunächst durchaus bestehende Möglichkeit, προορίσας und γνωρίσας als participia coniuncta aufzufassen, nicht einfach ignorieren dürfen. Es scheint demnach gerade das Spezifikum der Konstruktion in Eph 1,3–14 darzustellen, dass die Aoristpartizipien zwar als übergeordnetes Gliederungsmoment dienen, dabei aber – zumal auf der ‚Hörebene‘ – gleichermaßen hineingewoben werden in einen kontinuierlichen Aussagefluss. 206 So aber Deichgräber, Gotteshymnus, 68; vgl. auch Dahl, „Proömium“, 320. 207 Insofern hat die Charakterisierung von V.3f. als ‚Introitus‘ bei Schille, Hymnen, 68 in seinem (letztlich nicht überzeugenden) Versuch der Rekonstruktion eines der Eulogie zugrunde liegenden Hymnus eine gewisse Berechtigung.
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tische Zäsur gesetzt, die zugleich anzeigt, dass die ἐν-Wendungen in V.3b mit dem vorangehenden Partizipialausdruck zusammenzuziehen sind. Diese Beobachtung kann als rezeptionsleitendes Signal dafür gewertet werden, dass den Präpositionalwendungen in der Eulogie ein rückläufiger Bezug zukommt208; die anaphorische Häufung der ἐν-Ausdrücke in V.3b bereitet gleichermaßen eine taktgebende Funktion derselben wie der Präpositionalausdrücke überhaupt vor. Entsprechend sind ἐν ἀγάπῃ (V.4) sowie ἐν πάσῃ σοφίᾳ καὶ φρονήσει (V.8) primär mit dem Vorangehenden zusammenzuziehen, womit sich zugleich die soeben getroffene unterabschnittseröffnende Funktion der Partizipien bestätigt. Da die beiden letztgenannten Wendungen jedoch auch in gewisser semantischinhaltlicher Affinität zu den folgenden Partizipialkonstruktionen stehen, können sie gleichermaßen geradezu als ein die Unterabschnitte verbindendes ‚Amalgamierungsmittel‘ erscheinen. Für V.3b–4 ergibt sich demnach ein zweigliedriger Aufbau, der auf die Partizipialkonstruktion einen Nebensatz folgen lässt und diese beiden Glieder jeweils klauselartig mit einem ἐν-Ausdruck beschließt. Dieses Aufbauschema ist dem Grundsatz nach auch in V.5–8 als zweitem Unterabschnitt des Begründungssatzes zu erkennen, wobei der Nebensatz V.7f. zwar relativischer Art (ἐν ᾧ) ist, der Subjektwechsel zur 1.Pl. hingegen die unterabschnittsinterne Zäsur unterstreicht. Die Applikation des Schemas auf den dritten Unterabschnitt V.9–14 lässt nun V.13f. als überschüssig erscheinen: Im Anschluss an die auf den ἐνAusdruck in finaler Stellung zustrebende Partizipialkonstruktion in V.9f. wird nämlich parallel zu V.7 – ἐν ᾧ mit anschließendem Subjektwechsel in die 1.Pl.; das καί vor ἐκληρώθημεν ist entsprechend als Rückverweis auf ἐν ᾧ ἔχομεν V.7 anzusehen – in V.11 der Nebensatz eingeleitet und mit ἐν τῷ Χριστῷ in V.12 schemagemäß beschlossen.209 V.13 klinkt sich nun aber mit erneutem ἐν ᾧ in
|| 208 Mit Krämer, „Form“, 38, der zugleich herausstellt, dass „das einzig für das am Beginn der Relativsätze stehende ἐν ᾧ (V. 7. 11. 13) nicht gilt“, was die strukturell herausgehobene Stellung des Christusbezugs unterstreicht. Insbesondere für das syntaktische Verständnis von V.9f. ist jene Erkenntnis des ‚nachhinkenden‘ (vgl. Dahl, „Proömium“, 322) Charakters der Präpositionalausdrücke von tragender Bedeutung: So sind demnach die Wendungen V.9b.10a als nähere Bestimmungen von V.9a aufzufassen. Die folglich alleinstehende Infinitivkonstruktion V.10bc knüpft dann aber ihrerseits an V.9a an und ist inhaltliche Explikation des μυστήριον. 209 Der nach V.3 womöglich auffällige Gebrauch des Artikels vor Χριστός in V.11.12 könnte entsprechend stilistisch-rhetorische Gründe haben und den zielpunktartigen Charakter des dritten Unterabschnitts unterstreichen. Eine im „Vergleich zu den Homologumena gesteigerte Häufigkeit der Verwendung des Artikels bei Χριστός auch in anderen Kasus als im Genitiv“
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den syntaktischen Zusammenhang ein und verdoppelt so geradezu den Nebensatz als zweites Aufbauglied. Die beiden Schlussverse gleichen demnach einer Erweiterung, die sich eingangs an V.11 anlehnt und durch den Abschluss mit der doppelten εἰς-Wendung ein – syntaktisch freilich auf andere Weise realisiertes – Strukturmoment aus V.12 aufnimmt; die Wendung εἰς ἔπαινον δόξης αὐτοῦ rekurriert dabei nahezu wörtlich. Das Vorliegen eines Einschnitts zwischen V.12 und V.13 wird zudem durch den betonten (καί) Subjektwechsel hin zur 2.Pl. untermauert; auf den Zusammenhang mit 1,15–23, der V.13f. einen zugleich transitorischen Charakter verschafft, wurde oben bereits hingewiesen.210 Insbesondere V.3b–12 sind somit offenbar in einem engen Zusammenhang zu lesen. Dem entspricht, dass V.11f. Text- und Aussageelemente aus V.3b–10 bündeln: So begegnen hier gehäuft begrifflich-motivische Wiederaufnahmen211, zudem wird nach der in V.10b vorgenommenen Weitung der Perspektive ins Allumfassende (τὰ πάντα) zur Fokussierung auf die rahmengebende Dreieckskonstellation zurückgekehrt – die freilich in ihrer kosmischen ‚Eingebettetheit‘ im Blick bleibt, wie das Gottesprädikat ὁ τὰ πάντα ἐνεργῶν anzeigt.212 Zu diesem tendenziell abrundenden Charakter von V.11f. – der zugleich V.9f. als Klimax erscheinen lässt213 – fügt es sich, dass V.13f. sich offenbar noch einmal um ein eigenes Gravitationszentrum herum entfaltet, nämlich die Geistversiegelung V.13c: Anakoluthartig strebt V.13ab auf diesen Fluchtpunkt zu, während der auf den Geist bezogene Relativsatz V.14 rückverweisend-explikativ daran anschließt.
|| zählt mit Percy, Probleme, 187 überhaupt zu den „stilistischen Eigentümlichkeiten“ des Schreibens und ist wohl „rein syntaktischer Art“; ein Bedeutungsunterschied ist nicht zu erkennen. 210 Gleichzeitig sind V.13f. aber alles andere als ein Fremdkörper im Zusammenhang der Eulogie: Neben den oben bereits angeführten Aspekten stellen die κληρ-Motivik sowie die prospektive Grundorientierung markante Verbindungslinien zu V.11f. dar. Der Begriff ‚Erweiterung‘ ist hier also nicht in einem literarkritischen Sinn zu verstehen. 211 Anzuführen sind hier – neben dem einleitenden ἐν ᾧ (vgl. V.7) – προορίζω (vgl. V.5), πρόθεσιν (vgl. προέθετο V.9), τὰ πάντα (V.10), θέλημα (V.5.9), finales εἶναι ἡμᾶς (V.4), die Wendung εἰς ἔπαινον δόξης (V.6), ἐν τῷ Χριστῷ (V.10). Zu weitgehend und auch zu einseitig formuliert allerdings Fischer, Tendenz, 113, wenn er behauptet, dass „in Vers 11 sachlich dasselbe wie in Vers 4 gesagt wird, also eine inhaltliche Dublette vorliegt“. 212 Anders erblickt Lindemann, Aufhebung, 52 in dem τὰ πάντα Eph 1,11 einen schlichten Ausdruck für ‚alles‘ im Unterschied zu den Stellen, wo der Ausdruck „spezifisch ‚das All‘“ bezeichne. Der Zusammenhang mit 1,10 und 1,23 und also der ‚All-Formel‘ wird demgegenüber gesehen von Sellin, Eph, 112 mit Anm. 238. 213 Näherhin liegt es nahe, die Klimax in dem herausgestellten Infinitiv V.10bc zu verorten; der Merismus samt wiederholter ἐν-Wendung verleiht dem Gesagten zusätzliches Gewicht.
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Fazit: Die Briefeingangseulogie Eph 1,3–14 gliedert sich in die Leitzeile V.3a sowie einen partizipial eingeleiteten Begründungssatz. Dieser entfaltet sich in den drei Unterabschnitten V.3b–4.5–7.8–12. Die im Blick auf die Gestaltung von Anfang und Schluss aufgezeigten Parallelen können als Mittel einer syntaktischen Rhythmisierung auf übergeordneter Ebene angesehen werden.214 Mit V.11f. ist ein vorläufiger Ruhepunkt erreicht, bevor V.13f. sich in den Begründungszusammenhang einklinkt und diesen einem weiteren Höhepunkt zuführt. Dabei wird zugleich einerseits die Eulogie insgesamt abgerundet und andererseits die anschließende Danksagung vorbereitet. Ihrer Grundstruktur zufolge weist die Eulogie demnach in der Entfaltung des Begründungssatzes in V.3b–12 dem göttlichen Handeln gerade in seiner Ausrichtung auf die 1.Pl. eine Leitfunktion zu. Zu den drei die Konstruktion tragenden Partizipien hinzu treten dabei auch weitere finite, ebenfalls im Aorist gehaltene Verbformen.215 Auf diese Weise aber erscheinen die sich an die übergeordnete Hauptaussage V.3b anschließenden Ausführungen als auf dieses Gesegnethaben bezogene und es entfaltende Darstellungen des göttlichen Handelns, wie die programmatische syntaktische Unterordnung durch das καθώς V.4 verdeutlicht. Dies aber verleiht dem Abschnitt insgesamt einen narrativen Grundzug.216 Dass das Interesse des Verfassers dabei trotz der Ausrichtung am göttlichen Handeln zugleich in besonderer Weise dem ‚Wir‘ gilt, legt schon der wiederholte Subjektwechsel in die 1.Pl. nahe, wobei besonders das ἔχομεν in V.7 eine präsentische Relevanz jenes Handlungszusammenhangs andeutet.217 V.3b–12 muten somit bereits vom Aufbau her geradezu als Entfaltung eines theozentrischen und dabei zugleich auf die ἡμεῖς bezogenen Narrativs an. || 214 Die Entfaltung des Begründungssatzes in mehreren, eng miteinander verzahnten Unterabschnitten entspricht der Einschätzung bei Berger, „Hellenistische Gattungen“, 1171f., wonach die „proömienhaften Eingangsstücke“, die sich ihm zufolge in einigen neutestamentlichen Schriften und darunter eben auch dem Epheserbrief finden, durch einen „strenge[n] Aufbau in ‚Blöcken‘ mit jeweils anaphorischem semantischem Material“ auszeichnen. Die Abgrenzung dieser Blöcke für Eph 1,3–12 durch Berger weicht jedoch von dem hier vorgelegten Vorschlag ab. 215 Vgl. ἐξελέξατο (V.4), ἐχαρίτωσεν (V.6), ἐπερίσσευσεν (V.8); hierher zählt auch das passivische ἐκληρώθημεν V.11 als Passivum Divinum. 216 Das grundlegend mit den Aoristpartizipien eingeführte „narrative Handlungsmoment“ hebt auch Sellin, Eph, 81 hervor. 217 Auch Deichgräber, Gotteshymnus, 66 beobachtet dieses auffällige Interesse, das dem ‚Wir‘ zugewandt wird, und bekommt im Grundansatz auch die pragmatischen Implikationen dieses Sachverhalts in den Blick, wenn er den „Wir-Aussagen“, wenn auch vielleicht etwas zu pauschal, einen „lehrhafte[n] Ton“ attestiert.
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Diese These ist nachfolgend auf der Ebene der sprachlich-stilistischen Gestaltung im Ausgang von der Betrachtung der Wiederaufnahmestruktur zu vertiefen. Insofern V.3b–4 als dem ersten Unterabschnitt des Begründungssatzes mitsamt seiner Zuordnung zur Leitzeile V.3a eine für die Eulogie insgesamt basisgebende Funktion zuerkannt werden konnte, kann hier angesetzt werden.
III.3.2
Beobachtungen zur Wiederaufnahmestruktur
Das εὐλογητός im nominalen Hauptsatz V.3a ist indikativisch aufzufassen218, so dass ihm performativer Charakter zuerkannt werden kann219: Prononciert wird hier gleichsam ein eigener Raum eröffnet, der eine gemeinsame Gegenwart von Emittent und Rezipienten setzt und diese umfassend als Resonanzraum für das Gotteslob bestimmt. Die mit der Briefform gegebene horizontale Kommunikationssituation zwischen Absender und Adressaten wird auf diese Weise hineingestellt in eine vertikale, auf Gott hin ausgerichtete Dimension.220 Wird diese Modifizierung der Diskursebene im Weiteren noch erzähltheoretisch zu reflektieren und auf ihre pragmatischen Implikationen zu bedenken sein, so ist einstweilen festzuhalten, dass sich hier die theozentrische Ausrichtung der Eulogie programmatisch grundgelegt findet; mit dem Subjekt ὁ θεός ist der Referenzträger genannt, der nachfolgend im Mittelpunkt steht. Dies verdeutlichen dort, wie oben bereits aufgezeigt, vor allem die mit den strukturprägenden und prominent am Kolonanfang platzierten Verbalaussagen gegebenen indirekten Wiederaufnahmen, die auf Gott als grammatikalisches oder auch – so bei den Passivformen in V.10.11.13 – logisches Subjekt verweisen, ohne dieses jedoch erneut explizit zu nennen. Insbesondere in V.3–12 werden somit sämtliche Aussagefäden im Ausgang von diesem Referenzträger her entwickelt. Weitere Wiederaufnahmen, die die Kohäsion des Abschnitts befördern, erfolgen dabei mittels des – mitunter ambigen, s.u. – Personalpronomens αὐτός, mithin in Gestalt von Pro-Formen.221 Als markant erscheint vor diesem Hintergrund schließlich die im Begründungssatz der Eulogie an einer Stelle (V.11: τοῦ τὰ πάντα ἐνεργοῦντος) zu verzeichnende Wiederaufnahme mittels Substitution (s.u.). || 218 Mit Schnackenburg, Eph, 48; vgl. BDR § 128,5 mit Anm. 8; Beyer, „εὐλογέω κτλ.“, 761. 219 Vgl. Sellin, Eph, 84. 220 Vorbereitet ist dies freilich durch das Präskript und hier insbesondere den vorangehenden Gnaden- und Friedenswunsch V.2; vgl. Heckel, Segen, 30. 221 Vgl. V.4[αὐτοῦ].5[bis].6.7c.9[bis].11.12.14. Die ἐν-Wendungen (ἐν αὐτῷ / ἐν ᾧ) sind von V.3b her durchgängig auf Christus zu beziehen und fungieren gewissermaßen als technische Formel zur Näherbestimmung des göttlichen Handelns; vgl. dazu im Folgenden.
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Das V.3a in den Vordergrund gerückte Subjekt ὁ θεός wird ebendort indes durch die mit explikativem222 καί angeschlossene Wendung umgehend näher bestimmt, und zwar auf dezidiert relationale Weise, wie die Genitivkonstruktion anzeigt. Als weitere Referenzträger werden dabei der Kyrios Jesus Christus und die 1.Pl. eingeführt, womit zugleich die den Gesamtzusammenhang prägende Dreieckskonstellation aus Vater, Kyrios und 1.Pl. etabliert – bzw. aus dem Präskript übernommen, s.o. – wird.223 Diese drei Instanzen erscheinen somit (auch) in der Eulogie von vornherein sämtlich als relational verfasste, unauflöslich aneinander gewiesene Größen: Der gelobte Gott ist ein solcher, dem als Vater des Kyrios immer auch ein ‚Wir‘ zugehört.224 Findet sich in V.3a somit bereits angedeutet, dass eine Profilierung jener Referenzträger im Zusammenhang der Eulogie wesentlich auf dem Wege einer Beleuchtung des sich zwischen ihnen entfaltenden Beziehungsgefüges erfolgt, so wird die Eigenart und sprachlich-strukturelle Gestaltung dieser wechselseitigen Erhellung dem Grundsatz nach in V.3b zu Gehör gebracht. So macht die mit dem Artikel gegebene Substantivierung des Partizips ein dem ‚Wir‘ geltendes Handeln Gottes nicht nur zum tragenden Strukturmoment des Abschnitts (s.o.), sondern geradezu zur Wesensaussage – aus der Erfahrung dieses seines Tuns heraus wird Gott beschreib- oder besser: lobbar. Umgekehrt erhält aber auch das ‚Wir‘ sein Profil ganz von diesem Handeln her; die über die εὐλογητόςεὐλογήσας-Korrespondenz gebildete Paronomasie225 unterstreicht den vorgängigen Charakter, der dem Handeln Gottes zukommt. Strukturell wird dadurch signalisiert, dass nicht nur dem menschlichen Gotteslob, sondern zugleich gewissermaßen dem ‚Wir‘ überhaupt ein responsorischer Charakter eignet; dieses ‚Wir‘ verdankt sich ganz der ihm geltenden Zuwendung Gottes. Das begründend-vergleichende καθώς, das den Nebensatz V.4 einleitet, unterstreicht diese im Wortsinn radikale Rückbindung des ‚Wir‘ an das göttliche Handeln. In Fort-
|| 222 So mit Sellin, Eph, 84f. unter Verweis auf die geprägte Struktur der Eulogie; vgl. auch die Diskussion bei Schmeller, II Kor I, 57. 223 Auch für Christus und das ‚Wir‘ findet sich im Zusammenhang des Begründungssatzes V.3b–14 dabei jeweils eine Substitution (vgl. zu Christus V.6: τῷ ἠγαπημένῳ; zur 1.Pl. V.12: τοὺς προηλπικότας), während die Wiederaufnahmen ansonsten in Form von Pronomen oder Verbalformen erfolgen, allein der Christusbegriff rekurriert noch mehrfach. Da sowohl im Blick auf Gott wie Christus die Substitution keine Veränderung im Referenzbezug darstellt, wird es von hier aus zumindest nicht nahegelegt, für den Ausdruck οἱ προηλπικότες mit einer solchen zu rechnen. 224 Die Wortstellung verdeutlicht dies, insofern das ἡμῶν in V.3a von der auf Christus bezogenen Genitivkonstruktion umschlossen wird. 225 Diese wird sodann auch in der Rede von der εὐλογία πνευματική aufgenommen.
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führung der oben (III.3.1) verwendeten Formulierung lässt sich daher sagen, dass das in der Eulogie entfaltete Narrativ geradezu wie eine Konstitutions- oder Gründungsgeschichte der ἡμεῖς anmutet. Für das Gotteshandeln ist nun aber zugleich sein Christusbezug maßgeblich, wie das ἐν Χριστῷ V.3b als dritter, dem Partizip achtergewichtig zugeordneter ἐν-Ausdruck anzeigt.226 Sämtliche Gottesbeziehung des ,Wir‘, so ist angedeutet, läuft über Christus; in seiner tätigen Zuwendung legt Gott sich offenbar ganz auf diese Christusdimension fest. Damit korrespondiert zum einen, dass Christus in der Eulogie nirgends selbst als handelndes Subjekt erscheint227, jedoch mittels der Präpositionalausdrücke als nahezu durchgängig explizit mitgeführte Näherbestimmung des göttlichen Handelns – und damit auch der Heilsteilhabe des ,Wir‘, vgl. bes. V.7a.12 –, zum anderen der Umstand, dass der Bezug des Personalpronomens αὐτός dabei bisweilen einen schillernden Charakter annimmt.228 Auf diese Weise wird die Nähe und Handlungseinheit von Vater und Kyrios innerhalb der Wiederaufnahmestruktur geradezu inszeniert. Bemerkenswert ist nun, dass der Horizont der beschriebenen Dreieckskonstellation offenbar bereits in V.4 überschritten wird, denn mit dem κόσμος wird hier ein weiterer, vierter Referenzträger benannt und in gewisser struktureller Analogie zum ἡμεῖς zumindest indirekt als Objekt des göttlichen Handelns – vgl. das zugeordnete καταβολή – in den Blick gerückt.229 Darf nun der Ausdruck τὰ πάντα V.10 (vgl. V.11) als Wiederaufnahme dieses Referenzträgers angesehen
|| 226 Diese Wendung, der – bzw. deren Äquivalenten – nachfolgend eine auch in syntaktischer Hinsicht zunehmend strukturbildende Funktion zukommt, spielt als Leitbegriff für die Explikation jenes Christusbezugs dabei sowohl lokale wie auch instrumentale Dimensionen ein. Letzteres ist zumal von den διά-Wendungen V.5.7 her nicht auszuklammern. Zur Diskussion siehe Gnilka, Eph, 66–69, der zu dem Ergebnis kommt, der Gebrauch der „ἐν Χριστῷ-Aussage im Eph“ sei „nicht einheitlich“, jedoch habe „jene, die die Mittlerschaft Christi im Dreiecksverhältnis Gott–Christus–Gemeinde zum Inhalt hat, als charakteristische zu gelten“ (69). 227 V.7 scheint jedoch Christus in einer Weise in den Fokus zu rücken, die dessen aktive Rolle in Eph 2,14–18 zumindest vorzubereiten vermag. 228 So besonders in V.7c, wo sich von V.7ab her eine Deutung auf Christus durchaus nahelegen könnte (so etwa Sellin, Eph, 99), während die Berührungspunkte mit V.6 und V.8 an Gott als Bezugssubjekt denken lassen. 229 In der Diskussion wird dieser Aspekt oft nicht ausreichend wahrgenommen. So erwähnt etwa Sellin, Eph, 81 in seiner Auflistung der im Begründungssatz begegnenden „Aktanten“ diesen Referenzträger nicht, was insofern erstaunlich ist, als er demgegenüber den heiligen Geist in die Reihe mit aufnimmt. Gnilka, Eph, 76 benennt zwar treffend „das All als vierte Komponente“, die zu dem „bestimmenden Dreieck“ aus Gott, Christus und ‚Wir‘ hinzutritt, verortet dieses Hinzutreten jedoch erst in dem Abschnitt V.8b–12 (und damit zu spät).
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werden230, so ergibt sich, dass dieser an herausgehobenem, klimaxartigem Ort sogar anstelle des ‚Wir‘ als Objekt des göttlichen Handelns in den Vordergrund tritt. Auch wenn das allumfassende τὰ πάντα das ‚Wir‘ wohl durchaus miteinschließt231, ist diese Modifizierung des Fokus doch von grundlegender Bedeutung für die Tendenz des im Begründungssatz gebotenen Narrativs: Die Geschichte Gottes mit der 1.Pl. weist demnach über sich hinaus und ist einbezogen in, ja letztlich hingeordnet auf die Geschichte Gottes mit seiner Schöpfung insgesamt. Dies wird bestätigt durch die markante (s.o.) Substitution τοῦ τὰ πάντα ἐνεργοῦντος V.11, schreibt diese doch nach Maßgabe des oben zur Eigenart der partizipialen Gottesprädikationen Gesagten Gott eine unmittelbare wesensmäßige Bezogenheit auch auf τὰ πάντα zu.232 An dieser Stelle begegnet nun auch die von der vorangehenden Wiederaufnahmestruktur her nicht weniger auffällige – denn bisher war, abgesehen von den indirekten Wiederaufnahmen in den Verbalaussagen V.7.11, durchgängig das Personalpronomen gebraucht worden – Benennung der ἡμεῖς als οἱ προηλπικότες.233 Die Textoberfläche bietet zunächst keine Anhaltspunkte dafür, dass im Zusammenhang von V.3–12 hinsichtlich des ‚Wir‘ eine bezugsgrößenmäßige Verschiebung zu beobachten wäre234; die mit syntaktischen Parallelisierungen einhergehende und dicht geknüpfte Wiederaufnahmestruktur legt im Gegenteil einen einheitlichen Gebrauch der 1.Pl. nahe, der vom Präskript her als ein die fiktiven Adressaten inkludierender anzusehen ist (s.o.). Die Rückbezüge, die sich in V.13c.14 sowohl im Blick auf den Beginn der Eulogie wie auch auf V.12 als deren vorläufigen Ruhepunkt ausmachen lassen, sprechen sodann
|| 230 So erscheint in Eph 3,9 τὰ πάντα als Objekt des göttlichen Schöpfungshandelns (κτίζειν); die Aussagen über den κόσμος und τὰ πάντα treffen sich mithin in diesem Punkt. Vgl. auch Hofius, „,Erwählt‘“, 127 Anm. 31; eine Referenzidentität von τὰ πάντα und κόσμος im Epheserbrief setzt offenbar auch Schwindt, Weltbild, 354 voraus. Die grundlegende konzeptionelle Bedeutung der Schöpfungsaussage in 3,9, in der „die Überzeugung des Eph von der ursprünglichen All-Einheit auf Grund des Schöpfungsglaubens“ zum Ausdruck komme, hat insbesondere Mußner, Christus, 32 – in Abgrenzung von ‚gnostischen‘ Interpretationsversuchen des Schreibens – herausgestellt. 231 Vgl. Sellin, Eph, 108. In diese Richtung kann auch I Kor 8,5f. weisen. 232 Mit Sellin, Eph, 112 besteht bei τὰ πάντα hier zumindest ein enger Zusammenhang mit V.10 wie auch Eph 1,20–23; vgl. auch 3,9. Demgegenüber hebt Lindemann, Aufhebung, 52 den Begriffsgebrauch in V.11 stärker von V.10 ab (es sei „einfach ‚alles‘“ gemeint). 233 Der Ausdruck ist als nachgestelltes Attribut zu ἡμᾶς aufzufassen. 234 So ist das καί vor ἐκληρώθημεν nicht etwa vom Vorausblick auf V.13 bestimmt und als Profilierung eines Gegenpols zu dem dortigen καὶ ὑμεῖς intendiert (vgl. dazu Schlier, Eph, 66), sondern vom Rückbezug auf V.7 her zu verstehen.
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gleichermaßen dafür, dass mit der 1.Pl. in V.14a an die vorangehende Verwendungsweise in V.3–12 angeknüpft wird. Vor diesem Hintergrund erscheint der ‚Schwenk‘ in die 2.Pl. in V.13 tatsächlich als ein explizites Inkludieren der durch das ὑμεῖς angesprochenen fiktiven Adressaten, ja geradezu als dessen Inszenierung. Denn in sprachlichem Anschluss an V.3b–12 wie zugleich im Unterschied dazu wird mit den Aoristpartizipien ἀκούσαντες und πιστεύσαντες in biographisierender Weise der Weg der Adressaten in die sich in der 1.Pl. artikulierende Gemeinschaft nachgezeichnet.235 Dies ergibt sich insbesondere aus der in V.13c konstatierten Faktizität der Geistversiegelung: Denn die Geistbegabung erscheint ja von V.14a her als ein mit dem ‚Wir‘ gemeinsames Merkmal und somit gerade als Ausweis der Zugehörigkeit der 2.Pl. zur Wir-Gruppe; die Funktion des Geistes als Identitätsmarker wird dabei durch die hyperbatonartige236 Wortstellung in dem Ausdruck τῷ πνεύματι τῆς ἐπαγγελίας τῷ ἁγίῳ hervorgehoben. Insofern wird in V.13 die Zugehörigkeit der Adressaten zu der sich in der 1.Pl. artikulierenden Wir-Gruppe offenbar gerade unterstrichen – das V.3–12 Explizierte gilt infolge des V.13 vorausgesetzten Geschehens eben auch für die Adressaten.237 Die 2.Pl. stellt demnach in der Tat wohl eine implizite Wiederaufnahme der 1.Pl. nach Art einer Enthaltenseinsrelation dar.238 Sind solchermaßen durch den Blick auf die subjekthaften Referenzträger grundlegende Aspekte der in der Eulogie entfalteten Beziehungsgeschichte aufgezeigt, ist an dieser Stelle noch auf einen weiteren tragenden Aspekt der sprachlich-syntaktischen Gestaltung einzugehen, der sich gewissermaßen unter die Wiederaufnahmestruktur in einem erweiterten Sinne fassen lässt, nämlich den Gebrauch und die Funktion der Präpositionalwendungen innerhalb des Begründungssatzes der Eulogie. Diese sind bereits oben als ein prägendes, gleichermaßen in V.3f. grundgelegtes sprachlich-formales Charakteristikum benannt worden, das den Aussagegang vorantreibt; vielfach dienen sie dabei der koordinierenden Näherbestimmung des göttlichen Handelns, dem in der Eulogie auch in syntaktischer Hinsicht leitende Funktion zukommt.239 || 235 Hier scheint mithin eine erneute Modifizierung der Erzählebene stattzufinden; vgl. dazu im Weiteren. 236 Vgl. Robbins, „Composition“, 686. 237 Treffend Jeal, Theology, 91: „[…] the audience members were not excluded from the discussion of 1:3-12, but in 1:13 they are explicitly included in the discussion“ (Hervorhebung im Original). 238 Diese Einschätzung wird in der semantischen Analyse zu überprüfen sein. 239 Diese Näherbestimmungen betreffen besonders die Motivierung des göttlichen Heilshandelns und erfüllen somit eine für das Narrativ konstitutive Funktion.
Analyse der Textwelt | 87
Über den bereits oben aufgezeigten Christusbezug hinaus ist in diesem Zusammenhang nun das sich wie ein Herzschlag durch die Eulogie hindurchziehende komplementäre Wechselspiel von κατά-Wendungen und εἰς-Ausdrücken von tragender Bedeutung.240 Während erstere das Handeln Gottes rückkoppeln an seinen die Zeiten umspannenden Ratschluss bzw. es als dessen Hinausführung kenntlich machen241, haben letztere prospektiv-finalen Charakter. Präludiert wird dieses Wechselspiel in V.4 durch das Gegenüber von einleitendem καθώς und dem finalen Infinitiv εἶναι ἡμᾶς κτλ.242 Wenn als letztendliche Bestimmung der finalen Wendungen dabei das Lob der göttlichen δόξα erscheint243, so ergibt sich für die Eulogie insgesamt eine wiederum ganz theozentrische Dynamik, die von Gott ausgeht und wieder zum ihm hinführt. Eine sich darin bereits andeutende temporale Perspektivierung manifestiert sich dabei auf der Ebene des Präpositionsgebrauchs besonders in dem sich im Anschluss an seine Einführung in V.4 als Präfix realisierten πρό, während mit dem ἐπί V.10 (vgl. V.3b) räumliche Dimensionen in den Vordergrund treten.244
III.4
Analyse der Textwelt
Die Erschließung von Eph 1,3–14 als Textwelt fokussiert gemäß der im Eingangsteil erläuterten methodologisch-hermeneutischen Herangehensweise auf die intratextuelle Ebene, wie sie sich aus dem durch die Anordnung des Oberflächentextes gestifteten Beziehungsgeflecht des Wortmaterials ergibt. Eine gewisse strukturalistische Tendenz ist dabei nicht zu verkennen. Jedoch hat sich auch ein solcher Zugang auszuweisen an der für die jeweilige Textwelt maßgeblichen Enzyklopädie, wie im Vorangehenden bereits in Ansätzen umris-
|| 240 Auf diesen Sachverhalt hat besonders Schnackenburg, „Eulogie“, 74–78 aufmerksam gemacht. 241 Innerhalb der κατά-Wendungen sind explizite Wiederaufnahmen zu verzeichnen für εὐδοκία (V.5b.9b) und θέλημα (V.5b.11), wobei die Genitivverbindung V.5b auf den engen Zusammenhang zwischen beiden Begriffen hinweist. In diesen Cluster werden ferner durch genitivische Verbindung die βουλή (V.11) sowie – von dem προέθετο im Relativsatz V.9 her – auf dem Wege einer partiellen Rekurrenz die πρόθεσις (V.11) integriert. Im Kontext dieser als Stilmittel erkennbaren κατά-Wendungen vermag dann letztlich das Übermaß der χάρις, von dem V.7c die Rede ist, geradezu als Substitutionsbegriff zu erscheinen, der deutlich macht, dass jener Ratschluss Gottes ganz von seiner Gnade umfangen ist; vgl. dazu auch Gnilka, Eph, 73f. 242 Vgl. Schnackenburg, „Eulogie“, 74. 243 Vgl. Roitto, Behaving, 176; Caragounis, Mysterion, 137–139. 244 Das κατενώπιον V.4 fügt sich wiederum ganz in die relationale Linie ein.
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sen wurde, und ist somit – zumindest implizit – immer auch intertextuell angereichert, zieht entsprechendes Hintergrundwissen heran. Die im Vorangehenden gesammelten Erkenntnisse bezüglich der Struktur des Oberflächentextes werden nachfolgend als Bezugsgrundlage vorausgesetzt. In methodischer Hinsicht stellt zum einen, als spezifisch semantisches Analysekonzept, die Ermittlung von Isotopieebenen einen zentralen Orientierungspunkt dar. Tragende Bedeutung kommt zum anderen erzähltheoretischen Kategorien zu; besondere Aufmerksamkeit wird der Durchleuchtung der Handlungssequenz gewidmet. Geboten wird insgesamt keine kleinschrittige Diskussion der Einzelaspekte in systematischer Auffächerung; der Akzent liegt vielmehr auf einer integrierten Darstellung, wobei die narratologischen Aspekte als Geländer dienen. Entsprechend gilt es eingangs, wesentliche Ergebnisse der sprachlichsyntaktisch ausgerichteten Analyse zu rekapitulieren und auf die erzähltheoretische Perspektivierung hin zu öffnen. In der Analyse der sprachlichen Gestalt wurde der Leitzeile V.3a die Funktion der Eröffnung eines distinkten ‚Raumes‘ zuerkannt, der durch ebenjene Leitzeile grundlegend als Resonanzraum für das Gotteslob charakterisiert wird. In der Tat stellt letzteres angesichts des mehrfach aufgegriffenen ἔπαινος-Motivs (V.6.12.14) eine rahmengebende und zugleich durchgehend präsente Sinnlinie dar und dient in der Eulogie mithin als richtungsweisender Horizont, der die theozentrische Grundperspektive des Abschnitts herausstellt. Die in V.3a formulierte propositionale Basis rückt dabei, wie gesehen, von vornherein ein Beziehungsgefüge in den Blick. Im Zusammenspiel mit der durch V.3b programmatisch vorgegebenen Leitfunktion eines auf personale Subjekte hingeordneten sowie ganz durch den Christusbezug gekennzeichneten göttlichen Handelns deutet sich insofern an, dass sich jenes Gotteslob nach Art einer Beziehungsgeschichte entfaltet. Diese erweist sich maßgeblich als Geschehensfolge, die ein ‚Wir‘ als Objekt des göttlichen Handelns durchläuft, und lässt sich geradezu als Konstitutionsgeschichte, als Gründungsnarrativ des ἡμεῖς lesen. Verwoben zu sein mit diesem dominierenden Erzählstrang, in dem sich die fundamentale Situierung und Formung eines ‚Wir‘ vollzieht, scheinen aber zugleich eine kosmisch-universale Perspektive, die an herausgehobener Stelle (V.10) sogar in den Vordergrund tritt, sowie, in V.13, die abrissartige Rekapitulation einer besonderen Ereignisfolge auf Seiten der fiktiven Adressaten.245
|| 245 Das Partizip ἠγαπημένῳ in V.6 deutet ein Handeln Gottes an Christus als einen weiteren Erzählstrang an. Entfaltet wird dieser in Eph 1,20–23.
Analyse der Textwelt | 89
Erzähltheoretisch gewendet lässt sich der beschriebene ‚distinkte Raum‘ auffassen als eine eigene diegetische Ebene, die durch V.3a etabliert wird.246 Diese tritt zu der im Präskript eröffneten Ebene der (fiktiven) konkret-situativen Kommunikation zwischen Absender und Adressaten hinzu und dient offenbar wesentlich dem Entwurf jenes kollektiven Gründungsnarrativs. Dieses bestimmt die Darstellung zunächst bis einschließlich V.12 und umfasst auch den angedeuteten kosmischen-universalen Erzählstrang. Demgegenüber rekurriert der ‚Exkurs‘ V.13 ausweislich seiner direkten Anrede der fiktiven Adressaten auf die zweitgenannte diegetische Ebene, leistet jedoch zugleich eine Verschränkung der beiden Erzählebenen. Als sprachlich-syntaktisches – zu den semantischen Verbindungslinien s.u. – Scharnier dient hierfür die Aussage von der Geistversiegelung, auf die V.13 zustrebt, die jedoch zugleich dem übergreifenden Gründungsnarrativ zuzurechnen ist, wie der Gebrauch der 1.Pl. in V.14 anzeigt. Der Subjektwechsel kann somit als ein Indiz für die Unterscheidung der beiden diegetischen Ebenen dienen. Dies aber ist ein Hinweis darauf, dass den Ebenen unterschiedliche Erzählinstanzen zugeordnet sind: Ist die Ebene der fiktiven Kommunikationssituation wesentlich durch das Gegenüber von 1.Sg. und 2.Pl. gekennzeichnet247, so erscheint im Zusammenhang des Gründungsnarrativs eine inklusive 1.Pl. als maßgebliche Erzählinstanz – die freilich vom Ich des fiktiven Verfassers zur Sprache gebracht wird, so dass dieser als geradezu exemplarischer, für die Formulierung jener Geschichte kompetenter Repräsentant dieser Wir-Gruppe erscheint.248 Die Interdependenz der solchermaßen füreinander geöffneten Erzählebenen wird, darauf sei vorausgreifend hingewiesen, im weiteren Schreiben als Gestaltungsmoment genutzt. So kann das Bespielen der konkret-situativen Ebene in Eph 1,15–19 mit V.20–23 überführt werden in eine Elaboration der Konstitutionsgeschichte249, die in Eph 2, wie dort schon der wiederholte Wechsel
|| 246 Anknüpfen kann V.3a dabei an die salutatio V.2; zur Verknüpfung von Präskript und Eulogie vgl. oben III.2. 247 Der Umstand, dass im Präskript keine Mitabsender genannt werden und also Paulus als alleiniger Absender erscheint, unterstreicht diese Konstellation. 248 Vgl. dazu die Ausführungen zur Eulogie als Textsorte unter III.5, zu deren formalen Charakteristika es zählt, das Involviertsein des Sprechenden in das Geschehen, das im Begründungssatz dargelegt wird, zu betonen. 249 Der diegetische Ebenenwechsel wird insbesondere durch die inklusive 1.Pl. in V.19 eingeleitet; ja, die relativisch angefügten Ausführungen in V.20–23 sind syntaktisch letztlich von der Explikation des ἡμᾶς als τοὺς πιστεύοντας in V.19 abhängig und somit eng darauf bezogen. Dem entspricht, dass der Passus V.20–23 auf die ἐκκλησία-Thematik hingeführt wird, so dass
90 | Grundlegung: Exegese von Eph 1,3–14
zwischen 1. und 2.Pl. verdeutlicht, wiederum vernetzt wird mit der (scheinbar) partikularen Geschichte des ὑμεῖς. Auf diese Weise scheint es im Übrigen zugleich denkbar, dass der für die Konstitutionsgeschichte veranschlagte paradigmatische Charakter in gewissem Maße auch auf jene andere Erzählebene abfärbt.250 Vor diesem Hintergrund bietet es sich an, die Analyse der Textwelt auch auf der abschnittsbezogenen Mikroebene auszurichten an der beschriebenen Differenzierung von zwei diegetischen Ebenen und mehreren Erzählsträngen. Zunächst sollen indes, in Ergänzung der bereits genannten Gesichtspunkte, auf eher kursorische Weise einige übergeordnete narrativ-konzeptionelle Merkmale von Eph 1,3–14 benannt werden, bevor anhand der Beschreibung der Handlungssequenz in eine vertiefte Betrachtung eingestiegen werden soll.
III.4.1
Charakteristika der narrativen Struktur von Eph 1,3–14
Aus erzähltheoretischer Sicht ist der Aspekt der ‚Motivierung‘ konstitutiv, um die Darstellung eines Geschehens als Narrativ im Sinne eines integrierten, sinnhaften Zusammenhangs zu erweisen.251 In der Eulogie kommt ebendiese Funktion dem Gotteswillen zu, wird die in Eph 1,3–14 entwickelte Ereignisfolge doch insgesamt als ein durch Gott selbst heraufgeführtes Hinausführen seines Ratschlusses dargestellt, wie besonders die κατά-Wendungen in V.5b.9b.11 signalisieren. Der Gotteswille, der sich von V.7c – und also dem metonymisch durch sein „Blut“ bezeichneten Kreuzestod Christi, vgl. 2,13.16 – her als ganz durch die göttliche Gnade bestimmt zu erkennen gibt, ist somit das bestimmende movens allen Geschehens. In dem V.9f. explizierten μυστήριον offenbar auf seinen inhaltlichen Kern zugeführt, zielt der Gotteswille letztlich auf nichts anderes als das Lob der δόξα Gottes (V.14c; vgl. V.6.12), das gemäß dem soeben Gesagten stets auch das Lob seiner χάρις ist (V.6). Mit der κατά-εἰς-Alternation werden
|| der Bezug auf das gemeinschaftliche Selbstverständnis als Rahmen dient für V.20–23, wo im Übrigen gerade auch der kosmische Erzählstrang aufgenommen wird. 250 Siehe dazu die Ausführungen zu Eph 1,13 im Folgenden (III.4.2.3). Das Verhältnis der beiden Ebenen im Epheserbrief gestaltet sich demnach komplex; eine saubere Scheidung scheint insgesamt schwer möglich. So ist etwa damit zu rechnen, dass auch auf der konkretsituativen Ebene Aussagen gemacht werden, die sich dem Gründungsnarrativ zurechnen lassen. Diese Komplexität wird im Weiteren nicht zuletzt dadurch befördert, dass das Ich des Paulus durch Eph 3,2–13 in besonderer Weise der Gründungsgeschichte ‚einverleibt‘ wird. 251 Vgl. dazu Martinez/Scheffel, Einführung, 108–119, bes. 109f.111.
Analyse der Textwelt | 91
somit offenbar eine kausale und eine finale Motivierungsstrategie miteinander verbunden und mit Nachdruck explizit gemacht.252 Als übergeordnetes Handlungskonzept innerhalb des in der Eulogie dargestellten Geschehenszusammenhangs wird in V.3b nun ein den ἡμεῖς zuteilgewordenes göttliches εὐλογεῖν benannt.253 Vor dem Hintergrund der Paronomasie V.3ab deutet sich damit eine besondere Tiefendimension der finalen Motivierungsstruktur des Narrativs an: Das Korrespondenzverhältnis von (göttlichem) Segnen und (menschlichem) Loben lässt die Zuwendung Gottes nämlich, bildhaft gesprochen, von vornherein als darauf angelegt erscheinen, den Ball aufnehmen und zurückspielen zu können. Entsprechend erscheint die εὐλογία πνευματική V.3b nicht nur als umfassende Bezeichnung für das gewährte Segensgut, sondern zugleich als dynamisches Vollzugsmoment bzw. maßgebliches Medium der Beziehungsgestaltung, zu der Gott befähigt. Vorgespurt wird damit der Gedanke der existenzbestimmenden Prägekraft pneumatischer Konstellationen, dem im Epheserbrief eine Schlüsselrolle beizumessen ist. Vorgespurt wird aber auch das Motiv des Gewährens einer – offenbar recht weitgehenden, vgl. das plerophore πᾶσα bei εὐλογία – Partizipation am Wesensbereich Gottes, wie es im Folgenden besonders durch die ἐνBestimmungen als Abschluss der Unterabschnitte des Begründungssatzes in V.4.8 zum Ausdruck kommt.254 Die Beziehungsgeschichte zielt somit offenbar auf ein Hineingenommenwerden in die – von Grund auf mit einem Christusbezug versehene – Gottesnähe, wie sie in V.5 mit dem Motiv der Gotteskindschaft, das dem Vatersein Gottes (V.2f.) korrespondiert, denn auch auf den Begriff gebracht wird. Bereits die finale Infinitivwendung in V.4 weist freilich darauf hin, dass dieser durch seine Gottesrelation bestimmte Beziehungsstatus ein solcher ist, der – auf Seiten der in die Gottesnähe Hineingenommenen – auf die Realisierung in
|| 252 Diese Nachdrücklichkeit ist angesichts der von nicht wenigen Unbestimmtheitsstellen durchzogenen Textstruktur durchaus bemerkenswert; sie unterstreicht die theozentrische Grundhaltung. 253 Zum übergeordneten Charakter von V.3b im Zusammenhang des Begründungssatzes der Eulogie vgl. die Analyse der sprachlichen Gestalt unter III.3. 254 Diese Bestimmungen sind zwar vorrangig dem ‚Wir‘ zuzuordnen, nichtsdestotrotz schillern sie in ihrem Bezug, da sie auch als adverbiale Näherbestimmungen des göttlichen Handelns verstanden werden könnten; vgl. die Ausführungen zur Gliederung des Abschnitts. Insofern erscheinen ἀγάπη, σοφία und φρόνησις als Eigenschaften Gottes, an denen dem ‚Wir‘ Anteil gegeben wird. Folgerichtig können die fiktiven Adressaten in der Spitzenaussage Eph 5,1 dazu aufgefordert werden, sich als μιμηταὶ τοῦ θεοῦ zu erweisen.
92 | Grundlegung: Exegese von Eph 1,3–14
Gestalt eines ihm gemäßen Selbstvollzugs drängt.255 Als dessen Quintessenz wird dabei die Liebe vor Augen gestellt; ἐν ἀγάπῃ qualifiziert den Infinitivausdruck in umfassender Weise.256 Ausweislich des Christusprädikats ὁ ἠγαπημένος in V.6 stellt die tätige Liebe des Vaters zum Sohn hierfür Maßgabe und ‚Urgrund‘ dar.257 Es darf vermutet werden, dass nicht zuletzt in dem so bestimmten Selbstvollzug auch die Realisierung des Gotteslobs und also der Zielpunkt des gesamten Geschehenszusammenhangs liegt.258 Die Verortung dieses Selbstvollzugs κατενώπιον αὐτοῦ und also ‚in seinem‘, d.h. Gottes ‚Angesicht‘ in V.4 zeigt dabei an, dass die beschriebene Partizipationsdynamik das Gegenüber von Vater und Kindern nicht aufhebt, sondern dieses vielleicht vielmehr ins rechte Licht setzt. Der narrativen Koordinierung in Eph 1,3–14 dient weiterhin besonders die Koppelung des Geschehens an räumliche und zeitliche Kategorien.259 So eröffnen, um zunächst auf den erstgenannten Aspekt einzugehen, die ἐνWendungen in V.3b eine spatiale Achse. Denn zumindest für den an zweiter Stelle stehenden Ausdruck ἐν τοῖς ἐπουρανίοις, dessen formelhafte Verwendung im Epheserbrief eine einheitliche Gebrauchsweise nahelegt260, ist eine
|| 255 In Eph 4,1 wird dieser Entsprechungsgedanke prägnant formuliert und zur Überschrift für die Paraklese gemacht. 256 Offen bleibt an dieser Stelle, ob dabei die Liebe untereinander oder die Liebe zu Gott im Blick ist. Erstere wird man vom weiteren Kontext her jedenfalls nicht auszublenden haben, vgl. nur Eph 4,2c. 257 Die ‚Dreieckskonstellation‘ aus Vater, Sohn und Glaubenden gestaltet sich im Epheserbrief als ein Gefüge von Liebesbewegungen, in das die Glaubenden hineingenommen werden; vgl. noch bes. 1,15; 2,4; 4,15f.; 5,1f.; 6,23f. 258 Dem entspricht, dass das εἰς ἔπαινον δόξης αὐτοῦ in V.12 geradezu als Substitution des Ausdrucks ἁγίους καὶ ἀμώμους aus V.4 fungiert. 259 Die Debatte um das Zeitverständnis des Epheserbriefs sowie um die Verhältnisbestimmung zwischen zeitlicher und räumlicher Semantik stellt – nicht erst seit Andreas Lindemanns 1975 publizierter Dissertation – einen Brennpunkt der neueren Forschungsdiskussion dar; aus jüngerer Zeit genannt sei nur Rantzow, Christus. 260 Dies ist der – freilich keinesfalls unumstrittene – Ausgangspunkt der für die neuere Forschungsdiskussion grundlegenden Analyse von Hugo Odeberg; vgl. ders., View, 7. Als Hinweis auf den formelhaften Charakter führt Schlier, Eph, 45 den Beleg Eph 3,10 an, wo es ihm zufolge doch auch schlicht heißen könnte „ταῖς ἀρχαῖς ... ἐπουρανίοις“. In methodischer Hinsicht ist Sellin, Eph, 88 an sich nur zuzustimmen, wenn er den semantischen Gehalt von τὰ ἐπουράνια – so die von ihm bevorzugte Nominativform von τοῖς ἐπουρανίοις – „jeweils nach den im Kontext erkennbaren Relationen“ bestimmt wissen will. Zu fragen ist jedoch, ob es nicht gelingen kann, beide Aspekte miteinander zu verbinden und also ein solches inhaltliches Profil der Wendung zu ermitteln, das sich gerade aus der den jeweiligen Mikrokontext berücksichtigenden Zusammenschau der Einzelbelege ergibt. Sellin scheint einem solchen Ansinnen freilich
Analyse der Textwelt | 93
räumliche Bedeutung plausibel, wie bereits die nächste Belegstelle für dieses Syntagma in 1,21 anzeigt.261 Bezeichnet wird hierdurch offenbar die Himmelssphäre; das Präfix ἐπ- lässt sich nach Analogie eines ἐπιθαλάσσιος (‚am Meer gelegen‘) im Sinne von ‚an‘/‚bei‘ verstehen, so dass der Gesamtausdruck mit ‚in den himmlischen Bereichen/Gefilden‘ wiedergegeben werden kann.262 Insofern die ἐν-Wendungen in Eph 1,3b sämtlich auf das vorangehende Segnen Gottes und damit das übergeordnete Handlungskonzept zu beziehen sind263, kommt auch dem ἐν τοῖς ἐπουρανίοις eine programmatische Bedeutung zu: Stellt die εὐλογία πνευματική das maßgebliche Beziehungsmedium dar, so scheint mit jenem Ausdruck die maßgebliche Sphäre bezeichnet, in der diese Beziehung – und damit auch das Gotteslob bzw. die durch V.3a eröffnete diegetische Ebene264 – ihren Ort hat. Insofern scheint hier implizit eine Lokalisierung
|| eher skeptisch gegenüberzustehen, rechnet er doch mit einer gewissen „Inkonsequenz im Sprachgebrauch“ des Verfassers (a.a.O., 87). 261 Die weiteren Belege für ἐν τοῖς ἐπουρανίοις im Epheserbrief (2,6; 3,10, 6,12) stehen dem nicht nur nicht entgegen, sondern eine räumliche Deutung bereitet hier insgesamt die geringsten Schwierigkeiten; vgl. Mußner, Christus, 9f.; Lincoln, „Re-Examination“, passim. Ist der lokale Charakter erkannt, hängt nur noch relativ wenig an der umstrittenen Frage nach dem Nominativ, auf den die Wendung zurückzuführen ist, d.h. ob dieser als οἱ οὐράνιοι (mit einem womöglich zu ergänzenden τόποι) und also als Maskulinum oder aber als τὰ ἐπουράνια und damit als Neutrum zu bestimmen ist. Eine Entscheidung in dieser Angelegenheit ist demgemäß nicht zwingend erforderlich. Zur Diskussion vgl. Odeberg, View, 7, der – wie nicht wenige andere – das Neutrum für wahrscheinlicher hält; vgl. auch Caragounis, Mysterion, 147. 262 Vgl. Traub, „ἐπουράνιος“, 538. Abgegrenzt wird sich damit von einer Deutung, die das Syntagma als Bezeichnung eines besonderen Ortes interpretiert, der von jenem, der durch den einfachen Plural (οἱ) οὐρανοί bezeichnet wird, abzuheben ist; vgl. in diesem Sinne aber Rantzow, Christus, 84–105. Beide Formulierungsweisen dürften in lokaler Hinsicht referenzidentisch sein, wie Traub, a.a.O., 539 zu Recht voraussetzt. (Entsprechend kann der κύριος der Christusglaubenden in 6,9 denn auch problemlos ἐν οὐρανοῖς verortet werden, ohne dass sich daraus eine Spannung zu 1,20 ergeben müsste.) Dies schließt nun aber durchaus nicht aus, dass dieser eine Bereich dabei jeweils unter unterschiedlichem Aspekt in den Blick genommen werden kann; vgl. dazu die Überlegungen im Folgenden. Zutreffend an der These einer lokalen Staffelung ist im Übrigen die Beobachtung, dass der Epheserbrief offenbar tatsächlich mit einer Mehrzahl von ‚Himmelsschichten‘ rechnet (vgl. 4,10) und dabei kosmische Kräfteverhältnisse durch räumliche Szenarien zum Ausdruck bringen kann (vgl. 1,20–23). 263 So mit Sellin, Eph, 86. Anders z.B. Dibelius/Greeven, Eph, 59, denen zufolge ἐν τοῖς ἐπουρανίοις auf εὐλογία zu beziehen ist. Einen Mittelweg wählt Lincoln, „Re-Examination“, 469: Die drei „adverbial phrases“ seien zwar dem substantivierten Partizip ὁ εὐλογήσας zuzuordnen, jedoch gelte zugleich, dass „in its position immediately following ἐν πάσῃ εὐλογίᾳ πνευματικῇ it [sc. das ἐν τοῖς ἐπουρανίοις] inevitably tends to qualify that phrase also“. 264 Eph 1,3–14 erscheint somit geradezu als Musterbeispiel für die ‚geistlichen Psalmen, Hymnen und Lieder‘, zu denen Paulus seine Adressaten im Weiteren ermuntert (Eph 5,19).
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der beteiligten Akteure und damit auch des ἡμεῖς mitgesetzt: Der geistliche Segen wird dem ‚Wir‘ ἐν τοῖς ἐπουρανίοις zuteil, das ‚Wir‘ – und damit auch der Sprecher bzw. die Stimme auf dieser Erzählebene – partizipiert mithin an diesem Bereich.265 Die Existenz des ‚Wir‘ erweist sich demnach als pneumatisch bestimmt und (eben darin?) auf himmlische Sphären hin geöffnet. Der erneute Rekurs auf spatiale Kategorien in dem Merismus V.10c rückt die Wendung im Weiteren in den Zusammenhang einer umfassenden kosmischen Topologie, die gemäß V.9f. einen zentralen Bezugsrahmen für die theologische Konzeption des Epheserbriefs darstellt.266 Charakteristisch scheint dabei schon von der Eulogie her, dass die räumliche Weltordnung weniger als statische Struktur, sondern vielmehr dynamisierend als Schauplatz von Beziehungsprozessen gesehen wird, die im Kern gerade durch ein Verschränktwerden räumlicher Ebenen, durch ihre Transparenz füreinander geprägt sind.267 Dies kann sich bereits in 1,3b angedeutet finden, insofern gemäß 2,6 das ἐν τοῖς ἐπουρανίοις ja durchaus kein dem ‚Wir‘ ohne weiteres zugänglicher Bereich ist. Deutlicher tritt dieser Aspekt sodann in der Benennung eines universalen, Himmlisches und Irdisches zusammenführenden ἀνακεφαλαιώσασθαι als Fluchtpunkt des göttlichen Ratschlusses und Heilshandelns in 1,10 hervor.268 Indem diese Verschränkung in V.10bc zugleich dadurch näher bestimmt wird, dass sie sich ἐν τῷ Χριστῷ bzw. ἐν αὐτῷ vollzieht, wird spätestens von dort her auch diese Wendung, die – ohne Artikel – bereits in V.3b als finaler ἐν-
|| Dem entspricht auch, dass jenen (mündlichen) Texten dort eine betont horizontale Kommunikationsrichtung gegeben wird (λαλοῦντες ἑαυτοῖς). Denn eine solche wird ja auch in der Briefeingangseulogie pointiert zur Geltung gebracht, siehe die formale Analyse unter III.5. 265 Vgl. Schlier, Eph, 44. 266 Berührt wird damit die Frage nach dem ‚Weltbild‘ des Epheserbriefs, der vielfach zentrale Bedeutung für das Textverständnis beigemessen wird. So konstatiert etwa Schwindt in der Einleitung zu seiner umfassenden Studie zum Thema, eine „ ,weltbildliche‘ Diktion“ bestimme „die theologischen Ausführungen durchgehend“ und bilde „offensichtlich den Schlüssel für die Gesamtdeutung und theologiegeschichtliche Einordnung des Briefes“; vgl. Schwindt, Weltbild, 1. 267 Dass „die Dynamik des Weltbildes des Eph […] als dessen bemerkenswertestes Charakteristikum angesehen werden muss“, hebt Gnilka, Eph, 65 in seinem Exkurs zum Thema daher zu Recht hervor. 268 Der Begriff ἀνακεφαλαιώσασθαι meint hier mit Schwindt, Weltbild, 451 „die integrierende Verbindung von Himmel und Erde in Christus“. Auch wenn das Verb etymologisch nicht direkt von κεφαλή, sondern κεφάλαιον abzuleiten ist (vgl. Schlier, „ἀνακεφαλαιόομαι“, 681f.), dürfte dabei der Bezug zur Prädikation Christi als kosmischer (und ekklesialer) κεφαλή in 1,22 mitschwingen. So etwa auch Schnackenburg, Eph, 58f.; dagegen u.a. Lindemann, Aufhebung, 96 Anm. 50; Barr, Bibelexegese, 237.
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Ausdruck auftaucht, eng mit räumlichen Kategorien assoziiert und semantisch entsprechend ‚aufgeladen‘. Eine lokale Bedeutung scheint mithin auch für das im Epheserbrief häufige, mitunter vielleicht formelhaft anmutende269 ἐν Χριστῷ etc. nicht ausgeschlossen, wenngleich schon die ‚summarische‘ Schlußstellung desselben in der Trias V.3b es als denkbar erscheinen lässt, dass instrumentaler und lokaler Aspekt hier zusammenfallen können.270 Markant erscheint jedenfalls, dass besonders von 1,10 her die Vorstellung eines ‚Christusraums‘ im Sinne eines die kosmischen Ebenen übergreifenden ‚Integrationsraums‘ in den Blick kommt. Die Zusammenschau von V.3b und V.10 führt bereits mitten hinein in einige strittige Punkte der exegetischen Diskussion zum Weltbild des Epheserbriefs.271 Auf einen besonderen Aspekt, der sich bereits ‚eulogie-intern‘ zur Klärung aufdrängt, ist dabei an dieser Stelle exkursartig einzugehen. So prägt das Nebeneinander von formelhaftem ἐν τοῖς ἐπουρανίοις (V.3b) und dem einfachen Plural (οἱ) οὐρανοί, wie er in dem Ausdruck τὰ ἐπὶ τοῖς οὐρανοῖς in V.10 begegnet, nicht nur den Befund in der Eulogie, sondern auch im weiteren Brief.272 Aufgeworfen wird somit die Frage, wie das Verhältnis zwischen jenen beiden Formulierungsweisen zu bestimmen ist, mithin ob – sofern man in ihrem Nebenei-
|| 269 Vgl. Bultmann, Theologie, 528. 270 Die Semantik von ἐν Χριστῷ im Epheserbrief ist umstritten. Dezidiert für eine lokale Deutung votiert Gese, Vermächtnis, 171–175; ihm zufolge dient ἐν Χριστῷ im Epheserbrief sogar „als ein fester Terminus technicus für den Heilsraum der Kirche“ (a.a.O., 174, Hervorhebung im Original). Demgegenüber erblickt Gnilka, Eph, 66–69 in der Herausstellung der „Mittlerschaft Christi“ (69) die für den Epheserbrief bezeichnende Verwendungsweise. 271 Zu den ‚klassischen‘ Themen zählt weiterhin vor allem die Frage, ob der Epheserbrief einen zwei- oder dreistufigen Weltaufbau voraussetzt, ob also Himmel und Erde um die Vorstellung einer Unterwelt zu ergänzen sind. Diese Frage entzündet sich vor allem an der strittigen Deutung der Katabasis Christi εἰς τὰ κατώτερα [μέρη] τῆς γῆς (4,9), die als Hinabsteigen in die Unterwelt aufgefasst werden könnte. Die Struktur des Kosmos scheint im Epheserbrief jedoch dem Grundsatz nach binär konstruiert zu sein, wie es ja auch dem zweiteiligen Schema von Anabasis und Katabasis in 4,8–10 ganz zu entsprechen scheint; vgl. Lindemann, Aufhebung, 49. Der Genitiv τῆς γῆς in 4,9 lässt sich in diesem Zusammenhang als Genitivus appositionis bzw. epexegeticus verstehen, so dass die Erde hier – unter Betonung des Gegensatzes zur himmlischen Höhe – pauschal als „die unteren Teile“ bezeichnet wird; vgl. Gnilka, Eph, 209 mit Anm. 5. 272 Der einfache Plural findet sich ferner in Eph 3,15; 4,10; 6,9, der Ausdruck ἐν τοῖς ἐπουρανίοις in 1,20; 2,6; 3,10; 6,12.
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nander nicht eine bloße stilistische Varianz erblicken möchte273 – zwischen ihnen inhaltliche Unterschiede bestehen. * Der gleichsam technische Gebrauch der Wendung ἐν τοῖς ἐπουρανίοις im Epheserbrief lässt, wie oben angedeutet, zumindest die Vermutung zu, dass sich hiermit eine spezifische Semantik verbindet. Die Annahme, dass diese darin bestehe, im Sinne einer weitergehenden Aufgliederung des kosmographischen Schemas die ἐπουράνιοι/-α von den οὐρανοί abzuheben, wurde dabei bereits ausgeschlossen; beide Begriffe scheinen vielmehr auf ähnliche Weise als komprehensive Sammelbegriffe für den Himmelsbereich zu fungieren. In Erwägung zu ziehen ist jedoch, dass dieser eine Bereich möglicherweise unter jeweils unterschiedlichem Aspekt in den Blick genommen wird. Auszugehen ist für eine entsprechende semantische Rückfrage zunächst von der im Epheserbrief zu erkennenden Konzeptualisierung von Welt als Schöpfung Gottes, die – in ihrem Aufbau wesentlich durch die Dichotomie von Himmeln und Erde bestimmt – als solche in allen ihren Teilen auf ihn bezogen ist. Diese „prinzipiell einheitlich konzipierte Vorstellung des Eph von der Welt“274, die als Basis des im Epheserbrief konstruierten Weltbildes angesehen werden kann, wird durch das Gottesprädikat ὁ τὰ πάντα κτίσας in 3,9 auf den Punkt gebracht.275 Bereits in der Eulogie klingt sie jedoch vernehmlich an – so in der auf das göttliche Schöpfungshandeln verweisenden Erwähnung der καταβολὴ κόσμου in V.4, in der Bezeichnung Gottes als ὁ τὰ πάντα ἐνεργῶν, als allumfassender ‚Wirkmächtigkeit‘ in V.11 wie auch in dem Umstand, dass letztlich das All insgesamt Bezugsobjekt des göttlichen Heilshandelns in Christus ist (V.10). Der einfache Plural (οἱ) οὐρανοί wird im Epheserbrief nun maßgeblich – so neben 1,10 auch in 3,15 – im Zusammenhang eines Merismus, der die Himmel als eigenständigen Bereich von der Erde unterscheidet, gebraucht. Insofern || 273 So fügt sich Schmid, Epheserbrief, 152 zufolge die „ungewöhnlichere und pathetischere Wendung“ ἐν τοῖς ἐπουρανίοις ganz „in den feierlichen Gesamtton des Briefes“ – wobei Schmid freilich (in eher vagem Anschluss an Robinson) nichtsdestotrotz mutmaßt, dass sich „durch diesen allgemeineren Ausdruck die Vorstellung etwas über das rein Lokale hinaus erweitert“. 274 Gnilka, Eph, 65. 275 Treffend spricht Schwindt, Weltbild, 315 daher vom „τὰ πάντα-Charakter der Welt“. Diese Bezogenheit ist freilich eine wechselseitige: Auch für Gott gilt, dass seine Hinwendung zu dieser Welt für ihn konstitutiv ist.
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spricht einiges für die – auch auf dieser Beobachtung gegründete – Einschätzung Schwindts, dass mit dem einfachen Plural „vor allem die Himmelstektonik“ angedeutet werde, „wie sie dem Deuteropaulinen als vorfindliches, weltimmanentes Schöpfungswerk Gottes mehr oder weniger anschaulich vor Augen steht“.276 Demgegenüber könnte sich von 1,3 angesichts der dortigen Betonung der Faktizität einer umfassenden Heilsteilhabe wie auch von 1,20 her die Vermutung nahelegen, das Proprium der Formel ἐν τοῖς ἐπουρανίοις bestehe darin, dass sie durch die Perspektive des Christusereignisses mitsamt seinen universalen Implikationen (vgl. 1,9f.) bestimmt sei. Die Wendung könnte dann etwa die neue (eschatologische) Qualität, die das All in jenem Zusammenhang gewinnt (bzw. gewonnen hat), als Bezugshintergrund aufrufen277 oder auch geradezu „die himmlische Welt, insofern sie mit dem neuen Äon identisch ist“278, bezeichnen. Schwierigkeiten bereitet hierfür jedoch zum einen, dass das räumliche Szenario, das in 1,20f. um die Aussagen zu Auferweckung und Einsetzung Christi ἐν
|| 276 Vgl. Schwindt, Weltbild, 359. Die weiteren Belege für den einfachen Plural im Epheserbrief sind mit dieser Deutung kompatibel. So wird in Eph 6,9 – im Zusammenhang der sog. Haustafel – offenbar mit einer Gegenüberstellung von himmlischer und irdischer Sphäre operiert, wie denn das ἐπὶ τῆς γῆς in 6,3 auch geradezu als Pendant zu dem ἐν οὐρανοῖς in V.9 erscheinen kann. Vgl. auch (ohne den Verweis auf 6,3) Harris, „‘Heavenlies’“, 85f. – In 4,10 betont der einfache Plural dann den räumlich-haptischen Aspekt des Himmelsaufstiegs Christi: Dieser durchzog tatsächlich sämtliche Bereiche des Himmels (mit der Folge, dass der ihm zur Residenz zugewiesene Thronbereich zur Rechten Gottes im spatialen Schema mit Mußner, Christus, 10 als „[z]u höchst in diesem Bereich, ihn fast [!] noch übersteigend“ anzusiedeln ist). Dazu fügen sich auch die Verbindungslinien zwischen 4,8–10 und 1,20–23, insofern jene Bereiche ja nicht abzulösen sind von ihrer Koppelung an die sie beherrschenden Mächte und Gewalten. Denn mit Schwindt, Weltbild, 509 gilt (auch) für das Weltbild des Epheserbriefs ein „konstitutiver Zusammenhang von Räumen und Mächten“, wonach „Räume […] erst und nur als bemächtigte konturiert“ sind, während „sich Mächte allein in und über Räume [gestalten]“. Entsprechend konstatiert Mußner, Christus, 5 zu Recht, die Himmel seien „als Sitze der verschiedenen Mächte aufzufassen“. Mit dem Aufstieg Christi „über alle Himmel“ – und damit zugleich durch diese hindurch – können die von ihm eingeholten „Kriegsgefangenen“ demnach tatsächlich ausnahmslos alle Mächte umfassen. Die Mächte sind in der Rede von den Himmeln in 4,10 somit unausweichlich mit im Blick, ohne dass es nötig wäre, hier eine Metonymie – vgl. in diese Richtung Harris, „‘Heavenlies’“, 84, der das τῶν οὐρανῶν in 4,10 als „metaphor of simple replacement“ für „the ‚powers‘ of 1:21“ auffasst – zu postulieren. 277 In diese Richtung geht Schwindt, Weltbild, 359, der entsprechend in dem „Kosmosmerismus von Erde und Himmeln […] den πότε-Zustand des Kosmos als von Gott geschaffene, aber noch nicht vollendete Welt“ gespiegelt sieht. 278 Percy, Probleme, 181. Ähnlich Lincoln, „Re-Examination“.
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τοῖς ἐπουρανίοις herum entworfen wird, durch V.21b eben nicht nur auf den ‚kommenden‘, sondern zunächst einmal auf ‚diesen Äon‘ bezogen wird; der Gedanke einer die Zeiten übergreifenden Kontinuität in der spatialen Konstellation scheint hier tragend zu sein.279 Zum anderen kann der Aufenthaltsort des himmlischen κύριος in 6,9 durchaus auch mit einfachem ἐν οὐρανοῖς angegeben werden. Dieser letztgenannte, aus dem Zusammenhang der sog. Haustafel stammende Beleg weist nun jedoch darauf hin, dass für die Adressaten als Christusglaubende trotz ihrer Assoziation mit dem durch ἐν τοῖς ἐπουρανίοις bezeichneten Bereich (1,3; 2,6) im Epheserbrief offenbar gleichermaßen eine Verortung auf der Erde vorausgesetzt wird (vgl. 6,3). Damit aber kommt ein Gedanke in den Blick, den bereits Hugo Odeberg zum Ausgangspunkt weiterführender – in ihrem Ergebnis letztlich jedoch nicht überzeugender280 – Überlegungen nahm, nämlich dass der Formel ἐν τοῖς ἐπουρανίοις trotz ihres eindeutigen lokalen, d.h. auf die Himmel verweisenden Referenzcharakters zugleich ein spezifischer Bezug zur „terrestrial sphere“ inhärent sei.281 Für die Ermittlung der näheren Eigenart dieses Bezugs kann dabei einerseits angeknüpft werden an die obige Einschätzung, mit jener Formel werde in 1,3 eine ‚existenzbestimmende Sphäre‘ benannt, andererseits an die Beobachtung Schliers, ἐν τοῖς ἐπουρανίοις erscheine, „außer in 1,3“, im Epheserbrief „immer im Zusammenhang der Erwähnung der ‚Mächte‘“282, wobei die Formel nicht zuletzt der Lokalisierung ebendieser dient (vgl. 3,10; 6,12). Charakteristisch ist nämlich, dass diese ebenfalls ἐν τοῖς ἐπουρανίοις angesiedelten Mächte von hier aus die Menschen angehen – und zwar gemäß 2,1f. auch abseits des Christusgeschehens.283 Es besteht demnach offenbar ein tiefgreifender und nicht erst durch das Christusgeschehen gestifteter Zusammenhang zwischen himmlischem und irdischem Bereich, der sich als ein energetisch-pneumatisches und existenzbestimmendes Übergreifen der himmlischen
|| 279 Vorausgesetzt ist dabei, dass der mit οὐ μόνον eingeleitete Nachsatz sich – wie die vorangehenden adverbialen Bestimmungen auch – auf den an das Partizip καθίσας angedockten Gesamtzusammenhang bezieht (zur Diskussion vgl. Sellin, Eph, z.St.). 280 Nicht überzeugend ist insbesondere Odebergs ekklesiologische Verengung der Formel, wonach diese zur Bezeichnung eines „realm as a condition of the Church in Christ“ gebraucht werde, vgl. Odeberg, View, 13 und dazu die berechtigten Einwände bei Mußner, Christus, 11f. 281 Odeberg, View, 9. 282 Schlier, Eph, 45. 283 Der in Eph 2,2b erwähnte ‚Luftbereich‘ ist der Himmelssphäre zuzurechnen, vgl. Mußner, Christus, 16–18; Lindemann, Aufhebung, 49.
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Sphäre bzw. der in ihr machtvoll wirksamen Instanzen auf das irdische Geschehen beschreiben lässt. Ebendiesen Aspekt herauszustellen, könnte das Proprium der Formel ἐν τοῖς ἐπουρανίοις sein: In Abhebung von dem eher das (komplementäre) Ansich-Sein von Himmeln und Erde hervorhebenden einfachen Plural könnte die Formel nicht nur auf den himmlischen Bereich als solchen verweisen, sondern dabei zugleich, im Sinne eines Interpretaments von Welterfahrung, eine spezifische Verhältnisbestimmung von himmlischer und irdischer Sphäre anklingen lassen.284 Dieser zufolge gelten die Himmel – als Sitz der Mächte und Gewalten – gewissermaßen als Bereich ‚wirkmächtiger und existenzbestimmender/-beanspruchender Transzendenz‘, die das irdische Dasein umgreift und von Grund auf prägt.285 Es versteht sich von selbst, dass Umschichtungen im himmlischen Machtgefüge, wie Gott sie nach Auskunft des Epheserbriefs in Christus heraufgeführt hat (vgl. 1,20–23), grundlegende Implikationen auch für die irdische Ebene haben. * Auch der im obigen Verweis auf Eph 1,21b bereits angedeutete Aspekt einer zeitlichen Koordinierung wird im Zusammenhang der Eulogie grundgelegt. Formal deutet darauf bereits der Tempusgebrauch mit seiner sequenzartigen Reihung aoristischer, Faktizität und Vorgängigkeit markierender Verbformen, die vereinzelt – so durch das Präsens bei ἔχομεν V.7a wie auch das partizipiale Perfekt προηλπικότας in V.12286 – auf ihre Gegenwartsrelevanz hin ausgeleuchtet wird. Eine explizite chronologische Strukturierung wird indes durch die Wendung πρὸ καταβολῆς κόσμου in V.4 eingeführt. Denn diese Näherbestimmung verortet das Erwählungshandeln auf einer protologischen Ebene.287 Zugleich versieht sie das πρό in semantischer Hinsicht mit einer protologischen Konnotation. Entsprechend haftet den auf das Gotteshandeln bezogenen προ-Komposita || 284 Damit könnte die Wendung ἐν τοῖς ἐπουρανίοις ein Beispiel dafür sein, dass „[a]ntike Weltbilder, und damit auch konkret Himmelsvorstellungen“, nicht zuletzt die Funktion haben, „Sinn- und Ordnungsstrukturen einer bestimmten Gesellschaft oder religiösen Gruppe zu präsentieren und gleichzeitig Handlungsanleitungen zu schaffen“; vgl. Ego, „Denkbilder“, 153. 285 Vgl. dazu besonders die Ausführungen zu den ἐπουράνια bei Schlier, Eph, 45–48, die in ihrer existentialen Interpretation den Textbefund bisweilen gleichwohl etwas überdehnen. 286 Zum Verständnis von τοὺς προηλπικότας siehe im Folgenden. 287 Vgl. Hofius, „,Erwählt‘“, 123 Anm. 3 (mit Verweis auf Parallelen aus der rabbinischen Literatur): πρὸ καταβολῆς κόσμου „meint die absolute Vorzeitlichkeit und Vorweltlichkeit“.
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in V.5(προορίσας).9(προέθετο).11(προορισθέντες, πρόθεσιν) ein Bezug auf ebenjene vorweltliche Ebene an, so dass letztlich der das Geschehen bestimmende göttliche Ratschluss insgesamt auf dieser Ebene verankert wird. Dieses „Protologie-Konzept“ kann als ein grundlegendes „Element der zeitlichen Ordnung“ angesprochen werden.288 Der göttliche Ratschluss richtet sich dabei auf ein Geschehen, das sich auf weltlich-geschichtlicher Ebene vollzieht. Weist darauf punktuell bereits die Rede vom ‚Blut Christi‘ (V.7) hin, die auf das geschichtliche Ereignis seines Todes Bezug nehmen dürfte, so wird dieser Aspekt in V.10a explizit gemacht, wenn der Gotteswille in seinem Kern mit dem Motiv der Zeitenfülle – das offenbar das (apokalyptische) Konzept eines perioden- bzw. phasenweisen Geschichtsverlaufs, der einem Zielpunkt zugeführt wird, voraussetzt – verbunden wird. Daraus ergibt sich aber letztlich ein zeitlicher Bogen von protologischer Festsetzung hin zur (sukzessiven) Realisierung des göttlichen Heilsplans im Welt- und Geschichtszusammenhang. Als dessen Inaugurationspunkt erscheint die καταβολὴ κόσμου (V.4), während das ἀνακεφαλαιώσασθαι des Alls (V.10) offenbar seine Vollendung darstellt. Bemerkenswert ist dabei, dass im Zusammenhang des Wir-Erzählstrangs insbesondere durch die Einführung des Hoffnungsmotivs in V.12 und durch die Explikation der κληρονομία als einer derzeit allererst in ‚Unterpfandgestalt‘ (vgl. ἀρραβών, V.14) realisierten letztlich eine prospektiv orientierte Perspektive in den Vordergrund tritt, die den als περιποίησις beschriebenen Zielpunkt der Gottesgemeinschaft des ‚Wir‘ der Zukunft vorbehält.289 Denn diese futurische Ausrichtung scheint durchaus in gewisser Spannung zu stehen zu der in den faktisch-aoristischen Duktus integrierten – ἀνακεφαλαιώσασθαι ist Infinitiv Aorist – Verschränkung von spatialer und temporaler Ebene in V.10, die zumal mit ihrem ‚Letztgültigkeitskolorit‘ (s.o.) zunächst als Höhepunkt der Handlungssequenz erscheint. Die Verhältnisse hier näher zu klären, wird Aufgabe der erzählstrangorientierten Durchleuchtung der Handlungssequenz sein, der sich nun zuzuwenden ist.
|| 288 Mit Rantzow, Christus, 84. Demgemäß eignet im Übrigen auch den auf den göttlichen Willen bezogenen κατά-Wendungen eine nicht nur inhaltlich-ursächliche, sondern zugleich temporale Dimension. 289 Der Begriff der περιποίησις ist hier zumal von Mal 3,17 her auf die letztgültige und vollkommene ‚Inbesitznahme‘ des ἡμεῖς durch Gott, durch die das ‚Wir‘ sein Eigentum wird, zu beziehen. Anders z.B. Sellin, Eph, 118f. (gemeint sei die „‚Inbesitznahme‘ des Erbes durch die Christen“).
Analyse der Textwelt | 101
III.4.2
Beobachtungen zur Handlungssequenz
Die Struktur der nachfolgenden Analyse kann sich an drei Aspekten orientieren – erstens an der oben aufgewiesenen Gliederung des Begründungssatzes Eph 1,3b–14 in mehrere Unterabschnitte, zweitens an der Differenzierung zweier diegetischer Ebenen, drittens an der Unterscheidung zweier Erzählstränge auf der Ebene des Gründungsnarrativs. Erstgenannter Aspekt bringt dabei eine grundlegende Ausrichtung am Textverlauf mit sich, während die beiden anderen Aspekte zu einigen Modifikationen und Umstellungen innerhalb dieses Verfahrens führen. Diese sind jeweils ad hoc zu erläutern. Insgesamt hat die Analyse zu berücksichtigen, dass – infolge des ‚verdichtenden‘ Sprachstils der Eulogie – neben den Verbformen zum Teil auch einzelne Substantive handlungsindizierenden Charakter haben und sich insofern als Handlungen darstellen lassen. III.4.2.1 V.3b–4 Im ersten Unterabschnitt des Begründungssatzes wird durch das nebensatzeinleitende, begründend-komparative καθώς zu Beginn von V.4 eine narrative Koordinierung eingeführt. Diese kennzeichnet das Partizip εὐλογήσας (V.3b) als übergeordnetes Handlungskonzept, das eine nachfolgende Explikation erfährt. V.4 fokussiert sodann – der durch V.3b vorgegebenen Ausrichtung gemäß – auf ein Handeln Gottes an der 1.Pl., wobei das ἐξελέξατο durch zwei präpositionale Wendungen näher bestimmt wird. Die πρό-Wendung verortet das Erwählungshandeln, wie gesehen, auf protologischer Ebene und profiliert diese damit als eine eigene (und letztlich maßgebliche) Handlungsebene, auf die im Weiteren analeptisch rekurriert werden kann (vgl. V.5.9.11). Gleichermaßen erscheint das Erwählungshandeln auf diese Weise als Ausgangspunkt der gesamten Handlungssequenz und insofern als ‚Urdatum‘ der Beziehungsgeschichte Gottes mit dem ,Wir‘, die zugleich von allem Anfang an durch ihren Christusbezug geprägt ist.290 Das ἐξελέξατο hat damit einen nicht nur punktuell-handlungsindizierenden, sondern zugleich beziehungsbegründenden Charakter. Der anschließende finale Infinitiv (εἶναι κτλ.) nimmt demgegenüber eine spezifische Form des Selbstvollzugs jenes ‚Wir‘ in den Blick. Die Attribute ἅγιος und ἄμωμος deuten dabei darauf hin, dass es sich um einen solchen Selbstvollzug handelt, der der (durch die Erwählung begründeten) Gottesbeziehung adä-
|| 290 Die Wendung ἐν αὐτῷ dient hier entsprechend wesentlich der Betonung des Gedankens, dass jegliches Gottesverhältnis des ‚Wir‘ den Christusbezug impliziert bzw. zur Grundlage hat.
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quat ist. Dieser scheint somit zwar an die Erwählung unmittelbar gekoppelt, von ihr selbst aber noch einmal zu unterscheiden zu sein. So erscheint die Infinitivkonstruktion einerseits in einem statisch-zustandsbeschreibenden Sinne als übergeordnete Bestimmung der Existenz der Erwählten291, die auf der Zuwendung Gottes beruht und für die die Ausrichtung auf Gott (κατενώπιον αὐτοῦ) konstitutiv ist. Andererseits ist diese Bestimmung – wie besonders das ihr (zumindest vorrangig) zuzuordnende ἐν ἀγάπῃ andeutet – ihrer konkreten handlungsmäßigen Implikationen nicht zu entheben, so dass ihr zugleich ein dynamischer Charakter zukommt. Entsprechend kommt mit der Infinitivkonstruktion die Ebene einer Realisierung der zugedachten Bestimmung als eine weitere grundlegende Handlungsebene in den Blick. Diese Handlungsebene scheint dabei eine Existenz des ‚Wir‘ im Weltzusammenhang und somit eine solche geschichtlicher Art vorauszusetzen, kommt der Infinitiv doch schon der Wortfolge nach von der Grundlegung der Welt her und hat diese offenbar zur Voraussetzung. Demnach wird in nuce schon in V.4 jener (s.o.) Bogen angedeutet, der von der protologischen Erwählung hin zu einem dieser entsprechenden Selbstvollzug des ‚Wir‘ im Weltzusammenhang reicht und somit zwei Handlungsebenen benennt und aufeinander bezieht. Auch der zweite, kosmische Erzählstrang, der auf das Handeln Gottes am All insgesamt abhebt, wird in dem ersten Unterabschnitt grundgelegt. Dies geschieht wiederum durch die πρό-Wendung in V.4, insofern der Begriff καταβολή als substantivierter Verweis auf ein göttliches Schöpfungshandeln und also als handlungsanzeigender Begriff aufgefasst werden kann. Die Grundlegung des Kosmos wird dabei dem Erwählen des ‚Wir‘ explizit nachgeordnet, geht dem finalen Infinitiv jedoch zeitlich-sachlich voran bzw. stellt einen Ermöglichungsgrund desselben dar (s.o.). Das Handeln Gottes an seiner Schöpfung insgesamt erscheint somit als Referenzrahmen für die besondere Geschichte Gottes mit dem ,Wir‘; diese spielt sich vor dem Hintergrund der Universalgeschichte ab – wobei sich dieser Zusammenhang ebenso umgekehrt formulieren lässt. Erscheint die vorweltliche Erwählung als Inaugurationspunkt der Gottesbeziehung des ,Wir‘, so kommt im Blick auf den Kosmos diese Funktion offenbar seiner καταβολή zu. Insofern ist in V.4 eine strukturelle Parallelführung dieser beiden Erzählstränge des Gründungsnarrativs angelegt. Dem entspricht insbesondere, dass der protologische Ratschluss Gottes sich nach Auskunft von V.9f. wesentlich auch auf das Geschick des Alls bezieht. || 291 Diese übergeordnete Bedeutung verleiht der Bestimmung zugleich den Charakter einer externen Prolepse, die sich auch auf die Gegenwart der realen Lesenden beziehen kann.
Analyse der Textwelt | 103
III.4.2.2 V.5–8 Der zweite Unterabschnitt des Begründungssatzes blendet jedoch den kosmischen Handlungsstrang zunächst aus.292 Vielmehr wird, wie das eröffnende Partizip anzeigt, die dem ‚Wir‘ zuteilgewordene und auf protologischer Ebene verankerte besondere Zuwendung Gottes weiter entfaltet. Das Vorsehungsmotiv hebt dabei hervor, dass das Geschick des ‚Wir‘ im Weltzusammenhang, der mit V.4 als Handlungsebene in den Blick gekommen ist, sich als ganz von dem vorzeitlich gefassten göttlichen Heilsratschluss umschlossen erweist. Das Spezifikum des Abschnitts in Bezug auf den in der Eulogie dargestellten Handlungsverlauf besteht nun darin, dass hiermit auf der Handlungsebene des Weltzusammenhangs eine gesonderte Ereignisstufe profiliert wird. Diese wird grundlegend assoziiert mit einer υἱοθεσία und also der Hineinnahme des ‚Wir‘ in ein Kindschaftsverhältnis zu Gott, die sich ‚durch Christus‘ bzw. unter Voraussetzung des Christusgeschehens im Sinne seines Kreuzestodes293 vollzieht und unter dem Leitmotiv eines Erweises der göttlichen Gnade steht (V.6.7b.8). Maßgebliches Kennzeichen dieser Stufe ist somit ein erneutes beziehungskonstitutives Handeln Gottes an der 1.Pl. Dieses wird zwar im Unterschied zur Erwählungsaussage in V.4 auf der Handlungsebene des Weltzusammenhangs verortet, es scheint jedoch ebenfalls auf den durch die dortige Infinitivkonstruktion V.4 in den Blick genommenen ‚Realisierungsakt‘ hingeordnet.294 Darauf deuten die Verbindungslinien mit V.4 hin. Denn sind Erwählung und υἱοθεσία schon durch den Aspekt verbindlich gewährter Gottesnähe verbunden, so werden die semantischen Zusammenhänge insbesondere durch V.7 vertieft: Die ἀπολύτρωσις, die hier als Implikat des in V.5–8 im Blick befindlichen Geschehens erscheint, wird nämlich nachfolgend als ‚Fortnahme der Fehltritte‘ expliziert. Der Begriff παράπτωμα aber steht in semantischer Opposition zu ‚heilig‘
|| 292 Die Verbindungen der in V.5–8 entfalteten Geschehensebene mit dem kosmischen Erzählstrang werden demgegenüber durch 1,20–23 herausgestellt. Dieser Konnex, der inhaltlich auch dadurch signalisiert wird, dass das Sterben Christi in 1,20–23 nicht eigens erwähnt wird – was Schnackenburg, Eph, 75 als Auffälligkeit notiert –, sondern offenbar von 1,7 her vorausgesetzt werden kann, entspricht der oben formulierten These, wonach die in der Eulogie etablierte diegetische Ebene des Gründungsnarrativs im weiteren Verlauf des Epheserbriefs aufgegriffen und elaboriert wird. 293 Das διὰ Ἰησοῦ Χριστοῦ in V.5 wird durch den präpositionalen ‚Gleichklang‘ mit διὰ τοῦ αἵματος αὐτοῦ in V.7, der sich von der sonst dominierenden ἐν-Formel abhebt, besonders mit dem Kreuzestod Christi in Verbindung gebracht. 294 Damit bestätigt sich noch einmal die Ansicht, dass die Realisierungsebene die geschichtliche Existenz der 1.Pl. voraussetzt.
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und ‚untadelig‘ und führt insofern die entsprechende Sinnlinie fort. Zudem ist zu erwägen, dass der Verweis auf das ‚Blut Christi‘ zumindest auch eine Aufnahme kultischer Motivik darstellt (vgl. Eph 5,2), wie sie im besagten Begriffspaar aus V.4 ebenfalls bereits angeklungen ist.295 Damit aber erweist sich die in V.5–8 ins Licht gerückte Ereignisstufe letztlich als Ermöglichungsgrund für den erwählungsgemäßen Selbstvollzug des ,Wir‘, wie er in V.4 als Zielbestimmung vor Augen gestellt worden ist; durch das in V.5–8 dargelegte Geschehen werden gleichsam allererst die Voraussetzungen hierfür geschaffen. Diese Handlungsstufe fügt sich entsprechend wie ein Zwischenschritt in den in V.4 angedeuteten Bogen von der uranfänglichen Erwählung hin zur Realisierung der damit verbundenen Bestimmung. Das Partizip προορίσας und die κατά-Wendung in V.5 betonen dabei, dass auch dieser Zwischenschritt ganz der protologisch verankerten, zum Lob seiner δόξα hinführenden Providenz Gottes untersteht. In den Blick kommt demnach eine Zäsur, ein mit dem Christusgeschehen gegebener Wendepunkt auf der Ebene des Geschicks des ‚Wir‘ im Weltzusammenhang. Dadurch aber wird jenes Geschick in ein Davor und ein Danach unterteilt. Letzteres gestaltet sich dabei, wie die präsentische Formulierung V.7a anzeigt, näherhin als ein Jetzt, so dass es sich letztlich um ein Gegenüber von Einst und Jetzt handelt: Der tatsächliche Selbstvollzug des ‚Wir‘ befand sich offenbar zunächst keineswegs im Einklang mit der erwählungsgemäßen Bestimmung, sondern stand vielmehr in geradezu diametralem Gegensatz dazu. Denn die Rede von der erfolgten ἄφεσις der παραπτώματα, die als erfahrene ἀπολύτρωσις das Jetzt bestimmt, setzt doch offenbar ein Einst voraus, das von ebensolchen παραπτώματα geprägt war. Dieses fehltrittbehaftete Einst kommt freilich nur indirekt und summarisch vom Standpunkt seiner durch Gott heraufgeführten Überwindung aus in den Blick, so dass die Darstellung einen tendenziell elliptischen Charakter hat. Auch zur Motivierung jener Fehltritte werden (noch) keine näheren Hinweise gegeben, vielmehr ruht das Gewicht weiterhin ganz auf der Verankerung allen Geschehens in der Souveränität Gottes, dem der rezeptive Charakter des ‚Wir‘ korrespondiert.
|| 295 Zum kultischen Hintergrund von ἅγιος und ἄμωμος vgl. Sellin, Eph, 92. Damit ist ein bildliches Verständnis dieses Begriffsfeldes (vgl. Lincoln, Eph, 28) freilich nicht ausgeschlossen.
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III.4.2.3 V.9–14 Von tragender Bedeutung für die Einordnung des in V.9f. in den Vordergrund tretenden kosmischen Handlungsstrangs sowie für das Verständnis der Gesamtsequenz ist nun die Frage, inwiefern der durch das Christusgeschehen eröffnete Jetzt-Zustand die unumwundene Herbeiführung der erwählungsgemäßen Existenzebene aus V.4 bedeutet. Entscheidend ist hierfür die Wiederaufnahme des Wir-Handlungsstrangs in V.11f. sowie dessen einstweilige Abrundung durch V.14. Abweichend von der linearen Textabfolge sei daher der Blick zunächst auf diese Verse gerichtet. a) V.11f.14 In den betreffenden Versen wird der Kindschaftsbegriff aus V.5 durch die Erbschaftsmotivik fortgeführt (vgl. κληρόω V.11; κληρονομία V.14), wobei zumal mit dem ἀρραβών-Motiv eine prospektive Orientierung bestimmend wird (s.o.); die υἱοθεσία wird somit auf ihre Zukunftsrelevanz hin ausgerichtet. Dem korrespondiert, dass in V.14b erneut (vgl. V.7) von einer ἀπολύτρωσις die Rede ist, der durch den explikativen Genitiv τῆς περιποιήσεως ein spezifisches Gepräge gegeben wird. Durch diese eigenständige Qualifikation aber wird sie schon formal von dem V.7 dargestellten Geschehen abgehoben. Es handelt sich demnach in der Tat um eine weitere ἀπολύτρωσις.296 Freilich erscheint sie zugleich als ganz aus der ersten herausgesetzt, als deren wesensmäßige Folge.297 Nichtsdestotrotz kommt mit V.14b letztlich ein dritter Akt der beziehungskonstitutiven Zuwendung Gottes zur 1.Pl. in den Blick298, die allerdings – im Unterschied zu den beiden vorangehenden – vom Standpunkt des sprechenden ‚Wir‘ aus gesehen noch in der Zukunft liegt (vgl. Eph 4,30). Da die Rede von der περιποίησις, die diese zweite ἀπολύτρωσις kennzeichnet, als begrifflich verdichteter Schlusspunkt der Sinnlinie einer Gottesgemeinschaft des ‚Wir‘ in der Eulogie erscheint, wird nun aber allererst der dadurch erreichte Zustand als definitives Erreichen jenes erwählungsgemäßen Zustandes, wie er in V.4 als Horizont vor Augen gestellt wurde, ausgewiesen. Das durch das Christusgeschehen (V.5–8) heraufgeführte Jetzt, so sehr es bereits durch eine umfassende Heilsteilhabe geprägt ist, erweist sich also des Näheren als ein ‚Dazwischen‘, das der künftigen Vollendung der Gottesgemeinschaft zustrebt.
|| 296 Vgl. Halter, Taufe, 232. 297 Dies kommt besonders in dem Versiegelungsmotiv in V.13c zum Ausdruck: Durch das Verleihen des Siegels sind die Besitzverhältnisse im Grunde schon unmissverständlich geklärt. 298 Bei περιποίησις handelt es sich wiederum um einen handlungsanzeigenden Begriff.
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Diesem Konzept einer zweifachen (V.7.14) ἀπολύτρωσις kann insgesamt eine Schlüsselfunktion für die Strukturierung der auf das ‚Wir‘ bezogenen Handlungssequenz beigemessen werden. Es dient hier offenbar der Differenzierung heilsgeschichtlicher Etappen, deren Schwellenpunkte jeweils durch eine ἀπολύτρωσις markiert werden. In V.7 ist dabei der Konnex mit dem Kreuzestod Christi maßgeblich, so dass unterschieden wird zwischen der Zeit vor dem Christusgeschehen einerseits, die indirekt als Zeit der παραπτώματα überschrieben wird, sowie dem unter dem Vorzeichen von deren ἄφεσις stehenden Zeitraum andererseits. Demgegenüber weist die Rede von der ἀπολύτρωσις in V.14b auf die Differenzierung zwischen der gegenwartsbezogenen, V.14a als – die Kindschaft voraussetzende – Erbanwartschaft charakterisierten Stufe des Jetzt und der erwarteten Vollendung. Es ergibt sich somit für die Eulogie auf der Handlungsebene des Welt- und Geschichtszusammenhangs das Schema einer protologisch begründeten Abfolge von Einst, Jetzt und künftiger Vollendung als distinkter Zeitstufen, auf denen die Frage nach dem Heilsstand der 1.Pl. in den Blick kommt.299 Vor diesem Hintergrund kann sich an dieser Stelle auch der schillernden Selbstbezeichnung der 1.Pl. als οἱ προηλπικότες in V.12 zugewandt werden.300 In der Tat wird dem vorläufigen Ruhepunkt, dem der Begründungssatz in V.12 zugeführt wird, hierdurch ein markanter Schlussakzent gegeben, begegnet hier doch die im Zusammenhang der Eulogie einzige Substitution der 1.Pl. Das aber mag eine Schlüsselfunktion durchaus als denkbar erscheinen lassen. Vorab zu klären sind die syntaktischen Zuordnungen in V.11f. Zunächst ist es nach Maßgabe von V.5 (auch hier findet sich die Konstruktion προορίζω+εἰς) plausibel, εἰς τὸ εἶναι κτλ. mit dem Partizip προορισθέντες zusammenzuziehen, das seinerseits ἐκληρώθημεν untergeordnet ist.301 Sodann legen es die Wortfolge wie auch die Beobachtung, dass bereits in V.5f. die durch die υἱοθεσία geprägte
|| 299 Dieser Befund wird dadurch bestätigt, dass das wiederholte εἰς ἔπαινον (τῆς) δόξης in chronologischer Reihenfolge mit jeweils einer der drei genannten Zeitstufen in Zusammenhang gebracht werden kann. So ist ihre erstmalige Verwendung in V.6 von dem Gnadenerweis bestimmt, der die Überwindung des Einst bedeutet. In V.14 als letztem Beleg hingegen ist sie gekoppelt an die noch ausstehende zweite ἀπολύτρωσις. Dass ihr Gebrauch in V.12 demgegenüber tatsächlich auf die ‚Interimsebene‘ des Jetzt fokussiert (und dabei das ‚Wir‘ als handelndes Subjekt in den Blick nimmt!), wird durch die im Weiteren vorzunehmenden Überlegungen zur Deutung dieses Verses zu plausibilisieren sein. 300 Diese bietet ja, wie Gnilka, Eph, 83 erkennt, im Übrigen „den eigentlichen Grund dafür, dass man meinte, in den VV 11f seien nur noch Judenchristen im Blick“. 301 Mit Ewald, Eph, 83f., dem zufolge ἐκληρώθημεν als „ein in sich geschlossener“ Begriff aufgefasst werden kann.
Analyse der Textwelt | 107
Existenz des ‚Wir‘ auf das Lob der δόξα hingeordnet erscheint, nahe, dass die Wendung εἰς ἔπαινον δόξης αὐτοῦ in der substantivierten A.c.I.-Konstruktion in V.12 als Prädikatsnomen dient.302 Das abschließende τοὺς προηλπικότας ἐν τῷ Χριστῷ ist entsprechend nachgestelltes Attribut zu ἡμᾶς.303 Mit ἐν τῷ Χριστῷ wird dabei kaum das Objekt, auf das sich das προελπίζειν richtet, angegeben; vielmehr dürfte die Wendung von der weiteren ἐν Χριστῷ-Motivik im Kontext her auf die Beziehungs- und Seinssphäre verweisen, in der die Hoffnung gegründet ist.304 προελπίζω ist neutestamentliches Hapaxlegomenon und vorneutestamentlich überhaupt rar belegt.305 Dieser Befund unterstreicht die Relevanz, die dem vorliegenden Textzusammenhang bei der Frage nach dem hier mutmaßlich zu veranschlagenden Bedeutungsgehalt des Begriffs zukommt. Insofern πρό als Präposition bzw. Präfix als wichtiges bedeutungstragendes Element in der Eulogie erkannt wurde (s.o.), ist es angezeigt, ihm auch bei προελπίζω semantisches Gewicht zuzuerkennen.306 Das Präfix dürfte demnach eine gezielte Nuancierung des ἐλπίζω intendieren und sich dabei an der im Textzusammenhang der Eulogie geformten Gebrauchsweise von πρό orientieren. Hier aber ist πρό, wie gesehen, aufs engste mit dem göttlichen Vorsehungshandeln assoziiert und spielt insofern eine tragende Rolle für die Konzeptualisierung des in der Eulogie entfalteten Geschehens im Sinne eines Hinausführens des protologisch verankerten göttlichen Ratschlusses. Dem πρό der Eulogie ist es mithin wesentlich um dieses von der göttlichen Vorsehung umfasste ‚Zuvor‘ zu tun.307 In strukturelle Kategorien überführt bedeutet dies, dass mit πρό
|| 302 Vgl. Sellin, Eph, 112f. Anders z.B. Krämer, „Form“, 45 mit Anm. 39. 303 Eine sprachliche Parallele dazu bietet die Formulierung ἡμᾶς τοὺς πιστεύοντας in Eph 1,19. 304 Vgl. Haupt, Gefangenschaftsbriefe, 27; Schnackenburg, Eph, 62f. 305 Vgl. Krämer, „Form“, 45 mit Anm. 40. Zu weiteren zeitgenössischen Belegen siehe LSJ, 1477 s.v. 306 Es ist also nicht davon auszugehen, dass das Kompositum sich schlicht einer hellenistischen Vorliebe für Komposita verdankt und im Grunde bedeutungsgleich mit dem Simplex ist, so dass das Präfix lediglich (und dann tendenziell pleonastisch) den dem Akt des Hoffens inhärenten prospektiven Charakter hervorheben würde. So aber Krämer, „Form“, 45 Anm. 40. 307 Maurer, „Hymnus“, 167 vertritt hingegen im Zusammenhang seiner Option für eine ‚judenchristliche‘ Deutung des ‚Wir‘ die Ansicht, das προ- bei προηλπικότας sei „anders zu verstehen als in προορισθέντες und πρόθεσις V.11, wo die Beziehung zu V.4 hergestellt wird“. Dem ist insofern zuzustimmen, als das προ- in V.12 tatsächlich nicht – wie die anderen genannten Begriffe – auf Vorsehung und Ratschluss Gottes verweist, sondern das ‚Wir‘ zum Subjekt hat. Eben dies nötigt aber zu strukturellen Erwägungen zur Eigenart des προ-, wie sie nachfolgend vorgenommen werden.
108 | Grundlegung: Exegese von Eph 1,3–14
offenbar auf den Aspekt der Vorzeitigkeit abgestellt wird; zwei Zeitstufen werden voneinander abgehoben und zugleich in Relation zueinander gesetzt. Der semantische Akzent liegt dabei darauf, dass eine Handlung auf einer durch das πρό avisierten Zeitstufe erfolgt und dabei auf eine davon abzuhebende zweite Zeitstufe hin orientiert ist.308 Im Blick auf V.12 ist daher zunächst zu fragen, welche Stufen durch προελπίζω im beschriebenen Sinne voneinander abgehoben und zugleich aufeinander bezogen werden. Hierfür bieten sich vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen im Grunde zwei Möglichkeiten: So kann das προελπίζω entweder auf die Relation zwischen Einst und Jetzt oder aber auf jene zwischen Jetzt und ausstehender Vollendung bezogen werden. Im ersten Fall wäre entsprechend die ‚erste‘ ἀπολύτρωσις in V.7 als Bezugspunkt der Voraushoffnung zu betrachten, im anderen Fall die ‚zweite‘ ἀπολύτρωσις V.14. Im einen Fall würde es sich somit um ein Hoffen vor dem geschichtlichen Erscheinen Christi handeln, im anderen Fall um ein solches, das bereits von diesem herkommt und nunmehr der künftigen Vollendung entgegensieht. In beiden Fällen handelt es sich also zwar um eine Hoffnung, die im Christusgeschehen ihren Ankerpunkt hat. Jedoch ergibt sich vom weiteren Kontext des Epheserbriefs her als Differenz, dass als Subjekt des Hoffens jeweils unterschiedliche Gruppen in Frage kommen. Denn nach Auskunft von Eph 2,12 kommen den Adressaten als ἔθνη auf der ποτέ-Stufe Christusbeziehung und ἐλπίς gerade nicht zu – diese erscheinen hier vielmehr indirekt als Privilegien Israels. Wäre somit das προελπίζειν wesentlich auf die ποτέ-Stufe zu beziehen, so – und nur dann – wären in V.12 wohl tatsächlich exklusiv die Christusglaubenden aus Israel im Blick. Allein diese Zuordnung scheint die weniger wahrscheinliche zu sein. Darauf deutet zunächst das Textgefälle hin, wie es insbesondere durch den Ausdruck καὶ ἐκληρώθημεν, um den herum die Relativkonstruktion in V.11f. entfaltet wird, angezeigt wird: So signalisiert ja einerseits das vorangestellte καί den Anschluss an die Geschehensstufe aus V.7. Andererseits dient die κληρSemantik als Anknüpfungspunkt für die Profilierung der prospektiven Geschehensebene in V.13f. V.11f. setzt demnach offenbar die Faktizität des Christusereignisses voraus und bereitet zugleich die zukunftsorientierte Ausweitung des Horizonts vor. Dann aber liegt es nahe, auch προελπίζειν wesentlich auf die Relation zwischen Jetzt und künftiger Vollendung zu beziehen; es geht mithin
|| 308 Percy, Probleme, 266 Anm. 16 hebt die temporale semantische Ausrichtung treffend hervor, wenn er betont, „dass προελπίζειν ‚im voraus hoffen‘ und nicht ‚zuerst hoffen‘ bedeutet“.
Analyse der Textwelt | 109
um die Glaubenden in ihrem gegenwärtigen Hoffnungsstand.309 Dieser erhält demnach seine Bestimmtheit durch das vorausliegende Christusereignis und ist ganz an dieses rückgekoppelt; zugleich ist dieses Hoffen jedoch auf ein dereinstiges Vollendungsgeschehen hin orientiert und insofern ein ‚Voraushoffen‘. Das Präfix bei προελπίζειν präludiert diesen Aspekt, bevor er sodann durch V.14 herausgearbeitet wird. In diesem der Selbstbezeichnung dienenden Begriff verdichtet sich somit der besondere Interimscharakter des Jetzt noch einmal in prägnanter Weise.310 Dieser Deutungslinie entspricht ein präsentisches Verständnis der Perfektform des Partizips.311 Demgemäß markiert das Tempus, dass der Anfangspunkt jenes ‚Voraushoffens‘ zwar in der Vergangenheit liegt, es sich dabei jedoch um einen Akt handelt, der in der Gegenwart andauert – zu paraphrasieren wäre das appositionelle τοὺς προηλπικότας dann etwa mit ‚die wir zur Voraushoffnung gekommen und insofern jetzt Voraushoffende sind‘. Die Hoffnung gerade im Sinne der Voraushoffnung erscheint somit als ein grundlegendes Merkmal christusgläubiger Existenz auf der Ebene des Jetzt, die eben eine solche des ,Dazwischen‘ ist.312 Die Annahme, dass die achtergewichtige Selbstbezeichnung οἱ προηλπικότες ἐν τῷ Χριστῷ auf den gegenwärtigen Heilsstand zu beziehen ist, passt im Übrigen zu der anschließenden expliziten Hinwendung zu den Adressaten. Denn die auf diese Weise ins Auge gefasste Ebene des Jetzt/Dazwischen ist doch zugleich, in diegetischer Hinsicht, die Ebene der Kommunikation zwischen Absender und Adressaten, die mit V.13 tatsächlich zum Zuge gebracht wird. Bevor jedoch hierauf der Blick gerichtet wird, gilt es V.9f. in die Betrachtung einzubeziehen und dadurch insbesondere die Verhältnisse zwischen dem kos|| 309 Ähnlich Percy, Probleme, 266 Anm. 16. 310 Darin deutet sich zugleich an, dass ebendiese Hoffnung inmitten der das Jetzt prägenden Dynamiken auch eine stets noch angefochtene ist (vgl. Eph 6,10–17) – wobei die Glaubenden zugleich nicht auf sich selbst zurückgeworfen sind, wie V.13f. zeigt. 311 Vgl. dazu BDR § 341 mit Verweis nicht zuletzt auf das Perfekt bei ἐλπίζω in Joh 5,45; I Tim 4,10. Gegen Lindemann, Aufhebung, 100, dem zufolge das Perfekt zum Ausdruck bringe, dass „wir eben gehofft haben, jetzt also nicht mehr Hoffende sind“ (Hervorhebung im Original). Ein solches Verständnis dürfte freilich in der Tat den Charakter der perfektischen Form verkennen, wie Lona, Eschatologie, 420 Anm. 233 zu Recht bemerkt. 312 Damit muss im Übrigen durchaus nicht ausgeschlossen werden, dass der Inaugurationspunkt dieser Voraushoffnung nicht auch schon auf der Ebene des Einst, d.h. vor dem in V.5–8 geschilderten Christusgeschehen, liegen könnte, wie dies in Eph 2,12b vorausgesetzt scheint, hier indes noch nicht im Blick ist. Allein als maßgeblicher Fluchtpunkt jeglichen in Christus gegründeten Hoffens ist nach 1,12.14 die auch nach dem Christusereignis noch ausstehende Vollendung zu betrachten.
110 | Grundlegung: Exegese von Eph 1,3–14
mischen Handlungsstrang und dem aus dem Wir-Handlungsstrang heraus konstruierten Gerüst weitergehend zu klären. b) V.9f. Für die semantische Verknüpfung von V.9f. mit dem vorangehenden Unterabschnitt ist es bedeutsam, dass in V.8b, dem Abschluss des vorangehenden Unterabschnitts, mit den Begriffen σοφία und φρόνησις eine weitere Sinnlinie profiliert wird. Diese hebt darauf ab, dass mit dem Zuteilwerden der göttlichen Gnade im Christusgeschehen und also der zweiten beziehungskonstitutiven Zuwendung Gottes zum ‚Wir‘ im oben entworfenen Schema zugleich – vgl. die parallel konstruierten, jeweils von einem τῆς χάριτος αὐτοῦ abhängigen Relativsätze in V.6.8 – die Hineinnahme des ‚Wir‘ in einen bestimmten Einsichtsund Erkenntniszusammenhang einhergeht. Ebendieser gleichsam gnoseologische Aspekt des Heilsgeschehens wird durch V.9f. erläutert: Der enge semantische Anschluss an V.8 durch das Partizip γνωρίσας verdeutlicht, dass die dem ‚Wir‘ im Christusgeschehen zuteilwerdende Einsicht nicht zuletzt darin besteht, dass der 1.Pl. Einblick in das (!) Geheimnis des göttlichen Willens gewährt wird. Dabei schwingt auch hier, wiederum elliptisch, die schon aus V.5–8 bekannte Einst-Jetzt-Struktur mit, insofern implizit die Vorstellung eines vormaligen Verborgenseins jenes Geheimnisses vorausgesetzt scheint; als Wendepunkt fungiert auch hier das Christusgeschehen mit seinem staurologischen Kern. Markant ist jedoch, dass sich der Fokus im Folgenden auf den universalgeschichtlichen Erzählstrang verschiebt. Denn Objekt des göttlichen Handelns, das Inhalt des Geheimnisses ist und nach V.10a zugleich die Herbeibringung des Kulminationspunktes des Geschichtsverlaufs bedeutet313, ist gemäß V.10bc eben das All in seiner Gesamtheit. Dieses wird, indem das ἀνακεφαλαιώσασθαι maßgeblich durch den Christusbezug gekennzeichnet ist, an dieser Stelle gewissermaßen erstmals explizit hineingenommen in die Christusbezogenheit, wie sie für das Handeln Gottes an der 1.Pl. bereits von V.3b an konstitutiv ist. Infolge der Verankerung des göttlichen Ratschlusses auf protologischer Ebene kommt dieser Christusbezug freilich auch dem All letztlich schon von Grund auf zu. Bei dem V.10bc im Blick befindlichen Geschehen handelt es sich nun offenbar – nach der Rede von der καταβολὴ κόσμου in V.4 – wiederum um ein grundlegendes und somit beziehungskonstitutives Handeln Gottes an seiner Schöpfung. Dies aber bestätigt die Vermutung einer in der Eulogie zu verzeichnenden || 313 Auch οἰκονομία ist als handlungsanzeigender Begriff aufzufassen, vgl. Gnilka, Eph, 79; der Zusammenhang verweist dabei auf Gott als maßgebliches Subjekt.
Analyse der Textwelt | 111
strukturellen Parallelisierung von ‚Wir‘ und All, wurde doch in V.5–8 auch im Blick auf das ‚Wir‘ eine zweite beziehungskonstitutive Zuwendung Gottes konstatiert. Offenbar ist also tatsächlich mit einer weitgehenden konzeptionellen Parallelführung der beiden Erzählstränge zu rechnen, so dass sich von dem WirStrang bzw. von den aus seinem Handlungsgerüst heraus konstruierten Zeitstufen aus auch die Konturen des All-Strangs heuristisch erhellen lassen. Demnach ist es denkbar, auch für letzteren Erzählstrang mit einem impliziten Einst-Jetzt-Schema als Hintergrundfolie zu rechnen, so dass die integrierende Verbindung des Alls implizit eine vormalige Zerrissenheit der τὰ πάντα voraussetzt, die überwunden wird – und zwar wiederum, so steht zu vermuten, zugunsten einer Realisierung der ureigentlich zugedachten Bestimmung.314 Weiterhin lassen die explizite Christusbezogenheit des ἀνακεφαλαιώσασθαι wie auch die aufgezeigte Verbindung von V.8 und V.9 einen – hier allerdings noch nicht näher entfalteten – Zusammenhang mit dem in V.5–8 dargelegten Christusgeschehen vermuten, so dass sich eine universal-kosmische Relevanz desselben andeutet. Dann aber bietet es sich schließlich an, auch für den kosmischen Handlungsstrang weitergehend zu differenzieren zwischen einer – mit dem Christusgeschehen in V.5–8 verbundenen und insofern bereits erfolgten – Zäsur auf geschichtlicher Ebene als Inaugurationspunkt eines heilvollen Jetzt und einer noch ausstehenden Vollendung desselben. Die Zusammenfassung des Alls lässt sich demnach in Entsprechung zu der noch ausstehenden Vollendung der Gottesgemeinschaft des ‚Wir‘ als ein Prozess konzeptualisieren, dessen innere Dynamik sich freilich gleichermaßen unaufhaltsam Bahn brechen wird. Auch das All insgesamt befindet sich demnach in einem Dazwischen, dem durch V.10a eine Überschrift, vielleicht ein übergeordnetes Handlungskonzept gegeben wird – in diesem Dazwischen des Jetzt ereignet sich die Durchführung der Fülle der Zeiten.315 c) V.13 In V.13 vollzieht sich der diegetische Ebenenwechsel, indem sich der fiktive Autor direkt an die fiktiven Adressaten wendet. Dies geschieht in Form einer Nachzeichnung des Inklusionsgeschehens, das die Adressaten als Teil der Voraushoffnungsgemeinschaft des ‚Wir‘ erweist; σωτηρία dient dabei als umfas-
|| 314 Wie in V.5–8 werden die Ursachen für diesen mutmaßlich vorausgesetzten ποτέ-Zustand nicht weiter expliziert. 315 Anders akzentuiert etwa Schnackenburg, Eph, 59: „Die Zusammenfassung des Alls in Christus, die Wiederherstellung der göttlichen Herrschaft über das All ist schon geschehen“.
112 | Grundlegung: Exegese von Eph 1,3–14
sender Begriff für das der Wir-Gruppe zuteilgewordene (bzw. noch zuteilwerdende) Heil. Die konkreten ‚Stationen‘ auf dem Weg hin zur Geistversiegelung werden durch einen partizipialen Zweischritt beschrieben. Der ἀκούσαντες-Ausdruck (V.13ab) knüpft dabei motivisch-semantisch an die gnoseologische Sinnlinie aus V.8f. an, so dass das πιστεύειν als Konsequenz des Hörens geradezu als gnoseologischer Zielpunkt vor Augen gestellt wird; die Teilhabe an dem im Christusgeschehen eröffneten Erkenntniszusammenhang manifestiert sich letztlich im Glauben. Indem nun die Geistversiegelung zumal durch den Konnex von V.13 und V.14 als mit dem ‚Wir‘ gemeinsames Merkmal dargestellt wird, legt sich die Annahme nahe, dass auch die vorangehende Ereignisfolge dem Grundsatz nach für das ‚Wir‘ überhaupt gilt, dass also die Geistbegabung auch hier in einer ursächlichen Verbindung steht mit einem auf dem ‚Wort der Wahrheit‘ bzw. dem ‚Evangelium der Rettung‘ fußenden zum-Glauben-Kommen. Somit bilden sich am ‚Ihr‘ offenbar zugleich grundlegende Verfasstheiten des ‚Wir‘ ab. Bezogen auf die herausgearbeitete zeitliche Stufung der Handlungssequenz lässt sich die in V.13 dargelegte Ereignisfolge der Schwelle zwischen Einst und Jetzt zuweisen, ist der durch die Geistversiegelung erreichte Heilsstand von V.14 her doch dem Jetzt zuzurechnen.316 Demgemäß beschreibt V.13 in offenbar geradezu programmatischer Weise die An- bzw. Zueignung des durch das Christusgeschehen eröffneten Heilsstandes am Ort der konkreten Individuen.317 Damit aber findet eine ‚Erdung‘ des in V.5–8 dargelegten Geschehens statt – in Vernehmen des Evangeliums, Glauben und Geistversiegelung ereignet sich offenbar das tatsächliche Hineingenommenwerden in die υἱοθεσία, werden die Fortnahme der Fehltritte, die Überschüttung mit Gnade, Weisheit und Einsicht den Einzelnen zuteil. Die damit angedeutete Verflechtung der beiden diegetischen Ebenen lässt sich noch weiter fortführen. So wird ja das Subjekt einer durch das ἀκούσαντες in V.13 vorausgesetzten (vgl. Röm 10,14) Verkündigungstätigkeit nicht be-
|| 316 Die dezidierte Näherbestimmung des heiligen Geistes durch den Genitiv τῆς ἐππαγελίας bringt demgegenüber noch einmal die dem Christusgeschehen vorgelagerte Ebene des Einst ins Spiel, insofern sie auf die Geistverheißungen in der Schrift Bezug nimmt. Darin wird wiederum deutlich, dass auch das Einst vom göttlichen Heilswillen durchwaltet ist, dass die Geschichte insgesamt, wie es die Schrift vor Augen führt, von der Kontinuität desselben geprägt ist. 317 Die beiden rezeptiv-passivisch ausgerichteten Vorgänge des Hörens und Versiegeltwerdens umschließen und prägen dabei das als aktiven Akt (vgl. aber 1,19) formulierte Glauben. Auf diese Weise bleibt für das ‚Ihr‘ resp. ‚Wir‘ der responsorische Charakter dominierend.
Analyse der Textwelt | 113
nannt.318 Die semantischen Verbindungslinien zwischen γνωρίζειν (V.9) und ἀκούειν können es nun aber nahelegen, hierbei an die Wir-Gruppe zu denken, so dass implizit angedeutet wäre, dass das Betrautwerden mit der Einsicht in den göttlichen Ratschluss das ‚Wir‘ seinerseits zur Kundgabe desselben anstiftet.319 Demnach erwiese sich das dem ‚Wir‘ zugedachte Dasein zum Lob der göttlichen Doxa (V.12) in einem solchen Selbstvollzug, der über das in V.4 Gesagte (s.o.) hinaus das nach außen hin ausstrahlende Zeugnis im Sinne des Hörbarmachens des Evangeliums miteinschließt. Im Rahmen der Textwelt der Eulogie wäre bei diesem ‚Außenbereich‘ an den weiteren Kosmos zu denken. Sofern die in V.13 vorgenommene explizite Inklusion des ‚Ihr‘ in die Wir-Gruppe tatsächlich in diesem Sinne aufgefasst werden darf, d.h., dass das Inkludiertwerden durch eine Verkündigungstätigkeit des ‚Wir‘ induziert wurde, erscheint dieses ‚Ihr‘ geradezu als Vorhut aus dem Kosmos. Das Faktum ihrer nach V.13f. vollgültigen Inklusion zeigt vor diesem Hintergrund an, dass die Grenze des ‚Wir‘ im Weltzusammenhang offenbar eine dynamische ist – was zunächst durchaus in einiger Spannung stehen mag zu der unvorgreiflich-protologischen Wesensbegründung des ,Wir‘, auf die ansonsten so viel Gewicht fällt.320
|| 318 Als Bezugspunkt des Hörens in Eph 1,13 erscheint vom weiteren Kontext (so schon 1,18) her letztlich der Ruf Gottes; hier wird diese ‚Leerstelle‘ somit gefüllt: Im Vernehmen des Evangeliums wird der göttliche Ruf laut im Sinne der „geschichtlichen Verwirklichung der vorzeitigen Auswahl“ (Gnilka, Eph, 91). Entsprechend ereignet sich hier die Hineinnahme in die Hoffnungsgemeinschaft, so dass von der „Hoffnung des Rufes“ (vgl. 1,18; 4,4) die Rede sein kann. Der Hoffnungsbegriff ist dabei von der Eulogie her zu verstehen im Sinne eines Kennzeichens des gegenwärtigen Heilsstandes. 319 Dies wird bestätigt durch Eph 6,19: Hier erscheint Paulus – ein maßgeblicher Repräsentant des in der Eulogie sich artikulierenden ‚Wir‘ – als das Subjekt des γνωρίζειν des Mysteriums; der Apostel ist somit involviert in das göttliche Kundgabegeschehen. Die in diesem Zusammenhang vorgenommene Qualifizierung des Mysteriums durch den Genitiv τοῦ εὐαγγελίου plausibilisiert zudem die vermuteten semantischen Verbindungslinien zwischen V.9f. und V.13ab. 320 Die letztgenannten Überlegungen, die freilich noch unter dem Vorbehalt der weiteren Exegese stehen, nötigen nicht dazu, die Ansicht eines inklusiven Charakters der 1.Pl. zu revidieren. Allein es deutet sich an, dass dieses ‚Wir‘ in sich gleichsam konzentrisch verfasst ist, wobei im Zentrum derjenige verortet wird, der das ‚Wir‘ zu Wort kommen lässt, nämlich der Apostel selbst. Paulus befindet sich dort freilich keinesfalls alleine, sondern im Verbund mit weiteren ‚Aposteln und Propheten‘; vgl. Eph 2,20; 3,5.
114 | Grundlegung: Exegese von Eph 1,3–14
III.4.3
Fazit
Das sich aus den vorangehenden Betrachtungen ergebende Bild sei an dieser Stelle in Grundzügen zusammengefasst, um es sodann in einem evaluativen Schritt zu beziehen auf die Frage nach dem Profil eines im Epheserbrief entworfenen gemeinschaftlichen Selbstverständnisses. Ausgegangen wurde von einer Differenzierung zweier diegetischer Ebenen, die in der Eulogie verschränkt werden; V.3a eröffnet die Ebene eines wesentlich auf das ‚Wir‘ bezogenen Gründungsnarrativs, die zur basisgebenden Ebene der epistolaren Kommunikation zwischen Absender und Adressaten hinzutritt und eine inklusive 1.Pl. als eigenprofilierte Erzählinstanz erkennen lässt. Im Zusammenhang des Gründungsnarrativs werden zwei Erzählstränge entwickelt und miteinander verwoben; zu dem auf das ‚Wir‘ bezogenen tritt ein kosmischer-universaler Erzählstrang hinzu. Dabei finden sich Anhaltspunkte für eine strukturelle Parallelführung derselben. Die Leitfunktion kommt zwar dem Wir-Erzählstrang zu, das Handeln Gottes am All insgesamt bildet jedoch letztlich den Horizont auch für seine Geschichte mit dem ,Wir‘. Für das Gründungsnarrativ lassen sich sodann zwei grundlegende Handlungsebenen unterscheiden: zum einen eine protologische Ebene, auf der die Setzung des göttlichen Ratschlusses situiert wird, zum anderen die Ebene des Welt- und Geschichtszusammenhangs. Das auf letzterer verortete Geschehen ist ganz durch den Willen bzw. Ratschluss Gottes bestimmt und somit zugleich Ort der Hinausführung desselben. Ebendiese zielt letztlich darauf, dass das ‚Wir‘ – und in der Entsprechung dazu vermutlich auch das All insgesamt – in Christus auf eine Realisierung der ihm protologisch zugedachten Bestimmung zur Gottesbeziehung hingeführt wird. Auf der Handlungsebene des Welt- und Geschichtszusammenhangs werden in diesem Zusammenhang indes mehrere Etappen profiliert. So wird zunächst ein Einst vorausgesetzt, in dem sich ‚Wir‘ und All offenbar geradezu im Gegensatz zu ihrer Bestimmung bewegen und das latent unter dem Vorzeichen einer Verborgenheit der Zielrichtung des göttlichen Ratschlusses steht. Dieser Zustand wird im Grundsatz überwunden durch das auf den Kreuzestod Christi fokussierte Christusereignis. In diesem vollzieht sich eine erneute beziehungskonstitutive Zuwendung Gottes zu ‚Wir‘ und All, die ein Jetzt inauguriert, das dem Grundsatz nach eine adäquate Realisierung der Bestimmung ermöglicht und das unter dem Vorzeichen der Einsehbarkeit jenes Ratschlusses steht. Dieses Jetzt ist jedoch zugleich, wie im Zusammenhang des WirErzählstrangs verdeutlicht wird, hingeordnet auf eine in der Zukunft liegende Vollendung der Bestimmung zur Gottesgemeinschaft. Insofern ist das Jetzt we-
Analyse der Textwelt | 115
sentlich als ein Dazwischen konzipiert, was im Blick auf die 1.Pl. in der Selbstbezeichnung als τοὺς προηλπικότας pointiert zum Ausdruck kommt. Die Funktion des Schwenks auf die andere diegetische Ebene in V.13 besteht vor diesem Hintergrund darin, durch die Darstellung der Inklusion des ‚Ihr‘ in die WirGruppe zugleich den Vorgang der persönlichen Zu- und Aneignung des durch das Christusgeschehen eröffneten Heilsstandes zu benennen. Für das gemeinschaftliche Selbstverständnis unmittelbar relevant ist nun besonders die Frage nach dem Profil, das dem ‚Wir‘ im Zusammenhang der Textwelt gegeben wird. Denn die mit dem Gründungsnarrativ assoziierte inklusive 1.Pl. tendiert ja offenbar auf eine das konkret-situative Kommunikationssetting transzendierende Aussageebene. Deutlich wurde im Vorangehenden zunächst der responsorisch-rezeptive Charakter des ,Wir‘. Dieses verdankt sich in seinem Dasein ganz dem unvorgreiflichen göttlichen Willen und Ratschluss bzw. näherhin der Erwählung durch Gott. Mit ebendieser – die das ‚Wir‘ aus dem Kosmos heraushebt – ist zugleich die grundlegende Bestimmung des ‚Wir‘ zur Gottesbeziehung gesetzt. Diese Bestimmung ist ihm nicht nur vor-, sondern gleichermaßen auch aufgegeben, insofern sie auf die Aktualisierung in Form eines ihr adäquaten Selbstvollzugs zielt; die Liebessemantik als Leitperspektive kann dabei vertikale wie horizontale Dimensionen zusammenhalten. Konstitutive Bedeutung für Selbstverständnis und Existenz des ‚Wir‘ kommt mithin dem Lebenswandel zu; für diesen hat sich das ‚Wir‘ Gott gegenüber zu verantworten. Entsprechend bedeuten die παραπτώματα, deren Faktizität vorausgesetzt wird, einen Existenzzustand der Verfehlung des eigenen Selbst. Die Überwindung dieses Zustands geschieht, von Gott heraufgeführt, im Christusereignis; die neu gestiftete Relation wird dabei als Kindschaftsverhältnis benannt. Dadurch – und also ganz von Gott her – scheint mithin die Grundlage für einen bestimmungsgemäßen Selbstvollzug geschaffen. Zielpunkt des in V.13 beschriebenen Vorgangs der individuellen Zueignung der Gotteskindschaft ist dabei die Versiegelung mit dem heiligen Geist. Die hier erfolgende Aufnahme der ἅγιος-Semantik aus V.4 gibt nun zugleich dem bestimmungsgemäßen Lebenswandel noch einmal ein spezifisches Profil. So scheint die Realisierung der Bestimmung zum Heiligsein letztlich auf der dem ‚Wir‘ gewährten Partizipation an dem Geist, der heilig ist, zu beruhen. Das ‚Wir‘ ‚steht‘ also nicht aus sich selbst heraus, sondern Gott selbst schafft durch die Geistbegabung gleichsam in einem umfassenden Sinne die Voraussetzung dafür, dass das ‚Wir‘ seine Bestimmung hinausführen kann. Damit bestätigt sich die oben formulierte Einschätzung, die pneumatische Sphäre sei jene, der eine
116 | Grundlegung: Exegese von Eph 1,3–14
schlechterdings existenzbestimmende Bedeutung zukomme; im Zusammenhang des Christusereignisses werden offenbar auch die ‚pneumatischen Rahmenbedingungen‘ menschlicher Existenz auf eine neue Grundlage gestellt.321 Somit vollzieht sich im Welt- und Geschichtszusammenhang eine individuell anzueignende Neukonstitution der identitätsbestimmenden Parameter, mit der die vormalig bestimmenden Dynamiken überwunden werden. Die Pointe besteht nun aber darin, dass diese Überwindung und Neukonstitution letztlich nichts anderes bedeutet als die Heraufführung der von Gott ureigentlich zugedachten und insofern immer schon vorgängigen Bestimmung. Die im JetztZustand ermöglichte Existenz ist demnach durchaus nicht sekundär gegenüber dem Selbstvollzug, der ihr auf der Einst-Ebene chronologisch vorausliegt. Im Grunde verhält es sich geradezu umgekehrt, insofern gerade der neu geschaffene Jetzt-Zustand Befreiung zum eigentlichen Selbst ist. Dieser bestimmungsgemäße Selbstvollzug ruht gleichwohl keineswegs selbstgenügsam in sich selbst, sondern zielt offenbar darauf, die kosmische Umwelt zu affizieren. Gerade in dieser Ausrichtung scheint sich die Bestimmung des ‚Wir‘ zur Existenz zum Lob der göttlichen Doxa (V.12) zu realisieren. Dies schließt auf nachgerade programmatische Weise die Verkündigungstätigkeit ein, die das Evangelium hörbar werden lässt und somit Inklusionsvorgänge initiiert, durch die das ‚Wir‘ als protologisch verankerte Größe im Weltzusammenhang Gestalt annimmt. Übergeordneter Fluchtpunkt des Ganzen ist dabei die integrierende Zusammenführung des Alls in seinen Teilen, die im Christusereignis grundgelegt ist und sich in dem als Durchführung der Zeitenfülle überschriebenen Dazwischen auf prozesshafte Weise vollzieht.
III.5
Formale Analyse: Die Textsorte ‚Briefeingangseulogie‘
Als ein grundlegendes Merkmal jeglichen Umgangs mit Texten wurde in der Darlegung der methodologisch-hermeneutischen Voraussetzungen der Aspekt der ‚Textsortenhaftigkeit‘ benannt. Demnach ist ein konkreter Einzeltext stets zugleich als „Exemplar einer bestimmten Textsorte“ anzusehen.322 Entsprechend geht es an dieser Stelle darum, den Abschnitt Eph 1,3–14 auf seine Textsortenzugehörigkeit hin zu befragen und die textsortenmäßige Geprägtheit || 321 Nach Eph 1,17 erscheint auch die gnoseologische Dimension des in Christus zuteilwerdenden Heils als pneumatisch vermittelt. 322 Brinker/Cölfen/Pappert, Textanalyse, 133. Vgl. zur Sache oben I.3.1, dort auch zum hier vorausgesetzten Verständnis von ‚Textsorte‘ im Sinne eines in der kulturell geprägten kommunikativen Kompetenz der Sprachverwendenden verankerten kognitiven Musters/Schemas.
Formale Analyse: Die Textsorte ‚Briefeingangseulogie‘ | 117
näher zu bedenken, indem die Implikationen, die sich aus einer entsprechenden Zuordnung für die sprachliche, thematische wie pragmatische Eigenart von Eph 1,3–14 ergeben, herausgestellt werden. Dem Grundsatz nach ist eine solche Zuordnung in der vorangehenden Analyse bereits vorausgesetzt worden, wurde doch die formale Charakterisierung des Abschnitts durch den von Nils Alstrup Dahl in die Diskussion eingeführten Begriff der ‚Briefeingangseulogie‘ übernommen.323 Demgemäß gilt es an diesem Punkt anzusetzen. Den Kern jenes Begriffs stellt dabei die Bestimmung als ‚Eulogie‘ dar, deren formale Eigenarten durch die alttestamentlich-antikjüdischen Hintergründe ihre maßgebliche Erhellung erfahren. Der erste, der Näherbestimmung dienende Begriffsbestandteil ‚Briefeingang‘ markiert demgegenüber die Besonderheit, dass die Eulogie in Eph 1,3–14 eingebunden ist in einen übergeordneten, seinerseits auf seine Textsorte hin zu befragenden Zusammenhang, innerhalb dessen sie eine Aktualisierung erfährt. Entsprechend soll nachfolgend in einem gestuften Verfahren vorgegangen werden, indem der Anfahrtsweg über die Eulogie als eigengeprägter Form genommen wird, um sodann in einem zweiten Schritt ihre Einbindung in übergeordnete Textsorten zu bedenken.324
III.5.1
Die Eulogie
Im Anschluss an Ulrich Heckel wird an dieser Stelle ein engeres Verständnis des formgeschichtlichen Terminus ‚Eulogie‘ vorausgesetzt, das darunter im Ausgang vom biblischen Befund jenen Gott geltenden „Lobpreis“ fasst, „der mit ( ברוךbzw. einem Äquivalent) beginnt“.325 Textsortenindizierender Charakter || 323 Vgl. Dahl, „Proömium“, 315. 324 Damit wird sich abgegrenzt von dem methodischen Grundsatz, wie er sich bei Hübner, Eph, 133 findet, wonach sich die Auslegung des Epheserbriefs gleichsam an einer Hierarchie, deren Gefälle vom Kolosserbrief über die weiteren Paulusbriefe und erst von dort zur LXX verlaufe, zu orientieren habe. In der Folge kann Hübner nämlich unter dem Verweis auf II Kor 1,3ff. den weiteren LXX-Hintergrund außer Betracht lassen. Das ist aber zumal dann nicht befriedigend, wenn – wie in der vorliegenden Arbeit – das Hauptaugenmerk nicht auf dem Aspekt der Textproduktion liegt. 325 Heckel, Segen, 29; vgl. a.a.O., 29f. auch zu den Abgrenzungen von den verwandten Begriffen ‚Doxologie‘, ‚Segen‘ und ‚Benediktion‘, die in der Forschung teils uneinheitlich gebraucht werden. Vergleichsweise verbreitet ist dabei eine Subsummierung der Eulogie unter den Oberbegriff der Doxologie, wobei die Eulogie dann als ein Grundtyp der Doxologie gelten kann, so etwa bei Vielhauer, Geschichte, 35f. Für einen differenzierteren, an „dem jeweiligen Grundwort“ orientierten Begriffsgebrauch – dem gemäß der Begriff ‚Doxologie‘ nur da angebracht ist,
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wird mithin der sogenannten baruk-Formel in ihrer auf Gott bezogenen Ausprägung zuerkannt, bei der im Hebräischen auf das Ptz.Pass.qal des Verbs ברךeine Gottesbezeichnung – zumeist der Gottesname – יהוהin Subjektstellung folgt.326 Diese Konstruktion begegnet in der Schrift weithin mit einer „remarkable fixity“327; bereits die Septuaginta lässt dabei – womöglich unter dem Eindruck liturgischen Sprachgebrauchs – Ansätze zu einer weitergehenden formelhaften Profilierung erkennen, wenn sie das Verbaladjektiv εὐλογητός, das in der LXX überhaupt erstmals belegt ist und dort neben dem Ptz.Perf.Pass. εὐλογημένος zur Wiedergabe von ברוךdient, tendenziell dem auf Gott bezogenen ברוךund also dem Lobpreis Gottes vorbehält.328 Diese Tendenz tritt im weiteren apokryph-pseudepigraphen Schrifttum deutlicher hervor und schlägt sich nicht zuletzt im neutestamentlichen Sprachgebrauch nieder. Wie bereits in den Ausführungen zur Gliederung von Eph 1,3–14 aufgezeigt, weist die Eulogie ihrem Grundmuster nach einen zweiteiligen Aufbau auf und setzt sich zusammen aus der baruk-Formel als Leitzeile – wobei die Nennung des göttlichen Subjekts appositionell erweitert werden kann329 – sowie einem
|| wo die δόξα tatsächlich den expliziten Kern des Lobspruchs darstellt –, sprach sich demgegenüber bereits Deichgräber, Gotteshymnus, 24 aus, der auf dieser Grundlage Doxologie, Eulogie und Charis-Spruch unterscheidet und als „Oberbegriff für alle Arten“ die „Bezeichnung ‚kurzer Lobspruch‘“ vorschlägt (ebd.). 326 Zu den weiteren Ausprägungen der baruk-Formel vgl. Scharbert, „Geschichte“. 327 Towner, „‘Blessed’“, 386. 328 Vgl. Tomson, „Blessing“, 37, der in dieser Tendenz mit Verweis auf die Schlusseulogien der Psalterbücher den Einfluss liturgischer Sprache vermutet; siehe a.a.O., 38f. zu den Ausnahmen, d.h. einer Applikation des Verbaladjektivs auf ein nichtgöttliches Subjekt bzw. dem Gebrauch des Partizips in Bezug auf Gott (markant ist besonders die ‚Vertauschung‘ in Jdt 13,17f.). Entsprechend kann in der Tat letztlich nicht von einer „coherent translation policy“ gesprochen werden; die besagte Tendenz ist nichtsdestotrotz zumal im Licht der weiteren Begriffsgeschichte deutlich zu erkennen; vgl. auch das entsprechende Fazit bei Heckel, Segen, 48. Hinzuweisen ist auch auf den bei Faust, Pax, 215 formulierten Befund, dass „εὐλογητός, εὐλογεῖν und εὐλογία – jeweils auf das Gotteslob bezogen – auch häufig in synagogalen bzw. jüdischen Inschriften aus Kleinasien“ begegnen, so dass die Eulogie gerade in Kleinasien als eine für den jüdischen Kontext charakteristische Sprachform angesehen werden kann. Vgl. auch die ebd. Anm. 452 angeführten inschriftlichen Parallelen zu dem finalen Infinitiv Eph 1,4. Hierin deutet sich mithin vielleicht an, dass gerade das Selbstverständnis hellenistischjüdischer Diasporagemeinschaften aufgegriffen wird, was auch für die neuere Diskussion um den Ekklesia-Begriff – vgl. dazu Korner, Origin – von Interesse sein dürfte. 329 Vgl. Towner, „‘Blessed’“, 388, der diese Apposition als ‚ascription‘ bezeichnet. Eine „ziemlich einheitliche Struktur“ der durch ברוךeingeleiteten, auf Gott bezogenen „Lobformeln“ macht auch Wehmeier, Segen, 131 aus und nennt als deren Bestandteile „a) Verbaladjektiv, b) Gottesname oder Appellativum (manchmal zusätzliche Epitheta), c) begründender Satz, meis-
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Begründungssatz, der das den Lobruf auslösende „motif immédiat“ expliziert.330 Einschlägig für diesen Aufbau sind nun insbesondere diejenigen alttestamentlichen Belege, die in Erzählzusammenhänge eingebettet sind.331 Diesen Belegen wird in der Regel zugleich eine maßgebliche Rolle für die Erhellung des formgeschichtlichen Profils der Eulogie zuerkannt.332 So deuten sie, indem sie als spontane Reaktionen auf ein bestimmtes glückliches Geschehen erscheinen, darauf hin, dass die Eulogie zunächst im Bereich situativ formulierter Lobsprüche wurzelt. Demnach artikuliert sich in ihr „der lobpreisende Dank für erfahrene Wohltat“333, die auf Gott als ihren Urheber zurückgeführt wird. Ihren Ort haben diese Sprüche ausweislich des jeweiligen narrativen Settings dabei indes im Kontext eines „person-to-person discourse“334, der ein menschliches Gegenüber, eine Dialogsituation voraussetzt. Die pragmatische Stoßrichtung der Eulogie scheint sich somit wesentlich auf solch sozialer, ‚horizontaler‘ Ebene zu bewegen; die Formel trägt gleichsam den Charakter eines fingerzeigartigen Bekenntnisses vor einem menschlichen Forum.335 Die diesem ‚Fingerzeig‘ nichtsdestotrotz inhärente Hinwendung zu Gott tritt demgegenüber besonders in den kultisch-liturgisch gefärbten Zusammenhängen und Textsorten, in denen die Eulogie ebenfalls – und hier dann oft auch in der Kurzform ohne Begründungssatz – begegnet, hervor.336 Am prägnantesten
|| tens mit ,ašär eingeleitet“. So z.B. Gen 14,20; 24,27; Ex 18,10; I Sam 25,32.39; II Sam 18,28; I Kön 1,48; 5,21; 8,15.56; 10,9; Ruth 4,14; Esr 7,27; II Chr 2,11; 6,4; 9,8; Ps 66,20; 124,6. 330 Vgl. Audet, „Esquisse“, 378f., der die baruk-Formel als „ ‚bénédiction‘ proprement dite“ bezeichnet (ebd.). Der Begründungssatz wird zumeist relativisch angeschlossen; kausale Fortführung ( כיbzw. ὅτι) findet sich in Ps 28[27],6; 31[30],22, Belege für eine partizipiale Fortführung (vgl. Eph 1,3) finden sich Ps 18[17],47–49; 72[71],18; 135[134],21; 144[143],1. Wenn im Epheserbrief – wie auch II Kor 1,3; I Petr 1,3 – nicht auf den Begründungssatz verzichtet wird und dieser zudem in partizipialer Form an die Leitzeile angefügt wird, so entspricht im Übrigen auch gerade dies den Tendenzen im zeitgenössisch-jüdischen Bereich; vgl. Deichgräber, Gotteshymnus, 41; Scharbert, „“ברך, 833 (zu Qumran).835 (zu den sog. deuterokanonischen Schriften des AT); Heinemann, Prayer, 85 zur rabb. Lit. Auch II Kor 1,3; I Petr 1,3 schließen den Begründungssatz partizipial an. Anders Lk 1,68: Hier weist die das benedictus eröffnende Eulogie eine – zeitgenössisch ebenfalls gängige, vgl. Tob 3,16f.; 11,14 – kausale Verknüpfungsstruktur (ὅτι) auf. 331 Vgl. aus den o.g. Belegen etwa Gen 14,20; 24,27; Ex 18,10; I Sam 25,32; Ruth 4,14. 332 So etwa bei Towner, „‘Blessed’“, 388f.; Wehmeier, Segen, 120f. 333 Scharbert, „“ברך, 816; vgl. auch Audet, „Esquisse“, 376. 334 Towner, „‘Blessed’“, 389. 335 Vgl. Jenni, „Schlussformeln“, 116. 336 Belege in (gebetsartigem) narrativem Zusammenhang finden sich I Kön 8,15.56; I Chr 16,36 (Kurzform); 29,10 (Kurzform); II Chr 6,4. Ansonsten sind hier die zahlreichen Belege aus den
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kommt dies sicherlich in dem alttestamentlich seltenen, im weiteren antikjüdischen und zumal rabbinischen Schrifttum verbreiteten Gebrauch der 2.Sg. und also der direkten Gottesanrede in der Leitzeile zum Ausdruck.337 Insofern es sich bei den entsprechenden alttestamentlichen Belegen offenbar um relativ junge Texte handelt, mag gleichsam eine zunehmende, auf das Gebet hin tendierende ‚Vertikalisierung‘ der Eulogie zu erkennen sein.338 Zumindest aber ist eine Affinität der Eulogie zum Gebet zu beobachten, wie sie tatsächlich auch in manchem der oben angesprochenen Belege in narrativem Kontext durchscheint.339 Auch in ihrer dezidiert vertikal orientierten Stoßrichtung scheint jedoch der Bezug auf die Erfahrung göttlicher Heilszuwendung als charakteristisches inhaltliches Merkmal der Eulogie gelten zu können.340 In Folge dessen eignet ihr insgesamt ein Zug zum Berichtenden; mit der Eulogie wird sich gewissermaßen bewusst auf den Boden konkreter geschichtlicher Erfahrung gestellt und diese zur Grundlage des Gotteslobs gemacht – und zwar eines solchen, das auf intersubjektive Evidenz ausgerichtet ist, so dass es Sprecher und menschliches Forum in Form eines spezifischen gemeinsamen Blicks auf Geschehenes zusammenschließt.341 Ebendieses wird dabei als Manifestation des Wirkens des Gottes Israels in seiner Geschichte mit seinem Volk verstanden und zur Sprache gebracht, wie besonders die Gottesbezeichnungen in der Leitzeile verdeutlichen. Wenn es mit Hermann Spieckermann nun als „das konstitutive Charakteristikum des Hymnus“ in alttestamentlicher Tradition angesehen werden darf, „dass des Menschen und Israels Rettung, Begnadung und Begabung durch Gott als Anstiftung zum Lob erfahren werden, in dessen Zentrum Gott selbst
|| Psalmen anzuführen, so etwa Ps 28,6; 31,22; 66,20; 119,12; 124,6 bzw., in der Kurzform, Ps 41,14; 68,20.36; 89,53; 106,48. 337 Vgl. dazu Heckel, Segen, 46. 338 Vgl. dazu Heckel, Segen, 44f. im Anschluss an die Diskussion seit Audet. Nach Tomson, „Blessing“, 50f. weist auch der Gebrauch der Kurzformel bei Paulus darauf hin, dass die Formel bereits liturgische Prägung hat und als charakteristisch synagogale Ausdrucksweise angesehen werden kann. 339 Vgl. oben Anm. 336. 340 Mit Scharbert, „“ברך, 816 gilt dies auch für die Kurzformen ohne Begründungssatz; auch diese, mit Ausnahme des „umstrittenen Ez 3,12“, stünden „immer in Texten, in denen JHWHs Heilstaten an Israel oder dem einzelnen Frommen vorher erwähnt wurden“. 341 Gerade in diesem potentiellen Involviertsein des Sprechers wird ein Spezifikum der Eulogie gegenüber der ganz adressatenbezogenen Danksagung gesehen; vgl. Berger, Formen, 303. Die ‚responsorische‘ Struktur der Eulogie Ps 106,48; I Chr 16,36 bringt diesen Aspekt zum Ausdruck.
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steht“342, so wird man der Eulogie eine Tendenz zum Hymnischen nicht absprechen können.343 Ja, ihrem Aufbauschema nach scheint sie – mit ihrer theozentrischen Eröffnungsformel, die in eine umfassendere Darstellung übergehen kann – geradezu ein hymnisches ‚Grundgerüst‘ in nuce aufzuweisen.344 Nach Art eines Zwischenfazits lässt sich der Ertrag der vorstehenden Beobachtungen zum formgeschichtlichen Hintergrund der Eulogie für das Verständnis von Eph 1,3–14 dahingehend benennen, dass die bereits unter II.4.2 benannte Geprägtheit des Abschnitts durch die Konventionen des hellenistisch-jüdischen Sprachraums hierdurch eine grundlegende Bestätigung erfährt. Trotz mancher sich in der Schrift andeutenden Tendenz zur liturgischen Verdichtung stellt dabei gerade auch die entfaltete Form der Eulogie mit – zumal partizipial angefügtem – Begründungssatz, wie sie sich im Epheserbrief und entsprechend auch II Kor 1,3; I Petr 1,3 findet – eine im weiteren antikjüdischen Kontext geläufige Ausprägung der Textsorte dar. Bestätigt werden des Weiteren zentrale Aspekte der Überlegungen zum sprachlich-inhaltlichen Profil von Eph 1,3–14, wie sie in der Analyse der sprachlichen Gestalt formuliert wurden. So erweist sich zum einen die Verschränkung von horizontaler und vertikaler Kommunikationsebene, wie sie für Eph 1,3 be|| 342 Vgl. Spieckermann, „,Hymnen‘“, 103. Spieckermann grenzt sich in seiner Darlegung von einer Forschungstradition ab, die nach Hymnen im Alten Testament „im Sinne einer identifizierbaren Gattung mit erkennbarer Konstanz in Disposition, Formation und Intention“ fragt – eine solche gebe es nicht (a.a.O., 99). Spieckermann zufolge ist die Kategorie alttestamentlicher Hymnen vielmehr als „Textgruppe“ zu konzipieren, „als deren Intention das Gotteslob durch eine Reihe variabler formaler und inhaltlicher Indikationen erkennbar ist“ (ebd.). Zu ersteren zählt er im Übrigen den „Gottes Wesen und Wirken preisenden Partizipialstil“ (a.a.O., 103), wie er ja auch in der Eulogie als strukturtragendes Element benannt wurde. 343 So schon Audet, „Esquisse“, 379. 344 Zu diesen engen strukturellen und inhaltlichen Berührungspunkten zwischen der Eulogie und Textsorten, die das Gotteslob in entfalteter Form zur Sprache bringen, siehe auch die Einschätzung bei Westermann, Loben, 65, wonach „[s]owohl im Aufbau (Lobruf und Begründung: Gott hat getan) wie in diesen drei Elementen [nämlich „1. Das Loben Jahwes über einer Tat, die er getan hat“, „2. Diese Sätze sind unmittelbar Antwort auf Gottes Eingreifen“, „3. Es gehört zum Wesen dieses Lobes, dass es in Freude geschieht“] […] die bārūk-Sätze in den historischen Büchern mit dem berichtenden Lobpsalm zusammen[treffen] (Hervorhebungen im Original). Westermann unterscheidet freilich in seiner formgeschichtlichen Analyse der „Lobpsalmen“ zwischen dem „Hymnus“ im Sinne des ‚beschreibenden Lobs‘, der „Gott lobt über seinem Tun und Sein im Ganzen“, und dem „Danklied“ als ‚berichtendem Lob‘, das „Gott über einer bestimmten Tat lobt, von der der Gerettete in seinem Lied erzählt oder berichtet“ (a.a.O., 25), so dass sich der oben vorausgesetzte Gebrauch von ‚hymnisch‘ nicht mit seinem Sprachgebrauch deckt.
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obachtet wurde, als textsortengemäß; ein entsprechendes Oszillieren scheint die Eulogie gewissermaßen von Haus aus zu kennzeichnen. Der durchgängige Gebrauch der 3.Sg. im Blick auf Gott in Eph 1,3–14 mag dabei – ganz dem epistolaren Kontext gemäß – dazu dienen, die horizontale, adressatenbezogene Achse zu akzentuieren. Gleichermaßen erlaubt es aber das implizite Mitführen der vertikalen Ausrichtung, dass diese durch die Gebetselemente im weiteren Brief wiederholt bespielt werden kann (vgl. insbesondere 1,16ff; 3,13.14ff.20f.). Zum anderen wird die These, der Begründungssatz lasse sich als Entwurf eines auf erfahrenes Gotteshandeln gegründeten, die eigene Gegenwart als eine heilvolle bestimmenden Narrativs ansprechen, insofern untermauert, als von den obigen Ausführungen her gerade eine solche Ausrichtung als textsortengemäß erscheint. Dem entspricht, dass eine Tendenz zum Hymnischen in Eph 1,3–14 in der Tat durchschlägt, weist das plerophore Sprachgewand des Abschnitts doch signifikante Berührungspunkte zu den (mit Spieckermann: fakultativen) formalen Charakteristika alttestamentlicher ‚Hymnen‘ auf. Zu jenen zählt nämlich im Anschluss an Hermann Gunkel – dessen sprachliche Beobachtungen auch dann ihre Relevanz behalten, wenn man den ‚festzurrenden‘ formgeschichtlichen Folgerungen Gunkels nicht folgen mag – eben gerade ein „Stil der Attribute, der Relativsätze und Partizipien“, wie er sich auch für Eph 1,3–14 als strukturprägend erwiesen hat.345 Im formgeschichtlichen Licht fallen freilich zugleich die strukturellen Besonderheiten ins Auge, die den Lobpreis Gottes in Eph 1,3–14 kennzeichnen. So markiert bereits die Apposition in der Leitzeile an formal prominentem Ort (s.o.), dass das den Seinen zugutekommende Geschichtshandeln dieses Gottes sein bestimmendes Zentrum in der Bezogenheit auf Jesus Christus hat; der Gott Israels wird von Jesus Christus her zur Sprache gebracht. Damit korrespondiert in gewisser Weise, dass das syntaktische Gefüge von Eph 1,3–14 eine partizipiale und eine relativische Begründungsstruktur, die beide zum formalen Repertoire der Textsorte gehören, miteinander verbindet. Denn es zeichnet diese Verbindung ja gerade aus, dass die beiden Strukturen auf je unterschiedliche Referenzgrößen verweisen: Verbleibt die erstere ganz theozentrisch und bezieht sich auf Gott als handelndes Subjekt, so hat die zunehmend in den Vordergrund tretende relativische ἐν ᾧ-Struktur Christus zum Bezugssubjekt. Unter der Hand wird das Gotteslob somit aber zugleich zum Christuslob – was ganz auf der Linie der bereits oben angesprochenen und durch die Leitzeile angedeuteten
|| 345 Vgl. Gunkel, Einleitung, 45. Dem entspricht es im Übrigen auch, dass die baruk-Formel von Gunkel explizit als ,passive Einführungsformel‘ in seiner Abhandlung der Hymnen diskutiert wird, a.a.O., 40.
Formale Analyse: Die Textsorte ‚Briefeingangseulogie‘ | 123
(vgl. die Übertragung des Kyrios-Titels auf Christus) Wirkeinheit von Vater und Sohn liegt. Bemerkenswert ist dabei, dass in diesen Verbund schließlich auch der Geist eingegliedert wird, wenn dieser in V.14 – wiederum durch relativischen Anschluss – in grammatikalischer Subjektstellung näher erläutert wird.346
III.5.2
Einbindung der Eulogie in übergeordnete Textsorten I: Gebetsartiges
In einem weitergehenden Schritt ist sich der Einbindung der Eulogie in übergeordnete Textsorten zuzuwenden. Bereits hingewiesen wurde dabei darauf, dass gebetsartige Zusammenhänge einen Schwerpunkt einer solchen Einbindung darstellen. Näherhin kann die Eulogie dort als Eröffnung347, Abschluss348 oder auch internes Gestaltungselement349 fungieren; ihr kommt somit offenbar eine für die Makrostrukturierung der betreffenden Texte relevante Funktion zu.350 Im Epheserbrief kommt die Eulogie als Eröffnung des weiteren Briefkorpus im Anschluss an das Präskript nun ebenfalls nicht nur in einer im Gesamtaufriss herausgehobenen Stellung, sondern zugleich in einem mit gebetsartigen Elementen geradezu gespickten Kontext (s.o.) zu stehen. Vor diesem Hintergrund aber stellt sich die Frage, ob die makrostrukturelle Funktion der Eulogie in den besagten Gebetskontexten spezifische Muster erkennen lässt, die sich für die Einbindung der Eulogie im Epheserbrief als erhellend erweisen können. Der Position der Eulogie im Epheserbrief gemäß sind dabei maßgeblich solche Texte in den Blick zu nehmen, die durch eine Eulogie eröffnet werden. Eine entsprechende Fährte, die hier aufgenommen werden soll, hat JeanPaul Audet aufgezeigt: So weist er – als Beispiel dient ihm I Kön 8,56–61 – auf einen typischen Konnex zwischen Eulogie und anschließender Gebetsbitte hin. Demnach kann erstere als ein an Gott gerichtetes „Souviens-toi“ fungieren, das ihm die Gunsterweise, die er in der Vergangenheit habe zuteilwerden lassen, vorhält, um auf der Grundlage einer solchen „anamnèse des mirabilia Dei“ sachlich verwandte Bitten zu formulieren, wie sie sich aus der akuten Situation
|| 346 Ein ähnlicher Anschluss findet sich auch in Eph 1,23 – mit Bezug auf die ἐκκλησία. 347 Etwa I Kön 8,15.56; I Chr 29,10; Ps 144,1; Tob 3,11; 8,5; 11,14; Hen(aeth) 84,2; 1QH 10,14. 348 Vgl. mit Schuller, „Observations“, 140 etwa 4Q504–506 sowie ihr Fazit, es sei „clear that the custom of beginning or ending a ritual prayer with a berakah […] was well established in the Second Temple Period“ (a.a.O., 141). 349 Etwa Ps 28,6; 31,22; 68,20; 119,12; 124,6. 350 Verwiesen sei nur auf die Schlusseulogien im Psalter (Ps 41,14; 72,18f.; 89,53; 106,48).
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des Beters ergeben.351 Die Gewährung dieser Anliegen durch Gott würde demnach grundlegend den Charakter einer Entsprechung zu seinen vormaligen Gunsterweisen tragen; das in der Eulogie formulierte Lob dient dann somit zugleich dazu, Gott auf sich selbst behaften zu können, und hat gleichsam eine subtile argumentative Funktion. Prägnant greifbar wird dieses Muster in dem Gebet des Judas Makkabäus vor der Schlacht gegen das Heer des Lysias 1 Makk 4,30–33: 30
καὶ εἶδεν τὴν παρεμβολὴν ἰσχυρὰν καὶ προσηύξατο καὶ εἶπεν Εὐλογητὸς εἶ, ὁ σωτὴρ Ισραηλ ὁ συντρίψας τὸ ὅρμημα τοῦ δυνατοῦ ἐν χειρὶ τοῦ δούλου σου Δαυιδ καὶ παρέδωκας τὴν παρεμβολὴν τῶν ἀλλοφύλων εἰς χεῖρας Ιωναθου υἱοῦ Σαουλ καὶ τοῦ αἴροντος τὰ σκεύη αὐτοῦ· 31οὕτως σύγκλεισον τὴν παρεμβολὴν ταύτην ἐν χειρὶ λαοῦ σου Ισραηλ, καὶ αἰσχυνθήτωσαν ἐπὶ τῇ δυνάμει καὶ τῇ ἵππῳ αὐτῶν· 32δὸς αὐτοῖς δειλίαν καὶ τῆξον θράσος ἰσχύος αὐτῶν, καὶ σαλευθήτωσαν τῇ συντριβῇ αὐτῶν· 33κατάβαλε αὐτοὺς ῥομφαίᾳ ἀγαπώντων σε, καὶ αἰνεσάτωσάν σε πάντες οἱ εἰδότες τὸ ὄνομά σου ἐν ὕμνοις. 1 Makk 4,30–33
Auf die – in direkter Gottesanrede gehaltene und mit einem aoristischpartizipialen Begründungssatz versehene – Eulogie (V.30) folgt in V.31–33 die Formulierung der auf die konkrete Situation bezogenen Bitten des Judas. Das einleitende οὕτως am Übergang zu diesem zweiten Teil weist die Eulogie dabei explizit als Bezugsgrundlage der Bitten aus; Gott wird aufgefordert, sich wiederum und in analoger Weise als Retter seines Volkes zu erweisen. Verschiedene begriffliche und motivische Wiederaufnahmen im zweiten Teil stützen das Vorliegen eines solchen Zusammenhangs.352 Somit gehört es offenbar zum Verwendungsrepertoire der Textsorte Eulogie, mit einem Bittgebet gekoppelt zu werden, als dessen Bezugsgrundlage sie dient. Zu fragen ist daher, ob ein vergleichbarer Konnex auch für die Eulogie Eph 1,3–14 und ihren Kontext aufgewiesen werden kann. Denn auch hier schließt sich mit
|| 351 Vgl. Audet, „Esquisse“, 380f. (Teilzitate 381). Robinson, „Hodajot-Formel“, 204 rekonstruiert ebenfalls ein solches „Formular“, bei dem die – in der 2.Pers. formulierten – „Berakot“ als „Einleitungen zu Gebeten“ fungieren und dabei „oft so angelegt“ sind, „dass sich die folgende Bitte auf die in der Berakah gepriesene Tat Gottes berufen kann, indem sie um eine vergleichbare Hilfe in der Gegenwart bittet“. Exemplarisch führt auch – siehe dazu im Folgenden – Robinson 1 Makk 4,30–33 an, ferner weist er auf das Gebet Abrahams 1QapGen 20,12–16 hin; vgl. a.a.O., 204f. 352 Vgl. nur die Begriffe παρεμβολή, Ἰσραήλ, χείρ sowie das Wortfeld δύναμις; als umfassende Inklusion dient ferner das Motiv des Gotteslobs.
Formale Analyse: Die Textsorte ‚Briefeingangseulogie‘ | 125
der in einen Fürbittgebetsbericht übergehenden Danksagung in 1,15–19(23) unmittelbar ein Abschnitt an, der bittgebetsartige Elemente in den Vordergrund stellt.353 In 3,(1.)14–19 folgt dann sogar noch ein weiterer Fürbittgebetsbericht, der deutliche Verbindungslinien zu jenem in 1,15ff. aufweist (s.u.). Was nun zunächst das Verhältnis von 1,15–19 zu 1,3–14 betrifft, so finden sich in der Tat Anhaltspunkte, die in die im Anschluss an Audet beschriebene Richtung weisen. Denn markiert bereits das einleitende διὰ τοῦτο V.15 summarisch die Rückkoppelung des Folgenden an die vorangehende Eulogie, so sind die in Form eines breit entfalteten ἵνα-Satzes in V.17–19 formulierten Bitten ausweislich der in der Gottesbezeichnung V.17ab zu vernehmenden Anklänge an V.3a354 an ebenjenen Gott gerichtet, von dem in V.3–14 gehandelt wurde.355 Ja, die beiden markanten Gottesprädikationen, die in V.17ab unverbundenappositionell nebeneinander gestellt werden, scheinen geradezu eine theologische Zuspitzung der in der Eulogie getroffenen Aussagen vorzunehmen: Während der Ausdruck ὁ θεὸς τοῦ κυρίου ἡμῶν Ἰησοῦ Χριστοῦ die bereits in V.3a angelegte und im Begründungssatz der Eulogie explizierte wesensmäßige Bezogenheit dieses Gottes auf Christus und indirekt auch die ἡμεῖς durch die direkte Applikation der Genitivwendung auf den θεός-Begriff in zugespitzter Form zum Ausdruck bringt356, signalisiert das Gottesprädikat ὁ πατὴρ τῆς δόξης, dass diese Bezogenheit letztlich dazu führt, dass dieser Gott Anteil gibt an seiner δόξα (vgl. ἔνδοξον 5,27!), auf deren Lob sein gesamter Heilsratschluss nach Maßgabe von V.3–14 schlechterdings zielt. Das bereits in der Eulogie auszumachende Motiv einer die Partizipation an seinen Wesenseigenschaften einschließenden Gottesnähe wird somit noch einmal einer Pointe zugeführt. Auch das inhaltliche Referat der Fürbitte in V.17c–19 lässt enge begrifflichmotivische wie auch stilistische Berührungen mit dem Begründungssatz der || 353 Zur eingehenden Analyse von Eph 1,19–23 vgl. IV. Charakteristisch ist, dass die eigentliche Danksagung knapp gehalten ist, während das Schwergewicht auf dem Fürbittgebetsbericht liegt. 354 Die Gottesbezeichnung ruht in beiden Fällen auf den Prädikaten θεός und πατήρ auf (zu deren konstitutiver Verbundenheit vgl. auch Eph 4,6; 5,20; 6,23), wobei letzteres in V.17 ersterem klarer appositionell beigeordnet ist. Der Genitiv τοῦ κυρίου ἡμῶν Ἰησοῦ Χριστοῦ ist jeweils einem der Prädikate zugeordnet; überschießend in V.17 ist die eigenständige Näherbestimmung durch einen Genitiv auch bei dem zweiten Gottesprädikat. 355 Dass der Akzent auf die Fürbitte geschoben wird, zeigt sich eben auch darin, dass die expliziten Gottesbezeichnungen in V.15–19 dieser vorbehalten sind; in V.15f. taucht Gott als Referenzträger nicht explizit auf, sondern ist als Adressat der Danksagung aus dem Zusammenhang zu ergänzen. 356 Sellin, Eph, 128 spricht treffend von einem „qualifizierenden, ja identifizierenden Gen[itiv]“.
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Eulogie erkennen. Direkte Wiederaufnahmen sind für πνεῦμα (vgl. V.13), σοφία (V.8), πλοῦτος (V.7), δόξα (V.6.12.14), κληρονομία (V.14) zu verzeichnen; aber auch mit ἀποκάλυψις und ἐπίγνωσις (vgl. V.9), der Rede von der ἐλπίς (V.12), der Bezeichnung der ἡμεῖς als τοὺς πιστεύοντας (V.13) sowie der schließlich markant in den Vordergrund tretenden – und zugleich als Scharnier zu V.20–23 fungierenden – ἐνέργεια-Motivik (V.11) wird unmittelbar an Sprachmaterial aus 1,3–14 angeknüpft. Auf stilistischer Ebene sind insbesondere die gehäuften adnominalen Genitive und Präpositionalausdrücke – wobei in V.18f. wiederum eine εἰς-κατά-Alternation anklingt und auch die Konstruktion εἰς+AcI aus V.12 bekannt ist – sowie der Gebrauch von Appositionen – vgl. neben V.17ab und V.17c.18a die Wendung ἡμᾶς τοὺς πιστεύοντας in V.19, siehe dazu V.12 – anzuführen; auch hier findet also eine zumindest sprachliche Annäherung statt.357 Die aufgezeigten Verbindungslinien lassen die Briefeingangseulogie tatsächlich als strukturelle Bezugsgrundlage für den Fürbittgebetsbericht in 1,17– 19 erscheinen, wie es dem Muster von 1 Makk 4,30–33 entspricht. Einem Konnex von entfalteter Eulogie und Bittgebet mag somit auch im Epheserbrief makrostrukturelle Relevanz zukommen. Diese Vermutung lässt sich durch die Einbeziehung des zweiten Fürbittgebetsberichts in Eph 3,(1.)14–19 in die Überlegungen erhärten. Zu bedenken ist hier zunächst die Verhältnisbestimmung zum ersten Fürbittgebetsbericht. Es sind dabei die folgenden Beobachtungen, die 3,14–19 als Fortführung von 1,17–19 erscheinen lassen: – Adressat der Fürbitte ist wiederum der Vater, wobei dieses Gottesprädikat nach 1,3.17 in 3,15 weitere eigengeprägte Füllung erhält.358 Mit dieser wird auf die Universalität der göttlichen Vaterschaft abgestellt, was sich mit den Aussagen zu Gott als Schöpfer berührt (3,9; vgl. auch 2,18; 4,6). Das Profil der Vaterprädikationen in 1,3.17 wird dadurch in konzeptionell gewichtiger Weise ergänzt. Ja, in der Zusammenschau der drei genannten πατήρ-Belege bündelt sich geradezu die theologische Leitfunktion dieses Gottesprädikats im Epheserbrief: Der Titel bezeichnet den sich in Jesus Christus der WirGruppe und darüber hinaus der ganzen Schöpfung zuwendenden Gott, der in seinem Wirken auf die Einholung derselben in die ihm eigene δόξα aus ist.
|| 357 Diese Annäherung hat zugleich die Funktion, den Wechsel der diegetischen Ebene hin zur Gründungsgeschichte vorzubereiten, die in Eph 1,19–23 elaboriert wird; vgl. unter IV. 358 Der Begriff θεός, der in Eph 1,3.17 mit πατήρ verbunden wird, rundet den zweiten Fürbittgebetsbericht abschließend ab (3,19).
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Letzterem entspricht, dass der in der Bezeichnung Gottes als πατὴρ τῆς δόξης angelegte Aspekt einer Anteilgabe an der göttlichen Doxa in 3,16 insofern nachklingt, als die Wendung κατὰ τὸν πλοῦτον τῆς δόξης αὐτοῦ (vgl. 1,18) den Akt des Gebens, um den Paulus Gott zugunsten der Adressaten bittet (ἵνα δῷ ὑμῖν), derart näher bestimmt, dass die δόξα gleichsam als Quelle, als „Schatz, aus dem der gebetene Gott geben möge“359, erscheint. In struktureller Hinsicht ist den beiden Fürbittgebetsberichten ferner eben dies gemein, dass sie sich auf ein den Adressaten zugutekommendes Geben Gottes richten, dessen Objekte zunächst in Form zweier asyndetischer Ausdrücke bezeichnet werden, woran sich eine finale Konstruktion anschließt. Diese ist dabei jeweils gnoseologisch geprägt bzw. hebt den Aspekt einer durch Gott gewährten Einsicht hervor und läuft auf eine wortspielartige πληροῦσθαι/πλήρωμα-Aussage zu. Damit korrespondiert schließlich, dass in beiden Fürbittgebetsberichten dem (göttlichen) πνεῦμα eine Schlüsselrolle für die Benennung der erbetenen Gaben zukommt – sei es, dass es selbst unmittelbarer Gegenstand der Bitte ist (1,17), sei es, dass das Erbetene wesentlich auf die Wirksamkeit des πνεῦμα zurückgeführt wird (3,16).
Diese – im Detail noch umfassenderen360 – sprachlichen Rückbezüge und strukturellen Parallelen erweisen 3,14–19 als Anschluss an die erste Fürbitte. Auf einen vertiefend-intensivierenden Charakter dieser Fortsetzung weist dabei schon die feierliche Einleitung durch das Proskynese-Motiv in 3,14 hin. Insgesamt ergibt sich somit das Bild einer konzeptionellen Zusammengehörigkeit der beiden Fürbittgebetsberichte, als deren Grundlage wiederum die Briefeingangseulogie erscheint. Das Wechselspiel von Eulogie und (zweistufiger) Gebetsbitte erweist sich demnach als unterschwelliges Rückgrat der Textbewegungen in 1,3–3,19. Insbesondere der zweigeteilte Bericht über die den Adressaten geltende Fürbitte dient geradezu als Rahmen, in den im Zusammenhang von Eph 1–3 weitere Ausführungen eingespannt sind.361 Diese Ausführungen lassen sich dabei ihrerseits, wie im weiteren Verlauf der Arbeit zu plausibi|| 359 Sellin, Eph, 279. 360 Vgl. Luz, Eph, 148, der „etwa ein Dutzend gemeinsamer Stichworte und Wendungen“ zählt; inhaltlich sei „die Bitte um Glaubenserkenntnis und die abschließende Zielangabe, die Fülle Gottes, gemeinsam“. 361 Vgl. Gnilka, Eph, 27. Ähnlich will auch Luz, Eph, 107 „den sogenannten ‚lehrhaften‘ Teil des Epheserbriefes [sc. Eph 1–3, J.B.] als ein lobpreisendes Gebet, das durch eine ausführliche Erinnerung an das, wofür die Gemeindeglieder danken dürfen, unterbrochen wird“, verstanden wissen.
128 | Grundlegung: Exegese von Eph 1,3–14
lisieren sein wird, als Aufnahmen und nähere Entfaltungen des Gründungsnarrativs aus der Eulogie ansprechen. Dieser durch 1,3 eröffnete Gesamtzusammenhang wird nun zugeführt auf die Doxologie in 3,20f.362, insofern diese – indem hier wiederum der Aspekt des Gotteslobs in den Vordergrund tritt – in motivisch-pragmatischer Hinsicht den Bogen zur Eulogie zurückschlägt. In einer der Grundtendenz nach analogen Weise stellt nun aber auch in dem oben angeführten Gebet des Judas Makkabäus das Gotteslob den Zielpunkt dar, auf den das – auf Basis der Eulogie formulierte – Bittgebet letztlich zustrebt (vgl. 1 Makk 4,33). Eph 1,3–3,21 teilt also mit 1 Makk 4,30–33 ein nicht nur zwei-, sondern letztlich dreigliedriges Schema aus Eulogie, darauf bezogener Gebetsbitte und dem – auf je unterschiedliche Weise realisierten – Gotteslob als Fluchtpunkt.363 Die Annahme der Orientierung an einem solchen Schema, das sich ähnlich auch in anderen literarischen Gebeten im antikjüdischen und frühchristlichen Bereich findet364, vermag mithin die Makrostruktur von Eph 1,3–3,21 als dem ersten Hauptteil des Epheserbriefs zu erhellen.365 Als Spezifikum der Aktualisierung dieses Musters hatte sich schon oben in den Ausführungen zur Eulogie die Anpassung an den epistolaren Kontext angedeutet, wie sie in der Betonung der adressatenbezogen-horizontalen Achse zum Ausdruck kommt. Dem entspricht auch der indirekte, berichtsartige Charakter der Danksagung und Fürbitten in 1,15–19; 3,1.14–19, der sich an die in der 2.Pl. angesprochenen Adressaten wendet. In der Doxologie 3,20f. scheint demgegenüber die vertikale Orientierung stärker durchzuschlagen, nicht zuletzt infolge des Gebrauchs der inklusiven 1.Pl., der sich abhebt von dem die Fürbitten dominierenden Gegenüber von 1.Sg. des Betenden und 2.Pl. der Adressaten und der durch das responsorische, eine Antwort der Gemeinde antizipierende ἀμήν als Schlusspunkt unterstrichen wird. Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen zur Relevanz von Gebetsmustern für die Entwicklung der Textdynamik im Epheserbrief zeichnet sich nicht zuletzt
|| 362 Vgl. das betont eingeführte, eigengeprägte Gottesprädikat Eph 3,20. Die Doxa, die 1,16 als partizipativ erschien, wird wieder zurückgespielt zu Gott, gemäß dem ‚von Gott her und zu ihm hin‘ verlaufenden Wechselspiel, das durch die εὐλογεῖν-Paronomasie in 1,3 eingeführt wurde. 363 Durch die Gliederung der Fürbitte in zwei Teile ist für Eph 1–3 freilich eine viergliedrigchiastische Anordnung zu erkennen. 364 Vgl. die Belege bei Gnilka, Eph, 27. Die Bausteine können im Einzelnen in ihrer Zusammensetzung und Anordnung variieren. 365 Ähnlich erblickt Gnilka, Eph, 27 hierin „den Strukturplan für Eph 1–3“ und hebt hervor, die Abfolge von „Eulogie bzw. Lob – Bitte (und/oder Dank) – Doxologie bzw. Lob“ könne „ohne weiteres als Schema betrachtet werden, das im Beten der Gemeinde eine Rolle spielte“.
Formale Analyse: Die Textsorte ‚Briefeingangseulogie‘ | 129
ein organischer Zusammenhang zwischen Eph 1,3–14 und 1,15–19 ab. Demzufolge stellen Eulogie und Danksagung/Fürbitte keineswegs eine in latenter Konkurrenz zueinander stehende ‚Doppelung‘ dar, in deren Inkaufnahme sich womöglich schlicht das Interesse eines deuteropaulinischen Verfassers dokumentieren würde, einen möglichst ‚mustergültigen‘ Paulusbrief zu konzipieren.366 Vielmehr greifen beide stimmig ineinander, indem sie das Verwendungsrepertoire der Eulogie – in einer an den paulinisch-epistolaren Kontext angepassten Weise – aktualisieren und eine diskursive Dynamik entwickeln, die sich für Eph 1–3 insgesamt als grundlegend erweist. Die etablierten Gebetsmuster weisen dabei auf ein argumentatives Gewicht, das der Eulogie zuwachsen kann, und vermögen somit die Annahme einer basisgebenden Funktion, die der Eulogie Eph 1,3–14 zumal im Zusammenhang von Eph 1–3 beizumessen ist, zu bestätigen; das Kopfstück ist zu weiten Teilen zugleich Herzstück des Schreibens. Verblieben die Überlegungen zum Verhältnis von Eulogie und Fürbittgebetsberichten in Eph 1–3 bisher weitgehend auf einer formalen Ebene, so gilt es in einem weiteren Schritt, das im Vorangehenden benannte Wechselspiel unter inhaltlichen Aspekten näher zu beleuchten. Wie sich zeigen wird, berührt dieses nicht nur Fragen der Profilierung von 1. und 2.Pl. im Epheserbrief, sondern auch die Positionierung des Ichs des fiktiven Autors in Relation zu jenen beiden Referenzträgern und somit die Gestaltung des Kommunikationsgefüges in einem umfassenden Sinne. Prima facie scheint die These, die Aussagen der Eulogie fungierten in Anlehnung an das Souviens-toi-Muster als Argumentationsgrundlage für die Fürbitten, ein inklusives, die Adressaten inkludierendes Verständnis der 1.Pl. in der Eulogie zu untermauern. Denn ein derartiger Konnex setzt doch wohl voraus, dass zwischen dem in der Eulogie entworfenen Narrativ und denen, um derentwillen gebetet wird, ein genuiner Zusammenhang besteht, dass also die Adressaten des Schreibens der Gründungsgeschichte der Wir-Gruppe nicht unverbunden gegenüberstehen, sondern dass diese auch für jene unmittelbare Relevanz, ja Gültigkeit hat. Denn nur dann kann der fiktive Autor die Gründungsgeschichte als Bezugsgrundlage sinnvoll in den Blick rücken. In inhaltlicher Hinsicht ergeben sich für eine solche Sichtweise jedoch einige Herausforderungen, die sich besonders mit dem Gedanken, es handele sich um die Bitte
|| 366 Vgl. etwa Gese, Vermächtnis, 32 (Hervorhebung im Original): „Offensichtlich scheint der Verfasser des Epheserbriefes auf eine Vollständigkeit der paulinischen Briefeingangsformen Wert zu legen“.
130 | Grundlegung: Exegese von Eph 1,3–14
um einen dem in der Eulogie Geschilderten analogen Gunsterweis, verbinden und eine differenziertere Verhältnisbestimmung erforderlich machen. Das Grundproblem lässt sich durch den Blick auf die Erkenntnisthematik verdeutlichen: So wurde bereits vermerkt, dass die beiden Gebetsberichte in 1,17–19 und in 3,16–19 durch eine gnoseologische Ausrichtung geprägt sind; im Fokus steht die Bitte um Erkenntnis, die den Adressaten zuteilwerden möge, und zwar offenbar zuvörderst auf dem Wege pneumatischer Inspiration (1,17; 3,16). Nun wurde aber im aoristischen Duktus der Eulogie in 1,8f. die Faktizität einer der Wir-Gruppe bereits gewährten, umfassenden – und wohl ebenfalls in einer Pneumagabe gegründeten, V.13 – Partizipation an Weisheit und Einsicht in den göttlichen Ratschluss postuliert. Entsprechend entsteht der Eindruck, als werde in den Fürbitten um die Anteilgabe an etwas gebeten, das den fiktiven Adressaten qua Zugehörigkeit zur Wir-Gruppe (vgl. V.13f.) eigentlich schon per definitionem zukommen müsste.367 Infolge dieser Diskrepanz wird die Eigenart der in der Eulogie etablierten Gründungsgeschichte in bezeichnender Weise modifiziert. Denn plausibel wird die beschriebene Spannung insbesondere dann, wenn den Aussagen der Eulogie ‚prototypischer‘ Charakter zuerkannt wird und sie als idealisierte Bestimmungen aufgefasst werden. Diese gelten dann für die Wir-Gruppe zwar wesensmäßig, ihre Realisierung am Ort der Adressaten erscheint hingegen als prozesshaftes Geschehen. Insofern können jene Bestimmungen – konkret die Beförderung pneumatisch vermittelter Erkenntnis – im Sinne des mittels Analogieverfahren argumentierenden Souviens-toi-Musters zum Gegenstand der Fürbitte gemacht werden. Für Paulus als Sprecher wird indes ein Standpunkt vorausgesetzt, der zur Formulierung des prototypischen Narrativs und der daraus abzuleitenden Fürbitten befähigt. Dem entspricht, dass eine besondere ‚Note‘ der Textsorte Eulogie gerade auf dem Moment des persönlichen Involviertseins des Sprechenden liegt.368 Auf diese Weise erscheint Paulus aber gleichsam als im Herzen der sich in der Eulogie artikulierenden ἡμεῖς befindlich und insofern als deren repräsentatives Sprachrohr, als exemplarische Verkörperung desjenigen, der an dem in der Gründungsgeschichte beschriebenen Heilsstand teilhat. An dieses im Munde dieses Paulus formulierte Niveau sollen die fiktiven Adressaten – und damit
|| 367 Auch nach Auskunft der Fürbittgebetsberichte sind die fiktiven Adressaten als vollgültige Mitglieder der ἡμεῖς anzusehen, wie nicht zuletzt das inklusive – die gemäß dem appositionellen τοὺς πιστεύοντας für die Zugehörigkeit zu dem ἡμεῖς in V.19 ausschlaggebende πίστις der Adressaten wurde in V.15 explizit hervorgehoben – ‚Wir‘ in 1,19 verdeutlicht. 368 S.o. Anm. 341.
Formale Analyse: Die Textsorte ‚Briefeingangseulogie‘ | 131
mittelbar auch die realen Rezipienten – offenbar herangeführt werden; eben darauf verweisen die Fürbittgebetsberichte. Letztlich weist das Gefälle zwischen der durch Paulus artikulierten Eulogie und auf die Adressaten fokussierter Fürbitte somit darauf hin, dass das gnoseologisch akzentuierte Wechselspiel von Eulogie und Fürbitten in Eph 1–3 auf die Initiierung eines Bildungsvorgangs auf Seiten der (fiktiven wie intendierten) Adressaten zielt. Insofern Eph 1,3–14 nun als Eingangstor in das weitere Schreiben anzusehen ist und nachfolgend nicht zuletzt eine nähere Entfaltung des Gehalts jener Gründungsgeschichte geboten wird, scheint sich jener Bildungsvorgang wesentlich durch den Epheserbrief selbst bzw. seine Rezeption vollziehen zu wollen. Die liturgisch-gebetsartige Prägung des Schreibens zumal in Eph 1–3 steht demnach im engen Zusammenhang mit einem ‚didaktischen‘ Anliegen, nämlich der Einweisung in die Gründungsgeschichte und Aneignung derselben.369
III.5.3
Einbindung der Eulogie in übergeordnete Textsorten II: Epistolographisches
Im Vorangehenden wurde ein Anschluss an zeitgenössische Gebetsmuster herausgearbeitet, der Eph 1–3 im Ausgang von der Eulogie zugrunde liegt. Diesem Anschluss wurde dabei zumal angesichts der Akzentuierung der horizontalen Kommunikationsachse zwischen 1.Sg. und 2.Pl. bereits eine gewisse Anpassung an die epistolare Form zuerkannt. Die hier vorausgesetzte Bestimmung von Eph 1,3–14 als ‚Briefeingangseulogie‘ unterstellt jedoch weitergehend eine spezifisch epistolare Gebrauchsweise der Eulogie im Sinne eines geprägten Teils des Briefformulars. Dem ist sich nachfolgend zuzuwenden. Die Diskussion der formgeschichtlichen Voraussetzungen für diese Verwendungsweise der Eulogie gestaltet sich kontrovers. Die Breite des Spektrums wird dabei markiert zum einen durch die Ansicht, die Form der Briefeingangseulogie habe von ihren prominenten neutestamentlichen Belegen (II Kor 1,3ff.; Eph 1,3ff.; I Petr 1,3ff.) her letztlich als eine „spezifisch frühchristliche Sitte“370 zu gelten, die sich maßgeblich der epistolographischen Innovationskraft
|| 369 Das maßgebliche rezeptionsleitende Signal in dieser Hinsicht ist die Aufforderung μνημονεύετε in Eph 2,11. 370 Deichgräber, Gotteshymnus, 64 (Hervorhebung im Original); vgl. Gnilka, Eph, 58, zustimmend auch Gese, Vermächtnis, 56 Anm. 115. Nicht in Abrede gestellt wird dabei freilich, dass sich darin ein Anschluss an die alttestamentlich-antikjüdische Tradition dokumentiert.
132 | Grundlegung: Exegese von Eph 1,3–14
des Paulus verdanke371, zum anderen durch die Einschätzung, eine derartige „Verwendung eines Lobspruches als Eingang eines Briefes“ stelle eine im jüdischen Kontext „bekannte Sitte“ dar und entspreche somit ganz den Konventionen antikjüdischer Briefliteratur.372 Zunächst ist anzuerkennen, dass die Eulogie in den drei genannten neutestamentlichen Briefen in der Tat ein prominentes Element der epistolographischen Struktur darstellt, das durchweg in unmittelbarem Anschluss an das jeweilige Präskript begegnet und neben der markanten, stets gleichlautenden Leitzeile die partizipiale Anfügung des Begründungssatzes als weitere formale Gemeinsamkeit aufweist. Damit aber sind Berührungspunkte gegeben, die für die Annahme von Verbindungslinien zumindest traditionsgeschichtlicher Art sprechen.373 Demgemäß scheint die Verwendung der Eulogie am Briefeingang sowohl auf epistolographischer wie phraseologischer Ebene im frühchristlichen, zumal paulinisch beeinflussten Diskursuniversum durchaus eine besondere Prägung erfahren haben. Jedoch dürften die formgeschichtlichen Hintergründe mit dem Verweis auf das Vorbild des Apostels kaum bereits hinreichend ausgeleuchtet sein. Zu einer gewissen Vorsicht mahnt hier schon die oben angesprochene Beobachtung, dass die Eulogie auch im Zusammenhang anderer Textsorten Verwendung findet zur Strukturierung größerer Aussagezusammenhänge. Schlechterdings geboten ist solche Zurückhaltung aber sodann angesichts des Befundes, dass eine vergleichbare Briefeingangseulogie tatsächlich in anderem, außer- und wohl vorneutestamentlichem Zusammenhang belegt ist, nämlich in einem der bei Euseb überlieferten Fragmente des jüdisch-hellenistischen Historikers Eupolemos (Eus. Pr. Ev. IX 30,1–34,18).374 Es handelt sich hierbei um eine (fiktive) briefliche Korrespondenz, die Salomo nach seinem Regierungsantritt mit dem Pharao Vaphres sowie Suron, dem
|| 371 In diesem Sinne Gese, Vermächtnis, 57; im Anschluss daran auch Heckel, Segen, 51. 372 So insbesondere Dahl, „Proömium“, 316. 373 Vgl. Dahl, „Benediction“, 301: „The similarity of design cannot be due simply to literary imitation on the part of the authors of Ephesians and 1 Peter, since each of the three benedictions has its own structure and function. The common phraseology and the shift to the second person form, therefore, make it likely that these eulogies reflect a form that was used also by Paul and other preachers.“ (Dahl rechnet mit einer großen Nähe der epistolaren Eulogie zur mündlich-interaktionalen.) Vgl. auch Achtemeier, I Petr, 93: „It [sc. die Eulogie] is not typical enough of Paul to say with confidence the author of 1 Peter must have gotten it from him; it is more likely that it represents an early Christian doxological formula, used by both Paul and the author of 1 Peter“. 374 Vgl. ferner auch die Hinweise bei Dahl, „Benediction“, 296ff.
Formale Analyse: Die Textsorte ‚Briefeingangseulogie‘ | 133
König von Tyrus, führt. Die beiden Briefwechsel – bestehend jeweils aus einem Brief des Salomo und einem Antwortbrief – drehen sich im Kern um das Gesuch des Salomo, für den geplanten Tempelbau Unterstützung in Form von Arbeitspersonal zu erhalten, und fügen sich somit nahtlos in den narrativen Kontext ein, was ihre Komposition durch Eupolemos nahelegt.375 Die für den vorliegenden Zusammenhang (zunächst) relevante Passage findet sich dabei in der Replik des Suron an Salomo (IX 34,1–3). Im unmittelbaren Anschluss an das Präskript wird dort mit einer Eulogie fortgefahren; der Briefeingang sei nachfolgend als ganzer zitiert376: Σούρων Σολομῶνι βασιλεῖ μεγάλῳ χαίρειν. Εὐλογητὸς ὁ θεός, ὃς τὸν οὐρανὸν καὶ τὴν γῆν ἔκτισεν, ὃς εἵλετο ἄνθρωπον χρηστὸν ἐκ χρηστοῦ ἀνδρός. ἅμα τῷ ἀναγνῶναι τὴν παρὰ σοῦ ἐπιστολὴν σφόδρα ἐχάρην καὶ εὐλόγησα τὸν θεὸν ἐπὶ τῷ παρειληφέναι σὲ τὴν βασιλείαν. Eus. Pr. Ev. IX 34,1
Die Eulogie gliedert sich in die knapp gehaltene Leitzeile, die durch zwei unverbundene relativische Begründungssätze fortgeführt wird. Es folgt, in dichtem Rückbezug darauf377, der Verweis auf den vorangegangenen Erhalt des Briefes von Salomo, dessen Inhalt Suron zu Freude und Gotteslob angestiftet habe. Ähnlich wie in Eph 1 folgt am Briefeingang somit auf die Eulogie die Bezugnahme auf die Kommunikationsfolge, in die sich der Brief fügt, wobei in beiden Fällen das Vernehmen vom Geschick der Adressaten als Anlass zum Gotteslob (Suron) bzw. Dank (Epheserbrief) dient. Nun lässt sich anführen, dass Eupolemos in seiner Gestaltung des Briefwechsels überhaupt wie insbesondere auch hinsichtlich der Eulogie am Briefeingang der Antwort des Suron durch die entsprechenden biblischen Berichte, insbesondere II Chr 2,2–15 (vgl. I Kön 5,15–23), inspiriert gewesen sein mag. In dem dort geschilderten Austausch zwischen den beiden – von einem Pharao Vaphres ist keine Rede – ist dabei gemäß II Chr 2,10 zumindest die Antwort des Königs von Tyrus klar als schriftlich verfasstes Dokument, mithin als Brief mar-
|| 375 Mit Doering, Letters, 233f. 376 Mit περὶ δέ wird in IX 34,2 das Briefkorpus eröffnet. 377 Während der erste Relativsatz Gott als Schöpfer preist, richtet der zweite situativkonkretisierend den Blick auf sein Erwählungshandeln an dem – namentlich zunächst nicht genannten – Salomo, womit konkret dessen Amtsübernahme im Blick ist, wie aus dem nachfolgenden ἅμα-Satz hervorgeht; der Begründungssatz der Eulogie dient somit gewissermaßen als theologisches Interpretament des Geschehenen.
134 | Grundlegung: Exegese von Eph 1,3–14
kiert, in dessen Zusammenhang auch die Eulogie zu stehen kommt.378 Daran konnte Eupolemus demnach anknüpfen. So wird man aus dem Beleg bei Eupolemos in der Tat kaum unmittelbar die „feste Sitte, Briefcorpora mit εὐλογητός-Lobpreisungen einzuleiten“, ableiten können, wie Deichgräber mit Recht feststellt.379 Doch erweist der EupolemosText – und darin scheint er sich zugleich einig mit dem Chronisten – die Verwendung der Eulogie am Briefeingang unabhängig von den frühchristlichen Belegen zumindest als eine Möglichkeit des antikjüdischen Briefformulars.380 Dies wird bestätigt durch einen weiteren Text: den sog. zweiten Einleitungsbrief im 2. Makkabäerbuch (2 Makk 1,11–17). So findet sich, im Zusammenhang des Proömiums, in V.17 eine Eulogie, wenngleich in einer den Eingangsteil abschließenden Funktion. Jedoch ist die Eulogie auch hier mit einem – wiederum relativisch angeschlossenen – Begründungssatz versehen, wobei dieser summarisch auf das in den vorangehenden Versen geschilderte und als Erfahrung göttlichen Beistands in der Bedrängnis interpretierte Geschehen – den Tod Antiochus IV. – Bezug nimmt. Das Gotteslob scheint in diesem Zusammenhang den pragmatischen Bogen zurückzuschlagen zum Motiv der Danksagung an Gott, die das Proömium eröffnet (vgl. εὐχαριστοῦμεν V.11). Der durch das Proömium 2 Makk 1,11–17 gebotene Befund lässt es als sinnvoll erscheinen, den formgeschichtlichen Bezugsrahmen für die neutestamentliche Briefeingangseulogie nicht auf die (in der Tat überschaubaren) Belege für das Muster ‚entfaltete Eulogie im unmittelbaren Anschluss an das Präskript‘ zu
|| 378 II Chr 2,11 stellt somit seinerseits nicht nur ein Beispiel einer epistolaren Eulogie, sondern – sofern denn mit Klauck, Briefliteratur, 183 die Eulogie „trotz des Neuansatzes“ hier „als Beginn des Briefes zu lesen“ ist – sogar einer Briefeingangseulogie dar. Demgegenüber erscheint die Eulogie im Munde des Königs in I Kön 5,21 im ‚klassischen‘ Sinne als seine spontane Reaktion auf die Neuigkeiten aus dem Hause David, die der Rückbotschaft, die er Salomo zukommen lässt, vorangeht. 379 Deichgräber, Gotteshymnus, 64. 380 In diese Richtung weist im Übrigen auch die Wiedergabe der Kommunikation zwischen Salomo und Hiram bei Josephus (Ant. 8,50–55): Wohl unabhängig von Eupolemos und unter stärkerem Rekurs auf I Kön 5 als Vorlage stellt Josephus nichtsdestotrotz den brieflichen Charakter der Konversation heraus und integriert dabei offenbar die Eulogie I Kön 5,21 – wenn auch in indirekter, abgewandelter Form – in das Antwortschreiben des Hiram. Auch wenn ein Einfluss von II Chr 2,11 nicht auszuschließen ist, so scheint doch eine Inklusion des Gotteslobs in den epistolaren Zusammenhang für Josephus durchaus so problemlos vorstellbar, dass er sie – über das I Kön 5,17 Gesagte hinaus – in seine Wiedergabe des Briefs übernimmt. Doering, Letters, 277f. schließt daraus treffend: „Despite the more indirect wording, Josephus’s version is important evidence that the body opening of ancient Jewish letters optionally features the semantics of eulogising God“.
Formale Analyse: Die Textsorte ‚Briefeingangseulogie‘ | 135
beschränken, sondern um eine übergeordnete Ebene zu weiten, auf der das besagte Muster als eine mögliche Form der Realisierung spezifisch epistolographischer Konventionen, wie sie sich für den antikjüdischen Kontext plausibel machen lassen, darstellbar wird. Angeknüpft werden kann hierfür an die Überlegungen Lutz Doerings zur Relevanz der antikjüdischen Briefliteratur als Kontext der frühchristlichen Epistolographie.381 So zeigt Doering speziell für die antikjüdisch-epistolaren Proömien eine zumal im Vergleich zur initialen formula valetudinis griechischrömischer Provenienz charakteristische, eigengeprägte Tendenz auf.382 Demnach stellt es ein Kennzeichen antikjüdischer Proömien dar, ein auf Gott und sein – vergangenes oder für die Zukunft erwartetes – Handeln fokussierendes ‚heilsgeschichtliches Meta-Narrativ‘ zu entwerfen, das letztlich auf die Identität der Adressaten bzw. die – den oder die Absender ggf. mit einbeziehende – Beschreibung ihres Heilsstandes zielt.383 Die obigen Überlegungen zur Eigenart der Eulogie als solcher lassen es nun als denkbar erscheinen, dass sich gerade diese – zumal in ihrer entfalteten Form – mit ihrem narrativen, auf die Explikation gegenwärtiger Heilserfahrung ausgerichteten Grundzug im Zusammenhang derartiger Proömien in besonderer Weise angeboten haben mag. Die neutestamentlichen Briefeingangseulogien lassen insofern formale und inhaltliche Berührungspunkte mit den antikjüdisch-epistolographischen Konventionen erkennen. Auf diese Weise aber gewinnt die These, Eph 1,3–14 lasse sich als theozentrisch ausgerichtete Konstitutionsgeschichte der Wir-Gruppe lesen, die Absender und Adressaten zusammenschließt, an tiefergehender, formgeschichtlicher Kontextplausibilität. Insgesamt machen es die vorstehenden formgeschichtlichen Betrachtungen zwar durchaus nicht notwendig, die Relevanz des mit II Kor 1,3ff. gegebenen paulinischen Vorbilds für die Gestaltung von Eph 1,3–14 in Abrede zu stellen; dieses könnte tatsächlich einen impulsgebenden Bezugspunkt darstellen. Deutlich geworden ist indes insbesondere das eigenständige Profil, das die Aktualisierung des Repertoires der Textsorte Eulogie im Epheserbrief aufweist. Die zentralen Aspekte sind nachfolgend in gebündelter Form zusammenzufassen.
|| 381 Vgl. Doering, Letters. 382 Doering, Letters, 507. Formal-strukturelle Wechselwirkungen mit dem griechischen Briefformular müssen dabei mit Doering, ebd., freilich keinesfalls ausgeschlossen werden. 383 Siehe dazu bes. die auswertenden Ausführungen bei Doering, Letters, 507.512.
136 | Grundlegung: Exegese von Eph 1,3–14
III.5.4
Fazit
Die Briefeingangseulogie Eph 1,3–14 fügt sich in formaler Hinsicht ein in die Tendenz antikjüdischer Briefproömien zum Entwurf eines heilsgeschichtlichen Metanarrativs. Dieses epistolographische Element kann unter Rezeption der Textsorte Eulogie realisiert werden, ja, deren außerepistolaren Charakteristika können diese als geradezu prädestiniert für diesen Zweck erscheinen lassen: So eignet der Eulogie eine Tendenz zum Hymnischen, welche die akut-situative Erfahrung göttlicher Heilszuwendung ins Licht stellt und dabei auf intersubjektive Evidenz ausgerichtet ist; ihr dadurch angezeigtes vertikal-horizontales Schillern unterstreicht ihr konnektives, beziehungsstiftendes Potential im Blick auf die Relation von Emittent und Auditorium. Vorgezeichnet ist zudem eine für die Makrostrukturierung epistolarer Zusammenhänge bedeutsame Funktion der Eulogie am Briefeingang, wie sie im Besonderen der paulinischen wie weiteren frühchristlichen Tradition entspricht. Die Briefeingangseulogie im Epheserbrief macht sich diese Vorgaben in umfassender Weise zunutze. Markant sind insbesondere der breite Ausbau der narrativ-hymnischen Tendenz durch den entfalteten Begründungssatz sowie der umfassend-grundsätzliche Charakter der in diesem Zusammenhang thematisierten Heilserfahrung, welche das verfasser- wie adressatenseitige Geschick von Grund auf bestimmt. Als Spezifikum der Realisierung der Briefeingangseulogie im Epheserbrief erweist sich sodann, dass das Repertoire der Textsorte Eulogie zur Strukturierung größerer Zusammenhänge abgerufen wird. Aktiviert und zur Entwicklung der übergeordneten Textdynamik genutzt wird näherhin ein auf der Abfolge von Eulogie, Gebetsbitte und Doxologie beruhendes Gebetsmuster; dieses dient als makrostrukturelles Rückgrat in Eph 1–3 und verdankt sich in seiner Gestalt zugleich dem kreativen Spiel mit den Eigenarten des paulinischen Briefformulars. Die Funktion der Briefeingangseulogie Eph 1,3–14 als diskursiver Grundlage bestätigt sich im Zusammenhang dieses Musters, das gleichwohl unter Anpassung an die epistolare Form rezipiert wird, was sich insbesondere in der Präponderanz der horizontalen Kommunikationsebene manifestiert. Inhaltlich-funktionale Eigenart jener diskursiven Grundlage ist es, dass der in der Briefeingangseulogie grundgelegte narrative Zusammenhang bzw. die darin verhandelte Erfahrung göttlicher Heilszuwendung – die sich durch ihre Verschmelzung von theologischer und christologischer Linienführung auszeichnet, welche die Weltzuwendung des Gottes Israels vom Christusgeschehen her zur Sprache bringt – gleichsam als Ideal erscheint, das für die fiktiven Adressaten zwar prinzipielle Gültigkeit hat, dessen umfassender Realisierung sie
Formale Analyse: Die Textsorte ‚Briefeingangseulogie‘ | 137
jedoch zugleich allererst angenähert werden. Der Verfasser Paulus hingegen erscheint als nachgerade prototypischer Vertreter der Wir-Gruppe. Das spiralartige Wechselspiel aus weitergehender Elaboration bzw. Entfaltung jenes narrativen Zusammenhangs und Fürbittgebetsbericht weist dabei darauf hin, dass jene Annäherung sich nicht zuletzt durch die Lektüre des Epheserbriefs selbst zu vollziehen vermag. Im Ergebnis kann die vorstehende Analyse somit der These, Eph 1,3–14 lasse sich als Grundlegung einer Gründungsgeschichte ansprechen, die im weiteren Schreiben entfaltet wird, formale Plausibilität verleihen.
III.5.5
Vertiefung: Eph 1,3–14 vor dem Hintergrund paganer Formen des Gotteslobs
Formgebung und sprachliche Gestaltung von Eph 1,3–14 verdeutlichen die Partizipation des Abschnitts an der antikjüdischen Diskurswelt. Indes werden die fiktiven Adressaten im Epheserbrief explizit als τὰ ἔθνη und also dezidiert auf ihre nichtjüdische Prägung hin angesprochen. So stellt sich die Frage, wie es um die Anschlussfähigkeit der Briefeingangseulogie für spezifische Formen des Gotteslobs in der paganen Umwelt gestellt ist; dem soll sich zumindest in einem vertiefenden Seitenblick zugewandt werden. In den Blick kommt damit insbesondere der ‚Hymnus‘ als geprägte Textsorte der griechischen Tradition, kann für diesen doch der Aspekt des Lobpreises eines Gottes als inhaltliches Gattungskriterium angesehen werden.384 Erlauben die konkreten Einzeltexte eine (Re-)Konstruktion des Textsortenschemas auf induktivem Wege, so lässt sich dieser Befund ergänzen durch bzw. abgleichen mit einer bereits zeitgenössisch einsetzenden Theoriebildung.385 In
|| 384 Brucker, ,Christushymnen‘, 347. In methodologischer Hinsicht ist anzumerken, dass der Hymnus der griechisch-römischen Tradition nachfolgend wiederum als Textsorte im Sinne eines virtuellen, in der kommunikativen Kompetenz der Sprachverwender verankerten Schemas, das Prozesse der Textproduktion und -rezeption gleichermaßen prägt, aufgefasst und profiliert werden soll. Der Begriff ὕμνος als solcher wird in Eph 5,19 im Zusammenhang einer Beschreibung der erwünschten liturgischen Gemeinschaftspraxis tatsächlich verwendet; hierin kann sich – wohl in Anknüpfung an hellenistisch-jüdischen Sprachgebrauch – zumindest auf der sprachlichen Oberfläche ein Anschluss an die Traditionslinien des hellenistischen Gotteslobs dokumentieren; vgl. Vollenweider, „Hymnus“, 213. 385 Vgl. Gordley, Hymn, 111, der zwischen „practice“ und „theory“ des Gotteslobs bzw. – wenn auch in einem beschränkten, eher heuristischen Sinne – „primary sources“ und „secondary sources“ unterscheidet. Man wird dabei damit zu rechnen haben, dass die Theorie nicht
138 | Grundlegung: Exegese von Eph 1,3–14
ebendieser Konstellation, die den Hymnus geradezu als Bestandteil des rhetorisch-epideiktischen Repertoires erscheinen lässt, zeichnen sich wiederum zwei weitere grundlegende Merkmale der Textsorte ab. Dies ist zum einen ihr breites Verwendungsfeld: Mag sein Sitz im Leben zwar zunächst im Kult liegen386, so wird der Hymnus vielfach auch davon losgelöst in ganz unterschiedlichen Kontexten als (literarische) Gattung rezipiert, dabei nicht zuletzt auch im Rahmen größerer literarischer Zusammenhänge, innerhalb derer er eine herausgehobene Stellung und Funktion einnehmen kann.387 In dieses Bild fügt sich, zum anderen, der Umstand, dass sich neben dem von Haus aus in poetischer und also metrischer Form gehaltenen Hymnus auch eine prosaisch-nichtmetrische Gestaltungsform – der sog. Prosahymnus – etabliert, die stark an epideiktischen Gesichtspunkten orientiert ist.388 Nichtsdestotrotz ist es der poetische Hymnus, der die prototypischen Charakteristika der Textsorte vorgibt.389 In Ergänzung des oben genannten inhaltlichen Kriteriums sind hierfür sprachlich-formale Aspekte anzuführen. So ist der Hymnus in seinem Aufbau nach verbreiteter Auffassung durch eine dreiteilige Struktur bestimmt390: Auf die einleitende Anrufung folgt ein preisender Mittelteil, der schließlich in ein Bittgebet übergeht. Die ersten beiden Teile dienen dabei gewissermaßen der Etablierung einer kommunikativen und auch argumentativen Basis, auf die der dritte Teil aufbauen kann. Letzterer stellt mithin den eigentlichen Zielpunkt des Hymnus dar391, was auf die engen Verbindungen
|| einfach die Praxis nachzeichnet bzw. letztere nicht einfach gestaltgewordenes Abbild der ersteren ist, so dass diese in gewissem Maße lehrbuchartig-idealisierenden, nicht notwendig repräsentativen Charakter hat. Gleichwohl lassen sich tatsächlich signifikante Übereinstimmungen beobachten; vgl. Gordley, Hymn, 132. 386 Vgl. Vollenweider, „Hymnus“, 217. 387 Siehe Brucker, „‘Songs’“, 5 mit Verweis auf die Vielfalt der Kontexte (kultisch, politisch, philosophisch, unterhaltend). 388 Vorausgesetzt wird hier im Anschluss an Brucker, ,Christushymnen‘, 23 die am antiken Verständnis orientierte Unterscheidung zwischen Poesie und Prosa anhand der Frage nach dem Vorhandensein eines Metrums. 389 Als „Musterbeispiele“ sind laut Brucker, ,Christushymnen‘, 46 die Homerischen Hymnen anzusehen, bereits für diese gilt jedoch die angedeutete Vielfalt im Verwendungs- und Gestaltungsspektrum. 390 Diese Struktur (invocatio, pars epica, precatio) wird zwar von den antiken Rhetorikern nicht eigens expliziert, in der Forschung jedoch seit ihrer Herausarbeitung durch K. Ausfeld weithin akzeptiert; vgl. Gordley, Hymn, 127. 391 Der Akzent kann jedoch auch auf den Mittelteil vorverlagert werden, so dass das abschließende Gebet sich als Lob/Dank gestalten oder auch ganz entfallen kann, so nach Brucker, ,Christushymnen‘, 40 bei Hymnen ohne kultischen Hintergrund.
Formale Analyse: Die Textsorte ‚Briefeingangseulogie‘ | 139
dieser Textsorte zum Gebet hinweist. Ist der dritte Teil in der Regel als direkte Anrede an die Gottheit in der 2.Pers. formuliert und somit in besonderer Weise Ausweis dieser Nähe des Hymnus zum Gebet, so können Anrufung und Mittelteil die Gottheit auch in der 3.Pers. in den Blick nehmen. Eben darin wird im Übrigen aber angezeigt, dass (auch) der Hymnus letztlich durch eine Verschränkung zweier kommunikativer Ebenen gekennzeichnet ist, die, je nach Zusammenhang, unterschiedlich stark in den Vordergrund treten können: Zu der durch die invocatio etablierten vertikalen Achse des Kontakts mit der Gottheit tritt auf horizontaler Ebene jene zwischen dem ‚Performer‘ und seinem Publikum hinzu.392 Für alle drei Teile lässt sich des Näheren ein bestimmtes – im konkreten Fall freilich nicht notwendig vollständig realisiertes – Repertoire an Motiven benennen, das hier nur in seinen Grundzügen zu rekapitulieren ist.393 * Im Zentrum der Anrufung steht die Nennung des Namens der Gottheit. Dabei ist häufig eine Kumulation von Namen bzw. attributiven Erweiterungen zu verzeichnen, die nicht selten auf genealogische Verbindungen Bezug nehmen und die Gottheit zugleich in spezifische Beziehungsgefüge einordnen. Die möglichst adäquate und präzise Benennung, die schon aufgrund der Polyonomie der griechischen Götter als Herausforderung erscheinen kann, scheint demnach von entscheidender Bedeutung und dient wohl nicht zuletzt bereits der Justierung des Blickwinkels, unter dem sich der Gottheit zugewandt wird.394 Die ausführliche Explikation der Argumentationsbasis, auf deren Grundlage die anschließende Bitte formuliert wird, ist indes dem Mittelteil vorbehalten.395 Entsprechend sorgfältig und zielgerichtet ist der hier verhandelte Stoff auszuwählen und zu gestalten. Damit korrespondiert, dass es im Kontext der rhetorischen Reflexion offenbar geradezu zur Entwicklung eines „concept of how to praise a god“ kommt, dessen Topoi sich in der Praxis vor allem im Mit-
|| 392 Vgl. Furley/Bremer, Hymns, 59 mit Verweis auf G. Danielewicz. 393 Vgl. dazu insbesondere Furley/Bremer, Hymns, 50–64. 394 Vgl. Furley/Bremer, Hymns, 52, denen zufolge „the precise naming of the god addressed was important […] from the point of view of establishing the precise channel along which one wished divine succour to flow“. Auf einer solchen Linie der Vergewisserung von Relationen, die letztlich auf die Vergegenwärtigung der Gottheit zielen, mag ferner auch das in der invocatio gängige Element einer Lokalisierung der Gottheit liegen. 395 Vgl. Brucker, ,Christushymnen‘, 40.
140 | Grundlegung: Exegese von Eph 1,3–14
telteil der konkreten Hymnen wiederfinden.396 Im Vordergrund steht insgesamt die preisend-vergegenwärtigende Darstellung von Mythos und Eigenart der Gottheit, durchaus auch im Blick auf ihre besondere ‚Beziehungsgeschichte‘ mit den Preisenden in Form der Erinnerung an frühere Gunsterweise der Gottheit oder aber an die ihr zuteilgewordene Verehrung. Das abschließende Gebet formuliert – oftmals nach erkennbarem Neueinsatz – das konkrete Anliegen, das an die Gottheit gerichtet wird397; der Charakter der direkten Anrede, die eine unmittelbare Gegenwart der Gottheit beansprucht, kann sich in entsprechenden imperativisch-kletischen Formulierungen niederschlagen. Neben Inhalt (Lobpreis einer Gottheit) und (dreiteiligem) Aufbau lässt sich schließlich eine besondere sprachliche Gestaltung als weiteres Merkmal der Textsorte anführen. Geprägt ist jene von einem „Hang zu überschwenglichen und superlativischen Aussagen“398, der auf lexikalischer Ebene etwa durch einen leitmotivischen Gebrauch von Formulierungen mit πᾶς, μόνος und ἀεί verstärkt wird und nach Maßgabe des oben Gesagten besonders im Mittelteil zur Entfaltung kommt. Syntaktisch einschlägig ist in diesem Zusammenhang ein von Partizipial- und Relativsätzen bestimmter ‚Prädikationsstil‘.399 * Die kursorische Betrachtung von Eph 1,3–14 vor dem Hintergrund des solchermaßen umrissenen Profils der Textsorte ‚Hymnus‘ lässt eine markante makrostrukturelle Analogie ins Auge fallen. So scheint die Abfolge von Anstimmen des Gotteslobs in V.3a und dem sich in V.3b anschließenden Begründungssatz zunächst dem Zweischritt von invocatio und lobpreisendem Mittelteil zu entsprechen. Die leicht nachklappende εἰς-Wendung V.14c mag sodann weniger an einen verdichteten lobpreisenden Abschluss im Sinne eines kurz gehaltenen dritten Teils erinnern, sondern eher als Abrundung des Mittelteils nach der exkursartigen expliziten Hinwendung zu den fiktiven Adressaten in V.13 anzusehen sein. Entsprechend entsteht, vom Schema des Hymnus her betrachtet, von Eph 1,3–14 her ein Gefälle auf den nachfolgenden Abschnitt hin, insofern dieser ja – wie bereits in den Ausführungen zur Eulogie aufgezeigt wurde –
|| 396 Vgl. Gordley, Hymn, 115, der Quintilian als ersten einschlägigen Beleg anführt und daraus folgert, „by the second half of the first century CE, there is evidence of rhetorical reflection on the appropriate, or at least conventional, way to praise a god“. 397 Für eine Auflistung typischer Gebetsinhalte vgl. Brucker, ,Christushymnen‘, 41f. 398 Brucker, ,Christushymnen‘, 44. 399 Norden, Agnostos Theos, 166–176.
Formale Analyse: Die Textsorte ‚Briefeingangseulogie‘ | 141
maßgeblich aus einem Bittgebet besteht, das auf der Grundlage des Begründungssatzes an den in der invocatio in den Blick genommenen Gott gerichtet wird. Demnach wird Gott 1,17–19 um etwas gebeten, auf das er nach Maßgabe des vorangehenden Lobpreises mit Fug und Recht behaftet werden kann. Auf diese Weise vermag auch vom Formular des Hymnus her wiederum ein gleichsam organischer Zusammenhang zwischen Eph 1,3–14 und 1,15–19 in den Blick zu kommen. Dazu fügt sich, dass auch vom Gesamtaufriss her die Einbindung einer hymnusartigen Passage am Eingang eines umfassenderen literarischen Zusammenhangs der exordiumsartigen Funktion der Textsorte in anderen Kontexten entspricht. Es ergibt sich somit die These, dass die im Zusammenhang der formgeschichtlichen Ausführungen zur Eulogie herausgearbeitete Textdynamik in Eph 1–3 rezipientenseitig durchaus nicht notwendig auf jenes eulogiespezifische Textsortenwissen angewiesen ist. Denkbar scheint vielmehr, dass eben auch das Schema des Hymnus hinreichende Kompetenzen bereitstellt, um in das beschriebene Wechselspiel aus Eulogie und Gebetsbitten hineingenommen zu werden. Vorausgesetzt ist hierfür freilich, dass die Textoberfläche tatsächlich hinreichende Indizien für die Aktivierung jenes Schemas bietet. Die benannten makrostrukturellen Entsprechungen können zwar in diese Richtung weisen, bedürfen aber der Ergänzung durch Erwägungen zur weiteren sprachlich-stilistischen Gestaltung. In der Tat scheint der Begründungssatz der Eulogie Affinitäten zu einem pagan-hymnischen Kolorit durchaus erkennen zu lassen – zumal wenn prosaische Formen als Vergleichspunkt herangezogen werden. So wird ab 1,3b die gattungskonstitutive und V.3a vorgegebene Theozentrik fortgeführt, aufruhend auf Partizipialaussagen. Eine hyperbolische Tendenz mag sich in dem wiederholten πᾶς andeuten, kommt aber insbesondere in den asyndetisch gehäuften Präpositionalwendungen und adnominalen Genitiven zum Ausdruck. Dem entspricht auch der Aufbau des Begründungssatzes in mehreren Unterabschnitten, die Parallelisierungstendenzen und eine zunehmende Länge erkennen lassen. Mit einem epideiktischen Gestus gehen ferner die nicht wenigen rhetorischen Schmuckfiguren konform.400 Kann zudem der Gebrauch von seltenen Begriffen zumal in Form von Komposita als hymnisches Stilmerkmal angeführt werden, so bietet der Begründungssatz auch hierfür einschlägige Beispiele – etwa die Wendung ἐν τοῖς ἐπουρανίοις (V.3) oder das prominente ἀνακεφαλαιώσασθαι (V.10).
|| 400 Zur stilistischen Nähe des Epheserbriefs zu den Anforderungen rhetorisch-epideiktischer Gestaltung vgl. auch van Roon, Authenticity, 185f. (186: „Thus, the style of Eph. is not only lyrical, poetic and intensive but also–be it not without defects in this respect–epideictic.“).
142 | Grundlegung: Exegese von Eph 1,3–14
Insgesamt ergibt sich somit, dass Struktur, sprachliche Gestaltung und kontextuelle Einbindung von Eph 1,3–14 eine Affinität zu den formalen Eigenarten des griechischen Hymnus aufweisen; die auf der Grundlage des Abschnitts in Eph 1–3 entwickelte diskursive Dynamik lässt sich an das entsprechende Schema andocken. Dies gilt auch für die mit dem epistolaren Gesamtkontext einhergehende Präponderanz der horizontalen Kommunikationsebene; das Repertoire des Hymnus scheint infolge der auch ihm eigenen Verschränkung vertikaler und horizontaler Kommunikationsachsen für eine derartige Akzentuierung, zumal im Sinne der Initiierung eines Bildungsvorgangs durch den betreffenden Text, offen zu sein.401 Die Briefeingangseulogie erscheint auf der Tiefenebene mithin durchaus als anschlussfähig auch für nichtjüdisch geprägte Diskurszusammenhänge. Eine Zusammenschau der Ausführungen zu Eulogie – zumal in ihrer Gebrauchsweise in gebetsartigem Kontext – und Hymnus legt es dabei nahe, dass diese transkulturelle Kompatibilität mutmaßlich in den grundlegenden Parallelen begründet liegt, die den Lobpreis (eines) Gottes in der einen wie der anderen Form im Blick auf Aufbau sowie sprachliche Gestaltung kennzeichnen und die in beiden Fällen zugleich die auf makrostruktureller Ebene zu verzeichnende Bewegung von der Eulogie hin zur (Für-)Bitte in Eph 1 plausibel werden lassen.402 Dieser Befund entspricht einer religionsgeschichtlichen Perspektive, die gerade in hymnischen Sprachformen mit „erheblichen kulturellen Austauschprozessen“403 und Gemeinsamkeiten im sprachlich-motivischen Inventar rechnet. Mit seinem ausführlichen lobpreisenden Eingangsportal vermag sich der Epheserbrief dieses transkulturell verbindende Potential von Gotteslob und Gebet in besonderer Weise zunutze zu machen, um somit auch nichtjüdisch geprägte Rezipientenkreise in die dem Schreiben eigene Sprach- und Gedankenwelt hineinzunehmen.
III.6
Analyse der pragmatisch-funktionalen Struktur
Auf der Grundlage eines pragmatisch orientierten Textverständnisses, wonach die Größe ‚Text‘ als maßgebliche Manifestationsform sprachlich-kommunikati|| 401 Das damit angedeutete ‚didaktische Potential‘ des Hymnus stellt Gordley, Teaching heraus. 402 Näherhin scheint der in beiden Fällen typische Dreischritt sowie die dem Hymnus eigene Tendenz zur sprachlichen Plerophorie in Eph 1,3–14 eine Ausgestaltung zu erfahren, die ihr spezifisches Gepräge von einer alttestamentlich-antikjüdischen Sprachwelt her erfährt. 403 Vgl. Vollenweider, „Hymnus“, 219.
Analyse der pragmatisch-funktionalen Struktur | 143
ven Handelns anzusehen ist, die auf die Entfaltung einer bestimmten Wirkung an den Rezipientinnen ausgerichtet ist, wurde in der methodologisch-hermeneutischen Grundlegung die kommunikativ-funktionale Dimension als eine eigene Ebene für die Beschreibung der Textstruktur benannt. Diese Ebene, die im Vorangehenden bereits verschiedentlich berührt wurde, soll nachfolgend nun im Blick auf die Briefeingangseulogie Eph 1,3–14 gezielt in den Vordergrund gerückt werden. Dies geschieht wiederum nicht zuletzt in der Annahme, dass dem sich dabei bietenden Befund paradigmatischer Charakter für das Gesamtschreiben zukommt. Gemäß I.3.1 ist das methodische Instrumentarium dabei wesentlich sprechakttheoretisch fundierten textlinguistischen Ansätzen entlehnt, in deren Zusammenhang dem Begriff der ‚Textfunktion‘ eine Schlüsselrolle zukommt. Hinzu kommen Impulse aus der neueren exegetischen Diskussion, die sich insbesondere dem Bereich der Medienwirkungsforschung verdanken.404 Wiederum ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei den auf diese Weise gewonnenen „Beschreibungsaspekten“ um ein heuristisches „Inventar“ handelt.405 Zumal die in der textlinguistischen Diskussion vorgelegten Klassifizierungskategorien der Textfunktion werden vor diesem Hintergrund in einem potentiellen Inklusionsverhältnis gesehen, so dass ein gegebener Text durchaus mehrere Funktionen zugleich realisieren kann und nicht auf eine einzelne festgelegt zu werden braucht, wie dies in den konsequent sprechakttheoretisch ausgerichteten Konzeptionen der Fall ist.406 Entsprechend kann die im Anschluss an Bühlers Organon-Modell als grundlegend erscheinende Trias von Ausdrucks-, Darstellungs- und Appellfunktion als Gliederungsmoment für die Diskussion des Abschnitts Eph 1,3–14 unter kommunikativ-funktionalem Gesichtspunkt dienen407; die genannten weiteren || 404 Grundlegend hierfür sind die Ausführungen zur „Textnachwirkung“ bei Finnern/Rüggemeier, Methoden, 236–258. 405 Vgl. Adamzik, Textlinguistik, 180. Zu erinnern ist ebenfalls daran, dass es sich auch bei der Darstellung der pragmatischen Struktur letztlich um einen Konstruktionsprozess handelt und nicht um die Nachzeichnung einer ‚objektiv gegebenen‘ Größe. 406 Vgl. dazu die Diskussion bei Adamzik, Textlinguistik, 178–180. Auch bei Brinker/Cölfen/Pappert, Textanalyse, 105 Anm. 66 wird sich für eine solche potentielle Mehrschichtigkeit der Textfunktion ausgesprochen. 407 Die angeführte funktionale Differenzierung bei Bühler korrespondiert dort mit den drei ‚Relationsfundamenten‘ des ‚Sprechereignisses‘, d.h. Sender, (besprochene) Gegenstände/ Sachverhalte und Empfänger; vgl. Bühler, Sprachtheorie, 24–33. Nach Brinker/Cölfen/Pappert, Textanalyse, 101 knüpfen „[f]ast alle bisher vorgelegten Ansätze zur Unterscheidung von Textfunktionen […] in irgendeiner Form an das Organon-Modell von K. Bühler an“. Kritisch dazu Adamzik, Textlinguistik, 175f., die in der wesentlich an Searle orientierten „Sprechakttheorie“
144 | Grundlegung: Exegese von Eph 1,3–14
interdisziplinären Impulse werden in dieses Beschreibungsraster eingeflochten. Der Rekurs auf Bühler wird dabei indirekter Art sein und sich für die Operationalisierung an den von Brinker aufgestellten ‚textuellen Grundfunktionen‘ orientieren408; im Schema Brinkers sind es ‚Kontaktfunktion‘, ‚Informationsfunktion‘ und ‚Appellfunktion‘, die mit den drei o.g. Dimensionen in Bühlers Modell korrespondieren. Die Ausführungen werden eröffnet durch Überlegungen zur pragmatischen Eigenart von Eph 1,3a, dem als Leitzeile innerhalb der Eulogie eine wichtige rezeptionslenkende Funktion zukommt.
III.6.1
Eph 1,3a als kommunikativ-funktionale Leitzeile
Das einleitende εὐλογητός ist als explizit performatives Verb aufzufassen (s.o. III.3.2) und dient insofern als ein übergeordneter Illokutionsmarker bzw. Indikator der Textfunktion. Sprechakttheoretisch lässt sich der Ausdruck in Anlehnung an die Typologie Searles409 dabei den Expressiva zuordnen, so dass – um Brinkers Klassifizierungsschema aufzugreifen – der ‚Kontaktfunktion‘ die dominierende Rolle zugewiesen wird.410 Das Lobmotiv trägt zumal nach Maßgabe der textsortenmäßigen Vorgaben emotionale Färbung und rückt Gott als Bezugspunkt in den Blick, dem gegenüber Dankbarkeit und Freude zur Sprache gebracht werden411; der Abschnitt ist somit – zumindest prima facie – als ein Akt der Gestaltung der Gottesbeziehung eingeführt. Bereits in der Analyse der Textsorte wurde nun indes auf die nicht nur der epistolaren Form als solcher, sondern auch der Eulogie – zumal in der Eph 1,3– 14 vorliegenden Ausprägung als Briefeingangseulogie – im Besonderen inhärente horizontale kommunikative Stoßrichtung hingewiesen. Insofern dient die Leitzeile zugleich der Gestaltung der Beziehung zwischen dem (fiktiven wie
|| einen eigenständigen „Traditionsstrang“ erblickt. Brinker/Cölfen/Pappert, Textanalyse, 104 gehen hingegen davon aus, dass „auch in Searles Illokutionstypologie die Bühlerschen Grundfunktionen übernommen sind“. Die Analogien sind in der Tat nicht zu verkennen, und die Übersicht bei Adamzik, Textlinguistik, 176 führt vor Augen, dass gerade die von Bühler benannten Grundfunktionen als Konstanten in den angeführten Funktionstypologien erscheinen und sich somit als gemeinsamer Nenner anbieten. 408 Vgl. Brinker/Cölfen/Pappert, Textanalyse, 101–121. 409 Vgl. Searle, „Taxonomy“. 410 Die ‚Kontaktfunktion‘ umreißen Brinker/Cölfen/Pappert, Textanalyse, 118 wie folgt: „Der Emittent gibt dem Rezipienten zu verstehen, dass es ihm um die personale Beziehung zum Rezipienten geht“ (Hervorhebung im Original). 411 Vgl. Schnackenburg, „Eulogie“, 86.
Analyse der pragmatisch-funktionalen Struktur | 145
realen) Verfasser als Emittent und seinen (fiktiven wie intendierten) Adressaten. Auf dieser Ebene nun kommt der Leitzeile ein appellativer Charakter zu412, kann das εὐλογητός doch gleichsam als verkappter Imperativ aufgefasst werden, der die Adressaten zum Einstimmen in das Gotteslob aufruft und also auf intersubjektive Evidenz ausgerichtet ist, was durch den Gebrauch der inklusiven 1.Pl. in der Leitzeile explizit angezeigt wird. Gestiftet bzw. vorausgesetzt wird solchermaßen eine vorfindliche Verbundenheit von Verfasser und Adressaten, die sich eben daraus ergibt, dass der gepriesene Gott kein anderer als der πατὴρ τοῦ κυρίου ἡμῶν Ἰησοῦ Χριστοῦ ist. In dieser Explikation des Gottesbegriffs liegt zugleich ein maßgeblicher Aspekt des assertiv-informativen Gehalts der Leitzeile. Dies hat zur Folge, dass solche Rezipienten sich durch die Leitzeile angesprochen und hineingenommen fühlen können, die dieses Gottesverständnis teilen. Nach Maßgabe des Präskripts Eph 1,1f. ist dies für die fiktiven Adressaten vorauszusetzen, so dass der fiktive Verfasser mit dieser Leitzeile seinen Darlegungen tatsächlich einen Grund – gewissermaßen einen gemeinsamen Nenner – verschafft, für den er das Einverständnis und die Zustimmung der fiktiven Adressaten voraussetzen kann. Dies gilt darüber hinaus jedoch dann auch für die intendierten Rezipienten des Schreibens, ja, letztlich sämtliche reale Rezipientinnen, sofern die theologischen und christologischen Basisaussagen ihr Existenz- und Weltverständnis treffen. Die 1.Pl. erscheint mithin als identifikationsoffen über die fiktiven Adressaten hinaus, so dass Einverständnis, Zustimmung und emotionale Partizipation auch die Rezeptionshaltung bestimmen können, mit der die intendierten Rezipienten in den Begründungssatz ab Eph 1,3b ‚hineingehen‘ sollen. Der solchermaßen in der Leitzeile V.3a sich andeutenden mehrdimensionalen kommunikativ-funktionalen Ausrichtung des Abschnitts entsprechen die rhetorischen Strategien, wie sie im Begründungssatz zu erkennen und an dieser Stelle zu skizzieren sind. So bildet das Gotteslob als expressiver Gestus mitsamt der daran gekoppelten Emotionalisierung schon ausweislich der rekurrierenden εἰς ἔπαινον-Formeln (V.6.12.14) einen durchgängigen Bezugsrahmen. Die markante Struktur der Eulogie verstärkt diesen laudatorischen Effekt, insofern dem || 412 Zur ‚Appellfunktion‘ vgl. Brinker/Cölfen/Pappert, Textanalyse, 109: „Der Emittent gibt dem Rezipienten zu verstehen, dass er ihn dazu bewegen will, eine bestimmte Einstellung einer Sache gegenüber einzunehmen (Meinungsbeeinflussung) und/oder eine bestimmte Handlung zu vollziehen (Verhaltensbeeinflussung)“ (Hervorhebungen im Original). Im Zusammenhang der Rolle, die die Eulogie für die weitere Textdynamik im Epheserbrief spielt, kommt Eph 1,3–14 freilich auch auf der vertikalen Kommunikationsachse ein appellativer Charakter zu, insofern der Lobpreis als Basis für die nachfolgenden (indirekten) Bittgebete dient und somit dazu, Gott auf sich selbst zu ‚behaften‘. Vgl. dazu III.5.
146 | Grundlegung: Exegese von Eph 1,3–14
einen Lobruf (V.3a) zunächst die eine übergeordnete Partizipialaussage (V.3b) korrespondiert, so dass die weiteren Textaussagen ab V.4 als kumulativ angeführte Topoi jenes Gesegnetseins erscheinen.413 Gleichermaßen erlauben und begünstigen die formgeschichtlichen Vorgaben, dass das Gotteslob sich im Begründungssatz wesentlich auf narrativberichtsartige Weise entfalten kann und somit die ‚Informationsfunktion‘414, die assertive Darlegung bestimmter Sachzusammenhänge in den Vordergrund zu treten vermag. Diese Darlegung und damit die verhandelten Sachzusammenhänge als solche sind dabei durch den rahmengebenden expressiven Gestus von vornherein von einer klaren evaluativen Haltung des Emittenten – deren Aneignung durch die Rezipienten schon nach Maßgabe der Leitzeile angestrebt wird – bestimmt, nämlich als Anstiftung zum Lob der Instanz, die für ebenjene verantwortlich zeichnet. Die unmittelbar rezeptionsbegleitende Aktivierung und Partizipation der Rezipienten sowie die Übernahme der Haltung des Emittenten durch letztere wird dabei grundlegend befördert durch die Beschaffenheit der Textoberfläche. Die zahlreichen syntaktischen Ambiguitäten bzw. Polyvalenzen fordern die Mitarbeit der Rezipienten im Prozess der Bedeutungskonstitution ebenso ein wie der in vielfach auf einer oberbegriffsartigen Ebene angesiedelte Sprachgebrauch, der unterschiedliche Konkretionsweisen zuzulassen scheint. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang ferner die ästhetische Wirkung der verwendeten Stilfiguren. Hervorzuheben ist hier der wiederholte Gebrauch der figura etymologica, durch die namentlich die Begriffsfelder εὐλογία (V.3) und χάρις (V.6) als zentrale Deutungskategorien für das Dargestellte erscheinen, was die angedeutete rezeptiv und emotional orientierte Grundhaltung unterstreicht. In dieses Bild fügen sich auch die oben aufgezeigten weiteren sprachlich-syntaktischen Eigenarten – die Wiederholungen, Synonymisierungen, Kumulationen von Genitiven und Präpositionalausdrücken – ein, insofern gerade der sich auf diese Weise einstellende rhythmische Effekt unter rhetorischen Gesichtspunkten nicht nur die Partizipation, sondern auch die inhaltliche Zustimmung der Rezipienten zu dem Verhandelten auf unterschwelliger Ebene zu begünstigen vermag.415
|| 413 Vgl. dazu Jeal, Theology, 85. 414 Zur ‚Informationsfunktion‘ heißt es bei Brinker/Cölfen/Pappert, Textanalyse, 106: „Der Emittent gibt dem Rezipienten zu verstehen, dass er ihm ein Wissen vermitteln, ihn über etwas informieren will“ (Hervorhebung im Original). 415 Mit Jeal, Theology, 93.
Analyse der pragmatisch-funktionalen Struktur | 147
Insgesamt bieten sich somit Hinweise auf eine rhetorische Strategie, wonach in Eph 1,3–14 durch den Rekurs auf ein allgemeinchristliches ‚Wir‘ eine Anwendbarkeit der Textaussagen durch die intendierten Rezipienten angestrebt wird. Die fiktive Kommunikationssituation scheint insofern durch einen elementaren Übergriff auf die Ebene der Kommunikation zwischen realem Verfasser und den intendierten Adressaten gekennzeichnet, der dazu angetan ist, die unter den mutmaßlich pseudepigraphen Abfassungsumständen zunächst gegebene Distanz der intendierten Adressaten zur fiktiven Kommunikationssituation von vornherein auf geradezu programmatische Weise zu überbrücken.416 Im gleichen Atemzug mag die emotionale Grundhaltung, in die die Rezipienten ‚hineingelobt‘ werden, einen fruchtbaren Boden bieten für die Aneignung des vorgetragenen inhaltlichen Gehalts, was einem mutmaßlichen didaktischen Anliegen des Schreibens (vgl. III.5.2) entspricht.
III.6.2
Aspektuelle Vertiefungen
III.6.2.1 Kontaktfunktion Mit der Ausleuchtung der Kontaktfunktion tritt die Frage in den Fokus, inwiefern ein Text auf die Gestaltung der spezifischen Beziehung zwischen dem Emittenten und den Rezipienten ausgerichtet ist, besonders im Sinne der „Herstellung und Erhaltung des persönlichen Kontakts“.417 Die angesichts der literarischen Eigenart des Epheserbriefs unumgängliche Differenzierung zwischen textinterner und -externer Ebene, denen jeweils unterschiedliche Verfasser- und Adressateninstanzen korrespondieren, legt es an dieser Stelle nahe, die Kontaktfunktion auf entsprechend differenzierte Weise in den Blick zu nehmen. Die grundsätzliche Relevanz der kontaktfunktionalen Dimension ist dabei insbesondere in der Herausstellung der textsortengemäßen horizontalen Stoßrichtung von Eph 1,3–14 als Briefeingangseulogie, welche der Etablierung einer konsensfähigen Bezugsgrundlage für das weitere Schreiben dient, angeklungen. Diese Bezugsgrundlage zeichnet sich des Näheren gemäß den obigen Ausführungen wesentlich dadurch aus, dass sie die Beziehung von Emittent und Rezipienten keiner isolierten Betrachtung zuführt, sondern von vornherein in einen heilsgeschichtlichen Rahmen stellt, im Licht der gemeinsamen Gottesbeziehung verhandelt.
|| 416 Damit bestätigt sich die oben (II.3.2) zur Interpretation des Kurztextes der Adresse des Schreibens genannte Einschätzung. 417 Brinker/Cölfen/Pappert, Textanalyse, 118.
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Auf der textinternen Ebene manifestiert sich dieser Aspekt maßgeblich in dem die Ausführungen zunächst bis einschließlich V.12 prägenden Gebrauch der inklusiven 1.Pl. Mit dieser wird, wie gesehen, eine Verfasser wie fiktive Adressaten gleichermaßen betreffende Selbstverortung in einem relationalen Gefüge postuliert, als dessen Instanzen neben der Wir-Gruppe Gott, Christus und dem Grundsatz nach auch das All angeführt werden. Die Eingebundenheit in dieses Beziehungsgefüge ist dabei unvorgreiflicher Art, gründet sie doch ganz im souveränen Willen und dem ihm entsprechenden Handeln Gottes. Dadurch aber wird zugleich ein bestehendes, ja, immer schon gegebenes Verbundensein zwischen Paulus und seinen Adressaten zum Ausdruck gebracht. Auch dieses Verbundensein hat seinen Grund gerade in der gemeinsamen Zugehörigkeit zu der Wir-Gruppe, die sich in ihrer Existenz ganz der göttlichen Zuwendung verdankt. Das Gotteslob kann somit indirekt zugleich als Dank für die gewährte Gemeinschaft zwischen Verfasser und Adressaten erscheinen. Folglich wird eine Nähe der Adressaten zum Apostel gestiftet, indem dieser sich als Repräsentant des ‚Wir‘ inszeniert und als solcher – darauf deuten die oben unter III.6.1 angedeuteten rhetorischen Strategien hin – offenbar anerkannt werden will. Im Resultat ergibt sich eine umfassende Stärkung der Bande nicht nur im relationalen Dreieck aus Gott, Christus und Wir-Gruppe, sondern eben auch auf der Ebene zwischen Paulus und seinen Adressaten. Auffallend ist dabei, dass die Einbindung des Alls in das Beziehungsgefüge bzw. die Bestimmung der Beziehung der Wir-Gruppe zu ebenjenem insgesamt noch als wenig differenziert erscheint; kein Zweifel besteht indes schon von V.4 her an der kosmischen Sonderrolle der Wir-Gruppe. Somit wird ersichtlich, dass die in der Eulogie entfaltete konnektive Dynamik zunächst eine solche ist, die nach innen geht – dabei aber zugleich ein bestimmtes Verhältnis zur Außenwelt miteinschließt; dieses wird es im weiteren Gang der Untersuchung näher zu beschreiben gelten. In wirkungsorientierten Untersuchungen des Abschnitts wird vielfach auf die besondere Bedeutung hingewiesen, die V.13 in diesem Zusammenhang zukommt.418 Dies gilt nun zunächst für die Ebene der textintern konstruierten Kommunikationssituation: Denn in der Tat wird durch den Gebrauch der 2.Pl. nicht nur die Zugehörigkeit der fiktiven Adressaten zur Wir-Gruppe explizit markiert, sondern mit der direkten und persönlich-konkretisierten Ansprache derselben tritt der Aspekt einer direkten Anwendbarkeit der Textaussagen in den Vordergrund. In die textinterne Gestaltung der Beziehung zwischen Apostel || 418 So erwägt etwa Jeal, Theology, 88: „Perhaps the most powerful rhetorical or persuasive effect in the eulogy comes to the fore in 1:13“.
Analyse der pragmatisch-funktionalen Struktur | 149
und Adressaten trägt dieser Schwenk indes eine markante Nuance ein, insofern mit der Nachzeichnung des Inklusionsgeschehens implizit eine einstmalige Distanz der fiktiven Adressaten zur Wir-Gruppe in den Blick kommt. Dies hat zur Folge, dass Paulus im inneren Gefüge der Wir-Gruppe in einer gleichsam zentrumsnäheren Position angesiedelt wird als die fiktiven Adressaten – dies freilich durchaus nicht in einem grundsätzlich-qualitativen, sondern vielmehr in einem an der am geschichtlichen Verlauf der Verkündigungs- und Inklusionsdynamik orientierten Sinne. Die Dankbarkeit, die den fiktiven Adressaten im Zusammenhang der Eulogie anempfohlen wird, erstreckt sich auf diese Weise womöglich auch auf den oder die Urheber der Kundgabe des von ihnen vernommenen Evangeliums und damit ein solches Instanzengefüge, in dessen Zusammenhang der Apostel eine zumindest herausgehobene Stellung bekleidet. Das Verhältnis von Paulus und den fiktiven Adressaten erweist sich somit als von grundlegender Augenhöhe und einem spezifischen Gefälle gleichermaßen bestimmt. Die Überlegungen zur Gestaltung der Beziehung zu den intendierten Adressaten können anknüpfen an die unter III.6.1 aufgewiesene und in V.3a grundgelegte Tendenz des Abschnitts zum ‚Übergriff‘ auf die mit ebenjenen verbundene textexterne Kommunikationsebene. Der über die fiktiven Adressaten hinausgehend identifikationsoffene Charakter der 1.Pl. begünstigt eine „Anwendung“419 der Textaussagen durch die intendierten Adressaten. Die fiktiven Adressaten erhalten dadurch einen gleichsam paradigmatischen Status, der dazu einlädt, eigene Erfahrungshintergründe einzubringen. Diese Eigenart wird in narratologischer Hinsicht in V.3 maßgeblich durch das an die 1.Pl. gekoppelte Evozieren des Gründungsnarrativs als eigener diegetischer Ebene befördert, deren der textintern-fiktiven Kommunikationssituation gegenüber tendenziell eigenständiger Charakter durch die Verortung der Sprecherinstanz ἐν τοῖς ἐπουρανίοις unterstrichen wird. Dem entspricht die Funktion des Gründungsnarrativs für die Entfaltung der narrativen Dynamik des Schreibens insofern, als jenes ja gerade als idealtypischer Bezugshorizont für die Ebene der Kommunikation zwischen Paulus und den fiktiven Adressaten erscheint. Aus dem geschilderten Sachverhalt ergeben sich weitreichende Implikationen für die mutmaßliche Struktur der auf die intendierten Adressaten gerichteten Kontaktfläche. So scheint die für die textinterne Ebene beschriebene konnektive Dynamik über weite Strecken auch im Blick auf die intendierten
|| 419 Mit Finnern/Rüggemeier, Methoden, 247 wird hier unter ‚Anwendung eines Textes‘ der „Vorgang verstanden, bei dem der Rezipient eines Textes Elemente des Geschilderten mit seinem eigenen Leben vergleicht“.
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Adressaten zu gelten. Damit aber kommt letztlich das Entstehen eines umfassenden, am Ort der fiktiven wie der intendierten Adressaten gleichermaßen konkretisierten ‚Wir‘ in den Blick, das in Paulus einen maßgeblichen Orientierungspunkt findet. In der Verbundenheit mit dem Apostel realisiert sich somit zugleich die orts- und zeitübergreifende Verbundenheit mit jenem ,Wir‘; die Aneignung des affirmativen Gehalts der Textaussagen ist Nachzeichnung und somit zugleich Heraufführung der einen Gemeinschaft der im Gotteslob zum Gotteslob Geeinten. Wiederum stellt sich freilich die Frage, wie V.13 sich in dieses Bild einfügt. Hervorzuheben sind dabei die stark typisierenden Striche, mit denen die fiktiven Adressaten hier gezeichnet werden. Der an dieser Stelle zu beobachtende Rekurs auf geprägte Sprachmuster (s.u.) macht deutlich, dass die Darstellung ihres Zum-Glauben-Kommens bestimmten zeitgenössischen Konventionen folgt, so dass die fiktiven Adressaten aus der Perspektive der intendierten Rezipienten als geradezu mustergültige Repräsentanten zum Christusglauben gekommener Empfänger der apostolischen Verkündigung erscheinen. Auf diese Weise aber gewinnt auch die 2.Pl., das ‚Ihr‘ der fiktiven Adressaten, einen tendenziell paradigmatischen Charakter. III.6.2.2 Informationsfunktion Bereits unter III.6.1 wurde angedeutet, dass mit dem narrativ-berichtenden Charakter des Begründungssatzes in funktionaler Hinsicht der Aspekt der Informationsvermittlung strukturell zumindest aufgewertet wird. Bei den von Paulus dargelegten Sachverhalten handelt es sich nun gemäß dem inklusiven Charakter der Ausführungen dem Anspruch nach keinesfalls um dem Apostel exklusiv zukommende Wissensbestände, sondern vielmehr um solche, die den fiktiven wie auch den intendierten Adressaten prinzipiell gleichermaßen zugänglich sind und insofern allenfalls aus der Latenz emporgehoben zu werden brauchen. Der dadurch ermöglichte Evidenzanspruch wird dabei durch V.13 programmatisch an die biographische Ebene gekoppelt, so dass der Entwurf des Gründungsnarrativs im Epheserbrief sich wiederholt – vgl. bes. 2,11 – des Modus der ‚Erinnerung‘ bedienen kann. Daneben mag nun aber gerade dort, wo die fiktiven Adressaten direkt angesprochen werden (V.13), zugleich der Rekurs auf ein Sprachmuster vorliegen, das mit Schlier als frühchristliche „Missionssprache“ charakterisiert werden kann und insbesondere auch aus der Apostelgeschichte des Lukas bekannt
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ist.420 Jenes Muster ist gekennzeichnet durch den Entwurf einer dynamischen Ereignisfolge, die sich anhand der Motive des Hörens des Wortes (mit dem der Akt des Verkündigens korrespondiert), des Glaubens, der Taufe und der Geistverleihung entfaltet.421 Wenn diese Begrifflichkeit auch Eph 1,13 auf engem Raum und also entsprechend offensichtlich eingespielt wird, so könnte dies ein Hinweis darauf sein, dass die im paulinischen Traditionsstrom wurzelnde Diskurswelt hier ihre ‚Anschlussfähigkeit‘ für breitere frühchristliche Traditionskreise demonstriert – und zwar just an jener pragmatisch herausgehobenen Stelle. Indem die Wendung τὸ εὐαγγέλιον τῆς σωτηρίας ὑμῶν (V.13fin.) wie auch die Explikation des πνεῦμα als ἀρραβὼν τῆς κληρονομίας ἡμῶν (V.14a) dabei jedoch zugleich wiederum ein charakteristisch paulinisches Gepräge erkennen lassen422, mag deutlich werden, dass ein solches Andocken letztlich darauf ausgerichtet ist, die Rezipienten hineinzunehmen in eine paulinisch geprägte Vorstellungswelt. Diese Konstellation schließt freilich nicht aus (sondern vielmehr ein), dass schon in Eph 1,3–14 eine keineswegs zufällige Auswahl und Anordnung des Stoffs präsentiert wird. Ist deren inhaltlicher Eigenart durch die Analyse der Textwelt grundlegend nachgegangen worden, so ist im Zusammenhang der funktionalen Analyse von der thematischen Ausrichtung der vorliegenden Untersuchung her insbesondere der Frage nachzugehen, inwiefern jene Stoffauswahl und -anordnung dazu angetan ist, die Konstruktion eines gemeinschaftlichen Selbstverständnisses zu befördern. Dementsprechend gilt es zunächst, die diskursive Struktur, in die der Stoff gefasst ist, in den Blick zu nehmen. Angeknüpft werden soll dabei an den neueren Diskurs zur Erforschung frühchristlicher Identitätsbildungsprozesse, der sich mit dem Oberbegriff ‚Ethnizität‘ verbindet. In diesen soll daher zunächst in einem Exkurs eingeführt werden, um anschließend Eph 1,3–14 vor diesem Hintergrund zu beleuchten.
|| 420 Vgl. hierzu besonders Schlier, Eph, 69–71. 421 Zu einem Eph 1,13 vergleichbaren Konnex von ἀκούειν und πιστεύειν vgl. bes. Act 4,4; 13,48; 15,7. Der Geistempfang kommt in verwandtem Zusammenhang etwa Act 2,38; 19,2f.5f. in den Blick. Schlier, Eph, 70 überstrapaziert diese Verbindungslinien allerdings wohl, wenn er von Act 8,17–19; 19,5f. her vermutet, dass „das σφραγίζεσθαι, das [in Eph 1,13, J.B.] nach dem ‚Hören‘ und ‚zum Glauben Kommen‘ genannt ist, die Handauflegung bezeichnet, durch die das Pneuma vermittelt wurde“. 422 Erstgenannte Wendung könnte auf Röm 1,16, letztere auf II Kor 1,22 anspielen; vgl. Gese, Vermächtnis, 77, der eine Bezugnahme für „sehr wahrscheinlich“ (Röm 1,16) bzw. „eindeutig“ (II Kor 1,22) hält.
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Exkurs:
‚Ethnizität‘ als Paradigma der Erforschung frühchristlicher Identitätsbildungsprozesse Der diskursive Entwurf eines kollektiven Selbstkonzepts findet nicht im luftleeren Raum statt. Wie bei aller Kommunikation stellen hierbei vielmehr die spezifischen Verstehensmuster der Kommunikationspartner eine konstitutive Bezugsgrundlage dar. Der Versuch der Rekonstruktion eines Selbstkonzepts, wie es in einem gegebenen Dokument begegnet, setzt insofern voraus, dass ebenjene Verstehensmuster, die für den im Blick befindlichen kommunikativen Zusammenhang als relevant erachtet werden können, erhoben werden. Nur so kann adäquat versucht werden, den diskursiven Strategien, dem kommunikativen Potential eines Textes zumindest nachzuspüren.423 In der jüngeren Diskussion wird nun vielfach das Schlagwort ‚Ethnizität‘ als Eingangstor zur analytischen Erhellung der Dynamiken der diskursiven Konstruktion kollektiver Selbstverständnisse im frühen Christentum und seinem Umfeld herangezogen.424 Allgemeiner Hintergrund hierfür scheint eine zunehmende Aufmerksamkeit für die Diversität und die damit verbundene Virulenz ,ethnischer‘ Fragestellungen in den Gesellschaften der mediterranen Antike zu sein. In konzeptionell-methodologischer Hinsicht geschieht der Rekurs auf die Ethnizitätsbegrifflichkeit auf durchaus unterschiedliche Weise. Grob vereinfacht lassen sich aber wesentlich zwei Zugangsweisen zum Thema unterscheiden, die nachfolgend kurz diskutiert werden sollen. a) Ein Top-down-Modell Zum einen kann der Bezug auf moderne sozialwissenschaftliche Ethnizitätstheorien als dezidierter Ausgangspunkt dienen.425 In Abgrenzung von einem sogenannten primordialen Verständnis ist es hier ein konstruktivistischer Ansatz, der den gegenwärtigen Diskussionsstand prägt: Ethnizität ist demnach das Resultat sozialer Interaktions- und Zuschreibungsprozesse und insofern von einer grundsätzlichen Wandelbarkeit gekennzeichnet – wohlgemerkt: das gilt
|| 423 Denn freilich ist eine jede derartige Rekonstruktion stets zugleich eine Konstruktion der Forschenden, die ihren eigenen subjektiv und kontextuell geprägten Standort nicht hintergehen können, und insofern unweigerlich perspektivisch. 424 Einen Forschungsüberblick bietet Berzon, „Ethnicity“. 425 In der Tat stellt schon der Gebrauch des Begriffs ‚Ethnizität‘ einen solchen Rekurs dar, handelt es sich doch um einen in den 1940er Jahren geprägten Neologismus. Zur Begriffsgeschichte vgl. Bös, „Ethnizität“, 56f.
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aus der etischen, der Außenperspektive heraus betrachtet.426 Das Profil einer ethnischen Identität wie überhaupt die Merkmale, die dafür als kennzeichnend erachtet werden, sind insofern vielfältig und variabel. Ebenso ist das Individuum nicht auf eine einzige ethnische Identität festgelegt; je nach Situation können unterschiedliche Identitäten relevant gemacht werden.427 Eine breit rezipierte Zusammenstellung von gewissermaßen prototypischen Eigenschaften der Kategorie ‚ethnische Gruppe‘ hat Anthony D. Smith vorgelegt. Als sechs „chief features“ führt er an: „A collective name“, „A common myth of descent“, „A shared history“, „A distinctive shared culture“, „An association with a specific territory“, „A sense of solidarity“.428 Jene erste Zugangsweise geht entsprechend – gewissermaßen im Sinne eines top-down-Verfahrens – von der Applikation eines solchen modernen Ethnizitätskonzepts auf die antiken Texte aus.429 Gefragt werden kann dann, inwiefern sich die Smithschen Hauptmerkmale in einem gegebenen Text nachweisen lassen. Die grundsätzliche methodologische Anfrage an ein solches Vorgehen liegt indes auf der Hand: Dass es sich um ein anachronistisches Übertragen moderner Kategorien auf antike Texte handeln könnte. Dies mag für eine bewusst aus etischer Perspektive heraus vorgenommene Analyse durchaus akzeptabel sein. Die ,moderne Brille‘ kann aber entsprechend da zum Problem werden, wo nach Verstehensmustern, wie sie sich für den kommunikativen Zusammenhang auf
|| 426 Für die emische, d.h. die Innenperspektive der Beteiligten mag freilich gelten, dass eine ethnische Identität gerade nicht als verhandelbar, sondern als quasi naturhaft gegeben anzusehen ist. 427 Insbesondere letztere Aspekte werfen die Frage auf, inwiefern dadurch nicht eine Entgrenzung des Ethnizitätsbegriffs gegeben ist, in deren Folge letztlich jede Form eines gemeinschaftlichen Selbstverständnisses unter diesen Oberbegriff gefasst werden kann. Eine solche ‚Ethnizität‘ zum catch-all-Begriff ausweitende Tendenz scheint bisweilen in der Tat feststellbar. Aus begriffsgeschichtlicher Perspektive heraus lässt sich indes „der von den Beteiligten geteilte Glaube an eine Abstammungsgemeinsamkeit“ gewissermaßen als Kern von Ethnizität ansehen, vgl. Bös, „Ethnizität“, 57 mit Verweis insbesondere auf die Definition Max Webers. Dem werden nun aber in der Regel verschiedene weitere Merkmale hinzugefügt, siehe etwa den Kriterienkatalog Smiths im Folgenden. 428 Vgl. Smith, Origins, 22–31. 429 Ein profiliertes Beispiel hierfür bietet Esler, Conflict, der sich – wie manch andere auch – mit seinem Ethnizitätskonzept insbesondere an die Arbeiten des norwegischen Anthropologen Fredrik Barth anschließt: „Barth’s ideas on ethnicity, which form the core of the approach adopted here, are not restricted to modern societies or specific historical periods. […] There seems no reason in principle, accordingly, not to apply the formulation of ethnicity based on Barth to groups in the ancient Mediterranean“ (a.a.O., 53).
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der Ebene der Textentstehung wahrscheinlich machen lassen, gefragt wird, sich mithin um die Erhellung emischer Sichtweisen bemüht wird. b) Ein Bottom-up-Modell Eine Rückkoppelung an den modernen Ethnizitätsdiskurs kommt in der Diskussion nun aber auch aus der quasi entgegengesetzten Zugangsweise zum Thema heraus in den Blick – nämlich da, wo der Gebrauch moderner Kategorien zur Beschreibung antiker Selbstverständnisse gerade problematisiert wird und man stattdessen gewissermaßen auf den Primat eines bottom-up-Verfahrens pocht, das von dem durch die Quellen gebotenen Befund ausgeht. Für die frühchristlichen Texte aufschlussreich scheinen insbesondere die Neuansätze zur Beschreibung des antiken Judentums, wie sie einen Kristallisationspunkt in der Frage nach der angemessenen Übersetzung von Ἰουδαῖος/ Ἰουδαῖοι gefunden haben.430 Im Kern lautet die These, wie sie profiliert etwa Steve Mason formuliert hat, dass die neuzeitliche Kategorie ‚Religion‘ den Befund nicht adäquat zu erfassen vermöge. Vielmehr handele es sich bei den Ἰουδαῖοι in der griechisch-römischen Antike aus der Selbst- wie Fremdwahrnehmung heraus um ein ἔθνος, d.h. „a people comparable to and contrastable with other ἔθνη“.431 Das diskursanalytisch zu erhebende Profil der Kategorie ἔθνος umreißt Mason dabei wie folgt: „Each ethnos had its distinctive nature or character (φύσις, ἦθος), expressed in unique ancestral traditions (τὰ πάτρια), which typically reflected a shared (if fictive) ancestry (συγγενεία); each had its charter stories (μῦθοι), customs, norms, conventions, mores, laws (νόμοι, ἔθη, νόμιμα), and political arrangements or constitution (πολιτεία).“432 Der Grundtendenz nach ergibt diese antike Kategorie ἔθνος damit aber ein Bild, das den modernen Ethnizitätskonzepten durchaus nahesteht: Sie stellt einen übergeordneten Rahmen für die Selbst- und Fremdkonzeptualisierungen menschlicher Vergemeinschaftungen dar, der an sich eine Vielfalt von Aspekten umfassen kann. Welche dies jeweils konkret sind, d.h. welche für die Beschreibung eines ἔθνος im Diskurs ‚aktiviert‘ werden, ist auch hier nicht ein für alle Mal festgelegt.
|| 430 Einen den ersten Zwischenstand der Debatte reflektierenden Überblick bietet Stegemann, Jesus, 180–236. 431 Vgl. Mason, „Jews“, 489. Nicht zuletzt Philo und Josephus böten hierfür einschlägige Anhaltspunkte, insofern sich ihre Beschreibungen der Ἰουδαῖοι einfügten in den Rahmen des umfassenderen zeitgenössischen politisch-ethnographischen Diskurses. 432 Mason, „Jews“, 484; weitere Bestimmungen folgen ebd.
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Gerade in hellenistischer Zeit werden dabei offenbar solche Konstruktionen ethnischer Identität prominent, die ethnische Grenzen als durchlässig, auch als miteinander kombinierbar erscheinen zu lassen vermögen.433 Diese angedeutete Elastizität des antiken ἔθνος-Konzepts434 vermag aber gerade von dem modernen Neologismus ‚Ethnizität‘ eingefangen zu werden. Insofern lässt sich die Chiffre ‚antike Ethnizitätsdiskurse‘ durchaus als eine auf Grundlage zeitgenössischer Quellen profilierbare und insofern um eine emische Perspektive bemühte Kategorie begreifen. Diese kann einen Bezugsrahmen darstellen, der für die diskursive Konstruktion gemeinschaftlicher Selbstverständnisse in zeitgenössischen Kontexten der neutestamentlichen Schriften und damit auch in diesen selbst relevant ist. c) Operationalisierung Die Fruchtbarmachung jener Kategorie für die konkrete Textanalyse sieht sich freilich vor die Schwierigkeit gestellt, dass es sich offenbar um ein äußerst facettenreiches, im steten Fluss befindliches Konzept handelt. In methodologischer Hinsicht sind wesentlich zwei Formen denkbar, mit diesem Sachverhalt umzugehen. Zum einen bietet es sich an, das Diskursfeld nicht in seiner ganzen diachronen Breite als Bezugshintergrund zu veranschlagen, sondern als Textkorpus eine synchron orientierte Auswahl zugrunde zu legen, die auf das nähere zeitgenössische Umfeld des Epheserbriefs fokussiert, für das sich Verbindungslinien wahrscheinlich machen lassen. Auf diese Weise können diskursive Figuren herausgearbeitet werden und kann sodann gefragt werden, inwiefern sich Analogien im Epheserbrief finden.
|| 433 Hinsichtlich der Ἰουδαῖοι hat Shaye Cohen entsprechende Beobachtungen in die These überführt, in hasmonäischer Zeit habe es eine Entwicklung gegeben, in deren Zusammenhang die ethnische Prägung des Begriffs überführt worden sei in eine überwiegend religiöspolitische, ja kulturelle; vgl. Cohen, Beginnings, bes. Kap. 4: „From Ethnos to Ethno-Religion“ (109–139). Diese These beruht aber offenbar auf einem eng gefassten Verständnis von Ethnizität, das – womöglich in Orientierung an der modernen Begriffsprägung – einseitig genealogisch-abstammungsmäßige Aspekte in den Vordergrund rückt. Dies jedoch dürfte der angesprochenen Elastizität des antiken ἔθνος-Konzepts letztlich nicht entsprechen. Vielmehr wird man derlei Verschiebungen, wie sie hinsichtlich der Bezeichnung Ἰουδαῖοι zu konstatieren sein mögen, als durchaus kategoriengemäße Umprägungsprozesse ansehen können. 434 Auf den Punkt bringt das Beschriebene Christopher Stanley: „A Greek-speaking Jew who had spent his entire life in Rome might identify himself as a Ἰουδαῖος while attending his local synagogue, a Ἕλλην while watching a play in the theater, or a loyal Romanus while applauding a herald’s report announcing the Emperor’s latest military victory“; vgl. Stanley, „Context“, 186.
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Zum anderen kann aber auch ein induktiv vom Epheserbrief ausgehendes Verfahren in Betracht kommen. Ein solches setzte voraus, dass innerhalb der umfassenden Kategorie Ethnizität noch einmal gewissermaßen ein diskursives Substrat erhoben werden kann, das deren innere Dynamik in einem formalen Sinn zu erfassen vermag. Ein entsprechender Vorschlag wurde von Denise Kimber Buell (u.a.) vorgelegt.435 Vor dem Hintergrund der Berührungspunkte zwischen dem antiken Diskurs und modernen Konzepten wird hier – im Anschluss insbesondere an Ann Laura Stoler – ein Wechselspiel von ‚fixity‘ und ‚fluidity‘ als grundlegend und insofern symptomatisch (auch) für antikes ‚ethnic reasoning‘ deklariert. Dieser Ansatz scheint insofern vielversprechend, als er erlaubt, nicht mit einem bereits merkmalsmäßig spezifizierten Set an einen gegebenen Text heranzutreten, sondern von dessen eigener diskursiver Dynamik auszugehen. Dieser Weg wird daher an dieser Stelle näher verfolgt und sogleich an der Briefeingangseulogie konkretisiert. Vorab indes noch ein Wort zu jenem Wechselspiel von fixity und fluidity: Dieses stellt darauf ab, dass sich ein ethnischer Diskurs zunächst dadurch auszeichnet, dass er zwei Argumentationsfiguren kombiniert – nämlich zum einen Aussagen, die einer Gemeinschaft auf essentialisierende Weise bestimmte Merkmale als unveränderlich gegeben zuschreiben, sowie zum anderen Aussagen, die prozessual orientierte Merkmale formulieren, die eine prinzipielle Beweglichkeit ethnischer Grenzkonstruktionen ermöglichen.436 Auf der Grundlage dieser theoretischen Voraussetzungen kommt nun die Frage in den Blick, inwiefern sich Spuren eines solchen „double-sided discourse of fixity and fluidity“437 in Eph 1,3–14 nachweisen lassen. Zu benennen sind zunächst Textelemente, die im Dienste der Profilierung eines fixed-Pols, dem basisgebende Funktion für den Entwurf eines gemeinschaftlichen Selbstbildes zukommt, stehen könnten. Tatsächlich lässt sich hier der aoristische Duktus, in den die Darstellung des Gotteshandelns an der 1.Pl. gefasst ist, anführen, mithin ein maßgebliches Strukturmoment des Abschnitts. Denn solchermaßen wird die Faktizität des beschriebenen Geschehens herausgestellt und dieses somit als unvorgreifliche, feststehende Gegebenheit deklariert. Dieser Geschehenszu-
|| 435 Vgl. bes. Buell, Race; siehe ansonsten etwa auch dies./Hodge, „Politics“. Für die Auslegung des Epheserbriefes wird dieser Ansatz rezipiert auch bei Harrill, „Fluidity“. 436 Das Hervorheben einer bestimmten Genealogie etwa wäre in diesem Sinne ein typisches Merkmal, das dem fixierenden Pol zuzurechnen ist, während das Erheben einer spezifischen παιδεία zum kollektiven Identitätsmerkmal dem fluidisierenden Pol zuzuordnen wäre. 437 Buell, Race, 8.
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sammenhang bestimmt das ‚Wir‘ von Grund auf – vgl. das oben (III.3–4) zum responsorischen Charakter des ‚Wir‘ Gesagte –, ist dessen Verfügungsgewalt jedoch gänzlich entzogen, da er allein im souveränen göttlichen Ratschluss gründet. Insofern die κατά-Wendungen dazu dienen, diese Rückkoppelung des Geschehens an den Willen Gottes immer wieder zu betonen, unterstreichen sie zugleich den ‚fixen‘ Charakter jenes für das ‚Wir‘ schlechterdings konstitutiven Gotteshandelns. Die in der Diskussion der Textwelt aufgezeigte räumlichzeitliche Verankerung des ‚Wir‘ – und dabei insbesondere das Protologiekonzept – stellt sich in diesem Zusammenhang als Intensivierung des fixed-Pols dar, die den Umstand, dass die Konstitution des ‚Wir‘ sämtlicher menschlicher, ja, weltlicher Verfügungsmacht entzogen ist, in größtmöglicher Steigerung zum Ausdruck bringt. Diese umfassende Profilierung eines fixed-Pols geht auf der anderen Seite aber einher mit Elementen, die sich dem fluid-Pol zurechnen lassen. Schon V.3 ordnet Gott und 1.Pl. einander ja nicht in statischer Weise zu. Vielmehr erscheint die εὐλογία πνευματική zumal infolge ihrer Einbindung in das εὐλογεῖνWortspiel als dynamisches Vollzugsmoment bzw. Medium einer wechselseitigen Beziehungsgestaltung. Dem entspricht es, dass für das ‚Wir‘ ausweislich von V.4 gerade eine bestimmte Form des Selbstvollzugs als Bestimmungsmoment für die Qualität und Eigenart der eigenen Existenz vorstellig gemacht wird. Das hier vor Augen geführte Selbstverständnis ist somit dadurch geprägt, dass es im fortlaufenden Vollzug seiner selbst besteht. Insofern ist es aber grundlegend dynamisch-prozessual konzipiert. Mit dieser Sichtweise korrespondiert im Übrigen der eigentümliche Interimscharakter des Jetzt, in das sich das ‚Wir‘ hineingestellt sieht. Denn in diesem Jetzt erweist sich ja auch die empirische Grenze des ‚Wir‘ als eine variable, permeable Größe, die Möglichkeiten der Inklusion eröffnet. Eine Präponderanz des fixed-Pols wird in der Eulogie indes bereits dadurch signalisiert, dass die Begabung mit dem Geist – der ja als maßgeblicher Ermöglichungsgrund des bestimmungsgemäßen Lebenswandels am Ort des Individuums erscheint – in das Netz des aoristisch-unverfügbaren Aussagezusammenhangs integriert wird. Grundgelegt findet sich hier der Entsprechungsgedanke, dem in den parakletischen Abschnitten des Schreibens (vgl. dazu VI) programmatische Bedeutung zukommt; die fluiden Aspekte des Selbstverständnisses erscheinen somit letztlich als Ausfluss der fixen Rahmenbedingungen.438
|| 438 Zugespitzt wird dieser Aspekt in Eph 2,10, wenn dort die ‚guten Werke‘, die von den Glaubenden an den Tag zu legen sind, als solche auf der dem Gotteshandeln vorbehaltenen proto-
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Zusammenfassend ergibt sich: In der Eulogie ist die diskursive Dynamik eines Wechselspiels von fixity und fluidity in nuce nachweisbar. Insofern sich von hier aus nahelegt, dass dieser Dynamik grundlegende Bedeutung für den Gesamtbrief zukommt, wird es sie im Zusammenhang der weiteren Analyse zu berücksichtigen gelten. Vertiefend sei an dieser Stelle jedoch ein weiterer Blick auf Eph 1,3–14 geworfen, und zwar unter erneutem Rückgriff auf kognitionspsychologische Kategorien. Denn diese vermögen die anhand des fixed-fluid-Schemas gewonnenen Beobachtungen an einem zumal für das Anliegen der vorliegenden Arbeit wichtigen Punkt weiterzuführen. So wurde im Vorangehenden auf die Bedeutung spezifischer Verstehensmuster der Sprachverwender für die Bedeutungskonstitution hingewiesen (s.o. I.3.1). Der Erhebung der für den kommunikativen Zusammenhang mutmaßlich relevanten Verstehensmuster wurde dabei eine Schlüsselrolle zugewiesen für die Ermittlung der diskursiven Dynamik eines Textes. Nun weisen schon die formale Verfasstheit von Eph 1,3–14 als Eulogie wie auch die εὐλογεῖνParonomasie V.3f. als solche darauf hin, dass der Text einen jüdischen, nicht zuletzt durch alttestamentlichen Sprachgebrauch geprägten Verstehenskontext einfordert. Vor diesem Hintergrund ist es aber nur umso plausibler, dass mit dem Erwählungsmotiv in V.4 tatsächlich Gottesvolkmotivik eingespielt wird. Das ἐξελέξατο kann insbesondere im Verbund mit dem zugeordneten finalen Infinitiv als hinreichendes Signal gewertet werden, dass die Aktivierung entsprechender Vorstellungszusammenhänge bzw. Frames intendiert ist, ohne dass ein Zitat oder eine spezifische Anspielung vorliegen müsste – wenngleich die sprachlich-strukturellen Parallelen, die sich zumal zu Dtn 7,6ff. ziehen lassen, durchaus ins Auge fallen. Damit aber deutet sich an, dass die fixed-fluid-Dynamik im Epheserbrief maßgeblich in der Gottesvolkmotivik wurzelt und diese fortan als Dimension mitführt. Bereits Eph 1,4 weist dabei gleichermaßen darauf hin, dass diese Motivik im Kontext des Epheserbriefs einer Neuinterpretation zugeführt wird. Denn das ἐν αὐτῷ, in dem das Erwählungsgeschehen statthat, wird auch hier auf Christus zu beziehen sein. Dem entspricht nicht nur die schillernde Profilierung des Israel-Begriffs in Eph 2 (siehe dazu u. V), sondern auch der Befund, dass der Epheserbrief im Blick auf die Wir-Gruppe offenbar gerade keinen Gebrauch macht von λαός, γένος oder ἔθνος (vgl. I Petr 2,9f.) als singularische Selbstbezeichnung, sondern andere Begriffe wählt. Programmatisch nimmt sich in die|| logischen Ebene verankert werden. Der aufgetragene Selbstvollzug stellt sich hier geradezu als Nachvollzug dar.
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sem Zusammenhang 1,22f. aus mit der Einführung des ἐκκλησία-Begriffs. Angesichts dieser Beobachtungen aber wird man in der jüngeren Debatte um die begriffs- und motivgeschichtlichen Zusammenhänge des ἐκκλησία-Begriffs auch jene Stimmen zu Gehör zu bringen haben, die auf die Relevanz der entsprechenden hellenistisch-jüdischen bzw. alttestamentlichen Hintergründe abheben.439 III.6.2.3 Appellfunktion Hinsichtlich der Frage nach einer Handlungsbeeinflussung der Rezipienten durch den Emittenten als einem der beiden grundlegenden Aspekte der Appellfunktion bietet es sich von den vorangehenden Ausführungen her an, zwischen einer unmittelbar rezeptionsbegleitenden und einer den konkreten Rezeptionsvorgang überdauernden Ebene zu unterscheiden.440 So stellt die Leitzeile Eph 1,3a mit ihrem impliziten Imperativ zunächst eine grundlegende rezeptionsbegleitende Aufforderung dar, indem die Adressaten dazu angehalten werden, das Gotteslob in aktiver und emotionaler Partizipation nachzuvollziehen. Begünstigt wird dies durch die beschriebenen Eigenarten der Textoberfläche sowie durch die kontaktfunktionale Disposition des Abschnitts.441 Rezeptionsüberdauernde Handlungsaufforderungen sind demgegenüber insbesondere dort auszumachen, wo – namentlich in der Infinitivwendung in V.4 – ein die Adressaten miteinschließendes Existenzverständnis in den Blick kommt, das entscheidend durch einen spezifischen Selbstvollzug, der stets auch bestimmte Handlungen impliziert, geprägt ist und insofern als ein ethisierendes aufgefasst werden kann. Konkretisiert wird dies freilich erst im weiteren Verlauf des Schreibens, zumal in dessen zweitem Hauptteil ab 4,1. Im Zusammenhang der Eulogie liegt der Akzent daher eher auf der Verankerung eines entsprechenden ‚Platzhalters‘ innerhalb der theologischen und funktionalen Struktur des || 439 So etwa Trebilco, „Christians“. Demgegenüber stellt u.a. van Kooten, „Ἐκκλησία“ die politische Verwurzelung des Begriffs heraus. Eine einlinige Zuordnung scheint indes nicht zwingend; auch für politische Obertöne bieten die semantischen Netzwerke im Epheserbrief zahlreiche Anknüpfungspunkte, ja, gerade der Passus Eph 2,11–22 vermag auf die Interdependenz und Wechselwirkung der beiden Komplexe zu verweisen. 440 Vgl. die Differenzierung zwischen „kurzfristigen“ und „langfristigen Textwirkungen“ bei Finnern/Rüggemeier, Methoden, 239. 441 Die Verwendung von Gebetselementen im weiteren Schreiben, insbesondere von liturgisch-responsorischen Sprachmustern wie in der Doxologie Eph 3,20f., zeigt an, dass diese Rezeptionshaltung, die besonders auf die aktive Partizipation und das persönliche Involviertsein in das Geschilderte abhebt, für den Epheserbrief auch über die Eulogie hinaus charakteristisch ist.
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Schreibens, an den inhaltlich ausgeführte Handlungsanweisungen angedockt werden können, was eine rezipientenseitige Akzeptanz derselben zu unterstützen vermag. Diese Einschätzung weist zugleich darauf hin, dass das appellfunktionale Gewicht des Abschnitts auf dem Aspekt der Meinungsbeeinflussung liegt und also darauf zielt, den Rezipienten eine bestimmte Form der Selbst- und Weltwahrnehmung nahezulegen. Diese umfasst eben offenbar elementar das – mit Elementen eines fixed-fluid-Diskurses profilierte – Selbstverständnis im Sinne der Zugehörigkeit zu einem kollektiven ,Wir‘, das seine Bestimmtheit von Gott und Christus her erhält und dem im Zusammenhang des Kosmos eine herausgehobene Stellung zukommt. Gleichermaßen setzt dieses Selbstverständnis einen bestimmten Lebenswandel und Selbstvollzug aus sich heraus und hat insofern handlungsmäßige Implikationen. Auf der Ebene der individuellen Existenz erscheint in diesem Zusammenhang das Faktum der Geistbegabung als grundlegendes Signum. Der Appell zur Zustimmung zu dem beschriebenen Standpunkt vollzieht sich insgesamt auf indirekte Weise durch den evaluativ aufgeladenen, expressiven Modus des Abschnitts sowie durch die Inszenierung des fiktiven Verfassers als einer für die Formulierung der für das ‚Wir‘ konstitutiven Sachverhalte kompetenten, wenn nicht sogar autoritativen Instanz.
IV
Eph 1,19b–23 als grundlegende Elaboration des Gründungsnarrativs
Die Analyse der Briefeingangseulogie Eph 1,3–14 hat ergeben, dass im Epheserbrief in die textintern konstruierte Kommunikationssituation zwischen Paulus und seinen Adressaten eine weitere diegetische Ebene eingespannt wird. Diese wurde als ein theozentrisches Gründungsnarrativ der Gemeinschaft der Christusglaubenden charakterisiert, dem als solchem grundlegende Bedeutung für den Entwurf eines ekklesialen Selbstverständnisses im Epheserbrief beizumessen ist. Dieses Narrativ wird dabei nach Maßgabe von Eph 1,3–14 durch einen zeitlichen Bogen strukturiert, der auf der Ebene eines protologischen Handelns Gottes an der Wir-Gruppe anhebt und sich bis zu einer dereinstigen Vollendung der Gottesgemeinschaft hin erstreckt. Innerhalb dieses Rahmens markiert das Christusgeschehen eine Zäsur, die den Lauf des Geschehens auf der Ebene des Welt- und Geschichtszusammenhangs in ein Einst (ποτέ) und Jetzt (νῦν) unterteilt; letzteres bestimmt die Gegenwart der Kommunikationspartner. Bei alledem erweist sich die Geschichte Gottes mit der Wir-Gruppe von Grund auf als zum einen durch den Christusbezug gekennzeichnet, zum anderen als eingebettet in die Beziehungsgeschichte des Schöpfers mit dem All insgesamt. Die maßgeblichen Koordinaten des Gründungsnarrativs sind mithin durch die Briefeingangseulogie vorgegeben. Allein ihre Rekonstruktion im Zusammenhang der Analyse von Eph 1,3–14 erforderte zunächst einige Inferenzen, wie sie nicht zuletzt auf Grundlage einer mutmaßlichen Parallelführung der auf die Wir-Gruppe einerseits, auf das All insgesamt andererseits bezogenen Handlungsstränge vorgenommen wurden. Solchermaßen deutete sich aber zugleich an, dass die Ausführungen in der Briefeingangseulogie auf ihre Entfaltung im Zusammenhang des Gesamtbriefs angelegt sind, was der vermuteten Funktion des Abschnitts als ‚Eingangstor‘ auch nur entspricht. Und so beruhen die nachfolgenden Ausführungen auf der Annahme, dass sich die Verflechtung der beiden diegetischen Ebenen – gleich zwei Garnen einer Kordel – im weiteren Schreiben fortsetzt und damit auch das Gründungsnarrativ weitergehenden Elaborationen zugeführt wird. Demgemäß ist es das Anliegen des weiteren Ganges der Untersuchung, ebendiese Elaborationen nachzuzeichnen und auf diese Weise das der Briefeingangseulogie entnommene Gerüst zu überprüfen und aufzufüllen. Eine erste maßgebliche Fortsetzung findet das Gründungsnarrativ dabei in dem Passus Eph 1,20–23, der an die mit einem Fürbittgebetsbericht verbundene Danksagung in 1,15–19 angeschlossen ist bzw. aus dieser geradezu ‚heraus-
https://doi.org/10.1515/9783110794458-004
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wächst‘ (s.u.). Die zentrale Bedeutung jenes Passus für das Gründungsnarrativ, die seine gesonderte und ausführliche Behandlung nahelegt, wird bereits dadurch angezeigt, dass hier erstmals singularische Bezeichnungen – allen voran der ἐκκλησία-Begriff (1,22) – für die Wir-Gruppe eingeführt werden. Diese Thesen zur Bestimmung der Eigenart und Funktion von Eph 1,20–23 sind nachfolgend zu explizieren. Der angesprochenen Einbindung des Passus in den durch 1,15 eröffneten Abschnitt entsprechend ist bei der kontextuellen Verortung anzusetzen.
IV.1
Abgrenzung und Kontexteinbindung
Mit dem Neuansatz in Eph 1,15 (s.o.) wird im Anschluss an die Briefeingangseulogie sogleich eine ähnlich aufgeblähte Periode eröffnet442, die sich wiederum als ein komplexes Gefüge von syntaktischen Über- bzw. Unterordnungen darstellt. Dieses Gefüge erstreckt sich – in einer sogleich näher darzustellenden Weise – zumindest bis 1,21443, jedoch erweist bereits die Wiederaufnahmestruktur V.22f. als integralen Bestandteil des vorangehenden Zusammenhangs.444 Demgegenüber liegt mit 2,1 eine Zäsur vor, wie insbesondere aus der (durchaus schillernden) syntaktischen und inhaltlichen Zugehörigkeit von 2,1–3 zu dem Abschnitt 2,1–10 hervorgeht (s. zu 2,1–3,13). Dem kataphorischen, den erneuten Neuansatz markierenden Charakter von 2,1–3 steht der rückläufige Bezug des Relativsatzes 1,23 gegenüber, durch den der Aussagegang einem einstweiligen Ruhepunkt zugeführt wird.445
|| 442 Folgerichtig kann van Roon, Authenticity, 112 den Abschnitt Eph 1,15–23 der Briefeingangseulogie zur Seite stellen als weiteres markantes Beispiel für oratio perpetua im Epheserbrief. 443 Mit Schubert, Form, 34 ist V.21 als „end of the period“ anzusehen. 444 Die beiden tragenden Verbformen in V.22 (ὑπέταξεν bzw. ἔδωκεν) führen den aoristischen Handlungszusammenhang, der in V.20 anhebt, fort und übernehmen aus dem Vorangehenden Gott als handelndes Subjekt sowie – in Gestalt des Personalpronomens – Christus als Bezugspunkt bzw. direktes Objekt dieses Handelns; zu den darauf aufbauenden weitergehenden Verbindungen insbesondere mit der partizipialen Doppelaussage in V.20bc.21, die sich auch auf der Ebene der Traditionsverarbeitung festmachen lassen, vgl. die weitere Analyse. V.23 steht sodann ausweislich des relativischen Anschlusses in direktem Rückbezug auf V.22; vgl. dazu auch erneut das auf Christus verweisende αὐτός. 445 Durchaus nicht zu Unrecht hebt Owens, Beginning, 131–142 die – besonders schon an dem die Verbalaussagen betreffenden „parallelism between Eph 1:20 and Eph 2:5–6“ (131) abzulesende – expositionsartige Funktion von 1,20–23 für den durch 2,1 eröffneten Zusammenhang hervor und bezeichnet den Passus folglich als „an Introduction to Ephesians 2:1–22“ (132); vgl.
Abgrenzung und Kontexteinbindung | 163
Das Grundgerüst des Abschnitts Eph 1,15–23 entspricht den Mustern der paulinisch-epistolaren Danksagung446: Als Basis dient der Hauptsatz διὰ τοῦτο κἀγὼ (V.15init.) … οὐ παύομαι εὐχαριστῶν ὑπὲρ ὑμῶν447 (V.16a); die einschlägige Verbalform von εὐχαριστεῖν wird mithin in Gestalt eines ergänzenden Partizipiums realisiert.448 Die Hauptaussage V.16a wird umschlossen von zwei auf die 1.Sg. des fiktiven Verfassers als Subjekt bezogenen Partizipialwendungen
|| ähnlich – jedoch unter Berufung auf ein den Ausführungen in Eph 1,20–2,22 seiner Ansicht nach zugrunde liegendes ‚narrative pattern of divine warfare‘ – auch Gombis, „Ephesians 2“. Die nähere Diskussion der betreffenden Textabschnitte wird jedoch Eph 1,19.20–23 als grundlegende Elaboration des Gründungsnarrativs im Anschluss an die Briefeingangseulogie erweisen, während Eph 2 Bestandteil der dreigliedrigen Sequenz 2,1–3,13 ist, die auf der Basis der genannten Textsegmente aus Eph 1 vertiefende Elaborationen bietet. Entsprechend finden sich bereits in 2,1 Rückbezüge sowohl auf Eph 1,20–23 (zu νεκρός vgl. 1,20) als auch auf 1,3–14 (zu παραπτώματα vgl. 1,7). Expositionsartige Funktion für 2,1ff. kommt demnach nicht allein 1,20– 23, sondern ebenso 1,3–14 zu. Im Übrigen wird der makrostrukturell bedeutsame Zusammenhang von Eph 2 mit 3,1–13 von Gombis wie Owens nicht hinreichend berücksichtigt. Als Indiz dafür, dass mit 1,23 der an die Danksagung gekoppelte erste ‚Atemzug‘ des Fürbittgebetsberichts beschlossen wird, kann zudem angeführt werden, dass auch der zweite Fürbittgebetsbericht 3,(1.)14–19 auf die wortspielartig eingebrachte πληρόω/πλήρωμα-Motivik zugeführt wird; vgl. 1,23b mit 3,19b. Zur Debatte um die Abgrenzung der ‚Danksagung‘ Eph 1,15ff. vgl. ansonsten die Diskussion bei Lincoln, Eph, 50. 446 Von grundlegender Bedeutung zumal für einen syntaktisch orientierten Zugang, wie er auch hier verfolgt wird, ist nach wie vor die Strukturanalyse von Schubert, Form, 10–39. Eph 1,15–23 lässt sich hier dem „first type“ der paulinischen Danksagungen zuordnen, bei denen das Hauptverb εὐχαριστῶ durch (subjektgleiche) Partizipialausdrücke modifiziert wird, die ihrerseits einen finalen Nebensatz aus sich heraussetzen; vgl. die Zusammenfassung a.a.O., 34f. Der syntaktische Grundansatz darf freilich nicht dazu verleiten, den Blick zu versperren für die – trotz mancher Tendenz zur formelhaften Verfestigung grundsätzlich zuzugestehende – Flexibilität, mit der die auch in der paulinischen Danksagung begegnenden Topoi in der zeitgenössischen Briefliteratur gehandhabt werden konnten; vgl. die Hinweise bei Ebner, Phlm, 57f. Tatsächlich werden jene Topoi auch in Eph 1,15–23 in bezeichnender Weise akzentuiert; siehe im Folgenden. 447 Gewisse Uneinigkeit besteht hinsichtlich der Frage, ob ὑπὲρ ὑμῶν mit der Hauptaussage – so etwa Bauer, Wörterbuch, 664 – oder aber dem anschließenden Partizipialausdruck (μνείαν ποιούμενος) – vgl. Schubert, Form, 70 (siehe aber a.a.O., 34 Anm. 1) – zu verbinden ist. Die im Epheserbrief häufig zu beobachtende nachgeordnete Stellung von adverbialen Präpositionalwendungen sowie die Parallele Eph 5,20 sprechen für die erste Variante. 448 Vgl. BDR § 414,2. Die Formulierung als Negation, die inhaltlich mit den positivadverbialen Näherbestimmungen in den Danksagungen anderer Paulusbriefe – vgl. πάντοτε I Kor 1,4; Phil 1,4; (Kol 1,3;) Phlm 4; I Thess 1,2 bzw. ἀδιαλείπτως I Thess 1,2; 2,13; Röm 1,10 – korrespondiert, hat einen betonenden Effekt (vgl. Jeal, Theology, 96) und kann somit als emotionalisierendes Element angesehen werden, das dem Motiv der Danksagung trotz seiner Kürze Farbe verleiht.
164 | Eph 1,19b–23 als grundlegende Elaboration des Gründungsnarrativs
(ἀκούσας κτλ. bzw. [μνείαν] ποιούμενος κτλ.), die jenen Akt des fortwährenden Dankens spezifizieren.449 Die vorangestellte ἀκούσας-Wendung (V.15) hat dabei kausale Funktion und ergänzt die im anaphorischen διὰ τοῦτο zu Beginn bereits angedeutete Darlegung der Motivlage, die den fiktiven Verfasser zu seiner Danksagung bewegt, durch zusätzliche Plausibilisierung auf der Ebene der fiktiven (epistolaren) Kommunikationssituation – Paulus hat tatsächlich Kenntnis erhalten von Glaube und Liebe seiner Adressaten; vor dem Hintergrund eines entsprechenden (umfassenderen und wechselseitigen, vgl. 3,2–4; 6,21f.) Informationsflusses sind somit auch seine Äußerungen in 1,13 zu sehen. Gemäß der Strukturanalyse Schuberts kommt der auf V.16a folgenden, zweiten Partizipialwendung μνείαν ποιούμενος κτλ. (V.16b) temporale Funktion zu450: Die Danksagung hat ihren Ort im Akt des Gedenkens des Apostels (Gen. subi.), das seinen ‚Sitz im Leben‘ wiederum in dessen Gebetspraxis (ἐπὶ τῶν προσευχῶν μου) hat. Diese unmittelbare Verbundenheit von Dank und fürbittgebetsartigem Gedenken451 wird sprachlich hervorgehoben durch den tendenziell polyvalenten Charakter des ὑπὲρ ὑμῶν, das oben V.16a zugerechnet wurde, gleichwohl mit der 2.Pl. der fiktiven Adressaten zugleich diejenige Bezugsgröße nennt, auf die sich die μνεία des Apostels richtet. Befördert wird jener Konnex durch die weitere Auffälligkeit452, dass Gott als mutmaßlich bereits in V.16a implizierter Empfänger der Danksagung erst in V.17a genannt wird, und zwar im Zusammenhang des durch ἵνα eingeleiteten || 449 Zumal im Vergleich mit Phlm 4–6 als derjenigen εὐχαριστῶ-Periode im Corpus Paulinum, zu der Eph 1,15ff. besondere Strukturanalogien aufweist, fällt die weitgehende Beachtung einer (chrono-)logisch orientierten Anordnung der genannten Handlungen auf, wie sie insbesondere aus der Voranstellung des kausalen ἀκούσας-Ausdrucks – der Phlm 5 erst im Anschluss an die Hauptaussage Phlm 4 angeführt wird – resultiert. Begünstigt wird dadurch letztlich ein Gefälle auf das durch Eph 1,16b eingeleitete Gebetsreferat, das im Fokus des Abschnitts steht. 450 Vgl. Schubert, Form, 66. 451 Wohl zu weit geht allerdings Jeal, Theology, 96, wenn er für V.16 mit der asyndetischen Verbindung zweier Partizipien rechnet, die beide gleichermaßen von οὐ παύομαι abhängig zu machen seien. Dafür spricht sich u.a. auch Caragounis, Mysterion, 63f. aus, der dies zugleich in chiastische Verbindung bringt mit der oben benannten doppelten Begründungsstruktur in V.15: εὐχαριστῶν beziehe sich auf ἀκούσας, während sich μνείαν ποιούμενος dem διὰ τοῦτο und damit der vorangehenden Eulogie zuordnen lasse. Diese sprachlich durchaus mögliche Auffassung trägt jedoch dem geprägten paulinischen Sprachgebrauch mit seinem ‚technischen‘ Charakter von εὐχαριστεῖν samt dessen Erweiterung durch Partizipien nicht genügend Rechnung. Entsprechend ist μνείαν ποιούμενος der Hauptaussage V.16a in der beschriebenen Weise unterzuordnen. Der Akt des Dankens und damit die Anerkennung einer zunächst ganz rezeptiven Grundhaltung des Sprechers sind solchermaßen als Ausgangspunkt markiert. 452 Dem Verb εὐχαριστῶ ist in den paulinischen Danksagungen am Briefeingang ansonsten τῷ θεῷ als Objekt zugeordnet; vgl. Röm 1,8; I Kor 1,4; Phil 1,3; (Kol 1,3;) I Thess 1,2; Phlm 4.
Abgrenzung und Kontexteinbindung | 165
Referats des Gebetsinhalts453, das sich zunächst bis V.19 erstreckt und sodann durch V.20–23 erweitert wird. Ebenjene scheinbar nachklappende Erwähnung Gottes ist zugleich richtungsweisend für die Akzentsetzung des Gesamtabschnitts: Denn tatsächlich ist die eigentliche Danksagung ja recht knapp gehalten454, während sich – der syntaktischen Unterordnung zum Trotz – das Gewicht schon quantitativ auf den Fürbittgebetsbericht verschiebt, und die Einbindung der Gottesbezeichnung in denselben unterstreicht diesen Sachverhalt. Die Fürbitte ist somit als das prominenteste Element innerhalb des epistolaren Motivensembles, das der Abschnitt aktualisiert, gekennzeichnet. Darin aber manifestiert sich letztlich die dynamische Verzahnung von Lobpreis und Gebetsbitte, wie sie als ein tragendes Element im makrostrukturellen Rückgrat von Eph 1–3 erkannt wurde (s.o. III.5). Dieser Verzahnung entsprechen die zahlreichen sprachlich-syntaktischen Anklänge an die Briefeingangseulogie in dem mit V.17 anhebenden Referat455, wie sie grundgelegt werden in der feierlich-appositionellen Erweiterung der Gottesbezeichnung in V.17ab, die sich – da in 1,17 keine direkte Gottesanrede vorliegt – geradezu wie eine ‚verkappte Invokation‘ ausnimmt. Auf diese Weise wird aber nun nicht nur der Gehalt von Eph 1,3–14 als Hintergrund für den Fürbittgebetsbericht in V.17–19 wachgerufen, sondern vielmehr einem diegetischen Schwenk auf die Ebene des Gründungsnarrativs unmittelbar Vorschub geleistet: So rückt V.17a Gott betont als Handlungsträger in den Vordergrund456 und aktualisiert damit bereits jene theozentrische Grundausrichtung, wie sie von Eph 1,3–14 her für das Gründungsnarrativ prägend ist. Damit korrespondiert der Gebrauch der inklusiv-ekklesialen 1.Pl. (vgl. Eph 1,3a) im Zusammenhang jener Gottesbezeichnung.457
|| 453 Der ἵνα-Satz ist mit Sellin, Eph, z.St. dabei von V.16b und hier wohl insbesondere der Wendung ἐπὶ τῶν προσευχῶν μου abhängig zu machen; anders Schmid, Epheserbrief, 208. 454 Vgl. Lincoln, Eph, 49: „relatively brief“. 455 Vgl. Lincoln, Eph, 50; Gnilka, Eph, 88. 456 In diese Richtung geht auch Jeal, Theology, 97, wenn er festhält: „The rhetorical emphasis in 1:17 directs the audience members to look away from themselves, and identifies God as the one who can answer the author’s request.“ Die entsprechenden Anknüpfungspunkte in der paulinischen Danksagung – denn Gott ist doch auch hier stets als Bezugsinstanz im Blick – werden im Epheserbrief genutzt und ausgebaut. 457 Die Gottesbezeichnung in Eph 1,17 weist (insbesondere mit der Erweiterung von ὁ θεός um eine Apposition) freilich sprachlich-strukturelle Nähen zu Kol 1,3 auf, die auch die 1.Pl. betreffen. Jedoch ist Kol 1,3 bereits das Subjekt des Satzes – in Entsprechung zu der nichtalleinigen Verfasserschaft des Paulus, wie sie Kol 1,1 angibt – in der 1.Pl. gehalten. Auch vor diesem Hintergrund erscheint das Nebeneinander von 1.Sg. und 1.Pl. in Eph 1,16.17a somit als markant.
166 | Eph 1,19b–23 als grundlegende Elaboration des Gründungsnarrativs
Indes bewegt sich der Abschnitt in diegetischer Hinsicht ausweislich des in V.15–19 zumal an den für das syntaktische Gefüge maßgeblichen Weichenstellen in V.16a.b.17.18(εἰς τὸ εἰδέναι ὑμᾶς) dominierenden Wechselspiels von 1.Sg. und 2.Pl. zunächst (zumindest vordergründig) auf der Ebene der textintern entworfenen Kommunikationssituation mit ihrem Gegenüber von Verfasser und Adressaten – wie dies ja der Eigenart der paulinischen Danksagung auch nur entspricht.458 Dies ändert sich nun aber im Zuge von V.19 und also im Zusammenhang des letzten, längsten, achtergewichtigen der drei τίς/τί-Sätze, die den Wissensstand, auf den die erbetene Gottesgabe (V.17.18a) die fiktiven Adressaten offenbar hinzuführen vermag (vgl. das finale εἰς τὸ εἰδέναι ὑμᾶς V.18b), in V.18b–19 explizieren.459 Denn mit der εἰς-Wendung, welche über die ‚Wirkrichtung‘ der göttlichen δύναμις informiert, verbindet sich tatsächlich ein diegetischer Ebenensprung.460 Folgende Indizien lassen sich anführen: Zunächst wird mit der Bestimmung εἰς ἡμᾶς in einer über V.17a hinausgehenden Weise auf die 1.Pl. fokussiert, insofern diese – und eben nicht mehr allein die fiktiven Adressaten in Abhebung von Paulus – nun als unmittelbares Bezugsobjekt des göttlichen Wirkens in den Blick kommt. Die Apposition τοὺς πιστεύοντας macht dabei den inklusiven Charakter des ‚Wir‘ explizit.461 Damit aber wird signalisiert, dass erneut vom Standpunkt der in der Briefeingangseulogie profilierten WirGruppe, die die Adressaten mit einschließt und ganz durch das göttliche Zuwendungsgeschehen bestimmt ist, aus formuliert wird. Die unmittelbare Fortsetzung in V.19 bekräftigt diese Ansicht. Denn die Apposition τοὺς πιστεύοντας wird ihrerseits durch den nachfolgenden κατάAusdruck erläutert462, auf den sodann der sich in V.20 anschließende Relativ|| 458 Diese Eigenart wird betont von Schubert, Form, 37: „the thanksgiving structure is characterized by a basic bipolarity, a double focus around which all thoughts center: the addressant and the addressee“. Nicht auszublenden ist freilich die vertikale Dimension der paulinischen Danksagungen; Absender und Adressaten treten gerade auf der Grundlage ihrer gemeinsamen Gottesbeziehung in Kontakt. 459 Zu den pragmatischen Implikationen des bei der Gestaltung der drei syntaktisch gleichrangigen Sätze verwendeten „repetitive pattern“ – dem auch entspricht, dass das in allen drei Fällen einzusetzende Hauptverb ἐστιν nur im ersten τίς-Satz genannt wird – vgl. Jeal, Theology, 99f. 460 Einen „distinct shift in the oratio perpetua of 1:15–23“ in Eph 1,19b konstatiert auch Jeal, Theology, 100. 461 Gerade der Glauben der Adressaten stellt ja gemäß Eph 1,15 die Bezugsgrundlage der Danksagung dar; vgl. auch 1,1.13. 462 Gegen Percy, Probleme, 375 mit Anm. 20, der sich für einen Bezug auf den „vorherigen Fragesatz“ ausspricht; mit Sellin, Eph, 134 mit Anm. 92, der im Übrigen zu Recht auf den Zu-
Abgrenzung und Kontexteinbindung | 167
satz bezogen ist. Dabei ist eine figura etymologica zumindest angedeutet, findet das Relativum ἥν seinen Bezugspunkt doch mutmaßlich in dem Begriff ἐνέργεια.463 Derart nachklappende κατά-Wendungen wie auch die Stilfigur der figura etymologica sind aber markante, in der Briefeingangseulogie vorgeprägte sprachliche Merkmale, denen als solchen diegetische Signalfunktion zuerkannt werden kann.464 Aus dieser Gestaltung der ‚Verkettungsstruktur‘ in V.19b wird im Übrigen zugleich ersichtlich, dass der Passus V.20–23 strukturell in die durch den Verfasser angeführte Selbstbezeichnung der Wir-Gruppe als οἱ πιστεύοντες integriert ist, die dadurch näher expliziert wird. V.20a stellt demnach jedenfalls keine harte Zäsur dar, und die Betrachtung von V.20–23 hat diese kontextuelle Verflechtung zu berücksichtigen. Neben dem relativischen Anschluss ist es dabei insbesondere die Übernahme des handelnden Subjektes aus V.17a, die V.20ff. mit dem Vorangehenden – namentlich dem Fürbittgebetsbericht ab V.17 – verbindet.465 Gleichwohl liegt in V.20a eine syntaktische Nahtstelle vor, die es erlaubt, den Blickwinkel neu zu justieren.466 Folgerichtig bricht sich die Modifizierung
|| sammenhang mit den vergleichbaren κατά-Wendungen im weiteren Schreiben hinweist. Dieses Sprachmuster und damit auch seine Aussagefunktion werden dabei in der Briefeingangseulogie (siehe 1,5.7.9.11; zu 1,19 vgl. insbesondere 3,7 κατὰ τὴν ἐνέργειαν τῆς δυνάμεως αὐτοῦ, dort ebenfalls auf ein vorangehendes Partizip – δοθείσης – bezogen) vorgeprägt. Auf die inhaltlichen und auch pragmatischen Implikationen der Zuordnung des κατά-Ausdrucks 1,19 zu τοὺς πιστεύοντας wird noch einzugehen sein. 463 Sprachlich möglich ist auch ein Bezug auf ἰσχύς; der Verweis auf ἐνέργεια ist mit Lindemann, Aufhebung, 205f. jedoch angesichts der prominenten Rolle der ενεργ-Semantik im Epheserbrief, wie sie bereits 1,11 anklingt, wahrscheinlicher. 464 Dies bestätigt sich dadurch, dass gerade mittels solcher κατά-Wendungen zentrale Aspekte der theologischen Konzeption des Epheserbriefs zum Ausdruck gebracht werden: Dienen jene Wendungen gemäß der Briefeingangseulogie maßgeblich der Rückkoppelung des Geschehens an Gott (vgl. auch Eph 3,3.7.11.16.20; 4,24), so werden sie einerseits in 2,2 (vgl. 4,22) mit dem αἰῶν τοῦ κόσμου τούτου bzw. dem ἄρχων τῆς ἐξουσίας τοῦ ἀέρος, andererseits in 4,7 mit Christus in Verbindung gebracht. Damit deuten sich gewisse Strukturanalogien zwischen diesen Handlungsträgern an, auf die im Weiteren zurückzukommen sein wird. 465 Die dort angeführte Gottesbezeichnung ist somit auch der Blickwinkel, unter dem das in V.20ff. Geschilderte zu stehen kommt. Dem entspricht, dass bereits in V.17ab die Relation zwischen Gott und Christus – in die dort bezeichnenderweise wiederum auch die 1.Pl. mit einbezogen wird – thematisiert wird. Zur δόξα des Vaters (1,17) als einer zur Auferweckung Christi aus dem Tode (1,20; vgl. 2,6) wirksamen vgl. Röm 6,4. 466 Insofern hat die Heraushebung von Eph 1,20–23 als eines eigengeprägten Abschnitts – „ein christlicher Credo-Satz, der […] als das Bemerkenswerteste des vorliegenden Abschnitts
168 | Eph 1,19b–23 als grundlegende Elaboration des Gründungsnarrativs
der diegetischen Perspektivierung hier denn auch vollends Bahn. So ist in V.20a die Aufnahme der für das Gründungsnarrativ einschlägigen theozentrischen Fokussierung auf ein Gotteshandeln zu verzeichnen, das sich a) grundlegend durch seinen Christusbezug auszeichnet – vgl. das in der Eulogie als Leitmotiv profilierte ἐν (τῷ) Χριστῷ V.20a – und dabei b) in einem aoristisch-partizipialen Duktus zur Sprache kommt, der mit einer Kumulation von Präpositionalwendungen einhergeht.467 Die in V.20–23 entworfene Handlungsfolge schließt zudem, wie zu zeigen sein wird, eng an jene aus 1,3–14 an. Diesem Befund entspricht ferner, dass sich auch das viergliedrige Aktantengefüge aus der Briefeingangseulogie – Gott, Christus, Wir-Gruppe und All, für letzteres war in V.15–19 vorerst keine Wiederaufnahme zu verzeichnen – in V.19b.20–23 wiederfindet, freilich mit einigen Erweiterungen und Modifizierungen, angefangen bei dem Umstand, dass im Unterschied zur Briefeingangseulogie zunächst Christus als direktes Objekt des Gotteshandelns in den Vordergrund tritt. Ebenso erweisen die Präpositionalwendungen das aus 1,3–14 bekannte Wechselspiel von spatialer und temporaler Koordinierung als ein wesentliches Strukturmoment auch für V.20–23 (bes. V.20c.21). Durch V.19b wird demnach der Fürbittgebetsbericht überführt in eine gezielte Fortsetzung des Gründungsnarrativs, die sich bis einschließlich V.23 erstreckt. Syntaktisch ist der Passus in die Näherbestimmung der Wir-Gruppe integriert und somit schon strukturell der Profilierung des Selbstverständnisses derselben unmittelbar zugeordnet. Umso markanter erscheint vor diesem Hintergrund zunächst die Beobachtung, dass die 1.Pl. in V.20–23 nicht mehr explizit auftaucht. Jedoch besteht ein Spezifikum, wenn nicht eine Pointe des Abschnitts gerade darin, dass die gedankliche Bewegung in V.22f. letztlich zurückgeführt wird auf die Wir-Gruppe, von deren Betrachtung sie in V.19b ihren Ausgang genommen hatte.
|| gelten kann“ (Gnilka, Eph, 88); „ein einheitlicher eigener Komplex hymnisch- und bekenntnisartig-formelhaften Charakters“ (Sellin, Eph, 123) – durchaus Anhalt am Text. 467 Angesichts dieser theozentrischen Grundanlage – die auch schon dadurch angezeigt wird, dass die göttliche ἐνέργεια bzw. das göttliche ἐνεργεῖν als Ausgangspunkt dient – ist die verbreitete Charakterisierung der Verse als „christologisches Stück“ – so bei Deichgräber, Gotteshymnus, 162 – o.ä. tendenziell irreführend, zumindest sofern dies nicht näher erläutert wird.
Gliederung von Eph 1,20–23 | 169
IV.2
Gliederung von Eph 1,20–23
Die vorangehenden Ausführungen haben gezeigt, dass Eph 1,19b als Sprungbrett für die Elaboration des Gründungsnarrativs in V.20–23 dient und insofern in die weitere Analyse einzubeziehen ist. Hinsichtlich der Frage nach Gliederung und Aufbau erweist sich jedoch insbesondere der Passus V.20–23 als einer näheren Betrachtung bedürftig, so dass sich im Folgenden hierauf konzentriert wird. Die zahlreichen Streitpunkte, die sich mit dem Abschnitt auf intra- wie auch intertextueller Ebene verbinden, sind dabei nicht einleitend zu referieren. Gemäß dem gewählten Zugang soll vielmehr wiederum die sprachlichsyntaktische Analyse den Ausgangspunkt darstellen, auf deren Grundlage sodann voranzuschreiten ist. Denn in diesem Zusammenhang wird es notwendig zu einer Auseinandersetzung mit den angedeuteten Kontroversen kommen, die solchermaßen jedoch in einer möglichst induktiven und somit zugleich zielorientierten Weise geführt werden kann. Unter syntaktischen Gesichtspunkten lässt sich der Passus V.20–23, wie nachfolgend im Einzelnen darzulegen ist, in vier Segmente unterteilen. Unproblematisch ist zunächst das erste, basisgebende Element (I), das durch V.20a als Hauptaussage des Relativsatzes gebildet wird. Von dieser Hauptaussage hängen sodann zwei mittels καί verbundene Partizipialausdrücke in V.20b.21 ab, die als zweites Textsegment (II) anzusehen sind. Die beiden Partizipien (ἐγείρας bzw. καθίσας) sind dabei auf das handelnde Subjekt des Relativsatzes und also den in V.17a namentlich genannten Gott bezogen. Somit bilden drei miteinander koordinierte, auf ein Gotteshandeln verweisende Verbalformen das Gerüst in V.20f. Diese sind – ganz dem Duktus des Gründungsnarrativs gemäß – allesamt im Aorist gehalten. Bezugspunkt des Gotteshandelns ist zudem jeweils Christus; in V.20a erscheint er gleichsam als ‚Manifestationsort‘ der göttlichen ἐνέργεια, in den beiden Partizipialwendungen dient er als direktes Objekt. Der καθίσας-Ausdruck verfährt in dieser Hinsicht zwar – zumindest nach dem mutmaßlich ursprünglichen Wortlaut – elliptisch. Jedoch legt schon die in den beiden Partizipialkonstruktionen zu beobachtende parallele Grundstruktur468 – auf ein Gotteshandeln verweisende transitive Verbform / [implizites] Objekt / Präpositionalwendung – nahe, an der entsprechenden Stelle Christus als Bezugsobjekt zu ergänzen (was in der Textüberlieferung denn zum Teil tatsächlich auch explizit gemacht wurde). Zumal auch die Aussage V.20a sich – wenn auch schon syntaxbedingt in modifizierter Anordnung – aus den drei genannten Elementen zusammensetzt, erscheint II insgesamt als || 468 Vgl. Deichgräber, Gotteshymnus, 164; Sanders, „Elements“, 220f.
170 | Eph 1,19b–23 als grundlegende Elaboration des Gründungsnarrativs
Entfaltung von I und also als Doppelaussage, die erläutert, inwiefern Christus als Manifestationsort des göttlichen ἐνέργεια-Erweises anzusehen ist.469 Vor dem Hintergrund der aufgezeigten Strukturparallelen wird zudem ersichtlich, dass sich die καθίσας-Aussage in V.20c.21 durch eine (asyndetische) Kumulation von Präpositionalwendungen auszeichnet.470 In der Folge erscheint sie klimaktisch als eigentlicher Aussageschwerpunkt im Zusammenhang von I und II. Dem entspricht nicht nur die feierlich-plerophore Formulierungsweise in den einzelnen Präpositionalausdrücken in V.20c.21, sondern auch, dass dabei räumliche und zeitliche Kategorien zusammengebracht werden: Mit der lokalen Wendung ἐν δεξιᾷ αὐτοῦ wird zunächst die spatiale Achse eingespielt; der hierdurch bezeichnete Ort – infolge des Gegenübers von V.20c zu V.20b erscheint die ‚Rechte Gottes‘ indirekt als ‚Sphäre des Lebens‘ – wird durch die nachfolgende (lokale) ἐν- wie auch die ὑπεράνω-Wendung näher bestimmt. Dem treten die als betonte οὐ μόνον / ἀλλὰ καί-Aussage gehaltenen temporalen ἐν-Bestimmungen in V.21b gegenüber. Das maßgeblich auf dem semantischen Spiel mit der Präposition ἐν beruhende Nebeneinander von spatialen und temporalen Elementen471 spricht dabei dafür, die Zeitangabe V.21b komplementär zu den räumlichen Näherbestimmungen auf καθίσας als übergeordnete Verbalaussage zu beziehen.472 Der Aufbau von V.20f. stellt sich demnach in einer gegliederten Anordnung des griechischen Textes wie folgt dar:
|| 469 Vgl. Gnilka, Eph, 93. Ähnlich bestimmt Lindemann, Aufhebung, 206 den Zusammenhang zwischen I und II: Der „christologisch[e] Zentralbegriff ἐν τῷ Χριστῷ“ werde „durch das aus der theologischen Tradition übernommene Credo“ interpretiert; vgl. auch Jeal, Theology, 102: V.20a werde durch die Partizipialsätze „amplified“. 470 Mit Jeal, Theology, 102 wird das Adverb ὑπεράνω hier – wie auch in Eph 4,10 – in präpositionalem Sinne gebraucht. Für die strukturelle Parallelisierung der beiden Partizipialausdrücke hätte das bloße ἐν δεξιᾷ αὐτοῦ als Pendant zu ἐκ νεκρῶν genügt. Bemerkenswert ist, dass gerade die überschießenden Präpositionalausdrücke Verbindungslinien in das weitere Schreiben aufweisen und somit zur Kohärenzstiftung beitragen. Die programmatische Bedeutung der Angabe ἐν δεξιᾷ αὐτοῦ liegt auf makrokontextueller Ebene nicht zuletzt darin, ein ‚Gottesthron-Setting‘ als motivischen Hintergrund für das Gründungsnarrativ einzuspielen. 471 Zu erwägen ist, ob dies dann auch für die erste ἐν-Wendung in V.20a gilt. Die Rede von Christus als Manifestationsort wäre dann zugleich in einem distinkten zeitlichen Sinne zu verstehen, wobei präzise das Geschehen, das in II im Blick ist, gemeint wäre. 472 Vgl. Schnackenburg, Eph, 78 zu dieser Form der Zuordnung von V.20b. Auf das Nebeneinander von räumlichem und zeitlichem Aspekt, das 1,10 vergleichbar sei und anzeige, dass „Christi Herr-Sein sowohl in diesem als auch im kommenden Äon gilt“, weist auch Gnilka, Eph, 96, der V.20b in seiner Übersetzung allerdings – wie viele andere – offensichtlich unmittelbar auf καὶ παντὸς ὀνόματος ὀνομαζομένου bezieht.
Gliederung von Eph 1,20–23 | 171
I II
Ἣν
ἐνήργησεν ἐν τῷ Χριστῷ (V.20a) ἐγείρας αὐτὸν ἐκ νεκρῶν (V.20b) καὶ καθίσας ἐν δεξιᾷ αὐτοῦ ἐν τοῖς ἐπουρανίοις (V.20c) ὑπεράνω πάσης ἀρχῆς καὶ ἐξουσίας καὶ δυνάμεως καὶ κυριότητος καὶ παντὸς ὀνόματος ὀνομαζομένου (V.21a) οὐ μόνον ἐν τῷ αἰῶνι τούτῳ ἀλλὰ καὶ ἐν τῷ μέλλοντι (V.21b) Eph 1,20f.
V.22 als das dritte Aufbauelement (III) des Passus 1,20–23 setzt sodann syntaktisch neu an: Die beiden (wiederum) durch καί koordinierten finiten Verbformen (ὑπέταξεν bzw. ἔδωκεν) konstituieren ein zweigliedriges, eigenständiges Hauptsatzgefüge.473 Dieses liegt ausweislich der gegenüber V.20a differierenden Handlungsobjekte (πάντα bzw. αὐτόν gegenüber ἥν, sc. τὴν ἐνέργειαν) nicht auf einer Ebene mit jenem Relativsatz und schließt demnach nicht unmittelbar an V.20a an, sondern ist gleichsam als sich verselbständigende Fortführung der partizipialen Doppelaussage in V.20b–21 anzusehen. Dies geht aus den begrifflich-motivischen Verbindungslinien zwischen II und III ebenso hervor wie aus der strukturellen Analogie, dass erneut zwei aoristische, auf Gott als handelndes Subjekt bezogene transitive Verbformen als Grundpfeiler dienen. Dass V.22 tatsächlich als eine (weitere) „bewusste Doppelaussage“474 zu verstehen ist, bestätigt neben der Subjekt- und Tempuskongruenz der beiden Verbformen erneut insbesondere die in den beiden Aussagehälften vorfindliche Wortfolge, bei der übereinstimmend jeweils – im Unterschied zur vorangehenden partizipialen Doppelaussage, vergleichbar indes V.20a – das direkte Objekt des Gotteshandelns (πάντα bzw. αὐτόν) vorangestellt wird, während sich weitere (präpositionale) Bestimmungen an die Verbform anschließen.475 Mithin ist auch für V.22 eine Tendenz zum parallelismus membrorum zu konstatieren, der zugleich im engen strukturellen Anschluss an V.20f. steht. Vor diesem Hintergrund aber erscheint das dem ἔδωκεν in V.22b in markanter Schlußstellung476
|| 473 Vgl. Schmid, Epheserbrief, 213 („καὶ πάντα ὑπέταξεν: Übergang von der Relativkonstruktion in den Hauptsatz“); anders O’Brien, Eph, 139 Anm. 190.209. 474 Mit Schnackenburg, Eph, 78 unter Verweis auf BDR § 444,3. 475 Die Wortfolge mag sich an Ps 8,7 orientieren. Mit Sellin, Eph, 145f. (vgl. Holtzmann, Kritik, 101) gilt dabei für V.22b, dass ἔδωκεν hier mit doppeltem Akkusativ konstruiert wird, so dass κεφαλήν als prädikativer Akkusativ dient. 476 Vgl. Lincoln, Eph, 67: „Syntactically, the weight of this clause falls on τῇ ἐκκλησίᾳ at the end.“ Siehe auch O’Brien, Eph, 145. Vgl. auch den Hinweis bei Sellin, Eph, 145 im Anschluss an
172 | Eph 1,19b–23 als grundlegende Elaboration des Gründungsnarrativs
beigefügte Dativobjekt τῇ ἐκκλησίᾳ als überschießend, wie die nachfolgende gegliederte Übersicht zu Eph 1,22 verdeutlicht.477 III
καὶ καὶ
πάντα αὐτὸν
ὑπέταξεν ἔδωκεν
ὑπὸ τοὺς πόδας αὐτοῦ (V.22a) κεφαλὴν ὑπὲρ πάντα τῇ ἐκκλησίᾳ (V.22b) Eph 1,22
Die prominente Stellung von τῇ ἐκκλησίᾳ wird dadurch verstärkt, dass sich in V.23 ein darauf bezogener (ἥτις) Relativsatz (IV) anschließt. Dieser identifiziert die ἐκκλησία als τὸ σῶμα αὐτοῦ, wobei dieses Prädikatsnomen seinerseits durch eine Apposition (τὸ πλήρωμα κτλ.) näher bestimmt wird.478 Dem Grundsatz nach weist diese Apposition V.23b dabei einen ihrem Bezugsausdruck parallelen Aufbau auf, indem sie ein determiniertes Substantiv im Neutrum Singular mit einer Genitivbestimmung verbindet: IV
ἥτις ἐστὶν
τὸ σῶμα τὸ πλήρωμα
αὐτοῦ (V.23a) τοῦ τὰ πάντα ἐν πᾶσιν πληρουμένου (V.23b) Eph 1,23
Die Wortstellung legt daher nahe, τὸ σῶμα und τὸ πλήρωμα einerseits sowie andererseits αὐτοῦ und den (schillernden) Ausdruck τοῦ τὰ πάντα ἐν πᾶσιν πληρουμένου in einem Entsprechungsverhältnis zu sehen. Dies aber weist auf deren jeweilige Referenzidentität hin; es gilt somit offenbar ἡ ἐκκλησία = τὸ σῶμα = τὸ πλήρωμα sowie αὐτός (sc. Χριστός) = ὁ … πληρούμενος. In der Summe sind zwar zunächst I und II einerseits sowie III und IV andererseits syntaktisch eng verbunden, jedoch lassen die aufgezeigten Affinitäten zwischen II und III das erste Segment V.20a als ‚Kopfaussage‘ erscheinen, die durch II und III näher entfaltet wird. Insofern V.21 eine klimaktische Position zuerkannt wurde, erscheint III dabei als eine vertiefende Explikation479, die || Thomas G. Allen, wonach „normalerweise das Dativobjekt dem prädikativen Akk. vorangehen müsste“. 477 Die Anordnung lässt zugleich die kreuzweise Vertauschung der Begriffe αὐτός und πάντα zwischen den beiden Vershälften ins Auge fallen – ein struktureller Hinweis auf die Eigenart von πάντα als Bezeichnung eines Referenzträgers auch in V.22b sowie auf die Korrespondenz von ὑπό (V.22a) und ὑπέρ (V.22b). 478 Dies ist das von der Wortanordnung und sprachlichen Gestaltung her plausibelste syntaktische Verständnis von V.23b. 479 Das καί zu Beginn von V.22a hat also eine doppelte Funktion: Einerseits hat es epexegetischen Charakter – vgl. Lindemann, Aufhebung, 209 – und signalisiert die weitergehende Entfaltung, während es andererseits im Verbund mit dem zweiten καί V.22b der Strukturierung der Doppelaussage dient. Beide Aspekte schließen einander nicht aus.
Wiederaufnahmestruktur | 173
indes zugleich ihrerseits mit dem ἐκκλησία-Begriff in V.22b.23 offenbar auf eine eigene Zielaussage zugeführt wird. Die Glieder II–IV weisen je für sich eine an I anknüpfende Tendenz zum parallelismus membrorum auf. In der Folge treten besonders diejenigen Textelemente in den Vordergrund, die sich diesbezüglich als überhängend ausnehmen. Dabei handelt es sich um die Kumulation von Präpositionalwendungen in V.20c.21 sowie das Dativobjekt τῇ ἐκκλησίᾳ samt anschließendem Relativsatz in V.22f.480 Auf der ὑπεράνω-Aussage samt der Herausstellung ihrer ‚ekklesialen‘ Implikationen ruht somit besonderes textstrukturelles Gewicht.
IV.3
Wiederaufnahmestruktur
Der Rekonstruktion der Wiederaufnahmestruktur in Eph 1,20–23 kommt eine Schlüsselfunktion für jegliche weitergehende Interpretation des Abschnitts zu. Daher sollen die hier vorausgesetzten Zuordnungen, wie sie im Vorangehenden zum Teil bereits angeklungen sind, in einem eigenen Schritt transparent gemacht werden. 1. Nunmehr lediglich knapp zu rekapitulieren ist zunächst die theozentrische Grundausrichtung, die den Abschnitt prägt: Der in V.17a explizit benannte Gott wird mittels der fünf strukturtragenden Verbalaussagen481 in V.20–22 (V.20abc.22ab) nicht nur durchgehend mitgeführt, sondern stellt somit wiederum (vgl. das zu 1,3–14 Ausgeführte) denjenigen Referenzträger dar, von dem ausgehend sämtliche Aussagen entfaltet werden.482 Den durch Eph 1,3–14 vorgegebenen diegetischen Charakteristika des Gründungsnarrativs entspricht zudem die betonte Herausstellung der fundamentalen Christusbezogenheit
|| 480 In den quellenkritisch orientierten Rückfragen nach einem etwaigen in Eph 1,20–23 verarbeiteten ‚Hymnus‘ o.ä. werden gerade diese über das Grundgerüst hinausgehenden Elemente als Zusätze des Verfassers angesehen; vgl. etwa Sanders, „Elements“, 220–223. 481 In V.20c ist darüber hinaus – wie wiederholt (vgl. V.17c.18.19; hier insgesamt fünf Belege) auch im vorangehenden Fürbittgebetsbericht nach V.17ab – eine Wiederaufnahme durch das Personalpronomen zu verzeichnen. Klärend für die Referenzbestimmung des αὐτός in V.20c ist dabei das vorausgesetzte Bild bzw. die Berücksichtigung des zugrunde liegenden Bezugstextes; eine entsprechende Anreicherung der Textaussage wird von den Rezipienten offenbar eingefordert. Analoges ist auch für V.22a zu vermuten, wenn αὐτός hier – wie bereits in V.20b – im Unterschied zu V.20c auf Christus zu beziehen ist, wobei diese Deutung in V.22a freilich auch durch den unmittelbaren Zusammenhang mit V.22b begünstigt wird. 482 Eine Sonderstellung in dieser Hinsicht kommt V.23 zu; vgl. dazu im Folgenden.
174 | Eph 1,19b–23 als grundlegende Elaboration des Gründungsnarrativs
jenes Gotteshandelns durch den präpositionalen Zusatz ἐν τῷ Χριστῷ in der Basisaussage V.20a (vgl. Eph 1,3b). 2. Auf Christus als Referenzträger wird im Weiteren zunächst mit dem Personalpronomen Bezug genommen (αὐτός V.20b.22ab; vgl. V.23a), und zwar – mit der nur scheinbaren Ausnahme V.20c – im Zusammenhang aller Verbalaussagen in V.20–22. Dies fügt sich zwar ganz in die leitmotivische Funktion des Christusbezugs. Gegenüber Eph 1,3–14, fällt jedoch, wie bereits bemerkt, auf, dass Christus in 1,20–22 vorrangig als direktes Objekt des Gotteshandelns in den Blick kommt.483 Damit aber wird an dieser Stelle, nachdem dies in der Briefeingangseulogie lediglich angedeutet worden war (1,6fin), ein Handeln Gottes an Christus selbst deutlicher als eigener Handlungsstrang profiliert. Diese Verschiebung der Perspektive ist es denn auch, die dem Abschnitt sein ‚christologisches‘ Gepräge verleiht.484 Dem entspricht, dass im Rahmen von Eph 1,20–23 mit dem Begriff κεφαλή (V.22b) sowie dem substantivierten Partizipialausdruck ὁ … πληρούμενος (V.23b) zwei Substitutionen für Christus eingeführt werden. Gemeinsam ist ihnen, dass sie – wie bereits die Bezeichnung Christi als „der Geliebte“ in 1,6 – wesentlich relational orientiert sind, dabei jedoch nun weniger auf die Gottesbeziehung Christi, sondern vielmehr seine Relation zu All und ἐκκλησία abstellen, wie im Folgenden zu verdeutlichen ist. In diesen Substitutionen sind somit offenbar verdichtete Bestimmungen des Beziehungsgefüges, das die maßgeblichen Referenzträger des Gründungsnarrativs verbindet, ‚eingekapselt‘. Dies weist auf den herausragenden Stellenwert der betreffenden Ausdrücke. Der inhaltlichen Diskussion sind an dieser Stelle jeweils einige formale Erörterungen voranzustellen. a) Hinsichtlich des prädikativen Akkusativs κεφαλήν in V.22b ist die Funktion des daran angefügten Präpositionalausdrucks ὑπὲρ πάντα zu klären. Die oben aufgezeigte Gestaltung von V.22 als Doppelaussage signalisiert zunächst, dass für das Verständnis von V.22b der Konnex mit V.22a zu beachten ist. Dies aber spricht nicht nur für eine Referenzidentität der beiden Belege für πάντα485, sondern zugleich für die Annahme, dass die Präpositionen
|| 483 Die diesbezüglichen Ausnahmen sind V.20a.22a, doch auch hier ist Christus ausweislich der Präpositionalbestimmungen Bezugspunkt des Geschehens. 484 Vgl. die einschlägigen Bestimmungen des Abschnitts als „Christological excursus“ (Arnold, Power, 78), „christologisches Stück“ (Deichgräber, Gotteshymnus, 162) o.ä. in der Literatur. 485 Mit Gnilka, Eph, 97.
Wiederaufnahmestruktur | 175
ὑπό (V.22a) und ὑπέρ (V.22b) in einem komplementären Verhältnis zueinander stehen und also auch ὑπέρ hier den Aspekt einer auch räumlich gedachten Überordnung zum Ausdruck bringt.486 Die in beiden Vershälften vorliegende ‚somatische‘ Motivik, mit der jeweils auf Christus Bezug genommen wird, befördert durch das Gegenüber von Füßen (V.22a) und Kopf (V.22b) ein solches Verständnis. Der Unterordnung der πάντα – zur Bestimmung dieses Referenzträgers s.u. – „unter seine (sc. Christi) Füße“ entspricht es somit, dass Christus als „Haupt über“ πάντα bezeichnet werden kann. Die Wendung ὑπὲρ πάντα ist also attributiv auf κεφαλήν zu beziehen487; mit V.22a sowie dem Ausdruck κεφαλὴ ὑπὲρ πάντα in V.22b liegen zwei einander ergänzende Bilder vor, welche jeweils die Faktizität einer Christus durch Gott verliehenen Hoheitsstellung gegenüber der Größe πάντα zum Ausdruck bringen. Der prädikative Akkusativ κεφαλὴν ὑπὲρ πάντα rekapituliert solchermaßen den Gehalt von V.22a auf komprimierte Weise488 und überführt ihn zugleich in eine formelartige Substitution Christi, was seine zentrale Bedeutung unterstreicht. b) Die in V.22 in Bezug auf Christus eingeführte somatische Motivik bekräftigt zugleich die bereits oben vorgenommene Deutung des αὐτοῦ in V.23a als Bezugnahme auf Christus; die ἐκκλησία wird also als Leib Christi identifiziert. Daraus ergibt sich aber eine entsprechende Referenz eben auch für den parallelen Ausdruck τοῦ … πληρουμένου in der Apposition V.23b (s.o.), so dass dieser als eine weitere Substitution für Christus angesehen werden kann. Das nähere Verständnis hängt nicht zuletzt von der Frage ab, wie die in den substantivierten Partizipialausdruck eingeschobene Bestimmung τὰ πάντα ἐν πᾶσιν zu verstehen ist. Hierbei ist zunächst in Rechnung zu stel|| 486 Diese Deutung muss freilich in Kauf nehmen, dass eine solche Verwendung von ὑπέρ mit Akk. im neutestamentlichen/biblischen Griechisch eher ungewöhnlich ist; vgl. Sellin, Eph, 145. 487 Mit Mußner, Christus, 30. 488 Vgl. Sellin, Eph, 146. Ebendies aber bezeichnet Mußner, Christus, 31 als „unnötige Wiederholung“, durch die „das Neue, das 22b gegenüber 22a bringen soll, […] in seiner Bedeutung nur abgeschwächt“ würde. Mußner spricht sich daher gegen eine referenzträgerorientierte Deutung von ὑπὲρ πάντα – namentlich im Sinne der ,All-Formel‘ – aus und interpretiert den Ausdruck stattdessen als Betonung der Prädikation Christi als κεφαλή: als ‚Haupt‘ nehme dieser „in der Kirche eine überragende, unvergleichliche Würde ein“ (a.a.O., 30); zustimmend führt Mußner die Übersetzungen von J.M. Vosté („caput excellentissimum“) und S. Hanson („absolute head“) an und verweist zudem auf „dasselbe ὑπὲρ πάντα“ in Eph 3,20 (ebd. Anm. 140). Demgegenüber ist darauf hinzuweisen, dass gerade jene Wiederholung als rhetorisches Gestaltungsmoment anzuerkennen ist (vgl. Jeal, Theology, 105), das gerade durch die dadurch bewirkte Kohärenzstiftung die spezifische inhaltliche Progression in V.22b herauszustellen vermag.
176 | Eph 1,19b–23 als grundlegende Elaboration des Gründungsnarrativs
len, dass τὰ πάντα im Sinne von ‚das All‘ maßgeblich in 1,10 als eigener Referenzträger profiliert wurde, der im Zusammenhang des Gründungsnarrativs als Objekt des Gotteshandelns in Erscheinung tritt. Dies aber legt es nahe, τὰ πάντα auch in 1,23b in diesem Sinne (der zumeist als ‚All-Formel‘ bezeichnet wird) aufzufassen und hierin also das direkte Objekt, das dem Partizip πληρουμένου zuzuordnen ist, zu erblicken.489 Die mediale Form steht dem nicht entgegen, sofern an dieser Stelle von einem transitiven Gebrauch des Mediums anstelle des Aktivs ausgegangen werden kann (siehe BDR § 316,1), für dessen (von 4,10 abweichende) Wahl sich rhetorisch-stilistische Gesichtspunkte anführen lassen.490 Für das anschließende ἐν πᾶσιν legt sich vor diesem Hintergrund ein adverbiales Verständnis nahe, was durch die Alliteration (nicht nur mit dem nachfolgenden πληρουμένου) befördert wird.491 Der Partizipialausdruck prädiziert somit Christus als denjenigen, „der das All in jeder Hinsicht erfüllt“492, wobei sich zum einen der || 489 Mit Lona, Eschatologie, 316f. kann sich diese Deutung auf den Zusammenhang mit Eph 4,10 stützen, ist der Passus 4,8–10 doch durch mehrere Signale als Vertiefung von 1,20–23 ausgewiesen. Mit Faust, Pax, 51 kann daher angenommen werden, dass „die Partizipialwendung 1,23b und der Finalsatz 4,10b sinngleich“ sind. 490 Vgl. dazu Jeal, Theology, 108, der für das Prädikatsnomen in Eph 1,23 auf das kunstvolle Gegenüber zweier neutrischer, auf -μα endender Substantive hinweist (σῶμα bzw. πλήρωμα), denen jeweils ein auf Christus bezogener, auf -ου auslautender Genitivausdruck (αὐτοῦ bzw. τοῦ … πληρουμένου) zur Seite gestellt wird. Eben daraus aber wird die Verwendung des Mediums bei πληρόω plausibel, zumal derartige Wortspiele im Epheserbrief auch sonst häufiger begegnen. Zudem kann mit Schnackenburg, Eph, 81 erwogen werden, ob die mediale Form nicht darüber hinaus auch als „dynamisches Medium“ aufgefasst werden kann, das „ein stärkeres Interesse und Bemühen des Handelnden“ zum Ausdruck bringt. – Gegenüber der hier vorgetragenen Deutung plädiert Schwindt, Weltbild, 437–441 dafür, dass in der Pleromabegrifflichkeit in V.23b aktivische und passivische Aspekte „verschmolzen“ seien. Mit dem partizipialen πληρουμένου, das in der Tat auf Christus zu beziehen sei, würde demnach zumindest auch auf das Erfülltwerden Christi durch Gott abgehoben. Schwindt führt für diese – im Anschluss an G. Korting, der sich dafür auf hebräischen Spracheinfluss beruft – Deutung neben Kol 1,19; 2,9 die „theologisch[e] Ausrichtung“ des Mikrokontextes in Eph 1,17–22 und dabei insbesondere die Rückkoppelung an V.22b an. Letztere Aspekte sind in der Tat treffend beobachtet, jedoch wird sich zeigen, dass ein Proprium von V.22f. gerade darin besteht, innerhalb des theozentrischen Kontexts des Gründungsnarrativs Christus in die Position eines eigenständigen Aktanten zu erheben – obgleich er dabei in der Tat nicht von seiner Bindung an und Bezogenheit auf Gott abzukoppeln ist. 491 Die Wortanordnung mit ihrer für das Schreiben eher unüblichen Voranstellung der Präpositionalwendung ist durch den angestrebten Gleichklang mit dem vorangehenden αὐτοῦ zu erklären. 492 In seiner Einschätzung, ἐν πᾶσιν diene der „Hervorhebung der Totalität der Christusherrschaft: ‚in allem‘ = gänzlich, restlos, durch und durch“ ist Mußner, Christus, 30 Anm. 133 dem-
Wiederaufnahmestruktur | 177
präsentisch-prozessual orientierte Charakter der Aussage als konzeptionell bedeutsam erweisen wird. Als an dieser Stelle zu notierende Besonderheit fällt zum anderen sogleich ins Auge, dass gemäß dieser Rekonstruktion als an τὰ πάντα handelndes Subjekt nicht wie zuvor (und von der Ausrichtung des Gründungsnarrativs her zunächst zu erwarten) Gott, sondern Christus angeführt wird. 3. Infolge des relationalen Charakters der für Christus in V.22f. eingeführten Substitutionen sind in der vorangehenden Diskussion bereits weitere Referenzträger in den Blick genommen worden. Weitergehende Aussagen wurden dabei insbesondere zur Eigenart der mit (τὰ) πάντα bezeichneten Größe(n) gemacht: So verband sich mit den Beobachtungen zu V.22 die Annahme, das zweifache πάντα werde hier einheitlich im Sinne eines Referenzträgers gebraucht, der gemäß V.22a als Objekt des göttlichen Handelns in Betracht kommt. Hinsichtlich V.23 wurde konstatiert, mit τὰ πάντα werde die maßgeblich durch 1,10 vorgeprägte kosmologische All-Formel aufgegriffen und also das All in seiner Gesamtheit bezeichnet. Ausgespart wurde indes die Klärung des Verhältnisses zwischen jenen beiden Wendungen, mithin die Frage, ob die dadurch jeweils bezeichneten Größen identisch sind oder aber ob dem Artikel ein semantisches Eigengewicht zukommt, das zu einer Differenzierung nötigt.493 Die Komplexität des Befundes schon auf textinterner Ebene ergibt sich wesentlich aus der engen Verflechtung von V.22 mit der vorangehenden zweiten Partizipialaussage in V.20c.21. So wird in V.21 eine weitere Referenzgröße eingeführt. Es handelt sich dabei um eine Reihung von vier singularischen Substantiven, die verschiedene (himmlische) Machtinstanzen bezeichnen und denen ein || nach wiederum zuzustimmen. Abgegrenzt wird sich damit von einer unmittelbar personalen Deutung der Wendung, wie sie etwa von Meyer, Kirche, 62f. favorisiert wird, wenn sie ἐν πᾶσιν vorrangig auf „die Glaubenden (in der Gemeinschaft der Kirche als Soma Christi)“, in einem weiteren Sinne dann aber auch auf „die Menschheit in der Welt“ überhaupt, also „die gesamte Menschheit“ bezieht. Die Postulierung eines solchen Referenzträgers stünde aber im Aktantengefüge von 1,23 in latenter struktureller Konkurrenz mit τὰ πάντα. 493 Eine mögliche Erklärung für den Verzicht auf den Artikel in V.22 besteht in der Beobachtung, dass der Verfasser hierin den Vorgaben seines mutmaßlichen Prätextes für V.22a – Ps 8,7, womöglich in der Vermittlung durch I Kor 15,27 – folgen mag. Der Artikellosigkeit bräuchte insofern keine weitergehende Bedeutung beizumessen zu sein; vgl. dazu Mußner, Christus, 45, der freilich nur in dem πάντα in V.22a, nicht aber in V.22b die All-Formel erblickt. Jedoch ist es aus methodologischen Gründen – zumal keine explizite Markierung vorliegt und V.22 sich sprachlich in den Kontext einfügt – geboten, zunächst den synchronen Befund zu erörtern, um in einem zweiten Schritt zu fragen, inwiefern die sich daraus ergebenden Beobachtungen mit einer etwaigen Bezugnahme auf andere Texte oder Traditionen vereinbaren lassen.
178 | Eph 1,19b–23 als grundlegende Elaboration des Gründungsnarrativs
auf alle Begriffe gleichermaßen zu beziehendes πάσης vorangestellt ist. Dadurch wird signalisiert, dass sämtliche Entitäten, die in die durch die vier Einzelbegriffe benannten Kategorien fallen, im Blick sind; es handelt sich um kollektiv gebrauchte Singularformen. Die Viererreihe wird sodann beschlossen durch einen weiteren von ὑπεράνω abhängigen Ausdruck (καὶ παντὸς ὀνόματος ὀνομαζομένου), der, ähnlich einem „Summarium“494, eine noch weitergehende, ja grundsätzliche Entgrenzung zu intendieren scheint: In die vorangehende Reihe implizit einzubeziehen sind offenbar sämtliche Klassen von himmlischen Mächten. Muss diese Aufzählung als solche durchaus nicht implizieren, dass die Begriffe untereinander schlichtweg austauschbar sind, so liegt der Akzent dieser ‚Entgrenzungsdynamik‘ doch offenbar darauf, die genannten Instanzen als eine einzige Gruppe, als ein zusammengehöriges Kollektiv vorstellig zu machen. Diesem Ensemble machtvoller Potenzen wird Christus gemäß V.21 pauschal übergeordnet, insofern Gott ihm einen Platz oberhalb (ὑπεράνω) derselben zugewiesen hat. Vor diesem Hintergrund aber könnte mit V.22a – und in der Folge auch mit der Rede von Christus als κεφαλὴ ὑπὲρ πάντα in V.22b, s.o. – eine zuspitzende Variation495 dieser Aussage vorliegen, insofern hier ebenfalls auf Christus bezogene hierarchische Verhältnisbestimmungen in spatialer Semantik zum Ausdruck gebracht werden; das ὑπό bzw. ὑπέρ erinnert an das präpositional verwendete ὑπεράνω aus V.21. Dann aber ist es zugleich denkbar, dass mit den πάντα in V.22 – zumal hiermit die πᾶς-Motivik aus V.21 aufgegriffen wird – zuallererst das Mächtekollektiv aus V.21 gemeint ist.496 Die Pointe dürfte nun jedoch darin bestehen, dass dieses nach Auskunft von V.20c ἐν τοῖς ἐπουρανίοις angesiedelte Mächtekollektiv gemäß der unter III.4.1 erhobenen Semantik dieser Wendung letztlich sehr wohl zugleich für das All insgesamt stehen kann, insofern gerade die himmlischen Machtinstanzen sich für dieses als bestimmend erweisen (vgl. die Rede von den κοσμοκράτορες in 6,12). Dann aber ist Christus als Haupt über sämtliche dieser Machtinstanzen tatsächlich und gerade auf diese Weise zugleich Haupt über das All insgesamt || 494 Vgl. Schwindt, Weltbild, 362. Ähnlich vermutet Lindemann, Aufhebung, 210 in ὄνομα „eine Art Sammelbezeichnung für dämonische Wesen überhaupt“. 495 Den gegenüber V.20f. weiterführenden Charakter von V.22a im Blick auf die Handlungsaussagen hebt Schlier, Eph, 88f. hervor: V.22a unterstreiche „nicht nur zusammenfassend das bisherige Handeln Gottes“, sondern bezeichne „auch eine neue Machttat Gottes“, indem nicht nur die Überlegenheit Christi über die anderen Mächte zum Ausdruck gebracht, sondern auch deren durch Gott gewirkte formelle Unterwerfung ihm gegenüber angezeigt werde. 496 Vgl. hierzu und zum Folgenden Schnackenburg, Eph, 78: „Gott hat Christus […] ,alles‘, alle kosmischen Mächte und damit das All (vgl. 1,10 und 4,10), unterworfen […]“.
Wiederaufnahmestruktur | 179
im Sinne der τὰ πάντα-Formel. Der einfache Plural πάντα in V.22 ist demnach als implizite Wiederaufnahme des in 1,10 als τὰ πάντα eingeführten Referenzträgers aufzufassen, in der sich eine Vertiefung der Darstellung der kosmologischen Strukturen andeutet.497 4. Zuzuwenden ist sich schließlich der Frage, wie sich die erstmalige Okkurrenz des ἐκκλησία-Begriffs in V.23b in die Wiederaufnahmestruktur fügt. Zu erinnern ist daran, dass der Abschnitt V.20–23 durch zahlreiche Signale nicht nur als Aufnahme des Gründungsnarrativs ausgewiesen, sondern infolge von V.19b sogar schon syntaktisch der Näherbestimmung der Wir-Gruppe unmittelbar zugeordnet ist. Insofern steht zumindest zu erwarten, dass auch die Wir-Gruppe in V.20–23 ‚präsent‘ ist. Dies gilt umso mehr, als ja die drei weiteren aus der Eulogie bekannten Referenzträger – nämlich Gott, Christus und das All – auch in diesem Abschnitt auf je unterschiedliche Weise in den Blick genommen und zueinander in Beziehung gesetzt werden. Wenn in ebendieses Gefüge in V.22b.23 daher nun die ἐκκλησία integriert wird, so nimmt sie damit strukturell gewissermaßen die ‚Planstelle‘ der WirGruppe ein.498 Schon dadurch aber wird nahegelegt, in dem Begriff ἐκκλησία eine Substitution für die Wir-Gruppe zu erblicken. Diese Einschätzung wird auf textinterner Ebene durch etymologisch-semantische Beobachtungen gestützt: So knüpft der Term an die κλῆσις-Motivik aus V.18 an, die ihrerseits Verbindungslinien in die Eulogie aufweist (1,13a) und dadurch im Kontext von Eph 1 eng mit der Wir-Gruppe verbunden ist.499 Somit wird in Eph 1,22 eine singularische Bezeichnung für die Wir-Gruppe eingeführt500; offenbar korrespondiert mit
|| 497 In diesen Zusammenhang gehört im Übrigen auch die Einführung des personalen Kollektivs der νεκροί in Eph 1,20b, dem Christus infolge seiner Auferweckung nicht mehr zugehört – offenbar im Unterschied zu anderen Subjekten. Aus Eph 2,1–10 wird hervorgehen, dass auf Seiten der menschlich-irdischen Subjekte gerade der Zustand der Unterstelltheit unter die kosmischen Mächte als Totsein gilt. 498 Die in der Briefeingangseulogie angelegte Parallelführung der Handlungsstränge lässt es nach der kosmisch orientierten Aussage in V.22a erwarten, dass eine explizite Aussage zur Verbindung des Geschehens mit der Wir-Gruppe folgt. 499 Die damit angedeutete Gewichtung des etymologischen Hintergrunds bei der Analyse des Begriffs ἐκκλησία (dagegen Roloff, „ἐκκλησία“, 999) wird durch den wortspielartigen Gebrauch von καλέω in Eph 4,1 und somit an makrostrukturell prominenter Stelle bestätigt. Der Epheserbrief scheint somit eine etymologische Transparenz von ἐκκλησία zumindest zu begünstigen, wobei angesichts der theozentrischen Grundausrichtung gerade der passivische Bedeutungsaspekt hervorzuheben sein mag. 500 Die singularische Verfasstheit der Wir-Gruppe schien freilich schon in der Briefeingangseulogie vorausgesetzt, insbesondere durch die Aufnahme von Gottesvolkmotivik. Inso-
180 | Eph 1,19b–23 als grundlegende Elaboration des Gründungsnarrativs
dem einen – in der Evangeliumsverkündigung je und je individuell aktualisierten – Ruf Gottes die eine ἐκκλησία. Diese singularische Bestimmung wird in V.23 sodann sogleich um zwei weitere (σῶμα bzw. πλήρωμα Christi) ergänzt und durch diese zugleich interpretiert (ἥτις ἐστὶν...), und zwar, wie sich aus dem oben Gesagten ergibt, im Horizont des für das Gründungsnarrativ einschlägigen Beziehungsgefüges. Der Passus erscheint somit insgesamt zu weiten Teilen als Arbeit am ἐκκλησία-Begriff, die sich unter unmittelbarer Einbindung in die spezifische Textwelt des Schreibens vollzieht.
IV.4
Textwelt
Aufbauend auf den vorangehenden Ausführungen ist nun der inhaltliche Ausbau des Gründungsnarrativs durch Eph 1,19b–23 aufzuzeigen. Für die strukturierte Erfassung bietet sich eine Orientierung an dessen temporaler Ordnung bzw. der Handlungssequenz an, wie sie der Briefeingangseulogie entnommen wurde. Diese wird daher im Folgenden als Bezugsgrundlage herangezogen. Im Grundsatz ergibt sich dabei folgender Befund: Ausgangs- (V.19) und Zielpunkt (V.23) der Ausführungen stellen Bestimmungen zur Ebene des νῦν dar.501 Demgegenüber fokussiert der aoristisch formulierte Handlungszusammenhang in V.20–22 auf die soteriologische Wende, die in dem aus Eph 1,3–14 erhobenen Gerüst als zweite beziehungskonstitutive Zuwendung Gottes zu WirGruppe und All bezeichnet wurde und als Voraussetzung des νῦν zu gelten hat. Ausweislich der temporalen Angabe V.21b – das partizipiale μέλλων korrespondiert mit den Präsenspartizipien in V.19.23 – prägt der Standpunkt ebenjenes νῦν, dessen liminaler Interimscharakter in der Verortung ‚zwischen den Äonen‘ anklingt, auch diese Rückblende in V.20–22. Die Ebenen des Einst sowie der dereinstigen Vollendung (die ‚zweite ἀπολύτρωσις‘) werden im Rahmen von Eph 1,19b–23 hingegen lediglich indirekt angespielt – mit der Folge, dass wiederum Leerstellen entstehen, die im weiteren Schreiben gefüllt werden können.
|| fern eine entsprechende Bezeichnung dort noch nicht eingeführt wurde, ist jedoch eine gewisse Leerstelle im vorangehenden Aussagegefüge zu konstatieren – die durch Eph 1,22f. nun gefüllt zu werden beginnt. Strukturell entspricht dies im Übrigen den Textbewegungen in I Petr 1,1–2,10, wenn hier den zunächst dominierenden pluralischen Bezeichnungen sodann in 2,4– 10 betont singularische Begrifflichkeiten zur Seite gestellt werden. 501 Entsprechende Signalfunktion kommt den sich von den aoristischen Handlungsaussagen abhebenden Präsenspartizipien in V.19b.23b (vgl. V.21b) zu; siehe zudem das finite präsentische ἐστίν in V.23.
Textwelt | 181
Die chronologische Anordnung der Handlungsfolge mag es somit nahelegen, mit der Betrachtung von V.20–22 anzusetzen. Angesichts der kontextuellen Eingebundenheit des Passus empfiehlt es sich jedoch, dem Textfluss zu folgen und bei der syntaktisch übergeordneten Hinführung in V.19 anzusetzen, insofern hier wichtige Perspektiveinstellungen für das Nachfolgende vorgenommen werden. Der abschließende Rekurs auf die Ebene des νῦν in V.23 soll jedoch – ebenfalls in Übereinstimmung mit der Textanordnung – tatsächlich erst im Anschluss an die Erörterungen zu V.20–22 in den Blick kommen; dies entspricht dem, wie sich zeigen wird, resultativen Charakter jenes ἥτις-Satzes.
IV.4.1
νῦν (I): Die δύναμις Gottes und das Gründungsnarrativ (V.19.20a)
Mit dem achtergewichtigen τί-Satz in V.19 avanciert die göttliche δύναμις zum „primary theme“502 des Fürbittgebetsberichtes. Dies wird unterstrichen durch die plerophore – vgl. die doppelte adnominale Genitivkonstruktion – Anhäufung dreier weiterer Substantive, die sich dem semantischen Feld ‚Kraft‘ unmittelbar zuordnen lassen503, in der abschließenden κατά-Wendung, die solchermaßen zugleich der Näherbestimmung der Eigenart der δύναμις dient (s.u.). Infolge der Basisfunktion des Relativsatzes V.20a wird die Ausrichtung auf die göttliche Kraft dabei auch in die nachfolgenden Ausführungen in V.20–23 hineingetragen; die den Abschnitt prägende Theozentrik ist somit durch eine Fokussierung auf den Aspekt der Kraft Gottes gekennzeichnet. Auf makrokontextueller Ebene wird damit an die Prädikation Gottes als ὁ τὰ πάντα ἐνεργῶν in 1,11 angeknüpft. Diese Gottesbezeichnung wird hier mithin näher erläutert und dabei seine Kraft zugleich als eine zentrale Eigenschaft Gottes profiliert, für die sich angesichts ihrer Leitfunktion in V.19ff. eine ähnlich
|| 502 Arnold, Power, 72. 503 Vor der Frage nach etwaigen semantischen Differenzierungen zwischen δύναμις, ἐνέργεια, κράτος und ἰσχύς ist mit Lincoln, Eph, 60 festzuhalten, dass „the point in the writer’s heaping up of these expressions is not their distinctiveness but their similarity“. Im Vordergrund steht wohl die Verwandtschaft der Begriffe und der mit ihrer Kumulation verbundene rhetorische Effekt, wie er auch schon in der Wendung τὸ ὑπερβάλλον μέγεθος τῆς δυνάμεως αὐτοῦ in Eph 1,19a anklingt, durch welche die göttliche δύναμις von vornherein unter dem Gesichtspunkt ihrer überwältigenden Größe in den Blick kommt.
182 | Eph 1,19b–23 als grundlegende Elaboration des Gründungsnarrativs
fundamentale Bedeutung für das Gründungsnarrativ abzeichnet, wie sie im weiteren Zusammenhang namentlich seiner χάρις, δόξα und ἀγάπη zukommt.504 Denn wie für die letztgenannten Begriffe gilt gemäß 1,19 (vgl. aber bereits 1,11) auch für jene δύναμις, dass sie nicht einem göttlichen Für-sich-Sein vorbehalten bleibt, sondern elementar auf ihre Kommunikation, auf ihr Wirksamwerden im Weltzusammenhang angelegt ist505; in semantischer Hinsicht ist es dieser Gesichtspunkt, der durch den Begriff ἐνέργεια hervorgehoben wird.506 Die genannten Verbindungslinien mögen tatsächlich einen inneren Zusammenhang andeuten: Der Wille Gottes, der sich auf die Entfaltung seiner δόξα im Welt- und Geschichtszusammenhang richtet, kommt kraft seiner als ἐνέργεια wirksamen δύμαμις zur Hinausführung und gibt sich gerade dabei als durch seine Gnade und Liebe bestimmt zu erkennen. Jenes Wirksamwerden richtet sich nun gemäß V.19 unmittelbar auf die WirGruppe (εἰς ἡμᾶς). Ja, es steht nach Maßgabe des κατά-Ausdrucks, der auf die dem ἡμᾶς beigefügte Apposition τοὺς πιστεύοντας zu beziehen ist, in einem geradezu ursächlichen Zusammenhang mit dem ‚Wesenskern‘ der Wir-Gruppe, als der der Glaube zu gelten hat, wird dieser doch solchermaßen als eine Auswirkung der göttlichen Kraft interpretiert bzw. zumindest aufs engste an diese gekoppelt.507 || 504 In Eph 1,3–14 sind es neben den auf den göttlichen Willen verweisenden Begriffen gerade χάρις und δόξα, die in der Konstruktion ‚Substantiv + αὐτός im auf Gott bezogenen subjektiven Genitiv‘ begegnen (vgl. V.6.7.12.14). Hinsichtlich ἀγάπη vgl. Eph 2,4. 505 Auf der Ebene der sprachlichen Gestaltung kommt dies insbesondere durch den Gebrauch der figura etymologica zum Ausdruck; vgl. Eph 1,6 (τῆς χάριτος αὐτοῦ ἧς ἐχαρίτωσεν); 1,19f. (τὴν ἐνέργειαν τοῦ κράτους τῆς ἰσχύος αὐτοῦ ἥν ἐνήργησεν); 2,4 (τὴν πολλὴν ἀγάπην αὐτοῦ ἣν ἠγάπησεν). Zum Motiv der Anteilgabe an der δόξα vgl. bes. 1,17b. 506 Vgl. Sellin, Eph, 134. Die Begriffe κράτος und ἰσχύς, die im Epheserbrief nur in Gestalt ihrer genitivischen Verbindung begegnen (vgl. noch 6,10), stehen demgegenüber wiederum δύναμις etwas näher, „in the sense that they both express power implied in ability and capacity versus the realization of power“; vgl. Arnold, Power, 74. Zu einem synonymen Verständnis der Begriffe in der κατά-Wendung tendiert Jeal, Theology, 101f.; vgl. auch Gnilka, Eph, 92. Für eine differenzierte „semantische Skala“ spricht sich hingegen Sellin, Eph, 134f. aus. Von tragender Bedeutung scheinen indes der oben angezeigte Aspekt der Kommunikabilität und die damit verbundene Profilierung der Gotteskraft als einer den Welt- und Geschichtszusammenhang dynamisch bestimmenden Größe. 507 Dieser Aspekt wird bei Arnold, Power, 73 tendenziell ausgeblendet, wenn er in Bezug auf Eph 1,19 formuliert, „it [sc. the power of God] is received through faith in a personal God“. Gemäß dem oben Gesagten verhält es sich vielmehr tendenziell umgekehrt; 1,19 hebt somit die Wirksamkeit Gottes im menschlichen Glaubensakt hervor. Demgegenüber kommt πιστεύειν in 1,13 stärker als Akt des Menschen in den Blick. Möglicherweise ist es ebendieses – fixity und fluidity (s.o. den Exkurs unter III.6.2.2) verbindende – Wechselspiel von menschlicher und
Textwelt | 183
Daraus geht aber zugleich hervor, dass eine zentrale nota der Wir-Gruppe darin besteht, als Kollektiv der πιστεύοντες hineingestellt zu sein in den Wirkbereich der göttlichen δύναμις. Die Ebene des νῦν, die ausweislich der partizipialen Apposition τοὺς πιστεύοντας (die damit der Bezeichnung der Wir-Gruppe als οἱ προηλπικότες aus 1,12 zur Seite tritt) in V.19 im Blick befindlich ist, wird somit als Ebene der Einwirkung der göttlichen Kraft auf die Glaubenden markiert (vgl. 3,20; 6,10) – von der Wir-Gruppe zu sprechen heißt somit immer auch, von der göttlichen δύναμις zu sprechen. V.20a zeigt nun an, dass die an den Glaubenden wirksame Gotteskraft gerade in dieser ihrer Eigenart als wirkende Kraft grundlegend bestimmt ist durch ihren vorgängigen (vgl. den Aorist bei ἐνήργησεν) Erweis durch Gott ἐν τῷ Χριστῷ.508 Der erläuternde partizipiale Doppelausdruck profiliert dieses Handeln Gottes in Christus sodann maßgeblich als ein Handeln Gottes an ihm. In ebendiesem liegt offenbar der Kristallisationspunkt der Kraft Gottes in ihrer weltzugewandten Wirksamkeit; von hier aus erschließen sich ihre Dynamik und Eigenart, und zwar als eine solche, die auf Lebensstiftung (V.20b) und Einholung in die Gottesnähe (V.20c) ausgerichtet ist. Diese Form der Fortführung von V.19 durch V.20a, der zufolge die an der Wir-Gruppe wirkmächtige Gotteskraft keine andere als jene ist, die Gott in Christus wirksam werden ließ, bietet die Basis dafür, das Handeln Gottes an Christus nachfolgend mit jenem an den Glaubenden in direkte Verbindung zu bringen. Es kann sich dabei freilich nicht um eine einfache Parallelisierung handeln. Vielmehr lässt V.19f. das Wirken Gottes an den Glaubenden als ‚Extension‘ seines Handelns an Christus erscheinen; im Weiteren wird dieser Aspekt – einschlägig sind die σύν-Komposita in 2,5f. – als Partizipation der Wir-Gruppe am Handeln Gottes an Christus konzipiert.509
|| göttlicher Aktivität im Glaubensakt, welche die zumal im Vergleich mit Kol 1,4; Phlm 5 (dort jeweils πίστις mit Genitiv des Personalpronomens) auffällige Formulierung ἡ καθ’ ὑμᾶς πίστις in 1,15 veranlasst. 508 Vgl. O’Brien, Eph, 138f. („supreme“ bzw. „decisive demonstration of God’s power“). Dieser ‚definitionsartige‘ Charakter von V.20a kommt bei van Kooten, Christology, 156 nicht genügend zur Geltung, wenn er „the action which God performed in resurrecting Christ and installing him in heaven“ als – wenn auch ausschließlichen („only comparable with“) – Vergleichspunkt für „the magnitude of God’s power“ erblickt. 509 Diese Übertragung der Aussagen zum Handeln Gottes an Christus auf die Wir-Gruppe wird dabei freilich nicht mit letzter Konsequenz durchgeführt: Das ‚Sitzen zur Rechten Gottes‘ wird nur von Christus ausgesagt und auch in Eph 2,6 nicht auf die Glaubenden bezogen; vgl. O’Brien, Eph, 141.
184 | Eph 1,19b–23 als grundlegende Elaboration des Gründungsnarrativs
Mit diesem ‚Kontinuitätsmotiv‘, wonach über den Gesichtspunkt der Wirksamkeit der göttlichen Kraft das vorgängige Handeln Gottes an Christus verbunden wird mit seinem gegenwärtigen Wirken an den Glaubenden, kommt zugleich in den Blick, dass die Hinausführung des göttlichen Heilsplans im Welt- und Geschichtszusammenhang überhaupt als Entfaltung seiner δύναμις anzusehen ist.510 Die Bezeichnung Gottes als ὁ τὰ πάντα ἐνεργῶν κατὰ τὴν βουλὴν τοῦ θελήματος αὐτοῦ (vgl. 1,11) ist demnach in einem nicht zuletzt diachronen, die Zeiten durchwaltenden Sinne zu verstehen.
IV.4.2
Die Fortschreibung der soteriologischen Wende (V.20b–22)
Im Vorangehenden wurde vorausgesetzt, dass mit der für V.20–23 grundlegenden Aussage V.20a auf ein gegenüber der Ebene des νῦν vorgängiges Geschehen Bezug genommen wird. Dabei ist es nun die Erläuterung von V.20a durch die vier zusammenhängenden aoristischen Handlungsaussagen in V.20b–22, aus der hervorgeht, dass bei diesem vorgängigen Geschehen tatsächlich jene soteriologische Wende im Blick ist, die im Zusammenhang der Analyse von Eph 1,3– 14 als an den Kreuzestod Christi gekoppelte ‚erste‘ ἀπολύτρωσις bezeichnet wurde und die nun weitergehend beleuchtet wird. So setzt die Wendung ἐκ νεκρῶν in der Erweckungsaussage in V.20b Christi Tod voraus. Von eben diesem aber war bereits mit der ‚Blutaussage‘ in 1,7 auf metonymische Weise die Rede. Darauf wird somit in 1,20b nicht nur rekurriert, sondern dieser Geschehensfaden wird aufgenommen und durch die Handlungsfolge in V.20b–22 fortgeführt. Diese Beobachtung ist von einiger makrostruktureller Relevanz: Denn die scheinbare Leerstelle, die angesichts des Fehlens einer Aussage über das Sterben Christi in V.20–22 zu konstatieren sein mag, erweist sich auf diese Weise als narratives Gestaltungselement, das der Verklammerung des Abschnitts mit der Briefeingangseulogie dient und das sich
|| 510 Gese, Vermächtnis, 224 bringt diesen Sachverhalt vor dem Hintergrund der paulinischen Homologumena auf den Punkt: „Die gesamte Heilsgeschichte durchzieht […] das machtvolle Wirken Gottes. Damit wird die in den Paulusbriefen angelegte Geschichtsmächtigkeit der Gotteskraft vom Verfasser des Epheserbriefes nicht nur übernommen, sondern geradezu verstärkt. Durch seine Kraft verbürgt Gott die Durchführung des von ihm aufgestellten Heilsplans“ (Hervorhebung im Original). Zu Recht hebt Gese ferner hervor, dass die Akzentsetzung im Epheserbrief insbesondere dem Aspekt der „gegenwärtige[n] Wirksamkeit dieser Kraft“ gilt (a.a.O., 225); vgl. neben Eph 1,19 bes. auch 3,20; 6,10.
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dafür auf den geprägten Konnex von Tod und Auferweckung Christi stützen kann.511 Charakteristisch für die viergliedrige Handlungsfolge in V.20–22 als solche ist nun eine konsequente Verknüpfung der Handlungsstränge des Gründungsnarrativs, wie sie sich nach dem jeweiligen Objekt des Gotteshandelns differenzieren lassen. So basieren die Ausführungen wie gesehen auf dem christusorientierten Handlungsstrang, der in Eph 1,6fin grundgelegt worden war und mit dem partizipialen Doppelausdruck ἐγείρας bzw. καθίσας, der Christus (αὐτόν) als Objekt des göttlichen Handelns sieht, aufgegriffen wird.512 Infolge des durch die Auferweckungsaussage gegebenen Anschlusses an 1,7a wird jedoch in V.20b im selben Atemzug der auf die Wir-Gruppe bezogene Handlungsstrang als Bezugshintergrund eingespielt. Hingegen fokussiert die Erhöhungsaussage in V.20c.21 mitsamt ihrer Fortführung durch V.22a auf den (wenn auch zunächst mittelbaren) Bezug des Geschehens zum All und also den auf ebendieses bezogenen Handlungsstrang. In der Schlussaussage V.22b werden schließlich alle drei Fäden zusammengeführt, indem von einem der ἐκκλησία zu Gute kommenden Handeln Gottes an dem in einer bestimmten Relation (nämlich als κεφαλή) zum All stehenden Christus die Rede ist. Strukturell
|| 511 Deichgräber, Gotteshymnus, 163f. notiert im Zusammenhang seines Vergleichs von Eph 1,20–23 mit Phil 2,6ff.; Kol 1,15ff.; I Tim 3,16; Hebr 1,3ff.; I Petr 2,21ff.; 3,18ff. die Auffälligkeit des Einsetzens mit der Auferweckungsaussage in Eph 1,20, insofern „keine der anderen Hymnen Jesu irdisches Leben, und zwar speziell sein Leiden und sein Sterben“, auslasse. Obgleich er der These einer Eph 1,20–23 zugrunde liegenden hymnischen Vorlage an sich durchaus skeptisch gegenübersteht („Vielmehr muss mit der Möglichkeit gerechnet werden, dass der Verfasser des Eph selbst unter reichlicher Benutzung traditioneller hymnisch-liturgischer Terminologie diese christologischen Sätze geformt hat“; a.a.O., 163), mutmaßt Deichgräber vor diesem Hintergrund, dass auch für Eph 1,20–23 damit zu rechnen sei, „dass Aussagen etwa über Jesu Präexistenz, Menschwerdung und Tod vorangingen“ (a.a.O., 164). Er hält indes fest: „Wie sie formuliert waren, wissen wir nicht und können und wollen wir auch nicht erraten“ (ebd.). Demgegenüber ist nun aber gerade auf die Briefeingangseulogie zu verweisen, wo die entsprechenden Topoi – insbesondere der Verweis auf den Tod Jesu, vgl. Eph 1,7 – zumindest der Sache nach eingespielt werden. 512 Dies wird auch gesehen von Moritz, „Psalms“, 187. Dieser Zusammenhang zwischen Eph 1,6 und 1,20f. deutet im Übrigen zugleich an, dass die fortwährende Liebe des Vaters zum Sohn sich nicht zuletzt eben darin erwiesen hat, dass jener diesen auferweckte und zu seiner Rechten erhob. Die an und in Christus zum Leben und zur Gottesgemeinschaft wirksame göttliche δύναμις/ἐνέργεια steht somit von 1,6 her unter dem Vorzeichen der Liebe Gottes als des Vaters. Dem entspricht die Darstellung in 2,4–6, wenn auch die lebensstiftende Partizipation der WirGruppe an Auferweckung und Erhöhung Christi in 2,4 unmittelbar auf die Liebe Gottes zur WirGruppe zurückgeführt wird.
186 | Eph 1,19b–23 als grundlegende Elaboration des Gründungsnarrativs
ist V.22b somit als Klimax des Handlungszusammenhangs, der die soteriologische Wende kennzeichnet, ausgewiesen. Die nähere Betrachtung zeigt, dass durch diese Fort- und Zusammenführung der Handlungsstränge im Zusammenhang der Handlungsfolge in V.20b–22 tatsächlich bestimmte Ellipsen im Handlungsgerüst des Gründungsnarrativs gefüllt werden. Dies betrifft zuvörderst die präzisere Herausarbeitung der kosmischen Relevanz des Christusereignisses: So kam dieses im Rahmen von Eph 1,3–14 ja maßgeblich im Zusammenhang des ‚Wir-Strangs‘ zur Sprache, nämlich als mit dem Tod Christi assoziierte ἀπολύτρωσις, die der Wir-Gruppe im Sinne einer beziehungskonstitutiven Zuwendung Gottes im Welt- und Geschichtszusammenhang gewährt wurde. Daraus aber ergab sich vor dem Hintergrund einer mutmaßlichen Parallelführung der mit der Wir-Gruppe bzw. dem All verbundenen Handlungsstränge die Vermutung, dass der τὰ πάντα betreffende Akt des ἀνακεφαλαιώσασθαι in Christus (1,10) in analoger Weise anzusehen ist als eine erneute beziehungskonstitutive Zuwendung, die zwar den Kosmos insgesamt betrifft, jedoch gleichermaßen mit ebenjenem Christusereignis zu verbinden ist. Diese Verbindung wird durch 1,20f. bestätigt, insofern die Rede von Christi Auferweckung und Erhöhung verdeutlicht, dass tatsächlich ein unmittelbarer Zusammenhang besteht zwischen dem ἀνακεφαλαιώσασθαι und dem Christusereignis, wie es in 1,7 in den Blick gerückt worden war.513 Denn gemäß 1,20b–22 beschränkt sich dieses ja nicht auf seinen Tod, sondern inkludiert vielmehr auch die hier gebotene Handlungsfolge. Diese aber ist eminent kosmisch orientiert. Ja, offenbar findet die im Kreuzestod gründende soteriologische Wende gerade in diesen gesamtkosmischen Zusammenhängen ihren Höhe- und Zielpunkt. Folgerichtig kann sich in V.23 der Blick auf die Ebene des νῦν anschließen; die Explikation der soteriologischen Wende wird zum Portal, vor dessen Hintergrund die Ebene des νῦν profiliert werden kann. Bevor sich dem zuzuwenden ist, gilt es die angedeuteten Fortführungen der soteriologischen Wende nach ihrer inhaltlichen Seite hin zu erörtern, um die Progressionen im Gründungsnarrativ nachvollziehbar zu machen. Von maßgeblicher Bedeutung ist die weitergehende Darlegung der Strukturen des Kosmos, die sich mit den aoristischen Handlungsaussagen – konkret mit
|| 513 Diese Beobachtung spricht in der Folge auch für den semantischen Zusammenhang zwischen ἀνακεφαλαιώσασθαι 1,10 und κεφαλή. Ersterem Begriff kann von hier aus eine gewisse auf Füllung durch 1,20–23 angelegte ‚Platzhalterfunktion‘ zugeschrieben werden.
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dem καθίσας-Ausdruck in V.20c.21 – verbindet, erweisen sich diese doch als für die Konzeptualisierung der soteriologischen Wende und damit des Gründungsnarrativs überhaupt konstitutiv. Zu erinnern ist zunächst daran, dass das All gemäß 1,10 durch die Dichotomie von irdischem und himmlischem Bereich gekennzeichnet ist. Letzterer erfährt nun durch die dem Partizip καθίσας zugeordneten Präpositionalwendungen eine Näherbestimmung; das Syntagma ἐν τοῖς ἐπουρανίοις dient zumal angesichts seiner Mittelstellung innerhalb der drei räumlich orientierten Ausdrücke in V.20c.21a als Ortsbestimmung nicht nur für die ‚Rechte Gottes‘, sondern auch für das in V.21 eingeführte Mächteensemble (vgl. 3,10; 6,12). Demnach haben die ἐπουράνιοι/-α nicht nur als Ort der Gottesnähe zu gelten (vgl. 1,3), sondern sind darüber hinaus bevölkert mit den in V.21a genannten Instanzen. Gott kommt dabei freilich die Rolle des eigentlichen Souveräns ἐν τοῖς ἐπουρανίοις zu, wird die ‚Rechte Gottes‘ doch durch den ὑπεράνω-Ausdruck indirekt als oberhalb des Mächteensembles befindlich charakterisiert; der Gottesthron besteht also letztlich unangefochten. Ein Hinweis darauf, dass dieses himmlische Mächtegefüge kein abgeschiedenes Für-sich-Sein fristet, sondern von eminenter Bedeutung für das Geschehen auf der irdischen Ebene ist, ist nun dem πᾶν ὄνομα ὀνομαζόμενον zu entnehmen, das sich in vergrundsätzlichender Weise auf die diversen kosmischen Machtinstanzen bezieht. Als Urheber hinter ὀνομαζομένου können nämlich offenbar menschliche und also der irdischen Ebene zugehörige Subjekte erblickt werden.514 Damit aber deutet sich die unlösliche Wechselwirkung zwischen irdischem und himmlischem Bereich an, wonach ersterer als Ort der Entfaltung der Potenz der im himmlischen Bereich angesiedelten Instanzen anzusehen ist; als ἀρχαί, ἐξουσίαι etc. können ebendiese wesentlich infolge des bestimmenden Einflusses, den sie auf die irdische Ebene auszuüben vermögen, gelten.515
|| 514 Mit Sellin, Eph, 143 liegt mit der etymologischen Figur ὄνομα ὀνομάζειν eine geprägte Wendung vor, die auf die „in Magie und Exorzismus geläufige mythologische Auffassung von der Namens-Macht“ verweist, wonach die Anrufung des Namens einen Zugang zur Macht ihres numinosen Trägers verschafft; vgl. besonders den Beleg im Zusammenhang der Ephesus(!)Episode in Act 19,13. Auf Gott als Subjekt wird das ὀνομαζομένου hingegen bei Allen, „God“ bezogen. 515 Zugleich ist dadurch, dass Angehörige der irdischen Ebene als Urheber der Namensnennung anzunehmen sind, angedeutet, dass die Entfaltung des Machteinflusses der himmlischen Instanzen nicht bloß einseitig von diesen ausgeht, sondern auch durch die menschlichen Subjekte aktualisiert, befördert wird. Es handelt sich also um einen Wirkzusammenhang.
188 | Eph 1,19b–23 als grundlegende Elaboration des Gründungsnarrativs
Angesichts der prominenten Rolle, die das himmlische Mächteensemble im Gesamtzusammenhang des Epheserbriefes spielt, ist sich seiner Eigenart an dieser Stelle etwas näher zuzuwenden. Der disparate traditions- und auch auslegungsgeschichtliche Befund516 lässt es geraten erscheinen, dabei von textinternen Beobachtungen auszugehen. Zu berücksichtigen sind hierfür neben Eph 1,21 maßgeblich die Wiederaufnahmen dieser Referenzgröße in 3,10 und 6,12. Bei Zusammenschau der genannten Belegstellen fällt zunächst auf, dass bei der Benennung der einzelnen Glieder dieses Kollektivs durchgängig die Begriffe ἀρχαί und ἐξουσίαι begegnen, und zwar in ebendieser Reihenfolge; in 1,21 und 6,12 eröffnet dieses Paar jeweils die Aufzählung, während sich in 3,10 sogar darauf beschränkt wird. Diese Beobachtung lässt die ἀρχαί und ἐξουσίαι als „Hauptrepräsentanten“517 erscheinen. Vor diesem Hintergrund aber ist zu erwägen, ob nicht gerade die gegenüber diesem Paar ‚überschießenden‘ Bestimmungen in 1,21 und 6,12 in besonderer Weise dazu dienen, dem Ensemble seine Konturen zu verleihen. In den Blick kommen somit die Ausdrücke δύναμις und κυριότης (1,21) sowie die Rede von den κοσμοκράτορας τοῦ σκότους τούτου bzw. den πνευματικὰ τῆς πονηρίας (6,12). ‚Griffig‘ muten insbesondere die beiden letztgenannten Wendungen an, insofern sie das himmlische Mächteensemble als ein wesenhaft pneumatisches charakterisieren, das zugleich durch einen kosmischen Herrschaftsanspruch gekennzeichnet ist und dem bei alledem – wie die genitivischen Näherbestimmungen anzeigen – eine grundlegend bösartige Qualität eignet.518 Da nun auch die Heilsteilhabe des ‚Wir‘ im Epheserbrief schon von 1,3 als eine sich pneumatisch realisierende ausgewiesen ist, deutet sich darin an, dass jenes Mächtekollektiv im Epheserbrief näherhin als eine Gegeninstanz in den Blick kommt, die Gott (und Christus) in strukturanaloger Weise – und d.h. auch:
|| 516 Vgl. dazu Williams, Spirit World (bes. 31–55 [Forschungsgeschichte] sowie, zu den „Rulers, Authorities, Powers“, 127–140), der das Thema der ‚Mächte und Gewalten‘ in den Kontext seiner umfassenderen Diskussion der paulinischen ‚spirit world‘ stellt; ferner die ausführliche Einzelanalyse bei Schwindt, Weltbild, 362–393. Grundlegend ist die Einbettung in die (keinesfalls uniforme) Enzyklopädie antikjüdischer Angelologie. 517 Schwindt, Weltbild, 362. 518 Mit Faust, Pax, 452 können die κοσμοκράτορες und πνευματικά in Eph 6,12 als „generische Qualifizierungen“ der vorangehend genannten ἀρχαί und ἐξουσίαι angesehen werden, so dass „[a]lle gemeinten Mächte […] als satanische κοσμοκράτορες (und zugleich πνευματικά) aufzufassen“ sind.
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mit konkurrierenden Geltungsansprüchen – gegenübertritt.519 In 1,21 wird dies zwar noch nicht näher ausbuchstabiert. Gleichwohl bieten sich bereits hier in Gestalt der o.g. überschießenden Begriffe entsprechende Anhaltspunkte520: So wird mit δύναμις als drittem Glied in der Aufzählung doch gerade jener Begriff aufgegriffen, der in 1,19 als Leitbegriff für die göttliche Kraftentfaltung, die das Gründungsnarrativ bestimmt, eingeführt worden war. Gleichermaßen stellt die Erwähnung der κυριότης eine Verbindung her zur Prädikation Christi als κύριος, die im Vorangehenden nicht weniger als viermal begegnete (1,2.3.15.17). Schließlich kann auch in dem die Reihe abrundenden Motiv der Namensanrufung eine strukturelle Entsprechung gesehen werden zu den invokationsartigen Gottesprädikationen in 1,3.17 (vgl. auch 1,2) – wie sich die Einbezogenheit in den (pneumatischen) Wirkbereich der Kraft Gottes in der namentlich adressierten Ausrichtung auf ihn manifestiert (1,3.17 u.a.), so auch die Einbindung in den Wirkbereich der Gegenmächte. Angedeutet ist auf diese Weise das Konzept eines tendenziell dualistischen Szenarios des Widerstreits zweier pneumatisch-himmlischer Machtbereiche im Ringen um gesamtkosmischen Einfluss, wobei sich Gott und Christus und das Ensemble widergöttlicher Potenzen gegenüberstehen.521 Der Dualismus ist jedoch – bei aller begrifflicher Konsequenz, mit der er im Epheserbrief gezeichnet werden kann – letztlich nicht als ein prinzipieller zu verstehen, wird er doch überspannt von der kosmologischen Fundamentalauffassung des Alls als Schöpfung des Vaters (vgl. auch 1,11); der Antagonismus hat somit nicht zwei gleichrangige Opponenten zum Gegenstand – was ihm indes nichts von seiner existentiellen Schärfe nimmt.522 Mit dem Christusereignis als beziehungskonstitutiver Zuwendung im Welt- und Geschichtszusammenhang hat Gott nun offenbar eine entscheidende, da nach
|| 519 Dieses strukturelle Gegenüber wird auf der einzelbegrifflichen Ebene besonders durch die kategoriale – vgl. Schlier, Eph, 291 – Bezeichnung πνευματικά in Eph 6,12 signalisiert, insofern damit dieser in paulinischer Tradition maßgeblich mit dem heiligen Geist assoziierte Begriff (vgl. Eph 1,3; 5,19) auch zur Klassifizierung der ‚Gegenseite‘ herangezogen wird. 520 Gegen Sellin, Eph, 142, der in Eph 1,21 „alle Indizien für den feindlichen Charakter der Mächte getilgt“ sieht, so dass gerade „die paulinische Tendenz, die Engelhierarchien als feindliche Mächte vorzustellen“, nicht rezipiert werde (a.a.O., 144). 521 Bestätigt und zugespitzt wird dies dadurch, dass in Eph 2,2 (vgl. 4,27; 6,11) auch der Gegenseite ein singularisch-personaler Repräsentant an die Spitze gestellt wird. 522 Bei alledem wird dieses Szenario im Epheserbrief als ein gegebenes vorausgesetzt; zu den näheren Umständen seiner Genese – etwa in Form von Aussagen zum Engelsfall o.ä. – werden keine näheren Angaben gemacht (gegen Muddiman, Eph, z.St.).
190 | Eph 1,19b–23 als grundlegende Elaboration des Gründungsnarrativs
Auskunft von V.21b letztgültige, forthin fixe Modifikation innerhalb des kosmischen Mächtegefüges heraufgeführt, indem er Christus die Teilhabe an seiner souveränen Stellung gewährt hat, die (auch) diesen in eine den himmlischen und zugleich antagonistisch-feindlichen Mächten hierarchisch übergeordnete Position versetzt; eben hierin besteht der Kern des Christusereignisses zu seiner gesamtkosmischen Seite hin. Dieser Aspekt wird nun durch V.22a dahingehend pointiert, dass in der Folge tatsächlich Christus selbst als direkter Souverän über diese kosmosbeherrschenden Mächte (und damit prinzipiell zugleich den Kosmos überhaupt) zu gelten hat – der ‚Beisitzer‘ Gottes tritt an dieser Stelle in den erzählerischen Fokus, und zwar als eben der, dem jene Mächte zu Füßen gelegt worden sind; angezeigt ist damit zugleich eine prinzipielle Depotenzierung der Mächte. Die nachfolgende paraphrasierende Aufnahme dieses Gedankens in der Prädikation Christi als κεφαλὴ ὑπὲρ πάντα bringt diesen Sachverhalt auf den Punkt: Christus hat nunmehr als maßgeblicher Souverän über das All zu gelten; der Begriff κεφαλή dient in diesem Zusammenhang offenbar primär dazu, ein despotisches Beziehungsverhältnis Christi zu den Mächten zum Ausdruck zu bringen. Freilich tritt Christus damit keinesfalls einfach an die Stelle Gottes; die ‚Regierungseinheit‘ zwischen Vater und Sohn wird an anderer Stelle vielmehr durch die Rede von der βασιλεία τοῦ Χριστοῦ καὶ θεοῦ (5,5) prägnant zur Sprache gebracht. Gleichwohl bereiten die genannten Bestimmungen in V.22 auf der Ebene der narrativen Struktur den Weg dafür, dass Christus als maßgeblicher Handlungsträger für ein nachfolgendes Geschehen – und also die Ebene des νῦν – in Betracht kommt. Die Aussagen in V.22 als Beschluss der viergliedrigen aoristischen Handlungsfolge haben somit zugleich Auftaktcharakter; das Christusgeschehen, so deutet sich an, ist mit der himmlischen Inthronisation Christi noch keinesfalls zum Abschluss gekommen, ja hebt jetzt allererst in spezifischer Weise an. Dies steht jedoch unter dem Vorzeichen der eigentümlichen Konstellation, die V.22b entwirft. Gegenüber V.22a besteht die Progression im Aussagegang nämlich in dem Signal, dass es sich bei der Christus gewährten souveränen Machtstellung keinesfalls um eine ‚Privatangelegenheit‘ Christi handelt. Sein despotisches Hauptsein zielt vielmehr darauf, der ἐκκλησία zugute zu kommen, so dass es zugleich einen euergetischen Charakter hat523; als Despot über die
|| 523 Darauf weist mit Nachdruck Jeal, Theology, 106 hin: „The rhetorical and practical/pastoral point that the author makes is that Christ rules for the benefit of the church, i.e., for the benefit of the recipients themselves“.
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Mächte wird Christus zur göttlichen Heilsgabe an die ἐκκλησία.524 Mit dieser Zielaussage, die den auf die Wir-Gruppe bezogenen Handlungsstrang aufnimmt, deutet sich zugleich an, dass der heilsstiftende Charakter des Christusereignisses letztlich wesentlich zu tun hat mit jener Neukonfiguration der himmlischen Machtverhältnisse, sofern sie der Wir-Gruppe zugutekommt. Implizit scheint dabei vorausgesetzt, dass zuvor – und also auf der Ebene des ποτέ – gerade das Verhältnis der Wir-Gruppe zum Kosmos bzw. zu den diesen beherrschenden Mächten als bearbeitungsbedürftig erscheint, ja womöglich gerade als Kern des Problems zu gelten hat.525 Diese ekklesiologische Zuspitzung kann jedoch durchaus als markant angesehen werden: Denn infolge der Wechselwirkungen zwischen himmlischer und irdischer Sphäre betrifft die Neukonfiguration der kosmischen Mächtehierarchie doch letztlich das All insgesamt. Die hier vorausgesetzte Rekonstruktion der Wiederaufnahmestruktur lässt dann aber die Rede von der Gabe Christi an die ἐκκλησία zunächst gewissermaßen als eine Beschränkung erscheinen: Die euergetischen Implikationen der Souveränität Christi über die kosmischen Mächte richten sich scheinbar exklusiv auf die ἐκκλησία – und eben nicht τὰ πάντα überhaupt. Somit stellt sich die Frage nach dem Verhältnis von ἐκκλησία und All, wie es aus der soteriologischen Wende resultiert und die Ausgangsbasis für die νῦν-Ebene darstellt. V.23 wird diesen Zusammenhang erläutern.
|| 524 Das Verbum δίδωμι wird im Epheserbrief als ein Begriff profiliert, der in besonderer Weise dazu dient, die Heilszuwendung(en) Gottes bzw. Christi anzuzeigen; vgl. noch Eph 1,17; 3,2.7.8.16; 4,7.8.11(auch hier womöglich mit doppeltem Akk., doch spricht die Differenz zu I Kor 12,28 – dort wird τίθημι gebraucht – gerade dafür, hier ebenfalls nicht mit „einsetzen“ zu übersetzen); 6,19. Eine entsprechende Gebrauchsweise ist daher auch für 1,22b zu veranschlagen, so dass es hier um Christus als Heilsgabe Gottes (mit Angabe des Empfängers im Dat. comm.) geht (vgl. Gnilka, Eph, 97; Lincoln, Eph, 66; O’Brien, Eph, 145; siehe auch Schwindt, Weltbild, 440) und nicht um eine an der LXX orientierte und zu τιθέναι analoge Gebrauchsweise von διδόναι mit doppeltem Akkusativ „im Sinne von ‚jemanden zu etwas machen, einsetzen‘ “; so aber Sellin, Eph, 145 u.a. Der Akzent liegt demnach in V.22b nicht auf einer Einsetzung Christi zum ‚Haupt der Kirche‘ o.ä. 525 Die Analyse von Eph 2,1–10 wird aufweisen, inwiefern dies der Fall ist. Diesen Zusammenhang übergeht Schnackenburg, Eph, 79, wenn er zwar zugesteht, dass es möglich sei, in der hier vorgeschlagenen Weise „Christus nur als ‚Gabe‘ für die Kirche zu verstehen“, dies aber mit dem Argument abweist, dass seiner Ansicht nach dann offenbar unklar sei, „was […] diese prädikative Näherbestimmung für die Kirche bedeuten“ solle.
192 | Eph 1,19b–23 als grundlegende Elaboration des Gründungsnarrativs
IV.4.3
νῦν (II): Christus, die ἐκκλησία und das All (V.23)
Mit V.23 strömt der Abschnitt in eine definitionsartig anmutende ekklesiologische Basisaussage aus. Im Textzusammenhang kommt ihr indes zugleich die Funktion einer ‚resultativen‘ Charakterisierung des die maßgeblichen Referenzträger des Gründungsnarrativs verbindenden Beziehungsgefüges zu, wie es sich infolge der soteriologischen Wende für die Ebene des νῦν ergibt. Diesem Konnex entspricht insbesondere, dass Gott als Referenzträger in V.23 nicht mehr explizit begegnet, sondern nach V.20–22 gleichsam vertreten werden kann durch Christus, der in V.23 denn auch als maßgeblicher Protagonist erscheint.526 V.23a bringt zunächst die Relation zwischen ἐκκλησία und Christus auf den Punkt. Die Prädikation τὸ σῶμα αὐτοῦ (sc. Χριστοῦ) steht zwar im semantischen Anschluss an die unmittelbar vorangehende Rede von Christus als κεφαλή, bringt jedoch eine gewisse Verschiebung mit sich: Diente κεφαλή in V.22b wesentlich der Bezeichnung eines despotischen Beziehungsverhältnisses, so scheint die Assoziierung von κεφαλή und σῶμα stärker den Aspekt der ‚organischen‘ Verbundenheit der beiden Referenzträger zu betonen. In den Vordergrund tritt somit letztlich der Gesichtspunkt der Partizipation, der wesentlich als Bestimmtsein des Leibes durch das Haupt aufzufassen ist. Auf diese Weise aber scheint es der in V.22b grundgelegte euergetische Charakter des Hauptseins Christi zu sein, der mittels der κεφαλή-σῶμα-Relation konzeptualisiert wird.527 Der Textzusammenhang legt nahe, dass eine enge Verbindung zwischen den beiden Aspekten dieses ‚doppelten‘ κεφαλή-Konzepts besteht. Für V.23a steht daher zu vermuten, dass die der ἐκκλησία als Leib Christi gewährte Partizipation wesentlich eine solche an der despotisch-kosmischen κεφαλή-Stellung Christi ist. Die Neukonfiguration des himmlischen Mächtegefüges kommt der ἐκκλησία demnach konkret in Gestalt der Partizipation an der Machtstellung
|| 526 Sofern das aktivisch verwendete Medium πληρούμενος mit Schwindt, Weltbild, 439f. tatsächlich als ein subtiler Hinweis darauf gewertet werden kann, dass dieses „All-Erfüllen Christi“ zwar ein „aktives“, zugleich „aber Gott verdanktes“ ist (440) – indem Christus zugleich passivisch als derjenige prädiziert wird, „der von Gott ganz erfüllt wird“ (439) – bliebe freilich eine gewisse Ambivalenz bewahrt, wie sie die πληρ-Aussagen im Epheserbrief insgesamt kennzeichnet; vgl. Eph 1,23; 4,10.13 im Gegenüber zu 3,19. 527 Zu den tiefgreifenden Strukturparallelen zwischen diesen sowie den nachfolgend erläuterten Konzeptualisierungen im Epheserbrief und dem ,gnoseologischen Heilsverständnis‘, wie es sich bei Philo als einem zentralen Exponenten des hellenistischen Judentums aufweisen lässt, vgl. die prägnante Darstellung bei Faust, Pax, 19–72.
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Christi zugute528; V.22b wird durch V.23a interpretiert. Der spezifische Akzent bei der Bezeichnung der ἐκκλησία als Leib Christi im vorliegenden Zusammenhang besteht somit zunächst in der Markierung ihrer unlöslichen Verbundenheit mit Christus, die sie an dessen kosmischer Hauptstellung teilhaben lässt. Diese in V.23a vorgenommene Bestimmung wird ihrerseits erläutert durch die nachfolgende Apposition (V.23b). Vor dem Hintergrund des in V.22 zu beobachtenden, auf Christus zulaufenden Gefälles, das diesen zu einem wahrscheinlichen Handlungsträger für die Ebene des νῦν macht, vermag das aktivisch zu verstehende πληρούμενος als grundlegende Charakterisierung der ‚Herrschaftsausübung‘ des zur Rechten Gottes Erhöhten zu erscheinen. Diesem Akt des Erfüllens wird dabei das All (τὰ πάντα) als Objekt zugeordnet. Auf der Ebene des νῦν vollzieht sich also ein Erfüllen des Alls durch den zum kosmischen Souverän Erhöhten. Dieser Befund hat nun unmittelbare Relevanz für das Verständnis des Begriffs πλήρωμα, der in V.23b als Substitution für τὸ σῶμα (V.23a), mithin die ἐκκλησία (V.22b) und letztlich die Wir-Gruppe (V.19) erscheint.529 Denn die für das Gründungsnarrativ prägende Parallelisierung der auf das ‚Wir‘ bzw. das All insgesamt bezogenen Handlungsstränge lässt zumal vor dem Hintergrund der markanten begrifflichen Verbindung zwischen πλήρωμα und πληρούμενος vermuten530, dass πλήρωμα auf ein im Grundsatz analoges Handeln Christi an der ἐκκλησία als seinem Leib verweist. Dies aber spricht dafür, an dieser Stelle von einer passivischen Verwendung von πλήρωμα auszugehen, so dass mit diesem Begriff der Zustand eines Erfülltseins durch Christus benannt wird. Für die Bestimmung des Verhältnisses von πλήρωμα als Zustandsbezeichnung und dem verbal formulierten Akt des Erfüllens aufschlussreich ist dabei deren erneutes Nebeneinander in Eph 3,19b (ἵνα πληρωθῆτε εἰς πᾶν τὸ πλήρωμα τοῦ θεοῦ). Denn an dieser Stelle wird deutlich, dass πλήρωμα im Epheserbrief tatsächlich der Benennung jenes Zustands dient, auf den der Akt des Erfüllens hinstrebt. Dieser ist demnach als ein gradueller Prozess konzipiert, dessen Re-
|| 528 Die Verortung der Wir-Gruppe ἐν τοῖς ἐπουρανίοις im Epheserbrief ist daher folgerichtig. 529 Zur Debatte steht – neben der bereits diskutierten syntaktischen Einordnung – zuvörderst die Frage, ob πλήρωμα in einem aktiven (‚das Füllende‘) oder passiven (‚das Erfüllte‘) Sinne zu verstehen ist; vgl. Jeal, Theology, 106. 530 Mit Jeal, Theology, 108 liegt in dem Nebeneinander von nominaler und verbaler Form, die beide auf die Wurzel πληρ- zurückgehen, ein Polyptoton bzw. eine Adnominatio und somit eine besondere Form der Paronomasie vor.
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sultat die πλήρωμα-Gestalt als vollumfassende Realisierung jenes Erfülltwerdens ist.531 Für 1,23b folgt daraus eine auf der Ebene des νῦν verortete Differenzierung hinsichtlich der Frage, inwiefern ἐκκλησία und All als Objekt des Erfüllungshandelns Christi zu gelten haben. So ist die ἐκκλησία gemäß V.23 offenbar wesentlich dadurch gekennzeichnet, dass sie infolge der soteriologischen Wende als sein Leib ganz durch Christus erfüllt und insofern sein πλήρωμα ist. Damit aber ist in ihr auf der Ebene des νῦν offenbar auf umfassende Weise (vgl. die Rückhaltlosigkeit des zuteilgewordenen Segens in 1,3) bereits von vornherein, d.h. vom Abschluss der soteriologischen Wende als Inauguration des νῦν her, das realisiert, was letztlich am All insgesamt zur Entfaltung kommt, nämlich das Erfülltwerden durch Christus als kosmischen Souverän.532 Die bereits protologisch verankerte kosmische Sonderrolle der ἐκκλησία (1,4) bestätigt sich hier. Die Ebene des νῦν ist demnach dadurch gekennzeichnet, dass Christus in einem prinzipiellen Sinn bereits kosmischer Souverän ist. Davon zu unterscheiden ist aber offenbar die kosmisch-universale Aktualisierung bzw. Entfaltung dieses seines Hauptseins, die sich durch sein Erfüllungshandeln vollzieht. Denn ist diese Entfaltung in der ἐκκλησία bereits realisiert, so trifft dies (noch) nicht auf das All in seiner Ganzheit zu; hier scheint jene Entfaltung vielmehr als ein auf der Ebene des νῦν im Vollzug befindlicher Prozess vorstellig gemacht.533 Der Standpunkt, von dem aus diese Bestimmungen formuliert werden, scheint dabei jener (liminale) des ‚Dazwischen‘ und damit des im Prozess befindlichen ἀνακεφαλαιώσασθαι zu sein. Dieser Standpunkt ist aus Eph 1,3–14 bekannt und wird für 1,20–23 durch die οὺ μόνον κτλ.-Aussage in V.21b noch einmal explizit markiert; der „kommende Äon“ bricht sich gerade in jenem Durchdringungswirken Christi Bahn. Ebendamit aber wird das universale ἀνακεφαλαιώσασθαι aus 1,10 in 1,22f. näherhin kenntlich gemacht als der Prozess der sich in der Erfüllung des Alls durch Christus vollziehenden Aktualisierung seiner souveränen Stellung als Haupt über die kosmischen Mächte. In den Blick kommt damit letztlich auch eine subtile Verbindung der scheinbar differierenden Verwendungsweise von πλήρωμα in 1,10.23: Die Durchführung der Fülle der Zeiten vollzieht sich gerade im Prozess der Erfüllung des Alls durch Christus.
|| 531 Das nicht spannungsfreie Nebeneinander von dem scheinbar statischen πλήρωμα und der dynamisch-prozesshaft orientierten Verbalform diskutiert auch Lona, Eschatologie, 319f. 532 Hervorzuheben ist, dass diese Bestimmung auf der Ebene des idealtypisch orientierten Gründungsnarrativs gemacht wird. 533 So auch van Kooten, Christology, 158.
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Den vorstehenden Zusammenhang gilt es abschließend noch einmal in den wesentlichen Zügen zusammenzufassen, zumal sich gerade die Frage nach der durch V.22f. vorgenommenen Verhältnisbestimmung zwischen ἐκκλησία und All als ein neuralgischer Punkt in der Diskussion erweist. Grundlegende Bedeutung kommt der Beobachtung zu, dass das ‚Hauptsein‘ Christi in V.22f. in einer doppelten Weise konzipiert wird.534 So ist in der Prädikation Christi als κεφαλὴ ὑπὲρ πάντα in V.22b offenbar zunächst ein despotischer Hauptbegriff vorausgesetzt; in verdichtet-paraphrasierender Aufnahme der Aussage aus V.22a wird Christus als Souverän über die kosmosbestimmenden Mächte und insofern über das All insgesamt bezeichnet. V.22b weist demgegenüber auf einen mit jenem despotischen Hauptsein verbundenen euergetischen Charakter jenes Hauptseins hin. Dieser euergetische Aspekt wird in V.23a durch eine Nuancierung der Hauptsemantik expliziert, insofern für die Verhältnisbestimmung zwischen Christus als Haupt und der ἐκκλησία als hiervon profitierender Größe der σῶμαBegriff und also der Konnex von Haupt und Leib herangezogen wird. Der euergetische Charakter der kosmischen Machtstellung Christi wird auf diese Weise mit dem Gedanken der Partizipation assoziiert. Diese Partizipation wiederum wird in V.23b erläutert durch das Motiv des Erfülltwerdens: Dass die ἐκκλησία Leib Christi ist, äußert sich darin, dass dieser sie rückhaltlos erfüllt. Offenbar bedeutet gerade dieses Erfülltwerden, dass sie an ihm und damit auch an seiner kosmischen Souveränität partizipiert. Das beschriebene Bild wird sodann durch die Prädikation Christi als τοῦ τὰ πάντα ἐν πᾶσιν πληρουμένου in V.23b durch die Verknüpfung mit dem AllStrang noch einmal folgenreich ergänzt. Denn Christi Erfüllungstätigkeit und damit aber die euergetische Realisierung seiner kosmisch-despotischen Hauptstellung richtet sich nach Maßgabe dieser Bestimmung durchaus nicht exklusiv auf die ἐκκλησία, sondern vielmehr auf τὰ πάντα insgesamt. Der despotische und der euergetische Aspekt seines Hauptseins lassen sich also nicht einlinig auf das All bzw. die ἐκκλησία verteilen535; ersterer bezieht sich vielmehr zuvörderst auf die kosmischen Mächte, während letzterer ἐκκλησία und All letztlich gleichermaßen gilt. Doch welche Verhältnisbestimmung von ἐκκλησία und All impliziert dies näherhin? Grundsätzlich ist beiden Referenzträgern gemeinsam, dass sie als Objekte des Erfüllungshandelns Christi gelten. Diesem kommt mithin die Rolle des maßgeblichen Aktanten in diesem Prozess, der die νῦν-Ebene offenbar fun-
|| 534 Damit wird der Grundansatz der Auslegung von Faust, Pax, 52–54 aufgenommen. 535 Gegen Faust, Pax, 52, der zudem auch „eine strikte Trennung zwischen beiden modi des Erfüllens“ annimmt.
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damental kennzeichnet, zu. Weiterhin legt der πλήρωμα-Begriff den Gedanken nahe, dass in der ἐκκλησία bereits in umfassender Weise das realisiert ist, worauf dieses Erfüllungshandeln zielt, so dass die ἐκκλησία gewissermaßen als kosmische Vorhut angesehen werden kann. Damit verbinden sich nun aber zumindest zwei Folgefragen: Bedeutet dies, dass das auf das All gerichtete Erfüllungshandeln letztlich dazu führt, dass jenes gleichsam an die ἐκκλησία angeglichen wird, so dass eine dereinstige Deckungsgleichheit von ἐκκλησία und All als Horizont vor Augen gestellt wird? Zum anderen: Wie gestaltet sich die Alldurchdringung Christi konkret und welche Rolle kommt der ἐκκλησία – zumal als sein πλήρωμα – in diesem Zusammenhang zu? Handelt es sich bei der ἐκκλησία tatsächlich etwa um die ‚Keimzelle‘ der Alldurchdringung o.ä.? Von Eph 1,3–14 her darf zumindest vermutet werden, dass der Wir-Gruppe in diesem Zusammenhang durchaus eine bestimmte Funktion zukommt, wie sie sich dort andeutete in der Bestimmung des Zum-Lob-der-göttlichen-Doxa-Sein, die der Wir-Gruppe als Gemeinschaft der ‚Voraushoffenden‘ für die Ebene des νῦν zugesprochen wurde (1,12). Zu unterstreichen gilt es auf Grundlage von 1,19b–23 zudem die Einschätzung, dass die Parallelführung der Handlungsstränge, so sehr sie dazu dient, eine kosmische Sonderstellung der ἐκκλησία herauszustellen, zugleich deren bleibende Verbundenheit und Bezogenheit auf den Kosmos impliziert. Jedoch wird man gut daran tun, den Textbefund in 1,22f. nicht zu überdehnen. Dies gilt zumal eingedenk der Beobachtung, dass der Ton auf der Darlegung der Faktizität der Einsetzung Christi zum kosmischen Souverän als einer der Wir-Gruppe zugutekommenden liegt, sowie angesichts der bereits im Zusammenspiel von Eph 1,19–23 und 1,3–14 zu beobachtenden textstrukturellen Eigenart, dass der Faden des Gründungsnarrativs an anderer Stelle vertiefend aufgegriffen werden kann. Näherer Aufschluss über die skizzierten Sachverhalte ist demnach von den weiteren Ausführungen innerhalb des Schreibens zu erwarten. Hierin kann im Übrigen ein nicht unwesentlicher Beitrag zum abschnittübergreifenden narrativen Spannungsaufbau gesehen werden.
IV.4.4
Vertiefung: Zur Traditionsverarbeitung in Eph 1,19b–23
Die bereits durch die sprachliche Gestaltung angezeigte Eingliederung von Eph 1,20–23 in den Zusammenhang des Gründungsnarrativs lässt den Passus als organischen Bestandteil des Epheserbriefs erscheinen; die strukturellen Aspekte, die den Ausführungen wie bereits in der Eulogie einen ‚hymnischen An-
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strich‘ verleihen, lassen sich hinreichend mit der stilistischen Variationskompetenz des Verfassers erklären, der auf diese Weise die diegetische Ebene markiert. Dies bedeutet nun freilich nicht, dass diese Elaboration des Gründungsnarrativs nicht durchaus auf geprägtes Material zurückgreifen würde. Nach verbreiteter Auffassung wird ebensolches vielmehr zumal für die Gestaltung der beiden Doppelaussagen V.20b–22 mit ihrer formelhaft-bekenntnisartigen, auf einem parallelismus membrorum aufruhenden Explikation des Christusereignisses herangezogen.536 Die nähere Diskussion der Eigenart dieses Anschlusses an traditionelle Formulierungen folgt in der Forschung freilich unterschiedlichen Pfaden, wobei auch dort, wo die Eigenständigkeit des Verfassers bei der Auswahl und Formulierung des Stoffs in den Vordergrund gerückt wird, das Ausmaß an Traditionsgebundenheit unterschiedlich hoch veranschlagt werden kann. Insofern Eph 1,20c und 1,22a dabei in der Regel als Aufnahmen von Ps 110[109],1 bzw. Ps 8,7 angesehen werden und somit als „first clear use of the OT“ im Epheserbrief angesprochen werden können537, berührt die Frage nach der Traditionsverarbeitung in Eph 1,20–23 zugleich das Thema der Schriftrezeption im Epheserbrief. Entsprechend verwundert es nicht, wenn in der Diskussion der Rezeption traditionellen Materials in Eph 1,20–23 zumeist eine produktionsorientierte ‚Schlagseite‘ zu verzeichnen ist. Hervorzuheben ist indes, dass auch aktualisierte Tradition zunächst als integraler Bestandteil der Textwelt und theologischen Konzeption des Folgetextes, in diesem Fall also des Epheserbriefs, wahrzunehmen ist. Demgemäß soll nachfolgend – ohne den Aspekt der Produktion auszublenden – der Schwerpunkt auf einer text- und rezipientenorientierten Perspektive liegen. IV.4.4.1 Aufnahme traditioneller Formulierungen Ausgangspunkt der nachfolgenden Überlegungen ist – im Anschluss an Tendenzen der neueren Forschung538 – die Annahme, dass sich die christologischen Darstellungs- und Reflexionselemente, die grundlegende Daten zu Eigenart und
|| 536 So hält es etwa Gnilka, Eph, 93 für „offenkundig“, dass in Eph 1,20ff. „auf schon irgendwie festgelegte Wortprägungen zurückgegriffen“ werde. 537 Lincoln, „Use“, 40. Diese Formulierung hat zumindest im Blick auf die Frage nach der Konkretheit des mutmaßlichen Schriftbezugs ihre Berechtigung. Auf der Ebene der Tiefenstruktur spielen der Schrift entnommene Vorstellungszusammenhänge und Konzepte freilich von Anfang an eine prägnante Rolle; vgl. dazu Maurer, „Hymnus“; Barth, Eph I, 108. 538 Aufgenommen werden hier insbesondere Impulse aus Vollenweider, „Glaubensbekenntnisse“.
198 | Eph 1,19b–23 als grundlegende Elaboration des Gründungsnarrativs
Relevanz des Christusereignisses und der Person Jesu verhandeln und im Neuen Testament in Gestalt von knappen Einzelaussagen oder – wie im vorliegenden Fall – auch als komplexere Gefüge begegnen, wesentlich als ein geprägtes Aussagereservoir innerhalb des frühchristlichen Diskursuniversums konzeptualisieren lassen. Im Einzelnen mögen hier bereits mehr oder minder ausgeprägte Tendenzen zu feststehenden Formulierungen einschließlich bestimmter intertextueller Bezüge – namentlich etwa zu Ps 110[109],1 – erkennbar sein. Ihre Aktualisierung durch die neutestamentlichen Autoren kann jedoch auf durchaus vielfältige, auf den jeweiligen Kontext abgestimmte Weise erfolgen. Dann aber ist damit zu rechnen, dass solche Aktualisierung auch Interpretation, Fortschreibung, Neuarrangierung bedeutet.539 In kommunikativ-funktionaler Hinsicht ist zudem zu beachten, dass der Gebrauch entsprechender Formulierungen gerade in der Briefliteratur darauf hindeuten kann, dass auf diesem Wege solche Wissensbestände artikuliert werden, für die vom Verfasser Bekanntheit und Konsensfähigkeit unterstellt wird und die insofern als mit den intendierten Rezipienten gemeinsam geteilte Basis ins Feld geführt werden können.540 Durch die obigen Bestimmungen werden die Ergebnisse formgeschichtlicher Forschung keineswegs für obsolet erklärt. Im Gegenteil können diese vielmehr Aufschluss geben über maßgebliche diskursive Dynamiken innerhalb jenes christologischen Diskurses. In diesem Sinne können ‚Pistisformel‘ und ‚Homologie‘ als zwei ‚Eckpfeiler‘ jenes Aussagereservoirs angesehen werden.541 Der idealtypischen Unterscheidung nach liegt das Proprium ersterer darin, „das in der Vergangenheit liegende christologische Heilsgeschehen“542 in verdichteter – und zumeist aoristischer – Weise zu rekapitulieren. Im inhaltlichen Fokus stehen dabei Auferweckung und/oder Tod Jesu; insbesondere für die Auferweckungsaussagen ist dabei eine Tendenz zu einer standardisierten Formulierung zu beobachten.543 Im Unterschied dazu richtet die Homologie den Blick auf die „Person Jesu und seine gegenwärtige Würdestellung“544, was maßgeblich in
|| 539 Vgl. Vollenweider, „Glaubensbekenntnisse“, 509, der – im Zusammenhang der Darstellung der sog. Pistisformeln, vgl. dazu im Folgenden, sowie mit exemplarischem Blick auf I Kor 15,3–5 – von einem „virtuellen Pool von Figuren, Konzeptionen und intertextuellen Bezügen“, die „vom jeweiligen Autor entsprechend aktualisiert bzw. moduliert werden“ können, spricht. 540 Vgl. Vollenweider, „Glaubensbekenntnisse“, 505. 541 Zu dieser Unterscheidung vgl. Vielhauer, Geschichte, 13f.: „Homologie und Pistisformel repräsentieren die zwei fundamentalen Aussagen des Urchristentums“ (14). 542 Vielhauer, Geschichte, 14. 543 Vgl. Vollenweider, „Glaubensbekenntnisse“, 507–509. 544 Vielhauer, Geschichte, 23.
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Form von identifikatorischen Aussagen mit den Bestandteilen Hoheitstitel und Personenbezeichnung Jesu realisiert wird. Pistisformel und Homologie können somit heuristisch als diskursive Brennpunkte gelten, die Möglichkeiten zur Entfaltung und weiteren Ausgestaltung eröffnen. Als ein auf der Textoberfläche verankertes Signal dafür, dass der Abschnitt Eph 1,20–23 tatsächlich jenes traditionell geprägte Aussagereservoir als einen konstitutiven Bezugshintergrund heranzieht, kann nun bereits das partizipiale τοὺς πιστεύοντας in 1,19, dem der Abschnitt V.20–23 letztlich zugeordnet ist (s.o.), angeführt werden. Denn auf der Grundlage des ‚technischen‘ Gebrauchs der Glaubenssemantik (πιστεύειν/πίστις) im Zusammenhang der Pistisformeln545 scheint eine rezeptionsleitende Funktion von τοὺς πιστεύοντας durchaus denkbar; die Formulierung (vgl. Röm 4,24) mag der Aktivierung jener christologischen Aussage- und Vorstellungszusammenhänge auf Seiten der Rezipienten dienen. Damit korrespondiert, dass die anschließende ‚Kopfaussage‘ in V.20a eine hierfür adäquate Perspektiveinstellung liefert, insofern das für den Christusglauben konstitutive Gotteshandeln an und in Christus – und damit die Selbstbestimmtheit Gottes zur Offenbarung seiner selbst in und an Christus – programmatisch in den Blick gerückt wird. Es ist somit anzunehmen, dass die viergliedrige Entfaltung von V.20a durch die doppelte Doppelaussage in V.20b–22 vor dem Hintergrund aktivierter einschlägiger rezipientenseitiger Wissensbestände zu stehen kommt. Mit der Erweckungsaussage in V.20b wird sogleich tatsächlich eine, wenn nicht die Fundamentalaussage jenes christologischen Frames in sprachlich einschlägiger Form546 eingespielt und zum Ausgangspunkt der Entfaltung von V.20a gemacht. Der Erweckungsaussage ist dabei die zweite Partizipialkonstruktion V.20c.21 und also die Erhöhung Christi als maßgebliches Korrelat zugeordnet. Angesichts des in den Pistisformeln geprägten Konnexes von Tod und Auferweckung/Auferstehung (vgl. Röm 4,25; I Kor 15,3–5; II Kor 5,15; I Thess 4,14) mag dies als markant erscheinen. Jedoch stellt auch die Erhöhungsaussage zumal in ihrer mit dem – wohl auf Ps 110[109],1 zurückzuführenden – Motiv des Sitzens Christi zur ‚Rechten Gottes‘ verbundenen Gestalt eine traditionell geprägte und in breiten Schichten des Neuen Testaments verankerte christologische Basisaussage dar.547
|| 545 Vgl. Vielhauer, Geschichte, 14. 546 Dies schlägt sich nicht zuletzt darin nieder, dass das substantivierte Partizip ὁ ἐγείρας geradezu als Gottesprädikation dienen kann; vgl. Röm 4,24; II Kor 4,14; Gal 1,1; I Petr 1,21. 547 Vgl. dazu Hengel, „,Setze dich zu meiner Rechten‘“.
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Nicht ohne Parallelen ist dabei auch der in V.21 angeführte Hinweis auf die mit seiner Erhöhung einhergehende Überordnung Christi über kosmische, zumal himmlische Potenzen bzw. Instanzen (vgl. bes. Phil 2,9–11; I Petr 3,22). Eph 1,22b kann vor diesem Hintergrund schließlich als eine zur homologieartigen Akklamation der Würdestellung Christi tendierende Spitze (ähnlich Phil 2,9–11) in den Blick kommen. Umso mehr fällt indes auf, dass ein explizit prädikatives Textelement – nämlich ein identifizierendes ἐστίν als Kopula – in V.20–23 der ἐκκλησία zugeordnet wird (V.23a), so dass das auf Christus zulaufende Gefälle noch einmal ‚umkanalisiert‘ wird. Insgesamt ergibt sich somit der Eindruck, dass die christusgläubigen Rezipienten durch die partizipiale Doppelaussage auf unstrittig-konsensfähigem Boden abgeholt werden, im Zuge der Ausbuchstabierung der Erhöhungsaussage jedoch sukzessive – weichenstellend ist hierfür die für den Epheserbrief charakteristische Präpositionalwendung ἐν τοῖς ἐπουρανίοις in V.20c – in eine ganz eigene Konfiguration der bekannten christologischen Topoi verwickelt werden; diese findet ihre Pointe in dem finalen ekklesiologischen ‚turn‘ in V.22b(.23). Der Passus Eph 1,20–23 ist demnach durch den Rückgriff auf traditionelle, den Kommunikationspartnern mutmaßlich vertraute Formulierungen gekennzeichnet. Diese können als ein konsensfähiges Rückgrat herangezogen werden, auf dessen Basis spezifische eigene Akzentsetzungen vorgenommen werden. Diese fließende Integration traditioneller Topoi in den Zusammenhang, ja, in den theozentrischen Leitfaden des Gründungsnarrativs aber zeigt nicht nur an, dass die prinzipielle Übereinstimmung desselben mit bekannten ‚Grundgehalten‘ des Christusglaubens beansprucht wird, sondern lässt das Gründungsnarrativ zugleich als eine verbindliche Explikation jenes Nukleus erscheinen. Dieses Verfahren kann demnach unter pragmatischen Gesichtspunkten als eine Strategie der textuellen Selbstautorisierung gewertet werden. IV.4.4.2 Schriftgebrauch In einem weiteren Schritt ist sich der Frage zuzuwenden, welche Relevanz dem Umstand zukommt, dass die Verarbeitung jener christologischen Topoi namentlich in Eph 1,20c.22a womöglich gezielte Bezugnahmen auf die Schrift – Ps 109,1 bzw. Ps 8,7LXX548 – erkennen lässt. Denn angesichts der strukturell herausgehobenen Stellung der Erhöhungsaussage könnte dies auf eine Schlüsselrolle der Schrift für die theologische Konzeption des Epheserbriefs hinweisen, würde der
|| 548 Mit Lincoln, „Use“, 45 erfolgen die Bezugnahmen auf die Schrift im Epheserbrief im Rekurs auf die Septuaginta.
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heilskonstitutive Aspekt der Erhöhung Christi doch sowohl dem Grundsatz (V.20c) wie auch seiner näheren Entfaltung (V.22) nach im Ausgang von der Schrift zur Sprache gebracht. i. Eph 1,20c als Rezeption von Ps 109,1LXX (a) Εἶπεν ὁ κύριος τῷ κυρίῳ μου (b) κάθου ἐκ δεξιῶν μου (c) ἕως ἂν θῶ τοὺς ἐχθρούς σου ὑποπόδιον τῶν ποδῶν σου. Ps 109,1LXX
Eine etwaige Bezugnahme von Eph 1,20c auf Ps 109,1LXX betrifft zunächst lediglich V.1b. Da in Eph 1,20c keine explizite Zitateinleitung gegeben wird und auch keine syntaktische Dissonanz zu konstatieren ist, kommt als Markierung des intertextuellen Bezugs lediglich das Motiv des ‚Sitzens zur Rechten Gottes‘ als solches in Frage.549 Gegenüber dem LXX-Wortlaut sind freilich manche Differenzen auszumachen. In diesen dokumentiert sich die syntaktische und auch konzeptionelle Einbindung von Eph 1,20c in den Zusammenhang des Gründungsnarrativs, die entsprechend als anpassende Einschmelzung der Vorlage zu werten wäre. So wird der Duktus der direkten Aufforderung aus Ps 109,1bLXX in den Modus eines Referats überführt; entsprechend verschwindet die 1.Sg. des Sprechers (und damit auch die 2.Sg. als darin impliziertes Gegenüber) zugunsten der 3.Sg., indem statt μου von αὐτοῦ die Rede ist und anstelle des Imperativs κάθου das Partizip Aorist καθίσας verwendet wird. Dem ἐκ δεξιῶν der Vorlage steht dabei in Eph 1,20c zudem die (singularische) Formulierung ἐν δεξιᾷ gegenüber; dies entspricht zumal Kol 3,1 wie auch dem übrigen neutestamentlichen Befund, der in den mutmaßlichen indirekten Bezugnahmen auf Ps 110[109],1b zumeist diese Wendung bietet.550
|| 549 Vgl. Bormann, „Ps 110“, 198–201 für den Nachweis, dass das auch in Eph 1,20 belegte „Syntagma ‚sein usw. zur Rechten Gottes usw.‘“ derart „prägnant“ sei, dass die betreffenden Aussagen „als Markierung, Intertextualitätssignal oder Referenzsignal deutlich ausgemacht werden“ können (201). 550 Vgl. Röm 8,34; Hebr 1,3; 8,1; 10,12; 12,2; I Petr 3,22. In den Zitaten (so aber auch Mk 14,62; Act 7,55) Mk 12,36parr.; Act 2,34; Hebr 1,13 findet sich demgegenüber ἐκ δεξιῶν; nur in der Apostelgeschichte (Act 2,33; 5,31) findet sich zudem dativisches τῇ δεξιᾷ. Hengel, „,Setze dich zu meiner Rechten‘“, 298f. erwägt, dass das im biblischen (bzw. biblisch beeinflussten) Griechisch sperrigere ἐν δεξιᾷ auf eine von der LXX unabhängige Übersetzung der Wendung aus dem hebräischen Text von Ps 110,1 zurückgehen kann. Eine „Basis in der Septuagintatradition“ durchaus für möglich hält Rüsen-Weinhold, Septuagintapsalter, 167.
202 | Eph 1,19b–23 als grundlegende Elaboration des Gründungsnarrativs
Als markant nicht nur vor dem Hintergrund von Ps 109,1LXX, sondern auch der neutestamentlichen Rezeptionsbelege nimmt sich demgegenüber der Umstand aus, dass in Eph 1,20c – wenn auch auf elliptische Weise – καθίζειν in transitivem Sinne gebraucht wird. Darin aber dokumentiert sich die Einpassung in den Kontext des Gründungsnarrativs in besonderer Weise, bleibt hierdurch doch Gott der maßgebliche Aktant, der an Christus handelt. Freilich scheint es zugleich so, dass ebendiese Deutung der Verbalform καθίσας im elliptischtransitiven Sinne wie auch die Bestimmung der Referenz von αὐτοῦ durch die Kenntnis von Ps 109,1LXX bzw. der frühchristlichen Rezeption des Syntagmas von der ‚Rechten Gottes‘ maßgeblich befördert wird. Durch die nachfolgende explizierende Lokalisierung der Rechten Gottes ἐν τοῖς ἐπουρανίοις in Eph 1,20fin erfolgt wiederum auf kohärenzstiftende Weise die Integration dieses Ortes in die spezifische Topographie der Textwelt des Epheserbriefs. Für die Frage nach der tatsächlichen Aktualisierung des Bezugs auf Ps 109,1LXX in Eph 1,20c ist nun jedoch auch der jeweilige weitere Textzusammenhang zu berücksichtigen. In der Vorlage wird die Gottesrede mit V.1c durch einen die in V.1b vorangehende Aufforderung näher bestimmenden Nebensatz fortgeführt, der das Sitzen des Angesprochenen zur Rechten Gottes terminiert bis zu dem Zeitpunkt, da „ich deine Feinde zum Schemel deiner Füße mache“. Ohne den Blick vorschnell auf Eph 1,22a/Ps 8,7 zu richten, lässt sich eine gewisse Affinität von Ps 109,1LXX zu Eph 1,21a ausmachen, insofern in beiden Fällen das Sitzen zur Rechten Gottes mit einer auf Gott zurückzuführenden Überordnung über personale Instanzen verbunden wird. Dass diese dabei im Psalm als ἐχθροί bezeichnet werden, fügt sich aber zu dem in der Aufzählung in V.21a bereits latent angedeuteten antagonistischen Charakter des Mächtekollektivs. Insofern wäre ein Anklang an Ps 109,1LXX in Eph 1,20 dazu angetan, bezeichnendes, nämlich die auf textinterner Ebene gegebenen Signale bestätigendes Licht auf V.21 zu werfen. Dann aber scheint es in der Tat denkbar, dass Eph 1,20 als Bezugnahme auf Ps 109,1LXX zu verstehen ist, die einen zusätzlichen Horizont eröffnet. Als ein Spezifikum dieser Bezugnahme in Eph 1,20f. erscheint dabei nicht zuletzt die nachdrückliche zeitliche Entgrenzung des souveränen Sitzens zur Rechten Gottes. ii. Eph 1,22a als Rezeption von Ps 8,7bLXX πάντα ὑπέταξας ὑποκάτω τῶν ποδῶν αὐτοῦ Ps 8,7bLXX
Der Erörterung voranzuschalten ist ein Blick auf I Kor 15,27a (πάντα γὰρ ὑπέταξεν ὑπὸ τοὺς πόδας αὐτοῦ), da eine Kenntnis des 1. Korintherbriefs für
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den Verfasser des Epheserbriefs nicht unwahrscheinlich ist. Paulus führt hier Ps 8,7 in einer an den Zielkontext angepassten Weise an: Anstatt des partizipialen ὑπέταξας verwendet der Apostel finites ὑπέταξεν; anstelle von ὑποκάτω mit Genitiv tritt die in der LXX als Übersetzung von תחתgeläufige551 Konstruktion ὑπὸ mit Akkusativ. Letztere entspricht im Übrigen I Kor 15,25fin und trägt somit auf der textinternen Ebene zur Kohärenzstiftung bei, ist dabei – sofern I Kor 15,25 als Anspielung auf Ps 110[109],1 zu werten ist – vielleicht auch ein Hinweis auf die (traditionelle) Verbindung der beiden Psalmtexte.552 Der Zitatcharakter von I Kor 15,27a wird durch das eingefügte γάρ wie auch das anschließende ὅταν δὲ εἴπῃ in I Kor 15,27b markiert.553 Eph 1,22a stimmt nun eng mit dem paulinischen Wortlaut in I Kor 15,27a überein; ein (literarischer) Zusammenhang ist gut denkbar.554 Einzig die syntaktische Einpassung in den Zusammenhang wird modifiziert, insofern statt des γάρ ein vorangestelltes καί tritt, das sich ganz in den Entwurf der theozentrischen Handlungssequenz ab Eph 1,20 fügt. Diese weitgehende Übereinstimmung mit I Kor 15,27a aber hat zur Folge, dass auch Eph 1,22a Zitatqualität zu gewinnen vermag. Damit verbindet sich nun die Auffälligkeit, dass Eph 1,22a mit Paulus gegen Ps 8,7 die finite Verbform verwendet, obgleich die Partizipialform sich auch in syntaktischer Hinsicht durchaus in den Kontext des Gründungsnarrativs gefügt hätte. Dies aber lässt sich durch den Verweis auf die übergeordnete, zwei Doppelaussagen einander gegenüberstellende Struktur von Eph 1,20b–22 hinreichend erklären; die syntaktische Verselbständigung dient der Hinführung auf V.22b.23 als weiteren Höhepunkt des Abschnitts. Deutlicher als in I Kor 15,27a kommt in Eph 1,22a indes die theozentrische Struktur von Ps 8,7 zur Geltung; insbesondere aus V.22b geht deutlich hervor, dass Gott in V.22a handelndes Subjekt ist, während das αὐτοῦ auf Christus referiert. Insofern nimmt auch Eph 1,22a vor dem Hintergrund mancher Ambiguitäten in I Kor 15,25–27 eine Referenzklärung vor, die dem Bezugstext in der Schrift entspricht. Weist diese Beobachtung bereits auf eine Bezugnahme von Eph 1,22a auf Ps 8,7 hin, so lässt sich dies durch einen weiteren Aspekt untermauern: So war in || 551 Vgl. Rüsen-Weinhold, Septuagintapsalter, 168. 552 In diesem Fall wäre damit zu rechnen, dass die Aufnahme von Ps 110[109],1 in I Kor 15,25 von Ps 8,7 her beeinflusst ist. Dafür spricht auch das gegenüber Ps 110[109],1 überschießende πάντας in I Kor 15,25, das durch das πάντα aus Ps 8,7 motiviert sein kann. Auch die Rezeption von Ps 110[109],1 in Mk 12,36; Mt 22,44 mag Einfluss von Ps 8,7 erkennen lassen, wenn hier die Wendung ὑποκάτω τῶν ποδῶν anstelle des ὑποπόδιον erscheint. Lukas behält demgegenüber in der Parallele Lk 20,43 das Schemel-Motiv aus Ps 110[109],1c. 553 Vgl. Koch, Schrift, 13 mit Anm. 11 554 Vgl. Gese, Vermächtnis, 66f.
204 | Eph 1,19b–23 als grundlegende Elaboration des Gründungsnarrativs
den Überlegungen zur Wiederaufnahmestruktur in Eph 1,20–23 die Frage nach der Referenz des πάντα in Eph 1,22 gestellt worden. Dem Begriff wurde dabei gewissermaßen eine Scharnierfunktion zuerkannt: Einerseits ist er maßgeblich auf das Mächtekollektiv aus V.21 zu beziehen, andererseits liegt eben darin indirekt auch seine Referenz auf das All insgesamt (vgl. τὰ πάντα V.23b) begründet. Diese letztgenannte Referenz auf das All würde nun durch Ps 8,7 als Prätext gestützt werden können, insofern hier mit πάντα tatsächlich die Schöpfung als ganze bezeichnet scheint, steht πάντα doch in Parallele zu dem Ausdruck τὰ ἔργα τῶν χειρῶν σου in Ps 8,7a, mithin dem göttlichen Schöpfungswerk im umfassenden Sinn, dem der Mensch übergeordnet wird. Somit zeigt sich aber auch für Eph 1,22a, dass mit der Berücksichtigung des Aussagegehalts der eingespielten Schriftstelle in ihrem Mikrokontext eine Bestätigung und Bekräftigung der auf der textinternen Ebene in Eph 1,20–23 gegebenen Signale einhergeht. IV.4.4.3 Fazit Es ergibt sich als Gesamtbild, dass der Passus Eph 1,20–23 geprägte christologische Topoi rezipiert und sich deren Schriftbezug – darin womöglich inspiriert durch das paulinische Vorbild – gezielt zunutze macht. Solchermaßen kommt es zu einem ‚Blending‘ von Gründungsnarrativ, Gemeindetraditionen und Schrift, die zu einem einzigen Diskursraum verbunden werden, in dem sich die Aussagen wechselseitig verstärken und erläutern. Die im Epheserbrief entworfene Gründungsgeschichte wird somit inszeniert als Entfaltung der in der Schrift und den daran angedockten frühchristlichen Traditionen eingekapselten Aussagegehalte.
IV.5
Zusammenfassung
Die partizipiale Apposition τοὺς πιστεύοντας in Eph 1,19b leitet ausweislich entsprechender sprachlich-stilistischer sowie diegetischer Signale eine Elaboration des in der Briefeingangseulogie Eph 1,3–14 seinen grundlegenden Koordinaten nach entworfenen Gründungsnarrativs ein. In der syntaktischen Einbindung des Passus Eph 1,19b–23 sowie seinem auf V.22b.23 zulaufenden Gefälle dokumentiert sich das ekklesiale, auf die Wir-Gruppe bezogene Aussageinteresse. Beibehalten und vertieft wird indes der Ansatz, sämtliche Verhandlung der Eigenart der Wir-Gruppe aus einem theozentrisch basierten und christologisch orientierten Beziehungsgeflecht, das zugleich das All konstitutiv mit einschließt, heraus vorzunehmen.
Zusammenfassung | 205
Die konzeptionell grundlegende Bedeutung der durch den Passus geleisteten Elaboration wird durch die Fortführung des christusbezogenen Handlungsstrangs angezeigt; der geprägte Konnex zwischen Tod, Auferweckung und Erhöhung Christi wird als narratives Verklammerungselement genutzt, das die Grundlegung in Eph 1,3ff. und die Elaboration 1,19b–23 zusammenhält. Demgemäß ist es die soteriologische Wende, die – unter dem Vorzeichen des Gedankens der Geschichtsmächtigkeit der Gotteskraft, welche das Heilsgeschehen synchron wie diachron überspannt – im Fokus des Passus steht und dabei zugleich in ihrer Eigenart als sachliche Voraussetzung der Ebene des νῦν zur Geltung kommt. Von zentraler Bedeutung ist in diesem Zusammenhang der Aspekt der Einsetzung Christi zum Souverän über die kosmosbestimmenden himmlischen Mächte, auf deren widergöttlich-antagonistischen Charakter der Passus in intrawie intertextueller Hinsicht Hinweise bietet, so dass sich das dualistisch gefärbte Szenario eines Widerstreits zweier himmlisch(-pneumatischer) Machtbereiche abzeichnet. Dem entspricht, dass die göttliche Heilszuwendung wesentlich als Anteilgabe an der kosmisch-souveränen Hauptstellung Christi zur Darstellung kommt; die ἐκκλησία ist geradezu die Wir-Gruppe, insofern ihr diese Souveränität Christi zugutekommt, ja, insofern sie an ihr partizipiert. Ebendieses vollzieht sich als ein Erfülltwerden durch den zum kosmischen Souverän Erhöhten, welches in der ἐκκλησία, die solchermaßen als sein Leib gelten kann, bereits aktualisiert ist. Im Unterschied dazu ist jenes Zur-Geltung-Bringen der hoheitlichen Stellung Christi im Blick auf den Kosmos abseits der Wir-Gruppe noch ausstehend bzw. allererst im Vollzug begriffen; gerade dieser Prozess der Alldurchdringung des Kosmos durch sein Haupt kennzeichnet die Ebene des νῦν. Damit ergeben sich aber letztlich konzeptionelle Verbindungslinien zum ἀνακεφαλαιώσασθαι 1,10: Dieses hat seinen Ort offenbar gerade in jener Alldurchdringung, in der sich die kosmische Hauptstellung Christi im Welt- und Geschichtszusammenhang realisiert; in diesem Prozess vollzieht sich die Durchführung der Zeitenfülle, bricht sich der kommende Äon Bahn. In dieser Konzeptualisierung des νῦν sind solchermaßen grundlegende Ambivalenzen angelegt: So steht insbesondere der prinzipiell bereits geschehenen Depotenzierung der Mächte die offenbar allererst sukzessive erfolgende Entfaltung der kosmischen Souveränität Christi gegenüber; eben hierin mag auch der spezifische Interimscharakter des νῦν begründet liegen. In pragmatisch-funktionaler Hinsicht ist insgesamt festzustellen, dass auch das Wechselspiel von ‚fixierenden‘ und ‚fluidisierenden‘ Aussageelementen, das für die diskursive Konstruktion eines gemeinschaftlichen Selbstverständnisses eine grundlegende Rolle spielt, durch Eph 1,19b–23 weiter vorangetrie-
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ben wird. Auf die fixierende Seite zu verbuchen ist zum einen die 1,19b in der κατά-Wendung angezeigte Rückkoppelung des Glaubensaktes an das göttlichen Wirken, wodurch jener dem unmittelbaren Zugriff der glaubenden Subjekte zumindest ein Stück weit entzogen wird; der Glaube ist demnach zumindest kein autonomer Akt des Menschen. Insofern der Glaube aber als konstitutive Eigenschaft der Wir-Gruppe erscheint, wird dadurch unterstrichen, dass sich diese in ihrer Existenz maßgeblich der göttlichen Zuwendung verdankt, und zwar nicht nur in einem daseinsbegründenden, sondern auch in einem permanenten, auf den Fortbestand gerichteten Sinne. Zum anderen – und hierauf liegt letztlich der Ton in 1,19b–23 – ist die faktisch erfolgte Herstellung und unverbrüchlich feststehende Gültigkeit der im Zusammenhang des Christusgeschehens etablierten kosmischen Mächtehierarchie als Aspekt zu werten, der dem Selbstverständnis der Wir-Gruppe als fixierendes Aussageelement zugeordnet wird. Denn die Konstituierung jener Mächtehierarchie zielt ja gerade darauf, der ἐκκλησία zugutezukommen; die Wir-Gruppe ist insofern ἐκκλησία, als sie unvorgreiflich hineingenommen ist in den Machtbereich des Erhöhten, ja als sein Leib an seiner Souveränität über die kosmischen Mächte partizipiert. Dem entspricht die Kontinuität des ἐνεργεῖν Gottes, dessen Eigenart im Christusgeschehen manifest wurde und das sich seither in wesensgleicher Weise auf die WirGruppe richtet. Den etwaigen Ansprüchen anderweitiger Machtinstanzen zur Herrschaft über die ἐκκλησία scheint somit dem Grundsatz nach jeglicher Boden entzogen. Demgegenüber inhäriert dem Konzept einer allererst prozessualen Entfaltung bzw. Aktualisierung der Hoheitsstellung Christi im Welt- und Geschichtszusammenhang ein fluidisierendes Element, das die angedeutete Statik durchbricht. Denn nicht zuletzt deutet sich hierdurch eine auf der Interimsebene des νῦν zunächst weiterhin gegebene Virulenz ebenjener anderweitigen Herrschaftsdynamiken an. Gerade das Nicht-Enthobensein der ἐκκλησία aus dem Kosmos lässt dabei vermuten, dass diese Virulenz auch an ihr nicht spurlos vorbeigeht.
V V.1
Drei ‚Moves‘ zur Vertiefung des Gründungsnarrativs: Eph 2,1–3,13 Zur Einordnung von Eph 2,1–3,13 in den Zusammenhang des Gründungsnarrativs
An die grundlegende Elaboration des Gründungsnarrativs in Eph 1,19b–23 schließt sich, bevor der Faden des Fürbittgebets aus 1,16ff. in 3,14 letztlich wieder aufgenommen wird, eine Sequenz an, die sich in die drei Abschnitte 2,1–10; 2,11–22 und 3,1–13 unterteilen lässt.555 Maßgeblich verbindendes Strukturmerkmal, das die Abschnitte als jeweils in sich abgerundet, jedoch zugleich als aufeinander bezogen und also konzeptionell zusammengehörig erweist, ist die (nunmehr explizite) Gegenüberstellung von einem ‚Einst‘ und einem ‚Jetzt‘.556 Diese ist freilich in Eph 2,1–10.11–22 einerseits und Eph 3,1–13 andererseits unterschiedlich nuanciert, insofern in Eph 2 das Gegenüber von vergangenem Unheilsstand und gegenwärtigem Heilsstand der Wir/Ihr-Gruppe im Blick ist, während Eph 3,1–13 auf den Gegensatz von dereinstiger Verborgenheit und nunmehrigem Offenbartsein des göttlichen μυστήριον fokussiert.557 Der Zusammenhang ist jedoch ein integraler, besteht zwischen Heilsteilhabe und Einsicht in das Heilsmysterium doch schon ausweislich der Briefeingangseulogie (s.o. || 555 Zur näheren Begründung dieser Gliederung, die einem weitgehenden Konsens in der Forschung entspricht, s.u. 556 Am pointiertesten findet sich diese Gegenüberstellung in den einleitenden Versen des zweiten Abschnitts in Eph 2,11–13, wo das Begriffspaar ποτέ-νῦν/νυνί in ausgestalteter Antithese (ποτὲ ... νυνὶ δέ) begegnet (vgl. V.11.13). Jedoch liegt dieses Gegenüber bereits dem ersten Abschnitt 2,1–10 zugrunde: Gegen Tachau, ,Einst‘, 134–143, der in seiner grundlegenden Untersuchung zum ποτέ-νῦν-Schema im Neuen Testament die Ansicht formulierte, der Abschnitt Eph 2,1–10 verarbeite „[n]ur die eine Hälfte“ (a.a.O., 138) dieses Schemas – nämlich die des ποτέ –, wird bereits in V.1–10 durchaus nicht nur die Ebene des ποτέ beschrieben, sondern auch jene des νῦν eingespielt; vgl. Lincoln, Eph, 87. Der Rekurs auf diese zweite Ebene in V.2c mit seiner expliziten Verwendung von νῦν – anders als Jeal, Theology, 132 behauptet, muss das νῦν in Eph 2,1–10 durchaus nicht „from the language of verses 4–6“ inferiert werden – zeigt dies ebenso an wie die verschiedenen Aussagen in 2,1–10, die auf die Kennzeichnung des gegenwärtigen Heilsstandes der Wir/Ihr-Gruppe abzielen; am deutlichsten sind in dieser Hinsicht die mit Formen von εἶναι gebildeten Aussagen in V.5b(vgl.8a).10a. 557 Die Dativwendung ἑτέραις γενεαῖς (3,5) sowie der Ausdruck ἀπὸ τῶν αἰώνων (3,9) erscheinen in Eph 3,1–13 als Gegenpole zum νῦν, so dass ihnen jeweils temporaler Sinn eignet. Der diskursiven Struktur nach lassen sich Eph 2,1–10 sowie 2,11–22 somit dem sogenannten ‚soteriologischen Kontrastschema‘ zuordnen, 3,1–13 dem ‚Revelationsschema‘. Siehe dazu Dahl, „Beobachtungen“, 4–6; vgl. Bultmann, Theologie, 107. https://doi.org/10.1515/9783110794458-005
208 | Drei ‚Moves‘ zur Vertiefung des Gründungsnarrativs: Eph 2,1–3,13
III.4) ein unlöslicher Konnex. Verbindend ist zudem, dass das Gegenüber von Einst und Jetzt in allen drei Abschnitten einhergeht mit einer Ausrichtung des jeweils anvisierten Jetzt auf ein weiteres Geschehen hin, wodurch diesem Jetzt eine prospektiv-prozessuale Dimension verliehen wird.558 In diesen Beobachtungen deutet sich bereits an, dass das Gründungsnarrativ mit seiner in der Briefeingangseulogie Eph 1,3–14 vorgeprägten temporalen Strukturierung offenbar als Basis und Bezugsrahmen dient für die Textbewegungen in 2,1–3,13.559 Denn in dem entfalteten Begründungssatz 1,3b–14 fand sich doch eine derartige heilsstandbezogene Gegenüberstellung von Einst und Jetzt bereits angelegt. Als ‚Achse‘ zwischen Einst und Jetzt wurde dabei die zweite beziehungskonstitutive Zuwendung Gottes zur Wir-Gruppe – die ‚erste ἀπολύτρωσις‘ – erkannt, wie sie durch den zweiten Unterabschnitt des Begründungssatzes (1,5–8) in die Handlungssequenz eingeführt wird. Eben hieran knüpft die Sequenz 2,1–3,13 offenbar unmittelbar an: Denn in 2,1–10 und 2,11–22 handelt es sich präzise um jenes in 1,5–8 implizite Gegenüber von fehltrittbehaftetem Einst und dem (potentiell) bestimmungsgemäßen Jetzt, das durch das zuvörderst mit seinem Kreuzestod assoziierte Christusgeschehen heraufgeführt wird. Entsprechende intratextuelle Verweisfunktion haben insbesondere die rekurrierenden Begriffe παράπτωμα (vgl. 2,1.5 mit 1,7; im Epheserbrief nur hier) und χάρις (vgl. 2,5.7.8 – die ersten Belege nach der Eulogie – mit 1,6.7) sowie die präpositional (διά bzw. ἐν) koordinierte Rede von dem αἷμα αὐτοῦ bzw. τοῦ Χριστοῦ (vgl. 2,13 mit 1,7, im Epheserbrief nur hier). Demgemäß wird in 2,1–10 die von Gott herbei- und ganz auf seine χάρις zurückgeführte Überwindung eines grundlegend durch παραπτώματα charakterisierten Existenzzustands der Wir/Ihr-Gruppe zum Gegenstand einer eingehenderen Betrachtung, während 2,11–22 auf das gemäß 1,7a in diesem Zusammenhang konstitutive Kreuzesgeschehen fokussiert und dieses somit näher beleuchtet. In 3,1–13 ist sodann das ebenfalls in der Eulogie angelegte und seinerseits wiederum an das Christusgeschehen als Scharnier gekoppelte (s.o. zu Eph 1,9) Gegenüber von einstmaliger Verborgenheit und nunmehriger Offenbartheit (vgl.
|| 558 Vgl. die ἵνα- bzw. εἰς-Formulierungen in Eph 2,7.10; 2,21f.; 3,10. 559 Damit korrespondiert, dass auch die in Eph 1,3–14 etablierte protologische Handlungsebene in 2,1–3,13 bespielt wird; die προ-Begrifflichkeit – vgl. προετοιμάζειν (2,10), πρόθεσις (3,11) – ist hierfür indikativ. Freilich ist auch für die Sequenz 2,1–3,13 eine Verschränkung mit räumlichen Kategorien zu konstatieren; vgl. bereits 2,6. Die temporale Koordinierung hat jedoch Leitfunktion.
Zur Einordnung von Eph 2,1–3,13 in den Zusammenhang des Gründungsnarrativs | 209
γνωρίζειν in 1,9; 3,3.5.10) des göttlichen μυστήριον im Blick.560 Mit dem Offenbartwerden des μυστήριον eng verbunden ist gemäß der Analyse von 1,3–14 dabei das – an den fiktiven Adressaten gleichsam paradigmatisch verhandelte – Thema der persönlichen Zueignung des Heilsgeschehens.561 Folgerichtig wird ebendiese Thematik insbesondere in diesem Schlussabschnitt der Sequenz, der seinen Ausgang von einer ‚autobiographisierenden‘ Darstellung der apostolischen Beauftragung des Paulus nimmt, vertieft. Die vorstehenden Beobachtungen lassen sich somit in die folgende These überführen: In der Abschnittfolge Eph 2,1–3,13 vollzieht sich auf der Grundlage der durch Eph 1,3–14 etablierten Handlungssequenz ein weitergehendes ‚Hineinschrauben‘ in das Gründungsnarrativ, wodurch dieses an Profil gewinnt. Im Fokus steht insgesamt das in der Analyse der Briefeingangseulogie als zweite beziehungskonstitutive Zuwendung zur Wir-Gruppe bzw. als erste ἀπολύτρωσις bezeichnete Christusgeschehen in seiner soteriologischen Eigenart; dies schließt auch die Frage nach der Aneignung des Heilsgeschehens durch die Subjekte im Weltzusammenhang mit ein. Bereits aus dem ersten Abschnitt 2,1–10 geht nun hervor, dass bei alledem auch die durch Eph 1,19b–23 geleistete Elaboration von 1,3–14 berücksichtigt wird, wird doch in strukturtragender Weise auch auf Material, das jenem Passus entstammt, zurückgegriffen562: So begegnen in 2,4–7 als dem zentralen Unterabschnitt in 2,1–10 (s.u.) im Zusammenhang der Hauptaussage in 2,5f. drei Verben, die vernehmbar an die christologische Handlungsfolge aus 1,20 anklingen.563 Das dort beschriebene Handeln Gottes an Christus wird damit repetiert
|| 560 Die Bestimmung des Inhalts des μυστήριον durch die Infinitivsätze Eph 1,10bc bzw. 3,6 variiert freilich – ohne dass dadurch aber der konzeptionelle Zusammenhang in Frage zu stellen wäre, wie im Weiteren zu verdeutlichen sein wird. 561 Vgl. die unter III bereits angeführten Hinweise auf die semantischen Verbindungslinien zwischen der Offenbarungsmotivik in Eph 1,9 und 1,13. Von 1,13 her ist dann zu erwarten, dass das Thema der Heilszueignung maßgeblich im diegetischen Modus einer biographisierenden Anwendung auf die fiktiven Adressaten behandelt werden wird. Dies wird sich in der Sequenz 2,1–3,13 in einer vielschichtigen Weise bestätigen. 562 Darin bestätigt sich zugleich die Charakterisierung von Eph 1,19b–23 als grundlegende Elaboration des Gründungsnarrativs, der als solcher übergeordnete Bedeutung für 2,1ff. zukommt. 563 Vgl. die Formulierung συνεζῳοποίησεν (τῷ Χριστῷ) sowie insbesondere die Ausdrücke συνήγειρεν und συνεκάθισεν ἐν τοῖς ἐπουρανίοις (ἐν Χριστῷ Ἰησοῦ). Dieser Zusammenhang ist im Übrigen ein gewichtiges Argument dafür, die Wendung ἐν τοῖς αἰῶσιν τοῖς ἐπερχομένοις als strukturelle Entsprechung zur Rede vom ‚kommenden Äon‘ in Eph 1,21 aufzufassen und insofern im zeitlichen Sinne zu verstehen. Der vor diesem Hintergrund auffällige Plural lässt sich auf den Einfluss liturgischer Sprachformen zurückführen, vgl. Eph 3,21.
210 | Drei ‚Moves‘ zur Vertiefung des Gründungsnarrativs: Eph 2,1–3,13
und in spezifischer, durch das Präfix συν- angezeigter Weise auf die Wir-Gruppe bezogen/ausgedehnt.564 Dabei ruht auch die semantische Basisopposition von Tod (vgl. νεκρός 2,1.5) und Leben (vgl. συνεζῳοποίησεν V.5), die sich mit dem Einst-Jetzt-Kontrast in 2,1–10 verbindet, auf jenem christologischen Handlungsstrang auf (vgl. ἐκ νεκρῶν 1,20), was den Zusammenhang mit 1,20ff. verstärkt. Insofern aber steht der Abschnitt 2,1–10 als Auftakt von 2,1–3,13 in engem Anschluss an 1,20–23 und erscheint schon vom Textfluss her zugleich als Fortführung der aus den christologischen Basisaussagen gezogenen ‚ekklesiologischen Summe‘ in 1,22b.23.565 Das aber kann als richtungweisend für das Profil der mit 2,1 eröffneten Sequenz überhaupt angesehen werden: Diese ist demnach auf eine zusammenführende Vertiefung des Gehalts von 1,3–14 und 1,19b–23 angelegt, wobei – ganz der kommunikativen Ausrichtung des Gründungsnarrativs gemäß – ein ekklesiologisches Aussageinteresse stets mitgeführt wird. Diese Vermutung wird bestätigt durch den Gesamtbogen, der sich im Vergleich von Auftakt und Abschluss der um die Gegenüberstellung von Einst und Jetzt kreisenden Gesamtsequenz 2,1–3,13 ergibt: Denn letztlich tritt dabei ein ποτέ, das die ekklesiale Wir-Gruppe in einem mit der Umwelt unterschiedslos geteilten Zustand der Unterstelltheit unter die widergöttlichen kosmischen Mächte sieht (2,1–3), einem νῦν, das die ἐκκλησία geradezu als exklusives Medium der göttlichen Offenbarung vor jenen Mächten ausweist (3,10), gegenüber. Somit steht zu vermuten, dass den drei Abschnitten die Funktion zukommt, in ihrem Zusammenspiel den dazwischen liegenden Weg der Konstitution und Befähigung nachzuzeichnen. Hinzu kommt, dass mit 3,10 als Zielpunkt566 der Aussagefaden aus 1,22b.23 aufgenommen wird, insofern hier wiederum die Rolle der ἐκκλησία im Zusammenhang eines (auf der Interimsebene des νῦν verorteten) kosmosbezogenen
|| 564 Die Verbformen in Eph 2,5f. gehen mit Schnackenburg, Eph, 94f. auf die Teilhabe der WirGruppe am Geschick Christi. Dieser ‚vertikale‘ Gebrauch des Präfixes ist somit abzuheben von der ‚horizontalen‘ Verwendungsweise, die zumal in 3,6 begegnet. Vgl. dazu im Folgenden. 565 Entsprechend setzt Eph 2,1 denn auch mit einem eher locker anfügenden καί ein und verbindet den pluralischen Duktus schließlich in 2,10a mit einer singularischen Bezeichnung für die ekklesiale Wir-Gruppe (ποίημα). Zum Zusammenhang mit dem Vorangehenden vgl. auch Schnackenburg, Eph, 86f., der jedoch die Verbindungslinien von 2,1–10 mit 2,11–3,13 zu wenig herausstellt. 566 Dem entspricht der abrundende Charakter von Eph 3,11f., der schon durch die syntaktische Abhängigkeit vom Vorangehenden angezeigt wird. Zu 3,13 vgl. die Analyse von 3,1–13 im Folgenden.
Aufbau und diegetisches Profil der Sequenz | 211
Zur-Geltung-Bringens des Christusgeschehens in den Blick kommt.567 Diesem Konnex zwischen 1,22b.23 und 3,10 entspricht, dass der Begriff ἐκκλησία hier erstmals nach 1,22b begegnet und solchermaßen als Klammer für die ‚Einschaltung‘ der Sequenz 2,1–3,13 dient. Beobachtungen zur Wiederaufnahmestruktur in 2,1–3,13 bestätigen die ekklesiale Ausrichtung, finden sich in der Sequenz doch wiederum mehrere Substitutionen für die Wir-Gruppe bzw. die ἐκκλησία.568 Damit setzt sich die bereits in 1,22f. beobachtete Tendenz zur begrifflich-semantischen Plerophorie fort. Für den Textzusammenhang Eph 1–3 insgesamt ergibt sich daraus ein zunehmend buntes Tableau an Bezeichnungen für die ekklesiale Wir-Gruppe, das als Hinweis auf eine gesteigerte Komplexität der in der Gründungsgeschichte verhandelten Sachverhalte aufgefasst werden kann. Zusammengehalten wird dieses Tableau indes – auch in textstruktureller Hinsicht – durch den ἐκκλησίαBegriff, was die Leitfunktion desselben unterstreicht.569
V.2
Aufbau und diegetisches Profil der Sequenz
V.2.1
Aufbau
Die aufgezeigte basisgebende Funktion der durch Eph 1,3–14 vorgegebenen temporalen Struktur lässt es als angemessen erscheinen, ebendiese bei der weiteren Analyse von Eph 2,1–3,13 als Orientierungsrahmen zugrunde zu legen. Um das konkrete Vorgehen näher zu bestimmen, ist es dabei nötig, zunächst den Aufbau und das Ineinandergreifen der Abschnitte mit ihrem oben bereits angedeuteten Wechselspiel aus relativer Eigenständigkeit und gleichzeitiger Komplementarität eingehender zu betrachten.
|| 567 Vgl. Lincoln, Eph, 171. Bestätigt wird der Zusammenhang zwischen Eph 1,20–23 und dem Nachfolgenden auf der strukturellen Tiefenebene durch die Analyse des Aufbaus von Eph 2 bei Gombis, „Ephesians 2“, der Eph 2 als am „narrative pattern of divine warfare“ orientierte „vindication“ des in 1,20–23 formulierten „bold claim“ versteht (a.a.O., 404f.). 568 In Betracht kommen vor allem die Begriffe ποίημα (Eph 2,10), (ἓν) σῶμα (2,16), οἰκοδομή (2,21), ναὸς ἅγιος (2,21), κατοικητήριον τοῦ θεοῦ (2,22). Dies wird jedoch im Verlauf der weiteren Analyse z.T. noch näher zu diskutieren sein. 569 Dem entspricht, dass der Begriff ἐκκλησία sodann in der Doxologie Eph 3,20f., die den mit der Eulogie eröffneten Bogen seinem Ruhepunkt zuführt, auftaucht. Die unter Absehung von Eph 5,22–33 doch eher überschaubare Zahl an Belegen für ἐκκλησία im Epheserbrief – die sich nämlich dann tatsächlich auf die genannten Stellen (1,22; 3,10.21) beschränken – wird somit gleichsam aufgewogen durch deren makrostrukturelle Prominenz.
212 | Drei ‚Moves‘ zur Vertiefung des Gründungsnarrativs: Eph 2,1–3,13
Mit den Neuansätzen in 2,1.11; 3,1.14 liegen übergeordnete Zäsuren vor, infolge derer sich eine Untergliederung in die Abschnitte 2,1–10; 2,11–22 und 3,1– 13 ergibt.570 Deren in sich abgerundeter Charakter wird nicht nur durch die jeweils vollständig durchlaufene temporale Grundstruktur des Gründungsnarrativs angezeigt, sondern durch weitere abschnittsinterne Signale unterstrichen. Zentrale Bedeutung kommt dabei der maßgeblich durch syntaktische Phänomene bestimmten Struktur der Abschnitte zu, wie sie nachfolgend in den Grundzügen darzulegen ist.571 Zur Struktur von Eph 2,1–10 V.2.1.1 Der erste Abschnitt Eph 2,1–10 weist einen dreiteiligen Aufbau auf. Das Zentrum bilden die Verse 4–7, um das sich V.1–3 sowie V.8–10 als Rahmen legen. So bildet V.4–7 ein in sich geschlossenes, wenn auch einigermaßen überladenes572
|| 570 Deutlich markiert ist der Neuansatz insbesondere in Eph 2,11 und 3,1: Das διὸ μνημονεύετε in 2,11 mit seiner gleichermaßen rück- (διό) wie vorausweisenden (der Imperativ μνημονεύετε weist ein Gefälle auf seine inhaltliche Explikation durch den nachfolgenden ὅτιSatz auf) Funktion wie auch das in dieser Hinsicht vergleichbare τούτου χάριν in 3,1 sind Einschnitte, die den Aussagegang auf übergeordneter Ebene koordinieren. Dies wird verstärkt durch den gegenüber dem vorangehenden Satz jeweils zu verzeichnenden Subjektwechsel (wobei dieser in 3,1 freilich markanter ausfällt als in 2,11). Die gliedernde Funktion des τούτου χάριν in 3,1 legt zudem nahe, die Eröffnung eines nächsten Abschnitts in 3,14 anzusetzen, wo ebendiese Wendung – wiederum mit der 1.Sg. des Apostels als Subjekt des dadurch eingeleiteten Satzes, hier jedoch nur noch in der Verbal- bzw. Pronominalform – wiederholt wird. Dieser Zusammenhang zwischen 3,1 und 3,14 spricht im Übrigen dafür, 3,14 als Aufnahme des in 3,1 eröffneten, in 3,2 jedoch zunächst nicht unmittelbar fortgeführten Gefüges anzusehen. 3,2–13 erweisen sich vor diesem Hintergrund als verselbständigter Exkurs, der jedoch angesichts der Verbindungslinien mit Eph 2 auf nur scheinbar freischwebende Weise in den Zusammenhang eingefügt wird. – Trotz des eher locker anfügenden καί lässt sich der Neuansatz auch für 2,1 an syntaktischen Beobachtungen festmachen. Denn bei dem Gebilde 2,1–3 handelt es sich letztlich um eine ausgestaltete, gleichwohl anakoluthartige Vorwegnahme des Objekts aus dem Satzgefüge 2,4–6, das im Zentrum des Abschnitts steht. Überdies liegt auch in 2,1 durch die Rückkehr zur nach 1,19b verlassenen 2.Pl. ein Subjektwechsel vor. 571 Die Behandlung der zahlreichen Detailfragen ist der weiteren Analyse vorbehalten und erfolgt dort nach Bedarf. 572 Dies gilt besonders für den Hauptsatz in V.4–6 infolge a) der partizipialen Erweiterung des Subjekts (V.4a), b) der anschließenden präpositionalen, auf das Hauptverb συνεζῳοποίησεν zu beziehenden διά-Wendung (V.4b), c) der mit dem ἡμᾶς verbundenen und aufgrund ihrer partizipialen Aufblähung syntaktisch sperrigen Objektphrase (V.5a) sowie d) der in der 2.Pl. gehaltenen Parenthese in V.5b. Lindemann, Aufhebung, 117 rechnet indes mit Verweis auf die Schwierigkeiten, die das καί zu Beginn von V.5 bereitet, für V.4 mit einem Anakoluth. Dies ist
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– was freilich ganz dem plerophoren Duktus des Gründungsnarrativs entspricht – Gefüge, das sich aus dem durch drei finite Verbformen getragenen Hauptsatz (V.4–6) und einem daran angeschlossenen Finalsatz (V.7: ἵνα) zusammensetzt.573 Diesem ‚Herzstück‘ vorgelagert ist in V.1–3 eine anakoluthartige (s.u.) Darstellung der Verfasstheit, in der sich die Ihr- bzw. Wir-Gruppe auf der ποτέEbene befand. Diese Darstellung dient – wie bereits das partizipiale ὄντας in V.1, dem das durative Imperfekt ἤμεθα (V.3) abschließend korrespondiert, anzeigt – als negative Hintergrundfolie für V.4–7; dem entsprechen dort der Neueinsatz mit Subjektwechsel und adversativem δέ sowie, auf semantischer Ebene, neben der Basisopposition von Tod und Leben der Kontrast zwischen göttlichem Zorn (V.3) und Erbarmen (V.4).574 In syntaktischer Hinsicht erwächst der Passus V.1–3 dabei aus einer vorgezogenen Nennung des Objekts des Gotteshandelns aus V.4–6, wie die kasuskongruente und nahezu wörtliche Wiederholung von V.1 in V.5a verdeutlicht; die in V.5a gegenüber V.1 zu verzeichnende Ersetzung der 2.Pl. durch die 1.Pl. kann zumal nach V.3a als folgerichtig erscheinen (s.u.).575 Dieser eigenwillige syntaktische Zusammenhang von V.1–3 und V.4–7 ist im Übrigen auch in inhaltlicher Hinsicht aussagekräftig: Von dem heillosen Stadium des Einst, in dem sich die Ihr-/Wir-Gruppe ehedem befand, kann offenbar nicht eigenständig, sondern allein vom Standpunkt der heilvollen Zuwendung Gottes her die Rede sein.576 V.4–7 nachgeordnet sind in V.8–10 Erläuterungen zur Eigenart der als Rettungsgeschehen überschriebenen (2,5b.8a; vgl. 1,13b) Wende zwischen Einst und Jetzt. In einer V.1–3 vergleichbaren Weise ist auch dieser Passus durch die || jedoch nicht zwingend – das syntaktisch in der Tat schillernde καί lässt sich konzessiv-steigernd der Partizipialkonstruktion zuordnen; vgl. BDR § 425,1. 573 Die innere Geschlossenheit von V.4–7 wird auch durch die miteinander korrespondierenden Eigenschaftsbegriffe ἔλεος (V.4) und χρηστότης (V.7) in den Rahmenteilen unterstrichen; vgl. Schnackenburg, Eph, 96: „Gottes Erbarmen ist frei schenkende, menschenfreundliche Güte“. 574 Schnackenburg, Eph, 93 Anm. 224 hält unter Verweis auf Röm 9,22f.; 11,30 fest, dass es sich bei ὀργή und ἔλεος um „Opposita“ handelt. 575 Vgl. Sellin, Eph, 176. 576 Gleichsam die andere Seite der Medaille benennt Gese, Vermächtnis, 96 (der zudem auf Röm 5,8 als Analogie verweist): „Die Unabgeschlossenheit dieses Satzgefüges [sc. Eph 2,1–3, J.B.] unterstreicht die durch nichts zu beendende Verflochtenheit der sündhaften Existenz. Erst der Neueinsatz Eph 2,4, der die göttliche Rettung darstellt, bricht das alte Satzgefüge ab und hebt damit auch formal hervor, dass allein Gottes Handeln menschliche Schuldverstrickung aufbricht“.
214 | Drei ‚Moves‘ zur Vertiefung des Gründungsnarrativs: Eph 2,1–3,13
Wiederholung eines syntaktisch sperrigen Elements aus V.4–7 an den mittleren Unterabschnitt gekoppelt; in diesem Fall ist es die Parenthese V.5b, die in V.8a aufgenommen wird.577 Der rückläufige Bezug von V.8–10 wird durch den Gebrauch des Artikels bei χάρις in V.8a unterstrichen: die in V.8 thematisierte Gnade ist keine andere als die, von der bereits im Vorangehenden die Rede war. Auffällig ist in V.8–10 überdies, dass Kohäsion und Kohärenz sowohl in V.8 wie auch in V.10 jeweils durch γάρ verstärkt werden, gewinnen die Ausführungen dadurch doch einen argumentativ-kommentarartigen Charakter, der als solcher zumindest eine neue Nuance in das Gründungnarrativ einträgt. Dieser mit V.1–3 einerseits, V.8–10 andererseits um V.4–7 als Kern gelegte Rahmen weist schließlich seinerseits mit der zweifachen (V.2a.10c) περιπατεῖν ἐν-Konstruktion eine markante Inklusion auf. Diese unterstreicht die vorgenommene Abgrenzung nicht nur, sondern lässt zugleich die diskursive Grunddynamik des Abschnitts auf konzentrierte Weise hervortreten, indem der fehltritt- und sündenbehaftete ‚Todeswandel‘ des Einst (V.1–3) und der in ἔργοις ἀγαθοῖς erfolgende ‚Lebenswandel‘ des Jetzt (V.10; vgl. V.5: συνεζῳοποίησεν) einander antithetisch gegenübergestellt werden.578 Zur Struktur von Eph 2,11–22 V.2.1.2 Einen 2,1–10 im Grundsatz ähnlichen dreigliedrigen Aufbau mit einer mittleren Passage als sachlichem Zentrum, auf das zwei Rahmenstücke hingeordnet sind, weist auch der zweite Abschnitt 2,11–22 auf. Maßgebliches Signal für eine Gliederung in die drei Unterabschnitte V.11–13; V.14–18 und V.19–22 sind hier zunächst die Neuansätze, wie sie zum einen in V.14 mit dem betonten – vgl. das vorangestellte αὐτός – Subjektwechsel hin zur auf Christus referierenden 3.Sg., zum anderen mit der durch das folgernde ἄρα οὖν eingeleiteten Rückkehr zur 2.Pl. als grammatikalischem Subjekt in V.19 vorliegen. Der erste Unterabschnitt 2,11–13 erweist sich dabei ausweislich des (doppel579 ten ) ὅτι als thesenartige Explikation des dem eröffnenden Imperativ μνημο-
|| 577 Die Struktur von Eph 2,1–10 wird treffend von Gnilka, Eph, 113 beschrieben, wenn er festhält, dass die genannten „Wiederholungen […] die drei Teile miteinander [verknüpfen], und […] den gedanklichen Fortschritt an[deuten]“, wobei in den Mittelteil 2,4–7 „die verbindenden Repetitionsstücke parenthetisch eingesprengt sind“. 578 Vgl. Lincoln, Eph, 97. 579 Das erneute ὅτι in V.12 ist Wiederaufnahme des ersten ὅτι aus V.11, wie aus dem identischen Subjekt (2.Pl.) und dem zu ποτέ synonymen Ausdruck τῷ καιρῷ ἐκείνῳ hervorgeht. Bedingt ist diese explizite Markierung der Wiederaufnahme durch die appositionelle Ausgestaltung des Subjekts ὑμεῖς in V.11; Sellin, Eph, 191 Anm. 13 zufolge „erklären sich die determi-
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νεύετε zuzuordnenden Inhalts. Entworfen wird in zwei syntaktisch eigenständigen Sätzen erneut eine den Existenzzustand der fiktiven Adressaten betreffende Gegenüberstellung von Einst und Jetzt, wobei das in V.11f. skizzierte Einst wiederum (s.o. zu 2,1–10) als negative Hintergrundfolie für das in V.13 verhandelte Jetzt dient: So erscheint die Bestimmung χωρὶς Χριστοῦ in V.12 als prägendes Signum der vormaligen Existenz580, das dem – im Satzgefüge auffallend weit vorn platzierten – ἐν Χριστῷ Ἰησοῦ in der mit adversativem δέ (vgl. 2,4) eingeleiteten Schilderung des νυνί-Zustands kontrastiert. Der in sich abgerundete Charakter jener Gegenüberstellung ergibt sich wesentlich daraus, dass in V.13 mit dem Gegenüber von ‚fern‘ und ‚nah‘ eine neue semantische Basisopposition eingeführt wird581; die (appositionelle, vgl. V.11) Bezeichnung der ὑμεῖς als οἵ ποτε ὄντες μακράν dient dabei gleichsam als Zusammenfassung der in V.11f. gegebenen ποτέ-Zustandsschilderung. Denn solchermaßen ist mit der anschließenden Postulierung eines nunmehr erfolgten ‚Nahegewordenseins‘ der fiktiven Adressaten der Spannungsbogen im Grunde bereits einer Auflösung zugeführt.582 Entsprechend wird der zweite Unterabschnitt V.14–18 als Erläuterung des Vorangehenden eingeführt (γάρ). Näherhin handelt es sich um eine Entfaltung
|| nierenden Artikel τὰ (ἔθνη) und οἱ (λεγόμενοι)“ durch diesen appositionellen Charakter der Wendungen. Wiederum (vgl. Eph 2,1–3) wird also der auf die fiktiven Adressaten bezogenen Darstellung des Existenzzustands (vgl. die jeweils grundlegenden Formen von εἰμι im durativen Imperfekt bzw. Partizip) am Abschnittsbeginn breiter Raum gegeben. Einen bedeutsamen Unterschied zwischen den beiden Unterabschnitten stellt freilich die mit den Appositionen in Eph 2,11 einhergehende Verschiebung in der Referenz der 2.Pl. gegenüber 2,1–3 dar; vgl. dazu im Weiteren. 580 An den Ausdruck schließen sich zwei parallel gestaltete Doppelausdrücke an, die auf den übergeordneten Charakter des χωρὶς Χριστοῦ hinweisen, dessen Erläuterung sie zugleich in appositionsartiger Weise dienen. Siehe dazu näherhin im Folgenden. 581 Diese wird aufgegriffen in V.17, wo sie zugleich deutlicher als potentieller Anklang an Jes 52,7; 57,19 in den Blick kommen kann; vgl. dazu Stuhlmacher, „,Friede‘“, 347f., der den Abschnitt Eph 2,14–18 als christologischen Midrasch über Jes 9,5f.; 52,7; 57,19 anspricht. Die Gegenüberstellung von Nähe und Distanz findet sich auch in der jüdischen Proselytentheologie, die sich als motivgeschichtlicher Hintergrund nahelegt; vgl. Faust, Pax, 109f.; Sellin, Eph, 200. 582 Die Entfaltung des Einst-Jetzt-Kontrastes erstreckt sich freilich zumindest bis V.19, den Lincoln, Eph, 125 zu Recht als „key summarizing verse“ bezeichnet. Von entscheidender Bedeutung ist die durch den mittleren Abschnitt V.14–18 geleistete gedankliche Progression, in deren Folge die soteriologische Wende nicht einfach eine Inklusion der ἔθνη in die vorfindliche πολιτεία Israels bedeuten kann, wie V.12f. zunächst vermuten lassen könnte. Vielmehr wird deutlich, dass es sich um ein beide Parteien gleichermaßen umfassendes Neuschöpfungsgeschehen und also einen komplexeren Zusammenhang handelt.
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der entscheidenden ἐγενήθητε-Aussage aus V.13.583 Insofern ist V.14–18 in sprachlich-syntaktischer Hinsicht zwar wie ein erweiterungsartiger Exkurs eingeführt584, dient der Sache nach aber als Bezugsgrundlage für 2,13 und somit letztlich den ersten Unterabschnitt insgesamt. Dem entspricht, dass der in 2,11– 13 gezeichnete Spannungsbogen einer mit Fragen des Gottesverhältnisses verbundenen Überwindung der vormaligen Distanz zweier Menschheitsgruppen auch für die Aussagestruktur von 2,14–18 basisgebend ist. Die begrifflichen und motivischen Wiederaufnahmen zeigen dabei an, dass trotz der Einführung weiterer Basisoppositionen in V.14–18 (Frieden und Feindschaft, Zweiheit und Einheit) das gleiche Szenario wie im Vorangehenden im Blick ist.585 Diese Passage dient demnach zugleich als Interpretationshorizont, vor dem weiteres Licht auf die in V.11–13 beschriebene Konstellation fällt. Auf interner Ebene erhellt die Geschlossenheit des Unterabschnitts V.14–18 insbesondere aus seiner christozentrischen Ausrichtung: Bis einschließlich V.17 – und im Kontext der Sequenz 2,1–3,13 überhaupt nur hier – ist Christus durchgängig grammatikalisches Subjekt; auch V.18 kommt ausweislich des δι’ αὐτοῦ gleichsam ‚von Christus her‘. Auf dieser Linie liegt ebenfalls der dreifache Gebrauch des in V.14 geradezu als Christusprädikat erscheinenden Begriffs εἰρήνη zu Beginn (V.14a), in der Mitte (V.15) sowie gegen Ende des Unterabschnitts (V.17); der Begriff dient gewissermaßen als ‚Achse‘ in V.14–18.586 Der in V.18 zu || 583 Diese Zuordnung wird schon dadurch angezeigt, dass das αὐτός in V.14 sich maßgeblich auf das unmittelbar vorangehende τοῦ Χριστοῦ zurückbezieht. Dieses aber steht im Zusammenhang des Ausdrucks ἐν τῷ αἵματι τοῦ Χριστοῦ, das mit dem ἐγενήθητε zu verbinden ist. Denn die mit der Wendung ‚in Christus‘ o.ä. sonst häufig verbundene Qualifikation des Gesamtsatzes kommt in V.13 bereits dem ἐν Χριστῷ Ἰησοῦ zu Satzbeginn zu. Es geht in V.14–18 also um das, was Christus gerade ausweislich seines ‚Blutes‘ und also seines Kreuzestodes (vgl. V.16a) ist. Entsprechend verweisen die unter Heranziehung des Personalpronomens αὐτός gebildeten und insofern auf Christus verweisenden ἐν-Wendungen in V.14–18 – ἐν τῇ σαρκὶ αὐτοῦ V.14d; ἐν αὐτῷ V.15b.16b; vgl. auch das δι’ αὐτοῦ V.18 – auf Christus als den Gekreuzigten. Von daher liegt es nahe, die im Unterschied dazu ohne αὐτός gebildeten Präpositionalwendungen εἰς ἕνα καινὸν ἄνθρωπον V.15b und ἐν ἑνὶ σώματι V.16a demgegenüber mit einer anderen Referenz zu versehen; vgl. dazu im Folgenden. 584 Vgl. den stilistisch herausgehobenen Charakter von Eph 2,14–16 sowie die abrundende Aufnahme des Nah-Fern-Motivs aus V.13 in V.17 samt anschließender näherer Entfaltung des gegenwärtigen Heilszustandes in V.18. 585 Vgl. insbesondere die erneute (siehe V.13) Bezeichnung der fiktiven Adressaten als ‚die Fernen‘ in V.17 sowie den sachlichen Zusammenhang zwischen der περιτομή/ἀκροβυστίαThematik (V.11) und dem νόμος in V.14f. 586 Dieser im weiteren Schreiben zumeist an makrostrukturell herausgehobenen Stellen (vgl. Eph 1,2; 4,3; 6,15.23) begegnende und entsprechend gewichtige Begriff erhält seine maßgebliche textinterne Füllung mithin in diesem Abschnitt.
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verzeichnende Gebrauch der 1.Pl. (ἔχομεν) schlägt zudem den Bogen zurück zu V.14a (ἡμῶν); diese Klammer unterstreicht – zumal es sich um die einzigen Belege für die 1.Pl. in 2,11–22 handelt – die beschriebene Abgrenzung. Das einleitende ἄρα οὖν weist den dritten Unterabschnitt V.19–22, dessen Geschlossenheit schon durch die syntaktische Kohäsion angezeigt wird587, als resultative Folgerung aus dem Vorangehenden aus, für die ein rückverweisender Bezug konstitutiv ist. Die strukturtragende οὐκέτι-ἀλλά-Aussage bringt es dabei mit sich, dass die Gegenüberstellung von Einst und Jetzt indirekt ein weiteres Mal durchgespielt wird, und zwar auf der Grundlage von semantischem Material aus dem Vorangehenden – bzw. präziser: Durch Aufnahme des semantischen Materials aus V.11f. wird der dortige Spannungsbogen ein weiteres Mal (s.o. zu V.13) und nunmehr auf der identischen semantischen Ebene aufgelöst. Zugleich aber tritt mit V.21f. die prospektive Dimension in den Vordergrund, wodurch gemäß der temporalen Strukturierung der Gründungsgeschichte der Abschnitt 2,11–22 insgesamt abgerundet wird. Letzteres bestätigt sich dadurch, dass das abschließende (und entsprechend achtergewichtige) ἐν πνεύματι, das den gegenwärtigen Existenzzustand charakterisiert, in antithetische Entsprechung tritt zu dem mit dem ποτέ assoziierten ἐν σαρκί in V.11. Als übergreifender abschnittsinterner Bogen deutet sich für 2,11–22 somit an, dass das Verhaftetsein ‚im Fleisch‘ (V.11) ‚in‘ der Sarx Christi (V.14) überwunden wird zugunsten eines gemeinschaftlichen Selbstvollzugs ‚in einem Geist‘ (V.18.22).588 Dies bestätigt die Funktion von V.14–18 als „Mittelachse“589 im Zusammenhang von 2,11–22. V.2.1.3 Zur Struktur von Eph 3,1–13 Auch die Gliederung des dritten Abschnitts Eph 3,1–13 steht in enger Wechselwirkung mit Fragen der syntaktischen Struktur: Der ‚Aufschlag‘ in V.1 verbleibt zunächst anakoluthhaftes Fragment (vgl. 2,1–3, ähnlich auch 2,11) und wird erst in 3,14 fortgeführt.590 Dazwischen ist V.2–13 als „extensive Parenthese“591 einge-
|| 587 Die Konstruktion ist freilich wiederum recht ‚aufgebläht‘ infolge der partizipialen und relativischen Erweiterungen des Gefüges; eine gewisse Verselbständigungstendenz lässt insbesondere der Gen. abs. V.20b erkennen. 588 Zu diesem Sarx-Pneuma-Dualismus in Eph 2,11–22 und seinen traditionsgeschichtlichen Hintergründen vgl. Faust, Pax, 122ff. 589 Sellin, Eph, 192. 590 Alle drei Abschnitte der Sequenz Eph 2,1–3,13 werden somit durch Textsegmente (2,1–3; 2,11; 3,1) eröffnet, die ein Gefälle auf das Folgende aufweisen, was die hier vorgeschlagene Gliederung bestätigt.
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fügt. Diese setzt sich zusammen aus den beiden Satzgefügen V.2–7 und V.8–12 und wird – wie auch der Abschnitt 2,11–22 – durch einen eigenständigen Folgerungssatz (διό) in V.13 abgeschlossen (vgl. 2,19–22). Seiner Einbindung in die makrokontextuelle Strukturierung des Aussagegangs in Eph 1–3 (s.u.) unbenommen kommt dem Neuansatz 3,1 auf mikrokontextueller Ebene die Funktion einer thematischen Hinführung auf V.2ff. zu, insofern in V.1 der Auftrag des Apostels in seiner Eigenart und Hinordnung auf die in Aufnahme von 2,11 als ἔθνη bezeichneten fiktiven Adressaten programmatisch in den Blick gerückt wird592; 3,1 ist daher als ‚Initialzündung‘ für die anschließende Parenthese anzusehen und inhaltlich in diese einzubeziehen. Dem entspricht, dass die Konklusion in V.13 Rückbezüge auf V.1 aufweist: Hier wird erneut Bezug genommen auf das Geschick des Paulus – die Rede von den θλίψεις, denen er sich ausgesetzt sieht, korrespondiert mit seiner Bezeichnung als δέσμιος in V.1 – in seiner Heilsrelevanz für die fiktiven Adressaten (vgl. das erneute ὑπὲρ ὑμῶν).593 V.1 und V.13 dienen demnach als Rahmen für V.2–12 – zugleich aber, auf makrokontextueller Ebene, als Scharnier, das dem anschließenden Fürbittgebetsbericht den Weg bereitet.594 Die beiden asyndetisch miteinander verbundenen Satzgefüge V.2–7 und V.8–12 lassen Parallelisierungstendenzen erkennen595, so dass dieser Kern der Parenthese – im Unterschied zu dem dreigliedrigen Aufbau von 2,1–10 bzw. 2,11–22 – eine zweigliedrige Anlage aufweist. Strukturierende Funktion in 3,1– 13 kommt der dreifachen Erwähnung der dem Paulus zuteilgewordenen χάρις zu (vgl. 2,1–10): Dieses Motiv begegnet erstmals in V.2 und wird sodann in V.7 ein erstes, in V.8 ein weiteres Mal aufgenommen. Somit fungiert es zum einen als den Unterabschnitt V.2–7 zusammenhaltende Klammer596, zum anderen als || 591 Sellin, Eph, 245. 592 Gnilka, Eph, 162 spricht – wenn auch zunächst lediglich auf „[d]as betonte ‚ich, Paulus‘“ bezogen – treffend von „Themenangabe“. 593 So besonders mit Schnackenburg, Eph, 129. 594 Das αἰτοῦμαι als Hauptverb in V.13 steht in semantischer Affinität zu der feierlichen Gebetseinleitung in V.14, ist aber wohl – wie es der kommunikativen Stoßrichtung des Abschnitts entspricht – als ein an die fiktiven Adressaten gerichtetes Bitten des Apostels zu verstehen. Demgegenüber versteht u.a. Sellin, Eph, 270–272 V.13 als die Bitte des Apostels, er selbst möge in der Drangsal, der er sich ausgesetzt sieht, nicht verzagen. Damit wäre aber Gott bereits in Eph 3,13 als Adressat der Bitte vorausgesetzt. Dies aber reibt sich mit der nachfolgenden feierlichen Einleitung in V.14f., insofern diese dann ja keinen Wechsel in der kommunikativen Ausrichtung mehr bedeuten würde. 595 Vgl. Jeal, Theology, 165. 596 Der chiastische Aufbau, den Lona, Eschatologie, 279–281 für V.2–7 aufzuweisen versucht, vermag aber nicht zu überzeugen.
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Eröffnung des zweiten Unterabschnitts, wodurch zugleich das parallelisierende Aufbauschema angedeutet wird.597 An das Motiv dieser persönlichen Gnadengabe ist ein weiteres, nicht weniger grundlegendes Parallelisierungsmoment gekoppelt, nämlich das in beiden Unterabschnitten zu verzeichnende Gegenüber von einstmaliger Verborgenheit des μυστήριον und seinem nunmehr (νῦν) gegebenen Offenbartsein bzw. seinem sich nunmehr vollziehenden Offenbartwerden. Die beiden Unterabschnitte stehen dabei nicht unverbunden neben-, sondern greifen vielmehr ineinander, insofern letztlich eine sukzessive Weitung des Empfängerkreises dieses Offenbarungsgeschehens zu konstatieren ist.598 Dieses Offenbarungsgeschehen findet dem Textgefälle nach bei der Person des Apostels nicht nur seinen Anfangspunkt, sondern mit der Hinausführung seines Auftrags verkörpert Paulus gleichsam die maßgebliche Schaltstelle in diesem Ausweitungsprozess.599 Die strukturell basisgebende Funktion des solchermaßen in den beiden Unterabschnitten doppelt durchlaufenen Revelationsschemas600 lässt die ‚zweite‘ νῦν-Aussage in 3,10 als Fluchtpunkt des gesamten Aussagegangs erscheinen. Hierzu fügt sich die Beobachtung, dass V.11f. ausweislich der Einleitung mit einer nachklappenden κατά-Wendung ausklingenden Charakter hat, wobei zugleich Bögen in weiter voranliegende Passagen des Gründungsnarrativs geschlagen werden.601 Somit dient der ἵνα-Passus in 3,10–12 als Zielpunkt der Sequenz 2,1–3,13 gleichermaßen ihrer Gesamtabrundung.
|| 597 Die beiden nachklappenden κατά-Wendungen in V.7 unterstreichen den einstweiligen Ruhepunkt, dem der Aussagegang mit V.7 zugeführt wird. Dem entspricht der vorausweisende Charakter von V.8a, wie er durch das kataphorische αὕτη angezeigt wird. Beide Beobachtungen bekräftigen den Einschnitt nach V.7. Gegen Gnilka, Eph, 160ff., der in V.1–6 und V.7–12 untergliedert und V.13 (zumindest vorrangig) zum Folgenden zieht. 598 Das Ineinandergreifen der beiden Abschnitte schlägt sich auf der Ebene der temporalen Struktur auch darin nieder, dass das prospektive Element dem zweiten Abschnitt vorbehalten bleibt, mithin das Zeitschema des Gründungsnarrativs in V.2–7 noch nicht vollständig durchlaufen wird. 599 Vgl. die Charakterisierung der beiden Abschnitte bei Schlier, Eph, 147: Der „Heilsvorgang der Offenbarung des Geheimnisses Christi“ werde „in zweifacher Hinsicht“ dargelegt, nämlich in V.2–7 hinsichtlich der Offenbarung an den Apostel, in V.8–12(13) hinsichtlich der Offenbarung durch ihn. 600 Vgl. auch die Analyse bei Gese, Vermächtnis, 234–236. 601 Zum πρόθεσις-Motiv (Eph 3,11) vgl. Eph 1,9.11; zur προσαγωγή (3,12) vgl. 2,18.
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V.2.1.4 Zum Zusammenhang der drei Abschnitte Der abgerundete Charakter der drei Abschnitte, wie er aus den dargelegten Beobachtungen zu ihrem geschliffenen Aufbau erhellt, lässt diese – in anachronistischer Aufnahme eines Begriffs aus der gegenwärtigen homiletischen Theoriebildung602 – als drei relativ eigenständige ‚Moves‘ erscheinen. Diese sind nun aber durchaus nicht einfach wie Perlen an einer Schnur aufgereiht. Vielmehr sind die Zäsuren in 2,11 und 3,1 auch in ihrer kohärenzanzeigenden und -stiftenden Funktion ernst zu nehmen und die Abschnitte auf ihr Ineinandergreifen hin zu befragen – zumal im Vorangehenden durchaus bereits abschnittübergreifende Gemeinsamkeiten, die über die temporale Struktur hinausreichen, in den Blick gekommen sind. Tatsächlich lässt sich ein solcher innerer Zusammenhang an einigen markanten Punkten festmachen. Für das Verhältnis von 2,1–10 und 2,11–22 ist zunächst die Beobachtung anzuführen, dass in beiden Abschnitten der in Eph 1 vorgeprägte christologische Handlungsstrang als konzeptionelles Rückgrat dient. In 2,1–10 ist dies die in 1,20–23 vorgegebene, in 2,5 als ,Lebendigmachung‘ überschriebene Handlungsfolge aus Auferweckung und Einsetzung der Wir-Gruppe ἐν τοῖς ἐπουρανίοις. Diese Folge kommt nämlich auch in 2,4–6 aus einer letztlich christologisch orientierten Perspektive heraus zur Sprache, insofern sie als Teilhabe an einem Handeln Gottes an Christus beschrieben wird, wie das den Verben jeweils vorangestellte Präfix συν- anzeigt.603 Ausgespart (wenn auch der Sache nach vorausgesetzt) wird in 2,1–10 indes eine eigenständige Aussage über das Sterben Christi.604 Eine solche findet sich (zumindest indirekt) vielmehr alleinstehend im Zusammenhang des Abschnitts 2,11–22, nämlich in der ‚Blutaussage‘ in 2,13 – die dort durch den zentralen Unterabschnitt 2,14–18 erläutert wird bzw. sachlich auf diesem basiert.
|| 602 Vgl. für den deutschsprachigen Bereich grundlegend Nicol, Bild. 603 Dem entspricht auch, dass in Eph 2,4 die Liebe Gottes zur Wir-Gruppe als movens seines Heilshandelns benannt wird. Denn auch hierin liegt eine implizite Ausweitung seines auf Christus bezogenen Handelns vor, wurde Christus doch in 1,6 als ὁ ἠγαπημένος bezeichnet. Die unterschiedlichen Verbalformen sind dabei aufschlussreich: Wenn von der Liebe Gottes in partizipialer Form die Rede ist, so wird der Akzent auf einen tätigen, andauernden Charakter dieser Zuwendung gelegt. Wenn demgegenüber im Aorist von der Liebe des Vaters zur WirGruppe die Rede ist, so ist darin auf das Christusgeschehen als Kristallisationspunkt der Liebe des Vaters hingewiesen, in dem sich diese im Weltzusammenhang in besonderer Weise Bahn gebrochen hat. Entsprechend ist von den Glaubenden als τέκνα ἀγαπητά (5,1) die Rede, und das Prädikat ἠγαπημένος bleibt im Epheserbrief Christus vorbehalten. 604 Zum Verständnis des Todes Jesu im Epheserbrief vgl. insgesamt auch Gerber, „Erlösung“.
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Diese Verteilung von Todes-, Auferweckungs- und Erhöhungsaussage auf zwei unterschiedliche ‚Atemzüge‘ entspricht nun (in umgekehrter Reihenfolge) der Entfaltung des christologischen Handlungsstrangs in 1,3–14.19b–23. Denn auch hier begegnet die explizite Blut-/Kreuzesaussage isoliert (1,7), während Auferweckung und Erhöhung Christi im Verbund referiert werden (1,20). Somit ist die indirekt christologisch orientierte Handlungsfolge in 2,6 offen für ihre Ergänzung durch den auf den Tod Christi fokussierenden Folgeabschnitt; es entsteht ein unterschwelliger Verweiszusammenhang zwischen den beiden Abschnitten.605 Dies wird bestätigt durch weitere auf 2,11–22 vorausweisende Elemente, die angesichts ihrer Stellung am Ende des Abschnitts 2,1–10 stärker ins Auge (bzw. Ohr) fallen mögen: Anzuführen sind vor allem das Motiv des schöpferischen ‚Erschaffens in Christus‘ (κτίζειν ἐν Χριστῷ Ἰησοῦ bzw. ἐν αὐτῷ, 2,10 bzw. 2,15606) sowie die Thematik des ‚Sich-Rühmens‘ in 2,9, die das in 2,11 skizzierte Szenario präludiert.607 Was für die Entfaltung des Gründungsnarrativs insgesamt gilt, gilt somit auch für die drei Abschnitte der Sequenz 2,1–3,13: Es wird mit ‚Platzhaltern‘ gearbeitet, die durch Nachfolgendes aufgefüllt werden. Unterstreicht dieser Befund zunächst das enge Wechselspiel der ersten beiden Abschnitte, so knüpft auch der dritte Abschnitt 3,1–13 an Impulse aus dem Vorangehenden an, und zwar maßgeblich aus 2,11–22. Neben dem in der Aufnahme der Anrede der fiktiven Adressaten als ὑμεῖς τὰ ἔθνη (3,1; vgl. 2,11) angezeigten Rückbezug ist das Motiv der Evangeliumsverkündigung (εὐαγγελίζεσθαι 2,17; 3,8; vgl. εὐαγγέλιον 3,6) als ein maßgebliches Koppelungselement zwischen diesen beiden Abschnitten anzusehen. Gemäß 2,17 erscheint dabei Christus selbst als Instanz, die dieses Geschehen initiiert, und dies – wie der dortige Merismus bei der Bestimmung des Empfängerkreises anzeigt – gerade auch in seiner universalen Ausrichtung. Angesichts dessen ist die Verkündigungstätigkeit des Paulus kraft der ihm zugeeigneten Gnade letztlich Hineinnahme in diesen durch Christus inaugurierten Vorgang – mit der sukzessiven Weitung
|| 605 Des durchgängig mitgeführten ekklesiologischen Aussageinteresses unbeschadet lassen die beiden Abschnitte somit ein christologisches Rückgrat erkennen. Zumal dies auch für Eph 1,19b–23 gilt, wird deutlich, wie sehr die Ekklesiologie im Epheserbrief gerade von der Christologie her entwickelt wird. 606 Der Gedanke der (Neu-)Schöpfung verbindet die beiden Abschnitte somit über die jeweils unterschiedlichen semantischen Basisoppositionen hinaus. Das Subjekt des Schöpfungsgeschehens – Gott in Eph 2,10, Christus in 2,15 – differiert dabei freilich, was sich aber in die bereits beobachtete Tendenz des Epheserbriefs zur Herausstellung der Handlungseinheit zwischen Vater und Sohn fügt. 607 Vgl. dazu im Folgenden.
222 | Drei ‚Moves‘ zur Vertiefung des Gründungsnarrativs: Eph 2,1–3,13
des Kreises der Offenbarungsempfänger in 3,1–13 korrespondiert somit eine Ausweitung der Subjekte der Evangeliumsverkündigung. Vorbereitet wird ebendies aber durch die Erwähnung der ‚Apostel und Propheten‘ in 2,20 (vgl. 3,5), wenn diesen dort gerade in differenziertem Zusammenhang mit Christus eine grundlegende Rolle für den ekklesialen Bau zugesprochen wird.608 Insofern fußt der Abschnitt 3,1–13 wesentlich auf dem vorangehenden Abschnitt 2,11–22. Dem entspricht nur, dass die Neuformulierung (vgl. 1,10bc) des Inhalts des μυστήριον in 3,6 unter Aufnahme von Material aus 2,11–22 erfolgt. Dies schließt auch die dort vorgeprägte (vgl. συμπολῖται 2,19; συνοικοδομεῖσθε 2,22) horizontale, auf die zwischenmenschliche Ebene bezogene Ausrichtung der συν-Semantik ein, die der auf die Christusbeziehung gehenden und somit vertikal orientierten Verwendungsweise in 2,5f. eine weitere maßgebliche Facette hinzufügt. Obgleich 3,1–13 wie gesehen durchaus im Rückbezug auch auf 2,1–10 steht und letztlich der Abrundung der Gesamtsequenz dient, so erweisen die vorstehenden Beobachtungen doch insgesamt den mittleren Abschnitt 2,11–22 als Gravitationszentrum der Sequenz, auf das der erste Abschnitt zustrebt und das den dritten Abschnitt aus sich heraussetzt. Gleichermaßen gilt indes, dass auch für 2,11–22 die umgebenden Abschnitte als Leseanweisung bzw. Interpretationsrahmen fungieren. Solchermaßen wird der Aufbau textinterner, lektürebezogener Schemata befördert. Damit aber wird zum einen unterstrichen, dass der tatsächliche Textfluss für die Entwicklung der spezifischen kommunikativen Dynamik der Sequenz von tragender Bedeutung und insofern im Zusammenhang der weiteren Analyse zu berücksichtigen ist – die obige Charakterisierung der Eigenart der Sequenz als ‚Hineinschrauben in das Gründungsnarrativ‘ ist also geradezu wörtlich zu verstehen: Windung um Windung vollzieht sich dies, und zwar in einer als solcher zu beachtenden Reihenfolge. Zum anderen erscheint es vor diesem Hintergrund als sachgemäß, den exponierten Imperativ μνημονεύετε in 2,11 zugleich als übergeordnete Instruktion für die Gesamtsequenz zu verstehen, zumal der anamnetische Impetus auch in 3,2–4 explizit signalisiert wird.609
|| 608 Zur inhaltlichen Analyse vgl. im Weiteren. 609 Zum Aspekt der Anamnese vgl. Schnackenburg, Eph, 102; zur übergeordneten Bedeutung von Eph 2,11 vgl. Jeal, Theology, 148 Anm. 377.
Aufbau und diegetisches Profil der Sequenz | 223
V.2.2
Diegetisches Profil
Die sprachliche Gestaltung von Eph 2,1–3,13 weist in allen drei Abschnitten Merkmale auf, die eine Zuordnung zur diegetischen Ebene des Gründungsnarrativs zu plausibilisieren vermögen.610 Hinsichtlich Eph 2,1–10.11–22 ist insbesondere darauf hinzuweisen, dass dies gerade für die beiden zentralen Unterabschnitte des jeweils dreigliedrigen Gefüges gilt. So beruht zum einen 2,4–7 ganz auf der einschlägigen Theozentrik, die in plerophorer Weise auf das grundlegend durch seinen Christusbezug geprägte und im Aorist zur Sprache gebrachte Gotteshandeln an der 1.Pl. fokussiert. Weitere sprachliche Beobachtungen – insbesondere die figura etymologica in V.4 sowie die Verwendung von Begriffen, die die Plerophorie des göttlichen Handelns, durch das Gott sich in seinem Wesen zu erkennen gibt, auch semantisch zum Ausdruck bringen611 – bestätigen dies. Den oben bereits angedeuteten konzeptionellen Verbindungslinien ist ferner nicht zuletzt der Aspekt hinzuzufügen, dass auch nach Auskunft von V.7 das göttliche Wirken letztlich auf den Erweis seiner χάρις zielt, in der sich gemäß 1,6 die δόξα Gottes in besonderer Weise manifestiert. 2,14–18 nähert sich – insbesondere mit den strukturtragenden Aoristpartizipien in V.14–16 – dem Duktus der Eulogie sogar noch weiter an – allerdings mit dem bezeichnenden und für die theologische Gesamtkonzeption des Schreibens signifikanten Unterschied, dass nicht Gott, sondern Christus als handelndes Subjekt erscheint. Dieses Herzstück der Sequenz 2,1–3,13 stellt auf diese Weise die im Epheserbrief auch andernorts (vgl. 5,2.25) zu beobachtende Profilierung des Todes Jesu als Heilsdatum im Sinne eines maßgeblich auf sein eigenes Handeln zurückzuführendes Geschehen heraus – das freilich von Grund auf integriert ist in die Heilsökonomie des göttlichen Ratschlusses, wie schon aus 1,5 hervorgeht. Auch der Abschnitt 3,1–13 spielt kräftig auf der sprachlichen Partitur des Gründungsnarrativs. Entsprechende Akzente finden sich vor allem darin, dass zum einen die Kernaussagen zur Gnadengabe an den Apostel sowie zum Offenbartwerden des Mysteriums im auf den göttlichen Urheber verweisenden aoristischen Passiv gehalten sind. Zum anderen werden in diesem Abschnitt wiederum auch die – letztlich auf den protologisch gefassten göttlichen Heilsplan verweisenden – κατά-Phrasen als koordinierendes Gestaltungsmittel zum Zuge gebracht (3,7.11).
|| 610 Im Einzelnen wird dieser grundsätzliche Befund freilich noch etwas zu differenzieren sein; siehe dazu im Folgenden. 611 Vgl. πλούσιος, πολύς (V.4) und ὁ ὑπερβάλλων πλοῦτος (V.7).
224 | Drei ‚Moves‘ zur Vertiefung des Gründungsnarrativs: Eph 2,1–3,13
Mit diesem Befund korrespondiert zunächst nur, dass die inklusive 1.Pl. als die für die diegetische Ebene des Gründungsnarrativs maßgebliche Erzählinstanz sich in allen drei Abschnitten zu Wort meldet.612 Vor diesem Hintergrund erscheint nun aber der extensive Gebrauch, den die Sequenz von 1.Sg. und 2.Pl. macht, als bemerkenswert, wurde das Wechselspiel von 1.Sg. und 2.Pl. doch wesentlich mit der diegetischen Ebene der fiktiven Kommunikationssituation zwischen Verfasser und Adressaten in Verbindung gebracht. Auf ebendieser Ebene sind denn die Scharnierstücke 2,11; 3,1.(2–4.)13 auch tatsächlich zu situieren; die fiktive Kommunikationssituation dient mithin als Rahmen für die vertiefende Ausarbeitung des Gründungsnarrativs. Jedoch dominiert die Ausrichtung auf 2.Pl. und – zumal nach 3,1 – 1.Sg. die Sequenz in den einzelnen ‚Moves‘ in einer noch tiefgreifenderen Weise. Diese lässt sich mit dem Verweis auf einen dem Ihr-Stil eigenen applikativen, der rhetorischen Verstärkung dienenden Grundzug noch nicht hinreichend erklären. Insgesamt verfestigt sich in 2,1–3,13 vielmehr eine Tendenz, die bereits in der Briefeingangseulogie angelegt war und die gleichsam als ein Hineinziehen der fiktiven Kommunikationssituation in den Zusammenhang des Gründungsnarrativs beschrieben werden kann; diese Tendenz ist zugleich prägend für das besondere diegetische Profil der Sequenz, wie nachfolgend zu erläutern ist. Zu erinnern ist im Blick auf die 2.Pl. zunächst daran, dass mit 1,13 ein auf die fiktiven Adressaten bezogener biographisierender Erzählstrang in das diegetische Geflecht des Gründungsnarrativs eingezogen worden ist. Diesem wurde eine prototypisierende Stoßrichtung zugesprochen, insofern auf ihm offenbar die Frage nach der konkreten Appropriation des Heilsgeschehens durch die menschlichen Subjekte in grundlegender Weise behandelt wird. Ebendieser Erzählstrang wird nun in 2,1 aufgegriffen, wenn hier die Existenz der fiktiven Adressaten gewissermaßen vor den in 1,13 geschilderten Ereignissen und also ihrer Hinwendung zum Christusglauben charakterisiert wird. Dies geschieht jedoch ausweislich des aus 1,7 übernommenen παραπτώματα-Motivs unter Verschränkung mit dem Leitfaden des Gründungsnarrativs. Dadurch aber wird nahegelegt, dass im Modus der biographisierenden Anwendung auf die fiktiven Adressaten wiederum ein Sachverhalt zur Darstellung
|| 612 Eph 2,3–7.10; 2,14.18; 3,11f. Bezeichnend für die enge Koppelung von 1.Pl. und inklusivekklesialer Wir-Gruppe im Epheserbrief ist die Beobachtung, dass auch in dem Abschnitt 2,11– 22, der innerhalb der Gruppe des gemeinchristlichen ‚Wir‘ Differenzierungen einführt, die 1.Pl. konsequent dem inklusiven ‚Wir‘ vorbehalten bleibt. Als markant nimmt sich in dieser Hinsicht v.a. 2,17 aus: In der ansonsten parallel aufgebauten Objektkonstruktion tritt dem ὑμῖν eben kein ἡμῖν gegenüber.
Aufbau und diegetisches Profil der Sequenz | 225
kommt, der letztlich für die Wir-Gruppe überhaupt charakteristisch ist. Der in 2,3 zu verzeichnende Wechsel in die 1.Pl. macht diesen Zusammenhang dann tatsächlich explizit – in funktionaler Hinsicht entspricht das καὶ ἡμεῖς πάντες dem καὶ ὑμεῖς aus 1,13; in beiden Fällen werden die fiktiven Adressaten inkludiert in die umfassendere Wir-Gruppe. Der Gebrauch der 1.Pl. in dem zentralen Unterabschnitt 2,4–7 erscheint dann als folgerichtig; das bereits in der Parenthese in V.5b zu konstatierende und in 2,8–10 ausgebaute Changieren zwischen 1. und 2.Pl. in 2,8–10 kann dann in der Tat wesentlich auf einen textsortengemäßen applikativen Grundzug verbucht werden. Umso markanter nimmt sich vor diesem Hintergrund aber die Beobachtung aus, dass mit 2,11 eine Verschiebung im Profil der 2.Pl. und somit der fiktiven Adressaten zu beobachten ist. Ihrer grundlegenden Charakterisierung durch die adscriptio in 1,1 tritt hier nämlich eine weitere Bestimmung zur Seite, die auf der Bezeichnung ἔθνη aufbaut (vgl. 3,1). Dabei deutet nichts darauf hin, dass der fiktive Verfasser sich selbst in dieses Kollektiv mit einschließen würde (wie dies von den Bedingungen der fiktiven Kommunikationssituation ja ohnehin nicht zu erwarten ist); es handelt sich bei dem ἔθνη-Sein mithin um ein Merkmal, das keinesfalls für die Wir-Gruppe überhaupt konstitutiv ist, sondern offenbar lediglich für einen Teil derselben, dem die fiktiven Adressaten zugehören. Dieses Merkmal stellt nun aber – wie die Fortsetzung in 2,11–3,13 zeigt – durchaus kein Adiaphoron dar, sondern steht vielmehr mit dem Kern des Gründungsnarrativs in einem unmittelbaren Zusammenhang. Auf diese Weise deutet sich an, dass die Verhältnisbestimmungen zwischen 1.Sg. und 1./2.Pl. nach 2,11 eine weitergehende Differenzierung erfahren. Eine bedeutsame pragmatische Implikation besteht dabei darin, dass das ἔθνη-Sein im Epheserbrief auf diese Weise gleichsam zum Paradigma christusgläubiger Existenz gemacht wird. Zu den weiteren hier zu benennenden diegetischen Eckpfeilern zählt nicht zuletzt, dass sich mit der nachdrücklichen Fokussierung auf die 1.Sg. in 3,1 als Auftakt der anschließenden Parenthese die Eröffnung eines weiteren biographisierenden Erzählstranges verbindet, der nun aber auf die Person des Paulus fokussiert. Dieser Erzählstrang ist in der oben beschriebenen Weise an den christologisch erweiterten Leitfaden des Gründungsnarrativs angedockt – und zwar gerade dort, wo die Frage der konkreten Heilszueignung (für die ja die Evangeliumsverkündigung entscheidende Voraussetzung ist; vgl. 1,13) thematisch wird. Zugleich wird dieser Erzählstrang aber dem auf die Biographie der Adressaten bezogenen Erzählstrang zugeordnet, insofern die dem Paulus zugeeignete Gnade zur Ausrichtung des Evangeliums unter den Völkern (bzw. die Erfüllung dieses Auftrags durch den Apostel) in der Textwelt die sachliche Voraussetzung dafür darstellt, dass den fiktiven Adressaten als ἔθνη ebenjenes
226 | Drei ‚Moves‘ zur Vertiefung des Gründungsnarrativs: Eph 2,1–3,13
überhaupt bekannt werden konnte (s.o. II.3). Der auf Paulus bezogene Erzählstrang bietet damit gleichsam den ‚missing link‘ im Ensemble der Erzählstränge der ekklesialen Gründungsgeschichte. Die Vertiefung des Gründungsnarrativs im Zusammenhang der Sequenz Eph 2,1–3,13 ist somit insgesamt von einer Komplexitätssteigerung gekennzeichnet613 und lässt in ihrer Anlage einen spiralförmigen Charakter erkennen. Nachfolgend soll daher die temporale Struktur des Gründungsnarrativs als Leitfaden herangezogen werden, um dessen einzelne Etappen, wie sie in Eph 2,1– 3,13 verhandelt werden, nacheinander querschnittsartig zu beleuchten. Ausgangspunkt dieser abschnittübergreifenden Betrachtung stellen die jeweils maßgeblichen Textsegmente dar, wie sie auf Grundlage der vorangehenden Ausführungen benannt werden können.
V.3
Querschnitt I: Das ποτέ als Hintergrundfolie
Gemäß der vorangehenden Analyse finden sich die maßgeblichen Textsegmente für die Erhebung des in der Sequenz Eph 2,1–3,13 entfalteten ποτέ-Konzepts einerseits – im Blick auf die Frage nach dem Heilsstand der Wir/Ihr-Gruppe – in 2,1–3 und 2,11f. sowie andererseits – hinsichtlich der um das μυστήριον entfalteten Revelationsthematik – in den Bemerkungen in 3,5.9. Insofern die Revelationsthematik letztlich in die soteriologische Frage integriert ist, kommt den beiden genannten Passus in Eph 2 grundlegende Funktion zu. Das Bild ist dabei zu ergänzen durch weitere, teils indirekte Aussagen über das ποτέ, die sich im Zusammenhang der Ausführungen zu den anderen Etappen der Handlungssequenz (Wende, Jetzt) ergeben.614 Gleichermaßen kann nachfolgend angeknüpft werden an die bereits im Vorangehenden angedeuteten übergreifenden Charakteristika des ποτέ-Konzepts. So geht etwa aus dem Verweis auf die verschiedenen Basisoppositionen, die die Abschnitte prägen, hervor, dass Einst und Jetzt einander offenbar in wesentlich antithetischer Weise gegenüberstehen. Dies allerdings lässt vermuten, dass mit
|| 613 In dieses Bild fügen sich die Verschiebungen im Duktus, der in der Sequenz insgesamt einen stärker argumentativen, auf diskursive Kohärenz ausgerichteten Charakter annimmt. Vgl. das begründende γάρ in Eph 2,8.10.14 (nur hier in Eph 1–3), kausales ὅτι in 2,18, das εἴ γε in 3,2 sowie die Neuansätze mit Folgerungscharakter in 2,11.19; 3,1.13. 614 Zu nennen sind hier insbesondere Eph 2,8bc.9.13.14–18.19a. Eine derartige wechselseitige Erhellung der Ebenen gilt freilich auch darüber hinaus, was den heuristischen Charakter der hier vorgenommenen Differenzierungen verdeutlicht.
Querschnitt I: Das ποτέ als Hintergrundfolie | 227
einer solchen Gegenüberstellung auch Analogiebildungen bzw. Parallelisierungen struktureller Art einhergehen können. Dem wird im Weiteren nachzugehen sein. Angesichts des Ineinandergreifens der Abschnitte ist dabei einem methodologischen Primat der Leserichtung zu folgen und entsprechend mit der Analyse von 2,1–3 als dem Leitakkord einzusetzen.
V.3.1
Analyse von Eph 2,1–3
V.3.1.1 Syntaktische Struktur Die komplexe sprachliche Struktur von 2,1–3 macht einige Vorklärungen erforderlich. Die Passage basiert insgesamt auf V.1 als der aus V.4–6 vorgezogenen – in V.5 dann in modifizierter Form wiederholten – Objektphrase (s.o.). Diese besteht aus dem akkusativischen, auf das συνεζῳοποίησεν in V.5 vorausweisenden ὑμᾶς samt attributivem Partizipialausdruck. Durch letzteren werden die ὑμεῖς als „tot“ bezeichnet, wobei dieses Totsein durch den nachfolgenden Dativ näher expliziert wird. Dieser schillert zwischen kausal-instrumentaler und modaler Bedeutung, so dass Fehltritte und Sünden – die über 1,7b hinausgehende Näherbestimmung derselben durch ὑμῶν verstärkt den persönlich-applikativen Bezug – gleichermaßen als Grund wie Ausweis des Totseins erscheinen.615 An den dativischen „predigtmäßige[n] Doppelausdruck“616 wird in V.2 sodann ein erster (vgl. V.3) präpositional eingeleiteter Relativsatz angeschlossen617, der sich um das Prädikat περιεπατήσατε herum entfaltet und in V.2ab durch weitere, ebendieses erläuternde Präpositionalausdrücke aufgefüllt wird. Es handelt sich dabei um zwei asyndetisch verbundene, parallel gestaltete
|| 615 So mit Gnilka, Eph, 113f. im Anschluss an Ewald. Ein modales Verständnis des Dativs erwägt auch Lindemann, Aufhebung, 108 Anm. 9, der allerdings eine instrumentale, auf die Bezeichnung der „Ursache dieses Tot-seins“ Deutung ablehnt, da „[d]ie Sünde […] hier ja gar nicht als ‚Macht‘ aufgefasst“ sei. Jedoch besteht zwischen sündhaftem Lebenswandel und Totsein ein unmittelbarer Zusammenhang, letzteres ist notwendiges Implikat des ersteren und umgekehrt. Lindemann ist freilich insofern zuzustimmen, als die eigentlichen Ursachen für diesen Lebenswandel und insofern das Totsein noch einmal differenzierter betrachtet werden in Eph 2,2f. Hier erscheint dann tatsächlich nicht ‚die Sünde‘ als eigenständige Macht, sondern vielmehr eine himmlisch-personale Instanz. 616 Schlier, Eph, 101; der Ton liegt entsprechend auf dem Aspekt der Intensivierung, weniger der semantischen Differenzierung. 617 Das Femininum αἵς ist Attraktion an den zweiten Ausdruck ἁμαρτίαις, der Bezug geht allerdings auf den gesamten Dativausdruck; vgl. Lincoln, Eph, 93f.
228 | Drei ‚Moves‘ zur Vertiefung des Gründungsnarrativs: Eph 2,1–3,13
κατά-Wendungen, die jeweils einem singularischen, im Akkusativ gehaltenen Grundbegriff (αἰών bzw. ἄρχων) eine genitivische Bestimmung (τοῦ κόσμου τούτου bzw. τῆς ἐξουσίας τοῦ ἀέρος) beifügen und sich als Isokolon betrachten lassen.618 Dies signalisiert, dass die Wendungen auf wechselseitige Interpretation angelegt sind. In diesen Zusammenhang miteinzubeziehen ist auch die anschließende Genitivwendung τοῦ πνεύματος τοῦ νῦν ἐνεργοῦντος in V.2c, deren genaue syntaktische Einordnung jedoch strittig ist. Insbesondere drei Modelle werden erwogen: a) Es handelt sich um eine „erklärende Apposition“ zu dem unmittelbar vorangehenden Genitiv τοῦ ἀέρος619; b) die Wendung ist als weitere genitivische Näherbestimmung auf den ἄρχων zu beziehen und steht also parallel zu τῆς ἐξουσίας τοῦ ἀέρος620; c) der Begriff πνεῦμα dient als Apposition zu ἄρχων, so dass die Wendung funktional einem dritten κατά-Ausdruck entspricht und τὸ πνεῦμα letztlich in Parallele zu den akkusativischen Grundbegriffen in den vorangehenden κατά-Wendungen tritt.621 Es wird sich zeigen, dass dieser letztgenannten Variante der Vorzug zu geben ist, da diese Deutung den antithetischen Charakter des ποτέ/νῦν-Szenarios am prägnantesten zum Ausdruck bringt und sich somit am stimmigsten in den Aussagezusammenhang fügt; der ἄρχων ist eine pneumatisch wirksame Instanz. Dem von πνεύματος abhängigen Partizip ἐνεργοῦντος ist sodann in V.2c noch ein eigener ἐν-Ausdruck zugeordnet, von dem in V.3 ein weiterer Relativsatz abhängig gemacht wird.622 Diesem ist schließlich in einer sich verselbständigenden Weise der konkludierende V.3b (καὶ ἤμεθα κτλ.) als eine Art Gesamtfazit angefügt. Das zustandsbeschreibende Imperfekt ἤμεθα schlägt zugleich den Bogen zu V.1 zurück (vgl. dort das partizipiale ὄντας). Syntaktisch markant ist insbesondere der zwischen V.2 und V.3 zu verzeichnende Subjektwechsel: Während V.2 in Fortführung von V.1 in der 2.Pl. gehalten ist, wird in V.3 in die 1.Pl. gewechselt. Diese Auffälligkeit wird dadurch unterstrichen, dass der Relativsatz V.3a Parallelisierungstendenzen zu dem ersten Relativsatz V.2 aufweist: Beide werden durch die Konstruktion ἐν + Rela|| 618 Vgl. Jeal, Theology, 134. 619 So insbesondere Schlier, Eph, 104 mit Verweis auf den „Zusammenhang von ἀήρ und πνεῦμα“. 620 So Lincoln, Eph, 96. 621 Vgl. bes. Jeal, Theology, 134; siehe auch Gnilka, Eph, 115 Anm. 5. Diese Variante wird im Übrigen auch von Schlier, Eph, 104 als „trotz sprachlicher Inkorrektheit an sich möglich“ bezeichnet. Die abweichende genitivische Formulierung mag sich rhetorischen Gesichtspunkten verdanken. 622 οἵς bezieht sich auf die unmittelbar zuvor erwähnten „Söhne des Ungehorsams“.
Querschnitt I: Das ποτέ als Hintergrundfolie | 229
tivum eingeleitet und ruhen auf semantisch verwandten Verben auf, die auf summarische Weise einen Lebenswandel auf der Ebene des ποτέ bezeichnen und zudem durch nachfolgende präpositionale Wendungen näher bestimmt werden. Vor diesem Hintergrund aber kann gefragt werden, ob der Subjektwechsel nicht doch eine Referenzverschiebung intendiert, die anzeigt, dass der Geltungsbereich der beiden Aussagen jeweils ein anderer ist und womöglich bereits das in 2,11–22 entfaltete Gegenüber von ἔθνη und Ἰσραήλ angetönt wird.623 Richtungsweisend ist indes der Befund, dass die beiden Relativsätze syntaktisch nicht gleichrangig sind. Vielmehr ist der zweite in den ersten integriert (s.o.). Insofern kommen die Parallelisierungstendenzen im Rahmen eines Gefüges zu stehen, das nicht auf eine Gegenüberstellung, sondern vielmehr eine Fortführung angelegt ist. Dem entspricht die inklusive Formulierung καὶ ἡμεῖς πάντες, die offenbar dazu dient, die fiktiven Adressaten in dem bereits oben beschriebenen Sinne in diesen größeren Kreis der Wir-Gruppe hineinzunehmen; entsprechend besitzen die Aussagen in V.3 auch Gültigkeit für die fiktiven Adressaten. Zugleich wird aber durch den relativischen Anschluss in V.3 eine über die fiktiven Adressaten hinausgehende Weitung des Geltungsanspruchs auch der in V.2 getroffenen Aussagen vorgenommen. Denn wenn die Wir-Gruppe hierdurch in toto zumindest auf der Ebene des ποτέ dem Kollektiv der „Söhne des Ungehorsams“ assoziiert wird, so müssen für die Wir-Gruppe auf dieser Ebene die Bestimmungen gelten, die für die „Söhne des Ungehorsams“ überhaupt charakteristisch sind. Diese Bestimmungen aber werden eben offenbar in V.2 formuliert, wo dieser Referenzträger eingeführt wird (s.u.). Demnach ist das Verhält|| 623 In Betracht kommt wiederum die These – vgl. etwa Schlier, Eph, 106 –, die 2.Pl. gehe auf die fiktiven Adressaten als ‚Heidenchristen‘, während sich die 1.Pl. in V.3 auf die ‚Judenchristen‘ beziehe. Dagegen spricht aber schon die inklusive Formulierung καὶ ἡμεῖς πάντες, die mit Lindemann, Aufhebung, 111f. eben nicht die ‚Judenchristen‘ allein meint, sondern auf das gesamtchristliche ‚Wir‘ der Christusglaubenden geht; insbesondere das πάντες würde sonst stören. In modifizierter Form – die 1.Pl. in V.3 wird in einem die ‚Heidenchristen‘ inkludierenden Sinne verstanden – wurde die genannte These indes in jüngerer Zeit von Gerber, „Leben“, 375–377 aktualisiert: Gerber will die „Pointe“ von Eph 2,1–3 darin erblicken, dass in V.1f. die „spezifisch nichtjüdische Fehlorientierung“ zur Sprache komme, nämlich die „Orientierung an dieser Welt und ihrem Beherrscher“. Insofern V.1f. ganz auf die fiktiven Adressaten gehe, werde ebenjene Orientierung den jüdischen Menschen aber eben nicht attestiert. Ihnen werde vielmehr lediglich das im zweiten Relativsatz (V.3) benannte Vergehen vorgeworfen. Die Wiederaufnahmestruktur des Abschnitts steht dieser Deutung jedoch entgegen, wird hier doch vielmehr nahegelegt, dass das Beherrschtsein durch den ‚Archon‘ sich gerade in den in V.3 genannten ‚Vergehen‘ manifestiert; vgl. dazu im Folgenden.
230 | Drei ‚Moves‘ zur Vertiefung des Gründungsnarrativs: Eph 2,1–3,13
nis der beiden Relativsätze in 2,1–3 als ein sich wechselseitig erhellender und verstärkender Parallelismus aufzufassen, so dass die jeweils getroffenen Aussagen letztlich für ‚Ihr‘ wie ‚Wir‘ gleichermaßen gelten (vgl. 2,5; 4,22). An den fiktiven Adressaten werden Sachverhalte anschaulich, die für die Wir-Gruppe insgesamt charakteristisch sind (s.o.); es geht wesentlich um die Eigenart des (ehemaligen) Lebenswandels der einen Wir-Gruppe, der auch die ὑμεῖς angehören. V.3.1.2 Wiederaufnahmestruktur und Referenzträger Im Fokus der Schilderung des ποτέ-Zustands in 2,1–3 steht ausweislich ihrer durchgängigen Subjektstellung die Wir/Ihr-Gruppe; die 2.Pl. in V.1f. wird durch den Subjektwechsel in V.3 als implizite Wiederaufnahme der 1.Pl. erwiesen. Diese Konstellation entspricht damit der für das Gründungsnarrativ zunächst charakteristischen Zuordnung von ‚Wir‘ und ‚Ihr‘, wie sie in der Briefeingangseulogie grundgelegt wurde. Der Identifikationssatz V.3b führt mit dem Ausdruck τέκνα φύσει ὀργῆς sodann eine eigene Bezeichnung für den Status der – die ὑμεῖς inkludierenden – Wir-Gruppe auf der Ebene des ποτέ ein. Als Subjekt der ὀργή ist dabei, wie Eph 5,6 bestätigt, Gott vorausgesetzt, so dass dieser für das Gründungsnarrativ zentrale Referenzträger bereits in 2,1–3 nicht nur implizit mitgeführt wird, sondern letztlich auch hier den maßgeblichen Bezugspunkt darstellt; das Totsein erscheint im Kern als Ausdruck bzw. Konsequenz einer Verfehlung der Gottesbeziehung.624 Entsprechend ist der Ungehorsam (ἀπειθεία) als Missachtung des Gotteswillens aufzufassen. Auf makrokontextueller Ebene steht die Bezeichnung τέκνα (φύσει) ὀργῆς in semantischer Opposition insbesondere zu der Rede von den fiktiven Adressaten als τέκνα ἀγαπητά (5,1), wie sie infolge des in 1,5 als υἱοθεσία überschriebenen, in Christus statthabenden Zuwendungsgeschehens auf der Ebene des νῦν möglich geworden ist. Das antithetische Entsprechungsverhältnis zwischen Einst und Jetzt manifestiert sich somit bereits auf der Ebene der Bezeichnungen für die Wir-Gruppe. Hervorzuheben ist dabei, dass die Gottesbeziehung das durchgängige Kontinuitätsmoment darstellt – auch im Zustand der Entfremdung von ihm fällt die Wir-Gruppe mithin nicht aus der Bindung an Gott heraus und kann der Blickwinkel theozentrisch verbleiben; dem Gottesprädikat πατήρ kommt hierfür tragende Bedeutung zu. Im Weiteren wird sich zeigen, dass dies
|| 624 Vgl. Lindemann, Aufhebung, 107: „νεκρός bezieht sich […] auf das Verhältnis des Menschen zu Gott: wer in der Sünde ist, der ist in bezug auf Gott ‚tot‘“.
Querschnitt I: Das ποτέ als Hintergrundfolie | 231
– infolge der allumfassenden Vaterschaft des einen Gottes625, des Schöpfers (4,6; 3,14f.) – auch für die Menschheit über die Wir-Gruppe hinaus, ja letztlich die Schöpfung insgesamt gilt. Dem entspricht, dass der göttliche Heilsratschluss nach Maßgabe von 1,10 auf ebendiese geht. Der beschriebene Zusammenhang deutet sich in 2,1–3 bereits in der Einführung neuer Referenzträger an. So wird, um das Feld gleichsam von hinten aufzurollen, die Bezeichnung als ‚Zorneskinder‘ in V.3b nicht nur auf die WirGruppe, sondern – vgl. das vorangestellte ὡς – auch auf ein weiteres, als οἱ λοιποί bezeichnetes Kollektiv appliziert. Es handelt sich bei οἱ λοιποί offenbar um einen Sammelbegriff für sämtliche Subjekte, die ‚Nicht-Wir‘ (und damit auch ‚Nicht-Ihr‘) sind. Die Menschenwelt (vgl. die komprehensive Formulierung οἱ υἱοὶ τῶν ἀνθρώπων 3,5) erscheint somit als grundlegend dichotom strukturiert und gliedert sich – zumindest nach 2,1–3 – in die Wir-Gruppe und ‚die Übrigen‘. Der Status der Menschen als τέκνα φύσει ὀργῆς gilt auf der ποτέ-Ebene gemäß 2,3b in allgemeingültig-universaler Weise. Auf der Ebene des νῦν ist jener Status indes für die Wir-Gruppe überwunden, was für οἱ λοιποί offenbar nicht der Fall ist. Darauf deutet maßgeblich der Umstand hin, dass bereits in V.2 mit den υἱοὶ τῆς ἀπειθείας ein weiteres Kollektiv eingeführt worden war, das dort der Wir-Gruppe ebenfalls gegenübergestellt wurde, jedoch mit Bezug auf die Ebene des νῦν. Diese strukturelle Analogie zwischen οἱ λοιποί und οἱ υἱοὶ τῆς ἀπειθείας legt nahe, dass die beiden Kollektivbegriffe referenzidentisch sind.626 Dies wird bestätigt durch die weitere Analogie, dass die Wir-Gruppe nach V.3a auf der Ebene des ποτέ mit ebenjenem Kollektiv der „Söhne des Ungehorsams“ assoziiert war. Von hier aus wird ersichtlich, dass das Christusgeschehen für die WirGruppe das geschichtliche Ereignis einer – gemäß der Vorzeitigkeit der Erwählung freilich protologisch feststehenden – heilvollen Herausnahme aus dem universalen, dem Zorn Gottes unterstehenden Menschheitskollektiv bedeutet.
|| 625 Zur Rede von Gott als πατὴρ πάντων im Epheserbrief, insbesondere vor hellenistischrömischem Hintergrund, vgl. van Kooten, „Father“. 626 Die differierende Bezeichnung könnte anzeigen, dass der Nicht-Wir-Status dieser Gruppe auf der Ebene des νῦν eine neue Qualität gewinnt. Der Ungehorsam könnte dann spezifisch auf den Gotteswillen, wie er gerade im Evangelium offenbar wird, zu beziehen sein. Jedoch ist zu beachten, dass die Kategorie des Ungehorsams durch die nachfolgende Assoziierung der WirGruppe mit den „Söhnen des Ungehorsams“ in V.3a zumindest indirekt auch mit der Ebene des Einst in Verbindung gebracht wird. Somit ist mit Lincoln, Eph, 97 festzuhalten, dass „rejection of the Christian gospel“ zwar inkludiert ist, gleichwohl aber anzunehmen ist, dass „the disobedience is not to be limited to this and involves general disregard for God’s will“.
232 | Drei ‚Moves‘ zur Vertiefung des Gründungsnarrativs: Eph 2,1–3,13
Auf diese Weise werden für die Ebene des νῦν gleichsam zwei Bereiche profiliert: Der Heils- und Lebensbereich der Wir-Gruppe und der dem göttlichen Zorn anheimfallende Todesbereich der übrigen Menschenwelt, der „Söhne des Ungehorsams“, stehen einander gegenüber627; die spatialen Nuancen der ἐνSemantik befördern dies. In struktureller Hinsicht nimmt das menschliche Unheilskollektiv dabei den Platz ein, der im Ensemble der Referenzträger des Gründungsnarrativs zuvor dem All vorbehalten war. Zu verzeichnen ist somit eine Verschiebung des Fokus auf die Menschenwelt. Dies hat zur Folge, dass ebendiese nachfolgend in 2,11–22 zum paradigmatischen Schauplatz des kosmischen Heilsgeschehens werden kann.628 Mit den beiden κατά-Ausdrücken in V.2ab, denen auch die Genitivkonstruktion in V.2c zuzurechnen ist, verbindet sich schließlich die Einführung eines weiteren singularischen Referenzträgers, dem im Zusammenhang der soeben beschriebenen Konstellation eine Schlüsselrolle beizumessen ist. Die syntaktische Konstruktion weist dabei wie gesehen darauf hin, dass zwischen den einzelnen Elementen ein wechselseitiger Erläuterungszusammenhang besteht. Als Ausgangspunkt der näheren Bestimmung bietet sich der zweite κατά-Ausdruck und also das mittlere Element an, insofern ein weitgehender Konsens besteht, dass ἄρχων als Bezeichnung einer personalen Instanz aufzufassen ist (vgl. auch Joh 12,31; 14,30; 16,11; I Kor 2,6.8). Der anschließende doppelte Genitiv τῆς ἐξουσίας τοῦ ἀέρος verstärkt nun zunächst die bereits in der ἀρχ-Semantik anklingende Verbindung zu 1,21 und weist diese Instanz als Angehörigen jenes himmlischen Mächtekollektivs aus; ja, ihre Benennung als ἄρχων lässt sie geradezu als autoritativen Repräsentanten desselben erscheinen. Mit ἀήρ mag dabei zugleich gezielt ein unterer, mithin der irdischen Ebene besonders nahestehender Bereich der ἐπουράνιοι/-α bezeichnet sein.629 Dies würde jedenfalls die Ein-
|| 627 Auf der Ebene des νῦν sind nurmehr die „Söhne des Ungehorsams“ die „Kinder des Zorns“. Dies entspricht im Übrigen den strukturell-semantischen Verbindungslinien zwischen den beiden Ausdrücken. 628 Auf der Ebene der Wiederaufnahmestruktur wird dies folgendermaßen inszeniert: Das Nebeneinander von der neutrischen Formulierung τὰ ἀμφότερα (Eph 2,14) und dem personalisierenden οἱ ἀμφότεροι (2,16.18) ist auffällig. Auf synchroner Ebene – zu den begriffsgeschichtlichen Hintergründen vgl. aber auch im Weiteren – bietet sich als Erklärung an: Die neutrische Variante mag in der Tat einen zumindest auch an die zwei kosmischen Bereiche anspielenden Beiklang haben, da der entsprechende Merismus in 1,10 sehr markant ist. Somit wird dieser Passus als interner Bezugstext markiert. In dem nachfolgenden Wechsel zur maskulinischen Formulierung könnte sich dann die Verschiebung auf die als Paradigma für das kosmische Heilsgeschehen dienende Menschenwelt dokumentieren. 629 So mit Lincoln, Eph, 96.
Querschnitt I: Das ποτέ als Hintergrundfolie | 233
flussnahme des ‚Archon‘ auf das menschlich-irdische Geschehen plausibilisieren, wie sie der anschließende Genitivausdruck (τοῦ πνεύματος τοῦ νῦν ἐνεργοῦντος κτλ.) als ein pneumatisches ἐνεργεῖν beschreibt. Kontrovers wird vor diesem Hintergrund jedoch vor allem das Verständnis des ersten κατά-Ausdrucks diskutiert. So verleiht die Gestaltung der beiden κατά-Wendungen als Isokolon in der Tat auch dem singularischen αἰών einen personalisierenden Charakter. Dieser aber steht in Diskrepanz zu der ansonsten zu konstatierenden zeitlichen Verwendungsweise des Begriffs im Epheserbrief (zumal in 1,21 par. 2,7; s.o.).630 Gleichzeitig fällt auf, dass αἰών hier mit dem ähnlich weit gefassten, wenn auch stärker räumlich orientierten κόσμος-Begriff gekoppelt ist.631 Hinzu kommt, dass, wie dem dritten, so auch dem ersten als dem anderen flankierenden Element eine das mittlere Element erläuternde Funktion zuerkannt werden kann. Dann aber liegt es nahe, dass die Wendung ὁ αἰὼν τοῦ κόσμου τούτου wesentlich dazu dient, den umfassenden zeit-räumlichen Machtanspruch des ‚Archon‘ zum Ausdruck zu bringen; der von ihm beanspruchte Wirk- und Autoritätsbereich dient geradezu als Metonymie für den ‚Archon‘ selbst.632 Inhaltliche Analyse V.3.1.3 Gemäß den vorangehenden Ausführungen hat als zentrales Signum des ποτέ die Eingebundenheit der Wir-Gruppe in einen universal-kollektiven Unheilszusammenhang zu gelten, der die Menschheit ausnahmslos im Status der ‚Zorneskindschaft‘ befindlich sieht. Maßgeblich hierfür ist ein Lebenswandel, der grundlegend durch ‚Sündhaftigkeit‘ bestimmt ist. In theologisch-konzeptioneller Hinsicht fungiert der Lebenswandel mithin als elementares Kriterium und Indiz für die Qualität des Existenz- bzw. Heilsstandes und hat die Gottesbeziehung zum Maßstab. Der sündhafte und also die Gottesbeziehung verfehlende Selbstvollzug gilt entsprechend per se als Zustand des Totseins.
|| 630 Vgl. die Analyse des αἰών-Begriffs im Epheserbrief bei Rantzow, Christus, 106–155 mit dem zusammenfassenden Befund, es handele sich bei den betreffenden Aussagen durchgängig um „metaphorische Konzeptualisierung von Zeit“, wobei eine „Übertragung räumlich-personaler Strukturen“ zu beobachten sei (154). 631 Bereits die Analyse von Eph 1,3–14 hat die Verbindung von räumlichen und zeitlichen Aspekten als ein Merkmal des Briefs kenntlich gemacht. 632 Vgl. dazu Sellin, Eph, 169 mit Anm. 68 unter Verweis auf Lausberg, Handbuch, § 568,1,b („mythologische Metonymie“).
234 | Drei ‚Moves‘ zur Vertiefung des Gründungsnarrativs: Eph 2,1–3,13
Ebendiesem Selbstvollzug wird dabei ausweislich der κατά-Ausdrücke in 2,2 attestiert, dass er seine normgebende Ausrichtung633 durch eine numinoshimmlische Machtinstanz erfährt. Von der durch die Briefeingangseulogie vorgeprägten Verwendungsweise (vgl. bes. auch 3,1–13) der Präposition κατά her ist dieser Aspekt nun dahingehend zu verschärfen, dass hierbei gerade das im Weltzusammenhang zur Wirkung kommende movens eines Geschehens benannt wird. In letzter Konsequenz ist dies freilich der göttliche Heilsratschluss, der den gesamten Lauf der Geschichte überwölbt. Auf der Ebene des ποτέ – und, außerhalb der Wir-Gruppe, auch auf der Ebene des νῦν – ist dies indes zunächst das Wirken (ἐνεργεῖν) jenes ‚Archon‘, das in pneumatischer und allumfassender (vgl. seine Charakterisierung als πνεῦμα bzw. ὁ αἰὼν τοῦ κόσμου τούτου) Weise auf die irdisch-menschliche Ebene übergreift und somit – gleichsam als in den Menschen wirksames Subjekt – letztlich ursächlich für den verfehlten Lebenswandel ist.634 Der V.2 syntaktisch untergeordnete, inhaltlich jedoch komplementäre zweite Relativsatz in V.3a führt freilich vor Augen, dass dies kein ‚Wegdelegieren‘ der Verantwortung der Einzelnen für die παραπτώματα καὶ ἁμαρτίαι bedeutet; letztere haben vielmehr ihren subjektiv-konkreten (vgl. den possessiven Genitiv in V.1), eigenständigen Haftpunkt im Menschen selbst, wobei die σάρξ schon angesichts ihrer wiederholten Erwähnung in V.3 als Leitbegriff für die Bestimmung dieses Haftpunktes erscheint. Der Einfluss des ‚Archon‘ realisiert sich demnach am Ort des Individuums (das zugleich stets als Glied eines Kollektivs gedacht wird) in dessen Orientierung an der σάρξ635, die ihm somit zur bestimmenden Existenzsphäre (vgl. ἐν σαρκί 2,11) wird. Infolge der Verquickung mit dem Wirken des ‚Archon‘ ist diese aber gleichsam von Grund auf, radikal korrumpiert, so dass in V.3b als folgerichtiges Fazit der Status der Zorneskindschaft durch den Zusatz φύσει näher bestimmt werden kann, kommt damit doch zum Ausdruck, dass unter den Bedingungen des ποτέ menschliche Existenz in ihrer Vorfindlichkeit unausweichlich durch diesen Unheilszusammenhang geprägt ist. Vor diesem Hintergrund kann das identitätskonstitutive ‚Tun‘ (vgl. ποιεῖν V.3a), d.h. der Lebenswandel, wie er in bestimmten ἔργα Gestalt gewinnt (2,9f., Beleg für den Konnex von Lebenswandel und ἔργα ist bes. die Formulierung
|| 633 Mit Schnackenburg, Eph, 90 gibt κατά „die normsetzende Größe“ an. 634 Diese Konstellation wird im Epheserbrief als gegeben vorausgesetzt und in ihrer Genese nicht weiter aufgehellt. Der Akzent liegt ganz auf dem Moment der Überwindung des ποτέZustands. 635 Vgl. Faust, Pax, 58f.
Querschnitt I: Das ποτέ als Hintergrundfolie | 235
V.10bc), aber im Grunde nichts anderes sein als Manifestation des Wirkens des ‚Archon‘; hierin besteht offenbar letztlich die bedingende Ursache für die Universalität menschlicher Verlorenheit. Das ποτέ-Szenario ist somit dadurch gekennzeichnet, dass seine Durchbrechung bzw. Überwindung den Menschen immanent nicht möglich ist. Ebendies machen die beiden negativen οὐκBestimmungen in V.8b.9a (οὐκ ἐξ ὑμῶν, οὐκ ἐξ ἔργων) denn auch explizit, wenn sie die Eigenart des Rettungsgeschehens näher charakterisieren. Als für die theologische Gesamtkonzeption des Epheserbriefes elementarer Sachverhalt ist somit festzuhalten: Für den menschlichen (Un-)Heilsstand ist der Lebenswandel, der ethische Selbstvollzug von ausschlaggebender Bedeutung. In diesem ist das Subjekt jedoch keinesfalls autonom, sondern untersteht dem bestimmenden Einfluss pneumatisch-numinoser Wirkmächte. Ebendiese sind aber auf der Unheilsebene des ποτέ kategorial andere als auf dem νῦν als Heilsebene – letztinstanzlich nämlich der in V.2 benannte ‚Archon‘, der mithin als antagonistisches Gegenüber Gottes in den Blick kommt.636 Zum springenden Punkt in soteriologischer Hinsicht avanciert somit die Frage, welchem Einflussbereich die Menschen unterstehen. Die Wir-Gruppe befindet sich dabei infolge von Christusgeschehen und Pneumagabe bereits im unmittelbar göttlichen Einflussbereich – dies aber im Unterschied zu ihrer Umwelt; der prinzipiell bereits erfolgte Umbruch im himmlischen Mächtegefüge harrt ja noch seiner gesamtkosmischen Aktualisierung, und auch der Zorn Gottes bleibt offenbar als Option bestehen (vgl. 5,6). Im Zuge der Darstellung des Aufbaus der Sequenz 2,1–3,13 wurde bereits darauf hingewiesen, dass für den Anschluss des zweiten Abschnitts 2,11–22 an 2,1–10 der dortige dritte Unterabschnitt V.8–10 von tragender Bedeutung ist. Zugleich wurde soeben aus abschnittsinterner Perspektive die Funktion der Aussagen in 2,8–10 dahingehend beschrieben, dass sie – zumal durch die beiden οὐκ-Bestimmungen in V.8b.9a – die immanente Ausweglosigkeit des ποτέSzenarios anklingen lassen. Vor diesem Hintergrund gilt es den angedeuteten Übergangscharakter von 2,8–10 näher zu betrachten. Durchaus bemerkenswert erscheint nämlich die in V.8bc.9 zu konstatierende Nachdrücklichkeit, wie sie nicht nur durch die Gestaltung als Doppelaussage || 636 Dem letztgenannten Aspekt entsprechen die durch Eph 2,1–3 ausgebauten sprachlichstrukturellen Analogien zwischen diesen beiden Referenzträgern im Epheserbrief: So treten die κατά-Wendungen ebenso wie das (pneumatische) ἐνεργεῖν, das beiden zugesprochen wird (vgl. 2,2 bzw. 1,11.20; 3,20), einander gleichsam konkurrierend gegenüber; der Ausrichtung am göttlichen Willen, die den Selbstvollzug in der Christus- und Gottesgemeinschaft prägt (5,17; 6,6), tritt das durch den ‚Archon‘ bestimmte Tun der θελήματα τῆς σαρκὸς καὶ τῶν διανοιῶν gegenüber. Vgl. im Übrigen auch das zu Eph 1,19b–23 Gesagte.
236 | Drei ‚Moves‘ zur Vertiefung des Gründungsnarrativs: Eph 2,1–3,13
mit Parallelisierungstendenz637 angezeigt wird, sondern auch durch den soteriologischen Grundsatzcharakter, der ihr durch das vorangestellte καὶ τοῦτο, das summarisch auf die soteriologische Leitthese in V.8a (vgl. V.5) rückverweist, zugesprochen wird.638 Denn dieser Nachdruck lässt die Aussage wie eine gezielte Abgrenzung anmuten. Von 2,1–3 her kommt als implizite, zu inferierende Negativfolie im Prinzip aber nur der Anspruch in Betracht, schon unter den Bedingungen des ποτέ auf Grundlage des Lebenswandels dem beschriebenen Unheilszusammenhang (und damit dem Kollektiv der τέκνα φύσει ὀργῆς) enthoben sein zu können. Legitim könnte ein solcher Anspruch im Grunde aber nur dann sein, wenn jener Lebenswandel für sich reklamieren könnte, dem (in Opposition zur ἀπειθεία V.2 als solchen zu bezeichnenden) Gehorsam dem Gotteswillen gegenüber zu entspringen und insofern ganz an letzterem ausgerichtet zu sein. Ebendies aber wird durch die οὐκ-Bestimmungen offenbar noch einmal – und nach 2,1–3 nur folgerichtig – grundsätzlich abgewehrt; die radikale Bestimmtheit durch den ‚Archon‘ scheint auf dieser gleichsam symptomorientierten Ebene nicht hinreichend durchbrochen werden zu können. Auf diese Weise aber werden letztlich Zusammenhänge wachgerufen, die im Folgeabschnitt 2,11–22 ihre weitere Bearbeitung erfahren. Denn angesichts der im Epheserbrief auszumachenden Profilierung des protologisch gefassten, im Geschichtszusammenhang zur Hinausführung gelangenden Gotteswillens als Element der Kohärenzstiftung stellt sich die Frage, wie es um die weiteren, im Zusammenhang des Gründungsnarrativs bislang scheinbar ausgesparten (vgl. aber 1,13) Zuwendungen (Willenskundgabe) Gottes namentlich zu Israel als seinem erwählten Volk bestellt ist – zumal diese in der Gabe des Gesetzes ja einen Kristallisationspunkt finden, der für das in 2,1–10 entworfene soteriologische Schema von unmittelbarer Relevanz ist. Die explizite Einführung der Israel- und Gesetzesthematik in 2,11–22 spricht vor diesem Hintergrund dafür, dass bereits in 2,8–10 nicht einfach eine allgemeinanthropologische Ebene, sondern maßgeblich jener Komplex, der in der Schrift als Aufweis des Gotteswillens kundgetan ist, mithin das Gesetz im Blick || 637 V.8bc οὐκ ἐξ ὑμῶν + Zusatz par. V.9 οὐκ ἐξ ἔργων + Zusatz. 638 In der Tat wird man, wie die neutrische Formulierung anzeigt, τοῦτο nicht ausschließlich auf den Glauben zu beziehen haben, jedoch ist dieser wohl durchaus zu inkludieren, zumal bereits die dem Partizip πιστεύοντας beigefügte κατά-Bestimmung in Eph 1,19 den Glauben mit dem Wirken Gottes in ursächliche Verbindung gebracht hat. Eine gleichermaßen zu konstatierende menschliche Aktivität im Akt des Zum-Glauben-Kommens muss dadurch keinesfalls ausgeschlossen werden; vgl. 1,13.15. Göttliches und menschliches Wirken durchdringen sich. Vgl. auch oben Anm. 507.
Querschnitt I: Das ποτέ als Hintergrundfolie | 237
ist.639 Implizit vorausgesetzt scheint, dass es gerade ein am Gesetz orientierter Lebenswandel ist, der den beschriebenen Anspruch auf Hineinstellung in eine heilvolle Gottesbeziehung für sich erheben könnte. Der zweite Abschnitt 2,11–22 wird hier ansetzen und zeigen, dass trotz der universalen und strukturell einheitlichen Todesverfallenheit tatsächlich auch für die Ebene des ποτέ weitergehende Differenzierungen vorzunehmen sind. Insofern wird das in 2,1–10 entworfene Szenario noch einmal grundlegende Modifikationen erfahren – die jedoch hinter den dort erreichten Stand nicht mehr zurückgehen können, sondern diesen vielmehr als Lektüreanweisung voraussetzen. Von grundlegender Bedeutung für die Einordnung jener Differenzierungen in 2,11ff. ist dabei ebenjener ἵνα-Satz 2,9, insofern dieser signalisiert, dass die Heilsteilhabe sich nicht in vertikalen, auf die Gottesbeziehung gehenden Relationsbestimmungen erschöpft, sondern vielmehr unmittelbar auch bestimmte Formen der Gestaltung zwischenmenschlicher Beziehungen ein- bzw. ausschließt. Denn mit dem Motiv des Sich-Rühmens verbindet sich bei Paulus, in dessen Gefolge sich der Epheserbrief bewegt, eben kein von menschlichen Subjekten Gott gegenüber vorgetragenes ‚Pochen auf eigene Verdienste‘ o.ä.; die Kommunikationsrichtung ist vielmehr wesentlich horizontal orientiert.640 Mit diesen Voreinstellungen ist sich 2,11f. als der zweiten basisgebenden ποτέEntfaltung zuzuwenden.
V.3.2
Analyse von Eph 2,11f. im Kontext von Eph 2,11–22
V.3.2.1 Syntaktische Struktur Die erneute Profilierung eines als Hintergrundfolie dienenden ποτέ-Zustands in 2,11–22 – dem zweiten Abschnitt der Sequenz 2,1–3,13 – basiert maßgeblich auf dem konsekutiven ὅτι-Satz in 2,11f., der dort dem Imperativ μνημονεύετε zugeordnet ist. Die syntaktische Struktur des ὅτι-Satzes ist übersichtlich: An die vorgezogene Nennung des Subjekts ὑμεῖς in 2,11a schließen sich zwei asyndetisch verbundene Appositionen an (τὰ ἔθνη ἐν σαρκί sowie οἱ λεγόμενοι ἀκροβυστία ὑπὸ τῆς λεγομένης περιτομῆς ἐν σαρκὶ χειροποιήτου), die auf der Ebene des Wortmaterials durch die rekurrierende Wendung ἐν σαρκί zusam-
|| 639 Gegen Lincoln, Eph, 112; mit Mußner, Eph, 67. 640 Vgl. dazu Wilk, „Ruhm“.
238 | Drei ‚Moves‘ zur Vertiefung des Gründungsnarrativs: Eph 2,1–3,13
mengehalten werden.641 Der Gebrauch von implizit handlungsanzeigenden Partizipialformen (λεγόμενος/λεγομένη, χειροποίητος) und die Einführung eines weiteren Referenzträgers (ἡ περιτομή) als Gegenüber der ὑμεῖς verleihen den Appositionen dabei die Qualität eines kompakten Entwurfs eines umfassenden Interaktions- und Beziehungsszenarios. Die Wiederholung des ὅτι zu Beginn von 2,12 erscheint nach dieser exkursartigen Weitung des Blicks als folgerichtig, um die Aufnahme des syntaktischen Fadens aus V.11 zu signalisieren; der dem ποτέ (V.11) äquivalente temporale Dativ τῷ καιρῷ ἐκείνῳ unterstreicht dieses Anknüpfen. V.12a bietet weiterhin, ohne erneute explizite Nennung des Subjekts, das Prädikat des ὅτι-Satzes (ἦτε … χωρὶς Χριστοῦ), das wiederum durch Appositionen erweitert wird (V.12bc).642 Es handelt sich bei letzteren erneut um zwei asyndetisch verbundene Glieder, die jeweils aus einem Doppelausdruck bestehen (ἀπηλλοτριωμένοι τῆς πολιτείας τοῦ Ἰσραὴλ καὶ ξένοι τῶν διαθηκῶν τῆς ἐπαγγελίας bzw. ἐλπίδα μὴ ἔχοντες καὶ ἄθεοι ἐν τῷ κόσμῳ), der zwei Bestimmungen mittels καί in Form eines Isokolon643 zusammenschließt. Diese Form der Anordnung ist als Hinweis darauf zu werten, dass die Appositionen im Sinne eines synonymen, sich wechselseitig verstärkenden Parallelismus aufzufassen sind.644 Der Umstand, dass die jeweils ersten Bestimmungen in den Doppelausdrücken partizipialer Art sind, unterstreicht deren zustandsbeschreibenden Charakter, wie er bereits durch das durative Imperfekt ἦτε (vgl. ἤμεθα 2,3) vorgegeben ist. Als Klammer für diese Zustandsbeschreibung dienen dabei einerseits das übergeordnete χωρὶς Χριστοῦ, andererseits das abschließende ἐν τῷ κόσμῳ, wobei der κόσμοςBegriff in 2,12 angesichts der inhaltlichen Affinitäten zwischen 2,11f. und 2,1–3
|| 641 ἐν σαρκί fungiert mit Jeal, Theology, 149f. als Epanalepsis. Auf der semantischen Ebene besteht ein enger Zusammenhang zwischen der Bezeichnung der fiktiven Adressaten als ἔθνη in der ersten bzw. als ἀκροβυστία in der zweiten Apposition, insofern beide Begriffe auf von einem jüdischen Standpunkt aus vorgenommene Kategorisierungen zurückgehen. 642 Als syntaktische Alternative zu der hier vorgeschlagenen Deutung wird mitunter – etwa bei Yee, Jews, 98f. – die Ansicht vertreten, χωρὶς Χριστοῦ sei mit τῷ καιρῷ ἐκείνῳ zu verbinden, so dass man ἦτε auf die Doppelausdrücke in V.12bc zu beziehen habe. Eine derartige Näherbestimmung der Einst-Ebene wäre jedoch singulär im Epheserbrief; zudem passt die Vorstellung einer ‚Zeit ohne Christus‘ nicht recht zur Christologie des Epheserbriefs, da dieser Christus ja bereits der protologischen Geschehensebene zuordnet. 643 Vgl. Jeal, Theology, 150. 644 Mit Sellin, Eph, 195; anders Merklein, Christus, 17f., der sich für ein epexegetisch-konsekutives Verständnis des καί ausspricht.
Querschnitt I: Das ποτέ als Hintergrundfolie | 239
den ihm dort verliehenen Beiklang als Bezeichnung einer Sphäre, die der Macht des ‚Archon‘ unterstellt ist, mitzuführen vermag.645 Trotz der Geschlossenheit des ὅτι-Satzes in 2,11f. sind für die Rekonstruktion der Eigenart des in 2,11–22 entworfenen ποτέ-Zustands auch weitere Textsegmente von Bedeutung: Zu verweisen ist namentlich auf a) die substantivierte Partizipialwendung οἵ ποτε ὄντες μακράν in V.13, die als auf die ποτέ-Ebene bezogene appositionelle Näherbestimmung der ὑμεῖς dient und somit gleichsam als unter einem anderen semantischen (wenn auch traditionsgeschichtlich verwandten) Gesichtspunkt gefasste Summe der vorangehenden Zustandsschilderung erscheint, ferner insbesondere b) die Funktion des mittleren Unterabschnitts 2,14–18 als Bezugsgrundlage für den Abschnitt 2,11–22 insgesamt, von der aus weiteres Licht auch auf das in 2,11f. entworfene Szenario fällt, sowie schließlich c) die implizite Aufnahme der Einst-Jetzt-Antithese in der Konklusion V.19, die an V.11f. anschließt (s.o.). V.3.2.2 Wiederaufnahmestruktur und Referenzträger Ausweislich ihrer grammatikalischen Subjektstellung stehen die in der 2.Pl. angesprochenen fiktiven Adressaten auch in 2,11f. (vgl. 2,1) im Fokus der ποτέDarstellung und erscheinen dabei wiederum als eingebunden in ein Szenario, das durch die dichotome Gegenüberstellung zweier Gruppen gekennzeichnet ist. Im Unterschied zu 2,1–3 dient das ὑμεῖς hier jedoch nicht als implizite Wiederaufnahme der inklusiven 1.Pl. Vielmehr erhält die Ihr-Gruppe durch die beiden Appositionen in V.11 eine eigenständige Profilierung, die, wie bereits angemerkt, einhergeht mit der Einführung eines weiteren kollektiven Referenzträgers, der zunächst metonymisch als περιτομή bezeichnet wird. Die grundlegende, die Menschenwelt kennzeichnende Differenzierung stellt in 2,11f. mithin nicht – wie in 2,1–3 – die Unterscheidung zwischen ‚Wir‘ und ‚Nicht-Wir‘ dar, sondern diejenige zwischen den ἔθνη, denen die fiktiven Adressaten zugerechnet werden, und Ἰσραήλ, wie V.12 explizit macht. Wurde in 2,1–3 zudem letztlich die statusmäßige Gleichrangigkeit der im Blick befindlichen Gruppen auf der Ebene des ποτέ herausgestellt und durch die inklusive, universal gültige Bezeichnung τέκνα φύσει ὀργῆς auch begrifflich fixiert (2,3), so führt die Wendung τὰ/οἱ ἀμφότερα/-οι, die in 2,11–22 als komprehensiver, beide Gruppen zusammenfassender Oberbegriff dient (vgl. 2,14.16.18; vgl. οἰ δύο
|| 645 Ähnlich hält Faust, Pax, 106 fest, der Ausdruck ἐν τῷ κόσμῳ setze „den Akzent auf den inferioren, durch die diabolischen κοσμοκράτορες (E[ph] 6,12) beherrschten Kosmos, wo man durch Unkenntnis und Verstockung dem Leben Gottes fremd ist (cf. E[ph] 4,18)“.
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V.15)646, demgegenüber – in Fortführung der bereits in V.11b angedeuteten Tendenz – stärker das Moment eines grundsätzlichen Gegenübers und somit die Differenz der beiden Gruppen mit sich. Dieser Aspekt wird dadurch untermauert, dass mit den Substitutionen οἱ μακράν und οἱ ἐγγύς, die vor dem Hintergrund von V.13 in V.17 für die fiktiven Adressaten als ἔθνη bzw. Israel eingeführt werden, dieses Gegenüber auch auf semantischer Ebene pointiert verankert wird. Insgesamt erscheint nun die ὑμεῖς-τὰ ἔθνη-Gruppe als diejenige, die auf der ποτέ-Ebene durch eine Ausgeschlossenheit von der Heilsteilhabe gekennzeichnet war; der Ausdruck χωρὶς Χριστοῦ (V.12) stellt sich mikro- wie makrokontextuell als kategorialer Gegensatz zur den Heilsstand kennzeichnenden in/mitChristus-Motivik dar.647 Insofern mit dem Gedanken eines Ausschlusses von der Heilsteilhabe aber an eine Aussagelinie aus 2,1–3 angeknüpft wird648, erscheinen nunmehr die fiktiven Adressaten als ἔθνη geradezu als die maßgeblichen Repräsentanten der dort erwähnten „Kinder des Zorns“ bzw. „Söhne des Ungehorsams“ (vgl. 4,17). Demgegenüber wird dem Kollektiv Israel durch den Umstand, dass die den Zustand der ἔθνη charakterisierenden Bestimmungen in V.12bc indirekt als Auflistung der Vorzüge Israels erscheinen649, bereits auf der ποτέ-Ebene durchaus eine gewisse Nähe zur Heilsteilhabe attestiert. Dies wird dadurch bestätigt, dass die Beschreibung der Wende in V.13 sich ganz auf die fiktiven Adressaten konzentriert und zugleich als ein Erlangen jenes ἐγγύς-Status zur Sprache kommt, der Israel gemäß V.17 offenbar bereits von Haus aus zukommt. Implizit scheint V.13 dabei für den Sprecher – und mithin einen maßgeblichen Repräsentanten der Wir-Gruppe im Epheserbrief – eine Verortung im Kreise der ἐγγύς-Seienden und also Israel vorauszusetzen. Die eigentümliche Dynamik des Abschnitts ergibt sich nun aber daraus, dass in scheinbarer Spannung zu dem beschriebenen Sachverhalt zum einen die Verwendung der 1.Pl. im Zuge der Schilderungen des ποτέ-Zustands (!) in 2,11–22 konsequent vermieden wird. Zum anderen hält auch 2,11–22 letztlich an || 646 Faust, Pax, 137f. weist darauf hin, dass es sich hierbei um einen „politisch geläufigen, naheliegenden Abstrakt-Begriff zur Bezeichnung der Konfliktparteien von Juden und NichtJuden in den griechischen Poleis des Ostens“ handele, „wobei neutrische und maskuline Form des Ausdrucks wie in E[ph] 2,14ff. abwechseln konnten“. 647 Die Genitivbestimmungen in V.12 sind separativ zu verstehen; vgl. BDR §§ 180; 182,3. 648 Gegenüber Eph 2,1–3 kommt dabei der (nicht vorhandene) Christusbezug als neuer Aspekt hinzu, der jedoch unmittelbar koordiniert mit dem Aspekt der Gottesferne, wie der Begriff ἄθεος in V.12 verdeutlicht – Christus- und Gottesbezug sind mithin aneinander gekoppelt. 649 Vgl. Rese, „Vorzüge“, 219.
Querschnitt I: Das ποτέ als Hintergrundfolie | 241
dem Gedanken einer Universalität der Verlorenheit fest, wie maßgeblich aus der Versöhnungsaussage in V.16 hervorgeht. Indem hier nämlich die Versöhnungsbedürftigkeit auch der ἐγγύς-Seienden vorausgesetzt wird, wird zugleich der Gedanke einer Opposition zu Gott, in der sich die gesamte Menschheit auf der Ebene des ποτέ befindet, aus 2,1–3 aufgenommen.650 Mit ebendieser Beobachtung ist aber zugleich darauf hingewiesen, dass der ,Archon‘, der gemäß 2,2 mit jener Opposition zu assoziieren ist, offenbar auch in 2,11–22 konzeptionell als Referenzträger mitzuführen ist.651 Dann aber ist es möglich, auch das Motiv der ἔχθρα, die das Verhältnis der beiden Gruppen untereinander wie auch zu Gott nach 2,14.16 auf der Ebene des ποτέ prägt, mit dem Wirken jenes ‚Archon‘ in Beziehung zu bringen. Die angedeuteten Zusammenhänge näher zu durchleuchten, ist Aufgabe der inhaltlichen Analyse. V.3.2.3 Inhaltliche Analyse Die Beobachtungen zur sprachlichen Struktur legen es nahe, mit der Betrachtung des durch die dichotomisierende Gegenüberstellung zweier Menschheitsgruppen gekennzeichneten Szenarios einzusetzen. Es lassen sich in V.11f. dabei gleichsam zwei Ebenen unterscheiden, auf denen eine Identitätsbestimmung der beiden Kollektive erfolgt. So erscheinen die Aussagen in V.11a.12 als Bestimmungen, die vom fiktiven Verfasser ohne erkennbare Distanzierung gebraucht werden, so dass diese in der Textwelt offenbar als adäquate Zustandsbeschreibung aufgefasst werden. Davon heben sich nun die Bestimmungen in V.11b insofern ab, als durch die beiden partizipialen λέγεσθαι-Formen angezeigt bzw. hervorgehoben wird, dass hier bestimmte Artikulationsweisen der jeweiligen Gruppenidentität referiert werden, wie sie in einem Interaktionsgeschehen der beiden Gruppen ihren Ort haben. In einem ‚eigentlichen‘ Sinne handelt es sich bei dem dichotomen Szenario in 2,11f. demnach um das Gegenüber von ἔθνη (V.11a) und Ἰσραήλ (V.12). An dieses Gegenüber heften sich aber offenbar Zuschreibungsprozesse, die es in den Gegensatz von ἀκροβυστία und περιτομή (V.11b) überführen. Dieser Struktur entsprechend ist nachfolgend gestuft vorzugehen und zunächst das in
|| 650 Dem entspricht im Übrigen auch, dass die Qualifikation ἐν σαρκί in V.11 auf beide Gruppen bezogen wird, ebenso der Umstand, dass in V.17 Ferne und Nahe unterschiedslos Adressaten der Evangeliumsverkündigung sind. 651 Dieser Referenzträger begegnet zwar in Eph 2,11f. nicht explizit; dies mag aber darin begründet liegen, dass der Passus keine positiven Bestimmungen bietet, sondern nur negative, die vom Vergleich mit Israel her vorgenommen werden.
242 | Drei ‚Moves‘ zur Vertiefung des Gründungsnarrativs: Eph 2,1–3,13
V.11a.12 gebotene Bild zu erheben, vor dessen Hintergrund V.11b zu stehen kommt. 1. Nachdrücklich wird in V.11a.12 signalisiert, dass die anvisierte Darstellungsebene jene des Einst ist, auf der menschliche Existenz gemäß 2,1–3 in ihrer ‚naturwüchsigen‘ (vgl. φύσει 2,3), dem Einfluss der σάρξ (vgl. ἐν σαρκί 2,11a mit 2,3a) und der kosmischen Mächte (vgl. ἐν τῷ κόσμῳ 2,12c mit 2,2) unterstehenden Vorfindlichkeit zur Anschauung kommt. Diese Existenz ist nun aber, in scheinbarer Spannung zur universalisierenden Tendenz in 2,1–3, fundamental durch das Gegenüber von ἔθνη und Ἰσραήλ gekennzeichnet. Das Kollektiv der ἔθνη, das als komprehensiver Sammelbegriff für Nicht-Israel dient und dem die fiktiven Adressaten zugerechnet werden, wird dabei in V.12 durch Negativbestimmungen charakterisiert, die seine Distanz zu Christus unmittelbar mit der Distanz zu Israel und zu Gott korrelieren; semantische Leitfunktion (dies bestätigt die Wiederaufnahme in V.19) kommt dabei einem ‚politischen Paradigma‘652 zu. In der Folge erscheinen die den Adressaten als ἔθνη attestierten Defizite und Mängel indirekt als (positive) Vorzüge Israels (s.o.), so dass nachfolgend von der Profilierung dieses Referenzträgers ausgegangen werden kann. Die kollektive Größe Ἰσραήλ wird in der Aufzählung in V.12 grundlegend mit einer ihr zugehörigen πολιτεία assoziiert. Angesichts des breiten Bedeutungsspektrums dieses Begriffs653 ist der jeweiligen kontextuellen Einbindung eine zentrale Rolle bei der semantischen Bestimmung beizumessen. Dabei gibt die zumal in 2,1–10 zu beobachtende Virulenz der Lebenswandelthematik im Epheserbrief, die offensichtlich auch eine kollektive Dimension hat (vgl. die pluralischen Formulierungen), Anlass zu der Vermutung, dass bei der Rede von der πολιτεία in 2,12 mehr mitschwingt als in der Kernbedeutung ‚Bürgerrecht‘ zum Ausdruck kommt. Hinzuweisen ist hier insbesondere auf die Kompetenz von πολιτεία zur Bezeichnung eines spezifischen ‚way of life‘, der den gemeinschaftlichen Selbstvollzug eines in politischen Kategorien konzipierten Gemeinwesens – auf der Basis bestimmter νόμοι bzw. ἔθη – in umfassender Weise regelt.654
|| 652 Faust, Pax, 107. Zur zweidimensionalen, vertikale (auf die Gottesbeziehung bezogene) und horizontale (auf die zwischenmenschliche Ebene bezogene) Aspekte verbindenden Antithetik im Epheserbrief vgl. Merklein, „Rezeption“, 200–204. 653 Vgl. dazu Yee, Jews, 91f. 654 Die angedeuteten begriffsgeschichtlichen Zusammenhänge werden bündig skizziert bei Cohen, Beginnings, 125: So bezeichne der Begriff zwar „in the first instance ‚citizenship‘, the quality of being a citizen (a politēs)“, werde jedoch durch Extension auch für „the institutions
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Ein solches ‚ethnokulturelles‘ Verständnis des πολιτεία-Begriffs in Eph 2,12, wie es insbesondere von Eberhard Faust vertreten wird655, kann sich nicht zuletzt darauf stützen, dass zumal im hellenistisch-(diaspora)jüdischen Bereich der Gedanke eines maßgeblich auf dem mosaischen Gesetz beruhenden, letztlich translokalen jüdischen Gemeinwesens mithilfe einer solchen Verwendungsweise von πολιτεία konzeptualisiert werden konnte.656 Zudem passt diese Deutung zu der unmittelbar vorangehenden Bezugnahme auf konkrete soziale Interaktionsprozesse, die sich auf einen zentralen Aspekt ebenjenes way of life – nämlich die Beschneidung – beziehen (V.11b).657 Dass mit dem Begriff πολιτεία demnach vor allem auf den Aspekt der Performanz des für eine bestimmte Gemeinschaft – in diesem Fall Israel – konstitutiven Ethos abgestellt wird, bedeutet freilich nicht, dass dem auf der Ebene des Individuums nicht unmittelbar der Aspekt des Bürgerrechts korrespondieren würde; beides ist vielmehr aneinander gekoppelt (vgl. 2,19).658 Dieses sich fortwährend in actu realisierende Gemeinwesen Israels wird nun durch die weiteren Bestimmungen in V.12 auf die beschriebene, indirekte Weise näher erläutert. Von tragender Bedeutung ist zunächst die in ihrer Deutung ebenfalls nicht unumstrittene Rede von den διαθῆκαι τῆς ἐπαγγελίας, lässt der Parallelismus in V.12b die Wendung doch zumindest als Benennung eines zentralen Charakteristikums der πολιτεία Israels erscheinen. Calvin Roetzel hat in seiner Begriffsanalyse herausgearbeitet, dass das Bedeutungsspektrum von pluralischem διαθήκη sich im hellenistisch-jüdischen Bereich zwischen „decrees, statutes, ordinances or commandments“ und „oaths
|| and conventions within which a citizen exercises his citizenship“ gebraucht, wobei in vielen Fällen eben eine Übersetzung mit „way of life“ adäquat sei. 655 Vgl. die Definition bei Faust, Pax, 92: „Wir fassen ‚Politeia‘ […] als ethnokulturellen Begriff, der eine bestimmte Kultur sozialen und politischen Handelns ebenso wie die damit verbundene Kultur religiösen Handelns eines autonomen Staatsvolks umgreift und nach Ausweis der Quellenbelege durch die νόμοι und die ἔθη dieses Volkes bestimmt wird“. 656 Nach Ritter, Judeans, 79f. handelt es sich bei der Rede von der πολιτεία im Sinne einer „constitution established by God, centered in the Temple in Jerusalem, to which all Judeans belonged“, im 1. Jahrhundert um „a well established metaphor for Judaism“. Zur Sache vgl. weiterhin Cohen, Beginnings, 125–129, der eben darauf hinweist, dass, wenn „the ancestral laws of the Judeans constituted their politeia, then the Judeans themselves, not only in Judea but even in the diaspora, will have been politai or ‚citizens‘“ (126). 657 Für eine zusammenfassende Darstellung vgl. Barclay, Jews, 399–444 (zur Beschneidung 438f.). 658 Vgl. wiederum Cohen, Beginnings, 125: „The politeia of an individual is his citizenship; the politeia of a state is its way of doing things.“ Die Verbindung mit dem Kollektivbegriff Israel zeigt an, dass in Eph 2,12 die gemeinschaftliche Dimension im Blick ist.
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or promises“, mithin zwischen ‚gesetzlichen Verfügungen‘ einerseits und ‚verbindlichen Zusagen‘ andererseits bewegt.659 Lässt sich als gemeinsamer Nenner beider Verwendungsweisen zunächst festhalten, dass die διαθῆκαι gleichsam als Inbegriff der beziehungskonstitutiven Zuwendung Gottes zu Israel fungieren können, so mag das soeben zum πολιτεία-Begriff einschließlich des Zusammenhangs mit V.11b Ausgeführte nun erwarten lassen, dass mit der Erwähnung der διαθῆκαι an die erstbeschriebene Verwendungsweise angeknüpft und auf die Gabe des Gesetzes an Israel Bezug genommen würde. Die Zuwendung Gottes erwiese sich dann gerade dadurch als beziehungskonstituierend, dass mit ihr die Gesetze als Grundlage des Israel eigenen way of life und also der jüdischen Politeia etabliert werden. Indes bringt die Hinzufügung des qualifizierenden Genitivs τῆς ἐπαγγελίας eine entscheidende semantische Präzisierung mit sich, wenn gleichsam als Essenz jener διαθῆκαι ihr Verheißungscharakter vor Augen gestellt wird. Dies aber spricht dafür, den Begriff hier wesentlich im zweitgenannten, stärker prospektiv orientierten Sinne als göttliche Heilsversprechen aufzufassen.660 Wesen und Funktion der Israel durch Gott gewährten διαθῆκαι bestehen Eph 2,12 zufolge somit zuvörderst darin, einen Verheißungsraum zu eröffnen, in den Israel hineingenommen wird. Es ist sodann der nachfolgende (V.12c) Verweis auf die Hoffnungslosigkeit der fiktiven Adressaten, der indirekt erläutert, welcher Art die existenzielle Prägekraft ist, die diese διαθῆκαι für Israel entfalten: Als adäquates Vollzugsmoment der aus den διαθῆκαι resultierenden Beziehung zwischen Gott und Volk auf Seiten Israels gilt demnach im Kern die ἐλπίς, die ihren Haftpunkt in der göttlichen Verheißung findet. Demgegenüber tritt damit das Gesetz in seiner traditionellen Funktion als Konstitutionsbasis der πολιτεία τοῦ Ἰσραήλ in 2,12 offenbar in den Hintergrund – im Kern ist es vielmehr ein bestimmter Hoffnungsstand, der Israel auszeichnet; die διαθῆκαι als Inbegriff der Zuwendung Gottes begründen Israel als Hoffnungsgemeinschaft. Und ebendieser πολιτεία Israels als Hoffnungsgemeinschaft wird schließlich im selben Atemzug offenbar attestiert, dass sie – im Unterschied zu den ἔθνη – nicht χωρὶς Χριστοῦ bzw. ἄθεος ἐν τῷ κόσμῳ sei. Diese Profilierung des Israelbegriffs in Eph 2,12 ist von weitreichender konzeptioneller Bedeutung für das im Epheserbrief entworfene Gründungsnarrativ. Denn mit Christus- bzw. Gottesnähe und Hoffnungsstand werden Israel auf der Ebene des ποτέ Attribute zugesprochen und auf eine beziehungskonstitutive || 659 Vgl. Roetzel, „Διαθῆκαι“, Teilzitate 390. 660 Vgl. Vogel, Heil, 236.
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Zuwendung Gottes zurückgeführt, die in deutlicher Affinität zu zentralen Charakteristika stehen, die die ekklesiale Wir-Gruppe kennzeichnen. Dem entspricht, dass auch der markante (vgl. dagegen den Plural in Röm 9,4) Singular bei ἐπαγγελία Parallelen im Makrokontext von Eph 1–3 hat (1,13; 3,6) und insofern von dort her eine inhaltliche Bestimmung erfährt; gemäß 1,13 ist dabei der Aspekt der Pneumagabe von tonangebender Bedeutung. Die Hoffnungsgemeinschaft Israel erscheint somit nicht zuletzt als hingeordnet auf ebenjene Geistverleihung, die gemäß Eph 1,13 Kerninhalt der ἐπαγγελία und mit der Partizipation an dem Christus- als Rettungsgeschehen unlöslich verbunden ist. Mithin gibt es bereits auf der Ebene des ποτέ mit Israel eine kollektive Größe, die vom Bezug auf das für die Wir-Gruppe konstitutive Christusgeschehen bestimmt ist – und zwar infolge vorgängiger beziehungskonstitutiver Zuwendungen Gottes. Das temporale Schema, das die Eulogie vorgegeben hat, wird demnach durch 2,12 folgenreich verfeinert – ohne freilich die Rolle des Christusgeschehens als Dreh- und Angelpunkt jener Zuwendungen Gottes aufzugeben; die Geschichte Israels erscheint wesentlich als Verheißungsgeschichte, die auf das in der Geistverleihung zu appropriierende, heilsstiftende Christusereignis orientiert ist. In den Blick kommt gleichwohl ein an die Größe Israel gekoppeltes Kontinuitätsmoment, das Einst und Jetzt nicht rein antagonistisch gegenüberstellt. Im Licht von 2,12 scheint sich vielmehr Heilsteilhabe überhaupt als Eingliederung in den Gemeinschaftszusammenhang der πολιτεία τοῦ Ἰσραήλ konzeptualisieren zu lassen, und für sich genommen könnten die Formulierungen in V.13.19 sowie die implizite Selbstverortung des Paulus im Raum jener Gemeinschaft der ,Nahen‘ ein ebensolches Verständnis tatsächlich nahelegen. Gleichwohl hat sich im Vorangehenden angedeutet, dass die Etablierung jener heilsgeschichtlichen Kontinuität offenbar einhergeht mit einer bestimmten Rekonfiguration der Elemente, die ebenjenes Israel als Gottesvolk im Kern bestimmen; es ist ebendieser Prozess, der maßgeblich durch V.11b eingeleitet wird. 2. Die in Eph 2,11f. formulierte Konstellation ist also dadurch geprägt, dass sich bestimmte tatsächliche Vorzüge Israels und ebenso reale Mängel auf Seiten der ἔθνη gegenüberstehen. Gemäß V.11b existieren die beiden Gruppen nun nicht unverbunden nebeneinander. Vielmehr wird diese Dichotomie in einem sozialen Interaktionsgeschehen, das sich in einem Prozess der Zuschreibung von Gruppenidentitäten niederschlägt, thematisch. Die Antithese von ἀκροβυστία und περιτομή zeigt dabei an, dass in diesem Zusammenhang das Israel gegebene Gesetz zum springenden Punkt, zum ent-
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scheidenden Differenzmerkmal gemacht wird; zumal von V.15a her wird man περιτομή als Oberbegriff für das Gesetz insgesamt, das als komplexes Strukturierungsgefüge für den Israel eigenen way of life (s.o.) fungiert, anzusehen haben.661 Dieser Zuschreibungsprozess geht dabei zumindest auch von der περιτομή-Gruppe aus, die ihr Gegenüber metonymisch als ἀκροβυστία bezeichnet. Das λεγομένης wird man vor diesem Hintergrund in einem dem λεγόμενοι funktional äquivalenten Sinne als Hinweis auf eine zugeschriebene Bezeichnung, die ihren Ort in der sozialen Interaktion der beiden Gruppen hat, aufzufassen haben.662 Demnach wird mit V.11b auf das Selbstverständnis Israels angesichts seiner Existenz in der Völkerwelt fokussiert. Näherhin geht es um eine unter den Bedingungen des ποτέ erfolgende Artikulation der Sonderstellung, die Israel gegenüber den ἔθνη zukommt – wobei sich eben maßgeblich auf das Gesetz berufen wird. Damit aber wird im Textzusammenhang indirekt an das Motiv des καυχᾶσθαι aus 2,8–10 angeknüpft, insofern ein Sich-Rühmen nach den paulinischen Vorgaben eben gerade auch im Zusammenhang der Gestaltung des Verhältnisses zwischen Israel und Weltvölkern seinen Ort hat (s.o.). Von Röm 2,17– 20 als einer von Paulus dargebotenen Beschreibung eines (schriftgelehrten663) jüdischen Selbstverständnisses her kann es hierbei um den an sich nicht unangebrachten Anspruch gehen, Licht für die Völkerwelt, mithin Wegbereiter für die Hineinnahme der ἔθνη in die Gemeinschaft mit dem einen Gott Israels zu sein. Für den Textzusammenhang von Eph 2 lässt sich vor diesem Hintergrund folgendes Bild für das Verhältnis von Israel und ἔθνη inferieren: De facto kommt Israel eine Sonderstellung unter den Völkern zu. Dieser Sachverhalt wird von Israel tatsächlich auch nach außen hin artikuliert, wobei diese Artikulation konzeptionell als Hinausführung der Israel zugedachten Rolle, Licht für die Völker zu sein, zu stehen kommt. In diesem Zusammenhang wird in der Interaktion nun aber das Gesetz in den Mittelpunkt gerückt. Dies scheint an sich zunächst auch vollkommen adäquat: Denn nach Maßgabe von Eph 2,1–10 gestaltet sich Heilsteilhabe ja konkret als Vollzug eines dem göttlichen Willen entsprechenden Lebenswandels, und insofern das Gesetz als Kundgabe ebenje|| 661 Vgl. die Rede von οἱ ἐκ περιτομῆς in Act 11,2 (vgl. 10,45); Gal 2,12; Kol 4,11; Tit 1,10. 662 Die Urheberschaft der Bezeichnung περιτομή wird dabei nicht eindeutig aufgeschlüsselt – eine Selbst- wie eine (derogative) Fremdbezeichnung durch die nichtjüdische Umwelt scheinen gleichermaßen denkbar. Im erstgenannten Sinne etwa Sellin, Eph, 193; die zweitgenannte Alternative wird von Marcus, „Circumcision“ befürwortet. Womöglich klingt hier auch die sich verselbständigende Dynamik der Dichotomisierung durch. 663 Vgl. dazu Wilk, „Ruhm“, 67f.
Querschnitt I: Das ποτέ als Hintergrundfolie | 247
nes Gotteswillens anzusehen ist664, müsste sich mit einem am Gesetz orientierten Lebenswandel tatsächlich die Heilsteilhabe – und damit die Herausnahme aus dem Unheilszusammenhang – verbinden. Der entscheidende Punkt ist nun aber, dass dem am Gesetz orientierten gemeinschaftlichen Selbstvollzug Israels auf der Ebene des ποτέ ebendiese Qualität nicht zuerkannt wird. Dies wird programmatisch signalisiert durch die Charakterisierung der περιτομή als einer ἐν σαρκί sowie χειροποίητος erfolgenden. Denn durch erstere Bestimmung wird die Beschneidung (und damit letztlich der νόμος) überhaupt der kosmischen Sarx-Sphäre zugeordnet, die nach 2,1–3 den widergöttlichen Mächten untersteht. Vor diesem Hintergrund stellt das Prädikat χειροποίητος sodann betont die menschliche Urheberschaft heraus, wodurch die Beschneidung indirekt mit jenen ἔργα assoziiert wird, die die Verfasstheiten des ποτέ eben gerade nicht zu durchbrechen vermögen (2,8–10). Demnach untersteht auch der Lebenswandel Israels auf der Ebene des ποτέ tatsächlich ganz den dort universal geltenden Bedingungen, d.h. den korrumpierenden kosmischen Mächten. Eine Orientierung am Israel gegebenen Gesetz stellt daher für Israel wie auch für die ἔθνη letztlich keine Möglichkeit zur Herausnahme aus dem Status der Zorneskindschaft dar. Vielmehr scheint sich mit der Fokussierung auf das Gesetz für beide Seiten sogar das Gegenteil, nämlich eine Verschärfung des Unheilsstandes, zu verbinden: So deutet sich in dem tendenziell derogativen Charakter der Gruppenbezeichnungen in V.11b bereits an, dass die Bezugnahme auf das Gesetz eine Spirale in Gang setzt, in deren Folge sich das Verhältnis der beiden Gruppen tatsächlich als ein sozialer Antagonismus gestaltet. Dies wird nachfolgend dadurch bestätigt, dass in zuspitzender Weise der Begriff ἔχθρα zur Apposition des Gesetzes selbst wird (V.14bc.15a). Das Gesetz vermag es auf der Ebene des ποτέ somit nicht, zu einem dem göttlichen Willen gemäßen Selbstvollzug aller Menschen zu verhelfen. Es trägt vielmehr dazu bei, die Entfremdung zwischen Gott und Menschheit sowie zwischen den Menschen untereinander zu verstetigen. Wohlgemerkt: Diese Eigenschaft wird dem Gesetz auf der Ebene des ποτέ zugeschrieben; die vorgenommene Charakterisierung ist daher nicht einfach auf das Gesetz als solches zu beziehen, sondern auf die tatsächliche Wirkung, die das Gesetz unter den beschriebenen Bedingungen des ποτέ entfaltet.665
|| 664 Dies wird auch vom Epheserbrief schon insofern nicht negiert, als die Tora als Grundlage für die Paraklese herangezogen werden kann; vgl. nur Eph 5,31 (Gen 2,24); 6,2f. (Ex 20,12). 665 Mit Barth, Eph I, 290f.
248 | Drei ‚Moves‘ zur Vertiefung des Gründungsnarrativs: Eph 2,1–3,13
V.3.3
Eph 3,5f.
Die aus Eph 2 erhobenen Konturen des ποτέ-Szenarios werden bestätigt und vertieft durch den dritten, die Sequenz 2,1–3,13 abschließenden ,Move‘ 3,1–13, der den Gegensatz von Einst und Jetzt unter dem Gesichtspunkt des Gegenübers von vormaliger Verborgenheit und nunmehr bestehender Evidenz des μυστήριον als des Kerns des göttlichen Heilsratschlusses zur Darstellung bringt. So gilt gemäß 3,5 jene Verborgenheit auf der Ebene des Einst – die hier durch den temporalen Dativ (vgl. 2,12a) ἑτέραις γενεαῖς bezeichnet wird – in einer universal gültigen Weise, auch Israel ist demnach davon betroffen; die Wendung οἱ υἱοὶ τῶν ἀνθρώπων dient als inklusiver Sammelbegriff für die Menschheit insgesamt und korrespondiert darin mit dem Gedanken der Universalität der Zorneskindschaft (2,3). Die Ausformulierung des Inhalts des μυστήριον durch die Infinitivkonstruktion in V.6 führt durch die Aufnahme des Referenzträgers τὰ ἔθνη indes indirekt auch die Differenzierung von Israel und Weltvölkern in einer affirmativen Weise fort – wenn auch unter Aufhebung ihrer unterschiedlichen Stellung vor Gott. Die Sonderstellung Israels wird mithin auch hier nicht nur nicht in Frage gestellt, vielmehr erscheint nach Maßgabe des oben zur identitätskonstitutiven Bedeutung des Verheißungsgedankens für das Israelverständnis des Epheserbriefs Gesagten die Inklusion der ἔθνη in die in Israel präfigurierte Hoffnungs- als Heilsgemeinschaft gerade im Zentrum der göttlichen Heilsökonomie zu stehen. Als Konstitutionsgrundlage dieser Inklusion kann hingegen aus den ausgeführten Gründen eben nicht (unmittelbar) das Gesetz in Frage kommen. Sie beruht vielmehr auf dem Evangelium. Inwiefern dies der Fall ist, ist anhand einer Darstellung der mit dem Christusereignis assoziierten Wende als dem nächsten Schritt der durch Eph 1,3–14 vorgegebenen Handlungssequenz zu plausibilisieren.
V.4
Querschnitt II: Das Christusgeschehen als soteriologische Wende
Angesichts des mit strukturellen Analogien einhergehenden antagonistischen Charakters von Einst und Jetzt lassen sich der Eigenart des ποτέ bereits erste Hinweise auf das ‚Anforderungsprofil‘ entnehmen, dem das Rettungsgeschehen zu entsprechen hat, um im Rahmen der Textwelt als ein solches gelten zu können. Von elementarer Bedeutung ist demnach, dass es sich als Hineinstellung in die adäquate Gottesbeziehung erweist, die als solche ‚Leben‘ bedeutet. Insofern sich diese Gottesbeziehung maßgeblich in einem ihr gemäßen Lebenswandel
Querschnitt II: Das Christusgeschehen als soteriologische Wende | 249
manifestiert, hat sich mit dem Rettungsgeschehen die Schaffung entsprechender Voraussetzungen zu verbinden. Dies aber bedeutet insbesondere die Durchbrechung der existenzbestimmenden Wirkmacht des ,Archon‘ am Ort der Individuen; gemäß dem Ausgeführten kann eine solche Durchbrechung nur von außen erfolgen. Da der göttliche Beziehungswille ferner letztlich auf die Menschheit bzw. das All insgesamt geht, ist weiterhin eine Überwindung der auf der ποτέ-Ebene bestehenden und maßgeblich durch das Gesetz evozierten sozialen Antagonismen zwischen Israel und den ἔθνη als den beiden konstitutiven Menschheitsgruppen nötig. Dem Grundsatz nach deutet sich damit eine doppelte Stoßrichtung der soteriologischen Wende an, insofern diese offenbar konstruktive wie destruktive Aspekte gleichermaßen umfassen muss. Der Sache nach findet sich dies bereits in der Grundbestimmung der ‚ersten ἀπολύτρωσις‘ in Eph 1,5–8(.9) angedeutet: Ihr konstruktiv-beziehungskonstituierender Charakter wird hier auf den Begriff der υἱοθεσία gebracht, während das Motiv der ἄφεσις τῶν παραπτωμάτων ein destruktives Moment präfiguriert. Die tatsächliche Darstellung des Rettungsgeschehens im Kontext der Sequenz 2,1–3,13 entspricht nun dem beschriebenen Profil insbesondere dadurch, dass der Übertritt ins Leben pointiert als Neuschöpfung, die sich elementar durch die Überwindung des beschriebenen sozialen Antagonismus auszeichnet, interpretiert wird, so dass die Neukonstituierung der Gottesbeziehung auch die zwischenmenschlich-horizontale Ebene unmittelbar betrifft. Gemäß der durch Eph 1 vorgegebenen Struktur des Gründungsnarrativs gestaltet sich die eingehendere Darstellung der soteriologischen Wende als Entfaltung der Implikationen des Christusgeschehens mit seiner Abfolge von Kreuzestod, Auferweckung und Erhöhung Jesu, die als Inauguration des allumfassenden ἀνακεφαλαιώσασθαι gilt. Die in diesem Zusammenhang maßgeblichen Textsegmente finden sich in 2,4–6(.7–10) und 2,14–18 (als Erläuterung von 2,13) sowie, im Blick auf das Evidentwerden des μυστήριον des göttlichen Heilsratschlusses, wiederum in 3,5. Dabei gilt auch hier, dass der jeweilige Gesamtabschnitt als Mikrokontext für die Erhellung der genannten Passus zu berücksichtigen ist. Dem Textfluss folgend ist mit 2,4–6(.7–10) einzusetzen; zu erinnern ist freilich daran, dass die christologische Ereignisfolge im Textfluss von Eph 2 nicht in chronologischer Ordnung aufgenommen wird.
250 | Drei ‚Moves‘ zur Vertiefung des Gründungsnarrativs: Eph 2,1–3,13
V.4.1
Einleitendes anhand von Eph 2,4–6(.7–10)
Die syntaktische Struktur von 2,4–6(7) als Zentrum des ersten Abschnitts der Sequenz 2,1–3,13 ist wegweisend für das Profil des Rettungsgeschehens: Die exponierte Nennung des Subjekts ὁ θεός zu Beginn des Satzes – woran sich eine das Wesen dieses Subjekts näherbestimmende appositionelle Partizipialwendung (ὤν) sowie eine vorausblickend auf das erste Hauptverb (συνεζῳοποίησεν) zu beziehende, gleichermaßen auf Wesen bzw. Eigenschaften des Subjekts abhebende Präpositionalkonstruktion (διὰ κτλ.) anschließen – macht deutlich, dass Initiative und Handlungssouveränität für das Rettungsgeschehen ganz bei Gott liegen und ihre Motivation ausschließlich in ihm selbst, in seinem Wesen finden. Gottes Erbarmen (ἔλεος) scheint dabei gleichsam die Grundlage zu bieten, die sich in seiner tätig werdenden (vgl. die figura etymologica sowie den Aorist bei ἠγάπησεν) Liebe konkretisiert, so dass der gesamte Geschehenszusammenhang letztlich als Erweis der göttlichen χάρις überschrieben werden kann (V.5b.8a; vgl. auch V.7). Das zumindest in V.5a konzessiv zu fassende καί in der Objektphrase unterstreicht den Charakter der göttlichen Zuwendung als einer solchen, die ihr Bezugsobjekt im Zustand äußerster Unwürdigkeit trifft und insofern nur Geschenk (vgl. δῶρον, V.8) sein kann. In Opposition zum φύσει, unter tatkräftiger Mitarbeit der menschlichen Subjekte heraufgeführten ποτέZustand, vollzieht sich die Konstituierung des sich aus dem Rettungsgeschehen ergebenden Existenzzustands ganz und gar aus Gnade (χάριτι). Das Rettungshandeln wird in V.5 unter den Leitausdruck συζωοποιεῖν τῷ Χριστῷ gestellt, was – wie der Fortgang verdeutlicht – als Extension des Handelns Gottes an Christus auf die Glaubenden zu verstehen ist. Diese Leitaussage wird durch die beiden anschließenden, parataktisch angefügten Verben erläutert. In achtergewichtiger Position666 kommt dabei die Konstatierung der in Christus statthabenden Einsetzung ἐν τοῖς ἐπουρανίοις zu stehen.667 Für den konzeptionellen Gesamtzusammenhang kommt dieser Aussage in der Tat besondere Relevanz zu, da mit ihr in zugespitzter Form die Hineinnahme der Glaubenden in den Machtbereich Christi zum Ausdruck kommt und als Partizipation an dessen souveräner kosmischer Machtstellung interpretiert wird. Damit aber ist angezeigt, dass die Glaubenden dem Kosmos im Sinne eines dem ‚Archon‘ unterstehenden Wirkbereichs und damit eben der Wirkmacht
|| 666 Vgl. Sellin, Eph, 179. 667 Das δεξιά-Motiv fällt dabei freilich aus; das Sitzen zur Rechten Gottes bleibt Christus vorbehalten.
Querschnitt II: Das Christusgeschehen als soteriologische Wende | 251
desselben tatsächlich enthoben sind. Ihre Eingebundenheit in den Machtbereich Christi – der zugleich jener Gottes ist – schlägt sich folgerichtig in einer veränderten pneumatischen Konstellation nieder, wie 2,18 explizit machen wird; mit der Rede von der προσαγωγή wird semantisch an das ‚GottesthronSetting‘ aus 1,20f.; 2,6 angeknüpft.
V.4.2
Analyse von Eph 2,14–18
Gemäß Eph 2,1–10 zeichnet sich das gnadenhafte Rettungsgeschehen wesentlich durch die Gewährung einer Partizipation an dem souveränen Machtbereich Christi aus, die zu einem dem Gotteswillen adäquaten Selbstvollzug befähigt und gerade insofern als Lebendigmachung anzusehen ist. Diese Lebendigmachung bedeutet aber tatsächlich ein in Christus statthabendes Neuschöpfungsgeschehen, wie 2,10 – unter Fortführung von 2,5 – festhält. 2,11–22 als zweiter Abschnitt der Sequenz 2,1–3,13 erläutert nun, dass ebenjene Neuschöpfung das Proprium des Kreuzestodes Christi darstellt und dass sie sich dabei zugleich durch ihren integrativen Charakter auszeichnet, der das Gegenüber von Ἰσραήλ und ἔθνη in seiner (für die ποτέ-Ebene einschlägigen) Wirkweise als sozialer Antagonismus überwindet. Die maßgebliche Explikation dieses Sachverhalts findet sich in dem zentralen Unterabschnitt 2,14–18. V.4.2.1 Syntaktische Struktur Der Passus beruht auf der Christusprädikation in V.14a, die gleichsam die Leitthese des Abschnitts benennt, die als Begründung (γάρ) für den in V.13 formulierten Befund angeführt wird. Das betont vorangestellte αὐτός signalisiert einerseits die für das Nachfolgende bestimmende Fokussierung auf Christus als maßgeblichen Handlungsträger, markiert andererseits durch den Rückbezug auf V.13, dass Christus dabei gezielt als der Gekreuzigte in den Blick genommen wird. Dies bestätigt sich auf der Ebene der Wiederaufnahmestruktur dadurch, dass der im Anschluss erstmalige personalpronominale Verweis auf Christus (ἐν τῇ σαρκὶ αὐτοῦ V.14d) auf den Kreuzesleib Bezug nimmt. Als geradezu bezeichnend kann ferner die ambivalente Referenz des Personalpronomens in V.16b angesehen werden, insofern mitunter ein Bezug von ἐν αὐτῷ auf den σταυρός in V.16afin erwogen wird.668 Die zu V.14cd parallele Formulierungsweise in V.16b
|| 668 So etwa bei Gnilka, Eph, 144.
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legt freilich nahe, dass αὐτός auch hier auf Christus zu deuten ist. Dieser scheint in 2,14–18 jedoch tatsächlich mit dem Kreuz geradezu zu verschmelzen. Die Leitthese V.14a wird durch V.14b–18 erläutert. Hier wird expliziert, weshalb jener Christus als jener personifizierte Friede angesehen werden kann, der den ἡμεῖς zugutekommt.669 Syntaktisch wird diese Entfaltung durch den substantivierten, auf Christus als handelndes Subjekt bezogenen Partizipialausdruck V.14b eröffnet. Dieser wird in V.14c–15a zunächst durch zwei weitere Partizipialkonstruktionen (vgl. λύσας bzw. καταργήσας in V.14c.15a) fortgeführt670, bevor sich in V.15b.16 ein Finalsatz anschließt. Auf diesen folgt der eigenständige Hauptsatz V.17, der freilich Christus als Subjekt aus dem Vorangehenden übernimmt und schon insofern mit dem dort entworfenen Geschehenszusammenhang in Verbindung gebracht wird. Dass in V.17 gleichwohl zugleich ein eigengeprägter Akzent gesetzt wird, ist bereits dadurch angezeigt, dass der Leitbegriff εἰρήνη (vgl. V.14a) hier nach V.15b ein weiteres Mal zum direkten Objekt eines Handelns Christi wird.671 Der Passus wird beschlossen durch den auf das Vorangehende bezogenen Begründungssatz V.18672, der sich davon jedoch schon durch den Subjektwechsel abhebt und zugleich durch den Gebrauch der 1.Pl. den Bogen zur Leitzeile V.14a zurückschlägt. V.18 ist dabei von einem resultativen Klang geprägt; das Präsens bei ἔχομεν – das mit dem ἐστιν in V.14a korrespondiert673 – verrät, dass der Standpunkt des Sprechers die Ebene des νῦν ist, wie sie durch den in V.14b–17 dargelegten Geschehenszusammenhang eröffnet wurde. Mithin ist es die Evidenz jenes νῦν, das letztlich als Argumentationsgrundlage für 2,14–18 vorausgesetzt wird.674 Das achterge-
|| 669 Diese Zuordnung, die im Weiteren zu erläutern ist, setzt zunächst grundlegend voraus, dass die Rede von den ἀμφότερα/-οι als Aufnahme von ἡμεῖς angesehen werden kann. Dies aber wird durch V.18 abschließend bestätigt. 670 Die Substantivierung erstreckt sich somit auch auf diese beiden folgenden Partizipien; mit Sellin, Eph, 210 u.a. 671 Dem entspricht ferner, dass dem Partizip ἐλθών in V.17 im Unterschied zu den drei strukturtragenden Aoristpartizipien in V.14b–15a (ποιήσας, λύσας, καταργήσας) eine syntaktisch untergeordnete Funktion zukommt. Zur Einordung von ἀποκτείνας in V.16b siehe im Folgenden. 672 So mit Lincoln, Eph, 149 u.a. Anders attestieren etwa Gnilka, Eph, 146 und Mußner, Eph, 85 dem ὅτι „deklaratorischen Charakter“ bzw. „,deklarative‘ Funktion“ und übersetzen mit „dass“ bzw. „deshalb“. 673 Vgl. analog auch das ἔχομεν in Eph 1,7. 674 Dass diese Ebene aber als Begründung (ὅτι) angeführt werden kann, signalisiert, dass V.18 sich offenbar auf die Evidenz des tatsächlich Erfahrbaren beruft und eben dieses als Legitimationsgrundlage für eine bestimmte Rekapitulation der Voraussetzungen, die zu diesem Zustand geführt haben, in Anschlag bringt.
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wichtige πρὸς τὸν πατέρα verdeutlicht schließlich, dass der maßgebliche Horizont des Kreuzesgeschehens die Konstitution der Gottesbeziehung ist (vgl. V.16a). Die Entfaltung der Leitthese (V.14a) gliedert sich somit in das grundlegende Segment V.14b–15a, das seinerseits die Aussagen V.15b–16 aus sich heraussetzt und sodann in einem weiteren Schritt durch V.17 fortgeführt wird, bevor V.18 auf dieser Grundlage den Abschnitt insgesamt abrundet. Diese grobe Strukturierung ist nun an einzelnen Stellen zu verfeinern, um Zugriff auf das Aussageprofil zu erhalten. Die strukturtragende Funktion der Aoristpartizipien in dem Basissegment V.14b–15a erinnert unmittelbar an die Briefeingangseulogie: Analog zu den zu Eph 1,3–14 getroffenen Bestimmungen dienen diese auch hier sowohl der syntaktischen Gliederung als auch der grundlegenden Beschreibung des im Blick befindlichen Handlungsträgers, in diesem Fall also Christi. Die appositionelle Anfügung an V.14a lässt den gesamten ab V.14b entfalteten Zusammenhang demnach nicht nur als begründende Explikation der Leitthese, sondern zugleich als breit entfaltete Christusprädikation erscheinen – Christus ist „unser Friede“ präzise als Vollbringer des ab V.14b referierten Geschehens.675 Die Struktur von V.14b–15a ist nun im Grundsatz zweigliedrig: So verbindet das καί in V.14c zunächst die ersten beiden Partizipien, mithin V.14b und V.14c miteinander. In beiden Fällen ist der partizipialen Handlungsaussage ein Objektausdruck zugeordnet, wobei die Anordnung in chiastischer Weise erfolgt, insofern das Objekt in V.14c – im Unterschied zu V.14b – dem Partizip vorangestellt wird. Die beiden Partizipien stehen sich in semantischer Hinsicht oppositionell gegenüber: Mit ποιεῖν wird dem Handeln Christi ein konstruktives, ja schöpferisches Element zugeschrieben, während λύειν einen destruktiv-überwindenden Handlungsaspekt markiert. Die Voranstellung des konstruktiven Elements zeigt zwar dessen Präponderanz an, gleichwohl weist der epexegeti-
|| 675 Christus ‚ist‘ sein Heilswerk, vgl. Gese, Vermächtnis, 125–127, der zudem darauf hinweist, dass die personalpronominalen Wiederaufnahmen Christi zur Folge haben, dass „die enge Verbindung von Person und Werk […] in den folgenden Versen Eph 2,14b–16 noch unterstrichen“ wird (a.a.O., 126). Der Textsorte nach lässt sich Eph 2,14–18 als ein in Anlehnung an hellenistische Herrscherenkomien gestaltetes Enkomion ansprechen (Nachweis bei Faust, Pax, 315–324), für welche „der demonstrative Prädikationsstil und die substantivierten aoristischen Partizipien“ (Sellin, Eph, 207) charakteristisch sind.
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sche676 Charakter des καί darauf hin, dass ebenjenes sich nicht lösen lässt von dem zweitgenannten Aspekt. Das dritte Partizip καταργήσας wird in V.15a asyndetisch angefügt, wiederum mit vorangestelltem Objekt. Es liegt somit eine strukturelle Entsprechung zu V.14c vor. Diese bestätigt sich in semantischer Hinsicht: Das Verb καταργεῖν lässt sich ebenso als (steigernde) Fortführung des destruktiven Handlungsaspekts ansprechen, wie sich die Referenz des μεσότοιχον τοῦ φραγμοῦ aus V.14c auf den νόμος τῶν ἐντολῶν ἐν δόγμασιν motivgeschichtlich plausibel machen lässt.677 Dann aber liegt es nahe, V.15a als Elaboration von V.14c aufzufassen. Entsprechend ist die Zäsur zwischen dem zweiten und dem dritten Partizipialausdruck direkt hinter λύσας zu setzen. Das sperrige Segment V.14d ist also mit dem dritten Partizip zu verbinden.678 Durch V.14d wird die mit καταργήσας verbundene Konstruktion gegenüber V.14c weiter aufgebläht, so dass V.14d.15a als Aussageschwerpunkt erscheint. Der Begriff ἔχθρα dient demnach als Interpretament vorrangig für den νόμος τῶν ἐντολῶν ἐν δόγμασιν, indirekt aber auch für das μεσότοιχον τοῦ φραγμοῦ und kann somit gleichsam als koordinierender Schlüsselbegriff angesehen werden – entsprechend nimmt die Zuspitzung (ἀποκτείνειν) des destruktiven Handlungsaspekts in V.16b die ἔχθρα als Objektbestimmung auf.679 Mit der Bezugnahme auf V.16b ist bereits angedeutet, dass auch der an V.15a angeschlossene Finalsatz in V.15b–16 das differenzierte Ineinander von konstruktivem und destruktivem Handlungsaspekt fortführt. Dies deutet sich schon in der Gestaltung der syntaktischen Einfügung an: Der Fokus verschiebt sich in V.15b zwar wiederum auf das konstruktive Handeln Christi an den beiden Menschheitsgruppen. Dieses hat jedoch zugleich, wie der direkte Anschluss an V.15a verdeutlicht, das destruktive Handeln zum Bezugspunkt.
|| 676 Vgl. Merklein, Christus, 31; der zweite Partizipialsatz expliziert mithin, „wie die Einswerdung der beiden Bereiche [vgl. V.14b] zustandekam“ (ebd.). 677 Einschlägig ist Arist 139.142. 678 Zur Diskussion Merklein, Christus, 32f. Hinsichtlich der instrumentalen Deutung (ebd. Anm. 24) von „in seinem Fleisch“ ist Merklein zuzustimmen, doch seine Einordnung der „Feindschaft“ als „nachklappende Apposition“, so dass danach eine neue Aussage ansetze, ist nicht plausibel, da sie die gliedernde Funktion der Partizipien verkennt. 679 Die Wendung ἐν τῇ σαρκὶ αὐτοῦ ist in diesem Zusammenhang nicht attributiv auf ἔχθρα zu beziehen, sondern mit καταργήσας zu verbinden; der Kreuzesleib Christi ist Instrument (vgl. διὰ τοῦ σταυροῦ V.16) und Ort (vgl. das stärker lokal geprägte ἐν αὐτῷ V.15b) der Entmachtung des νόμος.
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Der Finalsatz lässt im Grundsatz ebenfalls einen zweigliedrigen Aufbau mit parallelisierenden Tendenzen erkennen680: Das καί zu Beginn von V.16 verbindet die beiden Hauptaussagen in V.15b und V.16, die jeweils durch eine Partizipialwendung abgeschlossen werden.681 Das Muster für die erste Finalaussage V.15b scheint dabei V.14b abzugeben: Mit κτίζειν wird motivisch an das dortige ποιεῖν angeknüpft; direktes Objekt des Handelns Christi sind hier wie dort die beiden Menschheitsgruppen, die durch ebenjenes in einen neuen Zustand, eine neue Wirklichkeit überführt werden, die sich durch ihren ‚Einheitscharakter‘ auszeichnet. Die Wendung εἷς καινὸς ἄνθρωπος korrespondiert also mit dem ἕν aus V.14b und ist demnach auf die Gestalt der ἀμφότερα bzw. δύο zu beziehen, wie sie sich aus Christi (Neu-)Schöpfungshandeln ergibt. Ein in V.15b gegenüber V.14b überschießendes Element ist hingegen die auf Christus referierende Präpositionalwendung ἐν αὐτῷ, die ein Strukturelement aufnimmt, das in V.14d dem destruktiven Handlungsaspekt zugeordnet war. Die staurologische Ausrichtung mitsamt ihrem Schillern zwischen instrumentaler und lokaler Bedeutung des ἐν wird dadurch auch hier mitgeführt; Christus ist in seinem Kreuzestod gleichermaßen Überwinder der Feindschaft (V.14d) wie Konstitutionsort des „einen neuen Menschen“. Gegenüber V.14b überschießend ist zudem die Partizipialwendung ποιῶν εἰρήνην, die den in V.15b beschriebenen Schöpfungsakt näher bestimmt. Dabei ergibt sich als Pointe von der Leitthese in V.14a mit ihrer Bezeichnung Christi als εἰρήνη her gesehen, dass Christus am Kreuz gleichsam sich selbst realisiert als Friede, der in der Neuschöpfung der ,beiden‘ Gestalt gewinnt.682 Die zweite Finalaussage V.16 lässt sich nun vollends nicht mehr einlinig einem konstruktiven oder destruktiven Handlungsaspekt zuordnen: So erfolgt ausweislich der strukturellen Entsprechungen zu V.15b – insbesondere der Benennung der ἀμφότεροι als Objekt des Christushandelns in der Hauptaussage V.16a – eine weitergehende Darlegung der konstruktiven Eigenart des Kreuzes-
|| 680 Gemeinsame Elemente sind: auf Christus als Handlungsträger verweisendes Hauptverb, referenzidentisches Objekt, Näherbestimmung des Handelns jeweils durch zwei Präpositionalausdrücke, Abschluss mit partizipialer Wendung. 681 Diese Korrespondenz der beiden Partizipialwendungen ist zu notieren, wenngleich Sellin, Eph, 202 durchaus zuzustimmen ist, dass ἀποκτείνας als Aoristpartizip sowohl der Form nach als auch in semantischer Hinsicht auf einer Linie mit den vorangehenden Aoristpartizipien λύσας und καταργήσας liegt und ebendiese Sinnlinie einer Klimax zuführt. Indes steht auch ποιῶν – wenn auch als Partizip des Präsens – in Verbindung zum Vorangehenden, nämlich dem eröffnenden ὁ ποιήσας. Somit stehen letztlich sämtliche Partizipien in V.14–16 in einem Zusammenhang, der zwischen konstruktivem und destruktivem Handlungsaspekt alterniert. 682 Zu beachten ist freilich, dass εἰρήνη in V.15b nicht determiniert ist.
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geschehens; dieses bedeutet für die beiden Menschheitsgruppen als Neuschöpfung zugleich Versöhnung. Diese aber wird zugleich durch die abschließende Partizipialwendung assoziiert mit dem destruktiven Handeln Christi an der ἔχθρα als Inbegriff des Objekts, auf das sich jenes richtet. In gewisser Weise wird somit der auch dem destruktiven Handeln Christi inhärente konstruktive Aspekt deutlicher herausgestellt. Auch im Blick auf die Referenzbestimmungen erweist sich V.16 als schillernd: So legt es sich von dem Vorangehenden her nahe, die Rede von dem „einen Leib“ in Entsprechung zu dem Terminus ἕν sowie dem „einen neuen Menschen“ wiederum auf die Verfasstheit zu beziehen, in die ‚die beiden‘ durch das Christushandeln überführt werden, und also mit einer ekklesialen Referenz zu versehen. Gleichermaßen aber nähert das beigefügte ἐν den Ausdruck den vorangehenden, auf den Gekreuzigten referierenden Bestimmungen an. Somit scheint die Wendung ἐν ἑνὶ σώματι gewissermaßen die beiden Präpositionalausdrücke aus V.15b zusammenzuziehen: Die durch Christus bewirkte neue Verfasstheit der Wir-Gruppe ist eine solche, die nicht aus sich selbst heraus, sondern allein im Christusbereich besteht. Dies aber entspricht der Einführung des σῶμα-Begriffs in 1,23, insofern dieser dort als Substitution für die ἐκκλησία und mithin die Wir-Gruppe eingeführt worden war, dabei jedoch gleichermaßen als Leib Christi näherbestimmt wurde. Diesem verdichtenden Charakter von V.16 entspricht es ferner, dass – in strukturellem Überschuss gegenüber V.15b – Gott als Referenzträger explizit benannt wird, wodurch der Gedanke der Gottesbeziehung als Fluchtpunkt des gesamten Geschehenszusammenhangs bereits eingespielt wird. Der Schlussabschnitt V.17f. bietet weniger sprachlich-syntaktische Ambivalenzen. Hinsichtlich V.17 ist darauf hinzuweisen, dass mit ὑμεῖς keine implizite Aufnahme der 1.Pl. vorliegt, vielmehr die fiktiven Adressaten in dem in 2,11–13 profilierten Sinne in den Blick genommen werden. Mit οἱ ἐγγύς ist entsprechend Israel als das dort eingeführte Gegenüber gemeint. Das prominent zu Beginn des ὅτι-Satzes in V.18 platzierte δι’ αὐτοῦ kann als nachgerade summarischer Rückverweis auf die entfaltete Christusprädikation ab V.14 angesehen werden. Nach Maßgabe des Ausgeführten geht ἐν ἑνὶ πνεύματι wiederum auf die in Christus gegebene Verfasstheit der beiden Menschheitsgruppen. Als bemerkenswert erscheint freilich, dass in V.17f. weiterhin von den beiden Gruppen als solchen die Rede ist. Auf semantischer Ebene knüpft die Rede von der eröffneten προσαγωγή sowohl an V.14c als auch, im Makrokontext, an die räumliche ‚Thronsaalmotivik‘ aus 1,20–23; 2,4–7 an.
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V.4.2.2 Inhaltliche Analyse Die Erhebung des Beitrags, den Eph 2,14–18 für die Profilierung der soteriologischen Wende als entscheidender Schaltstelle im Gründungsnarrativ leistet, soll nachfolgend im Ausgang von einer Vergegenwärtigung der narrativen Einbindung des Abschnitts in den Zusammenhang des Gründungsnarrativs erfolgen. Der Passus fokussiert in Anknüpfung an 2,13fin auf das Kreuzesgeschehen und damit einen prominenten Punkt der Handlungssequenz, der in 1,20–23; 2,1–10 zwar vorausgesetzt, indes auf eigentümliche Weise unterbelichtet schien. Angeschlossen wird vielmehr insbesondere an 1,5–8 als der grundlegenden Einführung des Kreuzesereignisses in die Geschehensfolge. Tatsächlich ist das Wechselspiel von konstruktivem und destruktivem Handlungsaspekt, wie es im Vorangehenden an 2,14–18 beobachtet wurde, bereits von dorther vorgegeben: Denn die ἀπολύτρωσις διὰ τοῦ αἵματος αὐτοῦ (1,7) und also das Kreuzesgeschehen stand einerseits ausweislich von 1,5 im Horizont einer Konstituierung der Gottesbeziehung der Wir-Gruppe im Sinne eines Kindschaftsverhältnisses (konstruktiver Aspekt). Dies aber gilt wie gesehen letztlich auch für den in 2,14–18 entworfenen Zusammenhang; mit der Rede von der υἰοθεσία, die sich διὰ Ἰησοῦ Χριστοῦ εἰς αὐτόν [sc. Gott] vollzieht (1,5), korrespondiert in 2,18 der Verweis auf den Zugang (προσαγωγή) πρὸς τὸν πατέρα, der der Wir-Gruppe δι’ αὐτοῦ [sc. Christus, den Gekreuzigten] eröffnet wird. Andererseits bedeutete jene mit dem Blut Christi assoziierte ἀπολύτρωσις zugleich die Überwindung einer Größe, welche die Wir-Gruppe auf der vorgängigen Ebene des ποτέ von Gott trennte (destruktiver Aspekt); das Motiv der „Fortnahme der Fehltritte“ in 1,7 bietet eine strukturelle Parallele zu den Überwindungsaussagen in 2,14cd.15a.16b.683 Der bereits für 1,5–8 vorauszusetzende integrale Zusammenhang beider Aspekte bestätigt sich dabei durch 2,1–3, wenn der mit dem sündengeprägten Lebenswandel verbundene Existenzstatus in direkter Opposition zur 1,5 in den Blick gerückten Gotteskindschaft als ‚Zorneskindschaft‘ überschrieben wird (vgl. 2,3). Weiterhin wurde bereits im Zuge der Darstellung der Verzahnung der einzelnen Abschnitte in der Sequenz 2,1–3,13 darauf hingewiesen, dass der Abschnitt 2,14–18 die bereits in 2,10 thetisch formulierte Interpretation der mit dem Christusgeschehen verbundenen Neukonstituierung der Gottesbeziehung als einer in Christus statthabenden Neuschöpfung näher entfaltet. Dies geschieht näherhin unter Aufnahme des in 1,23 eingeführten σῶμα-Motivs, dem zufolge die Heilsteilhabe der Wir-Gruppe als ἐκκλησία und damit als Leib Christi zuteilwird. Wurde in 1,22f. dabei die Gegebenheit der ἐκκλησία als Leib Christi || 683 Diesen Zusammenhang übersieht Schnackenburg, Eph, 115, wenn er meint, in Eph 2,15 spielten Fragen der „Sünden- und Schuldtilgung“ keine Rolle.
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vorausgesetzt, so beschreibt der Abschnitt 2,14–18 offenbar die Konstitutionsbedingungen genauer, und zwar gerade im Blick auf die innere Verfasstheit hin. Diese zeichnet sich durch die integrative Verbundenheit der beiden Menschheitsgruppen aus. Eben damit wird an die im Mikrokontext zumal durch 2,11–13 vorgegebenen weitergehenden Differenzierungen angeknüpft, und eben daraus ergibt sich zugleich die besondere Akzentsetzung, die in 2,14–18 vorgenommen wird. Diese besteht maßgeblich in dem gleichsam doppelten Feindschaftsbegriff, der den Abschnitt kennzeichnet und mit dem ein doppelter Friedensbegriff korrespondiert. So ist die vertikale Komponente der ἔχθρα im Sinne einer Feindschaft der Wir-Gruppe gegen Gott, wie sie maßgeblich in 2,16a vorausgesetzt wird und in der Folge in 2,16b mitschwingt, durch 1,5–8; 2,1–3 bereits hinreichend benannt. Indes tritt diese vertikale Dimension in 2,14–18 zunächst zurück gegenüber der Profilierung einer horizontalen Komponente der ἔχθρα: Von Feindschaft ist nach 2,14f. offenbar auch die Beziehung zwischen den beiden Menschheitsgruppen auf der Ebene des ποτέ geprägt. Ja, der konstruktive Aspekt des Kreuzesgeschehens fokussiert gemäß 2,14b geradezu auf ein horizontales Einungsgeschehen, das die beiden Menschheitsgruppen in einen integrierten, den horizontalen Antagonismus überwindenden Zustand überführt. Gerade als ein ebensolcher bedeutet dieser zugleich die Überwindung der Feindschaft Gott gegenüber. Entsprechend geht auch der Friedensbegriff auf die zwischenmenschliche Ebene wie die Gottesbeziehung gleichermaßen. Damit erweist sich das an der Wir-Gruppe wirksame Heilsgeschehen als ein Einungsgeschehen, das ein σῶμα konstituiert, für das gemäß 1,23 gilt, dass Christus sein Haupt ist. Eben darin erscheint dieses Heilsgeschehen als Abschattung des universal-kosmischen ἀνακεφαλαιώσασθαι, das nach Auskunft von 1,10 den Fluchtpunkt des göttlichen Heilsplans darstellt. Der jeweilige Aussagezusammenhang bringt den ἔχθρα-Begriff in V.14d vorrangig in seiner horizontalen, in V.16b demgegenüber stärker in seiner vertikalen Ausrichtung zur Geltung. Gleichwohl deuten bereits die semantischen Verbindungslinien wie auch die sprachlich-syntaktischen Parallelen auf einen engen Zusammenhang zwischen den beiden Aspekten hin; bei der interethnischen Feindschaft und jener Gott gegenüber handelt es sich offenbar um zwei Seiten einer Medaille. Die horizontale ἔχθρα gründet sich dabei nach 2,14f. in dem Israel gegebenen Gesetz, insofern sich dieses im interethnischen Diskurs de facto als Trennwand erweist, die einen sozialen Antagonismus befördert und verstetigt. Der destruktive Aspekt des Kreuzesgeschehens richtet sich entsprechend auf die
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Aufhebung ebendieser separierenden Wirkung des Gesetzes. Dieses kommt mithin nicht an und für sich, sondern in seiner Eingebundenheit in ein konkretes soziales Interaktionsgeschehen in den Blick.684 Der angedeutete Konnex zwischen V.14c–15a und V.16b deutet dabei darauf hin, dass dem solchermaßen wirksamen Gesetz zugleich eine unmittelbare Relevanz für die auf der ποτέ-Ebene gültige Beschaffenheit des Gottesverhältnisses als Feindschaft zukommt. Dieser Zusammenhang ergibt sich aber bereits daraus, dass das Gesetz auf der Ebene des ποτέ jene in 2,9b angedeutete καύχησις-Spirale in Gang setzt (vgl. 2,11), die eben gerade nicht zu einer Hinführung der ἔθνη zum Gott Israels führt, sondern die Entfremdung vielmehr verschärft. Insofern aber der Heilsratschluss Gottes elementar auf das Heil auch der ἔθνη zielt (vgl. 1,10; 3,6), wird die Realisierung dieses Heilsratschlusses durch das Gesetz offenbar gehemmt und verhindert somit, dass die Schöpfung in die ihrer Bestimmung adäquate Gottesbeziehung hineingestellt wird. Auffallend in der Abfolge der genannten Partizipialwendungen ist nun die Tendenz zu einer zunehmenden Personalisierung der ἔχθρα. Im Anschluss an die Ausführungen zur Eigenart der ποτέ-Ebene lässt sich diese Tendenz dadurch erklären, dass als Objekt der Destruktion das Gesetz in seiner Wirksamkeit anzusehen ist. Denn diese Wirksamkeit ist tatsächlich maßgeblich bestimmt durch eine personale Instanz, die hinter ihr steht, nämlich den ‚Archon‘. Die Entmachtung des Gesetzes als einer feindschaftsstiftenden Größe ist somit durchsichtig auf die zugrundeliegende Depotenzierung des ‚Archon‘, der sich als pneumatische Wirkmacht offenbar auch des Gesetzes bemächtigt hat. Die Erfahrung der Durchbrechung der antagonistischen Wirkmacht des Gesetzes ist somit zugleich Nachweis und Auftakt der Entmachtung des ‚Archon‘, wie sie sich in der himmlischen Inthronisation Christi prinzipiell vollzogen hat. Der beschriebene destruktive Handlungsaspekt ist nun aber überhaupt eingebunden in den konstruktiven Charakter des Kreuzesgeschehens. Dieser findet sein Leitmotiv gemäß 2,14b in der schöpferischen Überführung der beiden Menschheitsgruppen in eine Einheit und wird somit als Einungsvorgang überschrieben. Die Entfaltung dieses Sachverhalts bietet der zweigliedrige Finalsatz in V.15b.16. In den Wendungen εἰς ἕνα καινὸν ἄνθρωπον (V.15b) sowie ἐν ἑνὶ σώματι (V.16a) wurden dabei Bezugnahmen auf diese durch das Schöpfungshandeln Christi – das von 2,10 her zugleich umhüllt wird von einem Schöp-
|| 684 Mit Barth, Eph, 291 kann festgehalten werden: „Christ has abrogated the divisive function of the law–and therefore not God’s holy law itself“.
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fungsakt Gottes – neu konstituierte, geeinte Wirklichkeit, zu der die beiden gemacht werden, erblickt. Der weitere Befund im Epheserbrief legt es dabei nahe, dass mit der Rede von dem ‚einen Leib‘ auf das ekklesiale σῶμα, das der Leib Christi ist (vgl. 1,22f.), Bezug genommen wird685; es handelt sich demnach um einen Kollektivbegriff. Demgegenüber ist für das Motiv des ‚einen neuen Menschen‘ von einem individualisierenden Verständnis auszugehen. Hierfür spricht schon die Aufnahme dieses Motivs in 4,24, zumal der Aussagezusammenhang 4,20–24 strukturelle Affinitäten zum in 2,1–3,13 entworfenen Einst-Jetzt-Kontrast aufweist, die eine intratextuelle Verbindung wahrscheinlich machen.686 So korrespondiert dort die Aufforderung zum Anziehen des neuen, κατὰ θεόν geschaffenen (κτίζειν, vgl. 2,10.15) Menschen (4,24) mit der Mahnung zum Ablegen des alten Menschen, der mit einer προτέρα ἀναστροφή (vgl. ἀναστρέφειν 2,3) assoziiert wird (4,22). Dass sich diese Aufforderung dabei tatsächlich auf den Einzelnen bezieht, bestätigt sich durch die betont individualisierende Perspektive, die nachfolgend in 4,25 eingenommen wird.687 Gestützt wird diese Deutung durch die traditionsgeschichtlichen Hintergründe des Motivs. Namentlich die im Ausgang von Gen 1,26; 2,7 entfaltete Anthropoi-Typologie bei Philo vermag nämlich die Rede vom einen neuen Menschen als ein „qualitativ-typenhaftes Konzept“ zu erweisen.688 Demnach tritt der Kollektivbestimmung ἓν σῶμα im Epheserbrief der Begriff des einen neuen Menschen im Sinne einer durch den Einzelnen als Glied dieses σῶμα subjektiv anzueignenden Größe zur Seite. Das Neuschöpfungsgeschehen umfasst dann aber gemeinschaftliche und individuale Dimension in gleichursprünglicher Weise.689 Das emphatische εἷς-Motiv unterstreicht dabei die universale Egalität der durch Christus neugeschaffenen Einzelnen wie die Einheit ihrer Gemein|| 685 Vgl. auch den ausführlichen Nachweis bei Merklein, Christus, 45–53. 686 Näherhin ist der Abschnitt Eph 4,20–24 ausweislich der in 4,20f. entworfenen Handlungsfolge dem Erzählstrang einer Appropriation des Heilsgeschehens zugeordnet, für den 2,17 eine konzeptionelle Schlüsselrolle spielt, siehe dazu im Folgenden. 687 Vgl. dort das markante ἕκαστος μετὰ τοῦ πλησίον αὐτοῦ – das freilich sogleich wiederum an die kollektive Dimension rückgekoppelt wird, wie die Begründung ὅτι ἐσμὲν ἀλλήλων μέλη anzeigt. 688 Zum Nachweis vgl. Faust, Pax, 125–129 (Teilzitat 129). 689 Dies ist festzuhalten gegenüber Deutungen, die in Eph 2,15f. die Grundlegung eines Verständnisses von Kirche als einer den Glaubenden gegenübertretenden, von ihnen losgelösten Größe finden – so etwa bei Gese, Vermächtnis, 143f.: „Die Kirche ist für diesen Verfasser eine in sich bestehende Größe, völlig unabhängig von den Glaubenden. Sie ist ein von Christus am Kreuz geschaffener, objektiv bestehender Raum des Heils, in dem die Glaubenden Zugang zu Gott und Gemeinschaft untereinander finden.“ Vgl. dazu auch im Folgenden.
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schaft gleichermaßen – der Einzelne gewinnt Anteil an diesem Typus des neuen Menschen, gleichzeitig bilden diese vielen Einzelnen den einen Leib. Ihren Ort, ihre Wirklichkeit haben diese Bestimmungen dabei ganz und gar in Christus. Mit der Deutung des καινὸς ἄνθρωπος auf die individuelle Existenz der Glaubenden in 2,15 wird mitunter die Ansicht verbunden, wonach das Attribut ‚neu‘ mit dem Gegenüber von Israel und Weltvölkern in Relation zu setzen sei und dabei die im Neuschöpfungsgeschehen statthabende Etablierung einer dritten, von den beiden vorgenannten gleichermaßen abzuhebenden kollektiven Größe anzeige.690 Demgegenüber ist jedoch wiederum auf die Verbindung mit 4,24 zu verweisen, insofern dort ‚neu‘ wesentlich als Kontrastbegriff zu ‚alt‘ fungiert. Der Begriff καινός ist im Epheserbrief somit einbezogen in die Gegenüberstellung von Einst und Jetzt mit ihrer ethisierenden Ausrichtung. Von daher geht καινός weniger auf die Relation zu den beiden Menschheitsgruppen, sondern stellt vielmehr auf den Kontrast zu dem verfehlten Lebenswandel auf der Ebene des ποτέ ab.691 Diese ethische Ausrichtung der Neuschöpfung entspricht überdies auch 2,10; auch hier wurde als Ziel der Neuschöpfung ein bestimmter Selbstvollzug vor Augen gestellt. Von daher erscheint es nur als folgerichtig, dass zum einen die solchermaßen erfolgende Neuschöpfung unmittelbar dem Versöhntwerden mit Gott zugeordnet werden kann (V.16a), zum anderen das eine πνεῦμα als Vollzugsmoment dieser Gottesbeziehung gilt (V.18). Das Kreuzesgeschehen erschließt den Glaubenden die Sphäre des göttlichen Geistes692, was die Aufhebung des Einflusses des Pneuma des ‚Archon‘ und insofern die Partizipation an der souveränen Machtstellung Christi impliziert.
|| 690 In diese Richtung weist etwa die Formulierung bei Mußner, Eph, 79: „Der ‚eine neue Mensch‘ ist der Christ, der an die Stelle der zwei ‚alten‘ Menschen, Juden und Heiden, in der Kirche tritt.“ Zur Frage von (Selbst-)Konzeptualisierungen als ‚tertium genus‘ im frühen Christentum vgl. Wolter, „,Geschlecht‘“. 691 Den „Hauptton auf der neuen sittlichen Beschaffenheit“ in Eph 4,24 vermerkt auch Mußner, Christus, 86 Anm. 47, markiert dies jedoch offenbar als Differenz gegenüber 2,15, wo er das Neue vielmehr im Anschluss an Abbott darin erblickt, dass „,der eine (neue Mensch) weder Jude noch Grieche (Heide)‘“ sei. 692 Vgl. Merklein, Christus, 52: „Am Kreuz schafft Christus das neue Geschöpf und eröffnet für Juden und Heiden die Sphäre der Neuschöpfung, so dass beide in einem ‚Geiste‘ Zutritt zum Vater haben (2,18). Eph 2,14-18 deutet also den Kreuzestod als Übergang von der irdischen Sphäre in die Sphäre der Verherrlichung, von der Existenzweise des ‚Fleisches‘ in die Existenzweise des ‚Geistes‘“.
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In einem weiteren Schritt ist zu fragen, wie sich V.17 in den Aussagegang von 2,14–18 einfügt. Das Gewicht innerhalb dieses eigenständigen Aussagesatzes fällt auf das Verb εὐηγγελίσατο.693 Im Kontext des Epheserbriefs ist dieser Begriff wie auch das zugehörige Substantiv nun maßgeblich mit dem soteriologischen Erzählstrang der Aneignung des Heilsgeschehens durch die menschlichen Subjekte im Welt- und Geschichtszusammenhang verbunden. Dabei markiert die Kundgabe des Evangeliums nach 1,13 näherhin den Ausgangspunkt für die sich anschließende Geschehensfolge aus Glauben und Geistbegabung, welche die Einzelnen wirksam in die Wir-Gruppe hineinnimmt. Der Sache nach wird die Evangeliumsverkündigung durch 2,17 in den vorangehenden aoristischen, auf Christus als Subjekt bezogenen und um das Kreuz herum entfalteten Handlungszusammenhang integriert, mithin eng mit dem Kreuzesgeschehen assoziiert. Ja, es ist offenbar der dort konstituierte Friede, der Gegenstand der Verkündigung ist. Im Umkehrschluss bedeutet dies zugleich, dass ebendieser Friede den beiden Menschheitsgruppen gerade in der Evangeliumsverkündigung konkret zuteilwird – und zwar in einer unterschiedslosen Weise.694 Auch die Zueignung der Heilsteilhabe als einer in der Evangeliumsverkündigung begründeten wird demnach durch Christus selbst initiiert. Dies bedeutet zum einen, dass jede nachfolgende Verkündigung letztlich durchsichtig ist auf Christus als ihr maßgebliches Subjekt.695 Zum anderen folgt daraus, dass das ekklesiale σῶμα, von dessen Konstituierung 2,14–16 handeln, seine konkrete Gestalt in den Rezipienten der Evangeliumsverkündigung gewinnt – es handelt sich bei jenem σῶμα also keinesfalls um eine abstrakte, von den Glaubenden losgelöste Größe! Christi Verkündigungsakt erfährt nun durch das vorangestellte ἐλθών noch eine nähere Bestimmung. Es handelt sich hierbei wiederum um eine handlungsanzeigende Verbform, die zudem – trotz der gegenüber den Partizipien in V.14–15a differierenden syntaktischen Einbindung – im für das Gründungsnarrativ so gewichtigen Partizip Aorist gehalten ist, was für einen eigenständigen Bedeutungsgehalt von ἐλθών spricht.696 Es ist jedoch umstritten, was es mit
|| 693 Vgl. Schlier, Eph, 136. 694 Eph 2,17 stellt insofern die Identität und Einheit der Evangeliumsverkündigung in einer Weise heraus, die die Ambivalenzen, wie sie etwa die paulinische Formulierung in Gal 2,7 aufwerfen kann, klärt. 695 Vgl. die Selbstbezeichnung des Apostels als „Gefangener Christi“ (Eph 3,1) bzw. „Gefangener im Herrn“ (4,1). 696 Gegen Schnackenburg, Eph, 118, der dem ἐλθών lediglich überleitende Funktion zuerkennt.
Querschnitt II: Das Christusgeschehen als soteriologische Wende | 263
diesem ‚Kommen‘ Christi auf sich hat bzw. wie sich dieses in den umgebenden Handlungszusammenhang einfügt.697 Im Anschluss an Eberhard Faust lassen sich zwei grundlegende Deutungstypen unterscheiden.698 Dem einen Modell zufolge hat ἐλθών anaphorischen Charakter und dient der (summarischen) Rekapitulation des im weiteren Textzusammenhang beschriebenen Heilswerks Christi. Der andere Deutungstyp wertet das ἐλθών demgegenüber als Fortführung der Handlungsfolge, die sich an das Kreuzesgeschehen anschließt, wobei zumeist an ein ‚Kommen‘ Christi „im (nachösterlichen) Kerygma“ gedacht wird, wie es in der Evangeliumsverkündigung konkret Ereignis wird.699 Die durch Wiederaufnahmen, Fortführungen und Vertiefungen gekennzeichnete Entfaltung des Gründungsnarrativs im Epheserbrief lässt es als sinnvoll erscheinen, die Klärung vor dem Hintergrund makrokontextueller Zusammenhänge vorzunehmen. Angeknüpft werden kann hierfür an den von Franz Mußner konstatierten „inkarnatorischen Klang“, der dem ἐλθών eigne.700 Denn damit deutet sich an, dass diesem Partizip das Motiv eines von Christus zurückgelegten Weges inhärieren kann. Ein solches Motiv aber wird in dem Passus Eph 4,8–10 tatsächlich indirekt entfaltet durch das Wechselspiel von Katabasis und Anabasis Christi, die in ihrem Verbund gleichsam einen von ihm zurückgelegten Weg konstituieren. Bemerkenswert ist dabei, dass auch das Zurücklegen dieses Weges, von dem 4,8–10 handelt, in V.11 zugeführt wird auf einen (aoristisch formulierten) Zuwendungsakt Christi an die Wir-Gruppe (vgl. 4,7)701, der sich wiederum (mittelbar) mit dem Aspekt der Evangeliumsverkündigung in Verbindung bringen lässt, handelt es sich doch nicht zuletzt um die Gabe von auf die Evangeliumsverkündigung bezogenen Personengruppen. Überdies ist der in 4,11 formulierte Zuwendungsakt seinerseits der Gestaltwerdung des Leibes Christi zugeordnet (4,12b). Strukturell entspricht diesem Schema ferner die Darstellung in 1,20–23, insofern sich auch hier der mit der Inthronisation Christi, die seiner Anabasis entspricht, erreichte Zielpunkt durch 1,22b als Ausgangs-
|| 697 Faust, Pax, 165 spricht treffend von einer „hartnäckige[n] crux interpretum“, die „bisher noch nicht wirklich geklärt[]“ sei. 698 Vgl. Faust, Pax, 164ff. 699 So etwa Sellin, Eph, 227; vgl. Gnilka, Eph, 146f. 700 Mußner, Eph, 84. 701 Der Gebrauch von αὐτός in Eph 4,11 entspricht 2,14: Wie ebendort Christus im Anschluss an 2,13 betont als der Gekreuzigte in den Blick gerückt wurde, so signalisiert das Personalpronomen in 4,11 den Rückbezug auf 4,8–10 und hebt hervor, dass es um Christus als den Erhöhten (4,10a: ὁ ἀναβὰς ὑπεράνω πάντων τῶν οὐρανῶν) geht, der sich zur Alldurchdringung anschickt (4,10b: ἵνα πληρώσῃ τὰ πάντα).
264 | Drei ‚Moves‘ zur Vertiefung des Gründungsnarrativs: Eph 2,1–3,13
punkt für eine spezifische, soteriologische Form der Zuwendung an die ἐκκλησία bzw. die Wir-Gruppe erweist, die wiederum eng auf deren Beschaffenheit als Leib Christi bezogen wird (1,23).702 Diese Verbindungslinien legen es nahe, dass das ἐλθών in 2,17 in strukturelle Parallele gesetzt werden kann mit der Rede von der Kata- und Anabasis Christi, die ihrerseits die Aussagen zu Auferweckung und Erhöhung Christi in sich beschließen. Christi εὐαγγελίζειν korrespondiert dann mit seiner (Gen. subi.) Gabe der verkündigungsbezogenen ‚Ämter‘ in 4,11 (bzw. seiner Alldurchdringung) ebenso wie seiner (Gen. obi.) Gabe als κεφαλὴ ὑπὲρ πάντα an die ἐκκλησία. Der mit der Inthronisation Christi erreichte Abschluss seines Weges wird somit zu einem erneuten Auftakt, nämlich des Prozesses der kosmischen Alldurchdringung Christi, der sich maßgeblich durch die Evangeliumsverkündigung vollzieht. Diese wird durch Christus selbst inauguriert, und zwar offenbar maßgeblich durch die Befähigung der Apostel und Propheten zu ebensolcher Verkündigung. Auf diese Weise wird die ἐκκλησία als Leib Christi im Weltund Geschichtszusammenhang konstituiert. Das ἐλθών in 2,17 ist demnach tatsächlich in Richtung einer Gesamtschau zu deuten, die als summarischer Oberbegriff für Katabasis und Anabasis Christi fungiert und sich präzise bis zu dem Punkt erstreckt, an dem der Erhöhte seine kosmische Macht zu entfalten beginnt. In Fülle ist diese in der ἐκκλησία bereits realisiert, jedoch existiert diese eben nur in Gestalt der konkreten Rezipienten der Evangeliumsverkündigung und insofern nicht losgelöst von den Glaubenden.
V.4.3
Eph 3,1–13: Zur Zueignung des Heilsgeschehens
V.4.3.1 Vorgaben aus Eph 2 Bereits für die Abschnitte Eph 2,1–10 und 2,11–22 ist charakteristisch, dass die im aoristischen Duktus gehaltene, auf die unvorgreifliche Faktizität abhebende Darstellung der soteriologischen Wende verbunden wird mit dem anhand des Blicks auf die fiktiven Adressaten paradigmatisch entfalteten Erzählstrang der Zueignung des Heilsgeschehens. So vollzieht sich die rettende Inklusion in das an Christus wirksame Gotteshandeln, die 2,4–6 beschreibt, gemäß 2,8 διὰ
|| 702 Dass in Eph 1,20–22 im Unterschied zu 2,17; 4,7–11 Gott als das maßgebliche handelnde Subjekt erscheint, entspricht der theozentrischen Perspektive des Aussagezusammenhangs, die ihr Pendant in der (scheinbar) christozentrischen Ausrichtung der beiden anderen genannten Passagen hat.
Querschnitt II: Das Christusgeschehen als soteriologische Wende | 265
πίστεως. Für diese πίστις aber gilt nach 1,13, dass sie durch das Vernehmen des Evangeliums – dort entsprechend als τὸ εὐαγγέλιον τῆς σωτηρίας ὑμῶν bezeichnet – evoziert wird. Wenn 2,8bc dabei das gesamte Rettungsgeschehen auf Gott als seinen Urheber zurückführt, so ergibt sich daraus implizit, dass auch hinter der Kundgabe des Evangeliums letztlich die göttliche Wirkmacht steht. Dieser Aspekt wird, wie gesehen, in 2,14–18 sodann nuanciert, indem Christus hier als ‚Initiator‘ des Verkündigungsgeschehens erscheint. Diese Initiative erweist sich dort dabei als eigenständiger Schritt in einer christologischen Handlungsfolge, der jedoch eng an diese gekoppelt ist und insofern mit ihr einen Geschehenszusammenhang bildet, in dessen Gravitationszentrum das Kreuz steht. Vor dem Hintergrund von 2,1–10 bildet diese staurologische Akzentuierung ein Gegengewicht zu der dortigen Fokussierung auf Auferweckung und Erhöhung Christi; im Wechselspiel der beiden Abschnitte werden Kreuz, Auferweckung und Erhöhung somit als Facetten des einen Heilsgeschehens beleuchtet – dem aber eben auch die Evangeliumsverkündigung in integraler Weise zugehört. Denn der zweite Abschnitt 2,11–22 bestätigt durch V.17 nicht nur die konstitutive Bedeutung der Verkündigung des Evangeliums für die Heilszueignung, sondern weist ihr zugleich eine maßgebliche Rolle für die Konstituierung der ἐκκλησία und letztlich den Prozess der kosmischen Alldurchdringung Christi überhaupt zu. V.4.3.2 Fortführungen Der Erzählstrang der auf der Evangeliumsverkündigung fußenden Appropriation des Heilsgeschehens wird weiter ausbuchstabiert in Eph 3,1–13 als dem dritten Abschnitt der Sequenz 2,1–3,13. Leitend ist der Gedanke, dass Paulus eine Schlüsselrolle in diesem Zusammenhang zukommt, insofern ihm aufgrund göttlichen Mandats die Verkündigung unter den ἔθνη aufgetragen ist. Gegenüber einer einseitigen Deutung von 3,1–13 und seiner „feierliche[n] Sprache“ als einer dem Apostel durch seine Anhängerschaft erwiesenen „,Heiligsprechungsurkunde‘“703 gilt es dabei, die Einbindung des Abschnitts in das Geflecht des Gründungsnarrativs wahrzunehmen. Hier ist dieser eben der Frage zugeordnet, wie Heilsteilhabe im Welt- und Geschichtszusammenhang konkret möglich wird. Bemerkenswert ist freilich die gegenüber 2,11–22 zu konstatierende Verengung des Blicks, insofern in 3,1–13 gemäß der Charakterisierung des Apostels in 3,1 im Grunde lediglich die Verkündigung unter den ‚Fernen‘ thematisiert wird; die ,Nahen‘ werden als Refe-
|| 703 Mußner, Eph, 99.
266 | Drei ‚Moves‘ zur Vertiefung des Gründungsnarrativs: Eph 2,1–3,13
renzträger zwar implizit mitgeführt (3,6), kommen jedoch als Rezipienten der Verkündigung nicht näher in den Blick. Ein Verkündigungsgeschehen innerhalb Israels, das die Mission des Paulus ergänzt, scheint jedoch der Sache nach durchaus vorausgesetzt. Dies geht daraus hervor, dass zum einen die einstmalige Verborgenheit des Heilsmysteriums universal gilt, zum anderen Paulus explizit nicht alleiniger Offenbarungsempfänger und Apostel ist (3,5). Das oben markierte konzeptionelle Gewicht der Evangeliumsverkündigung wird in 3,1–13 unterstrichen. So wird die Beauftragung des Apostels unmittelbar eingebunden in die göttliche „Gnadenökonomie“ (3,2) und damit die machtvolle (3,7) Hinausführung seines protologisch gefassten Ratschlusses (3,11). Ebenso klingt die heilsstiftende Bedeutung des Evangeliums in der διά-Wendung in 3,6 pointiert an; (nicht nur) den ἔθνη wird die Heilsteilhabe demnach mittels des εὐαγγέλιον eröffnet, sie hat also in der Verkündigung und Rezeption desselben ihren Ort. Vertieft wird dabei auch die bereits durch die superscriptio 1,1 vorgegebene Koppelung von Person und Auftrag des Apostels. So scheint die soteriologische Funktion und Qualität des Evangeliums auch auf den Apostel abzufärben. Dies geht aus dem Topos von Paulus als gefangenem Apostel hervor, die durch die zumal infolge des markanten (vgl. dagegen Phlm 1.9) Artikels titular anmutende Apposition ὁ δέσμιος τοῦ Χριστοῦ [Ἰησοῦ] auf prominente Weise eingeführt und auch im Weiteren bespielt wird (vgl. 3,13; 4,1; 6,19f.), und zwar durchaus in strukturprägender Weise.704 Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang nun insbesondere, dass in 3,1 wie auch in 3,13 der Zusatz beigefügt wird, die Gefangenschaft bzw. die θλίψεις des Apostels ergingen ὑπὲρ ὑμῶν (τῶν ἐθνῶν).705 Denn zu Recht wird auf den || 704 Dies gilt besonders für die letztgenannten Belegstellen, insofern durch das Gegenüber von Eph 4,1 und 6,19f. der Verweis auf das Gefangensein des Apostels dem parakletischen Teil des Epheserbriefs als Rahmen dient. Diesem Topos kommt im Zusammenhang des Epheserbriefes sicherlich eine für den Entwurf der fiktiven Kommunikationssituation zentrale Bedeutung zu, so dass das Motiv durchaus in seinem wörtlichen Sinne zu verstehen sein wird; Paulus soll als in physischer Gefangenschaft befindlich vorstellig gemacht werden. Zugleich weist der titularformelhafte Gebrauch, wie er besonders in 4,1, wo der Genitiv durch die Präpositionalbestimmung ἐν κυρίῳ ersetzt wird, durchzuschlagen scheint, aber darauf hin, dass die Rede von der durch den Christusbezug charakterisierten Gefangenschaft des Paulus zugleich transparent dafür ist, dass es in einem eigentlichen Sinne die Christusbeziehung ist, durch die sich der Apostel unlöslich gebunden weiß; vgl. Lincoln, Eph, 173 (zu Eph 3,1). 705 Von der strukturellen Parallele in Eph 3,13 her wird deutlich, dass die Wendung ὑπὲρ ὑμῶν τῶν ἐθνῶν in 3,1 mit dem vorangehenden Ausdruck zu verbinden ist und nicht etwa einem implizit zu ergänzenden, infolge des Anakoluths nicht mehr angeführten Verbums, das auf eine Fürbitte des Apostels verweisen würde (vgl. 3,14), zuzuordnen ist.
Querschnitt II: Das Christusgeschehen als soteriologische Wende | 267
soteriologischen Klang der ὑπέρ-Semantik hingewiesen, der auch im Epheserbrief durchschlägt und Paulus somit in eine gewisse strukturelle Parallele zum Heilswerk Christi treten lässt (vgl. 5,2.25). Die soteriologische Funktion der Bedrängnisse des Apostels wird man aber darin zu erblicken haben, dass sie gemäß 3,1 Implikat seines Apostolats sind. Denn ebendieser ist es doch, der den fiktiven Adressaten gemäß dem oben Dargelegten die Heilsteilhabe allererst eröffnet, indem er ihnen das Evangelium zu Gehör bringt. Insofern diese Heilsteilhabe aber in letzter Konsequenz die Partizipation an der göttlichen Doxa bedeutet (vgl. 1,17b; 5,27), können jene θλίψεις zugespitzt offenbar sogar selbst als Doxa der Adressaten bezeichnet werden (3,13b)706; die Leiden des Apostels haben insofern eine „heilsvermittelnd[e] Funktion“707, als sie Implikat seiner Verkündigungstätigkeit sind. Dass dem Wirken des Apostels zudem eine Scharnierfunktion zwischen dem mit der Anabasis bzw. Inthronisation Christi seinem (vorläufigen) Zielpunkt zugeführten Christusgeschehen und der Konstituierung der ἐκκλησία im Welt- und Geschichtszusammenhang zukommt, erhellt in besonderer Weise aus den Textbewegungen in 3,8–10. In syntaktischer Hinsicht ist für diese von grundlegender Bedeutung, dass dem καί zu Beginn von V.9 epexegetische Funktion zuerkannt werden kann708, so dass V.9 der näheren Explikation von V.8b dient709, während die durch ἵνα eingeleitete Zielbestimmung in V.10 auf V.8b wie V.9 gleichermaßen zu beziehen ist.710 Die Verkündigung unter den ἔθνη bedeutet dann, dass die Eigenart der göttlichen Heilsökonomie sichtbar wird711 – und zwar, so ist von V.10 her zu inferieren, eben durch die (insbesondere, wenn auch nicht ausschließlich) im Zuge der paulinischen Mission heraufgeführte Konstituierung der ἐκκλησία. Denn diese kann in der Folge zum || 706 Der ἥτις-Satz ist in diesem Sinne in die syntaktische Konstruktion einzuordnen. 707 Vgl. Gnilka, Eph, 180. 708 So mit Schlier, Eph, 152 („[κ]αί ist hier soviel wie ‚und so‘“). Vor diesem Hintergrund hängt dann letztlich relativ wenig an der Frage, ob das πάντας in V.9a dem ursprünglichen Textbestand zuzurechnen oder aber der Kurztext vorzuziehen ist. Äußere Kriterien sprechen hier recht eindeutig für den Langtext, innere Aspekte lassen jedoch die Kurzform als wahrscheinlicher erscheinen. Zur Diskussion vgl. Abbott, Eph, 87. 709 Die Aoristform der Infinitive in V.8b.9 verbindet mit dem übergeordneten ἐδόθη aus V.8a, was zugleich den Zusammenhang von V.8b und V.9 unterstreicht. 710 Vgl. Gnilka, Eph, 174: „Darum ist die Kundwerdung der Weisheit Gottes vor den Mächten und Gewalten als das Ziel des von Paulus geleisteten εὐαγγελίσασθαι und φωτίσαι anzusehen“. 711 Dieses Anschaulichwerden ist freilich vom Textzusammenhang her als ein solches zu verstehen, das sich vor dem Forum der Weltöffentlichkeit vollzieht. Insofern wäre die womöglich sekundäre Ergänzung von πάντας als eine sachlich durchaus angemessene anzusehen; gegen Sellin, Eph, 264.
268 | Drei ‚Moves‘ zur Vertiefung des Gründungsnarrativs: Eph 2,1–3,13
maßgeblichen Medium des Kundgabegeschehens werden und somit die ihr zugedachte Rolle im Prozess des universalen ἀνακεφαλαιώσασθαι übernehmen. Das Wirken des Paulus – wie der übrigen Apostel – hat somit für die ἐκκλησία tatsächlich ‚fundamentale‘ Bedeutung (2,20).
V.5
Querschnitt III: Das νῦν
Wie es seinem durch die Briefeingangseulogie vorgegebenen spezifischen Interimscharakter entspricht, lassen sich im Blick auf die Darstellung des νῦν im Rahmen der Sequenz Eph 2,1–3,13 zwei Aussagelinien benennen und heuristisch differenzieren. So wird eine resultativ ausgerichtete Achse, die den gegenwärtigen Heilsstand der Wir/Ihr-Gruppe maßgeblich im kontrastiven Rückbezug auf das ποτέ beschreibt, verbunden mit einer prospektiv orientierten Achse, als deren struktureller Fluchtpunkt von 1,3–14.20–23 her die Vollendung des durch Kreuz, Auferweckung und Erhöhung Christi definitiv inaugurierten Heilsprozesses zu gelten hat. Diese beiden – eng miteinander verwobenen – Aussagelinien sollen im Folgenden nacheinander beleuchtet werden.
V.5.1
Resultativ-präsentische Perspektivierungen
Die im Zusammenhang des ersten Abschnitts Eph 2,1–10 als soteriologische Leitformel profilierte Wendung χάριτί ἐστε σεσῳσμένοι (vgl. V.5.8) macht einen Zustand des Gerettetseins zum grundlegenden Vorzeichen des νῦν. Die Implikationen dieser Aussage ergeben sich schon weitgehend aus der Eigenart des ποτέ als Hintergrundfolie und wurden entsprechend bereits im Vorangehenden in den Blick genommen: Dieses Gerettetsein zeichnet sich demnach durch ein Überwundensein der pneumatischen Wirkmacht des ‚Archon‘ am Ort der Wir/Ihr-Gruppe aus. Dies vollzieht sich mittels der gnadenhaften Hineinstellung in den bzw. Partizipation am Machtbereich Gottes und Christi, was sich folgerichtig in einer veränderten pneumatischen Konstellation realisiert und wodurch die Wir/Ihr-Gruppe zugleich in die Gotteskindschaft als adäquate Form der Gottesbeziehung – und damit der eigenen Existenzweise – überführt wird (vgl. 2,18). Insofern menschliche Existenz im Epheserbrief nun stets gewissermaßen Existenz im Vollzug ist und sich in einem Lebenswandel manifestiert, schlägt sich auch der Heilsstand notwendig in einem solchen nieder (2,10). Diesem ist jedoch, im kategorischen Gegensatz zum ‚Todeswandel‘ (s.u.) der ποτέ-Ebene, die Qualität einer Konformität mit dem Gotteswillen eigen. Entsprechend kön-
Querschnitt III: Das νῦν | 269
nen die jenem Lebenswandel eigenen ἔργα als „gute Werke“ gelten (2,10; vgl. ἀγαθωσύνη 5,9). Deren dort durch das προητοίμασεν angezeigte Verankerung im protologisch gefassten Ratschluss Gottes steigert diesen Aspekt sogar noch und spitzt den Gedanken der gnadenhaft gewährten Partizipation am göttlichen Wesensbereich dahingehend zu, dass in der Folge das Handeln der Wir-Gruppe letztlich immer schon von Gott her seine Bestimmtheit erfahren hat. Präludiert wird damit zugleich, dass der Selbstvollzug der Wir-Gruppe auf der Ebene des νῦν letztlich unter das Motto der Mimesis Gottes gestellt wird (5,1).712 In den beiden für den vorliegenden Zusammenhang grundlegenden, da resultativ orientierten ἔχομεν-Aussagen in 2,18 und 3,12 wird jenes neukonstituierte Gottesverhältnis nun jeweils als ein offenbar neu eröffneter „Zugang“ (προςαγωγή) zu Gott beschrieben713, wobei diese spatiale, auf die Gottesnähe abhebende Semantik an das Motiv des Mit-Eingesetztwerdens in die himmlischen Bereiche anknüpfen kann. Die im Kontext von 2,1–3,13 angesichts ihrer Schlußstellung strukturell gewichtige Reprise in 3,12 verbindet diese προσαγωγή nun mit der Rede von einer παρρησία, die – wie der Textzusammenhang nahelegt – der Wir-Gruppe Gott gegenüber zukommt. Diese Applikation des ursprünglich in der politischen Sphäre beheimateten παρρησία-Begriffs auf das Gottesverhältnis steht dabei in hellenistisch-jüdischer Tradition, wo sie im Besonderen mit dem Gebet assoziiert wurde.714 Vor diesem Hintergrund erweist sich die Ebene des Jetzt im Epheserbrief als gerade durch die Ermächtigung zum Gebet gekennzeichnet, was sich in der Profilierung des Gebets als eines umfassenden, zentralen Moments der Lebensgestaltung (vgl. 5,20; 6,18) bestätigt. Der von Gebetselementen umfassend durchdrungene Epheserbrief selbst kann als Ausweis solcher Ermächtigung zum Gebet erscheinen und zugleich verdeutlichen, dass dieses sich maßgeblich im Lobpreis Gottes (und dem Dank, vgl. 5,20) gründet, so sehr es elementar auch die Bitte, nicht zuletzt in Gestalt der Fürbitte, mit einschließt.
|| 712 Zum Motiv der imitatio Dei im Epheserbrief vgl. Sterling, „Imitatio“. 713 Gott wird als Bezugspunkt in Eph 3,12 nicht explizit genannt, jedoch ergibt sich diese Inferenz von 2,18 her. Mit Schmidt, „ἀγωγή κτλ.“, 133f. ist es letztlich müßig zu fragen, ob transitiver oder intransitiver Gebrauch vorliegt. Beide Aspekte durchdringen sich vielmehr: So sehr es sich bei dem Zugang um einen gnadenhaft eröffneten und insofern um ein Herangebrachtwerden (vgl. 2,13) der Wir-Gruppe handelt, so sehr befähigt dieses Geschehen dieselbe zum eigenen, wenn auch nicht eigenständigen Agieren vor Gott. 714 Zur Begriffsgeschichte und den traditionsgeschichtlichen Hintergründen vgl. grundlegend Peterson, „Bedeutungsgeschichte“.
270 | Drei ‚Moves‘ zur Vertiefung des Gründungsnarrativs: Eph 2,1–3,13
Da nun dem Lebenswandel eine in dem oben beschriebenen Sinne für den Existenzstatus ausschlaggebende Bedeutung zukommt, ist das Rettungsgeschehen von Grund auf als ein Neuschöpfungsgeschehen anzusprechen; es bedeutet die Lebendigmachung der vormals Toten. Diese Neuschöpfung hat, wie das in 2,15 eingeführte Konzept des καινὸς ἄνθρωπος zeigt, zwar durchaus eine individuale Dimension; der Akzent liegt aber auf dem mit dieser gleichursprünglichen kollektiven Aspekt – die vielen einzelnen Geretteten sind als solche unmittelbar Glieder einer einzigen Gemeinschaft. Deren fundamentales Charakteristikum besteht maßgeblich nach 2,11–22 darin, dass die vorfindliche Differenzierung zwischen Israel und den ἔθνη ihrer trennenden Wirkung enthoben ist; das Heilsgeschehen wird somit nachdrücklich auch auf seine horizontale Dimension hin ausgeleuchtet. Wurde dieser Sachverhalt bereits im Vorangehenden benannt, so gilt es an dieser Stelle die Eigenart des durch die soteriologische Wende konstituierten Kollektivs eingehender zu betrachten. Einen Ausgangspunkt hierfür bietet die οὐκέτι-ἀλλά-Aussage 2,19. ἄρα οὖν
οὐκέτι ἐστὲ ἀλλ’ ἐστὲ
ξένοι συμπολῖται τῶν ἁγίων
καὶ καὶ
πάροικοι οἰκεῖοι τοῦ θεοῦ Eph 2,19
Durch das ἄρα οὐν als Folgerung aus dem Vorangehenden eingeleitet, liegt der parallel strukturierten, komplementären Doppelaussage implizit das ποτέ-νῦνSchema zugrunde. Ausweislich der semantischen Verbindungslinien sowie der Rückkehr zur – in V.14–18 nicht als grammatikalisches Subjekt verwendeten – 2.Pl. besteht ein enger Rückbezug auf 2,11–13 und also dem ersten Unterabschnitt in 2,11–22. So erscheint die οὐκέτι-Aussage V.19a als Rekapitulation der dortigen ποτέ-Zustandsbeschreibung der fiktiven Adressaten als ἔθνη715, wie insbesondere die Aufnahme des ξένος-Begriffs signalisiert; das beigefügte πάροικοι fügt sich nahtlos – und möglicherweise sogar mit einem steigernden Moment716 – in die „Linie politischer Distanzbegriffe“717 ein, die in V.12b eröffnet wurde. Die ἀλλά-Aussage V.19b korrespondiert entsprechend mit V.13, kontrastiert dabei aber zugleich – zumal durch die Bezeichnung der fiktiven Adressaten als συμπολῖται – V.12 noch einmal auf pointierte Weise. Dem entspricht, dass mit der zweiten Wendung οἰκεῖοι τοῦ θεοῦ wiederum auch der vertikale, auf das Gottesverhältnis gerichtete Beziehungsaspekt explizit beleuchtet wird, der so|| 715 οὐκέτι entspricht funktional dem ποτέ (V.11) bzw. τῶ καιρῷ ἐκείνῳ (V.12). 716 So Sellin, Eph, 231, anders Faust, Pax, 103f.183, der hinter dem Doppelausdruck formelhaften Sprachgebrauch vermutet. 717 Faust, Pax, 103.
Querschnitt III: Das νῦν | 271
mit dem ἄθεος aus V.12 gegenübertritt. Die Doppelaussage V.19 zielt also auf die Herausstellung des neuen Status der fiktiven Adressaten, wie er sich in Abhebung von ihrem bereits in V.11–13 beschriebenen einstigen Zustand aus dem Kreuzesgeschehen heraus für die Ebene des νῦν ergibt. Während die Bezeichnung οἰκεῖοι τοῦ θεοῦ den Aspekt einer durch die soteriologische Wende konstituierten Gottesnähe fortführt und im Textzusammenhang zugleich als semantisches Scharnier zu den in 2,20–22 prägenden Motivbereichen (s.u.) dient718, erweist sich insbesondere die vorangehende Prädikation der fiktiven Adressaten als συμπολῖται τῶν ἁγίων als schillernd. Einen Brennpunkt der Diskussion stellt die Frage nach der Referenz der in V.19b erwähnten ἅγιοι dar.719 Tangiert wird hiermit auch die Frage nach dem Verhältnis zwischen der πολιτεία Israels und dem durch das Kreuzesgeschehen neugeschaffenen Kollektiv, die somit an dieser Stelle weiterer Erörterung zuzuführen ist. Das kontrastive Gegenüber zum Einst und der Rückbezug auf V.11–13 legen zunächst nahe, dass die in V.19 konstatierte Zueignung des Status als (συμ)πολῖται konkret mit der Partizipation der fiktiven Adressaten an ebenjenen Privilegien einhergeht, die ihnen auf der ποτέ-Ebene verwehrt waren. Dem entspricht, dass die in V.12 in dieser Hinsicht angeführten Aspekte in der Tat in engem Zusammenhang stehen mit dem, was die ekklesiale Wir-Gruppe im Epheserbrief kennzeichnet; bereits oben wurde dies als Hinweis auf eine prinzipielle Kontinuität zwischen Israel und ἐκκλησία gewertet. Dieser Eindruck wird befördert durch die semantischen Verbindungslinien; auch die infolge des Kreuzesgeschehens konstituierte kollektive Größe wird durch den Begriff ἐκκλησία zumindest auch in politischen Kategorien angesprochen.720 Die Bezeichnung der fiktiven Adressaten als συμ-πολῖται impliziert nun ferner eine relationale Differenzierung zwischen „genuinen Bürgern“ und „NeuBürgern“ innerhalb jenes Kollektivs.721 Handelt es sich bei den letzteren um die fiktiven Adressaten, so bei den ersteren nach Auskunft des beigefügten Genitivs eben um von diesen zunächst (!) zu unterscheidende „Heilige“. Da nun die fiktiven Adressaten nach Maßgabe von 2,11 im vorliegenden Zusammenhang in ihrem vorfindlichen Sein als ἔθνη Blick sind, legt die Wiederaufnahmestruktur || 718 Zu den motivgeschichtlichen Verbindungslinien siehe Faust, Pax, 184–197. 719 Die wesentlichen Deutungsvorschläge werden erörtert bei Sellin, Eph, 232f. 720 Diese Beobachtung spricht für eine entsprechende Gewichtung des politischen Aspekts im Blick auf die begriffsgeschichtlichen Hintergründe von ἐκκλησία. Zu beachten ist indes, dass der Begriff πολιτεία im Blick auf die Ebene des Jetzt nicht direkt gebraucht wird und daher auch nicht eingetragen werden sollte. 721 Dies wird von Sellin, Eph, 232 treffend herausgestellt.
272 | Drei ‚Moves‘ zur Vertiefung des Gründungsnarrativs: Eph 2,1–3,13
des Abschnitts nahe, „die Heiligen“ in 2,19 als Substitutionsbegriff für die Angehörigen der πολιτεία τοῦ Ἰσραήλ, d.h. „die Nahen“ bzw. letztlich die περιτομή, aufzufassen, mithin solche Glieder der Heilsgemeinschaft, die nicht zu den ἔθνη zu zählen sind.722 Ebendiese ‚genuinen‘, jener Gemeinschaft in einer den ἔθνη vorgängigen Weise zugehörigen Bürger werden in 2,19b dann aber mit eben jener Bezeichnung belegt, die im Briefganzen schon von 1,1 her als einschlägig zu gelten hat für die Angehörigen der ekklesialen Wir-Gruppe überhaupt. Dies nötigt nun aber keineswegs dazu, die ἅγιοι in 2,19 in einem allgemeinen Sinne auf alle Christusglaubenden zu beziehen.723 Der beschriebene Textzusammenhang weist vielmehr darauf hin, dass in 2,19b diejenigen Angehörigen der πολιτεία τοῦ Ἰσραήλ im Blick sind, die des Heilsgeschehens in Christus teilhaftig geworden sind (denn allein infolge ebendieser werden sie zu Heiligen im Sinne der Wir-Gruppe, vgl. 5,26f.). Diesen eignet, so deutet V.19 an, demnach gegenüber den Glaubenden aus den ἔθνη ein (heils)geschichtliches Prä – wie denn die σύν-Semantik in ihrer horizontalen, auf das Verhältnis von Israel und Völkern bezogenen Ausrichtung auch durchgängig in ebendiese, auf die Assoziierung der ἔθνη abstellende Richtung hin profiliert wird (vgl. 3,6). Der im Epheserbrief konstruierte Ablauf des Heilsgeschehens bestätigt diesen Sachverhalt: Denn dieses ist ja wesentlich mit der Evangeliumsverkündigung im Geschichts- und Weltzusammenhang verbunden. Grundlegend hierfür ist aber das Erfolgtsein der Offenbarung an Apostel und Propheten, zu deren Kreis nicht zuletzt Paulus zählt. Dass ihm der Auftrag zur Verkündigung unter den ἔθνη auf kategoriale Weise erteilt wird, lässt aber darauf schließen, dass implizit zum einen die ‚judenchristliche‘ Identität der Apostel und Propheten überhaupt vorausgesetzt scheint, zum anderen aber auch der Gedanke, dass das den „Fernen“ geltende Wirken des Paulus ergänzt wird durch eine – nicht Paulus selbst obliegende – Verkündigung unter den „Nahen“. Nicht alle Apostel sind mithin zu den ἔθνη gesandt, vielmehr wird auch in bzw. unter Israel verkündigt, gelten die ,Nahen‘ doch gemäß 2,17 gleichermaßen als Adressaten des εὐαγγελίζεσθαι.
|| 722 Der Zusammenhang mit den vorangehenden Versen lässt eine Deutung auf eine ganz andere Gruppe, namentlich die oft – so etwa bei Lindemann, Aufhebung, 183 – in Erwägung gezogenen Engel, als unwahrscheinlich erscheinen. 723 So aber Lincoln, Eph, 151.
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Vor diesem Hintergrund bietet es sich nicht an, die Referenz der Heiligen in 2,19 auf den Kreis der Apostel und Propheten zu beschränken.724 Vielmehr sind hier der Sache nach sämtliche auf der ποτέ-Ebene der πολιτεία Israels (als Hoffnungsgemeinschaft) zugehörige Christusglaubende im Blick. Gleichwohl bedingt das Konzept einer sukzessiven Ausweitung des Empfängerkreises des Offenbarungs- und Verkündigungsgeschehens, dass die Apostel und Propheten als Erstempfänger tatsächlich auch den (geschichtlichen) Kern der Wir-Gruppe darstellen.725 Von hier aus nahm das Evangelium seinen weiteren Weg – in Israel und eben auch in die Völkerwelt hinein. Auf der Grundlage dieses Befundes bieten sich Rückschlüsse auf das textintern entworfene Verhältnis zwischen πολιτεία Israels und ekklesialer WirGruppe: Israel ist gemäß der Bestimmungen in 2,12 im Kern die schon vor dem geschichtlichen Erscheinen Christi und also auf der Ebene des ποτέ durch Gottes Verheißungen konstituierte, in der Christusbeziehung stehende Hoffnungsgemeinschaft. Diese Hoffnung richtet sich entsprechend zumindest latent auf das Christusgeschehen als eine erneute beziehungskonstitutive Zuwendung, für die ein pneumatischer Charakter elementar ist. Das tatsächliche Erfolgen ebenjener Zuwendung steht demnach unmittelbar in der Kontinuität der Geschichte Gottes mit Israel, ja diese setzt jenes letztlich gleichsam organisch aus sich heraus, ist hierauf angelegt. Das Erfüllungsgeschehen erschließt indes den göttlichen Heilswillen noch einmal auf eine neuartige Weise, nämlich in seiner zuvor verborgenen Eigenart. Es erweist sich dabei, dass der Heilsplan die Gott in Christus zugehörige Gemeinschaft als eine solche intendiert, die Israel und ἔθνη gleichermaßen in einer Weise integriert, die eine qualitative Differenzierung von Israel und Völkern aufhebt und die ἐκκλησία als eine solche zur Instanz im Prozess der göttlichen Alldurchdringung macht; hierauf liegt der Akzent. Die ἐκκλησία wächst somit letztlich aus Israel heraus, ohne an seine Stelle zu treten.726
|| 724 Anders sieht Faust, Pax, 195f. im Epheserbrief „die Judenchristen auf die kirchenleitenden, kerygmatischen Ämter um Paulus beschränkt“ (Teilzitat 196). 725 Dies mag in der auffälligen attributiven Charakterisierung der Apostel und Propheten als ἅγιοι in Eph 3,5 seinen Niederschlag finden; es handelt sich bei diesen um den ‚Kernbestand‘ der Wir-Gruppe. 726 Ein nicht der Evangeliumsverkündigung teilhaftig gewordenes Israel kommt in Epheserbrief nicht explizit in den Blick. Jedoch ergibt sich aus dem Gesagten, dass dieses seinen Status nicht verliert, insofern der Hoffnungsstand, der das eigentliche Proprium Israels darstellt, durch das Christusgeschehen nicht in Frage gestellt, sondern vielmehr affirmiert wird. Entsprechend sind es auch die ἔθνη, die im Weiteren als ‚Outgroup par excellence‘ gelten (vgl. Eph 4,17). Zur Frage der Bestimmung des Verhältnisses „between Israel and the ekklēsia after the
274 | Drei ‚Moves‘ zur Vertiefung des Gründungsnarrativs: Eph 2,1–3,13
V.5.2
Prospektive Perspektivierungen
Die maßgeblichen Textsegmente finden sich in Eph 2,7; 2,21f. sowie 3,10(f.), so dass auch die prospektive Dimension im Zusammenspiel der Einzelabschnitte der Sequenz zur Entfaltung kommt. Dieses Ineinandergreifen wird dadurch bestätigt, dass sich strukturell-motivische Analogien zwischen 2,7; 3,10f. einerseits und 2,21f. andererseits aufweisen lassen: So sind die beiden erstgenannten Aussagen jeweils als finaler ἵνα-Satz konzipiert, der die im Vorangehenden (2,4–6 bzw. 3,8f.) thematisierte Heilszueignung an die Wir/Ihr-Gruppe727 als auf ein Demonstrations- bzw. Offenbarungsgeschehen (ἐνδείκνυσθαι bzw. γνωρίζειν728, jeweils im auf den göttlichen Urheber verweisenden Konjunktiv Aorist Passiv) hingeordnet erweist, das an der Wir-Gruppe bzw. der ἐκκλησία zentrale göttliche Wesensmerkmale – seine χάρις bzw. seine σοφία – ansichtig werden lässt; insbesondere die futurisch orientierte Zeitangabe ἐν τοῖς αἰῶσιν τοῖς ἐπερχομένοις729 in 2,7 – die ihr Pendant in dem präsentischen νῦν in 3,10 hat – markiert noch einmal den Interimscharakter der Ebene des Jetzt. Der parallele Aufbau der Doppelaussage 2,21f. wird schon durch die jeweilige relativische, auf Christus bzw. den Kyrios bezogene Einleitung (ἐν ᾧ) angezeigt und bestätigt sich im Weiteren insbesondere durch die strukturtragende Funktion einer präsentischen Verbform, welcher durch eine anschließende εἰςWendung eine nominale Zielbestimmung des als αὔξειν bzw. συνοικοδομεῖσθαι benannten ‚Werdungsprozesses‘ hinzugefügt wird. Insofern bietet es sich an, die beiden Doppelaussagen jeweils im Verbund zu betrachten.
|| Christ-event“ im Epheserbrief vgl. die anschauliche Typologisierung der verschiedenen Deutungsvorschläge und deren weiterführende Diskussion bei Roitto, Behaving, 190–204. 727 Die Erzählstränge sind dabei in Eph 2,4–6 und 3,8 je verschieden: 3,8 ist dem applikationsorientierten Strang zugeordnet, der freilich die Bestimmungen, wie sie nicht zuletzt in 2,4– 6 genannt werden, zur Voraussetzung hat. 728 Zur semantischen Nähe beider Begriffe vgl. nur ihr Nebeneinander Röm 9,22 in thematisch verwandtem, auf den göttlichen Heilsplan und seine Realisierung bezogenem Zusammenhang. 729 Schon aus sprachlichen Gründen handelt es sich bei dem Ausdruck um eine solche; vgl. Schnackenburg, Eph, 97. Dieser Befund wird vor dem Hintergrund der beschriebenen Verbindung zwischen Eph 2,7 und 3,10 bestätigt durch den temporalen Gebrauch von αἰών in 3,11; der dortigen κατά-Wendung eignet rückläufiger, auf 3,10 gerichteter Bezug. Jene Verbindung spricht im Übrigen auch dafür, den Genitiv τῶν αἰώνων in 3,11 als Gen. obi. aufzufassen, so dass die Äonen die Zeitspannen bezeichnen, die Gott protologisch festgesetzt hat und die auf die Durchführung der Zeitenfülle zulaufen (1,10). Anders Sellin, Eph, 268 u.a., die einen Gen. qual. vermuten und durch die Rede von der πρόθεσις τῶν αἰώνων den „ewigen Vorsatz“ bezeichnet sehen.
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V.5.2.1 Eph 2,7/3,10 Mit seiner Anbindung an die soteriologische Handlungsfolge in 2,4–6 besagt der ἵνα-Satz 2,7, dass jenes Handeln Gottes an der Wir-Gruppe, das diese in den Heilsstand versetzt, auf die Zurschaustellung der göttlichen Gnade zielt. Während das modale ἐν χρηστότητι dabei das in 2,4–7 gebotene Ensemble göttlicher Eigenschaften in semantisch isotoper Weise erweitert und damit zur den Unterabschnitt kennzeichnenden (stilistischen) Plerophorie beiträgt, stellt das anschließende ἐφ’ ἡμᾶς betont heraus, dass die in der Güte konkret werdende Gnade auf die Wir-Gruppe fokussiert: Die Gnade wird an den ἡμεῖς anschaulich. Dieser Aspekt ist insofern von konzeptioneller Relevanz, als mit der χάρις gemäß der Briefeingangseulogie der göttliche Heilsratschluss in seinen Grundlagen in den Blick genommen ist. Somit scheint die Wir-Gruppe auf der Ebene des νῦν als Aufweis der göttlichen Gnade anzusehen zu sein und insofern zum potentiellen Instrument der Anstiftung zum Gotteslob zu werden; die göttliche Gnade ‚strahlt‘ gleichsam von der Wir-Gruppe ‚aus‘.730 Damit verbindet sich sogleich die Frage nach dem Adressatenkreis, dem das ἐνδείκνυσθαι zuteilwird. Die diegetische Zuordnung von 2,4–7 zum Gründungsnarrativ legt es nicht nahe, dabei an die Wir-Gruppe selbst zu denken731, denn diese kommt auf der Ebene des νῦν ja bereits ganz von der Erfahrung des göttlichen Gnadenerweises her (vgl. bes. 1,6). Entsprechend kommt vielmehr eine hier noch nicht näher bestimmte Weltöffentlichkeit als Forum in den Blick – und damit ein Affiziertwerden des Kosmos durch die Wir-Gruppe, wie es in 1,23 strukturell grundgelegt wurde. Der Tendenz nach wird diese Deutungslinie durch 3,10 bestätigt. Mit γνωρίζειν wird hier für den auf der Ebene des νῦν statthabenden Offenbarungsvorgang jener Begriff verwendet, der im Epheserbrief insgesamt als Leitterminus für die gnoseologische Eröffnung der Einsicht in das Heilsgeheimnis dient (so programmatisch 1,9; sodann 3,3.5; 6,19; vgl. ἐπίγνωσις 1,17; 4,13). Wenn nun aber als Adressaten an dieser Stelle die Mächte und Gewalten ἐν τοῖς ἐπουρανίοις und damit gewissermaßen die maßgeblichen, antagonistischen Instanzen der pneumatischen ‚Gegenseite‘ angeführt werden, so scheint damit angedeutet, dass die göttliche Heilsinitiative letztlich auch über die einstweiligen Grenzen der ἐκκλησία hinausstrebt und also auf die allgemeine Einsicht erheischende Realisierung der souveränen Machtstellung Christi in einer kos-
|| 730 So in Anlehnung an Schlier, Eph, 112. 731 So aber Schnackenburg, Eph, 97: „[…] diejenigen, denen sie [sc. Gottes überreiche Gnade] aufgezeigt wird, sind nach dem Kontext noch immer ‚wir‘, die bereits die Rettung erfahren haben“.
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misch unumschränkten Weise zustrebt – ganz wie dies der Bezogenheit des ἀνακεφαλαιώσασθαι auf τὰ ἐπὶ τῆς γῆς wie eben auch τὰ ἐπὶ τοῖς οὐρανοῖς entspricht (1,10; vgl. 3,15). Trägerin/Medium ebendieses Realisierungsprozesses aber ist offenbar die ἐκκλησία. Als Objekt des Offenbarungsvorgangs wird in 3,10 die σοφία Gottes genannt.732 Von den beiden weiteren, vorangehenden Belegen im Epheserbrief her steht der Begriff in engem Zusammenhang mit der Erkenntnis Gottes selbst (1,17), wie sie eröffnet wird durch die Einsicht in das Mysterium seines Willens bzw. in den göttlichen Heilsratschluss (1,8f.), in dem sich diese Weisheit somit konkretisiert. Dem entspricht, dass die σοφία τοῦ θεοῦ als Offenbarungsobjekt in Parallele tritt zu der οἰκονομία τοῦ μυστηρίου, die Gegenstand des φωτίσαι in 3,9 ist. Die damit angedeutete Verbindung mit dem vorangehenden Vers ist auch für das Verständnis des der σοφία beigefügten Attributs πολυποίκιλος von Bedeutung, insofern die Prädikation Gottes als ὁ τὰ πάντα κτίσας in 3,9 diesen explizit in seiner Identität als Schöpfer des Alls in den Blick rückt. Denn in hellenistisch-jüdischer Tradition erhält das an sich ambivalente733 Motiv der ,Buntheit‘ gerade im Kontext von Schöpfungsaussagen eine positive Wertung; ihre bunte Vielfalt ist Merkmal der Schöpfung in ihrer auf Gott zurückzuführenden Beschaffenheit.734 Von daher ist es denkbar, dass mit der pointierten Rede von der ‚Weisheit‘ als einer ‚bunten‘ – das vorangestellte πολυ- hat verstärkende Funktion und fügt sich ein in die Tendenz des Epheserbriefs zu begrifflicher Abundanz – ebendiese als eine solche qualifiziert wird, in der die Bestimmung der Schöpfung ansichtig wird, wie sie ihr von ihrem Schöpfer zugedacht ist. Demnach würde den Mächten und Gewalten durch die ἐκκλησία jene ‚Schöpfungsordnung‘ vor Augen geführt, für die konstitutiv ist, dass sie sich, bei aller protologischer Verankerung, gemäß der göttlichen Heilsökonomie realisiert. Zumindest vermutet werden kann, dass auf diese Weise auch die Mächte und Gewalten selbst über den ihnen zugedachten Ort in der Schöpfung aufgeklärt werden, so dass sie in der Folge in das allumfassende ἀνακεφαλαιώσασθαι hineingenommen werden (können).
|| 732 Dem entspricht es, dass die Glieder der Wir-Gruppe als σοφοί in den Blick kommen (Eph 5,15). 733 Darauf weist schon der vielschichtige neutestamentliche Befund: Mt 4,24; Mk 1,34; Lk 4,40 (Krankheiten); II Tim 3,6 (Begierden); Tit 3,3 (Begierden und Freuden), Hebr 13,9 (Lehren); Jak 1,2; I Petr 1,6 (Versuchungen); positiv aber Hebr 2,4 (Kräfte) sowie v.a. I Petr 4,10 (zu χάρις siehe Eph 2,7). 734 Vgl. hierzu Faust, Pax, 28ff.; Sellin, Eph, 267. Einschlägig ist Philo Somn. 1,201–209.
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V.5.2.2 Eph 2,21f. Die Doppelaussage Eph 2,21f. beschließt den Passus 2,19–22 – der dritte, abrundende (s.o. V.2.1.2) Unterabschnitt von 2,11–22 – in unselbständiger Weise, so dass die Analyse der Verse von ihrer mikrokontextuellen Einbindung auszugehen hat. Für den vorliegenden Zusammenhang ist, in Anknüpfung an das bereits oben Ausgeführte, darauf hinzuweisen, dass V.19 dem Unterabschnitt nicht nur in syntaktischer Hinsicht als Grundlage dient, sondern zugleich eine innere semantische Progression aufweist, die in V.20–22 aufgenommen und fortgeführt wird. So wird im Zusammenhang der politischen Begrifflichkeit, welche die Heilsgemeinschaft als ein in politischen Kategorien konzeptualisierbares Gemeinwesen erscheinen lässt, das Wortfeld οἶκος eingeführt. Dieses wird in V.20–22 an strukturtragender Stelle aufgegriffen und zugleich auf eine Baumetaphorik hin entwickelt (so bereits in V.20a). Charakteristisch ist dabei insbesondere, dass die in V.19 im Blick befindliche Gemeinschaft nun selbst als ein Bauwerk beschrieben wird, das ihre personalen Glieder offenbar geradezu zum Baumaterial hat. Als programmatisches Scharnier für diese Verschiebung auf der Bildebene735, die sich bis V.22 durchhält736, dient das ἐποικοδομηθέντες, das als Participium coniunctum V.20a an V.19 anschließt und somit auf die dort in der 2.Pl. angesprochenen fiktiven Adressaten bezogen ist. Das auf Gott als Urheber verweisende Aoristpartizip fungiert dabei in diegetischer Hinsicht zugleich als sprachlich-syntaktisches Signal, dass nachfolgend ‚gründungsnarrativrelevante‘ Zusammenhänge thematisiert werden. Entsprechend kann ἐποικοδομηθέντες in modalem Sinne aufgefasst werden; es gibt an, „auf welche Art und Weise die Heiden zu Mitbürgern und Hausgenossen geworden sind bzw. es auch jetzt noch sind“737, nämlich durch ihr Auferbautwordensein auf dem ‚Fundament der Apostel und Propheten‘. Von den vorangehenden Ausführungen her dürfte diese Fundamentfunktion der Apostel und Propheten gerade darin zu erblicken sein, dass deren Evangeliumsverkündigung die Heilsteilhabe der fiktiven Adressaten allererst ermöglicht hat und sie insofern eine grundlegende Rolle spielen für die Hineinnahme der Adressaten in die Heilsgemeinschaft.738 Die für das Gründungsnarrativ im
|| 735 Indem sich das Bauwerk letztlich als Tempel bzw. Wohnung Gottes erweist (V.21f.), besteht freilich wiederum ein enger Rückbezug zu dem in der Wendung οἰκεῖοι τοῦ θεοῦ angespielten Konzept des Gotteshauses. 736 Vgl. die ἐπ-/συνοικοδομεῖσθαι-Korrespondenz in V.20a.22. 737 Merklein, Amt, 135. 738 Ähnlich Faust, Pax, 197–205.
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Blick auf den Erzählstrang der Appropriation des Heilsgeschehens charakteristische prototypische Qualität der 2.Pl. lässt es zumal vor dem Hintergrund von 2,17 zugleich als wahrscheinlich erscheinen, dass die Aussage V.20a Gültigkeit für die ἅγιοι (vgl. V.19) insgesamt, also auch für die ‚Judenchristen‘ hat. Zu dieser Deutung fügt sich V.20b, wo das Bild weiter differenziert wird. Denn indem Christus betont (Gen. abs.) als ‚Eckstein‘739 jenes Fundaments740 prädiziert wird, wird ihm eine schlechterdings maßgebliche Rolle für das Bauwerk insgesamt zugesprochen. Diese Zuordnung von Christus und Aposteln/ Propheten entspricht aber strukturell der durch 2,17 angezeigten Inauguration der Evangeliumsverkündigung durch Christus selbst, die indes für ihre Hinausführung die Apostel und Propheten in den Dienst nimmt. Die Eckstein-Funktion Christi wird im vorliegenden Zusammenhang freilich in einem noch umfassenderen Sinne verstanden. Dies zeigt sich auch in der an V.20b angedockten Doppelaussage V.21f., bezieht sich der relativische Anschluss ἐν ᾧ in V.21 nach Maßgabe von V.20b doch zuvörderst auf Christus in seiner Eigenart als Eckstein. Der durch die Briefeingangseulogie geprägte, nahezu technische Gebrauch von ἐν ᾧ als Bezugnahme auf Christus legt es nahe, auch dem ἐν ᾧ in V.22 diese Referenz zuzusprechen und also das κύριος in der vorangehenden Bezugswendung ἐν κυρίῳ auf Christus zu beziehen, so dass V.22 letztlich als parallele Aussage zu V.21 anzusehen ist. Die Übereinstimmungen in der syntaktischen Struktur bestätigen dieses Bild ebenso wie semantische Gesichtspunkte; die motivischen Verbindungslinien erweisen sowohl die Verben wie auch die beiden Zielbestimmungen als im Grundsatz synonym bzw. referenzidentisch. Entsprechend besteht ein direkter Zusammenhang zwischen den beiden Subjekten des Satzes; die ὑμεῖς sind als Bestandteil und insofern die 2.Pl. als implizite Wiederaufnahme der οἰκοδομή anzusehen. Der Zusatz πᾶσα bei οἰκοδομή741 hebt demnach wohl darauf ab, dass ebendiese sich nicht auf die fiktiven Adressaten beschränkt. Dann liegt es aber zugleich nahe, die συνMotivik in V.21f. wiederum auf die horizontale Verbundenheit der beiden Menschheitsgruppen in der einen Heilsgemeinschaft zu beziehen, die im Ge|| 739 Diese Bedeutung, die den Rückbezug auf Jes 28,16 betont, ist gegenüber der maßgeblich von J. Jeremias vertretenen Deutung von ἀκρογωνιαῖος als ,Schlußstein‘ vorzuziehen; zur Diskussion vgl. Merklein, Amt, 144–152. 740 Der Zusammenhang mit V.20a legt nahe, αὐτός auf ἀκρογωνιαῖος und nicht – wie die Mehrheit der Ausleger – auf Christus zu beziehen; es geht gerade auch um eine Verhältnisbestimmung von Aposteln/Propheten und Christus; dieser Rückbezug wird unterstrichen. 741 Zum Fehlen des für die Bedeutung „das ganze Bauwerk“ eigentlich erforderlichen Artikels bei οἰκοδομή vgl. Sellin, Eph, 239f.
Querschnitt III: Das νῦν | 279
samt des Abschnitts 2,11–22 im Fokus steht. Das συνοικοδομεῖσθαι in V.22 geht also – in Entsprechung zu ihrer Bezeichnung als συμπολῖται in 2,19 sowie im Weiteren insbesondere auch zu 3,6 – auf die Teilhabe der fiktiven Adressaten als ἔθνη an der Erfüllung der Heilsverheißungen Israels.742 Mit V.21f. tritt also die im Kreuzesgeschehen neu begründete, durch die Verkündigung konstituierte Heilsgemeinschaft als eine οἰκοδομή in den Blick – und zwar als eine solche, die gegenwärtig, und damit im Welt- und Geschichtszusammenhang, in einem Prozess der Heranbildung steht, der auf einen durch seine besondere Gottesrelation gekennzeichneten Vollendungszustand hinführt. Strukturell entspricht diese Konstellation der auf Grundlage von 1,3–14 ermittelten Bestimmung des νῦν als eines Interims, das auf die ‚zweite ἀπολύτρωσις‘ als Vollendung der Gottesgemeinschaft und also der Heilsteilhabe der Wir-Gruppe zustrebt. Ebendieses Interim war nun durch 1,23 unter das Vorzeichen der Alldurchdringung Christi gestellt worden. Ausgehend von dieser Bestimmung ergaben die bisher betrachteten Textsegmente dabei den Befund, dass sich die dynamische Entwicklung, die auf der Ebene des νῦν zu verzeichnen ist, wesentlich auf die Weltöffentlichkeit bzw. das All, sofern es (noch?) nicht ἐκκλησία ist, bezieht. Die Wir-Gruppe bzw. die ἐκκλησία selbst kam demgegenüber als ein Medium dieses Prozesses in den Blick (2,7; 3,10), das sich zugleich dadurch auszeichnet, dass in ihm die pneumatische Heilsteilhabe bereits vollgültig realisiert ist; programmatisch kam dies in ihrer Prädikation als πλήρωμα Christi in 1,23 zum Ausdruck. Mit 2,21f. wird demgegenüber offenbar ein weiterer Aspekt eingespielt: Der Heilsgemeinschaft selbst wird auf der Ebene des νῦν ein prozessualer Charakter zuerkannt. Dies aber wirft die Frage auf, wie jener Heranbildungsprozess aufzufassen ist. Für eine Deutung bieten sich wesentlich zwei Schienen an, die sich im Anschluss an Helmut Merklein grob als ‚extensives‘ bzw. ‚intensives‘ Verständnis unterscheiden lassen.743 Eine extensive Deutung scheint sich zunächst gut mit der oben aufgezeigten Ausrichtung der auf der Ebene des νῦν zu verortenden Veränderungsdynamik auf τὰ πάντα vereinbaren zu lassen: Der Bau würde nämlich insofern als ein im
|| 742 Demgegenüber kann für das strukturell überschießende, sich markant heraushebende Partizip συναρμολογουμένη in V.21, insofern es sich auf den Gesamtbau bezieht, eine übergeordnete Bedeutung vermutet werden: Das ‚Zusammengefugtwerden‘ scheint ein Charakteristikum des Baus zu sein, das alle seine Glieder gleichermaßen betrifft. 743 Vgl. Merklein, Amt, 155.
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Wachstum befindlicher vorgestellt werden, als ihm – eben infolge des 2,7; 3,10 formulierten Offenbarungsgeschehens – sukzessive neue Elemente einverleibt würden. Es ergäbe sich somit in Anknüpfung an 1,23 eine Konkretisierung dessen, was die kosmische Alldurchdringung Christi bewirkt, nämlich die Integration in das ekklesiale σῶμα, das sein Leib ist. In letzter Konsequenz würde mit den εἰς-Wendungen dann nicht nur der Zielzustand für die ἐκκλησία, sondern für die Schöpfung insgesamt und also das Resultat des ἀνακεφαλαιώσασθαι benannt werden. Das Affiziertwerden des Kosmos durch die ἐκκλησία stünde also in einem unmittelbaren Zusammenhang mit deren eigenem Wachstum; dieses wäre vorrangig quantitativ zu verstehen.744 Im Unterschied dazu ist die intensive Deutung gleichsam qualitativ orientiert und geht davon aus, dass gemäß 2,21f. die ekklesiale οἰκοδομή als solche, d.h. im Sinne ihrer bereits vorfindlichen Glieder, jenen Wachstumsprozess durchläuft. Auf der sprachlichen Ebene spricht hierfür insbesondere das markante Nebeneinander von ἐπ-und συνοικοδομεῖσθαι, das von den fiktiven Adressaten ausgesagt wird: So sind diese nämlich zwar einerseits sehr wohl bereits ‚auferbaut‘ auf dem Fundament und insofern integraler Bestandteil des Baus. Dies hindert jedoch nicht, dass sie andererseits fortwährend ‚miterbaut‘ werden; das οικοδομεῖσθαι ist demnach auch intern als ein anhaltender Prozess konzipiert, den die Glieder durchlaufen. Die beiden beschriebenen Deutungsmöglichkeiten müssen sich letztlich nicht ausschließen; immerhin hebt die Bestimmung des präsentischen οικοδομεῖσθαι als ein συν-οικοδομεῖσθαι gerade auch die horizontal-gemeinschaftsstiftende Funktion dieses Prozesses hervor und begünstigt somit ein quantitatives Verständnis. Gleichwohl deutet sich mit 2,21f. in der Tat eine gewisse Dialektik im ἐκκλησία-Konzept des Gründungsnarrativs an, insofern der Aspekt der umfassenden Heilsteilhabe der Wir-Gruppe auf der Ebene des νῦν um ein prozessuales Element erweitert wird, das auf dem Gedanken einer qualitativen Veränderungsdynamik, welche die Glieder dieser Gruppe selbst betrifft, beruht. Für das diegetische Wechselspiel von Gründungsnarrativ und fiktiver Kommunikationssituation wurde eine solche Dialektik bereits als grundlegend erkannt. Mit 2,21f. wird sie nun auf der Ebene des Gründungsnarrativs selbst verankert: Der vom ‚Vollmaß‘ offenbar noch abweichende Existenzzustand der fiktiven Adressaten erscheint somit nicht als defizitär, sondern der Aspekt einer sukzessiven Entwicklung der Glieder der Heilsgemeinschaft als ebensolchen || 744 In die Richtung einer extensiven Deutung geht insbesondere Meyer, Kirche, 57.
Zusammenfassung und pragmatische Vertiefung | 281
wird geradezu in die göttliche Heilsökonomie integriert – freilich unter der Maßgabe, dass diese Entwicklung letztlich nichts anderes sein kann als die nur konsequente Entfaltung eines bereits vorhandenen Kerns.745
V.6
Zusammenfassung und pragmatische Vertiefung
Für eine Bündelung in ekklesiologischer Ausrichtung bietet es sich an, von der im Vorangehenden wiederholt berührten Frage nach der Rolle der ἐκκλησία im Zusammenhang des allumfassenden ἀνακεφαλαιώσασθαι auszugehen. Als Leitmotiv hat sich dabei der Gedanke eines Affizierens des Kosmos durch die ἐκκλησία angedeutet. Insbesondere diesen Aspekt wird es daher an dieser Stelle näher zu profilieren gelten. Zu rekurrieren ist hierfür wiederum auf die entsprechenden Vorgaben der Briefeingangseulogie, die zu verbinden sind mit den Elaborationen des Gründungsnarrativs in den einschlägigen Textsegmenten in Eph 1–3. Eine herausgehobene Rolle der Wir-Gruppe im Prozess des durch die himmlische Inthronisation Christi inaugurierten ἀνακεφαλαιώσασθαι deutete sich bereits in 1,9f. an, insofern hier der Aspekt der Einsicht in das μυστήριον des göttlichen Heilsratschlusses zu einer zentralen nota der Wir-Gruppe gemacht wurde. Denn einerseits wird damit zumindest implizit die ansonsten geltende Verborgenheit dieses μυστήριον vorausgesetzt, wie sie im Weiteren explizit markiert wird (vgl. 3,4f.). Andererseits lässt schon der semantische Zusammenhang mit 1,13f. vermuten, dass ebenjene Einsicht kein Adiaphoron darstellt, sondern dass ihr vielmehr eine unmittelbare Heilsrelevanz zukommt, dass das Heil mithin eine gnoseologische Dimension hat. Das solchermaßen angedeutete soteriologische Prä, das die Wir-Gruppe auf der Interimsebene des νῦν von dem All insgesamt abhebt, wird in 1,23 sodann mithilfe der πληρ-Terminologie auf jene bündige Formel gebracht, die die ἐκκλησία und also die Wir-Gruppe als vollgültige Realisierung dessen erscheinen lässt, was am weiteren All noch im Prozess befindlich ist, nämlich das (pneumatische) Erfülltwerden durch Christus als Entfaltung seiner Hoheitsstellung im Welt- und Geschichtszusammenhang.
|| 745 Dieser Aspekt wird besonders in Eph 4,1–16(24) entfaltet. Auch auf der Ebene des Bildmaterials ist diese Dialektik spürbar: mit der Rede vom ‚Zugang‘ zu Gott (2,18; vgl. 3,12) etwa wird kultische Motivik eingespielt und für die Beschreibung des gegenwärtigen Heilsstandes herangezogen, während der ‚Tempel‘ an sich doch allererst als ein noch zu erbauender erscheint (2,21f.).
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Gemäß 2,7 und 3,10 kommt nun der ἐκκλησία tatsächlich eine tragende Rolle zu für diese Alldurchdringung Christi, die sich offenbar wesentlich als Offenbarwerden der göttlichen χάρις und σοφία vollzieht, womit die gnoseologische Ausrichtung des Heilsgeschehens fortgeführt wird. Stellt schon die Formulierung in 1,23 zwar programmatisch vor Augen, dass die ἐκκλησία keinesfalls eigenständiges Subjekt dieses Geschehens ist, so stellt sich doch die Frage nach der Art und Weise ihrer Einbindung in diesen Prozess. Der gnoseologische Gesamtzusammenhang, der in Eph 1–3 entworfen wird, könnte zunächst nahelegen, dabei primär an die nach außen gerichtete Evangeliumsverkündigung zu denken, die der Wir-Gruppe übertragen ist: Denn die Inklusion in den Heilsbereich vollzieht sich doch offenbar maßgeblich durch das Vernehmen des Evangeliums, das eben die Eigenart des göttlichen Heilsratschlusses explizit macht. Ebendieses Verkündigungsgeschehen wurde denn auch durch den erhöhten Christus selbst initiiert (2,17) und inkludierte zunächst die Apostel und Propheten (2,20; 3,5). Deren Wirken wiederum ermöglichte die Konstituierung der Wir-Gruppe im Welt- und Geschichtszusammenhang (3,7– 10), die auf diese Weise zugleich – so mag man vermuten – in jenes Geschehen hineingenommen und letztlich selbst zur Trägerin der Evangeliumsverkündigung wird; das Affizieren des Kosmos durch die ἐκκλησία vollzöge sich demnach wesentlich durch Evangeliumsverkündigung in der Nachfolge der Apostel und Propheten. Lassen sich durchaus Anhaltspunkte im zweiten Hauptteil des Schreibens benennen, die für eine solche Sichtweise sprechen746, so scheint das Schwergewicht jedoch auf einem anderen Aspekt zu liegen, der sich bereits in der Briefeingangseulogie grundgelegt findet. Namentlich in 1,12 bietet die dem ἡμᾶς beigefügte Apposition τοὺς προηλπικότας κτλ. nämlich eine Benennung des Existenzstatus der Wir-Gruppe, die sich dezidiert auf die Ebene des νῦν bezieht. Von hier aus aber scheint es plausibel, auch die gesamte finale (εἰς) Infinitivwendung in 1,12 mit jener Interimsebene in direkte Verbindung zu bringen: Gerade als die Gemeinschaft der auf die künftige Vollendung der Gottesgemeinschaft Voraushoffenden und also auf der Ebene des νῦν ist es die Bestimmung (vgl. 1,11) der Wir-Gruppe, zum Lob der göttlichen Doxa zu existieren. Für die inhaltliche Konkretisierung dieser Maßgabe ist nun zu beachten, dass das auf die Wir-Gruppe bezogene finale εἶναι in der Wendung εἶναι ἡμᾶς
|| 746 Anzuführen ist hier möglicherweise die Erwähnung der εὐαγγελισταί in der ‚Ämterliste‘ Eph 4,11 – zumal wenn damit auf die textexterne Gegenwart der realen Kommunikationspartner gezielt sein sollte – sowie insbesondere die Aufforderung zur ,Bereitschaft des Evangeliums‘ in 6,15.
Zusammenfassung und pragmatische Vertiefung | 283
ἁγίους καὶ ἀμώμους κτλ. in 1,4 eine strukturelle Entsprechung hat und somit von dort aus eine Vorprägung erhält. Dann aber wird man auch den Infinitivausdruck in V.12 im analogen, d.h. ethisierenden, auf den der Gottesbeziehung adäquaten Selbstvollzug abstellenden Sinn zu deuten haben. Ihrer Bestimmung, gerade auch auf der Ebene des νῦν zum Lob der göttlichen Doxa zu sein, entspricht die Wir-Gruppe demnach wesentlich dadurch, dass sie bereits präsentisch die ihr protologisch zugedachte Bestimmung zu einem ihrer Gottesgemeinschaft konformen Lebenswandel (1,4) realisiert. Diese Einschätzung wird in den anschließenden Vertiefungen des Gründungsnarrativs insbesondere dadurch bestätigt, dass gerade der Lebenswandel ‚in guten Werken‘ als (finale) Grundbestimmung und also gleichsam als Überschrift für das neue Sein, wie es der Wir-Gruppe durch das Rettungs- und Neuschöpfungshandeln Gottes eröffnet wird, erscheint (2,8–10). Ermöglichungsgrund für diesen Lebenswandel ist dabei, wie sich im Zusammenhang von 2,1– 10 aus der ‚Gegenfolienfunktion‘ des ποτέ-Zustands ergibt, die Anteilhabe am göttlichen πνεῦμα – die entsprechend bereits in 1,13 als Zielpunkt der soteriologischen Geschehensfolge benannt worden war und in der zugleich die Suprematie Christi über die kosmischen Mächte zur konkreten Auswirkung kommt, da ebendiesen die pneumatische Autorität über die Wir-Gruppe entzogen worden ist. Somit manifestiert sich im Lebenswandel der Wir-Gruppe unmittelbar ihre πνεῦμα-Teilhabe und damit zugleich ihr neuer Heilsstand überhaupt, der sich ganz der göttlichen Gnade verdankt. Entsprechend wird die Wir-Gruppe zuvörderst durch ihren Lebenswandel als solchen zum nach außen strahlenden Zeugnis der göttlichen Gnade (2,7) und insofern zum Lob der göttlichen Doxa (1,12), wodurch den kosmischen Mächten zugleich ihre Depotenzierung vor Augen geführt wird (3,10). Konstitutives Merkmal der Wir-Gruppe ist bei alledem, dass in ihr der soziale Antagonismus zwischen Israel und Weltvölkern aufgehoben ist und sie insofern beide Menschheitsgruppen gleichermaßen umfasst; beide sind in gleichursprünglicher – nämlich qua Evangeliumsverkündigung – Weise pneumatisch begabt. Ihren Lebenswandel vollzieht die Wir-Gruppe als das eine ‚Machwerk‘ (ποίημα, vgl. 2,10) Gottes, der eine Leib Christi (3,6). Freilich gilt dabei, dass laut dem Epheserbrief die Hoffnung auf eine neue, gerade auch pneumatisch geprägte Zuwendung Gottes seit jeher Kern des Israel gewährten Verheißungsgutes war. Demgegenüber besteht die zunächst den Aposteln und Propheten gewährte, grundstürzend neue Einsicht in den göttlichen Heilsplan aber eben darin, dass diese mit dem Christusgeschehen assoziierte pneumatische Zuwen-
284 | Drei ‚Moves‘ zur Vertiefung des Gründungsnarrativs: Eph 2,1–3,13
dung sich als in einem radikalen Sinne beziehungskonstitutiv darstellt, indem der Lebenswandel auf eine ganz neue Grundlage gestellt wird. Diese radikale Beziehungskonstitution inkludiert jedoch ausweislich ihrer Partizipation am göttlichen πνεῦμα auch die Weltvölker in einer identischen Weise. Dann aber erweist sich, dass die antagonistische Dynamik, die das Verhältnis zwischen Israel und ἔθνη auf der Ebene des ποτέ prägt, als überwunden anzusehen ist, insofern die gemeinsame Begabung mit dem πνεῦμα notwendig auf einen gemeinsamen Lebenswandel hinzielt. Die Heilsteilhabe umfasst mithin konstitutiv den gnoseologischen Aspekt, dass der pneumatisch begründete Lebenswandel einen Neuanfang darstellt, da er sich infolge der gewandelten pneumatischen Grundlage kategorial abhebt von dem auf der Ebene des ποτέ vorfindlichen. Die besondere Geschichte Gottes mit seinem Volk Israel wird gleichwohl nicht negiert – den ‚genuinen Bürgern‘ eignet vielmehr ein heilsgeschichtliches, jedoch eben kein sachlich-qualitatives Prä. In der pneumatischen Vereinigung der beiden Menschheitsgruppen wird nun aber anschaulich, was den Fluchtpunkt des göttlichen Heilsplans überhaupt darstellt, nämlich die pneumatische Durchdringung des Alls unter Überwindung antagonistischer Gegensätze und als Eingliederung in den Machtbereich Christi. Die im Lebenswandel manifeste Gemeinschaft von Israel und Weltvölkern ist somit gleichsam Ausweis und Unterpfand für das, was am All insgesamt zur Hinausführung kommen soll. Gerade in der Gestaltwerdung der ἐκκλησία im Geschichts- und Weltzusammenhang als einer Israel und ἔθνη vereinigenden Größe wird somit universal anschaulich, worauf der göttliche Ratschluss letztlich zielt, wird die ihr von ihrem Schöpfer zugedachte Bestimmung der Schöpfung insgesamt transparent. Den Mächten wird insofern durch die ἐκκλησία nicht nur ihre eigene Depotenzierung, sondern zugleich die Eigenart des göttlichen Heilsplans mit seiner Schöpfung überhaupt demonstriert (3,8–10). Die weitergehende Profilierung bzw. Konkretisierung des pneumatisch bestimmten Ethos ist zwar maßgeblich dem zweiten Teil des Schreibens ab Eph 4,1 vorbehalten. Jedoch wird ein Leitakzent bereits im Vorangehenden gesetzt. So wird der intendierte Selbstvollzug in 1,4 programmatisch auf den Begriff der ἀγάπη gebracht, was auch in der Elaboration des Gründungsnarrativs in Eph 1– 3 nachhallt (vgl. 1,15; 3,17). Konzeptionell grundlegende Bedeutung für den Selbstvollzug der WirGruppe kommt des Weiteren dem Motiv der παρρησία zu, welche die Gottesbeziehung der Wir-Gruppe infolge der soteriologischen Wende prägt. Denn die παρρησία ist traditionsgeschichtlich auf das Gebet hin durchsichtig, in dem sie
Zusammenfassung und pragmatische Vertiefung | 285
ihren Ort hat. Nach Maßgabe des Epheserbriefes selbst fußt das Gebet dabei auf dem Akt des dankbaren Gotteslobs, wächst aus ihm heraus. Eben darin aber liegt schon gemäß dem Spiel mit der εὐλογ-Semantik in 1,3 letztlich die Essenz des Selbstvollzugs, zu dem die Wir-Gruppe bestimmt ist. Ihr Sein zum Lob der göttlichen Doxa steht also nicht einfach metonymisch für den bestimmungsgemäßen Lebenswandel, sondern inkludiert elementar auch das Loben Gottes in einem wörtlichen Sinne. Dem entspricht, dass die Gott und Wir-Gruppe verbindende εὐλογία in 1,3 durch das Attribut πνευματική qualifiziert wird (vgl. 5,19): Die existenzbestimmende Partizipation am göttlichen Geist kommt somit im expliziten Gotteslob offenbar gleichsam zum Bewusstsein ihrer selbst (vgl. 6,18f.). Vor diesem Hintergrund kann der Akt des γνωρίζειν, der den kosmischpneumatischen Mächten die σοφία Gottes eröffnet, sein Vollzugsmoment in dem pneumatisch inspirierten Gotteslob haben, das in der ἐκκλησία laut wird (3,20f.) – und damit zugleich ἐν τοῖς ἐπουρανίοις vernehmbar wird und die Mächte affiziert. Die materiale Grundlage für dieses Gotteslob wiederum gibt der Epheserbrief mit seiner Formulierung des Gründungsnarrativs selbst an die Hand. Sind mit den vorstehenden Bestimmungen die kollektiven Dimensionen des Lebenswandels in den Vordergrund gestellt worden, so gilt es noch einmal herauszustellen, dass der individuale Aspekt und also Gottesbeziehung und Selbstvollzug des Einzelnen keinesfalls ausgeblendet werden, sondern ausweislich des Konzepts des καινὸς ἄνθρωπος gleichermaßen im Gründungsnarrativ verankert werden. Angesichts der kultisch konnotierten Bildwelt und Semantik, welche die Beschreibung des durch das Christusgeschehen heraufgeführten Heilsstandes sowie der Bestimmung der Wir-Gruppe in der dargestellten Weise prägt, erscheint es als konsequent, dass das Motiv des ‚heiligen Tempels‘ in 2,21 letztlich zur Substitution für die ἐκκλησία werden kann. Zugleich aber bringt der Passus 2,20–22, wie oben gesehen, mit dem Gedanken einer sukzessiven Heranbildung der ἐκκλησία selbst einen zusätzlichen, in konzeptioneller Hinsicht folgenreichen Aspekt in das Gründungsnarrativ ein.747 Ist dieser Entwicklungsprozess, den die ἐκκλησία durchläuft, tatsächlich wesentlich als ein intensiver zu verstehen (s.o.), der sie zur Realisierung ihrer Bestimmung hinführt, so ist jener Prozess vom Vorangehenden her grundle-
|| 747 Diese Dynamisierung schlägt sich symptomatisch im Gebrauch des οἰκοδομή-Begriffs nieder: Wird dieser in Eph 2,21 in einem zustandsbeschreibenden Sinne gebraucht, so geht er in 4,12.16 auf den Prozess der Heranbildung, der Entstehung des Baus.
286 | Drei ‚Moves‘ zur Vertiefung des Gründungsnarrativs: Eph 2,1–3,13
gend als ein solcher der zunehmenden Bestimmtheit durch das göttliche πνεῦμα zu betrachten. Ebendies bestätigt sich denn auch durch die beiden Fürbittgebetsberichte, die dem wirksam werdenden Gottesgeist jeweils einen prominenten Ort einräumen (1,17; 3,16). Die Näherbestimmung jenes Geistes als πνεῦμα σοφίας καὶ ἀποκαλύψεως ἐν ἐπιγνώσει αὐτοῦ [sc. Gottes] verweist dabei erneut darauf, dass die Teilhabe am πνεῦμα als Ermöglichungsgrund eines bestimmungsgemäßen Selbstvollzugs nicht zu lösen ist von dem gnoseologischen Aspekt der Einsicht in den göttlichen Heilsplan, sondern dass beides zu korrelieren ist, dass mithin der Lebenswandel ein ,soteriologisch aufgeklärter‘ ist, der die Ausbildung eines gemeinsamen pneumatischen Ethos unter Ausschaltung der καύχησις-Spirale allererst ermöglicht. Die Eröffnung des μυστήριον im und durch das Evangelium wird somit zum Induktionsmoment und Quellgrund für das neue, gemeinsame Ethos; das pneumatische ‚Empowerment‘ (3,16) ist zugleich gnoseologischer Natur. Wie aber vollzieht sich dieses pneumatisch-gnoseologische Empowerment? Der aus Eph 1–3 erhobene Befund erlaubt bereits einige Vermutungen. So liegt es nahe, dass der fortwährenden und eingehenderen Auseinandersetzung mit dem Gehalt des Evangeliums (und damit wohl auch der Schrift) eine Schlüsselrolle zukommt. Ebendiese Auseinandersetzung wird nun aber nach Auskunft von 3,3f. tatsächlich nicht zuletzt dadurch ermöglicht, dass jener Gehalt im Sinne des μυστήριον τοῦ Χριστοῦ in den Briefen des Apostels, der qua Offenbarung über die umfassende σύνεσις in dasselbe verfügt, gleichsam konserviert ist. Die Quintessenz freilich bietet wiederum der Apostel im Epheserbrief selbst mit seinem zusammenhängend-elaborierten Entwurf des Gründungsnarrativs dar. Die durch 1,3–14 vorgegebene Formulierung desselben in Gestalt des gemeinsamen Gotteslobs legt dabei nahe, dass ebendies zugleich der maßgebliche Modus ist, in dem die Aneignung des Gehalts der Gründungsgeschichte sich vollzieht. Der Passus 5,18–20 wird dies tatsächlich explizit machen, wenn das pneumatische Erfülltwerden (5,18b) maßgeblich mit dem gemeinsamen Lob und Dank (5,19f.) assoziiert wird. Demnach vollzieht sich die Heranbildung der ἐκκλησία zu ihrem Endzweck präzise durch den Akt, der diesen Endzweck selbst kennzeichnet, nämlich das Gotteslob. Die konsequente Durchdringung von präsentischer und futurischer Perspektive bestätigt sich hier.
VI VI.1
Fortführungen des Gründungsnarrativs in Eph 4,1–6,20 Zur Einordnung von Eph 4,1–6,20 in den Zusammenhang des Gründungsnarrativs
Nach verbreiteter Auffassung beginnt mit Eph 4,1 der zweite, parakletisch ausgerichtete Hauptteil des Epheserbriefs. In der Tat kann dem Vers – zumal nach der unmittelbar vorangehenden Abrundung des mit der Briefeingangseulogie eröffneten ‚Gebetsbogens‘ durch die Doxologie in 3,20f. – die Funktion eines programmatischen Neuansatzes zuerkannt werden: Das einleitende παρακαλῶ … ὑμᾶς ist explizit performativ und strukturiert die Pragmatik somit auf jener übergeordneten Ebene, die im ersten Hauptteil wesentlich (vgl. aber 2,11; 3,13) durch 1,3.15f.; 3,1.14.20f., mithin die Abfolge von Eulogie, Danksagung/Fürbitte und Doxologie bestimmt wurde. Verband sich damit dort ein eigentümliches Schillern zwischen vertikaler und horizontaler Kommunikationsachse, das den ersten Hauptteil prägte, so tritt mit 4,1 zumindest dem Grundsatz nach letztere in den Vordergrund, inhäriert dem παρακαλεῖν als Sprechakt doch die direkte Hinwendung zu den fiktiven Adressaten in sehr viel eindeutigerer Weise. Diese kommunikative Ausrichtung wird bekräftigt durch 4,17a als performative Reprise von 4,1 (s.u.) und schlägt sich auch unmittelbar nieder in dem imperativischen, das Gegenüber von 1.Sg. des fiktiven Verfassers und 2.Pl. der Adressaten fortwährend aktualisierenden Duktus, der die Ausführungen im Anschluss an 4,1 zumindest weithin – denn dieser Befund wird sogleich noch in konzeptionell signifikanter Weise zu modifizieren sein – prägt. ‚Ausschleifende‘, zum Briefschluss überleitende Funktion kommt in diesem Zusammenhang 6,18–20 zu, insofern die partizipiale Formulierung – vgl. die auf die 2.Pl. als Subjekt verweisenden, die Konstruktion tragenden Verbformen προσευχόμενοι bzw. ἀγρυπνοῦντες in 6,18 – durch den syntaktischen Zusammenhang mit dem Vorangehenden zwar imperativische Qualität hat, diese jedoch nurmehr indirekt realisiert. Obgleich 4,1 somit als prägnanteste Zäsur innerhalb des Briefkorpus anzusehen ist, zeigt bereits das οὖν an, was auch durch zahlreiche entsprechende Wiederaufnahmen im Rahmen des Eingangspassus 4,1–6 unterstrichen wird748:
|| 748 Vgl. dazu im Folgenden; hinzuweisen ist zudem auf die der 1.Sg. des Verfassers (ἐγώ) in Eph 4,1 beigefügte, auf 3,1 (vgl. 3,13; 6,20) verweisende Apposition ὁ δέσμιος ἐν κυρίῳ, zumal https://doi.org/10.1515/9783110794458-006
288 | Fortführungen des Gründungsnarrativs in Eph 4,1–6,20
dass nämlich die Paraklese ab 4,1 im engen Rückbezug steht auf das Vorangehende, das offenbar als Basis dient. Von fundamentaler Bedeutung für die Frage nach der solchermaßen angedeuteten Einbindung der Paraklese in den Zusammenhang des Gesamtschreibens ist dabei, dass diese sich gemäß 4,1 gleichsam kategorial auf das περιπατεῖν und also den Lebenswandel der fiktiven Adressaten bezieht. Denn damit wird ebenjener Terminus aufgegriffen und zum Oberbegriff gemacht, der bereits in der vorangehenden Entfaltung des Gründungsnarrativs prominent verankert wurde (vgl. Eph 2,2.10). Und so vermag aus ebendiesem Konnex der konzeptionelle Ort der mit 4,1 anhebenden Paraklese zu erhellen: Nach Auskunft des Gründungsnarrativs hat das νῦν, das zugleich die Gegenwart der fiktiven – und wohl auch der intendierten realen – Kommunikationssituation bestimmt, ja als Ebene eines im gemeinsamen Geistbesitz begründeten Lebenswandels „in guten Werken“ (2,10) zu gelten, der unter dem Vorzeichen eines bestimmungsgemäßen Selbstvollzugs auf die zweite ἀπολύτρωσις zustrebt und dabei bereits das unumschränkte, die ganze Existenz durchdringende Gotteslob antizipiert, das im Epheserbrief als Fluchtpunkt dieses Selbstvollzugs vor Augen gestellt wird. Die Ausführungen im Zusammenhang von Eph 1–3 beschränkten sich jedoch auf die Benennung solch struktureller Koordinaten – von einer expliziten, material-inhaltlichen Näherbestimmung wurde demgegenüber weitgehend abgesehen, was gerade angesichts der scheinbaren ‚Aushebelung‘ des Gesetzes in 2,14f. eine gewisse Leerstelle mit sich bringt. Somit lässt der Auftakt 4,1 erwarten, dass diese Leerstelle nunmehr gefüllt und also das gemeinsame pneumatische Ethos expliziert wird, das den Lebenswandel auf jener Ebene des νῦν prägt. Der zweigliedrige Eingangspassus Eph 4,1–6749 bestätigt diese Erwartung und damit den beschriebenen konzeptionellen Ort der Paraklese: So macht die programmatische Näherbestimmung des περιπατεῖν durch die ἀξίως-Wendung in 4,1 den Entsprechungsgedanken zur Überschrift des Lebenswandels, so dass diesem ein von Grund auf responsorischer Charakter zukommt (vgl. 1,3) – der
|| sich deren Vorhandensein abhebt von der insgesamt recht geprägten Struktur, die derartige παρακαλῶ-Sätze bei Paulus aufweisen; vgl. dazu Bjerkelund, ΠΑΡΑΚΑΛΩ, 17. 749 Der Hauptsatz Eph 4,1 wird zunächst durch zwei präpositionale, asyndetische μετάWendungen (V.2ab) sowie zwei Partizipialausdrücke (V.2c.3) aufgebläht, die ausweislich der auf die 2.Pl. als Subjekt verweisenden Partizipien allesamt der Näherbestimmung des περιπατεῖν aus 4,1 dienen. Daran schließt sich, wiederum unverbunden, in V.4–6 eine syntaktisch gleichsam schwebende Reihe von Einheitsakklamationen an; der Verklammerung der beiden Teile dienen insbesondere das durch V.3 vorgegebene Einheitsmotiv sowie die Wiederholung des Verweises auf die Berufung der Adressaten in V.4b (vgl. V.1), in beiden Fällen unter Verwendung derselben markanten καλεῖν-Paronomasie.
Zur Einordnung von Eph 4,1–6,20 in den Zusammenhang des Gründungsnarrativs | 289
Lebenswandel findet seine Maßgabe in der zuteilgewordenen κλῆσις, ist Konsequenz dieser (neu-)schöpferischen Zuwendung Gottes. Mit dem Motiv der κλῆσις wird dabei im Ensemble der beziehungskonstitutiven Zuwendungen Gottes (s.o.) fokussiert auf das Vernehmen der Evangeliumsverkündigung durch die Einzelnen bzw. die damit verbundene soteriologische Geschehensfolge; hier hat sich jener Ruf Gottes konkret ereignet (vgl. den Aorist bei ἐκλήθητε).750 Dem entspricht die (erneute) Selbstcharakterisierung des Apostels als ὁ δέσμιος ἐν κυρίῳ in 4,1 (vgl. 3,1) insofern, als damit gemäß Eph 3,1–13 im Besonderen auf den Verkündigungsauftrag des Paulus Bezug genommen wird. Die Bestimmungen in V.2ab bereiten sodann einer Konkretisierung des Lebenswandels den Weg, indem sie „Prinzipien“751 desselben benennen, die in semantischer Hinsicht an die göttlichen Eigenschaftsbestimmungen, die im Zusammenhang von Eph 1–3 angeführt worden waren (vgl. nur 2,4–7), anknüpfen. Auf diese Weise aber deutet sich an, dass die dort etablierte theologische Diskursfigur, wonach Gottes Wesen sich in seinem Handeln zu erkennen gibt und davon nicht abzulösen ist, auf die Glaubenden übertragen wird (vgl. Eph 4,32–5,2). Damit korrespondiert, dass diese Eigenschaftsbestimmungen in 4,2c auf die Liebe als einer sich im Beziehungsgeschehen aktiv realisierenden zugeführt werden, womit zugleich auf 1,4 – die ethische Basisaussage im ersten Teil – angespielt wird. Die abschließende und entsprechend gewichtige Aufforderung zur Bewahrung der Einheit des Geistes in 4,3 macht sodann explizit, dass der eine Geist tatsächlich, wie oben angenommen, als Ermöglichungs- und Quellgrund des anzustrebenden Lebenswandels anzusehen ist – und zwar als ebenjener Geist, der unlöslich an das die Menschheitsgruppen einigende Friedenswerk Christi gekoppelt ist. Somit aber wird dieses pneumatische Ethos noch einmal dezidiert als ein die soziokulturellen Differenzen transzendierendes herausgestellt. Im Zusammenhang der verdichtenden Einheitsakklamationen in V.4–6 wird das nominal geprägte syntaktische Muster schließlich bezeichnenderweise gerade im Zusammenhang der durch καθώς als Nebensatz eingeleiteten Rede von der ‚einen Hoffnung‘ durchbrochen (V.4b). Der Akt des Berufenwerdens wird dabei durch die modale ἐν-Wendung als ein Hineinstellen in jene eine Hoffnung interpretiert. Eben damit aber ist auf die Ebene des νῦν Bezug genommen, die ja eine solche der (Voraus-)Hoffnung (1,12) – nämlich auf die dereinstige Vollendung – ist. Die nähere Explikation des Lebenswandels in Eph 4,1ff. gilt also maßgeblich der Interimsebene des νῦν, wie sie am Ort der Einzel|| 750 Vgl. Klauck, „Amt“, 86, der zu Recht auf Eph 1,13 verweist. 751 Sellin, Eph, 316.
290 | Fortführungen des Gründungsnarrativs in Eph 4,1–6,20
nen durch die Evangeliumsverkündigung (und Geistversiegelung) heraufgeführt wird. Die Paraklese wächst somit innerhalb der diskursiven Struktur des Epheserbriefs gleichsam organisch aus dem Gründungsnarrativ heraus und ist Konsequenz bzw. Ausgestaltung eines zentralen Aspekts desselben.
VI.2
Aufbau und diegetisches Profil
Der vorstehende Befund zum konzeptionellen Ort der Paraklese im Epheserbrief ist zugleich von grundlegender Bedeutung für das diegetische Profil des mit Eph 4,1 eröffneten zweiten Hauptteils des Schreibens. Denn die beschriebene Verbundenheit von Paraklese und Gründungsnarrativ lässt es als nicht überraschend erscheinen, dass auch der Gesamtabschnitt Eph 4,1–6,20 von Aufnahmen bzw. Fortführungen des Gründungsnarrativs durchzogen ist. Die nachfolgende Verdeutlichung dieser Einschätzung hat von einer Diskussion der Struktur des Komplexes 4,1–6,20 auszugehen, wobei sich einstweilen auf zentrale Aspekte beschränkt werden kann.
VI.2.1
Aufbau
Die markantesten Zäsuren im Anschluss an die programmatische Eröffnung in Eph 4,1 finden sich in 4,17 bzw. 6,10. So wurde einerseits 4,17 bereits oben als performative Reprise von 4,1 bezeichnet. In beiden Fällen liegt eine syntaktisch ähnliche Konstruktion vor: verbum dicendi in der 1.Sg. mit davon abhängigem Infinitivsatz, der auf das περιπατεῖν der Adressaten abstellt. Das einleitende τοῦτο in 4,17 hat dabei kataphorische Funktion; das anschließende οὖν zeigt wiederum eine gedankliche Progression an, die auf dem Vorangehenden aufbaut. 4,17 ist somit als parakletischer Neuansatz markiert. Dies gilt, andererseits, ausweislich des eröffnenden τοῦ λοιποῦ752 auch für 6,10. Hinzu kommt hier – nach den explizit auf Einzelgruppen bezogenen Ausführungen in der sog. Haustafel 5,(21)22–6,9 (s.u.) – die Rückkehr zur ‚verallgemeinernden‘ Ansprache der Adressaten sowie, auf semantischer Ebene, die || 752 Barth, Eph II, 759f. übersetzt die Wendung mit „For the remaining time“; maßgeblich sei eine Wiedergabe „in a way that not only announces a conclusion to be drawn but also expresses a limitation of time“. Dies entspricht dem im Zusammenhang der vorliegenden Arbeit herausgearbeiteten prospektiv ausgerichteten Charakter des νῦν, der auf diese Weise auch in der Wendung τοῦ λοιποῦ noch einmal anzuklingen vermag.
Aufbau und diegetisches Profil | 291
nachfolgende Profilierung von στῆναι als neuem parakletischen Leitbegriff (vgl. 6,11.13.14, nur hier im Epheserbrief), der dem περιπατεῖν (vgl. neben den oben genannten Belegen noch 5,2.8.15) gegenübertritt.753 Ist letztgenannter Aspekt ein Hinweis auf die herausgehobene Rolle des durch 6,10 eingeleiteten Passus im Zusammenhang der Paraklese754, so fungiert – neben dem insgesamt imperativisch bestimmten Duktus – das Motiv des ,gefangenen Apostels‘ in 4,1 und 6,20 zugleich als Klammer, die 4,1–6,20 als Gesamtkomplex zusammenhält. Für ebendiesen ergeben sich somit zunächst die drei Hauptabschnitte Eph 4,1–16; 4,17–6,9; 6,10–20. Näherhin lässt sich der erste Hauptabschnitt Eph 4,1–16 in die beiden Unterabschnitte V.1–6 und V.7–16 untergliedern. Hierfür sprechen insbesondere der perspektivische Wechsel in die 1.Pl., die V.7–16 in Abhebung von den unmittelbar rahmenden Abschnitten (4,1–6 bzw. 4,17–24) kennzeichnet (vgl. V.7.13.14f.), sowie das Motiv der ‚Gabe‘ Christi (Gen. subi.), das die einzelnen Textsegmente in V.7–16 (V.7.8–10.11–16), wie sie zu weiten Teilen schon durch die syntaktische Struktur vorgegeben werden, zusammenhält (V.7.8.11). Eine enge Verbindung mit V.1–6755 wird demgegenüber durch die Fortführung der Einheitsthematik756 ebenso angezeigt wie durch die Aufnahme des σῶμα-Motivs in V.16, wobei auch die dortige Beschreibung des inneren Zusammenhalts dieses σῶμα semantisch anknüpft an die Rede von dem σύνδεσμος in V.3.757 Die Profilierung von ἐν ἀγάπῃ als Leitmotiv des Selbstvollzugs in V.15f. entspricht zudem V.2c. Legt sich die Untergliederung des Schlussabschnitts Eph 6,10–20 in die beiden Unterabschnitte 6,10–17.18–20 schon von der motivischen Geschlossenheit her nahe, wie sie sich aus dem an die Aufforderung zum στῆναι gekoppelten Bild der ‚Waffenrüstung Gottes‘ einerseits sowie dem Akzent auf der Gebetsthematik andererseits ergibt, so erweist sich die Gliederung des langen mittleren Hauptabschnitts Eph 4,17–6,9 insgesamt als problematischer. Abheben lässt sich hier zunächst das durch den Neuansatz in 4,17 eröffnete ‚Kopfstück‘ 4,17–
|| 753 Vgl. dazu Weber, „,Setzen‘“. 754 Unter Heranziehung rhetorischer Kategorien ordnet Lincoln den Abschnitt Eph 6,10–20 als peroratio ein, der die Funktion zukomme, den Gesamtzusammenhang in wirkmächtiger, an die Emotionen der Rezipienten appellierender Weise abzuschließen; vgl. Lincoln, Eph, xlii.432 sowie ausführlich ders., „Stand“. 755 Zur Verbindung von Eph 4,1–6 mit V.7–16 vgl. ferner Klauck, „Amt“, 91.100f. 756 Vgl. Eph 4,13 sowie – in der für den Unterabschnitt charakteristischen individualisierend gewendeten Weise – V.7.16; das betonte εἷς ἕκαστος dient geradezu als Inklusion, siehe auch den Verweis auf das μέτρον in V.7.16. 757 So mit Klauck, „Amt“, 88.
292 | Fortführungen des Gründungsnarrativs in Eph 4,1–6,20
24, das gleich einem Diptychon758 den vorfindlichen Lebenswandel der ἔθνη (V.17–19) jenem Lebenswandel kontrastiert (vgl. das adversative δέ und das anaphorische οὐχ οὕτως in V.20), der den Adressaten in ihrer Christusbeziehung aufgetragen ist (V.20–24) und in den Infinitivsätzen V.22–24 programmatisch bestimmt wird. Ebendieser programmatische Charakter verleiht dem Passus 4,17–24 die Qualität einer zweiten parakletischen Grundsatzformulierung, die 4,1–6 zur Seite tritt. Dem entspricht die Korrespondenz zwischen dem dortigen κλῆσις-Motiv und der in V.20f. referierten Geschehensfolge; das Berufungsgeschehen wird hier näher entfaltet (s.u.). Dem grundsätzlichen Charakter von 4,17–24 entspricht ferner, dass – eingeleitet durch ein folgerndes διό – jener Lebenswandel ab 4,25 tatsächlich inhaltlich konkretisiert wird durch die Sequenz einzelner, im Imperativ gehaltener Weisungen, die im Weiteren die syntaktische Struktur dominieren. Mit 4,25 wird also ein eigener Aussagebogen eröffnet. Dieser nimmt im Anschluss an 5,21 mit der ‚Haustafel‘ noch einmal eine spezifische Wendung; dieser Abschnitt 5,22– 6,9 hebt sich schon durch seine spezifische Adressatenfokussierung, die in drei Zügen (5,22–33; 6,1–4; 6,5–9) jeweils zwei einander reziprok zugeordnete Gruppen in den Blick nimmt, als eigenständiger Block aus dem Gesamtzusammenhang heraus. Als makrostrukturell bedeutsames Scharnier zwischen ,Haustafel‘ und der vorangehenden Paraklese ab 4,25 dient dabei der Passus Eph 5,18–21: An die Aufforderung zum ‚Erfülltwerden im Geist‘ in 5,18b schließt sich in V.19–21 eine asyndetische Sequenz von Partizipialausdrücken an, die somit auf jene Aufforderung bezogen sind. Dabei scheint mit 5,19f. ein vorläufiger Ruhepunkt erreicht; das Nebeneinander von Christus- und Gottesprädikation in V.20 erinnert an die invokationsartigen Formulierungen in 1,3.17 und aktualisiert dadurch die strukturierende Funktion, die der Gebetsmotivik im Epheserbrief zukommt und die im Weiteren auch in 6,18–20 noch einmal durchschlägt. Insofern kann 5,18– 20 geradezu als einstweiliger Zielpunkt des vorangehenden parakletischen Zusammenhangs erscheinen. V.21 ist sodann zwar als programmatische Eröffnung der Haustafel anzusehen, doch syntaktisch im Grunde noch 5,18b zuzuordnen. Diese ‚Verschleifung‘ hebt die übergeordnete Bedeutung, die der Aufforderung in 5,18b zukommt, noch einmal hervor. Innerhalb des mittleren Hauptabschnitts Eph 4,17–6,9 lassen sich somit die Unterabschnitte 4,17–24; 4,25–5,20 und 5,21–6,9 voneinander abheben. Kontrovers ist nun besonders die Frage nach dem näheren Aufbau von 4,25–5,20, zumal hier auf der Textoberfläche mehrere Gliederungssignale miteinander kon|| 758 Zu den syntaktischen Strukturparallelen vgl. Sellin, Eph, 352.
Aufbau und diegetisches Profil | 293
kurrieren. Strukturell besonders markant ist jedoch vor allem das Aufeinandertreffen der beiden γίνεσθε-Aufforderungen in 4,32 und 5,1f., die jeweils einen καθὼς καί-Satz nach sich ziehen. In 5,2 wird dieser Satz an einen mittels καί mit 5,1 verbundenen zweiten Imperativ angeschlossen, der die parakletischen Leitmotive περιπατεῖν und ἐν ἀγάπῃ im Verbund bietet. Der Passus Eph 4,32–5,2 kann somit als Verbindungsstück angesehen werden, das gleichsam einen ersten Atemzug (4,25ff.) abschließt und mit 5,1f. (vgl. das οὖν in 5,1) einen weiteren eröffnet.759 An 5,15 mag sich sodann ein dritter Atemzug anschließen, wenn hier περιπατεῖν erneut in engem Zusammenhang mit einem die Progression anzeigenden οὖν rekurriert.760 Gleichwohl scheint die Textdynamik in 4,25–5,20 insgesamt eher auf die Entfaltung eines zusammenhängenden Textflusses angelegt.
VI.2.2
Diegetisches Profil
Eine zentrale Rolle für die Fortführung des Gründungsnarrativs in Eph 4,1–6,20 kommt dem Abschnitt Eph 4,7–16 zu, der sich im Anschluss an die Einheitsakklamationen in 4,4–6 zwischen die beiden parakletischen Grundlegungen 4,1–6 und 4,17–24 einfügt. Hier ist tatsächlich geradezu ein – angesichts des parakletischen Neuansatzes in 4,17 gewissermaßen retardierender – Wechsel der diegetischen Ebenen zu verzeichnen761; mit der die Sprechhaltung in 4,7–16 dominierenden inklusiv-ekklesialen 1.Pl. und der inhaltlichen Fokussierung auf ein aoristisch formuliertes heilvolles Zuwendungsgeschehen, das der Wir-Gruppe (in ihren einzelnen Gliedern) zuteil geworden ist762, wird an die strukturellen Charakteristika des Gründungsnarrativs angeknüpft.763 || 759 Kohärenz innerhalb des ‚zweiten Atemzugs‘ in Eph 5,3–14 wird durch motivisch-begriffliche Wiederaufnahmen signalisiert; vgl. ὀνομαζέσθω (V.3) / κενοῖς λόγοις (V.6) / λέγειν (V.12); αἰσχρότης (V.4) / αἰσχρόν (V.12). 760 Der weitere Beleg in Eph 5,8 ist demgegenüber deutlicher in einen untergeordneten Begründungszusammenhang eingebunden. 761 Dieser Ebenenwechsel mag durch die unmittelbar vorangehenden Akklamationsformeln in Eph 4,4–6, die mit ihrer feierlichen, ins Doxologische tendierenden Stoßrichtung dem pragmatischen Grundimpetus des Gründungsnarrativs entsprechen, vermittelt werden. 762 Vom vorangehenden Textzusammenhang her bestehen keinerlei Hinweise darauf, dass die Referenz der 1.Pl. in Eph 4,7 sich von dem sonstigen inklusiv-gesamtchristlichen Gebrauch abheben würde. Dem entsprechen auch die weiteren Belege für die 1.Pl. in 4,7–16. Demnach liegt es nicht nahe, unter Berufung auf V.11 den in V.7 im Blick befindlichen Empfängerkreis auf die in V.11 genannten Personengruppen einzuschränken; gegen Merklein, Amt, 59–62 u.a. Die in V.11 erfolgenden Konkretionen sind also keinesfalls als erschöpfend zu verstehen –
294 | Fortführungen des Gründungsnarrativs in Eph 4,1–6,20
Neben der ‚Parenthese‘ 4,7–16 rekurrieren des Weiteren auch die parakletischen Grundsatzformulierungen 4,1–6 und 4,17–24 auf das in Eph 1–3 entworfene Gründungsnarrativ nicht nur in der oben bereits angedeuteten verdichteten Weise764, sondern sie scheinen dieses zugleich inhaltlich anzureichern. Ins Auge fällt hier insbesondere die Ergänzung der soteriologischen Geschehensfolge, welche die Aneignung des Heilsgeschehens durch die Glaubenden im Geschichts- und Weltzusammenhang beschreibt und nach Maßgabe von 1,13 in narrativer Hinsicht mit der 2.Pl. als in dieser Hinsicht prototypischen Repräsentanten der Wir-Gruppe verknüpft ist, in 4,20f. Überdies wird in 4,17 ausweislich des μηκέτι implizit operiert mit dem Einst als Hintergrundfolie, vor der die nachfolgenden positiven Bestimmungen zu stehen kommen. Auch der durch konkrete Weisungen geprägte Abschnitt Eph 4,25–6,9 bietet punktuelle, indes z.T. (so etwa in 4,32–5,2) prägnante Verweise auf das Gründungsnarrativ. Diese sind dabei insbesondere eingebunden in die expliziten Begründungen, mit der die Einzelsätze in vielen Fällen versehen sind, wobei wiederholt auch in das ekklesiale ‚Wir‘ gewechselt wird (4,25b; 5,2.20.30). Eben darin aktualisiert sich zugleich die in den parakletischen Grundlegungen herausgestellte basisgebende Rolle des im Gründungsnarrativ formulierten göttlichen Zuwendungsgeschehens, wonach der Lebenswandel der Wir-Gruppe nicht nur von Grund auf Antwort auf ebendieses ist, sondern von dort aus auch seine maßgebliche inhaltliche Bestimmtheit erfährt. Symptomatische Funktion kommt in diesem Zusammenhang der geradezu technisch anmutenden765 καθὼς-καί-Argumentation zu, die mit ihrem gleichermaßen vergleichenden wie begründenden Charakter das erfahrene Heilsgeschehen zum movens des eigenen Handelns macht (vgl. 4,32; 5,2.25.29; negativ 4,17) und auch in weiteren vergleichenden Formulierungen durchscheint (5,1.3.8.15.23f.28). Unmittelbare Relevanz für das Gründungsnarrativ ist schließlich auch der Schlussparaklese Eph 6,10–20 zuzuerkennen, insofern diese – wie besonders aus der präsentischen Formulierung in 6,12 hervorgeht – sich letztlich als eingebettet erweist in eine grundlegende Gegenwartshermeneutik, welche die WirGruppe überhaupt betrifft. || wenngleich dies nicht bedeutet, dass sie lediglich der exemplarischen Veranschaulichung dienen würden; vgl. dazu im Weiteren. Der gesamtchristlichen Referenz der 1.Pl. in V.7 entspricht im Übrigen auch die Perspektive in V.16. 763 Vgl. dazu näherhin VI.4.2. 764 Hinzuweisen ist auch hier auf die sprachlich-syntaktischen Berührungspunkte mit dem Gründungsnarrativ, wie sie etwa in der καλεῖν-Paronomasie in Eph 4,1.4 anklingen. 765 Vgl. Dahl, „Beobachtungen“, 6, der die Aussagen Eph 5,2.25.29(; 4,32) einem „Konformitäts-Schema“ zuweist, das durch das „Leitwort: So wie (bzw. denn) auch Christus“ geprägt sei.
Querschnitt I: Das ποτέ | 295
Die vorstehenden Beobachtungen weisen insgesamt darauf hin, dass eine schematisierende Zweiteilung des Epheserbriefs in ‚lehrhaften‘ und ‚paränetischen‘ o.ä. Hauptteil766 zumindest ungenau ist: So sehr die Paraklese strukturell im ersten Hauptteil verankert ist, so sehr wird die ‚doktrinale‘ Gründungsgeschichte in z.T. konzeptionell tragender Weise (4,7–16) im zweiten Hauptteil fortgeführt.767 Aus ebendiesem Grund hat die Erhebung des Gründungsnarrativs auch den zweiten Teil in die Untersuchung mit einzubeziehen. Die sich in diesem Zusammenhang bietenden Erkenntnisse dienen dabei der Fortführung und Vertiefung, nicht zuletzt aber auch der Überprüfung der bisherigen Ergebnisse. Zugrunde gelegt werden kann wiederum (vgl. zu Teil V. dieser Arbeit) das der Briefeingangseulogie entnommene temporale Strukturierungsschema, hat sich doch bereits angedeutet, dass die diversen Zeitebenen auch in Eph 4,1–6,20 bespielt werden – wenn auch mit bestimmten Akzentsetzungen, wie sich zeigen wird. Demgemäß erfolgt die Darstellung im Folgenden wiederum in querschnittsartiger Weise.
VI.3
Querschnitt I: Das ποτέ
VI.3.1
Eph 4,17–24
Paradigmatische Bedeutung für die Profilierung der ποτέ-Ebene im Zusammenhang der diskursiven Struktur von Eph 4,1–6,20 kommt der zweiten parakletischen Grundlegung in Eph 4,17–24 zu. Dieser ist sich daher zunächst zuzuwenden. Als parakletische Leitzeile des Abschnitts, auf die die kataphorische (τοῦτο) Redeeinleitung in V.17a hinführt, dient die Infinitivkonstruktion μηκέτι ὑμᾶς περιπατεῖν (V.17b), die ihrerseits den anschließenden καθὼς καί-Satz (V.17c–19) zum integralen, jenes περιπατεῖν erläuternden Bestandteil hat. Mit μηκέτι wird dabei wie bereits in 2,19 (dort οὐκέτι; zu 4,14 [μηκέτι] siehe im Folgenden) implizit auf die ποτέ-Ebene rekurriert und diese als Bezugsgröße eingespielt, so dass jegliche positive Bestimmung des neuen Lebenswandels der Adressaten || 766 So etwa bei Schnelle, Einleitung, 349. 767 Zu Recht bemerkt daher auch Darko, Gentiles, 28 – unter Verweis auf „ethical material in 1.4-5 and 2.1-3, 10 and some doctrinal material in 4.4-16 and 5,21-33“ –, „the notion that chapters 1–3 is the doctrinal part and chapters 4–6 is the ethical section may not stand critical scrutiny“. Ein Stück weit relativiert wird dadurch auch der Hinweis von Luz, „Überlegungen“, 376 auf ein quantitatives Übergewicht von Eph 4–6 als des ‚paränetischen Teils‘ im Epheserbrief.
296 | Fortführungen des Gründungsnarrativs in Eph 4,1–6,20
unter das Vorzeichen der Abhebung von dem eigenen früheren (vgl. προτέρα 4,22) Lebenswandel gestellt wird. Somit wird – wie es den zumal durch 2,1–10 geprägten Voreinstellungen auch nur entspricht – die Funktion des ποτέ als kontrastive Hintergrundfolie auch in der Paraklese aktualisiert und die biographisierende Gegenüberstellung zweier Modi des περιπατεῖν fortgeführt. Pointiert wird diese antithetische, den Lebenswandel betreffende Entsprechung von Einst und Jetzt sodann durch die komplementären Aufforderungen in 4,22–24; das vormalige περιπατεῖν (2,2; 4,17) bzw. die ἀναστροφή (2,3; 4,22) unter den Bedingungen des Einst kann, in kategorial-antithetischer Analogie zur Rede vom καινὸς ἄνθρωπος, summarisch als ‚alter Mensch‘ benannt werden. Folglich fungiert die Darstellung der Eigenarten der zu überwindenden Form des περιπατεῖν, wie sie zunächst V.17c–19 bietet, als indirekte Charakterisierung des früheren eigenen Lebenswandels, die insofern an 2,1–3 anschließt (s.u.). In den Vordergrund tritt in 4,17–19 jedoch der gleichermaßen in 2,2 angelegte Gedanke, dass die Konstellation, die sich auf der Ebene der Biographie der Adressaten zumindest prinzipiell als ein Nacheinander darstellt, zugleich gegenwartshermeneutische Relevanz hat, insofern sie auf das Gegenüber zweier Kollektive verweist, das die Ebene des νῦν fundamental prägt. Der Wir-Gruppe steht hier nämlich ein solches Kollektiv gegenüber, das nach wie vor den Bedingungen des Einst und damit auch dem entsprechenden, durch die Macht des ‚Archon‘ bestimmten Lebenswandel (dem ‚alten Menschen‘) untersteht. Ja, die Negativfolie wird in 4,17–19 wesentlich als eine Darlegung des offenbar gegenwärtig noch vorfindlichen (vgl. das Präsens bei περιπατεῖ in V.17) Wandels jenes ‚Nicht-Wir‘-Kollektivs zur Sprache gebracht – und damit eben nicht mehr in Form einer direkten Beschreibung des Lebenswandels der Adressaten bzw. der Wir-Gruppe, wie dies in 2,1–3 der Fall war. Die im Zusammenhang des Diptychons 4,17–24 gebotene Schilderung des ποτέ-Lebenswandels bestätigt und vertieft nun den anhand des ersten Hauptteils des Schreibens erhobenen Befund: Wie die sich in einem entsprechenden Lebenswandel manifestierende Heilsteilhabe an einen bestimmten gnoseologischen Zustand gekoppelt ist, so wurzelt das περιπατεῖν auf der Ebene des ποτέ offenbar in dem defizitären Charakter menschlicher Erkenntnisfähigkeit: νοῦς, διάνοια, καρδία sind hier gleichermaßen beeinträchtigt und halten den Menschen in jenem immanenten Zustand der Ausweglosigkeit768 und Gottesferne, der nur von außen her durchbrochen zu werden vermag.
|| 768 Der Begriff μάταιος, der in der ἐν-Wendung in V.17c als Leitcharakterisierung des Lebenswandels der ἔθνη in substantivischer Form begegnet, „qualifiziert etwas nicht nur als defizitär, sondern als ineffektiv“, so mit Sellin, Eph, 354.
Querschnitt I: Das ποτέ | 297
Diese Durchbrechung wird dabei in V.23 wesentlich mit einem pneumatischen Erneuertwerden des νοῦς in Verbindung gebracht769; dieses „geistige Zentrum“770 des Menschen, das bereits in V.17 in den Mittelpunkt der Betrachtung gerückt worden war, erweist sich somit als pneumatisch bestimmt. Insofern das πνεῦμα in V.23 auf den heiligen Geist als diejenige Instanz, die die Neukonstituierung des menschlichen νοῦς bewerkstelligt, zu beziehen ist771, vermag auch die vorangehende Zustandsschilderung in V.17–19 durchsichtig zu werden auf die ihr zugrunde liegende pneumatische Konstellation, nämlich die Bestimmtheit durch den ‚Archon‘. Dieser kommt entsprechend als impliziter Urheber bei den Passivformulierungen in 4,18 in Betracht; Verdunkelung des Verstandes, Verhärtung des Herzens sind offenbar Auswirkungen der Entfaltung seiner pneumatischen Wirkmacht. Diese durch die pneumatischen Bedingungen geprägte gnoseologische Verfasstheit setzt freilich, wie V.19 ergänzt, einen Lebenswandel aus sich heraus, der die Menschen gleichwohl als selbsttätige Subjekte involviert772; die allumfassende Prägung durch die Dynamik des verfehlten Lebenswandels hat trotz ihrer Bedingtheit durch den externen pneumatischen Einfluss zugleich die Qualität der Selbsthingabe. Dieses in 4,19 erstmals eingespielte Motiv der Selbsthingabe bereitet dabei eine Zuspitzung der antithetischen Gegenüberstellung der beiden Modi des Lebenswandels zu, die sich im Gesamtzusammenhang von 4,17–6,9 ergibt: So gründet auch der bestimmungsgemäße Lebenswandel auf der Ebene des νῦν in einem Selbsthingabegeschehen – nämlich der Selbsthingabe Christi für die WirGruppe bzw. die ἐκκλησία; diesem Geschehen zu entsprechen (καθὼς καί) ist der Wir-Gruppe aufgetragen (vgl. 5,2). Die Selbsthingabe Christi ist dabei Konsequenz bzw. Manifestation seiner Liebe zur Wir-Gruppe; hinter dieser Liebe steht letztlich die Liebe des Vaters selbst. Eine entsprechende Liebe soll nun auch den gemeinschaftlichen Selbstvollzug der Wir-Gruppe bestimmen. Ebendiese Liebe, die strukturell durch die Selbsthingabe für die Geliebten bestimmt ist, findet ihren Gegenpol gemäß 4,19 in der ungehemmten selbstbezüglichen Habsucht; die den ersten Teil des Diptychons beschließende Wendung ἐν πλεονεξίᾳ tritt der Rede von der ματαιότης des νοῦς aus V.17c als übergeordnete Bestimmung des ποτέ-Lebenswandels zur Seite und damit zugleich
|| 769 Dem Infinitiv ἀνανεοῦσθαι in V.23 kommt im Textfluss kaum von ungefähr die Scharnierstellung zwischen Ablegen des ‚alten‘ (V.22) und Anziehen des ‚neuen Menschen‘ (V.24) zu. 770 Sellin, Eph, 354. 771 So mit Sellin, Eph, 362. 772 Mit dem Begriff ἐργασία (Eph 4,19) wird kontrastierend an Eph 2,9f. angeschlossen; vgl. auch 5,11.
298 | Fortführungen des Gründungsnarrativs in Eph 4,1–6,20
dem leitmotivischen ἐν ἀγάπῃ gegenüber.773 Auf der zwischenmenschlichen Ebene resultiert die Bestimmtheit durch die πλεονεξία nicht zuletzt in der beziehungszersetzenden Lüge, die wiederum programmatischer Widerpart der ἀλήθεια ist, die die Christusglaubenden ähnlich fundamental wie die ἀγάπη bestimmt (4,25; vgl. 4,24). Insgesamt ergibt sich für den parakletischen zweiten Hauptteil die Darstellungstendenz, dass die Verhandlung des Einst vorrangig der Gegenüberstellung von Wir-Gruppe und Nicht-Wir-Kollektiv auf der Ebene des νῦν dienstbar gemacht wird. Bemerkenswert ist dabei, dass dieses Kollektiv – für das in 2,2 die Bezeichnung „Ungehorsamssöhne“ geprägt worden war, die in 5,6 aufgenommen wird – in 4,17 als τὰ ἔθνη bezeichnet wird. Diese gelten mithin als ‚Outgroup par excellence‘. Nach 2,11–22 kommt dieser Schritt freilich nicht mehr überraschend, sondern erscheint von der textinternen Entwicklung der Referenzträger her plausibel. Auf subtile Weise klingt dabei bereits in 4,17–19 an, dass die beiden Kollektive (auch) auf der Ebene des νῦν nicht unverbunden nebeneinanderstehen. So tritt die καθὼς καί-Figur in V.17 strukturell den positiven Orientierungspunkten für den Lebenswandel gegenüber, die in 4,32; 5,1 u.a. genannt werden, und beleuchtet somit gewissermaßen das Gegenmodell, das zwar im Grundsatz Reminiszenz der eigenen Vergangenheit ist774, zugleich aber offenbar in Gestalt der ἔθνη auch akut vor Augen steht. Dieser Zusammenhang ist folgenreich für die materiale Konkretisierung der Paraklese, die mit 4,25 einsetzt: Zumal der Auftakt mit der Aufforderung zum ‚Ablegen‘, die an 4,22 anknüpft, legt hier gleichsam ein mirror-reading nahe, wonach die Bestimmungen und Vollzüge, von denen sich abzugrenzen die Adressaten aufgefordert werden, tendenziell als solche erscheinen, die den Lebenswandel der Outgroup kennzeichnen. Dies befördert die Konstruktion eines schroffen, geradezu kategorialen Gegensatzes zwischen dem Ethos der WirGruppe und jenem, das in ihrer Umgebung (angeblich) vorherrscht (besonders 5,3–5).
|| 773 Es lässt sich eine Reihe weiterer entsprechender Oppositionen aufzeigen, die in Eph 4,17– 19 angelegt sind; vgl. nur das Dunkelheitsmotiv in 4,18a, das auf der Linie der Finsternis/LichtSemantik liegt, die in 5,8 explizit mit dem ποτέ-νῦν-Schema verbunden wird. 774 Paradigmatisch hält dies die Licht-Finsternis-Semantik fest; vgl. bes. Eph 5,8.
Querschnitt I: Das ποτέ | 299
VI.3.2
Vertiefungen
Die besondere Brisanz der Aktualisierung der ποτέ-Ebene im zweiten Hauptteil des Epheserbriefes resultiert daraus, dass die Fokussierung auf die synchrone, durch unterschiedliche numinos-pneumatische Verhältnisse bedingte Gegenüberstellung zweier menschlicher Kollektive einhergeht mit einer Fluidisierung der Grenze zwischen den beiden Gruppen. So wird die σύν-Semantik, die zuvor für die Heilspartizipation in ihren vertikalen (Eph 2,5f.) wie horizontalen (2,19.21f.; 3,6) Dimensionen geprägt worden war, auf das Verhältnis zwischen Wir-Gruppe und dem Kollektiv der ἔθνη/,Ungehorsamssöhne‘ übertragen, insofern dieses Kollektiv nach Ausweis von 5,7 als auch gegenwärtig noch abzuwehrende alternative Assoziierungsmöglichkeit für die fiktiven Adressaten (und somit die Wir-Gruppe überhaupt) erscheint.775 Die bereits insbesondere an 2,1–10 beobachtete identitätskonstitutive Bedeutung des Lebenswandels lässt dabei vermuten, dass diese Durchlässigkeit der Grenze zwischen den beiden Gruppen letztlich auf ebendieser Ebene akut wird. In 5,11 wird dies denn auch explizit gemacht, wenn hier die Aufforderung aus 5,7, nicht zu συμμέτοχοι der Außenstehenden zu werden, überführt wird in die Mahnung, sich nicht ihren ἔργα und also ihrem Lebenswandel (vgl. 2,10) gemein zu machen. Eine ‚Imitierung‘ des Selbstvollzugs der ἔθνη führt somit offenbar auch auf der Ebene des νῦν zu einem Herausfallen aus der Heilsgemeinschaft (5,5). Dies ist insofern nur folgerichtig, als sich in jenen ἔργα unmittelbar der Einfluss des ‚Archon‘ dokumentiert, so dass diese Ausweis einer Unterstelltheit unter dessen Wirkmacht sind. Ein den ἔθνη konformer Selbstvollzug bedeutete somit, dass dem διάβολος inmitten der Wir-Gruppe erneut Raum zur Entfaltung gegeben würde (vgl. 4,27). Von konzeptionell grundlegender Bedeutung ist nun, dass der Lebenswandel nach Maßgabe des Epheserbriefs überhaupt als durch den jeweiligen Erkenntnisstand des betreffenden Subjekts bestimmt erscheint und also gleichsam als Ausfluss bzw. Konsequenz der gnoseologischen Verfasstheit des Einzelnen anzusehen ist. So ist die der Wir-Gruppe gewährte Ermöglichung eines bestimmungsgemäßen Lebenswandels unlöslich gekoppelt an das vorgängige, heilsstiftende Vernehmen des Evangeliums (vgl. 4,1), das die Einsicht in das Mysterium des göttlichen Willens eröffnet (1,9; 6,19) und als λόγος τῆς
|| 775 Entsprechend kehrt der Begriff συμμέτοχος (3,6) in Eph 5,7 unter anderen Vorzeichen wieder. Das αὐτῶν in 5,7 ist auf die in V.6 genannten „Ungehorsamssöhne“ zu beziehen; mit Lincoln, Eph, 326 u.a. gegen Gnilka, Eph, 250, der das Personalpronomen auf die im Vorangehenden genannten „Laster“ bezieht.
300 | Fortführungen des Gründungsnarrativs in Eph 4,1–6,20
ἀληθείας (1,13) den Quellgrund des Lebenswandels darstellt. Entsprechend ist auch der Lebenswandel der ἔθνη gemäß 4,17–19 Korrelat ihres – wenn auch gänzlich defizitären – Erkenntnisstandes. Ebendieser defizitäre Erkenntnisstand aber ruht nun nicht genügsam in sich selbst, sondern gerinnt offenbar – analog zum Evangelium als ‚Wahrheitswort‘ (vgl. 1,13) – zu sprachlich-strukturierten Formen, die in der sozialen Interaktion artikuliert werden und insofern potentiell eine ähnlich animierendanstiftende Dynamik wie das Evangelium entfalten. Freilich handelt es sich hierbei im Gegenüber zur rettenden Kraft des letzteren um „leere Worte“ (5,6; die Bestimmung lässt das ματαιότης-Motiv aus 4,17 anklingen) – die jedoch angesichts ihrer das Erkenntnisvermögen affizierenden Wirkung geradezu als Wurzel des verfehlten Lebenswandels erscheinen. Entsprechend wird der göttliche Zorn, dem die „Söhne des Ungehorsams“ unterstehen, auf diese Worte fokussiert (vgl. διὰ ταῦτα 5,6b). Das ποτέ, in das das Evangelium hinein ergeht, ist somit keinesfalls ein diskursiver Leerraum, sondern ist bestimmt durch intersubjektive Artikulationsprozesse, die den Anspruch auf erkenntnis- und damit existenzbestimmende Prägekraft erheben. In bündiger Form wird das solchermaßen angedeutete Szenario in der μηκέτι-Aussage in 4,14 umrissen. Ebenjenes μηκέτι weist den Passus gemäß dem im Vorangehenden Gesagten als Bestimmung aus, die für den ποτέZustand überhaupt gilt. Entsprechend ist der διδασκαλία-Begriff an dieser Stelle nicht auf eine (abweichende) „christliche Lehre“ einzuschränken776, sondern mit jenen „leeren Worten“ in 5,6 in Verbindung zu bringen777: In intersubjektiver Hinsicht gestalten sich jene κενοὶ λόγοι demnach als Lehre, wobei dem Singular pluralischer Sinn zuerkannt werden kann (vgl. das beigefügte πᾶς). Es handelt sich um das Affiziertwerden durch unüberschaubare Spielarten solcher Lehre, die jedoch – insofern sie der Ebene des ποτέ verhaftet sind – letztlich nur
|| 776 So aber Merklein, Amt, 106–109: Der Artikel vor διδασκαλία zeige an, dass ‚eine bestimmte Lehre‘, und zwar – wie auch der technische Gebrauch des Begriffs im Singular in den Pastoralbriefen nahelege – „aller Wahrscheinlichkeit nach die christliche Lehre“ gemeint sei (107). Mit dem Verweis auf den ἄνεμος τῆς διδασκαλίας werde vor diesem Hintergrund auf die „Pervertierung christlicher Lehre, wie sie zustande kommt, wenn sie dem ‚Zufallsspiel der Menschen‘ überlassen wird“, Bezug genommen (108). Ebenjenem Zufallsspiel werde im Zusammenhang von Eph 4,7–16 „die διακονία der Ämter“ gegenübergestellt, so dass es letztlich um „die Wahrung der Tradition“ gehe, wobei die Perspektive eine ‚innerkirchliche‘ sei (109). Demgegenüber weist Lincoln, Eph, 258 zu Recht darauf hin, dass Merklein nicht zuletzt (L. verweist zusätzlich auf Kol 2,22 als Vorlage) die generalisierende Tendenz des dem ἄνεμος beigefügten πᾶς nicht genug in Rechnung stellt. 777 Die Verbindung zu Eph 5,6ff. sieht auch Lincoln, Eph, 258.
Querschnitt I: Das ποτέ | 301
in fundamentaler Opposition zur im Evangelium eröffneten Wahrheit stehen können und die die Menschen somit im Zustand der νήπιοι778 (4,14) bzw. ἄσοφοι belassen (5,15). Die begrifflich-motivischen Verbindungslinien (vgl. μεθοδεία in 4,14 und 6,11) weisen dabei zugleich darauf hin, dass hinter jenem ‚Meer‘ von Lehren – so sehr diese durch die menschlichen Subjekte selbst propagiert werden – wiederum die Wirkmacht des ‚Archon‘ steht; eben hierin mag ihr gemeinsamer Nenner liegen, der ihre Zusammenfassung erlaubt. Auch die pneumatische Gegenseite bedient sich mithin zu ihrer Machtentfaltung verbalsprachlicher Vollzüge und Inhalte. Insofern das ποτέ nun wie dargestellt zugleich der Gegenwartsbeschreibung dient, bewegt sich die Wir-Gruppe offenbar nach wie vor in jenem heterogenen Diskursuniversum, in dem sie ihrem Auftrag zur Verkündigung nachzukommen hat, aber eben auch von den Gegenlehren berührt wird. Ja, in der Verführung durch dieselben lauert die eigentliche Gefahr (5,6). Dieser Zusammenhang wird in 5,3 auf die Aufforderung zugespitzt, die mit jenen Lehren verbundenen Inhalte inmitten der Wir-Gruppe nicht laut werden zu lassen (vgl. 4,29). Dahinter steht mutmaßlich der Gedanke, dass die Aneignung des Wortes zugleich mit der Ermächtigung durch die dahinterstehende autoritative Instanz verbunden ist: Wie die gemeinsame Ermächtigung im Geist im verbalsprachlichen Vollzug gründet, so gründet auch die Bemächtigung durch die pneumatische Gegenseite in der Aufnahme ihrer Worte.
|| 778 An diesem Begriff lässt sich die beschriebene Fluidisierung der Grenze zwischen den beiden Gruppen besonders deutlich nachzeichnen: νήπιος dient zum einen der Benennung des Existenzstatus des ‚Wir‘ auf der Ebene des ποτέ. Auf dieser aber unterschied sich die WirGruppe gemäß Eph 2,2f. jedoch nicht von ihrer Umwelt. Entsprechend kann der Bezeichnung zugleich – ähnlich wie insbesondere die Bezeichnung als ‚Zorneskinder‘ (2,3) – universale Gültigkeit für die Beschreibung der Menschheit auf der Ebene des ποτέ bzw., auf der Ebene des νῦν, außerhalb der Wir-Gruppe zuerkannt werden: Es handelt sich dabei sämtlich um νήπιοι (vgl. Röm 2,20). Zum anderen aber dient der Begriff auf mikrokontextueller Ebene als Kontrastbegriff zum ἀνὴρ τέλειος in Eph 4,13, der als Zielzustand des Entwicklungsprozesses angeführt wird, den das ‚Wir‘ auf der Ebene des νῦν durchläuft. Insofern kennzeichnet der Status als νήπιοι offenbar auch die Wir-Gruppe auf der Ebene des νῦν im Sinne der Benennung jenes anfänglichen Zustands, der auf weitere Vervollkommnung angelegt ist. Dann aber ist der Begriff zugleich Insider- wie Outsider-Terminus und markiert somit in besonderer Weise, dass auch die auf der Ebene des νῦν im Entwicklungsprozess begriffene Wir-Gruppe tatsächlich prinzipiell noch anfällig ist für die Bemächtigung durch die ‚Winde der Lehre‘.
302 | Fortführungen des Gründungsnarrativs in Eph 4,1–6,20
VI.4
Querschnitt II: Die soteriologische Wende
Der verfehlte Lebenswandel, der den Bereich des ποτέ kennzeichnet, liegt in einem defizitären Erkenntnisstand begründet, der sich zugleich als διδασκαλία intersubjektiv artikuliert und insofern potentiell ‚ansteckende‘ Qualität hat. Diese Fortentwicklung der ποτέ-Hintergrundfolie im zweiten Hauptteil des Epheserbriefes korrespondiert, wie im Weiteren zu zeigen sein wird, mit den Neuakzentuierungen, wie sie hinsichtlich der soteriologischen Wende zu beobachten sind. Pointiert werden diese auf dem Erzählstrang der Appropriation des Heilsgeschehens durch die Subjekte im Geschichts- und Weltzusammenhang greifbar, so dass im Folgenden an dieser Stelle anzusetzen ist. In den Blick kommt dabei wiederum die zweite parakletische Grundlegung in 4,17–24, namentlich V.20–24 als positive Gegenthese zu den vorangehenden Negativbestimmungen.
VI.4.1
Eph 4,20–24
Der Passus gliedert sich in die beiden Unterabschnitte V.20f. und V.22–24. An den Obersatz V.20 schließt sich in V.21, eingeleitet durch εἴ γε, ein Konditionalsatz an (V.21a), der wiederum einen komparativisch-begründenden καθώςSatz779 nach sich zieht (V.21b). Die Zusammengehörigkeit der beiden Verse ergibt sich daraus, dass zum einen die drei tragenden aoristischen, jeweils mit Christusbezug versehenen Verbformen in V.20.21a nicht nur sämtlich auf das betont vorangestellte Subjekt ὑμεῖς referieren, sondern dass der Wechselschritt von ἠκούσατε und ἐδιδάχθητε in V.21a geradezu als ‚Zerlegung‘780 des ἐμάθετε V.20 angesehen werden kann. Zum anderen ist der καθώς-Satz V.21b durch die Aufnahme des Referenzträgers Jesus Christus dem Vorangehenden zugeordnet; die Erwähnung dieses Referenzträgers stellt das durchgängig verbindende Strukturelement dar.781 Mit καθώς wird demnach im Gegenüber zum anaphori-
|| 779 S.o. bei Anm. 765. Anders Barth, Eph II, 504f.: καθώς leite hier keinen Vergleich, sondern ein Zitat ein, da kein „so also“ folge. 780 Vgl. Schlier, Eph, 216. 781 Die auffällige Formulierung ἐν τῷ Ἰησοῦ hat reichlich Anlass zur Diskussion geboten. Vor aller weitergehenden inhaltlich-theologischen Reflexion – dass es sich etwa um eine polemische Formulierung mit antignostischer Spitze handeln könnte, vgl. Schlier, Eph, 217 – sei jedoch angeführt, dass der Artikel anaphorische Bedeutung haben könnte (vgl. BDR § 260,1 mit Anm. 7) und dass die isolierte Nennung von Ἰησοῦς – als Komplementärbegriff zu Χριστός in
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schen (οὐχ) οὕτως positiv die Norm angegeben782, nach der sich das in V.20f. geschilderte Geschehen, näherhin das διδαχθῆναι der fiktiven Adressaten, vollzieht. Die sich an V.21 anschließende, infolge der drei Infinitive in sich gestaffelte A.c.I.-Konstruktion in V.22–24 kann entsprechend als epexegetische Entfaltung des Inhalts jenes Lehrvorgangs angesehen werden, so dass den Infinitiven eine indirekt imperativische Qualität zukommt. Für den vorliegenden Zusammenhang ist zunächst der übergeordnete Unterabschnitt V.20f. von Interesse. Denn hier wird die auf dem Erzählstrang der Appropriation des Heilsgeschehens – der gekoppelt ist an die 2.Pl. der fiktiven Adressaten als den prototypischen Repräsentanten für die Konzeptualisierung des Vorgangs der Inklusion in die Heilsgemeinschaft – verortete Handlungsfolge, wie sie in 1,13 grundgelegt wurde, auf bezeichnende Weise erweitert, indem jenes Inklusionsgeschehen mithilfe der drei tragenden Verbformen als ein ‚Bildungsvorgang‘ profiliert wird. Da V.21 der Erläuterung von V.20 dient (s.o.), kann hier angesetzt werden. Das hinzugefügte γε signalisiert, dass die faktische Gegebenheit der konditional formulierten Annahme vorausgesetzt wird (vgl. 3,2), so dass V.21 einen begründenden Beiklang gewinnt. Durch das ἠκούσατε wird auf das Vernehmen des Evangeliums als Ausgangspunkt der subjektiven Heilszueignung rekurriert (vgl. 1,13), in dem sich zugleich der göttliche Ruf (1,18; 4,1.4) ereignet.783 Der Akt des Hörens wird in 4,21 nun aber nicht auf das ihm gemäß 1,13 zugeordnete Zum-Glauben-Kommen hin beleuchtet. Vielmehr wird mit ἐδιδάχθητε ein weiterer Aspekt in die soteriologische Handlungsfolge integriert: Die durch das Vernehmen der Heilsbotschaft induzierte Hineinnahme in die Heilsgemeinschaft geht einher mit einem Belehrtwerden, einem Unterweisungsgeschehen, das sich nach Maßgabe der Infinitivkonstruktion in V.22–24 unmittelbar auf den Lebenswandel innerhalb jener Heilsgemeinschaft bezieht. Entsprechend ist das dem ἐδιδάχθητε zugefügte ἐν αὐτῷ im Sinne der auf Christus bezogenen ἐνWendungen, wie sie durch die Briefeingangseulogie geprägt wurden, zu verstehen und also als Angabe der Wirklichkeitssphäre aufzufassen, in der jenes Belehrtwerden seinen Ort hat. Auch der Binnenraum der Heilsgemeinschaft ist wie der umgebende, den Bedingungen des ποτέ unterstellte κόσμος Schauplatz || V.20 – womöglich der Verklammerung dient; entsprechend verwenden die dazwischen liegenden Wiederaufnahmen in V.21a das Personalpronomen αὐτός. 782 Vgl. Sellin, Eph, 359. 783 Dass in Eph 4,21 die akkusativische Bezeichnung des Inhalts, über den gehört wird (vgl. BDR § 173), im Unterschied zu 1,13 mit dem auf Χριστός in V.20a rückverweisenden αὐτός personal gefüllt wird, entspricht V.20 sowie der im Gesamtzusammenhang des Schreibens zu konstatierenden christologischen Füllung des Evangeliums; vgl. auch im Folgenden.
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eines Unterweisungsgeschehens.784 Ja, diese Strukturanalogie lässt die in Christus statthabende Unterweisung geradezu als ‚Impfstoff‘ gegen die entsprechenden Übergriffe der pneumatischen Wirkmächte erscheinen, die sich der ‚leeren Worte‘ der Menschen für die Verbreitung ihrer trügerischen, in die Irre leitenden Geschäfte bedienen. Die syntaktische Struktur des καθώς-Satzes in V.21b ist umstritten. Für den vorliegenden Zusammenhang ist indes – vorausgesetzt, dass es sich um einen dem Vorangehenden zugeordneten Vergleichssatz handelt – der Befund maßgeblich, dass eine direkte Verbindung zwischen jenem Belehrtwerden, der Wahrheit und Jesus (Christus) postuliert wird: Der Gehalt des Gelehrten darf demnach für sich beanspruchen, nach Maßgabe der Wahrheit zu erfolgen, die in Jesus offenkundig ist bzw. in ihm erschlossen wird. Der daraus resultierende Lebenswandel kann zum einen folgerichtig als ein ἀληθεύειν gelten (4,15).785 Gleichermaßen deutet sich zum anderen an, dass dieser Lebenswandel sich auch in inhaltlicher Hinsicht an Christus orientiert; die isolierte Nennung des Jesusnamens nimmt dabei womöglich bereits vorweg, dass es die Selbsthingabe des Irdischen ist, die in diesem Zusammenhang zum tragenden Motiv wird (5,2.27).786 Insofern diese Selbsthingabe bzw. der Kreuzestod Jesu aber zentraler Bestandteil des Gründungsnarrativs ist, klingt an, dass diesem selbst ethosprägende, ja -induzierende Kraft zukommt. Von hier aus wird verständlich, dass das Unterweisungsgeschehen in V.20a summarisch als ein ‚Lernen Christi‘ (Gen. obi.) vorstellig gemacht werden kann. Das Vernehmen der Heilsbotschaft impliziert mit seiner Hineinnahme in die Christussphäre zugleich die Anstiftung zu einem Ethos, das seine inhaltliche Grundausrichtung vom Christusgeschehen her erhält, insofern in ihm die Wahrheit erschlossen wird, die den (be-)trügerischen Lehren der Weltmächte gegenübertritt. Die Koppelung von Hören und Belehrtwerden deutet nun noch ein weiteres an: dass es sich nämlich nicht nur um zwei miteinander verbundene, sondern auch in struktureller Hinsicht vergleichbare Aspekte handelt. Da das Hören aber auf den Akt der Verkündigung verweist, wie er – wie das Beispiel des Paulus || 784 Der διδασκαλία (Eph 4,14) tritt das διδαχθῆναι (4,21) gegenüber. Auffällig ist gleichwohl, dass das Substantiv διδασκαλία im Epheserbrief – anders als etwa in den Pastoralbriefen – nicht für den ‚Binnenraum‘ der Wir-Gruppe verwendet wird. 785 ἀληθεύειν meint zunächst ,die Wahrheit reden‘; vgl. Lincoln, Eph, 259, so auch Gal 4,16 als einziger weiterer neutestamentlicher Beleg. Der übergeordnete Charakter von Eph 4,15 legt jedoch nahe, dass die Bedeutung hier weiter zu fassen ist; vgl. die Übersetzung mit „wahrhaftig sein“ bei Bauer, Wörterbuch, s.v. 786 Siehe aber auch bei Anm. 781 zu den formal-stilistischen Überlegungen.
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zeigt – maßgeblich mit den Aposteln verbunden ist, legt sich nahe, auch für das Belehrtwerden mit der Existenz einer Gruppe zu rechnen, die mit dieser Aufgabe betraut ist. Die ‚Gegebenheit‘ einer solchen ist aber tatsächlich ein zentraler Aspekt der in 4,7–16 erfolgenden Vertiefung der soteriologischen Wende auf der Ebene des christologisch orientierten Handlungsstrangs.
VI.4.2
Analyse von Eph 4,7–16
VI.4.2.1 Beobachtungen zu Struktur und diegetischem Profil Der Abschnitt 4,7–16 wurde bereits oben (VI.2.2) als eine herausgehobene Fortführung des Gründungsnarrativs im zweiten Hauptteil des Epheserbriefes benannt.787 Maßgeblicher Anhaltspunkt für diese Einschätzung ist die Grundanlage des Abschnitts, basiert dieser doch gemäß V.7 auf der Formulierung eines aoristischen Zuwendungsaktes (ἐδόθη), der der Wir-Gruppe zuteilwird und Christus zum Urheber hat788; die (variierten) Aufnahmen dieser Handlungsaussage in V.8c und V.11 sowie die auch darüber hinausgehende Präsenz des betreffenden Wortfeldes (vgl. δωρεά V.7; δόματα V.8) verdeutlichen die mikrokontextuelle Leitfunktion dieses ‚Gabegeschehens‘.789 Auf diese Weise wird an den roten Faden des Gründungsnarrativs – die Darstellung eines erfolgten, heilvollen Handelns Gottes bzw. Christi an der Wir-Gruppe – angeknüpft.790 Dem ent-
|| 787 Dies scheint auch Merklein, Amt, zu spüren, wenn er Eph 4,7–16 – vor dem Hintergrund einer (oben für problematisch befundenen) schematischen Einteilung des Epheserbriefes in „lehrhaft[e] Ausführungen, die mit der Doxologie von 3,20f ihren Abschluss gefunden haben“, einerseits und mit 4,1 einsetzender „Paraklese“ andererseits (a.a.O., 57) – als „gewichtige theologische Einlassung, die den Rahmen der traditionellen Paränese in etwa durchbricht“, bezeichnet (58). 788 Die Passivform ἐδόθη wahrt in dieser Hinsicht zunächst noch eine gewisse Ambivalenz, insofern hinter ihr zunächst auch Gott als Subjekt vermutet werden kann (vgl. Eph 1,11 u.ö.). Die κατά-Wendung führt dann jedoch in Konsonanz mit der nachfolgenden Darstellung auf die Profilierung Christi als des Urhebers der Gabe-Handlung hin. 789 Dass die drei Aussagen dabei in einem inneren Zusammenhang stehen und also eine einzige Geschehenssequenz entfalten, wird schon auf der Textoberfläche durch kohäsionsbzw. kohärenzanzeigende Mittel signalisiert: Durch διό wird der Passus V.8–10 mit V.7 in Verbindung gebracht, während das αὐτός in V.11 anaphorische, auf V.10 rückverweisende Funktion hat. 790 Einzelne sprachliche Charakteristika im Zusammenhang der drei διδόναι-Aussagen stimmen hiermit unmittelbar überein; zu verweisen ist insbesondere auf den Gebrauch (substantivierter) Aoristpartizipien sowie der figura etymologica (V.8b); bezeichnenderweise werden darin gerade in V.8–10 Vorgaben des Prätextes (s.u.) übernommen und ausgebaut.
306 | Fortführungen des Gründungsnarrativs in Eph 4,1–6,20
spricht, dass die dritte διδόναι-Aussage (V.11f.) ein komplexes syntaktisches Gefüge eröffnet, das sich bis V.16 erstreckt und in dessen Zusammenhang gleich mehrere der für das Gründungsnarrativ elementaren Zeitstufen – nämlich ποτέ, νῦν und die dereinstige Vollendung – bespielt werden.791 Das ‚Geben Christi‘ stellt somit offenbar einen für das Gründungsnarrativ zentralen Sachverhalt dar, dessen Eigenart und Relevanz in dem Abschnitt 4,7–16 auf eingehende Weise herausgearbeitet werden. Die deutlichsten Hinweise auf den näheren konzeptionellen Ort des διδόναιGeschehens innerhalb der Handlungssequenz des Gründungsnarrativs verbinden sich dabei mit dem zweiten Beleg für διδόναι in V.8c, der dort im Rahmen eines markierten, mutmaßlich auf Ps 67,19LXX zurückgreifenden Zitats erscheint.792 Intratextuelle Verweisfunktion kommt insbesondere der Kommentierung des Zitats durch den Verfasser in Eph 4,9f. zu: So steht die Prädikation Christi als ὁ ἀναβὰς ὑπεράνω πάντων τῶν οὐρανῶν ἵνα πληρώσῃ τὰ πάντα im Anklang an die in 1,20–23 (vgl. 2,5f.) grundlegend formulierte Erhöhung Christi zum kosmischen Souverän (1,20–22), die auf die Erfüllung des Alls durch ebendiesen zustrebt (1,23)793; die (passivisch formulierte) Erhöhung Christi durch Gott (1,20–23) wird in 4,8–10 somit auf der Grundlage des Psalmzitats als (aktivisch formulierte) Anabasis Christi zur Sprache gebracht. Das ‚Geben‘, das Christus gewährt (ἔδωκεν), wird in V.8bc nun mit diesem Aufstieg in einen engen Handlungszusammenhang gebracht. Damit aber wird auch ebenjene Handlung der soteriologischen Wende (der ja Christi Erhöhung gemäß 1,20–23 zuzurechnen ist) zugeordnet, mit der im Rahmen der für das Gründungsnarrativ charakteristischen Sequenz die spezifischen Voraussetzun-
|| 791 Zur Stufe des ποτέ vgl. V.14; zum νῦν vgl. V.15f.; zur dereinstigen Vollendung vgl. die Zielformulierungen (εἰς) in V.13. 792 Zur Provenienz der im Neuen Testament nur hier sowie in Eph 5,14 und Jak 4,6 belegten Zitateinführungsformel διὸ λέγει (V.8a) aus der „alexandrinischen (Homer-)Philologie“ vgl. Sellin, Eph, 330f.; angezeigt wird demnach der Rekurs auf „Basistexte […], die zitiert bzw. kommentiert werden“. Die Formulierung in Eph 4,8bc steht der Ansicht, der Verfasser des Epheserbriefes habe sich in seinem Schriftgebrauch maßgeblich am Wortlaut der LXX orientiert (vgl. dazu Lincoln, „Use“, 45), nicht entgegen – obgleich die Wiedergabe von Ps 67,19LXX in Eph 4,8 in markanten Punkten tatsächlich von der Vorlage abweicht (ohne dass sich dadurch aber MT angenähert würde); vgl. im Folgenden. 793 Die beiden ὑπεράνω-Aussagen in Eph 1,21a par. 4,10 können insofern als äquivalent angesehen werden, als Räume (und also auch die Himmel) im Epheserbrief stets als Residenzort von Mächten gesehen werden; Räume sind somit immer zugleich Machträume; vgl. Schwindt, Weltbild, 509, der pointiert von einer „irreduziblen Wechselbeziehung“ zwischen Räumen und Mächten spricht, wie sie in „antiken Weltsystemen“ auch sonst vielfach zu beobachten sei.
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gen für das Jetzt, das unter dem Vorzeichen der Allerfüllung Christi steht, geschaffen werden. Folglich ist sich dem in 4,7–12 verhandelten διδόναιGeschehen im Rahmen dieses auf die soteriologische Wende bezogenen Querschnitts zuzuwenden. Dieser Einschätzung unbenommen erweist sich das diegetische Profil des Abschnitts zugleich als komplex. Dies liegt wesentlich in der Vielschichtigkeit des weiteren intratextuellen Beziehungsnetzes, das durch die drei διδόναιAussagen eröffnet wird, begründet. So nimmt der aufgezeigte Anschluss an den christusorientierten Handlungsstrang aus Eph 1,20–23 in 4,8–10 – und also im Zusammenhang der zweiten διδόναι-Aussage – zwar einen Impuls aus V.7 auf, insofern die Aussage dort durch die κατά-Wendung auf die Benennung Christi als Subjekt des Gebens (vgl. die Wendung δωρεὰ τοῦ Χριστοῦ) zugeführt wird, wodurch zugleich die nachfolgende durchgängige Subjektstellung Christi vorbereitet wird. Für sich genommen setzt die leitthesenartige erste διδόναιAussage V.7 jedoch auf anderer Ebene an. Wegweisend sind hierfür die Verbindungslinien, die sich zwischen V.7 und der ‚autobiographischen‘ Reflexion in 3,1ff. aufweisen lassen: Dort wurde der Auftrag des Apostels zur Evangeliumsverkündigung unter den ἔθνη (3,8b) auf das Faktum (Aorist) einer ihm persönlich (μοι/ἐμοί) geltenden Gnadengabe (ἡ χάρις + δοθῆναι) zurückgeführt (vgl. 3,2.7.8a), wobei die begriffliche Konstanz der Wendung ein formelhaftes Gepräge verleiht.794 In der Folge ergibt sich für 4,7, wo ebendieses Muster aufgegriffen wird, ein Rückbezug auf die genannten Belege in Eph 3.795 Somit wird in 4,7 auch der paulusbezogene Handlungsstrang eingespielt. Charakteristisch ist dabei jedoch, dass der Blick in 4,7 zugleich geweitet, über Paulus hinausgeführt wird, indem jene dem Paulus in spezifischer Weise zuteilgewordene Gnade indirekt in den Zusammenhang einer prinzipiell analogen Gnadenbegabung, die jedem einzelnen Glied der Wir-Gruppe zukommt,
|| 794 Der Befund im weiteren Corpus Paulinum kann dies bestätigen; vgl. mit Bezug auf die Evangeliumsverkündigung des Paulus unter den ἔθνη Röm 15,15f.; Gal 2,(7–)9; ferner – im Zusammenhang mit dem Thema der allgemeinen Gnadenbegabung der Glieder des Leibes Christi (vgl. Eph 4,7–16) – Röm 12,3 sowie – im Zusammenhang mit dem Motiv der Gemeinde als οἰκοδομή (vgl. Eph 2,20–22; 4,12.16) – I Kor 3,10. In den genannten Belegen aus den Homologumena sowie jenen aus Eph 3 lassen die passivischen Formulierungen zumal von Röm 15,15 her im Unterschied zu Eph 4,7 an Gott als bei δοθῆναι vorauszusetzendes Subjekt denken; die christologische Ausrichtung des Gabegeschehens erscheint somit als ein Spezifikum von Eph 4. 795 So mit Recht auch Merklein, Amt, 63, dessen im Anschluss an Heinrich Schlier entwickelte These, das ἡμεῖς in Eph 4,7 sei auf die „V.11 dann konkret benannten Ämter“ (60) zu beschränken, freilich nicht zu überzeugen vermag.
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eingeordnet wird.796 Durch diese generalisierende und zugleich individualisierende Ausrichtung ergeben sich aber zusätzlich Berührungspunkte mit dem Erzählstrang der Appropriation des Heilsgeschehens: Das Motiv des allgemeinen ‚Begabtwordenseins‘ mit der χάρις fügt sich im Gesamtzusammenhang des Schreibens in eine Reihe mit den aoristischen Aussagen zumal in Eph 1,13f.; 4,20f. (vgl. 4,1.4), die mit Blick auf die fiktiven Adressaten auf paradigmatische Weise den Geschehenszusammenhang entfalten, der christusgläubige Existenz im Welt- und Geschichtszusammenhang konkret begründet und kennzeichnet. Für die Auffälligkeit, dass 4,7 im Unterschied zu den genannten Stellen nicht in der (paradigmatischen) 2.Pl., sondern in der übergeordneten inklusiven 1.Pl. gehalten ist, wird man nicht zuletzt auf die genannten Verbindungslinien zwischen 4,7 und 3,2.7.8 hinzuweisen haben797: Paulus nimmt sich und seine Gnadenbegabung in 4,7 gezielt in die Reihen des ‚gesamtchristlichen‘ Empfängerkreises hinein; die inklusive 1.Pl. betont auf diese Weise die Verbundenheit und prinzipielle ‚Augenhöhe‘ des Paulus mit seinen Adressaten (vgl. 3,8) und bekräftigt dadurch zugleich indirekt die Rolle des Paulus als exemplarischer Repräsentant der Wir-Gruppe. Die anschließende Hervorhebung bestimmter Gruppierungen innerhalb der Wir-Gruppe in 4,11 kommt vor diesem Hintergrund zu stehen. Die dritte διδόναι-Aussage V.11f. schließlich führt die oben genannten diegetischen Fäden zusammen. So wird einerseits mit αὐτός der Rückbezug auf V.8–10 signalisiert – Christus ist präzise als ὁ καταβάς/ἀναβάς im Blick, der sich anschickt, das All zu erfüllen.798 Gleichermaßen lässt die wörtliche Aufnahme von ἔδωκεν V.11 als Erläuterung von V.8c erscheinen. Indem nun aber als Objekt der Gabe Christi in V.11 zuvörderst die Apostel angeführt werden, ergibt sich andererseits zugleich eine Rückkoppelung an V.7, da gemäß dem Epheserbrief ja gerade der in V.7 mit im Blick befindliche Paulus qua ‚Amtsgnade‘ als ein zentraler Vertreter ebendieser Gruppe zu gelten hat. Überdies schlägt V.11f. seinerseits Brücken in weitere Textsegmente. Hier ist insbesondere zu verweisen auf den Passus 2,20–22 mit seiner Postulierung einer Aposteln und Propheten zukommenden Fundamentfunktion, auf deren Grundlage sich das Wachstum
|| 796 Nahe stehen dem insbesondere Röm 12,6 (χαρίσματα κατὰ τὴν χάριν τῆν δοθεῖσαν ἡμῖν διάφορα); I Kor 12,7 (ἑκάστῳ δὲ δίδοται ἡ φανέρωσις τοῦ πνεύματος πρὸς τὸ συμφέρον; vgl. V.11), jedoch jeweils mit bezeichnenden Unterschieden. 797 So auch Sellin, Eph, 329. 798 Für diese Verwendungsweise von αὐτός, die ähnlich auch in Eph 2,14 begegnet, vgl. BDR § 277,3.
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der ekklesialen οἰκοδομή vollzieht, erscheint doch gemäß 4,12 (vgl. V.16) ebendies als Fluchtpunkt auch des Gabegeschehens.799 Die einzelnen Handlungsstränge des Gründungsnarrativs werden in 4,7–12 also in enger Verflechtung fortgeführt. Dies scheint auch für das Verhältnis der drei διδόναι-Aussagen untereinander zu gelten; insbesondere die dritte διδόναιAussage in V.11f. ist somit nicht – wie dies vielfach geschieht800 – einseitig dem Zitat und seiner Kommentierung in V.8–10 zuzuordnen.801 Diese interne Komplexität wird gesteigert durch eine eigentümlich ambivalente Wiederaufnahmestruktur, wie sie sich anhand einer strukturell angeordneten Zusammenschau der drei διδόναι-Aussagen aufzeigen lässt. I (V.7) ἐδόθη II (V.8) ἔδωκεν III (V.11f.) ἔδωκεν
ἡ χάρις ἑνὶ δὲ ἑκάστῳ ἡμῶν δόματα τοῖς ἀνθρώποις τοὺς μὲν ἀποστόλους κτλ. (πρὸς τὸν καταρτισμὸν τῶν ἁγίων)
Die erste Spalte bietet jeweils die handlungsanzeigende Form von διδόναι, hinter der Christus als (in I: logisches) Subjekt steht. Die zweite Spalte bietet den jeweiligen Objektsakkusativ, der in I aufgrund der passivischen Formulierung in grammatikalischer Subjektstellung erscheint. Die letzte Spalte bietet die dativische Bestimmung des Kreises der durch den Handlungsakt Begünstigten. An die Stelle dieser in III nicht vorhandenen Empfängerbestimmung treten dort die Präpositionalwendungen in V.12, da die im Vorangehenden (vgl. auch 1,17.22; 3,2.7.8.16; im Weiteren 4,29; 6,19) etablierte Prägung der διδόναι-Aussagen über den Objektsakkusativ hinausgehende Näherbestimmungen erwarten lässt.802
|| 799 Der sich von Eph 2,21 prima facie abhebende Gebrauch von οἰκοδομή als nomen actionis in 4,12 (vgl. V.16) entspricht dem dort formulierten Gedanken eines im ‚Wachstum‘ (αὐξάνειν; vgl. 4,15) befindlichen Baus; gleichsam als Bindeglied kann das verbale συνοικοδομεῖσθαι 2,22 fungieren. 800 Vgl. etwa Merklein, Amt, 73: „V.11f soll […] auslegen, was mit ἔδωκεν δόματα gemeint ist“. 801 Treffender Cambier, „Signification“, 264: Eph 4,11ff. ist „conséquence de l’affirmation de iv. 7, laquelle est prouvée et expliquée dans les trois versets suivants: iv. 7–10 forment donc un tout affirmant, à la suite de l’énumération des richesses chrétiennes (iv. 1–6), que tout don vient du Christ“. 802 Die Artikel in V.11 sind als ‚echte‘ Artikel zu verstehen, so dass die jeweiligen Substantive keine prädikative Funktion haben. Zu übersetzen ist also nicht „er gab die einen als Apostel, die anderen als Propheten“ etc., sondern „er gab einerseits die Apostel, andererseits die Propheten“ usw. Zum Nachweis vgl. Merklein, Amt, 73–75. Dies entspricht im Übrigen der im Epheserbrief prägenden Semantik von δίδωμι im Sinne von (heilvollem) ‚Geben‘ (vgl. nur Eph 1,22). Daraus resultiert ein unmittelbares Gefälle auf die weiterführenden Bestimmungen in V.12.
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Entsprechend ist zumindest der πρός-Ausdruck in das obige Schema einzubeziehen.803 Die Übersicht macht deutlich: Zwischen I und II besteht – obgleich V.7 im Unterschied zu V.8 passivisch formuliert ist – ein struktureller Parallelismus. Dieser legt es nahe, einerseits die Größen χάρις und δόματα, andererseits die Empfängerbestimmungen ἑνὶ δὲ ἑκάστῳ ἡμῶν und τοῖς ἀνθρώποις in einem Korrespondenzverhältnis zu sehen. Dies wird dadurch begünstigt, dass der κατά-Ausdruck in V.7 ein pluralisches Verständnis der an sich singularischen – dies wird durch den Artikel betont – χάρις anzeigt; die eine Gnade wird der WirGruppe in vielfältigen Formen zuteil. Die in V.7 genannten Glieder der WirGruppe sind demnach mit den in V.8 genannten „Menschen“ in Verbindung zu bringen.804 Dazu passt, dass Eph 4,8c im Unterschied zu LXX – wie auch MT – nicht den kollektiven Singular verwendet, sondern pluralisch formuliert805; diese Änderung fügt sich somit in den Aufbau einer eigengeprägten Wiederaufnahmestruktur im Zielkontext. In III nun gelten demgegenüber bestimmte Personengruppen als Objekt des Gebens Christi. Angesichts des ἔδωκεν-Konnexes mit V.8c ist es möglich, diese mit den dort genannten δόματα zu identifizieren.806 Dann aber ist es denkbar, dass die in III erwähnten (übrigen) ἅγιοι (V.12) im Gegenüber zu ebenjenen Gruppen als Substitution für die ἄνθρωποι aus dem Psalmzitat dienen. Jedoch wird in aller Regel zugestanden, dass die ‚Amtsträger‘ aus V.11 in die WirGruppe aus V.7 zumindest zu inkludieren sind; auch die einzelnen Apostel etc. sind als Empfänger der Gnadengabe anzusehen – was zumindest im Blick auf
|| 803 Die genaue syntaktische Zuordnung der drei Präpositionalausdrücke in V.12 bzw. ihr Verhältnis untereinander ist im Einzelnen umstritten, weshalb auf die Einordnung der beiden εἰςAusdrücke in der obigen Darstellung zunächst verzichtet wurde. Auf eine gewisse, trotz der Kohäsion bestehende zäsurartige Funktion von V.12 weist auch der Umstand hin, dass das markante Motiv von der οἰκοδομή des Leibes (V.12b) am Schluss des Abschnitts in V.16 wieder auftaucht. 804 Bedenkenswert ist die bei Cambier, „Signification“, 265.273 angedeutete Überlegung, das generalisierende οἱ ἄνθρωποι könne in letzter Konsequenz auf „tous les hommes“ zu beziehen sein und somit die Universalität des Heilshandelns Christi (und somit zugleich Gottes) zum Ausdruck bringen. Dann böte sich hier ein Hinweis darauf, dass die Grenzen der Wir-Gruppe im Welt- und Geschichtszusammenhang fluide sind, so dass ein extensives Wachstum denkbar ist. 805 Pluralisches ἀνθρώποις – wie im Übrigen auch der Transfer der Aussagen von der 2.Sg. in die 3.Sg. – für Ps 67,19LXX wird auch von Codex S gelesen; hier ist jedoch mit Taylor, „Use“, 330 mit Einfluss von Eph 4,8 zu rechnen. 806 So dezidiert Merklein, Amt, 59: „Die Gaben sind die konkreten kirchlichen Ämter, die Christus gegeben hat (V.11)“.
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Paulus im Epheserbrief ja auch explizit gesagt wird (3,2.7.8). Damit wären aber auch sie wiederum – gemäß dem Zusammenhang zwischen I und II, in Spannung aber zu dem soeben im Blick auf das Verhältnis von II und III Ausgeführten – in V.8c zunächst mit den ἄνθρωποι – und eben nicht den δόματα – in Verbindung zu bringen. Auf diese Weise deutet sich eine ‚Doppelverbuchung‘ der in V.11 genannten Gruppierungen im Rahmen der Wiederaufnahmestruktur von 4,7–12 an; sie können offenbar gleichermaßen als Empfänger wie als Objekt der Gabe gelten. Die Berücksichtigung dieser Ambivalenz ist von grundlegender Bedeutung für das Verständnis des Argumentationsgangs in 4,7–12. Letzterem ist sich nachfolgend anhand einer an den Segmenten V.7.8–10.11f., die durch die drei διδόναιAussagen gebildet werden, orientierten Durchsicht zuzuwenden. VI.4.2.2 Inhaltliche Analyse a) Eph 4,7 Für die makrokontextuell fundierte Deutung der Leitthese Eph 4,7 ist die oben aufgezeigte Verbindung mit Eph 3,2.7.8 richtungsweisend. So lässt sich das Motiv der persönlich gegebenen χάρις vor dem Hintergrund der die Person des Paulus betreffenden Belege der Hinausführung des göttlichen Ratschlusses zuordnen; die dem Apostel gewährte Gabe der χάρις bedeutet gewissermaßen seine Hineinnahme in die göttliche Heilsökonomie. Dem entspricht, dass die göttliche χάρις im Epheserbrief überhaupt als übergeordnetes Moment der Heilsökonomie in den Blick kommen kann (1,6f.; 2,5.7f.), ja, dass diese Heilsökonomie als solche offenbar geradezu als Gnadenökonomie gelten kann (3,2). Die individuelle Gnadenbegabung des Paulus ist demnach als ein Teilaspekt derselben anzusehen.807 Wenn nun das Faktum einer solchen persönlichen Zueignung der χάρις in 4,7 von der Wir-Gruppe insgesamt, d.h. von jedem einzelnen ihrer Glieder ausgesagt wird, so bedeutet dies eine Ausweitung bzw. Generalisierung des Gedankens einer derartigen individuellen und spezifischen Hineinnahme der Einzelnen in die Heilsökonomie. Solches kommt Paulus demnach nicht exklusiv zu; vielmehr fügt sich die ihm gewährte ‚apostolische‘ Gnade ein in die vielfältigen
|| 807 Es kann vermutet werden, dass das gegenüber Röm 12,6; I Kor 12,4–6 durchaus auffällige Fehlen eines spezifischen Terminus für die individuellen Gnadengaben in Eph 4,7 eben damit zusammenhängt, dass die unmittelbare Eingebundenheit jener Gaben in die Hinausführung des göttlichen Ratschlusses zur Geltung kommen soll.
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und differenzierten Formen808, in denen die eine Gnade den Gliedern der WirGruppe überhaupt zuteilwird. Vom Beispiel des Paulus her vorgeprägt (vgl. ὑπὲρ ὑμῶν 3,1.13) ist zudem der von Grund auf soziale Charakter der individuellen Gnadenbegabungen (vgl. 4,16); Individualität und Sozialität sind wiederum unlöslich miteinander verschränkt. Dieser relationale Charakter betrifft auch die Gnadengaben als solche, insofern sie nicht der Verfügbarkeit der Einzelnen unterstehen, sondern Ausweis der Verbundenheit mit Christus als ihrem Spender und Haupt des Leibes sind (4,15f.). Die Zueignung des Heils, wie sie im Hören des Evangeliums gründet, bedeutet für die Einzelnen somit nicht zuletzt ein individuelles Begabtwerden mit der χάρις, das sie funktional einbindet in die Hinausführung des göttlichen Ratschlusses auf der Ebene des νῦν, die von 1,23 her unter dem Vorzeichen des kosmischen Allerfüllungshandelns Christi steht. Konsequenterweise erscheint im Zusammenhang von 4,7–16 Christus als maßgebliches Subjekt des Gabegeschehens, wie schließlich auch die (Selbst-)Erbauung des ekklesialen Christusleibes als Horizont des Begabungsgeschehens dient (vgl. 4,12.16). b) Eph 4,8–10 Die letztgenannten Zusammenhänge werden durch V.8–10 als dem anschließenden Textsegment, in dessen Rahmen die zweite διδόναι-Aussage begegnet (V.8c), deutlicher herausgestellt. Denn hier wird ebenjene Gabe Christi, von der in V.7 die Rede war, in engen Zusammenhang mit seiner explizit thematisierten Allerfüllung gebracht. Von grundlegender Bedeutung für die Analyse des Zitats und seiner Kommentierung ist der oben bereits angeführte Befund, dass der Aussagegang in V.8–10 unter Rückgriff auf Eph 1,20–23 entwickelt wird, so dass dieser Passus als intratextueller Bezugspunkt anzusehen ist. Die Berührungen beschränken sich nun nicht auf die begrifflich-motivische Ebene (s.o.), sondern reichen bis in die syntaktische Struktur hinein. Dies betrifft insbesondere das für 4,8–10 basisgebende Zitat in 4,8bc: Die Wendung ἀναβὰς εἰς ὕψος zu Beginn wurde bereits oben (VI.4.2.1) als aktivische Reformulierung der ebenfalls aoristischpartizipialen Erhöhungsaussage in 1,20b–21 benannt; bezeichnenderweise weicht Eph 4,8b nicht nur mit der Transponierung in die 3.Sg., sondern gerade auch mit dieser partizipialen Formulierung von Ps 67,19LXX ab. Vor diesem Hintergrund fällt weiterhin auf, dass in Eph 4,8 wie in 1,20–23 auf die Partizipialaussage(n) jeweils eine dem Partizip (bzw. den Partizipien) subjektgleiche Dop|| 808 Diese Differenzierung der Gnadengaben klingt in Eph 4,7 im μέτρον-Motiv an; vgl. V.16.
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pelaussage in aoristisch-finiter Form (vgl. 1,22) folgt809 – und wiederum weicht Eph 4,8 gerade darin von der Vorlage ab: Ps 67,19LXX formuliert bei αἰχμαλωτεύειν partizipial. Somit zeigt sich, dass die Unterschiede, die Eph 4,8b gegenüber seiner mutmaßlichen Vorlage Ps 67,19abLXX aufweist, nicht nur allgemein eine Eingliederung in das Gründungsnarrativ, sondern im Besonderen eine Parallelisierung mit Eph 1,20–22 begünstigen. Miteinander assoziiert werden demnach Eph 4,8b und 1,22a einerseits, 4,8c und 1,22b andererseits. Dieser Konnex wird dadurch verstärkt, dass die zweite Hälfte der Doppelaussage jeweils auf ἔδωκεν beruht. Die genannten Verbindungslinien werden sodann durch den Beschluss des dem Zitat zur Seite gestellten Kommentars in V.10 bestätigt810, insofern die Anabasis Christi hier – unter direkter Aufnahme von Wortmaterial aus der Erhöhungsaussage in 1,20–23, s.o. – näher bestimmt und dabei zugleich als eine solche profiliert wird, die auf die Erfüllung des Alls durch den Anabaten zustrebt (V.10b). Dies aber entspricht der Textbewegung in 1,20–23; auch hier formulieren die Handlungsaussagen in 1,20–22 die Voraussetzungen, unter denen in 1,23 ein Erfüllungshandeln Christi in den Blick kommt. Als ein weiteres Mittel der textinternen Verklammerung ist auf der Ebene der Wiederaufnahmestruktur der Umstand zu werten, dass dem Kommentar in 4,9f. nicht zuletzt an der Klärung der Identität des im Blick befindlichen Handlungsträgers (vgl. V.10: αὐτὸς ἐστιν) gelegen scheint, ohne dabei jedoch den Christustitel (vgl. 4,7) erneut zu nennen; der Referenzklärung dient vielmehr der auf 4,8 und 1,20–23 gleichermaßen verweisende substantivierte Partizipialausdruck ὁ ἀναβὰς κτλ. Somit wird ein wechselseitiger Erläuterungszusammenhang zwischen den strukturparallelen Aussagen nahegelegt. Im Blick auf 4,8b spricht dies für eine Deutung der „Kriegsgefangenen“ (αἰχμαλωσία) auf die in 1,21 genannten kosmischen Mächte, die Christus infolge seines Aufstiegs (bzw. seiner Erhöhung) prinzipiell unterstellt worden sind.811 Hinsichtlich 4,8c ergibt sich der für die konzeptionelle Einordnung des διδόναι-Motivs in 4,7–12 insgesamt relevante Befund, dass die Gabe Christi der Anteilgabe an der kosmisch souveränen Stellung Christi zugeordnet wird, wie sie der ἐκκλησία gemäß 1,22b durch Gott gewährt wird als Beschluss der soteriologischen Wende und Wegbereitung des || 809 Die syntaktische Parallele ist freilich nicht glatt, insofern die Partizipien in Eph 1,20bc von 1,20a abhängen und eben nicht – wie in 4,8 – der anschließenden Doppelaussage zugeordnet sind. Auch liegt in 4,8bc im Unterschied zu 1,22 eine asyndetische Koppelung der beiden Einzelaussagen vor. Die Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Textstellen sind dennoch derart ausgeprägt, dass sie den intratextuellen Zusammenhang zumindest zu befördern vermögen. 810 Zur Deutung der Katabasis Christi in Eph 4,9b.10a s.u. 811 Vgl. Gombis, „Lordship“, 375 mit Anm. 27.
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νῦν: In der individuellen Gnadenbegabung manifestiert sich die Partizipation an der Hauptstellung Christi. In der vorangehenden Diskussion bislang ausgespart wurde eine weitere dem Anabaten in 4,8–10 zugeschriebene Handlung, der dort tatsächlich ein Hauptaugenmerk gilt: Denn aus dem im Zitat formulierten Aufstieg folgert der Verfasser in V.9 ja zunächst die (aus seiner Sicht offenbar evidente, vgl. die Formulierung τί ἐστιν εἰ μὴ ὅτι) Ansicht, dass jener Aufstieg auch den gegenläufigen Akt eines Abstiegs impliziere.812 Die Deutung dieser Katabasis ist umstritten. Maßgebliche Bedeutung kommt der Frage zu, wie sie in die Handlungssequenz in 4,8–10 einzuordnen ist: Geht die Katabasis der Anabasis voran? Oder verhält es sich gerade umgekehrt?813 Gemäß dem oben Ausgeführten kann bei der Analyse nicht abgesehen werden von der rahmenabsteckenden Funktion, die dem Passus Eph 1,20–23 auch im Blick auf die Strukturierung der Handlungssequenz in 4,8–10 zukommt. Zwei Aspekte sind vor diesem Hintergrund im Blick auf die genannte Frage anzuführen. Zum einen erscheint in 1,20b–23 der in der Erweckungsaussage 1,20b (ἐγείρας αὐτὸν ἐκ νεκρῶν) vorliegende Rekurs auf das Faktum des Todes Jesu als ein gegenüber 4,8–10 inhaltlich scheinbar überschießendes Element. Die Verbindungslinien mit 1,20–23 legen es aber nahe, für 4,8–10 auch diesbezüglich mit einem korrespondierenden Aussageelement zu rechnen. Dafür
|| 812 Der komplementäre Charakter von Aufstieg und Abstieg wird durch die Opposition der den Handlungsaussagen beigefügten εἰς-Wendungen hervorgehoben. Die Bestimmung εἰς ὕψος steht der komparativischen Rede von den κατώτερα μέρη gegenüber, während der beigefügte Genitiv τῆς γῆς bereits ausgerichtet ist auf die sich im Zusammenhang mit der Präpositionalwendung ὑπεράνω πάντων τῶν οὐρανῶν, die dem Aufstieg in V.10 zugeordnet ist, ergebende Transponierung jener Opposition in das Gegenüber von Himmel(n) und Erde. 813 Die chiastische Anordnung der Handlungsaussagen in V.9.10a scheint zunächst beide Möglichkeiten offenzulassen, und dass sich die Frage nach der Sequenz offenbar schon früh auftat, wird aus den vereindeutigenden Ergänzungen in den Handschriften ersichtlich. So fügen zahlreiche, teils gewichtige Zeugen (Vaticanus) nach κατέβη ein πρῶτον ein. In diesem Sinne wird in der Forschung (vgl. Lincoln, „Use“, 21) tatsächlich häufig die Ansicht vertreten, die Katabasis sei der Anabasis voranzustellen, wobei hier noch einmal zu differenzieren ist zwischen Deutungen, die die Katabasis auf den Abstieg in den Hades / die Unterwelt beziehen, und solchen, die eine Bezugnahme auf die Inkarnation vermuten. Gleichwohl findet auch die umgekehrte Option Anhänger:innen; die Katabasis wird dann in der Regel auf die Herabkunft Christi im bzw. – und hierin deutet sich bereits eine Schwierigkeit dieses Ansatzes an – als Geist zu Pfingsten gedeutet. Die Komplexität der Diskussion wird dadurch gesteigert, dass dabei auch die nicht minder kontroverse Frage nach den traditionsgeschichtlichen Hintergründen einfließt; vgl. dazu insgesamt im Weiteren.
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kommt dann aber zuvörderst eben das Katabasis-Motiv in Betracht. Demnach ist es wahrscheinlich, dass hiermit auf das irdische, seiner Erhöhung vorangehende Geschick Jesu Bezug genommen wird.814 Zumal dieses Geschick aber im Epheserbrief insgesamt auf das Kreuzesgeschehen konzentriert wird (1,7; 2,13– 16; 4,32; 5,2.25), wird man die Katabasis dabei als Referenz nicht nur allgemein auf die Inkarnation, sondern im Besonderen auf das Sterben, d.h. die Selbsthingabe Christi (vgl. 5,2.25) aufzufassen haben.815 Diese Einschätzung wird, zum anderen, dadurch bestätigt, dass die aoristische Handlungsfolge, die die soteriologische Wende konstituiert und mit der in 4,9f. auch die Katabasis Christi in Verbindung gebracht wird, gemäß 1,20–23 in der Erhöhung als Grundlage der Allerfüllung Christi ihre Zielaussage findet. Diese Allerfüllung wird zwar tatsächlich mit weiteren Handlungen Christi assoziiert; neben dem Gabegeschehen in 4,7ff. ist insbesondere auf die Inauguration der Evangeliumsverkündigung durch Christus in 2,17 zu verweisen. Stets vorausgesetzt ist dabei von 1,21 her jedoch die fortwährende Verortung Christi zur himmlischen Rechten Gottes. Schon auf der Bildebene ergäben sich daher deutliche Spannungen, würde die Katabasis Christi innerhalb der Handlungssequenz seiner Anabasis nachgeordnet, sähe man somit doch den Anabaten den ihm zugewiesenen Platz auf dem Himmelsthron gleichsam wieder verlassen.816 Auch der Verweis auf eine für 4,9f. womöglich zu veranschlagende Identifikation Christi mit dem Geist817 vermag diese Spannung nicht zu lösen, insofern der Ton der Aussage ja gerade auf der Identifikation des Katabaten mit dem Anabaten – und damit unmissverständlich mit dem Referenzträger Jesus Christus – liegt. Damit ist zugleich auf ein zentrales Motiv der Reformulierung von 1,20b–23 in 4,8–10 hingewiesen: die konsequente Profilierung Christi als des handelnden
|| 814 Mit Lincoln, „Use“, 22 lässt sich der Passus dann als „a typical instance of κατάβασιςἀνάβασις-Christology“ ansprechen; vgl. Joh 3,13; 6,62. Lincoln weist zudem mit Recht darauf hin, dass diese Abfolge der Bewegung in Ps 68[67] entspreche. Er entscheidet sich selbst letztlich aber gegen diesen Deutungsansatz und favorisiert ein Verständnis der Katabasis als „descent in the Spirit at Pentecost“ (ebd.). Es wird jedoch deutlich werden, dass sich auch mit der hier vertretenen Deutung der Katabasis im oben beschriebenen Sinne durchaus mehr verbindet als „pure digression“ (a.a.O., 24). 815 Mit Gombis, „Lordship“, 376. Weitreichende kosmologische Schlussfolgerungen, wonach mit den „untersten Teilen“ auf die Unterwelt abgestellt würde, sind damit durchaus nicht notwendig verbunden. Hierfür wird in Ps 62,10LXX; 138,15LXX im Übrigen auch nicht der Komparativ, sondern der Superlativ gebraucht; vgl. Lincoln, „Use“, 21. 816 Dies hebt auch Gombis, „Lordship“, 371f. hervor. 817 So besonders Harris, Descent.
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Subjekts. Insbesondere der Kommentar in V.9f. scheint ja nicht nur der Einordnung des Gebens in die Handlungssequenz des Gründungsnarrativs zu dienen, sondern besonderen Wert eben auf die Identität des Handelnden zu legen; der Katabat, Anabat und Allerfüller sind ein und derselbe, nämlich Christus. Argumentationsanalytisch gewendet scheint eben darin der eigens herauszustellende und insofern offenbar potentiell strittige Diskussionspunkt zu liegen.818 In intratextueller Hinsicht erschließt sich diese Akzentsetzung wiederum aus dem Zusammenhang mit Eph 1,20–23. Auch hier ruhen die tragenden Handlungsaussagen auf geprägtem Material nicht zuletzt aus den Psalmen auf.819 Im Unterschied zu 4,8–10 jedoch operiert 1,20–23 in Aufnahme der in den entsprechenden Prätexten vorgegebenen Aktantenkonstellation mit dem Gegenüber von Gott und einem von ihm unterschiedenen, im Zieltext mit Christus identifizierten Referenzträger, dem (anderen) κύριος (Ps 109,1LXX) bzw. (Sohn des) Menschen (Ps 8,5). In dem explizit markierten Zitat Eph 4,8 liegt demgegenüber die direkte Übertragung einer im Ausgangstext auf Gott bezogenen Aussage auf Christus vor; in Ps 67,19LXX – wie Ps 68,19MT – ist es selbstverständlich (der dort direkt angeredete) Gott (κύριος; Ps 67,18cLXX) selbst, der siegreich εἰς ὕψος in sein Heiligtum hinaufzieht. Durch den Zusammenhang mit Eph 4,7 wird diese Deutung der 3.Sg. des handelnden Subjekts in V.8 zwar bereits vorbereitet, durch V.9f. wird sie indes unterstrichen. Diese Reformulierung des Erhöhungsgeschehens durch 4,8–10 wird man freilich nicht als Korrektur der Darstellung in Eph 1,20–23 aufzufassen haben. Vielmehr liegt sie auf der Linie der schon mehrfach beobachteten Tendenz zur Herausstellung der Handlungseinheit zwischen Vater und Sohn, die hier noch einmal gesteigert wird, indem sie auf weitere zentrale Daten der soteriologischen Wende ausgeweitet wird. Diese Beobachtung spricht aber zugleich dafür, dass dem Verfasser die referenziellen Vorgaben seines Prätextes durchaus bewusst sind und dass er sich mit diesen gezielt auseinandersetzt – der eschatologische, zum Lob anstiftende Herrschaftsantritt Gottes mit seinen universalen Implikationen, von dem Ps 67LXX spricht, realisiert sich in Erhöhung bzw. Aufstieg Christi; die göttliche Herrschaftsausübung vollzieht sich als Allerfüllung Christi. Dem entspricht die christozentrische Tendenz, welche die Profilierung || 818 Diesen Aspekt, nämlich „the theological significance of the identification of Χριστός (Eph. 4.7) with the κύριος of Ps. 67.19“, markiert auch Ehorn, „Use“, 113. 819 Vgl. oben unter IV. Moritz, „Psalms“, 195 weist daher zu Recht darauf hin, dass gerade der beiderseitige Gebrauch von „language of the psalms“ Ausweis dessen ist, dass die beiden Passagen „evidently closely connected“ sind und „significant light on each other“ werfen. Die Markierung in Eph 4,8a kann dann als Hinweis darauf gewertet werden, dass die Anklänge auch in 1,20–23 intendiert sind.
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der Ebene des νῦν insgesamt prägt und auch in 4,7–16 dominiert (und sich jedoch von der theozentrischen Tendenz so markant abhebt).820 Auf diese Weise zeigt sich, dass Eigenart und Funktion von Zitat und Kommentar sich offenbar durchaus im Rahmen der textintern entworfenen Diskurswelt – unter Beachtung grundlegender Vorgaben der Prätexte – hinreichend plausibel machen lassen. Das Geben individueller Gnadengaben durch den Anabaten Christus wird als schriftgemäßer (und d.h. gemäß dem Epheserbrief: der Verheißungsgeschichte Gottes mit seinem Volk gemäßer) Aspekt der soteriologischen Wende, welche die Allerfüllung Christi in die Wege leitet, erwiesen. Durch den Kommentar abgesichert wird dabei die Übertragung einer Gottesaussage auf Christus, wobei die textinterne Pointe in dem Gedanken der Handlungseinheit zwischen Vater und Sohn liegt. Jegliche Deutung des Abschnitts hat sich indes an jenem Prüfstein auszuweisen, der eine besondere interpretatorische crux der Rezeption von Ps 67,19LXX in Eph 4,8–10 darstellt: So beschränken sich die Unterschiede zum Prätext nicht auf die aufgezeigte Übertragung von Gottesaussagen auf Christus, einhergehend mit den bereits beschriebenen gezielten, kontextuell veranlassten sprachlich-syntaktischen Modifizierungen. Vielmehr erscheint als wohl markanteste Differenz zwischen Vorlage und Zitat, dass dort – in LXX wie MT – eben nicht von einem ‚Geben‘ der ( מתנותMT) bzw. δόματα (LXX) durch den Hinaufgestiegenen die Rede ist, sondern von seinem ‚Empfangen‘ bzw. ‚Nehmen‘ ( לקחbzw. λαμβάνειν) derselben.821 Die Gaben werden nach MT/LXX also gerade nicht einem menschlichen Empfängerkreis von dem Anabaten her zuteil, sondern es verhält sich offenbar gerade umgekehrt. Nun ließ sich an den übrigen Änderungen zwar eine Tendenz zur Einpassung des Zitats in den Zielkontext beobachten. Mit der ἔδωκεν-Aussage Eph 4,8c erscheint indes die für die mikrokontextuelle Einbettung des Zitats schlechterdings ankergebende Proposition als mit einer infolge der Wahl eines semantisch oppositionellen Begriffs die sonstigen Änderungen in qualitativer Hinsicht übertreffenden Abweichung verbunden. Als erklärungsbedürftig erscheint dieser Befund zumal vor dem Hintergrund, dass diese Abweichung in geradezu beiläufiger Weise erfolgt – im Kommentar zu dem durch V.8a doch als autorita-
|| 820 Bezeichnend ist der Befund, dass der Handlungsträger θεός in Eph 4,7–16 einzig in V.13 erwähnt wird – und zwar im Zusammenhang des (im Epheserbrief einzig hier belegten) Syntagmas ὁ υἱὸς τοῦ θεοῦ, also einer Christusprädikation. 821 Darin liegt auch der Entfall des ἐν begründet; vgl. Schwindt, Weltbild, 402.
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tiv charakterisierten Zitat wird nicht näher darauf eingegangen; dass der Aufgestiegene Gaben gibt, bedarf offenbar keiner weiteren Diskussion. Die Forschung bietet kein einheitliches Bild, was die Erklärung dieser auffälligen Differenz zwischen Vorlage und Zitat betrifft. Dies liegt nicht zuletzt darin begründet, dass sich das Thema nicht lösen lässt von traditions-, text- und auslegungsgeschichtlichen Aspekten; eine entsprechende Weitung des Blickwinkels ist daher an dieser Stelle unerlässlich. In den Brennpunkt der Debatte führt die Frage nach dem Verhältnis zwischen Eph 4,8–10 und antikjüdischen, zumal rabbinischen Auslegungstraditionen von Ps 68[67],19. Denn in der Tat finden sich hier Rezeptionen von Ps 68[67],19, die bemerkenswerte Berührungspunkte mit der Textstelle im Epheserbrief aufweisen. Insofern in diesem Diskussionszusammenhang auch das Zeugnis des Targums zu Ps 68,19 einen wichtigen Bezugspunkt darstellt, soll von hier aus der Ausgang genommen werden. ... סליקתא לרקיע משה נבייא שביתא שבייתא אלפתא פיתגמי אוריתא יהבתא להון מתנן לבני נשא TgPss 68,19 (de Lagarde) „Du bist zum Himmel emporgestiegen, das ist Mose, der Prophet. Du hast die Gefangenschaft gefangengeführt, du hast die Worte des Gesetzes gelernt, du hast den Menschen Geschenke gegeben.“822
Im Targum findet sich mithin ebenfalls eine Eph 4,8c vergleichbare Substitution des betreffenden Verbs in Ps 68,19aMT/Ps 67,19cLXX, welche aus dem Nehmen/ Empfangen des Anabaten ein Geben macht. Als weitere grundlegende Gemeinsamkeit ist anzuführen, dass die im Ursprungstext auf Gott bezogenen Aussagen auch im Targum auf einen anderen Referenzträger hin ausgelegt werden, nämlich auf Mose. Näherhin wird der Akt des Hinaufsteigens auf seinen als himmlische Anabasis interpretierten Sinaiaufstieg (vgl. Ex 19,3 u.ö.) bezogen, der auf den Empfang der Tora hinführt, welcher wiederum auf deren Weitergabe an Israel zielt. Damit aber ergibt sich gleichsam auf der Tiefenebene als Analogie zu Eph 4,7ff., dass die Gabe des Anabaten als ein fundamentaler Akt der vertikalen wie horizontalen Gemeinschaftskonstituierung erscheint. Die genannten Aspekte scheinen charakteristisch für die Rezeption von Ps 68,19 im rabbinischen Schrifttum, wo die Textstelle weithin in analoger Weise auf den Himmelsaufstieg des Mose und seinen Empfang der Tora gedeutet wird.823 Von dieser Spur her kann nun aber auch noch einmal ein anderes Licht
|| 822 Die Übersetzung folgt Schwindt, Weltbild, 403. 823 Vgl. dazu Harris, Descent, 77–91.
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auf das Katabasis-Motiv in Eph 4,9f. fallen. So mag es naheliegen, hierin ein weiteres Element eines ‚Mose-Kolorits‘ zu erblicken, insofern ein Ausbau der strukturellen Entsprechungen zwischen dem Weg Christi und dem mosaischen Sinaiaufstieg, als dessen schriftgemäßes Pendant eben der Abstieg anzusehen ist, intendiert sein könnte.824 In eine ähnliche Kerbe schlägt ferner der Verweis auf eine womöglich schon zur Abfassungszeit des Epheserbriefs vorauszusetzende Begehung des Wochenfestes als Gedenken der Gesetzgebung am Sinai, wobei gerade Ps 68[67] eine nicht unbedeutende Rolle gespielt habe.825 Die vorstehenden, auf unterschiedliche Bezugstexte rekurrierenden Aspekte lassen sich somit bündeln in der Frage, ob und inwiefern Eph 4,8–10 mit Zügen einer Mosetypologie arbeitet, die, auf Christus übertragen, nicht zuletzt dazu dienen, die Gabe Christi vor der Gesetzgebung am Sinai als Hintergrundfolie zu beschreiben. Konsequent ausgezogen kann die beschriebene Deutungslinie dann letztlich zu der These führen, Eph 4,8–10 setze die oben umrissene Auslegungstradition von Ps 68[67],19 – die zwar erst in rabbinischen Zeugnissen greifbar wird und am deutlichsten im Targum durchscheint, gleichwohl in ihrer Substanz älteren Ursprungs sein mag – nicht nur voraus, sondern trete gezielt mit ihr in einen Dialog durch kontrastierende Übertragung der an Ps 68 gekoppelten Mosetypologie auf Christus; Auf-, Abstieg und Gabe Christi träten in ein (überbietendes) Gegenüber, womöglich Opposition zur Gabe des Gesetzes durch Mose.826 Es liegt auf der Hand, dass sich aus der Verortung von Eph 4,8– 10 in einem solchen Auslegungsdiskurs weitreichende Implikationen nicht nur für das Profil der Textwelt des Epheserbriefes, sondern auch für dessen theologische Konzeption überhaupt ergeben könnten. Nicht zuletzt die Ausführungen zum Verständnis von Eph 2,11ff., zumal des dort vorauszusetzenden Gesetzesverständnisses, könnten vor diesem Hintergrund noch einmal neu in den Blick zu nehmen sein.
|| 824 Vgl. Sellin, Eph, 332f. 825 So etwa Lincoln, „Use“, 20; Moritz, „Psalms“, 190f. Für die Erhellung des Bezugshintergrundes von Eph 4,8–10 wird in diesem Zusammenhang vielfach die lukanische Schilderung der Pfingstereignisse in Act 2 ins Spiel gebracht, wenngleich strittig ist, ob Act 2,33 tatsächlich als Anspielung auf Ps 68[67],19 angesehen werden kann. 826 Profiliert in diese Richtung geht Moritz, „Psalms“, 192f., der Eph 4,8–10 als „deliberate broadside against Jewish Torah celebrations“ charakterisiert und das Anliegen des Verfassers wie folgt paraphrasiert: „‘If you claim Psalm 68 for purposes of celebrating the giving of the Torah to Israel, even at the expense of the psalm’s original wording, we, as Christ followers, reserve the right to emulate that. The difference is that we would apply the psalm to Christ’s giving of spiritual gifts to his people, not the giving of the Law to Israel’“.
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Es lassen sich jedoch Bedenken gegenüber dem genannten Deutungsmuster anmelden. Schon rein äußerlich bietet sich die Schwierigkeit, dass die beschriebene rabbinische Auslegungstradition von Ps 68[67],19 keine zeitgenössische Textevidenz hat827, so dass man zumindest für die unmittelbare Verbindung von Mose und Ps 68[67],19 wohl um die Annahme eines durch Eph 4,8–10 gebotenen ‚missing link‘ nicht umhin kommt.828 Erscheint dies vor dem Hintergrund der anderen oben genannten Aspekte – insbesondere die Anabasis des Mose kann tatsächlich als zur Abfassungszeit des Epheserbriefes gängiger Topos gelten829 – zwar prinzipiell durchaus denkbar, so sind es indes Beobachtungen auf textinterner Ebene, die im Gesamt gegen eine gezielte Mose-ChristusTypologie in Eph 4,8–10 sprechen – zumindest in der beschriebenen, auf die Gesetzgebung am Sinai fokussierten Variante: So wurde deutlich, dass Zitat und Kommentar zwar tatsächlich der Klärung der Identität des Anabaten große Aufmerksamkeit beimessen. Im Blick scheint dabei jedoch maßgeblich das Verhältnis zwischen Gott und Christus; und hier kann der Zusammenhang mit 1,20–23 – nicht zuletzt angesichts der Vorgaben des Quelltextes – ja tatsächlich manche Fragen aufwerfen (s.o.). Dass aber im selben Atemzug eine subtile Abgrenzung von einem weiteren potentiellen Referenzträger, nämlich Mose, vorgenommen würde, scheint dann eher unwahrscheinlich, ja, bedeutete wohl eine inhaltliche Überfrachtung. Hinzu kommt, dass sich die Referenz- und Wiederaufnahmestruktur in Eph 4,8 von den rabbinischen Zeugnissen insofern in einem wesentlichen Punkt unterscheidet, als in letzteren die ‚Gefangenführung der Gefangenschaft‘ im Verbund mit der abschließenden Empfangs- bzw. (so mit dem Targum) Gabeaussage auf die Mose zugunsten Israels zugeeignete Tora bezogen wird.830 Demgegenüber sind gemäß der oben gegebenen Analyse αἰχμαλωσία und δόματα in Eph 4,8 nicht referenzidentisch; vielmehr ist die αἰχμαλωσία mutmaßlich auf die unterworfenen Kosmosmächte zu beziehen.831
|| 827 Vgl. das Fazit bei Schwindt, Weltbild, 407: „Eine Verbindung von Ps 68,19 mit der Typologie von Moses Himmelsaufstieg und Empfang der Tora ist zu ntl. oder früherer Zeit nicht nachweisbar“. 828 Vgl. Sellin, Eph, 333. 829 Vgl. dazu Schwindt, Weltbild, 408–411. 830 So mit Harris, Descent, 91. Die Deutung der Gefangenschaft und des Gabenempfangs auf die Tora ist laut Harris, Descent, 96 u.ö. – neben der Identifikation des Anabaten mit Mose – das älteste Element der rabbinischen Tradition. 831 Eine angelologisch-agonale Motivik, wie sie in Eph 1,20–23; 4,8 anklingt, findet sich zwar mitunter auch in den rabbinischen Rezeptionen von Ps 68[67],19, jedoch handelt es sich bei den dort im Blick befindlichen Engeln mit Schwindt, Weltbild, 406 um die „Dienstengel, die
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Ferner lässt sich das Katabasis-Motiv durchaus als Folgerung aus der im Zitat vorgegebenen Anabasis ansehen832, wie ja die im Epheserbrief vorauszusetzende Sequenz mit der Reihenfolge von Abstieg/Aufstieg (s.o.) überhaupt in einer gewissen Spannung zum genau umgekehrten ‚Sinaimuster‘ steht.833 Man müsste für Eph 4,8–10 denn schon mit einer eigentümlichen Verbindung der verschiedenen Aufstiegsparadigmen rechnen, die das antike Judentum für die Person des Mose kennt834; dies aber ginge deutlich auf Kosten der Prägnanz der Bezugnahme. Gleichermaßen hängt die gemeinschaftskonstituierende Dimension des Gabegeschehens in Eph 4,8c durchaus nicht an einer etwaigen Annäherung an die Gesetzgebung am Sinai, sondern ist bereits textintern durch den Zusammenhang mit Eph 1,22b.23 vorgegeben. Schließlich ist zu bezweifeln, dass eine Gegenüberstellung von Gesetzesübermittlung durch Moses und (diese überbietender) Gnadengabe Christi (vgl. 4,7) der internen Diskursstruktur des Epheserbriefs angemessen wäre. Denn die Beziehungskonstituierung in Christus macht das Gesetz offensichtlich nicht einfach obsolet. Vielmehr wird dieses unmittelbar in die Explikation des neuartigen, pneumatisch begründeten Ethos einbezogen (vgl. nur 6,2f.); eine Devalu-
|| heiligen Hüter der seit vorweltlichen Zeiten im Himmel bewahrten Tora“, deren Kontrolle dieselbe entwendet wird, so dass sie den Menschen zugänglich gemacht wird. Jene Dienstengel sind als solche kaum deckungsgleich mit den gottfeindlichen Gegenmächten, die im Epheserbrief erstmals in 1,21 auf den Plan treten; vgl. Harris, Descent, 95 (der zudem mit der Hinzufügung dieses Aspektes als späterer Entwicklung rechnet): „the angels who sought to prevent Moses from removing the Torah from heaven were all ‘good’.“ Vgl. demgegenüber die explizite Qualifikation der Mächte und Gewalten im Epheserbrief als τὰ πνευματικὰ τῆς πονηρίας (6,12). 832 Bedenkenswert ist in diesem Zusammenhang auch die Beobachtung bei Cambier, „Signification“, 268, dass in Eph 4,8–10 der „couple ἀναβαίνειν-καταβαίνειν“ dem „couple γῆοὐρανοί“ entspreche; letztlich geht es um die Betonung des allumfassenden, universalen Charakters der Christusherrschaft. 833 Bei den Befürworter:innen einer Sinai-Analogie findet sich denn auch häufig die Umkehrung der Reihenfolge; es sei vielmehr das auf den Aufstieg folgende Gabegeschehen, das den Abstieg impliziere, so dass die Gabe Christi in Entsprechung zur Gabe des Gesetzes durch Mose nach seinem Abstieg erfolge. 834 So Schwindt, Weltbild, 408, der als die beiden grundlegenden „Himmelfahrts-Paradigmen“, die sich in der zeitgenössischen antikjüdischen Literatur im Blick auf die Person des Mose finden, den als Himmelsaufstieg interpretierten Sinaiaufstieg sowie seinen Aufstieg nach seinem Tod anführt – „[i]nsofern Eph 4 Christus den Aufstieg und die Gabenschenkung an die Gemeinde erst in Tod und Auferstehung vollziehen lässt, knüpft er motivisch an beide Himmelsreisen des Mose an“.
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ierung des Gesetzes als solches ist im Epheserbrief demnach gerade nicht zu verzeichnen.835 Ein spezifischer Rekurs auf die genannte Auslegungstradition von Ps 68[67],19, wie sie sich profiliert in den rabbinischen Texten findet, erscheint somit für Eph 4,8–10 letztlich nicht wahrscheinlich. Wohlgemerkt: Dies heißt freilich nicht, dass der zeitgenössisch-enzyklopädische ‚Resonanzraum‘ nicht durchaus auch Mosetraditionen umfassen könnte, im Gegenteil. Jedoch wird man diese eben nicht einseitig auf die Gesetzesthematik festzuzurren haben. Zudem wird man in diesem Zusammenhang auch die Verbindungslinien des Motivfeldes von Erhöhung/Himmelsaufstieg in die pagane Umwelt – und hierbei nicht zuletzt die römische Kaiserideologie – nicht ausblenden dürfen.836 Doch wie erklärt sich dann die Substitution der Verbform in Eph 4,8c gegenüber Ps 67,19LXX? Bereits oben wurde bemerkt, dass die einleitende Markierungsformel V.8a anzeigt, dass der Verfasser – zumal er in seinem Kommentar nicht weiter darauf eingeht – offenbar mit einer Akzeptabilität dieses Wortlauts auf Seiten der Rezipienten rechnet. Mehrere Möglichkeiten bieten sich: i. Der Wortlaut von Eph 4,8c bringt eine abweichende Überlieferung von Ps 68[67],19 zum Zuge, für deren Existenz neben Eph 4,8 der Targum zu Ps 68,19 ein einschlägiges Beispiel bietet.837 Der Verfasser des Epheserbriefs wie der Targum könnten auch unabhängig voneinander auf diese Tradition zurückgegriffen haben; eine Mosetypologie wäre dann nicht notwendig angezeigt. Der Mangel an (der wechselseitigen Abhängigkeit unverdächtigen) Belegen für diese Lesart lässt diese Erklärung jedoch eher als Notlösung erscheinen; die entsprechende Tradition muss wesentlich aus den genannten Zeugnissen indirekt erschlossen werden. ii. Der Verbwechsel in Eph 4,8c steht im Zusammenhang mit der frühchristlichen Rezeption von Ps 68[67],19. Positiv kann hierfür angeführt werden, dass schon zu Eph 1,20–23 ein Akzent auf der Zusammenbindung von Schriftbezügen und frühchristlich-traditionellen Deutungsmustern beobachtet werden konnte (s.o.), und die Einleitungsformel mag zumal von 5,14 her diese Offenheit bewahren. Strittig ist jedoch, inwiefern in Act 2,33 (vgl. || 835 Denkbar wäre allenfalls eine Vorordnung der Gabe Christi in dem Sinne, dass diese die (pneumatische) Grundlage bereitet, auf der die adäquate Gesetzeserfüllung überhaupt möglich wird. Dann aber wäre es wenig plausibel, die Gabe Christi einfach anstelle der Gabe des Gesetzes treten zu lassen. 836 Dazu Schwindt, Weltbild, 428f. mit besonderem Verweis auf die römische Kaiserapotheose. 837 Vgl. dazu Taylor, „Use“.
Querschnitt II: Die soteriologische Wende | 323
5,31) als der für diese These zumeist herangezogenen maßgeblichen neutestamentlichen Vergleichsstelle – aus der sich dann angesichts ihres pentekostalen Kontextes (s.o.) doch wiederum auf die Gesetzgebung durch Mose bezogene Obertöne ergeben könnten – überhaupt eine Bezugnahme auf Ps 68[67],19 vorliegt. Dann aber kommt noch eine weitere Möglichkeit in Betracht. iii. Der Verbwechsel ist auf die ‚Schriftarbeit‘ des Verfassers zurückzuführen; hierin kommt seine schriftbasierte Interpretation von Ps 67,19LXX zu einem verdichteten Ausdruck.838 Beachtung verdient diese Spur insofern, als das Bemühen um Referenzklärung in Eph 4,9f. zeigt, dass der Verfasser sich mit dem in der Schrift vorgegebenen Ursprungskontext seines Zitats – in geradezu methodologisch orientierter Weise, wie die ‚technische‘ Formulierung in 4,9a839 zu erkennen gibt – auseinandersetzt. Dazu passt, dass bereits in 1,20–23 die Beachtung des intertextuellen Bezugsrahmens der Aussage bekräftigende Tiefentöne zu verleihen vermochte und der Schriftbezug insofern durchaus als verfasserseitig intendiert angesehen werden konnte. Die Spezifik des Bezugs in 4,8 lässt es wiederum als geraten erscheinen, den Blick wie auch in Eph 1,20–23 nicht zu weit schweifen zu lassen und also zunächst bei Ps 67LXX als engerem Kontext zu verbleiben. In diesem Zusammenhang hat Michael Gese nun vermutet, das ἔδωκεν in Eph 4,8c könnte die Aussage aus Ps 67,12LXX κύριος δώσει ῥῆμα τοῖς εὐαγγελιζομένοις, mit der dort die „Austeilung des Gotteswortes“ an ein als Freuden-/Siegesbotschafter fungierendes Kollektiv in Aussicht gestellt wird, aufnehmen und vom Verfasser des Epheserbriefs in seine Wiedergabe von Ps 67,19LXX übernommen worden sein.840 Diese Überlegung ist ansprechend, weil sie den Konnex zwischen Eph 4,8 und V.11 zu plausibilisieren vermag: Denn die in V.11 genannten Gruppen, die der Anabat gibt, zeichnen sich doch nicht unwesentlich dadurch aus, dass ihnen die Evangeliumsverkündigung (freilich im ‚christlich-technischen‘ Sinne) aufgetragen ist.841 Gese kann für seine Deutung überdies und im Grundsatz treffend auf die „doppelte Richtung des endzeitlichen Geschehens“ hinweisen, die das Szenario in Ps 67LXX || 838 Als Bezugsrahmen wird dabei zumeist der weitere Kontext von Ps 68[67] veranschlagt (z.B. bei Gombis, „Lordship“), zuweilen aber auch umfassendere Textbereiche (etwa bei Wilder, „Use“). 839 Vgl. Sellin, Eph, 333 mit Anm. 176. 840 Vgl. Gese, Vermächtnis, 184–186. 841 Für die Gruppe der Apostel (und damit indirekt auch die mit diesen in Eph 2,20; 3,5 in einem Zuge genannten Propheten) vgl. paradigmatisch Paulus (3,8). Zu ῥῆμα vgl. Eph 5,26; 6,17.
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kennzeichnet, indem einerseits die Textbewegung dort auf die triumphale Inthronisation Gottes „auf den Zion“ fokussiert, andererseits aber, auf dieser Grundlage, die kosmische, „von Zion aus in alle Welt“ sich erstreckende Relevanz dieses Heils thematisiert wird.842 Eine analoge Struktur ist aber mit Gese auch in Eph 4,8–10 zu beobachten mit der Abfolge von Anabasis und Allerfüllung, die wesentlich mit dem Gabegeschehen zu tun hat.843 Angesichts des Zusammenhangs mit 4,11 und der Art und Weise der Verarbeitung von Ps 109,1LXX bzw. Ps 8,7 in Eph 1,20–23 scheint der Deutungsvorschlag Geses (iii.) durchaus plausibel.844 Gerade die Verbindungslinien zu 1,20–23 lassen es zugleich als denkbar erscheinen, dass auch der Rekurs auf Ps 67,19LXX in 4,8–10 im Anschluss an die weitere frühchristliche christologische Reflexionsarbeit vorgenommen wird. Der spezifische Akzent in der Rezeption der Schriftverse durch den Verfasser liegt jedoch darin, das ,Blending‘ von Schriftbezug und Gemeindetradition voranzutreiben. Dabei ist im Vergleich von 1,20–23 und 4,8–10 die Tendenz zu einer zunehmenden Komplexität zu erkennen: Während die sich aus den Intertexten ergebenden Tiefentöne in 1,20–23 schon aus den punktuellen, auf enge Textsegmente beschränkten Bezugnahmen hörbar werden, weitet der Passus 4,8–10 offenbar den Horizont und fordert zu einer Relektüre auch des weiteren Kontextes des Schriftwortes von den Parametern des Gründungsnarrativs her auf. Von entscheidender Bedeutung ist dabei, dass der Verfasser des Epheserbriefs ausweislich der Einführungsformel Eph 4,8a für diese solchermaßen in die Wiedergabe des Wortlauts eingeschriebene Auslegung offenbar Konsensfähigkeit unterstellt. Vor diesem Hintergrund kann letztlich offenbleiben, ob der Verbwechsel tatsächlich als subtiler Stolperstein fungiert, der neue Schriftlektüre unter den Parametern des Gründungsnarrativs allererst initiieren will, oder ob entsprechende vorausliegende Gemeindetraditionen – etwa im Sinne von ii. – abgerufen werden. Anliegen ist letztlich, Schrift und Gemeindetradition gleichermaßen einzubinden in das Gründungsnarrativ. Das ,Blending‘ verfolgt || 842 Gese, Vermächtnis, 185 (Hervorhebung im Original). 843 Zu den auffälligen grundsätzlichen Verbindungslinien zwischen Ps 67LXX und dem Epheserbrief ist im Übrigen der Umstand zu zählen, dass der Aspekt des Gotteslobs ein Leitmotiv auch des Psalms zumal in seiner LXX-Fassung darstellt; vgl. dort nur die dreifache Eulogie V.19.20.36. 844 Dagegen aber Sellin, Eph, 332, jedoch mit dem nicht ohne Weiteres überzeugenden Argument, derartiges sei „ohne Analogie in der neutestamentlichen Zitationsweise, die den Kontext in der Regel [eine Ausnahme seien „alttestamentliche Erzählzusammenhänge“; J.B.] nicht berücksichtigt“.
Querschnitt II: Die soteriologische Wende | 325
in 1,20–23 wie 4,8–10 somit die gleiche Tendenz: Den Epheserbrief als Entfaltung des gemeinsam evidenten Gehalts der Gründungsgeschichte, der seine Tiefenschärfe durch die Schrift erhält, auszuweisen. c) Eph 4,11f. Vor dem Hintergrund der vorangehenden Ausführungen ist sich schließlich der dritten διδόναι-Aussage in Eph 4,11f. zuzuwenden. Es wurde darauf hingewiesen, dass sie einerseits zwar als erläuternde Parallelaussage zu V.8c erscheint und insofern zugleich der Explikation von V.10b dient, indem ein offenbar grundlegender Aspekt der Allerfüllung des Anabaten benannt wird, andererseits aber auch im Rückbezug auf V.7 steht. Daraus wurde oben eine Ambivalenz in der Wiederaufnahmestruktur gefolgert, welche die in V.11 genannten Personengruppen gleichermaßen als Empfänger der Gabe (so dem Zusammenhang zwischen V.7 und V.8 zufolge) wie als Gabe selbst (so gemäß dem Zusammenhang zwischen V.8 und V.11f.) erscheinen lässt. Sollte nun Eph 4,8c tatsächlich mit Blick auf Ps 67,12LXX formuliert sein, wie im Anschluss an Gese vermutet werden kann (s.o.), so würde dies die Identifizierung der δόματα mit den in V.11 genannten Gruppen bekräftigen, stünden die δόματα doch von jenem Prätextbezug her unter dem Vorzeichen, auf die Konstituierung eines Kollektivs, das zur Verkündigung der göttlichen Frohbotschaft befähigt ist, zu zielen. Jedoch darf dadurch eben nicht der Zusammenhang mit V.7 ausgeblendet werden, infolge dessen auch die Personengruppen, die selbst zu Gaben werden, zunächst ihrerseits Empfänger der Gnadengabe sind; sämtliche der in V.11 angeführten Funktionen beruhen demnach auf individueller Gnadengabe. Somit wird ersichtlich, dass die Aussage in V.11 in einem indirekten, mittelbaren Sinne zu verstehen ist: Die Apostel etc. können als Gabe Christi gelten, weil sie in diese ihre jeweiligen Funktionen qua persönlicher Gnadengabe gelangt sind. Dann aber handelt sich bei den genannten Gruppen zunächst nicht um abstrakte ‚Amtsbezeichnungen‘; es geht also nicht unmittelbar um die Stiftung bestimmter Ämter o.ä.845 Vielmehr dominiert der personenbezogene Aspekt – Christus ,gab‘ die (einzelnen) Apostel etc., insofern er ihnen bestimmte Funktionen zuteilte, die im Zusammenhang mit seiner Allerfüllung stehen. Einerseits dürfte dann aber gelten, dass die Aufzählung in V.11 prinzipiell verlängert werden könnte; die angeführten Gruppen haben exemplarischen Charakter, insofern sie in die Wir-Gruppe in V.7 zu integrieren sind, ohne dass diese in jenen aufginge. Andererseits stellt sich gleichwohl die Frage, weshalb || 845 Gegen Walter, Gemeinde, 223f. u.a.
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gerade diese Gruppen herausgehoben werden, zumal im vom Gesamtzusammenhang her derart ‚aufgeladenen‘ aoristischen Duktus. Den Grund wird man darin zu erblicken haben, dass den genannten Gruppen im Ensemble der Gnadenbegabten tatsächlich eine herausgehobene, da fundamentale Rolle für das Kollektiv zukommt. Diese klingt in der πρόςBestimmung in V.12 an: Implizit werden die in V.11 genannten Gruppen hier in ein gewisses Gegenüber zu den übrigen Heiligen, d.h. den weiteren Gliedern der Wir-Gruppe, gerückt, wenn jenen die Aufgabe zugewiesen wird, für den καταρτισμός, die Zurüstung letzterer zu sorgen. Jenen Gruppen wird daher im Blick auf die übrigen Heiligen gleichsam eine Ermöglichungsfunktion zugeschrieben; ebendies macht ihre herausgehobene Rolle aus.846 Es handelt sich dann bei den in V.11 genannten Begabungen um die nicht in einem qualitativen, wohl aber sachlichen Sinne ersten, grundlegenden Gnadenbegabungen. Aus dem im Vorangehenden zur Funktion der Apostel Gesagten vermag zu erhellen, inwiefern dies tatsächlich der Fall ist. So eröffnet das Wirken der Apostel (und Propheten), das den λόγος τῆς ἀληθείας (Eph 1,13) hörbar macht, den Gliedern der Wir-Gruppe allererst ihre Heilsteilhabe. Dass den in der Reihe in 4,11 zuletzt genannten ‚Lehrern‘ eine vergleichbar konstitutive Rolle zukommt, erschließt sich aus den konzeptionellen Vertiefungen, wie sie durch den zweiten Hauptteil des Schreibens geboten werden und oben dargestellt wurden (vgl. programmatisch Eph 4,14.21). Genannt werden somit die Funktionen, die im Rahmen der Textwelt für die Eröffnung individueller Heilsteilhabe im Welt- und Geschichtszusammenhang und somit in einem ekklesiogenetischen Sinne konstitutiv sind, nämlich Verkündigung und Lehre.847 Auf dieser Grundlage ergibt sich, dass letztlich relativ geringes Gewicht an der Frage hängt, wie die beiden εἰς-Wendungen in V.12 genau in den syntakti|| 846 In diese Richtung geht auch Cambier, „Signification“, 266, der zu Recht auf den Konnex mit der Eph 2,20 erwähnten Fundamentfunktion von Aposteln und Propheten verweist. 847 Womöglich deutet sich darin eine Kombination aus gleichsam extrovertierter und introvertierter Stoßrichtung an, die sich mit der Dialektik von ‚extensivem‘ und ‚intensivem‘ Wachstum der ἐκκλησία im Epheserbrief in Verbindung bringen lässt. Dann aber erscheint es als denkbar, dass in dem im Epheserbrief bereits zuvor begegnenden Begriffspaar ‚Apostel und Propheten‘ (2,20; 3,5) letzteren die zweitgenannte Wirkungsrichtung zukommt; die ‚Evangelisten‘ kämen dann als Pendant der ‚Apostel‘ in den Blick, die in einem Atemzug genannten ‚Hirten und Lehrer‘ als Pendant der ‚Propheten‘. Vor diesem Hintergrund kann erwogen werden, ob nicht mit dem Umstand, dass die Aufzählung mit den Begriffen ‚Evangelisten‘ und ‚Hirten und Lehrer‘ um weitere Elemente erweitert wird, dieser bipolaren Struktur ein Element der Flexibilität eingeschrieben wird: In welcher (charis-matischen) Weise sich die für die Ekklesiogenese konstitutiven Funktionen von Verkündigung und Lehre letztlich konkret ausgestalten, kann durchaus variabel sein.
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schen Zusammenhang einzuordnen sind: Denn tatsächlich wird ja gerade das Wirken der ‚Ermöglicher‘ mit der διακονεῖν-Semantik assoziiert (3,7 [Paulus]; vgl. 6,21 [Tychikus]), was für eine syntaktische Gleichrangigkeit der Bestimmung εἰς ἔργον διακονίας mit der vorangehenden πρός-Wendung und also eine unmittelbare Abhängigkeit von ἔδωκεν in V.11 spricht. Gleichzeitig ist dieses Wirken aber letztlich nicht abzuheben von der allgemeinen Gnadenbegabung, sondern richtet sich gerade auf die ‚Aktivierung‘ ebendieser. Das ἔργον ist somit letztlich ein von allen Gliedern der Wir-Gruppe gemeinsam zu vollbringendes; nämliches gilt für die Erbauung des Leibes (4,12b), die sich im Zusammenwirken aller Glieder vollzieht (4,16). VI.4.2.3 Zusammenfassung Die komprimierten Fortführungen des Gründungsnarrativs in dem Abschnitt Eph 4,7–16 basieren auf der Darstellung eines Gabegeschehens, das den Gliedern der Wir-Gruppe von Christus her zuteilwird. Es wird durch die drei διδόναιAussagen 4,7–12 im Rückgriff auf Eph 1,20–23 entfaltet und ist somit der soteriologischen Wende zugeordnet. Näherhin wird die Gewährung der Partizipation an der kosmisch-souveränen Stellung Christi, wie sie 1,22b präfiguriert und am Ort der einzelnen Individuen das νῦν konkret inauguriert, weitergehend entfaltet. Das basisgebende Motiv einer persönlichen Anteilgabe an der χάρις verweist dabei – wie im Epheserbrief exemplarisch an der Person des Paulus verdeutlicht wird – auf die Hineinnahme der Einzelnen in die Hinausführung des göttlichen Ratschlusses, was auf der Ebene des νῦν gleichbedeutend ist mit der Hineinnahme in den Prozess der Allerfüllung Christi; gegenüber dem rezeptiv orientierten Charakter von 1,22f. geht der Aussageakzent in 4,7–12 in Richtung der Herausstellung einer aktiven Rolle der Wir-Gruppe in ihren einzelnen Gliedern. Freilich bleibt kein Zweifel daran, dass es stets der Erhöhte selbst ist, der als Allerfüller und Haupt maßgeblich für das Geschehen verantwortlich zeichnet – angefangen damit, dass er es ist, der grundlegend jene Gnadengaben gewährt, die Heilsteilhabe im Welt- und Geschichtszusammenhang allererst eröffnen. Die Wir-Gruppe ist Leib Christi als das von ihm angefüllte πλήρωμα (1,23); dieses Erfülltwerden erscheint von 4,7–12 her als ein individuelles Erfülltwerden durch die χάρις, das – so lassen die durch das Einheitsmotiv angezeigten Verbindungslinien mit 4,1–6 vermuten – zugleich als ein pneumatisches zu verstehen ist. Eine zentrale Rolle im Zusammenhang dieser Argumentationsstruktur kommt der Einbindung des Schriftzitats in Eph 4,8–10 zu. Betont wird die Profilierung Christi als des handelnden Subjekts und somit die Übertragung einer Gottesaussage auf Christus. Dies ist vor dem Hintergrund der den Epheserbrief
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von Grund auf prägenden Theozentrik des Schreibens zu sehen und hat seine Pointe in der Herausstellung der Handlungseinheit von Vater und Sohn. Diese ermöglicht es für die Ebene des νῦν, Christus als maßgeblichen Aktanten in den Blick zu rücken; vorgespurt wurde dies in 1,20–23. Eine (kontrastive) Gegenüberstellung von Gabe Christi und Sinaigesetzgebung ist demgegenüber nicht intendiert. Vielmehr verdeutlicht das Schriftzitat die Kontinuität und Konformität des – gemeinschaftlich reflektierten – Christusgeschehens mit der Verheißungsgeschichte Gottes mit seinem Volk; der eschatologische Herrschaftsantritt Gottes mit seinen kosmischen Auswirkungen realisiert sich gerade im Weg Christi, der die auf den Kreuzestod fokussierte Katabasis, Anabasis und Allerfüllung umfasst. Zumal V.11 keine erschöpfende Charismenliste o.ä. bietet, deutet sich schließlich wiederum eine spezifische Leerstelle in der Argumentationsstruktur an: So kann gefragt werden, wie sich die individuelle, auf die Erbauung des Christusleibes ausgerichtete Gnadengabe konkret auswirkt. Damit aber ist der Blick auf die Ebene des νῦν ausgeweitet. An dieser Stelle ist neu anzusetzen.
VI.5
Querschnitt III: Das νῦν
Der Abschnitt Eph 4,7–16 als exponierte Fortführung des Gründungsnarrativs im zweiten Hauptteil des Epheserbriefes bespielt auch die Ebene des νῦν in intensiver Weise. So erscheint jene bereits in V.7–12 explizit als Horizont des der soteriologischen Wende zuzurechnenden διδόναι-Geschehens, indem dieses zunächst mit der Allerfüllung des Anabaten, die gemäß 1,23 grundlegendes Signum des νῦν ist, in Verbindung gebracht wird (4,10b). Die dritte διδόναιAussage 4,11f. verdeutlicht sodann, dass das Geben Christi näherhin darauf zielt, den Einzelnen die Heilsteilhabe zu eröffnen und sie somit als ἅγιοι zugleich hineinzunehmen in dieses ‚Projekt‘, das sich unter der Ägide des Erhöhten auf der Ebene des νῦν realisiert. Ebendieses Projekt wird nun in V.12 als οἰκοδομὴ τοῦ σώματος τοῦ Χριστοῦ benannt. Damit wird eng an Eph 2,20–22 angeschlossen. Zugleich fällt wiederum die ekklesiale Ausrichtung ins Auge, die sich von der gesamtkosmischen Perspektive, wie sie der Wendung πληροῦν/πληροῦσθαι τὰ πάντα (4,10; 1,23) bzw. der Basisformulierung ἀνακεφαλαιώσασθαι τὰ πάντα (1,10) – Ausdrücke, die im Epheserbrief ebenfalls als Bezeichnungen jenes ‚Projekts‘ fungieren – zu eigen ist, doch markant abhebt. Entsprechend verwundert es nicht, dass umstritten ist, inwiefern dem Motiv der Erbauung des Christusleibes in 4,7–16 eine gesamtkosmische Stoßrichtung anhaftet (s.u.). Bereits die Analyse von Eph 2,20–22 ergab ja eine gewisse Ambivalenz hinsichtlich der Eigenart jenes für die
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Ebene des νῦν postulierten Wachstumsgeschehens, das sich ein Schillern zwischen extensivem und intensivem Aspekt bewahrte; diese Ambivalenz kehrt in 4,7–16 wieder. Gleichwohl wurde oben der Gedanke eines intensiven Wachstums in besonderer Weise als Proprium von 2,20–22 erkannt; und die Verwendung des Begriffs οἰκοδομή als nomen actionis in 4,12.16 aktualisiert diesen Gesichtspunkt programmatisch: So sehr der Leib ein bereits konstituierter ist (vgl. 5,25 etc.), so sehr untersteht er zugleich einem inneren Entwicklungsprozess.848 Festzuhalten ist indes zunächst, dass das in 4,12 eingeführte Motiv der ‚Erbauung des Leibes Christi‘ im Zusammenhang des Abschnitts 4,7–16 gleichsam als Überschrift für die anschließende Profilierung der Ebene des νῦν in V.13–16 dient; trotz des durchgängigen syntaktischen Zusammenhangs in V.11–16 liegt mit V.12 eine Zäsur vor. Jene Profilierung vollzieht sich in V.13–16 in zwei syntaktisch klar voneinander abzuhebenden Schüben, nämlich dem μέχρι-Satz in 4,13 einerseits, dem ἵνα-Satz V.14–15a andererseits. Letzterer wird in V.15b–16 sodann erweitert durch einen ‚hymnisierenden‘ Relativsatz, der zwar eng an V.15a rückgebunden ist849, zugleich aber den durch V.7 eröffneten Gesamtbogen abrundet850. Die beiden Schübe V.13 und V.14–16 weisen zwar strukturelle und semantische Verbindungslinien auf, die sie eng aneinander koppeln851, jedoch setzen || 848 In dialektischer Zuspitzung wird dies in Eph 4,15f. auf den Punkt gebracht, wenn Christus, die κεφαλή, einerseits als Zielpunkt des Wachstums erscheint (αὐξήσωμεν εἰς αὐτόν), gleichermaßen aber als dessen Quelle (ἐξ οὗ πᾶν τὸ σῶμα … τὴν αὔξησιν τοῦ σώματος ποιεῖται) gilt. 849 Die tragenden Verbformen sind äquivalent; das hier intransitiv zu fassende (siehe dazu im Folgenden) αὔξειν (V.15a) entspricht τὴν αὔξησιν ποιεῖν (V.16), ebenso ist das Subjekt πᾶν τὸ σῶμα in V.16 von Eph 1,23 her transparent für das ekklesiale ,Wir‘, das Subjekt in V.15a ist. Vgl. ferner die sowohl in V.15a als auch V.16 erscheinende Wendung ἐν ἀγάπῃ als Näherbestimmung des jeweils im Blick befindlichen Handlungsakts sowie den sich im Verbund mit dem Relativsatz V.15b ergebenden kataphorischen Charakter des auf Christus bezogenen Personalpronomens in V.15a. 850 Entsprechende Elemente sind die Aufnahme des Motivs der οἰκοδομή des Christusleibes (vgl. V.12), der Verweis auf ein den Einzelnen (εἷς ἕκαστος; μέρος in V.16 entspricht dem im Blick auf die einzelnen Glieder der Wir-Gruppe ansonsten – vgl. Eph 4,25; 5,30 – gebrauchten μέλος) zukommendes μέτρον (vgl. V.7) sowie, auf der Ebene der Wiederaufnahmestruktur, eine in dem Ausdruck πᾶσα ἁφὴ τῆς ἐπιχορηγίας womöglich vorliegende Bezugnahme auf die in V.11 genannten Gruppen, ferner die schon durch die syntaktische Struktur als Relativsatz vorgegebene christozentrische Ausrichtung. 851 Die tragenden Verbformen καταντᾶν εἰς (V.13) bzw. αὔξειν εἰς (V.15a; äquivalent dazu τὴν αὔξησιν ποιεῖν V.16) stimmen darin überein, dass sie jeweils einen Entwicklungsprozess, den die als Subjekt fungierende Wir-Gruppe durchläuft, in den Blick rücken und mit einer Ziel-/
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sie den Aussageschwerpunkt jeweils unterschiedlich. So lässt sich, unter Aufnahme der oben vorgenommenen Differenzierungen hinsichtlich der Konzeptualisierung des νῦν im Epheserbrief, der μέχρι-Satz in 4,13 der prospektiv orientierten Aussagelinie zuordnen: Die drei gleichrangigen εἰς-Wendungen fokussieren auf den Endzustand des durch καταντᾶν angezeigten Entwicklungsprozesses, den die Wir-Gruppe auf der Ebene des νῦν im Zuge der Erbauung des Christusleibes (V.13) durchläuft. Es geht demnach in V.13 um das Gegenüber von Jetzt und dereinstiger Vollendung. Demgegenüber lässt der ἵνα-Satz ab V.14 eine resultativ-präsentische Orientierung erkennen; von maßgeblicher Bedeutung ist hierfür der im μηκέτι angezeigte implizite Rekurs auf das Einst-Jetzt-Schema, der den ποτέ-Zustand als kontrastive Hintergrundfolie aufruft. Der ἵνα-Satz thematisiert somit wesentlich das Verhältnis zwischen Einst und Jetzt unter dem Gesichtspunkt der soteriologischen Wende. Entsprechend ist V.14.15a tatsächlich gedanklich eng an die Beleuchtung der soteriologischen Wende in V.11f. anzuschließen852, während V.13 im Grunde bereits darüber hinausweist: Das Gabegeschehen zielt auf die Initiierung des Erbauungsprozesses (V.11f.), der sich in der in V.14–16 geschilderten Weise vollzieht und auf einen Zielzustand hinführt, der in V.13 benannt wird. Demgemäß soll nachfolgend – abweichend von der Textanordnung – mit der Betrachtung des ἵνα-Satzes eingesetzt werden.
VI.5.1
Resultativ-präsentische Perspektivierungen (Eph 4,15f.; 5,11–14; 5,21–6,9)
VI.5.1.1 Eph 4,15f. Der für die resultativ-präsentische Aussagelinie insgesamt charakteristische Rückbezug auf das Einst als kontrastive Hintergrundfolie ist mit Eph 4,14 gegeben. Entsprechend konnte der Vers bereits oben im Zuge der ποτέ-Analyse behandelt werden. Im Folgenden kann sich somit auf V.15f. konzentriert werden. || Richtungsangabe versehen, die aufs engste mit Christus in Verbindung steht. Mit dem betonten οἱ πάντες in V.13 korrespondiert, dass in V.16 hervorgehoben wird, dass die Erbauung des Leibes das Werk des gesamten Leibes (πᾶν τὸ σῶμα) in sämtlichen seiner Einzelteile ist. Womöglich liegt auch bereits der Ausdruck τὰ πάντα in V.15a auf dieser – dann auf die WirGruppe bezogenen – Linie; vgl. dazu im Folgenden. Auf semantischer Ebene stellen sich die Motive des ἀνὴρ τέλειος sowie des μέτρον ἡλικίας einerseits als Oppositionen zu νήπιος in V.14 dar; andererseits stehen sie in Nähe zur somatischen Begrifflichkeit in V.15f. Von Eph 4,3f. her ist zudem das Motiv der ἑνότης (V.13a) mit dem Gedanken des ‚einen Leibs‘ verbunden. 852 Mit Gnilka, Eph, 216.
Querschnitt III: Das νῦν | 331
Die auf der Ebene des νῦν statthabende Erbauung des Christusleibes wird hier als ein Wachstumsvorgang (αὔξειν V.15a bzw. τὴν αὔξησιν ποιεῖν V.16) beschrieben. Der grundlegenden Erläuterung dieses Wachsens dient die betont – vgl. das eingeschobene δέ – vorangestellte modale Partizipialbestimmung ἀληθεύοντες … ἐν ἀγάπῃ (V.15ainit.).853 Zumal von den bereits oben aufgezeigten Akzentsetzungen innerhalb der Paraklese ab 4,1 her ist ἀληθεύειν dabei durchaus transparent für den Wortsinn, der auf eine bestimmte, nämlich die Wahrheit zur Geltung bringende Form verbalsprachlichen Handelns abhebt (vgl. 4,25). Gleichermaßen deutet sich aber eine darüber hinausgehende, auf den Lebenswandel überhaupt bezogene und also grundsätzliche Bedeutung verbalsprachlicher Vollzüge im Gesamtzusammenhang des Schreibens bereits darin an, dass das für den Lebenswandel schlechterdings konstitutive pneumatische ‚Empowerment‘ sich im verbalsprachlich geäußerten Gotteslob vollzieht (5,18b– 20). Ein solch grundsätzlicher Charakter von ἀληθεύειν bestätigt sich schließlich ferner darin, dass das Evangelium als Induktionsmoment der Heilsteilhabe selbst als „Wort der Wahrheit“ eingeführt wird (1,13; vgl. 4,21), so dass sich ἀληθεύειν als summarischer Oberbegriff für den am Evangelium als ,Wahrheitswort‘ orientierten Lebenswandel geradezu nahelegt.854 Dies wird unterstrichen durch den beigefügten Ausdruck ἐν ἀγάπῃ, der doch bereits gemäß 1,4 im Epheserbrief als ähnlich grundsätzliche Qualifizierung des bestimmungsgemäßen Selbstvollzugs dient (vgl. 5,2). Mit diesen Überlegungen ist angedeutet, dass in der Bestimmung, die dem Wachstumsprozess in V.15a gegeben wird, der Entsprechungscharakter, der den Selbstvollzug der Wir-Gruppe auf der Ebene des νῦν von Grund auf prägt, aufgerufen wird: Der Lebenswandel ist Hineinnahme in die göttliche Wahrheitsund Liebesdynamik; in seiner Verstetigung und Intensivierung vollzieht sich folglich das Wachstum des Christusleibes, wobei die Richtungsangabe εἰς αὐτόν auch als Nachhall des auf Gott wie Christus gleichermaßen bezogenen Mimesisund Urbildaspektes (καθὼς καί) aufgefasst werden kann. Markant ist nun, dass die individuellen Gnadengaben, die den Einzelnen als Gliedern des Christusleibes gewährt werden (V.7), in der Aufnahme dieses Motivs in V.16 – anders als in den Charismenlisten in Röm 12; I Kor 12 – nicht näher erläutert werden, obgleich ihnen hier offenbar eine elementare Funktion für den Vollzug des Wachstums zugesprochen wird. Dies aber rückt jene Gna-
|| 853 „In Liebe“ ist mit dem Partizip zu verbinden, geht sachlich freilich zugleich mit dem Wachstumsaspekt zusammen; vgl. V.16. 854 Vgl. Schlier, Eph, 205.
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dengaben wesentlich als Befähigung zu einem Lebenswandel, wie er in V.15a benannt wird, in den Blick.855 Die vorstehenden Überlegungen sind von zwei bislang implizit verbliebenen Grundannahmen ausgegangen: Zum einen ist dies ein intransitives Verständnis von αὔξειν in V.15856, zum anderen die Referenzidentität der beiden Belege für σῶμα in V.16. Beide Annahmen entsprechen zwar der mehrheitlich vertretenen Forschungsmeinung. Gleichwohl wird insbesondere im Blick auf den erstgenannten Aspekt bisweilen ein anderes Deutungsmuster vertreten. Insofern die betreffende Diskussion konzeptionelle Grundfragen des Gründungsnarrativs wie des Epheserbriefs überhaupt berührt, ist sie an dieser Stelle zu erörtern. Dies kann maßgeblich im Anschluss an Heinrich Schlier erfolgen, der als profilierter Vertreter des angedeuteten alternativen Deutungsansatzes gelten darf.857 Ausgangspunkt ist die Frage nach dem Verständnis des Ausdrucks τὰ πάντα in V.15afin. Schlier zufolge ist dieser eben nicht als adverbieller Akkusativ der Beziehung aufzufassen, so dass τὰ πάντα mit ‚in jeder Hinsicht‘ o.ä. wiederzugeben wäre.858 Vielmehr beziehe sich der Ausdruck im Einklang mit dem (nicht nur) im Epheserbrief begegnenden formelhaften Sprachgebrauch auf das All bzw. „das Gesamte der Welt“.859 Folglich fungiere τὰ πάντα als Objektsakkusativ, der dem dann transitiv aufzufassenden αὔξειν zuzuordnen sei.860 „Der ganze Ausdruck“ meine mithin „soviel wie: das All wachsen lassen zu ihm hin, der da ist das Haupt, Christus“.861 Dieses Textverständnis verlagert den Akzent auf den extensiven Aspekt des Wachstums der ἐκκλησία als des Christusleibes; eben hierin sieht Schlier den spezifischen gedanklichen Fortschritt in 4,15a gegenüber dem Vorangehenden.862 Diese Spur bringt Schlier, wenn auch deut|| 855 Hinsichtlich der in Eph 4,11 genannten Gruppen wird man ihren besonderen Verkündigungs- und Lehrauftrag bzw. dessen tatsächliche Ausübung als eine spezifische Ausprägung jenes ἀληθεύειν ἐν ἀγάπῃ aufzufassen haben (vgl. das Motiv der ‚Wahrheit‘ in 1,13 sowie 4,21). Dies spricht im Übrigen dafür, sie mit den V.16 genannten Verbindungselementen zu assoziieren. 856 So auch Bauer, Wörterbuch, s.v. 857 Zum Nachfolgenden vgl. Schlier, Eph, 205–207. 858 Vgl. BDR § 160,1. 859 Schlier, Eph, 206 unter Verweis auf Eph 1,10.11.23; 3,9; 4,10 sowie Kol 1,16.17.18.19.20; I Kor 8,6; 15,27.28; Phil 3,21; I Tim 6,13. 860 Vgl. I Kor 3,6f.; II Kor 9,10. Dies entspricht dem älteren Gebrauch des Aktivs; vgl. Bauer, Wörterbuch, s.v. 861 Schlier, Eph, 206. 862 Schlier, Eph, 206f. unterscheidet dabei zwei aus dem Gesamtzusammenhang des Epheserbriefes – wobei Schlier auch Kol 1,20 explizit hinzuzieht – zumindest erschließbare Weisen,
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lich zurückhaltender, im Weiteren auch für V.16 in Anschlag, wenn er die dortige Doppelung des σῶμα-Begriffs als Hinweis auf zwei unterschiedliche Verwendungsweisen desselben wertet: So sei der Ausdruck πᾶν τὸ σῶμα zwar auf „die Kirche, den Leib Christi von V.12“, zu beziehen, die Wendung τὴν αὔξησιν τοῦ σώματος gehe hingegen womöglich auf „den Weltleib […], den sie, die Kirche, im Aufbau ihrer selbst zu Christus hinwachsen“ lasse.863 Steht dieser Deutung von V.16 entgegen, dass eine solche Verschiebung der Referenz des σῶμα-Begriffs durch nichts angezeigt ist und daher zumal angesichts dessen prononcierter, exklusiv auf die ἐκκλησία bezogenen Einführung in Eph 1,23 als unwahrscheinlich zu gelten hat864, so weist Schliers Deutung von τὰ πάντα in V.15 einige durchaus gewichtige Konvergenzen mit Ergebnissen der bisherigen Analyse auf. So ist in der Tat zu berücksichtigen, dass τὰ πάντα in 1,10 als Bezeichnung eines für das Gründungsnarrativ zentralen Referenzträgers eingeführt wurde; ebendiese Verwendungsweise wurde in 4,10 und also im direkten Mikrokontext von 4,7–16 aktualisiert. Infolge von 1,22f. steht zudem die κεφαλή-σῶμα-Motivik, die in 4,15f. rekurriert, in einer Relation zum referenzträgerbezogenen Gebrauch von (τὰ) πάντα. Gleichwohl ergeben sich Bedenken gegenüber der Deutung Schliers. So legt insbesondere die mutmaßliche Äquivalenz zwischen αὔξειν (V.15a) und τὴν αὔξησιν ποιεῖν (V.16) nahe, dass auch ersteres Verb auf das Wachstum der als Subjekt fungierenden Größe zu beziehen ist. Eine solche Referenzidentität zwischen Wir-Gruppe und τὰ πάντα ist jedoch nicht anzunehmen. Dann aber legen sich ein intransitives Verständnis des Verbs sowie für τὰ πάντα in V.15 eben
|| nach denen sich die in der „Erbauung der Kirche“ solchermaßen stets mitgesetzte „Erbauung des Alls“ vollziehe: So würden zum einen „die Menschen und die ihnen anvertraute Welt […] in seinem [sc. Christi] Leib in das Pleroma hineingezogen“, so dass sie „nun als in seinem Pleroma wiederum andere hineinziehen“; dies steht dem oben angesprochenen Aspekt eines extensiven Wachstums nahe. Davon unterscheidet Schlier indes, zum anderen, das Geschick der ‚Mächte‘, die nämlich im Zuge der Allerbauung „in der Ohnmacht ihrer Bindung durch Christus gehalten werden und ihm unterworfen bleiben bis zu ihrer Vernichtung, 1 Kor 15, 24 ff.“. Einer „der Versöhnung [vgl. ἀποκαταλλάξαι Kol 1,20] der Menschen analoge[n] Versöhnung der Mächte“ (a.a.O., 207 Anm. 1) steht Schlier mithin reserviert gegenüber. 863 Schlier, Eph, 209. 864 Die Wiederholung des Begriffs mag dann tatsächlich auf „die weite Entfernung des Subjekts vom Objekt des Verbs“, auf die auch Schlier, Eph, 208 selbst hinweist, zurückzuführen sein; der Gebrauch eines Personalpronomens hätte an dieser Stelle womöglich eine Ambivalenz zur Folge, die – im Unterschied zum schillernden Bezug des Personalpronomens an manch anderer Stelle (vgl. etwa zur Analyse von Eph 1,3–14) – auf diese Weise vermieden wird. Auch Steinmetz, Heils-Zuversicht, 120f., der sich Schliers Deutung von V.15 anschließt, folgt dem Vorschlag Schliers zum Verständnis von V.16 nicht.
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doch eine adverbielle Deutung nahe. Einer solchen entspricht zudem, dass nach Maßgabe von 2,20–22 – wie überhaupt der Profilierung der fiktiven Adressaten im Epheserbrief – gerade auch der Aspekt des intensiven Wachstums im Gründungsnarrativ verankert ist. Demgegenüber ist das gegen den Deutungsansatz Schliers fernerhin vorgebrachte Argument, ein „aktiver Einfluss der Kirche auf das All“ werde „ihr sonst nicht zugesprochen“865, nur unter Vorbehalt anzuführen. Denn einerseits wird damit zwar in der Tat auf einen zentralen Grundgedanken des Schreibens hingewiesen, der insbesondere in Eph 1,10.22f.; 3,9f.; 4,10 zur Geltung kommt: Als Subjekt des heilsrelevanten Handelns an τὰ πάντα gilt offenbar allein Gott bzw. Christus; die ἐκκλησία wird allenfalls mittelbar in dieses einbezogen (3,10). Andererseits ist zu fragen, ob nicht gerade diese mittelbare Rolle der ekklesialen Wir-Gruppe im zweiten Hauptteil des Schreibens in einer Weise profiliert wird, welche die Wir-Gruppe stärker als aktive (wenn auch keinesfalls eigenständige) Aktantin im Zusammenhang der extensiven Durchdringung des Kosmos durch den Erhöhten in den Blick rückt. Dies deutet sich bereits in Eph 4,7–16 an; einschlägig für diese Frage ist im Weiteren aber der Passus 5,11–14, auf den daher eigens eingegangen werden soll. VI.5.1.2 Eph 5,11–14 Der Passus steht im Kontext des parakletischen Großabschnitts Eph 4,25–5,20 und beschließt dort den Unterabschnitt 5,3–14, der an das programmatische ‚Scharnier‘ 4,32–5,2 angedockt ist.866 Für den vorliegenden Zusammenhang ist die Beobachtung zentral, dass in 5,3–14 die Verschränkung von diachronem und synchronem Aspekt des ποτέ/νῦν-Gegensatzes in besonderer Weise zur Geltung gebracht wird. Denn was sich auf der Ebene der Biographie der fiktiven Adressaten als ein Nacheinander darstellt – hier hat der Zustand des νῦν jenen des ποτέ prinzipiell überwunden –, bedingt für die Gegenwart der (fiktiven) Kommunikationssituation ja die (Gleichzeitigkeit von Einst und Jetzt in Gestalt der) dichotome(n) Unterscheidung zweier Menschheitsgruppen, deren eine – nämlich die υἱοὶ τῆς ἀπειθείας (5,6b; vgl. 2,2) – (noch) dem ποτέ-Zustand verhaftet ist und somit als Gegenüber der Wir-Gruppe, der die fiktiven Adressaten zugehören, in den Blick kommt. Dieses Gegenüber wird in 5,8 auf den kategorialen Gegensatz von Licht und Finsternis zugespitzt, der sich auf der Ebene des Lebenswandels manifestiert.
|| 865 Schnackenburg, Eph, 191. 866 Zum Aufbau des zweiten Hauptteils des Epheserbriefs siehe VI.2.1.
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Bereits oben (VI.3.2) wurde nun darauf hingewiesen, dass die für den zweiten Hauptteil des Epheserbriefes charakteristische Betonung der synchronen Dimension des Gegensatzes von Einst und Jetzt mit einer Fluidisierung der Grenze zwischen den beiden Gruppen einhergeht; die „Ungehorsamssöhne“ erscheinen als alternatives Assoziierungsangebot für die fiktiven Adressaten. Die existenzbestimmende Bedeutung des Lebenswandels bedingt dabei, dass dieser gleichsam das Einfallstor darstellt, durch das man erneut in die Fänge der widergöttlichen Mächte (die hinter den „Ungehorsamssöhnen“ stehen) zu geraten droht. Insofern ist es nur konsequent, dass die in 5,7 personal akzentuierte Mahnung zur Abgrenzung von den „Ungehorsamssöhnen“ in 5,11a explizit überführt werden kann in die Aufforderung zur Abgrenzung von den ἔργα, die den Lebenswandel im Bereich des σκότος und also des ποτέ charakterisieren.867 Der σκότος-Begriff in V.11a ist dabei schon angesichts der personalisierenden Verwendung der Licht/Finsternis-Semantik in 5,8 durchsichtig auf die personalen Instanzen, in denen sich die Finsternis repräsentiert und die somit zugleich als Urheber jener ‚unfruchtbaren Werke‘ zu gelten haben.868 Vom Textzusammenhang her sind dies zunächst die in V.6 genannten „Ungehorsamssöhne“; hinter ihnen stehen indes letztlich die (widergöttlichen) himmlischen Mächte und Gewalten, die ihren kosmischen Einfluss geltend machen (vgl. 4,18a; 6,12). Die Koppelung an die unmittelbar vorangehenden Ausführungen ist auch in weiterer Hinsicht bedeutsam für das Verständnis von V.11a, der das Sprungbrett für V.11b–14 darstellt. Gemäß V.10 umfasst der den fiktiven Adressaten als τέκνα φωτός aufgetragene Lebenswandel (περιπατεῖν; V.8c) nämlich bestimmte von ihnen vorzunehmende ‚Sondierungsprozesse‘ im Sinne des Prüfens, wie sich der dem κύριος gefällige Lebenswandel konkret zu realisieren hat (vgl. 5,17b). Die daran in V.11a mittels καί angeschlossene Aufforderung zur Abstinenz von den unfruchtbaren Werken kommt somit auf der Grundlage jenes δοκιμάζειν aus V.10 zu stehen. Dann aber scheint es denkbar, dass ebendieses δοκιμάζειν dazu verhilft, die unfruchtbaren Werke als solche zu identifizieren, so dass sie in der Folge tatsächlich vermieden werden können. Von besonderem Interesse für den vorliegenden Zusammenhang ist nun die Fortsetzung V.11b: Der im Vorangehenden bis in V.11a hinein dominierende,
|| 867 Die personale Gemeinschaft ist eine solche im Lebenswandel, insofern ist συγκοινωνεῖν transparent für diese Dimension; mit Best, Eph, 492 gegen Sellin, Eph, 404 Anm. 88. 868 Zur unlöslichen Verbundenheit von Werk und Urheber vgl. auch die personalisierende Übernahme der Begriffe πορνεία, ἀκαθαρσία und πλεονεξία aus Eph 5,3a in 5,5 (πόρνος, ἀκάθαρος, πλεονέκτης).
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von Negativbestimmungen geprägte prohibitive Impuls zur radikalen Abgrenzung vom Bereich des ποτέ/σκότος wird hier ergänzt durch eine positive Formulierung, die das Verhältnis noch einmal auf andere Weise bestimmt. Denn die subjektgleiche καὶ μή / μᾶλλον δέ-Struktur in V.11 legt nahe, dass bei dem von den Adressaten geforderten ἐλέγχειν, das schon ausweislich von V.13 transitiv zu fassen ist, der Ausdruck τὰ ἔργα ἄκαρπα τοῦ σκότους aus V.11a als Objekt zu ergänzen ist. Mit V.11b wird demnach eine weitere Umgangsweise mit den „Werken der Finsternis“ ins Spiel gebracht869; das steigernde870 καί bei ἐλέγχετε deutet an, dass dieses nicht einfach als positives Äquivalent zur Untersagung des συγκοινωνεῖν (V.11a) aufzufassen ist. Vielmehr soll sich offenbar nicht mit dem Nicht-Anteilhaben als solchem begnügt, sondern dieses durch den Aspekt des ἐλέγχειν ergänzt werden: „Und nehmt nicht teil an den fruchtlosen Werken der Finsternis, sondern vielmehr: überführt (sie) sogar!“871 Die Interpretation dieses den fiktiven Adressaten aufgetragenen ἐλέγχειν bereitet Schwierigkeiten. Auch die an V.11b angeschlossene Erläuterung in V.12–14 trägt eher wenig zur Klarheit bei, im Gegenteil lassen diese „zu den rätselhaftesten des ganzen Briefes“872 gehörenden Verse das Gesamtbild nur umso schillernder erscheinen. Um in die nähere Diskussion einzusteigen, sind der Orientierung halber die beiden grundlegenden Deutungsschienen zu benennen, die sich in der Forschungsdiskussion ausmachen lassen. Sie divergieren insbesondere hinsichtlich der Frage, in welchem Setting das ἐλέγχειν zu situieren ist. In ihrem Nebeneinander kehrt erneut die oben genannte Alternative von extensivem und intensivem Verständnis des ekklesialen Wachstums wieder. Beiden Schienen gemeinsam ist der Rückbezug auf spezifische Verwendungsweisen von ἐλέγχειν im Neuen Testament. Dem extensiven Deutungsmuster zufolge, wie es in einer besonders konsequenten Weise wiederum bei Heinrich Schlier greifbar wird, ist der Passus 5,11b–14 letztlich auf den Vorgang der Inklusion von ‚Ungehorsamssöhnen‘ in die Heilsgemeinschaft zu beziehen: Unter Rekurs auf I Kor 14,24f. beschreibt Schlier das ἐλέγχειν, das er mit ‚überführen‘ wiedergibt, als ein drei Aspekte umfassendes Geschehen, das letztlich darauf ziele, Außenstehende „zur Anerkennung Gottes hinüber[zu]führen oder [zu] ‚bekehren‘“.873 Im Blick ist somit || 869 Als tatsächliches Handlungsobjekt in V.11b kommen die ἔργα als solche oder aber ihre mit τὸ σκότος von V.8a her mutmaßlich implizit genannten personalen Urheber gleichermaßen in Betracht. 870 So mit Haupt, Eph, 200 Anm. 2. 871 Zu dieser Übersetzung vgl. auch Sellin, Eph, 390.404. 872 Gnilka, Eph, 256. 873 Vgl. Schlier, Eph, 239.
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ein personaler Anschluss an die Gemeinschaft der Christusglaubenden. Der ekklesialen Wir-Gruppe kommt diesem Ansatz zufolge durch den ihr aufgetragenen Akt des ἐλέγχειν somit eine aktive Rolle im Prozess des extensivquantitativen Wachstums der Heilsgemeinschaft und also der Ausdehnung des Heilsbereichs in die weitere Menschenwelt hinein zu. Demgegenüber wird von Joachim Gnilka in profilierter Weise die Ansicht vertreten, mit ἐλέγχειν werde auf die „correctio fraterna“ im Binnenraum der Heilsgemeinschaft abgehoben.874 Die Notwendigkeit hierzu ergibt sich nach Gnilka daraus, dass die „Sünde“ nach wie vor in die Gemeinde einbricht. Entsprechend geht es darum, diese in die Gemeinde eingebrochene Sünde in der innergemeindlichen Zurechtweisung aufzudecken und zu überwinden. Damit aber zielt dieses Geschehen auf die „Vervollkommnung der Gemeinde“875, auf die Re-Integration des internen Personenkreises. Dies aber entspricht letztlich dem Gedanken eines intensiven Wachstums des Christusleibes. Beide Deutungsmuster gehen zumindest in der Beschreibung der grundlegenden Stoßrichtung überein, die dem Akt des ἐλέγχειν in Eph 5,11b vor dem Hintergrund von V.12–14 beizumessen ist: So wird damit gerechnet, dass jenes ἐλέγχειν wesentlich mit der Hineinnahme einer Größe, die dem Bereich der Finsternis zugehört, in den Licht-/Lebens- und also den Machtbereich Gottes/ Christi in Zusammenhang steht. Diese Auffassung ist plausibel, besteht die Grunddynamik des Abschnitts doch wesentlich darin, dass der Vorgang des ἐλέγχεσθαι in V.12–14 mit einem φανεροῦσθαι des nämlichen Objekts in Verbindung gebracht wird, wobei nicht nur die zentrale Rolle in diesem Geschehen dem Licht zugeschrieben wird (V.13), sondern das solchermaßen Offengelegte (τὸ φανερούμενον) sogar selbst als Licht prädiziert wird (V.14a). Da nun aber mit dem Licht gemäß V.8 der Existenzbereich der Heilsgemeinschaft im Blick ist876, scheint der Akt des ἐλέγχειν
|| 874 Vgl. Gnilka, Eph, 255f., dem zufolge der Imperativ bei ἐλέγχειν im Neuen Testament „regelmäßig die Weisung enthält, den Sünder in der Gemeinde zurechtzuweisen bzw. zu überführen“. Unter den Belegstellen führt er nicht zuletzt Mt 18,15–17 an und verweist für diese binnenorientierte Ausrichtung gleichermaßen auf 1QS 5,24–6,1 sowie Did 15,3. In diese Richtung auch Büchsel, „ἐλέγχω κτλ.“, 471f. (der Eph 5,11 neben Mt 18,15 stellt und beide im „private[n] Umgang zwischen Zweien“ situiert im Sinne von: „jem[andem] seine Sünde vorhalten und ihn zur Umkehr auffordern“). 875 Gnilka, Eph, 258. 876 Dem entspricht nur, dass das markierte Zitat in V.14 Christus selbst als ‚Lichtgestirn‘ für die von den Toten Auferstandenen darstellt. Der dabei angedeutete Gegensatz von Tod und Leben entspricht dem von Finsternis und Licht.
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tatsächlich auf die transformierende ‚Einverleibung‘ einer der Finsternis zugehörigen Größe in den Lichtbereich hinauszulaufen.877 Bedeutsam für das weitere Verständnis ist nun die Rekonstruktion des Argumentationsganges in V.12–14 (γάρ - δέ - γάρ - διό).878 Ja, die Plausibilität einer Gesamtdeutung der Verse hängt nicht zuletzt an der Frage, inwiefern sie das gebotene Bild auf kohärente Weise zu erschließen vermag. Zunächst deutete sich oben bereits an: Der mikrokontextuelle Zusammenhang mit dem Vorangehenden legt es kaum nahe, dass es Glieder der Wir-Gruppe sind, die in V.11a als Urheber der „Werke der Finsternis“ in den Blick kommen. Denn V.10 setzt insgesamt voraus, dass die fiktiven Adressaten, darin repräsentativ für die WirGruppe überhaupt, dazu befähigt sind, diese Werke zu erkennen und zu vermeiden; Unzulänglichkeiten innerhalb der Wir-Gruppe sind hier nicht angedeutet. Vor dem Hintergrund dieser Arbeitshypothese ist sich V.11b bzw. dem Begriff ἐλέγχειν zuzuwenden, dem kritische Bedeutung für die Interpretation zukommt. In seiner begriffsgeschichtlichen Untersuchung hat Troels EngbergPedersen die klassische Kernbedeutung von ἐλέγχειν, auf der diverse kontextuelle Färbungen aufbauen, in hilfreicher Weise paraphrasiert als „confronting somebody or something with the aim of showing him or it to be, in some determinate respect, at fault“.879 Demnach meint ἐλέγχειν: Ein bestimmter Sachverhalt wird nicht einfach ‚stehengelassen‘, sondern vielmehr seine sich durch Heranziehung bestimmter Bemessungsstandards erweisende Inakzeptabilität demonstriert. Diese Grundbestimmung ist in struktureller Hinsicht erhellend für Eph 5,11. So wird zunächst deutlich, dass ἐλέγχειν wesentlich als ein soziales Interaktionsgeschehen aufgefasst werden kann. Diese Komponente ist daher auch für || 877 Zu den exegetischen Schwierigkeiten zählt indes zum einen die Frage, inwieweit die in V.11a.12.13.14a konsequent im Neutrum gehaltenen Bezeichnungen für jene ‚der Finsternis zugehörigen Größe‘ ein personalisierendes Verständnis, wie es sowohl bei Schlier wie Gnilka – wenn auch in jeweils etwas unterschiedlichem Maße – vorausgesetzt wird, erlaubt. Bereits im Vorangehenden wurde jedoch darauf hingewiesen, dass in mikrokontextueller Hinsicht nicht nur die Licht/Finsternis-Semantik personal aufgeladen ist, sondern infolge der existenzbestimmenden Bedeutung des Lebenswandels auch zwischen Person und Werk ein enger Verweiszusammenhang besteht. Das Zitat ab V.14c wechselt denn auch zu einer personalisierenden Redeweise; der Schritt vom Todeszustand und also aus der Finsternis in den Lichtbereich wird hier personal verstanden. Somit gilt es das Nebeneinander von neutrischem und personalisierendem Duktus zwar ernstzunehmen, eine personale Dimension der neutrischen Formulierungen ist jedoch nicht auszuschließen. 878 Darauf weist Engberg-Pedersen, „Ephesians 5,12–13“, 91f. zu Recht hin. 879 Engberg-Pedersen, „Ephesians 5,12–13“, 97.
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Eph 5,11 zu veranschlagen. Da nun aufgrund der oben genannten Eigenart der in V.11b aus V.11a zu übernehmenden Objektbestimmung mit den anzuprangernden ἔργα mindestens indirekt deren nicht der Wir-Gruppe zuzurechnende Urheber im Blick sind, handelt es sich bei ἐλέγχειν offenbar um eine Form der Interaktion der Wir-Gruppe mit den personalen Repräsentanten der Finsternis, und zwar unter dem Gesichtspunkt der demonstrativen Evaluierung ihres sich in bestimmten ἔργα konkretisierenden Lebenswandels. Als Maßstab, anhand dessen jene ἔργα sich als defizitär/fruchtlos erweisen, legt sich von V.8–10 her das Licht nahe, an dem die fiktiven Adressaten als Repräsentanten der Wir-Gruppe partizipieren und das eben dazu verhilft, zu prüfen, was ,dem Herrn angemessen‘ ist. Mit der Aufforderung zum ἐλέγχειν in V.11b wird nun aber der naheliegende und tatsächlich gebotene (V.11a) Impuls zur konsequenten Meidung jener Werke präzisiert: Diese sollen eben nicht zwar intern vermieden, ansonsten aber einfach ignoriert werden. Vielmehr soll ihre Verfehltheit (auch ihnen selbst) vor Augen geführt werden; eben hierin besteht ja das Proprium von V.11b gegenüber dem Vorangehenden. Demnach ist das Forum, vor dem sich das ἐλέγχειν vollzieht, nicht der Binnenraum der ἐκκλησία, sondern eine die Grenzen der Wir-Gruppe transzendierende Öffentlichkeit. Das in Eph 5,11b angedeutete Interaktionsszenario entspricht damit strukturell den in 2,7; 3,10 formulierten Bestimmungen880: Das ἐλέγχειν tritt in Parallele zum Motiv der öffentlichen Demonstration des der WirGruppe zuteil gewordenen göttlichen Gnadenerweises (2,7) bzw. der Kundgabe der göttlichen Weisheit an die kosmischen Mächte διὰ τῆς ἐκκλησίας (3,10). Insbesondere der Zusammenhang mit 3,10 zeigt dabei an, dass der Bezugspunkt des ἐλέγχειν letztinstanzlich die kosmischen Mächte und Gewalten als die für den Bereich des σκότος überhaupt maßgeblichen Wirkinstanzen sind. Folgerichtig kann die Interaktion, in der sich die Wir-Gruppe auf der Ebene des νῦν mit ihrer Außenwelt befindet, in 6,12 als konfrontative Auseinandersetzung gerade mit ebenjenen Mächten und Gewalten dargestellt werden. Die konkrete Vollzugsweise des ἐλέγχειν wird in 5,11 wie auch V.13 freilich nicht näher bestimmt; vom mikro- wie makrokontextuellen Zusammenhang her wird jedoch zunächst an den bestimmungsgemäßen Lebenswandel der WirGruppe als τέκνα φωτός zu denken sein. Das konsequente περιπατεῖν der Lichtkinder geht somit einher mit einer Abhebung von dem umgebenden σκότος, die dazu angetan ist, der Finsternis ihr So-Sein und also ihre Verlorenheit aufzu-
|| 880 Diese makrokontextuellen Verbindungslinien sprechen somit gegen die von Gnilka vertretene ‚binnenorientierte‘ Deutung, wonach die parakletische Argumentation „in die Gemeinde hinein, nicht aus ihr hinaus“führe (Gnilka, Eph, 255).
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weisen. Als ‚Kontrastgemeinschaft‘ fungiert die ekklesiale Wir-Gruppe damit zugleich als ‚Kontrastmittel‘. Und doch scheint mit dem ἐλέγχειν offenbar noch mehr angedeutet als der Gedanke eines sich durch Vermeiden der Werke der Finsternis auszeichnenden Lebenswandels, der schon als solcher dazu angetan wäre, nach außen hin auszustrahlen – nämlich eine Form der aktiven Auseinandersetzung eben mit jenen Werken, geradezu das gezielte Suchen der Konfrontation. Damit aber wird sich vom Gehalt der vorangehenden Ausführungen im Epheserbrief her auf eine Gratwanderung begeben. Denn zumal gemäß 4,27 muss jegliches aktive Sich-Befassen doch zumindest unter dem Verdacht stehen, dem διάβολος ‚Raum zu geben‘ inmitten der Heilsgemeinschaft, zumal die Mahnung zur diesbezüglichen Abgrenzung durch 5,3f. (μηδὲ ὀνομαζέσθω) unmittelbar zuvor sogar noch einmal verschärft wurde. Von daher verwundert es nicht, dass die Aufforderung V.11b nicht unkommentiert gelassen wird – ebendies ist der Ansatzpunkt für V.12. Der vorangestellte Objektausdruck τὰ κρυφῇ γινόμενα ist als Substitution für die unfruchtbaren Werke aus V.11 anzusehen.881 Die Urheberangabe ὑπ’ αὐτῶν in V.12 tritt damit in Parallele zur Genitivbestimmung τοῦ σκότους in V.11a, die dort eine ähnliche Funktion ausübt, insofern sie durchsichtig auf die personalen Urheber der Werke ist (s.o.). Dann aber ist das Personalpronomen in V.12 auf die personalen Repräsentanten des σκότος, die bereits in V.11 indirekt (metonymisch) im Blick sind, zu beziehen.882 Dass sie hier namentlich nicht näher bestimmt werden, lässt sich auf ihre oben angesprochene Mehrdeutigkeit zurückführen, umfassen jene personalen Instanzen doch wesentlich die zwar die in V.6 genannten „Ungehorsamssöhne“, gehen auf der Tiefenebene jedoch auf die kosmischen Mächte und Gewalten. Für das, was im Verborgenen auf Betreiben dieser Instanzen hin geschieht, gilt nun gemäß V.12, dass nicht statthaft (αἰσχρόν) sei, davon auch nur (steigerndes καί) zu sprechen.883 Mit dieser These wird offenbar an V.3f. angeschlossen – die in V.12 im Blick befindlichen Dinge fallen demnach an sich unter das
|| 881 Vgl. Gnilka, Eph, 256 Anm. 2 (im Anschluss an Schmid, Epheserbrief): „τὰ γινόμενα ist das, was getan wird.“ Das Motiv der Verborgenheit lässt sich in semantischer Hinsicht der Sinnlinie der Finsternis zuordnen. 882 ὑπ’ αὐτῶν kann dann mit Gnilka, Eph, 256 Anm. 3 als „constructio ad sensum“ verstanden werden. 883 Vgl. das unter VI.3.2 zum ‚Machtcharakter‘ des Wortes Gesagte.
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in V.3f. formulierte Verdikt, das hiermit zugleich bekräftigt wird.884 Dieser Bekräftigung eignet somit ein tendenziell konzessiver Charakter885, der jedoch nicht notwendig dem begründenden γάρ als solchem zugeschrieben werden muss. Das γάρ kann vielmehr als Einleitung der mit V.12 einsetzenden, auf V.11 bezogenen Argumentation in V.12–14 insgesamt aufgefasst werden. V.12 lässt sich demnach wie folgt paraphrasieren: „Denn (in der Tat): Was im Verborgenen von ihnen geschieht, ist schändlich auch nur auszusprechen.“ Markiert wird mit V.11b also, dass nicht hinter den zuvor formulierten Standpunkt zurückgewichen wird; die fruchtlosen Werke bleiben an sich radikal abzulehnen, jegliche Aneignung ist zu vermeiden. Diesem ‚Axiom‘ wird jedoch mit V.13 eine These entgegengestellt. Diese besagt im Kern, dass die durch das ἐλέγχειν hergestellte Form des Kontakts mit dem σκότος eben nicht dazu führt, dass dem διάβολος Raum gegeben wird. Im Gegenteil führt das ἐλέγχειν einer der Finsternis zugehörigen Größe gerade dazu, dass diese Größe der Macht der Finsternis entrissen wird und somit nicht mehr Vehikel derselben ist. Diese Deutung ist nachfolgend im Einzelnen nachzuzeichnen. Zunächst ist dabei vorausgesetzt, dass τὰ πάντα in V.13 auf die neutrischen Pluralgrößen aus V.11a.12 zu beziehen ist und also verallgemeinernd für die im Verborgenen geschehenden Werke der Finsternis steht. Das zugeordnete Partizip ἐλεγχόμενα ist demgegenüber in seiner Eigengewichtigkeit ernstzunehmen: Mit jenen Größen geschieht etwas, wenn sie überführt werden, nämlich dass sie φανερός gemacht, offengelegt und sichtbar werden (φανεροῦσθαι).886 Zu beachten ist die semantische Opposition, die durch das Gegenüber von ‚verborgen‘ (V.12) und ‚sichtbar‘ (V.13f.) erzeugt wird; sie knüpft an die grundlegende ποτέ/νῦν-Antithese an, die sich im Epheserbrief insbesondere mit jenen von Tod/Leben und eben Finsternis/Licht verbindet. φανεροῦσθαι kommt demnach – trotz der unterschiedlichen Wortart – auch die Funktion eines Kontrastbegriffes zu κρυφῇ zu und meint eben ,nicht (mehr) verborgen, sondern der Wahrnehmung zugänglich‘. Die Zuordnung der ὑπό-Wendung in diesem Zusammenhang ist umstritten. Für die Verbindung mit ἐλεγχόμενα könnte die sich dann ergebende Parallele
|| 884 Naheliegend ist dann der Gedanke, dass das in V.3f. Genannte mit dem „im Verborgenen Geschehenen“ gemeint ist. 885 Vgl. Schlier, Eph, 239. 886 Vgl. Bultmann/Lührmann, „φαίνω κτλ.“, 4: „Als verbum denominativum von φανερός […] auf -όω hat es [sc. das Verbum φανερόω, J.B.] kausative Bdtg Unsichtbares sichtbar, offenbar machen, […] das Pass bedeutet sichtbar werden, veröffentlicht werden“.
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zu V.12 sprechen (passivisches Partizip mit mittels ὑπό angeschlossener Urheberangabe), insbesondere aber die Einschätzung, dass das Licht tatsächlich als Bemessungsmaßstab für das ἐλέγχειν dient, wie die Adressaten das ἐλέγχειν ja überhaupt nur als ‚Kinder des Lichts‘ (V.8) vollziehen; es ist die Wirkmacht des Lichts, die sich in ihrem Handeln aktualisiert. Für die Verbindung mit φανεροῦται spricht hingegen besonders der durch V.14a angezeigte unmittelbare Zusammenhang zwischen φανεροῦσθαι und Licht. Die Ambiguität ist letztlich akzeptabel; es ist die Eigendynamik des Lichtbereichs, hinter der Christus selbst steht (V.14c), die hier zur Geltung kommt. Somit bietet es sich an, den Zusammenhang zwischen φανεροῦσθαι und Licht in V.13.14a als Hineinstellung in den Machtbereich des φῶς zu verstehen: V.14a ist wie V.8 als Prädikation aufzufassen, die auf die Eingebundenheit der betreffenden Größe in die Sphäre des φῶς verweist. Ebendiese Einbindung geschieht hinsichtlich der fruchtlosen Werke durch ihr ἐλέγχεσθαι durch die Repräsentanten der Lichtsphäre (die hierin natürlich nicht eigenmächtig handeln), insofern dieses bedeutet, dass jene Größe in ihrer Beschaffenheit offengelegt (und damit der Sphäre des Verborgenen entzogen) wird, und zwar ὑπὸ τοῦ φωτός. Damit aber verschafft sich zugleich der überlegene Machtcharakter des Lichts Geltung, bemächtigt sich des betreffenden Objekts; dieser Aspekt ist es, der durch V.14a verdeutlicht wird: Der φανερός-Bereich ist der Machtbereich des Lichts. Solchermaßen wird die zunächst der Finsternis zugehörige Größe im ἐλέγχειν-Geschehen der Autorität des σκότος entzogen. Dieser Gedanke lässt sich nun aber tatsächlich nach zwei Seiten hin wenden: Zum einen ergibt sich daraus für die Wir/Ihr-Gruppe als Subjekt in V.11, dass der durch das ἐλέγχειν hergestellte Kontakt mit den fruchtlosen Werken der Finsternis für sie selbst unbedenklich ist. Zum anderen wird aber die Grenze zwischen den beiden Bereichen als eine (auch) von der Finsternis in Richtung des Lichts durchlässige ausgewiesen, was Implikationen für die personalen Urheber dieser Werke haben kann. Dieser doppelten Stoßrichtung gemäß erscheint auch die 2.Sg. im Zitat V.14c–f als mehrdeutig: Auf die bereits der Heilsgemeinschaft Zugehörigen bezogen kann das Zitat als Versicherung fungieren, dass die eigene Existenz – und damit auch das aufgetragene ἐλέγχειν – sich tatsächlich unlöslich im ‚Ausstrahlungsbereich‘ Christi vollzieht; die Handlungsgemeinschaft mit Christus kommt zum Zuge. Auf die Urheber der ἔργα ἄκαρπα bezogen verweist das Zitat hingegen darauf, dass der rettend-transformierende Schritt von der Finsternis ins Licht eine bleibende Möglichkeit darstellt. Verbindungsglied zwischen bei-
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den Aspekten ist die Biographie der fiktiven Adressaten, insofern sie ebendiesen Schritt ja dereinst selbst vollzogen haben. Insgesamt deutet sich auf diese Weise an, dass auch ein solches Verständnis des Passus Eph 5,11–14, das nicht von einer streng binnenorientierten Stoßrichtung ausgeht, auf ein Ineinander von extensiver und intensiver Aussagedynamik hinausläuft. Es handelt sich hierbei mithin nicht um eine Alternative, sondern vielmehr stehen beide Aspekte in einem unlöslichen Wechselspiel und inneren Zusammenhang. Näherhin erweist gerade der Passus 5,11–14 das intensive Wachstum des Christusleibes als Voraussetzung seiner Extension bzw. ebendiese als Implikat des ersteren: Die (sukzessive) Vervollkommnung und Profilschärfung der Wir-Gruppe im Weltzusammenhang (intensiver Aspekt) macht sie zugleich zum immer wirksameren Kontrastmittel vor dem Forum des Kosmos im Sinne des ἐλέγχειν-Geschehens (extensiver Aspekt). Dabei wird innerhalb des Ensembles der auf die Interaktion zwischen Heilsgemeinschaft und Außenwelt bezogenen Aussagen im Epheserbrief durch 5,11b die aktive, offensive Rolle der Wir-Gruppe tatsächlich in besonderer Weise hervorgehoben. Jedoch bleibt auch hier deutlich, dass es letztlich die Wirkmacht des Lichts selbst ist, die sich hierbei Geltung verschafft. An keiner Stelle wird die ἐκκλησία mithin in eine Eigenmächtigkeit entlassen – aber sie gerät eben doch zur maßgeblichen Front im Widerstreit der pneumatischen Mächte (vgl. Eph 6,10–17). Tatsächlich kann der Aspekt des extensiven Wachstums im konzeptionellen Gesamtgefüge schon insofern nicht ausgeblendet werden, als er notwendiges Implikat der Universalität ist, die schon gemäß Eph 1,10 als Bezugsgrundlage der göttlichen Heilsökonomie überhaupt zu gelten hat und letztlich auch selbst unmittelbar theologisch begründet ist (4,6 etc.). Der Kosmos kann daher seiner Finsternis nicht überlassen werden, sondern die überschießende Gnade des πατὴρ πάντων zielt darauf, das All insgesamt hineinzunehmen in den Prozess der schöpferischen Neukonstituierung. Einem daraus etwaig ableitbaren Optimismus wird im Epheserbrief freilich keinesfalls uneingeschränkt Raum gegeben. Eine allzu enthusiastische Sicht der Dinge liefe dem pragmatischen Impetus des Schreibens im Gegenteil geradezu zuwider. Denn dieser richtet sich doch auf die Erschließung der eigenen Gegenwart als einer solchen, die von einem liminalen, zutiefst ambivalenten Charakter geprägt ist, von der Gleichzeitigkeit des an sich Ungleichzeitigen. Der Zustand ekklesialer und damit auch kosmischer Vollendung ist noch nicht erreicht, ja, der Zorn Gottes und der Ausschluss aus der Heilsgemeinschaft bleiben als eschatologisch-präsentische Optionen bestehen. Dies aber ist insofern nur folgerichtig, als die Heilsaneignung wie -teilhabe eben keine reine Passivi-
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tät auf Seiten der Schöpfung und ihrer Subjekte bedeuten, sondern die Befähigung zum adäquaten Selbstvollzug in der bestimmungsgemäßen Gottesrelation. Aus der beschriebenen Verschränkung von intensivem und extensivem Wachstum erhellt somit das eigentümliche Schillern der entsprechenden Aussagen im Epheserbrief: Der Fokus liegt in der Tat auf dem intensiven Wachstum und ist insofern binnenorientiert. Jedoch lässt sich jenes nicht ablösen von der extensiven Dynamik, die dadurch unaufhaltsam freigesetzt wird. Die durchgängige Ambiguität der betreffenden Aussagen kann von daher als durchaus intendiert angesehen werden. VI.5.1.3 Eph 5,21–6,9 In diesem Zusammenhang, der auf die Rolle und den Ort der Wir-Gruppe in der Welt fokussiert, bietet es sich an, zumindest einen Seitenblick auf die sog. Haustafel Eph 5,21–6,9 anzuschließen. Diese hebt sich – trotz der syntaktischen ‚Verschleifung‘, wie sie in der den drei Einzeltafeln 5,22–33; 6,1–4.5–9 vorangestellten Leitzeile Eph 5,21 vorliegt und die den Abschnitt 5,21–6,9 solchermaßen als integralen Bestandteil der partizipialen Erläuterung der Art und Weise, wie sich das πληροῦσθαι ἐν πνεύματι (5,18b) vollzieht (vgl. 5,19f.), erscheinen lässt – als ein eigengeprägter Komplex vom Kontext ab.887 Auf der Textoberfläche wird dies maßgeblich durch die Abfolge wechselnder, ‚partikularisierender‘ direkter Anreden bestimmter Gruppen angezeigt, mit deren paarweiser Zuordnung (Frauen und Männer, Kinder und Eltern/Väter, Sklaven und Herren) die drei fundamentalen Relationen des antiken Haushalts thematisiert werden.888 Zumal dieser eigengeprägte Charakter von Eph 5,21–6,9 legt es nun nahe, der durch den Abschnitt aktualisierten Textsorte eine wichtige kommunikative Steuerungsfunktion beizumessen. Angesetzt werden kann im Folgenden daher bei dem Befund, dass mit den neutestamentlichen Haustafeln, zu denen zumindest die entsprechenden Passsagen in Kol 3; Eph 5; I Petr 2 zu zählen sind, offenbar tatsächlich eine bestimmte Textsorte rezipiert wird. Es ist dies die „philo-
|| 887 Vgl. Best, Eph, 519: „Up to this point the paraenesis has seemed to jumped from subject to subject but now we have a more systematic section […].“ Best rechnet Eph 5,21 freilich nicht dem Haustafel-Komplex zu. 888 Vgl. grundlegend Aristot. pol. I 3,1253b; dazu Woyke, Haustafeln, 32: Bei Aristoteles (wie auch Sen. epist. 94,1) werde „der Oikos in der Vollständigkeit seiner grundlegenden Beziehungsgefüge idealtypisch erfasst“. Die von Aristoteles genannten Paare (Herr/Sklave, Gatte/ Gattin, Vater/Kinder) finden sich der Struktur nach auch im Epheserbrief, gleichwohl in anderer Abfolge. Sellin, Eph, 428 Anm. 15 zufolge ist die Reihenfolge bei Aristoteles „streng ökonomisch“, was die Voranstellung der Herr/Sklaven-Beziehung erkläre; vgl. Balch, Wives, 34.
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sophische Gattung der Ökonomik“, die – maßgeblich ist die Perspektive des pater familias – auf eine Darlegung der in den grundlegenden hausinternen Beziehungen anzuempfehlenden Verhaltensweisen abstellt.889 Für den vorliegenden Zusammenhang von besonderem Interesse ist der von Eberhard Faust im Anschluss an David L. Balch als Ausgangspunkt der Gesamtdeutung der Haustafel im Epheserbrief angeführte Verweis auf die integrale Verbindung, die zwischen dem Topos περί οἰκονομίας und jenem περί πολιτείας besteht890: Demnach fungiert das Haus nach Art eines Mikrokosmos als gesellschaftliche Keimzelle; sein Aufbau und die Gestaltung seiner internen Beziehungsgefüge sind konstitutiv für Beschaffenheit und Funktionalität des übergeordneten politischen Gemeinwesens, in welches das Haus eingebunden ist, insgesamt. Der Ökonomik eignet insofern von Haus aus eine eminent politische Dimension. Dieser οἰκονομία-πολιτεία-Konnex führt dazu, dass „[d]ie Diskussion der drei häuslichen Beziehungen […] stets die Vorstellung einer Politeia, der diese häuslichen Strukturen zugehören“891, aufruft. Dieser Zusammenhang kann entsprechend auch für Eph 5,21–6,9 veranschlagt werden. Die Basis und zugleich Pointe des Rekurses auf die Ökonomik im Epheserbrief ist nun aber, dass das Gemeinwesen, dessen Eigenart sich in den einzelnen häuslichen Relationen in verdichteter Weise niederschlägt, ebenjenes ist, das Christus zu seinem übergeordneten Regenten hat. Symptomatisch hierfür ist die inklusionsartige Profilierung von Christus als „sanktionierende Instanz“ 892, auf die das als Hausgemeinschaft konzipierte Gemeinwesen letztlich ausgerichtet ist, in der Leitzeile Eph 5,21 sowie dem Schlussvers 6,9. Dieses Gemeinwesen ist in der Textwelt des Schreibens auf die ἐκκλησία zu beziehen; die explizite Rede von einer ‚Politeia Christi‘ findet sich im Epheserbrief zwar nicht, jedoch taucht ein solches Konzept im Rahmen des Schreibens durchaus am Horizont auf, wie schon die Bezeichnung der Glieder der ekklesialen Wir-Gruppe als (συμ-)πολῖται (2,19) verdeutlicht (vgl. auch 5,5). Die Haustafel im Epheserbrief bietet mit ihrer konsequenten Ausrichtung auf das Christus auch als sanktionierende Instanz unterstehende Gemeinwesen dabei zugleich Hinweise darauf, dass dieses Gemeinwesen als ein Parallelkon|| 889 Sellin, Eph, 428; dies gilt ungeachtet der mancherlei Fragen, die sich auch bei Ableitung aus der οἰκονομία noch stellen können; vgl. a.a.O., 428f. Das Vergleichsmaterial zur Ökonomik wurde richtungsweisend dargelegt und ausgewertet bei Balch, Wives, 21–62; etwa zeitgleich hatten sich auch J.H. Elliott, D. Lührmann und K. Thraede auf diese Spur begeben. Zur formgeschichtlichen Diskussion Woyke, Haustafeln, 27–53. 890 Vgl. Faust, Pax, 432–441. 891 Faust, Pax, 432. 892 Faust, Pax, 435.
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zept im Gegenüber zum realpolitischen Kontext zu stehen kommt893: Das Verhältnis zwischen Christus und ἐκκλησία wird gerade zu Beginn der Explikation der Ehetafel in 5,23 in einer Begrifflichkeit beleuchtet, die anschlussfähig ist für die Semantik zeitgenössischer imperialer Ideologie und dort der Beschreibung des Verhältnisses zwischen Kaiser und Staat dienen kann.894 Das ekklesiale Soma unter dem Haupt Christus tritt somit in Analogie zum imperialen Soma unter dem kaiserlichen Haupt. Inwiefern diese Deutungslinie nun auszuziehen ist im Sinne eines dezidierten, mehr oder minder unverhüllt kritischen Alternativentwurfs zum römischen Staat895, wäre eigens zu prüfen. Zumindest aber legt sich auf diese Weise ein bestimmter ‚Drive‘ nahe, der die Haustafel im Epheserbrief prägt und somit deren konzeptionellen Ort bestimmt: Der Abschnitt stellt offenbar darauf ab, die ἐκκλησία als dasjenige Gemeinwesen zu profilieren, in dem die neukonfigurierten, wahren Herrschaftsverhältnisse im Kosmos vollumfänglich zur Geltung gebracht werden. Eine entsprechende kollektive Sozialgestalt, die von Grund – und d.h.: von Haus – auf von der Herrschaft Christi her geprägt ist und der insofern ‚Christusförmigkeit‘ attestiert werden kann, ist folgerichtige Konkretisierung dieses Sachverhalts. Die hermeneutische Gratwanderung, auf die sich der Abschnitt 5,21–6,9 begibt, besteht nun darin, dass für die Beschreibung der Verfasstheit jenes der Herrschaft Christi zugehörigen Gemeinwesens das traditionelle οἶκος-Konzept zugrunde gelegt wird. So kann sich die Frage stellen, wie sich diese scheinbare Einebnung mit der Rolle der ἐκκλησία als ‚kosmischen Kontrastmittels‘ (s.o.
|| 893 Erhellend ist hierfür ein Vergleich mit dem 1. Petrusbrief: Der programmatische Eingangspassus der dortigen Haustafel I Petr 2,13–17 ist zwar durchaus durchsichtig auf eine Relativierung staatlicher Autorität als einer bloß menschlichen; dem βασιλεύς und also dem römischen Kaiser gegenüber wird (lediglich, da dies ihm keinesfalls exklusiv zu gewähren ist) zum τιμᾶν aufgerufen, während das φοβεῖσθαι der Gott gegenüber einzunehmenden Haltung vorbehalten bleibt. Indes erscheinen als sanktionierende Instanz, die dem Lebenswandel der Gemeinschaft der Christusglaubenden die gebührende Anerkennung gewährt, gemäß I Petr 2,14 doch offenbar die staatlichen Autoritäten, deren hinreichende ethische Urteilskompetenz somit vorausgesetzt wird. Mithin erscheint im 1. Petrusbrief der römische Staat als Bezugsgröße, in deren Referenzrahmen sich die Gemeinschaft der Christusglaubenden bewegt; dieser politische Kontext wird als ein mit der umgebenden Gesellschaft gemeinsam geteilter Lebenshorizont in den Blick gerückt. 894 Nachweis bei Faust, Pax, 439. 895 Zu diesem Ergebnis kommt Faust in seiner wegweisenden Untersuchung; vgl. ders., Pax, 481–483.
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VI.5.1.2) verträgt.896 Damit ist indes bereits angedeutet, dass ein Antwortversuch die Bestimmungen der Haustafel mit dem spezifischen Profil des νῦν und der Rolle der ekklesialen Wir-Gruppe in Zusammenhang zu bringen hat. Die im Grundsatz positive Aufnahme des οἶκος-Konzepts bedeutet zunächst eine Anknüpfung an die Strukturen der umgebenden Gesellschaft. Diese ragen solchermaßen in den Binnenraum der ἐκκλησία hinein, so dass eine prinzipielle Verbundenheit und Anschlussfähigkeit der Sozialgestalt der ἐκκλησία im Blick auf ihre Umwelt gegeben ist. Zum Ausdruck kommt darin, dass ihre Funktion als Kontrastgemeinschaft die ἐκκλησία nicht zum Auszug aus der Welt bestimmt, sondern sie vielmehr inmitten der Gesellschaft situiert – und dies offenbar in einer auf Verstetigung angelegten Weise, wie vor allem die zweite Tafel (Kinder/Eltern) in Eph 6,1–4 demonstriert. Symptomatisch ist hierfür insbesondere die (markierte) Rezeption von Ex 20,12LXX in Eph 6,2f.897 Denn der Wortlaut der Vorlage wird zumindest an einer Stelle modifiziert: An die Stelle der Wiederholung von ἵνα und dessen Verbindung mit finalem Konjunktiv (γένῃ) in der Vorlage tritt in Eph 6,3 die Futurform ἔσῃ (verselbständigter Folgesatz, siehe BDR 442,8). Diese aber ist als solche ernst zu nehmen, insofern sie sich, obgleich prospektiv orientiert, auf die Interimsebene des νῦν bezieht und somit deren durativen Charakter herausstellt. In die gleiche Richtung weist die nachfolgende Mahnung an die Väter, den Kindern παιδεία καὶ νουθεσία κυρίου angedeihen zu lassen, insofern damit der transgenerationale Charakter christusgläubiger Existenz herausgestellt wird (6,4). Dieses scheinbare Sich-Einrichten in der Welt kann nun aber insofern als plausibles Implikat der Konzeptualisierung des νῦν im Epheserbrief gelten, als dieses νῦν ja als Prozess einer sukzessiven Progression auf den Vollendungszustand hin erscheint. Ein, wenn auch zeitlich begrenztes, duratives Element ist
|| 896 Diese Frage, ob in der Übernahme des οἶκος-Paradigmas nicht eine Anpassung an die Standards der ‚finsteren‘ Umwelt zum Ausdruck kommt, die in Spannung steht zu dem in den parakletischen Ausführungen des Schreibens ansonsten so klar formulierten Impuls zur kategorischen Abgrenzung, stellt den Ausgangspunkt bei Darko, Gentiles dar: Einerseits werde der Abschnitt Eph 4,17–5,21 weithin verstanden als „sharply distinguishing insider-outsider behaviour or legitimating some form of withdrawal from the outside world“, während andererseits auf die „apparent integrative strategy of the Haustafel“ hingewiesen werde; vgl. a.a.O., 8. Beide Aspekte, mithin eine Spannung zwischen „[a]n Ethic of Social Differentiation and an Ethic of Social Integration“ (a.a.O., 11), blieben Darko zufolge in der Literatur indes zumeist unverbunden nebeneinander stehen. 897 Zum Nachweis, dass Ex 20,12 als Vorlage dient (und nicht Dtn 5,16), vgl. Lincoln, „Use“, 37.
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dem somit unmittelbar eingestiftet. Die sich in der Übernahme grundlegender sozialer Strukturen dokumentierende Kontakt- oder besser: Reibungsfläche der ἐκκλησία mit ihrer Umwelt erscheint vor diesem Hintergrund als geradezu notwendige Voraussetzung des kosmischen ‚Durchsäuerungsprozesses‘, den der Erhöhte mittels der ἐκκλησία auf der Ebene des νῦν realisiert.898 Die Stoßrichtung der Haustafel im Epheserbrief scheint demnach tatsächlich weniger eine apologetische zu sein als vielmehr auf eine proaktive Verankerung im Selbstverständnis der ἐκκλησία zurückzugehen. Indes wird, wie gesehen, auch im Epheserbrief die Selbstwirksamkeit des Lichts, das im Selbstvollzug der ἐκκλησία aufscheint, in dem Sinne vorausgesetzt, dass dieses dazu angetan ist, die Finsternis zu transformieren. Vor diesem Hintergrund wird verständlich, dass der Verfasser des Epheserbriefs in das Dekalogzitat in 6,2b die Bemerkung einschiebt, ebendieses sei die ἐντολὴ πρώτη ἐν ἐπαγγελίᾳ. Denn mit ἐπαγγελία wird hier zum einen die Fortsetzung des Zitats durch den ἵνα-Satz in V.3 charakterisiert. Zum anderen aber weist der Begriff intratextuell auf die göttliche Heilsökonomie, der ebenjenes ‚lange Dasein auf der Erde‘ somit zugeordnet wird. Der Zusammenhang zwischen den beiden Aspekten aber erschließt sich, wenn berücksichtigt wird, dass das den Kindern als Gliedern der Wir-Gruppe verheißene lange Dasein auf der Erde Vollzugsmoment der umfassenden Heranbildung der Heilsgemeinschaft, in intensiver wie extensiver Hinsicht, ist und somit Vollzugsmoment der Hinausführung des göttlichen Ratschlusses. Die Mahnung zum Aufbau einer transgenerationalen Gemeinschaft steht somit im Kontext der Realisierung der Heilsökonomie des Vaters, die sich auf den Kosmos insgesamt richtet, jedoch offenbar nicht während einer einzigen Generation zur vollen Entfaltung kommt.
VI.5.2
Prospektive Perspektivierungen (Eph 4,13.30)
Bereits oben wurde Eph 4,13 der prospektiven Aussagelinie zugeordnet.899 Die temporale Konjunktion μέχρι, die den Vers einleitet, dient von Haus aus der „Angabe des Endpunktes“ (BDR § 455,36). Im vorliegenden Zusammenhang wird damit die οἰκοδομή des Christusleibes aus dem vorangehenden V.12 ‚befristet‘: Dieser Aufbauprozess ist dann abgeschlossen, wenn der im μέχρι-Satz formu-
|| 898 Vgl. Roitto, Behaving, 212. 899 Siehe bei Anm. 851.
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lierte Sachverhalt eingetreten ist.900 Insofern jene οἰκοδομή aber im Gefüge von 4,7–16 als grundlegendes Signum des νῦν erscheint, wird mit dem in V.13 anvisierten Zielpunkt die Stufe der dereinstigen Vollendung beleuchtet. Durch die Konstruktion καταντᾶν εἰς901 wird nun jener im μέχρι-Satz geschilderte Sachverhalt selbst als prozesshaftes Erlangen eines Zielzustandes dargestellt, das eine gegenwärtige Defizienz im Sinne einer Diskrepanz zwischen Ausgangs- und allererst zu erreichendem Zielpunkt voraussetzt. Das nomen actionis οἰκοδομή tritt somit in strukturelle Parallele zu καταντᾶν; jene Auferbauung vollzieht sich im Zuge dieses Erlangens. Dem entspricht, dass die ekklesiale Wir-Gruppe Subjekt in V.13 ist, ist diese doch als solche gemäß 1,22f. referenzidentisch mit dem σῶμα τοῦ Χριστοῦ; die οἰκοδομή des Christusleibes vollzieht sich als Prozess des Erlangens eines bestimmten Zustands auf Seiten der Wir-Gruppe, die als ἐκκλησία ja nichts anderes als jener Christusleib ist. Die 1.Pl. ist in V.13 nun erweitert um ein betontes οἱ πάντες. Der Zusammenhang mit V.11f. legt nahe, dass damit vor dem Hintergrund der dort angedeuteten Differenzierung innerhalb der Wir-Gruppe in die in V.11 genannten Gruppen und die übrigen ἅγιοι gezielt deren Zusammenschluss herausgestellt werden soll902: Die Auferbauung des Leibes Christi, das Erlangen des in V.13 benannten Zielzustandes ist ein von allen gemeinsam zu bewerkstelligender Prozess. Der Zielzustand selbst wird – die in Eph 2,20–22 gegebenen Bestimmungen ergänzend – durch die drei gleichrangigen εἰς-Wendungen beschrieben. Die Eigenart des sich in ihrem Zusammenspiel ergebenden Gesamtbildes903 lässt sich am prägnantesten anhand der dritten Bestimmung erfassen. Demnach gelangt die Wir-Gruppe im Gesamt, die als ἐκκλησία nicht nur Christi Leib, sondern auch sein (d.h. das durch ihn angefüllte) πλήρωμα ist (1,22f.), allererst im
|| 900 Vgl. Percy, Probleme, 320. Demgegenüber will Covington, Teleology, 173 den μέχρι-Satz offenbar direkt von dem ἔδωκεν V.11 abhängig machen: „[…] according to Eph 4:13, the ecclesial gifts given in 4:11 are given until the church arrives at its intended destination or goal (its telos) […]“. 901 Der Gebrauch des Konjunktivs ohne ἄν bei καταντήσωμεν erklärt sich durch den prospektiv-finalen Charakter des Satzes; vgl. BDR § 383,2 mit Anm. 3. 902 Vgl. Lona, Eschatologie, 326: „Wer sind οἱ πάντες? Nach dem Kontext kann es sich dabei nur um die in V.11 aufgezählten Amtsträger und um οἱ ἅγιοι handeln. Sie bilden das ekklesiale ‚Wir‘ als eine Größe, die ihr Ziel noch nicht erreicht hat. Die Amtsträger sind keine privilegierte Schicht von ‚Vollendeten‘. Auch sie bleiben unterwegs“. 903 Vgl. Best, Eph, 399: „The three prepositional phrases do not depend on one another but are in parallel; mutually reflecting on one another, together they serve to build up the total picture“.
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Zuge jenes auf der Ebene des νῦν statthabenden Prozesses zum μέτρον ἡλικίας, d.h. dem ‚Reife-‘ im Sinne des ‚Vollmaßes‘ jenes πλήρωμα. Damit ist aber eine Differenzierung innerhalb des πλήρωμα-Begriffs angezeigt, die sich dem Gedanken eines intensiven Wachstums des Christusleibes zuordnen lässt: Durch die οἰκοδομή des Christusleibes wird das, was dieser an sich immer schon ist, allererst vollumfänglich zur Geltung gebracht, am Ort der Wir-Gruppe in ihren Einzelgliedern aktualisiert.904 Tatsächlich lassen sich dieser Linie auch die beiden anderen εἰς-Bestimmungen zuordnen. Denn so sehr mit der Rede von der πίστις der Aspekt der subjektiven Heilszueignung, der die Einzelnen überhaupt erst zu Gliedern der Wir-Gruppe macht, im Blick ist und der gnoseologische Charakter der Heilsteilhabe seit der Briefeingangseulogie betont wird (1,8f.), so erscheinen doch πίστις und ἐπίγνωσις ausweislich der Fürbittgebetsberichte zugleich als wichtige Bezugsgrößen im Rahmen der prozesshaften Heilsaneignung durch die fiktiven Adressaten (vgl. 1,17; 3,17). Vor diesem Hintergrund lässt sich die durch Glauben und Erkenntnis konstituierte ἑνότης als eine solche begreifen, die, so wenig sie allererst geschaffen werden muss, mit dem Voranschreiten auf dem Weg des Glaubens und der Erkenntnis zunehmend zur Darstellung gebracht wird und
|| 904 Diese intensive Deutung bestätigt sich durch Eph 3,19b, indem es dort die fiktiven Adressaten selbst sind, die εἰς πᾶν (dies entspricht dem μέτρον ἡλικίας aus 4,13; vgl. Faust, Pax, 50) τὸ πλήρωμα (hier freilich: τοῦ θεοῦ) erfüllt werden.
Querschnitt III: Das νῦν | 351
insofern als Zielzustand erscheinen kann905; die Intensität von Glauben und Erkenntnis zeigt sich gerade in der Einheit.906 Hinsichtlich der zweiten εἰς-Bestimmung, die den ἀνὴρ τέλειος zum angestrebten Fluchtpunkt des gemeinsamen Prozesses macht, ist auf die textinternen Verbindungslinien zum Motiv des καινὸς ἄνθρωπος in 2,15 (vgl. 4,24) hinzuweisen. Gegenüber letzterem ist ersterem Syntagma der Gedanke des ‚ZurEntfaltung-Gebrachten‘ bzw. ‚Eine-Entwicklung-unterlaufen-Habenden‘ unmittelbar inhärent, meint ἀνὴρ τέλειος doch den ‚vollkommenen‘ im Sinne des herangewachsenen, ausgereiften Mannes.907 Für das weitere Verständnis aufschlussreich ist die Beobachtung, dass es sich offenbar um eine durchaus gängige Wendung handelt, die insbesondere in ethischen Aussagezusammenhängen übertragene Verwendung findet.908 Denn ebendiese Stoßrichtung wurde oben (vgl. V.4.2.2) auch der Rede vom καινὸς ἄνθρωπος zuerkannt. Mit dieser zweiten εἰς-Bestimmung wird solchermaßen offenbar der konzeptionell zentrale Aspekt des Lebenswandels bzw. des bestimmungsgemäßen Selbstvollzugs innerhalb der Zielformulierungen in V.13 eigens akzentuiert, was den in der Briefeingangseulogie formulierten Grundbestimmungen nur entspricht (vgl. 1,4); Einheit und Pleromasein sind keine abstrakten Eigenschaften, sondern gelebte Zustände. Demgemäß eignet dem ἀνὴρ τέλειος eine gleichermaßen individuale wie kollektive Dimension, ist es doch gerade die den Einzelnen || 905 Für die grammatikalische Struktur der ersten εἰς-Wendung in Eph 4,13 ist die Wiederholung des Artikels vor ἐπίγνωσις zu beachten. Diese legt nahe, dass der Genitivausdruck τοῦ υἱοῦ τοῦ θεοῦ nur von τῆς ἐπιγνώσεως abhängig zu machen ist (mit Schlier, Eph, 200 u.a.) und als den bzw. das – denn das Christusprädikat υἱὸς θεοῦ ist nicht schlichte Personenbezeichnung, sondern zugleich eine Beziehungsaussage – Erkannte(n) bezeichnender Genitiv dient. Das gesamte Syntagma ist dabei durch καί dem vorangehenden Genitiv τῆς πίστεως gleichgestellt und gleichermaßen auf ἑνότης zu beziehen. Durch diese Koppelung von πίστις und ἐπίγνωσις wird ersterer Begriff – auch ohne dass dem καί dafür notwendig explikative Funktion zuerkannt werden müsste – auf den Aspekt einer fides quae hin zumindest geöffnet; dem entsprechen auch der vorangehende Blick auf die Vollzüge, die der Vermittlung des ‚Gehalts‘ des Christusglaubens dienen (V.11), sowie der Verweis auf ‚windige‘ διδασκαλίαι in V.14. Relevant ist in diesem Zusammenhang auch die Beobachtung, dass gerade der im Epheserbrief nur hier belegte Gottessohntitel eine Tendenz zum Summarischen und somit womöglich Bekenntnishaften aufzuweisen scheint (vgl. Merklein, Amt, 102). Dies liegt auf der im Vorangehenden bereits aufgezeigten Linie eines gezielten Anschlusses an geprägte Theologumena, der das im Epheserbrief formulierte Gründungsnarrativ als Entfaltung der gemeinsamen Glaubensgrundlagen erscheinen lässt. 906 Dem entspricht auch die Assoziierung der Einheitsthematik in Eph 4,3–6 mit der universalen Vollendung in V.6; vgl. I Kor 15,28 (vgl. I Kor 8,6). 907 Vgl. Sellin, Eph, 344. 908 Siehe ebd. (mit Belegstellen).
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aufgetragene Liebe, die als Summe jenes Lebenswandels fungieren kann, die sie zugleich unlöslich aneinander weist (4,2c) und insofern nur gemeinsam zu realisieren ist. Auf diese Weise ist der Ausdruck im Übrigen tatsächlich zugleich transparent für Christus, dessen der Wir-Gruppe zugutekommende Heilstat als Liebeserweis gedeutet wird (5,2.25), hinter dem letztlich nichts anderes als die ihn von Grund auf bestimmende (vgl. 1,6fin) Liebe des Vaters (2,4; 5,1) steht. Insgesamt fällt auf, dass der Vollendungszustand in Eph 4,13 wie auch in 2,20–22 aus ekklesialer Perspektive heraus in den Blick kommt, und zwar im Sinne eines Abschlusses des intensiven Entwicklungsprozesses. Dies aber wirft angesichts der gesamtkosmisch orientierten Grundkonzeption wiederum die Frage auf, wie es um den Aspekt des extensiven Wachstums der ἐκκλησία bestellt ist. Tatsächlich kann dieser auch für Eph 4,13 nicht ganz ausgeblendet werden, wenngleich er hier lediglich indirekt zur Sprache kommt. Denn gerade die ‚ämtermäßige‘ Ausweitung in V.11 ist ja dazu angetan, Verkündigung und Lehre als fortwährende Vollzüge des ekklesialen Gesamtleibes auszuweisen. Damit ist aber auch die entsprechende Inklusionsdynamik als eine noch anhaltende ausgewiesen. Der Ausdruck οἱ πάντες in V.13 muss somit als ein an den Rändern offener, auf das Hinzukommen weiterer Subjekte offener Begriff aufgefasst werden.909 Nicht zuletzt die Bestimmungen in 4,13 verdeutlichen zudem den für den Epheserbrief charakteristischen Sachverhalt, dass die Erwartung einer künftigen Vollendung und also die futurische Dimension zwar keinesfalls abwesend ist. Diese kommt jedoch eben wesentlich als Abschluss eines ‚organischen‘ Prozesses in den Blick. Der punktuelle Charakter dieses Abschlusses wird programmatisch mitgeführt in der Aufnahme des ἡμέρα-Topos, der in der Reformulierung des Gedankens der zweiten ἀπολύτρωσις in 4,30 (vgl. 1,14) aufgegriffen wird. Bezeichnend ist eben jedoch, dass diese ἡμέρα nicht näher entfaltet wird, sondern als ἡμέρα ἀπολυτρώσεως gleichsam einseitig als Vollendung eines Prozesses, der in seiner Eigenart bereits vor Augen steht, verstanden wird. Es ist die der Vollendung vorgelagerte Ebene des νῦν, auf der auch die entscheidenden eschatologischen Konfrontationen stattfinden (vgl. 5,16; 6,13). Im Ganzen ist die Ebene des νῦν geprägt von einem intensiven Entwicklungsprozess der ἐκκλησία, der als solcher notwendig auch mit ihrem extensiven Wachstum einhergeht. Konzeptionelle, gleichwohl nicht in aller Deutlichkeit explizierte Folge ist die sukzessive Inklusion des umgebenden Kosmos in
|| 909 Der Epheserbrief geht in dieser Hinsicht offenbar sogar recht weit, wenn die Formulierung in Eph 3,10 zumindest offen scheint für die Hineinnahme selbst der kosmischen Mächte und Gewalten in die Gemeinschaft adäquater, heilvoller Gotteserkenntnis.
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das ekklesiale σῶμα, so dass auf der Ebene der Vollendung die Geschicke der ἐκκλησία und des Kosmos in eins fallen können, hier mithin nicht mehr zu differenzieren ist. Die Vollendung der Schöpfung scheint als Extension der einen Heilsgemeinschaft konzipiert. Eine Einholung der Schöpfung als ganzer in die Heilsteilhabe ist im Epheserbrief somit zwar vorgespurt, ohne dass jedoch dieser Gedanke zum strahlenden Leitakkord gemacht würde. Im Gegenteil überwiegt die auf das νῦν gerichtete Diagnostik, welche die grundlegende Ambivalenz der eigenen Gegenwart als ‚Arena‘ pneumatischer Machtstrukturen freilegt. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund ist die nichtsdestotrotz taktbestimmende ‚optimistische‘ Grundhaltung, welche die Ebene des νῦν als letztlich unaufhaltsame Realisierung des Allerfüllungshandelns Christi im Sinne des Zur-Geltung-Bringens seiner kosmischen Souveränität im Welt- und Geschichtszusammenhang versteht und der ἐκκλησία eine zentrale Rolle in diesem Prozess zuweist, unter pragmatischem Gesichtspunkt wesentlich auf die Zusicherung des unvorgreiflichen Hineingestelltseins in den Macht- und Wirkbereich des Erhöhten zurückzuführen.
VII VII.1
Bündelung und Ertrag Charakteristika der sprachlich-literarischen Eigenart des Epheserbriefes
Der Epheserbrief wurde in der vorliegenden Arbeit als ein deuteropaulinisches Pseudepigraphon angesprochen. Der im Epheserbrief konstruierten Kommunikationssituation eignet dabei ein spezifischer Übergriffscharakter auf die textexterne Ebene: Die fiktiven Adressaten werden zur Identifikationsfläche für die intendierten Rezipienten, deren Partizipation und Textarbeit durch die sprachlich-stilistische Beschaffenheit der Textoberfläche befördert werden. Gleichermaßen bieten sich zumindest Hinweise auf eine emittentenseitig intendierte Transparenz der pseudepigraphen Fiktion, die zugleich Rezeptionsanweisung an die intendierten Adressaten ist, nach einer Anwendung der Textaussagen auf den eigenen Lebenskontext zu fragen. Diesen Beobachtungen entspricht der weitere Befund zur kommunikativkonzeptionellen Grundanlage des Schreibens: Es lassen sich zwei diegetische Ebenen unterscheiden. So wird die Ebene der Kommunikation zwischen fiktivem Verfasser (1.Sg.) und fiktiven Adressaten (2.Pl.) ergänzt um jene einer ekklesialen Gründungsgeschichte, welche eine gesamtchristliche 1.Pl. zur maßgeblichen Sprechinstanz hat und sämtliche Kommunikationspartner auf textinterner wie -externer Ebene verbindet; insofern verbindet sich mit dieser Gründungsgeschichte der Anspruch auf eine den textintern skizzierten situativen Kontext transzendierende fundamentale Relevanz für die Gemeinschaft der Christusgläubigen. Die beiden besagten diegetischen Ebenen lassen sich zwar heuristisch unterscheiden, sind im Epheserbrief jedoch zugleich eng miteinander verflochten; ja, die fiktive Kommunikationssituation wird in die Gründungsgeschichte geradezu mit hineingezogen, insofern der Apostel Paulus und also der fiktive Verfasser in dieser Geschichte eine zentrale Rolle bekleidet, zum anderen an den fiktiven Adressaten auf paradigmatische Weise Sachverhalte, die für die Glieder der Wir-Gruppe überhaupt gelten, verhandelt werden. Die Briefeingangseulogie Eph 1,3–14 dient als umfassende, konzeptionelle wie pragmatische Grundlegung des Gründungsnarrativs. Insbesondere wird hier die temporale Strukturierung desselben etabliert, der eine koordinierende Funktion für die Ausführungen im weiteren Schreiben zuerkannt werden kann. So ist dieses durchzogen von Wiederaufnahmen und Elaborationen des Gründungsnarrativs, die ein zunehmend differenziertes Bild ergeben. Für die Makrostruktur und Textbewegungen des Epheserbriefs dient dabei im ersten Teil des
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Summa der Gründungsgeschichte | 355
Schreibens (Eph 1,3–3,21) die geprägte, an den epistolaren Kontext angepasste Abfolge von Eulogie (1,3–14), Gebetsbitte (1,15–19; 3,1.14–19) und Doxologie (3,20f.) als Rückgrat, in das derartige Vertiefungen in teils flächiger Form eingewoben sind. Letztere begegnen in überwiegend, wiewohl nicht ausschließlich punktueller Weise jedoch auch im zweiten, parakletisch geprägten Hauptteil des Schreibens (Eph 4,1–6,20). Dieser leistet in inhaltlich-konzeptioneller Hinsicht die Entfaltung eines zentralen Aspekts der ekklesialen Gründungsgeschichte, nämlich die Darstellung eines bestimmungsgemäßen Selbstvollzugs auf Seiten der Wir-Gruppe. In pragmatischer Hinsicht ist das im Rahmen des Gründungsnarrativs entfaltete Wechselspiel von fixen und fluiden Aspekten des kollektiven Selbstverständnisses von zentraler Bedeutung; das im Epheserbrief formulierte WirBewusstsein erweist sich dadurch als ein gleichermaßen unvorgreiflich gegebenes wie dynamisch anzueignendes, d.h. im konkreten Selbstvollzug zu realisierendes bzw. zu bewährendes. In konzeptioneller Hinsicht verbindet sich dies mit dem Gedanken eines prinzipiell bereits vollumfänglich eröffneten ekklesialen Heilsstands, der im Geschichts- und Weltzusammenhang indes allererst prozessual realisiert wird; diese Konstellation spiegelt sich in der Zuordnung von Eulogie und Fürbitte und ist insofern für den Textfluss von konstitutiver Bedeutung. Die nähere Profilierung dieses Sachverhalts erfordert die inhaltliche Entfaltung des Gründungsnarrativs, der sich entsprechend im Folgenden zuzuwenden ist.
VII.2
Summa der Gründungsgeschichte
VII.2.1
Protologie und allgemeine Voraussetzungen
Die Gründungsgeschichte fußt auf einem Protologie-Konzept, das in besonderer Weise Ausdruck ihres theozentrischen Fundaments ist. Maßgeblich in der Briefeingangseulogie wird eine protologische Geschehensebene profiliert, die dem Welt- und Geschichtszusammenhang als eigene Handlungsebene nicht nur gegenübertritt, sondern programmatisch vorgeschaltet wird, insofern sich das Geschehen auf der Ebene des Welt- und Geschichtszusammenhangs als umfassend durch die protologische Ebene bestimmt erweist. Näherhin wird auf der protologischen Ebene der Ratschluss Gottes als Akt göttlicher Willensbildung situiert, wobei von Beginn an der Christusbezug konstitutiv ist. Es ist somit der göttliche Wille, der als movens allen Geschehens auf der Ebene des Welt- und Geschichtszusammenhangs gilt. Letztere ist demnach grundlegend Ort der Hinausführung des göttlichen Willens bzw. – da sich dies
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gleichsam etappenweise vollzieht, s.u. – des in Christus gegründeten göttlichen Heilsplans; alles Geschehen wird überwölbt von der Wirksamkeit Gottes, der seinen Ratschluss kraft seiner als ἐνέργεια wirksamen δύναμις zur Entfaltung bringt. Es ergibt sich somit ein großangelegter Bogen, der von der protologischen Festsetzung des göttlichen Willens hin zu seiner sukzessiven Realisierung im Welt- und Geschichtszusammenhang reicht. Bereits die Briefeingangseulogie gibt jenen Heilsplan dabei als Beziehungsgeschichte zu erkennen. Von fundamentaler Bedeutung ist das Gegenüber von Schöpfer und Schöpfung; Gott steht der Welt als ihr Schöpfer und Vater gegenüber. Entsprechend richtet sich der göttliche Heilsplan letztlich auf die Schöpfung als ganze und in ihrer Vielfalt. Die Umsetzung dieses Heilsplans sieht indes die Inanspruchnahme einer spezifischen Größe – nämlich die Wir-Gruppe bzw. die ἐκκλησία – vor. In die allgemeine und übergeordnete Beziehungsgeschichte Gottes mit der Welt ist somit die besondere Beziehungsgeschichte mit der Wir-Gruppe eingebettet. Letztere ist entsprechend in herausgehobener Weise Objekt der göttlichen Zuwendung; ihre kosmische Sonderrolle, wie sie sich aus ihrer Funktion im göttlichen Heilsplan ergibt, wird protologisch fundiert und auf den – nicht zufällig der Gottesvolkmotivik entnommenen, s.u. – Begriff der Erwählung gebracht. Die spezifisch ekklesiale Gründungsgeschichte ist somit eingeflochten in ein gesamtkosmisches Beziehungsgeschehen, das sich zwischen Gott, Christus, Wir-Gruppe und Kosmos entfaltet, wobei die Geschehensfäden von Gott her über Christus zu Wir-Gruppe bzw. All hin und wieder zurück verlaufen. Die parallelisierende Führung der einzelnen, nach dem jeweiligen Objekt des göttlichen Handelns differenzierbaren Handlungsstränge weist darauf hin, dass die besondere Beziehungsgeschichte Gottes mit der Wir-Gruppe als Kristallisationspunkt der Zuwendung Gottes zur Schöpfung überhaupt anzusehen ist; sie bringt paradigmatisch zur Darstellung, wie es um das Geschick bestellt ist, das an der Schöpfung insgesamt zur Entfaltung kommen soll. Als Ziel des göttlichen Heilsplans wird das Lob der göttlichen δόξα vor Augen gestellt, wie es seinen maßgeblichen Ausdruck findet in einem der Gottesbeziehung adäquaten Selbstvollzug/Lebenswandel auf Seiten der Schöpfung; für die Wir-Gruppe wird dieser Existenzzustand auf den Begriff der Gotteskindschaft gebracht. Von entscheidender Bedeutung ist dabei, dass jenes Lob und also auch jener Selbstvollzug responsorischen Charakter haben: Sie sind mimetische, durch die gewährte Partizipation an den göttlichen Wesensattributen ermöglichte Reaktion auf die vorgängige Selbstkundgabe Gottes im Welt- und Geschichtszusammenhang und setzen diese also voraus. Diese Selbstkundgabe Gottes zielt dabei eben auf den Erweis seiner Gnade, die insofern zum besonderen Gegen-
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stand des Gotteslobes wird und die im Christusgeschehen als Liebe des Vaters zu den Seinen, die diese in die adäquate, lebensstiftende Beziehung zu ihm einholt, manifest geworden ist. Insofern das Christusgeschehen auch Christus selbst zum handelnden Subjekt hat, bedeutet die Gottesmimesis dabei zugleich Christusmimesis. Der Geschichts- und Weltenlauf ist demnach Raum der Selbstkundgabe Gottes, die darauf zielt, dass die Schöpfung seines spezifischen Wesens gewahr wird und in entsprechender Weise darauf antwortet. Die Einweisung der Schöpfung in das rechte Gotteslob erscheint somit als übergeordnetes Ziel des Weges Gottes mit der Welt; unter diesem Vorzeichen steht der Lauf der Geschichte, wie er mit der Schöpfung anhebt. Neben der temporalen Perspektivierung ist für die Gesamtanlage der Gründungsgeschichte nun auch die ‚Architektur‘ des Kosmos in spatialer Hinsicht von zentraler Bedeutung. Kennzeichnend ist die Dichotomie von Himmeln und Erde. Die Himmel sind dabei als – gestaffelter, der Gottesthron steht zuoberst – Residenz- und Machtbereich diverser Mächte konzipiert, die von dort aus (pneumatisch) auf die irdische Ebene und also die Menschenwelt übergreifen. Menschlich-geschöpfliches Sein erweist sich nämlich als pneumatisch bestimmt; entsprechend realisiert sich auch die Gottesbeziehung – und somit auch das Gotteslob bzw. der entsprechende Selbstvollzug – auf pneumatischer Grundlage. In anthropologischer Hinsicht folgt daraus, dass der Mensch in seinem für den eigenen Existenz- bzw. Heilsstatus indikativen Selbstvollzug bzw. Lebenswandel nicht autonom ist, sondern dem Einfluss der himmlischpneumatischen Mächte untersteht. Im Lebenswandel manifestiert sich demnach zugleich, welche dieser Mächte die eigene Existenz bestimmen. Mit diesem Befund ist die soteriologische Dynamik der Gründungsgeschichte angedeutet, die nachfolgend zu rekapitulieren ist.
VII.2.2
Einst (ποτέ)
Das Geschehen auf der Ebene des Welt- und Geschichtszusammenhangs findet seine grundlegende Zäsur in dem Christusgeschehen (s.u.) als maßgeblicher Selbstkundgabe Gottes und Wirksamkeitserweis seiner Kraft. Diese Zäsur gliedert das Geschehen in das Gegenüber von Davor und Danach bzw. Einst und Jetzt. Mit der Ebene des Einst (ποτέ) kommt mithin die Verfasstheit der WirGruppe und des weiteren Kosmos vor dem Christusgeschehen bzw. abseits desselben in den Blick, wie sie den Welt- und Geschichtszusammenhang zunächst in einer unvorgreiflichen Weise prägt.
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Der ποτέ-Zustand ist gekennzeichnet durch den bestimmenden Einfluss der antagonistischen himmlischen Konkurrenzmächte. Diese haben sich – in nicht näher hergeleiteter Weise – der Dominanz über die irdische Ebene bemächtigt und verhaften die Menschenwelt in einen verfehlten, der Gottesbeziehung nicht adäquaten und also sündhaften Selbstvollzug, der als solcher nur einen Zustand des Totseins bedeuten kann. Der Lebenswandel der Menschen ist auf dieser Ebene radikal korrumpiert und letztlich nurmehr Manifestation der Wirksamkeit der pneumatischen Gegenmächte bzw. der Bestimmtheit durch dieselben. Insofern der Lebenswandel aber umfassender Ausweis des eigenen Existenz- und Heilsstandes ist, eignet dem ποτέ-Zustand eine immanente Ausweglosigkeit, die aus den eigenen menschlichen Ressourcen heraus nicht durchbrochen werden kann. Folgerichtig untersteht die Menschenwelt auf dieser Ebene dem Zorn Gottes – worin jedoch zugleich anklingt, dass der Vater auch hier seine Schöpfung in der Beziehung zu sich hält. Dieser Zustand einer in sich selbst ausweglosen Verlorenheit gilt einerseits universell. Andererseits wird dieses Dunkel in konzeptionell weitreichender Weise modifiziert durch die Affirmation einer besonderen Gottesbeziehung Israels, wie sie bereits auf der Ebene des ποτέ zum Tragen kommt. Somit umspannt die universale Verfehlung der Gottesbeziehung eine desungeachtet gültige und elementare Binnendifferenzierung der Menschheit in Israel und übrige Völkerwelt. Israel gilt dabei als Kollektiv, das bereits auf der Ebene des ποτέ in eine herausgehobene Gottesbeziehung hineingenommen ist, und zwar infolge spezifischer Zuwendungen Gottes. Diese zielen im Kern darauf, Israel in einen Verheißungsraum hineinzustellen und solchermaßen als Hoffnungsgemeinschaft zu begründen, die auf die beziehungskonstitutive Zuwendung Gottes, die sich im Christusgeschehen vollzieht und pneumatisch angeeignet wird, ausgerichtet ist. Solchermaßen deuten sich grundlegende Kontinuitäten zwischen Israel und der ἐκκλησία, wie sie im Zuge des Christusereignisses Gestalt gewinnt, an. Diese bestätigen sich bereits dadurch, dass zum einen Glieder Israels – und hier nicht zuletzt der Apostel Paulus – den Kern der ekklesialen Wir-Gruppe bilden, und dass zum anderen die Israel gegebene Verheißung einer endzeitlichen Geistverleihung mit der in soteriologischer Hinsicht tatsächlich entscheidenden Neukonfiguration der pneumatischen Grundlagen menschlicher Existenz (s.u.) korrespondiert. Insofern stellt das Christusgeschehen keinen Bruch dar, sondern ist der Geschichte Gottes mit Israel zugeordnet, wächst gleichsam aus dieser heraus – und zwar in der dialektischen Weise eines seit alters vorbestimmten Neuanfangs. Der Israel eröffnete Sprach- und Verheißungsraum bietet
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somit den Resonanzboden, der als Voraussetzung für die Aneignung der soteriologischen Wende, wie sie im Christusgeschehen statthat, angesehen werden kann; das Gotteslob der Wir-Gruppe ist somit Anknüpfung an das Gotteslob Israels bzw. Fortschreibung desselben. Vom Standpunkt des Christusgeschehens aus wird im Epheserbrief mithin eine Neufassung des Israelbegriffs vorgenommen. Im Kern besteht diese darin, dass die – auf den Aspekt der Geistbegabung fokussierte – Verheißung ins Zentrum des Selbstdefinition des Gottesvolks gestellt wird. Dies zieht sogleich die Frage nach Rolle und Stellenwert des Gesetzes nach sich. Der Sache nach wird sich dabei auf eine Gratwanderung gegeben: Denn an sich ist es doch gerade der Gedanke eines im Gesetz kundgetanen Gotteswillens, der an dem auch für die theologischen Parameter des Epheserbriefs elementaren Konnex zwischen Gottesbeziehung und Selbstvollzug festhält. Dass eine am Gesetz orientierte Lebensweise als solche indes noch nicht in die adäquate Gottesbeziehung hineinstellt, liegt offenbar darin begründet, dass auf der Ebene des ποτέ die pneumatischen Gegenmächte als derart potente Bestimmungsinstanzen gelten, dass auch ein am Gesetz orientierter Lebenswandel in der oben beschriebenen Weise davon betroffen ist. Entsprechend kann die Rettung für Israel wie Völkerwelt eben nicht auf dieser Ebene erfolgen, sondern hat Umschichtungen im himmlischen Mächtegefüge zur Voraussetzung; auf der Ebene des ποτέ untersteht auch das Gesetz Israels dem Einfluss der pneumatischen Gegenmächte, ja, das Gesetz wird sogar zu deren besonderem Vehikel, insofern es die Entfremdung in zwischenmenschlich-horizontaler und damit letztlich auch vertikaler Hinsicht befördert. Diese ausweglose Situation, in der sich der Kosmos insgesamt auf der Ebene des ποτέ befindet, dient positiv dazu, die im Christusgeschehen initiierte Wende allein und ausschließlich auf die Initiative Gottes zurückzuführen und als Erweis seiner Gnade und Liebe zu erfassen.
VII.2.3
Soteriologische Wende (ἀπολύτρωσις I)
Aus dem Vorangehenden erhellt, dass der Bezugsrahmen für die Verhandlung des Christusgeschehens als soteriologischer Wende ein gesamtkosmischer ist, der jedoch zugleich mit der Ebene individueller und gemeinschaftlicher Existenz vermittelt werden muss. Ebendieser Wechselschritt erweist sich in der Tat als prägend für die Darstellung im Epheserbrief. So verbindet sich mit der Sequenz aus Tod, Auferweckung und himmlischer Inthronisation Christi im Kern eine Neukonfiguration der kosmischen Mächte-
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ordnung: Christus wird von Gott an einem bestimmten Punkt in der Geschichte zum Souverän über die pneumatischen Mächte in den himmlischen Bereichen eingesetzt und damit zugleich, gemäß der beschriebenen Verhältnisbestimmung von Himmeln und Erde, zum kosmischen Souverän zur Rechten Gottes überhaupt. Konzeptionell entscheidend ist nun der folgende Gedanke: Ist damit die definitive Neubestimmung der kosmischen Machtverhältnisse prinzipiell erfolgt, so vollzieht sich die Entfaltung und Aktualisierung dieser kosmischen Hauptund Herrscherstellung im Welt- und Geschichtszusammenhang – vorstellig gemacht als Erfüllung des Alls durch Christus – als Prozess. Es ist ebendieses gesamtkosmische Zur-Geltung-Bringen der Hauptstellung Christi, das in der Briefeingangseulogie als Vorgang des ἀνακεφαλαιώσασθαι beschrieben wird, der die Durchführung der Zeitenfülle bedeutet; im Durchdringungswirken Christi bricht sich der neue Äon Bahn. Die himmlische Inthronisation Christi ist somit nicht Abschluss, sondern vielmehr Auftakt einer neuen Etappe des Christusgeschehens. An dieser Stelle kommt nun die ἐκκλησία ins Spiel: Sie ist der personal verfasste Raum in der Welt, in dem sich die Neukonfiguration der Machtverhältnisse von Gott her bereits Geltung verschafft hat. Sie ist daher πλήρωμα Christi, ganz durch ihn ‚angefüllt‘. Von hier aus kann die Christusherrschaft auf die weiteren Teile des Kosmos übergreifen. Als solchermaßen von Christus bestimmte Größe wird die ἐκκλησία im Christusgeschehen konstituiert: Gott gibt ihr Christus als Haupt über das All. Gemäß dem oben Gesagten muss die soteriologische Wende am Ort des Individuums darin bestehen, dass es zu einer Neukonfiguration der pneumatischen Existenzgrundlage kommt, die zu einem adäquaten Selbstvollzug befähigt und die insofern als neuschöpferische Lebensstiftung anzusehen ist. Ebendies wird möglich durch die Partizipation an der souveränen Machtposition Christi, die die Einzelnen dem bestimmenden Einfluss der Gegenmächte enthebt und in den göttlichen Machtbereich hineinstellt. Tatsächlich kennzeichnet eine entsprechende Dynamik die Appropriation des Heilsgeschehens durch die Subjekte im Welt- und Geschichtszusammenhang, insofern diese auf die Versiegelung mit dem heiligen Geist zuläuft. Ebendiese schließt dabei eine Geschehensfolge ab, die durch die Evangeliumsverkündigung initiiert wurde. Hinter dieser steht dabei letztlich Christus selbst; sie ist konzeptionell verbunden mit dem Kreuzesgeschehen, so dass dasselbe für den Aspekt der Appropriation des Heils geöffnet wird. Das Kreuzesgeschehen als solches vereint dabei destruktive und konstruktive Aspekte: In ihm konzentriert sich zum einen die Entmachtung der Gegen-
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mächte und die Überwindung der durch sie induzierten vertikalen wie horizontalen Antagonismen. Zum anderen dient es der Gestaltwerdung der pneumatisch geeinten Menschheit, die zum adäquaten Selbstvollzug und Gotteslob befähigt ist. Ihren konkreten Ort hat diese Konstituierung indes in dem durch die Evangeliumsverkündigung initiierten Geschehen, das deren Rezipienten – wiederum unter göttlicher Krafteinwirkung – durchlaufen. Die ἐκκλησία als die daraus resultierende Entität ist demnach keinesfalls eine abstrakte Größe, die ihren Gliedern gegenübertritt, sondern es gibt diese Größe überhaupt nur in Gestalt jener Subjekte. Angesichts der vorangehenden Bestimmungen ist folgerichtig, dass die soteriologische Wende auch die Initiierung der Evangeliumsverkündigung und damit der Alldurchdringung durch den Erhöhten umfasst. Diese Initiierung wird näher beschrieben als ein Gabegeschehen, das sich an die Erhöhung Christi anschließt. Zu diesen Gaben zählen zuvörderst diejenigen Gruppen, denen die Evangeliumsverkündigung (und die daran gekoppelte didaktische Unterweisung) aufgetragen ist und denen insofern die Funktion zukommt, Heilsteilhabe im Welt- und Geschichtszusammenhang konkret zu eröffnen. Solchermaßen in das ‚Projekt‘ der Alldurchdringung des Anabaten hineingenommen sind aber letztlich alle Glieder der Wir-Gruppe, ist doch ihnen allen die dazu befähigende Gnade individuell zuteil geworden. Im adäquaten Lebenswandel findet diese ihren besonderen Ausdruck. Das Wirken der Apostel und Propheten führt somit zur Konstituierung der ἐκκλησία im Welt- und Geschichtszusammenhang und zur Heraufführung der pneumatisch geeinten Menschheit in Gestalt der vielen Einzelnen, die darin Abbild der Bestimmung des Gesamtkosmos ist. Implizit vorausgesetzt wird dabei auch ein Verkündigungsgeschehen in Israel, das jedoch nicht weiter ausgeleuchtet wird; mit der Fokussierung auf die Person des Paulus verbindet sich eine Konzentration auf die Verkündigung unter den ἔθνη. In materialer Hinsicht ist diese wesentlich bestimmt durch die Einsicht in den göttlichen Heilsplan als eines sich in solcher, d.h. die ἔθνη in gleichursprünglicher in die Heilsgemeinschaft inkludierender Weise vollziehenden; der Antagonismus zwischen Israel und Völkerwelt wird überwunden durch die gemeinschaftliche Befähigung zum Gotteslob, das sich in der einen Gründungsgeschichte gründen kann.
VII.2.4
Jetzt (νῦν)
Die Ebene des Jetzt (νῦν) ist durch das auf die himmlische Inthronisation Christi zulaufende Christusgeschehen prinzipiell inauguriert und wird im Welt- und
362 | Bündelung und Ertrag
Geschichtszusammenhang sowie am Ort der Einzelnen durch die Appropriation des Heilsgeschehens aktualisiert. Die Partizipation am heiligen Geist ermöglicht einen adäquaten Selbstvollzug, der sich mit dem summarischen Oberbegriff des ‚neuen Menschen‘ im Sinne eines responsorisch-mimetischen Lebenswandels in Liebe und Wahrheit überschreiben lässt. Das Jetzt ist jedoch grundlegend als ein Interim konzipiert: Es ist die Ebene der prozessualen Entfaltung der Herrschaft Christi, der diese zur Rechten des Vaters ausübt und die als Wachstum des Christusleibes vorstellig gemacht wird. Dieses Wachstum ist intensiven wie extensiven Charakters, ja gerade das intensive Wachstum befördert die extensive ‚Strahlkraft‘ der ἐκκλησία als des Christusleibes, so dass das extensive Wachstum, das schon aufgrund der Universalität des göttlichen Heilswillens mitzuführen ist, Implikat des ersteren ist. Als ausgezeichneter Ort jenes intensiven, in der pneumatischen Ermächtigung gründenden Wachstums erscheint das gemeinsame Gotteslob. Insgesamt erscheint das Jetzt somit als Ebene einer Hoffnung, die zustrebt auf die dereinstige Vollendung in intensiver wie extensiver Hinsicht. In gegenwartshermeneutischer Hinsicht ist damit zugleich angedeutet, dass die Interimsebene des νῦν von einer Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen geprägt ist: Das Gegenüber von Einst und Jetzt, das sich auf der Ebene der persönlichen Biographie der Glieder der Wir-Gruppe als ein diachrones Nacheinander darstellt, erweist sich im gesamtkosmischen Zusammenhang einstweilen als ein synchrones Nebeneinander, insofern die pneumatischen Gegenmächte außerhalb der ἐκκλησία und mithin dort, wo die kosmische Hauptstellung Christi noch nicht zur Geltung gebracht wurde, nach wie vor ihren bestimmenden Einfluss über die irdische Ebene entfalten. Der Kosmos erscheint somit auf der Ebene des νῦν als eine ‚spiritual arena‘, als Schauplatz des Ringens um pneumatische Einflußsphären. Die Grenzen zwischen diesen beiden Machtsphären sind dabei in beide Richtungen hin durchlässig; eine bleibende Interaktion zwischen den menschlichen Kollektiven, die den einander als Licht und Finsternis gegenüberstehenden Machtsphären jeweils zugeordnet sind, scheint vorausgesetzt. Ebendiese Konstellation ermöglicht – zumal angesichts des schlechthin überlegenen Charakters der göttlichen Wirkmacht – zum einen das zunehmende Ausgreifen des Lichtbereichs und also das auch extensive Wachstum des Christusleibes. Zum anderen bedeutet es eine einstweilen bleibend bestehende Gefährdung der WirGruppe in ihrem Status, sieht sie sich doch den ihrerseits über ganz analoge Mittel verfügenden Angriffen der pneumatischen Gegenseite ausgesetzt.
Fazit | 363
Bei aller Ambivalenz überwiegt im Gesamt die durch die Heilsgewissheit ermöglichte positive Wertung des Interims als Stufe des Wachstums des Christusleibes. Diese lässt eine (prinzipiell zeitlich begrenzte) Verstetigung ekklesialer Existenz im Welt- und Geschichtszusammenhang und eine Zerdehnung des Interims auf positive Weise in den Blick kommen, was sich insbesondere im Haustafelparadigma dokumentiert. Hierbei klingt zugleich ein Konzept der ἐκκλησία als ‚Bildungsgemeinschaft‘ an, in welcher die Durchdringung des göttlichen Heilsplans sprachlich prägnante Formen erhält, so dass – maßgeblich auf Grundlage der Schrift – zu zunehmend adäquateren Ausformungen des Gotteslobs gelangt wird, die die ἐκκλησία ihrerseits im Wachstumsprozess voranschreiten lassen. Möglich werden dabei auch neue Formen der Aneignung des Israel gegebenen Gesetzes, das im Binnenraum der ἐκκλησία nicht mehr Instrument des ‚Archon‘ ist.
VII.2.5
Vollendung (ἀπολύτρωσις II)
Aus dem Vorangehenden ergibt sich, dass der ausstehende Zustand der Vollendung als Abschluss des auf der Interimsebene des Jetzt statthabenden intensiven und extensiven Wachstums des Christusleibes zu gelten hat. Dem entspricht, dass tatsächlich zum einen jener Abschluss als ein punktuelles Ereignis in den Blick gerückt wird, zum anderen der Horizont jener Aussagen ganz ekklesial ist; eigenständige Aussagen über das All unter Absehung von der ἐκκλησία begegnen nicht. Die maßgeblichen Bilder, die der Benennung jenes Endzustands dienen – nämlich Tempel bzw. Wohnung Gottes –, stellen ebenso folgerichtig auf den Aspekt der vollumfänglichen Gottesnähe ab, welche den Christusleib gleichsam zum Ort und Resonanzraum des vollumfänglichen Gotteslobs bestimmt. Angedeutet wird auf diese Weise zwar eine Heilsfähigkeit der gesamten Schöpfung. Gleichwohl überwiegt der gegenwartshermeneutische Impetus, der angesichts des prekären Charakters der akuten Situation die Dringlichkeit der Bewährung in den Vordergrund stellt.
VII.3
Fazit
Die vorliegende Arbeit hat den Epheserbrief als Entwurf einer auf der Briefeingangseulogie Eph 1,3–14 basierenden ekklesialen Gründungsgeschichte ins Licht gerückt, die auf die intendierte textexterne Kommunikationsebene übergreift und dort der Konstruktion eines gemeinschaftlichen Selbstverständnisses
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dient. Solchermaßen ergaben sich spezifische Perspektiven auf die textstrukturellen Eigenarten sowie die konzeptionelle Kohärenz des Schreibens. Als ein grundlegendes Charakteristikum kann abschließend die konnektive Dynamik des Epheserbriefs benannt werden. Diese lässt sich auf unterschiedlichen Ebenen festmachen: So betrifft sie zum einen die Relation zwischen den intendierten Rezipienten und dem fiktiven Verfasser Paulus. Beide Größen werden nicht nur der einen, orts- und zeitübergreifenden ekklesialen Wir-Gruppe zugeordnet, sondern letztere findet in der Person des Apostels zugleich einen maßgeblichen Repräsentanten. Die konnektive Dynamik des Schreibens betrifft ferner den Umgang mit den Intertexten: So konnte im Blick auf die Rezeption von Schrift und der frühchristlichen Traditionsbildung entstammendem Material die Tendenz zu einem ‚Blending‘ beobachtet werden, welches nicht nur die übergreifende Konsonanz hervorhebt, sondern die im Epheserbrief entworfene Gründungsgeschichte auf diese Weise zugleich als maßgebliche Explikation der gemeinsamen Bezugsgrundlagen ausweist. Die konnektive Dynamik manifestiert sich sodann im Gotteslob als einem transkulturell anschlussfähigen Modus, der ausweislich der Briefeingangseulogie den Leitakkord für die ekklesiale Gründungsgeschichte darstellt. Der beschriebenen kommunikativen Dynamik, die auf die Aneignung durch die intendierten Rezipienten abstellt, ist es dabei förderlich, dass der narrative Entwurf sich vielfach auf die Bereitstellung konzeptioneller Raster beschränkt, die allenfalls vorsichtig konkretisiert werden. Auf diese Weise werden gleichsam Anschlussstellen geschaffen, an die unterschiedliche Vorstellungsgehalte angedockt werden können; die Gründungsgeschichte gleicht in dieser Hinsicht der Darlegung eines Rahmens, der auf seine rezipientenseitige Füllung angelegt ist.
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Register Autorinnen und Autoren Abbott, Thomas K. 261, 267 Achtemeier, Paul J. 132 Adamzik, Kirsten 18ff., 23ff., 143f. Aland, Kurt 46 Aletti, Jean-Noël 77 Alkier, Stefan 2 Allen, Thomas G. 187 Arnold, Clinton E. 65, 174, 181f. Assmann, Jan 1 Audet, Jean-Paul 119ff., 124 Balch, David L. 344f. Barclay, John M. G. 60f., 70, 243 Barr, James 94 Barth, Fredrik 153 Barth, Markus 50, 66, 68, 72, 197, 247, 259, 290, 302 Beaugrande, Robert-Alain de 19, 21f., 24ff. Berger, Klaus 28, 74, 81, 120 Best, Ernest 47, 49, 52, 58, 65, 335, 344, 349 Beyer, Hermann Wolfgang 63, 82 Bickmann, Jutta 31 Bjerkelund, Carl J. 288 Bormann, Lukas 4, 61, 201 Bös, Mathias 152f. Braun, Herbert 62 Bremer, Jan Maarten 139 Brinker, Klaus 18f., 24f., 68, 116, 143ff. Brucker, Ralph 73, 137ff. Büchsel, Friedrich 337 Bühler, Karl 24, 143f. Buell, Denise Kimber 156 Bultmann, Rudolf 95, 207, 341 Busse, Dietrich 27 Cambier, Jules 66, 309f., 321, 326 Caragounis, Chrys C. 15, 66f., 69, 87, 93, 164 Christmann, Ursula 20 Cölfen, Hermann 18f., 24f., 68, 116, 143ff.
https://doi.org/10.1515/9783110794458-203
Cohen, Shaye J. D. 155, 242f. Covington, Eric 349 Dahl, Nils A. 66, 72, 78f., 117, 132, 207, 294 Darko, Daniel K. 9, 295, 347 Debrunner, Albert 73, 77 Deichgräber, Reinhard 62, 69, 74, 77f., 81, 118f., 131, 134, 168f., 174, 185 Dibelius, Martin 93 Doering, Lutz 31, 133ff. Dressler, Wolfgang U. 19, 21f., 24ff. Ebner, Martin 163 Egger, Wilhelm 28f. Ego, Beate 99 Ehorn, Seth M. 316 Eisen, Ute E. 29 Elliott, John H. 345 Engberg-Pedersen, Troels 338 Esler, Philip F. 153 Ewald, Paul 106, 227 Faust, Eberhard 10, 47, 61f., 68, 72, 118, 176, 188, 192, 195, 215, 217, 234, 239f., 242f., 253, 260, 263, 270f., 273, 276f., 345f., 350 Feldmeier, Reinhard 62 Finnern, Sönke 143, 149, 159 Fischer, Karl Martin 69, 77, 80 Fix, Ulla 25f., 29 Flavius Josephus 64, 134, 154 Frey, Jörg 10 Furley, William D. 139 Gerber, Christine 4, 6ff., 10f., 220, 229 Gese, Michael 10, 45, 60, 95, 129, 131f., 151, 184, 203, 213, 219, 253, 260, 323ff. Gnilka, Joachim 47, 67, 71f., 76ff., 84, 87, 94ff., 106, 110, 113, 127f., 131, 165, 168, 170, 174, 182, 191, 197, 214, 218f., 227f., 251f., 263, 267, 299, 330, 336ff.
386 | Register
Gombis, Timothy G. 12, 163, 211, 313, 315, 323 Goodspeed, Edgar J. 40 Gordley, Matthew E. 137f., 140, 142 Greeven, Heinrich 93 Gülich, Elisabeth 19, 26 Gunkel, Hermann 122 Halter, Hans 105 Harrill, J. Albert 156 Harris, W. Hall 97, 315, 318, 320f. Haupt, Erich 107, 336 Heckel, Ulrich 63, 82, 117f., 120, 132 Heinemann, Joseph 119 Hengel, Martin 199, 201 Hodge, Caroline Johnson 156 Hoegen-Rohls, Christina 6, 43f. Hofius, Otfried 85, 99 Holmberg, Bengt 6 Holtzmann, Heinrich Julius 2, 171 Hübenthal, Sandra 10, 31 Hübner, Hans 117 Iser, Wolfgang 6 Janßen, Martina 10 Jeal, Roy R. 8, 11f., 68, 72, 77, 86, 146, 148, 163ff., 170, 175f., 182, 190, 193, 207, 218, 222, 228, 238 Jenni, Ernst 119 Jeremias, Joachim 278 Joosten, Jan 62ff. Käsemann, Ernst 3, 6, 8 Karrer, Martin 31 Klauck, Hans-Josef 134, 289, 291 Kleinasien 65, 118 Koch, Dietrich-Alex 203 Kooten, George H. van 60, 159, 183, 194, 231 Korner, Ralph J. 2, 118 Krämer, Helmut 77, 79, 107 Kuhn, Karl Georg 62 Lieu, Judith M. 7, 40 Lincoln, Andrew T. 8, 10, 48, 59, 61, 66, 70, 73f., 77, 93, 97, 104, 163, 165, 171, 181,
191, 197, 200, 207, 211, 214f., 227f., 231f., 237, 252, 266, 272, 291, 299f., 304, 306, 314f., 319, 347 Lindemann, Andreas 48, 80, 85, 92, 94f., 98, 109, 167, 170, 172, 178, 212, 227, 229f., 272 Link, Hannelore 31ff. Linke, Angelika 19ff. Löhr, Hermut 74 Lohmeyer, Ernst 73, 77 Lona, Horacio E. 109, 176, 194, 218, 349 Lührmann, Dieter 341, 345 Luz, Ulrich 2, 9, 49, 65, 71, 127, 295 MacDonald, Margaret Y. 9, 75 Marcus, Joel 246 Martinez, Matias 90 Mason, Steve 154 Maurer, Christian 64, 66, 107, 197 Merkel, Helmut 8, 73 Merklein, Helmut 3, 6, 238, 242, 254, 260f., 277ff., 293, 300, 305, 307, 309f., 351 Meyer, Regina P. 177, 280 Mitton, C. Leslie 60 Moritz, Thorsten 61, 185, 316, 319 Morris, Charles W. 21f., 28 Muddiman, John 189 Mußner, Franz 62, 85, 93, 97f., 175ff., 237, 252, 261, 263, 265 Nicol, Martin 220 Norden, Eduard 73, 140 Nünning, Ansgar 31, 36 Nussbaumer, Markus 19ff. O’Brien, Peter T. 15ff., 71, 171, 183, 191 Odeberg, Hugo 92f., 98 Owens, Mark D. 162f. Pappert, Steffen 18f., 24f., 68, 116, 143ff. Percy, Ernst 61, 68, 71, 80, 97, 108f., 166, 349 Peterson, Erik 269 Pokorný, Petr 47, 49, 51 Portmann, Paul R. 19ff. Quell, Gottfried 64
Register | 387
Raible, Wolfgang 19, 26 Rammert, Werner 2 Rantzow, Sophie 92f., 100, 233 Reinmuth, Eckart 10, 41f. Rese, Martin 240 Ritter, Bradley 243 Robbins, Charles J. 86 Robinson, James M. 96, 124 Roetzel, Calvin 243f. Roitto, Rikard 9, 13, 87, 274, 348 Roloff, Jürgen 3, 179 Roon, Aart van 66, 76, 141, 162 Rüggemeier, Jan 143, 149, 159 Rüsen-Weinhold, Ulrich 201, 203 Sanders, Jack T. 70, 169, 173 Scharbert, Josef 63, 118ff. Scheffel, Michael 90 Schenk, Wolfgang 49 Schille, Gottfried 78 Schlier, Heinrich 6, 64, 66, 68, 76f., 85, 92, 94, 97ff., 150f., 178, 189, 219, 227ff., 262, 267, 275, 302, 307, 331ff., 336, 338, 341, 351 Schmeller, Thomas 83 Schmid, Josef 48f., 96, 165, 171, 340 Schmidt, Karl Ludwig 269 Schnackenburg, Rudolf 2, 15, 48, 66, 68, 71, 73, 82, 87, 94, 103, 107, 111, 144, 170f., 176, 178, 191, 210, 213, 218, 222, 234, 257, 262, 274f., 334 Schneider, Sebastian 68, 72, 77 Schnelle, Udo 2, 295 Schreier, Margrit 20 Schubert, Paul 162ff., 166 Schuller, Eileen M. 123 Schwindt, Rainer 8, 65, 85, 94, 96f., 176, 178, 188, 191f., 306, 317f., 320ff. Searle, John R. 24, 143f. Sellin, Gerhard 16, 46, 48f., 53, 57, 62, 66, 68, 70ff., 76ff., 80ff., 92f., 98, 100, 104, 107, 125, 127, 165f., 168, 171, 175, 182, 187, 189, 191, 213ff., 217f., 233, 238, 246, 250, 252f., 255, 263, 267, 270f., 274, 276, 278, 289, 292, 296f., 303, 306, 308, 319f., 323f., 335f., 344f., 351
Shkul, Minna 9 Smith, Anthony D. 153 Smith, Julien 9, 13f. Söding, Thomas 2 Spieckermann, Hermann 62, 120ff. Stanley, Christopher 155 Stegemann, Wolfgang 154 Steinmetz, Franz Josef 333 Stephan, Eckhard 1 Sterling, Gregory E. 269 Stoler, Ann Laura 156 Strasen, Sven 38 Straub, Jürgen 2 Strecker, Christian 1 Stuhlmacher, Peter 215 Tachau, Peter 207 Taylor, Richard A. 310, 322 Theobald, Michael 48, 65 Thraede, Klaus 345 Tomson, Peter J. 64, 118, 120 Towner, W. Sibley 118f. Traub, Helmut 93 Trebilco, Paul 159 Trobisch, David 47 Vielhauer, Philipp 117, 198f. Vogel, Manuel 244 Vollenweider, Samuel 137f., 142, 197f. Walter, Matthias 325 Weber, Beat 291 Weber, Max 153 Wehmeier, Gerhard 118f. Westermann, Claus 121 Wilder, William N. 323 Wilk, Florian 237, 246 Williams, Guy 188 Wischmeyer, Oda 18 Wolter, Michael 5, 9, 261 Woyke, Johannes 344f. Yee, Tet-Lim N. 9, 238, 242 Zimmermann, Ruben 10
388 | Register
Begriffe Adresse (des Epheserbriefs) 46ff. Äon 98, 170, 180, 194, 205, 209, 274, 360 All-Formel 80, 175ff. Amt, Ämter 264, 273, 282, 300, 307, 310, 325, 352 Anabasis 95, 263f., 267, 306, 313ff., 318, 320f., 324, 328 ἀνακεφαλαιώσασθαι 94, 100, 186, 194, 205, 258, 268, 276, 280f., 360 Angelologie 188; siehe auch Engel ἀπολύτρωσις 61, 103ff., 108, 180, 184, 186, 208f., 249, 257, 279, 288, 352 Apostel (Pl.) 56ff., 113, 222, 268, 272f., 277f., 282f., 305, 308ff., 323, 325f., 361 Archon/ἄρχων 229, 232ff., 239, 241, 250, 259, 261, 296f., 299, 301, 363 Auferweckung 97, 167, 179, 185f., 198f., 205, 220f., 249, 264f., 268, 359 βασιλεία 190 Berufung 288, 292; siehe auch κλῆσις; siehe auch Ruf (Gottes) Beschneidung [περιτομή] 216, 237ff., 241, 243, 245ff., 272 Bildung 131, 142, 303, 363 διάβολος 299, 340f. Diaspora 118, 243 διαθήκη 243 διδασκαλία 304, 351 Einheit 84, 123, 190, 216, 259, 262, 289, 291, 316, 327, 351 ἐκκλησία 2f., 6f., 9, 55, 58, 89, 159, 162, 172, 174, 179, 185, 190ff., 205f., 210f., 256f., 264f., 267, 271, 273ff., 279ff., 284ff., 297, 313, 326, 332ff., 339, 343, 345ff., 352f., 356, 358, 360ff. ἐλέγχειν 336ff. Empowerment 286, 331 Engel 189, 272, 320; siehe auch Angelologie ἐν τοῖς ἐπουρανίοις 92ff., 141, 149, 178, 187, 193, 200, 202, 250, 275, 285 Enzyklopädie 27, 87 Ephesus 65, 187
Erfüllen 192f., 195, 308, 316, 327 ἔργα 234, 269, 299, 335, 339 Erhöhung 185f., 199ff., 205, 221, 249, 264f., 268, 306, 312f., 315f., 322, 361 Erinnerung 127, 140, 150 Erwählung 16, 64f., 99, 101ff., 115, 158, 231, 356 ἔθνη siehe Weltvölker Ethnizität 151ff. Evangelisten 326 Evangelium 46, 54, 112f., 116, 149, 180, 221f., 225, 231, 241, 248, 262ff., 272f., 277f., 282f., 286, 289f., 299ff., 303, 307, 312, 315, 323, 331, 360f. Fehltritte [παραπτώματα] 103f., 106, 112, 115, 208, 224, 234, 249, 257; siehe auch Sünde, sündhaft Fleisch [Sarx/σάρξ] 217, 234, 242, 247, 261 Frames 27; siehe auch Schemata, kognitive Friede/Frieden 216, 252f., 255, 258, 262, 289 Fülle 100, 111, 116, 127, 194, 205, 274, 360; siehe auch πλήρωμα Gefangenschaft (des Paulus) 45, 266 Geheimnis 110, 275; siehe auch μυστήριον; siehe auch Mysterium Gesetz 236, 243ff., 258f., 288, 319, 321f., 359, 363; siehe auch νόμος; siehe auch Tora Gliederung (des Epheserbriefes) 43f., 69ff., 123ff., 140ff., 162ff., 184, 207ff., 287ff., 354f. Gnadengabe/Gnadengaben 61, 219, 223, 307, 310ff., 317, 321, 325, 327f., 331 Gotteslob 7, 63, 66, 70, 82f., 88, 92f., 118, 120ff., 124, 128, 133f., 137ff., 145f., 148, 150, 159, 275, 285f., 288, 324, 331, 357, 359, 361ff. Gottesvolk 158, 179, 245, 356, 359; siehe auch Israel/Ἰσραήλ Gründungsgeschichte/-narrativ 7, 84, 88ff., 114f., 129, 137, 149f., 161f., 186f., 196f.,
Register | 389
200, 204, 224ff., 244, 257, 280, 285f., 288, 295, 304, 324f., 332, 354f., 363 Haupt [κεφαλή] 16, 94, 174f., 178, 185, 190, 192, 194f., 205, 258, 264, 312, 327, 329, 333, 346, 360 Haustafel 54, 97, 292, 344, 363 Heilige [ἅγιοι] 49, 51f., 271ff., 273, 278, 310, 326, 328, 349 Heilsstand 8, 51, 57, 106, 109, 112f., 115, 130, 135, 207f., 226, 233, 235, 240, 247, 268, 275, 281, 283, 285, 355, 358 Hirten 326 Hoffnung 100, 107ff., 113, 244, 248, 273, 283, 289, 358, 362 Homologie 198 Homologumena, paulinische 40f., 60f., 79, 184 Horizontverschmelzung 42 Hymnus 69, 78, 120f., 137ff., 173 Identität, kollektive 1 Intertextualität 21, 24ff. Israel/Ἰσραήλ 64f., 68, 108, 120, 122, 136, 215, 236, 239ff., 248f., 256, 258, 261, 266, 270ff., 279, 283f., 318, 320, 358f., 361; siehe auch Gottesvolk Kaiser 10, 322, 346 Katabasis 95, 263f., 314f., 319, 321, 328 Kindschaft 71, 91, 103, 105f., 115, 233f., 247f., 257, 268, 356 κλῆσις 16, 179, 289, 292; siehe auch Berufung; siehe auch Ruf (Gottes) Kohärenz 22, 26f., 29 Kohäsion 21f., 26, 28 Kolosserbrief 3, 59ff., 65, 117 Kommunikationsakt 19, 44 Kontrastschema, soteriologisches 207 Kreuz (Christi) 90, 103, 106, 114, 184, 186, 221, 249, 251, 304, 360 Kult, kultisch 104, 119, 138, 281, 285 Leerstellen 6 Lehre, lehren, Lehrer 300f., 303f., 326, 352 Leib [σῶμα] 172, 175, 192ff., 205f., 251, 254, 256ff., 260ff., 280, 283, 291, 307, 312,
327ff., 332f., 337, 343, 348f., 352f., 362f. Lernen 304 Mächte und Gewalten 97ff., 178, 187f., 190, 195, 204ff., 210, 242, 275f., 283, 285, 304, 320f., 335, 339f., 357f., 360ff. Makrostruktur siehe Gliederung (des Epheserbriefes) Mensch, neuer/alter 255, 259, 270, 285, 296, 351 Mimesis 269, 331, 357 Mose 65, 318ff. μυστήριον 79, 90, 207, 209, 219, 222, 226, 248f., 281, 286; siehe auch Geheimnis; siehe auch Mysterium Mysterium 57, 113, 207, 223, 266, 276, 299; siehe auch Geheimnis; siehe auch μυστήριον Neuschöpfung 215, 249, 251, 255ff., 260f., 270, 283 νόμος 216, 254; siehe auch Gesetz; siehe auch Tora οἰκοδομή 56, 278, 348f. Pastoralbriefe 300, 304 Paulusbriefe 3, 35, 41, 43, 45, 47f., 53, 59f., 65, 117, 163, 184 Pfingsten, Pfingstereignisse 314, 319 Philo von Alexandrien 8, 62, 64, 154, 192, 260 Pistisformel 198 πλήρωμα 16, 172, 193f., 196, 279, 327, 349, 351, 360; siehe auch Fülle Politeia/πολιτεία 154, 215, 242ff., 271, 273, 345 Pragmatik 21ff., 26, 29 Propheten 56ff., 113, 222, 264, 272f., 277f., 282f., 308f., 323, 326, 361 Protologie, protologisch 99f., 104, 106, 114, 157, 355 Pseudepigraphie 31, 56, 147, 354 Pseudepigraphieforschung 9, 31, 40 Qumran 62, 119
390 | Register
Religionsgeschichte, religionsgeschichtlich 8, 65, 142 Repertoire 36ff. Revelationsschema 57, 207, 219 Rezeptionsästhetik, rezeptionsästhetisch 6 Rezeptionsforschung 31, 33 Rezeptionsgeschichte 33 Ruf (Gottes) 113, 180, 289, 303; siehe auch Berufung; siehe auch κλῆσις Sarx/σάρξ siehe Fleisch Schemata, kognitive (etc.) 27f., 30, 66, 222; siehe auch Frames Schöpfung 16, 63, 85, 96f., 102, 110, 126, 189, 204, 231, 259f., 276, 280, 284, 344, 353, 356ff., 363 Schrift 61, 64, 112, 118, 121, 197, 200, 236, 286, 306, 317, 327, 363f. Selbstverständnis 1f., 6f., 17, 29, 40, 67, 114f., 151f., 154ff., 160f., 168, 205f., 246, 348, 355, 363 Semantik 21f., 26, 29 Semiotik, semiotisch 20, 22, 24, 28 Septuaginta (LXX) 62, 64, 76, 117f., 191, 200f., 203 sich rühmen 221, 237, 246 σῶμα siehe Leib Stil (des Epheserbriefes) 5, 16f., 62, 66ff. Sünde, sündhaft 213f., 227, 230, 233, 257, 337, 358; siehe auch Fehltritte Syntax 21, 26, 28 Taufe 54, 151 Tempel 56, 133, 211, 277, 281, 285, 363 tertium genus 261 Textlinguistik 18, 29
Textsorten 25f., 30 Textualitätskriterien 20 Thron (Gottes) 97, 170, 187, 251, 315, 357 Tora 247, 318ff.; siehe auch Gesetz; siehe auch νόμος Tradition 59, 61f., 65, 73, 78, 120, 131f., 136f., 151, 196, 260, 269, 276, 318, 346, 364 Transkulturalität, transkulturell 142, 364 Transparenz (der Fiktion) 40, 56, 59, 354 Tychikus 45, 47, 53, 71, 327 Vater 83f., 91f., 123, 125ff., 167, 185, 189f., 220f., 231, 261, 297, 316f., 328, 348, 352, 356ff., 362 Verheißung/Verheißungen 112, 244f., 248, 273, 279, 283, 317, 328, 358f. Versöhnung 241, 256 Völker siehe Weltvölker Vollendung 100, 105f., 108f., 111, 114, 161, 180, 268, 279, 282, 289, 343, 351ff., 362f. Vorsehung 103, 107 Wachstum 280, 308, 329, 331f., 334, 336, 343f., 350, 352, 362f. Weltbild 94ff., 99 Weltvölker [ἔθνη] 45f., 54f., 57, 68, 108, 137, 215, 225, 238f., 242, 246, 248f., 251, 259, 261, 265ff., 270, 273, 279, 283f., 292, 298f., 361 Wille (Gottes) 90, 100, 114f., 157, 182, 249, 251, 273 Wochenfest 319 Zion 324
Stellen Altes Testament / Septuaginta Genesis – 1,26 260 – 2,7 260
– 14,20 119 – 24,27 119
Register | 391
Exodus – 18,10 119 – 19,3 318 – 20,12 347 Deuteronomium – 5,16 347 – 7,6ff. 158 – 32,15 65 – 33,5 65 – 33,26 65
Judith – 13,17f. 118 Tobit – 3,11 123 – 3,16f. 119 – 8,5 123 – 11,14 119, 123 1. Makkabäer – 4,30–33 124, 126, 128
Ruth – 4,14 119
2. Makkabäer – 1,11–17 134
1. Samuel – 25,32 119 – 25,39 119
Psalmen – 8,5 316 – 8,7 177, 197, 200, 203, 324 – 18[17],47–49 119 – 28[27],6 119f., 123 – 31[30],22 119f., 123 – 41,14 120, 123 – 63[62],10 315 – 66,20 119f. – 68[67] 315 – 68[67],12 323, 325 – 68[67],19 306, 312, 316 – 68,20 120, 123 – 68,36 120 – 72[71],18 119 – 72,18f. 123 – 89,53 120, 123 – 106,48 120, 123 – 110[109],1 197ff., 203, 316, 324 – 119,12 120, 123 – 124,6 119f., 123 – 135[134],21 119 – 139[138],15 315 – 144[143],1 119, 123
2. Samuel – 18,28 119 1. Könige – 1,48 119 – 5,15–23 133f. – 5,21 119 – 8,15 119, 123 – 8,56 119, 123 – 8,56–61 123 – 10,9 119 1. Chronik – 16,36 119f. – 29,10 119, 123 2. Chronik – 2,2–15 133 – 2,11 119 – 6,4 119 – 9,8 119 – 20,7 65 Esra – 7,1–10 42 – 7,27 119
Proverbien – 31,30 63 Hiob – 29,13 63
392 | Register
Jesus Sirach – 45,1 65 – 46,13 65
– 44,2 65 – 52,7 215 – 57,19 215
Maleachi – 3,17 100
Ezechiel – 3,12 120
Jesaja – 9,5f. 215
Daniel – 3,35 65
Neues Testament Matthäusevangelium – 4,24 276 – 18,15–17 337 – 22,44 203 Markusevangelium – 1,34 276 – 12,36 201, 203 – 14,62 201 Lukasevangelium – 1,68 119 – 4,40 276 – 16,10–22 50 – 19,17 50 – 20,43 203 Johannesevangelium – 3,13 315 – 5,45 109 – 6,62 315 – 12,31 232 – 14,30 232 – 16,11 232 Apostelgeschichte – 2,33 201, 319, 322 – 2,34 201 – 2,38 151 – 4,4 151 – 5,17 48 – 5,31 201, 323
– 7,55 201 – 8,17–19 151 – 10,45 246 – 11,2 246 – 13,1 48 – 13,48 151 – 14,13 48 – 15,7 151 – 16,15 50 – 19,2f. 151 – 19,5f. 151 – 19,13 187 – 28,17 48 Römerbrief – 1,7 47 – 1,10 163 – 1,16 151 – 2,17–20 246 – 2,20 301 – 4,24 199 – 4,25 199 – 5,8 213 – 6,4 167 – 8,15 61 – 8,23 61 – 8,34 201 – 9,4 61, 245 – 9,22f. 213 – 10,14 112 – 11,30 213 – 12 331
Register | 393
– 12,3 307 – 12,6 308, 311 – 15,15f. 307 – 16,18 63 1. Korintherbrief – 1,2 47, 50 – 1,4 163 – 2,6.8 232 – 3,6f. 332 – 3,10 307 – 7,12–16 58 – 8,5f. 85 – 8,6 332, 351 – 12 331 – 12,4–6 311 – 12,7 308 – 12,28 191 – 14,24f. 336 – 15,3–5 198f. – 15,24ff. 333 – 15,25 203 – 15,27 177 – 15,27a 202 – 15,27f. 332 – 15,28 351 – 15,40 60 – 15,48f. 60 2. Korintherbrief – 1,1 47 – 1,3 119, 121 – 1,3ff. 117, 131, 135 – 1,22 151 – 4,14 199 – 5,1 60 – 5,15 199 – 9,10 332 Galaterbrief – 1,1 199 – 1,12.15f. 53 – 2,12 246 – 2,7 262 – 2,7–9 307 – 4,5 61 – 4,16 304
Epheserbrief (in Auswahl) – 1,1 46, 266 – 1,1f. 44, 145 – 1,2 69 – 1,3 61f., 70, 82, 97, 121, 144, 149 – 1,3f. 101f. – 1,3–14 15, 61, 66ff., 161, 354 – 1,3–3,19 127 – 1,3–3,21 128 – 1,4 5, 64, 84, 99, 148, 158, 284 – 1,5 61, 230 – 1,5–8 103f., 208, 249, 257 – 1,6 64, 88, 174, 185 – 1,7 106, 184 – 1,8f. 130 – 1,9 65 – 1,9f. 97, 110f., 281 – 1,9–14 105ff. – 1,10 96, 100, 177, 194, 258 – 1,10f. 84 – 1,11 184 – 1,11f. 105ff., 282 – 1,12 69, 100, 106 – 1,13 54, 67, 86, 111ff., 148, 150, 182, 283 – 1,13f. 72, 130, 281, 308 – 1,14 100, 105f. – 1,15 45, 53, 183 – 1,15–19 141, 355 – 1,15–19(23) 69, 125 – 1,15–23 71 – 1,16ff. 55 – 1,17 267 – 1,17–19 130 – 1,18 113 – 1,19f. 181ff. – 1,19–23 161ff., 180, 196ff., 209f. – 1,20 201 – 1,20f. 97 – 1,20–22 184ff., 264 – 1,20–23 88, 103, 169ff., 306, 312 – 1,21 202 – 1,22 94, 202 – 1,22f. 4, 210, 257 – 1,23 192ff., 256, 258, 279, 281 – 2,1f. 98 – 2,1–3 227ff., 257 – 2,1–10 208ff., 212ff., 223, 264
394 | Register
– 2,1–3,13 207ff. – 2,2 167, 189 – 2,4–6 185 – 2,4–10 250f. – 2,5f. 183 – 2,6 98 – 2,7 275f., 282 – 2,8–10 234f., 246, 283 – 2,9 259 – 2,10 157 – 2,11 1, 131, 222 – 2,11f. 237ff. – 2,11–13 68 – 2,11–22 208, 214ff., 223, 237, 264 – 2,11ff. 54 – 2,12 242 – 2,13 49 – 2,14–18 251ff. – 2,15 351 – 2,17 282, 315 – 2,18 281 – 2,19 243, 270 – 2,20 113, 282, 326 – 2,20–22 56, 308 – 2,21f. 277ff., 281 – 3,1 45 – 3,1–13 57, 208f., 217ff., 223, 264ff., 307 – 3,1.14–19 125, 355 – 3,2 53 – 3,3f. 53, 286 – 3,5 113, 282, 326 – 3,5f. 248 – 3,7–10 282 – 3,8 45 – 3,9 96 – 3,10 98, 188, 275f., 282 – 3,12 281 – 3,13 266 – 3,14ff. 55 – 3,15 96 – 3,16–19 130 – 3,19 193 – 3,20f. 55, 60, 128, 355 – 3,21 209 – 4,1 266, 287 – 4,1–6 288ff., 294 – 4,1–16 291
– 4,1–16(24) 281 – 4,1–6,20 287ff., 355 – 4,5 54 – 4,7 167, 311 – 4,7–12 309 – 4,7–16 293, 305ff. – 4,8–10 312 – 4,8–12 263 – 4,9 95 – 4,10 176 – 4,11 282, 332 – 4,11f. 325 – 4,11–16 328 – 4,13 348ff. – 4,14 300, 326 – 4,15f. 330ff. – 4,17 54, 240 – 4,17–24 294ff. – 4,17–6,9 291 – 4,18 49 – 4,20f. 308 – 4,20–24 260, 302ff. – 4,21 326 – 4,27 299 – 4,30 105, 352 – 4,32–5,2 294 – 5,1 230, 269 – 5,2 4, 267 – 5,3–5 298 – 5,3–14 334 – 5,5 190, 299 – 5,6 230, 300 – 5,7 299 – 5,9 269 – 5,11 299 – 5,11–14 334ff. – 5,18–20 286 – 5,18–21 292 – 5,19 60, 93 – 5,20 269 – 5,21–6,9 54, 344ff. – 5,21ff. 58 – 5,25 4, 267 – 5,27 5, 267 – 5,31 247 – 6,2f. 247, 321, 347 – 6,3 98
Register | 395
– 6,9 98 – 6,10–17 109, 343 – 6,10–20 291, 294 – 6,10ff. 51 – 6,12 98, 178, 188, 321 – 6,18 269 – 6,18f. 55 – 6,19 113 – 6,19f. 266 – 6,20 45 – 6,21 45 – 6,21f. 45, 53, 71 – 6,22 5, 47 – 6,23 47 – 6,23f. 53 Philipperbrief – 1,1 47, 50 – 1,4 163 – 1,11 70 – 1,19f. 45 – 1,24–26 45 – 2,6ff. 185 – 2,9–11 200 – 2,10 60 – 3,20 60 – 3,21 332 – 4,21 50 Kolosserbrief – 1,1 165 – 1,2 51 – 1,3 163, 165 – 1,4 183 – 1,5 60 – 1,15ff. 185 – 1,16 60, 71 – 1,16–20 332 – 1,20 60, 71, 333 – 2,8–3,4 60 – 3 344 – 4,7–9 72 – 4,11 246 1. Thessalonicherbrief – 1,2 163 – 2,13 163
– 4,14 199 1. Timotheusbrief – 3,11 50 – 3,16 185 – 4,10 109 – 6,13 332 2. Timotheusbrief – 3,6 276 Titusbrief – 1,10 246 – 3,3 276 Philemonbrief – 4 163 – 4–6 164 – 5 183 Hebräerbrief – 1,3 201 – 1,3ff. 185 – 1,13 201 – 2,4 276 – 8,1 201 – 10,12 201 – 12,2 201 – 13,9 276 Jakobusbrief – 1,2 276 – 4,6 306 1. Petrusbrief – 1,1–2,10 180 – 1,3 119, 121 – 1,3ff. 131 – 1,6 276 – 1,7 70 – 1,21 50, 199 – 2 344 – 2,9f. 158 – 2,13–17 346 – 2,21ff. 185 – 3,1 58 – 3,18ff. 185
396 | Register
– 3,22 200f. – 4,10 276
Johannesoffenbarung – 2,10 51
Weitere jüdische Quellen 1QapGen (Genesis-Apokryphon) – 20,12–16 124
4. Esra – 3,1 42
1QH (Hodayot) – 10,14 123
1. Henoch – 84,2 123
1QS (Gemeinschaftsregel) – 5,24–6,1 337
Josephus, Antiquitates judaicae – 8,50–55 134
4Q504–506 (Worte der Himmelskörper) 123
Philo von Alexandrien, De somniis – 1,201–209 276
Aristeasbrief – 139.142 254
Psalmen-Targum – zu Ps 68,19 318ff.
Weitere christliche Quellen Barnabasbrief – 3,6 64 – 4,3 64 – 4,8 64 1. Clemensbrief – 59,2f. 64
Euseb, Praeparatio Evangelica – IX 30,1–34,18 132 Hirt des Hermas – 29,4 50 Ignatius von Antiochien – An die Smyrnäer, Präskript 64
Didache – 15,3 337
Griechisch-römische Quellen Aristoteles Politica – I 3,1253b 344 Rhetorica ad Alexandrum – 1438b.15–28 12 – 1442b.28–32 12
Euripides, Supplices – 925 63 Seneca, Epistulae morales ad Lucilium – 94,1 344