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German Pages 1017 Year 2012
Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht
Marc Engelhart
Sanktionierung von Unternehmen und Compliance Eine rechtsvergleichende Analyse des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts in Deutschland und den USA 2., ergänzte und erweiterte Auflage
Schriftenreihe des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht Strafrechtliche Forschungsberichte Herausgegeben von Ulrich Sieber Band S 121
Marc Engelhart Sanktionierung von Unternehmen und Compliance
Schriftenreihe des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht
Strafrechtliche Forschungsberichte Herausgegeben von Ulrich Sieber in Fortführung der Reihe „Beiträge und Materialien aus dem Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht Freiburg“ begründet von Albin Eser
Band S 121
Sanktionierung von Unternehmen und Compliance Eine rechtsvergleichende Analyse des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts in Deutschland und den USA
Marc Engelhart
2., ergänzte und erweiterte Auflage
Duncker & Humblot x Berlin
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Redaktion: Petra Lehser Alle Rechte vorbehalten © 2012 Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V. c/o Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht Günterstalstraße 73, 79100 Freiburg i.Br. http://www.mpicc.de Vertrieb in Gemeinschaft mit Duncker & Humblot GmbH, Berlin http://www.duncker-humblot.de Umschlagbild: © Alan Schein, Corbis Druck: Stückle Druck und Verlag, Stückle-Straße 1, 77955 Ettenheim Printed in Germany ISSN 1860-0093 ISBN 978-3-86113-830-3 (Max-Planck-Institut) ISBN 978-3-428-13947-7 (Duncker & Humblot) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 ?
Vorwort zur 2. Auflage Die erste Auflage dieses Buches ist auf so großes Interesse gestoßen, dass bereits ein Jahr nach ihrem Erscheinen mit den Vorbereitungen für eine zweite Auflage begonnen werden konnte. Dies ist sehr erfreulich, da rechtsvergleichende Arbeiten häufig eher ein Schattendasein fristen. Der Blick auf das Ausland ist aber nicht nur informativ, sondern dient auch der Inspiration und der kritischen Analyse des eigenen Rechts, sodass eine rationale Begründung von Recht ermöglicht wird. In der Rechtspraxis haben die USA in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen und es ist absehbar, dass dies so bleiben wird, weshalb sie für den vorliegenden Vergleich herangezogen wurden. Der Einstieg in das amerikanische Recht und dessen Verständnis sind zwar oft mühevoll, man wird aber durch eine – entgegen landläufiger Meinung – fundierte, tiefgehende und kreative Rechtsdiskussion von beeindruckender Innovationskraft entschädigt. In den vergangenen zwei Jahren hat sich der Bereich Compliance stark entwickelt. Ein unveränderter Nachdruck der ersten Auflage war angesichts dieser neueren Entwicklungen nicht zu rechtfertigen. Eine vollständige Überarbeitung hätte jedoch dazu geführt, dass das Buch längere Zeit nicht lieferbar gewesen wäre. Verlag und Verfasser haben sich daher entschlossen, den Neuerungen ein eigenes Kapitel zu widmen. So erhält der Leser einen geschlossenen Überblick über die Fortentwicklung, während die ursprüngliche Konzeption erhalten bleibt. Dies ist inhaltlich gerechtfertigt, da die Ausführungen unverändert gültig sind. Die Ergänzungen betreffen neue Fragenkreise und Vertiefungen. Dabei konnten nicht zuletzt die Erfahrungen des Verfassers als Anwalt im Bereich Unternehmenssanktionen und Compliance miteinfließen. An dieser Stelle danke ich allen, die die weitere Forschung und die Erstellung der zweiten Auflage unterstützt haben, namentlich Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Ulrich Sieber. Ein besonderer Dank geht wiederum an Frau Petra Lehser für ihre wertvolle Arbeit bei der Vorbereitung der Drucklegung. Freiburg, im August 2012
Marc Engelhart
Vorwort zur 1. Auflage Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg hat die vorliegende Arbeit im Wintersemester 2009/2010 als Dissertation angenommen. Sie wurde für die Veröffentlichung aktualisiert, sodass einschlägige Gesetzesänderungen, Literatur und Rechtsprechung bis Anfang des Jahres 2010 berücksichtigt werden konnten. Die Arbeit ist während meiner Zeit als wissenschaftlicher Referent am Max-PlanckInstitut für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg entstanden. Mein herzlicher Dank gebührt Herrn Professor Dr. Dr. h.c. Ulrich Sieber für die Anregung und die intensive Begleitung der Arbeit. Danken möchte ich darüber hinaus Herrn Professor Dr. Roland Hefendehl für seine instruktiven Hinweise, die im Rahmen der International Max Planck Research School for Comparative Criminal Law (IMPRS-CC) bereits in einem frühen Stadium erfolgen konnten, sowie für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Zahlreiche gegenwärtige und ehemalige Mitarbeiter sowie Gäste des Max-PlanckInstituts für ausländisches und internationales Strafrecht haben die Arbeit über Jahre begleitet und an ihrer Erstellung Anteil genommen. Die offene und internationale Atmosphäre des Instituts hat es mir ermöglicht, zahlreiche Forschungsfragen umfassend zu diskutieren und aus verschiedenen Blickwinkeln zu beleuchten. Allen Gesprächspartnern und Kollegen sei an dieser Stelle für diese einmalige Umgebung herzlich gedankt. Stellvertretend für alle seien hier die folgenden Personen genannt: Mein besonderer Dank gilt Herrn Professor Dr. Dr. h.c. mult. Albin Eser, M.C.J., der zu einem frühen Zeitpunkt im Studium die Freude an wissenschaftlichem Arbeiten und vor allem der Rechtsvergleichung in mir geweckt hat. Frau Emily Silverman, J.D. (Berkeley Law), LL.M. (Freiburg i.Br.), Herrn Dr. Christoph Burchard, LL.M. (NYU) und Herrn Dr. Frank Meyer, LL.M. (Yale) danke ich für die bereichernden Diskussionen zum Recht und der Rechtslage in den USA. Herrn Professor Morikazu Taguchi von der Waseda-Universität in Tokio sei für wertvolle Anstöße zur Compliance-Problematik gedankt. Den Betreuern und Mitdoktorandinnen und -doktoranden der International Max Planck Research School for Comparative Criminal Law des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht und der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg danke ich für die zahlreichen interessanten Vorträge und gemeinschaftlichen Diskussionen zu Fragen der Rechtsvergleichung. Ein besonderer Dank geht zudem an Frau Petra Lehser für ihre bewährte und sorgfältige Arbeit als Lektorin sowie die gute Zusammenarbeit bei der Vorbereitung der Drucklegung. Gedankt sei schließlich meinen Eltern für ihre langjährige Unterstützung und die Freiräume, die sie mir eröffnet haben. Mein ganz besonderer Dank, auch für die Mühen der Durchsicht des Manuskripts und ihre Geduld, gilt Frau Dr. Katharina Schober. Stuttgart, im September 2010
Marc Engelhart
Für K.
Inhaltsübersicht Vorwort zur 2. Auflage ..................................................................................................... V Vorwort zur 1. Auflage .................................................................................................... VI Abkürzungsverzeichnis .............................................................................................. XXIX Verzeichnis der Tabellen und Schaubilder ........................................................................ LI 1. Kapitel: Einführung ................................................................................................... 1 § 1 Ausgangspunkt der Untersuchung ............................................................................. 1 § 2 Methodische Grundlagen der Rechtsvergleichung .................................................. 10 § 3 Gegenstand und Ziel der Untersuchung ................................................................... 32 2. Kapitel: Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika ...................... 57 § 4 Einführung in das amerikanische (Straf-)Recht ....................................................... 57 § 5 Strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen ............................................. 70 § 6 Die Strafzumessung ............................................................................................... 115 § 7 Das Unternehmen im Strafverfahren ..................................................................... 224 § 8 Die Unternehmensstrafe in der Praxis ................................................................... 260 § 9 Entwicklung und weitere Bedeutung von Compliance-Programmen .................... 285 3. Kapitel: Deutsches Recht ....................................................................................... 319 § 10 Straf- und ordnungswidrigkeitenrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen ................................................................................................... 319 § 11 Die Sanktionsbemessung der Unternehmensgeldbuße .......................................... 430 § 12 Verfahrensrechtliche Aspekte der Unternehmensgeldbuße ................................... 444 § 13 Sanktionierung von Unternehmen in der Praxis .................................................... 487 § 14 Weitere Bedeutung von Compliance-Programmen ............................................... 496 4. Kapitel: Rechtsvergleichung ................................................................................. 522 § 15 Einleitende Bemerkungen und tabellarischer Überblick ....................................... 522 § 16 Allgemeine Strukturen der Rechtssysteme ............................................................ 528 § 17 Verantwortlichkeit von Unternehmen .................................................................... 534 § 18 Sanktionen ............................................................................................................. 560 § 19 Verfahrensrechtliche Aspekte ................................................................................ 580
X
Inhaltsübersicht
§ 20 Rechtswirklichkeit ................................................................................................. 587 § 21 Regulierung von Unternehmen durch Compliance ................................................ 590 5. Kapitel: Rechtspolitische Schlussbetrachtungen ................................................. 599 § 22 Einleitende Bemerkungen ...................................................................................... 599 § 23 Sanktionsrecht und regulierte Selbstregulierung ................................................... 601 § 24 Grundlagen einer sanktionsrechtlichen Verantwortlichkeit ................................... 658 § 25 Konstruktion einer Verantwortlichkeit .................................................................. 680 § 26 Sanktionen gegen Unternehmen ............................................................................ 691 § 27 Verfahren ............................................................................................................... 703 § 28 Ausgestaltung eines Compliance-Programms ....................................................... 711 § 29 Entwurf eines Unternehmenssanktionsgesetzes ..................................................... 720 6. Kapitel: Zusammenfassung ................................................................................... 730 7. Kapitel: Neue Entwicklungen ................................................................................ 732 § 30 Entwicklung in den USA ....................................................................................... 732 § 31 Entwicklung in Deutschland .................................................................................. 749 § 32 Schlussbemerkungen ............................................................................................. 789 Anhang Gesetzestexte ......................................................................................................... Rechtsprechungsverzeichnis .................................................................................. Literaturverzeichnis ............................................................................................... Sach- und Personenverzeichnis ..............................................................................
793 814 823 913
Inhaltsverzeichnis Vorwort zur 2. Auflage ..................................................................................................... V Vorwort zur 1. Auflage .................................................................................................... VI Abkürzungsverzeichnis .............................................................................................. XXIX Verzeichnis der Tabellen und Schaubilder ........................................................................ LI 1. Kapitel: Einführung ................................................................................................... 1 § 1 Ausgangspunkt der Untersuchung ......................................................................... 1 § 2 Methodische Grundlagen der Rechtsvergleichung ............................................. 10 A.
B.
C.
Rechtsvergleichung als Forschungsansatz ....................................................... I. Darstellung und Analyse ausländischen Rechts ...................................... II. Vergleichende Erkenntnisse .................................................................... III. Neuinterpretation und Fortentwicklung des geltenden Rechts ................ Durchführung rechtsvergleichender Forschung ............................................... I. Funktionale Rechtsvergleichung ............................................................. II. Festlegung der Sachfragen und Länder ................................................... III. Erstellung der Landesberichte ................................................................. IV. Vergleichender Teil ................................................................................. V. Rechtspolitische Schlussfolgerungen ...................................................... Fragen der Übersetzung ...................................................................................
12 13 14 15 19 19 23 26 29 30 31
§ 3 Gegenstand und Ziel der Untersuchung .............................................................. 32 A.
B.
Die Verantwortlichkeit und Sanktionierung von Unternehmen ...................... I. Rechtsvergleichung mit den USA ........................................................... II. Sachfragen ............................................................................................... III. Definitionen ............................................................................................. Compliance-Maßnahmen ................................................................................. I. Definition der Compliance-Maßnahmen ................................................. 1. Überblick zur Herkunft des Begriffs ............................................... 2. Verwandte Bezeichnungen .............................................................. 3. Definitionen ..................................................................................... II. Verhältnis zu verwandten Konzeptionen ................................................. 1. Verhältnis zur Corporate Governance ............................................. 2. Verhältnis zur Corporate Social Responsibility/ Corporate Citizenship ...................................................................... 3. Verhältnis zur Unternehmensethik .................................................. 4. Weitere Abgrenzungen .................................................................... III. Sachfragen ...............................................................................................
33 33 37 38 40 40 40 42 43 45 45 49 51 52 54
XII
Inhaltsverzeichnis C.
Ziel der Untersuchung ..................................................................................... 55
2. Kapitel: Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika ...................... 57 § 4 Einführung in das amerikanische (Straf-)Recht ................................................. 57 A. B.
Überblick zum amerikanischen (Straf-)Recht ................................................. Grundlagen der strafrechtlichen Verantwortlichkeit ....................................... I. actus reus ................................................................................................. II. mens rea ................................................................................................... III. Besonderheiten ........................................................................................ 1. Strict liability ................................................................................... 2. Vicarious liability ............................................................................ IV. Defenses ..................................................................................................
57 62 62 63 64 64 66 68
§ 5 Strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen ....................................... 70 A.
B.
C.
Geschichtliche Entwicklung der Unternehmensstrafbarkeit ............................ 70 I. Entwicklung bis Mitte des 20. Jahrhunderts ............................................ 70 II. Entwicklung bis Ende des 20. Jahrhunderts ............................................ 76 III. Neuere Tendenzen ................................................................................... 78 Begründung ..................................................................................................... 80 I. Begründungsansätze ................................................................................ 81 II. Betroffenheit Unschuldiger ..................................................................... 85 III. Alternativen zur Unternehmensstrafbarkeit ............................................. 86 Voraussetzungen der Unternehmensstrafbarkeit ............................................. 87 I. Konzeption der Unternehmensstrafbarkeit .............................................. 88 II. Einzelne Voraussetzungen der Verantwortlichkeit ................................. 90 1. Begehung einer Straftat durch einen Mitarbeiter des Unternehmens ........................................................................... 90 a) Erfasste Zusammenschlüsse .................................................... 91 b) Stellung des Mitarbeiters ........................................................ 92 c) Art der Straftat ........................................................................ 94 d) Volldeliktisches Handeln des Mitarbeiters ............................. 95 e) Auswirkungen von Compliance-Programmen ........................ 98 2. Begehung der Straftat im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses .................................................................................... 99 a) Weite Auslegung ..................................................................... 99 b) Compliance-Programme als due diligence defense .............. 101 3. Vorsatz des Mitarbeiters, das Unternehmen zu begünstigen ......... 104 III. Defenses ................................................................................................ 106 IV. Ansätze in der Literatur ......................................................................... 106 V. Exkurs: Unternehmensstrafrecht in den Bundesstaaten ........................ 111
§ 6 Die Strafzumessung ............................................................................................. 115 A. B.
Die Lage vor Einführung der Strafzumessungsrichtlinien ............................ 116 Entstehungsgeschichte der Strafzumessungsrichtlinien ................................ 121
Inhaltsverzeichnis I.
C.
Gesetzliche Vorgaben ............................................................................ 1. Strafzwecke ................................................................................... 2. Mögliche Strafen ........................................................................... 3. United States Sentencing Commission ......................................... II. Die Erstellung der Richtlinien ............................................................... 1. Richtlinien für natürliche Personen ............................................... 2. Richtlinien für Unternehmen ......................................................... a) Gesetzliches Mandat ............................................................. b) Die zwei konkurrierenden Ansätze: just desert und optimal penalties ............................................................ c) Der erste Entwurf .................................................................. d) Der Weg zum zweiten Entwurf und seine Kritik .................. (1) Empirische Untersuchungen ......................................... (2) Einbeziehung Externer .................................................. e) Der Weg zum dritten Entwurf ............................................... f) Der Weg zur Vorlage an den Kongress ................................. III. Änderungen der Richtlinien nach ihrem Erlass ..................................... IV. Offene Fragen der Richtlinien / Zukunft ............................................... Die Strafzumessung nach den Richtlinien ..................................................... I. Anwendungsbereich der Richtlinien für Unternehmen und Überblick ... II. Strafzwecke ........................................................................................... III. Wiedergutmachung ............................................................................... IV. Geldstrafe .............................................................................................. 1. Ermittlung des Grundbetrags (base fine) ...................................... 2. Ermittlung des Schuldwerts (culpability score) ........................... a) Beteiligung oder Tolerierung der kriminellen Aktivität ....... b) Vorstrafen ............................................................................. c) Verstoß gegen eine gerichtliche Anordnung ......................... d) Behinderung der Justiz .......................................................... e) Effektives Compliance- und Ethikprogramm ....................... (1) Ausschlussgründe ......................................................... (2) Kriterien für ein effektives Complianceund Ethikprogramm ...................................................... (a) Allgemeine Vorgaben ........................................... (b) Festlegung von Compliance-Standards und Abläufen ........................................................ (c) Verankerung des Programms auf der Führungsebene ..................................................................... (d) Sicherstellung der Einstellung qualifizierten Personals ............................................................... (e) Vermittlung von Compliance-Standards und Abläufen ........................................................ (f) Überwachung, Überprüfung und Evaluierung der Compliance-Maßnahmen ...............................
XIII 122 123 124 124 126 126 129 129 130 133 135 135 137 139 143 144 147 149 150 151 152 154 156 159 160 161 161 161 162 162 163 165 167 168 169 170 171
XIV
Inhaltsverzeichnis
D.
(g) Förderung durch Anreize und Ahndung von Verstößen ....................................................... (h) Überprüfung und Überarbeitung des Programms nach Verstößen ..................................................... f) Kooperation mit den Ermittlungsbehörden ........................... 3. Errechnung des Strafrahmens ........................................................ 4. Bestimmung der Strafe und Abweichungen vom Strafrahmen ..... a) Bestimmung der Strafe im Regelfall ..................................... b) Begrenzung der Höchststrafe ................................................ c) Abweichungen (departures) .................................................. d) Einbeziehung von nicht nach den Richtlinien ermittelten Strafen ................................................................................... e) Erhöhung der Geldstrafe wegen Vorteilsabschöpfung ......... f) Anpassung der Strafe bei Zahlungsunfähigkeit .................... 5. Besonderheiten .............................................................................. V. Bewährungsstrafe .................................................................................. 1. Voraussetzungen ........................................................................... 2. Art der Bewährungsstrafe .............................................................. a) Vorgaben zur Durchsetzung monetärer Strafen .................... b) Verpflichtung zur Errichtung eines Complianceund Ethikprogramms ............................................................. c) Publikationsverpflichtung ..................................................... d) Weitere Vorgaben ................................................................. 3. Folgen der Nichterfüllung der Bewährungsstrafe ......................... Bewertung der Richtlinien durch Rechtsprechung und Literatur .................. I. Verfassungsrechtliche Bewertung ......................................................... 1. Verfassungsmäßigkeit des Gesamtsystems ................................... 2. Das Recht auf ein Jury-Verfahren (Teil I) .................................... 3. Das Booker-Urteil: Das Recht auf ein Jury-Verfahren (Teil II) ... 4. Die Zeit nach dem Booker-Urteil .................................................. 5. Die Bedeutung der Urteile für Unternehmen ................................ II. Bewertung der Richtlinien insgesamt .................................................... 1. Begrenzung des richterlichen Ermessens ...................................... 2. Verlagerung des Verfahrensschwerpunkts .................................... 3. Berücksichtigung individueller Faktoren ...................................... 4. Mangelnde Abstimmung der Strafzwecke .................................... 5. Möglichkeit politischer Einflussnahme ......................................... III. Bewertung der Unternehmensrichtlinien ............................................... 1. Kompatibilität mit den Voraussetzungen der Unternehmensstrafbarkeit ..................................................................................... 2. Erfüllung der gesetzlichen Vorgaben ............................................ 3. Bewertung der einzelnen Strafen .................................................. 4. Bewertung des Compliance-Ansatzes ........................................... 5. Konkurrenz zu anderen Sanktionen .............................................. 6. Nicht in den Richtlinien berücksichtigte Strafen ..........................
173 174 174 176 177 178 179 179 183 183 184 184 185 186 187 187 188 188 189 189 190 190 191 191 194 196 198 200 201 202 204 205 207 208 208 210 212 214 219 219
Inhaltsverzeichnis E. F.
XV
Vorteilsabschöpfung (forfeiture und disgorgement) ..................................... 220 Exkurs: Strafzumessung in den Bundesstaaten ............................................. 222
§ 7 Das Unternehmen im Strafverfahren ................................................................. 224 A.
B.
C.
D.
Das Strafverfahren ......................................................................................... I. Notwendigkeit eines Strafverfahrens .................................................... II. Verbot der doppelten Strafverfolgung ................................................... III. Ablauf des Strafverfahrens .................................................................... Einfluss der Staatsanwaltschaft ..................................................................... I. Die Richtlinien des U.S. Department of Justice .................................... II. Bedeutung von Compliance-Programmen ............................................. III. Rolle der Kooperation ........................................................................... IV. Bewertung ............................................................................................. Diversion und plea bargaining ....................................................................... I. Diversion ............................................................................................... II. Plea bargaining ...................................................................................... 1. Charge bargaining ......................................................................... 2. Fact bargaining .............................................................................. 3. Sentence bargaining ...................................................................... 4. Cooperation bargaining ................................................................. Schutz des Unternehmens bei Compliance- und Kooperationsmaßnahmen .... I. Das Recht, sich nicht selbst belasten zu müssen ................................... II. Privilegierung bei Selbst-Evaluierung ................................................... III. Anwalts- und Beratungsgeheimnis ........................................................ 1. Regelungsgehalt ............................................................................ 2. Verzicht .........................................................................................
224 224 225 226 231 232 236 238 240 241 242 244 245 246 247 248 249 249 251 253 253 256
§ 8 Die Unternehmensstrafe in der Praxis ............................................................... 260 A. B.
C.
D.
Strafverfolgungspraxis der Staatsanwaltschaft .............................................. Gerichtliches Verfahren ................................................................................. I. Geldstrafe .............................................................................................. II. Compliance-Programme und Kooperation mit den Ermittlungsbehörden ................................................................................................ III. Abweichungen vom Strafrahmen der Richtlinien (departures) ............ IV. Wiedergutmachung ............................................................................... V. Bewährungsstrafe .................................................................................. VI. Verfahrensablauf ................................................................................... Rechtstatsächliche Befunde zu Unternehmensstrafbarkeit und Compliance ... I. Rechtstatsächliche Befunde zur Unternehmensstrafbarkeit .................. II. Rechtstatsächliche Befunde zum Compliance-Ansatz .......................... Exkurs: Strafverfolgung in den Bundesstaaten ..............................................
260 266 267 269 272 274 275 276 277 277 279 284
§ 9 Entwicklung und weitere Bedeutung von Compliance-Programmen ............. 285 A.
Entwicklung des Compliance-Ansatzes ........................................................ 285
XVI
Inhaltsverzeichnis B.
C.
Compliance außerhalb des Unternehmensstrafrechts .................................... I. Strafzumessung bei natürlichen Personen ............................................. II. Gesetzliche Berücksichtigung ............................................................... III. Zivilrechtliche Haftung ......................................................................... IV. Berücksichtigung bei Bundesbehörden ................................................. 1. Finanzaufsicht durch die Securities and Exchange Commission .. 2. Kartellbehörden ............................................................................. 3. Weitere Finanzbehörden ............................................................... 4. Umweltbehörde ............................................................................. 5. Gesundheitsbehörde ...................................................................... 6. Weitere Behörden .......................................................................... V. Berücksichtigung bei privaten Institutionen .......................................... 1. Zulassung zur Börse ...................................................................... 2. Empfehlung von Standards etc. ..................................................... Compliance, Corporate Governance und Regulierung – Die Verzahnung von Unternehmensrecht und Strafrecht ..............................
289 290 290 293 296 297 300 301 302 303 303 305 305 307 307
3. Kapitel: Deutsches Recht ....................................................................................... 319 § 10 Straf- und ordnungswidrigkeitenrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen ................................................................................................. 319 A.
B.
Geschichtliche Entwicklung .......................................................................... I. Strafrechtliche Verantwortlichkeit ........................................................ 1. Entwicklung bis zum Beginn der Bundesrepublik Deutschland ... 2. Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland ......................... II. Ordnungswidrigkeitenrechtliche Verantwortlichkeit ............................ 1. Entwicklung bis zum Beginn der Bundesrepublik Deutschland ... 2. Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland ......................... a) Entwicklung bis 1968 ............................................................ b) Verbandsgeldbuße nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz von 1968 ................................................................................ c) Unternehmensgeldbuße nach dem 2. WiKG von 1986 ......... d) Ausdehnung der Unternehmensgeldbuße 1994 .................... e) Ausdehnung der Unternehmensgeldbuße 1997 .................... f) Anpassung an europarechtliche Vorgaben 2002 ................... Strafrechtliche Verantwortlichkeit ................................................................. I. Verfall .................................................................................................... 1. Voraussetzungen ........................................................................... 2. Einschränkung ............................................................................... 3. Bewertung und Relevanz von Compliance-Maßnahmen .............. II. Einziehung ............................................................................................. III. Mehrerlösabschöpfung .......................................................................... IV. Exkurs: § 14 StGB ................................................................................. V. Ansätze zur Unternehmensstrafbarkeit in der Literatur ........................ 1. Kritik am Institut der Unternehmensstrafbarkeit ...........................
320 320 320 322 325 325 327 327 328 331 333 334 335 337 337 338 340 341 342 344 344 346 348
Inhaltsverzeichnis 2.
C.
XVII
Ansätze zur Begründung einer Unternehmensstrafbarkeit ............ a) Handlungsfähigkeit ............................................................... b) Schuldfähigkeit ..................................................................... (1) Konstruktion einer Unternehmensschuld ...................... (2) Verzicht auf eine Unternehmensschuld ........................ c) Straffähigkeit ......................................................................... d) Gerechtigkeit ......................................................................... 3. Modelle einer Unternehmensstrafe ............................................... a) Tatbestand ............................................................................. (1) Reine Individualtatmodelle ........................................... (2) Modifizierte Individualtatmodelle ................................ (3) Kollektive Modelle ....................................................... b) Sanktionen ............................................................................. (1) Monetäre Sanktionen und Entzug von Tatvorteilen/Gegenständen der Tat ............................... (2) Eingriffe in das Unternehmen ....................................... (a) Eingriff in die unternehmerische Geschäftstätigkeit ................................................................. (b) Eingriff in die unternehmerische Struktur ............ (3) Vorenthalten möglicher Vorteile .................................. (4) Publizitätssanktionen .................................................... (5) Wiedergutmachung ....................................................... (6) Aussetzung zur Bewährung und Sicherstellung der Strafvollstreckung ................................................... Ordnungswidrigkeitenrechtliche Verantwortlichkeit .................................... I. Unternehmensverantwortlichkeit nach § 30 OWiG .............................. 1. Zweck des § 30 OWiG .................................................................. 2. Konzeption des § 30 OWiG .......................................................... a) Bestehende Ansätze .............................................................. b) Eigener Ansatz ...................................................................... (1) Eigenständige Sanktionsnorm ....................................... (2) Ausgangspunkt: Handlungs- und Schuldfähigkeit ........ (3) § 30 OWiG als Zurechnungsnorm ................................ (4) § 30 OWiG als Regelung der Unternehmensverantwortlichkeit ......................................................... (5) Ergebnis: Kombinationsmodell .................................... 3. Voraussetzungen der Verantwortlichkeit ...................................... a) Begehung einer Anknüpfungstat durch einen Unternehmensmitarbeiter ............................................................................. (1) Sanktionsfähige Zusammenschlüsse ............................. (a) Juristische Personen .............................................. (b) Personengesellschaften ......................................... (c) Nicht rechtsfähige Vereine ................................... (d) Deutsche und ausländische Gesellschaften ..........
350 350 353 353 357 358 360 361 361 362 363 364 366 367 368 368 368 371 371 372 373 373 373 374 375 375 378 378 380 381 382 384 385 385 385 386 387 387 388
XVIII
Inhaltsverzeichnis (e) Gründungsgesellschaften ...................................... (f) Bewertung ............................................................. (2) Stellung des Mitarbeiters .............................................. (a) Führungspersonen nach § 30 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 OwiG .................................................. (b) Führungspersonen nach § 30 Abs. 1 Nr. 4 OwiG .. (c) Führungspersonen nach § 30 Abs. 1 Nr. 5 OwiG .. (d) Faktische Organstellung ....................................... (e) Bewertung ............................................................. (3) Art der Anknüpfungstat ................................................ (4) Volldeliktisches Handeln des Mitarbeiters? ................ (a) Elemente der Anknüpfungstat .............................. (b) Nachweis der Anknüpfungstat .............................. (c) Auswirkungen von Compliance-Programmen ..... (aa) Compliance-Programme und § 130 OwiG ................................................ (bb) Compliance-Programme und Unterlassungsdelikte ........................................... (cc) Compliance-Programme und Täterschaft kraft Organisationsherrschaft ..................... (dd) Compliance-Programme und Vorsatz delikte ......................................................... (ee) Compliance-Programme und Fahrlässigkeitsdelikte ................................................. (5) Zusammenhang zwischen Anknüpfungstat und Stellung des Mitarbeiters ....................................... (a) Grundsätzlicher Zusammenhang .......................... (b) Auswirkungen von Compliance-Programmen ..... b) Verletzung betriebsbezogener Pflichten / Bereicherung des Unternehmens durch die Anknüpfungstat ...................... (1) Verletzung betriebsbezogener Pflichten ....................... (a) Bestimmung des Pflichtenverstoßes ..................... (b) Zusammenhang zwischen Anknüpfungstat und Pflichtverletzung ............................................ (2) Alternativ: Bereicherung des Unternehmens ................ (a) Bereicherung des Unternehmens .......................... (b) Zusammenhang zwischen Anknüpfungstat und Bereicherung .................................................. (3) Auswirkung von Compliance-Programmen ................. II. Verfall (§ 29a OWiG) ............................................................................ III. Einziehung (§ 29 OWiG) ....................................................................... IV. Exkurs: § 9 OWiG .................................................................................
D.
388 389 390 390 392 392 395 396 397 398 399 401 402 403 404 405 406 406 408 408 411 413 413 414 416 416 417 418 419 420 422 423
Weitere Maßnahmen des Verwaltungs- und Zivilrechts ............................... 423 I. Verwaltungsrechtliche Sanktionen ........................................................ 424 1. Zwangsgeld, Ersatzvornahme und unmittelbarer Zwang .............. 424
Inhaltsverzeichnis 2. 3.
II.
Entzug von Betätigungserlaubnissen ............................................ Verbot und Beschränkung der Vornahme bestimmter Betätigungen, Betriebuntersagung ................................................ 4. Ausschluss von Aufträgen ............................................................. 5. Entfernung von Leitungspersonen, kommissarische Leitung ....... 6. Auflösung ...................................................................................... 7. Publizitätssanktionen ..................................................................... Zivilrechtliche Sanktionen .....................................................................
XIX 424 425 426 426 426 427 429
§ 11 Die Sanktionsbemessung der Unternehmensgeldbuße ..................................... 430 A.
B.
C. D.
Gesetzliche Grundsätze der Sanktionsbemessung ......................................... I. Eckpunkte der Sanktionsbemessung ..................................................... II. Straftat und Ordnungswidrigkeit als Anknüpfungstat ........................... III. Entzug erlangter Vorteile ...................................................................... IV. Verweis auf § 17 Abs. 3 OWiG ............................................................. Ablauf der Sanktionsbemessung .................................................................... I. Bußgeldrahmen ..................................................................................... II. Ahndung ................................................................................................ 1. Bedeutung der Ordnungswidrigkeit .............................................. 2. Bestimmung der Bedeutung der Ordnungswidrigkeit ................... 3. Wirtschaftliche Verhältnisse ......................................................... III. Abschöpfung ......................................................................................... 1. Bruttoprinzip ................................................................................. 2. Begriff des Vorteils ....................................................................... 3. Bewertung ..................................................................................... Die Bedeutung von Compliance-Programmen .............................................. Sonderfall: Die mehrfache Tatbestandsverwirklichung ................................ I. Mehrere Handlungen eines Mitarbeiters ............................................... II. Mehrere Handlungen unterschiedlicher Mitarbeiter ..............................
430 430 430 431 431 433 433 433 434 435 436 436 437 438 440 440 442 442 443
§ 12 Verfahrensrechtliche Aspekte der Unternehmensgeldbuße ............................ 444 A.
Allgemeine Verfahrensgesichtspunkte .......................................................... I. Einheitliches oder selbstständiges Verfahren ........................................ 1. Grundsatz ...................................................................................... 2. Verfahrensüberleitung, getrennte Verfahren ................................. II. Voraussetzungen für ein selbstständiges Verfahren .............................. 1. Nichteinleitung eines Verfahrens .................................................. 2. Einstellung des Verfahrens ............................................................ a) Einstellung aufgrund zwingender Vorschriften .................... b) Einstellung aus Opportunitätsgründen .................................. (1) Einstellung bei Bagatellsachen ..................................... (2) Einstellung gegen Auflagen .......................................... (3) Einstellung bei der Möglichkeit des Absehens von Strafe ......................................................................
444 444 444 446 446 446 447 447 448 448 449 450
XX
Inhaltsverzeichnis
B.
C.
(4) Einstellung gemäß §§ 154, 154a StPO ......................... (5) Weitere Einstellungsgründe .......................................... 3. Absehen von Strafe ....................................................................... 4. Spezialgesetzliche Anordnung des selbstständigen Verfahrens .... 5. Ausschluss des selbstständigen Verfahrens .................................. a) Begriff des rechtlichen Hindernisses .................................... b) Verjährung als Hindernis ...................................................... c) Weitere Hindernisse .............................................................. d) Klarstellungsfunktion des § 30 Abs. 4 Satz 1 OWiG ............ III. Verjährung und Unterbrechung der Verjährung .................................... 1. Verjährung ..................................................................................... 2. Unterbrechung der Verjährung ...................................................... IV. Ne bis in idem ........................................................................................ V. Opportunitätsprinzip .............................................................................. 1. Grundsätze ..................................................................................... a) Entscheidung innerhalb „pflichtgemäßen Ermessens“ ........ b) Konkretisierung des Ermessens durch Erwägungen der §§ 153 ff. StPO ............................................................... c) Weitere Erwägungen ............................................................. 2. Bedeutung von Compliance-Programmen .................................... a) Relevanz des Unternehmenskontexts .................................... b) Nichtverfolgung und Einstellung .......................................... c) Einstellung gegen Compliance-Auflagen ............................. VI. Verfahrensbeendende Absprachen ........................................................ VII. Vertretung .............................................................................................. Das Verfahren nach § 30 OWiG bei der Anknüpfung an Straftaten ............. I. Einheitliches Verfahren ......................................................................... 1. Verfahrensablauf ........................................................................... 2. Beweisfragen ................................................................................. a) Beweisanträge ....................................................................... b) Mitarbeiter als Zeugen .......................................................... (1) Persönliche Verweigerungsrechte ................................. (2) Am Unternehmen orientierte Verweigerungsrechte ..... c) Herausgabe von Dokumenten ............................................... 3. Rechtsmittel ................................................................................... II. Selbstständiges Verfahren ..................................................................... Das Verfahren nach § 30 OWiG bei der Anknüpfung an Ordnungswidrigkeiten ................................................................................................... I. Einheitliches Verfahren ......................................................................... 1. Verfahrensablauf ........................................................................... 2. Beweisfragen ................................................................................. 3. Rechtsmittel ................................................................................... II. Selbstständiges Verfahren .....................................................................
450 450 451 452 453 454 454 455 455 456 456 457 458 459 459 459 460 461 463 463 464 464 465 468 469 470 470 471 471 472 472 475 477 480 480 481 482 482 485 485 486
Inhaltsverzeichnis
XXI
§ 13 Sanktionierung von Unternehmen in der Praxis .............................................. 487 A.
B.
Unternehmensgeldbuße ................................................................................. I. Kriminologische Studien ....................................................................... II. Polizeiliche Statistiken .......................................................................... III. Studien von Wirtschaftsberatungsunternehmen .................................... VI. Daten zu § 30 OWiG ............................................................................. V. Das Gewerbezentralregister ................................................................... Verfall und Einziehung ..................................................................................
487 487 488 489 490 492 494
§ 14 Weitere Bedeutung von Compliance-Programmen .......................................... 496 A. B.
C.
Entwicklung des Compliance-Ansatzes ........................................................ Compliance außerhalb des Unternehmensstrafrechts .................................... I. Gesetzliche Berücksichtigung ............................................................... 1. Sektorübergreifende Vorgaben des Aktienrechts .......................... a) Organisationspflicht des § 91 Abs. 2 AktG .......................... b) Leitungsaufgabe des Vorstands nach § 76 Abs. 1 AktG ....... c) Sorgfaltspflicht nach § 93 Abs. 1 AktG ................................ d) Berichtspflichten nach § 90 AktG ......................................... e) Überwachungspflichten des Aufsichtsrats ............................ f) Entsprechungserklärung nach § 161 AktG ........................... 2. Sektorspezifische Vorgaben .......................................................... a) Pflicht zur ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation nach § 25a KWG ................................................................... b) Organisationspflichten nach § 33 Abs. 1 WpHG .................. c) Organisationspflichten im Versicherungsrecht nach § 64a VAG ............................................................................ d) Regelungen der Abschlussprüfung ....................................... e) Regelungen im Umweltrecht ................................................ f) Besondere Beauftragte .......................................................... g) Vorgaben des Geldwäschegesetzes ....................................... h) Bewertung ............................................................................. 3. Indirekte Organisationspflichten aus dem Zivil- und Ordnungswidrigkeitenrecht ........................................................... a) Zivilrecht ............................................................................... b) Ordnungswidrigkeitenrecht (§ 130 OWiG) ......................... 4. Allgemeine Rechtspflicht zur Errichtung von ComplianceProgrammen? ............................................................................... II. Berücksichtigung bei Behörden ............................................................ III. Berücksichtigung bei privaten Institutionen .......................................... IV. Zwischenergebnis .................................................................................. Verbreitung und Wirkung von Compliance-Programmen ............................. I. Verbreitung ............................................................................................ 1. Studien zu CSR und Corporate Governance ................................. 2. Studien zum Bereich Compliance .................................................
496 498 499 499 499 500 500 501 501 502 502 502 503 505 505 506 506 506 508 508 508 509 510 511 512 513 515 515 515 516
XXII
Inhaltsverzeichnis II.
Wirksamkeit von Compliance-Maßnahmen .......................................... 518 1. Allgemeine Studien ....................................................................... 519 2. Studien speziell zu Hinweisgebersystemen ................................... 520
4. Kapitel: Rechtsvergleichung ................................................................................. 522 § 15 Einleitende Bemerkungen und tabellarischer Überblick ................................. 522 A. B.
Einleitende Bemerkungen .............................................................................. Tabellarischer Überblick ............................................................................... I. Allgemeine Strukturen der Rechtssysteme ............................................ II. Verantwortlichkeit von Unternehmen ................................................... III. Sanktionen ............................................................................................. IV. Verfahrensrechtliche Aspekte ............................................................... V. Rechtswirklichkeit ................................................................................. VI. Regulierung von Unternehmen durch Compliance ...............................
522 523 523 523 525 526 526 527
§ 16 Allgemeine Strukturen der Rechtssysteme ........................................................ 528 A. B. C. D.
Rechtsquellen ................................................................................................. Wissenschaftlicher Diskurs ........................................................................... Strafrecht und Schuldprinzip ......................................................................... Sanktionsverfahren ........................................................................................
528 529 530 532
§ 17 Verantwortlichkeit von Unternehmen ............................................................... 534 A.
B.
C. D.
Entwicklung und Zweck der Verantwortlichkeitsregelungen ....................... I. Entwicklung und Grundstrukturen ........................................................ II. Zweck der Sanktionierung ..................................................................... Voraussetzungen der Verantwortlichkeit ...................................................... I. Art des Modells ..................................................................................... II. Erfasste Unternehmen ........................................................................... III. Stellung des Mitarbeiters ....................................................................... IV. Erfasste Anknüpfungstaten .................................................................... V. Volldeliktisches Handeln ....................................................................... VI. Weitere Kriterien zur Begrenzung der Zurechnung .............................. 1. Objektive Begrenzungskriterien .................................................... 2. Subjektive Begrenzungskriterien .................................................. 3. Bewertung ..................................................................................... Einfluss von Compliance-Maßnahmen .......................................................... Diskussion in der Literatur ............................................................................
534 534 541 545 546 547 548 551 552 554 554 555 556 556 557
§ 18 Sanktionen ............................................................................................................ 560 A. B. C.
Allgemeine Struktur der Sanktionssysteme ................................................... Sanktionsfähigkeit ......................................................................................... Sanktionsarten und Sanktionsbemessung ...................................................... I. Geldstrafe/Geldbuße .............................................................................. 1. Bestimmung des Sanktionsrahmens ..............................................
560 562 563 563 563
Inhaltsverzeichnis
XXIII
2. 3.
D.
Höchststrafe/höchste Sanktion ...................................................... Bestimmung der Sanktion innerhalb des Sanktionsrahmens und etwaige Abweichungen vom Sanktionsrahmen ..................... 4. Bestimmung der Sanktion beim Vorliegen mehrerer Anknüpfungstaten ......................................................................... II. Bewährungsstrafe .................................................................................. III. Weitere straf- und ordnungswidrigkeitenrechtliche Maßnahmen ......... 1. Verfall, Einziehung und Mehrerlösabschöpfung ........................... 2. Wiedergutmachung ....................................................................... IV. Weitere nicht strafrechtliche und ordnungswidrigkeitenrechtliche Maßnahmen ........................................................................................... Bedeutung von Compliance-Maßnahmen .....................................................
566 567 569 570 571 571 573 575 576
§ 19 Verfahrensrechtliche Aspekte ............................................................................. 580 A. B. C. D.
Ablauf des Verfahrens ................................................................................... Doppelbestrafungsverbot ............................................................................... Verfahrensbeilegung im Ermittlungsverfahren ............................................. Schutz des Unternehmens vor Selbstbelastung .............................................
580 582 582 584
§ 20 Rechtswirklichkeit ............................................................................................... 587 A. B.
Verfolgungspraxis der Ermittlungsbehörden ................................................. 587 Sanktionspraxis .............................................................................................. 588
§ 21 Regulierung von Unternehmen durch Compliance .......................................... 590 A. B.
C.
Entwicklung und Verbreitung des Compliance-Ansatzes ............................. Grundstrukturen der Compliance .................................................................. I. Compliance als reine Selbstregulierung ................................................ II. Compliance als Erfordernis privater Institutionen ................................. III. Compliance mit staatlicher Unterstützung ............................................ IV. Honorierung von Compliance ............................................................... V. Sanktionierung fehlender Compliance: strafschärfende Berücksichtigung ......................................................... VI. Sanktionierung fehlender Compliance: Verpflichtung zur Errichtung von Compliance-Programmen ............................................................... VII. Ausschluss von Verantwortlichkeit durch Compliance ......................... VIII.Detaillierte gesetzliche Verpflichtung zu Compliance .......................... IX. Bewertung ............................................................................................. Parallelentwicklung zu Compliance: Kooperationsanforderungen ...............
590 593 594 594 594 595 595 596 596 597 597 598
5. Kapitel: Rechtspolitische Schlussbetrachtungen ................................................. 599 § 22 Einleitende Bemerkungen ................................................................................... 599 § 23 Sanktionsrecht und regulierte Selbstregulierung ............................................. 601 A. B.
Selbstregulierung ........................................................................................... 601 Regulierung ................................................................................................... 606
XXIV
Inhaltsverzeichnis I. II.
C. D.
Macht rechtfertigt Kontrolle .................................................................. Risikofaktor Unternehmen .................................................................... 1. Bestandsrisiken ............................................................................. 2. Gruppendynamische Risiken – Unternehmensklima .................... III. Bestand der Regulierung und Grenzen .................................................. IV. Erweiterung des regulativen Bereichs für Unternehmen um das Strafrecht ................................................................................... 1. Pflicht zum Strafrecht aufgrund ausländischer und internationaler Vorgaben? ..................................................................................... 2. Notwendigkeit des Unternehmensstrafrechts aufgrund von Defiziten des Individualstrafrechts? ....................................... 3. Ist das Zivilrecht eine Alternative? ............................................... 4. Was ist der Unterschied zwischen Strafrecht und Ordnungswidrigkeitenrecht? ......................................................................... 5. Warum Strafrecht für Unternehmen? ............................................ 6. Steht die ultima ratio-Funktion einem Unternehmensstrafrecht entgegen? ....................................................................................... V. Erweiterung des regulativen Bereichs um eine Verpflichtung zur Errichtung von Compliance-Programmen? ..................................... Regulierte Selbstregulierung ......................................................................... Regulierte Selbstregulierung und Compliance .............................................. I. Unternehmen, regulierte Selbstregulierung und Compliance ................ 1. Ziel: Compliance ........................................................................... 2. Rahmen: Compliance-Programme ................................................ II. Ebenen der regulierten Selbstregulierung .............................................. 1. Zivilrecht ....................................................................................... 2. Verwaltungsrecht .......................................................................... 3. Sanktionsrecht ...............................................................................
606 610 610 611 614 617 618 623 629 630 635 642 644 645 649 650 650 650 651 651 653 654
§ 24 Grundlagen einer sanktionsrechtlichen Verantwortlichkeit ........................... 658 A. B. C. D. E.
Zweck der Sanktionierung ............................................................................. Handlungsfähigkeit ........................................................................................ Schuldfähigkeit .............................................................................................. Sanktionsfähigkeit ......................................................................................... Gerechtigkeit ................................................................................................. I. Sanktionierung Unschuldiger ................................................................ II. Unzulässige Doppelsanktionierung .......................................................
660 666 669 676 677 677 679
§ 25 Konstruktion einer Verantwortlichkeit ............................................................. 680 A. B.
Grundmodell .................................................................................................. Einzelfragen ................................................................................................... I. Erfasste Unternehmen ........................................................................... II. Täter der Anknüpfungstat ...................................................................... III. Art der Anknüpfungstat ......................................................................... VI. Notwendige Elemente der Anknüpfungstat ...........................................
680 680 680 683 684 685
Inhaltsverzeichnis
C. D.
XXV
V. Kollektiver Kontext ............................................................................... 685 Konkurrenzen ................................................................................................ 689 Regelungsort .................................................................................................. 689
§ 26 Sanktionen gegen Unternehmen ......................................................................... 691 A. B. C. D. E. F. G. H. I.
Monetäre Sanktionen ..................................................................................... Compliance-Sanktion .................................................................................... Auflösung ...................................................................................................... Auflagen und Weisungen .............................................................................. Aussetzung zur Bewährung ........................................................................... Publizitätssanktionen (einschließlich Register) ............................................ Verfall und Einziehung .................................................................................. Weitere Sanktionen? ...................................................................................... Wiedergutmachung ........................................................................................
691 695 696 697 697 698 699 700 702
§ 27 Verfahren .............................................................................................................. 703 A. B. C. D. E.
Anwendbares Verfahrensrecht ....................................................................... Verhältnis zum Verfahren gegen den Täter der Anknüpfungstat .................. Beweisfragen ................................................................................................. Diversion ....................................................................................................... Einzelfragen ................................................................................................... I. Zustellung .............................................................................................. II. Vertretung .............................................................................................. III. Verteidigung .......................................................................................... IV. Zuständiges Gericht ............................................................................... V. Verjährung und Unterbrechung der Verjährung ....................................
703 703 704 706 707 708 708 708 708 709
§ 28 Ausgestaltung eines Compliance-Programms ................................................... 711 A.
B.
C.
D.
Erste Säule: Erkennen – Festlegen – Strukturieren ....................................... I. Risikoanalyse und Risikobewertung ..................................................... II. Niederlegung der einzuhaltenden Vorschriften und Unternehmenswerte ...................................................................................................... III. Schaffung einer Compliance-Struktur ................................................... Zweite Säule: Vermitteln – Fördern – Organisieren ...................................... I. Kommunikation und Vermittlung der Compliance-Vorgaben .............. II. Förderung der Einhaltung von Compliance ........................................... III. Organisatorische Maßnahmen zur Schaffung von ComplianceAbläufen ................................................................................................ Dritte Säule: Reagieren – Sanktionieren – Verbessern .................................. I. Festlegung von Verfahren bei Vorfällen ............................................... II. Festlegung der Kriterien zur Sanktionierung von Vorfällen ................. III. Fortlaufende Evaluierung und Verbesserung des Programms ............... Weitere Einzelfragen .....................................................................................
713 713 713 713 714 714 715 716 717 717 717 718 718
XXVI
Inhaltsverzeichnis
§ 29 Entwurf eines Unternehmenssanktionsgesetzes ................................................ 720 Erster Teil: Allgemeine Vorschriften ..................................................................... Zweiter Teil: Strafrecht .......................................................................................... Dritter Teil: Ordnungswidrigkeitenrecht ............................................................... Vierter Teil: Schlussvorschriften ...........................................................................
721 723 727 729
6. Kapitel: Zusammenfassung ................................................................................... 730 7. Kapitel: Neue Entwicklungen ............................................................................... 732 § 30 Entwicklung in den USA ..................................................................................... 732 A. B.
C. D.
E.
Strafrechtliche Verantwortlichkeit ................................................................. Strafzumessung .............................................................................................. I. Verhalten nach Entdeckung einer Tat ................................................... II. Verwicklung leitender Mitarbeiter ........................................................ III. Compliance-Programme als Bewährungsstrafe ..................................... Strafverfahren ................................................................................................ Die Unternehmensstrafe in der Praxis ........................................................... I. Staatsanwaltschaftliche Praxis ............................................................... II. Gerichtliche Praxis ................................................................................ 1. Geldstrafe ...................................................................................... 2. Compliance-Programme und Kooperation mit den Ermittlungsbehörden ........................................................ 3. Abweichungen vom Strafrahmen der Richtlinien (departures) ..... 4. Wiedergutmachung ....................................................................... 5. Bewährungsstrafe .......................................................................... 6. Verfahrensablauf ........................................................................... III. Vollstreckungspraxis ............................................................................. Weitere Entwicklung von Compliance ..........................................................
733 733 734 735 736 737 739 739 742 742 742 744 745 746 746 747 747
§ 31 Entwicklung in Deutschland ............................................................................... 749 A. B.
Strafrechtliche Verantwortlichkeit ................................................................. Ordnungswidrigkeitenrechtliche Verantwortlichkeit .................................... I. Voraussetzungen ................................................................................... 1. Compliance-Officer ....................................................................... 2. Rechtsnachfolge/Konzernhaftung ................................................. II. Sanktionsbemessung .............................................................................. 1. Sanktionshöhe ............................................................................... 2. Kartellrechtliche Sonderregelungen .............................................. III. Verfahren ............................................................................................... 1. Compliance Investigations ............................................................ a) Selbstbelastungsfreiheit ........................................................ b) Kooperation mit der Staatsanwaltschaft ................................ c) Einschaltung von Anwälten .................................................. d) Bewertung .............................................................................
749 750 750 750 753 755 755 755 756 756 758 761 762 763
Inhaltsverzeichnis
C.
D.
E.
XXVII
2. Kronzeugenregelung ..................................................................... 3. Absprachen .................................................................................... 4. Umfang der Feststellungen ............................................................ 5. Selbstständiges Verfahren ............................................................. IV. Verfall .................................................................................................... Unternehmenssanktion und Compliance in der Praxis .................................. I. Unternehmenssanktion .......................................................................... II. Compliance ............................................................................................ Institutionalisierung von Compliance ............................................................ I. Institutionalisierung durch Gesetzgebung und Gesetzesanwendung ..... 1. Gesetzgebung ................................................................................ 2. Gesetzesanwendung ...................................................................... a) Aktienrecht ............................................................................ b) Ordnungswidrigkeitenrecht ................................................... c) Strafrecht ............................................................................... d) Weitere Rechtsgebiete im Spiegel der Rechtsprechung ........ e) Konturierung der Grenzen von Compliance ......................... II. Institutionalisierung durch Normkonkretisierung bei Behörden ........... III. Institutionalisierung durch Vorgaben privater Institutionen .................. 1. Institut der Wirtschaftsprüfer ........................................................ 2. TÜV Rheinland e.V. ...................................................................... 3. Branchenspezifische Vorgaben ..................................................... 4. Weitere Entwicklungen ................................................................. IV. Institutionalisierung durch rechtswissenschaftlichen Diskurs ............... V. Bewertung ............................................................................................. Weitere Entwicklung von CG, CSR und Regulierung .................................. I. Allgemeine Entwicklung ....................................................................... II. Die Finanzkrise ......................................................................................
764 765 765 766 766 766 766 768 770 771 771 772 772 773 774 775 776 777 778 778 780 780 781 781 781 785 785 786
§ 32 Schlussbemerkungen ........................................................................................... 789 Anhang Gesetzestexte ......................................................................................................... Rechtsprechungsverzeichnis .................................................................................. Literaturverzeichnis ............................................................................................... Sach- und Personenverzeichnis ..............................................................................
793 814 823 913
Abkürzungsverzeichnis 1, 2 1. AO StÄG
Erstes Gesetz zur Änderung strafrechtlicher Vorschriften der Reichsabgabenordnung und anderer Gesetze
2. BMJBerG
Zweites Gesetz über die Bereinigung von Bundesrecht im Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums der Justiz
2. StrRG
Zweites Gesetz zur Reform des Strafrechts
A A.
Atlantic Reporter
A.2d
Atlantic Reporter, Second Series
AAAJ
Accounting, Auditing & Accountability Journal
a.a.O.
am angegebenen Ort
AAPSS
American Academy of Political and Social Science
ABA
American Bar Association
ABl.
Amtsblatt/Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft
Abs.
Absatz
Abschn.
Abschnitt
AC
Law Reports, Appeal Cases [England]
Acad. Mgt. J.
Academy of Management Journal
a.E.
am Ende
AKEIÜ
Arbeitskreis Externe und Interne Überwachung der Unternehmung der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e.V.
a.F.
alte Fassung
A. F. L. Rev.
The Air Force Law Review
AG
Aktiengesellschaft
AktG
Aktiengesetz
Alb. L. Rev.
Albany Law Review
ALI
The American Law Institute
XXX All E.R.
Abkürzungsverzeichnis The All England Law Reports
Am.
American
Am. Bus. L. J.
American Business Law Journal
Am. Crim. L. Rev.
American Criminal Law Review
Am. Econ. Rev.
The American Economic Review
AmEx
American Stock Exchange
Am. J. Comp. L.
The American Journal of Comparative Law
Am. J. Crim. L.
American Journal of Criminal Law
Am. J. Int. L.
The American Journal of International Law
Am. J. L. & Med.
American Journal of Law & Medicine
Am. L. Rev.
American Law Review
Am. Soc. Rev.
American Sociological Review
Am. U. L. Rev.
American University Law Review
Annu. Rev. Law. Soc. Sci.
Annual Review of Law and Social Science
Annu. Rev. Psychol.
Annual Review of Psychology
Anm.
Anmerkung
Antitrust L. J.
Antitrust Law Journal
AnwBl
Anwaltsblatt
AO StÄG
Gesetz zur Änderung der Reichsabgabenordnung vom 10.8.1967 (BGBl. I 877)
AöR
Archiv des öffentlichen Rechts (zitiert nach Band, Jahr und Seite)
Ariz. L. Rev.
Arizona Law Review
Ariz. St. L. J.
Arizona State Law Journal
Ark. L. Rev.
Arkansas Law Review
Art.
Artikel
Aufl.
Auflage
AT
Allgemeiner Teil
AWG
Außenwirtschaftsgesetz
B BaFin
Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht
BAG
Bundesarbeitsgericht
BAGE
Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts (zitiert nach Band und Seite)
BAKred
Bundesaufsichtsamt für Kreditwesen
Abkürzungsverzeichnis
XXXI
Banking L. J.
Banking Law Journal
BAnz
Bundesanzeiger
BAWe
Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel
BB
Betriebs-Berater
Bkrcty.
United States Bankruptcy Court/West’s Bankruptcy Reporter
Bd.
Band
Beil.
Beilage
Beschl.
Beschluss
BfJ
Bundesamt für Justiz
BGB
Bürgerliches Gesetzbuch
BGBl.
Bundesgesetzblatt (zitiert nach Band und Seite)
BGH
Bundesgerichtshof
BGHR
BGH-Rechtsprechung in Strafsachen, hrsg. von Richtern des Bundesgerichtshofs (zitiert nach Paragraf, Stichwort und Nummer)
BGHSt
Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen (zitiert nach Band und Seite)
BGHZ
Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen (zitiert nach Band und Seite)
BilMoG
Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts
BImSchG
Bundes-Immissionsschutzgesetz
BKartA
Bundeskartellamt
BKR
Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht (zitiert nach Jahr und Seite)
BMI
Bundesministerium des Innern
BMJ
Bundesministerium der Justiz
B.R.
Bankruptcy Reporter
BRAK
Bundesrechtsanwaltskammer
BRD
Bundesrepublik Deutschland
BR-Drs.
Drucksache des Deutschen Bundesrates
BReg.
Bundesregierung
Brook. J. Corp. Fin. & Com. L.
Brooklyn Journal of Corporate, Financial & Commercial Law
Brook. L. Rev.
Brooklyn Law Review
BSCI
Business Social Compliance Initiative
Bsp.
Beispiel
bspw.
beispielsweise
XXXII
Abkürzungsverzeichnis
BSR
Berliner Stadtreinigungsbetriebe
BT-Drs.
Drucksache des Deutschen Bundestags (zitiert nach Wahlperiode, Nummer und Seite)
Buff. Crim. L. Rev.
Buffalo Criminal Law Review
B. U. L. Rev.
Boston University Law Review
Bus. Ethics Q.
Business Ethics Quarterly
Bus. Hist. Rev.
The Business History Review
Bus. Law.
The Business Lawyer
Bus. Soc. Rev.
Business and Society Review
BVerfG
Bundesverfassungsgericht
BVerfGE
Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (zitiert nach Band und Seite)
BVerwG
Bundesverwaltungsgericht
BVerwGE
Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (zitiert nach Band und Seite)
BVwVfG
Bundesverwaltungsverfahrensgesetz
BVwVG
Bundesverwaltungsvollstreckungsgesetz
bzw.
beziehungsweise
C C.A.5
California Court of Appeal (for the Fifth District)
CAFRA
Civil Asset Forfeiture Reform Act
Cal.
California
Cal.App.3d
California Appellate Reports, Third Series
Cal.App.4th
California Appellate Reports, Fourth Series
Cal. L. Rev.
California Law Review
Cal. Mgmt. Rev.
California Management Review
Cal.Rptr.3d
California Reporter, Third Series
Campbell L. Rev.
Campbell Law Review
Cardozo L. Rev.
Cardozo Law Review
C.C.
Circuit Court
CCZ
Corporate Compliance Zeitschrift (zitiert nach Jahr und Seite)
CD
Code pénal
CEO
Chief Executive Officer
cert. den.
certioriari denied (Ablehnung des Überprüfungsantrags durch den U.S. Supreme Court)
Abkürzungsverzeichnis C.F.R.
Code of Federal Regulations
CG
Corporate Governance
Cir.
Circuit
C. L. F.
Criminal Law Forum
Cmt.
Commentary
Co.
company
Colum. Bus. L. Rev.
Columbia Business Law Review
Colum. J. Transnat. L.
Columbia Journal of Transnational Law
Colum. L. Rev.
Columbia Law Review
Com.
Community
Cong.
Congress
Cong. Rec.
Congressional Record
Consumer Fin. L. Q. Rep.
Consumer Finance Law Quarterly Report
Cornell L. Rev.
Cornell Law Review
Corp.
corporation
COSO
Committee of Sponsoring Organizations of the Treadway Commission
CRi
Computer Law Review International
Crime & Just.
Crime and Justice: A Review of Research
Crime, L. & Soc. Ch.
Crime, Law & Social Change
Crim. L. Bull.
Criminal Law Bulletin
CSR
Corporate Social Responsibility
XXXIII
D DAI
Deutsches Aktieninstitut
DAR
Deutsches Autorecht
D.C.
District Court, District of Columbia
D.C. Cir.
District of Columbia Circuit (des Federal Courts of Appeals)
DCGK
Deutscher Corporate Governance Kodex. Kommentar, Hrsg. Henrik-Michael Ringleb u.a. (zitiert nach Bearbeiter und Randnummer)
D.Conn.
United States District Court for the District of Connecticut
D.D.C.
United States District Court for the District of Columbia
DDevR
Deutsche Devisenrundschau (zitiert nach Jahr und Seite)
XXXIV DDR
Abkürzungsverzeichnis Deutsche Demokratische Republik
Del.
Delaware
Del. Ch.
Delaware Court of Chancery/Delaware Chancery Reports
Del. J. Corp. L.
Delaware Journal of Corporate Law
Denv. U. L. Rev.
Denver University Law Review
ders.
derselbe
Dick. L. Rev.
Dickinson Law Review
dies.
dieselbe(n)
diff.
differenzierend
DJT
Deutscher Juristentag
DJZ
Deutsche Juristen-Zeitung (zitiert nach Band, Jahr und Seite)
D.Lgs.
Decreto legislativo (gesetzesvertretendes Dekret)
DM
Deutsche Mark
D.Mass.
United States District Court for the District of Massachusetts
D.Mont.
United States District Court for the District of Montana
doc.
document
DoD
Department of Defense
DÖV
Die Öffentliche Verwaltung (zitiert nach Jahr und Seite)
DOJ
Department of Justice
Drake J. Agric. L.
Drake Journal of Agricultural Law
Drake L. Rev.
Drake Law Review
Duq. L. Rev.
Duquesne Law Review
E E&Y
Ernst&Young
EAG
Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft
E.D.
Eastern District
ed(s).
editor(s), edited
edn.
edition
EFG
Entscheidungen der Finanzgerichte (zitiert nach Jahr und Seite)
Abkürzungsverzeichnis
XXXV
EGOWiG
Einführungsgesetz zum Ordnungswidrigkeitengesetz
EHUG
Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister
Einf.
Einführung
Einl.
Einleitung
Emory L. J.
Emory Law Journal
Eng.
England
EnWG
Energiewirtschaftsgesetz
EPA
Environmental Protection Agency
Eng.Rep.
English Reports
et al.
et altera
etc.
et cetera
EuZW
Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht
EWIV
Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung
F f.
folgende (Seite, Randnummer etc.)
F.
Federal Reporter
F.2d
Federal Reporter, Second Series
F.3d
Federal Reporter, Third Series
FAZ
Frankfurter Allgemeine Zeitung
FCPA
Foreign Corrupt Practices Act
FDIC
Federal Deposit Insurance Corporation
Febr.
Februar
Fed.Cl.
United States Court of Federal Claims
Fed. Law.
Federal Lawyer
Fed. R. Crim. P.
Federal Rules of Criminal Procedure
Fed. Reg.
Federal Register
Fed. Sent. R.
Federal Sentencing Reporter
FERC
Federal Energy Regulatory Commission
ff.
folgende (Seiten, Randnummern etc.)
FFIEC
Federal Financial Institutions Examination Council
FG
Festgabe
Fin. Rev.
The Financial Review
XXXVI Fla.
Abkürzungsverzeichnis Florida
Fla. St. U. Bus. Rev.
Florida State University Business Review
Fla. St. U. L. Rev.
Florida State University Law Review
Fn.
Fußnote
Fordham Int. L. J.
Fordham International Law Journal
Fordham J. Corp. & Fin. L.
Fordham Journal of Corporate & Financial Law
Fordham L. Rev.
Fordham Law Review
franz.
französisch
FRB
Board of Governors of the Federal Reserve System
F.R.D.
Federal Rules Decisions
FS
Festschrift
F.Supp.
Federal Supplement
F.Supp.2d
Federal Supplement, Second Series
FTC
Federal Trade Commission
FTD
Financial Times Deutschland
G GA
Archiv für Strafrecht, begründet von Goltdammer (zitiert nach Bänden, seit 1953 nach Jahr und Seite)
GbR
Gesellschaft bürgerlichen Rechts
GbV
Verordnung über die Bestellung von Gefahrgutbeauftragten und die Schulung der beauftragten Personen in Unternehmen und Betrieben
GenG
Genossenschaftsgesetz
Geo. J. L. & Pub. Pol.
The Georgetown Journal of Law & Public Policy
Geo. L. J.
The Georgetown Law Journal
Geo. L. J. Ann. Rev. Crim. Proc.
The Georgetown Law Journal Annual Review of Criminal Procedure
Geo. Mason L. Rev.
George Mason Law Review
Geo. Wash. Int. L. Rev.
The George Washington International Law Review
Geo. Wash. L. Rev.
George Washington Law Review
GewO
Gewerbeordnung
ggf.
gegebenenfalls
GJ
Geschäftsjahr
G/J/W
Graf, Jürgen Peter/Jäger, Markus/Wittig, Petra (Hrsg.), Wirtschafts- und Steuerstrafrecht (zitiert nach Bearbeiter, Paragraf und Randnummer)
Abkürzungsverzeichnis
XXXVII
GLJ
German Law Journal
GmbH
Gesellschaft mit beschränkter Haftung
GmbHR
GmbH-Rundschau (zitiert nach Jahr und Seite)
GrS
Großer Senat
GRUR-RR
Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Rechtsprechungs-Report (zitiert nach Jahr und Seite)
GVwR
Grundlagen des Verwaltungsrechts (zitiert nach Bearbeiter, Paragraf und Randnummer)
GWB
Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen
GwG
Gesetz über das Aufspüren von Gewinnen aus schweren Straftaten (Geldwäschegesetz)
H Harv. Bus. Rev.
Harvard Business Review
Harv. Int’l L. J.
Harvard International Law Journal
Harv. J. L. & Gender
Harvard Journal of Law and Gender
Harv. J. L. & Pub. Pol’y
Harvard Journal of Law and Public Policy
Harv. Latino L. Rev.
Harvard Latino Law Review
Harv. L. Rev.
Harvard Law Review
Hastings L. J.
The Hastings Law Journal
HCCA
Health Care Compliance Association
Hdb Compliance
Corporate Compliance, Handbuch der Haftungsvermeidung im Unternehmen, hrsg. von Christoph E. Hauschka (zitiert nach Bearbeiter, Paragraf und Randnummer)
Hdb Korruptionsprävention
Handbuch der Korruptionsprävention für Wirtschaftsunternehmen und öffentliche Verwaltung, hrsg. von Dieter Dölling (zitiert nach Bearbeiter, Kapitel und Randnummer)
Hdb Wirtschaft und Steuer
Handbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts, hrsg. von Heinz-Bernd Wabnitz und Thomas Janovsky (zitiert nach Bearbeiter, Kapitel und Randnummer)
HGB
Handelsgesetzbuch
HGrG
Gesetz über die Grundsätze des Haushaltsrechts des Bundes und der Länder
HHS
Department of Health and Human Services
HJRes
House Joint Resolution
XXXVIII
Abkürzungsverzeichnis
Hlbd.
Halbband
HLKO
Haager Abkommen betreffend die Gesetze und Gebräuche des Landkriegs vom 18.10.1907 (RGBl. 1910 S. 107)
Hofstra L. Rev.
Hofstra Law Review
Hous. J. Int. L.
Houston Journal of International Law
Hous. L. Rev.
Houston Law Review
hrsg., Hrsg.
herausgegeben, Herausgeber
HWiStR
Handwörterbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts, hrsg. von Wilhelm Krekeler (zitiert nach Bearbeiter, Artikel und Seite)
HWSt
Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, hrsg. von Hans Achenbach und Andreas Ransiek (zitiert nach Bearbeiter, Kapitel, Abschnitt und Randnummer bzw. in der 3. Aufl. nach Teil, Kapitel und Randnummer)
I IDW
Institut der Wirtschaftsprüfer
i.E.
im Ergebnis
IEC
International Electrotechnical Commission
IFSG
Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz)
IGH
Internationaler Gerichtshof
IHKG
Gesetz zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern
IIR
Deutsches Institut für Interne Revision e.V.
Ill. App.
Illinois Appellate Court Reports
Ill. L. Rev.
Illinois Law Review
ILO
International Labour Organization
Inc.
incorporated
Ind.
Indiana, Indiana Reports
Ind. L. J.
Indiana Law Journal
insbes.
insbesondere
InsO
Insolvenzordnung
int., intr.
introduction, introductory
Int’l & Comp. L. Q.
International and Comparative Law Quarterly
ISO
International Organization for Standardization
Abkürzungsverzeichnis
XXXIX
IStGH
Internationaler Strafgerichtshof
ITSFEA
Insider Trading and Securities Fraud Enforcement Act of 1988
i.V.m.
in Verbindung mit
J J.
Journal
JBl.
Juristische Blätter (zitiert nach Jahr und Seite)
JBJf
Jahrbuch der Basler Juristenfakultät (zitiert nach Heft, Jahr und Seite)
J. Bus. Ethics
Journal of Business Ethics
J. Corp. L.
The Journal of Corporation Law
J. Crim. L. & Criminology
The Journal of Criminal Law & Criminology
J. Econ. Persp.
Journal of Economic Perspectives
jew.
jeweils
JICJ
Journal of International Criminal Justice
J. Law & Econ.
The Journal of Law and Economics
J. Law & Pol.
Journal of Law and Policy
J. Law & Soc.
Journal of Law and Society
J. Legal Stud.
The Journal of Legal Studies
J. Pol. Econ.
The Journal of Political Economy
JR
Juristische Rundschau (zitiert nach Jahr und Seite)
Jura
Juristische Ausbildung (zitiert nach Jahr und Seite)
jurisPR-StrafR
juris PraxisReport Strafrecht
JZ
Juristenzeitung (zitiert nach Jahr und Seite)
K Kap.
Kapitel
K.B.
King’s Bench Reports
KG
Kommanditgesellschaft/Kammergericht
KGaA
Kommanditgesellschaft auf Aktien
KK-OWiG
Karlsruher Kommentar zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (zitiert nach Bearbeiter, Paragraf und Randnummer)
KK-StPO
Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung und zum Gerichtsverfassungsgesetz mit Einführungsgesetz (zitiert nach Bearbeiter, Paragraf und Randnummer)
XL
Abkürzungsverzeichnis
KMR
KMR-Kommentar zur Strafprozessordnung (zitiert nach Bearbeiter, Paragraf und Randnummer)
KölnKomm-AktG
Kölner Kommentar zum Aktiengesetz (zitiert nach Bearbeiter, Paragraf und Randnummer)
KonTraG
Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich
krit.
kritisch
KrW/AbfG
Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz
KWG
Kreditwesengesetz
Ky. L. J.
Kentucky Law Journal
L L.
Law
L. & Soc. Rev.
Law and Society Review
La.
Louisiana
Law & Contemp. Probs.
Law and Contemporary Problems
Lfg.
Lieferung
LG
Landgericht
Lit.
Literatur
LK
Leipziger Kommentar zum Strafgesetzbuch (zitiert nach Bearbeiter, Paragraf und Randnummer)
Loy. L. Rev.
Loyola Law Review
Loy. U. Chi. L. J.
Loyola University Chicago Law Journal
LR
Löwe/Rosenberg, Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, Großkommentar (zitiert nach Bearbeiter, Paragraf und Randnummer)
Ltd.
Limited
M Man. & Dec. Econ.
Managerial and Decision Economics
MaRisk
Mindestanforderungen an das Risikomanagement (Rundschreiben der BaFin)
Marq. L. Rev.
Marquette Law Review
Mass.
Massachusetts, Massachusetts Reports
m. Bspr. v.
mit Besprechung von
McGill L. J.
McGill Law Journal/Revue de Droit de McGill
M.D.Fla.
United States District Court for the Middle District of Florida
Abkürzungsverzeichnis MDR
Monatsschrift für deutsches Recht (zitiert nach Jahr und Seite)
MDR (D)
bei Dallinger in MDR
Mich.
Michigan, Michigan Reports
Mich. J. Int.’l L
Michigan Journal of International Law
XLI
Mich. L. Rev.
Michigan Law Review
Mich. St. L. Rev.
Michigan State Law Review
Minn. L. Rev.
Minnesota Law Review
MK
Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch (zitiert nach Bearbeiter, Paragraf und Randnummer)
MK-AktG
Münchener Kommentar zum Aktiengesetz (zitiert nach Bearbeiter, Paragraf und Randnummer)
MK-BGB
Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch (zitiert nach Bearbeiter, Paragraf und Randnummer)
Mod. L. Rev.
The Modern Law Review
Mont.
Montana
MPC
Model Penal Code
MPR
Medizin Produkte Recht (zitiert nach Jahr und Seite)
Mrz.
März
MschrKrim
Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform; von 1937 bis 1944: Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform; 1904 bis 1936: Monatsschrift für Kriminalpsychologie (zitiert nach Jahr und Seite)
m.w.N.
mit weiteren Nachweisen
N N.A.
National Association (federally chartered bank in the U.S.)
NASD
National Association of Securities Dealers, Inc.
NASDAQ
National Association of Securities Dealers Automated Quotation System
NAStrG
Gesetz zur Namensaktie und zur Erleichterung der Stimmrechtsausübung
Nat. L. J.
National Law Journal
N. C.
North Carolina, North Carolina Reports
N. C. L. Rev.
North Carolina Law Review
NCUA
National Credit Union Administration
XLII
Abkürzungsverzeichnis
N.D.Cal.
United States District Court for the Northern District of California
N.D.Ill.
United States District Court for the Northern District of Illinois
N.D.Tex.
United States District Court for the Northern District of Texas
N.E.
North Eastern Reporter
N.E.2d
North Eastern Reporter, Second Series
Neb.
Nebraska
Neb. App.
Nebraska Court of Appeals Reports
Neb. L. Rev.
Nebraska Law Review
New Eng. L. Rev.
New England Law Review
N.H.
New Hampshire
N. Ill. U. L. Rev.
Northern Illinois University Law Review
N.J.
New Jersey, New Jersey Reporter
NJW
Neue Juristische Wochenschrift (zitiert nach Jahr und Seite)
NK
Nomos Kommentar zum Strafgesetzbuch (zitiert nach Bearbeiter, Paragraf und Randnummer)
No.
Number
Notre Dame L.
The Notre Dame Lawyer
Notre Dame L. Rev.
Notre Dame Law Review
NStE
Neue Entscheidungssammlung für Strafrecht
NStZ
Neue Zeitschrift für Strafrecht (zitiert nach Jahr und Seite)
NStZ-RR
NStZ-Rechtsprechungs-Report (zitiert nach Jahr und Seite)
N.W.
North Western Reporter
N.W.2d
North Western Reporter, Second Series
Nw. U. L. Rev.
Northwestern University Law Review
N.Y.
New York
N.Y.L.J.
New York Law Journal
NYSE
New York Stock Exchange
N. Y. U. Envtl. L. J.
New York University Environmental Law Journal
N. Y. U. L. Rev.
New York University Law Review
NZA
Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht (zitiert nach Jahr und Seite)
NZG
Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht (zitiert nach Jahr und Seite)
Abkürzungsverzeichnis
XLIII
NZI
Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht (zitiert nach Jahr und Seite)
NZWiSt
Neue Zeitschrift für Wirtschafts-, Steuer- und Unternehmensstrafrecht (zitiert nach Jahr und Seite)
O o.A.
ohne Autor
OCC
Office of the Comptroller of the Currency
OECD
Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Organisation for Economic Co-operation and Development)
OFT
Office of Fair Trading
ÖJZ
Österreichische Juristen-Zeitung (zitiert nach Jahr und Seite)
Ohio St. J. Crim. L.
Ohio State Journal of Criminal Law
OLG
Oberlandesgericht
OHG
Offene Handelsgesellschaft
Org. Sci.
Organizational Science
OSHA
Occupational Safety and Health Administration
OTS
Office of Thrift Supervision
Ottawa L. Rev.
Ottawa Law Review
OWi
Ordnungswidrigkeiten
OWiG
Gesetz über Ordnungswidrigkeiten
P Pa.
Pennsylvania
PartG
Partnerschaftsgesellschaft
PartGG
Partnerschaftsgesellschaftsgesetz
Pepp. L. Rev.
Pepperdine Law Review
PharmR
Pharma Recht, Fachzeitschrift für das gesamte Arzneimittelrecht (zitiert nach Jahr und Seite)
Phil. Stud.
Philosophical Studies
PLI/Corp
Practising Law Institute, Corporate Law and Practice Course Handbook Series
pts.
parts
Pub. L.
Public Law
ProdHaftG
Produkthaftungsgesetz
XLIV
Abkürzungsverzeichnis
PROTECT Act
Prosecturial Remedies and Other Tools Against the Exploitation of Children Today Act
PS
Prüfungsstandard
PwC
PricewaterhouseCoopers
Q Q.B.
Queen’s Bench Reports
R R.
Rex
RabelsZ
Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht (zitiert nach Jahr und Seite)
RAO
Reichsabgabenordnung
RegE
Regierungsentwurf
Rev.
Review
RGBl.
Reichsgesetzblatt (zitiert nach Band und Seite)
Rpt.
Report
Rev. Econ. & Stat.
The Review of Economics and Statistics
Rev. Litig.
Review of Litigation
RG
Reichsgericht
RGBl.
Reichsgesetzblatt
RGSt
Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen (zitiert nach Band und Seite)
RICO
Racketeer Influenced and Corrupt Organizations Act
R.I.D.C.
Revue Internationale de Droit Comparé
RiStBV
Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren
RIW
Recht der Internationalen Wirtschaft (zitiert nach Jahr und Seite)
RM
Reichsmark
Rs.
Rechtssache
RStGB
Reichsstrafgesetzbuch
Rutgers L. J.
Rutgers Law Journal
Rutgers L. Rev.
Rutgers Law Review
RZ
Österreichische Richterzeitung (zitiert nach Jahr und Seite)
Abkürzungsverzeichnis
XLV
S S.
Seite
Santa Clara L. Rev.
Santa Clara Law Review
S. Cal. L. Rev.
Southern California Law Review
Sch/Sch
Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, Kommentar (zitiert nach Bearbeiter, Paragraf und Randnummer)
schweiz.
schweizerisch
S. C. L. Rev.
South Carolina Law Review
S.Ct.
Supreme Court, Supreme Court Reporter
S.D.
Southern District, South Dakota Reports
SE
Societas Europaea
SEA
Securities Exchange Act of 1934
SEAG
SE-Ausführungsgesetz
SEC
Securities and Exchange Commission
SED
Sozialistische Einheitspartei Deutschlands
Sess.
session
SEV
Sammlung der Europaratsverträge (bis 2004: Sammlung der Europäischen Verträge)
SJZ
Schweizerische Juristen-Zeitung (zitiert nach Jahr und Seite)
SK-StGB
Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch (zitiert nach Bearbeiter, Paragraf und Randnummer)
SK-StPO
Systematischer Kommentar zur Strafprozessordnung (zitiert nach Bearbeiter, Paragraf und Randnummer)
Slg.
Sammlung
So.2d
Southern Reporter, Second Series
SOA
Sarbanes-Oxley Act
sog.
sogenannt
S. Rep
Senate Reports
st.
ständig/ständige
Stan. L. R.
Stanford Law Review
Stat.
Statutes, Statutes at Large
S. Tex. L. Rev.
South Texas Law Review
StGB
Strafgesetzbuch
StGB (CH)
Schweizerisches Strafgesetzbuch
St. John’s J. Legal Comment.
St. John’s Journal of Legal Commentary
XLVI St. John’s L. Rev.
Abkürzungsverzeichnis St. John’s Law Review
St. Louis U. L. J.
Saint Louis University Law Journal
St. Louis U. Pub. L. Rev.
Saint Louis University Public Law Review
StPO
Strafprozessordnung
StrÄG
Strafrechtsänderungsgesetz
StraFO
Strafverteidiger Forum (zitiert nach Jahr und Seite)
StrafR
Strafrecht
Strat. Mgmt. J.
Strategic Management Journal
StrlSchV
Verordnung über den Schutz vor Schäden durch ionisierende Strahlen
StRR
Strafrechtsreport (zitiert nach Jahr und Seite)
StrRG
Gesetz zur Reform des Strafrechts, 1. StrRG vom 25.6.1969 (BGBl. I S. 645), 2. StRG vom 4.7.1969 (BGBl. I S. 717)
StV
Strafverteidiger (zitiert nach Jahr und Seite)
Suffolk U. L. Rev.
Suffolk University Law Review
Sup. Ct.
Supreme Court, Supreme Court Reporter
Sup. Ct. Rev.
The Supreme Court Review
Supp.
supplement
SVR
Straßenverkehrsrecht (zitiert nach Jahr und Seite)
Sw. U. L. Rev.
Southwestern University Law Review
Syracuse J. Int.’l L
Syracuse Journal of International Law and Commerce
SZW
Schweizerische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (zitiert nach Jahr und Seite)
T Tenn. L. Rev.
Tennessee Law Review
Tex.
Texas, Texas Reports
Tex. B. J.
Texas Bar Journal
TransPuG
Gesetz zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zur Transparenz und Publizität
Tsd.
Tausend
Tul. L. Rev.
Tulane Law Review
Abkürzungsverzeichnis
XLVII
U U.
University
U. Balt. L. Rev.
University of Baltimore Law Review (auch: Baltimore Law Review)
U. C. Davis L. Rev.
University of California (Davis) Law Review
U. Chi. L. Rev.
The University of Chicago Law Review
U. Cin. L. Rev.
University of Cincinnati Law Review
UCLA
University of California, Los Angeles
UCLA L. Rev.
UCLA Law Review
U. Colo. L. Rev.
University of Colorado Law Review
U. Day. L. Rev.
University of Dayton Law Review
UMAG
Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts
UmweltHG
Umwelthaftungsgesetz
UN
United Nations
U. Pa. L. Rev.
University of Pennsylvania Law Review
U. Pitt. L. Rev.
University of Pittsburgh Law Review
U. Rich. L. Rev.
University of Richmond Law Review
Urt.
Urteil
U.S.
United States of America bzw. Amtliche Entscheidungssammlung des Supreme Court of the United States
USAM
United States Attorneys’ Manual
U.S.C.
United States Code
USSC
United States Sentencing Commission
USSG
United States Sentencing Guidelines
u.U.
unter Umständen
V v.
versus, von
Va.
Virginia, Virginia Reports
VAG
Gesetz über die Beaufsichtigung der Versicherungsunternehmen
VAGÄndG
Gesetz zur Änderung des Versicherungsaufsichtsgesetzes
Va. L. Rev.
Virginia Law Review
Val. U. L. Rev.
Valparaiso University Law Review
XLVIII Vand. L. Rev.
Abkürzungsverzeichnis Vanderbilt Law Review
VbVG
Verbandsverantwortlichkeitsgesetz
VereinsG
Vereinsgesetz
vgl.
vergleiche
Vill. L. Rev.
Villanova Law Review
VO
Verordnung
VOR
Zeitschrift für Verkehrs- und Ordnungswidrigkeitenrecht (zitiert nach Jahr und Seite)
VStGB
Völkerstrafgesetzbuch
W Wake Forest L. Rev.
Wake Forest Law Review
Wall Street L.
Wall Street Lawyer
Wash. U. Global Stud. L. Rev.
Washington University Global Studies Law Review
Wash. U. L. Q.
Washington University Law Quarterly
W.D.Mo.
United States District Court for the Western District of Missouri
Wend.
Wendell’s New York Reports
WHG
Gesetz zur Ordnung des Wasserhaushalts (Wasserhaushaltsgesetz)
Whittier L. Rev.
Whittier Law Review
WiGBl.
Gesetzblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes
WiKG
Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität
WPg
Die Wirtschaftsprüfung (zitiert nach Jahr und Seite)
Wis.
Wisconsin
Wis. Int. L. J.
Wisconsin International Law Journal
Wis. L. Rev.
Wisconsin Law Review
WiPra
Wirtschaftsstrafecht in der Praxis, hrsg. v. Marcus Böttger (zitiert nach Bearbeiter, Kapitel und Randnummer)
WiStGB
Gesetz zur Vereinfachung des Wirtschaftsstrafrechts
wistra
Zeitschrift für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht (davor: Zeitschrift für Wirtschaft, Steuer, Strafrecht; zitiert nach Jahr und Seite)
WL
Westlaw
WM
Wertpapier-Mitteilungen (zitiert nach Jahr und Seite)
Abkürzungsverzeichnis
XLIX
WpDVerOV
Verordnung zur Konkretisierung der Verhaltensregeln und Organisationsanforderungen für Wertpapierdienstleistungsunternehmen
WpHG
Gesetz über den Wertpapierhandel
WpHGMaAnzV
Verordnung über den Einsatz von Mitarbeitern in der Anlageberatung, als Vertriebsbeauftragte oder als Compliance-Beauftragte und über die Anzeigepflichten nach § 34d des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG-Mitarbeiteranzeigenverordnung)
WpÜG
Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz
WRV
Weimarer Reichsverfassung
WTR Crim. Just.
Criminal Justice (Winter-Ausgabe)
WuW
Wirtschaft und Wettbewerb (zitiert nach Jahr und Seite)
W. Va. L. Rev.
West Virginia Law Review
Wyo. L. Rev.
The Wyoming Law Review
Y Yale L. J.
The Yale Law Journal
Yale L. & Pol. Rev.
Yale Law and Policy Review
Z ZaöRV
Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht (zitiert nach Band, Jahr und Seite)
z.B.
zum Beispiel
ZBB
Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft (zitiert nach Jahr und Seite)
ZCG
Zeitschrift für Corporate Governance (zitiert nach Jahr und Seite)
ZEuS
Zeitschrift für europarechtliche Studien (zitiert nach Jahr und Seite)
zfb
Zeitschrift für Betriebswirtschaft (zitiert nach Jahr und Seite)
zfo
Zeitschrift Führung + Organisation (zitiert nach Jahr und Seite)
ZfRV
Zeitschrift für Europarecht, Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung (zitiert nach Jahr und Seite)
ZfSch
Zeitschrift für Schadensrecht (zitiert nach Jahr und Seite)
L
Abkürzungsverzeichnis
zfwu
Zeitschrift für Wirtschafts- und Unternehmensethik (zitiert nach Band, Jahr und Seite)
ZfZ
Zeitschrift für Zölle und Verbrauchssteuern (zitiert nach Jahr und Seite)
ZGR
Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht (zitiert nach Jahr und Seite)
Ziff.
Ziffer, Randziffer
ZIFS
Zeitschrift für innere Sicherheit in Deutschland und Europa (zitiert nach Jahr und Seite)
ZIP
Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (zitiert nach Jahr und Seite)
ZIS
Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik (zitiert nach Jahr und Seite)
ZJS
Zeitschrift für das Juristische Studium (zitiert nach Jahr und Seite)
ZPO
Zivilprozessordnung
ZRP
Zeitschrift für Rechtspolitik (zitiert nach Jahr und Seite)
ZSchwR
Zeitschrift für Schweizerisches Recht (zitiert nach Band, Jahr und Seite)
ZStrR
Schweizerische Zeitschrift für Strafrecht (zitiert nach Band, Jahr und Seite)
ZStW
Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft (zitiert nach Band, Jahr und Seite)
z.T.
zum Teil
ZVglRWiss
Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft (zitiert nach Band, Jahr und Seite)
ZWeR
Zeitschrift für Wettbewerbsrecht (zitiert nach Jahr und Seite)
Verzeichnis der Tabellen und Schaubilder A. Tabellen I. Landesbericht USA Tabelle 1:
Empirische Untersuchungen von 1984–1990 ............................................ 136
Tabelle 2:
Verurteilungen mit Geldstrafe ................................................................... 267
Tabelle 3:
Bedeutung von Compliance-Programmen und der Kooperation ............... 269
Tabelle 4:
Beteiligung von Führungspersonen ........................................................... 271
Tabelle 5:
Abweichungen vom Strafrahmen .............................................................. 273
Tabelle 6:
Wiedergutmachungsanordnungen ............................................................. 274
Tabelle 7:
Bewährungsstrafe ...................................................................................... 275
Tabelle 8:
Verfahrensablauf ....................................................................................... 276
II. Landesbericht Deutschland Tabelle 9:
Verhängte Bußgelder des Bundeskartellamts ............................................ 491
Tabelle 10: Geldbußen nach § 30 OWiG ..................................................................... 493
III. Rechtsvergleichender Teil Tabelle 11: Vergleich der allgemeinen Strukturen ....................................................... 523 Tabelle 12: Vergleich der Voraussetzungen zur Verantwortlichkeit ............................ 523 Tabelle 13: Vergleich der Sanktionen .......................................................................... 525 Tabelle 14: Vergleich der Verfahrensregelungen ......................................................... 526 Tabelle 15: Vergleich der rechtstatsächlichen Lage ..................................................... 526 Tabelle 16: Vergleich der Regulierung durch Compliance .......................................... 527
IV. Neue Entwicklungen Tabelle 17: Verurteilungen mit Geldstrafe ................................................................... 742 Tabelle 18: Bedeutung von Compliance-Programmen und Kooperation ..................... 742 Tabelle 19: Beteiligung von Führungspersonen ........................................................... 743
LII
Verzeichnis der Tabellen und Schaubilder
Tabelle 20: Abweichungen vom Strafrahmen .............................................................. 744 Tabelle 21: Wiedergutmachungsanordnungen ............................................................. 745 Tabelle 22: Bewährungsstrafe ...................................................................................... 746 Tabelle 23: Verfahrensablauf ....................................................................................... 746 Tabelle 24: Bußgelder nach § 30 OWiG seit 2009 ....................................................... 767
B. Schaubilder Schaubild 1: Verhältnis Compliance, CG, CSR ............................................................... 50 Schaubild 2: Bestimmung der Geldstrafe ....................................................................... 156 Schaubild 3: Einstellungen gegen Auflagen durch die Staatsanwaltschaft .................... 740
Hinweise In den Anmerkungen angegebene Internet-Links beziehen sich in den Kap. 1–6 auf den Stand vom 1.2.2010, in Kap. 7 auf den vom 1.4.2012. Verweise in Anmerkungen auf andere Anmerkungen erfolgen innerhalb eines Kapitels durch bloßen Verweis auf die Nummer. Bei Verweis auf Anmerkungen in anderen Kapiteln ist zur Nummer zusätzlich das jeweilige Kapitel angegeben. Verweise in § 14 Anm. 144– 178 auf „oben Anm. …“ beziehen sich auf Anmerkungen in § 13. Monografien und Buchbeiträge werden mit abgekürztem Titel zitiert. Der vollständige Titel ist im Literaturverzeichnis aufgeführt.
For the rational study of the law the blackletter man may be the man of the present, but the man of the future is the man of statistics and the master of economics … We learn that for everything we have, we have to give up something else, and we are taught to set the advantage we gain against the other advantage we lose, and to know what we are doing when we elect. Oliver Wendell Holmes, The Path of Law, 10 Harv. L. Rev. (1897); S. 457 (469, 474).
1. Kapitel: Einführung § 1 Ausgangspunkt der Untersuchung Die Bestrafung von Unternehmen ist eine ungelöste Frage, seitdem es Unternehmen gibt. Wie kann eine straf- oder ordnungswidrigkeitenrechtliche Verantwortlichkeit der Unternehmen aussehen? Und welche Sanktionen können in welchem Verfahren gegen das Unternehmen verhängt werden?1 Auch, wie Rechtsverstöße vermieden werden können, ist unter dem Begriff „Prävention“ schon lange Gegenstand der Kriminalpolitik und unternehmerischer Bestrebungen. In Verbindung mit der Aufdeckung von Rechtsverstößen wird die Frage in neuerer Zeit unter der Bezeichnung „Compliance“ und, soweit konkrete Maßnahmen gemeint sind, unter dem Begriff „Compliance-Programme“ diskutiert.2 Die Compliance-Aktivitäten gehen überwiegend von Unternehmen aus, jedoch besteht vielfach ein enger Bezug zu staatlichen (Sanktions-)Normen. Diesen Problemkreisen, insbesondere der Verknüpfung von Compliance und Sanktionsrecht, widmet sich die vorliegende Arbeit. Die Aktualität krimineller Vorgänge aus und durch Unternehmen können die Skandale um die Firmen Worldcom3 und Enron4 in den USA oder Parmalat5 und ____________ Vgl. eingehend zu den damit verbundenen Einzelfragen unten S. 33 ff. Näher zu Begriff und Definition unten S. 40 ff. 3 Die Bilanzfälschungen des im Jahr 2002 insolvent gewordenen Unternehmens Worldcom verursachten in den USA einen geschätzten Schaden in Höhe von 107 Mrd. USDollar. Vgl. ; Lenz, in: Aufderheide/Dabrowski (Hrsg.), Corporate Governance, S. 219 (225 ff.). 4 Im Fall des 2001 insolvent gewordenen Unternehmens Enron wird der u.a. durch Bilanzfälschungen und Betrug herbeigeführte Schaden auf ca. 60 Mrd. US-Dollar geschätzt, vgl. . 1 2
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1. Kapitel: Einführung
Flowtex6 in Europa bezeugen.7 Die Auswirkungen dieser Vorgänge waren am Kapitalmarkt, bei Kunden, Mitarbeitern und Vertragspartnern deutlich zu spüren. Die finanziellen Schäden waren vielfach enorm, zum Teil kam es zum Zusammenbruch der Unternehmen. Unter den bekannt gewordenen Vorgängen der letzten Jahre ragt der Fall eines Unternehmens heraus, in dem sich die vielfältigen Facetten von Rechtsverstößen in und durch Unternehmen, staatliche Regulierung und Reaktion sowie die (gescheiterten) Versuche der Bekämpfung von Rechtsverstöße durch Compliance-Maßnahmen widerspiegeln: der Fall Siemens, konkreter die Korruptionsvorfälle im Siemens-Konzern. Dieses Beispiel soll im Folgenden näher vorgestellt werden, um die zahlreichen Aspekte der Thematik zu veranschaulichen. Die Siemens AG mit Hauptsitz in München zählt zu den weltgrößten Produzenten von Industrie- und Konsumgütern und ist in etwa 190 Staaten tätig. Im Jahr 2009 waren weltweit ca. 405.000 Mitarbeiter im Unternehmen beschäftigt und der Konzern erzielte einen Umsatz von über 76 Mrd. Euro.8 Siemens war eines der wenigen deutschen Unternehmen, das bereits um die Jahrtausendwende die Herausforderungen von Compliance und Corporate Governance (der Frage nach einem angemessenen Ordnungsrahmen des Unternehmens9) erkannt und entsprechend reagiert hatte. Siemens machte diese internen Bemühungen einer breiten Öffentlichkeit zugänglich. Im Jahr 2001 etablierte das Unternehmen einen Funktionsbereich Compliance und schuf die Stelle eines Corporate Officer for Compliance.10 Dieser Funktionsbereich wurde dann 2004 in ein Corporate Compliance Office in München überführt, dessen Leitung einem Chief Compliance Officer übertragen wurde. Daneben ernannte man regionale Compliance Officer und Group Compliance Officer. Als eines der ersten deutschen Unternehmen schuf Siemens damit ____________ 5 Im Fall des italienischen Parmalat-Konzerns aus dem Jahr 2003 werden dem Management des Unternehmens Bilanzmanipulationen mit Schäden in Höhe von ca. 23 Mrd. Euro vorgeworfen (vgl. Arie, Parmalat Dream Goes Sour, The Observer vom 4.1.2004, . 6 Die betrügerisch arbeitende Firma Flowtex verursachte in Deutschland in einem im Jahr 2000 aufgedeckten Fall durch die Vortäuschung von Scheingeschäften Schäden in Höhe von ca. 1,5 Mrd. DM (vgl. den Überblick im Manager-Magazin ). 7 Siehe auch Engelhart, in: Burchard/Triffterer/Vogel (Hrsg.), Review Conference, S. 175 ff. zur Verwicklung von Unternehmen in Völkerstraftaten. 8 Siemens AG, Geschäftsbericht 2009, S. 3. 9 Näher dazu unten S. 45. 10 Diese und die nachfolgend genannten Informationen beruhen auf der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft und des Department of Justice, die am 12.12.2008 gegen Siemens vor dem United States District Court for the District of Columbia (U.S. v. Siemens Aktiengesellschaft – CR-08-367-RJL), der Antragsschrift der SEC (U.S. SEC v. Siemens Aktiengesellschaft, case 1:08-cv-02167), die am selben Tag an diesem Gericht eingereicht wurde, sowie dem von Siemens am 15.12.2008 im Fall U.S. v. Siemens Aktiengesellschaft (CR-08367-RJL) akzeptierten Statement of Offense. Die Dokumente sind online abrufbar unter und . Siehe zudem das Urteil des BGH zur Strafbarkeit der handelnden Mitarbeiter BGHSt 52, 323.
§ 1 Ausgangspunkt der Untersuchung
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einen eigenen Compliance-Bereich innerhalb des Konzerns. In den Jahren 2001 bis 2007 wurden zahlreiche schriftliche Vorgaben für die Mitarbeiter erlassen, die einzuhaltende rechtliche Bestimmungen (insbesondere zur Vermeidung von Korruption) und Verhaltensvorschriften enthielten. Darunter finden sich insbesondere die im Jahr 2001 konzernweit zugänglich gemachten „Business Conduct Guidelines“, die im Jahr 2005 überarbeitet wurden. Einer kritischen Würdigung von außerhalb des Konzerns wurden die Compliance-Bemühungen von Siemens unterzogen, als im Jahr 2006 umfangreiche Korruptionsvorwürfe gegen das Unternehmen bekannt wurden.11 Um an Aufträge heranzukommen, hatte sich zumindest seit Mitte der 1990er Jahre bis ca. 2007 innerhalb des Unternehmens die Praxis verbreitet, in zahlreichen Ländern Bestechungsgelder an Geschäftspartner und staatliche Stellen zu zahlen. Zugleich wurden unternehmensinterne Unterlagen gefälscht und die Vorgänge unzureichend dokumentiert. Diese Vorfälle hatten strafrechtliche Ermittlungen seitens staatlicher Behörden weltweit zu Folge.12 Besonders eingehende Untersuchungen führten die deutschen und die amerikanischen Behörden durch. Die intensiven Ermittlungen in Deutschland sind durch den Sitz des Konzerns in Deutschland bedingt. Die Ermittlungen in den USA lassen sich wohl vor allem mit einer strengen Handhabung des Foreign Corrupt Practices Act (FCPA) erklären, der Korruption außerhalb der USA unter Strafe stellt.13 Die Jurisdiktion der USA ist durch die Tätigkeit von Siemens in den USA eröffnet. Neben den staatlichen Behörden bemühte sich die Siemens AG selbst um eine umfassende Aufklärung. Hierzu engagierte das Unternehmen im Dezember 2006 die amerikanische Kanzlei Debevoise & Plimpton LLP und beauftragte diese mit umfangreichen Untersuchungen zu den Vorfällen und einer Evaluierung des bisher vorhandenen Compliance-Systems.14 Unterstützt wurde die Kanzlei durch Experten der Wirtschaftprüfungsgesellschaft Deloitte & Touche. Innerhalb von zwei Jahren führte die Kanzlei umfassende Untersuchungen im Konzern durch, arbeitete die Fakten des Falls auf und bewertete das Compliance-System.15 Dabei waren zeit____________ 11 Vgl. die Anklageschriften vom 12.12.2008 in den Verfahren U.S. v. Siemens Aktiengesellschaft (CR-08-367-RJL), U.S. v. Siemens S.A. (Argentina) (CR-08-368-RJL), U.S. v. Siemens Bangladesh Limited (CR-08-369-RJL) und U.S. v. Siemens S.A. (Venezuela) (CR08-370-RJL) seitens des U.S. Department of Justice, Criminal Division, Fraud Section. Siehe zudem die vier von Siemens am 15.12.2008 in den gleichnamigen Verfahren akzeptierten Statements of Offense sowie die Antragsschrift der SEC vom 12.12.2008 (U.S. SEC v. Siemens Aktiengesellschaft, case 1:08-cv-02167). 12 Der Geschäftsbericht 2008 der Siemens AG nennt neben Deutschland und den USA weitere 15 Staaten, in denen Ermittlungen gegen Siemens durchgeführt werden (S. 193). Siehe auch Siemens AG, Geschäftsbericht 2007, S. 170 ff. 13 Vgl. dazu bspw. Cohen/Holland, CCZ 2008, 7 ff. 14 Vgl. Siemens AG, Geschäftsbericht 2008, S. 196. 15 Die Kanzlei gibt auf ihrer Homepage an, 1.750 Interviews geführt, über 1.000 informelle Briefings abgehalten, 82 Mio. Dokumente elektronisch
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1. Kapitel: Einführung
weise mehrere hundert Anwälte tätig, deren Einsatz Siemens hunderte Millionen Euro kostete.16 Daneben nahmen unternehmensinterne Abteilungen selbst Ermittlungen vor. Um die interne und externe Aufklärung zu erleichtern, erließ Siemens eine Amnestieregelung für Mitarbeiter unterhalb des Top-Managements, die für eine freiwillige Meldung von Vorgängen den weitgehenden Verzicht auf arbeitsrechtliche Konsequenzen vorsah.17 Dieses Angebot führte zu 123 Meldungen, in 82 Fällen wurde bis zum Ablauf des Geschäftsjahres 2008 die Amnestie gewährt.18 Die Ermittlungen zeichneten nicht nur die kriminellen Vorgänge im Unternehmen nach, sondern zeigten auch deutlich die Defizite der implementierten Compliance-Struktur. Ein zentraler Kritikpunkt war, dass zwar schriftliche Vorgaben bestanden, diese jedoch zum einen nicht eingehalten wurden und zum anderen für sich nicht geeignet waren, dem im Unternehmen bestehenden System der Korruption entgegenzuwirken. Die Anklageschrift bezeichnet diese Vorgaben daher als „paper program“.19 So waren beispielsweise die 2002 erlassenen Prinzipien und Empfehlungen zum Umgang mit Geschäftspartnern als nicht bindende Vorgaben weitgehend ineffektiv, da sie kaum konkrete Hinweise auf die Umsetzung von Sorgfaltsvorgaben in der Praxis beinhalteten.20 Zudem fehlte es an einem energischen Vorgehen der Konzernspitze gegen mögliche Rechtsverstöße. Zahlreiche Führungspersonen waren sowohl über Korruptionsvorfälle innerhalb des Unternehmens als auch über die unzureichenden Compliance-Bemühungen informiert, unternahmen jedoch nur wenig, um diesem Zustand abzuhelfen. Der Siemens-Zentralvorstand bekannte sich bis 2004 kaum nachhaltig zu einer korruptionsfreien Geschäftstätigkeit. Die Konzernspitze blieb weitgehend untätig, obwohl beispielsweise der Chief Compliance Officer dem Zentralvorstand im Mai 2005 mitteilte, dass die Frankfurter Staatsanwaltschaft das Siemens-Compliance-Programm für nur auf dem Papier existent halte.21 Eine Evaluierung dieses Programms im Vergleich zu dem der General Electric Company (GE) durch die Compliance-Abteilung von Siemens im Juli 2005 zeigte die perso____________ durchgesehen, 14 Mio. Dokumente, 38 Mio. Finanztransaktionen und 10 Mio. Bankdaten überprüft zu haben. 16 Vgl. Siemens AG, Geschäftsbericht 2007, S. 183, der für das Geschäftsjahr 2007 Aufwendungen in Höhe von 347 Mio. Euro für externe Berater nennt, die im Zusammenhang mit der Aufklärung der Korruptionsvorwürfe und der Umstrukturierung des Compliance-Programms tätig geworden sind. Siehe auch die Berichte über Siemens in der OnlineAusgabe der SZ auf vom 20.4.2008, 28.4.2008, 12.11.2008. 17 Vgl. Siemens AG, Geschäftsbericht 2008, S. 30. 18 Vgl. Siemens AG, Geschäftsbericht 2008, S. 30. Das Geschäftsjahr 2008 endete am 30.9.2008. 19 Vgl. die Anklageschrift vom 12.12.2008 vor dem United States District Court for the District of Columbia (U.S. v. Siemens Aktiengesellschaft – CR-08-367-RJL), S. 10. 20 Vgl. die Anklageschrift (Anm. 19), S. 12. 21 Vgl. die Anklageschrift (Anm. 19), S. 18 f.
§ 1 Ausgangspunkt der Untersuchung
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nellen und strukturellen Defizite des Siemens-Programms auf.22 Den erkannten Mängeln wurde jedoch nicht zeitnah durch die Aufstockung des Personals der Compliance-Abteilung oder durch eine grundlegende Revision des Programms abgeholfen. Einer der größten Mängel der Compliance-Bemühungen lag in der personellen Unterbesetzung der Compliance-Abteilung sowie den nicht ausreichenden Möglichkeiten, selbst Untersuchungen vorzunehmen. So war der 2001 ernannte Corporate Officer for Compliance (neben anderen Aufgaben) nur Teilzeit mit ComplianceFragen beschäftigt und hatte auch nur zwei Mitarbeiter. Die neu geschaffene Compliance-Abteilung war von 2004 bis 2007 mit maximal sechs Vollzeitstellen besetzt. Hinzu kam die Stelle des Chief Compliance Officer, der jedoch noch andere Aufgaben wahrnahm. Zudem konfligierten die einzelnen Aufgaben der Abteilung vielfach, da sie z.B. sowohl für die Verteidigung des Unternehmens gegen staatsanwaltliche Ermittlungen als auch für die Rechtseinhaltung im Unternehmen zuständig war.23 Daher verfügte die Abteilung nicht über die Ressourcen, die notwendig gewesen wären, eine konzernweite Prävention und Aufdeckung von Rechtsverstößen zu gewährleisten. Siemens hat die Korruptionsvorfälle und die Mängel des Compliance-Programms seit Ende 2006 zum Anlass genommen, eine umfangreiche Umstrukturierung des Konzerns vorzunehmen und das Compliance-Programm vollständig zu überarbeiten.24 Innerhalb des Vorstands wurde ein neues Ressort für Recht und Compliance eingeführt.25 Der Bereich Compliance wurde personell deutlich ausgebaut; die zentrale Compliance-Abteilung beschäftigt inzwischen rund 70 Mitarbeiter. Unternehmensweit wurde die Compliance-Organisation von 86 (Teilzeit mit Compliance beschäftigten) Mitarbeitern im Jahr 2006 auf 170 Mitarbeiter im Jahr 2007 und auf mehr als 600 Mitarbeiter im Jahr 2008 erweitert.26 Für die Umsetzung des Programms im Konzern engagierte Siemens Experten der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft KPMG, um die internen Mitarbeiter zu unterstützen; für diese externe Beratung hatte Siemens bis zum Dezember 2008 mehr als 150 Mio. USDollar aufgewandt.27 ____________ Vgl. die Anklageschrift (Anm. 19), S. 19 f. So die Anklageschrift (Anm. 19), S. 22; sowie die SEC-Antragsschrift (Anm. 10), S. 10. 24 Vgl. Siemens AG, Geschäftsbericht 2009, S. 24 ff., 116 ff.; Siemens AG, Geschäftsbericht 2008, S. 14, 28 ff., 100 f., 109 ff., 196 f. sowie Siemens AG, Geschäftsbericht 2007, S. 42 f., 88 ff.; siehe auch die Webseite unter . 25 Vgl. Siemens AG, Geschäftsbericht 2007, S. 89. 26 Vgl. Siemens AG, Compliance – Fortschrittsbericht GJ 2008 (abrufbar unter ). 27 Vgl. die Angaben im Sentencing Memorandum (näher dazu unten Anm. 43 sowie im dazugehörigen Text), S. 23. 22 23
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1. Kapitel: Einführung
Das Compliance-Programm wurde neu konzipiert und basiert nunmehr auf drei wesentlichen Säulen: Vorbeugen, Erkennen und Reagieren. Als konkrete Maßnahme wurde die spezielle Schulung der Compliance-Officer eingeführt. Ebenso finden umfassende Schulungen der Mitarbeiter statt. Diese werden verpflichtet, die überarbeiteten Business Conduct Guidelines einzuhalten. Die Schulungen finden zum einen webbasiert und zum anderen persönlich statt. Teilweise besteht ein besonderes Gruppentraining. Zum Ende des Geschäftsjahres 2009 waren 219.000 Mitarbeiter geschult worden.28 Siemens führte eine anonyme Online-Befragung der Mitarbeiter durch, um zu ermitteln, inwieweit ihnen die Relevanz von Compliance bewusst ist. Die Compliance-Thematik wird regelmäßig durch den Vorstand auf Management-Konferenzen und Mitarbeiterversammlungen diskutiert. Seit 2008 ist Compliance ein Bestandteil der Vergütung (des Bonussystems) des oberen Managements und der Compliance-Officer. Im Intranet des Unternehmens wurde ein sogenanntes Help-Desk geschaffen. Dieses nimmt Hinweise auf Rechtsverstöße von Mitarbeitern sowie von externen Dritten entgegen. Zudem finden sich dort Informationen zu Compliance-Fragen und eine Datenbank, die länderspezifisch relevante rechtliche Regelungen und Compliance-Lehrmaterial enthält. Darüber hinaus wurde die Institution eines Ombudsmanns eingerichtet. Die Position wird von einem externen Rechtsanwalt wahrgenommen, an den sich Mitarbeiter und andere Personen vertraulich (und ggf. anonym) wenden können, wenn ihnen Verdachtsmomente bekannt werden. Für die Einhaltung der rechtlichen Vorgaben wurde ein umfangreiches Kontrollsystem mit dem Schwerpunkt auf der Korruptionsbekämpfung etabliert, das einem internen und externen Audit unterliegt. Eingeführt wurde des Weiteren ein ComplianceReview-Prozess, der einmal im Quartal der Diskussion von Compliance-Themen und der Identifizierung und Bewertung von Risiken dient sowie mögliche Maßnahmen darlegt. Soweit sich bekannt gewordene Verstöße bestätigen, geht Siemens disziplinarisch gegen die jeweiligen Mitarbeiter vor: Im Geschäftsjahr 2008 wurden 909 Verstöße geahndet, davon wurde in 26 % der Fälle das Arbeitsverhältnis beendet, in 66 % erfolgte eine Verwarnung oder Abmahnung.29 Neben der inzwischen weitgehend abgeschlossenen internen Aufarbeitung der Thematik ist auch die juristische Bewältigung der Korruptionsfälle in Deutschland und den USA hinsichtlich der Belangung des Unternehmens weit fortgeschritten.30 Auf deutscher Seite verhängte zunächst das Landgericht München I im Oktober 2007 eine Geldbuße gegen das Unternehmen in Anknüpfung an die Verurteilung ____________ 28 Vgl. Siemens AG, Compliance – Fortschrittsbericht GJ 2009 (abrufbar unter ). 29 Vgl. Siemens AG, Compliance – Fortschrittsbericht GJ 2008 (abrufbar unter ). 30 Daneben werden und wurden zahlreiche Mitarbeiter von Siemens und externe Personen sanktionsrechtlich verfolgt, vgl. bspw. BGHSt 52, 323. Auf diese Aspekte wird vorliegend nicht näher eingegangen.
§ 1 Ausgangspunkt der Untersuchung
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eines Mitarbeiters wegen Untreue durch die Bildung schwarzer Kassen.31 Die Höhe der Geldbuße betrug 201 Mio. Euro. Dabei machte der ahndende Teil 1 Mio. Euro aus, 200 Mio. Euro entfielen auf die Abschöpfung des wirtschaftlichen Vorteils. Im Dezember 2008 erließ die Staatsanwaltschaft München I einen Bußgeldbescheid in Höhe von 395 Mio. Euro, wobei auf die Ahndung 250.000 Euro entfielen und auf die Abschöpfung des wirtschaftlichen Vorteils 394,75 Mio. Euro.32 Die Geldbuße ahndet die Verletzung der Aufsichtspflicht nach § 130 OWiG seitens des Gesamtvorstands durch die mangelhafte Compliance-Struktur des Konzerns. Diese ermöglichte die Bildung schwarzer Kassen, die zur Zahlung von Bestechungsgeldern verwendet wurden. Für den ahndenden Teil wurde mildernd berücksichtigt, dass Siemens die Aufklärung aktiv unterstützt und zudem inzwischen ein „neues, umfangreiches und ernstzunehmendes Compliance-Programm“ eingerichtet hat.33 Mildernd einbezogen wurde überdies, dass auch in den USA Sanktionen gegen das Unternehmen verhängt wurden. In den USA wurde Siemens wie in Deutschland mit Sanktionen in substantiellem Umfang belegt. Zum einen wurde eine Geldstrafe von 450 Mio. US-Dollar verhängt.34 Der Entscheidung vorausgegangen waren Vereinbarungen (plea agreements35) des Unternehmens mit der Staatsanwaltschaft (dem U.S. Department of Justice, Criminal Division, Fraud Section).36 Darin verpflichtete man sich, die Vorwürfe der Anklage anzuerkennen und sich vor Gericht schuldig zu bekennen.37 Dementsprechend hat Siemens in der gerichtlichen Anhörung ein Schuldgeständnis ____________ 31 Siemens AG, Geschäftsbericht 2008, S. 192; SZ (Online-Ausgabe) vom 4.10.2007 . 32 Vgl. den von Siemens veröffentlichten Entwurf des Bußgeldbescheids der Staatsanwaltschaft München (abrufbar unter http://w1.siemens.com/press/de/events/2008-12pk.php); siehe auch die Pressemitteilung des Department of Justice (Siemens AG and Three Subsidiaries Plead Guilty to Foreign Corrupt Practices Act Violations and Agree to Pay $450 Million in Combined Criminal Fines) vom 15.12.2008, abrufbar unter . 33 Vgl. den Entwurf des Bußgeldbescheids (oben Anm. 32) unter V. 34 Der United States District Court for the District of Columbia hat Siemens am Tag der Einigung mit dem DOJ und der SEC für schuldig erkannt. Der Betrag von 450 Mio. USDollar setzt sich aus vier Einzelstrafen gegen die Siemens AG und drei rechtlich selbstständige Tochtergesellschaften in Argentinien, Bangladesch und Venezuela zusammen. 35 Vgl. zu derartigen plea agreements näher im Landesteil USA unten S. 241 ff. 36 Im Detail hat Siemens vier plea offers (für jede betroffene Gesellschaft eines) unterzeichnet, vgl. die offers im Verfahren U.S. v. Siemens AG (CR-08-367-RJL), U.S. v. Siemens S.A. (Argentina) (CR-08-368-RJL), U.S. v. Siemens Bangladesh Limited (CR-08369-RJL) und U.S. v. Siemens S.A. (Venezuela) (CR-08-370-RJL) seitens des U.S. Department of Justice, Criminal Division, Fraud Section vom 15.12.2008 (vgl. unter ). 37 Die Anklageschriften (auch hier wiederum für jede Gesellschaft eine, vgl. oben Anm. 11) wurden am 12.12.2008 vom U.S. Department of Justice, Criminal Division, Fraud Section beim United States District Court for the District of Columbia eingereicht (auch diese sind unter abrufbar).
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1. Kapitel: Einführung
abgelegt38 und im plea agreement zudem zugesichert, ein umfangreiches Compliance-Programm zu implementieren.39 Dieses soll zumindest zehn näher erläuterte Punkte abdecken, wobei die Vorgaben eher allgemein gehalten sind und Siemens somit einen großen Umsetzungsspielraum lassen.40 Zahlreiche Vorgaben dürfte Siemens bereits im Vorfeld durch seine Bemühungen erfüllt haben. Des Weiteren hat das Unternehmen akzeptiert, dass zwei externe Kontrolleure, die von ihm mandatiert und bezahlt werden, über einen Zeitraum von vier Jahren die Umsetzung des Compliance-Programms überwachen.41 Die Kontrolleure erhalten umfangreiche Befugnisse, um Informationen sammeln und auswerten zu können.42 In der Strafzumessung wurden die Bemühungen von Siemens bei der Aufklärung umfänglich honoriert und führten zu einer substantiell niedrigeren Strafe als derjenigen, die an sich für die verwirklichten Delikte auszusprechen gewesen wäre.43 Die Strafmilderung wurde für die intensive Kooperation von Siemens mit den Ermittlungsbehörden, die Vornahme disziplinarischer Maßnahmen gegen Mitarbeiter, Wiedergutmachungsbemühungen, die Vornahme umfangreicher interner Umstrukturierungen und die Implementierung eines umfassenden Compliance-Programms gewährt.44 Zusätzlich zu der vorgenannten Geldstrafe wurde gegen Siemens in einem zivilrechtlichen Verfahren, das von der Securities and Exchange Commission (SEC) betrieben wurde, eine zivilrechtliche Sanktion in Höhe von 350 Mio. US-Dollar ____________ 38 Die Anhörung fand vor Richter Richard J. Lean statt, vgl. die Pressemeldung des DOJ vom 15.12.2008 (oben Anm. 32). 39 Vgl. das plea offer vom 15.12.2008 im Verfahren U.S. v. Siemens AG (CR-08-367RJL), S. 9 sowie die Anlage 1 dazu. 40 Auf nur etwas mehr als zwei DIN-A4-Seiten sehen die Vorgaben z.B. die „promulgation of compliance standards and procedures designed to reduce the prospect violations of the anti-corruption laws and Siemens’ compliance code“ vor. 41 Vgl. das plea offer vom 15.12.2008 im Verfahren U.S. v. Siemens AG (CR-08-367RJL), S. 10 (sowie Anlage 2). Als „Compliance-Monitor“ hat die Behörde auf Vorschlag von Siemens den ehemaligen deutschen Finanzminister, Dr. Theo Waigel, akzeptiert; dieser wird von einem unabhängigen amerikanischen Rechtsanwalt beraten, inwieweit Siemens die Vorgaben des FCPA einhält. 42 Die Aufgaben und Befugnisse der Monitore sowie die Verpflichtungen von Siemens sind auf etwas mehr als sieben DIN A4 Seiten detailliert geregelt. 43 So wäre aufgrund der Berechnung nach den Strafzumessungsrichtlinien (hierzu ausführlich unten S. 154 ff.) eine Strafe auszusprechen gewesen, die zwischen 1,35 und 2,7 Mrd. US-Dollar liegt. Der Betrag von 450 Mio. liegt deutlich unter diesem Strafrahmen. Vgl. das Department’s Sentencing Memorandum des DOJ, das für die vier Verfahren (U.S. v. Siemens AG [CR-08-367-RJL], U.S. v. Siemens S.A. (Argentina) [CR-08-368-RJL], U.S. v. Siemens Bangladesh Limited [CR-08-369-RJL] und U.S. v. Siemens S.A. (Venezuela) [CR-08-370-RJL]) erstellt wurde und mit den Anklageschriften am 12.12.2008 bei Gericht eingereicht wurde. Auf das Memorandum nimmt das plea offer vom 15.12.2008 im Verfahren U.S. v. Siemens AG (CR-08-367-RJL), S. 3 f. Bezug. 44 So das Sentencing Memorandum (Anm. 43), S. 18 ff. und die Presseerklärung des DOJ (vgl. oben Anm. 32).
§ 1 Ausgangspunkt der Untersuchung
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verhängt.45 Auch dieser Entscheidung lag eine Vereinbarung des Unternehmens mit der SEC zugrunde, in der es die Vorwürfe und die vorgeschlagene Sanktion akzeptierte.46 Die SEC hebt dabei insbesondere die von Siemens selbst vorgenommenen Ermittlungen hervor, die für die SEC bei der Sammlung der Fakten essentiell waren.47 Insgesamt wurden damit gegen Siemens Sanktionen in Deutschland von 596 Mio. Euro und in den USA von 800 Mio. US-Dollar verhängt. Der Fall Siemens verdeutlicht sehr anschaulich die sanktionsrechtlichen Risiken, denen ein Unternehmen im Fall von Rechtsverstößen ausgesetzt ist. Er zeigt zugleich, welche praktische Relevanz Compliance-Fragen inzwischen erlangt haben. Aus den zahlreichen Aspekten, die derartige Fälle beinhalten, werden im Folgenden die Fragen der strafrechtlichen Sanktionierung von Unternehmen in den USA, die straf- und ordnungswidrigkeitenrechtliche Sanktionierung von Unternehmen in Deutschland und deren enge Verknüpfung mit Compliance näher behandelt. Nicht eingegangen wird insbesondere auf die straf-, ordnungswidrigkeitenund zivilrechtliche Belangung von Mitarbeitern. Nur am Rande aufgegriffen wird die Fragestellung der grenzübergreifenden Ermittlungen, insbesondere der Einschaltung privater Ermittler aus den USA in Deutschland, deren Ergebnisse dann auch an amerikanische Behörden weitergeleitet wurden.48 Bevor im Einzelnen Gegenstand und Ziel der Untersuchung näher dargelegt werden,49 wird zunächst die Rechtsvergleichung als Forschungsmethode beleuchtet. Erst die Festlegung des methodischen Vorgehens und die Bestimmung, welche Ziele mit der Strafrechtsvergleichung überhaupt erreicht werden können, machen den konkreten Forschungsgegenstand und die einzelnen Zielsetzungen verständlich.
____________ Vgl. SEC, Litigation Release No. 20829 / December 15, 2008. Vgl. SEC, Litigation Release No. 20829 / December 15, 2008. 47 Vgl. SEC, Litigation Release No. 20829 / December 15, 2008. 48 Hier stellt sich nicht nur die Problematik der Privatisierung an sich staatlicher Ermittlungstätigkeit, sondern auch die Frage, inwieweit gängige Wege der Rechtshilfe/ Verwaltungshilfe (ggf. unzulässigerweise) umgangen werden. Besonders brisant ist die Frage, inwieweit Schutzstandards für das Unternehmen, aber auch für die befragten Mitarbeiter missachtet werden. Da hier nicht direkt staatliche Behörden ermitteln, ist bereits die Frage, welche Schutzstandards gelten, nicht einfach zu beantworten. Vgl. zur Problematik Jahn, StV 2009, 41 ff.; Wehnert, FS-Müller, S. 729 ff. 49 Siehe unten § 3 Gegenstand und Ziel der Untersuchung. 45
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1. Kapitel: Einführung
§ 2 Methodische Grundlagen der Rechtsvergleichung Die Arbeit verfolgt einen rechtsvergleichenden Forschungsansatz. Die Rechtsvergleichung kann inzwischen auf eine lange Tradition zurückblicken. Dies gilt nicht nur für das häufig als Kernbereich der Vergleichung angesehene Gebiet des Zivilrechts,1 sondern auch für das Strafrecht.2 Die Etablierung als eigenständiger Bereich hat jedoch nur bedingt dazu geführt, dass Aufgabe und methodisches Vorgehen der Rechtsvergleichung klar umrissen sind. Daher wird im Folgenden das der Arbeit zugrunde gelegte Verständnis von Rechtsvergleichung und deren Methodik präzisiert. Die moderne Rechtsvergleichung als Forschungsansatz ist nicht unumstritten und wird immer wieder als ideologisch, methodisch fehlerhaft und theoretisch leer gebrandmarkt.3 Der Grund hierfür ist vor allem, dass für die vorherrschende funktionale Rechtsvergleichung4 bislang keine eingehende theoretische Fundierung besteht.5 Auf der anderen Seite wird der Rechtsvergleichung die Kraft zugesprochen, die Grundlagen für eine universale Rechtswissenschaft zu bereiten, welche auf Basis eines universalen Gerechtigkeitsgedankens existiere.6 Rechtsvergleichung könne dabei zu einer umwälzenden Veränderung unseres Denkens führen.7 Diese beinah mystifizierende Verklärung ist jedoch wenig geeignet, das Gebiet als rational begründeten Forschungsansatz zu etablieren und allgemeine Akzeptanz zu schaffen. Akzeptanz lässt sich nur durch ein klar formuliertes und nachvollzieh____________ 1 Vgl. nur das umfassende Werk von Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, S. 1 ff., das sich auf das Privatrecht beschränkt. Für den Bereich des Strafrechts existiert eine vergleichbare Bearbeitung nicht. Zur Geschichte der Rechtsvergleichung allgemein siehe Gutteridge, Comparative Law, S. 11 ff.; Schnitzer, Rechtslehre, Bd. 1, S. 7 ff. 2 An dieser Stelle sei nur auf die wegweisenden Arbeiten zum materiellen Recht zu Beginn des 20. Jahrhunderts hingewiesen (Vergleichende Darstellung des deutschen und ausländischen Strafrechts, 16 Bd., Berlin 1906 – 1909, hrsg. von Birkmeyer, Beling, v. Liszt u.a.), siehe dazu Hegler, MschrKrim (1908), 337 ff.; Kantorowicz, MschrKrim (1908), 65 ff. Bereits ein halbes Jahrhundert zuvor hat Mittermaier rechtsvergleichende Arbeiten zum Strafprozessrecht vorgelegt (z.B. Mittermaier, Das englische, schottische und nordamerikanische Strafverfahren, Erlangen 1851). Zur Entwicklung siehe näher Dubber, in: Reimann/Zimmermann (Hrsg.), Comparative Law, S. 1287 (1292 ff.); Eser, FS-Kaiser, S. 1499 (1500 ff.) [engl. Übersetzung in: Blanpain (ed.), Law in Motion, S. 491 ff.]; Jescheck, Strafrechtsvergleichung, S. 9 ff. Zum Bedeutungszuwachs in den letzten Jahrzehnten siehe Sieber, Jescheck-Kolloquium (90. Geburtstag), S. 78 (80 ff.). 3 Vgl. bspw. Frankenberg, 1997 Utah L. Rev. (1997), S. 259 (265), sowie ders., 26 Harv. Int.’l L. J. (1985), S. 411 (428 ff.). 4 Siehe dazu unten S. 19. 5 Zumeist wird sich auf Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, S. 31–47 bezogen, deren (zivilrechtlich und wenig theoretisch fundierte) Ausführungen auf frühe Arbeiten von Zweigert zurückgehen. Zum Stand der Diskussion siehe Michaels, in: Reimann/Zimmermann (Hrsg.), Comparative Law, S. 339 ff. 6 Vgl. Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, S. 3, 46; so auch bereits v. Liszt (Hrsg.), Strafrecht der Staaten Europas, I. Bd., S. XXI ff. 7 Rheinstein, Rechtsvergleichung, S. 2.
§ 2 Methodische Grundlagen der Rechtsvergleichung
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bares Forschungsprogramm erreichen, das sich nicht in abstrakt nebulösen Begrifflichkeiten verliert. Daher soll im Folgenden zum einen konkret auf die grundlegende Funktion der Rechtsvergleichung eingegangen werden und zum anderen die häufig nur kursorisch gestreifte Frage der Durchführung rechtsvergleichender Forschungen aufgeschlüsselt werden.8 Vorliegend wird die Rechtsvergleichung nicht generell als Forschungsmethode verworfen. Einer derartigen Fundamentalkritik wird sie vor allem aus Sicht der sogenannten postmodernen Theorien unterzogen.9 Diese Theorien gehen von der kulturgebundenen Einzigartigkeit nationalen Rechts aus und erkennen nur ein Nebeneinander verschiedener Rechte an, sodass eine Inbezugsetzung der Rechtssysteme und -institute sinnentleert erscheint.10 Eine Auseinandersetzung mit diesen Theorien kann hier nicht geleistet werden. Es kann aber dahinstehen, ob es einen vollkommenen Relativismus in Bezug auf nationale Rechte überhaupt gibt. Dass Recht kontextgebunden national ist, steht außer Frage. Daraus folgt jedoch nicht, dass Rechtsvergleichung per se nicht sinnvoll ist. Im Gegenteil ist die Herausarbeitung national geprägter Unterschiede häufig der eigentliche Erkenntnisgewinn der Rechtsvergleichung, vor allem wenn es um den Gewinn neuer Lösungsansätze geht. Der postmodernen Kritik ist allerdings zuzugeben, dass die Möglichkeit, im Grundsatz alles mit allem vergleichen zu können, nicht zugleich bedeutet, dass alle Vergleiche sinnvoll sind. Aus der Vielzahl möglicher Vergleichungen müssen die herausfiltert werden, die „sinnvoll“ erscheinen. Die Sinnhaftigkeit eines Vergleichs kann sich nur dadurch ergeben, dass klar bestimmt wird, worauf dieser abzielt (das Erkenntnisziel) und was verglichen werden soll (dies betrifft die Frage des konkreten Forschungsgegenstands).11 Nur dadurch lässt sich prognostisch abschätzen, ____________ 8 Im Rahmen dieser Arbeit ist es nicht möglich, eine umfangreiche Fundierung der (funktionalen) Rechtsvergleichung vorzunehmen, die folgenden Ausführungen dienen daher lediglich dazu, die der Arbeit zugrunde gelegte Konzeption zu verdeutlichen. 9 Neben der im Folgenden genannten Kritik der postmodernen Theorien richtet sich zahlreiche Kritik nicht gegen die Rechtsvergleichung an sich, sondern nur gegen ihre mangelhafte Methode, insbes. in Bezug auf die Durchführung konkreter rechtsvergleichender Projekte, vgl. Bermann, R.I.D.C. 1999, S. 1041 (1047); Reimann, 50 Am. J. Comp. L. (2005), S. 671 (687 ff.). 10 Vgl. zum Verhältnis postmoderner Theorien (die weder hinsichtlich der Definition noch ihres inhaltlichen Ansatzes einheitlich sind) und Rechtsvergleichung Peters/ Schwenke, 49 Int.’l & Comp. L. Q. (2000), S. 800 (811 ff.); Reimann, 50 Am. J. Comp. L. (2005), S. 671 (679 ff.); Richers, ZaöRV 67 (2007), 509 ff.; siehe auch den Überblick bei Palmer, Am J. Comp. L. (2005), S. 261 (270 ff.). Die Diskussion betrifft vor allem die Frage der Vergleichung sehr divergenter Rechtssysteme mit ganz unterschiedlichen kulturellen Wurzeln, die zahlreiche postmoderne Ansichten zur Negierung einer gemeinsamen Grundlage verleiten. Wie und wie weit hier eine Vergleichung gehen kann, ist eine noch nicht vollständig geklärte Frage, vgl. zur Diskussion bspw. Husa, ZfRV 2005, 55 ff.; ders., R.I.D.C. 2006, S. 1095 ff. 11 Hierbei stellt sich dann bspw. die Frage, ob es genügt, das Recht zu vergleichen oder ob nicht ein breiterer Ansatz zu wählen ist (vgl. z.B. van Hoecke/Warrington, 47 Int’l & Comp. L. Q. [1998], 495 ff., die den Schwerpunkt auf den Vergleich von Rechtskulturen
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welcher Erkenntniswert aus den Vergleichen zu erwarten ist. Dabei ist zu beachten, dass bereits die Auswahl des Forschungsgegenstands von einem bestimmten (zumeist national geprägten) Vorverständnis ausgeht. Solange darüber jedoch Klarheit und die Bereitschaft zur Anpassung der Fragestellung im Lauf der Bearbeitung des ausländischen Rechts besteht (wenn bislang nicht bedachte Aspekte auftauchen), ist eine vom nationalen Vorverständnis weitgehend gelöste Vergleichung durchaus möglich.12 Darüber hinaus muss der Rechtsvergleicher offenlegen, an welchen Stellen er mit welcher Wertung hantiert.13 Ein wie hier vorgeschlagenes klar strukturiertes Vorgehen (Festlegung des Sachproblems, Landesberichte, vergleichender Teil und rechtspolitische Schlussfolgerungen14) trennt in eindeutige Bereiche, in denen Wertungen in unterschiedlichem Maße relevant werden, sodass national bedingte Verzerrungen minimiert, zumindest aber für den Leser transparent werden. A. Rechtsvergleichung als Forschungsansatz Der Begriff der Rechtsvergleichung macht für sich zweierlei deutlich: Methodisch geht es um einen Vergleich, also um die Befriedigung eines dem Interesse des Menschen an anderen und anderem entspringenden Grundbedürfnisses.15 Inhaltlich geht es um das Recht, was die Rechtsvergleichung im Bereich der Rechtswissenschaft ansiedelt.16
____________ legen, oder v. Senger, ZfRV 2006, 43 ff., der in Bezug auf China einen Vergleich der Gesellschaftsführung vorschlägt). Dieses Problem lässt sich weitgehend dadurch lösen, dass Ausgangspunkt der Vergleichung nicht eine rechtliche Frage, sondern ein Lebenssachverhalt ist (siehe zur funktionalen Rechtsvergleichung unten S. 19). Besonderes Augenmerk ist auf die Auswahl des zu vergleichenden Landes zu richten. Dabei sollte man sich kritisch der Frage stellen, welchen Erkenntniswert bspw. der Vergleich eines einfach strukturierten, vorindustriellen Rechtssystems (das möglicherweise stark von außerrechtlichen Sitten, Tabus usw. überlagert wird) mit einem ausdifferenzierten industriell orientierten System hat. Ggf. ist hier eine auslandsrechtliche Darstellung, die stark auf kulturelle Einflüsse usw. eingeht, die weit erkenntnisreichere Alternative als in einem Rechtsvergleich Regelungen aus völlig unterschiedlichen Lebenswirklichkeiten in Bezug zu setzen. 12 Vgl. Peters/Schwenke, 49 Int.’l & Comp. L. Q. (2000), S. 800 (829 ff.). 13 Dass dies häufig nicht erfolgt, zeigt die Kritik von Frankenberg, 1997 Utah L. Rev. (1997), S. 259 (263). 14 Vgl. dazu im Folgenden S. 23 ff. 15 Siehe Swanson, Comparative Research, S. 145: “Thinking without comparison is unthinkable. And, in the absence of comparison, so is all scientific thought and scientific research.” 16 Hier sei allerdings bereits hinzugefügt, dass die Rechtsvergleichung nur schwerpunktmäßig das Recht zum Gegenstand hat. Denn teilweise wählen Länder außerrechtliche Lösungen für Probleme, die in anderen durch Recht geregelt sind. Diese außerrechtlichen Lösungen können im Rahmen einer funktionalen Rechtsvergleichung erfasst werden (vgl. dazu unten S. 19).
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Die Frage, ob die Rechtsvergleichung nur Methode oder Wissenschaft ist, ist ein seit Langem diskutiertes Problem.17 Ihre Antwort ist weitgehend von der zugrunde gelegten Definition von „Wissenschaft“ und „Methode“ abhängig und für die konkrete Durchführung rechtsvergleichender Forschung von wenig praktischer Relevanz. Soweit man zutreffenderweise für die Einstufung als Wissenschaft einen klar umgrenzten Forschungsgegenstand als erforderlich ansieht,18 wird man die Rechtsvergleichung (wie auch die Rechtsdogmatik) kaum hierzu zählen können, möchte man nicht allein den Vergleich von Rechtssystemen als abstrakte und übergeordnete Beschreibung genügen lassen. Rechtsvergleichung ist daher primär als eine Forschungsmethode zu verstehen, die wie die Rechtsdogmatik die Erfordernisse einer rationalen Begründung und Herleitung rechtlicher Ergebnisse erfüllt.
Der Vergleich als solcher zur Befriedigung des menschlichen Bedürfnisses an allem Andersartigen genügt noch nicht, diesen als Grundlage für eine rechtswissenschaftliche Arbeit zu rechtfertigen. Der Vergleich kann sich daher nur aus einem weitergehenden Ziel legitimieren. Dieses Ziel ist der Erkenntnisgewinn.19 Der Erkenntnisgewinn kann in der Darstellung und Analyse des ausländischen Rechts liegen (dazu I.), in den aus der Vergleichung gewonnenen Ergebnissen (II.) und in einer Neuinterpretation und Fortentwicklung des geltenden Rechts (III.). I. Darstellung und Analyse ausländischen Rechts Ein erster Erkenntnisgewinn kann in der Darstellung der jeweiligen Rechtsordnungen liegen, die in die Untersuchung einbezogen werden.20 Sie eröffnet zum einen den Zugang zu fremden Rechtsordnungen in der Sprache des Autors. Zum anderen erschließt sie das fremde Recht aber auch unter einem Blickwinkel von außen, da der Rechtsvergleicher sich im Regelfall an einer eigenen Systematik orientiert und nicht nur gängige Darstellungen der jeweiligen Rechtsordnungen übernimmt. Verbunden mit der Darstellung ist somit zugleich eine analytische Strukturierung. Diese macht die Untersuchung oftmals selbst für Leser aus dem jeweiligen Land zu einem Gewinn, da der Blickwinkel deutlich von den nationalen Darstellungen differieren kann. An diesem Punkt unterscheidet sich die Rechtsvergleichung nur teilweise von einer rein auslandsrechtlichen Darstellung.21 Beide Ansätze eint die Aufbereitung der fremden Rechtsmaterie. Diese Aufbereitung ist in beiden Fällen um eine objektive Darstellung be-
____________ 17 Für bloße Methode Blagojevic, R.I.D.C. 1953, 649 (657); Gutteridge, Comparative Law, S. 5 ff.; Jescheck, Strafrechtsvergleichung, S. 36 f.; Schlesinger et al., Comparative Law, S. 2; Schultz, in: Jescheck/Kaiser (Hrsg.), Vergleichung, S. 7. Für die Einstufung als Wissenschaft Constantinesco, Rechtsvergleichung, Bd. 3, S. 4 ff.; wohl auch Reimann, 50 Am. J. Comp. L. (2005), S. 671 (683); Schnitzer, Rechtslehre, Bd. 1, S. 7 ff. 18 Vgl. nur Jescheck, Strafrechtsvergleichung, S. 36. 19 Vgl. Rabel, in: Leser (Hrsg.), Aufsätze, Bd. III, S. 1 (6); Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, S. 14. 20 Vgl. David, Droit Civil Comparé, S. 77 ff.; zum Teil wird dies nur auf das ausländische Recht bezogen, siehe Schnitzer, Rechtslehre, Bd. 1, S. 36 ff. 21 Vgl. Constantinesco, Rechtsvergleichung, Bd. 1, S. 139 ff.
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müht.22 Häufig wird sich jedoch die auslandsrechtliche Bearbeitung sehr nahe an der rechtlichen Diskussion in dem jeweiligen Land orientieren, um dem deutschen Leser einen möglichst wirklichkeitsgetreuen Eindruck der Rechtslage zu bieten.23 Die rechtsvergleichende Arbeit dagegen verfolgt zumeist ihre eigene Struktur, schon deshalb, weil die Gliederung für mehrere Rechtsordnungen gleichermaßen zu gelten hat. Dennoch kann auch die auslandsrechtliche Arbeit das fremde Recht dergestalt aufarbeiten und strukturieren, dass sich die Bearbeitung von einer rechtsvergleichenden kaum unterscheiden lässt.24 Der Unterschied zur Rechtsvergleichung liegt dann in der Beschränkung auf ein Land, dem fehlenden Vergleich und damit der rational begründeten Möglichkeit für weitergehende rechtspolitische Schlussfolgerungen.
II. Vergleichende Erkenntnisse Die Rechtsvergleichung geht über die Darstellung und Analyse der einzelnen Rechtsordnungen hinaus, weil sie auch Gemeinsamkeiten und Unterschiede offenlegt.25 Hierzu ist eine systematische Ordnung und Darstellung des gewonnenen Materials notwendig.26 Der Erkenntnisgewinn besteht in diesem Fall vor allem darin, das eigene Recht „durchsichtig“ zu machen, indem man es an einem konkreten anderen Rechtssystem (bzw. mehreren) Punkt für Punkt untersucht. Insoweit ist die Vergleichung ein Analyseinstrument für das eigene Rechtssystem. Soweit das Recht im breiteren Kontext untersucht wird,27 ist eine verstärkte Betrachtung der eigenen Rechtsordnung unter dem Gesichtspunkt der geltenden Sozial- und Wirtschaftsordnung möglich.28 Erst die rechtsvergleichende Analyse führt daher oft zu einem vertieften Überdenken des eigenen Rechts.29 ____________ 22 Insoweit ist es nicht völlig zutreffend, wenn Rheinstein (Rechtsvergleichung, S. 22) die Auslandsrechtskunde auf eine „deskriptive“ Darstellung beschränkt. Dies wird allenfalls dann möglich sein, wenn wenige eindeutige Gesetzesnormen zu zitieren sind. Soweit das ausländische Recht in seiner Gesamtheit aus legislativen Normen, Rechtsprechung und Literatur dargestellt wird, ist dies gleichermaßen (mehr oder weniger) „deskriptiv“ wie der rechtsvergleichende Landesbericht. 23 Diese Art der Darstellung ist für die praktischen Anwendungsbereiche dieser Arbeiten (die internationale Rechtshilfe und das Strafanwendungsrecht, vgl. Jescheck, Strafrechtsvergleichung, S. 26 f.) am dienlichsten. 24 Als Beispiel können die zwar nicht mehr aktuellen, aber vorbildlichen Darstellungen zum ausländischen Recht in Mezger/Schönke/Jescheck (Hrsg.), Das ausländische Recht der Gegenwart, 6 Bände (1955–1982) dienen. 25 Schlesinger et al., Comparative Law, S. 21 („the foreign solution as a contrast or a means of gaining perspective“). 26 Vgl. Jescheck, Strafrechtsvergleichung, S. 41. 27 Dieser breite Ansatz wird heute zumeist im Sinne der funktionalen Rechtsvergleichung gewählt, siehe dazu unten S. 19. 28 Rheinstein, Rechtsvergleichung, S. 5, 26. 29 Vgl. David, Droit Civil Comparé, S. 113 ff.; Reitz, 46 Am. J. Comp. L. (1998), S. 617 (625 ff.); Rheinstein, JuS 1972, 65 (67) sowie Eser, FS-Kaiser, S. 1499 (1515 ff.) zur wissenschaftlich-theoretischen Rechtsvergleichung.
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Zugleich können im Rahmen der Vergleichung allgemeine Grundsätze der Rechtsordnungen genauso wie grundlegende Diskrepanzen sichtbar gemacht werden. Hier findet sich ein breiter Anwendungsbereich für rechtsvergleichende Grundlagenforschung, die über die Behandlung konkreter Einzelphänomene hinaus Erkenntnisse über den strukturellen Aufbau der Rechtssysteme ermöglicht.30 Im Idealfall erhält man aus der Vergleichung einen Überblick über mehrere potentielle Lösungen.31 Die rechtsvergleichende Betrachtung zielt somit auf die Erweiterung des „Raums, der rationaler Diskussion zugänglich ist“.32 Worauf Jescheck zutreffend hingewiesen hat, wäre die Findung derartiger Lösungen zwar auch im Wege einer dogmatischen Bearbeitung möglich.33 Ebenso könnte sie aus rechtsphilosophischen Erwägungen gewonnen werden. Denn grundlegendes Anliegen ist jeweils die Durchdringung und Systematisierung des Rechts, das Aufzeigen und Lösen von Widersprüchen und die Herausarbeitung allgemeiner Grundsätze.34 Der Vorteil der Rechtsvergleichung liegt allerdings darin, dass häufig der Zugang zu neuen Lösungen durch die Sicht auf das Vorhandene einfacher ist und dass diese Ansätze bereits einem Praxistest unterzogen sind, also eine umfassendere Beurteilung z.B. ihrer Wirksamkeit zulassen.35 III. Neuinterpretation und Fortentwicklung des geltenden Rechts Zuletzt kann der Erkenntnisgewinn darin liegen, dass die Rechtsvergleichung Inspiration für eine Neuinterpretation und Fortentwicklung des geltenden Rechts ist. Die durch den Vergleich gewonnenen Lösungen werden auf ihre nationale Um____________ 30 Vgl. Constantinesco, Rechtsvergleichung, Bd. 2, S. 334 ff.; Kaiser, Jescheck-Kolloquium (60. Geburtstag), S. 79 (82); Schultz, in: Jescheck/Kaiser (Hrsg.), Vergleichung, S. 7 ff.; Sieber, Jescheck-Kolloquium (90. Geburtstag), S. 78 (94 f.); Perron, Rechtfertigung, S. 17. Aus diesen Erkenntnissen lässt sich ggf. eine allgemeine Theorie des Strafrechts entwickeln [vgl. Dubber, in: Reimann/Zimmermann (Hrsg.), Comparative Law, S. 1287 (1305 ff.)]. 31 Es geht somit um den häufig angeführten „Vorrat an Lösungen“ (vgl. Eser, FS-Kaiser, S. 1499 [1507 ff.]), ein Zitat, das Zitelmann zugeschrieben wird, bei diesem (Zitelmann, DJZ V [1900], 329 ff.) wörtlich so aber gar nicht zu finden ist (auch wenn die inhaltliche Aussage korrekt zugeschrieben ist). 32 Mössner, AöR 99 (1974), 193 (242); ebenso Stuckenberg, Unschuldsvermutung, S. 6. 33 Jescheck, Strafrechtsvergleichung, S. 42. Rechtsvergleichung und Dogmatik seien hier als zwei verschiedene, aber gleichberechtigte Wege zur Erlangung valider Erkenntnisse verstanden. Siehe auch Hein, Rezeption, S. 407 ff. Anders freilich Zweigert, FSBötticher, S. 443 ff., dazu auch Kötz, RabelsZ 1990, 203 ff. 34 Der größte Unterschied dürfte häufig im Abstraktionsgrad der gewonnenen Erkenntnisse liegen, der im Rahmen der Rechtsdogmatik und Rechtsphilosophie größer und bei der vielfach praxisorientierteren Rechtsvergleichung geringer ist. Vgl. zur Aufgabe der Dogmatik Hoyer, Strafrechtsdogmatik, S. 2 ff.; Vogel, Methodik, S. 123 f.; Wittig, Betrug, S. 33 f. 35 Vgl. Jescheck, Strafrechtsvergleichung, S. 27 f.; siehe auch Kötz, RabelsZ 1990, 203 (208 ff.).
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setzbarkeit überprüft. Dieser Aspekt wird häufig als das Kernelement der Rechtsvergleichung gesehen,36 ist aber letztlich nur der Schlusspunkt einer rechtsvergleichenden Arbeit. Er führt die gewonnenen Erkenntnisse fort und geht damit über den Bereich der Landesberichte und den vergleichenden Teil hinaus.37 Daher ist er für eine rechtsvergleichende Arbeit nicht zwingend notwendig.38 Ob er erforderlich ist, hängt letztlich von dem der Bearbeitung zugrunde liegenden Erkenntnisinteresse ab. Insbesondere bei Arbeiten, die rechtsvergleichende Grundlagenforschung betreiben, liegt der Schwerpunkt in der landesrechtlichen Darstellung und der Analyse von Strukturen, sodass rechtspolitische Folgerungen kurzgehalten werden können.39 Soweit dagegen Lösungen de lege ferenda Forschungsziel sind, stellt der rechtspolitische Teil einen eigenständigen Schwerpunkt der Bearbeitung dar. Die Rechtsvergleichung kann zur Übernahme fremden Rechts führen. Dies wird als Rezeption bezeichnet.40 In der Diskussion wird zudem häufig auf die von Kahn-Freund und Watson eingeführte anschauliche Begrifflichkeit der „legal transplants“ rekurriert.41 Die Rezeption von Recht wird vielfach noch zur Rechtsvergleichung gerechnet. Zwar stehen die Rezeption von Recht und die Rechtsvergleichung in einem engen Verhältnis; sie sind jedoch nicht deckungsgleich. Aus dem Blickwinkel der Rezeption wird primär das geltende Recht betrachtet und gefragt, ob dieses ausländische Einflüsse übernommen hat und wie es sich unter diesem Einfluss verändert hat.42 Für diese (rechtshistorische) Betrachtung muss kein Rechtsvergleich durchgeführt werden. Ausgangspunkt der Rechtsvergleichung ist dagegen die Frage, inwieweit verschiedene Rechtsordnungen Lösungen für ein bestimmtes Problem vorsehen. Dabei kann unter Einbeziehung des historischen Kontexts durchaus auch untersucht werden, welche Einflüsse zur Etablierung einer bestimmten Lösung geführt haben. Rechtsvergleichung und Rezeption können damit Überschneidungsbereiche aufweisen, sie sind jedoch vom Ausgangspunkt der Untersuchung und von ihrem Blickwinkel grundsätzlich unterschiedlich. Soweit dagegen die Rezeption von Recht Ziel einer Untersuchung ist (z.B. für die Weiterentwicklung von Rechtssystemen in
____________ 36 Vgl. Coing, NJW 1981, 2601 (2602 f.); v. Liszt (Hrsg.), Strafrecht der Staaten Europas, I. Bd., S. XXI f.; Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, S. 14. 37 Jescheck, Strafrechtsvergleichung, S. 28 ff.; ders., ZStW 86 (1974), 761 (775 f.; 782); Sieber, Jescheck-Kolloquium (90. Geburtstag), S. 78 (120). 38 Anders vor allem v. Liszt (Hrsg.), Strafrecht der Staaten Europas, I. Bd., S. XIX, der erst mit der Schaffung einer neuen Lösung von Rechtsvergleichung sprechen möchte. 39 Vgl. Perron, Rechtfertigung, S. 223, der seine Schlussbetrachtungen auf zehn Seiten vornimmt. Siehe auch Hörster, Strict Liability, S. 226 (sieben Seiten Schlussfolgerungen). 40 Vgl. v. Hein, Rezeption, S. 8 ff. auch zur Abgrenzung von zumeist nur begrifflich anderslautenden Ansätzen (S. 54 ff.). Zur Thematik siehe auch Graziadei, in: Reimann/ Zimmermann (Hrsg.), Comparative Law, S. 441 ff. 41 Vgl. Kahn-Freund, 37 Mod. L. Rev. (1974), S. 1 (5), der nur wenige Monate vor Watson den Begriff gebrauchte. Watson benutzte den Titel für sein Buch: Watson, Legal Transplants, S. 21 ff.; siehe auch ders., 44 Am J. Comp. L. (1996), 335 ff. Auf ihn rekurrieren auch z.B. Bürkle, BB 2005, 565; Fleischer, NZG 2004, 1129; Schneider, NZG 2004, 1129; zur Thematik siehe zudem Rehm, RabelsZ 72 (2008), 1 ff. 42 So bspw. die Arbeit von v. Hein, Rezeption, S. 63 ff. zur Übernahme amerikanischen Gesellschaftsrechts in das deutsche Recht.
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Reformstaaten),43 ist das inhaltliche Verständnis von Rezeption praktisch deckungsgleich mit der Rechtsvergleichung.44
Die aus der Rechtsvergleichung folgende Rechtsfortbildung kann zunächst das eigene nationale Recht betreffen.45 Die Rechtsvergleichung kann neue Erklärungsansätze für das gegenwärtige Recht erschließen und eröffnet damit weitgehende Interpretations- und Fortentwicklungsmöglichkeiten.46 Dies kann zunächst die Auslegung (die rechtsvergleichende Auslegung) von geltenden Normen betreffen, was insbesondere in der richterlichen Praxis relevant wird,47 aber auch in der Kommentierung geltenden Rechts durch die Wissenschaft denkbar ist. Größere Bedeutung kommt der Rechtsvergleichung aber im Rahmen (kriminal-)politischer Erwägungen zu.48 Aus der Rechtsvergleichung können Ideen für die Neuerstellung oder die Reform von Regelungen gewonnen werden. Insoweit bietet die Rechtsvergleichung einen Fundus an Ideen neben dem anderen Weg der Dogmatik, der ein Lernen von Erfahrungen des Auslands ermöglicht.49 Damit sei allerdings nicht gesagt, dass sich durch Rechtsvergleichung das „richtige“ Recht finden lasse.50 Auch die „bessere“ Lösung ergibt sich nicht automatisch aus der Rechtsvergleichung.51 „Besser“ be____________ Vgl. dazu Rehm, RabelsZ 72 (2008), 1 (4 ff.). Freilich wird hierbei in der Praxis bei der Durchführung von Reformen im Wege der Rezeption von Rechtsinstituten weniger das Gewicht auf eine eingehende Analyse der einbezogenen Rechtssysteme und eine objektive Bewertung der Ergebnisse, sondern (häufig politisch gefördert) der Schwerpunkt auf den Export bzw. Import bestimmter Rechtsinstitute gelegt. Allerdings werden nur selten Rechtsinstitute als Ganzes übernommen, vielmehr betätigt sich der Gesetzgeber zumeist als „rechtsvergleichender Eklektiker“ (vgl. Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, S. 17). 45 Sieber, Jescheck-Kolloquium (90. Geburtstag), S. 78 (95 f.). 46 Rheinstein, Rechtsvergleichung, S. 27. 47 Vgl. bspw. das Urteil des BVerfG NJW 2008, 1137 zur Frage der Verfassungswidrigkeit des Straftatbestands des Geschwisterinzests (§ 173 Abs. 2 S. 2 StGB), für dessen Vorbereitung ein rechtsvergleichendes Gutachten des Freiburger Max-Planck-Instituts erstellt worden war. Siehe auch BGHSt 1, 293 (297) zum Begriff des Unzuchttreibens; BGHSt 38, 214 (228 ff.) zum Beweisverwertungsverbot bei unterbliebener Beschuldigtenbelehrung sowie BGHZ 118, 312 zur Frage von punitive damages. Anders aber OLG Stuttgart, ZIP 1995, 1515 (1518 f.): Rechtsvergleichung könne nicht für die „Feststellung des Regelungsinhalts bestehender Gesetze“ nützlich sein. In den USA siehe die U.S. Supreme Court Entscheidung Roper v. Simmons, 543 U.S. 551 (2005) zur Todesstrafe bei Minderjährigen. Näher Eser, FS-Kaiser, S. 1499 (1507 ff.); Häberle, JZ 1989, 913 (917): Rechtsvergleichung als „fünfte Methode im Kanon der Auslegungsmethoden“; v. Hein, Rezeption, S. 420 ff.; Sieber, Jescheck-Kolloquium (90. Geburtstag), S. 78 (104 ff.). 48 Großfeld, Comparative Law, S. 15 ff.; Jescheck, Strafrechtsvergleichung, S. 28 f.; ders., FS-Bockelmann, S. 133 ff.; Rheinstein, JuS 1972, 65 (66); Schnitzer, Rechtslehre, Bd. 1, S. 44 ff.; Sieber, Jescheck-Kolloquium (90. Geburtstag), S. 78 (95 ff., 110). 49 David, Droit Civil Comparé, S. 33. 50 In diese Richtung gingen noch die Überlegungen von v. Liszt (Hrsg.), Strafrecht der Staaten Europas, I. Bd., S. XIX ff.; ders., in: Vergleichende Darstellung, Besonderer Teil, V. Bd., S. 5 f.; krit. aber bereits Beling, ZStW 26 (1906), 693. 51 Die bessere Lösung wird häufig als Ziel der Rechtsvergleichung betrachtet, vgl. Zweigert, FS-Schmitthoff, S. 403 (404) mit der Klarstellung, dass diese nur durch eine Wertung zu ermitteln sei. 43
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darf stets einer wertenden Betrachtung und ist somit allein von den angelegten Bewertungsmaßstäben abhängig. Zu eng ist es, wenn Frisch die Bedeutung der Rechtsvergleichung vor allem bei der Schaffung gänzlich neuer Gesetze sieht.52 In völlig ungeregelten Bereichen kann die Rechtsvergleichung natürlich dazu dienen, ein umfassendes Gesetz zu prägen (den „großen Wurf“ zu vollbringen). Dies wird heutzutage in zahlreichen Staaten nur noch selten der Fall sein.53 Keineswegs ist die Vergleichung dadurch jedoch für nachfolgende Reformen ihrer Bedeutung beraubt,54 auch wenn Reformen dabei naturgemäß nicht mehr das gesamte Gesetz betreffen, sondern einzelne Institute, Vorschriften und Lücken des Gesetzes. Für diese Reformen bietet die Rechtsvergleichung als Analyseinstrument und Ideenbringer denselben Nutzen wie für die Neuschaffung eines ganzen Gesetzes.55
Über den nationalen Rahmen hinaus hat die Rechtsvergleichung Bedeutung, wenn es um die Interpretation und Schaffung supranationaler Regelungen geht.56 Wichtiger Anwendungsbereich im Völkerrecht ist die Bestimmung allgemeiner Rechtsgrundsätze, denen mangels geringer Regelungsdichte des Völkerrechts eine eigenständige Rolle als Rechtsquelle zukommt.57 Die Rechtsvergleichung kann hier durch die Bestimmung protostrafrechtlicher Grundsätze einen entscheidenden Beitrag leisten.58 Im legislativen Bereich ebnet sie den Boden für eine Harmonisierung ____________ Vgl. Frisch, FS-Greve, S. 139 (144). Bedeutung für die Neuschaffung hat die Rechtsvergleichung, wenn in Staaten eine Umbruchsituation herrscht. Dies ist insbes. bei politischen, sozialen und geistigen Erneuerungen der Fall (z.B. beim Übergang der osteuropäischen Staaten vom Sozialismus zu demokratischen Rechtsstaaten oder die Änderungen in China seit einigen Jahren; weiter zurückliegend können die Modernisierung des Rechts in Japan, Äthiopien oder der Türkei genannt werden). 54 Vgl. bspw. Jescheck, ZStW 86 (1974), 761 zu rechtsvergleichenden Erkenntnissen für Reformen im Strafprozess sowie für Reformen im (materiellen) Strafrecht ders., FSBockelmann, S. 133 ff. 55 Zudem ist bei der zunehmenden Internationalisierung des Strafrechts (insbes. der Umsetzung supranationaler Vorgaben und hinsichtlich zahlreicher ausfüllungsbedürftiger Normen aufgrund von Verweisungen) der Blick nach außen unentbehrlich zur Gewinnung von Ideen und zur Harmonisierung von Vorschriften (auch im Sinne einer harmonisierenden Auslegung). Gerade im europäischen Bereich lässt sich nur durch eine Vergleichung ein allseits akzeptierter Rechtsraum auf dem Gebiet des Strafrechts schaffen. Hierbei lässt sich allenfalls bedauern, dass oftmals zum einen zu wenig Rechtsvergleichung betrieben wird, um mögliche Alternativen für ein Sachproblem zu eruieren, und zum andern, dass ausländische Ideen vielfach ohne Rücksicht auf Systematik und Telos deutscher Gesetze implantiert werden. Wie bei einer Transplantation darf man sich dann aber nicht wundern, dass das Hauptproblem in der Beseitigung und Unterdrückung von (nationalen) Abstoßungsreaktionen besteht. 56 Sieber, Jescheck-Kolloquium (90. Geburtstag), S. 78 (96 ff.). 57 So Art. 38 Abs. 1 IGH-Statut und Art. 21 IStGH-Statut. Vgl. aus der Praxis das Gutachten des Freiburger Max-Planck-Instituts für Strafrecht für den ICTY im Verfahren Prosecutor v. Dragan Nicolic, veröffentlicht unter Sieber (Hrsg.), The Punishment of Serious Crime. A Comparative Analysis of Sentencing Law and Practice (2004). Das Gutachten wird im Urteil ausführlich herangezogen. Siehe auch Delmas-Marty, JICJ 1 (2003), 13 (16 ff.). 58 Jescheck, FS-Bockelmann, S. 133 (137 ff.). Siehe auch Sieber, Jescheck-Kolloquium (90. Geburtstag), S. 78 (108 f.). 52
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nationaler Rechte aufgrund internationaler Vorgaben,59 was auf europäischer Ebene von besonderer Relevanz ist. Schließlich bildet die Rechtsvergleichung auch die Grundlage für die Schaffung neuen internationalen Rechts.60 B. Durchführung rechtsvergleichender Forschung Während über die Erkenntnisziele der Rechtsvergleichung noch weitgehend Einigkeit besteht, so gilt dies aber nicht gleichermaßen für die Durchführung der Rechtsvergleichung, zumal wenn es über pauschale Grundzüge hinaus um Details der Bearbeitung geht.61 Angesichts der Vielzahl von Erkenntniszielen, möglicher zu vergleichender Rechtsordnungen und rechtlicher Sachprobleme ist diese Unklarheit auch kaum verwunderlich. Aufgrund dieser Unklarheiten soll im Folgenden das methodische Vorgehen rechtsvergleichender Forschung zunächst generell skizziert werden. Diese generellen Erwägungen bilden auch den methodischen Hintergrund der vorliegenden Bearbeitung. Die konkrete Umsetzung der Vorgaben auf die Thematik der Arbeit erfolgt im nachfolgenden Abschnitt (§ 3). I. Funktionale Rechtsvergleichung Zur Durchführung einer Vergleichung eignet sich der am weitesten verbreitete Ansatz der funktionalen Rechtsvergleichung am besten.62 Dieser Ansatz wird auch für die vorliegende Bearbeitung gewählt. Inhaltlich ist zwar unter diesem Begriff kein vollkommen einheitliches Vorgehen zu verstehen. Gemeinsamer Kernpunkt jeglicher funktionaler Rechtsvergleichung ist jedoch, dass von einem Lebenssachverhalt (einem Sachproblem) und nicht von einer (nationalen) Rechtsnorm oder ____________ 59 Coing, NJW 1981, 2601 (2603 f.); David, Droit Civil Comparé, S. 141 ff.; DelmasMarty, JICJ 1 (2003), 13 (21 ff.); Jescheck, FS-Bockelmann, S. 133 (146 ff.); Schnitzer, Rechtslehre, Bd. 1, S. 69 ff.; Sieber, in: Delmas-Marty/Pieth/Sieber, L’Harmonisation, S. 127 ff. 60 Vgl. hierzu Jescheck, Strafrechtsvergleichung, S. 29 ff.; Sieber, Jescheck-Kolloquium (90. Geburtstag), S. 78 (95 ff.); zur Rechtsvergleichung als Ansatzpunkt für ein europäisches Modellstrafgesetzbuch siehe ders., JZ 1997, 369 (372). 61 Eingehender zum methodischen Vorgehen äußern sich Eser, FS-Kaiser, S. 1499 (1521 ff.); Gutteridge, Comparative Law, S. 72 ff.; Jescheck, ZStW 86 (1974), 761 (771 ff.); Reitz, 46 Am. J. Comp. L. (1998), S. 617 ff.; Sieber, Jescheck-Kolloquium (90. Geburtstag), S. 78 (100 ff.); Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, S. 31 ff. 62 Vgl. Brand, JuS 2003, 1082 (1086 f.); Eser, in: Blanpain (ed.), Law in Motion, S. 491 (510 ff.); Jung, JuS 1998, 1 (2 ff.); Michaels, in: Reimann/Zimmermann (Hrsg.), Comparative Law, S. 339 ff.; Perron, ZStW 109 (1997), 281 (285 ff.); Pieth, ZStrR 119 (2000), 477 ff.; Reitz, 46 Am. J. Comp. L. (1998), S. 617 (618 ff.); Rheinstein, JuS 1972, 65 (67); ders., Rechtsvergleichung, S. 25 ff.; Schultz, in: Jescheck/Kaiser (Hrsg.), Vergleichung, S. 7 (16 f.); Sieber, Jescheck-Kolloquium (90. Geburtstag), S. 78 (100 ff.); eine Umsetzung in die Praxis findet sich bspw. bei Gleß, Beweisrechtsgrundsätze, S. 32 ff. sowie bei Wise, 27 Syracuse J. Int.’l L. (2000), S. 303 ff. (zu funktionalen Äquivalenten des amerikanischen RICO-Act).
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einem (nationalen) Rechtsproblem ausgegangen wird. Anstelle von Normen werden Lösungen für ein bestimmtes Sachproblem verglichen, die Rechtsvergleichung ist also ein Problemlösungsvergleich.63 Sie folgt einer problembezogen-funktionalen Betrachtung und ist nicht allein normbezogen deskriptiv.64 Rechtsvergleichung lässt sich in diesem Sinne als der planmäßige Vergleich von Lösungen für bestimmte soziale Lebenssachverhalte in zwei oder mehreren Rechtssystemen mit dem Ziel der Erlangung neuer Erkenntnisse definieren.65 Der Vergleich funktional äquivalenter Lösungen (nicht zu verwechseln mit dem Vergleich ähnlicher Lösungen, die sich zwar ergeben können, was aber nicht der Fall sein muss) ermöglicht, die jeweiligen Länder darauf hin zu untersuchen, mit welchem Instrumentarium und innerhalb welcher dogmatischen Strukturen diese gefunden werden. Unproblematisch einbezogen werden können an dieser Stelle rechtshistorische Entwicklungen,66 die das geltende Recht erst verständlich machen können, und die rechtstatsächliche Lage. Denn vielmals existiert zwar eine gesetzliche Regelung, die aber mit dem gelebten Recht wenig zu tun hat (Diskrepanz zwischen law in books und law in action67). Das gelebte Recht kann für die Frage der Funktionsfähigkeit einer Lösung (z.B. im Hinblick auf eine gesetzliche Reform) von besonderem Interesse sein. Der Ausgangspunkt des Sachproblems eröffnet zudem die Möglichkeit, auch Ansätze anderer Rechtsgebiete (so z.B. außerhalb des Strafrechts liegende zivilrechtliche) sowie außerrechtliche zu berücksichtigen. Die rechtliche Bewältigung eines Problems des einen Landes kann in einem anderen Land gänzlich anderen Instituten und Institutionen überlassen sein.68 An diesem Punkt öffnet sich die Rechtsvergleichung und reicht in das Gebiet anderer Gesellschaftswissenschaften hinein. Insoweit kann der gesamte Kontext, in dem ein konkretes Problem steht, evaluiert und ein möglichst zutreffendes Gesamtbild der Situation in einem Land sichtbar gemacht werden. ____________ Vgl. Mössner, AöR 99 (1974), 193 (197). Rheinstein, Rechtsvergleichung, S. 28; siehe auch Hegler, MschrKrim (1908), 337 (339). 65 Eine Definition der Rechtsvergleichung ist nur selten zu finden, zumeist wird auf sie verzichtet und sich vielmehr allein mit den Zielen und Methoden der Rechtsvergleichung auseinandergesetzt. Vgl. Eser, FS-Kaiser, S. 1499 (1500 f.), der Rechtsvergleichung durch drei Umstände gekennzeichnet sieht: den Blick über Grenzen, den Vergleich und das planmäßige, zielbewusste Vorgehen mit allgemein anerkannten Methoden. 66 Vgl. zum engen Zusammenhang von Rechtsvergleichung und Rechtsgeschichte Kötz, JZ 1992, 20 ff. 67 Wie Pound, 44 Am. L. Rev. (1910), S. 12 ff. schon früh hervorgehoben hat, kann diese Abweichung zwischen formalem und gelebtem Recht durchaus beträchtlich sein. Siehe zu dieser Frage auch Kischel, ZVglRWiss 104 (2005), 10 (26 ff.). Vgl. Kaiser, JescheckKolloquium (60. Geburtstag), S. 79 ff. zur engen Verbindung zwischen Rechtsvergleichung und vergleichender Kriminologie. 68 Diesen Punkt betont Nelles, FS-Eser, S. 1005 (1012). 63 64
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In Bezug auf die möglichen Arten der Rechtsvergleichung herrscht eine begriffliche Vielfalt,69 die bedauerlicherweise nur zum Teil mit inhaltlicher Klarheit einhergeht. Deutlich wird dies an dem Begriffspaar Mikro- und Makrovergleichung, das beschreiben soll, ob eine allgemeinere oder eine speziellere Fragestellung verglichen wird.70 Mit dieser pauschalen und nur auf abstrakter Ebene vorzunehmenden Einteilung ist wenig gewonnen, insbesondere ist sie für die Festlegung der genauen Sachproblematik nicht weiterführend. Soweit andere Formen als die der funktionalen Rechtsvergleichung erörtert werden, handelt es sich zumeist nicht um echte Alternativen zu dieser. Angesprochen werden Einzelaspekte, die das methodische Vorgehen betreffen, sodass korrekterweise nicht von eigenständigen Ansätzen der Rechtsvergleichung gesprochen werden sollte. Überwiegend betreffen diese Aspekte die Festlegung des Erkenntnisziels und damit des konkreten Sachgegenstands der Vergleichung.71 Die sogenannte universale Rechtsvergleichung behandelt die Frage, wie viele Länder in die Untersuchung einbezogen werden müssen.72 Dies hängt maßgeblich vom Erkenntnisinteresse ab.73 Je universeller die Antwort (möglicherweise auch nur im Sinne der Akzeptanz) sein soll, desto universeller hat der einzubeziehende Kreis der Länder zu sein. Auch die systematische Rechtsvergleichung, die auf eine Gesamtdarstellung mehrerer Rechtsordnungen abzielt,74 betrifft die Definition des Erkenntnisziels und des Sachproblems. In diesem Fall ist das Erkenntnisziel nicht die Beantwortung einer spezifischen Einzelfrage, sondern die allgemeine strukturierte Darstellung mehrerer Rechtsordnungen.75 Weitergehende Erkenntnisse (womit dann eine Erweiterung des Erkenntnisinteresses verbunden wäre) lassen sich jedoch dann generieren, wenn die Ergebnisse vergleichend im Sinne einer Querschnittsanalyse gegenübergestellt werden. Sind die Informationen in ein Informationssystem eingebunden, erleichtert dies die Querschnittsanalyse maßgeblich (computergestützte Rechtsvergleichung).76 Die Strukturvergleichung,77 die neben den rechtlichen Regelungen weitere Faktoren der Rechtswirklichkeit etc. einbeziehen möchte, betrifft abermals die Frage des Erkenntnisziels: Sollen nur gesetzliche Regelungen verglichen werden oder auch das Recht, wie es
____________ 69 Vgl. Jaluzot, R.I.D.C. 2005, 29 (36 ff.); Sieber, Jescheck-Kolloquium (90. Geburtstag), S. 78 (111 ff.). 70 Siehe dazu Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, S. 4 f. 71 Jung, FS-Baratta, S. 361 (362) stellt daher zu Recht fest, dass Ziel und Methode bei der Rechtsvergleichung in enger Wechselbeziehung stehen. 72 Vgl. Sieber, Jescheck-Kolloquium (90. Geburtstag), S. 78 (111 f.). 73 Vgl. zur Auswahl der Länder nachfolgend im Text. 74 Sieber, Jescheck-Kolloquium (90. Geburtstag), S. 78 (114 ff.). 75 Sie unterscheidet sich von einer „klassischen“ Rechtsvergleichung insoweit, als sie sich auf die Gliederung und Darstellung des ausländischen Rechts beschränkt (und keine weiterführenden Folgerungen zieht). Da der entscheidende Schwerpunkt allerdings auf der Strukturierung der Rechtssysteme liegt, unterscheidet sie sich deutlich von einer normalen auslandsrechtlichen Darstellung. Die Arbeit der Strukturierung darf dabei nicht unterschätzt werden, wenn eine Vielzahl von Rechtssystemen einbezogen wird und diese nicht in verzerrender Weise aufgearbeitet werden sollen. 76 Vgl. hierzu Sieber, Jescheck-Kolloquium (90. Geburtstag), S. 78 (124 f.), der ein solches computergestütztes System vorstellt (S. 131 ff.). Siehe auch Nelles, FS-Eser, S. 1005 ff. 77 Vgl. Eser, FS-Kaiser, S. 1499 (1519 f.); Jung, JuS 1998, 1 (2 f.); ders., FS-Baratta, S. 361 (262 ff.); Perron, ZStW 109 (1997), 281 (287 ff.); Sieber, Jescheck-Kolloquium (90. Geburtstag), S. 78 (116 ff.).
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sich in der Praxis darstellt, wie es im politischen, gesellschaftlichen Kontext zu sehen ist? Von der funktionalen Vergleichung unterscheidet sich die Strukturvergleichung allenfalls marginal. Sie wirft jedoch einen Blick auf die zentrale Frage, die sich auch bei der funktionalen Vergleichung stellt, nämlich welcher Vergleich denn überhaupt sinnvoll ist. Konkreter: Wie viele Informationen benötige ich, um für das Sachproblem eine tragfähige Antwort zu finden? Diese schwierig zu beantwortende Frage wird in vielen Arbeiten nicht gestellt, ist jedoch Voraussetzung für die Bestimmung des Vorgehens. Bei einer engen Fragestellung genügt ggf. der Vergleich gesetzlicher Regelungen. Bei breiteren Fragestellungen wird häufig der Rahmen deutlich weiter zu ziehen sein, um zu sehen, inwieweit die rechtlichen Regelungen in der Praxis (das law in action gegenüber dem law in the books) tatsächlich eine Lösung für das Sachproblem liefern oder nicht Probleme auf anderer Ebene nach sich ziehen. Ist Ziel der Untersuchung die Übertragung rechtlicher Regelungen, bedarf es häufig zudem der Einbeziehung politischer, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Aspekte, um bewerten zu können, ob die untersuchte Regelung kontextgebunden nationaler oder allgemeinerer Natur ist. Die fallbasierte Rechtsvergleichung, wie sie im Strafrecht insbesondere von Perron eingeführt wurde,78 betrifft die Art der Aufbereitung des jeweiligen Rechts und somit die Erstellung von Landesberichten.79 Die Darstellung der Landesberichte ist nicht thematisch entlang der Dogmatik strukturiert, sondern orientiert sich an konkreten Fallkonstellationen. Je nach Erkenntnisinteresse bietet sich diese Lösung an, um strukturelle Besonderheiten und die Rechtswirklichkeit (z.B. durch Lösung der Fälle durch Rechtspraktiker) abzubilden. Der funktionale Ansatz der Orientierung an einem Lebenssachverhalt kann hier besonders gut weitergeführt werden.80 Aufgrund der Beziehung zum Einzelfall (und damit der Gefahr der unrepräsentativen Abbildung des Landesrechts) eignet sich dieses methodische Vorgehen grundsätzlich nur zur Ergänzung einer abstrakten Aufbereitung des Rechtsstoffs.81 Schließlich ist noch auf die wertende (auch: wertvergleichende) Rechtsvergleichung einzugehen.82 Hier ist der Begriff bereits misslich, denn er suggeriert, es gebe eine wertungsfreie Rechtsvergleichung.83 Doch ist schon die Auswahl des Vergleichslandes Wertungsfrage, ebenso die Strukturierung des Stoffs und dessen Verarbeitung im Vergleich selbst. Jede Rechtsvergleichung ist somit wertend, was – soweit dieses Problem reflektiert und offen gelegt wird – unschädlich ist.84 Häufig geht es beim Problem der wertenden Rechtsvergleichung um die Frage, inwieweit über die Vergleichung hinaus eine Bewertung der Ergebnisse stattfinden soll.85 Die Notwendigkeit eines solchen Schritts ergibt sich
____________ Perron, ZStW 109 (1997), 281 (289 ff.). Vgl. dazu auch Jung, JuS 1997, 1 (3); Sieber, Jescheck-Kolloquium (90. Geburtstag), S. 78 (118). 80 Freilich ist hierbei zu beachten, dass die Fallgestaltung nicht (zu sehr) an dem orientiert wird, was der Rechtsvergleicher aus seiner nationalen Rechtsordnung an Problemen kennt. Denn diese Probleme mögen in anderen Rechtsordnungen völlig unerheblich, dafür andere jedoch von großer Relevanz sein. 81 Siehe bspw. Sieber/Engelhart, in: Sieber et al. (Hrsg.), Strafbare Mitwirkung, S. 434 (482 ff.). 82 Vgl. Ambos, Völkerstrafrecht, S. 44 ff.; Jung, GA 2005, 2 ff.; Sieber, JescheckKolloquium (90. Geburtstag), S. 78 (119 ff.). 83 Vgl. zu dieser Problematik Zweigert, FS-Schmitthoff, S. 403 ff., siehe auch Jung, GA 2005, 2 (4 f.). 84 Vgl. van Hoecke/Warrington, 47 Int. and Comp. L. Q. (1998), S. 495 (497). 85 So bspw. Sieber, Jescheck-Kolloquium (90. Geburtstag), S. 78 (119). 78 79
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maßgeblich aus dem Erkenntnisinteresse.86 Wird eine Bewertung vorgenommen, so ist das Verhältnis zum vergleichenden Teilabschnitt wie auch die Frage der Bewertungsmaßstäbe zu klären.87 Eine eigenständige Form stellt die statistische Rechtsvergleichung dar, die in neuerer Zeit zunehmend Bedeutung erlangt.88 Dieser Ansatz, der Recht in statistischen Variablen kodiert und somit Berechnungen zulässt, hat den großen Vorteil der Reduktion umfangreichen rechtsvergleichenden Materials und erlaubt so die Durchführung überschaubarer Projekte.89 Die Reduktion simplifiziert allerdings ggf. das Recht zu sehr, zudem ist die Auswahl objektiver Variablen schwierig und die Aussagekraft der Ergebnisse beschränkt.90 Insoweit ist diese Art der quantitativen Rechtsvergleichung am besten als Ergänzung und zur Überprüfung nicht quantitativer Vergleichung geeignet. In diesem Hinblick kann der Ansatz aber wertvolles Evaluierungsinstrument sein.
II. Festlegung der Sachfragen und Länder Dem funktionalen Ansatz folgend bedarf es zur Durchführung der Rechtsvergleichung zunächst der Festlegung des Erkenntnisinteresses und des zu behandelnden Lebenssachverhalts. Hier kann naturgemäß nur mit Arbeitshypothesen begonnen werden.91 Das letztlich rechtlich geartete Interesse muss auf einen möglichst aller rechtlichen Kategorien entkleideten Lebenssachverhalt zurückgeführt werden, der die Festlegung der betrachtenden Sachfragen ermöglicht. Hilfreich kann dabei die Bildung systemunabhängiger Meta-Kategorien sein.92 Um handhabbare Sachfragen zu erreichen, muss der Lebenssachverhalt einen gewissen abstrakten Grad erreichen, also zumindest teilweise in seiner Komplexität reduziert werden (auch wenn er zum besseren Verständnis noch so konkret wie möglich formuliert werden sollte).93 Zumeist ergeben sich mehrere zu untersuchende Aspekte, wobei die übergeordnete Fragestellung sehr abstrakter Natur sein wird, die dann durch weitere Fragestellungen konkretisiert und eingegrenzt wird. Eine Schwierigkeit stellt dar, dass die Beschreibung des Sachproblems oftmals nicht klar von der rechtlichen Lage zu abstrahieren ist.94 Das Recht schafft vielfach ____________ Vgl. hierzu bereits oben S. 12 ff. Siehe dazu unten S. 30. 88 Vgl. Siems, RabelsZ 72 (2008), 354 ff. 89 Siems, RabelsZ 72 (2008), 354 (383 f.). 90 Siems, RabelsZ 72 (2008), 354 (369 ff., 382 f.). 91 Jescheck, Strafrechtsvergleichung, S. 40. 92 Vgl. Jung, FS-Baratta, S. 361 (363); Rösler, JuS 1999, 1186 (1188). 93 Vgl. zu diesem Aspekt Nelles, FS-Eser, S. 1005 (1017). 94 Hier setzt vielfach die Kritik an der funktionalen Methode an, vgl. Frankenberg, 26 Harv. Int’l L. J. (1985), S. 411 (434 ff.); siehe auch Fateh-Moghadam, Einwilligung, S. 13 ff. Letzterer (a.a.O., S. 24) versucht dem Problem zu entgehen, indem er aufgrund Luhmanns Systemtheorie eine „systemtheoretisch informierte Rechtsvergleichung“ wählt („Rechtsvergleichung beobachtet, wie unterschiedliche Rechtsordnungen ihre Umwelt und sich gegenseitig beobachten.“). Weiterführend ist dieser Ansatz jedoch nicht, da das Prob86 87
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1. Kapitel: Einführung
erst bestimmte soziale Probleme. Eine zu spezielle Formulierung ist nicht dienlich, da diese von einer nationalen juristischen Vorwertung ausgehen kann und ggf. relevante Konstellationen und abweichende Lösungsansätze in anderen Ländern nicht erfasst.95 Das bedeutet auch, dass die Sachfrage zumeist gar nicht ohne Kenntnis des ausländischen Rechts festgelegt werden kann. Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Festlegung auf einen konkreten Aspekt in einem Land zu Folgeproblemen führen kann, die in anderen Rechtsordnungen nicht oder nicht in diesem Umfang bestehen. Ggf. ist die Beschreibung der Sachkonstellation anzupassen oder die Untersuchung auf derartige Folgefragen auszuweiten, wenn sich nur dadurch ein zutreffendes Gesamtbild entwerfen lässt. Ziel ist letztlich die Suche nach einem in allen Rechtsordnungen gleichermaßen bestehenden Lebenssachverhalt. Funktionale Rechtsvergleichung setzt also eine grundsätzlich vergleichbare Ausgangssituation voraus.96 Diese wird sich (ab einem gewissen Abstraktionsgrad) in den überwiegenden Fällen auch finden lassen, da die meisten Gesellschaften weltweit nicht so unterschiedlich entwickelt sind, als dass sie nicht die gleichen Sachprobleme zu lösen hätten.97 Zusammen mit der Sachfrage sind die zu untersuchenden Rechtsordnungen festzulegen.98 Es ist die Anzahl der Rechtsordnungen zu klären und welche für die Beantwortung der Sachfrage die besten Erkenntnisse versprechen.99 Wenn Erkenntnisziel die konkrete Entwicklung eines weltweiten Standards ist (z.B. für ein internationales Abkommen), wird man nicht umhinkommen, eine repräsentative ____________ lem, was beobachtet wird, sich mit der Frage der Definition des Sachproblems bei der funktionalen Rechtsvergleichung deckt. 95 Vgl. zu den Schwierigkeiten bei der Festlegung des Sachproblems auch Michaels, in: Reimann/Zimmermann (Hrsg.), Comparative Law, S. 339 (367 f.). 96 Vgl. Rheinstein, Rechtsvergleichung, S. 26, sowie Zweigert, FS-Schmitthoff, S. 403 (420), der die Möglichkeit einer Rechtsvergleichung verneint, soweit keine zumindest ähnlichen Lebenssachverhalte vorzufinden sind. Zur Diskussion um diese (viel und weitgehend unberechtigte) Kritik an der praesumptio similitudinis siehe Michaels, in: Reimann/Zimmermann (Hrsg.), Comparative Law, S. 339 (369 ff.). 97 Soweit es um Konstellationen in modernen Industriegesellschaften geht, wird das Problem des vorzufindenden Sachverhalts kaum eine unlösbare Aufgabe sein. Dabei kann die kulturelle Basis durchaus sehr unterschiedlich sein, wenn etwa untersucht wird, ob und wie Länder Kritik an religiösen Gemeinschaften sanktionieren. Hier ist der kulturelle Unterschied zwischen islamischen und westeuropäischen Ländern sicherlich groß. Der funktionale Ansatz ermöglicht ausgehend von der kulturell unabhängig formulierten Sachfrage dennoch einen Vergleich. Probleme ergeben sich dagegen bspw. beim Vergleich der Regelungen des Sorgerechts der Eltern für ihre Kinder im schweizerischen Recht und im Recht indigener Stämme auf Borneo. Hier stellt sich in der Tat dann die Frage, ob ein Rechtsvergleich zwischen den anvisierten Rechtssystemen sinnvoll ist oder ob dann nicht vielmehr ein soziologischer, kultureller Vergleich zu erwägen wäre. Ggf. könnte eine alleinige Beschreibung des Rechts, der Kultur etc. auf Borneo sogar erkenntnisreicher sein. 98 Dazu Eser, FS-Kaiser, S. 1499 (1521), Anm. 75; Jung, JuS 1998, 1 (3 f.). 99 Gerade die Auswahl der Länder ist extrem subjektiv geprägt und sollte daher sorgfältig begründet werden.
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Auswahl der Staaten der Welt zu treffen. Wenn Erkenntnisziel die Weiterentwicklung nationalen Rechts oder die Eruierung protostrafrechtlicher Grundsätze ist, bedarf es nicht zwingend der Einbeziehung zahlreicher Staaten. Vorrangig ist die prognostische Frage, ob aus diesen Rechtsordnungen wertvolle Erkenntnisse zu erlangen sind. Hierbei kann die genaue Analyse einer Rechtsordnung weit hilfreicher sein als die Behandlung mehrerer. Masse schafft per se noch nicht Klasse.100 Der vor allem in der zivilrechtlichen Vergleichung populäre Ansatz, die Länder nach verschiedenen Rechtskreisen, Rechtsfamilien oder innerhalb von Rechtsfamilien primär nach Mutter-/Tochterordnungen auszuwählen,101 ist wegen der Pauschalisierung solcher Zuordnungen nicht unproblematisch. Häufig differieren einzelne Rechtsordnungen je nach Rechtsgebiet erheblich. Als ein Anhaltspunkt kann eine solche Einteilung, die insbesondere eine gewisse historische Entwicklung verdeutlicht, aber durchaus dienlich sein. Letztlich wird man aber auch bei Heranziehung dieser Einteilungen kaum ohne eine Vorevaluierung der Rechtsordnungen (Pilotstudie) auskommen können, um zu prüfen, ob diese tatsächlich für die Forschungsfrage einen besonderen Gewinn bringen.102 In der Praxis sind hinsichtlich der einzubeziehenden Länder der personelle und zeitliche Aspekt entscheidende limitierende Faktoren. Dies gilt insbesondere für die Verfügbarkeit entsprechender Informationen, für die der Zugang zu einer gut geführten Bibliothek oftmals unentbehrlich sein wird.103 Größtes Problem ist zumeist jedoch die Sprache. Rechtsvergleichung bedingt die Lektüre der Originalquellen und somit die entsprechenden Sprachkenntnisse.104 Dadurch reduziert sich die Anzahl möglicher zu bearbeitender Länder massiv.105 Aufgrund der Wechselwirkung zwischen Sach- und Rechtsproblemen und der Abklärung von deren Bedeutung in den einzubeziehenden Rechtsordnungen lassen sich bei einem rechtsvergleichenden Projekt kaum von Anfang an der genaue Gegenstand und die zu untersuchenden Teile festlegen. Häufig wird man erst im Lauf ____________ 100 Dies gilt insbes., wenn die einbezogenen Rechtsordnungen mehr zufällig deswegen ausgewählt werden, weil gerade Bearbeiter für diese Länder zur Verfügung stehen. 101 Vgl. Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, S. 40 ff., sowie Brand, JuS 2003, 1088 ff. 102 Vgl. auch Jescheck, ZStW 86 (1974), 761 (771 f.). Das Risiko, das man mit der Wahl einer „falschen“ Rechtsordnung eingeht, liegt im Wesentlichen darin, dass der Vergleich mit der Rechtsordnung u.U. wenig aussagekräftig ist. Als „Gewinn“ verbleibt auf jeden Fall die Darstellung des ausländischen Rechts in deutscher Sprache. 103 Ressourcen, die über das Internet verfügbar sind, können inzwischen eine große Hilfestellung bieten. Allerdings sind zahlreiche Datenbanken häufig nur (kostengünstig) über Bibliotheken verfügbar. 104 Zu Fragen der Darstellung des fremden Rechts in deutscher Sprache siehe unten S. 31. 105 Bedenklich ist daher die Auswahl von Ländern v.a. aufgrund der Sprachkenntnisse. Wenn ein Rechtsvergleich kaum neue Erkenntnisse verspricht, ist die bessere Möglichkeit häufig, eine rein auslandsrechtliche Arbeit zu schreiben und hierfür alle Ressourcen zu verwenden, anstatt diese in einen fruchtlosen Vergleich zu investieren.
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1. Kapitel: Einführung
der Untersuchung feststellen, welche Bereiche wichtig sind und inwieweit diese abweichend vom ursprünglichen Plan einzubeziehen sind. Ebenso wird man vielfach erst im rechtsvergleichenden Teil auf Sachfragen stoßen, die in der einen Rechtsordnung relevant sind und bislang nur dort untersucht wurden und die man daher auch in der anderen/den anderen zumindest kursorisch zu streifen hat. Rechtsvergleichendes Arbeiten erfordert also einen Pendelblick zwischen Festlegung des Forschungsgegenstands, der Erstellung der Landesberichte und des rechtsvergleichenden Teils. Wird die Bearbeitung wie vorliegend von einer Person allein vorgenommen, so lässt sich das ständige Abgleichen und Anpassen unproblematisch bewerkstelligen und eine Gliederung entwerfen, die die Sachfragen aufnimmt und als Grundlage für die Erstellung der Landesberichte (sowie für den späteren Vergleich) dient. Als Einzelner kann man sich größere Freiheiten für eine individuelle Gliederung der Landesberichte zubilligen, da man selbst planen kann, wie die einzelnen Punkte im rechtsvergleichenden Querschnitt zusammenzuführen sind. Sobald aber mehrere Personen involviert sind (und somit die Festlegung des Untersuchungsgegenstands, die Erstellung der Landesberichte und die des Querschnitts auseinanderfallen), ist eine ständige Angleichung kaum möglich. In diesen Fällen wird ein stringenter Rechtsvergleich häufig erst nach Durchführung einer Pilotstudie möglich sein, die für die einzelnen Länder das betreffende Sachproblem zunächst zumindest im Überblick aufarbeitet. Erst dann kann eine endgültige Projektgliederung vorgenommen werden, die alle zentralen Punkte erfasst. In diesen Fällen ist auf eine einheitliche Gliederung große Sorgfalt zu verwenden, um dem Ersteller des Querschnitts (der zumeist mit den Landesberichten nicht oder sehr partiell befasst ist) die notwendigen Informationen an der richtigen Stelle zu liefern.
III. Erstellung der Landesberichte Sind die Sachfragen festgelegt und stehen die zu bearbeitenden Länder fest, erfolgt die Erstellung der Landesberichte. Die rechtliche Situation wird für jedes Land entsprechend der an den Sachfragen erstellten Gliederung untersucht, analysiert und dargestellt. Für die Darstellung bieten sich zwei verschiedene Möglichkeiten an: zum einen die Darstellung des jeweiligen Landesrechts in einem zusammenhängenden Bericht, zum anderen die Gliederung nach Sachthemen, innerhalb derer die einzelnen Länder jeweils abgebildet werden. Häufig ist die zusammenhängende Darstellung vorzuziehen, da so die Rechtslage in einem Land im gesamten Kontext sichtbar und für den Leser schlüssig nachvollziehbar ist. Die Bearbeitung ausländischen Rechts ist mit besonderer Vorsicht vorzunehmen, da hier die Gefahr des „Dilettantismus“ besonders groß ist.106 Unabdingbar ist die Arbeit mit Originalquellen aus dem jeweiligen Land. Auf bestehende (deutsche) rechtsvergleichende oder auslandsrechtliche Darstellungen darf in diesem Zusammenhang nicht rekurriert werden, denn die Möglichkeit einer falschen Interpreta____________ 106 So David, Droit Civil Comparé, S. 25 f.; Jescheck, Strafrechtsvergleichung, S. 38. Siehe auch das Beispiel zu Problemen der Beurteilung des Rechts der USA bei Großfeld, Comparative Law, S. 51 ff.
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tion (einer ggf. auch schon falschen Interpretation der herangezogenen deutschen Literatur) ist dabei besonders groß. Dies gilt insbesondere für Rechtsordnungen wie die englische oder amerikanische, in denen die rechtliche Lage oft nur aus Gerichtsentscheidungen zu entnehmen ist.107 Solche Entscheidungen werden häufig selbst im Ursprungsland unterschiedlich interpretiert, da nur schwer vom Einzelfall auf eine generelle Rechtslage geschlossen werden kann. In diesen Fällen kann der rechtsvergleichende Autor nur durch die eigene Lektüre des Urteils sowie dessen Rezeption in verschiedenen Darstellungen des jeweiligen Landes herausfinden, ob das Urteil tatsächlich die vom Autor unterstellte Aussage trägt. Hier ist darauf zu achten, dass das Recht aus der jeweiligen Rechtsordnung heraus (also dem nationalen Verständnis nach) dargestellt wird und nicht primär in einer Außenbetrachtung, die grundsätzlich dem rechtsvergleichenden Teil vorbehalten ist. Bei der Darstellung der Landesberichte stellt sich die Frage, inwieweit eine eigenständige Interpretation durch den Bearbeiter möglich ist. Soweit der Autor nicht im ausländischen Rechtssystem ausgebildet ist, sollte er sich im Landesbericht mit eigenen Interpretationen zurückhalten und auf die Darstellung des Diskussionsstands beschränken.108 Eigene Wertungen lassen sich hierbei realistischerweise kaum gänzlich vermeiden, sodass vor allem darauf zu achten ist, dass das ausländische Recht nicht neu interpretiert wird, ohne das landesübliche Verständnis offenzulegen. Für das eigene (nationale) Recht muss dieselbe Zurückhaltung jedoch nicht gelten, denn in diesem Bereich verfügt der Autor über die notwendigen Vorkenntnisse. Insoweit ist eine Neuinterpretation einzelner Normen, Bereiche etc. nicht ausgeschlossen. Soweit auf die Literatur des jeweiligen Landes eingegangen wird, können im Rahmen der Landesberichte auch Vorschläge aufgenommen werden, die auf eine Reform des Rechts abzielen und damit über die Darstellung der Lage de lege lata hinausgehen. Wenn diese Vorschläge systematisiert dargestellt werden, ist die rechtsvergleichende Bearbeitung von einer rechtsdogmatischen nicht sehr weit entfernt. Diese Verknüpfung bietet sich für Arbeiten an, in denen am Ende ein rechtspolitischer Vorschlag steht und somit die dogmatischen Ausführungen eine umfassendere Beurteilung der rechtsvergleichenden Erkenntnisse und damit auch des rechtspolitischen Vorschlags ermöglichen.
Ein Landesbericht kann sich im Regelfall nicht auf die bloße Darstellung der Gesetzeslage beschränken, sondern muss Rechtsprechung und Literatur berücksichtigen, um ein tatsächliches Abbild der Rechtslage zu liefern.109 Je nach Art des Rechtssystems ist der Blick auch nicht auf einen Rechtsbereich allein (z.B. das materielle Strafrecht) zu lenken, sondern es sind aufgrund des funktional-äquivalenten Ansatzes andere Bereiche (wie etwa das Strafverfahrens- oder das Strafvollzugsrecht) miteinzubeziehen. Dies gilt insbesondere, wenn die Vergleichung der Erörterung grundlegender Strukturen dient.110 Oft sind ein größerer Detaillierungsgrad ____________ 107 Es kann in diesen Rechtsordnungen nur wenig aus allgemeinen Überlegungen deduziert werden, sondern muss induktiv aus der gesammelten Rechtsprechung gewonnen werden, vgl. Honig, in: Mezger et al. (Hrsg.), Strafrecht, S. 7 (16). 108 Vgl. Radbruch, MschrKrim (1906), 422 (425). 109 Vgl. Eser, FS-Kaiser, S.1499 (1522); Schultz, in: Jescheck/Kaiser (Hrsg.), Vergleichung, S. 7 (10 ff.). 110 Schultz, in: Jescheck/Kaiser (Hrsg.), Vergleichung, S. 7 (12).
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1. Kapitel: Einführung
und die Wiedergabe des Regelungskontextes zur Vermeidung von Fehleinschätzungen und oberflächlichen Schlussfolgerungen notwendig.111 Hier kann vor allem die Betrachtung der rechtshistorischen Entwicklung wertvolle Aufschlüsse über die Hintergründe rechtlicher Regelungen geben. Ebenso ist zu fragen, ob sich nicht die Einbeziehung der rechtstatsächlichen Lage anbietet.112 Soweit zum Verständnis der Rechtslage erforderlich, ist auch der politische, soziale und wirtschaftliche Rahmen zumindest in Grundzügen zu erschließen.113 Über den rechtlichen Rahmen hinaus muss man regelmäßig dann gehen, wenn ein Land für eine Sachfrage gar keine rechtliche Lösung wählt. Diese Konstellation wird sich vor allem in den „Grenzbereichen“ des Rechts ergeben, also dort, wo Recht, Ethik (und Religion) sowie Moral eng verflochten sind (z.B. im Bereich der Biomedizin). Hier ist dann ggf. zu untersuchen, ob und inwieweit eine Frage als (Rechts-)Problem gesehen wird und welche anderweitigen gesellschaftlichen Mechanismen zur Verfügung stehen. Nicht zu verkennen ist, dass der funktionale Ansatz in großem Umfang (Detail-) Informationen notwendig macht,114 die einen nicht unbedeutenden Einsatz von Zeit und Ressourcen erfordern. Es verwundert nicht, dass in der praktischen Umsetzung selten ein Rechtsvergleich den theoretischen Maßstäben gerecht wird.115 Häufig erfolgt nur eine eklektische und kursorische Rechtsvergleichung.116 Um dies zu vermeiden, ist ein realistisch bewältigbarer Zuschnitt zu wählen und eingehend zu prüfen, inwieweit weitere Informationen über die rechtlichen hinaus erforderlich sind.117
____________ 111 112 113 114
dien“.
Vgl. Stuckenberg, Unschuldsvermutung, S. 6. Vgl. hierzu bereits oben S. 20. Schultz, in: Jescheck/Kaiser (Hrsg.), Vergleichung, S. 7 (14). Vgl. Pieth, ZStrR 119 (2000), 477 (481): „schier unendliche interdisziplinäre Stu-
115 Vgl. nur Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, S. 314 ff., deren umfangreiche (402 Seiten lange) Ausführungen zu Vertrag, ungerechtfertigter Bereicherung und Delikt zwar informativ und illustrativ für viele Rechtsordnungen sind, aber kaum den methodischen Anforderungen hinsichtlich Erarbeitung und Aufarbeitung entsprechen, die die Autoren für einen Rechtsvergleich für erforderlich halten (S. 31 ff.). 116 Teilweise behilft sich die Praxis auch mit handhabbareren Instrumentarien, vgl. Pieth, ZStrR 119 (2000), 477 (482 ff.) sowie ders., in: Delmas-Marty/Pieth/Sieber, L’Harmonisation, S. 225 ff. zum Ansatz der gegenseitigen kritischen Evaluierung im Rahmen der Geldwäsche- und Korruptionsbekämpfung seitens der OECD. Vgl. zur Möglichkeit der statistischen Rechtsvergleichung oben S. 23. 117 Dies wird sich oftmals noch nicht zu Beginn der Untersuchung festlegen lassen, sondern im Verlauf der Untersuchung des jeweiligen Gebietes ergeben.
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IV. Vergleichender Teil Im Anschluss an die landesrechtliche Darstellung folgt der vergleichende Teil. Dieser ist getrennt zu erstellen, auch wenn hierdurch eine gewisse Wiederholung nicht vermieden werden kann.118 Während sich die Landesberichte auf die umfassende Darstellung des jeweiligen nationalen Rechts konzentrieren, werden die Informationen im vergleichenden Teil aus den verschiedenen Rechtsordnungen thematisch zusammengeführt, gegenübergestellt und verglichen. Es erfolgt somit eine Querschnittsanalyse. Dabei können die Gemeinsamkeiten und Unterschiede präzise herausgearbeitet werden.119 Ziel dieses Teils ist nicht eine summarische Wiederholung der bereits erhobenen Fakten, sondern eine Zuspitzung des Materials auf die wesentlichen Punkte. Soweit möglich, sollte eine Systematisierung dergestalt erfolgen, dass für weitergehende Überlegungen ein Vorrat denkbarer Lösungswege zur Verfügung steht.120 Die Vornahme eines Vergleichs bedingt, dass Klarheit darüber herrscht, welcher Bezugspunkt (tertium comparationis) eingenommen wird. In der rechtsvergleichenden Literatur wird diese Frage (Wie vergleicht man konkret?) bedauerlicherweise nur selten näher erörtert.121 Im Rahmen des funktionalen Ansatzes dienen die die Untersuchung leitenden Sachfragen als maßgeblicher inhaltlicher Bezugspunkt für den Vergleich.122 Hieraus ergibt sich, welche Aspekte in Bezug zueinander gesetzt werden. Die darüber hinausgehende Einordnung als gleich oder verschieden orientiert sich im Grundsatz an einer graduellen Beurteilung von „mehr“ oder „weniger“ im Hinblick auf einen idealisierten Standard oder eine idealisierte Typisierung.123 Soweit dieser Standard bzw. diese Typisierung nicht klar ersichtlich sind, ist darauf hinzuweisen.
Der Querschnitt dient nicht dazu, die „richtige“ oder die „bessere“ Lösung herauszukristallisieren, da allein der Vergleich mehrerer Rechtsordnungen hierfür keinen Bewertungsmaßstab liefert.124 Eine derartige Bewertung unter Offenlegung des Bewertungskriteriums ist dem rechtspolitischen Schlussteil vorbehalten. Gleichwohl lassen sich im vergleichenden Teil Wertungen in bestimmtem Umfang vornehmen, beispielsweise in Bezug auf die praktische Relevanz einer Regelung oder deren Bedeutung (vorausgesetzt natürlich, dass insoweit Daten erhoben wurden). ____________ Hegler, MschrKrim (1908), 337 (338). Vgl. Dannemann, in: Reimann/Zimmermann (Hrsg.), Comparative Law, S. 383 ff.; Schultz, in: Jescheck/Kaiser (Hrsg.), Vergleichung, S. 7 (15 f.); siehe auch Eser/Koch, Schwangerschaftsabbruch, Teil 3, S. VI. 120 Vgl. Eser, FS-Kaiser, S. 1499 (1522); Michaels, in: Reimann/Zimmermann (Hrsg.), Comparative Law, S. 339 (372 f.); Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, S. 43 ff. 121 Ausnahmen sind Chodosh, 84 Iowa L. Rev. (1998-99), S. 1025 und Jansen, in: Reimann/Zimmermann (Hrsg.), Comparative Law, S. 305 ff. 122 Vgl. Michaels, in: Reimann/Zimmermann (Hrsg.), Comparative Law, S. 339 (367 f.). 123 Vgl. auch Jansen, in: Reimann/Zimmermann (Hrsg.), Comparative Law, S. 305 (310 ff.; 336 f.) sowie Chodosh, 84 Iowa L. Rev. (1998-99), S. 1025 (1115 ff.). 124 Vgl. zu dieser Frage Michaels, in: Reimann/Zimmermann (Hrsg.), Comparative Law, S. 339 (373 ff.). 118 119
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1. Kapitel: Einführung
V. Rechtspolitische Schlussfolgerungen Soweit vom Erkenntnisinteresse umfasst, schließen sich an den vergleichenden Querschnitt die rechtspolitischen Schlussfolgerungen an. Hier ist noch einmal zu betonen, dass sich diese nicht automatisch aus der Vergleichung ableiten, das SeinSollende kann sich eben nicht selbstredend aus dem Sein ergeben.125 Aufgrund dieser nicht möglichen Ableitung haben die Schlussfolgerungen klar getrennt von der übrigen Darstellung zu erfolgen.126 Die Vergleichung bereitet das Material für das rechtspolitisch Mögliche,127 die Schlussfolgerungen wählen aus dem Möglichen aus und erklären, warum das eine gegenüber dem anderen bevorzugt wird. Während die vorangegangenen Teile um die Darstellung größtmöglicher Objektivität bemüht sein müssen, dient der Schlussteil der Bewertung der gewonnenen Erkenntnisse. Aufgrund der starken Wertungsabhängigkeit dieses Teils, insbesondere wenn er als Instrument der „good governance“ oder des „benchmarking“ für einen legislativen Reformvorschlag dient, lässt sich am ehrlichsten von rechtspolitischen Schlussfolgerungen sprechen.128 Gemeint ist damit freilich keine politisch beliebige Parteinahme, sondern die rational begründete Weiterführung der bisherigen Erkenntnisse. Es geht somit um eine rationale (Straf-)Rechtsbegründung auf rechtsvergleichender Basis.129 An dieser Stelle bedarf es der Offenlegung der Maßstäbe, die für eine Bewertung herangezogen werden.130 Naturgemäß stellt sich damit das nicht unerhebliche Problem,131 welche Maßstäbe anzulegen sind. Soweit Autoren überhaupt auf diese Frage eingehen, werden genannt: die Ausrichtung auf den Menschen in einer offenen Gesellschaft und das allgemeine Freiheitsprinzip,132 die Gerechtigkeit, kriminalpolitische Zweckmäßigkeit, Praktikabilität, Tradition und gesellschaftliche Über____________ 125 So dezidiert Radbruch, MschrKrim (1906), 422 (423). Radbruchs Ansicht kann sicherlich als heute herrschende Meinung bezeichnet werden, war jedoch damals z.B. durch v. Liszt, ZStW 26 (1906), 553 ff., der eine auf verschiedenen Stufen ablaufende geschichtliche Entwicklungstendenz im Strafrecht ausmachen und damit aus der Rechtsvergleichung das „richtige Recht“ bestimmen wollte, oder durch Kantorowicz, MschrKrim (1908), 65 (79 ff.) als Vertreter der Freirechtsschule umstritten. 126 Vgl. so schon Hegler, MschrKrim (1908), 337 (338). 127 Beling, ZStW 26 (1906), 693; Radbruch, MschrKrim (1906), 422 (424). 128 Ähnlich Eser/Koch, Schwangerschaftsabbruch, Teil 3, S. 515 f. 129 Sieber, Jescheck-Kolloquium (90. Geburtstag), S. 78 (121). 130 Eser, FS-Kaiser, S. 1499 (1522). 131 Dass der Maßstab große Schwierigkeiten bereitet, zeigte sich bereits im Projekt zur vergleichenden Darstellung des deutschen und ausländischen Strafrechts zu Anfang des 20. Jahrhunderts (vgl. Anm. 2): Kantorowicz, MschrKrim (1908), 65 (92) bemängelte hierbei zu Recht, dass keiner der Autoren einen einheitlichen Maßstab im Rahmen der rechtspolitischen Vorschläge angelegt hatte (vgl. a.a.O., S. 98 ff. zu den unterschiedlichen Wertbezügen) und somit der Nutzen der Vorschläge auch nur begrenzt war. 132 Sieber, Jescheck-Kolloquium (90. Geburtstag), S. 78 (122 f.) unter Bezugnahme auf Karl Popper; siehe auch Sieber, NJW 1989, 2569 (2580).
§ 2 Methodische Grundlagen der Rechtsvergleichung
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zeugung,133 die Menschenrechte134 oder die Suche nach einer zuverlässigen und fairen Lösung.135 All diesen Maßstäben gemein ist ihr hoher Abstraktionsgrad, was sich jedoch nicht vermeiden lässt, wenn sie für eine Vielzahl rechtsvergleichender Themen Anwendung finden sollen und als umfangreiche Basis rational ableitbarer (und damit rational überprüfbarer) Konkretisierungen dienen sollen.136 Als nicht weiter begründete und begründbare Bewertungsmaßstäbe (Axiome) werden vorliegend Fairness und Gerechtigkeit und deren Ausprägungen im deutschen Grundgesetz herangezogen. C. Fragen der Übersetzung Die Darstellung und Analyse fremden Rechts in deutscher Sprache im Rahmen der Rechtsvergleichung wirft wie jede Beschreibung eines Rechts in einer anderen Sprache Probleme auf.137 Eine Übersetzung – wie vorliegend aus dem Englischen138 – ins Deutsche birgt die Gefahr, dass die deutsche (Fach-)Terminologie eine Gleichheit oder Vergleichbarkeit von Begriffen und Instituten suggeriert, die nicht oder nicht in diesem Umfang besteht.139 In Bezug auf eine rechtsvergleichende Arbeit ist dabei besonders zu bedenken, dass die Übersetzung von Gesetzen etc. nicht bloßes Hilfsmittel der Rechtsvergleichung, sondern (zumindest in Teilen) auch ein Produkt der Rechtsvergleichung ist.140 Die Übersetzung erfolgt nicht lediglich in die deutsche Sprache, sondern zumindest teilweise aus dem und in das deutsche Rechtsverständnis. ____________ Jescheck, Strafrechtsvergleichung, S. 43. Vgl. in diese Richtung Jung, FS-Baratta, S. 361 (362). 135 Vgl. Gleß, Beweisrechtsgrundsätze, S. 47 im Rahmen einer strafprozessualen Bearbeitung. 136 Darauf weist zutreffend Sieber, Jescheck-Kolloquium (90. Geburtstag), S. 78 (122) hin. 137 Vgl. zu den Problemen der Übersetzung von Rechtstexten Arntz, Mehrsprachigkeit, S. 206 ff.; Constantinesco, Rechtsvergleichung, Bd. 2, S. 164 ff.; die Beiträge in Sandrini (Hrsg.), Übersetzen, S. 9 ff.; Schroeder, ZStW 117 (2005), 236 ff.; Stolze, Übersetzen, S. 176 ff.; Stolze, Fachübersetzung, S. 165 ff.; Weisflog, Rechtsvergleichung, S. 20 ff. Konkrete Beispiele zu begrifflichen Schwierigkeiten finden sich zudem bei Kischel, ZVglRWiss 104 (2005), 10 (11 ff.); v. Senger, ZfRV 2006, 43 (44 ff.). 138 Zur Festlegung auf die USA als Vergleichsland siehe unten S. 33. 139 Sandrini (Hrsg.), Übersetzen, S. 9 (30 ff.); Schroeder, ZStW 117 (2005), 236 (241); Stolze, Übersetzen, S. 183. Siehe auch Großfeld, Kernfragen, S. 106 ff.; Schlesinger et al., Comparative Law, S. 974 ff. sowie Lundmark, in: de Groot/Schulze (Hrsg.), Übersetzen, S. 59 ff., der eine reine Übersetzung zwischen Deutsch und Englisch ohne Erklärungen für unmöglich hält. 140 Vgl. Constantinesco, Rechtsvergleichung, Bd. 2, S. 169; de Groot, in: ders./Schulze, (Hrsg.), Recht und Übersetzen, S. 11 ff.; Schroeder, ZStW 117 (2005), 236 (237): siehe auch Arntz, in: Sandrini (Hrsg.), Übersetzen, S. 185 ff.; Großfeld, Comparative Law, S. 101 ff.; Weisflog, Rechtsvergleichung, S. 41 ff. 133 134
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1. Kapitel: Einführung
Um sprachlichen und inhaltlichen Missverständnissen vorzubeugen, ist die folgende Darstellung um einen Kompromiss bemüht.141 Soweit die Verwechslungsgefahr gering und eine Übersetzungsmöglichkeit gegeben ist, wird ein deutscher Begriff gewählt.142 Zusätzlich wird in Klammern der englische Begriff angeführt; der Leser kann sich daher bei Interesse selbst ein Bild von der Bedeutung des Begriffs verschaffen.143 Ansonsten wird im Text die US-amerikanische Terminologie verwendet und eine deutsche Erklärung beigefügt. Darauf wurde nur dann verzichtet, wenn bestimmte englische Begriffe auch in der deutschen Sprache bereits häufige Anwendung finden. Da die englische Sprache im Gegensatz zur deutschen keine Neutra kennt, werden englische Begriffe nur dann als Neutra behandelt, wenn dies dem deutschen Sprachgefühl entspricht. Auf die Verwendung der Genitivform bei englischen Begriffen wird verzichtet (also „des Supreme Court“), nicht dagegen auf die Pluralform (also „die associations“). Die Begriffe folgen der englischen Groß- und Kleinschreibung, werden also bis auf wenige Ausnahmen kleingeschrieben. Auf die Hervorhebung der englischen Begriffe wird weitgehend verzichtet, da dies dem Lesefluss mehr ab- als zuträglich wäre. Soweit von „Amerika“ oder „amerikanisch“ gesprochen wird, bezieht sich dies auf die Vereinigten Staaten von Amerika.
§ 3 Gegenstand und Ziel der Untersuchung Gegenstand der Untersuchung sind zwei sich überschneidende Themenkreise. Zum einen widmet sich die Arbeit der Frage der Verantwortlichkeit und Sanktionierung von Unternehmen (A.), die im Mittelpunkt der Bearbeitung steht. Zum anderen geht sie der Bedeutung von Compliance-Maßnahmen nach (B.). Hierbei steht besonders der Bezug zur Verantwortlichkeit und Sanktionierung von Unternehmen im Vordergrund. Für diese beiden Bereiche werden jeweils die die Untersuchung leitenden Sachfragen konkretisiert (A.II. und B.III.) bevor auf die Ziele der Untersuchung eingegangen wird (C.).
____________ 141 Vgl. zu einem ähnlichen Vorgehen Merkt/Göthel, Gesellschaftsrecht, S. 11 f.; diesen folgend sei hier der Hinweis angebracht, dass das Vorgehen natürlich eine gewisse Willkür birgt und einem mehr pragmatischen als dogmatischen Ansatz folgt. 142 Die Arbeit verzichtet darauf, Neologismen für die Fälle zu bilden, in denen eine Übersetzung irreführend wäre, wie dies z.T. vorgeschlagen wird; vgl. Arntz, Mehrsprachigkeit, S. 241 ff.; de Groot, in: ders./Schulze, (Hrsg.), Recht und Übersetzen, S. 11 (30 ff.); Weisflog, Rechtsvergleichung, S. 55 f. 143 Diesen Weg ist im Wesentlichen z.B. Perron, Rechtfertigung, S. 17 ff. gegangen; grundsätzlich positiv zu einer derartigen Lösung auch Arntz, in: Sandrini (Hrsg.), Übersetzen, S. 185 (194 ff.).
§ 3 Gegenstand und Ziel der Untersuchung
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A. Die Verantwortlichkeit und Sanktionierung von Unternehmen Die Bearbeitung behandelt als ersten Schwerpunkt die Frage der Verantwortlichkeit und der Sanktionierung von Unternehmen. Diese Thematik wird aus rechtsvergleichender Sicht untersucht, wobei sich die Vergleichung auf das deutsche und amerikanische Recht beschränkt (I.). Die im Rahmen der Vergleichung zu untersuchenden Sachfragen werden im Anschluss daran länderberichtsübergreifend spezifiziert (II.). Zudem wird auf einige notwendige Definitionen eingegangen (III.). I. Rechtsvergleichung mit den USA Das ausländische Recht erfreut sich hinsichtlich Fragestellungen zur Verantwortlichkeit und Sanktionierung von Unternehmen großer Beliebtheit. Man kann geradezu behaupten, dass der Blick auf das Ausland seit v. Lilienthals Darstellung im Rahmen der Vorarbeiten zur Deutschen Strafrechtsreform im Jahr 1908 Tradition hat.1 Bereits früh wurde die Thematik auf internationalen Kongressen rechtsvergleichend diskutiert.2 Eine große Anzahl von Monografien bezieht das Ausland ein.3 Ähnliches gilt für kürzere Beiträge.4 Selbst das Bundesministerium der Justiz5 ____________ 1 v. Lilienthal, in: Vergleichende Darstellung, AT Bd. 5, S. 87 (91 ff.). Zuvor hat bereits Hafter im Jahr 1903 einen Blick auf das Ausland geworfen, Hafter, Personenverbände, S. 40 ff. 2 So auf dem zweiten Congrès international de droit pénal 1929 in Bukarest sowie auf dem sechsten in Rom 1953 und dem siebten in Athen 1957, vgl. die Nachweise zu einzelnen Kongressbeiträgen bei Schwander, FS-Gutzwiller, S. 603 (605). 3 Vgl. Ackermann, Strafbarkeit, S. 75 ff. (Belgien, Frankreich, Großbritannien, Niederlande, USA); Athanassiou, Strafbarkeit, S. 54 ff., 110 ff. (England, Frankreich, Griechenland, Niederlande, USA); Bertossa, Unternehmensstrafrecht, S. 263 ff. (USA); Deruyck, Verbandsdelikt, S. 9 ff. (Belgien); Ehrhardt, Unternehmensdelinquenz, S. 90 ff. (USA); Eidam, Straftäter Unternehmen, S. 30 ff. (Belgien, Dänemark, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Japan, Niederlande, Österreich, Portugal, Schweden, Schweiz, Spanien, USA, Vereinigtes Königreich); Geiger, Organisationsmängel, S. 12 ff. (Australien, Frankreich, Großbritannien, Italien, USA); Hafter, Personenverbände, S. 40 ff. (England, USA); Hartan, Unternehmensstrafrecht, S. 96 ff. (Frankreich); Heine, Unternehmen, S. 80 ff., 201 ff. 388 ff. (Belgien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Jugoslawien, Kanada, Korea, Niederlande, Norwegen, Österreich, Portugal, Schweden, Schweiz, USA); Henkel, Verantwortlichkeit, S. 57 ff. (England, Frankreich, Spanien, USA); Kirch-Heim, Sanktionen, S. 128 ff. (Frankreich, Schweiz, USA); Lewisch/Parker, Unternehmensstrafe (Österreich, USA); Otten, Unternehmen, S. 89 ff. (USA); Papachristos, Sanktionen, S. 44 ff. (Belgien, Dänemark, Frankreich, Griechenland, Italien, Niederlande, Spanien, Vereinigtes Königreich, USA); Quante, Sanktionsmöglichkeiten, S. 191 ff. (Dänemark, England, Frankreich, Italien, Niederlande, USA); Seiler, Personenverbände, S. 13 ff. (Belgien, England, Frankreich, Italien, Schweiz, Spanien, USA sowie Iberoamerika); Serres, Deliktsfähigkeit, S. 22 ff. (Australien, Frankreich, Großbritannien, Italien, Kanada, Neuseeland, Niederlande, Österreich, Polen, Russland, Schweiz, Spanien, Ungarn, USA sowie die nordischen Länder, englischen Kolonien und die Balkanstaaten); Schmitt, Verbände, S. 29 ff. (England, Frankreich, Italien, Spanien, USA sowie Iberoamerika); Schroth, Unternehmen, S. 140 ff. (Frankreich, Italien, Großbritannien, Niederlande, Österreich, Schweiz, USA sowie weitere Common Law-Länder); Schünemann, Unterneh-
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1. Kapitel: Einführung
und die Bundesregierung6 haben in dieser Frage schon einen Blick auf ausländische Regelungen geworfen. Auch wenn die Aspekte bereits vielfach mit Bezug auf das Ausland behandelt wurden, so sind die meisten Bearbeitungen nach dem vorliegend zugrunde gelegten Verständnis von Rechtsvergleichung keine rechtsvergleichenden Untersuchungen,7 sondern (zumeist kürzere) auslandsrechtliche Darstellungen.8 Dies gilt im Grundsatz auch für umfangreichere Bearbeitungen des ausländischen Rechts,9 die über die Grundstrukturen anderer Systeme hinaus zahlreiche Detailfragen behandeln.10
____________ menskriminalität, S. 179 ff. (England, Frankreich, Japan, Niederlande, Österreich, Schweiz, USA). 4 Vgl. (als sehr selektive Auswahl) Heinitz, 40. DJT, S. 76 ff. (Belgien, Frankreich, Italien, England, USA); Hetzer, ZFIS 1999, 212 ff. (Frankreich, Großbritannien, Niederlande, USA); Knopp/Rathmann, JR 2005, 359 ff. (Österreich); v. Lilienthal, in: Vergleichende Darstellung, AT Bd. 5, S. 87 ff. (England, Frankreich, Niederlande, Schweiz, Spanien, USA). 5 Vgl. die Darstellung des Referats II A 1 des BMJ in Hettinger (Hrsg.), Reform, S. 259 ff. (Australien, Belgien, Dänemark, England, Finnland, Frankreich, Italien, Japan, Kanada, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Portugal, Schweden, Schweiz, Spanien, USA). 6 Siehe die Antwort der Bundesregierung auf eine Große Anfrage, BT-Drs. 13/11425, S. 11 ff. (Australien, Dänemark, England, Frankreich, Japan, Kanada, Niederlande, USA). 7 Vgl. oben S. 10 ff. 8 Der Blick auf das Ausland dient in den meisten Bearbeitungen dazu, eine dogmatisch strukturierte Argumentation zu stützen, vor allem, um ein dogmatisch entwickeltes Modell zu überprüfen. Daher wird die Rechtslage im Ausland zumeist nur im Überblick (als kurzer Abschnitt oder auch als eigenes Kapitel) referiert. Die auslandsrechtliche Darstellung entspricht in aller Regel nicht dem Umfang (und der Tiefe) der Ausführungen zum deutschen Recht. Methodisch wird dabei die Heranziehung des ausländischen Rechts selten begründet. 9 Hierzu kann man (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) zählen: Ackermann, Strafbarkeit, S. 75 ff.; Deruyck, Verbandsdelikt, S. 9 ff.; Ehrhardt, Unternehmensdelinquenz, S. 90 ff.; Hartan, Unternehmensstrafrecht, S. 96 ff.; Otten, Unternehmen, S. 89 ff.; Serres, Deliktsfähigkeit, S. 22 ff.; bedingt ist auch zu nennen: Heine, Unternehmen, S. 80 ff., 201 ff. 388 ff. (der allerdings keine Länderdarstellungen vornimmt, sondern auf die Ergebnisse eines von ihm mitgetragenen Forschungsprojekts rekurriert). 10 Diese Arbeiten behandeln das ausländische Recht grundsätzlich im gleichen Umfang wie das deutsche Recht. Ein Hinweis auf das methodische Vorgehen findet sich allerdings zumeist nicht, sodass das zugrunde gelegte Verständnis von Rechtsvergleichung offen bleibt. Zudem fehlt es häufig an einer klarstellenden Beschreibung der Forschungsfragen, der Vorstrukturierung des Stoffs für die nachfolgenden Landesberichte und der Gegenüberstellung der Landesberichte. Die Aus- und Bewertung erfolgt dann allein in einem (kurzen) Schlusskapitel. Das Kernelement eines Rechtsvergleichs fehlt, sodass diese Arbeiten den auslandsrechtlichen Darstellungen zuzuordnen sind. Eine Ausnahme bildet Hartan, Unternehmensstrafrecht, S. 9 ff., die sich zum einen im Überblick zur Methodik äußert und zum anderen tatsächlich einen vergleichenden Teil enthält (S. 156 ff.). Rechtsvergleichend aufgebaut ist auch die Arbeit von Otten, Unternehmen, S. 49 ff., der sich allerdings zum methodischen Herangehen nicht äußert.
§ 3 Gegenstand und Ziel der Untersuchung
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Insoweit bietet sich ein rechtsvergleichendes Herangehen an die Thematik der Sanktionierung von Unternehmen weiterhin grundsätzlich an.11 Ein Rechtsvergleich ist nur mit einem Land sinnvoll, das für die Fragestellung auch weiterführende Erkenntnisse erwarten lässt. Vorliegend wurden die USA ausgewählt.12 Dort hat das Recht der Unternehmensstrafbarkeit zum einen eine lange Tradition und kann damit auf langjährige Erfahrungen zurückblicken. Zum anderen hat sich das amerikanische Recht in den letzten 20 Jahren substantiell weiterentwickelt.13 Die Einführung von Strafzumessungsrichtlinien für Unternehmen 1991 hat den Bereich der Strafzumessung grundlegend verändert. Die Vorgaben wurden im Jahr 2004 in entscheidenden Punkten verändert und sind von besonderem Interesse, da sie die Verbindung zum zweiten Schwerpunkt der Arbeit schlagen, dem der Compliance-Maßnahmen, die in den Richtlinien ebenfalls geregelt sind. Ausgehend von dieser Regelung haben sich Compliance-Programme seitdem in vielen Bereichen etabliert. Die USA weisen somit auch eine mehrjährige Erfahrung mit der Erscheinung „Compliance“ auf, die inzwischen in Deutschland ebenfalls zum Modethema geworden ist. Die Veränderungen und die Auswirkungen der Strafzumessungsreformen von 1991 und 2004, insbesondere hinsichtlich des Compliance-Aspekts, wurden bislang noch nicht eingehend untersucht. Das Recht der USA war in dieser Hinsicht bereits Gegenstand mehrerer Bearbeitungen.14 Zum Teil liegen diese Untersuchungen schon längere Zeit zurück, sodass sie die neueren Entwicklungen noch nicht aufnehmen konnten.15 Die umfassendste Bearbeitung findet sich bei Ehrhardt aus dem Jahr 1993,16 die somit ebenfalls die neuesten Vorgänge (insbesondere den Compliance-Aspekt) noch nicht behandelt. Zudem widmet sich ihre
____________ 11 Vgl. auch Dubber, in: Reimann/Zimmermann (Hrsg.), Comparative Law, S. 1287 (1321), der diesen Bereich als aktuelles Forschungsthema der Strafrechtsvergleichung innerhalb der allgemeinen Lehren zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit sieht. 12 Einen Vergleich mit den USA halten bspw. auch Bachmann/Prüfer, ZRP 2005, 109 (112) und Bannenberg, Korruption, S. 29 ff. für lohnenswert. 13 Insoweit erfassen die früher erschienenen Arbeiten von Ackermann, Strafbarkeit, S. 110 ff. aus dem Jahr 1984 und von Serres, Deliktsfähigkeit, S. 62 ff. aus dem Jahr 1934 nicht die geltende Rechtslage. 14 Vgl. Ackermann, Strafbarkeit, S. 110 ff.; Bundesministerium der Justiz, in: Hettinger (Hrsg.), Reform, S. 259 (264 ff.); Ehrhardt, Unternehmensdelinquenz, S. 90 ff.; Otten, Unternehmen, S. 89 ff.; Serres, Deliktsfähigkeit, S. 62 ff.; siehe auch Bertossa, Unternehmensstrafrecht, S. 263 ff. (nur zu den Strafzumessungsrichtlinien), sowie Lewisch/Parker, Unternehmensstrafe, S. 29 ff. (rechtspolitische und rechtsdogmatische Analyse des österreichischen und amerikanischen Rechts); Prüfer, Korruptionssanktionen, S. 69 ff., 183 ff., 275 ff., 293 f. (speziell zu Korruptionssanktionen). Ansonsten findet sich wie bspw. bei Mittelsdorf, Unternehmensstrafrecht, S. 210 f. nur eine kurze zusammenfassende Darstellung des amerikanischen Rechts. Aus der Zeitschriftenliteratur siehe Coffee, in: Eser et al. (eds.), Criminal Responsibility, S. 9 ff.; Hefendehl, 4 Buff. Crim. L. Rev. (2000-01), S. 283 ff.; Heine, 1998 St. Louis-Warsaw Transatlantic L. J. (1998), S. 173 ff.; Stessens, 43 Int.’l & Comp. L. Q. (1994), S. 493 ff. 15 Dies gilt vor allem für die Arbeiten von Ackermann, Strafbarkeit, S. 110 ff. aus dem Jahr 1984 und von Serres, Deliktsfähigkeit, S. 62 ff. aus dem Jahr 1934. 16 Vgl. Ehrhardt, Unternehmensdelinquenz (1993).
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1. Kapitel: Einführung
Arbeit wie die anderen bisherigen Bearbeitungen im Schwerpunkt der Frage der Verantwortlichkeit des Unternehmens, weniger eingehend dagegen den Sanktionen und fast gar nicht den prozessualen Aspekten.17 Es fehlt somit bislang an einer eingehenden Untersuchung zum Gesamtkomplex, die Tatbestandsfragen, Rechtsfolgen und Verfahren miteinbezieht. Diese Elemente stehen im amerikanischen Strafrecht in einem wechselseitigen Verhältnis, da oft Defizite auf der einen Seite (bewusst) durch Korrekturen auf der anderen Seite ausgeglichen werden. Die bisherigen Untersuchungen können daher oft nur ein selektives Bild der Rechtslage zeichnen. Hinzu kommt, dass die meisten Bearbeitungen vor allem auslandsrechtliche Darstellungen sind und nur teilweise einer methodisch orientierten Rechtsvergleichung folgen.18
Zum Teil wird bestritten, dass beim Thema Sanktionierung von Unternehmen ein Vergleich mit dem angloamerikanischen Recht weiterführen könne. Lange hat diesbezüglich angemerkt, dass die Rechtsvergleichung „hier ganz und gar irreführt“.19 Kristallisationspunkt solcher Feststellungen ist zumeist allein die Frage des Schuldprinzips.20 Das Schuldprinzip ist aber nur ein Aspekt unter vielen relevanten Fragen im Rahmen der Sanktionierung von Unternehmen, der nicht zum völligen Verzicht auf einen Vergleich führen sollte. Zudem bieten gerade sehr unterschiedlich eingestufte Systeme die Möglichkeit, den tatsächlichen Grad des Unterschieds und auch die Begründung für solche Unterschiede offenzulegen. Insoweit ist eine gewisse Reibungsfläche rechtsvergleichend sogar von Vorteil. Eine entscheidende Frage für den Umfang der Untersuchung ist die Anzahl der einzubeziehenden Länder. Vorliegend werden allein die USA behandelt, um eine eingehendere Analyse zu ermöglichen.21 Rechtsvergleichung aufgrund des funk____________ 17 Die umfassendste Arbeit von Ehrhardt, Unternehmensdelinquenz, S. 90 ff. widmet Fragen des Tatbestands ca. 20 Seiten, den Rechtsfolgen ca. 10 Seiten und lediglich einen Absatz den Verfahrensfragen. Die Arbeit von Otten, Unternehmen (2005) ist während der vorliegenden Untersuchung erschienen und konnte bei der Planung daher noch nicht berücksichtigt werden. Otten, der einen Schwerpunkt auf das Kartellrecht legt, erfasst aber ebenfalls keine Verfahrensfragen. Auch bei Lewisch/Parker, Unternehmensstrafe (2001) finden sich kaum Hinweise zum Verfahren. 18 Vor allem fehlt zumeist ein getrennter vergleichender Teil, der vielfach mit den Schlussfolgerungen zusammenfällt. So findet sich bspw. bei Ackermann, Strafbarkeit, S. 174 ff. nur eine sehr kurze Zusammenfassung der untersuchten Länder, die sofort in rechtspolitische Überlegungen münden, in denen die ausländischen Aspekte teilweise herangezogen werden. Ehrhardt, Unternehmensdelinquenz, S. 175 ff. verzichtet ganz auf einen Vergleichsteil und zieht in ihren Schlussfolgerungen das amerikanische Recht nur eklektisch als Argumentationshilfe heran. Allein Otten, Unternehmen (2005) stellt deutsches und amerikanisches Recht vergleichend gegenüber (allerdings ohne methodische Erläuterung und daher offengelegte Systematik). Siehe auch Lewisch/Parker, Unternehmensstrafe, S. 29 ff., die österreichisches und amerikanisches Recht anhand ausgewählter Sachfragen, die sie vorab herausarbeiten, vergleichend diskutieren. 19 Lange in der Diskussion des 40. DJT, S. E66. 20 Siehe Lange, a.a.O. Ähnlich sieht auch Wehnert, FS-Riess, S. 811 (813) einen Vergleich nicht als weiterführend an. 21 Auf die Lage in England wird historisch bedingt im Kontext mit den USA eingegangen (vgl. S. 73); auf die Entwicklung in weiteren Ländern wird in den Schlussüberlegungen hingewiesen, vgl. unten S. 618 ff.
§ 3 Gegenstand und Ziel der Untersuchung
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tionalen Ansatzes bedarf sowohl einer gewissen Breite als auch der entsprechenden Tiefe hinsichtlich des Untersuchungsgegenstands. Um ein umfassendes Gesamtbild zu erhalten, werden Gesetzgebung, Rechtsprechung und Literatur ausgewertet. Wie bereits erwähnt, werden das materielle Recht, die Strafzumessung und das Verfahren untersucht, aus deren Gesamtschau sich erst ein Bild der Lage zur Unternehmensstrafbarkeit zeichnen lässt. Zudem wird die rechtshistorische Entwicklung dargestellt, da aus ihr vielfach erst der aktuelle Zustand des Rechts verständlich wird. Darüber hinaus wird teilweise die rechtstatsächliche Lage einbezogen, um die Relevanz einzelner Regelungen zu überprüfen. Dieser Untersuchungsumfang ermöglicht, auch grundlegendere Strukturaussagen über das amerikanische System zu treffen. Umfang und Tiefe der Untersuchung bedingen aber naturgemäß eine Beschränkung der Länderanzahl, um die Bearbeitung in einem realistischen Zeitrahmen abzuschließen. Zumeist wird die Rechtsvergleichung auf die Untersuchung mehrerer nationaler Rechtsordnungen bezogen. Zwingend ist dies jedoch nicht, da es im Kern um den Vergleich verschiedenartiger Regelungssysteme geht (die zumeist die Komplexität nationaler Rechtssysteme annehmen). Solche Regelungssysteme finden sich zunehmend im supranationalen Bereich, sodass sich auch ein Vergleich des Rechts verschiedener Ebenen (z.B. national – international) anbietet.22 Für die vorliegende Frage der Sanktionierung von Unternehmen besteht jedoch bislang kein komplexeres supranationales System, das einen eingehenden Vergleich mit nationalem Recht sinnvoll erscheinen lässt.23 Eine Ausnahme bildet das Kartellordnungswidrigkeitenrecht der EG, das bereits Gegenstand verschiedener Abhandlungen war und daher vorliegend (auch aufgrund seines spezifischen Zuschnitts) nicht näher untersucht wird.24
II. Sachfragen Die vorgehenden Ausführungen haben gezeigt, dass sich die USA sowohl aufgrund der Entwicklungen im Bereich des Unternehmensstrafrechts als auch in Bezug auf Compliance-Maßnahmen als Vergleichsland eignen. Damit sind die im Rahmen der funktionalen Rechtsvergleichung notwendigen Sachfragen jedoch noch nicht hinreichend umschrieben. Denn verglichen werden kann nicht das Institut der ____________ 22 Vgl. Sieber, Jescheck-Kolloquium (90. Geburtstag), S. 78 (98 f.), der sich allerdings auf Untersuchungen zur Implementierung supranationaler Vorgaben im nationalen Recht beschränkt. 23 Unternehmen sind durchaus direkt und indirekt Adressaten supranationaler Regelungen. Als direkte Adressaten werden sie vielfach allerdings nur von „soft law“ angesprochen, wie in den „Richtlinien für multinationale Unternehmen“ der OECD. Indirekt werden Unternehmen häufig in internationalen Konventionen insoweit adressiert, als die Nationalstaaten Sanktionen gegen Unternehmen vorsehen müssen (z.B. im Bereich der Geldwäsche). Die eigentliche Sanktion ist dann jedoch eine nationale. Vgl. dazu Engelhart, in: Burchard/Triffterer/Vogel (Hrsg.), Review Conference, S. 175 (178). 24 Vgl. bspw. Hamann, Unternehmen (1992); Engels, Unternehmensvorsatz (2002); Papakiriakou, Unternehmensstrafrecht (2002); Bahnmüller, Unternehmensverantwortlichkeit (2004).
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1. Kapitel: Einführung
Unternehmensstrafbarkeit in den USA und in Deutschland, wo es ein solches bislang nicht gibt. Deshalb muss eine Loslösung von dieser Begrifflichkeit erfolgen. Die endgültige Festlegung der Sachfragen hat sich dabei erst im Lauf der Bearbeitung ergeben, da hier ein Pendeln zwischen deutscher und amerikanischer Rechtsordnung und ein Abgleich mit den vorläufigen Fragestellungen notwendig sind. Auf oberster Abstraktionsebene stellt sich die Frage: Wie und wieweit reguliert der Staat Unternehmen? Aus diesem weiten Bereich, der beispielsweise auch das Gesellschaftsrecht erfasst, wird die Frage herausgegriffen: Wie und wieweit reguliert der Staat Unternehmen durch Sanktionsnormen? Diese Fragestellung erfasst auch zivil- und verwaltungsrechtliche Sanktionen, sodass eine weitere Schwerpunktbildung zu erfolgen hat: Wie und wieweit reguliert der Staat Unternehmen durch straf- oder ordnungswidrigkeitenrechtliche Sanktionen? Damit werden die zentralen öffentlich-rechtlichen Sanktionsnormen erfasst. Hier ist dann zu unterscheiden zwischen den Voraussetzungen einer Verantwortlichkeit, den Sanktionen und der verfahrensrechtlichen Durchführung zur Feststellung der Verantwortlichkeit und der Sanktionierung. Ɣ Ɣ
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Konkret ergeben sich folgende Sachfragen: Wie hat sich die Sanktionierung entwickelt? Wie sind die Konzeption und die Begründung der sanktionsrechtlichen Normen? Welches sind die Voraussetzungen der Verantwortlichkeit des Unternehmens? Insbesondere: Welche Unternehmen sind erfasst, welche Mitarbeiter können für das Unternehmen handeln, welche Taten sind einbezogen und inwieweit müssen diese nachgewiesen werden, in welchem Unternehmenskontext muss die Tat stattfinden, und gibt es weitere begrenzende Faktoren? Wie sehen die Sanktionen gegen Unternehmen aus? Insbesondere: welche Sanktionszwecke werden verfolgt, welche Sanktionen bestehen, wie läuft die Sanktionsbemessung ab? Wie läuft ein Strafverfahren gegen das Unternehmen ab? Welche Möglichkeiten zur Verfahrensbeendigung bestehen? Wie sieht die Sanktionspraxis aus?
Am stringentesten lassen sich diese Fragen für das Institut der Unternehmensstrafbarkeit im Recht der USA beantworten, da dieses ein einheitliches und umfassendes System darstellt. Im deutschen Recht bedarf es des weitergehenden Blicks auf straf- und ordnungswidrigkeitenrechtliche Institute, um funktionale Äquivalente zu finden, womit eine unterschiedliche Strukturierung der Landesberichte bereits vorgezeichnet ist. III. Definitionen In der vorliegenden Untersuchung wird ausgehend von der Sachproblematik von der Verantwortlichkeit und Sanktionierung von Unternehmen gesprochen. Die
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Verantwortlichkeit bezeichnet dabei die materiellrechtlichen Voraussetzungen, aufgrund deren ein Unternehmen Rechtsfolgen unterworfen werden kann. Der Begriff „Unternehmensstrafbarkeit“ wird primär in Bezug auf die Rechtslage in den USA verwendet und bezeichnet – nomen est omen – die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Unternehmens. Die Sanktionierung bezeichnet den Vorgang der Verhängung von Rechtsfolgen (Sanktionen) gegen ein Unternehmen, soweit die Voraussetzungen der Verantwortlichkeit bejaht werden. Der Begriff „Unternehmenssanktion“ dient als übergeordnete Bezeichnung, der neben straf- und ordnungswidrigkeitenrechtlichen Rechtsfolgen auch ahndende Maßnahmen des Zivilund Verwaltungsrechts erfasst. Unternehmensstrafe ist die kriminalstrafrechtliche Sanktion, Unternehmensgeldbuße die Sanktion des deutschen Ordnungswidrigkeitenrechts. Die Problematik der Verantwortlichkeit und Sanktionierung von Unternehmen wird vielfach auch unter anderer Bezeichnung diskutiert und hierbei auf moralische bzw. mystische Personen,25 juristische Personen,26 Körperschaften bzw. Vereinigungen,27 Verbände28 bzw. Personenverbände29 oder auf nicht natürliche Personen abgestellt. Angesprochen ist damit die Frage, wer als Adressat der Sanktion infrage kommt. Die meisten dieser Begrifflichkeiten sind insoweit unklar als es an einer Legaldefinition fehlt. Zum Teil sind sie zu eng, wenn wie mit dem Begriff „juristische Person“ auf den Status der Rechtsfähigkeit abgestellt wird. Daher wird vorliegend der Begriff „Unternehmen“ verwendet.30 Dieser verdeutlicht nicht nur den wirtschaftlichen Bezug, sondern macht zudem kenntlich, dass die Sachfragen der Verantwortlichkeit und der Sanktionierung fast nur in Bezug auf Unternehmen von praktischer Relevanz sind.31 Unter „Unternehmen“ wird hier in Anlehnung an § 14 StGB die planmäßige und zumeist auch räumlich verfasste Einheit mehrerer Personen und Sachmittel zur Erreichung des auf Dauer gerichteten Zwecks, Güter oder Leistungen materieller oder immaterieller Art hervorzubringen bzw. zur Verfügung ____________ So Feuerbach, Lehrbuch, § 36. Vgl. die Arbeitsgruppe „Strafbarkeit juristischer Personen“, in: Hettinger (Hrsg.), Verbandsstrafe, S. 7 ff.; Korte, Juristische Person, S. 5 ff.; Marcuse, GA 64 (1917), 478 ff. 27 Esch, Deliktsfähigkeit, S. 12 f. 28 Ch. Bauer, Verbandsstrafbarkeit, S. 1 ff.; Brender, Verbandstäterschaft, S. 5 f.; Haeusermann, Verband, S. 5 ff.; Schmitt, Verbände, S. 1 ff. 29 Peglau, JA 2001, 606. 30 So auch Alwart, ZStW 105 (1993), 752 ff.; Ehrhardt, Unternehmensdelinquenz, S. 25; Eidam, Unternehmen, S. 155 ff.; Hartan, Unternehmensstrafrecht, S. 32 ff.; Hirsch, ZStW 107 (1995), 285; Mittelsdorf, Unternehmensstrafrecht, S. 5; Schlüter, Unternehmen, S. 1 ff.; Stratenwerth, FS-Schmitt, S. 295 ff. Siehe auch Kindler, Unternehmen, S. 14 ff. sowie Bahnmüller, Unternehmensverantwortlichkeit, S. 1 ff. im europäischen Kontext. 31 Nicht ausgeschlossen ist damit eine Erstreckung der zu entwickelnden Grundsätze auf andere Zusammenschlüsse, aber in diesem Punkt bedarf es einer genauen Prüfung der zu erfassenden Zusammenschlüsse und inwieweit die für Unternehmen zugrunde gelegten Annahmen übertragbar sind. Diese Fragen können im Rahmen der vorliegenden Untersuchung nicht näher geklärt werden. 25
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1. Kapitel: Einführung
zu stellen (wobei eine Gewinnerzielungsabsicht nicht zwingend notwendig ist), verstanden.32 Häufig wird anstatt von „Unternehmen“ von „Unternehmensträgern“ gesprochen.33 Unternehmensträger sind diejenigen (natürlichen und juristischen) Personen, denen das Unternehmen rechtlich als Eigentum zugeschrieben ist (was sich im Regelfall nach den gesellschaftsrechtlichen Regelungen richtet). Vorliegend wird der Begriff des Unternehmensträgers aus sprachlichen Gründen nicht gewählt, jedoch inhaltlich Unternehmen grundsätzlich mit dem Unternehmensträger gleichgesetzt, soweit nicht allein eine natürliche Person Unternehmensträger ist. Die spezielle Frage, ob innerhalb eines Unternehmensträgers mehrere eigenständige Unternehmen agieren, wird im Rahmen dieser Untersuchung nicht näher behandelt.34 Der Begriff „Unternehmensmitarbeiter“ bezieht sich auf jede im Unternehmen tätige natürliche Person. Hierbei wird eine rein faktische Betrachtungsweise zugrunde gelegt und nicht auf die Art der vertraglichen Beziehung (Arbeitsvertrag oder gesellschaftsrechtlicher Vertrag) zum Unternehmen abgestellt. Erfasst sind somit sowohl der einfache Angestellte wie auch der Geschäftsführer oder Vorstand eines Unternehmens. B. Compliance-Maßnahmen Der zweite Problemkreis der vorliegenden Bearbeitung behandelt die Bedeutung von Compliance-Maßnahmen. Auch dieser Aspekt wird rechtsvergleichend untersucht.35 Angesichts der terminologischen und inhaltlichen Unklarheiten werden diese in einem ersten Schritt näher untersucht und für die weitere Bearbeitung definiert (I.) sowie zu verwandten Konzeptionen abgegrenzt (II.). Im Anschluss daran werden die die Untersuchung leitenden Sachfragen formuliert (III.). I. Definition der Compliance-Maßnahmen 1. Überblick zur Herkunft des Begriffs Der Begriff „Compliance“ ist vom englischen Verb to comply with (befolgen, einhalten, übereinstimmen) abgeleitet. Am längsten im Gebrauch ist der Terminus im medizinischen Bereich. Dort wird er als zuverlässige Befolgung einer therapeu-
____________ Vgl. nur Sch/Sch-Lenckner/Perron, § 14 Rn. 28/29. Vgl. bspw. Kirch-Heim, Sanktionen, S. 114 ff. 34 Relevant ist die Frage vor allem hinsichtlich der Verantwortlichkeit innerhalb von Konzernen, vgl. dazu Kirch-Heim, Sanktionen, S. 116 ff. 35 Zum rechtsvergleichenden Vorgehen siehe bereits oben S. 33. 32 33
§ 3 Gegenstand und Ziel der Untersuchung
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tischen Anweisung verstanden.36 In der betriebswirtschaftlichen Fachsprache wird der Begriff „Compliance“ seit einigen Jahren verwendet, um die Einhaltung von Gesetzen, Standards und Richtlinien innerhalb von Unternehmen zu bezeichnen. Im rechtlichen Kontext wurde der Begriff zunächst im Bankenbereich des angloamerikanischen Rechtskreises als Bezeichnung für die Sicherstellung gesetzeskonformen Mitarbeiterverhaltens in den klassischen Risikobereichen der Kreditinstitute (insbesondere bei der Verhinderung von Insidergeschäften) benutzt.37 Bald wurde jedoch die Bezeichnung „Compliance“ auch auf andere Rechtsbereiche ausgedehnt. Sie gilt heute grundsätzlich als Synonym für die Einhaltung von Vorgaben innerhalb eines Unternehmens.38 Im Recht der Europäischen Union hat sich der Begriff „Cross Compliance“ inzwischen fest etabliert. Er knüpft die Gewährung von Beihilfen für Landwirte an die Erfüllung von Umweltschutzauflagen. Der Ansatz wurde im Rahmen der Agenda 2000 aufgenommen und durch die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik 2003 gestärkt. Seit 2005 ist die Einhaltung der sogenannten anderweitigen Verpflichtungen (cross-compliance) für alle Landwirte, die Direktzahlungen erhalten, obligatorisch.39 Mehrere Rechtsakte machen Vorgaben für die Bereiche Umwelt, Gesundheit von Mensch, Tier und Pflanzen und den Tierschutz. Landwirten, die die Vorgaben nicht einhalten, drohen Sanktionen (Kürzung oder Streichung der Direktzahlungen). Die Empfänger der Direktzahlungen sind darüber hinaus verpflichtet, die Flächen in einem guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand zu erhalten. Compliance in diesem Sinne bedeutet somit vor allem die Einhaltung konkreter Schutzbestimmungen, um (aus Sicht der Landwirte) in den Genuss europarechtlicher Maßnahmen zu kommen und (aus Sicht der Regelungssetzer) Umwelt- und Qualitätsstandards durchzusetzen.
Ins deutsche Recht wurde der Begriff „Compliance“ im wirtschaftsrechtlichen Bereich erst in neuerer Zeit aus dem Englischen ohne Übersetzung übernommen.40 Zunächst fand er wie in den USA im Bereich der Kreditinstitute Anfang der 1990er Jahre Verwendung. Beispielsweise wurde Compliance als die „vertrauliche Behandlung von sensiblen Kunden- und Geschäftsdaten sowie Interessenkonfliktmanagement“ angesehen.41 Auch heute wird Compliance vielfach noch auf den Kredit- und Finanzbereich (insbesondere den Wertpapierhandel) bezogen.42 Erst ____________ 36 Vgl. beispielhaft Weber/Gundert-Remy/Schrey, Patienten-Compliance (1977). Der Begriff hat in dieser Bedeutung Eingang in die Rechtsprechung gefunden, vgl. OLG Hamburg GRUR-RR 2003, 105. 37 Vgl. Buff, Compliance, S. 10 ff.; Eisele, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, BankrechtsHandbuch, § 109 Rn. 5 ff.; Fleischer, NZG 2004, 1129 (1131); Grohnert, Grundlagen, S. 5; Lösler, Compliance, S. 13 ff. 38 Zur Entwicklung in den USA siehe eingehend unten S. 285 ff. 39 Vgl. Verordnung Nr. 1782/2003 des Rates [Konsolidierte Fassung] und Verordnung Nr. 796/2004 der Kommission. 40 Näher unten S. 496 ff. 41 So die Definition im Handbuch des Bundesverbands der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken e.V. et al., Handbuch der Compliance-Organisation, S. 24. 42 So auch die bislang einzige gesetzliche Verwendung des Begriffs in Deutschland, vgl. dazu unten S. 503 ff. zu § 33 WpHG.
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seit wenigen Jahren wird Compliance allgemeiner auf die Einhaltung von Geboten in den verschiedensten Rechtsbereichen bezogen.43 2. Verwandte Bezeichnungen In dieser Arbeit werden die Begriffe „Compliance“, „Compliance-Programm“ und „Compliance-Maßnahme“ verwendet. Eine andere Begrifflichkeit wird nur herangezogen, soweit im jeweils beschriebenen Kontext bereits ein anderer Begriff allgemeine Anwendung findet. Die Beschränkung auf den Begriff „Compliance“ soll jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass vielfach die inhaltlich gleiche Diskussion unter anderen Bezeichnungen geführt wird. Genannt werden können hierbei:44 Business Compliance Programm, Compliance-Funktion,45 ComplianceKonzept, Compliance-Organisation, Compliance-Struktur, Corporate Compliance Policy, Compliance- und Ethik-Programm,46 Compliance- und Ethikrichtlinien, Corporate Governance, Corporate Social Responsibility, Ethik-Programm, Internes Kontrollsystem, Risk-Management, Value Management, Wertemanagement System. Vielfach wird insbesondere im angloamerikanischen Sprachraum der Begriff „Kodex“ (code) verwendet und beispielsweise von Business Code, Integrity Code, Code of Ethics, Code of Conduct, Code of Practice oder Honor Codes (zumeist in akademischen Institutionen) gesprochen. Im Deutschen wird zumeist der Terminus „Verhaltenskodex“ verwendet. Soweit mehr die Leitlinien des Unternehmens betont werden sollen, wird auf Begriffe wie „Business Principles“, „Corporate Credo“, „Corporate Philosophy“, „Corporate Standards“ oder „Corporate Ethics Statement“ rekurriert. Die Verschiedenartigkeit dieser Begriffe spiegelt nur zum Teil inhaltliche Abweichungen wider und zeigt damit vor allem den Mangel an einer einheitlichen Begrifflichkeit auf diesem Gebiet. Da unter diesen Termini zahlreiche Aspekte diskutiert werden, die für Compliance, wie es im Folgenden definiert wird, von Bedeutung sind, wird auf die entsprechende Literatur verwiesen, ohne dass explizit noch einmal auf die begriffliche Unterscheidung eingegangen wird. Inhaltlich zum vorliegenden Verständnis von Compliance abgrenzbar ist vor allem der Begriff des Kodex, der sich inzwischen als ein klar definierbarer Aspekt eines Compliance____________ 43 Vgl. exemplarisch den umfangreichen Sammelband von Hauschka, Compliance (2007). 44 Vgl. zur unterschiedlichen Begriffswahl auch Kaptein/Schwartz, 77 J. Bus. Ethics (2008), S. 111 (112); Mahnhold, Compliance, S. 30 f.; McCabe/Trevino/Butterfield, 6 Bus. Ethics Q. (1996), S. 461; Palazzo, Die Kriminalprävention 2001, 52 (57); Sieber, FSTiedemann, S. 449 (451); Walsh/Pyrich, 47 Rutgers L. Rev. (1994-95), S. 605 (645); siehe auch Note, 116 Harv. L. Rev. (2002-03), S. 2123 (2125 f.); Pitt/Groskaufmanis, 78 Geo. L. J. (1989-90), S. 1559. 45 Dieser Begriff wird in § 33 WpHG verwendet, siehe dazu unten S. 503 ff. 46 Dieser Terminus wird von den amerikanischen Strafzumessungsrichtlinien für Unternehmen benutzt, siehe dazu unten S. 162 ff.
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Programms herausgebildet hat (siehe dazu unter 3.). Auch die Begriffe der Corporate Governance und der Corporate Social Responsibility werden getrennt angesprochen. Hinter diesen stehen vom Compliance-Ansatz deutlich unterscheidbare Konzeptionen (vgl. unter II.1. und II.2.). Da die meisten Begriffe explizit oder inhaltlich Bezug auf den ethischen Aspekt nehmen, wird auf den Bereich der Unternehmensethik ebenfalls kurz eingegangen (vgl. unter II.3.). 3. Definitionen Wie aus der mannigfaltigen Verwendung des Begriffs bereits deutlich wurde, besteht eine einheitliche Definition von Compliance trotz seiner inzwischen weiten Verbreitung nicht, auch wenn teilweise sogar auf eine Definition völlig verzichtet wird.47 Damit teilt dieser Terminus das Schicksal der meisten der oben angeführten Begriffe. Unterscheiden kann man ein weites und ein enges Verständnis von Compliance. Im weiteren Sinne ist Compliance die Einhaltung bestimmter Gebote.48 Da hiermit allerdings über rechtliche Gebote hinaus auch allein ethische oder unternehmenspolitische Anliegen erfasst werden, wird Compliance zumeist enger definiert und bedeutet danach Handeln in Übereinstimmung mit dem geltenden Recht.49 In diesem letztgenannten Sinne wird Compliance für die vorliegende Arbeit definiert: Compliance ist die Einhaltung der für ein Unternehmen und seine Mitarbeiter geltenden rechtlichen Bestimmungen. Im Hinblick auf eine straf- oder ordnungswidrigkeitenrechtliche Verantwortlichkeit des Unternehmens bedeutet Compliance somit die Einhaltung der entsprechenden straf- oder ordnungswidrigkeitenrechtlichen Vorschriften.50 Compliance bezeichnet zunächst nur eine Selbstverständlichkeit, da die Rechtsordnung die Einhaltung rechtlicher Vorgaben durch das Unternehmen und seine Mitarbeiter genauso erwartet wie von jeder anderen Person auch.51 Jedoch ist die Rechtseinhaltung in einem Unternehmen deutlich schwerer zu erreichen, als wenn ____________ 47 So bspw. bei Kuthe/Rückert/Sickinger (Hrsg.), Compliance-Handbuch Kapitalmarktrecht. 48 Vgl. Hauschka, Hdb Compliance, § 1 Rn. 2; ähnlich Bergmoser et al., BB-Special 2008 (Nr. 5), 1 (2); Eisele, WM 1993, 1021; Hauschka, NJW 2004, 257; Kort, NZG 2008, 81 (82); Strasser, in: Niggli/Amstutz (Hrsg.), Verantwortlichkeit, S. 245 (256). 49 Vgl. Bürkle, BB 2005, 565; Dreher, ZWeR 2004, 75 (78 f.); Grohnert, Grundlagen, S. 1; Klindt, NJW 2006, 3399; Lösler, NZG 2005, 104; Mahnhold, Compliance, S. 29; Schneider, ZIP 2003, 645 (646); Weiss, Die Bank 1993, 136 (137); ähnlich auch Bröker, Compliance, S. 1 (der allerdings nicht ganz stringent die Definition auf die Kurzformel „Compliance = Wohlverhalten“ zu kondensieren versucht). 50 Vgl. auch die Strafzumessungsrichtlinien in den USA, die Compliance in Bezug zur Aufdeckung und Vermeidung kriminellen Verhaltens setzen, § 8 B 2.1 Cmt. 1. USSG. 51 Treffend spricht Schneider, ZIP 2003, S. 645 (646) daher von einer „Binsenweisheit“.
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der Normbefehl nur an eine einzige natürliche Person gerichtet ist, da in einem Unternehmen eine Vielzahl von Personen mit einer Vielzahl von Interessen verbunden sind. Der Zustand Compliance ist in einem Unternehmen nicht ohne Weiteres gegeben, aufrechtzuerhalten oder in manchen Fällen auch erst zu erreichen. Auf die Erreichung des Zustands Compliance zielen die meisten Veröffentlichungen ab.52 Compliance wird so zum Synonym für umfangreiche Maßnahmen, die ein Unternehmen ergreifen kann, um die Rechtseinhaltung zu gewährleisten und Verstöße zu vermeiden bzw. aufzudecken.53 Um begriffliche Verwirrungen auszuschließen, werden derartige Maßnahmen im Folgenden nicht als Compliance, sondern als Compliance-Maßnahmen oder als Compliance-Programm bezeichnet.54 Der Terminus „Compliance-Programm“ wird vor allem dann gewählt, wenn auf ein umfassenderes Gesamtkonzept Bezug genommen wird. Die Compliance-Maßnahme bezieht sich auf einen Teilaspekt eines Compliance-Programms. Compliance wird dabei nicht auf Maßnahmen beschränkt, die ein Unternehmen freiwillig vornimmt, sondern bezieht sich gleichermaßen auf solche, die gesetzlich vorgeschrieben sind.55 Auf die Bestandteile, die ein Compliance-Programm enthalten sollte, kann an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden.56 Vorab klargestellt sei jedoch, dass der Begriff „Code of Ethics“ (synonym: Code of Conduct) vorliegend als Bestandteil eines Compliance-Programms verstanden wird. Code of Ethics bezeichnet das ____________ 52 Teilweise wird Compliance auch als die Aufgabe und die Funktion definiert, in einem Unternehmen die Voraussetzungen und das Bewusstsein zu schaffen, dass alle Mitarbeitenden für das Unternehmen relevante Bestimmungen einhalten, vgl. Buff, Compliance, S. 10 ff.; ähnlich Müller, Compliance-Management, S. 25 f., sowie die Definition in Nr. 2.1 der (in der inzwischen aufgehobenen) Compliance-Richtlinie des BAWe, BAnz Nr. 210 vom 6.11.1999, S. 18453 (vgl. dazu unten S. 503). Hier vermischen sich allerdings Definition und Zielsetzung von Compliance (bzw. Compliance-Programm). 53 Bürkle, BB 2005, 565; Fatino, 51 Drake L. Rev. (2002-03), S. 81 (82); Eisele, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 109 Rn. 1; Gruner/Brown, 21 J. Corp. L. (1995-96), S. 731 (737); Hauschka, NJW 2004, 257; Kiethe, GmbHR 2007, 393 (394); Klümper/Vollebregt, PharmR 2009, 313 (314); Laufer, 34 Am. Bus. L. J. (1996), 157 (163); Lösler, Compliance, S. 11; Mengel/Hagemeister, BB 2006, 2466; Schneider, ZIP 2003, 645 (646); Strasser, in: Niggli/Amstutz (Hrsg.), Verantwortlichkeit, S. 245 (256). Siehe auch Klindt, NJW 2007, 2460 („Vielmehr geht es gerade um die Emanzipation von individueller Rechtstreue hin zu einer organisierten, dokumentierten und auch sanktionierten Architektur der Rechtseinhaltung in allen unternehmerischen Tätigkeitsbereichen.“). Neben dem Aspekt der Rechtseinhaltung wird vielfach auch das Risikomanagement hervorgehoben, vgl. v. Hehn/Hartung, DB 2006, 1909 f. 54 So sprechen insbes. die Strafzumessungsrichtlinien für Unternehmen (organizational sentencing guidelines) von Compliance-Programmen, § 8 B 2.1 USSG. 55 Vgl. zum Aspekt der Freiwilligkeit Lösler, Compliance, S. 121 f. (auf § 33 WpHG bezogen). 56 Siehe dazu näher unten unter S. 163 ff. zu den Anforderungen der Strafzumessungsrichtlinien, wie auch zum Vorschlag der notwendigen Bestandteile im Rahmen der rechtspolitischen Überlegungen unten S. 711 ff.
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formale Dokument, das die Verhaltensvorgaben und -standards im Unternehmen beinhaltet.57 In der Regel ist es Teil eines umfassenden Compliance-Manual. Klargestellt sei auch, dass die Festlegung auf den Begriff „Compliance-Programm“ noch keine Aussage darüber trifft, inwieweit ethische Werte in ein derartiges Programm einbezogen werden sollen. Der ethische Aspekt wird inzwischen aber als wichtiger Baustein innerhalb eines Compliance-Programms angesehen (siehe dazu II.3.). II. Verhältnis zu verwandten Konzeptionen 1. Verhältnis zur Corporate Governance Auch der Begriff „Corporate Governance“ stammt wie der Terminus „Compliance“ aus dem angelsächsischen Rechtskreis.58 Eine Übersetzung ins Deutsche ist nur schwer möglich. Wörtlich bezeichnet der Ausdruck die „Unternehmensführung“, inhaltlich kommt er jedoch dem deutschen Verständnis der „Unternehmensverfassung“ am nächsten.59 Wie beim Begriff „Compliance“ wurde daher auf eine Übersetzung verzichtet und die deutsche Sprache um einen Anglizismus bereichert. Definiert wird Corporate Governance in Anlehnung an den Deutschen Corporate Governance Kodex (dazu im Folgenden) im Wesentlichen als der rechtliche und faktische Ordnungsrahmen für die Leitung und Überwachung eines Unternehmens.60 Zumeist werden dabei allerdings nicht alle Unternehmen einbezogen, sondern die Diskussion wie im Deutschen Corporate Governance Kodex auf die (im besonderen Augenmerk der Öffentlichkeit stehenden) börsennotierten Gesellschaften beschränkt. Der Hauptgrund liegt darin, dass bei diesen Unternehmen Kapitaleigentum und Management auseinanderfallen (sogenanntes principal agentProblem). Seit der Aufarbeitung dieser Problematik durch die Amerikaner Berle/ Means in den 1930er Jahren findet eine fortlaufende Diskussion über Art und Umfang einer effektiven Kontrolle dieser Unternehmen statt.61 Auch wenn die Frage nach der richtigen Unternehmensverfassung bereits seit Längerem ein Thema des deutschen Gesellschaftsrechts ist, so hat die unter dem Begriff „Corporate Governance“ diskutierte Entwicklung erst in den 1990er Jahren ____________ 57 Vgl. Fort, 1 Hastings Bus. L. J. (2005), S. 194; Kaptein/Schwartz, 77 J. Bus. Ethics (2008), S. 111 (112); Note, 116 Harv. L. Rev. (2002-03), S. 2123 (2126 f.). 58 Vgl. Leyens, JZ 2007, 1061 f. m.w.N. 59 DCGK-Kommentar-v. Werder Rn. 1. 60 DCGK-Kommentar-v. Werder Rn. 1. Siehe auch Bergmoser et al., BB-Special 2008 (Nr. 5), 1; Kirschbaum/Wittmann, JuS 2005, 1062 f.; Schwalbach/Schwerk, in: Habisch/ Schmidpeter/Neureiter (Hrsg.), Corporate Citizenship, S. 71 (72 ff.); Slavik, Corporate Governance, S. 1 f. Die Definition wird international unterschiedlich gehandhabt, vgl. Buff, Compliance, S. 67 f.; Solomon, Corporate Governance, S. 12 ff. 61 Berle/Means, Corporation, S. 44 ff., 69.
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vermehrt Aufmerksamkeit erfahren. Ihren eigentlichen Durchbruch konnte sie sogar erst nach der Jahrtausendwende verzeichnen. Die Vorgänge in den USA infolge der Zusammenbrüche der Unternehmen Enron und Worldcom, insbesondere die Verabschiedung des Sarbanes-Oxley Act, haben dabei großen Einfluss auf die Diskussion genommen.62 Die Erstellung eines deutschen Corporate Governance Kodex hatte entscheidenden Anteil, die (begrenzte) Corporate Governance Debatte in eine allgemeine Diskussion zu überführen und sie nunmehr zu einem eigenständigen Forschungsbereich werden zu lassen.63 Im Auftrag des Bundesministeriums der Justiz rief die deutsche Wirtschaft eine Kodexkommission ins Leben, die die Aufstellung von Grundsätzen guter Unternehmensführung zum Ziel hatte.64 Die Kommission verabschiedete den Deutschen Corporate Governance Kodex am 23. Januar 2002.65 Das Bundesministerium der Justiz hat den Kodex im gleichen Jahr im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlicht.66 Er wird jährlich von der Kommission überprüft und ist bereits mehrfach überarbeitet und weiterentwickelt worden.67 Der Kodex hat dazu geführt, dass sich die Corporate Governance Diskussion in Deutschland im Wesentlichen am Inhalt des Kodex orientiert (und häufig auch darauf beschränkt). Die Vorschriften, die der Kodex enthält, unterteilen sich in drei Kategorien: die Wiedergabe gesetzlich verpflichtender Vorgaben, Empfehlungen und Anregungen. Empfehlungen und Anregungen sind (mangels gesetzlicher Festschreibung) nicht unmittelbar rechtsverbindlich. Allerdings haben Vorstand und Aufsichtsrat börsennotierter Gesellschaften sowie bestimmter Wertpapierhandelsunternehmen (bemerkenswerterweise nicht die Unternehmen selbst) in Bezug auf die Empfehlungen nach § 161 AktG zu erklären, ob das Unternehmen diese einhält oder nicht (comply or disclose).68 Seit der Reform durch das im März 2009 verabschiedete Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts (BilMoG) fordert § 161 Abs. 1 AktG nunmehr auch, dass die Unternehmen erklären, warum sie Vorgaben des Kodex nicht einhal-
____________ 62 Vgl. Lanfermann/Maul, DB 2002, 1725; Martin, NZG 2003, 948 sowie eingehend v. Hein, Rezeption, S. 259 ff. 63 Zur Einschätzung als eigenständiger Forschungsbereich siehe Leyens, JZ 2007, 1061. 64 Zur Entwicklung vgl. DCGK-Kommentar-Ringleb Rn. 9 ff. sowie Peltzer, NZG 2002, 593. 65 Der Kodex ist auf der Webseite der Kommission abrufbar: . 66 Veröffentlichung vom 20.8.2002 (eBAnz AT1 2002 B1); abrufbar unter . 67 Die aktuelle Fassung des Kodex stammt vom 18. Juni 2009 (abrufbar unter ); der Kodex wurde vom BMJ am 5.8.2009 im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlicht (eBAnz AT79 2009 B1). 68 Vgl. zum Kontext der Schaffung des § 161 AktG Schüppen, ZIP 2002, 1268 ff.
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ten.69 Die Entsprechungserklärung muss nach § 161 Abs. 2 AktG auf der Internetseite der Unternehmen dauerhaft öffentlich zugänglich gemacht werden.70 Der Kodex ist hinsichtlich seiner Rechtsnatur ein hybrides Produkt: geschaffen durch die Wirtschaft selbst, allerdings auf staatliche Initiative, mit staatlicher Billigung und durch den Bezug in § 161 AktG sowie in § 289a HGB sogar mit legislativer Verankerung.71 Auch diese hybride Form führt nicht dazu, dass der Kodex unmittelbar verbindliche Regelungen aufstellt, er ist insoweit wie völlig auf Eigeninitiative der Wirtschaft entstandene Regularien eine bloße Verhaltensempfehlung. Durch seine gesetzliche Verankerung in § 161 AktG hat er jedoch mittelbar konkrete rechtliche Auswirkungen, die ihn von anderen Empfehlungen der Privatwirtschaft unterscheiden.72 Von daher ist er am besten als Rechtsform sui generis zu bezeichnen,73 die im Zwischenbereich von verbindlicher Gesetzesnorm und völlig unverbindlicher privater Regelung angesiedelt ist. Der Kodex erwähnte bis zur Überarbeitung im Jahr 2007 den Begriff „Compliance“ nicht. Er sprach lediglich an drei Stellen das Risikomanagement74 an und regelte zudem, dass der Vorstand für die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen zu sorgen hat.75 Der Begriff „Risikomanagement“,76 der nicht näher konkretisiert wird, bezieht sich nach dem Kodex auf die bereits geltende gesetzliche Lage.77 Trotz der abweichenden Terminologie zielt er dabei auf die Verpflichtung nach § 91 Abs. 2 AktG, wonach der Vorstand Maßnahmen zu treffen hat, um die Gesellschaft gefährdende Entwicklungen frühzeitig zu
____________ 69 Vgl. BR-Drs. 270/09 vom 27.3.2009; aus dem Gesetzgebungsverfahren siehe den Gesetzentwurf der Bundesregierung für ein Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts vom 30.7.2008, BT-Drs. 16/10067, S. 22. Siehe auch die Stellungnahme des BR vom 4.7.2008, BR-Drs. 344/08 zum vorgehenden Entwurf. 70 Bis zur Reform durch das BilMoG genügte, dass die Erklärung den Aktionären dauerhaft zugänglich gemacht wurde (§ 161 Satz 2 AktG a.F.). 71 Zur Rechtsqualität des Kodex vgl. DCGK-Kommentar-Ringleb Rn. 51 ff.; Schiller, Kodex, S. 74 ff. 72 Zum mittelbaren Normcharakter, v.a. als Haftungsmaßstab, siehe Körner, NZG 2004, 1148 (1149 ff.); DCGK-Kommentar-Ringleb Rn. 52 ff.; Schiller, Kodex, S. 95 ff. Insbes. die aktienrechtlichen Folgen sind umstritten. Bspw. nahm das LG München (CCZ 2008, 28) an, dass ein Verstoß von Beschlüssen der Hauptversammlung gegen den Kodex nicht zur Anfechtbarkeit der Beschlüsse führe (vgl. dazu Thümmel, CCZ 2008, 141 ff.); dagegen hat der BGH (ZIP 2009, 460) bei einem Verstoß gegen den Kodex und eine in der Folge unrichtig abgegebene Entsprechungserklärung eine Anfechtbarkeit von Entlastungsbeschlüssen bejaht. Vgl. näher Mutter, ZGR 2009, 788 ff. 73 So auch Kirschbaum/Wittmann, JuS 2005, 1062 (1064). Häufig wird der Kodex auch als „soft law“ bezeichnet, vgl. Körner, NZG 2004, 1148 (1149); Kort, NZG 2008, 81 (82). Dies ist insoweit missverständlich, als damit die mittelbare Wirkung nicht ausreichend hervorgehoben wird. 74 Vgl. DCGK 4.1.4, 5.2, 5.3.2 a.F. 75 Vgl. DCGK 4.1.3 a.F. 76 Siehe dazu auch unten S. 52. 77 Vgl. DCGK Präambel Abs. 8 Satz 6.
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erkennen.78 Wie bei § 91 Abs. 2 AktG stellt sich damit die Frage, ob ein umfassendes allgemeines Risikomanagementsystem zu errichten oder ob die Regelung eine bloße Bestandssicherungspflicht ist.79 Allgemein angenommen wird, dass zwar eine Verpflichtung zu Errichtung eines funktionsfähigen Risikosystems besteht, nicht aber zur Etablierung eines umfassenden Risikomanagementsystems.80 Die Verpflichtung ist dabei auf das reine Risikomanagement beschränkt. Eine umfassendere Verpflichtung wie zur Errichtung eines Compliance-Programms wird dadurch nicht begründet. Indem der Kodex vorsieht, dass der Vorstand für die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen zu sorgen hat, beschreibt er wiederum nur die gesetzliche Lage. Er verzichtete auf eine nähere Detaillierung der Vorstandspflichten. Somit ergibt sich auch hieraus nicht unmittelbar eine ComplianceVerpflichtung.
Unabhängig von diesen ursprünglichen Vorgaben des DCGK wurde Compliance bereits früh als ein bedeutendes Element guter Corporate Governance angesehen.81 Es wurde daher angeregt, zumindest in Einzelbereichen wie beispielsweise der Korruptionsbekämpfung Compliance-Verpflichtungen in den Kodex aufzunehmen.82 Im Jahr 2007 wurden die Vorschläge teilweise aufgegriffen und der Kodex ergänzt.83 Allerdings waren die Änderungen vor allem formaler Natur. Die Verpflichtung des Vorstands, auf die Einhaltung der rechtlichen Bestimmungen und internen Richtlinien hinzuwirken (DCGK 4.1.3), wurde beispielsweise nur um den Zusatz „(Compliance)“ ergänzt.84 In ähnlicher Weise wurde der Kodex dahingehend erweitert, dass der Vorstand den Aufsichtsrat über Compliance-Aktivitäten informiert (DCGK 3.4). Eine Begrenzung auf Einzelbereiche fand nicht statt, Compliance bezeichnet also generell die Einhaltung von Vorschriften jeglicher Art. Die einzige weitergehende Änderung erfolgte im Bereich des vom Aufsichtsrat einzurichtenden Prüfungsausschusses (Audit Committee), der sich nach der Neufassung explizit mit Fragen des Compliance befassen soll (5.3.2). Dies soll sicherstellen, dass das Gremium bei Verdachtsmomenten seiner Überwachungspflicht nachkommt.85 Insgesamt empfiehlt der Kodex aber nach wie vor nicht die Errichtung von Compliance Programmen, sondern beschränkt sich auf einen reinen Programmsatz.86 Klargestellt ist jedoch, dass Compliance Teil einer guten Corporate Governance-Struktur ist. ____________ DCGK-Kommentar-Ringleb Rn. 637 ff.; Preußner, NZG 2004, 303 (304). Preußner, NZG 2004, 303 (305). 80 Vgl. Preußner, NZG 2004, 303 (304 ff.); DCGK-Kommentar-Ringleb Rn. 652 ff. Zu § 91 Abs. 2 AktG vgl. unten S. 499. 81 Buff, Compliance, S. 66 ff.; Fleischer, NZG 2004, 1129 (1131); Schneider, ZIP 2003, 645 (647). 82 Vgl. den Vorschlag von Transparency International – Deutsches Chapter e.V., Vorschläge zur Fortschreibung des Deutschen Corporate Governance Kodex, Köln (2003), S. 1 ff.; näher dazu Bachmann/Prüfer, ZRP 2005, 109. 83 Vgl. dazu Bürkle, BB 2007, 1797 ff.; Kort, NZG 2008, 81 (83 f.). 84 Der Kodex folgt bei der Definition von Compliance durch den Hinweis auf die Einhaltung interner Richtlinien einem weiten Verständnis des Begriffs. 85 Vgl. DCGK-Kommentar-Kremer Rn. 992a. 86 Vgl. Kort, NZG 2008, 81 (84); DCGK-Kommentar-Ringleb Rn. 618, 636. 78 79
§ 3 Gegenstand und Ziel der Untersuchung
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2. Verhältnis zur Corporate Social Responsibility/Corporate Citizenship Der Begriff „Corporate Social Responsibility“ (CSR) ist ein weiterer ohne Übersetzung in die deutsche Sprache übernommener Begriff,87 der sich ähnlicher Popularität erfreut wie die Termini „Compliance“ und „Corporate Governance“. Vielfach wird als Synonym „Corporate Citizenship“ (CC) verwendet.88 Auch für die Begriffe „Corporate Social Responsibility/Corporate Citizenship“ gibt es keine allgemeingültige Definition. Im Wesentlichen werden alle Aktivitäten umfasst, die ein Unternehmen im Hinblick auf seine gesellschaftliche Verantwortung wahrnimmt.89 Dabei handelt es sich nicht primär um beliebige wohltätige Handlungen (wie Spenden oder Mäzenatentum), sondern vielmehr um die Wahrnehmung eng mit der Unternehmenstätigkeit verbundener Aufgaben.90 Erfasst sind die Einhaltung arbeitsrechtlicher Standards, die Berücksichtigung von Menschenrechten und Umweltstandards genauso wie ein verantwortungsvoller Umgang des Unternehmens mit Anteilseignern, Lieferanten, Kunden und der Öffentlichkeit. Ihren Ursprung haben diese Aktionsfelder häufig in Aktivitäten internationaler Organisationen,91 die seit den 1990er Jahren zunehmend Standards für (vor allem für multinationale) Unternehmen entwickelt haben.92 Die vorgenannten Bereiche machen deutlich, dass es sich bei CSR/CC um kein klar umrissenes Gebiet handelt, sondern dass CSR/CC als Sammelbegriffe für gesellschaftlich relevante Aktivitäten von Unternehmen fungieren. Die Aktivitäten können sich dabei sowohl aus (verbindlichen) rechtlichen Verpflichtungen ergeben ____________ 87 Zum Teil wird auch allein von Corporate Responsibility gesprochen, in der Praxis hat sich jedoch inzwischen vermehrt der Begriff CSR durchgesetzt. 88 Vgl. Habisch/Wildner/Wenzel, in: Habisch/Schmidpeter/Neureiter (Hrsg.), Corporate Citizenship, S. 3, die die Begriffe CSR und CC austauschbar verwenden. Siehe näher zu den verschiedenen Ausprägungen Garriga/Melé, 53. J. Bus. Ethics (2004), S. 51 ff.; Schwalbach/Schwerk, in: Habisch/Schmidpeter/Neureiter (Hrsg.), Corporate Citizenship, S. 71 (72 ff.); Weber, in: Schaltegger/Müller (Hrsg.), Corporate Social Responsibility, S. 39 (44 ff.); Welzel, in: Schaltegger/Müller (Hrsg.), Corporate Social Responsibility, S. 53 ff. 89 Vgl. Habisch/Wildner/Wenzel, in: Habisch/Schmidpeter/Neureiter (Hrsg.), Corporate Citizenship, S. 3 (8 ff.); Schaltegger/Müller, in: dies. (Hrsg.), Corporate Social Responsibility, S. 17 ff.; Weber, in: Schaltegger/Müller (Hrsg.), Corporate Social Responsibility, S. 39 (44 ff.); Welzel, in: Schaltegger/Müller (Hrsg.), Corporate Social Responsibility, S. 53 ff. 90 Garriga/Melé, 53. J. Bus. Ethics (2004), S. 51 (65); Habisch/Wildner/Wenzel, in: Habisch/Schmidpeter/Neureiter (Hrsg.), Corporate Citizenship, S. 3 (4 f.). 91 Vgl. Neureiter/Palz, in: Habisch/Schmidpeter/Neureiter (Hrsg.), Corporate Citizenship, S. 447 (449 ff.). 92 Vgl. v.a. die Global Compact-Initiative der UN gegen Kinderarbeit, Zwangsarbeit und Diskriminierung (www.unglobalcompact.org), die von der OECD entwickelten Richtlinien für multinationale Unternehmen (www.oecd.org/dataoecd/56/36/1922428.pdf) und die vierte Überarbeitung der Erklärung der International Labour Organisation (ILO) aus dem Jahr 2006 zu multinationalen Unternehmen und Sozialpolitik ().
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1. Kapitel: Einführung
wie auch aus (unverbindlichen) ethisch-moralischen Vorstellungen.93 Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der Übernahme freiwilliger Aufgaben, in denen erst das eigentliche bürgerliche Engagement zum Ausdruck kommt und die damit den gesellschaftlichen Mehrwert gegenüber der alleinigen Einhaltung gesetzlicher Regelungen darstellen.94 Ein Teil der möglichen Aktivitäten wird vom Bereich der Corporate Governance abgedeckt,95 der in starkem Maß durch die Verantwortung des Unternehmens gegenüber der Öffentlichkeit (Transparenz) und, soweit eine Trennung von Eigentum und Unternehmensleitung vorliegt, auch gegenüber den Anteilseignern gekennzeichnet ist. Im Vordergrund der Corporate Governance stehen dabei die Strukturen des Unternehmens. Im Rahmen der CSR/CC wird der Schwerpunkt mehr auf die inhaltliche Wahrnehmung bestimmter gesellschaftlicher Aufgaben gelegt. CSR/CC, Corporate Governance und Compliance stehen somit in einem engen Verhältnis zueinander, wobei der engste Bereich aufgrund seiner Anknüpfung an rechtlichen Regelungen der des Compliance ist. Der allumfassendste ist dagegen der der CSR/CC, soweit dem hier zugrunde gelegten weiten Verständnis gefolgt wird. Im Überblick lassen sich die drei Bereiche somit vereinfacht grafisch wie folgt darstellen: Schaubild 1: Verhältnis Compliance, CG, CSR
____________ 93 Vgl. Schwartz/Carroll, 13 Bus. Ethics Q. (2003), S. 503 ff. Siehe aber bspw. Schaltegger/Müller, in: dies. (Hrsg.), Corporate Social Responsibility, S. 17 (18), die nur die Übernahme freiwilliger Aufgaben als erfasst ansehen. 94 Vgl. Weber, in: Schaltegger/Müller (Hrsg.), Corporate Social Responsibility, S. 39 (41). 95 Vgl. auch Schwalbach/Schwerk, in: Habisch/Schmidpeter/Neureiter (Hrsg.), Corporate Citizenship, S. 71 (82 ff.).
§ 3 Gegenstand und Ziel der Untersuchung
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3. Verhältnis zur Unternehmensethik Die Unternehmensethik, die der unternehmensbezogene Teil der allgemeinen Wirtschaftsethik (business ethics) ist, hat ihre Wurzeln ebenfalls primär in den USA.96 Die Forderung nach einem ethischen Handeln in der Wirtschaft und den Unternehmen ist seit Jahren Gegenstand der öffentlichen Diskussion und in zahlreichen Ländern inzwischen wesentlicher Bestandteil des unternehmerischen Selbstverständnisses (der Corporate Identity) geworden. In Deutschland ist das Bewusstsein für ethisches Handeln vor allem in den 1980er Jahren entstanden und hat in den 1990er Jahren den eigentlichen Durchbruch erlebt.97 Wie in den vorgenannten Bereichen der CSR/CC, Corporate Governance und Compliance steht auch hinter der Unternehmensethik keine einheitliche Konzeption, sondern es handelt sich um eine Vielzahl verschiedener Ansätze, die unterschiedlichen historischen Strömungen entspringen.98 Alle eint jedoch das Bemühen, ein Handeln im Unternehmen nicht allein an streng monetären Gesichtspunkten auszurichten. Leitlinie soll auch ein ethisches Handeln sein. Welche ethischen Werte dabei in Betracht kommen, ist wenig spezifiziert, vielfach sind es umweltbezogene (Bekenntnis zur Ressourcenschonung, Nachhaltigkeit, ökologisches Engagement), arbeitsplatzbezogene (Arbeitsschutz, Einhaltung der Menschenrechte) oder konsumentenbezogene (Fair Trade) Aspekte.99 In weiten Bereichen deckt sich die Unternehmensethik daher thematisch mit dem Bereich CSR/CC. Aber auch zum Bereich Compliance finden sich zahlreiche Überschneidungen, insbesondere soweit es die konkrete Umsetzung der Unternehmensethik anbelangt. Hier wird vielfach ein Ethikprogramm mit einem Compliance-Programm gleichgesetzt.100 Soweit dies in der Diskussion geschieht, werden diese Aspekte vorliegend unter der Bezeichnung „Compliance-Programm“ erörtert. Der Begriff „Compliance-Programm“ erscheint deshalb vorzugswürdig, weil er umfassender ist und Ethik nur als einen unter mehreren Aspekten eines Compliance-Programms begreift.101 Nicht gefolgt wird daher dem von einigen Autoren vertretenen Ansatz, ____________ Vgl. Bussmann, MschrKrim 86 (2003), S. 89 (96). Siehe auch unten S. 287. Vgl. bspw. Leisinger, Unternehmensethik, S. 18 ff.; siehe auch Bussmann, MschrKrim 86 (2003), S. 89 (97 f.). 98 Vgl. die historische Darstellung der ethischen Dimensionen innerhalb der verschiedenen ökonomischen Theorien bei Korff (Hrsg.), Hdb Wirtschaftsethik, Bd. 1, S. 344 ff. 99 Vgl. Talaulicar, Unternehmenskodizes, S. 202 ff. 100 Vgl. bspw. Bussmann, MschrKrim 86 (2003), 89 ff., der im Wesentlichen von der Unternehmensethik spricht, inhaltlich jedoch zahlreiche Compliance-Maßnahmen heranzieht, ohne hierbei zwischen Ethik und Compliance zu trennen. Eingehend zu Kodizes auch Talaulicar, Unternehmenskodizes, S. 115 ff. 101 Vgl. ähnlich Schneider, ZIP 2003, 645 (649), der die Aufnahme ethischer Standards in ein Compliance-Programm vorschlägt. Dies entspricht auch dem Ansatz der amerikanischen Strafzumessungsrichtlinien, die seit 2004 klarstellend nicht mehr allein von „Compliance-Programm“ sondern von „Compliance- und Ethikprogramm“ sprechen (siehe dazu unten S. 145). 96
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1. Kapitel: Einführung
ein ethisch basiertes System stehe Compliance-Programmen als reinen Kontrollsystemen konträr gegenüber.102 Ein derartiges Verständnis verengt den ComplianceBegriff zu sehr auf formalistisch geprägte Kontrollmaßnahmen. 4. Weitere Abgrenzungen Der Bereich Compliance berührt inhaltlich Aufgaben, die bereits in vielen Unternehmen wahrgenommen werden, teilweise in eigenen Abteilungen. Vorliegend sei nur das Verhältnis zu den wichtigsten Aufgaben und Abteilungen klargestellt: dem Risikomanagement, dem Controlling, der internen Revision und der Rechtsabteilung. Das Risikomanagement ist ein etabliertes Teilgebiet im Bereich der Wirtschaftswissenschaften und seit einigen Jahren zunehmend auch von rechtlichem Interesse.103 Es behandelt die Frage, inwieweit ein Unternehmen im laufenden Geschäftsbetrieb Risiken erkennen und mit entsprechenden Maßnahmen reagieren kann.104 In Bezug auf Compliance ist dieses nur insoweit von Interesse, als es um die Beurteilung rechtlicher Risiken im Sinne der Verletzung rechtlicher Vorschriften geht.105 Die Beurteilung rein wirtschaftlicher Risiken bleibt insoweit außer Betracht. Teilweise wird Compliance als Bestandteil eines umfassenden Risikomanagements verstanden.106 Teilweise soll Compliance dagegen neben dieses treten.107 Compliance ist jedoch umfassender als das reine Risikomanagement und hinsichtlich rechtlicher Aspekte nicht vollkommen von diesem trennen. Daher wird das Risikomanagement vorliegend als Instrumentarium zur Bestimmung rechtlicher Risiken als Bestandteil (als einzelne Compliance-Maßnahme) eines umfassenden Compliance-Programms angesehen.108 ____________ 102 Vgl. Palazzo, Die Kriminalprävention 2001, 52 (54), die ein regelorientiertes Compliance-Programm einem werteorientierten Unternehmensethikprogramm gegenüberstellt. Siehe auch Wieland, in: Jansen/Priddat (Hrsg.), Korruption, S. 43 (57), der Wertemanagement und Compliance-Programm zunächst als grundsätzlich unterschiedliche Konzepte angesehen hatte (wobei Ersteres mehr von Selbststeuerung und Letzteres von Kontrollansätzen geprägt ist), in neuerer Zeit den Ethikaspekt aber innerhalb der Compliance-Thematik einbezogen sieht (ders., CCZ 2008, 15 ff.). 103 Vgl. Pampel/Glage, Hdb Compliance, § 5; Spira/Page, 16 AAAJ (2003), S. 640 ff. Zur rechtlichen Relevanz in Deutschland siehe auch unten S. 499 ff., insbes. zu § 91 Abs. 2 AktG. 104 Vgl. Kort, NZG 2008, 81 f.; Spira/Page, 16 AAAJ (2003), S. (642 ff.). 105 Strasser, in: Niggli/Amstutz (Hrsg.), Verantwortlichkeit, S. 245 (278 ff.). 106 Vgl. Lösler, NZG 2005, 104 (105 f.). 107 Vgl. Bürkle, Hdb Compliance, § 8 Rn. 32, der Compliance und Risikomanagement als eigenständige Bestandteile eines internen Kontrollsystems versteht, damit aber den Compliance-Begriff auf den Kontrollaspekt verengt. Für eine strikte Trennung auch Weber-Rey, AG 2008, 345 (348). 108 Vgl. auch Bergmoser et al., BB-Special 2008 (Nr. 5), 1 (8).
§ 3 Gegenstand und Ziel der Untersuchung
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Das Controlling hat die Steuerung und Koordination unternehmerischer Aktivitäten zum Gegenstand.109 Die Controlling-Abteilung unterstützt die Geschäftsleitung und die weitere Führungsebene bei der ergebnisorientierten Planung und Umsetzung. Es gehören dazu daher die Organisation und die Verantwortlichkeit eines umfassenden Berichtswesens, das dem Management bei der Zielfindung, Planung und Steuerung behilflich ist. Das Controlling generiert die Daten, die für unternehmerische Entscheidungen relevant sind. Überschneidungen können sich dadurch zum Risikomanagement ergeben, das vor allem hinsichtlich der Beurteilung wirtschaftlicher Risiken in ein umfassendes Controlling miteinbezogen werden kann.110 Eine Haupttätigkeit der Controlling-Abteilung ist die Koordination der verschiedenen Bereiche des Unternehmens. Durch die fortlaufende Einbindung in die unternehmerischen Prozesse kann sie diese Bereiche auch überwachen und steuern. Gerade im Hinblick auf Überwachungs- und Steuerungsstrukturen ergeben sich Berührungspunkte mit dem Compliance-Bereich. Allerdings liegt im Controlling der Schwerpunkt auf der wirtschaftlichen Zielerreichung und nicht auf der Einhaltung rechtlicher Vorgaben. Insoweit handelt es sich um zwei grundsätzlich unterschiedliche Strukturen innerhalb des Unternehmens. Die interne Revision ist in zahlreichen Unternehmen inzwischen eine Abteilung mit langer Tradition. Zu ihrem Aufgabenbereich zählt vor allem die objektive Überprüfung von Vorgängen in Bezug auf die Einhaltung unternehmensinterner Vorgaben (die sich vielfach, aber nicht notwendigerweise auf gesetzliche Vorgaben stützen).111 Die Überprüfung dient dabei nicht nur der Sicherstellung ordnungsgemäßen Handelns, sondern auch der Evaluierung der Wirtschaftlichkeit und der Zweckmäßigkeit bestimmter Vorgaben.112 In neuerer Zeit kommt der Revision zunehmend eine beratende Funktion in Bezug auf die unternehmerische Planung und die Verbesserung von Geschäftsvorgängen zu.113 Diese beratenden Aufgaben können auch die Überprüfung eines vorhandenen Risikomanagements umfassen. Mit Compliance-Programmen weist die interne Revision insoweit einen engen Zusammenhang auf, als beide Bereiche die Überprüfung bestimmter Abläufe und die Einhaltung von Vorgaben abdecken.114 Aufgrund dieses Näheverhältnisses wird teilweise vorgeschlagen, dass der Bereich Compliance am zweckmäßigsten in der internen Revision zu verankern sei.115 Allerdings ist deren Aufgabenbereich nicht primär auf Präventionsfragen ausgerichtet, sodass besser beide Bereiche als ge____________ Vgl. Pampel/Krolak, Hdb Compliance, § 15 Rn. 8 ff. Vgl. zu diesen Ansätzen Pampel/Krolak, Hdb Compliance, § 15 Rn. 45 ff. 111 Obermayr, Hdb Compliance, § 16 Rn. 5, 26. 112 Vgl. Stephan/Seidel, Hdb Compliance, § 25 Rn. 169. 113 Vgl. Obermayr, Hdb Compliance, § 16 Rn. 25 ff. Siehe auch das Beispiel bei Schury, in: Löhr/Burkatzki (Hrsg.), Wirtschaftskriminalität, S. 187 ff. zur Wahrnehmung von Präventionsaufgaben durch die interne Revision. 114 Bürkle, Hdb Compliance, § 8 Rn. 34; Obermayr, Hdb Compliance, § 16 Rn. 71 ff. 115 Campos Nave/Bonenberger, BB 2008, 734 (735). 109 110
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1. Kapitel: Einführung
trennte Strukturen geführt werden. Erforderlich ist eine Abstimmung aber im Bereich der Kontrollen, um Doppelprüfungen zu vermeiden. Möglich ist es zudem, eine Überprüfung des Compliance-Systems durch die Revision zur Effizienzverbesserung vorzusehen.116 Die Rechtsabteilung weist im Hinblick auf rechtliche Fragestellungen Überschneidungen mit dem Bereich Compliance auf.117 Sie kann insbesondere bei der Erkennung rechtlicher Risiken Hilfestellung geben.118 Unterschiede ergeben sich jedoch vor allem im Hinblick auf den Schwerpunkt der Rechtsabteilung: diese nimmt primär eigenständige Beratungsaufgaben wahr (Auslotung einer möglichst günstigen Rechtsgestaltung) und ist für die Prozessführung verantwortlich. Beide Aspekte weisen nur einen geringen Bezug zu Compliance-Fragen auf. Zudem ist die Rechtsabteilung traditionellerweise kaum in Überwachungs- und Kontrollsysteme eingebunden, um als unabhängige Beratungsinstanz zu fungieren. Insoweit sind die Tätigkeit der Rechtsabteilung und Compliance als zwei getrennte Bereiche zu behandeln. III. Sachfragen Nachdem vorgehend der Bereich Compliance definiert und abgegrenzt wurde, können die Sachfragen weiter präzisiert werden. Die leitende Fragestellung in Bezug auf Compliance lautet: Wie und inwieweit sind Compliance-Programme rechtlich von Bedeutung? Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Frage: Wie und inwieweit sind Compliance-Programme im Hinblick auf straf- und ordnungswidrigkeitenrechtliche Regelungen, die Sanktionen gegen Unternehmen vorsehen, von Bedeutung? Diese Fragestellung wird in der folgenden Darstellung der Länderberichte nicht losgelöst von der Betrachtung der straf- und ordnungswidrigkeitenrechtlichen Normen beantwortet, sondern in deren Kontext eingebunden. Im Einzelnen ergeben sich folgende Fragen:119 Ɣ Wie und inwieweit sind Compliance-Programme für die Bestimmung der Ver-
antwortlichkeit von Unternehmen relevant?
Ɣ Wie und inwieweit sind Compliance-Programme im Rahmen der Sanktionen
gegen Unternehmen relevant? Ɣ Wie und inwieweit sind Compliance-Programme im Rahmen eines Strafverfahrens gegen das Unternehmen relevant? Ɣ Welche Bedeutung haben Compliance-Programme in der Sanktionspraxis? ____________ 116 Vgl. Bürkle, Hdb Compliance, § 8 Rn. 34; Stephan/Seidel, Hdb Compliance, § 25 Rn. 173. 117 Strasser, in: Niggli/Amstutz (Hrsg.), Verantwortlichkeit, S. 245 (264 f.). Zur Aufgabe der Rechtsabteilung siehe auch Hauschka, Hdb Compliance, § 14. 118 Vgl. Hauschka, Hdb Compliance, § 14 Rn. 2 ff. 119 Vgl. zu den Sachfragen auch bereits oben S. 37.
§ 3 Gegenstand und Ziel der Untersuchung
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Um ein zutreffendes Bild von der Bedeutung der Compliance-Programme zu erhalten, wird zudem gefragt, welche Bedeutung diese über straf- und ordnungswidrigkeitenrechtliche Regelungen hinaus in der Vergangenheit hatten und inzwischen erlangt haben. Dies leitet zur Frage über, welcher Stellenwert dem Compliance-Ansatz im Rahmen der staatlichen Regulierung von Unternehmen zukommt. C. Ziel der Untersuchung Aus den vorangegangen Ausführungen schimmert das die Untersuchung leitende Erkenntnisinteresse bereits hervor und soll nachfolgend konkretisiert werden. Ein erstes Erkenntnisinteresse liegt in der Darstellung und Analyse des amerikanischen Rechts in Bezug auf die strafrechtliche Verantwortlichkeit und Sanktionierung von Unternehmen. Ziel ist diesbezüglich den Gesamtkomplex der Regelungen zur Verantwortlichkeit, zu den Sanktionen und zum Verfahren unter besonderer Berücksichtigung von Compliance-Maßnahmen aufzuzeigen. Eine solche Darstellung, die den aktuellen Stand der Diskussion widerspiegelt, besteht bislang nicht. Dieses Ziel gilt gleichermaßen für das deutsche Recht. Hier liegt ein deutlicher Schwerpunkt auf den Regelungen des Ordnungswidrigkeitenrechts. Das Ordnungswidrigkeitenrecht stellt eine im Vergleich zum Strafrecht immer noch wenig durchdachte Rechtsmaterie dar.120 Es finden sich vielfach zwar Detaildarstellungen zu den materiellen Voraussetzungen und den Rechtsfolgen der Unternehmensgeldbuße, selten ist jedoch eine Gesamtdarstellung vorhanden. Auch ist die Bedeutung von Compliance-Maßnahmen erst in neuerer Zeit Gegenstand wissenschaftlicher Arbeiten. Insbesondere für den Bereich der straf- und ordnungswidrigkeitenrechtlichen Sanktionen sind die bisherigen Darstellungen weitgehend überschaubar. Da die Bearbeitung auch das Ziel hat, das deutsche Unternehmenssanktionsrecht durch einen konkreten Gesetzgebungsvorschlag fortzuentwickeln, zielt der deutsche Landesbericht auf eine umfassende Darstellung (ein Gesamtbild) des deutschen Rechts, die in Einzelfragen über den Detaillierungsgrad des amerikanischen Landesberichts hinausgehen kann. Soweit in beiden Landesberichten neben Gesetzgebung, Rechtsprechung und Literatur auch auf kriminologische Aussagen und Erkenntnisse Bezug genommen wird, erfolgt diese Bezugnahme nur eklektisch. Ziel ist lediglich, zu einigen ausgewählten Aspekten einen ersten Überblick über deren tatsächliche Bedeutung und den aktuellen Forschungsstand zu gewinnen. Eine umfassende Auswertung der vorhandenen Studien zur Sanktionierung von Unternehmen und der Wirksamkeit von Compliance-Maßnahmen muss einer eigenen Untersuchung vorbehalten bleiben.121 ____________ 120 Krit. diesbezüglich schon Tiedemann, ZStW 83 (1971), 792 f., auch wenn sich seitdem die Lage z.B. durch Erscheinen des Karlsruher Kommentars verbessert hat. 121 Vor allem eine Bearbeitung zur Wirksamkeit von Compliance-Maßnahmen bedürfte einer eingehenden Prüfung, welche Studien sich zwar unter einer anderen Begrifflichkeit, inhaltlich aber dennoch mit Compliance-Maßnahmen befasst haben.
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1. Kapitel: Einführung
Im Rahmen des Vergleichs zwischen Deutschland und den USA richtet sich das Erkenntnisinteresse auf die Herausarbeitung der wesentlichen Unterschiede, aber auch der Gemeinsamkeiten zwischen beiden Ländern. Hier gilt es festzustellen, inwieweit tatsächlich grundlegende Verschiedenheiten vorhanden sind und wo sich der Ansatz der Regulierung von Unternehmen deckt. Die Analyse zielt sowohl auf die Einordnung der strukturellen Rahmenbedingungen der Rechtssysteme wie auch die Umsetzung im Detail in den einzelnen Regelungen. Ziel der Vergleichung ist die Verdeutlichung der Elemente, die im deutschen Recht im Vergleich zum amerikanischen Recht wenig oder gar nicht entwickelt sind. Aus letztem Aspekt folgt schließlich das Interesse, Ansatzpunkte für eine Weiterentwicklung des deutschen Rechts in Bezug auf die Regulierung von Unternehmen zu finden. Hier liegt der Schwerpunkt auf der Prüfung, ob und inwieweit sich straf- und ordnungswidrigkeitenrechtliche Sanktionsnormen mit dem Ansatz der Compliance-Programme verbinden lassen. Die gewonnenen Erkenntnisse münden sodann in einen ausformulierten legislativen Vorschlag.
The Social Responsibility of Business is to Increase its Profits. Friedman, Milton, The New York Times Magazine (13. September 1970), S. 32
America’s greatest need is higher ethical standards. Bush, George W., Remarks by the President on Corporate Responsibility (9. Juli 2002)
2. Kapitel: Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika § 4 Einführung in das amerikanische (Straf-)Recht A. Überblick zum amerikanischen (Straf-)Recht Das US-Recht wird traditionell der Rechtsfamilie des common law zugeordnet.1 Diese Zuordnung hat ihren Ursprung darin, dass die 13 Gründungsstaaten der Vereinigten Staaten im 17. Jahrhundert zunächst das englische common law übernommen hatten.2 Als common law wird das gemeine Recht bezeichnet, das sich in England seit dem 11. Jahrhundert vor allem als Gewohnheitsrecht entwickelt hatte.3 Im common law wird das (Straf-)Recht maßgeblich von der Rechtsprechung beeinflusst (case law), dem geschriebenen Recht seitens des Königs und des Parlaments kam dagegen – schon aufgrund seiner geringen Regelungsdichte – nur ein unter____________ 1 Vgl. David/Brierley, Legal Systems, S. 407; Hay, US-Amerikanisches Recht, Rn. 1; Honig, in: Mezger et al. (Hrsg.), Strafrecht, S. 7 (40 ff.). 2 Vgl. Blumenwitz, Einführung, § 3 3.; David/Brierley, Legal Systems, S. 398 ff.; Grünhut, Strafrecht, in: Mezger et al. (Hrsg.), Strafrecht, S. 171 f. 3 Wilhelm der Eroberer hatte vom Jahr 1066 an in England eigenständige königliche Gerichte und Verwaltungsbeamte (Sheriffs) eingeführt und durchgesetzt. Diese das gesamte Land umfassende Technik der Rechtsverwaltung ermöglichte die Entstehung eines einheitlichen Rechts. Die Königsgerichte erreichten vor allem aufgrund ihrer Reisetätigkeit eine Verbreitung im ganzen Land, zudem gab es seit dem 13. Jahrhundert in London oberste Gerichte, die durch Königsbefehl Rechtssachen aus dem ganzen Land an sich ziehen konnten und weiter zur Rechtsvereinheitlichung beitrugen. Seit dem Mittelalter hatte sich im Rechtsbereich ein weltlich-gelehrter Berufsstand entwickelt, der nicht (wie in anderen europäischen Staaten) im Corpus Iuris Justinians die Basis des Rechts sah, sondern im Umgang mit den englischen Gerichtsentscheidungen und den Gesetzen. Bei der Rechtsfindung stand die Suche nach dem traditionell richtigen Recht im Vordergrund. Die Praxis der Gerichte wurde in sogenannten records und privat kommentierten reports festgehalten. Vgl. Hattenhauer, Rechtsgeschichte, Rn. 611 f.; 1343 ff.; Schnitzer, Rechtslehre, Bd. 1, S. 280 ff.
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2. Kapitel: Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika
geordneter Stellenwert zu.4 Die Bedeutung der gerichtlichen Entscheidungen der Obergerichte spiegelt sich in der Tatsache wider, dass diese eine eigenständige Rechtsquelle als Präjudizien (precedents) darstellen, die in ihren tragenden Gründen zu Rechtsfragen (ratio decidendi) für Untergerichte Bindungswirkung entfalten (principle of stare decisis).5 Schon bald nach Gründung der Vereinigten Staaten wurde das zunächst übernommene englische Recht unabhängig von dessen weiterer Entwicklung in England fortgeführt.6 Das amerikanische Recht ist dabei in zunehmendem Maße durch gesetztes Recht (statutory law) der gesetzgebenden Körperschaften geprägt worden. Dieses gesetzte Recht stellt inzwischen die wichtigste Rechtsquelle dar, sodass die Zurechnung der USA zum common law-Kreis vor allem historisch zu verstehen ist.7 Aber auch wenn heute viele Bereiche durch Gesetzesrecht geregelt sind, stellen die Gesetze weniger als in der römisch-rechtlichen Rechtstradition eine systematische Gesamtregelung, sondern vielmehr eine punktuelle Regelung von Rechtsfragen dar.8 Somit verbleibt häufig Raum für case law. Auch ist das case law von maßgeblicher Bedeutung für die Anwendung der einzelnen Gesetze, beispielsweise bei Fragen der Auslegung einzelner Normen oder Begriffe.9 Die stark föderalistische Struktur der Vereinigten Staaten führt dazu, dass Bundes- und Landes(straf)recht nebeneinander existieren. Im Grundsatz steht den Bundesstaaten die Gesetzgebungskompetenz zu, darunter auch die für das Straf- und Strafprozessrecht. Daher gibt es 50 verschiedene Strafrechtssysteme.10 Der Bund ____________ 4 Da das common law somit ungeschriebenes Richterrecht und geschriebenes Gesetzesrecht umfasste, kann der Begriff des common law nicht mit dem des case law gleichgesetzt werden. So aber Honig, in: Mezger et al. (Hrsg.), Strafrecht, S. 7 (41). 5 Umgekehrt entfalten die nicht tragenden Gründe (obiter dicta) keine Bindungswirkung. 6 Zum Teil wurden in den einzelnen Staaten umfangreiche Kodifikationen eingeführt, die das englische common law ersetzten, zum Teil hat man aber auch der Rechtsprechung die Weiterentwicklung des Rechts (ganz im Sinne des common law) überlassen, vgl. F.W. Hall, 4 Vand. L. Rev. (1950-51), S. 791 ff.; Honig, in: Mezger et al. (Hrsg.), Strafrecht, S. 7 (41) Anm. 54. 7 Die USA weisen auch in zwei weiteren Punkten einen deutlichen Unterschied zum englischen common law auf: Zum einen besteht eine geschriebene Verfassung mit klaren Vorgaben für die Schaffung von Rechtsvorschriften und zum anderen ist eine gerichtliche Kontrolle legislativer Entscheidungen im Hinblick auf ihre Verfassungsmäßigkeit möglich (die Kontrollmöglichkeit hat der U.S. Supreme Court in seinem berühmten Urteil von 1803 begründet, Marbury v. Madison, 5 U.S. 137 [1803]). 8 Vgl. David/Brierley, Legal Systems, S. 449 f.; Hay, US-Amerikanisches Recht, Rn. 13; Honig, in: Mezger et al. (Hrsg.), Strafrecht, S. 7 (40 ff.); das common law steht abstrakten Rechtssätzen und wissenschaftlicher Dogmatik traditionell skeptisch gegenüber, vgl. dazu Radbruch, Geist des englischen Rechts, S. 5 ff. 9 Honig, in: Mezger et al. (Hrsg.), Strafrecht, S. 7 (43); Schmid, Strafverfahren, S. 25 ff.; vgl. auch ausführlich LaFave, Substantive Criminal Law, Bd. I, S. 119 ff. 10 Daneben besitzen auch der eigenständige District of Columbia, der Commonwealth of Puerto Rico und die Territorien der Virgin Islands und von Guam ihr eigenes Straf-
§ 4 Einführung in das amerikanische (Straf-)Recht
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besitzt nur in ganz bestimmten, in der Verfassung aufgezählten Bereichen die Gesetzgebungsbefugnis.11 Das Strafrecht ist – abgesehen von einzelnen Delikten – nicht in der Aufzählung enthalten.12 Die Verfassung sieht allerdings vor, dass der Bund ermächtigt ist, diejenigen Gesetze zu erlassen, die zum Vollzug der ihm eingeräumten Befugnisse notwendig sind.13 Diese Generalklausel wird als weitreichende Ermächtigung insbesondere auf dem Gebiet des Strafrechts angesehen, da das Strafrecht die Einhaltung der Bundesgesetze am besten sichern kann.14 Das Strafrecht stellt somit quasi eine Annexkompetenz zu den speziellen Bundesgesetzgebungskompetenzen dar.15 Da zahlreiche Bundeskompetenzen den wirtschaftlichen Bereich betreffen, ergibt sich hieraus eine umfangreiche Kompetenz des Bundesgesetzgebers für die Wirtschaftskriminalität. Eine klare Abgrenzung der Kompetenzen des Bundes zu denen der Bundesstaaten besteht dabei nicht.16 Im Bereich der Wirtschaftskriminalität von besonderer Bedeutung ist die Bundeskompetenz für den Wirtschaftshandel (commerce clause), die durch den Bund (insbesondere durch den Kongress) extensiv interpretiert wird.17 Die Einführung zahlreicher Straftatbestände auf Bundesebene wurde auf diesen Kompetenztitel gestützt.18 Das weite Verständnis dieser Handelskompetenz wurde vom U.S. Supreme Court, der eine Doppelfunktion als oberstes Bundesgericht und Verfas____________ rechtssystem; zusätzlich existieren teilweise in den Territorien der American Indians eigene Strafgesetzbücher. 11 So z.B. nach Art. 1 Abschn. 8 der Verfassung von 1787 das Steuer, Zoll-, Münz-, Konkurs- und Postwesen sowie der Handel und das geistige Eigentum. 12 Erfasst sind bspw. Straftaten wegen Hochverrats, Geldfälschung oder Piraterie, vgl. Art. 1 Abschn. 8 der Verfassung von 1787; dazu Ehrlich, 32 Ariz. St. L. J. (2000), S. 825 (827 ff.). 13 Vgl. Art. 1 Abschn. 8 a.E. der Verfassung von 1787 (sog. necessary and proper clause, auch als „coefficient“ bzw. „elastic clause“ bezeichnet), wonach der Kongress das Recht hat, „alle zur Ausübung der vorstehenden Befugnis und aller anderen Rechte, die der Regierung […] aufgrund dieser Verfassung übertragen sind, notwendigen und zweckdienlichen Gesetze zu erlassen“. 14 Vgl. Hay, US-Amerikanisches Recht, Rn. 44 f.; Klotter, Criminal Law, S. 11. Zur zunehmenden Kriminalisierung in den letzten Jahrzehnten siehe Stuntz, 100 Mich. L. Rev. (2001-02), S. 505 (512 ff.). 15 Schmid, Strafverfahren, S. 20 f.; vgl. auch Gainer, in: Eser et al., Responsibility, S. 333 (336), der die gängige Gesetzgebungspraxis beschreibt, im Anschluss an gesetzliche Vorgaben Strafnormen bei Verstößen zu normieren. 16 Zur Abgrenzung der Kompetenzen zwischen Bund und Einzelstaaten siehe im Überblick Brugger, Einführung, S. 62 ff.; LaFave, Substantive Criminal Law, Bd. I, S. 268 ff. 17 Vgl. Barkow, 58 Stan. L. Rev. (2005-06), S. 119 (121 ff.); Lockhart et al., Constitution, S. 53 ff.; Low, Federal Criminal Law, S. 58 ff.; Nowak/Rotunda, Constitutional Law, S. 196 ff.; eingehend Baker, 16 Rutgers L. J. (1984-85), S. 495 (513 ff.); siehe auch Ehrlich, 32 Ariz. St. L. J. (2000), S. 825 (831 ff.) zur historischen Entwicklung. 18 Baker, 89 Cornell L. Rev. (2003-04), S. 310 (311); Cole, 2005 Colum. Bus. L. Rev. (2005), S. 1 (65 f.).
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2. Kapitel: Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika
sungsgericht des Bundes wahrnimmt, jahrzehntelang gebilligt und wird erst in neuerer Zeit etwas restriktiver gehandhabt.19 Sie umfasst neben dem Außenhandel auch den Handel zwischen den Einzelstaaten, sodass die meisten wirtschaftsstrafrechtlichen Fälle innerhalb der Vereinigten Staaten miterfasst werden, da sie häufig mehr als nur einen Bundesstaat berühren.20 Soweit der Bundesgesetzgeber strafgesetzliche Regelungen an Unternehmen richtet, kann vielfach nicht nur ein Kompetenzkonflikt zwischen Bund und Bundesstaaten im Bereich des Strafrechts entstehen, sondern auch beim Unternehmensrecht, insbesondere im Teilbereich der Unternehmensverfassung (Corporate Governance). Die Regelung der Unternehmensverfassung als Teil des Corporate Law fällt traditionell wie das Strafrecht in die Gesetzgebungskompetenz der Bundesstaaten.21 Zur Vermeidung eines (offenen) Kompetenzkonflikts wird der Schwerpunkt in der Bundesgesetzgebung vielfach auf den strafrechtlichen Aspekt gelegt und nicht auf eine Regelung der Unternehmensverfassung.22 Inhaltlich hat der Bund allerdings in den letzten Jahren zahlreiche Normen erlassen, die neben dem strafrechtlichen Aspekt auch Reformen der Unternehmensverfassung bewirkt haben.23 Manche Reformgesetzgebung zeigte sich sogar primär als eine umfangreiche Reform der Unternehmensverfassung, die nur noch strafrechtlich abgesichert wurde.24 Hinzu kommt, dass viele Bundesgesetze sehr vage ____________ 19 Vgl. U.S. v. Morrison, 529 U.S. 598 (2000), S. 617 ff., wonach ein (zivilrechtliches) Klagerecht bei Gewalttaten gegenüber Frauen nicht auf die Handelsklausel gestützt werden konnte, da solche Gewalttaten allenfalls indirekt einen Einfluss auf den Handel haben. Siehe auch den Fall U.S. v. Lopez, 514 U.S. 549 (1995), in dem der Straftatbestand des Waffenbesitzes im Umkreis von 1000 Fuß einer Schule mangels Kompetenz des Bundes für verfassungswidrig erklärt wurde, da im Waffenbesitz keine Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels zu sehen sei; dazu Brickey, Corporate Criminal Liability, Bd. 1, § 7:14; Ehrlich, 32 Ariz. St. L. J. (2000), S. 825 (834 ff.). 20 Klotter, Criminal Law, S. 310 f.; LaFave, Substantive Criminal Law, Bd. I, S. 270 ff.; Strader, White Collar Crime, S. 4 ff. 21 Vgl. zu diesem Konflikt Baker, 89 Cornell L. Rev. (2003-04), S. 310 (311 f.); Karmel, 30 Del. J. Corp. L. (2005), S. 79 ff.; Roe, 117 Harv. L. Rev. (2003), S. 588 (596 ff.). 22 Vgl. Baker, 89 Cornell L. Rev. (2003-04), S. 310 (311 f.; 333); dies mag daran liegen, dass die Bundeskompetenz für die Regelung der Unternehmensverfassung noch keine so lange (und akzeptierte) Tradition wie im Bereich des Strafrechts hat. Eine weitere Einbruchsstelle in das Recht der Unternehmensverfassung bildet die kapitalmarktrechtliche Bundeskompetenz, die vor allem im Rahmen der Corporate Governance-Diskussion von Bedeutung ist; vgl. bspw. zum Aspekt der Unabhängigkeit des Aufsichtsrats Viciano Gofferje, Unabhängigkeit, S. 238. 23 Vgl. mit zahlreichen Beispielen Roe, 117 Harv. L. Rev. (2003), S. 588 (600 ff.). Baker, 89 Cornell L. Rev. (2003-04), S. 310 (332) spricht davon, dass das Unternehmensrecht der Bundesstaaten zunehmend von Bundesregelungen in Einzelbereichen überlagert wird; verfassungsrechtliche Anknüpfungspunkte dieser Gesetzgebung sind dabei die speziellen Bundeskompetenzen wie bspw. das Wertpapierrecht. 24 So vor allem der Sarbanes-Oxley Act von 2002 (siehe dazu unten S. 79, 292); vgl. Karmel, 30 Del. J. Corp. L. (2005), S. 79 (98 ff.); Roe, 117 Harv. L. Rev. (2003), S. 588 (632 ff.).
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gefasst sind und damit eine extensive Auslegung durch die Bundesbehörden und die Bundesgerichte eröffnen.25 Diese weite Auslegung ermöglichte beispielsweise die Erstellung von Strafzumessungsrichtlinien für Unternehmen, die strafrechtliche Regelungen mit Aspekten der Unternehmensverfassung verknüpften.26 Der U.S. Supreme Court hat bereits 1812 entschieden, dass nur dem Gesetzgeber das Recht zustehe, Straftatbestände zu schaffen.27 Den Gerichten ist somit zum einen die Heranziehung klassischer common law-Straftaten verwehrt und zum anderen die Möglichkeit genommen, durch case law neue Straftatbestände zu kreieren.28 Soweit also der Bundesgesetzgeber ein Verhalten nicht unter Strafe stellt, ist das Verhalten nach Bundesrecht nicht strafbar. Folglich finden sich alle Bundesstraftatbestände in Gesetzen.29 Inzwischen hat der Bund eine erhebliche Anzahl von Straftatbeständen geschaffen,30 von denen viele auch explizit auf Unternehmen anwendbar sind.31 Eine klare Systematik lässt sich hinter der umfangreichen Gesetzgebung nicht erkennen.32 Vielfach wird eine Überkriminalisierung (overcriminalization) beklagt.33 Herausragendes Merkmal zahlreicher Straftatbestände ____________ 25 Baker, 89 Cornell L. Rev. (2003-04), S. 310 (312); vgl. zur Diskussion auch Richman, 46 UCLA L. Rev. (1998-99), S. 757 (761 f.). 26 Siehe näher dazu unten S. 121. Der U.S. Supreme Court hatte diesbezüglich keine verfassungsrechtlichen Einwände, vgl. zum Fall Mistretta v. U.S., 488 U.S. 361 (1989) unten S. 191. Zum starken Einfluss von Behörden und Gerichten auf Bundesebene vgl. Richman, 46 UCLA L. Rev. (1998-99), S. 757 (760 ff.). 27 Vgl. den Fall U.S. v. Hudson and Goodwin, 11 U.S. 32 (1812), in dem den Bundesgerichten nur eine vom Parlament abgeleitete Rechtsmacht zugebilligt wurde (in der Sache wurde damit das Prinzip nullum crimen sine lege scripta umgesetzt); siehe auch U.S. v. Lanier, 520 U.S. 259 (1997); Liparota v. U.S., 471 U.S. 419 (1985). Dazu LaFave, Substantive Criminal Law, Bd. I, S. 107 f.; David/Brierley, Legal Systems, S. 411 ff. Die Einschränkung bedeutet nicht, dass case law auf Bundesebene bedeutungslos ist, gerade die allgemeinen Voraussetzungen der Unternehmensstrafbarkeit beruhen auf Grundsätzen der Rechtsprechung. 28 Diesen Weg sind inzwischen auch die meisten Bundesstaaten gegangen. 29 Die meisten Strafvorschriften finden sich im 18. Titel des United States Code (U.S.C.), der über 1.200 Strafvorschriften enthält und daher häufig als „Federal Criminal Code“ bezeichnet wird, vgl. Gainer, 2 Buff. Crim. L. Rev. (1998-99), S. 45 (51 ff.). 30 Nach der Schätzung von Gainer, 2 Buff. Crim. L. Rev. (1998-99), S. 45 (53) gibt es etwa 3.300 bundesrechtliche Strafvorschriften im United States Code. Baker/Bennett geben die Anzahl 2004 mit über 4.000 an, vgl. Baker/Bennett, Federal Crime Legislation, May 2004. Die American Bar Association (Criminal Justice Section, Task Force on Federalization of Criminal Law) schätzt in ihrem Report „The Federalization of Criminal Law“ (1998), S. 10 ff., dass aufgrund der gesetzgeberischen Tätigkeiten von einer weit höheren Anzahl auszugehen ist. Coffee, 71 B. U. L. Rev. (1991), S. 193 (216 ff.) schätzt, dass es unter Einbeziehung weiterer Vorschriften als der des U.S.C. über 300.000 bundesrechtliche Regelungen gibt, die strafrechtlich durchsetzbar sind. 31 Vgl. zur Corporate Crime Legislation Khanna, 82 Wash. U. L. Q. (2004), S. 95 ff. 32 Vgl. Beale, 44 Am. Crim. L. Rev. (2007), S. 1503 (1506 ff.). 33 Vgl. bspw. Terwilliger, 44 Am. Crim. L. Rev. (2007), S. 1417 ff.; Thornburg, 44 Am. Crim. L. Rev. (2007), S. 1279 ff.
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ist ihre extrem hohe Strafandrohung, die sich dergestalt auf Ebene der Bundesstaaten nicht wiederfindet.34 Der Bund hat für den Vollzug dieses Bundesstrafrechts eigene Strafverfolgungsbehörden und eine eigene Gerichtsbarkeit eingerichtet.35 Insgesamt lässt sich somit festhalten, dass der Bund inzwischen weitgehende Kompetenzen im Bereich des Strafrechts, insbesondere bei der Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität wahrnimmt. Die wichtigsten Vorgaben für den Bereich der Unternehmenskriminalität kommen daher aus dem Bundesrecht, auf das sich die folgende Darstellung im Wesentlichen konzentriert. B. Grundlagen der strafrechtlichen Verantwortlichkeit Eine strafrechtliche Verantwortlichkeit setzt nach dem US-amerikanischen Strafrecht auf Bundesebene wie auch auf Ebene der Bundesstaaten grundsätzlich zweierlei voraus: Zunächst bedarf es eines willensgesteuerten Verhaltens (actus reus), das kausal für die Rechtsgutsverletzung (causation) ist (dazu I.). Dieses Verhalten muss zudem von einer entsprechenden subjektiven Einstellung (mens rea) getragen sein (II.),36 auf die allerdings im Ausnahmefall auch verzichtet werden kann (III.). Die Erfordernisse des actus reus und der mens rea beruhen auf dem alten common law-Prinzip des „actus non facit reum, nisi mens sit rea“.37 Liegen actus reus und mens rea vor, so kann sich ein Beschuldigter verteidigen, indem er Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe (defenses) geltend macht. Diese führen grundsätzlich zum Ausschluss der Strafbarkeit (IV.). I. actus reus Der actus reus (auch als „voluntary act“ bezeichnet) beschreibt die objektive Seite des Delikts, die der Handelnde durch ein willensgesteuertes Verhalten verwirklicht haben muss.38 Dieses Verhalten kann sowohl in einem aktiven Tun als auch in einem Unterlassen liegen, sofern eine entsprechende Handlungspflicht bestand. Bei Erfolgsdelikten bedarf es zudem einer kausalen Beziehung zwischen dem Verhal____________ 34 Vgl. Beale, 44 Am. Crim. L. Rev. (2007), S. 1503 (1518 ff.); Hurt, 44 Am. Crim. L. Rev. (2007), S. 1365 ff. 35 Vgl. näher unten S. 224 ff. 36 Vgl. Klotter, Criminal Law, S. 38; LaFave, Substantive Criminal Law, Bd. I, S. 332 ff. 37 „Die Handlung einer Person allein begründet keine Schuld, es sei denn, ein entsprechendes Bewusstsein der Schuld liegt ebenfalls vor.“ Diese prägnante Beschreibung der Haltung des common law findet sich insbes. in der wirkmächtigen Darstellung von Coke aus der Mitte des 17. Jahrhunderts, vgl. Coke, Institutes, Bd. 3, Kap. 1. Ihr Ursprung dürfte jedoch deutlich älter sein und auf römisch-rechtlichen Ansätzen beruhen, vgl. Parker, 79 Va. L. Rev. (1993), S. 741 (748). 38 Vgl. Klotter, Criminal Law, S. 38 ff.; LaFave, Substantive Criminal Law, Bd. I, S. 421 ff.; Schmid, Strafverfahren, S. 180 ff.; Weik, Verbrechenselement, S. 50 ff.
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ten und dem eingetretenen Erfolg (causation). Die Prüfung der Kausalität erfolgt in zwei Stufen.39 Zunächst werden mit dem „but for“-Test ähnlich der deutschen conditio sine qua non-Formel diejenigen Handlungen ausgeschieden, bei denen der Erfolg auch bei Hinwegdenken der Handlungen eingetreten wäre. Sodann wird mit dem „proximate cause“-Test ähnlich der deutschen Lehre von der objektiven Zurechnung geprüft, ob der Erfolg dem Handelnden nach Adäquanzgesichtspunkten auch zuzurechnen ist. II. mens rea Die mens rea (auch als „guilty mind“ bezeichnet) beschreibt demgegenüber die subjektive Beziehung zur Tat.40 Darunter fällt zunächst der allgemeine Vorsatz (general intent), der im Grundsatz als bewusste Herbeiführung der Rechtsgutsverletzung definiert wird.41 Erfasst werden darüber hinaus spezielle subjektive Voraussetzungen (specific intent) oder vom jeweiligen Tatbestand besonders geforderte Vorsatzformen.42 Als eigene Kategorie im Rahmen der mens rea werden die recklessness und die negligence behandelt. Dabei entspricht die negligence im Wesentlichen der deutschen Fahrlässigkeit. Als recklessness wird dagegen ein Fall der besonders krassen Pflichtverletzung angesehen, die im deutschen Recht zum Teil als bewusste Fahrlässigkeit, aber auch als bedingter Vorsatz verstanden werden kann.
____________ 39 Vgl. LaFave, Substantive Criminal Law, Bd. I, S. 463 ff.; Schmid, Strafverfahren, S. 192 f. 40 Vgl. Klotter, Criminal Law, S. 44 ff.; LaFave, Substantive Criminal Law, Bd. I, S. 421 ff.; Low, Federal Criminal Law, S. 196 ff.; Schmid, Strafverfahren, S. 182 ff.; Weik, Verbrechenselemente, S. 80 ff. 41 Zum Teil wird unter „general intent“ nur das Willenselement verstanden und das Wissenselement als „knowledge“ getrennt behandelt. 42 Es gibt in den verschiedenen Gesetzen ebenso wie im Bereich des common law zahlreiche Umschreibungen des mens rea-Elements, ohne dass eine einheitliche Terminologie oder damit verbundene Theorie besteht. So werden häufig die Begriffe „wilfulness“, „knowingly“ oder „wantonly“ verwandt. Der MPC schlägt vier Vorsatzformen vor: „purposely, knowingly, recklessly, negligently“ (§ 2.02 [2] MPC, vgl. dazu Weik, Verbrechenselemente, S. 49, 92 ff.). Die Vielzahl an Begrifflichkeiten macht eine Abgrenzung und Systematisierung schwierig, sodass letztlich der Begriff im jeweiligen Kontext seiner Verwendung auszulegen ist. Vgl. zu den verschiedenen Begriffen und ihrer Verwendung LaFave, Substantive Criminal Law, Bd. I, S. 332 ff.; Schmid, Strafverfahren, S. 182 ff.; Thaman, in: Eser/Heine (Hrsg.), Umweltstrafrecht, S. 317 (479 ff.); Weik, Verbrechenselemente, S. 80 ff.
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III. Besonderheiten 1. Strict liability Eine Besonderheit des amerikanischen Rechts ist die strafrechtliche Verantwortlichkeit ohne Nachweis eines mens rea-Elements (strict liability).43 Der Deliktstyp der strict liability-Straftaten entwickelte sich im Wesentlichen im 19. Jahrhundert im Zuge der Industrialisierung, als der Gesetzgeber zum Schutz der öffentlichen Wohlfahrt, Gesundheit und Sicherheit zahlreiche Vorschriften (sogenannte public welfare offenses oder regulatory offenses44) erließ, die dem common law unbekannt waren.45 Bei der Anwendung dieser gesetzlichen Regelungen verzichteten die Gerichte weitgehend auf den Nachweis eines eigenständigen mens rea-Elements.46 Die Entwicklung war eine Reaktion auf die als gravierend angesehenen Missbrauchsfälle bei Produktion und Verkauf industriell hergestellter Produkte.47 Die regulatory offenses wurden nicht wie die klassischen Straftatbestände als kriminelles Unrecht per se (mala in se) aufgefasst. Vielmehr handelte es sich bei den Delikten um erst durch den Gesetzgeber erstellte Gebote und Verbote, die als schädlich erkannte Verhaltensweisen (mala prohibita) abwenden und sanktionieren sollten.48 Da die Regelungen als wertneutral gesehen wurden, also keinen eigentlichen Schuldvorwurf enthielten, ließ sich ein Verzicht auf das mens rea-Element recht-
____________ 43 Vgl. dazu ausführlich Bähr, Strict Liability, S. 1 ff. sowie Quist, Public Welfare Offences, S. 1 ff.; siehe auch Carpenter, 53 Am. U. L. Rev. (2003-04), S. 313 (322 ff.); Hasnas, 54 Am. U. L. Rev. (2004-05), S. 579 (607 ff.); Levenson, 78 Cornell L. Rev. (1993), S. 401 ff.; Mueller, 58 W. Va. L. Rev. (1955-56), S. 34 ff.; Sayre, 33 Columb. L. Rev. (1933), S. 55 ff.; Singer, Strict Liability, in: Dressler (ed.), Bd. 4, S. 1541 ff.; Weik, Verbrechenselemente, S. 80 ff. 44 Die Terminologie ist uneinheitlich. Über die angeführten Begriffe wird auch von „civil offenses“, „police regulations“, „administrative misdemeanors“, „public torts“, „prohibitive laws“ etc. gesprochen, vgl. Perkins, 100 U. Pa. L. Rev. (1951-52), S. 832 (841 f.). 45 Allerdings war auch dem englischen Recht eine strict liability-Verantwortlichkeit zum Teil nicht völlig fremd, aber auf wenige Delikte wie nuisance (in etwa: Erregung öffentlichen Ärgernisses) begrenzt, vgl. Leigh, Liability, S. 11 ff.; Starrs, in: Mueller (ed.), Essays, S. 235 ff. 46 Vgl. z.B. State v. Presnell, 34 N.C. 103 (1851), S. 106: In diesem Fall wurde an einen Sklaven irrigerweise Alkohol in der Annahme verkauft, der Alkohol sei für seinen Herrn bestimmt. 47 Singer, Strict Liability, in: Dressler (ed.), Bd. 4, S. 1541. 48 Vgl. Commonwealth v. Raymond, 97 Mass. 567 (1867), S. 569. Zu den Fallkonstellationen vgl. Bähr, Strict Liability, S. 46 ff.; zur Entwicklung der Differenzierung zwischen mala in se und mala prohibita siehe Honig, in: Mezger et al. (Hrsg.), Strafrecht, S. 7 (45 ff.); Note, 30 Colum. L. Rev. (1930), S. 74 ff.; Perkins, 100 U. Pa. L. Rev. (1951-52), S. 832 ff.; Quist, Public Welfare Offences, S. 109 ff.
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fertigen.49 Maßgeblicher Grund für die Einführung dürfte jedoch auch gewesen sein, dass sich in vielen Fällen ein Vorsatz nur schwer hätte beweisen lassen.50 Zahlreiche Gesetze verzichten heute auf das mens rea-Element, sodass allein das Vorliegen des actus reus die Strafbarkeit begründet.51 Die gesetzlichen Regelungen normieren dabei allerdings nicht explizit eine Verantwortlichkeit ohne mens rea, sondern die Einstufung als strict liability-Straftat wird allein aufgrund des Fehlens eines gesetzlichen Hinweises auf das mens rea-Element vorgenommen.52 Diese Einstufung hat zur Folge, dass die Staatsanwaltschaft im Verfahren nur die objektiven Voraussetzungen des Straftatbestands zu beweisen hat.53 Die Beliebtheit der strict liability-Straftaten lässt sich auch damit erklären, dass auf diesem Wege einfach ein umfassender Schutz der Öffentlichkeit erreichbar scheint.54 Die Rechtsprechung hat die Entwicklung akzeptiert und die Verfassungsmäßigkeit der strict liability-Straftaten im Wesentlichen bestätigt.55 Allerdings betont sie immer wieder, dass aufgrund des Verzichts auf das mens reaElement eine strict liability-Verantwortlichkeit nur die Ausnahme darstellen kann und nicht für schwere Straftaten in Betracht kommt.56 Im Einzelfall ist jedoch nicht immer klar, ob der jeweilige Straftatbestand als strict liability-Tatbestand aufzufas-
____________ 49 Bähr, Strict Liability, S. 48 ff.; Ehrhardt, Unternehmensdelinquenz, S. 92 f.; Weik, Verbrechenselemente, S. 238 ff. 50 Vgl. Morissette v. United States, 342 U.S. 246 (1952), S. 253; Carpenter, 53 Am. U. L. Rev. (2003-04), S. 313 (324); Hall, Criminal Law, S. 305 ff.; Sayre, 33 Columb. L. Rev. (1933), S. 55 (69 ff.); Singer, Strict Liability, in: Dressler (ed.), Bd. 4, S. 1541 (1543). 51 Eine aktuelle und umfassende Aufzählung der Tatbestände scheint nicht zu existieren, vgl. aber die im Grundsatz heute immer noch zutreffende Übersicht bei Sayre, 33 Columb. L. Rev. (1933), S. 55 (73) sowie bei Levenson, 78 Cornell L. Rev. (1993), S. 401 (406 f.) Anm. 29, (453 f.) Anm. 266; Carpenter, 53 Am. U. L. Rev. (2003-04), S. 313 (327) und Weik, Verbrechenselemente, S. 242 ff.; siehe auch Gainer, in: Eser et al., Responsibility, S. 333 (336 ff.). 52 Vgl. Bähr, Strict Liability, S. 101. 53 Vgl. People v. Lardie, 551 N.W.2d 656 (Mich. 1996), S. 660; People v. Quinn, 487 N.W.2d 194 (Mich. 1992), S. 199. 54 Vgl. Carpenter, 53 Am. U. L. Rev. (2003-04), S. 313 (380). Darüber hinaus kommt der Grundsatz einer stärkeren Opferorientierung entgegen, da mehr auf den verursachten Schaden als auf das persönliche Verschulden abgestellt wird, siehe Steiker, 85 Geo. L. J. (1997), S. 775 (792 ff.). 55 Vgl. U.S. v. Balint, 258 U.S. 250 (1922); Shevlin-Carpenter Co. v. Minnesota, 218 U.S. 57 (1910); siehe auch Bähr, Strict Liability, S. 55 ff., 65 ff.; Honig, in: Mezger et al. (Hrsg.), Strafrecht, S. 7 (35 ff.); LaFave, Substantive Criminal Law, Bd. I, S. 207 ff., 381 ff.; Schmid, Strafverfahren, S. 186 ff. 56 Vgl. Morissette v. United States, 342 U.S. 246 (1952), S. 256; State v. Granier, 765 So.2d 998 (2000), S. 1000; daher krit. Carpenter, 53 Am. U. L. Rev. (2003-04), S. 313 (357 ff.), soweit bspw. Fälle sexueller Nötigung als strict liability-Straftaten ausgestaltet sind.
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sen ist.57 Zudem hat die Rechtsprechung selbst die Verhängung langjähriger Freiheitsstrafen im Rahmen der strict liability-Verantwortlichkeit für möglich gehalten.58 In der Literatur wurde verschiedentlich versucht, die Abgrenzung der strict liabilityStraftaten zu den (klassischen) mens rea-Delikten über die bloße Kategorisierung mala prohibita und mala in se hinaus näher zu bestimmen.59 Nach Sayre soll ein strict liabilityTatbestand vorliegen, wenn sich dies aus dessen Charakter (nur regulative Funktion) und der Art der Rechtsfolge (keine schwere Strafe) ergebe.60 Andere Autoren nehmen ein mens rea-Delikt an, wenn dies bereits dem common law bekannt war, die Art des Tatbestands auf eine gefährliche Täterpersönlichkeit hindeutet und ein tadelnswertes Verhalten vorliegt.61 Diese Kriterien werden teilweise um weitere ergänzt.62 Die Abgrenzungskriterien sind jedoch aufgrund ihrer Pauschalität und Ausfüllungsbedürftigkeit insgesamt kaum tauglich, in Zweifelsfällen eine tragfähige Unterscheidung herbeizuführen. Dies mag daran liegen, dass der Kategorisierung kein einheitlicher gesetzgeberischer Ansatz zugrunde liegt, der eine eindeutige dogmatische Bestimmung erlaubt.
2. Vicarious liability Eine weitere Eigenart des amerikanischen Strafrechts ist die strafrechtliche Verantwortlichkeit für das Verhalten anderer (vicarious liability).63 Diese Besonderheit stammt ursprünglich aus dem Deliktsrecht des common law (dort zumeist als ____________ 57 Die Rechtsprechung (auch die des U.S. Supreme Court) ist nur wenig einheitlich, tendiert aber dahin, bei Zweifeln über die Auslegung des Tatbestands den Nachweis des mens rea-Elements zu fordern, um eine Bestrafung „moralisch Unschuldiger“ zu vermeiden, vgl. Packer, 1962 Sup. Ct. Rev. (1962), S. 107, der kritisch anmerkt: “Mens rea is an important requirement, but it is not a constitutional requirement, except sometimes.”; Quist, Public Welfare Offences, S. 97 ff.; Singer, Strict Liability, in: Dressler (ed.), Bd. 4, S. 1541 (1544 f.; Weik, Verbrechenselemente, S. 248 f. 58 Vgl. U.S. v. Balint, 258 U.S. 250 (1922), wonach eine fünfjährige Strafe nicht der Interpretation des Tatbestands als strict liability-Norm entgegenstehe, sowie Staples v. U.S., 511 U.S. 600 (1994), wonach dies auch für eine zehnjährige Freiheitsstrafe gelte. 59 Neben den im Folgenden genannten amerikanischen Autoren schlägt Quist, Public Welfare Offences, S. 121 ff. (insbes. 128 f.) vor, eine strict liability-Straftat dann anzunehmen, wenn diese weder eine konkrete Gefährdung noch eine Verletzung eines Rechtsgutes erfordert. Damit beschreibt Quist zwar ein häufiges Phänomen der strict liabilityDelikte, eine Abgrenzung liegt hierin jedoch nicht, da das amerikanische Strafrecht bspw. abstrakte Gefährdungsdelikte oder reine Tätigkeitsdelikte kennt, die bezüglich ihrer objektiven Tatbestandsmerkmale mens rea erfordern. 60 Sayre, 33 Columb. L. Rev. (1933), S. 55 (56 f.), dem Carpenter, 53 Am. U. L. Rev. (2003-04), S. 313 (326 f.) folgt. 61 Browne, 35 S. Cal. L. Rev. (1961-62), S. 423 (434); Gausewitz, 12 Wis. L. Rev. (1936-37), S. 365 (367); Perkins, 100 U. Pa. L. Rev. (1951-52), S. 832 (842). 62 Vgl. Starrs, in: Mueller (ed.), Essays, S. 235 (237), der z.B. zusätzlich nach dem Erfordernis eines konkreten Schadens fragt. 63 Vgl. Bähr, Strict Liability, S. 62 ff.; Fletcher, Rethinking Criminal Law, S. 647 ff.; Hay, US-Amerikanisches Recht, Rn. 591; James, 28 Tul. L. Rev. (1953-54), S. 161 ff.; LaFave, Substantive Criminal Law, Bd. II, S. 372 ff.; A. Michaels, Vicarious Liability, in: Dressler (ed.), Bd. 4, S. 1622 ff.; Schmid, Strafverfahren, S. 188 f.
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respondeat superior-Regel bezeichnet) und betraf die Haftung eines Herrn für seine Diener bzw. Sklaven.64 Dabei gründete die Haftung in der engen Beziehung der Personen untereinander und in der stärkeren finanziellen Leistungsfähigkeit des Herrn gegenüber seinen Bediensteten.65 Die Hausmacht des Herrn (patria potestas) über Personen seines Haushalts korrespondierte mit einer entsprechenden Einstandspflicht gegenüber Dritten für das Handeln der betreffenden Personen.66 Aus dieser ursprünglich auf die Hausgemeinschaft begrenzten Rechtsfigur wurde zunächst der bis heute Geltung besitzende respondeat superior-Grundsatz entwickelt, wonach jeder Unternehmer sowie jedes Unternehmen deliktisch für Handlungen seiner Angestellten und ggf. auch für eingeschaltete Vertragspartner haftet.67 Die Haftung des Arbeitgebers gründet sich vor allem darin, dass es dem Arbeitgeber eher als dem Arbeitnehmer zuzumuten ist, die Risiken aus einer Geschäftstätigkeit zu tragen, zumal er Vorkehrungen gegen derartige Risike1n treffen kann.68 Der U.S. Supreme Court sieht in dieser Art der Haftung einen starken Anreiz für den Unternehmer, die Angestellten ordnungsgemäß zu überwachen und vorbeugende Maßnahmen zu ergreifen.69 Zudem wurde die deliktische Regelung bereits Ende des 19. Jahrhunderts von der amerikanischen Rechtsprechung auch in das Strafrecht übernommen und aus____________ 64 Vgl. Brickey, 60 Wash. U. L. Q. (1982-83), S. 393 (416 ff.); Gruner, Corporate Criminal Liability, § 3.03[1]; Keeton, Torts, §§ 69, 80; zu älteren Ursprüngen im englischen Recht, die v.a. eine Haftung des Geschäftsherrn für seine Gehilfen umfasste, siehe Baty, Vicarious Liability, S. 181 ff.; 198 ff.; Holmes, 4 Harv. L. Rev. (1890-91), S. 345 ff.; Leigh, Liability, S. 18 ff.; Sayre, 43 Harv. L. Rev. (1929-30), S. 689 ff.; Wigmore, 7 Harv. L. Rev. (1893-94), S. 315 ff. Auch dem deutschen Deliktsrecht ist die Regelung nicht unbekannt, so weist Fletcher, Rethinking Criminal Law, S. 648, auf die Ähnlichkeit (und möglicherweise auch die Einflussnahme) der amerikanischen Deliktsregel mit § 831 BGB hin. Zur zivilrechtlichen Verantwortlichkeit siehe auch Pitt/Groskaufmanis, 78 Geo. L. J. (1989-90), S. 1559 (1563 ff.); Schwartz, 69 S. Cal. L. Rev. (1995-96), S. 1739 (1749 ff.). 65 Vgl. etwa die Begründung in U.S. v. Dotterweich, 320 U.S. 277 (1943), S. 281, 285; siehe auch A. Michaels, Vicarious Liability, in: Dressler (ed.), Bd. 4, S. 1622 (1624 f.) sowie Baty, Vicarious Liability, S. 154 (“... the reason for employer’s liability is ... the damages are taken from a deep pocket.”). Atiyah, Vicarious Liability, S. 12 weist allerdings darauf hin, dass die respondeat superior zwar zu einem der am besten anerkannten Prinzipien im common law gehört, die Begründung dafür aber eher unklar ist. 66 Vgl. Holmes, 4 Harv. L. Rev. (1890-91), S. 345 (349 ff.); 5 Harv. L. Rev. (1891-92), S. 1 ff.; Leigh, Liability, S. 18 f.; siehe auch James, 28 Tul. L. Rev. (1953-54), S. 161 (166 f.). 67 Gleichermaßen haftet ein Auftraggeber für seinen Auftragnehmer. Vgl. Burlingten Industries, Inc. v. Ellerth, 524 U.S. 742 (1998); Lake Shore & Michigan Southern Railway Co. v. Prentice, 147 U.S. 101 (1893); Philadelphia & Reading R. Co. v. Derby, 55 U.S. 468 (1852); Dobbs, Torts, Bd. II, §§ 333 ff.; Keeton, Torts, S. 499 f.; Schwartz, 69 S. Cal. L. Rev. (1995-96), S. 1739 ff. 68 Vgl. Rakoff, Overview, in: ders. et al. (eds.), Sentencing, § 1.02 [1]. 69 Pacific Mut. Life Ins. Co. v. Haslip, 499 U.S. 1 (1991).
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2. Kapitel: Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika
geweitet.70 Hauptanwendungsfall im heutigen Strafrecht ist ähnlich wie im Deliktsrecht die Verantwortlichkeit eines Arbeitgebers für Handlungen seiner Arbeitnehmer.71 So kann beispielsweise ein Geschäftsinhaber für die Handlungen seiner Angestellten bestraft werden, ohne dass ihm eine eigene Handlung (sonst käme eine Strafbarkeit als normaler Beteiligter infrage) oder ein mens rea (sonst käme eine Strafbarkeit wegen conspiracy72 in Betracht) nachzuweisen ist.73 Die Anzahl der Straftaten, bei denen eine vicarious liability-Verantwortlichkeit in Erwägung zu ziehen ist, wird tendenziell weiter gezogen als bei der Figur der strict liability, sodass auch in diesem Bereich Haftstrafen möglich sind.74 Neben der Verantwortlichkeit des Arbeitgebers für Angestellte stellt der vicarious liability-Ansatz eine der Hauptgrundlagen für die Begründung der Bestrafung von Unternehmen dar.75 IV. Defenses Das amerikanische Recht kennt verschiedene defenses, die im deutschen Recht in etwa den Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründen sowie der Schuldfähigkeit entsprechen.76 Allerdings wird die Trennung in Rechtfertigungs- und Schuldebene nur zum Teil vorgenommen und folgt im Übrigen keiner einheitlichen Dogmatik. Die defenses werden im amerikanischen Recht nicht von Amts wegen im Prozess geprüft, da die Anklage nur das Vorliegen des actus reus und der mens rea beweisen muss. Es obliegt dem Angeklagten und seiner Verteidigung, etwaige defenses geltend zu machen und zu beweisen.77 ____________ 70 Vgl. etwa Groff v. State, 85 N.E. 769 (1908); näher Bähr, Strict Liability, S. 62 ff. m.w.N., der auch auf Ursprünge aus dem englischen Presserecht hinweist; LaFave, Substantive Criminal Law, Bd. II, S. 372 ff. 71 Vgl. etwa LaFave, Substantive Criminal Law, Bd. I, S. 374; Orland, Corporate Criminal Liability, § 3.05. 72 Eine Strafbarkeit wegen conspiracy kommt dann in Betracht, wenn eine Absprache von mindestens zwei Personen über die Begehung einer Straftat vorliegt; damit ist die conspiracy der deutschen Verbrechensverabredung nach § 30 StGB vergleichbar. 73 Vgl. dazu den Präzedenzfall U.S. v. Dotterweich, 320 U.S. 277 (1943), in dem der Präsident eines Pharmaunternehmens wegen Falschetikettierung von Artikeln verurteilt wurde, obwohl er selbst nichts von der falschen Etikettierung wusste; siehe auch U.S. v. Park, 421 U.S. 658 (1975); U.S. v. Hanousek, 176 F.3d 1116 (9th Cir. 1999). 74 Vgl. Bähr, Strict Liability, S. 64, 143 m.w.N. 75 Vgl. zur Unternehmensstrafbarkeit nachfolgend im Text. Neben den genannten Fallgruppen sind weitere Konstellationen anerkannt (z.B. Verantwortlichkeit des Fahrzeughalters für das Verhalten des Fahrzeugführers) oder werden diskutiert (z.B. die Verantwortlichkeit der Eltern für das Handeln ihrer Kinder), siehe dazu James, 28 Tul. L. Rev. (195354), S. 161 (207 ff.); A. Michaels, Vicarious Liability, in: Dressler (ed.), Bd. 4, S. 1622 (1625). 76 Vgl. den Überblick bei Honig, in: Mezger et al. (Hrsg.), Strafrecht, S. 7 (142 ff.); Schmid, Strafverfahren, S. 216 ff., sowie ausführlich LaFave, Substantive Criminal Law Bd. I, S. 515 ff., Bd. II, S. 3 ff. 77 Vgl. Dixon v. U.S., 548 U.S. 1 (2006); Schmid, Strafverfahren, S. 216.
§ 4 Einführung in das amerikanische (Straf-)Recht
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Grundsätzlich als den deutschen Rechtfertigungsgründen ähnlich einstufen kann man die Notwehr (self-defense) und den Notstand (necessity). Einem Schuldausschlussgrund nahe kommt vor allem die mangelnde Zurechnungsfähigkeit (insanity). Der Nötigungsnotstand (duress) entspricht weitgehend der Struktur eines Entschuldigungsgrundes. Mit Ausnahme des Falls der insanity, der die Einweisung in ein psychiatrisches Krankenhaus zur Folge haben kann, führen alle defenses zu einem Ausschluss der Strafbarkeit. Wie die Beispiele bereits deutlich machen, sind die defenses primär auf natürliche Personen zugeschnitten. Im Rahmen der Diskussion über die Unternehmensstrafbarkeit sind sie daher kaum von Bedeutung.78
____________ 78 Siehe unten S. 106. Eine Ausnahme stellt die Erörterung einer due diligence defense für Unternehmen dar, wobei es sich aber eher um den Ausschluss der Zurechnung im Rahmen des Tatbestands als um eine echte defense handelt, vgl. näher S. 101.
§ 5 Strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen A. Geschichtliche Entwicklung der Unternehmensstrafbarkeit Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen ist im heutigen USRecht sowohl auf Bundesebene als auch in den Bundesstaaten fest verankert.1 Zumeist wird sie unter dem Begriff „corporate criminal liability“ behandelt, häufig aber auch als „corporate criminal responsibility“ bezeichnet. Ein inhaltlicher Unterschied liegt dem verschiedenartigen Sprachgebrauch nicht zugrunde, die beiden Bezeichnungen sind daher austauschbar.2 Die Entwicklung, die zunächst vor allem von der Rechtsprechung vorangebracht wurde, nahm ihren Ausgangspunkt in den Bundesstaaten, da sich die Kompetenzen im Bereich des Strafrechts erst nach und nach auf den Bund verlagerten.3 Drei wesentliche Entwicklungsstufen lassen sich dabei unterscheiden:4 Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts stand die Frage im Vordergrund, ob sich überhaupt eine Unternehmensstrafbarkeit begründen lässt und welchen Voraussetzungen sie unterliegt (dazu I.). Bis zum Ende des 20. Jahrhunderts erfuhr die Unternehmensstrafbarkeit eine deutliche Ausdehnung und verstärkte (gesetzliche) Regelung (II.). In neuerer Zeit schließlich ist eine Tendenz zu gesteigerter Einbeziehung der Unternehmen in die Prävention und die Strafverfolgung selbst zu beobachten (III.). I. Entwicklung bis Mitte des 20. Jahrhunderts Das in den USA aus England zunächst übernommene common law sah eine strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen ursprünglich im Wesentlichen nicht vor. Allgemein wurde angenommen, dass es Unternehmen sowohl an der Handlungsfähigkeit als auch an einem entsprechenden Bewusstsein fehle (societas ____________ 1 Zum amerikanischen Unternehmensstrafrecht vgl. aus der deutschen Literatur: Ackermann, Strafbarkeit, S. 110 ff.; Bundesministerium der Justiz, in: Hettinger (Hrsg.), Reform, S. 264 ff.; Ehrhardt, Unternehmensdelinquenz, S. 90 ff.; Ries, RIW 1993, 544. Aus der umfangreichen amerikanischen Literatur seien nur die Standardwerke von Brickey, Corporate Criminal Liability (3 Bd.) und von Gruner, Corporate Criminal Liability genannt. Einen ersten Überblick bieten die jährlich aktualisierten Aufsätze in der Am. Crim. L. Rev., zuletzt Lipman, 46 Am. Crim. L. Rev. (2009), S. 360 ff. Weitere Aufsätze zum Unternehmensstrafrecht sind nach Veröffentlichungsjahr in der Bibliografie bei DiMento et al., 28 W. St. U. L. Rev. (2000-01), S. 1 ff. aufgeführt. 2 Dies folgt der Tradition des common law, das „liability“ (Haftung) und „responsibility“ (Verantwortung) häufig gleichlautend verwendet. Beide Begriffe sind jedoch nicht zwingend wesensgleich, da eine Haftung auch ohne Verantwortlichkeit bestehen kann, vgl. näher Hart, Punishment and Responsibility, S. 215 ff. Zu begrifflichen Unklarheiten in Bezug auf ein „schuldhaftes“ Verhalten des Unternehmens siehe unten Anm. 244. 3 Vgl. dazu oben S. 57 ff. 4 Ähnlich Cole, 45 S. Tex. L. Rev. (2003-04), S. 147 (149 ff.); siehe auch Laufer, Corporate Bodies, S. 9 ff., der allerdings sieben wesentliche Phasen ausmacht.
§ 5 Strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen
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non delinquere potest).5 Dennoch hatte es in England vereinzelt Verurteilungen von (öffentlichen) Unternehmen gegeben, die es unterlassen hatten, öffentlichrechtliche Verpflichtungen zu erfüllen.6 Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen begann sich in England dann zunächst auch Mitte des 19. Jahrhunderts für die Unterlassung gesetzlicher Pflichten allgemein durchzusetzen und war alsbald für Tun und Unterlassen gleichermaßen anerkannt.7 Als sich in den Vereinigten Staaten im 19. Jahrhundert in Gesetzgebung und Rechtsprechung die Kategorie der strict liability-Delikte durchzusetzen begann,8 gingen die amerikanischen Gerichte vermehrt dazu über, auch eine Verantwortlichkeit der Unternehmen für diese Strafvorschriften anzunehmen.9 Ein wesentlicher Grund für diese Entwicklung war die fehlende Möglichkeit des amerikanischen Rechts (wie vormals des englischen Rechts), öffentlich-rechtliche Pflichten im Wege des Verwaltungszwangs durchzusetzen, da ein ausdifferenziertes Verwaltungsrechtssystem nicht bestand.10 Soweit keine privatrechtliche Klage ____________ 5 Treffend beschreibt dies der englische Lord Chancellor Baron Thurlow in einem im englischen wie auch im amerikanischen Recht häufig angeführten Zitat: “Did you ever expect a corporation to have a conscience when it has no soul to be damned and no body to be kicked.”, zitiert nach: Poynder, Literary Extracts, Bd. 1, S. 268. Diese Äußerung geht wohl auf ein auf das Jahr 1250 datiertes Zitat von Papst Innozenz IV. zurück, der die Exkommunizierung eines Unternehmens verbot, da dieses keine Seele habe und so auch keine verlieren könne. In der Rechtsprechung fasste Lord Holt die Rechtslage dergestalt zusammen: “a corporation is not indictable, but the particular members of it are”, Anonymuous Case (No. 935), 88 Eng.Rep. 1518 (K.B. 1701). William Blackstone konstatierte daher im Jahr 1765 (1 Commentaries, S. 476 f.), dass eine Unternehmensstrafbarkeit in England nicht anerkannt sei. Vgl. zur Entwicklung im englischen Recht Leigh, Criminal Liability, S. 15 ff.; Pinto/Evans, Corporate Criminal Liability, S. 15 ff.; Wells, Corporations, S. 84 ff.; siehe auch Mansdörfer, Verantwortlichkeit, in: ders. (Hrsg.), Straftatlehre, S. 206 ff.; zum amerikanischen Recht vgl. die Nachweise in Anm. 9. 6 Es war nicht unüblich, dass der König Gemeinden die Rechtspersönlichkeit in Form einer corporation verlieh (vgl. Holdsworth, 31 Yale L. J. [1922], S. 382 ff.). Mehrere Gemeinden wurden bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts strafrechtlich verurteilt, da sie die Instandhaltung von Brücken und Straßen unterlassen hatten, vgl. Brickey, 60. Wash. U. L. Q. (1982-83), S. 393 (397 ff.); Leigh, Criminal Liability, S. 15 ff. 7 Entscheidendes Urteil für die Verantwortlichkeit wegen Unterlassens gesetzlicher Pflichten war R. v. Birmingham & Gloucester Railway Co. (1842) 3 Q.B. 223. Die Ausdehnung auf alle Handlungsarten erfolgte im Urteil R. v. Great North of England Railway Co. (1846) 9 Q.B. 315. 8 Vgl. dazu oben S. 64. 9 Zur Entwicklung der Unternehmensstrafbarkeit vgl. Bernard, 22 Criminology (1984), S. 3; Brickey, 60. Wash. U. L. Q. (1982-83), S. 393 (404 ff.); Canfield, 14 Colum. L. Rev. (1914), S. 469 ff.; Coffee, 79 Mich. L. Rev. (1980-81), S. 386; Hitchler, 27 Dick. L. Rev. (1922-23), S. 89 ff.; Silets/Brenner, 13 Am. J. Crim. L. (1985-86), S. 329 (332 ff.); Stone, Law, S. 19 ff.; Wise, in: Doelder/Tiedemann (Hrsg.), Criminal Liability, S. 383 (384 f.). Siehe auch Baty, Vicarious Liability, S. 181 ff.; Dan-Cohen, Corporations, S. 16 ff.; Mark, 54 U. Chi. L. Rev. (1987), S. 1441 ff.; Schane, 61 Tul. L. Rev. (1986-87), S. 563 ff.; Walt/Laufer, 18 Am. J. Crim. L. (1990-91), S. 263 f. zur zunehmenden „Personifikation“ des Unternehmens in der amerikanischen Rechtsentwicklung. 10 Zur Entwicklung des Wirtschaftsverwaltungsrechts vgl. auch unten S. 308.
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2. Kapitel: Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika
erhoben wurde, war somit die zwangsweise Rechtseinhaltung nicht zu erreichen. Die Erstreckung strafrechtlicher Vorschriften auf Unternehmen ermöglichte eine staatliche Durchsetzung der Vorschriften.11 Der Verzicht auf das mens reaErfordernis bei den strict liability-Delikten erleichterte die Erstreckung des Strafrechts auf Unternehmen, da sich hier nicht die Frage der Zurechnung eines Vorsatzes der Mitarbeiter zum Unternehmen bzw. die Frage eines Unternehmensvorsatzes selbst stellte. Zunächst wurde eine Unternehmensverantwortlichkeit wie ursprünglich im englischen Recht nur bei Unterlassungsdelikten (acts of nonfeasance) angenommen. Hier stellte sich die Frage der Zurechnung einer aktiven Handlung von Einzelpersonen nicht. Dem Unternehmen konnte der Sache nach einfach die Unterlassung einer (ihm zugeschriebenen) Pflicht vorgeworfen werden.12 In Abkehr vom klassischen englischen common law wurde die Strafbarkeit bald wie in der englischen Rechtsentwicklung auch auf Handlungsdelikte (acts of misfeasance) ausgedehnt, da die Abgrenzung zwischen aktivem Tun und Unterlassen häufig nur als eine Frage der Formulierung des genauen Vorwurfs angesehen wurde.13 Den entscheidenden Schritt zur Anerkennung einer umfassenden Unternehmensstrafbarkeit brachte das Urteil New York Central & Hudson River Rail Road Co. des U.S. Supreme Court im Jahr 1909,14 mit dem sich die Entwicklung in den USA deutlich von derjenigen im englischen Recht entfernte. Das Gericht bestätigte die Möglichkeit einer Bestrafung des Unternehmens bei Delikten, die mens rea erforderten, und zwar auch dann, wenn ein Gesetz die Unternehmensstrafbarkeit nicht explizit vorsah. Es spreche verfassungsrechtlich nichts gegen eine Haftung eines Unternehmens für von Angestellten begangene Taten, die diese im Rahmen der von der Gesellschaft übertragenen Befugnisse begehen und von der die Gesellschaft profitiert. Das Gericht berief sich dabei auf den zivilrechtlichen Haftungsgrundsatz des respondeat superior, den es im Wesentlichen auf das Unternehmensstrafrecht ____________ 11 Vgl. den Fall Commonwealth v. Proprietors of New Bedford Bridge, 68 Mass 339 (1854), in dem ein Unternehmen, das Eigentümer einer Zugbrücke war, nicht die Spannweite der Brücke erweiterte, um diese dem moderneren Schiffsverkehr anzupassen. Das Unternehmen wurde sodann wegen des Tatbestands des „public nuisance“ verurteilt, um eine effektive Rechtsdurchsetzung zu ermöglichen (vgl. das Urteil a.a.O., S. 345 f.). Zu weiteren Fällen siehe Canfield, 14 Colum. L. Rev. (1914), S. 469 (474). 12 Vgl. etwa den Fall People v. Corporation of Albany, 11 Wend. 539 (N.Y. Sup. Ct. 1834), in dem die Gemeinde Albany wegen unterlassener Reinigung des verschmutzten Hudson River verurteilt wurde. 13 So im Fall Commonwealth v. Proprietors of New Bedford Bridge, 68 Mass. 339 (1854); vgl. dazu Bernard, 22 Criminology (1984), S. 3 (4 ff.); Elkins, 65 Ky. L. J. (197677), S. 73 (93 f.); Hitchler, 27 Dick. L. Rev. (1922-23), S. 89 (93 ff.); Wise, in: Doelder/ Tiedemann (Hrsg.), Criminal Liability, S. 383 (384) jew. m.w.N. 14 New York Central & Hudson River Rail Road Co. v. U.S., 212 U.S. 481 (1909); vgl. dazu Brickey, Corporate Criminal Liability, Bd. 1, S. 84 f.
§ 5 Strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen
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übertrug und dieses damit parallel zur Figur der vicarious liability gestaltete.15 Neben der zivilrechtlichen Begründung führte das Gericht die kriminalpolitische Notwendigkeit an, zur Durchsetzung von Gesetzen und zur Wirtschaftslenkung eine Kriminalisierung der Unternehmen anzuerkennen, da diese einen großen Anteil am Wirtschaftsleben ausmachen.16 Diese Argumentation findet sich auch in Entscheidungen der Gerichte der Bundesstaaten wieder.17 Im englischen Recht wurde die Unternehmensstrafbarkeit unabhängig von der amerikanischen Entwicklung fortgeführt.18 Der Fortgang war jedoch wie in den USA eng mit der gesetzgeberischen Einführung zahlreicher regulatory offenses verbunden.19 Ähnlich wie im amerikanischen Recht wurde teilweise eine stellvertretende Haftung nach vicarious liability-Grundsätzen des Unternehmens für seine Mitarbeiter in Betracht gezogen.20 Vermehrt wurde aber seit Mitte des 20. Jahrhunderts auch eine direkte Verantwortlichkeit des Unternehmens für Straftaten der Mitarbeiter bejaht,21 dies dafür auf die Mitwirkung hochrangiger Unternehmensmitarbeitern begrenzt (doctrine of identification bzw. alter ego theory).22 Verbunden damit war eine Ausdehnung der Strafbarkeit von regulatory offenses auf grundsätzlich alle Straftatbestände. Eine klare Trennung der Konzeptionen erfolgte im
____________ 15 Vgl. die Entscheidung in Anm. 14, S. 481 (494): „Mit der Anwendung des zivilrechtlichen Haftungsgrundsatzes gehen wir nur einen Schritt weiter, wenn wir entscheiden, dass die Handlung eines Bevollmächtigten, der die ihm übertragenen Befugnisse ausübt, dadurch kontrolliert wird, dass im Interesse der Rechtsordnung seine Handlung seinem Arbeitgeber zugeschrieben wird und das Unternehmen, für das er handelt, bestraft wird.“ (Übersetzung vom Autor). Zum respondeat superior-Grundsatz und dessen Übertragung auf die strafrechtliche Figur der vicarious liability siehe bereits oben S. 66. 16 Vgl. die Entscheidung in Anm. 14, S. 481 (495 f.): Das Recht „kann nicht seine Augen vor der Tatsache verschließen, dass heute der größte Teil der wirtschaftlichen Tätigkeit durch diese Körperschaften ausgeführt wird und dass insbes. der innerstaatliche Handel fast ausschließlich in ihren Händen liegt. Würde man nur wegen der alten und veralteten Lehre, dass ein Unternehmen keine Straftat begehen kann, von jeglicher Bestrafung absehen, gäbe man praktisch das einzige Mittel aus der Hand, um diesen Bereich wirksam zu kontrollieren und Missbräuche abzustellen“. (Übersetzung vom Autor) 17 Vgl. den Supreme Court of North Carolina im Urteil State v. Salisbury Ice and Fuel Company, 166 N.C. 366 (1914). 18 Vgl. näher Leigh, Criminal Liability, S. 15 ff., 43 ff.; Pinto/Evans, Corporate Criminal Liability, S. 33 ff.; Wells, Corporations, S. 63 ff. 19 Wells, ZStW 107 (1995), 676 (677 f.); siehe auch Smith/Hogan, Criminal Law, S. 234 f. 20 Vgl. Leigh, Criminal Liability, S. 74 ff.; zu neueren Entscheidungen in den 1990er Jahren Wells, Developments, in: Eser et al., Responsibility, S. 217 (220 ff.). 21 Vgl. die ersten Ansätze hierfür in Lennard’s Carrying Co Ltd v. Asiatic Petroleum Co Ltd [1915] AC 705; weiterentwickelt wurde die Lösung in den drei wegweisenden Entscheidungen aus dem Jahr 1944: Moore v. Bresler [1944] 2 All E.R. 119; R. v. ICR Haulage Ltd. [1944] K.B. 551; DPP v. Kent and Sussex Contractor Ltd. [1944] 1 All E.R. 119. 22 Umstritten ist dabei, welche Personen zu den hochrangigen Mitarbeitern zu zählen sind, vgl. insbes. Tesco Supermarkets Ltd. v. Nattrass (1972) AC 153 sowie Meridian Global Funds Asia Ltd. v. Security Commission (1995) 2 AC 500; näher dazu Gobert/ Punch, Corporate Crime, S. 59 ff.; Leigh, Criminal Liability, S. 91 ff.; Smith/Hogan, Criminal Law, S. 236 ff.
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2. Kapitel: Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika
Wesentlichen nicht.23 Daher kann sich die Verantwortlichkeit des Unternehmens im englischen Recht je nach verletzter Pflicht unterschiedlich darstellen.24 Zunehmend werden im englischen Recht die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze von speziellen gesetzlichen Regelungen überlagert. Dazu zählen der Health and Safety at Work Act 1974, der dem Unternehmen eine strafrechtlich bewehrte Pflicht zur Sorge um Sicherheit und Gesundheit seiner Angestellten auferlegte.25 Bei Pflichtverletzungen, die zu Schädigungen von Mitarbeitern führen, wird das Verschulden des Unternehmens vermutet (hybrid strict liability). Als Verteidigung (defence) kann das Unternehmen einwenden, es habe alle zumutbaren Vorkehrungen (reasonably practical precautions) getroffen, wofür die Beweislast allerdings beim Unternehmen liegt. Die weitreichendste Regelung findet sich nunmehr im Corporate Manslaughter and Corporate Homicide Act 2007, der im April 2008 in Kraft getreten ist und das bisherige case law in diesem Bereich ersetzt.26 Das Gesetz ist im Wesentlichen auf die gescheiterte Strafverfolgung des Betreibers der gesunkenen Fähre Herald of Free Enterprise zurückzuführen.27 Die Vorschriften sehen eine Bestrafung von Unternehmen für Tötungen vor, die dadurch entstehen, dass das Unternehmen durch die Art seines Managements oder seiner Organisation wesentliche Pflichten gegenüber dem Verstorbenen verletzt hat und dem höheren Management dabei wesentliche Sorgfaltspflichtverletzungen vorzuwerfen sind. Die Regelung knüpft somit nicht mehr originär an dem (schuldhaften) Verhalten eines Unternehmensmitarbeiters, sondern vielmehr an der unzureichenden Unternehmensorganisation an.
Das Urteil des U.S. Supreme Court im Jahr 1909 war vor allem eine Anerkennung neuer Realitäten im amerikanischen Wirtschaftsleben.28 Denn Unternehmen hatten sich bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts weit verbreitet.29 In der Anfangszeit der USA war die Gründung von Unternehmen nur unter erschwerten Bedingungen möglich gewesen. Im Lauf der Industrialisierung im 19. Jahrhundert wurden die gesetzlichen Voraussetzungen jedoch stetig vereinfacht. Zur Bewältigung großer Aufgaben wie des Eisenbahnbaus wurden „attraktive“ Unternehmensformen als notwendig erachtet, die eine Beschränkung der Haftung der Anteilseigner ermöglichten, um Investitionskapital anzuziehen.30 Unternehmen wurden auch in der Rechtsprechung zunehmend als eigenständige Wirtschaftsteilnehmer anerkannt. ___________ Wells, ZStW 107 (1995), 676 (682). Siehe auch Mansdörfer (Hrsg.), Common Law, S. 206 (212 f.). 25 Vgl. näher dazu Forlin/Appleby, Corporate Liability, S. 20 ff. 26 Vgl. dazu Matthews, Corporate Manslaughter, S. 13 ff.; Schneider, EuZW 2007, 553 f.; ders., CCZ 2008, 18 f. sowie die Veröffentlichung des britischen Justizministeriums: Ministry of Justice, A guide to the Corporate Manslaughter and Corporate Homicide Act 2007, October 2007. 27 Vgl. Forlin/Appleby, Corporate Liability, S. 103 ff.; Gobert/Punch, Corporate Crime, Kap. 3. B.; Matthews, Corporate Manslaughter, S. 8 ff.; Wells, ZStW 107 (1995), 676 (684 ff.); dies., Corporate Killing, in: Eser et al., Responsibility, S. 119 ff. 28 Vgl. Pitt/Groskaufmanis, 78 Geo. L. J. (1989-90), S. 1559 (1575 ff.); Silets/Brenner, 13 Am. J. Crim. L. (1985-86), S. 329 (348 f.) 29 Chandler, 33 Bus. Hist. Rev. (1959), S. 1 ff.; Cullen et al., Corporate Crime, S. 83 ff.; Mark, 54 U. Chi. L. Rev. (1987), S. 1441 (1443 ff.). 30 Cullen et al., Corporate Crime, S. 81 ff.; Elkins, 65 Ky. L. J. (1976-77), S. 73 (76 f., 89 ff.); Fletcher, Cyclopedia, § 2; Merkt/Göthel, Gesellschaftsrecht, S. 59 ff.; Pitt/Groskaufmanis, 78 Geo. L. J. (1989-90), S. 1559 (1575 ff.). 23
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§ 5 Strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen
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Bis Mitte des 19. Jahrhunderts konnten sie als eigenständige Inhaber von Rechten am Rechtsleben teilnehmen.31 Staatlicher Kontrolle unterlagen sie nur in geringem Umfang, im Wesentlichen wurden sie (und das Marktgeschehen) der Selbstregulierung überlassen.32 Erst als diese sehr liberale Haltung zu Auswüchsen wie dem Missbrauch von Monopolstellungen führte, wurden die Unternehmen ab Ende des 19. Jahrhunderts Schritt für Schritt einer staatlichen Kontrolle durch den Bundesgesetzgeber unterworfen.33 Insoweit führte der U.S. Supreme Court mit seiner Entscheidung, Unternehmen auch strafrechtlich in die Verantwortung zu nehmen, die Entwicklung lediglich ein Stück weiter. Als das Gericht im Jahr 1909 das deliktsrechtliche Prinzip des respondeat superior auf das Strafrecht übertrug, hätte sich eigentlich das Problem gestellt, inwieweit dem Unternehmen ein Schuldvorwurf gemacht werden konnte.34 Denn im Deliktsrecht des common law steht die Kompensation des Schadens und nicht der moralische Vorwurf im Vordergrund. Im Strafrecht dagegen ist der moralische Vorwurf, der die Möglichkeit eines schuldhaften Handelns voraussetzt, von zentraler Bedeutung.35 Daher wäre an sich nötig gewesen, eine auf das Strafrecht zugeschnittene Figur zu entwickeln, die ein Verschulden berücksichtigt.36 Das Problem des Verschuldens wurde in der frühen Literatur und der Rechtsprechung jedoch im Wesentlichen ignoriert.37 Deshalb konnte sich bis heute eine
____________ 31 Die Entwicklung vollzog sich dabei in vielen Einzelschritten, vgl. z. B. die Urteile Dartmouth College v. Woodward, 17 U.S. 518 (1819) [Anerkennung der Möglichkeit von privatem Eigentum durch ein Unternehmen]; Bank of Augusta v. Earle, 38 U.S. 519 (1839) [Unternehmen haben das Recht zur Geschäftstätigkeit auch außerhalb des Bundesstaates, in dem sie gegründet wurden]; Marshall v. Baltimore & Ohio Railroad Company, 57 U.S. 314 (1853) [Unternehmen als solches kann verklagt werden] und Santa Clara County v. Southern Pacific Railroad Co., 118 U.S. 394 (1886) [Unternehmen sind im Grundsatz natürlichen Personen gleichgestellt]; weitere Nachweise bei Mark, 54 U. Chi. L. Rev. (1987), S. 1441 (1443 ff.) und Schane, 61 Tul. L. Rev. (1986-87), S. 563 (569 ff.). 32 Pitt/Groskaufmanis, 78 Geo. L. J. (1989-90), S. 1559 (1575 ff.). 33 So etwa im Bereich des Kartellrechts aufgrund des Sherman Act von 1890 bzw. im Wertpapierhandel aufgrund des Securities Exchange Act von 1934; vgl. Cullen, Corporate Crime (1. Aufl.), S. 132 ff.; Fletcher, Cyclopedia, § 2, § 169; Merkt/Göthel, Gesellschaftsrecht, S. 67 ff. 34 Vgl. Bucy, 71 Wash. U. L. Q. (1993), S. 329 (341 f.); Buell, 81 Ind. L. J. (2006), S. 473 ff.; Mueller, 19 U. Pitt. L. R. (1957-58), S. 21 (37 ff.). 35 Vgl. Coffee, 71 B. U. L. Rev. (1991), S. 193 (221 ff.); Hall, Criminal Law, S. 203; Walt/Laufer, Sanctions, in: Schlegel/Weisburd (Hrsg.), Crime, S. 309 (313); diese Unterscheidung wird auch heute noch – trotz zahlreicher Annäherungen z.B. im Bereich der punitive damages – als ein wesentlicher Unterschied zwischen Zivilrecht und Strafrecht gesehen, siehe dazu näher die Nachweise in Anm. 109 und Anm. 110. 36 Vgl. Bucy, 71 Wash. U. L. Q. (1993), S. 329 (341 f.), die selbst ein solches Modell vorstellt, siehe dazu und zu weiteren Vorschlägen aus der Literatur unten S. 106 ff. 37 Beispielhaft dafür, dass bei Gerichten die Überlegungen der Sozialkontrolle und nicht die einer Theorie der Unternehmensstrafbarkeit im Vordergrund standen, ist folgender Auszug aus dem Urteil Standard Oil Co. v. U.S., 307 F.2d 120 (5th Cir. 1962), S. 127: „Law as a useful tool must accommadate pure theoretical logic to the demands for common sense“. Vgl. auch Bharara, 44 Am. Crim. L. Rev. (2007), S. 53 (57 ff.); Mueller, 19 U. Pitt. L. R. (1957-58), S. 21 (37 ff.) sowie Laufer, 43 Emory L. J. (1994), S. 647 (661 ff.); Laufer/Strudler, 37 Am. Crim. L. Rev. (2000), S. 1285 (1295 ff.); Moore, 34 Ariz. L. Rev. (1992), S. 743 (759); Mueller, 58 W. Va. L. Rev. (1955-56), S. 34 ff.
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2. Kapitel: Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika
weitgehend gefestigte Rechtsprechung zu den Voraussetzungen der Unternehmensstrafbarkeit entwickeln, ohne dass die Frage gerichtlich näher geklärt worden wäre.38 In der Literatur ist der Aspekt in den letzten Jahrzehnten allerdings immer wieder behandelt worden. Wegen des geringen Widerhalls in der Rechtsprechung ist die Diskussion aber weitgehend eine akademische geblieben. Praktische Bedeutung erlangte die Unternehmensschuld dagegen im Rahmen der Strafzumessung, als Ende der 1980er Jahre die Erstellung von Strafzumessungsrichtlinien anstand.39
Die sich in der Folge der Entscheidung des U.S. Supreme Court im Jahr 1909 entwickelnde Rechtsprechung bestätigte im Grundsatz die Voraussetzungen der Unternehmensstrafbarkeit, wie sie vom U.S. Supreme Court aufgestellten worden waren.40 Dabei wurden die genauen Voraussetzungen der strafrechtlichen Verantwortlichkeit weiter herausgearbeitet.41 Zudem begann der Gesetzgeber, die Unternehmensstrafbarkeit in Einzelbereichen vermehrt gesetzlich zu regeln.42 Bis Mitte des 20. Jahrhunderts wurde die Unternehmensstrafbarkeit von Rechtsprechung und Gesetzgebung somit insgesamt ausgebaut. In der Praxis der Strafverfolgungsbehörden und anderer staatlicher Behörden wurden Unternehmen jedoch nur ausnahmsweise strafrechtlich verfolgt; soweit eine Ahndung überhaupt erfolgte, wurde vor allem auf das Zivilrecht gesetzt.43 II. Entwicklung bis Ende des 20. Jahrhunderts Waren bis Mitte des 20. Jahrhunderts die Grundlagen für die Unternehmensstrafbarkeit gelegt, so wurde bis zum Ende des Jahrhunderts die Rechtsprechung nicht nur konsolidiert, sondern teilweise durch eine Herabsetzung der Anforderungen auch ausgeweitet.44 Parallel dazu setzte der Gesetzgeber stärker auf eine ge-
____________ Vgl. Brown, 41 Loy. L. Rev. (1995-96), S. 279 (306). Vgl. dazu unten S. 115 ff. 40 Vgl. etwa State v. Roche, Inc., 511 N.W.2d 195 (Neb.App. 1994); U.S. v. Hilton Hotels Corp., 467 F.2d 1000, (9th Cir. 1972); Commonwealth v. Beneficial Finance Co., 275 N.E.2d 33, (Mass. 1971); Standard Oil Co. v. U.S., 307 F.2d 120 (5th Cir. 1962); Vulcan Last Co. v. State, 217 N.W. 412 (Wis. 1928); Grand Rapids & I. Ry. Co. v. U.S., 212 F. 577 (6th Cir. 1914); die Datenbank Westlaw führt allein 156 Entscheidungen an, die auf das Urteil zumindest Bezug nehmen (Stand: 31.3.2010). Siehe auch Brickey, Corporate Criminal Liability, Bd. 1, S. 85 f.; Gruner, Corporate Criminal Liability, S. 3–14 ff.; LaFave, Substantive Criminal Law, Bd. II, S. 383; Laufer, 71 Neb. L. Rev. (1992), S. 1049 (1054) Anm. 15; Terwilliger, 44 Am. Crim. L. Rev. (2007), S. 1417 (1423 ff.). 41 Vgl. im Überblick Cole, 45 S. Tex. L. Rev. (2003-04), S. 147 (149). 42 Vgl. Elkins, 65 Ky. L. J. (1976-77), S. 73 (97 ff.). 43 Vgl. Kadish, 30 U. Chi. L. Rev. (1962-63), S. 423 (426); Note, 92 Harv. L. Rev. (1978-79), S. 1227 (1229). 44 Hier wurden vor allem die Anforderungen gesenkt, wann ein Mitarbeiter für das Unternehmen handelte: vgl. Standard Oil v. U.S., 307 F.2d 120 (5th Cir. 1962) und TexasOklahoma Express v. U.S., 429 F.2d 100 (10th Cir. 1970). 38
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setzliche Regelung.45 In zahlreichen Straftatbeständen hat der Bundesgesetzgeber inzwischen eine Unternehmensstrafbarkeit ausdrücklich vorgesehen.46 Diese Tatbestände regeln im Grundsatz keine Fragen der allgemeinen Voraussetzungen und überlassen diese somit weiterhin der Rechtsprechung. Eine allgemeine Regelung findet sich für das Bundesrecht nur im United States Code, der Unternehmen in Bezug auf gesetzliche Regelungen grundsätzlich mit natürlichen Personen gleichstellt.47 Diese Vorschrift findet auch auf Strafgesetze Anwendung.48 Auf Bundesebene gelang es bislang nicht, eine allgemeine Vorschrift über die Voraussetzungen der Unternehmensstrafbarkeit zu schaffen. Der Versuch einer gesetzlichen Regelung im Rahmen eines Bundesstrafgesetzbuchs, das im Wesentlichen die bereits bestehende Rechtsprechung aufgegriffen hätte, gelangte nicht zur Verabschiedung.49 Etwas weiter ist die Entwicklung auf Ebene der Bundesstaaten gediehen. Motor für eine gesetzliche Regelung innerhalb der Bundesstaaten war der Vorschlag eines Modellstrafgesetzbuchs in den 1960er Jahren, das im Bereich der Unternehmensstrafbarkeit zu einem in Teilen einheitlichen Ansatz geführt hat.50 Grundlegend gesetzlich geregelt wurde im Jahr 1991 auf Bundesebene dagegen die Strafzumessung für Unternehmen durch Strafzumessungsrichtlinien (Sentencing Guidelines).51 Im Bereich der Sanktionen hatte man einen besonders starken Regelungsbedarf gesehen, um den bis dahin herrschenden Zustand der Rechtsunsicherheit zu beseitigen. Der Rechtsprechung war es bis zu diesem Zeitpunkt nicht gelungen, eine allgemeine Strafzumessungsdogmatik zu entwickeln.52 Da ein um____________ 45 Vgl. zur Entwicklung etwa Cole, 2005 Colum. Bus. L. Rev. (2005), S. 1 (63 ff.); Fischel/Sykes, 25 J. Legal Stud. (1996), S. 319 (337 ff.); Pitt/Groskaufmanis, 78 Geo. L. J. (1989-90), S. 1559 (1570 ff.). 46 Vgl. für die Strafbarkeit auf Bundesebene die Sammlung bei Brickey, Corporate Criminal Liability, Bd. 1–3. 47 Vgl. 1 U.S.C. § 1: “In determining the meaning of any Act of Congress, unless the context indicates otherwise […] the words ‘person’ and ‘whoever’ include corporations, companies, associations, firms, partnerships, societies, and joint stock companies, as well as individuals […].” 48 Rowland v. California Men’s Colony, 506 U.S. 194 (1993), S. 211; allerdings muss für jede Regelung im Einzelfall festgestellt werden, ob diese auch auf Unternehmen Anwendung findet; vgl. näher Gruner, Corporate Criminal Liability, § 3.02; LaFave, Substantive Criminal Law, Bd. I, S. 385; Tigar, 17 Am. J. Crim. L. (1989-90), S. 211 (218). 49 Vgl. The National Commission on Reform of Federal Criminal Law, Study Draft of a New Federal Criminal Code (Title 18, U.S.C.), 1970, § 402; dazu Ackermann, Strafbarkeit, S. 136 ff.; Elkins, 65 Ky. L. J. (1976-77), S. 73 (122); Friedman, 55 Notre Dame L. (197980), S. 173 (183 ff.); Gainer, Buff. Crim. L. Rev. (1998-99), S. 45 ff., auch zum Stand der neueren Reformbemühungen; Leigh, 9 Ottawa L. Rev. (1977), S. 247 (270 ff.). In neuerer Zeit hat Orland, 71 Wash. U. L. Q. (1993), S. 357 darauf aufbauend einen eigenen Regelungsvorschlag (Model Federal Corporate Criminal Code) unterbreitet. 50 Vgl. näher dazu S. 111 ff. 51 Vgl. dazu unten S. 115 ff. 52 Dieser Vorwurf gegenüber der Rechtsprechung betraf nicht nur Unternehmen, sondern auch (und zahlenmäßig weit bedeutender) natürliche Personen. Daher wurden zuerst für natürliche Personen Strafzumessungsrichtlinien entwickelt, vgl. näher unten S. 126 ff.
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fassendes Bundesstrafgesetzbuch nicht mehr realisierbar schien, nahm man in Kauf, sozusagen das Pferd der Unternehmensstrafbarkeit von hinten aufzuzäumen und nicht erst die Festschreibung allgemeiner Grundsätze der Verantwortlichkeit abzuwarten.53 Die Unternehmensstrafbarkeit hat sich bis Ende des 20. Jahrhunderts soweit etabliert, dass die Existenz dieses Instituts im Wesentlichen nicht mehr bezweifelt worden ist und eher zum gesetzlichen Regel- denn zum Ausnahmefall geworden ist.54 Im Hinblick auf die strafrechtliche Verantwortlichkeit werden Unternehmen somit nahezu wie normale Staatsbürger behandelt.55 III. Neuere Tendenzen In den Strafzumessungsrichtlinien deutete sich erstmals eine Entwicklung an, die die Tätigkeit des Gesetzgebers und der Exekutive bis heute in immer stärkerem Maße beeinflusst hat: die Einbeziehung von Unternehmen in die Kriminalitätsprävention und die Strafverfolgung selbst. Stichworte wie „compliance“, „voluntary disclosure“, „self-reporting“ und „cooperation“ sind inzwischen jedem Unternehmen in den USA geläufig.56 Sie sollen nach dem hinter diesen Begrifflichkeiten stehenden Konzept in ihrem Bereich Vorsorge gegen Straftaten treffen, bei Verstößen eigenständig die Behörden informieren und bei der Aufklärung des Sachverhalts mithelfen, da sie nur dann als gute Staatsbürger (good citizen) gelten.57 Wichtigster Bestandteil dieser Entwicklung, die für Unternehmen nicht nur moralische, sondern auch rechtliche Relevanz hat, war zunächst die durch die Strafzumessungsrichtlinien vorgesehene Berücksichtigung von Compliance-Programmen.58 Derartige Programme sind inzwischen aber auch im Rahmen der Entscheidung der Staatsanwaltschaft über die Erhebung einer Anklage relevant und ____________ 53 So auch explizit Bucy, 71 Wash. U. L. Q. (1993), S. 329. Krit. dazu Laufer, 71 Neb. L. Rev. (1992), S. 1049 (1051 ff., 1063 ff.); Orland, 71 Wash. U. L. Q. (1993), S. 357 f. 54 So bspw. Cole, 45 S. Tex. L. Rev. (2003-04), S. 147 (148 f.). 55 Vgl. Carden v. Arkoma Associations, 494 U.S. 185 (1990), S. 189: Es kann festgestellt werden, dass „die Regelung, Unternehmen als Bürger zu behandeln, sich inzwischen fest etabliert hat“ (Übersetzung vom Autor). Zur Personifikation des Unternehmens siehe auch die Nachweise in Anm. 9. Allerdings gilt die Gleichstellung des Unternehmens mit natürlichen Personen im Verfassungsrecht nicht für alle dort gewährleisteten Rechte, siehe dazu unten S. 249 ff. 56 Vgl. Cole, 45 S. Tex. L. Rev. (2003-04), S. 147 (150 ff.); Simons, 76 St. John’s L. Rev. (2002), S. 979 ff.; näher zu Compliance und Kooperation unten S. 162 ff., 174 ff. 57 So explizit Baker, 89 Cornell L. Rev. (2003-04), S. 310 (311); Simons, 76 St. John’s L. Rev. (2002), S. 979 ff.; vgl. auch den Titel des im Jahr 1995 von der USSC abgehaltenen Symposiums “Corporate Crime in America: Strengthening the ‘Good Citizen’ Corporation“, veröffentlicht unter: USSC, Corporate Crime, S. 1 ff. 58 Vgl. dazu unten S. 162 ff.
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werden zudem immer mehr außerhalb des Strafrechts von Bundesbehörden und sogar von privaten Institutionen wie der Börse verlangt.59 Die bedeutendste gesetzliche Regelung in diesem Bereich ist der Sarbanes-Oxley Act aus dem Jahr 2002.60 Als Reaktion auf den Zusammenbruch von Worldcom und Enron zielt das Gesetz auf eine effektivere Kontrolle von Unternehmen und die Verminderung von Rechtsverstößen im Unternehmen ab.61 Der damals regierende Präsident Bush machte dieses Ziel bei der Unterzeichnung des Gesetzes klar: “No more easy money for corporate criminals, just hard times.”62 Das Gesetz statuiert einzelne neue Straftatbestände und verschärft bestehende.63 Auf die wichtigste Regelung zur Unternehmensstrafbarkeit auf Bundesebene, die Strafzumessungsrichtlinien, geht es jedoch nur am Rande ein.64 Im Rahmen einer Reform der Strafzumessungsrichtlinien wurde allerdings auf den Ansatz des Gesetzes, Unternehmen verstärkt in die Verantwortung zu nehmen, verwiesen.65 Neben die strafrechtlichen Neuerungen treten umfangreiche Organisations-, Offenlegungs- und Berichtspflichten für das Unternehmen, deren Verletzung zum Teil zivilrechtliche, zum Teil ____________ 59 Zur Entwicklung siehe etwa Baker, 89 Cornell L. Rev. (2003-04), S. 310 (313 f.); zur Bedeutung von Compliance-Programmen in der Strafverfolgung siehe unten S. 236 ff., zur Bedeutung bei Bundesbehörden und privaten Institutionen unten S. 293 ff. 60 Sarbanes-Oxley Act (SOA) vom 30. Juli 2002, Pub. L. No. 107-204, 116 Stat. 745 (z.T. geregelt in 15 U.S.C. §§ 7201-7266). Siehe dazu Bowman, 1 Ohio St. J. Crim. L. (2003-04), S. 373 ff.; Brickey, 81 Wash. U. L. Q. (2003), S. 357 ff.; Butler/Ribstein, Sarbanes-Oxley Debacle, S. 7 ff.; Cunningham, 35 Conn. L. Rev. (2002-03), S. 915 ff.; Perino, 76 St. John’s L. Rev. (2002), S. 671 ff.; Recine, 39 Am. Crim. L. Rev. (2002), S. 1535 ff.; Ribstein, 28 J. Corp. L. (2002-03), S. 1 (11 ff.). Vgl. auch (krit.) aus deutscher Sicht Hefendehl, 8 Buff. Crim. L. Rev. (2004-05), S. 51 ff.; Nicklisch, Sarbanes-Oxley Act, S. 42 ff.; Schünemann, 8 Buff. Crim. L. Rev. (2004-05), S. 35 (45 ff.). 61 Zum Hintergrund der Gesetzgebung vgl. Bowman, 1 Ohio St. J. Crim. L. (2003-04), S. 373 (392 ff.); Cunningham, 35 Conn. L. Rev. (2002-03), S. 917 (928 ff.); Recine, 39 Am. Crim. L. Rev. (2002), S. 1535 (1537 ff.); Ribstein, 40 Hous. L. Rev. (2003-04), S. 77 (83 ff.). 62 Vgl. Presseerklärung des Weißen Hauses vom 30. Juli 2002: Präsident George W. Bush: President Bush Signs Corporate Corruption Bill. 63 So wurde der neue Straftatbestand der falschen Bestätigung durch den Chief Executive Officer oder den Chief Financial Officer, dass die Abschlussbilanz richtig ist, eingeführt (§ 906 SOA) und die Höchststrafe für Mail and Wire Fraud von 5 auf 20 Jahre Freiheitsstrafe erhöht. Vgl. zur strafrechtlichen Seite die Darstellung bei Bowman, 1 Ohio St. J. Crim. L. (2003-04), S. 373 (392 ff.); Brickey, 81 Wash. U. L. Q. (2003), S. 357 (378 f.); Butler/Ribstein, Sarbanes-Oxley Debacle, S. 58 ff.; Note, 122 Harv. L. Rev. (2008-09), S. 1728 ff.; Perino, 76 St. John’s L. Rev. (2002), S. 671 (676 ff.); Ramirez, 34 Loy. U. Chi. L. J. (2002-03), S. 359 (386 ff.); Recine, 39 Am. Crim. L. Rev. (2002), S. 1535 (1549 ff.); USSC, Increased Penalties, S. 1 ff. 64 § 805 (a) (5) SOA weist die Sentencing Commission an, ihre Richtlinien zu überprüfen; vgl. Bowman, 39 Wake Forest L. Rev. (2004), S. 671 (673). 65 Mangels konkreter Anweisungen des SOA bildete dieser für die Reform der Unternehmensrichtlinien allerdings nur einen argumentativen Hintergrund, vgl. näher unten S. 144 ff.
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verwaltungsrechtliche Konsequenzen haben kann.66 Das Gesetz verbindet so eine strafrechtliche Reform mit einer weitreichenden Neuordnung der Unternehmensverfassung (Corporate Governance Reform).67 Auswirkungen hat das Gesetz nicht nur in den USA gezeigt, sondern auch außerhalb des Landes.68 Deutlich macht das Gesetz nicht nur die immer stärkere Einflussnahme des Bundes auf ursprünglich originäre Zuständigkeiten der Bundesstaaten (Strafrecht und Unternehmensrecht), sondern auch die enge Verknüpfung des Strafrechts mit unternehmensrechtlichen Regelungen, die unter den Stichworten „Compliance“ und „Corporate Governance-Reform“ verantwortungsbewusstes Handeln der Unternehmen fördern und von Fehlverhalten abschrecken sollen.69 B. Begründung Die historische Entwicklung hat gezeigt, dass vor allem rechtspraktische Erwägungen den U.S. Supreme Court bei seiner Entscheidung geleitet hatten, die Möglichkeit einer Unternehmensstrafbarkeit anzuerkennen. Im Folgenden wird der Frage nachgegangen, wie die Unternehmensstrafbarkeit in der Literatur begründet wird. Allerdings wird das Institut vielfach bereits als feststehendes Faktum gesehen, sodass auf eine (eingehende) Begründung und Diskussion verzichtet wird.70 Soweit Ausführungen zu finden sind, betreffen diese Aspekte, die für eine Unternehmensstrafbarkeit sprechen (I.). Kritisch beleuchtet wird die Unternehmensstrafbarkeit vor allem unter dem Blickwinkel der Betroffenheit Unschuldiger (II.) und im Hinblick auf Alternativen, die ggf. einer Bestrafung von Unternehmen vorzuziehen sind (III.). ____________ 66 So müssen wesentliche Veränderungen der Finanz- und Geschäftslage des Unternehmens zeitnah veröffentlicht werden (§§ 401 ff. SOA), ein Audit Committee, das die Bestellung und Überwachung eines Abschlussprüfers überwacht, eingerichtet werden (§ 301 SOA), interne Offenlegungskontrollen vorgenommen (§ 302 SOA), eine Meldestelle für Vorfälle von Gesetzesverstößen installiert (§ 301 SOA) und ein Schutz des Meldenden (des Whistleblower) gewährleistet werden (§ 806 SOA). Vgl. näher Cunningham, 35 Conn. L. Rev. (2002-03), S. 917 ff. sowie den Überblick bei Gruson/Kubicek, AG 2003, S. 337 ff. und 393 ff. In weitem Umfang wurde auch die Wirtschaftsprüfung reformiert (§§ 101–209 SOA) und einer stärkeren staatlichen Kontrolle durch eine neu geschaffene Behörde (Public Company Accounting Oversight Board) unterstellt; vgl. dazu im Überblick Lenz, BB 2002, S. 2270 ff.; Strauch, NZG 2003, S. 952 ff. Zur Umsetzung der Vorgaben des SOA v.a. durch die Regelungen der Securities and Exchange Commission, vgl. Steinhorn/Lewis, 60 Consumer Fin. L. Q. Rep. (2006), S. 30 ff. 67 Vgl. dazu Chandler/Strine, 152 U. Pa. L. Rev. (2003-04), S. 953 ff. sowie näher unten S. 292 f., 314 f. 68 Vgl. D. Fischer, Corporate Governance, S. 124 ff., 174 ff. zu Auswirkungen in der Schweiz sowie Nicklisch, Sarbanes-Oxley Act, S. 92 ff. zum Einfluss in Deutschland. 69 Chandler/Strine, 152 U. Pa. L. Rev. (2003-04), S. 953 (979). 70 Vgl. Khanna, 109 Harv. L. Rev. (1995-96), S. 1477 (1478), der beklagt, dass viel zur Unternehmensstrafbarkeit geschrieben wurde, aber nur wenig zur Frage, warum es diese überhaupt gibt.
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I. Begründungsansätze Die Gründe, die für eine Unternehmensstrafbarkeit angeführt werden, sind mannigfaltig.71 Vielfach wird dabei auf die Strafzwecke Bezug genommen.72 Ein eher (rechts-)theoretischer Ansatz geht davon aus, dass nur eine Verantwortlichkeit des Unternehmens dem Gesamtbild der Tat gerecht werde. Allein dadurch sei eine Ahndung der Verletzungen von Pflichten möglich, die dem Unternehmen als solchem auferlegt sind.73 Denn die Straftaten beruhten häufig mehr auf der Art des Managements, als auf den kriminellen Tendenzen einzelner Mitarbeiter.74 Vielfach spielen zudem Gerechtigkeitserwägungen eine Rolle: Beispielsweise wird es als unfair angesehen, allein einen Mitarbeiter zu bestrafen, während das Unternehmen von der Tat profitiert.75 Häufig wird auf rechtspolitische Argumente rekurriert: Eine effektive strafrechtliche Kontrolle von Unternehmen sei aufgrund der Existenz und großen Verbreitung notwendig; zum Teil wird auch die finanzielle Leistungsfähigkeit des Unternehmens herangezogen.76 Zusätzlich wird oft noch pragmatisch angeführt, dass in vielen Fällen ein individueller Täter nicht ausgemacht und nur durch eine Bestrafung des Unternehmens vermieden werden könne, dass eine Tat ungesühnt bleibe.77 Insbesondere das beweisrechtliche Problem des Nachweises des mens rea-Elements bei einem Mitarbeiter im Prozess könne durch die Konstruktion der Unternehmensstrafbarkeit umgangen werden.78 ____________ 71 Siehe bspw. den Überblick bei Francis, 18 Ill. L. Rev. (1923-24), S. 305 (314); LaFave, Substantive Criminal Law, Bd. II, S. 386; ausführlich Gruner, Corporate Criminal Liability, § 2.03. 72 Eine Trennung zwischen Begründung der Unternehmensstrafbarkeit und Zwecken der Unternehmensstrafe findet zumeist nicht statt, sodass auch vorliegend die Aspekte zusammen dargestellt werden. Zu den Strafzwecken der Strafzumessungsrichtlinien siehe unten S. 123 sowie 151. 73 Vgl. etwa Geis/DiMento, Corporations, in: Pearce/Snider (eds.), Debates, S. 72 (77 f.); Gruner, Corporate Criminal Liability, S. 2–32 ff.; Saltzburg, 71 B. U. L. Rev. (1991), S. 421 (422 ff.); siehe auch den Model Penal Code § 2.07, Comment, Tentative Draft No. 4 (1955). 74 Vgl. Dolan/Rebeck, 50 Geo. L. J. (1961-62), S. 547 (553) unter Hinweis auf Sutherland, White Collar Crime, S. 217 ff. 75 Vgl. etwa Brickey, Corporate Criminal Liability, Bd. 1, S. 8 ff.; Leigh, Criminal Liability, S. 149; Wellner, 27 Cardozo L. Rev. (2005), S. 497 (503). 76 Vgl. etwa den Model Penal Code (1985) § 2.07, Comment, S. 336 ff. sowie Geis/DiMento, Corporations, in: Pearce/Snider (eds.), Debates, S. 72 (81 ff.); Khanna, 37 Am. Crim. L. Rev. (2000), S. 1239 (1243 f.); ausführlich Gruner, Corporate Crime, S. 84 ff., 127 ff. 77 Vgl. Dolan/Rebeck, 50 Geo. L. J. (1961-62), S. 547 (554); Kadish, 30 U. Chi. L. Rev. (1962-63), S. 423 (433); Maxwell, 29 UCLA L. Rev. (1981-82), S. 447 (457); McAdams, 46 U. Cin. L. Rev. (1977), S. 989 (999 f.); Note, 92 Harv. L. Rev. (1978-79), S. 1227 (1368). 78 Vgl. krit. Hasnas, 54 Am. U. L. Rev. (2004-05), S. 579 (588 ff., 601), der die Entwicklung der Unternehmensstrafbarkeit als Ergebnis der Schwierigkeit der Strafverfolgung von Wirtschaftskriminellen sieht, denen ein Vorsatz häufig nur schwer nachzuweisen ist.
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Besondere Bedeutung wird unter den Begründungsansätzen dem Argument eingeräumt, dass eine Unternehmensstrafbarkeit zur Kriminalprävention beitrage. Hierbei werden zwei Teilaspekte diskutiert: die Abschreckungswirkung der Unternehmensstrafe und die Anreizwirkung zur Schaffung von Compliance-Maßnahmen.79 Die Abschreckungswirkung wird insgesamt als wichtiger Grund für eine Unternehmensstrafbarkeit und auch als maßgeblicher Strafzweck angesehen. Anderen Strafzwecken als dem der Abschreckung wird gegenüber Unternehmen häufig nur eine untergeordnete Bedeutung zugemessen.80 Als nicht natürlicher Person könne dem Unternehmen grundsätzlich kein moralischer Vorwurf gemacht werden, sodass beispielsweise der Vergeltungsgedanke (retribution) nicht greife.81 Die Abschreckungswirkung wird vielfach auf die Erwägung gegründet, dass die arbeitsteiligen und hierarchischen Strukturen (Delegation von Verantwortung) im Unternehmen häufig dazu führten, dass das Management nicht direkt an der Ausführung von Straftaten beteiligt sei. Rechtsbrüchen könne daher wirksam nur begegnet werden, wenn dem Management eine dieser Delegation von Befugnissen an untere Ebenen entsprechende Überwachungspflicht auferlegt werde.82 Gerade eine so strikte Verantwortlichkeit wie im Rahmen des vicarious liability-Regimes wirke in Ermangelungen des Nachweises eines individuellen Verschuldens besonders abschreckend, da das Unternehmen gezwungen sei, sich intern so zu organisieren, dass Verhaltensverstöße nicht mehr vorkommen.83 Die Abschreckungswirkung ____________ 79 Die beiden Aspekte greifen an sich eng ineinander, da der Anreiz, ComplianceMaßnahmen zu ergreifen, vielfach auf die abschreckende Wirkung der Unternehmensstrafe gestützt wird. Die Aspekte werden jedoch sehr häufig getrennt diskutiert, sodass sich auch die vorliegende Darstellung daran orientiert. 80 Vgl. Goldsmith/King, 50 Vand. L. Rev. (1997), S. 1 (9); Gruner, Corporate Crime, § 2.3.6; Khanna, 109 Harv. L. Rev. (1995-96), S. 1477 (1492 ff.); ders., 79 B. U. L. Rev. (1999), S. 355 (377 ff.); Note, 92 Harv. L. Rev. (1978-79), S. 1227 (1235 f.); Pitt/Groskaufmanis, 78 Geo. L. J. (1989-90), S. 1559 (1573); Saltzburg, 71 B. U. L. Rev. (1991), S. 421 (423); Walsh/Pyrich, 47 Rutgers L. Rev. (1994-95), S. 605 (620; 633); krit. aber etwa Fisse, 56 S. Cal. L. Rev. (1982-83), S. 1141 (1167 ff.); Schlegel, Just Deserts, S. 19 ff. 81 Vgl. Coffee, 79 Mich. L. Rev. (1980-81), S. 386 (448); Edgerton, 36 Yale L. J. (1926-27), S. 827 (833); Khanna, 109 Harv. L. Rev. (1995-96), S. 1477 (1494); Note, 92 Harv. L. Rev. (1978-79), S. 1227 (1235) m.w.N. Siehe aber auch Fisse, 56 S. Cal. L. Rev. (1982-83), S. 1141 (1167 ff.), der den Vergeltungsgedanken für anwendbar hält, wenn man Vergeltung im Sinne des Hart’schen Konzepts der „justice als fairness“ ansieht. Ähnlich auch Friedman, 23 Harv. J. L. & Pub. Pol’y (1999-2000), S. 833 (840 ff.); Moore, 34 Ariz. L. Rev. (1992), S. 743 (756); Schlegel, Just Deserts, S. 53 ff.; Walsh/Pyrich, 47 Rutgers L. Rev. (1994-95), S. 605 (638 f.) sowie A. Michaels, 1 Ohio St. J. Crim. L. (2003-04), S. 551 (564 ff.), der die Konstruktion der Unternehmensstrafbarkeit als vicarious liability-Haftung an sich nur mit dem Vergeltungsgedanken für erklärbar hält. 82 Vgl. Brickey, Corporate Criminal Liability, Bd. 1, S. 10. 83 Vgl. Baysinger, 71 B. U. L. Rev. (1991), S. 341 (342); Krawiec, 32 Fla. St. U. L. Rev. (2004-05), S. 571 (576); siehe auch Robinson/Darley, 91 Geo. L. J. (2002-03), S. 949 (974 ff.) zur Abschreckungswirkung der vicarious liability-Haftung im Fall Park (oben Anm. 73).
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komme insbesondere dadurch zustande, dass eine Unternehmensstrafbarkeit die Kosten des Fehlverhaltens dem Unternehmen als Ganzes auferlege (und nicht wie bei einer persönlichen Haftung nur dem handelnden Untergebenen). Durch die Auferlegung der Kosten gegenüber dem ganzen Unternehmen sei eine Vielzahl von mit dem Unternehmen verbundenen Personen betroffen. Dadurch erhöhe sich der Druck auf jeden Mitarbeiter (seitens Kollegen, des Managements und der Anteilseigner), sich rechtmäßig zu verhalten.84 Vor allem das Management werde geradezu zum Privatpolizisten, um einen Schaden und eine Bestrafung der (unschuldigen) Anteilseigner abzuwehren.85 Diese Sicht der Literatur teilt vielfach auch die Gesetzgebung. So sah beispielsweise der Verfasser des nach ihm benannten Sherman Act die Unternehmensstrafbarkeit als Mittel, damit das Management für die Beachtung von an das Unternehmen und seine Mitarbeiter gerichteten Strafvorschriften sorge.86 Eng verbunden mit dieser „primären“ Abschreckungswirkung ist die Funktion der Unternehmensstrafe, einen Anreiz zu setzen, aktiv möglichen Rechtsverstößen vorzubeugen.87 Wie die zivilrechtliche Haftung nach der respondeat superiorRegelung soll das strafrechtliche Äquivalent der Unternehmensstrafbarkeit als hinreichender Anreiz für das Management dienen, gegen Rechtsverstöße im Unternehmen tätig zu werden, um so finanziellen Schaden und damit vor allem dem Management vorwerfbare Verstöße abzuwenden.88 Diese Sicht wird auch in der Rechtsprechung vertreten.89 Insbesondere werde das Management motiviert, Kontrollmechanismen und entsprechende innerbetriebliche Sanktionen für Verstöße
____________ 84 Vgl. U.S. v. A&P Trucking Co., 358 U.S. 121, 126 (1958); siehe auch Coffee, 79 Mich. L. Rev. (1980-81), S. 386 (448); Edgerton, 36 Yale L. J. (1926-27), S. 827 (833); Khanna, 109 Harv. L. Rev. (1995-96), S. 1477 (1495 f.). 85 So Alschuler, 71 B. U. L. Rev. (1991), S. 307 (312). 86 Vgl. Senator Sherman, 21 Cong. Rec. (1890), S. 2456 f., 2569. 87 Vgl. Coffee, in: Eser et al. (eds.), Criminal Responsibility, S. 9 (10 ff.); DeMott, 60 Law & Contemp. Probs. (1997), S. 39 (47); Fisse, 56 S. Cal. L. Rev. (1982-83), S. 1141 (1159 ff.); Walsh/Pyrich, 47 Rutgers L. Rev. (1994-95), S. 605 (636 f.). 88 Vgl. nur Brickey, Corporate Criminal Liability, Bd. 1, S. 10; Gruner, Corporate Criminal Liability, S. 2–36 ff. Im Zivilrecht spricht der U.S. Supreme Court in Pacific Mutual Life Insurance Co. v. Haslip, 499 U.S. 1 (1991), S. 14 davon, dass die respondeat superior-Regelung bei Führungspersonen einen starken Anreiz zur Wachsamkeit schafft („creates a strong incentive for vigilance by those in a position to guard substantially against the evil to be prevented“). 89 Vgl. U.S. v. Twentieth Century Fox Film Corp., 882 F.2d 656 (2nd Cir. 1989), S. 661: “It is this rule of vicarious liability that encourages companies to establish compliance programs. Were we to import ‘reasonable diligence’ into the law of criminal contempt, corporations could more easily distance themselves from the wayward acts of their agents – a prospect that threatens the very authority of the court that criminal contempt is designed to preserve.”
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2. Kapitel: Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika
von Mitarbeitern zu schaffen.90 Es werde also angehalten, Compliance-Maßnahmen zu ergreifen.91 Die Betonung des vorgenannten Aspekts (die Anreizwirkung der Unternehmensstrafe, Compliance-Maßnahmen zu treffen) in der amerikanischen Diskussion kann als Ausdruck eines Wandels in der Wahrnehmung des Unternehmens im amerikanischen Recht gesehen werden. Wurden Unternehmen früher häufig einfach analog zu Individuen betrachtet oder als reine Summe von Individuen gesehen,92 so wird heute der Fokus mehr auf die Eigenheiten der Entscheidungsprozesse im Unternehmen gerichtet.93 Dabei wird dem Management und den von diesem gesetzten Vorgaben eine bedeutende Rolle eingeräumt.94 Der organisatorische Kontext bildet den Rahmen für das Verhalten des Einzelnen im Betrieb.95 Dieses Verhalten wird nicht nur als das Ergebnis individueller Entscheidungen gesehen, sondern auch als Resultat der Vorgabe von Zielen, Regeln, Werten und Abläufen durch das Unternehmen.96 Dabei habe man es in der Hand, insbesondere durch Anreizstrukturen (wie z.B. Compliance-Maßnahmen) das Verhalten der Mitarbeiter zu steuern.97 Das sei gerade bei großen Unternehmen mit komplexen Strukturen von Bedeutung, weil diese immer mehr eine vom Rest der Gesellschaft losgelöste soziale Einheit bildeten; die Durchsetzung von gesellschaftlichen Normen sei daher zunehmend von der Gewährleistung dieser Normen auch innerhalb eines Unternehmens abhängig.98 Insoweit sei ein Verstoß des Unternehmens gegen Normen (z.B. im Bereich des Strafrechts) ein vom Unternehmen steuerbares Defizit seiner Teilnahme am Wirt____________ 90 Vgl. U.S. v. Hilton Hotels Corp., 467 F.2d 1000 (9th Cir. 1972), cert. den., 409 U.S. 1125 (1973), S. 1000 (1005); siehe auch Cullen et al., Corporate Crime (1. Aufl.), S. 344 f. 91 Als besonders effektiv wird dieser Ansatz eingestuft, wenn dem Management über die reine Unternehmensstrafbarkeit hinaus ein zusätzlicher Anreiz zur Schaffung von Maßnahmen zur Rechtseinhaltung geboten werde, wie dies bspw. in den Strafzumessungsrichtlinien durch eine Reduzierung der Strafe für das Unternehmen vorgesehen ist (vgl. unten S. 159 ff.). Siehe Arlen/Kraakman, 72 N.Y.U.L. Rev. (1997), S. 687 (690 f.); Gruner, 36 Ariz. L. Rev. (1994), S. 407 (464). 92 Vgl. die Diskussion m.w.N. bei Coffee, 63 Va. L. Rev. (1977), S. 1099 (1109 ff.); Dan-Cohen, Corporations, S. 15; French, Corporate Responsibility, S. 1 ff. 93 Vgl. etwa Coffee, 63 Va. L. Rev. (1977), S. 1099 (1118 ff.); Dan-Cohen, Corporations, S. 38 ff.; Fisse, 56 S. Cal. L. Rev. (1982-83), S. 1141 (1183 ff.); Foerschler, 78 Cal. L. Rev. (1990), S. 1287 (1298 ff.); French, Corporate Responsibility, S. 31 ff.; Gruner, Corporate Criminal Liability, § 1.10; Moore, 34 Ariz. L. Rev. (1992), S. 743 (753 ff.); Note, 85 Yale L. J. (1976), S. 1091 (1100 ff.); Ramirez, 47 Ariz. L. Rev. (2005), S. 933 (940); Walsh/Pyrich, 47 Rutgers L. Rev. (1994-95), S. 605 (680 f.); siehe auch Wolgast, Artifical Person, S. 79 ff. 94 Vgl. dazu Macey, 71 B. U. L. Rev. (1991), S. 315 (326 ff.); siehe auch Simpson/ Piquero, 36 L. & Soc. Rev. (2002), S. 509 (533 ff.). 95 Vgl. etwa Simpson/Piquero, 36 L. & Soc. Rev. (2002), S. 509 (533 ff.). 96 Moore, 34 Ariz. L. Rev. (1992), S. 743 (753); Macey, 71 B. U. L. Rev. (1991), S. 315 (329 f.) spricht dabei etwa von „corporate culture“. 97 Vgl. z.B. DeMott, 60 Law & Contemp. Probs. (1997), S. 39 (45 ff.). 98 Gruner, 36 Ariz. L. Rev. (1994), S. 407 (466 f.).
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schaftsleben.99 Diese Steuerbarkeit des internen Defizits durch das Unternehmen rechtfertige dann auch das Institut der Unternehmensstrafbarkeit. II. Betroffenheit Unschuldiger Das Problem, dass durch eine Unternehmensstrafe immer auch „Unschuldige“ betroffen sind, wird heute kaum mehr als Hinderungsgrund für eine Unternehmensstrafbarkeit angesehen.100 Zwar seien bei jeder Strafe nicht direkt in die Straftat involvierte Personen mitbetroffen, insbesondere Anteilseigner durch geminderte Gewinne, Angestellte durch etwaige Entlassungen und auch Konsumenten, wenn sich derartige Strafen in höheren Preisen für Güter und Dienstleistungen niederschlagen. Allerdings seien solche Konsequenzen nicht strafrechtsspezifisch, sondern eine Folge jeder (finanziellen) Sanktion, die ein Unternehmen treffe.101 Anteilseigner nähmen zudem bei jeder finanziellen Investition Risiken in Kauf, worunter auch die Risiken einer zivil- oder strafrechtlichen Haftung fielen; da sie vielfach (finanziell) von Straftaten profitierten, müssten sie als Kehrseite deren Konsequenzen tragen.102 Letztlich hätten sie darüber hinaus die Möglichkeit, sich (juristisch) gegen ein Missmanagement des Unternehmens zu wehren. Die Weitergabe von Kosten an Konsumenten sei zudem nur begrenzt möglich, da diese frei seien, Produkte mit höheren Kosten durch Konkurrenzprodukte zu ersetzen. Gestützt auf diese Argumentationsstränge wird somit allgemein ein Hindernis für die Etablierung einer Unternehmensstrafe verneint; zum Teil wird in der Betroffenheit Unschuldiger allerdings der Grund für eine restriktivere Konstruktion der Unternehmensstrafbarkeit gesehen.103
____________ 99 So Gruner, Corporate Criminal Liability, § 1.10: „manageable defect in corporate performance“; vgl. auch Fisse, 56 S. Cal. L. Rev. (1982-83), S. 1141 (1195 ff.), der darauf abstellen möchte, welche Maßnahmen das Unternehmen nach einer Tat ergriffen hat, um weitere Verstöße zu verhindern („reactive corporate fault“; siehe dazu unten S. 109). 100 Vgl. dazu nur Brickey, 19 Rutgers L. J. (1987-88), S. 593 (615 ff.); Coffee, 1 N. Ill. U. L. Rev. (1980-81), S. 3 (6); ders., 79 Mich. L. Rev. (1980-81), S. 386 (387), der von einem „overspill-problem“ spricht; Walsh/Pyrich, 47 Rutgers L. Rev. (1994-95), S. 605 (643). 101 Zu diesen und auch den im Text folgenden Argumenten siehe jew. m.w.N. Brickey, 19 Rutgers L. J. (1987-88), S. 593 (615 ff.); Coffee, 1 N. Ill. U. L. Rev. (1980-81), S. 3 (6); Macey, 71 B. U. L. Rev. (1991), S. 315 (320 f.); Walsh/Pyrich, 47 Rutgers L. Rev. (199495), S. 605 (644) Anm. 141. 102 Vgl. auch U.S. v. Sain, 141 F.3d 463 (3rd Cir. 1998), S. 474, wonach Anteilseigner eine Strafbarkeit als Konsequenz des Vorteils der eigenständigen Rechtsnatur des Unternehmens hinnehmen müssen. 103 So vor allem der Model Penal Code (Tentative Draft No. 4 1955), S. 148 ff., der die Betroffenheit der Anteilseigner als Argument für eine restriktivere Handhabung der Unternehmensstrafbarkeit (als auf Bundesebene durch die Rechtsprechung üblich) betrachtet; näher zum MPC unter S. 111 ff.
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2. Kapitel: Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika
III. Alternativen zur Unternehmensstrafbarkeit Einigkeit besteht allgemein auch weitgehend darin, dass eine Unternehmensstrafbarkeit notwendig und wirkungsvoll ist und es diesbezüglich keine entsprechenden Alternativen gibt. Nur wenige Autoren sehen alleine eine Bestrafung von natürlichen Personen in einem Unternehmen als ausreichend zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität an:104 Denn individuelle Sanktionen gegenüber Mitarbeitern hätten eine höhere Abschreckungswirkung als die Unternehmensstrafbarkeit,105 zudem seien die Bezeichnung als Verbrecher und die damit verbundene Stigmatisierungswirkung in der Öffentlichkeit starke Regulative.106 Überwiegend wird die Bedeutung individueller Sanktionen nicht in Abrede gestellt, aber individuelle Sanktion und Unternehmensstrafbarkeit werden als sinnvolles komplementäres Sanktionssystem begriffen.107 Auch das Zivilrecht allein wird nicht als hinreichendes Instrumentarium angesehen.108 Zwar hätten sich Zivil- und Strafrecht in zahlreichen Punkten angenähert.109 Das Zivilrecht stelle daher vielfach eine ausreichende punitive Sanktion (z.B. durch ____________ 104 Vgl. Bennett, 65 N.Y.U.L. Rev. (1990), S. 871 (884 ff.); Francis, 18 Ill. L. Rev. (1923-24), S. 305 (323); Iseman, 37 Alb.L.Rev. (1972), S. 61 (63); Mueller, 34 N.Y.U.L. Rev. (1959), S. 83 (93 f.); siehe auch Robinson, Criminal Law, S. 511 ff. Diese Ansicht stützt sich vielfach auf ein von Präsident Wilson vorgebrachtes Argument: “Every Act of business is done at the command or upon the initiative of some ascertainable person or group of persons. These should be individually responsible, and punishment should fall upon them, not upon business organizations of which they make illegal use.”, Woodrow Wilson, The Lawyer and the Community, 33rd annual meeting of the ABA, 35 Rpt. of the Am. Bar Association 427 (1910). Dagegen aber Arlen/Kraakman, 72 N.Y.U.L. Rev. (1997), S. 687 (691 ff.); Coffee, 79 Mich. L. Rev. (1980-81), S. 386 (407 ff.); Foerschler, 78 Cal. L. Rev. (1990), S. 1287 (1289); Khanna, 109 Harv. L. Rev. (1995-96), S. 1477 (1495 f.); Kornhauser, 70 Cal. L. Rev. (1982), S. 1345; Maxwell, UCLA L. Rev. (198182), S. 447 (454 f.); siehe auch Kadish, 30 U. Chi. L. Rev. (1962-63), S. 423 (448 f.) zu Überlegungen eines „dritten Wegs“ entsprechend dem deutschen Ordnungswidrigkeitenrecht. 105 Ball/Friedman, 17 Stan. L. Rev. (1964-65), S. 197 (216); Coffee, 17 Am. Crim. L. Rev. (1979-80), S. 419 ff.; Iseman, 37 Alb. L. Rev. (1972-73), S. 61 (62); Packer, Criminal Sanction, S. 356. 106 Ball/Friedman, 17 Stan. L. Rev. (1964-65), S. 197 (216 ff.). 107 Coffee, 79 Mich. L. Rev. (1980-81), S. 386 (387); Elkins, 65 Ky. L. J. (1976-77), S. 73 (83 ff.); Lynch, 60 Law & Contemp. Probs. (1997), S. 23 (26 ff.); McAdams, 46 U. Cin. L. Rev. (1977), S. 989 (999 f.); Note, 92 Harv. L. Rev. (1978-79), S. 1229 (1244); vgl. auch Saltzburg, B. U. L. Rev. (1991), S. 421 (425 ff.). 108 Anders aber bspw. Parker, 17 Man. & Dec. Econ. (1996), S. 381 (391). 109 Vgl. Coffee, 71 B. U. L. Rev. (1991), S. 193 ff.; zu den Unterschieden zwischen Zivil- und Strafrecht siehe Coffee, 101 Yale L. J. (1991-92), S. 1875; Khanna, 109 Harv. L. Rev. (1995-96), S. 1477 (1492 ff.); Laufer/Strudler, 37 Am. Crim. L. Rev. (2000), S. 1285 (1292 f.); Steiker, 85 Geo. L. J. (1996-97), S. 775 (782 ff.) jew. m.w.N. Die Annäherung von Straf- und Zivilrecht spiegelt sich auch bei der Frage wider, ob nicht eine zivilrechtliche Verurteilung ein Strafverfahren hindert (und umgekehrt), zu dieser ne bis in idem (double jeopardy)-Problematik vgl. unten S. 225.
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punitive damages) bereit. Jedoch biete das Strafrecht eine effektivere Durchsetzung der Strafe mit deutlicherer Betonung des Vorwurfs gegenüber dem Unternehmen bei zugleich stärkeren prozessualen Garantien.110 Zahlreiche Autoren fordern allerdings, eine zivilrechtliche Haftung vermehrt in den Vordergrund zu stellen.111 C. Voraussetzungen der Unternehmensstrafbarkeit Da eine allgemeine gesetzliche Regelung der Voraussetzungen, unter denen ein Unternehmen bestraft werden kann, im Bundesstrafrecht112 fehlt, finden die von der Rechtsprechung herausgebildeten Grundsätze Anwendung.113 Danach hat ein Unternehmen für die von seinen Angestellten (agents) begangenen Straftaten einzustehen, wenn diese im Rahmen des Beschäftigungsverhältnisses und mit der Absicht, dem Unternehmen einen Vorteil zu verschaffen, begangen werden. Die Unternehmensstrafbarkeit unterliegt mithin drei Voraussetzungen:114 1. Ein Mitarbeiter eines Unternehmens muss eine Straftat begehen. 2. Die Begehung der Straftat durch den Mitarbeiter muss im Rahmen des Beschäftigungsverhältnisses erfolgen. 3. Der Mitarbeiter muss mit dem Vorsatz handeln, dem Unternehmen einen Vorteil zu verschaffen. Bevor auf die einzelnen Voraussetzungen im Detail eingegangen wird (II.), wird die diesen Voraussetzungen zugrunde liegende Konzeption dargestellt (I.). Darüber hinaus wird ein Blick auf einen möglichen Ausschluss der Strafbarkeit durch ___________ 110 Vgl. Edgerton, 36 Yale L. J. (1926-27), S. 827 (836); Khanna, 109 Harv. L. Rev. (1995-96), S. 1477 (1492). 111 So bspw. Ainslie, 43 Am. Crim. L. Rev. (2006), S. 107 (110 ff.); Fischel/Sykes, 25 J. Legal Stud. (1996), S. 319 (321 ff.); Khanna, 82 Wash. U. L. Q. (2004), S. 95 (103 ff.); Note, 92 Harv. L. Rev. (1978-79), S. 1229 (1369). Siehe auch Mann, 101 Yale L. J. (199192), S. 1795 (1802, 1861), der vorschlägt, der Staatsanwaltschaft verstärkt die Auferlegung punitiver zivilrechtlicher Sanktionen zuzubilligen und die Unternehmensstrafe auf besonders kriminelle Unternehmen zu beschränken. 112 Vgl. zur Unternehmensstrafbarkeit in den Bundesstaaten S. 111 ff. 113 Walt/Laufer, 18 Am. J. Crim. L. (1990-91), S. 263 (266) sprechen dabei von einem bestehenden „federal common law“. Heute würde wohl einer solchen Entwicklung die Zurückhaltung gegenüber solchem federal common law entgegenstehen (vgl. oben S. 61). Da es sich inzwischen aber um anerkannte Grundsätze, um bereits lange bestehendes case law handelt, wird im Rechtsprechungscharakter der Voraussetzungen der Unternehmensstrafbarkeit kein Problem gesehen. 114 Vgl. U.S. v. Basic Construction Co., 711 F.2d 570 (4th Cir. 1983), S. 573; siehe auch Ehrhardt, Unternehmensdelinquenz, S. 102 ff.; Walisch, Prävention, 16 ff. Da keine gesetzlichen Vorgaben existieren, wird teilweise auch eine Prüfung in zwei Stufen vorgenommen (wobei zumeist die ersten zwei Prüfungspunkte des dreistufigen Aufbaus zusammengezogen werden), inhaltlich ergeben sich dadurch aber keine Unterschiede. Der dreistufige Aufbau hat den Vorteil der besseren Differenzierbarkeit und damit Verständlichkeit, sodass diesem hier gefolgt wird.
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defenses (III.), auf eigenständige Ansätze der Literatur (IV.) und auf die Lage in den Bundesstaaten (V.) geworfen. I. Konzeption der Unternehmensstrafbarkeit Die Frage nach der Konzeption der Unternehmensstrafbarkeit ist auch die Frage der dogmatischen Verortung im amerikanischen Strafrecht. Von der dogmatischen Stellung her wird die Unternehmensstrafbarkeit zumeist als ein spezieller Fall der vicarious liability angesehen,115 wie dies bereits durch die Rechtsprechung des U.S. Supreme Court im Jahr 1909 geschehen war.116 Nur wenige Autoren betonen die Eigenheiten der Unternehmensstrafbarkeit gegenüber dem Normalfall der vicarious liability.117 Angesichts der weiten Auslegung der Voraussetzungen der Unternehmensstrafbarkeit durch die Rechtsprechung118 sprechen einige Verfasser davon, dass die Haftung zwar formal nach vicarious liability-Grundsätzen konstruiert sei, der Sache nach aber eine strict liability-Haftung für das Handeln eines Unternehmensmitarbeiters darstelle.119 Das Unternehmen haftet nach den vicarious liability-Voraussetzungen stellvertretend für die Handlungen seiner Angestellten. Literatur und Rechtsprechung rechnen dabei häufig ohne nähere Erörterung Handlungen und Vorsatz der Ange-
___________ 115 Bucy, 75 Minn. L. Rev. (1990-91), S. 1095 (1102); Dolan/Rebeck, 50 Geo. L. Jo. (1961-62), S. 547 f.; Ehrhardt, Unternehmensdelinquenz, S. 100; Gruner, Corporate Criminal Liability, § 1.02; Khanna, 37 Am. Crim. L. Rev. (1999), S. 1239 (1242 f.); LaFave, Substantive Criminal Law, Bd. I, S. 385; Note, 60 Harv. L. Rev. (1946-47), S. 283 (284); A. Michaels, 1 Ohio St. J. Crim. L. (2003-04), S. 551 (553); Orland, Corporate Criminal Liability, § 2.04; Walt/Laufer, 18 Am. J. Crim. L. (1990-91), S. 263 (264 ff.). Vgl. Brickey, 60 Wash. U. L. Q. 416 (1982-83), S. 393 (415 ff.) zur Parallelentwicklung der Unternehmensstrafbarkeit und der vicarious liability. Zur Figur der vicarious liability siehe oben S. 66. 116 Vgl. das Urteil in Anm. 14 sowie den dazugehörigen Text. Den vicarious liabilityAnsatz weisen auch andere common law-Rechtsordnungen auf: siehe aus rechtsvergleichender Sicht Colvin, 6 C. L. F. (1995), S. 1 (6 ff.); Lederman, 4 Buff. Crim. L. Rev. (2000-01), S. 641 (651 ff.). 117 Vgl. etwa Mueller, 19 U. Pitt. L. R. (1957-58), S. 21 (41 ff.), der die Unternehmensstrafbarkeit als „vicarious liability twice removed“ ansieht, da die shareholder als Träger des Unternehmens zum einen für das Management, zum anderen in einem weiteren Schritt auch noch für rangniedere Mitarbeiter haften müssen. Leigh, 9 Ottawa L. Rev. (1977), S. 247 (267) ordnet die Unternehmensstrafbarkeit im Ergebnis zwar der vicarious liability zu, merkt aber an, dass nicht klar zwischen einer eigenen Haftung des Unternehmens und der bloßen Mitarbeiterzurechnung unterschieden wird. Unklar Edgerton, 36 Yale L. J. (1926-27), S. 827 (840 f.), der das Unternehmen als mit den handelnden Personen verschmolzen ansieht, da es ohne diese Personen nicht handlungsfähig sei, aber zugleich von einer stellvertretenden Haftung spricht (S. 841 f.). 118 Siehe dazu unten S. 90 ff. 119 Arlen, 23 J. Legal Stud. (1994), S. 833 (840); Brown, 41 Loy. L. Rev (1995-96), S. 279 (326); Walsh/Pyrich, 47 Rutgers L. Rev. (1994-95), S. 605 (643).
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stellten dem Unternehmen zu.120 Die Tat des Angestellten wird so zur Tat des Unternehmens. Soweit diese Zurechnung begründet wird, wird vor allem auf die enge Verknüpfung zwischen Angestellten und dem Unternehmen sowie die größere (finanzielle) Leistungsfähigkeit des Unternehmens abgestellt, womit auch die allgemeine Figur der vicarious liability und die zivilrechtliche respondeat superiorRegelung erklärt wird.121 Erst durch natürliche Personen kann das Unternehmen handeln, daher sind ihm diese Handlungen auch zuzurechnen.122 Die Existenz des Unternehmens wird dabei häufig mit der Existenz derer, die für das Unternehmen handeln, gleichgesetzt.123 Die Frage ist dann zumeist nur noch, bis zu welcher Ebene der Angestellten man von einem Handeln des Unternehmens sprechen kann.124 Diese Art der Zurechnung hat sich seit der grundlegenden Entscheidung des U.S. Supreme Court kaum verändert.125 Sie führt beispielsweise dazu, dass kaum zwischen dem Handeln des Mitarbeiters und dem des Unternehmens differenziert ____________ 120 Vgl. etwa U.S. v. McAndrews & Forbes Co., 149 F. 823 (C.C.N.Y 1906); U.S. v. Dye Construction Co., 510 F.2d 78 (10th Cir. 1975); Edgerton, 36 Yale L. J. (1926-27), S. 827 (840 ff.); Strader, White Collar Crime, § 2.03. Beispielhaft bedauert LaFave, Substantive Criminal Law, Bd. I, S. 385 ff. zwar die kargen Ausführungen der Rechtsprechung, beschränkt sich selbst aber auf eine Sammlung einiger Argumente, ohne diese näher zu erörtern. Zur Kritik siehe auch den Model Penal Code § 2.07, Comment (Tentative Draft No. 4 1955), S. 146, der beklagt, dass sich die Entwicklung ohne Bezug zu fundierten Prinzipien und ohne eine klare Analyse der Sanktionsziele vollzogen habe (“without reference to any intelligible body of principle and the field is characterized by the absence of articulate analysis of the objectives to be attainable by imposing criminal fines on corporate bodies”). Ähnlich Fischel/Sykes, 25 J. Legal Stud. (1996), S. 319 (320), die beklagen, dass sich die Unternehmensstrafbarkeit ohne theoretische Begründung entwickelt habe. Moore, 34 Ariz. L. Rev. (1992), S. 743 (759) spricht von einer mehr auf Zweckmäßigkeitserwägungen als auf sorgfältige Überlegungen gegründeten Konstruktion. Ebenso krit. Fletcher, Rethinking Criminal Law, S. 647 ff.; Walt/Laufer, 18 Am. J. Crim. L. (1990-91), S. 263 (264 ff.). 121 Vgl. Brickey, 60 Wash. U. L. Q. (1982-83), S. 393 (416 ff.); siehe zur respondeat superior-Regelung bereits oben S. 66. 122 Vgl. Edgerton, 36 Yale L. J. (1926-27), S. 827 (840 f.); siehe auch Gruner, Corporate Criminal Liability, § 1.02 sowie Ehrhardt, Unternehmensdelinquenz, S. 101 jew. m.w.N. 123 So der Supreme Judicial Court of Massachusetts 1971 im Fall Commonwealth v. Beneficial Finance Co., 275 N.E.2d 33 (Mass. 1971), S. 33 (71 ff.); vgl. auch Apex Oil Co. v. U.S., 530 F.2d 1291 (8th Cir. 1976), S. 1295; U.S. v. Missouri Valley Constr. Co., 741 F.2d 1542 (8th Cir. 1984), S. 1554. 124 Vgl. dazu unten S. 92. 125 Vgl. nur U.S. v. Cincotta, 689 F.2d 238 (1st Cir. 1982); U.S. v. Sun-Diamond Growers of California, 964 F.Supp. 486 (D.D.C. 1997), S. 490; U.S v. One Parcel of Land, 965 F.2d 311 (7th Cir. 1992), S. 316. Krit. diesbezüglich Ainslie, 43 Am. Crim. L. Rev. (2006), S. 107 (110 ff.), die das Urteil für das Jahr 1909 mangels einer damals als ausreichend angesehenen (zivilrechtlichen) Haftung von Unternehmen als gerechtfertigt ansieht, die respondeat superior-Konstruktion heute aber im Rahmen eines umfassenden zivilrechtlichen Sanktionensystems als zu ausufernd und unverhältnismäßig betrachtet.
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wird.126 Auch hat die Konstruktion zur Folge, dass wenig Aufmerksamkeit auf die Handlungen und Absichten der Unternehmensleitung gelenkt wird, deren Vorgaben das Verhalten der Mitarbeiter (positiv wie negativ) maßgeblich beeinflussen können.127 Zudem ist die Zurechnung eine weitere Abkehr vom sonst im Strafrecht vorherrschenden Grundsatz der Verantwortlichkeit nur für eigenes Verhalten und nur beim Nachweis eines eigenen mens rea-Elements.128 Soweit Kritik an der Zurechnungskonstruktion geäußert wird, bezieht sie sich denn auch auf die mangelnde Berücksichtigung eines eigenen Verschuldens des Unternehmens.129 Dies gilt insbesondere für die Fälle, in denen ein Unternehmen an sich mehr „Opfer“ durch die Handlung seines Mitarbeiters als Täter der Tat ist, es aber dennoch selbst dann als Täter verurteilt werden kann.130 Zur Korrektur dieser weitgehenden Verantwortlichkeit wird in der Literatur de lege lata eine Entlastungsmöglichkeit der Unternehmen durch den Nachweis von Anstrengungen zur Vermeidung von Rechtsbrüchen gefordert, was bisher in der Rechtsprechung jedoch kaum anerkannt wird.131 De lege ferenda wird die Schaffung einer verschuldensorientierten Verantwortlichkeit des Unternehmens gefordert.132 II. Einzelne Voraussetzungen der Verantwortlichkeit 1. Begehung einer Straftat durch einen Mitarbeiter des Unternehmens Nach den Vorgaben der Rechtsprechung knüpft die Verantwortlichkeit des Unternehmens an einer Straftat an, die durch einen Mitarbeiter des Unternehmens begangen wurde. Hier ist zunächst zu klären, welche Zusammenschlüsse unter den ____________ 126 Vgl. Arlen, 23 J. Legal Stud. (1994), S. 833 (836 ff.); Buell, 81 Ind. L. J. (2006), S. 473 (526 ff.); Laufer, 43 Emory L. J. (1994), S. 647 (659 ff.); Moore, 34 Ariz. L. Rev. (1992), S. 743 (758 ff.). 127 Vgl. Laufer, 43 Emory L. J. (1994), S. 647 (659); siehe aber auch DeMott, 60 Law & Contemp. Probs. (1997), S. 39 (47 ff.). 128 Walsh/Pyrich, 47 Rutgers L. Rev. (1994-95), S. 605 (642 ff.). Vgl. auch A. Michaels, 1 Ohio St. J. Crim. L. (2003-04), S. 551 (561 ff.), wonach das Strafrecht in Fällen, in denen man als Täter zugleich auch Opfer ist (z.B. im Rahmen der complicity oder der conspiracy), zumeist keine Strafverfolgung vorsieht; die Probleme stellen sich freilich nicht allein bei der Unternehmensstrafbarkeit, sondern auch bereits bei der Konstruktion der strict liability und der vicarious liability. 129 Dieser Kritikpunkt der amerikanischen Literatur wird häufig übersehen und die amerikanische Rechtslage in der aktuellen Form als allgemein akzeptiert angesehen, vgl. nur Ehrhardt, Unternehmensdelinquenz, S. 113. Insoweit ist der Hinweis von Lewisch/Parker, Unternehmensstrafe, S. 38 auf die Notwendigkeit einer differenzierteren Betrachtung berechtigt. 130 So explizit im Urteil U.S. v. Sun-Diamond Growers of California, 138 F.3d 961 (D.C. Cir. 1998), S. 970; siehe dazu A. Michaels, 1 Ohio St. J. Crim. L. (2003-04), S. 551 (553 ff.). 131 Vgl. unten zur due diligence defense S. 101. 132 Siehe unten S. 106 ff.
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strafrechtlichen Unternehmensbegriff fallen (a). Zudem stellt sich die Frage, welche Mitarbeiter überhaupt eine Straftat begehen können, für die das Unternehmen bestraft werden kann (b). Eng verknüpft mit dieser Problematik ist die Frage, welche Straftaten des Mitarbeiters als Grundlage für eine Unternehmensstrafbarkeit in Betracht kommen (c) und inwieweit ein volldeliktisches Handeln der Mitarbeiter Voraussetzung ist (d). a) Erfasste Zusammenschlüsse Zunächst stellt sich die Frage, welche Zusammenschlüsse nach dem Bundsstrafrecht verantwortlich sind. Da die Voraussetzungen der Unternehmensstrafbarkeit durch die Rechtsprechung festgelegt wurden, existiert hier keine klare Definition. Nur zum Teil gibt es für einzelne Delikte eine konkrete Aufzählung der erfassten Zusammenschlüsse im United States Code.133 Diese Aufzählungen entsprechen zumeist der allgemeinen Gleichstellung von Unternehmen mit natürlichen Personen im Allgemeinen Teil des United States Code oder sind dieser zumindest ähnlich.134 Die allgemeine Gleichstellung des United States Code kann daher in Ermangelung anderer Vorschriften zur Bestimmung herangezogen werden, ob ein Unternehmen oder sonstiger Zusammenschluss von Personen strafrechtlich verantwortlich ist. Von der Aufzählung des United States Code sind insbesondere die rechtsfähigen Zusammenschlüsse (vor allem corporations) des Privatrechts erfasst. In der Praxis besitzt die Rechtsform der corporation die größte Bedeutung.135 Inwieweit öffentlich-rechtliche Körperschaften einbezogen sind, ist noch ungeklärt.136 Da die Definition des United States Code auch die (im Grundsatz) nicht rechtsfähige ___________ 133 Vgl. z.B. für das Umweltstrafrecht 33 U.S.C. § 1362 (5); 42 U.S.C. § 7602 (e); siehe auch Thaman, in: Eser/Heine (Hrsg.), Umweltstrafrecht, S. 317 (505 ff.) 134 Vgl. zur Definition des 1 U.S.C. § 1 oben in Anm. 47. Die Aufzählung ist nicht vollkommen eindeutig, da z.B. corporations auch zugleich companies sind. Die Vorschrift macht das Problem deutlich, dass in den USA jeder Bundesstaat sein eigenes Gesellschaftsrecht besitzt und sich daher eine einheitliche Definition der Unternehmensformen kaum finden lässt, vgl. den Überblick zu den Unternehmensformen bei Merkt/Göthel, Gesellschaftsrecht, S. 128 ff. Insoweit kann man die Definition nur als Versuch verstehen, möglichst alle Gesellschaftsformen zu erfassen. Für die Praxis ist Bedeutung der Vorschrift nicht zu unterschätzen, da sie für die meisten Straftaten der einzige gesetzliche Anhaltspunkt ist, siehe Gruner, Corporate Criminal Liability, § 3.02; Tigar, 17 Am. J. Crim. L. (1989-90), S. 211 (218). 135 Vgl. dazu Merkt/Göthel, Gesellschaftsrecht, S. 144 ff. 136 Wie Wise, in: Doelder/Tiedemann (Hrsg.), Criminal Liability, S. 383 (394) ausführt, sieht das Bundesstrafrecht an sich keine Einschränkungen hinsichtlich öffentlichrechtlicher Körperschaften vor. Die Rechtsprechung tendiert allerdings dahin, ohne eine ausdrückliche gesetzliche Regelung öffentlich-rechtliche Körperschaften nicht zu erfassen, vgl. die Entscheidung auf Bundesebene in der Sache U.S. v. Belgarde, 148 F.Supp.2d 1104 (D.Mont. 2001), sowie die des Supreme Court of Indiana in der Sache Brownsburg Community School Corp. v. Natare Corp., 824 N.E.2d 336 (Ind. 2005).
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Gesellschaftsform der partnerships erwähnt, ist diese ebenfalls strafrechtlich verantwortlich.137 Als Grundform einer Personengesellschaft (als „kleine“ Unternehmensform) hat die partnership nicht unerhebliche praktische Bedeutung erlangt.138 Sonstige nicht rechtsfähige Zusammenschlüsse (unincorporated associations) können dagegen grundsätzlich nicht als solche bestraft werden. Es bleibt hier bei der alleinigen Strafbarkeit der natürlichen Personen, häufig aufgrund einer vicarious liability-Haftung. Zahlreiche Bundesgesetze (wie auch die Strafgesetzbücher mehrerer Bundesstaaten) erstrecken jedoch einzelne Straftatbestände explizit auf nicht rechtsfähige Zusammenschlüsse.139 Bestraft werden kann an sich nur ein noch existentes Unternehmen. Inzwischen wird jedoch vermehrt von der Rechtsprechung anerkannt, dass sich ein Unternehmen nicht durch Auflösung, Fusion oder Übernahme seiner strafrechtlichen Verantwortung entziehen soll.140 Somit ist auch die Klage gegen ein aufgelöstes Unternehmen bzw. gegen das Nachfolgeunternehmen nicht gänzlich ausgeschlossen.141 b) Stellung des Mitarbeiters Neben der Frage der betroffenen Unternehmen, stellt sich das Problem, welche Mitarbeiter als Täter der Anknüpfungstat infrage kommen. Im Bundesstrafrecht kommt es nach heute herrschender Rechtsprechung nicht auf die Stellung des Mitarbeiters innerhalb der Unternehmenshierarchie an.142 Diese Regelung entspricht der zivilrechtlichen respondeat superior-Haftung des Unternehmers für seine Angestellten.143 Ein einfacher Angestellter kann ebenso wie ein Vorstandsmitglied ____________ 137 Vgl. die grundsätzliche Entscheidung in U.S. v. A&P Trucking Co., 358 U.S. 121 (1958), S. 124 f.; dazu LaFave, Substantive Criminal Law, Bd. II, S. 391 ff. Zu eng, da die Bedeutung der Definition des U.S.C. nicht berücksichtigend, Ehrhardt, Unternehmensdelinquenz, S. 108 f. 138 Vgl. zur partnership und ihren verschiedenen Formen Merkt/Göthel, Gesellschaftsrecht, S. 129 ff. 139 Vgl. Brickey, Corporate Liability, Bd. 1, S. 3 Anm. 4; LaFave, Substantive Criminal Law, Bd. II, S. 386 m.w.N. 140 Im Einzelnen sind zahlreiche Fragen ungeklärt. Vgl. zur Auflösung Melrose Distiller, Inc. v. U.S., 359 U.S. 271 (1959) und U.S. v. Mobile Materials, Inc., 776 F.2d 1476, (10th Cir. 1985), cert. den., 493 U.S. 1043 (1990), näher dazu Gruner, Corporate Criminal Liability, § 5.03. Zur Fusion siehe U.S. v. Alamo Bank, 880 F.2d 828 (5th Cir. 1989), cert. den., 493 U.S. 1071 (1990); näher Becker, 19 Am. J. Crim. L. (1991-92), S. 435 ff.; Brown, 49 Ark. L. Rev. (1996-97), S. 469 ff.; Gruner, Corporate Criminal Liability, § 5.04. 141 Zur Bestimmung, ob eine Nachfolgeverantwortlichkeit infrage kommt, wird vielfach auf das Gesellschaftsrecht der Bundesstaaten rekurriert, vgl. Berg Chilling Sys., Inc. v. Hull Corp., 435 F.3d 455 (3rd Cir. 2006), S. 464 f. 142 Vgl. ausführlich Brickey, Corporate Liability, Bd. 1, S. 89 ff. 143 Vgl. In re Northgate Computer Systems, Inc., 240 B.R. 328 (Bkrcty. D. Minn 1999); In re Clearwater Bay Marine Service, Inc., 236 B.R. 285 (Bkrcty. M.D. Fla. 1999). So auch Restatement (Second) of Agency, § 219 (1958), sowie im Entwurf des Restatement
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tauglicher Täter sein.144 Das Bundesrecht betrachtet somit das Unternehmen als grundsätzlich für alle Mitarbeiter verantwortlich und nicht nur für die Unternehmensleitung.145 Darüber hinaus kann dem Unternehmen teilweise sogar das Verhalten eines von ihm eingeschalteten unabhängigen Vertragspartners zugerechnet werden.146 Grund für die weitreichende Zurechnung ist, dass hierdurch das Unternehmen zu besonderer Sorgfalt bei der Auswahl seiner Mitarbeiter und Vertragspartner angehalten werden soll.147 Mit der weitgehenden Zurechnung unterscheidet sich das Bundesrecht wesentlich von der Modellregelung zur Unternehmensstrafbarkeit für die Bundesstaaten im Model Penal Code,148 die eine Verwicklung der Leitungsebene voraussetzt.149 Die Vorgehensweise ist auch in der Literatur vielfach auf Kritik gestoßen.150 Es wird einschränkend ähnlich dem Modell des Model Penal Code und in Anlehnung an das englische Recht gefordert, dass ein Mitglied des höheren Managements (high managerial agent), also aus dem „inner circle“ des Unternehmens stammend, in den Gesetzesverstoß verwickelt sein muss.151 Diese restriktivere Position des Model Penal Code, die nur von einem Teil der Bundesstaaten und von diesen auch ____________ (Third) of Agency, §§ 7.03–7.08 (Tentative Draft No. 6, 2005); näher Dobbs, Torts, Bd. II, § 335; Keeton, Torts, § 70. Etwas restriktiver ist an sich nur die Haftung für punitive damages in Anlehnung an die Regel in Restatement (Second) of Torts, § 909 (1979), die allein Mitarbeiter „in a managerial capacity“ erfasst, was von der Rechtsprechung jedoch teilweise sehr weit ausgelegt wird, vgl. Muratore v. M/S Scotia Prince, 845 F.2d 347 (1st Cir. 1988). Insgesamt sind die Haftungsmaßstäbe für punitive damages auf Ebene des Bundes und in den einzelnen Bundesstaaten sehr uneinheitlich, vgl. Green, 87 Neb. L. Rev. (2008-09), S. 197 (226 ff.). 144 Vgl. U.S. v. George F. Fish, Inc., 154 F.2d 798 (2nd Cir. 1946), S. 801: “No distinctions are made […] between officers and agents, or between persons holding positions involving varying degrees of responsibility.” 145 Vgl. zu dem damit – je nach Umfang der Einbeziehung der Mitarbeiter – unterschiedlich verbundenen Schuldvorwurf gegenüber dem Unternehmen Note, 92 Harv. L. Rev. (1978-79), S. 1227 (1241 ff.). 146 Vgl. Androphy/Paxton/Byers, 60 Tex. B. J. (1997), S. 121 (125); Gruner, Corporate Criminal Liability, § 5.02[1]; auch diese Erweiterung findet sich im Deliktsrecht, vgl. Dobbs, Torts, Bd. II, § 336; Keeton, Torts, § 71. 147 Vgl. U.S. v. Parfait Powder Puff Co., 163 F.2d 1008 (7th Cir. 1947), S. 1009, cert. den. 332 U.S. 851 (1948). 148 Der Model Penal Code wurde im Jahr 1962 vom American Law Institute als Mustergesetzbuch für die Gesetzgebung der Bundesstaaten vorgelegt und hat die Gesetzgebung stark beeinflusst; vgl. dazu näher unten S. 111 ff. 149 Vgl. Ehrhardt, Unternehmensdelinquenz, S. 111 ff.; Gruner, Corporate Criminal Liability, § 7.04. 150 Vgl. etwa LaFave, Substantive Criminal Law, Bd. II, S. 388 f.; Mueller, U. Pitt. L. Rev. (1957-58), S. 21 (41 ff.). 151 Vgl. LaFave, Substantive Criminal Law, Bd. II, S. 387 ff.; Mueller, 19 U. Pitt. L. R. (1957-58), S. 21 (40); siehe aber auch dem Ansatz der Rechtsprechung folgend Edgerton, 36 Yale L. J. (1926-27), S. 827 (838 f.); zur Beschränkung im englischen Recht auf hochrangige Mitarbeiter vgl. die Nachweise in Anm. 22.
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nicht ohne Modifikationen in ihre Strafrechtssysteme umgesetzt wurde,152 fand weder in der Gesetzgebung noch in der Rechtsprechung der Bundesgerichte ihren Niederschlag.153 Der nicht umgesetzte Vorschlag für ein Strafgesetzbuch auf Bundesebene Ende der 1970er Jahre folgte ebenfalls nicht dem Model Penal Code, sondern sah im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung der Bundesgerichte eine Unternehmensstrafbarkeit unabhängig vom Status des Handelnden vor.154 c) Art der Straftat Des Weiteren ist zu klären, für welche Straftaten, die ein Mitarbeiter begehen kann, auch das Unternehmen verantwortlich ist. Die Art der Straftatbestände, die ein Mitarbeiter verwirklichen und an die die Unternehmensstrafbarkeit anknüpfen kann, ist nahezu unbegrenzt. Infrage kommen zunächst alle Tatbestände, die sich explizit (auch) an Unternehmen wenden; so ist beispielsweise im Kartellrecht der Anwendungsbereich auf Unternehmen ausgedehnt.155 Darüber hinaus kommen auch grundsätzlich alle Straftaten in Betracht, die eine natürliche Person begehen kann. Ausgenommen werden nur einige wenige auf natürliche Personen zugeschnittene Straftaten wie Meineid oder Vergewaltigung, da diese „höchstpersönlicher“ Natur seien und dem Unternehmen nicht zugerechnet werden könnten.156 Soweit ein Straftatbestand dem Gesetz nach nicht unmittelbar auf Unternehmen anwendbar ist, muss im Einzelfall entschieden werden, ob eine Anwendung auf ____________ 152 Vgl. Brickey, 19 Rutgers L. J. (1987-88), S. 593 (629 ff.); Orland, Corporate Liability, § 2.04 [D]; Wise, in: Doelder/Tiedemann (Hrsg.), Criminal Liability, S. 383 (390). Auch die Rspr. der Bundesstaaten hat zum Teil den Ansatz des Model Penal Code abgelehnt, siehe dazu das Urteil des Supreme Judicial Court of Massachusetts, Commonwealth v. Beneficial Finance Co., 275 N.E.2d 33 (Mass. 1971), S. 33 (71 ff.). 153 Vgl. Tigar, 17 Am. J. Crim. L. (1989-90), S. 211 (227); Wise, in: Doelder/Tiedemann (Hrsg.), Criminal Liability, S. 383 (390). 154 Criminal Code Reform Bill, S. 1437, 95th Cong. 2nd Sess. (1978), § 402a; vgl. dazu Ackermann, Strafbarkeit, S. 136 ff.; Leigh, 9 Ottawa L. Rev. (1977) S. 247 (270 ff.); sowie bereits oben Anm. 49 und den dazugehörigen Text. 155 Vgl. § 7 Sherman Act; weitere wichtige Gesetze sind der Racketeer Influenced and Corrupt Organizations Act (RICO) oder der Foreign Corrupt Practices Act (FCPA); vgl. zu diesen und weiteren Gesetzen die Sammlung bei Brickey, Corporate Liability, Bd. 1–3, § 7 ff. sowie die Auflistung in Bd. 1 S. 2 Anm. 2. 156 So bspw. die Aufzählung in der bereits vor dem U.S. Supreme Court Urteil im Jahr 1909 ergangenen Entscheidung U.S. v. John Kelso Co., 86 F. 304 (N.D.Cal. 1898): Bigamie, Meineid, Vergewaltigung und Mord seien nicht möglich. Siehe auch die abweichende Meinung des Supreme Court Richters Thomas in Rowland v. California Men’s Colony, 506 U.S. 194 (1993), S. 212, der die Liste u.a. auch auf Drogendelikte oder Militärstraftaten erweitern möchte. Insgesamt ist die Rechtsprechung aber großzügig bei der Frage, welche Delikte von Unternehmen begangen werden können; siehe auch Edgerton, 36 Yale L. J. (1926-27), S. 827 (841 f.); Gruner, Corporate Criminal Liability, § 3.02; LaFave, Substantive Criminal Law, Bd. II, S. 384 f.
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Unternehmen dem Willen des Gesetzgebers entspricht.157 Nach einer verbreiteten Ansicht scheidet eine Unternehmensstrafbarkeit ferner aus, wenn ein Gesetz als Strafe nicht zumindest auch eine Geldstrafe vorsieht.158 Allerdings enthalten neuere Gesetze zumeist explizit die Möglichkeit einer Unternehmensgeldstrafe. Zudem ist im United States Code die allgemeine Regelung vorgesehen, dass bei Verurteilung eines Unternehmens eine Geldstrafe zu verhängen ist.159 Die Einschränkung ist somit für das Bundesrecht heutzutage bedeutungslos.160 Im Ergebnis können Unternehmen daher nicht nur wegen der im unteren Bereich der Kriminalität anzusiedelnden regulatory offenses und klassischer Wirtschaftsstraftaten wie Untreue oder Kartellabsprachen verurteilt werden, sondern darüber hinaus auch beispielsweise wegen Tötungsdelikten.161 Von besonderer Relevanz sind im Bereich der Unternehmensstrafbarkeit jedoch aufgrund der Gesetzgebungskompetenz des Bundes die Tatbestände des Wirtschaftsstrafrechts, deren Anzahl in den letzten Jahrzehnten deutlich zugenommen hat.162 d) Volldeliktisches Handeln des Mitarbeiters Soweit geklärt ist, dass die von einem Mitarbeiter begangene Tat eine ist, an die die Unternehmensstrafbarkeit anknüpfen kann, stellt sich des Weiteren die Frage, in welchem Umfang er die Tat verwirklicht haben muss. Grundsätzlich setzt das Bundesstrafrecht voraus, dass der handelnde Mitarbeiter die Straftat in vollem Umfang selbst verwirklicht hat, also sowohl actus reus als auch mens rea in seiner Person vorliegen. Soweit es sich bei der Straftat allerdings um eine strict liability____________ 157 Vgl. das Urteil U.S. Supreme Court, Rowland v. California Men’s Colony, 506 U.S. 194 (1993), in dem auch die anzuwendenden Grundsätze zur Auslegung angesprochen werden. 158 Gruner, Corporate Criminal Liability, § 3.02[2] [e]; LaFave, Substantive Criminal Law, Bd. II, S. 384 jew. m.w.N. Siehe auch Ehrhardt, Unternehmensdelinquenz, S. 107. 159 18 U.S.C. § 1375 (c). 160 Gruner, Corporate Criminal Liability, § 3.02[2]. 161 Siehe zu den Tötungsdelikten Granite Construction Co. v. Superior Court, 149 Cal.App.3d 465 (1983); Commonwealth v. McIlwain School Bus Lindes, Inc., 423 A.2d 413 (1980). Beide Entscheidungen wurden allerdings von Gerichten der Bundesstaaten gefällt, da der Bund in diesem Bereich keine Gesetzgebungskompetenz besitzt. Noch ungeklärt ist, ob ein Unternehmen wegen des für die Staatsanwaltschaft gut nachweisbaren Delikts des Unterlassens der Anzeige einer Straftat eines Mitarbeiters (misprision of felony) strafbar ist. Im Jahr 1996 erfolgte zum ersten Mal eine Anklage eines Unternehmens, dem vorgeworfen wurde, verschiedene Finanzdelikte eines Mitarbeiters nicht an die Strafverfolgungsbehörden gemeldet zu haben. Das Verfahren wurde allerdings ohne Urteil durch einen Vergleich beigelegt, sodass eine Klärung der Frage durch die Rechtsprechung noch aussteht; vgl. zu diesem Fall der Daiwa-Bank Brodsky, N.Y.L.J., 6. Juli 1998, S. 9; Miller, 113 Banking L. J. (1996), S. 560; zu misprision of felony siehe Ku/Pepper, 45 Am. Crim. L. Rev. (2008), S. 275 (283). 162 Vgl. die Beispiele bei Brown, 1 Ohio St. J. Crim. L. (2003-04), S. 521 (522) sowie bei Bologna/Shaw, Corporate Crime, S. 141 ff.
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Tat handelt, ist das mens rea-Element nach den normalen Grundsätzen entbehrlich; es genügt somit das bloße Vorliegen des actus reus. Strict und vicarious liability können somit kombiniert werden.163 Vom Grundsatz des volldeliktischen Handelns des Mitarbeiters werden allerdings weitreichende Ausnahmen zugelassen. Eine erste Ausnahme, die vor allem eine prozessuale Erleichterung darstellt, liegt darin, dass die Identifizierung eines Mitarbeiters nicht notwendig ist, solange feststeht, dass irgendein Mitarbeiter aus dem Unternehmen die Tat begangen hat.164 Dementsprechend ist auch eine Verurteilung eines Mitarbeiters nicht Voraussetzung für die Bestrafung des Unternehmens. Überwiegend wird es zudem für möglich erachtet, dass der Freispruch eines Mitarbeiters nicht die Verurteilung des Unternehmens hindert.165 Neben diesen Erleichterungen werden auch im Bereich des Nachweises der mens rea umfangreiche Ausnahmen zugelassen. Insbesondere können actus reus und mens rea in verschiedenen Personen vorliegen.166 Dies ist beispielsweise der Fall, wenn allein der Vorgesetzte oder auch andere Unternehmensangestellte, nicht aber der handelnde (der den actus reus begehende) Mitarbeiter den Vorsatz aufweist.167 Erforderlich ist allerdings, dass zumindest eine Person im Unternehmen mit dem entsprechenden Vorsatz handelt.168 Darüber hinaus wird das Vorsatzerfordernis wesentlich dadurch gelockert, dass zum Teil auch ein kollektiver Vorsatz als ausreichend angesehen wird (sogenannte ____________ 163 Vgl. A. Michaels, Vicarious Liability, in: Dressler (ed.), Bd. 4, S. 1622 (1623); siehe auch Khanna, 79 B. U. L. Rev. (1999), S. 355 (368 f.); Quist, Public Welfare Offences, S. 177 ff.; Walsh/Pyrich, 47 Rutgers L. Rev. (1994-95), S. 605 (609). Zur strict liability siehe bereits oben S. 64. 164 U.S. v. American Stevedores, Inc., 310 F.2d 47 (2nd Cir. 1962), cert. den., 371 U.S. 969 (1963); U.S. v. General Motors Co., 121 F.2d 376 (7th Cir. 1941), S. 411, cert. den. 314 U.S. 618 (1941); siehe auch Neumann Vu, 104 Colum. L. Rev. (2004), S. 459 (462 f.). 165 Dieses Problem der „inconsistent verdicts“ wird zum Teil eingehend erörtert, auch wenn die Unternehmensstrafbarkeit nicht den identischen Voraussetzungen wie die Individualstrafbarkeit unterliegt. Die Gerichte haben zumeist keinen Widerspruch zwischen dem Freispruch eines Mitarbeiters und der Verurteilung des Unternehmens gesehen, vgl. U.S. v. Wise, 370 US. 405, 410 (1962); Magnolia Motor & Logging Co. v. U.S., 264 F.2d 950 (9th Cir. 1959), cert. den. 361 U.S. 815 (1959); American Medical Association v. U.S., 130 F.2d 233 (D.C. Cir. 1942), S. 253, affirmed, 317 U.S. 519 (1943). Krit. aus der Lit. Note, 92 Harv. L. Rev. (1978-79); S. 1227 (1249); siehe aber auch Gruner, Corporate Criminal Liability, § 3.07 [4]; Silets/Brenner, 13 Am. J. Crim. L. (1985-86), S. 329 (349 ff.). 166 Vgl. U.S. v. Shortt Accountancy Corp., 785 F.2d 1448 (9th Cir. 1986), cert. den., 478 U.S. 1007 (1986). 167 Vgl. U.S. v. Wise, 370 US. 405, 410 (1962); siehe auch Gruner, Corporate Criminal Liability, § 3.07[4] m.w.N. 168 Vgl. Foerschler, 78 Cal. L. Rev. (1990), S. 1287 (1296 ff.), die darauf hinweist, dass dieser (häufig schwierige) Nachweis oftmals die Staatsanwaltschaft davon abhalte, Unternehmen strafrechtlich zu belangen.
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collective knowledge-Doktrin).169 Dieser Doktrin folgen jedoch nicht alle Gerichte, da sie keine gefestigte rechtliche Basis für eine solch weitreichende Abweichung von den normalen Anforderungen an den Vorsatz sehen.170 Nach der collective knowledge-Doktrin genügt, dass ein oder mehrere Angestellte insgesamt um den Gesetzesverstoß wussten.171 Das Wissen des Unternehmens wird dabei als die Summe des Einzelwissens seiner Angestellten gesehen. Hintergrund sei, dass gerade in größeren Unternehmen das Wissen vielfach auf mehrere Personen verteilt sein könne.172 Zudem soll dieser Ansatz den Informationsaustausch unter den Mitarbeitern fördern.173 Die collective knowledge-Doktrin erweitert die Strafbarkeit von Unternehmen beträchtlich, da das Unternehmen auch dann strafbar sein kann, wenn kein Angestellter allein mit dem notwendigen Vorsatz gehandelt hat, sondern sich erst aus den subjektiven Einzelkomponenten der Mitarbeiter ein Gesamtvorsatz konstruieren lässt. Offen ist bislang, ob eine Anwendung der Doktrin auch dann infrage kommt, wenn der Tatbestand erhöhte Anforderungen an den Vorsatz stellt.174 ____________ 169 So erstmals Inland Freight Lines v. U.S., 191 F.2d 313 (10th Cir. 1951). Vgl. Brickey, Corporate Liability, Bd. 1, S. 140 ff.; Coffee, in: Eser et al. (eds.), Criminal Responsibility, S. 9 (25 f.); Gruner, Corporate Criminal Liability, § 4; Hagemann/Grinstein, 65 Geo. Wash. L. Rev. (1997), S. 210; Khanna, 79 B. U. L. Rev. (1999), S. 355 (371 ff.); Neumann Vu, 104 Colum. L. Rev. (2004), S. 459; Ragozino, 24 Sw. U. L. Rev. (1994-95), S. 423 ff.; Schmid, Strafverfahren, S. 190; Weinstein/Ball, 29 New Eng. L. Rev. (1994), S. 65 ff. 170 Vgl. die Entscheidungen, in denen die Anwendung der collective knowledge-Doktrin abgelehnt wurde: Nordstrom, Inc. v. Chubb & Son, Inc., 54 F.3d 1424 (9th Cir. 1995), S. 1435; Southland Securities Corp. v. INSpire Ins. Solutions, Inc., 365 F.3d 353 (5th Cir. 2004); U.S. v. United Technologies Corp., Sikorsky Aircraft Div., 51 F.Supp.2d 167 (D. Conn. 1999), S. 197. Zur Kritik eingehend Hagemann/Grinstein, 65 Geo. Wash. L. Rev. (1997), S. 210 (237 ff.) sowie Weinstein/Ball, 29 New England L. Rev. (1994), S. 65 (79 ff.). 171 U.S. v. Bank of New England, N.A., 821 F.2d 844 (1st. Cir. 1987), S. 855 f.; U.S. v. Penagaricano-Soler, 911 F.2d 833 (1st Cir.1990), S. 843; U.S. v. Farm & Home Sav. Ass’n, 932 F.2d 1256 (8th Cir. 1991); U.S. v. Phillip Morris, Inc., 449 F.Supp.2d 1 (D.D.C. 2006), S. 897; U.S. v. T.I.M.E.-D.C., Inc., 381 F.Supp. 730 (D.C. VA 1974); vgl. dazu auch Neumann Vu, 104 Colum. L. Rev. (2004), S. 459 ff. 172 U.S. v. Bank of New England, N.A., 821 F.2d 844 (1st. Cir. 1987), S. 855; U.S. v. Phillip Morris, Inc., 449 F.Supp.2d 1 (D.D.C. 2006), S. 897. 173 Vgl. Gruner, Corporate Crime, § 4.1. 174 Diese Frage stellt sich v.a. dann, wenn das Delikt eine spezielle Absicht (specific intent) verlangt. Im Fall U.S. v. Phillip Morris, Inc., 449 F.Supp.2d 1 (D.D.C. 2006), S. 896 hielt das Gericht die collective knowledge-Doktrin auf einen specific intent nicht für anwendbar. Neumann Vu, 104 Colum. L. Rev. (2004), S. 459 (475) verweist zudem auf den Fall Arthur Andersen LLP, in dem das Gericht den Nachweis zumindest einer Person verlangte, die den Tatbestand vollumfänglich erfüllt haben musste. Ainslie, 43 Am. Crim. L. Rev. (2006), S. 107 (109) merkt aber auch an, dass nach Ansicht des Gerichts die JuryMitglieder den Nachweis nicht bei der gleichen Person als erfüllt ansehen müssen; krit. zu diesem offenen Problemkreis Gruner, Corporate Criminal Liability, § 4.02 [3]; Webb et al., 49 Bus. Law. (1993-94), S. 617 (626).
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Eine zusätzliche Erweiterung im mens rea-Bereich besteht darin, dass es im Grundsatz auch ausreicht, wenn ein Mitarbeiter die strafbare Handlung hätte erkennen können, aber aus Nachlässigkeit nicht gehandelt hat (sogenannte willful blindness-Doktrin).175 Positives Wissen und fahrlässige Unkenntnis werden damit in weitem Umfang gleichgesetzt.176 e) Auswirkungen von Compliance-Programmen Schließlich ist zu fragen, ob Maßnahmen des Unternehmens zur Rechtseinhaltung (insbesondere durch Compliance-Programme) im Rahmen der Begehung der Tat durch einen Mitarbeiter von Bedeutung sind. Zunächst könnte hier das Compliance-Programm unmittelbar in Bezug auf die Straftat des Mitarbeiters relevant werden. In den Darstellungen zur Unternehmensstrafbarkeit wird dieser Aspekt – soweit ersichtlich – allerdings kaum behandelt. Bedeutung erlangt ein ComplianceProgramm auf jeden Fall dann, wenn der Tatbestand die nicht (ordnungsgemäße) Erstellung eines solchen Programms oder seiner Teile mit Strafe bedroht. Das wichtigste Beispiel im Wirtschaftsstrafrecht ist hier der Foreign Corrupt Practices Act, der mangelnde Maßnahmen gegen Korruption unter Strafe stellt.177 Zudem wird teilweise darauf hingewiesen, ein funktionierendes Compliance-Programm könne im Einzelfall für den Nachweis herangezogen werden, dass der jeweilige Mitarbeiter aufgrund der Einhaltung von Compliance-Vorgaben ohne die notwendige subjektive Seite (mens rea) gehandelt habe.178 Neben dem Problem, ob Compliance-Programme unmittelbar Einfluss auf die Straftat des Mitarbeiters haben, ist zu fragen, ob solche Programme im Rahmen der Zurechnung der Tat des Mitarbeiters zum Unternehmen relevant sind. Bislang ist dies jedoch in der Praxis nicht der Fall. In der Literatur wird daher kritisiert, dass die Rechtsprechung den Vorsatz des Mitarbeiters im Ergebnis einfach dem Unternehmen zurechnet bzw. mit einem Unternehmensvorsatz gleichsetzt.179 Eine solche Zurechnung berücksichtige weder die Entscheidungsabläufe im Unternehmen noch mache sie deutlich, inwieweit wirklich ein Fehlverhalten des Unternehmens und nicht lediglich des Mitarbeiters vorliege. Vorzugswürdig sei es, den Vorsatz danach ____________ 175 U.S. v. Bank of New England, N.A., 821 F.2d 844 (1st. Cir. 1987), S. 856; U.S. v. Paccione, 949 F.2d 1183 (2nd Cir. 1991), S. 1200; A.E. Staley Mfg. Co. v. Secretary of Labor, 295 F.3d 1341 (D.C. Cir. 2002), S. 1350 ff. 176 Vgl. Androphy/Paxton/Byers, 60 Tex. B. J. (1997), S. 121 (124); Neumann Vu, 104 Colum. L. Rev. (2004), S. 459 (473); Ragozino, 24 Sw. U. L. Rev. (1994-95), S. 423 (431 f.); vgl. auch Cole, 54 A. F. L. Rev. (2004), S. 1 (20 ff.) zur sehr weitgehenden Interpretation der mens rea-Elemente im Umweltstrafrecht. 177 Vgl. dazu wie auch zu weiteren Beispielen unten S. 290 ff. 178 So Goldsmith/King, 50 Vand. L. Rev. (1997), S. 1 (13) sowie Gruner, Corporate Criminal Liability, § 6.01 [3] [a]. 179 Buell, 81 Ind. L. J. (2006), S. 473 (530 ff.); Foerschler, 78 Cal. L. Rev. (1990), S. 1287 (1296 ff.); Laufer, 71 Neb. L. Rev. (1992), S. 1049 (1085 ff., 1090).
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zu bestimmen, ob sich das Handeln des Mitarbeiters als Ergebnis einer Unternehmensentscheidung darstelle oder nicht, ob also eine Art corporate mens rea vorliege.180 Zum Teil wird darüber hinaus vorgeschlagen, in Anlehnung an die deliktsrechtliche „proximate cause“181 auch im Strafrecht zu fragen, ob es angemessen ist, dem Unternehmen das Verhalten eines Mitarbeiters zuzurechnen.182 Hierbei wäre das Vorliegen eines Compliance-Programms ein relevanter Faktor, der zum Ausschluss der Zurechnung führen könnte.183 In der Rechtsprechung haben diese Kritikpunkte bisher wenig Beachtung gefunden; die Frage der Zurechnung des Mitarbeiterverhaltens wird allerdings zum Teil inhaltlich im Rahmen der Anerkennung einer due diligence defense aufgegriffen.184 Nur in einigen wenigen Kartellrechtsverfahren wurde der Jury durch gerichtliche Instruktion (d.h. in den jury instructions)185 vorgegeben, dass die Existenz eines Compliance-Programms bei der Frage zu berücksichtigen sei, ob der Vorsatz des Mitarbeiters dem Unternehmen zugerechnet werden kann.186 2. Begehung der Straftat im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses a) Weite Auslegung Die Verantwortlichkeit des Unternehmens wird dadurch begrenzt, dass nicht jedes strafbare Verhalten eines Mitarbeiters genügt, sondern nur eines, das im Rahmen des Beschäftigungsverhältnisses mit dem Unternehmen begangen wird.187 Das ____________ 180 Fisse, 56 S. Cal. L. Rev. (1982-83), S. 1141 (1186 ff.); Foerschler, 78 Cal. L. Rev. (1990), S. 1287 (1306 ff.); French, Corporate Responsibility, S. 44, 164 ff.; Huff, 96 Colum. L. Rev. (1996), S. 1252 (1283 ff.); Laufer, 71 Neb. L. Rev. (1992), S. 1049 (108 ff.); May, Collective Responsibility, S. 85. Der Begriff des corporate mens rea wird allerdings uneinheitlich gebraucht und reicht von der bloßen Anwendung der Unternehmensstrafbarkeit auf Vorsatzdelikte bis hin zum Erfordernis einer speziellen Unternehmensschuld, vgl. dazu Khanna, 79 B. U. L. Rev. (1999), S. 355 ff. 181 Dobbs, Torts, § 180 ff.; Keeton, Torts, § 42 f. 182 Huff, 96 Colum. L. Rev. (1996), S. 1252 (1283 ff.). 183 Huff, 96 Colum. L. Rev. (1996), S. 1252 (1284 f.); Perry/Dakin, Compliance, § 20:9. 184 Vgl. dazu unten S. 101. 185 Da die Jury ein Laiengremium ist, werden dieser durch den Richter abstrakte Informationen zur Rechtslage gegeben, ohne die Beweiswürdigung im Einzelfall vorwegzunehmen. Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Verteidigung können vorschlagen, welche Rechtsfragen und welche Rechtsauffassung in den Instruktionen enthalten sein sollen, vgl. Fed. R. Crim. P. 30. 186 Vgl. In re Corrugated Container Antitrust Litigation, 84 F.R.D. 40 (S.D. Tex. 1979); weitere Nachweise zur Rspr. bei Groskaufmanis, in: Rakoff et al., Sentencing, § 5.03; Perry/Dakin, Compliance, § 20:9. Gegen eine solche Berücksichtigung aus Sicht der Antitrust Division des DOJ Bloch, 57 Antitrust L. J. (1988), S. 223 (226 ff.) sowie Shenefield/ Favretto, 48 Antitrust L. J. (1979), S. 73 (79). 187 Vgl. z.B. U.S. v. American Radiator & Sanitary Corp., 433 F.2d 174 (3rd Cir. 1970), S. 204 f.; A.I. Credit Corp. v. Legion Ins. Co., 265 F.3d 630 (7th Cir. 2001), S. 637; First
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2. Kapitel: Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika
Kriterium „im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses“ wird allerdings durch die Rechtsprechung sehr weit ausgelegt. Es spielt keine Rolle, ob der Mitarbeiter ohne Befugnis, unter Verstoß gegen die allgemeine Firmenpolitik oder gar gegen eine spezielle Weisung gehandelt hat.188 Im Wesentlichen genügt bereits, dass die Tätigkeit des Mitarbeiters in irgendeinem Bezug zum Unternehmen gestanden hat. Zumeist wird dies dadurch gegeben sein, dass der Mitarbeiter ausdrücklich oder stillschweigend vom Unternehmen generell für seine Tätigkeit eingesetzt wurde (actual authority).189 Das Merkmal im Rahmen des Beschäftigungsverhältnisses wird sogar dann als gegeben angesehen, wenn ein Außenstehender aufgrund der Umstände annehmen durfte, die Person handle für das Unternehmen (apparent authority).190 So soll verhindert werden, dass das Unternehmen sich allein durch die interne Bekanntgabe bestimmter Verbote und der anschließenden Berufung auf ein ultra vires-Handeln des Mitarbeiters aus der Verantwortung ziehen kann.191 Ausgeschieden werden daher nur solche Tätigkeiten, bei denen offensichtlich kein Bezug zum Unternehmen erkennbar ist.192 Selbst wenn ein Verhalten als außerhalb des Beschäftigungsverhältnisses liegend gewertet wird, kann trotzdem eine Verantwortlichkeit des Unternehmens vorliegen, wenn ein Vorgesetzter das Verhalten des Mitarbeiters nachträglich gebilligt hat.193 ____________ Federal Savings Bank of Hegewisch v. U.S., 52 Fed. Cl. 774 (2002); ausführlich Gruner, Corporate Criminal Liability, § 3.05. 188 Vgl. U.S. v. Twentieth Century Fox Film Corp., 882 F.2d 656 (2nd Cir. 1989), S. 661, cert. den., 493 U.S. 1021 (1990); U.S. v. Investment Enterprises, Inc., 10 F.3d 263 (5th Cir. 1993), S. 266; Myers v. Bennett Law Offices, 238 F.3d 1068 (9th Cir. 2001), S. 1073; U.S. v. Phillip Morris, Inc., 449 F.Supp.2d 1 (D.D.C. 2006), S. 892 f.; siehe auch Gruner, Corporate Criminal Liability, § 3.07 m.w.N. Vgl. auch nachfolgend zur due diligence defense. 189 Jurimex Kommerz Transit G.M.B.H et al. v. Case Corp., No. 06-3524, 2007 WL 2153278 (3rd Cir. 2007). 190 Jurimex Kommerz Transit G.M.B.H et al. v. Case Corp., No. 06-3524, 2007 WL 2153278 (3rd Cir. 2007); Myers v. Bennett Law Offices, 238 F.3d 1068 (9th Cir. 2001), S. 1073; US. v. Bi-Co Pavers, Inc., 741 F.2d 730 (5th Cir. 1984), S. 737. 191 U.S. v. Hilton Hotels Corp., 467 F.2d 1000 (9th Cir. 1972), S. 1004; U.S. v. Mirror Lake Golf & Country Club, Inc., 232 F.Supp. 167 (W.D.Mo. 1964), S. 172. Vgl. zur (inzwischen kaum mehr angesprochenen) ultra vires-Thematik (in deren Rahmen auch diskutiert wurde, ob eine strafbare Handlung nicht per se die der juristischen Person von der Rechtsordnung zugebilligten Befugnisse überschreite und daher jegliche Straftat von Mitarbeitern für das Unternehmen eine ultra vires-Handlung sei, was letztlich zu einer umfassenden Straflosigkeit des Unternehmens führe) Brickey, Corporate Liability, Bd. 1, S. 90 f.; Ehrhardt, Unternehmensdelinquenz, S. 107 f.; Elkins, 65 Ky. L. J. (1976-77), S. 73 (118 f.); Gruner, Corporate Criminal Liability, S. 3-34; LaFave, Substantive Criminal Law, Bd. II, S. 390 f. 192 Vgl. U.S. v. American Radiator & Standard Sanitary Corp., 433 F.2d 174 (3rd Cir. 1970), S. 204 f.; siehe auch Brickey, Corporate Liability, Bd. 1, S. 105 ff. 193 So Federal Enterprises, Inc. v . Greyhound Leasing & Fin. Corp., 849 F.2d 1059 (8th Cir. 1988), S. 1062; Steere Tank Lines, Inc. v. U.S., 330 F.2d 719 (5th Cir. 1963), S. 724; Continental Baking Co. v. U.S., 281 F.2d 137 (6th Cir. 1960), S. 149. So auch die Model Jury Instructions: (8th Cir. 2003) Instruction 5.03; (7th Cir. 1999) Instruction 5.04.
§ 5 Strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen
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Dies setzt voraus, dass der Vorgesetzte, der für die Beaufsichtigung und Überwachung des handelnden Mitarbeiters verantwortlich ist, dessen Handlungen erkennt und hinnimmt, ohne Maßnahmen dagegen zu ergreifen. b) Compliance-Programme als due diligence defense Die weite Auslegung der Rechtsprechung wird von einem Teil der Literatur kritisiert. Bemühungen des Unternehmens, Fehlverhalten von Mitarbeitern zu vermeiden, fänden keine Berücksichtigung.194 Unternehmen sollten sich durch den Nachweis der Einhaltung der „gebotenen Sorgfalt“ (due diligence) durch das zuständige Management entlasten können,195 wie dies auch zum Teil im Model Penal Code vorgesehen ist.196 Diese due diligence defense stellt somit eine spezielle Form der Unterbrechung der Zurechnung der Anknüpfungstat dar.197 Die Zunahme der Strafverfolgung seit der Jahrtausendwende hat den Ruf nach einem derartigen Verteidigungsmittel auf Seite der Unternehmen noch verstärkt.198 Zur Begründung wird zum einen auf die Notwendigkeit der Einbeziehung eines Schuldelements verwiesen, das für das Strafrecht grundlegend sei, in der Rechtsprechung aber bislang keinen ausreichenden Niederschlag gefunden habe.199 Zum anderen wird argumentiert, dass eine effektive Prävention durch das Unternehmensstrafrecht nur bei aus____________ Siehe auch Gruner, Corporate Criminal Liability, § 3.08 [3]; Note, 92 Harv. L. Rev. (197879), S. 1227 (1250 f.). 194 Vgl. Bucy, 75 Minn. L. Rev. (1990-91), S. 1095 (1104); Gruner, Corporate Criminal Liability, § 3.07[3]; Pitt/Groskaufmanis, 78 Geo. L. J. (1989-90), S. 1559 (1645 ff.); Walsh/Pyrich, 47 Rutgers L. Rev. (1994-95), S. 605 (676 f.). 195 So bereits Dolan/Rebeck, 50 Geo. L. J. (1961-62), S. 547 (564 f.); Mueller, 19 U. Pitt. L. R. (1957-58), S. 21 (41 ff.); ähnlich in neuerer Zeit Brown, 41 Loy. L. Rev (199596), S. 279 (326 f.); Gruner, Corporate Criminal Liablility, § 6.06; Huff, 96 Colum. L. Rev. (1996), S. 1252 (1263 ff.); Note, 92 Harv. L. Rev. (1978-79), S. 1227 (1257 f.); Pitt/Groskaufmanis, 78 Geo. L. J. (1989-90), S. 1559 (1647 ff.); Walsh/Pyrich, 47 Rutgers L. Rev. (1994-95), S. 605 (676 ff.); siehe auch Ainslie, 43 Am. Crim. L. Rev. (2006), S. 107 (119 ff.), die eine Änderung der jury instructions vorschlägt, sowie Bucy, 44 Am. Crim. L. Rev. (2007), S. 1287 (1304) mit einem ausformulierten Regelungsvorschlag. 196 Vgl. dazu unten S. 111 ff. 197 Vgl. zu einer Unterbrechung der Zurechnung oben S. 98. In der Diskussion wird vielfach (schon mangels einer allgemein anerkannten Dogmatik) nicht zwischen den beiden Aspekten getrennt. Der Unterschied (neben der sprachlichen Bezeichnung) liegt vor allem darin, dass die due diligence defense sich stark an dem Vorbild eines Verteidigungsmittels orientiert, während die oben genannten Kriterien mehr als echte Zurechnungsvoraussetzungen verstanden werden (die eine Zurechnung a priori ausschließen und nicht eine an sich gegebene Zurechnung wieder entfallen lassen). 198 Vgl. Bucy, 44 Am. Crim. L. Rev. (2007), S. 1287 (1304); Podgor, 44 Am. Crim. L. Rev. (2007), S. 1537 ff.; Weissmann, 44 Am. Crim. L. Rev. (2007), S. 1319 (1341). 199 Vgl. Note, 92 Harv. L. Rev. (1978-79), S. 1227 (1252 f.); Pitt/Groskaufmanis, 78 Geo. L. J. (1989-90), S. 1559 (1647 ff.); Walsh/Pyrich, 47 Rutgers L. Rev. (1994-95), S. 605 (677 ff.).
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reichenden Anreizstrukturen für Unternehmen bestehe, diese also durch eigene Maßnahmen zur Vermeidung der Strafbarkeit beitragen können müssten.200 Der Nachweis der gebotenen Sorgfalt könne insbesondere durch ein effektives Compliance-Programm erfolgen.201 Denn häufig sei es von der Firmenpolitik abhängig, ob Gesetzesübertretungen im Unternehmen gefördert würden oder nicht; habe ein Unternehmen ausreichende Compliance-Maßnahmen ergriffen, zeige es seinen Willen zur Rechtstreue und solle sich daher auch entlasten können.202 Es erscheine zweifelhaft, ob ein Unternehmen zu bestrafen sei, wenn es sich um Rechtstreue bemüht habe.203 In einem solchen Fall bewege sich der Mitarbeiter klar außerhalb seines Beschäftigungsverhältnisses, weshalb eine Zurechnung zum Unternehmen nicht zu rechtfertigen sei; zudem liege in der due diligence-Konstruktion ein echter Anreiz für Unternehmen, effektive Präventionsmaßnahmen zu ergreifen.204 Nur bei einer Ausgestaltung als defense, die zur Straffreiheit führe, sei der Anreiz groß genug, ein teures Compliance-Programm zu installieren.205 Ein derartiger Entlastungsbeweis könne als klassisches Verteidigungsmittel ausgestaltet werden.206 Teilweise wird jedoch auch dafür plädiert, der Staatsanwaltschaft den Nachweis aufzubürden und so die Unzulänglichkeit des Compliance-Programms als Tatbestandsvoraussetzung zu normieren.207 Zahlreiche Autoren in der Literatur erkennen zwar an, dass Bemühungen eines Unternehmens, Straftaten zu verhindern, rechtlich beachtet werden müssen. Dies ____________ 200 Vgl. v.a. Gruner, Corporate Criminal Liability, §§ 2.06, 6.06. Siehe auch Lerner/ Yahya, 44 Am. Crim. L. Rev. (2007), S. 1383 (1408 ff.) zum geringen Anreiz von strict liability-Ansätzen, um Compliance-Maßnahmen zu ergreifen. 201 Pitt/Groskaufmanis, 78 Geo. L. J. (1989-90), S. 1559 (1647 ff.); Weissmann, 44 Am. Crim. L. Rev. (2007), S. 1319 (1335 ff.); Weissman/Newman, 82 Ind. L. J. (2007), S. 411 (441 ff.); siehe auch Baker, 89 Cornell. L. Rev. (2003-04), S. 310 (334); Bharara, 44 Am. Crim. L. Rev. (2007), S. 53 (109 ff.); Brown, 41 Loy. L. Rev. (1995-96), S. 279 (327 f.); Gruner, Corporate Crime, § 6.7; Walsh/Pyrich, 47 Rutgers L. Rev. (1994-95), S. 605 (676 f., 684 ff.). 202 Brown, 41 Loy. L. Rev. (1995-96), S. 279 (314); der Einfluss der Firmenpolitik wird aber auch zugleich als Argument gegen eine due diligence defense vorgebracht, siehe Maxwell, UCLA L. Rev. (1981-82), S. 447 (454); Saltzburg, 71 B. U. L. Rev. (1991), S. 421 (433 f.). 203 Brown, 41 Loy. L. Rev (1995-96), S. 279 (321); so auch Eisenberg, 3 Business Law Today (1993), S. 32 (34), wie bereits Mueller, 19 U. Pitt. L. Rev. (1957-58), S. 21 (45); Note, 60 Harv. L. Rev. (1946-47), S. 283 (286); 204 Brown, 41 Loy. L. Rev. (1995-96), S. 279 (313 ff.); Gruner, Corporate Criminal Liability, § 6.01[3], § 6.06; Huff, 96 Colum. L. Rev. (1996), S. 1252 (1263 ff.); Orland, Corporate Liability, § 2.04[D]. 205 Brown, 41 Loy. L. Rev (1995-96), S. 279 (326 f.). 206 Vgl. Podgor, 44 Am. Crim. L. Rev. (2007), S. 1537 (1543); Walsh/Pyrich, 47 Rutgers L. Rev. (1994-95), S. 605 (684 f.) u.a. zu beweisrechtlichen Fragen eines solchen Verteidigungsmittels. 207 Vgl. Bucy, 44 Am. Crim. L. Rev. (2007), S. 1287 (1304); Weissmann, 44 Am. Crim. L. Rev. (2007), S. 1319 (1341); Weissman/Newman, 82 Ind. L. J. (2007), S. 411 (449 f.).
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sei aber keine Frage der Strafbegründung.208 Es gehe allein um eine Frage der Strafzumessung.209 Argumentiert wird dabei, dass erst eine Verurteilung die nötige Abschreckungswirkung bringe und man im Rahmen der Strafzumessung genauer auf das Verhalten des Unternehmens eingehen könne (z.B. auch das Nachtatverhalten berücksichtigen könne).210 Eine due diligence defense sei diesbezüglich nicht flexibel genug.211 Eine Anerkennung der defense führe auch dazu, dass die Regel nicht mehr heiße „tue das oder tue das nicht“, sondern „versuche es zu tun“ bzw. „tue alles in deiner Macht Stehende“.212 Zudem sei eine due diligence defense nicht mit dem Konzept der vicarious liability vereinbar, da dies den Fokus vom Vorsatz des handelnden Mitarbeiters auf den eines Unternehmensvorsatzes (und damit eine Unternehmensschuld) lenke.213 Besser sei es, im Rahmen der Strafzumessung eine Balance zwischen der Abschreckungswirkung durch die Strafandrohung und dem Anreiz für ein Compliance-Programm zu finden.214 In der Rechtsprechung sind vereinzelt Ansätze zu einem due diligence-Test zu finden. In älteren Urteilen wurde teilweise eine Unternehmensstrafbarkeit abgelehnt, wenn der Mitarbeiter gegen besondere Anweisungen verstoßen hatte und sich somit die Frage stellte, ob er noch im Rahmen des Beschäftigungsverhältnisses gehandelt hatte.215 Zudem gibt es aus neuerer Zeit Urteile, in denen Gerichte einen due diligence-Test erörterten, jedoch den jeweils gebotenen Standard durch die Unternehmen nicht eingehalten sahen, insbesondere weil wirksame Maßnahmen zur Rechtseinhaltung nicht vorlagen.216 Die überwiegende Rechtsprechung lehnt ____________ 208 Coffee, 79 Mich. L. Rev. (1980-81), S. 386 (445 ff.); Laufer, 34 Am. Bus. L. J. (1996), S. 157 (168 ff.); ähnlich auch Beck/O’Brien, 37 Am. Crim. L. Rev. (2000), S. 261 (268); Webb et al., 49 Bus. Law. (1993-94), S. 617 (624); Wellner, 27 Cardozo L. Rev. (2005), S. 497 (524 ff.). 209 Coffee, 79 Mich. L. Rev. (1980-81), S. 386 (445); vgl. aber auch Maxwell, 29 UCLA L. Rev. (1981-82), S. 447 (498 f.), der solche in Compliance-Programmen geregelten Organisationspflichten besser durch verwaltungsrechtliche Mechanismen steuern und durchsetzen möchte. 210 Coffee, 79 Mich. L. Rev. (1980-81), S. 386 (445 ff.); siehe dazu auch Gruner, Corporate Criminal Liability, § 6.02. 211 Fisse, 56 S. Cal. L. Rev. (1982-83), S. 1141 (1208 ff.). 212 Vgl. Brickey, 19 Rutgers L. J. (1987-88), S. 593 (597); Huff, 96 Colum. L. Rev. (1996), S. 1252 (1275 f.); Webb et al., 49 Bus. Law. (1993-94), S. 617 (624); siehe auch das Urteil Dollar S.S. Co. v. U.S., 101 F.2d 638 (9th Cir. 1939), S. 640. 213 Vgl. bspw. Huff, 96 Colum. L. Rev. (1996), S. 1252 (1276 f.). 214 Huff, 96 Colum. L. Rev. (1996), S. 1252 (1275). 215 Vgl. Holland Furnace Co. v. U.S., 158 F.2d 2 (6th Cir. 1946), S. 8; dazu Gruner/ Brown, 21 J. Corp. L. (1995-96), S. 731 (742); zu weiteren Fällen siehe Brown, 41 Loy. L. Rev. (1995-96), S. 279 (313 ff.); Gruner, Corporate Criminal Liability, § 6.01[3]; Perry/ Dakin, Compliance, § 20:8. 216 So v.a. in U.S. v. Hilton Hotels Corp., 467 F.2d 1000 (9th Cir. 1972), S. 1007, cert. den. 409 U.S. 1125 (1972); vgl. auch U.S. v. LBS Bank-New York, Inc., 757 F.Supp. 496 (ED PA 1990); U.S. v. Basic Construction Co., 711 F.2d 570 (4th Cir. 1983), S. 572 f., cert. den., 464 U.S. 956 (1983); U.S. v. Beusch, 596 F.2d 871 (9th Cir. 1979), S. 878; U.S.
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wie bereits erwähnt ab, den Verstoß eines Mitarbeiters gegen interne Vorgaben des Unternehmens zu berücksichtigen, da sonst der bloße Erlass unternehmensinterner Vorgaben die Strafbarkeit entfallen ließe.217 Diesem Ansatz folgend akzeptiert die Mehrheit der Gerichte auch keinen allgemeinen due diligence-Einwand seitens des Unternehmens.218 Als Begründung wird häufig auf eine ansonsten geminderte Abschreckungs- bzw. Anreizwirkung verwiesen.219 Insgesamt lässt sich somit die Rechtsprechung dahingehend zusammenfassen, dass ein Compliance-Programm kein wirksamer Verteidigungseinwand ist, um eine Zurechnung der Mitarbeitertat auszuschließen.220 3. Vorsatz des Mitarbeiters, das Unternehmen zu begünstigen Schließlich setzt eine Verantwortlichkeit des Unternehmens voraus, dass ein Vorsatz des handelnden Mitarbeiters, das Unternehmen zu begünstigen, gegeben ist. Auch dieses Element wurde aus dem Deliktsrecht in das Strafrecht übertragen.221 Soweit es sich um strict liability-Straftaten handelt, ist diese Voraussetzung (wie andere subjektive Elemente) allerdings nicht erforderlich.
____________ v. Cadillac Overall Supply Co., 568 F.2d 1078 (5th Cir. 1978), S. 1090, cert. den. 437 U.S. 903 (1978); U.S. v. Greyhound Corp., 363 F.Supp. 525 (N.D. Ill. 1973), S. 559; U.S. v. American Radiator & Standard Sanitary Corp., 433 F.2d 174 (3rd Cir. 1970), cert. den. 401 U.S. 948 (1971); vgl. auch die Model Jury Instructions (8th Cir. 2003), Instruction 5.03, die eine Prüfung von Anstrengungen des Unternehmens im Rahmen des Beschäftigungsverhältnisses (wie auch im Rahmen des Vorsatzes) erlauben, die allerdings darauf hinweisen, dass es sich dabei bislang um keine allgemeine Rechtsregel handelt. 217 Vgl. oben S. 99 f. 218 Vgl. U.S. v. Armour & Co., 168 F.2d 342 (3rd Cir. 1948), S. 343; U.S. v. ThompsonPowell Drilling Co., 196 F.Supp. 571 (ND Tex. 1961) S. 574; U.S. v. Twentieth Century Fox Film Corp., 882 F.2d 656 (2nd Cir. 1989), S. 660; U.S. v. Potter, 463 F.3d 9 (1st Cir. 2006), S. 26; siehe auch Dolan/Rebeck, 50 Geo. L. J. (1961-62), S. 547 (564 f.); Gruner, Corporate Criminal Liablility, § 6; Wise, in: Doelder/Tiedemann (Hrsg.), Criminal Liability, S. 383 (391) jew. m.w.N. Anders beurteilt dies die Rechtsprechung nur, wenn ein Tatbestand selbst explizit eine Entlastungsmöglichkeit vorsieht: 15 U.S.C. § 78t (a) regelt bspw., dass keine Aufsichtspflichtverletzung vorliegt, wenn der Vorgesetzte in „good faith“ gehandelt hat, was etwa dann zu bejahen ist, wenn er ein effektives ComplianceProgramm implementiert hat. Diese Regelung ist allerdings keine strafrechtliche, vgl. näher Gruner, Corporate Criminal Liablility, § 6.03; Pitt/Groskaufmanis, 78 Geo. L. J. (1989-90), S. 1559 (1614 ff.); siehe auch unten S. 291. 219 Vgl. dazu Gruner, Corporate Criminal Liability, § 6.02 m.w.N. 220 Beispielhaft ist das Urteil U.S. v. Twentieth Century Fox Film Corp., 882 F.2d 656 (2nd Cir. 1989), S. 660: Ein „Compliance-Programm, wie umfangreich auch immer, beschränkt nicht die Strafbarkeit eines Unternehmens, wenn Unternehmensmitarbeiter im Rahmen ihrer Kompetenzen nicht das Gesetz beachten“. 221 So haftete ein Herr nicht für seine Bediensteten, wenn diese allein zum eigenen Vergnügen und nicht zugunsten des Herrn handelten (sog. frolic and detour-Prinzip), vgl. Keeton, Torts, § 70; siehe auch Huff, 96 Colum. L. Rev. (1996), S. 1252 (1261).
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Das Vorsatzerfordernis wird durch die Rechtsprechung – wie die anderen Voraussetzungen – extensiv ausgelegt.222 Ausreichend ist, dass das Verhalten „zum Geschäft des Arbeitgebers beigetragen hat“.223 Dafür genügt der Vorsatz allein, ohne dass ein tatsächlicher Vorteil eingetreten sein muss.224 Der Vorsatz kann auch Teil eines Motivbündels sein.225 Soweit dem Unternehmen ein tatsächlicher Vorteil entstanden ist, wird ein Vorsatz vielfach unproblematisch unterstellt.226 Letztlich werden in diesem Prüfungspunkt somit nur Fälle ausgeschieden, in denen der Mitarbeiter ausschließlich sich oder einen von dem Unternehmen verschiedenen Dritten begünstigen wollte.227 Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Mitarbeiter aus rein persönlichen Motiven handelt oder wenn das Unternehmen durch das Verhalten unmittelbar (und nicht erst in der Folge durch Schadensersatzansprüche etc.) selbst einen Schaden erleidet.228 Soweit Gerichte die collective knowledge-Doktrin anerkennen, ist diese auch auf die Frage eines Begünstigungsvorsatzes seitens des Mitarbeiters anwendbar.229 Häufig wird dabei ohnehin nicht genau zwischen dem Vorsatz des Mitarbeiters bezüglich der von ihm begangenen Straftat und seinem Vorsatz, das Unternehmen zu begünstigen, unterschieden.230 In der Literatur wird vielfach – ähnlich wie bereits bei der Frage der Zurechnung der Tat eines Mitarbeiters231 – eine restriktivere Handhabung der Vorsatzzurechnung gefordert.232 Dabei wird insbesondere verlangt, dass ein wirksames Compliance-Programm zum Entfallen des Vorsatzes führen solle.233 Insbesondere, wenn ____________ 222 Vgl. Brickey, Corporate Liability, Bd. 1, S. 131 ff.; Gruner, Corporate Criminal Liability, § 3.06 223 U.S. v. Thompson-Powell Drilling Co., 196 F.Supp. 571 (N.D. Tex. 1961), S. 574, siehe auch U.S. v. Sun-Diamond Growers of California, 964 F.Supp. 486 (D.D.C. 1997), S. 490. 224 Old Monastery Co. v. U.S., 147 F.2d 905 (4th Cir. 1945), S. 908; U.S. v. Cadillac Overall Supply Co., 568 F.2d 1078 (5th Cir. 1978), S. 1090; Cox v. Administrator U.S. Steel and Carnegie, 17 F.3d 1386 (11th Cir. 1994), S. 1404. 225 U.S. v. Gold, 743 F.2d 800 (11th Cir.1984), S. 823; U.S. v. Potter, 463 F.3d 9 (1st Cir. 2006), S. 25. 226 Steere Tank Lines v. U.S., 330 F.2d 719 (5th Cir. 1963), S. 724; U.S. v. Gold, 743 F.2d 800 (11th Cir.1984), S. 825. 227 Standard Oil Company v. U.S., 307 F.2d 120 (5th Cir. 1962), S. 128 f. 228 Vgl. Baena v. KPMG LLP, 453 F.3d 1 (1st Cir. 2006), S. 7; zu den Fallkonstellationen siehe Gruner, Corporate Criminal Liability, § 3.06[6]. 229 Vgl. dazu oben S. 96. 230 Vgl. etwa Fisse, 56 S. Cal. L. Rev. (1982-83), S. 1141 (1185 ff.); anschaulich trennend Brown, 41 Loy. L. Rev. (1995-96), S. 279 (299 ff.). 231 Vgl. dazu oben S. 98 f. 232 Siehe nur Buell, 81 Ind. L. J. (2006), S. 473 (530 ff.). 233 Vgl. Fatino, 51 Drake L. Rev. (2002-03), S. 81 (90 f.); Gruner, Corporate Criminal Liability, § 6.01 [3] [c]; Huff, 96 Colum. L. Rev. (1996), S. 1252 (1287 ff.), der diesen Punkt als Ergänzung zu der oben genannten Einschränkung im Rahmen des Beschäf-
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ein Compliance-Programm deutlich mache, welches Verhalten ein Unternehmen nicht dulde, sei genau zu prüfen, ob der Mitarbeiter zugunsten des Unternehmens gehandelt habe.234 Auch insoweit gibt es – wie im Rahmen der due diligenceDiskussion235 – in der Rechtsprechung positive Andeutungen in einigen wenigen Urteilen,236 insgesamt sind die Gerichte hierbei aber nicht großzügiger als bei der Anerkennung der due diligence defense. III. Defenses Soweit die tatbestandlichen Voraussetzungen gegeben sind, stellen die defenses eine wichtige Möglichkeit für den Beschuldigten dar, sich zu verteidigen. Diese Feststellung gilt allerdings nur für die Verantwortlichkeit natürlicher Personen. Wegen des Zuschnitts der defenses auf das Handeln dieser Personen sind sie für die Frage der Unternehmensstrafbarkeit ohne Bedeutung.237 Allerdings wird in der Literatur eine Übertragung anerkannter defenses auf die Situation im Unternehmen durchaus für möglich gehalten.238 Infrage kämen etwa Verteidigungsgründe wie „wirtschaftlicher Notstand, gestörte Kommunikationswege oder sich widersprechende gesetzliche Regelungen“.239 Allgemeine Anerkennung haben diese Vorschläge bislang aber nicht gefunden. IV. Ansätze in der Literatur Die lange Geschichte der Unternehmensstrafbarkeit im amerikanischen Recht hat auch in der Literatur zu einer eingehenden Beschäftigung mit der Frage geführt, ____________ tigungsverhältnisses vorschlägt; Miller/Levine, 24 Santa Clara L. Rev. (1984), S. 41 (46). Vielfach wird in der Literatur allerdings keine genaue Unterscheidung zwischen der due diligence defense im Rahmen des Beschäftigungsverhältnisses und einer Verneinung des Vorsatzes vorgenommen; zur due diligence defense siehe oben S. 101. 234 Vgl. Huff, 96 Colum. L. Rev. (1996), S. 1252 (1287), sowie Miller/Levine, 24 Santa Clara L. Rev. (1984), S. 41 (46). 235 Vgl. oben S. 103. 236 Vgl. v.a. U.S. v. Basic Construction Co., 711 F.2d 570 (4th Cir. 1983), S. 572 f., cert. den., 464 U.S. 956 (1983); allerdings wird auch in der Rspr. häufig nicht genau zur due diligence defense im Rahmen des Beschäftigungsverhältnisses abgegrenzt, vgl. etwa U.S. v. Beusch, 596 F.2d 871 (9th Cir. 1979), S. 878. Siehe auch die Model Jury Instructions (8th Cir. 2003), Instruction 5.03, die eine Prüfung von Anstrengungen des Unternehmens im Rahmen des Vorsatzes erlauben, allerdings auch darauf hinweisen, dass es sich dabei bislang um keine allgemeine Rechtsregel handelt. 237 Vgl. oben S. 68. 238 Coffee, 63 Va. L. Rev. (1977), S. 1099 (1119 f., 1208 ff.); Fisse, 56 S. Cal. L. Rev. (1982-83), S. 1141 (1198, 1201). 239 Coffee, 63 Va. L. Rev. (1977), S. 1099 (1208 ff.); Fisse, 56 S. Cal. L. Rev. (198283), S. 1141 (1201): „economic duress, malfunctioning communications, contradictory government regulations“.
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wie die Verantwortlichkeit von Unternehmen am besten zu regeln ist. Hier finden sich zunächst Vorschläge, die lediglich die bestehenden von der Rechtsprechung entwickelten Vorgaben gesetzlich regeln wollen.240 Diese Vorschläge greifen damit den Ansatz auf, der in den 1970er Jahren für den Entwurf eines Bundesstrafgesetzbuches diskutiert worden war.241 Einen Schritt weiter gehen die Anregungen, die sich ebenfalls an den Vorgaben der Rechtsprechung orientieren, diese aber punktuell erweitern bzw. korrigieren wollen, insbesondere durch Einführung einer due diligence defense.242 Neben diesen Vorschlägen gibt es in der Diskussion aber auch umfassendere Entwürfe, die einen eigenständigen Ansatz bei der Unternehmensstrafbarkeit verfolgen.243 Diese umfassenderen Vorschläge laufen fast alle darauf hinaus, in irgendeiner Weise ein Verschulden des Unternehmens bzw. dessen spezielle Verantwortlichkeit für ein strafbares Mitarbeiterverhalten zu berücksichtigen.244 Gemeinsam ist den Entwürfen auch, dass sie nicht allein die wirksame Abschreckung in den Vordergrund stellen, sondern die strafrechtliche Prämisse betonen, dass nur ein schuldhaftes Verhalten eine Strafbarkeit nach sich ziehen kann.245 Die mangelnde Be____________ Vgl. z.B. Orland, 71 Wash. U. L. Q. (1993), S. 357 (365 f.). Vgl. zum Entwurf bereits oben Anm. 49 mit dazugehörigem Text. 242 So bspw. Bucy, 44 Am. Crim. L. Rev. (2007), S. 1287 (1304), die aber auch einen eigenständigen Ansatz vorstellt (vgl. nachfolgend im Text zur corporate ethos theory). Zur due diligence defense siehe oben S. 101 ff. 243 Vgl. etwa Bucy, 75 Minn. L. Rev. (1990-91), S. 1095 (1105 ff.); dies., 71 Wash. U. L. Q. (1993), S. 329 (338 ff.); Fisse 56 S. Cal. L. Rev. (1982-83), S. 1141 ff.; Fisse/ Braithwaite, Corporations, S. 133 ff.; Foerschler, 78 Cal. L. Rev. (1990), S. 1287 (1306 ff.); French, Corporate Responsibility, S. 41 ff., 48 ff.; Laufer, 43 Emory L. J. (1994), S. 647 (683 ff.); Laufer/Strudler, 37 Am. Crim. L. Rev. (2000), S. 1285 (1308 ff.); May, 43 Phil. Stud. (1983), S. 69 ff.; ders., Collective Responsibility, S. 89 ff.; Moohr, 44 Am. Crim. L. Rev. (2007), S. 1343 (1353 ff.); Moore, 34 Ariz. L. Rev. (1992), S. 743 (767 ff.). 244 Die Terminologie ist dabei sehr uneinheitlich, eine Trennung zwischen Zurechnungsfragen, Fragen der Verantwortlichkeit allgemein oder der eines schuldhaften Handelns wird kaum vorgenommen: so werden Begriffe wie „culpability“ und „blame“ bzw. „blameworthiness“ (die ursprünglich eher einen moralischen Schuldvorwurf bezeichnen) gleichbedeutend neben Begriffen wie „liability“ und „fault“ (die ursprünglich mehr der deliktsrechtlichen Haftung entstammen) gebraucht. Die parallele Verwendung ist insoweit nicht verwunderlich, als der Begriff „corporate criminal liability“ selbst ein hybrides Produkt aus Straf- und Zivilrecht ist. Im Ergebnis wird unter diesen Begrifflichkeiten jedoch die inhaltlich gleiche Diskussion geführt: Inwieweit liegt bei einem Unternehmen ein eigenes schuldhaftes Verhalten vor, das eine strafrechtliche Ahndung rechtfertigt? Vgl. zur Terminologie Laufer, 43 Emory L. J. (1994), S. 647 (673 f.), sowie Gruner, Corporate Criminal Liabiltiy, § 2.03 [1] für einen Überblick zur Schulddiskussion. Siehe zu unklarer Terminologie auch bereits Anm. 2. 245 Laufer/Strudler, 37 Am. Crim. L. Rev. (2000), S. 1285 ff. Die Frage eines schuldhaften Verhaltens wird auch von einigen Autoren eingehend erörtert, die diesen Mangel durch die Einführung einer due diligence defense beheben wollen, da auch in diesem Fall nur schuldhaft handelnde Unternehmen bestraft werden sollen, vgl. insbes. Note, 92 Harv. 240
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rücksichtigung eines schuldhaften Verhaltens des Unternehmens wird dabei als größter Mangel der Konzeption der Unternehmensstrafbarkeit in der Rechtsprechung gesehen.246 Die geringe Berücksichtigung eines Unternehmensverschuldens beruht hauptsächlich auf der Konstruktion der Strafbarkeit als reine vicarious liability-Verantwortlichkeit des Unternehmens für das Handeln von Mitarbeitern.247 Insoweit ist die Kritik am bestehenden System der Unternehmensstrafbarkeit Teil einer umfassenderen Kritik an den Rechtsfiguren des amerikanischen Strafrechts, die auf einen Schuldnachweis verzichten.248 Die stellvertretende Haftung führt dazu, dass ein Unternehmen auch dann verantwortlich ist, wenn es selbst die Tat des Mitarbeiters gar nicht gefördert hat, ist also zu weitgehend (overinclusiveness).249 Zugleich greift die Konstruktion aber dann zu kurz, wenn das Unternehmen durch seine Politik an sich Fehlverhalten zwar gefördert hat, sich aber kein individuelles Fehlverhalten als Anknüpfungspunkt ausmachen lässt (underinclusiveness).250 Als vorzugswürdig wird es daher angesehen, bereits bei der Strafbegründung zu prüfen, ob das Unternehmen schuldhaft gehandelt hat, und wenn man dies bejaht, dann auf Ebene der Strafzumessung den Umfang dieses Verschuldens zur genauen Bemessung der Strafe festzustellen.251 Unter den Vorschlägen finden sich insbesondere die folgenden Modelle, die ein Verschulden an die innerbetrieblichen Verfahrensabläufe und Praktiken anknüpfen.252 Die Ansätze überschneiden sich inhaltlich zum Teil, setzen aber jeweils verschiedene Schwerpunkte:
____________ L. Rev. (1978-79), S. 1227 (1252 f.); Pitt/Groskaufmanis, 78 Geo. L. J. (1989-90), S. 1559 (1647 ff.); Walsh/Pyrich, 47 Rutgers L. Rev. (1994-95), S. 605 (677 ff.). 246 Vgl. Fisse, 56 S. Cal. L. Rev. (1982-83), S. 1141 (1183), der die fehlende Berücksichtigung eines schuldhaften Verhaltens des Unternehmens als das schwärzeste Loch in der Theorie der Unternehmensstrafbarkeit bezeichnet; ähnlich Laufer/Strudler, 37 Am. Crim. L. Rev. (2000), S. 1285 (1288 f.). Vgl. zu diesem Punkt auch bereits im Rahmen des geschichtlichen Überblicks oben S. 75. 247 Laufer/Strudler, 37 Am. Crim. L. Rev. (2000), S. 1285 (1288). 248 Beale, 44 Am. Crim. L. Rev. (2007), S. 1503 (1513 ff.). 249 Moore, 34 Ariz. L. Rev. (1992), S. 743 (759 ff.). 250 Dies ist besonders dann möglich, wenn man Konstruktionen ablehnt, die die Strafbarkeit wie die collective knowledge-Doktrin erweitern, vgl. Moore, 34 Ariz. L. Rev. (1992), S. 743 (762 ff.). 251 Moore, 34 Ariz. L. Rev. (1992), S. 743 (756). 252 Vgl. z.B. den Überblick bei Laufer, 43 Emory L. J. (1994), S. 647 (665 ff.); Lederman, 4 Buff. Crim. L. Rev. (2000-01), S. 641 (677 ff.); zu älteren Vorschlägen vgl. etwa die Darstellung bei Fisse/Braithwaite, Corporations, S. 60 ff. Zu Ansätzen aufgrund einer ökonomischen Analyse des Rechts sowie zu Modellen, die auf den Entscheidungsprozessen im Unternehmen (z.B. anhand der Spieltheorie) aufbauen, vgl. Note, 85 Yale L. J. (1976), S. 1091 (1100).
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Das Modell des proactive fault knüpft die Frage der Strafbarkeit des Unternehmens daran an, ob es ausreichende Praktiken und Abläufe geschaffen hat, um die Begehung einer Straftat zu verhindern.253 Ein Verschulden des Unternehmens wird darin gesehen, dass die Begehung einer Straftat nur unzureichend verhindert worden ist, obwohl dies organisatorisch durch das Management möglich gewesen wäre. Dieser Vorschlag ist einer reinen due diligence defense noch sehr ähnlich.254 Das Modell des reactive fault sucht demgegenüber einen vollständig neuen Weg, indem es überhaupt nicht mehr nach dem Beitrag des Unternehmens zur Straftat des Mitarbeiters fragt, sondern danach, inwieweit es nach einer strafbaren Handlung auf diese reagiert und nachteilige Folgen aus der Tat bekämpft sowie Maßnahmen gegen weitere gleichartige Fälle trifft.255 Ein schuldhaftes und damit strafwürdiges Handeln des Unternehmens liegt danach erst dann vor, wenn nach einer Straftat das Unternehmen keine Maßnahmen zur Beseitigung der verursachten Schäden und zur Verhinderung weiterer derartiger Straftaten (z.B. durch Neuorganisation der Entscheidungsabläufe) in die Wege leitet. Beim Modell der corporate ethos theory ist Ausgangspunkt der Überlegungen die Bedeutung des mens rea-Elements im Strafrecht. Auf dieses soll auch im Unternehmensstrafrecht nicht verzichtet werden. Notwendig ist also der Nachweis eines eigenen Unternehmensvorsatzes.256 Daher soll sich eine Unternehmensstrafbarkeit von der Zurechnung des individuellen Vorsatzes des Mitarbeiters lösen und auf einem kollektiven Vorsatz aufbauen, zumal Entscheidungen regelmäßig ___________ 253 Ansätze zu diesem Modell in Note, 92 Harv. L. Rev. (1978-79), S. 1227 (1258), wo allerdings im Ergebnis noch eine due diligence defense vorgeschlagen wurde; sowie bei Fisse, 56 S. Cal. L. Rev. (1982-83), S. 1141 (1200), der dieses Modell v.a. in Abgrenzung zu seinem Vorschlag des reactive fault sieht. Inhaltlich diesem Ansatz folgt May, 43 Phil. Stud. (1983), S. 69 (78); ders., Collective Responsibility, S. 85, 96 ff. Vgl. auch Arlen/Kraakman, 72 N. Y. U. L. Rev. (1997), S. 687 (718), die sowohl eine Haftung des Unternehmens für jedes nachlässige Mitarbeiterverhalten ablehnen, da dem Unternehmen zu starke Maßnahmen zur Vermeidung von Straftaten abverlangt würden, wie auch eine Haftung allein dann, wenn das Unternehmen seine Mitarbeiter nicht genügend vom Fehlverhalten abschrecke, da dies nur zu einer „due care“-Vorsorge des Unternehmens führe; ein effektives Modell müsse daher beide Ansätze kombinieren. 254 So auch Laufer, 43 Emory L. J. (1994), S. 647 (665). Die Nähe zur due diligence defense, die sich leichter in die Rechtspraxis umsetzen ließe als ein neues Modell der Unternehmensstrafbarkeit, mag wohl auch die Ursache sein, dass vielfach nur der due diligenceAnsatz vorgeschlagen wird. Allerdings trägt das proactive fault-Modell bereits deutliche Züge des Modells der corporate policy wie auch dem des corporate ethos. 255 So der Vorschlag von Fisse sowie Braithwaite, der den Gedanken in die auf kooperative Konfliktlösungsstragien setzenden Diskussion der Restorative Justice aufgenommen hat; vgl. etwa Fisse, 56 S. Cal. L. Rev. (1982-83), S. 1141 (1195 ff.) sowie Fisse/Braithwaite, Corporations, S. 133 ff. und Braithwaite, Justice, S. 62 ff. 256 Bucy, 75 Minn. L. Rev. (1990-91), S. 1095 (1105 ff.); dies., 71 Wash. U. L. Q. (1993), S. 329 (338 ff.); Moore, 34 Ariz. L. Rev. (1992), S. 743 (767 ff.); krit. zu diesem kollektiven mens rea Standard Khanna, 79 B. U. L. Rev. (1999), S. 355 (375 f.; 407 ff.); vgl. zu einem subjektiv orientierten Modell auch vgl. Quaid, 43 McGill L. J. (1997-98), S. 67 (88 ff.).
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nicht von Einzelpersonen allein getroffen werden, sondern von einem komplexen Zusammenspiel individueller Entscheidungen, Verfahrensabläufen und Organisationsstrukturen bestimmt werden. Der Unternehmensvorsatz kann dabei aufgrund des Geschäftsverhaltens und der verfolgten Unternehmenspolitik, also des jedem Unternehmens eigenen Ethos, bestimmt werden.257 Das Abstellen auf eine Unternehmenspolitik ist allerdings kein gänzlich neuer Gedanke, sondern findet Parallelen im Zivilrecht.258 Ein Unternehmen würde nach dem corporate ethos-Ansatz schuldhaft handeln, wenn es eine illegale Unternehmenspolitik angenommen hat und Mitarbeiter auf der Basis dieser Politik handeln. Im System des corporate ethos spielen Maßnahmen des Unternehmens, Rechtsbrüchen aktiv entgegenzutreten, eine maßgebliche Rolle. Denn existiert beispielsweise ein effektives ComplianceProgramm, so liegt im Regelfall kein die Strafbarkeit des Unternehmens begründender Vorsatz vor.259 Nach dem corporate policy-Modell, das eng mit dem Modell des corporate ethos verwandt ist, bemisst sich ein Verschulden des Unternehmens vor allem danach, inwieweit die interne Entscheidungsstruktur (corporate internal decision structure) Fehlverhalten gefördert hat.260 Diese Entscheidungsstruktur ist anhand der internen Entscheidungsabläufe, der internen Prozessstrukturen und der Anerkennung von Regeln durch das Unternehmen bestimmbar.261 Ein schuldhaftes Verhalten des Unternehmens liegt immer dann vor, wenn vor allem Unternehmensvorgaben und Ablaufstrukturen zum strafbaren Verhalten eines Mitarbeiters geführt haben. Diesem Ansatz sehr ähnlich ist der Versuch, das Unternehmen nach den Grundsätzen der strafrechtlichen Beteiligung (vor allem in Anlehnung an die Regelungen zu aiding and abetting) zu bestrafen.262 Dieser Weg wird zum Teil auch auf internationaler Ebene diskutiert.263 Eine Bestrafung ist danach nur dann möglich, wenn die ____________ Bucy, 75 Minn. L. Rev. (1990-91), S. 1095 (1121 ff.) So verweisen etwa Bucy, 71 Wash. U. L. Q. (1993), S. 329 (342) und Moore, 34 Ariz. L. Rev. (1992), S. 743 (771) auf 42 U.S.C. § 1983, der Schadensersatz für die Vorenthaltung verfassungsmäßiger Rechte gewährt und der in seiner Auslegung durch die Rechtsprechung für die haftungsrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen die Verletzung der Unternehmenspolitik voraussetzt. 259 Vgl. Bucy, 75 Minn. L. Rev. (1990-91), S. 1095 (1127 ff.). 260 Grundlegend French, Corporate Responsibility, S.41 ff., 48 ff.; ähnlich Foerschler, 78 Cal. L. Rev. (1990), S. 1287 (1306 ff.) und Ragozino, 24 Sw. U. L. Rev. (1994-95), S. 423 (448 ff.), der das Verschulden seines duty stratification approach v.a. an der Errichtung eines wirksamen Compliance-Programms bemessen will. 261 French, Corporate Responsibility, S. 48; Foerschler, 78 Cal. L. Rev. (1990), S. 1287 (1306). 262 Vgl. Moohr, 44 Am. Crim. L. Rev. (2007), S. 1343 ff. 263 Ruggie, 101 Am. J. Int. L. (2007), S. 819 (830 ff.); siehe auch den Bericht den Ruggie als Sonderbeauftragter des UN-Generalsekretärs (Special Representative of the Secretary-General on the issue of human rights and transnational corporations and other business enterprises) erstellt hat, UN Doc. A/HRC/8/16 (15 May 2008), Rn. 26-44, 70. Siehe 257
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unternehmensinternen Abläufe den Mitarbeiter bei seiner Tatbegehung gefördert haben und das Unternehmen dabei vorsätzlich gehandelt hat.264 Nach dem Modell der constructive corporate liability soll eine strafrechtliche Verantwortlichkeit eines Unternehmens nur bei einem Handeln des Unternehmens als solchem und einem entsprechenden Vorsatz bestehen.265 Dabei ist in einer Gesamtschau aller Kriterien von der Unternehmensgröße bis hin zu einzelnen Entscheidungsabläufen zu beurteilen, ob ein (Fehl-)Verhalten eines Mitarbeiters dem Unternehmen zugerechnet werden kann. Der notwendige Unternehmensvorsatz bestimmt sich dann vor allem danach, ob Unternehmenspolitik und -praktiken ein Fehlverhalten des handelnden Mitarbeiters gefördert haben. Im Ergebnis versuchen damit alle Ansätze (mit Ausnahme des reactive faultModells), die Strafbarkeit von Unternehmen auf die Fälle zu begrenzen, in denen das Unternehmen durch seine Strukturen wesentlich zur Straftat des Mitarbeiters beigetragen hat. Die Unterschiede der einzelnen Modelle liegen vor allem in der Art der Bestimmung des Beitrags, den das Unternehmen zur Begehung der Straftat des Mitarbeiters geleistet hat. In concreto wird jedoch fast immer auf die Entscheidungsstruktur, die tatsächlichen Entscheidungsabläufe sowie verlautbarte und praktizierte Unternehmenspolitiken abgestellt. V. Exkurs: Unternehmensstrafrecht in den Bundesstaaten Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen ist nicht nur im Bundesrecht, sondern auch in den Strafrechtssystemen der meisten Bundesstaaten anerkannt.266 Allerdings unterscheiden sich die Voraussetzungen der Unternehmensstrafbarkeit zum Teil sowohl in den einzelnen Bundesstaaten untereinander wie auch im Vergleich zum Bundesstrafrecht erheblich. Anders als im Bundesstrafrecht, das für eine Bestrafung einen schriftlichen Tatbestand verlangt,267 kann sich die Strafverfolgungsbehörde in den Bundesstaaten sowohl auf (traditionelle) common law crimes wie auch auf (die inzwischen weit zahlreicheren und bedeutende____________ zur Verantwortlichkeit von Unternehmen im Völkerstrafrecht Engelhart, in: Burchard/ Triffterer/Vogel (Hrsg.), Review Conference, S. 175 ff. 264 Vgl. Moohr, 44 Am. Crim. L. Rev. (2007), S. 1343 (1361 ff.), wobei allerdings offen bleibt, wie dieser Ansatz im Einzelnen aussehen könnte. 265 Laufer, 43 Emory L. J. (1994), S. 647 (683 ff.); ders., Corporate Bodies, S. 68 ff.; Laufer/Strudler, 37 Am. Crim. L. Rev. (2000), S. 1285 (1308 ff.). Krit. zu diesen Ansätzen Khanna, 79 B. U. L. Rev. (1999), S. 355 (375 f.), der darin kein Haftungsmodell, sondern eher die Festlegung eines Fahrlässigkeitsstandards sieht; siehe auch Coffee, in: Eser et al. (eds.), Criminal Responsibility, S. 9 (30 f.). 266 Vgl. zum Unternehmensstrafrecht in den Bundesstaaten im Überblick Green, 87 Neb. L. Rev. (2008-09), S. 197 (226 ff.); Gruner, Corporate Criminal Liability, § 7.06; Orland, Corporate Criminal Liability, § 2.04[D]. 267 Vgl. oben S. 61.
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ren) statutory crimes stützen.268 Die Verantwortlichkeit von Unternehmen ist nur in einem Teil der Bundesstaaten gesetzlich geregelt und ansonsten wie im Bundesrecht der Entwicklung durch die Rechtsprechung überlassen worden. Großen Einfluss auf die Entwicklung in den Bundesstaaten hatte der Model Penal Code (MPC), der eine eigenständige Regelung der Unternehmensstrafbarkeit vorschlug. Der Code wurde im Jahr 1962 vom American Law Institute als Modellstrafgesetzbuch für die Bundesstaaten herausgegeben.269 Er sieht bezüglich der Unternehmensstrafbarkeit ein gestuftes System vor.270 Der Vorschlag beruht auf dem Gedanken, dass ein Unternehmen grundsätzlich nur für das Verhalten eines Mitarbeiters einstehen soll, wenn es selbst schuldhaft gehandelt hat.271 Für die traditionellen mens rea-Delikte, die den Hauptteil der Unternehmensstraftaten ausmachen,272 bedarf es nach dem Model Penal Code der Tat eines Mitglieds der Leitungsebene (board of directors) bzw. des oberen Managements (high managerial agent). Hier findet sich der englische Ansatz wieder, die Strafbarkeit des Unternehmens weitgehend auf das Handeln von Führungspersonen zu beschränken.273 Eine zweite Kategorie sieht der Code in mens rea-Delikten, die sich nach dem Willen des Gesetzgebers erkennbar auch an Unternehmen wenden. Hier gilt eine stellvertretende Verantwortlichkeit des Unternehmens für Straftaten all seiner Mitarbeiter. Allerdings sieht die Regelung vor, dass sich Unternehmen mit dem Nachweis verteidigen können, dass der Vorgesetzte des Täters die gebührende Sorgfalt hat walten lassen, um diese Straftat zu verhindern. Insoweit kennt der Model Penal Code eine due diligence defense, die im Bundesstrafrecht bisher abgelehnt wird.274 Als Begründung führt der Code an, dass eine solche Regelung das Management verstärkt dazu bewegen kann, auf die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften durch untergebene Mitarbeiter zu achten.275 Als dritte und letzte Kategorie werden schließlich die strict liability-Straftaten erfasst, bei denen sich die ____________ 268 Vgl. etwa den kalifornischen Fall Granite Construction Co. v. Superior Court, 149 Cal. App. 3d 465 (1983), in dem das Gericht auch die Anklage bei common law crimes (im vorliegenden Fall für ein Tötungsdelikt) als zulässig erklärte. 269 Zum Institut und der Entstehung des MPC vgl. Geis/DiMento, 29 Am J. Crim. L. (2001-02), S. 341 (348 ff.); zum MPC siehe etwa Mueller, U. Pitt. L. Rev. (1957-58), S. 21 (24 ff.); Note, 92 Harv. L. Rev. (1978-79), S. 1227 (1251 ff.). Eine deutsche Übersetzung des MPC liegt von Honig vor (Honig, Musterstrafgesetzbuch, S. 1 ff.), eine deutsche Einführung in den MPC gibt Dubber (Dubber, US-amerikanisches Strafrecht, S. 1 ff.). 270 Model Penal Code § 2.07, vgl. die in Anm. 269 genannte Lit. sowie French, Corporate Responsibility, S. 173 ff. und aus deutscher Sicht Hefendehl, 4 Buff. Crim. L. Rev. (2000-01), S. 283 (290 ff.). 271 Vgl. Moore, 34 Ariz. L. Rev. (1992), S. 743 (764). 272 Vgl. Bucy, 71 Wash. U. L. Q. (1993), S. 329 (334); Moore, 34 Ariz. L. Rev. (1992), S. 743 (765). 273 Vgl. zum englischen Recht bereits oben S. 73. 274 Vgl. oben S. 101. 275 Model Penal Code § 2.07, Kommentierung S. 154 (Tent. Draft No. 4, 1955).
§ 5 Strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen
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Verantwortlichkeit des Unternehmens wie im Bundesstrafrecht nach der respondeat superior-Regel richtet, eine Verantwortlichkeit somit nicht den Nachweis eines mens rea-Elements voraussetzt. Im Gegensatz zu den mens rea-Delikten ist hierbei eine due diligence-Einrede nicht möglich. Die Regelung des Model Penal Code hat zu dem Modell des Bundesstrafrechts eine weitere Alternative hinzugefügt. Weder das eine noch das andere Modell konnte sich jedoch bislang vollkommen durchsetzen,276 sodass die Rechtslage in den einzelnen Bundesstaaten sehr unterschiedlich ist. Im Wesentlichen lassen sie sich in Bezug auf die Voraussetzungen der Unternehmensstrafbarkeit in drei Kategorien einteilen: – Staaten, die im Wesentlichen dem Model Penal Code folgen; – Staaten, die im Wesentlichen dem Ansatz des Bundesrechts folgen; sowie – Staaten, in denen die Voraussetzungen der Unternehmensstrafbarkeit nicht geregelt sind. Zahlreiche Bundesstaaten haben die Verantwortlichkeit von Unternehmen in Anlehnung an den Model Penal Code geregelt und im Ansatz auf Taten der Leitungsebene begrenzt.277 Allerdings sind die meisten Staaten im Detail deutlich von dem Vorschlag des Modellstrafgesetzbuchs abgewichen. Gerade die umfassende Beschränkung der Haftung auf high managerial agents wurde als zu weitgehend empfunden, da auch Manager auf mittlerer und unterer Ebene die Unternehmenspolitik mitgestalten und gesetzwidriges Verhalten fördern können.278 So haben die Bundesstaaten vielfach Elemente aus der respondeat superior-Regelung des Bundesrechts übernommen und die Verantwortlichkeit weiter gezogen als der Model Penal Code.279 Zahlreiche andere Staaten und der District of Columbia sind dem Code nicht gefolgt und haben sich an der respondeat superior-Regel des Bundesstraf____________ 276 Der Ansatz des Bundesrechts wurde schon vor Erstellung des MPC nur teilweise durch die Rechtsprechung der Bundesstaaten rezipiert, vgl. bspw. People v. Rochester Railways & Light Co., 88 N.E. 22 (N.Y. 1909); State v. Lehigh Valley Railway Co., 103 A. 685 (N.J. 1917). 277 Insgesamt haben ungefähr 20 Bundesstaaten den MPC als Vorbild genommen; vgl. (auch zur nicht ganz einheitlichen Kategorisierung) Ainslie, 43 Am. Crim. L. Rev. (2006), S. 107 (124 ff.); Brickey, 19 Rutgers L. J. (1987-88), S. 593 (633 f.); Geis/DiMento, 29 Am. J. Crim. L. (2001-02), S. 341 (359 ff.); Green, 87 Neb. L. Rev. (2008-09), S. 197 (205 f.); Gruner, Corporate Criminal Liability, § 7.06; Orland, Corporate Criminal Liability, § 2.04[D]; Walsh/Pyrich, 47 Rutgers L. Rev. (1994-95), S. 605 (630 ff.). 278 Vgl. Brickey, 19 Rutgers L. J. (1987-88), S. 593 (628); Moore, 34 Ariz. L. Rev. (1992), S. 743 (764); Note, 92 Harv. L. Rev (1978-79), S. 1227 (1255 f.). 279 Vgl. zu den einzelnen Abweichungen Brickey, 19 Rutgers L. J. (1987-88), S. 593 (633 f.); Gruner, Corporate Criminal Liability, § 7.06; Walsh/Pyrich, 47 Rutgers L. Rev. (1994-95), S. 605 (627 ff.) Anm. 70 weisen darauf hin, dass nur sechs Bundesstaaten eine due diligence defense (dazu oben S. 101) übernommen haben; allerdings sehen zahlreiche Bundesstaaten in Spezialbereichen wie den Umweltdelikten eine due diligence defense vor, vgl. m.w.N. Arlen/Kraakman, 72 N.Y.U.L. Rev. (1997), S. 687 (690, 742 ff.).
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2. Kapitel: Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika
rechts orientiert.280 In einigen Bundesstaaten ist die Unternehmensstrafbarkeit weder durch Gesetzgebung noch durch die Rechtsprechung geregelt (sodass eine Verfolgung von Unternehmen praktisch nicht stattfindet), oder eine klare Zuordnung zu den vorgenannten Kategorien ist nicht möglich.281
____________ 280 So in ca. 20 Bundesstaaten und dem District of Columbia; zur Kategorisierung vgl. die Nachweise in Anm. 277; eine besonders weitgehende Strafbarkeit weist dabei der Bundesstaat Kalifornien auf, in dem die bloße „inattention to hazardous corporate working conditions or product designs“ eine Strafbarkeit begründet, vgl. dazu Gruner, Corporate Criminal Liability, § 7.05. 281 Dies betrifft etwa 10 Bundesstaaten; zur Kategorisierung vgl. die Nachweise in Anm. 277.
§ 6 Die Strafzumessung Die Strafzumessung wird in den Vereinigten Staaten traditionell als ein gegenüber der Feststellung der Schuld eigenständiger (wenn auch komplementärer) Teil gesehen.1 Diese Trennung spiegelt sich im Prozessablauf wider, der sich in das Verfahren zur Feststellung der Schuld und in das Verfahren zur Festlegung der Strafe unterteilt.2 Die Strafzumessung hat sich daher zum großen Teil eigenständig entwickelt, auch wenn ihr in der Praxis im Vergleich zu anderen Verfahrensabschnitten lange Zeit weniger Beachtung geschenkt wurde.3 Dies änderte sich durch die grundlegende Reform in den 1980er Jahren, nachdem in den 1960er und 1970er Jahren die Strafzumessung immer mehr in den Fokus der politischen und wissenschaftlichen Diskussion gerückt war. Am Ende der Reformbestrebungen stand die Einführung von Strafzumessungsrichtlinien (Sentencing Guidelines) für natürliche Personen.4 Angestoßen durch diese allgemeine Strafzumessungsdiskussion wurde auch verstärkt die angemessene Bestrafung von Unternehmen erörtert. Die Diskussion mündete schließlich darin, dass für Unternehmen neben den Richtlinien für natürliche Personen speziell auf diese zugeschnittene Strafzumessungsrichtlinien geschaffen wurden. Das differenzierte und innovative System der Unternehmensrichtlinien wird als das derzeit modernste Sanktionssystem im Bereich der Unternehmensstrafbarkeit angesehen.5 Die Richtlinien werden im Folgenden näher beleuchtet (C.). Zuvor wird jedoch auf die allgemeine Lage vor Einführung der Richtlinien (A.) und ihre Entstehungsgeschichte (B.) eingegangen. Nur vor diesem Hintergrund sind zahlreiche Aspekte der Richtlinien nachvollziehbar. Sie stellen ein bislang einmaliges Regime dar und sind nicht ohne Kritik geblieben. Daher ist ihrer Bewertung ein eigenständiger Teil gewidmet (D.). Zur Vervollständigung des ____________ 1 Vgl. Stith/Cabranes, Judging, S. 22 ff., sowie insbes. Hart, Punishment und Responsibility, S. 8 ff., 24 ff., der streng zwischen Zielen des Strafrechts allgemein und denen der Strafzumessung unterscheidet. 2 Vgl. zum Verfahrensablauf unten S. 226 ff. 3 Vgl. etwa Dash, 54 F.R.D. (1968), S. 315 f., der auf die Konzentration der Praxis auf Vorverfahren und Erkenntnisverfahren hinweist. 4 Die Sentencing Guidelines werden im Folgenden als Strafzumessungsrichtlinien übersetzt. Diese Übersetzung soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich bei diesen Richtlinien anders als bei im deutschen Recht bekannten Richtlinien etwa für Verkehrsoder Steuerstrafsachen (vgl. die Beispiele bei Schäfer, Strafzumessung, Rn. 941 ff., 1032 ff.) um grundsätzlich verbindliche Regelungen handelt. Allerdings ist diese Verbindlichkeit durch das Urteil des U.S. Supreme Court im Fall Booker stark beschränkt worden, vgl. dazu unten S. 194 ff. Zur Diskussion und Entwicklung der Strafzumessung siehe Damaška, ZStW 93 (1981), 701 ff.; Meyer, ZStW 118 (2006), 512 ff.; Powell/Cimino, 97 W. Va. L. Rev. (1994-95), S. 373 (374 ff.); Reichert, Strafzumessungsrichtlinien, S. 137 ff.; Weigend, ZStW 90 (1978), 1083 (1112 ff.). 5 So aus rechtsvergleichender Sicht Maglie, 4 Wash. U. Global Stud. L. Rev. (2005), S. 547 (565 f.).
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2. Kapitel: Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika
Bildes der strafrechtlichen Maßnahmen gegen Unternehmen wird zudem ein Blick auf Maßnahmen der Abschöpfung erlangter Vorteile geworfen (E.). Zuletzt wird wie im Rahmen der Darstellung zur Verantwortlichkeit des Unternehmens ein kurzer Ausblick auf die Lage in den Bundesstaaten geworfen (F.). A. Die Lage vor Einführung der Strafzumessungsrichtlinien Die umfangreichen Reformen der Strafzumessung lassen sich nur vor dem Hintergrund der Rechtslage vor den Reformen verstehen. Das Bundesstrafrecht kannte vor Einführung der Sentencing Guidelines weder für natürliche Personen noch für Unternehmen konkrete Strafzumessungsbestimmungen (sogenanntes System des indeterminate sentencing). Das Gesetz gab dem Bundesrichter lediglich eine Höchststrafe vor, innerhalb derer er sich für ein bestimmtes Strafmaß zu entscheiden hatte.6 Als Orientierung diente vor allem der United States Code, der jedoch keine allgemeinen Strafzumessungsregelungen enthielt.7 Die Strafzumessung wurde in den USA nie als ausschließliche Aufgabe der Judikative verstanden, sondern als Gesamtkomplex, an dem alle drei Gewalten des Staates mitwirkten: die Legislative durch die Vorgabe der gesetzlichen Bestimmungen, die Exekutive durch die Entscheidung, eine Strafverfolgung einzuleiten, zu beschränken oder durch Absprachen (plea agreements) zu beenden, die Judikative schließlich durch Verhängung des konkreten Strafmaßes.8 Dieses System brachte indes eine Vielzahl von Problemen mit sich,9 auf die im Folgenden im Überblick eingegangen werden soll. Zahlreiche Punkte betrafen dabei Unternehmen und natürliche Personen gleichermaßen, da kein „zweispuriges“ System bestand. Soweit sich für Unternehmen Besonderheiten ergaben, wird hierauf speziell eingegangen. Zunächst fehlte es an einer gesetzlichen Festlegung des Zwecks der Bestrafung, sodass hierüber auch nur teilweise Konsens bestand. Als vorrangig und zeitweise einzig anerkannter Zweck der Bestrafung wurde lange Zeit die Resozialisierung des ____________ 6 Vgl. Bowman, 1996 Wis. L. Rev. (1996), S. 679 (680 ff.); Nagel, 80 J. Crim. L. & Criminology (1989-90), S. 883 ff. sowie Damaška, ZStW 93 (1981), 701 (705 ff.); Meyer, ZStW 118 (2006), 512 (513 ff.); Weigend, ZStW 90 (1978), 1083 (1114 ff.). 7 Nagel/Swenson, 71 Wash. U. L. Q. (1993), S. 205. 8 Soweit die Strafe eine Freiheitsstrafe war, wurde die Länge der Haftzeit noch maßgeblich durch das parole board beeinflusst, das nach einem Drittel der Haftzeit über eine Entlassung entschied, also wesentlich die tatsächliche Länge der Freiheitsstrafe bestimmte; vgl. Karle/Sager, 40 Emory L. J. (1991), S. 393; Nagel/Swenson, 71 Wash. U. L. Q. (1993), S. 205; Stith/Cabranes, 91 Nw. U. L. Rev. (1996-97), S. 1247 (1248 ff.). 9 Vgl. im Überblick Bowman, 1996 Wis. L. Rev. (1996), S. 679 (680 ff.); Nagel/ Swenson, 71 Wash. U. L. Q. (1993), S. 205 (230), sowie Meyer, ZStW 118 (2006), 512 (513 ff.).
§ 6 Die Strafzumessung
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Straftäters gesehen.10 Die Strafe wurde eher auf den Täter als auf die Tat zugeschnitten.11 Auf den Bereich der Unternehmensstrafbarkeit war der Resozialisierungsgedanke allerdings nicht ohne Weiteres übertragbar. Welchen Zweck die Bestrafung von Unternehmen verfolgte, blieb weitgehend offen; soweit dieser Punkt überhaupt erörtert wurde, stellte man wie bei der Begründung der Unternehmensstrafbarkeit vor allem auf die Abschreckungswirkung ab.12 Insgesamt fehlte es daher an einem eindeutig definierten Zweck der Bestrafung und einer klaren Prioritätensetzung sowie an Kriterien für die Behandlung der möglichen Strafzwecke untereinander.13 Die mögliche Art der Strafe für Unternehmen war darüber hinaus diffus und wurde in der Praxis zum Teil sehr unterschiedlich gehandhabt.14 Zumeist wurde eine Geldstrafe verhängt.15 Gerichte versuchten aber auch alternative Lösungen zu entwickeln, wobei sie zum Teil die für natürliche Personen mögliche Bewährungsstrafe (probation) nach dem Federal Probation Act von 1925 auch auf Unternehmen anwandten.16 Dabei wurde häufig die Leistung gemeinnütziger Dienste (community service) als Strafe erwogen:17 beispielsweise die Verhängung einer Freiheitsstrafe auf Bewährung mit der Verpflichtung von Managern, Arbeitsdienst in der Kommune zu verrichten,18 die Verpflichtung eines Managers zur Mitarbeit in ____________ 10 Bucy, 71 Wash. U. L. Q. (1993), S. 329 (330); Cabranes, 1 Harv. Latino L. Rev. (1994), S. 177 (179); Karle/Sager, 40 Emory L. J. (1991), S. 393; Nagel, 80 J. Crim. L. & Criminology (1989-90), S. 883 (900); Nagel/Swenson, 71 Wash. U. L. Q. (1993), S. 205 (207); Ogletree, 101 Harv. L. Rev. (1987-88), S. 1938 (1941); vgl. auch Sweet/van Hook/Di Lello, 65 Fordham L. Rev. (1996-97), S. 927 (930 f.) zur Inkorporation des Resozialisierungsgedankens im MPC. 11 Vgl. Williams v. People of State of New York, 337 U.S. 241 (1949), S. 247 f.; siehe auch Graafeiland, 31 Vill. L. Rev. (1986), S. 1291 f.; Ogletree, 101 Harv. L. Rev. (198788), S. 1938 (1941). 12 Vgl. etwa Note, 92 Harv. L. Rev. (1978-1979), S. 1227 (1235 ff.); häufig wird in der Diskussion die Begründung der Unternehmensstrafbarkeit mit der Frage der Strafzwecke gleichgesetzt. 13 Nagel, 80 J. Crim. L. & Criminology (1989-90), S. 883 (897). 14 Vgl. Levitske, 29 Duq. L. Rev. (1990-91), S. 783 (787 f.); Nagel/Swenson, 71 Wash. U. L. Q. (1993), S. 205 (228); Orland, 17 Am. Crim. L. Rev. (1979-80), S. 501 (515 ff.); Swenson, in: USSC, Corporate Crime, S. 24 (25) Anm. 3; spez. zu Bewährungsauflagen Wray, 101 Yale L. J. (1991-92), S. 2017 (2022 f.). 15 Dies entsprach der gängigen Vorstellung, dass eine Geldstrafe praktisch die einzig mögliche Strafe sei, so bspw. McAdams, 46 U. Cin. L. Rev. (1977), S. 989 (993 ff.). 16 Der bis 1987 geltende Federal Probation Act (18 US.C. §§ 3651–3656 [1982]) erwähnte Unternehmen überhaupt nicht, sodass eine Anwendung des Gesetzes auf Unternehmen den Gerichten überlassen blieb, vgl. dazu Baldwin, 3 U. Balt. L. Rev. (1973-74), S. 294 ff. Siehe auch Gruner, 16 Am. J. Crim. L. (1988-89), S. 1 (31 ff.); Levin, Fordham L. Rev. (1983-84), S. 637; Wray, 101 Yale L. J. (1991-92), S. 2017 (2022 f.). 17 Eingehend Fisse, 1981 Wis. L. Rev (1981), S. 970 ff. 18 So U.S. v. Allegheny Bottling Co., 695 F.Supp. 856 (E.D. Va. 1988), S. 858 f. Diese Entscheidung wurde allerdings in der Berufungsinstanz wieder aufgehoben und stattdessen eine Geldstrafe festgesetzt, da das Gesetz keine andere Sanktion als eine Geldstrafe zulas-
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2. Kapitel: Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika
einer sozialen Einrichtung,19 die Auflage gegenüber sechs Bäckereien, Brot an Hilfsorganisationen zu spenden,20 die Auflage gegenüber einem Alkoholvertrieb, Zuwendungen an Einrichtungen für Alkoholiker zu richten,21 oder ein internes Programm zu entwickeln, um Öleinleitung in die Umwelt zu verhindern.22 Vielfach wurden solche Versuche in zweiter Instanz jedoch wieder aufgehoben oder von Gerichten gar nicht erst in Erwägung gezogen.23 Somit verblieb es fast immer bei einer Geldstrafe, ohne dass eine auf Unternehmen zugeschnittene Strafe entwickelt wurde. Bei Geldstrafen zeigte sich zudem das Problem, dass die gesetzliche Höchststrafe vielfach nicht an die Unternehmensstrafbarkeit angepasst war, da der Gesetzgeber die Strafe auf natürliche Personen zugeschnitten hatte. So galt für beide dieselbe Höchstgrenze. In Anbetracht des Nutzens aus der Tat für das Unternehmen und der Höhe des Unternehmensumsatzes wurden die möglichen Geldstrafen als nicht ausreichend hoch angesehen, um Unternehmen wirksam bestrafen zu können.24 Für die Festsetzung einer bestimmten Strafe bedurfte es grundsätzlich keiner Begründung.25 Dies wiederum führte auch dazu, dass eine rechtliche Überprüfung des Strafmaßes in der nächsthöheren Instanz fast überhaupt nicht stattfand, zumal eine effektive Rechtsmittelkontrolle ohnehin nicht vorgesehen war.26 Daher konnte sich ____________ se, vgl. U.S. v. Harford, 870 F.2d 656 (4th Cir. 1989); siehe auch Baldwin, 3 U. Balt. L. Rev. (1973-74), S. 294 ff. 19 U.S. v. Mitsubishi International Corp., 677 F.2d 785 (9th Cir. 1982). 20 U.S. v. Danilow Pastry Co., 563 F.Supp. 1159 (D.C. NY 1983). 21 U.S. v. Clovis Retail Liquor Dealer Trade Association, 540 F.2d 1389 (10th Cir. 1976). 22 U.S. v. Atlantic Richfield Co., 465 F.2d 58 (7th Cir. 1972); siehe dazu Stone, Law, S. 184 ff. 23 Vgl. etwa U.S. v. Missouri Valley Construction Co., 741 F.2d 1542 (8th Cir. 1984); U.S. v. John Scher Presents, Inc., 746 F.2d 959 (3rd Cir. 1984); U.S. v. Clovis Retail Liquor Dealers Trade Ass’n, 540 F.2d 1389 (10th Cir. 1976), wonach eine Spende an eine wohltätige Organisation unzulässig sei, wenn diese Organisation nicht Opfer der Straftat gewesen sei. 24 So war etwa für wire fraud (18 U.S.C. § 1343 [1984]) zwar eine Haftstrafe von maximal fünf Jahren vorgesehen, aber nur eine Höchstgeldstrafe von 1.000 US-Dollar; im Fall U.S. v. Atlantic Richfield Co., 465 F.2d 58 (7th Cir. 1972) lag die Höchststrafe für die langjährige illegale Einleitung von Ölabfällen in Gewässer bei 2.500 US-Dollar; vgl. näher Elkins, 65 Ky. L. J. (1976-77), S. 73 (81); Fisse, in: Liebl (Hrsg.), Wirtschaftskriminalität, S. 117 (118 f.); Levitske, 29 Duq. L. Rev. (1990-91), S. 783 (785 f.); siehe auch die Beispiele bei Gruner, 36 Ariz. L. Rev. (1994), S. 407 (408 f.); Silets/Brenner, 13 Am. J. Crim. L. (1985-86), S. 329 (367 ff.), sowie Spence, Justice, S. 198 ff. 25 Kaufman, 66 Geo. L. J. (1977-78), S. 1247 (1249); Ogletree, 101 Harv. L. Rev. (1987-88), S. 1938 (1942 f.). 26 Vgl. etwa Dorszynski v. U.S., 418 U.S. 424 (1974), S. 432 ff.; U.S. v. Keuylian, 602 F.2d 1033 (2nd Cir. 1979), S. 1043; siehe auch Damaška, ZStW 93 (1981), 701 (716 ff.); Graafeiland, 31 Vill. L. Rev. (1986), S. 1291; Kaufman, 66 Geo. L. J. (1977-78), S. 1247 (1248); Ogletree, 101 Harv. L. Rev. (1987-88), S. 1938 (1942); Stith/Cabranes, 91 Nw. U. L. Rev. (1996-97), S. 1247 (1251 f.); dies., Judging, S. 9. Ausnahmen stellen vor allem die
§ 6 Die Strafzumessung
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kein durch obergerichtliche Klärung gefördertes case law für den Bereich der Strafzumessung entwickeln.27 Darüber hinaus wurde in der Literatur stark kritisiert, dass es in vergleichbaren Fällen zu unterschiedlichen Ergebnissen bei der Bestrafung kam.28 Dies beruhte zum einen auf dem großen Ermessensspielraum der Anklagebehörde.29 Ob eine Strafverfolgung drohte, war vollkommen unvorhersehbar.30 Das Risiko war aber in Anbetracht der (wenigen verfügbaren) Verfolgungszahlen eher als gering einzustufen.31 Unternehmen wurden daher nur punktuell verfolgt.32 Zumeist überließ die Anklagebehörde eine Sanktionierung den speziellen Bundesbehörden (Umweltbehörden etc.), die zivil- oder verwaltungsrechtliche Maßnahmen ergriffen.33 Dies beförderte die allgemeine Ansicht, dass Unternehmen nicht ausreichend zur Verantwortung gezogen würden.34 ____________ genannten Fälle dar, in denen eine zur Geldstrafe alternative Strafe verhängt wurde und bei denen die Abweichung von gängiger Praxis offensichtlich war. 27 Stith/Cabranes, Judging, S. 23. 28 Neben dem im Text erwähnten Ermessen der Anklagebehörde und des Gerichts wurde bei Freiheitsstrafen noch das breite Ermessen der parole boards, nach einem Drittel der Haftzeit frei über eine Entlassung zu entscheiden, als Problem gesehen; vgl. etwa Bucy, 71 Wash. U. L. Q. (1993), S. 329 (331); Kaufman, 66 Geo. L. J. (1977-78), S. 1247 (1250); Nagel, 80 J. Crim. L. & Criminology (1989-90), S. 883 f., 895 ff.; Ogletree, 101 Harv. L. Rev. (1987-88), S. 1938 (1944 f.). Dieser Punkt ist für die Unternehmensstrafbarkeit jedoch ohne Relevanz und wird daher vorliegend nicht weiter vertieft. 29 Vgl. etwa Stith/Cabranes, Judging, S. 130 ff. m.w.N. 30 Bucy, 71 Wash. U. L. Q. (1993), S. 329 (338). 31 Frühe Untersuchungen wie etwa bei Clinard, Illegal Corporate Behavior, S. 109 ff.; Orland, 17 Am. Crim. L. Rev. (1979-80), S. 501 ff.; Ross, 102 Fortune (1980), S. 56 ff. oder noch früher bei Sutherland, White Collar Crime, S. 15 ff. sowie die Beispiele in der in Anm. 24 genannten Literatur deuten auf eine nur geringe Anzahl von Bestrafungen von Unternehmen hin. Der Mangel an Daten lag allerdings auch daran, dass überhaupt keine systematische Sammlung der Fälle vorgenommen wurde, vgl. Benson/Cullen/Maakestad, in: Schlegel/Weisburd (Hrsg.), Crime, S. 269 (273). Nach der ersten umfangreicheren Untersuchung von Cohen et al., in: USSC, Discussion Materials, III. (auch veröffentlicht in Cohen et al., 10 Whittier L. Rev. (1988), S. 103 ff.) sowie Cohen, 71 B. U. L. Rev. (1991), S. 247 (251 f.) wurden zwischen 1984 und 1987 im Jahresdurchschnitt 415 Unternehmen nach Bundesrecht angeklagt und 320 Unternehmen verurteilt, was nicht einmal 1 % der gesamten Straftaten ausmachte; im Untersuchungszeitraum waren von den angeklagten Unternehmen nur 41 an der Börse notiert, wobei lediglich 10 % aller Unternehmen einen Umsatz über 1 Mio. US-Dollar und über 50 Angestellte hatten; die anderen waren fast ausschließlich kleinere Unternehmen; zur Untersuchung vgl. auch unten S. 135. Auf nur geringe Verfolgungszahlen weisen auch bereits Kadish, 30 U. Chi. L. Rev. (1962-63), S. 423 (426) und Note, 92 Harv. L. Rev. (1978-79), S. 1227 (1229) hin. 32 Vgl. Bucy, 71 Wash. U. L. Q. (1993), S. 329 (337); Levitske, 29 Duq. L. Rev. (199091), S. 783 (785); Swenson, in: Alwart (Hrsg.), Verantwortung, S. 36 (38); siehe auch Benson/Cullen/Maakestad, in: Schlegel/Weisburd (Hrsg.), Crime, S. 269 (273); Orland, 17 Am. Crim. L. Rev. (1979-80), S. 501 (511). 33 Vgl. Benson/Cullen/Maakestad, in: Schlegel/Weisburd (Hrsg.), Crime, S. 269 (271). 34 Vgl. etwa Elkins, 65 Ky. L. J. (1976-77), S. 73 f.
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2. Kapitel: Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika
Zum anderen war auch das Ermessen des Gerichts außerordentlich weit, da dieses die Strafe ganz den individuellen Verhältnissen des Täters anpassen sollte.35 Für das Gericht stellte sich das Problem, dass es zwar einen großen Spielraum hatte, aber keinen Anhaltspunkt, an dem es für die Findung der „richtigen“ Strafe ansetzen konnte.36 Es gab weder einen Katalog von zulässigen noch von unzulässigen Beurteilungskriterien.37 Teile der Literatur beklagten denn auch gerade an diesem Punkt, dass ungleiche Strafen in vergleichbaren Fällen verhängt wurden.38 Allerdings gab es bis in die 1980er Jahre keine systematischen Studien zu Höhe und Umfang der Unternehmensstrafen.39 Auch wurden das weite richterliche Ermessen und seine Handhabung vom U.S. Supreme Court ausdrücklich befürwortet, selbst wenn es zu Ungleichheiten führen sollte.40 Im Ergebnis lässt sich daher festhalten, dass es bis in die 1980er Jahre weder der Legislative noch der Judikative gelungen war, ein schlüssiges Strafzumessungssystem zu entwickeln, geschweige denn dieses auf eine tragfähige theoretische Grundlage zu stellen. Dies führte im Bereich der Unternehmensstrafbarkeit dazu, dass Unternehmen aufgrund der nur sehr punktuellen Verfolgung von Straftaten und der nicht zu kalkulierenden Sanktionen vielfach auf eine Nichtentdeckung der Straftaten hofften und im Fall der Aufdeckung im Konfrontationskurs mit den Behörden alle Vorwürfe abstritten.41 Daher wurde allgemein die Notwendigkeit einer Reform der Strafzumessung und der stärkeren Übernahme von Verantwortung seitens der Unternehmen für in ihrem Umfeld begangene Straftaten gesehen. Beide Elemente sollten dabei in der folgenden Entwicklung miteinander verknüpft werden.
____________ 35 Vgl. die grundlegende Kritik an diesem weiten Ermessen bei Frankel, Criminal Sentences, S. 5 ff.; siehe auch v. Hirsch, ZStW 94 (1982), 1047 (1050). 36 Vgl. Freed, 101 Yale L. J. (1991-92), S. 1681 (1687). 37 Vgl. Bowman, 105 Colum. L. Rev. (2005), S. 1315 (1321 f.). 38 Vgl. Bucy, 71 Wash. U. L. Q. (1993), S. 329 (330 f.) und die Nachweise bei Nagel, 80 J. Crim. L. & Criminology (1989-90), S. 883, 885 ff., die sich aber fast ausschließlich auf natürliche Personen beziehen. 39 Vgl. Parker/Atkins, 42 J. Law & Econ. (1999), S. 423 (428); nach der ersten ausführlicheren Studie von Cohen et al. (vgl. oben Anm. 31) lag die durchschnittliche Strafe für Unternehmen zwischen 1984 und 1987 bei 48.000 US-Dollar, davon in 67 % unter 10.000 US-Dollar; der Nachweis einer tatsächlich stark differierenden Rechtsprechungspraxis in vergleichbaren Fällen wurde mit der Untersuchung allerdings nicht erbracht. 40 So lehnte etwa das Gericht in Williams v. New York, 337 U.S. 241 (1949) eine Begrenzung des richterlichen Ermessens weitgehend ab. Im Fall McCleskey v. Kemp, 481 U.S. 279 (1987) S. 310 ff. betrachtete es offensichtliche Unterschiede in der Strafzumessung als unvermeidlichen Bestandteil des Strafrechtssystems. 41 Swenson, in: Alwart (Hrsg.), Verantwortung, S. 36 (38).
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B. Entstehungsgeschichte der Strafzumessungsrichtlinien Die vorgehend beschriebenen Probleme im Rahmen der Strafzumessung hatten dazu geführt, dass in den 1960er Jahren eine intensive Diskussion über das Strafrecht und die Strafzumessung begann, bei der vielfach eine Abkehr von der primären Orientierung am Resozialisierungsgedanken und die Einführung einer gesetzlich strukturierten Strafzumessung (determinate sentencing) befürwortet wurden.42 Mehrere Gesetzesinitiativen scheiterten, bis schließlich eine ausreichende Unterstützung im Kongress erreicht wurde.43 Im Jahr 1984 beschloss der Kongress die grundlegende Reform der Strafzumessung.44 Die Mehrheit wurde vor allem dadurch möglich, dass das große Projekt einer Gesamtreform und Kodifizierung des Bundesstrafrechts Anfang der 1980er Jahre endgültig aufgegeben und im Wesentlichen auf den Bereich der Strafzumessung begrenzt worden war.45 Die im Jahr 1984 vom Kongress beschlossenen strafrechtlichen Reformen wurden in einem Gesetzespaket, dem Comprehensive Crime Control Act, zusammengefasst.46 Ein Bestandteil des Pakets war der Criminal Fine Enforcement Act, der die Strafhöchstgrenzen zahlreicher Delikte deutlich nach oben setzte.47 Den bedeutendsten Teil stellte aber der Sentencing Reform Act dar, der die Reform der Art und Weise der Strafzumessung vorsah.48 Neben der Einführung eigener Höchststrafen für Unternehmen49 sah das Gesetz vor, dass eine zu errichtende Kommission ____________ 42 Bowman, 105 Colum. L. Rev. (2005), S. 1315 (1318); Knapp/Hauptly, in: Champion (Hrsg.), Guidelines, S. 3 ff.; Stith/Cabranes, Judging, S. 38 ff. Vgl. zum Einfluss des neoretributivism auf die Diskussion Weigend, ZStW 94 (1982), 801 (805 ff.); Whitman, Harsh Justice, S. 49 ff. 43 Vgl. Nagel, 80 J. Crim. L. & Criminology (1989-90), S. 883 (899 f.); Ogletree, 101 Harv. L. Rev. (1987-88), S. 1938 (1942 ff.). 44 Zu Gesetzgebungsgeschichte und Hintergründen vgl. Knapp/Hauptly, in: Champion (Hrsg.), Guidelines, S. 3 ff.; Nagel, 80 J. Crim. L. & Criminology (1989-90), S. 883 (899 ff.); Parker/Block, 9 Geo. Mason L. Rev. (2000-01), S. 1001 ff.; Sweet/van Hook/ Di Lello, 65 Fordham L. Rev. (1996-97), S. 927 (928 ff.); vgl. auch die Dokumentation von Steinherr/Steinmann/Olbrich, in: Alwart (Hrsg.), Verantwortung, S. 155 ff. 45 Vgl. Dubber, US-amerikanisches Strafrecht, S. 24; Gainer, 2 Buff. Crim. L. Rev. (1998-99), S. 45 (135 ff.). 46 Gesetz vom 12.10.1984, Pub. L. No. 98-473, 98 Stat. 1837 (1984), 1984 HJRes 648. 47 Gesetz vom 30.10.1984, Pub. L. No. 98-596, 98 Stat. 3134 (1984). Auch in den nachfolgenden Jahren wurden die Höchststrafen vielfach weiter erhöht, insbes. für Straftaten in Unternehmen bzw. von Unternehmen, vgl. Levitske, 29 Duq. L. Rev. (1990-91), S. 783 (787) m.w.N. 48 Gesetz vom 12.10.1984, Pub. L. No. 98-473, 98 Stat. 1837 (1984); die relevanten Vorschriften finden sich in 28 U.S.C. §§ 991–998; vgl. speziell dazu Graafeiland, 31 Vill. L. Rev. (1986), S. 1291 ff.; Karle/Sager, 40 Emory L. J. (1991), S. 393 (395 ff.); Parker/ Block, 9 Geo. Mason L. Rev. (2000-01), S. 1001 (1005 ff.); Ramirez, 34 Loy. U. Chi. L. J. (2002-03), S. 359 (364 ff.). 49 Vgl. zu den gegenüber natürlichen Personen erhöhten Strafen 18 U.S.C. § 3571 (c); dazu Gruner, 66 S. Cal. L. Rev (1992-93), S. 225 (227) sowie Cohen, 71 B. U. L. Rev.
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(sentencing commission) Strafzumessungsrichtlinien erstellen sollte.50 Ein Hauptziel der Reform war, im Rahmen der Strafbemessung ungerechtfertigte Unterschiede (unwarranted disparities) bei ähnlichen Sachverhalten zu beseitigen und so für mehr Gleichheit und Gerechtigkeit zu sorgen.51 Die gleichzeitig geführte Reformdiskussion in den Bundesstaaten, in denen die Strafzumessung wie im Bundesrecht im vollen Ermessen des Richters stand, hatte bereits zu Beginn der 1980er in einigen Bundesstaaten zu umfassenden Reformen der Strafzumessung geführt.52 Dabei wurden die Systeme des indeterminate sentencing vielfach durch (verbindliche) Strafzumessungsrichtlinien, deren Erstellung und Umsetzung eigene Kommissionen übernahmen, abgelöst.53 Für die Reformen auf Bundesebene konnte man somit auf Erfahrungen der Bundesstaaten zurückgreifen. Allerdings hatten die Bundesstaaten keine Unternehmensrichtlinien erlassen, sodass für diesen Bereich auf Bundesebene Neuland beschritten werden musste.
Im Folgenden werden zunächst die gesetzlichen Vorgaben aufgezeigt (I.). Sodann wird auf die Erstellung der Richtlinien einschließlich der zahlreichen Vorarbeiten (II.), die bislang erfolgten Änderungen (III.) und die offen gebliebenen Fragen (IV.) eingegangen. I. Gesetzliche Vorgaben Die gesetzliche Regelung gab zunächst vor, welchen Strafzwecken die Bestrafung dienen sollte (1.) und welche Arten von Strafe infrage kommen (2.).54 Zudem schuf sie die organisatorischen Voraussetzungen zur Errichtung der Kommission, die zur Umsetzung dieser Vorgaben tätig werden sollte (3.).
____________ (1991), S. 247 (256 ff.), der nach der Reform einen deutlichen Anstieg in der Höhe der verhängten Geldstrafen feststellte. 50 Vgl. S. Rep. No. 225, 98th Cong., 1st Sess. (1983), S. 51 f., wonach es zur Durchsetzung der Strafzwecke notwendig sei, das richterliche Ermessen durch Richtlinien zu steuern. 51 Vgl. zusammenfassend Breyer, 17 Hofstra L. Rev. (1988-89), S. 1 (4 ff.). 52 So in Minnesota 1980, Pennsylvania 1982, Florida 1983. Vgl. zur Entstehung der Richtlinien Hirsch et al., Guidelines, S. 3 ff.; Reichert, Strafzumessungsrichtlinien, S. 150 ff.; Singer, Just Deserts, S. 57 ff., 137 ff.; Uphoff, Strafzumessung, S. 80 ff. Bis heute hat etwa die Hälfte der Bundesstaaten derartige Richtlinien eingeführt, die sich z.T. deutlich in Konzeption und Umfang unterscheiden; einen Überblick hierzu findet sich auf der Seite der USSC unter . 53 Beispielhaft ist das System Minnesotas, das als Erstes eine komplexe und differenzierte Strafzumessungsstruktur durch verbindliche Richtlinien geschaffen hat, vgl. Reichert, Strafzumessungsrichtlinien, S. 175 ff. Zum System Michigans vgl. Uphoff, Strafzumessung, S. 155 ff. 54 Vgl. v.a. die Vorschriften in 18 U.S.C. §§ 3551–3586 und 28 U.S.C. §§ 991–998.
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1. Strafzwecke Das Gesetz benennt fünf zentrale Strafzwecke, die das Gericht bei der Verhängung einer Strafe berücksichtigen soll:55 Ɣ Normbestätigung (promote respect for the law); Ɣ gerechte und angemessene Bestrafung in Bezug auf die Tat (just punishment); Ɣ Abschreckung (deterrence); Ɣ Schutz der Öffentlichkeit vor Straftätern (incapacitation) und Ɣ Resozialisierung des Straftäters (rehabilitation).56
Die Strafzwecke entsprechen trotz kleinerer sprachlicher Abweichungen den als herkömmlich anerkannten Strafzwecken.57 Mit seiner als abschließend gedachten Aufzählung versuchte der Kongress einen Ausgleich zwischen dem Bedürfnis nach einer verlässlichen, gerechten und einheitlichen Bestrafung und der individuellen Berücksichtigung der Person des Straftäters zu finden.58 Der Gesetzgeber verzichtete darauf, sich auf einen einzelnen Strafzweck zu beschränken bzw. eine klare Rangfolge vorzugeben.59 Um eine Lösung in der Praxis zu ermöglichen, versuchte er auch eine klare Festlegung zugunsten einer bestimmten Theorie zu vermeiden; so spricht das Gesetz etwa nicht von „just desert“, womit eine konkrete Strömung in der Strafzumessungsdiskussion bezeichnet wird,60 ____________ 55
18 U.S.C. § 3553 (a):
[…] The court, in determining the particular sentence to be imposed, shall consider– […](2) the need for the sentence imposed– (A) to reflect the seriousness of the offense, to promote respect for the law, and to provide just punishment for the offense; (B) to afford adequate deterrence to criminal conduct; (C) to protect the public from further crimes of the defendant; and (D) to provide the defendant with needed educational or vocational training, medical care, or other correctional treatment in the most effective manner; […].
Vgl. dazu Parker/Block, 27 Am. Crim. L. Rev. (1989-90), S. 289 (300). 56 Der Anwendungsbereich der Rehabilitation wird allerdings durch 28 U.S.C. § 994 (k) insoweit eingeschränkt, als dass Freiheitsstrafen allein zum Zweck der Resozialisierung unzulässig sind: “The Commission shall insure that the guidelines reflect the inappropriateness of imposing a sentence to a term of imprisonment for the purpose of rehabilitating the defendant or providing the defendant with needed educational or vocational training, medical care, or other correctional treatment.” 57 Moore, 34 Ariz. L. Rev. (1992), S. 743 (792 f.); Saltzburg, 71 B. U. L. Rev. (1991), S. 421 (423). 58 Nagel, 80 J. Crim. L. & Criminology (1989-90), S. 883 (902). 59 Nagel, 80 J. Crim. L. & Criminology (1989-90), S. 883 (914 ff.); siehe auch D.J. Fischer, Strafzwecke, S. 108 ff.; krit. zu dieser Offenheit der Strafzwecke untereinander Ogletree, 101 Harv. L. Rev. (1987-88), S. 1938 (1952 f.); Parker/Block, 9 Geo. Mason L. Rev. (2000-01), S. 1001 (1008 ff); Rappaport, 6 Buff. Crim. L. Rev. (2003), S. 1043 (1057 ff.). 60 Vgl. unten S. 130.
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sondern neutral von „just punishment“.61 Auf diese Weise sollte die Möglichkeit erhalten bleiben, sich im Rahmen einer Abwägung im konkreten Einzelfall für oder gegen einen bestimmten Strafzweck zu entscheiden.62 Indem der Kongress den Aspekt der gerechten Bestrafung und der Abschreckungswirkung stärker betonte, wurde die Abkehr vom traditionellen Strafzumessungskonzept des Vorrangs der Resozialisierung deutlich. In den Vordergrund rückte mehr die Betrachtung der Tatmerkmale als die der Tätermerkmale.63 Der Gesetzgeber bekannte sich zudem ausdrücklich zu einer vorhersehbaren und gerechten Strafe, die sich maßgeblich am Vorleben und am Tatverhalten des Täters orientieren soll.64 Damit setzte der Gesetzgeber dann doch einen gewissen Schwerpunkt innerhalb der vier im Gesetz genannten Strafzwecke zugunsten der Schuldorientierung und der spezialpräventiven Belange.65 2. Mögliche Strafen Der Kongress gab auch die möglichen strafrechtlichen Sanktionen vor: Geldstrafe, Freiheitsstrafe und Bewährungsstrafe;66 für Unternehmen kommen jedoch nur eine Bewährungsstrafe, eine Geldstrafe oder beides zusammen in Betracht.67 Die Gerichte haben bei der Verhängung einer dieser Strafen die von der Sentencing Commission erstellten Richtlinien zu beachten.68 Zudem haben sie die Wahl der Strafe und ihre Höhe zu begründen, womit eine Überprüfung der Strafzumessung durch die nächsthöhere Instanz möglich wurde.69 3. United States Sentencing Commission Die im Gesetz vorgesehene Kommission für die Umsetzung der Strafzumessungsreform erhielt die Bezeichnung „United States Sentencing Commission“.70 ____________ Vgl. etwa Parker/Block, 9 Geo. Mason L. Rev. (2000-01), S. 1001 (1009 f.). Vgl. den Bericht des Rechtsausschusses des Senats, Senate Report No. 225, 98th Congr., 2nd Sess. 38, 52 (1984), S. 92. 63 Graafeiland, 31 Vill. L. Rev. (1986), S. 1291 (1293); Nagel/Swenson, 71 Wash. U. L. Q. (1993), S. 205 (207). 64 28 U.S.C. § 991 (b) (1) (B). 65 Reichert, Strafzumessungsrichtlinien, S. 202. 66 18 U.S.C. § 3551 (b); die Todesstrafe wurde nicht in dieses Regelungssystem aufgenommen, sondern in einem eigenen Abschnitt geregelt, vgl. 18 U.S.C. §§ 3591–3598. 67 18 U.S.C. § 3551 (c). 68 18 U.S.C. § 3553 (b); zum Problem der Verbindlichkeit der Richtlinien aufgrund der Rechtsprechung des U.S. Supreme Court siehe unten S. 194 ff. 69 18 U.S.C. § 3553 (c); die Straflänge von Freiheitsstrafen wurde zudem mehr in die Hand der Richterschaft gelegt, da die Aussetzungsmöglichkeit der Reststrafe durch Parole Boards abgeschafft wurde. 70 28 U.S.C. § 991. 61 62
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Ihre Aufgabe ist als ständige und unabhängige Einrichtung eine konsistente, gerechte und vernünftige Verurteilungspolitik zu entwerfen und zu implementieren.71 Bei ihrer Arbeit soll sich die Kommission an den im Gesetz geregelten Strafzwecken orientieren und auf die Beseitigung ungerechtfertigter Unterschiede hinwirken.72 Sie besteht aus sieben stimmberechtigten Mitgliedern, von denen maximal drei Bundesrichter sein dürfen.73 Mit den Vorgaben insbesondere zu den Strafzwecken hat der Gesetzgeber einige Grundprinzipien der Richtlinien vorgezeichnet.74 Darüber hinaus hat er aber auch inhaltlich zum Teil sehr detaillierte Anweisungen zur Erstellung gegeben.75 Dies betraf beispielsweise Mindeststrafen für bestimmte Delikte76 oder die Begrenzung der Reichweite des richterlichen Ermessens.77 ____________ 71
28 U.S.C. § 991 (b):
The purposes of the United States Sentencing Commission are to— (1) establish sentencing policies and practices for the Federal criminal justice system that— (A) assure the meeting of the purposes of sentencing as set forth in section 3553 (a)(2) of title 18, United States Code; (B) provide certainty and fairness in meeting the purposes of sentencing, avoiding unwarranted sentencing disparities among defendants with similar records who have been found guilty of similar criminal conduct while maintaining sufficient flexibility to permit individualized sentences when warranted by mitigating or aggravating factors not taken into account in the establishment of general sentencing practices; and (C) reflect, to the extent practicable, advancement in knowledge of human behavior as it relates to the criminal justice process; and (2) develop means of measuring the degree to which the sentencing, penal, and correctional practices are effective in meeting the purposes of sentencing as set forth in section 3553 (a)(2) of title 18, United States Code.
Vgl. dazu Ogletree, 101 Harv. L. Rev. (1987-88), S. 1938 (1945 ff.); Parker/Block, 27 Am. Crim. L. Rev. (1989-90), S. 289 (294 ff.); Reichert, Strafzumessungsrichtlinien, S. 201. 72 28 U.S.C. § 991 (b) (1) (A) i.V.m. 18 U.S.C. § 3553 (a) (2). 73 Dazu kommt noch ein nicht stimmberechtigtes Mitglied, das vom Justizministerium entsandt wird; vgl. 28 U.S.C. § 991 (a). Bis zum Jahre 2003 mussten mindestens drei Bundesrichter in der Kommission sitzen; dies wurde durch den sogenannten PROTECT Act von 2003 geändert; vgl. Prosecturial Remedies and Other Tools Against the Exploitation of Children Today Act of 2003, Pub. L. No. 108-21, § 401 (n) (1), 117 Stat. 650 (2003). In den ersten fünf Jahren war zudem der Vorsitzende der (inzwischen aufgelösten) U.S. Parole Commission als nicht stimmberechtigtes Mitglied beteiligt. Die Mitglieder werden vom Präsidenten ernannt und müssen vom Senat bestätigt werden. 74 Nagel, 80 J. Crim. L. & Criminology (1989-90), S. 883 (905); Reichert, Strafzumessungsrichtlinien, S. 200 ff. 75 Vgl. dazu die Übersicht bei Nagel, 80 J. Crim. L. & Criminology (1989-90), S. 883 (903 ff.); Ogletree, 101 Harv. L. Rev. (1987-88), S. 1938 (1945 ff.). 76 So v.a. für Betäubungsmitteldelikte vgl. Bowman, 1996 Wis. L. Rev. (1996), S. 679 (691) m.w.N. 77 So sieht die sogenannte „25%-Rule“ nach 28 U.S.C. § 994 (b) (2) vor, dass der richterliche Ermessensspielraum bei Verhängung einer Freiheitsstrafe nur innerhalb eines Strafrahmens liegen darf, bei dem der maximale Strafrahmen höchstens 25 % oder 6 Monate über dem Mindeststrafrahmen liegt.
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II. Die Erstellung der Richtlinien Die Kommission nahm im Oktober 1985 ihre Arbeit auf und legte bei der Erstellung der Richtlinien ihren Schwerpunkt zunächst auf die Formulierung von Strafzumessungsregelungen für natürliche Personen. Parallel dazu wurde bereits an Richtlinien für Unternehmen gearbeitet. Bei diesen konnte jedoch zu Beginn kein ausreichender Konsens erzielt werden, um eine zügige Fertigstellung zu ermöglichen. Erst nach dem Abschluss der Richtlinien für natürliche Personen widmete die Kommission ihre volle Aufmerksamkeit der Bestrafung von Unternehmen.78 Im Folgenden werden zunächst die Richtlinien für natürliche Personen skizziert, an die sich die für Unternehmen teilweise anlehnen und Bezug nehmen (1.). Sodann wird auf die Entwicklung der Unternehmensrichtlinien eingegangen (2.). 1. Richtlinien für natürliche Personen Die Kommission legte im April 1987 dem Kongress einen Vorschlag für „Richtlinien zur Strafbemessung bei Straftaten von natürlichen Personen“ vor.79 Dieser Vorschlag war das Ergebnis einer langen Diskussion innerhalb der Kommission und der beteiligten (Fach-)Öffentlichkeit.80 Ein wesentlicher Streitpunkt bei der Erstellung war gewesen, ob die Kommission mehr dem Ansatz einer gerechten Bestrafung (just desert) oder dem der Abschreckung (optimal penalties) folgen sollte.81 Dieser Streit konnte hier allerdings schneller beigelegt werden als bei den Richtlinien für Unternehmen, indem man dem Kongress einen Vorschlag unterbreitete, der Elemente aus beiden Ansätzen beinhaltete. Allerdings ließ die Kommission wie auch schon der Kongress damit eine der entscheidenden Fragen offen, nämlich in welchem Verhältnis die Strafzwecke zueinander stehen und wie die Gerichte diese im Einzelfall gewichten sollen.82 ____________ 78 Die Kommission stand unter dem Druck, dem Kongress bis zum 1.5.1987 einen Vorschlag vorzulegen, womit sich die Konzentration auf die weniger umstrittene Verabschiedung der Richtlinien für natürliche Personen erklären lässt; vgl. Clark, Compliance Programs, § 2.2. Zur Entstehungsgeschichte der Richtlinien siehe ders., a.a.O., § 2; Parker, 3 Fed. Sent. R. (1990-91), S. 133 ff. 79 USSC, Sentencing Guidelines and Policy Statements, dem Kongress vorgelegt am 13.4.1987. 80 Zur Entwicklung vgl. Breyer, 17 Hofstra L. Rev. (1988-89), S. 1 (6 ff.); Nagel, 80 J. Crim. L. & Criminology (1989-1990), S. 883 (919 ff.); Ogletree, 101 Harv. L. Rev. (198788), S. 1938 (1948 ff.); Parker/Block, 9 Geo. Mason L. Rev. (2000-01), S. 1001 (1011 ff.). 81 So folgte der Entwurf vom April 1986 sowie der vom Juli 1986 dem just desertAnsatz, während der Entwurf vom September 1986 (Preliminary Draft Sentencing Guidelines) dem Ansatz der optimal penalties folgte; im Entwurf vom Januar 1987 (Revised Draft Sentencing Guidelines) kam es erstmals zu einer Annäherung der Ansätze. Zur Entwicklung vgl. Nagel, 80 J. Crim. L. & Criminology (1989-1990), S. 883 (919 ff.); Stith/ Cabranes, Judging, S. 51 ff.; zu den Theorien siehe unten S. 130. 82 Vgl. krit. bspw. Rappaport, 6 Buff. Crim. L. Rev. (2003), S. 1043 (1078 ff.); siehe auch unten S. 151, 210.
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Der Kongress muss die Richtlinien nicht formell verabschieden, sondern hat nur ein Veto- und Änderungsrecht.83 Der legislative Einfluss auf die Richtlinien ist somit deutlich geringer als bei einem formellen Gesetz, jedoch stärker als bei reinen Verordnungen der Exekutive.84 Gegen die vorgelegten Strafzumessungsrichtlinien erhob er keinen Einspruch, sodass sie zum 1. November 1987 in Kraft treten konnten. Die Richtlinien sehen ein komplexes System vor, nach dem die Strafzumessung zu erfolgen hat. Die Strafe bestimmt sich im Wesentlichen nach den Tatumständen und der Vorstrafenbelastung des Täters.85 Zur Bestimmung einer Freiheitsstrafe wird jedes Delikt nach seinem Schweregrad (offense level) bewertet und jedem Delikt ein Ausgangswert (base offense level) zugewiesen.86 Dieser Ausgangswert kann sich durch bestimmte Umstände der Tat oder in der Person des Täters steigern oder mindern.87 Er wird beispielsweise erhöht, wenn der Schaden beim Diebstahl den Wert von 5.000 US-Dollar übersteigt.88 Für vorhandene Vorstrafen wird ebenfalls ein rechnerischer Wert ermittelt (criminal history points).89 Anhand dieser beiden Werte lässt sich dann aus einer Tabelle der anzuwendende Strafrahmen für die Freiheitsstrafe bestimmen.90 Für eine allein oder zusätzlich zur Freiheitsstrafe zu verhängende Geldstrafe ist dagegen nur der ermittelte offense level ausschlaggebend.91 Der Rahmen für die Höhe der Geldstrafe ist weit gefasst und reicht von 100 bis 5.000 US-Dollar in der untersten Kategorie bis zu einem Rahmen von 25.000 bis 250.000 US-Dollar in der ____________ 83 Die dem Kongress vorgelegten Richtlinien bzw. ihre Änderungen und Ergänzungen treten gemäß 28 U.S.C. § 994 (p) zum 1. November des jeweiligen Jahres in Kraft, wenn die Vorschläge bis zum 1. Mai des Jahres beim Kongress eingereicht worden sind und der Kongress sie weder ändert noch ablehnt; dieses Verfahren wird häufig für den Erlass verwaltungsrechtlicher Vorschriften angewandt, vgl. Green, 39 U. Rich. L. Rev. (2004-05), S. 1155 (1178). 84 Reichert, Strafzumessungsrichtlinien, S. 202 spricht von „erheblich höherer Dignität“. 85 Vgl. zum System im Überblick Campbell, Sentencing, § 4:6; Reichert, Strafzumessungsrichtlinien, S. 204 ff. 86 Die einzelnen Delikte finden sich in Kap. 2 USSG. Krit. zur (heute häufigen) Bezeichnung des offense levels als Schweregrad Parker/Block, 9 Geo. Mason L. Rev. (200001), S. 1001 (1015), da sich dieser Wert auf eine empirische Erhebung von 10.500 Verurteilungen im Jahr 1985 stützt, die den Wert vor allem aufgrund der Inhaftierungsdauer bei einem bestimmten Delikt ermittelte und somit nicht zwingend die Schwere des Delikts zum Ausdruck bringt. 87 Die meisten Kriterien finden sich bei den einzelnen Delikten in Kap. 2 USSG, allgemeine Kriterien wie die Art der Beteiligungsform oder eine gewerbsmäßige Begehung werden in Kap. 3 und 4 USSG geregelt. 88 § 2 B 1.1 USSG. 89 Vgl. Kap. 4 USSG. 90 Kap. 5 A USSG. 91 § 5 E 1.2 (a) USSG.
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höchsten Kategorie.92 Dieses System der Berechnung der Geldstrafe nach dem offense level fand auch Eingang in die Richtlinien für Unternehmen.93 Die Richtlinien gehen von dem Gedanken aus, dass für die Strafzumessung das gesamte kriminelle Verhalten in der Form seiner tatsächlichen Verwirklichung von Bedeutung ist (real offense sentencing) und nicht nur der angeklagte Tatbestand.94 Dieser Ansatz entsprach der bisherigen Praxis, die sich insbesondere seit einer Entscheidung des U.S. Supreme Court im Jahr 1949 eingebürgert hatte.95 Berücksichtigt werden können somit auch Handlungen, die gar nicht angeklagt waren, soweit sie in ausreichend engem Zusammenhang mit dem abgeurteilten Straftatbestand stehen.96 Der Ansatz des real offense sentencing wurde vor allem zur Eindämmung als missbräuchlich angesehener Praktiken wie derjenigen des charge bargaining gewählt, das vielfach zu einer Verurteilung führte, die die eigentliche Tat nicht mehr widerspiegelte.97 Von erheblicher Bedeutung ist die Möglichkeit einer Strafrahmenverschiebung (departures) beim Vorliegen bestimmter Umstände (z.B. der Verursachung von Sachschäden, die nicht bereits im Tatbestand berücksichtigt wurden).98 Derartige Umstände erlauben eine Verschiebung des tabellarisch ermittelten Strafrahmens sowohl nach oben als auch nach unten. Neben solchen vorgegebenen Kriterien be____________ § 5 E 1.2 (c) (3) USSG. Vgl. unten S. 156 ff. 94 Vgl. § 1 A 1.1 - int. - 4. (a) USSG. 95 Vgl. Williams v. New York, 337 U.S. 241 (1949). 96 Erforderlich ist ein „common scheme or plan“ bzw. ein Handeln im „same course of conduct“ (§ 1 B 1.3 USSG); vgl. Meyer, ZStW 118 (2006), 512 (517); sowie Yellen, 58 Stan. L. Rev. (2005-06), S. 267 ff., der darauf hinweist, dass in Strafzumessungssystemen mit einem breiten Ermessen des Richters zumeist auch Fakten in die Strafzumessung einfließen, die nicht Bestandteil der Anklage (des angeklagten Straftatbestands) sind. Das bemerkenswerte in einem Richtliniensystem ist daher an sich nur, welche Fakten relevant sind (bzw. welche explizit als Strafzumessungsfaktoren ausgeschlossen werden) und welchen Stellenwert diese für die Ermittlung der Strafe haben. 97 Dieses Ergebnis resultiert aus dem weiten Ermessen, das der Staatsanwaltschaft zusteht, die zudem nicht dem Legalitätsprinzip unterworfen ist. Im gerichtlichen Verfahren ist das Gericht auf die angeklagte Tat beschränkt, kann also ausgeschiedene Teile nicht mehr einbeziehen. Daher sollte zumindest bei der Strafzumessung die gesamte Tat gewürdigt werden können. Das real offense sentencing ist der entscheidende Unterschied zwischen dem Bundesstrafrecht und dem der Einzelstaaten, die sich ganz überwiegend auf den relevant conduct beschränken, vgl. Barkow, 58 Stan. L. Rev. (2005-06), S. 119 (133 f.); Yellen, 58 Stan. L. Rev. (2005-06), S. 267 (270 f.). 98 Die relevanten Vorschriften finden sich in § 5 K USSG. So erfolgt etwa bei der genannten Verursachung eines besonders großen Schadens eine Verschiebung nach oben, bei einer Kooperation des Angeklagten mit den Strafverfolgungsbehörden dagegen eine Verschiebung nach unten. Die Richtlinien untersagen allerdings die Einbeziehung zahlreicher täterbezogener Faktoren (z.B. wirtschaftliche Not, siehe § 5 H USSG). Vgl. im Überblick Meyer, ZStW 118 (2006), 512 (519 f.). Zur Begrenzung der departures durch das FeeneyAmendment aufgrund (zu) häufiger Abweichung der Gerichte nach unten siehe unten S. 182, zu verfassungsrechtlichen Aspekten unten S. 190 ff. 92 93
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steht für das Gericht auch die Möglichkeit einer Abweichung vom Strafrahmen beim Vorliegen von Umständen, die innerhalb der Richtlinien keine oder keine ausreichende Berücksichtigung gefunden haben.99 Eine Neuerung brachten die Richtlinien schließlich auch im Bereich der Konkurrenzen, die traditionell als Teil der Strafzumessung gesehen werden. Galt im common law der Grundsatz, dass eine mehrfache Verurteilung die Verhängung mehrerer Strafen nach sich zog, so sehen die Richtlinien nun ein ausdifferenziertes System vor, das die Bestimmung eines einheitlichen Strafrahmens ermöglicht.100 2. Richtlinien für Unternehmen Während im Jahr 1986 die Arbeiten für die Richtlinien für natürliche Personen weitgehend abgeschlossen waren, stand die Diskussion um die Richtlinien zur Strafzumessung von Unternehmen erst am Anfang.101 Streitpunkt war neben der Frage, ob überhaupt ein gesetzliches Mandat bestand (a), vor allem die inhaltliche Frage, welchem theoretischen Ansatz die Richtlinien folgen sollten (b). Erst nach langer Diskussion und Ausarbeitung verschiedenster Entwürfe (c–e) konnte schließlich 1991 dem Kongress ein Vorschlag unterbreitet werden (f). a) Gesetzliches Mandat Erster Streitpunkt bei den Richtlinien für Unternehmen war, ob der Auftrag des Kongresses an die Kommission überhaupt die Erstellung solcher Richtlinien beinhaltete, da der Kongress hierfür zumindest nicht expressis verbis ein Mandat erteilt hatte. Daher sprachen sich vor allem Vertreter aus der Wirtschaft gegen ein Tätigwerden der Kommission aus.102 Allerdings hatte der Kongress den Auftrag erteilt, die Strafzumessung des Bundesstrafrechts umfassend neu zu regeln. Daher enthielt der Auftrag auch keine explizite Beschränkung auf die Strafzumessung von natür____________ Vgl. § 5 K 2.0 (a) (2), (3) USSG. Vgl. Kap. 3 USSG und unten S. 159. 101 Die Kommission diskutierte bereits in ihrem Vorschlag für die Richtlinien für natürliche Personen im September 1986 einige Punkte, die eine Sanktionierung von Unternehmen betrafen, ohne allerdings dabei einen Vorschlag vorzulegen, USSC, Preliminary Draft, S. 161 ff. Zur Entwicklungsgeschichte der Richtlinien vgl. Clark, Compliance Programs, § 2; Nagel/Swenson, 71 Wash. U. L. Q. (1993), S. 205 (217 f.); Parker/Block, 9 Geo. Mason L. Rev. (2000-01), S. 1001 (1017 ff.); Rodriguez/Barlow, 32 Crime, L. & Soc. Ch. (1999), S. 169 (181 ff.); Swenson, in: Alwart (Hrsg.), Verantwortung, S. 36 (38 ff.). Die Kommission und die Richtlinien haben sich bereits früh auf den Begriff „Organisation“ als möglichst umfassende Bezeichnung der zu erfassenden Zusammenschlüsse festgelegt. In der vorliegenden Untersuchung soll jedoch weiterhin der Begriff „Unternehmen“ beibehalten werden, da Unternehmen auch bei den Richtlinien den größten Anwendungsbereich darstellen. Zum genauen Anwendungsbereich der USSG vgl. unten S. 150. 102 Clark, Compliance Programs, § 2.17; Swenson, in: Alwart (Hrsg.), Verantwortung, S. 36 (38). 99
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lichen Personen.103 Die Kommission ging deshalb davon aus, dass das Mandat die Erstellung von Richtlinien erlaube, ohne die Erstellung verpflichtend vorzusehen.104 Da der Kongress regen Anteil an den Vorarbeiten der Kommission zu Richtlinien für Unternehmen nahm und diese 1991 auch ohne Einwände akzeptierte, verstummte die Kritik letztlich.105 b) Die zwei konkurrierenden Ansätze: just desert und optimal penalties Ein zweiter zentraler Streitpunkt betraf die Frage, welche Konzeption den Richtlinien zugrunde zu legen sei. Bei den Vorarbeiten ging die Kommission wie bei der Strafzumessung für natürliche Personen im Wesentlichen von zwei zunächst als konkurrierend angesehenen Ansätzen zur Bestimmung einer Strafe für Unternehmen aus: dem Ansatz der gerechten Bestrafung (just deserts) und dem mehr auf Abschreckung setzenden Ansatz der optimal penalties.106 Die Diskussion konzentrierte sich damit von Anfang an auf nur zwei der vier im Gesetz genannten Strafzwecke, bezog also den Schutz der Öffentlichkeit und Aspekte einer Resozialisierung nicht eingehender mit ein.107 Dies entsprach einem Großteil der Ansicht der Literatur, die bei der Unternehmensstrafbarkeit primär die Abschreckung als Strafzweck anerkennt.108 (1) Theorie der gerechten Bestrafung (just desert) Der Ansatz der Theorie der gerechten Bestrafung wurde maßgeblich unter dem Begriff „just desert“ von v. Hirsch109 geprägt und hat auch Eingang ins deutsche Recht gefunden.110 Die Theorie setzt – wie der Wortlaut bereits aussagt – darauf, dass die Strafe dem Normbruch entsprechend gerecht (weil verdient) bemessen ____________ 103 Vgl. 28 U.S.C. § 991 (b); Nagel/Swenson, 71 Wash. U. L. Q. (1993), S. 205 (211 ff.) m.w.N. (insbes. zum Gesetzgebungsverfahren). 104 Clark, Compliance Programs, § 2.2; Nagel/Swenson, 71 Wash. U. L. Q. (1993), S. 205 (213 f.). 105 Vgl. Nagel/Swenson, 71 Wash. U. L. Q. (1993), S. 205 (216); auch der U.S. Supreme Court hat bislang keine Bedenken bezüglich der Verfassungsmäßigkeit der Richtlinien mangels gesetzlichen Mandats erkennen lassen. 106 USSC, Preliminary Draft, S. 162 f.; zu den Theorien und ihren verschiedenen Ausformungen, die im Rahmen der Diskussion der Strafzwecke erörtert werden, vgl. Christopher, 96 Nw. U. L. Rev. (2002), S. 843 (855 ff.), sowie die Zusammenstellung bei Kadish/ Schulhofer, Criminal Law, S. 102 ff. 107 Vgl. zu den Strafzwecken in § 3553 oben S. 123. 108 Vgl. oben S. 82 ff. 109 v. Hirsch, Doing Justice, S. 1 ff.; ders., ZStW 94 (1982), 1047 ff.; ders., Abhandlungen, S. 131 ff. 110 Im deutschen Recht wird dabei zumeist von der Lehre von der Tatproportionalität gesprochen, vgl. Frisch et al. (Hrsg.), Tatproportionalität, S. 1 ff. sowie den Überblick bei v. Hirsch, Abhandlungen, S. 133 und Reichert, Strafzumessungsrichtlinien, S. 121 ff.
§ 6 Die Strafzumessung
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wird.111 Mit ihrer tatproportionalen Strafbemessung richtet sie sich gegen die utilitaristische Annahme, dass die Strafe allein vom Ergebnis her, vor allem im Hinblick auf empirisch kaum erfassbare spezial- bzw. generalpräventive Effekte, gerechtfertigt werden könne.112 Vielmehr müsse sich die Strafe am individuellen Verschulden des Täters, insbesondere der Schwere der Tat, ausrichten.113 Dieser Ansatz hat, trotz der Kritik an seiner Unbestimmtheit, was eigentlich eine gerechte Strafe sei,114 viel dazu beigetragen, dass die Frage eines Verschuldens bzw. der Verhältnismäßigkeit in die Diskussion der Strafzumessung eingeflossen ist.115 (2) Der Ansatz der optimal penalties Der zweite Ansatz, der im Rahmen der Richtlinien diskutiert wurde, beruht auf der Ökonomischen Theorie des Rechts.116 Diese Theorie, deren strafrechtliche Grundlagen sich bereits bei Bentham117 finden lassen, wurde im Jahr 1968 vom späteren Nobelpreisträger für Ökonomie Becker auf das Strafrecht angewandt.118 Rechtliche Fragestellungen werden hier mit einem ökonomischen Instrumentarium untersucht. ____________ 111 Siehe v. Hirsch, Abhandlungen, S. 131 f.; Singer, Just Deserts, S. 11 ff.; speziell zur Unternehmensstrafbarkeit Schlegel, Just Deserts, S. 1 ff., 75 ff.; Walt/Laufer, in: Schlegel/ Weisburd (Hrsg.), Crime, S. 309 (312 ff.); vgl. auch den Überblick bei Reichert, Strafzumessungsrichtlinien, S. 140 ff. 112 Vgl. v. Hirsch, Abhandlungen, S. 133; Schlegel, Just Deserts, S. 75. 113 Vgl. v. Hirsch, Abhandlungen, S. 142 ff.; Schlegel, Just Deserts, S. 91 ff.; Singer, Just Deserts, S. 18 ff. 114 Krit. etwa Braithwaite, 73 J. Crim. L. & Criminology (1982), S. 723 ff. (dagegen wiederum v. Hirsch, 73 J. Crim. L. & Criminology [1982], S. 1164 ff.); Braithwaite, Justice, S. 125 ff. 115 So Moore, 34 Ariz. L. Rev. (1992), S. 743 (751). 116 Vgl. Becker, 76 J. Pol. Econ (1968), S. 169 ff.; ders., Der ökonomische Ansatz, S. 1 ff.; Ehrlich, 71 Am. Econ. Rev. (1981), S. 307; Posner, 85 Columb. L. Rev. (1985), S. 1193 ff.; ders., Economic Analysis, S. 215 ff.; Shavell, 85 Columb. L. Rev. (1985), S. 1232 ff. Speziell zur Unternehmensstrafbarkeit vgl. Arlen, 23 J. Legal Stud. (1994), S. 833 ff.; Arlen/Kraakman, in: Ott/Schäfer (Hrsg.), Präventivwirkung, S. 303 ff.; Block, 71 B. U. L. Rev. (1991), S. 395 ff.; Parker, 26 Am. Crim. L. Rev. (1989), S. 513 ff., sowie die Übersicht bei Lott, Corporate Criminal Liability, in: Bouckaert/De Geest (Hrsg.), Encyclopedia, S. 492 ff. Zur Wahl zwischen Unternehmensstrafbarkeit und individueller Strafbarkeit siehe Kornhauser, 70 Cal. L. Rev. (1982), S. 1345 ff.; eine Analyse der (zivilrechtlichen) vicarious liability findet sich bei Sykes, 93 Yale L. J. (1983-84), S. 1231 ff. 117 Vgl. Bentham, Punishment, Buch 1, Kap. 6: “… the profit of the crime is the force which urges man to deliquency, the pain of the punishment is the force to restrain from it. If the first of these forces be the greater, the crime will be committed; if the second, the crime will not be committed.” 118 Becker, 76 J. Pol. Econ (1968), S. 169 ff.; die frühere Arbeit von Coase, 3 J. Law & Econ. (1960), S. 1 behandelte allgemein die Frage sozialer Kosten und die von Calabresi, 70 Yale L. J. (1960-61), S. 499 ff. war speziell zum Deliktsrecht.
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2. Kapitel: Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika
Ausgangspunkt der Ökonomischen Theorie des Strafrechts ist die These, dass eine Person dann ein Verbrechen begeht, wenn der erwartete Nutzen aus dem Verbrechen höher ist als der Nutzen aus einer vergleichbaren anderen Aktivität.119 Zugrunde gelegt wird also ein rationales Handeln, das die Begehung oder Nichtbegehung der Straftat von ökonomischen (und damit zumindest auch grundsätzlich empirisch bestimmbaren) Gesichtspunkten abhängig macht. Für die Begehung der Straftat entscheidend sind danach sowohl die Aufdeckungswahrscheinlichkeit einer Straftat als auch die zu erwartende Höhe der Strafe. Werde nur einer dieser Faktoren erhöht, so sinke insgesamt der Anreiz, eine Straftat zu begehen. Als Art der Strafe nimmt die Geldstrafe eine zentrale Stellung ein, da man mit dieser die bestmögliche Abschreckungswirkung erreichen könne.120 Andere Strafen werden zwar für möglich gehalten, da diese jedoch in der Regel mit einer entsprechenden Geldstrafe gleichgesetzt werden können, bedürfe es ihrer nur dann, wenn der Betroffene nicht solvent sei.121 Die Höhe der Geldstrafe ergibt sich nach dem klassischen Ansatz der Ökonomischen Theorie (classical deterrence approach) primär aus dem aus der Straftat zu erwartenden Gewinn für den Täter.122 Nach dem optimal penalties-Ansatz ist allerdings die Berechnung der Strafe allein nach dem Gewinn zu eng, da er die sonstigen Auswirkungen der Tat unberücksichtigt lässt. Die optimale Strafe, die eine gesellschaftlich optimale Abschreckungswirkung erziele, beziehe zum einen den verursachten Schaden und zum anderen die Aufdeckungswahrscheinlichkeit mit ein. Optimal im Hinblick auf den Schaden sei die Strafe, wenn sie dem Schaden entspreche, der durch das Verbrechen verursacht werde.123 Als gesellschaftlicher Schaden zählen dabei nicht nur Verluste beim Opfer, sondern auch die Kosten der Strafverfolgung sowie weitere Kosten z.B. für Betreuer oder der Konsumverzicht des Täters. Unter Hinzunahme der Aufdeckungswahrscheinlichkeit für die jeweilige Straftat ergebe sich automatisch die genaue Strafe: Sie errechne sich aus der Division des Schadens durch die Aufdeckungswahrscheinlichkeit.124 ____________ 119 Vgl. Becker, 76 J. Pol. Econ (1968), S. 169 (176 ff.); ders., Der ökonomische Ansatz, S. 39 ff.; Posner, 85 Columb. L. Rev. (1985), S. 1193 ff.; ders., Economic Analysis, S. 219; speziell zur Unternehmensstrafbarkeit Coffee, 1 N. Ill. U. L. Rev. (1980-81), S. 3 (7 ff.). 120 Posner, 17 Am. Crim. L. Rev. (1979-80), S. 409 ff.; ders., Economic Analysis, S. 220 ff. 121 Posner, Economic Analysis, S. 222 f. 122 Vgl. Coffee, 79 Mich. L. Rev. (1980-81), S. 386 (389). 123 Vgl. Coffee, 79 Mich. L. Rev. (1980-81), S. 386 (389 ff.); Posner, Economic Analysis, S. 207. 124 Vgl. Block, 71 B. U. L. Rev. (1991), S. 395 (397 ff.); Parker, 26 Am. Crim. L. Rev. (1989), S. 513 (552 ff.); sowie Posner, 85 Colum. L. Rev. (1985), S. 1193 (1203) mit folgendem Beispiel: Liegt die Wahrscheinlichkeit der Aufdeckung eines Verbrechens bei 10 % und geht man von einem Schaden von 10.000 US-Dollar aus, so ergibt sich als optimale Strafe der Betrag von 100.000 US-Dollar.
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Da bei diesem Ansatz primär auf Abschreckung gesetzt wird, findet das zurückliegende Verhalten des Straftäters weniger Berücksichtigung, sondern es wird stark auf die Auswirkung einer Bestrafung auf das zukünftige Verhalten abgestellt.125 Die Betonung der Abschreckung kam dem kriminalpolitischen Bedürfnis entgegen, Wirtschaftskriminalität von Unternehmen stärker durch Strafrecht zu bekämpfen. Zwischen den beiden diskutierten Theorien gibt es zahlreiche Ansätze einer Annäherung, die versuchen, das jeweilig Beste zu betonen und Härten abzumildern.126 Dies zeigt, dass die Ansätze sich nicht, wie von der Kommission zunächst gedacht, gegenseitig ausschließen, sondern auch ergänzen können.127 c) Der erste Entwurf Ein erster Entwurf von Richtlinien für Unternehmen wurde von der Kommission 1988 veröffentlicht.128 Er orientierte sich fast ausschließlich an dem Ansatz der Ökonomischen Theorie des Strafrechts und stellte mit dem Versuch, optimal penalties zu normieren, ganz die Abschreckungswirkung in den Vordergrund.129 Die zu verhängende Geldstrafe setzte sich aus dem durch die Tat verursachten monetären Schaden, der mit einem nach der Aufdeckungswahrscheinlichkeit des jeweiligen Delikts bestimmten Faktor multipliziert wurde, und den Kosten des Verfahrens zusammen.130 Damit wurden die theoretischen Grundlagen fast vollständig in einem Gesetzesvorschlag umgesetzt. Präventive Maßnahmen von Unternehmen zur Vermeidung von Rechtsbrüchen wie z.B. Compliance-Programme wurden als ein Faktor eingestuft, der die (normale) Aufdeckungswahrscheinlichkeit erhöht. In einer solchen Situation sah der Vorschlag vor, dass der Richter einen atypischen Fall annehmen und von der ermittelten Strafe nach unten abweichen kann.131 ____________ 125 Vgl. Nagel/Swenson, 71 Wash. U. L. Q. (1993), S. 205 (210); sowie Nagel, 80 J. Crim. L. & Criminology (1989-90), S. 883 (898), die darauf hinweisen, dass der mehr auf die Zukunft ausgerichtete Ansatz auf der Linie des von Hart vertretenen utilitaristisch orientierten Zwecks der Bestrafung liegt, vgl. Hart, Punishment and Responsibility, S. 8 ff., 158 ff. 126 Vgl. die zahlreichen Nachweise bei Nagel, 80 J. Crim. L. & Criminology (1989-90), S. 883 (898) Anm. 90 und 91. 127 So folgte der letzte Entwurf auch nicht einem der beiden Ansätze, sondern nahm (wie bereits bei den Richtlinien für natürliche Personen) Elemente aus beiden Ansätzen auf, vgl. unten S. 143. 128 USSC, Discussion Draft, in: USSC, Discussion Materials; auch abgedruckt in 10 Whittier L. Rev. (1988-89), S. 7 ff.; 9 Geo. Mason L. Rev. (2000-01), S. 1059 ff.; zur vorangegangenen internen Diskussion vgl. Clark, Compliance Programs, § 2.3-10. 129 Vgl. Parker, 26 Am. Crim. L. Rev. (1989), S. 513 (586 ff.). 130 Vgl. Clark, Compliance Programs, § 2.9; Parker, 26 Am. Crim. L. Rev. (1989), S. 513 (586 ff.); zum Entwurf siehe auch Parker, 3 Fed. Sent. R. (1990-91), S. 133 f.; Rodriguez/Barlow, 32 Crime, L. & Soc. Ch. (1999), S. 169 (181 f.). 131 Vgl. USSC, Discussion Draft, § 8 B 3.2, in: USSC, Discussion Materials; siehe auch Clark, Compliance Programs, § 2.2.
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2. Kapitel: Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika
Mit dieser mathematischen Berechnung vermied die Kommission zunächst das Problem, inwieweit Unternehmen aufgrund ihrer unterschiedlichen Struktur im Vergleich zu natürlichen Personen „gerecht“ behandelt werden können, ob und inwieweit das Verschulden eines Unternehmens heranzuziehen ist.132 Das Modell hatte zudem wegen seiner Berechenbarkeit den Vorteil, dass Manager die genau vorhersehbaren Strafen sorgfältig und nüchtern hätten studieren und berechnen können. Die Berechnungsmöglichkeit würde den Managern klar zeigen, dass sich Verbrechen nicht bezahlt machten.133 Mehrere Punkte waren an diesem Entwurf aber problematisch.134 Zum einen lässt sich der Faktor der Aufdeckungswahrscheinlichkeit nur schwer oder gar nicht bestimmen. Für viele Delikte war daher nur eine Schätzung möglich. Auch die Multiplikationsfaktoren im Vorschlag beruhten auf reinen Schätzungen.135 Damit wurde das Grundproblem der Ökonomischen Theorie des Strafrechts offenbar, dass sich zwar die Strafe in mathematische Formeln fassen lässt, deren Variablen aber kaum bestimmbar sind.136 Ferner ergab sich bei Delikten mit einer geringen Aufdeckungswahrscheinlichkeit (und folglich einem hohen Multiplikationsfaktor) eine sehr hohe Geldstrafe, sodass die Möglichkeit einer übermäßigen und völlig unverhältnismäßigen Abschreckungswirkung (overdeterrence) bestand. Zudem wurde der aus einem Verbrechen erzielte Gewinn im Rahmen der Strafzumessung überhaupt nicht berücksichtigt. In dem Vorschlag fand auch die Frage einer Bewährungsstrafe (corporate probation), die als wichtige eigenständige Sanktion gesehen wurde, kaum Niederschlag.137 Die Bewährungsauflage wurde primär nur als Mittel zur Durchsetzung der Geldstrafe oder der Wiedergutmachungsanordnung gesehen.138 Aus der Wis-
____________ 132 Nagel/Swenson, 71 Wash. U. L. Q. (1993), S. 205 (218); zum Spannungsverhältnis zwischen Berechenbarkeit und Fairness der Strafzumessung vgl. Maurer, 18 U. Dayton L. Rev. (1992-93), S. 799 (822 ff.). 133 So Swenson, in: Alwart (Hrsg.), Verantwortung, S. 36 (39); vgl. auch Parker, 3 Fed. Sent. R. (1990-91), S. 133 ff. 134 Vgl. Gruner, 66 S. Cal. L. Rev (1992-93), S. 225 (230); Nagel/Swenson, 71 Wash. U. L. Q. (1993), S. 205 (219 ff.); Laufer, 71 Neb. L. Rev. (1992), S. 1049 (1079); Steinherr/Steinmann/Olbrich, in: Alwart (Hrsg.), Verantwortung, S. 156 (161). 135 Vgl. Parker, Sentencing Policy, in: USSC, Discussion Materials, S. 55; siehe auch Clark, Compliance Programs, § 2.8, der darauf hinweist, dass sich auch aufgrund der von der Kommission in Auftrag gegebenen Studien empirisch keine optimalen Aufdeckungsfaktoren ermitteln ließen; zu den Studien vgl. unten S. 135 ff. 136 Vgl. Coffee/Gruner/Stone, 10 Whittier L. Rev. (1988), S. 77 (79 ff.). 137 Vgl. etwa Clark, Compliance Programs, § 2.10; Coffee/Gruner/Stone, in: USSC, Discussion Materials; Lofquist, 27 L. & Soc. Rev. (1993), S. 741 (746, 751 ff.); Wray, 101 Yale L. J. (1991-92), S. 2017 (2026 f.); zur Corporate Probation vgl. näher unten S. 185 ff. 138 Vgl. Wray, 101 Yale L. J. (1991-92), S. 2017 (2026).
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senschaft wurde daher ein Gegenvorschlag zum Kommissionsentwurf erarbeitet, der die Bewährungsstrafe zum Kernelement einer Unternehmensstrafe machte.139 Bedenken am Entwurf der Kommission wurden letztlich auch dahingehend geäußert, dass Unternehmen, die Anstrengungen zur Vermeidung von Gesetzesverstößen unternommen hatten, grundsätzlich wie solche behandelt wurden, die dies nicht getan hätten. Die Möglichkeit der Annahme eines atypischen Falls durch das Gericht war nur ein minimaler Anreiz, Unternehmen tatsächlich zu Präventionsmaßnahmen zu motivieren.140 Dies macht die Schwäche des Ansatzes deutlich, die Frage eines Verschuldens bei Unternehmen nicht miteinzubeziehen.141 Die Kommission nahm aufgrund dieser Kritik schließlich Abstand von der Idee, ein System der Strafzumessung allein auf den Ansatz der optimal sanctions zu stützen. d) Der Weg zum zweiten Entwurf und seine Kritik Um die Arbeiten an der Erstellung der Richtlinien nach dem Scheitern des ersten Entwurfs wieder voranzubringen, versuchte die Kommission sich verstärkt auf empirische Daten (und damit unstrittige Grundlagen) zu stützen (1) und bezog zudem externe Experten intensiver in die Entwurfsarbeiten mit ein (2). (1) Empirische Untersuchungen Bereits während der Erarbeitung des ersten Entwurfs hatte die Kommission begonnen, empirische Studien durchführen zu lassen, um fundierte Daten zur Unternehmensstrafbarkeit zu erhalten. Zum einen erfüllte sie damit gesetzliche Vorgaben. Sie war wegen des Sentencing Reform Act verpflichtet, bei der Entwicklung ihrer Richtlinien auch die bisherigen durchschnittlich verhängten Strafen gegen Unternehmen miteinzubeziehen.142 Zum anderen lagen trotz der langen Tradition der Unternehmensstrafe kaum Daten über deren Umfang und Bedeutung vor, sodass unklar war, in welchen Punkten besonderer Reformbedarf bestand. Daher gab die Kommission zwei Untersuchungen über die Bestrafungspraxis der Gerichte ___________ 139 Vgl. Coffee/Gruner/Stone, in: USSC, Discussion Materials bzw. dies., 10 Whittier L. Rev. (1988), S. 77 ff. 140 Nagel/Swenson, 71 Wash. U. L. Q. (1993), S. 205 (222). 141 Laufer, 71 Neb. L. Rev. (1992), S. 1049 (1079 ff.). 142 28 U.S.C. § 994 (m). Dieses Erfordernis galt auch für die Richtlinien für natürliche Personen, wobei die Kommission nach eigenen Angaben 10.500 Fälle auswertete, um etwa die Einstufung der Delikte nach ihrer Schwere vorzunehmen. Dieser Ansatz war angesichts des Zuschnitts des bisherigen Systems auf die Resozialisierung bedenklich, da bei der Strafzumessung völlig andere Erwägungen die Verhängung der Strafe leiteten und sich so die Strafen nicht automatisch auf die mehr auf Abschreckung setzende neue Konzeption übertragen ließen; krit. dazu Stith/Cabranes, Judging, S. 59 ff.
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2. Kapitel: Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika
in Auftrag.143 Analysiert wurden die Daten der Jahre 1984 bis 1987 sowie 1988 bis 1990.144 Die Auswertung ergab folgendes Bild: Tabelle 1: Empirische Untersuchungen 1984–1990 1984–1987 (Cohen)
1984–1987 (Parker)
1988–1990
Anklagen
1.659
1.569
(keine Angaben)
Verurteilungen
1.283
1.221
542
Deliktsart
Kartelldelikte (24 %) Betrugsdelikte (21 %) Steuerdelikte (6 %)
Betrugsdelikte (35 %) Kartelldelikte (22 %) Steuerdelikte (8 %)
Kartelldelikte (38 %) sonst keine Angaben
Verurteilung mit Geldstrafe
90 % (von 825 Verurteilungen)
82 % (von 1.221 Verurteilungen)
100 % (von 542 Verurteilungen)
(1.221 Verurteilungen) 57.000 $
(542 Verurteilungen) 320.199 $
(keine Angaben)
(keine Angaben)
(keine Angaben)
(keine Angaben)
Höhe der Geldstrafe – Durchschnitt – Medianwert Wiedergutmachungsanordnung Höhe der Wiedergutmachung – Durchschnitt – Medianwert Auflagen (corporate probation)
(825 Verurteilungen) 48.000 $ 7.500 $ 10 % (von 825 Verurteilungen) (80 Verurteilungen) 217.724 $ 31.468 $ 18 % (von 825 Verurteilungen)
16 % (von 1.221 Verurteilungen)
(keine Angaben)
Die Daten zeigen die geringe Anzahl der Strafverfolgungen von Unternehmen nach Bundesrecht, die insgesamt nicht einmal ein Prozent aller Anklagen im Untersuchungszeitraum ausmachten. Zudem zeigen sie die große Bedeutung der Geld____________ 143 Die Studien waren die ersten, die die Bestrafungspraxis bei Unternehmen auf Bundesebene umfassender untersuchten, vgl. Parker, 3 Fed. Sent. R. (1990-91), S. 133. Sie sind veröffentlicht unter Cohen et al., in: USSC, Discussion Materials (vgl. auch Cohen, 26 Am. Crim. L. Rev. (1988-89), S. 605 ff.); USSC, Supplementary Report, Kap. 1 A, Kap. 3 (siehe auch Cohen, 71 B. U. L. Rev. (1991), S. 247 ff.); vgl. zudem Cohen et al., 10 Whittier L. Rev. (1988), S. 103 ff.; Nagel/Swenson, 71 Wash. U. L. Q. (1993), S. 205 (214 ff.). Zu früheren Untersuchungen vgl. bereits die Nachweise in Anm. 31. 144 Vgl. für die Zeit von 1984–1987 Cohen et al., in: USSC, Discussion Materials, III. (auch veröffentlicht in Cohen et al., 10 Whittier L. Rev. (1988), S. 103 ff.) sowie Parker, in: USSC, Discussion Materials, IV (auch veröffentlicht in Parker, 26 Am. Crim. L. Rev. (1989), S. 520 ff.). Die Daten von 1984–1987 wurden sowohl von Cohen als auch von Parker ausgewertet, wobei Parker noch nicht mit dem endgültigen Datensatz arbeitete; zudem erfolgte die Auswertung und Klassifizierung in unterschiedlicher Weise; dies erklärt, warum die einzelnen Angaben zwischen den beiden zum Teil abweichen und nur bedingt vergleichbar sind. Für die Zeit von 1988–1990 siehe Cohen, 71 B. U. L. Rev. (1991), S. 247 (251 f.). Eine Auswertung des Zeitraums von 1984–1990 unter dem Blickwinkel der optimal penalties findet sich bei Cohen, 17 Man. & Dec. Econ. (1996), S. 399 ff.
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strafe bei der Unternehmensstrafbarkeit. Deren Höhe war eher niedrig bemessen, bis sich im Zeitraum von 1988 bis 1990 die Anhebung der Strafrahmen vieler Delikte seit der Reform im Jahr 1984 niederzuschlagen begann. Insgesamt lagen aber nur wenige aussagekräftige Daten vor, die zudem große Unterschiede im Hinblick auf die verurteilten Unternehmen (z.B. bei der Zahl der Mitarbeiter, beim Umsatz etc.) aufwiesen. Verlässliche Aussagen waren daher kaum zu treffen.145 Die Kommission sah deshalb das Datenmaterial als zu dürftig an, um daraus konkrete Schlüsse für die Erstellung der Richtlinien zu ziehen.146 Die Untersuchung bestärkte die Kommission lediglich in ihrer Ansicht, dass es notwendig sei, einheitliche Strafen für Unternehmen zu schaffen. (2) Einbeziehung Externer Da die empirischen Untersuchungen kaum Ansatzpunkte für die Konzeption der Richtlinien ergeben hatten, setzte die Kommission auf eine stärkere Beteiligung der Öffentlichkeit und der Fachwissenschaft, um einen neuen Entwurf zu erarbeiten.147 Sie berief eine Arbeitsgruppe (Corporate Defense Attorney Working Group) ein, die die bisherigen Anregungen bündeln und neue Vorschläge unterbreiten sollte.148 Die Arbeitsgruppe schlug vor, die Bestrafung auf Grundlage des angerichteten Schadens zu berechnen.149 Dabei sollte bei Vorhandensein eines effektiven Compliance-Programms die Geldstrafe herabgesetzt werden können, um einen Anreiz zu setzen, dass Unternehmen Straftaten vorbeugen. Diesem Vorschlag ähnlich regte das Justizministerium an, Compliance-Programme als Strafmilderungsgrund aufzunehmen.150 Die Kommission griff die Vorschläge zum Teil auf und veröffentlichte 1989 einen zweiten Entwurf.151 Dieser folgte wie der erste immer noch stark dem Ansatz ____________ 145 Selbst die wenigen Ergebnisse wurden bestritten, vgl. Parker, 3 Fed. Sent. R. (199091), S. 133 ff. sowie ders, 71 Wash. U. L. Q. (1993), S. 397 ff., der der Ansicht ist, dass die geringe Menge an Daten und deren Widersprüche überhaupt keine zuverlässigen Schlüsse zulassen. Vgl. zur Bewertung der Daten auch Nagel/Swenson, 71 Wash. U. L. Q. (1993), S. 205 (216). 146 Vgl. Nagel/Swenson, 71 Wash. U. L. Q. (1993), S. 205 (222 ff.) auch zu weiteren Gründen, sich nicht an der bisherigen Verurteilungspraxis zu orientieren; krit. zu dem Umgang der Kommission mit den Daten Parker, 71 Wash. U. L. Q. (1993), S. 397 (424 ff.). 147 Vgl. im Detail Clark, Compliance Programs, § 2.11-14; Nagel/Swenson, 71 Wash. U. L. Q. (1993), S. 205 (226). 148 Vgl. Clark, Compliance Programs, § 2.15; Steinherr/Steinmann/Olbrich, in: Alwart (Hrsg.), Verantwortung, S. 156 (161 ff.). 149 Clark, Compliance Programs, § 2.15; Nagel/Swenson, 71 Wash. U. L. Q. (1993), S. 205 (227). 150 Vgl. die Nachweise bei Clark, Compliance Programs, § 2.13; siehe auch Parker, 3 Fed. Sent. R. (1990-91), S. 133 (134). 151 USSC, Sentencing for Organizational Defendants, Preliminary Draft 1989.
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der Abschreckung.152 So sollte sich die Geldstrafe (ähnlich wie bei den Richtlinien für natürliche Personen) vor allem nach der Schwere des jeweiligen Delikts richten.153 Von dieser grundsätzlich hoch angesetzten Geldstrafe sollte bei Vorliegen bestimmter Umstände nach unten abgewichen werden können. Als Milderungsgrund kam dabei hauptsächlich ein Compliance-Programm infrage. Ein großer Stellenwert wurde zudem der Möglichkeit einer Bewährungsauflage eingeräumt, die die Stellung einer eigenständigen Strafe erhielt.154 Der Entwurf verzichtete in weitem Maße auf die mathematisch orientierte Berechnung der Strafe des ersten Entwurfs und übernahm somit in geringerem Maße den Ansatz der ökonomischen Theorie des Rechts. Auch der zweite Entwurf rief in der Öffentlichkeit – insbesondere in der Wirtschaft – wegen der hohen Strafen, der umfangreichen Möglichkeiten der Bewährungsauflage und vor allem wegen der nur unzureichenden Berücksichtigung von Compliance-Maßnahmen starke Kritik hervor.155 Da auf der Ebene der Strafbegründung Compliance-Maßnahmen im System der vicarious liability-Verantwortlichkeit keine Rolle spielten, müssten sie auf der Ebene der Strafzumessung entsprechend stark berücksichtigt werden, was in dem Vorschlag nur unzureichend geschehen sei.156 Daneben müsste die Mitwirkung des Unternehmens bei der Aufklärung der Straftat berücksichtigt werden, da sich hier zeige, ob ein Unternehmen ein „good corporate citizen“ sei.157 Aufgrund dieser erneuten Kritik beschloss die Kommission, eine grundlegende Überarbeitung des Entwurfs vorzunehmen.158 Die weitere Arbeit wurde durch einen Wechsel in der Besetzung der Kommission erleichtert, der dazu führte, dass dort niemand mehr vertreten war, der die Ansätze des just desert bzw. der optimal penalties als jeweils ausschließlich ansah.159 Der Weg für einen Kompromiss war damit eröffnet. ____________ 152 Vgl. Laufer, 71 Neb. L. Rev. (1992), S. 1049 (1080 f.); Rodriguez/Barlow, 32 Crime, L. & Soc. Ch. (1999), S. 169 (182 f.); erst der dritte Entwurf sollte diesen Ansatz etwas abmildern, vgl. dazu unten S. 143 ff. 153 Vgl. Clark, Compliance Programs, § 2.16 (auch zu den zwei vorgeschlagenen Methoden der Berechnung der Geldstrafe); Parker, 3 Fed. Sent. R. (1990-91), S. 133 (134). 154 Vgl. Parker, 3 Fed. Sent. R. (1990-91), S. 133 (134); Wray, 101 Yale L. J. (199192), S. 2017 (2026). 155 Vgl. Clark, Compliance Programs, § 2.17; Lofquist, 27 L. & Soc. Rev. (1993), S. 741 (746, 751 ff.); Parker, 3 Fed. Sent. R. (1990-91), S. 133 (134 f.). 156 Vgl. Clark, Compliance Programs, § 2.17 m.w.N. 157 Dieser Punkt war vor allem Unternehmensvertretern besonders wichtig, vgl. Nagel/ Swenson, 71 Wash. U. L. Q. (1993), S. 205 (236). 158 Vgl. Clark, Compliance Programs, § 2.18-20 insbes. zur aktiven Rolle des Vorsitzenden. 159 Nagel/Swenson, 71 Wash. U. L. Q. (1993), S. 205 (229). Bei der weiteren Arbeit stand mehr die Suche nach einer pragmatischen Lösung im Vordergrund als die Durchset-
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e) Der Weg zum dritten Entwurf Um die weitere Arbeit voranzubringen, einigte sich die Kommission zunächst auf 14 Prinzipien, die ein Strafzumessungssystem für Unternehmen berücksichtigen sollte.160 Ausgangspunkt für die Bestimmung des Strafrahmens der Geldstrafe war danach entweder ein dem offense level entsprechender Wert oder aber der verursachte Schaden bzw. der erzielte Gewinn, wenn diese höher als der Wert nach dem offense level waren.161 Dieser Ansatz lag noch auf der bislang verfolgten Linie der Abschreckung durch grundsätzlich hohe Strafen. Dagegen wurde den Milderungsfaktoren ein neuer Stellenwert eingeräumt. Diese galten nunmehr als Ausdruck für den Grad des Verschuldens der Unternehmen. Insbesondere Bemühungen, durch organisatorische Vorkehrungen Rechtsbrüche zu vermeiden, sollten als Zeichen einer geringeren Schuld einen deutlichen Niederschlag in einer geminderten Strafe finden.162 Auch die aktive Mitwirkung bei der Aufdeckung der Straftat (self-reporting) sollte sich dementsprechend mildernd auswirken. Beim Vorliegen aller Milderungsgründe sollte sogar keine Strafe verhängt werden.163 Der entscheidende Durchbruch, den die Prinzipien mit sich brachten, lag weniger in ihrer Ausgestaltung, die formal den vorherigen Ansätzen, die auf Strafmilderungsgründe setzten, noch ähnlich war.164 Vielmehr wurde nun inhaltlich ein Verschulden des Unternehmens als entscheidender Faktor in die Strafzumessung miteinbezogen. Aus diesen Prinzipien entwickelte die Kommission schließlich ein differenziertes Konzept der Schuldhaftigkeit von Unternehmen,165 das im amerikanischen Recht ohne Beispiel war.166 Unternehmen, die Straftaten ermöglichen oder ____________ zung eines dogmatischen Standpunkts, vgl. zu dieser an einem Kompromiss orientierten Arbeitshaltung Breyer, 17 Hofstra L. Rev. (1988-89), S. 1 (2). 160 USSC, Supplementary Report, Anhang A; vgl. Clark, Compliance Programs, § 2.20; Nagel/Swenson, 71 Wash. U. L. Q. (1993), S. 205 (227). 161 Dieser Ansatz fand schließlich Eingang in die endgültige Version der Richtlinien. Offen blieb, warum gerade der höchste dieser drei Werte Ausgangspunkt für die Berechnung sein sollte, vgl. zu dieser (willkürlichen) Festlegung Parker, 71 Wash. U. L. Q. (1993), S. 397 (407 f.). 162 USSC, Supplementary Report, Anhang A, Prinzip Nr. 6; vgl. Clark, Compliance Programs, § 2.16; Nagel/Swenson, 71 Wash. U. L. Q. (1993), S. 205 (227 f.). 163 USSC, Supplementary Report, Anhang A, Prinzip Nr. 9; siehe auch Clark, Compliance Programs, § 2.20; Parker, 3 Fed. Sent. R. (1990-91), S. 133 (135). 164 Parker, 3 Fed. Sent. R. (1990-91), S. 133 (135) spricht von einem “Vorschlag mit noch höheren Strafen und ein bisschen mehr Raffinesse“ gegenüber dem letzten Vorschlag. 165 Zu diesem Zeitpunkt fehlt noch der letzte Schritt, nämlich die Einführung des „culpability score“ zur genaueren Bestimmung des Umfangs der Schuld, vgl. dazu unten S. 143 f. 166 Die Verbindung zweier Theorien (bzw. der eklektische Rekurs auf diese) und der mangelnde Rückgriff auf existierende Systeme brachte den Richtlinien alsbald die Kritik ein, dass es ihnen an jeder rationalen und empirischen Grundlage fehle (vgl. Arlen, 3 Fed. Sent. R. [1990-91], S. 138 f.) und dass die Kombination zu Widersprüchen geführt habe
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diesen gleichgültig gegenüberstehen, sollten härter bestraft werden als solche, die versuchen, Straftaten zu verhindern.167 Damit wurde insgesamt dem Ansatz einer gerechten Bestrafung stärkeres Gewicht eingeräumt und dieser gleichberechtigt neben den der Abschreckung gestellt.168 Es setzte sich für diese anreizorientierte Strafzumessung alsbald der Begriff „carrot and stick“-Ansatz durch.169 Die Kommission nahm damit hin, dass bei der Strafzumessung nach der Schuld des Unternehmens unterschieden werden sollte, während dies nach den Grundsätzen der vicarious liability-Verantwortlichkeit gerade nicht der Fall war.170 Dieser Widerspruch resultierte aus dem begrenzten Auftrag der Kommission, der eben nur eine Strafzumessungsreform und nicht eine umfassende Strafrechtsreform mit der Möglichkeit der Regelung der Voraussetzungen der Unternehmensstrafbarkeit zum Inhalt hatte. Vor der Erstellung eines neuen Entwurfs, der die Prinzipien in einen Gesetzentwurf umsetzte, musste die Kommission zahlreiche Einzelfragen klären. Von diesen sollen vorliegend nur die wichtigsten angesprochen werden, darunter vor allem diejenigen, die für eine Umsetzung des „carrot and stick“-Ansatzes von Bedeutung waren. Eine grundlegende Frage war, in welchem Umfang die Kommission für das Gericht verpflichtende Richtlinien erstellen sollte oder nur weniger bindende policy statements.171 Insbesondere Unternehmensvertreter sprachen sich vor allem für unverbindliche Empfehlungen aus.172 Die Kommission entschied sich dagegen wie bereits bei den Richtlinien für natürliche Personen für ein zweispuriges Vorgehen: Alle wichtigen Fragen wurden in verbindliche Regelungen gegossen. Alle weniger zentralen Fragen wurden in policy statements geregelt, die im Anschluss an die verbindlichen Regelungen als Kommentar angefügt sind. Ausschlaggebend für die ____________ (vgl. Gruner, Corporate Criminal Liability, § 8.07[1]); siehe auch die insgesamt harsche Kritik von Parker, 71 Wash. U. L. Q. (1993), S. 397 (401 ff.). 167 Nagel/Swenson, 71 Wash. U. L. Q. (1993), S. 205 (210, 228). 168 Vgl. Nagel/Swenson, 71 Wash. U. L. Q. (1993), S. 205 (210, 228). 169 So Coffee, 3 Fed. Sent. R. (1990-91), S. 126; vgl. auch Clark, Compliance Programs, § 2.18; Nagel/Swenson, 71 Wash. U. L. Q. (1993), S. 205 (228). Im Deutschen lässt sich zutreffend der Begriff „Zuckerbrot und Peitsche“ verwenden, vgl. Steinherr/Steinmann/ Olbrich, in: Alwart (Hrsg.), Verantwortung, S. 156 (163). Krit. zu dieser Begrifflichkeit, da die „carrot“ nur ein etwas kleinerer „stick“ sei, Parker, 3 Fed. Sent. R. (1990-91), S. 133 (136); ders., 71 Wash. U. L. Q. (1993), S. 397 (403 f.). 170 Nagel/Swenson, 71 Wash. U. L. Q. (1993), S. 205 (234 ff.). 171 Gemäß 18 U.S.C. § 3553 (b) sind die Regelungen der Richtlinien für die Gerichte bindend (zum Problem der Verbindlichkeit der Richtlinien aufgrund der Rechtsprechung des U.S. Supreme Court vgl. nachfolgend im Text). Der Erlass von „policy statements“ ist nach 28 U.S.C. § 994 (3) möglich; die Gerichte müssen wichtige statements berücksichtigen (18 U.S.C. § 3553 [a] [5]), allerdings ist ein „Verstoß“ gegen die statements nicht rügbar. 172 Vgl. die Nachweise bei Nagel/Swenson, 71 Wash. U. L. Q. (1993), S. 205 (240 f.).
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zahlreichen verbindlichen Regelungen war, dass die Kommission nur diese als geeignet ansah, dem vorherigen Zustand der Rechtsunsicherheit abzuhelfen.173 Zudem schien nur dann ein wirklicher Anreiz für Unternehmen gegeben, präventive Maßnahmen einzuführen, wenn diese vorhersehbar zu konkreten Ergebnissen wie einer Strafmilderung führen können. Durch die verfassungsgerichtliche Entscheidung im Verfahren Booker ist die Einteilung in verbindliche Vorgaben und unverbindliche Empfehlungen allerdings weitgehend überholt.174 Wie bei den Richtlinien für natürliche Personen musste die Kommission festlegen, welche Tatsachen in die Strafzumessung einbezogen werden. Auch hier entschied sie sich, nicht nur Elemente des angeklagten Tatbestands heranzuziehen, sondern alle Elemente, die für die tatsächliche Verwirklichung der Tat von Bedeutung sind (real offense sentencing175). Insoweit sind bei der Strafzumessung viele Faktoren relevant, die im Rahmen der Begründung der Unternehmensstrafbarkeit nicht von Bedeutung sind.176 Allerdings ermöglichte erst diese Betrachtungsweise die Einführung eines Schuldelements, das nicht Bestandteil des vicarious liabilityAnsatzes ist. Unklar war auch, welche genaue Bedeutung und welchen Inhalt man der Konzeption des Compliance-Programms zuschreiben sollte. Zwar bestand Einigkeit in der Kommission, dass sich ein Compliance-Programm grundsätzlich mildernd auswirken solle, da dann ein Unternehmen als ein „good corporate citizen“ anzusehen sei.177 Umstritten war jedoch, ob dies wirklich für jeden Fall eines solchen Programms gelten sollte und was eigentlich genau unter einem solchen Programm zu verstehen sei. Da an sich nur ein nachhaltiges und wirksames Engagement des Unternehmens zu einer Strafmilderung führen sollte, einigte man sich schließlich darauf, dass bei bestimmten Umständen die Strafmilderung trotz des Vorhandenseins eines Compliance-Programms nicht eingreifen sollte, etwa wenn eine Führungsperson bei der Ausführung der Straftat beteiligt gewesen war.178 Strafmildernde Wirkung sollte also nur ein effektives Compliance-Programm haben. Auf die Festlegung der Einzelheiten eines solchen Programms wurde verzichtet, um den Unternehmen genügend Flexibilität in der Umsetzung zu lassen und die Entwick-
____________ Näher Nagel/Swenson, 71 Wash. U. L. Q. (1993), S. 205 (242 ff.) m.w.N. Vgl. zur Booker-Entscheidung, die die Richtlinien für grundsätzlich unverbindlich erklärt hat, unten S. 194 ff. 175 Vgl. dazu bereits oben S. 128. 176 Vgl. Gruner, Corporate Criminal Liability, § 8.07[2]. 177 Clark, Compliance Programs, § 2.24. 178 Clark, Compliance Programs, §§ 2.24, 30; Nagel/Swenson, 71 Wash. U. L. Q. (1993), S. 205 (236). 173
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lung spezieller Standards für einzelne Industriebereiche (best practices) zu ermöglichen.179 Allerdings gab man sieben Kriterien vor, die erfüllt sein mussten.180 Diskutiert wurde auch die Frage, ob die Größe eines Unternehmens für die Strafe von Bedeutung sein sollte.181 Die Kommission entschied sich jedoch dagegen, da dies zu einer Ungleichbehandlung bei gleichem Sachverhalt führen und somit letztlich nicht an die Tat, sondern an den Täter anknüpfen würde (und man im Rahmen der Reform gerade die starke Bindung an den Täter zugunsten des just punishment aufgeben wollte). Die Größe des Unternehmens wurde jedoch vereinzelt in den Richtlinien berücksichtigt. So ist etwa der Umfang der Schuld des Unternehmens davon abhängig, inwieweit ein leitender Mitarbeiter involviert ist. Bei großen Unternehmen wiegt dies schwerer als bei kleineren und führt damit bei Ersteren zu einer höheren Strafe.182 Daneben spielt die Größe bei den Anforderungen an ein Compliance-Programm eine Rolle. Je größer das Unternehmen ist, desto intensivere Anstrengungen sind notwendig.183 Zudem musste die Kommission entscheiden, wie sich die Unternehmensrichtlinien zu den Regelungen für natürliche Personen verhalten.184 Die Unternehmensrichtlinien verzichten auf eine automatische Anrechnung von Strafen, die gegen die Mitarbeiter verhängt wurden. Es gibt allenfalls eine indirekte Berücksichtigung dadurch, dass ein wirksames Compliance-Programm (also Maßnahmen des Unternehmens) zu einer Strafmilderung für das Unternehmen führen kann, während diese Strafmilderung für Mitarbeiter nicht möglich ist. Darüber hinaus wirkt sich jedoch die Bestrafung einer natürlichen Person nicht auf die Bestrafung des Unternehmens aus. Klargestellt ist damit, dass Mitarbeiter und Unternehmen als zwei getrennte Sanktionssubjekte behandelt werden.185 Über diese strafrechtlichen Fragen hinaus versuchte die Kommission, eine Regelung innerhalb der Richtlinien im Verhältnis zu sonstigen (zivil- und öffentlichrechtlichen) Sanktionen zu finden. Dies erwies sich aufgrund der Verschiedenheit der möglichen Sanktionen wie auch der für die Sanktionsverhängung zuständigen Stellen jedoch als äußerst schwierig.186 Letztlich verzichtete man daher auf eine ____________ 179 Clark, Compliance Programs, § 2.24, 30; zu den best practices siehe die Diskussion bei USSC, Corporate Crime, S. 61 ff. 180 Vgl. zu den einzelnen Anforderungen unten S. 163 ff. 181 Nagel/Swenson, 71 Wash. U. L. Q. (1993), S. 205 (248 ff.). 182 § 8 C 2.5 (b) USSG. 183 § 8 B 2.1 Cmt. 2. C. USSG. 184 Nagel/Swenson, 71 Wash. U. L. Q. (1993), S. 205 (244 f.). 185 Dies entspricht auch der allgemeinen Konzeption der Unternehmensstrafbarkeit, die nicht von der Bestrafung der im Unternehmen handelnden Mitarbeiter abhängig ist, vgl. dazu oben S. 96. 186 Vgl. zu den angesprochenen Problemen m.w.N. Nagel/Swenson, 71 Wash. U. L. Q. (1993), S. 205 (245 ff.).
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eigenständige Regelung und stellte die Frage einer Anrechnung sonstiger Sanktionen in das Ermessen des Gerichts.187 In einem Kommentar weist die Kommission lediglich darauf hin, dass solche Sanktionen (insbesondere punitive damages) strafmildernd berücksichtigt werden können.188 f) Der Weg zur Vorlage an den Kongress Nach Klärung der wichtigsten Fragen veröffentlichte die Kommission im Jahr 1990 einen dritten Entwurf.189 Dieser baute noch stärker als die vorherigen Entwürfe auf dem Konzept einer Unternehmensschuld auf, indem er den Bemühungen des Unternehmens in Bezug auf Vermeidung und Aufdeckung von Straftaten gänzlich eigenständiges Gewicht beimaß.190 Allerdings wurden Compliance-Maßnahmen weiterhin als bloßer Milderungsgrund, ausgehend von einer relativ hohen Ausgangsgeldstrafe, berücksichtigt.191 Der Entwurf vereinte aber nun besser als die vorherigen sowohl den Ansatz einer gerechten Bestrafung (Differenzierung nach schuldhaftem Tatbeitrag) wie auch den einer ausreichenden Abschreckung (hohe Ausgangsstrafe).192 Der dritte Entwurf wurde in der Öffentlichkeit weit positiver aufgenommen als die letzten beiden.193 Insbesondere die weitergehende Einbeziehung von ComplianceProgrammen wurde gelobt, auch wenn zum Teil eine noch stärkere positive Gewichtung gefordert wurde.194 Aufgrund der neuerlichen Anmerkungen wurde der Entwurf noch einmal insoweit verändert, als er die Bestimmung der Unternehmensschuld bei der Geldstrafe noch detaillierter von der Erfüllung bestimmter Kriterien abhängig machte.195 Zudem wurde die Unternehmensschuld nun als der entscheidende Faktor zur Bestimmung des anzuwendenden Strafrahmens festgelegt. Dazu wurde ein eigener Be____________ 187 Allerdings können zivil- und verwaltungsrechtliche Sanktionen als „Vorstrafe“ strafschärfend berücksichtigt werden, § 8 C 2.5 (c) USSG; vgl. unten S. 161. 188 § 8 C 2.8 Cmt. 2. USSG. 189 USSC, 55 Fed. Reg. 46600 (5.11.1990); vgl. dazu Block, 3 Fed. Sent. R. (1990-91), S. 115 ff.; Coffee, 3 Fed. Sent. R. (1990-91), S. 126 ff.; Rodriguez/Barlow, 32 Crime, L. & Soc. Ch. (1999), S. 169 (183 ff.); Wilkins, 3 Fed. Sent. R. (1990-91), S. 118 ff. 190 Laufer, 71 Neb. L. Rev. (1992), S. 1049 (1082 f.); krit. aber etwa Parker, 3 Fed. Sent. R. (1990-91), S. 133 (135), der den Vorschlag immer noch dem von 1989 als zu ähnlich ansieht (“... basically the 1989 proposals ... with a bit more finesse.”). 191 Vgl. zur genauen Berechnung Coffee, 3 Fed. Sent. R. (1990-91), S. 126 ff. 192 Vgl. etwa Gruner, 66 S. Cal. L. Rev. (1992-93), S. 225 (231 ff.). 193 Clark, Compliance Programs, § 2.26. 194 Clark, Compliance Programs, § 2.26; für eine stärkere Berücksichtigung Block, 3 Fed. Sent. R. (1990-91), S. 115 (117); Pitt/Groskaufmanis, 71 B. U. L. Rev. (1991), S. 447 (452); siehe auch die krit. Analyse bei Coffee, 3 Fed. Sent. R. (1990-91), S. 126 ff. 195 Clark, Compliance Programs, § 2.24; Laufer, 71 Neb. L. Rev. (1992), S. 1049 (1083).
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rechnungsfaktor eingeführt (culpability score), der ausgehend von einem Basiswert je nach den individuellen Umständen angepasst werden kann.196 Der Basiswert wurde so gewählt, dass eine ausreichend hohe (und damit abschreckende) Geldstrafe zustande kommt.197 Eine Anpassung des Basiswerts sollte nicht nur nach unten aufgrund von Milderungsfaktoren möglich sein, sondern auch nach oben aufgrund von Erschwerungsfaktoren (z.B. die Involvierung des oberen Managements), die ebenfalls als Abbild des Verschuldensgrades des Unternehmens gesehen wurden.198 Schließlich wurde die Stellung von Compliance-Programmen weiter ausgebaut, indem sie stärker mildernd berücksichtigt wurden. Diesen überarbeiteten Entwurf legte die Kommission im Mai 1991 schließlich dem Kongress als endgültige Version der Richtlinien vor. Die Unternehmensrichtlinien wurden als achtes Kapitel im Anschluss an die bestehenden Richtlinien für natürliche Personen eingefügt. Der Kongress erhob wie bei den Richtlinien für natürliche Personen keinen Einspruch, sodass sie zum 1. November 1991 in Kraft treten konnten. III. Änderungen der Richtlinien nach ihrem Erlass Mit der Errichtung der Kommission als ständige Einrichtung war von Anfang an die Garantie gegeben, dass die Richtlinien regelmäßig überprüft und bei Bedarf auch ergänzt werden können. Das Gesetz hat der Kommission explizit die Aufgabe der ständigen Überwachung der Strafzumessung zugewiesen und auch ein entsprechendes Verfahren zur Ergänzung der Richtlinien vorgesehen.199 Die Kommission kommt dieser Aufgabe bisher gewissenhaft nach und hat eine beachtliche Anzahl von Ergänzungen und Änderungen vor allem der Richtlinien für natürliche Personen in die Wege geleitet.200 ____________ 196 Clark, Compliance Programs, § 2.29; zur genauen Funktionsweise vgl. unten S. 159 ff. 197 Krit. zu der (eher willkürlichen) Festlegung der Höhe des Basiswerts Parker, 71 Wash. U. L. Q. (1993), S. 397 (404 ff.; 411 f.). 198 Vor allem das Justizministerium sprach sich für die Aufnahme von Erschwerungsfaktoren aus, vgl. Clark, Compliance Programs, § 2.25, 28, 29; Mueller, 3 Fed. Sent. R. (1990-91), S. 130 f.; der (letzte) Entwurf des Justizministeriums ist abgedruckt unter 55 Fed. Reg. 46611. 199 Vgl. 28 U.S.C. § 991 (b) (1) (C), § 994 (p), (x). 200 Bis Ende 2009 hat die Kommission 737 Änderungen sowohl der Richtlinien für natürliche Personen als auch der für Unternehmen vorgenommen (vgl. Anhang C der USSG). Die allermeisten Änderungen betrafen dabei die Richtlinien für natürliche Personen. Änderungen der Richtlinien für Unternehmen gab es in geringem Umfang etwa 1997, vgl. dazu Joseph, 35 Am. Crim. L. Rev. (1997-98), S. 1017 (1033). Krit. zur Arbeit der Kommission insbes. im Hinblick auf ihre gesetzlich vorgegebenen Ziele, da der Kommission ein Gesamtkonzept fehle, Parker/Block, 9 Geo. Mason L. Rev. (2000-01), S. 1001 (1021 f.).
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Im Bereich der Wirtschaftsstraftaten gab es beispielsweise im Jahr 2001 eine umfangreiche Reform der Strafzumessungsvorschriften.201 In diesem wie in vielen anderen Fällen hat dabei der Kongress Einfluss auf die Arbeit der Kommission genommen, indem er sie durch Gesetz anwies, die Richtlinien in bestimmter Weise zu verändern.202 Als wichtigste gesetzliche Neuregelung im Bereich des Unternehmens(straf)rechts beauftragte der Sarbanes-Oxley Act von 2002 die Kommission damit, die Richtlinien zu überprüfen, ob diese ausreichend zur Abschreckung und Bestrafung der Unternehmensstrafbarkeit seien.203 Die im Jahr 2002 begonnene Reform der Richtlinien für Unternehmen (die ohnehin bereits angedacht war) erfolgte dann auch in Anlehnung an den Sarbanes-Oxley Act, der die Schaffung einer Kultur des effektiven Compliance im Unternehmen zum Ziel hatte.204 Daher berief die Kommission im Jahr 2002, nach über zehn Jahren seit Inkrafttreten der Richtlinien für Unternehmen, eine Expertengruppe (Ad Hoc Advisory Group) ein, um die Effektivität der Richtlinien zu bewerten und Reformvorschläge zu unterbreiten.205 Eingehend wurde in der Expertengruppe erörtert, inwieweit das bestehende Compliance-System um den Aspekt der Unternehmensethik ergänzt werden sollte.206 Bislang war umstritten gewesen, ob es sich bei der Unternehmensethik um einen Bestandteil eines funktionierenden Compliance-Programms oder um einen eigenständigen Bereich handele.207 Die Richtlinien waren bereits in ____________ 201 Vgl. dazu eingehend Bowman, 35 Ind. L. Rev. (2001-02), S. 5 ff.; Ramirez, 34 Loy. U. Chi. L. J. (2002-03), S. 359 (377 ff.). Zu den Problemen, die zur Reform führten, vgl. Parker/Block, 9 Geo. Mason L. Rev. (2000-01), S. 1001 (1035 ff.). Die Entwicklung seit Erlass der Richtlinien skizziert Bowman, 1 Ohio St. J. Crim. L. (2003-04), S. 373 (385 ff.). 202 Parker/Block, 9 Geo. Mason L. Rev. (2000-01), S. 1001 (1022 ff.), die darauf hinweisen, dass diese (dem politischen Alltag unterliegenden) punktuellen Eingriffe die Aufgabe der Kommission zur Erstellung eines in sich schlüssigen und objektiven Systems der Strafzumessung konterkarierten. 203 Vgl. den SOA (siehe oben Anm. 60) in § 805 (a) (5). 204 Vgl. Brickey, 8 Buff. Crim. L. Rev. (2004-05), S. 221 (233). 205 Vgl. dazu Fiorelli, 39 Wake Forest L. Rev. (2004), S. 565 (568 ff.); Hess et al., 11 Fordham J. Corp. & Fin. L. (2006), S. 725 (737 ff.); O’Sullivan, 1 Ohio St. J. Crim. L. (2003-04), S. 487 ff.; spez. zur Frage, was als ausreichende Kooperation gewertet wird, Buchanan, 39 Wake Forest L. Rev. (2004), S. 587 (607 ff.); die Ergebnisse der Expertengruppe wurden veröffentlicht, siehe USSC, Report, S. 1 ff. 206 Vgl. die Nachweise bei Fiorelli, 39 Wake Forest L. Rev. (2004), S. 565 (577 ff.); O’Sullivan, 1 Ohio St. J. Crim. L. (2003-04), S. 487 (508 ff.); zur allgemeinen Diskussion über eine Reform der Richtlinien siehe auch D. Murphy, 87 Iowa Law Review (2002), S. 697 (716 ff.). 207 Diskutiert wurde, ob die Richtlinien einen bloßen rule-based approach (auch „lawcentered approach“ genannt) verlangten, der allein auf die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften abzielte, oder auf einen integrity based approach (auch „rules-and-valuebased approach“ genannt) setzten, der über die gesetzlichen Vorgaben die Einhaltung moralisch/ethischer Werte forderte; vgl. hierzu die Diskussion der Tagungsteilnehmer in USSC, Corporate Crime, S. 174 ff., 375 ff. Siehe auch Bowers et al., Compliance, S. 29 f.; Driscoll et al., 99 Bus. Soc. Rev. (1998), S. 35 (39); Hess, 105 Mich. L. Rev. (2007), S. 1781 (1791 ff.); Joseph, Ethics, S. 27 ff.; D. Murphy, 87 Iowa Law Review (2002),
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die Richtung der Einbeziehung der Unternehmensethik interpretiert worden, es fehlte jedoch ein ausdrücklicher Hinweis darauf.208 Vielfach wurde die Frage der Unternehmensethik als ein wesentlicher Punkt gesehen, der die Rechtseinhaltung im Unternehmen fördere und daher auch in die Vorgaben für Compliance-Programme aufgenommen werden sollte.209 Dagegen wurde argumentiert, dass es sich hierbei um das allgemeine Thema sozialer Verantwortung von Unternehmen handele, das in keinem direkten Bezug zu Kriminalsanktionen stehe.210 Angesichts dieser Kontroverse vermied die Expertengruppe in ihrem Bericht an die Kommission den umstrittenen Begriff „Ethik“, schlug aber inhaltlich vor, die Richtlinien genau um diesen Aspekt zu ergänzen.211 Zudem regte sie an, diejenigen Faktoren in den Richtlinien stärker zu betonen und zu gewichten, die für den Nachweis eines effektiven Compliance-Programms ausschlaggebend sind.212 Die Kommission selbst sah dagegen keine Probleme bei der Verwendung des Begriffs „Ethik“213 und legte dem Kongress schließlich einen Reformvorschlag vor, der verstärkt auf die Implementierung ethischer Werte im Unternehmen setzte.214 Der Abschnitt über Compliance-Programme, der bisher in den unverbindlichen Anmerkungen geregelt gewesen war,215 wurde nun als verbindliche Vorgabe und in erweiterter Form in einem eigenen Abschnitt unter dem Titel „Effective ____________ S. 697 (714 ff.); Paine, 72 (2) Harv. Bus. Rev. (März-April 1994), S. 106 (107); Weaver/ Trevino, 9 Bus. Ethics Q. (1999), S. 315 (330); USSC, Report, S. 52. Eine Analyse der Ansatzmöglichkeiten findet sich bei Steinmann/Olbrich/Kustermann, in: Alwart (Hrsg.), Verantwortung, S. 113 ff. 208 Baker, 89 Cornell L. Rev. (2003-04), S. 310 (336); Didier, in: USSC, Corporate Crime, S. 175 f.; Laufer, 34 Am Bus. L. J. (1996), S. 157 (160 f.). 209 USSC, Report, S. 51 ff.; siehe auch Fiorelli, 39 Wake Forest L. Rev. (2004), S. 565 (570). 210 Vgl. die Nachweise bei Fiorelli, 39 Wake Forest L. Rev. (2004), S. 565 (570); O’Sullivan, 1 Ohio St. J. Crim. L. (2003-04), S. 487 (509). 211 So schlug sie eine Ergänzung der Richtlinien dahingehend vor, dass „Organisationen (...) auch eine Unternehmenskultur stärken sollen, die die Einhaltung der rechtlichen Vorschriften fördert“, USSC, Report, S. 53. 212 So sollte die Verantwortung der Unternehmensleitung für das Compliance-Programm klarer betont werden oder die Notwendigkeit eines Kontrollsystems zur Messung der Wirksamkeit von vorgenommenen Maßnahmen, vgl. im Überblick O’Sullivan, 1 Ohio St. J. Crim. L. (2003-04), S. 487 (504 ff.); ausführlich USSC, Report, S. 47 ff. 213 Da sich in der Praxis bereits eine enge Verzahnung zwischen Ethik und ComplianceProgrammen etabliert hatte, dürfte die Kommission keine Bedenken gehabt haben, den Begriff in die strafrechtliche Diskussion einzuführen. 214 So formulierte die Kommission, dass „Organisationen (...) auch eine Unternehmenskultur stärken sollen, die ethisches Verhalten und die Einhaltung der rechtlichen Vorschriften fördert“, vgl. § 8 B 2.1 (a) (2) USSG; zu den Änderungen Bowers et al., Compliance, S. 28 ff.; Fatino, 42 Crim. L. Bull. (2006), S. 52 ff.; Hess et al., 11 Fordham J. Corp. & Fin. L. (2006), S. 725 (740 ff.); Imperato, 52 Fed. Law. (September 2005), S. 25 (26 ff.); Kaplan, 1478 PLI/Corp 235; McGreal, 1536 PLI/Corp 49; Rakoff, Overview, in: ders et al. (eds.), Sentencing, § 1.07 [1]. 215 § 8 A 1.2 Cmt. 3. (k) USSG (Stand von 1991).
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Compliance and Ethics Program“ geregelt.216 Die Kommission sah mit der erweiterten Regelung den ihr vom Sarbanes-Oxley Act erteilten Auftrag zur Überprüfung der Strafzumessung für Unternehmen als erfüllt an.217 Zum 1. November 2004 wurden die Änderungen wirksam. Die Überarbeitung der Richtlinien macht deutlich, dass die Einbeziehung von Compliance-Programmen, die am Anfang noch als Experiment gesehen werden konnte,218 nun zu einem festen Bestandteil der Strafzumessung geworden ist.219 Durch die neuen Vorgaben wird stärker als bisher sichergestellt, dass das oberste Management die Risiken krimineller Aktivitäten auf einer ständigen Basis analysiert und bekämpft.220 Die klareren Anforderungen an Compliance-Programme erleichtern es Unternehmen, effektive Programme zu erstellen und umzusetzen und damit die Richtlinien einzuhalten.221 Indem die Richtlinien die Unternehmensethik wie auch das Erfordernis eines Riskomanagements in die Compliance-Thematik integrieren, haben sie bislang überwiegend parallel laufende Entwicklungen verknüpft. IV. Offene Fragen der Richtlinien / Zukunft Die Richtlinien stellen zwar das bisher umfassendste Strafzumessungssystem im Bereich der Unternehmensstrafbarkeit dar. Jedoch gibt es noch offene Fragen, für die bisher keine Regelung getroffen wurde. Insbesondere sind die Regelungen über die Geldstrafe für wichtige Deliktsgruppen bisher nicht anwendbar, etwa für Umweltdelikte oder Lebensmittel- und Arzneimitteldelikte (food and drug offenses).222 Im Bereich der Umweltdelikte hat die ____________ § 8 B 2.1 USSG. Vgl. § 8 B 2.1 Cmt. (a.E.) USSG; in die Regelung wurden Elemente des SOA aufgenommen, etwa die Einrichtung einer Whistleblower Hotline (vgl. §§ 301, 806 SOA) in § 8 B 2.1 (b) (5) (C) USSG. Die Kommission hatte bereits durch die Verschärfung der Strafen einzelner Tatbestände (die in den Richtlinien für natürliche Personen geregelt sind), die auch Einfluss auf die Höhe der Strafen für Unternehmen hatte, ihren Auftrag als weitgehend erfüllt angesehen, vgl. USSC, Increased Penalties, S. 11 ff. 218 Vgl. Kaplan, 1478 PLI/Corp 235, S. 239, der aufgrund des experimentellen Charakters der Richtlinien zumindest auf eine teilweise zurückhaltende Umsetzung von Compliance-Programmen in Unternehmen hinweist. 219 Bowers et al., Compliance, S. 8, 28 f. sprechen sogar von einem „sea change“ bezüglich der Rolle der Compliance-Maßnahmen. 220 Bowers et al., Compliance, S. 28 f. ; McGreal, 1536 PLI/Corp 49, S. 57 ff.; vgl. auch Sauber, in: Rakoff et al. (eds.), Sentencing, § 3.01. 221 Krit. aber etwa Kaplan, 1478 PLI/Corp 235, S.240, der höhere Anforderungen als bisher sieht. 222 So § 8 C 2.1 (a) USSG; eine Ausnahme besteht bspw. dann, wenn ein Betrug mit der Tat (wie etwa einem food and drug offense) verbunden ist; in diesem Fall finden die Richtlinien doch Anwendung (§ 2 N 2.2 Cmt. 2, § 8 C 2.1 Cmt. 2 USSG). 216 217
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Kommission bereits Anstrengungen unternommen, auch hierfür Richtlinien zu schaffen.223 Dazu berief sie im Jahr 1992 eine externe Expertengruppe ein, die Vorschläge dazu verabschieden sollte. Die Experten legten einen Entwurf vor,224 der allerdings sehr kritisch aufgenommen wurde.225 Bis heute konnte keine abschließende Regelung gefunden werden, da sich die unterschiedlichen Fallkonstellationen nur schwer in eine allgemeine Form gießen lassen.226 Ferner gelten die Richtlinien wie die meisten nationalen Gesetze vor allem für die in den USA tätigen Unternehmen. Viele sind allerdings nicht mehr allein national tätig, sondern international in einer Vielzahl von Staaten verankert. Diese multinationalen Unternehmen werden durch die nationale Gesetzgebung nur bedingt erfasst.227 Vielfach bestehen daher Initiativen auf internationaler Ebene (z.B. durch die Vereinten Nationen oder die OECD), die der Schaffung gemeinsamer Grundsätze für das Verhalten solcher Unternehmen dienen sollen.228 Da diese Richtlinien ____________ 223 Vgl. Banks, in: USSC, Corporate Crime, S. 157 ff.; Gruner, Corporate Criminal Liability, § 9.07[5]; Lemkin, 84 Cal. L. Rev. (1996), S. 307 ff.; Nagel/Swenson, 71 Wash. U. L. Q. (1993), S. 205 (254 f.); die Kommission hatte darauf verzichtet, die Umweltdelikte in die Unternehmensrichtlinien aufzunehmen, siehe Kezsbom/Goldman, in: Rakoff et al. (eds.), Sentencing, § 8.01 [1] u. [2]; Rosin, 3 N. Y. U. Envtl. L. J. (1994-95), S. 559 (568). 224 Der Vorschlag sah eine Ergänzung der Richtlinien vor. Er ist in USSC, Environmental Sanctions, S. 1 ff. veröffentlicht. 225 Der Vorschlag wurde u.a. wegen seiner strengen Compliance-Vorgaben kritisiert, vgl. näher Gruner, 8 Fed. Sent. R. (1995-96), S. 212 ff.; Kezsbom/Goldman, in: Rakoff et al. (eds.), Sentencing, § 8.01 [1a]; Lemkin, 84 Cal. L. Rev. (1996), S. 307 (319 ff.); Rosin, 3 N. Y. U. Envtl. L. J. (1994-95), S. 559 ff. 226 Gerade der Fall des Tankerunglücks Exxon Valdez machte diese Schwierigkeiten deutlich: Bei Anwendung der existierenden Richtlinien hätte Exxon eine Strafe von maximal 350.000 US-Dollar zu erwarten gehabt, während tatsächlich (ohne Richtlinien) eine Strafe von 125 Mio. US-Dollar verhängt werden konnte, vgl. dazu Gruner, Corporate Criminal Liability, § 9.07 [5] [a]; siehe zur Problematik auch Gruner, 66 S. Cal. L. Rev (199293), S. 225 (285 ff.); D. Murphy, 87 Iowa Law Review (2002), S. 697 (718) sowie Kamenar, 3 Fed. Sent. R. (1990-91), S. 146 f., der sich gegen eine Einbeziehung der Umweltdelikte in den damaligen Vorschlag für die Unternehmensrichtlinien aussprach. 227 Baker, 20 Wis. Int. L. J. (2001-02), S. 89 (107 ff.); Carlson/Desio, 1504 PLI/Corp 149 (152); soweit nationale Gesetze wie der SOA auch ausländische Unternehmen erfassen (v.a. die, die in den USA tätig sind), bereitet dies häufig Probleme mit den rechtlichen Regelungen der eigentlichen Herkunftsstaaten der Unternehmen, vgl. zur Anwendung des SOA auf europäische Unternehmen Stoltenberg et al., 53 Am. J. Comp. L. (2005), S. 457 ff. Eine praktisch bedeutsame Ausnahme stellt auch der auf ausländische Unternehmen zugeschnittene Foreign Corrupt Practices Act dar, vgl. dazu unten S. 290 f. 228 Vgl. den UN Draft Code of Conduct for Transnational Corporations vom 12.6.1990, U.N. Doc. E/1990/94 (1990); die OECD-Richtlinien für multinationale Unternehmen, revidierte Fassung von 2000, (Stand: 16.12.2006); weitere Nachweise bei Baker, 20 Wis. Int. L. J. (2001-02), S. 89 ff.; Carlson/ Desio, 1504 PLI/Corp 149 ff.; Engelhart, in: Burchard/Triffterer/Vogel (Hrsg.), Review Conference, S. 175 (178 f.); Hansen/Aranda, 14 Fordham Int. L. J. (1990-91), S. 881 ff.; S. Murphy, 43 Colum. J. Transnat. L. (2004-05), S. 389 ff.; spez. zu der viel diskutierten Frage der Einhaltung der Menschenrechte Weissbrodt/Kruger, 97 Am. J. Int. L. (2003), S. 901 ff.
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bereits umfangreiche Organisationsvorgaben für Unternehmen aufstellen, bieten sie einen guten Ansatzpunkt für die Erweiterung der amerikanischen Vorgaben in Anlehnung an die internationale Entwicklung. So könnten beispielsweise die Vorschriften der OECD für multinationale Unternehmen, die in zahlreichen Punkten schon mit den Unternehmensrichtlinien übereinstimmen, in diese integriert werden.229 Inwieweit die Richtlinien über ihren heutigen Bestand hinaus erweitert werden, ist derzeit noch nicht absehbar. Da eine Einbeziehung erweiterter Organisationsvorgaben in die Richtlinien nicht nur strafrechtliche, sondern vor allem auch unternehmensrechtliche Fragen berührt, besteht insgesamt noch Klärungsbedarf wie das Verhältnis zwischen Straf- und Unternehmensrecht in Zukunft aussehen soll. Zudem sind die verfassungsrechtlichen Probleme in Bezug auf die grundsätzliche Geltung und die Reichweite der Richtlinien noch nicht endgültig geklärt, sodass primär auf diesem Gebiet Reformen zu erwarten sind.230 C. Die Strafzumessung nach den Richtlinien Im Folgenden werden die geltenden Vorschriften der Richtlinien näher vorgestellt. Das System der Richtlinien besteht aus einem umfangreichen Katalog von Detailregelungen zur Strafzumessung sowie zum Verfahrensablauf und zur Vollstreckung der Strafe. Die Richtlinien sind in acht Kapitel untergliedert und enthalten sowohl die Vorschriften für natürliche Personen als auch für Unternehmen. Die ersten sieben Kapitel richten sich an natürliche Personen (Richtlinien für natürliche Personen),231 das achte Kapitel ist speziell der Bestrafung von Unternehmen gewidmet (Richtlinien für Unternehmen).232 Vorliegend werden entsprechend der Zielsetzung der Arbeit allein die Regelungen zur Unternehmensstrafe behandelt.233 ____________ 229 Vgl. dazu Carlson/Desio, 1504 PLI/Corp 149 ff.; siehe auch S. Murphy, 43 Colum. J. Transnat. L. (2004-05), S. 389 (427 f.); Weissbrodt/Kruger, 97 Am. J. Int. L. (2003), S. 901 (921). 230 Zu den verfassungsrechtlichen Problemen vgl. unten S. 190 ff. 231 In den ersten sieben Kapiteln finden sich zunächst allgemeine Hinweise zur Anwendung (Kap. 1) bevor in Kapitel 2–5 die Einzelheiten zur Strafe für natürliche Personen näher erläutert werden. Sodann folgen Vorgaben zum Verfahren (Kap. 6) und zur Vollstreckung der Strafe (Kap. 7). 232 Zu den Richtlinien für Unternehmen gibt es eine kaum zu überschauende Anzahl an Literatur. D. Murphy zählte im Jahr 2001 bereits 500 wissenschaftliche Veröffentlichungen, vgl. ders., 87 Iowa Law Review (2002), S. 697 (707). Einen Überblick über die Richtlinien bieten bspw. Joseph, 35 Am. Crim. L. Rev. (1997-98), S. 1017 ff.; Gruner, Corporate Criminal Liability, §§ 8–11; Rakoff et al. (eds.), Sentencing, §§ 1 ff. 233 Die Regelungen zur Unternehmensstrafe sind zum großen Teil unabhängig von den anderen Kapiteln. Daher wird auf diese Kapitel nur eingegangen, soweit dies an einzelnen Punkten relevant ist.
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Die Richtlinien unterscheiden zwar grundsätzlich zwischen verbindlichen Vorgaben und unverbindlichen Empfehlungen.234 Aufgrund der Entscheidung des U.S. Supreme Court im Verfahren Booker wurde diese Unterscheidung jedoch mittlerweile hinfällig. Die gesamten Richtlinien gelten nunmehr als unverbindliche Leitlinie.235 Daher wird in der nachfolgenden Darstellung nicht mehr zwischen den unterschiedlichen Regelungstechniken unterschieden. Zunächst wird der Anwendungsbereich der Unternehmensrichtlinien näher vorgestellt und ein zusammenfassender Überblick gegeben (I.). Im Anschluss daran wird auf die den Richtlinien zugrunde gelegten Strafzwecke eingegangen (II.). Sodann werden die in den Richtlinien vorgesehenen Sanktionen einzeln behandelt (III.–V.). I. Anwendungsbereich der Richtlinien für Unternehmen und Überblick Die Anwendung der Richtlinien setzt zunächst voraus, dass die Verurteilung wegen einer Straftat vorliegt, die in den Anwendungsbereich der Richtlinien fällt. Die Richtlinien für Unternehmen umfassen wie die für natürliche Personen nur die Strafzumessung für Straftaten, die eine Höchststrafe von mehr als sechs Monaten Freiheitsentzug vorsehen.236 Die Ausnahme geringfügiger Straftaten wird mit der Aufrechterhaltung einer effizienten Rechtsprechung begründet („for the sake of judicial economy“), die bei diesen Delikten nicht dem zeitaufwändigen System der Richtlinien unterworfen sein soll.237 Anwendbar sind die Richtlinien auf alle Organisationen, welche als „von einer natürlichen Person verschiedene Personen“ gesetzlich definiert sind.238 Diese Definition unterscheidet sich nicht nur von der im Rahmen der Voraussetzungen der Unternehmensstrafbarkeit verwendeten Aufzählung des United States Code, sondern ist wohl auch umfassender als diese.239 Probleme hat dies, soweit ersichtlich, noch nicht aufgeworfen, da die Richtlinien vor allem vor dem Hintergrund der Un____________ Zur Entwicklung dieser Unterscheidung vgl. oben S. 140. Zu den verfassungsrechtlichen Fragen des Booker-Verfahrens vgl. unten S. 194 ff. 236 Vgl. § 8 A 1.1 USSG, der die Anwendung auf felonies und Class A misdemeanor offenses vorsieht; gemäß 18 U.S.C. § 3559 (a) sind das Straftatbestände mit einer Mindesthöchststrafe von mehr als sechs Monaten. 237 Vgl. § 1 B 1.9 USSG. 238 Vgl. § 8 A 1.1 Cmt. 1 USSG mit dem Verweis auf die Regelung in 18 U.S.C. § 18 ([…] the term “organization” means a person other than an individual). 239 Vgl. zu der im Rahmen der Voraussetzungen der Unternehmensstrafbarkeit verwendeten Aufzählung in Titel 1 U.S.C. § 1 bereits oben S. 91. Die Definition in 18 U.S.C. § 18 ist nicht völlig klar darin, welche Zusammenschlüsse eigentlich eine Person darstellen. In der Praxis hilft hier wohl in den meisten Fällen die sehr umfassende Liste in § 8 A 1.1 Cmt. 1 USSG weiter, die beispielhaft „corporations, partnerships, associations, joint-stock companies, unions, trusts, pension funds, unincorporated organizations, governments and political subdivisions thereof, and non-profit organizations“ aufzählt. 234 235
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ternehmensstrafbarkeit geschaffen wurden und dort ihren Hauptanwendungsbereich haben.240 Daher wird auch im Folgenden an der bislang verwendeten Terminologie der Unternehmensstrafbarkeit bzw. der Richtlinien für Unternehmen festgehalten. Die Richtlinien für Unternehmen gliedern sich in drei wesentliche Teile: die Wiedergutmachung (Teil B., dazu nachfolgend III.), die Geldstrafe (Teil C., dazu IV.) und die Bewährungsstrafe (Teil D., dazu V.).241 Die Richtlinien sehen dabei in einer Art Bedienungsanleitung vor, dass der Richter die Strafzumessung in der Reihenfolge der vorgenannten Teile vornimmt.242 Zu beachten ist, dass die Regelungen für Geldstrafen im Gegensatz zu den übrigen Teilen nicht für alle Straftaten gelten.243 II. Strafzwecke Angesichts der Offenheit der in 18 U.S.C. § 3553 (a) aufgezählten Strafzumessungszwecke,244 deren Zuschnitt auf natürliche Personen und des umstrittenen theoretischen Ausgangspunkts für die Konstruktion der Strafzumessungsrichtlinien für Unternehmen, würde man eine Auseinandersetzung mit der Thematik innerhalb der Richtlinien erwarten. Dies, zumal sie ermöglichen, dem Anwender (also dem Richter) Erklärungen zur Ausgestaltung der gesamten Richtlinien wie auch einzelner Punkte in Form unverbindlicher Empfehlungen zu geben. Jedoch schweigen sie sich zur Frage der Strafzwecke weitgehend aus. Im einleitenden Kommentar des achten Kapitels wird lediglich angeführt, dass die Richtlinien eine gerechte Bestrafung (just punishment), eine angemessene Abschreckung (adequate deterrence) und den Anreiz für die Implementierung unternehmensinterner Programme ermöglichen sollen. Nicht deutlich gemacht wird, ob die Aufzählung dieser drei Punkte als abschließend gilt oder ob sie lediglich die wichtigsten Elemente darstellen, die die Entstehung der Richtlinien geleitet haben. Man wird diese kursorische Anmerkung aufgrund der schwierigen Festlegung auf eine theoretische Basis der Richtlinien wohl nur als Hinweis auf die bei ihrer Erstellung erzielte Kompromisslösung ____________ 240 Vgl. Moore, 34 Ariz. L. Rev. (1992), S. 743 (745) sowie Brickey, Corporate Liability, Bd. 1, § 1 und Gruner, Corporate Criminal Liability, § 8.03 [2] [a], die ihre Darstellungen nur auf Unternehmen beziehen. Größere Probleme dürften sich kaum stellen, denn unterfällt ein Zusammenschluss nicht den Regeln der Unternehmensstrafbarkeit, ist die Anwendung von Strafzumessungsregeln ohnehin irrelevant. Die unterschiedliche Definition ist aber ein gutes Beispiel für die fehlende Abstimmung der Voraussetzungen der Unternehmensstrafbarkeit und der Strafzumessung aufeinander (vgl. hierzu unten S. 208 f.). 241 Darüber hinaus gibt es drei weitere Abschnitte: Teil A gibt allgemeine Anwendungshinweise, Teil E regelt v.a. Fragen der Einziehung/des Verfalls und der Kosten, Teil F erfasst den Verstoß gegen Bewährungsauflagen. 242 Vgl. § 8 A 1.2 USSG. 243 Vgl. unten (auch zur relevanten Differenzierung nach criminal purpose organizations und anderen Unternehmen) S. 154 f. 244 Siehe dazu bereits oben S. 123.
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zu verstehen haben, die in einem Verzicht auf eine klare Stellungnahme zugunsten einer bestimmten Position lag.245 Da die Unternehmensrichtlinien an anderer Stelle alle gesetzlichen Strafzwecke noch einmal wiederholen,246 ist davon auszugehen, dass sie auch einen Rekurs auf alle Strafzwecke zulassen. Insgesamt wurde damit wie im Rahmen der Richtlinien für natürliche Personen auf eine klare Festlegung zugunsten eines bestimmten Strafzwecks sowie einer Rangfolge der Strafzwecke verzichtet.247 III. Wiedergutmachung In einem ersten Schritt hat der Richter über eine Wiedergutmachung des durch die Straftat verursachten Schadens zu befinden.248 Die Wiedergutmachung ist ein elementarer Bestandteil der Strafzumessung mit dem ehrgeizigen Ziel, dass das Unternehmen „jeglichen Schaden, der durch die Straftat verursacht wurde, beseitigt“.249 Soweit das Unternehmen Zahlungen leistet, werden diese zuerst für die Wiedergutmachung verwendet, bevor sie auf etwaige Strafen angerechnet werden.250 Sie dient allein dem Zweck des Schadensausgleichs und ist vom Unternehmen ohne Rücksicht auf ein Verschulden oder ein Fehlverhalten des Unternehmens zu leisten. Damit ist sie vollkommen unabhängig von der Verhängung einer Geldstrafe, die Schuldfaktoren miteinbezieht.251 Deshalb kann, gerade in Verbindung mit der strikten Zurechnung eines Mitarbeiterverhaltens aufgrund der vicarious liability-Verantwortlichkeit, auch ein vorbildlich handelndes Unternehmen zu einer umfassenden Wiedergutmachung herangezogen werden.252 Die Richtlinien setzen mit der Wiedergutmachungsregelung vor allem gesetzliche Vorgaben um. Die Strafrechtsreform von 1984 hatte die Wiedergutmachung zu einem zentralen Bestandteil der Strafzumessung gemacht.253 So sieht der United States Code für zahlreiche Straftaten nach Bundesrecht explizit eine Wiedergut-
____________ Vgl. zu den theoretischen Hintergründen oben S. 130 ff. § 8 C 2.8 (a) (1) USSG, der die Strafzwecke des 18 U.S.C. § 3553 (a) (2) als Erwägungen des Richters im Rahmen der Festlegung der konkreten Strafe innerhalb des Strafrahmens vorsieht; vgl. zur Festlegung der Strafe unten S. 178 ff. 247 Zur Auslegung der Richtlinien im Hinblick auf die Strafzwecke siehe auch unten S. 205 sowie S. 541 ff. 248 § 8 B USSG; vgl. dazu Gruner, Corporate Criminal Liability, § 12. 249 So der Int. Cmt. zu Kap. 8 USSG. 250 So explizit § 8 B 1.1 (c) USSG. 251 Vgl. zu Berechnung der Geldstrafe unter Schuldgesichtspunkten unten S. 154 ff. 252 Zum Umfang und der Höhe der tatsächlich verhängten Wiedergutmachungsanordnungen vgl. unten S. 274. 253 Vgl. 18 U.S.C. § 3553 (a) (7). 245
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machungsprüfung durch das Gericht vor.254 In diesen Fällen ist nach den Richtlinien eine spezielle Wiedergutmachungsanordnung (restitution order) auszusprechen,255 und zwar auch dann, wenn dies das Gesetz in das Ermessen des Gerichts stellt.256 Das Problem einer unzulässigen Begrenzung des richterlichen Ermessens ist seit dem Booker-Urteil, das die Richtlinien für unverbindlich erklärt hat, nicht mehr virulent.257 Soweit die Wiedergutmachung also nicht gesetzlich verpflichtend ist, steht deren Verhängung im Ermessen des Gerichts. In allen Fällen, in denen keine restitution order in Betracht kommt, kann das Gericht eine Wiedergutmachung als Bewährungsauflage anordnen (remedial order).258 Nach den Richtlinien kann auf eine Wiedergutmachung verzichtet werden, wenn diese bereits von anderen Behörden angeordnet wurde.259 Damit wird eine Koordination mit den zahlreichen Bundesbehörden ermöglicht, die ebenfalls umfangreiche Wiedergutmachungsanordnungen erlassen können. Als besondere Sanktion sehen die Richtlinien vor, dass das Gericht die Leistung gemeinnütziger Dienste (community service) als Bewährungsauflage anordnen kann.260 Dies soll vor allem dann der Fall sein, wenn das Unternehmen dadurch den eingetretenen Schaden besser beheben kann (z.B. weil es Spezialkenntnisse oder spezielle Vorrichtungen besitzt), als dies durch eine monetäre Wiedergutmachung möglich wäre.261 Die Richtlinien eröffnen nun explizit eine Sanktionsmöglichkeit, wie sie vor Einführung der Richtlinien bereits von einigen Gerichten praktiziert ____________ 254 So muss bei allen Gewaltstraftaten, Straftaten gegen das Eigentum, bzw. wenn eine Körperverletzung oder ein monetärer Schaden durch die Tat verursacht wurde (18 U.S.C. §§ 3556, 3663A), sowie in Fällen des sexuellen Missbrauchs (18 U.S.C. § 2248), des Kindesmissbrauchs oder der sexuellen Ausbeutung (18 U.S.C. § 2259), häuslicher Gewalt (18 U.S.C. § 2264) und des Telemarketingbetrugs (18 U.S.C. § 2327) eine Wiedergutmachung angeordnet werden. In allen anderen Fällen der in Titel 18 U.S.C. geregelten Straftaten kann das Gericht eine Wiedergutmachung anordnen (18 U.S.C. §§ 3556, 3663). 255 § 8 B 1.1 USSG. 256 Vgl. § 8 B 1.1 (a) USSG „shall“: Die Wiedergutmachung ist also nach den Richtlinien auch dann verpflichtend, wenn das Gesetz dies nach 18 U.S.C. §§ 3556, 3663 in das Ermessen des Gerichts stellt, vgl. Gruner, Corporate Criminal Liability, § 12.02 [1] [a]; Toensing, 3 Fed. Sent. R. (1990-91), S. 145. Eine Ausnahme ist nach § 8 B 1.1 (b) USSG nur für solche Fälle vorgesehen, in denen die Wiedergutmachung bereits voll geleistet wurde, schwer zu bewerkstelligen ist (z.B. nichtidentifizierbare Opfer, kaum zu berechnender Schaden) oder das Interesse an einer zügigen Prozessfortführung überwiegt (z.B. bei einer großen Anzahl von Opfern, jedoch nur einem jeweils geringen Schaden). 257 Vgl. krit. bspw. Toensing, 3 Fed. Sent. R. (1990-91), S. 145; zum Booker-Urteil siehe unten S. 194 ff. 258 § 8 B 1.2 USSG; diese Regelung ist etwas systemfremd in Teil B verortet, da Fragen der probation ansonsten in Teil D geregelt sind. 259 § 8 B 1.2 Cmt. USSG; dies wird besonders bei Umweltdelikten und food and drug offenses relevant, da in diesen Fällen die zuständigen Behörden umfangreiche Wiedergutmachungsanordnungen treffen können. 260 § 8 B 1.3 USSG. 261 § 8 B 1.3 Cmt. USSG.
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worden war.262 Da sich die Leistung der Dienste auf die Wiedergutmachung des Schadens beziehen muss, ist eine monetäre Spende an wohltätige Organisationen (die keinen Schaden durch die Tat erlitten haben), wie sie einige Gerichte als gemeinnützige Dienste in Erwägung gezogen hatten,263 nunmehr aber ausdrücklich ausgeschlossen.264 Als letzte mögliche Sanktion im Bereich der Wiedergutmachung sehen die Richtlinien schließlich die Verpflichtung zu einer Bekanntmachung der Verurteilung gegenüber den Opfern durch das Unternehmen selbst vor.265 Allerdings gilt diese Regelung lediglich für Betrugsstraftaten; eine umfassendere Veröffentlichungsverpflichtung ist im Rahmen der Bewährungsstrafe vorgesehen.266 Als Mittel der Bekanntmachung kommen neben der postalischen Mitteilung auch öffentliche Aushänge oder Anzeigen in den Medien in Betracht.267 Der Zweck dieser Sanktion liegt zum einen darin, bisher nicht bekannte Opfer über die Verurteilung zu informieren und ihnen dadurch die Erlangung zivilrechtlichen Schadensersatzes zu erleichtern.268 Zum anderen wird mit der Bekanntmachung auf den Ruf des Unternehmens in der Öffentlichkeit eingewirkt (adverse publicity) und damit in verstärkter Weise ein öffentlicher Tadel ausgesprochen. IV. Geldstrafe Nach der Entscheidung über eine Wiedergutmachung hat der Richter über eine Geldstrafe zu befinden.269 Bei der Verhängung der Geldstrafe unterscheiden die Richtlinien zunächst danach, ob das Unternehmen als kriminelle Organisation (criminal purpose organization) einzustufen ist oder nicht.270 Eine kriminelle Organisation liegt dann vor, wenn das Unternehmen vorwiegend mit kriminellen Mitteln arbeitet oder einem kriminellen Zweck dient.271 Ist das Unternehmen als ____________ Vgl. oben S. 117. Vgl. die Urteile in Anm. 23. 264 Gruner, Corporate Criminal Liability, § 12.02 [4]. 265 § 8 B 1.4 USSG, der auf § 5 F 1.4 USSG und dieser wiederum auf 18 U.S.C. § 3555 verweist. 266 Vgl. dazu unten S. 188. 267 Vgl. § 5 F 1.4 Cmt. USSG; 18 U.S.C. § 3555. 268 Vgl. dazu wie auch zum folgenden Punkt Gruner, Corporate Criminal Liability, § 12.02 [5]. 269 § 8 C USSG; vgl. dazu Brickey, Corporate Liability, Bd. 1, §§ 1:12–1:18; Gruner, Corporate Criminal Liability, §§ 8-11; Nagel/Swenson, 71 Wash. U. L. Q. (1993), S. 205 (237–240); Rakoff et al. (eds.), Sentencing, §§ 1 ff. sowie Steinherr/Steinmann/Olbrich, in: Alwart (Hrsg.), Verantwortung, S. 156 (168 ff.). 270 § 8 C 1.1 USSG. 271 Die Richtlinien nennen in § 8 C 1.1 Cmt. USSG als Beispiele Unternehmen, die zur Begehung von Betrügereien gegründet wurden oder denen als Entsorger für gefährliche Abfälle gar keine legalen Mittel zur Abfallentsorgung zur Verfügung stehen. 262 263
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kriminelle Organisation einzustufen, wird eine Geldstrafe in Höhe des gesamten Nettovermögens (also nach Abzug der Verbindlichkeiten) verhängt. Da das Unternehmen somit insolvent ist, wird diese Geldstrafe zu Recht als Todesstrafe für Unternehmen (corporate death penalty) bezeichnet.272 Im Regelfall wird die Strafe mangels vorwiegend krimineller Tätigkeit allerdings nicht infrage kommen.273 Soweit das Unternehmen keine kriminelle Organisation ist, finden die eigentlichen Vorschriften über die Geldstrafe Anwendung.274 Diese Regelungen gelten anders als die vorgenannten Vorschriften zu criminal purpose organizations sowie die über die Wiedergutmachung und die Bewährungsstrafe nicht für alle Straftaten. Insbesondere Umweltdelikte, Lebensmittel- und Arzneimitteldelikte (food and drug offenses) sind ausgenommen.275 Unter bestimmten Umständen, insbesondere wenn die Straftaten mit einem Betrug verbunden sind, finden die Richtlinien dennoch Anwendung.276 Die Berechnung der Geldstrafe nach den Richtlinien wird in vier Schritten vorgenommen:277 1. Ermittlung des Grundbetrags der Geldstrafe (base fine, dazu 1.); 2. Ermittlung des Schuldwerts (culpability score, dazu 2.); 3. Errechnung des Strafrahmens (dazu 3.); 4. Bestimmung der Strafe und Abweichungen vom Strafrahmen (dazu 4.).
____________ 272 Bowers et al., Compliance, S. 8; Brickey, Crime, S. 912 f.; Gruner, Corporate Criminal Liability, § 9.06; Ramirez, 47 Ariz. L. Rev. (2005), S. 933 (944); siehe auch krit. Parker, 71 Wash. U. L. Q. (1993), S. 397 (433 ff.), der die Regelung verfassungsrechtlich für bedenklich hält und als Ausdruck der Überkriminalisierung sieht. 273 Ausgeschlossen ist dies aber keineswegs, wenn bspw. eine (Tochter-)Gesellschaft hauptsächlich Waren unter Verletzung bundesstrafrechtlicher Regelungen produziert, vgl. Gruner, 66 S. Cal. L. Rev. (1992-93), S. 225 (231) Anm. 25. Zu Einzelfällen aus der Rspr. siehe Brickey, Crime, S. 913; Gruner, Corporate Criminal Liability, § 9.06 [2]. 274 §§ 8 C 2.1–2.9 USSG. 275 Vgl. § 8 C 2.1 USSG, der eine abschließende Liste der Straftaten enthält, auf die die Richtlinien Anwendung finden; auf food and drug offenses sind die Richtlinien aber dann anwendbar, wenn sie mit einem Betrug verbunden sind (§ 2 N 2.2 Cmt. 2, § 8 C 2.1 Cmt. 2 USSG), siehe Gruner, 66 S. Cal. L. Rev (1992-93), S. 225 (280 ff.). Zur Ermittlung der Geldstrafe für nicht erfasste Straftaten vgl. unten S. 183. 276 Vgl. § 8 C 2.1 Cmt. 2 USSG sowie § 2 N 2.2 Cmt. 2; näher Gruner, Corporate Criminal Liability, § 8.03 [2] [b]. 277 Vgl. zum prozessualen Ablauf unten S. 230 f. Zu Beispielsberechnungen siehe Gruner, 66 S. Cal. L. Rev (1992-93), S. 225 (232 f.); Maurer, 18 U. Dayton L. Rev. (199293), S. 799 (811 ff.). Zu Unterschieden in der Berechnung gegenüber natürlichen Personen siehe D. Murphy, 87 Iowa Law Review (2002), S. 697 (705 f.).
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2. Kapitel: Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika
Im Überblick ergibt sich damit folgendes Vorgehen: Schaubild 2: Bestimmung der Geldstrafe
1. Ermittlung des Grundbetrags (base fine) Zunächst wird der Grundbetrag der Geldstrafe (base fine) ermittelt. Dieser legt die Höhe der Geldstrafe fest, die ein durchschnittlich straffälliges Unternehmen für eine konkrete Straftat zu erwarten hat.278 Soweit in diesem Stadium bereits ersichtlich ist, dass ein Unternehmen die Geldstrafe nicht bezahlen können wird, ist die weitere Ermittlung der Geldstrafe nicht notwendig; vielmehr kann das Gericht hier eine den finanziellen Verhältnissen des Unternehmens angemessene (niedrigere) Geldstrafe verhängen oder davon sogar absehen, wobei der Ermöglichung einer Wiedergutmachungszahlung gegenüber einer Geldstrafe Vorrang einzuräumen ist.279 Der Grundbetrag kann sich aus drei Kriterien ergeben: dem aus der Tat erzielten Gewinn (pecuniary gain), dem mit der Tat verursachten Verlust (pecuniary loss) oder dem aufgrund der Schwere des Delikts anhand einer Tabelle (Offense Level Fine Table) bestimmten Geldbetrag. Maßgeblich ist grundsätzlich der im konkreten Fall höchste Wert. Soweit allerdings die Ermittlung des Gewinns oder des Verlusts zu kompliziert oder aufwändig ist, kann das Gericht den Grundbetrag allein aufgrund der Schwere des Delikts ermitteln.280
____________ 278 279 280
Vgl. Gruner, 66 S. Cal. L. Rev (1992-93), S. 225 (231). Vgl. § 8 C 2.2 i.V.m. § 8 C 3.3 USSG. Vgl. § 8 C 2.4 Cmt. 2 USSG mit Hinweis auf 18 U.S.C. § 3571 (d).
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Die Bestimmung des Grundbetrags nach dem aus der Tat erzielten Gewinn soll Unternehmen abschrecken, durch Straftaten Gewinne zu erlangen.281 Der Begriff „Gewinn“ wird weit verstanden und erfasst neben den direkten Einnahmen aus der Straftat beispielsweise auch eingesparte Kosten.282 Im Sinne einer optimalen Abschreckungswirkung müsste der Gewinn an sich noch im Verhältnis zur Aufdeckungswahrscheinlichkeit erhöht werden. Aufgrund der Schwierigkeiten, diese Wahrscheinlichkeit zu bestimmen, setzen die Richtlinien den Unternehmensgewinn aber ohne weitere Korrekturen an.283 Der angesetzte Gewinn ergibt sich also im Vergleich zwischen tatsächlicher Lage (aufgrund der Straftat) und der hypothetischen Lage bei rechtmäßigem Verhalten des Unternehmens. Die Feststellung des Gewinns wird im seltensten Fall ohne aufwändige Ermittlungen möglich, in zahlreichen Fällen aufgrund der Komplexität der Geschäftsführung sogar praktisch überhaupt nicht durchführbar sein. Die Bestimmung des Grundbetrags nach dem Verlust auf Seiten des/der Opfer(s) soll Unternehmen dazu bewegen, derartige finanzielle Auswirkungen bereits beim unternehmerischen Handeln zu kalkulieren und zu vermeiden.284 War der Verlust im ersten Vorentwurf der Richtlinien noch als alleiniger Anknüpfungspunkt für die Geldstrafe vorgesehen, so ist er in der geltenden Fassung nur noch als eine Alternative zur Berechnung nach dem Gewinn oder der Schwere des Delikts ausgestaltet.285 Denn die genaue Bestimmung des Verlusts wirft hinsichtlich der Frage, welche finanziellen Folgen für das Opfer im Einzelnen einzubeziehen sind, wie hoch der konkrete Schaden ist und welcher Personenkreis überhaupt betroffen ist, zahlreiche praktische Probleme auf.286 Erfasst werden beispielsweise direkte Schäden an Sachen und Reparaturkosten, nicht aber etwaige Zinszahlungen oder die Kosten ____________ 281 Vgl. § 8 C. 2.4 Cmt. a.E. USSG; allerdings konterkarieren zahlreiche Punkte im System der Richtlinien die Abschreckungswirkung; vgl. Gruner, 66 S. Cal. L. Rev (1992-93), S. 225 (236 ff.). 282 Vgl. die Erläuterungen zum Begriff „pecuniary gain“, der in 18 U.S.C. § 3571 (d) erwähnt ist, in § 8 A 1.2 Cmt. 3 (h) USSG. Eingehend Gruner, Corporate Criminal Liability, § 9.03. 283 Vgl. Nagel/Swenson, 71 Wash. U. L. Q. (1993), S. 205 (219 f.); 284 Vgl. § 8 C. 2.4 Cmt. a.E. USSG; dazu wie auch zu den Schranken einer solchen Motivations- und Abschreckungswirkung Gruner, 66 S. Cal. L. Rev (1992-93), S. 225 (253 ff.). 285 Zum ersten Entwurf vgl. oben S. 133. 286 Zum Begriff „pecuniary loss“, der ebenfalls in 18 U.S.C. § 3571 (d) erwähnt ist, vgl. §§ 8 A 1.2 Cmt. 3 (i) USSG, der auf die loss-Bestimmung der Richtlinien für natürliche Personen in § 2 B 1.1 USSG (im Rahmen des Tatbestands für Diebstahl und Betrug) verweist. Die genaue Bestimmung des Verlusts ist gerade bei natürlichen Personen äußerst umstritten, da ein hoher Verlust eine massive Erhöhung des Strafrahmens nach sich zieht, vgl. Bowman, 51 Vand. L. Rev. (1998), S. 461 ff.; Haines et al., Handbook, S. 315 ff. Im Bereich der Unternehmensstrafe ist das Problem weniger gravierend, da der Verlust nur als Ausgangspunkt der Strafe gewählt wird (auch entscheidend durch den Schuldwert ergänzt wird) und zudem bei einer schwierigen Ermittlung des Verlusts ganz darauf verzichtet werden kann, vgl. Gruner, Criminal Corporate Liability, § 9.04.
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für das Strafverfahren.287 Schäden, die bis zur Entdeckung der Tat ausgeglichen werden, sind ebenfalls nicht zu berücksichtigen. Eine Beschränkung hinsichtlich der einzubeziehenden Folgen wird allerdings dadurch erreicht, dass nicht alle vermögenswerten Einbußen auf Seiten der Opfer als Verlust zu zählen sind, sondern nur solche, die das Unternehmen vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht hat.288 Insgesamt kann sich das Gericht auf eine vernünftige Schätzung des Verlusts beschränken.289 Das dritte Kriterium, die Bestimmung des Grundbetrags nach der Schwere des Delikts, erlangt vor allem in den Fällen Bedeutung, in denen weder ein Gewinn noch ein Verlust ermittelbar ist. Dieser Ansatz wurde bei den Richtlinien für natürliche Personen eingeführt, nunmehr aber auch für Unternehmensrichtlinien übernommen. Jedem Tatbestand wird ein nach seiner „Schwere“ bestimmter Wert zugewiesen.290 Aus einer Tabelle kann dann der dem jeweiligen Wert entsprechende Grundbetrag entnommen werden.291 Die Schwere des Delikts richtet sich im Ausgangspunkt nach dem verwirklichten gesetzlichen Tatbestand. Allerdings können zahlreiche zusätzliche Faktoren wie Höhe und Art des Schadens berücksichtigt werden, die die Schwere des Delikts deutlich steigern.292 Im Vergleich zur Lage vor Einführung der Richtlinien wird damit eine deutlich höhere Strafe bei den einzelnen Tatbeständen als zuvor erreicht.293 In vielen Fällen wird sich dennoch der Grundbetrag nach dem Gewinn bzw. dem Schaden bestimmen, da diese Werte in ____________ Vgl. § 2 B 1.1 Cmt. 3 USSG. Vgl. § 8 C 2.4 (a) (3) USSG, wobei die Richtlinien von „intentionally, knowingly, or recklessly“ sprechen und sich insoweit das Problem des genauen Inhalts dieser subjektiven Elemente stellt. Diesem Problem widmen sich die Richtlinien jedoch nicht weiters. Vgl. zu dieser allgemeinen Problematik des US-amerikanischen Strafrechts Weik, Verbrechenselemente, S. 83 ff. 289 Vgl. § 2 B 1.1 Cmt. 3 USSG. 290 Vgl. § 8 C 2.3 USSG, der für die Ermittlung des Werts der Schwere des Delikts auf Kap. 2 USSG verweist, also für Unternehmen die gleichen Werte wie für natürliche Personen gelten. Damit gilt bei Unternehmen die diesbezüglich geäußerte Kritik an der willkürlichen Festsetzung der Werte ganz besonders, da sie sich v.a. an der empirisch festgestellten Inhaftierungsdauer für bestimmte Tatbestände orientieren und somit in keinerlei Weise auf die Unternehmensstrafbarkeit zugeschnitten sind; vgl. zur Kritik oben Anm. 86. 291 In § 8 C 2.4 (d) USSG findet sich die Tabelle, die jedem Wert den Ausgangsbetrag der Geldstrafe zuweist. Diese Geldbeträge liegen deutlich über den Werten für natürliche Personen (wobei sich im dortigen System nach § 5 E 1.2. USSG aus dem Schwerewert der Strafrahmen der Geldstrafe ermitteln lässt und nicht nur der Ausgangswert); so beträgt z.B. die maximale Geldstrafe für natürliche Personen 250.000 US-Dollar, während der maximale Ausgangswert für Unternehmen, der bei einem entsprechendem Schuldwert zu einer noch deutlich darüber liegenden Geldstrafe führen kann, bei 72,5 Mio. US-Dollar liegt. 292 So kann bspw. der Wert eines Diebstahls, der grundsätzlich bei sechs bzw. sieben Punkten liegt, allein durch die Höhe des Schadens um bis zu 30 Punkte gesteigert werden, vgl. § 2 B 1.1 USSG. 293 Vgl. Gruner, 36 Ariz. L. Rev. (1994), S. 407 (409); Webb et al., 49 Bus. Law. (199394), S. 617 (641). 287
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der Praxis regelmäßig über dem aufgrund der Schwere des Delikts bestimmten Grundbetrags liegen dürften.294 Soweit mehrere Tatbestände verwirklicht wurden, findet eine spezielle Berechnung des Grundwerts statt. Da im System der USA Konkurrenzfragen der Strafzumessung zugerechnet werden, erfolgt im Erkenntnisverfahren zunächst die Verurteilung wegen mehrerer Taten. Die Richtlinien sehen im 3. Kapitel eigene Konkurrenzregeln vor, die eine deutliche Weiterentwicklung des Ansatzes des common law darstellen, bei dem eine mehrfache Verurteilung auch mehrfache Strafen zur Folge hatte.295 Nach den Richtlinien lässt sich für die Schwere des Delikts ein Gesamtgrundwert (combined offense level) ermitteln, der somit einen einheitlichen Strafrahmen ermöglicht.296 Besonders ausdifferenziert ist das System der Konkurrenzregelungen im Bereich der Unternehmensstrafbarkeit allerdings nicht, da die Strafzumessungsregel für Unternehmen lediglich auf die für natürliche Personen geltenden Regelungen verweist.297 Insbesondere wird nicht unterschieden, ob ein Mitarbeiter mehrere Taten begeht oder mehrere Mitarbeiter Taten begehen, die aber auf dasselbe Defizit (z.B. mangelnde Überwachung) im Unternehmen zurückzuführen sind. In beiden Fällen wird ein Gesamtgrundwert berechnet. Der Umstand, dass ggf. das gleiche Defizit Auslöser für mehrere Taten war, kann daher nur im Rahmen der Ermessensentscheidung des Richters innerhalb des errechneten Strafrahmens bzw. bei der Frage einer Abweichung vom Strafrahmen berücksichtigt werden. 2. Ermittlung des Schuldwerts (culpability score) Nach Ermittlung des Grundbetrags wird der Schuldwert (culpability score) bestimmt.298 Daraus ergeben sich dann die Faktoren, mit denen der Grundbetrag multipliziert wird und sich so der jeweilige Strafrahmen berechnen lässt.299 Die Höhe des Schuldwerts stellt dabei den entscheidenden Faktor für die Höhe der Geldstrafe dar.300 Die Richtlinien sehen keine allgemeine Definition vor, was unter der Unternehmensschuld zu verstehen ist. Sie zählen lediglich einzelne Bereiche auf, die für ein ____________ Vgl. Gruner, 66 S. Cal. L. Rev (1992-93), S. 225 (264 f.). Vgl. zur Konkurrenz im amerikanischen Strafrecht Stuckenberg, ZStW 113 (2001), 146 (149), speziell zu den Richtlinien auf S. 168 ff. 296 Die Regelung ist dabei der deutschen Konkurrenzlehre gar nicht so unähnlich, siehe Stuckenberg, ZStW 113 (2001), 146 (168 ff.). 297 Vgl. § 8 C 2.3 (a) USSG, der im Ganzen auf das 3. Kapitel Teil D. verweist. 298 § 8 C 2.5 USSG. 299 Vgl. Gruner, 66 S. Cal. L. Rev (1992-93), S. 225 (231); zur Berechnung siehe unten S. 176. 300 Gruner, 36 Ariz. L. Rev. (1994), S. 407 (425 ff.) mit konkreten Beispielen. 294
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Verschulden als relevant angesehen werden. Gemeinsam ist diesen Bereichen, dass ein Verschulden bejaht wird, wenn das Unternehmen durch seine besondere Organisation und das Verhalten der Führungspersonen eine Straftat erleichtert, gefördert oder in sonstiger Weise einfacher gemacht hat, als dies bei einer Begehung außerhalb des Unternehmens der Fall gewesen wäre.301 Ausgehend von einem vorgegebenen Schuldwert (von fünf Punkten)302 wird zunächst festgestellt, ob Umstände vorliegen, die den Schuldwert erhöhen bzw. vermindern können. Die Richtlinie nennt sechs verschiedene Kriterien, die hierfür relevant sind, wobei die ersten vier strafschärfend und die letzten beiden strafmildernd berücksichtigt werden: – – – – – –
Beteiligung oder Tolerierung der kriminellen Aktivität (dazu a); Vorstrafen (dazu b); Verstoß gegen eine gerichtliche Anordnung (dazu c); Behinderung der Justiz (dazu d); effektives Compliance- und Ethikprogramm (dazu e); Kooperation mit den Ermittlungsbehörden (dazu f).
Der Schuldwert kann (bei Vorliegen aller Erschwernisgründe) um maximal 17 Punkte auf den Höchstwert von 22 Punkten steigen. Umgekehrt kann er um maximal 8 Punkte auf den untersten Wert von – 3 Punkten gesenkt werden.303 a) Beteiligung oder Tolerierung der kriminellen Aktivität Das erste Kriterium betrifft die Beteiligung einer Führungsperson (high-level personnel) an der Anknüpfungstat.304 Eine derartige Beteiligung erhöht den Schuldwert. Die Regelung findet auch Anwendung auf Mitarbeiter mit Entscheidungsbefugnis (substantial authority personnel), die nicht zwingend leitende Mitarbeiter sein müssen. Eine Beteiligung liegt vor, wenn die Mitarbeiter an der Straftat (aktiv) mitgewirkt, diese stillschweigend geduldet oder bewusst ignoriert
____________ 301 Vgl. Gruner, Corporate Criminal Liability, § 10.01[2]; dieses Verständnis ähnelt den Ansätzen in der Literatur z.B. bei French, Corporate Responsibility, S. 134; Laufer, 43 Emory L. J. (1994), S. 647 (664 ff.); Moore, 34 Ariz. L. Rev. (1992), S. 743 (796). 302 Bei diesem Wert liegt der Minimummultiplikator bei eins und der Maximummultiplikator bei zwei. 303 Praktisch relevant sind allerdings nur die Schuldwerte zwischen 0 und 10 Punkten, da nur innerhalb dieses Rahmens unterschiedliche Multiplikatoren vorgesehen sind; vgl. unten S. 176. 304 § 8 C 2.5 (b) USSG; als Führungsperson kommen gemäß § 8 A 1.2 Cmt. 3. (b) USSG insbes. infrage: director, executive officer oder eine andere Person in der Geschäftsleitung mit Entscheidungsbefugnis; vgl. dazu Sauber, in: Rakoff et al. (eds.), Sentencing, § 3.02.
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haben.305 Der Umfang der Erhöhung richtet sich nach der Größe des Unternehmens: Je mehr Mitarbeiter das Unternehmen hat, umso höher ist der hinzuzurechnende Schuldwert.306 b) Vorstrafen Als strafschärfend wird auch gewertet, wenn das Unternehmen bereits einschlägige Vorstrafen aufweist.307 Dabei werden nicht nur strafrechtliche Verurteilungen berücksichtigt, sondern auch zivil- und verwaltungsrechtliche Entscheidungen, die auf einem entsprechendem Verhalten des Unternehmens beruhen.308 c) Verstoß gegen eine gerichtliche Anordnung Ein Verstoß gegen eine gerichtliche Anordnung wird ebenfalls strafschärfend berücksichtigt.309 Erfasst werden sowohl Verstöße gegen Anordnungen im laufenden Verfahren als auch gegen Bewährungsauflagen in einem bereits abgeschlossenen Verfahren. Hier kann sich insbesondere die unzureichende Umsetzung der Bewährungsstrafe, ein Compliance-Programm zu schaffen und zu implementieren,310 auswirken. d) Behinderung der Justiz Schließlich gilt als strafschärfend, wenn das Unternehmen die Aufklärung der Straftat durch die Justiz behindert.311 Diese Regelung bildet das Gegenstück zur strafmildernden Berücksichtigung einer Kooperation mit der Justiz. ____________ 305 Welche Beteiligungsformen damit beschrieben werden ist nicht klar, da die Richtlinien diesbezüglich keine Definitionen beinhalten, vgl. Sauber, in: Rakoff et al. (eds.), Sentencing, § 3.02 [2] [b]. 306 Ab 10 Mitarbeitern wird ein Punkt, ab 50 Mitarbeitern werden zwei Punkte, ab 200 Mitarbeitern drei Punkte, ab 1.000 Mitarbeitern vier Punkte und ab 5.000 Mitarbeitern fünf Punkte hinzugezählt. 307 § 8 C 2.5 (c) USSG. Liegt die Vorstrafe weniger als fünf Jahre zurück, werden zwei Punkte hinzugezählt, liegt sie weniger als zehn Jahre zurück nur ein Punkt. Ältere Strafen werden nicht berücksichtigt. Vgl. dazu Sauber, in: Rakoff et al. (eds.), Sentencing, § 3.03. 308 Einziger Unterschied ist, dass eine strafrechtliche Verurteilung genügt, jedoch mindestens zwei zivil- bzw. verwaltungsrechtliche Verurteilungen vorliegen müssen. 309 § 8 C 2.5 (d) USSG. Je nach Art des Verstoßes werden ein oder zwei Punkte hinzugezählt. 310 Siehe zu einer derartigen Bewährungsstrafe unten S. 187 f. 311 § 8 C 2.5 (e) USSG. Darunter fallen sowohl die aktive Behinderung wie auch die Untätigkeit, gegen eine solche Behinderung vorzugehen. Es werden dann drei Punkte hinzugezählt. Vgl. Sauber, in: Rakoff et al. (eds.), Sentencing, § 3.05.
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e) Effektives Compliance- und Ethikprogramm Strafmildernd wirkt es sich hingegen aus, wenn das betroffene Unternehmen zum Zeitpunkt der Begehung der Straftat ein effektives Compliance- und Ethikprogramm besitzt.312 Ein solches Programm führt zu einem Abzug von drei Punkten beim Schuldwert. Ausgehend von dem zugrunde gelegten Ausgangswert von fünf Punkten kann dadurch der Schuldwert auf zwei Punkte gesenkt werden, was zu einer Ermäßigung des Strafrahmens um 60 % führt.313 Die Milderung kommt einem Unternehmen jedoch nur dann zugute, wenn nicht bestimmte Faktoren den Milderungsgrund ausschließen (dazu 1) und das Compliance- und Ethikprogramm als effektiv einzustufen ist (dazu 2). (1) Ausschlussgründe Die Privilegierung durch ein Compliance- und Ethikprogramm greift in zwei Fällen nicht ein. Zum einen findet es keine Anwendung, wenn das Unternehmen die Ermittlungsbehörden nicht unverzüglich über den Vorfall benachrichtigt hat.314 Die Richtlinien sehen insoweit zwar vor, dass das Unternehmen zunächst interne Ermittlungen vornehmen darf und nicht zur Meldung von Vorfällen verpflichtet ist, bei denen es annehmen durfte, es liege gar keine Straftat vor.315 Allerdings ist wenig klar, was „unverzüglich“ bedeutet. Zudem dürfte die Einschätzung, es liege keine Straftat vor, kaum auf Akzeptanz des Gerichts stoßen, wenn sich dies später als Irrtum herausstellt.316 Des Weiteren könnte eine Nichtmeldung oder verspätete Meldung dem Unternehmen als mangelnde Kooperation ausgelegt werden, was zum Ausschluss der zweiten Milderungsmöglichkeit führen würde.317 Insoweit übt die Ausschlussregelung einen starken Druck auf Unternehmen aus, Vorfälle zu melden, wenn sie die Milderungsvorschrift für Compliance- und Ethikprogramme in Anspruch nehmen wollen. Die zweite Einschränkung besteht bei einer Beteiligung von Führungspersonen (high-level personnel) an der Straftat.318 Gleichfalls erfasst ist dabei die Verwicklung von Personal (auch wenn es kein Führungspersonal ist), das für die Erstellung ___________ § 8 C 2.5 (f) (1) i.V.m. § 8 B 2.1 (a) USSG. Vgl. z.B. Eisenberg, in: Rakoff et al. (eds.), Sentencing, § 4.02; zur Berechnung siehe unten S. 176. 314 § 8 C 2.5 (f) (2) USSG („unreasonably delayed reporting“). 315 § 8 C 2.5 Cmt. 10. USSG. 316 Daher krit. Eisenberg, in: Rakoff et al. (eds.), Sentencing, § 4.02 [3] [a]. 317 Vgl. dazu unten S. 174 ff. 318 § 8 C 2.5 (f) (3) USSG; die Vorschrift erfasst wie der Strafschärfungsgrund des § 8 C 2.5 (b) USSG (Beteiligung oder Duldung krimineller Aktivität) auch Mitarbeiter mit Entscheidungsbefugnis (substantial authority personnel). 312
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und Umsetzung des Compliance-Programms verantwortlich war.319 Bei Unternehmen mit mehr als 200 Mitarbeitern führt die Beteiligung dazu, dass die Strafmilderung überhaupt nicht anzuwenden ist. Bei Unternehmen mit weniger als 200 Mitarbeitern besteht die widerlegbare Vermutung, dass das Compliance-Programm nicht effektiv war. Die Privilegierung für kleine Unternehmen wurde erst im Jahr 2004 geschaffen. Hintergrund ist, dass gerade bei kleinen Unternehmen sehr häufig Führungspersonen in die Taten involviert sind, da nur wenige Personen für das Unternehmen verbindliche Entscheidungen treffen können. Als Beteiligung kommt die (aktive) Mitwirkung, die stillschweigende Duldung oder das bewusste Ignorieren der Straftat in Betracht.320 Die Beteiligung von Führungspersonen hat also deutliche Auswirkungen auf die Strafzumessung. Denn sie führt nicht nur zum Entfallen einer der beiden Privilegierungsmöglichkeiten, sondern auch zur oben unter a) genannten Strafschärfung. Gerade bei großen Unternehmen bewirkt dies eine deutliche Anhebung des Schuldfaktors bei nicht widerlegbarem Ausschluss der Berufung auf ein Compliance- und Ethikprogramm. (2) Kriterien für ein effektives Compliance- und Ethikprogramm Wenn die Anwendbarkeit des Schuldmilderungsgrundes nicht ausgeschlossen ist, hängt eine Berücksichtigung eines Compliance- und Ethikprogramms von dessen Effektivität ab. Wie ein effektives Compliance- und Ethikprogramm beschaffen sein muss, erklärt sich keineswegs von selbst. Die 1991 in Kraft getretenen Richtlinien sahen daher in ihrer Kommentierung einige Hinweise vor, was bei Erstellung eines solchen Programms zu berücksichtigen sei. Problematisch erschien jedoch, ob ein Unternehmen die Vorgaben der Richtlinien so umsetzen könne, dass tatsächlich ein effektives Programm entsteht.321 Häufig wurde daher die Einschätzung geäußert, dass zwar viele Unternehmen ein schriftliches Compliance-Programm besäßen, es ihnen jedoch an einem effektiven Programm im Sinne der Richtlinien fehle.322 Ein Hauptproblem bestand darin, dass es mehrere grundsätzlich verschiedene Ansätze gibt, wie ein Compliance-Programm konstruiert werden kann.323 Vielfach ____________ Vgl. § 8 C 2.5 (f) (3) (A) USSG, der auf § 8 B 2.1 (b) (2) USSG verweist. Wie bei § 8 C 2.5 (b) USSG (Beteiligung oder Duldung krimineller Aktivität) fehlt es auch hier an einer eingehenderen Definition der Beteiligungsformen. 321 Vgl. Note, 109 Harv. L. Rev. (1995-96), S. 1783; siehe auch USSC, Corporate Crime, S. 33 ff. 322 Vgl. z.B. Webb et al., 49 Bus. Law. (1993-94), S. 617 (663). 323 Vgl. nur Trevino et al., 41 Cal. Mgmt. Rev. (1999), S. 131 ff., die vier verschiedene Ansätze bei Compliance-Programmen ausmacht: (1) Der compliance-based approach setzt auf die Prävention, Aufdeckung und Bestrafung von Rechtsverletzungen. (2) Der valuesbased approach setzt auf die Definition ethischer Werte und die Motivation von Mitarbeitern zur Einhaltung dieser Werte. (3) Die external stakeholder orientation setzt auf die Erfüllung der Erwartungen von Kunden, Zulieferern und des einschlägigen Geschäftsumfelds 319 320
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wurde vor allem der bereits erwähnte Gegensatz zwischen einem ethischen Ansatz und regelorientierten Compliance-Programmen gesehen.324 Der ethisch basierte Ansatz wurde dabei tendenziell als der effektivere angesehen. Daher wurden die Richtlinien im Jahr 2004 zur Klarstellung um den Ethik-Aspekt ergänzt und die Kriterien für effektive Compliance- und Ethikprogramme konkretisiert.325 Die detaillierten Vorgaben bedeuten aber nicht, dass tatsächlich alle Einzelfragen von der Kommission vorgegeben wären. Es wurde der ursprüngliche Ansatz beibehalten, die Gestaltung des Programms in weiten Teilen den Unternehmen zu überlassen, um damit die nötige Flexibilität in der Ausgestaltung zu ermöglichen. Dies erscheint auch sinnvoll, da es aufgrund der Verschiedenartigkeit der Unternehmen und der Geschäftsbereiche schwer ist, mehr als allgemeine Kriterien festzulegen.326 Zudem besteht die Möglichkeit, dass im Compliance-Programm „best practices“ und industriespezifische Praktiken berücksichtigt werden.327 Die Wiedergabe von „best practices“ ist geeignet, das vorbildliche Geschäftsgebaren in einem bestimmten Geschäftsbereich im Detail zu umschreiben.328 Die Einbindung dieser Selbstinitiativen ist nicht unumstritten, da sie zur kollusiven Festsetzung unzureichender Mindeststandards und zu Absprachen im grauen Bereich führen könnten; bislang haben die Bemühungen insgesamt aber eher überdurchschnittliche Standards gesetzt.329 Die Flexibilität der Richtlinien birgt auch die Gefahr, dass die Vorgaben nur vordergründig durch Erfüllung der allgemeinen Kriterien umgesetzt werden (window-dressing, scapegoating).330 Außerdem legt es den Unternehmen die Konstruktionslast und das Risiko auf, dass sich das Programm als ineffektiv herausstellt,331 zumal dem Unternehmen ohnehin die Beweislast obliegt.332 Eine Erstellung ohne juristischen Beistand ist daher kaum empfehlenswert.333 ____________ des Unternehmens. (4) Die top management protection setzt einseitig auf den Schutz der Unternehmensleitung in Fällen von unethischem oder illegalem Verhalten. 324 Vgl. bereits oben S. 144 ff. 325 Vgl. oben a.a.O. 326 Sektorspezifisch haben dagegen einzelne Bundesbehörden in ihrem Zuständigkeitsbereich detaillierte Compliance-Vorgaben aufgestellt, vgl. unten S. 293 ff. 327 Bowers et al., Compliance, S. 7; Goldsmith/King, 50 Vand. L. Rev. (1997), S. 1 (21 f.); für eine noch stärkere Berücksichtigung solcher best practices spricht sich Langevoort, 2002 Colum. Bus. L. Rev. (2002), S. 71 (115) aus. 328 Vgl. zu dem häufig angeführten Beispiel der Rüstungsindustrie Kaplan/MurphyYuseph, Compliance, Kap. 19. 329 Vgl. Note, 109 Harv. L. Rev. (1995-96), S. 1783 (1793 f.). 330 Langevoort, 2002 Colum. Bus. L. Rev. (2002), S. 71 (114). 331 Nagel/Swenson, 71 Wash. U. L. Q. (1993), S. 205 (230); Note, 109 Harv. L. Rev. (1995-96), S. 1783 (1798). 332 Vgl. Gruner, Corporate Criminal Liability, § 10.03 [2] [a]. 333 Vgl. Gruner, 46 Emory L. J. (1997), S. 1113 ff. zur anwaltlichen Tätigkeit im Umfeld von Compliance-Anforderungen an Unternehmen.
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Bislang liegen noch keine richterlichen Präzedenzfälle vor, die festlegen würden, welche Punkte für ein effektives Compliance- und Ethikprogramm letztlich ausschlaggebend sind.334 Allenfalls die verfahrensbeendenden Vereinbarungen mit der Staatsanwaltschaft, die oftmals umfassende Compliance-Vorgaben vorsehen, könnten Ansatzpunkte für die Praxis geben.335 Allerdings werden diese Vereinbarungen, die erst in den letzten Jahren größere Bedeutung erlangt haben, nur teilweise veröffentlicht und bislang nicht systematisch ausgewertet.336 In Ermangelung von Erfahrungen aus der Praxis bilden daher die Unternehmensrichtlinien mit ihren Erläuterungen und deren Verständnis in der Literatur bislang die zentralen Anhaltspunkte für die Erstellung von Compliance-Programmen. Im Folgenden sollen die Vorgaben der Richtlinien näher vorgestellt werden, wobei zunächst auf die allgemeinen Vorgaben (a) eingegangen wird, bevor die Einzelaspekte (b–h) näher beleuchtet werden. (a) Allgemeine Vorgaben Die Richtlinien definieren ein Compliance- und Ethikprogramm als eine Maßnahme, die der Verhinderung und Aufdeckung kriminellen Verhaltens dient.337 Es hat somit sowohl einen präventiven als auch einen repressiven Aspekt. Um ein effektives Programm vorzuweisen, muss das Unternehmen zum einen ordnungsgemäße Sorgfalt (due diligence) bei der Verhinderung und Aufdeckung von Straftaten walten lassen und sich zum anderen für eine Unternehmenskultur einsetzen, die ethisches Verhalten und die Rechtseinhaltung im Unternehmen fördert.338 An diesem Punkt wird der 2004 aufgenommene ethische Aspekt deutlich hervorgehoben.339 Zum Nachweis der Effektivität genügt, dass das Compliance- und Ethikprogramm in angemessener Weise erstellt, umgesetzt und durchgesetzt wurde, sodass dadurch generell Straftaten verhindert und aufgedeckt werden können.340 Die Richtlinien nehmen explizit Bezug darauf, wie die Anknüpfungstat des Mitarbeiters zu bewerten ist. Sie stellen klar, dass ein Programm nicht allein deswegen ineffektiv ist, weil es den konkret zur Strafverfolgung führenden Vorfall nicht verhindern konnte.341 ____________ Wellner, 27 Cardozo L. Rev. (2005), S. 497 (512). Vgl. hierzu näher unten S. 242 f. und 260 ff. 336 Zudem sind diese Vereinbarungen nicht an die Vorgaben der Strafzumessungsrichtlinien gebunden, sodass sie nur als Interpretationshilfe herangezogen werden könnten. 337 § 8 B 2.1 Cmt. 1. USSG. 338 § 8 B 2.1 (a) USSG ; vgl. Goldsmith/King, 50 Vand. L. Rev. (1997), S. 1 (19 ff.). 339 Vgl. ausführlich die Begründung in USSC, Report, S. 51 ff. 340 § 8 B 2.1 (a) USSG. 341 Bowers et al., Compliance, S. 8 formulieren es so, dass ein Mitarbeiter ausnahmsweise unterhalb des ansonsten funktionierenden Radarbereichs fliegt; krit. aber Bowman, 334 335
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Für die inhaltliche Erstellung des Compliance- und Ethikprogramms sehen die Richtlinien insgesamt sieben Kriterien vor, die als Mindestanforderungen für den Nachweis der ordnungsgemäßen Sorgfalt bei Verhinderung und Aufdeckung von Straftaten wie auch der Beförderung einer ethischen Unternehmenskultur definiert werden.342 Für die Umsetzung dieser Kriterien geben die Richtlinien explizit vor, dass industriespezifische Praktiken und einschlägige Regulierungsvorgaben der Exekutive einzubeziehen sind.343 Die Richtlinien stellen auch klar, dass je nach Größe des Unternehmens unterschiedliche Anforderungen an Umfang und Komplexität des Programms gelten.344 Je größer das Unternehmen ist, desto umfangreicher und formalisierter ist das Programm zu gestalten. Bei kleineren Unternehmen steht vor allem die Förderung ethischen Verhaltens und die Einhaltung rechtlicher Regelungen im Vordergrund, weniger die Formalisierung der Abläufe. Um die sieben Compliance-Aspekte effektiv zu gestalten, sehen die Richtlinien vor, dass das Unternehmen regelmäßig eine umfassende Analyse hinsichtlich strafrechtlicher Risiken vornimmt.345 Denn nur anhand einer solchen Bestandsaufnahme kann bestimmt werden, was als angemessener Sorgfaltsstandard für das Compliance- und Ethikprogramm anzunehmen ist.346 Das Erfordernis der Risikoanalyse wurde im Jahr 2004 explizit aufgenommen, auch um eine fortwährende Anpassung des Compliance-Programms an die bestehenden Risiken zu ermöglichen.347 Dabei sollen insbesondere die Wahrscheinlichkeit, die Art und die Schwere möglicher Straftaten periodisch bewertet werden.348 Die so gewonnenen Erkenntnisse sollen zur Modifizierung der einzelnen Compliance- und Ethikmaßnahmen genutzt werden, wenn sich Defizite ergeben.349 Durch diesen Schritt wird also der Blick von der alltäglichen Einhaltung der Programmvorgaben auf die Gesamtkonstruktion des Programms erweitert und dieses selbst einer regelmäßigen Kontrolle unterworfen. Im Einzelnen sehen die sieben Compliance-Kriterien der Richtlinien vor: die Festlegung von Compliance-Standards und Abläufen (b), die Verankerung des ___________ 39 Wake Forest L. Rev. (2004), S. 671 (685), der meint, die Richtlinien schafften durch diesen Widerspruch eigentlich ein Catch-22-Dilemma. 342 § 8 B 2.1 (b) USSG. 343 § 8 B 2.1 Cmt. 2. (B) USSG, wonach die mangelnde Einbeziehung dieser Vorgaben gegen die Effektivität des Programms spricht. 344 § 8 B 2.1 Cmt. 2. (C) USSG. 345 § 8 B 2.1 (c) USSG. 346 Gruner, 39 Wake Forest L. Rev. (2004), S. 613 (645 ff.) 347 Vgl. USSC, Report, S. 87 ff. Hintergrund ist, dass zahlreiche Bundesbehörden seit längerem eine Risikoevaluierung fordern, so z.B. die SEC, vgl. SEC, Compliance Programs of Investment Companies and Investment Advisors, 68 Fed. Reg. 74,714, 74,724 (24.12.2003), S. 715-20 (geregelt in 17 C.F.R. pts 270, 275); siehe auch Bowers et al., Compliance, S. 36 f.; Gruner, 39 Wake Forest L. Rev. (2004), S. 613 (628 ff.). 348 § 8 B 2.1 Cmt. 6. (A) und (B) USSG. 349 § 8 B 2.1 Cmt. 6. (C) USSG; siehe auch Baker/Houle, 59 Antitrust L. J. (1990-91), S. 971 ff.
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Programms auf der Führungsebene (c), die Sicherstellung der Einstellung qualifizierten Personals (d), die Vermittlung der Compliance-Standards und Abläufe im Unternehmen (e), die Überwachung, Überprüfung und Evaluierung der Compliance-Maßnahmen (f), die Förderung der Einhaltung der Compliance-Vorgaben durch Anreize und die Ahndung von Verstößen (g) sowie als letzten Punkt die Überprüfung und Überarbeitung des Compliance-Programms nach Verstößen (h). Im Folgenden werden die einzelnen Punkte näher dargestellt.350 (b) Festlegung von Compliance-Standards und Abläufen Erste Mindestanforderung der Richtlinien an Unternehmen ist, dass Standards und Verfahrensabläufe festgelegt werden, die die Verhinderung und die Aufdeckung von Straftaten sicherstellen.351 Die Festlegung von Standards erfolgt typischerweise in schriftlicher Form durch Vorgaben, die für alle Mitarbeiter gelten.352 Daneben können für bestimmte Arbeitsbereiche oder für einzelne Arbeitsplätze besondere Vorgaben erstellt werden. Die Festsetzung allgemeiner Vorgaben erfolgt zumeist in eigenen Verhaltensrichtlinien (sogenannter corporate code of conduct, corporate code of ethics oder standards of a corporation).353 Die Verhaltensrichtlinien beschreiben allgemein die (straf-)rechtlichen Regelungen, die im Unternehmen einzuhalten sind. Da dabei natürlich nicht sämtliche Rechtsvorschriften dargestellt werden können, beschränken sie sich auf diejenigen bereichsspezifischen Regelungen, deren Einhaltung grundlegend ist oder deren Verletzung durch die Tätigkeit des Unternehmens naheliegt.354 Im Rahmen der ___________ 350 Die vorliegende Darstellung kann nur einen ersten Überblick vermitteln und beschränkt sich auf die zentralen Punkte eines Compliance-Programms. Nähere Informationen und Nachweise finden sich z.B. bei Fort, 1 Hastings Bus. L. J. (2005), S. 194 ff.; Gruner, Corporate Criminal Liability, § 14.02; Gruner/Brown, 21 J. Corp. L. (1995-96), S. 731 (749 ff.); Hopson/Koehler, CCZ 2008, 208 ff.; Walsh/Pyrich, 47 Rutgers L. Rev. (199495), S. 605 (645 ff.); Webb/Molo, 71 Wash. U. L. Q. (1993), S. 375 (380 ff.); eingehend die Werke von Bank/Banks (eds.), Compliance, Kap. 1 ff.; Kaplan/Murphy, Compliance, Kap. 4 ff. Speziell zum Kartellrecht siehe Hannay, Compliance, Kap. 2 ff.; aus der Praxis Copeland, 5 Drake J. Agric. L. (2000), S. 305 ff. Siehe auch Note, 109 Harv. L. Rev. (1995-96), S. 1783 (1789 ff.) zum Inhalt eines Compliance-Programms, das auf Grundlage in den Jahren 1991-1995 verhängter Sanktionen die notwendigen due diligence-Anforderungen zusammenstellt. Aus deutscher Sicht siehe Walisch, Prävention, S. 66 ff. Zu früheren Ansätzen siehe Carren/Pazornik, in: Sigler/Murphy (eds.), Compliance, S. 71 ff.; Pitt/Groskaufmanis, 78 Geo. L. J. (1989-90), S. 1559 (1637 ff.). 351 § 8 B 2.1 (b) (1) USSG. 352 Im Folgenden wird zunächst nur auf die Festlegung der Standards eingegangen, zur Festlegung von Verfahrensabläufen siehe unten unter (f). 353 Vgl. z.B. Fort, 1 Hastings Bus. L. J. (2005), S. 194; Webb/Molo, 71 Wash. U. L. Rev. (1993), S. 375 (390 f.); zur Terminologie siehe auch ALI, Prinicples of Corporate Governance: Analysis and Recommendations, § 1.36. 354 Dies betrifft z.B. Regelungen zu Bestechungs-, Kartell- und Wettbewerbsdelikten wie auch zur Geldwäsche sowie zu Bilanz- und Insidervorschriften, vgl. bspw. die Aufzäh-
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Verhaltensrichtlinien kann in besonderem Maße wie von den Strafzumessungsrichtlinien gefordert auf industriespezifische Praktiken eingegangen werden.355 Die Verhaltensrichtlinien können auch eine Beschreibung der typischen Verhaltensweisen enthalten, die eine Verletzung der Vorgaben sind. Darüber hinaus können die Vorschriften eine Stellungnahme des Unternehmens zu ethischen und/oder unternehmenspolitischen Fragen vorsehen, die ebenfalls als Leitlinie für das Verhalten der Mitarbeiter dienen soll.356 Dies entspricht dem Ansatz der Strafzumessungsrichtlinien, dass nur ethisches Verhalten letztlich zur Einhaltung der Rechtsvorschriften führt.357 Insoweit sollen die Verhaltensrichtlinien also auch eine Konkretisierung von Vorschriften enthalten wie sie ein Unternehmen „freiwillig“ für sich aufstellt.358 (c) Verankerung des Programms auf der Führungsebene Als zweite Voraussetzung verlangen die Richtlinien, dass das Compliance- und Ethikprogramm von der Führungsebene getragen und dort verankert werden muss.359 Dieser Punkt gilt als essentieller Bestandteil des Programms, da das Verhalten des Managements maßgeblichen Einfluss auf das Verhalten der Mitarbeiter hat.360 Nur eine gelebte Verwirklichung des Programms durch die Leitungsebene zeige den Mitarbeitern, dass es sich nicht um einen bloßen Papiertiger handele.361 Wie der Fall Enron gezeigt hat, reicht ein (noch so hervorragender) Kodex nicht aus, wenn er vom Management nicht eingehalten wird.362 Besonders der Einhaltung ethischer Werte wird maßgebliche Bedeutung zugemessen, um die Rechtseinhaltung insgesamt zu gewährleisten.363
____________ lung bei Groskaufmanis, in: Rakoff et al. (eds.), Sentencing, §5.08 [1]; Webb/Molo, 71 Wash. U. L. Rev. (1993), S. 375 (390 f.). 355 Bowers et al., Compliance, S. 45 f. 356 Note, 116 Harv. L. Rev. (2002-03), S. 2123 (2125); siehe auch Pitt/Groskaufmanis, 78 Geo. L. J. (1989-90), S. 1559 Anm. 1. 357 Vgl. Webb et al., 49 Bus. Law. (1993-94), S. 617 (665). 358 Note, 116 Harv. L. Rev. (2002-03), S. 2123 (2125 f.). 359 § 8 B 2.1 (b) (2) USSG. 360 Vgl. USSC, Report, S. 56 ff.; Ramirez, 47 Ariz. L. Rev. (2005), S. 933 (964 ff.); Webb/Molo, 71 Wash. U. L. Rev. (1993), S. 375 (384 f.); siehe auch zur Wirksamkeit des Compliance-Ansatzes unten S. 279 ff. 361 Vgl. Fiorelli, 39 Wake Forest L. Rev. (2004), S. 565 (580 ff.). 362 Vgl. The Role of the Board of Directors in Enron’s Collapse, S. Rep. No. 107-70 (2002); zu Enron siehe auch Note, 116 Harv. L. Rev. (2002-03), S. 2123 (2128 ff.) sowie die Nachweise in Anm. 6. 363 Vgl. das Zitat des ehemaligen SEC-Vorsitzenden Richard Breeden: “It is not an adequate ethical standard to aspire to get through the day without being indicted.”; zit. nach Paine, 72 (2) Harv. Bus. Rev. (März–April 1994), S. 106 (111).
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Entsprechend der Bedeutung des Managements für die Umsetzung und Einhaltung des Compliance- und Ethikprogramms sehen die Strafzumessungsrichtlinien mehrere Einzelpunkte vor, die eine ausreichende Mitwirkung des Managements sicherstellen sollen. Zunächst muss die Unternehmensleitung (governing authority) umfassende Kenntnis von Inhalt und Umsetzung des Compliance- und Ethikprogramms besitzen.364 Ihr obliegt zudem eine Aufsichts- und Überwachungspflicht bezüglich der Durchführung und der Effektivität des Programms. Wie diese Pflichten organisatorisch umzusetzen sind, ist nicht näher vorgegeben und dem Ermessen des Unternehmens überlassen.365 Darüber hinaus muss das Führungspersonal (high-level personnel) sicherstellen, dass ein effektives Compliance- und Ethikprogramm im Sinne der Strafzumessungsrichtlinien erstellt wird.366 Einer oder mehreren Personen aus den Reihen des Führungspersonals ist die Gesamtverantwortung für das Compliance- und Ethikprogramm zu übertragen. Nicht explizit von den Richtlinien gefordert, aber möglich ist, die Aufsicht einem eigenen compliance committee zu übertragen.367 Schließlich sollen innerhalb des Unternehmens Personen ernannt werden, die im Unternehmensalltag die operative Umsetzung des Compliance- und Ethikprogramms übernehmen.368 Diese in der Praxis zumeist als Compliance-Manager (bzw. Compliance-Officer) bezeichneten Personen sollen regelmäßig das Führungspersonal und ggf. auch die Unternehmensleitung über Compliance-Aspekte informieren. Um seiner Aufgabe gerecht zu werden, hat das Unternehmen dem Compliance-Manager ausreichende (sachliche wie personelle) Ressourcen und Kompetenzen zur Verfügung zu stellen. (d) Sicherstellung der Einstellung qualifizierten Personals Drittens hat das Unternehmen darauf zu achten, dass kein Mitarbeiter mit Entscheidungsbefugnis (substantial authority personnel) eingestellt wird, der bereits durch illegales Verhalten oder durch sonstiges Verhalten, das mit den Grundsätzen ____________ 364 § 8 B 2.1 (b) (2) (A) USSG; unter „governing authority“ ist v.a. das Board of Directors oder eine dieser Institution entsprechende Einheit zu verstehen, vgl. USSC, Report, S. 60. 365 Damit soll die nötige Flexibilität gewährleistet werden, vgl. USSC, Report, S. 60. 366 § 8 B 2.1 (b) (2) (B) USSG; als high-level personnel kommen gemäß § 8 A 1.2 Cmt. 3. (b) USSG insbes. infrage: director, executive officer oder eine andere Person in der Geschäftsleitung mit Entscheidungsbefugnis. Näher zur Tätigkeit dieser Person siehe bspw. die Veröffentlichung des Ethics Resource Center, Leading Corporate Integrity. Defining the Role of the Chief Ethics & Compliance Officer (2007; im Internet abrufbar unter ). 367 Vgl. dazu sowie zur Auswahl der geeigneten Person Gruner, Corporate Criminal Liability, § 14.02 [6] [b]. 368 § 8 B 2.1 (b) (2) (C) USSG. Siehe dazu Hopson/Koehler, CCZ 2008, 204 (210).
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2. Kapitel: Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika
eines Compliance- und Ethikprogramms nicht vereinbar ist, aufgefallen ist.369 Erforderlich ist also eine Überprüfung eines Bewerbers bei der Besetzung einer Stelle, unabhängig davon, ob es sich um eine Neueinstellung oder um eine Bewerbung aus dem Unternehmen heraus handelt.370 Eine Überprüfung darf allerdings nur im Rahmen des geltenden Rechts (z.B. hinsichtlich der Frage nach Vorstrafen) geschehen.371 (e) Vermittlung von Compliance-Standards und Abläufen Ein Compliance- und Ethikprogramm kann nur dann wirksam sein, wenn die Vorgaben den Mitarbeitern im Unternehmen vermittelt werden. Daher sehen die Richtlinien des Weiteren vor, dass das Unternehmen die Compliance-Standards und Abläufe regelmäßig und in verständlicher Form kommuniziert.372 Das Compliance- und Ethik-Programm soll also die Beschäftigten überzeugen, keine Straftaten zu begehen.373 Die Richtlinien stellen klar, dass die Vermittlung der Compliance-Vorgaben nicht nur gegenüber (untergeordneten) Mitarbeitern erfolgen soll, sondern auch das Führungspersonal und die Unternehmensleitung einzubeziehen hat.374 Als mögliche Formen der Vermittlung der Vorgaben nennen die Unternehmensrichtlinien die Durchführung von Trainingsprogrammen und die Verteilung entsprechender Informationen.375 Das Training soll dabei zwei Komponenten beinhalten: zum einen die reine Wissensvermittlung, zum anderen aber auch die Motivierung der Mitarbeiter zur Einhaltung der Vorgaben.376 Die Kommission hat auf nähere Vorgaben für Art und Umfang der Wissensvermittlung verzichtet.377 In ____________ 369 § 8 B 2.1 (b) (3) USSG; zum substantial authority personnel zählen gemäß der Definition in § 8 A 1.2 Cmt. 3. (c) USSG alle Personen, die zum Führungspersonal (high-level personnel) gehören, die Aufsichtspflichten wahrnehmen oder die Entscheidungsbefugnisse für das Unternehmen haben. 370 Vor dem Jahr 2004 sahen die Richtlinien noch vor, dass das Unternehmen die Bewerber auf deren Neigung zu Rechtsverstößen prüfen sollte. Wegen der Schwierigkeit, eine solche subjektive Neigung festzustellen, verlangen die Richtlinien in der Zwischenzeit nur noch, dass Unternehmen die Bewerber mit der erforderlichen Sorgfalt (due diligence) im Hinblick auf deren Vergangenheit „durchleuchten“. 371 Vgl. zu den rechtlichen Grenzen einer Überprüfung USSC, Report, S. 64 ff. 372 § 8 B 2.1 (b) (4) USSG. 373 Vgl. Webb et al., 49 Bus. Law. (1993-94), S. 617 (657 f.); siehe auch Pitt/Groskaufmanis, 78 Geo. L. J. (1990), S. 1559 (1644); Wolgast, Artificial Person, S. 114 ff. 374 So nennt § 8 B 2.1 (b) (4) (B) USSG als erfasste Gruppen: governing authority, high-level personnel, substantial authority personnel sowie die restlichen Unternehmensmitarbeiter und ggf. auch für das Unternehmen handelnde Agenten. 375 § 8 B 2.1 (b) (4) (A) USSG. 376 Vgl. USSC, Report, S. 70 f. 377 Gerade für kleinere Unternehmen bedarf es oft keiner formalen Strukturen, da hier auch das monatliche Mitarbeitergespräch oder die Vermittlung über den persönlichen Kon-
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der Literatur werden als Beispiele Besprechungen, Mitarbeitergespräche und Vorträge sowie als schriftliche Materialien Compliance-Handbücher, Veröffentlichungen in Unternehmenspublikationen und Aushänge genannt.378 (f) Überwachung, Überprüfung und Evaluierung der Compliance-Maßnahmen Ein effektives Compliance- und Ethikprogramm erfordert die regelmäßige Überwachung, Überprüfung und Evaluierung der vorgegebenen Standards und ihrer Umsetzung.379 Die Richtlinien sehen daher vor, dass das Unternehmen feste Abläufe schafft, die vor allem eine Aufdeckung krimineller Aktivitäten erleichtern. Die Formen, die ein Überwachungs-, Überprüfungs- und Evaluierungssystem annehmen kann sind vielfältig.380 Die Richtlinien verzichten daher auf konkretere Vorgaben, um Unternehmen die Etablierung eines auf sie zugeschnittenen Systems zu ermöglichen. Erforderlich ist in jedem Fall, dass das Management dauerhaft und aktuell Informationen erhält, inwieweit die einzelnen Maßnahmen dazu beitragen, Straftaten zu verhindern und aufzudecken.381 Wichtig ist, bei der Überwachung und Kontrolle der Einhaltung der Vorgaben durch die Mitarbeiter einen Mittelweg zwischen optimaler Überwachung und Demoralisierung aufgrund ständiger Kontrollen sowie beschnittener Eigeninitiative zu finden.382 Für den Fall des Verdachts auf Vorliegen einer Straftat sollten genaue Regelungen über Art und Durchführung interner Untersuchungen sowie über die Verwendung von deren Ergebnissen getroffen werden.383 Wichtig ist, dass Untersuchungen sich nicht illegaler Methoden bedienen oder solcher, die geeignet sind, das Vertrauen der Mitarbeiter grundsätzlich zu untergraben.384 Vielfach wird nur ein ____________ takt genügen kann; ausschlaggebend ist allein, dass die Vermittlung effektiv ist, vgl. USSC, Report, S. 71 f. 378 Vgl. Gruner, Corporate Criminal Liability, § 14.02 [6] [d]. 379 § 8 B 2.1 (b) (5) (A) und (B) USSG. 380 Vgl. z.B. näher Gruner, Corporate Criminal Liability, § 14.02 [6] [e]; USSC, Report, S. 72 ff. sowie Carren/Pazornik, in: Sigler/Murphy (eds.), Compliance, S. 71 (82 ff.); siehe auch Kaplan/Murphy-Tansey/Edwards/Schwartz, Compliance, Kap. 17. 381 Vgl. USSC, Report, S. 77. 382 Zu den Gefahren einer (kostspieligen) exzessiven Überwachung vgl. Langevoort, 2002 Colum. Bus. L. Rev. (2002), S. 71 (94 ff.); siehe auch Baer, 77 U. Cin. L. Rev. (2008-09), S. 523 (570 ff.) sowie Kramer, 50 Annu. Rev. Psychol. (1999), S. 569 (586 ff.) zum möglichen Vertrauensverlust durch eine zu starke Überwachung. 383 Vgl. dazu Bologna/Shaw, Corporate Crime, S. 137 ff.; ausführlich zu internen Ermittlungen McNeil/Brian, Investigations, S. 1 ff. sowie die Empfehlungen der American College of Trial Lawyers, 46 Am. Crim. L. Rev. (2009), S. 73 ff. Zur notwendigen Reaktion der Unternehmensführung siehe Henning, 77 U. Cin. L. Rev. (2008-09), S. 585 (602 ff.). 384 Der Vorfall bei Hewlett-Packard, in dem ein Board-Mitglied heimlich überwacht und – auch durch Täuschung – ausgeforscht wurde, zeigt die Problematik zu „intensiver“ Nachforschungen, vgl. dazu Baer, 77 U. Cin. L. Rev. (2008-09), S. 523 ff.
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unabhängiger externer Experte Gewähr dafür bieten können, dass eine objektive Ermittlung stattfinden kann.385 Interne Untersuchungen sind nicht nur für das Compliance- und Ethikprogramm relevant, sondern auch zentraler Bestandteil einer Kooperation mit der Staatsanwaltschaft.386 Zudem werden sie teilweise spezialgesetzlich oder von den Börsen zur Zulassung zum Handel verlangt.387 Folgeprobleme können sich ergeben, wenn Behörden Zugriff auf die Erkenntnisse aus den internen Ermittlungen erlangen möchten und damit die Ergebnisse öffentlich werden.388 Zentral ist daher eine ordnungsgemäße Dokumentation der Ermittlungen und ihrer Ergebnisse.389 Ein Bestandteil des Systems zur Überwachung, Überprüfung und Evaluierung sollte ein Compliance-Audit sein, das darauf abzielt, existierende und potentielle rechtliche Risiken im Unternehmen aufzudecken.390 Diese rechtliche Bewertung kann Bestandteil der umfassenden Risikoanalyse sein, die die Strafzumessungsrichtlinien von den Unternehmen fordert.391 Die einzig konkrete Vorgabe, die die Strafzumessungsrichtlinien den Unternehmen macht, betrifft die Etablierung eines Meldesystems für Verdachtsanzeigen innerhalb des Unternehmens.392 Dieses Element wird als wichtiger Mechanismus gesehen, um Mitarbeitern, denen im Rahmen ihrer Arbeit mögliche Gesetzesverstöße auffallen, eine Anlaufstelle (unabhängig von ihren Vorgesetzten) zu bieten.393 Diese häufig als Whistleblower-Hotline bezeichnete Einrichtung rückte in den Blickpunkt des Interesses im Rahmen der Zusammenbrüche der Unternehmen Enron und Worldcom, bei denen Verdachtsanzeigen von Mitarbeitern eine bedeutende Rolle spielten.394 Der Sarbanes-Oxley Act legte daher auch einen Schwer____________ 385 Vgl. American College of Trial Lawyers, 46 Am. Crim. L. Rev. (2009), S. 73 (83 ff.), wonach die Einschaltung Externer (eines Special Counsel) inzwischen als allgemeiner Standard gilt. 386 Vgl. dazu unten unter S. 174 ff. und S. 238 f. 387 Vgl. die Nachweise bei Duggin, 2003 Colum. Bus. L. Rev (2003), S. 859 (885 f.). 388 Vgl. American College of Trial Lawyers, 46 Am. Crim. L. Rev. (2009), S. 73 (76); Duggin, 2003 Colum. Bus. L. Rev (2003), S. 859 (892 ff.); Fatino, 51 Drake L. Rev. (2002-03), S. 81 (101); Webb/Molo, 71 Wash. U. L. Rev. (1993), S. 375 (379 f.); sowie unten S. 218. Zum Recht des Unternehmens zur Zurückhaltung solch interner Untersuchungsergebnisse siehe unten S. 249 ff. 389 Vgl. dazu American College of Trial Lawyers, 46 Am. Crim. L. Rev. (2009), S. 73 (91 ff.). 390 Vgl. Goldsmith/King, 50 Vand. L. Rev. (1997), S. 1 (11 f.); Gruner, Corporate Crime, § 14.3.5(f); vgl. auch ders., Corporate Criminal Liability, § 14.02 [6] [e], der von „legal audit“ spricht. 391 Vgl. dazu bereits oben S. 166. 392 § 8 B 2.1 (b) (5) (C) USSG. 393 Vgl. USSC, Report, S. 83. 394 Dazu Brickey, 81 Wash. U. L. Q. (2003), S. 357 (360 ff.).
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punkt auf den Schutz der Whistleblower.395 Ein zentrales Problem bei Verdachtsanzeigen ist der Schutz der Mitarbeiter vor Konsequenzen und Sanktionen infolge der Anzeige.396 Die Richtlinien verlangen deshalb zum einen die Möglichkeit einer vertraulichen bzw. anonymen Anzeige und zum anderen verbieten sie, den Anzeigeerstatter innerbetrieblichen Konsequenzen zu unterwerfen.397 Im Einzelnen können im Rahmen des Überwachungs-, Überprüfungs- und Evaluierungssystems zahlreiche Elemente integriert werden, wie sie im Unternehmen bereits bestehen oder wie sie für andere Zwecke geschaffen werden müssen. So ist beispielsweise eine externe Evaluierung möglich, die für Buch- und Bilanzprüfungen ohnehin vorgeschrieben ist und die auf Compliance-Programme erweitert werden kann.398 Des Weiteren kann das im Rahmen des Sarbanes-Oxley Act geschaffene Audit Committee in die Compliance-Struktur eingebunden werden, ebenso wie die nach dem Gesetz zu schaffende Meldestelle für Vorfälle (WhistleblowerHotline). Zudem ist es möglich, die Verfahrensvorgaben gängiger Managementbewertungssysteme beispielsweise nach dem ISO-Standard einzubeziehen.399 Soweit für den jeweiligen Tätigkeitsbereich besondere Compliance-Vorgaben der (Bundes-)Behörden bestehen, können diese bei Erstellung des Compliance- und Ethikprogramms ebenfalls berücksichtigt werden.400 (g) Förderung durch Anreize und Ahndung von Verstößen Die Richtlinien sehen schließlich vor, dass das Unternehmen zur Einhaltung der Compliance- und Ethikvorgaben zwei Wege verfolgen muss. Zum einen hat es die Einhaltung der Vorgaben durch entsprechende Anreize zu fördern, zum anderen muss es aber auch Disziplinarmaßnahmen für Verstöße vorsehen und diese durch____________ 395 Vgl. näher Dworkin, 105 Mich. L. Rev. (2006-07), S. 1757 ff. Zu Umsetzungsfragen in Europa siehe Runte et al., CRi 2005, 135 ff. 396 Vgl. eingehend die Diskussion m.w.N. bei USSC, Report, S. 77 ff.; zur internationalen Debatte vgl. Vaughn/Devine/Henderson, 35 Geo. Wash. Int. L. Rev. (2003), S. 857 ff. 397 Vgl. USSC, Report, S. 83 ff. auch zu den Fragen der Vor- und Nachteile der anonymen bzw. nur vertraulichen Meldung. Vgl. auch Bucy, 8 Buff. Crim. L. Rev. (2004-05), S. 277 (318 ff.), die weitergehend die vertrauliche Meldung an Behörden mit anschließender vertraulicher Untersuchung durch die Staatsanwaltschaft vorschlägt. 398 Wenn nicht schon zur Erstellung des Programms ein Rechtsberater hinzugezogen wurde, so ist es zumindest sinnvoll, durch diesen eine Evaluierung vornehmen zu lassen, vgl. Webb/Molo, 71 Wash. U. L. Rev. (1993), S. 375 (385 f.). 399 So v.a. allem die ISO 9000-Verfahren (Qualitätsmanagement) bzw. ISO 14000Verfahren (Qualitätsmanagement im Umweltbereich); siehe auch ISO/IEC 38500:2008, der Standards für die Anwendung von Informationstechnologie bietet. Vgl. näher Gruner, 39 Wake Forest L. Rev. (2004), S. 613 (646); die Diskussion in USSC, Corporate Crime, S. 161–173; Webb/Molo, 71 Wash. U. L. Rev. (1993), S. 375 (391). 400 Vgl. zu diesen speziellen Vorgaben Gruner, Corporate Criminal Liability, § 14.03 sowie unten S. 293 ff.
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setzen.401 Die Setzung von Anreizen soll erleichtern, die Mitarbeiter über die reine Rechtseinhaltung zu ethischem Verhalten zu motivieren.402 Als Gegenstück zur Belohnung der positiven Umsetzung der Compliance- und Ethikvorgaben ist die Sanktionierung von Verstößen vorgesehen. Die Richtlinien stellen klar, dass solche Sanktionen nicht allein bei strafrechtlich relevantem Verhalten eingreifen sollen, sondern auch bei unzureichendem Bemühen, strafrechtlichem Verhalten vorzubeugen oder dieses aufzudecken (also insgesamt bei der mangelnden Umsetzung des Compliance- und Ethikprogramms).403 Als Sanktion sehen die Richtlinien nur vor, dass es sich um Disziplinarmaßnahmen handeln soll; wie diese konkret auszusehen haben, bleibt dem Ermessen des Unternehmens im Einzelfall überlassen.404 Empfehlenswert ist die Einführung eines abgestuften Sanktionssystems je nach Schwere des Verstoßes.405 (h) Überprüfung und Überarbeitung des Programms nach Verstößen Als letzten Punkt sehen die Richtlinien vor, dass das Compliance- und Ethikprogramm nach der Aufdeckung von Verstößen dahingehend überprüft werden muss, wie weitere ähnliche Vorfälle verhindert werden können.406 Das Programm ist dann dementsprechend anzupassen. Dieser Punkt ergänzt die laufende Überprüfung und Evaluierung des Programms und stellt klar, dass ein Unternehmen im Fall eines Verstoßes diesen nicht einfach als einmaligen Vorfall übergehen kann. Das Unternehmen muss sicherstellen, dass ein solcher Verstoß nicht auf Lücken im Programm hindeutet, und Maßnahmen ergreifen, um eine Wiederholung zu verhindern. Es sollte eine wiederholte Straftatbegehung unbedingt vermeiden, da diese als starkes Indiz für ein nicht effektives Programm gewertet wird.407 f) Kooperation mit den Ermittlungsbehörden Die zweite Möglichkeit für eine Strafmilderung neben einem effektiven Compliance- und Ethikprogramm stellt die Kooperation eines Unternehmens mit den ____________ § 8 B 2.1 (b) (6) USSG. Vgl. USSC, Report, S. 86; dies entspricht der seit 2004 deutlich gemachten Betonung der Richtlinien, dass die Prävention und Aufdeckung von Straftaten durch die Zielsetzung der Einhaltung ethischer Vorgaben besser erreicht werden kann, als durch ein reines auf die Rechtseinhaltung angelegtes System. 403 Eine zu starke Überwachung könnte sich jedoch auch hier (wie bei der Schaffung von Kontrollmechanismen) kontraproduktiv auswirken, vgl. Gruner, Corporate Criminal Liability, § 14.02 [6] [f]. 404 § 8 B 2.1 Cmt. 5 USSG. 405 Vgl. Carren/Pazornik, in: Sigler/Murphy (eds.), Compliance, S. 71 (85 f.), die Vorschläge von der bloßen Belehrung bis hin zur Entlassung machen. 406 § 8 B 2.1 (7) USSG. 407 Vgl. § 8 B 2.1 Cmt. 2. (D) USSG. 401
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Ermittlungsbehörden nach der internen Entdeckung der Straftat dar.408 Je nach Intensität der Kooperation wird die Strafe verschieden stark gemildert. Die Richtlinien unterscheiden dabei zwischen drei Formen der Kooperation: der Selbstanzeige gegenüber den Ermittlungsbehörden (self-reporting), einer Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden (cooperation) oder der bloßen Übernahme von Verantwortung für die Tat (acceptance of responsibility). Die größte Strafmilderung ergibt sich, wenn das Unternehmen zeitnah nach der internen Aufdeckung der Tat die Behörden informiert, bevor diese selbst ermitteln, und sodann mit diesen kooperiert und eindeutig Verantwortung für die Tat übernimmt.409 Eine geringere Strafmilderung erhält ein Unternehmen, das nach Aufdeckung der Tat vollumfänglich mit den Behörden kooperiert und eindeutig Verantwortung für die Tat übernimmt.410 Die bloße Übernahme von Verantwortung für die Tat ohne weitergehende Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden stellt die geringste Strafmilderung dar.411 Das Verhalten des Unternehmens nach der Tat bietet somit eine bedeutende Möglichkeit zur Erlangung einer Strafmilderung. Unklar ist allerdings, wie weit eine Kooperation gehen muss, um für eine Strafmilderung anerkannt zu werden. So bedeutet die Übernahme von Verantwortung nicht zwingend, dass sich das Unternehmen schuldig bekennen muss (guilty plea).412 Allerdings wird ohne Schuldbekenntnis nur im Ausnahmefall eine Übernahme von Verantwortung angenommen werden. So wird denn auch ein guilty plea vor Prozessbeginn als maßgebliches Indiz für die Verantwortungsübernahme gewertet. Von Relevanz zur Beurteilung der Verantwortungsübernahme ist primär das Verhalten vor Prozessbeginn. Die Richtlinien sehen vor, dass der Richter die Anwesenheit der Geschäftsleitung (chief executive officer) oder des ranghöchsten Mitarbeiters des Unternehmens bei der Urteilsverkündung anordnen kann, um so deutlich zu machen, dass das Unternehmen tatsächlich eine Verantwortung für die Tat anerkennt.413 Im Rahmen der Kooperation verlangen die Richtlinien eine relativ weitgehende Offenlegung der Tat und ihrer Umstände durch das Unternehmen, das auch die ____________ 408 § 8 C 2.5 (g) USSG. Vgl. Eisenberg, in: Rakoff et al. (eds.), Sentencing, § 4.03; Nunes, 27 Ariz. St. L. J. (1995), S. 1039 (1053 ff.); Strauss/Goldstein, in: Rakoff et al. (eds.), Sentencing, § 6.01. 409 In diesem Fall gibt es einen Abzug von fünf Punkten, § 8 C 2.5 (g) (1) USSG. 410 Hier ist ein Abzug von zwei Punkten vorgesehen, § 8 C 2.5 (g) (2) USSG. 411 Der Abzug beträgt hierfür nur noch einen Punkt, § 8 C 2.5 (g) (3) USSG. 412 § 8 C 2.5 Cmt. 13 USSG; zur Frage eines guilty plea im Verfahren vgl. unten S. 226 ff. 413 § 8 C 2.5 Cmt. 14 USSG; inwieweit die Verpflichtung zum Erscheinen eine (freiwillige) Verantwortungsübernahme verdeutlichen kann, lassen die Richtlinien offen. Aufgrund dieses Widerspruchs ist die Vorschrift mehr als Publikationssanktion einzustufen; allerdings kann die freiwillige Anwesenheit bei Verkündung des Schuldspruchs für die Strafzumessung berücksichtigt werden.
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Herausgabe von Dokumenten beinhaltet.414 Nach der Reform der Richtlinien im Jahr 2004 sahen diese zudem vor, dass das Unternehmen unter Umständen auch auf verschiedene verfassungsrechtliche Garantien wie etwa das Anwalts- und Beratungsgeheimnis (attorney-client privilege) verzichten sollte.415 Nach heftiger Kritik wurde die Regelung zum 1. November 2006 wieder aus den Richtlinien gestrichen.416 Die Kooperation mit den Ermittlungsbehörden kann neben der Berücksichtigung innerhalb des Schuldwerts auch noch (zusätzlich wie alternativ) als strafmildernde Abweichung vom Strafrahmen berücksichtigt werden.417 Die Berücksichtigung beim Schuldwert hat allerdings den Vorteil, dass grundsätzlich kein Antrag der Staatsanwaltschaft erforderlich ist und somit von dieser nicht als prozesstaktisches Mittel eingesetzt werden kann.418 Allerdings wird auch beim Schuldwert die Stellungnahme der Staatsanwaltschaft für den Richter von entscheidender Bedeutung sein.419 3. Errechnung des Strafrahmens Ist der Schuldwert errechnet, werden im nächsten Schritt die (Minimum- und Maximum-)Faktoren ermittelt, mit denen der im ersten Schritt festgelegte Grundbetrag multipliziert wird.420 Welche Multiplikatoren dem jeweiligen Schuldwert zugewiesen sind, kann aus einer Tabelle entnommen werden.421 So erhält man den Mindest- und Höchstbetrag der Geldstrafe, den Strafrahmen. Bemerkenswerterweise sind allerdings nur den Schuldwerten zwischen 0 und 10 Punkten unterschiedliche Multiplikatoren zugewiesen. Dabei sinkt bzw. steigt der jeweilige Faktor für jeden Schuldpunkt unter-/oberhalb des mittleren Schuldwerts (von 5) grundsätzlich um 20 %.422 Soweit ein Wert unter 10 Schuldpunkten erreicht ___________ § 8 C 2.5 Cmt. 12 USSG. § 8 C 2.5 Cmt. 12 a.E. USSG a.F. [Stand: 1.11.2005]; das Problem stellte sich inhaltlich schon vor der Reform der Richtlinien, vgl. Cole, 48 Vill. L. Rev. (2003), S. 469 (534 ff.); zu dieser Problematik, die auch bei einer Kooperation mit der Staatsanwaltschaft besteht, siehe unten S. 238 ff., insbes. 256 ff. 416 Vgl. die Anhörung der Sentencing Commission zu diesem Thema, USSC, AttorneyClient Waiver, S. 1 ff.; siehe auch Bucy, 8 Buff. Crim. L. Rev. (2004-05), S. 277 (304); Rakoff et al. (eds.), Sentencing, § 1.07 [1] [b]. 417 Vgl. unten S. 181. 418 Vgl. zu diesem Problem ebenfalls unten aaO; siehe auch Gruner, Corporate Criminal Liability, § 10.03 [3] [b] a.E. 419 Vgl. Hasnas, 54 Am. U. L. Rev. (2004-05), S. 579 (623). 420 §§ 8 C 2.6 und 2.7 USSG. 421 § 8 C 2.6 USSG. Für die Straftaten des bid-rigging, price-fixing und der marketallocation agreements among competitors sind in § 2 R 1.1 USSG spezielle Multiplikatoren vorgesehen; vgl. unten S. 184. 422 Ausnahme ist nur der kleinste Wert, der nicht bei 0,00 sondern bei 0,05 (minimal) und 0.20 (maximal) liegt. Die Minimummultiplikatoren reichen damit von 0,05 bis zu 2,00, die Maximummultiplikatoren von 0,20 bis 4,00. 414
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wird, wirkt sich jeder Verschuldenspunkt deutlich im Strafrahmen aus;423 die Strafe kann dabei minimal 95 % unterhalb des Grundbetrags und maximal 400 % darüber liegen. Oberhalb eines Schuldwerts von 10 (also im Bereich der Werte von 10 bis 22) ergibt sich kein Unterschied im Strafrahmen mehr. Die feine Differenzierung innerhalb des Verschuldens des Unternehmens wird durch die Anwendung einheitlicher Multiplikationsfaktoren insoweit teilweise konterkariert; allerdings soll der Richter einen hohen Schuldfaktor bei der Berechnung der Strafe innerhalb des Strafrahmens wie auch bei der Frage von Abweichungen vom Rahmen nach oben berücksichtigen.424 Die möglichen Strafrahmen sollen folgende Beispiele verdeutlichen: Für einen einfachen Betrug liegt der nach der Schwere der Tat ermittelte Grundbetrag bei 5.000 USDollar.425 Für den mittleren Schuldwert von 5 ergibt sich ein Strafrahmen von 5.000 bis 10.000 US-Dollar. Für einen geminderten Schuldwert von 0 (oder weniger) ergibt sich ein Strafrahmen von 250 bis 1.000 US-Dollar. Bei einem erhöhten Schuldwert von 10 oder mehr ergibt sich ein Strafrahmen von 10.000 bis 20.000 US-Dollar. Aufgrund des geringen Grundbetrags kann in diesen Fällen keine sehr hohe Strafe erreicht werden. Der Grundwert ändert sich allerdings stark durch individuelle Faktoren. Bei einem Betrug, der zu einem Verlust von 1 Mio. US-Dollar führt, beträgt der Grundbetrag bereits 1,2 Mio. US-Dollar. Daraus ergibt sich eine minimale Strafe von 60.000 US-Dollar bzw. ein Höchstwert von 4,8 Mio. US-Dollar. Der derzeit maximale Grundbetrag liegt bei 72,5 Mio. US-Dollar. Für den maximalen Schuldwert (10 oder höher) ergibt dies den maximalen Strafrahmen von 150 bis zu 300 Mio. US-Dollar. Höhere Strafen können dann erzielt werden, wenn sich der Grundbetrag nicht nach der Schwere des Delikts richtet, sondern nach Verlust oder Gewinn. In diesen Fällen ist der Strafrahmen nach oben offen. Für einen durch Betrug verursachten Milliardenschaden kann daher auch eine im Milliardenbereich liegende Strafe verhängt werden.
4. Bestimmung der Strafe und Abweichungen vom Strafrahmen Im letzten Schritt legt der Richter schließlich die konkrete Geldstrafe fest. Die Strafe wird im Grundsatz aus dem zuvor ermittelten Strafrahmen entnommen (dazu a). Von diesem Grundsatz sind jedoch mehrere Ausnahmen möglich (b und c). Besondere Regelungen bestehen für die Einbeziehung nicht nach den Richtlinien ermittelter Strafen (d.), für die zusätzliche Abschöpfung von Vorteilen (e) und für die nachträglich erkannte Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens (f).
____________ 423 Z.B. bei einem Grundbetrag von 10.000 US-Dollar (entspricht einem offense level von 8) ergibt sich bei einem Verschuldenswert von 5 der Strafrahmen von 10.000 USDollar bis 20.000 US-Dollar, bei einem Verschuldenswert von 6 dagegen bereits von 12.000 US-Dollar bis 24.000 US-Dollar. 424 Vgl. § 8 C 2.8 (a) (8) und § 8 C 4.11 USSG. 425 § 2 B 1.1 (a) i.V.m. § 8 C 2.4 (d) USSG.
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a) Bestimmung der Strafe im Regelfall Im Regelfall wird die Strafe dem zuvor ermittelten Strafrahmen entnommen. Innerhalb des Strafrahmens (dessen Feststellung keine Ermessenserwägungen beinhaltet) liegt es grundsätzlich im freien richterlichen Ermessen, die genaue Strafe für den Einzelfall festzusetzen. Dieses Ermessen korrespondiert mit einer nur eingeschränkten Überprüfbarkeit der richterlichen Entscheidung in der Rechtsmittelinstanz.426 Allerdings verzichten die Richtlinien auch hier nicht auf eine ausführliche Anleitung für den Richter: Sie listen eine ganze Reihe von Umständen auf, die Berücksichtigung finden sollen.427 Darüber hinaus kann das Gericht jeden Umstand einbeziehen, der in Bezug auf die strafzumessungserheblichen Faktoren von Bedeutung ist.428 Von den zahlreichen aufgelisteten Kriterien sollen hier nur die folgenden Besonderheiten angeführt werden.429 Zunächst soll der Richter die Schwere des Delikts, die Achtung vor dem Gesetz, eine gerechte Bestrafung, eine angemessene Abschreckung und den Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten durch das Unternehmen in seine Überlegungen einbeziehen.430 An dieser Stelle zählen die Richtlinien die gesetzlich vorgegebenen Strafzwecke auf, allerdings auch hier ohne eine Schwerpunktsetzung zugunsten eines bestimmten Strafzwecks.431 Es bleibt letztlich somit dem Richter überlassen, eine entsprechende Gewichtung vorzunehmen. Über die vorgenannten Punkte hinaus, soll der Richter das Verschulden des Unternehmens insoweit berücksichtigen, als es nicht bereits im vorhergehenden Schritt Eingang in die Strafzumessung gefunden hat.432 Dies betrifft Schuldwerte unter 0 Punkten bzw. über 10 Punkten, die keinerlei Auswirkung auf den Strafrahmen haben. Hierdurch wird das Verschulden des Unternehmens letztlich von den Richtlinien vollumfänglich miteinbezogen. Allerdings kommt den Schuldwerten an dieser Stelle nicht die gleiche Bedeutung zu wie bei der Berechnung des Strafrahmens: Die Erhöhung um 5 Schuldpunkte führt zur Erhöhung der Multiplikatoren für den Strafrahmen um 2 Punkte. Für einen Schuldwert von 15 ergäbe sich somit ein maximaler Faktor von 6. Dieser läge dann 50 % über dem Wert von 4 bei 10 Schuldpunkten. Ein Richter müsste also bei einem Schuldwert von 15 den Strafrahmen (der anhand der Obergrenze von 10 Punkten ermittelt wird) um 50 % über____________ 426 Siehe Gruner, Corporate Criminal Liability, § 11.02 [1]. Die (stark) eingeschränkte Überprüfbarkeit der Strafzumessungsentscheidung hat sich auch aufgrund der neueren Rechtsprechung des Supreme Court nicht wesentlich geändert, vgl. dazu unten S. 195, 197. 427 § 8 C 2.8 (a) USSG. 428 § 8 C 2.8 (b) USSG. 429 Eingehend etwa Gruner, Corporate Criminal Liability, § 11.02; Sauber, in: Rakoff et al. (eds.), Sentencing, § 3.06. 430 § 8 C 2.8 (a) (1) USSG. 431 Vgl. 18 U.S.C. § 3553 (a) (2) und dazu oben S. 123. 432 § 8 C 2.8 (a) (8) und (9) USSG.
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schreiten. Dies ist mit dem Bestreben der Richtlinien, eine enge Bindung des Richters an den ermittelten Strafrahmen zu erreichen, schwerlich vereinbar. Eine Abweichung vom ermittelten Strafrahmen nach oben wird im Regelfall daher nur wenige Prozentpunkte über die ermittelte Rahmenobergrenze hinausgehen. Weiterhin kann eine teilweise Erfüllung einzelner Schuldfaktoren einbezogen werden. Dies kann beispielsweise ein Compliance-Programm betreffen, das nur aufgrund einiger weniger Elemente als nicht effektiv im Sinne der Richtlinien eingestuft wird und daher keinen Einfluss auf den Schuldwert hat. Erkennbar muss dabei allerdings sein, dass das Compliance-Programm in seinem Zuschnitt grundsätzlich zur Verhinderung und Aufdeckung von Straftaten geeignet ist und nicht wesentliche Mängel aufweist. Auf das Nichtvorliegen einzelner Schuldfaktoren gehen die Richtlinien nur in einem Punkt ein: Das Fehlen eines Compliance-Programms zur Zeit der Tatbegehung soll bei der Strafzumessung berücksichtigt werden.433 Damit führt der Verzicht auf ein derartiges Programm nicht nur zum Ausschluss der Milderungsmöglichkeit beim Schuldwert, sondern wirkt sich zudem strafschärfend aus. b) Begrenzung der Höchststrafe Von dem Grundsatz, dass die Strafe frei aus dem ermittelten Strafrahmen entnommen wird, besteht eine Ausnahme in Bezug auf die zulässige Höchststrafe. Diese ist in bestimmten Fällen von Gesetzes wegen begrenzt: Wenn der Grundbetrag aufgrund des Gewinns oder Verlusts ermittelt wurde (also nicht auf der Schwere des Delikts beruht), dann darf die Höchststrafe nicht mehr als das Doppelte des Verlusts oder Gewinns betragen.434 Gerade in Fällen, in denen sich wegen eines hohen Schuldfaktors ein hoher Höchstbetrag ergibt, kann dies zu einer wesentlichen Reduzierung der Geldstrafe führen.435 c) Abweichungen (departures) Neben der Begrenzung der Höchststrafe gibt es eine weitere Konstellation, in der die Strafe nicht unmittelbar dem ermittelten Strafrahmen entnommen wird. Die Richtlinien sehen vor, dass der Richter im Ausnahmefall vom Strafrahmen sowohl nach unten als auch nach oben abweichen kann.436 Damit wird zum einen eine gesetzliche Vorgabe umgesetzt, die dem Richter in allen nicht von den Richtlinien ____________ § 8 C 2.8 (a) (11) USSG. 18 U.S.C. § 3571 (b) (2), (d). 435 Vgl. O’Sullivan, 1 Ohio St. J. Crim. L. (2003-04), S. 487 (501 ff.), der in diesem Punkt die Untätigkeit des Kongresses beklagt, eine zufriedenstellende gesetzliche Regelung zu schaffen. 436 § 8 C 4 USSG. 433 434
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(vollumfänglich) berücksichtigten Umständen ein Abweichen vom errechneten Strafrahmen ermöglicht.437 Zum anderen regeln die Richtlinien nur den Standardfall. In atypischen Fällen soll daher eine Anpassung durch den Richter vorgenommen werden, um im Einzelfall eine gerechte Strafe zu erzielen. Es können drei verschiedene Arten von Abweichungen unterschieden werden: die in den Richtlinien geregelten (identified departures), die nicht geregelten (unidentified departures) und die nicht vollumfänglich geregelten (heartland departures).438 Für die identified departures zählen die Richtlinien ausführlich diejenigen Umstände auf, welche der Richter für eine departure in Betracht ziehen kann. Dabei finden für Unternehmen zunächst die gleichen Gründe wie für natürliche Personen Anwendung, soweit eine derartige Anwendung der Natur der Sache nach möglich ist.439 Darüber hinaus werden für Unternehmen besonders relevante Aspekte eigens aufgeführt.440 Als straferhöhende Aspekte kommen beispielsweise die Verursachung einer Gesundheitsschädigung oder aber – speziell wirtschaftsspezifisch – die Verursachung einer Gefahr für einen bestimmten Markt (z.B. den Finanzmarkt) in Betracht. Auch bei den Abweichungen sind das Verschulden des Unternehmens sowie das Vorliegen eines Compliance-Programms von Bedeutung: Soweit ein besonders hoher Schuldwert vorliegt (nämlich über 10 Punkten), rechtfertigt dies eine Abweichung nach oben. Ebenso soll ein Compliance-Programm, das beim Schuldwert strafmildernd berücksichtigt wird, dann eine Straferhöhung rechtfertigen, wenn es nicht freiwillig erstellt worden war, sondern etwa auf gerichtlicher Anordnung basiert. Insoweit sind nicht nur das bloße Vorliegen eines Programms von Bedeutung, sondern auch die Umstände seines Zustandekommens: Nur wenn es wirklich auf Eigeninitiative des Unternehmens beruht, rechtfertigt dies nach den Richtlinien eine Strafmilderung. Soweit die Richtlinien eine Strafschärfung erlauben, müssen die begründenden Umstände dafür von einer Jury und „beyond reasonable doubt“ festgestellt werden; es genügt hier nicht der abgemilderte Standard (preponderance of evidence) der normalen Strafzumessung.441 Eine Strafmilderung sehen die Richtlinien beispielsweise vor, wenn Mitglieder oder Nutznießer des Unternehmens die eigentlichen Opfer der Straftat sind. Ausgenommen hiervon sind die Anteilseigner, die allein der Konstruktion der Unterneh___________ 18 U.S.C. § 3553 (b). Vgl. § 5 K 2.0 (a) (2) USSG; dazu siehe Goldstein, 113 Yale L. J. (2004), S. 1955 (1972) sowie Haines et al., Handbook, S. 1561 ff. 439 § 8 C 4 Int. Cmt. USSG, der auf § 5 K USSG verweist. 440 § 8 C 4.1–4.11 USSG; ausführlich dazu Gruner, Corporate Criminal Liability, § 11.02. 441 Vgl. zu dieser verfassungsrechtlichen Anforderung unten S. 191 ff. sowie zum Verfahren unten S. 231. 437
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mensstrafe nach immer Betroffene sind.442 Den zentralen Milderungsgrund der Richtlinien stellt die „substantielle Unterstützung der Behörden“ bei Ermittlungen gegen weitere Personen dar (eine Kooperation in Bezug auf die eigene Straftat genügt also nicht).443 Eine umfassende Kooperation kann damit nicht nur zu einer Reduzierung des Schuldwerts führen, sondern darüber hinaus noch zu einer weitergehenden Unterschreitung des Strafrahmens beitragen. Allerdings setzt dieser Milderungsgrund einen Antrag der Staatsanwaltschaft voraus (sogenannter § 8 C 4.1Antrag), der eine ausreichende Kooperation bescheinigt.444 Damit ist das Unternehmen bei der Strafzumessung zum großen Teil dem Wohlwollen (bzw. der Willkür) der Staatsanwaltschaft ausgeliefert.445 Besonders problematisch ist auch hier (wie im Rahmen jeglicher Kooperation mit den Ermittlungsbehörden), was die genauen Voraussetzungen einer derartigen Kooperation sind, insbesondere, ob die Staatsanwaltschaft z.B. den Verzicht auf das Anwalts- und Beratungsgeheimnis verlangen kann, auch wenn dies die Richtlinien für eine Kooperation im Rahmen des Schuldwerts nicht mehr verlangen. Von den Richtlinien nicht geregelte Faktoren kann das Gericht ebenfalls zu einer Abweichung vom errechneten Strafrahmen heranziehen (unidentified departures). Angesichts der detaillierten und umfassenden Regelung innerhalb der Richtlinien dürften solche Faktoren jedoch selten sein.446 Vorstellbar sind etwa Umstände, die die spezifische Unternehmensorganisation oder Besonderheiten der Tätigkeit des Unternehmens in einem bestimmten Wirtschaftsbereich betreffen.447 Aufgrund der Regelungsdichte der Richtlinien kommt Faktoren, die zwar in den Richtlinien Erwähnung finden, aber nicht ausreichend berücksichtigt sind, besondere Bedeutung zu (heartland departures). Denn die Richtlinien beschreiben nur den Standardfall – das „heartland“ – des kriminellen Verhaltens. Der Richter hat zu ____________ 442 Die Richtlinien führen in § 8 C 4.8 USSG das Beispiel einer Gewerkschaft an, die Pensionsbeiträge unterschlagen hat, da von einer Strafe maßgeblich die Gewerkschaftsmitglieder betroffen wären. 443 § 8 C 4.1 USSG; das Gegenstück für natürliche Personen bildet § 5 K 1.1 USSG. 444 Bei natürlichen Personen entsprechend als § 5 K 1.1-Antrag bezeichnet. Theoretisch ist ein solcher Antrag zwar nicht zwingend, er wurde in der Praxis aber fast durchweg vorausgesetzt, vgl. Gruner, Corporate Criminal Liability, § 11.03 [3] [a]. Mit dem BookerUrteil, nach dem die Richtlinien nur ermessensleitenden Charakter besitzen, ist der Antrag allerdings nicht mehr unbedingt notwendig (vgl. dazu unten S. 194, 204, 272). 445 Noch gravierender ist die Situation allerdings bei natürlichen Personen, bei denen der sog. § 5 K 1.1-Antrag fast die einzige Möglichkeit zur Honorierung einer Kooperation mit den Behörden darstellt. Zum Einfluss der Staatsanwaltschaft vgl. eingehend unten S. 231 ff. 446 Allerdings konnte die Kommission bei der Erstellung der Richtlinien für Unternehmen im Gegensatz zu denen für natürliche Personen nur auf wenige Daten der vorhergehenden Praxis zurückgreifen, sodass noch vermehrt Raum für die Rechtsprechung besteht, für die Strafzumessung von Unternehmen relevante Kriterien zu entwickeln. 447 Vgl. Gruner, Corporate Criminal Liability, § 11.03 [5] [c].
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prüfen, ob im zu entscheidenden Fall nicht atypische Merkmale vorliegen.448 Das Typische ergibt sich aus den Richtlinien einschließlich der offiziellen Kommentierung seitens der Kommission.449 Die Richtlinien machen dabei deutlich, dass ein heartland departure nur im absoluten Ausnahmefall vorgenommen werden soll. In der Beurteilung, ob ein atypischer Fall vorliegt, hat das Gericht allerdings bedeutenden Spielraum, der in der Praxis auch in größerem Umfang vor allem für Strafmilderungen genutzt wurde.450 Der Fall Siemens zeigt, dass oftmals mehrere Möglichkeiten bestehen, um eine Strafmilderung zu erreichen.451 Siemens hatte sich aufgrund seiner als außergewöhnlich eingestuften Kooperation mit den Ermittlungsbehörden für ein downward departure qualifiziert. Die Staatsanwaltschaft erwog, diese Kooperation im Rahmen eines § 8 C 4.1-Antrags (als substantielle Unterstützung der Behörden) zu honorieren oder aber als einen Umstand, der von Strafzumessungsrichtlinien nicht ausreichend bedacht wurde (also ein heartland departure anzunehmen).452 Sie entschloss sich für die zweite Variante, die sie (ohne dies näher auszuführen) für angemessener hielt. Die Staatsanwaltschaft wies aber darauf hin, dass der Umfang der Strafmilderung in beiden Fällen gleich hoch sei.
Der Kongress hatte aufgrund des vielfachen Gebrauchs von Strafmilderungen im Jahr 2003 versucht, diesen durch das sogenannte Feeney-Amendment Grenzen zu setzen. Das Amendment, das im Rahmen des PROTECT-Act453 erlassen wurde, schränkte die Möglichkeiten einer Strafmilderung durch das Gericht ein.454 Nach ____________ 448 § 1 A 1.1 Cmt. 4. (b) USSG. Die Richtlinien beinhalten eine Reihe von (persönlichen) Faktoren, die wie bei der Bestimmung der Strafrahmen nicht herangezogen werden dürfen (§ 5 H, § 5 K 2.0 [d] USSG). Diese Faktoren sind aber im Wesentlichen auf natürliche Personen zugeschnitten und für Unternehmen kaum von Bedeutung. 449 Vgl. Koon v. United States, 518 U.S. 81 (1996). 450 Vgl. zu den Daten unten S. 272. 451 Vgl. oben S. 2 ff. 452 Vgl. das Sentencing Memorandum der Staatsanwaltschaft (dazu bereits § 1, Anm. 43), S. 15 f. Das plea agreement wäre im ersten Fall nach Fed. R. Crim. P. 11 (c) (1) (B) und im zweiten Fall nach Fed. R. Crim. P. 11 (c) (1) (c) abzuschließen gewesen. 453 Prosecutorial Remedies and Other Tools to End the Exploitation of Children Today, Pub. L. No. 108-21, 117 Stat. 650 (2003); das Gesetz hat – wie der Name bereits sagt – fast ausschließlich mit der Thematik der Kinderpornografie zu tun. Für Unternehmen wurde es erst durch das im Gesetzgebungsverfahren eingebrachte Feeney-Amendment relevant. Zur Kritik im Gesetzgebungsverfahren an dem Amendment vgl. Vinegrad, 15 Fed. Sent. R. (2003), S. 310 (311 ff.) sowie die Zusammenstellung in 15 Fed. Sent. R. (2002-03), S. 346 ff. 454 In der Hauptsache schränkt das Gesetz eine Strafmilderung für Kindesmisshandlung und Sexualstraftaten ein, es stellt aber darüber hinaus auch allgemein erhöhte Anforderungen an eine Strafmilderung. Zudem wurde eine Begründungspflicht für Abweichungen eingeführt und die Rechtsmittelkontrolle vom Maßstab des abuse of discretion auf eine de novo-Kontrolle ausgeweitet (die inzwischen aber durch das Booker-Urteil bereits wieder auf eine reasonable-Kontrolle beschränkt wurde). Vgl. zum Feeney-Amendment Bucy, 8 Buff. Crim. L. Rev. (2004-05), S. 277 (291 f.); Goldstein, 113 Yale L. J. (2003-04), S. 1955 ff.; O’Hear, 16 Fed. Sent. R. (2003), S. 102 ff.; Vinegrad, 15 Fed. Sent. R. (2003), S. 310 ff.; zu den auf das Feeney-Amendment erfolgten Änderungen siehe ders., 16 Fed. Sent. R. (2003), S. 98 ff.
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dieser Regelung war eine Strafmilderung fast nur noch zu erreichen, wenn sich das Unternehmen schuldig bekannte und extensiv mit den Strafverfolgungsbehörden kooperierte.455 Mit dem Booker-Urteil und der nur bedingten Verbindlichkeit der Richtlinien haben die Gerichte jedoch wieder einen größeren Spielraum zu Abweichungen von den Richtlinien zurückerhalten.456 d) Einbeziehung von nicht nach den Richtlinien ermittelten Strafen Soweit mehrere Tatbestände verwirklicht wurden, auf die alle Richtlinien zur Bestimmung der Geldstrafe Anwendung finden, wird die Geldstrafe aufgrund eines gemeinsamen (erhöhten) Grundbetrags bestimmt.457 Für Straftaten, auf die die Richtlinien nicht anwendbar sind, bestimmt sich die Geldstrafe allein nach den gesetzlichen Regelungen (also im Wesentlichen wie vor Einführung der Richtlinien durch freie Ermessensausübung des Richters).458 Im Fall des Zusammentreffens von Straftaten, die unter die Richtlinien fallen, mit solchen, die nicht erfasst sind, wird zunächst die Strafe für die unter die Richtlinien fallenden Taten ermittelt; dann kann nach Ermessen des Richters eine zusätzliche Geldstrafe für die nicht erfassten Taten verhängt werden.459 e) Erhöhung der Geldstrafe wegen Vorteilsabschöpfung Die Richtlinien sehen vor, dass die Geldstrafe bis zu dem Betrag erhöht wird, der dem dem Unternehmen aus der Straftat zugeflossenen Vermögensvorteil entspricht.460 Diese Vorteilsabschöpfung (disgorgement) gilt dabei nur für Fälle, in denen nicht schon die Anordnung der Wiedergutmachung, wie sie der Richter vor Festlegung der Geldstrafe vornimmt, die Höhe des erlangten Vorteils erreicht. Erkennbar ist hier das Bestreben der Richtlinien, dem Unternehmen jeglichen aus der Straftat gezogenen Vorteil wieder zu nehmen. Von ihrer Funktion her hat die Geldstrafe somit nicht nur die Aufgabe der Ahndung, sondern dient auch zugleich als Abschöpfungsmaßnahme. Da die sonstigen Abschöpfungsmöglichkeiten begrenzt sind,461 kann der Erhöhung der Geldstrafe eine wichtige Rolle zu kommen.
____________ 455 Bucy, 8 Buff. Crim. L. Rev. (2004-05), S. 277 (292); siehe auch O’Hear, 16 Fed. Sent. R. (2003), S. 102 ff. 456 Vgl. zum Booker-Urteil unten S. 194 ff. 457 Vgl. bereits oben S. 159. 458 Vgl. § 8 C 2.10 USSG, der auf 18 U.S.C. §§ 3553, 3572 verweist. 459 § 8 C 2.10 USSG. 460 Vgl. § 8 C 2.9 USSG. 461 Vgl. unten S. 220 f.
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f) Anpassung der Strafe bei Zahlungsunfähigkeit Soweit wegen ersichtlicher Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens nicht bereits vollständig auf die ausführliche Berechnung der Strafe verzichtet wurde, aber das Unternehmen nicht oder nur teilweise leistungsfähig ist, kann die (bereits berechnete) Geldstrafe gemindert werden.462 Das Unternehmen soll dadurch vor allem für die Zahlung der Wiedergutmachung leistungsfähig bleiben. Zum anderen soll ein Unternehmen nicht aufgrund einer Geldstrafe in die Insolvenz getrieben werden. Der Bestand des Unternehmens und der Schutz von Arbeitsplätzen hat insoweit Vorrang vor der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs. 5. Besonderheiten Für zwei Deliktskategorien sehen die Richtlinien Modifikationen bei der Geldstrafe vor: für Kartell- und Wettbewerbsdelikte sowie für Bestechungsdelikte. Damit sollte den Besonderheiten in diesen Bereichen Rechnung getragen werden.463 Bei Kartell- und Wettbewerbsverstößen wird zunächst der verursachte Verlust, der Grundlage für den Grundbetrag der Geldstrafe ist, nicht spezifisch im Einzelfall ermittelt, sondern nach dem durch das Delikt betroffenen Handelsvolumen bestimmt.464 Damit wollte die Kommission einbeziehen, dass durch Kartellverstöße nicht nur die Konsumenten betroffen sind, die zu überhöhten Preisen eingekauft haben, sondern auch solche, die wegen der Preishöhe nicht eingekauft haben.465 Als Verlust werden dabei pauschal 20 % des betroffenen Handelsvolumens angesetzt,466 sodass die Verlustsumme beträchtliche Ausmaße annehmen kann. Neben der besonderen Verlustrechnung ist nur eine begrenzte Herabsetzung der Geldstrafe durch effektive Compliance- und Ethikprogramme und die Kooperation mit staatlichen Behörden möglich, die an sich zu einer deutlichen Senkung des Schuldwerts führen kann, denn die Geldstrafe darf nicht unter 75 % des Grundbetrags fallen.467 Dies soll eine ausreichende Abschreckungswirkung in diesem Bereich gewährleis____________ Vgl. § 8 C 3.3 USSG; zum Verzicht auf die Berechnung vgl. bereits oben S. 156. Vgl. Gruner, Corporate Criminal Liability, § 8.04 [1] [b]; Nanni/Nigro, in: Rakoff et al. (eds.), Sentencing, § 7; sowie das Beispiel bei Gruner, 66 S. Cal. L. Rev (1992-93), S. 225 (271 ff.); ders., 36 Ariz. L. Rev. (1994), S. 407 (422 f.). 464 § 2 R 1.1 (d) (1). Im Fall der Abgabe unzulässiger Angebote in einem Bieterverfahren (bid-rigging offenses) gilt eine noch speziellere Berechnungsmethode, vgl. § 2 R 1.1 (d) (3). Alternativ zur Heranziehung des Verlusts kann auch bei diesen Straftaten der Grundbetrag nach der Schwere des Delikts berechnet werden, wobei die Werte von der Höhe des durch die Tat betroffenen Handels abhängig sind, vgl. § 2 R 1.1 (a), (b) USSG. 465 § 2 R 1.1 Application Note 3 USSG. 466 Vgl. § 2 R 1.1 (d). 467 Vgl. § 2 R 1.1 (d) (2) USSG; allerdings ist mit dem Booker-Urteil (dazu S. 194 ff.) diese Regelung nicht mehr voll verpflichtend und eröffnet dem Gericht bedeutenden Spielraum. 462
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ten.468 Die Kommission sieht trotz der Regelungen immer noch einen ausreichenden Anreiz zur Erstellung von Compliance-Programmen und zur Kooperation mit den Ermittlungsbehörden,469 die eine sinnvolle Ergänzung zu der in diesem Gebiet ausdifferenzierten Praxis der Kronzeugenregelungen (leniency policy) darstellen kann.470 Bei den Bestechungsdelikten findet ebenfalls eine besondere Berechnung des für die Geldstrafe relevanten Grundbetrags statt. Als Grundbetrag soll der höchste Wert der Bestechungsleistung, des durch die Bestechung erstrebten Vorteils oder des verursachten Folgeschadens durch die Bestechung dienen.471 Durch diese Berechnung entstehen hohe Geldstrafen, die ausdrücken sollen, dass das eigentliche Unrecht nicht in der Bestechungshandlung liegt, sondern zumeist in dem durch die Bestechung hervorgerufenen Schaden.472 V. Bewährungsstrafe Der dritte große Teil der Richtlinien regelt die Bewährungsstrafe (corporate probation).473 Dieser Bereich stellt eine echte inhaltliche Neuerung im Vergleich zur Lage vor den Richtlinien dar. Zuvor gab es keine ausdrückliche Regelung der Bewährungsstrafe für Unternehmen, auch wenn Gerichte vereinzelt versuchten, in Form von Auflagen gegenüber Unternehmen Alternativen zur Geldstrafe zu entwickeln.474 Erst mit dem Sentencing Reform Act von 1984 und den darauf gestützten Richtlinien wurde eine konkrete und verlässliche Basis für die Anwendung der Bewährungsstrafe durch die Gerichte geschaffen.475 Die Bewährungsstrafe wird anders als im deutschen Recht mehr als eigenständige Sanktion denn als bloße Bewährungsauflage verstanden.476 Sie ist ein wesent____________ § 2 R 1.1 Background a.E. Vgl. § 2 R 1.1 Background a.E. 470 Vgl. Gruner, Corporate Criminal Liability, § 16.02 [5] [a]; Nanni/Nigro, in: Rakoff et al. (eds.), Sentencing, § 7.01 [5] [c]; Wray/Hur, 43 Am. Crim. L. Rev. (2006), S. 1095 (1153 ff.); näher zur leniency policy siehe Hetzel, Kronzeugenregelungen, S. 37 ff.; Zagrosek, Kronzeugenregelungen, S. 56 ff. 471 Vgl. §§ 2 B 4.1 (c), 2 C 1.1 (d), 2 E 5.1 (c) sowie § 2 C 1.2 (c) USSG. 472 Vgl. Gruner, Corporate Criminal Liability, § 8.04 [1] [c]. 473 § 8 Teil D USSG; vgl. dazu Gruner, Corporate Criminal Liability, § 12; Kennedy, 71 S. Cal. L. Rev. (1997-98), S. 1075 ff.; Lofquist, 525 Annals AAPSS (1993), S. 157 ff.; ders., L. & Soc. Rev. (1993), S. 741 ff.; Wray, 101 Yale L. J. (1991-92), S. 2017 (2026 ff.). 474 Vgl. bereits oben S. 117. 475 Die gesetzliche Regelung findet sich in 18 U.S.C. § 3551 (c) und §§ 3561–3566; dazu Gruner, 16 Am. J. Crim. L. (1988-89), S. 1 (31 ff.). 476 Vgl. 18 U.S.C. § 3551 (c), der als Strafen die Geldstrafe und die Bewährungsstrafe erwähnt; siehe auch Gruner, Corporate Criminal Liability, § 12.03 [1] [a]; Nagel/Swenson, 71 Wash. U. L. Q. (1993), S. 205 (234); Wray, 101 Yale L. J. (1991-92), S. 2017 (2026 ff.) sowie Ehrhardt, Unternehmensdelinquenz, S. 126. 468 469
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liches Element der Bestrafung, um zum einen eine gänzliche Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens sicherzustellen und zum anderen das Unternehmen zu bessern und zukünftig von weiteren Straftaten abzuhalten.477 Die Verhängung einer Bewährungsstrafe ist neben, aber auch anstatt einer Geldstrafe möglich.478 Anders als die Geldstrafe ist sie nicht auf bestimmte Tatbestände beschränkt, sondern kann (wie die Wiedergutmachungsanordnung) in allen Fällen verhängt werden. Im Folgenden wird zunächst auf die Voraussetzungen für die Verhängung einer Bewährungsstrafe eingegangen (1.), sodann werden die Arten möglicher Strafen vorgestellt (2.) und schließlich die Folgen einer Nichterfüllung der Strafe dargelegt (3.). 1. Voraussetzungen Die Richtlinien sehen eine Verhängung der Bewährungsstrafe zum Teil verpflichtend vor, darüber hinaus liegt ihre Anwendung im Ermessen des Richters. Ihre Anwendung ist einerseits zwingend vorgesehen, wenn sie zur Durchsetzung einer Wiedergutmachung erforderlich ist.479 Dies betrifft nicht nur die Anordnung der Wiedergutmachung als remedial order oder als community service (welche trotz ihrer Stellung innerhalb der Wiedergutmachung inhaltlich als Bewährungsauflagen anzusehen sind), sondern auch den Fall der eigenständigen Sanktion als restitution payment.480 In die gleiche Richtung zielt die Verhängung einer Bewährungsstrafe, um sicherzustellen, dass eine noch nicht vollständig beglichene Geldstrafe gezahlt wird. Zum anderen ist die Bewährungsstrafe zu verhängen, wenn die Strukturen im Unternehmen die Begehung der Tat gefördert haben.481 Die Richtlinien unterstellen eine solche Förderung zunächst für den Fall, dass das Unternehmen oder eine Führungsperson (high-level personnel) innerhalb der letzten fünf Jahre wegen einer ähnlichen Tat bereits verurteilt wurden. Als strukturelles Defizit wird zudem das Fehlen eines effektiven Compliance-Programms angesehen, soweit das Unternehmen über 50 Mitarbeiter hat oder gesetzlich die Errichtung eines solchen Programms vorgeschrieben war. Seine Nichtexistenz führt also bereits zur Verhängung der Bewährungsstrafe, die dann zumeist in der Erstellung und Implementierung eines solchen Programms besteht. ____________ 477 Vgl. nur Gruner, Corporate Criminal Liability, §§ 12.01 und 12.03 m.w.N.; siehe auch Wray, 101 Yale L. J. (1991-92), S. 2017 (2029 ff.) im Hinblick auf die Erfüllung der gesetzlichen Strafzwecke. 478 18 U.S.C. § 3551 (c). 479 § 8 D 1.1 USSG. 480 § 8 D 1.1 (a) (1) und (2) USSG. Zu den Formen der Wiedergutmachung vgl. bereits oben S. 152 ff. 481 § 8 D 1.1 (a) (3)–(6) USSG.
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Darüber hinaus ist die Bewährungsstrafe zu verhängen, wenn Reformen und Umstrukturierungen innerhalb des Unternehmens notwendig sind, um zukünftig weitere Straftaten zu verhindern. Mit diesen Regelungen eröffnen die Richtlinien umfassende gerichtliche Anordnungen zur Reform der Unternehmensstrukturen, die allein durch eine Geldstrafe nicht zu erreichen sind.482 2. Art der Bewährungsstrafe In Bezug auf die Art der Bewährungsstrafe hat das Gericht ein weites Ermessen. Verpflichtend vorgesehen ist von Gesetzes wegen zum einen die Auflage, innerhalb einer Frist von maximal fünf Jahren keine weitere Straftat zu begehen.483 Zum anderen muss, wenn die Straftat ein felony-Delikt484 darstellt, zumindest eine Wiedergutmachungsverpflichtung oder die Verpflichtung zur Verrichtung gemeinnütziger Dienste ausgesprochen werden.485 Darüber hinaus ist das Gericht grundsätzlich frei, jede Bewährungsstrafe zu verhängen.486 Allerdings verzichten die Richtlinien auch hier nicht auf umfangreiche Vorschläge für die spezifische Behandlung von Unternehmen.487 Dies betrifft insbesondere die Durchsetzung monetärer Strafen, die Verpflichtung zur Errichtung von Compliance-Programmen oder die Publikation der Veröffentlichung. a) Vorgaben zur Durchsetzung monetärer Strafen Zur Durchsetzung monetärer Strafen (Geldstrafen, Wiedergutmachung etc.) kann das Gericht vor allem die regelmäßige Vorlage der Geschäftsbücher, die Erstellung von Finanzberichten oder die Prüfung der Finanzlage des Unternehmens durch externe Experten (dies dann auf Kosten des Unternehmens) anordnen.488 ____________ Vgl. dazu Gruner, Corporate Criminal Liability, § 12.03 [2]. 18 U.S.C. § 3563 (a) (1), § 8 D 1.3 (a) USSG. 484 Gemäß 18 U.S.C. § 3559 (a) sind dies Straftatbestände mit einer Höchststrafe von mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe. 485 18 U.S.C. § 3563 (a) (2), § 8 D 1.3 (b) USSG. Bis Nov. 2009 sah § 8 D 1.3 (b) USSG auch noch vor, dass das Unternehmen zur Benachrichtigung der Opfer oder zur Niederlassung bzw. zum Verbot der Niederlassung an einem bestimmten Ort verpflichtet werden konnte. Diese seltsam anmutende Zusammenstellung von Vorgaben beruhte wahrscheinlich auf einem Gesetzgebungsfehler (vgl. die Anm. zu § 8 D 1.3 (a) USSG a.F.), denn ursprünglich war nur vorgesehen, dass zumindest eine Geldstrafe, eine (monetäre) Wiedergutmachung oder die Leistung sozialer Dienste gewährleistet sein muss. Diese ursprüngliche Lage ist durch die Reform von 2009 weitgehend wiederhergestellt worden. 486 § 8 D 1.3 (c) USSG; 18 U.S.C. § 3563 (b) (22). Die in 18 U.S.C. § 3563 (b) ansonsten vorgesehenen Bewährungsstrafen sind stark auf natürliche Personen zugeschnitten und kaum auf Unternehmen übertragbar. 487 § 8 D 1.4 USSG. 488 Vgl. § 8 D 1.4 (b) USSG. 482 483
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b) Verpflichtung zur Errichtung eines Compliance- und Ethikprogramms Neben den vorgenannten eher „klassischen“ Auflagen gibt es eine Reihe weiterer Vorgaben, die in den Fällen verhängt werden sollen, in denen die Struktur des Unternehmens (in den oben genannten Fällen) die Straftat gefördert hat.489 Wesentliche Auflage ist dabei die Verpflichtung zur Erstellung und Implementierung eines effektiven Compliance- und Ethikprogramms nach den Vorgaben der Richtlinien. Das Gericht kann anordnen, dass dieses Programm (und die zugrunde liegende Verurteilung) den Mitarbeitern und den Anteilseignern des Unternehmens explizit bekannt gemacht wird. Dazu kann das Gericht regelmäßige Fortschrittsberichte über die Umsetzung dieser Maßnahmen innerhalb des Unternehmens verlangen. Zur Überwachung dieser Umsetzung kann das Gericht die Einschaltung eines externen Experten (Compliance Monitor) anordnen, der dann an das Gericht berichtet.490 Diese Vorgaben, deren Aufwand und Kosten vollumfänglich vom Unternehmen zu tragen sind, können für ein Unternehmen eine weit stärkere Belastung darstellen als die eigentlichen monetären Strafen.491 Auf diesem Weg ist es jedoch möglich, die als strukturell erkannten Probleme innerhalb des Unternehmens durch gerichtliche Anordnung dort anzugehen, wo sie entstehen, quasi das Übel an seiner Wurzel zu packen.492 c) Publikationsverpflichtung Als letzte Möglichkeit der Bewährungsstrafe nennen die Richtlinien schließlich die Verpflichtung des Unternehmens, das Urteil und die verhängten Strafen zu veröffentlichen, wobei das Gericht die genaue Art und die Umstände der Veröffentlichung, z.B. in den Medien, bestimmen kann.493 Diese Publikationspflicht, die den Ruf eines Unternehmens maßgeblich beeinflussen kann, stellt die Regelung einer in der Literatur lange geforderten publicity sanction dar.494 Erst eine solche Strafe versehe das Unternehmen mit dem sozialen Stigma des Kriminellen, das in white collar-Fällen häufig fehle.495 Durch die Publikationspflicht wird das Unternehmen ___________ § 8 D 1.4 (c) USSG. Diese Möglichkeit wird auch von der Staatsanwaltschaft im Rahmen der Einstellung eines Verfahrens gegen Auflagen genutzt, vgl. dazu unten S. 266. 491 Wray, 101 Yale L. J. (1991-92), S. 2017 (2032 f.); Kennedy, 71 S. Cal. L. Rev (1997-98), S. 1075 (1088) sehen angesichts dieser einschneidenden Eingriffsmöglichkeiten die Gefahr einer übermäßigen Abschreckung (overdeterrence). 492 Siehe Gruner, Corporate Criminal Liability, § 12.03 [2] [d] [ii]. 493 § 8 D 1.4 (a) USSG; diese Regelung geht über die in 18 U.S.C. § 3555 genannte Benachrichtigungspflicht des/der Opfer(s) in Betrugsfällen hinaus. 494 Vgl. Cowan, 65 S. Cal. L. Rev. (1991-92), S. 2387 ff. sowie unten S. 212. 495 So bereits Sutherland, White Collar Crime, S. 54 f.; zum message sending character siehe Khanna, 109 Harv. L. Rev. (1995-96), S. 1477 (1531 ff.). 489 490
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ins Rampenlicht der Öffentlichkeit gestellt, was vielfach mit dem Verlust des „guten Rufs“ und negativen finanziellen Konsequenzen (Abwendung der Konsumenten; Weigerung von Verlagen, Anzeigen dieses Unternehmens zu drucken etc.) verbunden ist.496 Die Strafe der punitive publicity als eine Art des „Shaming“ von Unternehmen war vom Kongress nicht explizit gesetzlich als Sanktion vorgesehen, wurde von der Kommission aber aufgrund ihrer starken Sanktionswirkung aufgenommen.497 d) Weitere Vorgaben Über die in den Richtlinien geregelten Beispiele hinaus sind der richterlichen Phantasie in Bezug auf die Bewährungsstrafe praktisch kaum Grenzen gesetzt, solange die Vorgaben klar und eindeutig formuliert sind.498 So können beispielsweise Vorgaben für die Art und Weise bestimmter Geschäftsvorgänge gemacht werden.499 Bedingung ist lediglich, dass die Strafe in einem vernünftigen Verhältnis zur Natur und den Umständen der Tat steht, den Hintergrund und die Besonderheiten des Unternehmens einbezieht und die gesetzlichen Strafzwecke beachtet.500 Schließlich dürfen Freiheit und Vermögen des Unternehmens nur innerhalb vernünftiger Grenzen zur Erreichung der Strafzwecke eingeschränkt werden.501 Angesichts der allgemeinen Formulierung dieser Voraussetzungen ist damit jedoch nur eine Missbrauchsgrenze gezogen und kein echtes substantielles Kriterium festgelegt. Einzig wirkliche Beschränkung ist somit allein die zeitliche Begrenzung einer Maßnahme, die fünf Jahre nicht übersteigen darf.502 3. Folgen der Nichterfüllung der Bewährungsstrafe Das Unternehmen muss nach heutigem Verständnis die Bewährungsstrafe (die eine eigenständige Strafe darstellt) erfüllen und hat nicht wie vor Erlass des Sentencing Reform Acts von 1984 die Wahl zwischen Erfüllung der Bewährungsstrafe und Inkaufnahme der gesetzlichen Höchststrafe.503 Soweit die Strafe nicht erfüllt ____________ 496 Vgl. zur Diskussion der Wirkungen des Reputationsverlusts (auch im Vergleich zur Wirkung zivilrechtlicher Schadensersatzsanktionen) Khanna, 109 Harv. L. Rev. (1995-96), S. 1477 (1497 ff.). Eine solche Strafe ist jedoch nur dann noch sinnvoll, wenn nicht bereits die Einleitung des Strafverfahrens die Publizität herbeigeführt hat, wie dies etwa bei Arthur Andersen LLP der Fall war; vgl. dazu Buell, 81 Ind. L. J. (2006), S. 473 (479 ff.). 497 Vgl. krit. Parker, 71 Wash. U. L. Q. (1993), S. 397 (430 ff.). 498 Vgl. dazu Gruner, 16 Am. J. Crim. L. (1988-89), S. 1 (57 ff.). 499 Vgl. S. Rep. No. 225, 98th Cong. 2nd Sess. (1984), S. 69, 96 f. 500 18 U.S.C. § 3553 (a). 501 18 U.S.C. § 3563 (b). 502 § 8 D 1.2 USSG. 503 Dazu Gruner, 16 Am. J. Crim. L. (1988-89), S. 1 (59 f.).
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wird, kann das Gericht die Zeit der Bewährung verlängern, die Bewährungsstrafe verschärfen oder sie widerrufen und die Strafe (insgesamt) neu festsetzen.504 Mitarbeiter, die an der Nichtumsetzung der Bewährungsstrafe beteiligt sind, können sich wegen der Missachtung einer gerichtlichen Anordnung strafbar machen.505 D. Bewertung der Richtlinien durch Rechtsprechung und Literatur Die vorliegende Bewertung der Richtlinien vollzieht sich auf drei Ebenen. An erster Stelle steht hier die verfassungsrechtliche Beurteilung, die aufgrund zahlreicher Entscheidungen des U.S. Supreme Court zu den Richtlinien inzwischen bedeutenden Raum einnimmt (dazu I.). Über das Verfassungsrecht hinaus stellen sich zahlreiche Fragen, die für die Richtlinien für natürliche Personen wie für die von Unternehmen gleichermaßen relevant sind (II.). Zuletzt wird auf die Probleme eingegangen, die sich allein bei den Unternehmensrichtlinien stellen (III.). I. Verfassungsrechtliche Bewertung Die Strafzumessungsrichtlinien haben seit ihrer Entstehung verschiedene verfassungsrechtliche Fragen aufgeworfen, die inzwischen zum Teil durch den U.S. Supreme Court geklärt worden sind.506 Die Entscheidungen betrafen zumeist Fälle der Strafzumessung für natürliche Personen. Da die Richtlinien für Unternehmen jedoch in die Richtlinien für natürliche Personen integriert sind, stellen sich die verfassungsrechtlichen Fragen für Unternehmen gleichermaßen. Zudem wurden nicht alle Fragen in Bezug auf die Strafzumessungsrichtlinien des Bundes entschieden, sondern zum Teil hinsichtlich der Regelungen einzelner Bundesstaaten. Soweit die Richtliniensysteme jedoch ähnliche Strukturen aufwiesen, hatten die Entscheidungen Relevanz für alle Richtliniensysteme. Die verfassungsrechtlichen Überprüfungen betrafen schwerpunktmäßig zum einen die Frage der Zulässigkeit der Erstellung der Richtlinien durch die Sentencing Commission und zum anderen Fragen der Beweisführung, insbesondere inwieweit durch die Richtlinien das Recht auf ein Jury-Verfahren tangiert ist.
____________ § 8 F 1.1 USSG, 18 U.S.C. § 3565. Vgl. 18 U.S.C. § 1509 (Obstruction of court orders). 506 Vgl. dazu Gruner, Corporate Criminal Liability, § 8.06 [1]; Orland, Corporate Criminal Liability, § 7.04; Rakoff et al. (eds.), Sentencing, §§ 1.03 [4]–[5], 3.07 [3], 7.03 [2]; Reichert, Strafzumessungsrichtlinien, S. 229 ff. sowie USSC, Supreme Court Cases, S. 1 ff. 504
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1. Verfassungsmäßigkeit des Gesamtsystems Im Fall Mistretta507 wurde das von der Sentencing Commission geschaffene Richtliniensystem auf seine Vereinbarkeit mit dem Gewaltenteilungsgrundsatz überprüft.508 Der Gerichtshof wies das Vorbringen zurück, dass die Richtlinien gegen den Grundsatz der Gewaltenverteilung verstießen, da die Kommission als Teil der Judikative gesetzgeberisch tätig sei.509 Das Gericht sah die Judikative nicht allein auf die Entscheidung gerichtlicher Streitigkeiten beschränkt, sondern erkannte ihr auch eine Rolle bei der Schaffung und Durchsetzung von Regelungen auf dem Gebiet der Strafzumessung zu.510 Solange die Kommission als Expertengremium aufgrund genauer gesetzlicher Vorgaben tätig werde und nicht mit politischer Autorität ausgestattet sei, bestünden keine verfassungsrechtlichen Bedenken.511 2. Das Recht auf ein Jury-Verfahren (Teil I) Nachdem die grundsätzliche Verfassungsmäßigkeit der Richtlinien geklärt war, wurde in zahlreichen Urteilen deren Vereinbarkeit mit dem Recht auf ein JuryVerfahren nach dem 6. Zusatzartikel der Verfassung überprüft. Das Recht auf ein Jury-Verfahren besteht nach gefestigter Rechtsprechung immer dann, wenn eine Haftstrafe von über sechs Monaten im Raum steht.512 Da die Strafzumessung vom Richter und nicht von einer Jury vorgenommen wird,513 war fraglich, ob die weit____________ 507 Mistretta v. U.S., 488 U.S. 361 (1989); vgl. dazu D.J. Fischer, Strafzwecke, S. 121 ff.; Gruner, 36 Ariz. L. Rev. (1994), S. 407 (436 ff.); ders., Corporate Criminal Liability, S. 8-46 ff.; Meyer, ZStW 118 (2006), 512 (529 ff.); Nagel, 80 J. Crim. L. & Criminology (1989-1990), S. 883 (906 ff.). 508 Krit. z.B. Liman, 96 Yale L. J. (1987), S. 1363 (1369 ff.); siehe auch Champion (Hrsg.), Guidelines, S. 231; auch zahlreiche Gerichte erachteten die Richtlinien für verfassungswidrig und wendeten diese nicht an, vgl. Freed, 101 Yale L. J. (1991-92), S. 1681 (1719). 509 Nach der verfassungsrechtlichen non-delegation doctrine ist eine Übertragung wesentlicher Kompetenzen von der Legislative auf die anderen Gewalten verboten, vgl. Liman, 96 Yale L. J. (1987), S. 1363 (1369 ff.); Tribe, Constitutional Law, S. 362 ff. 510 Das Gericht hatte keine Bedenken, wenn der Gesetzgeber sich auf die Weisheit und Erfahrung der Judikative in einem Bereich verlasse, der ohnehin im Ermessen der Richter liege („calling upon the accumulated wisdom and experience of the Judicial Branch in creating policy on a matter uniquely within the ken of judges“), Mistretta v. U.S., 488 U.S. 361 (1989), S. 412. 511 Ein Richter sah die Kommission aber gerade als mit politischer Entscheidungsmacht ausgestatteter „junior-varsity Congress“ an und bejahte daher die Verfassungswidrigkeit, vgl. Mistretta v. U.S., 488 U.S. 361 (1989), S. 413 ff. 512 Vgl. z.B. Duncan v. Lousiana, 391 U.S. 145 (1968), S. 159. Der 6. Zusatzartikel, der sich auf alle Strafverfahren bezieht, wird also vom U.S. Supreme Court einschränkend ausgelegt. 513 Vgl. näher zum Verfahrensablauf unten S. 226 ff.
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gehenden Befugnisse, die die Richtlinien dem Richter zubilligten, nicht mit den Kompetenzen der Jury konfligierten. Zunächst stellte der U.S. Supreme Court im Verfahren Jones514 klar, dass es eine entscheidungserhebliche Frage ist, ob ein gesetzliches Merkmal Tatbestandsmerkmal und damit von einer Jury beyond reasonable doubt zu beweisen ist oder ob es allein Strafzumessungsmerkmal ist, für das dem Richter ein preponderance of evidence-Standard genügt.515 Dabei äußerte das Gericht seine Zweifel, ob ein Strafzumessungsfaktor, der zu einer deutlichen Erhöhung der Strafe führte, ohne den Nachweis im Jury-Verfahren verfassungsrechtlich zulässig ist.516 Die Frage wurde vom Gericht mangels Entscheidungserheblichkeit jedoch noch offen gelassen.517 Erste Einschränkungen hinsichtlich der richterlichen Entscheidungsmacht brachte das Urteil Apprendi.518 Der U.S. Supreme Court stellte für die Strafzumessung des Staates New Jersey klar, dass nur dann das Recht auf ein Jury-Verfahren gewahrt sei, wenn in der Strafzumessung bei straferhöhenden Faktoren allein Fakten berücksichtigt werden, die die Jury festgestellt habe.519 Straferhöhende Faktoren, die über den von der Jury festgestellten gesetzlichen Strafhöchstrahmen hinausgehen, müssten daher wie Tatbestandsmerkmale von der Jury geprüft und beyond reasonable doubt festgestellt werden. Damit verknüpfte das Gericht bemerkenswerterweise das Beweisrecht eng mit dem Recht auf ein Jury-Verfahren.520 Die entscheidende Frage in der Folge war, wie sich diese Rechtsprechung auf die Strafzumessungsrichtlinien des Bundes anwenden ließ. Denn an sich waren die in den Richtlinien angeführten Strafzumessungsgesichtspunkte nur Faktoren, die innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens relevant wurden. Daher wurde allgemein ange___________ 514 Jones v. U.S., 526 U.S. 227 (1999); vgl. dazu z.B. Bibas, 110 Yale L. J. (2000-01), S. 1097 (1111 ff.); Meyer, ZStW 118 (2006), 512 (530 f.); siehe auch das Verfahren Almendarez-Torres v. U.S., 523 U.S. 224 (1998). 515 Die Frage, wie ein Merkmal einzuordnen ist, wird immer wieder virulent, da der Gesetzgeber die Tendenz aufweist, schwer zu beweisende Merkmale nicht mehr im Tatbestand zu regeln, vgl. z.B. zur Verlagerung einzelner Absichtsfaktoren Stuntz, 100 Mich. L. Rev. (2001-02), S. 505 (546 ff.). Diese Entwicklung ist letztlich auch darauf zurückzuführen, dass der Bereich des Bundesstrafrechts bislang nur bei der Strafzumessung eine systematische (und damit leicht veränderbare) Regelung erfahren hat, vgl. auch Meyer, ZStW 118 (2006), 512 (527 f.). 516 Jones v. U.S., 526 U.S. 227 (1999), S. 232; vgl. dazu Berman, 19-WTR Crim. Just. (2005), S. 5 (9). 517 Das Gericht stufte in diesem Fall das Merkmal als ein solches des Tatbestands ein, sodass auf jeden Fall ein Jury-Verfahren durchzuführen war. 518 Apprendi v. New Jersey, 530 U.S. 466 (2000); siehe zum Urteil und der nachfolgenden Diskussion z.B. Allen/Hastert, 58 Stan. L. Rev. (2005-06), S. 195 (202 ff.); Bibas, 110 Yale L. J. (2000-01), S. 1097 (1115 ff.); ders., 54 Stan. L. Rev. (2001-02), S. 311 ff.; Darmer, 56 S. C. L. Rev. (2004-05), S. 533 (545 ff.); Green, 39 U. Rich. L. Rev. (2004-05), S. 1155 (1157 ff.); King/Klein, 54 Stan. L. Rev. (2001-02), S. 295. 519 Vgl. Apprendi v. New Jersey, 530 U.S. 466 (2000), S. 549 ff. 520 Allen/Hastert, 58 Stan. L. Rev. (2005-06), S. 195 (207).
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nommen, dass allein bei strafrahmenverschiebenden Faktoren eine Prüfung durch die Jury notwendig wäre. Im Urteil Harris521 hatte der U.S. Supreme Court die nächste Gelegenheit, die Fragen zum Recht auf ein Jury-Verfahren zu konkretisieren. Er entschied, dass Strafzumessungsfaktoren, die den gesetzlichen Mindeststrafrahmen erhöhen und die kein Element des Schuldspruchs sind, auch dann berücksichtigt werden dürfen, wenn sie weder von der Jury festgestellt noch in der Anklage erwähnt wurden.522 Mit dieser Entscheidung verband sich allerdings keine wesentliche Klarstellung: Das Gericht bestätigte nur eine frühere Entscheidung, dass Erhöhungen gesetzlicher Mindeststrafrahmen im Gegensatz zu Strafhöchstgrenzen bei der Strafzumessung durch den Richter nicht das Recht auf ein Jury-Verfahren beeinträchtigen.523 Mit dem Urteil Blakely524 erfolgte dann die lang erwartete Substantiierung der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Zwar betraf das Verfahren nicht die Strafzumessungsrichtlinien des Bundes, sondern die des Staates Washington. Aufgrund der strukturellen Ähnlichkeiten wurden die Ausführungen des U.S. Supreme Court aber auch auf das Bundesstrafrecht bezogen.525 Das Urteil widerlegte die Annahme aufgrund des Apprendi-Urteils, dass nur bei Strafrahmenverschiebungen eine JuryPrüfung notwendig sei. Das Gericht bejahte eine Verletzung des Rechts auf ein Jury-Verfahren bereits dann, wenn eine Strafe auf Tatsachen gestützt wird, die weder von den Geschworenen festgestellt noch vom Angeklagten zugestanden worden waren. Die Feststellungen der Jury limitieren insofern die in der Strafzumessung heranziehbaren Faktoren.526
____________ 521 Harris v. U.S., 536 U.S. 545 (2002); vgl. dazu Green, 39 U. Rich. L. Rev. (2004-05), S. 1155 (1162). 522 Harris v. U.S., 536 U.S. 545 (2002), S. 565 f.; die Entscheidung wurde allerdings von vier Richtern nicht mitgetragen, die zum Teil inhaltliche Widersprüche zur ApprendiEntscheidung sahen, S. 572. 523 Vgl. die Entscheidung McMillan v. Pennsylvania, 477 U.S. 79 (1986). 524 Blakely v. Washington, 542 U.S. 296 (2004); siehe dazu Berman, 19-WTR Crim. Just. (2005), S. 5 ff.; Bowers et al., Compliance, S. 9 ff.; Bowman, 41 Am. Crim. L. Rev. (2004), S. 217 (220 ff.); Brickey, Corporate Criminal Liability, § 1:13; Darmer, 56 S. C. L. Rev. (2004-05), S. 533 (549 ff.); Green, 39 U. Rich. L. Rev. (2004-05), S. 1155 (1163 ff.); Meyer, ZStW 118 (2002), 512 (531 ff.). 525 Vgl. zur Diskussion die in Anm. 524 angeführte Literatur sowie die Nachweise im folgenden Text. 526 Überholt ist damit wohl eine frühere Entscheidung des U.S. Supreme Court, nach der Fakten zum Nachteil des Angeklagten verwendet werden durften, die eine Jury im vorhergehenden Verfahren über die Schuldfrage als nicht gegeben erachtet hatte; das Gericht hatte hier eine Verletzung der due process-Rechte verneint, da in der Strafzumessung andere Beweismaßstäbe als im Verfahren zur Bestimmung der Schuld gälten (das Recht auf ein Jury-Verfahren wurde nicht erörtert), vgl. U.S. v. Watts, 519 U.S. 148 (1997).
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Das Urteil löste im Bereich der Strafzumessung ein juristisches und politisches Erdbeben aus.527 In der Folge entbrannte eine heftige Debatte über die Konsequenzen für das Strafzumessungsrecht des Bundes.528 Die Reaktion der Gerichte war sehr unterschiedlich; manche wandten die Richtlinien des Bundes wegen Verfassungswidrigkeit nicht an, andere reduzierten sie in ihrem Anwendungsbereich.529 Dringend von Nöten war daher eine höchstrichterliche Klärung der Lage, die in den Rechtssachen Booker und Fanfan kurze Zeit später zumindest teilweise erfolgte. 3. Das Booker-Urteil: Das Recht auf ein Jury-Verfahren (Teil II) Im Urteil Booker und Fanfan530 (im Folgenden: Booker-Urteil) entschied der U.S. Supreme Court, dass die Strafzumessungsrichtlinien des Bundes gegen den 6. Zusatzartikel verstoßen, insoweit sie eine Strafe zulassen, die sich auf Fakten gründet, die nicht in einem Jury-Verfahren festgestellt oder von dem Angeklagten zugestanden wurden.531 Das Gericht erstreckte die Geltung des Rechts auf ein JuryVerfahren explizit auch auf die Strafzumessungsrichtlinien des Bundes und auf alle strafzumessungsrelevanten Fakten.532 Dieser Teil des Urteils griff neben den Frage____________ 527 Vgl. nur Berman, 16 Fed. Sent. R. (2004), S. 307 ff.; Green, 39 U. Rich. L. Rev. (2004-05), S. 1155 (1164 f.). 528 Vgl. nur Berman, 19-WTR Crim. Just. (2005), S. 5 (11 f.); Bowman, 41 Am. Crim. L. Rev. (2004), S. 217 (227 ff.); Green, 39 U. Rich. L. Rev. (2004-05), S. 1155 (1187 ff.). 529 Die unterschiedliche Anwendung der Richtlinien beruhte vor allem darauf, dass nach amerikanischem Recht jedes Gericht über die Verfassungsmäßigkeit selbst entscheidet, also kein konkretes Normenkontrollverfahren allgemein Klarheit schaffen kann. Allerdings soll eine Verfassungswidrigkeit der ganzen Regelung nur dann eintreten, solange nicht der Restbestand der Normen aufrechterhalten werden kann. Daher entspann sich alsbald eine Diskussion über die Möglichkeit einer geltungserhaltenden Reduktion der Richtlinien, vgl. Bowman, 41 Am. Crim. L. Rev. (2004), S. 217 (239 ff.). Die Berufungsgerichte waren über die Frage der Verfassungsmäßigkeit untereinander zerstritten, sodass auch von dieser Seite keine Klärung erfolgte, vgl. Berman, 16 Fed. Sent. R. (2004), S. 307 (309 f.); Green, 39 U. Rich. L. Rev. (2004-05), S. 1155 (1164 f.); Meyer, ZStW 118 (2006), 512 (533). 530 U.S. v. Booker and U.S. v. Fanfan, 543 U.S. 220 (2005); 125 S. Ct. 738 (2005); vgl. dazu Berman, 38 Ariz. St. L. J. (2006), S. 387 ff.; Bowman, 43 Hous. L. Rev. (2006-07), S. 279 ff.; Darmer 56 S. C. L. Rev. (2004-05), S. 533 (555 ff.); Green, 93 Geo. L. J. (2004-05), S. 395 ff.; King, 43 Hous. L. Rev. (2006-07), S. 325 ff.; Meyer, ZStW 118 (2006), 512 (534 ff.); Mullen/Davis, 41 U. Rich. L. Rev. (2007), S. 625 ff.; Wright, 43 Hous. L. Rev. (2006-07), S. 389 ff.; Zane, 17 Fed. Sent. R. (2005), S. 263 ff.; spez. zu den Auswirkungen auf Unternehmen Brickey, Corporate Criminal Liability, § 1:13; Gruner, Corporate Criminal Liability, § 8.06 [1] [b], § 11.03 [6]; Johnson, 116 Yale L. J. (2006), S. 632 ff.; Rakoff et al. (eds.), Sentencing, § 1.03 [5]; Richman, 8 Wall Street L. (März 2005, No. 10), S. 12 ff.; Walker, 1536 PLI/Corp 117. 531 Die Entscheidung ist allerdings mit 5 zu 4 Stimmen nur knapp zustande gekommen. 532 Durch diese Entscheidung ist an sich ein weiteres verfassungsrechtliches Problem entstanden, auf das das Gericht genauso wenig wie bereits im Blakely-Verfahren einging: Die Notwendigkeit des Jury-Verfahrens stellt die Strafzumessungserwägungen substantiell auf eine Ebene wie Tatbestandsmerkmale. Diese Gleichstellung ist jedoch nicht unproble-
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stellungen des Rechts auf ein Jury-Verfahren eine weitere Entwicklung auf, nämlich die Frage der Begrenzung des richterlichen Ermessens durch die Richtlinien. Eine erste Stellungnahme des Gerichts zu dieser Frage war bereits im Urteil Koon533 erfolgt, das die Freiheit des Richters zu Abweichungen von den Richtlinien betont hatte: Die Richtlinien mit ihrer Typisierung erfassen nur sogenannte „heartland cases“, Fälle außerhalb des „heartlands“ aber berechtigen den Richter zu einer Abweichung vom fixen Strafrahmen der Richtlinien. Die Frage des richterlichen Ermessens in der Strafzumessung war auch von wesentlicher Bedeutung für den zweiten Teil des Booker-Urteils.534 Das Gericht erklärte die Richtlinien nicht – wie man bei einem Verfassungsverstoß erwarten könnte – für nichtig, sondern stellte lediglich fest, dass die Richtlinien nicht mehr rechtlich bindend seien, von den Gerichten aber als nicht verpflichtende Leitlinien (advisory) weiter berücksichtigt werden müssen. Denn abgesehen von einzelnen gesetzlichen Regelungen stellten die Richtlinien auf Grundlage der Vorschriften des Sentencing Reform Act ein funktionierendes System dar, das zur Erreichung der gesetzlichen Ziele geeignet sei.535 Die einzelnen Gerichte sollten daher neben den Faktoren der Richtlinien vermehrt die gesetzlichen Strafzumessungsfaktoren einbeziehen.536 Für die Rechtsmittelinstanz sah der U.S. Supreme Court es als ausreichend an, die Strafzumessung daraufhin zu überprüfen, ob sie angemessen und vernünftig (reasonable) ist.537
____________ matisch, da es nur dem Kongress zusteht, Straftatbestände zu formulieren, vgl. näher Green, 39 U. Rich. L. Rev. (2004-05), S. 1155 (1180 f.). 533 Koon v. United States, 518 U.S. 81 (1996); vgl. dazu Berman, 76 Notre Dame L. Rev. (2000), S. 21 (72 ff.); Goldstein, 113 Yale L. J. (2003-04), S. 1955 (1963 ff.); Ramirez, 34 Loy. U. Chi. L. J. (2002-03), S. 359 (393 ff.); Reichert, Strafzumessungsrichtlinien, S. 234 ff.; Stith/Cabranes, 91 Nw. U. L. Rev. (1996-97), S. 1247 (1278 ff.). 534 Auch diese Entscheidung kam nur mit 5 zu 4 Stimmen zustande, wobei nur ein Richter, der den ersten Teil der Entscheidung mitgetragen hatte, auch für den zweiten Teil stimmte; insoweit verwundert es nicht, dass beide Teile des Urteils nicht völlig kohärent sind. 535 U.S. v. Booker, 125 S. Ct. 738 (2005), S. 767 f. Für verfassungswidrig erklärt wurden nur die Vorschriften 18 U.S.C. § 3553 (b) (1), der die Verbindlichkeit der Richtlinien vorschreibt, und 18 U.S.C. § 3742 (e), der eine umfassende Rechtsmittelkontrolle bei Abweichungen von den Richtlinien vorsieht. Übersehen wurde wohl 18 U.S.C. § 3553 (b) (2), der eine zwingende Strafe bei bestimmten Sexualstraftaten vorsieht, vgl. U.S. v. Sharpley, 399 F.3d 123 (2nd Cir. 2005), Anm. 3. Zum Sentencing Reform Act siehe oben S. 121 f. 536 So vor allem die Vorgaben in 18 U.S.C. § 3553 (a). 537 Dies war eine Abkehr von der durch das Feeney-Amendment (vgl. oben S. 182) geschaffenen de novo-Überprüfung, vgl. dazu Goldstein, 113 Yale L. J. (2003-04), S. 1955 (1968 ff.).
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2. Kapitel: Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika
4. Die Zeit nach dem Booker-Urteil Mit dem Booker-Urteil erbebte die Landschaft der Strafzumessung ein zweites Mal in kürzester Zeit, da das seit über 20 Jahren etablierte System der Richtlinien erheblich modifiziert wurde. Probleme ergaben sich aus der nicht friktionsfreien Entscheidung „verfassungswidrig, aber doch weiterhin teilweise bindend“.538 Für die weitere Praxis waren daher die Reichweite der Bindung durch die Richtlinien und deren Überprüfbarkeit in der Rechtsmittelinstanz zu klären.539 Die Bindung der Gerichte an die Richtlinien wurde zunächst unterschiedlich beurteilt; zum Teil wurden die Richtlinien unproblematisch als Grundlage genommen, zum Teil nur als quasi-gesetzliche Konkretisierung ergänzend hinzugezogen.540 In den meisten Fällen wird die Strafe jedoch inzwischen auf Grundlage der Richtlinien und innerhalb des dort vorgesehenen Strafrahmens bemessen.541 Es ist nur ein leichter Abfall der insgesamt im Rahmen der Richtlinien liegenden Strafen und ein geringes Anwachsen der unterhalb der Richtlinien liegenden Strafen zu beobachten.542 Damit besteht kein eklatanter Unterschied zur Lage vor dem Booker-Urteil.543 Diese Entwicklung belegt die tiefe Verankerung der Richtlinien im aktuellen Strafzumessungssystem.544 Allerdings haben die Berufungsgerichte alsbald nach dem Booker-Urteil klargestellt, dass der erstinstanzliche Richter eingehend prüfen muss, ob die Strafe nach den Richtlinien angemessen ist.545 Der U.S. ____________ 538 Vgl. zu den Friktionen auch Green, 93 Geo. L. J. (2004-05), S. 395 (400 ff.); Meyer, ZStW 118 (2006), 512 (535 f.). 539 Zu den offenen Fragen vgl. Berman, 85 Denv. U. L. Rev. (2007-08), S. 7 (9 ff.). 540 Vgl. zur unterschiedlichen Herangehensweise der Gerichte Bowman, 43 Hous. L. Rev. (2006-07), S. 279 (290 ff.); Meyer, ZStW 118 (2006), 512 (537 ff.); siehe auch die Übersicht im 35th Annual Review of Criminal Procedure, 36 Geo. L. J. Ann. Rev. Crim. Proc. (2007), S. 671 ff. 541 Die USSC wertet statistisch seit dem Booker-Urteil die Verfahren daraufhin aus, ob und inwieweit die Strafen auf den Richtlinien basieren: ca. 60 % der Strafen liegen innerhalb des Rahmens der Richtlinien, ca. 2 % darüber und ca. 38 % darunter, vgl. USSC, Booker-Report, S. 55 f., 60 f. (siehe näher zu den Daten die Übersicht unten S. 272 f.). Allerdings sind die Daten wenig differenziert und machen z.B. nicht deutlich ob ein Richter eine über der Richtlinie liegende Strafe gewählt hat, die er dann erst aufgrund außerhalb der Richtlinien liegender Umstände auf „Richtlinienhöhe“ gebracht hat, vgl. zu Bedenken hinsichtlich der Datensammlung Bowman, 43 Hous. L. Rev. (2006-07), S. 279 (294 ff.); zur Praxis nach Booker siehe auch Mullen/Davis, 41 U. Rich. L. Rev. (2007), S. 625 (631 ff.). 542 Vgl. zu den Daten unten S. 272 f.; siehe auch Bowman, 43 Hous. L. Rev. (2006-07), S. 279 (297 ff.) sowie krit. Mullen/Davis, 41 U. Rich. L. Rev. (2007), S. 625 ff. 543 Vgl. Berman, 85 Denv. U. L. Rev. (2007-08), S. 7 (21 f.). 544 Vgl. nur Darmer 56 S. C. L. Rev. (2004-05), S. 533 (567); mangels eines „common law of sentencing“ bestünden auch gar keine brauchbaren Alternativen zur Anwendbarkeit der Richtlinien. 545 Vgl. U.S. v. Ross, 475 F.3d 871 (7th Cir. 2007); Berman, 85 Denv. U. L. Rev. (200708), S. 7 (13 f.).
§ 6 Die Strafzumessung
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Supreme Court hat in den Verfahren Rita, Kimbrough und Gall betont, dass die Richtlinien im Grundsatz die angemessene Strafe normierten und nur bei besonderen Umständen davon abzuweichen sei (wenn der Sachverhalt außerhalb des „heartland“ der Richtlinien liegt).546 Die empirisch fundierten Strafzumessungsrichtlinien konkretisierten für den Normalfall die gesetzlichen Strafzumessungsziele des 18 U.S.C. § 3553 (a).547 Die Prüfung einer möglichen Abweichung sei wegen der Sachnähe des erstinstanzlichen Richters aber besonders sorgfältig vorzunehmen. In der Kimbrough-Entscheidung, die durch das Urteil im Fall Spears bestätigt und ausdifferenziert wurde, hat der U.S. Supreme Court explizit klargestellt, dass auch eine substantielle Abweichung von den Vorgaben der Richtlinien möglich ist.548 Die Strafe wird also zunächst nach den Richtlinien bestimmt. Sodann ist vom Richter zu prüfen, ob die Richtlinien selbst oder gesetzliche Vorschriften Abweichungen erfordern.549 Die erstinstanzlichen Gerichte müssen somit immer eine nach den Richtlinien bestimmte Strafe auf ihre Angemessenheit überprüfen. Für die Berufungsinstanz war zunächst ungeklärt, wie weitgehend die Strafzumessung nach dem neu eingeführten reasonableness-Standard zu überprüfen ist.550 Zahlreiche Berufungsgerichte neigten dazu, Strafen auf Grundlage der Richtlinien als grundsätzlich angemessen zu beurteilen.551 Die Verfassungsmäßigkeit dieses Vorgehens hat der U.S. Supreme Court im Verfahren Rita552 inzwischen im Wesentlichen bestätigt, wenn die Strafe innerhalb des Strafrahmens der Richtlinien liegt. In den Verfahren Kimbrough und Gall erweiterte das Gericht diesen Grundsatz auch auf Fälle, in denen das Instanzgericht eine andere oder eine unterhalb der von den Richtlinien vorgesehene Strafe verhängt.553 Die Strafe des Instanzgerichts ____________ 546 Rita v. U.S., 551 U.S. 338 (2007), 127 S. Ct. 2456 (2007), S. 2465; Kimbrough v. U.S., 128 S. Ct. 558 (2007); Gall v. U.S., 128 S. Ct. 586 (2007). 547 Kimbrough v. U.S., 128 S. Ct. 558 (2007); Gall. v. U.S., 128 S. Ct. 586 (2007). 548 Vgl. Kimbrough v. U.S., 128 S. Ct. 558 (2007); Spears v. U.S. 129 S. Ct. 840 (2009). 549 Vgl. U.S. v. McBride, 434 F.3d 470 (6th Cir. 2006), S. 474. Dieses Vorgehen macht die Strafzumessung aufwändiger als zuvor, was in der Praxis wegen des Zeitaufwands deutliche Kritik hervorgerufen hat, vgl. Mullen/Davis, 41 U. Rich. L. Rev. (2007), S. 625 (644 ff.). 550 Vgl. zu den Problemen die das Booker-Urteil durch Schaffung des neuen Standards der reasonableness geschaffen hat Green, 93 Geo. L. J. (2004-05), S. 395 (414 ff.); King, 43 Hous. L. Rev. (2006-07), S. 325 ff.; Mullen/Davis, 41 U. Rich. L. Rev. (2007), S. 625 (633 ff.). 551 Diese Frage war unter den Berufungsgerichten stark umstritten, siehe die Zusammenstellung der Berufungsentscheidungen nach Bezirk (circuit) in USSC, Booker-Report, S. 24 ff. 552 Vgl. das Verfahren Rita v. U.S., 127 S. Ct. 2456 (2007); die USSC hatte im Verfahren eine amicus curiae Stellungnahme abgegeben, die die Berufungsgerichte unterstützte, die eine Strafe auf Grundlage der Richtlinien als angemessen ansahen, vgl. USSC, Amicus Curiae, S. 6 ff. Zum Urteil siehe Berman, 85 Denv. U. L. Rev. (2007-08), S. 7 ff. 553 Vgl. Kimbrough v. U.S., 128 S. Ct. 558 (2007).
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2. Kapitel: Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika
ist (bei ausreichender Begründung einer Abweichung) grundsätzlich als angemessen anzusehen und wird nur auf einen Missbrauch des Ermessens hin geprüft. Die Berufungsgerichte können somit eine Strafe nicht vollumfänglich (de novo) überprüfen. Im Ergebnis behalten die Richtlinien damit auch in den auf Booker nachfolgenden Entscheidungen ihr zentrales Gewicht bei der Strafzumessung. Ob und inwieweit der Kongress auf die verfassungsgerichtlichen Urteile reagiert, ist immer noch offen. Die Verfahren könnten Anlass geben, eine umfassendere Reform des Richtliniensystems in Angriff zu nehmen.554 5. Die Bedeutung der Urteile für Unternehmen Die vorgenannte Rechtsprechung bezog sich auf Verfahren, an denen natürliche Personen beteiligt waren. Bis heute höchstrichterlich ungeklärt ist, ob die Grundsätze (insbesondere des Booker-Urteils) auf Unternehmen Anwendung finden. Dies ist nicht unproblematisch, da die Anwendung des 6. Zusatzartikels auf Unternehmen bislang noch nicht abschließend geklärt ist.555 Einige instanzgerichtliche Urteile deuten zwar darauf hin, dass das Recht auf ein Jury-Verfahren auch für Unternehmen Geltung beansprucht, wie dies zudem von der Literatur befürwortet wird.556 Der U.S. Supreme Court hat die Frage selbst bislang jedoch offen gelassen.557 Nichtsdestoweniger wird aber allgemein angenommen, dass das BookerUrteil auf die Unternehmensrichtlinien ebenfalls Anwendung findet.558 Dafür spricht, dass die Unternehmensrichtlinien Teil der allgemeinen Richtlinien sind und die im Booker-Urteil für verfassungswidrig erklärten Normen sich auf die gesamten Richtlinien bezogen. Für eine Anwendung auf Unternehmen spricht zudem, dass ____________ 554 Zahlreiche Vorschläge existieren hierzu in der Literatur, vgl. nur Stith/Dunn, 58 Stan. L. Rev. (2005-06), S. 217 (220 ff.) zu einer Reform der Kommission und einer besseren Einbindung der Judikative. 555 Eingehend dazu Adlestein, 27 U. C. Davis L. Rev. (1993-94), S. 375 ff. 556 Vgl. z.B. U.S. v. Troxler Hosiery Co., 681 F.2d 934 (4th Cir. 1982) und U.S. v. R. L. Polk & Co., 438 F.2d 377 (6th Cir. 1971), S. 379, die von einer uneingeschränkten Anwendung ausgehen, sowie U.S. v. Twentieth Century Fox Film Corp., 882 F.2d 656 (2nd Cir. 1989), cert. den. 493 U.S. 1021 (1990), das zumindest eine teilweise Anwendbarkeit sieht. Siehe auch Friedman, 55 Notre Dame L. (1979-80), S. 173 (198 ff.); Gruner, Corporate Criminal Liability, § 5.06 [7]; Henning, 63 Tenn. L. Rev. (1995-96), S. 793 (862 ff.); Johnson, 116 Yale L. J. (2006), S. 632 (651 ff.); Khanna, 109 Harv. L. Rev. (1995-96), S. 1477 (1518 f.); Mayer, 41 Hastings L. J. (1989-90), S. 577 (664 f.); Walker, 1536 PLI/Corp. 117 (121); Zane, 17 Fed. Sent. R. (2005), S. 263 (264 f.); restriktiver aber Adlestein, 27 U. C. Davis L. Rev. (1993-94), S. 375 (396 ff.). 557 Vgl. Muniz v. Hoffman, 422 U.S. 454 (1975), S. 477. 558 Vgl. bspw. Gruner, Corporate Criminal Liability, § 8.06 [1] [b], § 11.03 [6]; Johnson, 116 Yale L. J. (2006), S. 632 ff.; Walker, 1536 PLI/Corp. 117 (121 f.); Zane, 17 Fed. Sent. R. (2005), S. 263 (264 f.); zurückhaltend Orland, 1 Brook. J. Corp. Fin. & Com. L. (2006-07), S. 45 (49).
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der U.S. Supreme Court mit dem Recht auf ein Jury-Verfahren einen eher formalen Anknüpfungspunkt gewählt hat,559 der sich inhaltlich auch im Rahmen der due process-Rechte und der Frage der Gewaltenteilung (Unabhängigkeit der Gerichte) hätte stellen lassen.560 Gerade im Rahmen der due process-Rechte, die auch auf Unternehmen umfassend Anwendung finden,561 wäre der Gerichtshof noch flexibler gewesen, punktuelle Defizite der Richtlinien auszugleichen. Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass der Gerichtshof im Fall der Klage eines Unternehmens den Schwerpunkt mehr auf die due process-Rechte als auf das Recht auf ein JuryVerfahren legt.562 Von Bedeutung werden kann die Booker-Rechtsprechung im Bereich der auf Gewinn oder Verlust basierenden Geldstrafenberechnung, welche im Normalfall einen erhöhten Grundbetrag und damit eine erhöhte Strafe nach sich zieht. Gewinn und Verlust müssen nun beyond reasonable doubt und nicht mehr allein nach dem preponderance of evidence-Standard nachgewiesen werden.563 Dies ist gerade bei Kartelldelikten für Unternehmen ein großer Vorteil, da ein Nachweis des Gewinns bzw. Verlusts nicht einfach zu führen ist.564 Offen ist allerdings noch, ob in Bezug auf Geldstrafen genau die gleichen Maßstäbe anzulegen sind wie bei Gefängnisstrafen, auf die sich die Booker-Entscheidung sachlich bezog.565 Soweit es Compliance-Programme betrifft, könnte sich das Urteil dahingehend auswirken, dass diese stärker in das Blickfeld der Gerichte geraten.566 Zum einen besteht nun die Möglichkeit, dass diese eine eigenständige Bewertung eines Compliance-Programms vornehmen, ohne dabei strikt durch die Vorgaben der Richtlinien gebunden zu sein.567 Zum anderen kann ein solches Programm stärker ____________ 559 Dies mag daran liegen, dass der U.S. Supreme Court im Urteil Mistretta seine verfassungsrechtlichen Bedenken gegenüber den Richtlinien zurückgestellt hatte und nun versucht, diesen Bedenken durch „die Hintertür“ doch noch Geltung zu verschaffen. 560 Vgl. bspw. Berman, 38 Ariz. St. L. J. (2006), S. 387 (406 ff.); Bowman, 41 Am. Crim. L. Rev. (2004), S. 217 (239, 257); Darmer 56 S. C. L. Rev. (2004-05), S. 533 (579); siehe auch Allen/Haster, 58 Stan. L. Rev. (2005-06), S. 195 (202 ff.), die das Urteil nur in einer langen Folge von Entscheidungen sehen, mit denen der U.S. Supreme Court Einfluss auf das materielle Strafrecht zu nehmen versuchte. 561 Vgl. Gruner, Corporate Criminal Liability, § 5.06. 562 So hatte z.B. Parker, 3 Fed. Sent. R. (1990-91), S. 133 (136) Bedenken angemeldet, ob die Schuldberechnung bei Unternehmen mit den due process-Rechten vereinbar sei, vgl. auch Gruner, Corporate Criminal Liability, § 8 S. 55 f. 563 Zane, 17 Fed. Sent. R. (2005), S. 263 (264 ff.). 564 Vgl. zu den Auswirkungen von Booker in diesem Bereich Nanni/Nigro, in: Rakoff et al. (eds.), Sentencing, § 7.03 [2]. 565 Vgl. bejahend Zane, 17 Fed. Sent. R. (2005), S. 263 (264 f.). 566 Walker, 1536 PLI/Corp. 117 (121 f.). 567 Da die Vorgaben der Richtlinien sehr detailliert sind, ist eine eingehende gerichtliche Kontrolle des Compliance-Programms äußerst umfangreich und zeitaufwändig. Die Booker-Rechtsprechung ermöglicht nun mehr Flexibilität seitens des Gerichts.
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2. Kapitel: Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika
positiv berücksichtigt werden, da es bislang nur zu einem begrenzten Abzug beim Schuldfaktor führte.568 Im Rahmen der Rechtsmittelkontrolle haben Berufungsgerichte nach dem Booker-Urteil verstärkt die Möglichkeit, Anforderungen an ein Compliance-Programm herauszuarbeiten und Kriterien zu entwickeln, die eine Berücksichtigung über die Richtlinien hinaus ermöglicht.569 In Bezug auf ComplianceProgramme wird ohnehin erwartet, dass unabhängig von der konkreten Ausgestaltung der Strafzumessung in der Zukunft der Compliance-Ansatz als fest etablierter Bestandteil der Strafzumessung erhalten bleiben wird.570 Dafür spricht, dass Compliance-Programme über die reine Strafzumessung Bedeutung erlangt haben, wie z.B. im Bereich der Entscheidung über die Strafverfolgung, sodass es keiner zwingenden Vorgaben durch die Richtlinien mehr bedarf.571 II. Bewertung der Richtlinien insgesamt Neben den verfassungsrechtlichen Problemen stellen sich zahlreiche Fragen, die das Gesamtsystem der Richtlinien betreffen. Auf diese wird im Folgenden unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung eingegangen, soweit sie auch für Unternehmen von Relevanz sind.572 Ein erster Problemkreis bezieht sich auf die Beschränkung des strafrichterlichen Ermessens (1.), ein zweiter auf die Verlagerung des Schwerpunkts des Verfahrens auf die Staatsanwaltschaft (2.), ein dritter auf die mangelnde Berücksichtigung individueller Gesichtspunkte (3.), ein vierter auf die mangelnde Konkretisierung der Strafzwecke (4.) und ein letzter auf die Möglichkeiten politischer Einflussnahme (5.).
____________ Rakoff et al. (eds.), Sentencing, § 1.03 [5] [b]. Allerdings darf man die Erwartungen an die Herausarbeitung eines „common law of sentencing“ nicht zu hoch setzen, da die Gerichte in der Vergangenheit zumeist sehr zurückhaltend waren, vgl. Meyer, ZStW 118 (2006), 512 (539 ff.). Mit dem Booker-Urteil ist die Rechtsmittelkontrolle zudem von der durch das Feeney-Amendment vorgesehenen umfassenden Überprüfung (de novo review) auf eine reasonable-Kontrolle beschränkt worden, sodass auch aus diesem Grund nur in begrenztem Umfang mit Rechtsmittelentscheidungen zu rechnen ist. 570 McGreal, 1536 PLI/Corp. 49 (53 f.); Richman, 8 Wall Street L. (März 2005, No. 10), S. 12 (13); Walker, 1536 PLI/Corp. 117 (122 f.); ebenso bereits zum Blakely-Urteil Bowers et al., Compliance, S. 16. 571 Vgl. Johnson, 116 Yale L. J. (2006), S. 632 (664 f.); Rakoff et al. (eds.), Sentencing, § 1.03 [7] [2]; Richman, 8 Wall Street L. (März 2005, No. 10), S. 12 f. 572 So bleibt bspw. die Kritik an der Auswirkung auf die Belegung der Gefängnisse (Gefahr der Überfüllung) außer Betracht, vgl. hierzu Ogletree, 101 Harv. L. Rev. (1987-88), S. 1938 (1954). Zur Kritik im Überblick vgl. Alschuler, 58 U. Chi. L. Rev. (1991), S. 901 ff.; D.J. Fischer, Strafzwecke, S. 155 ff.; Stith/Cabranes, Judging, S. 78 ff.; Weisberg/Miller, 58 Stan. L. Rev. (2005-06), S. 1 ff. 568 569
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1. Begrenzung des richterlichen Ermessens Die stärkste Kritik an den Richtlinien wendet sich gegen die Begrenzung des richterlichen Ermessens.573 Ein weites Ermessen der Justiz von der Anklagebehörde über das Gericht bis hin zur parole commission war lange Zeit das Kennzeichen des vom common law geprägten amerikanischen Strafrechtssystems.574 Das Ermessen war eng verbunden mit der Idee einer möglichen Resozialisierung des Straftäters, der so lange im Gefängnis bleiben sollte, bis er sich gebessert hatte.575 Der Gesetzgeber gab die Höchststrafe vor, der Richter verhängte eine ihm angemessen erscheinende Strafe und die parole commission bestimmte schließlich die tatsächliche Dauer der Inhaftierung.576 Eine Einschränkung des Ermessens wurde als kaum vereinbar mit einem individuellen Eingehen auf den jeweiligen Straftäter angesehen.577 Durch die Richtlinien mit dem Ziel einer einheitlichen Strafzumessung wird das Ermessen stark eingeschränkt und auf die Berücksichtigung spezieller Gesichtspunkte gerichtet (und damit nicht angeführte Umstände außer Acht gelassen).578 Die vorgegebene Strukturierung der Strafzumessung hat die vorherige Unsicherheit bei der Strafzumessung beseitigt, nicht ohne aber zugleich neue Probleme zu schaffen.579 Vor allem besteht durch die Berücksichtigung allein der vorgegebenen Gesichtspunkte der Richtlinien die Gefahr, dass zugunsten einer einheitlichen Rechtsanwendung unterschiedliche Fallkonstellationen nicht mehr hinreichend berücksichtigt werden können.580 Allerdings scheint das System der Richtlinien nur in Einzelpunkten zu einer einheitlichen Bestrafungspraxis geführt zu haben, wäh____________ 573 Alschuler, 58 U.Chi. L. Rev (1991), S. 901 (918 ff.): “Equal nonsense for all.”; Freed, 101 Yale L. J. (1991-92), S. 1681 ff.; Graafeiland, 31 Vill. L. Rev. (1986), S. 1291 (1293 ff.); Sweet/Van Hook/Di Lello, 65 Fordham L. Rev. (1996), S. 927 (934 ff.). 574 Vgl. zur geschichtlichen Entwicklung Nagel, 80 J. Crim. L. & Criminology (198990), S. 883 (886 ff., inbes. 892 ff.). 575 Vgl. zu diesem engen Zusammenhang von Strafzweck und Ermessen Nagel, 80 J. Crim. L. & Criminology (1989-90), S. 883 (894). 576 Vgl. Stith/Cabranes, 91 Nw. U. L. Rev. (1996-97), S. 1247 (1248 ff.). 577 Vgl. die Nachweise bei Nagel, 80 J. Crim. L. & Criminology (1989-90), S. 883 (886) Anm. 15. 578 Krit. hierzu Cabranes, 1 Harv. Latino L. Rev. (1994), S. 177 (183 ff.); Stith/ Cabranes, 91 Nw. U. L. Rev. (1996-97), S. 1247 (1254 ff.); gegen Cabranes argumentiert Bowman, 1996 Wis. L. Rev. (1996), S. 679 ff. Vgl. auch Freed, 101 Yale L. J. (1991-92), S. 1681 (1718 ff.), der speziell auf die Probleme der erweiterten Überprüfung von erstinstanzlichen Urteilen eingeht (S. 1727 ff.), sowie unten S. 204 f. 579 Vgl. Nagel, 80 J. Crim. L. & Criminology (1989-90), S. 883 (934 ff.). 580 Stith/Cabranes, 11 Fed. Sent. R. (1998-99), S. 187: “Uniform treatment does not mean equal treatment.”; siehe auch Bowman, 1996 Wis. L. Rev. (1996), S. 679 (704 ff.); Nagel, 80 J. Crim. L. & Criminology (1989-90), S. 883 (887, 933 ff.); Sweet/van Hook/ Di Lello, 65 Fordham L. Rev. (1996-97), S. 927 (933 f., 937).
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rend es in anderen Punkten den Unterschied noch vergrößert hat.581 Zur Gefahr der Uniformität kommt das Problem, dass die Strafverfolgungsbehörden nicht in das System der Richtlinien miteinbezogen sind; insbesondere das häufig im Prozess erfolgende Geständnis gegen eine Strafmilderung (plea bargaining) wird zwar in den Richtlinien angesprochen, jedoch weder ausreichend geregelt noch reflektiert.582 Somit kann der Richter nur bedingt eine genau auf die Tat und den Täter zugeschnittene Strafe verhängen. Für Unternehmen ist das Problem allerdings nicht in gleichem Maße von Relevanz wie für natürliche Personen, da bereits die Richtlinien selbst dem Richter durch einige Anpassungsmöglichkeiten ein beschränktes Eingehen auf den Einzelfall eröffnen.583 Die vorgenannte Kritik kann jedoch nur Geltung beanspruchen, soweit die Richtlinien auch bindenden Charakter für den Richter haben. Die Rechtsprechung des U.S. Supreme Court hat aber in den letzten Jahren zunehmend die Freiheit des Richters zu Abweichungen von den Richtlinien betont, vor allem, soweit es um nicht von den Richtlinien erfasste Umstände geht.584 Mit dem Booker-Urteil gelten die Richtlinien fortan sogar nur noch als unverbindliche Leitlinien, sodass Gerichten weitgehend ermöglicht wird, einzelne Faktoren stärker als in den Richtlinien zu berücksichtigen bzw. darin nicht genannte Faktoren miteinzubeziehen. Das BookerUrteil gibt den Richtern damit genau das notwendige Ermessen zurück, das die Kritiker zur Korrektur der Richtlinien gefordert hatten.585 2. Verlagerung des Verfahrensschwerpunkts Ein weiterer Kritikpunkt, der die Richtlinien als Ganzes betrifft, ist die Verlagerung des Schwerpunkts vom gerichtlichen Verfahren auf das Ermittlungsverfahren. Das neue System hat zu einem Bedeutungszuwachs der Strafverfolgungsbehörden ____________ 581 Ein konkreter Vergleich zur Zeit vor den Richtlinien lässt sich objektiv nur schwer ziehen und damit nur bedingt aussagen, inwieweit eine Veränderung stattgefunden hat, vgl. m.w.N. zu einzelnen Untersuchungen Alschuler, 58 Stan. L. Rev. (2005-06), S. 85 ff. 582 Vgl. Cabranes, 44 St. Louis U. L. J. (2000), S. 271 (275 ff.); Stith/Cabranes, 11 Fed. Sent. R. (1998-99), S. 187 (190 f.). Das Problem der mangelnden Regelung des plea bargaining ist nicht neu, so hatte bereits Coffee, 79 Mich. L. Rev. (1980-81), S. 386 (440) eine Reform der Rechtslage speziell auch in Bezug auf die Strafverfolgung von Unternehmen angemahnt; vgl. zum plea bargaining näher S. 244 ff. 583 Vgl. Rakoff et al. (eds.), Sentencing, § 1.04 [2]. 584 So v.a. das Koon-Urteil, siehe oben S. 195. 585 Vgl. Sweet/van Hook/Di Lello, 65 Fordham L. Rev. (1996-97), S. 927 (937 ff.), die die Richtlinien als sinnvollen Rahmen für eine strukturierte Strafzumessung sehen, von dem der Richter aber zur Durchsetzung einzelner Strafzwecke berechtigt sein sollte, abzuweichen; vgl. auch Alschuler, 58 U. Chi. L. Rev. (1991), S. 901 (945), der vorschlägt, die Richtlinien mehr als allgemeine Leitlinien zu formulieren, sowie Berman, 76 Notre Dame L. Rev. (2000), S. 21 (96 ff.); Hofer/Allenbaugh, 40 Am. Crim. L. Rev. (2003), S. 19 (76 ff.).
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gegenüber dem Gericht geführt,586 obwohl sie nicht in das Richtliniensystem einbezogen sind. Zum einen kann die Staatsanwaltschaft in Fällen nur geringer Schuld, für deren Bestimmung die Richtlinien nun im Gegensatz zur früheren Rechtlage klare Kriterien vorsehen, von einer Verfolgung absehen.587 Für Unternehmen ist dies von besonderer Bedeutung, da die Frage der Unternehmensschuld vor den Richtlinien gänzlich ungeregelt war. Der Staatsanwalt hat zudem durch die Möglichkeit der Auswahl der Fakten Einfluss auf die Strafzumessung, insbesondere auf den Nachweis von Milderungs- oder Erschwerungsgründen.588 Im Gegensatz zum früheren System kann der Staatsanwalt sich von Anfang an ausrechnen, welche Fakten zu welcher Strafe führen. Gerade im praxisrelevanten Bereich des plea bargaining kann die Zusage, bestimmte Fakten nicht in das Verfahren einzubringen, ein Geständnis des Angeklagten befördern (fact bargaining).589 Die Kritik an der Zunahme der Bedeutung der Staatsanwaltschaft ist allerdings nicht überzubewerten, da die Anklagebehörde traditionell ein weites (gerichtlich kaum zu kontrollierendes) Ermessen in Bezug auf die anzuklagende Straftat hat. Zudem konnte sie schon immer durch diversion oder plea bargaining ein Verfahren beenden bzw. abkürzen.590 Einem Missbrauch wird dadurch vorgebeugt, dass dem Staatsanwalt das Unterdrücken oder Vorbringen missverständlicher Fakten untersagt ist.591 Im Übrigen folgen die Richtlinien dem Ansatz des real offense sentencing,592 das das gesamte delinquente Verhalten zum Gegenstand der Strafzumessung macht und sich nicht allein auf die angeklagten Taten beschränkt.593 Die Entscheidung über die Strafzumessung wird dabei nicht von der Staatsanwaltschaft, sondern von den probation officers vorbereitet.594 Somit kann das Gericht von der Staatsanwaltschaft in Bezug auf die Straftat nicht vorgebrachte Umstände berücksich____________ 586 Bowman, 105 Colum. L. Rev. (2005), S. 1315 (1336 ff.).; Hochstedler Steury, in: Champion (Hrsg.), Guidelines, S. 93 ff.; Stith/Cabranes, 91 Nw. U. L. Rev. (1996-97), S. 1247 (1248 ff.); dies., Judging, S. 130 ff.; Sweet/van Hook/Di Lello, 65 Fordham L. Rev. (1996-97), S. 927 (933); siehe auch Freed, 101 Yale L. J. (1991-92), S. 1681 (1697, 1723 f.); Powell/Cimino, 97 W. Va. L. Rev. (1995), S. 373 (382 ff.). 587 Vgl. Gruner, 36 Ariz. L. Rev. (1994), S. 407 (431 f.). 588 Bowman, 1996 Wis. L. Rev. (1996), S. 679 (724 ff.); Freed, 101 Yale L. J. (1991-92), S. (1685); Gruner, 36 Ariz. L. Rev. (1994), S. 407 (432); Powell/Cimino, 97 W. Va. L. Rev. (1994-95), S. 373 (383); Sweet/van Hook/Di Lello, 65 Fordham L. Rev. (1996-97), S. 927 (933). 589 Stith/Cabranes, Judging, S. 132; vgl. zum plea bargaining näher S. 244 ff. 590 Bowman, 1996 Wis. L. Rev. (1996), S. 679 (727 ff.); vgl. zu diversion und plea bargaining näher unten S. 241 ff. 591 Vgl. Bowman, 1996 Wis. L. Rev. (1996), S. 679 (729 ff.). 592 Siehe § 1 A 1.1 Int. 4. USSG sowie bereits oben S. 128. 593 Im Bereich der Unternehmen ist der Ansatz des real offense sentencing deutlich stärker ausgeprägt als bei natürlichen Personen, da die Voraussetzungen der Unternehmensstrafbarkeit nur wenige Umstände berücksichtigen, vgl. Gruner, Corporate Criminal Liability, § 8.07 [2]. 594 Vgl. zum Ablauf des Verfahrens unten S. 226 ff.
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tigen.595 Nachdem mit dem Booker-Urteil auch die Verbindlichkeit des in den Richtlinien vorgesehenen Verfahrens weggefallen ist, ist das Gericht zudem frei, bisher allein von einer Stellungnahme der Staatsanwaltschaft abhängige Faktoren einzubeziehen.596 Das Problem, dass die Staatsanwaltschaft häufig nur eine nicht so schwere Tat anklagte und dann in der Strafzumessung versuchte, weiteres deliktisches Verhalten im Rahmen des real offense sentencing mit einem geminderten verfahrensrechtlichen Standard einzuführen,597 ist mit dem Booker-Urteil ebenfalls geringer geworden. Denn alle für die Strafzumessung relevanten Fakten müssen von einer Jury geprüft und nachgewiesen worden sein. 3. Berücksichtigung individueller Faktoren Immer wieder wird bei den Richtlinien bemängelt, dass sie zwar unzählige Faktoren einbeziehen, aber traditionell für die Strafzumessung wichtige persönliche Umstände nicht berücksichtigen.598 Diese Kritik betrifft allerdings primär die Richtlinien für natürliche Personen, da bei den Vorschriften für Unternehmen darauf verzichtet wurde, bestimmte Faktoren für nicht anwendbar zu erklären. Zudem werden zahlreiche individuelle Faktoren in den Unternehmensrichtlinien bereits miteinbezogen. Gerade im Vergleich zur Lage vor den Richtlinien hat ein Richter erstmals überhaupt ausreichend Anhaltspunkte, wie bei der Strafzumessung die Unternehmensschuld zu bemessen und zu gewichten ist.599 Nicht ausgeschlossen ist, dass ein Gericht Erwägungen miteinbezieht, die von Bundesbehörden für die ____________ 595 Vgl. Stith/Cabranes, Judging, S. 132 ff., die dadurch den Machtzuwachs der Staatsanwaltschaft deutlich eingeschränkt sehen. 596 Dies betrifft v.a. die Möglichkeit einer Strafmilderung aufgrund einer Kooperation mit den Ermittlungsbehörden. Die Richtlinien sehen diesbezüglich vor, dass eine solche Milderung einen Antrag der Staatsanwaltschaft voraussetzt (sog. § 5 K 1.1-Antrag). Nach dem Booker-Urteil ist eine Strafmilderung auch ohne Antrag der Staatsanwaltschaft möglich. Dieser Punkt ist für natürliche Personen weit relevanter, da hier der 5 K 1.1-Antrag die einzige Möglichkeit eines Bonus für eine Kooperation war (vgl. hierzu bspw. Bibas, 58 Stan. L. Rev. [2005], S. 137 [148 ff.]); für Unternehmen ist dagegen im Rahmen der für die Strafbemessung zentralen Schuldwertberechnung (§ 8 C 2.5 USSG) kein Antrag vorgesehen; der Antrag ist allerdings für eine Abweichung vom Strafrahmen (downward departure) der Richtlinien Voraussetzung (vgl. § 8 C 4.1 USSG), insoweit hat die BookerRechtsprechung auch für Unternehmen Bedeutung, vgl. Rakoff et al. (eds.), Sentencing, § 1.03 [5] [d]. 597 Dieses Problem des real offense sentencing wird häufig mit der Metapher „the tail wags the dog“ umschrieben, vgl. U.S. v. Kikumura, 918 F.2d 1084 (3rd Cir. 1990), S. 1100 f. Die Verurteilung drohte dabei zu einer reinen Formalie zu verkommen, da die eigentliche Entscheidung erst in der Strafzumessung getroffen wurde, vgl. näher Darmer, 56 S. C. L. Rev. (2005), S. 533 (571 ff.). 598 So z.B. berufliche Ausbildung oder familiärer Hintergrund, vgl. krit. Hofer/ Allenbaugh, 40 Am. Crim. L. Rev. (2003), S. 19 (22); Schulhofer, 29 Am. Crim. L. Rev. (1992), S. 833 (858 ff.); Stith/Cabranes, Judging, S. 74 f.; Ogletree, 101 Harv. L. Rev. (1987-88), S. 1938 (1953). 599 Laufer, 71 Neb. L. Rev. (1992), S. 1049 (1084 f.).
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Sanktionierung von Unternehmen zusätzlich (zu den in den Richtlinien erwähnten) herangezogen werden. So könnte beispielsweise der von der SEC angesprochene Gesichtspunkt der Schädigung der Anteilseigner als strafmildernder Aspekt berücksichtigt werden.600 Nach dem Booker-Urteil hat ein Gericht darüber hinaus die Möglichkeit, im Einzelfall über die Richtlinien hinausgehende oder auch entgegen dem Wortlaut der Richtlinien stehende individuelle Umstände zu berücksichtigen, wenn dies dem Zweck der Bestrafung eher entspricht als die Richtlinienregelung. Damit kann die Richterschaft der Gefahr entgegenwirken, dass uniforme Rechtsanwendung zulasten von Einzelfallgerechtigkeit betrieben wird.601 Durch die Berücksichtigung der Vielzahl von individuellen Faktoren ist allerdings ein nicht ganz einfach zu handhabendes System entstanden, bei dem zahlreiche Einzelfakten zu einer erheblichen Änderung des Strafrahmens führen können.602 Die Vorbereitung der Strafzumessungsentscheidung hat damit eine bisher nicht gekannte Komplexität erreicht.603 Eine erfolgreiche Verteidigung erfordert hier einen äußerst versierten Verteidiger.604 4. Mangelnde Abstimmung der Strafzwecke Neben dem Problem der Einzelfallgerechtigkeit wird auch bemängelt, dass die Richtlinien keine klare Bestimmung hinsichtlich der Strafzwecke treffen.605 Damit stellen sie zwar nur eine Fortsetzung der gesetzlichen Lage dar.606 Von den Richtlinien hätte man sich aber angesichts des komplexen Gesamtsystems eine klarere Aussage hinsichtlich der Bedeutung und der Rangfolge der einzelnen Strafzwecke erwartet. Für die Unternehmensrichtlinien wäre dies auch deswegen von Bedeutung gewesen, da die Schwerpunktsetzung hier nicht zwangsläufig der für natürliche Personen entspricht und zumindest die entscheidenden Unterschiede hätten heraus____________ 600 Vgl. zu den SEC Financial Penalty Standards aus dem Jahr 2006 unten S. 300. Siehe auch Gruner, Corporate Criminal Liability, § 13.02 [2]. 601 Vgl. zu diesem Problem Hofer/Allenbaugh, 40 Crim. L. Rev. (2003), S. 19 (21 f.); siehe auch Berman, 76 Notre Dame L. Rev. (2000), S. 21 (59 ff.); Sweet/van Hook/Di Lello, 65 Fordham L. Rev. (1996-97), S. 927 (934). 602 Vgl. dazu den Fall bei Alschuler, 58 Stan. L. Rev. (2005-06), S. 85 (107 ff.), der die typischen Streitfragen in einer Strafzumessungssituation aufzeigt. 603 Vgl. krit. zum Zeitaufwand aus der Praxis Mullen/Davis, 41 U. Rich. L. Rev. (2007), S. 625 (644 ff.). 604 Vgl. Alschuler, 58 Stan. L. Rev. (2005-06), S. 85 (111) mit dem Hinweis, dass nur wenige Verteidiger sich in 629 Seiten Richtlinien, über 1.100 Seiten Erläuterungen und ungezählten Urteilen zu den Richtlinien auskennen. 605 Hofer/Allenbaugh, 40 Crim. L. Rev. (2003), S. 19 (35 ff.); Miller, 54 Emory L. J. (2005), S. 271 (286); Ogletree, 101 Harv. L. Rev. (1987-88), S. 1938 (1952 f); Rappaport, 6 Buff. Crim. L. Rev. (2003), S. 1043 ff.; Stith/Cabranes, Judging, S. 56. 606 Vgl. dazu bereits oben S. 123 sowie S. 151. Siehe auch unten S. 541 ff.
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gestellt werden müssen.607 Die USSC hat sich bisher kaum um eine Lösung dieses grundlegenden Problems bemüht.608 Unverkennbar ist allerdings, dass die Richtlinien in ihrer Gesamtheit stark zugunsten des Vergeltungs- und Abschreckungsgedankens ausgerichtet sind.609 Deutlich wird dies vor allem an den (zum Teil extrem) hohen Strafen und der an nur wenigen Kriterien orientierten Uniformität der Strafzumessung.610 Damit ergeben sich häufig Strafen, die (abgesehen vom Abschreckungsgedanken) kaum rational begründbar sind und auch nicht in angemessenem Verhältnis zur Tat stehen.611 Mit dem Booker-Urteil haben die Gerichte nun die Möglichkeit erhalten, die gesetzlich erwähnten Strafzwecke umfassender anzuwenden und eigene Schwerpunkte gegenüber den Vorgaben der Richtlinien zu setzen.612 Hier kann insbesondere ein größeres Gewicht auf 18 U.S.C. § 3553 (a) (2) gelegt werden, der nur verpflichtet, eine Strafe zu verhängen, die hinreichend schwer, aber nicht schwerer als notwendig ist.613 Zudem sieht 18 U.S.C. § 3553 (b) explizit vor, dass Gerichte von den Richtlinien abweichen können, wenn Umstände darin nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt worden sind.614 Insoweit besteht nun nach dem Rita-Urteil durchaus die Chance, dass sich zumindest für die Frage der Abweichungen von den Richtlinien ein an Strafzwecken orientiertes common law of sentencing entwickelt.615 ____________ Vgl. krit. hierzu Gruner, Corporate Criminal Liability, § 8.07 [1]. Vgl. krit. Stith/Cabranes, Judging, S. 56. 609 Siehe krit. Whitman, 7 Buff. Crim. L. Rev. (2003), S. 85 (87 ff.). Zur Auslegung der Strafzwecke der Unternehmensrichtlinien siehe speziell unten S. 541 ff. 610 Dies betrifft allerdings vor allem den (für Unternehmen nicht primär relevanten) Bereich der Betäubungsmitteldelikte, vgl. Alschuler, 58 Stan. L. Rev. (2005), S. 85 (89 ff.); Bowman, 105 Colum. L. Rev. (2005), S. 1315 (1328 ff.); Powell/Cimino, 97 W. Va. L. Rev. (1994-95), S. 373 (385 ff.); Schulhofer, 29 Am. Crim. L. Rev. (1992), S. 833 (852 ff.) sowie die USSC selbst, USSC, Fifteen Years, S. 132. 611 Vgl. nur Alschuler, 58 U. Chi. L. Rev. (1991), 901 (902); Bowman, 105 Colum. L. Rev. (2005), S. 1315 (1319); Schulhofer, 29 Am. Crim. L. Rev. (1992), S. 833 (851 ff.); Stith/Cabranes, Judging, S. 121 ff.; Sweet/van Hook/Di Lello, 65 Fordham L. Rev. (199697), S. 927 (934, 937). Zudem werden durch die Kriterien oftmals geradezu willkürliche Unterschiede in der Strafhöhe geschaffen, vgl. eingehend Alschuler, 58 Stan. L. Rev. (2005), S. 85 (89 ff.). 612 Vgl. Berman, 85 Denv. U. L. Rev. (2007-08), S. 7 (23 ff.). An sich hatten die Gerichte schon vor dem Booker-Urteil Gelegenheit, das Verhältnis zwischen Richtlinien und gesetzlichen Regelungen aufzuarbeiten, was die Strafjustiz allerdings nicht wahrgenommen hatte, vgl. nur Berman, 76 Notre Dame L. Rev. (2000), S. 21 (41 ff.); Meyer, ZStW 118 (2006), 512 (525 f.); Rappaport, 6 Buff. Crim. L. Rev. (2003), S. 1043 (1113 ff.); Schulhofer, 29 Am. Crim. L. Rev. (1992), S. 833 (847). 613 Die Richtlinien selbst wollen keine Uniformität schaffen, sondern nur „unwarranted disparities“ beseitigen; dieser Umstand wird allerdings kaum wahrgenommen, vgl. Miller, 54 Emory L. J. (2005), S. 271 (275 ff.); Sweet/van Hook/Di Lello, 65 Fordham L. Rev. (1996-97), S. 927 (934). 614 Auch diese Möglichkeit wurde von den Gerichten vor dem Booker-Urteil nicht ausreichend aufgearbeitet, vgl. Berman, 76 Notre Dame L. Rev. (2000), S. 21 (44 ff.). 615 Vgl. zu dieser Forderung bereits Sweet/van Hook/Di Lello, 65 Fordham L. Rev. (1996-97), S. 927 (928 ff.) 607
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5. Möglichkeit politischer Einflussnahme Ein letzter Kritikpunkt an den Richtlinien liegt in dem großen Potential politischer Einflussnahme auf die Strafzumessung. Denn durch die Richtlinien wurde der Einfluss auf die Strafzumessung in weitem Umfang auf die Kommission verlagert, die nur dem Kongress untersteht.616 An sich erscheint es nicht problematisch, wenn ein Expertengremium die Anwendung der Richtlinien überwacht und weiterentwickelt. Allerdings hat die Kommission weder bei deren Erstellung noch im Lauf der nachfolgenden Jahre die grundlegenden Probleme der Strafzumessung bzw. die durch die Richtlinien geschaffenen Probleme aufgearbeitet.617 Sie ist zwar rege tätig, beschränkt sich bei ihrer Arbeit aber hauptsächlich auf das Sammeln von Informationen und die Ausarbeitung punktueller Änderungen, die im Kongress keine großen Widerstände hervorrufen.618 Dagegen nimmt der Kongress immer größeren politischen Einfluss auf die Arbeit der Kommission.619 Es besteht hierbei in besonderem Maße die Gefahr der Einflussnahme durch Lobbygruppen mit der Setzung kurzfristiger politischer Trends in der Strafzumessung.620 Über die Richtlinien hat der Kongress die Möglichkeit, direkten Einfluss auf die Sanktionshöhe zu nehmen, der ihm im früheren System des indeterminate sentencing nicht gegeben war.621 Der Detailreichtum der Richtlinien eröffnet ein Potential zum Mikromanagement in einzelnen Bereichen,622 wie es mit der Setzung von abstrakten Regelungen, die erst über den Richter auf den Einzelfall angewendet werden, nicht erreichbar ist.623 Dabei wird das Gesamtsystem der Richtlinien nur bedingt berücksichtigt und somit die Entwick____________ 616 Bowman, 1996 Wis. L. Rev. (1996), S. 679 (748 f.); Freed, 101 Yale L. J. (1991-92), S. 1681 (1694); Stith/Cabranes, Judging, S. 99 ff. 617 Bowman, 105 Colum. L. Rev. (2005), S. 1315 (1346 ff.); Stith/Dunn, 58 Stan. L. Rev. (2005-06), S. 217 (218 ff.). 618 Diese Änderungsvorschläge werden im Kongress zumeist nicht näher begutachtet, sondern einfach angenommen, vgl. Freed, 101 Yale L. J. (1991-92), S. 1681 (1696). 619 Bowman, 105 Colum. L. Rev. (2005), S. 1315 (1319 f., 1341 ff.). 620 Das Bundesstrafrecht ist dementsprechend auch hochgradig politisiert, vgl. Bowman, 1996 Wis. L. Rev. (1996), S. 679 (748 f.); ders., 105 Colum. L. Rev. (2005), S. 1315 (1342 f.); Whitman, 7 Buff. Crim. L. Rev. (2003-04), S. 85 (91 f.). 621 Vgl. z.B. die in den letzten Jahren stetig zunehmende Anzahl von Anweisungen des Kongresses an die USSC, abgedruckt in: USSC, Fifteen Years, Anhang B. 622 So wurde bspw. im Jahr 2004 im Bereich des Kartellrechts § 2 R 1.1 USSG aufgrund des Antitrust Criminal Penalty Enhancement and Reform Act geändert, um die Strafen für Verstöße gegen den Sherman Act zu erhöhen, da zu diesem Zeitpunkt das Vorgehen gegen Wirtschaftskriminalität hohe Priorität genoss; ein weiteres Beispiel ist das Feeney-Amendment (oben S. 182), mit dem der Kongress versucht hat, Abweichungen der Gerichte von den Richtlinien nach unten zu begrenzen (also eine härtere Bestrafung erreichen wollte). 623 Vgl. ebenso Meyer, ZStW 118 (2006), 512 (528).
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lung allgemeiner Strafzumessungsgrundsätze nicht befördert. Ob der Kongress nach dem Booker-Urteil den neu geschaffenen Ermessensspielraum der Gerichte wieder einschränken wird, bleibt abzuwarten.624 III. Bewertung der Unternehmensrichtlinien Während die Strafzumessungsrichtlinien für natürliche Personen im Mittelpunkt allgemeinen Interesses stehen, werden die Unternehmensrichtlinien weit seltener kommentiert.625 Die Unterschiede der vorhandenen Bewertungen könnten aber kaum größer sein: Zum Teil werden die Unternehmensrichtlinien als ein Desaster der Strafzumessungspolitik und als schwerer Schlag gegen die amerikanische Wirtschaft gesehen,626 andererseits aber auch als einzigartige Erfolgsgeschichte auf dem Feld der Rechtstreue im Wirtschaftsbereich betrachtet.627 Die folgende Bewertung anhand sechs relevanter Einzelpunkte zeigt, dass die Unternehmensrichtlinien zwar einzelne (auch gravierende Schwächen) aufweisen, insgesamt jedoch weniger kritisch als die Regelungen für natürliche Personen zu sehen sind und eine deutliche Verbesserung zur Lage vor der Schaffung der Richtlinien darstellen. 1. Kompatibilität mit den Voraussetzungen der Unternehmensstrafbarkeit Ein Hauptproblem der Unternehmensrichtlinien liegt in der teilweisen Inkompatibilität mit den Voraussetzungen der Unternehmensstrafbarkeit. Die Richtlinien wurden weitgehend ohne eine Abstimmung auf die Voraussetzungen der Unternehmensstrafbarkeit erstellt. Daher wird kritisiert, dass die Frage einer Unternehmensschuld erst bei der Strafzumessung relevant werde und nicht schon im Rahmen der Verantwortlichkeit.628 Die Unternehmensrichtlinien machen die Frage ____________ 624 Eine Gesamtreform scheint derzeit nicht zu erfolgen. Jedoch wurden nach den verfassungsgerichtlichen Urteilen zahlreiche gesetzliche Initiativen gestartet, um zumindest für einzelne Straftaten über hohe Mindeststrafen auf die Rechtsprechung Einfluss zu nehmen (so z.B. im Bereich der Drogendelikte, siehe den Diskussionsentwurf im Jahr 2005, H.R. 1528); im Justizministerium wurde zudem erwogen, die Strafschärfungsgründe der Richtlinien verpflichtend vorzuschreiben und dabei die Strafrahmenobergrenzen aufzuheben, vgl. die Erklärung des damaligen Attorney General Gonzales vom 1.6.2007 (Attorney General Alberto R. Gonzales Announces Expansion of Justice Department Efforts and Proposes New Legislation to Help Prevent and Combat Violent Crime; ). Bemerkenswert ist allerdings, dass im Ergebnis seit dem Booker-Urteil keine entscheidenden legislativen Reformen mehr erfolgt sind. 625 Vgl. Bowman, 39 Wake Forest L. Rev. (2004), S. 671 (674), der den Grund dafür v.a. im mangelnden öffentlichen Interesse sieht. 626 Parker, 71 Wash. U. L. Q. (1993), S. 397 (399). 627 D. Murphy, 87 Iowa L. Rev. (2002), S. 697 (719). 628 Vgl. insbes. Bucy, 71 Wash. U. L. Q. (1993), S. 329 f.; Laufer, 71 Neb. L. Rev. (1992), S. 1049 (1051 ff., 1063 ff.); ders., 43 Emory L. J. (1994), S. 647 (726 f.); ders, 34 Am. Bus. L. J. (1996), S. 157 (166); Laufer/Strudler, 44 Am. Crim. L. Rev. (2007),
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einer Unternehmensschuld zu einem zentralen Bestandteil der Strafzumessung, der in weitem Maße den Charakter des Unternehmens miteinbezieht, da er auch darauf abstellt, ob die Unternehmensleitung beteiligt ist, ob im Vorfeld ComplianceMaßnahmen ergriffen wurden und inwieweit eine Zusammenarbeit mit der Justiz (als Nachtatverhalten) vorliegt. Die Kritik richtet sich insbesondere dagegen, dass es inkonsequent sei, bei der Strafbegründung allein auf das Verhalten der Mitarbeiter abzustellen, dann aber bei der Strafzumessung umfassend das Verhalten des Unternehmens als Schuldfaktor einzubeziehen.629 Gerade wegen der dramatischen Folgen einer Anklage und sogar einer Verurteilung sei es zudem viel zu spät, erst bei der Strafzumessung die Schuld praktisch ausschließende Umstände wie ein Compliance-Programm zu berücksichtigen.630 Denn wie gut ein Compliance-Programm auch immer sei, es führe niemals zum Entfallen der Strafbarkeit, was bedeuten könne, dass ein an sich unschuldiges Unternehmen bestraft werde. Soweit es den starken Stellenwert der Kooperation mit den Behörden betreffe, werde sehr stark auf ein Nachtatverhalten abgestellt, das zu dem verwirklichten Straftatbestand im Grundsatz in keinem Bezug stehe.631 Für die Strafzumessung werde somit insgesamt der tatbestandliche Schuldvorwurf umdefiniert.632 Die Kritik greift das Problem auf, das sich aus dem beschränkten Mandat der Sentencing Commission bei Erstellung der Richtlinien ergeben hat. Die Strafrechtsreform der 1980er Jahre war aufgrund des Scheiterns einer „großen“ Strafrechtsreform auf die Strafzumessung beschränkt worden.633 Insoweit bestand nur die Gelegenheit, auf diesem begrenzten Gebiet tätig zu werden und zwangsweise das materielle Strafrecht als gegeben hinzunehmen. Die Kritik richtet sich der Sache nach auch gar nicht gegen die Richtlinien, sondern gegen die Konstruktion der Unternehmensstrafbarkeit im materiellen Recht. Denn dass die Unternehmensrichtlinien ein Verschulden des Unternehmens nach einer fast einhundertjährigen Phase der Ignoranz seitens des Gesetzgebers und der Rechtsprechung überhaupt aufnehmen, ist als großer Fortschritt zu sehen. Insoweit ist das eigentlich Missliche an der derzeitigen Lage, dass die Richtlinien die Schwächen des materiellen Rechts ____________ S. 1307 (1311); siehe auch Khanna, 79 B. U. L. Rev. (1999), S. 355 ff. (414); ders., 37 Am. Crim. L. Rev. (1999), S. 1239 (1268 ff., 1276 f.), der sich zwar in Ausweitung des bestehenden Systems für eine strict liability-Haftung des Unternehmens für Mitarbeiterhandeln ausspricht und Fragen eines Unternehmensvorsatzes bzw. -schuld ausreichend in der Strafzumessung angesiedelt sieht, dennoch aber eine bessere Abstimmung zwischen Tatbeständen und Strafzumessung anregt; diese Abstimmung wollen auch diejenigen erreichen, die die Berücksichtigung des Schuldelements als due diligence defense (vgl. die Nachweise in Anm. 199) bzw. als eigenständige Voraussetzung fordern (siehe oben S. 101). 629 Moore, 34 Ariz. L. Rev. (1992), S. 743 (785 ff.). 630 Häufig führt nämlich bereits die Anklage zum Ausschluss vom Markt oder von öffentlichen Aufträgen, vgl. Brown, 41 Loy. L. Rev (1995-96), S. 279 (321). 631 Laufer/Strudler, 44 Am. Crim. L. Rev. (2007), S. 1307 (1311). 632 Vgl. Laufer, Corporate Bodies, S. 189 f. 633 Siehe oben S. 121.
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ausgleichen sollen, dies aber nur in begrenztem Umfang leisten können. Hier wäre es am Gesetzgeber, eine stimmige Gesamtregelung zu treffen, oder aber auch an der Rechtsprechung, die case law-Kriterien der Unternehmensverantwortlichkeit (beispielsweise durch Anerkennung einer due diligence defense) fortzuentwickeln. 2. Erfüllung der gesetzlichen Vorgaben Der Sentencing Reform Act hat als Ziel der Strafzumessungsreform die Einheitlichkeit der Strafzumessung vorgegeben sowie die dabei zu beachtenden Strafzwecke.634 Die gesetzlichen Ziele wurden durch die Richtlinien in unterschiedlichem Umfang erreicht.635 Dies gilt insbesondere für das Ziel, einheitliche und gerechte Strafen (just punishment) zu erreichen.636 Die Richtlinien kreieren diesbezüglich ein doppeltes Dilemma: Die Vielzahl der Faktoren, nach denen die Unternehmensstrafe bemessen wird, führt zum einen zur Differenzierung bei vergleichbaren Fällen, zumal die Richtlinien Abweichungen von den Regelungen zulassen und damit eine einheitliche Strafzumessung gar nicht garantieren können. Zum anderen führt die Beschränkung auf die in den Richtlinien vorgesehenen Kriterien trotz ihrer Vielzahl zu kaum zu rechtfertigenden Gleichstellungen unterschiedlicher Täter, was unter Gerechtigkeitsgesichtpunkten problematisch ist. Mit dem Booker-Urteil haben die Gerichte jedoch nunmehr die Möglichkeit, individueller auf den Einzelfall einzugehen und damit den Zielen der Einheitlichkeit nur bei vergleichbaren Fällen und der Einzelfallgerechtigkeit näherzukommen. Das Ziel einer gerechten Bestrafung erfüllen die Richtlinien bei Unternehmen weitgehender als bei natürlichen Personen,637 denn durch die erstmalige Orientierung der Unternehmensstrafe an Schuldkriterien gibt es nun klare Vorgaben für Bundesrichter, wie die Schuld des Unternehmens zu bemessen und zu gewichten ist.638 In der historischen Perspektive haben die Richtlinien somit für Unternehmen überhaupt erst einmal die flächendeckende Möglichkeit einer gerechten Bestrafung geschaffen, auch wenn das System der Richtlinien nicht das Ideal absoluter Gerechtigkeit erreicht. ____________ Vgl. oben S. 122 f. Dies gilt an sich für Unternehmen und natürliche Personen gleichermaßen, wenn auch in Bezug auf verschiedene Detailregelungen der Richtlinien. Da vorliegend allein die Regelungen zur Unternehmensstrafbarkeit betrachtet werden, wurde dieser Aspekt nicht bereits oben unter II. behandelt. 636 Vgl. nur Alschuler, 58 Stan. L. Rev. (2005), S. 85 (89 ff.); Schulhofer, 29 Am. Crim. L. Rev. (1992), S. 833 (851 ff.) sowie zu Teilaspekten bereits oben unter S. 201 f. und S. 204 f. 637 Gruner, 36 Ariz. L. Rev. (1994), S. 407 (452 ff.); Moore, 34 Ariz. L. Rev. (1992), S. 743 (793 f.). 638 Laufer, 71 Neb. L. Rev. (1992), S. 1049 (1084 f.). 634 635
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Was die weiteren639 Strafzwecke anbelangt, die bei der Strafzumessung zu beachten sind, stellte sich bereits das Problem, dass diese im Gesetz untereinander kaum gewichtet und aufeinander abgestimmt sind, zudem in den Richtlinien nicht klar benannt werden.640 Dennoch erfüllen die Richtlinien die gesetzlichen Strafzwecke weitgehend.641 Am zweifelhaftesten ist dies noch für den Aspekt der Abschreckung. Zum Teil wird aus der (konstanten) Anzahl straffälliger Unternehmen geschlossen, dass keine ausreichende Abschreckungswirkung vorliege.642 Vor allem durch die zentrale Stellung der Geldstrafe wird jedoch zumeist eine Abschreckung als erreicht angesehen.643 Die Geldstrafen seien diesbezüglich inzwischen hoch genug.644 Hier wird allerdings häufig bemängelt, dass die Strafen wie bei natürlichen Personen sogar exorbitant hoch seien.645 Dies führe vor allem bei Delikten, die keinen Vorsatz verlangen, zu einem übermäßigen Abschreckungseffekt (overdeterrence).646 Bei der Frage, ob die Abschreckungswirkung durch Milderungsmöglichkeiten wie das Vorliegen eines Compliance-Programms geschwächt wird, besteht Uneinigkeit. Dies wird zwar teilweise angenommen,647 ist aber angesichts der Unsicherheit über die Anerkennung einer Milderung im Prozess und die nur bedingte Reduzierung der Strafe eher zu verneinen.648 Eine abschreckende Wirkung wird ebenfalls der Bewährungsstrafe zugesprochen, da diese weitgehende Eingriffe in das Unternehmen ermögliche.649 Insgesamt wird man konstatieren können, dass die Strafen auf jeden Fall einschneidend genug sind, um den Aspekt der Abschreckung deutlich zu be____________ 639 Der vorgenannte Aspekt des just punishment wird in 18 U.S.C. § 3553 zusammen mit den nachfolgend im Text genannten Strafzwecken aufgezählt, vorliegend wurde er jedoch aufgrund des engen Zusammenhangs mit dem Ziel der Einheitlichkeit der Strafzumessung vorab behandelt. 640 Vgl. oben S. 205. 641 Vgl. Maurer, 18 U. Dayton L. Rev. (1992-93), S. 799 (832); siehe auch unten S. 541 ff. 642 Ramirez, 47 Ariz. L. Rev. (2005), S. 933 (962 ff.). 643 Gruner, 36 Ariz. L. Rev. (1994), S. 407 (455); Moore, 34 Ariz. L. Rev. (1992), S. 743 (795 f.). 644 D. Murphy, 87 Iowa Law Review (2002), S. 697 (707 f.). 645 Vgl. Baysinger, 71 B. U. L. Rev. (1991), S. 341 ff.; Macey, 71 B. U. L. Rev. (1991), S. 315; Orland, Corporate Criminal Liability, § 7.05; Parker/Block, 27 Am. Crim. L. Rev. (1989-90), S. 289 (322). Krit. auch Hamdani/Klement, 61 Stan. L. Rev. (2008-09), S. 271 (281 ff.), die aufgrund einer spieltheoretischen Analyse die Abschreckungswirkung bei unkalkulierbaren und schwerwiegenden Konsequenzen gemindert sehen. 646 Fischel/Sykes, 25 J. Legal Stud. (1996), S. 319 (343 ff.). 647 Vgl. Arlen, 3 Fed. Sent. R. (1990-91), S. 138; Parker, 3 Fed. Sent. R. (1990-91), S. 133 (135). 648 Vgl. Moore, 34 Ariz. L. Rev. (1992), S. 743 (796). 649 D. Murphy, 87 Iowa Law Review (2002), S. 697 (707 f.). Siehe aber auch Hamdani/ Klement, 61 Stan. L. Rev. (2008-09), S. 271 (282 ff.).
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tonen. Inwieweit tatsächlich eine Abschreckungswirkung erzielt wird, ist aber nicht geklärt.650 Eine Resozialisierung des Unternehmens wird durch die Richtlinien in weitem Umfang ermöglicht.651 Mit der Bewährungsstrafe kann durch Verpflichtungen wie die Implementierung eines Compliance-Programms und weitere Auflagen zur Reform des Unternehmens genau an den Stellen angesetzt werden, an denen die Ursachen für das straffällige Verhalten liegen. Dadurch kann tatsächlich eine Besserung des straffälligen Unternehmens erreicht werden.652 Auch den Schutz der Öffentlichkeit (incapacitation) erreichen die Richtlinien weitgehend.653 Soweit ein straffälliges Unternehmen die Straftat als Ziel verfolgt hat (criminal purpose organization), wird es durch Entziehung aller Vermögenswerte aus dem Marktgeschehen verbannt. Bei nicht derart kriminell tätigen Unternehmen kann durch umfangreiche Bewährungsstrafen (Erstellung von ComplianceProgrammen, Vorlagepflichten von Büchern und periodische Buchkontrollen etc.) ein Schutz der Öffentlichkeit vor einer wiederholten Straftatbegehung erreicht werden. Allerdings werden diese Möglichkeiten zum Teil nicht als ausreichend angesehen.654 3. Bewertung der einzelnen Strafen Mit ihrer reichhaltigen Auswahl an möglichen Strafen erfüllen die Unternehmensrichtlinien zahlreiche Forderungen, die über die Jahre in der Literatur gestellt worden waren. Insbesondere die zentrale Stellung der Geldstrafe als Kern der Unternehmensstrafe wird allgemein akzeptiert und ist nur wenigen Einwänden ausgesetzt, zumeist aufgrund ihrer Höhe.655 Neben der Höhe wird teilweise kritisiert, dass die Geldstrafe dazu verführe, sie als bloßen Kostenfaktor in die Bilanz einzustellen und sie damit ihre eigentliche Wirkung als Strafe verliere.656 Zudem ____________ 650 Hier stellt sich das allgemeine Problem, ob und inwieweit eine (messbare) Abschreckungswirkung durch Strafen existiert. Vgl. zur dünnen empirischen Datenlage diesbezüglich unten S. 277. 651 Moore, 34 Ariz. L. Rev. (1992), S. 743 (795). 652 Vgl. Gruner, Corporate Criminal Liability, § 12.03 [1] mit dem Hinweis, dass im Gegensatz zu natürlichen Personen bei Unternehmen relativ einfach durch interne Reformen eine Veränderung der „Person“ hin zu einer Besserung erreicht werden kann. 653 Vgl. Moore, 34 Ariz. L. Rev. (1992), S. 743 (794). 654 Vgl. Ramirez, 47 Ariz. L. Rev. (2005), S. 933 (972 ff.), die ähnlich der Strafe für criminal purpose organization eine „corporate death penalty“ für Wiederholungstäter vorschlägt; siehe dazu und zu weiteren Vorschlägen unten S. 219 f. 655 Vgl. im vorgehenden Abschnitt S. 210 ff. (zur Abschreckungswirkung). 656 Walt/Laufer, 38 Am. J. Crim. L. (1990-91), S. 263 (283 ff.); vgl. auch Baysinger, 71 B. U. L. Rev. (1991), S. 341 f., der die Gefahr sieht, dass durch Einstellung der (hohen) Geldstrafe als Produktionskosten die Produktivität sinke; ähnlich Coffee, 71. B. U. L. Rev. (1991), S. 193 (196); Macey, 71 B. U. L. Rev. (1991), S. 315 (324 ff.).
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bestehe das Problem, dass häufig die Höhe der Geldstrafe, die für eine effektive Abschreckung notwendig wäre, die Leistungsfähigkeit des Unternehmens übersteige (deterrence trap); dies gelte gleichermaßen für Wiedergutmachungsanordnungen (retribution trap).657 Da die Geldstrafe jedoch im Gegensatz zur Lage vor Erlass der Richtlinien nicht die einzige mögliche Strafe ist, sondern insbesondere durch eine (nicht monetäre) Bewährungsstrafe ergänzt werden kann, kann das Gericht inzwischen eine ausreichend effektive Gesamtstrafe verhängen. Soweit es die Bewährungsstrafe betrifft, ist mit dieser die lange von der Literatur gewünschte Flexibilität bei der Bestrafung von Unternehmen erreicht worden.658 Die Anordnung organisatorischer Reformen oder gemeinnütziger Leistungen ist nun möglich.659 Mit dieser Strafe können individuell auf das Unternehmen zugeschnittene Sanktionen verhängt und zugleich erreicht werden, dass durch interne Reformen die Gefahr künftiger Verstöße gemindert wird. Je nach Kooperation des Unternehmens kann das Gericht flexibel von der bloßen Vorgabe von Reformzielen bis hin zur Verpflichtung der Übernahme eines extern zu erstellenden ComplianceProgramms bei Androhung harter Sanktionen für den Fall der Nichtumsetzung reagieren.660 Soweit Kritik geäußert wird, richtet sich diese gegen die weite und unbestimmte Fassung der Regelung möglicher Bewährungsstrafen in den Richtlinien, die die Gefahr übermäßig harter Strafen eröffne.661 Die Bewährungsstrafe umfasst schließlich eine ebenfalls lange eingeforderte Publikationspflicht der Bestrafung des Unternehmens.662 Diese publicity sanction ____________ 657 Coffee, 79 Mich. L. Rev. (1980-81), S. 386 (389 ff.); Fisse, 56 S. Cal. L. Rev. (198283), S. 1141 (1218). 658 Vgl. zu diesen Forderungen z.B. Bennett, 65 N. Y. U. L. Rev. (1990), S. 871 (885 ff.); Coffee, 79 Mich. L. Rev. (1980-81), S. 386 (438 ff.); Fisse, in: Liebl (Hrsg.), Wirtschaftskriminalität, S. 117 (122 ff.); Gruner, 16 Am. J. Crim. L. (1988-89), S. 1 (3 ff.); Metzger/Schwenk, 28 Am. Bus. L. J. (1990), S. 323 (363 ff.); Orland, 17 Am. Crim. L. Rev. (1979-80), S. 501 (517); Yoder, 69 J. Crim. L. & Criminology (1978), S. 40 (53 f.). 659 Vgl. zu diesen Forderungen Fisse, 56 S. Cal. L. Rev. (1982-83), S. 1141 (1221, 1226) sowie ders., in: Liebl (Hrsg.), Wirtschaftskriminalität, S. 117 (127 f.). 660 Vgl. zum möglichen abgestuften Vorgehen Gruner, Corporate Criminal Liability, § 12.03 [2] [d]. Zur Einbeziehung externer Experten zur Reform der Unternehmensstruktur vgl. Metzger/Schwenk, 28 Am. Bus. L. J. (1990), S. 323 (366 ff.). 661 Vgl. Kennedy, 71 S. Cal. L. Rev (1997-98), S. 1075 (1088); Schlegel, Just Deserts, S. 36; Wray, 101 Yale L. J. (1991-92), S. 2017 (2032 f.). Wie ein Blick auf die Richtlinien für natürliche Personen zeigt, führt die Unbestimmtheit der Bewährungsstrafe zu teilweise umstrittenen Ergebnissen, wenn z.B. ein wegen Umweltstraftaten verurteilter Unternehmer als Strafe die Verpflichtung zur Mitgliedschaft in einer Umweltschutzorganisation auferlegt bekommt, vgl. Levine, 142 U. Pa. L. Rev. (1993-94), S. 1841 ff. 662 Vgl. Clinard/Yeager, Corporate Crime, S. 318 ff.; Coffee, 1 N. Ill. U. L. Rev. (198081), S. 3 (21 ff.); ders., 79 Mich. L. Rev. (1980-81), S. 386 (424); Cowan, 65 S. Cal. L. Rev. (1991-92), S. 2387; Fisse, 56 S. Cal. L. Rev. (1982-83), S. 1141 (1229); ders., in: Liebl (Hrsg.), Wirtschaftskriminalität, S. 117 (125 ff.); Fisse/Braithwaite, Publicity,
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zielt auf die Wirkung negativer Publizität in der Öffentlichkeit für das Unternehmen ab.663 Durch die öffentliche Verbreitung der Verurteilung kommt die stigmatisierende Wirkung der Strafe in besonderer Weise zur Geltung und ist daher nicht unumstritten.664 Es wird allgemein angenommen, dass die Abschreckungswirkung durch diese Strafe besonders hoch sei.665 Da das Gericht weitgehende Freiheit bei der Bestimmung der Art der Publikationspflicht hat, dürften die meisten in der Literatur geäußerten Vorschläge umfasst sein.666 4. Bewertung des Compliance-Ansatzes In der Diskussion der Unternehmensrichtlinien ist der Compliance-Ansatz von großer Bedeutung. Die Richtlinien haben neben den klassischen Zielen der Abschreckung und der gerechten Bestrafung erstmals auch die Schaffung eines Anreizes für Unternehmen aufgenommen, interne Kontrollmechanismen einzuführen.667 Dieser Schritt hat zu einer bis heute andauernden Kontroverse über Sinn und Nutzen von Compliance-Programmen geführt. Einigkeit besteht weitgehend darüber, dass die Unternehmensrichtlinien der entscheidende Impuls zur Etablierung von Compliance-Programmen in der Praxis waren. Zwar gab es bereits in den 1980er Jahren einige Unternehmen, die Compliance-Programme geschaffen hatten, insbesondere als Reaktion auf öffentlich gewordene Vorfälle.668 Insgesamt waren dies jedoch nur vereinzelte Anstrengungen. Erst mit den Richtlinien wurde 1991 ein allgemeiner und umfassender Anreiz ge____________ S. 285 ff.; French, Corporate Responsibility, S. 192 ff., sowie ders., in: Fisse/French (eds.), Corporations, S. 159 ff.; Walt/Laufer, 18 Am. J. Crim. L. (1990-91), S. 263 (282 f.). 663 Die Strafe wird von Coffee, 79 Mich. L. Rev. (1980-81), S. 386 (424) auch als „Hester Prynne Sanction“ bezeichnet, in Anlehnung an Nathaniel Hawthorne, The Scarlet Letter (1850), S. 63: “The penalty thereof is death. But in their great mercy and tenderness of heart they have doomed Mistress Prynne to stand only a space of three hours on the platform of the pillory, and then and thereafter, for the remainder of her natural life to wear a mark of shame upon her bosom. ‘A wise sentence,’ remarked the stranger, gravely bowing his head. ‘Thus she will be a living sermon against sin,’ [….].” French, Corporate Responsibility, S. 192, spricht von „Shaming“. 664 Vgl. nur Kadish, 30 U. Chi. L. Rev. (1962-63), S. 423 (434); Schlegel, Just Deserts, S. 39; Walt/Laufer, 38 Am. J. Crim. L. (1990-91), S. 263 (283 ff.). In dem Vorschlag für eine Regelung der Unternehmensstrafbarkeit auf Bundesebene Ende der 1970er Jahre verzichtete man nach anfänglicher Befürwortung auf eine derartige Strafe wegen ihrer sozialen Bloßstellungsfunktion, vgl. m.w.N. Gruner, Corporate Criminal Liability, § 12.03 [4]. 665 Vgl. Buell, 81 Ind. L. J. (2006), S. 473 (500 ff.); nicht unumstritten ist, ob die Wirkung nicht gleichermaßen durch eine zivilrechtliche Sanktion erreicht werden kann, so bspw. Khanna, 109 Harv. L. Rev. (1995-96), S. 1477 (1494 ff.). 666 Vgl. bspw. die Vorschläge von Yoder, 69 J. Crim. L. & Criminology (1978), S. 40 (52): Anzeigenschaltung, Hinweis auf offiziellen Unternehmenspapieren; siehe auch Cowan, 65 S. Cal. L. Rev. (1991-92), S. 2387 f. 667 Vgl. § 8 intr. comment USSG. 668 Vgl. zur Entwicklung des Compliance-Ansatzes unten S. 285 ff.
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schaffen, Compliance-Programme zu etablieren.669 Seitdem hat deren Anzahl stark zugenommen.670 Die Richtlinien haben zur Schaffung eines neuen Berufsbildes geführt:671 des Ethik- und Compliance-Managers (bzw. nur des ComplianceManagers) in den Unternehmen. Außerhalb der Unternehmen hat sich eine umfangreiche Beratungsindustrie vorwiegend von Rechtsanwälten (Compliance-Anwalt) entwickelt, die diese bei der Erstellung, Implementierung und Überwachung von solchen Maßnahmen unterstützen. Über diesen tatsächlichen Befund der Zunahme von Compliance-Programmen hinaus besteht jedoch nur bedingt Einigkeit, wie die strafmildernde Einbeziehung des Compliance-Programms im Rahmen der Berechnung der Geldstrafe (vor allem als Schuldmilderungsfaktor) zu bewerten ist. Zum einen wird der Ansatz als innovative Neuerung begrüßt.672 So seien die Unternehmensrichtlinien „(…) mehr als ein Lauern im Hinterhalt, Warten und Verhängen einer Geldstrafe. Die neue kriminalpolitische Strategie ist interaktiv. Firmen beteiligen sich selber an der Bekämpfung der Unternehmenskriminalität, und der Staat belohnt ein solches Verhalten mit entsprechend reduzierten Strafen. Die Ressourcen einer erfolgversprechenden staatlichen Verbrechensbekämpfung sind bekanntlich begrenzt; sie werden nach dem Neuansatz vermehrt durch eine hochwirksame Prävention seitens der Wirtschaft selbst.“673
Das Compliance-Programm helfe, Straftaten zu vermeiden und aufzudecken, bevor dies die Strafverfolgungsbehörden tun.674 Mit dem Programm bestehe die Mög____________ 669 Vgl. etwa Amoroso, 17 Campbell L. Rev. (1995), S. 47 (69 f.); Backer, 2004 Mich. St. L. Rev. (2004), S. 327 (364); Brief/McSweeny, 40 Am. Crim. L. Rev. (2003) S. 337 (350 f.); Drew/Clark, 42 Am. Crim. L. Rev. (2005), S. 277 (289); Fatino, 51 Drake L. Rev. (2002), S. 81 (88); Gruner, 36 Ariz. L. Rev. (1994), S. 407 (432); Huff, 96 Colum. L. Rev. (1996), S. 1252 (1269); Joseph, 35 Am. Crim. L. Rev. (1998), S. 1017 (1019); D. Murphy, 87 Iowa L. Rev. (2002), S. 697 (699, 703); Obermaier, 14 Nat. L. J. (1991), S. 13 vom 11.11.1991 (Heft 10). 670 So bspw. die Einschätzung von Baker, 89 Cornell L. Rev. (2003-04), S. 310 (316); Bowers et al., Compliance, S. 28; Bowman, 39 Wake Forest L. Rev. (2004), S. 671 (679 ff.); D. Murphy, 87 Iowa Law Review (2002), S. 697 (710 f.); Nagel/Swenson, 71 Wash. U. L. Q. (1993), S. 205 (209); Steer, Organizational Behavior, S. 9 ff.; siehe auch die Umfrage der Ethics Officer Association (EOA), The 2000 Member Survey Report (2001), S. 5 ff. sowie die frühere Umfrage der EOA, 1997 Member Survey (2002), S. 9, [unter www.eoa.org erhältlich] und die Ergebnisse verschiedener Untersuchungen bei Groskaufmanis, in: Rakoff et al. (eds.), Sentencing, §5.02A; Parker/Atkins, 42 J. Law & Econ. (1999), S. 423 (445) und USSC, Corporate Crime, S. 122 ff. 671 Bowman, 39 Wake Forest L. Rev. (2004), S. 671 (679 ff.); D. Murphy, 87 Iowa Law Review (2002), S. 697 (710 f.). 672 Vgl. bspw. Amoroso, 17 Campbell L. Rev. (1995), S. 47 (69 f.); Arlen/Kraakman, 72 N. Y. U. L. Rev. (1997), S. 687 (745 ff.); Groskaufmanis, in: Rakoff et al. (eds.), Sentencing, §5.04; Gruner, Corporate Criminal Liability, §§ 10.02, 10.05; Linklater/McElyea, RIW 1994, S. 117 (122); D. Murphy, 87 Iowa L. Rev. (2002), S. 697 (719); Swenson, in: Alwart (Hrsg.), Verantwortung, S. 36 (41); Webb/Molo, 71 Wash. U. L. Rev. (1993), S. 375 ff.; Webb et al., 49 Bus. Law. (1993-94), S. 617 (658). 673 Swenson, in: Alwart (Hrsg.), Verantwortung, S. 36 (41). 674 Webb et al., 49 Bus. Law. (1993-94), S. 617 (658), die anführen, dadurch könne ein ansonsten zweijähriges Strafverfahren bereits in wenigen Wochen bewältigt werden.
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2. Kapitel: Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika
lichkeit, dem Unternehmen aus strafrechtlichen Handlungen von Mitarbeitern entstehende Kosten zu vermeiden oder zu verringern.675 Die Richtlinien seien damit ein insgesamt effektives Modell zur Erfassung der Unternehmensverantwortung.676 Auf der anderen Seite wird das Compliance-Modell als Versuch getadelt, Unternehmen eine teure und bürokratische Struktur vorzuschreiben.677 Die Vorschriften führten nur dazu, dass Unternehmen Potemkinsche Dörfer errichteten, nicht aber tatsächlich zur Verhinderung von Kriminalität beitrügen.678 Daher wird sogar vorgeschlagen, Compliance-Programme völlig aus dem Regelungssystem der Richtlinien zu nehmen.679 Zumeist wird jedoch nicht der Compliance-Ansatz im Ganzen abgelehnt, sondern die Kritik auf Einzelpunkte der derzeitigen Regelung beschränkt. Hauptkritikpunkt ist die zu geringe Berücksichtigung der Compliance-Programme in den Richtlinien.680 Das Vorhandensein eines Compliance-Programms bewirkt nur eine geringe Reduktion der Geldstrafe.681 Da ein solches Programm sehr kostenintensiv ist, entsteht kaum ein wirklicher Anreiz, ein effektives Compliance-Programm zu implementieren. Der Anreiz ist auch kaum groß genug, um die Kosten auszugleichen, die durch die erhöhte Aufdeckungswahrscheinlichkeit (und damit Bestrafungswahrscheinlichkeit) von Straftaten entstehen.682 Eine geringe Anreizwirkung, ein Compliance-Programm zu erstellen, liegt auch darin, dass diese Schuldmilderungsmöglichkeit in Konkurrenz zu einer Kooperation mit den Ermittlungsbehör____________ 675 Linklater/McElyea, RIW 1994, S. 117 (122), die zur Einschätzung kommen, dass nach Einführung der Richtlinien zumindest sicher sei, dass ein Programm berücksichtigt werden kann, sodass insgesamt der Nutzen die entstehenden Kosten überwiegen dürfte. 676 Arlen/Kraakman, 72 N. Y. U. L. Rev. (1997), S. 687 (745 ff.), die allerdings auch noch Verbesserungspotential sehen. 677 Parker, 71 Wash. U. L. Q. (1993), S. 397 (418). 678 Bowman, 39 Wake Forest L. Rev. (2004), S. 671 (674 f.); siehe auch Krawiec, 81 Wash. U. L. Q. (2003), S. 487 („window dressing“) und Wellner, 27 Cardozo L. Rev. (2005), S. 497 (517 f.). 679 Wellner, 27 Cardozo L. Rev. (2005), S. 497 (518 ff.). 680 Einige Autoren sehen einen wirksamen Anreiz, ein Compliance-Programm zu erstellen, ohnehin nur dann gegeben, wenn dieses (zumindest auch) im materiellen Recht berücksichtigt werde, siehe nur Bucy, 71 Wash. U. L. Q. (1993), S. 329 (352); Gruner, Corporate Criminal Liability, § 10.04 [1]; Huff, 96 Colum. L. Rev. (1996), S. 1252 (1297); Note, 109 Harv. L. Rev. (1995-96), S. 1783 (1794 ff.). Damit aufgeworfen wird das problematische Verhältnis von Strafzumessung und materiellem Recht (vgl. dazu bereits oben S. 208). 681 Als zu gering sieht dies etwa Brown, 41 Loy. L. Rev (1995-96), S. 279 (322) an; anders aber Webb/Molo, 71 Wash. U. L. Rev. (1993), S. 375 (379). 682 Vgl. Arlen, 23 J. Legal Stud. (1994), S. 833 ff., die die Kosten im Regelfall auch nicht als durch die erhöhte Anzahl vermiedener Straftaten kompensiert sieht; siehe auch Goldsmith/King, 50 Vand. L. Rev. (1997), S. 1 (16 f.); Gruner, Corporate Criminal Liability, § 8, S. 61 ff.
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den steht.683 Diese zweite Möglichkeit, den Schuldwert zu mildern und zwar je nach den Umständen sogar noch stärker als durch ein Compliance-Programm,684 erweist sich vielfach als der einfachere Weg und konterkariert damit den Compliance-Ansatz. Um einen größeren Anreiz für Compliance-Programme zu schaffen, wird vorgeschlagen, eine komplette Freistellung von der Strafe zu gewähren,685 und damit den Anreiz für solche Programme über den der Kooperation zu stellen. Zum Problem des geringen Anreizes kommt, dass es vollkommen im Ermessen des Gerichts steht, ob das Compliance-Programm als effektiv angesehen wird. Es ist kaum vorhersehbar, ob wirklich eine Strafmilderung eintritt.686 Die Richtlinien sind flexibel angelegt, sodass es für ein Unternehmen schwierig ist, im Wege der Selbstregulierung das den Anforderungen entsprechende Compliance-Programm zu finden. Daher wird vorgeschlagen, Unternehmen zu ermöglichen, ein ComplianceProgramm vorab überprüfen zu lassen, um so die Unsicherheit über die Effektivität des Programms zu beseitigen.687 Eine derartige Zusammenarbeit z.B. zwischen Sentencing Commission, Strafverfolgungsbehörden und Unternehmen wäre eine besonders wirksame Präventionsstrategie. Ein weiteres Problem der derzeitigen Richtlinien ist auch, dass diese bei Compliance-Programmen einem „Alles oder nichts“-Ansatz folgen.688 Unternehmen, deren Anstrengung zum Teil erfolgreich ist, werden genauso behandelt wie Unternehmen, die erst gar kein Compliance-Programm auflegen. Es wird daher vorgeschlagen, eine abgestufte Strafmilderung je nach Qualität und Erfolg des Programms zuzulassen.689 Der „Alles oder nichts“-Ansatz zeigt sich auch an einem weiteren Punkt: Die Beteiligung einer Führungsperson führt quasi automatisch zum Ausschluss der Berufung auf ein Compliance-Programm, da dieses als ineffektiv gewertet wird.690 Da aber häufig Führungspersonen in irgendeiner Weise an der Straftat beteiligt sind, entfällt a priori einer der zwei in den Richtlinien vorgesehenen Schuldmilderungsgründe. Das Problem stellt sich in besonderer Weise bei kleinen Unternehmen, bei denen es unterhalb der Führungsebene kaum Personal ____________ Huff, 96 Colum. L. Rev. (1996), S. 1252 (1269). Vgl. zu den verschiedenen Formen der Kooperation und deren Wirkung auf den Schuldwert oben S. 174 ff. 685 Note, 109 Harv. L. Rev. (1995-96), S. 1783 (1795 ff.), wonach die Gewährung einer Amnestie wie bspw. im Kartellrecht einen attraktiveren Anreiz zur Implementierung eines Compliance-Programms als eine Strafmilderung darstellt. 686 Vgl. § 8 C 2.5 (f) (3) USSG sowie dazu Baker, 89 Cornell L. Rev. (2003-04), S. 310 (317); siehe auch Murphy, in: USSC, Corporate Crime, S. 391. 687 Note, 109 Harv. L. Rev. (1995-96), S. 1783 (1798 ff.). 688 Vgl. Block, 71 B. U. L. Rev. (1991), S. 395 (404 ff.); Gruner, Corporate Criminal Liability, § 10.04 [3]. 689 Block, 71 B. U. L. Rev. (1991), S. 395 (404 f., 407). 690 Vgl. oben S. 162 f.; siehe zum Problem auch DeMott, 60 Law & Contemp. Probs. (1997), S. 39 (58); Nunes, 27 Ariz. St. L. J. (1995), S. 1039 (1050 f.). 683 684
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mit Entscheidungsbefugnis gibt und folglich überwiegend eine Führungsperson die Tathandlung vornimmt. Häufig führen Compliance-Programme überhaupt erst dazu, dass unerlaubtes Verhalten aufgedeckt wird und sich damit das Unternehmen einer Haftung aussetzt (sogenanntes litigation dilemma).691 Somit erstellt möglicherweise das Unternehmen durch seine internen Ermittlungen selbst eine Dokumentation seines illegalen Verhaltens, das vielleicht ansonsten nie zutage getreten wäre oder das ohne die Anstrengungen des Unternehmens nicht zu beweisen gewesen wäre.692 Ein Zurückhalten der Informationen ist nur bedingt möglich, da lediglich ein sehr begrenztes Recht zur Geheimhaltung besteht, selbst wenn beispielsweise ein Rechtsbeistand hinzugezogen wird und dieser die Ermittlungen vornimmt.693 Im Gegenteil ist die Nichtoffenlegung intern erlangter Informationen sogar zum Teil strafrechtlich bewehrt.694 Als besonders problematisch wird angesehen, dass die Richtlinien keine Privilegierung für derartige Aufdeckungen (discovery privilege) vorsehen,695 wie sie beispielsweise durch die Nichtverwendung interner Untersuchungsergebnisse im Verfahren gegen das Unternehmen zu erreichen wäre.696 Die Kommission ist sich des Problems des litigation dilemma bewusst.697 Bislang hat sie jedoch keine Anstrengungen unternommen, diesbezüglich eine Lösung zu finden.698 ____________ 691 Vgl. nur Arlen, 23 J. Legal Stud. (1994), S. 833 (840 ff.); Bush, 87 Nw. U. L. Rev. (1992-93), S. 597 (599); Goldsmith/King, 50 Vand. L. Rev. (1997), S. 1 (4); Gruner, Corporate Criminal Liability, § 15.07 [1]; Pitt/Groskaufmanis, 78 Geo. L. J. (1990), S. 1559 ff. (1605 ff.); Webb/Molo, 71 Wash. U. L. Rev. (1993), S. 375 (379 f.) sowie eingehend USSC, Report, S. 106 ff. Das Problem bestand bereits vor Einführung der Richtlinien bei der Durchführung interner Ermittlungen, wobei sich die Diskussion zumeist auf die Frage der Geheimhaltung interner Ermittlungsergebnisse gegenüber staatlichen Behörden konzentrierte, vgl. näher Allen/Hazelwood, 12 J. Corp. L. (1986-87), S. 355 ff., Crisman/ Mathews, 21 Am. Crim. L. Rev. (1983-84), S. 123 ff. 692 Vgl. Goldsmith/King, 50 Vand. L. Rev. (1997), S. 1 (15); die Sammlung der Beweise kann dabei nicht nur für die Strafverfolgungsbehörden relevant werden, sondern auch für nachfolgende Verfahren Dritter gegen das Unternehmen (was mit der Sammlung und ggf. Herausgabe der Informationen an die Strafverfolgungsbehörden weder absehbar geschweige denn intendiert ist). 693 Vgl. zu dieser Problematik unten S. 249 ff. 694 Goldsmith/King, 50 Vand. L. Rev. (1997), S. 1 (15). 695 Goldsmith/King, 50 Vand. L. Rev. (1997), S. 1 (5 ff.); Note, 116 Harv. L. Rev. (2002-03), S. 2123 (2127 f.); Wellner, 27 Cardozo L. Rev. (2005), S. 497 (510 f.); siehe auch Bush, 87 Nw. U. L. Rev. (1992-93), S. 597 (607 ff.). 696 Note, 109 Harv. L. Rev. (1995-96), S. 1783 (1797 f.). 697 Vgl. dazu USSC, Report, S. 106 ff. 698 Dies mag auch daran liegen, dass die Expertengruppe zur Reform der Unternehmensrichtlinien im Jahr 2003 zwar das Problem aufzeigte, aber auch keine Vorschläge zu seiner Lösung unterbreiten konnte, sondern eine gesetzgeberische Regelung anmahnte, vgl. USSC, Report, S. 129; siehe auch O’Sullivan, 1 Ohio St. J. Crim. L. (2003-04), S. 487 (503 f.).
§ 6 Die Strafzumessung
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5. Konkurrenz zu anderen Sanktionen Ein weiteres Problem stellt sich schließlich in Bezug auf andere dem Unternehmen drohende staatliche Sanktionen. Zum einen soll das Gericht nur eine Strafe verhängen, die angemessen, aber nicht schwerer als notwendig ist.699 Dabei sind andere nicht strafrechtliche Sanktionen zu berücksichtigen, zumal in bestimmten Fällen das verfassungsrechtliche Verbot der Doppelbestrafung auch für derartige Sanktionen greift.700 Zum anderen können zahlreiche Auflagen, die im Rahmen der Bewährungsstrafe möglich sind, gleichermaßen von Bundesbehörden verhängt werden.701 Diese Behörden können die Umsetzung von Auflagen besser kontrollieren als Gerichte und damit deren Umsetzung garantieren. Insoweit besteht ein Abstimmungsbedarf zwischen der Vielzahl an möglichen Sanktionen. Die Richtlinien treffen hierzu jedoch keinerlei genauere Vorgaben.702 Es bleibt somit den Gerichten überlassen, wie und in welchem Umfang eine Berücksichtigung und ggf. eine Anrechnung stattfinden.703 6. Nicht in den Richtlinien berücksichtigte Strafen Von den Richtlinien nicht aufgenommen wurde der Vorschlag, eine sogenannte equity fine zu schaffen.704 Danach würde ein Unternehmen verpflichtet, neue Stammaktien im Wert einer gegen das Unternehmen verhängten Geldstrafe auszugeben und in einen staatlichen Fonds zugunsten der Opfer der Straftat einzubringen.705 Nach der Idee der equity fine könnte man den Nachteil einer übermäßigen Belastung durch eine Geldstrafe vermeiden und zugleich am Unternehmen beteiligte Mitarbeiter zur Rechtseinhaltung animieren, da deren Anteilswert durch die Neuemission sinken würde. Von den Richtlinien ebenfalls nicht explizit vorgesehen sind Strafen, wie sie zahlreiche Bundesbehörden (darunter auch das Department of Justice) als zivil-
___________ 18 USSC § 3553 (a). Zum Verbot der Doppelbestrafung vgl. unten S. 225. 701 Vgl. die Übersicht bei Gruner, Corporate Criminal Liability, § 13. 702 Die Richtlinien erwähnen nur in einem Kommentar, dass andere Sanktionen vom Gericht berücksichtigt werden können, vgl. § 8 C 2.8 Cmt. 2 USSG. 703 Vgl. Gruner, Corporate Criminal Liability, § 13.07 [3] zur derzeitigen Möglichkeit, wonach das Gericht zur Vorbereitung der Strafzumessungsentscheidung einen Gutachtenauftrag an einen Experten vergeben kann. 704 Vgl. dazu Coffee, 1 N. Ill. U. L. Rev. (1980-81), S. 3 (14 ff.); ders., 79 Mich. L. Rev. (1980-81), S. 386 (413 ff.); Fisse, 56 S. Cal. L. Rev. (1982-83), S. 1141 (1233 ff.); ders., in: Liebl (Hrsg.), Wirtschaftskriminalität, S. 117 (120). 705 Fisse, in: Liebl (Hrsg.), Wirtschaftskriminalität, S. 117 (120 f.) spricht daher von Aktienverwässerung als einer den Aktienwert mindernden Sanktion. 699 700
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2. Kapitel: Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika
oder verwaltungsrechtliche Sanktion verhängen können.706 Die Sanktionen reichen vom Ausschluss von öffentlichen Aufträgen über Tätigkeitsverbote für einzelne Mitarbeiter bis hin zum Ausschluss von bestimmten Märkten oder Geschäftsbereichen.707 Als schwerste Maßnahme ist die Auflösung des Unternehmens vorgesehen. Einige dieser Maßnahmen könnten wohl nach Maßgabe der Unternehmensrichtlinien auch als Bewährungsstrafe verhängt werden; es bleibt hier abzuwarten, inwieweit die Gerichte in diesen Bereichen tätig werden oder aber, wie es bisher scheint, derartige Sanktionen den spezialisierten Bundesbehörden überlassen. In der Literatur gibt es zahlreiche weitere Vorschläge, die als Ergänzung der Richtlinien möglich wären. Beispielsweise wird angeregt, die three strikes rule, die bei natürlichen Personen bei dreimaliger Straftatbegehung zu einer extrem erhöhten Strafe bis hin zu lebenslangem Freiheitsentzug führt, auch auf Unternehmen zu übertragen und diese bei Begehung von drei wesentlichen Straftaten aufzulösen.708 Dabei könne die Auflösung des Unternehmens durch Entfernung des Managements ersetzt werden, falls die Auflösung öffentlichen Interessen zuwiderliefe. Des Weiteren wird eine stärkere Verbindung zivil- und strafrechtlicher Elemente vorgeschlagen, wie dies durch eine Abstimmung beider Sanktionsmechanismen aufeinander denkbar wäre, oder aber auch durch einen private attorney general. Hier würde eine Privatperson die Aufgabe der Staatsanwaltschaft übernehmen.709 Insgesamt zeigt sich, dass die Richtlinien die gegen ein Unternehmen möglichen Strafen bereits sehr weitgehend berücksichtigen. Ausgenommen sind vor allem klassisch administrative Maßnahmen, deren Aufnahme das Problem der Konkurrenz von Sanktionen und Sanktionsbehörden weiter verschärfen würde. Der Verzicht auf die equity fine lässt sich wohl mit der Komplexität ihrer Umsetzung begründen wie auch damit, dass die Richtlinien durch die Möglichkeit der Kürzung der Geldstrafe bei Zahlungsschwierigkeiten einen einfacheren Weg gefunden haben, um Sanktion und Überlebensfähigkeit des Unternehmens zu verbinden. E. Vorteilsabschöpfung (forfeiture und disgorgement) Neben den Sanktionen, die die Strafzumessungsrichtlinien vorsehen, bestehen nach Bundesrecht kaum weitere Möglichkeiten, strafrechtliche Maßnahmen gegen Unternehmen zu verhängen. Die bedeutendste Möglichkeit ist die der Vorteils____________ 706 Im US-amerikanischen Recht können zudem zahlreiche staatliche Behörden zivilrechtliche Klagen einlegen, vgl. Wise, in: Doelder/Tiedemann (Hrsg.), Criminal Liability, S. 383 (395 f.) sowie die Übersicht bei Clinard/Yeager, Corporate Crime, S. 330 ff. 707 Vgl. die Zusammenstellung bei Gruner, Corporate Criminal Liability, § 13 sowie den Überblick bei Ramirez, 47 Ariz. L. Rev. (2005), S. 933 (949 ff.). 708 Vgl. Ramirez, 47 Ariz. L. Rev. (2005), S. 933 (972 ff.) zu dieser erweiterten Form der corporate death penalty. 709 Vgl. dazu bereits Coffee, 1 N. Ill. U. L. Rev. (1980-81), S. 3 (28 ff.); ders., 79 Mich. L. Rev. (1980-81), S. 386 (434).
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abschöpfung, die zumeist unter dem Begriff „forfeiture“ (bzw. „asset forfeiture“) diskutiert wird. Dieser Begriff umfasst sowohl die Abschöpfung von Vorteilen, die durch die Tat erlangt wurden, als auch die Einziehung von für die Tat verwendeten Gegenständen.710 Da allerdings kein übergreifendes allgemeines Rechtsinstitut der Vorteilsabschöpfung existiert, ist der Begriff „forfeiture“ jeweils in seiner konkreten gesetzlichen Verwendung auszulegen. Die Möglichkeit der Abschöpfung von Vermögensvorteilen bei der Begehung einer Straftat besteht im amerikanischen Bundesrecht seit längerer Zeit, wobei zunächst primär auf ein zivilrechtliches Instrumentarium gesetzt wurde.711 Seit der Schaffung des Racketeer Influenced and Corrupt Organizations Act (RICO) von 1970 wird aber verstärkt eine strafrechtliche Abschöpfung ermöglicht.712 Eine teilweise Vereinheitlichung und Schaffung gemeinsamer Verfahrensstandards der zivilrechtlichen Abschöpfungsvorschriften erfolgte durch den Civil Asset Forfeiture Reform Act (CAFRA) von 2000.713 Das Gesetz sieht zudem eine strafrechtliche Abschöpfung in all den Fällen vor, in denen auch eine zivilrechtliche Abschöpfung vorgesehen ist.714 Seit der Reform von 2000 können Bundesbehörden im Grundsatz eine Vermögensabschöpfung sowohl auf zivilrechtlichem als auch auf strafrechtlichem Wege vornehmen.715 Eine Abschöpfung ist nicht bei Begehung jeder Straftat möglich, sondern nur soweit dies für den jeweiligen Straftatbestand explizit vorgesehen ist. Die wichtigsten Regelungen finden sich im Bereich der Organisierten Kriminalität, des Drogenhandels sowie der Geldwäsche und bestimmter Betrugsdelikte.716 Die zivilrechtliche Abschöpfung wird zumeist bevorzugt, da sie nicht die Verurteilung wegen einer Straftat voraussetzt, sondern sich diesbezüglich mit den zivilrechtlichen Beweisanforderungen begnügt.717 ____________ Vgl. näher dazu Gurulé/Thompson/O’Hear, Forfeiture, S. 183 ff. Vgl. Brickey, Corporate Criminal Liability, § 1:09; Edgeworth, Forfeiture, S. 21 ff.; Gurulé/Thompson/O’Hear, Forfeiture, S. 3 ff.; siehe auch Benseler, Gewinnabschöpfung, S. 85 ff. 712 Vgl. 18 U.S.C. § 1963. 713 Vgl. Edgeworth, Forfeiture, S. 25 ff.; Gurulé/Thompson/O’Hear, Forfeiture, S. 22 ff. 714 Vgl. 28 U.S.C. § 2461 sowie 18 U.S.C. 981 (a) (1) (C); Edgeworth, Forfeiture, S. 25. 715 Daneben besteht in geringerem Umfang die Möglichkeit einer verwaltungsrechtlichen Vermögensabschöpfung, vgl. Gurulé/Thompson/O’Hear, Forfeiture, S. 265 ff. 716 Organisierte Kriminalität (RICO – 18 U.S.C. § 1963), Drogenhandel (21 U.S.C. § 853), Geldwäsche sowie Betrugsdelikte (18 U.S.C. § 982); vgl. näher Edgeworth, Forfeiture, S. 25 ff. (der die Anzahl möglicher Tatbestände im Bereich mehrerer Hundert sieht); Gurulé/Thompson/O’Hear, Forfeiture, S. 229 ff. 717 Im zivilrechtlichen Verfahren wird seit dem Jahr 2000 grundsätzlich ein preponderance of evidence-Standard verlangt (der den zuvor häufig als ausreichend angesehenen niedrigeren probable cause-Standard abgelöst hat); siehe näher Gurulé/Thompson/O’Hear, Forfeiture, S. 26 ff., 145 ff. sowie Edgeworth, Forfeiture, S. 113. Im Strafverfahren muss dagegen die Tat beyond reasonable doubt nachgewiesen werden, allerdings gilt für die 710
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2. Kapitel: Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika
Eine strafrechtliche Abschöpfung setzt voraus, dass eine Verurteilung wegen einer Straftat erfolgt und zwischen dem abzuschöpfenden Vermögen und der Tat eine hinreichende Verbindung besteht.718 Die Strafzumessungsrichtlinien schlagen eine Verbindung zur Vorteilsabschöpfung indem sie explizit vorsehen, dass die Abschöpfungsanordnung auch im Rahmen der Strafzumessung nach den Richtlinien vorgenommen werden kann.719 Die Abschöpfung stellt dann einen Teil der gesamten verhängten Strafe dar.720 Die nach den Richtlinien berechnete Strafe und die Abschöpfungsanordnung sind dabei grundsätzlich unabhängig voneinander.721 Die gesetzlichen Abschöpfungsmöglichkeiten werden durch die Richtlinien erweitert, indem die Geldstrafe um den Betrag erhöht werden kann, der dem Täter nach Abzug der Wiedergutmachungsanordnungen vom durch die Straftat erlangten Vermögen verbleibt (disgorgement).722 Die Erhöhung der Geldstrafe ist bei allen Tatbeständen möglich, deren Berechnung nach den Richtlinien vorgenommen wird. Diese Art der Abschöpfung ist daher nicht wie das Institut der forfeiture an eine besondere gesetzliche Anordnung gebunden. Allerdings ist der Betrag des abzuschöpfenden Vermögens im Regelfall niedriger als bei der forfeiture, da die Abschöpfung nicht unabhängig von den Vorgaben der Richtlinien erfolgt, sondern mit der Wiedergutmachungsanordnung korrespondiert. Die Frage, in welchem Verhältnis forfeiture und disgorgement stehen, ist weitgehend ungeklärt.723 F. Exkurs: Strafzumessung in den Bundesstaaten In zahlreichen Bundesstaaten finden sich inzwischen Strafzumessungsrichtlinien, die sich in Struktur und Umfang jedoch untereinander und im Vergleich zum Bun____________ weiteren Voraussetzungen der forfeiture der normale preponderance of evidence-Standard, der für die Strafzumessung vorgesehen ist; siehe näher Gurulé/Thompson/O’Hear, Forfeiture, S. 167 ff. 718 Edgeworth, Forfeiture, S. 141; Gurulé/Thompson/O’Hear, Forfeiture, S. 183 ff. 719 Vgl. für Unternehmen § 8 E 1.2 USSG, der auf die Regelung für natürliche Personen in § 5 E 1.4 USSG verweist. Die Richtlinien sehen die Abschöpfung nur vor, wenn eine gesetzliche Regelung besteht, und erweitern somit den Anwendungsbereich der Abschöpfungsvorschriften nicht. Verfahrensrechtlich gilt § 32.2 Fed. R. Crim. P. 720 Dies wird bei der Frage relevant, ob die Staatsanwaltschaft gegen die Abschöpfungsanordnung Berufung einlegen kann, vgl. Gurulé/Thompson/O’Hear, Forfeiture, S. 131 ff. 721 Vgl. zur Frage, ob die Vermögensabschöpfung eine Reduzierung der Strafe rechtfertigt, was die Gerichte bislang eher ablehnen, Gurulé/Thompson/O’Hear, Forfeiture, S. 128 ff. 722 Vgl. dazu bereits oben S. 183. 723 So stellt sich z.B. die Frage, ob der Betrag in Höhe der disgorgement eine forfeiture wegen des Verbots der doppelten Bestrafung (double jeopardy) ausschließt. Vgl. zur double jeopardy-Problematik bei der forfeiture Gurulé/Thompson/O’Hear, Forfeiture, S. 337 ff.; siehe auch Edgeworth, Forfeiture, S. 159 ff.
§ 6 Die Strafzumessung
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desrecht deutlich unterscheiden.724 Soweit ersichtlich wurden bisher auf Ebene der Bundesstaaten keine den Unternehmensrichtlinien auf Bundesebene entsprechenden Vorschriften erlassen. Allerdings finden sich in den Bundesstaaten zum Teil spezialgesetzliche Regelungen, die den Ansatz der Unternehmensrichtlinien aufnehmen, durch Anreize Straftaten im Unternehmen vorzubeugen und Verstöße aufzudecken.725
____________ 724 Vgl. dazu im Überblick Knapp, 64 U. Colo. L. Rev. (1993), S. 679 ff.; siehe auch Frase, 6 Fed. Sent. R. (1993-94), S. 123 ff. 725 Vgl. z.B. für Kalifornien den California Corporate Criminal Liability Act 1989 (geregelt in § 387 California Penal Code), der Anreize im Rahmen der Verantwortlichkeit für Verstöße gegen Arbeitssicherheitsvorschriften vorsieht. Allerdings sieht die Regelung nur eine prozessuale Privilegierung bei Verfahren gegen das Management vor und nicht bei Verfahren gegen das Unternehmen, sodass insgesamt nur ein schwacher Anreiz gesetzt wird, vgl. dazu Gruner, Corporate Criminal Liability, § 7.05.
§ 7 Das Unternehmen im Strafverfahren Das Strafverfahren bildet im amerikanischen Strafrecht neben den Regelungen zur Verantwortlichkeit und der Strafzumessung den dritten Komplex, der erst das Bild der Unternehmensstrafbarkeit vervollständigt. Die geringe materielle Durchdringung korrespondiert mit zum Teil ausgefeilten verfahrensrechtlichen Instituten, die auch der Korrektur der geringen Durchdringung dienen. Das Strafverfahren gegen ein Unternehmen läuft heutzutage im Wesentlichen wie ein normales Strafverfahren gegen eine natürliche Person ab. Insoweit kann auf die einschlägigen Vorschriften und Darstellungen verwiesen werden.1 Im Folgenden wird daher nur auf einige unternehmensspezifische Punkte und Besonderheiten eingegangen.2 Neben allgemeinen verfahrensrechtlichen Aspekten (A.) werden insbesondere die Rolle der Staatsanwaltschaft (B.) und die Bedeutung von Absprachen (C.) beleuchtet. Zuletzt wird ein Blick auf die in diesem Kontext wichtigsten verfassungsrechtlichen Schutzstandards geworfen (D.). A. Das Strafverfahren I. Notwendigkeit eines Strafverfahrens Historisch nicht völlig selbstverständlich war, dass die Verhängung einer Kriminalstrafe gegen ein Unternehmen stets ein Strafverfahren voraussetzt. Ursprünglich galt der Grundsatz, dass gesetzlich festgelegte Geldstrafen für leichtere Straftaten durch eine zivilrechtliche Zahlungsklage (action of debt) von Unternehmen erlangt werden konnten.3 Da der Gesetzgeber mit der Festlegung einer Strafsanktion regelmäßig aber auch den Willen zur Durchsetzung dieser Strafe in einem eigenständigen (strafrechtlichen) Verfahren bekundet, ist heute allgemein anerkannt, dass die strafrechtliche Verurteilung eines Unternehmens ein Strafverfahren voraussetzt.4 ____________ 1 Das Verfahren wird im Wesentlichen in 18 U.S.C. §§ 3001 ff. und in den Federal Rules of Criminal Procedure geregelt. Vgl. für einen Überblick über die Verfahrensregeln etwa Dressler, Criminal Procedure, § 1.02; LaFave/Israel/King, Criminal Procedure, §§ 1.5; siehe auch Geisler, Anklageprinzip, S. 13 ff.; Hay, US-amerikanisches Recht, Rn. 704 ff.; Schmid, Strafverfahren, S. 50 ff. 2 Vgl. zu prozessrechtlichen Fragen der Unternehmensstrafbarkeit z.B. Fletcher, Cyclopedia, §§ 4960 ff.; Gruner, Corporate Criminal Liability, § 5.06 [12], § 8.03 [3]; Khanna, 109 Harv. L. Rev. (1995-96), S. 1477 (1512 ff.); Note, 92 Harv. L. Rev. (1978-79), S. 1227 (1276 ff.). 3 Dies galt, soweit es sich bei der Straftat um eine „misdemeanor“ handelte, vgl. Fletcher, Cyclopedia, § 4960. 4 Vgl. U.S. v. Sherpix, Inc., 512 F.2d 1361 (D.C. Cir. 1975); People v. Saline County Coal Comp., 206 Ill.App. 266 (Ill.App. 4 Dist. 1917); Western Union Telephone Comp. v. State, 86 Neb. 17 (Neb. 1910); State v. Missouri Pacific Railway Comp., 64 Neb. 679 (Neb. 1902).
§ 7 Das Unternehmen im Strafverfahren
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Für ein Strafverfahren bedarf es einer Anklage durch einen öffentlichen Ankläger,5 einem Aktionär beispielsweise steht diese Befugnis dagegen nicht zu.6 Die Anklage und das gerichtliche Verfahren erfolgen nach dem 6. Zusatzartikel der Verfassung grundsätzlich am Ort der Tat.7 Bei Unternehmen können als Ort der Tat alle Örtlichkeiten in Betracht kommen, in denen das Unternehmen Handel betreibt.8 Das Bundesrecht sieht vor, dass ein Unternehmen die Verlegung des Verfahrens an den Ort des Firmensitzes beantragen kann.9 II. Verbot der doppelten Strafverfolgung Ein Unternehmen kann nur dann strafrechtlich verfolgt werden, soweit es nicht bereits für die angeklagte Tat verurteilt worden ist. Das verfassungsrechtliche Verbot der doppelten Strafverfolgung (double jeopardy) gilt gleichermaßen für Unternehmen wie für natürliche Personen. Inhaltlich schützt das Verbot vor einer weiteren Strafverfolgung nach erfolgtem Freispruch und wohl auch nach einer erfolgten Verurteilung.10 Es steht im Rahmen der Strafzumessung eines neuen Verfahrens aber einer strafschärfenden Einbeziehung bereits abgeurteilter Straftaten nicht entgegen.11 Das Verbot der Doppelbestrafung ist begrenzt auf die Verurteilung oder den Freispruch durch ein Bundesgericht. Entscheidungen von Gerichten der Bundesstaaten werden nicht erfasst, da es sich um einen anderen Souverän handelt (dual sovereign doctrine).12 Das Verbot schützt das Unternehmen auch nicht vor einer Strafverfolgung, wenn bereits ein Strafverfahren gegen ein Tochterunternehmen oder gegen einen Anteilseigner stattgefunden hat, da das Unternehmen in diesen Fällen als eigenständige Einheit betrachtet wird.13 Gleiches gilt in Bezug auf die ____________ 5 U.S. v. Correspondence Institute of America, 125 F. 94 (D.C. Pa. 1903); unklar ist, ob anstatt einer Anklage auch die bloße Information des Unternehmens genügt, vgl. U.S. v. Yellow Freight Systems, Inc., 637 F.2d 1248 (9th Cir. 1980), cert. den. 454 U.S. 815 (1981), siehe auch Gruner, Corporate Criminal Liability, § 5.06 [2]. 6 Abbey v. Control Data Corp., 460 F.Supp. 1242 (D.C. Minn. 1978). 7 Vgl. John Gund Brewing Co. v. U.S., 204 F.17 (8th Cir. 1913), S. 21; U.S. v. Interstate Engineering Corp., 288 F.Supp. 402 (1967). 8 Vgl. U.S. v. Wilson, 59 F.2d 97 (W.D. Wash. 1932), S. 99. 9 Rule 21 (b) Federal Rules of Criminal Procedure; vgl. auch Minnesota Mining & Manufacturing Co. v. Platt, 345 F.2d 681 (7th Cir. 1965). 10 Im Einzelnen sind noch zahlreiche Fragen ungeklärt, vgl. Henning, 63 Tenn. L. Rev. (1995-96), S. 793 (842 ff.); Stuckenberg, Double Jeopardy, S. 11 ff. 11 U.S. v. Sanchez-Lopez, 879 F.2d 541 (9th Cir. 1989), S. 544. 12 Vgl. U.S. v. Louisville Edible Oil Products, Inc., 926 F.2d 584 (6th Cir. 1991), cert. den. 112 S.Ct. 177 (1991); diese Haltung wird allerdings von anderen Gerichten bestritten, siehe nur U.S. v. Schaffer, 66 F.3d 483 (2nd Cir. 1995), S. 499; siehe auch Stuckenberg, Double Jeopardy, S. 37 ff. 13 Vgl. Gruner, Corporate Criminal Liability, § 5.06 [12].
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2. Kapitel: Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika
Durchführung des Strafverfahrens gegen den Mitarbeiter, der Täter der Anknüpfungstat ist; dessen Verurteilung bzw. Freispruch hat keinen unmittelbaren Einfluss auf das Vorgehen gegen das Unternehmen.14 Nach dem U.S. Supreme Court kommt sogar bei einer vorhergehenden zivilrechtlichen Verurteilung eine Anwendung des Verbots der Doppelbestrafung in Betracht. Denn auch eine zivilrechtliche Sanktion kann inhaltlich eine Bestrafung darstellen und damit eine nachfolgende strafrechtliche Verantwortlichkeit hindern.15 Dies liegt an der Eigenart des amerikanischen Rechts, das mit der Konstruktion der zivilrechtlichen punitive damages im Gegensatz zum deutschen Recht eine Entschädigung mit Strafcharakter kennt, die Zahlungen über den verursachten Schaden hinaus ermöglicht.16 Diese Art der Sanktion ist der Geldstrafe des Strafrechts nicht unähnlich.17 Aufgrund der strafähnlichen Wirkung ist die Anwendung des Verbots der Doppelbestrafung auch auf derartige Sanktionen nachvollziehbar. In der Praxis dürfte es aber nur im Ausnahmefall tatsächlich greifen, da das Gericht die Hürde zur Einstufung einer zivilrechtlichen Sanktion als „Strafe“ sehr hoch gelegt hat.18 III. Ablauf des Strafverfahrens Ein Strafverfahren gliedert sich wie bei der Strafverfolgung von natürlichen Personen im Wesentlichen in die folgenden Verfahrensabschnitte: 1. Anklage durch die Staatsanwaltschaft, 2. Gerichtliches Vorprüfungsverfahren, 3. Hauptverhandlung (ggf. mit plea bargaining), 4. Schuldspruch, 5. Strafzumessung. Die ersten Ermittlungen in einem Verfahren werden zumeist entweder vom Federal Bureau of Investigation (FBI), in Kartellverfahren von der Kartellrechts____________ Vgl. dazu bereits oben S. 96. Vgl. Hudson v. U.S., 522 U.S. 93 (1997) sowie U.S. v. Ursery, 518 U.S. 267 (1996); dazu Steiker, 85 Geo. L. J. (1996-97), S. 775 ff.; siehe auch bereits Note, 92 Harv. L. Rev. (1978-79), S. 1227 (1349 ff.) sowie Brickey, Corporate Criminal Liability, Bd. 1 S. 16; Gruner, Corporate Criminal Liability, § 5.06 [12]. 16 Vgl. dazu Mann, 101 Yale L. J. (1991-92), S. 1795 ff. 17 Vgl. Ramirez, 47 Ariz. L. Rev. (2005), S. 933 (943). Der U.S. Supreme Court begrenzt in neuerer Zeit die Höhe der Entschädigung, sodass der Sanktion inzwischen im Gegensatz zur Geldstrafe des Strafrechts keine wesentliche abschreckende Wirkung mehr zugeschrieben wird, vgl. Marshall/Fitzgerald, 19 St. Johns’s J. Legal Comment. (200405), S. 237. 18 Vgl. Hudson v. U.S., 522 U.S. 93 (1997), wonach es nicht allein auf die punitive Wirkung ankommt, sondern primär auf den Willen des Gesetzgebers, vgl. näher Gruner, Corporate Criminal Liability, § 13.06 [1]. 14 15
§ 7 Das Unternehmen im Strafverfahren
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abteilung des Justizministeriums oder von anderen spezialisierten Bundesbehörden (z.B. der Bundesumweltbehörde) vorgenommen.19 Die Befugnis, über eine Anklage zu entscheiden, liegt aber allein bei der Staatsanwaltschaft (auf Bundesebene also beim U.S. Attorney),20 die dann häufig frühzeitig die Ermittlungen übernimmt.21 Die Anklage wird von der Staatsanwaltschaft vorbereitet und vertreten. Sie hat einen großen Ermessensspielraum bei der Entscheidung über die Durchführung der Strafverfolgung und somit über die eines strafrechtlichen Vorgehens gegen ein Unternehmen.22 Entscheidet sie sich für eine Anklage, wird diese bei einem der insgesamt 94 Gerichte der ersten Instanz (district court) eingelegt.23 Vor einem Hauptverfahren (trial) kommt es zu einer gerichtlichen Vorprüfung der Anklage der Staatsanwaltschaft. Diese wird zunächst durch einen Bundesrichter (district judge) durchgeführt.24 Nach der amerikanischen Verfassung muss zwar die Anklage grundsätzlich von einer grand jury bestätigt werden,25 was der U.S. Supreme Court einschränkend allerdings nur bei schweren Straftaten, die eine Gefängnisstrafe vorsehen, für geboten hält.26 Vom U.S. Supreme Court bislang nicht entschieden wurde die Frage, ob auch ein Unternehmen Anspruch auf Bestätigung der Anklage durch eine grand jury hat. Dies wird von den Instanzgerichten und der Literatur mehrheitlich abgelehnt, da die verfassungsrechtliche Regelung vor allem ____________ 19 Das FBI ist mit ca. 12.000 Beamten zwar im Grundsatz die Ermittlungsbehörde bei Bundesangelegenheiten. Da spezialisierte Bundesbehörden personell jedoch zum Teil deutlich besser ausgestattet sind (z.B. die Zoll- und Grenzbehörden mit ca. 38.000 Ermittlungsbeamten), werden die Ermittlungen häufig von den spezialisierten Bundesbehörden durchgeführt. 20 An jedem district court gibt es einen für diesen Bezirk zuständigen U.S. Attorney (eine Ausnahme besteht für die Gebiete Guam und Northern Mariana Islands, die von einem U.S. Attorney betreut werden); diesem sind ein oder mehrere Assistant Attorneys beigeordnet. Die Staatsanwälte unterstehen dem Justizministerium (Department of Justice), dem der Justizminister (U.S. Attorney General) und seine Stellvertreter (Assistant Attorneys General) vorstehen. Die Staatsanwälte werden vom Präsidenten ernannt und müssen vom Senat bestätigt werden. 21 Vgl. z.B. Thaman, in: Eser/Heine (Hrsg.), Umweltstrafrecht, S. 317 (547 ff.) zur Aufteilung der Durchsetzung des Umweltstrafrechts zwischen Bundesumweltbehörde und Staatsanwaltschaft. 22 Vgl. näher unter S. 231 ff. 23 Der district court ist für alle Strafverfahren zuständig, die eine Verletzung des Bundesstrafrechts zum Gegenstand haben; im Jahr 2008 waren 651 Richter an den district courts tätig (dazu kommen noch über 500 magistrate judges), vgl. 2008 Judicial Facts and Figures, Tabelle 1.1, . Die Richter werden wie die Staatsanwälte vom Präsidenten ernannt und müssen vom Senat bestätigt werden. 24 18 U.S.C. § 3041; vgl. dazu Schmid, Strafverfahren, S. 42 ff. 25 Vgl. den 5. Zusatzartikel der amerikanischen Verfassung. 26 Mackin v. U.S., 117 U.S. 348 (1886), S. 352; Ex parte Wilson, 114 U.S. 417 (1885), S. 429.
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2. Kapitel: Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika
dem Schutz vor einer unberechtigten Inhaftierung diene und somit auf Unternehmen nicht zutreffe.27 Liegen genügend Beweise für eine Anklage vor, lässt der Richter das Hauptverfahren zu. Ansonsten wird das Verfahren abgelehnt, wobei die Entscheidung keine Rechtskraft entfaltet, eine erneute Anklage also möglich ist. Im Verfahren finden hinsichtlich Mitteilungen, Zustellung von Schriftstücken, Anwesenheit sowie rechtlichem Gehör weitgehend die zivilprozessualen Vorschriften entsprechende Anwendung.28 Das Hauptverfahren findet entweder vor einem Richter (bench trial) oder aber vor einer Jury (jury trial) statt.29 Wie bereits erwähnt, wird allgemein angenommen, dass das Recht auf ein Jury-Verfahren auf Unternehmen Anwendung findet,30 auch wenn der U.S. Supreme Court die Entscheidung über diese Frage bislang explizit offen gelassen hat.31 In der Praxis wird das Recht auf ein Jury-Verfahren im Wesentlichen wie bei natürlichen Personen gehandhabt.32 Unklar sind allerdings zahlreiche Einzelfragen. Beispielsweise ist ungeklärt, ab welcher Höhe der Geldstrafe das Recht auf ein Jury-Verfahren besteht, da nach der Rechtsprechung des U.S. Supreme Court für geringfügige Straftaten (petty offenses) kein Jury-Verfahren notwendig ist.33 Als petty offense zählt nach dem U.S. Supreme Court jede Straftat, deren Höchststrafe unter sechs Monaten Freiheitsstrafe liegt.34 In den Instanzgerichten wurde bei Unternehmen die Schwelle von der petty offense zu schwereren Straftaten bei einer möglichen Höchststrafe von mehr als 100.000 USDollar gezogen, bzw. gefragt, ob eine darunter liegende Höchststrafe gravierende Auswirkungen auf das Unternehmen hätte.35 Dieser Betrag liegt allerdings weit über der Grenze von 10.000 US-Dollar, die das Gesetz als Obergrenze für petty ____________ 27 Siehe U.S. v. Yellow Freight Systems, Inc., 637 F.2d 1248 (9th Cir. 1980), cert. den. 454 U.S. 815 (1981); U.S. v. Amored Transport, Inc., 629 F.2d 1313 (9th Cir. 1980), cert. den. 450 U.S. 965 (1981); vgl. dazu Gruner, Corporate Criminal Liability, § 5.06 [5]; Henning, 63 Tenn. L. Rev. (1995-96), S. 793 (856 ff.); Khanna, 109 Harv. L. Rev. (1995-96), S. 1477 (1519 f.). 28 Acme Poultry Corp. v. U.S., 146 F.2d 738 (4th Cir. 1945), cert. den., 324 U.S. 860; Fletcher, Cyclopedia, § 4960. 29 Vgl. näher Saltzburg/Capra, Criminal Procedure, S. 1258 f. 30 Vgl. oben S. 198. 31 Vgl. Muniz v. Hoffman, 422 U.S. 454 (1975), S. 477. 32 Je nach Gerichtsbezirk wird das Recht auf ein Jury-Verfahren zum Teil etwas enger als bei natürlichen Personen ausgelegt, vgl. näher Gruner, Corporate Criminal Liability, § 5.06 [7]. 33 Vgl. Frank v. U.S., 395 U.S. 147 (1969); Blanton v. City of North Las Vegas, 489 U.S. 538 (1989), S. 542 f. 34 Blanton v. City of North Las Vegas, 489 U.S. 538 (1989), S. 542 f. 35 Vgl. U.S. v. Twentieth Century Fox Film Corp., 882 F.2d 656 (2nd Cir. 1989), S. 664 f., cert. den., 493 U.S. 1021 (1990), sowie ähnlich U.S. v. Troxler Hosiery Co., 681 F.2d 934 (4th Cir. 1982), S. 937 f.
§ 7 Das Unternehmen im Strafverfahren
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offenses vorsieht.36 Die Anwendung der 10.000 US-Dollar-Grenze würde jedoch dazu führen, dass bei Unternehmen sehr häufig ein Jury-Verfahren durchzuführen wäre. So sieht der U.S. Supreme Court die gesetzliche Definition auch nicht als verbindliche Vorgabe, sondern lediglich als Anhaltspunkt für die Gerichte.37 Insgesamt ist damit die Diskussion, welcher Geldbetrag der sechsmonatigen Freiheitsstrafe entspricht, noch nicht endgültig geklärt.38 Im Ergebnis lässt sich nur sagen, dass in der Praxis allein bei schwerwiegenderen Straftaten ein Jury-Verfahren stattfindet. Am Anfang des Hauptverfahrens steht die Anklageeröffnung (arraignment). Das Unternehmen muss nach Kenntnisnahme der Anklageschrift zu dieser Stellung nehmen (plea).39 Die Stellungnahme kann in dreifacher Weise erfolgen. Zunächst kann sich das Unternehmen schuldig bekennen (guilty plea). In diesem Fall findet kein ausführliches Hauptverfahren statt, sondern das Verfahren geht in die Strafzumessung über.40 Plädiert das Unternehmen auf nicht schuldig (non guilty plea), geht der Prozess in die eigentliche Hauptphase über. Als letzte Möglichkeit kann das Unternehmen ein nolo contendere plea abgeben. In diesem Fall geht der Prozess wie beim Schuldbekenntnis ohne weitere Hauptverhandlung in die Strafzumessung über.41 Die Abgabe eines nolo contendere plea bedeutet, dass sich das Unternehmen zwar nicht schuldig bekennt, aber auch nicht den in der Anklage genannten Vorwürfen entgegentritt.42 Der Vorteil dieser Regelung besteht vor allem darin, dass die der Verurteilung zugrunde gelegten Tatsachen (im Gegensatz zu einem Geständnis) nicht in anderen Verfahren als bewiesen gelten.43 Das Gericht muss dem nolo contendere plea zustimmen.44 Soweit ein ausführliches Hauptverfahren stattfindet, wird in diesem allein über die Schuld oder Unschuld des Unternehmens entschieden, nicht jedoch bereits über eine etwaige Strafe. Im adversatorischen System des amerikanischen Strafverfahrens obliegt es der Staatsanwaltschaft, die belastenden Umstände zu beweisen. Die Schuld muss von der Staatsanwaltschaft zur Überzeugung (beyond a reasonable ____________ Vgl. die Legaldefinition in 18 U.S.C. § 19, § 3571 (c) (6), (7). Vgl. Duncan v. Lousiana, 391 U.S. 145 (1968), S. 160 f. 38 Vgl. zur Diskussion näher Johnson, 116 Yale L. J. (2006), S. 632 (655 ff.), sowie Friedman, 55 Notre Dame L. (1979-80), S. 173 (198 ff.); Gruner, Corporate Criminal Liability, § 5.06 [7]. 39 § 10 Fed. R. Crim. P. 40 § 11 (c) (4) Fed. R. Crim. P. 41 § 11 (b) Fed. R. Crim. P. 42 Vgl. dazu Bibas, 88 Cornell L. Rev. (2002-03), S. 1361 ff.; Miller, 75 University of Cincinnati Law Review (2006), S. 725 (727 ff.). 43 Vgl. Rule 410 (2) der Federal Rules of Evidence; krit. dazu Miller, 75 University of Cincinnati Law Review (2006), S. 725 (735 ff.) 44 § 11 (b) Fed. R. Crim. P. 36 37
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2. Kapitel: Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika
doubt) des Richters oder der Jury nachgewiesen werden.45 Dagegen muss das Unternehmen entlastende Umstände vortragen und hierfür Beweis antreten.46 Für das Unternehmen ist daher die Hinzuziehung eines Anwalts äußerst ratsam. Dieser vertritt das Unternehmen im Regelfall im gesamten Verfahren, insbesondere in der mündlichen Verhandlung.47 Steht am Ende des Hauptverfahrens eine Verurteilung, schließt sich als eigenständiger Verfahrensteil das Verfahren über die Strafzumessung an. Dieser Verfahrensteil ist streng getrennt vom Verfahren über den Schuldspruch48 und wird ohne Jury allein vom Richter durchgeführt.49 Dieser benötigt für die Festlegung der Strafe nach den Strafzumessungsrichtlinien eine große Anzahl einzelner Informationen. Die meisten davon werden in einem speziellen Bericht (presentence report) für das Gericht zusammengestellt.50 Diese Arbeit übernimmt ein Beamter (probation officer), der die notwendigen Ermittlungen durchführt und eine vorläufige Berechnung der Strafe vornimmt. Allgemeine Sorgfaltsstandards zur Erstellung der Berichte, insbesondere an den Nachweis einzelner Informationen, bestehen allerdings nicht.51 Vielfach übernimmt der Richter in der Praxis die Informationen weitgehend unkritisch.52 Hält das Gericht zusätzliche Informationen für notwendig, so kann es weitere Untersuchungen in Auftrag geben.53 Dazu können externe Gutachter beauftragt werden, beispielsweise Unternehmensberatungen oder Anwaltskanz____________ 45 Es gelten die gleichen Standards wie für natürliche Personen auch, vgl. U.S. v. Manufacturers’ Association of Relocatable Building Industry, 462 F.2d 49 (9th Cir. 1972); Fletcher, Cyclopedia, § 4964; Khanna, 109 Harv. L. Rev. (1995-96), S. 1477 (1512 ff.). Somit gelten ebenso z.B. die Unschuldsvermutung, das Recht, Zeugen der Gegenseite gegenübergestellt zu werden, und das Recht auf eine effektive Verteidigung. 46 Da im Rahmen der Unternehmensstrafbarkeit bislang keine eigentlichen defenses existieren und eine due diligence defense nur partiell anerkannt ist, besteht die überwiegende Arbeit der Verteidigung in der Entkräftung der von der Anklage vorgebrachten Beweise. 47 Acme Poultry Corp. v. U.S., 146 F.2d 738 (4th Cir. 1945), cert. den., 324 U.S. 860; Fletcher, Cyclopedia, § 4962; es können auch zur Vertretung befugte Unternehmensmitarbeiter vor Gericht für das Unternehmen auftreten, vgl. U.S. v. Hughes, 413 F.2d 1244 (5th Cir.1969). 48 Vgl. Geisler, Anklageprinzip, S. 45 ff.; Schmid, Strafverfahren, S. 79 sowie bereits oben S. 115. 49 Siehe Schmid, Strafverfahren, S. 79. 50 18 U.S.C. § 3552; Fed. R. Crim. P. 32 (c)–(d). Der Bericht soll enthalten [vgl. Fed. R. Crim. P. 32 (c) (2)]: Informationen über Vorstrafen, eine Beurteilung der nach den Richtlinien zu verhängenden Strafe, Informationen über Auswirkungen der Straftat auf Opfer sowie alle für die Strafzumessung relevanten Aspekte, vgl. näher Stith/Cabranes, Judging, S. 85 ff. 51 Zudem sind bspw. auch Informationen vom „Hörensagen“ zulässig, vgl. U.S. v. Petty, 982 F.2d 1365 (9th Cir. 1993). 52 Vgl. krit. King, 58 Stan. L. Rev. (2005), S. 297 ff. (305 f.). 53 18 U.S.C. § 3552 (b).
§ 7 Das Unternehmen im Strafverfahren
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leien. Schließlich kann das Gericht die Informationen auch in einer eigenen Anhörung erlangen, die der Festlegung der Rechtsfolge vorausgeht.54 Im Verfahren der Strafzumessung gelten zahlreiche verfassungsrechtliche Schutzstandards nicht in gleichem Maße wie im Erkenntnisverfahren.55 Insbesondere müssen strafzumessungsrelevante Tatsachen nicht mehr beyond a reasonable doubt nachgewiesen werden, sondern es genügt, dass ihr Vorliegen wahrscheinlicher als ihr Nichtvorliegen ist (preponderance of evidence-Standard).56 Aufgrund der neueren verfassungsrechtlichen Rechtsprechung, insbesondere des BookerUrteils, dürfen aber in der Strafzumessung grundsätzlich keine strafschärfenden Fakten neu eingeführt werden, die nicht im (vorhergehenden) Jury-Verfahren festgestellt wurden.57 Insoweit wirkt sich der abgemilderte Beweisstandard der Strafzumessung nicht mehr so stark aus wie in der Zeit vor dem Urteil.58 Die Rollenverteilung zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung setzt sich auch in der Strafzumessung fort. Die Staatsanwaltschaft hat das Vorliegen strafschärfender Faktoren, das Unternehmen das Vorhandensein strafmildernder Umstände (wie z.B. eines Compliance-Programms) zu beweisen.59 B. Einfluss der Staatsanwaltschaft Der Staatsanwaltschaft kommt im amerikanischen Recht im Rahmen der Strafverfolgung eine starke Stellung zu. Dies beruht vor allem darauf, dass die Staatsanwaltschaft über eine Anklageerhebung nach eigenem Ermessen entscheidet.60 Das am Opportunitätsprinzip orientierte System unterscheidet sich im Grundsatz deutlich von dem im deutschen Recht verankerten Legalitätsprinzip.61 Der Anklä____________ 54 18 U.S.C. § 3553 (b), die Parteien können in der Anhörung den presentence report angreifen und eigene Beweismittel vorbringen. 55 Vgl. Williams v. New York, 337 U.S. 241 (1949), wonach in der Strafzumessung aufgrund der vorangegangenen Verurteilung die Unschuldsvermutung nicht mehr gelte und somit geringere Verfahrensstandards rechtfertige. 56 Vgl. U.S. v. Mourning, 914 F.2d 699 (5th Cir. 1990); Lembert/Gross/Liebmann, Evidence, S. 1243; die Richtlinien benennen den Standard als reliability, § 6 A 1.3 (a) USSG. 57 Vgl. dazu oben S. 194 ff. 58 Relevant bleibt der unterschiedliche Beweisstandard dagegen in all den Fällen, in denen kein Jury-Verfahren notwendig ist. 59 Vgl. Kaplan/Murphy-Supino, Compliance, § 23:8. 60 LaFave, 18 Am. J. Comp. L. (1970), S. 532 ff.; Myers, 25 Mich. J. Int.’l L. (2003), S. 211 (233); Orland, 1 Brook. J. Corp. Fin. & Com. L. (2006-07), S. 45 (52 f.); siehe auch Dengler, Staatsanwaltschaft, S. 156 ff.; Schmid, Strafverfahren, S. 39 f.; Weigend, in: Jescheck/Leibinger (Hrsg.), Anklagebehörde, S. 587 (610 f.). 61 Dieser Unterschied im Grundsatz darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich im Ergebnis die Anklagepraxis nicht völlig von der in Deutschland unterscheidet. So wird im Regelfall nur bei leichteren Delikten eine Einstellung infrage kommen, während bei schwereren Delikten eine Anklage erfolgt, vgl. zur Einstellungspraxis näher Weigend, in: Jescheck/Leibinger (Hrsg.), Anklagebehörde, S. 587 (613 ff.).
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2. Kapitel: Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika
ger hat ein breites Ermessen, das über die in Deutschland ebenfalls anerkannten Kriterien der Einstellung eines Verfahrens z.B. wegen mangelnden Tatverdachts oder geringer Schuld hinausgeht. Ihm steht es beispielsweise frei, allein aus Gründen des öffentlichen Interesses eine Anklage zu erheben oder darauf zu verzichten. Das bedeutet, dass selbst beim Vorliegen ausreichender Beweise keine Verpflichtung zur Anklage besteht. Die Entscheidung der Staatsanwaltschaft ist im Grundsatz nicht gerichtlich überprüfbar.62 In der Praxis steht die Anklageentscheidung jedoch nicht völlig im Ermessen des einzelnen Staatsanwalts, sondern wird stark durch interne Richtlinien beeinflusst (dazu näher im Folgenden). Danach stehen dem Staatsanwalt verschiedene Möglichkeiten zur Beendigung des Verfahrens als Alternative zur Anklage zur Verfügung.63 Soweit eine Anklage erhoben wird, ist der Prozessstoff auf die in der Anklage genannten Straftaten beschränkt. Das Gericht kann nicht selbstständig von der Staatsanwaltschaft ausgeschiedene Delikte wieder einbeziehen. Dieses Dispositionsmonopol der Staatsanwaltschaft wird von ihr häufig genutzt, um Verfahrensabsprachen herbeizuführen (plea bargaining).64 Im Folgenden soll der Strukturierung des Ermessens auf Seiten der Staatsanwaltschaft durch interne Leitlinien näher nachgegangen werden. Dieser Bereich hat sich in den letzten zehn Jahren stark gewandelt, insbesondere bestehen inzwischen spezielle Richtlinien für die Verfolgung von Unternehmen (dazu I.). Diese legen besondere Schwerpunkte auf Compliance (II.) und eine Kooperation mit den Ermittlungsbehörden (III.). I. Die Richtlinien des U.S. Department of Justice Das Ermessen der Staatsanwaltschaften ist in der Praxis nicht völlig frei. Neben den Vorgaben zur Einhaltung bestimmter ethischer Standards haben vor allem die vom Justizministerium herausgegebenen Anweisungen am meisten Einfluss darauf.65 Diese Anweisungen sind den internen Dienstanweisungen in Deutschland vergleichbar. Zentral für die tägliche Arbeit ist das Handbuch für Staatsanwälte (United States Attorneys’ Manual – USAM), das zahlreiche Verfahrensfragen eingehend regelt und regelmäßig überarbeitet wird.66 Die Vorgaben des Handbuchs ____________ 62 Vgl. Wayte v. U.S., 470 U.S. 598 (1985), S. 607; U.S. v. Batchelder, 442 U.S. 114 (1979), S. 115; vgl. zur Überprüfungsmöglichkeit der staatsanwaltschaftlichen Verfügungen Dengler, Staatsanwaltschaft, S. 185 ff. 63 Vgl. unten S. 241 ff. 64 Vgl. unten S. 244 ff. 65 Für Staatsanwälte gelten im Grundsatz die gleichen ethischen Standards wie für Rechtsanwälte auch, vgl. zu dieser umstrittenen Gleichstellung Zacharias/Green, 88 Geo. L. J. (1999-2000), S. 207 ff. 66 Vgl. U.S. Department of Justice, United States Attorneys’ Manual (2010), abrufbar unter . Vgl. Anhang.
§ 7 Das Unternehmen im Strafverfahren
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werden durch Einzelrichtlinien ergänzt, die für bestimmte Bereiche Regelungen und Vorgaben treffen. So sind die Staatsanwaltschaften durch das sogenannte Ashcroft-Memorandum generell angewiesen, immer die schwerste nach Aktenlage beweisbare Straftat anzuklagen.67 Neben dieser allgemeinen Anweisung für alle Strafverfahren bestehen besondere Vorgaben für die Strafverfolgung von Unternehmen, die insbesondere das Vorliegen eines Compliance-Programms in die Strafverfolgungsentscheidung miteinbeziehen. Die spezielle Berücksichtigung der Unternehmensstrafbarkeit und insbesondere der Compliance-Programme bei den Strafverfolgungsbehörden ist eine relativ junge Entwicklung. Bis Anfang der 1990er Jahre vertraten die Strafverfolgungsbehörden noch die Ansicht, Compliance-Programme hätten kaum Auswirkung auf die Entscheidung für oder gegen eine Strafverfolgung, da sie für die Verantwortlichkeit nach vicarious liability-Grundsätzen nicht relevant seien.68 Im Jahr 1991 gab das Justizministerium jedoch Leitlinien für die Verfolgung von Umweltstraftaten heraus, die erstmals vorsahen, bestimmte Compliance-Maßnahmen in die Entscheidung über eine Strafverfolgung miteinzubeziehen.69 Eine generelle Anweisung der Berücksichtigung von Compliance-Programmen bei der Frage der Anklageerhebung erfolgte im Jahr 1999, als das Justizministerium ein Memorandum zur Strafverfolgung von Unternehmen veröffentlichte (Holder-Memorandum).70 Dieses Memorandum gab Leitlinien vor, inwieweit die Kooperation von Unternehmen Auswirkungen auf die Strafverfolgung haben sollte. Ein Punkt unter acht besonders zu berücksichtigenden Umständen war dabei die Frage, ob ein Unternehmen ein adäquates Compliance-Programm aufzuweisen hat. Das Memorandum führte aus, dass in speziellen Fällen, in denen Unternehmen ein funktionierendes Compliance-Programm besitzen, eine Haftung nach den respon____________ 67 Vgl. Memorandum from Attorney General John Ashcroft to all Federal Prosecutors vom 22.9.2003; ; dazu Bucy, 8 Buff. Crim. L. Rev. (2004-05), S. 277 (293); zur tatsächlichen Strafverfolgungspraxis siehe unten S. 260 ff. 68 Vgl. Bloch, 57 Antitrust L. J. (1988), S. 223 (225 f.); Shenefield/Favretto, 48 Antitrust L. J. (1979), S. 73 (79). 69 U.S. Department of Justice, Factors in Decisions on Criminal Prosecutions for Environmental Violations in the Context of Significant Voluntary Compliance or Disclosure Efforts by the Violator, 1.7.1991; abgedruckt bei Rakoff et al. (eds.), Sentencing, Anhang D-4; vgl. dazu Gruner, Corporate Crime, § 14.1.5; Kezsbom/Goldman, in: Rakoff et al. (eds.), Sentencing, § 8.02 [2]; Note, 107 Harv. L. Rev. (1995-96), S. 1783 (1792 f.); siehe auch die Diskussion in USSC, Corporate Crime, S. 295 ff. 70 U.S. Departement of Justice, Federal Prosecution of Corporations (16.6.1999), als Holder-Memorandum (nach dem damaligen Deputy Attorney General) bezeichnet; vgl. dazu Bowers et al., Compliance, S. 18 ff.; Cole, 48 Vill. L. Rev. (2003), S. 469 (542 ff.); ders., S. Tex. L. Rev. (2003-04), S. 147 (151 ff.); Laufer/Strudler, 37 Am. Crim. L. Rev. (2000), S. 1285 (1302 ff.); Silbert/Joannou, 43 Am. Crim. L. Rev. (2006), S. 1225 (1226 f.); Wray/Hur, 43 Am. Crim. L. Rev. (2006), S. 1095 (1099 ff.).
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2. Kapitel: Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika
deat superior-Grundsätzen nicht angemessen sei und man daher auf eine Strafverfolgung verzichten könne. Im Jahr 2003 gab das Justizministerium ein überarbeitetes Memorandum heraus, das in Fortschreibung des Ansatzes von 1999 Vorgaben für die Strafverfolgung von Unternehmen auf Bundesebene (Principles of Federal Prosecution of Business Organizations – Thompson-Memorandum) enthielt.71 Es sah im Gegensatz zur vorhergehenden Version vor, dass routinemäßig bei Auftreten einer Straftat eines Unternehmensmitarbeiters geprüft werden sollte, ob neben den natürlichen Personen nicht auch das Unternehmen anzuklagen wäre.72 Das Vorhandensein eines Compliance-Programms war dabei ein wesentlicher Umstand bei der Entscheidung für oder gegen eine Strafverfolgung.73 Voraussetzung war allerdings, dass das Programm wirksam sein sollte, und nicht bloß ein „paper program“. Gefordert wurde insbesondere die Durchsetzung eines solchen Programms durch das höhere Management, da von dieser Seite die entscheidenden Impulse für die jeweilige Unternehmenskultur ausgehen.74 Bei der Beurteilung des Compliance-Programms wurde auch berücksichtigt, inwiefern etwaige Vorgaben des Sarbanes-Oxley Acts (z.B. zu Audit Committees) miteinbezogen worden waren.75 Bezüglich der inhaltlichen Anforderungen stützte sich die Staatsanwaltschaft im Wesentlichen auf die Vorgaben der Strafzumessungsrichtlinien.76 Neben dem Schwerpunkt des Compliance-Programms setzte das ThompsonMemorandum auf eine Kooperation der Unternehmen bei der Aufklärung der Straftat durch die Strafverfolgungsbehörden.77 Mit der Kooperation hatten die Unter____________ 71 Das Thompson-Memorandum (nach dem damaligen Deputy Attorney General) ist unter erhältlich; vgl. dazu Bharara, 44 Am. Crim. L. Rev. (2007), S. 53 (78 ff.); Bucy, 8 Buff. Crim. L. Rev. (2004-05), S. 277 (293); Christie/Hanna, 43 Am. Crim. L. Rev. (2006), S. 1043 (1045 ff.); Duggin, 2003 Colum. Bus. L. Rev (2003), S. 859 (902 ff.); Hasnas, 54 Am. U. L. Rev. (2004-05), S. 579 (623 ff.); Silbert/Joannou, 43 Am. Crim. L. Rev. (2006), S. 1225 (1227 ff.); White, 1517 PLI/Corp 815 (819 f.); Wray/Hur, 43 Am. Crim. L. Rev. (2006), S. 1095 ff. 72 Vgl. das Thompson-Memorandum (Anm. 71) unter I. B. 73 Das Memorandum zählte neben den Compliance-Programmen acht weitere für die Entscheidung relevante Faktoren auf: Art und Schwere des Delikts, Umfang der Beteiligung der Personen im Unternehmen, Vorstrafen, zeitnahe und freiwillige Offenlegung durch das Unternehmen, Wiedergutmachungsbemühungen, Folgen der Tat, die Angemessenheit einer bloßen Strafverfolgung der Mitarbeiter des Unternehmens und die Angemessenheit anderer Verfolgungsmöglichkeiten der Tat (z.B. zivilrechtlich). Vgl. dazu Bowers et al., Compliance, S. 20 ff. 74 Vgl. das Thompson-Memorandum (Anm. 71) unter V; siehe auch Brickey, 8 Buff. Crim. L. Rev. (2004-05), S. 221 (237 f.). 75 Brickey, 8 Buff. Crim. L. Rev. (2004-05), S. 221 (239 f.). 76 So Bowers et al., Compliance, S. 8. 77 Thompson-Memorandum (Anm. 71), Preface; vgl. dazu Silbert/Joannou, 43 Am. Crim. L. Rev. (2006), S. 1225 (1226 ff.); Wray/Hur, 43 Am. Crim. L. Rev. (2006), S. 1095 (1135 ff.).
§ 7 Das Unternehmen im Strafverfahren
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nehmen nach der Aufdeckung der Straftat die Möglichkeit, eine Einstellung des Verfahrens zu erreichen, auch wenn sie zum Zeitpunkt der Tat kein (oder kein ausreichendes) Compliance-Programm vorzuweisen hatten. Eine Kooperation durch das Unternehmen wurde jedoch nur positiv bewertet, wenn sie „umfassend“ und „authentisch“ war und die freiwillige Herausgabe von Dokumenten beinhaltete, die ansonsten den verfassungsrechtlichen Schutz des Anwalts- und Beratungsgeheimnisses genossen.78 Gerade der letzte Punkt rief starke Kritik hervor, sodass sich das Ministerium gezwungen sah, zur Klarstellung spezielle Richtlinien herauszugeben und eine zurückhaltende Anforderung geschützter Unterlagen anzumahnen (McCallum-Memorandum).79 Im Dezember 2006 wurden die Richtlinien zur Strafverfolgung von Unternehmen überarbeitet und neu veröffentlicht (McNulty-Memorandum).80 Sie beruhten im Wesentlichen auf den 2003 erstellten Vorgaben und bezogen das McCallumMemorandum mit ein. Die bislang letzte Version der Richtlinien stammt vom August 2008 (Filip-Memorandum).81 Auch sie baut auf ihren Vorgängerversionen auf, konkretisiert jedoch in zahlreichen Punkten die Vorgaben für die Staatsanwaltschaft, insbesondere die Anforderungen an Compliance-Programme und den Umfang einer Kooperation mit den Ermittlungsbehörden. Die Richtlinien erhielten zudem einen neuen Stellenwert, indem sie als eigenes Kapitel in das Handbuch der Staatsanwaltschaft aufgenommen wurden.82 Damit ist klargestellt, dass die Vorgaben generell und verbindlich für alle Staatsanwälte des Bundes gelten. Die Richtlinien weisen explizit darauf hin, dass Unternehmen nicht allein deshalb milder behandelt werden sollen, weil sie keine natürlichen Personen sind.83 Allerdings sollten die Strafverfolger in die Anklageüberlegung mögliche Konsequenzen für Angestellte und Anteilseigner einstellen.84 Zudem regen die Vorgaben ____________ 78 Vgl. dazu Wray/Hur, 43 Am. Crim. L. Rev. (2006), S. 1095 (1170 ff.) sowie unten S. 253 ff. 79 U.S. Department of Justice, Waiver of Corporate Attorney-Client and Work Product Protections vom 21.10.2005, sog. McCallum-Memorandum (nach dem damaligen Deputy Attorney General); vgl. dazu Wray/Hur, 43 Am. Crim. L. Rev. (2006), S. 1095 (1178). 80 U.S. Department of Justice, Principles of Federal Prosecution of Business Organizations vom 12.12.2006, sog. McNulty-Memorandum (nach dem Deputy Attorney General), erhältlich unter ; vgl. dazu Abikoff, Corporate Governance, § 8.03; Gruner, Corporate Criminal Liability, §§ 14.03 [3], 16.02 [4]; Walker, 1661 PLI/Corp 19 (32 ff.). 81 U.S. Department of Justice, Principles of Federal Prosecution of Business Organizations vom 28.8.2008, sog. Filip-Memorandum (nach dem Deputy Attorney General), erhältlich unter . 82 Die Vorgaben wurden im 9. Titel, Kapitel 28 des United States Attorneys’ Manual (2010) (siehe oben Anm. 66) eingefügt. Vgl. Walker, 1731 PLI/Corp 15 (29 ff.). 83 Vgl. 9-28.200 USAM, allerdings auch mit dem Hinweis, dass keine strengere Behandlung erfolgen soll. Zur tatsächlichen Strafverfolgungspraxis siehe unten S. 260 ff. 84 Vg. 9-28.300 A. 7. und 9-28.1000 USAM.
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an, alternative Erledigungsstrategien zu einem Prozess in Betracht zu ziehen.85 Die Richtlinien verzichten auf konkrete Vorgaben, wann dies der Fall ist, sondern lassen dem einzelnen Staatsanwalt für den Einzelfall die notwendige Flexibilität. Die Rolle der Staatsanwaltschaft wird in den Richtlinien klar definiert: Sie dient der Durchsetzung der rechtlichen Vorschriften, um die Integrität des freien Wirtschafts- und Kapitalmarkts zu gewährleisten und Konsumenten, Investoren und redliche Unternehmen zu schützen.86 Eine Anklage biete die Gelegenheit, einen positiven Wechsel in der Unternehmenskultur und dem Verhalten des Unternehmens zu bewirken und damit weiter Wirtschaftskriminalität zu vermeiden bzw. aufzudecken.87 Die Anklage bestimmter Geschäftspraktiken in einem Marktteil habe zudem einen abschreckenden Effekt auf andere Unternehmen mit ähnlichen Vorgehensweisen. Die Richtlinien schreiben damit dem einzelnen Staatsanwalt quasi eine Rolle als „Corporate Governance-Experte“ zu.88 Bei der Entscheidung über eine Anklage sehen die Richtlinien neun vom Staatsanwalt besonders zu beachtende Einzelpunkte vor, die weitgehend denen des Thompson-Memorandums entsprechen.89 Zentrale Erwägungen sind neben Art und Schwere der Tat dabei insbesondere das Vorhandensein eines Compliance-Programms sowie die Kooperation mit den Ermittlungsbehörden. Mit diesen Punkten werden wie bei den Strafzumessungsrichtlinien auch bei der Anklageentscheidung Elemente berücksichtigt, die als solche nicht Teile der tatbestandlichen Verantwortlichkeit sind.90 Auf die Vorgaben der Richtlinien hinsichtlich von Compliance-Programmen (II.) und auf die Frage der Kooperation (III.) wird nachfolgend näher eingegangen. II. Bedeutung von Compliance-Programmen Die Existenz eines Compliance-Programms, das bereits vor dem Verstoß im Unternehmen etabliert war, kann rechtfertigen, von einer Strafverfolgung gegen das Unternehmen abzusehen, auch wenn es für die Frage der Strafbarkeit des Unternehmens nach respondeat superior-Grundsätzen keine Bedeutung hat.91 Ein sol____________ Vgl. 9-28.200 B. und 9-28.1300 USAM. Vgl. 9-28.100 USAM. 87 Vgl. 9-28.200 A. USAM. 88 So auch (krit.) White, 1517 PLI/Corp 815 (818) bereits zum ThompsonMemorandum. 89 Vgl. 9-28.300 USAM; zu den Einzelpunkten des Thompson-Memorandums siehe unter Anm. 73. 90 Vgl. Laufer/Strudler, 44 Am. Crim. L. Rev. (2007), S. 1307 (1312 ff.). 91 Vgl. 9-28.500 A. USAM. Zur Bedeutung von Compliance Maßnahmen bei der Entscheidung über die Anklageerhebung siehe auch Bowers et al., Compliance, S. 19; Brickey, Corporate Criminal Liability, Bd. 1, 2004 Cumulative Supplement, S. 2 ff.; Fatino, 51 Drake L. Rev. (2002-03), S. 81 (89 f.); Joseph, 35 Am. Crim. L. Rev. (1997-98), S. 1017 (1030); Laufer, 34 Am. Bus. L. J. (1996), S. 157 (163 ff.); Strauss/Goldstein, in: Rakoff et al. (eds.), Sentencing, § 6.01 [2]; Webb/Molo, 71 Wash. U. L. Rev. (1993), S. 375 (377 f.). 85
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ches Programm kann jedoch zeigen, dass ein Unternehmen grundsätzlich die notwendigen Anstrengungen unternimmt, um Straftaten vorzubeugen und bei vorkommenden Verstößen adäquat eine Aufklärung zu betreiben. Voraussetzung ist jedoch, dass das Programm als solches wirksam ist und nicht die vorgefallene Straftat auf der mangelnden Konzeption oder Umsetzung des Programms beruht.92 Strikte Vorgaben, welche Komponenten das Programm aufzuweisen hat, machen die Richtlinien nicht, verweisen aber auf die Vorgaben der Strafzumessungsrichtlinien.93 Wesentlich ist, dass das Programm auf die speziellen Risiken des Geschäftsbereichs des Unternehmens zugeschnitten ist und aktiv vom Management getragen wird. Das Vorhandensein eines Compliance-Programms ist für die Beurteilung weiterer Einzelfragen von Bedeutung, die die Anklageentscheidung leiten. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der in die Verstöße verwickelten Mitarbeiter.94 Liegt nur ein einmaliges Fehlverhalten eines untergeordneten Mitarbeiters vor, wie dies in keinem Unternehmen zu vermeiden ist? Oder ist das Management involviert und zeigt, dass entgegen dem durch das Programm hervorgerufenen Anschein keine Kultur rechtmäßigen Handelns im Unternehmen besteht? Zudem kann das ComplianceProgramm im Rahmen der Kooperation relevant werden, wenn beispielsweise die durch das Compliance-Programm geschaffenen Kontroll- und Ermittlungsstrukturen im Unternehmen die Kooperation mit den Ermittlungsbehörden befördern.95 Letztlich kann auch im Rahmen der Reaktion des Unternehmens auf den Vorfall positiv in Betracht gezogen werden, wenn das Unternehmen ein ComplianceProgramm neu schafft oder ein bestehendes verbessert und somit aktiv weiteren Straftaten vorbeugen möchte.96 Auch wenn der Existenz eines Compliance-Programms große Bedeutung zugemessen wird, so stellen die Richtlinien jedoch klar, dass es Umstände geben kann, in denen ein noch so optimales Programm eine Anklage nicht verhindert. Die Art der Straftat (die Richtlinien nennen explizit als Beispiel das Kartellrecht) könne bedingen, dass zwingend Anklage erhoben werde.97 Damit unterstreicht die Staats-
____________ 92 Vgl. 9-28.800 B. USAM. Die zentralen Fragen sind u.a.: “Is the corporations’s compliance program well designed?” und “Does the corporation’s compliance program work?” 93 Vgl. 9-28.800 B. USAM. 94 Vgl. 9-28.500 USAM. 95 Vgl. 9-28.750 und 9-28.800 USAM, wo darauf abgestellt wird, ob das Unternehmen Vorfälle, die im Rahmen interner Überprüfungen zutage getreten sind, an die Ermittlungsbehörden meldet. 96 Vgl. 9-28.900 USAM. 97 Vgl. 9-28.800 A. USAM.
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2. Kapitel: Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika
anwaltschaft ihre nicht unpolitische Rolle, die Strafverfolgung von Unternehmen als verlängerter Arm öffentlicher Interessen wahrzunehmen.98 III. Rolle der Kooperation Neben dem Vorhandensein eines Compliance-Programms ist die Kooperation mit den Ermittlungsbehörden nach Aufdeckung der Straftat ein zentraler Punkt bei der Entscheidung über eine Strafverfolgung.99 Dies entspricht dem generellen Ansatz der amerikanischen Staatsanwaltschaft, eine Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden in das Zentrum einer Anklageentscheidung zu stellen.100 Die Kooperationsbemühungen sind wie bereits erörtert auch im Fall einer Anklage von wesentlicher Bedeutung, da sie zu einer substantiellen Strafmilderung führen können.101 Die Anforderungen an die Kooperation bei der Entscheidung über eine Strafverfolgung und bei der über eine Strafmilderung entsprechen einander weitgehend.102 Die Staatsanwaltschaft fordert vom Unternehmen eine umfangreiche Kooperation, die interne Ermittlungen seitens des Unternehmens, die Offenlegung von Informationen, den Zugang zu Informationen oder die Entlassung des verantwortlichen Mitarbeiters beinhalten kann.103 Vor allem ist umstritten, ob die Ermittlungsbehörden auch Dokumente verlangen können, die dem Anwalts- und Beratungsgeheimnis unterfallen oder die als besonders vertrauliche Dokumente verfassungsrechtlichen Schutz genießen.104 Dies ist deshalb so brisant, weil amerikanische Unternehmen in großem Umfang rechtliche Beratung durch Anwälte in ____________ 98 Die Richtlinien sprechen insoweit eine deutliche Sprache: “The prosecution of corporate crime is a high priority for the Department of Justice. (...), the Department promotes critical public interests.”; “Vigorous enforcement of the criminal law against corporate wrongdoers (...) results in great benefits for law enforcement and the public, particularly in the area of white collar crime.”, vgl. 9-28.100 und 9-28.200 A. USAM. 99 Vgl. 9-28.700 USAM. Zur Kooperation mit den Ermittlungsbehörden siehe Griffin, 82 N. Y. U. L. Rev. (2007), S. 311 ff.; Simons, 76 St. John’s L. Rev. (2002), S. 979 (994), der dies sogar für das wichtigste Kriterium hält; siehe auch Obermaier, 14 Nat. L. J. (1991), S. 13 vom 11.11.1991 (Heft 10); Zornow/Krakaur, 37 Am. Crim. L. Rev. (2000), S. 147 (153 ff.). 100 Vgl. Beale, 44 Am. Crim. L. Rev. (2007), S. 1503 (1523 ff.). Vgl. auch O’Sullivan, 45 Am. Crim. L. Rev. (2008), S 1237 (1266 ff.) zum Hintergrund des Vorgehens des DOJ. 101 Vgl. dazu bereits oben S. 174 ff. 102 So ist es trotz einer vorbildlichen Kooperation möglich, dass die Staatsanwaltschaft z.B. wegen der Schwere der Straftat Anklage erhebt: dann kann sich die Kooperation erst auf Strafzumessungsebene auswirken. Wenn aber keine anderen Gesichtspunkte gegen eine Einstellung sprechen, kann die Kooperation der entscheidende Grund für die Einstellung sein. 103 Vgl. Oesterle, 1 Ohio St. J. Crim. L. (2003-04) S. 443 (471 ff.); Simons, 76 St. John’s L. Rev. (2002), S. 979 (996 f.) auch mit weiteren Beispielen, die im Rahmen der Kooperation gefordert werden; White, 1517 PLI/Corp 815 (821 ff.). 104 Vgl. zu diesen Fragen näher unten S. 249 ff., insbes. 253 ff.
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Anspruch nehmen. Der Verzicht auf das Anwalts- und Beratungsgeheimnis wurde in der Praxis zur Zeit der Holder- und Thompson-Memoranden geradezu als „Lackmus-Test“ der Kooperationsbereitschaft des Unternehmens gesehen.105 Nur eine solche „Super-Kooperation“ wurde als Ausdruck einer „good corporate citizenship“ verstanden.106 Nach heftiger Kritik,107 die auch seitens der Rechtsprechung geäußert wurde,108 und nachdem die Strafzumessungsrichtlinien in diesem Punkt geändert worden waren,109 nahm bereits das McNulty-Memorandum eine zurückhaltendere Position ein.110 Es legte fest, dass für eine ausreichende Kooperation mit den Ermittlungsbehörden nicht die Herausgabe von vertraulichen Dokumenten notwendig sei.111 Nur wenn die Ermittlungen ohne derartige Dokumente nicht möglich seien, könne die Staatsanwaltschaft auch diese herausverlangen. Die Richtlinien sahen dazu ein ____________ 105 White, 1517 PLI/Corp 815 (818, 821); siehe auch Zornow/Krakaur, 37 Am. Crim. L. Rev. (2000), S. 147 ff.; Cole, 48 Vill. L. Rev. (2003), S. 469 (544 ff.); für überzogen hält dagegen die Kritik der Literatur an den Strafverfolgungsbehörden O’Sullivan, 1 Ohio St. J. Crim. L. (2003-04), S. 487 (497 ff.). 106 Simons, 76 St. John’s L. Rev. (2002), S. 979 (997); siehe auch Oesterle, 1 Ohio St. J. Crim. L. (2003-04) S. 443 (477 f.) bzw. Imperato, 52 Fed. Law. (September 2005), S. 25 (29), der auch von einer durch die Ermittlungsbehörden erzwungenen „bedingungslosen Kapitulation“ der Unternehmen spricht; weniger problematisch sehen dies Bowers et al., Compliance, S. 22, die darauf hinweisen, dass die Weigerung, auf das Anwaltsgeheimnis zu verzichten, nur einer unter mehreren Erwägungsfaktoren ist, ähnlich auch O’Sullivan, 1 Ohio St. J. Crim. L. (2003-04), S. 487 (497 ff.). 107 Zur Kritik Bharara, 44 Am. Crim. L. Rev. (2007), S. 53 (81 ff.); Orland, 1 Brook. J. Corp. Fin. & Com. L. (2006-07), S. 45 (78 ff.) sowie unten S. 253 ff.; aus Sicht der Staatsanwaltschaft aber Buchanan, 39 Wake Forest L. Rev. (2004), S. 587 (595 ff.). 108 Vgl. die harsche Kritik von Richter Buchanan Kaplan an den Kooperationsanforderungen an KPMG im Verfahren gegen ehemalige KPMG-Angestellte U.S. v. Stein, 433 F.Supp.2d 330 (S.D.N.Y. 2006), 440 F.Supp.2d 315 (S.D.N.Y. 2006) sowie 495 F.Supp.2d 390 (S.D.N.Y. 2007). Die aggressiven Kooperationsanforderungen aufgrund des Thompson-Memorandums hätten nicht ausreichend Rücksicht auf das Schweigerecht der Angestellten genommen. Die Kooperationsbemühungen hatten für KPMG zu einer Einstellung des Verfahrens geführt, während die Angestellten angeklagt wurden. Für die Anklage wurden Aussagen herangezogen, die die Angestellten im Rahmen der Ermittlungen gegen KPMG gemacht hatten. In der Entscheidung 495 F.Supp.2d 390 (S.D.N.Y. 2007) ließ das Gericht die Anklage gegen 13 von 16 angeklagten Mitarbeitern schließlich nicht zu, da die Kooperationsanforderungen der Staatsanwaltschaft die verfassungsmäßigen Rechte der Mitarbeiter verletzt hatten. Vgl. zum Fall näher Bharara, 44 Am. Crim. L. Rev. (2007), S. 53 (97 ff.); Burn, 32 Del. J. Corp. L. (2007), S. 859 ff. sowie aus deutscher Sicht Wehnert, NJW 2009, 1190 (1191). 109 Zur Änderung der Strafzumessungsrichtlinien vgl. oben S. 174 f. 110 McNulty-Memorandum (Anm. 80) unter VII. 2. Dazu O’Sullivan, 45 Am. Crim. L. Rev. (2008), S 1237 (1268 ff.) sowie aus dem DOJ Elston, 44 Am. Crim. L. Rev. (2007), S. 1435 ff. 111 Zudem wurde festgelegt, dass die Bezahlung von Anwaltsrechnungen angeklagter Mitarbeiter seitens des Unternehmens nicht mehr (wie unter dem Thompson-Memorandum möglich und wie das Verfahren U.S. v. Stein, 433 F.Supp.2d 330 [S.D.N.Y. 2006] in der Praxis auch zeigte) als mangelnde Kooperation ausgelegt wurde.
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2. Kapitel: Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika
gestuftes Vorgehen und ggf. die Rücksprache mit dem Vorgesetzten vor.112 Diese Regelung wurde zwar als Verbesserung zur Lage zuvor gesehen, insgesamt aber immer noch kritisch beurteilt.113 Das Filip-Memorandum überarbeitet die Anforderungen an die Herausgabe von geschützten Dokumenten erneut.114 Es stellt zum einen klar, dass verfassungsrechtliche Schutzvorschriften nicht durch die Strafverfolgungsbehörden unterlaufen werden dürfen. Geschützte Dokumente dürfen nicht von der Staatsanwaltschaft verlangt werden und die Weigerung, diese herauszugeben, darf nicht negativ gewertet werden. Zum anderen verlangt das Memorandum aber von Unternehmen die Mitteilung der für einen Fall relevanten Fakten (underlying facts), die es besitzt, und zwar unabhängig davon, ob diese in geschützten oder nicht geschützten Dokumenten enthalten sind. Nur wenn eine Herausgabe dieser Fakten vorliegt, kann das Unternehmen einen Bonus aufgrund der Kooperation erhalten. Insoweit gilt: Geschützte Dokumente müssen nicht herausgegeben werden, die darin enthaltenen Informationen aber schon, wenn das Unternehmen als kooperativ eingestuft werden soll. Indirekt verlangen die Richtlinien damit dann doch einen Verzicht auf die verfassungsrechtlichen Schutzvorschriften. Die neueste Version der Richtlinien wird damit die Kritik an den weitreichenden Kooperationsvorschriften nicht verstummen lassen.115 IV. Bewertung Die speziellen Richtlinien für die Strafverfolgungsbehörden zeigen, dass seit den 1990er Jahren die Strafverfolgung von Unternehmen vermehrt ins Blickfeld der Staatsanwaltschaften gerückt ist. Die schnelle Revision der Vorschriften macht den starken Widerhall deutlich, den die Regelungen bei Unternehmen und der interessierten Fachöffentlichkeit gefunden haben. Unverkennbar ist der Einfluss, den die Strafzumessungsrichtlinien auf den Inhalt der staatsanwaltschaftlichen Richtlinien hatten. Nahmen die Strafzumessungsrichtlinien erstmals den Gedanken der Unter____________ 112 Zunächst konnte der Staatsanwalt Dokumente verlangen, die reine Fakten beinhalten. Soweit diese Dokumente nicht weiterführten, war das Unternehmen verpflichtet, Dokumente mit Wertungen – auch aus der anwaltlichen Beratung – herauszugeben. 113 Im Grundsatz positiv aufgrund der Verbesserung zur vorherigen Lage Abikoff, Corporate Governance, § 8.03; Browning, N.Y.T. vom 13.12.2006; Elston, 44 Am. Crim. L. Rev. (2007), S. 1435 (1438); krit. aber, insbes. wegen der schwierigen Abgrenzung zwischen Fakten und Wertungen, Bharara, 44 Am. Crim. L. Rev. (2007), S. 53 (85 f.); Bohrer/Trencher, 44 Am. Crim. L. Rev. (2007), S. 1481 (1487 f.); Burn, 32 Del. J. Corp. L. (2007), 859 (873 ff.); Gruner, Corporate Criminal Liability, § 16.02 [4] [2]. 114 Vgl. 9-28.710 und 9-28.720 USAM. Dazu O’Sullivan, 45 Am. Crim. L. Rev. (2008), S 1237 (1272 ff.). 115 So verfolgt z.B. die ABA weiterhin die Verabschiedung einer gesetzlichen Regelung, die im 110ten Kongress am 13.11.2007 nur vom Repräsentantenhaus verabschiedet worden war (“Attorney-Client Privilege Protection Act”, H.R. 3013). Am 13.2.2009 wurde in den 111ten Kongress ein ähnliches Gesetz eingebracht. Vgl. die Informationen auf der Seite der ABA .
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nehmensschuld auf, so wird dieser nun bei der Entscheidung über die Strafverfolgung fortgeführt. Gewähren die Strafzumessungsrichtlinien bei verminderter Schuld des Unternehmens beispielsweise aufgrund eines Compliance-Programms nur eine Strafmilderung, so kann das Compliance-Programm bei der Staatsanwaltschaft zum völligen Verzicht auf eine Strafverfolgung führen. Die Einbeziehung der Compliance-Programme in die Erwägungen der Strafverfolgung stellt die eigentliche Neuerung der Strafverfolgungsrichtlinien dar.116 Eine Strafverfolgung beim Vorliegen eines wirksamen Compliance-Programms ist unwahrscheinlich, da sich die Verfolgung zumeist nur auf besonders kriminell agierende Unternehmen beziehen wird.117 Für Unternehmen sind wirksame Compliance-Programme der „bargaining chip“, mit dem eine Strafverfolgung beeinflusst werden kann.118 Die starke Berücksichtigung der Compliance-Maßnahmen kann man als Ausdruck des Unbehagens innerhalb der Strafverfolgungsbehörden mit der strikten vicarious liability-Verantwortlichkeit sehen und als Versuch, zumindest über die prozessuale Ebene eine Verschuldenshaftung des Unternehmens zu erreichen.119 Der Blick auf die Richtlinien der Staatsanwaltschaft ist unvollständig, wenn man nicht den Schwerpunkt einbezieht, den eine Kooperation des Unternehmens mit der Staatsanwaltschaft nach der Straftat inzwischen einnimmt. Diese ist für die Arbeit der Staatsanwaltschaft von so zentraler Bedeutung, dass ein Unternehmen ohne Kooperation kaum eine Anklage wird vermeiden können. Auch wenn die Richtlinien der Staatsanwaltschaft keine verfassungsgemäßen Rechte einschränken wollen, so gehen sie doch von der klaren Erwartungshaltung aus, dass das Unternehmen alle Tatsachen liefert, die für einen Fall relevant sind. Wird diese Erwartungshaltung enttäuscht (auch bei Ausübung seiner legitimen Rechte durch das Unternehmen), erfolgt zwar keine Sanktion, jedoch die weitgehende Vorenthaltung möglicher Vorteile. C. Diversion und plea bargaining Für ein Unternehmen, das sich strafrechtlichen Ermittlungen ausgesetzt sieht, besteht die Möglichkeit, Vereinbarungen mit der Staatsanwaltschaft zu treffen. Derartige Absprachen können sich zum einen auf die Beendigung des Verfahrens ____________ Bowers et al., Compliance, S. 25; Laufer, 34 Am. Bus. L. J. (1996), S. 157 (164). Gruner, Corporate Crime, S. 823 f.; Laufer, 34 Am. Bus. L. J. (1996), S. 157 (164); vgl. auch unten S. 260 ff. 118 Fatino, 51 Drake L. Rev. (2002-03), S. 81 (89 f.); vgl. auch bereits Obermaier, 14 Nat. L. J. (1991), S. 13 vom 11.11.1991 (Heft 10). 119 Siehe Beale, 44 Am. Crim. L. Rev. (2007), S. 1503 (1516 f.); Laufer/Strudler, 37 Am. Crim. L. Rev. (2000), S. 1285 (1298 f., 1302 ff.); Lynch, 60 Law & Contemp. Probs. (1997), S. 23 (25 f.); ähnlich Bharara, 44 Am. Crim. L. Rev. (2007), S. 53 ff. 116
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ohne Prozess beziehen (dazu I.) und zum anderen auf die Anklage und den sich anschließenden Prozess (II.). I. Diversion Traditionell hatte die Staatsanwaltschaft als Alternative zur Anklage eines Unternehmens nur die Möglichkeit der Einstellung eines Verfahrens ohne Festsetzung bestimmter Auflagen.120 Eine Einstellung gegen Auflagen wurde nach und nach zuerst im Bereich der Jugend- und Drogenkriminalität eingeführt, um strafrechtliche Verurteilungen im Bagatellbereich zu vermeiden, und ist inzwischen gängige Praxis.121 In den 1990er Jahren wurde von der Staatsanwaltschaft vermehrt auch eine Einstellung von Verfahren gegen Unternehmen nur noch gegen Auflagen vorgenommen, ohne dass diesbezüglich jedoch klare Vorgaben bestanden.122 Mit dem Thompson-Memorandum im Jahr 2003 wurde die Möglichkeit der diversion (pretrial diversion)123 durch eine Vereinbarung zwischen Staatsanwaltschaft und Unternehmen offiziell anerkannt und formalisiert.124 Somit stand seitdem die Einstellung des Verfahrens gegen Auflagen auf einer gesicherten Verfahrensgrundlage.125 Mit der Aufnahme des Filip-Memorandums in das Handbuch für die Staatsanwaltschaft ist die diversion nunmehr fester Bestandteil des Instrumentariums der Staatsanwaltschaft geworden.126 Der Vorteil der diversion wird darin gesehen, dass das Unternehmen die Konsequenzen eines Verfahrens vermeiden, die Staatsanwaltschaft ihrerseits aber den____________ 120 Möglich war dagegen die Einleitung zivil- oder verwaltungsrechtlicher Schritte bei der Einstellung des Verfahrens. 121 Vgl. Greenblum, 105 Colum. L. Rev. (2005), S. 1863 (1866 ff.) sowie Weigend, in: Jescheck/Leibinger (Hrsg.), Anklagebehörde, S. 587 (639 ff.). 122 Vgl. zu den zwischen Unternehmen und Staatsanwaltschaft zur Vermeidung einer Anklage geschlossenen Abkommen Finder/McConnell, 51 St. Louis U. L. J. (2006-07), S. 1 (5 ff.); Warin/Schwartz, 23 J. Corp. L. (1997-98), S. 121 ff. sowie Greenblum, 105 Colum. L. Rev. (2005), S. 1863 (1871 ff.); Orland, 1 Brook. J. Corp. Fin. & Com. L. (2006-07), S. 45 (57 ff.); Spivack/Raman, 45 Am. Crim. L. Rev. (2008), S. 159 (163 f.). Als Grundlage konnte dabei das U.S. Attorney’s Manual dienen, das eine diversion bei natürlichen Personen in Ansätzen vorsah, vgl. Finder/McConnell, 51 St. Louis U. L. J. (2006-07), S. 1 (11 ff.). 123 Auch als „deferred prosecution agreement“ oder „nonprosecution agreement“ bezeichnet. 124 Vgl. das Thompson-Memorandum (oben Anm. 71) unter VI. 125 Vgl. dazu Christie/Hanna, 43 Am. Crim. L. Rev. (2006), S. 1043 ff.; Finder/ McConnell, 51 St. Louis U. L. J. (2006-07), S. 1 (14 ff.); Gruner, Corporate Criminal Liability, § 8.05 [1] [d]; Orland, Corporate Criminal Liability, § 6.06; Spivack/Raman, 45 Am. Crim. L. Rev. (2008), S. 159 (164 ff.); Wray/Hur, 43 Am. Crim. L. Rev. (2006), S. 1095 (1103 ff.; 1137 ff.). 126 Vgl. 9-28.200 und 9-28.1000 USAM.
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noch eine Art Sanktion durchsetzen kann.127 Zudem könne damit das Ziel einer Verbesserung der Unternehmensstruktur und die Wiederherstellung des Vertrauens in die Märkte erreicht werden, ohne dass das Unternehmen durch ein Strafverfahren in die Gefahr der Insolvenz gebracht werde.128 In Betracht kommt eine derartige Vereinbarung immer dann, wenn sich das Unternehmen kooperativ zeigt und aktiv versucht, die Folgen der Tat wiedergutzumachen und weiteren Verstößen vorzubeugen; in diesen Fällen erscheint die Sanktionswirkung einer Kriminalstrafe entbehrlich.129 Zur Beurteilung der Kooperationsbemühungen wird dabei auf die in den Richtlinien der Staatsanwaltschaft genannten Kriterien zurückgegriffen. Unterscheiden kann man im Wesentlichen zwei verschiedene Arten der diversion.130 Im ersten Fall erfolgt keine Anklage (dies ist die eigentliche nonprosecution-Vereinbarung). Im zweiten Fall wird offiziell Anklage erhoben, jedoch mit der Zusage der Staatsanwaltschaft, diese nicht weiter zu verfolgen und nach einem bestimmten Zeitraum zurückzunehmen, wenn die Auflagen erfüllt sind (daher deferred prosecution agreement). Welche der zwei Diversionsmöglichkeiten ergriffen wird, steht im Ermessen der Staatsanwaltschaft. Eine gerichtliche Kontrolle besteht nicht.131 Soweit es der Staatsanwaltschaft auf eine stärkere Publizitätswirkung und damit auch auf eine mögliche Abschreckungswirkung ankommt, wird der Weg über die offizielle Anklage gewählt.132 Als Auflagen werden im Wesentlichen die gleichen Sanktionen wie in einem gerichtlichem Verfahren in Betracht gezogen.133 Allerdings gibt es weder einen festen Katalog an Auflagen noch Kriterien für deren Umfang und Höhe. Die Richtlinien für die Staatsanwaltschaft sprechen nur vage davon, dass die Einstellung gegen Konditionen erfolgen soll, die die Rechtseinhaltung fördern und eine Wiederholung ____________ 127 Vgl. 9-28.1000 USAM; White, 1517 PLI/Corp 815 (824 f.). Die Möglichkeit der diversion erhöht in der Praxis bislang die Kooperationsbereitschaft der Unternehmen, vgl. Wray/Hur, 43 Am. Crim. L. Rev. (2006), S. 1095 (1144) sowie Greenblum, 105 Colum. L. Rev. (2005), S. 1863 (1882 ff.). 128 Vgl. 9-28.1000 USAM; Christie/Hanna, 43 Am. Crim. L. Rev. (2006), S. 1043 (1061). 129 Vgl. Christie/Hanna, 43 Am. Crim. L. Rev. (2006), S. 1043 (1049); Wray/Hur, 43 Am. Crim. L. Rev. (2006), S. 1095 (1105). 130 Vgl. Finder/McConnell, 51 St. Louis U. L. J. (2006-07), S. 1; Orland, 1 Brook. J. Corp. Fin. & Com. L. (2006-07), S. 45 (55); Spivack/Raman, 45 Am. Crim. L. Rev. (2008), S. 159; Wray/Hur, 43 Am. Crim. L. Rev. (2006), S. 1095 (1104 f.). 131 Krit. daher Greenblum, 105 Colum. L. Rev. (2005), S. 1863 (1896 ff.), der eine gerichtliche Überprüfung vorschlägt. 132 Vgl. Christie/Hanna, 43 Am. Crim. L. Rev. (2006), S. 1043 (1056) zum Fall BristolMyers Squibb Co., in dem das Unternehmen auch verpflichtet wurde, die Anklage auf der Unternehmenshomepage einzustellen. 133 Vgl. Ramirez, 47 Ariz. L. Rev. (2005), S. 933 (951 ff.); Spivack/Raman, 45 Am. Crim. L. Rev. (2008), S. 159 (171 ff.); Wray/Hur, 43 Am. Crim. L. Rev. (2006), S. 1095 (1104).
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der Tat vermeiden sollen.134 Infrage kommen nach der bisherigen Praxis Geldzahlungen und Wiedergutmachungsverpflichtungen, aber auch umfangreiche Verpflichtungen, die internen Strukturen transparenter zu gestalten und an Compliance- und Corporate Governance-Vorgaben anzupassen.135 Soweit die Auflagen erfüllt sind, wird das Verfahren endgültig eingestellt. Kommt das Unternehmen den Auflagen nicht nach, wird Anklage erhoben bzw. die Anklage vor Gericht weiterbetrieben. II. Plea bargaining Im amerikanischen Strafverfahren nimmt das plea bargaining, das Aushandeln einer Absprache über Aspekte der Anklage und des Verfahrens, eine besonders herausgehobene Stellung ein.136 Das plea bargaining erfolgt zwischen dem Beschuldigten und der Staatsanwaltschaft und mündet, soweit Einigkeit erzielt wird, in ein plea agreement.137 Diese Vereinbarung muss grundsätzlich vom Richter gebilligt werden. In praktisch jedem Strafverfahren wird zumindest geprüft, ob nicht ein plea agreement infrage kommt.138 Die Staatsanwaltschaft hat ein großes Ermessen bei der Frage, ob und mit welchem Inhalt sie ein plea agreement abschließt.139 Das Ermessen wird auch hier vor allem durch die internen Richtlinien strukturiert. Beispielsweise macht das Filip-Memorandum explizit Vorgaben für ein plea agreement mit Unternehmen.140 Auch die Strafzumessungsrichtlinien nehmen Bezug auf das plea bargaining, regeln jedoch das Verhältnis zwischen Strafzumessung und plea agreement nur ansatzweise.141 Daher wird immer wieder
____________ Vgl. 9-28.1000 USAM. Vgl. die Beispiele bei Christie/Hanna, 43 Am. Crim. L. Rev. (2006), S. 1043 ff.; Gruner, Corporate Criminal Liability, § 8.05 [1] [e]; Spivack/Raman, 45 Am. Crim. L. Rev. (2008), S. 159 ff.; Wray/Hur, 43 Am. Crim. L. Rev. (2006), S. 1095 (1138 ff.); siehe näher unten S. 260 ff. 136 Der Bedeutung entsprechend ist die dazu veröffentlichte Literatur fast uferlos. Hier sei nur auf die kritischen Analysen aus neuerer Zeit von King, 58 Stan. L. Rev. (2005-06), S. 293 ff. und Wright/Miller, 55 Stan. L. Rev. (2002-03), S. 29 ff. sowie auf den Bericht aus der Praxis der Staatsanwaltschaft von Brown/Bunnell, 43 Am. Crim. L. Rev. (2006), S. 1063 ff. hingewiesen. Speziell zur Unternehmensstrafbarkeit siehe Strauss/Goldstein, in: Rakoff et al. (eds.), Sentencing, § 6.03. Aus der neueren deutschen Literatur vgl. K. Dreher, Kontrollierbarkeit, S. 93 ff.; Kobor, Bargaining, S. 45 ff. 137 Voraussetzungen und Verfahren richten sich im Wesentlichen nach Fed. R. Crim. P. 11; vgl. K. Dreher, Kontrollierbarkeit, S. 121 ff. 138 Vgl. Brown/Bunnell, 43 Am. Crim. L. Rev. (2006), S. 1063 f. 139 Vgl. krit. Wright/Miller, 55 Stan. L. Rev. (2002-03), S. 29 (32 ff.), die vorschlagen, durch ein umfassendes Screening eine bessere Strukturierung des Ermessens zu erreichen. 140 Vgl. 9-28.1300 USAM. 141 Vgl. dazu Alder, Strafzumessungsrichtlinien, S. 107 ff. 134
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eine bessere Abstimmung zwischen Strafzumessung und plea bargaining gefordert.142 Für den Beschuldigten bedeutet ein plea agreement im Wesentlichen, dass er sich für die angeklagte Tat schuldig bekennt (guilty plea). Das Schuldbekenntnis soll ein echtes Eingeständnis der Schuld sein und nicht nur der schnellen Beendigung einer wirtschaftlich unangenehmen Situation dienen.143 Durch das Schuldbekenntnis wird der Prozess deutlich beschleunigt. Da das plea agreement ein echtes Schuldbekenntnis des Beschuldigten beinhaltet, kommt diese Form der Vereinbarung nur in Betracht, wenn die Staatsanwaltschaft das Verfahren nicht ohne Anklage und gerichtliches Verfahren beenden möchte.144 Grundsätzlich erfolgt das Geständnis seitens des Beschuldigten nicht ohne eine Gegenleistung der Staatsanwaltschaft. Die Gegenleistung kann dabei mehrere Formen annehmen. Im Wesentlichen kommen vier Varianten in Betracht: Vereinbarung über die Anklagepunkte (charge bargaining – dazu 1.), die zugrunde zu legenden Fakten (fact bargaining – dazu 2.), die Strafe (sentence bargaining – dazu 3.) und die Frage einer Kooperation (cooperation bargaining – dazu 4.).145 1. Charge bargaining Die klassische Vereinbarung betrifft den Umfang der Anklage (charge bargaining).146 Diese war vor Einführung der Strafzumessungsrichtlinien die häufigste Form des plea agreement. Das Schuldbekenntnis erfolgt gegen eine geringere Anklage oder eine Verminderung der Anklage im Prozess. Die Staatsanwaltschaft kann grundsätzlich über den gesamten Prozessstoff disponieren und damit inhaltlich Teile des Prozessstoffs aus der Anklage nehmen.147 Allerdings sieht das Filip____________ 142 Vgl. Cabranes, 44 St. Louis U. L. J. (2000), S. 271 (275 ff.), der insbes. größere Anerkennungsmöglichkeiten durch den Richter bei den Richtlinien fordert; siehe auch King, 58 Stan. L. Rev. (2005-06), S. 293 (304 ff.) sowie oben S. 201 ff. 143 Vgl. 9-28.1300 B. USAM: “(...) that pleading guilty to criminal charges constitutes an admission of guilt and not merely a resolution of an inconvenient distraction from its business.” 144 In der Anklage und der Durchführung des gerichtlichen Verfahrens liegt ein Unterschied zu den Vereinbarungen, die in der diversion getroffen werden. Inhaltlich unterscheidet sich allerdings so manche Verantwortungsübernahme durch ein Unternehmen in der diversion kaum von einem Schuldbekenntnis (der Vorteil der diversion liegt dann vor allem in der Vermeidung der Verurteilung). 145 Dazu Brown/Bunnell, 43 Am. Crim. L. Rev. (2006), S. 1063 (1066 ff.); Kober, Bargaining, S. 63 ff.; Strauss/Goldstein, in: Rakoff et al. (eds.), Sentencing, § 6.03. 146 Brown/Bunnell, 43 Am. Crim. L. Rev. (2006), S. 1063 (1066 ff.); King, 58 Stan. L. Rev. (2005-06), S. 293 (294); Strauss/Goldstein, in: Rakoff et al. (eds.), Sentencing, § 6.03 [1]. 147 Dies ist der entscheidende Unterschied zu den in Deutschland diskutierten Formen der Verfahrensabsprache, bei der der Prozessstoff (die Tat) nicht zur Disposition der
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Memorandum vor, dass sich das Schuldeingeständnis auf die schwerste nachweisbare Tat beziehen soll.148 Nichtsdestoweniger kann durch eine Beschränkung der Anklage in großem Umfang eine Reduzierung der ansonsten zu erwartenden Strafe erreicht werden. Gerade die komplexen wirtschaftsstrafrechtlichen Sachverhalte bieten für Unternehmen vielfach eine gute Verhandlungsbasis, um die Anklage auf einige klar gegebene Punkte zur reduzieren.149 Mit den Strafzumessungsrichtlinien hat die Form des charge bargaining etwas an Bedeutung verloren. Zum einen erfolgt eine Billigung durch den Richter nur, wenn die verbleibende Anklage die Schwere (seriousness) der tatsächlich begangenen Tat noch widerspiegelt.150 Zudem ist für die Strafzumessung nicht die angeklagte Tat, sondern das gesamte deliktische Verhalten (real offense sentencing) relevant. Der Richter kann strafschärfend Verhalten berücksichtigen, das im Rahmen des plea agreement ausgeschieden wurde.151 Im Ergebnis ist daher ein charge bargaining nur dann von Vorteil, wenn es zu einer so wesentlichen Reduzierung des Strafrahmens führt, dass der Richter auch bei einer Berücksichtigung erschwerender Umstände (upward departure) unter dem ursprünglich anvisierten Strafrahmen bleibt. Mit dem Booker-Urteil ist die Lage etwas berechenbarer geworden, da der Richter nur solche Umstände erschwerend in die Strafzumessung einbeziehen darf, die im Jury-Verfahren geprüft oder vom Angeklagten zugestanden worden sind.152 Von Bedeutung ist daher insbesondere, welches konkrete Verhalten der Angeklagte zugesteht. 2. Fact bargaining Wegen der geminderten Bedeutung des charge bargaining behandelt ein Großteil des plea bargaining heute die Frage, welche für die Strafzumessung nach den Richtlinien relevante Fakten zugestanden werden (fact bargaining).153 Dabei sollen ___________ Staatsanwaltschaft steht (v.a. aufgrund ihrer aus dem Legalitätsprinzip bestehenden Strafverfolgungspflicht). 148 Vgl. 9-28.1300 USAM. 149 An der Begrenzung der Anklage hat die Staatsanwaltschaft häufig auch ein Eigeninteresse, da mangelnde Ressourcen es oft kaum erlauben, in einem größeren Unternehmen umfassende Untersuchungen vorzunehmen. Vielfach wird seitens der Unternehmen daher auch nur die Faktenlage, die für einen bestimmten Straftatbestand relevant ist, zugestanden, vgl. Brown/Bunnell, 43 Am. Crim. L. Rev. (2006), S. 1063 (1069 f.). 150 § 6 B 1.2 USSG. 151 Eine gewisse Begrenzung nach oben liegt allerdings darin, dass der Richter nicht über die Höchststrafe der Tat hinausgehen darf, wegen der der Angeklagte im Schuldspruch verurteilt wurde. 152 Zur Praxis nach dem Booker-Urteil siehe Brown/Bunnell, 43 Am. Crim. L. Rev. (2006), S. 1063 (1066 ff.). 153 Das fact bargaining wird teilweise auch als „fact stipulation“ oder „sentencing stipulation“ bezeichnet. Vgl. dazu Brown/Bunnell, 43 Am. Crim. L. Rev. (2006), S. 1063 (1068 f.); Freed, 101 Yale L. J. (1991-92), S. 1681 (1685); King, 58 Stan. L. Rev. (2005-
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die zugestandenen Fakten grundsätzlich noch Art und Schwere der vom Unternehmen begangenen Tat beschreiben.154 Über die Faktenauswahl lässt sich weitgehend Einfluss auf die zu verhängende Strafe nehmen.155 Durch die detaillierte Struktur der Strafzumessungsrichtlinien ist im Gegensatz zur Zeit des indeterminate sentencing die Strafe kalkulierbar geworden. Der Richter ist zwar streng genommen nicht verpflichtet, die ausgehandelte Faktenlage der Strafzumessung zugrunde zu legen, da er sich vor allem auf den vom probation officer erstellten presentence report stützt. Zudem ist der Richter mit dem Wegfall der Bindungswirkung der Richtlinien durch das Booker-Urteil freier in seiner Strafzumessungsentscheidung geworden. In der Praxis wird ein Richter (wie auch schon der probation officer) in aller Regel jedoch die von den Parteien vorgetragene Faktenlage akzeptieren.156 Insoweit bietet die Komplexität der wirtschaftsstrafrechtlichen Fälle für Unternehmen zahlreiche Anhaltspunkte, um eine Vereinbarung mit der Staatsanwaltschaft zu erreichen.157 3. Sentence bargaining Einen Schritt weiter als das fact bargaining geht das Aushandeln der Strafe selbst (sentence bargaining).158 Dies bezieht sich im Regelfall nicht auf eine konkrete Strafhöhe, sondern vielmehr auf die Festlegung eines Strafrahmens bzw. einer Strafobergrenze. Die Strafe darf nach den Strafzumessungsrichtlinien nur eine sein, die sich im Rahmen der Vorgaben der Richtlinien bewegt.159 Das Filip-Memorandum empfiehlt explizit, die Verpflichtung zur Schaffung eines ComplianceProgramms als Bewährungsstrafe aufzunehmen, um die zukünftige Rechtstreue des Unternehmens zu sichern.160 Die Vereinbarung über die Strafe kann für den Richter sowohl als nicht bindende, als auch als bindende Empfehlung erfolgen.161 Der
____________ 06), S. 293 (294); Strauss/Goldstein, in: Rakoff et al. (eds.), Sentencing, § 6.03 [3]; Sweet/van Hook/Di Lello, 65 Fordham L. Rev. (1996-97), S. 927 (933). 154 Vgl. Brown/Bunnell, 43 Am. Crim. L. Rev. (2006), S. 1063 (1069, 1077 f.). 155 Vgl. K. Dreher, Kontrollierbarkeit, S. 155 ff. (Staatsanwaltschaft als faktische Strafzumessungsinstanz). 156 Brown/Bunnell, 43 Am. Crim. L. Rev. (2006), S. 1063 (1069). 157 Strauss/Goldstein, in: Rakoff et al. (eds.), Sentencing, § 6.03 [3] messen diesem Teil des plea bargaining daher besondere Bedeutung zu. 158 Brown/Bunnell, 43 Am. Crim. L. Rev. (2006), S. 1063 (1070 ff.); King, 58 Stan. L. Rev. (2005-06), S. 293 (299 f.); Strauss/Goldstein, in: Rakoff et al. (eds.), Sentencing, § 6.03 [2]. 159 § 6 B 1.2 (b) und (c) USSG. 160 Vgl. 9-28.1300 USAM. 161 Vgl. Fed. R. Crim. P. 11 (c) (1) (B) und (C) sowie § 6 B 1.1 USSG; vgl. dazu K. Dreher, Kontrollierbarkeit, S. 121 ff.; Kobor, Bargaining, S. 68 ff.
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2. Kapitel: Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika
Richter kann einer bindenden Vereinbarung jedoch erst zustimmen, nachdem er den presentence report zur Kenntnis genommen hat.162 Für ein Unternehmen bietet sich eine Vereinbarung über die Strafe insbesondere im Hinblick auf die zu verhängenden Bewährungsstrafen an, da diese Strafen wenig berechenbar sind, für das Unternehmen aber weitgehende Verpflichtungen beinhalten können. Kommt das Unternehmen den Vorstellungen der Staatsanwaltschaft hinsichtlich Erstellung oder auch Verbesserung eines ComplianceProgramms entgegen, lässt sich bereits im Vorfeld der Straffestsetzung Klarheit schaffen, welche Bewährungsstrafen zu erwarten sind. Für das Unternehmen vorteilhaft ist dabei die bindende Empfehlung für den Richter. Ob diese möglich ist, ist vom Einzelfall abhängig, da sie zum einen für die Staatsanwaltschaft erhöhte Anforderungen an die Vorbereitung stellt und zum anderen für den Richter die Beschränkung seines Strafzumessungsermessens beinhaltet.163 4. Cooperation bargaining Als letzte Variante des plea bargaining ist schließlich die Kooperationsvereinbarung zwischen Beschuldigtem und Staatsanwaltschaft zu nennen (cooperation bargaining).164 Dadurch kann dem Unternehmen eine ausreichende Kooperation bescheinigt werden.165 Diese kann sich bei der Geldstrafe nach den Richtlinien zum einen beim Schuldwert auswirken166 und zum anderen bei der Frage einer Abweichung nach unten (downward departure167). Für den Schuldwert war noch nie eine explizite Bestätigung seitens der Staatsanwaltschaft nötig, ein downward departure bedarf seit dem Booker-Urteil auch nicht mehr zwingend eines Antrags (des § 8 C 4.1-Antrags) der Staatsanwaltschaft. Jedoch wird das Gericht in aller Regel nur bei einer Bestätigung seitens der Staatsanwaltschaft eine ausreichende Kooperation annehmen. Daher ist es für ein Unternehmen durchaus lohnenswert, diese mildernden Umstände bereits in einem plea agreement festzuhalten.168 ____________ § 6 B 1.1 (c) USSG. Vgl. Brown/Bunnell, 43 Am. Crim. L. Rev. (2006), S. 1063 (1071), die darauf hinweisen (1089 ff.), dass seit dem Booker-Urteil von der Staatsanwaltschaft verstärkt bindende Empfehlungen abgeschlossen werden, da somit auch für die Staatsanwaltschaft die Strafe stärker kalkulierbar ist. 164 Vgl. Brown/Bunnell, 43 Am. Crim. L. Rev. (2006), S. 1063 (1072 ff.); Strauss/ Goldstein, in: Rakoff et al. (eds.), Sentencing, § 6.03 [4]. 165 Die Beurteilung einer ausreichenden Kooperation im Rahmen des plea bargaining richtet sich nach den allgemeinen Kriterien, die die Richtlinien der Staatsanwaltschaft aufstellen, vgl. 9-28.1300 USAM. 166 Vgl. oben S. 174 ff. 167 Vgl. oben S. 181. 168 So auch Strauss/Goldstein, in: Rakoff et al. (eds.), Sentencing, § 6.03 [4]; allerdings wird die Kooperationsbestätigung allein keinen ausreichenden Anreiz darstellen, ein Ge162
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§ 7 Das Unternehmen im Strafverfahren
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D. Schutz des Unternehmens bei Compliance- und Kooperationsmaßnahmen Im Rahmen von Compliance-Programmen und der Kooperation von Unternehmen mit der Staatsanwaltschaft, aber auch bei der Zusammenarbeit mit anderen Sanktionsbehörden stellt sich vielfach das Problem, inwieweit sich ein Unternehmen rechtlich dagegen wehren kann, Informationen zu erheben und herauszugeben, die dann in einem Verfahren gegen das Unternehmen verwendet werden können.169 Dies berührt zunächst die Frage, ob das Recht, sich nicht selbst belasten zu müssen, auch für Unternehmen gilt (dazu I.). Darüber hinaus gibt es verschiedene Rechte (privileges), die das Unternehmen einem Herausgabeverlangen oder einer Verwendung derartiger Informationen entgegenhalten kann: die Privilegierung bei SelbstEvaluierung (II.) sowie der Schutz durch das Anwalts- und Beratungsgeheimnis (III.). I. Das Recht, sich nicht selbst belasten zu müssen Der fünfte Zusatzartikel der amerikanischen Verfassung garantiert, dass sich niemand in einem Strafverfahren selbst belasten muss (privilege against selfincrimination). Im Verfahren gegen natürliche Personen ist dies eines der wichtigsten prozessualen Rechte des Beschuldigten. Die Bedeutung liegt vor allem darin, dass im amerikanischen Recht wie auch im englischen das materielle Recht nur in geringem Umfang verfassungsrechtlichen Vorgaben unterliegt; der Schutz des Bürgers/des Beschuldigten findet vor allem über strafprozessuale Institute statt.170 Trotz dieser Bedeutung verfahrensrechtlicher Garantien findet nach der Rechtsprechung des U.S. Supreme Court die verfassungsrechtliche Privilegierung des privilege against self-incrimination auf Unternehmen keine Anwendung (collective entity doctrine).171 Das Privileg diene primär dem Schutz vor physischem oder ____________ ständnis abzulegen, zumal ein guter Verteidiger dem Gericht die Kooperation ebenfalls nachweisen kann. Die Kooperationsvereinbarung stellt jedoch eine bedenkenswerte Ergänzung zu den anderen Absprachen im Rahmen des plea bargaining dar. 169 Vgl. Duggin, 2003 Colum. Bus. L. Rev (2003), S. 859 (892 ff.); Note, 109 Harv. L. Rev. (1995-96), S. 1783 (1794). 170 Hier wirkt die starke Betonung prozessualer Garantien nach, deren Entwicklung eine Folge des Verfahrens gegen Sir Walter Raleigh war, der im Jahr 1603 wegen High Treason angeklagt war und dem fast keinerlei Verteidigungsmöglichkeiten gegen den Tatvorwurf zugebilligt worden waren, vgl. den Fall bei Jardine (Hrsg.), Criminal Trials, Bd. 1, S. 389 ff. 171 Hale v. Henkel, 201 U.S. 43 (1906), S. 69 f.; U.S. v. White, 322 U.S. 694 (1944), S. 698 ff.; Braswell v. U.S., 487 U.S. 99 (1988), S. 105; vgl. dazu Baker, 89 Cornell L. Rev. (2003-04), S. 310 (330 ff.); Bharara, 44 Am. Crim. L. Rev. (2007), S. 53 (65 ff., 87 ff.); Cole, 2005 Colum. Bus. L. Rev. (2005), S. 1 (13 ff.); Friedman, 55 Notre Dame L. (1979-80), S. 173 (192 ff.); Gruner, Corporate Criminal Liability, § 5.06 [4]; Henning, 63 Tenn. L. Rev. (1995-96), S. 793 (816 ff.); Mayer, 41 Hastings L. J. (1989-90), S. 577 (622 ff.); Note, 92 Harv. L. Rev. (1978-79), S. 1227 (1277 ff.); Zornow/Krakaur, 37 Am. Crim. L. Rev. (2000), S. 147 (151 f.).
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2. Kapitel: Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika
psychischem Zwang in einer Vernehmungssituation; da bei einem Unternehmen eine solche Zwangslage nicht bestehen könne, finde der fünfte Zusatzartikel insoweit keine Anwendung.172 Zwar stützt der Supreme Court das Recht, sich nicht selbst belasten zu müssen, auch auf andere Erwägungen, die durchaus auf Unternehmen übertragbar wären, jedoch hält das Gericht bisher an seiner Rechtsprechung fest.173 Hintergrund dieser Haltung ist, dass das Gericht den Zugang der Staatsanwaltschaft zu Unternehmensdokumenten als essentiell für die Durchführung einer staatlichen Strafverfolgung ansieht.174 Einen Minimalschutz des Unternehmens garantiert das Gericht dadurch, dass es das Recht des vierten Zusatzartikels (Schutz vor unreasonable search and seizure) auf Unternehmen anwendet, wenn auch nicht im gleichen Umfang wie für natürliche Personen.175 Insgesamt kann daher mit dem Argument, das Unternehmen belaste sich selbst, weder die Herausgabe von Dokumenten abgelehnt werden noch können Mitarbeiter ihre Aussage aus diesem Grund verweigern. Probleme durch diesen Ansatz ergeben sich vor allem in Bezug auf das Recht von Mitarbeitern, sich nicht durch eine Aussage bei Ermittlungen gegen das Unternehmen selbst zu belasten.176 Da die Ermittlungen gegen das Unternehmen geführt werden, müssen nach dem U.S. Supreme Court Mitarbeiter Unterlagen sogar dann herausgeben, wenn diese Unterlagen die Unternehmensmitarbeiter selbst belasten können.177 Denn sie seien lediglich „Hüter“ der Unterlagen.178 Allerdings können sie sich dann auf den fünften Zusatzartikel stützen, wenn sie eine mündliche Aus____________ U.S. v. White, 322 U.S. 694 (1944), S. 701. So ist z.B. ein Begründungsstrang, dass es dem Staat verboten ist, zur Vereinfachung der Prozessführung den Angeklagten als Zeuge gegen sich selbst zu verwenden, vgl. Hasnas, 54 Am. U. L. Rev. (2004-05), S. 579 (600 f); Zornow/Krakaur, 37 Am. Crim. L. Rev. (2000), S. 147 (151 f.). Siehe auch Cole, 2005 Colum. Bus. L. Rev. (2005), S. 1 (79 ff.). 174 Braswell v. U.S., 487 U.S. 99 (1988), S. 115: “... recognizing a Fifth Amendment privilege [...] of collective entities would have a detrimental impact on the Government’s efforts to prosecute ‘white-collar crime’, one of the most serious problems confronting law enforcement authorities.”. Krit. Cole, 2005 Colum. Bus. L. Rev. (2005), S. 1 (103), der einen derartig weitgehenden Schutz der Strafverfolgungsinteressen als für überholt ansieht. 175 Diesen Weg hat der U.S. Supreme Court bereits in Hale v. Henkel, 201 U.S. 43 (1906) eingeschlagen, vgl. eingehend Henning, 63 Tenn. L. Rev. (1995-96), S. 793 (816 ff.; 829 ff.) sowie Mayer, 41 Hastings L. J. (1989-90), S. 577 (624 ff.); Note, 92 Harv. L. Rev. (1978-79), S. 1227 (1286 ff.). 176 Vgl. krit. dazu Bharara, 44 Am. Crim. L. Rev. (2007), S. 53 (87 ff.); Duggin, 2003 Colum. Bus. L. Rev (2003), S. 859 (907 ff.); Silbert/Joannou, 43 Am. Crim. L. Rev. (2006), S. 1225 (1230 ff.); anders aber Waters, 25 Rev. Litig. (2006), S. 604 ff. auf Grundlage einer spieltheoretischen Analyse; siehe auch Hasnas, 54 Am. U. L. Rev. (2004-05), S. 579 (640 ff.). 177 Fisher v. U.S., 425 U.S. 391 (1976), S. 411 f.; Braswell v. U.S., 487 U.S. 99 (1988); siehe auch Cole, 29 Am. J. Crim. L. (2001-02), S. 123 ff.; Note, 92 Harv. L. Rev. (197879), S. 1227 (1281 ff.). 178 Braswell v. U.S., 487 U.S. 99 (1988). 172
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§ 7 Das Unternehmen im Strafverfahren
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sage in Bezug auf das Unternehmen machen sollen, die sie selbst belasten würde.179 Die Mitarbeiter müssen in diesem Fall (ggf. auch durch das Unternehmen) umfangreich über die Reichweite und die Konsequenzen einer Aussage aufgeklärt werden.180 Das Recht der Mitarbeiter, die Aussage mit dem Argument zu verweigern, dass sie sich selbst belasten, kollidiert jedoch häufig mit dem Verlangen der Ermittlungsbehörden gegenüber dem Unternehmen, dass alle Mitarbeiter ihre gesamten Kenntnisse offenbaren müssen.181 Die Offenbarung ist oftmals Voraussetzung, dass das Unternehmen gemäß den Richtlinien der Staatsanwaltschaft eine ausreichende (mildernd zu berücksichtigende) Kooperation bescheinigt bekommen kann. Im Fall von Ermittlungen gegen KPMG hat dies dazu geführt, dass das Unternehmen die Mitarbeiter unter Androhung der Entlassung zur Aussage gegenüber den Ermittlungsbehörden gezwungen hat. Für KPMG endete das Verfahren ohne Anklage, die Mitarbeiter wurden jedoch vor Gericht gestellt.182 Das Gericht, das die Anklage verhandelte, sah in den Anforderungen, die die Richtlinien der Staatsanwaltschaft an das Unternehmen stellten, eine Verletzung des fünften Zusatzartikels gegenüber den Mitarbeitern.183 II. Privilegierung bei Selbst-Evaluierung Das Problem, dass interne Ermittlungen erst Gesetzesverstöße zutage fördern und somit für Unternehmen nur bedingt ein Anreiz besteht, derartige Ermittlungen vorzunehmen, hat auch die Rechtsprechung erkannt. Daher hat sie teilweise Unternehmen das Recht zugesprochen, die Ergebnisse solcher Untersuchungen nicht ____________ 179 Curcio v. U.S., 354 U.S. 118 (1957), S. 123 f.; dieses Recht gilt nach neuerer Rechtsprechung aber nur für offizielle Vernehmungen, vgl. U.S. v. Hubbell, 530 U.S. 27 (2000), S. 49 f.; Baker, 89 Cornell L. Rev. (2003-04), S. 310 (330) spricht dabei von einer Erosion des Rechts des fünften Zusatzartikels; vgl. dazu auch Cole, 29 Am. J. Crim. L. (2001-02), S. 123 (162 ff.). 180 Vgl. ausführlich Duggin, 2003 Colum. Bus. L. Rev (2003), S. 859 (934 ff.). 181 Vgl. aus der Staatsanwaltschaft Buchanan, 39 Wake Forest L. Rev. (2004), S. 587 (610 f.): “(...) responsible organizations, however, almost always require their employees to disclose information about corporate wrongdoing, and employees who refuse to do so maybe subjected to adverse action by their employers.”; siehe auch Comey, 1411 PLI/Corp 1391 (1396 f.). 182 KPMG erreichte eine Einstellung des Verfahrens gegen Auflagen, vgl. unten S. 265. 183 Vgl. U.S. v. Stein, 440 F.Supp.2d 315 (S.D.N.Y. 2006), S. 322 ff., sowie U.S. v. Stein, 433 F.Supp.2d 330 (S.D.N.Y. 2006); näher dazu Bharara, 44 Am. Crim. L. Rev. (2007), S. 53 (97 ff.) sowie Silbert/Joannou, 43 Am. Crim. L. Rev. (2006), S. 1225 (1237 ff.). Siehe auch Three Grand Jury Subpoenas Duces Tecum, 191 F.3d 173 (2nd Cir. 1999), S. 183 f., in dem das Berufungsgericht im Fall der Herausgabe von Dokumenten, die ehemalige Mitarbeiter bei sich zu Hause aufbewahrten, den fünften Zusatzartikel für anwendbar hielt.
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2. Kapitel: Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika
offenlegen zu müssen (self-evaluative privilege).184 Dieser case law-Ansatz soll Selbstanalyse und Selbstkritik fördern.185 Allerdings bezogen sich die bisher entschiedenen Fälle allein auf zivil- bzw. verwaltungsrechtliche Streitigkeiten und nicht auf strafrechtliche Ermittlungen.186 Zudem hat sich bislang keine klare Linie herausgebildet, unter welchen Voraussetzungen das Privileg geltend gemacht werden kann; es lässt sich allerdings eine insgesamt eher restriktive Handhabung durch die Rechtsprechung feststellen.187 Im Fall einer Strafverfolgung ist es für ein Unternehmen aufgrund der bisherigen Rechtsprechung somit wenig aussichtsreich, sich auf das Privileg der SelbstEvaluierung zu berufen. Möglicherweise stellt die Privilegierung jedoch zukünftig einen Weg zur Lösung des im Rahmen der Richtlinien unter der Bezeichnung „litigation dilemma“ diskutierten Problems dar.188 Immerhin wurde der Ansatz, dessen gesetzliche Regelung bereits in den 1980er Jahren angeregt wurde,189 im Rahmen der Arbeit der Sentencing Commission mehrfach diskutiert.190 Der amerikanische Anwaltsverein hat zudem einen Gesetzentwurf vorgelegt, der für Erkenntnisse, die aufgrund eines Compliance-Programms gewonnen worden sind, entsprechend dem Privileg der Selbst-Evaluierung einen Schutz vor einer Verwendung gegen das Unternehmen vorsieht.191 Letztlich besteht auch schon eine gewisse Erfahrung mit der Umsetzung der Privilegierung in die Praxis: Die Bundesumweltbehörde (EPA) verhängt für Verstöße, die im Rahmen eines freiwilligen Selbst-Audits gemeldet werden, keine schwerwiegenden Sanktionen (gravity based penalties).192 ____________ 184 Grundlegend Webb v. Westinghouse Electric Corp., 81 F.R.D. 431 (E.D. Pa. 1978); vgl. jew. m.w.N. zur Rspr. Goldsmith/King, in: USSC, Corporate Crime, S. 340 ff.; Groskaufmanis, in: Rakoff et al. (eds.), Sentencing, §5.07A [1]; Gruner, Corporate Criminal Liability, § 15.07 [1] [d]; USSC, Report, S. 113 ff. sowie bereits Crisman/Mathews, 21 Am. Crim. L. Rev. (1983-84), S. 123 ff.; J. Murphy, 7 J. Corp. L. (1981-82), S. 489 ff.; Note, 96 Harv. L. Rev. (1982-83), S. 1083 ff. 185 Vgl. Federal Trade Commission v. TRW, Inc., 628 F.2d (D.C. Cir. 1980), S. 210; Granger v. National Railroad Passenger Corp., 116 F.R.D. 507 (E.D. Pa. 1987), S. 508. 186 Vgl. Gruner, Corporate Criminal Liability, § 15.07 [1] [d] sowie Note, 96 Harv. L. Rev. (1982-83), S. 1083 (1087 ff.). 187 Vgl. Bush, 87 Nw. U. L. Rev. (1992-93), S. 597 (603 ff.); Goldsmith/King, 50 Vand. L. Rev. (1997), S. 1 (30 ff.) m.w.N.; siehe auch Allen/Hazelwood, 12 J. Corp. L. (198687), S. 355 (358 ff.); Crisman/Mathews, 21 Am. Crim. L. Rev. (1983-84), S. 123 (171 f.). 188 Vgl. dazu bereits oben S. 218. 189 Vgl. bspw. den Vorschlag bei J. Murphy, 7 J. Corp. L. (1981-82), S. 489 (499 ff.). 190 So von Goldsmith/King, in: USSC, Corporate Crime, S. 340 ff. auf der Tagung der USSC im Jahr 1995 sowie von der Expertengruppe zur Reform der Richtlinien im Jahr 2004: USSC, Report, S. 113 ff. Vgl. auch Goldsmith/King, 50 Vand. L. Rev. (1997), S. 1 (39 ff.) und Hess, 105 Mich. L. Rev. (2007), S. 1781 (1815) sowie bereits Allen/ Hazelwood, 12 J. Corp. L. (1986-87), S. 355 (379 ff.); Bush, 87 Nw. U. L. Rev. (1992-93), S. 597 (641); Crisman/Mathews, 21 Am. Crim. L. Rev. (1983-84), S. 123 (172 ff.). 191 Vgl. den Vorschlag für die American Bar Association (Section on Antitrust Law): Self-Evaluation Privilege Draft Legislation – The Federal Organizational Compliance Program Improvement Act, Corporate Conduct Quarterly (Winter 1991), S. 8. 192 Vgl. näher Goldsmith/King, 50 Vand. L. Rev. (1997), S. 1 (33 ff.); Groskaufmanis, in: Rakoff et al. (eds.), Sentencing, § 5.07A [5]; Gruner, Corporate Criminal Liability,
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III. Anwalts- und Beratungsgeheimnis 1. Regelungsgehalt Die Hinzuziehung eines Rechtsbeistands durch Unternehmen entspricht gängiger Praxis im amerikanischen Geschäftsleben. Der Rechtsbeistand wird vielfach nicht nur im Einzelfall, sondern auch im Rahmen der laufenden Geschäftstätigkeit eingeschaltet. Häufig ist er daher bereits bei internen Ermittlungen im Unternehmen involviert, wenn Anzeichen für etwaige Gesetzesverstöße bestehen. Zudem berät er bei der Erstellung und Umsetzung von Compliance-Programmen sowie bei allen Fragen der Kooperation mit staatlichen Behörden. Aufgrund dieser praktischen Bedeutung stellt sich die Frage, inwieweit das Anwalts- und Beratungsgeheimnis das Unternehmen berechtigt, die Herausgabe im Rahmen anwaltlicher Tätigkeit erlangter Informationen zu verweigern. Diese Frage ist seit einigen Jahren Kristallisationspunkt heftiger Debatten im Bereich der Unternehmensstrafbarkeit, aber auch im Rahmen der Zusammenarbeit von Unternehmen mit anderen staatlichen Behörden. Die Diskussion betrifft insbesondere das Problem, in welcher Weise die Anforderungen staatlicherseits an Compliance-Programme und eine Kooperation das Anwalts- und Beratungsgeheimnis unterminieren.193 Kernpunkt des Streits ist dabei nur bedingt der rechtliche Umfang des verfassungsrechtlichen Schutzes (auch wenn dieser wenig scharf umrissen ist), sondern vor allem inwieweit ein Verzicht auf die Rechte möglich ist und verlangt werden kann.194 Letztlich geht es um die Frage, ob die verfassungsrechtlichen Schutzprinzipien zugunsten der Strafverfolgung oder anderer Sanktionsmaßnahmen zurückzutreten haben.195 ___________ § 15.07 [1] [f]; Kezsbom/Goldman, in: Rakoff et al. (eds.), Sentencing, § 8.02 [2]; noch weitergehend sehen zahlreiche Bundesstaaten eine Privilegierung bei Selbst-Audits vor, die zum Teil auch für strafrechtliche Verfahren gilt, vgl. näher Gruner, Corporate Criminal Liability, § 15.07 [1] [e]. 193 Vgl. bereits oben zum Compliance-Programm S. 171 und zur Kooperation S. 174 ff., 238 ff. Siehe zudem Bharara, 44 Am. Crim. L. Rev. (2007), S. 53 (87 ff.); Buchanan, 39 Wake Forest L. Rev. (2004), S. 587 (596 ff.); Bush, 87 Nw. U. L. Rev. (1992-93), S. 597 (615 ff.); Cole, 48 Vill. L. Rev. (2003), S. 469 (474 ff.); Dostart, 33 Pepp. L. Rev. (2006), S. 723 ff.; Duggin, 2003 Colum. Bus. L. Rev (2003), S. 859 (893 ff.); Goldsmith/King, 50 Vand. L. Rev. (1997), S. 1 (22 ff.); Groskaufmanis, in: Rakoff et al. (eds.), Sentencing, § 5.07A; Gruner, 46 Emory L. J. (1997), S. 1113 (1176 ff.); ders., Corporate Criminal Liability, § 15.07 [1] [b] und [c]; Mears, 4 Fla. St. U. Bus. Rev. (2004-05), S. 175 ff.; Silbert/Joannou, 43 Am. Crim. L. Rev. (2006), S. 1225 ff.; USSC, Attorney-Client Waiver, S. 1 ff.; Wray/Hur, 43 Am. Crim. L. Rev. (2006), S. 1095 (1172 ff.); Zornow/Krakaur, 37 Am. Crim. L. Rev. (2000), S. 147 (149 f.); siehe auch bereits Note, 92 Harv. L. Rev.(197879), S. 1227 (1289 ff.). 194 Siehe dazu nachfolgend unter 2. 195 Vgl. Bierschbach/Stein, 93 Geo. L. J. (2005), S. 1743 (1771 ff.), die darauf hinweisen, dass die Schutzprinzipien einen Ausgleich gegenüber der weitgezogenen Unternehmensstrafbarkeit darstellen und dadurch einer übermäßigen Strafverfolgung (overenforcement) entgegenwirken.
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2. Kapitel: Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika
Das Anwalts- und Beratungsgeheimnis hat im amerikanischen Recht zwei verschiedene von der Rechtsprechung entwickelte Ausprägungen, die dem common law entstammen. Zum einen dient es dem Schutz der direkten Kommunikation zwischen Anwalt und Klient (attorney-client privilege) und zum anderen dem Schutz von Unterlagen, die der Anwalt erstellt (workproduct privilege). Eine trennscharfe Abgrenzung zwischen beiden Aspekten besteht nicht.196 Das attorney-client privilege ist eines der ältesten common law-Privilegien im Beweisrecht, das allgemeine Anerkennung im amerikanischen Recht gefunden hat.197 Es schützt alle Aussagen und Unterlagen, die zwischen Mandant und Anwalt im Hinblick auf eine rechtliche Beratung gemacht werden.198 Inzwischen hat die Rechtsprechung klargestellt, dass es auf Unternehmen Anwendung findet.199 Der U.S. Supreme Court hat in seiner grundlegenden Entscheidung Upjohn die Bedeutung hervorgehoben, die die Rechtsberatung für die Einhaltung rechtlicher Regelungen durch Unternehmen hat.200 Diese Haltung hat er in der Folgezeit weiter bestätigt.201 Allerdings ist nicht jede Beratung erfasst, es muss sich speziell um rechtlichen Rat handeln, der auch vom Anwalt selbst gegeben wird.202 Beratung, die allein wirtschaftlichen Zwecken dient, ist nicht geschützt.203 Das workproduct privilege ist eine neuere Weiterentwicklung des attorney-client privilege und schützt alle anwaltlichen Unterlagen, die in Vorbereitung eines Rechtsstreits erstellt werden, auch wenn sie nicht aus der Kommunikation mit dem ____________ 196 Vgl. zur Abgrenzung und zu Überschneidungen Cole, 48 Vill. L. Rev. (2003), S. 469 (474 ff.); Crisman/Mathews, 21 Am. Crim. L. Rev. (1983-84), S. 123 (134 ff.); Goldsmith/King, 50 Vand. L. Rev. (1997), S. 1 (28 f.). 197 Cole, 48 Vill. L. Rev. (2003), S. 469 (474 ff.). 198 Vgl. McNeil/Brian, Investigations, S. 21 ff. 199 Vgl. die grundlegende Entscheidung Upjohn Co. v. U.S., 449 U.S. 383 (1981), siehe zudem The American College of Trial Lawyers, 41 Duq. L. Rev. (2002-03), S. 307 (317); Cole, 48 Vill. L. Rev. (2003), S. 469 (485 ff.); Crisman/Mathews, 21 Am. Crim. L. Rev. (1983-84), S. 123 (138 ff.); Goldsmith/King, 50 Vand. L. Rev. (1997), S. 1 (24 f.); O’Sullivan, 45 Am. Crim. L. Rev. (2008), S 1237 (1251 ff.), jew. auch zu weiterer Rspr. 200 Upjohn Co. v. U.S., 449 U.S. 383 (1981), S. 392. 201 Vgl. die Fälle bei Cole, 48 Vill. L. Rev. (2003), S. 469 (491 ff.). 202 Als Voraussetzungen werden in Anlehnung an John Henry Wigmore, Evidence (1. Aufl. 1904), Bd. 4, § 2292 angenommen: (1) Wird Rechtsrat (2) bei einem Rechtskundigen gesucht, (3) wobei die Kommunikation dem Zweck der Rechtsberatung dient (4) und Vertraulichkeit (5) seitens des Klienten verlangt wird, (6) dann wird die Kommunikation umgehend geschützt (7) vor einer Offenlegung, die vom Klienten oder dem Rechtskundigen verlangt wird, (8) es sei denn, der Klient verzichtet auf sein Recht. Ähnlich die gleichfalls häufig zitierte Formel von Richter Wyzanski in U.S. v. United Shoe Machinery Corp., 89 F.Supp. 357 (D.Mass. 1950), S. 358. 203 Vgl. etwa In re Kidder Peabody Sec. Litig., 168 F.R.D. 459 (S.D.N.Y. 1996), S. 467; North Am Mortgage Investors v. First Wisconsin National Bank, 69 F.R.D. 9 (E.D. Wis. 1975), S. 12.
§ 7 Das Unternehmen im Strafverfahren
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Mandanten (sondern z.B. von Zeugen) herrühren.204 Allerdings wird der Schutz (anders als beim attorney-client privilege) dadurch eingeschränkt, dass die staatlichen Behörden ein vorrangiges Interesse (substantial need) an der Offenlegung geltend machen oder darlegen können, dass eine anderweitige Informationserlangung als die Offenlegung nicht zumutbar (undue hardship) ist.205 Die skizzierten Grundzüge zum Anwalts- und Beratungsgeheimnis machen deutlich, dass nicht jede anwaltliche Tätigkeit im Rahmen der Erstellung eines Compliance-Programms verfassungsrechtlichen Schutz genießt, ebenso ist nicht jede durch einen Anwalt intern vorgenommene Ermittlung erfasst.206 Zunächst muss der Anwalt als Rechtsberater selbst tätig werden. Das bedeutet, er muss substantiell an der Erstellung, Umsetzung oder auch der Überprüfung des Compliance-Programms mitwirken. Gleichermaßen darf er nicht nur am Rande in interne Ermittlungen involviert sein. Zudem muss die anwaltliche Tätigkeit rechtlicher Natur sein. Die Erstellung des Compliance-Programms muss also der Umsetzung rechtlicher Vorgaben (wie der der Unternehmensrichtlinien oder der der Richtlinien für die Staatsanwaltschaft) dienen und nicht beispielsweise allein der Umsetzung ethischer Standards, die freiwillig für einen Industriesektor vereinbart wurden. Bei internen Ermittlungen darf es sich nicht um reine Tatsachenermittlungen handeln, die jeder Unternehmensmitarbeiter gleichermaßen vornehmen könnte. Erst wenn ein überwiegender rechtlicher Bezug gegeben ist, unterliegen erstellte Unterlagen dem Schutz des Anwalts- und Beratungsgeheimnisses.207 Unter den Schutz des workproduct privilege fallen Unterlagen auch nur dann, wenn sie im Hinblick auf einen (konkreten) Rechtsstreit erstellt werden. Dies kann beispielweise ein Ermittlungsbericht sein, der im Rahmen von Compliance-Maßnahmen bei Vorliegen eines konkreten Verdachts verfasst wird.208 Die Privilegierung des Anwalts- und Beratungsgeheimnisses gilt allerdings in zwei Fällen nicht. Zum einen bei Verfahren von Anteilseignern gegen das Unternehmen.209 Zum anderen greift das Anwalts- und Beratungsgeheimnis in den Fällen nicht ein, in denen die anwaltliche Tätigkeit in der Absicht geleistet wird, die kri____________ 204 Grundlegend Hickman v. Taylor, 329 U.S. 495 (1947); auch kodifiziert in Fed. R. Crim. P. 16 (b) (2); vgl. näher McNeil/Brian, Investigations, S. 44 ff. 205 Vgl. Fed. R. Crim. P. 16 (b) sowie Cole, 48 Vill. L. Rev. (2003), S. 469 (513 f.). 206 Vgl. Gruner, Corporate Criminal Liability, § 15.07 [1] [b]; siehe auch Fatino, 51 Drake L. Rev. (2002-03), S. 81 (100). 207 Vgl. die Vorschläge bei Gruner, Corporate Criminal Liability, § 15.07 [1] [b] zur Sicherstellung, dass das Anwalts- und Beratungsgeheimnis Anwendung findet. 208 Gruner, Corporate Criminal Liability, § 15.07 [1] [c]; siehe auch O’Sullivan, 45 Am. Crim. L. Rev. (2008), S 1237 (1258 ff.). 209 Diese (für die öffentliche Strafverfolgung kaum relevante Ausnahme) beruht darauf, dass das Unternehmen grundsätzlich die Pflicht hat, seinen Anteilseignern alle Informationen offenzulegen (shareholder litigation). Ungeklärt ist, für welche Verfahrensarten genau die Ausnahme gilt und in welchem Umfang. Näher dazu McNeil/Brian, Investigations, S. 82 ff.
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2. Kapitel: Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika
minelle Aktivität des Unternehmens zu unterstützen (crime-fraud exception).210 Die Staatsanwaltschaft versucht immer wieder, diese Ausnahme geltend zu machen, um an ansonsten nicht zugängliche Unterlagen zu gelangen.211 Denn soweit Unterlagen dem Anwalts- und Beratungsgeheimnis unterfallen, können diese staatlicherseits weder herausverlangt noch als Beweise in einem Verfahren verwendet werden. Große (praktische) Bedeutung kommt daher der Möglichkeit eines Verzichts (waiver) auf den Schutz des Anwalts- und Beratungsgeheimnisses durch ein Unternehmen zu.212 2. Verzicht Ein Verzicht auf das Anwalts- und Beratungsgeheimnis (waiver) ist umfassend möglich und wird in der Praxis auch immer wieder erklärt. Vielfach wird allerdings beklagt, dass seitens staatlicher Behörden in den letzten Jahren vermehrt Druck auf Unternehmen ausgeübt wird, einen Verzicht zu erklären, um die Ermittlungen einfacher, schneller und ‚erfolgreicher’ zu führen.213 Der Druck wird vor allem dadurch ausgeübt, dass eine ausreichende Kooperation mit den Ermittlungsbehörden nur dann angenommen wird, wenn an sich der Privilegierung unterliegende Unterlagen (sei es als Ergebnis der Compliance-Bemühungen oder auch sonstiger interner Ermittlungen) herausgegeben werden. Dies betrifft nicht nur strafrechtliche Ermittlungen, sondern auch die zahlreicher weiterer Bundesbehörden.214 Im Rahmen einer Kooperation der Staatsanwaltschaft mit einem Unternehmen ist es inzwischen nicht unüblich, dass der Anwalt des Unternehmens umfangreiche Ermittlun____________ 210 Vgl. Alexander v. U.S., 138 U.S. 353 (1891); Clark v. U.S., 289 U.S. 1 (1933); U.S. v. Zolin, 491 U.S. 554 (1989), S. 563; U.S. v. BDO Seiman, LLP, 492 F.3d 806 (7th Cir. 2007), S. 818; eingehend Fried, 64 N. C. L. Rev. (1985-86), S. 443; McNeil/Brian, Investigations, S. 78 ff. 211 So betonen auch die Richtlinien der Staatsanwaltschaft diese Ausnahme, vgl. 9-28.720 (b) (i) USAM. Krit. The American College of Trial Lawyers, 41 Duq. L. Rev. (2002-03), S. 307 (339 ff.). 212 Vgl. The American College of Trial Lawyers, 41 Duq. L. Rev. (2002-03), S. 307 (318 ff.); Cole, 48 Vill. L. Rev. (2003), S. 469 (507 ff.), siehe auch USSC, Report, S. 109 ff. 213 Diese Klage wird v.a. von der Anwaltschaft erhoben und spiegelt sich in der Literatur wider, vgl. z.B. The American College of Trial Lawyers, 41 Duq. L. Rev. (2002-03), S. 307 ff. sowie die umfangreichen Nachweise bei USSC, Report, S. 101; von Seiten der Staatsanwaltschaft wird dagegen angeführt, die Anzahl der Forderungen nach einem Verzicht seien minimal, vgl. Buchanan, 39 Wake Forest L. Rev. (2004), S. 587 (597 f.). Auch eine Untersuchung im Vorfeld der Reform der Unternehmensrichtlinien im Jahr 2004 konnte keine signifikante Anzahl von Verzichtserklärungen nachweisen, vgl. USSC, Report, S. 98 f. Eine Erklärung dafür mag sein, dass der Verzicht nicht immer offen gefordert, sondern nur angedeutet wird, vgl. die Staatsanwälte Wray/Hur, 43 Am. Crim. L. Rev. (2006), S. 1095 (1177), die auch vielfach vorauseilenden Gehorsam der Anwälte vermuten. 214 Vgl. die Aufzählung bei Cole, 48 Vill. L. Rev. (2003), S. 469 (571 ff.), die u.a. die Bundesumweltbehörde, die Bundesgesundheitsbehörde, die Kartellbehörde und das Verteidigungsministerium umfasst.
§ 7 Das Unternehmen im Strafverfahren
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gen vornimmt und diese dann komplett der Staatsanwaltschaft zur Verfügung stellt.215 Besonders problematisch im Hinblick auf den Verzicht ist die Frage, ob die auf eine bestimmte Behörde beschränkte Überlassung von Unterlagen möglich ist, ohne dass die Tatsache der Überlassung als genereller Verzicht auf den Schutz des Anwalts- und Beratungsgeheimnis gewertet wird. Die beschränkte Überlassung wird von Bundesbehörden teilweise für möglich und zulässig erachtet.216 Die Gerichte hingegen sehen einen solchen „selective waiver“ (auch: „partial waiver“) mehrheitlich als unzulässig an.217 Eine gesetzliche Regelung ist bislang nicht gelungen.218 Damit muss das Unternehmen aufgrund der unsicheren rechtlichen Lage derzeit damit rechnen, dass einmal übergebene Unterlagen (auch wenn sie zunächst nur einer Behörde überlassen wurden) Dritten zugänglich gemacht werden können. Das Unternehmen steht damit hinsichtlich einer Kooperation gegenüber den Behörden vor einer Alles-oder-nichts-Entscheidung.219 Zu diesem Druck auf das Unternehmen kommt noch ein zweites Problem hinzu, das vorliegend nur angesprochen, aber nicht vertieft werden kann: der Druck, der auf die beratenden Anwälte ausgeübt wird. Zunehmend wird erwartet, dass Anwälte, die bei ihrer Tätigkeit auf illegales Verhalten stoßen, dieses auch offenbaren.220 So sieht der Sarbanes-Oxley Act vor, dass ein Anwalt, der Verstöße gegen Wertpapierrecht entdeckt, diese an den Vorstand melden und, falls dieser nicht reagiert, dem Audit Committee melden muss.221 Die Securities and Exchange Commission (SEC) hat die Vorgaben inzwischen in einer Regelung umgesetzt.222 Anfängliche Überlegungen der Behörde, dass ein Anwalt sein Mandat öffentlich niederlegen muss (noisy withdrawal), wenn er einen schwerwiegenden Verstoß entdeckt, wur___________ 215 O’Sullivan, 44 Am. Crim. L. Rev. (2007), S. 1447 (1448 ff.). Vgl. auch den Fall Siemens (oben S. 2 ff.). 216 So z.B. von der SEC, siehe SEC, Report of Investigation Pursuant to Section 21(a) of the SEA of 1934 and Commission Statement on the Relationship of Cooperation to Agency Enforcement Decisions, Exchange Release Act No. 34-44,969 (2001-2003 Transfer Binder), Fed. Sec. L. Rep. 74,985 at 63195 (23.10.2001). Zu diesem Bericht siehe auch unten S. 298. 217 Vgl. Tennessee Laborers Health & Welfare Fund v. Columbia/HCA Healthcare Corp., 293 F.3d 289 (6th Cir. 2002); In re Qwest Communications International Inc., 450 F.3d 1179 (10th Cir. 2006). Anders im Wesentlichen nur das Berufungsgericht für den 8. Bezirk: Diversified Industries, Inc. v. Meredith, 572 F.2d 596 (8th Cir. 1978). Siehe auch unten Anm. 227. 218 Vgl. zu der im Jahr 2007 gescheiterten Ergänzung der Federal Rules of Evidence O’Sullivan, 45 Am. Crim. L. Rev. (2008), S 1237 (1265 f.). 219 Vgl. Abikoff, Corporate Governance, § 14.02 [2], sowie O’Sullivan, 45 Am. Crim. L. Rev. (2008), S 1237 (1263 ff.). 220 Vgl. Orland, Corporate Criminal Responsibility, § 14.03. 221 Vgl. § 307 SOA; eingehend dazu Henning, 8 Buff. Crim. L. Rev. (2004-05), S. 323 ff. 222 Vgl. 17 C.F.R. § 205.3 (2004).
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den nach heftiger Kritik wieder aufgegeben.223 Der Druck auf die Anwaltschaft ist inzwischen so groß, dass die Modellstandesordnung der American Bar Association vorsieht, dass die Offenlegung von internen Erkenntnissen in bestimmten Fällen zu den Pflichten eines Anwalts gehört.224 Der Mechanismus, dass die Unternehmen zwar nicht direkt durch Regelungen zur Offenlegung verpflichtet werden (was ein zu offensichtlicher Verstoß gegen das Anwalts- und Beratungsgeheimnis wäre), sondern ihnen nur indirekt Vorteile vorenthalten werden, wenn sie dem Verlangen nicht nachkommen, hat massive Kritik hervorgerufen.225 Zum einen werden durch die nicht mehr gewährleistete Vertraulichkeit die Ermittlungen im Unternehmen erschwert, wenn gerade Mitarbeiter befürchten müssen, dass ihre Aussagen später auch gegen sie verwendet werden können; hier stellt sich das bereits erwähnte Problem, dass das Recht der Mitarbeiter, sich nicht selbst belasten zu müssen, leicht unterlaufen werden kann.226 Zudem sieht sich das Unternehmen einem unkalkulierbaren Risiko ausgesetzt, da Unterlagen, die einmal freigegeben worden sind, in allen zukünftigen Verfahren, beispielsweise in zivilrechtlichen Schadensersatzklagen verwendet werden können.227 Letztlich ist auch die Vertrauensbasis zwischen Unternehmen und Anwalt nicht mehr gesichert, was dazu führen kann, dass das Unternehmen dem Anwalt nur bestimmte Informationen zukommen lässt und damit die Qualität der Rechtsberatung leidet. Die wichtige Funktion, die der U.S. Supreme Court der Rechtsberatung im Unternehmensbereich zuspricht, wird so unterminiert.228 ____________ 223 Vgl. dazu Bucy, 8 Buff. Crim. L. Rev. (2004-05), S. 277 (295 ff.); Henning, 8 Buff. Crim. L. Rev. (2004-05), S. 323 (324 ff.); Stephens, 24 St. Louis U. Pub. L. Rev. (2005), S. 271 ff. 224 Vgl. Bucy, 8 Buff. Crim. L. Rev. (2004-05), S. 277 (304 ff.); siehe auch Duggin, 2003 Colum. Bus. L. Rev (2003), S. 859 (916 ff.); Henning, 8 Buff. Crim. L. Rev. (200405), S. 323 (350 f.). 225 Krit. auch zu den im Text folgenden Argumenten z.B. Bharara, 44 Am. Crim. L. Rev. (2007), S. 53 (89 ff.); Cole, 48 Vill. L. Rev. (2003), S. 469 (535 ff., 586 ff.); Dostart, 33 Pepp. L. Rev. (2006), S. 723 (730 ff.); Duggin, 2003 Colum. Bus. L. Rev (2003), S. 859 (893 ff.); Goldsmith/King, 50 Vand. L. Rev. (1997), S. 1 (22 ff.); Mears, 4 Fla. St. U. Bus. Rev. (2004-05), S. 175 (182 ff.); Silbert/Joannou, 43 Am. Crim. L. Rev. (2006), S. 1225 (1229 ff.); Zornow/Krakaur, 37 Am. Crim. L. Rev. (2000), S. 147 (153 ff.); siehe auch die Untersuchung der Experten zur Reform der Richtlinien USSC, Report, S. 92 ff. und die Stellungnahmen v.a. aus der Anwaltschaft in USSC, Attorney-Client Waiver, S. 1 ff.; der Kritik tritt aus Reihen der Staatsanwaltschaft Buchanan, 39 Wake Forest L. Rev (2004), S. 587 (595 ff.) entgegen. 226 Vgl. dazu bereits oben S. 250. 227 Grundsätzlich ist die Freigabe von Dokumenten nur für ein Verfahren nicht möglich. Vgl. zu dieser ebenfalls unter dem Aspekt der selective waiver diskutierten Frage Dostart, 33 Pepp. L. Rev. (2006), S. 723 (730 ff.); Mears, 4 Fla. St. U. Bus. Rev. (2004-05), S. 175 (190 ff.). 228 Vgl. Bharara, 44 Am. Crim. L. Rev. (2007), S. 53 (90); Cole, 48 Vill. L. Rev. (2003), S. 469 (592); Mears, 4 Fla. St. U. Bus. Rev. (2004-05), S. 175 (201).
§ 7 Das Unternehmen im Strafverfahren
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Die Kritik ist nicht völlig ungehört verhallt. So wurden die Strafzumessungsrichtlinien für Unternehmen reformiert und der Passus gestrichen, der einen Verzicht auf das Anwalts- und Beratungsgeheimnis als Kooperationsvoraussetzung explizit forderte. Die Richtlinien der Staatsanwaltschaft wurden ebenfalls überarbeitet und ein Verzicht nicht mehr verlangt. Dadurch wurde die Problematik etwas entschärft und es bleibt abzuwarten, ob sich dies in der Praxis auswirken wird,229 auch wenn erste Anzeichen für einen Rückgang sprechen.230 Vor Gericht wurden die Kooperationsanforderungen der Staatsanwaltschaft zum Teil als zu weitgehend beurteilt, allerdings bislang nur im Hinblick auf einen unzureichenden Schutz der Mitarbeiter.231 Der unklaren rechtlichen Situation abhelfen könnte aber wohl nur eine gesetzliche Regelung, die den auf ein Verfahren begrenzten Verzicht auf das Anwalts- und Beratungsgeheimnis ermöglicht und somit die Folgen für das Unternehmen absehbar macht.232
____________ 229 Zweifelnd allerdings angesichts der „culture of waivers“ Bharara, 44 Am. Crim. L. Rev. (2007), S. 53 (92 f.). 230 Vgl. Spivack/Raman, 45 Am. Crim. L. Rev. (2008), S. 159 (179 f.), die nach Veröffentlichung des McNulty-Memorandums einen Rückgang von Verzichtsvereinbarungen konstatieren. 231 Vgl. die Verfahren U.S. v. Stein, 440 F.Supp.2d 315 (S.D.N.Y. 2006) sowie 433 F.Supp.2d 330 (S.D.N.Y. 2006) und 495 F.Supp.2d. 390 (S.D.N.Y. 2007) gegen Mitarbeiter von KPMG; dazu bereits oben Anm. 108. 232 Vgl. zu Gesetzesinitiativen bereits oben Anm. 115. Siehe auch Dostart, 33 Pepp. L. Rev. (2006), S. 723 (759); Wray/Hur, 43 Am. Crim. L. Rev. (2006), S. 1095 (1179 ff.). Die begrenzte Offenlegung wäre eine Fortentwicklung der bereits bestehenden Möglichkeit, den Behörden Informationen in vertraulicher Weise zur Verfügung zu stellen, ohne dass diese Informationen an Dritte weitergegeben werden dürfen. Diese sog. common interest doctrine setzt aber eine Vereinbarung zwischen beiden Seiten voraus, die die Strafverfolgungsbehörden bislang nur selten eingehen, vgl. Cole, 48 Vill. L. Rev. (2003), S. 469 (510 ff.); zudem erkennen Gerichte eine Vereinbarung nicht immer an, vgl. den Fall bei USSC, Report, S. 113. Einen Regelungsvorschlag hatten bereits auch Crisman/Mathews, 21 Am. Crim. L. Rev. (1983-84), S. 123 (176) unterbreitet.
§ 8 Die Unternehmensstrafe in der Praxis Die bisherige Darstellung hat sich im Wesentlichen auf die rechtliche Lage beschränkt, wenn auch bei der Beschreibung des Einflusses der Staatsanwaltschaft bereits erste Anklänge an die Handhabung der Unternehmensstrafe in der Praxis erfolgten. Die nächsten Abschnitte gehen daher näher auf die tatsächliche Bedeutung der Unternehmensstrafe in der Rechtswirklichkeit ein. Zunächst wird die Tätigkeit der Staatsanwaltschaft als Ermittlungs- und Anklagebehörde näher beleuchtet (A.), bevor das gerichtliche Verfahren untersucht wird (B.). Darüber hinaus wird im Überblick auf die Frage der Wirksamkeit einer Unternehmensstrafe bzw. des Compliance-Ansatzes eingegangen (C.). A. Strafverfolgungspraxis der Staatsanwaltschaft Wie die vorangegangene Darstellung gezeigt hat, hat sich die Haltung der Staatsanwaltschaft gegenüber Unternehmen in den letzten Jahrzehnten stark gewandelt. Diese Entwicklung empirisch nachzuvollziehen ist mangels einer umfassenden Strafverfolgungsstatistik nur bedingt möglich, sodass vorliegend lediglich einige Grundzüge skizziert werden können.1 Jahrzehntelang hatte die Strafverfolgung von Unternehmen keine große Bedeutung im Rahmen der staatsanwaltschaftlichen Arbeit.2 In den 1980er Jahren waren Unternehmen wegen zahlreicher größerer Skandale zunächst vermehrt in das Blickfeld der Strafverfolgungsbehörden gerückt.3 Da es bis Mitte der 1990er Jahre aber keine größeren oder gehäuften Vorfälle gab, fehlten der Strafverfolgung spezielle Impulse, gegen Unternehmen intensiver zu ermitteln. Mit der Erstellung der Strafzumessungsrichtlinien für Unternehmen und den daraufhin auch für die Strafverfolgung von Unternehmen bei der Staatsanwaltschaft geschaffenen internen Richtlinien wurde allerdings der Fokus über die Strafverfolgung von Mitarbeitern hinaus dauerhaft auf die Unternehmen selbst erweitert. Die in den Richtlinien gesetzten Schwerpunkte auf Compliance und Kooperation bestimmten immer mehr die Arbeit der Strafverfolgungsbehörden.4 ____________ 1 Auch diese Grundzüge können kein generelles Bild liefern, da traditionell die Strafverfolgungspraxis regional äußerst unterschiedlich gehandhabt wird, vgl. anschaulich die leider schon ältere Studie von Benson/Cullen/Maakestad, in: Schlegel/Weisburd (Hrsg.), Crime, S. 269 (280); nach der Studie aus dem Jahr 1988 beruht die unterschiedliche Verfolgungspraxis v.a. auf der Wirtschaftskraft der Kommune, die zu einer besseren Ausstattung und Spezialisierung der Staatsanwaltschaften führt und somit eine verstärkte Strafverfolgung von Unternehmen ermöglicht. 2 Vgl. oben zum historischen Überblick (S. 76 ff.), wobei auch hier zu konstatieren ist, dass die historischen Aussagen kaum durch Daten belegt sind. 3 Vgl. Pitt/Groskaufmanis, 78 Geo. L. J. (1989-90), S. 1559 (1587 ff.). 4 Vgl. nur die Beispiele bei Warin/Schwartz, 23 J. Corp. L. (1997-98), S. 121 (124 ff.).
§ 8 Die Unternehmensstrafe in der Praxis
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Um die Jahrtausendwende wurden zahlreiche Vorfälle in Unternehmen aufgedeckt, die aufgrund ihres finanzielles Volumens und der systematischen Verletzung von gesetzlichen Vorschriften große Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich zogen.5 Die bekanntesten dieser Fälle betrafen die Unternehmen Worldcom und Enron, die beide schließlich insolvent wurden.6 Die Skandale zogen nicht nur hektische gesetzgeberische Aktivitäten (vor allem den Sarbanes-Oxley Act) nach sich,7 sondern brachten auch eine Lawine von Strafverfolgungen ins Rollen.8 Soweit ausländische Unternehmen betroffen waren, ermittelte die Staatsanwaltschaft häufig parallel zu ausländischen Ermittlungsbehörden und koordinierte mit diesen die Ermittlungsarbeit.9 Betrachtet man diese Verfahren, so sind mehrere Punkte bemerkenswert. Am auffälligsten ist, dass in den Fällen, in denen eine Anklage erfolgte, häufig gar nicht das Unternehmen, sondern nur dessen Mitarbeiter verfolgt wurden.10 Gerade in den spektakulären Fällen von Worldcom und Enron wurden nur Mitglieder des Managements angeklagt, was in der Literatur durchaus kritisch gesehen wird.11 Eine Ausnahme stellt der Fall der Unternehmensberatung Arthur Andersen LLP dar, in dem die Anklage zum Zusammenbruch des Unternehmens führte, das Unternehmen aber letztlich freigesprochen wurde.12 Es wird vermutet, dass die Entscheidung, das Unternehmen selbst oder lediglich einzelne Mitarbeiter anzuklagen, ____________ 5 Bowers et al., Compliance, S. 8; Duggin, 2003 Colum. Bus. L. Rev (2003), S. 859 (861 f.). 6 Vgl. zu den Fällen Recine, 39 Am. Crim. L. Rev (2002), S. 1535 (1538 ff.); zu Enron siehe auch Coffee, 89 Cornell. L. Rev. (2003-04), 269 (279 ff.); Kroger, 76 U. Colo. L. Rev. (2005), S. 57 ff.; Note, 116 Harv. L. Rev. (2002-03), S. 2123 (2128 ff.). 7 Vgl. zum Sarbanes-Oxley Act oben S. 79 und unten S. 292; 314. 8 So Bowers et al., Compliance, S. 8; Duggin, 2003 Colum. Bus. L. Rev (2003), S. 859 (861 ff.); siehe auch Baker, 89 Cornell L. Rev. (2003-04), S. 310 (337 ff.); Weissman/Newman, 82 Ind. L. J. (2007), S. 411 (423 ff.). 9 Dies betrifft wie bei den Korruptionsvorwürfen im Fall Siemens zumeist einen Verstoß gegen den FCPA, der auf Fälle außerhalb der USA Anwendung findet. Siehe zum FCPA Cohen/Holland, CCZ 2008, 7 (9). 10 So etwa in den Fällen von Enron, Tyco International Ltd., Worldcom und Adelphia Communications; vgl. die Auflistung bei Brickey, 81 Wash. U. L. Q. (2003), S. 357 (382 ff.); ders., 8 Buff. Crim. L. Rev. (2004-05), S. 221 (247 f.); siehe zu Beispielen auch Chatham, 32 J. Corp. L. (2007), S. 619 (627 ff.); Moohr, 44 Am. Crim. L. Rev. (2007), S. 1343 (1345 ff.). Siehe zudem Note, 122 Harv. L. Rev. (2008-09), S. 1728 ff. 11 Rakoff et al. (eds.), Sentencing, § 1.02 [3]; siehe auch Brown, 1 Ohio St. J. Crim. L. (2003-04), S. 521 (535). 12 Das Unternehmen wurde zunächst in einem Jury-Verfahren verurteilt, da es dem Unternehmen Enron bei der Vernichtung zahlreicher belastender Unterlagen geholfen habe, U.S. v. Arthur Andersen LLP, 374 F.3d 281 (5th Cir. 2002); das Urteil wurde jedoch vom Supreme Court im Jahr 2005 aufgehoben, Arthur Andersen v. U.S., 544 U.S. 696 (2005). Vgl. zum Fall Arthur Andersen Ainslie, 43 Am. Crim. Rev. (2006), S. 107 ff.; Buell, 81 Ind. L. J. (2006), S. 473 (479 ff.); Brickey, 81 Wash. U. L. Q. (2003), S. 917 ff.; Kroger, 76 U. Colo. L. Rev. (2005), S. 57 (85 ff.); A. Michaels, 1 Ohio St. J. Crim. L. (2003-04), S. 551 (556 ff.).
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2. Kapitel: Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika
davon beeinflusst wurde, ob das Unternehmen als „Opfer“ der Straftaten (einiger weniger) Mitarbeiter gesehen wird, wie beispielsweise im Fall Enron, oder ob die Unternehmensstrukturen substantiell die Tat gefördert haben, wie (zunächst angenommen) im Fall Arthur Andersen.13 Zum zweiten fällt auf, dass sich die Anklagen häufig nicht auf die eigentlich strafbare Handlung bezogen. Da die Fälle zumeist sehr komplex waren und aufwendige Ermittlungen erfordert hätten, konzentrierte sich die Strafverfolgung auf einige leicht nachweisbare Delikte wie Betrugsdelikte oder die Behinderung der Justiz.14 So wurde beispielsweise Martha Stewart nicht wegen Insiderhandels, sondern nur wegen Behinderung der Justiz angeklagt. Eine Anklage wegen Behinderung der Justiz ist inzwischen für die Strafverfolgungsbehörden auch deshalb reizvoll, da der Strafrahmen infolge des Sarbanes-Oxley Act erhöht worden ist und zahlreiche Erschwerungsfälle beinhaltet.15 Zum dritten fällt schließlich auf, dass in vielen Fällen ein Unternehmen zwar nicht angeklagt, jedoch ein Verfahren gegen dieses eingeleitet und auf andere Weise beigelegt wurde. Dabei haben sich gerade seit der Insolvenz von Enron und Worldcom die Verfolgungsbemühungen gegenüber Unternehmen stark intensiviert und wurden vielfach auch innerhalb von kurzer Zeit abgeschlossen.16 Steigender Beliebtheit erfreut sich bei der Staatsanwaltschaft die Möglichkeit der diversion, wie sie seit dem Thompson-Memorandum aus dem Jahr 2003 vereinfacht möglich ist.17 Die Anzahl der Verfahren, die in den letzten Jahren auf diese Weise beigelegt wurden, ist konstant angewachsen.18 Allerdings liegt es im Ermessen der Staats___________ 13 A. Michaels, 1 Ohio St. J. Crim. L. (2003-04), S. 551 (556 ff.). Vgl. auch die Staatsanwälte Christie/Hanna, 43 Am. Crim. L. Rev. (2006), S. 1043 (1046), die ein gestuftes Vorgehen beschreiben: Wenn kein eigentlich kriminelles Verhalten nachweisbar ist, wird auf zivilrechtliche Maßnahmen (auch in Zusammenarbeit mit den spezialisierten Bundesbehörden) rekurriert. Liegt ein strafbares Verhalten eines Mitarbeiters vor, das jedoch nur als Einzelfall zu werten ist, wird allein dieser strafrechtlich zur Verantwortung gezogen; liegt ein strafbares Mitarbeiterverhalten vor, das auf die Duldung einer Kultur der Rechtlosigkeit im Unternehmen schließen lässt, wird neben dem Mitarbeiter auch das Unternehmen zur Verantwortung gezogen. 14 Brickey, 8 Buff. Crim. L. Rev. (2004-05), S. 221 (262); Oesterle, 1 Ohio St. J. Crim. L. (2003-04) S. 443 (446 ff.); O’Sullivan, 44 Am. Crim. L. Rev. (2007), S. 1447 (1452 ff., 1466 ff.) jeweils mit Beispielen; siehe auch die Aufstellung bei Spivack/Raman, 45 Am. Crim. L. Rev. (2008), S. 159 (190 ff.). 15 So sahen §§ 805 (a), 1104 SOA eine Erhöhung des Strafrahmens vor, die in § 2 J 1.2 USSG umgesetzt worden ist, vgl. dazu auch Bucy, 8 Buff. Crim. L. Rev. (2004-05), S. 277 (299 f.). 16 Vgl. Brickey, 8 Buff. Crim. L. Rev. (2004-05), S. 221 (275 f.); Bucy, 44 Am. Crim. L. Rev. (2007), S. 1287 (1290 ff.). 17 Vgl. dazu bereits oben S. 232 ff. 18 Vgl. die Untersuchung von Finder/McConnell, 51 St. Louis U. L. J. (2006-07), S. 1 ff.; (im Überblick bei Gruner, Corporate Criminal Liability, § 8.05 [1] [g]); zu Beispielen erfolgter diversion siehe Christie/Hanna, 43 Am. Crim. L. Rev. (2006), S. 1043 ff.; Gruner, Corporate Criminal Liability, § 8.05 [1] [e]; Orland, 1 Brook. J. Corp. Fin. &
§ 8 Die Unternehmensstrafe in der Praxis
263
anwaltschaft, die Vereinbarungen zu veröffentlichen, sodass exakte Daten nicht vorhanden sind.19 Ein Grund für die steigende Beliebtheit auf Seiten der Staatsanwaltschaft dürfte sein, dass sich ein Fall wie der von Arthur Andersen LLP (keine Verurteilung, aber Insolvenz des Unternehmens) nicht wiederholen und daher die Publizität eines langwierigen Gerichtsverfahrens vermieden werden soll.20 Der starke Anstieg der strafrechtlichen Ermittlungen ohne anschließendes Gerichtsverfahren wird vielfach als Umgehung eines justizförmigen Strafverfahrens kritisiert und ein vermehrter Einsatz anderer Sanktionsverfahren befürwortet.21 Für die Entscheidung über eine außergerichtliche Verfahrensbeilegung spielen eine Kooperation und das Vorhandensein eines Compliance-Programms eine wichtige Rolle.22 Seit der Veröffentlichung des Thompson-Memorandums im Jahr 2003 üben die Strafverfolgungsbehörden starken Druck auf die Unternehmen aus, mit den Behörden zu kooperieren.23 Dies beinhaltet inzwischen auch, bei mangelnder Kooperation eine Ermittlung darüber zu eröffnen, ob das Unternehmen oder ein Mitarbeiter sich wegen der Behinderung der Justiz (obstruction of justice) strafbar gemacht haben.24 Dem Druck zur Kooperation geben die Unternehmen häufig nach, da in einer Anklage die Gefahr des Untergangs des Unternehmens gesehen wird.25 Zudem rechnen sich Unternehmen angesichts der weiten Strafbarkeit aufgrund der vicarious liability-Verantwortlichkeit kaum Chancen auf eine aussichtsreiche Verteidigung aus und setzen vielmehr darauf, dass die Staatsanwaltschaft Verschuldenselemente in ihre Strafverfolgungsentscheidung einbezieht.26 Kooperiert ein Unternehmen, so wird das Strafverfahren vielfach eingestellt. Beispielsweise wurde im Fall Homestore.com, Inc. aufgrund der Kooperation der (neuen) ____________ Com. L. (2006-07), S. 45 (60 ff., 86 f.); Spivack/Raman, 45 Am. Crim. L. Rev. (2008), S. 159 (190 ff.); Wray/Hur, 43 Am. Crim. L. Rev. (2006), S. 1095 (1138 ff.). Krit. zur diversion White, 1517 PLI/Corp 815 (824 f.), die eine fast automatische Verwendung dieses Instruments bei der Staatsanwaltschaft beklagt. 19 Vgl. Orland, 1 Brook. J. Corp. Fin. & Com. L. (2006-07), S. 45 (76); allerdings ist die öffentliche Schuldübernahme durch das Unternehmen zumeist wesentlicher Bestandteil der Vereinbarung, sodass die meisten Vereinbarungen wohl veröffentlicht werden. 20 Bucy, 44 Am. Crim. L. Rev. (2007), S. 1287 (1301). 21 Vgl. Bucy, 44 Am. Crim. L. Rev. (2007), S. 1287 (1303 f.). 22 Konkrete Statistiken liegen diesbezüglich (im Gegensatz zum gerichtlichen Verfahren) allerdings nicht vor, sodass sich keine eindeutigen Aussagen treffen lassen, krit. daher Bowman, 39 Wake Forest L. Rev. (2004), S. 671 (684 ff.) v.a. zur Bedeutung der Compliance-Programme. 23 Vgl. Bharara, 44 Am. Crim. L. Rev. (2007), S. 53 (73 f., 87 ff.); Green/Ciobanu, 43 Am. Crim. L. Rev. (2006), S. 103 ff.; Silbert/Joannou, 43 Am. Crim. L. Rev. (2006), S. 1225 (1227 ff.); Wray/Hur, 43 Am. Crim. L. Rev. (2006), S. 1095 (1102 f.; 1135 ff.). 24 Vgl. Wray/Hur, 43 Am. Crim. L. Rev. (2006), S. 1095 (1146 ff.). 25 Vgl. Bharara, 44 Am. Crim. L. Rev. (2007), S. 53 (73 f.); Bohrer/Trencher, 44 Am. Crim. L. Rev. (2007), S. 1481 (1483); Oesterle, 1 Ohio St. J. Crim. L. (2003-04) S. 443 (473). 26 Bharara, 44 Am. Crim. L. Rev. (2007), S. 53 (73 f.); Lynch, 60 Law & Contemp. Probs. (1997), S. 23 (59).
264
2. Kapitel: Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika
Unternehmensführung mit der Staatsanwaltschaft auf eine Belangung des Unternehmens verzichtet und es erfolgte nur eine Anklage gegen drei Manager.27 Auch Compliance-Programmen kommt bei der Entscheidung, ein Verfahren einzustellen, große Bedeutung zu. Ein effektives Compliance-Programm kann eine Einstellung des Verfahrens rechtfertigen.28 Denn anhand eines solchen Programms kann sich beurteilen lassen, ob die geschehene Straftat einen Einzelfall eines Mitarbeiters darstellt oder ob eine Kultur der Rechtlosigkeit im Unternehmen herrscht.29 Zentral ist dabei die Frage, ob das Programm wirklich effektiv ist.30 Im seltensten Fall wird allerdings allein ein Compliance-Programm zur Einstellung eines Verfahrens führen, wenn nicht zusätzlich eine ausreichende Kooperation seitens des Unternehmens besteht. Nach den bisher bekannten Fällen ist neben der offenen Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden insbesondere die Zusage der Etablierung oder die Überarbeitung eines Compliance-Programms zur Vermeidung weiterer Verstöße ausschlaggebend.31 Soweit die Einstellung eines Verfahrens erfolgt ist, geschieht dies in den seltensten Fällen ohne umfangreiche Auflagen.32 In einigen Fällen wird auf strafrechtliche Sanktionen verzichtet und allein auf (erhebliche) zivilrechtliche Zahlungen rekurriert.33 Zumeist werden jedoch strafrechtliche Auflagen gemacht, die ggf. durch zivilrechtliche ergänzt werden. Da das U.S. Department of Justice nicht nur für die strafrechtlichen Aspekte, sondern vielfach zugleich für die zivilrechtlichen Sanktionen zuständig ist, besteht ein enormer Ermessensspielraum bezüglich der Gestaltung möglicher Auflagen.34 ____________ Vgl. Wray/Hur, 43 Am. Crim. L. Rev. (2006), S. 1095 (1136 f.). Vgl. die Hinweise auf bzw. die Äußerungen der Mitglieder des Department of Justice (DOJ) in USSC, Report, S. 27, 35 sowie bereits in USSC, Corporate Crime, S. 289 ff.; siehe auch die Äußerungen der Staatsanwälte Christie/Hanna, 43 Am. Crim. L. Rev. (2006), S. 1043 (1046 ff.). Siehe zudem die Fallbeispiele bei Gruner, Corporate Criminal Liability, § 8.05 [1] [e]; Warin/Schwartz, 23 J. Corp. L. (1997-98), S. 121 (124 ff.); wie auch Walsh/Pyrich, 47 Rutgers L. Rev. (1994-95), S. 605 (666 ff.) und die Diskussion bei USSC, Corporate Crime, S. 295 ff., 303 ff. 29 Vgl. das Beispiel aus der Praxis der Staatsanwaltschaft bei Wray/Hur, 43 Am. Crim. L. Rev. (2006), S. 1095 (1145 f.). 30 Vgl. die Anforderungen, die hierzu das Filip-Memorandum (oben Anm. 81) stellt. 31 Vgl. bspw. die Fallsammlung bei Gruner, Corporate Criminal Liability, § 14.01 [4], [5]. 32 Vgl. Finder/McConnell, 51 St. Louis U. L. J. (2006-07), S. 1 (21 ff.); Khanna/ Dickinson, 105 Mich. L. Rev. (2006-07), S. 1713 (1744 ff.); Orland, 1 Brook. J. Corp. Fin. & Com. L. (2006-07), S. 45 (73 ff.). 33 So hat Citigroup zwei Milliarden US-Dollar zur Beilegung der Ermittlungen wegen Verwicklungen in die Enron-Pleite gezahlt, vgl. Creswell, N.Y.Times, 11.6.2005, S. A1; siehe zu Beispielen auch Oesterle, 1 Ohio St. J. Crim. L. (2003-04) S. 443 (458). 34 Vgl. Orland, 1 Brook. J. Corp. Fin. & Com. L. (2006-07), S. 45 (53), ähnlich Brown, 1 Ohio St. J. Crim. L. (2003-04), S. 521 (534 f.). 27 28
§ 8 Die Unternehmensstrafe in der Praxis
265
Die strafrechtlichen Auflagen beinhalten Wiedergutmachungsverpflichtungen und monetäre Sanktionen („Geldstrafen“).35 Letztere weisen teilweise eine Höhe auf, die weit über dem Betrag liegt, der durch ein Gericht als Geldstrafe verhängt werden könnte.36 Soweit eine monetäre Sanktion nicht als notwendig zur Abschreckung gesehen wird, verbleibt es bei einer Wiedergutmachungsverpflichtung.37 Darüber hinaus werden den Unternehmen strikte Vorgaben für die weitere Zusammenarbeit mit Strafverfolgungsbehörden und mit staatlichen Aufsichtsbehörden wie z.B. der Securities and Exchange Commission (SEC) gemacht.38 Diese umfassen vor allem die Herausgabe von Dokumenten und die Erteilung von Auskünften auf Anfrage der Behörden.39 Dazu kommen in den letzten Jahren vermehrt umfassende Reformvorgaben für die Unternehmen, insbesondere die Errichtung von Compliance-Programmen.40 Diese Vorgaben bilden inzwischen den Kernbereich der Auflagen. Beispielsweise wurde dem Beratungsunternehmen KPMG im Jahr 2005 in einem Verfahren wegen des Vorwurfs der Steuerhinterziehung zur Auflage gemacht, neben Zahlungen in Höhe von 456 Mio. US-Dollar die Steuerberatung von Privatkunden einzustellen, in vollem Umfang mit staatlichen Behörden zu kooperieren und ein umfangreiches Compliance-Programm zur Vermeidung zukünftiger Straftaten im Bereich der Steuerberatung zu etablieren.41 ____________ 35 So musste AOL, Inc. im Jahr 2004 wegen Betrugs 150 Mio. US-Dollar Wiedergutmachung und 60 Mio. US-Dollar an ‚Geldstrafe’ zahlen. Zu den strafrechtlichen Sanktionen kann zusätzlich auch eine zivilrechtliche Zahlungsverpflichtung kommen: z.B. zahlte KPMG LLP wegen Steuerhinterziehung 100 Mio. US-Dollar Schadensersatz, 128 Mio. „Geldstrafe“ und 228 Mio. US-Dollar strafrechtliche Wiedergutmachung. Vgl. zu diesen und weiteren Fällen Gruner, Corporate Criminal Liability, § 8.05 [1] [e]. 36 Finder/McConnell, 51 St. Louis U. L. J. (2006-07), S. 1 (2); Spivack/Raman, 45 Am. Crim. L. Rev. (2008), S. 159 (182 f.). 37 Vgl. den Fall Bristol-Myers Squibb Co., bei dem die Zahlung von 300 Mio. USDollar strafrechtlicher Wiedergutmachung (neben in anderen Verfahren verhängten zivilrechtlichen Zahlungen von 539 Mio. US-Dollar) als ausreichend angesehen wurde; dazu Christie/Hanna, 43 Am. Crim. L. Rev. (2006), S. 1043 (1059 f.). 38 Vgl. zu einzelnen Fällen Gruner, Corporate Criminal Liability, § 8.05 [1] [e]; Wray/Hur, 43 Am. Crim. L. Rev. (2006), S. 1095 (1141). 39 Vgl. Bohrer/Trencher, 44 Am. Crim. L. Rev. (2007), S. 1481 (1493 ff.), die auch darauf hinweisen, dass das Material nicht zwingend nur zum Vorteil der Anklagebehörde sein muss: Wenn die Staatsanwaltschaft es in einem Strafverfahren verwenden will, muss sie es als Material der Anklage in vollem Umfang der Verteidigung zugänglich machen. 40 Vgl. Finder/McConnell, 51 St. Louis U. L. J. (2006-07), S. 1 (22) sowie zur Übersicht über die verhängten Maßnahmen S. 36 ff.; Khanna/Dickinson, 105 Mich. L. Rev. (2006-07), S. 1713 (1746 ff.); aus der Praxis Copeland, 5 Drake J. Agric. L. (2000), S. 305 (306ff.); Gnazzo, 44 Am. Crim. L. Rev. (2007), S. 1441 f.; Spivack/Raman, 45 Am. Crim. L. Rev. (2008), S. 159 (184 ff.). 41 Vgl. Buell, 81 Ind. L. J. (2006), S. 473 (488 ff.); Gruner, Corporate Criminal Liability, § 8.05 [1] [e]; Silbert/Joannou, 43 Am. Crim. L. Rev. (2006), S. 1225 (1235 ff.); Wray/Hur, 43 Am. Crim. L. Rev. (2006), S. 1095 (1141).
266
2. Kapitel: Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika
Die Überwachung der Umsetzung der Reformen im Unternehmen geschieht dabei vielfach durch eine externe Kontrolle (compliance monitoring), also durch Personen (monitors), die weder der Behörde noch dem Unternehmen angehören, die aber vom Unternehmen bezahlt werden müssen.42 Zumeist werden die Vereinbarungen zwischen Unternehmen und Staatsanwaltschaft veröffentlicht.43 B. Gerichtliches Verfahren In der Zeit vor Einführung der Richtlinien gab es kaum Daten zur Anzahl der Verurteilungen von Unternehmen.44 Dies hat sich durch die Tätigkeit der Sentencing Commission grundlegend geändert, die eine jährlich erscheinende Statistik zur Strafzumessung nach den Richtlinien herausgibt.45 Die Statistik weist die Verurteilung von Unternehmen nach dem 8. Kapitel der USSG gesondert aus.46 Die Daten geben einen wertvollen Einblick in die Bedeutung der Unternehmensstrafe auf Bundesebene, zumal kaum andere Quellen zur Verfügung stehen. Insbesondere werden bislang nur wenige Urteile publiziert oder ausführlich begründet.47 Allerdings ergibt sich auch aus der Datensammlung der Kommission kein vollständiges Bild. Zum einen werden zahlreiche Daten gar nicht erhoben (z.B. Anzahl der angeklagten Unternehmen, Zahl der Einstellungen), sondern nur Verurteilungen erfasst. Zum anderen werden auch nicht alle Verurteilungen in den Daten reflektiert, da auf einige Straftatbestände die Richtlinien nicht anwendbar sind und nicht alle Gerichte Verurteilungen vollumfänglich melden.48 Die folgenden Feststellungen aufgrund der Daten sind daher unter diesem Vorbehalt zu sehen.49 ____________ 42 Eingehend Ford/Hess, 34 J. Corp. L. (2008-09), S. 679 ff.; Khanna/Dickinson, 105 Mich. L. Rev. (2006-07), S. 1713 ff. 43 Vgl. die Übersicht bei Spivack/Raman, 45 Am. Crim. L. Rev. (2008), S. 159 (190 ff.). 44 Vgl. dazu oben S. 135 f. sowie Anm. 31. 45 Vgl. USSC, Annual Report [Jahr] sowie USSC, [Jahr] Sourcebook of Federal Sentencing Statistics; siehe auch Scalia, in: USSC, Corporate Crime, S. 248 ff. zur Bestrafungspraxis der ersten drei Jahre. 46 Vgl. insbes. USSC, [Jahr] Sourcebook of Federal Sentencing Statistics, Tabellen 51– 54. 47 Dadurch fehlen nicht nur Daten, sondern insbes. auch eine Konkretisierung der Richtlinienvorschriften durch die Gerichte, vgl. Rakoff, in: ders et al. (eds.), Sentencing, § 1.06 [1]. 48 Zu den Ausnahmen hinsichtlich der Geldstrafe siehe oben S. 154. Zu Vorbehalten gegenüber dem Datenmaterial vgl. Gruner, Corporate Criminal Liability, § 8.085 [1] [d]; USSC, Report, S. 25 ff.; krit. zur Datenerhebungsmethode Alexander et al., 13 Fed. Sent. Rep. (2000-01), S. 108 ff. 49 Vgl. zur Auswertung der Daten der USSC auch Rakoff et al. (eds.), Sentencing, § 1.06; zum Vergleich der Verurteilungen vor und nach Inkrafttreten der Richtlinien siehe D. Murphy, 87 Iowa Law Review (2002), S. 697 (708 ff.); siehe zudem Lewisch/Parker, Strafbarkeit, S. 95 ff.
§ 8 Die Unternehmensstrafe in der Praxis
267
Soweit es die Art der Straftat betrifft, wegen der ein Unternehmen verurteilt wird, machen Betrugsdelikte ca. ein Drittel der Verurteilungen aus.50 Umweltdelikte, die nur ausnahmsweise von den Richtlinien erfasst werden,51 bilden die zweitgrößte Gruppe. Sodann folgen Kartell- und Geldwäschedelikte, die jeweils jedoch meist nicht mehr als 10 % der Verurteilungen ausmachen. Im Vergleich zur Lage vor den Richtlinien haben die Kartelldelikte an Bedeutung verloren und die Umweltdelikte stark an Bedeutung gewonnen.52 Im Folgenden wird der Blick auf die Verhängung der Geldstrafe (I.), die Bedeutung von Compliance-Programmen und der Kooperation im Rahmen der Geldstrafenberechnung (II.) sowie auf mögliche Abweichungen von den Richtlinien (III.) gerichtet. Sodann wird auf die weiteren Sanktionsmöglichkeiten der Wiedergutmachung (IV.) und der Bewährungsstrafe (V.) eingegangen. Zuletzt werden kurz die verfügbaren Daten zum Verfahrensablauf dargestellt (VI.). I. Geldstrafe Für die Anzahl der Verurteilungen von Unternehmen nach den Richtlinien, die Anzahl der Fälle, in denen eine Geldstrafe verhängt wurde, und die Höhe der verhängten Geldstrafen ergibt sich folgendes Bild. Dabei wird für die Höhe der Geldstrafe sowohl der Durchschnittswert als auch der aussagekräftigere Medianwert ausgewiesen.53 Tabelle 2: Verurteilungen mit Geldstrafe Jahr
Verurteilungen insgesamt
Verurteilungen mit Geldstrafe
Durchschnittswert (in Tsd. US-$)
Medianwert (in Tsd. US-$)
1992/1993
50 (100 %)
34 (68,0 %)
114
1994
86 (100 %)
61 (70,9 %)
419
25
1995
108 (100 %)
85 (78,7 %)
243
30
1996
155 (100 %)
114 (73,5 %)
1.120
89
1997
222 (100 %)
183 (82,4 %)
1.475
48
1998
213 (100 %)
154 (72,3 %)
1.762
64
17
____________ 50 Vgl. die jährlichen Berichte der USSC, Tab. 51, z.B. USSC, 2006 Annual Report, Tab. 51: Betrugsdelikte (33 %), Umweltdelikte (19 %), Kartelldelikte (7 %), Geldwäsche (5 %); siehe auch Alexander et al., 42 J. L. & Econ. (1999) S. 393 (406); Rakoff et al. (eds.), Sentencing, § 1.06 [5] sowie Scalia, in: USSC, Corporate Crime, S. 248 ff. zur Deliktsverteilung kurz nach Inkrafttreten der Richtlinien. 51 Vgl. oben S. 154. 52 Vgl. zu den Daten vor Einführung der Richtlinien oben S. 135. 53 Der Medianwert gibt den Betrag an, bei dem 50 % der Werte oberhalb und 50 % der Werte unterhalb liegen und kompensiert damit einzelne von den restlichen Werten signifikant abweichende Einzelwerte, die bei der Berechnung des Durchschnittswerts zu einer Verzerrung des Gesamtbildes führen (so ist z.B. im Jahr 1999 der Durchschnittswert der Geldstrafen aufgrund einer besonders hohen Geldstrafe stark erhöht, der Blick auf den Medianwert zeigt dagegen nur eine leichte Erhöhung im Vergleich zum Vorjahr an).
268
2. Kapitel: Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika
Jahr
Verurteilungen insgesamt
Verurteilungen mit Geldstrafe
Durchschnittswert (in Tsd. US-$)
Medianwert (in Tsd. US-$)
1999
255 (100 %)
200 (78,4 %)
6.137
75
2000
304 (100 %)
219 (72,0 %)
1.596
100
2001
238 (100 %)
186 (78,2 %)
2.155
60
2002
252 (100 %)
165 (65,5 %)
2.815
96
2003
200 (100 %)
134 (67,0 %)
1.703
109
2004
86 (100 %) 44 (100 %)
67 (77,9 %) 33 (75,0 %)
8.214 1.241
75 136
2005
45 (100 %) 142 (100 %)
27 (60,0 %) 112 (78,9 %)
8.980 3.870
85 82
2006
217 (100 %)
162 (74,7 %)
5.890
50
2007
196 (100 %)
134 (68,4 %)
7.329
132
2008
198 (100 %)
135 (68,1 %)
5.735
60
USSC;54
Anmerkungen: Die Jahresdaten beziehen sich auf das fiskalische Jahr der die Jahre 1992/1993 sind nicht getrennt erfasst;55 in den Jahren 2004 und 2005 wurden die Daten aufgrund von zwei Grundsatzurteilen des U.S. Supreme Court in jeweils zwei getrennten Zeiträumen erfasst.56
Seit Einführung der Richtlinien sind die Verurteilungszahlen zunächst leicht gestiegen, nach einem Hoch im Jahr 2000 aber wieder rückläufig. Vergleicht man die Anzahl der jährlichen Verurteilungen mit der Praxis vor Einführung der Richtlinien, so liegen die Werte sogar unter denen von damals.57 Dies mag allerdings auch darauf zurückzuführen sein, dass die Richtlinien und die Statistik nicht alle Fälle der Verurteilungen von Unternehmen erfassen.58 ___________ 54 Die jeweiligen Jahresdaten entsprechen somit nicht dem kalendarischen Jahr, sondern dem fiskalischen Jahr der USSC, das jeweils vom 1. Oktober bis zum 30. September des Folgejahres dauert. So umfasst bspw. das angegebene Jahr 1994 den Zeitraum vom 1.10.1993 bis zum 30.9.1994. Soweit Prozentzahlen angegeben sind, wurden diese gerundet, daher kann die Gesamtsumme über 100,0 % liegen. 55 Die Daten des Berichtszeitraums vom 1.11.1991 (dem Inkrafttreten der Unternehmensrichtlinien) bis zum 30.9.1993 wurden zusammen im Geschäftsbericht 1993 veröffentlicht, USSC, Annual Report 1993, S. 166 ff.; bei diesen Daten ist zu beachten, dass nur Fälle, die sich nach Inkrafttreten der Richtlinien ereigneten, erfasst wurden, somit die Aussagekraft in den Anfangsjahren aufgrund von (nicht erfassten) Altfällen eingeschränkt ist. 56 Im Jahr 2004 wurden die Daten für die Zeit vor und nach dem U.S. Supreme CourtUrteil in der Sache Blakely getrennt erhoben: die erstgenannten Daten erfassen den Zeitraum vom 1.10.2003 bis 24.6.2004, die an zweiter Stelle genannten Daten den Zeitraum vom 25.6.2004 bis 30.9.2004; zum Urteil Blakely vgl. oben S. 193. Im Jahr 2005 wurden die Daten für die Zeit vor und nach dem U.S. Supreme Court-Urteil in der Sache Booker getrennt erhoben: die erstgenannten Daten erfassen den Zeitraum vom 1.10.2004 bis 11.1.2005, die an zweiter Stelle genannten Daten den Zeitraum vom 12.1.2005 bis 30.9.2005; zum Urteil Booker vgl. oben S. 194. 57 Vor Einführung der Richtlinien lag die Anzahl der Verurteilungen bei etwas über 300 im Jahr, vgl. dazu oben S. 135. Hier mag sich der begrenzte Anwendungsbereich der Richtlinien auswirken. Keine signifikante Zunahme der Verurteilungen sehen auf Grundlage der Daten der USSC auch Bowman, 39 Wake Forest L. Rev. (2004), S. 671 (682) sowie Alexander et al., 42 J. L. & Econ. (1999) S. 393 (407 f.) bzw. dies., 12 Fed. Sent. R. (1999-2000), S. 20 (21 ff.). 58 Vgl. Alexander et al., 13 Fed. Sent. Rep. (2000-01), S. 108 (109 f.).
§ 8 Die Unternehmensstrafe in der Praxis
269
Der Anteil der zu einer Geldstrafe verurteilten Unternehmen ist relativ konstant. Die Zahlen zeigen, dass die Geldstrafe wie vor den Richtlinien die wichtigste gegenüber Unternehmen verhängte Strafe ist. Die Zahlen machen aber auch deutlich, dass in einer Reihe von Fällen die Gerichte anderen Sanktionen einen nicht unbeträchtlichen Stellenwert einräumen. Am markantesten hat sich die Höhe der Geldstrafe verändert. Bewegte sich diese in den ersten beiden Jahren noch in dem Bereich, den sie auch vor Einführung der Richtlinien eingenommen hatte,59 so ist seitdem ein deutlicher Anstieg zu verzeichnen.60 Die heute verhängte Geldstrafe beträgt ein Mehrfaches der in den 1980er Jahren ausgesprochenen Strafen. II. Compliance-Programme und Kooperation mit den Ermittlungsbehörden Die Höhe der Geldstrafe bestimmt sich zu einem bedeutenden Teil nach dem Schuldwert, den ein Unternehmen aufzuweisen hat. Die Kommission erhebt auch Daten darüber, welche Schuldfaktoren in den jeweiligen Verfahren eine Rolle spielen. Im Folgenden wird ein Blick auf die zentralen Schuldelemente geworfen, die zu einer Reduzierung des Schuldwerts führen: das Vorliegen eines ComplianceProgramms und die Kooperation mit den Ermittlungsbehörden.61 Im Rahmen der Kooperation unterscheiden die Richtlinien danach, ob eine Selbstanzeige der Tat (self-reporting), eine Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden (cooperation) oder die bloße Übernahme von Verantwortung für die Tat (acceptance of responsibility) vorliegt. Tabelle 3: Bedeutung von Compliance-Programmen und der Kooperation Jahr
Verurteilungen mit Geldstrafe
effective compliance program § 8C2.5(f)
self-reporting § 8C2.5(g)(1)
cooperation § 8C2.5(g)(2)
acceptance of responsibility § 8C2.5(g)(3)
1992/1993
31 (100 %)
1 (3,2 %)
1 (3,2 %)
23 (74,2 %)
4 (12,9 %)
1994
55 (100 %)
0 (0 %)
1 (1,8 %)
32 (58,2 %)
13 (23,6 %)
1995
81 (100 %)
0 (0 %)
3 (3,7 %)
50 (61,7 %)
18 (22,2 %)
1996
92 (100 %)
0 (0 %)
0 (0 %)
46 (50,0 %)
24 (26,1 %)
1997
113 (100 %)
1 (0,9 %)
1 (0,9 %)
59 (52,2 %)
27 (23,9 %)
1998
118 (100 %)
0 (0 %)
0 (0 %)
64 (54,2 %)
36 (30,5 %)
1999
92 (100 %)
1 (1,1 %)
2 (2,2 %)
49 (53,2 %)
31 (33,7 %)
2000
134 (100 %)
0 (0 %)
1 (0,7 %)
74 (55,2 %)
41 (30,6 %)
2001
94 (100 %)
0 (0 %)
0 (0 %)
47 (50,0 %)
34 (36,2 %)
2002
143 (100 %)
0 (0 %)
1 (0,7 %)
73 (51,0 %)
49 (34,3 %)
2003
90 (100 %)
0 (0 %)
1 (1,1 %)
36 (40,0 %)
37 (41,1 %)
___________ 59 Vgl. die Studie bei Parker/Atkins, 42 J. Law & Econ. (1999), S. 423 (428); siehe auch Bowman, 39 Wake Forest L. Rev. (2004), S. 671 (683 f.). 60 Vgl. Alexander et al., 42 J. L. & Econ. (1999) S. 393 (409 ff.). 61 Vgl. dazu oben S. 162 ff. (Compliance-Programme) und S. 174 ff. (Kooperation).
270
2. Kapitel: Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika Jahr
Verurteilungen mit Geldstrafe
effective compliance program § 8C2.5(f)
self-reporting § 8C2.5(g)(1)
cooperation § 8C2.5(g)(2)
acceptance of responsibility § 8C2.5(g)(3)
2004
69 (100 %)
0 (0 %)
4 (5,8 %)
34 (49,3 %)
2005
89 (100 %)
0 (0 %)
2 (2,2 %)
53 (59,6 %)
22 (24,7 %)
2006
111 (100 %)
0 (0 %)
1 (0,9 %)
54 (48,6 %)
32 (28,8 %)
2007
89 (100 %)
1 (1,1 %)
4 (4,5 %)
40 (44,9 %)
24 (27,0 %)
2008
95 (100 %)
0 (0 %)
1 (1,1 %)
56 (58,9 %)
20 (21,1 %)
21 (30,4 %)
Anmerkungen: Die Jahresdaten beziehen sich auf das fiskalische Jahr der USSC;62 für das Jahr 1992/1993 gilt der obige Hinweis;63 die genannte Anzahl der Verurteilungen umfasst nur Fälle, in denen ausreichende Daten vorlagen;64 in den Jahren 2000 und 2001 lagen zwar vereinzelt Compliance-Programme vor, diese wurden jedoch nicht als effektiv eingestuft.65
In Bezug auf Compliance-Programme lässt sich von den Daten her eine klare und kurze Aussage treffen: Sie spielen im gerichtlichen Verfahren praktisch keine Rolle.66 Deutlich größere Bedeutung hat die Kooperation mit den Ermittlungsbehörden. In über der Hälfte der Fälle mindert sich der Schuldwert durch eine Kooperation. Allerdings sind hier klare Unterschiede in der Art der Zusammenarbeit zu sehen. Kaum ein Unternehmen nimmt die bedeutendste Möglichkeit zur Reduzierung des Schuldwerts durch eine Selbstanzeige wahr, sie fristet damit fast die gleiche Bedeutungslosigkeit wie Compliance-Programme. Dagegen arbeiten zahlreiche Unternehmen mit den Ermittlungsbehörden zusammen und ein ebenfalls nicht unbeachtlicher Anteil übernimmt zumindest die Verantwortung für die Tat. Die Bedeutungslosigkeit der Compliance-Programme lässt sich zunächst darin vermuten, dass die angeklagten Unternehmen einfach kein Compliance-Programm haben.67 Darüber hinaus ist hängt die mangelnde Bedeutung wohl auch mit der starken Berücksichtigung des Compliance-Programms bei der Staatsanwaltschaft zusammen.68 Denn die Anklagen konzentrieren sich auf Unternehmen mit der ____________ Vgl. oben Anm. 54. Vgl. oben Anm. 55. 64 Aufgrund fehlender Daten waren nicht in allen Fällen der Verurteilung zu Geldstrafe Daten über die relevanten Schuldfaktoren verfügbar (für Details siehe die einzelnen Geschäftsberichte). Die Anzahl der tatsächlichen Fälle mit Geldstrafe kann also über den in der Tabelle genannten Zahlen liegen (siehe zu den Angaben bereits Tabelle 2). Vgl. auch oben Anm. 54. 65 Im Jahr 2000 galt dies für 14 Fälle, im Jahr 2001 für zwei Fälle. 66 Bowman, 39 Wake Forest L. Rev. (2004), S. 671 (684): “[The] reduced fine for an effective compliance program is a carrot that virtually no one ever gets to eat”; Duggin, 2003 Colum. Bus. L. Rev (2003), S. 859 (901); Rakoff et al. (eds.), Sentencing, § 1.06 [1], [3]; Steer, Organizational Behavior, S. 17. Siehe auch Wellner, 27 Cardozo L. Rev. (2005), S. 497 (516 f.), der allerdings aus der mangelnden Relevanz von Compliance-Programmen im gerichtlichen Verfahren die (zweifelhafte) Schlussfolgerung zieht, ComplianceProgramme hätten keinen Einfluss auf das Verhalten der Mitarbeiter. 67 Fatino, 51 Drake L. Rev. (2002-03), S. 81 (83, 104). 68 Siehe Johnson, 116 Yale L. J. (2006), S. 632 (664), wie auch Steer, Organizational Behavior, S. 17 f. sowie zur Rolle von Compliance-Programmen im Rahmen der staatsanwaltschaftlichen Entscheidungsfindung oben S. 236 ff. 62 63
§ 8 Die Unternehmensstrafe in der Praxis
271
höchsten kriminellen Energie, bei denen Maßnahmen zur Rechtseinhaltung wie Compliance-Programme insgesamt keine Priorität genießen dürften. Hat dagegen ein Unternehmen ein wirksames Compliance-Programm, so stehen die Chancen gut, eine Anklage (und ein gerichtliches Verfahren) ganz zu vermeiden. Die Bedeutungslosigkeit von Compliance-Programmen lässt sich zudem auf den Umstand zurückführen, dass die Involvierung von Führungspersonen grundsätzlich zum Ausschluss der Strafmilderung führt.69 Wie die folgende Aufstellung zeigt, sind in zahlreichen Fällen Führungspersonen in die Begehung der Tat verwickelt. Die Daten sind aufgeschlüsselt nach der Größe des Unternehmens erfasst. Tabelle 4: Beteiligung von Führungspersonen Jahr
Verurteilungen mit Geldstrafe
1992/1993
31 (100 %)
1994 1995
Anzahl der Mitarbeiter liegt über 10
50
200 1 (3,2 %)
1.000
5.000
(keine Daten)
(keine Daten)
11 (35,5 %)
4 (12,9 %)
55 (100 %)
18 (32,7 %)
7 (12,7 %)
2 (3,6 %)
81 (100 %)
36 (44,4 %)
4 (4,9 %)
8 (9,9 %)
(keine Daten)
(keine Daten)
1996
93 (100 %)
35 (37,6 %)
14 (15,1 %)
7 (7,5 %)
(keine Daten)
(keine Daten)
1997
113 (100 %)
30 (26,5 %)
22 (19,5 %)
11 (9,7 %)
2 (1,8 %)
(keine Daten)
1998
118 (100 %)
37 (31,4 %)
21 (17,8 %)
8 (6,8 %)
2 (1,7 %)
1 (0,8 %)
1999
92 (100 %)
37 (40,2 %)
13 (14,1 %)
3 (3,3 %)
1 (1,1 %)
2 (2,2 %)
2000
133 (100 %)
41 (30,8 %)
27 (20,3 %)
13 (9,8 %)
3 (2,3 %)
2 (1,5 %)
2001
94 (100 %)
41 (43,6 %)
16 (17,0 %)
5 (5,3 %)
4 (4,3 %)
0 (0 %)
2002
143 (100 %)
44 (30,8 %)
27 (18,9 %)
9 (6,3 %)
2 (1,4 %)
2 (1,4 %)
2003
90 (100 %)
29 (32,2 %)
14 (15,6 %)
1 (1,1 %)
1 (1,1 %)
2 (2,2 %)
2004
69 (100 %)
29 (42,0 %)
9 (13,0 %)
5 (7,2 %)
0 (0 %)
2 (2,9 %)
2005
89 (100 %)
28 (31,5 %)
17 (19,1 %)
4 (4,5 %)
2 (2,2 %)
1 (1,1 %)
2006
108 (100 %)
32 (29,6 %)
18 (16,7 %)
11 (10,2%)
3 (2,8 %)
1 (0,9 %)
2007
89 (100 %)
21 (23,6 %)
18 (20,2 %)
6 (6,7 %)
4 (4,5 %)
4 (4,5 %)
2008
95 (100 %)
25 (26,3 %)
13 (13,7 %)
6 (6,3 %)
4 (4,2 %)
3 (3,2 %)
0 (0 %)
1 (1,8 %)
Anmerkungen: Die Jahresdaten beziehen sich auf das fiskalische Jahr der USSC;70 für die Jahre 1992/1993 gilt das oben Ausgeführte;71 die Anzahl der Verurteilungen bezieht sich nur auf die Fälle, in denen ausreichende Daten vorlagen.72
____________ Vgl. § 8 C 2.5 (f) (3) USSG. Vgl. oben Anm. 54. 71 Vgl. oben Anm. 55. 72 Genannt sind nur Fälle von Verurteilungen, für die ausreichende Daten vorlagen. Aufgrund fehlender Daten waren nicht in allen Fällen der Verurteilung zu Geldstrafe Daten über die relevanten Schuldfaktoren verfügbar (für Details siehe die einzelnen Geschäftsberichte). Die Anzahl der tatsächlichen Fälle mit Geldstrafe kann also über den in der Tabelle genannten Zahlen liegen (siehe zu den Angaben oben Tabelle 2). Vgl. auch Anm. 54. 69
70
272
2. Kapitel: Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika
Die Daten belegen, dass zumeist in über der Hälfte der Fälle eine Führungsperson involviert ist. Dies ist jedoch nicht wirklich bemerkenswert, da die verurteilten Unternehmen zumeist kleinere Betriebe mit wenigen Mitarbeitern sind, in denen die handelnden (und rechtlich handlungsberechtigten) Personen in der Regel Führungskräfte sind. Die Daten scheinen somit die vielfach beklagte Benachteiligung kleinerer Unternehmen zu stützen,73 bei denen das Handeln des Mitarbeiters (= der Führungskraft) quasi automatisch zur Bedeutungslosigkeit des ComplianceProgramms führt. Jedoch ist hier noch weiter zu differenzieren, da die Beteiligung der Führungsperson nur bei Unternehmen über 200 Mitarbeitern die Strafmilderung gänzlich ausschließt.74 Bei weniger als 200 Mitarbeitern besteht seit der Reform von 2004 lediglich die widerlegbare Vermutung, dass das Compliance-Programm nicht effektiv ist. Insoweit gelang kleineren Unternehmen entweder die Widerlegung nicht oder (was wahrscheinlicher ist, da die Richtlinien auch verzeichnen, wenn ein Compliance-Programm als nicht effektiv eingestuft wurde75) sie besaßen keinerlei Compliance-Programm. Eine faktische Benachteiligung von kleineren Unternehmen ist daher bislang nicht empirisch zu verzeichnen. III. Abweichungen vom Strafrahmen der Richtlinien (departures) Daten zu Abweichungen der verhängten Strafen vom nach den Richtlinien errechneten Strafrahmen (upward/downward departures) werden für die Unternehmensstrafe nicht eigens erhoben. Insoweit verbleibt nur ein Blick auf die Daten, die zu Abweichungen von Richtlinien insgesamt (also für natürliche Personen und Unternehmen gemeinsam) erhoben werden. Die folgende Tabelle zeigt die prozentuale Verteilung der Verurteilungen danach, ob die Strafe innerhalb, oberhalb oder unterhalb des Strafrahmens der Richtlinien lag.76
____________ 73 Vgl. USSC, Report, S. 131 sowie Rakoff et al. (eds.), Sentencing, § 1.06 [2]; Steer, Organizational Behavior, S. 17. 74 Vgl. § 8 C 2.5 (f) (3) USSG. 75 Vgl. die Anmerkungen zu Tabelle 3, wonach nur in den Jahren 2000 und 2001 mehrere nicht als effektiv eingestufte Compliance-Programme vorlagen. 76 Die Daten (Tabelle N des Sourcebook of Federal Sentencing Statistics) gehen im Wesentlichen rein vom Ergebnis der Strafe aus, sind daher also nur in Grenzen darüber aussagekräftig, ob ein Richter mildernde oder schärfende Umstände angenommen hat. Bspw. wird nicht erfasst, wenn ein Richter innerhalb des Strafrahmens mildernde (bzw. schärfende) Umstände annimmt, die Strafe im Ergebnis aber innerhalb des Strafrahmens bleibt. Gleichermaßen wird nicht erfasst, wenn ein Richter eine niedrigere oder höhere Strafe als die Richtlinien ansetzt, aufgrund von Schärfungen oder Milderungen im Ergebnis jedoch ebenfalls wieder den Strafrahmen der Richtlinien einhält.
§ 8 Die Unternehmensstrafe in der Praxis
273
Tabelle 5: Abweichungen vom Strafrahmen Jahr
Strafe innerhalb des Strafrahmens der Richtlinien
Strafe unterhalb des Strafrahmens der Richtlinien
Strafe oberhalb des Strafrahmens der Richtlinien
1992
77,4 %
21,1 %
1,5 %
1993
75,3 %
23,5 %
1,1 %
1994
71,1 %
27,1 %
1,2 %
1995
71,0 %
28,1 %
0,9 %
1996
69,6 %
29,5 %
0,9 %
1997
67,9 %
31,3 %
0,8 %
1998
66,3 %
32,9 %
0,8 %
1999
64,9 %
34,5 %
0,6 %
2000
64,4 %
34,9 %
0,7 %
2001
64,0 %
35,5 %
0,6 %
2002
65,0 %
34,2 %
0,8 %
2003
69,4 %
27,7 %
0,8 %
2004
72,2 % 71,8 %
27,1 % 27,6 %
0,8 % 0,6 %
2005
70,9 % 61,6 %
28,4 % 36,8 %
0,7 % 1,6 %
2006
61,7 %
36,6 %
1,6 %
2007
60,8 %
37,6 %
1,5 %
2008
59,4 %
39,0 %
1,5 %
USSC;77
Anmerkungen: Die Jahresdaten beziehen sich auf das fiskalische Jahr der in den Jahren 2004 und 2005 wurden die Daten aufgrund zweier Grundsatzurteile des U.S. Supreme Court jeweils in getrennten Zeiträumen erfasst.78
Die Zahlen machen deutlich, dass sich in den meisten Fällen die Strafe im Strafrahmen der Richtlinien bewegt. Lag der Prozentsatz dieser Fälle relativ konstant zwischen 65 und 75 %, so sank er nach dem Jahr 2005 aufgrund des Booker-Urteils auf inzwischen unter 60 %. Betrachtet man die Abweichungen vom Strafrahmen, so bestehen diese fast ausschließlich aus Unterschreitungen des Strafrahmens. Eine Strafschärfung über den Rahmen der Richtlinien hinaus findet kaum statt. Das kann man als Zeichen dafür sehen, dass die Richterschaft die Strafrahmen der Richtlinien eher zu hoch als zu niedrig empfindet. Das Booker-Urteil hat zu einer Zunahme der Abweichungen geführt, diese sind so hoch wie noch nie seit Einführung der Richtlinien. Die Stärkung des richterlichen Ermessens durch das Booker-Urteil zeigt also zumindest begrenzte Wirkung. Die Daten für das Jahr 2008 machen diesen Trend zur stärkeren Ausnutzung des richterlichen Ermessens auch an anderer Stelle deutlich: Zahlreiche Gerichte berufen sich bei den Abweichungen explizit auf das Booker-Urteil oder ziehen die in § 18 U.S.C. § 3553 genannten Strafzumes-
____________ 77 78
Vgl. oben Anm. 54. Vgl. oben Anm. 56.
274
2. Kapitel: Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika
sungsfaktoren heran.79 Strafmilderungen werden dabei auch dann vorgenommen, wenn diese nicht von der Staatsanwaltschaft (z.B. wegen einer ausreichenden Kooperation) angeregt werden.80 IV. Wiedergutmachung Neben der Geldstrafe bildet die Wiedergutmachung einen zweiten wichtigen Baustein der Strafzumessung. Für Wiedergutmachungsanordnungen nach den Richtlinien, die allein oder neben einer Geldstrafe verhängt werden, ergibt sich folgendes Bild: Tabelle 6: Wiedergutmachungsanordnungen Jahr
Verurteilungen insgesamt
Verurteilungen mit Wiedergutmachung
Durchschnittswert (in Tsd. US-Dollar)
Medianwert (in Tsd. USDollar)
1992/1993
50 (100 %)
(keine Daten)
(keine Daten)
1994
86 (100 %)
32 (37,2 %)
353
60
1995
108 (100 %)
35 (32,4 %)
233
28
1996
155 (100 %)
46 (29,7 %)
567
58
1997
222 (100 %)
70 (31,5 %)
873
100
1998
213 (100 %)
72 (33,8 %)
729
64
1999
255 (100 %)
83 (32,5 %)
601
100
2000
304 (100 %)
98 (32,2 %)
776
127
2001
238 (100 %)
78 (32,8 %)
4.082
177
2002
252 (100 %)
112 (44,4 %)
6.293
200
2003
200 (100 %)
83 (41,5 %)
2.256
147
2004
86 (100 %) 44 (100 %)
30 (34,9 %) 9 (20,5 %)
7.205 4.086
74 25
2005
45 (100 %) 142 (100 %)
19 (42,2 %) 45 (31,7 %)
3.372 569
193 100
2006
217 (100 %)
61 (28,1 %)
1.977
363
2007
196 (100 %)
62 (31,6 %)
3.091
246
2008
198 (100 %)
65 (32,8 %)
6.232
175
(keine Daten)
USSC;81
Anmerkungen: Die Jahresdaten beziehen sich auf das fiskalische Jahr der für die Jahre 1992/1993 gilt das oben Ausgeführte;82 in den Jahren 2004 und 2005 wurden die Daten aufgrund zweier Grundsatzurteile des U.S. Supreme Court jeweils in getrennten Zeiträumen erfasst.83
____________ 79 So wurde 2008 bei Strafschärfungen in 1 % aller Fälle (Gesamtanteil der Strafschärfungen bei 1,5 %) und bei Strafmilderungen in 10,2 % aller Fälle (Gesamtanteil der Strafmilderungen 37,6 %) direkt oder indirekt auf das Booker-Urteil Bezug genommen; vgl. USSC, 2008 Sourcebook of Federal Sentencing Statistics, Tabelle N. 80 So wurde 2008 in 13 % aller Fälle eine Strafmilderung ohne Initiierung der Staatsanwaltschaft angenommen (Gesamtanteil der Strafmilderungen 39 %); vgl. USSC, 2008 Sourcebook of Federal Sentencing Statistics, Tabelle N. 81 Vgl. oben Anm. 54. 82 Vgl. oben Anm. 55.
§ 8 Die Unternehmensstrafe in der Praxis
275
Der Anteil der Wiedergutmachungsanordnungen in Bezug auf die Gesamtzahl der Verurteilungen ist über die Jahre relativ konstant geblieben. Ungefähr jede zweite bis dritte Verurteilung sieht eine derartige Anordnung vor. Dies liegt deutlich über dem Anteil der Wiedergutmachungsanordnungen vor Einführung der Richtlinien.84 Der hohe Anteil der Anordnungen entspricht dem Ziel der Richtlinien, die Wiedergutmachung zu einem zentralen Bestandteil der Strafzumessung zu machen.85 Wie die Höhe der Geldstrafe ist die Höhe der Wiedergutmachungsanordnung im Vergleich zum Zeitraum vor Einführung der Richtlinien wie auch in den Jahren danach deutlich gestiegen.86 V. Bewährungsstrafe Neben der Geldstrafe und der Wiedergutmachungsanordnung bildet die Bewährungsstrafe den dritten Teil des Strafzumessungsprogramms der Richtlinien. Insoweit wird im Folgenden ein Blick auf die Verurteilungen mit Bewährungsstrafe geworfen. Von den zahlreichen möglichen einzelnen Bewährungsstrafen werden nur für die Anordnung zur Erstellung eines Compliance-Programms Daten erhoben. Tabelle 7: Bewährungsstrafe Jahr
Verurteilungen insgesamt
Verurteilungen mit Bewährungsstrafe
Anordnung von Compliance-Programmen
1999
255
154 (60,9 %)
2000
304
205 (70,0 %)
42 (14,0 %)
2001
238 (100 %)
169 (71,0 %)
40 (16,8 %)
2002
252 (100 %)
187 (74,2 %)
38 (15,1 %)
2003
200 (100 %)
148 (74,0 %)
24 (12,0 %)
2004
130 (100 %)
94 (72,3 %)
21 (16,2 %)
2005
187 (100 %)
125 (66,8 %)
35 (18,7 %)
2006
217 (100 %)
162 (74,7 %)
41 (18,9 %)
2007
196 (100 %)
147 (75,0 %)
47 (24,0 %)
2008
198 (100 %)
130 (65,7 %)
12 (6,2 %)
(keine Daten)
Anmerkungen: Die Jahresdaten beziehen sich auf das fiskalische Jahr der USSC;87 aufgrund fehlender Daten gelten für die Jahre 1999, 2000 und 2008 Besonderheiten.88
___________ Vgl. oben Anm. 56. So wurde vor Einführung der Richtlinien nur in ca. 10 % der Verurteilungen eine Wiedergutmachung angeordnet, vgl. dazu bereits oben S. 135 f. 85 Vgl. oben S. 152. 86 Vgl. oben S. 135 f. 87 Vgl. oben Anm. 54. Für die Jahre 1992 bis 1998 liegen keine Daten vor. 88 Aufgrund fehlender Daten in zwei Fällen bezieht sich die Prozentangabe bei Verurteilungen mit Bewährungsstrafe im Jahr 1999 nur auf 253 Fälle (= 100 %). Die Prozentangabe bei Verurteilungen mit Bewährungsstrafe im Jahr 2000 berücksichtigt nur 293 Fälle (= 100 %) und im Zusammenhang mit der Anordnung von Compliance-Programmen nur 83
84
276
2. Kapitel: Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika
Die Bewährungsstrafe stellt neben der Geldstrafe die am zweithäufigsten ausgesprochene Strafe dar. Ihre Verhängung in ca. 70 % aller Verurteilungen liegt deutlich über dem Wert vor Erstellung der Richtlinien.89 Die Anzahl der Anordnungen, ein Compliance-Programm zu implementieren, nimmt einen nicht unbedeutenden Anteil der möglichen Auflagen ein. Angesichts dessen, dass praktisch keines der verurteilten Unternehmen ein wirksames Compliance-Programm vorzuweisen hat, ist der Anteil jedoch relativ gering. Insoweit besteht für die Gerichte noch deutlicher Spielraum. VI. Verfahrensablauf In Bezug auf den Verfahrensablauf werden nur Daten darüber erhoben, ob das Unternehmen sich schuldig bekannte (guilty plea) und damit das Verfahren ohne Hauptverhandlung in die Strafzumessung überging oder ob ein komplettes Verfahren vor dem Richter (bench trial) bzw. vor einer Jury (jury trial) stattfand. Darüber hinaus erfassen die Daten noch die Möglichkeit, sich zwar nicht schuldig zu bekennen, aber die Verurteilung wegen der angeklagten Tat ohne weitere Verteidigung zu akzeptieren (nolo contendere).90 Im Einzelnen liegen folgende Daten vor: Tabelle 8: Verfahrensablauf Jahr
Verurteilungen insgesamt
Guilty Plea
nolo contendere
Bench Trial/ Jury Trial
1999
255 (100 %)
233 (91,4 %)
1 (0,4 %)
21 (8,2 %)
2000
304 (100 %)
265 (87,2 %)
1 (0,3 %)
36 (11,8 %)
2001
238 (100 %)
220 (92,4 %)
1 (0,4 %)
17 (7,1 %)
2002
252 (100 %)
237 (94,0 %)
0 (0 %)
15 (6,0 %)
2003
200 (100 %)
182 (91,0 %)
0 (0 %)
18 (9,0 %)
2004
130 (100 %)
121 (93,1 %)
0 (0 %)
9 (6,9 %)
2005
187 (100 %)
173 (92,5 %)
0 (0 %)
14 (7,5 %)
2006
217 (100 %)
197 (90,8 %)
1 (0,5 %)
19 (8,8 %)
2007
196 (100 %)
166 (84,7 %)
1 (0,5 %)
29 (14,8 %)
2008
199 (100 %)
181 (91,0 %)
0 (0 %)
18 (9,0 %)
Anmerkungen: Die Jahresdaten beziehen sich auf das fiskalische Jahr der USSC;91 aufgrund fehlender Daten in einzelnen Fällen entspricht die Summe der Einzelwerte im Jahr 2000.
In nur sehr wenigen Verfahren, die zu einer Anklage führen, findet ein vollständiges Strafverfahren vor dem Richter oder der Jury statt. Dagegen wird in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle ein Geständnis abgelegt und somit das Verfah____________ 300 Fälle (= 100 %). Die Prozentangabe bei der Anordnung von Compliance-Programmen im Jahr 2008 gründet sich nur auf 195 Fälle (= 100 %). 89 So lag der Anteil der Bewährungsstrafe vor Einführung der Richtlinien bei 18 % bzw. 16 %; vgl. oben S. 135 f. 90 Vgl. dazu bereits S. 229. 91 Vgl. oben Anm. 54. Für die Jahre 1992 bis 1998 liegen keine Daten vor.
§ 8 Die Unternehmensstrafe in der Praxis
277
ren abgekürzt. Die Anzahl der Fälle mit einem guilty plea lag in den meisten Jahren über der Anzahl der Fälle vor Einführung der Richtlinien, ist also sogar noch ein wenig gestiegen.92 Da dem Geständnis in aller Regel ein plea agreement mit der Staatsanwaltschaft vorausgeht, wird deutlich, welch dominante Stellung die Staatsanwaltschaft (wie bei natürlichen Personen93) auch im gerichtlichen Verfahren einnimmt.94 C. Rechtstatsächliche Befunde zu Unternehmensstrafbarkeit und Compliance Die Erzielung einer Abschreckungswirkung durch Strafen und die Wirksamkeit von Compliance-Programmen sind die zentralen Ansatzpunkte für die Begründung der Unternehmensstrafe und der Konzeption der Unternehmensrichtlinien. Im Folgenden wird daher im Überblick auf die Nachweisbarkeit der Abschreckungswirkung der Unternehmensstrafbarkeit (I.) und der Wirkung von Compliance-Programmen (II.) eingegangen.95 I. Rechtstatsächliche Befunde zur Unternehmensstrafbarkeit Wegen der prominenten Stellung, die einer Abschreckungswirkung im Rahmen der Unternehmensstrafbarkeit zugemessen wird,96 ist die Frage, ob eine derartige Wirkung überhaupt eintritt, an sich von zentraler Bedeutung. Der hohe Stellenwert der Abschreckung in der theoretischen Diskussion lässt sich bislang allerdings nur ansatzweise empirisch bestätigen. Soweit es die Strafbarkeit natürlicher Personen im Bereich der „klassischen Delikte“ anbelangt, haben bislang durchgeführte Stu-
____________ 92 Vgl. USSC, Fifteen Years, S. 30, wonach die Geständnisquote bei 87 % lag; ähnlich Weisberg/Miller, 58 Stan. L. Rev. (2005-06), S. 1 (29). Siehe auch Karle/Sager, 40 Emory L. J. (1991), S. 393 (403 ff.), deren Untersuchung in den ersten Jahren nach Einführung der Richtlinien für natürliche Personen keine wesentliche Änderung im Bereich des plea bargaining im Vergleich zum Zeitraum vor den Richtlinien feststellen konnte. Die Entwicklung hat sich also vor allem in den letzten Jahren vollzogen. 93 Bei natürlichen Personen wurde im Jahr 2008 in über 96 % der Verfahren ein guilty plea abgegeben, vgl. USSC, Sourcebook of Federal Sentencing Statistics 2008, Tabelle 10. Dies entspricht der Lage der letzten Jahre, in denen die Quote fast durchweg über 95 % lag, vgl. USSC, a.a.O., Schaubild C. 94 Vgl. krit. hierzu Alschuler, 58 Stan. L. Rev. (2005), S. 85 (112 ff.); Miller, 54 Emory L. J. (2005), S. 271 (277). 95 Um den Rahmen dieser Arbeit begrenzt zu halten, wird daher nicht der Versuch unternommen, den empirisch-kriminologischen Befund umfassend zu erörtern, insbes. auf einzelne Studien näher einzugehen. Die Darstellung beschränkt sich auf die Vorstellung der wesentlichen Ergebnisse. Einen Stand zur empirischen Forschung gibt Snider, in: Tombs/Whyte (eds.), Crimes, S. 49 ff. 96 Vgl. oben S. 81 ff.
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2. Kapitel: Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika
dien kaum eine Abschreckungswirkung nachweisen können.97 Auch für das Gebiet der Wirtschaftskriminalität (white collar crime) lässt sich allenfalls eine geringe Abschreckungswirkung belegen.98 Für den speziellen Komplex der Unternehmensstrafbarkeit existieren sehr wenige Untersuchungen.99 Diese konnten ebenfalls nur bedingt eine Abschreckungswirkung feststellen, zumal die Vielzahl von Faktoren für die Entstehung von Kriminalität im und durch Unternehmen die Erstellung einer Studie äußerst schwierig macht.100 Die Vielzahl der Faktoren bedingt auch eine nur sehr begrenzte Vergleichbarkeit der Studien. Insgesamt lässt sich daher nur konstatieren, dass bislang verlässliches Datenmaterial zur Unternehmensstrafbarkeit fehlt, um eine Abschreckungswirkung tatsächlich bestätigen zu können.101 Mit einiger Sicherheit lässt sich nur sagen, dass eine Strafverfolgung bzw. eine Verurteilung eines Unternehmens messbare Auswirkungen hat. Bei börsennotierten Unternehmen hat dies zunächst die kurzfristige Folge, dass die Finanzmärkte mit fallenden Aktienkursen reagieren.102 Darüber hinaus sind aber auch längerfristig ein niedrigerer Umsatz und ein langsameres Wachstum zu verzeichnen, das einen dauerhaften Verlust des Marktwerts bewirken kann.103 Kaum relevant ist ____________ 97 Vgl. die Nachweise bei Simpson, Corporate Crime, S. 26 ff., die auch darauf hinweist, dass die Studien aufgrund gravierender methodischer Unterschiede kaum vergleichbar sind. Aussagen lassen sich allenfalls dahingehend treffen, welche Faktoren einen Einfluss auf die Begehung der Straftaten haben, wobei dies zumeist anhand eines simplifizierenden Modells geschieht, vgl. z.B. Ehrlich, 10 J. Econ. Persp. (1996), S. 43 ff. auf Grundlage der ökonomischen Analyse des Rechts. 98 Vgl. nur die Ergebnisse von Block et al., 89 J. Pol. Econ. (1981), S. 429; Block/Feinstein, 68 Rev. Econ. & Stat. (1986), S. 122. Siehe aber auch dies., 28 Swiss Rev. Int. Comp. L. (1986), S. 41 (52 f.), die einen Rückgang illegaler Absprachen durch Erhöhung der Sanktionen feststellten. 99 Vgl. den (chronologischen) Überblick bei Snider, in: Tombs/Whyte (eds.), Crimes, S. 49 (54 ff.); siehe auch Tweedale, in: Tombs/Whyte (eds.), Crimes, S. 69 ff. 100 Näher Simpson, Corporate Crime, S. 35 ff., die auch konstatiert (S. 105), dass eine Abschreckungswirkung mangels Höhe und Häufigkeit einer Verurteilung kaum zustande kommen könne; siehe auch Geis/DiMento, 29 Am. J. Crim. L. (2001-02), S. 341 ff.; Krawiec, 81 Wash. U. L. Q. (2003), S. 487 (510). 101 Geis/DiMento, 29 Am. J. Crim. L. (2001-02), S. 341 (361 ff.); Laufer, 71 Neb. L. Rev. (1992), S. 1049 (1050); Simpson, Corporate Crime, S. 161; so auch bereits Kadish, 30 U. Ch. L. Rev. (1962-63), S. 423; Mueller, 19 U. Pitt. L. Rev. (1957), S. 21; Orland, Am. Crim. L. Rev. 1980, S. 501 (519). Vorschläge, welche Punkte eine Untersuchung berücksichtigen sollte, machen Geis/DiMento, 29 Am. J. Crim. L. (2001-02), S. 341 (365 ff.). 102 Alexander, 42 J. L. & Econ. (1999), S. 489 ff.; Karpoff/Lott, 36 J. L. & Econ. (1993), S. 757 (773 ff.); Strachan et al., 18 (2) Financial Review (1983), S. 121 ff.; Wier, 11 Journal of Financial Economics (1983), S. 207 ff.; vgl. auch Baucus/Baucus, 40 Acad. Mgt. J. (1997), S. 129 (131) m.w.N. Siehe aber auch Block, 71 B. U. L. Rev. (1991), S. 395 (415), der im Vergleich zwischen strafrechtlichen und verwaltungsrechtlichen Sanktionen keine signifikanten Unterschiede ausmachen konnte. 103 Vgl. die Untersuchung von Baucus/Baucus, 40 Acad. Mgt. J. (1997), S. 129 ff., bei der ein Vergleich von 68 verurteilten Unternehmen mit nicht verurteilten Unternehmen über einen Zeitraum von fünf Jahren ergeben hat, dass eine Verurteilung niedrigere accounting returns und ein niedrigeres Wachstum der Verkaufszahlen als bei nicht verurteil-
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dabei, wegen welcher Straftat das Unternehmen verurteilt wurde; eine starke Reaktion der Märkte erfolgt aber bei einer mehrfachen Verurteilung.104 II. Rechtstatsächliche Befunde zum Compliance-Ansatz Angesichts der zentralen Stellung des Compliance-Ansatzes in den Unternehmensrichtlinien ist zudem zu fragen, ob der Ansatz tatsächlich bewirkt, dass Straftaten besser vermieden (und ggf. auch aufgeklärt werden). Soweit der ComplianceAnsatz für wirksam gehalten wird, stützen sich viele Autoren einfach auf die Begründung der Strafzumessungsrichtlinien und nicht auf empirisch nachweisbare Daten.105 Immerhin wird die Wirkung von Compliance- und Ethikansätzen zunehmend auch theoretisch untermauert.106 Empirische Nachweise sind dagegen bislang nur in begrenztem Rahmen vorhanden. Nachweisbar ist zunächst, dass die Unternehmensrichtlinien zu einem Anstieg der Verbreitung von Compliance-Programmen geführt haben.107 Der SarbanesOxley Act und der USA Patriot Act haben diese Entwicklung in den letzten Jahren verstärkt.108 Die Programme, die seit Beginn der 1990er Jahre errichtet wurden, sind zudem deutlich komplexer als die der 1980er, die sich häufig allein auf einen Verhaltenskodex (code of conduct/code of ethics) beschränkt hatten.109 Vielfach wurden in den letzten 15 Jahren spezielle Compliance-Abteilungen, Stellen für Compliance-Manager, Ausbildungs- und Kommunikationsstrukturen für Com____________ ten Unternehmen nach sich zieht. Vgl. auch die Untersuchung von Karpoff/Lott, 36 J. L. & Econ. (1993), S. 757 ff. (im Überblick bei Karpoff/Lott, 3 Fed. Sent. R. [1990], S. 140 f.), die bei 132 zwischen 1978 und 1987 unter Betrugsverdacht stehenden, wegen Betrugs angeklagten oder verurteilten Unternehmen feststellten, dass diese Unternehmen im Durchschnitt 1,56 % ihres Marktwerts auf Dauer verloren hatten. 104 Vgl. Baucus/Baucus, 40 Acad. Mgt. J. (1997), S. 129 ff.: Bei mehrfach verurteilten Unternehmen lagen die Gesamtrendite und die Umsatzrendite deutlich unter den Unternehmen mit nur einer Verurteilung. 105 Krit. zu dieser „zirkulären Logik“ Wellner, 27 Cardozo L. Rev. (2005), S. 497 (509 f.). 106 Vgl. z.B. den Überblick bei Hess, 105 Mich. L. Rev. (2007), S. 1781 (1785 ff.) zur theory of planned behavior und deren Anwendung (S. 1795 ff.). 107 Vgl. Weaver/Klebe Treviño/Cochran, 42 Acad. Mgt. J. (1999), S. 41 (53 f.), siehe auch dies., 18 J. Bus. Ethics (1999), S. 283 (286, 289); die seit 1994 zum fünften Mal durchgeführte Studie des Ethics Resource Center, National Business Ethics Survey (2007), S. 4 ff., (die Studie ist online abrufbar unter www.ethics.org). Siehe auch bereits oben S. 214. 108 Vgl. die Untersuchung von PwC, nach der diese beiden Gesetze der maßgebliche Grund zur Errichtung von Maßnahmen waren: PwC, Economic crime: people, culture and controls. The 4th biennial Global Economic Crime Survey. United States of America (2007), S. 5. 109 Vgl. zur Lage in den 1980er Jahren Center for Business Ethics, 5 J. Bus. Ethics (1986), S. 85 (86 ff.), das auch darauf hinweist (S. 89 f.), dass kaum strukturelle Veränderungen in den Unternehmen vorgenommen worden waren.
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pliance-Fragen geschaffen.110 Inzwischen haben zahlreiche Unternehmen umfangreiche Präventions- und Kontrollmaßnahmen etabliert.111 Bussmann/Matschke kommen in einer Untersuchung aus dem Jahr 2005 zu dem Ergebnis, dass 91 % der börsennotierten Unternehmen und 75 % der nicht börsennotierten Unternehmen Compliance-Programme eingeführt haben.112 Einen messbaren Impuls hat die Entwicklung bei der Einrichtung von Whistleblower-Systemen und der Erstellung von ethischen Richtlinien durch die Vorgaben des Sarbanes-Oxley Act erhalten.113 Die Unternehmen in den USA besitzen im weltweiten Vergleich die höchste Dichte an unternehmensinternen Maßnahmen.114 Einschränkend ist allerdings zu sagen, dass die Mehrzahl der Programme nur einen Teil der möglichen Elemente beinhaltet, die ein umfassendes Compliance-Programm (vor allem im Sinne der Strafzumessungsrichtlinien) ausmachen.115 Die weite Verbreitung von Compliance-Programmen sagt aber noch nichts über deren Wirksamkeit aus. Für die Überprüfung einer Wirksamkeit existieren wie für die Frage der Abschreckungswirkung der Unternehmensstrafe nur wenige empirische Untersuchungen.116 Eine erste Untersuchung in den 1980er Jahren zur Wirksamkeit eines Verhaltenskodex (code of conduct) deutete nur auf einen minimalen Einfluss auf die Straffälligkeit der Unternehmen hin.117 Zwei weitere seitdem vorgenommene Untersuchungen, die über den Verhaltenskodex hinaus umfassendere Compliance-Maßnahmen einbezogen, konnten bislang ebenfalls keine Verringerung der Unternehmenskriminalität feststellen.118 Eine Untersuchung Ende der
____________ 110 Vgl. Weaver/Klebe Treviño/Cochran, 18 J. Bus. Ethics (1999), S. 283 ff.; dies., 42 Acad. Mgt. J. (1999), S. 41 ff. siehe auch McKendall/DeMarr/Jones-Rikkers, 37 J. Bus. Ethics (2002), S. 367 ff.) sowie Bowman, 39 Wake Forest L. Rev. (2004), S. 671 (679 ff.); D. Murphy, 87 Iowa Law Review (2002), S. 697 (710 f.). 111 Vgl. die Studie von Bussmann, MschrKrim 90 (2007), 260 (265, 268). 112 Bussmann/Matschke, wistra 2008, 88 (92). Allerdings wird nicht klargestellt, was unter einem Compliance-Programm genau zu verstehen ist. 113 Vgl. Bussmann/Matschke, wistra 2008, 88 (94 f.). 114 Vgl. die Werte bei Bussmann/Matschke, wistra 2008, 88 (92 ff.). Siehe auch Bussmann, MschrKrim 90 (2007), 260 (265) im Vergleich zu Deutschland. 115 Vgl. die Studie des Ethics Resource Center, National Business Ethics Survey (2007), S. 4 f., 20 (die Studie ist online abrufbar unter www.ethics.org): Danach besitzen nur 38 % der Unternehmen ein umfassendes Compliance-Programm. 116 Ein umfassender Überblick über vorhandene Untersuchungen ist bislang in der Literatur nicht zu finden. Eine begrenzte Zusammenstellung thematisch und methodisch unterschiedlicher Untersuchungen findet sich bei Groskaufmanis, in: Rakoff et al. (eds.), Sentencing, §5.02A; McKendall/Wagner, 8 Org. Sci. (1997), S. 624 (630 f.). 117 Mathews, Codes of Ethics, in: Frederick/Preston, Performance, S. 107 (126). 118 Vgl. McKendall/Wagner, 8 Org. Sci. (1997), S. 624 (644); McKendall/DeMarr/ Jones-Rikkers, 37 J. Bus. Ethics (2002), S. 367 (376 ff.); siehe auch Krawiec, 81 Wash. U. L. Q. (2003), S. 487 (510 ff.); Simpson, Corporate Crime, S. 35 ff.
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1990er Jahre lieferte Anzeichen für eine derartige Wirkung, aufgrund unzureichenden Datenmaterials ließ sich jedoch keine endgültige Aussage treffen.119 Eine neuere Studie von Schnatterly ergab dagegen einen Einfluss auf die Kriminalitätsrate, wenn ein umfassendes (Compliance-)Programm vorlag.120 In diese Richtung deuten auch die Ergebnisse der Studie von Bussmann, nach der Unternehmen mit mehr Präventions- und Kontrollmaßnahmen weniger häufig Opfer von Wirtschaftskriminalität werden.121 Im Einzelnen waren jedoch Unternehmen mit einer höheren Anzahl an Maßnahmen zum Teil häufiger von Kriminalität betroffen als Unternehmen mit weniger Maßnahmen.122 Bussmann führt dieses Kontrollparadox auf eine verringerte Dunkelziffer zurück.123 Nachgewiesen werden konnte jedoch, dass Unternehmen mit einer „wirksam“ im Unternehmen umgesetzten Ethikrichtlinie124 weniger häufig von Korruption betroffen waren als solche ohne derartige Richtlinien.125 Insgesamt bleibt bezüglich der rechtstatsächlichen Lage zu konstatieren, dass sich vor allem in Ermangelung ausreichender empirischer Daten und der nur bedingten Vergleichbarkeit der bisherigen Untersuchungen keine endgültige Aussage über die Wirkung von Compliance-Programmen auf die Straffälligkeit des Unternehmens treffen lässt.126 Eine gewisse Tendenz deutet allerdings darauf hin, dass sich ein umfassendes Compliance-Programm positiv (im Sinne einer Reduzierung gesetzlicher Verstöße) auswirkt.127 Soweit sich empirisch nachweisbare Schlüsse ziehen lassen, betreffen diese vor allem die Frage, welche Maßnahmen zu einer Verhaltensänderung der Mitarbeiter ____________ Vgl. Parker/Atkins, 42 J. Law & Econ. (1999), S. 423 (443 ff.). Vgl. Schnatterly, 24 Strat. Mgmt. J. (2003), S. 587 (590, 603). 121 Vgl. Bussmann, MschrKrim 90 (2007), 260 ff. sowie die neuere Untersuchung von PwC, Economic crime: people, culture and controls. The 4th biennial Global Economic Crime Survey (2007), S. 12. 122 Bussmann, MschrKrim 90 (2007), 260 (268); siehe auch PwC (Anm. 121), S. 11. 123 Bussmann, MschrKrim 90 (2007), 260 (263 f.). 124 Als wirksam galt dabei, wenn das Unternehmen sie selbst für wirksam hielt, diese vom Management getragen wurde und konkret für eine Anwendung in der Praxis formuliert war, vgl. Bussmann, MschrKrim 90 (2007), 260 (271 f.). 125 Vgl. Bussmann, MschrKrim 90 (2007), 260 (272 ff.). 126 Ähnlich Gruner, Corporate Criminal Liability, § 10.04 [2]: “The guidelines reward firms that adopt substantial law compliance programs on the assumption that those programs reduce corporate crime levels. Yet, the organizational dynamics underlying that assumption are unproven.”; Laufer, 6 Corporate Governance (2006), S. 239 (243), der konstatiert, dass unklar ist, welche Maßnahmen wirksam, unwirksam oder vielversprechend sind und was insgesamt noch unbekannt ist. Siehe auch ders., Corporate Bodies, S. 99 ff. 127 So auch Hess, 105 Mich. L. Rev. (2007), S. 1781 (1804 ff.), der v.a. die Zurückhaltung der Unternehmen zur Schaffung (zunächst kostenintensiver) effektiver ComplianceProgramme als Grund für eine bislang fehlende Nachweisbarkeit der Wirksamkeit sieht. 119
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2. Kapitel: Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika
im Unternehmen führen können (was letztlich auch in einer geringeren Straffälligkeit des Unternehmens resultieren kann).128 Die durchgeführten Untersuchungen betrafen dabei primär weniger umfassende business oder ethic codes, wobei jedoch weder eine einheitliche Nomenklatur noch eine inhaltliche Übereinstimmung über die notwendigen Bestandteile derartiger codes bestehen.129 Die Untersuchungen sind daher nur eingeschränkt aussagekräftig und miteinander vergleichbar. Ansatzpunkt der meisten Untersuchungen ist die Erkenntnis, dass das Handeln der Mitarbeiter stark von deren persönlicher Einstellung und der Erwartungshaltung der Umgebung geprägt ist.130 Es hat sich gezeigt, dass vor allem die Rahmenbedingungen das Verhalten der Mitarbeiter (und deren Einstellung) beeinflussen, kurz gesagt: Eine Kultur unethischen Verhaltens begünstigt Normübertretungen.131 Diese Erkenntnisse decken sich weitgehend mit älteren sozialwissenschaftlichen Erklärungsmodellen, die für die Entstehung von Wirtschaftskriminalität entwickelt wurden.132 Wenig Einfluss auf das Verhalten hat das bloße Vorhandensein eines schriftlichen Verhaltenskodex,133 auch wenn dieser ein erster Schritt in Richtung ethischen Verhaltens darstellt.134 Dadurch wird zumindest ein Bewusstsein für relevante ethische Belange geschaffen.135 Maßgeblich für rechts____________ 128 Eine Übersicht zu durchgeführten Studien bieten Kaptein/Schwartz, 77 J. Bus. Ethics (2008), S. 111 (113 ff.); Schwartz, 55 J. Bus. Ethics (2004), S. 323 (325); ders., 32 J. Bus. Ethics (2001), S. 247 (249 f.); Stevens, 78 J. Bus. Ethics (2008), S. 601 (602 ff.). 129 Kaptein/Schwartz, 77 J. Bus. Ethics (2008), S. 111 (112 ff.). 130 Vgl. Hess, 105 Mich. L. Rev. (2007), S. 1781 (1785 ff.) zu Studien auf der Basis der „theory of planned behavior“, nach der das menschliche Verhalten maßgeblich durch drei Komponenten geprägt ist: die persönliche Einstellung (inklusive dessen, was das eigene Gewissen als moralische Verpflichtung empfindet – dieser Punkt wird z.T. auch als eigene vierte Komponente gewertet), die Erwartungshaltung der Umgebung (der subjektiv wahrgenommene soziale Druck) und die subjektiv wahrgenommene Möglichkeit zur Verhaltenskontrolle. 131 Vgl. die Studie aufgrund einer Befragung von Managern bei Simpson/Piquero, 36 L. & Soc. Rev. (2002), S. 509 ff. Diese Folgerung findet sich auch bereits bei Clinard/ Quinney/Wildeman, Criminal behavior systems, S. 204 ff. nach einer Auswertung verschiedener Studien. 132 Vgl. z.B. Sutherland, White Collar Crime, S. 234 ff., der Wirtschaftskriminalität als im beruflichen Umfeld erlerntes Verhalten auffasst. Siehe auch Sykes/Matza, 22 Am. Soc. Rev. (1957), S. 664 ff., die im Rahmen gruppendynamischer Prozesse Neutralisationstechniken als maßgeblichen Aspekt zur Förderung einer Tatneigung sehen. Zum Forschungsstand in Bezug auf den Ansatz der Neutralisationtechniken siehe Maruna/Copes, 32 Crime & Just. (2005), S. 221 ff. 133 Vgl. Adam/Rachman-Moore, 54 J. Bus. Ethics (2004), S. 225 ff.; Brief et al., 15 J. Bus. Ethics (1996), S. 183 (190 f.); Trevino et al., 8 (3) Bus. Ethics Q. (1998), S. 447 ff. 134 Vgl. Schwartz, 32 J. Bus. Ethics (2001), S. 247 (256); Weaver/Trevino, 9 Bus. Ethics Q. (1999), S. 315 (319 ff.) sowie bereits McCabe/Trevino/Butterfield, 6 Bus. Ethics Q. (1996), S. 461 ff. Siehe auch Trevino/Weaver, Ethics, S. 191 ff. 135 Vgl. neben den bereits genannten Untersuchungen Vitell/Ramos Hidalgo, 64 J. Bus. Ethics (2006), S. 31 ff. sowie Somers, 30 J. Bus. Ethics (2001), S. 185 (189 ff.), der eine
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konformes Verhalten ist eine gelebte ethische Kultur im Unternehmen, die über formale Vorgaben wie einen schriftlichen Verhaltenskodex oder auch die bloße Einrichtung von Hotlines zur Meldung von Vorfällen hinausgeht.136 Die Betonung ethischer Grundsätze mit der Umsetzung in Regelungen, regelmäßigen Schulungen, der Kommunikation dieser Grundsätze und entsprechende Kontrollansätze zeigen sich als geeignet, um als Gegengewichte zu ansonsten tatbestimmenden Elementen wie persönlichem Motiv und Gelegenheit zur Deliktsbegehung dienen zu können.137 Von großer Bedeutung ist dabei das Verhalten der Unternehmensleitung und des oberen Managements: Nur wenn diese Mitarbeiter ethisch handeln, lässt sich allgemein eine Kultur ethischen Verhaltens im Unternehmen verbreiten.138 Je mehr auf positive Anreize für die Mitarbeiter als auf Überwachung und Sanktionierung gesetzt wird, desto eher wird ein ethisches Verhalten erreicht.139 Über diese grundsätzlichen Aspekte hinaus finden sich Untersuchungen zu Einzelpunkten von Compliance-Programmen. Als Beispiel kann hier die Frage der Bedeutung von Whistleblowern genannt werden. Eine Untersuchung der Anzeigen von Betrugsfällen in Unternehmen zwischen 1996 und 2004 (darunter die Fälle Enron und Worldcom) ergab, dass die meisten Anzeigen durch Mitarbeiter erfolgten (19 %).140 Andere Untersuchungen bestätigen diese Tendenz.141 Dies ist ange____________ Wirkung von unternehmensinternen Regelungen im Vergleich zu Standesregelungen feststellen konnte. 136 Vgl. Trevino et al., 8 (3) Bus. Ethics Q. (1998), S. 447 (468 ff.); dies., 41 Cal. Mgmt. Rev. (1999), S. 131 ff.; Weaver/Trevino, 9 Bus. Ethics Q. (1999), S. 315 (330 ff.); siehe auch Adam/Rachman-Moore, 54 J. Bus. Ethics (2004), S. 225 (237 ff.), wonach die sozialen Normen der Organisation den größten Einfluss auf Mitarbeiter ausüben; Tyler/ Blader, 48 Acad. Mgmt. J. (2005), S. 1143 ff. sowie Yeager, Management, in: Pearce/ Snider (Hrsg.), Debates, S. 147 ff. (Maßnahmen auf dem Papier als solche sind wirkungslos, in Routineprozesse eingebundene Maßnahmen dagegen wirken); siehe zudem die Untersuchung von KPMG, Integrity Survey 2005–2006 (2006), S. 13 f., die einen (deutlichen) Unterschied zwischen dem ethischen Verhalten in Unternehmen mit umfangreichen Compliance-Programmen und Unternehmen ohne bzw. mit mehr formalen ComplianceProgrammen feststellte. 137 McKendall/Wagner, 8 Org. Sci. (1997), S. 624 (644); siehe auch Hess, 105 Mich. L. Rev. (2007), S. 1781 (1795 ff.); McKendall, 17 J. Bus. Ethics (2002), S. 367 (376 ff.); Trevino et al., 41 Cal. Mgmt. Rev. (1999), S. 131 (142); Trevino/Weaver, Ethics, S. 89 ff. 138 Vgl. Weaver/Klebe Treviño/Cochran, 42 Acad. Mgt. J. (1999), S. 41 (54 f.); siehe auch bereits Braithwaite, in: Fisse/French (eds.), Corporations, S. 39 (49 ff.); Clinard, Corporate Ethics, S. 132 sowie aus neuerer Zeit Adam/Rachman-Moore, 54 J. Bus. Ethics (2004), S. 225 (237 f.); Schwartz, 55 J. Bus. Ethics (2004), S. 323 (338). 139 Vgl. Tyler, 70 Brook. L. Rev. (2005), S. 1287 ff.; Tyler/Blader, 48 Acad. Mgmt. J. (2005), S. 1143 ff.; siehe auch Hess, 105 Mich. L. Rev. (2007), S. 1781 (1801 ff.); Kramer, 50 Annu. Rev. Psychol. (1999), S. 569 ff. sowie Stevens, 78 J. Bus. Ethics (2008), S. 601 (603 f.), die in der starken Regulierung und Kontrolle den Grund für die mangelnde Wirksamkeit mancher Compliance-Programme sieht. 140 Vgl. Dyck/Morse/Zingales, Who Blows the Whistle on Corporate Fraud?, S. 53, abrufbar unter . Vgl. auch Dworkin, 105 Mich. L. Rev. (2006-07), S. 1757 (1768 ff.)
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2. Kapitel: Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika
sichts der häufig persönlich schwerwiegenden Konsequenzen ein durchaus erstaunliches Ergebnis.142 In Gebieten (wie im Gesundheitssektor), in denen für Mitarbeiter Anreize bestanden, war der Anteil von Mitarbeitern noch deutlich stärker (47 %).143 Die Anreizstrukturen führten dabei nicht zu einer Zunahme von unberechtigten Anzeigen.144 D. Exkurs: Strafverfolgung in den Bundesstaaten Die Darstellung der Unternehmensstrafbarkeit in der amerikanischen Diskussion erweckt vielfach den Eindruck, dass alleiniger Kristallisationspunkt der Unternehmensstrafbarkeit das Bundesrecht sei.145 Dadurch wird der Anschein vermittelt, dass die überwiegende Anzahl der Strafverfolgungen auf Bundesebene stattfindet. Nicht vergessen werden darf darüber aber, dass auch die Bundesstaaten, denen die umfassende Zuständigkeit für das Strafrecht zusteht, vielfach eine Unternehmensstrafbarkeit vorsehen.146 Dementsprechend findet auch auf Ebene der Bundesstaaten eine Strafverfolgung von Unternehmen statt. Allerdings besteht keine umfassende Sammlung von Daten wie sie die USSC für das Bundesrecht vornimmt, ebenso wird nur selten untersucht, in welchem Umfang Unternehmen in das Blickfeld der Strafverfolger geraten.147 Die Untersuchung von Benson/Cullen weist allerdings darauf hin, dass Unternehmen regelmäßig in die Überlegungen der Staatsanwaltschaft einbezogen werden, ob gegen sie (neben natürlichen Personen) eine Strafverfolgung stattfinden soll.148 ____________ 141 Vgl. die Studie von PwC (Anm. 108), S. 6, nach der 20 % der Vorfälle durch Mitarbeiter aufgedeckt wurden, mehr (21 %) waren es nur bei internen Audits. 142 Vgl. Dyck/Morse/Zingales (Anm. 140), S. 30 f. 63, wonach die Betroffenen häufig Konsequenzen im Hinblick auf die Tätigkeit etc. bis hin zur Entlassung erlitten haben. 143 Dyck/Morse/Zingales (Anm. 140), S. 65. 144 Der Anteil lag im Gesundheitssektor mit einem Anteil von 37 % ungerechtfertigter Anzeigen sogar deutlich unter dem der Bereiche ohne Anreizstrukturen (dort: 55 %), vgl. Dyck/Morse/Zingales (Anm. 140), S. 65. 145 Dieser Eindruck ist sicherlich mehreren Umständen geschuldet: Auf Bundesebene besteht das umfassendste (und somit das interessanteste) System der Unternehmensstrafbarkeit. Gesetze, Rechtsprechung und Literatur sind zudem landesweit einfach zugänglich (während das Recht der Bundesstaaten häufig weniger gut recherchierbar ist). Und letztlich besteht ein landesweites Interesse zumeist nur am Bundesrecht und nur bedingt am Recht der Bundesstaaten. 146 Vgl. dazu oben S. 111 ff. 147 Benson/Cullen, Corporate Crime, S. 45 weisen darauf hin, dass viele Staatsanwaltschaften keine Daten darüber erheben, ob und wie viele Unternehmen strafrechtlich verfolgt werden. 148 Vgl. Benson/Cullen, Corporate Crime, S. 43 ff., 94 ff. Die Untersuchung beschränkte sich dabei nicht allein auf die Strafverfolgung von Unternehmen, sondern erforschte auch, inwieweit die lokalen Staatsanwaltschaften gegen Wirtschaftskriminalität insgesamt vorgingen.
§ 9 Entwicklung und weitere Bedeutung von Compliance-Programmen Der Compliance-Ansatz ist keine Erfindung der 1990er Jahre, sondern hat zahlreiche Vorläufer. Diese werden im Folgenden kurz in einem historischen Abriss dargestellt (A.). Da Compliance geschichtlich aus den verschiedensten Gebieten stammt, hat der Ansatz heute weit größere Bedeutung erlangt, als nur in Bezug auf die Bestrafung des Unternehmens. Im Anschluss an die historische Betrachtung werden die wichtigsten Bereiche außerhalb des Unternehmensstrafrechts gestreift (B.). Den Abschluss dieses Abschnitts bildet die Betrachtung des ComplianceAnsatzes im größeren Zusammenhang der Corporate Governance bzw. der staatlichen Regulierung von Unternehmen (C.). A. Entwicklung des Compliance-Ansatzes Der Compliance-Ansatz als Einbeziehung von Unternehmen in die Prävention kann auf eine längere Tradition zurückblicken.1 Zunächst fehlte naturgemäß noch die Begrifflichkeit,2 zudem wurde die Frage häufig weniger allgemein als speziell angegangen.3 Erste Anfänge von Compliance-Programmen kann man bereits in den 1930er Jahren ausmachen, als die Selbstkontrolle (self-policing) von Unternehmen erstmals in Überlegungen zur Bekämpfung von Insiderhandel miteinbezogen wurde.4 Einen entscheidenden Impuls erhielt die Entwicklung in den 1950er und 1960er Jahren, in denen eine Welle von Kartellrechtsverfahren gegen Hersteller von Elektronikbauteilen als Katalysator für die vermehrte Errichtung von ComplianceProgrammen fungierte.5 Zur Vermeidung weiterer Kartellverstöße wurden von den ____________ 1 Siehe zur Entwicklung Corporate Compliance Committee, 60 Bus. Law (2004-05), S. 1759 (1760 ff.); Groskaufmanis, in: Rakoff et al., Sentencing, § 5.02; Pitt/Groskaufmanis, 78 Geo. L. J. (1989-90), S. 1559 (1575 ff.); Walsh/Pyrich, 47 Rutgers L. Rev. (1994-95), S. 605 (649 ff.); Wray/Hur, 43 Am. Crim. L. Rev. (2006), S. 1095 (1107 ff., 1157). 2 So wurde z.B. vielfach der Aspekt einer Verteidigung durch ordnungsgemäße Maßnahmen im Rahmen einer due diligence defense erörtert, vgl. Note, 92 Harv. L. Rev. (1978-79), S. 1229 (1257 ff.). 3 So insbes. sektorspezifisch wie bspw. im Kartellrecht Beckenstein/Gabel, 51 Antitrust L. J. (1982), S. 459 ff.; Bloch, 57 Antitrust L. J. (1988), S. 223 ff.; MacLaury, 37 Antitrust L. J. (1967-68), S. 96 ff.; Shenefield/Favretto, 48 Antitrust L. J. (1979), S. 73 ff. 4 Vgl. Pitt/Groskaufmanis, 78 Geo. L. J. (1989-90), S. 1559 (1576 f.); Williams/ Kavanaugh, 36 Res Gestae (1993), S. 558 (560); Walsh, 1997 Colum. Bus. L. Rev. (1997), S. 165 (171 f.); siehe auch Grohnert, Grundlagen, S. 4. 5 Copeland, 5 Drake J. Agric. L. (2000), S. 305 (311 f.); Groskaufmanis, in: Rakoff et al., Sentencing, § 5.01 [1] [a]; Linklater/McElyea, RIW 1994, S. 117 (118); Pitt/Groskaufmanis, 78 Geo. L. J. (1989-90), S. 1559 (1578 ff.) sowie Walsh/Pyrich, 47 Rutgers L. Rev. (1994-95), S. 605 (650 f.), die darauf hinweisen, dass es in Einzelfällen im Kartellbereich sogar bereits früher Compliance-Programme gab: So hatte z.B. General Electric bereits im Jahr 1946 ein kartellrechtliches Compliance-Programm implementiert, ohne dieses allerdings auch in der Praxis durchzusetzen.
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Unternehmen selbst Compliance-Programme entwickelt, wobei die Kartellbehörden der Entwicklung positiv gegenüberstanden.6 Der Kartellbereich ist denn auch bis in die 1980er Jahre einer der Schwerpunkte der Compliance-Entwicklung geblieben.7 Im Kartellrecht war zudem bereits früh die Idee aufgekommen, dass die freiwillige Meldung von Kartellen durch Unternehmen an die Behörden zur Strafmilderung oder Straffreiheit führen kann.8 In den 1970er Jahren erschütterte ein weitreichender Skandal die amerikanische Wirtschaft. Angestoßen durch die Ermittlungen der Watergate-Affäre wurde die Bestechung von Amtsträgern im Ausland durch amerikanische Unternehmen aufgedeckt.9 Um die Ermittlungen zu erleichtern, initiierte die SEC ein Programm (disclosure program), das Unternehmen, die ihre Zahlungen überprüften und Verstöße anzeigten, eine mildere Behandlung in Aussicht stellte. Das Programm wurde durch die beträchtliche Anzahl teilnehmender Unternehmen ein großer Erfolg. Die Krise wurde gesetzgeberisch schließlich durch den Erlass des Foreign Corrupt Practices Act (FCPA) von 1977 abgeschlossen. Das Gesetz verpflichtete Unternehmen zur Errichtung interner Kontrollen, um weitere Bestechungsfälle zu vermeiden.10 Um die Vorgaben des Gesetzes umzusetzen, etablierten zahlreiche Unternehmen Programme (zumeist als „code of conduct“ bezeichnet).11 Finanzbehörden begannen in der Folge teilweise derartige Programme wie auch eine Kooperation mit den Behörden als Faktoren zur Bemessung zivilrechtlicher Sanktionen heranzuziehen.12 Auch die 1980er Jahre hatten ihre herausragenden Wirtschaftsskandale, die wiederum die Compliance-Entwicklung beförderten.13 Zunächst wurde Anfang des Jahrzehnts ein Insiderskandal öffentlich, der die weitgehend fehlende Über____________ Vgl. MacLaury, 37 Antitrust L. J. (1967-68), S. 96 (103). Vgl. Beckenstein/Gabel, 51 Antitrust L. J. (1982), S. 459 ff.; Bloch, 57 Antitrust L. J. (1988), S. 223 ff.; MacLaury, 37 Antitrust L. J. (1967-68), S. 96 ff.; Shenefield/Favretto, 48 Antitrust L. J. (1979), S. 73 ff. 8 Vgl. dazu unten S. 300. 9 Eingehend Groskaufmanis, in: Rakoff et al., Sentencing, § 5.02 [1] [b]; Pitt/Groskaufmanis, 78 Geo. L. J. (1989-90), S. 1559 (1582 ff.); siehe auch Copeland, 5 Drake J. Agric. L. (2000), S. 305 (313 ff.); Wray/Hur, 43 Am. Crim. L. Rev. (2006), S. 1095 (1108). 10 Vgl. unten S. 290. 11 Vgl. Maxwell, UCLA L. Rev. (1981-82), S. 447 (488); Pitt/Groskaufmanis, 78 Geo. L. J. (1989-90), S. 1559 (1586) sowie S. 1601 zu empirischen Daten aus den 1980er Jahren; Walsh/Pyrich, 47 Rutgers L. Rev. (1994-95), S. 605 (653 f.). 12 Vgl. Wray/Hur, 43 Am. Crim. L. Rev. (2006), S. 1095 (1113 f.) sowie unten S. 302. 13 Copeland, 5 Drake J. Agric. L. (2000), S. 305 (313 ff.); Groskaufmanis, in: Rakoff et al., Sentencing, § 5.02 [1] [c]; Pitt/Groskaufmanis, 78 Geo. L. J. (1989-90), S. 1559 (1587 ff.); Walsh/Pyrich, 47 Rutgers L. Rev. (1994-95), S. 605 (654 ff.); siehe auch Grohnert, Grundlagen, S. 5 f.; Note, 109 Harv. L. Rev. (1995-96), S. 1783 (1784). 6 7
§ 9 Entwicklung und weitere Bedeutung von Compliance-Programmen
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wachung von Angestellten im Bereich des Wertpapierhandels offenbarte.14 In der Folge wurde schließlich 1988 der Insider Trading and Securities Fraud Enforcement Act erlassen, der den Wertpapierhandelsunternehmen aufgibt, organisatorische Vorkehrungen gegen Insidergeschäfte zu treffen; dabei kann durch die Vorkehrungen eine Haftung des Unternehmens vermieden werden.15 In der Mitte des Jahrzehnts wurden auch der Rüstungsindustrie Betrug und Bestechung in großem Umfang insbesondere gegenüber staatlichen Stellen vorgeworfen.16 Die Vorwürfe führten zum einen zu einem groß angelegten Programm des Department of Defense, das Unternehmen die Etablierung eines umfangreichen internen Kontrollsystems empfahl und als Anreiz bei Verstößen eine mildere Behandlung in Aussicht stellte.17 Das Programm enthielt bereits die wesentlichen Elemente, die später auch in den Strafzumessungsrichtlinien aufgenommen wurden.18 Darüber hinaus gründeten 32 Rüstungsunternehmen die „Defense Industry Initiative on Business Ethics and Conduct“.19 Diese bis heute bestehende Initiative hat sich zur Aufgabe gesetzt, Standards und Kontrollvorgaben für Verträge mit der Regierung zu entwickeln, Schulungen für Mitglieder im Bereich der Prävention und ethischen Verhaltens sowie ähnliche Hilfestellungen zu geben. Die Maßnahme der Rüstungsindustrie ist nur eine von zahlreichen Beispielen zum Bereich Business Ethics in den 1980er Jahren, der in diesem Jahrzehnt zu einem beherrschenden Thema in der Wirtschaft wurde.20 Die Entwicklung führte zur Etablierung von business codes, ethic codes und ähnlichen Instrumenten. Bis Ende der 1980er Jahre hatten zahlreiche Unternehmen irgendeine Art dieser Codes für ihr Unternehmen erstellt.21 Von Ausnahmen abgesehen waren sie jedoch noch ____________ 14 Das Problem des Insiderhandels wurde schon in den Jahren zuvor offenbar und stellte einen Schwerpunkt in der Arbeit der SEC dar, vgl. Walsh, 1997 Colum. Bus. L. Rev. (1997), S. 165 (206 ff.); siehe auch Mann, 25 Hastings L. J. (1973-74), S. 355 ff., der bereits in den 1970er Jahren präventive Programme im Bereich des Insiderhandels vorschlug. 15 Vgl. dazu unten S. 290. 16 Vgl. die Nachweise in Anm. 13. 17 Vgl. 48 C.F.R. §§ 203.7000, 203.7001, 209.406-1 (2005). 18 Vgl. 48 C.F.R. § 203.7001 (2005), der bspw. die Festlegung schriftlicher Standards, die regelmäßige Überprüfung, eine Meldestelle (Hotline) für Vorfälle, Audits, Disziplinarmaßnahmen bei Verstößen sowie eine Kooperation mit den Behörden bei Vorfällen nennt. 19 Vgl. die Webseite der Initiative (); siehe auch Kaplan/MurphyYuseph, Compliance, Kap. 19. 20 Vgl. Pitt/Groskaufmanis, 78 Geo. L. J. (1989-90), S. 1559 (1598 ff.); siehe auch Clinard, Corporate Ethics, S. 35 ff. 21 Vgl. die bei Pitt/Groskaufmanis, 78 Geo. L. J. (1989-90), S. 1559 (1602) vorgestellten Studien, nach denen über 90 % der Unternehmen corporate codes hatten. Siehe auch die Einschätzungen bei Baker, 89 Cornell L. Rev. (2003-04), S. 310 (314); Linklater/ McElyea, RIW 1994, S. 117 (118) sowie zu Beginn der 1980er Jahre bei Fisse, S. Cal. L. Rev. (1982-83), S. 1141 (1160 f.); White/Montgomery, 23 Cal. Mgmt. Rev. (1980), S. 80 ff.
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weit von den Standards eines umfassenderen Compliance-Programms entfernt, da sie im Wesentlichen nur aus schriftlichen Vorgaben bestanden, die an die Mitarbeiter verteilt wurden und auf deren Einhaltung hingewiesen wurde.22 Insoweit verwundert es auch kaum, dass die Codes heftig umstritten waren und vielfach nur als Kundgabe einer Firmenpolitik ohne messbaren positiven Effekt auf die Rechtseinhaltung im Unternehmen galten, die in Wirklichkeit oftmals nicht im Unternehmen eingehalten wurde.23 Offenbar scheuten viele Unternehmen die (kostspielige) Investition in ein umfangreiches Compliance-Programm; denn gesichert war an sich nur, dass für Unternehmen Kosten entstanden, nicht dagegen, dass der Aufwand beispielsweise in einem Schadensersatz- oder Strafprozess honoriert würde.24 Die vorbeschriebene Entwicklung zeigt, dass Compliance-Bemühungen vielfach das direkte Resultat von Wirtschaftsskandalen waren.25 Die Maßnahmen zielten darauf, die Normeinhaltung zu stärken und dadurch Straftaten zu vermeiden. Ganz überwiegend wurde dabei zunächst auf freiwillige Regelungen durch die Unternehmen gesetzt.26 Nur in Einzelfällen wurden Compliance-Programme von den Behörden zur Auflage gemacht.27 Die staatliche Vorgabe einer bestimmten Corporate Social Responsibility stand nicht im Vordergrund.28 Erst mit dem Foreign Corrupt Practices Act 1977 und dem Insider Trading and Securities Fraud Enforcement Act 1988 fand ab Ende der 1970er Jahre eine verstärkte gesetzgeberische Berücksichtigung dieses Aspekts statt. ___________ 22 Vgl. Center for Business Ethics, 5 J. Bus. Ethics (1986), S. 85 ff. sowie eingehend die Untersuchung des Ethics Resource Center & Behavior Research Center, Ethics Policies and Programs in American Business (1990), S. 1 ff. Siehe auch Pitt/Groskaufmanis, 78 Geo. L. J. (1989-90), S. 1559 (1603 ff.; 1631 ff.), deren Auswertung und Einschätzung der vorgestellten Studien wie alle Aussagen über diese Zeit an einem Mangel an ausreichenden Daten leidet. Ein Indiz für die Unzulänglichkeit der Programme kann man darin sehen, dass solche Codes praktisch keinen Niederschlag in der Rechtsprechung gefunden haben (vgl. zum Stand Ende der 1980er Jahre Pitt/Groskaufmanis, a.a.O., S. 1605 ff.). 23 Vgl. bspw. Spence, Justice, S. 277, der insoweit auch keine Verbesserung zu der bereits von Sutherland, White Collar Crime, S. 220 in den 1940er Jahren festgestellten Situation sehen konnte. 24 Pitt/Groskaufmanis, 78 Geo. L. J. (1989-90), S. 1559 (1634); vgl. auch Sigler/ Murphy, Interactive Corporate Compliance, S. 69 ff. 25 Vgl. Linklater/McElyea, RIW 1994, S. 117 (118); Pitt/Groskaufmanis, 78 Geo. L. J. (1989-90), S. 1559 (1574); Spence, Justice, S. 199 ff.; Walsh/Pyrich, 47 Rutgers L. Rev. (1994-95), S. 605 (655 ff.). 26 Vgl. z.B. zur Situation im Wertpapierhandel zu Beginn der 1970er Jahre Mann, 25 Hastings L. J. (1973-74), S. 315 ff. 27 So wurde Merrill Lynch 1968 von der SEC verpflichtet, sogenannte Chinese Walls zur Bekämpfung von Insiderinformationen zu errichten, vgl. Merrill Lynch, Pierce, Fenner & Smith, Inc., Securities Exchange Act Release No. 34-8459 (1968). Ebenso verpflichtete die SEC im Jahr 1988 das Wertpapierhandelsunternehmen Drexel Burnham Lambert zu einer umfangreichen Erneuerung des zuvor unzureichenden Compliance-Programms des Unternehmens, vgl. Pitt/Groskaufmanis, 78 Geo. L. J. (1989-90), S. 1559 (1596 ff.). 28 Elkins, 65 Ky. L. J. (1976-77), S. 73 (77).
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Somit waren zwar erste Anfänge für die Errichtung von Compliance-Programmen gelegt, es fehlte jedoch eine allgemeine und umfassende Regelung der Fragestellung. Auch bestand noch kein direkter Bezug zum Strafrecht. Aufgrund dieses fragmentarischen und vielfach für unzureichend erachteten Zustands war es nicht verwunderlich, dass zu Beginn der 1980er Jahre die (öffentliche) Diskussion um die sanktionsrechtliche Kontrolle von Unternehmen einen ersten Höhepunkt erreichte.29 Dabei wurden die Forderung nach einer strafrechtlichen Kontrolle und die Berücksichtigung der internen Strukturen in der Strafverfolgung immer wieder thematisiert.30 Mit der 1984 angestoßenen Reform der Strafzumessung bot sich dann die Gelegenheit, den Ansatz der Compliance-Programme im Rahmen einer strafrechtlichen Lösung zu berücksichtigen. Natürlich war der Umfang der strafrechtlichen Lösung dabei auf die Strafzumessung begrenzt. Mit den Strafzumessungsrichtlinien von 1991 sind Compliance-Programme im Unternehmen ein wesentlicher Baustein zur Vermeidung einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit geworden.31 In der Folge hat sich die Diskussion um die Erstellung von Compliance-Programmen vom Strafzumessungskontext gelöst und verselbstständigt.32 Mit den großen Skandalen um die Jahrtausendwende rückte die Kontrolle von Unternehmen durch den Einsatz von Compliance-Programmen noch stärker in den Blickpunkt.33 Die Berücksichtigung von Compliance ist seitdem ein zentrales Thema in der Strafverfolgung wie auch bei anderen Bundesbehörden geworden.34 Nach wie vor ist Compliance vor allem auf Bundesebene von Bedeutung, der Ansatz findet jedoch auch zunehmend Eingang in die Gesetzgebung der Bundesstaaten.35 B. Compliance außerhalb des Unternehmensstrafrechts Der Compliance-Ansatz hat im Unternehmensstrafrecht eine besondere Stellung erlangt, sein Anwendungsbereich ist jedoch bei weitem nicht auf diesen Bereich ____________ 29 Vgl. Cullen et al., Corporate Crime, S. 1 ff.; Frank/Lombness, Corporate Illegality, S. 121 ff. 30 Vgl. etwa Coffee, 1 N. Ill. U. L. Rev. (1980-81), S. 3 ff.; Elkins, 65 Ky. L. J. (197677), S. 73 ff.; siehe auch Bennett, 65 N. Y. U. L. Rev. (1990), S. 871 (878 ff.); Cullen, Corporate Crime, S. 1 ff. 31 Siehe oben S. 214 ff. 32 Siehe unten unter B. 33 Vgl. Brickey, 8 Buff. Crim. L. Rev. (2004-05), S. 221 (225 ff.); Note, 116 Harv. L. Rev. (2002-03), S. 2123 (2124); Oesterle, 1 Ohio St. J. Crim. L. (2003-04) S. 443 (445); Walsh/Pyrich, 47 Rutgers L. Rev. (1994-95), S. 605 (651 ff.). 34 Vgl. zu Compliance-Auflagen zahlreicher Bundesbehörden bis Ende der 1990er Jahre Brown, 26 Del. J. Corp. L. (2001), S. 1 (113 ff.). 35 Z.B. wurde in Kalifornien ein Gesetz verabschiedet, das von der pharmazeutischen Industrie umfangreiche Compliance-Programme verlangt, vgl. Kaplan et al., Compliance, § 22:29.
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beschränkt geblieben.36 Im Folgenden soll daher ein Überblick über den derzeitigen Stand gegeben werden, der im Rahmen dieser Arbeit weder in Details gehen kann noch den Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. I. Strafzumessung bei natürlichen Personen Vorgaben für Compliance-Programme richten sich an die Unternehmen selbst. Die Compliance-Programme innerhalb des Unternehmens betreffen dagegen die im Unternehmen beschäftigten Personen. Insoweit ist die Frage naheliegend, wie sich das Vorhandensein bzw. die Abwesenheit eines Compliance-Programms auswirkt. Im Gegensatz zu den Strafzumessungsrichtlinien für Unternehmen werden Compliance-Programme bei den Richtlinien für natürliche Personen nicht erwähnt. Mit dem Booker-Urteil können die Gerichte Compliance-Programme aber als einen Aspekt der Strafzumessung auf Grundlage von 18 U.S.C. § 3553 (a) auch bei natürlichen Personen heranziehen. Beispielsweise wurde im Verfahren Caputo im Jahr 2006 die mangelhafte Umsetzung eines Compliance-Programms bei zwei Geschäftsführern als strafschärfender Umstand berücksichtigt.37 II. Gesetzliche Berücksichtigung Der Ansatz der Compliance-Programme findet sich in zahlreichen Gesetzen wieder, wenn auch der Begriff „Compliance“ nur selten verwendet wird. Zudem unterscheiden sich die gesetzlichen Konzeptionen deutlich hinsichtlich dessen, was unter dem Begriff zu verstehen ist. Teilweise ist die Errichtung eines Compliance-Programms als solches unmittelbar vorgeschrieben. Beispielsweise sieht der Foreign Corrupt Practices Act 1977 vor, dass die Bekämpfung von Korruption im Ausland durch interne Kontrollmechanismen sichergestellt wird.38 Im Korruptionsverfahren gegen Siemens stützte sich der Hauptvorwurf der Anklage seitens der Staatsanwaltschaft auf die unzureichende Schaffung derartiger Kontrollmecha____________ 36 Vgl. im Überblick etwa Abikoff, Corporate Governance, Kap. 5; Corporate Compliance Committee, 60 Bus. Law (2004-05), S. 1759 ff.; Fiorelli, 39 Wake Forest L. Rev. (2004), S. 565 (571 ff.); Gruner, Corporate Criminal Liability, § 14.01 [6], [7]; Kaplan/ Murphy, Compliance, Kap. 24; Walker, 1731 PLI/Corp. 15. 37 Einer der beiden Angeklagten war sogar der verantwortliche Chief Compliance Officer, vgl. U.S. v. Ross A. Caputo et al., 459 F.Supp.2d 970 (N.D. Ill. 2006). 38 15 U.S.C. § 78m (b) (2) (B). Zu den Maßnahmen gehört, dass Transaktionen nur mit Autorisierung der Führungsebene vorgenommen werden, ebenso wie der beschränkte Zugang zu Geldmitteln, die Führung von Aufzeichnungen und die regelmäßige Kontrolle, ob die Aufzeichnungen mit den tatsächlichen Geldmitteln übereinstimmen. Siehe dazu Cohen/Holland, CCZ 2008, 7 ff.; Wray/Hur, 43 Am. Crim. L. Rev. (2006), S. 1095 (1161 ff.); Witten et al., 64 Bus. Law. (2009), S. 691 (701 ff.). Zur Erstellung eines auf den FCPA zugeschnittenen Compliance-Programms siehe dies., 64 Bus. Law. (2009), S. 691 (723 ff.). Zur Konkretisierung der Vorgaben des FCPA durch Bundesbehörden siehe unten S. 303.
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nismen durch ein Compliance-Programm und die bewusste Umgehung vorhandener Kontrollmechanismen im Konzern.39 Das Beispiel zeigt, dass die Durchsetzung des FCPA inzwischen einen hohen Stellenwert in der Arbeit des Department of Justice eingenommen hat.40 In ähnlicher Weise wie der FCPA verlangt der Insider Trading and Securities Fraud Enforcement Act 1988, dass Unternehmen, die Wertpapierhandel betreiben, Maßnahmen in Form eines code of conduct gegen Insiderhandel durch den Schutz nicht öffentlicher Information treffen müssen.41 Eine Haftung des Unternehmens für Insiderverstöße tritt nur dann ein, wenn das Compliance-Programm nicht oder fehlerhaft errichtet worden ist und dadurch den Insiderverstoß ermöglicht hat.42 Diese Art der Entlastungsmöglichkeit durch ein Compliance-Programm findet sich auch in anderen Gesetzen. Beispielsweise enthält der Securities Exchange Act von 1934 die Regelung, dass ein Unternehmen für Verstöße gegen das Gesetz durch Mitarbeiter einzustehen hat.43 Die zivil- und verwaltungsrechtliche Haftung lässt sich durch den Nachweis ordnungsgemäßen Handelns entkräften (good faith defense); ein solcher Nachweis wird beispielsweise durch ein ComplianceProgramm erbracht.44 Das Gesetz enthält zudem eine Vorschrift der Aufsichtspflichtverletzung, die ein verwaltungsrechtliches Einschreiten gegen das Unternehmen ermöglicht.45 Auch hier kann die Haftung durch entsprechende Maßnahmen wie ein Compliance-Programm ausgeschlossen werden.46 ____________ Vgl. die Anklage gegen Siemens, oben § 1, Anm. 10. In den Jahren 2006–2008 wurden mehr Verfahren eingeleitet als in den gesamten 28 Jahren der Existenz des FCPA zuvor, vgl. Witten et al., 64 Bus. Law. (2009), S. 691 (692). 41 Vgl. Pub. L. 100-704, 102 Stat. 4677 (1988) kodifiziert u.a. in 15 U.S.C. § 78o(f) (Vorgaben für Makler); 15 U.S.C. § 80b-4a (Vorgaben für Investmentberater). Das Gesetz verlangt die Errichtung, Unterhaltung und Durchsetzung eines schriftlich festgelegten Programms, um den Missbrauch wichtiger, nicht öffentlicher Informationen zu vermeiden. Siehe Huff, 96 Colum. L. Rev. (1996), S. 1252 (1271); Pitt/Groskaufmanis, 78 Geo. L. J. (1989-90), S. 1559 (1591 f.); Walsh, 1997 Columb. Bus. L. Rev. (1997), S. 165 (213 ff.). 42 Vgl. 15 U.S.C. § 78u-1 (b) (1) (B). 43 15 U.S.C. § 78t (a). 44 Vgl. Gruner, Corporate Criminal Liablility, § 6.03; Huff, 96 Colum. L. Rev. (1996), S. 1252 (1271); Pitt/Groskaufmanis, 78 Geo. L. J. (1989-90), S. 1559 (1614 ff.). 45 § 15 (b) (4) (E) SEA. 46 Vgl. § 15 (b) (4) (E) SEA a.E.: “For the purposes of this subparagraph (E) no person shall be deemed to have failed reasonably to supervise any other person, if (i) there have been established procedures, and a system for applying such procedures, which would reasonably be expected to prevent and detect, insofar as practicable, any such violation by such other person, and (ii) such person has reasonably discharged the duties and obligations incumbent upon him by reason of such procedures and system without reasonable cause to believe that such procedures and system were not being complied with.”; siehe dazu Langevoort, 2002 Colum. Bus. L. Rev. (2002), S. 71 (78 f.); Walsh, 1997 Colum. Bus. L. Rev. (1997), S. 165 (174 ff.). 39
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Im Jahr 2001 wurde im USA Patriot Act gesetzlich festgelegt, dass bestimmte Unternehmen Compliance-Programme zu implementieren haben.47 Das Gesetz, das den Begriff „Compliance“ auch explizit verwendet, sieht vor, dass Finanzinstitutionen Compliance-Programme zur Bekämpfung der Geldwäsche schaffen müssen.48 Der Begriff der Finanzinstitutionen ist sehr weit gefasst und reicht von Banken bis zu Autohändlern.49 Die Regelung schreibt vor, welche Grundbestandteile ein Compliance-Programm erfüllen muss.50 Diese Vorgaben wurden durch detailliertere Regelungen der Bundesbehörden ergänzt.51 Das wichtigste Gesetz der letzten Jahre im Bereich der Corporate Governance ist der Sarbanes-Oxley Act von 2002.52 Das Gesetz hat dabei auch Einfluss auf die Reform der Strafzumessungsrichtlinien genommen.53 Im Bereich Compliance hat der SOA dazu geführt, einige Teilbereiche zu klären und diese auch gesetzlich festzuschreiben, ohne allerdings die Terminologie der Strafzumessungsrichtlinien aufzunehmen. Beispielsweise sieht § 406 SOA die Verpflichtung für Unternehmen vor, einen code of ethics zu entwerfen, der für leitende Angestellte im Finanzbereich gilt, oder in einer Erklärung darzulegen, warum ein solcher Code nicht erstellt wurde. Der Kodex soll Standards zu rechtmäßigem und ethischem Verhalten festlegen, die Veröffentlichung regelmäßiger Berichte über die Lage des Unternehmens festschreiben und die Einhaltung (compliance) von rechtlichen Regelungen sicherstellen.54 Darüber hinaus besteht die Verpflichtung zur Einrichtung eines Audit Committees (§ 301 SOA), das Teil einer internen Überwachungskette ist.55 Zur regelmäßigen Kontrolle zu zählen ist auch der jährlich anzufertigende interne Kontrollbericht, der in den Geschäftsbericht aufzunehmen ist (§ 404 SOA). Der SOA zielt auch in besonderem Maße darauf ab, Anzeigen im Unternehmen anonym durch eine Hotline zu ermöglichen (Whistleblower-Hotline, § 301 SOA).56 Als besonderes Merkmal des SOA ist die strafrechtliche Absicherung einzelner ComplianceElemente hervorzuheben.57 Hierzu zählen beispielsweise der Straftatbestand der ____________ 47 Uniting and Strengthening America by Providing Appropriate Tools Required to Intercept and Obstruct Terrorism Act, Pub. L. No. 107-56 (12.10.2001). 48 Vgl. § 352 (a) USA Patriot Act, z.T. kodifiziert in 31 U.S.C. § 5318. 49 Vgl. 31 U.S.C. § 5312 (a) (2). 50 Vgl. 31 U.S.C. § 5318 (h) (1): Entwicklung interner Vorgaben, Abläufe und Kontrollen, Benennung eines Compliance-Officer, Mitarbeiterschulungen, unabhängiges Audit. 51 Vgl. unten S. 301. 52 Vgl. bereits oben S. 79 f. 53 Vgl. oben S. 145. 54 Vgl. § 406 (c) SOA 55 Karmel, 30 Del. J. Corp. L. (2005), S. 79 (108 ff.) 56 Vgl. dazu Dworkin, 105 Mich. L. Rev. (2006-07), S. 1757 (1759 ff.) auch im Vergleich zu bestehenden Whistleblower-Vorschriften. 57 Siehe dazu auch unten S. 314 f.
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Entlassung eines Whistleblowers (§ 1107 SOA) oder die falsche Bestätigung der Richtigkeit des Jahresabschlusses (§ 906 SOA, sog. Bilanzeid). Zusammenfassend lässt sich zur gesetzlichen Lage festhalten, dass kein Gesamtsystem in Bezug auf Compliance-Programme besteht, sondern sektor- oder sachspezifische Einzelregelungen getroffen wurden. Die legislativen Vorgaben bestehen zum einen darin, vollständige Compliance-Programme oder auch nur einzelne Elemente vorzuschreiben. Zum anderen wird dadurch ermöglicht, ComplianceProgramme als Verteidigungseinrede geltend zu machen und so eine Haftung zu vermeiden. III. Zivilrechtliche Haftung Im amerikanischen Recht besteht ein ausdifferenziertes System der zivilrechtlichen vertraglichen wie außervertraglichen Haftung. Das Haftungssystem ermöglicht eine weitreichende Kompensation im Fall von Rechtsverletzungen und eingetretenen Schäden. Dabei bestehen im Vergleich zum deutschen Recht zahlreiche Besonderheiten, die eine Rechtsdurchsetzung vor allem von privater Seite erleichtern oder besonders attraktiv machen. Hier sei nur auf die Möglichkeit von Sammelklagen (class actions)58 und die Erlangung von über den erlittenen Schaden hinausgehender Kompensation (punitive damages),59 insbesondere in der gesetzlich vorgesehenen Form der dreifachen Erhöhung (treble damages),60 hingewiesen. Im Rahmen der zivilrechtlichen Haftung können Compliance-Programme mehrfach relevant werden. Dies betrifft vor allem die deliktsrechtliche Haftung, die an die Vernachlässigung von Sorgfaltspflichten anknüpft. Hier stellt sich die Frage einer Haftungsvermeidung durch Compliance-Programme oder die Haftung in Fällen fehlender Compliance-Programme. Weitgehend unbekannt ist bislang die Möglichkeit, einem Schädiger als haftungsrechtliche Sanktion die Erstellung eines Compliance-Programms aufzuerlegen.61 Das Deliktsrecht erkennt eine vicarious liability-Haftung des Unternehmens für seine Angestellten an.62 Wenn ein Angestellter ein Delikt begeht, stellt sich ebenso wie im Strafrecht dabei die Frage, inwieweit ein Compliance-Programm den Zu____________ Vgl. Ebbing, ZVglRWiss 103 (2004), 31 ff. Vgl. Blatt/Hammesfahr/Nugen, Punitive Damages, § 1. Siehe auch Bentert, Element, S. 43 ff.; Brockmeier, Punitive damages, S. 3 ff.; Mörsdorf-Schulte, Punitive Damages, S. 60 ff. Zu den unterschiedlichen Haftungsmaßstäben zwischen punitive damages und Strafrecht auf Ebene des Bundes wie auch der Bundesstaaten siehe Green, 87 Neb. L. Rev. (2008-09), S. 197 ff. 60 So sieht bspw. der RICO-Act in 18 U.S.C. § 1964 (c) eine derartige Erhöhung vor. 61 Vgl. z.B. zum Vorschlag, anstatt punitive damages die Implementierung eines Compliance-Programms vorzuschreiben, Foster/Poe/Braswell, 49 S. C. L. Rev. (1997-98), S. 247 ff. 62 Vgl. dazu bereits oben S. 66. 58 59
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rechnungszusammenhang unterbrechen oder zu einer Entlastung des Unternehmens führen kann. Ähnlich der strafrechtlichen Rechtsprechung sind die Zivilgerichte bislang grundsätzlich aber eher zurückhaltend, eine Entlastung durch ComplianceProgramme anzuerkennen.63 Eine Ausnahme macht die Rechtsprechung allerdings bei Schadensersatzklagen wegen sexueller Belästigung oder wegen Diskriminierung von Frauen beim beruflichen Aufstieg, bei denen sie Compliance-Programme als Verteidigungsmittel anerkennt.64 Ende der 1990er Jahre hat der U.S. Supreme Court geurteilt, dass ein Arbeitgeber sich gegen Diskriminierungs- und Belästigungsklagen damit verteidigen kann, dass er ausreichende Vorkehrungen gegen solche Vorfälle geschaffen hat (good faith defense).65 Die Vorgaben für solch ausreichende Vorkehrungen entsprechen im Wesentlichen denen, die die Strafzumessungsrichtlinien für ein Compliance- und Ethikprogramm vorsehen.66 Somit ist auch im Zivilrecht Voraussetzung, dass es sich um ein effektives Programm und nicht nur um einen Papiertiger handelt. Die Rechtsprechung ist insoweit bemerkenswert, als sie für die gleiche Zurechnungsfigur (vicarious liability) im Zivilrecht eine Verteidigungseinrede anerkennt, die sie im Strafrecht bislang nicht zugelassen hat.67 Die größte Bedeutung kommt Compliance-Programmen jedoch im Bereich einer Haftung wegen Pflichtverletzungen zu. Dies kann zum einen den für ein Unternehmen handelnden Rechtsanwalt (als general counsel) betreffen. Hier wird angenommen, dass die fehlende Etablierung eines Compliance-Programms in einem Unternehmen inzwischen eine berufliche Pflichtverletzung darstellt.68 Diese Fallkonstellation ist – soweit ersichtlich – aber noch nicht in der obergerichtlichen Rechtsprechung entschieden worden.
____________ Kaplan/Murphy, Compliance, § 24:3; Keeton, Torts, § 70. Vgl. dazu im Überblick Corporate Compliance Committee, 60 Bus. Law (2004-05), S. 1759 (1790 ff.); Fatino, 51 Drake L. Rev. (2002-03), S. 81 (97 ff.); Gruner, Corporate Criminal Liability, § 14.03 [4] [a]; Perry/Dakin, Compliance, § 20:8; Weissmann, 44 Am. Crim. L. Rev. (2007), S. 1319 (1330 ff.); Weissman/Newman, 82 Ind. L. J. (2007), S. 411 (433 ff.). 65 Vgl. zur sexuellen Belästigung Burlington Industries, Inc. v. Ellerth, 524 U.S. 742 (1998); Faragher v. City of Boca Raton, 524 U.S. 775 (1998); wegen Diskriminierung Kolstad v. American Dental Ass’n, 527 U.S. 526 (1999). 66 Siehe Gruner, Corporate Criminal Liability, § 14.03 [4] [a]; Kaplan/Murphy, Compliance, §§ 24:15–24.17. 67 Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass die Rechtsprechung langfristig einen Gleichlauf herstellen wird. Vgl. Podgor, 44 Am. Crim. L. Rev. (2007), S. 1537 (1542) und Weissmann, 44 Am. Crim. L. Rev. (2007), S. 1319 (1330 ff.) bzw. Weissman/Newman, 82 Ind. L. J. (2007), S. 411 (440 f.), die für eine Übertragung der zivilrechtlichen Lage ins Strafrecht plädieren. 68 Bowers et al., Compliance, S. 17; Nunes, 27 Ariz. St. L. J. (1995), S. 1039 (1051); vgl. auch USSC, Report, S. 29. 63
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Bereits praxisrelevant ist dagegen der Fall der Haftung eines directors69 als Leiter eines Unternehmens, wenn er seiner Aufsichtspflicht nicht ausreichend nachkommt. Im Grundsatz ist er frei in seinen unternehmerischen Entscheidungen. Diese Freiheit wird durch die aus dem common law stammende business judgment rule anerkannt und ist weitgehend nicht justiziabel. Eingeschränkt wird die Freiheit jedoch dadurch, dass den director eine Pflicht trifft, alle unternehmerischen Entscheidungen auf einer sorgfältig geprüften Grundlage zu treffen (duty of care).70 Verletzt er diese Pflicht, macht er sich haftbar (vor allem gegenüber den Anteilseignern des Unternehmens). Lange Zeit wurde ihm allerdings seitens der Rechtsprechung im Rahmen der business judgment rule ein äußerst weites Ermessen zugebilligt, sodass die Haftung zunächst kein besonders erfolgreiches Mittel zur Bekämpfung von Nachlässigkeiten innerhalb der Unternehmensleitung war.71 Erst seit Mitte der 1980er Jahre hat die Rechtsprechung begonnen, strengere Maßstäbe anzulegen.72 In dieser Zeit wurden auch die Maßstäbe der Corporate Governance verschärft und beispielsweise in den Empfehlungen des American Law Institute zur Corporate Governance vorgesehen, dass die fehlende Implementierung von Compliance-Systemen eine persönliche Haftung der Unternehmensleitung begründet.73 Die endgültige Trendwende in der Rechtsprechung leitete das wegweisende Verfahren In re Caremark vor dem einflussreichen Delaware Court of Chancery des Bundesstaates Delaware ein.74 In diesem Verfahren wurde die Haftung eines directors für die fehlende Schaffung von Compliance-Programmen bejaht. Ein Anteilseigner von Caremark hatte die director des Unternehmens wegen der Verlet____________ 69 Der director, ggf. als Mitglied des Board of Directors, ist im Grundsatz für die Aufsicht und Anleitung des Managements zuständig, das die Tagesgeschäfte eines Unternehmens führt. Das amerikanische System kennt nicht die deutsche aktienrechtliche Trennung zwischen Geschäftsführung und Aufsichtsrat. Der director ist von Aufgaben und Kompetenzen her zwischen Geschäftsführung und Aufsichtsrat anzusiedeln. Vgl. näher zur Grundstruktur der Unternehmensführung Merkt, Gesellschaftsrecht, S. 311 ff. 70 Es lässt sich somit sagen, dass nach der business judgment rule die Sorgfaltspflicht erfüllt wird, wenn bei einer geschäftlichen Entscheidung der director aufgrund ausreichender Informationen und ohne Eigeninteressen im Glauben handelt, dass die Entscheidung im besten Interesse des Unternehmens ist; vgl. Aronson v. Lewis, 473 A.2d 805 (Del. 1984), S. 12; Auerbach v. Bennett, 393 N.E.2d 994 (N.Y. 1979), S. 1000; siehe näher Merkt, Gesellschaftsrecht, S. 426 ff. 71 Vgl. Elson/Gyves, 39 Wake Forest L. Rev. (2004), S. 691 (692 f.). 72 Vgl. zur Entwicklung im Überblick Elson/Gyves, 39 Wake Forest L. Rev. (2004), S. 691 (695 ff.). 73 American Law Institute, Principles of Corporate Governance: Analysis and Recommendations (1994), § 3.02; siehe näher (auch zu anderen Entwicklungen) Brown, 26 Del. J. Corp. L. (2001), S. 1 (32 ff.). 74 In Re Caremark International Inc. Derivative Litigation, 698 A.2d 959 (Del. Ch. 1996). Vgl. dazu Brown, 26 Del. J. Corp. L. (2001), S. 1 ff.; DeMott, 60 Law & Contemp. Probs. (1997), S. 39; Elson/Gyves, 39 Wake Forest L. Rev. (2004), S. 691; Fatino, 51 Drake L. Rev. (2002-03), S. 81 (88 f.); Joseph, 35 Am. Crim. L. Rev. (1997-98), S. 1017 (1033 f.) sowie aus dem deutschen Schrifttum Fleischer, AG 2003, 291 (296 ff.).
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zung ihrer Aufsichts- und Fürsorgepflicht verklagt, da Caremark in Ermangelung ausreichender Vorkehrungen gegen zahlreiche gesetzliche Vorschriften verstoßen hatte. In seinem Urteil entschied das Gericht, dass ein director für die Nichtumsetzung eines adäquaten Informations-, Berichts- und Kontrollsystems innerhalb des Unternehmens haftet.75 Er hat also eine Pflicht, die Gefahr einer Rechtsübertretung im Unternehmen zu minimieren.76 Zur Bestimmung, welches Verhalten dabei den Anforderungen (an due care oder reasonable conduct) entspricht, greift das Gericht auf die Strafzumessungsrichtlinien des Bundes für Unternehmen zurück.77 Das Gericht nimmt dabei explizit Bezug auf die Compliance-Regelungen der Richtlinien, die nach Ansicht des Gerichts den notwendigen Standard an Compliance im Unternehmen beschreiben.78 Das Urteil wurde in der Folge von weiteren Gerichten der Bundesstaaten wie auch von Bundesgerichten bestätigt.79 Die Entscheidung Caremark ist von großer Bedeutung, da sie eine Verpflichtung auf oberster Führungsebene statuiert, wie diese die Strafzumessungsrichtlinien mit ihrem allein anreizorientierten System nicht in gleicher Weise vorsehen.80 IV. Berücksichtigung bei Bundesbehörden Der Compliance-Ansatz hat zudem starken Einfluss auf die Arbeit der Bundesbehörden genommen.81 Die Behörden haben vor allem die Vorgaben der Strafzumessungsrichtlinien aufgenommen und für ihren Bereich modifiziert und weiterentwickelt. ____________ 75 Vgl. Brown, 26 Del. J. Corp. L. (2001), S. 1 (7 ff.); siehe auch Murphy, 87 Iowa Law Review (2002), S. 697 (713 f.). 76 Fatino, 51 Drake L. Rev. (2002-03), S. 81 (88). 77 Durch dieses Urteil wurde der Ansicht entgegengetreten, die die Anforderungen der Richtlinien an ein Compliance-Programm allein als Konstrukt der Kommission und nicht als anzuwendenden optimalen Standard etwa im Zivilrecht ansah, vgl. Parker, 71 Wash. U. L. Q. (1993), S. 397 (419 f., 421 f.). 78 Vgl. In Re Caremark International Inc. Derivative Litigation, 698 A. 2d 959 (Del. Ch. 1996): “The Guidelines offer powerful incentives for corporations today to have in place compliance programs to detect violations of law promptly and to report violations to appropriate public officials when discovered, and to take voluntary remedial efforts. (...) Any rational person attempting in good faith to meet organizational governance responsibility would be bound to take into account this development and the enhanced penalties and opportunities for reduced sanctions.” 79 Vgl. auf Bundesebene Dellastatious v. Williams, 242 F.3d 191 (4th Cir. 2001); McCall v. Scott, 239 F.3d 808 (6th Cir. 2001), und auf Ebene der Bundesstaaten den Delaware Supreme Court in Stone v. Ritter, 911 A.2d 362 (Del. 2006) sowie In Re Walt Disney Co. Derivative Litigation, 906 A.2d 27 (Del. 2006). Siehe näher Abikoff, Corporate Governance, § 6.03; Corporate Compliance Committee, 60 Bus. Law (2004-05), S. 1759 (1789 f.). 80 DeMott, 60 Law & Contemp. Probs. (1997), S. 39 (58). 81 Vgl. dazu im Überblick Corporate Compliance Committee, 60 Bus. Law (2004-05), S. 1759 (1762 ff.); Kaplan/Murphy, Compliance, Kap. 24; USSC, Report, S. 48 f.
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1. Finanzaufsicht durch die Securities and Exchange Commission Die Securities and Exchange Commission (SEC) ist eine unabhängige Bundesbehörde mit Sitz in Washington D.C., die 1934 errichtet wurde und in den letzten Jahren bedeutend gewachsen ist.82 Die Vergrößerung ist zum Großteil auf den Sarbanes-Oxley Act zurückzuführen, der eine deutlich bessere finanzielle Ausstattung der Behörde zur Folge hatte.83 Zentrale Aufgabe der SEC ist, die Einhaltung der Wertpapiergesetze zu überwachen und mit regulatorischen Instrumenten bzw. Sanktionen auch durchzusetzen.84 Die Behörde hat sich in den letzten Jahrzehnten nicht nur auf die reine Überwachung des Wertpapierhandels beschränkt, sondern verstärkt begonnen, Strukturvorgaben für Unternehmen aufzustellen.85 Insoweit befördert die Behörde die Entwicklung der letzten Jahrzehnte, dass das allgemeine Gesellschaftsrecht der Bundesstaaten durch bundesrechtliche Vorgaben überlagert wird. Die SEC kann eine Reihe von zivilrechtlichen (civil) und verwaltungsrechtlichen (administrative) Maßnahmen verhängen, um Verstöße von Unternehmen zu ahnden.86 Dazu hat die SEC umfangreiche Ermittlungsbefugnisse und ist berechtigt, zivilrechtliche Klage vor Bundesgerichten zu erheben.87 Sie hat zudem weitreichende Befugnisse, um einzelne Verfahren durch eine Einigung (gegen Auflagen) beizulegen. Die SEC besitzt selbst keine Möglichkeiten für eine strafrechtliche Verfolgung, allerdings sind die Ermittlungen der Behörde häufig Grundlage für ein Strafverfahren. Insbesondere seit der verbesserten Ausstattung durch den Sarbanes-Oxley Act führt die Behörde vielfach Verfahren parallel zu Strafverfah-
____________ 82 Die Behörde beschäftigte im Jahr 2008 ca. 3.800 Mitarbeiter, während es 2001 noch um die 2.900 waren. Sie wird von fünf Kommissaren geleitet, die vom Präsidenten mit Zustimmung des Senats ernannt werden, vgl. 15 U.S.C. § 78d (a). Vgl. zu näheren Informationen die Webseite der SEC unter . 83 Vgl. bei Brickey, 8 Buff. Crim. L. Rev. (2004-05), S. 221 (251 ff.); Note, 116 Harv. L. Rev. (2002-03), S. 2123 (2130 ff.). Zuvor war die Behörde personell nicht in der Lage gewesen, umfassende Prüfungen von Unternehmen vorzunehmen und so bspw. den Fall Enron frühzeitig aufzudecken, vgl. Kroger, 76 U. Colo. L. Rev. (2005), S. 57 (106 ff., 119). 84 Vgl. section 21 (a) SEA; dazu Abikoff, Corporate Governance, §§ 7, 14; Hazen, Securities Regulation, § 1.1 [4]; siehe auch Rashkover, 89 Cornell L. Rev. (2003-04), S. 535 (537 ff.) sowie Mahnhold, Compliance, S. 64 ff. 85 Abikoff, Corporate Governance, §§ 7.01, 7.02. 86 Civil measures entsprechen teilweise im deutschen Recht ebenfalls verwaltungsrechtlichen Mitteln, da im US-amerikanischen Recht die Trennung zwischen Zivilrecht und Verwaltungsrecht weniger stark ausgeprägt ist. Civil measures (v.a. Schadensersatzklagen) werden im Grundsatz vor dem U.S. Federal District Court verhandelt; administrative measures (z.B. Unterlassungsverfügungen – cease and desist orders) vor dem Administrative Law Judge. Vgl. im Überblick Abikoff, Corporate Governance, §§ 14.03; 14.04. 87 Vgl. zu Ablauf und Kompetenzen näher Abikoff, Corporate Governance, § 14. Krit. zum Umfang der Ermittlungskompetenzen aber Kroger, 76 U. Colo. L. Rev. (2005), S. 57 (128 ff.).
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ren durch.88 Viele dieser Verfahren werden wie die strafrechtlichen auch nicht vor Gericht beendet, sondern durch eine Einigung zwischen den Parteien beigelegt.89 Der Fall Siemens zeigt diese Entwicklung deutlich: Neben der Staatsanwaltschaft hat die SEC ermittelt, wie diese eine Vereinbarung mit Siemens getroffen und die Verhängung einer zivilrechtlichen Sanktion (zusätzlich zu einer Strafe) in die Wege geleitet.90 Vorgaben für Compliance-Programme sind seit geraumer Zeit Bestandteil der durch die SEC vorgenommenen Überwachung des Finanzmarkts. Die Behörde folgt bislang keinem umfassenden Compliance-Ansatz, sondern führt vielfach delikts- oder sektorenbezogene Vorgaben ein. In uneinheitlicher Terminologie wird dabei von Compliance, code of ethics oder auch nur von Programmen gesprochen. So existieren Vorgaben zur Verhinderung und Aufdeckung von Geldwäsche,91 es werden Compliance-Programme für Investmentunternehmen92 und Investmentberater93 vorgeschrieben. Für Investmentberater wurden zudem spezielle Vorgaben für die Erstellung eines code of ethics gemacht.94 Neben diesen spezifischen Vorgaben hat die SEC auch einige allgemeinere Vorgaben erstellt. Die Kommission veröffentlichte im Jahr 2001 einen Bericht, der vorsieht, dass Unternehmen sich in bestimmten Fällen bei Verstößen auf mildernde Umstände berufen können (dass ggf. „leniency“ gewährt wird).95 Anlass des Berichts war ein Verfahren gegen das Unternehmen Seabord Corp., das unmittelbar nach der Aufdeckung von Verstößen umfassende Maßnahmen zur Verhinderung weiterer Vorfälle ergriff und intensiv mit der SEC zusammenarbeitete, sodass die Kommission auf eine Sanktion verzichtete. Der Bericht sollte die bisherige Praxis auf eine verlässlichere Basis stellen, da die Behörde zuvor häufig nur Einzelfall____________ 88 Vgl. Brickey, 8 Buff. Crim. L. Rev. (2004-05), S. 221 (251 ff.); Rashkover, 89 Cornell L. Rev. (2003-04), S. 535 (546 ff.); siehe auch Note, 116 Harv. L. Rev. (2002-03), S. 2123 (2130 ff.). 89 Krit. zu diesem „file and settle“-Ansatz Kroger, 76 U. Colo. L. Rev. (2005), S. 57 (125 ff.). 90 Vgl. zum Fall Siemens oben S. 2 ff. 91 SEC, Anti-Money Laundering Programs for Insurance Companies, 67 Fed. Rg. 60,625/60,628 (26.9.2002), kodifiziert in: 31 C.F.R. pt. 103. 92 Compliance Programs of Investment Companies and Investment Advisors, 68 Fed. Reg. 74,714, 74,724 (24.12.2003), 17 C.F.R. § 270.38a-1 (2003). 93 17 C.F.R. § 275.206 (4)-7 (2003). 94 17 C.F.R. 275.204A-1 (2003). 95 Vgl. SEC, Report of Investigation Pursuant to Section 21(a) of the SEA of 1934 and Commission Statement on the Relationship of Cooperation to Agency Enforcement Decisions, Exchange Release Act No. 34-44,969 (2001-2003 Transfer Binder), Fed. Sec. L. Rep. 74,985 at 63195 (23. Okt. 2001), WL 1301408. Siehe dazu Abikoff, Corporate Governance, §§ 5.02 [4], 7.03; Brickey, 8 Buff. Crim. L. Rev. (2004-05), S. 221 (249 ff.); Kneifel/ Spalcke, Der Syndikus, Juli/Aug. 2004; Wray/Hur, 43 Am. Crim. L. Rev. (2006), S. 1095 (1108 ff.).
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entscheidungen getroffen hatte. Nach dem Bericht ist die Frage, ob ein Verfahren eingeleitet, nur in beschränktem Umfang durchgeführt oder eine geringere Strafe verhängt wird, wesentlich davon abhängig, wie stark „self-policing, self-reporting, remediation and cooperation“ des jeweiligen Unternehmens sind.96 Die Kommission berücksichtigt gleichfalls, inwieweit das Unternehmen zum Zeitpunkt des Verstoßes ein Compliance-Programm etabliert hatte und warum dieses den Verstoß nicht verhindert hat.97 Der Sarbanes-Oxley Act hat nicht nur zum Ausbau der SEC geführt, sondern dieser auch zahlreiche Fragen zur Umsetzung und Konkretisierung überlassen.98 Die SEC erließ gemäß § 406 SOA eine Verordnung, nach der börsennotierte Unternehmen (publicly traded companies) entweder einen code of ethics annehmen und veröffentlichen oder erklären müssen, aus welchen Gründen dies nicht geschieht.99 Die Regelung des § 406 SOA, die sich dem Wortlaut nach nur auf leitende Angestellte im Finanzbereich der Unternehmen bezieht, wird erweiternd auch auf den Chief Executive Officer (CEO) erstreckt. Veröffentlicht werden muss nicht nur der code of ethics selbst, sondern auch jede Änderung sowie Ausnahmen für einzelne Manager.100 Die Veröffentlichung muss im Jahresbericht des Unternehmens erfolgen und im Internet zur Verfügung gestellt werden.101 Der SOA spricht zwar nur von „code of ethics“, aber die SEC interpretiert diesen Begriff sehr weit, sodass er im Wesentlichen ein umfangreicheres ComplianceProgramm erfordert.102 Allerdings verzichtet die SEC auf genaue inhaltliche Vorgaben, sodass den Unternehmen ein relativ weiter Spielraum bleibt, insbesondere in Bezug auf die Informationen, die im Unternehmen erhoben (und letztlich veröffentlicht) werden müssen.103 In der Praxis wird die strenge Veröffentlichungspflicht eher kritisch gesehen, da sie Unternehmen verleiten könne, nur die Minimalanforderungen einzuhalten und damit die Regelung leerlaufen lasse.104 ____________ 96 Vgl. SEC Report (Anm. 95) Abs. 5. Der Bericht ist in 13 Fragen gegliedert, die die (nicht abschließende Liste von) Faktoren beschreiben, die die Kommission in Betracht ziehen wird. 97 Vgl. SEC Report (Anm. 95) Frage 2. 98 Vgl. näher Steinhorn/Lewis, 60 Consumer Fin. L. Q. Rep. (2006), S. 30 ff.; siehe dazu auch Brickey, 8 Buff. Crim. L. Rev. (2004-05), S. 221 (251 ff.) sowie Note, 116 Harv. L. Rev. (2002-03), S. 2123 (2130 ff.). 99 SEC, Disclosure Required by Sections 406 and 407 of the SOA 2002; Exchange Act Release Nos. 33-8177; 43-47235; 68 Fed. Reg. 5110 (31.1.2003), geregelt insbes. in 17 C.F.R. § 229.406 (2003). Siehe dazu Abikoff, Corporate Governance, § 5.04 [1]. 100 17 C.F.R. § 229.406 (d) (2003). 101 17 C.F.R. § 229.406 (c) (2003). 102 17 C.F.R. § 229.406 (b) (2003); siehe auch Abikoff, Corporate Governance, § 5.04 [1]; Karmel, 30 Del. J. Corp. L. (2005), S. 79 (106 f.); Note, 116 Harv. L. Rev. (2002-03), S. 2123 (2132 ff.). 103 Vgl. Note, 116 Harv. L. Rev. (2002-03), S. 2123 (2135 f.). 104 Vgl. zur Kritik m.w.N. Note, 116 Harv. L. Rev. (2002-03), S. 2123 (2140 f.).
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Im Jahr 2006 veröffentlichte die SEC schließlich einen Leitfaden, der vorgab, welche Faktoren bei der Bemessung einer zivilrechtlichen Sanktion berücksichtigt werden.105 Bemerkenswerterweise werden bei diesen Vorgaben Compliance- und Ethikprogramme nicht explizit erwähnt.106 Dagegen wird die Kooperation mit den Ermittlungsbehörden stark betont.107 Im Kern finden sich zahlreiche Elemente wieder, die von den Strafzumessungsrichtlinien übernommen wurden. Im Unterschied zu den Strafzumessungsrichtlinien wird eine Wiedergutmachung als zentraler Milderungsgrund gesehen. Zudem wird ein Schaden, den die Anteilseigner des Unternehmens erleiden, als Grund für eine mildere Strafe erwogen und insoweit die mittelbare Betroffenheit der Eigentümer einbezogen. Als komplettes Novum wurde die Aufdeckungswahrscheinlichkeit aufgenommen. Ein nur schwer zu entdeckender Verstoß hat danach eine höhere Strafe zur Folge. Damit wird ein Aspekt der Diskussion um die „optimal penalties“ aufgegriffen, der sich bei Erstellung der Strafzumessungsrichtlinien nicht durchsetzen konnte.108 2. Kartellbehörden Die zentrale Kartellbehörde ist beim Department of Justice angesiedelt (Antitrust Division). Die Behörde veröffentlicht seit langer Zeit Vorgaben (Antitrust Division Guidelines), die der Vorbeugung und Aufdeckung von Kartellrechtsverstößen dienen sollen. Im August 1993 gab die Antitrust Division erstmals Richtlinien heraus, wonach Unternehmen, die Kartellverstöße vor Kenntnisnahme durch die zuständigen Behörden melden, Straffreiheit gewährt wird (corporate leniency policy).109 Diese Art der Kronzeugenregelung ist zu einem zentralen Bestandteil der Arbeit im Bereich der Ahndung von Kartellrechtsverstößen geworden und hat großen Einfluss auf das Kartellrecht der Europäischen Union sowie von Deutschland genommen.110 Zur Umsetzung im Unternehmen bietet die Antitrust Division zum Teil Mustervorgaben für sogenannte disclosure programs. Die Vorgaben sind zumeist als ___________ 105 SEC, Statement of the Securities and Exchange Commission Concerning Financial Penalties, Release 2006-4 (4. Jan. 2006). 106 Abikoff, Corporate Governance, §§ 5.02 [4], 7.03 [2]. 107 Die Stellungnahme nennt neben der Kooperation weitere sechs Faktoren (Abschreckung, Schaden, Umfang der beteiligten Personen im Unternehmen, Grad des Vorsatzes, Entdeckungswahrscheinlichkeit des Verstoßes, Wiedergutmachungsmaßnahmen). Siehe näher Gruner, Corporate Criminal Liability, § 13.02 [2] 108 Vgl. dazu oben S. 131. 109 Vgl. Antitrust Division, U.S. Department of Justice, U.S. Department of Justice Corporate Leniency Policy (10.8.1993); siehe dazu Gruner, 46 Emory L. J. (1997), S. 1113 (1126 ff.); Wray/Hur, 43 Am. Crim. L. Rev. (2006), S. 1095 (1153 ff.). 110 Vgl. Gruner, Corporate Criminal Liability, § 16.02 [5] [a]; Nanni/Nigro, in: Rakoff et al. (eds.), Sentencing, § 7.01 [5] [c]; Wray/Hur, 43 Am. Crim. L. Rev. (2006), S. 1095 (1153 ff.); näher zur leniency policy siehe Hetzel, Kronzeugenregelungen, S. 37 ff.; Zagrosek, Kronzeugenregelungen, S. 56 ff.
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umfangreiche Programme angelegt, die so als Muster für ein sektorales (auf das Kartellrecht bezogenes) Compliance-Programm dienen können.111 Für den Kartellbereich hat ein Compliance-Programm daher (neben der Funktion, eine Strafmilderung nach den Strafzumessungsrichtlinien zu ermöglichen) zudem die Aufgabe, frühzeitig Verstöße aufzudecken. Denn grundsätzlich kann nur das erste Unternehmen, das ein Kartell meldet, die Kronzeugenregelung in vollem Umfang in Anspruch nehmen. Neben der Antitrust Division ist auch die Federal Trade Commission (FTC) zur Durchsetzung des Kartellrechts auf Bundesebene zuständig, ohne allerdings strafrechtliche Sanktionsmöglichkeiten zu besitzen. Die Behörde fordert beispielsweise von Internet-Unternehmen, dass sie Compliance-Programme zur Sicherstellung des Datenschutzes erstellen.112 Im Rahmen der möglichen zivil- und verwaltungsrechtlichen Sanktionen bezieht die Behörde in ihrer Praxis Compliance-Maßnahmen als Milderungsfaktor ein, der bis hin zur Sanktionsfreiheit führen kann.113 3. Weitere Finanzbehörden Das U.S. Treasury Department hat nach den Vorgaben des USA Patriot Acts114 detaillierte Regelungen für den Erlass von Compliance-Programmen im Bereich der Geldwäsche von Finanzinstitutionen erlassen.115 Das Department verfolgt dabei eine offensive Politik der Umsetzung in den Unternehmen.116 Vielfach wurden für einzelne Bereiche spezielle Vorgaben aufgestellt, z.B. für die Versicherungsbranche.117 Sie enthalten die Mindestvoraussetzungen für ein ComplianceProgramm, die im Wesentlichen den Vorgaben der Strafzumessungsrichtlinien entsprechen. Zentrale Bestandteile sind die Normierung von Regelungen, die Mitarbeitern durch Schulungen etc. vermittelt werden müssen. Zudem sind feste Abläufe zur Gewährleistung rechtmäßigen Handelns einschließlich entsprechender Kontrollstrukturen zu etablieren. Das Unternehmen soll diesbezüglich die Position eines Compliance-Officer schaffen. ____________ Vgl. Saferstein/Chavez, PLI/Corp B0-019S (2002), S. 660 ff. Vgl. Corporate Compliance Committee, 60 Bus. Law (2004-05), S. 1759 (1769). 113 Vgl. die Aussage des Kommissions-Mitglieds bei J. Murphy, 4 Corp. Conduct Quarterly (1996), S. 53. 114 Zum USA Patriot Act siehe bereits oben S. 292. 115 Vgl. die Regelungen auf der Homepage des U.S. Department of the Treasury, Financial Crimes Enforcement Network, . 116 Vgl. die Aussage eines Mitarbeiters bei Baker, 89 Cornell L. Rev. (2003-04), S. 310 (348 f.), die zeigt, dass das Department auch im Grundsatz freiwillige Programme als eher verpflichtend ansieht. 117 U.S. Department of the Treasury, Financial Crimes Enforcement Network, AntiMoney Laundering Programs for Insurance Companies, 67 Fed. Reg. 60625 (26.9.2002). 111
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Neben diesen Maßnahmen besteht eine langjährige Politik mehrerer Finanzbehörden (Federal Financial Institutions Examination Council – FFIEC118) darin, die Bemessung einer zivilrechtlichen Sanktion von bestimmten Faktoren wie einer Kooperation oder dem Vorhandensein von Compliance-Maßnahmen abhängig zu machen.119 Die Kriterien, die der Sanktionsbemessung insgesamt zugrunde gelegt werden, ähneln stark denen der Richtlinien der Staatsanwaltschaft für die Ermittlungen gegen Unternehmen.120 4. Umweltbehörde Die Bundesumweltbehörde (Environmental Protection Agency – EPA) hat schon früh die Einbeziehung von Unternehmen zur Einhaltung von Umweltstandards und zur Vermeidung von Umweltdelikten erwogen.121 Da der Bereich der Umweltdelikte bislang nicht in die Strafzumessungsrichtlinien aufgenommen worden ist, musste die Behörde eigene Standards entwickeln.122 Nachdem sie in Einzelfällen bereits Compliance-Programme als Milderungsfaktor bei der Ahndung von Umweltverstößen berücksichtigt hatte,123 führte sie 1995 nach dem Vorbild der Strafzumessungsrichtlinien eine Verpflichtung der Unternehmen zum Selbst-Audit ein.124 Die Vorgaben wurden im Jahr 2001 überarbeitet.125 Durch die Vornahme des Selbst-Audits kann eine zivilrechtliche Haftung völlig vermieden oder eine Sanktion erheblich vermindert werden. Darüber hinaus spricht die EPA ggf. (gegenüber der Staatsanwaltschaft) die Empfehlung aus, von einem Strafverfahren gegen das Unternehmen abzusehen.126 Als Grund für die Regelungen wird ange____________ 118 Das Council ist eine zwischenbehördliche Institution, der fünf Behörden angehören und das die Politik zwischen diesen Behörden abstimmt und Empfehlungen abgibt. Beteiligt sind: das Board of Governors of the Federal Reserve System (FRB), die Federal Deposit Insurance Corporation (FDIC), die National Credit Union Administration (NCUA), das Office of the Comptroller of the Currency (OCC) und das Office of Thrift Supervision (OTS). Nähere Informationen finden sich unter . 119 Federal Financial Institutions Examination Council, Assessment of Civil Money Penalties, 63 Fed. Reg. 30226-02, 1998 WL 280287 (3.6.1998). 120 Vgl. Wray/Hur, 43 Am. Crim. L. Rev. (2006), S. 1095 (1113 f.). 121 Vgl. zur Entwicklung in den 1980er Jahren Walsh/Pyrich, 47 Rutgers L. Rev. (199495), S. 605 (659 f.). 122 Vgl. die Diskussion in USSC, Corporate Crime, S. 357 ff. sowie oben S. 147 ff. 123 Vgl. Perry/Dakin, Compliance, § 20:3. 124 EPA, Incentives for Self-Policing: Discovery, Disclosure, Correction and Prevention of Violations, 60 Fed. Reg. 66,706 (22.12.1995); vgl. Gruner, 46 Emory L. J. (1997), S. 1113 (1130 f.); Wray/Hur, 43 Am. Crim. L. Rev. (2006), S. 1095 (1119 f.). 125 EPA, Incentives for Self-Policing: Discovery, Disclosure, Correction and Prevention of Violations, 65 Fed. Reg. 19,618 (11.4.2000). Die Richtlinien sind abrufbar auf der Webseite der EPA (). Die Änderungen wurden 1999 vorgestellt, 64 Fed. Reg. 26,745 (17.5.1999). 126 65 Fed. Reg. 19,618 60 Fed. Reg. 66,711. Detaillierte Vorgaben finden sich im Memorandum des Direktors Earl E. Devaney, The Exercise of Investigative Discretion,
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führt, dass die Ressourcen der Exekutive begrenzt seien und ein Maximum an Compliance nur durch aktive Bemühungen seitens der Unternehmen im Rahmen einer Selbstregulierung erreicht werden könne.127 Die EPA stellt umfangreiches Material für Unternehmen zur Verfügung, um Compliance-Programme einschließlich Self-Audits zu erstellen und im Unternehmen umzusetzen.128 Ein Schwerpunkt der letzten Jahre lag dabei auf der Unterstützung bei der Einführung und Bewertung von Umwelt-Management-Systemen, wie sie beispielsweise nach ISO 14001 errichtet werden können. 5. Gesundheitsbehörde Neben der Umweltbehörde setzt auch die nationale Gesundheitsbehörde (Department of Health and Human Services – HHS) einen Schwerpunkt auf die Errichtung von Compliance-Programmen, begrenzt auf den Bereich des Gesundheitswesens. In Anlehnung an die Strafzumessungsrichtlinien für Unternehmen hat die HHS für verschiedene Industriebereiche der Gesundheitsbranche ComplianceVorgaben entworfen (z.B. für Krankenhäuser oder medizinische Labors).129 Die Programme sind dabei detaillierter als die Strafzumessungsrichtlinien und können somit als Muster-Programme für den jeweiligen Bereich angesehen werden. Darüber hinaus trifft die Behörde zum Teil auch Einzelvereinbarungen mit Unternehmen. Die Programme sowie die Offenlegung von Vorfällen wirken sich im Grundsatz mildernd bei der Beurteilung einer möglichen Sanktion aus. 6. Weitere Behörden Über die bereits genannten Behörden hinaus berücksichtigen auch weitere Bundesbehörden Compliance-Programme in verschieden starkem Umfang und in unterschiedlichem Kontext. Zunächst können die Vorgaben der Konkretisierung gesetzlicher Normen dienen. Dies gilt beispielsweise im Bereich des Foreign Corrupt Practices Act 1977.130 Während das Gesetz selbst noch nicht unmittelbar (auch nicht begrifflich) auf Compliance-Programme abstellt, hat das Department of State ____________ (12.1.1994); zur Praxis der Einstellung gegen Auflagen siehe Wray/Hur, 43 Am. Crim. L. Rev. (2006), S. 1095 (1159 f.). 127 65 Fed. Reg. 19,624. 128 Die Materialien sind zumeist über die Webseite der Behörde frei zugänglich (). 129 Vgl. im Einzelnen die Nachweise bei Corporate Compliance Committee, 60 Bus. Law (2004-05), S. 1759 (1763 ff.); Fiorelli, 39 Wake Forest L. Rev. (2004), S. 565 (576 f.); Gruner, Corporate Criminal Liability, § 14.03 [2] [b]; Wray/Hur, 43 Am. Crim. L. Rev. (2006), S. 1095 (1165 ff.) sowie die Webseite der Behörde unter . 130 Vgl. oben S. 290.
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Richtlinien herausgegeben, die Compliance-Programme als zentrales Element zur Erfüllung der Vorgaben des FCPA vorsehen.131 Die Richtlinien lehnen sich hinsichtlich der Programmelemente an die Strafzumessungsrichtlinien an. Zumeist bestehen jedoch nicht wie im Rahmen des FCPA strafrechtlich bewährte gesetzliche Organisationsverpflichtungen, die eine Behörde durch eigene Compliance-Vorgaben konkretisieren könnte. Nichtsdestoweniger setzen viele Behörden darauf, dass Unternehmen auch ohne explizite gesetzliche Verpflichtung freiwillig Compliance-Programme zur Prävention erstellen. Diese Bemühungen werden durch Behörden insoweit unterstützt, als die Behörde Hinweise gibt, welche relevanten Punkte für ein Compliance-Programm in einem bestimmten Tätigkeitsbereich zu beachten sind. Beispielsweise gibt das Department of State Punkte für Compliance-Programme im Bereich der Produktion und des Exports von Waffen vor, um Verstöße gegen gesetzliche Regelungen zu verhindern.132 Andere Behörden geben nicht nur Hinweise, sondern versuchen darüber hinaus, besondere Anreize für die Errichtung eines Compliance-Programms zu setzen. So bezieht etwa die nationale Energiebehörde (Federal Energy Regulatory Commission – FERC) bei der Verhängung zivilrechtlicher Sanktionen wegen Verletzungen von Vorgaben für den Energiebereich ein, inwieweit ein Compliance-Programm vorhanden und effektiv umgesetzt gewesen ist.133 Mit dieser Regelung liegt die Behörde auf der insbesondere von der EPA verfolgten Linie, Compliance-Programme als Milderungsgrund anzuerkennen. Compliance-Programme werden jedoch auch für andere Vergünstigungen herangezogen. So kann ein Compliance-Programm dazu führen, dass Unternehmen einer weniger intensiven Aufsicht unterliegen.134 Beispielsweise hat bei der Behörde für Arbeitssicherheit (Occupational Safety and Health Administration – OSHA) die Etablierung eines Compliance-Programms die Reduzierung der Überwachung zur Folge und kann dadurch dem Unternehmen erhebliche Kosten ersparen.135 Zusätz____________ 131 Department of State, Fighting Global Corruption: Business Risk Management, Department of Justice Publication 10731 (May 2000). Vgl. Huff, 96 Colum. L. Rev. (1996), S. 1252 (1270) Anm. 86. 132 Vgl. Bureau of Political Military Affairs, Office of Defense Trade Controls, Guidelines for DTC Registered Exporters/Manufacturers Compliance Program (abrufbar unter: ). 133 Federal Energy Regulatory Commission, Revised Policy Statement on Enforcement, Docket No. PL08-3-000 (15.5.2008), unter Nr. 57 ff. Dieses ersetzt die vorherige Version, Docket No. PL06-1-000 (20.10.2005). Weitere Compliance-Vorgaben enthält die Ergänzung vom Oktober 2008: Federal Energy Regulatory Commission, Policy Statement on Compliance, Docket No. PL09-1-000 (16.10.2008). 134 Gruner, 46 Emory L. J. (1997), S. 1113 (1131 ff.). 135 Vgl. OSHA, Final Policy Concerning the Occupational Safety and Health Administration’s Treatment of Voluntary Employer Safety and Health Self-Audits, 65 Fed. Reg. 46498 (28.7.2000). Ein ähnlicher Ansatz wurde auch für die SEC diskutiert, wonach ein Compliance-Programm anstelle einer im Abstand von zwei Jahren durchzuführenden Prü-
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lich wird ebenfalls ein aufgrund eines Compliance-Programms aufgespürter Verstoß nicht geahndet, wenn das Unternehmen zeitnah einen legalen Zustand herstellt. Eine wichtige Funktion nehmen Compliance-Programme schließlich im Kontext der Vergabe staatlicher Aufträge ein. Zum einen kann das Vorliegen eines Compliance-Programms Voraussetzung sein, um mit dem Staat Verträge (vor allem über Warenlieferungen) abschließen zu können.136 Zum anderen kann ein Compliance-Programm entscheidenden Einfluss darauf haben, ob nach einer Straftat des Unternehmens dieses von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossen wird bzw. wie lange.137 Diesbezüglich ist das Compliance-Programm dann Verhandlungsmasse für mildernde Umstände. Seit Dezember 2008 ist in Grundzügen geregelt, wie ein Compliance-Programm im Vergaberecht auszusehen hat.138 V. Berücksichtigung bei privaten Institutionen 1. Zulassung zur Börse Neben zahlreichen Bundesbehörden haben auch die privaten Betreiber mehrerer Börsen den Compliance-Ansatz aufgenommen. Dies ist aufgrund der Aufsicht durch die SEC und deren starken Einflusses erklärbar, zumal die Börsen engen Kontakt zur SEC pflegen. Diese überprüft häufig die von den Börsen erstellten Vorgaben und muss ihnen ggf. auch als Aufsichtsbehörde zustimmen.139 Mehrere Börsen verlangen, dass Unternehmen, die an der Börse notiert werden wollen, einen business code nachweisen.140 So fordert die New York Stock Exchange (NYSE) seit 2003 als Zulassungsvoraussetzung einen Code of Business Conduct and Ethics für alle Beschäftigten.141 Die Regelungen sehen konkrete Bei____________ fung nur zu einer alle vier Jahre stattfindenden Überprüfung führen sollte, vgl. Fiorelli, 39 Wake Forest L. Rev. (2004), S. 565 (575 f.). 136 Ab einem Auftragsvolumen von 5 Mio. US-Dollar muss das Unternehmen innerhalb von 90 Tagen ein Compliance-Programm erstellen. Die Regelungen hierzu finden sich in der Federal Acquisition Regulation (FAR), FAR 52.203-13. Vgl. dazu Gruner, 46 Emory L. J. (1997), S. 1113 (1133 f.); Murphy, 87 Iowa Law Review (2002), S. 697 (713); Walker, 1731 PLI/Corp 15 (41 ff.). 137 Vgl. dazu Gruner, Corporate Criminal Liability, § 13.03. 138 Vgl. insbes. FAR 52.203-13 (c). Die Vorgaben stimmen weitgehend mit denen der Strafzumessungsrichtlinien überein. 139 Vgl. SEC, NASD and NYSE Rulemaking: Relating to Corporate Governance, Release No. 34-48745 (4.11.2003), 68 Fed. Reg. 64,154 (12.11.2003); vgl. auch Karmel, 30 Del. J. Corp. L. (2005), S. 79 (121 ff.). 140 Abikoff, Corporate Governance, § 5.04 [2]; Steinhorn/Lewis, 60 Consumer Fin. L. Q. Rep. (2006), S. 30 (32 f.). 141 NYSE, Listed Company Manual, § 303A.10 (Stand: 2009): “Listed companies must adopt and disclose a code of business conduct and ethics for directors, officers and em-
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spiele für den Inhalt des Kodex vor, wie etwa zu Insidergeschäften. Darüber hinaus müssen die Regelungen über das Audit Committee vorsehen, dass das Committee auch das Ziel verfolgt, die Aufsicht des Boards (board oversight) über die Einhaltung rechtlicher Regelungen zu unterstützen.142 Auch die NASDAQ sieht als Zulassungsvoraussetzung vor, dass Unternehmen, einen code of conduct erstellen und im Unternehmen umsetzen, der den Voraussetzungen von § 406 SOA und den diesbezüglich von der SEC aufgestellten Regelungen entspricht.143 Der Kodex soll klare Compliance-Vorgaben und entsprechende Durchsetzungsmechanismen für die Einhaltung solcher Vorgaben enthalten.144 In ähnlicher Weise wie die NASDAQ sieht die American Stock Exchange (AmEx) vor, dass Zulassungsvoraussetzung die Erstellung eines code of conduct and ethics ist.145 Der Inhalt des Kodex soll sich dabei ebenfalls nach § 406 SOA und den Vorgaben der SEC richten. Die Beispiele zeigen, dass der Compliance-Ansatz von privaten Institutionen übernommen wurde, auch wenn die Terminologie uneinheitlich ist. Bemerkenswert an den Regelungen der Börsen ist, dass hier Compliance sehr eng mit Fragen der Corporate Governance verknüpft ist. So werden beispielsweise die vorgenannten Aspekte der NYSE und der AmEx unter dem Kapitel Corporate Governance behandelt. Compliance wird als ein Teilbereich der von einem Unternehmen erwarteten Corporate Governance verstanden. Insoweit verfolgen die Börsen einen umfassenden Ansatz, der den Behörden allein aufgrund der Begrenzung auf ihren Zuständigkeitsbereich oftmals nicht möglich ist. Für die Börsen als private Institutionen stellt es auch kaum ein Problem dar, über die gesetzlichen Vorgaben hinauszugehen.146 Sie können daher schneller Entwicklungen integrieren als dies staatlicherseits möglich ist. Der Einfluss der Regelungen der großen Börsen kann dabei kaum unterschätzt werden, da eine Nichtbefolgung der Vorgaben zur Nichtzulassung oder zum Ausschluss vom Börsenhandel führen kann und somit ein starkes Druckmittel auf die Unternehmen ist. Die Börsen neh____________ ployees, and promptly disclose any waivers of the code for directors or executive officers.” Das Handbuch ist auf der Webseite der Börse zu finden (). 142 Vgl. NYSE, Listed Company Manual, § 303 A.07(c)(i)(A) (Stand: 2009). 143 NASDAQ Rule 5610 (Stand: 2009) (zuvor: Rule 43508 [n]). Die Regelungen finden sich auf der Webseite der Börse (). 144 NASDAQ Interpretative Material IM-5610 Code of Conduct (Stand: 2009) (zuvor: IM-4350-7 Code of Conduct). 145 AmEx, Company Guide, § 807 (Stand: 2009). Der Leitfaden ist abrufbar auf der Webseite der Börse (http://wallstreet.cch.com/AMEX/CompanyGuide/). 146 Vgl. z.B. den umfassenden Ansatz zur Corporate Governance, den die Börsen (in diesem Fall zusammen mit der SEC) gewählt haben: SEC, NASD and NYSE Rulemaking: Relating to Corporate Governance, Release No. 34-48745 (4.11.2003); siehe auch Karmel, 30 Del. J. Corp. L. (2005), S. 79 (121 ff.)
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men dadurch Einfluss auf das Recht der Unternehmensorganisation und den sich entwickelnden Bereich der Compliance-Regelungen.147 2. Empfehlung von Standards etc. Die umfassende Berücksichtigung des Compliance-Ansatzes durch staatliche Behörden hat dazu geführt, dass zahlreiche (nicht staatliche) Institutionen sich mit der Thematik befassen. Beispielhaft genannt werden sollen hier nur die Unternehmen, die sich in zahlreichen Gebieten zusammengeschlossen haben, um Standards zu erarbeiten, Programm-Komponenten festzulegen oder gemeinsame Schulungen für Mitarbeiter durchzuführen. Zu diesen Zusammenschlüssen gehört die bereits erwähnte Initiative der Rüstungsindustrie.148 Ähnlich umfangreiche Aktivitäten entfalten in der Telekommunikationsbranche das „Telecommunications Industry Compliance Practice Forum“,149 in der Finanzbranche das „Committee of Sponsoring Organizations of the Treadway Commission (COSO)“150 und in der Gesundheitsbranche die „Health Care Compliance Association (HCCA)“.151 C. Compliance, Corporate Governance und Regulierung – Die Verzahnung von Unternehmensrecht und Strafrecht Die Bestrafung von Unternehmen und der Aufschwung der ComplianceProgramme sind eng verknüpft mit der allgemeinen Frage der Regulierung von Unternehmen. Die US-amerikanische Rechtslage pendelte dabei im Lauf der Entwicklung zwischen einer weitgehenden Selbstregulierung und strikter staatlicher Regelung. Die bereits skizzierte Entwicklung der Unternehmensstrafbarkeit und des Compliance-Ansatzes wird daher in diesem Kapitel unter dem allgemeinen Gesichtspunkt staatlicher Regulierung betrachtet. Ihren Ausgangspunkt nahm die Entwicklung nach der Unabhängigkeit der Kolonien in einer tief sitzenden Abneigung gegen Unternehmen, da mit diesen vor allem die Vormachtstellung der Briten durch ihre Handelsgesellschaften verbunden war.152 In den Anfangsjahren waren die rechtlichen Hürden zur Gründung von Un____________ 147 Vgl. Roe, 117 Harv. L. Rev. (2003), S. 588 (599 f.), der den Börsen maßgeblichen Einfluss auf die Gestaltung der Unternehmensorganisation zuschreibt; ähnlich Bowers et al., Compliance, S. 44; Thompson, 38 Wake Forest L. Rev. (2003), S. 961 (968 ff.). 148 Vgl. die Webseite der Initiative (). 149 Vgl. dazu Note, 116 Harv. L. Rev. (2002-03), S. 2123 (2124). 150 COSO widmet sich im Schwerpunkt der Betrugsbekämpfung und der Entwicklung von Standards für interne Kontrollen und das Risikomanagement, vgl. die Webseite der Initiative (). 151 Vgl. die Webseite der Initiative (). 152 Hier kann die Boston Tea Party, bei der Bostoner Bürger Ladungen Tee der englischen East India Trading Company in das Hafenbecken warfen, als anschauliches Bei-
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ternehmen derart hoch, dass Unternehmen wirtschaftlich kaum eine Bedeutung hatten.153 Dazu kam, dass die Notwendigkeit für eine bestimmte Rechtsform von Unternehmen in der vorindustriellen Struktur der Anfangsjahre der USA kaum gegeben war.154 Zur Ermöglichung großer öffentlicher Projekte sowie generell zur Finanzierung von Großprojekten im Lauf der stattfindenden Industrialisierung änderte sich bis zum Ende des 19. Jahrhunderts die Lage fast völlig. Die Gründung von Unternehmen war einfach möglich und es wurden ihnen nach und nach fast die gleichen Rechte eingeräumt wie natürlichen Personen. Dementsprechend unterlagen sie vielfach auch den gleichen Pflichten wie natürliche Personen. Es fehlte jedoch an speziell auf Unternehmen zugeschnittenen Pflichten. Dies hatte bis Mitte des 19. Jahrhunderts, teilweise sogar bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts zur Folge, dass die Unternehmen einer weitgehenden Selbstregulierung überlassen wurden. Die Gründung der Großzahl der Unternehmen in dieser Zeit hat sicherlich viel dazu beigetragen, die Idee des freien Unternehmertums (self-made man from rags to riches) als fundamentalen Bestandteil der amerikanischen Wirtschaftsordnung zu etablieren.155 Die Selbstregulierung beförderte (auch) die rücksichtslose Verfolgung rein kapitalorientierter Interessen und ermöglichte eine bis dahin im privaten Bereich kaum bekannte Geld- und Machtakkumulation. Die ersten wesentlichen staatlichen Eingriffe richteten sich daher gegen die Vormachtstellung im Markt und führten zur Entwicklung des Kartellrechts (Sherman Act von 1890).156 Das Kartellrecht richtete Vorgaben unmittelbar an das Unternehmen und ermöglichte zahlreiche staatliche Maßnahmen zur Durchsetzung der Regelungen (bis hin zur Zerschlagung eines Unternehmens). Darüber hinaus wurden erste Grundlagen für ein eigenständiges Wirtschaftsverwaltungsrecht geschaffen, das aber nur für einzelne Rechtsgebiete bestimmte Mindeststandards für den Handel und die Produktion vorschrieb.157 Von diesen partiellen Vorgaben abgesehen wurde jedoch der Ansatz einer weitgehenden Selbstregulierung beibehalten. Wegen der geringen Regelungsdichte wurde die Betätigung der Unternehmen daher allenfalls indirekt durch die Rechtsprechung überprüft und reguliert, indem z.B. Schadensersatz aufgrund einer vicarious liabil____________ spiel für die Abneigung gegen die mit kolonialer Herrschaft verbundene Unternehmensform gelten. 153 Vgl. dazu wie auch zu den nachfolgenden Punkten im Text bereits oben S. 70 ff. 154 Vgl. Sigler/Murphy (eds.), Compliance, S. 4 ff. 155 Vielfach wird daher nicht ganz zutreffend die Selbstregulierung als Ausgangspunkt der Entwicklung amerikanischer Unternehmen angenommen, vgl. z.B. Frank/Lombness, Corporate Illegality, S. 89 ff. 156 Vgl. Sigler/Murphy (eds.), Compliance, S. 14 ff. 157 Als Beginn des Wirtschaftsverwaltungsrechts wird häufig der Interstate Commerce Act von 1887 angesehen, der allerdings nur eine begrenzte Zahl von Vorschriften mit sich brachte. Erst nachfolgende Gesetze wie der Pure Food and Drug Act von 1906 oder der Federal Reserve Act von 1913 führten zu einer deutlichen Verdichtung der Regelungen.
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ity-Haftung oder im Jahr 1909 die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Unternehmens selbst anerkannt wurden. Ein stärkerer Eingriff des Gesetzgebers erfolgte erst wieder nach dem Börsenzusammenbruch 1929, der zu einer umfangreichen Regulierungswelle in den Bereichen des Aktienrechts und des Wertpapierhandels (Securities Act von 1933; Securities Exchange Act von 1934) führte.158 Der grundsätzliche Ansatz der Selbstregulierung wurde aber nicht aufgegeben, die Gesetze schufen nur klarere Eckpunkte in Einzelbereichen.159 Dieser Zustand änderte sich im Lauf der nächsten Jahrzehnte kaum. Damit lässt sich beispielsweise erklären, warum ComplianceProgramme als freiwillige Maßnahmen angesehen wurden und von der Konzeption bis zur Umsetzung als reine Interna des Unternehmens galten. Bis Ende der 1930er Jahre hatte sich somit langsam ein umfangreicheres Wirtschaftsverwaltungsrecht entwickelt, das staatlichen Behörden vermehrt ein regulatives Vorgehen gegen Unternehmen ermöglichte. Bemerkenswerterweise führte der Ausbau des Wirtschaftsverwaltungsrechts nicht zu einer Abschaffung und Reduzierung der strafrechtlichen Regelungen.160 Auch die Strafverfolgung von Unternehmen nahm in dieser Zeit nicht ab, sondern zu.161 Diese Entwicklung mag darin begründet sein, dass die wirtschaftsverwaltungsrechtlichen Vorgaben nie als Gesamtsystem geschaffen wurden und somit eine umfassende Alternative zum Strafrecht hätten darstellen können. Zum anderen sind klare Reaktionen des Gesetzgebers auf (langfristige) Entwicklungen der Rechtsprechung im amerikanischen Recht eher selten zu beobachten. Eine deutliche gesetzgeberische Abkehr von der Einführung der Unternehmensstrafbarkeit durch die Rechtsprechung ist nie erfolgt. Insoweit wurde (wie in vielen anderen Bereichen des amerikanischen Rechts auch) eine nebeneinander verlaufende Entwicklung des Unternehmensstrafrechts und des Wirtschaftsverwaltungsrechts hingenommen. Ein Umschwung in der staatlichen Behandlung von Unternehmen ist in den 1970er und 1980er Jahren zu beobachten. Seitdem ist dort eine verstärkte Tendenz zur staatlichen Regulierung festzustellen.162 Dies mag damit zusammenhängen, dass sich bei zahlreichen Skandalen im Unternehmensumfeld die vormals beste____________ 158 Vgl. Ribstein, 40 Hous. L. Rev. (2003-04), S. 77 (90 ff.); siehe auch Nicklisch, Sarbanes-Oxley Act, S. 22 ff. 159 Vgl. Coffee, 89 Cornell. L. Rev. (2003-04), S. 269 (272 ff.). 160 Dies gilt für das Institut der Unternehmensstrafbarkeit wie für den Bereich der strict liability-Tatbestände gleichermaßen. 161 Vgl. dazu bereits oben S. 76 ff.; siehe auch Clinard, Illegal Corporate Behavior, S. 109 ff.; Orland, 17 Am. Crim. L. Rev. (1979-80), S. 501 (506 ff.). 162 Gegen die zunehmende Regulierung wurde allerdings unter mehreren Präsidentschaften angekämpft (so insbes. während der Ära von Präsident Reagan), ohne dass dies jedoch im Ergebnis zu einer substantiellen Deregulierung geführt hat; vgl. Sigler/ Murphy (eds.), Compliance, S. 31 ff.
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henden Maßnahmen als unzureichend erwiesen hatten.163 Insbesondere im Bereich der Sanktionen waren die gesetzlichen Möglichkeiten eingeschränkt. Die strafrechtlichen Sanktionen bis zur Einführung der Strafzumessungsrichtlinien, die auf Geldstrafen begrenzt waren, sind hierfür ein anschauliches Beispiel. Der Gesetzgeber setzte daher vermehrt auf neue Gesetze (beispielsweise den Foreign Corrupt Practices Act von 1977), die sektorspezifisch detaillierte Vorgaben zu einzuhaltenden Pflichten, Maßnahmen im Unternehmen zur Garantie dieser Pflichten und entsprechende Sanktionen vorsah. Einen deutlichen Impuls erhielt die Entwicklung auch dadurch, dass der Bund (mit Billigung des U.S. Supreme Court) für das ganze Land einheitliche Vorgaben in Bereichen schuf, die bislang den Bundesstaaten überlassen worden waren. Mit dem Foreign Corrupt Practices Act von 1977 nahm der Bund starken Einfluss sowohl auf das Unternehmensrecht als auch auf das Strafrecht: Nicht nur, dass der Bund die Regelungen vorgab, indem er neue Straftaten schuf und gesellschaftsrechtliche Organisationsvorgaben machte, sondern er setzte mit der SEC auch auf eine Bundesbehörde (mit ihrem zivil- und verwaltungsrechtlichen Instrumentarium) zur Durchsetzung der organisatorischen Vorgaben in Unternehmen.164 Die strafrechtliche Verantwortlichkeit ging somit Hand in Hand mit gesellschaftsrechtlichen Vorgaben, verwaltungsrechtlicher Kontrolle und zusätzlich auch der Möglichkeit zivilrechtlicher Haftung.165 Als in den 1980er Jahren die mangelnde Kontrolle von Unternehmen auch ein zentrales Thema der politischen Diskussion geworden war, entstand in der Literatur eine Vielzahl von Reformvorschlägen.166 Gleichzeitig setzte eine verstärkte empirische Forschung ein.167 Zahlreiche Entwürfe liefen darauf hinaus, die weitgehende Selbstregulierung der Unternehmen zugunsten staatlicher Vorgaben in Grundsatzfragen aufzugeben, die die Unternehmen in Eigenregie innerhalb des Unternehmens umzusetzen hätten.168 Im Rahmen der staatlichen Vorgaben wurde dem Strafrecht ein zentraler Platz eingeräumt, da nur mit diesem auch eine effektive soziale Kontrolle erreicht werden könne.169 Neben der Forderung, höhere Strafen einzufüh____________ 163 Vgl. die bspw. die bereits erwähnten Vorfälle (oben S. 285 ff.), die bis Anfang der 1970er Jahre zur Entwicklung von Compliance-Maßnahmen geführt haben, die jedoch noch weitgehend der Freiwilligkeit der Unternehmen überlassen worden sind. 164 Brown, 26 Del. J. Corp. L. (2001), 1 (34 ff.). 165 Vgl. Tigar, 17 Am. J. Crim. L. (1989-90), S. 211 (213 ff.). 166 Z.B. bei Braithwaite, 80 Mich. L. Rev. (1981-82), S. 1466 ff.; Coffee, 79 Mich. L. Rev. (1980-81), 386 ff.; Frank/Lombness, Corporate Illegality, S. 121 ff. sowie bereits Mitte der 1970er Jahre Stone, Law, S. 122 ff. 167 Vgl. Snider, in: Tombs/Whyte (eds.), Crimes, S. 49 (55 ff.). 168 Zu dieser Idee der enforced self-regulation grundlegend Braithwaite, 80 Mich. L. Rev. (1981-82), S. 1466 sowie Ayres/Braithwaite, Regulation, S. 101 ff.; zur Idee der interactive compliance vgl. Sigler/Murphy (eds.), Compliance, S. 169 ff.; siehe auch Frank/ Lombness, Corporate Illegality, S. 127 ff. sowie Reichman, in: Schlegel/Weisburd (eds.), White-Collar Crime, S. 244 ff. 169 Vgl. Gruner, 36 Ariz. L. Rev. (1994), S. 407 (466 f.).
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ren, wurde das Strafrecht auch als Instrument zur Reform der Entscheidungsprozesse im Unternehmen vorgeschlagen.170 Die Zeit für neue Ideen war günstig, da die stark gewachsene Anzahl an Straftatbeständen im Bundesrecht es ohnehin erforderte, die Rolle des Strafrechts neu zu justieren. Die Reform der Strafzumessung ermöglichte die Umsetzung eines neuen Konzepts in die Praxis. Die Strafzumessungsrichtlinien waren naturgemäß formal auf den Bereich der Strafzumessung beschränkt, was jedoch nicht als Hinderungsgrund gesehen wurde, in diese inhaltlich andere Ideen aufzunehmen. Die Strafzumessungsrichtlinien waren insoweit das Transportmittel, das gewählt wurde, nicht weil es genau das passende für alle zu regelnden Fragen war, sondern weil es zu dieser Zeit das einzig zur Verfügung stehende war. Die grundlegendste Neuerung der Richtlinien war, dass sie das Verschulden des Unternehmens berücksichtigten. Die zweite zentrale Neuerung war, dem Ansatz einer regulierten Selbstregulierung allgemeine Gestalt zu geben, indem Compliance-Programme als Milderungsfaktor angesehen wurden. So ließen sich zwei zentrale Gesichtspunkte in der Regulierung von Unternehmen verbinden: zum einem das historisch weit zurückreichende Misstrauen gegenüber korporativer Macht und zum anderen der Vorzug der Selbstregulierung gegenüber einer rein staatlichen Regulierung.171 Mit der Lösung der regulierten Selbstregulierung war es möglich, den Ansatz der Selbstregulierung nicht völlig aufzugeben und die direkte Verpflichtung zur Errichtung von Compliance-Programmen zu vermeiden.172 Der regulative Anteil wurde zudem nicht überbetont, da nur die Eckpunkte der Programme vorgegeben werden, die die Unternehmen mit Substanz füllen müssen.173 Die Verbreitung der Programme soll vor allem durch Vorenthaltung von Vorteilen gesteuert werden. Es ist also ein Ansatz indirekter Steuerung, der zunächst auf die Freiwilligkeit der Unternehmen setzt. Ein verstärkter Umsetzungsdruck wird dadurch erreicht, dass die Errichtung eines Compliance-Programms auch als Sanktion verhängt werden kann und somit das Fehlen eines Programms nicht nur die Strafmilderung entfallen lässt, sondern mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu einer sehr kostspieli___________ 170 Vgl. z.B. Coffee, 79 Mich. L. Rev. (1980-81), S. 386 (448 ff.) mit dem Vorschlag, durch umfangreiche Bewährungsstrafen direkt in die Entscheidungsprozesse der Unternehmen einzugreifen; siehe auch Coffee, 71 B. U. L. Rev. (1991), S. 193 (202 ff.) zur zunehmenden Kriminalisierung zivilrechtlicher Fragen; Cullen et al., Corporate Crime, S. 287 ff. 171 Vgl. Pitt/Groskaufmanis, 78 Geo. L. J. (1989-90), S. 1559 (1574 ff.); Spence, Justice, S. 211. 172 Vgl. Baker, 89 Cornell L. Rev. (2003-04), S. 310 (326, 331); Hess et al., 11 Fordham J. Corp. & Fin. L. (2006), S. 725 (746 ff., 758 ff.); Laufer, 34 Am. Bus. L. J. (1996), S. 157 (161); Oesterle, 1 Ohio St. J. Crim. L. (2003-04) S. 443 (471 ff.); Steer, Organizational Behavior, S. 12. 173 Die Freiheit für die Unternehmen wurde aber auch kritisiert, da es an klaren Vorgaben fehlte, und Aufwand, Kosten sowie das Risiko der richtigen Erstellung auf das Unternehmen übertragen wurden, vgl. Note, 109 Harv. L. Rev. (1995-96), S. 1783 ff.
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gen Strafe in Form der Bewährungsstrafe führt. Der Ansatz verzichtet somit nicht völlig auf Zwangselemente. Die Aufnahme von Compliance-Programmen in die Strafzumessungsrichtlinien zeigte auch, dass sich das Strafrecht für die Integration ursprünglich anderen Rechtsgebieten zugeordneten Elementen geöffnet hat. Denn Compliance-Programme betreffen die interne Unternehmensstruktur und entstammen somit dem dem Gesellschaftsrecht zuzuordnenden Bereich der Corporate Governance.174 Die Frage, ob ein Unternehmen eine gute Struktur vorzuweisen hat (ob es ein good corporate citizen ist), wurde nunmehr explizit in das Strafrecht integriert. Fällt die Antwort negativ aus, dann bietet das Strafrecht die Möglichkeit, durch Bewährungsauflagen in die Struktur eines Unternehmens einzugreifen und eine Reform der Corporate Governance zu erzwingen.175 Die Erzwingung ist dabei in einem Umfang möglich, die so in kaum einem anderen Rechtsgebiet vorzufinden ist. Das Bemerkenswerte an den Compliance-Programmen der Strafzumessungsrichtlinien ist deren grundsätzliche Reichweite. Im Kontext der Richtlinien zielen sie zwar allein auf die Vermeidung und Aufklärung von Straftaten. Um jedoch effektiv zu sein, müssen die Programme weit mehr fordern als allein die Einhaltung der Strafvorschriften. Die Aufnahme des Ethikaspekts im Jahr 2004 macht dies besonders deutlich. Ein Compliance-Programm zielt daher auf die Einhaltung grundsätzlich aller im Unternehmen geltenden Rechtsvorschriften und zusätzlich sogar auf die Einhaltung moralischer Vorgaben, die erst ein optimales Klima zur Rechtseinhaltung schaffen. Probleme sollen innerhalb eines Unternehmens erkannt (und beseitigt werden), bevor sie als krisenhafte Zuspitzung (z.B. als Straftat) größeren gesellschaftlichen Schaden anrichten.176 An diesem Punkt entzündet sich darum auch die Kritik an den Richtlinien, die mit dieser Aufgabenzuweisung eine zu starke Beschneidung der unternehmerischen Freiheit bemängelt.177 Neben den Compliance-Programmen legen die Strafzumessungsrichtlinien einen Schwerpunkt auf eine Kooperation des Unternehmens mit öffentlichen Behörden im Fall von Verstößen im Unternehmen. Auch in diesem Punkt setzen die Richtlinien auf die Freiwilligkeit der Unternehmen, da die Kooperation mit einer Strafmilderung belohnt wird. Mit der Kooperation wurde eine bereits vorhandene Entwicklung aus der Praxis zahlreicher Bundesbehörden (vor allem in Form von disclosure programs) allgemein normiert. Die Erwartungshaltung der Richtlinien macht deutlich, dass zu einem good corporate citizen nicht nur die Errichtung eines Compliance-Programms, sondern auch die Kooperation mit staatlichen Behörden gehört. Grundsätzliche Bedenken an dieser Art „Kooperationsverpflichtung“ wur____________ Laufer, 34 Am. Bus. L. J. (1996), S. 157 (161). Wray, 101 Yale L. J. (1991-92), S. 2017 f. (2035, 2038 f.). 176 Vgl. Goldsmith/King, 50 Vand. L. Rev. (1997), S. 1 (17). 177 Vgl. Parker, 71 Wash. U. L. Q. (1993), S. 397 (420 f.), der die Verwandlung privaten Managements in quasi-bürokratische Strukturen befürchtet. 174 175
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den nicht geäußert. Dies lässt sich wohl mit der verfassungsrechtlichen Lage erklären, da Unternehmen sich nicht auf das Recht berufen können, sich nicht selbst belasten zu müssen, und somit nur der bestehende Zustand de lege lata fortgeführt wurde.178 Insgesamt wird das Strafrecht in den Strafzumessungsrichtlinien durch die Vorgaben für Kooperation und Compliance-Programme in einer zuvor beispiellosen Art und Weise eingesetzt, um Unternehmensstrukturen und das Verhalten von Unternehmen zu beeinflussen.179 Durch diese Beeinflussung sollen Unternehmen staatlichen Stellen bei der Prävention wie auch bei der Strafverfolgung helfen. Sie sind insbesondere verlängerter Arm der Strafverfolgungsbehörden und dienen quasi als Hilfspolizisten, indem sie interne Ermittlungen vornehmen und den staatlichen Institutionen die Ergebnisse bereitstellen.180 Unternehmen sind zu öffentlichen Treuhändern geworden, die die Rechtseinhaltung fördern und die Rechtspflege im Bereich des Wirtschaftslebens teilweise zu übernehmen haben.181 Diese starke Einbindung von Unternehmen in die Durchsetzung des Rechts kann man auch als klare Stellungnahme verstehen, dass Unternehmen per se an das Recht gebunden sind, und damit als klare Absage daran, dass Unternehmen bei ihrer Tätigkeit nicht frei nach monetären Gesichtspunkten wählen können, ob sie den Preis des Rechtsbruches in Kauf nehmen.182 Diese Bindung an das Recht war lange Zeit nicht vollkommen selbstverständlich,183 sodass das American Law Insti____________ 178 Die Bedenken wurden erst Jahre später geäußert, als die Praxis der staatlichen Behörden zeigte, dass die Kooperation nur bedingt „freiwillig“ war, da eine klare Erwartungshaltung seitens der Behörden besteht, dass das Unternehmen kooperiert, und zudem hohe Anforderungen an eine Kooperation (inklusive der Erwartung, auf die wenigen bestehenden verfassungsrechtlichen Garantien wie das attorney-client privilege zu verzichten) gestellt wurden. 179 Carlson/Desio, 1504 PLI/Corp 149 (152); Gruner, 36 Ariz. L. Rev. (1994), S. 407 (463). 180 Zornow/Krakaur, 37 Am. Crim. L. Rev. (2000), S. 147, vgl. auch S. 160: “an experiment in social engineering by enlisting companies in the fight against white collar crime”; siehe auch Gruner, 36 Ariz. L. Rev. (1994), S. 407 (463 ff.): “law enforcement trustees”; ders., Corporate Criminal Liability, § 8.08; Nunes, 27 Ariz. St. L. J. (1995), S. 1039 (1052 f.). 181 Vgl. Gruner, 36 Ariz. L. Rev. (1994), S. 407 (463); Gruner/Brown, 21 J. Corp. L. (1995-96), S. 731 (734); ähnlich Alschuler, 71 B. U. L. Rev. (1991), S. 307 (312); Simons, 76 St. John’s L. Rev. (2002), S. 979 (980 ff.). Siehe aus deutscher Sicht auch Wieland, in: Alwart (Hrsg.), Verantwortung, S. 46 (57 f.), der davon spricht, dass das Unternehmen in die „pole position“ zur Erledigung gesellschaftlicher Aufgaben gebracht wurde. 182 Zu diesen Tendenzen eingehend Williams, 76 N. C. L. Rev. (1997-98), S. 1266 ff. 183 Der Grund hierfür mag zum einen in der Konzeption der regulatory offenses liegen, die als mala prohibita (im Gegensatz zu mala in se) nur einen moralisch nicht verwerflichen Verstoß beschreiben sollen (sodass nicht verwunderlich ist, wenn ein Verstoß dagegen auch nicht als Unrecht empfunden wurde); zum anderen begünstigt die ökonomische Theorie des Rechts die Sichtweise, auch strafrechtliche Sanktionen als rein monetäre
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tute noch 1994 die Regelung, dass ein Unternehmen im gleichen Umfang wie eine natürliche Person an das Recht gebunden ist, in seine Grundsätze zur Corporate Governance aufnahm.184 Der Schwerpunkt der Strafzumessungsrichtlinien auf Compliance-Programme und die Kooperation wurde bis zur Jahrtausendwende vom Gesetzgeber zunächst nicht in weitere Bereiche übernommen. Dafür haben die Bundesbehörden begonnen, beide Elemente verstärkt auf ihre Fachbereiche anzuwenden. Dies war bei den Compliance-Programmen unproblematisch möglich, da der Ansatz der Programme ohnehin auf die Rechtseinhaltung insgesamt und nicht nur auf das Strafrecht bezogen ist. Für die Behörden ging es im Wesentlichen darum, sektorspezifische Vorgaben zu erstellen. Die Erstellung der Programme war den Unternehmen grundsätzlich freigestellt; teilweise wurden die Bemühungen im Unternehmen durch positive Berücksichtigung im Fall einer Sanktionsüberlegung honoriert. Im Bereich der Kooperation erwarteten die Behörden zunehmend eine umfassende Zusammenarbeit beim Verdacht von Vorfällen innerhalb der Unternehmen. Der Gesetzgeber selbst wurde etwas mehr als zehn Jahre nach Inkrafttreten der Strafzumessungsrichtlinien wieder aktiv. Angestoßen durch zahlreiche Unternehmensskandale, insbesondere die von Enron und Worldcom, wurde 2002 der Sarbanes-Oxley Act erlassen. Die Skandale wurden als Beispiel dafür gesehen, dass die Selbstregulierung insbesondere bei Verwicklungen der Unternehmensführung ihre Grenzen hatte.185 Daher wurde noch stärker als zuvor auf eine staatliche Regulierung von Unternehmen gesetzt.186 Besonders betroffen war der Bereich der Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, die zuvor der Selbstregulierung überlassen gewesen waren und nun unter staatliche Aufsicht gestellt wurden.187 Die Maßnahmen des SOA waren die umfangreichsten Reformen der Unternehmensverfassung seit den 1930er Jahren.188 Sie verbanden organisatorische Vorgaben für Unternehmen mit einer verstärkten staatlichen Aufsicht durch die SEC.189 Eng verknüpft mit diesen Maßnahmen war eine teilweise Absicherung durch das ____________ Rechnungsposten zu begreifen, vgl. näher Williams, 76 N. C. L. Rev. (1997-98), S. 1266 (1285 ff.). 184 American Law Institute, Principles of Corporate Governance, § 2.01 (b) (1) (1994). 185 Vgl. eingehend Kroger, 76 U. Colo. L. Rev. (2005), S. 57 (91), auch zum zusätzlichen Problem des Versagens der Wirtschaftsprüfungsgesellschaften. Krit. auch Laufer, 6 Corporate Governance (2006), S. 239 ff., der durch die Vorfälle den gesamten Compliance- und Corporate Governance-Ansatz als fehlgeschlagen einschätzt. 186 Brickey, 8 Buff. Crim. L. Rev. (2004-05), S. 221 ff.; Bucy, 8 Buff. Crim. L. Rev. (2004-05), S. 277 ff.; Kroger, 76 U. Colo. L. Rev. (2005), S. 76 (114 ff.). 187 Kroger, 76 U. Colo. L. Rev. (2005), S. 76 (91 ff., 116). 188 Note, 116 Harv. L. Rev. (2002-03), S. 2123; Ribstein, 40 Hous. L. Rev. (2003-04), S. 77 ff. 189 Vgl. dazu bereits oben S. 79, 145, 292 sowie 297.
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Strafrecht.190 Wie die Strafzumessungsrichtlinien verbindet der SOA Fragen der Corporate Governance mit dem Strafrecht,191 auch wenn der Schwerpunkt klar im Governance-Bereich liegt. Vermissen lässt das Gesetz allerdings (wohl aufgrund der schnellen Entstehung) eine Abstimmung zu den bestehenden Maßnahmen der Strafzumessungsrichtlinien. Im Unterschied zu den Richtlinien ist die Erstellung eines code of ethics nicht mehr freiwillig. Die verpflichtenden Vorgaben für Unternehmen sind durch den SOA somit stark angestiegen. Allerdings sind die Pflichten wie der code of ethics häufig nur Rahmenvorgaben, die die Unternehmen – wie bei den Strafzumessungsrichtlinien – durch eigene Regeln zu füllen haben. Die Unternehmen werden aber auch hier aktiv in die Rechtsetzung und -durchsetzung einbezogen.192 Kritik richtet sich dementsprechend gegen die starke Inanspruchnahme der Unternehmen, vor allem mit dem Vorwurf, dass die Kosten außer Verhältnis zum Nutzen des Gesetzes stünden.193 Diese Bewertung ist jedoch schwer zu belegen, vor allem da sich erst langsam die langfristigen Konsequenzen abzuzeichnen beginnen.194 Mit dem SOA hat die schon länger stattfindende Reform der Corporate Governance auf Bundesebene einen ersten Höhepunkt erreicht.195 Viele Aspekte, die traditionellerweise dem Unternehmensrecht auf Ebene der Bundesstaaten überlassen worden waren, sind inzwischen durch spezielle Regelungen im Bundesrecht überlagert worden.196 Das Spannungsfeld zwischen den verschiedenen Regelungssystemen wird zumeist zugunsten des Bundesrechts gelöst, da der U.S. Supreme Court nur in wenigen Fällen eine Rechtsetzungskompetenz des Bundes verneint. Eine Anpassung erfolgte zudem über die Rechtsprechung, die wie das Urteil Caremark zeigt, die Bundesvorgaben zu Compliance-Maßnahmen in das Recht der Bundesstaaten implementiert hat.197 Bundesrechtliche Corporate Governance-Vorschriften und das Bundesstrafrecht haben somit die Funktion, Lücken und (vermeintliche) ____________ 190 Vgl. dazu Brickey, 81 Wash. U. L. Q. (2003), S. 357 (359 ff.); dies., 8 Buff. Crim. L. Rev. (2004-05), S. 221 (228 ff.); Bucy, 8 Buff. Crim. L. Rev. (2004-05), S. 277 (281 ff.); krit. zur Abschreckungswirkung des SOA Perino, 76 St. John’s L. Rev. (2002), S. 671 (676 ff.). 191 Chandler/Strine, 152 U. Pa. L. Rev. (2003-04), S. 953 (963 ff.); Kroger, 76 U. Colo. L. Rev. (2005), S. 76 (114 ff.). 192 Backer, 2004 Mich. St. L. Rev. (2004), S. 327 (432 ff.). 193 Vgl. Butler/Ribstein, Sarbanes-Oxley Debacle, S. 37 ff.; siehe auch Ribstein, 28 J. Corp. L. (2002-03), S. 1 (47 ff.). 194 Vgl. dazu den Überblick bei Langevoort, 105 Mich. L. Rev. (2006-07), S. 1817 ff. 195 Vgl. Chandler/Strine, 152 U. Pa. L. Rev. (2003-04), S. 953 ff.; siehe auch Kroger, 76 U. Colo. L. Rev. (2005), S. 76 (114 ff.). 196 Vgl. zu Einzelheiten Chandler/Strine, 152 U. Pa. L. Rev. (2003-04), S. 953 (973 ff.); Elson/Gyves, 39 Wake Forest L. Rev. (2004), S. 691 (698); Thompson, 38 Wake Forest L. Rev. (2003), S. 961 (964 ff.). 197 Elson/Gyves, 39 Wake Forest L. Rev. (2004), S. 691 (699) sprechen von einem “Brückenschlag zwischen dem Unternehmensrecht von Delaware und bundesrechtlichen Richtlinien“. Zum Urteil Caremark vgl. oben S. 293 ff.
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Defizite in den gesellschaftsrechtlichen Regelungen der Bundesstaaten zu kompensieren. Sie wirken damit dem race to the bottom-Effekt (Delaware-Effekt) zwischen den Rechtssystemen der Bundesstaaten entgegen.198 Die Gesetzgebung der Jahre nach dem Inkrafttreten des SOA hat keine weiteren grundlegenden Änderungen in Bezug auf die Struktur der Unternehmen gebracht.199 Dafür sind die Anforderungen durch die Bundesbehörden deutlich gestiegen, zum Teil in Umsetzung des SOA, zum Teil auch in Fortführung in den 1990er Jahren begonnener Entwicklungen. Es ist ein allgemeiner Trend zur aktiven Einbeziehung von Unternehmen festzustellen, um Gesetzesverstöße (vor allem Straftaten) zu vermeiden und aufzudecken.200 Insgesamt wurde damit in den letzten Jahren ein weitgespanntes Netz von Kontrolleuren aufgebaut, die alle die Rechtseinhaltung im und durch Unternehmen sichern sollen.201 In der Praxis nimmt die Durchführung sanktionsrechtlicher Verfahren deutlich zu, hier vor allem die strafrechtliche Verfolgungspraxis.202 Unter diesen nimmt die strafrechtliche Verfolgungspraxis breiten Raum ein.203 Einher geht dies mit einer starken Erwartungshaltung der Behörden, dass Unternehmen kooperieren.204 Das Strafrecht wird, wie von den Strafzumessungsrichtlinien vorgesehen, konsequent als Mittel zur Reform des Unternehmens eingesetzt.205 Somit setzen die Behörden ____________ 198 Vgl. zu dieser Problematik (auch als race for laxity bezeichnet) Merkt/Göthel, Gesellschaftsrecht, Rn. 18 ff. 199 Die Finanzkrise der Jahre 2008/2009 hat zwar zu zahlreichen gesetzgeberischen Maßnahmen geführt, die zum Teil mit intensiven Regulierungsvorgaben verbunden gewesen sind. Jedoch sind die meisten dieser Maßnahmen entweder temporär angelegt oder sie regeln die Vornahme bestimmter Geschäfte (insbes. Finanzgeschäfte) näher. Inwieweit dauerhaft generelle Maßnahmen im Corporate Governance Bereich erfolgen werden, ist derzeit noch nicht absehbar. 200 Vgl. die anschaulichen Beispiele Tyson Foods und Wal-Mart im Bereich des Arbeitsstrafrechts bei Green/Cioanu, 43 Am. Crim. L. Rev. (2006), S. 1203 ff. 201 Dies umfasst interne Kontrolleure (Mitarbeiter als Whistleblower; ComplianceOfficer, Audit-Committees, Directors aufgrund der Caremark-Entscheidung) sowie externe (Anwälte, Prüfungsgesellschaften und staatliche Behörden). Vgl. Backer, 2004 Mich. St. L. Rev. (2004), S. 327 (342 ff.). 202 Karmel, 30 Del. J. Corp. L. (2005), S. 79 (129 ff.). 203 Vgl. Simpson, Corporate Crime, S. 16 ff.; Wray/Hur, 43 Am. Crim. L. Rev. (2006), S. 1095 ff. 204 Vgl. Bucy, 8 Buff. Crim. L. Rev. (2004-05), S. 277 (306 f.) sowie Baker, 89 Cornell L. Rev. (2003-04), S. 310 (326). Wie der Fall Tyson Foods bei Green/Cioanu, 43 Am. Crim. L. Rev. (2006), S. 1203 (1212 ff.) zeigt, zahlt sich allerdings ein überobligatorischer Einsatz des Unternehmens nicht immer aus, wenn die Strafverfolger aufgrund geänderter politischer Vorgaben (hier: verstärkte Verfolgung der Schwarzarbeit) aufgedeckte Verstöße durchweg anklagen. In diesen Fällen liefert das Unternehmen durch seine Kooperation den Behörden (kostengünstig) erst die Informationen, die eine Strafverfolgung ermöglichen. 205 „Criminal prosecution is a spur for institutional reform“, Aussage von Michael Chertoff, Assistant Attorney General, aus dem Jahr 2003 auf dem 17th Annual National Institute on White Collar Crime, zitiert bei Baker, 89 Cornell L. Rev. (2003-04), S. 310.
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inzwischen tatsächlich weitreichende Reformen der Unternehmensstrukturen durch.206 Allerdings erfolgt diese Durchsetzung nicht – wie von den Strafzumessungsrichtlinien vorgesehen – nur im gerichtlichen Verfahren, sondern vielfach im Ermittlungsverfahren. Die Staatsanwaltschaft verhängt als Einstellungsauflagen ähnliche „Sanktionen“ wie ein Gericht. Vielfach gibt daher die Staatsanwaltschaft vor, wie das Unternehmen intern neu zu strukturieren ist und welche ComplianceAuflagen für die Zukunft einzuhalten sind. Die inzwischen stark gestiegenen Strafrahmen dienen dabei sicherlich als „Motivation“ zur Erteilung der Zustimmung zur Einstellung seitens des Unternehmens. Im Gegensatz zum gerichtlichen Verfahren fehlt aber im Ermittlungsverfahren fast jeglicher Schutz durch Verfahrensstandards (wie z.B. der Nachweis einer konkreten Tat),207 zudem gibt es keinerlei Begrenzung hinsichtlich Höhe und Umfang der Sanktion. Insgesamt lässt sich sagen, dass die staatlichen Vorgaben für Unternehmen deutlich zugenommen haben und in weitem Umfang Eingriffe in die Strukturen des Unternehmens erlauben. Wie bei der Entwicklung der Compliance-Programme waren die Veränderungen zumeist das Resultat vorheriger Krisen.208 Als neues Element hat sich dabei die Einbeziehung der Unternehmen mit einem diesen überlassenen eigenen Regelungsbereich innerhalb der staatlichen Vorgaben etabliert. Dies ist Ausdruck einer allgemeinen Tendenz zur verstärkten staatlich-privaten Koregulierung.209 Wegen des teilweisen Rückzugs des Staates wird vielfach nicht mehr von „Regulierung“, sondern von „Governance“ gesprochen.210 ____________ 206 Baker, 89 Cornell L. Rev. (2003-04), S. 310 (330 ff.); Zornow/Krakaur, 37 Am. Crim. L. Rev. (2000), S. 147 (148 f). 207 Gerade bei den Wirtschaftsstraftaten ist ein Tatnachweis häufig schwer zu führen, auch fehlt es oft an konkreten Tatbeständen. Vgl. nur Kroger, 76 U. Colo. L. Rev. (2005), S. 76 (129 ff.), der bemängelt, dass die (äußerst marktrelevanten) Stellungnahmen über den Zustand eines Unternehmens keiner Fahrlässigkeitsstrafbarkeit unterliegen und daher auch kaum strafrechtlich zu ahnden seien. 208 Ribstein, 40 Hous. L. Rev. (2003-04), S. 77 ff. spricht daher auch von „Bubble Laws“; siehe auch Banner, 75 Wash. U. L. Q. (1997), 849 ff.; Khanna, 82 Wash. U. L. Q. (2004), S. 95 (103 f.). 209 Vgl. Lobel, 89 Minn. L. Rev. (2004-05), S. 342 (371 ff.); Rubin, 103 Mich. L. Rev. (2004-05), 2073 (2107 ff.); Thompson, 38 Wake Forest L. Rev. (2003), S. 961 ff. Die staatlich-private Koregulierung hat in Teilgebieten bereits bemerkenswerte Erfolge erzielt, insbes. Verhaltensänderungen in beteiligten Institutionen bewirkt, vgl. z.B. bei der Gleichstellung Sturm, 101 Colum. L. Rev. (2001), S. 458 ff. sowie Sturm, 29 Harv. J. L. & Gender (2006), S. 247 ff. Diese Erfahrungen können für den Bereich der Compliance-Programme bei der Umsetzung ethischer Vorgaben fruchtbar gemacht werden, vgl. Hess, 105 Mich. L. Rev. (2006-07), S. 1781 (1812). 210 Vgl. Krawiec, 81 Wash. U. L. Q. (2003), S. 487 ff. („Negotiated Governance”); Lobel, 89 Minn. L. Rev. (2004-05), S. 342 ff. („Governance“); Thompson, 38 Wake Forest L. Rev. (2003), S. 961 ff. („Collaborative Corporate Governance“); krit. aber Karkkainen, 89 Minn. L. Rev. (2004-05), S. 471 (496), der zu Recht zu Bedenken gibt, dass hiermit ein einheitlicher Begriff für eine Vielzahl divergierender und z.T. inkonsistenter Ansätze gewählt wird.
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2. Kapitel: Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika
Als festes Element der Regulierung hat sich das Strafrecht etabliert und dies weit über die klassischen Reaktionen der Einführung neuer bzw. der Erhöhung von Strafen bestehender Tatbestände hinaus. Durch die Praxis der Bundesbehörden haben sich Compliance-Programme, die auf Freiwilligkeit und das Strafrecht beschränkt waren, in andere Rechtsgebiete verbreitet, wenn auch in unterschiedlichem Umfang und mit unterschiedlicher Verbindlichkeit. Dabei machen der Mangel an gesetzlichen Regelungen und der große Ermessensspielraum der Behörden die Lage nicht nur unübersichtlich, sondern auch die zu erwartenden Folgen eines Gesetzesverstoßes für die Unternehmen weitgehend unkalkulierbar.211 Für die Zukunft sind klarere gesetzliche Vorgaben mit entsprechenden Schutzstandards für die Unternehmen wünschenswert.
____________ 211 Langfristig ist daher, wie Wray/Hur, 43 Am. Crim. L. Rev. (2006), S. 1095 (1187 f.) betonen, eine Kooperation der Unternehmen wohl nur zu erwarten, wenn diese auch auf eine verlässliche (Anklage-)Politik der Strafverfolger setzen können. Vgl. auch Meese, 44 Am. Crim L. Rev. (2007), S. 1545 ff.
Mut zur Amerikanisierung Otto Schily, Die Welt, 6.6.2005, S. 3
3. Kapitel: Deutsches Recht Die Gliederung des deutschen Landesberichts folgt in der Grundstruktur der des amerikanischen Berichts: Zunächst wird auf die Verantwortlichkeit des Unternehmens eingegangen (§ 10), sodann auf die Sanktionsbemessung (§ 11), der die verfahrensrechtlichen Aspekte der Unternehmensgeldbuße (§ 12) folgen. Im Anschluss daran werden die Relevanz in der Praxis (§ 13) und der Stand der Compliance-Entwicklung in Deutschland (§ 14) beleuchtet. Verzichtet wird auf eine Einführung in das Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht sowie die entsprechenden Verfahrensrechte. Aufgrund der Unterteilung des deutschen Rechts in Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht wird nachfolgend entsprechend differenziert. Der deutsche Landesbericht hat auch das Ziel, eine ausreichende Informationsbasis für den rechtspolitischen Lösungsvorschlag im 5. Kapitel zu schaffen. Der Bericht zielt daher in besonderer Weise auf eine umfassende Darstellung des deutschen Unternehmenssanktionsrechts. Er soll dabei nicht nur ein Gesamtbild vermitteln, sondern auch auf aktuelle Entwicklungen und überdenkenswerte Details eingehen. Insoweit geht der Detaillierungsgrad teilweise über den des amerikanischen Landesberichts hinaus.
§ 10 Straf- und ordnungswidrigkeitenrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen Im deutschen Recht bestehen in allen Rechtsgebieten Möglichkeiten, Maßnahmen gegen Unternehmen zu ergreifen. Entsprechend der Konzentration auf sanktionsrechtliche Vorschriften stehen im deutschen Recht das Strafrecht und das Ordnungswidrigkeitenrecht im Vordergrund der vorliegenden Darstellung. Im Überblick wird jedoch auch auf Maßnahmen aus anderen Rechtsgebieten eingegangen, um funktionale Entsprechungen zu den amerikanischen Regelungen abzudecken. Auf den geschichtlichen Überblick (A.) folgt die Darstellung der strafrechtlichen (B.) sowie der ordnungswidrigkeitenrechtlichen Verantwortlichkeit (C.). Zuletzt wird auf mögliche Maßnahmen des Verwaltungs- und Zivilrechts eingegangen (D.).
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3. Kapitel: Deutsches Recht
A. Geschichtliche Entwicklung I. Strafrechtliche Verantwortlichkeit 1. Entwicklung bis zum Beginn der Bundesrepublik Deutschland Das deutsche Recht steht einer strafrechtlichen Verantwortung von Unternehmen seit dem 19. Jahrhundert kritisch gegenüber, ohne jedoch in letzter Konsequenz das Strafrecht auf Unternehmen für völlig unanwendbar zu erklären. Noch im Mittelalter war die strafrechtliche Belangung von Städten und Gemeinden sowie vor allem innerhalb von Städten die von Zünften, Genossenschaften und ähnlichen Zusammenschlüssen möglich und wurde auch praktiziert.1 Es galt der auf das römische Recht zurückgehende Grundsatz universitas et ecclesia delinquere possunt, der von den Glossatoren, der Mehrzahl der Kanonisten und den Postglossatoren übernommen wurde.2 Mit Beginn des 19. Jahrhunderts beleuchtete die Rechtswissenschaft die Bestrafung solcher Zusammenschlüsse zunehmend kritisch und lehnte sie in der Folge überwiegend ab.3 Gestützt wurde diese Argumentation häufig mit der auf v. Savigny zurückgehenden Fiktionstheorie, die ein Unternehmen als fiktives, von der Rechtsordnung geschaffenes Wesen ansah und nicht als ein denkendes und fühlendes, das Adressat kriminalrechtlicher Normen sein könne.4 Zudem setzte sich mit den Ideen der Aufklärung, vor allem durch den Einfluss Kants, ein gewandelter Schuldbegriff durch, der im Kern auf der Willensfreiheit natürlicher Personen basierte.5 In der Praxis hatte die Festigung der landesherrschaftlichen Staatsgewalt ein strafrechtliches Vorgehen gegen die vormals sehr eigenständig agierenden Städte ____________ 1 Vgl. zur geschichtlichen Entwicklung Busch, Verbände, S. 32 ff.; Hafter, Personenverbände, S. 6 ff.; Schmitt, Verbände, S. 16 ff. sowie im Überblick Ehrhardt, Unternehmensdelinquenz, S. 26 ff.; Heinitz, 40. DJT, S. 65 (67 ff.). 2 Eingehend v. Gierke, Genossenschaftsrecht, Bd. 3, S. 168 ff., 234 f., 281 ff.; 343 ff., 402 ff.; im Überblick Schmitt, Verbände, S. 16 ff. 3 Die Diskussion wurde wesentlich angestoßen durch die Schrift von Malblanc, Observationes quaedam ad delictas universitatum spectantes (1792), in der dieser die Schuldund Straffähigkeit von Verbänden bestritt, vgl. Hafter, Personenverbände, S. 21; Heinitz, 40. DJT, S. 65 (71). In der Folge vertraten z.B. v. Feuerbach, Lehrbuch, § 36 oder Jellinek, System, S. 258 ff. (der nur polizeiliche Maßregeln für zulässig hält) diese Ansicht. 4 Vgl. v. Savigny, System, Bd. 2, § 94 (S. 312 f.) sowie § 60 (S. 2), § 85 (S. 236, 239, 241); zum Gebrauch des Arguments im Lauf des Gesetzgebungsverfahrens für das Preußische StGB von 1851 siehe Goltdammer, Materialien, Bd. I, S. 331 f.: Das StGB beschränkt sich auf natürliche Personen, da „jede moralische Person nur vermöge ihres Zweckes als solche gedacht werden könne, der Zweck aber, da er eine Billigung der Gesetze voraussetze, um das rechtliche Dasein der Gesellschaft anzunehmen, kein Verbrechen sein könne“.; siehe auch Schwander, FS-Gutzwiller, S. 603 ff. 5 Vgl. Jescheck, DÖV 1953, 539 (540).
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und Gemeinden weitgehend überflüssig werden lassen.6 Ein Einfluss auf diese Körperschaften war durch eine hierarchisch strukturierte Staatsverwaltung und die Verlagerung von Kompetenzen auf den Landesherren ausreichend gesichert und bedurfte nicht mehr der Flankierung durch das Strafrecht. Die Strafgesetzbücher der deutschen Territorialstaaten verzichteten daher weitgehend auf eine Bestrafung derartiger Zusammenschlüsse, zum Teil schlossen sie sie zur Klarstellung sogar explizit aus.7 Die Beschränkung des Strafrechts auf natürliche Personen war letztlich so allgemein akzeptiert, dass das Preußische Strafgesetzbuch von 1851 und das Reichsstrafgesetzbuch von 1871 auf die Thematik der Bestrafung von Zusammenschlüssen gar nicht mehr eingingen. Gerade im 19. Jahrhundert erlangten allerdings Unternehmen eine zunehmende wirtschaftliche und soziale Bedeutung,8 sodass es kaum verwundert, wenn die Bestrafung von Unternehmen im Deutschen Reich immer wieder gefordert wurde.9 Großen Einfluss auf die Diskussion nahm dabei v. Gierke, der mit seiner Theorie der realen Verbandstäterschaft, die das Unternehmen als eigenständiges Wesen betrachtet, eine Grundlage für die Bestimmung der Handlungs- und Schuldfähigkeit von Unternehmen lieferte.10 Gab es im Kernstrafrecht des Deutschen Reichs keine Bestrafung von Verbänden mehr, so galt dies nicht gleichermaßen für das Nebenstrafrecht. Die Reichsabgabenordnung von 1919 sah die Verhängung einer Geldstrafe gegen juristische Personen und Personenvereinigungen in Anknüpfung an eine Reihe von Steuervergehen vor, wenn ein Verschulden einer natürlichen Person nicht feststellbar war.11 In der Praxis spielte die Vorschrift allerdings nie eine bedeutende Rolle.12
____________ 6 Vgl. Heinitz, 40. DJT, S. 65 (70); Hirsch, Straffähigkeit, S. 7; Schmitt, Verbände, S. 27 f.; Jellinek, System, S. 260 weist darauf hin, dass z.B. die Haftbarkeit von Gemeinden für Körper- und Sachverletzungen juristisch von der sich entwickelnden Staatshaftung abgelöst wurde. 7 Z.B. schlossen das bayrische Strafgesetzbuch von 1813 (Art. 49, wie bereits der Codex Bavarici Criminalis von 1751 in § 42), das Darmstädtische Strafgesetzbuch (Art. 44), das hannoversche Strafgesetzbuch von 1840 (Art. 56) und das hessische Strafgesetzbuch von 1841 (Art. 44) eine Verbandsstrafbarkeit explizit aus. 8 Vgl. nur K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 54 f. 9 Vgl. nur Esch, Deliktsfähigkeit, S. 17 ff.; Hafter, Personenverbände, S. 162 ff. Siehe auch v. Gierke, Genossenschaftstheorie, S. 743 ff., 771 ff. Ebenfalls hielten z.B. v. Liszt, Lehrbuch, § 25 VI.; Merkel, Lehrbuch, § 18 oder Mezger, Strafrecht, S. 93 eine Bestrafung für möglich. Zur damaligen Diskussion siehe Marcuse, GA 64 (1917), 478 (479 f.; 482 ff.) sowie den Überblick bei v. Liszt/Schmidt, Lehrbuch, S. 156 Anm. 4. 10 Vgl. v. Gierke, Genossenschaftstheorie, S. 603 ff.; 613; ders., Privatrecht I, S. 466 ff. v. Gierke griff dabei auf Vorarbeiten, insbes. von Beseler, System, §§ 66 ff., zurück. Siehe zur Thematik K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 8 II sowie Beuthien, NJW 1999, 1142 ff. 11 Vgl. § 357 (später § 393) der Reichsabgabenordnung vom 13.12.1919, RGBl. 1919, S. 1993; zudem bestand eine Subsidiärhaftung der Verbände nach §§ 416 I, III, 417 RAO.
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Die Strafgewalt wurde dabei nicht allein von den Gerichten ausgeübt, sondern in begrenztem Umfang auch von den Finanzbehörden.13 2. Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland In der Zeit seit dem Zweiten Weltkrieg ist bislang keine Strafnorm zur Sanktionierung von Unternehmen im deutschen Recht erlassen worden. Die noch fortgeltenden Normen der Reichsabgabenordnung wurden aufgehoben14 und die Strafgewalt der Finanzbehörden beseitigt.15 Einige besatzungsrechtliche Vorschriften sahen allerdings im Bereich des Kartell- und Devisenrechts die Bestrafung von juristischen Personen und Personenvereinigungen vor.16 Hier zeigte sich der Einfluss des angelsächsischen Rechtsdenkens, in dem die Bestrafung von Unternehmen zu diesem Zeitpunkt bereits ihren festen Platz hatte. Die deutsche Rechtsprechung bestätigte 1953 im „Berliner Stahlhändlerprozess“ und im „Altzinkprozess“ die Anwendbarkeit der besatzungsrechtlichen Vorschriften auf deutsche Unternehmen.17 Nach Ansicht des BGH passe zwar die strafrechtliche Verantwortlichkeit nicht zum deutschen Schuld- und Strafbegriff, jedoch verstoße eine solche Lösung weder gegen den deutschen odre public noch gegen Art. 43 HLKO,18 zudem kenne auch das deutsche Recht ein strafrechtliches Einstehen der juristischen Person für das Handeln ihrer Organe.19 In der Literatur wurde die Anwendung dieser Vorschriften durch deutsche Gerichte überwiegend kritisch beurteilt.20 ____________ 12 Dies zum einen, da das RG die Strafbarkeit verneinte sobald eine Bestrafung der natürlichen Person erfolgte (RGSt 61, 92 [95]), und zum anderen, da die Vorschrift bereits 1939 wegen Abschaffung der Anknüpfungstatbestände bedeutungslos wurde. 13 Vgl. § 410 RAO, nach der ein Beschuldigter vorbehaltlos die Zuwiderhandlung einräumen und sich der von der Finanzbehörde festzusetzenden Strafe unterwerfen konnte, wobei die Unterwerfung einer rechtskräftigen Verurteilung gleichstand. 14 Die Aufhebung erfolgte allerdings erst 1967 durch das 1. AO StÄG vom 10.8.1967 (BGBl. I S. 877), vgl. KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 23. 15 Das BVerfG hielt die Strafgewalt der Finanzämter für unvereinbar mit Art. 92 GG (vgl. BVerfGE 22, 49). 16 Vgl. Bruns, JZ 1954, 251 ff.; Jescheck, ZStW 65 (1953), S. 210 (217 f.); Lange, JZ 1952, 261 ff.; Pingel, JZ 1952, 549; R. Schmidt, BB 1952, 875 (876); Schmitt, Verbände, S. 57 ff., 70 ff.; Siegert, NJW 1953, 527 ff.; Tiedemann, in: Eser/Thormundsson (eds.), Legislation, S. 157 (161 ff.); Wilmanns/Urbach, BB 1953, 102 f. 17 Berliner Stahlhändlerprozess BGHSt 5, 28; Altzinkprozess, BGH, Urt. vom 27.10.1953 – 5 StR 547/52 (DDevR 1954, 10); vgl. dazu Bruns, JZ 1954, 251 ff.; Heinitz, JR 1954, 67; Lange, JZ 1952, 261 ff.; Siegert, NJW 1953, 527 ff.; v. Weber, GA 1954, 237 ff. 18 Nach Art. 43 HLKO soll die Besatzungsmacht nur unter Berücksichtigung der Gesetze des besetzten Gebietes die öffentliche Ordnung wiederherstellen. 19 BGHSt 5, 28 (32). 20 Vgl. nur Jescheck, ZStW 65 (1953), S. 210 (225), der einen Verstoß gegen Art. 43 HLKO annahm bzw. Lange, JZ 1952, 261 (263 f.); Siegert, NJW 1953, 527 (528), die den deutschen ordre public verletzt sahen.
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Von diesen Urteilen abgesehen, streifte die Rechtsprechung (mangels einer gesetzlich vorgesehenen Strafnorm) nur gelegentlich die Frage einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit. Das Bundesverfassungsgericht behandelte im Jahr 1966 in der Bertelsmann-Lesering-Entscheidung die Frage der Zulässigkeit einer zivilrechtlichen Ordnungsstrafe nach § 890 Abs. 1 ZPO.21 Das Gericht erstreckte den verfassungsrechtlichen nulla poena sine lege-Grundsatz auch auf juristische Personen. Es stellte dabei fest, dass juristische Personen als solche zwar nicht handlungsfähig, aber für schuldhafte Handlungen der für die Person handelnden natürlichen Personen strafrechtlich verantwortlich sein können.22 Die als solche bezeichnete strafrechtliche Verantwortlichkeit ist allerdings verfassungsrechtlich zu verstehen, d.h. der Begriff „strafrechtlich“ umfasst als solcher neben Strafen nach dem StGB auch staatliche Sanktionen wie Ordnungswidrigkeiten und andere Verwaltungsmaßnahmen. Eine eindeutige Anerkennung einer Strafbarkeit juristischer Personen i.S.d. StGB kann darin daher nicht gesehen werden.23 Eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts im Jahr 1988 behandelte im Rahmen der Prüfung eines Vereinsverbots die Möglichkeit der Straffähigkeit eines Vereins.24 Das Gericht hatte zu entscheiden, wann ein Verein nach § 3 VereinsG seinem Zweck oder seiner Tätigkeit nach den Strafgesetzen zuwiderlaufen und daher verboten werden kann. Das Gericht betonte, dass ein Verein mangels Straffähigkeit, die Schuldfähigkeit voraussetze und nur bei natürlichen Personen vorkomme, nicht als solcher Straftaten begehen könne. Ein strafgesetzwidriges Handeln des Vereins sei jedoch dennoch möglich, wenn sich dieses aus den Absichten und dem Verhalten der Mitglieder ergebe.25 Das sei immer dann zu bejahen, wenn der Charakter der Vereinigung gerade durch das Verhalten der Mitglieder geprägt werde.26 Im Ergebnis hat das BVerwG nicht die Frage der Strafbarkeit des Vereins entschieden, jedoch klargestellt, dass aus seiner Sicht ein Verein als solcher strafrechtswidrige Zwecke verfolgen und dies durch eine Zurechnung des Mitgliederverhaltens bestimmt werden kann. Diese Ansicht wurde in der Folge von anderen Gerichten bestätigt.27 ____________ BVerfGE 20, 323. BVerfGE 20, 323 (336). 23 Ebenso Haeusermann, Verband, S. 32; and. aber Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 232 f., der im Urteil die ausdrückliche Anerkennung sieht; in diese Richtung auch Appel, Verfassung, S. 243 f. 24 BVerwGE 80, 299. 25 BVerwGE 80, 299 (306 f.). 26 Das Abstellen auf das prägende Element bedeutet aber auch, dass nicht jedes Verhalten der Mitglieder dem Verein zugerechnet werden konnte, sondern nur, wenn es auch wirklich den Charakter der Vereinigung maßgeblich beeinflusst hatte. So prüfte die BVerwGE 80, 299 (308 ff.) eingehend, wie die Straftaten der einzelnen Mitglieder im Rahmen der Gruppe vorgenommen worden waren. 27 Vgl. VGH München, NJW 1990, 62 ff. sowie VGH Mannheim, NVwZ-RR 1996, 331 f. 21 22
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Auch wenn das Recht der Bundesrepublik Deutschland bislang keine originäre Unternehmensstrafbarkeit vorgesehen hat, ist die Thematik stetig Gegenstand der juristischen Diskussion geblieben. Neben zahlreichen Einzelveröffentlichungen in der Literatur28 wurde die Einführung einer Unternehmensstrafbarkeit im größeren Rahmen diskutiert. Hierzu zählt die Aussprache auf dem 40. Deutschen Juristentag im Jahr 1953,29 die Erörterung im Rahmen der Großen Strafrechtskommission30 bzw. im Sonderausschuss für die Strafrechtsreform31 sowie auf der Tagung der deutschen Strafrechtslehrer.32 Insbesondere die Einführung strafrechtlicher Maßregeln gegen Unternehmen wurde hierbei erörtert,33 letztlich aber zugunsten einer ordnungswidrigkeitenrechtlichen Lösung verworfen.34 Zuletzt wurde die Thematik in den 1990er Jahren zunächst in Bezug auf Reformen im Zusammenhang mit der deutschen Wiedervereinigung35 sowie im Rahmen der Reformbemühungen des Sanktionenrechts intensiv behandelt.36 Anlässlich der Frage der Reformbedürftigkeit des Sanktionenrechts beschäftigten sich unter anderem das Bundesministerium der Justiz,37 der Bundestag,38 das Land Hessen,39 die ____________ Vgl. dazu näher unten S. 346 ff. Das Gutachten wurde von Heinitz, 40. DJT, S. 65 ff., die Referate von Engisch, 40. DJT, S. E7 ff. und Hartung, 40. DJT, S. E43 ff. gehalten. Die Diskussion findet sich unter 40. DJT, S. E61 ff., F14 ff. 30 Vgl. die Diskussion der Großen Strafrechtskommission, in: Niederschriften, Bd. IV, S. 321 ff. sowie die Stellungnahmen S. 564 ff. und die Beschlüsse S. 574. 31 Vgl. die Protokolle des Sonderausschusses „Strafrecht“ des Deutschen Bundestages: 4. Wahlperiode, 23. Sitzung (S. 397 ff.) und 24. Sitzung (419 f.); 5. Wahlperiode, 57. Sitzung (S. 1079 ff.). 32 Vgl. diesbezüglich das Referat von Alwart, ZStW 105 (1993), 752 ff. sowie den Tagungsbericht von Vitt, ZStW 105 (1993), 803 (813 ff.). 33 Vgl. die Verhandlungen zum 40. DJT, Bd. 2, S. E 87; die Große Strafrechtskommission, in: Niederschriften, Bd. I, S. 295 ff. sowie den Sonderausschuss „Strafrecht“, 4. Wahlperiode, 23. Sitzung, S. 401 ff. 34 Vgl. Stratenwerth, FS-Schmitt, S. 295 (303), der diese Entscheidung für eine Verlegenheitslösung ohne überzeugende Argumentation hält. 35 Vgl. den Gesetzentwurf des Arbeitskreises Strafrecht – Deutsche Wiedervereinigung, abgedruckt in: Schünemann (Hrsg.), Deutsche Wiedervereinigung. Die Rechtseinheit, Arbeitskreis Strafrecht. Bd. III. Unternehmenskriminalität (1996), S. 145 ff. Der Entwurf verzichtet allerdings auf eine strafrechtliche Belangung von Unternehmen. 36 Vgl. die Dokumentation bei Hettinger (Hrsg.), Verbandsstrafe, S. 1 ff. 37 Vgl. die Ausarbeitungen des BMJ in Hettinger (Hrsg.), Verbandsstrafe, S. 155 ff., 183 ff., 259 ff. 38 Vgl. die Große Anfrage BT-Drs. 13/9682 und die Antwort der Bundesregierung in BT-Drs. 13/11425. 39 Vgl. den Diskussionsentwurf des Landes Hessen vom August 1997 für die 68. Justizministerkonferenz, abgedruckt bei Haeusermann, Verband, S. 104 f.; Wegner, ZRP 1999, 186 (187 f.). Siehe auch Hetzer, wistra 1999, 361 ff.; Krekeler, FS-Hanack, S. 640 (653 ff.). 28 29
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Industrie40 wie auch zahlreiche Rechtswissenschaftler41 mit dem Problem der Einführung einer strafrechtlichen Regelung für Unternehmen. Im Ergebnis wurde die Einführung einer Unternehmensstrafbarkeit mehrheitlich abgelehnt, da die bestehenden Möglichkeiten vor allem im Ordnungswidrigkeitenrecht als ausreichend angesehen wurden.42 II. Ordnungswidrigkeitenrechtliche Verantwortlichkeit Während die strafrechtliche Belangung von Unternehmen im 19. und 20. Jahrhundert Gegenstand intensiver Diskussionen war, ohne dass es zu einer maßgeblichen gesetzlichen Regelung kam, verlief die Entwicklung im Bereich der Ordnungswidrigkeiten entgegengesetzt. Die Diskussion war überschaubar, dafür wurde in den 1920er bis Ende 1960er Jahren relativ zügig das Institut einer Unternehmensgeldbuße geschaffen, das schließlich zu seiner heutigen gesetzlichen Verankerung führte. 1. Entwicklung bis zum Beginn der Bundesrepublik Deutschland Bereits vor Gründung des Deutschen Reichs kannte das deutsche Recht des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation sowie der Territorialstaaten Sanktionen, die nicht dem eigentlichen Strafrecht, sondern zur Polizeigewalt gerechnet wurden.43 Diese bestehenden Sanktionen, die häufig als Polizei- oder Verwaltungsstrafrecht bezeichnet wurden, übernahm man mit der Reichsgründung in das neu geschaffene RStGB.44 Im Reichstag war die Mehrheit der Abgeordneten der Auffassung, dass die bereits jahrhundertelang diskutierte Abgrenzung zwischen Polizei- und Kriminalstrafen nicht hinreichend klar möglich und somit eine Sanktionierung einheitlich unter den Bereich des Strafrechts zu fassen sei.45 Im Deutschen ____________ Vgl. seitens des DIHT Möllering, in: Hettinger (Hrsg.), Verbandsstrafe, S. 71 ff. Vgl. hierzu insbes. die Stellungnahmen zur Reform des Sanktionenrechts bei Hettinger (Hrsg.), Verbandsstrafe; seitens Möhrenschlager (S. 27 ff.); König (S. 39 ff.); Spindler (S. 77 ff., 117 ff.); Heine (S. 121 ff.). 42 Vgl. den Abschlussbericht der Kommission zur Reform des Sanktionenrechts in Hettinger (Hrsg.), Verbandsstrafe, S. 351 ff. 43 Dies ging einher mit einem weiten Verständnis der Aufgaben der Polizei (die „gute policey“), das ermöglichte, in Polizeiordnungen Tatbestände wie Wucher oder Untreue aufzunehmen, die heute zum Strafrecht gezählt werden. Insoweit kann man durchaus konstatieren, dass die Polizeiordnungen materiell Wirtschaftsstrafrecht regelten, vgl. nur Mattes, Ordnungswidrigkeiten, 1. Hlbd., S. 53 f.; Segall, Geschichte, S. 100 ff., 163 ff. Siehe aber Goldschmidt, Verwaltungsstrafrecht, S. 72 ff.; Würtenberger, Strafgesetzgebung, S. 75 f., die mehr den Verwaltungscharakter betonen. Zur Entwicklung siehe auch Achenbach, GA 2008, 1 ff. 44 Vgl. Goldschmidt, Verwaltungsstrafrecht, S. 435 ff. 45 Vgl. Entwurf eines Strafgesetzes für den Norddeutschen Bund nebst Motiven und Anlagen (Berlin 1870), S. 87; allerdings blieb diese Auffassung nicht unwidersprochen, 40
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Reich bestand daher zunächst keine dem heutigen Ordnungswidrigkeitenrecht entsprechende Sanktionsmöglichkeit und somit auch keine Verantwortlichkeit von Unternehmen.46 Völlig gelang die Integration der Sanktionen in das RStGB allerdings nicht, da teilweise Elemente eines Polizei- bzw. Verwaltungsstrafrechts beibehalten wurden.47 Nach der Einführung des RStGB bedingte die Entwicklung zum (sozialen) Verwaltungsstaat bald die Festsetzung zahlreicher gesetzlicher Gebote und Verbote in verschiedensten Zweigen des sich entwickelnden Verwaltungsrechts.48 Zur Durchsetzung der Regelungen wurde vielfach die Möglichkeit der Verhängung einer Sanktion für notwendig erachtet. Hier zeigte sich, dass das Strafrecht als weitgehend einzig zur Verfügung stehendes Sanktionsregime mit der Aufgabe zum einen unüberschaubar überfrachtet wurde und zum anderen unterschiedslos geringfügige Ordnungsverstöße wie auch sittlich missbilligte Verhaltensweisen dem gleichen Ansatz der Kriminalstrafe unterwarf. Angestoßen durch Goldschmidt49 setzte eine Debatte ein, die die Schaffung eines gegenüber dem Strafrecht eigenständigen Ordnungswidrigkeitenrechts hatte.50 In der Folge wurde zunächst in Bereichen des Wirtschaftsrechts die Möglichkeit einer Ordnungsstrafe eingeführt, deren Verhängung den zuständigen Verwaltungsbehörden oblag.51 Diese Vorschriften richteten sich anfangs nicht an Unternehmen. ____________ vgl. Goldschmidt, Verwaltungsstrafrecht, S. 438 ff.; zu den Versuchen einer Abgrenzung siehe Mattes, Ordnungswidrigkeiten, 1. Hlbd., S. 105 ff. 46 Vgl. Göhler-König, OWiG (14. Aufl.), Einl. Rn. 2 ff.; KK-OWiG-Bohnert, Einl. Rn. 4 ff. 47 So sah das StGB von 1871 in einigen Normen Blankettvorschriften vor, die erst von den Verwaltungsbehörden zu konkretisieren waren (vgl. KK-OWiG-Bohnert, Einl. Rn. 6). Auch sah die StPO von 1877 die Möglichkeit einer polizeilichen Strafverfügung vor (vgl. Achenbach, GA 2008, 1 [2]; KK-OWiG-Bohnert, Einl. Rn. 8). Zudem hatte sich im Bereich des Finanzstrafrechts ein eigenständiges Sanktionsregime erhalten; vgl. Goldschmidt, Verwaltungsstrafrecht, S. 418 ff. auch mit Hinweis darauf, dass dieser Bereich anders als das Polizeistrafrecht nicht als „Strafrecht im eigentlichen Sinne“ angesehen wurde (S. 432). 48 Dementsprechend stammen aus dieser Zeit auch die Überlegungen, wie der Staat eine Steuerung durch das Recht vornehmen kann, vgl. dazu Schober, Zweck, S. 10 ff. 49 Vgl. das grundlegende Werk von Goldschmidt, Verwaltungsstrafrecht (1902) sowie ders., FG-Juristische Gesellschaft, S. 415 ff. 50 Siehe zur Diskussion KK-OWiG-Bohnert, Einl. Rn. 10 ff.; Mattes, Ordnungswidrigkeiten, 1. Hlbd., S. 149 ff. 51 Einzug hielt die Ordnungsstrafe vor allem in der Zeit des Nationalsozialismus, vgl. Braukmüller, Ordnungsstrafverfahren, S. 1 ff.; Hartmann, Ordnungsstrafverfahren, S. 2 ff.; Meeske, Ordnungsstrafe, S. 48 ff. sowie Siegert, Wirtschaftsstrafrecht, S. 44 ff., zum Verfahren S. 67 ff., zu den einzelnen Tatbeständen S. 80 ff. Das Lehrbuch von Siegert zeigt deutlich, wie das Wirtschaftsstrafrecht (wie das Strafrecht allgemein) unter Einbeziehung des nationalsozialistischen Volksgedankens zu einem Lenkungsinstrument der nationalsozialistischen Politik ausgebaut wurde (so z.B. durch Auslegung der Normen „in Verbindung mit dem gesunden Volksempfinden“, vgl. Siegert, a.a.O., S. 34). Eine rechtswissenschaftliche Theorie lag der Entwicklung kaum zugrunde, vgl. Eb. Schmidt, Wirtschaftsstrafrecht, S. 24 („pseudowissenschaftliche Dekorationsstücke“).
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Sie sahen jedoch teilweise vor, dass der Inhaber oder Leiter eines Betriebs (unabhängig von einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit) eine Ordnungsstrafe verwirkte, wenn er im Betrieb nicht die im Verkehr erforderliche Sorgfalt zur Verhütung strafbarer Handlungen angewandt hatte.52 Zudem begann die Rechtsprechung, Regelungen gleichermaßen auf Unternehmen anzuwenden.53 Vermehrt schuf der Gesetzgeber alsbald Vorschriften, die sich (auch) direkt an Unternehmen wandten.54 2. Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland a) Entwicklung bis 1968 Der bestehende Ansatz der Ordnungsstrafen wurde in der Bundesrepublik Deutschland unter dem Begriff der Ordnungswidrigkeit weiterentwickelt. Maßgeblich beeinflusst vom Wirken Eberhard Schmidts55 wurde im Wirtschaftsstrafgesetz von 1949 erstmals eine explizite Trennung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten vorgenommen.56 Die Unterscheidung erfolgte materiell danach, ob die Tat in besonderem Maße öffentliche Interessen verletzt (dann Straftat) oder nicht (dann Ordnungswidrigkeit). Das Gesetz sah – ebenso wie mit geringfügigen Änderungen das Nachfolgegesetz von 195457 – die Möglichkeit einer Geldbuße gegen Unternehmen für Verstöße gegen die Vorschriften des Wirtschaftsstrafgesetzes vor.58 Die Geldbuße konnte unabhängig von einer Ahndung der Tat des Mitarbeiters verhängt werden.59 Zahlreiche weitere Bundes- und Landesgesetze übernahmen diesen Ansatz, auch wenn sich die einzelnen Normen stark voneinander unterschieden.60 ____________ Vgl. bspw. § 39 VO über Devisenbewirtschaftung vom 23.5.1932 (RGBl. I S. 231). So bspw. § 17 VO gegen den Mißbrauch wirtschaftlicher Machtstellungen vom 2.11.1923 (RGBl. I S. 1067), aufgrund dessen das Reichswirtschaftsgericht dem Norddeutschen Zementverband eine Ordnungsstrafe von 50.000 RM auferlegte (Entscheidung vom 27.2.1929, Kartell-Rundschau 1929, S. 213). 54 Vgl. § 8 Abs. 2 Preisstrafrechtsverordnung vom 3.6.1939 (RGBl. I S. 999), § 4 Abs. 2 Verbrauchsregelungs-Strafverordnung vom 26.11.1941 (RGBl. I S. 734); siehe auch Siegert, Wirtschaftsstrafrecht, S. 45 f. 55 Vgl. zum Wirken Eb. Schmidts eingehend Mattes, Ordnungswidrigkeiten, 1. Hlbd., S. 174 ff. 56 Vgl. § 6 Gesetz zur Vereinfachung des Wirtschaftsstrafrechts (WiStG) vom 26.7.1949 (WiGBl. S. 193); vgl. näher Eb. Schmidt, Wirtschaftsstrafrecht, S. 25 ff. 57 Gesetz vom 9.7.1954 (BGBl. I S. 175). 58 Vgl. §§ 23, 24 WiStG 1949 (die im WiStG vom 25.3.1952, BGBl. I S. 190 unverändert blieben) bzw. § 5 WiStG 1954. Näher Eb. Schmidt, Wirtschaftsstrafrecht, S. 49 ff. sowie die Kommentierungen von Drost/Erbs, §§ 23, 24 WiStG 1949; Rahn/Grimsinski, §§ 23, 24 WiStG 1949 bzw. Gerner/Winckhler, § 5 WiStG 1954. 59 Vgl. Drost/Erbs, § 23 WiStG 1949, Anm. III; Rahn/Grimsinski, § 23 Anm. 2 WiStG 1949. 60 Vgl. z.B. § 41 GWB a.F.; § 39 AWG a.F.; § 42 WHG a.F. Beispiele finden sich bei Müller, Ordnungswidrigkeitenrecht, S. 31 f. 52
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Im Jahr 1952 wurde mit dem Ordnungswidrigkeitengesetz der materielle und verfahrensrechtliche Rahmen für die bislang im gesamten Recht verstreuten Ordnungswidrigkeiten geschaffen.61 Die Abgrenzung zwischen Straftat und Ordnungswidrigkeit richtet sich nicht mehr nach (schwer zu handhabenden) materiellen Kriterien, sondern nur noch formal danach, ob der Gesetzgeber eine Geldbuße (dann Ordnungswidrigkeit) oder eine Strafe (dann Straftat) für die Erfüllung eines Tatbestands vorsieht.62 Für Unternehmen sah das Gesetz noch keine allgemeine Bußgeldnorm vor, sodass sich eine Unternehmensgeldbuße weiterhin nur aus den zahlreichen Spezialgesetzen ergeben konnte. b) Verbandsgeldbuße nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz von 1968 Eine allgemeine Bußgeldnorm für Unternehmen entstand erst im Rahmen der Großen Strafrechtsreform der 1960er Jahre. Die bis dahin im StGB geregelten Übertretungen (als Straftaten von geringem Unrechtsgehalt) wurden weitgehend in das Ordnungswidrigkeitenrecht überführt und das Ordnungswidrigkeitengesetz im Jahr 1968 neu geregelt.63 Beibehalten wurde die rein formale Abgrenzung der Ordnungswidrigkeit zur Straftat des Ordnungswidrigkeitengesetzes von 1952. Inhaltlich wird die Ordnungswidrigkeit seitdem als sozial-ethisch neutrale Verwaltungssanktion eingestuft, die mangels sittlichen Tadels keine Auswirkung auf den Ruf des Betroffenen habe.64 Die Regelung der Unternehmensgeldbuße des § 26 OWiG 1968 (bzw. ab 1975 der bis heute geltende § 30 OWiG) ersetzte die zahlreichen bestehenden Einzelnormen, um eine einheitliche und abschließende Regelung zu schaffen.65 Mit der Bußgeldnorm ging der Gesetzgeber einen Kompromiss ein, denn er verzichtete auf die umstrittene strafrechtliche Normierung und erreichte dennoch das Ziel einer allgemeinen Verantwortlichkeit der Unternehmen.66 Da die selbstständige Verhängung der Bußgeldsanktion gegen Unternehmen nach dem Wirtschaftsstrafgesetz Kritik ausgesetzt gewesen war,67 sah § 26 OWiG grundsätzlich nur die Möglichkeit ____________ 61 Gesetz über Ordnungswidrigkeiten vom 25.3.1952 (BGBl. I S. 177); vgl. dazu Mattes, Ordnungswidrigkeiten, 2. Hlbd., S. 50 ff. 62 § 1 OWiG 1952. 63 Gesetz über Ordnungswidrigkeiten vom 24.5.1968 (BGBl. I S. 481). 64 Vgl. BVerfGE 27, 18 (33); KK-OWiG-Mitsch, § 17 Rn. 7; siehe auch Mattes, Ordnungswidrigkeiten, 2. Hlbd., S. 252 ff. 65 Vgl. die Begründung zu § 19 des Entwurfs für ein OWiG, BT-Drs. V/1269, S. 58; gemäß Art. 153 EGOWiG a.F. (aufgehoben durch 2. BMJBerG, BGBl. I 2007 S. 2614) ersetzte die Regelung auch weitgehend bestehendes Landesrecht. 66 Vgl. krit. zu dieser Lösung Jescheck bzw. Eb. Schmidt in den Beratungen der Großen Strafrechtskommission, Niederschriften, Bd. IV, S. 324 bzw. 326. 67 Vgl. Drost/Erbs, § 23 WiStG 1949, Anm. II. (Durchbrechung des Schuldprinzips), wohl auch Gerner/Winckhler, WiStG 1954, § 5 Rn. 9; siehe aber auch Ebisch, WiStG 1954, § 5 Rn. 2.
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der Sanktionierung des Unternehmens als „Nebenfolge“ der strafrechtlichen oder ordnungswidrigkeitenrechtlichen Belangung des handelnden Organs vor.68 Damit sollte die umstrittene Frage einer Anerkennung der Schuldfähigkeit von Unternehmen umgangen werden. Eine Ausnahme von der Nebenfolgekonstruktion wurde jedoch für die Fälle vorgesehen, in denen die Verhängung einer Sanktion gegen eine natürliche Person aus tatsächlichen Gründen nicht möglich war.69 Die Geldbuße bei einer Straftat des Organs betrug maximal 100.000 DM, die für eine Ordnungswidrigkeit im Regelfall nicht über 100.000 DM.70 Die Bußgeldnorm des § 26 OWiG 1968 sah die Möglichkeit der Verhängung eines Bußgelds gegen juristische Personen und Personenvereinigungen als Nebenfolge der Straftat oder Ordnungswidrigkeit eines Organs vor. Diese Art der Regelung warf die Frage auf, inwieweit hiermit die Bedenken gegen eine strafrechtliche Normierung aus dem Weg geräumt worden waren. Allein aus der Benennung als Nebenfolge lassen sich kaum Schlüsse ziehen, zumal auch die Gesetzesmaterialien hierzu keine näheren Ausführungen machen.71 Die Materialien stellen allerdings klar, dass sie davon ausgehen, juristische Personen seien weder handlungs- noch schuldfähig.72 Jedoch gehen sie davon aus, dass sich die Handlungen des Organs einer juristischen Person und Personenvereinigung zurechnen lassen.73 Der Personenkreis, der dem Verband eine Geldbuße anlasten kann, wurde sehr eng gezogen und im Wesentlichen auf die „gesetzlichen Vertreter“ des Unternehmens beschränkt.74 Dies wurde dogmatisch damit begründet, dass nur die Organe als Verkörperung des Unternehmens anzusehen seien.75 Nicht erfasst waren daher Mit____________ 68 Durch diese Konstruktion sollten etwaige dogmatische Bedenken ausgeräumt werden, vgl. die Gesetzesbegründung, BT-Drs. V/1269, S. 59. 69 Vgl. § 26 Abs. 4 OWiG 1968. 70 Vgl. § 26 Abs. 2 OWiG 1968, der für vorsätzliche Straftaten eine Geldbuße bis 100.000 DM, für fahrlässige Straftaten eine bis 50.000 DM vorsah. Bei einer Ordnungswidrigkeit richtete sich das Höchstmaß nach dem für die jeweilige Ordnungswidrigkeit vorgesehenen Höchstbetrag. Dieser lag gemäß § 13 OWiG 1968 bei höchstens 1.000 DM, es sei denn, speziellere Regelungen sahen einen anderen Höchstwert vor. Dies war insbes. bei zahlreichen Wirtschaftsordnungswidrigkeiten der Fall (vgl. die Aufzählung bei Göhler, OWiG [2. Aufl.], Anh. B). Zumeist lag der Höchstbetrag zwischen 1.000 und 10.000 DM. Höchstbeträge von 50.000 oder 100.000 stellten die Ausnahme dar. Der maximale Höchstbetrag von 300.000 DM nach den §§ 38, 39 GWB vom 3.1.1966 (BGBl. I S. 37) war ein Einzelfall. 71 Vgl. Ehrhardt, Unternehmensdelinquenz, S. 75. 72 Vgl. die Gesetzesbegründung, BT-Drs. V/1269, S. 58. 73 Vgl. die Gesetzesbegründung, BT-Drs. V/1269, S. 58 f. 74 Vgl. R. Schmitt, FS-Lange, S. 877 (879). 75 Vgl. BT-Drs. V/1269, S. 59 sowie Göhler in den Beratungen des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform, 5. Wahlperiode, 57. Sitzung, S. 1079 (1085 f.). Zudem wurde die Gleichbehandlung mit dem Fall eines Einzelunternehmers angeführt, gegen den bei Verstoß durch seinen Prokuristen (vorbehaltlich eigenen Verschuldens) keine Sanktion verhängt werden könne. Daher sollte auch ein Unternehmen nicht für derartige Personen einstehen müssen.
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arbeiter unterer Ebenen, auch wenn diese z.B. als Exportleiter für das Unternehmen handelten, was zu einer faktischen Befreiung von der Bußgeldhaftung führte.76 Bemerkenswert ist, dass die Zurechnung der Handlungen des Organs nicht auf Ordnungswidrigkeiten beschränkt worden ist, sondern auch Straftaten umfasst. Somit wurde eine relativ enge Konnexität zwischen Unternehmen und Strafrecht hergestellt.77 Als Gründe für die Nebenfolgekonstruktion führte der Gesetzgeber neben der Ausräumung dogmatischer Bedenken gegen eine Schuldfähigkeit von Unternehmen noch prozessökonomische Erwägungen und die Vermeidung von Doppelbestrafungen (von juristischer Person und Organ) an.78 Ob die Vorteile der Durchführung eines gemeinsamen Verfahrens aber tatsächlich die Nachteile eines eigenständigen Verfahrens deutlich überwiegen, darf angesichts der verschiedenartigen Tatbestandsvoraussetzungen bei Belangung des Organs und der juristischen Person oder Personenvereinigung bezweifelt werden. Zum einen dauert das Verfahren insgesamt länger als ein Einzelverfahren, zum anderen wirken sich Schwierigkeiten (z.B. bei der Beweisaufnahme) auf alle Beteiligten aus.79 Die Problematik einer Doppelbestrafung (ne bis in idem) hat ebenfalls wenig substantiellen Gehalt. Mit Organ und juristischer Person bestehen zwei getrennte Rechtssubjekte, sodass eine Anwendung des Art. 103 Abs. 3 GG schon einer sehr weitgehenden Auslegung bedürfte, um auf diesen Fall anwendbar zu sein.80 Bedenken diesbezüglich hätten zudem besser in Form einer Anrechnung der bereits verhängten Sanktion als in der bloßen prozessualen Zusammenlegung erfolgen können.81 Die in der Gesetzesbegründung angesprochene Zurechnung des Handelns von Organen zur juristischen Person lässt offen, wie sie als solche genau zu verstehen ist. Denn nach § 1 OWiG kann ein Bußgeld nur dann verhängt werden, wenn neben der Rechtswidrigkeit auch die Vorwerfbarkeit gegeben ist. Der Begriff „vorwerfbar“ wird allgemein sachlich mit dem strafrechtlichen Begriff „schuldhaft“ gleichgesetzt.82 Wird also durch die Zurechnung der Schuld des Organs der Verband selbst als schuldfähig angesehen? Das würde kaum der Intention des Gesetzgebers entsprechen, eine Schuldfähigkeit juristischer Personen und Personenvereinigungen gerade nicht festzuschreiben. Aufgrund dieser widersprüchlichen Konstruktion ist ____________ Tiedemann, 49. DJT, S. C58. Ähnlich Brender, Verbandstäterschaft, S. 89 sowie bereits Jescheck, ZStrR 70 (1955), 243 (261). 78 BT-Drs. V/1269, S. 61. 79 Vgl. Pohl-Sichtermann, Geldbuße, S. 59 ff., die auch den vorzugswürdigen Vorschlag macht (S. 61 f.), besser in Anlehnung an § 2 StPO eine Trennungs- und Verbindungsmöglichkeit der Verfahren vorzusehen. 80 Vgl. hierzu näher unten S. 458. 81 Vgl. V. Kaiser, Verbandssanktionen, S. 107; Müller, Ordnungswidrigkeitenrecht, S. 49 f.; Tiedemann, 49. DJT, S. C58; siehe auch bereits v. Weber, GA 1954, 237 (239). 82 Vgl. Göhler-König, OWiG (14. Aufl.), vor § 1 Rn. 30. 76
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es nicht verwunderlich, dass die Frage der Konzeption der Unternehmensgeldbuße in § 30 OWiG bis heute stark umstritten ist.83 c) Unternehmensgeldbuße nach dem 2. WiKG von 1986 Fast 20 Jahre lang blieb die Vorschrift zur Unternehmensgeldbuße nahezu unverändert. Die einzige Änderung erfolgte im Jahr 1975, als die Vorschrift des § 26 OWiG 1968 ohne inhaltliche Änderung durch § 30 OWiG ersetzt wurde.84 Ergänzend wurde allerdings die bis heute beibehaltene Klarstellung hinzugefügt, dass die Anordnung des Verfalls wegen derselben Tat nicht neben der Geldbuße möglich ist.85 Dies beruhte auf der Erwägung, dass der Geldbuße wie dem Verfall die Funktion der Gewinnabschöpfung zugeschrieben wurde, welche insgesamt nur einmal erfolgen sollte.86 Das Zweite Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität im Jahr 1986 erweiterte und erleichterte schließlich die Anwendungsmöglichkeit des § 30 OWiG.87 Am augenfälligsten war die Streichung der Unternehmensgeldbuße als bloße „Nebenfolge“. Der Gesetzgeber wollte hierdurch die Verbindung zwischen der Bezugstat der natürlichen Person und der Inanspruchnahme des Unternehmens lockern.88 Was man 1968 gerade vermeiden wollte, wurde nun gesetzlich geregelt und damit letztlich weitgehend der Zustand des WiStG 1954 wiederhergestellt. Neben der verbalen Umgestaltung von der Nebenfolge zur eigenständigen Sanktionsnorm wurde – praktisch weit relevanter – die selbstständige Durchführung des Bußgeldverfahrens erleichtert. Denn es hatte sich durchaus als nicht immer praktikabel erwiesen, ein Verfahren zuerst gegen eine natürliche Person einzuleiten, um sodann gegen das Unternehmen vorgehen zu können.89 In der Praxis hatte dies dazu geführt, dass das Verfahren gegen die natürliche Person häufig zügig eingestellt wurde und nur das Verfahren gegen das Unternehmen weiterbetrieben worden war. Der neue § 30 Abs. 4 OWiG ermöglichte daher ein selbstständiges Verfahren, wenn gegen die natürliche Person kein Verfahren eingeleitet wurde oder ein solches eingestellt wurde (ohne dass es wie zuvor auf das Vorliegen tatsächlicher Hindernisse ankam). Eine völlige Verselbstständigung des Verfahrens wurde je____________ Siehe dazu eingehend unten S. 375 ff. Vgl. die Bekanntmachung der Neufassung des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) vom 2.1.1975 (BGBl. I S. 80). 85 Vgl. § 30 V OWiG 1975. 86 Vgl. nur Göhler, OWiG (4. Aufl.), § 30 Anm. 6. 87 Vgl. Gesetz vom 15.5.1986 (BGBl. I S. 721); zu den Änderungen vgl. bspw. Brender, Verbandstäterschaft, S. 90 ff.; Schwinge, Unternehmen, S. 67 ff.; siehe auch Achenbach, NJW 1986, 1835 ff. 88 Vgl. die Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 10/318, S. 41. 89 Vgl. BT-Drs. 10/318, S. 41. 83 84
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doch nicht angestrebt, da es wegen des „inneren Zusammenhanges“ zwischen Zuwiderhandlung und Unternehmensgeldbuße zumindest in Fällen der Nichtverfolgung der Zuwiderhandlung aus rechtlichen Gründen (z.B. Verjährung) als nicht gerechtfertigt erschien, eine Unternehmensgeldbuße vorzusehen.90 Eine weitere praxisrelevante Änderung war die Erhöhung der maximalen Geldbuße. Der Höchstbetrag bei der Anknüpfung an eine vorsätzliche Straftat wurde von 100.000 auf 1.000.000 DM, bei Anknüpfung an eine fahrlässige Straftat von 50.000 auf 500.000 DM erhöht. Bei Anknüpfung an eine Ordnungswidrigkeit galt wie bislang auch der Höchstbetrag des jeweiligen Ordnungswidrigkeitentatbestands. Die Erhöhung für die Anknüpfung an Straftaten war vor allem dem Umstand geschuldet, dass zahlreiche Ordnungswidrigkeiten bereits Bußgelder im Millionenbereich vorsahen; für den Fall des (als schwerer eingestuften) Vorliegens einer Straftat konnte nur eine deutlich niedere Unternehmensgeldbuße verhängt werden, als dies für eine Ordnungswidrigkeit möglich gewesen war.91 Im Gesetzgebungsverfahren war eine weitere Änderung des § 30 OWiG vorgeschlagen worden, die den Täterkreis über die Organe des Unternehmens hinaus auf die „für die Leitung des Betriebes verantwortlich handelnden Personen“ erweitert hätte.92 Dadurch sollte der Schwerpunkt der Vorschrift von der strikten Anknüpfung an persönliche Verantwortlichkeit stärker hin zu einer Haftung für das Versagen des Leitungsbereichs verlagert werden.93 Der Vorschlag wurde aber im Rechtsausschuss – ohne die Punkte näher auszuführen – aus Gründen der mangelnden Bestimmtheit und wegen etwaiger Probleme der Feststellung eines schuldhaften Handelns abgelehnt.94 In der Literatur wurden die Änderungen durch das 2. WiKG überwiegend als Anerkennung der Unternehmensgeldbuße als eigenständige Sanktion gewertet.95 Die Streichung als Nebenfolge und die erweiterte Durchführung des selbstständigen Verfahrens lasse nur eine Bewertung der Geldbuße als eine „echte (normale) Hauptfolge“ und nicht mehr als einen bloßen Verfahrensannex zu.96 Nur wenige Stimmen maßen der Reform keine inhaltliche Änderung zu, da ein selbstständiges ____________ 90 Vgl. BT-Drs. 10/318, S. 41. Dementsprechend schließt § 30 IV 3 OWiG eine Geldbuße gegen das Unternehmen aus, wenn die Straftat oder die Ordnungswidrigkeit des Mitarbeiters aus rechtlichen Gründen nicht verfolgt werden kann. 91 Vgl. BT-Drs. 10/318, S. 41 f. 92 Vgl. BT-Drs. 10/318, S. 6. 93 Vgl. BT-Drs. 10/318, S. 40. 94 Vgl. die Beschlussempfehlung und den Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drs. 10/5058, S. 11, 36 f. 95 Vgl. Bauer, WuW 1989, 304 (305); Deruyck, ZStW 103 (1991), 705 (715 f.); Franzheim, wistra 1986, 253 (255); Müller-Gugenberger, in: ders./Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, § 23 Rn. 40; Schlüchter, 2. WiKG, S. 181; Schroth, wistra 1986, 158 (162); Tiedemann, NJW 1988, 1169 (1171 ff.). 96 Vgl. Tiedemann, NJW 1988, 1169 (1171).
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Verfahren bei § 30 OWiG nach wie vor die Ausnahme darstelle.97 Allerdings kann und konnte man schwerlich allein aus der verfahrensrechtlichen Ausgestaltung auf die materiellrechtliche Rechtsnatur der Unternehmensgeldbuße schließen.98 Bezieht man insbesondere die Begründung der Bundesregierung ein, dass Unternehmen gerade als Adressaten von Rechtspflichten belangt werden,99 so ist aus materiellen Gesichtspunkten die Unternehmensgeldbuße zumindest seit 1986 als selbstständige Sanktion zu betrachten. Diese Einstufung bedeutete jedoch nicht, dass die seit 1968 bestehenden dogmatischen Schwierigkeiten und Friktionen, die das 2. WiKG völlig außer Acht ließ, geklärt worden wären.100 Diese bestanden auch nach der Reform unverändert fort. d) Ausdehnung der Unternehmensgeldbuße 1994 Die Debatte um die Ausgestaltung der Unternehmensgeldbuße hielt auch nach dem 2. WiKG an, was angesichts der ungelösten Fragen und der verhaltenen Reform von 1986 kaum verwunderlich war. Anlass zu einer erneuten gesetzgeberischen Befassung gab die Diskussion um einen verbesserten Schutz der Umwelt, der im Bereich der Ahndung strafwürdiger Vorgänge durch Straftaten und Ordnungswidrigkeiten kaum entwickelt gewesen war. Um eine bessere Belangung von Unternehmen zu erreichen, wurde erneut vorgeschlagen, den Täterkreis auf die „für die Leitung des Betriebes verantwortlich handelnden Personen“ auszudehnen.101 Die Ausdehnung sollte dem Problem entgegenwirken, dass die „schwer durchschaubare Arbeitsteilung“ in Unternehmen häufig Verfolgungsschwierigkeiten bereite.102 Wie schon beim 2. WiKG fand der Vorschlag jedoch nicht die erforderliche Unterstützung, da er mit der Anknüpfung an der bloßen Funktion des Mitarbeiters als nicht hinreichend bestimmt erschien.103 Auch wenn die Erweiterung des § 30 OWiG auf alle Personen mit Leitungsfunktion nicht konsensfähig war, so bestand aber doch weitgehende Einigkeit, dass der Kreis der für das Unternehmen handelnden Personen erweitert werden sollte, da ____________ Vgl. bspw. KK-OWiG-Cramer (1. Aufl.), § 30 Rn. 146. Vgl. Ehrhardt, Unternehmensdelinquenz, S. 81. 99 Vgl. BT-Drs. 10/318, S. 40. 100 So spricht z.B. Schroth, wistra 1986, 158 (163) davon, dass der Wegfall der Nebenfolgekonstruktion nur stärker das „dogmatische Vakuum“ beleuchte. 101 Vgl. den vor allem von der Fraktion der SPD getragenen Gesetzentwurf aus der Mitte des Bundestages BT-Drs. 11/6449, S. 6 bzw. den eine Legislaturperiode später erneut eingebrachten Entwurf BT-Drs. 12/376, S. 6. 102 Vgl. BT-Drs. 11/6449, S. 37 bzw. BT-Drs. 12/376, S. 37. 103 Vgl. die enger gefassten Entwürfe der Fraktionen CDU/CSU und FDP, BT-Drs. 11/6453, S. 5, 31, der Bundesregierung, BT-Drs. 12/192, S. 7, 32 – dem sich der Bundesrat anschloss, BT-Drs. 12/192, S. 43 – und des Rechtsausschusses, BT-Drs. 12/7300, S. 13 f. 97 98
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dies der „sozialen Wirklichkeit“ im Unternehmen entspreche.104 Aus Bestimmtheitsgründen wurde eine abschließende Aufzählung der infrage kommenden Personen gewählt.105 Das Zweite Gesetz zur Bekämpfung der Umweltkriminalität von 1994 bezog schließlich Generalbevollmächtigte, Prokuristen und Handlungsbevollmächtigte mit Leitungsfunktionen in den Tatbestand des § 30 OWiG mitein.106 Soweit bei Prokuristen und Handlungsbevollmächtigten auf die Leitungsfunktion abgestellt wurde, floss zum ersten Mal ein funktionales Element in die Bestimmung des möglichen Täterkreises ein, während zuvor immer formal allein auf die Stellung der Mitarbeiter abgestellt worden war. Neben diesen inhaltlichen Änderungen wurde in § 33 Abs. 1 Satz 2 OWiG (Unterbrechung der Verfolgungsverjährung) die Unternehmensgeldbuße nicht mehr in den bestehenden Begriff der Nebenfolge einbezogen, sondern ausdrücklich daneben genannt. Diese Änderung, die 1986 bei der Streichung des Begriffs der Nebenfolge in § 30 OWiG wohl übersehen worden war, sollte noch stärker klarstellen, dass die Geldbuße als eine eigenständige Sanktion anzusehen war.107 e) Ausdehnung der Unternehmensgeldbuße 1997 Im Jahr 1997 nahm der Gesetzgeber im Gesetz zur Bekämpfung der Korruption zwei kleinere Änderungen an § 30 OWiG vor, die jedoch im Einzelfall erhebliche Auswirkungen haben können.108 Zum einen wurde geregelt, dass im Fall der möglichen Anknüpfung der Unternehmensgeldbuße sowohl an einer Straftat als auch an einer Ordnungswidrigkeit die Unternehmensgeldbuße allein nach der Ordnungswidrigkeit bemessen werden kann, wenn diese die höhere Sanktion darstellt. Der Gesetzgeber hatte hier den neu geregelten Straftatbestand des Submissionsbetrugs (§ 298 StGB) im Auge, der häufig mit Ordnungswidrigkeiten nach dem GWB zusammentrifft; in einem solchen Fall sollte die Bemessung der Geldbuße nach dem vielfach höheren Bußgeld des GWB möglich sein.109 ___________ Vgl. BT-Drs. 11/6453, S. 31, BT-Drs. 12/192, S. 32. Vgl. a.a.O. 106 Einunddreißigstes Strafrechtsänderungsgesetz – Zweites Gesetz zur Bekämpfung der Umweltkriminalität – vom 27.6.1994 (BGBl. I S. 1440). 107 BT-Drs. 12/192, S. 33. 108 Vgl. das Gesetz zur Bekämpfung der Korruption vom 13.8.1997 (BGBl. I S. 2038); dazu Achenbach, WuW 1997, 958 ff.; ders., wistra 1998, 168 ff.; Korte, NStZ 1997; 513 ff.; König, JR 1997, 397 ff.; Kleinmann/Berg, BB 1998, 277 ff. Siehe auch Bangard, wistra 1997, 161 ff. 109 Vgl. die Ausführungen des Rechtsausschusses, BT-Drs. 13/8079, S. 16. Die Problematik der Submissionsabsprachen ist auch durch die Anhebung der Bußgelder in § 30 OWiG im Jahr 2002 (vgl. näher im nachfolgenden Text) nicht obsolet geworden: Zwar sehen sowohl § 30 OWiG als auch § 81 Abs. 4 Satz 1 GWB einen Höchstbetrag von 1 Mio. Euro vor, jedoch kann nach § 81 Abs. 4 Satz 2 GWB gegen Unternehmen ein Betrag bis zu 10 % 104 105
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Neben diesem die Sanktionshöhe betreffenden Aspekt erweiterte der Gesetzgeber die Möglichkeit der Durchführung eines selbstständigen Bußgeldverfahrens. Diesbezüglich sah er in § 30 Abs. 4 Satz 2 OWiG vor, dass spezialgesetzlich eine eigenständige Durchführung des Verfahrens geregelt werden kann. Eine erste Regelung dieser Art sah die Vorgängernorm des heutigen § 82 GWB vor, der den Kartellbehörden bis heute in bestimmten Fällen eine ausschließliche Zuständigkeit zur Bußgeldfestsetzung eingeräumt hat.110 f) Anpassung an europarechtliche Vorgaben 2002 Die letzte Reform des § 30 OWiG erfolgte im Jahr 2002, als der Kreis der Personen, an deren Handeln der Tatbestand anknüpft, noch einmal erweitert und der Maximalbetrag der Geldbuße angehoben wurde.111 Die Änderung diente der Umsetzung europarechtlicher Vorgaben, die im Zweiten Protokoll zum Übereinkommen über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften und in der Gemeinsamen Maßnahme betreffend die Bestechung im privaten Sektor und im Rahmenbeschluss über die Verstärkung des Schutzes gegen Geldfälschung enthalten waren.112 Diese europarechtlichen Rechtsakte hatten jeweils besondere Regelungen zur Verantwortlichkeit und Sanktionierung juristischer Personen vorgesehen.113 Der Personenkreis, an dessen Handlung eine Verantwortlichkeit anknüpfen kann, wurde um Personen erweitert, die „[...] für die Leitung des Betriebes oder Unter___________ des Gesamtumsatzes des letzten Geschäftsjahrs verhängt werden, vgl. die RL des BKartA in NJW 2006, 3544; Bach/Klumpp, NJW 2006, 3524 ff. sowie unten S. 502. 110 Vgl. BT-Drs. 13/8079, S. 16 f. (zum § 81a GWB a.F.) sowie Achenbach, wistra 1998, 168 ff.; Kleinmann/Berg, BB 1998, 277 ff.; König, JR 1997, 397 (403). 111 Vgl. Gesetz zur Ausführung des Zweiten Protokolls vom 19. Juni 1997 zum Übereinkommen über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften, der Gemeinsamen Maßnahme betreffend die Bestechung im privaten Sektor vom 22. Dezember 1998 und des Rahmenbeschlusses vom 29. Mai 2000 über die Verstärkung des mit strafrechtlichem und anderen Sanktionen bewehrten Schutzes gegen Geldfälschung im Hinblick auf die Einführung des Euro vom 22.8.2002 (BGBl. I S. 3387); siehe dazu Achenbach, wistra 2002, 440 ff.; Eidam, wistra 2003, 447 ff.; Quante, Sanktionsmöglichkeiten, S. 39 ff. 112 Vgl. das Zweite Protokoll aufgrund von Artikel K.3 des Vertrages über die Europäische Union zum Übereinkommen über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften (Rechtsakt des Rates vom 19.6.1997, ABl. C 221/11; vgl. dazu Korte, NJW 1998, 1464), die Gemeinsame Maßnahme betreffend die Bestechung im privaten Sektor (Gemeinsame Maßnahme 98/742/JI vom 22.12.1998, ABl. L 358/2) und den Rahmenbeschluss über die Verstärkung des mit strafrechtlichem und anderen Sanktionen bewehrten Schutzes gegen Geldfälschung im Hinblick auf die Einführung des Euro (Rahmenbeschluss 2000/383/JI vom 29.5.2000, ABl. L 140/1). 113 Vgl. Art. 3, 4 des Zweiten Protokolls, Art. 5, 6 der Gemeinsamen Maßnahme sowie Art. 8, 9 des Rahmenbeschlusses.
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nehmens [...] verantwortlich handeln, [...].“114 Eine derart weite Ausdehnung war zwar seitens des europäischen Rechts nicht verlangt, das nur eine Ausdehnung auf Leitungspersonen mit Kontrollbefugnissen vorgab.115 Der deutsche Gesetzgeber sah jedoch Schwierigkeiten einer abstrakten Abgrenzung von Leitungs- und Kontrollbefugnissen bei einer enger zugeschnittenen Regelung.116 Die allgemeine Ausdehnung auf Leitungspersonen sollte insgesamt zur Vermeidung von Umgehungsversuchen dienen, indem Taten durch Personen begangen werden, die nicht zum in § 30 OWiG a.F. aufgezählten Personenkreis gehörten.117 Neben der Erweiterung des Personenkreises wurde auch der Kreis der in den Tatbestand eingezogenen Unternehmen dahingehend ausgedehnt, dass nun nicht mehr nur Personenhandelsgesellschaften, sondern ganz allgemein rechtsfähige Personengesellschaften erfasst sind. In Bezug auf die Höhe der Geldbußen wurde der Höchstbetrag von 500.000 Euro für die Anknüpfung an vorsätzliche Straftaten auf 1 Mio. und bei fahrlässigen Straftaten von 250.000 auf 500.000 Euro erhöht. Bei der Anknüpfung an Ordnungswidrigkeiten gilt nach wie vor der Höchstbetrag, den der jeweilige Ordnungswidrigkeitentatbestand vorsieht. Als letzter Punkt wurde schließlich die Überschrift des Achten Abschnitts OWiG sprachlich dahingehend geändert, dass nunmehr die Geldbuße nach § 30 OWiG zusätzlich zu den Nebenfolgen aufgezählt wird. Diese Überschrift war das letzte Relikt im Gesetz, das einen möglichen Hinweis auf die Einstufung der Norm als Nebenfolge darstellen konnte,118 und die sowohl bei der Überarbeitung im Jahr 1986 als auch 1994 übersehen worden war. Mit der Änderung sollte nunmehr endgültig klargestellt werden, dass die Unternehmensgeldbuße keine Nebenfolge (mehr) ist.119 Mit der Erweiterung des Personenkreises, an den die Unternehmensgeldbuße anknüpfen kann, wurde nunmehr eine Gestaltung des § 30 OWiG vorgenommen, die in den Jahren 1986 und 1994 nicht konsensfähig gewesen war. Die bisher bestehenden Ausgestaltungen des § 30 OWiG verfügten über eine formale Auflistung des Täterkreises der Anknüpfungstat, die im Jahr 1994 nur bei Prokuristen und Handlungsbevollmächtigten durch das Erfordernis der Leitungsfunktion durchbrochen worden war. Nunmehr wird primär auf die Funktion des Mitarbeiters abgestellt, sodass die bisherige Aufzählung lediglich als Beispiele für leitende Mit____________ 114 Obsolet und daher aufgehoben wurden einige Sondervorschriften (z.B. § 39 HypBKG a.F., § 40 SchBKG a.F., § 59 KWG a.F.), die § 30 OWiG auch auf das Handeln nicht vertretungsberechtigter Leitungspersonen ausdehnten, vgl. BT-Drs. 14/8998. 115 Vgl. Art. 3 Abs. 1 des Zweiten Protokolls. 116 Vgl. BT-Drs. 14/8998, S. 11. 117 Vgl. BT-Drs. 14/8998, S. 11. 118 Die Überschrift wurde vom BGH auch dergestalt als Argument für die Nebenfolgekonstruktion herangezogen, vgl. BGHSt 46, 207 (211). 119 Vgl. BT-Drs. 14/8998, S. 12.
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arbeiter mit entsprechender Entscheidungsbefugnis zu verstehen ist.120 Durchgreifende Bedenken aus Bestimmtheitserfordernissen gegen die Ausweitung des Täterkreises wurden seitens des Gesetzgebers nicht (mehr) gesehen.121 B. Strafrechtliche Verantwortlichkeit Wie der historische Überblick gezeigt hat, ist eine originäre strafrechtliche Verantwortlichkeit des Unternehmens im deutschen Strafrecht heute nicht mehr zu finden. Dies bedeutet jedoch nicht, dass gegen ein Unternehmen keinerlei strafrechtliche Maßnahmen ergriffen werden können. Vielmehr kann in den Fällen, in denen das Unternehmen Vorteile aus einer Straftat seiner Mitarbeiter gezogen hat, der Vorteil als Verfall abgeschöpft werden (I.). Zudem können Gegenstände, die zur Begehung der Tat durch den Mitarbeiter verwendet wurden, eingezogen werden (II.). Auch die Abführung eines Mehrerlöses ist in einem strafrechtlichen Nebengesetz vorgesehen (III.). Zuletzt wird ein kurzer Blick auf die Norm des Individualstrafrechts geworfen, die als Einfallstor unternehmensbezogener Pflichten in das Strafrecht fungiert (IV.). I. Verfall Die Möglichkeit des Verfalls ist seit 1975 in §§ 73 ff. StGB geregelt.122 Die Vorschriften sehen verpflichtend die Entziehung von Tatvorteilen vor,123 wenn diese aus einer Straftat erlangt wurden. Der Verfall kann nicht angeordnet werden, wenn eine Unternehmensgeldbuße verhängt wird (§ 30 Abs. 5 OWiG).124 Adressat der Verfallsanordnung ist primär der Beteiligte an einer Tat selbst, der nach der Konzeption des StGB nur eine natürliche Person sein kann. Die Erfassung von Unternehmen ergibt sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz, mittelbar aber aus § 73 Abs. 3 StGB, der die Anordnung des Verfalls auch gegen einen „anderen“ ermöglicht, wenn der Tatbeteiligte für diesen gehandelt hat. Tatbeteiligter kann eine Füh____________ 120 Vgl. Achenbach, wistra 2002, 440 (443); Eidam, wistra 2003, 447 (451 f.); Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, § 30 Rn. 18d. 121 Vgl. die Begründung des Entwurfs der BReg in BT-Drs. 14/8998, S. 11, die die Bestimmtheit dadurch gewährleistet sieht, dass die bisherige Aufzählung als Beispiel bestehen bleibt und somit die Ausfüllung des neu eingefügten unbestimmten Rechtsbegriffs konkretisiert. Bedenken gegen die Regelung hatten weder der Rechtsausschuss (BT-Drs. 14/9413) noch der Bundesrat (BR-Drs. 553/02). 122 Zuvor konnte im Rahmen der Bemessung der Geldstrafe die Entziehung von Vorteilen berücksichtigt werden (vgl. § 27c StGB a.F., der auch ein Überschreiten des gesetzlichen Höchstmaßes erlaubte). Dies war nach der Umstellung auf das Tagessatzsystem des § 40 StGB durch das 2. StrRG vom 4.7.1969 (BGBl. I S. 717), das 1975 in Kraft trat, nicht mehr möglich. Vgl. zur Neuregelung 1975 Bender, ZfZ 1976, 139 ff. 123 Vgl. Sch/Sch-Eser, § 73 Rn. 1. 124 Vgl. BGH, NStZ-RR 2008, 13 (15).
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rungsperson des Unternehmens, aber auch ein beliebiger untergeordneter Mitarbeiter oder gar eine Person außerhalb des Unternehmens sein.125 Der Tatbeteiligte muss eine Straftat begangen haben; infrage kommen alle Straftaten, der Verfall ist also nicht auf Vermögensdelikte oder ähnliche Straftaten beschränkt. Es genügt die vorsätzliche und rechtswidrige Begehung, sodass es auf eine schuldhafte Begehung nicht ankommt.126 Ein „anderer“ im Sinne des § 73 Abs. 3 StGB kann nach allgemeinem Verständnis nicht nur eine andere natürliche Person, sondern auch ein Unternehmen sein.127 Da die Vorschrift die Person des „anderen“ nicht näher definiert ist, kann praktisch jede Form eines Unternehmens unter diese Vorschrift fallen.128 Damit können selbst Gesellschaften bürgerlichen Rechts, die von der Rechtsprechung inzwischen als teilrechtsfähig anerkannt sind,129 einbezogen werden. 1. Voraussetzungen Voraussetzung für die Anordnung des Verfalls gegen einen „anderen“ ist, dass der Straftäter „für“ diesen gehandelt hat und dadurch „etwas“ erlangt hat. Im hiesigen Kontext bedeutet dies, dass der Täter (v.a. ein Mitarbeiter) für das Unternehmen gehandelt und dieses dadurch etwas erlangt haben muss. Aufgrund des engen Verhältnisses zwischen Angestelltem und Arbeitgeber ist im Regelfall ein Handeln des Mitarbeiters für das Unternehmen zu bejahen. Ein spezielles Verhältnis (organschaftlicher Art, mit Vertretungsbefugnis, im Auftrag etc.) ist nicht notwendig, es genügt grundsätzlich jede Art eines Handelns für das Unternehmen.130 Unproblematisch erfasst sind die Fälle, in denen es unmittelbar etwas durch die Handlung des Mitarbeiters erlangt hat.131 Problematischer ist die Konstellation, in der das Unternehmen erst über rechtsgeschäftliche oder tatsächliche Zwischenakte etwas ____________ HWSt-Achenbach, I 2 Rn. 29. Vgl. §§ 73 Abs. 1, 11 Abs. 1 Nr. 5 StGB. 127 BVerfG, StV 2004, 409 (411); BGHSt 45, 235 (245 ff.); OLG Düsseldorf, wistra 1999, 477; MK-Joecks, § 73 Rn. 51; LK-Schmidt, § 73 Rn. 51; NK-Herzog, § 73 Rn. 26; Sch/Sch-Eser, § 73 Rn. 35; SK-StGB-Wolters/Horn, § 73 Rn. 14b; Fischer, StGB, § 73 Rn. 29; Wallschläger, Verfallsvorschriften, S. 99; siehe auch Michalke, in: Nelles (Hrsg.), Money, S. 97 ff. 128 Vgl. MK-Joecks, § 73 Rn. 51, wonach bereits eine Personengruppe ausreicht. 129 Vgl. grundlegend BGHZ 146, 341. 130 Vgl. Sch/Sch-Eser, § 73 Rn. 36, der allerdings einschränkend verlangt, dass der Täter im Einflussbereich des Empfängers des Vorteils steht (Rn. 37) und damit Täter außerhalb des Unternehmens ausschließen würde. Eine derartige (zwar wünschenswerte) Einschränkung ist dem Gesetz jedoch nicht zu entnehmen, das allein auf die faktische Verschaffung des Vorteils abstellt. 131 Vgl. BGHSt 45, 235 ff. Diese Konstellationen sind allerdings äußerst streitig, vgl. näher MK-Joecks, § 73 Rn. 53; Rönnau, Vermögensabschöpfung, Rn. 270 ff.; Sch/SchEser, § 73 Rn. 36; Wallschläger, Verfallsvorschriften, S. 100 ff. 125 126
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erlangt hat.132 Insbesondere der BGH bejaht die Möglichkeit zur Anordnung des Verfalls auch dann, wenn das Unternehmen allein über eine Anschlussverfügung des Mitarbeiters etwas erlangt hat.133 Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass eine Art Bereicherungszusammenhang gegeben ist,134 der im Regelfall bei betrieblichen Zurechnungsverhältnissen zu bejahen ist.135 Dem Verfall unterliegt das aus der Tat Erlangte. Dieses umfasst die Gesamtheit der materiellen Werte, die aus der Tat resultieren.136 Gemeint sind damit zunächst nach § 73 Abs. 1 StGB alle unmittelbar aus der Tat entstehenden Werte, die nach § 73 Abs. 2 StGB aber um gezogenen Nutzen und Ersatzgegenstände bei Veräußerung oder Zerstörung erweitert werden. Nach § 73a StGB kann sogar der Verfall des Wertersatzes angeordnet werden. Eine Schätzung des erlangten Werts ist zulässig (§ 73b StGB). Sonstige mittelbare Vorteile sind aber nicht erfasst. Im Einzelnen sind zahlreiche Fragen ungeklärt, welche Werte zum Erlangten zu zählen sind und welche Posten in Anrechnung zu bringen sind.137 Berechnet wird das Erlangte nach dem Bruttoprinzip, sodass Gegenleistungen oder Unkosten nicht abzugsfähig sind.138 Das früher geltende Nettoprinzip, das einen derartigen Abzug erlaubte, wurde 1992 durch den Gesetzgeber abgeschafft.139 Das BVerfG hat das Bruttoprinzip für verfassungsrechtlich zulässig erklärt.140 Es gilt nach der Rechtsprechung auch uneingeschränkt für den Verfall bei Dritten.141 In Ausnahmefällen kann bei unbilligen Härten nach § 73c Abs. I Satz 1 StGB eine Anordnung unterbleiben, wie dies beispielsweise bei einem gutgläubi____________ Sch/Sch-Eser, § 73 Rn. 16. Vgl. BGHSt 45, 235 (246); MK-Joecks, § 73 Rn. 54 ff.; Rönnau, Vermögensabschöpfung, Rn. 277 ff. 134 BGHSt 45, 235 (246). Der BGH geht von drei erfassten Fallgruppen aus: Vertretungsfälle (wenn der Täter als Organ, Vertreter oder Beauftragter gehandelt hat), Verschiebungsfälle (wenn der Täter handelt, um Vermögenswerte dem Zugriff des Geschädigten zu entziehen oder die Tat verschleiern möchte) und Erfüllungsfälle (wenn der Täter Vermögenswerte in Erfüllung einer bestimmten Verbindlichkeit zuwendet). 135 Vgl. BGHSt 45, 235 (245 f.); MK-Joecks, § 73 Rn. 59; SK-StGB-Wolters/Horn, § 73 Rn. 14d; sowie das Beispiel bei Rönnau, Vermögensabschöpfung, Rn. 279: Abschöpfung eine Wettbewerbsvorteils eines Textilbetriebes, das dieser durch die ersparten Aufwendungen für Abwasserbeseitigung in Folge der ungeklärten Einleitung von Abwässern in die Kanalisation durch einen Mitarbeiter erlangt hat. 136 Vgl. BT-Drs. 12/989, S. 23. 137 Vgl. näher Fischer, StGB, § 73 Rn. 9 ff.; Hohn, wistra 2003, 321 (323 ff.); ders., wistra 2006, 321 (322 f.); MK-Joecks, § 73 Rn. 25 ff.; Rönnau, Vermögensabschöpfung, Rn. 169 ff.; 246 ff.; SK-StGB-Wolters/Horn, § 73 Rn. 7 ff.; siehe auch Kudlich/Noltensmeier, wistra 2007, 121 zum Verfall beim Insiderhandel. 138 BVerfG StV 2004, 409 (410); BGHSt 51, 65 (66); 47, 369 (370 f.); vgl. auch Hohn, wistra 2003, 321 ff. 139 Vgl. Sch/Sch-Eser, vor § 73 Rn. 2a. 140 Vgl. BVerfG StV 2004, 409 ff.; NJW 2004, 2073 ff. 141 Vgl. BGHSt 47, 369 (374 f.); BGH JR 2004, 517; NStZ-RR 2004, 214 f. 132 133
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gen Dritten möglich sein kann.142 Allerdings wird die Vorschrift sehr restriktiv gehandhabt.143 Soweit in der Literatur Kritik an der Vorschrift geübt wird und Einschränkungen vorgeschlagen werden, sollen diese nur für natürliche Personen gelten und somit nicht gegenüber Unternehmen.144 Eine bedeutende Ausdehnung des Verfalls insbesondere zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität enthält § 73d StGB mit der Möglichkeit eines „Erweiterten Verfalls“.145 Hierbei können Gegenstände bereits dann abgeschöpft werden, wenn die Umstände die Annahme rechtfertigen, dass diese für rechtswidrige Taten oder aus ihnen erlangt worden sind. Die Erleichterung gegenüber dem normalen Verfall besteht zum einen darin, dass die Gegenstände nicht aus der Tat stammen müssen, die abgeurteilt wird. Zum anderen findet eine Beweiserleichterung bezüglich der Herkunft des Gegenstands aus einer rechtswidrigen Tat statt.146 Einschränkend gilt § 73d StGB allerdings nur, wenn ein Tatbestand explizit darauf verweist. Solche Tatbestände sind z.B. die Geldwäsche (§ 267 Abs. 7 StGB), das strafbare Glücksspiel (§ 286 StGB) oder Verstöße gegen das Außenwirtschaftsgesetz (§ 36 AWG). Zudem wird die Regelung aufgrund verfassungsrechtlicher Bedenken restriktiv ausgelegt.147 Für Unternehmen selbst ist die Vorschrift kaum relevant, da nur Gegenstände der tatbeteiligten natürlichen Personen erfasst sind. Eine Erstreckung auf Dritte wie beim einfachen Verfall besteht nicht.
2. Einschränkung Eine wichtige Einschränkung der Verfallsvorschriften enthält § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB, wonach Gegenansprüche des Verletzten den Verfall ausschließen. Diese als „Totengräber des Verfalls“148 bezeichnete Vorschrift soll verhindern, dass eine doppelte Inanspruchnahme durch den Verletzten und den Staat entsteht. Es genügt bereits die rechtliche Existenz eines Anspruchs (und nicht erst die Geltendmachung), um den Verfall auszuschließen.149 Insbesondere bei der Verletzung individualschützender Normen (z.B. bei einer fahrlässigen Körperverletzung durch Produktionsfehler) wird im Regelfall kein Anwendungsbereich für den Verfall verbleiben. Eine Bedeutung kommt dem Verfall dagegen bei den zahlreichen Nor____________ 142 Vgl. BGH NStZ 2007, 109 (110); siehe auch BGHSt 51, 65 ff.; BGH NStZ-RR 2004, 214 (215). 143 Vgl. z.B. BGHSt 51, 65, in dem die Berufung auf eine Entreicherung abgelehnt wird, solange beim Betroffenen überhaupt Vermögen in Höhe der Verfallsanordnung vorhanden ist und somit auch „unbeflecktes“ Vermögen betroffen sein kann. 144 Vgl. Sch/Sch-Eser, § 73 Rn. 37, der für natürliche Personen ohne eigenes Verschulden die Anwendung des Nettoprinzips geboten hält; siehe auch Rönnau, Vermögensabschöpfung, Rn. 290 f. 145 Vgl. näher MK-Joecks, § 73d Rn. 1 ff.; Fischer, § 73d Rn. 2 ff.; SK-Wolters/Horn, § 73d Rn. 1 f. 146 Vgl. näher Benseler, Gewinnabschöpfung, S. 65; Berg, Beweiserleichterung, S. 27; MK-Joecks, § 73d Rn. 2; Wallschläger, Verfallsvorschriften, S. 141 ff. 147 Vgl. BGHSt 40, 371 ff.; vgl. auch Fischer, § 73d Rn. 5 ff.; MK-Joecks, § 73d Rn. 17 jew. m.w.N. 148 Vgl. BGHSt 45, 235 (249) in Bezugnahme auf Eberbach, NStZ 1987, 486 (491). 149 Vgl. BGH NStZ-RR 2007, 109 (110); 2006, 138; NStZ 2001, 257 (258).
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men des Wirtschaftsstrafrechts zu, die überindividuelle Rechtsgüter schützen und damit nur selten zu konkreten individuellen Schädigungen führen. Angesichts der gerade durch das Bruttoprinzip geschaffenen umfangreichen Abschöpfungsmöglichkeit stellt sich die Frage, welche Natur die Verfallsregelung aufweist. Vom Gesetzgeber nicht als Strafe, sondern als Maßnahme eigener Art verstanden,150 konnte man die Regelung bis zur Abschaffung des Nettoprinzips im Jahr 1992 als reine „quasi-kondiktionelle Ausgleichsmaßnahme“ begreifen.151 Auch nach der Normierung des Bruttoprinzips will die Rechtsprechung, das BVerfG inbegriffen,152 die Vorschrift nur als kondiktionsähnliche Maßnahme verstanden wissen, selbst in der Konstellation des Drittverfalls.153 Durch das Bruttoprinzip kann jedoch materiell mehr abgeschöpft werden, als durch die Tat faktisch erlangt wurde. Dies ist nur mit einer stark generalpräventiven Wirkung zu erklären, wie sie für Strafen typisch ist.154 Ein pönaler Charakter des Verfalls ist insoweit kaum mehr zu verneinen,155 es handelt sich somit zumindest um eine strafähnliche Maßnahme. In der Konsequenz dieser Bewertung wird von zahlreichen Stimmen die Anwendung des Bruttoprinzips nur bei schuldhaftem Verhalten gefordert.156 Ob das Schuldprinzip der richtige Maßstab für eine derartige, von den klassischen Strafen abweichende Sanktion ist, kann an dieser Stelle nicht vertieft werden. Festzuhalten ist jedenfalls, dass der Verfall als einschneidende strafrechtliche Kondiktionsmaßnahme zumindest an Art. 14 GG und im Einzelnen insbesondere am Verhältnismäßigkeitsprinzip zu messen ist.157 3. Bewertung und Relevanz von Compliance-Maßnahmen Insgesamt stellt der Verfall ein einschneidendes Instrumentarium dar, um bei Unternehmen Vorteile abzuschöpfen, die diese aus Straftaten vor allem von Mitarbeitern erlangt haben. Ausscheiden wird der Verfall nur bei klassischen Eigentumsund Vermögensdelikten, die zu individuellen Schädigungen (und damit Ersatzansprüchen) geführt haben. In allen anderen Fällen kann der Verfall als einfaches Mittel dazu dienen, gegenüber Unternehmen vorzugehen. Die Anforderungen sind ____________ Vgl. z.B. BT-Drs. 11/6623, S. 5. Vgl. Eser, Sanktionen, S. 89; Sch/Sch-Eser, vor § 73 Rn. 18. 152 Vgl. BVerfG, NJW 2004, 2073 (2075 ff.). 153 Vgl. insbes. BGHSt 47, 369 (372 ff.). 154 Vgl. zu diesem Aspekt der Strafe BVerfGE 110, 15 (19 ff.); Dannecker, NStZ 2006, 683 f.; SK-Wolters/Horn, § 73 Rn. 4. 155 Vgl. Dannecker, NStZ 2006, 683 f.; Lackner/Kühl, § 73 Rn. 4b; Sch/Sch-Eser, vor § 73 Rn. 19. 156 Vgl. Hellmann/Beckemper, Wirtschaftsstrafrecht, Rn. 922; HWSt-Achenbach, I 2 Rn. 32; Lackner/Kühl, § 73 Rn. 4b; Sch/Sch-Eser, vor § 73 Rn. 19; SK-Horn, § 73 Rn. 5. 157 Ähnlich MK-Joecks, § 73 Rn. 13 f.; SK-Wolters/Horn, § 73 Rn. 3c; Wallschläger, Verfallsvorschriften, S. 40 ff. 150
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aufgrund der Ausgestaltung als Maßnahme und nicht als Strafe gering, insbesondere werden keine besonderen Voraussetzungen an das Unternehmen gestellt, die eine Verfallsanordnung beschränken würden. Der Verfall ist vollkommen unabhängig davon, ob das Unternehmen die Tat des Mitarbeiters gefördert bzw. erleichtert hat oder aber z.B. diese durch Compliance-Programme verhindern wollte. Mit dem Bruttoprinzip wird schließlich eine nicht unbedeutende Sanktionswirkung erreicht. In Bezug auf Unternehmen hat der Verfall daher faktisch vielfach die Funktion einer verschuldensunabhängigen Unternehmensgeldstrafe. Einen Ansatzpunkt, Compliance-Maßnahmen eines Unternehmens im Rahmen des Verfalls zu berücksichtigen, bietet allenfalls die Härteklausel des § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB.158 Der BGH hat wiederholt darauf hingewiesen, dass das Vorliegen einer unbilligen Härte bei Verhängung des Verfalls zu prüfen ist, wenn Organe einer juristischen Person gutgläubig gehandelt haben.159 Allerdings unterliegt die Annahme einer unbilligen Härte sehr hohen Anforderungen. Jedoch bietet sich dieser Weg im Einzelfall an, wenn das Unternehmen wegen effektiver ComplianceMaßnahmen nicht sanktionswürdig ist und die Abschöpfung von erlangten Vorteilen nicht geboten erscheint. II. Einziehung Die Einziehungsvorschriften nach §§ 74 ff. StGB erlauben die Entziehung von Gegenständen, die für eine Straftat gebraucht wurden oder unmittelbar durch die Straftat hervorgebracht wurden. Wie der Verfall ist die Einziehung bei allen Straftaten möglich. Die Anordnung der Einziehung liegt anders als die des Verfalls aber immer im Ermessen des Richters und ist nach § 74b StGB einer strikten Verhältnismäßigkeitsprüfung zu unterziehen. Die Einziehung ist durch die Verhängung der Unternehmensgeldbuße nach § 30 OWiG grundsätzlich nicht ausgeschlossen.160 Nach dem Gesetz stellt die Einziehung formal wie der Verfall eine bloße Maßnahme dar (vgl. § 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB). Diese Einstufung ist jedoch insgesamt zu pauschalisierend. Die Einziehungsvorschriften umfassen verschiedenste Einzelkonstellationen, die teilweise starken Sanktionscharakter aufweisen, teilweise aber auch nur präventiven Sicherungszwecken dienen.161 Sie sehen eine Einziehung im Wesentlichen in drei Fallkonstellationen vor: der Gegenstand gehört einem Tatbeteiligten, der Gegenstand ist als gefährlich einzustufen oder ein Dritter hat schuldhaft die Verwendung eines ihm zustehenden Gegenstands zugelassen. Wegen dieser beschränkten Fallkonstellationen kann ein Gegenstand, der im Eigentum ____________ 158 159 160 161
So auch Stetter, CCZ 2009, 227 (230 f.) allgemein zu Präventionsmaßnahmen. Vgl. BGHSt 47, 369 (377); wistra 2004, 227 (228); 465 (466). Vgl. Bohnert, OWiG, § 30 Rn. 70. Vgl. näher Sch/Sch-Eser, vor § 73 Rn. 13 ff.
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des Unternehmens steht, den aber ein Mitarbeiter zur Begehung einer Straftat verwendet hat, nicht in jedem Fall nach den §§ 74 bis 74f StGB eingezogen werden. In § 75 StGB findet sich daher eine Sondervorschrift, die die Einziehung im Fall der Straftaten von Mitarbeitern auch bei einer Eigentümerstellung des Unternehmens hinsichtlich der einzuziehenden Gegenstände erlaubt, als wäre das Unternehmen selbst Täter gewesen.162 Der Grund der Regelung ist darin zu sehen, dass ein Unternehmen nicht allein deswegen besser als eine natürliche Person (insbesondere als ein Alleinunternehmer) zu stellen ist, weil es nicht im strafrechtlichen Sinne handeln kann, sondern nur seine Mitarbeiter Straftaten verwirklichen können.163 Aufgrund dieser engen Verbindung zwischen Mitarbeiter und Unternehmen wird das Unternehmen schlechter gestellt als sonstige Dritteigentümer, da § 75 StGB eine singuläre Ausnahmevorschrift ist. Die Regelung des § 75 StGB ist § 30 OWiG nachgebildet und erfasst in identischer Weise nur bestimmte leitende Mitarbeiter und nur bestimmte Unternehmen. Seit der letzten Änderung im Jahr 2002, die wie bei § 30 OWiG der Anpassung an europarechtliche Vorgaben diente,164 sind allerdings fast alle Unternehmensformen und ein weiter Kreis an leitenden Mitarbeitern einbezogen.165 Der Verweis von § 75 Satz 2 StGB auf § 14 Abs. 3 StGB stellt klar, dass es nicht auf die rechtlich wirksame Begründung der Stellung des Mitarbeiters, sondern allein auf seine faktische Wahrnehmung der entsprechenden Tätigkeit ankommt. § 75 StGB erfasst das Handeln des Mitarbeiters dabei nur, wenn dieser gerade für das Unternehmen tätig geworden ist, das Handeln also in innerem Zusammenhang mit der beruflichen Stellung steht.166 Liegen die Voraussetzungen des § 75 StGB vor, wird das Unternehmen hinsichtlich der Einziehungsvorschriften der §§ 74 a bis c, 74 f StGB so behandelt, als wäre es selbst Beteiligter der Straftat gewesen. Auf die Einzelheiten der verschiedenen Arten der Einziehung kann vorliegend nicht näher eingegangen werden.167 Festzuhalten ist jedoch, dass das Unternehmen im Strafrecht ein weiteres Mal (neben dem Verfall) wie eine natürliche Person behandelt und einer strafrechtlichen Maßnahme unterworfen wird. Dies gilt nicht nur für präventiv orientierte Maßnahmen, sondern auch für solche, denen strafähnlicher Charakter zukommt.168 ____________ 162 Vgl. KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 110; Müller, Ordnungswidrigkeitenrecht, S. 12 f. siehe auch Achenbach, FS-Stree/Wessels, S. 545 (549 f.). 163 Vgl. BT-Drs. 14/8998, S. 8 sowie Achenbach, FS-Stree/Wessels, S. 545 (549). 164 Vgl. BT-Drs. 14/8998, S. 8 f. 165 Vgl. hierzu näher die Ausführungen zu § 30 OWiG unten S. 385 ff. 166 Vgl. BGH, NStZ 1997, 30 f.; Fischer, § 75 Rn. 3; Sch/Sch-Eser, § 75 Rn. 10; vgl. zum entsprechenden Problem bei § 30 OWiG unten S. 408 ff. 167 Vgl. im Einzelnen in Bezug auf Unternehmen Kindler, Unternehmen, S. 184 ff. 168 Hier ist insbes. § 74a StGB zu nennen. Vgl. zur Einstufung als strafähnliche Sanktion Sch/Sch-Eser, vor § 73 Rn. 16.
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III. Mehrerlösabschöpfung Das Wirtschaftstrafgesetz von 1954 sieht in seiner heute geltenden Fassung169 bei Zuwiderhandlungen gegen die §§ 1 bis 5 WiStG 1954 vor, dass ein Mehrerlös abgeschöpft werden kann. Mehrerlös ist nach § 8 Abs. 1 WiStG 1954 der Unterschiedsbetrag zwischen einem zulässigen und einem tatsächlich erzielten Preis. Gemäß § 10 Abs. 2 WiStG 1954 kann die Abführung des Mehrerlöses auch selbstständig bei Unternehmen vorgenommen werden, wenn die Tat im Unternehmen begangen wurde und diesem der Mehrerlös zugeflossen ist. Ähnlich wie beim Verfall wird damit der Anwendungsbereich der Mehrerlösabschöpfung durch eine Gleichstellung von Unternehmen mit natürlichen Personen erweitert. Der Anwendungsbereich der Mehrerlösabschöpfung ist begrenzt, da die Vorschriften der §§ 1 bis 5 WiStG 1954 nur Verstöße gegen Sicherstellungsvorschriften und Preisregelungen sowie bestimmte Preisüberhöhungen erfassen.170 Allerdings ist die Abführung des Mehrerlöses gemäß § 8 Abs. 4 WiStG vorrangig gegenüber den Verfallsvorschriften sowohl in §§ 73 ff. StGB als auch in § 29a OWiG. Dies entspricht der Regelung des § 30 Abs. 5 OWiG, der einen Vorrang der Unternehmensgeldbuße vor den Verfallsvorschriften normiert. Im WiStG 1954 sowie in § 30 OWiG nicht normiert ist das Verhältnis von Mehrerlösabführung zur Unternehmensgeldbuße. Aufgrund von Spezialität wäre zu überlegen, den Vorschriften der §§ 8, 10 WiStG 1954 Vorrang einzuräumen.171 Wegen der umfassenden Abschöpfungsfunktion des § 30 OWiG spricht jedoch viel dafür, diesen Fall wie den der Verfallsvorschriften zu lösen, also entsprechend § 30 Abs. 5 OWiG der Unternehmensgeldbuße den Vorrang einzuräumen.172 Nach Verhängung einer Unternehmensgeldbuße ist somit die Mehrerlösabführung ausgeschlossen. Wie beim Verfall kann aber nach einer Anordnung der Abführung des Mehrerlöses eine Unternehmensgeldbuße verhängt werden. Dann ist die Höhe des Mehrerlöses allerdings bei der Bußgeldberechnung zu berücksichtigen. IV. Exkurs: § 14 StGB Die Regelung des § 14 StGB richtet sich nicht unmittelbar an Unternehmen, ist jedoch mittelbar für diese von nicht zu unterschätzender Bedeutung. § 14 StGB erweitert die Strafbarkeit natürlicher Personen insoweit, als ihnen über die bei ih____________ 169 Wirtschaftsstrafgesetz 1954 in der Fassung der Bekanntmachung vom 3.6.1975 (BGBl. I S. 1313), zuletzt geändert durch § 20 Abs. 2 des Gesetzes vom 9.4.2008 (BGBl. I S. 714). 170 Vgl. näher Bohnert, FS-Schmitt, S. 247 ff.; Mitsch, OWi, § 19 Rn. 12 ff. 171 Vgl. Bohnert, FS-Schmitt, S. 247 (249) Anm. 23. 172 So auch Drathjer, Abschöpfung, S. 161; Göhler-König, OWiG (14. Aufl.), § 30 Rn. 37; KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 109; Mitsch, OWi, § 19 Rn. 16; Poller, Verbandsgeldbuße, S. 33; Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, § 30 Rn. 48.
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nen selbst vorliegenden Merkmale und über ihnen selbst obliegende Pflichten hinaus auch Merkmale und Pflichten zugerechnet werden, die das Unternehmen (be)treffen, für das die natürlichen Personen arbeiten. Damit können natürliche Personen bei Sonder- bzw. Pflichtdelikten173 auch dann bestraft werden, wenn die Sondereigenschaft oder die Pflicht nur beim Unternehmen vorliegt oder diesem auferlegt ist. Da mit dieser Regelung eine beträchtliche Erweiterung der Strafbarkeit verbunden ist, hat der Gesetzgeber eine abschließende Aufzählung der erfassten Konstellationen vorgenommen. In § 14 Abs. 1 StGB sind zunächst die Fälle erfasst, in denen die natürliche Person gesetzliche Vertretungsbefugnis für das Unternehmen hat: Dies sind die vertretungsberechtigten Organe und Organteile juristischer Personen sowie vertretungsberechtigte Gesellschafter rechtsfähiger Personengesellschaften.174 Darüber hinaus erfasst § 14 Abs. 2 StGB Fälle, in denen Personen mit der Leitung des Betriebs oder Betriebsteilen sowie mit der Wahrnehmung von Aufgaben des Inhabers beauftragt wurden. Das Gesetz spricht von „Betrieb“ und stellt „Unternehmen“ diesbezüglich gleich, ohne dass im Gesetz ein unterschiedlicher Gehalt dieser Begriffe erkennbar wird.175 Gewollt war durch die doppelte Benennung wohl nur eine möglichst umfangreiche Erfassung aller Tätigkeitsformen.176 Jedoch wird man als Betrieb die kleinere organisatorische Einheit verstehen können und als Unternehmen eher den rechtlich wirtschaftlichen Gesamtverbund.177 Ausdrücklich einbezogen werden auch öffentliche Stellen. Voraussetzung der Zurechnung ist, dass die natürliche Person gerade in ihrer Funktion als „verlängerter Arm“ des Unternehmens tätig wird.178 Insbesondere die Rechtsprechung sieht dies als gegeben an, wenn die natürliche Person zumindest auch im wirtschaftlichen Interesse des Unternehmens handelt (Interessentheorie).179 ____________ 173 Auf die im Einzelnen nicht völlig klare Abgrenzung von Sonder- und Pflichtdelikten sei hier nicht näher eingegangen, sondern Sonderdelikt wird allgemein als Delikt mit dem Erfordernis einer besonderen Täterstellung und Pflichtdelikt als spezieller Fall der Sonderdelikte mit dem Erfordernis einer besonderen Pflichtenstellung verstanden. Vgl. näher Jescheck/Weigend, AT, § 26 II 6; Roxin, AT I, § 20 Rn. 128. 174 Der dritte aufgezählte Fall des gesetzlichen Vertreters ist im Unternehmenskontext kaum von Bedeutung. 175 Fischer, StGB, § 14 Rn. 8; Lackner/Kühl, § 11 Rn. 15; LK-Schünemann, § 14 Rn. 56 f.; MK-Radtke, § 14 Rn. 85 ff.; Sch/Sch-Lenckner/Perron, § 14 Rn. 28/29; SKStGB-Hoyer, § 14 Rn. 59 f. 176 Vgl. Göhler in den Protokollen des Sonderausschusses „Strafrecht“ des Deutschen Bundestages, 5. Wahlperiode, 57. Sitzung, S. 1104; siehe auch BT-Drs. V/1319, S. 65. 177 Vgl. MK-Radtke, § 14 Rn. 87; SK-StGB-Hoyer, § 14 Rn. 60; siehe auch HWStAchenbach, I 3 Rn. 14. 178 Vgl. LK-Schünemann, § 14 Rn. 50 ff.; NK-Marxen, § 14 Rn. 28 ff.; Sch/SchLenckner/Perron, § 14 Rn. 25 f.; SK-StGB-Hoyer, § 14 Rn. 71 ff.; Tiedemann, NJW 1986, 1842 (1844 f.). Siehe zu diesem Problemkreis näher bei § 30 OWiG unten S. 408 ff. 179 Vgl. BGHSt 28, 371 (374); 30, 127 (128 f.); 34, 221 (223 f.).
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In der Literatur wird zum Teil mehr objektiv darauf abgestellt, ob gerade die Mitarbeiterstellung die Tathandlung rechtlich oder tatsächlich ermöglicht hat (Funktionstheorie).180 Nicht notwendig für die Zurechnung ist, dass der Rechtsakt zur Bestellung der Person in ihrer Funktion (v.a. nach gesellschaftsrechtlichen Regelungen) wirksam ist (§ 14 Abs. 3 StGB). Daher werden auch faktische Organstellungen erfasst.181 Allerdings muss die natürliche Person gerade in einer faktischen Leitungsfunktion innerhalb des Unternehmens tätig sein, denn eine Ausdehnung allein auf von außen auf das Unternehmen Einfluss nehmende Personen ist nicht ausreichend.182 Die Bedeutung des § 14 StGB für Unternehmen liegt zum einen darin, dass faktisch der Bereich der verwirklichbaren Straftaten für Mitarbeiter deutlich erweitert wird.183 Erweitert wird dadurch aber zum anderen auch die Möglichkeit einer Belangung des Unternehmens für von Mitarbeitern begangene Straftaten: Die Belangung kann in einer Anordnung des strafrechtlichen Verfalls, der Einziehung oder der Mehrerlösabschöpfung liegen, aber auch in einer Unternehmensgeldbuße nach § 30 OWiG. V. Ansätze zur Unternehmensstrafbarkeit in der Literatur Die Frage einer eigenständigen Unternehmensstrafbarkeit wurde und wird in der deutschsprachigen Literatur ausführlich erörtert.184 Die Diskussion ist dabei nicht ____________ Vgl. Sch/Sch-Lenckner/Perron, § 14 Rn. 25 f. Vgl. BGHSt 47, 318 (324 ff.); Fischer, StGB, § 14 Rn. 18; LK-Schünemann, § 14 Rn. 70; enger aber NK-Marxen, § 14 Rn. 40 ff. 182 Vgl. näher zu der im Einzelnen umstrittenen Grenzziehung v. Jeger, Geldbuße, S. 17 ff.; NK-Marxen, § 14 Rn. 43 ff.; LK-Schünemann, § 14 Rn. 71 ff. 183 Eine systematische Übersicht der wichtigsten Tatbestände gibt LK-Schünemann, § 14 Rn. 41 ff.; siehe auch HWSt-Achenbach, I 2 Rn. 4. 184 Genannt seien hier nur die folgenden Monografien in chronologischer Reihenfolge: Ziegler, Verbrechensunfähigkeit (1852); Hafter, Personenverbände (1903); Esch, Deliktsfähigkeit (1910); Fricke, Deliktsfähigkeit (1930); Busch, Verbände (1933); Serres, Deliktsfähigkeit (1934); Kampmann, Personenverbände (1936); Schmitt, Verbände (1958); Henkel, Verantwortlichkeit (1960); Seiler, Personenverbände (1967); Schünemann, Unternehmenskriminalität (1979); Ackermann, Strafbarkeit (1984); Deruyck, Verbandsdelikt (1990); Korte, Juristische Person (1991); Hirsch, Straffähigkeit (1993); Otto, Strafbarkeit (1993); Schroth, Unternehmen (1993); Ehrhardt, Unternehmensdelinquenz (1994); Heine, Unternehmen (1995); Ransiek, Unternehmensstrafrecht (1996); Schwinge, Unternehmen (1996); Eidam, Straftäter Unternehmen (1997); Lütolf, Strafbarkeit (1997); v. Freier, Verbandsstrafe (1998); Papachristos, Sanktionen (1998); Schlüter, Unternehmen (2000); Lewisch/Parker, Unternehmensstrafe (2001); Yoon, Unternehmen (2001); Athanassiou, Strafbarkeit (2002); Drope, Verbandsstrafe (2002); Ch. Bauer, Verbandsstrafbarkeit (2003); Bertossa, Unternehmensstrafrecht (2003); Haeusermann, Verband (2003); Kohlhoff, Kollektivstrafe (2003); Otten, Unternehmen (2005); Queck, Unternehmen (2005); Geiger, Organisationsmängel (2006); Hartan, Unternehmensstrafrecht (2006); Kirch-Heim, Sanktionen (2007); Mittelsdorf, Unternehmensstrafrecht (2007); Kindler, Unternehmen (2008). Siehe im Übrigen die im Folgenden zitierten Einzelbeiträge. 180 181
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auf Deutschland beschränkt, sondern wird seit Langem im gesamten deutschsprachigem Raum geführt.185 Aufgrund intensiver Forschungskontakte ins Ausland tragen inzwischen auch vermehrt ausländische Wissenschaftler aus nicht deutschsprachigen Ländern zur Debatte bei, die in Deutschland und teilweise sogar in deutscher Sprache veröffentlichen.186 Die Arbeiten widmen sich zumeist der Bestrafung von Unternehmen im Allgemeinen, nur wenige Darstellungen beziehen sich auf spezielle Deliktsbereiche wie das Umwelt- oder Kartellstrafrecht.187 Der Schwerpunkt der Arbeiten liegt in der Begründung und der Ausgestaltung einer möglichen strafrechtlichen Verantwortlichkeit der Unternehmen, darüber hinaus teilweise auch auf der Frage möglicher Sanktionen. In den letzten Jahren sind prozessuale Probleme zunehmend in den Fokus der Bearbeitungen gerückt.188 Im Folgenden wird die Diskussion lediglich im Überblick wiedergegeben und für Einzelheiten auf die zahlreichen bereits bestehenden Darstellungen verwiesen. Nur am Rande erwähnt sind die Arbeiten, die sich auf das europäische Recht konzentrieren und daher einen stark supranationalen Bezug mit eigenen Problemstel____________ 185 Siehe insbes. die monografischen Darstellungen aus Österreich und der Schweiz vor Einführung gesetzlicher Regelungen zur Strafbarkeit von Unternehmen: Aus der Schweiz Hafter, Personenverbände (1903); Seiler, Personenverbände (1967); Lütolf, Strafbarkeit (1997); aus Österreich: Lewisch/Parker, Unternehmensstrafe (2001); Ch. Bauer, Verbandsstrafbarkeit (2003); Bertossa, Unternehmensstrafrecht (2003). Die Einführung der Unternehmensstrafbarkeit in den beiden Ländern (in Kraft getreten in Österreich zu Beginn 2006 und in der Schweiz 2003) hat inzwischen zur Etablierung einer dort eigenständigen Diskussion geführt, die primär die Auslegung der neuen Regelungen zum Inhalt hat: zu Österreich siehe Bauer, ÖJZ 2004, 491; Boller, Verantwortlichkeit (2007); Hilf, Verbandsverantwortlichkeitsgesetz (2006); Köck, JBl. 2003, 496; Löschnig-Gspandl, ÖJZ 2000, 888; dies., ÖJZ 2001, 427; dies., ÖJZ 2002, 241; Moos, RZ 2004, 98; Steininger, Verbandsverantwortlichkeitsgesetz (2006); Vernier, ÖJZ 2002, 718; Zeder, ÖJZ 2001, 630; ders., Unternehmensstrafrecht (2006); zur Schweiz siehe Forster, Verantwortlichkeit (2006); Geiger, Organisationsmängel (2006); Heine, ZStrR 121 (2003), 24; ders., recht 2005, 1; ders., SZW 2005, 17; ders., in: Niggli/Amstutz (Hrsg.), Unternehmen, S. 93; ders., ZStrR 125 (2007), 105; Macaluso, Responsabilité (2004); Pieth, ZStrR 119 (2001), 1; ders., ZStrR 121 (2003), 353; ders., FG-Juristentag 2004, S. 597; Ryser, Outsourcing, S. 39 ff.; Schmid, Recht 2003, 201; Stratenwerth, FS-Burgstaller, S. 191. 186 Vgl. die Beiträge aus zahlreichen europäischen Ländern (insbes. aus Italien und Spanien) in: Schünemann/Suárez Gonzáles (Hrsg.), Bausteine des europäischen Wirtschaftsstrafrechts. Madrid-Symposium für Klaus Tiedemann (1994); Schünemann/de Figueiredo Dias (Hrsg.), Bausteine für ein europäisches Strafrecht. Coimbra-Symposium für Claus Roxin (1995); Eser/Heine/Huber (Hrsg.), Criminal Responsibility of Legal and Collective Entities (1999). Siehe auch die entsprechenden Abhandlungen in Sieber et al. (Hrsg.), Strafrecht und Wirtschaftsstrafrecht, Festschrift für Klaus Tiedemann (2008). 187 Siehe zum Umweltstrafrecht Heine, Unternehmen (1995); Schwinge, Unternehmen (1996); Athanassiou, Strafbarkeit (2002); Ch. Bauer, Verbandsstrafbarkeit (2003); zum Kartellstrafrecht siehe Kohlhoff, Kollektivstrafe (2003); Otten, Unternehmen (2005). 188 Siehe hierzu insbes. Schlüter, Unternehmen (2000); Drope, Verbandsstrafe (2002); Queck, Unternehmen (2005).
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lungen aufweisen.189 Zunächst wird auf die Kritik an einer Unternehmensstrafbarkeit eingegangen, da sich die meisten Darstellungen der Befürworter der Widerlegung dieser Kritikpunkte widmen. 1. Kritik am Institut der Unternehmensstrafbarkeit Soweit die Einführung einer Unternehmensstrafe im deutschen Recht in der Literatur abgelehnt wird, wird dies damit begründet, dass das auf natürliche Personen zugeschnittene Strafrecht nicht auf Unternehmen übertragbar sei.190 Zumeist wird hierbei das Unternehmen als nicht handlungsfähig, nicht schuldfähig und einer Strafe nicht zugänglich (als nicht straffähig) angesehen. Darüber hinaus wird auch die Gerechtigkeit der Unternehmensstrafe in Zweifel gezogen.191 Die Kritik, die bereits an der Handlungsfähigkeit ansetzt, stützt sich vor allem darauf,192 dass der strafrechtliche Handlungsbegriff grundsätzlich ein vom menschlichen Willen getragenes Verhalten voraussetzte.193 Da es Unternehmen im Kern an einer der natürlichen Person entsprechenden psychisch-geistigen Substanz fehle, sei sie nicht als solche handlungsfähig.194 Neben der Handlungsfähigkeit wird die Schuldfähigkeit des Unternehmens zumeist als der zentrale Punkt für die Ablehnung einer Unternehmensstrafe angesehen.195 Das deutsche Strafrecht beruht auf dem Schuldprinzip, das von der Recht____________ 189 Vgl. bspw. Hamann, Unternehmen (1992); Engels, Unternehmensvorsatz (2002); Papakiriakou, Unternehmensstrafrecht (2002); Bahnmüller, Unternehmensverantwortlichkeit (2004). 190 Vgl. zur Diskussion im Überblick Hirsch, Straffähigkeit, S. 9 ff.; Kindler, Unternehmen, S. 211 ff.; Mittelsdorf, Unternehmensstrafrecht, S. 73 ff. 191 Neben den im Text angesprochenen Kritikpunkten werden vereinzelt noch drei weitere Punkte moniert: 1. Die bestehenden Strafen und das bestehende Verfahren passten nicht auf Unternehmen (Marcuse, GA 64 [1917], 478 [496]). 2. Eine Unternehmensstrafe werfe Gleichheitsprobleme zwischen verschiedenen Unternehmensformen auf (vgl. Korte, Juristische Person, S. 220 ff.; Peglau, JA 2001, 606 [610]). 3. Eine Unternehmensstrafe sei mit dem Strafrecht als ultima ratio nicht vereinbar (vgl. Yoon, Unternehmen, S. 135 ff.; in diese Richtung auch Hamm, NJW 1998, 662). 192 Blauth, Handeln, S. 15; Engisch, 40. DJT, S. E23 f.; Hartung, 40. DJT, S. E43; Jescheck/Weigend, AT, § 23 VII 1; Jescheck, ZStrR 70 (1955), 243 (259) (anders aber ZStW 65 [1953], 210 [212 f.]); Lang-Hinrichsen, FS-Mayer, S. 49 (53); Marcuse, GA 64 (1917), 478 (495 f.); Quante, Sanktionsmöglichkeiten, S. 157; Roxin, AT I, § 8 Rn. 59, 63; Schmitt, Verbände, S. 181 ff.; Sch/Sch24-Cramer, vor § 25 Rn. 113; Schwinge, Unternehmen, S. 101. Siehe auch RGSt 16, 121 (123); v. Freier, Verbandsstrafe, S. 88 ff.; Gracia Martin, in: Schünemann/Suárez Gonzáles (Hrsg.), Madrid-Symposium, S. 13 (17 f.). 193 Bei aller Verschiedenheit der vertretenen Handlungsbegriffe ist dies im Grundsatz der kleinste gemeinsame Nenner, vgl. zu den Handlungsbegriffen Jescheck/Weigend, AT, § 23; Roxin, AT I, § 8. 194 Vgl. Roxin, AT I, § 8 Rn. 59. 195 Ralf Busch, Unternehmen, S. 440 ff.; Engisch, 40. DJT, S. E24 f.; v. Freier, Verbandsstrafe, S. 179 ff.; Fricke, Deliktsfähigkeit, S. 56 f.; Hafter, Lehrbuch, S. 72; Heinitz,
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sprechung verfassungsrechtlich in der Menschenwürdegarantie und dem Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit (Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG) sowie dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG verankert gesehen wird.196 Aus dem Schuldprinzip folgt, dass keine Strafe ohne Schuld verhängt werden darf.197 Im Detail ist der Begriff der Schuld zwar stark umstritten,198 es besteht jedoch weitgehende Übereinstimmung darin, dass Schuld die persönliche individuelle Vorwerfbarkeit umschreibt, die ihren Grund in der freien sittlichen Selbstbestimmung des Menschen hat.199 Aufgrund dieser Zentrierung des Schuldbegriffs auf die persönlich moralische Entscheidungsfähigkeit des Menschen wird die Möglichkeit eines Verschuldens des Unternehmens selbst abgelehnt.200 Darüber hinaus wird häufig die Straffähigkeit des Unternehmens verneint.201 Zum einen fehle es dem Unternehmen an der Strafempfänglichkeit, da es nicht wie eine natürliche Person die Strafe empfinden könne.202 Zum anderen sei das Unternehmen mangels moralischer Einsichtsfähigkeit nicht in der Lage, die Strafe als Sühne auf sich zu nehmen.203 Zuletzt sieht sich eine Unternehmensstrafe dem Vorwurf der mangelnden Gerechtigkeit ausgesetzt.204 Dieser Punkt betrifft einerseits die Mitbestrafung un____________ 40. DJT, S. 85; Jescheck, ZStW 65 (1953), 210 (213 f.); Kampmann, Personenverbände, S. 50; Lang-Hinrichsen, FS-Mayer, S. 49 (53); Lange, JZ 1952, 261 ff.; Lewisch/Parker, Strafbarkeit, S. 137 ff.; Kirch-Heim, Sanktionen, S. 154 ff.; Peglau, JA 2001, 606 (608 f.); Schmitt, Verbände, S. 194; Seelmann, Verantwortung, S. 14; Siegert, NJW 1953, 527 (528). 196 Vgl. BVerfGE 20, 323 (325); 25, 269 (285); 50, 125 (133); 95, 96 (131); BGHSt (GrS) 2, 194 (200). 197 BVerfGE 50, 125 (133). 198 Vgl. Jescheck/Weigend, AT, § 4 I; Roxin, AT I, § 19 Rn. 1 ff. 199 BGHSt (GrS) 2, 194 (200); BGHSt 47, 369 (375 f.); Arthur Kaufmann, Schuldprinzip, S. 116 ff.; LK-Rönnau, vor § 32 Rn. 308 ff. 200 Vgl. die Nachweise in Anm. 195. Das Problem der Schuldfähigkeit wird auch von zahlreichen Vertretern anerkannt, die sich (zumeist aufgrund einer Modifizierung des klassischen strafrechtlichen Systems) für eine Unternehmensstrafe aussprechen, vgl. Ehrhardt, Unternehmensdelinquenz, S. 186 ff.; Heine, ÖJZ 2000, 871 (879); Otto, Strafbarkeit, S. 15 ff.; Peglau, ZRP 2001, 406 (407); Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 233 ff.; ders., in: Schünemann/Suárez Gonzáles (Hrsg.), Madrid-Symposium, S. 265 (285 f.); Stratenwerth, FS-Schmitt, S. 295 (302 f.); Wohlers, SJZ 2000, 381 (385 ff.). 201 Engisch, 40. DJT, S. E34 f.; Fricke, Deliktsfähigkeit, S. 57 ff.; Jescheck/Weigend, AT, § 23 VII 1; Jescheck, ZStW 65 (1953), 210 (213); Heinitz, 40. DJT, S. 86; Huss, ZStW 90 (1978), 237 (238 ff.); Kohler, GA 64 (1917), 500 (503); Peglau, ZRP 2001, 406 (408); Schmitt,Verbände, S. 196; Seiler, Personenverbände, S. 81 ff. 202 Engisch, 40. DJT, S. E16; Hartung, 40. DJT, S. E43; Hafter, Lehrbuch, S. 72; Kohler, GA 64 (1917), 500 (503). 203 Vgl. Brender, Verbandstäterschaft, S. 63 f.; Jescheck, ZStW 65 (1953), 201 (213); Kohler, GA 64 (1917), 500 (503); siehe auch Schwander, FS-Gutzwiller, S. 603 (615). 204 Vgl. Engisch, 40. DJT, S. E36 ff.; v. Freier, Verbandsstrafe, S. 230 ff., 258 ff.; Hamm, in: Herzog (Hrsg.), Strafprozeß, S. 33 (41 ff.); Hartung, 40. DJT, S. E43; Heinitz, 40. DJT, S. 69, 89; Huss, ZStW 90 (1978), 237 (246 f.); Knopp/Rathmann, JR 2005, 359
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schuldiger Angestellter, die als Teil des Unternehmens (ohne in die Tat involviert zu sein) durch eine Bestrafung des Unternehmens tangiert sind. Andererseits ist die Frage einer Doppelbestrafung angesprochen, soweit Unternehmensmitarbeiter als Täter (z.B. der Anknüpfungstat für die Unternehmensstrafe) belangt werden. 2. Ansätze zur Begründung einer Unternehmensstrafbarkeit a) Handlungsfähigkeit Soweit eine Bestrafung von Unternehmen für möglich gehalten wird, wird die Frage der Handlungsfähigkeit zumeist aufgrund einer Zurechnung des Verhaltens der Unternehmensmitarbeiter bejaht.205 Möglich erscheint dies nicht nur aufgrund der in §§ 75 StGB, 29, 30 OWiG bereits vorgesehenen Handlungszurechnung, sondern auch wegen der grundsätzlich als Zurechnungsfiguren ausgestalteten Beteiligungsregelungen im Strafrecht.206 Teilweise wird auch § 31 BGB herangezogen, der für juristische Personen und Personenvereinigungen eine Zurechnung der Handlungen von Organen und Vertretern vorsieht.207 Im Detail unterscheiden sich die Ansätze zur Handlungszurechnung vor allem in ihrer Begründung. Hierbei wird zunächst im Sinne einer „echten“ Zurechnung das Handeln der Mitarbeiter als Handeln des Unternehmens gesehen, da das Unternehmen erst durch diese am Rechtsverkehr teilnehmen kann (Identifikationsansatz).208 Aufgrund des engen Bezugs zur Teilnahme am Rechtsverkehr wird der
____________ (362); Köhler, AT, S. 558 ff.; Peglau, JA 2001, 606 (609 f.); Schmitt, Verbände, S. 197 ff., Seelmann, FS-Schmid, S. 169 (182); Yoon, Unternehmen, S. 177 ff. 205 Vgl. Ackermann, Strafbarkeit, S. 211 ff.; Ch. Bauer, Verbandsstrafbarkeit, S. 106 f.; Busch, Verbände, S. 69, 158 ff.; Ehrhardt, Unternehmensdelinquenz, S. 177 ff.; Esch, Deliktsfähigkeit, S. 17 ff.; Haeusermann, Verband, S. 141 ff.; Hartan, Unternehmensstrafrecht, S. 228 f.; Henkel, Verantwortlichkeit, S. 97; Hetzer, ZFIS 1999, 212 (225 f.); Hirsch, Straffähigkeit, S. 10; Mittelsdorf, Unternehmensstrafrecht, S. 75 f.; Otto, Strafbarkeit, S. 14 f.; Quante, Sanktionsmöglichkeiten, S. 133 ff.; KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 10; Rotberg, FS-100 Jahre DJT, S. 193 (197); Scholz, ZRP 2000, 435 (438); Schroth, Unternehmen, S. 177 ff.; Stratenwerth, FS-Schmitt, S. 295 (297 f.); Tiedemann, NJW 1988, 1169 (1172); ders., in: Schoch/Stoll/Tiedemann (Hrsg.), Freiburger Begegnungen, S. 30 (45 ff.); Wohlers, SJZ 2000, 381 (384 f.); siehe auch Kohlhoff, Kollektivstrafe, S. 314 ff. 206 Vgl. Ackermann, Strafbarkeit, S. 215 f.; Ch. Bauer, Verbandsstrafbarkeit, S. 106; Ehrhardt, Unternehmensdelinquenz, S. 179 ff.; Hetzer, ZFIS 1999, 212 (225); Scholz, ZRP 2000, 435 (438); Schroth, Unternehmen, S. 178; Tiedemann, NJW 1988, 1169 (1172); Wohlers, SJZ 2000, 381 (385). 207 Vgl. Ackermann, Strafbarkeit, S. 211 ff.; Ehrhardt, Unternehmensdelinquenz, S. 178 f.; Scholz, ZRP 2000, 435 (438); Schroth, Unternehmen, S. 180 ff. 208 Vgl. Ehrhardt, Unternehmensdelinquenz, S. 185, 221 ff.; Haeusermann, Verband, S. 141 ff.; Henkel, Verantwortlichkeit, S. 98; Kindler, Unternehmen, S. 274 ff.; Otto, Strafbarkeit, S. 15; Stratenwerth, FS-Schmitt, S. 295 (298).
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Mitarbeiterkreis häufig auf Organe oder Führungspersonen beschränkt.209 Eine ähnliche Begründung wählt Schroth, der von den Unternehmen obliegenden Pflichten ausgeht (Pflichtadressatenansatz): Da die Pflichten nur durch natürliche Personen erfüllt werden können, müsse sich das Unternehmen das Handeln dieser Personen im Rahmen der Pflichterfüllung zurechnen lassen.210 Auf einer Zurechnung beruht ebenfalls der Ansatz von Tiedemann, der die Unternehmensstrafbarkeit in einem Organisationsmangel des Unternehmens begründet sieht, wenn Mitarbeiter die notwendigen Maßnahmen gegen Rechtsverstöße unterlassen haben.211 Die Pflicht des Unternehmens zur ordentlichen Organisation korrespondiert mit einer Verantwortlichkeit für etwaige Verstöße der Mitarbeiter. Auch bei diesem Ansatz wird die Zurechnung auf das Handeln von Organen und leitenden Mitarbeitern beschränkt.212 Im Kern eine Zurechnungslösung wählen des Weiteren die Ansätze, die von einer originären Handlungsfähigkeit des Unternehmens ausgehen.213 Zwar wird die Zurechnung häufig als überflüssige Hilfskonstruktion verworfen,214 jedoch kommen auch diese Ansätze nicht ohne die Heranziehung der Handlung der Unternehmensmitarbeiter und damit letztlich einer Zurechnung aus. Der einzige Unterschied zu den vorgenannten Zurechnungsmodellen besteht darin, dass sie das Handeln der Mitarbeiter nicht als fremdes (nämlich zunächst als das der Mitarbeiter) betrachten, sondern a priori als ein originär eigenes des Unternehmens selbst. Grundlage bildet zumeist die von v. Gierke entwickelte Theorie der realen Verbandstäterschaft, die das Unternehmen als eigenes Wesen erfasst, dessen Willen sich in Beschlussfassungen des Unternehmens konstituiere.215 Ein Handeln des Unternehmens liege in der Umsetzung dieses Willens durch Unternehmensmitarbeiter.216 Damit stellen grundsätzlich sämtliche Handlungen der Mitarbeiter, die sich auf den Unterneh____________ 209 Vgl. Ehrhardt, Unternehmensdelinquenz, S. 223 ff.; Esch, Deliktsfähigkeit, S. 18; Otto, Strafbarkeit, S. 15; Stratenwerth, FS-Schmitt, S. 295 (298). 210 Vgl. Schroth, Unternehmen, S. 173 f.; KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 10. 211 Vgl. hierzu v.a. Tiedemann, NJW 1988, 1169 (1172 f.); ders., in: Eser/Thormundsson (Hrsg.), Legislation, S. 157 (168 ff.); ders., in: Schoch/Stoll/Tiedemann (Hrsg.), Freiburger Begegnungen, S. 30 (46 f.), der diesen Ansatz primär zu § 30 OWiG (siehe hierzu unten S. 377) entwickelt hat; siehe auch Ackermann, Strafbarkeit, S. 216 f. 212 Tiedemann, NJW 1988, 1169 (1172 f.) sowie Ackermann, Strafbarkeit, S. 239 f. 213 Vgl. Bertossa, Unternehmensstrafrecht, S. 34 ff.; Eidam, Straftäter Unternehmen, S. 101 ff.; Hafter, Personenverbände, S. 44 ff., 75 ff.; Hirsch, Straffähigkeit, S. 10; Jakobs, AT, 6. Abschn. Rn. 44; Lütolf, Strafbarkeit, S. 126; KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 8. 214 Eidam, Straftäter Unternehmen, S. 104; Hirsch, Straffähigkeit, S. 10; siehe auch Dannecker, GA 2001, 101 (111). 215 Vgl. zu v. Gierke bereits oben S. 321. 216 Vgl. Bertossa, Unternehmensstrafrecht, S. 34 f.; Eidam, Straftäter Unternehmen, S. 105 ff.; Esch, Deliktsfähigkeit, S. 16 f.; Hafter, Personenverbände, S. 76 ff.; Lütolf, Strafbarkeit, S. 124 ff.
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menswillen zurückführen lassen, ein Handeln des Unternehmens dar.217 Einen ähnlichen Ansatz wie die Theorie der realen Verbandstäterschaft verfolgt Hirsch, der die Struktureigenschaft des Unternehmens heranzieht, um eine originäre Handlungsfähigkeit zu begründen: Weil das Unternehmen als Unternehmen nach außen durch menschliche Handlungen tätig wird, sind diese menschlichen Handlungen die des Unternehmens.218 Gerade bei dieser Begründung ist ein Unterschied zum Identifikationsansatz kaum noch auszumachen. In neuerer Zeit wird die originäre Handlungsfähigkeit zudem aus systemtheoretischen Erwägungen abgeleitet. Die auf Luhmann219 zurückgehenden Ansätze betrachten das Unternehmen als eigenes soziales System, dessen innere Verfassung und Organe ein systemisches Verhalten mit Auswirkungen außerhalb des Systems (Output) erlauben; dieses Verhalten nach außen unterscheide sich nicht von dem einer natürlichen Person und sei somit strafrechtlicher Bewertung zugänglich.220 Neben den vorgenannten Ansätzen, die durchweg an der Handlung eines Mitarbeiters anknüpfen, wird vor allem von Heine eine Lösung vertreten, die auf eine derartige Verbindung verzichtet.221 Da sich ein Unternehmen hinsichtlich seiner Komplexität von natürlichen Personen unterscheide, sei nicht auf eine isolierbare Einzelhandlung (der Mitarbeiter) abzustellen, sondern auf die Kombination und Koordination unternehmensinterner Prozesse, die sich in der Organisation und der Strategie des Unternehmens ausdrücken.222 Zur Konstituierung des Unternehmensunrechts bedürfe es in diesem Fall allein des Nachweises eines fehlerhaften Risikomanagements und des Eintritts einer Rechtsgutsverletzung, die aus der Fehlerhaftigkeit resultiere.223
____________ 217 Vgl. Eidam, Straftäter Unternehmen, S. 105 f.; Lütolf, Strafbarkeit, S. 125 f., 352 f.; siehe auch Bertossa, Unternehmensstrafrecht, S. 34 f. Die Ansätze unterscheiden sich im Detail vor allem in der Frage, welche Beschlüsse von welchen Personen als die des Unternehmens gelten können. 218 Vgl. Hirsch, Straffähigkeit, S. 10; ders., ZStW 107 (1995), 285 (310 ff.). 219 Vgl. zu den Betrachtungen des Unternehmens als soziales System Luhmann, Soziale Systeme, S. 191 ff. 220 Vgl. Jakobs, AT, 6. Abschnitt, Rn. 44 (der von einer entsprechenden Handlungsdefinition ausgeht, Rn. 20 ff.) sowie Dannecker, GA 2001, 101 (111); Mittelsdorf, Unternehmensstrafrecht, S. 73 f. Siehe auch KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 10; Volk, in: Grunsky et al. (Hrsg.), Verbraucherkauf, S. 117 (119). 221 Vgl. Heine, Unternehmen, S. 243 ff., 248 ff.; 307 ff.; ders., in: Alwart (Hrsg.), Verantwortung, S. 90 (97 f.); siehe auch Dannecker, GA 2001, 101 (111, 117); Lampe, ZStW 106 (1994), 683 (697 ff.). 222 Vgl. Heine, Unternehmen, S. 250 f., 287 ff.; 311. 223 Vgl. Heine, Unternehmen, S. 312, der die Rechtsgutsverletzung auf Tötungen, schwere Körperverletzungen, Gemeingefahren und gravierende Umweltbeeinträchtigungen beschränkt; weiter dagegen Dannecker, GA 2001, 101 (111, 117 ff.); Lampe, ZStW 106 (1994), 683 (731 f.).
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b) Schuldfähigkeit Ein rechtswidriges Handeln eines Unternehmens wird nicht als Problem gesehen, sobald einmal die Handlungsfähigkeit bejaht wurde.224 Daher konzentriert sich die weitere Diskussion der Unternehmensstrafbarkeit wesentlich auf die Frage der Notwendigkeit und die Art der Bestimmung der Unternehmensschuld. Ihren Grund findet diese Schwerpunktbildung in der zentralen Stellung des Schuldgrundsatzes im deutschen Straf- und Verfassungsrecht. Unterscheiden kann man Ansätze, die eine Unternehmensschuld konkret zu bestimmen versuchen (dazu 1) und Ansätze, die auf die Schuld ganz verzichten wollen (dazu 2). (1) Konstruktion einer Unternehmensschuld Wie im Rahmen der Handlungsfähigkeit wird eine Lösung zunächst in der Zurechnung der Schuld des handelnden Mitarbeiters gesucht.225 Verwiesen wird hierfür teilweise auf die Normen des § 75 StGB, § 30 OWiG, § 31 BGB, die neben der Handlungs- eine Schuldzurechnung vorsähen.226 Auch die Bertelsmann-LeseringEntscheidung227 des Bundesverfassungsgerichts wird häufig zur Feststellung herangezogen, dass keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Zurechnung einer Schuld bestünden.228 Die Begründung der Zurechnung beruht vielfach auf dem Identifikationsgedanken,229 wonach das schuldhafte Verhalten des Unternehmensmitarbeiters (als Repräsentant des Unternehmens) dem Unternehmen zuzuschreiben sei, wenn dieser funktional in seiner Unternehmensstellung tätig
___________ Siehe Heinitz, 40. DJT, S. 84 f. Ackermann, Strafbarkeit, S. 217 ff., 231 f.; Ch. Bauer, Verbandsstrafbarkeit, S. 113 ff.; Ehrhardt, Unternehmensdelinquenz, S. 186 ff.; Esch, Deliktsfähigkeit, S. 28; Haeusermann, Verband, S. 151 ff.; Hartan, Unternehmensstrafrecht, S. 228 f.; Henkel, Verantwortlichkeit, S. 101 f.; Hetzer, ZFIS 1999, 212 (228 f.); Scholz, ZRP 2000, 435 (438); Schroth, Unternehmen, S. 217 ff. Siehe auch Rotberg, FS-100 Jahre DJT, S. 193 (208) und Tiedemann, in: Schoch/Stoll/Tiedemann (Hrsg.), Freiburger Begegnungen, S. 30 (48 ff.), der aber wie bei § 30 OWiG den Ansatz des Organisationsverschuldens als grundlegende Basis der Zurechnung sieht. 226 Ackermann, Strafbarkeit, S. 219 ff., 231 f.; Ehrhardt, Unternehmensdelinquenz, S. 197; Hetzer, ZFIS 1999, 212 (229); siehe auch Schroth, Unternehmen, S. 204 ff.; Tiedemann, NJW 1988, 1169 (1172); ders., in: Schoch/Stoll/Tiedemann (Hrsg.), Freiburger Begegnungen, S. 30 (52). 227 BVerfGE 20, 323, siehe dazu bereits oben S. 323. 228 Ackermann, Strafbarkeit, S. 232 f.; Haeusermann, Verband, S. 29 ff.; Hetzer, ZFIS 1999, 212 (228); Schroth, Unternehmen, S. 195; Tiedemann, NJW 1988, 1169 (1172); ders., in: Schoch/Stoll/Tiedemann (Hrsg.), Freiburger Begegnungen, S. 30 (48). 229 Wenig stringent wird in der Literatur zum Teil für die Schuld eine andere Begründung gewählt als für die Handlungszurechnung: vgl. Erhardt, Unternehmensdelinquenz, S. 179 ff. (Handlungszurechnung aufgrund Identifikation) und S. 192 ff. (Schuld aufgrund mangelnder Straftatvermeidung). 224 225
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werde.230 Ergänzende Erwägungen sind wie bei der Begründung der Handlungsfähigkeit, dass das Unternehmen Adressat zahlreicher Normen sei, die es nur durch natürliche Personen erfüllen könne und somit auch für diese einzustehen habe.231 Zudem zeige die Anerkennung der Ehrfähigkeit, dass das Unternehmen grundsätzlich für sozialethische Wertungen offen sei.232 Der Identifikationsgedanke führt allerdings zu einer dem deutschen Recht weitgehend unbekannten Zurechnung fremder Schuld, die im Hinblick auf die Vereinbarkeit mit § 29 StGB Fragen aufwirft.233 Außerdem entsteht das Problem der Verdoppelung der Schuld, wenn Unternehmen und Unternehmensmitarbeiter bestraft werden.234 Zahlreiche Ansätze nehmen daher eine eigenständige Bestimmung der Unternehmensschuld vor.235 Ein erster Ansatz stützt sich wie im Bereich der Handlungsfähigkeit und insoweit stringent auf die Theorie der realen Verbandstäterschaft, die das Unternehmen als rechtliches Sonderwesen auffasst. Kernpunkt der Überlegungen ist die Annahme, dass der fehlerhafte Unternehmenswillen, der durch einen Unternehmensmitarbeiter umgesetzt wird, eine eigenständige Schuld des Unternehmens begründe, da über den individuellen Willen des Mitarbeiters auch vor allem der fehlerhafte Willen des Unternehmens ausgeführt werde.236 ____________ 230 So v.a. Haeusermann, Verband, S. 151 ff. (funktionale Verbandsschuld); Schroth, Unternehmen, S. 204 (funktionale Organschuld); siehe auch Henkel, Verantwortlichkeit, S. 101 ff.; Kindler, Unternehmen, S. 274 ff. 231 Ackermann, Strafbarkeit, S. 231; Ehrhardt, Unternehmensdelinquenz, S. 187 ff.; Schroth, Unternehmen, S. 201; Tiedemann, in: Schoch/Stoll/Tiedemann (Hrsg.), Freiburger Begegnungen, S. 30 (49). 232 Vgl. Ackermann, Strafbarkeit, S. 231; Rotberg, FS-100 Jahre DJT, S. 193 (200 f.). Dieser Aspekt wird ebenso für die Anerkennung der Straffähigkeit angeführt (vgl. dazu nachfolgend unter c) Straffähigkeit). 233 Krit. daher Mittelsdorf, Unternehmensstrafrecht, S. 82 f.; Otto, Strafbarkeit, S. 15; Roxin, AT I, § 8 Rn. 63. 234 Vgl. Kindler, Unternehmen, S. 228. Auch die Zurechnungsansätze aufgrund des Identifikationsgedankens sehen diese Problematik und versuchen dem mit der Einbeziehung eines kollektiven Elements zu begegnen (Haeusermann, Verband, S. 167; Schroth, Unternehmen, S. 204 ff.), wobei jedoch Schwierigkeiten bestehen, dieses Element genau zu bestimmen (vgl. zu den verschiedenen Möglichkeiten der Tatbestandskonstruktion unten auf S. 361 ff.). 235 Vgl. Bertossa, Unternehmensstrafrecht, S. 54 ff.; Dannecker, GA 2001, 101 (112 ff.); Eidam, Straftäter Unternehmen, S. 117 ff.; Hafter, Personenverbände, S. 94 ff. (der allerdings seine Ansicht später ohne eingehende Begründung revidiert, vgl. Hafter, Lehrbuch, S. 72: „Meine frühere Auffassung von der strafrechtlichen Deliktsfähigkeit [...] der Personenverbände kann ich nicht aufrechterhalten.“); Heine, Unternehmen, S. 261 ff.; Hirsch, Straffähigkeit, S. 12 ff.; ders., ZStW 107 (1995), 285 (291 ff.); Lütolf, Strafbarkeit, S. 153 ff.; Müller, Ordnungswidrigkeitenrecht, S. 20 ff.; siehe auch Lampe, ZStW 106 (1994), 683 (732). 236 Vgl. nur Bertossa, Unternehmensstrafrecht, S. 54 f.; Esch, Deliktsfähigkeit, S. 28 f.; Hafter, Personenverbände, S. 94 f.; Lütolf, Strafbarkeit, S. 130, 153; siehe auch Eidam, Straftäter Unternehmen, S. 117.
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Allerdings ist die genaue Bildung des Unternehmenswillens unklar und zudem erscheint die ihm zugeschriebene generelle Billigung strafwürdiger Verhaltensweisen seitens des Unternehmens eher zweifelhaft.237 In neuerer Zeit wird daher der Ansatz des Unternehmens als reale Persönlichkeit mit der von Tiedemann in die Diskussion eingebrachten Idee des Organisationsverschuldens kombiniert und eine Strafbarkeit erst angenommen, wenn ein konkreter Nachweis der fehlerhaften Organisation erbracht wird.238 Tiedemann sieht die Schuld des Unternehmens in einem Organisationsverschulden begründet, nämlich der Unterlassung notwendiger Maßnahmen zur Straftatvermeidung.239 Dabei betrachtet er dieses Organisationsverschulden nur als Legitimationsbasis, sodass er de facto der Zurechnung des Verschuldens des Mitarbeiters zum Unternehmen verhaftet bleibt.240 Die kombinierten Ansätze sehen dagegen den im Organisationsmangel zutage tretenden Unternehmenswillen als originäres Verschuldenselement; der wesentliche Unterschied zum Vorschlag von Tiedemann besteht im teilweisen Verzicht auf den Nachweis (und damit die Zurechnung) einer konkreten Tat des Mitarbeiters.241 Diesen kombinierten Ansätzen nahe stehen Volk und Kohlhoff, die eine kriminelle Verbandsattitüde, die sich in fehlerhaften Unternehmenspraktiken etc. (management failure) niedergeschlagen hat, als Schuldbasis annehmen.242 Ebenfalls eine den kombinierten Ansätzen verwandte Lösung wählt Hirsch, der aber allein mit der Theorie der realen Verbandspersönlichkeit argumentiert: Die Herleitung einer Unternehmensschuld aus der Struktur des Unternehmens sei möglich, da es für mehr als nur für die Summe der Schuld seiner Mitglieder stehe.243 Die konkrete Unternehmensschuld bestehe in der Nichtvermeidung einer Tat durch den Mitarbeiter; daneben fordert er den Nachweis einer schuldhaft begangenen ____________ Vgl. Busch, Verbände, S. 57 f.; Kindler, Unternehmen, S. 235 f. Bertossa, Unternehmensstrafrecht, S. 55 f. (Betriebsführungschuld); Lütolf, Strafbarkeit, S. 426, 427 f.; noch weitergehend Eidam, Straftäter Unternehmen, S. 118 f., der die Realisierung von Gefahren aus dem Einflussbereich des Unternehmens genügen lässt. 239 Vgl. Tiedemann, NJW 1988, 1169 (1172); ders., in: Eser/Thormundsson (Hrsg.), Legislation, S. 157 (173 ff.); ders., in: Schoch/Stoll/Tiedemann (Hrsg.), Freiburger Begegnungen, S. 30 (48 ff.); ähnlich Erhardt, Unternehmensdelinquenz, S. 194 f. Siehe auch Brender, Verbandstäterschaft, S. 108 ff. 240 Tiedemann, in: Schoch/Stoll/Tiedemann (Hrsg.), Freiburger Begegnungen, S. 30 (46); ähnlich Erhardt, Unternehmensdelinquenz, S. 192 ff., die ebenfalls auf innerbetriebliche Versäumnisse und Fehlleistungen als Begründung für eine Zurechnung der Schuld der Mitarbeiter abstellt. 241 Vgl. Bertossa, Unternehmensstrafrecht, S. 55. Krit. hierzu Kindler, Unternehmen, S. 237, die die Kombination beider Ansätze für dogmatisch nicht vereinbar hält. 242 Volk, in: Grunsky et al. (Hrsg.), Verbraucherkauf, S. 117 (120 f.); Kohlhoff, Kollektivstrafe, S. 309 f., der wegen des kollektiven Bezugs auch keine volldeliktische Tat eines Individuums verlangt. 243 Hirsch, Straffähigkeit, S. 14 f.; ders., ZStW 107 (1995), 285 (312 f.); siehe auch ders., in: de Doelder/Tiedemann (Hrsg.), Comportement Collectif, S. 31 (58 ff.). 237 238
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Anknüpfungstat.244 Insoweit geht Hirsch inhaltlich über die Theorie der realen Verbandspersönlichkeit hinaus und verbindet das Zurechnungsmodell mit dem des Organisationsverschuldens. Führt man den Gedanken des Organisationsverschuldens fort, kann die Unternehmensschuld im Sinne einer sozialen Verantwortlichkeit allgemein als das Zurückbleiben hinter den Sollensanforderungen der Gesellschaft verstanden werden.245 Mit diesem Ansatz kann eine weitgehende Lösung von einem sittlich und moralisch basierten Schuldbegriff erfolgen. Hinter den sozialen Anforderungen bleibe das Unternehmen immer dann zurück, wenn es intern nicht für eine Vermeidung einer Straftat gesorgt habe.246 Die Begehung einer Straftat durch einen Mitarbeiter zeige grundsätzlich das Versagen des Unternehmens und begründe dessen Schuld.247 Eine Loslösung vom klassisch normativen Schuldbegriff nehmen auch die Ansätze vor, die auf systemtheoretische Überlegungen zurückgehen.248 Insbesondere Heine hält hier einen eigenständigen Schuldbegriff für notwendig.249 Diesen sieht er in einer kollektiven Verantwortlichkeit (eine Art systemischer Verantwortlichkeit) des Unternehmens für Maßnahmen begründet, die erforderlich sind, um einen ordnungsgemäßen Betriebsablauf zu gewährleisten und betriebliche Risiken zu verhindern.250 Es gehe dabei nicht um die Ahndung eines personalen Unrechts, ____________ Hirsch, Straffähigkeit, S. 26 f.; ders., ZStW 107 (1995), 285 (312 ff.). Vgl. Müller, Ordnungswidrigkeitenrecht, S. 20 ff.; ähnliche Ausführungen finden sich auch bei Otto, Strafbarkeit, S. 29 ff.; ders., Jura 1998, 409 (417 f.), der ein System der „wirtschaftsaufsichtsrechtlichen Maßnahme“ vorschlägt, das er außerhalb der eigentlichen strafrechtlichen Maßnahmen ansiedeln will. 246 Vgl. Müller, Ordnungswidrigkeitenrecht, S. 23; Otto, Strafbarkeit, S. 29 f.; ders., Jura 1998, 409 (417 f.). 247 Vgl. Müller, Ordnungswidrigkeitenrecht, S. 23, der allerdings eine Exkulpationsmöglichkeit des Unternehmens annimmt. Otto, Strafbarkeit, S. 29 f.; ders., Jura 1998, 409 (417 f.) verlangt einschränkend den Nachweis einer innerbetrieblichen Kontroll- oder Aufsichtspflichtverletzung, die eine externe Rechtsgüterbeeinträchtigung ermöglicht oder erleichtert hat. 248 Vgl. Dannecker, GA 2001, 101 (107 ff., 112); Heine, Unternehmen, S. 31 ff.; ders., in: Alwart (Hrsg.), Verantwortung, S. 90 (102); Kindler, Unternehmen, S. 243 ff. sowie S. 276 ff.; Lampe, ZStW 106 (1994), 683 (722 ff.); Mittelsdorf, Unternehmensstrafrecht, S. 83 f.; KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 11. Jakobs, der früh die Systemtheorie für das Strafrecht fruchtbar gemacht hat (AT, 6 Abschn. Rn. 21), führt seine Überlegungen im Lehrbuch nicht im Rahmen der Unternehmensschuld fort (vgl. nur die kursorischen Anmerkungen diesbezüglich, AT, 6. Abschn. Rn. 45). Zudem hat Jakobs die Möglichkeit einer Unternehmensstrafbarkeit mangels Schuldfähigkeit inzwischen verneint, vgl. Jakobs, FSLüderssen, S. 559 ff. 249 Heine, in: Alwart (Hrsg.), Verantwortung, S. 90 (102). Siehe auch Dannecker, GA 2001, 101 (107 ff., 112); Lampe, ZStW 106 (1994), 683 (722 f.) sowie KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 11, der allerdings Heines Verständnis für „problematisch“ hält. 250 Heine, Unternehmen, S. 253 f. 244
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sondern um die Kontrolle spezifischer unternehmenstypischer Gefahren.251 Konkret erforderlich für den Schuldnachweis sei eine Verletzung der Pflicht zur risikobewussten Organisation und betriebsgerechten Gefahrenvorsorge.252 (2) Verzicht auf eine Unternehmensschuld Schließlich werden in der Literatur Ansätze vertreten, die wegen der Probleme bei der Bestimmung der Schuld des Unternehmens völlig auf das Schuldelement verzichten wollen und alternative Lösungen bevorzugen.253 Diese Lösungen lassen entweder eine Ausnahme vom Schuldprinzip zu, suchen nach einer alternativen Legitimationsgrundlage oder ziehen eine Analogie zum bestehenden Maßregelsystem. Alwart macht für den Bereich der Unternehmensstrafbarkeit eine Ausnahme vom allgemeinen Verschuldenserfordernis im Strafrecht.254 Möglich sei dies dadurch, dass das Unternehmen nur subsidiär haften solle, falls keine individualstrafrechtliche Verantwortlichkeit vorliege.255 In solchen Fällen solle das Unternehmen für eine verursachte Gemeingefährdung einstehen, wenn eine die Gefahr begründende Straftat eines Mitarbeiters aus unternehmensinternen Gründen (der „Personenfeindlichkeit der Organisationsstruktur“) nicht vorliege.256 Ähnlich sieht Kirch-Heim den Schuldgrundsatz auf natürliche Personen beschränkt und auf Unternehmen nicht anwendbar; eine repressive Sanktion (im System des Strafrechts) sei jedoch bei zurechenbarer Veranlassung einer Straftat zulässig, ohne dass diese wie bei Alwart subsidiär zur Individualsanktion sei.257 Einen anderen Weg beschreitet Schünemann, der einen Rechtsgüternotstand als zum Schuldprinzip alternatives Legitimationsprinzip annimmt.258 Der Wandel des Strafrechts vom repressiven Instrument zum Präventionsrecht erlaube, den Schwerpunkt auf einen präventiven Rechtsgüterschutz im Rahmen einer verfas____________ 251 Heine, Unternehmen, S. 254; siehe auch Dannecker, GA 2001, 101 (107); Lampe, ZStW 106 (1994), 683 (722, 728 ff.). 252 Heine, Unternehmen, S. 265 ff.; siehe auch Dannecker, GA 2001, 101 (112); Lampe, ZStW 106 (1994), 683 (724 f., 732 ff.); KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 11. 253 Vgl. Alwart, ZStW 105 (1991), 752 (768 ff.); Bruns, JZ 1954, 251 (254); Hartung, 40. DJT, S. E43 ff.; Jescheck, ZStR 70 (1955), 243 (262 ff.); Kirch-Heim, Sanktionen, S. 186 ff.; Schmitt, Verbände, S. 199 ff.; 230 ff.; Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 233 ff.; Schwinge, Unternehmen, S. 128 f.; Stratenwerth, FS-Schmitt, S. 295 (302 ff.); Wohlers, SJZ 2000, 381 (387 ff.). 254 Vgl. Alwart, ZStW 105 (1993), 752 ff. 255 Vgl. Alwart, ZStW 105 (1993), 752 (758, 768 f.). 256 Vgl. Alwart, ZStW 105 (1993), 752 (769 ff.). 257 Vgl. Kirch-Heim, Sanktionen, S. 194 ff. 258 Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 233 ff.; ders., wistra 1982, 41 (49 f.); ders., in: Schünemann/Suárez Gonzáles (Hrsg.), Madrid-Symposium, S. 265 (285 f.). Schünemann folgend Schwinge, Unternehmen, S. 128 f.
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sungsrechtlichen Rechtfertigung zu legen.259 Die Schwierigkeiten der Bestimmung eines individuellen Täters im Unternehmen und die mögliche „kriminelle Verbandsattitüde“ vereitelten nach geltendem Recht einen effektiven Rechtsgüterschutz, sodass dieser Rechtsgüternotstand (auch: Präventionsnotstand) eine eigenständige Unternehmenssanktion rechtfertige.260 Eine weitere Ansicht schlägt vor, strafrechtliche Sanktionen in Anlehnung an die bereits im StGB normierten Maßregeln für Unternehmen zu schaffen.261 Für die Verhängung derartiger Maßregeln sei ein Verschulden nicht erforderlich. Legitimationsbasis sei daher nicht der Schuldgedanke, sondern das Prinzip des überwiegenden öffentlichen Interesses.262 Die Schwierigkeiten der Verfolgung von Straftaten in Unternehmen rechtfertigten die Verhängung einer eigenen Unternehmenssanktion.263 Insoweit stellt auch diese Ansicht wie Schünemann auf Präventions- und Notstandsgesichtspunkte ab. Umfang und Reichweite der Sanktion bestimmen sich dann im Wesentlichen nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip. c) Straffähigkeit Soweit die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Unternehmens in der Literatur bejaht wird, wird in der Straffähigkeit des Unternehmens kein unlösbares Problem mehr gesehen. Die Empfänglichkeit für einen sozial-ethischen Unwerttadel sieht man dadurch gegeben, dass das Unternehmen diesen durch seine Organe/Mitarbeiter wahrnehmen könne.264 Insbesondere die Anerkennung der Ehrfähigkeit des Unternehmens zeige, dass das Unternehmen als sittlicher Adressat infrage kommen kann.265 Auch die Spürbarkeit der Strafe stelle kein besonderes Problem dar, da das
____________ Schünemann, in: ders./Suárez Gonzáles (Hrsg.), Madrid-Symposium, S. 265 (285). Vgl. Schünemann, in: ders./Suárez Gonzáles (Hrsg.), Madrid-Symposium, S. 265 (286 f.), der allerdings in seiner früheren Ausarbeitung zur Unternehmensstrafbarkeit (ders., Unternehmenskriminalität, S. 244 f., 248 ff.) noch für eine stärkere Berücksichtigung individualstrafrechtlicher Elemente plädierte. 261 Bruns, JZ 1954, 251 (254); Hartung, 40. DJT, S. E51 ff.; Jescheck, DÖV 1953, 539 (542); Schmitt, Verbände, S. 199 ff.; Stratenwerth, FS-Schmitt, S. 295 (302 ff.); Wohlers, SJZ 96 (2000), S. 381 (387 ff.). Siehe auch Lang-Hinrichsen, FS-Mayer, S. 49 (75). 262 Wohlers, SJZ 96 (2000), 381 (387 f.). 263 Stratenwerth, FS-Schmitt, S. 295 (301); Wohlers, SJZ 96 (2000), 381 (387). 264 Vgl. Dannecker, GA 2001, 101 (115); Ehrhardt, Unternehmensdelinquenz, S. 201 f.; Haeusermann, Verband, S. 155 f.; Hirsch, Straffähigkeit, S. 18; Müller, Ordnungswidrigkeitenrecht, S. 24 ff.; Tiedemann, in: Schoch/Stoll/Tiedemann (Hrsg.), Freiburger Begegnungen, S. 30 (51 f.). 265 Vgl. Alwart, ZStW 105 (1993), 752 (771); Lütolf, Strafbarkeit, S. 171. Siehe auch Hirsch, Straffähigkeit, S. 18, der darauf hinweist, dass zahlreiche an Unternehmen gerichtete Rechtsnormen nicht ethisch indifferent seien; ähnlich Eidam, Straftäter Unternehmen, S. 120 f. 259
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Unternehmen Träger von Rechten und Freiheiten sei, die im Rahmen einer Strafe beschnitten werden könnten.266 Schließlich seien auch die mit einer Strafe verbundenen Zwecke gegenüber Unternehmen erfüllbar. Der Vergeltungsgedanke greife, wenn man hierfür die objektive Minderung des Rechtsstatus für ausreichend halte und das Erleiden eines Übels nicht als eigentlichen Strafzweck, sondern nur als gewünschte, aber nicht erzwingbare Nebenfolge ansehe.267 Erkenne man das Unternehmen als schuldhaft handelnden Normadressat an, so sei letztlich auch die gerechte Ahndung der Tat im Sinne eines schuldangemessenen Übelausgleichs anzuerkennen.268 Keine unlösbaren Probleme bestünden zudem im Hinblick auf die präventiven Strafzwecke. Die Bestrafung des Unternehmens selbst erfülle zum einen den Aspekt der positiven Generalprävention insoweit das Rechtsbewusstsein der Allgemeinheit gestärkt werde, dass der für den Rechtsgüterverstoß eigentlich Verantwortliche sanktioniert werde.269 Zum anderen würden im Sinne der negativen Generalprävention weitere Unternehmen von der Begehung ähnlicher Straftaten abgeschreckt.270 Aber auch spezialpräventive Erwägungen griffen, da ein bestraftes Unternehmen unter besonderer Beobachtung der Anteilseigner und der Öffentlichkeit stehe und somit eine erneute Straftat verhindern wolle.271 Dies könne insbesondere Mitarbeiter zu normgerechten Verhalten anleiten.272 Schließlich könne durch spezielle Maßnahmen wie Betriebsstilllegungen oder gar Auflösungen die Öffentlichkeit vor einem „gefährlichen“ Unternehmen geschützt werden.273 ____________ 266 Ehrhardt, Unternehmensdelinquenz, S. 201; Haeusermann, Verband, S. 156; Lütolf, Strafbarkeit, S. 171; siehe auch Ackermann, Strafbarkeit, S. 199 f.; Hirsch, Straffähigkeit, S. 17 f. sowie aus dem Lager der Kritiker einer strafrechtlichen Unternehmensverantwortlichkeit v. Freier, Verbandsstrafe, S. 60 ff.; Kirch-Heim, Sanktionen, S. 171 ff., Quante, Sanktionsmöglichkeiten, S. 157, die die Straffähigkeit nicht generell ausschließen. 267 Vgl. Ackermann, Strafbarkeit, S. 200; Bertossa, Unternehmensstrafrecht, S. 69; Ehrhardt, Unternehmensdelinquenz, S. 205 ff.; Schwander, FS-Gutzwiller, S. 603 (615 f.). 268 Vgl. Ackermann, Strafbarkeit, S. 199 f.; Bertossa, Unternehmensstrafrecht, S. 66 ff.; Dannecker, GA 2001, 101 (115); Ehrhardt, Unternehmensdelinquenz, S. 207; Eidam, Straftäter Unternehmen, S. 120; Hirsch, Straffähigkeit, S. 18; Tiedemann, in: Schoch/ Stoll/Tiedemann (Hrsg.), Freiburger Begegnungen, S. 30 (52). Siehe auch Quante, Sanktionsmöglichkeiten, S. 166 ff. 269 Vgl. Ackermann, Strafbarkeit, S. 196 ff.; Bertossa, Unternehmensstrafrecht, S. 63; Eidam, Straftäter Unternehmen, S. 119 ff. 270 Vgl. Ackermann, Strafbarkeit, S. 197; Bertossa, Unternehmensstrafrecht, S. 62 f.; Dannecker, GA 2001, 101 (114); Ehrhardt, Unternehmensdelinquenz, S. 204; Hirsch, Straffähigkeit, S. 17; Lütolf, Strafbarkeit, S. 175; Tiedemann, in: Schoch/Stoll/Tiedemann (Hrsg.), Freiburger Begegnungen, S. 30 (52). 271 Bertossa, Unternehmensstrafrecht, S. 62 f.; Dannecker, GA 2001, 101 (114); Ehrhardt, Unternehmensdelinquenz, S. 204; Eidam, Straftäter Unternehmen, S. 121; Haeusermann, Verband, S. 155 f.; Hirsch, Straffähigkeit, S. 17; Lütolf, Strafbarkeit, S. 173 ff.; Tiedemann, in: Schoch/Stoll/Tiedemann (Hrsg.), Freiburger Begegnungen, S. 30 (52). 272 Vgl. Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 18 ff., 26, 158; Eidam, Straftäter Unternehmen, S. 121. 273 Ackermann, Strafbarkeit, S. 199; Ehrhardt, Unternehmensdelinquenz, S. 205; Lütolf, Strafbarkeit, S. 174 f.
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d) Gerechtigkeit Die Frage hinsichtlich der Gerechtigkeit der Unternehmensstrafe konzentriert sich maßgeblich auf die Doppelbestrafung und die Bestrafung Unschuldiger. Das Problem der Doppelbestrafung stellt sich naturgemäß nur bei den Ansätzen, die eine Parallelverantwortung von handelndem Mitarbeiter und Unternehmen anerkennen.274 Da es sich bei Mitarbeitern und Unternehmen um zwei getrennte Rechtssubjekte handelt, wird jedoch allgemein ein Verstoß gegen das Doppelbestrafungsverbot verneint.275 Auch das Problem der Bestrafung unschuldiger Mitarbeiter und Anteilseigner am Unternehmen wird als überwindbar angesehen.276 Denn die Strafe richte sich gegen das Unternehmen als solches, deren Anteilseigner werden weder persönlich angeklagt noch ihnen gegenüber Vorwürfe erhoben oder sie selbst direkt bestraft.277 Die Frage ist somit allenfalls, ob die indirekte Betroffenheit, vor allem durch einen Reputationsverlust und dessen negative Folgen,278 eine Unternehmensstrafe verbietet. Dies wird allgemein verneint, da die Anteilseigner Verluste durch Strafen wie andere wirtschaftliche Entwicklungen hinzunehmen haben und zudem durch eine entsprechende Einflussnahme auf das Management steuern könnten.279 Für die Betroffenheit von nicht an der Tat beteiligten Mitarbeitern wird darauf verwiesen, dass diese als soziales Umfeld wie die Familie eines verurteilten Elternteils oder wie ein Gläubiger, der einen zahlungsunfähigen Schuldner verliere, in die ____________ 274 Z.B. stellt sich das Problem nicht beim subsidiären Modell von Alwart, ZStW 105 (1993), 752 (768 ff.) sowie bei Kindler, Unternehmen, S. 306 und Ransiek, Unternehmensstrafrecht, S. 333 ff., die eine alleinige Unternehmensverantwortlichkeit befürworten. Das Problem würde sich dagegen insbes. bei den Ansätzen stellen, die die Unternehmensstrafe als Schuldvorwurf gegen alle Gesellschafter unter einer Kollektivbezeichnung verstehen, vgl. zu diesen Überlegungen Busch, Verbände, S. 31, 198 ff.; Lange, JZ 1952, 261 (262); Peglau, ZRP 2001, 406 (408); ders., JA 2001, 606 (609); siehe auch Kampmann, Personenverbände, S. 46 ff. Damit wird aber das Unternehmen nicht als eigenes Sanktionssubjekt anerkannt, so auf diese Ansätze vorliegend nicht näher eingegangen wird. 275 Vgl. Ehrhardt, Unternehmensdelinquenz, S. 214 f.; Haeusermann, Verband, S. 160; Hartan, Unternehmensstrafrecht, S. 134 f.; Hirsch, ZStW 107 (1995), 285 (297 f.); KirchHeim, Sanktionen, S. 179 f.; Lütolf, Strafbarkeit, S. 188 ff.; Scholz, ZRP 2000, 435 (439); Schwinge, Unternehmen, S. 105 f.; v. Weber, GA 1954, 237 (239). Siehe auch Quante, Sanktionsmöglichkeiten, S. 171 f. 276 Vgl. dazu Kindler, Unternehmen, S. 306 ff.; Mittelsdorf, Unternehmensstrafrecht, S. 85 ff. 277 Vgl. Ackermann, Strafbarkeit, S. 201 ff.; Eidam, Straftäter Unternehmen, S. 127; Müller, Ordnungswidrigkeitenrecht, S. 26 f.; v. Weber, 40. DJT, Bd. II, S. E61. 278 Vgl. hierzu Eidam, Straftäter Unternehmen, S. 127; Wehnert, FS-Riess, S. 811 (821). 279 Vgl. hierzu Ackermann, Strafbarkeit, S. 205; Bertossa, Unternehmensstrafrecht, S. 92 ff.; Ehrhardt, Unternehmensdelinquenz, S. 209 ff.; Eidam, Straftäter Unternehmen, S. 129; Haeusermann, Verband, S. 159; Heine, Unternehmen, S. 268; Hirsch, Straffähigkeit, S. 20; Schroth, Unternehmen, S. 207.
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Sache hineingezogen würden.280 Diese Betroffenheit sei allgemeine Folge einer Sanktion und stünde einen Unternehmensstrafrecht so wenig entgegen wie anderen Sanktionen auch. Ergänzend wird zudem darauf abgestellt, dass ein Mitarbeiter das Risiko einer Bestrafung des Unternehmens durch seinen Eintritt in das Unternehmen bewusst eingegangen sei.281 3. Modelle einer Unternehmensstrafe Die Autoren, die eine Unternehmensstrafbarkeit für möglich erachten, haben sich zumeist eingehend der Frage gewidmet, wie eine solche zu konstruieren sei. Im Zentrum der Diskussion steht dabei die Verantwortlichkeit: Wie ist ein entsprechender Unternehmensstraftatbestand zu formulieren? Im Folgenden wird in gedrängter Darstellung auf die zentralen Modelle eingegangen (a). Die Modellbildung hat zum Ziel, die grundsätzlichen Möglichkeiten einer Verantwortlichkeit des Unternehmens und ihren Bezug zu den vorgenannten Ansätzen zur Begründung einer Unternehmensstrafbarkeit zu analysieren. Damit soll neben der Rechtslage de lege lata auch der aktuelle Forschungsstand wiedergegeben und die rechtspolitischen Überlegungen vorbereitet werden. Als zweiter Punkt werden mögliche Strafen gegen das Unternehmen analysiert (b). Auch dies erfolgt bereits im Hinblick auf die rechtspolitischen Reformüberlegungen, eine für Unternehmen angemessene Sanktion zu schaffen. a) Tatbestand Wie bereits die Darstellung zur Handlungs- und Schuldfähigkeit gezeigt hat, ist eine zentrale Frage des Unternehmensstrafrechts, inwieweit die Mitarbeitertat bei der Bestrafung des Unternehmens zu berücksichtigen ist. Je nach Stellenwert der Tat ergeben sich drei Grundmodelle zur Konstruktion des Unternehmensstraftatbestands.282 Zunächst das Modell, das für die Unternehmensstrafbarkeit fast oder ausschließlich an der Mitarbeitertat anknüpft (reines Individualtatmodell). Eng damit verbunden ist das zweite Modell, das ebenfalls an der Mitarbeitertat anknüpft, aber die Verantwortlichkeit durch weitere, insbesondere kollektive Elemente, ergänzt (modifiziertes Individualtatmodell). Schließlich werden noch Modelle vertreten, die sich von der Mitarbeitertat weitgehend lösen und auf unternehmensspezifische Prozesse abstellen (kollektives Modell). ____________ 280 Vgl. Ackermann, Strafbarkeit, S. 204; Busch, Verbände, S. 187 ff.; Heine, Unternehmen, S. 268; Schroth, Unternehmen, S. 207; v. Weber, 40. DJT, S. E61 f. 281 Vgl. Ehrhardt, Unternehmensdelinquenz, S. 213; Scholz, ZRP 2000, 435 (438); siehe auch Kindler, Unternehmen, S. 310 ff., die den Risikogedanken zwar ablehnt, im Ergebnis aber aus systemischen Erwägungen ebenfalls kein Problem sieht, da ein Mitarbeiter durch seinen Beitritt Mitglied des Systems Unternehmen werde. 282 Ähnlich Haeusermann, Verband, S. 17, 82 ff.
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(1) Reine Individualtatmodelle Das reine Individualtatmodell ist sicherlich das „schlichteste“ Modell einer Unternehmensstrafbarkeit: Das Unternehmen ist dann verantwortlich, wenn ein Mitarbeiter eine Straftat begeht.283 Einschränkend wird jedoch von den meisten Vertretern dieses Modells die Verantwortlichkeit nicht allein beim Vorliegen jeder Mitarbeitertat angenommen, sondern zumindest eine Begehung im Unternehmenskontext oder ähnlich einschränkende Kriterien verlangt.284 Zudem wird häufig der Kreis der Mitarbeiter auf Führungspersonen beschränkt.285 Eine Besonderheit findet sich bei Kindler, die beim Vorliegen der Unternehmensstrafbarkeit die Bestrafung des Mitarbeiters ausschließen möchte.286 Die vorgenannten Einschränkungen bringen die Ansätze bereits in die Nähe der modifizierten Individualtatmodelle, sie sind jedoch aufgrund ihrer klaren Schwerpunktsetzung auf die Mitarbeitertat noch nicht diesen zuzurechen. Die Begründung für das reine Individualtatmodell ergibt sich schlüssig aus dem Zurechnungsansatz, wenn die Handlungs- und die Schuldfähigkeit des Unternehmens durch Zurechnung des Handelns und der Schuld des Mitarbeiters begründet werden. Hierbei besteht im Ergebnis kein Unterschied zwischen der Zurechnung als fremde Handlung/Schuld (im Sinne des Identifikationsansatzes) oder als eigene ____________ 283 Im Wesentlichen können hierzu gezählt werden (da nicht alle Genannten explizit eine tatbestandliche Norm formuliert haben, können teilweise nur aus den Ausführungen zu Handlungs- und Schuldfähigkeit Schlüsse gezogen werden; die Kategorisierung ist somit unter dem Vorbehalt des Missverständnisses zu verstehen): Ackermann, Strafbarkeit, S. 244 f.; Ch. Bauer, Verbandsstrafbarkeit, S. 115; 169 ff.; Busch, Verbände, S. 198; Ehrhardt, Unternehmensdelinquenz, S.171 ff.; Haeusermann, Verband, S. 172 (der allerdings einen gesetzlichen Tatbestand nicht zwingend für notwendig erachtet, vgl. S. 171); Henkel, Verantwortlichkeit, S. 91; Kindler, Unternehmen, S. 281; Kirch-Heim, Sanktionen, S. 240 (der zudem ein modifiziertes Individualtatmodell vorschlägt, vgl. S. 241); Korte, Juristische Person, S. 184 f.; Rotberg, FS-100 Jahre DJT, S. 193 (197 ff.); Scholz, ZRP 2000, 435 (438) sowie bereits Hafter, Deliktsfähigkeit, S. 94, 96 ff., 123 f.; v. Liszt, Lehrbuch, S. 117. Siehe auch Hefendehl, MschrKrim 86 (2003), 27 (40) sowie de Faria Costa, CoimbraSymposium, S. 337 (350 ff.), der eine „Solidarhaftung“ des Unternehmens für Mitarbeitertaten (wie sie teilweise in Portugal zu finden ist) befürwortet. 284 Vgl. Ehrhardt, Unternehmensdelinquenz, S. 235 ff. (Tat zum Vorteil des Unternehmens oder Verletzung verbandsbezogener Pflichten); Kindler, Unternehmen, S. 281 (Verletzung verbandsbezogener Pflichten oder erstrebte/eingetretene Bereicherung des Unternehmens); Scholz, ZRP 2000, 435 (439) (Mitarbeitertat im Namen des Unternehmens). Siehe auch Ch. Bauer, Verbandsstrafbarkeit, S. 183; Korte, Juristische Person, S. 183 f., die eine Zurechnung (als negativ formulierte Ausnahmevorschrift) verneinen, wenn der Mitarbeiter allein im eigenen Interesse handelte oder das Unternehmen schädigen wollte. 285 Vgl. Ch. Bauer, Verbandsstrafbarkeit, S. 172 ff. (Organe und leitende Angestellte); Ehrhardt, Unternehmensdelinquenz, S. 223 ff. (Beschränkung auf Organe des Unternehmens). Siehe auch Hefendehl, MschrKrim 86 (2003), 27 (40), der eine Beschränkung auf Mitarbeiter mit der Befugnis, Verhaltensrichtlinien vorzugeben, vorschlägt. 286 Dies resultiert aus ihrer Annahme, dass ein Verhalten eines Mitarbeiters entweder ihm individuell oder ausschließlich dem Unternehmen zuzurechnen ist, vgl. Kindler, Unternehmen, S. 274 ff., 281.
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Handlung/Schuld (im Sinne der Theorie der realen Verbandspersönlichkeit) des Unternehmens: Anknüpfungspunkt ist in beiden Fällen eine vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft begangene Tat eines Mitarbeiters. (2) Modifizierte Individualtatmodelle Die Vertreter des modifizierten Individualtatmodells nehmen wie die des reinen Individualtatmodells die Mitarbeitertat als primären Anknüpfungspunkt, fordern jedoch darüber hinaus zusätzlich das Vorliegen weiterer Elemente, vor allem kollektiver Art.287 Das kollektive Element soll das Unternehmensspezifische herausheben und damit eine allumfassende und alleinige Zurechnung der Mitarbeitertat vermeiden. So überzeugend diese Feststellung klingt, so große Probleme bereitet jedoch die Bestimmung des kollektiven Elements, das daher oftmals im Vagen verbleibt.288 Soweit näher auf das kollektive Element eingegangen wird, werden die unterschiedlichsten Einschränkungen vorgeschlagen: beispielsweise die Verletzung von Unternehmenspflichten,289 die Vermeidbarkeit der konkreten Tat,290 das Vor____________ 287 Dazu zu zählen sind Dannecker, in: Alwart (Hrsg.), Verantwortung, S. 5 (26 ff.; siehe aber auch zu einem neueren Vorschlag unten S. 366); v. Bubnoff, ZEuS 2004, 447 (488); Hirsch, Straffähigkeit, S. 26 f.; Kirch-Heim, Sanktionen, S. 241; Müller, Ordnungswidrigkeitenrecht, S. 23; Schwander, FS-Gutzwiller, S. 603 (618); Schroth, Unternehmen, S. 203 ff.; 207; v. Weber, DRiZ 1951, 153 (155 f.); ders., JZ 1953, 293 ff.) sowie der Diskussionsentwurf des Landes Hessen (siehe dazu bereits oben Anm. 39); ebenso wohl auch Jakobs, AT, 6. Abschn. Rn. 44 f. Siehe auch Kindler, Unternehmen, S. 281, die in Ergänzung ihres reinen Individualtatmodells eine Strafbarkeit des Unternehmens für die Verletzung von Aufsichts- und Kontrollmaßnahmen, die zu einer Individualstraftat geführt haben, vorschlägt. Einen Vorschlag für das deutsche Recht, der auf einer Modifikation des amerikanischen Model Penal Code beruht (dazu oben S. 111 ff.), macht zudem Coffee, in: Eser et al. (eds.), Criminal Responsibility, S. 9 (33 f.). 288 Vgl. v. Weber, DRiZ 1951, 153 (155 f.), der verlangt, dass das Unternehmen „etwas dafür kann“ und dies in einem „normativen Verbandsgeist“ zu sehen scheint (v. Weber, JZ 1953, 293 [296]); unklar auch Schwander, FS-Gutzwiller, S. 603 (618), der eine eingeschränkte Zurechnung befürwortet, die genaue Art der Einschränkung aber offen lässt; ähnlich vage Jakobs, AT, 6. Abschn. Rn. 44, 45, der nur „verfassungsgemäße“ Handlungen zurechnen möchte bzw. die Handlung den „Eigenheiten“ des Unternehmens entsprechen müsse. Auch bei Tiedemann, der mit der Zentrierung auf das Organisationsverschulden das kollektive Element stark betont, bleibt letztlich offen, wie genau dieses die Zurechnungsnorm beschränken kann (allerdings stellt sich die Frage des kollektiven Elements nicht, wenn man mit Tiedemann das Organisationsverschulden tatsächlich allein als Legitimationsbasis versteht und sein Ansatz daher zur Kategorie der reinen Individualtatmodelle zu zählen wäre), vgl. Tiedemann, in: Schoch/Stoll/Tiedemann (Hrsg.), Freiburger Begegnungen, S. 30 (48). 289 Schroth, Unternehmen, S. 223; KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 11 sowie Diskussionsentwurf des Landes Hessens in § 76b StGB (siehe dazu bereits oben Anm. 39), der zudem die Begehung in Ausführung der dem handelnden Mitarbeiter zustehenden Verrichtungen verlangt. 290 Hirsch, Straffähigkeit, S. 26; ders., ZStW 107 (1995), 285 (313).
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handensein eines Organisationsverschuldens,291 bzw. allein die mangelhafte Organisation,292 die zum Teil auch die Tat erleichtert oder gefördert haben muss.293 Eine weitere vorgeschlagene Einschränkung nicht kollektiver Art, aber gleichwohl zur Vermeidung einer umfassenden Zurechnung, ist das Erfordernis des Drohens vergleichbarer neuer Straftaten innerhalb des Unternehmens, also eine Wiederholungsgefahr.294 Begründet werden die modifizierten Individualtatmodelle zumeist mit dem Zurechnungsansatz. Wie beim reinen Individualtatmodell ist es ohne Bedeutung, ob die Mitarbeitertat als eigene oder als fremde zugerechnet wird, Anknüpfungspunkt bleibt die vorsätzliche, rechtswidrige und schuldhafte Tat des Mitarbeiters. Das zusätzliche Element zur Begrenzung der Zurechnung resultiert zumeist aus der Annahme, dass hierin das besondere Unternehmensverschulden liege.295 Teilweise wird (zusätzlich) mit dem Topos des Organisationsverschuldens argumentiert, da im Unterlassen organisatorischer Vorkehrungen gegen Verstöße der zentrale Vorwurf gegenüber dem Unternehmen zutage trete.296 Grundlage für die modifizierten Individualtatmodelle ist jedoch nicht allein der Zurechnungsansatz. Auch der Maßregelansatz kann an der Mitarbeitertat als entscheidenden Ausgangspunkt zur Sanktionierung der Unternehmen anknüpfen.297 Die einschränkende Bedingung ist in diesem Fall nicht zwingend auf das spezifische Unternehmensunrecht beschränkt, sondern kann stattdessen beispielsweise auf präventive Erwägungen (die Verhinderung weiterer Straftaten etc.) abstellen.298 (3) Kollektive Modelle Die kollektiven Modelle sind dadurch gekennzeichnet, dass sie sich weitgehend von der Tat eines Mitarbeiters lösen.299 Ein prototypisches Beispiel findet sich bei ____________ 291 Vgl. Dannecker, in: Alwart (Hrsg.), Verantwortung, S. 5 (28 f.), der dieses Element als Entlastungsmöglichkeit für das Unternehmen sehen möchte; in diese Richtung auch Müller, Ordnungswidrigkeitenrecht, S. 23. 292 Kirch-Heim, Sanktionen, S. 241. 293 v. Bubnoff, ZEuS 2004, 447 (488), der im Detail darüber hinaus zwischen Straftaten auf Leitungsebene und der untergeordneter Mitarbeiter unterscheidet. 294 Wohlers, SJZ 96 (2000), S. 381 (389); vgl. auch Kirch-Heim, Sanktionen, S. 241, der diese Einschränkung für Verbandsmaßregeln (die neben weiteren Sanktionstatbeständen vorgesehen sind) fordert. 295 Vgl. bspw. Hirsch, ZStW 107 (1995), 285 (313 f.), der beide Elemente für erforderlich hält. 296 Vgl. z.B. Dannecker, in: Alwart (Hrsg.), Verantwortung, S. 5 (28 f.). 297 Vgl. Wohlers, SJZ 2000, 381 (389). 298 Vgl. Wohlers, SJZ 2000, 381 (389). 299 Neben dem im Folgenden im Text genannten Modell siehe auch Deruyck, Verbandsdelikt, S. 152 ff.; ders., ZStW 103 (1991), S. 705 (726 ff.), der die Vermeidbarkeit einer korporativen Verwirklichung eines Tatbestands (diese kann in einer kollektiven Ent-
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Heine, der zur Bestrafung des Unternehmens allein ein fehlerhaftes Risikomanagement und eine betriebstypische Gefahrverwirklichung aufgrund unzureichenden Managements verlangt.300 Ähnlich verzichtet Alwart auf eine Anknüpfungstat und möchte das Unternehmen bestrafen, wenn diesem die Entstehung einer gemeinen Gefahr oder die Beeinträchtigung anderer Interessen zuzurechnen seien.301 Nicht alle kollektiven Ansätze verzichten auf eine Anknüpfung an der Begehung einer Mitarbeitertat.302 Im Gegensatz zu den Individualtatmodellen steht jedoch der kollektive Bestandteil stark im Vordergrund, ist zumeist auch Ausgangspunkt für die dogmatische Begründung. Häufig wird der kollektive Vorwurf auf ein Organisationsverschulden gestützt, das zur Begehung einer Mitarbeitertat geführt hat.303 So sieht Schünemann eine Bestrafung eines Unternehmens dann vor, wenn „eine natürliche Person in einem Wirtschaftsunternehmen eine mit Strafe bedrohte Handlung begeht, die zum Vorteil des Unternehmens gereichen sollte, und wenn die zur Verhinderung solcher Taten erforderlichen Leitungs- und Aufsichtsmaßnahmen fehlten oder unvollständig waren“.304 ____________ scheidung zur Illegalität oder in einer nicht durchgesetzten kollektiven Entscheidung zur Legalität bestehen) heranzieht; Ransiek, Unternehmensstrafrecht, S. 333 ff., der das Unternehmen sanktionieren möchte, wenn ein Rechtsverstoß im Zuweisungsbereich eines Unternehmens vorliegt (insbes. die Verletzung von Schutzpflichten) und dieser objektiv vermeidbar war; allerdings sieht Ransiek sein Modell nur für das Ordnungswidrigkeitenrecht vor (S. 343 ff.). 300 Vgl. Heine, Unternehmen, S. 253, 287 ff., 316. 301 Allerdings verlangt er einschränkend für sein Modell der „subsidiären Unternehmenshaftung“, dass keine Individualtat nachweisbar ist (was den Verzicht auf ein Schuldelement rechtfertigt), vgl. Alwart, ZStW 105 (1993), 752 (768 ff.); ders., in: Eser et al. (Hrsg.), Collective Entities, S. 143 (149 f.). 302 Vgl. hierzu Stratenwerth, FS-Schmitt, S. 295 (305), der die Anknüpfung an einem strafrechtlichen Straftatbestand gerade als Charakteristikum für die Verhängung einer strafrechtlichen Maßnahme sieht. 303 Vgl. neben den nachfolgend im Text genannten Autoren auch: Bottke, wistra 1997, 241 (253), der die Verhängung einer Strafe auf ein Organisationsverschulden oder den Fehlgebrauch der Freiheit zur Selbstregulierung abstellen will, welches zur Begehung einer Straftat ausgenutzt wird; für die Verhängung von Maßregeln genügt ihm ein verbandsbezogener Normbruch, der sich in einer Tat des Mitarbeiters widerspiegelt. Lampe, ZStW 106 (1994), 683 (732 ff.) möchte eine Bestrafung auf begangenem Systemunrecht gründen, das er in der Schaffung oder Aufrechterhaltung eines schlechten Unternehmenscharakters oder einer defizitären Unternehmensstruktur sieht und das sich im normverletzenden Verhalten eines Mitarbeiters äußert. Stratenwerth, FS-Schmitt, S. 295 (306 f.) sieht die Bestrafung des Unternehmens in der abstrakten Vermeidbarkeit des schädigenden Ereignisses und der damit verbundenen Überschreitung des Risikos begründet; auf die genaue Konstruktion eines Tatbestands verzichtet er, unterscheidet lediglich nach Vorsatzdelikten (für die ein Nachweis der subjektiven Voraussetzungen eines Mitarbeiters erforderlich sei) und Fahrlässigkeitsdelikten (bei denen der Nachweis der Schaffung eines unerlaubten Risikos genügen soll). 304 Schünemann, in: ders./Suárez Gonzáles (Hrsg.), Madrid-Symposium, S. 265 (285 f.). In einer früheren Veröffentlichung (ders., Unternehmenskriminalität, S. 254) verlangte er noch, dass ein individueller Täter nicht ermittelt werden könne.
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Dieser Ansatz wird von Pieth aufgenommen, der zentral auf ein Organisationsund Aufsichtsversagen abstellt, das zur Begehung einer Straftat führt; da das Versagen des Unternehmens im organisatorischen Bereich liege, müssten die objektiven und subjektiven Elemente der Mitarbeitertat nicht in ein und derselben Person vorliegen.305 Ähnlich verlangt Lütolf, dass ein Organisationsverschulden (das sie in einem fehlerhaften Risikomanagement sieht) zur Verletzung eines Straftatbestands führen solle.306 Dannecker knüpft ebenfalls am Unterlassen einer ausreichenden Organisation an, die er um das Erfordernis einer unzulänglichen Unternehmensethik erweitert.307 Diese Mängel müssen zur Begehung einer Tat des Mitarbeiters geführt haben, wobei Dannecker die Mitarbeitertat nur als objektive Bedingung der Strafbarkeit betrachtet. Diesen kollektiven Modellen zuzurechnen ist zudem der Vorschlag von Kohlhoff, der neben einer Tat eines Mitarbeiters zugunsten des Unternehmens verlangt, dass ein entscheidungsbefugter Vertreter aktiv an der Tat beteiligt gewesen ist, die Tat geduldet hat oder von ihr bei ordnungsgemäßer Organisation hätte wissen müssen.308 Die Begründung der kollektiven Modelle ist ganz unterschiedlich. Zum einen finden sich hierbei die Vertreter, die ein Verschulden des Unternehmens für möglich halten und dieses gerade im kollektiven Element verankert sehen.309 Zum anderen wird ganz auf das Vorliegen eines Verschuldens verzichtet und primär wie bei Schünemann auf den Rechtsgüternotstand oder stärker auf den Ansatz einer Maßregelsanktionierung gesetzt.310 Die Ähnlichkeit beider Ansätze resultiert daraus, dass alle im Kern auf ein betriebliches Versagen zur ordnungsgemäßen Organisation und Aufsicht abstellen. b) Sanktionen Die Debatte in der Wissenschaft konzentriert sich primär auf die Frage der Konstruktion einer Verantwortlichkeit von Unternehmen. Das Problem möglicher Sanktionen wird dagegen nur teilweise eingehender erörtert. Nichtsdestoweniger hat die Diskussion, nicht zuletzt aufgrund der Jahrzehnte dauernden Behandlung ____________ 305 Vgl. Pieth, ZStR 119 (2001), 1 (11 ff.), nach dem die Mitarbeitertat zudem nur als vorsätzlich rechtswidrige Tat vorliegen muss; Pieth formuliert allerdings seinen Vorschlag nicht im Detail aus. 306 Vgl. Lütolf, Strafbarkeit, S. 428 sowie 348 ff. 307 Vgl. Dannecker, GA 2001, 101 (119). 308 Vgl. Kohlhoff, Kollektivstrafe, S. 374 ff., der diesen Vorschlag als vorsätzliche Kollektivtat ansieht und zudem eine fahrlässige Tat für möglich hält, wenn eine nicht entscheidungsbefugte Person eine vorsätzliche Tat begeht, das Unternehmen aber ausreichende vorbeugende Organisationsmaßnahmen durchführt. 309 So bspw. Heine, Unternehmen, S. 261 ff.; ders., ÖJZ 1996, 211 (217 f.). 310 Vgl. Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 236 ff.; ders., in: Schünemann/ Suárez Gonzáles (Hrsg.), Madrid-Symposium, S. 265 (285 f.). Primär zum Maßregelansatz siehe Stratenwerth, FS-Schmitt, S. 295 (306).
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des Themas, inzwischen eine große Bandbreite an Vorschlägen hervorgebracht.311 Im Folgenden werden die Vorschläge, gegliedert nach der Art ihrer Rechtsfolge, in Kürze dargestellt.312 Auf Sonderprobleme wie beispielsweise die Notwendigkeit vorläufiger Maßnahmen313 oder mögliche Diversionsmaßnahmen wird dagegen nicht näher eingegangen.314 (1) Monetäre Sanktionen und Entzug von Tatvorteilen/Gegenständen der Tat Im Vordergrund der Rechtsfolgen stehen zunächst monetäre Sanktionen. Diese können in einer Geldstrafe bestehen315 oder in einer vom Ansatz her ähnlichen geldwerten Sanktion (so z.B. der Vorschlag eines sogenannten Sanktionsgelds als schuldunabhängige repressive Maßnahme).316 Häufig eng mit der monetären Sanktion verbunden sind Maßnahmen, die auf einen Entzug der erlangten Vorteile aus der Tat seitens des Unternehmens abzielen und nur partiell ahndenden Charakter haben.317 Hierzu zählt insbesondere das Instrument der Gewinnabschöpfung.318 Zu nennen ist auch die Einziehung, die die Entziehung von Gegenständen erfasst, die für die Tat gebraucht wurden oder aus ihr hervorgegangen sind.319 Das Einziehungsobjekt ist dabei nicht zwingend ein Geldbetrag, sondern kann jeglicher dinglicher Gegenstand sein. Die zum Teil älteren und aus der Schweiz und Österreich stammenden Vorschläge sind im deutschen Recht partiell bereits in den strafrechtlichen Institutionen des Verfalls und der Einziehung umgesetzt.
____________ 311 Siehe dazu z.B. Bertossa, Unternehmensstrafrecht, S. 221; Kirch-Heim, Sanktionen, S. 197 ff.; Rotberg, FS-100 Jahre DJT, S. 193 (212 f.); Schall/Schreibauer, NuR 1996, 440 ff.; Schwinge, Unternehmen, S. 155 ff.; Seiler, Personenverbände, S. 140 ff. Siehe aus europäischer Perspektive v. Bubnoff, ZEuS 2004, 447 (470 ff.). 312 Im Folgenden wird nicht nach dem Charakter der Rechtsfolge (Strafe, Maßnahme, Auflage oder Ähnliches) differenziert, da dies vom jeweiligen Verständnis der Unternehmensverantwortlichkeit abhängig ist. 313 Hier können teilweise Anleihen in den Niederlanden genommen werden, vgl. KirchHeim, Sanktionen, S. 229; Schwinge, Unternehmen, S. 271 f. 314 Vgl. dazu Alwart, ZStW 105 (1993), 752 (770); Ch. Bauer, Verbandsstrafbarkeit, S. 216 ff. sowie Löschnig-Gspandl, ÖJZ 2002, 241 (250); Zeder, ÖJZ 2001, 630 (640). 315 Esch, Deliktsfähigkeit, S. 37; Hafter, Personenverbände, S. 140 ff.; Hirsch, Straffähigkeit, S. 27. Siehe auch Seiler, Personenverbände, S. 190 ff.; v. Bubnoff, ZEuS 2004, 447 (472). 316 Vgl. Kirch-Heim, Sanktionen, S. 198. 317 Ackermann, Strafbarkeit, S. 237. 318 Seiler, Personenverbände, S. 241 ff. 319 Ch. Bauer, Verbandsstrafbarkeit, S. 191 ff.; Hirsch, ZStW 107 (1995), S. 285 (316); Lütolf, Strafbarkeit, S. 404 ff.; Seiler, Personenverbände, S. 168 ff.
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(2) Eingriffe in das Unternehmen Neben den monetär orientierten Sanktionen werden zahlreiche Maßnahmen vorgeschlagen, die sich auf das Unternehmen selbst beziehen. Hierbei können Rechtsfolgen, die die unternehmerische Geschäftstätigkeit betreffen, von solchen unterschieden werden, die in die Struktur des Unternehmens eingreifen und damit zumeist eingriffsintensiver sind.320 (a) Eingriff in die unternehmerische Geschäftstätigkeit Als Eingriffe in die unternehmerische Geschäftstätigkeit finden sich zum einen Vorschläge zum Entzug von (staatlich gewährten) Lizenzen, Erlaubnissen oder Genehmigungen, die in Zusammenhang mit der deliktischen Tätigkeit stehen.321 Diese Sanktionen würden das weitere Tätigwerden auf dem betreffenden genehmigungspflichtigen Geschäftsfeld unterbinden. Zum anderen kommt direkt das Verbot bestimmter nicht genehmigungspflichtiger Betätigungen in Betracht, soweit die Tat in diesem Rahmen begangen wurde.322 Eine derartige Maßnahme könnte beispielsweise in einem Werbeverbote für bestimmte Produkte liegen.323 Darüber hinaus wird versucht, eine der Freiheitsstrafe analoge Maßnahme für Unternehmen zu finden, nämlich die Anordnung einer zeitweiligen Betriebsschließung (Suspension).324 Diese käme einer zeitlich begrenzten Freiheitsentziehung sehr nahe. Zudem findet sich in der Diskussion die Idee einer örtlichen Verbannung des Unternehmens, die eine lokal begrenzte Beschränkung der Unternehmenstätigkeit zur Folge hätte.325 (b) Eingriff in die unternehmerische Struktur Wird bei den vorgenannten Maßnahmen nur die Tätigkeit des Unternehmens erschwert oder in Bereichen verwehrt, so zielen die Eingriffe in die unternehmerische Struktur zumeist auf eine Veränderung der Verhältnisse innerhalb des Unterneh____________ 320 Eine trennscharfe Abgrenzung lässt sich hier nicht ziehen, die Kategorisierung verdeutlicht aber den Schwerpunkt der Maßnahmen. 321 Vgl. Hartung, 40. DJT, S. E51 f.; Schmitt, Verbände, S. 169; Seiler, Personenverbände, S. 149. Siehe auch Engisch, 40. DJT, S. E13. 322 Vgl. Kirch-Heim, Sanktionen, S. 210 ff.; Schmitt, Verbände, S. 170 f.; Seiler, Personenverbände, S. 151 ff.; Rotberg, FS-100 Jahre DJT, S. 193 (210). Zum speziellen aus dem französischen Recht stammenden Verbot, Schecks auszustellen und Kreditkarten zu gebrauchen siehe Schwinge, Unternehmen, S. 190 sowie S. 191 zum Verbot der Aufforderung zur Geldeinlage; siehe dazu auch Hartan, Unternehmensstrafecht, S. 178 ff. 323 Vgl. dazu Schwinge, Unternehmen, S. 187 ff. 324 Hafter, Personenverbände, S. 149 ff.; Hartung, 40. DJT, S. E51 f.; Seiler, Personenverbände, S. 147 ff.; siehe auch Esch, Deliktsfähigkeit, S. 35. 325 Vgl. (krit.) zu derartigen Erwägungen Hafter, Personenverbände, S. 151.
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mens, die die deliktische Betätigung erst ermöglicht haben. Bei einer Anknüpfung der Bestrafung des Unternehmens an der Tat eines Mitarbeiters ist die nahe liegendste Sanktion die Entlassung des Mitarbeiters (explizit oder implizit zumeist mit dem Verbot der Wiedereinstellung verbunden).326 Soweit die Tat auf Führungsebene stattfand oder eine Beteiligung dieser Ebene an der Tat vorliegt, kann die Maßnahme auch in der Entfernung der Leitungsperson liegen.327 Zum Teil wird sogar ein Ausschluss an der Tat beteiligter Anteilseigner erwogen.328 Neben der Auswechslung an der Tat beteiligter Personen wird teilweise die Verpflichtung zur Veränderung defizitärer Betriebsabläufe erwogen.329 Dies kann eine Neuorganisation in bestimmten Bereichen bedeuten.330 Im Detail gehen die Vorschläge von der Unterrichtung und Schulung von Beschäftigten331 über die Einrichtung bestimmter Beauftragter oder Ausschüsse332 bis hin zur Einführung eines gesamten Managementsystems.333 Um eine effektive Umsetzung derartiger organisatorischer Maßnahmen zu garantieren, werden verschiedene ergänzende Maßnahmen vorgeschlagen. Beispielsweise könnten bestimmte Personen im Unternehmen unter Androhung eines Sicherungsgeldes bei Begehung weiterer Taten speziell zur Überwachung verpflichtet werden (Sicherungsverpflichtung).334 Noch weitergehend ist die Anregung, einen Treuhänder einzusetzen,335 die frühere Ideen einer verstärkten Überwachung auf____________ 326 Vgl. Ch. Bauer, Verbandsstrafbarkeit, S. 203 ff.; Hartung, 40. DJT, S. E51 f.; Seiler, Personenverbände, S. 141 ff. Zum Teil wird auf ein Beschäftigungsverbot abgestellt, das in der Sache die gleiche Wirkung zeitigt, vgl. Ackermann, Strafbarkeit, S. 237; Rotberg, FS100 Jahre DJT, S. 193 (210 f.). 327 Vgl. Lütolf, Strafbarkeit, S. 407; Rotberg, FS-100 Jahre DJT, S. 193 (210 f.); Seiler, Personenverbände, S. 164 ff.; Schmitt, Verbände, S. 171, 177. 328 Vgl. Seiler, Personenverbände, S. 140 ff. 329 Vgl. Ch. Bauer, Verbandsstrafbarkeit, S. 215; v. Bubnoff, ZEuS 2004, 447 (475, 490). 330 Ch. Bauer, Verbandsstrafbarkeit, S. 215; Kirch-Heim, Sanktionen, S. 218 f. 331 Ch. Bauer, Verbandsstrafbarkeit, S. 215; Schwinge, Unternehmen, S. 267 ff. 332 Vgl. zur Einrichtung der Stelle eines Umweltbeauftragten bzw. eines Umweltausschusses Schwinge, Unternehmen, S. 239 ff., 252 ff. 333 Ch. Bauer, Verbandsstrafbarkeit, S. 215 f.; als Teil eines Managementsystems kommt die Erstellung eines Organisationsplans in Betracht, Schwinge, Unternehmen, S. 250 ff. Im Bereich des Umweltrechts wäre die Verpflichtung zur Einführung eines Umwelt-Audits denkbar (soweit dies nicht anderweitig gesetzlich bereits vorgeschrieben ist), vgl. Ch. Bauer, Verbandsstrafbarkeit, S. 215; Heine, Unternehmen, S. 303; Schwinge, Unternehmen, S. 254 ff. 334 Vgl. zu diesem an § 890 ZPO und wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsansprüchen angelehnten Vorschlag Korte, Juristische Person, S. 171 ff. 335 Rotberg, FS-100 Jahre DJT, S. 193 (211); Seiler, Personenverbände, S. 156 ff.; vgl. auch Hartung, 40. DJT, S. E51 (Entsendung ständiger Überwachungsorgane bzw. treuhänderische Verwaltung); v. Bubnoff, ZEuS 2004, 447 (473).
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nimmt.336 Seitdem diese Idee unter der von Schünemann eingeführten Bezeichnung „Unternehmenskuratel“ firmiert, findet sie zunehmende Anhängerschaft.337 Vereinzelt wird unter der treuhänderischen Verwaltung (die zeitlich begrenzt sein soll) die tatsächliche Übernahme der Leitung des Unternehmens verstanden.338 Zumeist soll aber (als milderer Eingriff) der Treuhänder als reine Überwachungsinstanz tätig werden, der das Unternehmen berät und interne Verbesserungen begleitet.339 Ergänzt werden kann der Ansatz der Treuhandschaft mit der Verpflichtung zur Auskunft und (regelmäßigen) Berichterstattung.340 Die Idee der Umgestaltung des Unternehmens wird teilweise in dem Ansatz einer Zwangsverpachtung341 oder einem Zwangsverkauf342 noch weitergeführt. Diese Verpflichtungen würden den Austausch der leitenden Mitarbeiter und damit einen organisatorischen Neuanfang erleichtern, im Fall des Zwangsverkaufs sogar verbunden mit einer neuen Unternehmensträgerschaft. Allein auf eine Beeinflussung der Struktur der Unternehmensträger zielt die Sanktion der Aktienverwässerung,343 die der Idee einer equity fine in der amerikanischen Diskussion entlehnt ist.344 Hierbei würde das Unternehmen zur Ausgabe neuer Aktien z.B. an einen ____________ 336 Hierbei war primär an eine verstärkte Polizeiaufsicht gedacht worden, vgl. Busch, Verbände, S. 143 ff.; Hafter, Personenverbände, S. 151 f.; Heinitz, 40. DJT, S. 87; Seiler, Personenverbände, S. 154 f. Siehe auch zur Idee verstärkter Geschäftsprüfungen Hartung, 40. DJT, S. E51. Krit. zu diesen Erwägungen Schmitt, Verbände, S. 169 f. 337 Schünemann, in: The Taiwan/ROC Chapter, S. 436 (470 f.); ders., in: Schünemann/Suárez Gonzáles (Hrsg.), Madrid-Symposium, S. 265 (290 f.); ders., in: Schünemann (Hrsg.), Deutsche Wiedervereinigung, Bd. III, S. 129 ff.; ders., in: Eser et al. (Hrsg.), Criminal Responsibility, S. 293 ff.; LK-Schünemann, Vor § 25 Rn. 29. Schünemann folgend Ch. Bauer, Verbandsstrafbarkeit, S. 209 ff.; Bertossa, Unternehmensstrafrecht, S. 237 f.; Hefendehl, MschrKrim 86 (2003), 27 (42); Heine, Unternehmen, S. 302 f.; Lütolf, Strafbarkeit, S. 400 f.; Schall/Schreibauer, NuR 1996, 440 (449 f.); Schwinge, Unternehmen, S. 214 ff. 338 So noch Schünemann, The Taiwan/ROC Chapter, S. 433 (470 f.); ders., in: Schünemann/Suárez Gonzáles (Hrsg.), Madrid-Symposium, S. 265 (290 f.). Wohl auch Schall/Schreibauer, NuR 1996, 440 (449 f.). 339 So Schünemann, in: ders. (Hrsg.), Deutsche Wiedervereinigung, Bd. III, S. 129 (141); ebenso Ch. Bauer, Verbandsstrafbarkeit, S. 209; Bertossa, Unternehmensstrafrecht, S. 237 f.; Heine, in: Eser et al. (Hrsg.), Criminal Responsibility, S. 237 (247 f.); Lütolf, Strafbarkeit, S. 399 ff.; Schwinge, Unternehmen, S. 214 ff. 340 Hartung, 40. DJT, S. E 51. Im Umweltbereich kommt hier etwa auch die Erstellung einer Ökobilanz oder die Veröffentlichung eines Umweltberichts infrage, vgl. Schwinge, Unternehmen, S. 261 ff. 341 Vgl. den Vorschlag von Rotberg, FS-100 Jahre DJT, S. 193 (211 f.), der sich auf § 34 Abs. 2 WiStG 1949 stützen konnte. 342 Heine, in: Eser et al. (Hrsg.), Criminal Responsibility, S. 237 (245). 343 Vgl. Ch. Bauer, Verbandsstrafbarkeit, S. 201 ff.; Bertossa, Unternehmensstrafrecht, S. 227 f.; Ehrhardt, Unternehmensdelinquenz, S. 249 f.; Heine, in: Eser et al. (Hrsg.), Criminal Responsibility, S. 237 (248); Lütolf, Unternehmen, S. 396; Papachristos, Sanktionen, S. 97 f.; Ransiek, Unternehmensstrafrecht, S. 356 f. 344 Vgl. hierzu oben S. 219.
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staatlichen Fonds verpflichtet, der dann als Anteilseigner Einfluss auf das Unternehmen nehmen könnte.345 In Fällen, in denen die vorgenannten partiellen Eingriffe in die Unternehmensstruktur wegen der insgesamt zu starken kriminellen Ausrichtung des Unternehmens als nicht erfolgreich erscheinen, wird die Schließung einzelner Betriebsteile346 oder die Zwangsauflösung des gesamten Unternehmens vorgeschlagen.347 (3) Vorenthalten möglicher Vorteile Neben Maßnahmen, die unmittelbar in die Geschäftstätigkeit eingreifen, gibt es solche, die diese nur mittelbar betreffen, da die Sanktion primär auf das Vorenthalten zukünftiger Vorteile und nicht auf die Beschneidung bereits bestehender Tätigkeiten gerichtet ist. Hier ist zunächst der Ausschluss von öffentlichen Aufträgen zu nennen.348 Dieser verbietet einem Unternehmen nicht eine bestimmte Betätigung, sondern vereitelt nur das zukünftige Tätigwerden für einen bestimmten Kundenkreis, die öffentliche Hand. Möglich ist zudem ein Ausschluss von öffentlicher Förderung,349 also insbesondere der Gewährung von Subventionen für bestimmte Geschäftsbereiche, Projekte oder Ähnliches. Darüber hinaus wird erwogen, steuerliche Vergünstigungen zu verwehren (ggf. gewährte wieder zu entziehen),350 die in der Praxis eine nicht unwichtige Rolle spielen. (4) Publizitätssanktionen Da die Darstellung des Unternehmens in der Öffentlichkeit eine große Bedeutung hat, wird als Sanktion immer wieder die Veröffentlichung der (gerichtlichen) Entscheidung beispielsweise in einer überregionalen Tageszeitung vorgeschlagen.351 ____________ 345 Der von Schwinge, Unternehmen, S. 188 f. angesprochene (aber verworfene) Vorschlag des Verbots der Werbung neuer Anteilseigner zielt dagegen auf die Beibehaltung der Strukturen und hätte eine (kaum kalkulierbare) monetäre Wirkung insoweit er z.B. die Kapitalaufnahme durch Aktienverkäufe etc. unterbinden würde. 346 Diese Sanktion war in §§ 34–38 WiStG 1949 und 1952 vorgesehen, wurde aber dann wegen der schwerwiegenden Folgen im WiStG 1954 aufgegeben, vgl. Jescheck, ZStrR 70 (1955), 243 (265). 347 Vgl. Bertossa, Unternehmensstrafrecht, S. 248 ff.; v. Bubnoff, ZEuS 2004, 447 (490); Ehrhardt, Unternehmensdelinquenz, S. 253; Jescheck, DÖV 1953, 539 (542); Hartung, 40. DJT, S. E51; Kirch-Heim, Sanktionen, S. 209 f.; Seiler, Personenverbände, S. 160 ff.; Schmitt, Verbände, S. 167 f. 348 Kirch-Heim, Sanktionen, S. 202 f. 349 Kirch-Heim, Sanktionen, S. 208. 350 Vgl. Heine, GA 1986, 67 (81). 351 Vgl. Ch. Bauer, Verbandsstrafbarkeit, S. 206 ff.; Bertossa, Unternehmensstrafrecht, S. 238 ff.; v. Bubnoff, ZEuS 2004, 447 (491); Ehrhardt, Unternehmensdelinquenz, S. 251; Esch, Deliktsfähigkeit, S. 36 f.; Henkel, Verantwortlichkeit, S. 111; Korte, Juristische Per-
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Eine derartige Sanktion hätte Einfluss auf den Ruf des Unternehmens und würde sich letztlich als monetärer Faktor in einem geringeren Umsatz auswirken. Auf eine Wirkung in der Öffentlichkeit zielt ebenfalls die Verpflichtung des Unternehmens zur Angabe der Unternehmenskuratel im Rechtsverkehr (z.B. auf den Briefbögen des Unternehmens) ab.352 Je nach Ausgestaltung entfaltet auch die Erfassung von Unternehmen in einem speziellen Strafregister Publizitätswirkung.353 Im Bereich der Korruptionsdelikte wird immer wieder vorgeschlagen, ein spezielles öffentliches Korruptionsregister für verurteilte Unternehmen einzurichten.354 Den Sanktionen dieser Art ist schließlich der Vorschlag einer Verwarnung zuzurechnen,355 die als Pflichtenmahnung an das Unternehmen in öffentlicher Hauptverhandlung symbolische Bedeutung hat. (5) Wiedergutmachung Die Frage einer Wiedergutmachung wird teilweise als mögliche Sanktion in Betracht gezogen, auch wenn das deutsche Strafrecht diese Frage bislang weitgehend nicht als wesentlichen Bestandteil der Folgen einer Straftat kennt.356 Die Wiedergutmachung könnte in der Leistung von Schadensersatz, der Folgenbeseitigung oder bei strafwürdigen Unterlassungen auch der Verpflichtung zum Tätigwerden (beispielsweise der Vornahme bestimmter betrieblicher Investitionen zum Umweltschutz) liegen. Fasst man den Begriff der Wiedergutmachung weit, kann man hierunter auch die Verpflichtung des Unternehmens zu gemeinnütziger Arbeit oder zu einer Spende an gemeinnützige Organisationen verstehen.357 Insbesondere in Fällen, in denen ____________ son, S. 155; Lütolf, Strafbarkeit, S. 401 ff.; Schall/Schreibauer, NuR 1996, 440 (450); Schwinge, Unternehmen, S. 171 ff. Siehe auch Prüfer, Korruptionssanktionen, S. 219 ff.; Tiedemann, 49. DJT, S. C90. 352 Schünemann (Hrsg.), Deutsche Wiedervereinigung, Bd. III, S. 129 (139 ff.); ebenso Bertossa, Unternehmensstrafrecht, S. 240; Schall/Schreibauer, NuR 1996, 440 (450); Schwinge, Unternehmen, S. 230 ff. 353 Häufig wird dies jedoch primär der Durchsetzung der Strafe und für weitere präventive Zwecke seitens staatlicher Behörden dienen. Vgl. zum französischen Modell eines Strafregisters Hartan, Unternehmensstrafrecht, S. 182 ff. 354 Vgl. zu diesen Vorschlägen, die nicht zwingend auf der Bestrafung von Unternehmen aufbauen, sondern auch allein an der Begehung einer Tat eines Mitarbeiters anknüpfen, BT-Drs. 14/9356 (Entwurf eines § 126a GWB) sowie BR-Drs. 719/02. Siehe auch unten S. 427. 355 Siehe dazu Schwinge, Unternehmen, S. 192. 356 Vgl. jeweils mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung Ch. Bauer, Verbandsstrafbarkeit, S. 214 f.; Ehrhardt, Unternehmensdelinquenz, S. 251; Schwinge, Unternehmen, S. 193 ff. Siehe auch v. Bubnoff, ZEuS 2004, 447 (490); Kirch-Heim, Sanktionen, S. 216 ff. 357 Vgl. zu diesen an amerikanischen Vorschlägen orientierten Erwägungen Schwinge, Unternehmen, S. 200 ff.
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kein individuell Geschädigter vorhanden ist, könnte man hierin eine symbolische Wiedergutmachung gegenüber der Rechtsgemeinschaft sehen. (6) Aussetzung zur Bewährung und Sicherstellung der Strafvollstreckung In Anlehnung an die Strafen für natürliche Personen wird auch für Unternehmen eine Aussetzung der Sanktionen zur Bewährung vorgeschlagen, wenn die Vollstreckung der Sanktion nicht als notwendig erscheint.358 Andererseits wird aber durchaus Bedarf gesehen, die Erfüllung der Strafen durch das Unternehmen und seine zukünftige Rechtstreue in besonderer Weise sicherzustellen. Für die Erfüllung der Strafen käme grundsätzlich die Hinterlegung einer Kaution in Betracht.359 Die Einhaltung der rechtlichen Vorgaben in der Zukunft könnte durch ein Sicherungsgeld gefördert werden, das das Unternehmen ebenfalls zu hinterlegen hätte.360 Erweist es sich innerhalb einer bestimmten Frist als rechtstreu, erhält es das Geld zurück, ansonsten (bei Begehung einer weiteren Tat) fällt das Geld an den Staat. C. Ordnungswidrigkeitenrechtliche Verantwortlichkeit Wie der historische Überblick gezeigt hat steht im heutigen deutschen Recht nicht die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen im Mittelpunkt, sondern die ordnungswidrigkeitenrechtliche des § 30 OWiG. Diese wird im Folgenden näher beleuchtet (I.). Zudem wird entsprechend der strafrechtlichen Darstellung auf die Möglichkeiten des Entzugs von Tatvorteilen durch das Institut des Verfalls (II.) und die Einziehung von für die Tat gebrauchter und aus der Tat erlangter Gegenstände (III.) eingegangen. Zuletzt wird ebenfalls ein Blick auf die Norm für natürliche Personen geworfen, die als Einfallstor für unternehmensbezogene Pflichten in das Ordnungswidrigkeitenrecht dient (IV.). I. Unternehmensverantwortlichkeit nach § 30 OWiG In Bezug auf die ordnungswidrigkeitenrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen trifft § 30 OWiG eine einheitliche und abschließende Regelung.361 § 30 ____________ 358 Schwinge, Unternehmen, S. 237 ff.; Wohlers, SJZ 96 (2000), S. 381 (388) sowie v. Bubnoff, ZEuS 2004, 447 (490), der die Aussetzung zur Bewährung von der Erfüllung verschiedener Weisungen abhängig machen will. 359 Vgl. Schwinge, Unternehmen, S. 179. 360 Vgl. Engisch, 40. DJT, S. E80. Die Idee ist angelehnt an das schweizerische Modell einer Friedensbürgschaft, vgl. Jescheck, ZStrR 70 (1955), 243 (265); Rotberg, FS-100 Jahre DJT, S. 193 (214). 361 Vgl. zu § 30 OWiG die Kommentar-Kommentierungen von Bohnert, OWiG, § 30 Rn. 5; Göhler-König, OWiG (14. Aufl.), § 30 Rn. 1 ff.; KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 1 ff.; Lemke/Mosbacher, OWiG, § 30 Rn. 1 ff.; Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, § 30 Rn. 1 ff.; Wieser, OWiG, § 30 Nr. 1 ff. sowie das Lehrbuch von Mitsch, OWi, § 16 und die Mono-
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OWiG ersetzt seit dem OWiG 1968 alle bundes- und landesrechtlichen Vorschriften, die zuvor verstreut in verschiedenen Gesetzen geregelt waren. Nur noch wenige Normen sehen eine Modifizierung des § 30 OWiG in Einzelpunkten vor, wie beispielsweise das Kartellordnungswidrigkeitenrecht.362 Bevor im Folgenden auf die Tatbestandsmerkmale im Einzelnen eingegangen wird (3.), werden zunächst der Zweck der Norm (1.) und die gesetzliche Konzeption näher beleuchtet (2.). 1. Zweck des § 30 OWiG Die Vorschrift des § 30 OWiG soll nach dem Willen des Gesetzgebers mehrere Funktionen erfüllen:363 Sie soll zunächst sicherstellen, dass Unternehmen bei Verstößen aus ihrem Bereich nicht bessergestellt werden als natürliche Personen und daher eine Sanktionierung des Unternehmens selbst ermöglichen. Dies sei insbesondere hinsichtlich der Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse notwendig, da eine Sanktionierung natürlicher Personen vielfach eine im Verhältnis zur Tragweite der Tat stehende Sanktion nicht erlaube. Zudem soll die Unternehmensgeldbuße die Abschöpfung der dem Unternehmen zugeflossenen Gewinne erlauben und darüber hinaus die Erzielung solcher Gewinne bekämpfen. Die Unternehmensgeldbuße hat somit einen doppelten Zweck zu erfüllen: einen repressiven und einen präventiven.364 Als repressive Norm stellt sie die Sanktion für verwirklichtes Straf- und Ordnungsunrecht dar. Sie hat eine abschöpfende Funktion, soweit sie Vorteile entzieht, die dem Unternehmen (und nicht dem handelnden Mitarbeiter) durch die Tat zugeflossen sind, und eine rein ahndende Funktion, soweit die Höhe der Geldbuße über die Abschöpfung hinausgeht. In ihrer präventiven Ausprägung soll die Norm allgemein das Verhalten der Mitarbeiter beeinflussen,365 also vor allem generalpräventive Wirkung entfalten.366 Dies kann zum einen dadurch geschehen, dass die Leitungsebene im Unternehmen in verstärktem Maße Mitarbeiter sorgfältig auswählt, überwacht und zur Sanktions____________ grafien von Brender, Verbandstäterschaft, S. 1 ff.; V. Kaiser, Verbandssanktionen, S. 37 ff.; Müller, Ordnungswidrigkeitenrecht, S. 1 ff.; Pohl-Sichtermann, Geldbuße, S. 1 ff.; Poller, Verbandsgeldbuße, S. 28 f.; v. Jeger, Geldbuße, S. 1 ff.; Wegner, Zumessung, S. 57 ff. 362 Vgl. §§ 81 f. GWB hinsichtlich der Bemessung der Geldbuße und des Verfahrens. 363 Vgl. BT-Drs. V/1269, S. 59. 364 Vgl. aus der herrschenden Meinung Brender, Verbandstäterschaft, S. 83 ff.; GöhlerKönig, OWiG (14. Aufl.), vor § 29a Rn. 9 ff.; KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 16 ff.; Lemke/ Mosbacher, OWiG, § 30 Rn. 6 f.; Mitsch, OWi, § 16 Rn. 7; Müller, Ordnungswidrigkeitenrecht, S. 45 f.; Pohl-Sichtermann, Geldbuße, S. 53; Poller, Verbandsgeldbuße, S. 28 f.; Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, § 30 Rn. 9; Wieser, OWiG, § 30 Nr. 1; siehe auch Korte, Juristische Person, S. 53 ff. 365 Vgl. nur Göhler-König, OWiG (14. Aufl.), vor § 29a Rn. 11; KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 16 ff.; Lemke/Mosbacher, OWiG, § 30 Rn. 7; Mitsch, OWi, § 16 Rn. 7; Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, § 30 Rn. 9. 366 Göhler-König, OWiG (14. Aufl.), vor § 29a Rn. 11.
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vermeidung motiviert. Zum anderen wird aber auch dem einzelnen Mitarbeiter ins Bewusstsein gerufen, dass ein Fehlverhalten nicht nur ihn persönlich, sondern auch das Unternehmen als Ganzes trifft. Die Zwecke, auf denen die Unternehmensgeldbuße basiert, unterscheiden sich damit grundsätzlich nicht von denen, die den Individualstraftaten und den für natürliche Personen geltenden Ordnungswidrigkeiten zugeschrieben werden. Rogall ist daher prinzipiell zuzustimmen, wenn er anmerkt, dass die Sanktionszwecke gegenüber dem Unternehmen und dem Mitarbeiter, an dessen Tat die Unternehmensgeldbuße anknüpft, identisch sind.367 Allerdings gilt dies nur im Hinblick auf die allgemein zugrunde gelegten Sanktionszwecke der Sanktionierung von Unternehmen und natürlichen Personen. Denn im konkreten Fall können durchaus sehr unterschiedliche Zwecke die Sanktionierung des Mitarbeiters und die des Unternehmens leiten, insbesondere, da die Sanktionierung des Unternehmens mehr als nur das Vorliegen der Mitarbeitertat erfordert. Der Verweis auf die Zwecke, die der Bestrafung natürlicher Personen zugrunde gelegt werden, ist nur wenig weiterführend, da er auf eine seit Langem umstrittene Frage zielt. Gesetzlich sind die Strafzwecke nicht explizit geregelt, vielmehr hat der Gesetzgeber darauf bewusst verzichtet.368 In der Literatur hat sich weitgehend ein Kompromissvorschlag durchgesetzt, der die verschiedenen präventiv wie repressiv orientierten Strafzwecke innerhalb der sogenannten Vereinigungstheorie nebeneinander akzeptiert.369 Auch das BVerfG hat bislang keine klare Stellung bezogen, sondern erkennt unter Bezugnahme auf die Vereinigungstheorie alle Strafzwecke nebeneinander an.370 Eine klare Rangfolge unter den einzelnen Strafzwecken ist kaum erkennbar, auch wenn vielfach dem Ziel, der Begehung von Rechtsgutsverletzungen entgegenzuwirken, indem die Geltung der normativen Ordnung und die Rechtstreue der Bevölkerung bestärkt wird (allgemeine Generalprävention), hohe Priorität zukommt.371 Einer zu weitgehenden präventiven Ausrichtung wirkt allerdings das Schuldprinzip entgegen, das in § 46 Abs. 1 StGB explizit geregelt ist.372
2. Konzeption des § 30 OWiG a) Bestehende Ansätze Die Entstehungsgeschichte von § 30 OWiG und die dabei offengebliebenen dogmatischen Fragen lassen es kaum verwunderlich erscheinen, dass über die Konzeption und das Verständnis der Unternehmensgeldbuße der ursprünglich als reine Nebenfolge konstruierten Norm zahlreiche verschiedene Ansätze vertreten wer____________ KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 16. Vgl. BT-Drs. V/4049, S. 4 zum 1. und 2. StRG. 369 Vgl. Fischer, StGB, § 46 Rn. 2; Jescheck/Weigend, AT, § 8 V; Roxin, AT I, § 3 Rn. 33 ff. 370 Vgl. BVerfGE 45, 187 (253 f.). 371 Vgl. bspw. BVerfGE 45, 187 (254); Fischer, StGB, § 46 Rn. 2. 372 Vgl. Reichert, Strafzumessungsrichtlinien, S. 80, 97 ff., 252 f., auch im Vergleich zum US-Recht. 367 368
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den.373 Vielfach wird die Interpretation des § 30 OWiG zum Anlass für Überlegungen zur Unternehmensstrafbarkeit de lege ferenda genommen, sodass Auslegung und rechtspolitischer Vorschlag oft Hand in Hand gehen. Insoweit finden sich im Rahmen der Auslegung zahlreiche Ansätze wieder, die bereits im Überblick der deutschen Literatur Erwähnung gefunden haben.374 Da jedoch scharf zwischen der Auslegung de lege lata und Konzeptionen de lege ferenda zu trennen ist, werden die einzelnen Positionen im Rahmen des § 30 OWiG (soweit relevant) noch einmal aufgegriffen. Vielfach wird angenommen, dass § 30 OWiG schlicht die Zurechnung eines Mitarbeiterverhaltens zum Unternehmen normiere.375 Die zahlreichen Ansätze eint, dass sie durchweg als zentrales Element die Anknüpfung der Verantwortlichkeit des Unternehmens an dem des individuellen Verhaltens des Mitarbeiters herausstellen. Sie unterscheiden sich vor allem bei der Frage, wie die „Zurechnung“ als solche im Detail zu verstehen ist. Hier wird zumeist eine Handlungs- und Schuldzurechnung fremder Handlung und Schuld (des Mitarbeiters) als eigene Handlung und Schuld (des Unternehmens) angenommen.376 Grundlage für eine derartige Auslegung ist der bereits angesprochene Identifikationsansatz.377 Andere Zurechnungslösungen gehen wiederum davon aus, dass dem Unternehmen das Mitarbeiterverhalten nicht als fremdes zugerechnet wird, sondern dass das Mitarbeiterverhalten ein originär eigenes des Unternehmens darstellt.378 Diese An____________ 373 Zum Teil wird auch einfach ein dogmatisches Vakuum konstatiert und § 30 OWiG als Fremdkörper im OWiG betrachtet, vgl. Kindler, Unternehmen, S. 157; Schroth, wistra 1986, 158 (163). 374 Siehe oben S. 350 ff. 375 Vgl. Bahnmüller, Unternehmensverantwortlichkeit, S. 43; Bohnert, OWiG, § 30 Rn. 5; Ehrhardt, Unternehmensdelinquenz, S. 179 f.; Göhler-Gürtler, OWiG, vor § 29a Rn. 12 ff.; Heine, ZStrR 119 (2001), 22 (35); v. Jeger, Geldbuße, S. 100 f.; V. Kaiser, Verbandssanktionen, S. 103 ff.; Anette Kaufmann, Unternehmen, S. 166 f.; Lemke/Mosbacher, OWiG, § 30 Rn. 9; Müller, Ordnungswidrigkeitenrecht, S. 19, 47 f.; Mitsch, OWi, § 16 Rn. 5; Papachristos, Sanktionen, S. 141 ff.; Poller, Verbandsgeldbuße, S. 27; Ransiek, Unternehmensstrafrecht, S. 111; ders., ZGR 1999, 613 (652 ff.); K. Schmidt, wistra 1990, 131 (133); Schroth, Unternehmen, S. 39 f., 189; siehe auch Demuth/Schneider, BB 1970, 642 (650); Göhler, Beiheft ZStW 1978, 100 (109); Pohl-Sichtermann, Geldbuße, S. 53 ff.; Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, vor § 30 Rn. 9 f. 376 Ehrhardt, Unternehmensdelinquenz, S. 179 f.; Göhler-Gürtler, OWiG, vor § 29a Rn. 12, 14; v. Jeger, Geldbuße, S. 101; Lemke/Mosbacher, OWiG, § 30 Rn. 9; Müller, Ordnungswidrigkeitenrecht, S. 19; wohl auch Bohnert, OWiG, § 30 Rn. 5; Haeusermann, Verband, S. 24 f.; siehe auch Brender, Verbandstäterschaft, S. 86 ff.; Hirsch, ZStW 107 (1995), 285 (312 f.); Pohl-Sichtermann, Geldbuße, S. 54; Schroth, wistra 1986, 158 (162); Tiedemann, NJW 1988, 1169 (1171). 377 Siehe oben S. 350. 378 Vgl. V. Kaiser, Verbandssanktionen, S. 104 f.; KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 8; Schroth, Unternehmen, S. 189; explizit offengelassen, da beide Arten der Zurechnung an der Handlung des Mitarbeiters anknüpfen, z.B. bei K. Schmidt, wistra 1990, 131 (133); Ransiek, Unternehmensstrafrecht, S. 111.
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sätze beruhen wesentlich auf der Theorie der realen Verbandstäterschaft, wie sie durch v. Gierke geprägt worden ist.379 Da hiernach das Unternehmen als eigenständiger sozialer Organismus durch seine Organe voll handlungsfähig ist, ist die Delinquenz des Organs als Eigendelinquenz des Verbands zu verstehen.380 § 30 OWiG ist somit primär als Tatbestandsergänzung und Sanktionsumwandlung zu sehen.381 Neben den Zurechnungsansätzen stellen einige Autoren mehr die akzessorische Haftung des Unternehmens ähnlich zivilrechtlicher Konstruktionen in den Vordergrund382 und führen damit im Kern die frühere Nebenfolgelösung fort.383 Auch der BGH sieht § 30 OWiG als akzessorische Mithaftung des Unternehmens für von Mitarbeitern begangene Taten an; er betont dabei zum einen die Natur der Norm als Nebenfolge und zum anderen, dass § 30 OWiG keinen eigenständigen Ordnungswidrigkeitentatbestand darstelle.384 Ein vom individuellen Verhalten des Mitarbeiters weitgehend losgelöster Ansatz liegt der Annahme eines von § 30 OWiG regulierten Organisationsverschuldens zugrunde, wie dies namentlich von Tiedemann vertreten wird.385 Allerdings versteht auch Tiedemann die Vorschrift letztlich als Zurechnungsnorm,386 bei der insbesondere die Schuld des Mitarbeiters dem Unternehmen als eigene zugerechnet wird.387 Die Idee des Organisationsverschuldens sieht er nur als gedankliche ____________ Vgl. dazu bereits oben S. 351. Vgl. KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 8, der klarstellend hinzufügt, dass dadurch nicht automatisch die individuelle Verantwortlichkeit des Organs entfallen würde (so wohl aber Jakobs, FS-Lüderssen, S. 559 [564 ff.]). 381 Vgl. Schroth, Unternehmen, S. 40; ähnlich Papachristos, Sanktionen, S. 142 f., der Brender, Verbandstäterschaft, S. 122 folgend von „Transformator“ spricht. 382 Mitsch, OWi, § 16 Rn. 5; Poller, Verbandsgeldbuße, S. 27; ähnlich Anette Kaufmann, Unternehmen, S. 166. 383 So spricht z.B. Poller, Verbandsgeldbuße, S. 28 von einer „Rechtsfolgenlösung“ und lehnt die Betrachtung von § 30 OWiG als täterschaftsbegründende Norm ab (S. 28); siehe auch Dreher, Protokolle Sonderausschuß Strafrechtsreform, 5. Wahlperiode, 57. Sitzung, S. 1084 („Nebenhaftung“). 384 Vgl. BGHSt 46, 207, dessen Ausführungen, vor allem angesichts der eingehenden Aufarbeitung in der Literatur, äußerst kursorisch sind und eine tiefere Auseinandersetzung mit der Konzeption des § 30 OWiG vollkommen vermissen lassen. 385 Tiedemann, NJW 1988, 1169 (1171 ff.) sowie ders., in: Eser/Thormundsson (Hrsg.), Legislation, S. 157 (168 ff.); ders., in: Schoch/Stoll/Tiedemann (Hrsg.), Freiburger Begegnungen, S. 30 (48 ff.). Diesem zustimmend Sieber, FS-Tiedemann, S. 449 (467 f.). Ähnlich Brender, Verbandstäterschaft, S. 93 ff. sowie (mit Abweichungen im Detail) Bauer, wistra 1992, 47(49 f.) und Dannecker/Biermann, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, Bd. 2, vor § 81 Rn. 101. 386 Die an Tiedemann geäußerte Kritik (vgl. bspw. KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 6) übergeht diesen Aspekt häufig. 387 Tiedemann, NJW 1988, 1169 (1173); ders., in: Eser/Thormundsson (Hrsg.), Legislation, S. 157 (174 ff.); im Wesentlichen ebenso Brender, Verbandstäterschaft, S. 108 ff. 379 380
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Grundlage („Haftungsprinzip“) der Vorschrift, die einerseits zur gesetzgeberischen Rechtfertigung, andererseits aber auch zur Auslegung heranzuziehen sei.388 Einen völlig anderen Weg verfolgt Otto, der die Sanktion nach § 30 OWiG als reine wirtschaftsaufsichtsrechtliche Sanktion versteht389 und sich somit von den klassischen Zurechnungsproblemen (insbesondere der Zurechnung der Schuld) lösen möchte. Ebenfalls einen neuen Weg zur Lösung des Schuldproblems wählt Schünemann, indem er den strafrechtlichen Maßregeln entsprechend primär einen Rechtsgüternotstand als Legitimationsgrundlage heranziehen will.390 Schünemann ist allerdings wohl einschränkend dahin zu verstehen, dass er seinen Ansatz vor allem als Lösung de lege ferenda vorschlägt und nur teilweise als Interpretation der bestehenden Unternehmensgeldbuße.391 b) Eigener Ansatz Der Überblick zu den diskutierten Ansätzen hat gezeigt, dass keine Einigkeit besteht, wie die Regelung des § 30 OWiG zu verstehen ist. Nachfolgend soll daher das für die vorliegende Arbeit zugrunde gelegte Verständnis skizziert werden, das von einer Doppelstruktur des § 30 OWiG ausgeht. (1) Eigenständige Sanktionsnorm Schon als die Norm noch als „Nebenfolge“ bezeichnet wurde,392 ließ sich die Anordnung einer zusätzlichen „Verantwortlichkeit“ des Unternehmens neben der des handelnden Mitarbeiters inhaltlich kaum als rein akzessorische Folge der Vermögensabschöpfung beim Unternehmen verstehen. Von Anfang an war das Unternehmen zum einen unmittelbar Sanktionsadressat und zum anderen wurde es wie eine natürliche Person mit der zentralen im Ordnungswidrigkeitenrecht vorgesehenen Sanktion, der Geldbuße, und nicht einer anderen eigenen spezifischen Maßnahme der Vermögensabschöpfung belegt. Die verfahrensrechtliche Verschränkung mit der Sanktionierung des handelnden Mitarbeiters hatte, auch wenn dies der Gesetzgeber wohl so intendierte,393 für die grundlegende materiellrechtliche Aus___________ 388 Tiedemann, NJW 1988, 1169 (1173); ders., in: Eser/Thormundsson (Hrsg.), Legislation, S. 157 (175 f.). Ähnlich Sieber, FS-Tiedemann, S. 449 (467 f.). 389 Otto, Strafbarkeit, S. 25 ff. 390 Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 236 ff., siehe aber auch S. 249, wo er Organisationsmängel als zusätzliche Legitimationsgrundlage heranzieht; vgl. zur Problematik zudem Bosch, Organisationsverschulden, S. 60 ff. sowie de lege ferenda Stratenwerth, FS-Schmitt, S. 295 (303 ff.). 391 Vgl. Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 247, wo er von der Anbindung an das schuldhafte Mitarbeiterverhalten ausgeht. 392 Vgl. dazu oben S. 328. 393 BT-Drs. V/1269, S. 58 f., 61; dazu bereits auch oben S. 328 ff.
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gestaltung der Norm keine Bedeutung. Kaum verwunderlich ist, dass diese Konzeption der Vorschrift kritisch beurteilt wurde,394 und der Vorwurf eines „Etikettenschwindels“ nicht unberechtigt war.395 Nur konsequent war daher die Aufgabe der Bezeichnung als „Nebenfolge“ im Jahr 1986, die Beseitigung letzter Reminiszenzen im Gesetz daran in den Jahren 1994 und 2002 und damit die Klarstellung, dass es sich bei § 30 OWiG um eine originäre gegen ein Unternehmen gerichtete Hauptfolge in Form der Geldbuße handelt. Eine dogmatische Änderung der Norm ging mit der Reform von 1986 nicht einher,396 vielmehr wurde im Wesentlichen die verfahrensrechtliche Reichweite verändert, der grundlegend eigenständige Sanktionscharakter aber beibehalten. Die Frage, ob § 30 OWiG einen eigenständigen Ordnungswidrigkeitentatbestand enthält, ist nicht einfach zu beantworten. Die Ausführungen des BGH, der § 30 OWiG einen solchen Charakter abspricht,397 sind insoweit zu kursorisch, um diese Frage zu beantworten.398 Das Argument des BGH, dass § 30 OWiG an eine andere Tat (die des Mitarbeiters) anknüpfe und somit keinen eigenständigen Tatbestand darstelle, ist nur bedingt tragend. § 130 OWiG wählt eine ähnliche Konstruktion, ohne dass dessen eigenständiger Tatbestandscharakter infrage stünde. Dem BGH ist allerdings zuzugeben, dass § 30 OWiG systematisch im Allgemeinen Teil des OWiG platziert ist und diese Stellung eher für eine Art Beteiligungsregel und nicht für einen typischen Ordnungswidrigkeitentatbestand spricht, der zumeist im Besonderen Teil angesiedelt ist. Zudem normiert § 30 OWiG auf den ersten Blick keine eigenständige deliktische Handlung, die sanktioniert wird; hierin liegt ein Unterschied zu § 130 OWiG, der mit dem Element der Aufsichtspflichtverletzung das Handlungserfordernis vollständig erfüllt. Die Schwierigkeit bei § 30 OWiG besteht im Wesentlichen darin, dass allgemeine Beteiligungsregelung und eigenständige Sanktionsnorm zusammenfallen. § 30 OWiG legt fest, wann ein Unternehmen an der Tat beteiligt ist und schafft damit aber zugleich eine originäre Verantwortung des Unternehmens. Dieser Doppelcharakter ist jeder Sanktionsnorm immanent, die an einer Mitarbeitertat anknüpft. Eine so konstruierte Beteiligungsregelung ist immer zugleich Festlegung des Unrechtstatbestands für das Unternehmen.
____________ 394 Vgl. nur Hartung, 40. DJT, S. E44; Jescheck, AT (2. Aufl.), § 23 V; V. Kaiser, Verbandssanktionen, S. 93 f.; Lang-Hinrichsen, FS-Mayer, S. 49 (66); Pohl-Sichtermann, Geldbuße, S. 54, 63; Schroth, wistra 1986, 158 (162); Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 175. Siehe auch Achenbach, Coimbra-Symposium, 765 ff.; Alwart, ZStW 105 (1993), 752 (765); Ehrhardt, Unternehmensdelinquenz, S. 89; Jakobs, AT, § 6 Rn. 43; Otto, Strafbarkeit, S. 23. 395 Vgl. Hartung, 40. DJT, S. E44 f.; Jescheck, AT (2. Aufl.), § 23 V; ähnlich Weber, ZStW 96 (1984), 376 (413) („terminologisches Feigenblatt“). 396 Als dogmatische Änderung sehen die Reform von 1986 aber bspw. Göhler, OWiG (8. Aufl. 1987), vor § 29a Rn. 14; Schroth, wistra 1986 158 (162); Tiedemann, NJW 1988, 1169 (1171). 397 Vgl. BGHSt 46, 207. 398 Der vom BGH (a.a.O.) vorgenommene Weg der bloßen Auflistung der Gesetzesmaterialien und -änderungen kann naturgemäß nicht weiterführen, als die vom Gesetzgeber vorgegebene Linie der Nebenfolgenkonstruktion nachzuzeichnen. An dieser Stelle werden die fehlende Auseinandersetzung mit den verschiedenen Literaturansichten und insbes. die fehlende dogmatische Standortbestimmung deutlich.
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Insoweit kann man durchaus von der Normierung einer eigenständigen deliktischen Handlung (nämlich der des Unternehmens) in § 30 OWiG sprechen. In einer Hinsicht entspricht § 30 OWiG dabei vollkommen einem eigenständigen Ordnungswidrigkeitentatbestand. Denn die Regelung ist als typische Sanktionsnorm in der Wenn-Dann-Struktur normiert: Wenn bestimmte tatbestandliche Voraussetzungen vorliegen, dann wird eine bestimmte Rechtsfolge verhängt. Hier wird relevant, dass nicht irgendeine Rechtsfolge verhängt wird, sondern eine Geldbuße, die das Kennzeichen eines Ordnungswidrigkeitentatbestands ist. Insoweit wird durch die Rechtsfolgenanordnung die Natur als Ordnungswidrigkeit begründet und damit auch die Geltung der grundlegenden Voraussetzungen einer Ordnungswidrigkeit festgelegt.399 Die Natur des § 30 OWiG geht aber nicht so weit, dass er vollständig wie andere Tatbestände behandelt werden kann.400 Denn ansonsten wäre beispielsweise die Frage einer Beteiligung nach § 14 OWiG zu stellen: Können sich mehrere Unternehmen verabreden, eine Tat nach § 30 OWiG zu begehen? Kann sich ein Mitarbeiter bereit erklären, an einer Tat nach § 30 OWiG teilzunehmen? In concreto ist eine solche Konstruktion der Beteiligung schwer vorzustellen und nach der Konzeption des § 30 OWiG auch zu verneinen: Denn die Verantwortung des Unternehmens ist mediatisiert über den Mitarbeiter. Mitarbeiter innerhalb eines Unternehmens oder auch verschiedener Unternehmen können daher zwar als Mittäter eine Tat begehen. Die Sanktionierung des Unternehmens knüpft dann an der Tat des jeweiligen Mitarbeiters an, führt jedoch nicht dazu, dass die Unternehmen selbst als Mittäter behandelt werden. Im Ergebnis ist damit § 30 OWiG nicht als klassischer eigenständiger Ordnungswidrigkeitentatbestand einzustufen. Die Stellung des § 30 OWiG im Allgemeinen Teil kann neben seiner partiellen Rechtsnatur als Beteiligungsregel zudem damit erklärt werden, dass § 30 OWiG nicht nur den eigentlichen Sanktionstatbestand mit Rechtsfolge enthält, sondern auch verfahrensrechtliche Vorgaben. Insgesamt lässt sich nur konstatieren, dass weder die systematische Stellung im Gesetzbuch noch die Konstruktion der Norm ein gesetzgeberischer Glücksgriff sind.
(2) Ausgangspunkt: Handlungs- und Schuldfähigkeit Die Einstufung als weitgehend eigenständige Sanktionsnorm sagt noch wenig über das dogmatische Verständnis der Norm aus. Allerdings kann an dieser Stelle die Einstufung des § 30 OWiG als rein wirtschaftsaufsichtsrechtliche Maßnahme ausgeschieden werden, da ansonsten die Geldbuße einmal originäre Sanktion des Ordnungswidrigkeitenrechts und zum anderen (allein auf § 30 OWiG bezogen) verwaltungsrechtliche Aufsichtsmaßnahme wäre. Es ist nicht erkennbar, dass das OWiG der gleichen Sanktion (Geldbuße) derart verschiedene Funktionen zuordnet, zumal dies die Unterscheidung zwischen reinem Verwaltungsverfahren (Wirtschaftsaufsicht) und Ordnungswidrigkeitenverfahren verwischen würde. Ähnliches gilt für die Ansätze einer rein akzessorischen Haftung (vor allem in der Form einer Nebenfolge), die nicht erklären können, warum gegen ein Unternehmen eine Geldbuße im Rahmen des Ordnungswidrigkeitenrechts verhängt werden soll, ohne dass ____________ 399 Dies hat v.a. Konsequenzen für die Anwendung von § 1 OWiG, vgl. dazu im Folgenden im Text. 400 Zum Verhältnis zu § 29a OWiG siehe unten S. 420.
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jedoch dessen Erfordernisse erfüllt sein sollen.401 Beide Ansätze zeigen zwar das Bemühen, das Kernproblem der Unternehmensgeldbuße (das Verschuldenserfordernis) zu lösen,402 sind jedoch in das Ordnungswidrigkeitenrecht nicht ohne Systembruch integrierbar. Das Kernproblem der Interpretation von § 30 OWiG liegt in der Frage, ob und inwieweit ein Handeln und Verschulden des Unternehmens zu bejahen ist. Das Handlungs- und Verschuldenserfordernis ergibt sich primär aus § 1 OWiG, der eine Geldbuße nur bei einem vorwerfbaren Handeln vorsieht, wobei vorwerfbar zumeist mit schuldhaft im strafrechtlichen Sinne gleichgesetzt wird. Indem § 30 OWiG als Rechtsfolge die Geldbuße vorsieht, ist § 1 OWiG von der Gesetzessystematik her auch bei der Unternehmensgeldbuße zu beachten.403 Damit sind Ansätze, die die Handlungs- und Schuldfrage umgehen wollen, de lege lata ausgeschlossen. Dieses Ergebnis wird auch von § 10 OWiG gestützt, der klarstellt, dass nur vorsätzliche oder fahrlässige Handlungen geahndet werden können und somit einen Verzicht auf ein Verschuldenserfordernis ausschließen. (3) § 30 OWiG als Zurechnungsnorm Betrachtet man § 30 OWiG, so ergibt sich eine Lösung zunächst aus der Anknüpfung an der Tat des Mitarbeiters. Die Norm regelt klar eine Zurechnung der Mitarbeitertat zum Unternehmen. Die Frage, ob die Mitarbeitertat dem Unternehmen als eigene oder als fremde zugerechnet wird, ist im Hinblick auf § 1 OWiG relevant: Wird sie als eigene zugerechnet (das Handeln und das Verschulden des Mitarbeiters eingeschlossen), liegt ein originäres Handeln/Verschulden des Unternehmens vor. Wird sie dagegen als fremde zugerechnet, liegt nur ein vermitteltes Handeln/Verschulden vor, bei dem fraglich ist, ob dies die Anforderung von § 1 OWiG erfüllt, da es sich um einen dem deutschen Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht fremden Ansatz (vor allem hinsichtlich des Einstehens für fremde Schuld) handelt. ____________ 401 Eine derartige gesetzliche Normierung scheint (verfassungsrechtlich) nicht ausgeschlossen, wäre dann jedoch jenseits des Ordnungswidrigkeitenrechts zu regeln und vor allem nicht als Geldbuße zu konstruieren. 402 An diesen Ansätzen zeigt sich, dass für § 30 OWiG die zivilrechtliche Konstruktion des § 31 BGB – die eine Haftung eines Vereins am Verschulden eines Organs anknüpft, ohne aber eine tatsächliche Belangung des Organs vorauszusetzen – materiell einfach ins Ordnungswidrigkeitenrecht übernommen wurde, ohne jedoch dessen Besonderheiten aufzunehmen; vgl. Weber, ZStW 96 (1984), 376 (412 f.). 403 Dieser Bezug zum vorwerfbaren Handeln des § 1 OWiG wird allgemein angenommen und oftmals auch als Ansatzpunkt zur Kritik des § 30 OWiG von Ansichten herangezogen, die eine Schuldfähigkeit des Unternehmens verneinen und daher die Unternehmensgeldbuße als systemwidrig ansehen, vgl. v. Jeger, Geldbuße, S. 73; V. Kaiser, Verbandssanktionen, S. 93; Quante, Sanktionsmöglichkeiten, S. 162; Schmitt, Verbände, S. 216; siehe auch Hartung, 40. DJT, S. E44 ff. zu §§ 23, 24 WiStG 1949; Jescheck, JZ 1959, 457 (462); Lang-Hinrichsen, FS-Mayer, S. 49 (65 f.).
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§ 30 OWiG trägt dem Umstand Rechnung, dass ein Unternehmen einen in der Außenwelt wahrnehmbaren Erfolg nur durch seine Mitarbeiter herbeiführen kann. Dieser Erfolg kann rechtlicher Natur sein, wenn der Mitarbeiter im Rahmen seiner Rechtsmacht Verbindlichkeiten für das Unternehmen begründet. Typischerweise ist der Mitarbeiter in diesem Fall Organ (gemäß gesellschaftsrechtlichen Regelungen) oder in sonstiger Weise zur Vertretung befugt. Der Erfolg kann aber auch rein faktischer Natur sein, wenn ein Mitarbeiter durch die im Unternehmen eingeräumten tatsächlichen Möglichkeiten Auswirkungen herbeiführen kann, wie er dies als Privatperson in concreto nicht könnte. In all diesen Situationen verkörpern die Mitarbeiter das Unternehmen, sie sind faktisch das Unternehmen. Es kann bei § 30 OWiG folglich nur um eine Zurechnung des Mitarbeiterverhaltens als ein eigenes des Unternehmens gehen. In der Konsequenz sind somit Handeln und Verschulden der Mitarbeiter die des Unternehmens. Dieses Ergebnis steht in teilweisem Einklang mit der erwähnten auf v. Gierke zurückgehenden Organtheorie. Jedoch ist der vorliegende Ansatz zum einen nicht auf Organe als für das Unternehmen handelnde Personen beschränkt und zum anderen geht es nicht wie bei v. Gierke primär um das Problem der (zivilrechtlichen) Handlungsfähigkeit. § 30 OWiG begründet eine eigenständige Beteiligungsnorm und damit einen eigenständigen Unrechtstatbestand, der für den Bereich der Ordnungswidrigkeiten die täterschaftsbegründenden Umstände für ein Unternehmen festlegt.404 (4) § 30 OWiG als Regelung der Unternehmensverantwortlichkeit § 30 OWiG erschöpft sich nicht allein in der Zurechnung des Mitarbeiterverhaltens. Vielmehr finden sich mehrere Faktoren, die eine ordnungswidrigkeitenrechtliche Verantwortlichkeit des Unternehmens zum Teil deutlich eingrenzen. Diese Eingrenzung wird von den zahlreichen Zurechnungslösungen zumeist nicht berücksichtigt. Sie ist jedoch von zentraler Bedeutung, da sie einen zweiten Aspekt beleuchtet, nämlich den speziellen Unternehmenskontext. Bei § 30 OWiG soll ein Unternehmen nicht einfach für jede Tat eines Mitarbeiters verantwortlich gemacht werden, sondern nur für bestimmte Taten, die in einem spezifischen Unternehmensumfeld entstehen. Die Eingrenzung findet sich in der Beschränkung auf bestimmte Unternehmen, auf bestimmte handelnde Mitarbeiter, die Begehung der Tat gerade „als“ Mitarbeiter und letztlich in der Begrenzung auf die Verletzung besonderer Unternehmenspflichten. In diesen Elementen kommt zum Tragen, dass erst bei einer bestimmten Unternehmensgestaltung/-struktur eine Verantwortlichkeit des Unternehmens gerechtfertigt ist. In diesem Sinne verlangt § 30 OWiG eine ____________ 404 Vgl. auch KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 8, der § 30 in den Bereich der Beteiligungslehre einordnet.
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besondere Unternehmensverantwortlichkeit.405 Diese muss insoweit positiv nachgewiesen werden, als die tatbestandlichen Elemente des § 30 OWiG vorliegen müssen. Ist dies der Fall, ist jedoch die Unternehmensverantwortlichkeit automatisch und unwiderlegbar gegeben. § 30 OWiG verlangt keinen über diese Elemente hinausgehenden zusätzlichen positiven Nachweis der Verantwortlichkeit, lässt einen solchen auch gar nicht zu. Die Unternehmensverantwortlichkeit konstituiert über die Zurechnung der Schuld des Mitarbeiters hinaus einen weiteren eigenständigen Schuldvorwurf gegenüber dem Unternehmen. Die Unternehmensverantwortlichkeit beruht im Wesentlichen – aber nicht allein – auf dem bereits von Tiedemann in die Diskussion eingeführten Organisationsverschulden: Das Unternehmen wird für die Außerachtlassung der notwendigen unternehmensinternen Vorsorge für rechtmäßiges Verhalten verantwortlich gemacht. Dass diese Vorsorge zentraler Aspekt des § 30 OWiG ist, zeigt sich beispielsweise an dem expliziten Hinweis auf die Überwachung der Geschäftsführung bzw. die Ausübung von Kontrollbefugnissen (§ 30 Abs. 1 Nr. 5). Der Unterlassungsvorwurf wird zudem in der Beschränkung auf bestimmte Unternehmen deutlich, da erst bei einem klar von einem Einzelunternehmer abgrenzbaren Rechtssubjekt eine entsprechende Eigenorganisation verlangt werden kann. Er wird auch in der Beschränkung der Verantwortlichkeit auf leitende Personen im Unternehmen relevant, da nur diese ausreichende Organisationsmacht besitzen, um Strukturen für rechtmäßiges Handeln zu schaffen. Letztlich kann der Ansatz auch bedingt erklären, warum das Unternehmen für Straftaten und Ordnungswidrigkeiten als Anknüpfungstaten verantwortlich gemacht wird: denn diesbezüglich wird nur ein einheitlicher Vorwurf der mangelnden Vorsorge erhoben.406 Der vorliegende Ansatz der Unternehmensverantwortlichkeit unterscheidet sich von dem Tiedemannschen Verständnis dadurch, dass er nicht nur als Vorverständnis und alleinige Leitlinie des § 30 OWiG dient, sondern neben dem Zurechnungsansatz integrativer Bestandteil des Tatbestands des § 30 OWiG ist.407 Zudem geht das Unternehmensverschulden weiter als der Vorwurf des Organisationsverschuldens. Tiedemanns Konzeption beruht im Wesentlichen auf der Betrachtung des § 130 OWiG (Verletzung der Aufsichtspflicht) als Anknüpfungstat des § 30 OWiG.408 Dieser Tatbestand erklärt seinen Ansatz idealtypisch, verengt die Sicht jedoch auf die Unterlassung notwendiger Maßnahmen durch Vorgesetzte. Mit dem Organisationsverschulden lässt sich beispielsweise die Beschränkung des § 30 OWiG auf Führungspersonen nicht restlos erklären, wenn etwa der Vorstands___________ Vgl. auch Sieber, FS-Tiedemann, S. 449 (468). Vgl. Brender, Verbandstäterschaft, S. 86 ff. 407 Siehe auch Brender, Verbandstäterschaft, S. 114 f. 408 Tiedemann, NJW 1988, 1169 (1173); ders., in: Eser/Thormundsson (Hrsg.), Legislation, S. 157 (174). 405
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vorsitzende selbst Gelder veruntreut.409 In diesen Fällen ist mangels Vorgesetztem eine Aufsichtspflichtverletzung nicht gegeben. Eine Erklärung liefert jedoch die Überlegung, dass § 30 OWiG auf solche Unternehmensstrukturen abzielt, in denen das Risiko für einen gravierenden Rechtsverstoß besteht.410 Bezogen auf den handelnden Mitarbeiter bedeutet dies: Je mehr Verantwortung ein Mitarbeiter im Unternehmen trägt, desto mehr faktische (Zugriff auf Gelder etc.) und rechtliche Möglichkeiten (Verfügungsbefugnisse etc.) gehen damit einher und desto höher ist die Gefahr erheblicher Rechtsverstöße. Insoweit wird eine Unternehmensverantwortlichkeit bei § 30 OWiG auch allein durch das gesteigerte Risiko der Deliktsbegehung begründet. Für Unternehmen bedeutet dies, dass bei geringen Risiken wie der Tätigkeit eines Mitarbeiters ohne Leitungsaufgaben eine Verantwortlichkeit zumeist ausscheidet, bei einer Führungsperson aber grundsätzlich gegeben ist. (5) Ergebnis: Kombinationsmodell Festzuhalten ist, dass § 30 OWiG auf einem Kombinationsmodell aus Zurechnung und Unternehmensverantwortlichkeit beruht. Die Konstruktion des § 30 OWiG ist damit als modifiziertes Individualtatmodell einzustufen.411 Für das Verständnis der Norm und die Auslegung der einzelnen Tatbestandselemente sind beide Elemente heranzuziehen. Erst die Berücksichtigung beider Bestandteile erlaubt eine stringente und in sich schlüssige Anwendung des § 30 OWiG. Im Verhältnis zueinander sind die beiden Elemente der Zurechnung und der Unternehmensverantwortlichkeit nicht gleich stark gewichtet. Der Zurechnungsansatz steht im Vordergrund, während die Unternehmensverantwortlichkeit nur eine begrenzte gesetzliche Berücksichtigung auf die in § 30 OWiG genannten kollektiven Elemente erfahren hat. Wie sich gezeigt hat, ist die Frage eines Handelns und eines Verschuldens des Unternehmens somit in § 30 OWiG eingehend geregelt. Insoweit bestehen keine ___________ 409 Mit dem Organisationsverschulden lassen sich vor allem folgende Konstellationen erklären: Macht ein einfacher Arbeiter am Fließband einen Fehler bei der Montage der Bremsen, der in der Folge einen Autounfall auslöst, so soll das Unternehmen für diesen Fehler an sich nicht verantwortlich gemacht werden, da jede Tätigkeit die Gefahr von Fehlern in sich birgt und sich damit nur ein „Standardrisiko“ verwirklicht (getreu dem Motto: „Wer arbeitet macht auch Fehler.“). Das Unternehmen soll jedoch dann dafür einstehen, wenn es an einer Qualitätskontrolle oder einer Überwachung durch den Vorgesetzten fehlt, da eine solche mangelnde Überwachung über den Einzelfall hinausweist (und gleichermaßen bei anderen Fällen vorkommen kann) und somit einen gravierenderen Verstoß darstellt als das einzelne Fehlverhalten des Arbeiters. 410 Im Ansatz findet sich diese Begründung bereits in BT-Drs. 10/318, S. 39, wenn der Gesetzesvorschlag die Ausdehnung der Täter der Anknüpfungstat über Organe hinaus auf Führungspersonen befürwortet, da diese Organen gleich zentrale Leitungsaufgaben wahrnehmen. Vgl. auch Mittelsdorf, Unternehmensstrafrecht, S. 123, die in § 30 OWiG eine reine Gefährdungshaftung sieht. 411 Vgl. zu den Modellen der Literatur oben S. 361 ff.
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Bedenken, die Voraussetzungen von § 1 OWiG als erfüllt anzusehen. Anzuerkennen ist dabei allerdings, dass der Begriff der vorwerfbaren Handlung in § 1 Abs. 1 OWiG in Bezug auf Unternehmen ein eigenständiges Verständnis erfordert, das sich von dem für natürliche Personen unterscheidet. Insoweit ist es bedenklich, wenn häufig die Vorwerfbarkeit mit dem strafrechtlichen Schuldbegriff gleichgesetzt wird. Das OWiG fordert hier eine differenziertere Betrachtung. 3. Voraussetzungen der Verantwortlichkeit Im Folgenden werden die einzelnen Voraussetzungen, die § 30 OWiG für eine Verantwortlichkeit des Unternehmens aufstellt, näher untersucht. Der Tatbestand erfordert das Vorliegen zweier grundlegender Bestandteile: Der erste ist die bereits erwähnte Anknüpfungstat (näher unter a), der zweite ist die Begehung dieser Anknüpfungstat unter Verletzung betriebsbezogener Pflichten oder in der Absicht der Bereicherung des Unternehmens/zur Bereicherung des Unternehmens (b). a) Begehung einer Anknüpfungstat durch einen Unternehmensmitarbeiter Bei der ersten Voraussetzung, der Begehung einer Anknüpfungstat durch einen Unternehmensmitarbeiter, stellen sich mehrere Einzelfragen. Zunächst ist zu klären, welche Zusammenschlüsse unter den strafrechtlichen Unternehmensbegriff fallen (1). Zudem stellt sich die Frage, welche Mitarbeiter innerhalb des Unternehmens überhaupt eine Straftat begehen können, für die das Unternehmen bestraft werden kann (2). Eng verknüpft mit dieser Problematik ist zu prüfen, welche Straftaten des Mitarbeiters als Grundlage für eine Unternehmensstrafbarkeit in Betracht kommen (3) und inwieweit ein volldeliktisches Handeln der Mitarbeiter Voraussetzung ist (4). (1) Sanktionsfähige Zusammenschlüsse Das Gesetz enthält eine abschließende Aufzählung der Unternehmen, die als sanktionsfähige Zusammenschlüsse der Haftung nach § 30 OWiG unterliegen.412 Dies sind juristische Personen, rechtsfähige Personengesellschaften und nicht rechtsfähige Vereine.
____________ 412 Vgl. dazu Göhler-König, OWiG (14. Aufl.), § 30 Rn. 2; KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 30 ff.; Lemke/Mosbacher, OWiG, § 30 Rn. 12 ff.; Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, § 30 Rn. 1 ff.; Wieser, OWiG, § 30 Nr. 4.
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(a) Juristische Personen Juristische Personen sind körperschaftlich verfasste Organisationen, die eine eigene von ihrem Mitgliederbestand unabhängige Rechtspersönlichkeit besitzen, welche ihnen die Rechtsordnung explizit (per Gesetz) verliehen hat. Zu den juristischen Personen des Privatrechts zählen zahlreiche wichtige Rechtsformen für Unternehmen, darunter die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), die Aktiengesellschaft (AG), die Europäische Aktiengesellschaft (SE), der Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit und die Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA). Erfasst werden aber auch rechtsfähige Vereine und Stiftungen sowie eingetragene Genossenschaften (Gen). Da sich das Gesetz vom Wortlaut her nicht auf juristische Personen des Privatrechts beschränkt, sind an sich juristische Personen des Öffentlichen Rechts ebenfalls erfasst. Eine Ansicht hält jedoch die Erfassung von Sinn und Zweck der Vorschrift für ausgeschlossen, da ansonsten Probleme hinsichtlich der Gewalten- und Funktionsteilung entstehen würden.413 Angesichts der umfangreichen wirtschaftlichen Tätigkeit der öffentlichen Hand, der diesbezüglich gegebenen Freiheit der Formenwahl zwischen privat- und öffentlich-rechtlicher Unternehmensform und der Möglichkeit, in zahlreichen Rechtsgebieten auch gegen öffentlich-rechtliche Unternehmen vorzugehen (z.B. im Vollstreckungs- oder Kartellrecht) wird jedoch eine Einbeziehung der öffentlich-rechtlichen Körperschaften überwiegend angenommen.414 Diese Haltung vertritt auch die Rechtsprechung, wobei die Konstellation bislang allerdings nur wenig praxisrelevant gewesen ist.415 Ausnahmen werden aus der „Natur der Sache“ dann erwogen, wenn Bußgeldbehörde und betroffene juristische Person zusammenfallen oder wenn der Staat (Bund, Land) als solcher betroffen ist.416 In dieser Pauschalität dürfte eine Privilegierung jedoch eher zweifelhaft sein, da im ersteren Fall nur ein Problem der zuständigen Sanktionsbehörde vorliegt (deren Aufgaben wegen eines Interessenkonflikts z.B. die vorgesetzte Behörde oder die Aufsichtsbehörde wahrnehmen könnte) und im zweiten Fall vorzugswürdigerweise auf die Art der Tätigkeit des Staates abzustellen ist, da nur so wirtschaftliche Betätigungen der öffentlichen Hand umfänglich erfasst werden können und originär hoheitliche Tätigkeit ausgeschieden werden kann. Im Ergebnis ____________ 413 Vgl. krit. bspw. Busch, Verbände, S. 194 f.; Hirsch, ZStW 107 (1995), 285 (308); Pohl-Sichtermann, Geldbuße, S. 66 ff.; dies., VOR 1973, 411 (414 f.); Quante, Sanktionsmöglichkeiten, S. 61 ff.; Schmitt, Verbände, S. 211 ff.; Wohlfarth, NJW 1980, 2237 ff. 414 So Achenbach, FS-Stree/Wessels, S. 545 (553 f.); Bohnert, OWiG, § 30 Rn. 12; Göhler-Gürtler, OWiG, § 30 Rn. 2; KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 32 ff.; Lemke/Mosbacher, OWiG, § 30 Rn. 13; Mitsch, OWi, § 16 Rn. 9; Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, § 30 Rn. 3; Wieser, OWiG, § 30 Nr. 4. 415 Vgl. die zumeist zitierten älteren Entscheidungen OLG Frankfurt, NJW 1976, 1276 [Geldbuße gegen Landkreis]; OLG Hamm, NJW 1979, 1312 [Geldbuße gegen Gemeinde]. 416 Vgl. bspw. Bohnert, OWiG, § 30 Rn. 12; KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 34; Müller, Ordnungswidrigkeitenrecht, S. 54.
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ist festzuhalten, dass weitgehende Übereinstimmung besteht, den Staat im Bereich der wirtschaftlichen Betätigung in Form juristischer Personen des öffentlichen Rechts gegenüber Privaten nicht zu privilegieren. (b) Personengesellschaften Neben den juristischen Personen sind rechtsfähige Personengesellschaften erfasst. Der Begriff der rechtsfähigen Personengesellschaft ist in § 14 Abs. 2 BGB legal definiert als „Personengesellschaft, die mit der Fähigkeit ausgestattet ist, Rechte zu erwerben und Verbindlichkeiten einzugehen“ und wurde vom Gesetzgeber explizit in § 30 OWiG übernommen.417 Zu den rechtsfähigen Personengesellschaften zählen zunächst die Gesellschaften, die unter den bis zum Jahr 2002 in § 30 OWiG verwandten Begriff der Personenhandelsgesellschaften fielen. Dies sind die Offene Handelsgesellschaft (OHG), die Kommanditgesellschaft (KG) – auch als GmbH & Co. KG418 – sowie die Europäische Wirtschaftsvereinigung (EWIV). Durch die Erweiterung auf rechtsfähige Personengesellschaften fallen nun zudem die Partnerschaftsgesellschaften (PartG) unter § 30 OWiG. Erfasst wird in bestimmtem Umfang auch die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), die gleichsam die Grundform aller Personengesellschaften bildet. Im Gegensatz zu den vorgenannten Gesellschaften ergibt sich deren Rechtsfähigkeit nicht aus dem Gesetz. Rechtsfähigkeit hat sie allein aufgrund einer geänderten Rechtsprechung des BGH im Jahr 2001 erlangt.419 Danach gilt sie bislang nur für eine GbR, die nach außen hin am Rechtsverkehr teilnimmt (sogenannte Außen-GbR). Eine Gesellschaft, die am Rechtsverkehr nicht teilnimmt (Innen-GbR), ist somit nicht rechtsfähig.420 (c) Nicht rechtsfähige Vereine Als letzte Kategorie sind schließlich die nicht rechtsfähigen Vereine einbezogen. Deren Auflistung lässt sich vor allem damit erklären, dass zahlreiche wirtschaftlich und sozial bedeutende Akteure mit zum Teil nicht unerheblichen Vermögensmassen traditionell nur als nicht rechtsfähige Vereine organisiert sind (z.B. Parteien, Gewerkschaften, einzelne Arbeitgeberverbände sowie zahlreiche Sportvereine). Werden diese Vereine wirtschaftlich tätig, sind sie zumeist als Personenhandelsgesellschaften (v.a. als OHG) bereits unter dem Begriff der Personengesellschaft ___________ Vgl. BT-Drs. 14/8998, S. 8, 10. Vgl. aber noch Bender, ZfZ 1971, 239. 419 BGHZ 146, 341 m. Bspr. von K. Schmidt, NJW 2001, 993 ff.; vgl. auch BGH, NJW 2002, 1207. 420 Relevant wird daher die Abgrenzung zwischen Innen- und Außengesellschaft, die nicht immer problemlos vorzunehmen ist, vgl. dazu Hüffer, Gesellschaftsrecht, S. 51 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 168 ff., 1288 ff., 1695 ff.; ders., NJW 2001, 993 (1001 f.). 417 418
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erfasst.421 Relevant wird die Kategorie daher nur für den Idealverein ohne wirtschaftlich organisierten Geschäftsbetrieb. Dessen Einbeziehung wird allgemein als angemessen erachtet, da eine Geldbuße allein gegen den Vorstand die Wirtschaftskraft des Vereines nicht hinreichend berücksichtigen könnte.422 (d) Deutsche und ausländische Gesellschaften Die Aufzählung in § 30 OWiG bezieht sich inhaltlich vor allem auf Gesellschaften, die nach deutschem Recht gegründet worden sind. Jedoch ist der Tatbestand nicht auf deutsche Unternehmen beschränkt, sodass auch ausländische Gesellschaften erfasst werden, wenn eine Tatbegehung im Anwendungsbereich des Ordnungswidrigkeitengesetzes gegeben ist (vgl. § 5 OWiG). Hinsichtlich der Rechtsform des Unternehmens findet § 30 OWiG Anwendung, wenn die infrage stehende ausländische Unternehmensverfassung den rechtlichen Voraussetzungen einer juristischen Person oder Personengesellschaft vergleichbar ist.423 (e) Gründungsgesellschaften Probleme hinsichtlich der Anwendung des § 30 OWiG können sich im Vorfeld der Gründung von Gesellschaften ergeben. Streitpunkt ist dabei im Wesentlichen, welche Rechtsform eine derartige Vorgesellschaft bzw. Vorgründungsgesellschaft innehat.424 Besitzt sie eine Rechtsform, die in § 30 OWiG genannt wird, so ist sie erfasst. Gleiches gilt für den Fall, dass die Gesellschaftsgründung fehlerhaft war (fehlerhafte bzw. faktische Gesellschaft). Die meisten Gründungsgesellschaften oder fehlerhafte Gesellschaften stellen zumindest eine GbR dar, sodass im Ergebnis kaum ein Zusammenschluss nicht sanktionsfähig ist.425 Probleme ergeben sich insoweit primär bei der Gründung von Kapitalgesellschaften, die nach herrschender Sonderrechtstheorie Vereinigungen eigener Art darstellen.426 Ohne Verstoß gegen das Analogieverbot wird man diese Vereinigungen nicht von § 30 OWiG erfasst ansehen können,427 auch wenn diese Ungleichbehandlung zu anderen Gründungs____________ Vgl. KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 35. Vgl. Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, § 30 Rn. 7; vgl. auch Achenbach, FSStree/Wessels, S. 545 (552 f.) und die Gesetzesbegründung BT-Drs. V/1269, S. 59. 423 Göhler-Gürtler, OWiG, § 30 Rn. 1; zur Geldbuße gegen ein polnisches Unternehmen siehe OLG Celle, wistra 2002, 230. 424 Vgl. näher Göhler-Gürtler, OWiG, § 30 Rn. 7; KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 41 ff.; Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, § 30 Rn. 9. 425 Vgl. KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 41. 426 Vgl. nur BGHZ 17, 385 (387 ff.); 51, 30 (52). 427 Ebenso Göhler-Gürtler, OWiG, § 30 Rn. 7; v. Jeger, Geldbuße, S. 121; Quante, Sanktionsmöglichkeiten, S. 70 f.; Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, § 30 Rn. 9. Anders K. Schmidt, wistra 1990, 131 (134) aufgrund Identität der Vereinigungen mit nach der Eintragung von § 30 OWiG erfassten Rechtsformen. 421
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gesellschaften nicht gerechtfertigt ist und einer gesetzgeberischen Korrektur bedürfte. Gründungsgesellschaften gehen zudem häufig in kurzer Zeit in der eigentlich angestrebten Rechtsform auf, sodass sich die Frage stellt, inwieweit die „Nachfolgegesellschaft“ für ihre Vorgängerin haftet. Das gleiche Problem stellt sich bei einem Unternehmensübergang zwischen Tatbegehung und Sanktionierung. Überwiegend wird eine Belangung der Nachfolgegesellschaft ohne Komplikationen für möglich gehalten, wenn zwischen alter und neuer Gesellschaft Identität besteht.428 Identität bedeutet dabei vor allem die wirtschaftliche Fortsetzung der Tätigkeit auch in der neuen Gesellschaft.429 Eine solche Identität ist insbesondere beim Übergang einer Gründungsgesellschaft in ihre endgültige Gesellschaftsform gegeben. Gegen eine aufgelöste Gesellschaft kann jedoch grundsätzlich keine Geldbuße mehr verhängt werden.430 (f) Bewertung Betrachtet man die von § 30 OWiG erfassten Unternehmen, so wirkt die abschließende Aufzählung im Tatbestand kaum begrenzend. Praktisch jede Unternehmensform wird erfasst. Ausgeschlossen sind allenfalls bestimmte Gründungsgesellschaften und die Innen-GbR, die aber ohnehin nicht am Rechtsverkehr teilnimmt. Die einzig wirkliche Ausschlussfunktion besteht gegenüber dem Einzelkaufmann, da dieser keine Personengesellschaft darstellt. Der Einzelkaufmann wird im Regelfall individuell heranziehbar sein, sodass eine Sanktionierung als Unternehmen das Problem einer doppelten Inanspruchnahme schaffen würde. Andererseits stellt sich diese Frage bei anderen Gesellschaften häufig in ähnlicher Weise (z.B. bei der Einpersonen-GmbH), sodass hierin kein hinreichender Grund für eine Ausnahme von § 30 OWiG zu sehen ist. Zudem beschäftigen auch Einzelkaufleute häufig mehrere Mitarbeiter, für deren Handeln sie dann nicht zur Verantwortung gezogen werden können, wenn dem Einzelkaufmann keine Aufsichtspflichtverletzung nach § 130 OWiG vorzuwerfen ist. Von diesem besonderen Fall des Einzelkaufmanns abgesehen kann man de lege lata inzwischen durchaus davon sprechen, dass fast die Gesamtheit der Unternehmen im Rahmen des § 30 OWiG zur Verantwortung gezogen wird. Damit ist eine generelle Inanspruchnahme erreicht, die man ____________ 428 Vgl. BGH, NJW 2005, 1381 (1383); BGH, wistra 1986, 221; OLG Frankfurt, wistra 1985, 38; OLG Stuttgart, Die Justiz 1972, 325; Göhler-Gürtler, OWiG, § 30 Rn. 38 ff.; KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 45 ff.; Lemke/Mosbacher, OWiG, § 30 Rn.22 ff.; Rebmann/ Roth/Herrmann, OWiG, § 30 Rn. 50; Wieser, OWiG, § 30 Nr. 5. 429 Vgl. BGH, wistra 1986, 221 f. 430 Vgl. Wieser, OWiG, § 30 Rn. 3. Die Auflösung der Gesellschaft hat den Wegfall des Vollstreckungsschuldners zur Folge. Möglich ist, dass ggf. erst die Geldbuße zur Insolvenz führt; dann wird die Geldbuße als nachrangige Insolvenzforderung behandelt (§ 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO). In der Praxis wird diese Forderung in der Regel nicht mehr bedient.
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1986 durch die Vermeidung der Nennung des „Unternehmens“ als Sanktionssubjekt noch vermeiden wollte.431 (2) Stellung des Mitarbeiters Nicht jeder Mitarbeiter kommt nach § 30 OWiG als Täter von Anknüpfungstaten in Betracht. Die Regelung beschränkt die möglichen Täter auf einen engen Kreis von Führungspersonen. Bis 2002 war der Täterkreis allein durch eine formale Aufzählung der Führungspersonen umrissen (§ 30 Abs. 1 Nr. 1–4 OWiG); seitdem ist die Aufzählung um eine funktionale Bestimmung der Führungspersonen erweitert worden (§ 30 Abs. 1 Nr. 5 OWiG).432 Es ist bedeutungslos, ob der Mitarbeiter durch das Unternehmen selbst bestellt wurde oder aber z.B. in der Insolvenz vom Insolvenzgericht:433 denn zum einen beschränkt sich der Wortlaut von § 30 OWiG nicht auf durch das Unternehmen bestellte Mitarbeiter und zum anderen ist die rein formale bzw. funktionale Bestimmung der Stellung unabhängig von der Art des zugrunde liegenden Bestellungsakts. (a) Führungspersonen nach § 30 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 OWiG Wer Täter sein kann, hängt von der Art des Unternehmens ab. Für juristische Personen kommt nach § 30 Abs. 1 Nr. 1 OWiG nur das vertretungsberechtigte Organ oder ein Mitglied dieses Organs als Täter der Anknüpfungstat in Betracht. Wer vertretungsberechtigtes Organ und Mitglied des Organs ist, bestimmt sich nach den (gesellschaftsrechtlichen) Vorschriften der jeweiligen juristischen Person. Dies gilt auch für juristische Personen des öffentlichen Rechts.434 Organ bzw. Mitglied des Organs sind beispielsweise:435 – GmbH: Geschäftsführer (§§ 6, 35 GmbHG), Stellvertreter der Geschäftsführer (§ 44 GmbHG); im Fall der Auflösung der GmbH die Liquidatoren (§§ 66, 70 GmbHG) – AG: Vorstand (§§ 78, 82 AktG), einschließlich stellvertretender Vorstandsmitglieder (§ 94 AktG) und vom Gericht bestellter Vorstandsmitglieder (§ 85 ___________ 431 Vgl. die Gesetzesbegründung zum 2. WiKG, BT-Drs. 10/318, S. 39 f.; z.B. hatte Müller, Ordnungswidrigkeitenrecht, S. 58 ff. vorgeschlagen, den Begriff „Unternehmen“ für die Bezeichnung sanktionsfähiger Zusammenschlüsse zu verwenden. 432 Vgl. dazu bereits oben S. 335. 433 Vgl. aber Bohnert, OWiG, § 30 Rn. 20, der den Kreis (allerdings ohne Begründung) auf vom Unternehmen bestellte Repräsentanten beschränkt. 434 Bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts ergibt sich das vertretungsberechtigte Organ häufig erst aus der Satzung. 435 Vgl. m.w.N. Göhler-Gürtler, OWiG, § 30 Rn. 10; KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 52 ff.; Lemke/Mosbacher, OWiG, § 30 Rn. 26 ff.; Mitsch, OWi, § 16 Rn. 12; Rebmann/Roth/ Herrmann, OWiG, § 30 Rn. 12 ff.; Wieser, OWiG, § 30 Nr. 7.
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AktG); bestellte besondere Vertreter (§ 30 BGB); im Fall der Auflösung der AG die Abwickler (§§ 265, 269 AktG) – KGaA: persönlich haftende Gesellschafter (§§ 282, 283 AktG) – SE: Im monistischen System der Verwaltungsrat (vgl. §§ 20 ff. SEAG) bzw. im dualistischen System das Leitungsorgan (vgl. §§ 15 ff. SEAG) – Gen: Vorstand (§ 24 GenG) mit ordentlichen und stellvertretenden Mitgliedern (§ 35 GenG) – rechtsfähige Vereine: Vorstand (§ 26 BGB) sowie besondere Vertreter (§ 30 BGB), im Fall der Auflösung die Liquidatoren (§ 48 BGB) – rechtsfähige Stiftungen des Privatrechts: Vorstand (§§ 86, 26 BGB) sowie besondere Vertreter (§§ 86, 30 BGB), im Fall der Auflösung die Liquidatoren (§§ 88, 48 BGB). Bei rechtsfähigen Personengesellschaften sieht § 30 Abs. 1 Nr. 3 OWiG nur die vertretungsberechtigten Gesellschafter als taugliche Täter der Anknüpfungstat an. Diese ergeben sich wie bei den juristischen Personen aus den einschlägigen gesellschaftsrechtlichen Vorschriften. Vertretungsberechtigte Gesellschafter sind beispielsweise: – – – –
OHG: alle Gesellschafter (§ 125 HGB) KG: Komplementär (§§ 161, 125 HGB) EWIV: alle Gesellschafter (§§ 1 AGEWIV, 125 HGB) PartG: alle Gesellschafter (§§ 7 Abs. 3 PartGG, 125 HGB)
– (Außen-)GbR: alle Gesellschafter (§ 709 BGB). Umstritten war bislang, ob der Geschäftsführer der GmbH einer GmbH & Co. KG als tauglicher Täter infrage kommt, da vertretungsberechtigtes Organ der KG nur die GmbH ist. Dies hatte die Rechtsprechung in extensiver Auslegung des § 30 OWiG für möglich gehalten,436 was jedoch mit dem Gesetzlichkeitsprinzip kaum vereinbar war und in der Literatur somit stark kritisiert wurde.437 Der Streit hat indessen seit der Gesetzesreform 2002 seine Bedeutung verloren, da der vorgenannte Geschäftsführer nunmehr klar über die funktionale Anknüpfung des § 30 Abs. 1 Nr. 5 OWiG erfasst werden kann.438 Das Gesetz verlangt bei juristischen Personen und Personengesellschaften, dass das jeweilige Organ „vertretungsberechtigt“ zu sein hat. Hierunter ist nach allgemeiner Ansicht nicht zu verstehen, dass das betreffende Organ im konkreten Fall Vertretungsbefugnis aufweist. Vielmehr ist damit nur die generelle Organstellung ___________ 436 437 438
Vgl. z.B. BGH, NStZ 1986, 79; OLG Dresden, NStZ 1997, 348. Krit. bspw. KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 64 m.w.N. Vgl. BT-Drs. 14/8998, S. 11.
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gemeint, um diese von anderen Organen abzugrenzen.439 Die ordnungswidrigkeitenrechtliche Vertretungsberechtigung folgt somit nicht der zivilrechtlichen Betrachtungsweise. Eine Gesellschaft kann daher beispielsweise nicht durch die Struktur ihres Gesellschaftsvertrags eine Haftungsbeschränkung für bestimmte Organe oder Organteile erreichen. Für den nicht rechtsfähigen Verein sieht das Gesetz schließlich vor, dass nur der Vorstand oder ein Mitglied des Vorstands Täter der Anknüpfungstat sein kann (§ 30 Abs. 1 Nr. 2 OWiG). Bislang umstritten war die Einbeziehung besonderer Vertreter i.S.v. § 30 BGB in den Täterkreis, was zum Teil befürwortet worden war, aber angesichts des klaren Wortlauts nicht ohne Verstoß gegen das Analogieverbot zu bewerkstelligen war.440 Die neu geschaffene Nr. 5 erfasst nunmehr auch diesen Fall und entzieht dem Streit seine Grundlage. (b) Führungspersonen nach § 30 Abs. 1 Nr. 4 OWiG Da der vorgenannte Personenkreis vielfach als zu eng angesehen worden war,441 wurde § 30 OWiG im Jahr 1994 auf Generalbevollmächtigte und Prokuristen bzw. Handlungsbevollmächtigte in leitender Stellung bei einer juristischen Person, rechtsfähigen Personengesellschaft oder auch bei einem nicht rechtsfähigen Verein erweitert (§ 30 Abs. 1 Nr. 4 OWiG). Während der Generalbevollmächtigte bereits aufgrund seiner Stellung eine Leitungsfunktion einnimmt, ist dies bei Prokuristen und Handlungsbevollmächtigten nicht automatisch der Fall. Um den Kreis der Täter auf die Unternehmensführung zu beschränken, wird daher eine Einbindung dieser Personen in leitende Organisationsstrukturen des Unternehmens verlangt.442 Neben der formalen Stellung als Prokurist und Handlungsbevollmächtigter muss daher zusätzlich funktional deren Aufgabengebiet und ihre Stellung im Unternehmen betrachtet werden. (c) Führungspersonen nach § 30 Abs. 1 Nr. 5 OWiG Eine rein funktionale Bestimmung des Täterkreises der Anknüpfungstat nimmt der 2002 eingefügte § 30 Abs. 1 Nr. 5 OWiG vor.443 Dieser erklärt jede verantwortlich handelnde Leitungsperson in einer juristischen Person, rechtsfähigen Personenvereinigung oder einem nicht rechtsfähigen Verein zum tauglichen Täter der ____________ 439 Vgl. Brender, Verbandstäterschaft, S. 105 f.; Göhler-Gürtler, OWiG, § 30 Rn. 12b; KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 62, 69; Müller, Ordnungswidrigkeitenrecht, S. 61; PohlSichtermann, VOR 1973, 411 (426 f.). 440 Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, § 30 Rn. 17. 441 Vgl. z.B. Pohl-Sichtermann, VOR 1973, 411 (431 ff.) sowie bereits oben S. 333. 442 Vgl. die Gesetzesmaterialien BT-Drs. 12/192, S. 32. 443 Vgl. dazu bereits oben S. 335.
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Anknüpfungstat. Die vorgenannten Personengruppen in § 30 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 OWiG stellen somit nur noch Beispiele der umfassenderen Nr. 5 dar. Da die bisherige Aufzählung bereits zahlreiche für ein Unternehmen handelnde Personengruppen erfasst, erlangt die Nr. 5 nur in wenigen zusätzlichen Fällen Bedeutung. Hierzu zählen die bereits erwähnten bislang strittigen Konstellationen, sodass nunmehr problemlos die Geschäftsführer einer GmbH innerhalb einer GmbH & Co. KG einbezogen werden können, da diese formal zwar nur für die GmbH, funktional aber eben für die KG handeln.444 Ebenso erfasst ist der besondere Vertreter nach § 30 BGB bei einem nicht rechtsfähigen Verein, dessen Einbeziehung bislang der Wortlaut des § 30 Abs. 1 Nr. 2 OWiG entgegenstand. Gleichermaßen kann nun auch ein Insolvenzverwalter herangezogen werden, der zuvor nicht automatisch als Organ eines Unternehmens einzustufen war.445 Neben diesen Fällen, in denen die neue Nr. 5 im Wesentlichen Klarstellungsfunktion hat, gibt es völlig neue Personengruppen, die bisher weitgehend unstreitig nicht erfasst waren. Unterschieden werden kann dabei zwischen Personen mit Leitungsbefugnissen und solchen mit Aufsichts- und Kontrollbefugnissen.446 Die Personen mit Leitungsbefugnissen werden überwiegend durch die konkreten Beispiele der Nr. 1 bis 4 abgedeckt, sodass nur ganz wenige neue Fälle erfasst sind.447 Hierzu zählt beispielsweise der Kommanditist einer KG,448 wenn dieser (wie in der Praxis durchaus üblich) für die KG besondere Leitungsfunktionen wahrnimmt.449 Eine bedeutende Erweiterung ergibt sich bei den Personen mit Aufsichts- und Kontrollbefugnissen, die bislang durchweg nicht unter § 30 OWiG fielen. Als Beispiel nennt hier die Nr. 5 die „Überwachung der Geschäftsführung“. Eine solche Überwachungspflicht obliegt etwa dem Aufsichtsrat einer AG oder auch anderer Gesellschaften, wenn diese ein solches Organ gebildet haben.450 Ebenfalls möglich ist nun im Grundsatz die Heranziehung von Mutterkonzernen, wenn diese ihre Aufsichtspflichten bei der Kontrolle von Tochterunternehmen nicht ausreichend wahr____________ Vgl. hierzu explizit die Gesetzesbegründung BT-Drs. 14/8998, S. 11. Vgl. Bahnmüller, Unternehmensverantwortlichkeit, S. 62; Göhler-König, OWiG (14. Aufl.), § 30 Rn. 15; KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 68a; 446 Das Gesetz verlangt gerade nicht, wie Eidam, wistra 2003, 447 (452) und StraFo 2003, 299 (301) fälschlicherweise annimmt, dass alle Personen Kontrollbefugnisse ausüben. Dem Wortlaut lässt sich klar entnehmen, dass die Ausübung von Kontrollbefugnissen nur ein Beispiel möglicher Leitungsfunktionen ist. 447 Da die Sonderregelungen im Bankenbereich (vgl. § 39 HypBKG a.F., § 40 SchBKG a.F., § 59 KWG a.F.) mit der Reform entfielen, fallen diese nunmehr unter die Nr. 5, ohne aber in diesem Bereich Neuland zu betreten. 448 Bahnmüller, Unternehmensverantwortlichkeit, S. 62; Göhler-König, OWiG (14. Aufl.), § 30 Rn. 14. 449 Vgl. K. Schmidt, wistra 1990, 131 (136 f.). 450 Vgl. § 52 GmbHG; siehe auch Achenbach, wistra 2002, 441 (443 f.). 444 445
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nehmen.451 Da zunehmend auch der Mutterkonzern als Unternehmensinhaber im Sinne des § 130 OWiG gesehen wird,452 ergibt sich hieraus eine umfassende konzernrechtliche Verantwortlichkeit.453 Das Gesetz bezieht darüber hinaus Personen in „Ausübung von Kontrollbefugnissen in leitender Stellung“ mit ein. Erfasst werden dadurch Einzelpersonen, die spezielle Aufsichts- und Kontrollbefugnisse wahrnehmen, z.B. Finanzcontroller oder Mitarbeiter der Revisionsabteilung, aber auch Umwelt-, Compliance- oder Geldwäschebeauftragte.454 Da derartige Personen in leitender Stellung tätig sein müssen, werden externe Personen (z.B. Wirtschaftsprüfer, Buchprüfer oder auch für einzelne Untersuchungen eingeschaltete Rechtsanwälte) nicht erfasst. Die Regelung der Nr. 5 spricht davon, dass die Leitungsperson bezüglich des „Betriebs oder Unternehmens“ verantwortlich handeln muss. Inwieweit „Betrieb“ und „Unternehmen“ verschiedene Aspekte bezeichnen sollen, ist den Gesetzesmaterialien nicht zu entnehmen.455 Zunächst sind hier wohl sprachliche Gegebenheiten berücksichtigt worden, nämlich dass zahlreiche Unternehmen traditionell als Betrieb bezeichnet werden (z.B. Handwerksbetrieb). Daher kann man die Verwendung der Begriffe „Betrieb“ und „Unternehmen“ wie bei § 14 StGB zunächst als Bemühen verstehen, möglichst jede Tätigkeitsform einzubeziehen.456 Darüber hinaus kann jedoch der Begriff des Betriebs auch so verstanden werden, dass Untergliederungen eines größeren Unternehmens erfasst sind.457 „Betrieb“ kann man dann als räumlich begrenzte Zusammenfassung personeller und sachlicher Mittel zur Erreichung eines bestimmten (wirtschaftlichen) Zwecks definieren. Dies würde der Realität der arbeitsteiligen Wirtschaft entsprechen, bei der innerhalb eines Unternehmens zahlreiche Untergliederungen weitgehend wirtschaftlich selbstständig (ohne in eigenständiger Rechtsform geführt zu werden) bestimmte Einzelaufgaben ____________ 451 Im Einzelnen sind dabei jedoch noch zahlreiche Fragen ungeklärt, vgl. BMJ, in: Hettinger (Hrsg.), S. 155 (173 f.); KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 70a; Mansdörfer/Timmerbeil, WM 2004, 362 (368 f.). Siehe auch Rütsch, Unternehmen, S. 95 ff. 452 Eine Verantwortlichkeit der Muttergesellschaft ist im europäischen Kartellgeldbußenrecht seit Längerem anerkannt und nunmehr auch vom BKartA übernommen worden, vgl. hierzu J. Koch, AG 2009, 564 ff. 453 Hierbei ist die Verantwortlichkeit nach § 130 OWiG weiter als gesellschaftsrechtlich verlangt; dies ist insoweit unproblematisch als das Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht eigenständig (und nicht akzessorisch zum Gesellschaftsrecht) den Bereich verbotenen/ gebotenen Handelns bestimmen kann. Der Rechtsklarheit ist dies jedoch nicht zuträglich. Krit. auch J. Koch, AG 2009, 564 (565 ff., 574). 454 Vgl. die Beispiele in BT-Drs. 14/8998, S. 10 sowie den Erläuterungsbericht zum Zweiten Protokoll, ABl. EG Nr. C 91/8 vom 31.3.1999 unter Nr. 3.2; siehe auch KKOWiG-Rogall, § 30 Rn. 68b. 455 Vgl. BT-Drs. 14/8998, S. 11. 456 Vgl. zu § 14 StGB bereits oben S. 344 f. 457 So wohl auch KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 68a, ohne dies allerdings aus dem Begriff des Betriebs abzuleiten. Vgl. auch SK-StGB-Hoyer § 14 Rn. 59 f. zu § 14 StGB.
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erfüllen. Soweit Führungspersonen dieser Untergliederungen handeln, werden sie auch von § 30 OWiG erfasst. (d) Faktische Organstellung Nach wie vor Probleme bereitet die Einbeziehung der Fälle der unwirksamen Bestellung von Organen und Organteilen, in denen also nur eine sogenannte faktische Organstellung besteht. Eine faktische Stellung genügte bislang bereits der Rechtsprechung.458 Wie die Gesetzesbegründung deutlich macht, sollte mit der Neuaufnahme der Nr. 5 die faktische Betrachtungsweise gestärkt werden.459 Dagegen verlangten Teile der Literatur, dass die Bestellung zum Organ bzw. zum Mitglied des Organs rechtlich wirksam sein muss und eine Ausdehnung auf faktische Verhältnisse gegen das Analogieverbot verstoße.460 Dies war jedoch schon nach bisherigem Recht zweifelhaft. Zwar enthielt und enthält § 30 OWiG keinen wie in §§ 9 Abs. 3, 29 Abs. 3 OWiG, §§ 14 Abs. 3, 75 Satz 2 StGB vorgesehenen Hinweis auf die Einbeziehung unwirksamer Verhältnisse, sodass hierin im Umkehrschluss bei § 30 OWiG ein (schwaches) Indiz für die Notwendigkeit der Wirksamkeit gesehen werden könnte.461 Aus dem Wortlaut „vertretungsberechtigt“ jedoch zu entnehmen, dass eine wirksame Bestellung Voraussetzung sei,462 ist letztlich inkonsequent, wenn man – wie allgemein anerkannt – „vertretungsberechtigt“ nur als Hinweis auf die Organstellung sieht und nicht, ob die infrage kommende Person auch konkret Vertretungsmacht nach dem Gesellschaftsvertrag eingeräumt bekommen hat.463 Bei Verweis auf die generelle Organstellung ohne konkrete Prüfung der Einzelumstände ist daher irrelevant, ob eine wirksame Bestellung im Einzelfall vorliegt oder nicht. Zudem erfassen Kritiker der Ausdehnung z.T. auch die fehlerhafte Gesellschaft nach § 30 OWiG, weil diese nach zivilrechtlichen Vorschriften als handlungsfähig eingestuft wird, während dies für eine fehlerhafte Bestellung gerade nicht gelten soll,464 obwohl auch z.B. der faktische Geschäftsführer zivilrechtlich handlungsfähig ist.465 Warum im letzteren Fall das Analogieverbot verletzt sein soll und im ersteren nicht, bleibt offen. ____________ 458 Vgl. BGHSt 21, 101 sowie aus der Literatur Groß, Vertretungsorgane, S. 42 ff.; Müller, Ordnungswidrigkeitenrecht, S. 62; Pohl-Sichtermann, VOR 1973, 411 (426); Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, § 30 Rn. 20. 459 Vgl. BT-Drs. 14/8998, S. 11, die als Beispiel allerdings nur die Einbeziehung des Geschäftsführers einer GmbH innerhalb der GmbH & Co. KG anführt. 460 Achenbach, FS-Stree/Wessels, S. 545 (562); KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 70; Mitsch, OWi, § 16 Rn. 12; siehe auch Groß, Vertretungsorgane, S. 63 ff. 461 Vgl. Eidam, wistra 2003, 447 (452). 462 Vgl. Eidam, StraFo 2003, 299 (301). 463 Im Ergebnis ebenso Kindler, Unternehmen S. 137 f. 464 Vgl. KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 42 mit Rn. 70. 465 So z.B. BGHZ 104, 44 (46).
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Auch nach Einführung des § 30 Abs. 1 Nr. 5 OWiG wird weiterhin vertreten, dass das Handeln faktischer Organe nach § 30 OWiG nicht erfasst sei.466 Dies entspricht aber nicht dem Willen des Gesetzgebers und lässt sich aus dem Wortlaut noch weniger überzeugend entnehmen als vor der Reform. Dem Wortlaut nach wird gefordert, dass eine „verantwortlich“ leitende Person handelt. Verantwortlich kann dabei sehr weit verstanden werden und nicht automatisch mit „rechtlich wirksam“ gleichgesetzt werden, sodass sich Probleme mit dem Analogieverbot nicht ergeben.467 Die Begehung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten als generell „unverantwortlich“ einzustufen und damit die Anwendung des § 30 OWiG zu verneinen,468 ist kaum haltbar. Einer derartigen Logik folgend müsste man auch bei wirksam bestellten Personen im Sinne der Nr. 5 eine Anwendung verneinen, wenn diese eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit begehen, was letztlich die Vorschrift völlig leerlaufen ließe.469 Unter Zugrundelegung der funktionalen Betrachtung der Leitungsaufgaben im Rahmen der Nr. 5 kann es nur darauf ankommen, ob eine Person im Unternehmen tatsächlich Leitungsmacht eingeräumt bekommen hat oder nicht und damit Verantwortung für das Unternehmen übernehmen darf oder nicht. Auf die Wirksamkeit der Bestellung kommt es für ein solches Handeln nicht an.470 Eine Ausnahme ist allenfalls für Fälle erwägenswert, in denen eine Person keinerlei Rechtsfolgen für ein Unternehmen herbeiführen kann, z.B. weil die Unwirksamkeit der Bestellung allgemein bekannt ist und ein Handeln für das Unternehmen von den Unternehmensträgern bzw. den rechtmäßig bestellten Geschäftsführungsberechtigten nicht geduldet wird. (e) Bewertung Insgesamt ist festzuhalten, dass die Regelung des § 30 OWiG den Täterkreis klar auf Führungspersonen im Unternehmen beschränkt. Untergeordnete Mitarbeiter, die keine Managementaufgaben wahrnehmen, sind auch dann nicht taugliche Täter der Anknüpfungstat, wenn sie z.B. berechtigt sind, für das Unternehmen Verbindlichkeiten einzugehen. Im Bereich der Führungspersonen dürfte es mit der funktio____________ 466 Vgl. KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 70; Eidam, wistra 2003, 447 (452); ders., StraFo 2003, 299 (301). 467 Vgl. zur Analogiefrage auch eingehend Groß, Vertretungsorgane, S. 73 ff. 468 Eidam, wistra 2003, 447 (452); ders., StraFo 2003, 299 (301); soweit Eidam, a.a.O., die Vorschrift des § 30 Abs. 1 Nr. 5 OWiG allein auf Tätigkeiten mit bestimmten Kontrollbefugnissen beschränken will, ist dies mit dem Wortlaut nicht vereinbar, da die Ausübung von Kontrollbefugnissen nur ein Beispiel der Wahrnehmung von Leitungsfunktionen ist. 469 So auch Göhler-Gürtler, OWiG, § 30 Rn. 14, Anm. 4. 470 I.E. ebenso Göhler-Gürtler, OWiG, § 30 Rn. 14; HWSt-Achenbach, I 2 Rn. 10; Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, § 30 Rn. 20; diff. Mitsch, OWi, § 16 Rn. 12; unklar Lemke/Mosbacher, OWiG, § 30 Rn. 42.
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nalen Anknüpfung an die Tätigkeit seit 2002 allerdings kaum mehr eine Person geben, deren Handeln nicht eine Haftung nach § 30 OWiG auslösen könnte. (3) Art der Anknüpfungstat Anknüpfungstat für § 30 OWiG kann jede Ordnungswidrigkeit sein.471 Ebenfalls einbezogen sind alle Straftaten. Die Begehung einer Straftat kann somit eine ordnungswidrigkeitenrechtliche Sanktion auslösen. Ein Unterschied zwischen Straftat und Ordnungswidrigkeit besteht an dieser Stelle nicht, ebenso wenig wie zwischen Vorsatz- oder Fahrlässigkeittat differenziert wird.472 Auf die Rechtsnatur der Anknüpfungstat kommt es gleichfalls nicht an, es wird beispielsweise nicht zwischen vermögensrechtlicher oder nicht vermögensrechtlicher Tat unterschieden.473 Diese weitgehende Regelung bezweckt eine umfassende Möglichkeit zur Sanktionierung des Unternehmens, die durch eine allein auf einzelne Tatbestände bezogene Unternehmensgeldbuße (wie sie noch das frühere Recht bis 1968 kannte) nicht zu erreichen ist.474 Die Anzahl der Anknüpfungstaten ist sowohl im Strafrecht als auch im Ordnungswidrigkeitenrecht kaum überschaubar. Dies gilt insbesondere für den Bereich der wirtschaftsbezogenen Taten, da hier nur wenige Tatbestände (zentral) im StGB und fast gar keine im OWiG geregelt sind. Es besteht weder ein umfassendes Wirtschaftsstrafgesetzbuch noch ein Wirtschaftsordnungswidrigkeitengesetz.475 Gängige gesetzgeberische Praxis ist, Straftatbestände und Ordnungswidrigkeiten am Ende eines fachbezogenen Gesetzes zu regeln. In den letzten Jahrzehnten wurde im Bereich der Wirtschaft von dieser Möglichkeit ausgiebig Gebrauch gemacht.476 Ausbau und Verschärfung des Wirtschaftsstrafrechts und des Ordnungswidrigkeitenrechts gehören seit längerer Zeit zum Standardrepertoire des Gesetzgebers, sobald eine Lösung gesellschaftlicher Probleme gesucht wird.477
____________ 471 Vgl. Göhler-Gürtler, OWiG, § 30 Rn. 15; KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 71; Lemke/ Mosbacher, OWiG, § 30 Rn. 43 f.; Mitsch, OWi, § 16 Rn. 11; Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, § 30 Rn. 23 f.; Wieser, OWiG, § 30 Nr. 7. 472 Der Unterschied wirkt sich erst bei der Sanktionshöhe und hinsichtlich der Unterscheidung von Straftat/Ordnungswidrigkeit auch beim Verfahren aus, vgl. unten S. 430 bzw. 469 ff. 473 Vgl. Hirsch, ZStW 107 (1995), 285 (311). 474 Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, § 30 Rn. 24 sowie die Gesetzesbegründung zum OWiG 1968, BT-Drs. V/1269, S. 59 f. 475 Eine Zusammenfassung von wirtschaftlich geprägten straf- und ordnungswidrigkeitenrechtlichen Regelungen findet sich allein im Wirtschaftsstrafgesetz 1954 sowie in dessen Vorläufern (siehe oben S. 327). 476 Vgl. ausführlich Dannecker, Hdb Wirtschaft und Steuer, Kap. 1 Rn. 63 ff. 477 Vgl. beispielhaft Hefendehl, ZStW 119 (2007), 816 (817).
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3. Kapitel: Deutsches Recht
Auch wenn praktisch jeder Straf- und Ordnungswidrigkeitentatbestand als Anknüpfungstat infrage kommt, so ist doch einer Vorschrift besondere Bedeutung zuzumessen, nämlich der als Ordnungswidrigkeit normierten Aufsichtspflichtverletzung (§ 130 OWiG).478 Die Norm regelt die Verantwortlichkeit des Geschäftsherrn in Betrieben und Unternehmen bei der Verletzung seiner Aufsichtspflicht und erlaubt eine Sanktionierung, wenn der eigentliche Täter nicht belangbar ist. Über § 30 OWiG wird eine Haftung des Unternehmens für nicht ordnungsgemäße Aufsichtsmaßnahmen erreicht. Da bereits die fahrlässige Aufsichtspflichtverletzung ahndbar ist, wird vielfach der (leichter nachweisbare) Weg über § 130 OWiG beschritten, anstatt auf den zugrunde liegenden Verstoß abzustellen.479 Die Anknüpfungstat muss nicht zwingend innerhalb Deutschlands begangen werden. Erfasst sind auch Auslandstaten.480 Dies allerdings nur, wenn sie nach den Vorschriften des internationalen Strafrechts nach §§ 3 ff. StGB bzw. nach § 5 OWiG auch in Deutschland verfolgt werden können. Da § 5 OWiG nur sehr begrenzt „Auslandsordnungswidrigkeiten“ erfasst, werden vor allem Straftaten relevant sein. Denkbar ist die Bestechung ausländischer Amtsträger zur Erlangung von Aufträgen (der Fall Siemens kann hier als anschauliches Beispiel dienen481), die Erlangung unrechtmäßiger Subventionen oder auch die Lieferung von Waren und Waffen, die zur Begehung von Völkerstraftaten verwendet werden sollen.482 (4) Volldeliktisches Handeln des Mitarbeiters? § 30 OWiG erfordert das Vorliegen einer durch eine Führungsperson begangenen Straftat oder Ordnungswidrigkeit. Hierbei stellt sich die Frage, in welchem Umfang diese Anknüpfungstaten vorliegen müssen. Im Einzelnen ist zu klären, welche Elemente der Anknüpfungstat gefordert werden (a), welche Anforderungen an den Nachweis der Tat gestellt werden (b) und inwieweit Compliance-Programme seitens des Unternehmens von Bedeutung sind (c). ___________ 478 Vgl. Göhler-Gürtler, OWiG, § 130 Rn. 3: „[...] Besondere Bedeutung kommt § 130 OWiG deswegen zu, weil die Aufsichtspflichtverletzung eine betriebsbezogene OWi iS von § 30 darstellt und damit den Durchgriff auf das Unternehmen ermöglicht [...].“ (Hervorhebungen im Original); ähnlich KK-OWiG-Rogall, § 130 Rn. 6. 479 Vgl. Dannecker/Biermann, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, Bd. 2, vor § 81 Rn. 112; M. Dreher, VersR 2004, 1 (3). 480 Vgl. KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 71 481 Vgl. dazu oben S. 2 ff. 482 In all diesen Fällen ist natürlich eingehend zu prüfen, ob und inwieweit genau das infrage stehende Verhalten von den §§ 3 ff. StGB erfasst ist. Da die §§ 4–6 StGB nur einen begrenzten Anwendungsbereich aufweisen, wird man häufig auf § 7 Abs. 2 Nr. 1 rekurrieren müssen. Das bedeutet, dass im Regelfall nur beim Handeln eines Deutschen das Unternehmen zu belangen sein wird, während das Handeln eines angestellten Ausländers zumeist nicht erfasst ist.
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(a) Elemente der Anknüpfungstat Nach allgemeiner Meinung muss die Anknüpfungstat volldeliktisch begangen worden sein.483 Dies bedeutet, dass der Mitarbeiter die objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale des Anknüpfungstatbestands erfüllt haben muss. Zudem muss er rechtswidrig und schuldhaft (bei Straftaten) bzw. vorwerfbar (bei Ordnungswidrigkeiten) gehandelt haben.484 § 30 OWiG setzt somit nach herrschender Ansicht eine strenge Akzessorietät voraus, die über die limitierte Akzessorietät der Teilnahme an einer Straftat (§§ 26, 27 StGB) oder der Beteiligung an einer Ordnungswidrigkeit (§ 14 Abs. 3 OWiG) hinausgeht.485 Betrachtet man den Gesetzeswortlaut, der nur von „hat (...) begangen“ spricht, so ist die herrschende Auslegung allein durch den Wortlaut nicht zwingend vorgegeben. Möglich erschiene auch eine Auslegung dergestalt, dass allein die (objektive) Tatbestandserfüllung für § 30 OWiG genügt. Das hätte eine strikte Haftung des Unternehmens für Handlungen seiner leitenden Mitarbeiter zur Folge. Diese Auslegung wird jedoch – soweit ersichtlich – nicht vertreten. Sie wäre als Erfolgshaftung kaum mit (straf- und verfassungsrechtlichen) Grundsätzen in Einklang zu bringen.486 Überraschender ist jedoch, dass auch keine Ansicht explizit auf den Nachweis der Schuld der Anknüpfungstat verzichten möchte. In der Literatur wird nur selten begründet, warum der Weg der strengen Akzessorietät begangen wird. Das schuldhafte Handeln wird an dieser Stelle offensichtlich für selbstverständlich gehalten. Als selbstverständlich kann es sich tatsächlich bei einem entsprechenden Strukturverständnis des § 30 OWiG ergeben. Versteht man § 30 OWiG beispielsweise wie Rogall auf Grundlage der Organtheorie dergestalt, dass die „Delinquenz des berufenen Vertreters als Eigendelinquenz des Ver-
____________ 483 Vgl. OLG Hamm, wistra 2000, 393 (394); 433 (434); OLG Koblenz, wistra 1999, 199; Göhler-König, OWiG (14. Aufl.), § 30 Rn. 15; KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 71; Lemke/Mosbacher, OWiG, § 30 Rn. 43; Mitsch, OWi, § 16 Rn. 11; Müller, Ordnungswidrigkeitenrecht, S. 72; Poller, Verbandsgeldbuße, S. 55; Pohl-Sichtermann, Geldbuße, S. 144; Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, § 30 Rn. 23; Wieser, OWiG, § 30 Nr. 7. 484 Gemäß § 30 Abs. 4 Satz 3 OWiG dürfen zudem keine rechtlichen Verfolgungshindernisse bezüglich der Anknüpfungstat vorliegen. Dieses Problem betrifft einen Verfahrensaspekt, siehe dazu unten S. 453 ff. 485 Aus diesem „Mehr“ gegenüber der Tatbeteiligung wird man allerdings kaum wie Mitsch, OWi, § 16 Rn. 11 den Schluss ziehen können, dass § 30 OWiG keine „Sonderform der Beteiligung“ darstelle (sondern eine Sanktionsregelung eigener Art sei), da die Teilnahme im StGB bis 1943 (Strafrechtsangleichungsverordnung vom 29.5.1943, RGBl. I, S. 339) auch streng akzessorisch ausgestaltet gewesen war. Die strenge Akzessorietät ist nur eine von mehreren möglichen Formen der Akzessorietät, vgl. LK-Schünemann, vor § 26 Rn. 18. 486 Vgl. Heine, Unternehmen, S. 246 f.; KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 4 f.
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bandes“ anzusehen ist,487 so bedarf es für die Feststellung der „Schuld des Verbandes“ in der Tat der Feststellung der Schuld des Täters der Anknüpfungstat.488 Nicht ganz so klar erscheint dies, wenn man in § 30 OWiG eine akzessorische Zurechnungsnorm sieht, der die Aufgabe zukommt, den gegenüber den Organen vorgebrachten Vorwurf in eine auf das Unternehmen zugeschnittene Form zu übersetzen.489 Denn in diesen Fällen ist zwar die Tat der natürlichen Person der entscheidende Anknüpfungspunkt, eine Transformation der Tat wäre unproblematisch jedoch auch dann (vielmehr gerade dann) gegeben, wenn man allein an deren Tatbestandsmäßigkeit und Rechtswidrigkeit anknüpfen würde. Nur wenn man explizit das Bedürfnis für die Transformation der Schuld sieht, weil man beispielsweise in Ermangelung der Möglichkeit einer eigenen „Unternehmensschuld“ erst dann das für das Ordnungswidrigkeitenrecht notwendige Schuldelement für gegeben erachtet, bedarf es einer schuldhaften Anknüpfungstat. Anders würde es hingegen aussehen, wenn man § 30 OWiG unter dem Aspekt des Organisationsverschuldens begreift. Bei der Normierung einer dem Unternehmen anzulastenden Fehlorganisation (Nichtverhinderung der strafbaren bzw. ordnungswidrigkeitenrechtlichen Handlung), könnte man ohne Weiteres auf den Nachweis subjektiver Faktoren sowie der Schuld/Verantwortlichkeit des handelnden Mitarbeiters verzichten. Da Tiedemann das Organisationsverschulden jedoch nur als Legitimationsgrundlage des § 30 OWiG betrachtet, verzichtet auch er nicht auf die Zurechnung der Schuld des handelnden Mitarbeiters.490 Auch wenn man § 30 OWiG als Maßregelmodell oder als wirtschaftsaufsichtsrechtliche Maßnahme versteht, ist die Schuld der Anknüpfungstat nicht erforderlich, da die Ahndung gerade vom Schuldprinzip losgelöst erfolgen soll. Wie bereits angeführt sieht allerdings Schünemann wohl de lege lata keine Möglichkeit § 30 OWiG dergestalt zu verstehen.491 Otto scheint dagegen den Schuldnachweis der Anknüpfungstat für entbehrlich zu halten, soweit nachgewiesen wird, dass die Rechtsgüterbeeinträchtigung bei pflichtgemäßen Verhalten nicht oder mit geringerer Wahrscheinlichkeit eingetreten ist; offen bleibt aber auch hier, ob sein Vorschlag nicht auf eine Regelung de lege ferenda abzielt.492
Nach dem vorliegend vertretenen Ansatz bedarf es ebenfalls einer schuldhaften Anknüpfungstat. Die schuldhafte/vorwerfbare Tat des Mitarbeiters ist aufgrund der Zurechnungskonstruktion wesentliches Element einer mit den Grundsätzen des Ordnungswidrigkeitenrechts in Einklang stehenden Auslegung. Dass der Schuldvorwurf des § 30 OWiG insgesamt auch auf den zusätzlichen Bestandteil einer Unternehmensverantwortlichkeit gestützt werden kann, ist an dieser Stelle ohne ____________ KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 8. Vgl. KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 71: „Dies [die strenge Akzessorietät] versteht sich angesichts der Tatsache von selbst, dass die Tat des Repräsentanten eine eigene Straftat oder Ordnungswidrigkeit des Verbandes konstituiert.“ 489 Vgl. Brender, Verbandstäterschaft, S. 122 (der zugleich auch mit dem Organisationsverschulden argumentiert); Schroth, Unternehmen, S. 40. 490 Vgl. Tiedemann, NJW 1988, 1169 (1173). Damit konstatiert auch Tiedemann, dass § 30 OWiG primär durch die enge Bezugnahme auf die Anknüpfungstat des Mitarbeiters geprägt ist und nur sekundär durch die Annahme eines unternehmensspezifischen Vorwurfs. 491 Vgl. Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 247. 492 Otto, Strafbarkeit, S. 30 f., der an dieser Stelle nicht explizit den Bezug zu § 30 OWiG herstellt. 487 488
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Bedeutung, denn die Zurechnung steht als konstitutives Element im Vordergrund, die Unternehmensverantwortlichkeit hat nur ergänzende Funktion. (b) Nachweis der Anknüpfungstat Für die Belangung eines Unternehmens ist die Feststellung notwendig, dass eine konkrete natürliche Person eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit schuldhaft bzw. vorwerfbar begangen hat. Nach überwiegender Ansicht bedeutet dies jedoch nicht, dass eine genaue Identifizierung des Täters notwendig ist (sog. anonyme Geldbuße).493 Es genügt, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststeht, dass einer aus dem für § 30 OWiG möglichen Täterkreis die Tat begangen hat und bei jedem ein schuldhaftes/vorwerfbares Handeln vorliegt.494 Dies kann zum einen dann gegeben sein, wenn feststeht, dass aus einem (überschaubaren) Leitungskreis eine Anknüpfungstat begangen wurde, aber nur nicht klar ist, wer konkret die Handlung vorgenommen hat.495 Zum anderen kommt es im Fall des Vorwurfs einer Aufsichtspflichtverletzung nach § 130 OWiG nur darauf an, dass eine Person, die tauglicher Täter iSv § 30 OWiG ist, die Aufsicht hätte führen müssen. In der Rechtsprechung wird immer wieder betont, dass der Verzicht auf einen konkreten Täternachweis nicht bedeute, dass keine ausreichenden Feststellungen hinsichtlich der Anknüpfungstat und des bzw. der möglichen Täter zu treffen seien.496 Die Praxisrelevanz der (Beweis-)Erleichterung durch die anonyme Geldbuße wird daher in der Literatur zuweilen bezweifelt.497 Diesen Bedenken ist zuzugestehen, dass bei einem anonymen Täter gerade der subjektive Tatnachweis schwer zu führen ist, insbesondere wenn ein Vorsatzdelikt im Raum steht. Bereits weniger Schwierigkeiten macht zumeist aber der Nachweis von Fahrlässigkeitstaten. Wenn die Fahrlässigkeitstat zudem in einer Aufsichtspflichtverletzung nach § 130 OWiG besteht, dürfte es in der Praxis kaum besondere Probleme bereiten, ____________ 493 Die vorliegende Problematik ähnelt der Frage im Rahmen der Bestrafung eines Beteiligten nach §§ 25 StGB, bei der teilweise auch auf den konkreten Täternachweis eines (unbekannten oder nicht individuell bestimmbaren) Mitbeteiligten verzichtet wird, vgl. dazu Sieber/Engelhart, in: Sieber et al. (Hrsg.), Strafbare Mitwirkung, S. 434 (456, 461). 494 Vgl. BGH NStZ 1994, 346; BayObLG NJW 1972, 1771 f.; BayObLG NJW 1972, 1771 (1772); OLG Düsseldorf, wistra 2000, 316 (317); OLG Hamm NJW 1979, 1312; OLG Hamm, wistra 2000, 393 (394); 433; OLG Köln, GewArch 1974, 141 (143); KKOWiG-Rogall, § 30 Rn. 102 ff., 165; Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, § 30 Rn. 52. 495 Vgl. zu den Konstellationen HWSt-Achenbach, I 2 Rn. 18; KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 102. 496 Vgl. OLG Celle, wistra 2002, 230; OLG Düsseldorf, NStZ 1996, 193 f.; NStZ 1984, 366 f.; OLG Hamm, wistra 2000, 433. 497 Vgl. Demuth/Schneider, BB 1970, 642 (651); Pohl-Sichtermann, Geldbuße, S. 183; Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, § 30 Rn. 52; Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 165; vgl. auch OLG Düsseldorf NStZ 1984, 366 (367).
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die fahrlässige Aufsichtspflichtverletzung nachzuweisen.498 Festzuhalten bleibt somit, dass durch den Verzicht auf einen konkreten Täternachweis das Bußgeldverfahren gegen ein Unternehmen prozessual entscheidend erleichtert wird. Deutlich wird an dieser Möglichkeit des Verzichts auf den Täternachweis auch, dass § 30 OWiG nicht nur durch die Anknüpfungstat geprägt ist, sondern in entscheidendem Maße durch eine spezifische Unternehmensverantwortlichkeit.499 Letztlich ist allerdings zu konstatieren, dass das skizzierte Problem keine alleinige Besonderheit des § 30 OWiG darstellt, sondern der allgemeinen Problematik der Sachverhaltsalternativität zuzuordnen ist. Die Rechtsprechung erlaubt in diesen Fällen eine Verurteilung, wenn bei allen Sachverhaltsalternativen eine Straftat zu bejahen ist.500 Das Problem gewinnt bei § 30 OWiG durch die Möglichkeit der Anknüpfung an eine fahrlässige Aufsichtspflichtverletzung nur besondere praktische Relevanz und Brisanz. (c) Auswirkungen von Compliance-Programmen Ein erster Ansatzpunkt, an dem Compliance-Programmen Bedeutung zukommen kann, ist bei der Beurteilung des Vorliegens einer Anknüpfungstat. Soweit Compliance-Programme gerade auch der Setzung von Standards und der Vermeidung von Verstößen dienen, können sie Einfluss auf einzelne Strafbarkeitsvoraussetzungen der Anknüpfungstat haben.501 Angesichts der großen Zahl möglicher Anknüpfungstaten kann vorliegend neben der Berücksichtigung der Aufsichtspflichtverletzung (§ 130 OWiG) nur auf einige allgemeinere Aspekte eingegangen werden. Das deutsche Recht kennt bislang im Wesentlichen keine Vorschriften, die allein die Nichtumsetzung (sektoraler) Compliance-Vorgaben als Straftat oder Ordnungswidrigkeit sanktionieren. So ist weder der Verstoß gegen § 91 Abs. 2 AktG, § 25a KWG, § 33 WpHG noch gegen § 9 GwG mit straf- oder ordnungswidrigkeitenrechtlichen Sanktionen bedroht und kann daher auch nicht als Anknüpfungstat herangezogen werden.502 Dementsprechend wirkt auch allein das Vorliegen eines Compliance-Programms nicht unmittelbar tatbestandsausschließend. Verstöße gegen diese Normen können daher bislang nur im Rahmen der allgemeinen Straftatbestände relevant werden.503 Hier kommt insbesondere der
____________ Vgl. auch KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 104. Dementsprechend stellte schon Tiedemann, NJW 1988, 1169 (1173) fest, dass der Verzicht auf den konkreten Täternachweis durch das Organisationsverschulden besonders gut zu erklären ist. 500 Vgl. zu diesem häufig auch als gleichartige Wahlfeststellung bezeichneten Problem BGHSt 46, 85 (86); Fischer, StGB, § 1 Rn. 25; LK-Dannecker, Anh § 1 Rn. 61 ff. 501 Zu eng daher Dreher, ZWeR 2004, 75 (82), der keinen Anwendungsbereich im Strafrecht sieht. 502 Zu den bislang im deutschen Recht bestehenden Vorgaben vergleiche den Überblick unten S. 502 ff. 503 Vgl. hierzu Mosiek, wistra 2003, 370 ff.; Preussner/Pananis, BKR 2004, 347 ff.; siehe auch Große Vorholt, Wirtschaftsstrafrecht, Rn. 152, 161 f. 498 499
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Tatbestand der Untreue nach § 266 StGB in Betracht.504 § 266 StGB kann dabei nicht nur für die vorgenannten gesetzlichen Rechtsnormen herangezogen werden, sondern in begrenztem Umfang auch für die unmittelbar nicht verbindlichen Vorschriften des DCGK.505
(aa) Compliance-Programme und § 130 OWiG Ein Compliance-Programm kann jedoch im Rahmen des § 130 OWiG dazu führen, dass eine Aufsichtspflichtverletzung zu verneinen ist und damit auch die Anknüpfungstat für § 30 OWiG entfällt.506 § 130 OWiG definiert die Aufsichtspflichtverletzung bzw. die notwendigen Erfordernisse einer angemessenen Aufsicht nicht näher. Der Tatbestand verpflichtet somit nicht unmittelbar zur Erstellung eines Compliance-Programms, was andererseits wiederum bedeutet, dass das Vorliegen eines Compliance-Programms nicht unmittelbar zur Verneinung des Tatbestands führt. Jedoch beruht der Vorwurf einer Aufsichtspflichtverletzung vielfach gerade auf den Aspekten, die durch ein Compliance-Programm geregelt werden. So kann eine Aufsichtspflichtverletzung, in der unzureichenden Auswahl des Mitarbeiters, in der mangelhaften Instruktion, der mangelhaften Überwachung und letztlich vor allem in einem Organisationsmangel liegen.507 Ein effektives, also ein wirksam um- und durchgesetztes Compliance-Programm entkräftet daher vielfach den Vorwurf einer Aufsichtspflichtverletzung, insbesondere wenn dieser auf einen organisatorischen Mangel gestützt ist.508 Aber auch, wenn eine Aufsichtspflichtverletzung zu bejahen ist, kann ein Compliance-Programm von Bedeutung sein. Dies betrifft zunächst den Pflichtwidrigkeitszusammenhang zwischen Aufsichtspflichtverletzung und der für § 130 OWiG notwendigen Anknüpfungstat eines (untergeordneten) Mitarbeiters.509 Denn ____________ 504 Vgl. Preussner/Pananis, BKR 2004, 347 (351 ff.) sowie Stephan/Seidel, Hdb Compliance, § 25 Rn. 62. 505 Vgl. speziell hierzu Schlitt, DB 2007, 326 ff.; Schlösser/Dörfler, wistra 2007, 326 ff. 506 Vgl. Dannecker, in: Alwart (Hrsg.), Verantwortung, S. 5 (28); M. Dreher, VersR 2004, 1 (4); ders, ZWeR 2004, 75 (78 f.); Greeve, Hdb Compliance, § 24 Rn. 66; Hauschka, NJW 2004, 257 (260); Pampel, BB 2007, 1636 (1638); Sieber, FS-Tiedemann, S. 449 (470). Krit. Nell, ZRP 2008, 149 ff., da Compliance-Programme die Verschleierung von Verantwortlichkeit beförderten. 507 Vgl. Göhler-Gürtler, OWiG, § 130 Rn. 10 ff.; KK-OWiG-Rogall, § 130 Rn. 37 ff.; Pelz, Hdb Compliance, S. 97 (102 f.); Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, § 130 Rn. 14 ff.; Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT, Rn. 248. 508 Zu beachten ist, dass die Aufsichtspflichtverletzung selbstverständlich auch durch Maßnahmen außerhalb eines Compliance-Programms ausgeschlossen werden kann. Ebenso können trotz Vorliegens eines Compliance-Programms spezielle Umstände zur Bejahung einer Aufsichtspflichtverletzung führen, z.B. wenn eine Kontrolle im Rahmen des Compliance-Programms im Einzelfall unzureichend durchgeführt wurde. 509 Vgl. näher Göhler-Gürtler, OWiG, § 130 Rn. 22 ff.; Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, § 130 Rn. 21; siehe auch Bosch, Organisationsverschulden, S. 109 ff.; Maschke, Aufsichtspflichtverletzungen, S. 99 ff. zur Wechselbeziehung zwischen Pflichtenkreis und Zusammenhang.
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nur wenn die richtige Aufsicht die Anknüpfungstat „wesentlich“ erschwert hätte, ist der Zusammenhang zu bejahen. Nicht jede Aufsichtspflichtverletzung genügt somit zur Erfüllung des § 130 OWiG. Je besser ein Compliance-Programm erstellt und umgesetzt ist, umso unwahrscheinlicher ist, dass zusätzliche Maßnahmen die Anknüpfungstat wesentlich erschwert hätten. Darüber hinaus kann das ComplianceProgramm auch zur Verneinung des Fahrlässigkeitsvorwurfs führen (dazu im Folgenden).510 (bb) Compliance-Programme und Unterlassungsdelikte Wie § 130 OWiG als spezielle Ausprägung deutlich macht, können ComplianceProgramme bei der Unterlassungsverantwortlichkeit relevant werden. Dies betrifft vor allem den Fall, in dem sich die Garantenpflicht i.S.d. § 13 StGB, § 8 OWiG der Leitungsperson – anders als bei den Sonderdelikten – nicht bereits aus der Eigenschaft als konkreter Normadressat ergibt.511 Diese Möglichkeit der sogenannten Geschäftsherrenhaftung512 ist eine der ungeklärtesten Fragen der Unterlassungsstrafbarkeit.513 Bejaht worden ist eine Unterlassungsstrafbarkeit im speziellen Bereich der strafrechtlichen Produkthaftung (als Unterfall einer Garantenpflicht zur Überwachung von Gefahren)514 sowie bei der mangelnden Verhinderung von Taten durch Unternehmensmitarbeiter, wobei hier die Pflichten aus dem Direktions- und Weisungsrecht der Geschäftsleitung abgeleitet werden.515 In diesen Fällen kann ein Compliance-Programm zunächst einmal Verantwortungsbereiche klären und eingrenzen, sodass Klarheit darüber verschafft werden kann, wer als Garant für welchen Gefahrenbereich einzustehen hat. Soweit darüber hinaus nur pflichtwidriges Verhalten eine Garantenstellung begründet,516 kann das Compliance-Programm die ____________ 510 Aufsichtspflichtverletzung und Fahrlässigkeitsvorwurf sind dabei nicht gleichzusetzen, auch wenn eine klare Trennung z.B. hinsichtlich der Voraussehbarkeit nicht immer einfach ist, vgl. näher Göhler-Gürtler, OWiG, § 130 Rn. 16a; Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, § 130 Rn. 29. 511 Vgl. Hilgers, Verantwortlichkeit, S. 68 ff. 512 Vgl. Lackner/Kühl, § 13 Rn. 14; Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT, Rn. 181. 513 Vgl. Lackner/Kühl, § 13 Rn. 14; Roxin, AT I, § 32 Rn. 134; Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT, Rn. 181. 514 Vgl. nur das Lederspray-Urteil, BGHSt 37, 106 (119). 515 Die Pflichten erstrecken sich bis hin zum Aufsichtsrat, der die Überwachung der Geschäftsführung zur Aufgabe hat, vgl. insbes. BGHSt 47, 187 (201); siehe näher Bosch, Organisationsverschulden, S. 142 ff.; Hilgers, Verantwortlichkeit, S. 69 f.; Otto, FSSchroeder, S. 339 ff.; Schall, FS-Rudolphi, S. 267 ff.; Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT, Rn. 183; krit. LK-Weigend, § 13 Rn. 53; Ransiek, Unternehmensstrafrecht, S. 33 ff. 516 Das Erfordernis der Pflichtwidrigkeit ist gerade im Produkthaftungsbereich umstritten und wird insbes. von der Rechtsprechung im Rahmen einer speziellen Pflicht aufgrund von Gefahr- und Organisationsherrschaft nicht gefordert; vgl. näher Fischer, StGB, § 13 Rn. 39; Jakobs, AT, 29. Abschn. Rn. 29 ff.; LK-Weigend, § 13 Rn. 46, 53; Roxin, AT I,
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Einzelpflichten festlegen und damit eine Pflichtverletzung erkennbar machen. Letztlich ist das Programm auch für die Frage der Vermeidbarkeit relevant. Ähnlich wie bei § 130 OWiG gilt: Je besser ein Compliance-Programm ist, umso unwahrscheinlicher ist, dass zusätzliche Maßnahmen den Verletzungserfolg verhindert hätten.517 Der BGH hat in einer Entscheidung vom Juli 2009 die Bedeutung von ComplianceMaßnahmen insoweit anerkannt, als er für Compliance-Officer eine Garantenpflicht zur Verhinderung von Rechtsverstößen, insbesondere Straftaten bejaht hat.518 Er stellt klar, dass die Garantenpflicht die notwendige Kehrseite der gegenüber der Unternehmensleitung übernommenen Pflicht zur Verhinderung von Rechtsverstößen darstelle. Die Ausführungen des BGH sind als obiter dicta nur kursorisch gewesen und lassen zahlreiche Fragen offen. Insbesondere wird nicht näher thematisiert, warum aus der arbeitsrechtlichen Übernahme von Pflichten eine Garantenpflicht erwächst. Es ist fraglich, ob diesbezüglich ein Automatismus besteht. Auch die tatsächliche Reichweite der Pflicht bleibt offen, da dem Compliance-Officer allein mangels faktischer Einwirkungsmöglichkeit kaum bezüglich aller Rechtsverstöße in einem größeren Unternehmen eine Garantenpflicht treffen kann. Ebenso bleibt offen, ob die Unternehmensleitung durch die Schaffung der Stelle eines Compliance-Officers selbst keine Garantenpflicht mehr trifft bzw. inwieweit sich ihre Pflicht auf eine Überwachungspflicht des Compliance-Officers reduziert. Die Entscheidung macht jedoch deutlich, dass der BGH in Zukunft Compliance-Maßnahmen heranziehen wird, um zu bestimmen, ob und inwieweit einer bestimmten Person im Unternehmen eine Garantenpflicht zur Verhinderung von Straftaten obliegt.
(cc) Compliance-Programme und Täterschaft kraft Organisationsherrschaft In neuerer Zeit hat die Rechtsprechung im Unternehmensbereich nur selten auf die Garantenstellung rekurriert, sondern als funktionales Äquivalent eine mittelbare Täterschaft kraft Organisationsherrschaft anerkannt.519 Diese Figur wurde in den Mauerschützenprozessen herangezogen und alsbald auf Unternehmen übertragen.520 Mittelbarer Täter ist hierbei die Leitungsperson, die bewusst die durch die Organisationsstruktur geschaffenen Rahmenbedingungen zur Tatbegehung aus___________ § 32 Rn. 137; Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 84 ff.; Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT, Rn. 182 ff. Krit. dazu z.B. Bosch, Organisationsverschulden, S. 216 ff. 517 Dieser Punkt ist ggf. auch als Frage der Zumutbarkeit zu beurteilen, je nachdem, wie man Vermeidbarkeit und Zumutbarkeit definiert, vgl. nur Fischer, StGB, § 13 Rn. 14 ff. 518 BGH NJW 2009, 3173 ff. m. Anm. bzw. Bspr. von Barton, jurisPR-StrafR 22/2009, Anm. 1; Campos Nave, BB 2009, 2059; Grau/Blechschmidt, DB 2009, 2145 f.; Mutter/ Quinke, AG 2009, R416 ff.; Stoffers, NJW 2009, 3176 f.; Wybitul, BB 2009, 2263 f. Siehe auch Campos Nave/Vogel, BB 2009, 2546 ff.; Wybitul, BB 2009, 2590 sowie bereits vor dem Urteil des BGH Kraft/Winkler, CCZ 2009, 29 519 Vgl. Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT, Rn. 181. 520 Vgl. grundlegend BGHSt 40, 218 (236 ff.), siehe auch BGHSt 48, 331 (342); 49, 147 (163 f.); BGH JR 2004, 245 (246); dazu Hefendehl, GA 2004, 575 ff.; Sieber/Engelhart, in: Sieber et al. (Hrsg.), Strafbare Mitwirkung, S. 434 (453 ff.); aus der deutlichen Kritik der Literatur an der Figur siehe nur LK-Schünemann, § 25 Rn. 130 ff.; Ransiek, Unternehmensstrafrecht, S. 46 ff.
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nutzt.521 Aufgrund des Erfordernisses der bewussten Ausnutzung wird die Figur nur bei Vorsatzdelikten relevant. Ein Compliance-Programm kann in diesem Kontext klar die Organisationsstrukturen nachzeichnen und Einfluss- und Entscheidungswege offenlegen. Dies kann für einzelne Führungspersonen zur Entlastung führen, wenn das Programm zeigt, dass ihnen keine Organisationsmacht im konkreten Fall zustand. Andererseits kann das Compliance-Programm auch Verantwortlichkeitsbereiche deutlich hervorheben und damit die individuell verantwortliche Person kennzeichnen. (dd) Compliance-Programme und Vorsatzdelikte Allgemein wird ein Compliance-Programm bei Vorsatzdelikten in aller Regel nur wenig bedeutend für die Beurteilung des Vorliegens des Tatbestands sein.522 Möglich ist, dass das Compliance-Programm den Umfang des zulässigen Verhaltens definiert. Von Relevanz kann dies natürlich allein dort sein, wo der gesetzliche Tatbestand Spielräume eröffnet, die das Unternehmen füllen kann, denn das „Erlaubte“ bestimmt allein der Gesetzgeber. Im Wesentlichen wird das dort der Fall sein, wo ein Tatbestand ein Handeln gegen den Willen oder die Interessen des Rechtsgutsinhabers voraussetzt (wie bei der Untreue nach § 266 StGB).523 Hier kann z.B. ein durch Compliance-Programm erklärter Willen, dass bestimmte riskante Geschäfte zulässig sind, zum Tatbestandsausschluss führen. Es ist jedoch zu beachten, dass es nicht zwingend auf den Willen der Geschäftsführung ankommt, sondern primär auf den der Gesellschafter (als Eigentümer), die in zahlreichen Unternehmen nicht die Geschäftsführung stellen. Bei Auseinanderfallen zwischen geduldeter (und ggf. durch Compliance-Programm sogar vorgeschriebener) Tätigkeit seitens der Geschäftsleitung und dem Interesse der Eigentümer ist zu prüfen, ob nicht ein tatbestandsausschließender Irrtum beim handelnden Mitarbeiter vorliegt. (ee) Compliance-Programme und Fahrlässigkeitsdelikte Größere Bedeutung haben Compliance-Programme für Fahrlässigkeitsdelikte.524 Diese erfordern das Vorliegen einer Sorgfaltspflichtverletzung. Diese stellt die Abweichung des Täters von einem objektiv gebotenen Verhalten dar.525 Art und ____________ 521 In der Literatur werden darüber hinaus zahlreiche Einschränkungen (z.B. Rechtsgelöstheit des Systems) gefordert bzw. eine Anwendung auf Unternehmen gänzlich abgelehnt, vgl. zu diesen Einschränkungen zu Recht krit. Hefendehl, GA 2004, 575 (578 f.). 522 Vgl. Sieber, FS-Tiedemann, S. 449 (468 f.). 523 In diesen Fällen des Handelns „gegen das Unternehmen“ ist dabei genau zu prüfen, ob die Handlung überhaupt von § 30 OWiG erfasst ist, vgl. dazu unten S. 409. 524 Vgl. Sieber, FS-Tiedemann, S. 449 (469). 525 BGHSt 49, 1 (5); Fischer, StGB, § 15 Rn. 12a; LK-Vogel, § 15 Rn. 164 ff.
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Maß der Sorgfalt bestimmen sich dabei nach den Anforderungen, die ein besonnener und gewissenhafter Mensch in der konkreten Lage und sozialen Rolle des Handelnden bei objektiver Betrachtung einer Gefahrenlage ex ante anwenden würde.526 Das gebotene Verhalten ergibt sich vielfach nicht aus dem Gesetz oder untergesetzlichen Normen, sondern erst aus außerrechtlichen Regelungen, die als „geronnene Erfahrung“ heranzuziehen sind.527 Derartige Regelungen können beispielsweise auf allgemeiner Verkehrssitte beruhen,528 die gerade im technischen Bereich häufig durch spezielle Normierungen von privater Seite wie durch DIN-Normen spezifiziert ist.529 Diese gesetzlich vorgesehenen „Freiräume“ eröffnen die Möglichkeit, Standards zu setzen, indem der konkrete Maßstab der gebotenen Sorgfalt für das Handeln eines Mitarbeiters durch das Compliance-Programm eines Unternehmens mitbestimmt wird. Ebenso können Compliance-Regelungen eines Verbandes oder einer Vielzahl von Unternehmen allgemein gesetzt und herangezogen werden. Klarzustellen ist dabei allerdings, dass Compliance-Programme nur generelle Vorgaben für den Regelfall aufstellen können. Strafrechtlich oder ordnungswidrigkeitenrechtlich relevant ist letztlich allein das richtige Verhalten in der konkreten Situation.530 Hier können besondere Umstände auch ein von den allgemeinen Vorgaben abweichendes Verhalten erfordern. Zudem sind Compliance-Programme nur dann wirklich von Wert, wenn sie tatsächlich die objektiv gebotene Sorgfalt regeln. Regelungen, die beispielsweise in (kollusiver) Zusammenarbeit mehrerer Unternehmen nur den kleinsten gemeinsamen Nenner schriftlich festhalten, sind wenig geeignet, eine gebotene Sorgfalt zu bestimmen. Für die Fahrlässigkeitsstrafbarkeit können Compliance-Programme auch bezüglich der Erkennbarkeit und Vermeidbarkeit der Tatbestandsverwirklichung relevant werden.531 Soweit im Rahmen von Compliance-Programmen erkennbare Risiken analysiert wurden und gegen mögliche Verstöße die erforderlichen Vorkehrungen getroffen wurden, dürfte es vielfach an der Erkennbarkeit einer Tatbestandsverwirklichung fehlen, falls nicht spezielle Umstände im Einzelfall eine andere Beurteilung verlangt hätten. Gleichermaßen ist zu prüfen, ob ein eingetretener Verstoß als solcher überhaupt vermeidbar gewesen ist, wenn ein Compliance____________ Vgl. die st. Rspr. BGH JZ 2005, 685 (686); NStZ 2004, 657 (658). LK-Vogel, § 15 Rn. 219 ff.; Sch/Sch-Cramer/Sternberg-Lieben, § 15 Rn. 135; Stratenwerth, AT, S. 414. 528 Vgl. Bosch, Organisationsverschulden, § 8; Roxin, AT I, § 24 Rn. 18 ff., krit. aber MK-Duttge, § 15 Rn. 110 ff., 135 ff. 529 Vgl. zur Heranziehung von DIN-Normen Bosch, Organisationsverschulden, S. 411 (413 ff.). 530 Vgl. MK-Duttge, § 15 Rn. 136. 531 Dies gilt insbes. dann, wenn man als Bestandteil der Fahrlässigkeit weniger die Sorgfaltspflichtverletzung als die Erkennbarkeit der Rechtsgutsbeeinträchtigung heranzieht, vgl. näher LK11-Schroeder, § 16 Rn. 127 f. 526 527
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Programm die zu einem Zeitpunkt als erforderlich angesehenen Maßnahmen umgesetzt hat. Auch hier gilt, dass ein Compliance-Programm nur dann eine „Entlastung“ bewirken kann, wenn es tatsächlich objektiv erforderliche Standards umgesetzt hat. Soweit es den Bereich der Fahrlässigkeit angeht, kann ein ComplianceProgramm somit hilfreich sein, für bestimmte Bereiche erforderliche Verhaltensanforderungen zu definieren und rechtliche Grauzonen zu beseitigen.532 In einem Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren dürfte ein solches Programm für spezielle Rechtsbereiche, in denen die gesetzliche Regelungsdichte nicht allzu hoch ist, nützlicher Anhaltspunkt zur Bestimmung einer Sorgfaltspflichtverletzung sein. (5) Zusammenhang zwischen Anknüpfungstat und Stellung des Mitarbeiters (a) Grundsätzlicher Zusammenhang § 30 Abs. 1 OWiG spricht davon, dass die Person, die die Anknüpfungstat begeht, dies gerade in ihrer Funktion „als“ Mitarbeiter des Unternehmens begehen muss. Es muss somit ein Zusammenhang zwischen Anknüpfungstat und Stellung des Mitarbeiters vorliegen, der deutlich macht, dass der Mitarbeiter als Repräsentant des Unternehmens gehandelt hat.533 Durch dieses Kriterium soll im Wesentlichen privates Verhalten ausgegrenzt werden, das nur zeitlich und örtlich mit der Tätigkeit im Unternehmen koinzidiert. Wie der Zusammenhang im Detail auszusehen hat, wird unterschiedlich beurteilt, wenn auch Konsens darüber besteht, dass es vor allem um eine wertende Betrachtung der Art und Weise des Handelns des Mitarbeiters geht. Eine solch wertende Betrachtung eröffnet zunächst die sogenannte Funktionstheorie, wie sie auch bei § 14 StGB und § 9 OWiG herangezogen wird, nach der ein funktionaler Zusammenhang gegeben sein muss.534 Eine ähnliche Betrachtung findet sich bei den Einziehungsvorschriften der §§ 75 StGB, 29 OWiG. Ein Zusammenhang ist im Wesentlichen dann zu bejahen, wenn das Handeln des Mitarbeiters in Verbindung mit dem Aufgabenkreis des Unternehmens steht und vom Erscheinungsbild nicht dem einer normalen Privatperson entspricht.535 Insoweit kann auch auf zivilrecht-
____________ So auch Sieber, FS-Tiedemann, S. 449 (470). v. Jeger, Geldbuße, S. 22 ff.; KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 104; Müller, Ordnungswidrigkeitenrecht, S. 76 ff.; Pohl-Sichtermann, Geldbuße, S. 156 ff.; Rotberg, OWiG, § 30 Rn. 10. 534 Vgl. v. Jeger, Geldbuße, S. 23; KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 90 ff.; ähnlich GöhlerGürtler, OWiG, § 30 Rn. 25. 535 Vgl. BGHSt 30, 127 (128 f.); BGH NJW 1969, 1494 f.; NStZ 1997, 30 (zu § 75 StGB); Fischer, StGB, § 14 Rn. 5. 532
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liche Figuren zurückgegriffen werden, wenn man ein Handeln „in Ausübung“ der Unternehmenstätigkeit und nicht lediglich „bei Gelegenheit“ derselben verlangt.536 Über diese funktionale Betrachtung hinaus wird zum Teil zusätzlich subjektiv gefragt, ob der Mitarbeiter im Interesse des Verbandes handelt oder ob private Interessen im Vordergrund stehen.537 Hiermit angesprochen ist die sogenannte Interessentheorie, wie sie im Wesentlichen auch für §§ 14 StGB, 9 OWiG herangezogen wird.538 Dieser Aspekt kann als Ergänzung sinnvoll sein, vor allem wenn man die Funktionstheorie rein objektiv versteht und durch subjektive Elemente anreichern möchte. Allerdings kann die Handlungsmotivation des Mitarbeiters nicht mehr als ein schwaches Indiz sein.539 Denn ein Handeln aus privatem Interesse wird bei zahlreichen Handlungen des Mitarbeiters zumindest auch vorhanden, vielfach sogar leitende Motivation sein (z.B. wenn daraus Vorteile für das berufliche Fortkommen erhofft werden). So ist auch nach der Rechtsprechung das Vorhandensein privater Interessen ohne Belang, wenn das Handeln für das Unternehmen im Vordergrund steht.540 Das Vorliegen privater Interessen kann daher – muss aber nicht – den notwendigen Zusammenhang entfallen lassen. Man wird bei einem rein eigennützigen Handeln des Mitarbeiters genau zu prüfen haben, ob nicht bloß ein Handeln anlässlich der beruflichen Tätigkeit vorliegt. Dies ist beispielsweise bei einem Diebstahl der Fall, den ein Mitarbeiter während der Besprechung mit einem Kunden begeht, um seine persönliche finanzielle Situation aufzubessern. Umstritten ist, ob ein funktionaler Bezug dann entfällt, wenn sich die Tat gegen das Unternehmen selbst richtet („Exzesstat“). Dies wird zum Teil bejaht, da eine Erfassung von Sinn und Zweck des Gesetzes nicht gemeint sei.541 Es ist allerdings fraglich, ob allein dadurch, dass ein Unternehmen „Opfer“ der Straftat seines Mitarbeiters wird, die Tat immer einen „eigenen deliktischen Sinn erhält, den der Täter als ‚Privater’ äußert“.542 Der Sinn des § 30 OWiG liegt gerade in der Erfassung solcher Taten, die in Ausnutzung einer besonderen Mitarbeiterstellung begangen werden. Eine unterschiedliche Behandlung je nach Opfer der Tat wird nicht vorge____________ 536 Im Zivilrecht wird die Terminologie zumeist zum einen im Fall des § 278 BGB verwendet, wenn es um die Frage des Einstehens eines Schuldners für von ihm eingeschaltete Erfüllungsgehilfen geht (vgl. BGH NJW 1965, 1709 [1710]), zum anderen bei der Frage der deliktischen Haftung für die Einschaltung eines Verrichtungsgehilfen nach § 831 BGB (vgl. BGH NJW-RR 1989, 723 [725]) bzw. bei Amtshaftung nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG, ob die deliktische Handlung in Ausübung der Amtstätigkeit geschah (vgl. BGHZ 11, 181 [186]). Siehe auch KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 91. 537 KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 93; vgl. auch Pohl-Sichtermann, Geldbuße, S. 159 ff. 538 Vgl. nur LK-Schünemann, § 14 Rn. 50; SK-StGB-Hoyer, § 14 Rn. 72. 539 Vgl. Pohl-Sichtermann, Geldbuße, S. 167; ganz ablehnend v. Jeger, Geldbuße, S. 24 f. 540 BGH NStZ 1997, 30 (zu § 75 StGB); vgl. auch OLG Celle, wistra 2005, 160. 541 KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 95; Müller, Ordnungswidrigkeiten, S. 77 f.; Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 252 f. 542 KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 95.
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nommen. Zudem ist völlig unklar, wie die Fälle, in denen sich die Tat gegen das Unternehmen richtet, von anderen Fällen abzugrenzen sind. Im bei Rogall angeführten Beispiel543 der Abgabe einer falschen Steuererklärung zwecks Verdeckung einer vom Mitarbeiter begangenen Unterschlagung richtet sich die Tat zunächst nicht gegen das Unternehmen, sondern primär gegen den Empfänger der Steuererklärung, also die Steuerbehörden und damit den Staat. Mittelbar kann natürlich das Unternehmen einen Schaden aufgrund der falschen Steuererklärung erleiden. Dieser Fall unterscheidet sich aber nur geringfügig von einer durch einen Mitarbeiter verursachten vorsätzlichen Umweltschädigung, bei der das Unternehmen mittelbar ebenso durch Schadensersatzansprüche etc. geschädigt wird. Entscheidendes Kriterium kann somit nicht sein, ob sich die Anknüpfungstat gegen das Unternehmen richtet oder nicht. Vielmehr ist auch in diesem Fall zu fragen, ob der Mitarbeiter wirklich „als Teil des Unternehmens“ oder nur als „Privatperson“ handelt. Das bedeutet, dass ein Mitarbeiter, der Arbeitsmaterialien stiehlt, nicht eine Verbandsgeldbuße nach § 30 OWiG auslösen kann, da dies nur gelegentlich der Arbeit geschieht. Soweit er aber wie im vorgenannten Beispiel der Steuererklärung seine Unternehmensstellung zur Begehung einer Tat ausnützt (und die weiteren Voraussetzungen des Tatbestands erfüllt)544 ist § 30 OWiG einschlägig.545 Denn dies entspricht der weitreichenden Ausgestaltung als Zurechnungsnorm. Dass die Zurechnung derart weitgehend ist, ist eine Entscheidung des Gesetzgebers und ggf. von diesem zu korrigieren. Eine Einschränkung ließe sich kriminalpolitisch vor allem damit rechtfertigen, dass der Aspekt der Unternehmensverantwortlichkeit in diesen Fällen zumeist nicht greift (also gerade keine „kriminelle Verbandsattitüde“,546 sondern allein kriminelles Einzelverhalten vorliegt).547 De lege lata bietet das Opportunitätsprinzip548 ausreichend Handhabe, um im Einzelfall durch Absehen von der Verfolgung eine gerechte Lösung zu erreichen.549 Von einem Teil der Literatur wird vertreten, dass der Zusammenhang zwischen Anknüpfungstat und Stellung des Mitarbeiters nur im Fall der Verletzung betriebsbezogener Pflichten, nicht dagegen im Fall der eingetretenen oder angestrebten ___________ Vgl. KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 95. Hier sind insbes. die nachfolgend unter b) angeführten Einschränkungen der Haftung zu berücksichtigen, die z.B. eine Unternehmensgeldbuße ausschließen, wenn der Mitarbeiter gehandelt hat, um allein sich selbst zu bereichern, ohne dabei betriebsbezogene Pflichten zu verletzen. 545 Pohl-Sichtermann, Geldbuße, S. 162 f.; Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, § 30 Rn. 34. 546 Vgl. die Terminologie bei Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 253. 547 Insoweit ist es bemerkenswert, dass z.B. Rogall, KK-OWiG, § 30 Rn. 95 zwar eine Einschränkung annimmt, jedoch gerade kein Unternehmensverschulden normiert sieht (vgl. Rogall, a.a.O., Rn. 6). 548 Vgl. dazu unten S. 459 ff. 549 So auch Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, § 30 Rn. 34. 543 544
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Bereicherung des Unternehmens zu prüfen ist (vgl. zu diesen beiden zusätzlichen Tatbestandselementen im Folgenden unter b.).550 Abgesehen davon, dass der Wortlaut von § 30 OWiG eine solche Beschränkung in keiner Weise erkennen lässt, besteht auch keine sachliche Notwendigkeit für eine derartige Differenzierung. Dies gilt insbesondere in dem häufig herangezogenen Beispiel,551 dass ein Organ eines juristischen Fachverlags Schriften strafbaren Inhalts herausgibt, um den Verlag zu bereichern. In diesem Fall besteht ein innerer Zusammenhang zwischen Anknüpfungstat und Stellung des Organs durch die Möglichkeit des Organs, eine derartige Veröffentlichung überhaupt in die Wege zu leiten. Ob der Verlag satzungsgemäß auf die Publikation juristischer Werke beschränkt ist, spielt dabei keine Rolle; denn bei der Begehung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten wird eine Überschreitung der Satzung häufig zu finden sein, ebenso wie eine Überschreitung der für das Organ intern gezogenen Geschäftsführungsbefugnis.552 Relevant ist allein die Ausnutzung der Organstellung, der durch das Unternehmen eingeräumten (tatsächlichen) Handlungsmöglichkeiten unter Einsatz der Mittel des Unternehmens.553 (b) Auswirkungen von Compliance-Programmen Auch im Rahmen des Zusammenhangs zwischen Anknüpfungstat und Stellung des Mitarbeiters lässt sich überlegen, ob ein Compliance-Programm die Zurechnung ausschließen kann. Konkret stellt sich die Frage, ob ein Handeln des Mitarbeiters als Repräsentationsfigur des Unternehmens zu verneinen ist, wenn dieser klar gegen ausreichende Vorkehrungen und Vorgaben des Unternehmens verstößt und damit er die Stellung nicht in der vom Unternehmen konkret vorgesehenen Weise ausfüllt. Nach bislang herrschender Ansicht ist für die Bejahung eines Zusammenhangs nicht entscheidend, ob das Handeln des Mitarbeiters im konkreten Fall der Geschäftspolitik des Unternehmens widerspricht oder ob er seinen persönlichen Aufgabenkreis überschritten hat.554 Denn die Überschreitung interner Vorgaben wird bei der Begehung einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit fast immer der Fall sein, ____________ 550 Göhler-Gürtler, OWiG, § 30 Rn. 26 f.; Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, § 30 Rn. 36. 551 Göhler-Gürtler, OWiG, § 30 Rn. 27; Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, § 30 Rn. 36. 552 Vgl. Pohl-Sichtermann, Geldbuße, S. 164 ff. sowie zur Frage der Überschreitung interner Vorgaben im folgenden Abschnitt unter (b) Auswirkungen von ComplianceProgrammen. 553 Soweit z.B. Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, § 30 Rn. 36 an diesem Punkt auf die private Motivation des Organs eingeht, stellt sich hier das bereits oben im Text diskutierte Problem des Vorliegens privater Interessen; dieses wird in der Regel unbeachtlich sein, solange auch betriebliche Interessen verfolgt werden, vgl. KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 91. 554 Vgl. KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 91, 95 f., der wohl eine Ausnahme machen will, wenn das Verhalten sich nicht objektiv in die allgemeine Geschäftspolitik einfügt.
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es sei denn die rechtswidrige Tätigkeit ist explizit Bestandteil des Geschäftsgebarens des Unternehmens. Abzustellen ist daher bei grundsätzlich legal agierenden Unternehmen allein darauf, ob der Mitarbeiter die Handlung in einer Funktion und einer Art und Weise vorgenommen hat, wie sie ihm besonders (oder auch nur) durch die Eingliederung in das Unternehmen und die Tätigkeit für das Unternehmen ermöglicht wird.555 Nach herrschender Ansicht ist somit beim Handeln des Mitarbeiters, auch als Teil eines mehrköpfigen Organs, irrelevant, wie die eigentliche Geschäftsverteilung organisiert und ob eine Überschreitung des persönlich eingeräumten Geschäftsbereichs gegeben ist, solange ein funktionaler Bezug zwischen Anknüpfungstat und Mitarbeiterstellung vorliegt.556 Das Vorliegen eines Compliance-Programms wirkt demnach nicht entlastend.557 Zur Begründung der herrschenden Ansicht wird zumeist die Zurechnungskonstruktion des § 30 OWiG herangezogen, die verhindere, dass sich das Unternehmen durch den Nachweis hinreichender Organisation freizeichnen könne.558 Nach Tiedemann überlagert die Zurechnung auch den in § 30 OWiG berücksichtigten Aspekt des Organisationsverschuldens.559 Tragend ist diese Argumentation freilich nicht, da die Frage, ob die Anknüpfungstat in der Stellung „als Mitarbeiter“ des Unternehmens begangen wurde, sich nicht (tautologisch) mit dem Rekurs auf die Zurechnung selbst begründen lässt. Die Zurechnung allein wäre nur tragfähige Basis, wenn sie uneingeschränkt und absolut erfolgen würde, also über das bloße Vorliegen der Anknüpfungstat keine weiteren Erwägungen anzustellen wären. Das Problem der Begehung der Tat „als Mitarbeiter“ stellt sich jedoch dann, wenn man in § 30 OWiG zusätzlich ein Organisationsverschulden oder überhaupt eine Unternehmensverantwortlichkeit normiert sieht. Selbst wenn man das Organisationsverschulden wie Tiedemann nur als gedankliche Grundlage des § 30 OWiG betrachtet, stellt sich das Problem, warum im Rahmen der Auslegung der Tatbestandsmerkmale „als Mitarbeiter“ die Überschreitung interner Vorgaben nicht entlastend wirken soll.560 Die Lösung kann in diesem Fall nur über eine wertende Zuordnung der Tat zum Unternehmen beantwortet werden.561 ____________ 555 Vgl. auch Göhler-Gürtler, OWiG, § 30 Rn. 26; Müller, Ordnungswidrigkeiten, S. 78; Pohl-Sichtermann, Geldbuße, S. 163; Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, § 30 Rn. 34; siehe auch v. Jeger, Geldbuße, S. 27 ff. 556 Demuth/Schneider, BB 1970, 642 (651); KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 96; Lemke/ Mosbacher, OWiG, § 30 Rn. 59; Müller, Ordnungswidrigkeitenrecht, S. 78; Pohl-Sichtermann, Geldbuße, S. 170; Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, § 30 Rn. 35. 557 Vgl. i.E. M. Dreher, VersR 2004, 1 (4); Sieber, FS-Tiedemann, S. 449 (471). 558 Tiedemann, NJW 1988, 1169 (1173 f.); ebenso Brender, Verbandstäterschaft, S. 116 f.; Sieber, FS-Tiedemann, S. 449 (467 f., 471). 559 Tiedemann, NJW 1988, 1169 (1173 f.); siehe auch Sieber, FS-Tiedemann, S. 449 (467 f., 471). 560 Insoweit ist die krit. Anmerkung von KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 6 nicht unberechtigt. 561 In diese Richtung tendiert auch KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 96, wenn er eine Zurechnung in Fällen bejaht, in denen das Verhalten des Mitarbeiters konkret zwar rollenwidrig, insgesamt aber rollenhaft sei.
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Im Ergebnis ist Tiedemann und der herrschenden Meinung zuzustimmen. Denn der gesetzliche Anhalt für eine Entlastung ist in der Begrifflichkeit des „als“ nur schwach angelegt und für eine derart zentrale Frage hätte man eine klarere Regelung erwartet. Zudem entspricht der Ansatz, eine Entlastung zu verneinen, dem des deutschen Gesellschaftsrechts: Bei Organen werden im Innenverhältnis zahlreiche Beschränkungen anerkannt, im Außenverhältnis ist jedoch im Grundsatz von einer unbeschränkten Vertretungsbefugnis auszugehen. In diesem Sinne kann auch bei § 30 OWiG der Fokus mehr auf das tatsächliche Können nach außen als auf das (rechtliche) Dürfen im Innenverhältnis gelegt werden. Letztlich entscheidend ist daher die Betrachtung des Handelns „als Mitarbeiter“ unter dem Aspekt der generell und strukturell seitens des Unternehmens geschaffenen Möglichkeiten für den Mitarbeiter. Handelt er im Rahmen dieser Möglichkeiten, dann tut er dies „als Mitarbeiter“. Das bedeutet für das Unternehmen: Wenn und solange tatsächliche Handlungsmöglichkeiten eingeräumt werden, können diese nicht allein durch interne Vorgaben zu rechtstreuem Verhalten ausgeräumt werden. Möchte das Unternehmen Sicherheit in Bezug auf einen Mitarbeiter erhalten, so muss es diesem die Möglichkeiten entziehen (z.B. durch die Beschränkung von Handlungsbefugnissen, die Zuweisung einer anderen Tätigkeit etc.) und kann ihm nicht lediglich Verhaltensvorgaben an die Hand geben. Erst wenn ein Compliance-Programm in dieser Weise effektiv Handlungsmöglichkeiten eines Mitarbeiters ausschließt, entfällt eine Verantwortlichkeit des Unternehmens. Damit kann sich ein Unternehmen nicht durch die bloße Aufstellung einzelner interner Compliance-Vorgaben (vor allem wenn diese lediglich schriftlicher Natur sind) einer Verantwortlichkeit entziehen, denn sonst wäre § 30 OWiG letztlich äußerst einfach zu umgehen und praktisch seines Anwendungsbereichs beraubt. b) Verletzung betriebsbezogener Pflichten / Bereicherung des Unternehmens durch die Anknüpfungstat Allein das Vorliegen einer durch einen Mitarbeiter des Unternehmens begangenen Anknüpfungstat „als Mitarbeiter“ genügt zur Erfüllung der Tatbestandsmerkmale des § 30 OWiG nicht. Vielmehr ist zusätzlich erforderlich, dass die Anknüpfungstat in einem besonderen Verhältnis zum Unternehmen steht. Ein solch besonderes Verhältnis kann zum einen darin liegen, dass „Pflichten, welche die juristische Person oder Personenvereinigung treffen“, verletzt worden sind (1) oder zum anderen eine Bereicherung des Unternehmens erreicht oder auch nur angestrebt worden ist (2). (1) Verletzung betriebsbezogener Pflichten Durch die Anknüpfungstat des Mitarbeiters müssen Pflichten, die das Unternehmen treffen, verletzt worden sein. § 30 OWiG schweigt sich darüber aus, welche
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Pflichten damit genau gemeint sind, auch in anderen Teilen des Gesetzes findet sich hierzu kein näherer Hinweis. Allerdings stellt sich bei § 130 OWiG ein entsprechendes Problem, da dort eine Aufsichtspflichtverletzung nur dann gegeben ist, wenn eine Zuwiderhandlung gegen Pflichten vorliegt, die den Inhaber als solchen treffen. Insoweit werden §§ 30 und 130 OWiG in diesem Punkt häufig gleichlautend ausgelegt,562 wie dies auch bereits die Gesetzesbegründung zum OWiG 1968 nahegelegt hatte.563 Jedoch entsprachen sich die Vorschriften bis 2007 nicht genau, da § 130 OWiG Pflichten verlangte, die den Inhaber „als solchen“ treffen. Diese Einschränkung stellte § 30 OWiG nicht auf, sodass teilweise eine unterschiedliche Auslegung befürwortet wurde.564 Die Gesetzesreform im Jahr 2007 führte zur Streichung der Wörter „als solche“ in § 130 OWiG und stellte damit klar, dass für § 30 OWiG und § 130 OWiG die gleichen Pflichtenmaßstäbe gelten sollen.565 Im Grundsatz kann daher der Pflichtenumfang in identischer Weise bestimmt werden. (a) Bestimmung des Pflichtenverstoßes Unter die Pflichten, die das Unternehmen treffen, werden allgemein „betriebsbezogene“ oder „unternehmensbezogene“ Pflichten gefasst.566 Sie finden sich insbesondere in Sonderdelikten, die dem Unternehmen als solches Ge- und Verbote auferlegen, dieses also direkt als Normadressaten treffen.567 Zumeist sprechen derartige Vorschriften das Unternehmen in einer im Normkontext speziellen Funktion an (z.B. als Betriebseigentümer, Arbeitgeber, Anlagenbetreiber etc.). Da sie häufig durch Straf- oder Ordnungswidrigkeitentatbestände ergänzt werden, ist ihre Verletzung meist zugleich Grundlage der Anknüpfungstat. Zwar obliegen die Pflichten dabei zunächst nur dem Unternehmen, über § 9 OWiG bzw. § 14 StGB kann jedoch auch ein Mitarbeiter des Unternehmens persönlich verantwortlich gemacht werden. An dieser Stelle wird die enge Verzahnung zwischen individueller und kollektiver Verantwortlichkeit besonders deutlich.
____________ 562 Vgl. z.B. Göhler-König, OWiG (14. Aufl.), § 30 Rn. 18 und § 130 Rn. 18 bzw. Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, § 30 Rn. 26 und § 130 Rn. 6. Siehe auch OLG Celle, NStZRR 2005, 82 f. 563 Vgl. BT-Drs.V/1269, S. 60; vgl. auch Bode, NJW 1969, 1286 (1287). 564 Vgl. KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 73; Ransiek, Unternehmensstrafrecht, S. 114 f. 565 Vgl. 41. StrÄG vom 7.8.2008, BGBl. I S. 1786. Vgl. auch BT-Drs. 16/3656, S. 14. 566 Vgl. OLG Celle, wistra 2005, 160; Bode, NJW 1969, 1286 (1287); Göhler-Gürtler, OWiG, § 30 Rn. 16 ff.; KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 72 ff.; Lemke/Mosbacher, OWiG, § 30 Rn. 46 ff.; Mitsch, OWi, § 16 Rn. 13; Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, § 30 Rn. 26 ff.; Schroth, Unternehmen, S. 43 ff.; Wieser, OWiG, § 30 Nr. 7. 567 Göhler-Gürtler, OWiG, § 30 Rn. 19; KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 74; Rebmann/ Roth/Herrmann, OWiG, § 30 Rn. 26.
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Die bedeutendste betriebsbezogene Pflicht ist die bereits mehrfach angesprochene Aufsichtspflicht nach § 130 OWiG.568 Diese Aufsichtspflicht obliegt danach zunächst zwar nur dem Betriebsinhaber. Allerdings dehnt § 9 OWiG sie auch auf alle gesetzlichen Vertreter (Abs. 1) bzw. auf Betriebsleiter und speziell aufsichtspflichtige Personen wie z.B. Sicherheitsbeauftragte (Abs. 2) aus. Insoweit ist die Aufsichtspflicht zahlreichen Leitungspersonen im Unternehmen und nicht nur dem Unternehmenseigentümer auferlegt. Über § 130 OWiG lassen sich zahlreiche Verstöße untergeordneter Unternehmensmitarbeiter erfassen, die ansonsten – mangels Zugehörigkeit zum Täterkreis des § 30 OWiG – nicht eine Sanktionierung des Unternehmens auslösen könnten. Unter dem Vorwurf der Aufsichtspflichtverletzung kann dann, bei Zugehörigkeit der Aufsichtsperson zum Täterkreis des § 30 OWiG und als Adressat des § 130 OWiG (ggf. im Zusammenspiel mit § 9 OWiG) dennoch § 30 OWiG zur Anwendung kommen. Im Zusammenspiel von §§ 9, 130 und 30 OWiG ist damit eine relativ weitgehende Sanktionierung des Unternehmens möglich.
Neben den Pflichten, die das Unternehmen unmittelbar ansprechen, können sich betriebsbezogene Pflichten auch aus allgemeinen strafrechtlichen und ordnungswidrigkeitenrechtlichen Tatbeständen (Allgemeindelikten) ergeben. Zwar soll der Topos „betriebsbezogen“ gerade der Abgrenzung von allgemeinen Pflichten dienen,569 jedoch sind auch derartige allgemeine Pflichten erfasst, wenn sie innerhalb des Unternehmens ein besonderes Gepräge erfahren.570 „Betriebsbezogen“ ist also umfassender zu verstehen und gilt nicht nur für Sonderdelikte. So ist die Pflicht, niemanden (fahrlässig) an Leib und Leben zu verletzen, zwar eine allgemeine, erhält aber im Umfeld des Arbeitsplatzes (Arbeitsplatzsicherheit) bzw. der Herstellung von Produkten gegenüber dem Verbraucher (Produktsicherheit) die besondere Betriebsbezogenheit. Das Herausragende bei betriebsbezogenen allgemeinen Pflichten ist also das spezifische unternehmerische Umfeld, das sie von der „Jedermann-Version“ abhebt.571 Insoweit ist bei allgemeinen Pflichten immer explizit zu prüfen, ob und in welchem Umfang eine Betriebsbezogenheit vorliegt.572 Eine Betriebsbezogenheit wird insbesondere dann in Betracht kommen, wenn das Unternehmen durch seine Tätigkeit erst bestimmte Gefahren schafft und ihm daher Verkehrssicherungspflichten z.B. für Angestellte, Konsumenten oder die Umwelt obliegen.573 ____________ KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 75; Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, § 30 Rn. 27. Vgl. BT-Drs.V/1269, S. 60. 570 Vgl. Bode, NJW 1969, 1286 (1287); Demuth/Schneider, BB 1970, 642 (650); Göhler-König, OWiG (14. Aufl.), § 30 Rn. 20; KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 76 f.; Lemke/ Mosbacher, OWiG, § 30 Rn. 49 f.; Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, § 30 Rn. 29. 571 Vgl. auch OLG Celle, wistra 2005, 160, das etwas unklar von Betriebsbezogenheit spricht, wenn kein „höchstpersönliches“ Handeln vorliegt. 572 KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 76; Lemke/Mosbacher, OWiG, § 30 Rn. 50; Rebmann/ Roth/Herrmann, OWiG, § 30 Rn. 29. 573 Vgl. BGHSt 37, 106 ff. [Lederspray]; BGH NJW 1973, 1379 (1380); 1971, 1093 (1094). Häufig wird dabei wie bei KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 76 von „Garant“ gesprochen, was allerdings die Gefahr eines Missverständnisses birgt, da die Betriebsbezogenheit nicht mit der (strafrechtlichen) Garantenstellung deckungsgleich ist; allerdings stellt die Garantenstellung eine wichtige Ausprägung der betriebsbezogenen Pflichtenstellung dar, 568 569
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Fehlt es an der Betriebsbezogenheit der Pflicht, dann scheidet eine Anwendung von § 30 OWiG aus. Durch den darin angesprochenen Bezug der Pflicht zum Unternehmen ist somit ausgeschlossen, dass jede (straf- und ordnungswidrigkeitenrechtlich) relevante Pflichtverletzung eines Mitarbeiters eine Unternehmensgeldbuße nach sich zieht.574 Es wird also nicht jede Anknüpfungstat zugerechnet. Dies macht deutlich, dass § 30 OWiG konstruktiv nicht allein eine Zurechnungsnorm für rechtswidriges Mitarbeiterverhalten darstellt, sondern auch von einer spezifischen Unternehmensverantwortlichkeit ausgeht. (b) Zusammenhang zwischen Anknüpfungstat und Pflichtverletzung Ein unproblematischer und daher wenig angesprochener Punkt der Darstellungen zu § 30 OWiG ist, dass eine Verknüpfung zwischen Anknüpfungstat und Pflichtverletzung bestehen muss („durch“). Die Tat muss also gerade zu einer Verletzung betriebsbezogener Pflichten führen. Dies ist in den Fällen der Verletzung buß- und strafbewehrter Sonderdelikte gegeben, da die Verletzung der Sonderpflicht (also die Anknüpfungstat) zugleich die Verletzung der betriebsbezogenen Pflicht darstellt. Entsprechendes gilt für die Verletzung allgemeiner Pflichten, wenn deren Betriebsbezogenheit bejaht wird. (2) Alternativ: Bereicherung des Unternehmens Neben der Verletzung einer betriebsbezogenen Pflicht kommt § 30 OWiG auch dann in Betracht, wenn eine Bereicherung des Unternehmens angestrebt oder sogar eingetreten ist. Diese Regelung ermöglicht selbst dann eine Geldbuße gegen das Unternehmen, wenn keine betriebsbezogene Pflicht verletzt worden ist.575 Begründet wird die Ausweitung der Verantwortlichkeit mit der Funktion des § 30 OWiG als Abschöpfungsvorschrift.576 Die Begründung trägt allerdings nur für die Fälle einer eingetretenen Bereicherung.577 Im Fall der angestrebten Bereicherung führt die Vorschrift zu einer weitgehenden Einbeziehung von Versuchskonstellatio____________ vgl. Dannecker/Biermann, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, Bd. 2, vor § 81 Rn. 111 f. 574 Insoweit ist es schon mit dem Wortlaut (wie zudem mit der Entstehungsgeschichte) nicht vereinbar, wenn Müller, Ordnungswidrigkeitenrecht, S. 73 f. im Grundsatz alle Pflichtverletzungen mit Ausnahme höchst persönlicher Pflichten und Exzesstaten einbeziehen will. 575 Vgl. BT-Drs. V/1269, S. 60 f. 576 BT-Drs. V/1269, S. 61; Demuth/Schneider, BB 1970, 642 (650 f.); KK-OWiGRogall, § 30 Rn. 79; Müller, Ordnungswidrigkeitenrecht, S. 74; Pohl-Sichtermann, Geldbuße, S. 152; Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, § 30 Rn. 31 f. 577 KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 80 weist darauf hin, dass die reine Gewinnabschöpfung wegen § 29a Abs. 2 OWiG nicht über § 30 OWiG laufen müsste. § 30 OWiG ermöglicht allerdings über die Gewinnabschöpfung hinaus, eine ahnende Sanktion zu verhängen.
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nen:578 Bei nur versuchten Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten wird mangels Vollendung der Tat vielfach keine betriebsbezogene Pflicht verletzt (der Versuch der Verletzung betriebsbezogener Pflichten ist nicht erfasst), soweit aber die Bereicherung des Unternehmens angestrebt wird, ist § 30 OWiG dennoch anwendbar. Erklären lässt sich die Erstreckung auf Versuchskonstellationen zum einen mit der generalpräventiven Erwägung, Unternehmensmitarbeiter zu rechtskonformem Verhalten zu motivieren.579 Zum anderen ist das Ausreichen einer Bereicherung neben der Anknüpfungstat aber vor allem unter dem Aspekt der Unternehmensverantwortlichkeit interpretierbar: Das Unternehmen hat durch seine Organisationsstrukturen dafür zu sorgen, dass seine Mitarbeiter keine Verstöße begehen, um einen wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens zu erreichen. Trifft es keine ausreichenden Sicherungsmaßnahmen hiergegen, so hat es für in der Folge geschehende Verstöße der Mitarbeiter einzustehen. Insoweit ist die Ausdehnung des Anwendungsbereichs des § 30 OWiG zu rechtfertigen, da damit im Vergleich zu den restlichen Konstellationen keine gänzlich anderen und im Unrechtsgehalt wesentlich niedriger einzustufenden Fälle erfasst werden. (a) Bereicherung des Unternehmens Es muss eine Bereicherung des Unternehmens vorliegen oder angestrebt sein. Das Vorliegen einer Bereicherung ist zu bejahen, wenn diese beim Unternehmen aus objektiver Sicht eingetreten ist, auch wenn der Mitarbeiter sie nur mittelbar oder auch gar nicht bezweckt hat.580 § 30 OWiG scheidet somit allein in den Fällen aus, in denen lediglich der Mitarbeiter (oder ein sonstiger Dritter) bereichert ist. Im Fall der angestrebten Bereicherung erfolgt die Beurteilung naturgemäß aufgrund der subjektiven Sicht des Mitarbeiters, was bedeutet, dass es ihm darauf ankommen muss.581 Was den Begriff „Bereicherung“ anbelangt, so liefert § 30 OWiG keine weiteren Hinweise zur Auslegung. In Anlehnung an das Verständnis beim Betrug nach § 263 StGB kann hierunter aber jede Erhöhung des wirtschaftlichen Vermögens verstanden werden.582 Umstritten ist, ob nur rechtswidrig erlangte Vorteile erfasst ____________ KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 80. Vgl. auch Poller, Verbandsgeldbuße, S. 67. Siehe zudem BT-Drs. V/1269, S. 61. 580 Vgl. BGH NJW 1976, 1510; Müller, Ordnungswidrigkeitenrecht, S. 74; zum Problem des Handelns aus privaten Interessen, vgl. oben S. 408 ff. 581 Es genügt daher nicht, wenn die Bereicherung nur klar erkanntes, aber nicht vorrangig gewolltes Ziel ist, vgl. Demuth/Schneider, BB 1970, 642 (651); Eidam, wistra 2003, 447 (454). 582 KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 81; Pohl-Sichtermann, Geldbuße, S. 153; Rebmann/ Roth/Herrmann, OWiG, § 30 Rn. 31; damit stellen sich auch bei § 30 OWiG zahlreiche mit dem Vermögensbegriff verbundene Probleme. Vom Wortlaut des § 30 OWiG (Bereicherung) ist ein Rückgriff auf § 812 BGB zwar nahe liegender, jedoch sind die Konstellationen (Rückabwicklung von Vermögensverschiebungen und Feststellung eines Vermö578 579
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sind.583 Da das Gesetz gerade nicht die Rechtswidrigkeit verlangt (anders bei § 263 StGB: rechtswidriger Vermögensvorteil), ist sie nicht als erforderlich anzusehen.584 Unbeachtlich ist, ob Ersatzansprüche gegen das Unternehmen bestehen, da diese die zunächst eingetretene Bereicherung nicht berühren;585 derartige Ansprüche können aber im Rahmen der Vermögensabschöpfung berücksichtigt werden.586 (b) Zusammenhang zwischen Anknüpfungstat und Bereicherung Auch im Fall der Bereicherung muss diese gerade auf die Anknüpfungstat zurückzuführen sein („durch“). Dementsprechend ist zumindest ein kausaler Zusammenhang erforderlich.587 Voraussetzung ist nicht, dass die Bereicherung auf einem Bereicherungsdelikt beruht, da sich in § 30 OWiG keine Anhaltspunkte für eine Beschränkung auf bestimmte Tatbestände finden. Ausreichend ist somit jede Anknüpfungstat, die in der Folge zu einer Bereicherung geführt hat oder führen soll. Im Fall der nur angestrebten Bereicherung muss es dem Mitarbeiter gerade darauf ankommen, die Vermögensvermehrung durch seine Tat zu erlangen.588 Umstritten ist, ob über den kausalen Zusammenhang hinaus weitere Zurechnungskriterien einzubeziehen sind. Dabei wird in der Literatur insbesondere diskutiert, ob aufgrund des Schutzzwecks der Norm eine Einschränkung der zuzurechnenden Bereicherungen erfolgen soll.589 Zumeist wird das Problem an dem Fall diskutiert, dass ein Unternehmensmitarbeiter zu schnell fährt, um einen vorteilhaften Vertragsabschluss noch zu ermöglichen.590 Eine Einschränkung wird vielfach deswegen gefordert, da die verletzte Straßenverkehrsnorm nicht bezweckt, eine
____________ genszuwachses) zu unterschiedlich, um darauf zu rekurrieren, vgl. Rotberg, OWiG, § 30 Rn. 8. 583 So bspw. KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 82; Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, § 30 Rn. 31. 584 So auch Lemke/Mosbacher, OWiG, § 30 Rn. 42; Pohl-Sichtermann, Geldbuße, S. 153; Poller, Verbandsgeldbuße, S. 67. 585 Müller, Ordnungswidrigkeitenrecht, S. 74; Poller, Verbandsgeldbuße, S. 68. 586 Vgl. Demuth/Schneider, BB 1970, 642 (651); Lemke/Mosbacher, OWiG, § 30 Rn. 52. Siehe auch Göhler-Gürtler, OWiG, § 30 Rn. 23: Berücksichtigung im Rahmen des Opportunitätsprinzips. 587 KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 84; Pohl-Sichtermann, Geldbuße, S. 154; Rebmann/ Roth/Herrmann, § 30 Rn. 32. 588 Vgl. im Sinne einer Absicht KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 87; weiter wohl Eidam, wistra 2003, 454 und Göhler-Gürtler, OWiG, § 30 Rn. 22. 589 Die Frage stellt sich besonders dann, wenn man die Bereicherung nicht allein auf rechtswidrige beschränkt, da sie ansonsten zumeist über den Ausschluss rechtmäßiger Bereicherungen zu lösen ist, KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 86. 590 Pohl-Sichtermann, Geldbuße, S. 154 ff.; Poller, Verbandsgeldbuße, S. 67; Rotberg, OWiG, § 30 Rn. 9; KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 86.
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Bereicherung des Unternehmens zu verhindern.591 Dem ist zwar uneingeschränkt zuzustimmen, allerdings geht es bei der vorliegenden Frage gar nicht vorrangig um den Zweck des Straßenverkehrsdelikts, sondern um den Zweck des § 30 OWiG. Dieser verknüpft das Vorliegen einer beliebigen Tat mit der Bereicherung, ohne dass dabei ein bestimmtes Kongruenzerfordernis aufgestellt wird. Sieht man den Zweck der Bereicherungsalternative in § 30 OWiG auch darin, dass Mitarbeiter vom Normbruch zugunsten der Erreichung eines wirtschaftlichen Vorteils des Unternehmens abgehalten werden, so wird dieser Zweck in dem angeführten Beispiel gerade erfüllt. Ebenso spricht der Aspekt der Unternehmensverantwortlichkeit für eine derartige Lösung, denn das Unternehmen ist für die Schaffung von Rahmenbedingungen verantwortlich, die einem Mitarbeiter ausreichend Zeit zur Verfügung stellen, einen Termin ohne Verkehrsverstöße wahrzunehmen.592 Das Beispiel macht anschaulich, dass es bei § 30 OWiG eben nicht allein um die bloße Zurechnung beliebiger Individualtaten geht, sondern um die Ahndung spezifischer im Unternehmenskontext begangener Taten. Im Unternehmenskontext können auch normale Straßenverkehrsdelikte ein besonderes Unternehmensgepräge erfahren.593 Klarzustellen ist dabei allerdings, dass die Unternehmensgeldbuße in diesem Fall nur dann verwirkt wird, wenn der Verkehrsverstoß gerade im Unternehmensinteresse erfolgt. Bei einem Verkehrsverstoß, den der Mitarbeiter aus reinem Vergnügen an der Raserei oder bloßer Unachtsamkeit begeht, fehlt es bereits an einem Handeln „als“ Organ, da die Tat nur bei Gelegenheit der beruflichen Fahrt zum Kunden erfolgt.594 (3) Auswirkung von Compliance-Programmen Compliance-Programme sind für den Nachweis der Elemente der Verletzung betriebsbezogener Pflichten und der erfolgten/angestrebten Bereicherung des Unternehmens insgesamt kaum von Bedeutung. Im Fall der Verletzung betriebsbezogener Pflichten kann ein Compliance-Programm herangezogen werden, um die einzelnen Pflichten näher zu konkretisieren und durch die klare Festlegung von Verantwortungsbereichen die Verantwortlichkeiten einzelner Mitarbeiter zu klären. Diese Aspekte werden zumeist jedoch bereits im Rahmen der Anknüpfungstat Bedeutung erlangen und in diesem Kontext zur Verneinung oder Bejahung des Tat____________ 591 Pohl-Sichtermann, Geldbuße, S. 156; i.E. auch KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 82, 86 (mit anderer Begründung). 592 Noch klarer ist natürlich der Fall, wenn durch das Unternehmen selbst derartige Verkehrsverstöße begünstigt werden, z.B. konstante Arbeitsüberlastung, kaum zu bewältigende Terminierungen und Druck von Vorgesetzten („Sie müssen den Termin unbedingt einhalten, egal wie!“). 593 I.E. ebenso Göhler-Gürtler, OWiG, § 30 Rn. 27; Müller, Ordnungswidrigkeitenrecht, S. 75; Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, § 30 Rn. 31. 594 Vgl. hierzu bereits oben S. 408 ff.
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bestands/der Tat führen. Soweit die Anknüpfungstat vorliegt und diese ein Sonderdelikt darstellt, ist der betriebsbezogene Pflichtenverstoß quasi automatisch gegeben. Compliance-Programme sind diesbezüglich dann nicht mehr relevant. Beim Vorliegen eines Allgemeindelikts kann ein Compliance-Programm dagegen in geringem Umfang zur Klärung der Frage beitragen, ob die allgemeine Pflicht eine spezielle Betriebsbezogenheit aufweist: Wenn das Unternehmen, beispielsweise in Umsetzung der allgemeinen Verpflichtung, niemanden an Leib und Leben zu schädigen, konkrete Pflichten für besondere Tätigkeiten, Abteilungen oder für gefährliche Produkte aufstellt und umsetzt, dann deutet viel darauf hin, dass die allgemeine Pflicht ein besonderes Gepräge im Unternehmen erfahren hat und § 30 OWiG somit zu bejahen ist. Insbesondere die Risikoprüfung und die Feststellung tatsächlicher und rechtlicher Risiken im Rahmen eines Compliance-Programms sind geeignet, für die einzelnen Unternehmensbereiche konkrete Risiken und die daraus folgenden Pflichten zu bezeichnen. Insoweit kann das Compliance-Programm durch die klare Festschreibung einer Pflicht im Unternehmen den Nachweis der Betriebsbezogenheit erleichtern. Im Rahmen einer eingetretenen oder angestrebten Bereicherung des Unternehmens ist das Vorhandensein eines Compliance-Programms nicht relevant. Im Fall der eingetretenen Bereicherung wird allein objektiv auf eine Vermögensvermehrung des Unternehmens abgestellt, in Bezug auf eine angestrebte Bereicherung allein subjektiv auf die Vorstellung des handelnden Mitarbeiters. Beide Punkte weisen keinen Bezug zu Compliance-Programmen auf. II. Verfall (§ 29a OWiG) Der Verfall im Ordnungswidrigkeitenrecht nach § 29a ist den jeweiligen Vorschriften der §§ 73 ff. StGB im Strafrecht nachgebildet, allerdings ergeben sich im Detail zahlreiche Unterschiede. Da die Geldbuße selbst nach § 17 Abs. 4 OWiG bereits Abschöpfungsfunktion hat, wurde die Regelung des § 29a OWiG erst 1986 eingeführt und auf den Fall begrenzt, dass keine Geldbuße verhängt wird. Dementsprechend ist tatbestandliche Voraussetzung des Verfalls, dass eine Geldbuße nicht festgesetzt wird. Klarstellend sieht auch § 30 Abs. 5 OWiG vor, dass die Verhängung einer Unternehmensgeldbuße den Verfall ausschließt, ähnlich wie die Abschöpfung des Mehrerlöses (§ 8 Abs. 4 WiStG 1954). Da der Verfall nur bei der Verhängung einer Geldbuße ausgeschlossen ist, kommt er grundsätzlich dann in Betracht, wenn keine Geldbuße verhängt wird (also vor allem bei einer Nichteinleitung oder der Einstellung eines Bußgeldverfahrens). In der Praxis wird die Verfallsanordnung (als Maßnahme mit geringeren Anforderungen) oftmals der Geldbuße vorgezogen.595 Im Vergleich zum strafrecht____________ 595 Vgl. Fromm/Schmuck, SVR 2007, 405 ff.; Göhler-Gürtler, OWiG, § 29a Rn. 1, 3; König, SVR 2008, 121 (126 f.). Siehe auch OLG Koblenz, ZfSch 2007, 108.
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lichen Pendant ist der Verfall nach § 29a OWiG nicht obligatorisch, sondern steht im Ermessen der Bußgeldbehörde.596 Es genügt für die Anordnung des Verfalls ähnlich wie bei § 73 StGB, dass eine vorsätzliche und rechtswidrige Begehung der Tat vorliegt, sodass es auf die Vorwerfbarkeit nicht ankommt.597 Ebenfalls wie im Strafrecht ist im Ordnungswidrigkeitenrecht die Anordnung des Verfalls gegen einen „anderen“ möglich, der aus der Straftat des Täters etwas erlangt hat (§ 29a Abs. 2 OWiG). Diese Vorschrift findet nach allgemeiner Ansicht auf Unternehmen Anwendung.598 Wer „anderer“ ist, ist (im Gegensatz zu § 30 OWiG) nicht definiert, sodass praktisch jedes Unternehmen erfasst ist. Einschränkend wird bei Abs. 2 gefordert, dass der Täter für den anderen gehandelt hat. Ähnlich wie beim strafrechtlichen Verfall wird man hier betriebliche Zurechnungsverhältnisse als ausreichend ansehen können.599 Hat daher ein Mitarbeiter eine Ordnungswidrigkeit begangen und das Unternehmen daraus etwas erlangt, so kann gegen das Unternehmen eine Verfallsanordnung ergehen. Ein „anderer“ nach § 29a Abs. 2 OWiG kann das Unternehmen nur sein, wenn es nicht bereits Täter der Tat ist.600 Die Bestimmung, ob das Unternehmen Täter ist und welcher Absatz von § 29a OWiG Anwendung findet, ist nicht vollkommen klar. Sieht man § 30 OWiG als eigenständigen Bußgeldtatbestand an,601 der ordnungswidrigkeitenrechtlich eine Täterschaft des Unternehmens begründet, so würde das Unternehmen häufig bereits unter § 29a Abs. 1 OWiG fallen: Immer wenn die Voraussetzungen des § 30 OWiG gegeben sind (aber keine Geldbuße verhängt wird), kann eine Verfallsanordnung nach § 29a Abs. 1 OWiG erfolgen. Verneint man dagegen die Natur als eigenständiger Tatbestand verbleibt nur Raum für eine Anwendung des § 29a Abs. 2 OWiG: Ausgehend von der Anknüpfungstat des Mitarbeiters ist das Unternehmen in Bezug auf den Mitarbeiter „anderer“. Hielte man auch § 29a Abs. 1 OWiG für anwendbar, würde dies zur Möglichkeit einer „doppelten“ Inanspruchnahme (je nach Bezugspunkt Abs. 1 oder Abs. 2) führen, die nicht völlig unproblematisch ist, da die Voraussetzungen zwischen beiden Absätzen nicht deckungsgleich sind. Bedeutende Unterschiede würden sich in der Praxis zwar wohl nicht ergeben, da für § 30 OWiG (und somit indirekt auch für die Täterschaft nach § 29a Abs. 1 OWiG) ein betriebsbezogenes Handeln des Mitarbeiters notwendig ist, das im Regelfall der Voraussetzung des betrieblichen Zurechnungsverhältnisses nach § 29a Abs. 2 OWiG entsprechen wird. Diskrepanzen sind hierbei gleichwohl nicht völlig auszuschließen. Das Gesetz bietet für das Problem keine Hilfestellung an, da § 30 Abs. 5 OWiG pauschal auf § 29a OWiG verweist und nicht klarstellt, ob damit allein eine Bezugnahme auf dessen Abs. 2 gemeint ist. Im Ergebnis ist in Übereinstimmung mit der herrschenden Ansicht eine alleinige Anwendung des § 29a Abs. 2 OWiG aus Gründen der Klarheit und Rechtssicherheit vorzugswürdig, da dann § 29a OWiG wie § 30 OWiG an der Tat des Mitarbeiters anknüpft. Erreicht wird somit zudem eine Parallelität zur strafrechtlichen Regelung in § 73 Abs. 3 OWiG.
____________
Vgl. Göhler-Gürtler, OWiG, § 29a Rn. 24. Vgl. Göhler-Gürtler, OWiG, § 29a Rn. 1. 598 OLG Koblenz, ZfSch 2007, 108; Göhler-Gürtler, OWiG, § 29a Rn. 20; KK-OWiGMitsch, § 29a Rn. 35. 599 Vgl. Göhler-Gürtler, OWiG, § 29a Rn. 21 f. und KK-OWiG-Mitsch, § 29a Rn. 36a mit Verweis auf das grundlegende Urteil BGHSt 45, 235 zu § 73 StGB. 600 Vgl. Göhler-Gürtler, OWiG, § 29a Rn. 20; KK-OWiG-Mitsch, § 29a Rn. 35. 601 Vgl. zu dieser Problematik bereits oben S. 379. 596
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Ähnlich wie bei § 73 StGB wird im Ordnungswidrigkeitenrecht das „Erlangte“ abgeschöpft. Allerdings sieht § 29a OWiG von vornherein nur vor, dass ein Geldbetrag, der dem Erlangten entspricht, abgeschöpft wird und nicht das Erlangte direkt.602 Umfang und Wert des Erlangten können geschätzt werden (§ 29a Abs. 3 OWiG). Die Berechnung richtet sich wie im Strafrecht nach dem Bruttoprinzip, es können somit auch im Ordnungswidrigkeitenrecht keine Abzüge für Auslagen etc. geltend gemacht werden.603 Diese Berechnung ist der neueren Rechtsprechung zu § 73 Abs. 3 StGB entsprechend auch bei der Anordnung des Verfalls gegen Dritte zugrunde zu legen.604 Wie im Strafrecht ist der Verfall daher nicht allein als kondiktionsrechtliche Ausgleichsmaßnahme, sondern als sanktionsähnliche Maßnahme zu begreifen.605 Bei § 29a OWiG ist der Kreis der einzubeziehenden Werte enger gezogen als im Strafrecht, da nur unmittelbar aus der Tat erlangte Werte erfasst sind.606 Eine Ausdehnung auf Nutzungen etc., wie sie § 73 Abs. 2 StGB vorsieht, besteht nicht. Andererseits ist der ordnungswidrigkeitenrechtliche Verfall deutlich weiter gezogen, da anders als bei § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB Ersatzansprüche des Verletzten den Verfall nicht ausschließen.607 Derartige Ansprüche können jedoch in die Opportunitätsentscheidung über die Anordnung des Verfalls einbezogen werden oder nach § 99 Abs. 2 OWiG bei der Vollstreckung berücksichtigt werden. Auch sieht § 29a OWiG keine Härteklausel oder Ähnliches vor. Derartige Erwägungen, insbesondere das Vorliegen eines wirksamen Compliance-Programms, sind ebenfalls in die Opportunitätsentscheidung einzustellen. III. Einziehung (§ 29 OWiG) Das OWiG sieht in den §§ 22 bis 28 die Möglichkeit der Einziehung von Gegenständen ähnlich der strafrechtlichen Einziehung vor. Abweichend vom strafrechtlichen Pendant kommt eine ordnungswidrigkeitenrechtliche Einziehung jedoch nur dann in Betracht, wenn es ein ordnungswidrigkeitenrechtlicher Tatbestand ausdrücklich zulässt. Dies begrenzt den Anwendungsbereich deutlich. In ____________ 602 Daher bedarf es einer ergänzenden Regelung der Anordnung des Verfalls des Wertersatzes (§ 73a StGB) nicht. 603 Vgl. BayObLG, NStZ 2000, 537; OLG Celle, NStZ 1997, 554 (556); OLG Koblenz, ZfSch 2007, 108; Drathjer, Abschöpfung, S. 90 ff.; Göhler-Gürtler, OWiG, § 29a Rn. 6; KK-OWiG-Mitsch, § 29a Rn. 27. 604 Vgl. OLG Koblenz, ZfSch 2007, 108 ff.; Göhler-Gürtler, OWiG, § 29a Rn. 19; anders aber KK-OWiG-Mitsch, § 29a Rn. 45 f., der in diesen Fällen das Nettoprinzip anwenden will; zu § 73 Abs. 3 StGB siehe bereits oben S. 337. 605 Vgl. zum strafrechtlichen Verfall bereits oben S. 341. 606 Brenner, NStZ 1998, 557 (558); Eser, Sanktionen, S. 292; Göhler-Gürtler, OWiG, § 29a Rn. 8; KK-OWiG-Mitsch, § 29a Rn. 35. 607 Vgl. BayObLG, NStZ 2000, 537; Göhler-Gürtler, OWiG, § 29a Rn. 14.
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§ 29 OWiG findet sich eine dem § 75 StGB entsprechende Sondervorschrift, die speziell auf Unternehmen zugeschnitten ist. Hinsichtlich der einbezogenen Unternehmen und Mitarbeiter ist die Norm mit § 30 OWiG identisch.608 Zusätzlich stellt § 29 Abs. 3 OWiG durch den Verweis auf § 9 Abs. 3 OWiG klar, dass es für die Beurteilung der Stellung des Mitarbeiters nur auf die faktische Lage und nicht die rechtlich wirksame Begründung der Stellung ankommt. Die Einziehung wird anders als der Verfall durch die Verhängung einer Unternehmensgeldbuße nicht ausgeschlossen und kann somit zusätzlich angeordnet werden. Insoweit als Verfall und Einziehung teilweise miteinander konkurrieren,609 kann dies Probleme aufwerfen. Wenn hierbei wie zum Teil vertreten von einem Vorrang der Einziehung ausgegangen wird,610 ist zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen im Hinblick auf § 30 Abs. 5 OWiG in diesen speziellen Fällen nicht nur der Verfall, sondern auch die Einziehung als ausgeschlossen anzusehen. IV. Exkurs: § 9 OWiG Die Vorschrift des § 9 OWiG ist das ordnungswidrigkeitenrechtliche Gegenstück zu § 14 StGB und mit dieser nahezu identisch. Deshalb gilt das zu § 14 StGB Ausgeführte entsprechend.611 Die Bedeutung der Norm für Unternehmen liegt hier ebenfalls zunächst in der faktischen Erweiterung des Bereichs der verwirklichbaren Ordnungswidrigkeiten seitens der Mitarbeiter. Dadurch wiederum wird auch die Möglichkeit einer Belangung des Unternehmens für die von den Mitarbeitern begangenen Ordnungswidrigkeiten erweitert: Die Belangung kann in der Anordnung des Verfalls oder der Einziehung liegen bzw. die Tat der Mitarbeiter kann die Verhängung einer Unternehmensgeldbuße nach § 30 OWiG eröffnen. D. Weitere Maßnahmen des Verwaltungs- und Zivilrechts Neben den straf- und ordnungswidrigkeitenrechtlichen Maßnahmen bestehen im deutschen Recht zahlreiche weitere Möglichkeiten, bei Gesetzesverstößen gegen ein Unternehmen vorzugehen. Da diese Maßnahmen grundsätzlich als funktionales Äquivalent des deutschen Rechts zu den strafrechtlichen Regelungen des amerikanischen Rechts infrage kommen, soll im Folgenden ein kurzer Überblick gegeben werden, der exemplarisch und ohne Anspruch auf Vollständigkeit zu verstehen ist. ____________ 608 § 29 OWiG wurde wie § 30 OWiG und § 75 StGB zuletzt 2002 angepasst, vgl. BTDrs. 14/8998, S. 10. 609 Vgl. dazu Güntert, Gewinnabschöpfung, S. 21 f.; Drathjer, Abschöpfung, S. 172 f.; Mitsch, OWi, § 18 Rn. 2; Wolters, Neufassung, S. 19 ff.; siehe auch bereits Eser, Sanktionen, S. 316 ff. 610 Vgl. KK-OWiG-Mitsch, § 29a Rn. 4; Mitsch, OWi, § 18 Rn. 2; für parallele Anwendbarkeit BGHSt 28, 369 (370). 611 Vgl. oben S. 344.
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Eine Auseinandersetzung mit den einzelnen Instrumenten im Detail erfolgt nicht, da dies über die Kernfragen der vorliegenden Arbeit hinausgehen würde. I. Verwaltungsrechtliche Sanktionen 1. Zwangsgeld, Ersatzvornahme und unmittelbarer Zwang Bei Verstößen gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften ist heute gerade im Wirtschaftsbereich vielfach eine unmittelbare Sanktionierung durch Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten vorgesehen. Primär jedoch werden öffentlich-rechtliche Vorgaben insgesamt (und somit über den beschränkten Bereich der sanktionsbewehrten hinaus) von den zuständigen Verwaltungsbehörden durchgesetzt, wenn sie nicht eingehalten werden. Eine Durchsetzung erfolgt im Wege des Verwaltungszwangs insbesondere nach Maßgabe des Bundesverwaltungsvollstreckungsgesetzes und der jeweiligen Landesverwaltungsvollstreckungsgesetze. Voraussetzung ist dabei grundsätzlich, dass eine Verhaltensanforderung durch Verwaltungsakt konkretisiert wird.612 Die Verhaltenspflicht mag sich daher zwar aus dem Gesetz ergeben, die Durchsetzbarkeit entsteht aber erst durch den Erlass des Verwaltungsakts. Adressat können hier – abhängig von der zugrunde liegenden Pflicht – sowohl natürliche Personen wie auch Unternehmen sein.613 Liegen die Vollstreckungsvoraussetzungen vor, so kann die Einhaltung der Pflicht durch Zwangsgeld, die Beauftragung eines Dritten mit der Vornahme der Maßnahme (Ersatzvornahme) oder durch die Vornahme der Maßnahme durch die Behörde selbst (unmittelbarer Zwang) erreicht werden.614 2. Entzug von Betätigungserlaubnissen In zahlreichen Rechtsgebieten bedarf die Vornahme einer bestimmten Betätigung einer Erlaubnis, Genehmigung oder Konzession durch die zuständige Verwaltungsbehörde. Beispielsweise sieht die GewO in den §§ 29 ff. Genehmigungspflichten für Privatkrankenanstalten, Pfandleiher, Bewachungsgewerbe, Makler, etc. vor. Bei Verstößen gegen Vorschriften (wie z.B. Straftaten) können diese Zulassungsakte widerrufen werden.615
____________ 612 Vgl. § 6 Abs. 1 BVwVG; nur bei besonderer Eilbedürftigkeit ist ein verfügender Grundverwaltungsakt entbehrlich, § 6 Abs. 2 BVwVG. 613 Vgl. §§ 11, 12 BVwVfG zur Beteiligungsfähigkeit und Handlungsfähigkeit. 614 Vgl. §§ 10 ff. BVwVG. Die Zwangsmittel der Länder nach den Landesverwaltungsvollstreckungsgesetzen differieren zum Teil von diesen Regelungen. 615 Die Rücknahme bzw. der Widerruf richtet sich vorbehaltlich spezieller Regelungen, z.B. nach §§ 48, 49 BVwVfG.
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3. Verbot und Beschränkung der Vornahme bestimmter Betätigungen, Betriebsuntersagung Soweit bei Verstößen nicht ein Entzug der Betätigungserlaubnis in Betracht kommt (z.B. weil die Tätigkeit erlaubnisfrei ist), ist die Untersagung eines Gewerbes oder des Betriebs bestimmter Anlagen ein typisches verwaltungsrechtliches Sanktionsmittel.616 Zentrale Vorschrift ist § 35 GewO, der die Untersagung eines Gewerbes wegen Unzuverlässigkeit vorsieht. Eine derartige Unzuverlässigkeit kann sich beispielsweise aus der Begehung von Straftaten ergeben. Soweit das Unternehmen selbst Gewerbetreibender ist, kann die Untersagung sich unmittelbar an das Unternehmen richten.617 Die Unzuverlässigkeit kann sich dabei direkt vom Unternehmen ableiten (z.B. Nichtzahlung von Steuern), ansonsten wird auf das Verhalten der vertretungsberechtigten Mitarbeiter abgestellt.618 Eine spezielle Regelung für den Bereich des Kapitalmarkts findet sich in § 45b KWG, die der zuständigen Behörde erlaubt, bei Verstößen gegen eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation bestimmte Geschäftsarten zu beschränken oder zu verbieten.619 Ebenso ist möglich, bestimmte Risikominimierungsmaßnahmen und die Verpflichtung, erhöhte Sicherheiten bereitzuhalten, anzuordnen sowie die Errichtung neuer Zweigstellen unter den Vorbehalt der Zustimmung der Behörde zu stellen.620 Neben der Beschränkung und Untersagung einer Tätigkeit bestehen vielfältige Möglichkeiten eines anlagenbezogenen Verbots. So sehen die §§ 20, 25 BImSchG vor, dass der Betrieb einer Anlage, die den Immissionsschutzvorschriften nicht genügt, untersagt werden kann, die Anlage stillzulegen oder auch zu beseitigen ist. § 51 GewO sieht vor, dass der Betrieb gewerblicher Anlagen untersagt werden kann, wenn davon erhebliche Gefahren oder Nachteile für das Allgemeinwohl ausgehen. Nach § 37 KWG kann die zuständige Verwaltungsbehörde (BaFin) die Einstellung von Geschäften bzw. des Geschäftsbetriebs anordnen, wenn diese ohne die notwendige Erlaubnis vorgenommen wurden. Hierzu kann ein spezieller Abwickler bestellt werden.
____________ Vgl. dazu Hirsch, ZStW 107 (1995), 285 (302); Korte, Juristische Person, S. 20 f. Traditionell zählen nur juristische Personen und nicht Personengesellschaften als Gewerbetreibende, sodass auch nur an Erstere direkt die Untersagungsverfügung gerichtet werden kann. Bei Personengesellschaften richtet sich die Untersagung an den geschäftsführenden Gesellschafter. Vgl. Landmann/Rohmer-Marcks, GewO, § 35 Rn. 63 f. 618 Vgl. näher zu den Differenzierungen Landmann/Rohmer-Marcks, GewO, § 35 Rn. 65. 619 § 45b Abs. 1 Nr. 4 KWG. 620 Vgl. § 45b Abs. 1 Nr. 1–3 KWG. 616 617
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4. Ausschluss von Aufträgen Das Kriterium der Zuverlässigkeit findet sich nicht nur bei der Frage eines Entzugs von Betätigungserlaubnissen bzw. des Verbots bestimmter Betätigungen, sondern auch bei der Vergabe öffentlicher Aufträge.621 Die Vergabe ist nach § 97 Abs. 4 GWB nur an zuverlässige Unternehmen erlaubt. Straftaten und Ordnungswidrigkeiten von Unternehmensmitarbeitern und gegen das Unternehmen verhängte Ordnungswidrigkeiten können ein wesentliches Kriterium zur Beurteilung der Zuverlässigkeit sein und ggf. zum Ausschluss des Unternehmens im Vergabeverfahren führen.622 5. Entfernung von Leitungspersonen, kommissarische Leitung Neben dem Verbot der Vornahme bestimmter Geschäfte sehen zahlreiche Vorschriften auch die Möglichkeit der Entfernung von Leitungspersonen durch die Verwaltungsbehörden vor.623 So regelt § 87 VAG, dass in Versicherungsunternehmen Geschäftsleiter bei bestimmten Verstößen abzuberufen sind und ihnen durch die Behörde die Tätigkeit untersagt werden kann. Zudem kann nach § 83a VAG einem Sonderbeauftragten kommissarisch die Leitung des Unternehmens übertragen werden. Ähnliche Bestimmungen finden sich im Kapitalmarktrecht: § 36 KWG sieht vor, dass bei bestimmten Verstößen die zuständige Verwaltungsbehörde (BaFin) die Abberufung des Geschäftsführers verlangen und diesem auch die Fortführung der Tätigkeit untersagen kann. Zudem kann die Behörde auf Kosten des Unternehmens einen (externen) Sonderbeauftragten bestellen, der dessen Leitung kommissarisch übernimmt. 6. Auflösung Die Auflösung eines Unternehmens ist dem deutschen Recht nicht völlig fremd, auch wenn diese Maßnahme weder als straf- oder ordnungswidrigkeitenrechtliche Sanktion normiert ist, noch eine allgemeine Ausprägung erfahren hat.624 Jedoch können insbesondere eine GmbH oder eine AG nach § 62 GmbHG bzw. § 396 ____________ Vgl. zu vergaberechtlichen Sanktionen Pietzcker, NZBau 2003, 242 ff. Vgl. Battis/Bultmann, ZRP 2003, 152 (154); Pietzcker, NZBau 2003, 242 (244). 623 Siehe auch Art. 83 Abs. 1 c) EAG, der als Maßnahme vorsieht: „Übertragung der Verwaltung des Unternehmens für eine Höchstdauer von vier Monaten an eine Person oder Personengruppe, die im gemeinsamen Einvernehmen mit der Kommission und dem Staat, dem das Unternehmen untersteht, bestellt werden.“ 624 Vgl. dazu Ehrhardt, Unternehmensdelinquenz, S. 39 f.; Hirsch, ZStW 107 (1995), 285 (301); KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 111; Korte, Juristische Person, S. 19 f.; Müller, Ordnungswidrigkeitenrecht, S. 13. 621
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AktG durch Verwaltungsbehörden oder ein Gericht aufgelöst werden. Eine ähnliche Vorschrift findet sich in § 81 GenG. Voraussetzung ist, dass die Gesellschaft das Gemeinwohl durch gesetzwidrige Beschlüsse oder Handlungen ihrer Führungspersonen gefährdet. Die Auflösung ist dann ohne Entschädigung statthaft. Daher könnte insbesondere die Begehung von Straftaten durch die oberste Führungsebene eine Auflösung nach sich ziehen. Die Voraussetzungen sind allerdings sehr eng gefasst und teilweise (wie z.B. die subjektiven Voraussetzungen) nur schwer nachzuweisen. Zudem führt die Maßnahme zu einschneidenden (und kaum überschaubaren) Konsequenzen und hat daher bislang kaum eine praktische Bedeutung erlangt.625 Eine Auflösung ist über diese Fälle hinaus möglich, wenn einer Gesellschaft bestimmte Rechtspositionen aberkannt werden. So kann nach § 38 KWG ein Kreditinstitut aufgelöst werden, wenn die entsprechende Erlaubnis z.B. wegen begangener Straftaten entzogen worden ist. Ähnliche Regelungen finden sich im Vereinsrecht, wo gemäß §§ 43, 44 BGB dem rechtsfähigen Verein seine Rechtsfähigkeit genommen werden kann, wenn der Verein das Gemeinwohl durch gesetzwidriges Verhalten seines Vorstands oder seiner Mitgliederversammlung gefährdet. Das Vereinsrecht sieht zudem in §§ 3, 17 VereinsG vor, dass Wirtschaftsvereinigungen verboten und aufgelöst werden können, wenn diese z.B. als Zwecksetzung oder tatsächlich die Begehung schwerer Straftaten verfolgen. Die vorgenannten Vorschriften können somit insbesondere bei strafrechtlichen Verstößen zu einer Auflösung des Unternehmens führen, sie greifen jedoch viel weiter, als sie insgesamt Gesetzesverstöße sanktionieren. Im Gegensatz zu klassischen strafrechtlichen Normen sind sie auch nur bedingt repressiv gedacht, sondern dienen vor allem präventiv der Vermeidung weiterer Verstöße.626 Daher ist ein schuldhaftes Verhalten nicht Voraussetzung.627 Einer exzessiven Anwendung steht jedoch der verfassungsrechtliche Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entgegen. 7. Publizitätssanktionen Das deutsche Recht kennt im Grundsatz keine Sanktion, die unmittelbar auf die Publizität des Verfahrens oder seiner Entscheidung setzt.628 Zwar findet sich im Strafrecht bei einigen wenigen Delikten gegen die Ehre (z.B. §§ 165, 200 StGB) die Veröffentlichung des Urteils als strafähnliche Maßnahme. Im Bereich der Wirtschaftsdelikte ist diese Maßnahme aber in neuerer Zeit nicht mehr vorgesehen.629 ____________ K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 1199. Vgl. Hachenburg GmbHG-Ulmer, § 62 Rn. 2; Scholz GmbHG-K. Schmidt, § 62 Rn. 1; Ulmer GmbHG-Casper, § 62 Rn. 2, 23; Kölner Kommentar AktG-Zöllner, § 396 Rn. 2; MK-AktG-Kropff, § 396 Rn. 7. 627 Vgl. Schall/Schreibauer, NuR 1996, 440 (447). 628 Vgl. Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT, Rn. 290 ff. 629 Anders aber noch § 19 WiStG 1949. 625 626
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Im Kartellrecht hat sich allerdings seit Längerem die Praxis etabliert, die Publizität des Bußgeldverfahrens und der Bußgeldverhängung zu nutzen, indem das Verfahren und die Entscheidung öffentlich bekannt gegeben werden.630 Dies ist nicht unproblematisch, da hierfür keine explizite gesetzliche Grundlage besteht. Die Rechtsprechung hat zudem bei der namentlichen Nennung von natürlichen Personen im Ermittlungsverfahren teilweise eine Amtspflichtverletzung angenommen hat.631 Die Nennung von Unternehmen dagegen, insbesondere nach Abschluss eines Verfahrens, wird als weniger bedenklich angesehen und allgemein weitgehend für zulässig gehalten.632 Neben dieser unmittelbaren Publizität bestehen in bestimmten Fällen öffentliche Register, in die eine Entscheidung gegen Unternehmen eingetragen wird. Das wichtigste ist hierbei das Gewerbezentralregister, das beim Bundesamt für Justiz geführt wird.633 In dieses werden fast alle gegen ein Unternehmen nach § 30 OWiG verhängte Ordnungswidrigkeiten eingetragen. Die Eintragungen können von Behörden für die Vergabe öffentlicher Aufträge und die Verfolgung bestimmter Straftaten und Ordnungswidrigkeiten abgerufen werden.634 Allerdings ist das Register nicht in dem Sinne öffentlich, dass jedermann Einsicht erhalten oder Auskunft darüber verlangen kann, ob ein Unternehmen im Register geführt wird. Die Eintragungen sind vor allem für Unternehmen, die von der Vergabe öffentlicher Aufträge abhängig sind, bei der Bewerbung um neue Aufträge nachteilig.635 Neben dem Gewerbezentralregister finden sich auf Landesebene zum Teil sogenannte Korruptionsregister, in die Unternehmen eingetragen werden können, wenn eine unternehmensbezogene Straftat im Bereich der Korruptionsdelikte vorliegt.636 Aufgrund der nur sehr beschränkten Möglichkeiten, in die Register Einsicht zu nehmen, stellen diese wie das Gewerbezentralregister aber als Rechtsfolge keine wirkliche Publizitätssanktion dar. Weitergehende Bestrebungen auf Bundesebene, z.B. für Verurteilungen bei Submissionsabsprachen nach § 298 StGB ein zentrales öffentliches Register der Verurteilungen anzulegen, wurden bislang nicht umgesetzt.637 ____________ 630 Dannecker/Biermann, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, Bd. 2, vor § 81 Rn. 271 ff.; Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT, Rn. 291; siehe auch bereits ders., Kartellrechtsverstöße, S. 34 ff.; sowie Heyser, Publizität, S. 5 ff. 631 Vgl. BGHZ 27, 338 (342) sowie die Entscheidungen des LG und OLG Düsseldorf im Fall Mannesmann bei Neuling, StV 2006, 332 ff. 632 Dannecker/Biermann, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, Bd. 2, vor § 81 Rn. 273; Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT, Rn. 291. 633 Vgl. zum Gewerbezentralregister näher unten S. 492 ff. 634 Vgl. § 150a GewO. 635 Vgl. Wehnert, StV 2002, 219 (221). 636 Vgl. die Übersicht bei Kirch-Heim, Sanktionen, S. 31. 637 Vgl. BT-Drs. 14/9356 (Entwurf eines § 126a GWB) sowie BR-Drs. 719/02; vgl. dazu Battis/Bultmann, ZRP 2003, 152 ff. Siehe auch Pietzcker, in: v. Arnim (Hrsg.), Korruption, S. 159 ff.
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II. Zivilrechtliche Sanktionen Ein Unternehmen ist nach zivilrechtlichen Grundsätzen sowohl vertraglich als auch deliktisch verantwortlich, soweit es seiner Struktur nach zumindest Teilrechtsfähigkeit besitzt. Mit der Anerkennung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts als teilrechtsfähig durch den BGH im Jahr 2001 (BGHZ 146, 341) sind die allermeisten Unternehmen nunmehr zivilrechtlich selbst verantwortlich, ohne dass zwingend Rekurs auf die Anteilseigner genommen werden muss. Unternehmen haben für fahrlässiges und vorsätzliches Verhalten ihrer handlungsberechtigten Organe einzustehen und ggf. vertraglich oder deliktisch nach § 823 BGB Schadensersatz zu leisten.638 In Bezug auf straf- oder ordnungswidrigkeitenrechtliche Verstöße der Mitarbeiter ist § 823 Abs. 2 BGB die zentrale Norm deliktischer Verantwortlichkeit, da sie allein an der Verletzung eines Schutzgesetzes (z.B. in Form von Straf- oder Ordnungswidrigkeittatbeständen) anknüpft. Daneben kann eine Haftung für den Verrichtungsgehilfen aus § 831 BGB infrage kommen.639 Voraussetzung einer Verantwortlichkeit ist allerdings grundsätzlich, dass ein Schaden entstanden ist. Dieser ist bei betroffenen Individualgütern (z.B. Gesundheit und Eigentum) vielfach durch die tatbestandliche Handlung gegeben, teilweise auch Voraussetzung für die Erfüllung des Tatbestands. Ein konkret messbarer Schaden dürfte dagegen bei der Verletzung von straf- und ordnungswidrigkeitenrechtlichen Normen, die allein dem Schutz überindividueller Rechtsgüter dienen, vielfach nicht gegeben sein. Liegen ein Schaden und die übrigen Voraussetzungen vor, hat das Unternehmen Schadensersatz bzw. Entschädigung zu leisten. Neben der Verpflichtung zum Schadensersatz kann vor allem der Rückforderungsausschluss bei sittenwidrig geleisteten Zahlungen nach § 817 Satz 2 BGB eine finanzielle Belastung für das Unternehmen darstellen.640 Auch wenn die Norm nicht unmittelbar eine Sanktion auferlegt, so ist doch die Struktur dem Verfall nicht unähnlich. Daher betrachtet vor allem die Rechtsprechung § 817 Satz 2 BGB als einzige Norm des Zivilrechts, der ein strafender Charakter innewohnt.641 ____________ 638 Zurechnungsnorm ist hierbei zumeist § 31 BGB, alternativ wird bei vertraglichen Schadensersatzansprüchen zum Teil § 278 BGB herangezogen, ohne dass sich hierdurch ein substantieller Unterschied ergibt. Vgl. nur Flume, Juristische Person, § 11 III 5; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 10 IV 3, sowie BGH, NJW 1977, 2259. 639 Im Einzelnen ist das Verhältnis zwischen § 823 und § 831 BGB ungeklärt; vgl. näher m.w.N. Jauernig-Teichmann, BGB, § 823 Rn. 32; § 831 Rn. 4; MK-BGB-Wagner, § 831 Rn. 2. Unterschiede ergeben sich dabei vor allem bei der Zurechnung des Mitarbeiterverhaltens (die bei § 823 i.V.m. § 31 BGB auf vertretungsberechtigte Organe begrenzt ist, bei § 831 BGB alle weisungsabhängigen Mitarbeiter erfasst) bzw. der haftungsauslösenden Handlung (direktes Abstellen auf das Handeln der Mitarbeiter oder die unterlassene Organisation/Überwachung) und vor allem in Bezug auf Fragen der Beweislast einschließlich möglicher Entlastungsmöglichkeiten (so sieht § 831 BGB grundsätzlich eine Entlastung durch sorgfältige Auswahl vor, § 823 BGB dagegen nicht). 640 Vgl. Kappel/Kienle, WM 2007, 1441 (1444 f.) im Kontext von Schmiergeldzahlungen durch Unternehmen. 641 BGHZ 39, 87 (91); wie bereits auch das RG, vgl. RGZ 99, 161 (167); 161, 52 (58).
§ 11 Die Sanktionsbemessung der Unternehmensgeldbuße Nach dem Blick auf die möglichen Maßnahmen gegen Unternehmen und insbesondere die Voraussetzungen einer Verantwortlichkeit wird im Folgenden näher auf die Sanktionsbemessung der Unternehmensgeldbuße nach § 30 OWiG als der zentralen Sanktionsnorm näher eingegangen. Aufgrund der vorliegend beschränkten Fragestellung wird nicht noch einmal und somit auch nicht vertiefend auf die anderen bereits genannten Institute eingegangen, die neben der Geldbuße ein Vorgehen gegen das Unternehmen ermöglichen (also insbesondere den Verfall und die Einziehung). Insoweit sei auf die vorangegangene Darstellung verwiesen.1 A. Gesetzliche Grundsätze der Sanktionsbemessung I. Eckpunkte der Sanktionsbemessung Liegen die Voraussetzungen des § 30 OWiG vor, so kann eine Geldbuße gegen das Unternehmen verhängt werden. Eine andere Sanktion ist, wie grundsätzlich im übrigen Ordnungswidrigkeitenrecht auch, nicht vorgesehen. Das Ordnungswidrigkeitengesetz sieht für die Unternehmensgeldbuße einige Eckpunkte der Sanktionsbemessung vor. So bestimmt § 30 Abs. 2 OWiG, dass sich der Höchstbetrag der Unternehmensgeldbuße nach der Art der Anknüpfungstat (Straftat oder Ordnungswidrigkeit) richtet, eine Unterscheidung, die sich auch im Verfahren widerspiegelt.2 Darüber hinaus wird zwischen vorsätzlicher und fahrlässiger Begehung differenziert. Für vorsätzlich begangene Straftaten ist ein Höchstbetrag von 1 Mio., für Fahrlässigkeitstaten in Höhe von 500.000 Euro vorgesehen. Bei der Anknüpfung an Ordnungswidrigkeiten gilt der Höchstbetrag, den der jeweilige Ordnungswidrigkeitentatbestand vorsieht. Entsprechend § 17 Abs. 2 OWiG ist für fahrlässig begangene Ordnungswidrigkeiten die Hälfte des angedrohten Höchstbetrags anzusetzen, soweit der jeweilige Tatbestand bezüglich der Geldbuße nicht zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit unterscheidet.3 II. Straftat und Ordnungswidrigkeit als Anknüpfungstat Eine Besonderheit besteht in den Fällen, in denen als Anknüpfungstat sowohl eine Straftat als auch eine Ordnungswidrigkeit infrage kommt. Hier ist die Ordnungswidrigkeit zwar im Grundsatz subsidiär zur Straftat, sodass an der Straftat anzuknüpfen ist. Gemäß § 30 Abs. 2 Satz 3 OWiG kann sich die Höhe der Unter____________ 1 Aus darstellerischen Gründen wurden oben bei den neben der Geldbuße nur im Überblick genannten Maßnahmen bereits Voraussetzungen der Verantwortlichkeit und Rechtsfolgen zusammen behandelt. 2 Vgl. unten § 12 Verfahrensrechtliche Aspekte der Unternehmensgeldbuße. 3 Vgl. KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 114.
§ 11 Die Sanktionsbemessung der Unternehmensgeldbuße
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nehmensgeldbuße jedoch dann nach der Ordnungswidrigkeit richten, wenn diese eine höhere Geldbuße vorsieht als die Straftat (mit ihrem Höchstwert von 500.000 bzw. 1 Mio. Euro). Bedeutung kommt dieser Ausnahme vor allem im Kartellrecht,4 aber auch im Wertpapierhandelsrecht zu.5 III. Entzug erlangter Vorteile Gemäß § 30 Abs. 3 OWiG, der auf § 17 Abs. 4 OWiG verweist, soll die Geldbuße den aus der Tat erlangten Vorteil übersteigen. Dabei kann der gesetzliche Höchstrahmen der Geldbuße (also die in § 30 Abs. 2 OWiG genannten Höchstbeträge) überschritten werden, wenn das gesetzliche Höchstmaß nicht ausreicht. Diese Regelung ist der Bemessung der Geldstrafe nachgebildet, wie sie bis zur Einführung des Tagessatzsystems im StGB bestand.6 IV. Verweis auf § 17 Abs. 3 OWiG Über diese Regelungen hinaus stellt § 30 OWiG keine näheren Vorgaben auf. Damit fehlt insbesondere ein Verweis auf die allgemeine Regelung in § 17 Abs. 3 OWiG, nach der die Geldbuße nach der Bedeutung der Ordnungswidrigkeit, dem Vorwurf, der den Täter trifft, und nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des Täters bemessen werden soll.7 Umstritten ist insoweit, ob die Regelung dennoch heranzuziehen ist. Dies wird aufgrund der gesetzgeberischen Auslassung zum Teil abgelehnt, wobei diese Ansicht zumeist aber materiell die Kriterien der Regelung als allgemeine Zumessungsgrundsätze zugrunde legt.8 Die gesetzgeberische Entscheidung ist in der Tat nicht klar nachvollziehbar, verwundert aber angesichts der dogmatisch wenig gelungenen Konstruktion des § 30 OWiG an dieser Stelle auch nicht mehr. Insgesamt bestehen jedoch keine Bedenken, mit der herrschenden Ansicht die eher allgemein gehaltenen Kriterien des § 17 Abs. 3 OWiG unmittelbar9 auch für die Unternehmensgeldbuße heranzuziehen.10 Denn die Kriterien bedürfen ____________ 4 Vgl. Dannecker/Biermann, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, Bd. 2, § 81 Rn. 324; Göhler-Gürtler, OWiG, § 30 Rn. 36; KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 129. 5 Vgl. das Beispiel bei Mitsch, OWi, § 16 Rn. 14. 6 Vgl. § 27c Abs. 2, 3 StGB a.F. 7 Auch die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse war in § 27c Abs. 1 StGB a.F. vorgesehen. 8 Vgl. Göhler-Gürtler, OWiG, § 30 Rn. 36a; Korte, NStZ 2001, 582 (584). 9 Da § 30 OWiG zumindest auch einen eigenständigen Bußgeldtatbestand darstellt (siehe oben S. 379), bedarf es keiner analogen Anwendung. Angesichts dessen, dass auf § 30 OWiG jedoch nicht alle Vorschriften des Allgemeinen Teils anwendbar sind, wäre ein expliziter Hinweis allerdings vorteilhaft. 10 BGH, wistra 1991, 268 f.; Brender, Verbandstäterschaft, S. 156 f.; Dannecker/Biermann, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, Bd. 2, § 81 Rn. 392; KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 115; Mitsch, OWi, § 16 Rn. 15; Müller, Ordnungswidrigkeitenrecht, S. 82;
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3. Kapitel: Deutsches Recht
ohnehin einer Transformation auf das Wesen der Unternehmensgeldbuße,11 worin sich denn auch im Einzelnen die wahren Streitpunkte offenbaren.12 An dieser Stelle lässt sich somit zunächst festhalten, dass sich die Unternehmensgeldbuße des § 30 OWiG vor allem nach der Bedeutung der Ordnungswidrigkeit, dem Vorwurf gegenüber dem Täter und dessen wirtschaftlichen Verhältnissen bestimmt. Konkretere Vorgaben sieht das Gesetz insoweit nicht vor. Eine Ausnahme besteht allerdings im Kartellordnungswidrigkeitenrecht. Hier hat insbesondere die 7. GWB-Novelle von 2005 zu einer eigenständigen Gestaltung der Bußgeldregelungen in § 81 Abs. 4 bis 7 GWB geführt.13 Das Gesetz sieht in § 81 Abs. 4 Satz 1 GWB zunächst einen Höchstbetrag von 1 Mio. Euro für schwerwiegende Kartellverstöße vor, jedoch kann nach § 81 Abs. 4 Satz 2 GWB ähnlich wie im europäischen Recht gegen Unternehmen auch ein Betrag von bis zu 10 % des Gesamtumsatzes des letzten Geschäftsjahres verhängt werden. § 81 Abs. 4 Satz 4 GWB enthält eine eigene (wiederum aus dem europäischen Recht entlehnte) Bußgeldbemessungsregel, nach der sich die Höhe der Geldbuße nach der Schwere der Zuwiderhandlung und nach deren Dauer richtet. § 81 Abs. 5 GWB verweist wie § 30 Abs. 3 OWiG auf § 17 Abs. 4 OWiG, stellt die Abschöpfung des Vorteils aber explizit in das Ermessen der Behörde („kann“, bei § 17 Abs. 4 OWiG: „soll“). Neu eingefügt wurde in § 81 Abs. 6 GWB, dass festgesetzte Geldbußen gegen Unternehmen zu verzinsen sind. Zusätzlich wurde das Bundeskartellamt in § 81 Abs. 7 GBW ermächtigt, ergänzende Regelungen zu erlassen. Das Amt hat von dieser Möglichkeit ergänzender Regelungen Gebrauch gemacht und Richtlinien zur Bußgeldbemessung14 sowie zu Bonusregelungen für die im Kartellrecht inzwischen übliche Kronzeugenpraxis15 erlassen. Die Bußgeldrichtlinien sehen vor, dass zunächst ein Grundbetrag ermittelt wird, der in einem zweiten Schritt durch verschiedene Faktoren angepasst wird. Der Grundbetrag bezieht die Schwere und die Dauer des Verstoßes ein, wobei ein tatbezogener Umsatz für die Zeit des Verstoßes berechnet oder geschätzt wird und verschiedene Faktoren wie die Art der Zuwiderhandlung, Auswirkungen auf den Markt, Marktposition etc. berücksichtigt werden. Für fahrlässige Verstöße wird der errechnete Grundbetrag wie bei § 17 Abs. 2 OWiG halbiert. Bei der nachfolgenden Anpassung kann der Grundbetrag aus Abschreckungsgründen maximal verdoppelt werden. Neben der Abschreckung nennt die Richtlinie eine Reihe von Faktoren, die die Geldbuße erhöhen können, wobei das Vorliegen besonderer subjektiver Voraussetzungen, Wiederholungstaten und eine aktive Rolle bei der Tatbegehung aufgezählt werden. Unklar ist allerdings wie sich diese Faktoren zur Berücksichtigung der Abschreckung verhalten sollen.16 Gesenkt werden kann die Geldbuße durch ein positives Nachtatverhalten, die bloß passive Beteiligung an der Tat und die Billigung der Tat durch Behörden oder Vorschriften.
____________ Wegner, wistra 2000, 361 (362); Wieser, OWiG, § 30 Nr. 9.2; so wohl auch OLG Hamm, wistra 2000, 393 (395); Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, § 30 Rn. 43. 11 KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 115. 12 Vgl. dazu näher unten unter B. Ablauf der Sanktionsbemessung. 13 Vgl. zu den Neuregelungen Dannecker/Biermann, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, Bd. 2, vor § 81 Rn. 12 ff. 14 Vgl. BKartA, Bekanntmachung Nr. 38/2006 vom 15.9.2006, abgedruckt in NJW 2006, 3544; dazu Bach/Klumpp, NJW 2006, 3524 ff. 15 Vgl. BKartA, Bekanntmachung Nr. 9/2006 vom 7.3.2006. 16 Krit. daher Bach/Klumpp, NJW 2006, 3524 (3528).
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B. Ablauf der Sanktionsbemessung Die eigentliche Sanktionsbemessung erfolgt in mehreren Schritten.17 Zunächst wird der Bußgeldrahmen ermittelt. Sodann wird der ahndende Teil des Bußgelds festgelegt. Im letzten Schritt wird der die Vorteile der Tat abschöpfende Teil bestimmt. Die Trennung zwischen Ahndung und Abschöpfung empfiehlt sich vor allem wegen der unterschiedlichen jeweils anwendbaren Normen und der damit verbundenen rechtlichen Probleme. So ist beispielsweise allein der ahndende Teil der Ordnungswidrigkeit steuerlich nicht als Betriebsausgabe abzugsfähig.18 I. Bußgeldrahmen Weitgehend unproblematisch ist der Bußgeldrahmen zu ermitteln. Die Höchstgrenzen ergeben sich differenziert nach Art der Anknüpfungstat aus § 30 Abs. 2 OWiG.19 Bei fahrlässiger Begehung einer Ordnungswidrigkeit ist § 17 Abs. 2 OWiG zu beachten und der halbe Höchstbetrag anzusetzen. Eine Besonderheit ergibt sich aus § 17 Abs. 4 OWiG, wonach die Geldbuße auch Abschöpfungsfunktion hat und daher ggf. die Höchstgrenze (des nach § 30 Abs. 2 OWiG bestimmten Betrags) überschreiten darf. Als maximal zulässiger Höchstbetrag ergibt sich daher der nach § 30 Abs. 2 OWiG ermittelte Betrag zuzüglich des erlangten wirtschaftlichen Vorteils.20 Entgegen dem von § 30 OWiG vermittelten ersten Eindruck besteht in dieser Hinsicht eine nach oben offene Grenze. Als untere Grenze kann man § 17 Abs. 1 OWiG heranziehen, sodass die Mindestgeldbuße bei fünf Euro liegt;21 diese wird im Unternehmenskontext jedoch kaum praktische Relevanz haben. II. Ahndung Nach Ermittlung des Bußgeldrahmens wird der Bußgeldanteil für die Ahndung festgelegt. Dessen Bemessung ist nicht unproblematisch. Er dient, wie der Name bereits ausdrückt, der Sanktionierung allein für die Tatsache des begangenen Rechtsverstoßes, ist also primär repressiver Natur. Wie bereits festgestellt, ist die Geldbuße entsprechend § 17 Abs. 3 OWiG nach der Bedeutung der Ordnungswidrigkeit, dem Vorwurf gegenüber dem Täter und dessen wirtschaftlichen Verhältnissen zu bestimmen. ____________ Vgl. zum Vorgehen auch Wegner, wistra 2000, 361 (362). Vgl. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 Satz 1 EStG); anders aber der über den Ahndungsteil hinausgehende Betrag, soweit bei diesem nicht bereits Steuern und Abgaben abgezogen wurden (§ 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 8 S. 4 EStG). Vgl. zu den zahlreichen umstrittenen Einzelfragen Achenbach, BB 2000, 1116 ff.; siehe auch Bergmann, DB 1981, 2572 ff. Soweit der Abschöpfungsteil nicht erkennbar ist, kann dieser durch Schätzung ermittelt werden, vgl. Niedersächsisches Finanzgericht, EFG 2006, 1737 ff. 19 Vgl. bereits oben unter A. Gesetzliche Grundsätze der Sanktionsbemessung. 20 Vgl. Göhler-Gürtler, OWiG, § 17 Rn. 50; KK-OWiG-Mitsch, § 17 Rn. 140; Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, § 17 Rn. 56. 21 BGH, wistra 1991, 268. 17
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1. Bedeutung der Ordnungswidrigkeit Umstritten ist, was unter „Bedeutung der Ordnungswidrigkeit“ und dem „Vorwurf gegenüber dem Täter“ zu verstehen ist. Sind hierbei allein die Bedeutung der Anknüpfungstat und der Vorwurf gegenüber dem handelnden Unternehmensmitarbeiter gemeint? So wird es jedenfalls zum Teil verstanden,22 wobei diese Auslegung auch den historischen Willen des Gesetzgebers für sich reklamiert.23 Richtig wäre die Auslegung allerdings nur, wenn sich § 30 OWiG allein in der Anknüpfung an die Individualtat erschöpfen würde. Dies ist aber gerade nicht der Fall, da mehrere unternehmensbezogene Elemente hinzutreten. Auch die Ansichten, die sich allein an der Anknüpfungstat orientieren, verzichten jedoch (inkonsequenterweise) nicht auf die unternehmensbezogenen Aspekte, sondern beziehen den „kollektiven Sinnbezug“ mit ein.24 So besteht zumindest im Ergebnis Einigkeit, dass sich eine allgemeine Duldung von Rechtsübertretungen (z.B. Bestechungen zur Auftragserlangung) im Unternehmen erschwerend bei der Unternehmensgeldbuße auszuwirken hat.25 Dieser Umstand ist im Regelfall aber gerade ein Milderungsgrund, wenn man die Schuld des Individualtäters betrachtet. Das Beispiel zeigt, dass die Berücksichtigung der Anknüpfungstat nur ein Teilaspekt der Sanktionsbemessung sein kann. Auch die Möglichkeit der „anonymen Geldbuße“ mit Verzicht auf den Nachweis eines konkreten individuellen Täters zeigt, dass die Anknüpfungstat nicht allein im Mittelpunkt der Sanktionsbemessung stehen kann, sondern maßgeblich das Unternehmen selbst einzubeziehen ist.26 Richtigerweise wird man daher den Begriff „Bedeutung der Ordnungswidrigkeit“ von § 17 Abs. 3 OWiG mit „Bedeutung der Ordnungswidrigkeit des § 30 OWiG“ zu verstehen haben, wobei der Anknüpfungstat Gewicht als Teil des § 30 OWiG zukommt. Der „Vorwurf, der den Täter trifft“ ist somit entsprechend als Vorwurf gegen das Unternehmen zu verstehen, wobei der Vorwurf gegen den Individualtäter der Anknüpfungstat einen Teil des Vorwurfs gegen das Unternehmen ausmacht. Diese Lösung entspricht der Doppelnatur des § 30 OWiG als Zurechnungsnorm und spezifische Unternehmensverantwortlichkeit. Es ist also zu beurteilen, wie sich die Anknüpfungstat im Unternehmenskontext darstellt.27 Hierbei geht ____________ 22 So dezidiert KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 115 ff.; Pampel, BB 2007, 1636 (1638); vgl. auch Müller, Ordnungswidrigkeitenrecht, S. 82; Rotberg, OWiG, § 30 Rn. 11; Schall/Schreibauer, NuR 1996, 440 (446). In diese Richtung wohl auch BGH, NStZ-RR 2008, 13 (15). 23 Vgl. BT-Drs. V/1269, S. 62, die allerdings nur von der Bewertung der vom Vertreter begangenen Tat spricht und dabei offen lässt, wie die Bewertung zu erfolgen hat. Insoweit ist das historische Argument nicht allzu stark. 24 Vgl. KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 116; Müller, Ordnungswidrigkeitenrecht, S. 82 f. 25 Vgl. nur KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 116, 118. 26 Darauf weist Wegner, wistra 2000, 361 (363) zutreffend hin. 27 Ähnlich Brender, Verbandstäterschaft, S. 157 f.; Göhler-Gürtler, OWiG, § 30 Rn. 36a; Mitsch, OWi, § 16 Rn. 15; Pohl-Sichtermann, Geldbuße, S. 171 f.; Poller, Ver-
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es keineswegs darum, eine generelle Bewertung der Unternehmenskultur vorzunehmen, sondern darum, festzustellen, wie sich das Unternehmensumfeld konkret bei der Begehung der Anknüpfungstat ausgewirkt hat. Die Unternehmenskultur kann dabei ein zu berücksichtigendes Element sein, das z.B. die Hemmschwelle zur Tatbegehung seitens des Mitarbeiters durch eine allgemeine Billigung rechtswidriger Handlungen im Unternehmen gesenkt hat. Eine starke Beeinflussung der Tat durch Unternehmensvorgaben kann sich hier erschwerend auswirken, während bei einer vom Unternehmen losgelösten individuellen Motivation des Mitarbeiters eine Milderung in Betracht zu ziehen ist. 2. Bestimmung der Bedeutung der Ordnungswidrigkeit Für eine sachgerechte Beurteilung ist zunächst die Bedeutung der Ordnungswidrigkeit zu bestimmen, also inwieweit die Tat des § 30 OWiG die Rechtsordnung in einem bestimmten Sachbereich objektiv erheblich beeinträchtigt hat.28 Sodann ist der Vorwurf, den das Unternehmen trifft, zu untersuchen.29 Im Einzelnen können z.B. folgende Umstände berücksichtigt werden:30 objektives Unrecht (der Individualtat im Unternehmenskontext), Bedeutung der verletzten Pflichten, Dauer, Folgen der Tat, Schwere des Schadens, Wiederholungsfall. In Anlehnung an die Richtlinien des BKartA für Kartellsanktionen können auch die aktive oder passive Rolle des Unternehmens, das Nachtatverhalten oder die Förderung der Zuwiderhandlung durch staatliche Behörden berücksichtigt werden.31 Eine Sanktion, die gegen den Täter der Anknüpfungstat verhängt wird, kann ebenfalls berücksichtigt werden, wenn damit das Ziel einer insgesamt angemessenen und aufeinander abgestimmten Sanktionsbemessung erreicht werden soll.32 In der Praxis von besonderer Bedeutung wird häufig das Nachtatverhalten des Unternehmens sein, wenn die Sachlage kompliziert ist und den Ermittlungsbehörden nur begrenzte Ressourcen zur Verfügung stehen. Eine Kooperation des Unternehmens, die eine schnelle Klärung des Sachverhalts ermöglicht, wird man dabei, wie bereits vom BKartA im Rahmen der Kronzeugenregelungen vorgesehen, strafmildernd berücksichtigen können.33 ___________ bandsgeldbuße, S. 71 f.; Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, § 30 Rn. 43; Sieber, FS-Tiedemann, S. 449 (471 f.); Wegner, wistra 2000, 361 (363); ders., Zumessung, S. 91 f. 28 Vgl. auch Brender, Verbandstäterschaft, S. 157, der sich allerdings allein auf die Anknüpfungstat bezieht. 29 Für eine klare Trennung der beiden Kategorien auch Brender, Verbandstäterschaft, S. 157 f.; KK-OWiG-Mitsch, § 17 Rn. 51. 30 Vgl. auch KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 116; Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, § 30 Rn. 43; Wieser, OWiG, § 30 Nr. 9.2. Siehe zudem die weitgehend auch heranziehbaren Kriterien für natürliche Personen bei KK-OWiG-Mitsch, § 17 Rn. 38 ff., 54 ff. 31 Vgl. die Richtlinie in Anm. 14. 32 Vgl. KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 116. 33 Vgl. zur Kronzeugenrichtlinie bereits oben S. 432; zur weitergehenden Frage eines Absehens von der Sanktion siehe unten S. 463.
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3. Wirtschaftliche Verhältnisse Neben diesen vorgenannten Kriterien bilden die wirtschaftlichen Verhältnisse, die in § 17 Abs. 3 Satz 2 OWiG explizit angeführt werden, ein weiteres Kriterium, nach dem sich die Sanktion zu bemessen hat. Dieses Kriterium scheidet nur bei geringfügigen Ordnungswidrigkeiten aus.34 Dabei wird unstreitig – auch von den Vertretern, die sonst an die Individualtat anknüpfen35 – davon ausgegangen, dass es sich um die wirtschaftlichen Verhältnisse des Unternehmens handelt.36 An diesem Punkt wird besonders deutlich, dass sich die Sanktion nach der Bewertung der Person und der Rolle des Unternehmens richtet, abgesehen davon, dass eine Orientierung an den wirtschaftlichen Verhältnissen des Mitarbeiters kriminalpolitisch wenig sinnvoll wäre. III. Abschöpfung Der Geldbuße kommt neben der Ahndung auch die Funktion der Abschöpfung der Vorteile der Tat zu.37 Rechtsverstöße sollen sich wirtschaftlich nicht lohnen, sodass vorhandene Gewinne aus der Tat wieder entzogen werden können. Daher verweist § 30 Abs. 3 OWiG klarstellend auf § 17 Abs. 4 OWiG, der allgemein für Bußgelder eine Abschöpfung ermöglicht. § 17 Abs. 4 OWiG spricht davon, dass die Geldbuße die wirtschaftlichen Vorteile aus der Tat übersteigen „soll“. Eine Abschöpfung stellt somit den Regelfall dar.38 Bezüglich der Höhe der Geldbuße wird zudem zutreffend daraus abgeleitet, dass der wirtschaftliche Vorteil die untere Grenze der Geldbuße markiert.39 Einigkeit besteht darin, dass die Vorteile abgeschöpft werden, die dem Unternehmen zugeflossen sind, und nicht die Vorteile, die der handelnde Mitarbeiter erhalten hat.40 Letztere wären ohnehin nur im Ausnahmefall von größerer wirtschaftlicher Bedeutung.41 Auch hier zeigt sich die starke ____________ 34 Als geringfügig i.S.v. § 17 Abs. 3 Satz 2 OWiG zählt ein Betrag von derzeit maximal 250 Euro, der bei einer Geldbuße gegen Unternehmen somit kaum eine Rolle spielen wird. Vgl. zur strittigen Frage der Geringfügigkeit Bohnert, OWiG, § 17 Rn. 22; Göhler-Gürtler, OWiG, § 17 Rn. 23 f. 35 Ein Argument für diese Unterscheidung bleibt z.B. KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 115, 119 schuldig. 36 Vgl. OLG Hamm, wistra 2000, 393; 433; Brender, Verbandstäterschaft, S. 158 f.; Göhler-Gürtler, OWiG, § 30 Rn. 36a; Lemke/Mosbacher, OWiG, § 30 Rn. 63; Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, § 30 Rn. 43; Wieser, OWiG, § 30 Nr. 9.2. 37 Vgl. auch bereits oben S. 374. 38 Brenner, NStZ 1998, 557. 39 BGH NJW 1975, 269 (270); OLG Karlsruhe NJW 1974, 1883; 1975, 793; OLG Hamm MDR 1979, 870; Brenner, NStZ 1998, 557; KK-OWiG-Mitsch, § 17 Rn. 111. 40 Vgl. Brender, Verbandstäterschaft, S. 159; Müller, Ordnungswidrigkeitenrecht, S. 83; KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 119. 41 Soweit sie wie bspw. bei Bestechungsdelikten vorhanden sind, können sie natürlich bereits bei einem Vorgehen gegen den Mitarbeiter durch Verfall oder Einziehung abgeschöpft werden.
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unternehmensbezogene Struktur des § 30 OWiG. Soweit die erlangten Vorteile die Höhe der Geldbuße übersteigen, kann der Höchstrahmen der Geldbuße überschritten werden (§ 17 Abs. 4 Satz 2 OWiG). Es kann daher auch eine deutlich über der Ahndungsgrenze von 1 Mio. Euro liegende Geldbuße verhängt werden. 1. Bruttoprinzip Im Einzelnen bereitet allerdings die genaue Bestimmung des wirtschaftlichen Vorteils Probleme, da der Begriff im Gesetz nicht näher konkretisiert wird. Von zentraler Bedeutung ist, ob von einer Netto- oder einer Bruttoberechnung ausgegangen wird. Beim Bruttoprinzip wird als Vorteil im Wesentlichen das zugrunde gelegt, was tatsächlich zugeflossen ist oder erspart wurde. Beim Nettoprinzip werden dagegen Aufwendungen abgezogen, die im Rahmen der Tat vorgenommen wurden, sodass eine Art Gewinn- und Verlustrechnung aufgestellt wird. Bei den Verfallsvorschriften der §§ 73 StGB, 29a OWiG wurde früher das Nettoprinzip zugrunde gelegt, heute aber das Bruttoprinzip angewandt.42 Allerdings wurde bei diesen Vorschriften die Formulierung „Vermögensvorteil“ durch das Wort „etwas“ ersetzt, um gerade die Verankerung des Bruttoprinzips deutlich zu machen.43 Da diese Änderung bei § 17 Abs. 4 OWiG nicht erfolgt ist, wird allgemein angenommen, dass das Nettoprinzip noch Geltung besitzt.44 Für die Nettolösung wird häufig der Wortlaut angeführt, wobei allerdings allein der Begriff „Vorteil“ für sich noch nicht klarmacht, ob nur das unmittelbar Erlangte gemeint ist oder ob eine Saldierung erfolgen soll. Das sprachliche Gegenstück („Nachteil“) spricht jedoch eher dafür, im Vorteil nur die positiven Aspekte berücksichtigt zu sehen. Die Untätigkeit des Gesetzgebers beruht dagegen weniger auf einem bewussten Festhalten am Nettoprinzip als darauf, dass er eine Änderung des Wortlauts für entbehrlich gehalten hat.45 Systematisch steht die Nettolösung zudem im Widerspruch zur Anwendung des Bruttoprinzips bei §§ 73 StGB, 29a OWiG.46 Soweit der ahndende Teil der Geldbuße nicht allzu hoch ist, könnte es allein aufgrund des Berechnungsmodus für das Unternehmen günstiger sein, eine Geldbuße nach § 30 OWiG zu erhalten (die eine zusätzliche Verfallsanordnung ausschließt), als wenn ____________ 42 Vgl. Sch/Sch-Eser, vor § 73 Rn. 2a; zu § 73 StGB siehe bereits oben S. 337 sowie zu § 29a OWiG S. 420. 43 Vgl. BT-Drs. 11/6623, S. 13 sowie Poller, Verbandsgeldbuße, S. 82 f. 44 Vgl. Bohnert, OWiG, § 30 Rn. 42; KK-OWiG-Mitsch, § 17 Rn. 117 ff.; KK-OWiGRogall, § 30 Rn. 122; Lemke/Mosbacher, OWiG, § 30 Rn. 65; Poller, Verbandsgeldbuße, S. 83 ff.; Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, § 30 Rn. 45; Wegner, NJW 2001, 1979 sowie bereits Brender, Verbandstäterschaft, S. 162; Müller, Ordnungswidrigkeitenrecht, S. 83 f.; diff. allerdings Müther, Vorteilsabschöpfung, S. 60 ff.; bereits für das Bruttoprinzip Göhler-Gürtler, OWiG, § 17 Rn. 38a. 45 Vgl. BT-Drs. 11/6623, S. 13; siehe auch Göhler-Gürtler, OWiG, § 17 Rn. 38a. 46 Dies wird auch allgemein bemängelt, vgl. nur Brenner, NStZ 2004, 256 ff.; KKOWiG-Rogall, § 30 Rn. 122.
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der Verfall gegen das Unternehmen angeordnet wird. Es wäre daher zum Teil günstiger, die Tat nachgewiesen zu bekommen, als als Drittbeteiligter „nur“ dem Verfall zu unterliegen.47 Damit würde die Sanktion die mildere Maßnahme gegenüber der im Grundsatz nur als nicht pönal eingestuften Verfallsvorschrift darstellen. Ein Übergang zum Bruttoprinzip ist deshalb schon unter dem Gedanken der Einheit der Rechtsordnung erwägenswert. Dieser wäre im Rahmen des § 30 OWiG auch weniger problematisch als bei den reinen Verfallsvorschriften, da § 30 OWiG als Sanktionsvorschrift gerade pönale Funktion hat und das Bruttoprinzip, aufgrund dessen zahlreiche Stimmen dem Verfall inzwischen Sanktionscharakter zumessen,48 keinen Fremdkörper darstellen würde.49 Insoweit ist bei § 30 OWiG das Bruttoprinzip anzuwenden. 2. Begriff des Vorteils Der Begriff des Vorteils wird grundsätzlich weit ausgelegt.50 Als Vorteil kommen zunächst ein unmittelbarer Gewinn oder ein erhaltenes Tatentgelt infrage. Darüber hinaus wird aber auch praktisch jede wirtschaftliche Günstigerstellung einbezogen, wie z.B. ersparte Aufwendungen, Gebrauchsvorteile, Verbesserung der Marktposition etc.51 Umstritten ist, ob auch mittelbare Vorteile einbezogen sind, wie z.B. Zinserträge aus ersparten Aufwendungen. Dies wird teilweise abgelehnt.52 Jedoch würden an dieser Stelle wiederum Diskrepanzen zu den strafrechtlichen Verfallsvorschriften entstehen, die in §§ 73 Abs. 2, 73a StGB derartige Vorteile miteinbeziehen. Mit der herrschenden Ansicht, die an dieser Stelle nicht ganz widerspruchsfrei zur Argumentation beim Nettoprinzip die Notwendigkeit einer einheitlichen Auslegung wählt, ist somit auch bei § 30 OWiG innerhalb der von §§ 73, 73a StGB gezogenen Grenzen von einer Einbeziehung mittelbarer Vorteile auszugehen.53 Soweit möglich, sollte eine genaue Berechnung des Vorteils erfolgen, ____________ Vgl. auch Brenner, NStZ 2004, 256 (257 f.). Die Rechtsprechung teilt diese Einschätzung allerdings nicht, vgl. zu dieser Frage bereits oben S. 341. 49 Vgl. i.E. ebenso Brenner, NStZ 2004, 256 (259); Göhler-Gürtler, OWiG, § 17 Rn. 38a; siehe auch Poller, Verbandsgeldbuße, S. 85, der jedoch wegen der gesetzgeberischen Untätigkeit ebenfalls das Nettoprinzip befürwortet. 50 Vgl. KK-OWiG-Mitsch, § 17 Rn. 113; Wegner, wistra 2000, 361 (364). 51 Vgl. Brenner, NStZ 1998, 557; Drathjer, Abschöpfung, S. 62 ff.; Göhler-Gürtler, OWiG, § 17 Rn. 40; KK-OWiG-Mitsch, § 17 Rn. 119; Müther, Vorteilsabschöpfung, S. 52 ff.; Poller, Verbandsgeldbuße, S. 82 f.; Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, § 17 Rn. 47 f.; Wegner, Zumessung, S. 96 f. 52 Göhler (bis 13. Aufl.), OWiG, § 17 Rn. 44; Rotberg, OWiG, § 17 Rn. 13; Schroth, wistra 1986, 158 (160). 53 Vgl. Brender, Verbandstäterschaft, S. 160 f.; Drathjer, Abschöpfung, S. 84 ff.; Göhler-Gürtler, OWiG, § 17 Rn. 39b; Müller, Ordnungswidrigkeitenrecht, S. 87; Müther, Vorteilsabschöpfung, S. 54 ff. (allerdings mit einer Unterscheidung zwischen Gewinnen und Tatentgelten); Pohl-Sichtermann, Geldbuße, S. 177 f.; Ransiek, Unternehmensstrafrecht, 47
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allerdings wird man vielfach aus tatsächlichen und praktikablen (Zeitaufwand und Ressourcenverfügbarkeit) Gründen eine Schätzung des Vorteils nicht umgehen können. Solange eine derartige Schätzung jedoch auf konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkten beruht, die eine (Schlüssigkeits-)Nachprüfung ermöglichen, ist sie als zulässig anzusehen.54 Strittig ist, ob bei der Berechnung ein möglicher Vorteil aus einem (hypothetischen) rechtmäßigen Alternativverhalten berücksichtigt werden soll und somit nur der an sich unrechtmäßige Mehrbetrag zum Ansatz kommt.55 Dies ist jedoch abzulehnen,56 da der Sachverhalt in seiner tatsächlich erfolgten Gestaltung und nicht unter Berücksichtigung notwendig spekulativer Elemente zu betrachten ist.57 Ähnlich ist die Frage zu beurteilen, wie der nachträgliche Wegfall erlangter Vorteile zu sehen ist. Ein solcher Wegfall ist grundsätzlich dem Risikobereich dessen zuzuordnen, der den Vorteil erlangt hat, und ist deswegen nicht bei § 30 OWiG zu berücksichtigen.58 Eine Ausnahme wird man für die Fälle zuzulassen haben, in denen der erlangte Vorteil „zurückgewährt“ wurde, z.B. eine hinterzogene Steuer bereits nachentrichtet wurde.59 Eine damit verbundene Problematik betrifft die Berücksichtigung zivilrechtlicher Ersatzansprüche.60 Das OWiG kennt keine den §§ 73 Abs. 1 Satz 2 StGB, 9 Abs. 2 WiStG 1954 entsprechende Regelung, die bei Bestehen von Ersatzansprüchen eines Verletzten den Verfall bzw. die Mehrerlösabführung ausschließt. Allerdings sieht § 99 Abs. 2 OWiG eine Lösung vor, die eine Vollstreckung hindert, wenn eine rechtskräftige Entscheidung zugunsten des Verletzten vorliegt. Da diese für das OWiG vorrangig ist, verbietet sich eine analoge Anwendung der §§ 73 Abs. 1 Satz 2 StGB, 9 Abs. 2 WiStG 1954. In entsprechender Anwendung des § 99 Abs. 2 OWiG wird man in diesen Fällen aber schon die Abschöpfung des titulierten Betrages nach § 30 OWiG unterlassen können,61 da ein ____________ S. 115 f.; Wegner, wistra 2000, 361 (364); ohne Anwendung auf Surrogate auch KKOWiG-Rogall, § 30 Rn. 123. 54 BVerfGE 81, 228 (242); OLG Hamm, wistra 2000, 393 (395) sowie BGH, NStZ-RR 2008, 13 (15). Siehe auch Müther, Vorteilsabschöpfung, S. 70 ff.; Poller, Verbandsgeldbuße, S. 88. 55 So BGH, NStZ-RR 2008, 13 (15). 56 Vgl. nur KK-OWiG-Mitsch, § 17 Rn. 120; KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 125; Wegner, Zumessung, S. 98 jew. m.w.N. 57 Anders BGH, NStZ-RR 2008, 13 (15), der dies mit einer „groben Schätzung“ bewerkstelligen möchte. 58 Vgl. Müller, Ordnungswidrigkeitenrecht, S. 87; Müther, Vorteilsabschöpfung, S. 67 ff.; HWiStR-Tiedemann, Gewinnabschöpfung, S. 5; enger wohl KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 128. 59 Vgl. Müller, Ordnungswidrigkeitenrecht, S. 87. 60 Vgl. näher dazu Drathjer, Abschöpfung, S. 77 ff.; KK-OWiG-Mitsch, § 17 Rn. 128; Müller, Ordnungswidrigkeitenrecht, S. 86; Pohl-Sichtermann, Geldbuße, S. 173 ff.; Poller, Verbandsgeldbuße, S. 138 ff.; Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, § 17 Rn. 47. 61 Ebenso KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 127; Müther, Vorteilsabschöpfung, S. 70; Wegner, wistra 2000, 361 (365).
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weiterer Verbleib des erlangten Vorteils beim Unternehmen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen ist. Gleiches gilt, soweit derartige Leistungen an den Verletzten bereits erbracht worden sind und der Vorteil „zurückgeflossen“ ist. Darüber hinaus sind zahlreiche Fragen umstritten, die die Abzugsfähigkeit einzelner Positionen betreffen. Diese Probleme stellen sich naturgemäß nur, wenn das Nettoprinzip zugrunde gelegt wird und eine Saldierung vorzunehmen ist. Im Grundsatz sollen die Aufwendungen abzugsfähig sein, die durch den infrage stehenden Vorgang veranlasst wurden.62 Aber schon die Frage, ob fixe Kosten (z.B. für Arbeitskräfte oder den Einsatz von Produktionsmitteln) erfasst sind oder nur darüber hinausgehende Kosten, ist ungeklärt.63 Gleichfalls unklar ist, welche Steuern und ggf. in welchem Umfang diese abzugsfähig sind.64 3. Bewertung Insgesamt ist festzuhalten, dass § 30 OWiG bereits bei Annahme der Nettoberechnung eine relativ weitgehende Abschöpfungsfunktion beinhaltet, die es ermöglicht, in die oberen Bereiche des Bußgeldrahmens vorzudringen und ggf. sogar darüber hinauszugehen.65 Ihr volles Gewicht wird sie allerdings erst dann erlangen, wenn man der Norm im Gleichklang mit den §§ 73 StGB, 29a OWiG das Bruttoprinzip zugrunde legt. C. Die Bedeutung von Compliance-Programmen Im Rahmen der Sanktionsbemessung kann Compliance-Programmen ein bedeutender Anwendungsbereich zukommen.66 Dies betrifft allerdings nur den ahndenden Teil der Geldbuße, nicht den abschöpfenden. Wie vorgehend dargelegt bestimmt sich dieser Teil nach der Beurteilung der Anknüpfungstat im Unternehmenskontext. Die entscheidende Frage ist somit, ob die Tat des Mitarbeiters ein „Ausreißer“ ist oder aber Ausdruck eines strukturellen Defizits an Rechtstreue im Unternehmen, das aus wirtschaftlichem Kalkül gewollt sein kann oder einfach aus organisatorischer Nachlässigkeit in Kauf genommen wird. Ein Compliance____________ Vgl. Drathjer, Abschöpfung, S. 63; Korte, Juristische Person, S. 113 f. Gegen eine Einbeziehung fixer Kosten z.B. HWiStR-Tiedemann, Gewinnabschöpfung, S. 1; dafür bspw. KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 124 f.; vgl. näher Drathjer, Abschöpfung, S. 64 f.; Müther, Vorteilsabschöpfung, S. 63. 64 Für eine steuerliche Berücksichtigung bspw. BGH, NStZ-RR 2008, 13 (15). Näher dazu Dannecker/Biermann, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, Bd. 2, § 81 Rn. 455 f.; Drathjer, Abschöpfung, S. 65 ff.; Göhler-Gürtler, OWiG, § 17 Rn. 43 f.; Müther, Vorteilsabschöpfung, S. 64 f.; Poller, Verbandsgeldbuße, S. 88 ff. 65 Zu Recht spricht daher Poller von einer der „schärfsten Waffen des § 30 OWiG“, vgl. Poller, Verbandsgeldbuße, S. 73. 66 Vgl. M. Dreher, VersR 2004, 1 (4); ders., ZWeR 2004, 75 (92 f.); Sieber, FSTiedemann, S. 449 (471 f.). Anders Pampel, BB 2007, 1636 (1638). 62
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Programm kann hierbei deutlich machen, dass das Unternehmen ernsthafte Maßnahmen ergriffen hat, um Verstöße zu vermeiden, und damit die begangene Tat mehr Einzelfall und Zufall als vom Unternehmen geduldet ist. Aufgrund seiner sichtbaren Struktur ermöglicht das Compliance-Programm auch eher nachzuweisen, dass das Unternehmen hier tatsächlich Bemühungen unternommen hat. Die sorgfältige Auswahl von Mitarbeitern, deren Anleitung, Fortbildung und Überwachung lassen sich so im Einzelnen nachvollziehen. In einem derartigen Fall ist das Verschulden des Unternehmens selbst als eher gering einzustufen und eine Milderung der Geldbuße in Betracht zu ziehen. Wenn das Unternehmen das Optimum an Maßnahmen ergriffen hat, wird es über § 30 OWiG letztlich allein für die Risikoschaffung durch seinen Geschäftsbetrieb und die Einstellung des Mitarbeiters belangt. Diese Risikohaftung muss im Rahmen des § 30 OWiG deutlich anders gewichtet werden, als wenn das Unternehmen durch Billigung des Verhaltens den Verstoß des Mitarbeiters gefördert hat. Die Berücksichtigung eines Compliance-Programms kann auch in dem Sinne erfolgen, dass es trotz gewisser Mängel zu einer mehr oder weniger großen Milderung der Sanktion führt. Eine substantielle Milderung ist nur angebracht, wenn das Programm dem Optimum an Maßnahmen entspricht, also als effektiv einzustufen ist. Es ist aber durchaus möglich, dass Programme, denen bestimmte Komponenten fehlen oder bei denen einzelne Teile mangelhaft umgesetzt wurden, bereits einen Großteil der Anforderungen eines effektiven Programms erfüllen. Wenn es trotz dieser Mängel das Bemühen des Unternehmens um eine effektive Vermeidung von Taten der Mitarbeiter zeigt, ist das Unternehmensverschulden geringer einzustufen als bei einem vollkommen nachlässig handelnden Unternehmen. Eine teilweise Strafmilderung ist in diesen Fällen angebracht. Im Rahmen der Bußgeldbemessung kann ein Compliance-Programm auch im Zuge des Nachtatverhaltens des Unternehmens Berücksichtigung finden. Nimmt das Unternehmen die Anknüpfungstat zum Anlass, für die Zukunft erstmals Compliance-Maßnahmen zu ergreifen, oder werden Mängel des bestehenden Compliance-Programms behoben, so ist dies strafmildernd in die Sanktionsüberlegungen einzustellen. Das Unternehmen verdeutlicht dadurch, dass die Begehung der Anknüpfungstat nicht nur missbilligt wird, sondern deren Begehung in Zukunft nicht mehr oder doch nur unter erheblich erschwerten Bedingungen möglich sein soll. Die strafmildernde Einbeziehung kann dabei jedoch nicht so weitgehend sein wie im Fall eines schon überwiegend funktionierenden Programms. Ein Compliance-Programm kann jedoch nicht nur strafmildernd wirken, sondern auch strafschärfende Auswirkungen haben. Die Strafmilderung bedingt, dass das Unternehmen wirksame Maßnahmen ergriffen und nicht lediglich „windowdressing“ betrieben hat, um Kunden, Investoren und der Öffentlichkeit das Image eines verantwortungsbewussten Unternehmens zu präsentieren. Eine klar mangelhafte Umsetzung des Compliance-Programms kann ein Anzeichen dafür sein, dass das Unternehmen in Risikobereichen nicht wirklich Maßnahmen gefördert hat, die Rechtsverstöße unterbinden sollen. Ein derartiges organisatorisches Defizit ist
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strafschärfend heranzuziehen. Es ist also genau zu prüfen, ob ein ComplianceProgramm nur einzelne Mängel hat, das Unternehmen aber ersichtlich auf dem Weg zu einem effektiven Programm ist und daher eine teilweise Strafmilderung infrage kommt, oder aber die Mängel so eklatant sind, dass von einem effektiven Programm in keiner Weise die Rede sein kann. Letzteres wird insbesondere dann gegeben sein, wenn ein Unternehmen zwar zahlreiche schriftliche Vorgaben erstellt, aber auf eine gezielte Schulung der Mitarbeiter, Überprüfungs- und Verbesserungsstrukturen verzichtet. Ebenso wird dies zu bejahen sein, wenn ein Unternehmen eine Compliance-Abteilung einrichtet, diese aber personell so unterbesetzt und ohne Befugnisse ausstattet, dass sie ihre Aufgaben nicht einmal ansatzweise bewältigen kann (z.B. wenn nur sieben Personen Compliance-Aufgaben für einen Weltkonzern wahrnehmen). Werden Compliance-Maßnahmen darüber hinaus vor allem deswegen eingeführt, um delinquente Strukturen im Unternehmen zu überdecken und um bei Verstößen zumindest formal „Verhandlungsmasse“ gegenüber Verfolgungsbehörden zu haben, so ist diese „Täuschungshandlung“ als Ausdruck einer kriminellen Unternehmenshaltung in besonderem Maße strafschärfend zu berücksichtigen. Letztlich kommt es daher für die positive Berücksichtigung eines Compliance-Programms maßgeblich auf dessen sorgfältige Erstellung und ernsthafte Umsetzung im Unternehmen an. D. Sonderfall: Die mehrfache Tatbestandsverwirklichung Besondere Probleme stellen sich, wenn mehrere Delikte (seitens eines oder mehrerer Mitarbeiter) infrage kommen, an die die Unternehmensgeldbuße anknüpfen kann. Hier ist genau zu differenzieren, ob mehrere Handlungen eines Unternehmensmitarbeiters vorliegen oder mehrere Handlungen unterschiedlicher Mitarbeiter.67 I. Mehrere Handlungen eines Mitarbeiters Soweit Taten durch einen einzelnen Mitarbeiter begangen werden, die gemäß §§ 52 StGB, 19 OWiG in (gleich- oder ungleichartiger) Tateinheit stehen und für den Mitarbeiter nur eine Sanktion zur Folge hätten, wird gegen das Unternehmen ebenfalls nur eine Sanktion verhängt.68 Hat er dagegen Handlungen begangen, die in Tatmehrheit stehen, ist zwischen Straftaten und Ordnungswidrigkeiten zu unterscheiden. Bei Straftaten ergibt sich für den Mitarbeiter eine Gesamtstrafe, in der die einzelnen Teilstrafen aufgehen. Dementsprechend kann für das Unternehmen auch ____________ 67 KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 130 ff.; Müller, Ordnungswidrigkeitenrecht, S. 79 ff.; Pohl-Sichtermann, Geldbuße, S. 137 ff.; Tiedemann, NJW 1988, 1169 (1173); Wegner, Zumessung, S. 118 ff.; siehe auch Brender, Verbandstäterschaft, S. 179 ff. 68 Vgl. Müller, Ordnungswidrigkeitenrecht, S. 79; Pohl-Sichtermann, Geldbuße, S. 137 ff.
§ 11 Die Sanktionsbemessung der Unternehmensgeldbuße
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in diesem Fall unproblematisch eine Geldbuße verhängt werden.69 Bei der Begehung von Ordnungswidrigkeiten in Tatmehrheit ist dagegen gemäß § 20 OWiG eine Art Gesamtgeldbuße nicht vorgesehen, sondern es werden jeweils gesondert Geldbußen verhängt. Somit kommt auch für das Unternehmen nur die Festsetzung mehrerer Geldbußen in Betracht. Diese unterschiedlichen Folgen sind unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten durchaus bedenklich,70 allerdings stellen sie kein Spezifikum des § 30 OWiG dar, sondern betreffen das Straf- bzw. das Ordnungswidrigkeitenrecht allgemein.71 II. Mehrere Handlungen unterschiedlicher Mitarbeiter Im Fall mehrerer handelnder Unternehmensmitarbeiter, die Tatbeteiligte i.S.v. §§ 25 ff. StGB, § 14 OWiG sind, kommt nach allgemeiner Ansicht nur eine Geldbuße gegen das Unternehmen in Betracht. Entsprechendes gilt beim Handeln mehrerer Mitarbeiter, die unabhängig voneinander Taten begehen, die aber auf das gleiche Defizit im Unternehmen zurückzuführen sind.72 Dies wird zumeist vage damit begründet, dass nur ein geschichtlicher Vorgang vorliegt.73 Tatsächlich ist es aber vor allem Ausdruck der in § 30 OWiG mitnormierten spezifischen Unternehmensverantwortlichkeit: Das Unternehmen wird zur Verantwortung gezogen, weil es durch seine Strukturen die Begehung der Tat ermöglicht hat.74 Da der Vorwurf an den mangelhaften Strukturen ansetzt, ist es unbedeutend, ob nur eine oder mehrere Personen die Anknüpfungstat begangen haben. Richtigerweise kann daher nur eine Geldbuße für diesen einen zugrunde liegenden Verstoß verhängt werden. Konsequent ist deshalb, dass sogar im Fall einer Nebentäterschaft nur eine Unternehmensgeldbuße in Betracht kommt, wenn diese auf denselben fehlerhaften Strukturen beruht.75 Zur Klarstellung dieser Lösung, die sich nicht wie in den anderen Fällen aus den allgemeinen Konkurrenzregeln ergibt, sollte in § 30 OWiG ein entsprechender Hinweis durch den Gesetzgeber erfolgen. ____________ Müller, Ordnungswidrigkeitenrecht, S. 80; Pohl-Sichtermann, Geldbuße, S. 140 f. Vgl. Wegner, Zumessung, S. 178 ff. 71 So erhält denn auch ein Unternehmensmitarbeiter bei Begehung in Tatmehrheit stehender Straftaten eine Gesamtstrafe, während ihm bei in Tatmehrheit begangenen Ordnungswidrigkeiten mehrere Geldbußen auferlegt werden. 72 Vgl. Brender, Verbandstäterschaft, S. 182 ff.; KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 134; Müller, Ordnungswidrigkeitenrecht, S. 81; siehe auch BGH, NStZ 1994, 346; Bauer, wistra 1995, 170 ff.; Pohl-Sichtermann, Geldbuße, S. 141 f. 73 KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 134; Müller, Ordnungswidrigkeitenrecht, S. 81; vgl. auch BGH, NStZ 1994, 346. 74 Dies haben Tiedemann und Brender (auf den Fall des § 130 OWiG bezogen) bereits früh hervorgehoben, vgl. Tiedemann, NJW 1988, 1169 (1173); Brender, Verbandstäterschaft, S. 182 ff.; siehe auch Bangard, wistra 1997, 161 (165); Bauer, wistra 1992, 47 (50); wistra 1995, 170 ff.; zum Haftungsgrund des § 30 siehe bereits oben S. 378. 75 Zu einem anderen Ergebnis wollen auch die Vertreter der reinen Zurechnungslösung nicht kommen, vgl. nur BGH, NStZ 1994, 346; Göhler-Gürtler, OWiG, § 30 Rn. 27b; KKOWiG-Rogall, § 30 Rn. 134; Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, § 30 Rn. 36b. 69
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§ 12 Verfahrensrechtliche Aspekte der Unternehmensgeldbuße Im Folgenden wird das Verfahren zur Verhängung einer Unternehmensgeldbuße nach § 30 OWiG näher beleuchtet.1 Dieses Verfahren kann verschiedene Formen annehmen.2 Zunächst kann es entweder zusammen mit dem Verfahren gegen den einzelnen Unternehmensmitarbeiter erfolgen (einheitliches Verfahren) oder aber eigenständig durchgeführt werden (selbstständiges Verfahren). Unabhängig von der Wahl dieser Verfahrensarten unterscheidet sich die Durchführung danach, ob die Unternehmensgeldbuße an einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit anknüpft. Bevor auf die verschiedenen Verfahrensarten in Anknüpfung an Straftaten (dazu B.) oder Ordnungswidrigkeiten (C.) eingegangen wird, werden vorab allgemeine Gesichtspunkte behandelt, die für alle Verfahren von Relevanz sind (A.). A. Allgemeine Verfahrensgesichtspunkte Im Rahmen der allgemeinen Verfahrensgesichtspunkte, die sowohl im Hinblick auf strafrechtliche als auch auf ordnungswidrigkeitenrechtliche Anknüpfungstaten gelten, steht die Frage der Durchführung des einheitlichen oder selbstständigen Verfahrens im Mittelpunkt (dazu I.). Die besonderen Anforderungen, die für ein selbstständiges Verfahren gelten, werden im Anschluss daran behandelt (II.). Sodann wird auf zwei Punkte eingegangen, die einem Verfahren entgegenstehen können: die Verjährung (III.) und das Verbot der Doppelbestrafung (IV.). Hierauf folgen die Erwägungen, inwieweit das Opportunitätsprinzip eine Disposition über die Verfahrensdurchführung erlaubt (V.) und ob verfahrensbeendende Absprachen möglich sind (VI.). Zuletzt wird auf den Aspekt der Vertretung des Unternehmens eingegangen (VII.). I. Einheitliches oder selbstständiges Verfahren 1. Grundsatz § 30 Abs. 4 Satz 1 OWiG normiert den verfahrensrechtlichen Grundsatz, dass ein selbstständiges Verfahren nur unter den dort genannten zusätzlichen Voraussetzungen zulässig ist. Damit lässt sich im Umkehrschluss entnehmen, dass der ge____________ 1 Wie bereits im Rahmen der Sanktionsbemessung beschränkt sich der verfahrensrechtliche Teil entsprechend dem Schwerpunkt der vorliegenden Untersuchung auf die Unternehmensgeldbuße. Da die verfahrensrechtlichen Vorschriften diesbezüglich allerdings auf die Normen verweisen, die für Verfall und Einziehung gelten, werden zahlreiche Aspekte bezüglich des Verfalls- und Einziehungsverfahrens mitbehandelt. 2 Vgl. zum Verfahren HWSt-Achenbach, I 2 Rn. 16 ff.; KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 141 ff.; Mitsch, OWi, § 16 Rn. 16; Müller, Ordnungswidrigkeitenrecht, S. 89 ff., 101 ff.; Pohl-Sichtermann, Geldbuße, S. 215 ff.; Wieser, Handbuch, S. 388 ff.; siehe auch Brender, Verbandstäterschaft, S. 132 ff.
§ 12 Verfahrensrechtliche Aspekte der Unternehmensgeldbuße
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setzliche Regelfall das einheitliche Verfahren ist.3 Diese Grundkonstruktion erklärt sich historisch aus der ursprünglichen verfahrensrechtlichen Verknüpfung der Geldbuße mit der Anknüpfungstat als Nebenfolge. Die Konstruktion wurde 1986 aber auch nach Aufhebung des Begriffs der Nebenfolge in § 30 OWiG beibehalten. Die Verknüpfung wird prozesstaktisch und prozessökonomisch in manchen Fällen sinnvoll sein, da ein Kernelement des § 30 OWiG die Anknüpfungstat des Mitarbeiters ist. Auch wird man dadurch die Möglichkeit erhalten, die Sanktionen direkt aufeinander abzustimmen,4 und zudem eine unterschiedliche Bewertung der Anknüpfungstat verhindern können.5 Allerdings sind für § 30 OWiG mehrere zusätzliche Voraussetzungen zu prüfen, die durchaus eine komplexe Beweisaufnahme erfordern können (z.B. die Feststellung der Stellung als verantwortlich handelnder Mitarbeiter nach § 30 Abs. 1 Nr. 5 OWiG, der Verletzung betriebsbezogener Pflichten und vor allem die Frage des abzuschöpfenden Vorteils). Ein solch einheitliches Verfahren wird daher häufig weniger prozessökonomisch sein als beispielsweise ein verbundenes Verfahren gegen Beteiligte einer Tat nach §§ 25 ff. StGB oder § 14 OWiG und kann insbesondere für den Unternehmensmitarbeiter zu einer deutlichen Verzögerung seines Verfahrensteils führen. Die gesetzliche Grundkonstruktion ist allerdings auch im Hinblick auf ihre Ausgestaltung nicht wirklich konsequent, da die Voraussetzungen für ein selbstständiges Verfahren äußerst niedrig sind (dazu im folgenden Abschnitt). Diese 1986 geschaffenen niedrigen Anforderungen resultierten aus der zuvor häufigen Praxis, pro forma ein Verfahren gegen einen Mitarbeiter einzuleiten, dieses zügig einzustellen, um dann weiter gegen das Unternehmen vorgehen zu können, weil die Anforderungen an ein selbstständiges Verfahren zu hoch waren.6 Ein derartiger Umweg ist heute nicht mehr notwendig: Wenn die Ermittlungsbehörden ein selbstständiges Verfahren gegen das Unternehmen durchführen wollen, wird ihnen dies rechtlich fast immer möglich sein. Insoweit würde die normale Möglichkeit der strafprozessualen Verfahrensverbindung und Verfahrenstrennung, wie sie gemäß § 46 OWiG auch im Ordnungswidrigkeitenrecht anwendbar ist,7 den Behörden ausreichend Raum für eine sinnvolle Entscheidung über selbstständiges oder einheitliches Verfahren lassen. Ob in der Rechtspraxis die selbstständige Verfahrens____________ 3 Allgemeine Meinung, vgl. nur Göhler-Gürtler, OWiG, § 30 Rn. 28; Rebmann/Roth/ Herrmann, OWiG, § 30 Rn. 37. 4 Wobei eine Berücksichtigung natürlich auch in einem nachfolgenden Verfahren möglich ist. Vgl. auch KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 156, mit dem zutreffenden Hinweis, dass die häufig angeführte Gefahr einer Doppelbestrafung kaum Argumente für das einheitliche Verfahren liefert. 5 Vgl. Göhler-Gürtler, OWiG, § 30 Rn. 30; Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, § 30 Rn. 39. 6 Vgl. Schroth, wistra 1986, 158 (163); siehe auch oben S. 331. 7 Vgl. zur Verbindung im Hauptverfahren Göhler-Seitz, OWiG, § 68 Rn. 3a, § 71 Rn. 32; siehe auch Dietrich, Bindung, S. 99 ff.
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durchführung nicht ohnehin bereits die gängige Vorgehensweise ist, ist angesichts der dürftigen Datenlage zu § 30 OWiG unklar.8 2. Verfahrensüberleitung, getrennte Verfahren Allgemein anerkannt ist, dass der Übergang vom einheitlichen zum selbstständigen Verfahren möglich ist, wenn das Unternehmen am einheitlichen Verfahren beteiligt ist, auf die Möglichkeit des selbstständigen Verfahrens hingewiesen wurde und die Voraussetzungen für ein selbstständiges Verfahren gegeben sind.9 Zur Überleitung bedarf es eines dahingehenden Antrags der Staatsanwaltschaft.10 Umgekehrt ist ein Übergang vom selbstständigen Verfahren in das einheitliche Verfahren in Ermangelung eines Verfahrens gegen einen Unternehmensmitarbeiter nicht möglich. Getrennte Verfahren gegen Mitarbeiter und Unternehmen sind nach § 30 Abs. 4 OWiG grundsätzlich unzulässig.11 Soweit ein Verfahren gegen einen Mitarbeiter anhängig ist, ist ein etwaiges Verfahren gegen das Unternehmen einzustellen und dieses ggf. im Verfahren des Mitarbeiters zu beteiligen. II. Voraussetzungen für ein selbstständiges Verfahren Nach § 30 Abs. 4 Satz 1 OWiG kommt ein selbstständiges Verfahren dann in Betracht, wenn gegen den Unternehmensmitarbeiter ein Verfahren nicht eingeleitet (dazu im Folgenden 1.), eingestellt (dazu 2.) oder durch ein Absehen von Strafe abgeschlossen wird (dazu 3.). Darüber hinaus kann gemäß § 30 Abs. 4 Satz 2 OWiG das selbstständige Verfahren auch spezialgesetzlich vorgesehen werden (dazu 4.). Das selbstständige Verfahren kommt nicht in Betracht, wenn die Tat des Mitarbeiters aus rechtlichen Gründen nicht verfolgt werden kann (§ 30 Abs. 4 Satz 3 OWiG, dazu 5.). 1. Nichteinleitung eines Verfahrens Die Nichteinleitung eines Verfahrens gegen einen Unternehmensmitarbeiter wird nur selten erfolgen, soweit ein Anfangsverdacht gegeben ist. Bei einer möglichen ____________ 8 Vgl. zu den vorhandenen Daten unten S. 487 ff., die allerdings keine Informationen über den Verfahrensgang umfassen. 9 BGHSt 23, 64 (67); 37, 55 (68 f.); KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 202; KK-StPOBoujong, § 444 Rn. 15; KMR-Paulus, § 444 Rn. 25; LR-Gössel, § 444 Rn. 37; SK-StPOWeßlau, § 444 Rn. 19. 10 BGHSt 37, 55 (69). 11 Vgl. KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 158 ff. Siehe auch Schmuck/Steinbach, ZfSch 2008, 366 zur Unzulässigkeit einer isolierten Festsetzung der Geldbuße gegen das Unternehmen.
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Straftat ist die Staatsanwaltschaft wegen des Legalitätsprinzips nach § 152 Abs. 2 StPO ohnehin verpflichtet, Ermittlungen aufzunehmen. Ausnahmen hiervon gibt es nur selten. Am häufigsten wird eine Ausnahme zu bejahen sein, wenn offensichtlich ein Verfahrenshindernis vorliegt (wie beispielsweise bei Tod, Verhandlungsunfähigkeit oder langfristiger Abwesenheit). Ein selbstständiges Verfahren gegen das Unternehmen kann dann stattfinden, wenn das Verfahrenshindernis nicht ein „rechtliches Hindernis“ nach § 30 Abs. 4 Satz 3 OWiG darstellt.12 Größere theoretische Bedeutung hat die Nichteinleitung eines Verfahrens beim möglichen Vorliegen einer Ordnungswidrigkeit. Im Ordnungswidrigkeitenrecht herrscht gemäß § 47 OWiG das Opportunitätsprinzip vor.13 Dabei kann die Behörde innerhalb der Ausübung pflichtgemäßen Ermessens entscheiden, ob sie ein Verfahren einleitet oder nicht. Befindet sie beispielsweise den Verstoß des Mitarbeiters als nicht gravierend, kann sie von einer Verfolgung absehen. Allerdings wird diese Bewertung in der Praxis zumeist erst nach einigen Ermittlungen möglich sein. Wenn diese durchgeführt werden, ist das Verfahren aber bereits eingeleitet und somit scheidet ein selbstständiges Verfahren nach der Nichteinleitungsvariante aus. Letztlich wird daher auch bei Ordnungswidrigkeiten nur bei einem offensichtlichen Verfahrenshindernis eine Nichteinleitung trotz Anfangsverdacht gegeben sein. Im Fall eines nicht konkret ermittelbaren Täters, was die Möglichkeit zur Festsetzung einer Unternehmensgeldbuße als „anonyme Geldbuße“ nicht ausschließt, ist die Nichteinleitung eines Verfahrens ebenfalls eher theoretischer Natur. Denn auch ein Verfahren gegen unbekannt ist ein Verfahren. Und die Feststellung, dass kein konkreter Täter ermittelbar ist, wird wohl zumeist erst am Ende der Ermittlungen und nicht gleich zu Beginn möglich sein. 2. Einstellung des Verfahrens Die Einstellung des Verfahrens gegen einen Mitarbeiter hat sicherlich die größte Bedeutung, um die Durchführung eines selbstständigen Verfahrens gegen ein Unternehmen zu ermöglichen. Die Einstellung kann aufgrund zwingender Vorschriften oder unter Opportunitätsgesichtspunkten erfolgen. a) Einstellung aufgrund zwingender Vorschriften Zum Teil wird vertreten, dass mit der Einstellung nur eine solche nach Opportunitätsgesichtspunkten und nicht aufgrund zwingender Vorschriften gemeint ist.14 Eine derartige Beschränkung lässt sich jedoch weder dem Gesetz entnehmen noch ____________ 12 13 14
Vgl. hierzu unten S. 453 ff. Vgl. hierzu auch unten S. 459 ff. Vgl. KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 147; Pohl-Sichtermann, Geldbuße, S. 147.
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besteht ein Grund, den Kreis so eng zu ziehen. Denn erfasst ist auch ein Verfahren, das gegen Unbekannt oder gegen einen konkreten Mitarbeiter geführt worden und nach § 170 Abs. 2 StPO (ggf. i.V.m § 46 OWiG) zwingend einzustellen ist, wenn kein Tatverdacht nach § 170 Abs. 1 StPO (ggf. i.V.m § 46 OWiG) vorliegt. Die Einstellung kann bedeuten, dass zwar kein individueller Täter zu ermitteln war, jedoch ausreichend Beweise für eine anonyme Unternehmensgeldbuße vorliegen, die dann im selbstständigen Verfahren weiterverfolgt werden kann.15 Ähnliches gilt im Fall der Einstellung wegen Vorliegens eines Verfahrenshindernisses, das zu Beginn noch nicht gegeben war und daher zu einer Nichteinleitung des Verfahrens hätte führen können. Stirbt beispielsweise der Unternehmensmitarbeiter nach der Aufnahme der Ermittlungen, ist das Verfahren gegen diesen ebenfalls zwingend einzustellen.16 Auch hier besteht kein Grund, das Verfahren gegen das Unternehmen nicht im selbstständigen Verfahren weiterzuverfolgen. Zu prüfen ist allerdings, ob das Verfahrenshindernis in diesen Fällen nicht ein „rechtliches Hindernis“ nach § 30 Abs. 4 Satz 3 OWiG darstellt, was die Durchführung aus diesem Grund dann hindern könnte.17 b) Einstellung aus Opportunitätsgründen Besonders praxisrelevant sind neben den vorgenannten zwingenden Einstellungsgründen die Opportunitätsvorschriften, über die (inzwischen fast schon traditionell) die Einstellung zahlreicher Wirtschaftsstraftaten und -ordnungswidrigkeiten erreicht wird.18 Für Straftaten sind als Einstellungsvorschriften insbesondere die §§ 153 ff. StPO heranzuziehen. (1) Einstellung bei Bagatellsachen Eine Einstellung wegen Bagatellsachen gemäß § 153 StPO wird bei Wirtschaftsstraftaten infrage kommen, die als solche mehr Ordnungsvorschriften darstellen und wo der Verstoß dagegen keine schwerwiegenden Folgen nach sich gezogen hat, sodass im Regelfall auch die Schuld des Mitarbeiters gering sein wird. Die Festsetzung einer Unternehmensgeldbuße wird durch diese Art der Einstellung ____________ Vgl. auch Ransiek, Unternehmensstrafrecht, S. 120. Vgl. § 206a, § 260 Abs. 3 StPO ggf. i.V.m. § 46 OWiG. 17 Vgl. zu § 30 Abs. 4 Satz 3 OWiG unten S. 453 ff. 18 Vgl. dazu nur Achenbach, FS-Tiedemann, S. 47 (55); Fezer; ZStW 106 (1994), 1 (27); Rieß, FG-Koch (1989), S. 215 (216 f.); Scheinfeld, FS-Herzberg, S. 843 ff.; siehe auch Beulke, FS-Dahs (2005), S. 209 (211); Kaiser/Meinberg, NStZ 1984, 343 ff.; Wehnert, StV 2002, 219 (220) sowie den Fall zum Parteispendenskandal der CDU, der (allerdings erst im gerichtlichen Verfahren) bei einem Untreueverdacht in Höhe von 265.000 DM gegen Zahlung von zweimal 150.000 DM eingestellt wurde, LG Bonn NJW 2001, 1736. 15
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nicht gehindert:19 Denn es ist durchaus möglich, dass die Schuld des Mitarbeiters deswegen gering ist, weil eine allgemeine Firmenpolitik das Vorgehen gefördert hat. Der Aspekt der bestehenden Firmenpolitik rechtfertigt aber dann gerade ein Vorgehen gegen das Unternehmen. (2) Einstellung gegen Auflagen Liegt keine Bagatellstraftat nach § 153 StPO vor, so wird häufig eine Einstellung nach § 153a StPO infrage kommen, die durch die Festsetzung von Auflagen und Weisungen das öffentliche Interesse an einer (weiteren) Strafverfolgung beseitigen kann. Ob die Festsetzung von Auflagen gegenüber dem Mitarbeiter noch zusätzlich erlaubt, eine Unternehmensgeldbuße festzusetzen, ist umstritten. Dies verneint Cramer mit dem Hinweis, dass mit der Auflage gegen den Mitarbeiter zugleich das Interesse an der Verfolgung des Unternehmens beseitigt werde.20 Damit wird aber verkannt, dass die Voraussetzungen der Anknüpfungstat und die der Unternehmensgeldbuße nicht identisch sind. Bei der Unternehmensgeldbuße spielen mehrere über die Anknüpfungstat hinausgehende Aspekte eine Rolle, die es erfordern, das Vorgehen gegen das Unternehmen eigenständig zu beurteilen. Insoweit kann die Auflage gegen den Mitarbeiter das Interesse an der Verfolgung des Unternehmens ausräumen, muss dies aber nicht. Diese Frage ist allein bei der Einleitung eines Verfahrens gegen das Unternehmen nach § 47 OWiG zu stellen.21 Eidam schließt ebenfalls eine Anwendung des § 153a StPO aus, da die Anknüpfungstat bei § 153a StPO gar nicht zur vollen Überzeugung der Behörden feststehe und somit für die Unternehmensgeldbuße die Voraussetzung des Nachweises einer schuldhaften Tat fehle.22 Diese Ansicht verkennt aber, dass im Verfahren nach § 30 OWiG eigenständig geprüft wird, ob die Voraussetzungen der Anknüpfungstat vorliegen; dass für die Einstellung nur eine Schuldvermutung, aber kein Schuldnachweis erforderlich ist, ist für die Unternehmensgeldbuße unerheblich. Klarzustellen ist hierbei allerdings, dass für die Verhängung einer Unternehmensgeldbuße selbstredend die Voraussetzungen zur Überzeugung der Behörde feststehen müssen und somit nicht wie bei § 153a StPO allein der hinreichende Tatverdacht genügt. Insoweit ist auch bei einer Einstellung nach § 153a StPO das selbstständige Verfahren möglich.23 ____________ 19 Vgl. Göhler-König, OWiG (14. Aufl.), § 30 Rn. 43; Pohl-Sichtermann, Geldbuße, S. 193; Poller, Verbandsgeldbuße, S. 61; Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, § 30 Rn. 56; KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 148; wohl auch Eidam, wistra 2003, 447 (455). 20 KK-OWiG-Cramer (1. Aufl.), § 30 Rn. 151. 21 Vgl. dazu unten S. 459 ff. 22 Eidam, wistra 2003, 447 (455); zumindest missverständlich Wegner, NJW 2001, 1979 (1981). 23 Vgl. Göhler-Gürtler, OWiG, § 30 Rn. 43; Pohl-Sichtermann, Geldbuße, S. 193; Poller, Verbandsgeldbuße, S. 61 f.; Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, § 30 Rn. 56; KKOWiG-Rogall, § 30 Rn. 148 f.
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(3) Einstellung bei der Möglichkeit des Absehens von Strafe Eine Einstellung nach § 153b StPO kommt infrage, wenn für den Mitarbeiter die Möglichkeit des Absehens von Strafe vorliegt, wie es das materielle Strafrecht in zahlreichen Fällen vorsieht.24 Das „Absehen von Strafe“ wird auch neben der Möglichkeit der Einstellung in § 30 Abs. 4 Satz 1 OWiG erwähnt. Soweit die Voraussetzungen des Absehens von Strafe zur Einstellung nach § 153b StPO führen, ist es unter dem Aspekt der Einstellung zu behandeln. Wenn ein verfahrensbeendendes Urteil ergeht, in dem von Strafe abgesehen wird, fällt es unter den Aspekt des „Absehens von Strafe“ i.S.v. § 30 Abs. 4 Satz 1 OWiG. (4) Einstellung gemäß §§ 154, 154a StPO Bei einer Einstellung nach §§ 154, 154a StPO wird zum Teil die Möglichkeit des selbstständigen Verfahrens verneint, da die Einstellung die Geringfügigkeit der Tat(en) im Verhältnis zur nicht eingestellten Tat zeige.25 Dem ist zuzugeben, dass es oftmals sicherlich ausreichend ist, eine Unternehmensgeldbuße allein in Anknüpfung an die nicht eingestellte Tat zu verhängen. Allerdings erfolgt auch bei den §§ 154, 154a StPO die Einstellung allein im Hinblick auf die Person des Unternehmensmitarbeiters. Dabei können ermittlungstaktische Erwägungen im Vordergrund stehen, wenn beispielsweise eine Einstellung nach § 154 StPO als „Belohnung“ für eine umfassende Aussage erfolgt.26 Unberücksichtigt bleiben dann spezielle, das Unternehmen betreffende Aspekte (wie z.B. die Häufung bestimmter Taten in dem Unternehmen oder eine Bereicherung allein im Hinblick auf die eingestellten Taten). Insoweit wird man grundsätzlich die Möglichkeit einer Unternehmensgeldbuße bejahen können und das Faktum der Einstellung als Erwägung in die Verfolgungsentscheidung nach § 47 OWiG einstellen müssen.27 (5) Weitere Einstellungsgründe Die Frage, ob und inwieweit die Einstellungsentscheidung individuell auf den Unternehmensmitarbeiter oder aber auf von diesem losgelöste Gründe gestützt wird, die gleichermaßen das Unternehmen treffen, ist auch Leitlinie für die Beurteilung weiterer Möglichkeiten der Einstellung (z.B. nach §§ 153c–153f StPO): Je ____________ 24 Z.B. §§ 46a, 60, 83a, 84 Abs. 4 und 5, 85 Abs. 3, 86 Abs. 4, 86a Abs. 3, 87 Abs. 3, 89 Abs. 3, 98 Abs. 2, 99 Abs. 3, 113 Abs. 4, 129 Abs. 5 und 6, 129a Abs. 6 und 7, 139 Abs. 1, 157, 158 Abs. 1, 174 Abs. 4, 182 Abs. 4, 218a Abs. 4, 314a, 330b Abs. 1 StGB; § 20 Abs. 2 VereinsG, §§ 29 Abs. 5, 31 BtMG; im Einzelnen ist die Anwendung des § 153b StPO umstritten, vgl. näher LR-Beulke, § 153b Rn. 3; Meyer-Goßner, StPO § 153b Rn. 1. 25 KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 151. 26 Vgl. zur Handhabung derartiger „Kronzeugenregelungen“ krit. Volk, NJW 1996, 879 ff. 27 Vgl. i.E. auch Poller, Verbandsgeldbuße, S. 62.
§ 12 Verfahrensrechtliche Aspekte der Unternehmensgeldbuße
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individueller die Einstellungsgründe, desto eher ist die Möglichkeit einer eigenständigen Unternehmensgeldbuße eröffnet. Je mehr die Gründe sowohl auf Mitarbeiter als auch auf das Unternehmen selbst zutreffen, desto eher ist ein selbstständiges Verfahren ausgeschlossen. Dies bedeutet z.B. für eine Einstellung von Auslandstaten nach §§ 153c, 153f StPO, dass eine Unternehmensgeldbuße in Betracht kommt, wenn die Einstellung allein wegen des Aufenthalts des Mitarbeiters (Unerreichbarkeit) vorgenommen wird; nicht in Betracht kommen wird sie dagegen in der Regel, wenn die Einstellung wegen überwiegender öffentlicher Interessen erfolgt, es sei denn, die Interessen wären im Hinblick auf Mitarbeiter und Unternehmen unterschiedlich zu beurteilen. 3. Absehen von Strafe Als letzte Möglichkeit kommt ein selbstständiges Verfahren nach § 30 Abs. 4 Satz 1 OWiG in Betracht, wenn von der Strafe abgesehen wurde.28 In Abgrenzung zur Einstellungsmöglichkeit nach § 153b StPO (die somit unter dem Aspekt der Einstellung relevant ist) setzt diese Variante voraus, dass ein abschließendes Urteil gegen den Mitarbeiter ergeht, in welchem von der Strafe abgesehen wurde. Rogall will diese Möglichkeit allerdings nur zulassen, wenn das Unternehmen bereits im Verfahren gegen den Mitarbeiter hinzugezogen wird.29 Eine derartige Beschränkung ergibt sich jedoch nicht aus dem Gesetz,30 zudem soll in diesem Fall das selbstständige Verfahren gerade möglich sein, sodass es befremdlich anmutet, es nur zuzulassen, wenn zuvor ein einheitliches Verfahren stattgefunden hat. Insoweit muss auch nach der rechtskräftigen Entscheidung über das Absehen von Strafe ein selbstständiges Verfahren gegen das Unternehmen in Betracht kommen, wie es als solches auch erst nach einer Einstellung möglich ist. Damit ist dieser Fall zwar der einzige, bei dem nach einer rechtskräftigen Entscheidung noch eine Unternehmensgeldbuße möglich ist, da ansonsten § 30 Abs. 4 Satz 3 OWiG eine weitere Verfolgung des Unternehmens hindert.31 Das Ergebnis mag man als rechtspolitisch misslich ansehen, das ändert aber nichts an der gesetzgeberischen Festlegung.32
____________ Zu den möglichen Gründen vgl. bereits oben Anm. 24. Also nach § 444 Abs. 1 StPO beteiligt wurde, vgl. KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 153. 30 Die Materialien schweigen sich bedauerlicherweise zur Variante der Einstellung aus, vgl. BT-Drs. 10/318, S. 41. 31 Rechtstechnisch ist somit die Variante des Absehens von Strafe als Ausnahme zu dem zu weit und unklar formulierten § 30 Abs. 4 Satz 3 OWiG zu sehen, vgl. dazu sogleich S. 453. 32 Da die Materialien hierzu schweigen, ist von keiner durchdachten Entscheidung des Gesetzgebers auszugehen, sondern vielmehr nur eine der vielen rechtstechnischen Unzulänglichkeiten des § 30 OWiG zu konstatieren. 28 29
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4. Spezialgesetzliche Anordnung des selbstständigen Verfahrens Nach § 30 Abs. 4 Satz 2 OWiG kommt das selbstständige Verfahren auch dann in Betracht, wenn eine gesetzliche Vorschrift dies ausdrücklich anordnet. Eine derartige Regelung sieht § 82 Satz 1 GWB für das Kartellrecht vor, der zugleich eine Verlagerung der Verfolgungszuständigkeit von der Staatsanwaltschaft auf die Kartellbehörden regelt. Danach ist die Kartellbehörde für die Festsetzung einer Unternehmensgeldbuße ausschließlich zuständig, wenn die Anknüpfungstat eine Straftat (z.B. § 298 StGB) ist, die zugleich den Tatbestand des § 81 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 GWB erfüllt, oder eine Ordnungswidrigkeit nach § 130 OWiG, bei der die mit Strafe bedrohte Pflichtverletzung unter § 81 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 GWB fällt. Die Pflicht der Kartellbehörden, Verfahren mit Straftaten an die Staatsanwaltschaft abzugeben (§ 41 OWiG), ist insoweit eingeschränkt worden. Die Kartellbehörden haben jedoch nach § 82 Satz 2 GWB die Möglichkeit, von sich aus das Verfahren an die Staatsanwaltschaft abzugeben. § 82 GWB enthebt die Kartellbehörden zudem nicht von der Pflicht zur Abgabe von Strafverfahren gegen natürliche Personen nach § 41 OWiG an die Staatsanwaltschaft.33 Insoweit kann es zu getrennten Verfahren kommen. Dem Vorbild des § 82 GWB entsprechend sieht inzwischen auch § 96 EnWG eine ausschließliche Zuständigkeit der Regulierungsbehörde vor. Die durch die Sondervorschriften mögliche Zuständigkeitstrennung ist Anlass für Kritik.34 Die Bedenken richten sich dabei vor allem gegen die Doppelung der Ermittlungen und die Aufspaltung der Ahndungs- und Rechtsfolgenkompetenz, die im Fall der Verfolgung einer Straftat das Gebot der Einmaligkeit der Strafverfolgung verletze.35 Diese Beurteilung setzt jedoch unzutreffend die Anknüpfungstat mit der Unternehmensgeldbuße gleich. Die Ahndung der Straftat des Mitarbeiters ist nicht mit der Geldbuße gegen das Unternehmen identisch. Es liegen Verfahren gegen rechtlich verschiedene Personen vor und der Vorwurf bezieht sich auf die Verwirklichung verschiedener Tatbestände.36 Da es um Ermittlungen gegen verschiedene Personen geht, ergeben sich keine Probleme hinsichtlich des prozessualen Tatbegriffs, der jeweils individuell personenbezogen ist.37 Die Beurteilung än____________ 33 Die Pflicht nach § 41 OWiG begründet eine Garantenstellung der Verwaltungsbehörde, sodass das Unterlassen der Abgabe eine Strafvereitelung im Amt durch Unterlassen begründen kann, vgl. BGHSt 43, 82. 34 Vgl. bspw. Achenbach, wistra 1998, 168 (171 ff.); ders., NJW 2001, 2232 ff.; Göhler-Gürtler, OWiG, § 30 Rn. 34a; Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, § 30 Rn. 40a; Wegner, wistra 2000, 361 (367). Siehe auch die Kritik des Bundesrates (BT-Drs. 15/3917, S. 94 f.). 35 Vgl. insbes. Achenbach, wistra 1998, 168 (171 ff.); ders., NJW 2001, 2232 (2233). 36 Vgl. auch Dölling, ZStW 112 (2000), 334 (349 f.). 37 Anders Achenbach, wistra 1998, 168 (172), der § 30 OWiG ganz streng im Sinne einer bloßen Rechtsfolge der Anknüpfungstat versteht und damit die eigenständigen Elemente der Unternehmensgeldbuße übergeht.
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dert sich auch nicht dadurch, dass im Rahmen der Unternehmensgeldbuße die Straftat Anknüpfungspunkt ist. Denn derartige Anknüpfungspunkte gibt es im Recht vielfach, z.B. in § 259 StGB bezüglich der Vortat oder beim Schadensersatz nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m § 263 StGB bezüglich des Betrugs.38 In all diesen Fällen können selbstständige Verfahren und eine jeweils selbstständige Würdigung des Anknüpfungspunkts erfolgen.39 Hier stellt sich allenfalls das Problem, wie eine abweichende Beurteilung des Anknüpfungspunkts zu lösen ist. Dies ist aber kein spezielles Problem des § 30 OWiG.40 Im Ergebnis ist daher die gesetzgeberische Entscheidung, sich vermehrt der Sachkunde von Sonderbehörden zu bedienen,41 nicht zu beanstanden.42 5. Ausschluss des selbstständigen Verfahrens Der Ausschluss des selbstständigen Verfahrens nach § 30 Abs. 4 Satz 3 OWiG in Fällen eines rechtlichen Hindernisses bei der Verfolgung der Tat des Unternehmensmitarbeiters ist Ausdruck der Konnexität zwischen Individualtat und Unternehmenssanktion. Es schien dem Gesetzgeber als nicht gerechtfertigt, das Unternehmen dann noch zu belangen, wenn dies beim Individualtäter nicht (mehr) möglich ist.43 Dabei dachte er an die Fälle einer Verjährung oder Amnestie.44 Soweit mehrere Täter und damit mehrere Anknüpfungstaten infrage kommen, ist ausreichend, dass zumindest bei einem Täter kein rechtliches Hindernis besteht, um das selbstständige Verfahren gegen ein Unternehmen durchzuführen.45
____________ Vgl. auch Poller, Verbandsgeldbuße, S. 63. Selbst im Hinblick auf die Verwirklichung desselben Tatbestands durch Mittäter kann allein aufgrund der Unterschiede in der Person jeweils ein eigenes Verfahren durchgeführt werden, es sind allein prozessökonomische (nicht aber zwingend rechtliche) Gründe, die eine Verfahrensverbindung erlauben. 40 Zumal bei § 30 OWiG insoweit kein Problem entsteht, als eine rechtskräftige Entscheidung über die Anknüpfungstat verfahrensrechtlich die weitere Verhängung der Unternehmensgeldbuße ausschließt (vgl. unten 5.d.). 41 Vgl. BT-Drs. 13/8079, S. 17. 42 Vgl. i.E. auch Dölling, ZStW 112 (2000), 334 (349); KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 154. 43 BT-Drs. 10/318, S. 41; vgl. dazu bereits oben S. 331 f. 44 BT-Drs. 10/318, S. 41. 45 Vgl. aber auch OLG Frankfurt NStE Nr. 4 zu § 30 OWiG. 38
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a) Begriff des rechtlichen Hindernisses Glücklich gewählt ist der Begriff des rechtlichen Hindernisses nicht,46 da man auch eine Einstellung des Verfahrens gegen den Mitarbeiter als rechtliches Hindernis sehen kann, schließt diese doch eine weitere Verfolgung des Mitarbeiters weitgehend aus. Eine derartige Einstellung soll im Rahmen des § 30 OWiG aber gerade ein Grund für die Möglichkeit der Durchführung des selbstständigen Verfahrens sein. Zur Klärung des Verständnisses des Begriffs des rechtlichen Hindernisses ist zu gegenwärtigen, dass § 30 OWiG in seiner Funktion als Zurechnungsnorm vor allem an der Tat und nur in begrenztem Maße am Täter selbst anknüpft. Der Kreis möglicher Täter wird in § 30 OWiG unabhängig von der Anknüpfungstat bestimmt und begrenzt. Die Begrenzung beruht dabei nicht auf Zurechnungsgesichtspunkten, sondern ist der Annahme einer spezifischen Unternehmensverantwortlichkeit geschuldet: Nur bei Führungspersonen ist eine risikoträchtige Entscheidungs- und Handlungsmacht gegeben und nur dieser Kreis kann die organisatorischen Strukturen im Unternehmen maßgeblich beeinflussen. Vor diesem Hintergrund sind als rechtliche Hindernisse solche Umstände heranzuziehen, die in der zuzurechnenden Tat oder in der zugrunde gelegten Unternehmensverantwortlichkeit angelegt sind, nicht jedoch primär in Bezug auf den Individualtäter stehende Faktoren.47 Besteht somit ein enger Individualtatbezug oder ein Unternehmensbezug, hindert dies ein selbstständiges Verfahren. Bei einem starken Individualtäterbezug kann jedoch ein Verfahren noch durchgeführt werden. b) Verjährung als Hindernis Der vorgenannten Lösung folgend erklärt sich unproblematisch, warum die Verjährung als (für die Praxis relevantestes) Hindernis erfasst ist. Denn die Verjährung ist ein auf die Individualtat bezogener Umstand, die als solche Bezugspunkt in § 30 OWiG ist. Ist die Individualtat verjährt, könnte an sich nicht nur kein einheitliches Verfahren, sondern auch kein selbstständiges Verfahren durchgeführt werden.48 ____________ 46 Daher wird vielfach ohne Systematisierung nur eine Reihe von Faktoren aufgezählt, die entweder erfasst oder nicht erfasst sind, vgl. nur Göhler-Gürtler, OWiG, § 30 Rn. 42; KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 169; Müller, Ordnungswidrigkeitenrecht, S. 92 ff.; Rebmann/ Roth/Herrmann, OWiG, § 30 Rn. 58. Abgrenzungsversuche wurden hingegen von Brender, Verbandstäterschaft, S. 138 ff. (allerdings nur de lege ferenda) sowie von V. Kaiser, Verbandssanktionen, S. 219 ff. und Pohl-Sichtermann, Geldbuße, S. 184 ff. unternommen (die beiden letztgenannten Arbeiten allerdings zur alten Rechtslage vor 1986, als der Aspekt der tatsächlichen Verfolgungshindernisse aufgrund des Wortlauts des § 30 OWiG noch unmittelbar relevant war). 47 Vgl. auch Brender, Verbandsgeldbuße, S. 139 zu Ansätzen de lege ferenda. 48 Vgl. BGH NStZ-RR 1996, 147; OLG Dresden NStZ 1997, 348 (349); OLG Frankfurt NStZ 1992, 193; HWSt-Achenbach, I 2 Rn. 17; Göhler-Gürtler, OWiG, § 30 Rn. 42; KKOWiG-Rogall, § 30 Rn. 169; Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, § 30 Rn. 58; siehe auch Göhler, NJW 1979, 1436; Peltzer, NJW 1978, 2131 ff.
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Um diese strenge Abhängigkeit voneinander zur unterbrechen, bedarf es einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung, die in Bezug auf die Unterbrechung der Verjährung inzwischen besteht. Im Jahr 1986 ist in § 33 Abs. 1 Satz 2 OWiG vorgesehen worden, dass durch die Einleitung eines selbstständigen Verfahrens die Verjährung für das selbstständige Verfahren unterbrochen wird. In diesem Punkt löst sich die Verjährung des § 30 OWiG von der der Individualtat. Auf diese Ausnahme verweist § 30 Abs. 4 Satz 3 OWiG zur Klarstellung explizit. Wird also ein selbstständiges Verfahren gegen das Unternehmen kurz vor Verjährung der Individualtat eingeleitet, so unterbricht § 33 Abs. 1 Satz 2 OWiG eine mögliche Verjährung der Unternehmensgeldbuße (während die Individualtat davon nicht betroffen ist und verjähren kann).49 c) Weitere Hindernisse In Bezug auf weitere rechtliche Hindernisse ist wie folgt zu unterscheiden:50 Eine Amnestie stellt dann zweifelsfrei ein Hindernis dar, wenn diese die Tat amnestiert; erfolgt eine täterbezogene Amnestie, hindert diese die Anwendung von § 30 OWiG nur dann, wenn das Unternehmen in den amnestierten Täterkreis miteinbezogen ist. Das Fehlen eines Strafantrags hindert die Verfolgung, denn ein solcher Antrag ist tatbezogen. Dagegen sind Faktoren wie Abwesenheit des Mitarbeiters, Verhandlungsunfähigkeit, Tod sowie Immunität oder Exterritorialität auf die Person des Individualtäters bezogen und können folglich ein Verfahren gegen das Unternehmen nicht hindern. d) Klarstellungsfunktion des § 30 Abs. 4 Satz 1 OWiG Zuletzt erklärt die vorgenannte Unterscheidung auch, warum die Fälle der Nichteinleitung eines Verfahrens, der Einstellung und des Absehens von Strafe wie die Konstellation der Unterbrechung der Verjährung eine ausdrückliche Erwähnung in § 30 Abs. 4 Satz 1 OWiG gefunden haben. Denn hierbei wird primär die Tat gar nicht erst verfolgt oder das Verfahren bezüglich der Tat beendet.51 Ohne Ausnahmeregelung wäre ein selbstständiges Verfahren aufgrund von § 30 Abs. 4 Satz 3 OWiG gesperrt. Aus der Abgrenzung folgt auch, dass weitere tatbezogene Verfahrensentscheidungen ein selbstständiges Verfahren hindern, eben weil sie tatbezogen sind und nicht in § 30 Abs. 4 Satz 1 OWiG als Ausnahme aufgeführt sind. Dies ____________ 49 Zur Frage der Verjährung der Unternehmensgeldbuße vgl. im nachfolgenden Abschnitt auf S. 456. 50 Zur Einordnung der Kriterien in der weiteren Literatur vgl. die Nachweise oben Anm. 46. 51 Natürlich spielen bei Nichtverfolgung, Einstellung und gerade auch beim Absehen von Strafe individuelle Aspekte eine große Bedeutung, nichtsdestoweniger erfolgt die Verfahrensentscheidung formal gerade in Bezug auf die Tat.
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betrifft insbesondere eine rechtskräftige Entscheidung über die Individualtat.52 Das Ergebnis mag zwar rechtspolitisch misslich sein,53 ist aber explizite Entscheidung des Gesetzgebers, der unproblematisch diesen Fall in § 30 Abs. 4 Satz 1 OWiG hätte normieren können (z.B. durch die folgende Einfügung: „oder ist bereits eine rechtskräftige Entscheidung erfolgt“). III. Verjährung und Unterbrechung der Verjährung 1. Verjährung Die Verjährung wird vorliegend als verfahrensrechtlicher Aspekt betrachtet, der einer Durchführung des Sanktionsverfahrens entgegenstehen kann.54 Für die Frage der Verfolgungsverjährung der Unternehmensgeldbuße besteht keine besondere gesetzliche Regelung.55 Es bieten sich daher de lege lata zunächst zwei Wege an: zum einen die Anwendung der Verjährungsvorschrift des § 31 OWiG oder die Verjährungsvorschriften des jeweiligen Anknüpfungstatbestands. Der BGH hat sich im Jahr 2001 gegen eine Anwendung des § 31 OWiG ausgesprochen, da er in § 30 OWiG keinen eigenständigen Bußgeldtatbestand sah, und bemaß die Verjährung nach dem verwirklichten Anknüpfungstatbestand.56 Diese Ansicht wird von der Literatur geteilt57 und hat auch die Billigung des Gesetzgebers gefunden.58 In der Tat lässt sich durch die Bezugnahme auf die Anknüpfungstat ein differenziertes Ergebnis für die verschiedenartigen Konstellationen des § 30 OWiG finden. Dieser Weg wird im Übrigen nach herrschender Ansicht auch bei § 130 OWiG gegangen, bei dem die Verjährung an der tatbestandlich vorausgesetzten Zuwiderhandlung anknüpft.59 Allerdings ist das Ergebnis nicht wie vom BGH angenommen ____________ 52 Vgl. hierzu auch AG Eggenfelden wistra 2002, 274; Göhler-Gürtler, OWiG, § 30 Rn. 33; KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 161. 53 Krit. z.B. Brender, Verbandstäterschaft, S. 138 f. 54 Vgl. zu dieser allgemeinen Einschätzung (seit BVerfGE 25, 269), wonach der Verjährung zumindest auch verfahrensrechtlicher Charakter zukommt und bei deren Vorliegen ein Prozesshindernis besteht, Sch/Sch-Stree/Sternberg-Lieben, vor §§ 78 ff. Rn. 3 m.w.N. 55 Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich nur auf die Möglichkeit einer Verjährung der Verfolgung der Unternehmensgeldbuße, nicht auf die Vollstreckungsverjährung, die gemäß § 34 OWiG eine rechtskräftige Bußgeldfestsetzung voraussetzt. 56 BGHSt 46, 207 ff. 57 HWSt-Achenbach, I 2 Rn. 21; Göhler-Gürtler, OWiG, § 30 Rn. 43a; KK-OWiGRogall, § 30 Rn. 227a; Lemke/Mosbacher, OWiG, § 30 Rn. 79; Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, § 30 Rn. 61a; Wieser, OWiG, § 30 Nr. 11; vgl. auch Brender, Verbandstäterschaft, S. 150 ff.; Müller, Ordnungswidrigkeitenrecht, S. 96 ff.; Pohl-Sichtermann, Geldbuße, S. 196 ff. 58 Vgl. den expliziten Bezug auf BGHSt 46, 207 bei der letzten Reform des § 30 OWiG, BT-Drs. 14/8998, S. 12. 59 Dabei ist die Anknüpfung an die Zuwiderhandlung hinsichtlich Ordnungswidrigkeiten in § 131 Abs. 3 OWiG sogar explizit vorgesehen. Für Straftaten fehlt ein derartiger
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der zweifelhaften pauschalen Verneinung der Tatbestandsqualität des § 30 OWiG zu entnehmen, sondern der Konstruktion der Unternehmensgeldbuße selbst.60 Dabei spricht das Zurechnungselement der Unternehmensgeldbuße für eine Anknüpfung an die vom Mitarbeiter verwirklichte Tat. In der Verjährung drückt sich die geminderte Notwendigkeit der staatlichen Verfolgung der Tat aus, da das verwirklichte Unrecht historische Gegebenheit wird.61 Historische Gegebenheit wird primär der Lebenssachverhalt, der bei der Anknüpfungstat und dieser als Kernelement der Unternehmensgeldbuße identisch ist. Aufgrund der Identität des Lebenssachverhalts wäre daher eine einheitliche Verjährung angebracht. Zudem ist es gerecht, bei einer so engen Verknüpfung von Individualtat und Unternehmensgeldbuße das Unternehmen so lange wie den Mitarbeiter belangen zu können, jedoch weder kürzer noch länger. Insoweit ist dem BGH zuzustimmen.62 Da § 30 OWiG allerdings in starkem Maß über die Individualtat hinaus von unternehmensbezogenen Elementen geprägt ist, die eine eigenständige Beurteilung der Verjährung auch nach geltendem Recht als nicht unmöglich erscheinen lassen, sollte der Gesetzgeber eine explizite gesetzliche Regelung schaffen. 2. Unterbrechung der Verjährung Eng verbunden mit der Frage der Verjährung ist das Problem, welche Handlungen eine Unterbrechung der Verjährung bewirken. Gesetzlich geregelt ist, dass durch die Einleitung des selbstständigen Verfahrens die Verjährung der Unternehmensgeldbuße unterbrochen wird (§ 33 Abs. 1 Satz 2 OWiG). Dies hat zur Konsequenz, dass Anknüpfungstat und Unternehmensgeldbuße jeweils selbstständig verjähren können. Zudem wirkt jede verjährungsunterbrechende Handlung gegenüber dem Unternehmensmitarbeiter auch gegenüber dem Unternehmen.63 Dies ist konsequent, wenn man die Verjährung der Unternehmensgeldbuße an der Individualtat anknüpft und somit auch bei Unterbrechungen einen Gleichlauf ermöglicht. Eine Unterbrechungswirkung wird teilweise sogar dann angenommen, wenn gegen den falschen Mitarbeiter Ermittlungen eingeleitet worden sind, da die Leitungsebene als Einheit zu sehen sei.64 ____________ Hinweis, vgl. näher Göhler-König, OWiG (14. Aufl.), § 130 Rn. 30; Rebmann/Roth/ Herrmann, OWiG, § 130 Rn. 35. 60 Vgl. auch KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 227a („Wesen der Verbandsgeldbuße“). 61 Vgl. nur Jakobs, AT, 10. Abschn. Rn. 22. 62 Insoweit BGHSt 46, 207 ff. m. zust. Anm. König, JR 2001, 426 (427 f.) das Ergebnis aus der verfahrensrechtlichen Stellung des Unternehmens (als Nebenbeteiligter) herleiten, ist dies zwar in sich konsequent, erklärt die Anknüpfung aber letztlich mit Praktikabilitätserwägungen, da ansonsten Probleme bei der Bestimmung einer Unterbrechung der Verjährung zutage treten würden (vgl. König, JR 2001, 426 [428]). 63 BGHSt 46, 207 ff.; BGH NStZ-RR 1996, 147 f.; anders aber OLG Karlsruhe NStZ 1987, 79 f. 64 Göhler-Gürtler, OWiG, § 30 Rn. 43b; Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, § 30 Rn. 61a. Zum Fall der Ermittlungen gegen Unbekannt siehe Göhler-Gürtler, OWiG, § 33 Rn. 43a.
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Das ist aber abzulehnen,65 da eine solche Betrachtung letztlich die Verjährung inkonsequenterweise doch nicht streng an der individuellen Tat anknüpfen würde, sondern an unternehmensbezogenen Elementen. Wird gegen A und das dazugehörige Unternehmen ermittelt, ist Gegenstand der Ermittlungen nur die durch A begangene Tat und wie diese sich im Rahmen des § 30 OWiG darstellt. Stellt sich später heraus, dass B die Tat begangen hat, ist dieser Ermittlungssachverhalt aufgrund der Personenverschiedenheit eben nicht identisch mit dem im gegen A und das Unternehmen geführten Verfahren. Wollen die Ermittlungsbehörden eine mögliche Verjährung verhindern, können sie bei entsprechendem Anfangsverdacht Ermittlungen gegen A und B einleiten und somit eine Verjährung verhindern. IV. Ne bis in idem Die Frage der Vermeidung einer Doppelbestrafung (ne bis in idem) von Mitarbeiter und Unternehmen stellt ein häufig angesprochenes Problem bei § 30 OWiG dar.66 Dies mag an dem Unbehagen des historischen Gesetzgebers liegen, der befürchtete, dass man bei der Belangung von Mitarbeiter und Unternehmen einer Doppelbestrafung zumindest nahe komme, wenn der Mitarbeiter am Unternehmen kapitalmäßig beteiligt ist.67 Allerdings wird damit die Reichweite von Art. 103 Abs. 3 GG verkannt, der nur garantiert, dass nicht ein und dieselbe Person wegen eines einheitlichen Lebenssachverhalts doppelt bestraft wird.68 Mit Mitarbeiter und juristischer Person bestehen aber zwei rechtlich getrennte Rechtssubjekte, sodass eine Anwendung des Art. 103 Abs. 3 GG einer sehr weitgehenden Auslegung bedürfte. Zudem besteht keine doppelte unmittelbare Betroffenheit, denn der Mitarbeiter wird durch die Bestrafung des Unternehmens lediglich indirekt über seine Eigentumsstellung vermittelt belangt.69 Art. 103 Abs. 3 GG will jedoch allein eine Doppelbestrafung aufgrund der „allgemeinen Strafgesetze“ verhindern, nicht aber eine Betroffenheit, die neben der Anwendung der „allgemeinen Strafgesetze“ auf einer gesellschaftsrechtlichen (Kapital-)Beteiligung beruht. Die Betroffenheit als Mitarbeiter und Kapitaleigner ist letztlich nur die Konsequenz aus einer Doppelstellung im Unternehmen. Insoweit liegt bei einer Belangung von Unternehmen und Unter___________ Ebenso KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 170. Vgl. nur Brender, Verbandstäterschaft, S. 64 ff.; Ehrhardt, Unternehmensdelinquenz, S. 77 f.; KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 39, 120, 156; Müller, Ordnungswidrigkeitenrecht, S. 48 f.; Pohl-Sichtermann, Geldbuße, S. 56 ff.; Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, § 30 Rn. 38. Siehe auch unten S. 677 ff. 67 Vgl. BT-Drs. V/1269, S. 61. 68 Vgl. dazu Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 103 III, Rn. 24 ff.; Jarass/Pieroth, GG, Art. 103 Rn. 57; Nolte, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 103 Rn. 178 ff.; siehe auch MD-Schmidt-Aßmann, Art. 103 Rn. 275 ff., 293 ff. 69 Vgl. Müller, Ordnungswidrigkeitenrecht, S. 49; Pohl-Sichtermann, Geldbuße, S. 57 f.; R. Schmitt, FS-Lange, S. 877 (882); vgl. auch Hirsch, Straffähigkeit, S. 19 f. 65 66
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nehmensmitarbeitern keine unzulässige Doppelbestrafung vor.70 Dies schließt nicht aus, die doppelte Betroffenheit als handelnder Unternehmensmitarbeiter und zugleich als Anteilseigner am Unternehmen im Rahmen der Frage des „Ob“ der Belangung nach Opportunitätsgesichtpunkten zu berücksichtigen oder ggf. erst auf der Ebene der Sanktionsbemessung die jeweiligen Sanktionen aufeinander abzustimmen. V. Opportunitätsprinzip 1. Grundsätze Schon § 30 OWiG spricht davon, dass eine Unternehmensgeldbuße festgesetzt werden „kann“ und damit keine Verpflichtung zur Verhängung der Geldbuße existiert, selbst wenn alle Tatbestandselemente gegeben sind. § 47 Abs. 1 OWiG stellt dies noch klarer heraus, wenn er die Verfolgung ins „Ermessen“ der Verfolgungsbehörden stellt. In der Sache ist in diesen Vorschriften das Opportunitätsprinzip normiert, das im Kontrast zum strafprozessual normierten Legalitätsprinzip (§ 152 Abs. 2 StPO) mit zumindest im Grundsatz zwingender Verpflichtung zur Verfolgung von Straftaten zu sehen ist. Das Opportunitätsprinzip gilt für § 30 OWiG unabhängig davon, ob die Anknüpfungstat Straftat oder Ordnungswidrigkeit ist, und damit ist auch unerheblich, ob das Verfahren strafprozessualen oder ordnungswidrigkeitenrechtlichen Regelungen folgt.71 a) Entscheidung innerhalb „pflichtgemäßen Ermessens“ Das Opportunitätsprinzip erlaubt der Behörde, in eigener Entscheidungsbefugnis von der Einleitung eines Verfahrens abzusehen, ein Verfahren unter Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten zu beschränken, es einzustellen oder letztlich auch ein Verfahren durchzuführen.72 Eine Einstellung ist sogar im gerichtlichen Verfahren noch möglich.73 Völlig frei ist die Behörde bei ihren Entscheidungen nicht, denn sie darf ____________ 70 OLG Hamm NJW 1973, 1851 (1853); Bangard, wistra 1997, 161 (171); Bohnert, OWiG, § 30 Rn. 46; Brender, Verbandstäterschaft, S. 66; Ehrhardt, Unternehmensgeldbuße, S. 78; Göhler-Gürtler, OWiG, § 30 Rn. 29; V. Kaiser, Verbandssanktionen, S. 34 f.; Mitsch, OWi, § 16 Rn. 5; Müller, Ordnungswidrigkeitenrecht, S. 48 f.; Rebmann/Roth/ Herrmann, OWiG, § 30 Rn. 38; R. Schmitt, FS-Lange, S. 877 (882); siehe auch v. Weber, GA 1954, 237 (239); Tiedemann, ZStW 83 (1971), 792 (796). 71 Vgl. Pohl-Sichtermann, Geldbuße, S. 213. 72 Vgl. Göhler-Seitz, OWiG, § 47 Rn. 5; KK-OWiG-Bohnert, § 47 Rn. 3; Rebmann/ Roth/Herrmann, OWiG, § 47 Rn. 4. 73 Vgl. § 47 Abs. 2 OWiG, der das Opportunitätsprinzip in das gerichtliche Verfahren (nach Einspruch gegen den von der Verwaltungsbehörde erlassenen Bußgeldbescheid) hinein ausdehnt. In diesen Fällen ist dann aber grundsätzlich die Zustimmung der Staatsanwaltschaft notwendig. Mit „gerichtlichem Verfahren“ ist nicht das Verfahren vor den Strafgerichten bei Anknüpfung an eine Straftat gemeint, da hier das Gericht der Verwal-
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nur innerhalb ihres „pflichtgemäßen Ermessens“ entscheiden. Wie genau das Ermessen „pflichtgemäß“ auszuüben ist, dafür liefert das Gesetz allerdings kaum weitere Hinweise. Es schließt allein in § 47 Abs. 3 OWiG aus, dass die Einstellung eines Verfahrens von einer Geldzahlung abhängig gemacht wird. Zudem wird man bei mangelndem Tatverdacht zugunsten des Beschuldigten der (zwingenden) Einstellung gemäß §§ 46 Abs. 1 OWiG, 170 Abs. 2 StPO den Vorrang einräumen müssen und somit § 47 OWiG auf echte Opportunitätserwägungen beschränken.74 b) Konkretisierung des Ermessens durch Erwägungen der §§ 153 ff. StPO Von diesen normierten Vorgaben abgesehen, wird allgemein angenommen, dass ein pflichtgemäßes Ermessen vorliegt, wenn die Entscheidung allein auf sachlichen Gesichtspunkten beruht, insbesondere nicht willkürlich erfolgt oder den Gleichheitsgrundsatz verletzt.75 Zur Konkretisierung des Ermessens gerade im Hinblick auf mögliche Einstellungen werden häufig die den §§ 153 ff. StPO zugrunde liegenden Erwägungen herangezogen.76 In der Tat bieten diese Normen Anregungen, in welchen Fällen ein staatliches Verfolgungsinteresse als gering angesehen werden kann. Entsprechend § 153 StPO können daher der geringe Umfang der Vorwerfbarkeit und ein mangelndes öffentliches Interesse herangezogen werden. Gemäß §§ 154, 154a StPO können die Ermittlungen auf einzelne zentrale Teile der Tat oder Taten beschränkt werden. Auch § 153a StPO ist insoweit heranzuziehen, als nicht die nach § 47 Abs. 3 OWiG ausgeschlossene Geldzahlung an gemeinnützige Organisationen oder sonstige Stellen auferlegt wird. Der explizite Ausschluss konkreter Auflagen in § 47 Abs. 3 OWiG lässt den Umkehrschluss zu, dass andere Auflagen grundsätzlich erlaubt sind. Die Norm will nur verhindern, dass ein Freikauf von der Bußgeldsanktion erfolgt. Die Grundidee des § 153a StPO, dass bestimmte Auflagen oder Weisungen das öffentliche Verfolgungsinteresse minimieren, lässt sich jedoch auch für das Ordnungswidrigkeitenrecht fruchtbar machen. Denkbar ist beispielsweise, die Verpflichtung zur Wiedergutmachung oder die Erbringung von Schadensersatzleistungen an den Verletzten festzulegen.77 ____________ tungsbehörde entspricht, die erst den Bußgeldbescheid erlässt und somit § 47 Abs. 1 OWiG gilt. 74 Vgl. Göhler-Seitz, OWiG, § 47 Rn. 22a; Gramse, BB 1984, 371 (374 f.); KK-OWiGBohnert, § 47 Rn. 98 ff.; Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, § 47 Rn. 20. 75 Vgl. Dannecker/Biermann, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, Bd. 2, vor § 81 Rn. 197; Göhler-Seitz, OWiG, § 47 Rn. 8 ff.; Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, § 47 Rn. 11 ff. 76 Vgl. bspw. KK-OWiG-Bohnert, § 47 Rn. 107 ff.; Maiazza, Opportunitätsprinzip, S. 124 ff.; Müller, GA 1988, 317 (330); siehe auch Sieber, FS-Tiedemann, S. 449 (473). 77 Dannecker/Biermann, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, Bd. 2, vor § 81 Rn. 210; Göhler-Seitz, OWiG, § 47 Rn. 34; Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, § 47 Rn. 27;
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Ein Problem stellt sich, wenn zur „Auflage“ die Aufgabe des beanstandeten Verhaltens gemacht werden soll und damit die (künftige) Normeinhaltung und nicht die Sanktionsverhängung im Vordergrund steht. Zum Teil wird die Führung eines Bußgeldverfahrens allein mit dem Ziel der Aufgabe des Verhaltens als rechtswidrig angesehen, da hiermit Verwaltungszwang ausgeübt werde und somit (sachfremd) wirtschaftsaufsichtliche Funktionen wahrgenommen würden.78 Die Bußgeldtatbestände sowie das Bußgeldverfahren sind jedoch stark präventiv orientiert und ihnen kommt aufgrund dieser Zielsetzung faktisch zumindest auch „wirtschaftsaufsichtsrechtliche“ Funktion zu.79 Daher sind Geldbuße und Verwaltungszwang vielfach nicht klar trennbar.80 Zudem weist sogar § 153a StPO eine präventive Zielsetzung durch die Verhängung von Weisungen auf, die im Gegensatz zu den auf Wiedergutmachung ausgelegten Auflagen spezialpräventiven Inhalt haben und die Begehung künftiger Taten verhindern sollen.81 Insoweit bestehen kaum Bedenken, auch die Aufgabe des beanstandeten Verhaltens als Weisung zur Bedingung für die Einstellung des Verfahrens zuzulassen. Dies ist beispielsweise dann in Erwägung zu ziehen, wenn die Rechtslage bis zur Klärung durch die Behörde unübersichtlich war und nun erst für die Zukunft klargestellt ist, wo die Grenze zum unzulässigen Verhalten verläuft. Denn in einem solchen Fall ist das Sanktionsbedürfnis aufgrund geringer Vorwerfbarkeit als eher niedrig einzustufen und das öffentliche Interesse vielmehr in der Beseitigung des rechtswidrigen Zustands für die Zukunft zu sehen. c) Weitere Erwägungen Die Erwägungen bei § 47 OWiG sind allerdings nicht auf die Einstellungsgründe der §§ 153 ff. StPO begrenzt, die nur als Ausnahmen zum Legalitätsprinzip fungieren und damit nicht der Weite des Opportunitätsprinzips entsprechen. Das Opportunitätsprinzip gibt der Behörde einen weitergehenden Spielraum, der grundsätzlich nur die Missbrauchsgrenzen nicht überschreiten darf. Sie kann beispielsweise bei unklarer Rechts- oder Sachlage oder bei Änderungen der Sachlage von einer Verfolgung aus Zweckmäßigkeitserwägungen absehen; ebenso kann sie bei unklarer Sachlage den Ermittlungsaufwand begrenzen oder in sachlicher wie rechtlicher
____________ siehe auch Maiazza, Opportunitätsprinzip, S. 131 ff.; krit. aber KK-OWiG-Bohnert, § 47 Rn. 147. 78 Dannecker/Biermann, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, Bd. 2, vor § 81 Rn. 211; siehe auch Tiedemann, Tatbestandsfunktionen, S. 47 ff., 169 ff. sowie Beulke, FSDahs, S. 209 (223) zur Unzulässigkeit der Umgehung spezialgesetzlicher Normen im Rahmen des § 153a StPO. 79 Vgl. K. Schmidt, wistra 1990, 131 (133); ders., Kartellverfahrensrecht, S. 296 ff.; Steindorff, FS-Larenz, S. 217 (238). 80 Vgl. K. Schmidt, wistra 1990, 131 (133); siehe auch Tiedemann, 49. DJT, S. C39. 81 Vgl. BVerfG StV 1993, 465; Beulke, FS-Dahs, S. 209 (211 f.).
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3. Kapitel: Deutsches Recht
Hinsicht beschränken (z.B. auf einzelne Ordnungswidrigkeiten).82 Im Gegensatz zum Strafverfahren mit seinem strikten Verfolgungszwang kann sie eine Abwägung nach den Umständen des Einzelfalls vornehmen. Für die Handhabung des Ermessens bestehen nur teilweise interne Vorgaben, die das Ermessen leiten und strukturieren können. Die RiStBV, die nur Anwendung findet, wenn die Staatsanwaltschaft das Verfahren führt, spricht die Geldbuße gegen Unternehmen zwar an, gibt jedoch kaum konkrete Hinweise.83 Eine Geldbuße komme in Betracht, wenn dies die Möglichkeit eröffne, die finanziellen Verhältnisse des Unternehmens – vor allem erlangte Vorteile – zu berücksichtigen.84 Diese Möglichkeit bestehe insbesondere bei Wirtschaftsdelikten, Korruptions- und Umweltdelikte eingeschlossen. Der Hinweis auf die finanziellen Verhältnisse ist allerdings nicht weiterführend, da diese bei § 30 OWiG in jedem Fall bei der Sanktionsbemessung schon von Gesetzes wegen berücksichtigt werden müssen und wenig plausibel ist, wieso der finanzielle Aspekt inhaltlich die Verhängung der Unternehmensgeldbuße rechtfertigen kann. Verständlich ist dieser Ansatz an sich nur, wenn man § 30 OWiG primär als Abschöpfungsvorschrift versteht, wie dies der explizite Hinweis der Richtlinien auf die erlangten Vorteile auch andeutet. Wie bei diesem Verständnis die Unternehmensgeldbuße vom Verfall abzugrenzen ist, bleibt nach den Richtlinien aber offen. Zudem bleibt ungeklärt, wann und in welchem Umfang von der ahndenden Funktion der Geldbuße Gebrauch zu machen ist. Neben der RiStBV als allgemeiner Leitlinie bestehen insbesondere für die Fachbehörden bereichspezifisch interne Richtlinien und Weisungen. Derartige Richtlinien sind beispielsweise für das Kartellrecht von Bedeutung. So sieht die Bonusregelung des Bundeskartellamts für Kronzeugen vor, dass bei einer Meldung eines Kartells an das Amt, einer umfangreichen Kooperation mit den Behörden und keiner zu schwerwiegenden Beteiligung an der Tat eine Geldbuße nicht verhängt wird.85 Damit wird die in § 371 AO geregelte strafbefreiende Selbstanzeigemöglichkeit auf das Kartellrecht übertragen. Im Regelfall wird auch keine Anordnung des Verfalls oder eine Abschöpfung erfolgen.86 Freiwillige Meldung und Kooperation können somit als entscheidende Kriterien für die Frage einer Einstellung herangezogen werden. Die Weite des Opportunitätsprinzips ermöglicht de lege lata eine Berücksichtigung dieser Elemente auch auf anderen Gebieten des Wirtschaftsrechts.87 Das kann z.B. in Bereichen sinnvoll sein, in denen Ermittlungen staatlicher Behörden nur schwer zu tätigen sind oder mit den zur Verfügung stehenden öffentlichen Ressourcen kaum zu bewerkstelligen wären. Langfristig ist zu überlegen, ob nicht eine gesetzliche Regelung Rechtsklarheit und Rechtssicherheit bringen würde.88
____________ 82 Dannecker/Biermann, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, Bd. 2, vor § 81 Rn. 196; Göhler-Seitz, OWiG, § 47 Rn. 3 ff.; Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, § 47 Rn. 7; siehe auch KK-OWiG-Bohnert, § 47 Rn. 110, der diese Aspekte z.T. als öffentliche Interessen in Anlehnung an § 153 StPO betrachtet. 83 Vgl. Nr. 180a, 270 Satz 2 RiStBV. 84 Nr. 180a Abs. 2 RiStBV. 85 Vgl. Nr. 3 der Richtlinie (oben Anm. 15); siehe dazu Dannecker/Biermann, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, Bd. 2, vor § 81 Rn. 206, § 81 Rn. 419 ff.; Engelsing, ZWeR 2006, 179 ff.; Voet van Vormizeele, wistra 2006, 292 ff.; Wegner, Zumessung, S. 110 ff. 86 Vgl. Nr. 23 der Richtlinie (oben Anm. 15). 87 Vgl. Göhler-Seitz, OWiG, § 47 Rn. 20b; ähnlich Maiazza, Opportunitätsprinzip, S. 148 ff. 88 Vgl. zum Vorschlag, eine an § 371 AO angelehnte Norm für die Umweltstraftaten des StGB einzuführen, Hellmich, Kooperation, S. 242 ff., 321. Siehe auch Nell, ZRP 2008,
§ 12 Verfahrensrechtliche Aspekte der Unternehmensgeldbuße
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Im Kontext des § 30 OWiG bedeutet die Anwendung des Opportunitätsprinzips etwa, dass die Behörde das Verfahren gegen den Unternehmensmitarbeiter einstellen kann, wenn sie zur Ahndung eine Verfolgung des Unternehmens für ausreichend erachtet.89 Verhängt sie eine Geldbuße gegen den Mitarbeiter, ist zu erwägen, ob es einer Geldbuße gegen das Unternehmen bedarf. Kontrollüberlegung kann hierbei sein, ob die Geldbuße gegen den Mitarbeiter höher ausgefallen wäre, wenn dieser als Einzelunternehmer gehandelt hätte. Falls ja, spricht dies für eine zusätzliche Belangung des Unternehmens. Dies wird etwa dann der Fall sein, wenn in besonderem Maße unternehmensspezifische Aspekte (mangelnde Organisation etc.) eine Rolle spielen oder durch die Tat nur das Unternehmen bereichert wurde. Berücksichtigt werden kann zudem, ob der belangte Mitarbeiter (vor allem bei kleineren Unternehmen) nicht zugleich Teilhaber des Unternehmens und in diesem Fall eine „doppelte Sanktionierung“ notwendig ist.90 2. Bedeutung von Compliance-Programmen Das Opportunitätsprinzip eröffnet einen umfangreichen Spielraum für die Verfolgungsbehörden zur Berücksichtigung von Compliance-Programmen.91 Die Weite zulässiger Erwägungen ermöglicht unproblematisch die Einbeziehung von Compliance-Programmen in die Entscheidungsfindung, und zwar auch als ein Hauptkriterium zur Entscheidung über eine Verfolgung des Unternehmens. Denn es ist zulässig, die Verfolgung gerade auf solche Unternehmen zu beschränken, bei denen sich die Anknüpfungstat in besonderem Maß als Ausdruck einer unzureichenden Unternehmensstruktur oder Unternehmenskultur darstellt, die Rechtsbrüche bewusst oder fahrlässig in Kauf nimmt. a) Relevanz des Unternehmenskontexts Bei der Verfolgungsentscheidung hat es wenig Sinn, sich allein auf die Bewertung der Anknüpfungstat zu stützen, da diese eben zunächst nur Ausdruck des individuellen Fehlverhaltens des Mitarbeiters ist. Von besonderem Interesse bei der Frage der Belangung des Unternehmens ist hingegen der Kontext, in dem sich die Anknüpfungstat abgespielt hat. Es ist also eine ähnlich breite Bewertung vorzunehmen wie in der Strafzumessung auch. Letztlich ist dies nur die konsequente Berücksichtigung der Doppelnatur des § 30 OWiG aus Zurechnungsnorm und Un____________ 149 (150), der vorschlägt, in § 30 OWiG einen Absatz 6 einzufügen, der die freiwillige Offenlegung mit einem Verzicht auf die Geldbuße belohnt. 89 Vgl. zu den Erwägungen Demuth/Schneider, BB 1970, 642 (650); Göhler-Gürtler, OWiG, § 30 Rn. 35; KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 144; Pohl-Sichtermann, Geldbuße, S. 214; Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, § 30 Rn. 61a. 90 Vgl. hierzu OLG Hamm NJW 1973, 1851 (1854). 91 Vgl. Sieber, FS-Tiedemann, S. 484 f.
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ternehmensverantwortlichkeit auf der prozessualen Ebene. Verkürzt kann man konstatieren, dass die „bösen“ Unternehmen sanktioniert werden sollen, während diejenigen, die sich ernsthaft um eine Rechtseinhaltung bemüht haben, nicht zwingend zur Verantwortung gezogen werden müssen. In Heranziehung der Kriterien des § 153 StPO ist in letzterem Fall der Vorwurf gegenüber dem Unternehmen eher als gering einzustufen und damit zumeist auch das öffentliche Interesse an seiner Verfolgung. b) Nichtverfolgung und Einstellung Eine Nichtverfolgung bzw. eine Einstellung des Verfahrens unter dem Aspekt des Compliance-Programms wird nur dann in Betracht kommen, wenn das Programm auch als effektiv anzusehen ist. Dies erfordert eine eingehende Prüfung seitens der Behörden und eröffnet Unternehmen einen großen Spielraum, sich der Behörde gegenüber „positiv“ zu präsentieren. Aber auch in dem Fall, dass im Zeitpunkt der Anknüpfungstat das Compliance-Programm Mängel aufweist oder keines vorhanden ist, kann die Frage der Berücksichtigung eines Compliance-Programms durch die Verfolgungsbehörden virulent werden. Weitgehend unproblematisch ist die Konstellation, dass ein Unternehmen nach der Tat sein Compliance-Programm verbessert oder ein solches implementiert, um weiteren Verstößen vorzubeugen. Hier kann das Tätigwerden des Unternehmens als positives Nachtatverhalten honoriert werden. c) Einstellung gegen Compliance-Auflagen Problematischer als die vorgenannten Punkte ist die Frage, ob die Behörde ein Verfahren gegen die Auflage einstellen kann, dass ein solches Programm verbessert oder gar ein Compliance-Programm erstellt und im Unternehmen eingeführt wird. Eine derartige Auflage wird von § 47 Abs. 3 OWiG nicht unmittelbar ausgeschlossen. Dies hätte allerdings wie bei der umstrittenen Frage, ob die Behörde die Aufgabe der Zuwiderhandlung als Auflage verlangen kann, die Folge, dass die Behörde damit materiell eine wirtschaftsaufsichtsrechtliche Aufgabe wahrnehmen würde. Nach vorliegender Ansicht ist diese Art der Aufgabenwahrnehmung im Rahmen der Bußgeldbemessung nicht ausgeschlossen. Jedoch wird man im Hinblick auf die Auflage zur Erstellung oder Verbesserung eines Compliance-Programms eine solche nur bedingt für zulässig halten können. Zulässig insoweit, als die Auflage allein die Verbesserung eines Compliance-Programms hinsichtlich eines in der Anknüpfungstat sichtbar gewordenen Mangels zum Gegenstand hat. Hier liegt ein unmittelbarer Bezug zur Anknüpfungstat und dem darin zutage tretenden Unrecht des Unternehmens vor. Die Auflage kann dabei als Ausdruck der präventiven Funktion im Rahmen des § 30 OWiG gesehen werden, die lediglich
§ 12 Verfahrensrechtliche Aspekte der Unternehmensgeldbuße
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einen Schritt weiter als die Auflage zur Beendigung der Zuwiderhandlung reicht, nämlich der Vorbeugung einer erneuten Zuwiderhandlung. Soweit jedoch darüber hinaus eine über die Anknüpfungstat reichende Verbesserung des Compliance-Programms bzw. die (umfangreiche) Neuerstellung eines Programms verlangt wird, ist die Möglichkeit einer Auflage abzulehnen. Denn ein derartiges Compliance-Programm muss, um wirksam zu sein, im Regelfall weit mehr Bereiche abdecken als die, die durch die Anknüpfungstat berührt werden. Es fehlt dann bereits an einem direkten Bezug zur Anknüpfungstat. Zudem würde das Unternehmen weniger für die Tat als für das generelle Fehlen eines ComplianceProgramms herangezogen werden. Solch eine generelle, von einem Verstoß losgelöste Inpflichtnahme ist jedoch primär eine wirtschaftsaufsichtsrechtliche Frage, die mit den entsprechenden Maßnahmen durchzusetzen ist. Eine andere Sicht würde nicht nur das Kompetenzgefüge hinsichtlich der Behördenzuständigkeiten „Aufsicht“ und „Ahndung“ konterkarieren. Sie würde auch zu dem Ergebnis führen, dass als Auflage eine Maßnahme möglich wäre, die die Wirtschaftsaufsicht als solche gar nicht verlangen kann, da das deutsche Recht bislang keine generelle Verpflichtung zur Errichtung eines Compliance-Programms kennt.92 Letztlich wäre eine Auslegung im Hinblick auf den Gesetzesvorbehalt problematisch, da eine solche Auflage starken sanktionsähnlichen Charakter hat.93 Eine Compliance-Auflage müsste somit erst durch den Gesetzgeber geschaffen werden. VI. Verfahrensbeendende Absprachen Das Bußgeldverfahren gegen ein Unternehmen wird häufig komplexe Ermittlungen erfordern und eine Vielzahl schwieriger Sachverhalts- und Rechtsfragen aufwerfen. Häufig steht aus wirtschaftlichen Gründen eine schnelle Verfahrenserledigung im Vordergrund. Zudem haben Unternehmen oft (neben der Vermeidung einer Sanktion insgesamt) Interesse an einer bestimmten Rechtsfolge: z.B. die Vermeidung der Geldbuße nach § 30 OWiG wegen der damit verbundenen Eintragung im Gewerbezentralregister zugunsten der Abschöpfung nach § 29a OWiG, die nicht eingetragen wird.94 In diesen Fällen stellt sich die Frage, ob das Verfahren nicht durch eine einverständliche Absprache zügig beigelegt oder zumindest beschleunigt werden kann. ____________ Vgl. zum Stand der deutschen Compliance-Diskussion unten S. 496 ff. Für die Frage, ob eine derartige Auflage sanktionsähnlichen Charakter hat, kann auf die Diskussion bei § 153a StPO verwiesen werden. In Bezug auf die Auflagen, die § 153a StPO ermöglicht, wird der Sanktionscharakter kaum bestritten (vgl. LR-Beulke, § 153a StPO Rn. 30; Rieß, FG-Koch, S. 215 [218 ff.]; Saliger, GA 2005, 155 [168]), wenn auch der Strafcharakter häufig verneint wird (BGHSt, 28, 174 [176]; Beulke, Dahs-FS, S. 209 [215]). 94 Vgl. Wehnert, StV 2002, 219 (221). 92
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3. Kapitel: Deutsches Recht
Die Frage berührt das grundsätzliche Problem, inwieweit Absprachen im Ordnungswidrigkeitenrecht überhaupt möglich sind. In der Praxis sind sie schon seit Längerem zu einem beliebten Instrument besonders in Wirtschafts(straf)verfahren geworden.95 Die Rechtslage war allerdings bis Sommer 2009 aufgrund fehlender gesetzlicher Regelungen unklar, auch wenn der BGH für das Strafrecht einige Fragen geklärt hatte96 und in der Literatur zahlreiche Reformvorschläge zur Klarstellung unterbreitet wurden.97 Das Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren vom 29.7.2009 hat nunmehr nicht nur der unbefriedigenden Situation im Strafrecht, sondern auch im Ordnungswidrigkeitenrecht zumindest teilweise abgeholfen.98 Für Letzteres ordnet der neu geschaffene § 78 Abs. 2 OWiG an, dass die strafprozessualen Mitteilungs- und Protokollierungspflichten nicht bzw. nicht vollumfänglich gelten.99 Aus dieser rudimentären Verweisungsvorschrift auf die StPO lässt sich zunächst entnehmen, dass im Ordnungswidrigkeitenverfahren eine Absprache für möglich gehalten wird, auch wenn dies keine explizite Erwähnung findet. Aus der Stellung der Norm ergibt sich aber die Einschränkung, dass die Regelung nur für das gerichtliche Verfahren nach Einlegung eines Einspruchs gegen den von der Verwaltungsbehörde erlassenen Bußgeldbescheid gilt. Dies stellt auch der Gesetzentwurf der Bundesregierung klar, der auf eine Regelung für die Verwaltungsbehörden verzichtet hat und in diesem Bereich weiterhin auf eine (ungeregelte) informelle Verständigung setzen möchte.100 Im Hinblick auf das Verfahren nach § 30 OWiG sind mit dieser Regelung die offenen Fragen allerdings nur teilweise geklärt. Denn § 78 Abs. 2 OWiG findet allein dann Anwendung, wenn § 30 OWiG an eine Ordnungswidrigkeit anknüpft.101 Für diesen Fall ist nunmehr im gerichtlichen Verfahren die Möglichkeit einer Absprache eröffnet. Es kann somit eine Vereinbarung im Sinne von § 257c StPO getroffen werden,102 die wie bereits nach der früheren Rechtsprechung des BGH primär zur Abkürzung der Beweisaufnahme dient, nur bedingt aber zu einer Disposition über den gesamten oder auch nur Teile des Prozessstoffs. ____________ 95 Vgl. hierzu bspw. Altenhain/Hagemeier/Haimerl, NStZ 2007, 71 ff.; Wehnert, StV 2002, 219 ff. 96 Vgl. insbes. BGHSt 43, 195, sowie BGH(GS) in BGHSt 50, 40. 97 Vgl. zur Problematik und den langjährigen Reformbestrebungen Meyer, ZStW 119 (2007), 633 ff.; Weßlau, ZStW 116 (2004), 150 ff. 98 BGBl. I S. 2353. 99 Zudem sieht die Regelung wie bereits bisher vor, dass § 273 Abs. 2 StPO (Protokollierung der wesentlichen Ergebnisse der Vernehmungen in der Hauptverhandlung) nicht gilt. 100 Vgl. die Begründung der BReg in BT-Drs. 16/12310, S. 16. 101 Vgl. dazu näher unten S. 481 ff. 102 Vgl. näher dazu Jahn/Müller, NJW 2009, 2625 (2626 ff.); Murmann, ZIS 2009, 526 (530 ff.).
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Gegenüber der strafprozessualen Regelung gilt nach § 78 Abs. 2 OWiG die Erleichterung, dass lediglich die Erörterung einer Absprachemöglichkeit in der Verhandlung mitgeteilt und protokolliert werden muss, nicht aber die unterlassene Erörterung. Der Regierungsentwurf begründet dies damit, dass im Ordnungswidrigkeitenverfahren die Absprache der Ausnahmefall sei, während es im Normalfall keine „geeigneten Fälle“ für sie gebe.103 Ob diese auf Verkehrsordnungswidrigkeiten bezogenen Erwägungen auch für § 30 OWiG zutreffen, ist eher zweifelhaft. Die Komplexität zahlreicher Fälle dürfte vielmehr für ein umgekehrtes Regel-Ausnahme-Verhältnis sprechen. Aber auch hier stellt der Verzicht auf Mitteilungs- und Protokollierungsvorschriften eine Erleichterung dar, die sich mit der geminderten Bedeutung der Ordnungswidrigkeit gegenüber der Straftat und den damit verbundenen Verfahrensvorschriften rechtfertigen lässt. Nicht ausdrücklich geregelt hat das Gesetz die Konstellation, dass § 30 OWiG an eine Straftat anknüpft. In diesem Fall findet nach § 444 StPO das Strafverfahrensrecht Anwendung, und zwar im Wesentlichen der Regelungskomplex zur Einziehung.104 Eine Vorschrift zu Absprachen wurde in beiden nicht aufgenommen. Jedoch wird man aus der Gleichstellung des Einziehungsberechtigten in § 433 Abs. 1 Satz 1 StPO mit einem Beschuldigten schließen können, dass auch die Regelung des § 257c StPO zu Absprachen Anwendung findet. Denn nur dann ist eine wirkliche Gleichstellung mit einem Beschuldigten erreicht, zumal die Erstreckung auf Unternehmen dessen faktischer Rolle als mögliches Subjekt einer ahndenden Sanktion entspricht. Die Neuschaffung der Regelungen wirft die Frage auf, ob damit weitergehende Absprachen als die von § 257c StPO erfassten ausgeschlossen sein sollen. Die Frage stellt sich insbesondere im Hinblick auf die Gestaltungsmöglichkeiten des Opportunitätsprinzips. Der Gesetzesbegründung lässt sich allerdings entnehmen, dass die Regelung der Absprachen nicht zu einer Beschränkung der bisherigen Rechtslage führen sollte; so verweist die Begründung explizit auf die bestehende Möglichkeit, ein Verfahren unter Opportunitätsgesichtspunkten wegen der schwierigen Sachaufklärung einzustellen, woraus sich eine geminderte Notwendigkeit ergibt, im OWiG eine Regelung aufzunehmen.105 Dies ist sachgerecht, da die Absprachen vor allem der Schaffung von Rechtssicherheit dienen und nicht (en passant) zur Umgestaltung grundlegender Verfahrensprinzipien im Ordnungswidrigkeitenrecht führen sollen. So kann auch weiterhin ein Unternehmen der Bußgeldbehörde zusagen, einer Wiedergutmachungsauflage nachzukommen, und die Behörde daraufhin das Verfahren einstellen.106 Insoweit bietet das Opportunitätsprinzip in dem im vorher____________ Vgl. BT-Drs. 16/12310, S. 15 f. Vgl. dazu näher unten S. 469 ff. 105 Vgl. die Begründung der BReg, BT-Drs. 16/12310, S. 15. 106 Diese Möglichkeit der Einstellung wird nach § 47 Abs. 2 OWiG auch auf das gerichtliche Verfahren erstreckt. § 47 Abs. 2 OWiG gilt dabei nur im Verfahren nach ord103
104
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gehenden Abschnitt gezeichneten Rahmen über die Regelung des § 357c StPO hinaus Raum für Absprachen. VII. Vertretung Das Unternehmen wird im Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren durch seine Organe vertreten. Die Vertretungsberechtigung ergibt sich aus den zivilrechtlichen Vorschriften.107 Umstritten ist, ob der Täter der Anknüpfungstat von der Vertretung ausgeschlossen ist.108 Dies wird zum Teil verneint, da ein Ausschluss gesetzlich nicht geregelt sei.109 Jedoch kann der Vertreter nicht seine persönlichen Interessen und die des Unternehmens gleichermaßen in bestmöglicher Weise wahrnehmen, sodass er wegen dieses Interessenkonflikts auszuschließen ist.110 Ist der Täter der Anknüpfungstat einziger Vertreter des Unternehmens, ist ein neuer Vertreter zu bestellen.111 Stellt die Anknüpfungstat eine Straftat dar, so kann das Unternehmen nach §§ 444 Abs. 2 Satz 2, 434 Abs. 1 StPO auch einen Vertreter für das Verfahren bestimmen.112 Nach der wohl überwiegenden Ansicht kann der Verteidiger sowohl den Mitarbeiter als auch das Unternehmen gleichzeitig vertreten.113 Wegen möglicher Konflikte zwischen den nicht zwingend gleichlaufenden Interessen des Mitarbeiters und des Unternehmens ist dies jedoch abzulehnen, da das Verbot der Doppelverteidigung114 von Sinn und Zweck gerade derartige Konfliktsituationen vermeiden möchte.115
____________ nungswidrigkeitenrechtlichen Regelungen, da im Verfahren nach strafrechtlichen Regelungen für das Gericht § 47 Abs. 1 OWiG gilt (vgl. auch oben Anm. 73). 107 RGSt 60, 75 (77); Drope, Verbandsstrafe, S. 126 ff.; KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 177; Müller, Ordnungswidrigkeitenrecht, S. 103 f.; Pohl-Sichtermann, Geldbuße, S. 218 ff., 235 f.; Schlüter, Unternehmen, S. 217 ff.; SK-StPO-Weßlau, § 444 Rn. 8. 108 Dies setzt natürlich voraus, dass der Mitarbeiter vertretungsbefugt ist, was bei § 30 Abs. 1 Nr. 4 und 5 OWiG nicht zwingend der Fall sein muss. 109 Vgl. Müller, Ordnungswidrigkeitenrecht, S. 178; Pohl-Sichtermann, Geldbuße, S. 218 f.; Schlüter, Unternehmen, S. 207 ff. 110 Vgl. nur KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 179. 111 Vgl. KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 179. 112 Unterlässt das Unternehmen diese Wahl, kann ihm von Amts wegen ein Vertreter beigeordnet werden (§§ 444 Abs. 2 Satz 2, 434 Abs. 2 StPO). 113 BVerfGE 45, 272 (288); BGH, DRiZ 1977, 24 (25); KK-OWiG-Mitsch, § 88 Rn. 15; Meyer-Goßner, StPO § 444 Rn. 12; Müller, Ordnungswidrigkeitenrecht, S. 104; Rebmann/ Roth/Herrmann, OWiG, § 88 Rn. 27. 114 Über § 46 OWiG gilt § 146 StPO auch grundsätzlich für das OWiG, wobei jedoch das BVerfG (a.a.O) aufgrund der etablierten Rechtsprechung eine Ausnahme für die gleichzeitige Vertretung von Unternehmen und Unternehmensmitarbeiter zugelassen hat. 115 Vgl. Dannecker/Biermann, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, Bd. 2, vor § 81 Rn. 206; Göhler-Gürtler, OWiG, § 88 Rn. 14; Haeusermann, Verband, S. 371 ff.
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B. Das Verfahren nach § 30 OWiG bei der Anknüpfung an Straftaten Bei der Anknüpfung des § 30 OWiG an einer Straftat des Mitarbeiters richtet sich das Verfahren gegen das Unternehmen nach § 444 StPO.116 Dieser verweist im Wesentlichen auf die strafverfahrensrechtlichen Regelungen der Einziehung. Damit wird das Unternehmen im Grundsatz wie ein Einziehungsbeteiligter behandelt. Diese Konstruktion lässt sich historisch mit dem Versuch des Gesetzgebers erklären, die Unternehmensgeldbuße nur als Nebenfolge der Individualtat zu regeln. Die Aufgabe der Nebenfolgekonstruktion im Jahr 1986 führte allerdings nicht zu einer Änderung des Verfahrensrechts. Der Verweis auf die Einziehung ist nicht völlig fernliegend, da auch der Fall der Einziehung beim Dritteigentümer primär strafähnlichen Charakter aufweist und somit die Einziehungsvorschriften zumindest teilweise einem Sanktionsverfahren dienen.117 Allerdings ist die Einziehung beim Dritteigentümer die Ausnahme. Die Grundkonstellation der Einziehung richtet sich allein gegen den Täter und ist somit verfahrensrechtlich auf diesen Fall zugeschnitten. Zudem unterscheidet sich die Zielsetzung der Unternehmensgeldbuße erheblich von der der Einziehung, die allein auf die Entziehung von in Verbindung mit einer Straftat gebrauchten Gegenständen abzielt und daher den Dritteinziehungsbeteiligten (neben dem eigentlichen Straftäter) mit der Stellung als Nebenbeteiligter ausreichende Beteiligungsmöglichkeiten einräumt. Die Unternehmensgeldbuße zielt dagegen vor allem auf eine Sanktionierung des Unternehmens als eigenständiges Sanktionssubjekt und sieht dieses damit unter dem Blickwinkel eines Beschuldigten.118 Insoweit wäre eine gesetzliche Regelung vorzugswürdig, die dem Unternehmen eine eigenständige Verfahrensstellung als Beschuldigter gewährt. Das Verfahren zur Festsetzung der Geldbuße unterscheidet sich neben der verschiedenen Anknüpfung (Straftat/Ordnungswidrigkeit) vor allem dadurch, ob es als einheitliches Verfahren mit der Belangung des Unternehmensmitarbeiters durchgeführt wird (dazu I.) oder als selbstständiges Verfahren erfolgt (II.). Da zahlreiche Einzelaspekte jedoch für beide Verfahrensarten gelten, wird im Folgenden nur das einheitliche Verfahren näher dargestellt und auf den Verfahrensablauf (I.1.), Beweisfragen (I.2.) und Rechtsmittel (I.3.) eingegangen. Die Darstellung zum selbstständigen Verfahren beschränkt sich auf die besonderen Aspekte dieses Verfahrenstyps.
____________ 116 Vgl. zum Verfahren KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 171 ff.; Müller, Ordnungswidrigkeitenrecht, S. 101 ff.; Pohl-Sichtermann, Geldbuße, S. 215 ff. 117 Vgl. zum Sanktionscharakter der Dritteinziehung Sch/Sch-Eser, vor § 73 Rn. 16. 118 Vgl. auch Brender, Verbandstäterschaft, S. 149 f.; KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 172; Müller, Ordnungswidrigkeitenrecht, S. 101.
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3. Kapitel: Deutsches Recht
I. Einheitliches Verfahren 1. Verfahrensablauf Im einheitlichen Verfahren richtet sich der Ablauf nach dem Verfahren, das gegen den Unternehmensmitarbeiter geführt wird. Da das Verfahren meist zunächst nicht gegen das Unternehmen geführt wird, stehen der Staatsanwaltschaft bei Ermittlungen innerhalb des Unternehmens nur beschränkte Ermittlungsbefugnisse zur Verfügung.119 Ergeben sich im Ermittlungsverfahren Hinweise, dass eine Unternehmensgeldbuße in Betracht kommt, so ist das Unternehmen gemäß §§ 444, 432 StPO anzuhören. Ist es zu einer Stellungnahme bereit, so wird es gemäß § 432 Abs. 2 StPO wie ein Beschuldigter vernommen (d.h. insbesondere gemäß §§ 163a, 136 StPO über den Tatvorwurf belehrt). Die Vernehmung entsprechend einem Beschuldigten beinhaltet auch die Möglichkeit, Beweisanträge zu stellen. Dies folgt zwar nicht dem historischen Willen des Gesetzgebers des OWiG 1968,120 ergibt sich aber nach heutiger Rechtslage aus § 163a Abs. 2 StPO.121 So wird zum einen verhindert, dass das Unternehmen schlechter als im Ordnungswidrigkeitenverfahren steht (das nach §§ 55 OWiG, 163a StPO ein Beweisantragsrecht vorsieht), und zum anderen ein dem Beschleunigungsgebot genügendes effizientes Verfahrensmanagement eröffnet. Eine über diese Möglichkeiten hinausgehende Verfahrensbeteiligung ist im Ermittlungsverfahren aber nicht vorgesehen. Gemäß § 444 Abs. 1 StPO ordnet das Gericht die Beteiligung des Unternehmens an, wenn eine Unternehmensgeldbuße in Betracht kommt. Da nur das Gericht die Anordnung treffen kann, ist diese erst nach Anklageerhebung (mit Übergang der Verfahrensherrschaft von der Staatsanwaltschaft auf das Gericht) möglich. Die Anordnung kann das Gericht von Amts wegen oder auf Antrag der Staatsanwaltschaft vornehmen. Unklar ist, welcher Verdachtsgrad Voraussetzung der Anordnung ist. Das Gesetz spricht in § 432 Abs. 1 StPO nur davon, dass es „Anhaltspunkte“ geben muss, die eine Geldbuße „in Betracht“ kommen lassen. Vielfach werden somit nur geringe Anforderungen an den Verdacht gestellt.122 Da es aber um die Verhängung einer Sanktion geht, wird man für eine Verfahrensdurchführung wie für natürliche Personen einen hinreichenden Tatverdacht zu fordern ____________ 119 Vgl. Dibbert, Ermittlungen, S. 150, der auch darauf hinweist, dass Durchsuchungen im Unternehmen den Schutzbereich von Art. 13 GG berühren. Insoweit kann eine Durchsuchung nicht auf § 102 StPO, sondern nur auf den erhöhte Anforderungen stellenden § 103 StPO (Durchsuchung bei anderen Personen) gestützt werden. 120 Vgl. BT-Drs. V/1319, S. 77, wonach Verfahrensverzögerungen ausgeschlossen werden sollten. 121 KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 175; Müller, Ordnungswidrigkeitenrecht, S. 102. 122 Vgl. „naheliegend“ OLG Karlsruhe VRS Bd. 72 (1987), 203 (204); „zu erwarten“ Meyer-Goßner, StPO § 444 Rn. 7; KMR-Paulus, § 444 Rn. 13; „nicht unwahrscheinlich“ OLG Celle NStZ-RR 2005, 82 (83); „tatsächliche Anhaltspunkte“ KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 184 sowie ähnlich KK-StPO-Boujong, § 444 Rn. 2; LR-Gössel, § 444 Rn. 12; SKStPO-Weßlau, § 444 Rn. 5.
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haben. Hierfür spricht auch, dass das Unternehmen mit der Anordnung eine dem Angeklagten angenäherte Stellung erhält. In der Praxis wird allerdings die entscheidende Frage zumeist nicht die des Tatverdachts sein, sondern ob und inwieweit das Gericht das Opportunitätsprinzip ausschöpft. Mit der Beteiligungsanordnung erlangt das Unternehmen formal die Stellung eines Beteiligten, die zwingende Voraussetzung zur Verhängung der Geldbuße ist. Die Anordnung ist nicht anfechtbar.123 Das Unternehmen erhält durch die Anordnung die Befugnisse, die auch dem Angeklagten zustehen (§§ 444 Abs. 2 Satz 2, 433 Abs. 1 Satz 1 StPO). Dies gilt allerdings erst ab Eröffnung des Hauptverfahrens (d.h. im Zwischenverfahren noch nicht), im beschleunigten Verfahren sogar erst ab Beginn der Hauptverhandlung und im Strafbefehlsverfahren erst ab Erlass des Strafbefehls. Die vorstehenden Ausführungen lassen bereits erkennen, dass das Unternehmen nicht nur in das von der StPO als Regelfall angenommene Normalverfahren mit Zwischenverfahren und Hauptverhandlung einbezogen werden kann. Zum einen ist die Beteiligung im beschleunigten Verfahren nach §§ 417 ff. StPO möglich. Da dieses jedoch nur vor dem Amtsgericht vorgesehen ist, zahlreiche Wirtschaftsstrafverfahren nach § 74c StPO aber speziell der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zugewiesen sind und zudem das beschleunigte Verfahren kaum Anwendung in der Praxis findet, ist dieses für Unternehmen fast nicht relevant. Zum anderen kann das Unternehmen auch im Strafbefehlsverfahren nach §§ 407 ff. StPO beteiligt werden. Auch diese Verfahrensart ist auf das Amtsgericht beschränkt und somit aufgrund von § 74c StPO für Unternehmen nur im Ausnahmefall von Bedeutung.
2. Beweisfragen Für die Verfahrensbeteiligung des Unternehmens von besonderem Interesse ist, inwieweit es Beweismittel beantragen kann und wie diese zu behandeln sind (dazu a). Als Beweismittel kommen häufig Personen aus dem Unternehmen als Zeugen in Betracht, bei denen sich die Frage stellt, ob diese das Recht zu schweigen haben (b). Darüber hinaus stellt sich das Problem, inwieweit ein Unternehmen die Herausgabe (belastender) Dokumente verweigern kann (c). a) Beweisanträge Da das Unternehmen die Rechte eines Angeklagten wahrnehmen kann, hat es grundsätzlich die Möglichkeit, Beweisanträge zu stellen. Der Beweisantrag kann sich auf alle Fragen beziehen, die für den Tatbestand und die Rechtsfolgen des § 30
___________ 123 §§ 444 Abs. 1 Satz 2, 431 Abs. 5 Satz 1 StPO. Ausgenommen ist eine Ablehnung der Anordnung, die die Staatsanwaltschaft mit der sofortigen Beschwerde angreifen kann (§§ 444 Abs. 1 Satz 2, 431 Abs. 5 Satz 2 StPO).
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OWiG von Relevanz sind, z.B. die Anknüpfungstat betreffen.124 Das Beweisantragsrecht ist allerdings stark dadurch eingeschränkt, dass das Gericht derartige Anträge formlos nach pflichtgemäßem Ermessen ablehnen kann. Denn nach §§ 444 Abs. 2 Satz 2, 436 Abs. 2 StPO finden die Ablehnungsgründe des § 244 Abs. 3–5 StPO keine Anwendung, die eine Ablehnung auf wenige, genau vorgegebene Konstellationen beschränken. Der Gesetzgeber hat dies damit begründet, dass es nur um vermögensrechtliche Interessen gehe.125 Mit dieser Einschränkung wird aber nicht nur die Möglichkeit einer effektiven Einflussnahme stark beschnitten, sondern das Verfahren bleibt auch hinter dem Standard des reinen Ordnungswidrigkeitenverfahrens zurück, das in § 77 OWiG zur Ablehnung zumindest einen begründeten Gerichtsbeschluss fordert. Die Vorschrift ist daher im Kontext der Verhängung einer Sanktion nach § 30 OWiG (die nicht nur reine Vermögensabschöpfung ist) dringend reformbedürftig und das Unternehmen einem normalen Angeklagten gleichzustellen.126 De lege lata bleibt nur die Möglichkeit, höchste Anforderungen an die gerichtliche Aufklärungspflicht nach § 244 Abs. 2 StPO zu stellen.127 b) Mitarbeiter als Zeugen Nicht unproblematisch ist auch die Frage, welche Personen aus dem Unternehmen als Zeugen infrage kommen und inwieweit diese ggf. ein Schweige-, Zeugnisoder Aussageverweigerungsrecht geltend machen können. Hierbei ist zu differenzieren, ob an die Person des Mitarbeiters und dessen Stellung selbst angeknüpft wird oder an das Unternehmen. (1) Persönliche Verweigerungsrechte Soweit ein Unternehmensmitarbeiter als Täter der Anknüpfungstat verfolgt wird, scheidet er nach allgemeiner Ansicht als Zeuge aus.128 Ebenso können die Perso____________ 124 Vgl. KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 184; KK-StPO-Boujong, § 444 Rn. 3; MeyerGoßner, StPO § 444 Rn. 8; SK-StPO-Weßlau, § 444 Rn. 7, allerdings zumeist etwas unklar mit Beschränkung auf die Organtat, ohne auf die unternehmensspezifischen Elemente des § 30 OWiG einzugehen. Für das Beweisantragsrecht bezüglich der unternehmensspezifischen Elemente kann jedoch nichts anderes gelten als in Bezug auf die Anknüpfungstat selbst. 125 BT-Drs. V/1319, S. 78. 126 Vgl. ebenso KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 191; Müller, Ordnungswidrigkeitenrecht, S. 108 f. sowie bereits Eb. Schmidt, Lehrkommentar Nachtr. II, § 444 Rn. 16; siehe auch Brender, Verbandstäterschaft, S. 145 f.; Pohl-Sichtermann, Geldbuße, S. 222 f. 127 Vgl. KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 191; Pohl-Sichtermann, Geldbuße, S. 223 sowie bereits Eb. Schmidt, Lehrkommentar Nachtr. II, § 444 Rn. 16. 128 Vgl. nur KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 187.
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nen, die das Unternehmen vertreten, nicht als Zeugen gehört werden.129 Alle anderen Mitarbeiter kommen jedoch als Zeugen in Betracht.130 Diese können insoweit die Aussage verweigern, als bei ihnen persönlich die Voraussetzungen der §§ 52, 55 StPO vorliegen.131 Schwierigkeiten ergeben sich allerdings, wenn nicht die Strafverfolgungsbehörden Befragungen vornehmen, sondern unternehmensintern ermittelt wird. Dies kann durch Unternehmensangehörige oder auch durch Externe (beispielsweise Detektive, Anwälte) geschehen. Der Fall Siemens zeigt, dass derartige Ermittlungen gewaltige Dimensionen annehmen können, die die Justiz in dieser Weise nicht selbst leisten könnte.132 In diesen Fällen kann das Interesse des Unternehmens, schnell eine umfassende Aussage zu erlangen (z.B. um in den Genuss der im Kartellrecht bestehenden Kronzeugenregelung zu kommen), mit dem Interesse des Mitarbeiters kollidieren, sich nicht selbst durch eine Aussage belasten zu müssen. Hiermit verbunden sind zahlreiche Einzelprobleme, insbesondere arbeitsrechtlicher Art, die hier nur angerissen werden können:133 Darf neben dem Vorstand auch der Aufsichtsrat Ermittlungen vornehmen?134 Wie weit sind Mitarbeiter zur Mitarbeit verpflichtet?135 Kann das Unternehmen die Bereitschaft zur Aussage durch Amnestieerklärungen, also durch Verzicht auf etwaige Sanktionen wie beispielsweise Gehaltskürzungen, Kündigungen oder Schadensersatzansprüche, fördern?136 Kann das Unternehmen bei fehlender Kooperationsbereitschaft Sanktionen verhängen? Die Lösung bezüglich einer Pflicht zur Mitwirkung und deren Umfang wird differenziert ausfallen müssen.137 Eine explizite gesetzliche Regelung besteht bislang nicht. Der in die Diskussion eingebrachte Entwurf für eine Neufassung des § 612a BGB, dessen Umset-
____________ 129 Dies gilt nach zutreffender Ansicht nicht nur für die Vertreter im Prozess, sondern für alle berufenen Organe, vgl. BGHSt 9, 250 (251); Gillmeister, Ermittlungsrechte, S. 39; Haeusermann, Verband, S. 353; KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 188. 130 OLG Frankfurt GA 1969, 124; siehe auch Queck, Unternehmen, S. 240. 131 Vgl. Queck, Unternehmen, S. 262 ff. 132 Vgl. Jahn, StV 2009, 41 (42 f.), der darauf hinweist, dass der bayrische Staatshaushalt im Jahr 2008 nur 20 % mehr an Geldern für die gesamte Justiz zur Verfügung stellte, als Siemens an geschätzten Kosten im gleichen Jahr für die Ermittlungen aufwandte (Jahn geht von ca. 650 Mio. Euro aus). Vgl. zum Fall Siemens oben S. 2 ff. 133 Vgl. aus der Literatur diesbezüglich Göpfert/Merten/Siegrist, NJW 2008, 1703; Jahn, StV 2009, 41 ff. sowie zu datenschutzrechtlichen Problemen Vogel/Glas, DB 2009, 1747 ff. 134 Vgl. krit. zu diesem Aspekt Rosen, AG 2008, 537 f., der darauf hinweist, dass eine Ermittlungstätigkeit des Aufsichtsrats nicht ohne Weiteres mit dem deutschen zweispurigen System der Trennung in Vorstand und Aufsichtsrat vereinbar ist. 135 Dies betrifft auch die Frage, inwieweit eine Verpflichtung zur Meldung von Vorfällen über eine sogenannte „Whistleblower“-Hotline begründet werden kann, vgl. zum Whistleblowing Breinlinger/Krader, RDV 2006, 60; Bürkle, DB 2004, 2158; Mengel/ Hagemeister, BB 2007, 1386 (1389); Lohre, ZCG 2009, 165 ff.; Reufels/Deviard, CCZ 2009, 201 (205 ff.); Sasse, NZA 2008, 990 ff. Siehe auch die krit. Analyse von Hefendehl, FS-Amelung, S. 617 ff. 136 Vgl. näher zu Inhalt und Grenzen möglicher Maßnahmen Breßler et al., NZG 2009, 721 ff.; Dann/Schmidt, NJW 2009, 1851 (1854 f.). Zur Amnestie-Erklärung im Fall Siemens vgl. bereits oben S. 2 ff. 137 Vgl. Dann/Schmidt, NJW 2009, 1851 ff.; Göpfert/Merten/Siegrist, NJW 2008, 1703 (1705 ff.); siehe auch Jahn, StV 2009, 41 (42 ff.).
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zung allerdings inzwischen wieder aufgegeben wurde, hätte nur insoweit eine Klärung gebracht, als klargestellt worden wäre, dass ein Mitarbeiter berechtigt ist, Vorfälle intern und ggf. auch extern zu melden.138 Grundlage einer Mitwirkungspflicht des Mitarbeiters ist primär der Arbeitsvertrag und die darauf basierende Treuepflicht gegenüber dem Unternehmen.139 Ob zugunsten des Mitarbeiters der strafprozessuale nemo tenetur-Grundsatz greift, ist zweifelhaft, da es sich um eine privatrechtliche Beziehung zwischen Mitarbeiter und Unternehmen handelt und sich der nemo tenetur-Grundsatz historisch nur auf eine Aussage gegenüber staatlichen Behörden bezieht.140 Inwieweit diese Problematik durch die Annahme einer mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte und der Gefahr, dass eine Mitwirkung letztlich staatlichen Ermittlungsbehörden bekannt werden kann, überwunden werden kann, muss vorliegend offen bleiben. Ein Ansatzpunkt kann hier jedoch die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers sein, der zumindest erhebliche Nachteile von seinen Mitarbeitern abzuwenden hat, was wiederum die Treuepflicht des Mitarbeiters begrenzt. Eine Lösung wird man letztlich in einer Abwägung zwischen den betrieblichen und den persönlichen Interessen des Mitarbeiters suchen müssen.141 Hinsichtlich der Herausgabe von Dokumenten (auch elektronischer Art) wird man danach dem Mitarbeiter grundsätzlich kein Zurückbehaltungsrecht einräumen können, denn dienstliche Papiere stehen ohnehin in Besitz und Eigentum des Unternehmens und sind im Rahmen des Arbeitsverhältnisses entstanden. Ausgenommen sind somit nur private Unterlagen. Auch hinsichtlich einer Aussage wird man aufgrund der Treuepflicht kein generelles Recht zur Verweigerung annehmen können. Wenn der Mitarbeiter allerdings Straftaten seinerseits zu offenbaren hätte, ist ihm diesbezüglich aber ein Schweigerecht zuzubilligen. Ein weiterer Problemkreis entsteht dann, wenn staatliche Behörden nicht selbst ermitteln, sondern diese Aufgabe Privaten wie Anwälten oder Wirtschaftsprüfungsgesellschaften übertragen.142 Als „Forensic Services“ bietet inzwischen eine Vielzahl von Dienstleistern die Übernahme derartiger Ermittlungen an.143 Bei dieser Konstellation wird man zu berücksichtigen haben, dass staatliche Behörden nicht durch Einschaltung „privater Ermittler“ Schutzstandards umgehen können sollten. Insoweit sind hier insbesondere bei der Befragung von Mitarbeitern durch diese Ermittler die gleichen Standards anzuwenden wie im „klassischen“ Ermittlungsverfahren auch.144
____________ Vgl. dazu Sasse, NZA 2008, 990. Vgl. BAGE 81, 15; BAG DB 1996, 2182; Dann/Schmidt, NJW 2009, 1851 (1852 f.); Jahn, StV 2009, 41 (43); E. Kaiser, BB 1967, 1295 (1297); siehe aber auch Vogler, in: Kaiser/Metzger-Pregizer (Hrsg.), Betriebsjustiz, S. 376. Darüber hinaus ist auch § 666 BGB heranzuziehen, soweit der unmittelbare Arbeitsbereich betroffen ist, vgl. BGH NJWRR 1989, 614. 140 Anders aber Göpfert/Merten/Siegrist, NJW 2008, 1703 (1706), die eine Anwendbarkeit unproblematisch bejahen; ähnlich auch Wastl/Litzka/Pusch, NStZ 2009, 68 (71). Wie vorliegend Jahn, StV 2009, 41 (44), der sich aber für eine Anwendung in Erweiterung der bisherigen Rechtslage ausspricht, um Umgehungen des Schutzes der Mitarbeiter zu vermeiden. 141 Ebenso Dann/Schmidt, NJW 2009, 1851 (1853 f.); Göpfert/Merten/Siegrist, NJW 2008, 1703 (1705). 142 Als Beispiel können hier die Ermittlungen amerikanischer Anwälte bei Siemens dienen, die zum Teil im Auftrag der SEC erfolgten (siehe zum Fall bereits oben S. 2 ff.). Freilich ist diese Konstellation noch um den grenzüberschreitenden Aspekt verkompliziert (cross border investigation). Vgl. hierzu Wastl/Litzka/Pusch, NStZ 2009, 68 ff.; Wybitul, BB 2009, 606 ff. 143 Eiselt/Uhlen, ZCG 2009, 176 ff. 144 Weiter aber Göpfert/Merten/Siegrist, NJW 2008, 1703 (1706). Siehe auch Wastl/ Litzka/Pusch, NStZ 2009, 68 (70 f.) für den Fall von der SEC veranlasster Ermittlungen. 138 139
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(2) Am Unternehmen orientierte Verweigerungsrechte Inwieweit den Vertretern des Unternehmens und den anderen Mitarbeitern über die auf sie persönlich anwendbaren §§ 52, 55 StPO zusätzlich ein Recht zukommt, die Aussage zu verweigern, um das Unternehmen nicht zu belasten, ist im Detail ungeklärt. Aus dem Gesetz ergibt sich aufgrund der an dieser Stelle erfolgten Gleichstellung des Unternehmens mit einem Beschuldigten,145 dass das Unternehmen sowohl für das Ermittlungsverfahren als auch für das Hauptverfahren das Recht besitzt, sich nicht selbst belasten zu müssen (nemo tenetur se ipsum accusare).146 Die Anerkennung des Schweigerechts als Ausdruck des nemo tenetur-Grundsatzes ist nicht unumstritten,147 wobei der Streit sich vor allem darauf bezieht, aus welchen Quellen sich das Recht über die einfachgesetzlichen Regelungen hinaus ergibt.148 Das BVerfG lehnt eine verfassungsrechtliche Ableitung bei Unternehmen ab, da sich das Schweigerecht aus der (auf Unternehmen nicht anwendbaren) Menschenwürdegarantie des Grundgesetzes ableite.149 Wird dagegen das Schweigerecht zu Recht auch als Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips verstanden, bestehen keine Bedenken, dieses auf Unternehmen anzuwenden.150 Unabhängig von der verfassungsrechtlichen Lage garantiert Art. 6 EMRK das Schweigerecht, das vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte auf Unternehmen erstreckt wird.151 Insoweit ist letztlich durch eine konventionskonforme Auslegung das
____________ 145 Für das Ermittlungsverfahren ergibt sich dies aus §§ 444 Abs. 2 Satz 2, 432 Abs. 2, 163a Abs. 3 Satz 2, 136 Abs. 1 Satz 2 StPO, für das Hauptverfahren aus §§ 444 Abs. 2 Satz 2, 433 Abs. 1 Satz 1, 243 Abs. 4 Satz 1 StPO. 146 So auch BVerfG, DB 1975, 1936; KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 188; Minoggio, wistra 2003, 121 (127); Müller, Ordnungswidrigkeitenrecht, S. 107. Anders aber Drope, Verbandsstrafe, S. 169 f., die das Schweigerecht nicht in der StPO geregelt, sondern von dieser vorausgesetzt sieht, damit aber die einfachrechtliche Ausprägung des Prinzips in der StPO verkennt. Für eine Nichtanwendung des nemo tenetur-Grundsatzes auf Unternehmen im Rahmen des § 30 OWiG Ransiek, Unternehmensstrafrecht, S. 357 ff., da er dessen Geltung auf die Kriminalstrafe beschränkt. Vgl. auch Bauer, WuW 1989, 304 f.; Deringer, WuW 1988, 933 ff. 147 Vgl. dazu Arzt, JZ 2003, 456 ff.; Drope, Verbandsstrafe, S. 150 ff.; Haeusermann, Verband, S. 343 ff.; Queck, Unternehmen, S. 19 ff.; Minoggio, wistra 2003, 121 ff.; Schlüter, Unternehmen, S. 119 ff.; Schuler, JR 2003, 265 ff.; Weiß, JZ 1998, 289 ff.; zum nemo tenetur-Grundsatz allgemein vgl. auch Böse, GA 2002, 98 ff.; Bosch, Aspekte, S. 27 ff.; Nothelfer, Freiheit, S. 9 ff.; Schneider, Selbstbegünstigungsprinzip, S. 27 ff.; Verrel, NStZ 1997, 361 ff.; 415 ff. 148 Vgl. aber auch SK-StPO-Weßlau, § 444 Rn. 11, die bereits de lege lata die „entsprechende“ Anwendung des Schweigerechts über § 432 StPO wegen des restriktiven Verständnisses von Art. 19 Abs. 3 GG als problematisch ansieht. 149 BVerfGE 95, 220 (241 f.); zustimmend Dörr, JuS 1998, 76 (78); MD-Di Fabio, Art. 2 Abs. 1 Rn. 224; siehe auch Arzt, JZ 2003, 456 (457); Mäder, Offenbarungspflichten, S. 295 ff. 150 Dannecker, ZStW 111 (1999), 256 (285 f.); Haeusermann, Verband, S. 350; Queck, Unternehmen, S. 187 ff.; vgl. auch Drope, Verbandsstrafe, S. 195 ff. sowie Pieth, FS-Eser, S. 599 (607 f.), der das Schweigerecht als Strukturprinzip des Strafverfahrens sieht. 151 EGMR, Dombo Beheer B.V./Niederlande, NJW 1995, 1413 (1415); vgl. zur Lage nach der EMRK Queck, Unternehmen, S. 106; Schuler, JR 2003, 265 (269); Weiß, JZ 1998, 289 (290 f.).
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Schweigerecht anzuerkennen.152 Darüber hinaus erkennt der EuGH insbesondere in Kartellrechtsverfahren bereits ein begrenztes Schweigerecht des Unternehmens an.153
Steht damit dem Unternehmen als solchem ein Schweigerecht zu, so ist zu klären, ob dieses auf bestimmte Fallkonstellationen beschränkt ist. Dies wird teilweise angenommen.154 Als zentrales Schutzprinzip des Strafprozesses muss der nemo tenetur-Grundsatz jedoch auch für Unternehmen umfassende Geltung beanspruchen, da letztlich nur so eine effektive Verteidigung ermöglicht wird.155 Mit einer umfassenden Anerkennung des Schweigerechts ist jedoch noch nicht klargestellt, welcher Personenkreis sich darauf berufen kann. Da das Unternehmen im Rechtsverkehr durch seine Organe handelt, können sich die vertretungsberechtigten Organe auf das Schweigerecht berufen.156 Dies ist nur konsequent, da diese Personen nicht als Zeugen gelten, sondern den Beschuldigten „verkörpern“ und somit auch als „Beschuldigte“ vernommen werden können. Das Schweigerecht gilt dabei grundsätzlich für alle Organe und nicht nur für dasjenige, das im Prozess erscheint.157 Für ausgeschiedene Organe entfällt mit Wegfall der Organstellung auch das Schweigerecht. Ob sich weitere Angestellte auf dieses Recht berufen können, ist umstritten. Zumeist wird der Kreis auf die vertretungsberechtigten Organe beschränkt.158 Zum Teil wird aber auch eine Erweiterung befürwortet, um der Schutzfunktion des Schweigerechts genügen zu können.159 Das ist jedoch zu weitgehend, da diese Personen das Unternehmen gerade nicht vertreten und somit nicht als seine Repräsentanten auftreten.160 Ansonsten würde allein das Vorliegen eines Arbeitsvertrags zur ____________ So SK-StPO-Weßlau, § 444 Rn. 11. Vgl. näher Queck, Unternehmen, S. 110 ff. 154 Vgl. z.B. Schlüter, Unternehmen, S. 129 ff. mit einer Beschränkung auf den Kollektivvorwurf sowie Drope, Verbandsstrafe, S. 207 ff. mit einer Ausnahme bei der Verfolgung schwerer Straftaten. 155 Vgl. Haeusermann, Verband, S. 355; Queck, Unternehmen, S. 226 f. 156 Vgl. Gillmeister, Ermittlungsrechte, S. 39; Haeusermann, Verband, S. 353; KKOWiG-Rogall, § 30 Rn. 188. 157 Jedes andere Ergebnis würde letztlich vom Zufall abhängig gemacht werden, welches Organ im Prozess erscheint, und wahrscheinlich dazu führen, dass alle Organe im Prozess (zumindest an einem Verhandlungstag) erscheinen. Die Entscheidung, das Schweigerecht in Anspruch zu nehmen oder nicht, richtet sich nach den normalen Regelungen zur internen Beschlussfassung, vgl. Minoggio, wistra 2003, 121 (129). 158 Vgl. Dannecker/Biermann, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, Bd. 2, vor § 81 Rn. 215 ff.; KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 188 i.V.m. 177; KK-StPO-Boujong, § 444 Rn. 7; KMR-Paulus, § 44 Rn. 10; Queck, Unternehmen, S. 238; SK-StPO-Weßlau, § 444 Rn. 8, 11 f.; vgl. auch BGHSt 9, 250 (251), OLG Frankfurt GA 1969, 124; Eb. Schmidt, Lehrkommentar Nachtr. II, § 444 Rn. 14. 159 Vgl. Minoggio, wistra 2003, 121 (128 f.), der den Personenkreis auf den in § 75 StGB genannten ausdehnen will. 160 Vgl. OLG Frankfurt GA 1969, 124; Haeusermann, Verband, S. 353; Queck, Unternehmen, S. 238. 152
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Anwendung des Schweigerechts führen. Dies hätte faktisch den Ausschluss eines Personalbeweises zur Folge und würde das Bedürfnis nach Sachbeweisen stark erhöhen.161 Andere Unternehmensangestellte können sich folglich nicht auf das umfassende Schweigerecht berufen.162 Fraglich ist allerdings, ob den Mitarbeitern, die im Verfahren als Zeugen auftreten, nicht ein Zeugnis- oder Auskunftsverweigerungsrecht entsprechend §§ 52, 53 bzw. § 55 StPO zugebilligt werden kann, wenn sie das Unternehmen durch ihre Aussage belasten würden.163 Für den Fall der Tätigkeit eines Rechtsanwalts für das Unternehmen (wohl auch als Syndikusanwalt) wird man dies zur Wahrung des anwaltlichen Beratungsgeheimnisses bejahen können und § 53 StPO anzuwenden haben. In allen anderen Fällen ist ein Recht zu schweigen jedoch abzulehnen, denn sonst würde lediglich das Arbeitsverhältnis als solches das Zeugnis- oder Auskunftsverweigerungsrecht begründen. Auch wenn manche Beziehung zwischen Mitarbeiter und Unternehmen eine sehr enge Prägung aufweisen kann, so ist sie nicht den persönlichen Näheverhältnissen des § 52 StPO vergleichbar. Entsprechendes gilt für den Fall des § 55 StPO, da das Unternehmen zum einen nicht mit einem Angehörigen gleichzusetzen ist und zum anderen die Beziehung eines nicht vertretungsberechtigten Mitarbeiters zum Unternehmen nicht so nah ist, dass er durch die Belastung des Unternehmens sich selbst belastet.164 Nicht vertretungsberechtigte Mitarbeiter haben daher nur ein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO, wenn sie sich selbst oder Angehörige belasten würden.165 c) Herausgabe von Dokumenten Eng verbunden mit der Frage des Schweigerechts ist das Problem, ob und inwieweit das Unternehmen als Beschuldigter die Herausgabe von Dokumenten verweigern kann166 oder grundsätzlich nach § 95 StPO zur Herausgabe verpflichtet ist. ____________ 161
tet.
Vgl. Pieth, FS-Eser, S. 599 (613), der ansonsten „japanische“ Verhältnisse befürch-
162 Vgl. zur Frage von Schweigerecht und Stellung im Unternehmen Pieth, FS-Eser, S. 599 (610 ff.). 163 Eingehend Queck, Unternehmen, S. 264 ff. 164 Psychologisch mag es für den einzelnen Mitarbeiter durchaus Schwierigkeiten bereiten, zwischen Selbst- und Unternehmensbild zu trennen, zumal in Zeiten der gesteigerten Bedeutung einer „corporate identiy“ die Identifikation mit dem Unternehmen einen hohen Stellenwert einnimmt. Jedoch ist das Unternehmen stets auch rein psychologisch ein anderer („Dritter“) im Verhältnis zum Mitarbeiter. 165 Vgl. Drope, Verbandsstrafe, S. 231 ff.; Gillmeister, Ermittlungsrechte, S. 39; KKOWiG-Rogall, § 30 Rn. 189; siehe auch Schlüter, Unternehmen, S. 241 ff. Entsprechend wohl auch Göhler-Gürtler, OWiG, § 88 Rn. 5; Haeusermann, Verband, S. 353, die allerdings unklar bezüglich der Frage sind, in welchem Fall genau § 55 StPO zur Anwendung kommen soll. 166 Vgl. dazu Haeusermann, Verband, S. 359 f.; Queck, Unternehmen, S. 271 ff.; siehe auch Arzt, JZ 2003, 456 (457 ff.).
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Eine erste Ungewissheit besteht dahingehend, ob der nemo tenetur-Grundsatz überhaupt über mündliche Aussagen hinausreicht. Dies wird von der Rechtsprechung167 bejaht und dem wird man angesichts von Art. 6 EMRK, der ein weitgehendes Recht der Selbstbelastungsfreiheit einräumt,168 zustimmen können,169 auch soweit es Unternehmen betrifft.170 Der nemo tenetur-Grundsatz ist somit im Sinne einer umfassenden „Freiheit von Selbstbezichtigungszwang“ zu verstehen.171 Die in § 95 StPO geregelte Herausgabepflicht betrifft daher nicht das Unternehmen als Beschuldigten.172 Bejaht man die Anwendbarkeit des nemo tenetur-Grundsatzes auch auf sonstige Mitwirkungspflichten, stellt sich das Problem, wo die Grenze zwischen Selbstbelastungsfreiheit und Mitwirkungspflicht konkret zu ziehen ist.173 Zwar ist das Unternehmen grundsätzlich nicht verpflichtet, irgendeinen Gegenstand herauszugeben, der als Beweismittel für das Verfahren gegen das Unternehmen von Bedeutung sein kann.174 Fraglich ist allerdings, ob dies auch für Aufzeichnungen gilt, zu denen das Unternehmen (handelsrechtlich, steuerrechtlich etc.) gesetzlich verpflichtet ist. Eine ähnliche Frage stellt sich bei gesetzlichen Mitteilungs-, Anzeige-
____________ Vgl. BGHSt 42, 139 (151 f.); BGH NJW 2007, 3138 (3140); NStZ 1996, 502 (504). Vgl. EGMR, Urt. vom 25.2.1993, Funke v. France (Series A Vol. 256), Ziff. 44; EGMR, Urt. vom 17.12.1996 – 43/1994, Saunders v. The United Kingdom, Ziff. 68. 169 Vgl. AK-StPO-Amelung, § 95 Rn. 7; Dingeldey, NStZ 1984, 529; Haeusermann, Verband, S. 327 ff.; Hefendehl, wistra 2003, 1 (8); KK-StPO-Nack, § 95 Rn. 2; Mäder, Offenbarungspflichten, S. 106; Nothelfer, Freiheit, S. 89 ff.; SK-StPO-Rogall, vor § 133 Rn. 143; Rüping/Kopp, NStZ 1997, 530 (533); Schneider, Selbstbegünstigungsprinzip, S. 29 f. 170 Anders aber Queck, Unternehmen, S. 204 ff., 271 ff., die den nemo teneturGrundsatz auf die Aussagefreiheit beschränkt sieht, ähnlich auch Böse, GA 2002, 98 (128); Schöch, DAR 1996, 44 (49 f.); Verrel, NStZ 1997, 415 (417 ff.). 171 So die Terminologie von Nothelfer, Freiheit. 172 Vgl. zur Ausnahme des Beschuldigten von § 95 StPO z.B. AK-StPO-Amelung, § 95 Rn. 7; Meyer-Goßner, § 95 Rn. 5; siehe aber auch Queck, Unternehmen, S. 271 ff., die § 95 StPO (aufgrund einer beschränkten Anwendung des nemo tenetur-Grundsatzes) als anwendbar betrachtet, jedoch nur so weit, als damit das Schweigerecht nicht konterkariert wird. Siehe auch Radtke, FS-Meyer-Gossner, S. 321 (326 ff.). 173 Zu Recht weist daher Arzt, JZ 2003, 456 (458) darauf hin, dass die Ausnahmen von der Selbstbelastungsfreiheit von besonderem Interesse sind. 174 Dies bedeutet jedoch nicht, dass derartige Gegenstände nicht bei einer Durchsuchung beschlagnahmt werden dürfen. Das Unternehmen ist nur vor einer aktiven Mitwirkung geschützt, muss jedoch passiv Zwangsmaßnahmen hinnehmen. Im Fall der Durchsuchung gelten dann nur die Privilegierungen nach § 97 StPO, die insbes. Unterlagen des Kontakts mit dem Syndikusanwalt betreffen können, vgl. LG Frankfurt a.M. StV 1993, 351 f.; Ciolek-Krepold, Durchsuchung, S. 147 ff.; Drope, Verbandsstrafe, S. 284; Gillmeister, Ermittlungsrechte, S. 96 ff.; Roxin, NJW 1995, 17 (22 f.); Taschke, FS-Hamm, S. 751 ff. 167
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und Aufklärungspflichten.175 Solche Pflichten können dazu führen, dass das Unternehmen bei ihrer Erfüllung ggf. (schriftliche) Beweise gegen sich selbst sammelt.176 Den Pflichten kann sich das Unternehmen in der Regel nicht entziehen, zum Teil können sie durch Verwaltungszwang durchgesetzt werden oder sind ihrerseits gar durch Bußgelder abgesichert.177 Zu Recht sieht die wohl herrschende Meinung derartige Dokumentationspflichten etc. nicht an sich durch das Prinzip der Selbstbelastungsfreiheit ausgeschlossen, da eine solche Betrachtung die legitime Zweckverfolgung (im Steuerrecht etc.) konterkarieren würde.178 Über die Frage einer Verwendung über den speziellen Zweck hinaus im Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren ist damit jedoch noch nicht entschieden. Schutzwürdigen Interessen kann im Einzelfall durch ein strafprozessuales oder ordnungswidrigkeitenrechtliches Verwertungsverbot bezüglich der erstellten Informationen Rechnung getragen werden. Diesen Weg hat der Gesetzgeber inzwischen auch partiell gewählt.179 Konkret bedeutet dies Folgendes: Das Unternehmen ist auch dann nicht verpflichtet, Dokumente herauszugeben, soweit diese aufgrund gesetzlicher Pflichten erstellt wurden und ggf. an eine Behörde übermittelt wurden. Denn § 95 StPO gilt für die Herausgabe aller belastenden Dokumente, unabhängig davon, zu welchem Zweck sie erstellt wurden. Soweit die Ermittlungsbehörden aber aufgrund einer Beschlagnahme oder der Beiziehung von Akten anderer Behörden Unterlagen erhalten, die das Unternehmen aus einer gesetzlichen Verpflichtung erstellt hat, ist im Einzelfall ein Verwertungsverbot zu prüfen. Wenn die Erstellung der Unterlagen allein einem bestimmten gesetzlichen Verwendungszweck (z.B. der Steuerprüfung) ____________ 175 Zu einzelnen Pflichten vgl. die Beispiele bei Bärlein/Pananis/Rehmsmeier, NJW 2002, 1825 (1826); siehe auch SK-StPO-Rogall, vor § 133 Rn. 144 ff.; Rengier, FSSchmitt, S. 263 ff. 176 Vgl. Rüping/Kopp, NStZ 1997, 530 (531); Volk, JZ 1982, 85 (91). 177 Vgl. bspw. § 17 GwG. 178 Vgl. näher auch zur Frage von Verwertungsverboten BVerfGE 56, 37 (50) (siehe zudem BVerfGE 55, 144 [151]; 81, 70 [97]); BGHSt 37, 340 (343); BGH NJW 2005, 763 m. Anm. Lesch, JR 2005, 302 ff.; Bärlein/Pananis/Rehmsmeier, NJW 2002, 1825 (1828); Bosch, Aspekte, S. 20; Dingeldey, NStZ 1984, 529 (531 ff.); v. Glahn, StraFo 2000, 186 ff.; Haeusermann, Verband, S. 360; Hefendehl, wistra 2003, 1 (8 f.); Lesch, JR 2005, Mäder, Offenbarungspflichten, S. 122 ff.; Nothelfer, Freiheit, S. 97 ff.; Reiß, NJW 1977, 1436 f.; Rüping/Kopp, NStZ 1997, 530 (533); Schöch, DAR 1996, 44 (50); SK-StPORogall, vor § 133 Rn. 146; Stürner, NJW 1981, 1757 (1760 f.); Volk, JZ 1982, 85 (91); Werner, Geldwäsche, S. 112 ff.; siehe zudem Stümpfler, DAR 1973, 1 (9 f.). 179 Vgl. § 97 InsO, der zwangsweise durchsetzbare Auskunfts- und Mitwirkungspflichten des Schuldners im Insolvenzfall regelt, eine Verwendung im Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren jedoch von der Zustimmung des Schuldners abhängig macht. Siehe dazu näher Hefendehl, wistra 2003, 1 ff., insbes. zur Frage der Bedeutung der Untersagung der „Verwendung“ von Materialien. Siehe zudem § 15 GwG, wonach Unterlagen, die zur Bekämpfung der Geldwäsche erstellt wurden, nur für eine diesbezügliche Strafverfolgung verwendet werden dürfen.
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gedient hat, wird in der Regel eine Verwertung im Verfahren nach § 30 OWiG ausscheiden. Jede andere Betrachtung würde das Unternehmen im Regelfall zu einem „Zeugen gegen sich selbst“ machen. Zu einer derartigen Beschneidung des Rechts, sich nicht selbst belasten zu müssen, bedürfte es einer expliziten gesetzlichen Bestimmung (und Rechtfertigung). 3. Rechtsmittel Das Unternehmen kann gegen die Festsetzung einer Geldbuße Rechtsmittel einlegen (§ 437 Abs. 1–3 StPO). Allerdings erfährt die Rechtsmitteleinlegung eine maßgebliche Beschränkung in den Fällen, in denen nur das Unternehmen (und nicht auch der Unternehmensmitarbeiter) Rechtsmittel einlegt.180 Nach § 437 Abs. 1 StPO wird der Schuldspruch des Mitarbeiters nur dann überprüft, wenn das Unternehmen Einwendungen vorbringt und zudem im erstinstanzlichen Verfahren ohne sein Zutun nicht gehört worden ist. Selbst wenn diese Voraussetzungen gegeben sind, legt das Rechtsmittelgericht die Tatsachen des erstinstanzlichen Schuldspruchs des Unternehmensmitarbeiters zugrunde, es sei denn, das Unternehmen bringt neue Beweismittel vor. In zahlreichen Fällen bleibt daher dem Unternehmen faktisch eine Rechtsmittelinstanz oder zumindest eine zweite Tatsacheninstanz verwehrt. Dies ist angesichts der zentralen Bedeutung der Anknüpfungstat des Mitarbeiters im Rahmen von § 30 OWiG äußerst bedenklich und zeigt, wie wenig angemessen die prozessuale Heranziehung der Einziehungsvorschriften für die Unternehmensgeldbuße ist.181 II. Selbstständiges Verfahren Wird das selbstständige Verfahren nach § 30 Abs. 4 OWiG durchgeführt, richtet sich der Ablauf nach § 444 Abs. 3 i.V.m. §§ 440, 441 StPO, der wie im einheitlichen Verfahren auf das der Einziehung verweist. Auch dieses Verfahren wird somit nach den Vorschriften der StPO geführt. Der Staatsanwaltschaft steht die Befugnis zu, das selbstständige Verfahren zu beantragen, wenn die speziellen Voraussetzungen zur Durchführung gegeben sind.182 Weitere Voraussetzung ist hier nach allgemeiner Meinung (anders als beim einheitlichen Verfahren), dass ein hinreichender Tatverdacht vorliegt.183 Zuständig kann nach Wahl der Staatsanwaltschaft zum einen das Gericht sein, das zur Strafverfolgung einer bestimmten Person ____________ 180 Nach § 437 Abs. 2 StPO gilt die Beschränkung nicht, wenn der Unternehmensmitarbeiter Rechtsmittel eingelegt hat. 181 Krit. auch KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 192, 222; Müller, Ordnungswidrigkeitenrecht, S. 109. 182 Vgl. zu den spezifischen Voraussetzungen des selbstständigen Verfahrens bereits oben S. 446 ff. 183 Vgl. KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 197.
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(des Mitarbeiters) zuständig wäre (§ 441 Abs. 1 Satz 1 StPO), oder das Gericht, in dessen Bezirk das Unternehmen seinen Sitz hat (§ 444 Abs. 3 StPO). Das Verfahren wird – abgesehen von den im Folgenden genannten Besonderheiten – im Wesentlichen entsprechend den Vorschriften über das einheitliche Verfahren durchgeführt.184 Das selbstständige Verfahren wird im Grundsatz als schriftliches Verfahren geführt und durch Beschluss beendet (§ 441 Abs. 2 StPO). Das Gericht kann aber auch eine mündliche Verhandlung ansetzen und durch Urteil entscheiden.185 Einen Antrag auf mündliche Verhandlung können zudem die Staatsanwaltschaft und das Unternehmen stellen (§ 441 Abs. 3 StPO). Mit Einleitung des selbstständigen Verfahrens wird das Unternehmen nicht automatisch Beteiligter. Dies geschieht erst durch Anordnung des Gerichts, womit es die Stellung entsprechend einem Angeklagten erhält. Aufgrund der Gefahr einer nicht ausreichenden Beteiligung im schriftlichen Verfahren ist es nach § 33 Abs. 3 StPO zumindest zu hören. Eine derart schwache Verfahrensbeteiligung ist angesichts der Sanktionswirkung der Geldbuße äußerst bedenklich und sollte zugunsten einer umfassenden Beschuldigtenstellung des Unternehmens aufgegeben werden. Bezüglich der Rechtsmittel ist bei einer erstinstanzlichen Entscheidung die sofortige Beschwerde, bei einem Urteil die Berufung oder Revision zulässig (§ 441 Abs. 2, 3 StPO). In der Rechtsmittelinstanz kann im Gegensatz zum einheitlichen Verfahren auch die Anknüpfungstat vollumfänglich geprüft werden, da auf die Vorschrift des § 437 StPO keine Verweisung erfolgt. Der erweiterte Prüfungsumfang ist angesichts der Sanktionswirkung des § 30 OWiG sachgerecht, während die Ungleichbehandlung allein nach der Verfahrensart (einheitliches oder selbstständiges Verfahren) kaum besser als willkürlich bezeichnet werden kann. Eine Beschränkung hinsichtlich der Rechtsmittel ist beim selbstständigen Verfahren allerdings ebenfalls nicht vollkommen unterblieben, nach § 441 Abs. 3 Satz 2 StPO ist nur wahlweise Berufung oder Revision möglich. Ein sachgerechter Grund für diesen Unterschied zum einheitlichen Verfahren ist auch hier nicht ersichtlich. C. Das Verfahren nach § 30 OWiG bei der Anknüpfung an Ordnungswidrigkeiten Bei der Anknüpfung des § 30 OWiG an einer Ordnungswidrigkeit des Mitarbeiters richtet sich das Verfahren gegen das Unternehmen grundsätzlich nach dem ____________ 184 Vgl. § 440 Abs. 3 StPO, der auf die Vorschriften des einheitlichen Verfahrens (§§ 431–436, 439 StPO) verweist. Einschränkend sind diese Vorschriften jedoch nur heranzuziehen, soweit auf sie auch in § 444 Abs. 1, 2 StPO verwiesen wird, vgl. KK-OWiGRogall, § 30 Rn. 199; Müller, Ordnungswidrigkeitenrecht, S. 112. Auch hier zeigt sich die unzureichend durchdachte Regelungstechnik des Gesetzgebers. 185 Vgl. SK-StPO-Weßlau, § 441 Rn. 6.
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Ordnungswidrigkeitengesetz.186 Dieses sieht in § 88 eine (rudimentäre) Vorschrift zum Verfahren der Verhängung einer Unternehmensgeldbuße vor. Zuständig für die Verhängung der Geldbuße sind die Verwaltungsbehörden (§§ 35 ff. OWiG). Sachlich sind dies die für die Sachmaterie zuständigen Behörden. Örtlich ist im einheitlichen Verfahren (dazu I.) die Behörde zuständig, in deren Bezirk die Tat begangen wird oder der Betroffene seinen Wohnsitz hat (§ 37 OWiG). Im selbstständigen Verfahren (II.) ist die Behörde zuständig, die für die Verfolgung des Unternehmensmitarbeiters zuständig wäre, oder die, in deren Bezirk das Unternehmen seinen Sitz hat (§ 88 Abs. 2 Satz 2 OWiG). I. Einheitliches Verfahren 1. Verfahrensablauf Der Ablauf des Verfahrens ist in § 88 OWiG nur ansatzweise geregelt, insbesondere was die Beteiligungsrechte des Unternehmens betrifft. Die Beteiligung des Unternehmens wird wie im Strafverfahren von der Behörde angeordnet, wenn die Festsetzung einer Geldbuße hinreichend wahrscheinlich erscheint.187 Allein durch die Beteiligungsanordnung werden dem Unternehmen jedoch keine eigenen prozessualen Rechte eingeräumt.188 Dies entspricht der Regelung des § 88 Abs. 3 OWiG, der auf die Einziehungsvorschrift des § 87 Abs. 2 OWiG verweist und dem Unternehmen an sich erst ab Erlass des Bußgeldbescheids die Rechte eines Betroffenen einräumt. Diese Regelung hätte für das Verfahren bis zum Bußgelderlass eine völlige Verkürzung der Beteiligungsrechte des Unternehmens zur Folge und wäre mit dem Recht auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG kaum vereinbar. Daher ist über § 46 OWiG die Regelung des § 444 Abs. 2 Satz 2 StPO heranzuziehen, die als Verweisung auf § 432 StPO dem Unternehmen ein Anhörungsrecht in Anlehnung an einen Beschuldigten zubilligt.189 In entsprechender Anwendung steht dem Unternehmen auch ein Beweisantragsrecht zu.190 ____________ 186 Vgl. zum Verfahren KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 204 ff.; Müller, Ordnungswidrigkeitenrecht, S. 115 ff.; Pohl-Sichtermann, Geldbuße, S. 233 ff.; Wieser, Handbuch, S. 388 ff. 187 Die h.M. lässt dagegen wohl eine geringere Wahrscheinlichkeit genügen, vgl. OLG Karlsruhe NStZ 1997, 79; KK-OWiG-Mitsch, § 88 Rn. 4; KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 207; Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, § 88 Rn. 5. 188 Vgl. Müller, Ordnungswidrigkeitenrecht, S. 117. 189 Allgemeine Meinung, vgl. Göhler-Gürtler, OWiG, § 88 Rn. 4; KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 205; Müller, Ordnungswidrigkeitenrecht, S. 115; Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, § 88 Rn. 12; SK-StPO-Weßlau § 444 Rn. 20; siehe auch Pohl-Sichtermann, Geldbuße, S. 237 für eine direkte Ableitung aus Art. 103 Abs. 1 GG; ähnlich KK-OWiGMitsch, § 88 Rn. 6. 190 Vgl. KK-OWiG-Mitsch, § 88 Rn. 6; KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 206.
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Ist während des Bußgeldverfahrens noch keine Beteiligungsanordnung ergangen, wird aber ein Bußgeldbescheid gegen das Unternehmen erlassen, so gilt die Bußgeldfestsetzung konkludent auch als Beteiligungsanordnung.191 Die Geldbuße wird im Grundsatz in dem gegen den Unternehmensmitarbeiter erlassenen Bescheid ausgesprochen.192 Der Bescheid ist daher neben dem Mitarbeiter auch getrennt dem Unternehmen zuzustellen.193 Trotz dieser einheitlichen Darstellung handelt es sich bei dem Bußgeld gegen den Unternehmensmitarbeiter und dem gegen das Unternehmen um zwei rechtlich selbstständige Teile. Dies bedeutet, dass Mitarbeiter und Unternehmen unterschiedlich auf den Bescheid reagieren können, ohne dass das Verhalten des einen Auswirkung auf den Bescheidteil des anderen hat. So kann jeder getrennt einen Rechtsmittelverzicht erklären.194 Die unterschiedliche Interessenlage bei Unternehmen und Mitarbeiter kann hier ein voneinander abweichendes Vorgehen erfordern. Beide können jeweils getrennt voneinander gegen ihren Teil des Bußgeldbescheids Einspruch erheben.195 Da sie eigenständige Adressaten der Bußgeldteile sind,196 kann das Unternehmen jedoch nicht den Bußgeldteil gegen den Mitarbeiter und der Mitarbeiter nicht den Bußgeldteil gegen das Unternehmen angreifen. Gehen Mitarbeiter und Unternehmen nicht einheitlich vor, kann ein Teil des Bußgeldbescheids Rechtskraft erlangen, während über den anderen Teil im Rechtsmittelverfahren weiter zu entscheiden ist. Die Teilrechtskraft ist allerdings durch § 84 Abs. 1 OWiG beschränkt. Die Regelung sieht die Möglichkeit der Verfahrensfortführung vor, wenn sich die Anknüpfungstat nicht wie ursprünglich gedacht als Ordnungswidrigkeit, sondern als Straftat erweist. In diesem Fall kann gegen den Mitarbeiter trotz Bestehens eines rechtskräftigen Bußgeldbescheids ein Strafverfahren geführt werden. Soweit dabei das Verfahren gegen das Unternehmen (wegen des Einspruchs) noch nicht beendet ist, bedarf es keiner eigenen Verfahrensbeteiligung des Unternehmens am Verfahren des Mitarbeiters. Denn im Verfahren gegen das Unternehmen kann das Gericht die Geldbuße auch unter dem Aspekt der Anknüpfung an einer Straftat würdigen, hat das Verfahren jedoch nach § 81 OWiG ____________ 191 OLG Düsseldorf NStZ 1984, 366; OLG Karlsruhe NStZ 1987, 79; KK-OWiGRogall, § 30 Rn. 208; Müller, Ordnungswidrigkeitenrecht, S. 117. 192 Vgl. § 87 Abs. 2 Satz 2, 3 OWiG; siehe aber auch das Beispiel für zwei getrennte Bescheide bei Wieser, Handbuch, S. 391 ff., 399 f. Zum Thema siehe auch Schmuck/ Steinbach, ZfSch 2008, 366. 193 § 87 Abs. 2 Satz 2 OWiG. 194 KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 209; Müller, Ordnungswidrigkeitenrecht, S. 119. 195 KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 209; Müller, Ordnungswidrigkeitenrecht, S. 119; unklar Pohl-Sichtermann, Geldbuße, S. 250 ff. 196 Im Übrigen ist der Mitarbeiter durch die Verhängung der Geldbuße gegen das Unternehmen nicht beschwert. Gleichfalls wird man eine Beschwer des Unternehmens durch die Verhängung der Geldbuße gegen den Mitarbeiter zu verneinen haben, da dadurch nicht automatisch auch die Voraussetzungen des § 30 OWiG gegen das Unternehmen festgestellt sind.
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ebenfalls ins Strafverfahren überzuleiten. Das Verfahren gegen den Mitarbeiter und das Unternehmen können dann verbunden werden (§ 237 StPO). Liegt bereits ein bestandskräftiger Bescheid gegen das Unternehmen vor, ist dieses an dem Verfahren gegen den Mitarbeiter nach den Vorschriften über die Anknüpfung des § 30 OWiG an einer Straftat neu zu beteiligen. Denn § 84 Abs. 1 OWiG beschränkt die Rechtskraft auch hinsichtlich der Unternehmensgeldbuße,197 die also ggf. neu festgesetzt oder aufgehoben wird.198 Nach erfolgtem Einspruch überprüft zunächst die Verwaltungsbehörde, ob der Einspruch berechtigt ist (§ 69 OWiG). Sie kann den Bußgeldbescheid aufheben, allerdings nicht allein hinsichtlich der Unternehmensgeldbuße, da aus Gründen der Rechtssicherheit eine Teilrücknahme unzulässig ist.199 Daher hat sie bei Aufhebung der Unternehmensgeldbuße entsprechend einen neuen Bescheid gegen den Mitarbeiter zu erlassen. Möchte die Verwaltungsbehörde den Bescheid aufrechterhalten, legt sie die Akten der Staatsanwaltschaft vor. Diese kann das Verfahren vollumfänglich eigenständig prüfen und es nach eigenem Ermessen einstellen.200 Ansonsten gibt sie das Verfahren an das Gericht ab. Der weitere gerichtliche Fortgang richtet sich gemäß § 71 OWiG im Wesentlichen nach den Vorschriften der StPO, soweit im OWiG keine Sondervorschriften bestehen.201 Mit Erlass des Bußgeldbescheids hat das Unternehmen nach § 87 Abs. 2 OWiG die Stellung eines Betroffenen und damit die diesem zustehenden Rechte.202 Wird eine Geldbuße gegen das Unternehmen im gerichtlichen Verfahren erstmals oder im Wege der Wiedereinbeziehung erwogen, ordnet das Gericht die Beteiligung des Unternehmens an. Dies ist erst im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht mehr zulässig.203 An sich ergeht eine Entscheidung im gerichtlichen Verfahren aufgrund einer mündlichen Verhandlung durch Urteil. Hat jedoch allein das Unternehmen Einspruch eingelegt, findet gemäß § 46 Abs. 1 OWiG, §§ 444 Abs. 2 Satz 2, 441 Abs. 2, 3 StPO ein schriftliches Verfahren mit einer Entscheidung durch Beschluss statt, es sei denn, einer der Beteiligten beantragt die mündliche ____________ KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 211; Müller, Ordnungswidrigkeiten, S. 119 f. Bereits getätigte Zahlungen des Unternehmens werden nach § 86 Abs. 2 OWiG angerechnet. 199 KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 212. 200 Die Einstellung kann auf verschiedenen Gründen beruhen: auf der Ausübung des Opportunitätsprinzips (§ 47 OWiG) oder es liegt kein hinreichender Tatverdacht vor (§§ 46 OWiG, 170 Abs. 2 StPO). 201 Zum Verfahren siehe näher KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 214 ff.; Müller, Ordnungswidrigkeiten, S. 121 ff.; Pohl-Sichtermann, Geldbuße, S. 258 ff. 202 Der Verweis in §§ 444 Abs. 2 Satz 2, 433 Abs. 1 StPO auf die Rechte eines Angeklagten sind somit im Bußgeldverfahren ohne eigene Bedeutung, KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 216; Müller, Ordnungswidrigkeiten, S. 121. 203 Vgl. den Verweis über §§ 46 Abs. 1 OWiG, 444 Abs. 1 Satz 2 StPO auf § 431 Abs. 4 StPO. 197
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Verhandlung.204 Auch das Gericht kann das Verfahren wie die Verwaltungsbehörde und die Staatsanwaltschaft aus Opportunitätsgründen nach § 47 Abs. 2 OWiG einstellen. Es benötigt in diesem Fall allerdings die Zustimmung der Staatsanwaltschaft. 2. Beweisfragen Für die Erlangung von Beweismitteln sieht das OWiG kaum eigenständige Vorschriften vor, sodass über § 46 OWiG die Regelungen der StPO entsprechend anzuwenden sind.205 Besonderheiten gegenüber dem Verfahren nach der StPO ergeben sich im Wesentlichen nur hinsichtlich der Beweisaufnahme. Für diese gilt § 77 OWiG. Danach ist ein Beweisantrag durch Gerichtsbeschluss abzulehnen. Die Regelung über § 46 Abs. 1 OWiG, §§ 444 Abs. 2 Satz 2, 436 Abs. 2 StPO, die eine formlose Ablehnung (mangels Verweis auf § 244 Abs. 6 StPO) durch das Gericht ermöglichen, gilt nicht.206 Im Ordnungswidrigkeitenverfahren ist der Standard somit höher als im Strafverfahren. Auf diese schwer verständliche Unstimmigkeit wurde bereits oben hingewiesen. Hinsichtlich der Geltung des nemo tenetur-Grundsatzes ergeben sich ebenfalls kaum Besonderheiten. Zwar enthält das heutige OWiG anders als das OWiG 1952 keine explizite Regelung zum Schweigerecht mehr.207 Gleichwohl finden über § 46 Abs. 1 OWiG die strafrechtlichen Regelungen Anwendung.208 Diese bieten für das Ordnungswidrigkeitenrecht denselben Schutzumfang wie im Strafrecht.209 Insoweit kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. 3. Rechtsmittel Die gerichtliche Entscheidung kann mit der Rechtsbeschwerde nach § 79 OWiG angegriffen werden. Erging ein Beschluss nach § 46 Abs. 1 OWiG, §§ 444 Abs. 2 ____________ 204 Davon unberührt (wenn auch ohne großen eigenen Anwendungsspielraum) bleibt § 72 OWiG, der ebenfalls eine Entscheidung durch Beschluss ermöglicht, wenn das Gericht die Hauptverhandlung für entbehrlich hält und Betroffener und Staatsanwaltschaft nicht widersprechen. Vgl. aber Pohl-Sichtermann, Geldbuße, S. 258 ff., die in §§ 72 ff. OWiG die StPO verdrängende Sonderregelungen sieht. 205 Vgl. Gramse, BB 1984, 371 ff. 206 Ebenso KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 218; Müller, Ordnungswidrigkeiten, S. 122. 207 Vgl. dazu Dietrich, Bindung, S. 237 f. 208 Vgl. BVerfGE 55, 144 (150); Dingeldey, NStZ 1984, 529 (531); KK-OWiG-Mitsch § 88 Rn. 10; Mäder, Offenbarungspflichten, S. 117 ff.; Queck, Unternehmen, S. 21 f.; Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, § 88 Rn. 12; SK-StPO-Rogall, vor § 133 Rn. 148; siehe aber auch Günther, GA 1978, 193 (205); Stümpfler, DAR 1973, 1 (10); Stürner, NJW 1981, 1757 (1759; 1763); Werner, Geldwäsche, S. 116. 209 Eingehend Dietrich, Bindung, S. 252 ff. auch zu Fragen, die sich bei der Transformation des strafrechtlichen Grundsatzes in das OWiG stellen.
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Satz 2, 441 Abs. 2, 3 StPO ist allerdings die sofortige Beschwerde zu erheben. Hat allein das Unternehmen Rechtsbeschwerde eingelegt, wäre über die Verweisung der § 46 Abs. 1 OWiG, §§ 444 Abs. 2 Satz 2, 437 Abs. 1–3 StPO an sich das Rechtsmittel beschränkt und eine Überprüfung der Anknüpfungstat wie im Strafverfahren nur bedingt möglich. Die diesbezüglich angeführten Bedenken gelten gleichermaßen für das Ordnungswidrigkeitenverfahren. Für dieses Verfahren lässt sich allerdings eine Lösung auch durch den Verzicht auf eine sinngemäße Anwendung der §§ 444 Abs. 2 Satz 2, 437 Abs. 1–3 StPO erreichen und somit eine uneingeschränkte Überprüfungsmöglichkeit eröffnen.210 Dies wäre jedoch nur um den Preis einer zum Strafverfahren unterschiedlichen Handhabung zu erreichen und sollte daher durch den Gesetzgeber geregelt werden. II. Selbstständiges Verfahren Im selbstständigen Verfahren wird die Unternehmensgeldbuße in einem selbstständigen Bußgeldbescheid festgesetzt. Das Verfahren und die Beteiligung des Unternehmens entsprechen im Wesentlichen dem einheitlichen Bußgeldverfahren.211 Der Bußgeldbescheid ist in seiner Rechtskraft nach § 84 Abs. 1 OWiG begrenzt. Das Verfahren kann somit bei einer späteren Bewertung der Anknüpfungstat als Straftat erneut durchgeführt werden. Das gerichtliche Verfahren nach einem Einspruch wird gemäß § 46 Abs. 1 OWiG, §§ 444 Abs. 3, 441 Abs. 2 StPO wie im Strafverfahren im Grundsatz als schriftliches Verfahren geführt und durch Beschluss beendet. In der Rechtsmittelinstanz kann die Anknüpfungstat wie im Strafverfahren, aber anders als im einheitlichen Verfahren, vollumfänglich überprüft werden, da keine Verweisung auf § 437 StPO gegeben ist.
____________ 210 Vgl. Göhler-Gürtler, OWiG, § 88 Rn. 13; KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 222; Müller, Ordnungswidrigkeitenverfahren, S. 125; anders Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, § 88 Rn. 26; siehe auch Pohl-Sichtermann, Geldbuße, S. 261. 211 Vgl. zum Verfahren KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 223 ff.; Müller, Ordnungswidrigkeitenverfahren, S. 125 f.; Pohl-Sichtermann, Geldbuße, S. 262.
§ 13 Sanktionierung von Unternehmen in der Praxis In den nachfolgenden Abschnitten wird auf die Frage eingegangen, welche Relevanz Maßnahmen gegen das Unternehmen in der Praxis haben. Im Mittelpunkt der Darstellung steht die Unternehmensgeldbuße (A.). Es wird jedoch auch ein Blick auf die Maßnahmen des Verfalls und der Einziehung geworfen (B.), da diese in nicht unerheblichem Umfang ein Vorgehen gegen das Unternehmen ermöglichen. A. Unternehmensgeldbuße Empirische Aussagen über die Sanktionierung von Unternehmen und als vorgelagerte Frage über die Delinquenz von und in Unternehmen liegen nur sehr begrenzt vor. Hier spiegelt sich die dünne Datenlage wider, die Aussagen über das Wirtschaftsstrafrecht insgesamt in Deutschland seit Langem erschwert.1 I. Kriminologische Studien Vereinzelt bestehen allerdings kriminologische Studien. Hierzu zählt beispielsweise die von 1974 bis 1985 durchgeführte „Bundesweite Erfassung von Wirtschaftsdelikten nach einheitlichen Gesichtspunkten“ durch das Freiburger MaxPlanck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht, die im Auftrag der Konferenz der Justizminister und -senatoren durchgeführt wurde.2 Nach dieser Untersuchung wurden über 80 % der Wirtschaftsstraftaten im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit im Unternehmen begangen.3 Hieraus lässt sich schließen, dass für die Unternehmensgeldbuße grundsätzlich ein großer praktischer Anwendungsbereich vorhanden ist. Allerdings ist solch eine Studie in den Folgejahren nicht wieder durchgeführt worden. Zudem lag der Fokus als auf Kriminalstrafen konzentrierte kriminologische Studie stark auf der Delinquenz natürlicher Personen und nicht auf der Verantwortlichkeit und Sanktionierung von Unternehmen.4 Weitere Studien sind zumeist ebenfalls älteren Datums und beziehen sich vielfach auf Teilbereiche wie den der Umweltstraftaten und -ordnungswidrigkeiten.5 ____________ 1 Siehe Achenbach, FS-Tiedemann, S. 47 (52 f.); Boers, MschrKrim 84 (2001), 335 ff.; Bussmann, MschrKrim 86 (2003), 89 (90); Schneider, in: Löhr/Burkatzki (Hrsg.), Wirtschaftskriminalität, S. 135. 2 Vgl. Liebl, Wirtschaftsstraftaten (1984) sowie Liebl, wistra 1988, 83. 3 Vgl. Liebl, Wirtschaftsstraftaten, S. 135 f., der davon ausgeht, dass ca. 80 % aller schweren Wirtschaftsstraftaten im Rahmen eines Unternehmens begangen werden. 4 Nichtsdestoweniger erbrachte die Untersuchung wertvolle Erkenntnisse, in welchen Unternehmen die Wirtschaftsstraftäter arbeiteten, welche Rechtsform die Unternehmen besaßen und welcher Branche sie zugehörig waren, vgl. Liebl, Wirtschaftsstraftaten, S. 469 ff. sowie Liebl, wistra 1988, 83 (86). 5 Vgl. die Studie des Max-Planck-Instituts bei Meinberg, NJW 1990, 1273 (1276 ff.). Siehe auch die Auswertung von Mitteilungen in Strafsachen bei Ralf Busch, Unternehmen, S. 50 ff.
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II. Polizeiliche Statistiken Aktuelle Anhaltspunkte über die Entwicklung der Wirtschaftskriminalität finden sich vorwiegend in der Polizeilichen Kriminalstatistik, die das Bundeskriminalamt jährlich herausgibt. Die Statistik ist auf Straftaten beschränkt und orientiert sich beim Begriff der Wirtschaftskriminalität an den prozessualen Vorgaben des § 74c GVG.6 Darüber hinaus bieten das vom Bundeskriminalamt seit 2000 jährlich veröffentlichte „Bundeslagebild Wirtschaftskriminalität“ und der bislang zweimal erschienene Periodische Sicherheitsbericht zusätzliche Detailinformationen über die Gesamtentwicklung.7 Nach diesen Daten werden seit 2000 jährlich über 80.000 Fälle aus dem Bereich der Wirtschaftskriminalität polizeilich registriert und bearbeitet. Bei den Schadenssummen listet das Bundeskriminalamt seit 2000 jährlich Schäden von über 4 Mrd. Euro auf. Ausweislich dieser Statistiken machten im zuletzt erfassten Jahr 2007 die Fälle der Wirtschaftskriminalität 1,4 % der insgesamt bekannt gewordenen Straftaten aus. Diese Fälle verursachten jedoch eine Schadenssumme von 4,12 Mrd. Euro, d.h. von 44,9 % des in der Polizeilichen Kriminalstatistik registrierten Gesamtschadens aller mit Schadenssummen erfassten Delikte. In vielen Bereichen werden die tatsächlich verursachten materiellen Schäden aufgrund des Dunkelfelds erheblich höher liegen.8 Diese Schäden sind wie die Effekte durch Marktstörungen9 und Vertrauensverluste der am Wirtschaftsleben Beteiligten und der Bevölkerung nicht bezifferbar.10 Welcher Teil der vorgenannten in den polizeilichen Statistiken verzeichneten Delikte und Schäden aus Unternehmen heraus verursacht wird, lässt sich dem Datenmaterial allerdings nicht entnehmen. Eine solche Differenzierung erlaubt die überwiegend schadensbezogene Betrachtung nicht. Die polizeiliche Definition hat ____________ 6 Vgl. BKA, Polizeiliche Kriminalstatistik 2007, S. 16 f. (abrufbar unter ), wonach zur Wirtschaftskriminalität „die Gesamtheit der in § 74c Abs. 1 Nr. 1–6b GVG aufgeführten Straftaten - jedoch ohne Computerbetrug“ zählen. Zusätzlich erfasst sind „Delikte, die im Rahmen tatsächlicher oder vorgetäuschter wirtschaftlicher Betätigung begangen werden und über eine Schädigung von Einzelnen hinaus das Wirtschaftsleben beeinträchtigen oder die Allgemeinheit schädigen können und/oder deren Aufklärung besondere kaufmännische Kenntnisse erfordert.“ Diese polizeiliche Definition ist stark durch kriminalistische Gesichtspunkte bestimmt. 7 Vgl. BKA, Bundeslagebild Wirtschaftskriminalität 2007; BMI/BMJ, Zweiter Periodischer Sicherheitsbericht (2006), S. 218 ff. (beide Publikationen sind abrufbar unter ). 8 So wurde bereits 1995 allein der Schaden durch unseriöse Anleger auf dem grauen Kapitalmarkt auf ca. 20 Mrd. Euro geschätzt, vgl. Wallat, NJW 1995, 3236. Die Arbeiten zur Wirtschaftskriminalität beruhen nahezu ausnahmslos auf einer Hellfeldanalyse, während zum Dunkelfeld erhebliche Wissenslücken bestehen. Nicht zu Unrecht wird mit Blick auf die Wirtschaftskriminalität daher häufig von einem „blinden Fleck“ gesprochen, vgl. Boers, MschrKrim 84 (2001), 335 m.w.N. 9 Vgl. Sieber, Crime, Law and Social Change 30 (1998), 1 (15). 10 Vgl. zu den immateriellen Auswirkungen der Wirtschaftskriminalität Montenbruck/ Kuhlmey/Enderlein, JuS 1987, 713 (717 f.) m.w.N.
§ 13 Sanktionierung von Unternehmen in der Praxis
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zudem zur Folge, dass auch individuell begangene Alltagsdelikte mit wirtschaftlichem Zusammenhang zur Wirtschaftskriminalität zählen, sodass ein eindeutiger Bezug auf die aus Unternehmen begangenen Delikte nicht möglich ist.11 Konstatiert werden kann daher nur, dass der Bereich der Wirtschaftskriminalität hinsichtlich der Straftaten aber vor allem in Bezug auf verursachte Schäden von großer Bedeutung ist. Die Anzahl der Straftaten und die dadurch entstandenen Schäden sind für Unternehmen insoweit relevant, als die Unternehmensgeldbuße daran anknüpfen kann bzw. Schäden bei der Bemessung der Geldbuße berücksichtigt werden können. III. Studien von Wirtschaftsberatungsunternehmen In den letzten Jahren beschäftigen sich zunehmend Studien von Wirtschaftsberatungsunternehmen mit Aspekten der Wirtschaftskriminalität und der Prävention,12 vor allem mit deren Bezügen zu und Auswirkungen auf Unternehmen.13 Diese Untersuchungen legen einen starken Fokus auf die Information von Mandanten sowie auf die Gewinnung neuer. Aufgrund dieses kommerziellen Interesses, das sich hinter den Analysen verbirgt, ist ein gewisses caveat angebracht. Nichtsdestoweniger können die Studien einige Schlaglichter auf die aktuelle Diskussion werfen. Diese Untersuchungen beruhen durchweg auf Befragungen (zumeist von Mitarbeitern in leitenden Positionen) und somit auf einer Selbstauskunft der Unternehmen. Die periodisch herausgegebene Studie zur Wirtschaftkriminalität von PricewaterhouseCoopers (PwC), die von Bussmann wissenschaftlich begleitet wird,14 belegt für den Bereich der Wirtschaftskriminalität sowohl eine nicht unbedeutende Häufigkeit krimineller Vorfälle als auch eine nicht unbeträchtliche Höhe des dadurch verursachten Schadens.15 Die Studie bestätigt damit die Daten der Polizeilichen Kriminalstatistik. Sie zeigt, dass höhere Reputationsschäden und eine stärkere Überwachung durch Aufsichtbehörden zu verzeichnen waren, wenn die handelnden Täter aus dem Unternehmen kamen.16 Detaillierte Aussagen zu Häufigkeit und Schadenshöhe lassen sich jedoch nicht treffen, da die Studie nicht differenziert, ob der Täter von außerhalb oder innerhalb des Unternehmens kommt, und somit die Frage des Unternehmens als „Täter“ (anknüpfend an die Tat eines
____________ Vgl. Boers, MschrKrim 84 (2001), 335 (340 ff.). Zu den behandelten Präventionsaspekten dieser Studien vgl. unten S. 516. 13 Vgl. die im Folgenden erwähnten Studien, zu älteren Studien (von 1997–2001) siehe die Nachweise bei Bussmann, MschrKrim 86 (2003), 89 (92). 14 Vgl. PwC, Wirtschaftskriminalität 2007, Sicherheitslage der deutschen Wirtschaft (2007); dazu Bussmann/Salvenmoser, CCZ 2008, 192 ff. Siehe auch die Vorgängerstudien: PwC, Wirtschaftskriminalität 2005, Internationale und deutsche Ergebnisse (2005; dazu Bussmann/Salvenmoser, NStZ 2006, 203 ff.); PwC, Wirtschaftskriminalität 2003, Internationale und deutsche Ergebnisse (2003); PwC, Europäische Umfrage zur Wirtschaftskriminalität 2001 (2001). 15 Vgl. die Studie PwC, Wirtschaftskriminalität 2007 (oben Anm. 14), S. 10 ff. 16 Vgl. die Studie PwC, Wirtschaftskriminalität 2007 (oben Anm. 14), S. 21. 11 12
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3. Kapitel: Deutsches Recht
Mitarbeiters) offenbleibt.17 Allerdings geht sie auf die handelnden Täter (unabhängig von Tat und Schaden) näher ein und konstatiert, dass der Anteil der Täter, der aus dem Unternehmen kommt, bei ungefähr 56 % liegt.18 Insoweit scheint der Anwendungsbereich der Unternehmensgeldbuße nach § 30 OWiG beträchtlich zu sein. Die meisten Täter (56 %) waren nicht im mittleren oder oberen Management beschäftigt.19 Als tatentscheidende Faktoren sehen die Unternehmen selbst vor allem ein fehlendes Unrechtsbewusstsein, finanzielle Anreize und eine leichte Verführbarkeit der Täter.20 Zwei Studien von KPMG zur Wirtschaftskriminalität weisen in eine ähnliche Richtung:21 Zahlreiche Unternehmen sind von Wirtschaftskriminalität betroffen und erleiden beträchtliche direkte und indirekte Schäden,22 wobei auch bei diesen Untersuchungen in Bezug auf Deliktsart und Schaden nicht nach Tätern von innerhalb oder außerhalb des Unternehmens differenziert wird. Der Anteil von Mitarbeitern, die in die Tat involviert sind, liegt bei insgesamt 84 %.23 Zwei Studien von Euler Hermes und Ernst&Young aus dem Jahr 2003 bestätigen den hohen Anteil von Unternehmensmitarbeitern an der Wirtschaftskriminalität, die Unternehmen betrifft.24 Der Großteil der Täter (76 %) kam nicht aus dem oberen oder mittleren Management.25 Somit ergibt sich auch nach diesen Untersuchungen ein grundsätzlich großer Anwendungsbereich für § 30 OWiG.
VI. Daten zu § 30 OWiG Aktuelle und detaillierte Daten konkret zur Anwendungspraxis der Unternehmensgeldbuße nach § 30 OWiG liegen nur in sehr begrenztem Umfang vor. Die bereits genannte Polizeiliche Kriminalstatistik erfasst keine Ordnungswidrigkeiten. Auch wird weder eine allgemeine Statistik zu staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren noch zu gerichtlichen Verfahren gegen Unternehmen geführt.26 Mit ____________ 17 Insoweit stellen sich bei diesen Aussagen die gleichen Probleme, die auch z.B. im Hinblick auf die Polizeiliche Kriminalstatistik (die bestimmte Wirtschaftsstraftaten getrennt erfasst) gelten. 18 Vgl. die Studie PwC, Wirtschaftskriminalität 2007 (oben Anm. 14), S. 39. 19 Vgl. die Studie PwC, Wirtschaftskriminalität 2007 (oben Anm. 14), S. 39: 20 % der Täter kamen aus dem Topmanagement, 25 % aus dem mittleren Management. 20 Vgl. die Studie PwC, Wirtschaftskriminalität 2007 (oben Anm. 14), S. 39 ff. 21 Vgl. KPMG, Studie 2006 zur Wirtschaftskriminalität in Deutschland (2006); KPMG, Wirtschaftskriminalität in Deutschland 2003/04 (2003). 22 Je nach Umsatz waren 19–55 % der Unternehmen in den letzten drei Jahren von Wirtschaftskriminalität betroffen, vgl. KPMG, Studie 2006 (Anm. 21), S. 11. In der Studie von 2003/04 (Anm. 21, S. 12) bejahten dies 64 %. 23 KPMG, Studie 2003/04 (Anm. 21), S. 12. 24 Vgl. Euler Hermes, Wirtschaftskriminalität – das diskrete Risiko. Die erste repräsentative Untersuchung für den Mittelstand (2003), S. 8, wonach der Mitarbeiteranteil an allen Tätern bei 67 % lag. Nach der Studie von Ernst&Young, Wirtschaftskriminalität in Deutschland – Nur ein Problem der anderen? (2003), S. 17 lag der Anteil bei 66 %. 25 Zahlen nur bei Ernst&Young, Wirtschaftskriminalität (Anm. 24), S. 18 verfügbar, wonach 4 % der Täter aus dem Topmanagement und 20 % aus dem mittleren Management kamen. 26 Vgl. die Antwort der BReg auf eine Große Anfrage im Bundestag, BT-Drs. 13/11425, S. 3. Siehe auch Hartan, Unternehmensstrafrecht, S. 207 f.
§ 13 Sanktionierung von Unternehmen in der Praxis
491
Ausnahme der im Folgenden genannten Statistik des Gewerbezentralregisters fehlen ebenfalls Daten zu verwaltungsrechtlichen Verfahren gegen Unternehmen. Soweit von einzelnen Behörden wie dem Bundeskartellamt Daten zu Bußgeldern erhoben werden, wird zumeist nicht zwischen der Verhängung gegen natürliche Personen und Unternehmen unterschieden. Allerdings wird im Regelfall ein Bußgeld, das das Bundeskartellamt verhängt, gegen ein Unternehmen als Kartellmitglied erfolgt sein.27 Aus den Daten des Bundeskartellamts lassen sich folgende Zahlen entnehmen:28 Tabelle 9: Verhängte Bußgelder des Bundeskartellamts Jahr
Anzahl Bußgelder Bundesbehörde
Anzahl Bußgelder Landesbehörden
1998
4
47
1999
4
21
2000
3
23
2001
1
14
2002
3
28
2003
7
25
2004
3
20
2005
4
10
2006
3
4
2007
5
3
2008
7
6
Der Überblick zeigt, dass die Gesamtzahl der verhängten Bußgelder in den letzten zehn Jahren gesunken ist und insgesamt nur wenige Unternehmen ein Bußgeld zu erwarten haben. Die Statistik führt die Höhe der Bußgelder nicht gesondert auf. Aus den Bekanntmachungen des Bundeskartellamts lässt sich jedoch entnehmen, dass fast durchweg Bußgelder im Bereich von mehreren Millionen Euro verhängt werden.29
____________ 27 Die Pressemeldungen des Bundeskartellamts verzeichnen auch fast ausschließlich Meldungen über Bußgelder gegen Unternehmen. 28 Vgl. die Tätigkeitsberichte des Bundeskartellamts (2007/2008: BT-Drs. 16/13500; S. 184 ff.; 2005/2006: BT-Drs. 16/5710, S. 231 ff.; 2003/2004: BT-Drs. 15/5790, S. 230 f.; 2001/2002: BT-Drs. 15/1226, S. 274 f.; 1999/2000: BT-Drs. 14/6300, S. 222 f.; 1998: BTDrs. 14/1139, S. 184 f.). 29 So wurden 2009 (Stand: 30.10.2009) Bußgelder in Höhe von 4,13 Mio. Euro (gegen ein Unternehmen), 9 Mio. Euro (gegen ein Unternehmen), 41,4 Mio. Euro (gegen zwei Unternehmen), 1,2 Mio. Euro (gegen vier Verbände und verschiedene natürliche Personen), 39,69 Mio. Euro (gegen neun Unternehmen und neun natürliche Personen), 11,5 Mio. Euro (gegen ein Unternehmen), 4,2 Mio. Euro (gegen ein Unternehmen) verhängt.
492
3. Kapitel: Deutsches Recht
V. Das Gewerbezentralregister Die einzig substantielle Quelle in Bezug auf Daten zu § 30 OWiG stellt das beim Bundesamt für Justiz geführte Gewerbezentralregister dar,30 das rechtskräftige Bußgeldentscheidungen in Bund und Ländern in Zusammenhang mit der Ausübung eines Gewerbes erfasst (§ 149 Abs. 2 Nr. 3 GewO).31 Das Register wird für natürliche sowie für juristische Personen und Personenvereinigungen getrennt geführt. Der Begriff „juristische Personen und Personenvereinigung“ wird dabei sehr weit gezogen und erfasst alle Unternehmen, die als Adressaten gewerberechtlicher Entscheidungen in Betracht kommen können.32 Eine Eintragung wegen der Verhängung eines Bußgelds wird nach drei bzw. fünf Jahren gelöscht.33 Das Gewerbezentralregister bietet hinsichtlich Anzahl und Höhe der Geldbußen in Euro folgendes Bild:34
____________ 30 Das Register wurde bis 2007 beim Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof geführt. 31 In das Register werden eingetragen: „(...) rechtskräftige Bußgeldentscheidungen, insbesondere auch solche wegen einer Steuerordnungswidrigkeit, die a) bei oder in Zusammenhang mit der Ausübung eines Gewerbes oder dem Betrieb einer sonstigen wirtschaftlichen Unternehmung oder b) bei der Tätigkeit in einem Gewerbe oder einer sonstigen wirtschaftlichen Unternehmung von einem Vertreter oder Beauftragten im Sinne des § 9 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten oder von einer Person, die in einer Rechtsvorschrift ausdrücklich als Verantwortlicher bezeichnet ist, begangen worden ist, wenn die Geldbuße mehr als 200 Euro beträgt, (...)“. 32 In Betracht kommen: Personenvereinigungen (Offene Handelsgesellschaft, Kommanditgesellschaft, nicht rechtsfähiger Verein); Juristische Personen des privaten Rechts (Aktiengesellschaft, Kommanditgesellschaft auf Aktien, Gesellschaft mit beschränkter Haftung, Eingetragene Genossenschaft, Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, Eingetragener Verein, Wirtschaftlicher Verein, Kolonialgesellschaft [bis 31.12.1976], Bergrechtliche Gewerkschaft [bis 31.12.1985], Stiftungen des privaten Rechts); Juristische Personen des öffentlichen Rechts (Gebietskörperschaften [z.B. Gemeinden], Personalkörperschaften [z.B. Handwerksinnungen, Rechtsanwaltskammern, Architektenkammern], Anstalten [z.B. Rundfunkanstalten], Stiftungen des öffentlichen Rechts). 33 Vgl. § 153 GewO, wonach Eintragungen, wenn die Geldbuße nicht mehr als 300 Euro beträgt, nach einer Frist von drei Jahren, bei höheren Geldbußen nach einer Frist von fünf Jahren ab Rechtskraft der Entscheidung aus dem Register zu tilgen sind. 34 Vgl. die jährliche Veröffentlichung des Bundesamts für Justiz (bis 2007: Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof): Übersicht über die Eintragungen im Gewerbezentralregister. Teilregister für juristische Personen und Personenvereinigungen (die Übersicht ab 2006 ist online erhältlich unter ). In Tabelle 01 finden sich die Neueintragungen der Bußgelder (inklusive der Aufschlüsselung nach der Höhe), in Tabelle 03 die insgesamt eingetragenen Bußgelder.
§ 13 Sanktionierung von Unternehmen in der Praxis
493
Tabelle 10: Bußgelder nach § 30 OWiG Jahr
Neueintragungen Geldbuße
bis 300
300– 1.000
1.000– 5.000
5.000– 20.000
20.000– 50.000
über 50.000
insgesamt eingetragene Geldbußen
2000
3.295 (100 %)
486 (14,7 %)
1.357 (41,2 %)
962 (29,2 %)
339 (10,3 %)
90 (2,7 %)
61 (1,9 %)
12.124
2001
4.067 (100 %)
669 (16,4 %)
1.610 (39,6 %)
1.343 (33,0 %)
364 (9,0 %)
0 (0 %)
81 (2,0 %)
40.086
2002
2.286 (100 %)
608 (26,6 %)
914 (40,0 %)
547 (23,9 %)
162 (7,1 %)
24 (1,0 %)
31 (1,4 %)
42.365
2003
4.745 (100 %)
817 (17,2 %)
2.488 (52,4 %)
922 (19,4 %)
375 (7,9 %)
91 (1,9 %)
52 (1,1 %)
23.329
2004
2.804 (100 %)
562 (20,2 %)
1.356 (48,4 %)
708 (25,2 %)
137 (4,9 %)
28 (1,0 %)
13 (0,5 %)
24.250
2005
1.911 (100 %)
491 (25,7 %)
661 (34,6 %)
561 (29,4 %)
115 (6,0 %)
39 (2,0 %)
44 (2,3 %)
20.663
2006
2.222 (100 %)
410 (18,5 %)
884 (39,8 %)
791 (35,6 %)
92 (4,1 %)
29 (1,3 %)
16 (0,7 %)
19.250
2007
2.487 (100 %)
514 (20,7 %)
929 (37,4 %)
884 (35,5 %)
106 (4,3 %)
30 (1,2 %)
24 (1,0 %)
19.801
2008
2.483 (100 %)
456 (18,4 %)
1.147 (46,2 %)
727 (29,2 %)
95 (3,8 %)
36 (1,4 %)
22 (0,9 %)
17.539
ø
2.922,2 (100 %)
557,0 (19,1 %)
1.260,7 (43,1 %)
827,2 (28,3 %)
198,3 (6,8 %)
40,8 (1,4 %)
38,2 (1,3 %)
–
Anmerkung: Im Jahr 2001 weist das Register 4.140 Neueintragungen der Geldbuße aus. Die Summe der angeführten einzelnen Geldbußen ergibt jedoch nur 4.067. Dieser Wert wurde der vorliegenden Tabelle zugrunde gelegt.
Neben den Angaben zu Anzahl und Höhe der Bußgelder erfasst die Statistik die einzelnen Branchen, in denen die belangten Unternehmen tätig sind. Die meisten Bußgelder werden in den Bereichen Hoch-/Tiefbau und Güterbeförderung verzeichnet.35 Weitere Daten z.B. zur Art der Anknüpfungstat, Größe des Unternehmens, Rechtsform des Unternehmens werden nicht erhoben. Die Daten des Gewerbezentralregisters seit dem Jahr 2000 zeigen, dass sich die Verhängung einer Geldbuße gegen ein Unternehmen im Bereich von ca. 3.000 Fällen im Jahr bewegt und damit kein seltenes Phänomen darstellt. Die jährlichen Schwankungen der Ahndungszahlen sind beträchtlich, sodass sich für diesen Zeitraum kein eindeutiger Trend ausmachen lässt. Festzustellen ist aber zumindest, dass kein Anstieg der Ahndungszahlen erfolgt ist. Der verstärkte öffentliche Fokus auf das Verhalten von Unternehmen durch die Diskussion um Compliance und Corporate Governance hat insoweit zumindest keinen Niederschlag in einer erhöhten Sanktionierung von Taten gefunden. ____________ 35
Vgl. Übersicht (Anm. 34), Tabelle 03.
494
3. Kapitel: Deutsches Recht
In Bezug auf die Höhe der Geldbuße lässt sich aufgrund der differenzierten Erfassung feststellen, dass etwas über 90 % der Geldbußen unter 5.000 Euro liegen. Über 60 % der gesamten Geldbußen liegen sogar unter 1.000 Euro. Es handelt sich somit fast ausschließlich um „kleine“ Geldbußen. Die Verhängung „großer“ Geldbußen, wie beispielsweise im Jahr 2007 im Zusammenhang mit dem Korruptionsskandal bei Siemens in Höhe von 201 Mio. Euro,36 stellen also die absolute Ausnahme dar. Die Geldbußen im Bereich des Kartellrechts nehmen somit eine Sonderstellung ein. Differenziertere Aussagen lassen sich nach den Angaben im Gewerbezentralregister nicht treffen. So bleibt unklar, ob die Ahndung vorwiegend kleinere Unternehmen trifft oder die Geldbuße wegen des Verstoßes gegen das Sonntagsfahrverbot oder wegen einer Untreue verhängt wurde. Es lässt sich allenfalls konstatieren, dass die betroffenen Unternehmen sehr klein sein müssen, wenn die verhängten Geldbußen aufgrund ihrer Höhe als substantielle Sanktion empfunden worden sind. B. Verfall und Einziehung Daten zum Umfang des Verfalls und der Einziehung gegenüber Unternehmen liegen ebenfalls kaum vor. Es wird zwar angenommen, dass Verfall und Einziehung gegenüber Unternehmen von großer und wachsender Bedeutung sind,37 dies lässt sich empirisch jedoch nur bedingt nachvollziehen.38 Ältere Untersuchungen dazu belegen insgesamt eine nur sehr begrenzte Anwendung der Vorschriften in der Praxis.39 Es ist zu vermuten, dass diese Einschätzung für die Anwendung der Vorschriften gegenüber natürlichen Personen und Unternehmen gleichermaßen galt. In den letzten beiden Jahrzehnten ist allerdings eine deutliche Zunahme der Verfalls- und Einziehungsanordnungen zu verzeichnen.40 Man kann daher annehmen, dass auch die Anwendung der Vorschriften gegenüber Unternehmen zugenommen hat. Bei dieser Annahme ist allerdings aus mehrfachen Gründen ein caveat ange____________ 36 Vgl. dazu bereits oben S. 2 ff. Diese hohen Geldbußen sind keine gänzlich neue Entwicklung, so wurde bspw. im Jahr 1989 gegen die Süddeutsche Zementindustrie ein Bußgeld wegen illegaler Preisabsprachen in Höhe von 224 Mio. DM verhängt (vgl. FAZ vom 19.7.1989, S. 12). 37 Vgl. z.B. Michalke, in: Nelles (Hrsg.), Money, S. 97 ff. sowie die Nachweise zu § 29a OWiG oben in Anm. 595. 38 Vgl. Kilchling (Hrsg.), Gewinnabschöpfung, S. 19 (36), der insbes. den Mangel an wissenschaftlich abgesicherten Untersuchungen beklagt. 39 Vgl. aus den 1980er Jahren Güntert, Gewinnabschöpfung, S. 84 ff.; aus Anfang der 1990er Jahre Dessecker, Gewinnabschöpfung, S. 209 ff. 40 Vgl. Kilchling, in: ders. (Hrsg.), Gewinnabschöpfung, S. 19 (40), wonach Einziehung und Verfall im Jahr 1986 bei 1,6 % und 1999 bei 2,6 % der abgeurteilten Straftaten angeordnet wurde. Im Jahr 2006 ist der Anteil auf 3,7 % gestiegen, vgl. Statistisches Bundesamt, Rechtspflege. Strafverfolgung 2006, Fachserie 10 Reihe 3, Tabelle 2.4 und 5.
§ 13 Sanktionierung von Unternehmen in der Praxis
495
bracht: Zum einen gelten die Daten nur für die strafrechtlichen (und nicht für die ordnungswidrigkeitenrechtlichen) Verfalls- und Einziehungsvorschriften.41 Zum anderen orientieren sie sich primär an den Verurteilungen der natürlichen Täter und weisen eine Abschöpfung beim Unternehmen als Drittbeteiligtem nicht gesondert aus.42 Darüber hinaus betreffen die meisten Fälle Betäubungsmitteldelikte und somit nicht Straftaten, die typischerweise von Unternehmensmitarbeitern im Unternehmenskontext begangen werden.43 Insgesamt ist daher nur zu konstatieren, dass verlässliche Aussagen in diesem Bereich derzeit kaum möglich sind.
____________ 41 Dies gilt auch für die vorgenannten wissenschaftlichen Untersuchungen, die sich als klassisch kriminologisch verstandene Untersuchungen allein dem Strafrecht widmen. 42 Einen Hinweis kann man allenfalls in den Statistiken der Strafgerichte finden, die Anträge auf selbstständige Verfahren getrennt ausweisen, vgl. Statistisches Bundesamt, Rechtspflege. Strafgerichte 2006 (bzw. 2007), Fachserie 10 Reihe 2.3, Tabelle 2.1 und 4.1. Danach gab es im Jahr 2006 bei den Amtsgerichten in 275 von 849.745 Verfahren (0,00032 %) (2007: 273 von 843.859 Verfahren [0,00032 %]) und bei den Landgerichten in 9 von 14.476 Verfahren (0,00062 %) (2007: 2 von 14.326 Verfahren [0,00014 %]) ein selbstständiges Verfahren. Offen ist dabei aber, ob es sich um ein Verfahren gegen ein Unternehmen handelte. 43 So waren im Jahr 2006 von den 27.788 Fällen mit Verfall und Einziehung 16.583 Verfahren wegen Betäubungsmittelstraftaten (59,7 %), vgl. Statistisches Bundesamt, Rechtspflege. Strafverfolgung 2006, Fachserie 10 Reihe 3, Tabelle 5.1.
§ 14 Weitere Bedeutung von Compliance-Programmen Im letzten Teil des deutschen Landesberichts wird auf die derzeitige Bedeutung von Compliance-Programmen im deutschen Recht außerhalb der bereits behandelten straf- und ordnungswidrigkeitenrechtlichen Aspekte eingegangen. Dazu wird zunächst ein Blick auf die historische Entwicklung geworfen (A.). Im Anschluss daran werden im Einzelnen die Bereiche beleuchtet, in denen der ComplianceAspekt bislang von größerer Bedeutung ist (B.). Zuletzt wird auf die Frage eingegangen, inwieweit Compliance-Programme in der Praxis bereits Verbreitung gefunden haben und welche Aussagen sich zur Wirksamkeit des ComplianceAnsatzes treffen lassen (C.). A. Entwicklung des Compliance-Ansatzes Der Compliance-Ansatz blickt in Deutschland auf noch keine sehr lange Entwicklung zurück. Die Unternehmensorganisation und das Verhalten im Unternehmen wurden wie der überwiegende Bereich der Corporate Governance als interne Angelegenheit und nicht als Feld staatlicher Regulierung betrachtet. Erste Regelungen, die dem Bereich Compliance zuzuordnen sind, waren daher zunächst auch von den Unternehmen selbst erstellte Vorgaben.1 Bspw. stellten in den 1970er Jahren Wertpapierhandelsunternehmen freiwillige Insiderrichtlinien auf.2 Vorhandene Insiderprobleme sollten durch die Selbstregulierung der Wirtschaft gelöst werden. Von diesen Einzelfällen abgesehen setzte sich jedoch keine allgemeine Entwicklung durch, die ihren Fokus auf Compliance-Fragen gelegt hat. Erst Anfang der 1990er Jahre ging schließlich vom Banken- und Finanzsektor der Hauptimpuls für die Etablierung von Compliance-Maßnahmen aus. Hintergrund für die Aktivitäten war zum einen ein Insiderskandal, der die Wirksamkeit der bisherigen unternehmensinternen Maßnahmen infrage stellte.3 Zum anderen wurden auf europäischer Ebene Maßnahmen zur Regulierung des Wertpapierhandels geprüft, die 1993 zur Verabschiedung der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie der EG führten.4 Banken etablierten vermehrt unternehmensintern ComplianceStrukturen, um Insiderprobleme zu vermeiden.5 Auch heute wird Compliance vielfach noch singulär auf den Kreditbereich (insbesondere den Wertpapierhandel)
____________ Vgl. Lösler, Compliance, S. 15 zu ersten Ansätzen Anfang des 20. Jahrhunderts. Vgl. Grohnert, Grundlagen, S. 6; Lösler, Compliance, S. 15 ff. 3 Vgl. Lösler, Compliance, S. 18 f. 4 Richtlinie 93/22/EWG des Rates vom 10. Mai 1993 über Wertpapierdienstleistungen, ABl Nr. L 141/27 vom 11.6.1993. 5 Vgl. Gebauer, Hdb Compliance, § 31 Rn. 6; Grohnert, Grundlagen, S. 6; Lösler, Compliance, S. 19; Weiss, Die Bank 1993, 136 ff. 1 2
§ 14 Weitere Bedeutung von Compliance-Programmen
497
bezogen.6 Kernelemente in diesem Bereich waren und sind die „vertrauliche Behandlung von sensiblen Kunden- und Geschäftsdaten sowie ein Interessenkonfliktmanagement“.7 In die deutsche Gesetzgebung flossen Compliance-Überlegungen erstmals 1994 ein, als mit dem WpHG die Richtlinie der EG umgesetzt wurde.8 Das Gesetz normierte umfangreichere Vorgaben für den Bereich des Wertpapierhandels (§§ 31 ff. WpHG). Dabei wurden insbesondere allgemeine Organisationspflichten für die betroffenen Unternehmen festgelegt (§ 33 WpHG).9 Im Jahr 1998 wurde mit dem Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) in § 91 Abs. 2 AktG eine begrenzte Regelung zum Risikomanagement durch den Vorstand festgeschrieben.10 Im folgenden Jahr wurde der Begriff „Compliance“ zum ersten Mal von staatlichen Behörden in einer Regelung aufgenommen. Das damalige Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel konkretisierte in der sogenannten Compliance-Richtlinie die Vorgaben des § 33 WpHG und stellte detaillierte Regelungen für die Behandlung von Insidertatsachen auf.11 Im Bereich des Wertpapierhandels wurde der Begriff „Compliance“ schließlich im Jahr 2007 erstmalig auch vom Gesetzgeber verwendet und findet nunmehr in § 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 5 WpHG und § 12 WpDVerOV Erwähnung in Bezug auf spezielle Organisationspflichten. Eine allgemeinere gesetzliche Regelung besteht bislang nicht.12 Insoweit ist Compliance gesetzgeberisch bislang ein rein bereichsspezifischer Ansatz. Im unternehmerischen Alltag und in der rechtlichen Diskussion um Compliance hat sich die Betrachtung jedoch vom speziellen Bereich des Wertpapierhandels gelöst. Compliance wird in den letzten Jahren vermehrt allgemein als die Einhaltung von Regelungen in den verschiedensten Rechtsbereichen verstanden.13 In der betriebswirtschaftlichen und rechtlichen Praxis stellt sie inzwischen ein weit bekanntes und vielfach diskutiertes Themenfeld dar.14 ____________ 6 Vgl. die Arbeiten von Grohnert, Grundlagen, S. 1 ff.; Lösler, Compliance, S. 13; Mahnhold, Compliance, S. 1 ff. 7 So die Definition im Handbuch des Bundesverbands der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken e.V. et al., Handbuch der Compliance-Organisation, S. 24. 8 Vgl. Lösler, Compliance, S. 22 ff. 9 Näher dazu unten S. 503. 10 Gesetz vom 27.4.1998 (BGBl. I S. 786). 11 BAWe, Richtlinie zur Konkretisierung der Organisationspflichten von Wertpapierdienstleistungsunternehmen gemäß § 33 Abs. 1 WpHG vom 25.10.1999, BAnz Nr. 210 vom 6.11.1999, S. 18453. Siehe dazu unten S. 503. 12 Zu gesetzlichen Einzelvorgaben, die zum Bereich Compliance gezählt werden können, vgl. unten S. 498 ff. 13 Vgl. exemplarisch die abgedeckten Sachgebiete im Sammelband von Hauschka, Compliance (2007). 14 Die vermehrte Hinwendung zur Thematik Compliance zeigt exemplarisch die Recherche bei Juris zur Anzahl der Literatur, deren Titel das Wort „Compliance“ beinhaltet
498
3. Kapitel: Deutsches Recht
Die nur geringen gesetzgeberischen Entwicklungen in diesem Bereich dürfen jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich für Unternehmen das regulative Umfeld in den letzten Jahrzehnten stark geändert hat. Anlässlich zahlreicher Unternehmenszusammenbrüche und Unternehmensschieflagen wurden die staatlichen Vorgaben häufig konkretisiert und verschärft, insbesondere durch Reformen im Gesellschaftsrecht.15 Im Blickpunkt standen hierbei die Aktiengesellschaften, deren rechtliches Umfeld in kurzer Zeit durch mehrere Gesetze reformiert wurde.16 Die Aufgaben und Anforderungen an Vorstand und Aufsichtsrat sind aufgrund dieser Reformen stark gestiegen. Die Anforderungen haben sich zwar vor allem im zivilrechtlichen Bereich geändert, aber nicht ausschließlich. Ergänzt werden die zivilrechtlichen Entwicklungen punktuell beispielsweise durch strafrechtliche Verschärfungen. So wurde im Jahr 2007 der Tatbestand des „Bilanzeids“ eingeführt, der die falsche Versicherung über die Richtigkeit des Jahresabschlusses unter Strafe stellt.17
B. Compliance außerhalb des Unternehmensstrafrechts Wie der geschichtliche Überblick gezeigt hat, bestehen bislang kaum explizite gesetzliche Regelungen für Compliance-Programme. Nichtsdestoweniger finden sich im gesamten deutschen Recht verstreut zahlreiche Vorschriften, die in unterschiedlichem Umfang für Unternehmen das Erfordernis bestimmter ComplianceMaßnahmen vorsehen. Im Folgenden wird daher ein Überblick über diese Regelungen gegeben, um den derzeitigen Stand im Bereich Compliance erfassen zu können.
____________ (ohne Literatur zu Compliance im medizinischen Bereich): 1990 (0 Titel); 1991 (0); 1992 (0); 1993 (1); 1994 (1); 1995 (0); 1996 (2); 1997 (0); 1998 (1); 1999 (2); 2000 (1); 2001 (2); 2002 (4); 2003 (3); 2004 (13); 2005 (4); 2006 (8); 2007 (17); 2008 (22). Siehe auch die Recherche bei beck-online zu Literatur ab 2002 mit dem Wort „Compliance“ im Titel (ebenfalls ohne Literatur zu Compliance im medizinischen Bereich): 2002 (2); 2003 (0); 2004 (6); 2005 (4); 2006 (8); 2007 (23); 2008 (34). Die Bedeutung der Thematik zeigt zudem die 2008 im ersten Jahrgang erschienene Zeitschrift „CCZ - Corporate Compliance Zeitschrift, Zeitschrift zur Haftungsvermeidung im Unternehmen“. 15 Vgl. Leyens, JZ 2007, 1061 (1062 f.) aus dem allgemeineren Blickwinkel der Corporate Governance. 16 Vgl. das Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts vom 2.8.1994 (BGBl. I S. 1961), KonTraG aus dem Jahr 1998 (siehe oben Anm. 10), Gesetz zur Namensaktie und zur Erleichterung der Stimmrechtsausübung (NAStrG) vom 18.1.2001 (BGBl. I S. 123), Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) vom 20.12.2001 (BGBl. I S. 3822), Gesetz zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zur Transparenz und Publizität (TransPuG) vom 19.7.2002 (BGBl I S. 2681); Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) vom 22.9.2005 (BGBl. I S. 2802). 17 Vgl. § 331 Nr. 3a HGB, der auf die in § 264 Abs. 2 Satz 3, § 289 Abs. 1 Satz 5, § 297 Abs. 2 Satz 4 und § 315 Abs. 1 Satz 6 HGB geregelten Versicherungen verweist. Siehe dazu Bussmann/Matschke, wistra 2008, 88 (89 f.) sowie krit. Hefendehl, FS-Tiedemann, S. 1065 ff.
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I. Gesetzliche Berücksichtigung 1. Sektorübergreifende Vorgaben des Aktienrechts Sektorübergreifende Vorgaben finden sich primär im Aktiengesetz. Sie sind grundsätzlich nur für Aktiengesellschaften und nicht für andere Gesellschaftsformen relevant. Das AktG sieht kein zusammenhängendes Pflichtensystem vor, sondern normiert zahlreiche Einzelpflichten. a) Organisationspflicht des § 91 Abs. 2 AktG Bedeutendste Regelung ist die an den Vorstand gerichtete Verpflichtung des § 91 Abs. 2 AktG.18 Der Vorstand ist zur Vornahme „geeigneter Maßnahmen“ verpflichtet, insbesondere zur Einrichtung eines Überwachungssystems, um Risiken zu erkennen, die den Fortbestand der Gesellschaft gefährden können. Dazu werden mögliche Gesetzesverletzungen gezählt, allerdings nur solche, die bestandsgefährdend sind.19 Teilweise wird vertreten, dass das Unternehmen zur Einrichtung eines umfassenden Risikomanagementsystems verpflichtet sei.20 Das Gesetz erwähnt jedoch über das Überwachungssystem hinaus keine weiteren konkreten Maßnahmen und bezieht sich nur auf die frühe Erkennnung wesentlicher Risiken. Insoweit sieht die herrschende Meinung zu Recht in § 91 Abs. 2 AktG nicht das Erfordernis zur Einrichtung eines allgemeinen Risikomanagementsystems verankert, sondern allein die Verpflichtung zur Etablierung eines Risikofrühwarnsystems für bestandsbedrohende Risiken.21 Dieses Frühwarnsystem unterliegt nach § 317 Abs. 4 HGB der Abschlussprüfung, wobei nur grundlegende Fragen der Risikoerkennung und des -managements bestandsgefährdender Risiken überprüft werden.22 Die Erfordernisse des § 91 Abs. 2 AktG sind daher insgesamt eher speziell auf Früherkennung und „Großrisiken“ zugeschnitten und fordern nicht die Erstellung eines umfassenden und allgemeinen Compliance-Programms.23 ____________ 18 § 91 Abs. 2 AktG lautet: „Der Vorstand hat geeignete Maßnahmen zu treffen, insbesondere ein Überwachungssystem einzurichten, damit den Fortbestand der Gesellschaft gefährdende Entwicklungen früh erkannt werden.“ 19 Hüffer, AktG, § 91 Rn. 6; MK-AktG-Spindler, § 91 Rn. 21. 20 Lück, DB 1998, 8; ders., a.a.O., 1925 ff. 21 Hüffer, AktG, § 91 Rn. 9; MK-AktG-Spindler, § 91 Rn. 27; Mosiek, wistra 2003, 370 (371); Pahlke, NJW 2002, 1680 (1681 ff.). 22 Nach dem IDW-Prüfungsstandard PS 340 werden insbes. die Festlegung von Risikofeldern, die Risikoerkennung und Risikoanalyse, die Zuordnung von Aufgaben und Verantwortungsbereichen, die Einrichtung eines Überwachungssystems und geeignete Dokumentationsmaßnahmen überprüft. Ähnlich der IIR-Revisionsstandard Nr. 2. Siehe auch Hauschka, DB 2006, 1143 sowie Schoberth/Servatius/Thees, BB 2006, 2571 ff. (zum IDW-Prüfungsstandard PS 261 – Feststellung und Beurteilung von Fehlerrisiken und Reaktionen des Abschlussprüfers auf die beurteilten Fehlerrisiken). 23 So auch MK-AktG-Spindler, § 91 Rn. 35 ff.
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b) Leitungsaufgabe des Vorstands nach § 76 Abs. 1 AktG Über diese Vorgaben hinaus ist der Vorstand nach § 76 Abs. 1 AktG allgemein zur Leitung des Unternehmens verpflichtet. Dazu gehören die Verpflichtung, gesetzeskonformes Verhalten der Gesellschaft nach außen hin sicherzustellen,24 und die Pflicht zur ordnungsgemäßen Organisation der Gesellschaft.25 Konkretere Vorgaben stellt die Vorschrift jedoch nicht auf. c) Sorgfaltspflicht nach § 93 Abs. 1 AktG Aus § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG ergibt sich, dass die Vorstände bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsmanns anzuwenden haben.26 Auf die Pflichten eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsmannes wird auch in zahlreichen weiteren Gesetzen hingewiesen.27 Die Pflicht des § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG wird seit 2004 in § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG dahingehend konkretisiert,28 dass sie erfüllt ist, wenn der Betreffende bei einer unternehmerischen Entscheidung auf der Grundlage angemessener Informationen vernünftigerweise annehmen durfte, zum Wohle der Gesellschaft zu handeln. Die Regelung enthält damit die aus dem amerikanischen Recht stammende business judgment rule, die nicht nur Verschuldensmaßstab, sondern auch Verhaltensstandard ist.29 Zentrales Element für eine ordnungsgemäße Entscheidungsfindung ist eine ausreichende Information des Vorstands, die nur durch entsprechende organisatorische Maßnahmen sichergestellt werden kann.30 Eine Entlastung im Fall von Rechtsverstößen durch die Berufung auf Unwissenheit wird durch diese Vorgaben praktisch ausgeschlossen.31 Wie die Organisationsstrukturen zur Sicherstellung der Information auszusehen haben, ist jedoch gesetzlich nicht näher geregelt. Ein Compliance-Programm kann garantieren, dass die Geschäftsleitung über Risiken hinreichend und dauerhaft in____________ 24 Vgl. BGHZ 125, 366 (372); BGH, DB 1996, 2483 f.; Fleischer, CCZ 2008, 1 f.; Kock/Dinkel, NZG 2004, 441 (442). 25 Bürkle, BB 2005, 565 (567); Fleischer, NZG 2003, 449 (450); Turiaux/Knigge, DB 2004, 2199 ff. So auch die Begründung zum KonTraG – BT 13/9712, S. 15. 26 Vgl. näher dazu Hauschka, AG 2004, 461 (462 ff.); Kock/Dinkel, NZG 2004, 441 (442 ff.); Meier-Greve, BB 2009, 2555; Reichert/Ott, ZIP 2009, 2173 ff.; Rodewald/ Unger, BB 2006, 113. 27 Z.B. § 43 Abs. 1 GmbHG und § 34 Abs. 1 GenG. Zur Ähnlichkeit mit strafrechtlichen Sorgfaltsmaßstäben vgl. Bosch/Lange, JZ 2009, 225 ff. 28 Zur Reform siehe Hauschka, ZRP 2004, 65 ff.; Kock/Dinkel, NZG 2004, 441 (443 ff.). 29 Zu Auswirkungen im Rahmen der zivilrechtlichen Haftung siehe unten S. 508 f. 30 Hauschka, AG 2004, 461 (463 ff.); Rodewald/Unger, BB 2006, 113 ff.; Sieg/Zeidler, Hdb Compliance, § 3 Rn. 10, 16. 31 Vgl. BR-Drs. 3/05, S. 18.
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formiert ist, und somit das Haftungsrisiko minimieren.32 Ein entsprechendes Programm ist also geeignet, die Vorgaben zu erfüllen. Da eine Information jedoch auch auf anderem Wege zustande kommen kann als über ein umfangreiches Compliance-Programm, stellt die mangelnde Schaffung eines solchen auch nicht für sich eine Pflichtverletzung nach § 93 Abs. 1 Satz 1, 2 AktG dar.33 d) Berichtspflichten nach § 90 AktG In § 90 AktG sind die Berichtspflichten des Vorstands gegenüber dem Aufsichtsrat geregelt. Die Berichte müssen den Grundsätzen einer gewissenhaften und getreuen Rechenschaft entsprechen (§ 90 Abs. 4 AktG). Dies ist nach allgemeiner Ansicht nur möglich, wenn im Vorfeld organisatorische Maßnahmen für ein ordnungsgemäßes Berichtswesen vorgenommen wurden.34 Konkretere Vorgaben macht die Vorschrift jedoch nicht und lassen sich ihr auch nicht entnehmen. e) Überwachungspflichten des Aufsichtsrats Der Aufsichtsrat soll nach § 111 AktG die Geschäftsführung überwachen. Um diese Aufgabe besser als zuvor wahrnehmen zu können, hat das im März 2009 verabschiedete Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts (BilMoG) § 107 AktG ergänzt.35 Der Aufsichtsrat kann nach dem neuen § 107 Abs. 3 Satz 2 AktG einen Prüfungsausschuss einrichten, der die Wirksamkeit der internen Kontrollsysteme, der Risikomanagementsysteme und der Revision überwacht.36 Der Gesetzgeber geht davon aus, dass ein kleineres Gremium als der Aufsichtsrat diese Aufgabe schneller, konzentrierter und professioneller erledigen kann.37 Diese Regelung ergänzt die Überwachung der Rechtseinhaltung seitens des Vorstands nach § 91 Abs. 2 AktG. Eine Verpflichtung zur Einrichtung eines umfassenden internen Risikomanagementsystems normiert § 107 Abs. 3 Satz 2 AktG wie die anderen Vorgaben nicht.38 Er dient vielmehr dazu, eine insgesamt höhere Kontrolldichte zu schaffen. ____________ Vgl. Kiethe, GmbHR 2007, 393 (397); Rodewald/Unger, BB 2006, 113 ff. MK-AktG-Hefermehl/Spindler, § 93 Rn. 42; Sieg/Zeidler, Hdb Compliance, § 3 Rn. 24. 34 Bergmoser et al., BB-Special 2008 (Nr. 5), 1 (4). 35 Vgl. BR-Drs. 270/09 vom 27.3.2009; aus dem Gesetzgebungsverfahren siehe den Gesetzentwurf der Bundesregierung für ein Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts (RegE BilMoG) vom 30.7.2008, BT-Drs. 16/10067, S. 22. Siehe auch die Stellungnahme des BR vom 4.7.2008, BR-Drs. 344/08 zum vorgehenden Entwurf. 36 Vgl. zur Entwurfsfassung Preußner, NZG 2008, 574. 37 Vgl. RegE BilMoG, BT-Drs. 16/10067, S. 102. 38 So explizit RegE BilMoG, BT-Drs. 16/10067, S. 102. 32
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f) Entsprechungserklärung nach § 161 AktG In § 161 AktG wird schließlich die bereits erwähnte Verpflichtung zur Erklärung des Vorstands und des Aufsichtsrats normiert, ob das Unternehmen die Vorgaben des DCGK einhält oder nicht.39 Die Abgabe der Entsprechungserklärung erfordert intern umfangreiche Vorarbeiten, vor allem ein funktionsfähiges Berichterstattungssystem. Wie diese Vorarbeiten zu leisten sind, ist jedoch nicht vorgegeben. Die Vorschrift ist durch das BilMoG aufgrund europarechtlicher Vorgaben geändert worden.40 Unternehmen müssen nunmehr nicht nur erklären, ob sie den Kodex einhalten oder nicht, sondern auch, warum sie ihn nicht einhalten.41 2. Sektorspezifische Vorgaben Neben den allgemeinen Vorgaben, die Unternehmen unabhängig von der Art ihrer Geschäftstätigkeit betreffen, bestehen zahlreiche sektorspezifische Regelungen. a) Pflicht zur ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation nach § 25a KWG Der wichtigste Sektor, in dem sich gesetzliche Regelungen finden, ist der des Kreditwesens und der Finanzdienstleistungen. Beispielsweise fordert § 25a KWG von Unternehmen, die im Bereich der Kredit- und Finanzdienstleistungsbranche tätig sind, eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation.42 Die Norm beschränkte sich bis zum Jahr 2007 auf allgemeine Vorgaben, ist nunmehr durch die Umsetzung der europäischen Finanzmarktrichtlinie konkretisiert und deutlich detaillierter ausgestaltet worden.43 Die BaFin hat die Vorschrift zudem durch ergänzende Bestimmungen (Mindestanforderungen an das Risikomanagment – MaRisk) in Form eines Rundschreibens konkretisiert.44 Kernelement einer ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation nach § 25a KWG ist die Einrichtung eines „angemessenen und wirksamen Risikomanagements“. Es verlangt, dass Verfahren zur Risikoermittlung und ein internes Kontrollsystem eingerichtet werden. Daneben ist eine interne Revision zu etablieren. Um eine flexible Handhabung der Vorschriften zu erreichen, ____________ Vgl. dazu bereits oben S. 46 ff. Grundlage ist die Bilanzrichtlinie in der Fassung der Abänderungsrichtlinie, Richtlinie 2006/46/EG. Vgl. RegE BilMoG, BT-Drs. 16/10067, S. 22; Weber-Rey, AG 2008, 345 (346 f.). 41 Vgl. Begründung zum RegE BilMoG, BT-Drs. 16/10067, S. 103. 42 Dazu Gebauer, Hdb Compliance, § 31 Rn. 16 ff.; Lösler, NZG 2005, 104 (106 ff.); Weber-Rey, AG 2008, 345 (350 ff.). 43 Vgl. Art. 3 Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz vom 19.7.2007, BGBl. I S. 1330. 44 BaFin, Rundschreiben 5/2007 vom 30.10.2007 – Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk). Siehe zudem das Rundschreiben 8/2008 (WA) vom 18.8.2008 – Überwachung von Mitarbeitergeschäften gemäß § 33b WpHG und § 25a KWG. 39 40
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ist das Risikomanagement an Art, Umfang, Komplexität und Risikogehalt der Geschäftstätigkeit zu orientieren.45 Kommt ein Unternehmen diesen Anforderungen nicht nach, kann die Aufsichtsbehörde seit 2007 spezielle aufsichtsrechtliche Maßnahmen ergreifen,46 die ihr in Ergänzung zu den allgemeinen (verwaltungsrechtlichen) Befugnissen zur Verfügung stehen.47 b) Organisationspflichten nach § 33 Abs. 1 WpHG Neben § 25a KWG ist § 33 Abs. 1 WpHG zentrale Rechtsgrundlage für Compliance in Wertpapierdienstleistungsunternehmen.48 § 33 Abs. 1 WpHG, der die wesentlichen Organisationspflichten enthält, ergänzt die allgemeinen und besonderen Verhaltenspflichten, die sich insbesondere aus den §§ 31 und 32 WpHG ergeben.49 Durch die Umsetzung der Finanzmarktrichtlinie im Jahr 2007 wurde die Norm maßgeblich erweitert und modifiziert.50 Bis zu dieser Änderung wurde die Vorschrift des § 33 WpHG durch eine Verwaltungsvorschrift des Bundesaufsichtsamts für den Wertpapierhandel (BAWe) konkretisiert.51 Diese Richtlinie wurde allgemein als „Compliance-Richtlinie“ bezeichnet. Bei dieser nach § 35 Abs. 4 WpHG erlassenen Richtlinie handelte es sich um eine Bindungswirkung entfaltende normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift.52 Ergänzend wurden sogenannte Mitarbeiterleitsätze erlassen.53 Nach diesen Vorgaben waren beispielsweise eine der Geschäftstätigkeit entsprechende Aufbau- und Ablauforganisation einzurichten und Mitarbeiterschulungen vorzunehmen.54 Je nach Größe und Struktur des Unternehmens war ggf. eine erweiterte Compliance-Organisation einzurichten, darunter eine Compliance-Stelle, die die Einhaltung der Verhaltenspflichten überwachte.55 § 33 WpHG enthielt damit die
____________ § 25a Abs. 1 Satz 4 KWG. § 45b KWG, vgl. dazu bereits oben S. 425. 47 Vgl. § 6 Abs. 1 Satz 1 KWG, sowie §§ 35 f. KWG. 48 Vgl. Grohnert, Grundlagen, S. 27 ff.; Hense/Renz, CCZ 2008, 181 ff.; Lösler, NZG 2005, 104. 49 Lösler, NZG 2005, 104. Darüber hinaus ergänzt die Vorgabe z.B. die in § 91 Abs. 1 AktG geregelte Berichtspflicht, vgl. Hense/Renz, CCZ 2008, 181 (184 f.). 50 Vgl. Art. 1 Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz vom 19.7.2007, BGBl. I S. 1330. Vgl. Lösler, WM 2008, 1098 ff.; Veil, WM 2008, 1093 ff. 51 BAWe, Richtlinie zur Konkretisierung der Organisationspflichten von Wertpapierdienstleistungsunternehmen gemäß § 33 Abs. 1 WpHG vom 25.10.1999, Bundesanzeiger Nr. 210 vom 6.11.1999, S. 18453. 52 Lösler, NZG 2005, 104 Anm. 3; ders., Compliance, S. 39 ff. 53 Vgl. die „Bekanntmachung des BAKred und des BAWe über Anforderungen an Verhaltensregeln für Mitarbeiter der Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute in Bezug auf Mitarbeitergeschäfte“ in der Fassung vom 7.6.2000 (BAnz Nr. 131 vom 15.7.2000, S. 13790). 54 Vgl. Nr. 2.1 und Nr. 2.2 der Richtlinie. 55 Vgl. Nr. 4.2. der Richtlinie. 45 46
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Verpflichtung, eine zweckmäßige Compliance-Organisation zu schaffen, über deren Umfang das Unternehmen weitgehend selbstständig entscheiden konnte.56
In seiner neuen Form ist § 33 WpHG weit detaillierter und stellt mehr verpflichtende Vorgaben als zuvor auf. Konkretisiert wird die Vorschrift nicht mehr durch die vorgenannten Verwaltungsvorschriften,57 sondern durch eine Rechtsverordnung des Bundesministeriums der Finanzen.58 In Bezug auf die vorzunehmenden organisatorischen Maßnahmen verweist § 33 WpHG nunmehr an erster Stelle auf § 25a KWG und stellt darüber hinaus ergänzende Vorgaben auf.59 Kernelement ist dabei die Verpflichtung, eine „dauerhafte und wirksame Compliance-Funktion“ einzurichten, die die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben garantiert.60 Das Gesetz verwendet in diesen Fällen zwar den Begriff „Compliance“, verzichtet jedoch auf eine Definition. Aus dem Kontext kann man entnehmen, dass der Gesetzgeber mit diesem Begriff auf ein umfassenderes Compliance-Programm abzielt. Ein Compliance-Beauftragter soll dafür sorgen, dass das Programm umgesetzt und überwacht wird.61 Konkretisierend sieht § 33 Abs. 1 WpHG vor, dass Maßnahmen für eine kontinuierliche Geschäftstätigkeit, zur Vermeidung von Interessenkonflikten, zur Bearbeitung von Beschwerden, zur regelmäßigen Berichterstattung an die Geschäftsleitung und zur Überwachung getroffen werden. Eine flexible Handhabung der Vorschrift ist insoweit gegeben, als dass Unternehmen den Umfang des Compliance-Programms nach Art, Umfang, Komplexität und Risikogehalt ihres Geschäfts ausrichten können.62 Allerdings bestehen für Einzelfragen noch weitere verpflichtende Vorgaben, beispielsweise in § 15b WpHG hinsichtlich der Führung von Insiderverzeichnissen (Emittenten-Compliance) oder in § 33b WpHG hinsichtlich der Überwachung von Mitarbeitergeschäften.63 Eine enge Verbindung zum Strafrecht besteht im Wertpapierrecht auch insoweit, als die Unternehmen direkt in die Strafverfolgung eingebunden sind. So sieht § 10 WpHG vor, dass sie Verdachtsmomente auf Insiderhandel der zuständigen Aufsichtbehörde melden müssen, die wiederum die Staatsanwaltschaft informieren muss.64 Wenn das Unternehmen
____________ Grohnert, Grundlagen, S. 29. Diese wurden aufgehoben, vgl. BaFin, Schreiben vom 23.10.2007 (Aufhebung der Wohlverhaltensrichtlinie, der Compliance-Richtlinie und der Mitarbeiterleitsätze). 58 Wertpapierdienstleistungs-Verhaltens- und Organisationsverordnung (WpDVerOV) vom 20.7.2007 (BGBl. I S. 1432). 59 Vgl. näher Röh, BB 2008, 398 (400 ff.). 60 § 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 WpHG. 61 Vgl. § 12 Abs. 4 WpDVerOV, der explizit von einem Compliance-Beauftragten spricht, der für die Compliance-Funktion verantwortlich ist. Vgl. dazu Lösler, WM 2008, 1098 (1100 ff.). 62 Vgl. § 33 Abs. 1 Satz 2 WpHG, siehe auch § 12 Abs. 5 WpDVerOV. 63 Die Vorgaben des § 33b WpHG werden durch das Rundschreiben 8/2008 (WA) der BaFin vom 18.8.2008 (Überwachung von Mitarbeitergeschäften gemäß § 33b WpHG und § 25a KWG) konkretisiert. 64 Vgl. hierzu Vogel, FS-Jakobs, S. 731 (743), der zu Recht von einer „mittelbaren“ Strafanzeigepflicht spricht. 56 57
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diesen Verdacht aufgrund der notwendigen organisatorischen Maßnahmen (§ 33 WpHG) erlangt, ergibt sich hieraus seine umfangreiche Mitwirkung an der Entdeckung und Aufklärung von Straftaten. Die präventiv angelegten Organisationspflichten weisen somit eine stark repressive Komponente auf.65 Besonders nützlich für die Strafverfolgung können sich dabei die umfangreichen Dokumentationspflichten erweisen, soweit darin bestimmte Vorgänge bereits beweisrechtlich ausreichend dokumentiert werden.
c) Organisationspflichten im Versicherungsrecht nach § 64a VAG Neben dem Kredit- und Wertpapierhandelsrecht sieht auch das Versicherungsrecht neuerdings umfangreiche Organisationspflichten vor.66 Der zu Beginn des Jahres 2008 in Kraft getretene § 64a VAG enthält zahlreiche Vorgaben für Versicherungsunternehmen, um die Einhaltung rechtlicher Regelungen zu gewährleisten.67 Die Vorschrift lehnt sich an § 25a KWG an, ist in ihren Anforderungen aber weit detaillierter. Die Norm fordert eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation, insbesondere ein angemessenes Risikomanagement, das die Entwicklung einer Risikostrategie und den Aufbau von Überwachungs- und Kontrollsystemen beinhaltet, die auch eine fortwährende Anpassung bei Veränderungen gewährleisten. d) Regelungen der Abschlussprüfung Die Verpflichtung zu einer ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation ist teilweise auch indirekt über die Vorschriften zur Abschlussprüfung geregelt. So sieht beispielsweise § 53 HGrG Abs. 1 Nr. 1 vor, dass öffentliche Unternehmen, deren Anteile mehrheitlich von einer Gebietskörperschaft gehalten werden, im Rahmen der Abschlussprüfung auf die Ordnungsgemäßheit der Geschäftsführung geprüft werden können.68 Die Durchführung der Prüfung wird durch Standards der Prüfungsgesellschaften näher konkretisiert.69 In diesem Zusammenhang werden zahlreiche Elemente gefordert, die ein rechtmäßiges Handeln des Unternehmens durch organisatorische Maßnahmen sicherstellen sollen.70
____________ Vogel, FS-Jakobs, S. 731 (744). Neben dem im Text genannten § 64a VAG sehen auch die Solvency-II-Vorgaben der Europäischen Kommission ein umfangreiches Risikomanagement für den Versicherungsbereich vor, vgl. Weber-Rey, AG 2008, 345 (354 ff.). 67 Die Norm wurde eingefügt durch Art. 1 des Neunten Gesetzes zur Änderung des Versicherungsaufsichtsgesetzes (9. VAGÄndG) vom 23.12.2007 (BGBl. I S. 3248); vgl. dazu Kort, NZG 2008, 81 (83); Weber-Rey, AG 2008, 345 (356 ff.). 68 Vgl. dazu Bergmoser et al., BB-Special 2008 (Nr. 5), 1 (4 f.). 69 Vgl. den IDW-Prüfungsstandard PS 720. 70 Bspw. sieht der IDW-Prüfungsstandard PS 720 vor, dass das Vorhandensein einer Risikofrüherkennung und einer Ablauforganisation der Überwachungsorgane geprüft wird. 65 66
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e) Regelungen im Umweltrecht Besonders weitgehende Organisationspflichten finden sich in Bereichen, die ein großes Gefahrenpotential aufweisen. Insbesondere im Umweltrecht bestehen für Unternehmen zahlreiche Vorgaben.71 Beispielsweise ist der Betrieb von genehmigungsbedürftigen Anlagen so zu organisieren, dass von den Anlagen keine Gefahren für die Umwelt ausgehen; den Behörden ist sodann mitzuteilen, wie diese Betriebsorganisation aussieht (§ 52a BImSchG).72 Welche konkreten Maßnahmen das Unternehmen allerdings vorzunehmen hat, ist nicht gesetzlich geregelt.73 f) Besondere Beauftragte Über die vorgenannten Organisationspflichten und insbesondere den erwähnten Compliance-Beauftragten im Rahmen des § 33 Abs. 1 WpHG hinaus gibt es in zahlreichen weiteren Rechtsgebieten gesetzliche Vorgaben, die die Ernennung von speziellen Beauftragten im Unternehmen vorsehen. Diese Beauftragten sind für die Einhaltung bestimmter Normen (z.B. der Geldwäschevorschriften) zuständig.74 In der Praxis variieren die Aufgaben der Beauftragten von Bereich zu Bereich. Eine Gemeinsamkeit liegt jedoch zumeist darin, dass sie einerseits über Vorgaben und Risiken informieren und beraten sollen, andererseits aber auch deren Einhaltung zu überwachen haben.75 g) Vorgaben des Geldwäschegesetzes Zur Bekämpfung der Geldwäsche und der Finanzierung des Terrorismus bestehen besonders umfangreiche Vorgaben für Unternehmen, die im Gesetz über das Aufspüren von Gewinnen aus schweren Straftaten (Geldwäschegesetz – GwG)
____________ 71 Vgl. den Überblick bei Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, S. 15 ff.; siehe auch Meyer, Hdb Compliance, § 28. 72 Die Pflicht zur Organisation ist in den Betreiberpflichten nach § 5 BImSchG nur am Rande erwähnt, aber allgemein anerkannt (§ 52a BImSchG regelt lediglich eine Mitteilungspflicht und kann daher nicht herangezogen werden). Näher zu diesen Fragen Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, S. 53 ff. m.w.N. 73 Zu Konkretisierungsansätzen siehe bei Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, S. 90 ff. 74 So sind bspw. zu ernennen: Abfallbeauftragter (§§ 54, 55 KrW/AbfG); Gefahrgutbeauftragter (§§ 1 ff. GbV); Geldwäschebeauftragter (§ 9 Abs. 2 Nr. 1 GwG); Gewässerschutzbeauftragter (§§ 21a f. WHG); Immissionsschutzbeauftragter (§§ 53 f. BImSchG); Strahlenschutzbeauftragter (§§ 31 ff. StrlSchV); vgl. Böse, NStZ 2003, 636; M. Dreher, FS-Claussen, S. 69 (71). 75 Böse, NStZ 2003, 636 (637 ff.); Bürkle, Hdb Compliance, § 8 Rn. 1; M. Dreher, FSClaussen, S. 69 ff.; Haouche, Unternehmensbeauftragte, § 2.
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geregelt sind.76 Sie betreffen nicht allein Kreditinstitute, sondern zahlreiche Unternehmen und Personen, wenn diese einer Tätigkeit nachgehen, die im Zusammenhang mit einer Geldwäschehandlung oder einer Finanzierung des Terrorismus stehen könnte.77 In das GwG einbezogen sind nicht nur die Straftat nach § 261 StGB und die Finanzierung von Straftaten §§ 129a, 129b StGB, sondern durch einen (der Normklarheit vollkommen abträglichen) Verweis auf einen Rahmenbeschluss der EU auch die Finanzierung zahlreicher weiterer Straftaten.78 Nach § 9 GwG (bis zur Reform im Jahr 2008: § 14 GwG) sind zur Aufdeckung und Verhinderung von Handlungen, die die vorgenannten Straftaten finanziell fördern könnten, interne Sicherungsmaßnahmen zu ergreifen.79 Dazu gehören z.B. die Bestellung des bereits erwähnten Geldwäschebeauftragten, aber auch die Implementierung interner Grundsätze, Sicherungs- und Kontrollsysteme sowie die Schulung der Mitarbeiter. Das Gesetz sieht je nach Risiko ein abgestuftes System einzuhaltender Sorgfaltspflichten vor.80 Ergänzt werden diese Vorgaben durch umfassende Aufbewahrungs- und Dokumentationspflichten sowie die Verpflichtung zur Mitteilung von Verdachtsanzeigen an das BKA.81 Wie die Maßnahmen konkret auszusehen haben, lässt das Gesetz (abgesehen von den genannten Detailregelungen) offen. Grundsätzlich möglich ist es daher, ein nach Größe, Geschäftstätigkeit und Kundenstruktur angepasstes Programm zu erstellen.82 Nichtsdestoweniger werden die Unternehmen insgesamt zu umfangreichen organisatorischen Maßnahmen und einer engen Zusammenarbeit mit Ermittlungsbehörden verpflichtet. Das Unternehmen ist wie im Rahmen des WpHG integraler Bestandteil der ____________ 76 Siehe dazu (allerdings zur Gesetzesfassung bis August 2008) Häberle, in: Erbs/ Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, § 14 GwG Rn. 1 ff.; Langweg, in: Fülbier/ Aepfelbach/Langweg, GwG, § 14 Rn 1 ff.; Mülhausen, in: Herzog/Mülhausen, Geldwäschebekämpfung, S. 355 ff.; H.-J. Schmitt, Geldwäsche-Risikomanagement, S. 29 ff.; Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, S. 259 ff. 77 Vgl. § 2 GwG, wonach z.B. auch Anwälte bei der Gründung von Gesellschaften erfasst sind. § 9 GwG gilt dabei auch für Unternehmen, die eine Person anstellen, die einer vom GwG erfassten Tätigkeit nachgeht (§ 9 Abs. 3 GwG). 78 Vgl. § 1 Abs. 2 GwG. 79 Siehe näher zu § 14 GwG a.F. Häberle, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, § 14 GwG Rn. 4 ff.; Langweg, in: Fülbier/Aepfelbach/Langweg, GwG, § 14 Rn. 74 ff.; Mülhausen, in: Herzog/Mülhausen, Geldwäschebekämpfung, S. 477 ff.; H.-J. Schmitt, Geldwäsche-Risikomanagement, S. 102 ff.; Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, S. 261 ff. 80 Vgl. §§ 3–6 GwG. 81 Vgl. § 8 GwG (Aufzeichnungs- und Dokumentationspflichten), § 11 GwG (Anzeigepflicht). 82 So auch zur bisherigen Rechtslage Häberle, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, § 14 GwG Rn. 7; Mülhausen, in: Herzog/Mülhausen, Geldwäschebekämpfung, S. 355 ff.; H.-J. Schmitt, Geldwäsche-Risikomanagement, S. 107 ff.; Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, S. 262.
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staatlichen Präventionsstrategie und privater Ermittler zur Aufdeckung der im Geldwäschegesetz erfassten Straftatbestände.83 h) Bewertung Die vorgehenden Beispiele zeigen, dass in vielen Bereichen deutlich weitergehende und konkretere Pflichten bestehen, als dies die allgemeinen Vorgaben des Aktienrechts vorsehen. Zwar sind viele Pflichten nur auf sehr spezielle Konstellationen zugeschnitten, gleichwohl erfordern sie in der Umsetzung Maßnahmen, die die Abläufe und Strukturen im Unternehmen allgemein betreffen. Insoweit wirken die spezifischen Vorgaben auf die Unternehmensstruktur zurück und können eine Schrittmacherfunktion übernehmen.84 Die Vorgaben können aufgrund ihres Detailgrads auch als Konkretisierung für §§ 76, 91 Abs. 2 AktG herangezogen werden. Ein solches Vorgehen haben Gerichte in der Vergangenheit bereits gewählt.85 3. Indirekte Organisationspflichten aus dem Zivil- und Ordnungswidrigkeitenrecht Die Pflicht zur Vornahme bestimmter Maßnahmen oder zur Organisation des Unternehmens ergibt sich nicht nur direkt aus gesetzlichen Verpflichtungen. Sie kann sich auch indirekt aus gesetzlichen Haftungs- und Zurechnungsvorschriften ableiten. Eine Verpflichtung ergibt sich dann zumeist nicht prima facie aus dem Normtext selbst, sondern vor allem aus den von der Rechtsprechung entwickelten Haftungs- und Zurechnungsstandards. a) Zivilrecht Anknüpfungspunkte für derartige Organisationspflichten im Zivilrecht sind vor allem die allgemeinen zivilrechtlichen Zurechnungsnormen (z.B. § 31 BGB) und die deliktsrechtlichen Haftungsnormen (§§ 823, 831 BGB, aber auch spezielle wie § 1 ProdHaftG).86 Inzwischen hat sich eine umfangreiche Kasuistik entwickelt, die vor allem an die Geschäftsführung und die Aufsichtsorgane (wie den Aufsichtsrat der AG) Anforderungen stellt und einen Schwerpunkt in der Bestimmung spezifischer Organisa____________ 83 Vgl. Häberle, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, § 14 GwG Rn. 1; Mülhausen, in: Herzog/Mülhausen, Geldwäschebekämpfung, S. 355 f. 84 Vgl. Fleischer, ZIP 2003, 1 (10); Preußner, NZG 2004, 57 ff. 85 So hat das VG Frankfurt (VersR 2005, 57) § 25a Abs. 1 KWG zur Auslegung von § 91 Abs. 2 AktG herangezogen. 86 Eingehend Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, S. 601 ff.
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tionspflichtverletzungen hat.87 Beispielsweise hat der BGH in der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung klargestellt, dass der Vorstand haftbar ist, wenn er die Grenzen einer (im Urteil näher dargelegten) verantwortungsbewussten Geschäftsführung überschreitet.88 Das Landgericht Berlin hat als einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung ein unzureichendes Risikomanagement des Vorstands anerkannt.89 Die von der Rechtsprechung aufgestellten Pflichten sind im Detail allerdings so unterschiedlich wie die Fallkonstellationen, zu denen sie ergangen sind.90 Daraus lassen sich entweder nur sehr spezielle (kaum übertragbare) oder aber sehr abstrakte Erfordernisse ableiten. Die Verpflichtung zu einer umfassenden Compliance-Regelung mit zumindest im Grundsatz klar umrissenen Maßnahmen hat sich aus den Vorgaben bislang nicht herauskristallisiert. Ausgangspunkt der Bestimmung einer haftungsrechtlich relevanten Pflichtverletzung sind vielfach die allgemeinen Organisationsvorgaben des Gesellschaftsrechts und der sektorspezifischen Vorgaben. Beispielsweise sind für die Frage einer Pflichtverletzung der Geschäftsleitung die bereits erwähnten Pflichten in § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG, § 43 Abs. 1 GmbHG und § 34 Abs. 1 GenG heranzuziehen. Die Kontrollintensität ist durch die ARAG/ Garmenbeck-Entscheidung des BGH gestiegen, da dieser die Verpflichtung des Aufsichtsrats betont hat, bei Pflichtverletzungen des Vorstands Ansprüche des Unternehmens gegenüber dem Vorstand geltend zu machen.91 Längerfristig mag sich daher aufgrund konkreterer gesetzlicher Vorgaben und vermehrter Anwendungsfälle in der gerichtlichen Praxis durchaus ein klarer umrissenes Pflichtenprogramm ergeben.
b) Ordnungswidrigkeitenrecht (§ 130 OWiG) Neben den zivilrechtlichen Normen ist zu fragen, ob sich nicht auch aus § 130 OWiG eine indirekte Verpflichtung zur Errichtung eines Compliance-Programms ergibt.92 Bereits eingegangen wurde auf den Aspekt, dass ein ComplianceProgramm zum Ausschluss des Tatbestands des § 130 OWiG führen kann.93 Daraus ergibt sich jedoch nicht automatisch die Verpflichtung, ein solches einzurichten. Insgesamt wird man eine Verpflichtung aus § 130 OWiG zur Errichtung eines ____________ 87 Vgl BGHZ 133, 370 (Verantwortung des Geschäftsführers für das rechtmäßige Verhalten der GmbH); BAG DB 2003, 2445 (Betrieb muss so organisiert sein, dass die Durchführung der Gesetze, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen gewährleistet ist). Eingehend Brandes, Haftung, S. 1 ff.; Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, S. 841 ff. m.w.N.; siehe auch Bürkle, BB 2005, 565; Schneider, ZIP 2003, 645 (648 f.). 88 BGHZ 135, 244 (253 f.). 89 LG Berlin AG 2002, 682 (siehe aber auch nachfolgend KG Berlin NZG 2004, 1165). 90 Vgl. Brandes, Haftung, S. 116; Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, S. 601 ff. 91 Vgl. BGHZ 135, 244; zu den zahlreichen Einzelaufgaben des Aufsichtsrats Henze, BB 2005, 165; Peltzer, NZG 2002, 10; Roth/Wörle, ZGR 2004, 565 (566 ff.). 92 Vgl. Bock, ZIS 2009, 68 ff.; Lösler, Compliance, S. 127 ff. 93 Vgl. dazu oben S. 403.
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umfassenden Programms verneinen müssen.94 Denn der Tatbestand knüpft allein an die mangelnde Erfüllung der gehörigen Aufsicht an. Wie diese Aufsicht erfüllt wird, lässt die Regelung weitgehend offen, sie erwähnt lediglich, dass zur Aufsicht auch die Bestellung, die sorgfältige Auswahl und die Überwachung von Aufsichtspersonen gehört. In dieser Aufzählung ist natürlich angelegt, dass in Unternehmen mit mehreren Mitarbeitern und einer Parzellierung von Aufgaben bestimmte organisatorische Strukturen erforderlich sind, um eine effektive („gehörige“) Aufsicht zur Vermeidung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten der Mitarbeiter zu erreichen.95 Ob und inwieweit dies notwendig ist, ist jedoch grundsätzlich dem Ermessen des Unternehmers überlassen.96 Festzuhalten ist somit, dass sich im konkreten Einzelfall zwar eine umfangreiche Organisationspflicht aus § 130 OWiG ergeben kann, ohne dass die Regelung jedoch Hinweise dazu gibt, wie diese auszufüllen ist. 4. Allgemeine Rechtspflicht zur Errichtung von Compliance-Programmen? Die vorgehende Darstellung hat gezeigt, dass keine explizite gesetzliche Verpflichtung zur Errichtung von Compliance-Programmen besteht. Nichtsdestoweniger wird teilweise eine Pflicht zur Schaffung eines Compliance-Systems bejaht.97 Gestützt wird dies auf eine Rechtsanalogie zu Normen des Gesellschaftsrechts (z.B. § 91 AG), einer Reihe von Spezialnormen98 und einer mittelbaren Verpflichtung aus § 130 OWiG; hinter diesen Einzelvorschriften stecke ein allgemeiner Rechts-
____________ 94 So auch Lösler, Compliance, S. 132; siehe auch Bock, ZIS 2009, 68 (80 f.); Bussmann/Matschke, CCZ 2009, 132 f. 95 Vgl. Bock, ZIS 2009, 68 (74 ff.); Göhler-König, OWiG (14. Aufl.), § 130 Rn. 11; Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, § 130 Rn. 14. Eingehend KK-OWiG-Rogall, § 130 Rn. 40, der ein fünfstufiges System vorschlägt, das die sorgfältige Auswahl von Mitarbeitern, eine sachgerechte Aufgabenverteilung und Organisation, die Instruktion und Aufklärung, die Überwachung und Kontrolle und schließlich das Einschreiten gegen Verstöße umfasst. 96 Vg. Bosch, Organisationsverschulden, S. 347 ff.; Göhler-König, OWiG (14. Aufl.), § 130 Rn. 10; KK-OWiG-Rogall, § 130 Rn. 72 ff.; Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, § 130 Rn. 14. 97 Bürkle, BB 2005, 565 (567 f.); ders., BB 2007, 1797 (1800); Liese, BB-Special 2008 (Nr. 5), 17 (20 f.); Schneider, ZIP 2003, 645 (648 f.); Schneider/v. Buttlar, ZIP 2004, 1621 (1622); tendenziell auch Fleischer, AG 2003, 291 (298 ff.); ders., NZG 2004, 1129 (1131); ders., CCZ 2008, 1 (2) bei entsprechendem Gefahrenpotential. Siehe auch Grohnert, Grundlagen, S. 87, wonach der Vorstand einer börsennotierten AG verpflichtet ist, aufgrund seiner Sorgfaltspflichten nach § 93 I 1 AktG risiko- und schadensmindernde Betriebsstrukturen durch Compliance-Maßnahmen zu schaffen. 98 § 52a Abs. 2 BImSchG plus konkretisierende Vorschriften der Länder; § 53 KrW/ AbfG; Art. 11 EG-Geldwäscherichtlinie; § 14 II GwG a.F.
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gedanke.99 Zu dem Ergebnis kommt auch eine andere Ansicht, die von der Unternehmensleitungspflicht des Vorstands nach § 76 AktG ausgeht, die durch die Pflicht zu rechtmäßigem Verhalten des Unternehmens (Legalitätspflicht) konkretisiert werde und insgesamt zur Verpflichtung zur Einrichtung eines ComplianceSystems führe.100 Einschränkend wird jedoch zumeist angeführt, dass es sich nur um eine allgemeine Verpflichtung handle, hinsichtlich deren Ausgestaltung ein weiter Spielraum bestehe.101 Diese Ansichten überzeugen jedoch nicht. Das Fehlen einer rechtsgebietsübergreifenden, von der Unternehmensform unabhängigen Verpflichtung zur Etablierung umfassender Maßnahmen zur Prävention und Aufdeckung spricht vielmehr bereits dafür, dass in dieser Allgemeinheit bislang keine Pflicht besteht. Auch die zahlreichen Einzelnormen legen keinen anderen Schluss nahe.102 Diese sind in ihrer Reichweite und Ausgestaltung zu divergent, um aus ihnen tatsächlich eine diesen gemeinsame konkrete Verpflichtung zur Vornahme bestimmter Maßnahmen zu destillieren. So ist beispielsweise die sektorspezifische Verpflichtung des § 33 WpHG bereits nicht auf andere Kapitalmarktteilnehmer übertragbar,103 geschweige denn, dass sich aus dieser auf den Insiderhandel zugeschnittenen Vorschrift eine allgemeine Verpflichtung ableiten lässt. Mangels gesetzlicher Grundlage ist die Entscheidung zur Einrichtung eines umfassenden Compliance-Programms daher bislang der unternehmerischen Freiheit überlassen.104 II. Berücksichtigung bei Behörden Der Compliance-Ansatz wird derzeit – soweit ersichtlich – kaum von Behörden speziell gefördert, als Voraussetzung gefordert oder umfassend bei Entscheidungen honoriert. Dies bedeutet nicht, dass Behörden nicht die vorgehend beschriebenen Organisationsanforderungen näher konkretisieren und deren Umsetzung begleiten und überwachen. Auf diesen Aspekt kann und soll vorliegend nicht näher eingegangen werden. Seitens staatlicher Behörden fehlt bis heute allerdings die besondere Förderung und Unterstützung der Etablierung eines umfassenden ComplianceProgramms. Dies ist sicherlich dem jeweils begrenzten Aufgaben- und Befugnisbereich der einzelnen Behörden geschuldet. ____________ 99 Schneider, ZIP 2003, 645 (648 f.); Schneider/v. Buttlar, ZIP 2004, 1621 (1622); in diese Richtung auch Fleischer, AG 2003, 291 (298 ff.); ders., NZG 2004, 1129 (1131); ders., CCZ 2008, 1 (2); Reichert/Ott, ZIP 2009, 2173 (2174). 100 Bürkle, BB 2005, 565 (567 f.); Liese, BB-Special 2008 (Nr. 5), 17 (20 f.); Reichert/ Ott, ZIP 2009, 2173 (2174); siehe auch Bürkle, BB 2007, 1797 (1800). 101 Bürkle, BB 2005, 565 (569 f.); siehe auch Liese, BB-Special 2008 (Nr. 5), 17 (21). 102 So auch Bachmann/Prüfer, ZRP 2005, 109 (110); Hauschka, ZIP 2004, 877 (878); ders., Hdb Compliance, § 1 Rn. 23; Mosiek, wistra 2003, 370 (371 f.). 103 Grohnert, Grundlagen, S. 39 ff. 104 DCGK-Kommentar-Ringleb, Rn. 618.
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Bedingt als Ausnahme können hier die BaFin (und deren Vorgängerbehörden) genannt werden, die mit der ursprünglichen Compliance-Richtlinie Maßstäbe gesetzt haben, die inzwischen in der WpDVerOV umgesetzt sind.105 Zudem stellt sie mit den Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) umfangreiche Vorgaben für diesen Bereich zur Verfügung.106 Allerdings gilt auch für die BaFin, dass die Vorgaben spezialisiert auf den Finanz- und Kreditbereich zugeschnitten und nicht allgemein auf Unternehmen anwendbar sind. Als weitere Behörde, die sich mit Vorgaben für Unternehmen näher beschäftigt, ist bedingt auch das Bundeskartellamt zu nennen. Dieses zeigt mit seinen Bußgeldleitlinien, inwieweit die Regelung einer auf Unternehmen zugeschnittenen Bußgeldbemessung möglich ist.107 Freilich sieht die Richtlinie eine Berücksichtigung von Compliance-Programmen (als Kartellrechts-Compliance108) bislang nicht vor. Das Kartellamt setzt primär auf eine umfassende Kooperation der Unternehmen. III. Berücksichtigung bei privaten Institutionen Die bekannteste Verankerung von Compliance außerhalb gesetzlicher Regelungen findet sich im DCGK; allerdings sind diese Vorgaben durch die Verbindung zu § 161 AktG nur bedingt dem privaten Bereich zuzuordnen.109 Abgesehen vom DCGK haben bei den privaten Institutionen inzwischen insbesondere die Wirtschaftsverbände die Thematik aufgegriffen. Diese Entwicklung hat die Etablierung branchenweiter Standards (best practice) begünstigt. So gibt beispielsweise der Bundesverband deutscher Banken „Best-Practice-Leitlinien für Wertpapier-Compliance“ heraus.110 Ein anschauliches Beispiel ist auch das Werte-Management-System des Bayerischen Bauindustrieverbands.111 Dieses sieht sowohl die Einhaltung rechtlicher Standards (hinsichtlich Korruption, illegaler Beschäftigung) wie auch ein an Fairness und Vertrauen orientiertes Handeln gegenüber Vertragspartnern etc. vor.112 ____________ Vgl. zur BaFin bereits im Kontext der Normen des WpHG und KWG S. 502 ff. Vgl. hierzu bereits oben S. 502. 107 Vgl. hierzu bereits oben S. 432. 108 Siehe hierzu M. Dreher, VersR 2004, 1 ff.; Hauschka, BB 2004, 1178 ff.; Lampert, BB 2002, 2237 ff.; Pampel, BB 2007, 1636 ff.; P. Schmidt/Koyncu, BB 2009, 2551. 109 Vgl. bereits oben S. 45 ff. 110 Vgl. die Leitlinien vom Juni 2008, die zahlreiche Elemente der von der BaFin inzwischen wieder aufgehobenen Compliance-Richtlinie (dazu oben S. 503) aufnehmen. Die Leitlinien sind abrufbar unter . 111 Vgl. die Broschüre des Verbandes: EMB-Wertemanagement Bau (Stand 2007), abrufbar unter . Vgl. dazu Schramm, in: Aufderheide/Dabrowski (Hrsg.), Corporate Governance, S. 83 (92 ff.) m.w.N. 112 EMB-Wertemanagement Bau (Stand 2007), S. 16 f. 105 106
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Das Programm ist somit thematisch weit gefasst und deckt rechtliche wie ethische Verpflichtungen ab. Das Werte-Management-System stellt in Bezug auf das teilnehmende Unternehmen Anforderungen an die Kodifizierung, Implementierung, Kontrolle (einschließlich externer Audits) und Organisation hinsichtlich der einzuhaltenden Werte auf.113 Insoweit werden über eine bloße schriftliche Niederlegung von Regeln und Werten umfangreichere strukturelle Organisationsvorgaben verlangt. Kennzeichnend ist allerdings bislang die reine Freiwilligkeit der Teilnahme.114 Dies bedeutet, dass ein Unternehmen selbst über die Teilnahme oder Nichtteilnahme frei entscheiden kann, ohne dass dies z.B. der Verband nachdrücklich von seinen Mitgliedern fordert. Darüber hinaus ist es bislang auch nicht üblich, dass ein teilnehmendes Unternehmen von Vertragspartnern die Teilnahme an einem solchen Programm zur Bedingung einer Zusammenarbeit macht. Auf weitergehende Anforderungen setzt das von der Foreign Trade Association in Brüssel initiierte Programm der „Business Social Compliance Initiative (BSCI)“,115 das auch in Deutschland zunehmend umgesetzt wird.116 Bei dieser Initiative verpflichtet sich ein Unternehmen, den BSCI-Verhaltenskodex einzuhalten. Dieser sieht nicht nur vor, dass ein Unternehmen selbst rechtliche und ethische Vorgaben, insbesondere hinsichtlich von Arbeitsbedingungen einhält, sondern dies auch von Lieferanten fordert und überwacht.117 Zur Überwachung gehört beispielsweise die Kontrolle der Betriebsstätten des Lieferanten.118 IV. Zwischenergebnis Als Ergebnis zur deutschen Rechtslage ist festzuhalten, dass de lege lata keine Verpflichtung zur Schaffung eines umfassenden Compliance-Programms besteht. Vielmehr existieren viele einzelne Organisationspflichten, die sich aus allen Rechtsgebieten direkt und indirekt ergeben können. Als nicht unbedeutender Einflussfaktor auf die Organisationsverpflichtungen der Unternehmen sind europa___________ EMB-Wertemanagement Bau (Stand 2007), S. 11 f. Vgl. z.B. EMB-Wertemanagement Bau (Stand 2007), S. 18: „Die Mitgliedschaft ist freiwillig.“ Dies entspricht dem Ansatz zahlreicher anderer Initiativen der Wirtschaft, die (auch) auf eine Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität gerichtet sind, vgl. Feuerstein, Wirtschaftskriminalität, S. 45 ff. 115 Vgl. BSCI, BSCI System: Regeln und Funktionsweise (März 2007), abrufbar auf der Webseite der Initiative unter . 116 Vgl. dazu Fabritius/Fuhlrott, BB 2009, 2030 ff. 117 Vgl. BSCI, BSCI Verhaltenskodex (November 2006), S. 1 ff. Der Kodex ist abrufbar auf der Webseite der Initiative unter . 118 Die weitgehenden Vorgaben des Kodex sind hinsichtlich datenschutzrechtlicher Vorgaben wie auch des Hausrechts der betroffenen Lieferanten nicht unproblematisch, sodass ihre unkritische und vollständige Umsetzung durch deutsche Unternehmen eher nicht anzuraten ist. Krit. auch Fabritius/Fuhlrott, BB 2009, 2030 (2031 ff.). 113 114
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rechtliche Vorgaben zu nennen.119 Dabei liegt ein Schwerpunkt der Regelungen auf dem Risikomanagement.120 Vermehrt wird den Unternehmen auch aufgegeben, interne Ermittlungen (z.B. im Hinblick auf Insiderhandel oder Geldwäsche) vorzunehmen, sodass hier eine gewisse Privatisierung an sich staatlicher Ermittlungstätigkeit festzustellen ist.121 Die Vielzahl der nebeneinander bestehenden Pflichten aus den verschiedensten Regelungsbereichen hat zur Folge, dass die Pflichten kaum in Bezug zueinander stehen und sich in Teilen überschneiden. Ihre Umsetzung in der Praxis ist aufgrund dieser Normflut und des Aufeinandertreffens der verschiedenen Pflichtenordnungen nicht unproblematisch.122 Wenn auch keine Verpflichtung zur Errichtung eines umfassenden ComplianceSystems vorgesehen ist, so kann ein solches doch zahlreiche gesetzliche (Organisations-)Pflichten abdecken.123 Insoweit ein derartiges Programm auf die generelle Rechtseinhaltung im Unternehmen abzielt, geht es jedoch weit über die gesetzlichen Pflichten hinaus. In der aktuellen Compliance-Diskussion in Literatur und Praxis wird der Aspekt der Rechtseinhaltung zumeist besonders betont und damit Compliance weiter verstanden als nur als Einhaltung der bislang vorhandenen gesetzlichen Vorgaben. Allerdings wird Compliance zumeist nicht auf sämtliche gesetzlichen Vorgaben bezogen, sondern primär auf solche, die ein spezifisches Haftungsrisiko für das Unternehmen bergen: Compliance dient nach derzeitigem Stand sektorspezifisch als Präventionsinstrument, um Haftungsrisiken zivil-, ordnungswidrigkeiten- und strafrechtlicher Art zu vermeiden.124 Häufig einbezogene Bereiche sind die Korruptionsprävention,125 der Insiderhandel,126 die Finanzberichterstattung,127 der Emissionshandel128 oder auch umfassender das Arbeitsrecht129 oder das Kartellrecht.130 ___________ 119 Vgl. auch Röh, BB 2008, 398 ff. zum Einfluss der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (Markets in Financial Instruments Directive – MiFID). 120 Campos Nave/Bonenberger, BB 2008, 734 (735). 121 Achenbach, GA 2004, 559 (573 ff.); Vogel, FS-Jakobs, S. 731 (743). Siehe auch Bussmann, MschrKrim 86 (2003), 89 (93). 122 Schneider, ZIP 2003, 645 (646). 123 Vgl. nur Campos Nave/Bonenberger, BB 2008, 734 (735), die Compliance insoweit zu Recht als Fortentwicklung der bisherigen Risikobestrebungen verstehen. 124 Vgl. Hauschka, NJW 2004, 257 (259); Kiethe, GmbHR 2007, 393 ff.; Lampert, Hdb Compliance, § 9 Rn. 4; Passarge, NZI 2009, 86 (87). Siehe auch Turiaux/Knigge, DB 2004, 2199 ff. sowie speziell auf das Strafrecht bezogen Achenbach, GA 2004, 559 (560); Stephan/Seidel, Hdb Compliance, § 25 Rn. 133 ff. 125 Hauschka, ZIP 2004, 877 ff.; Hauschka/Greeve, BB 2007, 165 ff. 126 Eisele, WM 1993, 1021; Falkenhausen/Widder, BB 2004, 165 (168). 127 Baetge/Brembt, zfo 2008, 153. 128 Altenschmidt/Langner, CCZ 2009, 138 ff. 129 Müller-Bonanni/Sagen, BB-Special 2008 (Nr. 5), 28 ff. 130 M. Dreher, VersR 2004, 1 ff.; ders., ZWeR 2004, 75 (78 f.); Hauschka, BB 2004, 1178 ff.; Lampert, BB 2002, 2237 ff.; Pampel, BB 2007, 1636 (1640); P. Schmidt/Koyncu, BB 2009, 2551 ff.
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C. Verbreitung und Wirkung von Compliance-Programmen I. Verbreitung Aussagen über die Verbreitung von Compliance-Programmen zu treffen, ist mangels einer allgemein anerkannten Definition nur bedingt möglich.131 Betrachtet man die Webseiten deutscher Unternehmen, so finden sich dort, anders als noch vor wenigen Jahren, vielfach Leitlinien zur sozialen Verantwortung (zumeist unter dem Topos Corporate Social Responsibility), vermehrt die Kategorie „Compliance“ und bei börsennotierten Unternehmen zusätzlich ein Bereich zur Corporate Governance.132 Auch in Fachpublikationen werden zunehmend einzelne Compliance-Programme vorgestellt.133 Im Unternehmensalltag gehört Compliance heute zum integralen Bestandteil der Arbeit eines Syndikusanwalts.134 Die Einbeziehung externer Experten nimmt zu.135 Das Thema ist daher von vielen Unternehmen zumindest als Fragestellung aufgegriffen worden. Dieser Befund deckt sich mit der häufigeren Behandlung der Thematik in der rechtswissenschaftlichen Literatur.136 1. Studien zu CSR und Corporate Governance Untersuchungen, die die Bemühungen der Unternehmen näher beleuchten, existieren nur in begrenztem Umfang und sind aufgrund des jeweils unterschiedlichen Verständnisses von Compliance und den verwandten Konzepten kaum vergleichbar. Sie können daher insgesamt lediglich einen gewissen Trend aufzeigen. Für die Coporate Social Responsibility hat die Bertelsmann-Stiftung in einer umfangreichen Befragung deutscher Unternehmen deren große Bedeutung für die Unternehmen und ein breites Engagement der Unternehmen in zahlreichen gesellschaftlichen Bereichen dokumentiert.137 Detaillierte Angaben finden sich zum Deutschen Corporate Governance Kodex. Dessen klar gegliederte Vorgaben ermöglichen verlässliche Analysen hinsichtlich der Umsetzung des Kodex. Die Regelungen haben mehreren Untersuchungen nach weitgehende Akzeptanz gefunden, auch wenn die Erfüllungsquote in den Unter___________ So auch Sieber, FS-Tiedemann, S. 449 (452). Vgl. Sieber, FS-Tiedemann, S. 449 (454). 133 Vgl. z.B. Puls, in: Löhr/Burkatzki (Hrsg.), Wirtschaftskriminalität, S. 205 ff. zur Deutschen Bahn (allerdings mit starkem Schwerpunkt auf der Korruptionsbekämpfung); Bayer AG, zfo 2008, 150 ff. 134 Vgl. Dann, AnwBl. 2009, 84 ff.; Schwung, AnwBl. 2007, 14 ff. 135 Vgl. zur Heranziehung von Forensic-Services-Dienstleistern Eiselt/Uhlen, ZCG 2009, 176 ff. 136 Siehe dazu bereits oben Anm. 14. 137 Bertelsmann Stiftung, Die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen (2005). 131
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nehmen hinsichtlich der verschiedenen verbindlichen Empfehlungen und der unverbindlichen Anregungen nicht einheitlich ist.138 Einschränkend ist allerdings zu bemerken, dass die formale Umsetzung nicht zwingend das wirkliche Marktverhalten der Unternehmen widerspiegelt.139 Da der Begriff „Compliance“ erst im Jahr 2007 explizite Erwähnung im Kodex gefunden hat,140 liegen diesbezüglich noch keine eingehenden Erfahrungen vor. 2. Studien zum Bereich Compliance Studien, die den Bereich Compliance abdecken, finden sich bislang vor allem im Zusammenhang mit den von Wirtschaftsberatungsunternehmen untersuchten Fragen der Wirtschaftskriminalität.141 Aufgrund des spezifischen Interesses dieser Unternehmen (Beratung in Compliance-Fragen) gilt auch hier wie bei Aussagen über den Umfang der Wirtschaftskriminalität ein caveat. Da die Untersuchungen auf Selbstauskünften beruhen, lässt sich nur schwer beurteilen, welche Bedeutung die Unternehmen tatsächlich dem Bereich Compliance über die Darstellung nach außen hinaus beimessen. Das Beispiel um die im Jahr 2007 bekannt gewordenen Korruptionsskandale bei Siemens zeigt,142 dass die öffentlich vertretene Wertschätzung von Compliance keineswegs auch mit der internen Bedeutung, geschweige denn der Umsetzung korrelieren muss. In Ermangelung anderer empirischer Daten liefern die Studien jedoch erste wertvolle Erkenntnisse. Ein Befund ist dabei allein in der Existenz der Studien zu sehen, die davon zeugen, dass sich auf dem Gebiet der Wirtschaftskriminalität und deren Prävention ein (lukrativer) Markt der Beratungstätigkeit entwickelt hat.143 Die Untersuchungen und die umfangreiche Beteiligung von Unternehmen zeigen, dass diese dem Problemkreis Wirtschaftskriminalität und Präventionsmöglichkeiten große Bedeutung zumessen. Nach der Einschätzung von Ernst&Young aus dem Jahr 2008 liegt in ___________ 138 Vgl. die frühe Untersuchung von Pellens/Hillebrandt/Ulmer, BB 2001, 1243 ff. sowie den periodisch erscheinenden Kodex-Report von v. Werder/Talaulicar, DB 2008, 825 ff.; DB 2007, 869 ff.; DB 2006, 849 ff.; DB 2005, 841 ff.; DB 2004, 1377 ff.; DB 2003, 1857 ff. Siehe auch den von Towers Perrin herausgegebenen „Corporate Governance Report 2005“ (Frankfurt a.M., Feb. 2005) sowie die von Heidrick & Struggles publizierten Untersuchungen „Corporate Governance in Europe: Raising the Bar, 2007“ und „Corporate Governance in Europe: What’s the outlook?, 2005“ zur Struktur und Transparenz der Unternehmensleitung im europäischen Vergleich. 139 Vgl. z.B. die Untersuchung von Theisen, DB 2007, 1317 ff., die hinsichtlich der Informationspolitik der Unternehmen faktische Defizite gegenüber der Kodexregelung nachweist. 140 Vgl. dazu bereits oben S. 47. 141 Vgl. hierzu bereits oben S. 489. 142 Vgl. dazu oben S. 2 ff. 143 So auch Bussmann, MschrKrim 86 (2003), S. 89 (92).
§ 14 Weitere Bedeutung von Compliance-Programmen
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gesetzwidrigem Verhalten das derzeit größte Unternehmensrisiko.144 Es verwundert daher nicht, dass sich inzwischen auch empirisch der hohe Bekanntheitsgrad des Themas Compliance in Unternehmenskreisen nachweisen lässt.145 Die bereits im Zusammenhang mit der Sanktionierung von Unternehmen erwähnte Untersuchung von Ernst&Young zur Wirtschaftskriminalität aus dem Jahr 2003 zeigte, dass Unternehmen damals bereits begonnen hatten, Präventionsmaßnahmen gegen Wirtschaftskriminalität zu ergreifen.146 Die häufigsten Maßnahmen waren strenge Passwortroutinen, interne Kontrollmaßnahmen, Anweisungen und Prüfungen durch die interne Revision, Anweisungen und Prüfungen durch das Management sowie die Erstellung verbindlicher Richtlinien.147 Umfassendere Programme war jedoch kaum zu finden, ebenso wenig spezielle Einrichtungen wie eine Anti-Fraud-Hotline oder die Ernennung besonderer Beauftragter. Die Studie von PricewaterhouseCoopers aus dem Jahr 2007 zeigt, dass zahlreiche Unternehmen Maßnahmen etabliert haben, die auf die Ermittlung und Kontrolle von Wirtschaftskriminalität gerichtet sind.148 Als Motivation für deren Einführung nannten die Unternehmen Empfehlungen von Beratern (55 %), nationale Gesetzgebung (43 %) und „Druck“ seitens der Medien (41 %).149 Nur 29 % hatten aufgrund von wirtschaftskriminellen Vorfällen Maßnahmen ergriffen. Konkret befragt nach Maßnahmen zur Prävention gaben 61 % der Unternehmen an, dass sie ethische Richtlinien besitzen, 37 % ein Compliance-Programm und 32 %, dass sie Tests zur Personalwahl vornehmen.150 Im Bereich der Aufdeckung von Taten setzen die untersuchten Unternehmen stark auf interne Kontrollen (87 %) und die interne Revision (78 %), aber auch auf eine externe Revision (83 %).151 Weit weniger besitzen ein Risikomanagement (45 %), eine Hotline für Hinweisgeber (22 %) oder nehmen eigene kriminaltechnische Analysen vor (4 %). Insgesamt sind die Programme hinsichtlich der Gesamtzahl der Einzelmaßnahmen nicht sehr umfassend ausgeprägt.152 Soweit ein Verdacht vorliegt, werden Ermittlungen zumeist durch Mitarbeiter untersucht, also unternehmensintern aufgearbeitet.153 ___________ Vgl. E&Y, Strategic Business Risk 2008. The top 10 risks for business (2008). Vgl. die Untersuchung von Köhler/Marten/Schlereth, DB 2009, 1477 (1484 ff.). 146 Siehe E&Y, Wirtschaftskriminalität (Anm. 24), S. 30 ff. 147 E&Y, Wirtschaftskriminalität (Anm. 24), S. 31. 148 Vgl. die Studie PwC, Wirtschaftskriminalität 2007 (oben Anm. 14), S. 30 ff., 45. 149 Vgl. die Studie PwC, Wirtschaftskriminalität 2007 (oben Anm. 14), S. 34. 150 PwC, Wirtschaftskriminalität 2007 (oben Anm. 14), S. 31. 151 Vgl. die Studie PwC, Wirtschaftskriminalität 2007 (oben Anm. 14), S. 31. 152 Siehe hierzu auch die ergänzende Auswertung zur PwC-Studie von Bussmann, in: Löhr/Burkatzki (Hrsg.), S. 111 (116 ff.), wonach in Deutschland 59 % der Unternehmen bis zu fünf Kontrollmaßnahmen zur Entdeckung von Wirtschaftskriminalität aufweisen und nur 41 % mehr als fünf. Siehe auch Bussmann/Matschke, wistra 2008, 88 (91), die anführen, dass 54 % der untersuchten deutschen Unternehmen ein Compliance-Programm 144 145
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3. Kapitel: Deutsches Recht
Auch die bereits genannte Studie von KPMG aus dem Jahr 2006 zeigt, dass Unternehmen dem Problem der Wirtschaftskriminalität präventiv begegnen.154 Als häufigste Maßnahmen seitens der Unternehmen wurden im Untersuchungszeitraum bestehende interne Kontrollsysteme (in 84 % der Fälle) und interne Richtlinien (in 82 % der Fälle) überarbeitet.155 Dies entspricht im Wesentlichen den Ergebnissen der vorangegangenen Studie.156 In 20 % der Unternehmen wurden anonyme Hinweisgebersysteme eingerichtet.157 Im Vordergrund stehen auch nach dieser Studie mehr singuläre Maßnahmen mit formalen Prozessen und weniger umfassende systematische Ansätze. Soweit Vorfälle bekannt wurden, sind diese primär durch die interne Revision oder interne Arbeitsgruppen aufgeklärt worden (77 % der Fälle), in 56 % der Fälle fand zudem eine Untersuchung durch Strafverfolgungsbehörden statt.158 Die Studien zur Wirtschaftskriminalität werden durch eine Umfrage börsennotierter Unternehmen von 2007 ergänzt, die speziell zum Thema Compliance erfolgte.159 Über 95 % der befragten Unternehmen verfügten über ein ComplianceManagement, das entweder dem Vorstandsvorsitzenden (in 47 %) oder dem Finanzvorstand (in 41 %) zugeordnet ist. Die Mehrheit der befragten DAX30Unternehmen verfügte über eine separate Compliance-Abteilung, die zumeist (in 65 %) weniger als zehn Mitarbeiter aufwies. II. Wirksamkeit von Compliance-Maßnahmen Die Frage der Auswirkung und der Wirksamkeit von Compliance-Programmen und anderen Konzepten ist in Deutschland bislang kaum untersucht worden.160 Dabei stellen sich zahlreiche Einzelfragen (Wird die Rechtseinhaltung tatsächlich gefördert? Welche Maßnahmen greifen diesbezüglich, welche nicht? Ergibt sich für Unternehmen eine positive Kosten-Nutzen-Analyse? etc.), deren Beantwortung für das „Ob“ wie auch für das „Wie“ der verschiedenen Konzepte nützliche Hinweise ___________ eingeführt haben, ohne allerdings zu spezifizieren, wie sie Compliance-Programme in diesem Kontext verstehen. 153 Vgl. die Studie PwC, Wirtschaftskriminalität 2007 (oben Anm. 14). 154 KPMG, Studie 2006 (Anm. 21), S. 17 wonach über 70 % der Unternehmen in den letzten Jahren verstärkt Präventionsmaßnahmen ergriffen haben. 155 KPMG, Studie 2006 (Anm. 21), S. 23. 156 KPMG, Studie 2003/04 (Anm. 21), S. 17: internes Kontrollsystem (in 72 % der Fälle) und interne Richtlinien (in 76 % der Fälle) verbessert. 157 KPMG, Studie 2006 (Anm. 21), S. 27. Im Jahr 2003/04 war nur in 12 % der Fälle eine Hotline eingerichtet (bzw. ein Ombudsmann ernannt); zudem war nur in 18 % der Fälle ein Compliance-Management-System eingeführt worden (diese Frage wurde 2006 nicht mehr gestellt), vgl. KPMG, Studie 2003/04 (Anm. 21), S. 17. 158 KPMG, Studie 2006 (Anm. 21), S. 17. 159 KPMG, Compliance-Management in Deutschland. Ergebnisse einer EMNIDUmfrage (2007). 160 Soweit das Problem thematisiert wird, werden zumeist wie bei Pape, CCZ 2009, 233 ff. amerikanische Untersuchungen herangezogen.
§ 14 Weitere Bedeutung von Compliance-Programmen
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liefern könnte. Ebenso bestehen nur wenige eigenständige Studien zur Frage, welche Faktoren dazu beitragen, dass Straftaten im und aus dem Unternehmen heraus begangen werden. Aus theoretischer Sicht wird dem Ansatz der Neutralisationstechniken große Bedeutung zugemessen,161 sodass Maßnahmen im Unternehmen vor allem darauf abzielen sollten, kriminoresistente Wertevorstellungen zu vermitteln.162 Existenz, Umfang und praktische Relevanz dieser Neutralisationstechniken sind empirisch kaum erschlossen.163 Eine Untersuchung von Bussmann et al. zur Frage der Begehung von Bereicherungsdelikten zeigte, dass Neutralisationstechniken eigenständige Bedeutung zukommt, aber noch stärker die moralische Bindung der Personen kennzeichnend ist.164 Soweit keinerlei (positive) moralische Bindung bestand, bedurfte es für eine Deliktsneigung auch keiner Neutralisationsmechanismen mehr.165 Allerdings ist die Untersuchung nicht speziell auf Unternehmen bezogen, sondern wurde als repräsentative Bevölkerungsumfrage durchgeführt.
1. Allgemeine Studien Einige wenige Studien haben den Versuch unternommen, zu analysieren, ob die Corporate-Governance-Bemühungen durch den Kapitalmarkt honoriert werden. Die Untersuchungen zeigen jedoch noch kein klares Ergebnis: Die Studie von Nowak/Rott/Mahr166 konnte diesbezüglich keine Auswirkung auf den Kapitalmarkt feststellen, die Studie von Bassen et al.167 nur einen geringen Zusammenhang zwischen Einhaltung des DCGK und des Unternehmenserfolgs. Dagegen sehen die Analysen von Drobetz/Schillhofer/Zimmermann168 sowie von Zimmermann/Goncharov/Werner169 bei einer Einhaltung der Kodex-Vorgaben positive Auswirkungen auf den Unternehmenswert. In der bereits erwähnten Studie von PricewaterhouseCoopers gaben Unternehmen, die ein Anti-Korruptions-Programm besitzen, zu über 80 % an, dass sie dieses ___________ 161 Vgl. Hefendehl, MschrKrim 86 (2003), 27 (31 ff.); ders., MschrKrim 88 (2005), 444 (449); Rotsch, Haftung, S. 26 ff. Siehe auch He. Schneider, NStZ 2007, 555 (560 f.); ders., in: Löhr/Burkatzki (Hrsg.), Wirtschaftskriminalität, S. 135 (144), der diese als Element in einem dreistufigen Verlaufsmodell sieht. 162 He. Schneider, in: Löhr/Burkatzki (Hrsg.), Wirtschaftskriminalität, S. 135 (150). 163 Dies mag sicherlich an den Schwierigkeiten der methodischen Überprüfung liegen (vgl. Hefendehl, MschrKrim 88 [2005], 444 [450]), ist jedoch angesichts der Bedeutung, die diesem Ansatz zugemessen wird, durchaus verwunderlich. 164 Vgl. Bussmann/England/Hienzsch, MschrKrim 87 (2004), 260 (270 ff.). Siehe auch Bussmann, zfwu 2004, 35 (43 ff.) zur Bedeutung von Werten für die Prävention. 165 Vgl. Bussmann/England/Hienzsch, MschrKrim 87 (2004), 260 (272). 166 Nowak/Rott/Mahr, ZGR 2005, 252 (278 f.). 167 Bassen/Kleinschmidt/Prigge/Zöllner, DBW 66 (2006), 375 (385 ff.). 168 Drobetz/Schillhofer/Zimmermann, ZfB 2004, 5 (22). 169 Goncharov/Werner/Zimmermann, 14 Corporate Governance: An International Review (2006), 432 ff.
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3. Kapitel: Deutsches Recht
für effektiv halten.170 Eine ähnliche Einschätzung zeigte sich in der Untersuchung von Ernst&Young aus dem Jahr 2003, in der 74 % der Unternehmen der Ansicht waren, ausreichende Präventivmaßnahmen gegen Wirtschaftskriminalität ergriffen zu haben.171 Die Studie von PricewaterhouseCoopers belegt zudem, dass in zahlreichen Deliktsbereichen Unternehmen, die ethische Richtlinien und ein Compliance-Programm eingeführt haben, weniger häufig Opfer von Wirtschaftsstraftaten wurden als Unternehmen ohne derartige Maßnahmen.172 Die Studie weist auch Anzeichen dafür auf, dass ein gutes Unternehmensklima die Kriminalitätsbelastung senkt.173 Eine zusätzliche Auswertung von Bussmann zeigt, dass ethische Richtlinien die Anzahl von Korruptionsfällen senken, wenn diese konkrete Vorgaben enthielten, die dem Management bekannt waren und von diesem getragen wurden.174 Die Auswertung zeigte aber auch, dass Unternehmen mit mehr Kontrollmaßnahmen häufiger Wirtschaftsstraftaten entdecken als Unternehmen mit weniger Kontrollmaßnahmen.175 Den Grund für dieses „Kontrollparadox“ vermuten die Verfasser der Studie in der verringerten Dunkelziffer. 2. Studien speziell zu Hinweisgebersystemen Im Hinblick auf spezielle Compliance-Maßnahmen finden sich die umfangreichsten Daten zur Thematik der Hinweisgebersysteme (Whistleblower-Hotlines). Diese sind wie bereits erwähnt nur bei ungefähr einem Fünftel der deutschen Unternehmen zu finden.176 Nach der Untersuchung von PricewaterhouseCoopers sind die Unternehmen, die sich dafür entschieden haben, mit der Präventionswirkung dieser Maßnahme ganz überwiegend zufrieden.177 Die Zufriedenheit mag daran liegen, dass die meisten Hinweise auf Vorfälle (38 %) aus den Reihen der eigenen Mitarbeiter kommen.178 Die Einschätzung der Unternehmen bedeutet jedoch nicht, dass die Maßnahme tatsächlich wirksam ist. Zumal bei den Untersuchungen bislang nicht näher differenziert wird, an wen die Meldung (intern/extern, welche ___________ Vgl. die Studie PwC, Wirtschaftskriminalität 2007 (oben Anm. 14), S. 30 ff., 45. E&Y, Wirtschaftskriminalität (Anm. 24), S. 32. 172 Vgl. die Studie PwC, Wirtschaftskriminalität 2007 (oben Anm. 14), S. 30, wobei allerdings unklar bleibt, ob dies auf Taten von Mitarbeitern zutrifft oder (wahrscheinlicher) auf die Betroffenheit durch Wirtschaftsstraftaten insgesamt. Es bleibt offen, inwieweit die Kriminalität aus dem Unternehmen heraus gesenkt wird. 173 Vgl. die Studie PwC, Wirtschaftskriminalität 2007 (oben Anm. 14), S. 47 f. 174 Bussmann, in: Löhr/Burkatzki (Hrsg.), Wirtschaftskriminalität, S. 111 (125 f.). 175 Vgl. die Studie PwC, Wirtschaftskriminalität 2007 (oben Anm. 14), S. 37. 176 Vgl. Anm. 157. 177 Vgl. die Studie PwC, Wirtschaftskriminalität 2007 (oben Anm. 14), S. 33. 178 Dagegen brachten formalisierte Prüfungen weniger Vorfälle ans Licht, so bspw. durch die interne Revision nur 14 %, vgl. die Studie PwC, Wirtschaftskriminalität 2007 (oben Anm. 14), S. 32. Ein ähnliches Ergebnis zeigt die Studie von KPMG, Studie 2006 (Anm. 21), S. 15. 170
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§ 14 Weitere Bedeutung von Compliance-Programmen
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Stelle) ging, wie vertraulich das Vorgehen ist, ob Rückfragen möglich sind etc. Denn möglicherweise bestehen zwischen den verschiedenen Meldewegen und -arten beträchtliche Unterschiede. Die bislang umfangreichste wissenschaftliche Untersuchung eines Hinweisgebersystems zeigt, dass ein solches auch vollkommen ineffektiv sein und unerwünschte Auswirkungen haben kann: Backes/Lindemann untersuchten ein Meldesystem für Korruptionsverdachtsfälle, die im Internet an das LKA in Niedersachsen unter Garantie der vollkommenen Vertraulichkeit gemeldet werden konnten.179 In keinem der angezeigten Verdachtsfälle kam es zu einer Verurteilung wegen Korruption, nur in sehr wenigen überhaupt zu einer Verurteilung oder einem Strafbefehl.180 Die allermeisten Fälle wurden mangels Anfangsverdachts nach § 152 Abs. 2 oder nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Dagegen ergaben sich einige bedenkliche Nebeneffekte, darunter vor allem die Eintragung von Beschuldigten in das staatsanwaltschaftliche Verfahrensregister.181 Insgesamt konnten die Autoren der Studie keinen Grund erkennen, das Meldesystem in diesem Zuschnitt fortzuführen.182
___________ Backes/Lindemann, Anonymität, S. 105 f. Backes/Lindemann, Anonymität, S. 26, 97 f. 181 Dazu kam, dass teilweise (rechtswidrigerweise) grundrechtsintensive Eingriffe vorgenommen wurden, um festzustellen, ob ein Anfangsverdacht vorliegt, vgl. näher Backes/ Lindemann, Anonymität, S. 98 ff. 182 Backes/Lindemann, Anonymität, S. 106. Diese Bewertung wird von Hefendehl, FSAmelung, S. 617 (629) geteilt. 179 180
Wer immer dasselbe sieht, sieht nichts. Die Fremde lehrt uns nicht bloß sehen, sie lehrt uns auch richtig sehen. Sie gibt uns auch das Maß für die Dinge. Sie leiht uns auch die Fähigkeit Groß und Klein zu unterscheiden. Theodor Fontane Ich habe die unglückliche Eigenschaft, alle Dinge, die mir vorkommen, zu vergleichen, das Eigene mit dem Fremden, das Jetzt mit dem Einst. Rudolf v. Jhering, Scherz und Ernst in der Jurisprudenz (2. Aufl. 1885), S. 127
4. Kapitel: Rechtsvergleichung § 15 Einleitende Bemerkungen und tabellarischer Überblick A. Einleitende Bemerkungen Der rechtsvergleichende Teil dient der Gegenüberstellung und Analyse des deutschen und amerikanischen Rechts. Er nimmt die Ergebnisse aus den Landesberichten auf. Die Vergleichung zielt auf die Herausarbeitung von Unterschieden und Ähnlichkeiten, nicht aber auf die wertende Weiterentwicklung des deutschen oder amerikanischen Rechts.1 Erst das nachfolgende Kapitel enthält die rechtspolitischen Schlussfolgerungen. Die folgende rechtsvergleichende Darstellung beschränkt sich auf die wesentlichen Ergebnisse und Grundzüge der Landesberichte. Details und Zusatzinformationen ergeben sich allein aus den in sich geschlossenen Landesdarstellungen. Die Gliederung des rechtsvergleichenden Teils orientiert sich an der Struktur der Landesberichte. Grundsätzlich wird daher auf einen Verweis auf die jeweilige Stelle im Landesbericht verzichtet, wenn sich dieser aus der Gliederung der Arbeit ergibt. Soweit dies nicht der Fall ist, wird auf die entsprechende Stelle verwiesen. Wenn im Folgenden vom amerikanischen Recht gesprochen wird, bezieht sich dies auf das amerikanische Bundesstrafrecht, wie es im zweiten Kapitel untersucht wurde. Soweit vom deutschen Recht gesprochen wird, bezieht sich dies auf die im dritten Kapitel untersuchte Rechtslage. Der Begriff „Schuld“ wird grundsätzlich so___________ 1
Siehe zum Vorgehen bereits oben S. 14 f., 29 f.
§ 15 Einleitende Bemerkungen und tabellarischer Überblick
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wohl für das Strafrecht als auch für das Ordnungswidrigkeitenrecht verwandt. Im Bereich des Ordnungswidrigkeitenrechts ist er somit synonym zu dem der Vorwerfbarkeit.2 B. Tabellarischer Überblick Die rechtsvergleichenden Betrachtungen werden vorab in tabellarischer Form zusammengefasst, um dem Leser eine schnelle Orientierung über die wichtigsten Aspekte zu geben. Zudem ermöglicht diese Kurzform den Vergleich zwischen den USA und Deutschland „auf einen Blick“. Die Gliederung und der Aufbau der Tabellen orientieren sich an der Struktur des rechtsvergleichenden Kapitels. I. Allgemeine Strukturen der Rechtssysteme Tabelle 11: Vergleich der allgemeinen Strukturen USA Rechtsquellen
Wissenschaftlicher Diskurs Strafrecht und Schuldprinzip
Sanktionsverfahren
– case law-Tradition mit geringem Systematisierungsgrad – keine gesetzliche Regelung des Strafrechts AT – geringe dogmatische Strukturierung – Einzelfalldenken – Grundsatz: Schuldprinzip – Ausnahmen: strict und vicarious liability
– Anklage- und Parteiverfahren mit Opportunitätsprinzip – Ermittlung belastender Elemente – auch: Jury-Verfahren (demokratische Legitimation)
Deutschland – umfangreiche gesetzliche Regelungen – hoher Systematisierungsgrad – umfangreiche dogmatische Strukturierung – Systemdenken – formal: nur Schuldprinzip – faktisch: zahlreiche Erleichterungen, um den Nachweis subjektiver Elemente zu erleichtern oder zu umgehen – staatliches Verfahren mit Opportunitätsprinzip (OWiG) – Ermittlung der objektiven Wahrheit – nur: Richter (rechtsstaatliche Legitimation)
II. Verantwortlichkeit von Unternehmen Tabelle 12: Vergleich der Voraussetzungen zur Verantwortlichkeit Entwicklung und Grundstrukturen
USA – strafrechtliche Verantwortlichkeit vom U.S. Supreme Court 1909 anerkannt
____________ 2
Vgl. hierzu auch unten S. 669.
Deutschland – Schaffung von § 30 OWiG und Aufgabe der strafrechtlichen Verantwortlichkeit
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Sanktionszweck
Einzelne Voraussetzungen – Art des Modells – Erfasste Unternehmen – Stellung des Mitarbeiters – Anknüpfungstaten
– Volldeliktisches Handeln
– Begrenzungskriterien (objektiv)
– Begrenzungskriterien (subjektiv) ComplianceMaßnahmen Diskussion in der Literatur
4. Kapitel: Rechtsvergleichung USA
Deutschland
– Übernahme zivilrechtlicher Strukturen – keine Lösung des Schuldproblems – seit 1909 beständiger Ausbau der Verantwortlichkeit
– Übernahme zivilrechtlicher Strukturen – nur ansatzweise Lösung des Schuldproblems – seit den 1950er Jahren beständiger Ausbau der Verantwortlichkeit Zentraler Aspekt: – Abschreckung
Zentrale Aspekte: – Abschreckung – gerechte Bestrafung – Rehabilitation – Wiedergutmachung Richterrechtlich festgelegte Voraussetzungen Modifiziertes Individualtatmodell Weitgehende Erfassung aller Unternehmensformen Alle Mitarbeiter und teilweise externe Vertragspartner Alle Straftaten, außer: – Tat nicht auf Unternehmen anwendbar – nur dem Mitarbeiter persönlich vorwerfbare Taten – volldeliktische Anknüpfungstat (actus reus, mens rea, Rechtswidrigkeit, Schuld) – Ausnahme: strict liability – Erleichterung: collective knowledge-Doktrin (strittig) – Erleichterung: willful blindnessDoktrin Begehung im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses
Vorsatz, das Unternehmen zu begünstigen – relevant bei Anknüpfungstat – nicht relevant bei Zurechnung der Anknüpfungstat – Schwerpunkt auf Kritik der Rechtsprechung – Vorschläge zur Einbeziehung einer Unternehmensschuld
In § 30 OWiG normierte Voraussetzungen Modifiziertes Individualtatmodell Weitgehende Erfassung aller Unternehmensformen Führungspersonen Alle Straftaten und Ordnungswidrigkeiten
– vorsätzliche, rechtswidrige und schuldhafte (bzw. vorwerfbare) Anknüpfungstat – Erleichterung: anonyme Geldbuße
– Begehung „als“ Mitarbeiter – Verletzung betriebsbezogener Pflichten; alternativ: – Bereicherung des Unternehmens Alternativ: erstrebte Bereicherung des Unternehmens – relevant bei Anknüpfungstat – nicht relevant bei Zurechnung der Anknüpfungstat Schwerpunkt auf Vereinbarkeit einer Unternehmensstrafe mit Strafrechtsgrundsätzen
§ 15 Einleitende Bemerkungen und tabellarischer Überblick
525
III. Sanktionen Tabelle 13: Vergleich der Sanktionen USA Allgemeine Struktur Sanktionsfähigkeit Geldstrafe/Geldbuße – Bestimmung des Sanktionsrahmens
– höchste Sanktion
– konkrete Sanktionsermittlung
Bewährungsstrafe
Verfall
Weites Ermessen des Richters
– rechnerische Ermittlung des Strafrahmens unter Bestimmung des Grads der Unternehmensschuld nach den Richtlinien – hochkomplexes Berechnungssystem – sehr enger Strafrahmen – in der Regel 150 Mio. US-Dollar ggf. noch höher
– Sanktionsrahmen ist gesetzlich normiert
– im Ermessen des Richters, inkl. Möglichkeit zu Abweichungen – Berücksichtigung der Unternehmensschuld – neben Ahndung auch Abschöpfung möglich – zentrale Sanktion neben der Geldstrafe – umfangreiche Vorgaben möglich, v.a. Errichtung von ComplianceProgrammen – kaum von Bedeutung
– im Ermessen des Richters
– nur bei bestimmten Straftatbeständen anwendbar Wiedergutmachung
ComplianceMaßnahmen
Deutschland
Stark strukturierte Strafzumessung durch Richtlinien anerkannt Geldstrafe
– zentrale Sanktion – umfangreiche Verpflichtungen möglich – explizite Berücksichtigung in den Richtlinien – zentrale Stellung zur Bestimmung der Unternehmensschuld – strafmildernde wie strafschärfende Einbeziehung möglich
anerkannt Geldbuße
– weiter Sanktionsrahmen – in der Regel 1 Mio. Euro – Ausnahme: § 81 GWB (nach oben offener Rahmen)
– Berücksichtigung der Unternehmensverantwortlichkeit – neben Ahndung auch Abschöpfung möglich (nicht vorhanden)
– wichtige Ergänzung zu § 30 OWiG – bei allen Straftatbeständen und Ordnungswidrigkeiten anwendbar (nicht vorhanden)
– können im Rahmen des Ermessens berücksichtigt werden
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4. Kapitel: Rechtsvergleichung
IV. Verfahrensrechtliche Aspekte Tabelle 14: Vergleich der Verfahrensregelungen Ablauf des Verfahrens
Doppelbestrafungsverbot Verfahrensbeilegung im Ermittlungsverfahren
Schutz des Unternehmens vor Selbstbelastung
USA – Strafverfahren – Unternehmen grds. einer natürlichen Person gleichgestellt – klare Verfahrensregelungen – hohe Bedeutung von plea agreements Unternehmen kann neben Mitarbeiter bestraft werden – weites Ermessen zur Einstellung des Verfahrens – Regulierung des Ermessens durch spezielle Richtlinien – Compliance-Programme und Kooperation wichtige Einstellungskriterien – umfangreiche Auflagen möglich – kein Schutz vor Selbstbelastung; Lösung derzeit teilweise über Anwalts- und Beratungsgeheimnis – kein Schweigerecht von Mitarbeitern, um das Unternehmen nicht zu belasten – kein umfassendes Recht, Dokumente zurückzuhalten
Deutschland – OWiG- bzw. StPO-Verfahren – Unternehmen hat nur Stellung eines Nebenbeteiligten – intransparente und komplexe Verfahrensregelungen Unternehmen kann neben Mitarbeiter bestraft werden – weites Ermessen zur Einstellung des Verfahrens – praktisch keine Regulierung des Ermessens durch Richtlinien – keine klaren Einstellungskriterien (Compliance-Programme und Kooperation berücksichtigbar) – nur bedingt Auflagen möglich – Schutz vor Selbstbelastung teilweise anerkannt
– teilweise Schweigerecht von Mitarbeitern, um das Unternehmen nicht zu belasten – z.T. Recht, Dokumente zurückzuhalten, ggf. Verwertungsverbot
V. Rechtswirklichkeit Tabelle 15: Vergleich der rechtstatsächlichen Lage Verfolgungspraxis der Ermittlungsbehörden
Sanktionspraxis
USA – umfangreiche Ermittlungstätigkeit seit den 1990er Jahren – kaum Anklagen, da Einstellung des Verfahrens – zunehmend Auferlegung sanktionsähnlicher Auflagen – 200 bis 300 Verurteilungen/Jahr – zumeist Betrugs-/Umwelt-/Geldwäsche- und Kartelldelikte – hohe Geldstrafe (Medianwert 2007: 132.000 US-Dollar) – Compliance-Programme irrelevant bei der Schuldbemessung – Kooperation von großer Bedeutung
Deutschland (keine Daten)
– mehrere Tausend Geldbußen/ Jahr – geringe Bußen (Medianwert unter 1.000 Euro)
§ 15 Einleitende Bemerkungen und tabellarischer Überblick USA
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Deutschland
– hohe Wiedergutmachungsanordnungen (Medianwert 2007: 246.000 US-Dollar)
VI. Regulierung von Unternehmen durch Compliance Tabelle 16: Vergleich der Regulierung durch Compliance Entwicklung und Verbreitung
Compliance … – als reine Selbstregulierung – als Erfordernis Privater – mit staatlicher Unterstützung – und staatliche Honorierung
– und strafschärfende Berücksichtigung – als Sanktion
– als Ausschluss von Verantwortlichkeit
– als generelle Verpflichtung Pflicht zur Kooperation
USA – von freiwilliger Compliance zu staatlichen Vorgaben – seit 1991 (Strafzumessungsrichtlinien) zunehmende Verbreitung – heute in allen Rechtsbereichen relevant
Deutschland – Compliance bislang freiwillig – stärkere Compliance-Entwicklung erst in den letzten Jahren
sehr stark verbreitet
zunehmende Verbreitung
vor allem von Börsen gefordert
kaum gefordert
zahlreiche Behörden fördern Compliance – mildert den Schuldwert bei der Strafzumessung der Geldstrafe – Berücksichtigung bei der Anklageentscheidung der Staatsanwaltschaft fehlendes Compliance-Programm wirkt strafschärfend bei der Geldstrafe – Verpflichtung zur Errichtung eines Compliance-Programms als Bewährungsstrafe – Verpflichtung zur Errichtung eines Compliance-Programms als Einstellungsauflage – explizit im Foreign Corrupt Practices Act – indirekt bei zahlreichen zivil- und strafrechtlichen Normen nicht vorhanden
kaum Förderung durch Behörden
– große Bedeutung in den Strafzumessungsrichtlinien – große Bedeutung bei Entscheidungen der Staatsanwaltschaft – konterkariert Compliance-Ansatz
kaum Berücksichtigung
keine Regelung vorhanden
keine Regelung vorhanden
– keine explizite Berücksichtigung – indirekt bei zahlreichen Normen nicht vorhanden zunehmende Bedeutung
§ 16 Allgemeine Strukturen der Rechtssysteme Das deutsche und das amerikanische Rechtssystem weisen einige strukturelle Unterschiede auf, die nicht spezifisch für den Bereich der Verantwortlichkeit und Sanktionierung von Unternehmen sind, sondern allgemeine Strukturen betreffen.1 Die Unterschiede beziehen sich insbesondere auf die Rechtsquellen (A.), die Art des wissenschaftlichen Diskurses (B.), auf das Schuldprinzip im Strafrecht (C.) und das Strafverfahren (D.). A. Rechtsquellen Als markantester Unterschied sind zunächst Art und Stellenwert der Rechtsquellen zu nennen.2 Das angloamerikanische Recht ist stark durch Präjudizien geprägt, auch wenn dieses vielfach vom Gesetzesrecht überlagert wird, sodass die Bedeutung der Rechtsprechung im Vergleich zur Vergangenheit etwas gemindert ist. Kaum ein Rechtsbereich ist heute noch allein durch case law „geregelt“. Die zahlreichen Normen des Gesetzgebers, die gerade im Bereich des Bundesstrafrechts beständig zunehmen, decken inzwischen weite Gebiete des amerikanischen Strafrechts ab. Die größte Bedeutung der Legislative auf Bundesebene liegt in der ihr ausschließlich zugewiesenen Kompetenz zur Schaffung neuer Straftatbestände.3 Alle Straftatbestände des Bundesstrafrechts, die sich an Unternehmen richten, sind somit gesetzlich verankert. Von den Tatbeständen abgesehen, sind jedoch die allgemeinen Grundsätze der strafrechtlichen Verantwortlichkeit kaum gesetzlich geregelt, sodass bis heute die Voraussetzungen der Verantwortlichkeit von Unternehmen durch case law bestimmt werden. Das hat zur Folge, dass die Voraussetzungen nur wenig scharf umrissen sind. Die Rechtsprechung hat in diesem Bereich daher bestimmenden Einfluss. Dieser wird noch dadurch verstärkt, dass die gesetzlichen Regelungen häufig stark einzelfallbezogen und nicht in ein Gesamtsystem integriert sind; zudem bestehen vielfach ähnliche und sich überschneidende Regelungen. Der Rechtsprechung kommt hierbei mit der (klarstellenden) Anwendung und Auslegung der Normen eine herausragende Stellung zu. Für das Verständnis des amerikanischen Rechts ist vor diesem Hintergrund immer zu berücksichtigen, dass Gesetze ohne deren Verständnis in der Rechtsprechung selten die tatsächliche Rechtslage wiedergeben. Diese große Bedeutung der Rechtsprechung bringt gewisse Schwierigkeiten bei einer Darstellung der Rechtslage mit sich, die immer zu gegenwärtigen ____________ 1 Siehe für eine umfassende Gegenüberstellung aus neuerer Zeit Hein, Rezeption, S. 773 ff., allerdings mit einem Schwerpunkt im Gesellschaftsrecht. 2 Honig, in: Mezger et al. (Hrsg.), Strafrecht, S. 7 (15); Schmid, Strafverfahren, S. 24. 3 Dies gilt primär für den Bereich des Bundesstrafrechts (vgl. dazu oben S. 61). In den Einzelstaaten ist die Lage unterschiedlich, vgl. Honig, in: Mezger et al. (Hrsg.), Strafrecht, S. 7 (41).
§ 16 Allgemeine Strukturen der Rechtssysteme
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ist: Im Prozess der Abstrahierung einzelner Urteile und Einzelkonstellationen fließen immer Wertungen des Interpreten ein, sodass die Bedeutung eines Urteils über den konkreten Sachverhalt hinaus häufig unklar ist und (in der Literatur) sehr unterschiedlich verstanden wird. Eine Beschreibung, die sich maßgeblich auf case law stützt, ist daher grundsätzlich als Zusammenstellung von Einzelaspekten und weniger als geschlossenes System zu verstehen. Im Vergleich zu den USA weist das deutsche Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht dagegen eine starke Systematisierung auf. Auch ist deutlich erkennbar, dass die gesetzlichen Regelungen zumindest im Grundsatz ein durchdachtes und auf sich abgestimmtes Gesamtsystem bilden. Hier spiegelt sich wider, dass Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht (in strenger Durchsetzung des Grundsatzes der Gewaltenteilung) nur durch den Gesetzgeber in Form abstrakter allgemeingültiger Gesetze und nicht durch die Rechtsprechung anhand von Einzelfällen geschaffen werden kann. Die Rechtsprechung hat natürlich im Rahmen der Anwendung und Auslegung der Normen große Bedeutung und für die Entscheidung des Einzelfalls letztlich das größte Gewicht. Der Unterschied zu den USA liegt primär darin, dass die deutsche Rechtsprechung innerhalb eines klar strukturierten Systems agiert, während die Rechtsprechung in den USA selbst das System strukturieren kann. B. Wissenschaftlicher Diskurs Die vorgenannten Unterschiede im Stellenwert von Rechtsprechung und Gesetzgebung finden sich auch in der wissenschaftlichen Diskussion wieder.4 Der deutsche Strafrechtler geht von einem feststehenden System aus und kann innerhalb dieses Systems einen bestimmten Aspekt behandeln. Da die Verortung des Aspekts innerhalb des Systems zumeist klar ist und Begrifflichkeiten weitgehend einheitlich sind, kann der Leser die Diskussion einfach nachvollziehen. Hinzu kommt, dass die dogmatische Strukturierung des Rechtsstoffs über die gesetzlichen Regelungen hinaus in Deutschland sehr weit gediehen ist, was die Verständigung unter Wissenschaftlern deutlich erleichtert. In diesem „festen“ System gesetzlicher Regelungen und dogmatischer Strukturierung ist die Produktion neuer Thesen nicht einfach, da sich die Thesen grundsätzlich in das System einfügen sollen und dogmatisch nachvollziehbar sein sollen. Dies bedarf vielfach eines hohen Forschungs- und Begründungsaufwands. Dafür erhält man eine Lösung, die nicht systemfremd ist. Der amerikanische Wissenschaftler kann sich dagegen nicht auf ein feststehendes gesetzliches System beziehen, sondern muss im Rahmen der Diskussion eines ____________ 4 Vgl. Galtung, Struktur, Kultur und intellektueller Stil, S. 5 ff. zum unterschiedlichen sachsonischen und teutonischen Stil. Siehe auch Rheinstein, Rechtsvergleichung, S. 35 sowie Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, S. 68 ff., die für die von ihnen vorgenommene Einteilung nach Rechtskreisen u.a. auf die Stilmerkmale der Geschichte des Rechts, der vorherrschenden juristischen Denkweise und die Rangordnung der Rechtsquellen abstellen.
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4. Kapitel: Rechtsvergleichung
Problems dieses System erst näher bestimmen.5 Als Leser kann man sich wiederum nicht allein mit der Diskussion des Problems begnügen, sondern muss zudem das vom Autor zugrunde gelegte Gesamtsystem verstehen. Hinzu kommt, dass die Rechtswissenschaft nur in geringem Maße eine allgemein anerkannte dogmatische Strukturierung des Rechtsstoffs erreicht hat.6 Hier setzt sich die einzelfallbezogene Lösung von Rechtsproblemen fort, wie sie sich in England und dann den USA jahrhundertelang entwickelt hat. Ein Beispiel: In Bezug auf die Verantwortlichkeit von Unternehmen muss ein Autor erst aus der Analyse der Rechtsprechung die Grundsätze bestimmen, die für eine strafrechtliche Verantwortlichkeit relevant sind, bevor er zur Diskussion des eigentlichen Sachproblems kommt. Naturgemäß ergeben sich hier schon bei der Interpretation der Urteile je nach Autor Unterschiede, sodass bereits der Rahmen, innerhalb dessen das Sachproblem diskutiert wird, verschieden ist. Diese weitgehende Freiheit von gesetzlichem System und Dogmatik erleichtert die Aufstellung neuer Thesen und Ansätze, da eben der Nachweis der Systemkonformität nicht zu führen ist. Die amerikanische Rechtswissenschaft ist daher durch eine große Kreativität geprägt, die sich immer wieder auch in gesetzlichen Neuerungen niederschlägt. Als Beispiele können hier die Strafzumessungsrichtlinien für Unternehmen mit der Einbeziehung von Compliance-Programmen genannt werden oder aus dem Bereich der Corporate Governance-Diskussion der Sarbanes-Oxley Act. C. Strafrecht und Schuldprinzip Neben den vorgenannten das gesamte Rechtssystem betreffenden Aspekten weist auch das Strafrechtssystem selbst einige Unterschiede auf. Hier sind insbesondere die Ausnahmen vom Schuldgrundsatz zu nennen, wie sie in den Instituten der strict und vicarious liability zum Ausdruck kommen.7 Dieser Unterschied scheint angesichts des Stellenwerts des Schuldprinzips im deutschen Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht, das keinerlei Ausnahmen kennt, fundamental zu sein. Wie die Arbeit von Hörster zur strict liability im englischen Recht jedoch zeigt, sucht das deutsche Recht für die hinter der strict liability stehenden Sachprobleme allerdings nur andere Lösungswege im materiellen und prozessualen Recht.8 Beispielsweise wird durch abstrakte Gefährdungs-, Tätigkeits- und Besitzdelikte sowie durch den weiten Umfang der Fahrlässigkeitsstrafbarkeit der Nachweis eines Vorsatzes deut____________ 5 Die Systembestimmung hat zur Folge, dass die Aufsätze häufig sehr umfangreich sind und eine Länge annehmen, die in Deutschland nur Monografien aufweisen. Zur Länge der Aufsätze trägt auch ein stark auf Argumentation ausgerichteter Stil bei. 6 Vgl. auch Honig, in: Mezger et al. (Hrsg.), Strafrecht, S. 7 (17 f.), der darauf hinweist, dass zahlreiche Lehrbücher (und allen voran die Fallsammlungen) sich mit einer Zusammenfassung von Leitsätzen begnügen und keine analytische Aufbereitung vornehmen. 7 Honig, in: Mezger et al. (Hrsg.), Strafrecht, S. 7 (36 f., 110 ff.); Schmid, Strafverfahren, S. 188. 8 Hörster, Strict Liability, S. 163 ff.
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lich verringert.9 Zudem sind in der Praxis die Beweisanforderungen an subjektive Elemente nicht sehr hoch.10 Ob diese Kompensationsstrategien im deutschen Recht unbedenklicher sind als die weniger verdeckt stattfindende Ausnahme vom Schuldgrundsatz im angloamerikanischen Recht, scheint zweifelhaft.11 Auf jeden Fall ist der Unterschied in der Sache und vor allem im rechtspraktischen Ergebnis weit weniger groß, als es zunächst scheint. Die Institute der strict und vicarious liability erscheinen auch vor einem anderen Hintergrund als weniger brisant. Denn eine solche Verantwortlichkeit besteht vor allem bei Straftaten, die Verstöße erfassen, die als geringfügig angesehen werden.12 Inhaltlich sind die Konstellationen derartiger Straftatbestände in Deutschland zumeist vom Ordnungswidrigkeitenrecht erfasst. Das funktionale Äquivalent zu strict und vicarious liability-Straftaten sind somit grundsätzlich die Ordnungswidrigkeiten und nicht Straftaten. Insoweit reduziert sich der Unterschied hinsichtlich des Schuldprinzips, das zwar im Ordnungswidrigkeitenrecht auch Geltung beansprucht, jedoch nicht den gleichen Stellenwert einnimmt.13 Allerdings gilt die Äquivalenz zum Ordnungswidrigkeitenrecht nicht durchgängig, da die amerikanische Rechtsprechung inzwischen bei beiden Instituten (zwar im Ausnahmefall, aber dennoch) langjährige Gefängnisstrafen für möglich gehalten hat. Zumindest für schwere Straftaten finden aber die Grundsätze der strict und vicarious liability keine Anwendung. Die Institute der strict und vicarious liability zeigen im Vergleich zu Deutschland auch, dass das deutsche Recht mit der Unterteilung in Straftaten und Ordnungswidrigkeiten sichtbarer ausdifferenziert ist als das amerikanische Strafrecht, das unter demselben Begriff mit den mens rea-Delikten und den strict/vicarious liabilityDelikten sehr unterschiedliche Straftatbestände vereint. Die Unterscheidung von „leichten“ und „schweren“ Verstößen gegen die Rechtsordnung ist damit im Grundsatz in Deutschland nicht nur klar ersichtlich, sondern auch eindeutig geregelt, während im amerikanischen Recht die Bestimmung der Zuordnung fließend und damit oftmals auch unklar ist. ____________ Hörster, Strict Liability, S. 166 ff. Hörster, Strict Liability, S. 214 ff. 11 So konstatiert Hörster, Strict Liability, S. 226 ff., dass das deutsche Recht spätestens bei der Rechtsanwendung Abstriche vom eigenen theoretischen und prinzipienorientierten Anspruch macht. 12 Diese Ausführungen gelten für den eigentlichen Anwendungsbereich der Institute der strict und vicarious liability, also im Hinblick auf die Verantwortlichkeit natürlicher Personen. Im Rahmen der Unternehmensstrafbarkeit erstreckt sich die im Grundsatz als vicarious liability-Strafbarkeit konstruierte Verantwortlichkeit auf fast alle Strafteten. Allerdings besteht hierbei ebenfalls fast kein Unterschied zum deutschen Recht, da § 30 OWiG atypisch für das OWiG konstruiert ist. Insoweit empfiehlt es sich, die Verantwortlichkeit von Unternehmen als Thematik sui generis zu betrachten. 13 Vgl. nur Mitsch, OWi, § 10 Rn. 2: „Die einer Straftat zugrunde liegende Schuld wiegt schwerer als die Vorwerfbarkeit, auf der die Ordnungswidrigkeit basiert.“ 9
10
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4. Kapitel: Rechtsvergleichung
D. Sanktionsverfahren Ein letzter wesentlicher Unterschied zwischen Deutschland und den USA betrifft das Strafverfahren.14 Hier stehen sich das amerikanische Modell des Anklage- und Parteiverfahrens und das an der Inquisitionsmaxime orientierte deutsche Strafverfahren gegenüber.15 Für den Bereich der Verfahren gegen Unternehmen relativiert sich der Unterschied insoweit als die Durchführung des ordnungswidrigkeitenrechtlichen Verfahrens auch in Deutschland nach Opportunitätsgesichtspunkten erfolgt. Das das deutsche Strafverfahren prägende Legalitätsprinzip hat daher in diesem Zusammenhang keine Bedeutung. Der grundsätzliche Unterschied hinsichtlich der Tätigkeit der staatlichen Ermittlungsbehörden tritt jedoch auch im Verfahren gegen Unternehmen auf: In Deutschland steht die objektive Ermittlung der Wahrheit in jedem staatlich geführten Verfahren im Vordergrund, in den USA dagegen allein die Ermittlung der belastenden Elemente (während es den Beschuldigten obliegt, entlastendes Material zu präsentieren). Ein Unterschied besteht zudem hinsichtlich der Ernennung der beteiligten staatlichen Behörden. In den USA mit der starken Betonung des demokratischen Prinzips sind Verfahren vor einer Jury sowie die Wahl von Richtern durch die (lokale) Bevölkerung zentrale Elemente des Justizsystems. Diese demokratische Verankerung an der Basis ist im Bundesstrafrecht allerdings weniger ausgeprägt als in den Bundesstaaten. Denn die Bundesrichter und die Bundesstaatsanwälte werden vom Präsidenten ernannt und müssen vom Senat bestätigt werden. Damit ist zwar ein stärkerer politischer Einfluss gegeben als in Deutschland (der vom Präsident regelmäßig durch den Austausch von Richtern und Staatsanwälten auch genutzt wird), es fehlt jedoch bei weitem die Politisierung, die häufig mit der Besetzung von Richter- und Staatsanwaltsstellen in den Bundesstaaten einhergeht. Ein Jury-Verfahren ist im Bundesrecht wie in den Bundesstaaten durchaus möglich. Damit besteht verfahrensrechtlich grundsätzlich ein deutlicher Unterschied zur Besetzung der Richterbank in Deutschland. Jedoch kommt es in der Praxis vielfach bei einer Strafverfolgung gegen Unternehmen gar nicht zu einem Verfahren vor einer Jury. Zum einen wird häufig ein Jury-Verfahren nur bei besonders schweren Straftaten durchgeführt,16 zum anderen lässt die hohe Quote von plea agreements das eigentliche Hauptverfahren vor einer Jury entbehrlich werden.17 Hinzu kommt, dass bei Strafverfahren gegen Unternehmen nur selten ein ausführliches gerichtliches Verfahren stattfindet, da die Staatsanwaltschaft das Verfahren durch ein plea agreement frühzeitig beendet. ____________ 14 15 16 17
Schmid, Strafverfahren, S. 35 ff. Vgl. Roxin, Strafverfahrensrecht, S. 87 ff., 325 f. (1995). Vgl. oben S. 228. Vgl. oben S. 276 zur hohen Zahl der guilty pleas.
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In Deutschland steht im Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren nicht das demokratische Element im Vordergrund, sondern das rechtsstaatliche. Dies schlägt sich insbesondere in der Unabhängigkeit der Richter nieder, die (nicht auswechselbar) auf Lebenszeit bestellt werden.18 Die Auswahl der Richter ist auch wenig politisch beeinflusst, sondern erfolgt nach objektiven Kriterien durch die Justizbehörden und nicht durch Wahlen. In Bezug auf die Position der Staatsanwälte gilt dies gleichermaßen, allerdings besteht hier eine stärkere politische Rückanbindung durch die hierarchische Struktur der Staatsanwaltschaft, an deren Spitze der Justizminister steht.
___________ 18 Eine gewisse Ausnahme besteht hinsichtlich der Laienrichter (Schöffen), deren Beteiligung bei einem Verfahren gegen das Unternehmen nicht ausgeschlossen ist (wenn die Anknüpfungstat eine Straftat darstellt). Allerdings sind auch die Laienrichter nicht durch die Bevölkerung gewählt und in ihrer Tätigkeit ähnlich unabhängig wie die Berufsrichter.
§ 17 Verantwortlichkeit von Unternehmen Im nachfolgenden Teil wird auf die Voraussetzungen der Verantwortlichkeit von Unternehmen eingegangen. Hierzu wird zunächst ein Blick auf die geschichtliche Entwicklung und die der Verantwortlichkeit von Unternehmen zugrunde gelegten Sanktionszwecke geworfen (A.). Sodann geht es um die einzelnen Voraussetzungen der Verantwortlichkeit (B.) und die Bedeutung von Compliance-Maßnahmen (C.). Den Abschluss bildet ein Überblick über die Diskussion der Unternehmensstrafbarkeit in der Literatur (D.). A. Entwicklung und Zweck der Verantwortlichkeitsregelungen I. Entwicklung und Grundstrukturen Die Haltung des mittelalterlichen deutschen und die des englischen Rechts, aus dem sich das amerikanische entwickelte, lag hinsichtlich der Bestrafung von Unternehmen im Ausgangspunkt weit auseinander. Während das deutsche Recht der Bestrafung grundsätzlich offen gegenüberstand, sah das englische Recht eine Bestrafung grundsätzlich nicht als möglich an. Da jedoch auch das englische Recht die Bestrafung öffentlicher Körperschaften anerkannte und praktizierte, waren die Unterschiede in der Praxis nicht so groß wie im Ansatzpunkt. Das englische Recht war aber deutlich restriktiver, da es nicht wie das deutsche die Bestrafung von Zünften und anderen eher als privatrechtlich einzustufenden Zusammenschlüssen kannte und zudem die Verantwortlichkeit auf das Unterlassen bestimmter Pflichten beschränkte. Das amerikanische Recht überwand die restriktive Haltung des englischen Rechts schrittweise, indem es im 19. Jahrhundert Unternehmen immer mehr Rechte und Pflichten zusprach.1 Zwar änderte sich auch in England die ursprünglich skeptische Haltung gegenüber der Unternehmensstrafbarkeit, die Entwicklung fand aber in den USA früher, schneller und weitreichender statt.2 Quasi als krönender Schlusspunkt der amerikanischen Entwicklung erfolgte im Jahr 1909 die Anerkennung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit durch das Urteil des U.S. Supreme Court im Fall New York Central & Hudson River Rail Road Co. Das Urteil ist eine Antwort des Rechtssystems auf die florierende wirtschaftliche Entwicklung, die Amerika im 19. Jahrhundert durchlaufen hatte und die die Unternehmen zu einem wichtigen faktischen Bestandteil des Wirtschaftslebens gemacht hatte. Im Fokus standen dabei weniger öffentlich-rechtliche Körperschaften als solche (wie noch im englischen Recht), sondern wirtschaftlich tätige Zusammenschlüsse, unabhängig von ihrer öffentlich- oder privatrechtlichen Verfassung. ____________ 1 2
Vgl. dazu oben 2. Kap., Anm. 31. Stessens, 43 Int.’l & Comp. L. Q. (1994), S. 493 (496 f.).
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Der Weg zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Unternehmen war durch die Anerkennung der Institute der strict und vicarious liability vorgezeichnet. Gesetzgeber und Rechtsprechung setzten hier das Strafrecht zur Regulierung wirtschaftlicher Verhaltensweisen ein. Das Strafrecht bot sich als bereits existierender Rechtsbereich an. Eine Alternative, die Regulierung der Wirtschaft durch ein eigenes Verwaltungsrecht, war mangels ausdifferenzierten Verwaltungsrechts nicht in gleichem Maße als Ansatzpunkt vorhanden.3 Vor allem stand die Entwicklung eines solchen Verwaltungsrechts der Rechtsprechung nicht zur Verfügung, die mit ihren Möglichkeiten (auch innerhalb eines case law-Systems) nur punktuelle Systemänderungen vornehmen konnte, aber nicht legislative Tätigkeit in einem Umfang wahrnehmen konnte, die die Begründung eines umfassenden Wirtschaftsverwaltungsrechts erlaubt hätte. Insoweit war das Strafrecht für die Gerichte das einzig mögliche Instrument öffentlicher Rechtsdurchsetzung. In gewisser Weise zwang so die gesetzgeberische Untätigkeit die Rechtsprechung zur Suche nach einer Lösung für die Regulierung von Unternehmen. Es ist daher nicht verwunderlich, wenn der U.S. Supreme Court in seinem Urteil mit der kriminalpolitischen Notwendigkeit zur Wirtschaftslenkung von Unternehmen in einer Weise argumentierte,4 wie dies in Deutschland primär in einer Gesetzesbegründung der Legislative geschehen würde. Das Urteil ist ein anschauliches Beispiel für die starke Stellung der Rechtsprechung in den USA. Mit der Schaffung von strict und vicarious liability-Straftaten, die einen geringeren Unrechtsgehalt als die „klassischen“ Straftaten aufwiesen und deren Nachweis leichter zu führen war, wurde innerhalb des Strafrechts ein gänzlich neuer Bereich eingeführt. Diesen neuen Bereich wirtschaftsorientierter Straftaten nicht nur auf natürliche Personen, sondern auch auf Unternehmen anzuwenden, war naheliegend. Dogmatische Probleme standen einer Unternehmensstrafbarkeit durch die „Erleichterungen“, die insbesondere die Figur der vicarious liability gebracht hatte, kaum mehr im Wege. Hinzu kam, dass allgemeinrechtliche Probleme in Bezug auf diese Ausnahmen vom Schuldgrundsatz ohnehin zumeist nur kursorisch behandelt wurden.5 So konnte ohne größere Probleme über das Institut der vicarious liability die deliktsrechtliche Zurechnungsfigur des Einstehens für das Handeln anderer (respondeat superior) in das Unternehmensstrafrecht übernommen werden. ___________ 3 Vgl. auch Khanna, 82 Wash. U. L. Q. (2004), S. 95 (101 f.), der darauf hinweist, dass im zivilrechtlichen Bereich allerdings durchaus Alternativen bestanden hätten. Angesichts der heutigen zivil- und verwaltungsrechtlichen Möglichkeiten ist fraglich, ob der U.S. Supreme Court den gleichen Weg einschlagen würde, wenn der Fall erst im Jahr 2010 zu entscheiden wäre. Vgl. auch Ainslie, 43 Am. Crim. L. Rev. (2006), S. 107 (110 ff.), die das Urteil für das Jahr 1909 mangels einer anderen ausreichenden Haftung von Unternehmen für gerechtfertigt hält, die Konstruktion heute aber im Rahmen eines umfassenden zivilrechtlichen Sanktionensystems als zu ausufernd und unverhältnismäßig betrachtet. 4 Vgl. dazu oben 2. Kap., Anm. 16. 5 Vgl. Quist, Public Welfare Offenses, S. 286, 318 ff. hinsichtlich der strict liability und public welfare offences.
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4. Kapitel: Rechtsvergleichung
Die Übernahme zivilrechtlicher Figuren kann man auch dadurch begünstigt sehen, dass kein kodifizierter Allgemeiner Teil des Strafrechts bestand, der zumindest grundlegende Prinzipien festschrieb und damit eine Übernahme erschwert oder verhindert hätte. Diese Transformation war als Basis (auch angesichts der im Vergleich zum legislativen Apparat zur Verfügung stehenden begrenzten gerichtlichen Ressourcen) sehr komfortabel, da so eine Beschäftigung mit der schwierigen Frage eines eigenen Verschuldens des Unternehmens gar nicht näher zu behandeln war: Das Unternehmen hatte einfach für das strafrechtliche Verhalten seiner Mitarbeiter einzustehen. Insoweit litt der eingeschlagene Weg unter dem „Geburtsstigma“ der mangelnden Berücksichtigung des Unternehmensverschuldens. Dieser Mangel wurde in der Folge zentrales Thema der meisten Abhandlungen zur Unternehmensstrafbarkeit. Ungelöst blieb damit der Aspekt, der die Europäer als klarste Abkehr von den meisten kontinentaleuropäischen Systemen primär interessiert hätte. Im deutschen Recht verlief die Entwicklung im 19. Jahrhundert konträr zu der in den USA: Das Unternehmensstrafrecht wurde fast vollständig abgeschafft. Dies lässt sich zunächst mit der praktischen Bedeutungslosigkeit erklären, da die Verfasstheit der landesherrschaftlichen Gewalt zu Beginn des 19. Jahrhunderts das Strafrecht nicht mehr als Lenkungsinstrument gegen Städte und andere Zusammenschlüsse benötigte. Zudem rückte der Mensch mit den Ideen der Aufklärung in den Mittelpunkt der strafrechtlichen Diskussion, auf den dann das Strafrecht mit seiner Ausdifferenzierungen bezüglich Handlung, Schuld und Beteiligungsmodelle zugeschnitten wurde. Mit der Schaffung des Strafgesetzbuches für den Norddeutschen Bund 1870, das 1872 (mit redaktionellen Änderungen) als Reichsstrafgesetzbuch in Kraft trat, war diese Entwicklung in den Grundzügen abgeschlossen und festgeschrieben. Die Gesetzbücher hatten ihre geistige und staatspolitische Grundlage in den Entwicklungen bis Mitte des 19. Jahrhunderts und maßen daher der Regulierung der wenigen existierenden Unternehmen kaum Bedeutung bei. So erklärt sich, warum die meisten Gesetzbücher diesen Punkt gar nicht mehr erwähnten. Damit übergingen sie allerdings einen wesentlichen Aspekt der Entwicklung, die Deutschland ab Mitte des 19. Jahrhunderts grundlegend veränderte: die industrielle Revolution. In dieser Hinsicht war das RStGB bei seiner Entstehung bereits überholt. Die wirtschaftlichen Veränderungen und die Zunahme von Unternehmen machten jedoch wie in den USA die Setzung staatlicher Regelungen erforderlich. Anders als in den USA wurde systematisch ein öffentliches Verwaltungsrecht aufgebaut, das Ge- und Verbote für zahlreiche Wirtschaftsbereiche aufstellte.6 Ein gewisses Dilemma stellte die sanktionsrechtliche Seite dar, denn praktisch stand nur das Strafrecht zur Verfügung. Das früher in den (souveränen) Territorialstaaten bestehende Verwaltungsstrafrecht (bzw. Polizeistrafrecht) war nicht fortgeführt worden, sondern, um Abgrenzungsprobleme zu vermeiden, in das RStGB eingegliedert worden. Anstatt wie in den USA nunmehr das Strafrecht um neue Aspekte zu er____________ 6
Vgl. nur Stober, Wirtschaftsverwaltungsrecht, § 3 III. 2.
§ 17 Verantwortlichkeit von Unternehmen
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gänzen, wurde ein Alternativweg gesucht. Dies mag auch daran liegen, dass man in Deutschland (anders als in den USA) in das systematisch durchdachte und durchkonstruierte Gesamtsystem des RStGB hätte eingreifen müssen, das nach jahrzehntelangen politischen und wissenschaftlichen Diskussionen einen tragfähigen Kompromiss dargestellt hatte. Die Alternativlösung bestand in der Schaffung staatlicher Sanktionen nichtstrafrechtlicher Art, die zur Entlastung der Strafverfolgungsbehörden durch die Verwaltungsbehörden verhängt wurden. Gedanklich angeknüpft werden konnte dabei an die früher bestehenden Verwaltungsstrafen. Die nunmehr als Ordnungsstrafen bezeichneten Sanktionen wurden jeweils sachbereichsspezifisch geregelt. Sie hatten den „Vorteil“, dass sie im Ansatzpunkt nicht den gleichen (strengen) Voraussetzungen wie Kriminalstrafen unterlagen, da das Element der Wirtschaftslenkung im Vordergrund stand. Eine Anwendung der Ordnungsstrafen auf Unternehmen konnte somit erfolgen, ohne dass dogmatische Probleme des Strafrechts wie die Frage eines Unternehmensverschuldens gelöst werden mussten. Insoweit bot der Weg zwischen Verwaltungs- und Strafrecht eine zukunftsträchtige Lösung, die nach dem Zweiten Weltkrieg mit dem Ordnungswidrigkeitenrecht systematisch weiterentwickelt wurde. Mit dieser Lösung war keine völlige Zurückweisung der strafrechtlichen Belangung von Unternehmen verbunden, sondern es eröffnete sich lediglich die Möglichkeit, weiterhin keine Grundsatzentscheidung über deren Handlungs-, Schuldund Straffähigkeit treffen zu müssen. Dass die Bestrafung von Unternehmen auch im deutschen Recht nicht völlig ausgeschlossen wurde, zeigte die Akzeptanz der Bestrafung von Unternehmen im Nebenstrafrecht (in der Reichsabgabenordnung). Deren Existenz kann man als Indiz dafür nehmen, dass das RStGB keine klare und bewusste Absage an die Bestrafung von Unternehmen war, sondern in dieser Hinsicht schwieg und damit auch entwicklungsoffen war. Die Existenz der Unternehmensstrafe im Nebenstrafrecht führte aber nicht dazu, dass eine Behandlung dieses Themas im Allgemeinen Teil des StGB angegangen wurde. Vielmehr ließ man diese Möglichkeit nach und nach auslaufen. Dies verwundert angesichts der lebhaften Diskussion um eine Delikts-/Straffähigkeit von Unternehmen, die insbesondere v. Gierke angestoßen hatte, nicht. In der Bundesrepublik etablierten sich zunächst die in den Ordnungsstrafen bereits angedeutete Unterscheidung in Straftaten und die nunmehr sogenannten Ordnungswidrigkeiten. Nach dem gescheiterten Versuch einer materiellen Abgrenzung beider Bereiche wurde die bis heute geltende formale Unterscheidung eingeführt, dass allein die vom Gesetzgeber vorgesehene Sanktion (Strafe oder Geldbuße) die Natur der Norm als Straftat oder Ordnungswidrigkeit bestimmt. Inzwischen haben sich die Ordnungswidrigkeiten als formal klar definierter Bereich zwischen Strafrecht und reinen Verwaltungsmaßnahmen fest etabliert. Gedacht ist das Ordnungswidrigkeitenrecht an sich als Sanktionsrecht für Taten mit geringerem Unrechtsgehalt. Der Verzicht auf materielle Unterscheidungskriterien hat allerdings dazu
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4. Kapitel: Rechtsvergleichung
geführt, dass im Ordnungswidrigkeitenrecht auch Inhalte (bezüglich Tatbestand und Rechtsfolgen) regelbar und geregelt sind, die bei einer materiell orientierten Einstufung eher als Straftat zu erfassen wären.7 Als Beispiel können insbesondere die Kartellordnungswidrigkeiten dienen. Insoweit ist der Unterschied zu Straftatbeständen vielfach nur marginal, eben formal. Es ist nicht fernliegend, diesen Bereich als „kleines Strafrecht“ zu qualifizieren.8 Allerdings gilt die Qualifizierung nur für Ordnungswidrigkeiten von erheblicher Sozialschädlichkeit,9 da neben diesen Tatbeständen auch reine Verstöße gegen Verwaltungsverfahrensvorschriften und sehr geringfügige Rechtsgutsverletzungen als Ordnungswidrigkeiten zählen. Von Anfang an wurde innerhalb der Ordnungswidrigkeiten die Möglichkeit einer Geldbuße gegen Unternehmen vorgesehen. Dagegen wurden die strafrechtlichen Normen der RAO, nachdem sie praktisch bereits bedeutungslos geworden waren, aufgehoben und der strafrechtliche Weg nicht weiter verfolgt. Einzig besatzungsrechtliche Vorschriften erlaubten die Bestrafung von Unternehmen. Diese sind als Besonderheit der Nachkriegszeit sicherlich kein Beispiel für eine allgemeine Anerkennung der Bestrafung von Unternehmen. Bemerkenswert ist jedoch, dass der BGH durch die Anwendung dieser Normen auf deutsche Unternehmen den deutschen ordre public nicht als verletzt ansah.10 Insoweit sah der BGH zumindest keine generelle Unvereinbarkeit der Unternehmensstrafbarkeit mit dem deutschen Schuldprinzip. Allerdings widmete er dieser Frage kaum mehr Aufmerksamkeit als der U.S. Supreme Court in seiner Entscheidung aus dem Jahr 1909. Abgesehen von den besatzungsrechtlichen Spezialfällen war die Einführung der Unternehmensstrafbarkeit zwar fortwährend Gegenstand der wissenschaftlichen Diskussion und auch gesetzgeberischer Überlegungen. Da aber der Mehrheit die Probleme mit dem Schuldprinzip als nicht lösbar erschienen, wurde der eingeschlagene Weg der Ordnungswidrigkeiten fortgesetzt. Mit dem OWiG 1968 wurde eine einheitliche und allgemeine Regelung der Unternehmensgeldbuße geschaffen. Diese ersetzte die zahlreichen Einzelnormen und brachte somit Rechtseinheitlichkeit und Rechtsklarheit. Zugleich dehnte sie die Verantwortlichkeit von Unternehmen auch auf die Rechtsbereiche aus, in denen bisher keine Regelung bestanden hatte. Die Unternehmensgeldbuße knüpft wie die amerikanische Lösung an der Tat ____________ So auch Achenbach, GA 2008, 1 (5). Dies zeigt sich auch daran, dass bei Reformen in der Vergangenheit unproblematisch leichtere Straftaten (vor allem die sogenannten Übertretungen) ins Ordnungswidrigkeitenrecht überführt werden konnten und umgekehrt. Auch heute könnten zahlreiche Tatbestände des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts durch eine andere Sanktionsanordnung einfach „umetikettiert“ werden, ohne dass sie im StGB oder OWiG einen Fremdkörper bilden würden. 9 Achenbach, GA 2008, 1 (9) spricht anschaulich von „große[n] Ordnungswidrigkeiten“. 10 Vgl. BGHSt 5, 28 ff. 7 8
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eines Mitarbeiters an. Damit nimmt sie erkennbar Anleihen an deliktsrechtlichen Lösungen (wie des § 831 BGB), auch dies ähnlich der amerikanischen Lösung. Die Tat des Mitarbeiters als Anknüpfungstat für die Unternehmensgeldbuße kann sowohl eine Straftat als auch eine Ordnungswidrigkeit sein. Damit ist die deutsche Unternehmensgeldbuße im Umfang genauso umfassend wie die amerikanische Unternehmensstrafe, die unter dem Dach des Strafrechts alle Sanktionstatbestände vereint. Beides kann man daher als funktionale Äquivalente sehen. Bemerkenswert ist für das deutsche Recht, dass die Unterteilung in Straftaten und Ordnungswidrigkeiten im Rahmen der Unternehmensgeldbuße weitgehend wieder aufgehoben wird. Durch die Hintertür wurde somit die an sich abgelehnte Verantwortlichkeit des Unternehmens für Straftaten doch noch begründet. Diese Anknüpfung an Straftaten kann nur als systemwidrig bezeichnet werden, da nicht erklärbar ist, warum sich allein durch die Zurechnung der strafrechtlichen Mitarbeitertat eine ordnungswidrigkeitenrechtliche Verantwortlichkeit ergeben soll.11 In einem weiteren Punkt besteht eine Parallele zur amerikanischen Regelung: der mangelnden Lösung des Unternehmensverschuldens. Das Problem stellt sich auch in Deutschland, da das Ordnungswidrigkeitenrecht keineswegs völlig andersartig als das Strafrecht konstruiert wurde. Der Unterschied wird allgemein vor allem zwar darin gesehen, dass die Geldbuße anders als die Kriminalstrafe keinen sittlichen Tadel in sich birgt. Daher nimmt die Sanktion sowohl in der Wahrnehmung der Betroffenen als auch in der Öffentlichkeit tatsächlich nicht den Stellenwert einer Kriminalstrafe ein.12 Hinsichtlich ihrer Voraussetzungen verlangt aber eine Ordnungswidrigkeit wie eine Straftat ein schuldhaftes Handeln, das lediglich in der Terminologie des OWiG vorwerfbares Handeln heißt. Völlig widerspruchsfrei ist die Annahme der Wertneutralität und zugleich des Erfordernisses der Vorwerfbarkeit freilich nicht.13 Die Geldbuße kann nicht einfach für die kausale Herbeiführung eines Erfolgs verhängt werden, sie bedarf diesbezüglich auch des Nachweises subjektiver Elemente. Worin genau dieses subjektive Element, die Vorwerfbarkeit des Unternehmensverschuldens, liegt, hat der Gesetzgeber nicht klar bestimmt.14 Insoweit ist es nicht verwunderlich, dass die Unternehmensgeldbuße von Anfang an Kritik ausgesetzt war und das Verständnis der Sanktionsnorm höchst umstritten ist. Dem deutschen Gesetzgeber war das Problem des Verschuldens durchaus bewusst ____________ 11 Zwar wird auch bei § 130 OWiG an Straftaten angeknüpft, jedoch begründen diese nicht wie im Rahmen der Unternehmensgeldbuße zugleich das ordnungswidrigkeitenrechtliche Handlungs- und Schuldunrecht für den Handelnden. § 130 OWiG setzt eine eigenständige Handlung (unterlassene Aufsicht) voraus, die Straftaten stellen dabei lediglich eine objektive Bedingung der Strafbarkeit dar. 12 Vgl. Hefendehl, 4 Buff. Crim. L. Rev. (2000-01), S. 283 (286). 13 Krit. auch Deruyck, Verbandsdelikt, S. 164 („spitzfindig“). 14 Hingegen ist der subjektive Vorwurf bei natürlichen Personen einfach zu bestimmen, da das OWiG der Struktur des StGB folgt und somit Vorsatz/Fahrlässigkeit sowie die der Schuld entsprechende Kategorie der Vorwerfbarkeit kennt.
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und er hat versucht, dieses durch eine verfahrensrechtliche Anbindung an die Verfolgung der Tat des Mitarbeiters zu lösen (Nebenfolgekonstruktion). Dieser Versuch, der 1986 sprachlich wieder revidiert wurde, konnte jedoch nicht erfolgreich sein, da eine verfahrensrechtliche Verbindung die materiellrechtliche Ausgestaltung der Norm nicht näher erklären konnte. Festzuhalten bleibt, dass Deutschland erst seit 1968 eine allgemeine Sanktionsnorm der Unternehmensgeldbuße besitzt, somit mehr als ein halbes Jahrhundert nach der Etablierung der Unternehmensgeldstrafe in den USA. Der Ausgangspunkt der Entwicklung war in beiden Fällen die Suche nach angemessenen Sanktionen in Reaktion auf wirtschaftliche Entwicklungen, die das „klassische“ Strafrecht nicht abgedeckt hatte. Die USA haben in Bezug auf die Sanktionierung von Unternehmen wie im Bereich der Bestrafung natürlicher Personen schnell mit einer Erweiterung des Strafrechts reagiert. Da als Begründung mehr auf die rechtspraktische Notwendigkeit als auf eine kohärente Systembildung gesetzt wurde, kann man zu Recht in diesem Punkt von einer pragmatischen Ausrichtung des amerikanischen Rechtssystems sprechen.15 Deutschland hat sich eher bedächtig für eine graduelle Entwicklung des Ordnungswidrigkeitenrechts entschieden, ohne allerdings im Rahmen dieses neugeschaffenen Systems die sich stellenden Probleme der Unternehmensgeldbuße einer vollkommen befriedigenden Lösung zuzuführen. Das deutsche Rechtssystem hat wie das amerikanische einen pragmatischen Weg gewählt und kriminalpolitischen Bedürfnissen den Vorrang eingeräumt;16 dies gilt sowohl in Bezug auf die formale Abgrenzung zwischen Strafrecht und Ordnungswidrigkeitenrecht als auch hinsichtlich der Regelung in § 30 OWiG. Nach der Etablierung der Sanktionsnormen zeigt sich sowohl in den USA als auch in Deutschland die Beständigkeit einmal geschaffener Lösungen. Das Urteil des U.S. Supreme Court von 1909 entwickelte sich schnell zum Präjudiz, auf das andere Gerichte seitdem nur noch rekurrieren, um die Unternehmensstrafbarkeit zu begründen.17 Die aufgestellten Voraussetzungen wurden weiter konkretisiert, sind aber weder auf eine eigenständige Basis gestellt worden noch wurde die Problematik des Unternehmensverschuldens in der gerichtlichen Praxis eingehender erörtert. In der Tendenz werden die Voraussetzungen der Unternehmensstrafbarkeit weit ausgelegt und somit der von der vicarious liability-Verantwortlichkeit abgeleitete
____________ 15 Vgl. zu dieser Charakterisierung bspw. Jescheck, ZStW 65 (1953), 210 (213 f.); Lütolf, Strafbarkeit, S. 272; N. Schmid, FS-Forstmoser, S. 761 (763); siehe auch Eidam, Straftäter Unternehmen, S. 30. 16 Vgl. auch Korte, Juristische Person, S. 32. 17 Eine ähnliche Beständigkeit zeigen die Institute der strict und vicarious liability, vgl. Hall, Criminal Law, S. 308 ff., obwohl die ursprünglichen Gründe, die zu ihrer Einführung beigetragen haben (Probleme des Nachweises des mens rea-Elements bei strict liabilityTaten), längst gelöst wurden.
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Ansatz im Gegensatz zur Figur der strict liability extensiv verstanden.18 In Deutschland hat sich die Unternehmensgeldbuße ebenfalls bis heute behauptet. Die Regelung wurde über die Jahre beständig reformiert und ihr Anwendungsbereich stetig ausgedehnt. II. Zweck der Sanktionierung In Bezug auf die mit der Sanktionierung von Unternehmen verfolgten Sanktionszwecke (im Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht) weisen das deutsche und das amerikanische Recht nur bedingt Ähnlichkeiten auf. Im amerikanischen Recht ist die Lage diffus, zumal häufig die Aufgabe des Unternehmensstrafrechts und Straf(zumessungs)zwecke zusammen behandelt werden. Die Thematik wird in der amerikanischen Diskussion innerhalb zweier verschiedener Diskussionsstränge erörtert: zum einem im Rahmen der Verantwortlichkeit des Unternehmens und zum anderen im Rahmen der Strafzumessungsrichtlinien. Insbesondere Ausführungen zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Unternehmens werden vielfach zum Anlass genommen, die grundlegende Aufgabe des Unternehmensstrafrechts zu bestimmen. Aufgrund der case law-Natur der Regelungen steht aber eine systematische und klare Bestimmung nicht im Vordergrund. Bemerkenswert ist jedoch, dass seit Langem und überwiegend die Aufgabe des Unternehmensstrafrechts primär in der Abschreckung gesehen wird.19 Dies beruht auf der an der vicarious liability-Verantwortlichkeit angelehnten Konstruktion, die eine weitgehende Zurechnung von Straftaten der Mitarbeiter und nur geringe Möglichkeiten für einen Ausschluss der Verantwortlichkeit seitens des Unternehmens vorsieht. Aufgrund des umfangreichen Einstehenmüssens für Taten der Mitarbeiter werde das Unternehmen in besonderer Weise angehalten, solche Taten zu vermeiden. Der Vergeltungsgedanke wird dagegen weitgehend nicht für anwendbar gehalten, da das Unternehmen dem moralischen Vorwurf nicht zugänglich sei.20 Insoweit steht hier der präventive Aspekt der Strafe, der sowohl im Sinne der allgemeinen als auch der speziellen Generalprävention verstanden werden kann, gegenüber einer repressiven Begründung klar im Vordergrund. Dieser Befund des Vorrangs der Prävention spiegelt sich in den klarer niedergelegten Strafzumessungszwecken nur teilweise wider. Die gesetzliche Regelung des 18 U.S.C. § 3553 (a), die 1984 geschaffen wurde, zählt die anerkannten Strafzwecke nur gleichberechtigt nacheinander auf, ohne diesbezüglich eine Rangfolge festzulegen.21 Die einzig klare Entscheidung, die hiermit getroffen wurde, ist die ____________ 18 Vgl. auch Bähr, Strict Liability, S. 143, der diese Tendenz auch bei der Bestrafung natürlicher Personen sieht. 19 Siehe dazu oben S. 81 ff. 20 Vgl. die Nachweise im 2. Kapitel, Anm. 81 (auch zu abweichenden Ansichten). 21 Siehe dazu oben S. 123.
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Abkehr von der Resozialisierung als allem übergeordnetem Zweck.22 Auch wenn die Regelung auf Unternehmen wie natürliche Personen gleichermaßen anwendbar ist, ist sie doch deutlich auf natürliche Personen zugeschnitten, insbesondere hinsichtlich des Aspekts der Abkehr von der Resozialisierung (der bei Unternehmen vor Einführung der Richtlinien praktisch bedeutungslos war). Dies erklärt sich damit, dass der Gesetzgeber bei der Schaffung der Norm die Bestrafung von Unternehmen nicht mitbedacht hatte. Nichtsdestoweniger kann die Regelung jedoch als (einziger gesetzlicher) Anhaltspunkt für die Klarstellung dienen, dass auch auf Unternehmen verschiedene Strafzwecke Anwendung finden. Dies ist zum einen eine Absage an die vorgenannte einseitig präventive Aufgabensetzung der Unternehmensstrafe. Zum anderen eröffnet das Gesetz dem Richter damit umfassende Möglichkeiten zur Ausübung seines Ermessens und zur Heranziehung verschiedener Strafzwecke, was insoweit von Bedeutung ist, als seit dem Booker-Urteil des U.S. Supreme Court im Jahr 2005 die Strafzumessungsrichtlinien (und deren Erwägungen) nicht mehr alleinige Maßgabe sind. Die Strafzumessungsrichtlinien selbst gehen auf die Strafzumessungszwecke kaum explizit ein. Die Entstehungsgeschichte und die einzelnen Vorschriften der Unternehmensrichtlinien lassen jedoch bezüglich der Strafzwecke folgende Eckpunkte erkennen, die alle Strafzumessungszwecke des 18 U.S.C. § 3553 (a) abdecken. Eine gerechte Bestrafung (just punishment) steht zunächst im Mittelpunkt der Richtlinien: Das Unternehmen soll im Sinne des real offense-Ansatzes23 danach beurteilt werden, wie sich sein Verschulden hinsichtlich der konkreten Tat darstellt. Insoweit ist die Strafe Ausgleich für den begangenen Verstoß gegen die Rechtsordnung. Um eine gerechte Bestrafung zu erreichen, werden tatbezogene Faktoren einbezogen, die im gesetzlichen Tatbestand bereits berücksichtigt sind, aber auch solche, die nicht Bestandteil des Tatbestands sind. Daneben werden spezielle unternehmensspezifische Elemente, insbesondere im Sinne eines spezifischen Unternehmensverschuldens, herangezogen. Als zweiter Aspekt steht die Abschreckung (deterrence) im Vordergrund, die sich vor allem in den einschneidenden Strafen niederschlägt. In Bezug auf die Geldstrafe bedeutet dies eine grundsätzlich hoch angesetzte Geldstrafe, auch wenn diese bei geringem Verschulden des Unternehmens deutlich gemildert werden kann. Der Abschreckungsaspekt spiegelt sich auch in der Bewährungsstrafe wider, insbesondere in der Möglichkeit umfangreicher und einschneidender Reformvorgaben, die einem Unternehmen auferlegt werden können. Bei der Bewährungsstrafe kommt ein dritter Aspekt wesentlich zum Tragen, nämlich die Resozialisierung des Straftäters (rehabilitation). Durch die Vorgaben zur Änderung der Unternehmensstruktur, der Verpflichtung zur Implementierung ____________ 22 Zur starken Stellung der „Behandlungsideologie“ in der Zeit zuvor siehe Weigend, ZStW 94 (1982), 801 (812 ff.). 23 Vgl. dazu S. 128.
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eines Compliance-Programms etc. kann das Unternehmen (seine Struktur und Arbeitsweise) so verändert werden, dass es den Vorstellungen des rechtschaffenen good citizen eher entspricht als zuvor. Dies ist insoweit bemerkenswert, als seitdem im Unternehmensstrafrecht der Gedanke der Besserung des Straftäters im Unterschied zur Zeit vor Einführung der Richtlinien eine zentrale Stellung einnimmt. Anders als bei der Bestrafung natürlicher Personen erfolgte mit den Richtlinien keine Abkehr vom Ansatz der Resozialisierung, sondern erstmalig eine Hinwendung zu diesem.24 Als vierter Aspekt setzen die Richtlinien auch auf den Schutz der Öffentlichkeit vor Straftätern. Dieser Schutz kann durch eine entsprechende Bewährungsstrafe, die beispielsweise die Entlassung bestimmter Mitarbeiter vorsieht, erreicht werden. Besonders deutlich wird der Schutzgedanke in der Möglichkeit, einem Unternehmen sämtliche Vermögenswerte zu entziehen, wenn es nur zu Begehung von Straftaten gegründet wurde. Mit dieser Corporate Death Penalty wird wie bei der entsprechenden Regelung für natürliche Personen der ultimative Schutz der Öffentlichkeit vor diesem konkreten Straftäter erreicht. Neben diesen vier klassischen Strafzwecken beziehen die Strafzumessungsrichtlinien einen weiteren Punkt zentral mit ein: den der Wiedergutmachung. Dieser wird zwar in 18 U.S.C. § 3553 nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit den vorgenannten Strafzwecken, sondern nur als ein bei der Strafzumessung zu berücksichtigender Umstand genannt.25 Die ganzen Strafzumessungsrichtlinien für Unternehmen stehen jedoch unter der Zielsetzung des Vorrangs der Wiedergutmachung vor der eigentlichen Bestrafung. Die Wiedergutmachungsanordnungen sind als eigene strafrechtliche Sanktionen ausgestaltet und dienen nicht lediglich als Erleichterungen für die zivilrechtliche Durchsetzung von Ansprüchen.26 Insoweit ist die Wiedergutmachung zu einem eigenständigen Strafzweck aufgewertet worden. Zuletzt haben die Richtlinien die Funktion der Abschöpfung aller Vermögenswerte, die das Unternehmen durch die Straftat erlangt hat, soweit diese nicht ohnehin durch Wiedergutmachungsverpflichtungen abgeschöpft werden. Summa summarum setzen die Strafzumessungsrichtlinien daher auf eine umfangreiche Mischung repressiver wie präventiver Strafzwecke. Die Reichhaltigkeit an Strafzwecken steht in gewissem Widerspruch zu den wenigen Strafzwecken, die im Rahmen der Verantwortlichkeit des Unternehmens diskutiert und angenommen werden. Dieser Umstand ist aber letztlich der Tatsache geschuldet, dass mangels einer Reform des Allgemeinen Teils viele Elemente in den Strafzumessungsrichtlinien geregelt wurden, die ansonsten (bei einer Gesamtreform des Strafrechts) eher als Tatbestandsmerkmale eingestuft worden wären. Insoweit erklärt sich auch, warum sich aus den Strafzumessungsrichtlinien weitergehende Strafzweckerwägun____________ 24 Vgl. zur Lage bei natürlichen Personen Reichert, Strafzumessungsrichtlinien, S. 140 ff. 25 Der Faktor ist in 18 U.S.C. § 3552 (a) (7) aufgezählt. 26 Vgl. zu den einzelnen Möglichkeiten einer Anordnung oben S. 187 ff.
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gen ableiten lassen, als allein aus dem Tatbestand, und worin der doppelte Argumentationsstrang der Literatur begründet ist. Die Mischung an Strafzwecken der Strafzumessungsrichtlinien ähnelt der Lage im deutschen Recht, in dem die herrschende Vereinigungslehre ebenfalls die verschiedenen repressiven und präventiven Strafzwecke nebeneinander akzeptiert.27 Allerdings bezieht sich die Vereinigungslehre auf die Bestrafung natürlicher Personen und nicht auf Unternehmen. Jedoch wird auch für § 30 OWiG allgemein angenommen, dass dieser repressive wie präventive Funktion hat: Er dient der Ahndung des begangenen Rechtsbruchs, hat aber zudem (general-)präventive Wirkung durch Beeinflussung der Mitarbeiter. Insoweit kann man auch im Hinblick auf § 30 OWiG die Vereinigungslehre grundsätzlich heranziehen. Insgesamt wird die Frage der Sanktionszwecke in Bezug auf § 30 OWiG aber nur wenig thematisiert oder konkretisiert, zumal die Regelung keine gesetzlichen Vorgaben in Bezug auf die verfolgten Strafzwecke enthält. Die Lage entspricht damit weitgehend der Diskussion im amerikanischen Recht bezüglich der Voraussetzungen der Verantwortlichkeit, in der der Zweck der Bestrafung auch nur teilweise erörtert wird. Anders als im amerikanischen Recht existieren aber auch keine besonderen (gesetzlichen) Regelungen für die Bemessung der Sanktion, aus der sich weitere und konkretere Strafzweckerwägungen ableiten lassen. Weitgehende Einigkeit besteht nur insoweit, dass bei § 30 OWiG nicht nur die Anknüpfungstat als solche zu beurteilen ist, sondern wie sie sich im Kontext des Unternehmens darstellt und wie das Unternehmen als „Delinquent“ zu bewerten ist. Dies entspricht § 46 StGB, der nicht allein die Tat, sondern die Schuld des Täters, die in der Tat zum Ausdruck kommt, heranzieht. Damit beschreitet das deutsche Recht einen vergleichbaren Weg wie das amerikanische mit seinem real offense-Ansatz. Aus § 30 OWiG selbst lässt sich mit der sehr begrenzten Möglichkeit des Ausschlusses einer Verantwortlichkeit, sobald die Straftat eines Mitarbeiters gegeben ist, ähnlich wie bei der amerikanischen an die vicarious liability-Verantwortlichkeit angelehnten Regelung schließen, dass hier das Element der Abschreckung (in deutscher Terminologie der speziellen und allgemeinen Generalprävention) im Vordergrund steht. Allerdings wird diese Wirkung des strikten Einstehenmüssens des Unternehmens durch die geringe Obergrenze der Sanktionen deutlich konterkariert. Das auf die Geldbuße beschränkte Sanktionsspektrum bietet auch wenig Anhaltspunkte dafür, dass eine größere spezialpräventive Wirkung erzielt werden könnte. Allenfalls kann man darauf setzen, dass Unternehmensmitarbeiter durch die Sanktion aufgerüttelt und zu rechtstreuerem Handeln angehalten werden. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass das Unternehmen durch die Verhängung der Geldbuße als Täter unschädlich gemacht wird. Allein in der Abschöpfungsfunktion kann man einen zentralen Aspekt der Norm sehen, da die Abschöpfung in der Höhe nicht nach oben gedeckelt ist. Überhaupt nicht einbezogen in § 30 OWiG ist die Frage ____________ 27
Vgl. dazu oben S. 374 f.
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einer Wiedergutmachung, was generell der Situation des deutschen Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts entspricht.28 Insgesamt hat sich der Gesetzgeber damit zwar im Rahmen des § 30 OWiG nicht auf einen bestimmten Sanktionszweck festgelegt, aber die Regelung bietet kaum mehr Anhaltspunkte als für eine repressive und eine geringfügig generalpräventive Zwecksetzung. Im Vergleich zum amerikanischen Recht lässt sich somit festhalten, dass die deutsche Regelung hinsichtlich der Sanktionszwecke weit eindimensionaler konstruiert ist als die Regelungen der Strafzumessungsrichtlinien. B. Voraussetzungen der Verantwortlichkeit Die Voraussetzungen für eine Verantwortlichkeit des Unternehmens ergeben sich im deutschen Recht aus § 30 OWiG und im amerikanischen Recht aus den Grundsätzen der Rechtsprechung. Die ungeschriebene Regelung des amerikanischen Rechts ist dabei nicht weniger klar als die gesetzlich niedergelegte des deutschen Rechts: Das Urteil des U.S. Supreme Court von 1909 hat die Voraussetzungen in abstrakter Weise umrissen. Die Entscheidungen unterinstanzlicher Gerichte beziehen sich seitdem ganz überwiegend auf diese Voraussetzungen und legen sie (wortgleich) zugrunde. Zahlreiche Urteile konkretisieren (wie im Hinblick auf § 30 OWiG Entscheidungen deutscher Gerichte) inzwischen Einzelpunkte der abstrakten Vorgaben. Hinsichtlich der Voraussetzungen ist § 30 OWiG insoweit komplexer als das amerikanische Gegenstück, als sich der eigentliche Tatbestand, für den das Unternehmen zur Verantwortung gezogen wird, vielfach erst in Verbindung mit §§ 9, 130 OWiG, § 14 StGB ergibt.29 In beiden Rechtssystemen erfolgt zwar mit der Anknüpfung an eine Tat des Mitarbeiters eine Verweisung auf einen anderen Tatbestand, jedoch kommt es vor allem im deutschen Recht zu Mehrfachverweisungen (vor allem über § 130 OWiG, der selbst an andere Tatbestände anknüpft). Diese Mehrfachverweisung ist der Rechtsklarheit kaum zuträglich. In einem weiteren Punkt herrscht wiederum Übereinstimmung zwischen dem deutschen und dem amerikanischen Recht: der stillschweigenden Akzeptanz der Handlungs- und Schuldfähigkeit des Unternehmens. Diese wurden weder von der Rechtsprechung im amerikanischen Recht einer klaren Lösung zugeführt noch vom deutschen Gesetzgeber als solche explizit geregelt. Beide Rechtssysteme setzen die Möglichkeit einer Handlungs- und Schuldfähigkeit von Unternehmen voraus. Insoweit können nur aus der Struktur der Verantwortungstatbestände Rückschlüsse auf die zugrunde gelegten Ansätze gezogen werden. ____________ 28 29
Vgl. dazu eingehend unten S. 573. Vgl. auch Deruyck, Verbandsdelikt, S. 148.
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4. Kapitel: Rechtsvergleichung
Im Folgenden wird zunächst auf die der Verantwortlichkeit des Unternehmens zugrunde gelegten Modelle eingegangen (I.). Daran anschließend werden die einzelnen Aspekte der Verantwortlichkeit aufgegriffen: die erfassten Unternehmen (II.), die Stellung des Mitarbeiters, der die Anknüpfungstat begangen hat (III.), die erfassten Anknüpfungstaten (IV.), die Erforderlichkeit einer volldeliktisch begangenen Anknüpfungstat (V.) und die Kriterien zur Begrenzung der Zurechnung (VI.). I. Art des Modells Die Modelle der Verantwortlichkeit eines Unternehmens sind in Deutschland und den USA im Grundsatz sehr ähnlich.30 Sowohl § 30 OWiG als auch die Konstruktion der Rechtsprechung in den USA in Anlehnung an eine vicarious liabilityVerantwortlichkeit haben als Anknüpfungspunkt die Begehung einer Tat durch einen Mitarbeiter des Unternehmens. Sie bilden damit zunächst ein reines Zurechnungsmodell ab: Das Unternehmen hat für Taten seiner Mitarbeiter einzustehen. Jedoch erschöpfen sich diese Modelle nicht allein in der Zurechnung, sondern fordern jeweils darüber hinaus zusätzliche Voraussetzungen, um die Verantwortlichkeit des Unternehmens zu begründen. In beiden Ländern dient dies der Begrenzung der Zurechnung von Mitarbeitertaten. Das Unternehmen soll nur dann verantwortlich sein, wenn sich die Tat im Gesamtbild als eine dem Unternehmen zurechenbare erweist und sich nicht lediglich zufällig im Rahmen der Tätigkeit des Mitarbeiters für das Unternehmen ergeben hat. Die Einschränkung der Zurechnung lässt sich im deutschen Recht dergestalt verstehen, dass in § 30 OWiG nicht ein reines Zurechnungsmodell geregelt wurde, sondern ein Kombinationsmodell aus Zurechnung und eigener Unternehmensverantwortlichkeit.31 Im amerikanischen Recht wird die Möglichkeit, die Einschränkung der umfassenden Zurechnung der Mitarbeitertat als Ausdruck einer besonderen Unternehmensverantwortlichkeit zu verstehen, – soweit ersichtlich – nicht diskutiert. Dies mag an der konzeptionellen Übernahme der zivilrechtlichen Konstruktion (und daher mangelnden dogmatischen Vertiefung) wie auch der sehr zurückhaltenden Interpretation der Rechtsprechung liegen, die Kriterien tatsächlich als Einschränkung anzuwenden. Im Grundsatz ist jedoch auch die amerikanische Konstruktion zu einem Teil Ausdruck einer Unternehmensverantwortlichkeit, da eine Zurechnung zum Unternehmen nur dann gegeben ist, wenn eine typische, vom Unternehmen geschaffene Verantwortungsbasis bei Begehung der Mitarbeitertat ____________ 30 Vgl. auch Hirsch, ZStW 107 (1995), 285 (312), der in § 30 OWiG eine Entsprechung zur angelsächsischen Auffassung der Straffähigkeit von Korporationen hinsichtlich der mens rea-Delikte sieht (dies allerdings unzutreffend auf mens rea-Delikte verengt). 31 Vgl. zu dieser Frage bereits oben S. 378 ff., auch zur abweichenden h.M. (S. 375 ff.), die in § 30 OWiG allein ein Zurechnungsmodell sieht und allenfalls wie Tiedemann (NJW 1988, 1169) als Legitimationsgrundlage ein Organisationsverschulden annimmt.
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vorliegt. Deutsches wie amerikanisches Recht folgen daher dem Ansatz des modifizierten Individualtatmodells.32 Aus der gleichartigen Gestaltung des Verantwortlichkeitsmodells folgt auch, dass das Verständnis der Handlungs- und Schuldfähigkeit von Unternehmen in beiden Rechtssystemen gleich ist. Handlung und Schuld der Mitarbeiter werden dem Unternehmen zugerechnet und zusätzlich die Schuld des Unternehmens auf ein eigenständiges Element der Unternehmensverantwortlichkeit gestützt. Beide Rechtssysteme stellen damit die Verantwortlichkeit von Unternehmen auf ein vom „normalen“ Straf- bzw. Ordnungswidrigkeitenrecht abweichendes Handlungs- und Verschuldensmodell ab. Dies ist im deutschen Recht einzigartig,33 während im amerikanischen Recht mit den Instituten der strict und vicarious liability für natürliche Personen weitere Ausnahmen existieren. Soweit deutsches und amerikanisches Recht auf ein spezifisches Element der Unternehmensverantwortlichkeit abstellen, muss man jedoch konstatieren, dass sich beide Länder auf eine Minimallösung beschränkt haben. Der Anteil des Unternehmensverschuldens am Gesamttatbestand ist nur gering, die Zurechnung steht im Vordergrund. Im amerikanischen Recht noch mehr als im deutschen, da in § 30 OWiG die Herausarbeitung von „unternehmenstypischen“ Taten von Mitarbeitern (und damit eine Beschränkung der Zurechnung) ausdifferenzierter ist. Daher wird gerade in den USA seit Langem gefordert, dem Unternehmensverschulden stärkeres Gewicht einzuräumen.34 Dass in Deutschland die Forderungen nach einer verstärkten Berücksichtigung des Unternehmensverschuldens in § 30 OWiG nicht ebenso laut sind, dürfte an der bloßen Normierung als Unternehmensgeldbuße liegen, die den Fokus der Frage eines Verschuldens auf die Diskussion einer Strafbarkeit de lege ferenda verlagert hat (in deren Rahmen die Diskussion um ein Verschulden aber das beherrschende Thema ist). Sowohl in den USA wie auch in Deutschland dient das Element der Unternehmensverantwortlichkeit im Grundsatz nur dazu, die bestehenden Regelungen von einer strikten Zurechnung des Mitarbeiterverhaltens zu unterscheiden und damit eine Art Gefährdungshaftung zu vermeiden. Beide Rechtssysteme sind weit davon entfernt, die Frage eines Unternehmensverschuldens eingehender und umfassender zu behandeln. II. Erfasste Unternehmen Bei der Frage der sanktionsfähigen Unternehmen folgt das deutsche Recht einer konkreten und abschließenden Aufzählung der erfassten Formen von Zusammenschlüssen. Da in Deutschland ein für die gesamte Bundesrepublik einheitliches ____________ Vgl. zu den möglichen Modellen oben S. 361 ff. Hirsch, ZStW 107 (1995), 285 (315) spricht daher davon, dass § 30 OWiG hinter den normalen Anforderungen des Schuldstrafrechts zurückbleibt. 34 Vgl. oben S. 106 ff. 32
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Gesellschaftsrecht existiert, ist im Wesentlichen klar, welche Formen hier gemeint sind. In den USA dagegen besteht aufgrund der von der Rechtsprechung geschaffenen Voraussetzungen der Unternehmensstrafbarkeit keine klare Aufzählung der erfassten Zusammenschlüsse. Verkompliziert wird die Lage dadurch, dass das Gesellschaftsrecht in die Gesetzgebungskompetenz der Einzelstaaten fällt und somit eine Vielzahl von gesellschaftsrechtlichen Formen existiert. Nützlicher Anhaltspunkt ist allein die Aufzählung im United States Code (1 U.S.C. § 1). Diese stellt klar, dass zumindest aus Sicht des Gesetzgebers eine umfassende Einbeziehung von Unternehmen in das bestehende Normensystem gewollt ist. Im Ergebnis können daher nur sehr wenige Unternehmen nicht bestraft werden und dies betrifft primär einzelne nicht rechtsfähige Zusammenschlüsse. Eine weitgehende Einbeziehung von Unternehmen findet sich gleichermaßen im deutschen Recht, das praktisch nur die GbR als Innengesellschaft und den Einzelkaufmann nicht erfasst. Insbesondere die Erweiterung des § 30 OWiG im Jahr 2002 auf rechtsfähige Personengesellschaften macht das Bestreben auch des deutschen Gesetzgebers deutlich, eine lückenlose Sanktionierung von Unternehmen zu erreichen. Ausgenommen bleiben im deutschen wie im amerikanischen Recht letztlich zum einen wirtschaftlich tätige Einzelpersonen, bei denen der Ansatz der Individualstrafbarkeit als ausreichend angesehen wird. Zum anderen werden Zusammenschlüsse von Personen, denen eine hinreichende rechtliche Verfestigung und/oder ein wirtschaftliches Agieren im Rechtsverkehr fehlen, nicht in den Kreis sanktionsfähiger Subjekte einbezogen. Im deutschen wie im amerikanischen Recht nicht explizit geregelt ist die Sanktionierung öffentlich-rechtlicher Unternehmen. Beide Rechtsordnungen halten eine Sanktionierung grundsätzlich nicht für ausgeschlossen. Die Position der amerikanischen Rechtsprechung geht in eine restriktivere Richtung als das deutsche Recht, da diese eine explizite gesetzliche Einbeziehung öffentlicher Einrichtungen als Voraussetzung für die Bestrafung fordert. In beiden Rechtsordnungen bestehen Unklarheiten hinsichtlich der erfassten öffentlichen Einrichtungen. Rechtssicherheit kann hier in beiden Staaten letztlich wohl nur eine gesetzliche Klarstellung bringen. III. Stellung des Mitarbeiters Bei der Stellung des Mitarbeiters, der eine Anknüpfungstat begehen und somit eine Sanktionierung des Unternehmens auslösen kann, bestehen große Unterschiede zwischen dem deutschen und dem amerikanischen Recht.35 Das deutsche Recht begrenzt zunächst die infrage kommenden Mitarbeiter durch eine abschließende ____________ 35 Vgl. auch Stessens, 43 Int.’l & Comp. L. Q. (1994), S. 493 (506 ff.), der in der Stellung des Mitarbeiters den Ausgangspunkt für die Klassifizierung in zwei kontrastierende Systeme sieht.
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Aufzählung. Die Liste der Mitarbeiter wurde im Lauf der Zeit erheblich erweitert und erfasst mittlerweile einen deutlich größeren Personenkreis als nur die für ein Unternehmen tätigen Organe. Insbesondere durch die Reform im Jahr 2002 können nunmehr zahlreiche Leitungspersonen im Unternehmen erfasst werden, da nicht mehr allein auf die formale Stellung, sondern funktional auf die Tätigkeit des Mitarbeiters abgestellt wird. Völlig stringent ist die Ausdehnung dabei keineswegs verlaufen. Die ursprüngliche Begrenzung auf Organe im OWiG 1968 wurde vor allem damit begründet, dass nur diese als Verkörperung des Unternehmens anzusehen seien. Dies ist eine zwar enge und an die zivilrechtliche Vertretungsbefugnis des Unternehmens angelehnte Argumentation, in sich jedoch eine schlüssige Zurechnungskonstruktion für die Verantwortlichkeit des Unternehmens. Dieser Ansatz wurde in der Folge stillschweigend aufgegeben, indem die Erweiterungen mit der sozialen Wirklichkeit im Unternehmen oder der Vermeidung von Umgehungsversuchen (durch Handeln nicht von § 30 OWiG erfasster Mitarbeiter) begründet wurden. Ohne dass die Gesetzesmaterialien darauf eingehen, geschweige denn eine (dogmatische) Begründung liefern, wurde ein Systemwechsel im Verständnis der Zurechnungsvorschrift vorgenommen: Das Unternehmen wird nicht mehr nur für seine Organe verantwortlich gemacht, sondern generell für seine faktisch handelnden Führungspersonen. Eine Verantwortlichkeit beruht also nicht mehr allein in der formal begründeten Verkörperung des Unternehmens durch seine Organe, sondern auf der Wahrnehmung des Unternehmens als soziales Gebilde, dessen Handeln sich durch seine gesamte Führungsebene ausdrückt. So weitgehend die deutschen Reformen auch waren, es wurde stets sorgfältig darauf geachtet, dass nur Führungspersonen eines Unternehmens als Täter der Anknüpfungstat infrage kommen. Untergeordnete Personen, auch wenn diese im Einzelfall für das Unternehmen (zivilrechtlich) rechtswirksam handeln können, sind nicht erfasst. Dies folgt dem Leitbild, dass sich das Unternehmen nur durch seine Führungsebene, die die umfassendsten rechtlichen und tatsächlichen Handlungsbefugnisse besitzt, als besonders wahrnehmbare soziale Einheit konstituiert. Nur die Führungsebene ist in der Lage, das korporative Gepräge maßgeblich zu beeinflussen und somit das Unternehmenstypische abzubilden. In der Beschränkung auf diese Ebene wird somit in besonderer Weise sichtbar, dass § 30 OWiG auch auf die Annahme einer spezifischen Unternehmensverantwortlichkeit aufbaut. Die Idee der Verantwortlichkeit nur für Führungskräfte eines Unternehmens ist dem amerikanischen Strafrecht ebenfalls nicht gänzlich unbekannt. Insbesondere findet sie sich im Model Penal Code und ist der deutschen Regelung nicht unähnlich.36 Dieses Modellstrafgesetzbuch für die Bundesstaaten hat sich jedoch in der Praxis (der Bundesstaaten) nur bedingt durchsetzen können, da gerade die Be____________ 36
Vgl. Hefendehl, 4 Buff. Crim. L. Rev. (2000-01), S. 283 (295).
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schränkung auf Führungspersonen vielfach als zu eng empfunden wurde. In der Unternehmensstrafbarkeit des Bundesstrafrechts findet sich die Beschränkung auf Führungspersonen überhaupt nicht, ebenso wenig wie in zahlreichen Bundesstaaten, die nicht dem Model Penal Code gefolgt sind. Die case law-Grundsätze der Rechtsprechung kennen keine abschließende Liste der erfassten Mitarbeiter. Vielmehr kann das Unternehmen für jeden seiner Mitarbeiter bestraft werden. Besonders erstaunlich ist dabei, dass sogar eine Bestrafung für eingeschaltete Vertragspartner möglich ist. Erklären lässt sich dies zunächst mit der an dieser Stelle besonders sichtbaren Verbindung zum Zivilrecht, welches eine deliktische Haftung für praktisch jede Person anerkennt, die für das Unternehmen handelt. Begründet wird dies mit dem dadurch gesetzten Anreiz für Unternehmen, sorgfältig bei der Auswahl seiner Mitarbeiter und Vertragspartner zu agieren. Hierin spiegelt sich somit das grundlegende Anliegen der vicarious liability-Konstruktion wider, durch eine weitreichende Verantwortungserstreckung eine größtmögliche Motivation zur Vermeidung von Verstößen zu erreichen. Die amerikanische Konstruktion geht von der Vorstellung des Unternehmens als sozialem Gebilde aus, das sich erst aus der Gesamtheit seiner Mitarbeiter ergibt. Die Möglichkeit des Unternehmens (respektive der Führungsebene), Maßnahmen zur Vermeidung von Gesetzesverstößen zu ergreifen und auch gegenüber jedem Mitarbeiter durchzusetzen, korrespondiert mit der Pflicht zum Einstehenmüssen, falls doch ein Verstoß eintritt. In dieser Konstruktion schwingt implizit der Vorwurf mit, dass bei einem Verstoß eben nicht alle Möglichkeiten zur Vermeidung des Verstoßes seitens des Unternehmens ergriffen wurden. Jeder Mitarbeiterverstoß beruht somit auf einer dem Unternehmen unterstellten Unterlassung, unabhängig davon, ob eine solche auch tatsächlich gegeben ist. Kaum verwunderlich ist, dass sich die Kritik gegen diese Art der Zurechnung vor allem auf die Fälle bezieht, in denen das Unternehmen weitreichende Anstrengungen zur Vermeidung von Rechtsbrüchen getroffen hat (vgl. dazu unter C.). Kaum erklärbar und wenig nachvollziehbar ist bei genauer Betrachtung die Erstreckung der Strafbarkeit des Unternehmens auf das Handeln externer Vertragspartner. Diese gehören weder zum sozialen Unternehmensgebilde noch hat das Unternehmen weitreichende Einwirkungsmöglichkeiten: Die Möglichkeiten bleiben im Wesentlichen auf die vorvertragliche Auswahl, die Festschreibung der Konditionen beim Vertragsabschluss sowie eine Überwachung bei der Vertragsdurchführung (und ggf. eine Vertragskündigung) beschränkt. Gerade diese beschränkten Einwirkungsmöglichkeiten lassen es absurd erscheinen, dem Unternehmen bei einem Verstoß des Vertragspartners implizit ein Unterlassen weitergehender Einwirkung zu unterstellen und es deshalb zu bestrafen. Hier wird besonders deutlich, dass die Übernahme der zivilrechtlichen Konstruktionen zu einer fast uferlosen Strafbarkeit führt, wenn die Rechtsprechung auf die Entwicklung begren-
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zender Prinzipien verzichtet.37 Auch von dem ursprünglichen Verständnis der vicarious liablity-Strafbarkeit als eng gefasste Ausnahme zur ansonsten dem Strafrecht zugrunde liegenden Verschuldensverantwortlichkeit kann angesichts dieser Reichweite der Zurechnung keine Rede mehr sein. IV. Erfasste Anknüpfungstaten Die Anknüpfungstaten, die vom Mitarbeiter im Unternehmen begangen werden können, unterscheiden sich im deutschen und amerikanischen Recht nicht wesentlich. Im deutschen Recht werden zunächst alle Ordnungswidrigkeiten erfasst. Darüber hinaus stellen aber auch alle von einem Mitarbeiter verwirklichbaren Straftaten einen tauglichen Anknüpfungspunkt für die Unternehmensgeldbuße dar. Im amerikanischen Recht kommen nur Straftaten als Anknüpfungstaten in Betracht. Da das amerikanische Recht keine Ordnungswidrigkeiten kennt, sondern diesen Bereich sachlich als gesetzlich geregelte Straftaten von leichterem Gewicht (regulatory offences) einstuft, ist das amerikanische Recht diesbezüglich sachlich weder enger noch weiter.38 Allenfalls lässt sich angesichts der Vielzahl von Ordnungswidrigkeiten die Vermutung aufstellen,39 dass das deutsche Recht hinsichtlich der absoluten Anzahl etwas höher liegt.40 Sowohl im amerikanischen als auch im deutschen Recht gilt, dass die Anzahl möglicher Anknüpfungstaten in den letzten Jahrzehnten stark zugenommen hat. Der Bereich des amerikanischen Bundesstrafrechts wird durch neue Gesetze des Kongresses immer stärker ausgebaut und tritt zunehmend in Konkurrenz zu den Strafrechtsordnungen der einzelnen Bundesstaaten. In Deutschland hat die Entwicklung in den letzten Jahrzehnten eine beträchtliche Steigerung von Straftaten im Bereich des Wirtschaftsstrafrechts und auch der Wirtschaftsordnungswidrigkeiten gebracht. Die Möglichkeiten, über diese Anknüpfungsstraftaten auch das Unternehmen zu sanktionieren, sind demgemäß entsprechend gestiegen.
____________ 37 Der Rechtsprechung zugute halten kann man allenfalls, dass sie bei Einschaltung von externen Vertragspartnern bei Vorsatzdelikten eher ein Handeln außerhalb des „scope of employment“ annimmt als bei Mitarbeitern des Unternehmens; dies gilt jedoch nicht für die zahlreichen Fälle der strict liability-Tatbestände; vgl. näher Gruner, Corporate Criminal Liability, § 5.02. 38 Vgl. auch bereits oben S. 539. 39 Konkrete Zahlen existieren diesbezüglich, soweit ersichtlich, nicht; allgemein wird stets eine „Flut von bundes- und landesrechtlichen Bußgeldtatbeständen“ beklagt, vgl. Göhler-Gürtler/Seitz, OWiG, Einl. Rn. 14a sowie Achenbach, GA 2008, 1. 40 Im amerikanischen Recht bestehen zwar auch unzählige Normen insbes. von Straftaten leichteren Gewichts (regulatory offences), deren genaue Anzahl wie im deutschen Recht unbekannt ist (zu diesbezüglichen Schätzungen siehe § 4 Anm. 30). Allerdings ist die Gesetzgebungskompetenz des Bundes in den USA auf einzelne Bereiche begrenzt, sodass hierin ein limitierender Faktor liegt.
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Eine Einschränkung hinsichtlich der vom Mitarbeiter begehbaren Straftaten sieht das amerikanische Recht in zweifacher Hinsicht vor. Zum einen ist bei Straftaten, die sich nicht unmittelbar auch an Unternehmen wenden, zu prüfen, ob diese nach dem Willen des Gesetzgebers auf Unternehmen Anwendung finden sollen. Zum anderen werden bestimmte Straftaten ausgenommen, die als nur dem Mitarbeiter persönlich vorwerfbar angesehen werden (so z.B. Vergewaltigung oder Meineid). Derartige Einschränkungen sieht das deutsche Recht prima facie nicht vor. Grundsätzlich kann jede Straftat oder Ordnungswidrigkeit, die von einem Mitarbeiter begangen wird, auch zu einer Sanktionierung des Unternehmens führen. So ist auch die Sanktionierung für Meineid oder Vergewaltigung konstruktiv nicht ausgeschlossen (das deutsche Recht sieht dafür an anderer Stelle Einhegungen vor, indem es beispielsweise die Betriebsbezogenheit der Tat verlangt). V. Volldeliktisches Handeln Das amerikanische und das deutsche Recht stimmen im Ansatz darin überein, dass die Anknüpfungstat volldeliktisch begangen werden muss. Die Anknüpfungstat muss also in ihren Bestandteilen des actus reus/mens rea bzw. der Tatbestandsmäßigkeit, Rechtswidrigkeit und Schuld (oder der Vorwerfbarkeit bei Ordnungswidrigkeiten) vorliegen. Beide Rechtsordnungen verlangen somit einen umfangreichen Nachweis der Anknüpfungstat. Erklären lässt sich dies in beiden Fällen mit der Zurechnungskonstruktion der Unternehmenssanktionierung, die jeweils zentral von der Tat des Mitarbeiters bestimmt wird. Dieser Aspekt ist besonders im Hinblick auf das Verschulden des Unternehmens relevant. Im deutschen Recht wird ein solches Verschulden zu einem Teil durch die Zurechnung des Verschuldens des Mitarbeiters erreicht. Insoweit kann auf den Nachweis des Verschuldens nicht verzichtet werden. Zudem erklärt dies auch die für das heutige deutsche Recht ungewöhnlich strenge Akzessorietät. Ähnliches gilt für das amerikanische Recht. Die Figur der vicarious liability arbeitet mit der Zurechnung fremden Verschuldens. Dieser Aspekt wird in der Diskussion, dass die Figur der vicarious liability eine Ausnahme zum normalen Verschuldensmodell des Strafrechts darstellt, häufig übergangen. Auch das amerikanische Unternehmensstrafrecht verzichtet daher nicht gänzlich auf einen Verschuldensnachweis.41 Beide Rechtsordnungen erscheinen hinsichtlich des Umfangs der Voraussetzungen der Anknüpfungstat somit relativ streng. Allerdings bestehen weitreichende
____________ 41 Die Frage, die sich hinsichtlich des Verschuldens zu stellen hat, ist daher, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen das Strafrecht eine Verschuldenszurechnung anerkennen und dabei ganz oder teilweise auf ein originäres individuelles Verschulden verzichten kann.
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Ausnahmen, was den tatsächlichen Nachweis der Anknüpfungstat anbelangt.42 Dies betrifft zunächst den Verzicht auf die Identifizierung des Mitarbeiters, der sie begangen hat. Diese anonyme Geldbuße stellt im deutschen Recht eine nicht zu unterschätzende Beweiserleichterung dar. Gleiches kann man für das amerikanische Recht konstatieren. Zwangsläufig verbunden mit dem Verzicht auf die Identifizierung ist auch der auf eine (v.a. vorherige oder parallele) Sanktionierung des Mitarbeiters. Von den Fällen der anonymen Geldbuße abgesehen, ist in beiden Rechtsordnungen eine Sanktionierung des Unternehmens unabhängig vom Verfahren gegen den Mitarbeiter möglich. Im amerikanischen Recht gilt dies generell. Im deutschen Recht ist die Möglichkeit des selbstständigen Verfahrens nur als gesetzlicher Ausnahmefall vorgesehen, sodass nicht in jedem Fall eine unabhängige Belangung des Unternehmens erreicht werden kann. Allerdings sind die Voraussetzungen dafür so niedrig, dass (bei einem entsprechenden Willen der Verfolgungsbehörden) sehr häufig ein selbstständiges Verfahren erreicht werden kann. Im amerikanischen Recht finden sich gegenüber dem deutschen Recht noch weitere Beweiserleichterungen. Eine erste liegt bei der Begehung einer strict liabilityStraftat seitens des Mitarbeiters vor. In diesem Fall wird auch im Rahmen der Unternehmensstrafbarkeit auf den Nachweis des mens rea-Elements verzichtet. Das Unternehmen wird damit scheinbar gleich wie eine natürliche Person behandelt, die eine strict liability-Straftat begeht. Dies darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass bei der Unternehmensstrafbarkeit zwei Ausnahmen gegenüber den normalen Verschuldenserfordernissen des Strafrechts kumulieren: Dem Unternehmen wird die Tat zugerechnet (vicarious liability), und dies unter Verzicht auf jegliches mens rea-Element (strict liability). Es wird somit allein für die Handlung eines Mitarbeiters bestraft. Dies ist mit der Zurechnungskonstruktion, die bei weitgehendem Verzicht auf ein eigenes Verschulden des Unternehmens zentral auf der Zurechnung des Verschuldens des Mitarbeiters aufbaut, nicht vereinbar. Neben den Erleichterungen, die eine strict liability-Straftat mit sich bringt, sieht das amerikanische Unternehmensstrafrecht weitere vor. Mit der collective knowledge-Doktrin wird ein Vorsatz (im Rahmen der Anknüpfungstat) nicht mehr gebündelt in einer Person allein verlangt, sondern es genügt, wenn sich aus dem Wissen und Wollen mehrerer Mitarbeiter ein Gesamtvorsatz erschließen lässt. Allerdings ist diese weitreichende Aufweichung des mens rea-Elements unter den Berufungsgerichten umstritten und es bleibt abzuwarten, ob sich der Ansatz wirklich durchsetzen kann. Weniger umstritten, aber – soweit ersichtlich – bislang nicht weitverbreitet, ist die willful blindness-Doktrin, die ausreichen lässt, dass ein Mitarbeiter seine strafbare Handlung hätte erkennen können. Damit werden Vorsatzerfordernisse auf (leichter nachweisbare) Fahrlässigkeitsstandards abgesenkt. ____________ 42 Der Nachweis der Anknüpfungstat ist zwar eine prozessuale Frage, soll jedoch bereits an dieser Stelle erörtert werden, um zu verdeutlichen, in welchem Umfang die Anknüpfungstat tatsächlich vorliegen muss.
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VI. Weitere Kriterien zur Begrenzung der Zurechnung Das deutsche wie auch das amerikanische Recht setzen für die Sanktionierung des Unternehmens nicht allein das Vorliegen einer Anknüpfungstat eines bestimmten Mitarbeiters in einem bestimmten Unternehmen voraus. Vielmehr finden sich jeweils mehrere zusätzliche Kriterien, die der Begrenzung einer weitergehenden (und als zu weitgehend angesehenen) Zurechnung dienen. Unterscheiden kann man dabei objektive (1.) und subjektive (2.) Begrenzungskriterien. 1. Objektive Begrenzungskriterien In den USA wird die Begrenzung der Zurechnung durch das Erfordernis der Begehung der Anknüpfungstat im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses erreicht. Ausgeschieden werden damit Verhaltensweisen, die zwar zeitlich und örtlich mit der Tätigkeit im und für das Unternehmen zusammenfallen, darüber hinaus jedoch keinerlei Bezug zum Unternehmen haben. Allerdings führt das Kriterium in der Praxis nur im Ausnahmefall zur Verneinung einer Zurechnung der Anknüpfungstat, da die Rechtsprechung bereits den Anschein, für das Unternehmen tätig zu werden, oder auch eine nachträgliche Billigung der Tat durch Vorgesetzte hat ausreichen lassen. Nicht durchsetzen konnte sich bislang der Ausschluss der Zurechnung bei Verstoß des Mitarbeiters gegen interne Vorgaben und Maßnahmen, was für die Berücksichtigung eines Compliance-Programms von zentraler Bedeutung wäre (vgl. näher unter C.). Im deutschen Recht findet sich in § 30 OWiG zunächst eine Begrenzung der Zurechnung durch das Erfordernis eines Zusammenhangs zwischen der Begehung der Anknüpfungstat und der Stellung als Mitarbeiter. Ausgeschieden werden hier wie im amerikanischen Recht Verhaltensweisen, die nur bei Gelegenheit der Tätigkeit im und für das Unternehmen erfolgen. Das Handeln muss somit in beiden Rechtsordnungen eine unternehmensspezifische Qualität aufweisen. Das deutsche Recht ist insoweit enger, als beispielsweise allein die nachträgliche Billigung der Tat nicht ausreichend ist, es sei denn, diese stellt wiederum eine eigenständige Anknüpfungstat dar. Dass das Unternehmen durch die Straftat ggf. geschädigt wird, schließt nach der hier vertretenen Ansicht eine Zurechnung nicht grundsätzlich aus.43 Ebenso wenig wird die Zurechnung ausgeschlossen – und auch hier besteht eine Parallele zum amerikanischen Recht –, wenn das Handeln internen Vorgaben zuwider geschieht (vgl. zu diesem Aspekt näher unter C.). Es werden somit letztlich nur wenige und weitgehend offensichtliche Fälle dem Unternehmen nicht zugerechnet. Im deutschen Recht ist durch das Erfordernis der Verletzung betriebsbezogener Pflichten ein weiteres objektives Begrenzungskriterium in § 30 OWiG vorgesehen. ____________ 43
Vgl. hierzu bereits oben S. 416 ff.
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Auch dieser Punkt dient der Ausfilterung von Mitarbeitertaten, die nicht in hinreichendem Bezug zum Unternehmen stehen, da durch die Tat keine betriebsbezogene Pflicht verletzt wurde. Allerdings wird die betriebsbezogene Pflicht relativ weit verstanden, sodass der Filtereffekt letztlich eher gering ist.44 Als Alternative zur Verletzung betriebsbezogener Pflichten kann die Bereicherung des Unternehmens vorliegen. Soweit durch die Tat ein Vermögensvorteil erlangt wurde, findet § 30 OWiG unabhängig davon Anwendung, ob spezielle Pflichten innerhalb des Unternehmens überschritten wurden oder nicht. Allein der monetäre Zufluss begründet in diesem Fall den unternehmensspezifischen Kontext. Diese Alternative fügt sich nicht ganz widerspruchsfrei neben die der Betriebsbezogenheit in das System des § 30 OWiG ein, da nicht zwingend ein typischer Bezug zum Unternehmen vorliegt.45 Erfasst werden auch Fälle, in denen dem Unternehmen durch die Handlung eines Mitarbeiters (ggf. nur als Nebenaspekt) Vermögenswerte zufließen, auch wenn diese vom Unternehmen gar nicht gewollt sind. Diese Alternative, auch wenn zahlreiche Einzelfragen umstritten sind, führt somit zu einer Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 30 OWiG. Eine Begrenzung ist immerhin darin zu sehen, dass Fälle ausgeschieden werden, in denen weder eine betriebsbezogene Pflicht verletzt wurde noch dem Unternehmen ein Vermögensvorteil zugeflossen ist (also insbesondere dann, wenn das Unternehmen durch die Mitarbeitertat unmittelbar geschädigt wurde). 2. Subjektive Begrenzungskriterien Neben der Begehung der Tat im Rahmen des Beschäftigungsverhältnisses fordert das amerikanische Recht als weitere Bedingung einen Vorsatz des Mitarbeiters, das Unternehmen zu begünstigen. Auch dieses Kriterium dient dazu, dem Unternehmen nicht zurechenbares privates Verhalten auszuscheiden. Es ergänzt als subjektives Element die Begehung der Tat innerhalb eines Beschäftigungsverhältnisses, ohne trennscharf dazu abgrenzbar zu sein. Gleichermaßen weit wird es daher in der Rechtsprechung verstanden und führt somit nur in wenigen Fällen zur Verneinung des Vorsatzes und damit der Zurechnung. Wichtigster Anwendungsfall ist der, dass der Mitarbeiter dem Unternehmen unmittelbar einen Schaden zufügt, indem er beispielsweise in kollusivem Zusammenwirken mit einem anderen Unternehmen diesem Geschäftsgeheimnisse offenbart. In diesem Punkt ist das amerikanische Recht punktuell restriktiver als das deutsche (das bei einer Schädigung des Unternehmens den Zusammenhang zwischen der Begehung der Anknüpfungstat und der Stellung als Mitarbeiter nicht grundsätzlich ausschließt). ____________ 44 Insoweit wird dieses Element (wie auch das nachfolgend genannte der Bereicherung des Unternehmens) teilweise für entbehrlich gehalten, vgl. Müller, Ordnungswidrigkeitenrecht, S. 81. Siehe auch Deruyck, Verbandsdelikt, S. 167. 45 Vgl. auch Deruyck, Verbandsdelikt, S. 167.
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4. Kapitel: Rechtsvergleichung
Das deutsche Recht kennt ein ähnliches subjektives Begrenzungskriterium wie das amerikanische Recht, nämlich die erstrebte Bereicherung des Unternehmens. Allerdings findet dieses Kriterium nur dann Anwendung, wenn nicht schon eine betriebsbezogene Pflicht verletzt wurde (und natürlich keine Bereicherung tatsächlich eingetreten ist). Nur im Ausnahmefall spielt im deutschen Recht daher ein subjektives Begrenzungskriterium eine Rolle. 3. Bewertung Beide Rechtssysteme nehmen eine doppelte Kontrolle vor, um sicherzustellen, dass das Unternehmen letztlich nicht für jede von einem Mitarbeiter begangene Tat sanktioniert werden kann. Das amerikanische Recht setzt dabei auf eine objektivsubjektive Kontrolle, während das deutsche zumeist zwei objektive Kriterien heranzieht und nur ausnahmsweise eine objektiv-subjektive Kontrolle vornimmt. Entscheidende Unterschiede zwischen den verschiedenen Ansätzen bestehen nicht, da inhaltlich in beiden Rechtssystemen im Wesentlichen die gleichen Aspekte erörtert und zumeist auch übereinstimmend beantwortet werden: Ausgefiltert werden sollen die Verhaltensweisen, die als private des Mitarbeiters nur anlässlich seiner Tätigkeit im Unternehmen erfolgen. Beide Rechtsordnungen sind hier durch das Bemühen gekennzeichnet, den spezifischen Unternehmenskontext herauszuarbeiten. Dabei geht es aber nicht um die Feststellung eines klar benannten Unternehmensverschuldens, sondern um die Überschreitung der untersten Grenze, ab der man nicht mehr von einer individuellen, vom Unternehmen losgelösten Tat des Mitarbeiters sprechen kann. Durch diese „Minimalfilterfunktion“ ist die Verantwortlichkeit des Unternehmens im amerikanischen wie im deutschen Recht daher insgesamt sehr weit gezogen. C. Einfluss von Compliance-Maßnahmen Das deutsche und das amerikanische Recht stimmen hinsichtlich der Bedeutung von Compliance-Maßnahmen weitgehend überein. In beiden Rechtsordnungen können sie hinsichtlich der Anknüpfungstaten von Bedeutung sein, vor allem indem sie die Reichweite von Pflichten konkretisieren und somit für die Bestimmung einer Sorgfaltspflichtverletzung relevant sind. Darüber hinaus kommen Compliance-Programme jedoch in beiden Rechtssystemen bislang nicht zum Tragen, wenn es um die Frage der Zurechnung der Anknüpfungstat zum Unternehmen geht. Im amerikanischen Recht wird die Bedeutung von Compliance-Programmen als Frage der Verneinung eines Vorsatzes, das Unternehmen zu begünstigen, vor allem aber als Frage einer due diligence defense im Rahmen der Begehung der Straftat innerhalb des Beschäftigungsverhältnisses diskutiert. Die Rechtsprechung hat bislang nur in Einzelfällen die Möglichkeit einer Entlastung des Unternehmens durch Compliance-Programme erwogen, überwie-
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gend aber abgelehnt. Kernpunkt der Ablehnung ist die grundsätzliche Unbeachtlichkeit interner Vorgaben, vor allem mit dem Argument, dass sich sonst das Unternehmen durch bloße Erstellung (schriftlicher) Vorgaben leicht einer Strafbarkeit entziehen könnte. In der Literatur mehren sich jedoch die Stimmen, die eine Berücksichtigung umfangreicher Compliance-Programme fordern. In der Tat scheint hier die Rechtsprechung noch zu undifferenziert bloße paper programs und umfassende Compliance-Programme sachlich gleichzubehandeln. Unverkennbar ist dabei, dass die Unternehmensstrafbarkeit mit ihrem Ausgangspunkt in der vicarious liability-Verantwortlichkeit und so mit ihrem Schwerpunkt auf dem Vorliegen der Anknüpfungstat keinen originären Ansatzpunkt für einen Ausschluss der Zurechnung liefert.46 Im deutschen Recht hat die Diskussion des Einflusses von ComplianceProgrammen auf § 30 OWiG bislang nur begrenzt stattgefunden. Allerdings werden auch im deutschen Recht die Existenz interner Vorgaben und deren Überschreitung durch den Mitarbeiter grundsätzlich als unbeachtlich für die Zurechnung der Anknüpfungstat eingestuft. Die interne Verantwortlichkeit (des Mitarbeiters gegenüber dem Unternehmen) und die externe Verantwortlichkeit (des durch den Mitarbeiter handelnden Unternehmens gegenüber Dritten) werden als zwei weitgehend getrennte Bereiche aufgefasst. Das deutsche Recht eröffnet somit de lege lata kaum eine Möglichkeit für einen Entlastungsbeweis seitens des Unternehmens.47 Grund ist wie im amerikanischen Recht die den Tatbestand des § 30 OWiG weitgehend bestimmende Zurechnung der Tat des Mitarbeiters. Der Aspekt der spezifischen Unternehmensverantwortlichkeit überlagert diese Zurechnung nicht in einem Maße, dass es zu einem Verantwortlichkeitsausschluss des Unternehmens kommen kann. D. Diskussion in der Literatur Die Frage einer strafrechtlichen Belangung von Unternehmen wird sowohl in den USA als auch in Deutschland seit Langem intensiv in der Literatur diskutiert. Die Schwerpunkte der Diskussion unterscheiden sich zwischen den Ländern nur teilweise. In den USA werden Möglichkeit und Zulässigkeit einer Unternehmensstrafbarkeit kaum mehr grundsätzlich infrage gestellt. Fast die gesamte Diskussion konzentriert sich auf das Problem, wie ein Unternehmensverschulden als Alternative zu der von der Rechtsprechung entwickelten strikten Verantwortungszurechnung aussehen kann. Daran wird deutlich, dass die lange faktische Existenz der Unternehmensstrafbarkeit auch zu einer breiten Akzeptanz in der Literatur geführt ____________ 46 Wie aber die Entwicklung im Deliktsrecht zeigt, bestehen durchaus Möglichkeiten für eine Berücksichtigung von Compliance-Programmen. Vgl. dazu bereits oben S. 293 ff. sowie zu weitergehenden Überlegungen unten S. 651. 47 Vgl. dazu oben S. 411 ff.
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hat, also eine normative Akzeptanz des Faktischen besteht. Begünstigt wird dies durch das Fehlen einer echten Alternative wie sie das deutsche Ordnungswidrigkeitenrecht bietet, im Wesentlichen steht nur das Zivilrecht dem Strafrecht als Sanktionsrecht gegenüber. Das Zivilrecht als vom Schaden losgelöste Sanktion zu etablieren (wie es bisweilen im Rahmen der punitive damages geschieht), wirft jedoch nicht weniger Probleme auf, als die Erweiterung des Strafrechts mit sich bringt. Zudem ist das Fehlen eines gesetzlich geregelten und dogmatisch durchdachten sowie zumindest im Grundsatz akzeptierten Allgemeinen Teils nicht zu unterschätzen. In diesem Punkt unterscheidet sich die deutsche deutlich von der amerikanischen Diskussion. Aufgrund der gesetzlichen Normierung eines Allgemeinen Teils des Strafrechts, der starken Strukturierung und dogmatischen Durchdringung kann eine gedachte Unternehmensstrafe an allgemeinen Grundsätzen gemessen werden. Dieses Maßnehmen ist denn auch Kernstück zahlreicher Bearbeitungen in Deutschland, wobei sich die Diskussion stark auf die Frage der Handlungs- und Schuldfähigkeit konzentriert. Zahlreiche Autoren bejahen dabei die Möglichkeit einer Unternehmensstrafbarkeit, zumeist diejenigen, die sich eingehender mit der Thematik auseinandergesetzt haben.48 Die Anzahl der Kritiker ist aber deutlich größer als in den USA. Vielfach wird – neben der dogmatischen Unvereinbarkeit mit deutschen Strafrechtsgrundsätzen wie dem Schuldprinzip – die bereits bestehende Regelung des Ordnungswidrigkeitenrechts als ausreichend angesehen.49 Dies ist insoweit bemerkenswert, als dabei die dogmatischen Probleme des § 30 OWiG übergangen werden und die Regelung als solche grundsätzlich akzeptiert wird. Insoweit gilt auch für Deutschland hinsichtlich einmal eingeführter Institute die normative Akzeptanz des Faktischen. Soweit in Deutschland die Möglichkeit der Unternehmensstrafbarkeit bejaht wird, steht im Mittelpunkt der Bearbeitungen die Suche nach einer auf das Unternehmen zugeschnittenen Verantwortlichkeitsregelung, also einem entsprechenden Tatbestand. Die Vorschläge sind allerdings sehr unterschiedlich, da nicht alle auf einem Unternehmensverschulden gründen und strafrechtliche Alternativen wie Maßregeln einbezogen werden. Zahlreiche Bearbeitungen behandeln die Thematik nicht nur grundsätzlich, sondern machen auch konkrete Formulierungsvorschläge für einen Tatbestand. Im Vordergrund der Diskussion stehen dabei die Modelle, die an eine Mitarbeitertat anknüpfen, die Individualtatmodelle. Reine Individualtatmodelle werden nur vereinzelt vertreten, die überwiegende Mehrzahl der Ansätze zielt auf ein modifiziertes Individualtatmodell, das durch mindestens ein unterneh____________ 48 Ebenso zu diesem Befund Lütolf, Strafbarkeit, S. 99. Ein Gegenbespiel ist v. Freier, Verbandsstrafe (1998), der sich eingehend mit einer Widerlegung der Unternehmensstrafbarkeit auseinandersetzt. 49 Vgl. nur die Mehrheit im Abschlussbericht der Kommission zur Reform des Sanktionenrechts in Hettinger (Hrsg.), Reform, S. 352.
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mensspezifisches Element gekennzeichnet ist. Kaum vertreten werden kollektive Ansätze, die sich gänzlich von der Mitarbeitertat lösen. In den USA konzentriert sich die Diskussion auf die Bestimmung des Unternehmensverschuldens, da sich hier die Probleme des an der vicarious liability orientierten Ansatzes als Ausnahme von den allgemeinen Prinzipien des Strafrechts am deutlichsten zeigen. Deshalb wurden in den letzen zwei Jahrzehnten vielfach Ansätze entwickelt, die das kollektive Element in der Verantwortungszuschreibung durch Einbeziehung innerbetrieblicher Vorgaben und Abläufe stärken wollen. Häufig bewegen sich diese Erwägungen allein auf abstrakter Ebene und es bleibt offen, wie die Überlegungen in einen konkreten Tatbestand umgesetzt werden könnten. Der wichtigste Regelungsvorschlag stammt immer noch aus dem Jahr 1962: der des Model Penal Code. Dieser Modellentwurf ist nicht nur einer der am besten durchdachten Vorschläge, sondern auch in seiner konkreten Ausgestaltung von aktuellem Interesse. Er ist bereits früh auf die Möglichkeit einer due diligence defense eingegangen und daher für die Frage einer Berücksichtigung von Compliance-Programmen zum Ausschluss der Verantwortlichkeit von Relevanz.50 Hier zeigt sich, dass die aktuelle Diskussion in diesem Punkt keine gänzlich neue Entwicklung ist, sondern nur eine Fortschreibung der früheren Problematik. Mit der Einbeziehung einer due diligence defense hat der Vorschlag auch bereits früh ein Modell eines verschuldensbasierten Unternehmensstrafrechts im Sinne eines modifizierten Individualtatmodells aufgezeigt.
____________ 50 Die Attraktivität des MPC reicht über die USA hinaus, vgl. bspw. Hefendehl, 4 Buff. Crim. L. Rev. (2000-01), S. 283 (299), der den MPC-Vorschlag, angereichert mit dem Aspekt des Nachweises eines Organisationsverschuldens, als gute allgemeine Diskussionsbasis ansieht.
§ 18 Sanktionen Der nachfolgende Teil widmet sich den Sanktionen gegen Unternehmen. Zuerst wird auf die allgemeine Struktur der Sanktionssysteme eingegangen (A.). Sodann wird die Frage der Sanktionsfähigkeit kurz behandelt (B.), bevor auf die einzelnen Sanktionsarten und die Sanktionsbemessung im Detail eingegangen wird (C.). Den Abschluss der Betrachtungen bildet ein übergreifender Überblick über die Bedeutung von Compliance-Programmen (D.). A. Allgemeine Struktur der Sanktionssysteme Im Ansatz weisen die Sanktionssysteme in den USA und Deutschland bedeutende Unterschiede auf. Diese Unterschiede sind weniger historisch begründet als vor allem den Reformen in den USA seit Mitte der 1980er Jahre geschuldet. Die Veränderungen haben dazu geführt, dass der Sanktionsbereich im amerikanischen Bundesstrafrecht heutzutage stark strukturiert und von zahlreichen Detailvorgaben geprägt ist. Das deutsche Ordnungswidrigkeitenrecht (wie auch das Strafrecht) verzichtet dagegen auf Detailregelungen und gibt neben dem Bußgeldrahmen nur allgemeine Wertungskriterien vor, deren Anwendung und Auslegung weitgehend dem Ermessen des Richters überlassen ist. Das amerikanische Recht war im Bereich der Strafzumessung bis in die 1980er Jahre wie das heutige deutsche Recht von einem weiten Ermessen der Richterschaft geprägt, wie es im traditionellen System des common law an sich nicht anders zu erwarten ist. Umso erstaunlicher ist die radikale Abkehr von diesem indeterminate sentencing zu einem determinate sentencing durch Strafzumessungsrichtlinien. Die Balance wurde im neuen System stark zugunsten der Legislative unter Beschneidung der Kompetenzen der Judikative verschoben. Erklären lässt sich dies sicherlich mit den zahlreichen Defiziten, die die Strafzumessung im Bundesstrafrecht vor Einführung der Strafzumessungsrichtlinien aufwies.1 Hier hatte es die Judikative insbesondere versäumt, zumindest in Grundsätzen eine Strafzumessungsdogmatik zu entwickeln, sodass diese Aufgabe nunmehr von der Legislative übernommen wurde. Zum anderen lässt sich die Entwicklung mit dem zunehmenden Ausbau des Bundesstrafrechts erklären. Dieser wurde in den letzten Jahrzehnten durch legislative Akte des Kongresses immer weiter vorangetrieben, um auf Bundesebene ein gegenüber den Bundesstaaten eigenständiges Strafrechtssystem zu etablieren (und somit eine Machtverschiebung im föderalen Gefüge zugunsten des Bundes zu erreichen). Der Systemwechsel hin zu einer stark strukturierten Strafzumessung ist nicht ohne Probleme erfolgt. Insbesondere das Verhältnis zwischen Legislative und Judikative ist noch nicht abschließend austariert. Die Rechtsprechung des U.S. ____________ 1
Vgl. dazu oben S. 116 ff.
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Supreme Court ist mit der grundlegenden Entscheidung des Booker-Urteils im Jahr 2005 zu einer ersten salomonischen Lösung zwischen legislativen Vorgaben und richterlichem Ermessen gekommen, die nunmehr in zahlreichen Einzelfragen konkretisiert wird.2 Nach derzeitigem Stand haben die Richter die Strafzumessungsrichtlinien zu beachten, aber an vielen Stellen die Möglichkeit, Einzelheiten des Falls im Rahmen einer Ermessensentscheidung zu berücksichtigen. Für den Bereich der Unternehmensstrafbarkeit waren die Richtlinien ein wichtiger Schritt, auch wenn sie immer noch nicht für alle Straftatbestände gelten.3 Der Mangel an Dogmatik und Vorgaben war beim Unternehmensstrafrecht besonders deutlich zu spüren. Mit den Richtlinien wurde eine verlässliche, transparente und kalkulierbare Regelung eingeführt, die den Richter bei der Bestimmung der Art der Strafe und deren Höhe unterstützte. Während die Richtlinien bei der Bestrafung der natürlichen Personen zu einer deutlichen Abkehr von einer Individualisierung der Strafe zugunsten einer mehr tatbezogenen Strafe geführt haben,4 wurde mit den Richtlinien für Unternehmen erstmals eine Individualisierung der Strafe ermöglicht. Zahlreiche neue Elemente (insbesondere Compliance-Programme) wurden zudem in die Strafzumessung integriert, die zuvor mehr dem Unternehmensrecht zugeordnet worden waren und/oder in diesem Umfang gar nicht von rechtlicher Relevanz gewesen waren. Ein nach wie vor bestehendes Problem der Strafzumessungsrichtlinien für Unternehmen ist ihre geringe dogmatische Untermauerung, da zwar zwei grundlegende Ansätze (just desert und ökonomische Analyse des Rechts) diskutiert wurden, jedoch jeweils nicht mehrheitsfähig waren.5 Insbesondere die in der Literatur und seit der Ernennung von Richard Posner zum Bundesrichter auch in der Rechtsprechung starke Stellung der ökonomischen Analyse des Rechts konnte sich in der legislativen Praxis nicht durchsetzen.6 Konsensfähig war eine Regelung der Richtlinien, die sich primär mit der Lösung von Detailproblemen begnügte, im grundsätzlichen Ansatz jedoch weitgehend offenblieb. Dieser Kompromiss ist somit im Rahmen der Auslegung der Richtlinien kaum von Nutzen. Einzige Ausnahme ist, dass sie zentral auf ein Verschulden des Unternehmens für die Strafzumessung abstellen. Sie sind damit die ersten Regelungen seit dem Vorschlag des Model Penal Code und dessen Einfluss auf das Recht der Bundesstaaten. Der just desertAnsatz wurde inhaltlich dabei insoweit umgesetzt, als er eine Geldstrafe nur bei einer individuellen Verantwortlichkeit des Unternehmens vorsieht. ____________ Vgl. dazu oben S. 194 ff. Vgl. dazu oben S. 147 f., 154 f. 4 So die Feststellung von Whitman, 1 Annu. Rev. Law. Soc. Sci. (2005), S. 17 (32). 5 Vgl. dazu oben S. 130 ff. 6 Richard Posner wurde 1981 zum Bundesrichter ernannt und hat mit seiner 1973 erstmals erschienen Monografie der „Economic Analysis of Law“ die Diskussion maßgeblich geprägt. Vgl. zur Entwicklung der ökonomischen Analyse des Rechts in den 1980er Jahren Grechenig/Gelter, RabelsZ 72 (2008), 513 (536 f.). 2 3
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Im deutschen Recht ist die Bestimmung der Sanktion für das Unternehmen kaum geregelt. § 30 OWiG gibt nur Anhaltspunkte für den Sanktionsrahmen, jedoch nicht für die inhaltliche Bemessung der Sanktion. Zwar lassen sich hierzu die Kriterien des § 17 OWiG heranziehen, diese sind jedoch weder besonders umfangreich oder detailliert noch können sie ohne Anpassung auf Unternehmen angewandt werden.7 Die Rechtsprechung selbst hat die Sanktionsbemessung für Unternehmen bislang ebenfalls kaum systematisch weiterentwickelt. Die Situation des deutschen Rechts ähnelt daher der Lage in den USA vor Einführung der Strafzumessungsrichtlinien. Es verwundert nicht, dass in speziellen Bereichen wie dem Kartellrecht inzwischen Richtlinien erlassen wurden, die die Bußgeldbemessung strukturieren und zumindest einige der einzustellenden Bewertungskriterien festlegen.8 Diese Richtlinien besitzen allerdings keine Rechtsverbindlichkeit wie Gesetze, sondern können als interne Verwaltungsvorgaben nur (aber immerhin) die handelnde Behörde binden.9 Auch ist die faktische Vorwirkung für ein sich ggf. anschließendes gerichtliches Verfahren nicht zu unterschätzen. B. Sanktionsfähigkeit Im deutschen Recht wird die Straffähigkeit von Unternehmen teilweise verneint.10 Dies betrifft – mangels originärer Unternehmensstrafbarkeit – bislang nur die Diskussion de lege ferenda. Die Sanktionsfähigkeit von Unternehmen unter ordnungswidrigkeitenrechtlichen Gesichtspunkten wird dagegen praktisch nicht diskutiert oder in Abrede gestellt. Dies gründet vor allem darin, dass die Straffähigkeit vor allem mit der mangelnden Empfänglichkeit des Unternehmens für den mit der Strafe verbundenen Tadel verneint wird. Da dem Ordnungswidrigkeitenrecht dieser sittliche Tadel nicht innewohnt, sondern es als sozial-ethisch neutral gilt, stellt sich für die Unternehmensgeldbuße das Problem der Sanktionsfähigkeit des Unternehmens nicht. Im amerikanischen Recht wird die Frage einer Straffähigkeit als solche kaum diskutiert. Sie wird inhaltlich vor allem dann aufgeworfen, wenn es darum geht, welche Zwecke die Bestrafung des Unternehmens leiten können. Hierbei wird zumeist der Vergeltungsgedanke verworfen, da das Unternehmen für den moralischen Vorwurf nicht empfänglich sei.11 Damit wird die gleiche Argumentation gewählt, mit der in der deutschen Diskussion zumeist die Straffähigkeit verneint wird. Die Straffähigkeit wird im amerikanischen Recht somit primär in Bezug zu den mög____________ Vgl. dazu oben S. 430 ff. Vgl. dazu oben S. 432. 9 Siehe Dannecker/Biermann, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, Bd. 2, vor § 81 Rn. 469 ff. 10 Vgl. dazu oben S. 358. 11 Vgl. dazu bereits S. 82. 7
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lichen Strafzwecken gesehen, weniger jedoch als Ausschlussgrund für die Annahme einer Unternehmensstrafe. C. Sanktionsarten und Sanktionsbemessung Im Rahmen der konkreten Sanktionen und ihrer Bemessung wird zunächst auf die Geldstrafe und die Geldbuße näher eingegangen (I.). Darauf folgt die Erörterung der amerikanischen Bewährungsstrafe und ihrer Entsprechungen im deutschen Recht (II.). Um das Bild funktional äquivalenter Maßnahmen abzurunden, wird zudem auf weitere straf- und ordnungswidrigkeitenrechtliche Sanktionen eingegangen (III.) und der Blick schließlich über diese hinaus erweitert (IV.). I. Geldstrafe/Geldbuße Mit der Geldstrafe in den USA und der Geldbuße in Deutschland stellen beide Rechtssysteme eine monetäre Ahndung in den Mittelpunkt ihrer Sanktionen gegen Unternehmen. Der größte Unterschied zwischen beiden Sanktionen liegt im bereits angesprochenen Sanktionscharakter, der auf der Einstufung als Straftat im amerikanischen Recht bzw. als Ordnungswidrigkeit im deutschen Recht beruht. Die Geldstrafe gilt in den USA als „echte“ Strafe. Die Ordnungswidrigkeit gilt in Deutschland dagegen nicht als einer Strafe vergleichbare Sanktion. Hinzu kommt, dass die Unternehmensgeldbuße vom Gesetzgeber gar nicht als originäre Geldbuße gedacht war, sondern allein als eine Nebenfolge. Diese missglückte Konstruktion wurde jedoch 1986 klarstellend zugunsten einer echten Hauptfolge aufgegeben.12 Der zweite entscheidende Unterschied liegt in der ebenfalls bereits angesprochenen Bestimmung der Strafe. Das amerikanische Recht hält hierzu detaillierte Vorgaben durch die Strafzumessungsrichtlinien bereit, die das Ermessen des Richters zumeist stark begrenzen, zumindest aber umfassend strukturieren und anleiten. Das deutsche Recht dagegen bietet dem Richter einen umfassenden Spielraum und gibt nur wenige allgemeine Kriterien vor. 1. Bestimmung des Sanktionsrahmens Die Festlegung der Geldstrafe bzw. der Geldbuße richtet sich im amerikanischen wie auch im deutschen Recht nach dem für die Tat zur Verfügung stehenden Strafrahmen. Im deutschen Recht bereitet die Bestimmung des Strafrahmens keine größeren Schwierigkeiten. Im amerikanischen Recht dagegen ist die Ermittlung des Strafrahmens der umfangreichste und entscheidende Schritt für die genaue Festlegung der Strafe. ___________ 12
Vgl. dazu oben S. 331 f.
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4. Kapitel: Rechtsvergleichung
Im deutschen Recht ergibt sich der Strafrahmen für die meisten Fälle klar und eindeutig aus § 30 OWiG. Für den Höchstbetrag kommt es dabei nicht auf den speziellen Tatbestand, sondern typisierend allein darauf an, ob die Anknüpfungstat Straftat oder Ordnungswidrigkeit war. Dies führt dazu, dass der gleiche Sanktionsrahmen gilt, unabhängig davon, ob die Anknüpfungstat ein Mord oder nur ein einfacher Diebstahl ist. Gleiches gilt für den niedriger angesetzten Sanktionsrahmen für Ordnungswidrigkeiten, der beispielsweise nicht zwischen reinen Ordnungsverstößen und (Straftat ähnlichen) Vorschriften unterscheidet, die ein klar bestimmtes Rechtsgut schützen. Der Strafrahmen ist weit gezogen und reicht im Normalfall bei Vorsatzdelikten von 5 bis zu 1 Mio. Euro, bei Fahrlässigkeitsdelikten von 5 bis zu 500.000 Euro. Im amerikanischen Recht erfolgt die Ermittlung des Strafrahmens in mehreren Schritten. Seine Berechnung entfällt allerdings, wenn das Unternehmen als kriminelle Organisation eingestuft wird. In diesem Fall wird eine Geldstrafe verhängt, die zum Entzug aller Vermögenswerte führt. Ansonsten wird zunächst ein Ausgangswert für die Berechnung ermittelt, der Grundbetrag. Dieser Grundbetrag kann sich nach dem durch die Tat verursachten Verlust seitens der Opfer oder nach dem Gewinn des Unternehmens aus der Tat richten. Zugrunde gelegt wird der höchste Betrag. Damit setzen die Richtlinien im Grundsatz auf eine abschreckende Wirkung durch hohe Sanktionen. Die Bestimmung des Grundbetrags hat dabei einen engen Bezug zur Tathandlung, wenn auf die durch die Handlung ausgelösten Folgen in Form des Verlusts oder des Gewinns abgestellt wird. In der Praxis werfen die Bestimmung des Verlusts und des Gewinns kaum lösbare beweisrechtliche Probleme auf, die sich häufig nur durch pauschalisierende Schätzungen lösen lassen. Einfacher zu bestimmen ist die dritte Variante zur Ermittlung des Grundbetrags, die sich nach der Schwere des Delikts richtet. Hiermit findet sich eine dem § 30 OWiG unbekannte Anknüpfung der Strafe unmittelbar am Tatbestand. Allerdings können für die Bestimmung des Ausgangswerts zahlreiche Einzelfaktoren berücksichtigt werden, die nicht Teil des gesetzlichen Tatbestands sind. Dies brachte beweisrechtliche Probleme hinsichtlich des Standards der Beweisführung mit sich: Die Probleme sind inzwischen durch den U.S. Supreme Court jedoch dahingehend geklärt, dass belastende Faktoren in der Strafzumessung entweder zugestanden oder wie Tatbestandsmerkmale durch eine Jury festgestellt worden sein müssen.13 Es gelten somit die gleichen Beweisanforderungen wie für den Nachweis des Tatbestands auch. Nachdem der Grundbetrag bestimmt ist, ist im amerikanischen Recht der Schuldwert zu ermitteln. Ein derartiger Punkt findet sich im deutschen Recht bei der Festlegung des Strafrahmens nicht. Die Schuld wird anhand von sechs Kriterien gemessen, die einen gemittelten Ausgangswert nach oben und unten verändern ____________ 13
Vgl. dazu oben S. 191 ff.
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können. Die sechs Kriterien beziehen mehr tatbezogene Faktoren (Beteiligung von Führungspersonen an der Tat, Begehung der Tat trotz Vorhandensein eines Compliance-Programms), mehr täterbezogene Faktoren (Vorstrafen, Verstoß gegen gerichtliche Anordnungen) und das Nachtatverhalten (Behinderung der Justiz bzw. Kooperation mit Behörden) mit ein. Der wichtigste Strafschärfungsgrund ist die Beteiligung von Führungspersonen an der Tat. Die Erhöhung des Schuldwerts richtet sich in diesem Punkt nach der Größe des Unternehmens und schafft somit ein differenziertes System. Als Strafmilderung kommen Compliance-Programme infrage (vgl. dazu unten unter D.) und zudem die Kooperation mit den Ermittlungsbehörden. Kritisch zu sehen ist die weitgehend willkürliche Festlegung des Ausgangswerts, die vor allem der späten Einbeziehung im Gesetzgebungsverfahren geschuldet ist.14 Auch überwiegt das Bestreben, eine abschreckend hohe Geldstrafe zu erreichen. Vier strafschärfenden Umständen stehen nur zwei mildernde gegenüber. Da die Liste abschließend ist, können auch keine weiteren Faktoren herangezogen werden. Nichtsdestoweniger ermöglichen die Richtlinien eine differenzierte Ermittlung des Schuldwerts und geben damit den Gerichten in der langen Geschichte der Unternehmensstrafe erstmals klare Kriterien zur Bestimmung der Unternehmensschuld an die Hand. Ist der Schuldwert ermittelt, wird aus einer Tabelle ein Minimum- und Maximummultiplikator entnommen. Durch Multiplikation mit dem Grundbetrag wird der Strafrahmen errechnet. Im Normalfall ergibt sich eine Strafe, die über dem Grundbetrag liegt. So wird insbesondere sichergestellt, dass die Strafe einen erzielten Gewinn übersteigt (und klar zum Ausdruck kommt, dass sich Straftaten finanziell nicht lohnen). Da durch die Milderungen des Schuldwerts auch Multiplikatoren unter 1,0 möglich sind, setzten die Richtlinien einen berechenbaren Anreiz für eine Strafe, die unter dem Grundwert liegt. Bedauerlicherweise führt nicht einmal die Hälfte aller möglichen Schuldwerte zu verschiedenen Multiplikatoren, da eine Deckelung sowohl nach oben als auch nach unten stattfindet. Die differenzierte Ermittlung der Schuld wird damit im nächsten Schritt durch eine Pauschalisierung konterkariert. Im Ergebnis verbleibt es jedoch dabei, dass im Grundsatz ein an der Schuld orientierter Strafrahmen zur genauen Bemessung der Strafe zur Verfügung steht. Der Strafrahmen ist dabei anders als im deutschen Recht eng begrenzt. Die Höchststrafe liegt durchweg maximal beim doppelten der Mindeststrafe (also z.B. zwischen 100.000 und 200.000 US-Dollar). Die ausdifferenzierte Bestimmung des Strafrahmens garantiert, dass der Richter die legislativen Vorgaben im Einzelnen berücksichtigen muss. Sein Ermessen wird somit stark begrenzt und geleitet. Allerdings ist der Strafrahmen an zahlreichen Punkten entscheidend von der Annahme bzw. Nichtannahme konkreter Umstände beeinflusst. Kleine Wertungsunterschiede können hierbei große Unterschiede im Strafrahmen nach sich ziehen. Der Richter kann letztlich den Strafrahmen an diesen ____________ 14
Vgl. dazu oben S. 143 ff.
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Punkten doch bedeutend beeinflussen. Die vor den Richtlinien bestehende pauschale Ermessenausübung wurde durch ein umfangreiches „Mikromanagement“ ersetzt. 2. Höchststrafe/höchste Sanktion Die Höhe der Geldbuße liegt im deutschen Recht nach § 30 OWiG bei maximal 1 Mio. Euro. Eine Ausnahme bildet das Kartellrecht in § 81 GWB, das eine Geldbuße bis zu 10 % des letzten Jahresumsatzes des Unternehmens erlaubt und damit bereits im Normalfall weit über die Grenze des § 30 OWiG hinausreichen kann. Die Vorschrift des § 81 GWB ist im Vergleich zu § 30 OWiG auch deswegen bemerkenswert, da sie eine nach oben offene Sanktion ermöglicht. Die Grenze von 1 Mio. Euro kann bei § 30 OWiG dann überschritten werden, wenn dies die Abschöpfung von Vorteilen der Tat erfordert. Der übersteigende Betrag hat dann allerdings nur den Entzug erlangter Vorteile zum Ziel und nicht Sanktionscharakter. Im Fall Siemens war der abschöpfende Anteil 200-mal bzw. 1.579-mal höher als der ahndende Teil.15 Der Aspekt der Ahndung ist in diesem Fall praktisch unbedeutend. Die Höchststrafe im amerikanischen Recht ist im Vergleich zum deutschen Recht individualisiert. Es besteht keine wie in § 30 OWiG pauschalisierte Obergrenze. Vielmehr ergibt sich die Obergrenze grundsätzlich aus dem berechneten Strafrahmen. Auch wenn das amerikanische Bundesstrafrecht grundsätzlich zu sehr hohen Strafen neigt, gilt dies nicht durchgehend für Unternehmen.16 Denn bei der Annahme eines durchschnittlichen Schuldwerts ergibt sich für zahlreiche Delikte eine Höchststrafe, die teilweise weit unter 1 Mio. US-Dollar (und somit auch deutlich unter dem Wert von § 30 OWiG) liegt.17 Die geringstmögliche Höchststrafe beträgt 1.000 US-Dollar.18 Die Strafen steigen aber mit zunehmender Schwere des ____________ Vgl. zum Fall Siemens oben S. 2 ff. Im Bereich der Unternehmensstrafbarkeit ist die Problematik „exorbitanter“ Strafen gegenüber natürlichen Personen darüber hinaus aus zwei Gründen weniger dramatisch. Zum einen wegen der nicht vorhandenen Möglichkeit der Verhängung sehr langfristiger Freiheitsstrafen (die v.a. bei Betäubungsmitteldelikten bereits beim Besitz geringer Mengen zu jahrzehntelangen Freiheitsstrafen führen). Zum anderen wegen der Möglichkeit der Reduzierung der Geldstrafe, wenn sie die Leistungsfähigkeit des Unternehmens übersteigt. 17 Bei der Annahme eines Schuldwerts von 5 (was zu einem maximalen Multiplikator von 2,00 führt) erreicht man aufgrund der nach der Schwere des Delikts berechneten Strafe (vgl. § 8 C 2.4 USSG) erst bei der 19. Stufe (von 38 relevanten Stufen) die Grenze von 1 Mio. US-Dollar. Bei Stufe 10 ergibt sich eine Höchststrafe von 40.000 US-Dollar, bei Stufe 13 eine von 120.000 US-Dollar, bei Stufe 16 von 350.000 US-Dollar. So ergibt sich bspw. für einen einfachen Betrug, der auf Stufe 7 anzusiedeln ist (vgl. § 2 B 2.1 USSG), ein Höchstbetrag von 15.000 US-Dollar. 18 Dies gilt für einen Schuldwert von 0 oder weniger (was zu einem maximalen Multiplikator von 0,20 führt) und ein Delikt auf der untersten Stufe der Schwereskala. Wird die Strafe nach dem Verlust bzw. Gewinn berechnet, kann sich ggf. sogar ein noch niedrigerer Wert ergeben. 15
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Delikts deutlich an. Auf der höchsten Stufe ergibt sich eine mögliche Höchststrafe von 150 Mio. US-Dollar, die ein Vielfaches über der Grenze des § 30 OWiG liegt. Wird die Strafe nach dem erzielten Gewinn bzw. verursachten Verlust berechnet, ist die Höchststrafe sogar nach oben offen, da nur für die Berechnung nach der Schwere des Delikts Tabellenwerte existieren. Besondere Berechnungsmodalitäten gelten dabei für das Kartell- und Wettbewerbsrecht sowie für Bestechungsdelikte.19 Die Besonderheiten ermöglichen die Verhängung einer deutlich über dem normalen Tabellenhöchstsatz liegenden Strafe. 3. Bestimmung der Sanktion innerhalb des Sanktionsrahmens und etwaige Abweichungen vom Sanktionsrahmen Die Sanktionsbemessung steht im deutschen Recht grundsätzlich im Ermessen der Behörde bzw. des Gerichts. § 30 OWiG gibt keine Anhaltspunkte, wie die Sanktion konkret zu bemessen ist. Zieht man § 17 OWiG zur Bemessung der Geldbuße nach § 30 OWiG heran, orientiert diese sich in starkem Maß an dem individuellen Vorwurf, der dem Täter gemacht wird. Täter ist nach vorliegendem Verständnis in diesem Fall das Unternehmen,20 sodass das deutsche Recht wie das amerikanische im Rahmen der Sanktionsbemessung zentral auf eine spezifische Unternehmensverantwortlichkeit abstellt. Kern der Sanktionsbemessung ist die Beurteilung der Tat des Mitarbeiters im Unternehmenskontext. Hierbei kann auch das Nachtatverhalten des Unternehmens berücksichtigt werden. Insoweit können die Kriterien, die in den amerikanischen Strafzumessungsrichtlinien zur Beurteilung der Unternehmensschuld aufgeführt sind, überwiegend auch im deutschen Recht herangezogen werden. Systematisch besteht allerdings der Unterschied, dass die Kriterien im amerikanischen Recht zwingend geprüft werden müssen, während sie im deutschen Recht im Rahmen der Ermessensentscheidung frei geprüft werden können. Da die konkrete Ausübung des Ermessens im Einzelfall nicht unproblematisch ist (insbesondere welche Faktoren überhaupt heranzuziehen sind), sind die beispielsweise vom Bundeskartellamt herausgegebenen Richtlinien zur Bußgeldbemessung von großer praktischer Bedeutung. Die Richtlinien machen deutlich, dass auch im deutschen Recht in dieser Hinsicht ein Bedarf an grundlegenden Leitlinien besteht. Neben der Ahndung dient die Geldbuße des § 30 OWiG auch der Abschöpfung von Vorteilen, die das Unternehmen erlangt hat. Wie bereits ausgeführt, kann die Grenze des § 30 OWiG nach oben überschritten werden. Wenn dabei der vorliegend vertretenen Meinung folgend das Bruttoprinzip für die Berechnung der erlangten Vorteile herangezogen wird,21 ist eine umfangreiche Entziehung aller Ver____________ 19 20 21
Vgl. dazu oben S. 184 f. Vgl. hierzu (auch zu abweichenden Ansichten) oben S. 434 f. Vgl. dazu oben S. 437 f.
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mögenswerte möglich, die das Unternehmen erlangt hat. Allerdings bestehen auch für den abschöpfenden Teil keine gesetzlichen Vorgaben, sodass zahllose Einzelfragen ungeklärt und umstritten sind.22 Im amerikanischen Recht hat der Richter ebenfalls Ermessen bei der Festlegung der konkreten Strafe. Aufgrund des engen Strafrahmens ist der Spielraum zur Ausübung des Ermessens aber deutlich geringer als im deutschen Recht. Bedeutung erlangt daher die Frage, inwieweit der Richter die von den Richtlinien ausnahmsweise erlaubten Abweichungen vom Strafrahmen vornehmen kann. Die verfassungsrechtliche Entwicklung hat in den letzten Jahren zur deutlichen Stärkung der richterlichen Ermessensausübung geführt, da der U.S. Supreme Court das Recht der Richter zu Abweichungen von dem nunmehr nur als unverbindliche Leitlinie geltenden Richtliniensystem betont hat.23 Der Richter hat somit inzwischen nicht nur ein breites Ermessen für die Bestimmung der Strafe innerhalb des ermittelten Strafrahmens, sondern zudem bei der Frage, ob er vom ermittelten Strafrahmen abweichen kann. Für die Ausübung des Ermessens stellen die Richtlinien zahlreiche Vorgaben dahingehend auf, welche Umstände und welche Zielsetzung bei der Strafzumessung verfolgt werden sollen. Damit geben die Richtlinien wertvolle Anhaltspunkte. Misslich ist aber, dass sie wie das Gesetz selbst mögliche Strafzwecke nur (umfassend) auflisten, jedoch keine Wertung treffen. Es ist somit jedem Richter überlassen, ob er beispielsweise den Aspekt der Abschreckung als generalpräventive Erwägung, die Reform des Unternehmens im Sinne der Spezialprävention oder andere Elemente vorrangig gewichtet. Die Lage stimmt hier mit dem deutschen Recht überein, das ebenfalls auf eine konkrete Festlegung bestimmter Straf- und Sanktionszwecke verzichtet hat. Als zentrales Element zur Bestimmung der konkreten Strafe hat der Richter nach den Richtlinien ähnlich dem deutschen Recht die Unternehmensschuld zu berücksichtigen. An dieser Stelle kann die teilweise Bedeutungslosigkeit des ermittelten Schuldwerts innerhalb der Berechnung des Strafrahmens wieder korrigiert werden, auch wenn ein vollständiger Ausgleich kaum möglich ist.24 Bedeutung kommt insoweit der Frage zu, inwieweit ein Richter vom Strafrahmen der Richtlinien abweichen und damit Korrekturen vornehmen kann. Die verfassungsgerichtlich eingeräumte Freiheit zur Ermessensausübung gibt hier dem Richter erheblichen Spielraum, insbesondere da damit Bestrebungen des Kongresses, Abweichungen nach unten legislativ zu unterbinden, vorerst gescheitert sind. Der Richter ist daher weitgehend frei, den Strafrahmen aufgrund mildernder Umstände zu unterschreiten. Für eine Überschreitung bestehen dagegen Restriktionen. Die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung hat inzwischen klargestellt, dass strafschärfende Umstände ____________ 22 Wenn dem Bruttoprinzip gefolgt wird, entfallen allerdings zahlreiche Probleme, die im Rahmen des Nettoprinzips mit der Frage der abzugsfähigen Posten verbunden sind. 23 Vgl. eingehend zur verfassungsrechtlichen Entwicklung oben S. 190 ff. 24 Vgl. dazu oben S. 178 f.
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wie beim Schuldspruch beyond reasonable doubt nachgewiesen werden müssen. Nur wenn dieser Nachweis (vor allem im Erkenntnisverfahren) erfolgt ist, kann das Gericht die Strafe schärfen. Diese strengen Voraussetzungen an den Nachweis strafschärfender Umstände entsprechen weitgehend der deutschen Rechtslage, die für den Nachweis von Strafzumessungstatsachen die gleichen (strengen) Voraussetzungen wie für den Nachweis von tat- und schulderheblichen Umständen aufstellt. Wie im deutschen Recht kann die Unternehmensstrafe auch im amerikanischen Bundesstrafrecht der Abschöpfung des erlangten Vorteils beim Unternehmen dienen. Die nach den Richtlinien ermittelte Strafe kann um den Anteil erhöht werden, der durch die Wiedergutmachungsanordnung(en) nicht abgeschöpft wird. Bestrafung und Entzug von erlangten Vermögensvorteilen gehen so in beiden Rechtsordnungen Hand in Hand. 4. Bestimmung der Sanktion beim Vorliegen mehrerer Anknüpfungstaten Ein grundlegender Unterschied zwischen dem deutschen und dem amerikanischen Recht liegt in der Behandlung der Mehrheit von Taten. Die prozessuale Verbindung von der Klärung der Schuldfrage mit der Sanktionszumessung führt dazu, dass der Schuldspruch im deutschen Recht nicht alle verwirklichten Tatbestände bezeichnet, sondern nur diejenigen, für die der Täter letztlich bestraft wird. Die Trennung von Erkenntnis- und Strafzumessungsverfahren im amerikanischen Recht führt dagegen dazu, dass zunächst ein Schuldspruch wegen aller verwirklichten Tatbestände erfolgt und dann im zweiten Verfahren der Strafzumessung ermittelt wird, welche Tatbestände letztlich für die Strafe von Relevanz sind.25 Die Richtlinien sehen eigene Konkurrenzregeln vor, die eine klare Strafzumessung auch beim Vorliegen mehrerer Tatbestände erlauben. Durch diese Vorgaben konnte die vorhergehende Rechtsunsicherheit bezüglich des Umfangs mit einer mehrfachen Verurteilung weitgehend beseitigt werden. Da eine Reform des Allgemeinen Teils des Bundesstrafrechts nicht gelungen ist, konnten die Richtlinien die Konkurrenzregeln nur in der Strafzumessung verorten und keine systematische Neuregelung (z.B. ähnlich der Stellung der deutschen Konkurrenzregeln) vornehmen. Im amerikanischen Recht wird bei Vorliegen mehrerer Anknüpfungstaten seitens des gleichen Mitarbeiters wie auch verschiedener Mitarbeiter nur eine Strafe gegen das Unternehmen verhängt, die auf einem erhöhten Grundwert basiert (und somit einen erhöhten Strafrahmen zur Folge hat). Unberücksichtigt bleibt nach den Strafzumessungsrichtlinien, ob die Taten auf demselben Defizit im Unternehmen beru____________ 25 In der Praxis werden zumeist aber gar nicht alle Tatbestände angeklagt, sondern sich auf einige wenige (die schwersten, aber auch vielfach die am einfachsten nachweisbaren) konzentriert.
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hen oder nicht. Dies liegt daran, dass innerhalb der Regelungen für Unternehmen nur pauschal auf die Bestimmungen für natürliche Personen verwiesen und somit die Problematik vollständig übergangen wird. Eine Korrektur ist hierbei nur im Rahmen des begrenzten Ermessens des Richters möglich. Im deutschen Recht übergeht § 30 OWiG die Problematik mehrerer möglicher Anknüpfungstaten ebenfalls. Eine differenzierte Lösung lässt sich teilweise durch die Anwendung der allgemeinen Konkurrenzregeln finden. Dies führt bei der Verwirklichung mehrerer Taten durch einen Mitarbeiter zu klaren Ergebnissen.26 Nicht aus den Konkurrenzregeln ableiten lässt sich dagegen die Verhängung nur einer Geldbuße, wenn zwar mehrere Anknüpfungstaten unterschiedlicher Mitarbeiter vorliegen, diese aber auf das gleiche Defizit im Unternehmen zurückzuführen sind. Die Lösung erklärt sich zwar befriedigend aufgrund der in § 30 OWiG normierten spezifischen Unternehmensverantwortlichkeit, sollte zur Klarstellung aber einer gesetzlichen Regelung zugeführt werden. II. Bewährungsstrafe Die Bewährungsstrafe stellt im amerikanischen Recht nach den Richtlinien neben der Geldstrafe die zweite zentrale Sanktionsmöglichkeit dar. Sie ist in Bezug auf die Art der Strafe die eigentliche Innovation der Strafzumessungsreform, da sie auf keine lange Tradition, sondern nur auf vereinzelte Ansätze in der Rechtsprechung zurückblicken konnte. Ihr Name verdeutlicht, dass sich das Unternehmen bewähren muss, indem es gerichtliche Vorgaben umsetzt. Wenn es sich nicht bewährt, führt dies zu einer verschärften oder einer Neufestlegung der Strafe. Die Bewährungsstrafe hat unterschiedliche Funktionen. Zum einen wird sie zur Gewährleistung der Durchsetzung der Geldstrafe oder von Wiedergutmachungsanordnungen verhängt. Dies wird durch spezielle Auflagen wie die regelmäßige Vorlage von Geschäftsbüchern erreicht. Eine Besonderheit ist dabei, dass auch die Verpflichtung zur Veröffentlichung der Verurteilung und der Strafe durch das Unternehmen angeordnet werden kann. Hierdurch kann nicht nur ein entsprechender Opferkreis erreicht (der ggf. sonst nicht erreichbar wäre), sondern durch die Publizität auch eine stärkere Sanktionswirkung auf das Image des Unternehmens erzielt werden. Ein Gericht hat die Bewährungsstrafe aber auch dann zu verhängen, wenn strukturelle Defizite im Unternehmen die Begehung der Tat gefördert haben. Die Richtlinien wollen durch eine Strafe erreichen, dass die Strukturen in einem Unternehmen so umgestaltet werden, dass weitere Straftaten nicht zu erwarten sind. Da im Einzelnen kaum vorhersehbar ist, welche Maßnahmen für eine Reform erforderlich ____________ 26 Zu den Friktionen, die je nach Anknüpfung an eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit entstehen können, vgl. bereits oben S. 442 f.
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sind, räumen die Richtlinien dem Richter in diesem Punkt (und im Gegensatz zur Geldstrafe) ein weites Ermessen ein. Kern der Verpflichtungen zur Reform ist im Regelfall die Erstellung eines Compliance-Programms. Da dieses die Voraussetzungen der Richtlinien erfüllen muss, kann die Verhängung der Bewährungsstrafe die weit umfangreichere Sanktion im Vergleich zur Geldstrafe darstellen. Im deutschen Recht gibt es keine der Bewährungsstrafe entsprechende Sanktion. Die Strafaussetzung zur Bewährung mit Bewährungsauflagen kennt zwar das deutsche StGB auch, aber als strafrechtliche Maßnahmen sind sie nur auf natürliche Personen anwendbar. Im Ordnungswidrigkeitenrecht bestehen diese Möglichkeiten weder für natürliche Personen noch für Unternehmen. Eine Entsprechung findet sich im deutschen Recht lediglich ansatzweise im Bereich der Veröffentlichung der Sanktionsentscheidung.27 Die Veröffentlichung ist zum Teil Praxis im Kartellrecht, allerdings ohne gesetzliche Grundlage. Die Möglichkeiten, Unternehmen in Registern einzutragen, z.B. im Gewerbezentralregister oder in den auf Länderebene vereinzelt errichteten Korruptionsregistern, stellt dagegen mangels öffentlichen Zugangs zu den Registern keine dem amerikanischen Recht gleichzusetzende Publizitätssanktion dar. Das deutsche Recht kennt auch keine straf- oder ordnungswidrigkeitenrechtliche Sanktion, die auf eine Reform der defizitären Unternehmensstrukturen gerichtet ist. Solche Eingriffe in die Unternehmensstruktur sind allenfalls verwaltungsrechtlich in Anknüpfung an Straftaten (der Mitarbeiter) oder Ordnungswidrigkeiten vorgesehen. Hier kann durch den Entzug von Erlaubnissen, das Verbot von Betätigungen, Betriebsuntersagungen oder die Verpflichtung zur Entfernung bestimmter Leitungspersonen eine Einwirkung in Einzelpunkten erreicht werden.28 Eine umfangreichere Reform ist nur dort möglich, wo gesetzliche Vorgaben bestehen, die dann im Wege des Verwaltungszwangs bei Nichtbeachtung umgesetzt werden.29 Hier erfolgt jedoch keine Anknüpfung an das Strafrecht/Ordnungswidrigkeitenrecht, sondern es wird allein auf die Nichtbeachtung öffentlich-rechtlicher Vorgaben abgestellt. Zudem steht bei verwaltungsrechtlichen Maßnahmen die Verhinderung von andauernden oder weiteren Verstößen im Vordergrund und nicht die Sanktionierung für früheres Fehlverhalten. III. Weitere straf- und ordnungswidrigkeitenrechtliche Maßnahmen 1. Verfall, Einziehung und Mehrerlösabschöpfung Aus Sicht des deutschen Rechts stellen neben der Geldbuße des § 30 OWiG Maßnahmen zur Vermögensabschöpfung das wichtigste Mittel zur Entziehung er____________ 27 28 29
Vgl. hierzu oben insbes. S. 427. Vgl. hierzu oben S. 424 ff. Vgl. hierzu oben S. 424.
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langter Vermögensvorteile dar. Die Maßnahmen des Verfalls und der Einziehung finden sich dabei sowohl im Straf- wie auch im Ordnungswidrigkeitenrecht. Daneben besteht die (strafrechtliche) Möglichkeit der Mehrerlösabschöpfung, die allerdings durch ihre Beschränkung auf nur wenige Tatbestände kaum praxisrelevant ist. Die Besonderheit dieser Maßnahmen liegt darin, dass Unternehmen hier auch Adressaten strafrechtlicher Normen sein können. Dies wird für möglich gehalten, da die Maßnahmen nicht als eigentliche Strafen, sondern nur als Nebenfolgen eigener Art begriffen werden.30 Die Einstufung als Nebenfolgen hat zur Konsequenz, dass die Folgen grundsätzlich unter Verzicht auf das Schuldprinzip verhängt werden können. Eine schuldhaft begangene Handlung ist somit nicht Voraussetzung, was die Anwendung auf Unternehmen maßgeblich erleichtert. Die Anordnung des Verfalls ermöglicht die Abschöpfung von vermögenswerten Zuflüssen, die ein Unternehmen durch die Begehung einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit erlangt hat. Der Verfall ist neben der Geldbuße nach § 30 OWiG ausgeschlossen, da eine etwaige Abschöpfung bereits durch die Erhöhung der Geldbuße erfolgen kann. Insoweit ist ein Verfall nur von Relevanz, wenn eine Sanktionierung des Unternehmens nicht stattfinden soll oder kann, diesem aber erlangte Vermögenspositionen dennoch entzogen werden sollen. Der Verfall kommt bei allen strafrechtlichen Tatbeständen infrage, ist also nicht nur auf bestimmte Konstellationen beschränkt. Die Möglichkeiten der Abschöpfung sind durch Anwendung des Bruttoprinzips äußerst umfassend.31 Aufgrund dieser im Bruttoprinzip angelegten Sanktionswirkung ist der Verfall (entgegen der Rechtsprechung) als strafähnliche bzw. als sanktionsähnliche Maßnahme einzustufen.32 Der Unterschied zu § 30 OWiG ist damit nicht sonderlich groß, vor allem angesichts des geringen Anteils des ahndenden Betrags bei großen Abschöpfungsbeträgen. Insoweit stellt der Verfall eine echte Sanktionsalternative zur Geldbuße dar: Bei geringeren Voraussetzungen an den Nachweis wird ggf. fast das gleiche Ergebnis erreicht. Eine weitere präventive Wirkung kann mit dem Verfall allerdings nicht erzielt werden, da dessen Anordnung nicht wie eine Sanktion nach § 30 OWiG in das Gewerbezentralregister eingetragen wird. Die Einziehung ist anders als der Verfall neben einer Geldbuße nach § 30 OWiG statthaft und ermöglicht die Entziehung von Gegenständen, die für eine Straftat gebraucht wurden oder aus ihr hervorgegangen sind. Die strafrechtliche Einziehung bezieht sich wie der Verfall auf alle Straftatbestände, im Ordnungswidrigkeitenrecht dagegen nur auf solche, die die Einziehung explizit vorsehen. § 75 StGB und § 29 OWiG gestatten ausdrücklich die Erstreckung der Einziehung auf Unterneh____________ 30 Verfall und Einziehung werden nach § 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB als Maßnahme bezeichnet. Diese Bezeichnung ist allerdings keine Definition und trägt keinen bestimmten materiellen Gehalt in sich, vgl. Sch/Sch-Eser, § 11 Rn. 64 ff. 31 Im Einzelnen ergeben sich Unterschiede zwischen der strafrechtlichen und der ordnungswidrigkeitenrechtlichen Verfallsanordnung, vgl. hierzu bereits oben S. 337 und 420. 32 Vgl. zur Einstufung bereits oben S. 341.
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men, wenn ein leitender Mitarbeiter gehandelt hat. Die Definition der betroffenen Unternehmen und des leitenden Mitarbeiters sind praktisch identisch mit der in § 30 OWiG. Die Einziehung wird im Regelfall eine Ergänzung zur Unternehmensgeldbuße darstellen. Im amerikanischen Bundesstrafrecht bestehen anders als im deutschen Recht deutlich begrenztere Maßnahmen zur strafrechtlichen Vermögensabschöpfung. Der größte Unterschied liegt in der nur punktuellen Anwendbarkeit, da kein allgemeines Institut der Abschöpfung besteht, sondern nur auf einzelne Tatbestände bezogene Regelungen. Nicht bei jeder Straftat ist somit eine Abschöpfung möglich. Zudem konkurriert die strafrechtliche Vermögensabschöpfung mit der zivilrechtlichen, die einfacheren prozessualen Anforderungen unterliegt. Eine allgemeine Abschöpfungsregelung findet sich nur innerhalb der Strafzumessungsrichtlinien für Unternehmen, durch die die Geldstrafe um den Betrag erhöht werden kann, der nicht durch eine Wiedergutmachung abgeschöpft wird. Im deutschen Recht stellen die Abschöpfungsvorschriften eine umfassende Alternative dar, um gegen ein Unternehmen auch dann vorgehen zu können, wenn gegen dieses keine Geldbuße verhängt wird. Die Abschöpfung ermöglicht im Gegensatz zur Geldbuße im Fall der Begehung einer Straftat (durch einen Mitarbeiter) sogar die Vornahme einer strafrechtlichen Maßnahme. Aufgrund der Bruttoberechnung beim Verfall handelt es sich darüber hinaus um eine strafähnliche Maßnahme. Dieser stellt in seinem Anwendungsbereich daher weitgehend ein funktionales Gegenstück zur amerikanischen Geldstrafe dar. Insgesamt ist also zu konstatieren, dass dem heutigen deutschen Recht strafrechtliche Maßnahmen gegen Unternehmen keineswegs fremd sind. Im US-Recht stellt die strafrechtliche Abschöpfung aufgrund ihrer beschränkten Anwendbarkeit dagegen kein der Geldstrafe ähnlich äquivalentes Instrument dar. Allerdings ist der Bedarf für eine Abschöpfung im amerikanischen Recht nicht sehr groß, da im Rahmen der Strafzumessung nach den Richtlinien zumeist alle Vermögenswerte entzogen werden können, die in Zusammenhang mit einer Straftat stehen. Insoweit fehlt dem amerikanischen Recht lediglich eine umfassende Möglichkeit, strafrechtlich gegen Unternehmen vorzugehen, ohne dass diese zugleich mit einer Strafe belegt werden sollen. 2. Wiedergutmachung Im amerikanischen Recht nimmt die Frage der Wiedergutmachung eine zentrale Stellung bei der Bestrafung des Unternehmens ein. Vor der Entscheidung über eine Geld- oder Bewährungsstrafe hat das Gericht über eine Kompensation des Opfers zu befinden; diese wird zudem bei Zahlungen seitens des verurteilten Unternehmens zuerst erfüllt. Die Wiedergutmachung besteht im Regelfall in der Zahlung einer Geldsumme, die neben die Geldstrafe tritt. Möglich ist aber auch die Leistung von Diensten durch das Unternehmen, wenn damit der ursprüngliche Zustand bes-
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ser wiederhergestellt werden kann. Mit der eigentlichen Wiedergutmachungsanordnung kann die Pflicht zur Publikation der Verurteilung einhergehen. Damit hat die Anordnung neben der Aufgabe des Schadensausgleichs auch eine gewisse Straffunktion. Völlig anders sieht dagegen die Situation im deutschen Recht aus. Eine Wiedergutmachung im Verfahren gegen das Unternehmen ist nicht vorgesehen. Dies entspricht der allgemeinen Tendenz im Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht,33 ist allerdings beim Vorgehen gegen Unternehmen noch begrenzter als im Strafverfahren gegen natürliche Personen. Die Möglichkeiten, die im Strafrecht inzwischen zur teilweisen Einbeziehung des Opfers und zum Ausbau der Opferrechte geführt haben,34 hat das Recht der Sanktionierung von Unternehmen noch nicht erreicht: Ein Adhäsionsverfahren nach §§ 403 ff. StPO ist auf ein Strafverfahren gegen eine natürliche Person beschränkt. Es findet keine Anwendung im Ordnungswidrigkeitenrecht und somit auf die Verhängung der Geldbuße nach § 30 OWiG.35 Dies gilt unabhängig davon, ob das Verfahren nach § 30 OWiG strafprozessualen Regelungen folgt (bei Anknüpfung an eine Straftat) oder allein den ordnungswidrigkeitenrechtlichen (bei Anknüpfung an eine Ordnungswidrigkeit). Denn die Regelungen für die Anknüpfung an eine Straftat folgen denen der strafprozessualen Einziehung,36 in deren Rahmen kein Adhäsionsverfahren vorgesehen ist. Auch bei der Anordnung des Verfalls oder der Einziehung gegen ein Unternehme ist keine Entschädigung des Opfers vorgesehen. Einen Einfluss hat die Entschädigung des Opfers im Rahmen des Verfalls aber insoweit, als dieser nach § 73 StGB bereits durch Ersatzansprüche ausgeschlossen wird bzw. die Vollstreckung des Verfalls nach § 29a OWiG gemäß § 99 Abs. 2 OWiG bei Vorliegen eines titulierten Anspruchs eingestellt werden kann.37 Hierdurch wird gewährleistet, dass die finanziellen Mittel des Unternehmens wie im amerikanischen Recht primär für die Wiedergutmachung des Opfers eingesetzt werden können.38 Über das Adhäsionsverfahren hinaus kann eine Wiedergutmachung im Strafverfahren durch eine Auflage nach § 56b StGB erfolgen. Diese Vorschrift ist ebenfalls nur auf natürliche Personen im Strafverfahren anwendbar, eine Entsprechung findet sich im Ordnungswidrigkeitenrecht nicht. Die nach § 30 OWiG mögliche Sanktion ____________ 33 Die mangelnde Einbeziehung der Wiedergutmachung ist Gegenstand vielfach erhobener Reformforderungen, vgl. eingehend Walther, Realkonflikt, S. 157 ff. 34 Vgl. Walther, Realkonflikt, S. 31 ff. 35 Göhler-Seitz, OWiG, § 47 Rn. 20a; KK-OWiG-Lampe, § 46 Rn. 47. 36 Vgl. oben vor allem S. 469. 37 Vgl. oben S. 340 und 420. 38 Zudem soll eine doppelte Inanspruchnahme des Unternehmens vermieden werden, da Ziel des Verfalls nur die Entziehung erlangter Vermögenswerte ist (die durch die Entschädigung gleichermaßen erfolgen kann) und er nicht eine neben die Entschädigungspflicht tretende originäre Straf-/Bußfunktion hat.
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erschöpft sich in einer Geldbuße. Somit ist festzuhalten, dass das deutsche Recht eine Wiedergutmachung als Sanktion gegen ein Unternehmen im Rahmen des § 30 OWiG nicht ermöglicht. Eine Wiedergutmachung kann allenfalls dadurch erfolgen, dass die Verfolgungsbehörde im Rahmen der Opportunitätserwägungen die Einstellung von einer Schadensersatzleistung an das Opfer abhängig macht.39 Diese Möglichkeit ist angesichts des weiten Ermessens und der umfassenden Filterfunktion der Verfolgungsbehörden nicht unbedeutend. Allerdings wird damit zwar eine Entschädigung des Opfers erreicht, insgesamt aber auf eine Sanktionierung verzichtet. Sanktion des Unternehmens und zugleich Entschädigung des Opfers sind daher im deutschen Recht bei der straf- und ordnungswidrigkeitenrechtlichen Belangung von Unternehmen nicht zu finden. Im Unterschied zum amerikanischen Recht kennt es beim Vorgehen gegen Unternehmen somit weder materiell eine straf-/ordnungswidrigkeitenrechtliche Entschädigungsregelung noch sieht es prozessual die Mitentscheidung zivilrechtlicher Ansprüche in straf-/ordnungswidrigkeitenrechtlichen Verfahren vor. Die Frage einer Wiedergutmachung ist im deutschen Recht dem Zivilrecht überlassen. IV. Weitere nicht strafrechtliche und ordnungswidrigkeitenrechtliche Maßnahmen Im deutschen Recht sind die straf- und ordnungswidrigkeitenrechtlichen Maßnahmen gegen ein Unternehmen im Wesentlichen auf monetäre Sanktionen begrenzt. Große Bedeutung kommt daher verwaltungsrechtlichen Maßnahmen zu, die in der Folge straf- und ordnungswidrigkeitenrechtlicher Verstöße verhängt werden können. Wie bereits ausgeführt,40 sind diese Maßnahmen (Betätigungsuntersagungen etc.) teilweise der amerikanischen Bewährungsstrafe vergleichbar, unterscheiden sich jedoch von dieser grundsätzlich durch ihre fast ausschließlich präventiven Zielsetzungen. Zudem sind sie fast durchweg auf spezielle wirtschaftliche Betätigungen zugeschnitten. Eine generelle Regelung besteht nicht. Darüber hinaus haben diese Maßnahmen ihren Schwerpunkt in der Untersagung bestimmter Handlungen etc., während die Bewährungsstrafe auch klare Handlungsvorgaben für die Zukunft aufstellen kann. Solche Handlungsvorgaben werden im deutschen Recht zwar vereinzelt auch durch verwaltungsrechtliche Regelungen vorgegeben.41 Deren Durchsetzung wird aber primär durch Verwaltungshandeln (ggf. in Verbindung mit Verwaltungszwang) und nur zu einem geringen Anteil durch Sanktionsnormen erreicht. Vom Verwaltungszwang abgesehen, kennt das deutsche Recht eine allgemeine und direkte Beeinflussung der Unternehmensstruktur im Rahmen einer Sanktionierung nicht. ____________ 39 40 41
Vgl. oben S. 460. Vgl. oben S. 570. Vgl. nur die sektoralen Vorgaben im WpHG (oben S. 503 ff.).
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D. Bedeutung von Compliance-Maßnahmen Sowohl im deutschen wie auch im amerikanischen Recht kommt ComplianceProgrammen im Rahmen der Sanktionszumessung zentrale Bedeutung zu. In beiden Rechtssystemen ist die Frage, inwieweit das Unternehmen Maßnahmen zur Vermeidung von Taten der Mitarbeiter erstellt hat, nur in geringem Umfang im Rahmen der Prüfung der Verantwortlichkeit relevant. Daher verlagert sich diese Prüfung jeweils auf die Ebene der Sanktionen. Im Einzelnen ergeben sich jedoch deutliche Unterschiede zwischen beiden Ländern. Der offensichtlichste ist die explizite Berücksichtigung innerhalb der Strafzumessungsrichtlinien in den USA, während in Deutschland keinerlei ausdrückliche Regelung besteht. Im deutschen Recht können aber wegen des großen Umfangs des Ermessens der Behörde oder des Gerichts bei der Bußgeldbemessung Compliance-Programme umfassend berücksichtigt werden. Allerdings gilt dies nur für den Sanktionsteil der Geldbuße, da sich der abschöpfende Anteil allein an dem aus der Straftat Erlangten orientiert. Ansatzpunkt für die Berücksichtigung im Sanktionsteil ist die Bemessung der Geldbuße aufgrund der Beurteilung der Tat des Mitarbeiters im Unternehmenskontext, die eine Bestimmung des konkreten Unternehmensverschuldens ermöglicht. Hierbei kann ein Compliance-Programm strafmildernd berücksichtigt werden, wenn das Unternehmen ein effektives Programm und damit Maßnahmen zur Vermeidung von Taten durch Mitarbeiter nachweisen kann. Soweit das Programm nur wegen einzelner Elemente als nicht effektiv einzustufen ist, kann es in geringerem Maße aber dennoch strafmildernd herangezogen werden, wenn es das Bestreben des Unternehmens zur Rechtseinhaltung verdeutlicht. Andererseits kann das Compliance-Programm auch strafschärfende Wirkung entfalten, wenn es lediglich der pro forma-Darstellung für die Öffentlichkeit dient und unzureichende Maßnahmen im Unternehmen kaschieren soll. Das weite Ermessen des deutschen Systems ermöglicht somit eine abgestufte Berücksichtigung von ComplianceProgrammen. Das Ermessen bedeutet allerdings auch, dass eine Berücksichtigung keineswegs gesichert ist. Zudem hat der Begriff des Compliance-Programms bislang keine scharfen Konturen erhalten, was die Anwendung erschwert. Im amerikanischen Strafzumessungsrecht nehmen Compliance-Programme eine zentrale Stellung ein. Sie sind in besonderer Weise Ausdruck des anreizorientierten Systems, das Unternehmen durch in Aussicht gestellte Begünstigungen bei der Strafzumessung zur besseren Prävention und Aufklärung von Straftaten motivieren soll. Die Richtlinien stellen klare Vorgaben auf, welche Maßnahmen ein Compliance-Programm enthalten muss, um als effektiv zu gelten. Auch wenn die vorgegebenen Elemente allgemein gehalten sind, so sind die Anforderungen hoch. Insbesondere die Reform im Jahr 2004, die besonderen Wert auf die Einbeziehung des Ethikaspekts legte,42 verdeutlicht, dass Compliance-Programme so gestaltet sein ____________ 42
Vgl. oben S. 145 f.
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müssen, dass sie die gesamten Strukturen im Unternehmen prägen und nicht lediglich als Einzelmaßnahme parallel zu zahlreichen anderen Abteilungen oder unternehmensinternen Instrumenten (wie der Revision etc.) gedacht sind. Das Compliance-Programm wird im amerikanischen Recht zunächst im Rahmen der Geldstrafe relevant. Wie im deutschen nur in Bezug auf den Sanktionsteil, nicht aber den abschöpfenden Teil, wobei jedoch die Ahndung entscheidend ist. Das Vorhandensein eines effektiven Compliance-Programms mindert den Schuldwert und beeinflusst somit deutlich den Strafrahmen. Voraussetzung ist, dass zum Zeitpunkt der Begehung der Anknüpfungstat ein solches Programm besteht. Die Richtlinien setzen also darauf, dass Unternehmen freiwillig präventiv aufgrund der Kenntnis der Richtlinien für etwaige Straftaten der Mitarbeiter Vorsorge treffen. Ihr Ansatz ist insoweit interaktiv. Der Vorwurf, der einem Unternehmen gemacht wird, liegt in diesem Fall nicht mehr strikt auf der Begehung der Anknüpfungstat durch einen Mitarbeiter, sondern auf der mangelnden Vorsorge des Unternehmens, Maßnahmen zur Verhinderung dieser Tat getroffen zu haben. Coffee sieht hierin einen Trend zur Schaffung einer Fahrlässigkeitshaftung für Unternehmen.43 Dies ist insoweit zutreffend, als dem Unternehmen das Unterschreiten der im konkreten Fall gebotenen Sorgfalt vorgeworfen wird, allerdings aufgrund des Fehlens genereller Maßnahmen. Die Minderung des Schuldwerts durch ein Compliance-Programm besteht aus einer „Alles oder nichts“-Lösung: Ist das Programm effektiv im Sinne der Richtlinien, wird der Schuldwert gemindert, in allen anderen Fällen nicht. Eine nur teilweise Minderung des Schuldwerts ist nicht möglich. Die Strafmilderung hat insgesamt damit in Anbetracht der hohen Anforderungen an ein effektives ComplianceProgramm eine eher geringe Anreizwirkung. Dies könnte Unternehmen dazu verleiten, auf die Minderung ganz zu verzichten und dafür eine höhere Strafe in Kauf zu nehmen, da sie insgesamt die kostengünstigere Alternative darstellen kann.44 Zudem ist die Minderung durch ein Compliance-Programm bei Verwicklungen von Führungspersonen in die Straftat praktisch ausgeschlossen. Der Bezug zu Führungspersonen nimmt an dieser Stelle ein Element auf, das im deutschen (aber auch im englischen) Recht mit der Beschränkung der Verantwortlichkeit auf ein Handeln von Führungspersonen bereits im Tatbestand verankert ist.45 Die Annahme, dass die Einbeziehung von Führungspersonen die Wirkungslosigkeit des ComplianceProgramms zeigt, ist allerdings sehr pauschaliert. Auch hier folgen die Strafzumessungsrichtlinien einer „Alles oder nichts“-Lösung, die keine Abstufung danach erlaubt, ob die Stellung als Führungsperson ein relevanter Faktor im Rahmen der ___________ Coffee, in: Eser et al. (eds.), Criminal Responsibility, S. 9 (35). Krit. in Bezug auf die Anreizwirkung bei Korruptionsdelikten auch Prüfer, Korruptionssanktionen, S. 199 ff. 45 Vgl. auch Coffee, in: Eser et al. (eds.), Criminal Responsibility, S. 9 (11 f.). 43 44
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Tatbegehung war oder nicht. Durch diese Pauschalisierung wird der Anreiz für Unternehmen, ein Compliance-Programm zu errichten, eher gemindert als gesteigert. Die Berücksichtigung eines nicht insgesamt, sondern nur teilweise effektiven Compliance-Programms ist in beschränktem Rahmen innerhalb der konkreten Strafzumessung möglich. Wie im deutschen Recht ist dabei auch eine abgestufte Einbeziehung praktikabel. Die Entscheidung liegt in diesem Fall ausschließlich im Ermessen des Richters. Hier ist der Spielraum zur Berücksichtigung aufgrund des eng gezogenen Strafrahmens jedoch begrenzt. Soweit der Richter aber das Compliance-Programm heranzieht, um vom errechneten Strafrahmen abzuweichen (departure), kann auch eine substantielle Strafmilderung erreicht werden. In diesem Zusammenhang ist die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung, die das Recht des Richters zu Abweichungen von den Richtlinien betont, von großer Bedeutung. Sie bieten insoweit doch noch einen gewissen Anreiz, überhaupt ein ComplianceProgramm zu etablieren. Dies wird noch dadurch gesteigert, dass das völlige Fehlen eines ComplianceProgramms bei der konkreten Abwägung durch den Richter strafschärfend berücksichtigt wird. Die Richtlinien setzen also nicht nur auf einen belohnenden Anreiz, sondern zudem auf ein Element der Abschreckung. Dies entspricht ganz der Intention, „gute“ Unternehmensführung zu fördern und ansonsten durch hohe Strafen auf eine Abschreckungswirkung zu zielen. Konsequent ist daher die Regelung, dass beim Vorliegen eines effektiven Compliance-Programms, das zu einer Minderung des Schuldwerts geführt hat, dieser Vorteil durch eine Abweichung von den Richtlinien nach oben wieder genommen werden kann, wenn das Unternehmen das Programm nicht freiwillig implementiert hat, sondern aufgrund gerichtlicher Anordnung. Die Richtlinien honorieren somit nur eigeninitiativ unternommene Anstrengungen, bei denen man vermuten darf, dass eine wirkliche Einsicht des Unternehmens in die Notwendigkeit der Beachtung gesetzlicher Vorgaben gegeben ist. Der Aspekt der Abschreckung wird schließlich im letzten Instrument der Richtlinien noch deutlicher, nämlich bei der Bewährungsstrafe. Unternehmen, die kein Compliance-Programm aufzuweisen haben oder deren Programm nicht effektiv ist, werden verpflichtet, ein effektives Programm einzuführen. Die Errichtung eines Compliance-Programms ist als originäre Strafe vorgesehen. Aufgrund der hohen Anforderungen der Richtlinien an ein Programm kann dies eine deutlich schwerwiegendere Strafe darstellen als die Geldstrafe. Neben dem Aspekt der Abschreckung erreicht die Bewährungsstrafe in der Form der Verpflichtung zur Etablierung von Compliance-Programmen noch ein weiteres Ziel der Strafzumessung: die Besserung des Straftäters (Resozialisierung).46 Defizitäre Unternehmensstrukturen können durch klare Vorgaben verändert und durch ein umgesetztes Compliance-Programm langfristig erhalten werden. Ein „schlech___________ 46
Vgl. dazu auch oben im Rahmen der Strafzwecke S. 542.
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tes“ Unternehmen wird hierdurch zum „guten Staatsbürger“ gewandelt. Im Unterschied zu natürlichen Personen, deren Resozialisierbarkeit umstritten ist, kann dies für ein Unternehmen mit hoher Wahrscheinlichkeit erreicht werden. Insgesamt berücksichtigen sowohl das amerikanische als auch das deutsche Recht Compliance-Programme (abhängig von den konkreten Umständen) als strafmildernden oder als strafschärfenden Umstand. Das amerikanische Strafrecht macht zudem deutlich, dass es Compliance-Programmen als freiwilliger präventiver Maßnahme seitens der Unternehmen große Bedeutung zumisst, um Straftaten im und durch das Unternehmen zu vermeiden und aufzudecken. Darüber hinaus sieht allein das amerikanische Recht die Schaffung von Compliance-Programmen als Strafe vor, um Unternehmen zu „rechtstreuen Bürgern“ zu verändern. Die Anreizwirkung der Richtlinien liegt aber weniger in den nur begrenzten Möglichkeiten zur positiven Honorierung von Compliance-Anstrengungen als vielmehr in den möglichen Konsequenzen, die bei einer Nichtumsetzung drohen.
§ 19 Verfahrensrechtliche Aspekte Die folgende Darstellung des sanktionsrechtlichen Verfahrens gegen Unternehmen beleuchtet zunächst den Ablauf des Verfahrens näher (A.). Sodann wird auf die häufig diskutierte Frage einer Doppelbestrafung eingegangen (B.). Daran schließt sich die Erörterung der Verfahrensbeilegung im Ermittlungsverfahren an (C.). Zuletzt wird auf die Fragestellung eingegangen, inwieweit der rechtliche Schutz des Unternehmens vor einer Selbstbelastung reicht (D.). A. Ablauf des Verfahrens Im amerikanischen Recht wird das Verfahren gegen das Unternehmen grundsätzlich entsprechend dem Strafverfahren gegen natürliche Personen unter Anwendung derselben Verfahrensregelungen durchgeführt. Das Unternehmen hat somit im Grundsatz dieselben Rechte und Pflichten wie eine natürliche Person. Beispielsweise wird ihm auch bei einer Anklage wegen schwerwiegender Delikte ein JuryVerfahren zugebilligt. Dennoch bestehen zum Teil Abweichungen vom Verfahren für natürliche Personen, insbesondere da nicht alle (verfahrensrechtlichen) Schutzstandards der Verfassung auf das Unternehmen erstreckt werden. So bedarf es hier nach überwiegender Ansicht keiner Bestätigung der Anklage durch eine grand jury, weil dieses Recht allein dem Schutz natürlicher Personen vor einer Gefängnisstrafe dient. Eine zentrale Rolle nehmen Absprachen (plea agreements) des Unternehmens mit der Staatsanwaltschaft ein. Aufgrund der starken Stellung der Staatsanwaltschaft und der damit verbundenen Entscheidungsräume kann diese ausführliche Vereinbarungen mit dem Unternehmen treffen. Wie bei Verfahren gegen natürliche Personen können diese Vereinbarungen den Umfang der Anklage (hinsichtlich der angeklagten Taten), den Sachverhalt der Anklage, die Art der Strafe und die Frage der mildernden Berücksichtigung einer Kooperation betreffen. Besonders die Vereinbarung von Art und Umfang der Bewährungsstrafe ist für ein Unternehmen attraktiv, da diese Strafe kaum kalkulierbar ist und somit durch die Vereinbarung in einem frühen Verfahrensstadium Sicherheit über die zu erwartenden Konsequenzen erlangt wird. Im deutschen Recht ist das Verfahren zur Verhängung der Geldbuße nach § 30 OWiG im Gegensatz zum amerikanischen Recht weder einheitlich noch transparent geregelt. Es wird unterschieden, ob das Unternehmen mit dem Mitarbeiter zusammen oder getrennt verfolgt wird, und darüber hinaus, ob die Anknüpfungstat Straftat oder Ordnungswidrigkeit ist. Die Frage der Verfolgung des Unternehmens in einem selbstständigen Verfahren oder zusammen mit dem Mitarbeiter ist die grundlegende Weichenstellung im Verfahren nach § 30 OWiG. Die gesetzliche Grundannahme, dass das Unternehmen mit dem Mitarbeiter zusammen belangt wird, ist eine (überholte) Reminiszenz an
§ 19 Verfahrensrechtliche Aspekte
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die ursprüngliche Nebenfolgekonstruktion. Sie führt dazu, dass ein selbstständiges Verfahren gegen das Unternehmen nur unter zusätzlichen Voraussetzungen möglich ist. Das Vorliegen der Tatbestandskriterien nach § 30 OWiG genügt hier allein noch nicht, um gegen das Unternehmen vorgehen zu können. Somit stellen die zusätzlichen Voraussetzungen einen engen Zusammenhang zwischen der Verfolgung der Anknüpfungstat und der des Unternehmens her, wie er im amerikanischen Recht nicht zu finden ist. Insbesondere hindern bestimmte Entscheidungen und Umstände bezüglich der Anknüpfungstat (wie eine Verjährung) die Verfolgung des Unternehmens.1 Die Beziehung zwischen Anknüpfungstat und Unternehmen ist somit enger, als die tatbestandlichen Voraussetzungen zunächst vermuten lassen. Die zusätzlichen Voraussetzungen sind jedoch nicht so streng, dass eine selbstständige Belangung des Unternehmens nur im Ausnahmefall möglich ist. In Fällen, in denen sich die Ermittlungsbehörden auf das Unternehmen konzentrieren wollen, ist allein durch eine Nichteinleitung des Verfahrens gegen den Mitarbeiter oder eine Einstellung desselben das selbstständige Verfahren gegen das Unternehmen möglich. Bei Anknüpfung an eine Straftat finden die strafprozessualen Regelungen Anwendung, sodass wie im amerikanischen Recht die Staatsanwaltschaft die Verfolgung übernimmt. Es wird jedoch kein normales Strafverfahren gegen das Unternehmen durchgeführt, da nur die Regelungen zur Einziehung Anwendung finden. Die Stellung des Unternehmens ist deutlich schwächer, als wenn es unmittelbar wie ein Beschuldigter behandelt würde. Bei der Anknüpfung an eine Ordnungswidrigkeit finden die ordnungswidrigkeitenrechtlichen Vorschriften Anwendung. Wiederum gelten jedoch nicht die üblichen ordnungswidrigkeitenrechtlichen Regelungen, sondern es wird ebenfalls auf das Einziehungs- bzw. Verfallsverfahren verwiesen. Konsequenz ist auch hier, dass die Stellung des Unternehmens nicht der eines normalen Betroffenen entspricht. Anders als im amerikanischen Recht sind Absprachen im deutschen Verfahren nach § 30 OWiG weniger stark etabliert. Dies gilt primär für die schwache gesetzliche Verankerung, die das Ordnungswidrigkeitenrecht genauso wie das Strafverfahrensrecht betrifft. Zudem wird im deutschen Recht die Absprache zumeist nur zur Abkürzung des Beweisverfahrens und gegen Zusage einer Sanktionsobergrenze erfolgen. Eine dem amerikanischen Recht vergleichbare Dispositionsbefugnis hinsichtlich des Prozessstoffs besteht grundsätzlich nicht. Allerdings gilt diese Aussage primär für das am Legalitätsprinzip orientierte Strafverfahren. Im Ordnungswidrigkeitenrecht ist der Dispositionsspielraum der Behörde aufgrund des Opportunitätsprinzips deutlich größer, sodass in gewissem Umfang auch Teile des Verfahrensstoffs Gegenstand einer Absprache sein können.
____________ 1
Vgl. näher zum Ausschluss des selbstständigen Verfahrens oben S. 453 ff.
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4. Kapitel: Rechtsvergleichung
Die Differenzierung im Verfahren nach § 30 OWiG bringt im Vergleich zum einheitlichen Verfahren des amerikanischen Rechts keine ersichtlichen Vorteile mit sich. Die Varianten sind kompliziert und lassen durch ihre Verweisungstechniken Rechtsklarheit und damit Rechtssicherheit vermissen. Zum Teil bestehen nicht sachgerechte Unterscheidungen bei den einzelnen Verfahrensvarianten. In allen Varianten ergeben sich Defizite hinsichtlich der Rechte des Unternehmens im Vergleich zum Straf- bzw. Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen eine natürliche Person, die nur zum Teil durch eine (grundrechtliche) Auslegung oder analoge Anwendung entsprechender Vorschriften erreicht werden kann. B. Doppelbestrafungsverbot Im amerikanischen wie im deutschen Recht wird das Problem diskutiert, ob die Sanktionierung des Mitarbeiters (der die Anknüpfungstat begeht) und des Unternehmens gegen das Verbot der doppelten Bestrafung verstößt. Beide Rechtsordnungen stimmen darin überein, dass im Ergebnis insbesondere wegen der Belangung von verschiedenen Rechtssubjekten kein Verstoß vorliegt. Erkennbar wird jedoch ein Unbehagen vor allem in den Fällen, in denen der Mitarbeiter der einzige Gesellschafter ist. Dieses Problem lässt sich derzeit in beiden Rechtssystemen durch die Berücksichtigung der Betroffenheit im Rahmen der Entscheidung über die Verfolgung der Tat flexibel lösen. C. Verfahrensbeilegung im Ermittlungsverfahren Im amerikanischen Bundesstrafrecht nimmt die Staatsanwaltschaft eine starke Stellung ein, insbesondere durch die umfassende und gerichtlich praktisch nicht angreifbare Befugnis, über die Erhebung einer Anklage oder eine Einstellung zu entscheiden. Die freie Ermessensausübung der Staatsanwaltschaft ist allerdings in den letzten zehn Jahren zunehmend durch interne Richtlinien strukturiert worden, freilich ohne dass dies eine Überprüfbarkeit erleichtert hätte. Die Richtlinien, die grundsätzlich veröffentlicht werden, dienen daher vor allem der Information Betroffener und der damit einhergehenden Möglichkeit, das Vorgehen der Staatsanwaltschaft kalkulieren, zumindest aber nachvollziehen zu können. Für Unternehmen werden seit etwa zehn Jahren gesonderte Richtlinien erlassen, die deutlich machen, dass die Strafverfolgung von Unternehmen viel mehr als früher Bestandteil der Strafverfolgungserwägungen in einem Fall ist. Die Richtlinien für die Strafverfolgung von Unternehmen sind inzwischen mehrfach überarbeitet und 2008 schließlich dauerhaft im Handbuch für die Staatsanwaltschaft verankert worden. Die Strafverfolgungsrichtlinien lassen zwei wesentliche Aspekte erkennen, die im Rahmen der Anklageentscheidung zentral sind. Zum einen das Vorhandensein eines Compliance-Programms, das verdeutlichen kann, dass das Unternehmen aktiv Straftaten verhindert und der infrage stehende Vorfall nur ein seltener Einzelfall
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war. Die Richtlinien nennen selbst keine genauen Kriterien für das ComplianceProgramm, verweisen aber auf die Strafzumessungsregelungen. Klargestellt wird zudem, dass nur ein wirksames Programm mildernd berücksichtigt werden kann. Zum anderen verlangen die Richtlinien eine umfangreiche Kooperation mit den Ermittlungsbehörden. An diesem Punkt hat sich in den letzten Jahren mehrfach Kritik entzündet, da von den Unternehmen auch die Herausgabe vertraulicher (sie selbst belastender) Dokumente gefordert wurde. Seit Neuestem sind die Unternehmen diesbezüglich besser geschützt. Allerdings kann immer noch nur eine sehr umfassende Kooperation die Anklagebehörde dazu bewegen, von einer Anklage abzusehen. Das Eingehen der Richtlinien auf Compliance-Programme zeigt wie im Bereich der Strafzumessung, dass die strenge materiellrechtliche Zurechnung der Mitarbeitertat auf Grundlage der vicarious liability-Konstruktion nicht mehr allein als ausreichende Basis für eine Belangung der Unternehmen gesehen wird. Vielmehr wird auch bei der Strafverfolgung vermehrt darauf abgestellt, ob eine schuldhafte Verwicklung des Unternehmens gegeben ist, die sich zentral in der Existenz und der Art der Umsetzung eines Compliance-Programms widerspiegelt. Insoweit entwickelt sich das amerikanische Recht immer mehr zu einer Verschuldenshaftung der Unternehmen.2 Entscheidet sich die Staatsanwaltschaft für die Einstellung des Verfahrens, so kann sie dies von der Erfüllung von Auflagen abhängig machen. Seit 2003 sehen die Strafverfolgungsrichtlinien eine solche Verfahrenseinstellung explizit vor. Genaue Vorgaben machen die Richtlinien nicht, sodass praktisch jede denkbare Auflage in Betracht kommt. Dies können insbesondere Wiedergutmachungsverpflichtungen, Geldzahlungen und interne Reformvorgaben wie die Erstellung eines Compliance-Programms sein.3 Die Auflagen entsprechen somit im Wesentlichen den Sanktionsmöglichkeiten, die die Strafzumessungsrichtlinien vorsehen, und können damit einen bedeutenden Umfang einnehmen. Eine richterliche Kontrolle der Verhängung der Auflagen besteht grundsätzlich nicht. Im deutschen Recht besitzen die Ermittlungsbehörden aufgrund des Opportunitätsprinzips des Ordnungswidrigkeitenrechts ähnlich breite Befugnisse, über den Erlass eines Bußgeldbescheids zu entscheiden, wie die amerikanische Staatsanwaltschaft über eine Anklage. Für die konkrete Ausübung des Ermessens bestehen allerdings praktisch keine Leitlinien. Eine Ausnahme stellen die Richtlinien des Kartellamts zur Kronzeugenregelung dar, nach der eine umfangreiche Kooperation mit den Ermittlungsbehörden eine Einstellung des Verfahrens rechtfertigen kann. Von einer Kooperation abgesehen, ermöglicht das weite Ermessen grundsätz____________ 2 3
So auch Laufer/Strudler, 37 Am. Crim. L. Rev. (2000), S. 1285 (1298 ff.). Vgl. auch unten S. 587 zur Verfolgungspraxis der Staatsanwaltschaft.
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4. Kapitel: Rechtsvergleichung
lich auch, ein Verfahren einzustellen, wenn ein wirksames Compliance-Programm vorliegt. Soweit die deutschen Behörden eine Einstellung wählen, haben sie im Vergleich zur amerikanischen Staatsanwaltschaft nur sehr begrenzte Möglichkeiten zur Erteilung von Auflagen. Das Ordnungswidrigkeitenrecht sieht dies explizit nicht vor, jedoch eröffnet das Opportunitätsprinzip eine teilweise Berücksichtigung. Möglich sind beispielsweise Wiedergutmachungsauflagen oder die Verpflichtung zur Beendigung des rechtswidrigen Verhaltens. Ebenso wird man die Verbesserung eines Compliance-Programms zur Auflage machen können, allerdings begrenzt auf die Beseitigung des Mangels, der die konkrete Anknüpfungstat begünstigt hat. Weitergehende Auflagen mit sanktionsähnlichem Charakter sind jedoch mangels gesetzlicher Grundlage ausgeschlossen. Dies betrifft insbesondere die umfangreiche Überarbeitung oder die erstmalige Erstellung eines Compliance-Programms. D. Schutz des Unternehmens vor Selbstbelastung Im deutschen wie im amerikanischen Recht stellt ein zentrales Problem der Verfolgung von Unternehmen dar, inwieweit diese verpflichtet sind, Mitarbeiter als Zeugen (gegen das Unternehmen) zu akzeptieren, und berechtigt sind, die Herausgabe von Dokumenten zu verweigern. Hintergrund ist in beiden Rechtsordnungen die praktische Schwierigkeit von Ermittlungen der staatlichen Behörden angesichts der Komplexität vieler Fallkonstellationen, der Größe der Unternehmen und der begrenzten Ermittlungsressourcen. Besondere Bedeutung gewinnt die Frage eines Schutzes des Unternehmens im Hinblick auf den Umfang von Kooperationspflichten, die im Einzelfall bei Ermittlungen oder auch generell als Vorgaben für Compliance-Programme gemacht werden können. Die Lösung dieser Problematik, deren zahlreiche Aspekte vorliegend nur angerissen werden können, führt im amerikanischen wie im deutschen Recht über die Frage, auf welche Schutzstandards sich das Unternehmen berufen kann. Hier kommt zunächst das Recht, sich nicht selbst belasten zu müssen, in Betracht. Der U.S. Supreme Court lehnt die Anwendung dieses in der Verfassung verankerten Rechts auf Unternehmen ab, da hierdurch die Arbeit der Strafverfolgungsbehörden beeinträchtigt werden könnte.4 Damit können Mitarbeiter eine Aussage nicht mit dem Hinweis verweigern, dass dadurch das Unternehmen belastet werde. Allerdings wird Mitarbeitern, die sich im Verfahren gegen das Unternehmen durch eine Aussage selbst belasten würden, ein Schweigerecht zugebilligt. Im deutschen Recht wird dem Unternehmen dagegen teilweise ein Schweigerecht zuerkannt, wobei umstritten ist, ob dieses verfassungsrechtlicher Art ist.5 Das ____________ 4 5
Vgl. dazu oben S. 249 f. Vgl. dazu oben S. 475 f.
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Schweigerecht kann von allen vertretungsberechtigten Organen ausgeübt werden. Es erstreckt sich jedoch nicht auf andere Mitarbeiter, sodass hier ein Gleichlauf mit der amerikanischen Rechtslage besteht. Andere Mitarbeiter können sich lediglich auf ein Aussageverweigerungsrecht nach § 55 StPO berufen, wenn sie sich selbst belasten würden. Von daher decken sich die beiden Rechtsordnungen auch hinsichtlich eines Schweigerechts der Mitarbeiter im Fall der Gefahr der Selbstbelastung. Soweit im deutschen Recht das Unternehmen nicht durch sein Schweigerecht geschützt ist, kann ein Schutz aufgrund der Einschaltung eines Anwalts (wohl auch als Syndikusanwalt) durch das Anwalts- und Beratungsgeheimnis gegeben sein. Im amerikanischen Recht verlagert sich angesichts der umfassenden Verneinung eines Schweigerechts die Frage eines Schutzes des Unternehmens auf andere Rechtsinstitute. Die bestehenden Alternativen bieten jedoch nur begrenzten Schutz. Eine Privilegierung bezüglich von Erkenntnissen bei einer Selbst-Evaluierung wird zwar diskutiert, ist aber bislang nicht allgemein anerkannt. Am weitestgehenden ist noch die Garantie des Anwalts- und Beratungsgeheimnisses, das auf Unternehmen anwendbar ist und das derzeit Kristallisationspunkt der Diskussion um den Schutz des Unternehmens ist. Voraussetzung der Garantie ist dabei natürlich das Tätigwerden eines Anwalts im oder für das Unternehmen, was bei größeren Unternehmen allerdings gängige Praxis ist. Geschützt ist nicht jede Tätigkeit des Anwalts, sondern nur soweit ein rechtlicher Bezug im Hinblick auf einen konkreten Vorfall (und nicht nur eine allgemeine Beratung wie beispielsweise bei der Erstellung eines Compliance-Programms) vorliegt. Darüber hinaus bestehen nicht unbedeutende Ausnahmeregelungen. Zudem erwarten Ermittlungsbehörden oftmals einen Verzicht auf diese Privilegierung des Anwalts- und Beratungsgeheimnisses. Die Frage des Verzichts hat in den letzten Jahren zahlreiche Probleme aufgeworfen, insbesondere durch sehr weitgehende Vorgaben seitens der Ermittlungsbehörden, einen Verzicht zu erklären. Aufgrund der Kritik aus Wissenschaft und Praxis wurden die Strafzumessungsrichtlinien und die Richtlinien der Staatsanwaltschaft überarbeitet und die Anforderungen abgemildert. Nichtsdestoweniger besteht weiterhin ein nicht unbedeutender faktischer Druck, dass das Unternehmen auf seine Rechte verzichtet. Eine endgültige und befriedigende Lösung ist wohl erst durch den Gesetzgeber zu erwarten. Hinsichtlich der Verpflichtung eines Unternehmens, interne Dokumente herauszugeben, ist das amerikanische Recht noch restriktiver als bei der Frage der Reichweite des Aussageverweigerungsrechts. Das Unternehmen ist grundsätzlich verpflichtet, auf Verlangen der Staatsanwaltschaft alle Dokumente herauszugeben. Die Verpflichtung trifft sogar Mitarbeiter, die im Besitz von Dokumenten sind, die sie als Mitarbeiter belasten können. Ein Schutz besteht nur über das Anwalts- und Beratungsgeheimnis, soweit es sich um Unterlagen handelt, die im Hinblick auf ein konkretes Verfahren durch einen Anwalt erstellt worden sind. Nicht geschützt sind
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4. Kapitel: Rechtsvergleichung
allerdings Unterlagen, die erstellt wurden, bevor ein solches Verfahren begonnen hat (also insbesondere allgemeine Compliance-Ermittlungen). Im deutschen Recht erstreckt sich das Recht, sich nicht selbst belasten zu müssen, auch auf die Herausgabe von Dokumenten. Das Unternehmen kann somit die Herausgabe belastender Dokumente verweigern. Soweit Dokumente, die das Unternehmen aufgrund gesetzlicher Verpflichtungen erstellt hat, in den Besitz der Ermittlungsbehörden gelangen, kann das Recht, sich nicht selbst belasten zu müssen, zu einem Verwertungsverbot führen. Dies wird immer dann der Fall sein, wenn die Erstellung nicht auch zu Zwecken des Ordnungswidrigkeitenverfahrens erfolgt ist.
§ 20 Rechtswirklichkeit A. Verfolgungspraxis der Ermittlungsbehörden Im amerikanischen Bundesstrafrecht lassen sich nur begrenzt Aussagen zur Strafverfolgungspraxis der Staatsanwaltschaft machen. Mangels statistischer Erhebungen können allerdings nur einzelne Tendenzen skizziert werden. Die öffentlichkeitswirksamen Vorfälle seit den 1990er Jahren zeigen, dass die Staatsanwaltschaft neben der Strafverfolgung einzelner Mitarbeiter in großem Umfang Ermittlungen gegen Unternehmen führt. Die Ermittlungen betreffen vielfach komplexe wirtschaftliche Sachverhalte und bedingen so einen zeit- und personalintensiven Ressourceneinsatz. Diese Ermittlungen münden vielfach allerdings nicht in ein gerichtliches Verfahren, sondern werden durch eine außergerichtliche Einigung zwischen Staatsanwaltschaft und Unternehmen beigelegt. Wesentliche Faktoren, die eine Einstellung auf Seiten der Staatsanwaltschaft fördern, sind eine umfassende Kooperation des Unternehmens und das Vorhandensein eines Compliance-Programms. Angeklagt werden somit primär Unternehmen, die weder auf eine Vermeidung von Straftaten im Betrieb durch Compliance-Programme hinwirken noch die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft substantiell unterstützen. Die Einstellungen erfolgen zumeist nicht ohne Auflagen. In der Praxis wird die Möglichkeit, die die Richtlinien der Staatsanwaltschaft explizit eröffnen, daher ausgiebig genutzt. Diese Auflagen ähneln in Art und Umfang weitgehend den gerichtlichen Sanktionen. Neben beträchtlichen monetären Zahlungen auch im mehrstelligen Millionenbereich (zumeist eine Kombination aus Wiedergutmachung und Ahndung) werden in den letzten Jahren zunehmend umfangreiche Reformvorgaben auferlegt. Ziel ist hierbei, ein den Strafzumessungsrichtlinien entsprechendes Compliance-Programm im Unternehmen zu etablieren. Letztlich wird damit faktisch eine Sanktionierung erreicht, ohne dass ein ordentliches Gerichtsverfahren stattfindet und ohne dass ein originär zur Sanktionierung legitimiertes Organ handelt. Allerdings werden aus Sicht der Unternehmen auch ein zumeist langwieriges öffentlichkeitswirksames Verfahren und der Makel einer strafgerichtlichen Verurteilung vermieden. Ein Vergleich der amerikanischen Situation mit dem deutschen Recht ist kaum möglich. Es fehlen im deutschen Recht Informationen zur Handhabung und Beendigung des Verfahrens im Ermittlungsverfahren. In Bezug auf mögliche Auflagen bei der Einstellung des Verfahrens lässt sich allerdings sagen, dass die geltende Rechtslage nach dem Ordnungswidrigkeitenrecht keine dem amerikanischen Recht entsprechenden Auflagen zulässt.
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B. Sanktionspraxis Für das amerikanische Recht liegen aufgrund der Arbeiten der United States Sentencing Commission umfangreiche Daten zur Bestrafung von Unternehmen vor. Das Verfahren ist stark durch Absprachen geprägt, in ca. 90 % der Fälle findet aufgrund eines guilty plea kein ausführliches Hauptsacheverfahren statt. Der Einfluss der Staatsanwaltschaft, die eine Absprache vielfach initiiert, wird hieran besonders deutlich.1 Die Anzahl der verurteilten Unternehmen liegt bei ungefähr 200 bis 300 pro Jahr und damit leicht unterhalb der Zahlen aus den 1980er Jahren. Angesichts der Größe der Vereinigten Staaten erstaunt es, dass nur so wenig Unternehmen verurteilt wurden. Umso bedauerlicher ist es, dass keine Statistiken existieren, in wie viel Fällen das Verfahren bereits im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren durch eine Einstellung beigelegt wird, was die geringe Anzahl an Gerichtsverfahren erklären könnte. Dieser Mangel an Statistik lässt auch offen, ob die Tendenz der Staatsanwaltschaft, seit den 1980er Jahren vermehrt Unternehmen ins Blickfeld der Ermittlungen zu nehmen, insgesamt die Zahl der Unternehmen hat steigen lassen, gegen die mit staatlichen Sanktionen vorgegangen wurde. Die meisten Verurteilungen betreffen Betrugs-, Umwelt- und Geldwäschedelikte sowie Kartelldelikte. Von den Kartelldelikten teilweise abgesehen sind die meisten Verfahren somit nicht im Bereich der leichteren Straftaten (der regulatory offenses) angesiedelt, sondern betreffen Delikte aus dem Kernbereich des Strafrechts. Hieraus kann man den Schluss ziehen, dass der Verstoß gegen regulatory offenses zumeist auf anderem Wege als durch eine strafrechtliche Verurteilung geahndet wird. Somit würde sich auch die geringe Anzahl der Verurteilungen erklären, die vor allem beim Vorliegen wesentlicher Straftaten erfolgt. Als Strafe wird primär eine Geldstrafe verhängt. Deren Höhe ist seit den 1980er Jahren stark gestiegen. Der Medianwert lag 2007 bei 132.000 US-Dollar. Überwiegend folgen die Richter den Vorgaben der Strafzumessungsrichtlinien, allerdings ist seit dem Booker-Urteil 2005 eine Zunahme der Abweichungen zu verzeichnen, wobei zumeist der Rahmen der Richtlinien unterschritten wird. Die Gerichte nutzen ihren wiedergewonnenen Ermessensspielraum somit tatsächlich vermehrt aus. Bei der Berechnung des Schuldwerts ist die Frage einer Kooperation von großer praktischer Bedeutung und führt in der Mehrzahl der Fälle zu einer Minderung. Fast keinerlei Bedeutung kommt einer Minderung durch das Vorhandensein von Compliance-Programmen zu. Dies liegt zum einen an dem Ausschluss dieser Möglichkeit wegen der Involvierung von Führungspersonen, die bei der großen Anzahl der verurteilten kleineren Unternehmen hoch ist. Zum anderen zeigt sich hier wohl die ____________ 1 Dieser Befund ist kein Spezifikum der Unternehmensstrafe, sondern gilt gleichermaßen für die Strafverfolgung von natürlichen Personen, bei denen die guilty plea-Quote sogar noch etwas höher liegt (in den letzten Jahren zumeist über 95 %).
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Selektion durch die Staatsanwaltschaft, die nur Unternehmen anklagt, die kein derartiges Programm vorzuweisen haben. Neben der Geldstrafe nimmt die Bewährungsstrafe großen Raum ein und wird in ungefähr 75 % aller Verurteilungen verhängt. Jedes vierte bis fünfte Unternehmen wird verpflichtet, ein Compliance-Programm zu errichten. Zusätzlich zu diesen Strafen wird fast einem Drittel aller verurteilten Unternehmen auferlegt, Wiedergutmachung zu leisten. Die Höhe der Wiedergutmachung liegt regelmäßig über dem Betrag der Geldstrafe. Im Jahr 2007 lag der Medianwert mit 246.000 USDollar bei mehr als dem Doppelten der Geldstrafe. Im deutschen Recht finden sich nur wenige Daten zur Sanktionierung von Unternehmen. Dies ist zum einen der Ausgestaltung als Ordnungswidrigkeit und zum anderen der Vielzahl möglicher Sanktionsbehörden geschuldet, die eine einheitliche Erfassung erschweren.2 Die umfassendste Datensammlung enthält das Gewerbezentralregister, in das die überwiegende Anzahl der Geldbußen nach § 30 OWiG eingetragen wird. Jährlich werden mehrere Tausend Bußgelder verhängt. Die Zahl liegt damit deutlich über der der Verurteilungen im amerikanischen Recht. Die Höhe der Bußgelder ist im Vergleich zur Geldstrafe in den USA allerdings deutlich geringer. Genaue Zahlen ergeben sich aus dem Register zwar nicht, jedoch lässt sich der Aufstellung entnehmen, dass sich für die Geldbuße ein Medianwert von unter 1.000 Euro ergibt.3 Eine maßgebliche Sanktionswirkung ist damit im unternehmerischen Kontext wohl kaum zu erzielen. Weitere Angaben lassen sich dem Register nicht entnehmen, insbesondere nicht, aufgrund welcher Anknüpfungstaten sanktioniert wird.4
____________ 2 Die Ausgestaltung der Unternehmensgeldbuße als Ordnungswidrigkeit führt dazu, dass sie nicht zum Gegenstand der auf Straftaten konzentrierten kriminologischen Forschung (sowie statistischer Auswertungen z.B. durch das Statistische Bundesamt) gehört. Die Sanktionierung ist auf eine Vielzahl von Fachbehörden (bei der Anknüpfung an eine Ordnungswidrigkeit) bzw. ordentlichen Gerichten (bei Anknüpfung an eine Straftat) verteilt. 3 Dies ergibt sich daraus, dass über 50 % der Bußgelder unter 1.000 Euro liegen. 4 Im Register verzeichnet sind nur die Geschäftsbereiche der Unternehmen (Hoch-/ Tiefbau, Güterbeförderung etc.), die jedoch kaum Auskunft über den Grund der Sanktionierung nach § 30 OWiG geben.
§ 21 Regulierung von Unternehmen durch Compliance A. Entwicklung und Verbreitung des Compliance-Ansatzes Im deutschen wie im amerikanischen Recht ist die Verbreitung von ComplianceProgrammen eine neuere Entwicklung. Zwar existierten in beiden Rechtsordnungen Vorläufer des Compliance-Ansatzes (zum Teil einschließlich der Verwendung der Terminologie), jedoch stimmen diese weder in ihrem inhaltlichen Umfang noch in ihrer rechtspraktischen Bedeutung mit dem heutigen Verständnis überein. Insbesondere drei Unterschiede lassen sich zwischen dem aktuellen Stand und früheren Compliance-Ansätzen ausmachen: Dies betrifft die Freiwilligkeit von Compliance, den Ausbau staatlicher Regelungen und deren Verbindung mit nicht gesellschaftsrechtlichen Normen sowie Compliance als Einhaltung aller rechtlichen Vorschriften. Compliance wurde in der Vergangenheit fast ausschließlich als freiwillige und interne Angelegenheit der Unternehmen verstanden. Dies hat sich zugunsten einer stärkeren staatlichen Befassung mit der Thematik geändert, sodass dieser Bereich inzwischen weitgehend einer staatlich-privaten Koregulierung, einer regulierten Selbstregulierung, unterliegt.1 Hier zeigt sich zugleich die zweite Veränderung: Die vermehrte Verbindung unternehmensinterner Vorgaben mit Regelungen des Sanktionsrechts. Vorgaben für Struktur und Führung des Unternehmens waren klassischerweise im Gesellschaftsrecht geregelt und nur teilweise durch eine hohe Regelungsdichte gekennzeichnet. In den letzten Jahrzehnten haben sich die Anzahl der gesetzlichen Regelungen und deren Konkretisierungsgrad deutlich erhöht. Vielfach war dabei nicht das Gesellschaftsrecht das Vehikel, sondern das Sanktions- und das Verwaltungsrecht. Das Sanktionsrecht wurde bislang vor allem in den USA genutzt, während in Deutschland das Verwaltungsrecht herangezogen wurde. In beiden Ländern bildet die Corporate Governance- und speziell die ComplianceDiskussion eine Art Mantel, unter dem Aspekte aus verschiedenen Rechtsgebieten zusammenfassend erörtert werden. Schließlich war Compliance in der Vergangenheit primär sektorspezifisch ausgeprägt (z.B. Kartellrechts-Compliance oder Wertpapier-Compliance). Inzwischen deckt Compliance vielfach alle Rechtsgebiete ab (legal compliance), wobei man je nach Schwerpunktsetzung noch zwischen Administrative Compliance, Civil Compliance und Criminal Compliance unterscheiden kann. Die heutige Bedeutung von Compliance lässt sich im Wesentlichen auf ein singuläres Ereignis zurückführen: die Einführung der Strafzumessungsrichtlinien in den USA im Jahr 1991.2 Auch wenn die Bedeutung von Compliance im Rahmen ____________ Vgl. Sieber, FS-Tiedemann, S. 449 (460 ff.). Steinherr et al., in: Alwart (Hrsg.), Verantwortung, S. 153 (204) sprechen zu Recht von einem Meilenstein. 1
2
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der gerichtlichen Strafzumessung nach den Richtlinien bis heute äußerst gering ist, so hat doch der „ordnungspolitische Anreiz“,3 unternehmensethisches Verhalten zu honorieren, weite Kreise gezogen. Er hat Unternehmen in die staatliche Prävention von Rechtsverletzungen einbezogen, insbesondere im Hinblick auf die Vorbeugung von Straftaten.4 Er hat auch erstmals eine klare Antwort auf die Frage gegeben, welche Rolle organisatorischen Vorkehrungen seitens der Unternehmen zukommen soll:5 nämlich eine ganz zentrale im Hinblick auf die Erreichung eines geordneten Gemeinwesens. Verbunden mit dem Präventionsgedanken war stets auch der einer Aufdeckung von Straftaten. Die Strafverfolgung wurde somit zum Teil privatisiert. Unternehmen, an die sich die Gesetze wenden, sind zugleich auch die Institutionen, die über die Rechtseinhaltung wachen sollen. Hintergrund ist dabei vielfach, dass der Staat die Einhaltung der strafrechtlichen Normen gerade in großen Unternehmen mit ihren komplexen und umfangreichen Strukturen kaum mehr allein überwachen und durchsetzen kann. Der auf das amerikanische (Bundes-)Strafrecht bezogene Compliance-Ansatz hat sich schnell auf andere Rechtsgebiete und andere Institutionen als die der Strafrechtspflege erweitert. Staatliche wie private Institutionen stützen sich auf die Richtlinien, vor allem in Bezug auf die Kriterien, die ein effektives ComplianceProgramm ausmachen. Der Einfluss der Richtlinien zeigte sich bald auch in Deutschland, in das der Compliance-Ansatz exportiert wurde. Die ComplianceDiskussion in Deutschland beruht somit weitgehend nicht auf einer parallelen eigenständigen Entwicklung, sondern auf importiertem Gedankengut. Damit entspricht die Lage weitgehend der im Bereich der Corporate Governance, deren deutsche Entwicklung auch maßgeblich durch das US-Recht geprägt wird. Ein zweites vieldiskutiertes Ereignis stellt der Sarbanes-Oxley Act dar. Dieser wird teilweise als Zeichen einer Abkehr des amerikanischen Rechts von der Unternehmensstrafbarkeit durch eine Konzentration auf Straftaten gegen natürliche Personen verstanden.6 Dies ist jedoch nicht zutreffend. Zwar äußert sich das Gesetz nicht zur Bestrafung von Unternehmen, sondern setzt beispielsweise mit der Schaffung des Tatbestands des Bilanzeids auf eine Erweiterung der Straftaten des Bundesrechts.7 Diese Erweiterungen finden jedoch sowohl auf natürliche Personen als auch aufgrund der tatbestandlichen Zurechnungskonstruktion der Unternehmensstrafbarkeit auf Unternehmen Anwendung. Insoweit kann von einer Konzentration ____________ 3 So Schramm, in: Aufderheide/Dabrowski (Hrsg.), Corporate Governance, S. 83 (86 ff.) in Bezug auf die Korruptionsbekämpfung. 4 Vgl. Gruner/Brown, 21 J. Corp. L. (1995-96), S. 731 (736). 5 Laufer, 34 Am. Bus. L. J. (1996), S. 157 (180). 6 So Kreklau, Bilanzstrafrecht, S. 167. 7 Daneben findet sich der gängige Ansatz der Erweiterung bestehender Tatbestände und der Verschärfung der Sanktionen, vgl. Brickey, 81 Wash. U. L. Q. (2003), S. 357 (375 ff.). Die Verschärfung der Sanktionen ist dabei vor allem bei natürlichen Personen besonders augenfällig, da teilweise sehr hohe Mindest- und Höchstfreiheitsstrafen vorgesehen sind.
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4. Kapitel: Rechtsvergleichung
des amerikanischen Rechts auf natürliche Personen nicht die Rede sein. Vielmehr zeigt sich in den USA ein allgemeiner Ausbau des Strafrechts, der Unternehmen und natürliche Personen gleichermaßen betrifft.8 Der Sarbanes-Oxley Act weist mit der Schaffung des Bilanzeids dagegen eine deutliche Tendenz zur Verstrafrechtlichung der Corporate Governance-Diskussion auf:9 Bislang dem Gesellschaftsrecht/Verwaltungsrecht überlassene Aspekte werden punktuell in das Strafrecht einbezogen. Insoweit tritt wie in den Strafzumessungsrichtlinien der Ansatz der Steuerung der Unternehmensstruktur/Unternehmensführung durch Strafrecht zutage. Darüber hinaus ist der Sarbanes-Oxley Act in Bezug auf Compliance vor allem dadurch relevant, dass er mögliche Teilaspekte eines Compliance-Programms (z.B. das Audit-Committee) nunmehr verbindlich vorschreibt. Der unternehmerische Spielraum bei der Umsetzung von Compliance-Programmen wird damit eingeengt. Soweit sich eine Veränderung des amerikanischen Rechts hinsichtlich der strafrechtlichen Regulierung von Unternehmen erkennen lässt, betrifft diese vor allem die zunehmende Berücksichtigung eines Verschuldens. Vom Model Penal Code über die Strafzumessungsrichtlinien bis hin zu den Richtlinien der Staatsanwaltschaft lässt sich eine Tendenz zur Begrenzung des an der vicarious liability orientierten Ansatzes des U.S. Supreme Court aus dem Jahr 1909 ausmachen. Diesen Begrenzungsbestrebungen steht in Deutschland eine zunehmende Ausweitung des Tatbestands des § 30 OWiG gegenüber.10 Der deutsche Ansatz der zivil- und verwaltungsrechtlichen Regulierung von Unternehmen wird zunehmend durch einen sanktionsrechtlichen ergänzt. In dieser Hinsicht lässt sich von einer Angleichung beider Rechtssysteme sprechen.11
Die Strafzumessungsrichtlinien haben bis heute faktisch zu einer weiten Verbreitung von Compliance-Programmen in den USA und schließlich auch in Deutschland geführt. Aufgrund des Imports der Idee ist die Verbreitung in Deutschland jedoch noch nicht in gleichem Maße ausgeprägt wie in den USA. Dies zeigt die vergleichende Studie (u.a. zwischen den USA und Deutschland) von Bussmann bzw. von Bussmann/Matschke, sowohl in Bezug auf Compliance-Programme allgemein12 wie auch hinsichtlich konkreter präventiver Maßnahmen13 bzw. einzelner ____________ 8 Allenfalls lassen sich bei der Strafverfolgung geringe Unterschiede ausmachen, da in zahlreichen spektakulären Fällen nur natürliche Personen und nicht die Unternehmen angeklagt (und verurteilt) wurden. Allerdings ist damit kein Rückgang der Fälle verurteilter Unternehmen verbunden (deren Anzahl seit Einführung der Strafzumessungsrichtlinien weitgehend konstant ist) und zudem setzt sich immer mehr die Praxis der informellen Sanktionierung durch eine Einstellung gegen Auflagen seitens der Staatsanwaltschaft durch. Insoweit zeigt auch die Praxis keine Abkehr von der Unternehmensstrafbarkeit. 9 Vgl. Fischer, Corporate Governance, S. 59. 10 Die Ausweitung in Deutschland korreliert mit einer allgemeinen Tendenz in Europa, zunehmend Unternehmen (auch durch Strafrecht) zur Verantwortung zu ziehen, vgl. bspw. Beale/Safwat, 8 Buff. Crim. L. Rev. (2004-05), S. 89 ff. 11 Vgl. zu dem Befund der Angleichung von deutschem und amerikanischem Recht auch bereits Hefendehl, 4 Buff. Crim. L. Rev. (2000-01), S. 283. 12 Bussmann/Matschke, wistra 2008, 88 (91). 13 Bussmann, MschrKrim 90 (2007), 260 (268 ff.).
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Kontrollmaßnahmen.14 Deutsche Unternehmen waren zudem bei der Überprüfung und Verstärkung ihrer Maßnahmen weniger aktiv als amerikanische.15 Ob sich die Compliance-Maßnahmen insoweit als wirksam erweisen, dass sie tatsächlich Rechtsübertretungen durch Mitarbeiter verhindern, ist bislang nicht ausreichend erforscht. Es gibt jedoch erste Anzeichen dafür, dass umfangreichere Compliance-Programme geeignet sind, das Verhalten der Mitarbeiter positiv zu beeinflussen.16 Genauso gibt es Anzeichen, dass Minimalmaßnahmen (insbesondere bloße schriftliche Ethikkodizes) keine Auswirkungen zeigen. Im Vergleich zwischen Deutschland und den USA sieht Bussmann die Wirksamkeit der Maßnahmen dadurch nachgewiesen, dass Unternehmen in den USA und deren Tochterunternehmen in Deutschland, die umfangreichere Compliance-Maßnahmen ergriffen haben als deutsche Unternehmen, insgesamt weniger von Wirtschaftskriminalität betroffen sind als deutsche Unternehmen.17 Auch wenn dieser Vergleich aufgrund des unterschiedlichen Verständnisses von Compliance in beiden Ländern nicht ganz zu tragen vermag, so fügt er sich doch in die bislang bestehenden empirischen Indizien. Damit lässt sich zumindest als Tendenz feststellen, dass umfangreiche Compliance-Anstrengungen geeignet sind, kriminelles Verhalten im Unternehmen zu verhindern. Offen bleibt, welche Maßnahmen dies genau sein müssen und welcher Umfang notwendig ist, um eine Wirkung zu erreichen. B. Grundstrukturen der Compliance Soweit es um die Bedeutung von Compliance im Einzelnen geht, lassen sich übereinstimmende Grundstrukturen in Deutschland und den USA ausmachen, die jedoch in ihrer Gewichtung im jeweiligen Land differieren. Es können acht Kategorien gebildet werden, in denen Compliance eine unterschiedliche Funktion zukommt.18 Sie unterscheiden sich vor allem durch den Umfang staatlicher Einflussnahme: 1. Compliance als reine Selbstregulierung; 2. Compliance als Erfordernis privater Institutionen; 3. Compliance mit staatlicher Unterstützung; 4. die Honorierung von Compliance; ___________ Bussmann, MschrKrim 90 (2007), 260 (265 f.). Bussmann, MschrKrim 90 (2007), 260 (266 f.). 16 Vgl. dazu oben S. 279 ff. 17 Bussmann, MschrKrim 90 (2007), 260 (262). Die Studie konnte nicht bestätigen, dass in den USA Wirtschaftskriminalität häufiger auftritt als in Deutschland (vgl. a.a.O. S. 263). 18 Die Kategoriebildung ist beispielhaft zu verstehen und verdeutlicht nur die unterschiedlichen Schwerpunkte, ohne dass sie Anspruch auf eine abschließende Aufzählung oder trennscharfe Abgrenzung erhebt. 14
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5. die Sanktionierung fehlender Compliance: strafschärfende Berücksichtigung; 6. die Sanktionierung fehlender Compliance: Verpflichtung zur Errichtung von Compliance-Programmen; 7. der Ausschluss von Verantwortlichkeit durch Compliance; 8. die detaillierte gesetzliche Verpflichtung zu Compliance. I. Compliance als reine Selbstregulierung Zunächst ist Compliance als unternehmensinterner Ansatz zur Selbstregulierung verbreitet. Das bedeutet, dass Unternehmen von sich aus Programme zur Vermeidung und Aufdeckung von Rechtsverstößen implementieren. Gründe hierfür können ethische Erwägungen sein, wie sie im Rahmen der Wirtschafts- bzw. Unternehmensethik diskutiert werden. Eine nicht unbedeutende Rolle spielt der Erhalt (oder ggf. auch die Wiederherstellung nach Vorfällen) der Reputation des Unternehmens in der Öffentlichkeit und am Markt. Hierbei haben Anteilseigner einen nicht unbedeutenden Einfluss auf das Unternehmen. Diese vorgenannten Gründe stehen in enger Verbindung mit rein wirtschaftlichen Erwägungen: Ein Unternehmen, das vorbildliche Compliance betreibt, kann sich am Markt teilweise besser platzieren als andere Mitbewerber (Compliance als Wettbewerbsvorteil). Insbesondere in den USA ist dieser Ansatzpunkt der Selbstregulierung weit verbreitet, in Deutschland ist die Verbreitung geringer, die Bedeutung nimmt aber in den letzten Jahren zu. II. Compliance als Erfordernis privater Institutionen Auf einer weiteren Stufe findet Compliance immer noch auf der Ebene der Selbstregulierung statt, der Grund zur Erstellung von Compliance-Programmen liegt jedoch im Erfordernis seitens anderer privater Institutionen. Die amerikanischen Börsen, die für eine Zulassung zum Börsenhandel einen code of conduct fordern, sind hierfür ein anschauliches Beispiel. In Deutschland ist dieser Ansatz noch wenig ausgeprägt, zumeist werden an Unternehmen nur Musterempfehlungen seitens einzelner Verbände ausgesprochen. Diesen Empfehlungen fehlt der (wirtschaftliche) Druck, wie er in Amerika seitens der Börsen existiert. III. Compliance mit staatlicher Unterstützung Einen Schritt weiter geht der Ansatz, bei dem Unternehmen immer noch freiwillig aus eigener Initiative Compliance-Programme errichten, dies aber seitens staatlicher Behörden vor allem durch die Veröffentlichung von Muster-Programmen gefördert wird. Dieser Bereich kann bereits als staatlich-private Koregulierung bezeichnet werden. Der Ansatz erfreut sich bei zahlreichen amerikanischen Behörden großer Beliebtheit, wobei ihnen vielfach die Vorgaben der Strafzumessungsrichtlinien als Ausgangspunkt für sektorspezifische Compliance-Programme (beispiels-
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weise im Kartell- oder Umweltbereich) dienen. In Deutschland finden sich derartige Bestrebungen bislang nur begrenzt. IV. Honorierung von Compliance Eine noch stärkere staatliche Einbindung ist schließlich bei der Honorierung von Compliance-Bemühungen durch staatliche Behörden im Rahmen behördlicher Entscheidungen gegeben. Hierbei erstellt das Unternehmen zwar immer noch freiwillig und selbstständig ein Compliance-Programm, durch die (Nicht-)Berücksichtigung bei behördlichen Entscheidungen wird jedoch eine Rückkopplung insoweit erreicht, als die Behörden Stellung zu konkreten Maßnahmen nehmen können. Zudem besteht durch die Möglichkeit, dass die (kostenintensiven) ComplianceAnstrengungen positiv honoriert werden, ein besonderer Anreiz zum Tätigwerden. Über einen längeren Zeitraum entsteht dadurch eine intensive staatlich-private Koregulierung. Die Berücksichtigung im Rahmen der Entscheidungen ist in Deutschland und den USA sehr unterschiedlich ausgeprägt. Im Strafrecht sind die amerikanischen Strafzumessungsrichtlinien mit der Möglichkeit der Minderung der Geldstrafe der bislang klarste Fall der positiven Berücksichtigung. Hierzu zu zählen sind auch die Richtlinien der Staatsanwaltschaft, die das Vorhandensein eines ComplianceProgramms für die Entscheidung, von einer Strafverfolgung abzusehen, ebenfalls heranziehen. In Deutschland bestehen für den straf- bzw. ordnungswidrigkeitenrechtlichen Bereich keine entsprechend geregelten Vorgaben. Die vorliegende Untersuchung hat gezeigt, dass eine Berücksichtigung an zahlreichen Stellen im Rahmen des § 30 OWiG (vor allem i.V.m. § 130 OWiG) möglich ist. Die Praxis beispielsweise des Bundeskartellamts zeigt bislang jedoch nur eine geringe Neigung zur Honorierung von Compliance-Bemühungen. Ähnlich sieht die Lage auch noch im Bereich des deutschen Verwaltungs- und Zivilrechts aus. In den USA werden dagegen auch bei verwaltungs- und zivilrechtlichen Entscheidungen der Bundesbehörden Compliance-Programme teilweise positiv berücksichtigt. V. Sanktionierung fehlender Compliance: strafschärfende Berücksichtigung Die Anreizwirkung zur Schaffung eines Compliance-Programms kann neben der vorgenannten Milderungsmöglichkeit auch durch eine negative Berücksichtigung im Fall des Fehlens eines solchen Programms gesteigert werden. Diese Sanktionierung fehlender Compliance sehen die Strafzumessungsrichtlinien insoweit vor, als der Aspekt bei der konkreten Bestimmung der Geldstrafe (innerhalb des errechneten Strafrahmens) erschwerend berücksichtigt werden soll. Ansonsten ist jedoch bislang bei den amerikanischen Bundesbehörden eine derart sanktionsschärfende Heranziehung im Rahmen der allgemeinen Sanktionserwägungen kaum festzustellen. Im deutschen Recht finden sich keine entsprechenden Regelungen, bei denen fehlende Compliance zur Verschärfung der Sanktion führen würde.
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VI. Sanktionierung fehlender Compliance: Verpflichtung zur Errichtung von Compliance-Programmen Neben der Einbeziehung fehlender Compliance in die Sanktionserwägungen hat sich in den letzten Jahren die Verpflichtung des Unternehmens zur Errichtung von Compliance-Programmen als eigenständige Sanktion fest etabliert. Diese Möglichkeit sehen zum einen die Strafzumessungsrichtlinien explizit als Bewährungsstrafe vor. Zum anderen ist diese Verpflichtung aber auch vielfach Bestandteil einer Auflage, die die Staatsanwaltschaft zur Bedingung einer Einstellung des Verfahrens macht. Im deutschen Recht finden sich keine Regelungen, die die Erstellung von Compliance-Programmen als Sanktion vorsehen. VII. Ausschluss von Verantwortlichkeit durch Compliance Die staatliche Honorierung von Compliance ist dort am größten, wo durch die Etablierung von Compliance-Programmen eine Freistellung von der Verantwortlichkeit erreicht wird. Dies setzt naturgemäß voraus, dass Teil des gesetzlichen Tatbestands die Verpflichtung zur Errichtung von Compliance-Programmen ist. Bislang finden sich nur wenige einschlägige Tatbestände, die dieses explizit fordern. Im amerikanischen Recht ist der Foreign Corrupt Practices Act mit das wichtigste gesetzgeberische Beispiel, dessen Praxisrelevanz der Fall Siemens verdeutlicht. Das deutsche Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht kennt eine derart explizite Berücksichtigung von Compliance-Programmen nicht. Neben dem seltenen Verweis in Tatbeständen auf umfassende ComplianceProgramme bestehen mannigfaltige Vorgaben im deutschen und amerikanischen Recht, die einzelne Elemente eines Compliance-Programms zur Voraussetzung machen. Hier kann beispielsweise das vom Sarbanes-Oxley Act verlangte AuditCommittee oder die Whistleblower-Hotline genannt werden. Allerdings fehlt bei diesen Vorschriften bislang ganz überwiegend der Bezug zu einer umfassenden Konzeption der Compliance-Programme. Die Integration in ein solches Programm ist deswegen nicht immer einfach. Gelingt sie jedoch, dann ist das Programm geeignet, eine Vielzahl gesetzlicher Voraussetzungen durch ein übergreifendes Gesamtkonzept zu erfüllen und zugleich die Verantwortlichkeit des Unternehmens zu reduzieren. Neben den expliziten Erfordernissen bestehen im amerikanischen wie im deutschen Recht zahlreiche Tatbestände, die implizit Compliance-Vorgaben machen. Hier sind aus dem deutschen Recht § 91 Abs. 2 AktG oder § 130 OWiG zu nennen. Im amerikanischen Recht am bedeutendsten ist die Anerkennung einer good faith defense bei deliktsrechtlichen Ansprüchen in Fällen von sexueller Belästigung oder Diskriminierung am Arbeitsplatz. Diese impliziten Vorgaben sind jedoch derart unterschiedlich, dass zum einen kein übergreifender Ansatz der ComplianceProgramme auszumachen ist und zum anderen Compliance-Programme nur eine
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Möglichkeit sind, den Vorschriften genüge zu tun. Der bekannte zivilrechtliche Fall In re Caremark des Delaware Court of Chancery statuierte daher nicht, dass eine Pflicht zur Errichtung von Compliance-Programmen bestehe, sondern dass Compliance-Programme (im Sinne der Strafzumessungsrichtlinien) eine Möglichkeit sind, die Standards einzuhalten, die ein director zu erfüllen hat. In diese Richtung ist auch der Bußgeldbescheid der Staatsanwaltschaft gegen Siemens zu verstehen,19 der eine auf §§ 30, 130 OWiG gestützte Geldbuße wegen des zum Zeitpunkt der Tat mangelhaften Compliance-Programms vorsieht: Ein ordnungsgemäßes Compliance-Programm hätte die Verantwortlichkeit nach § 130 OWiG ausschließen können, war jedoch nicht die einzige Option für Siemens. Für die Praxis bietet ein Compliance-Programm dennoch eine gute Möglichkeit, im deutschen wie im amerikanischen Recht bestehende Vorgaben weitgehend zu erfüllen. Schwierigkeiten ergeben sich dabei vor allem dann, wenn verschiedene rechtliche Erfordernisse aufgestellt werden, die sich ggf. sogar widersprechen. Die vorgenannte Möglichkeit, dass Compliance-Programme zum Ausschluss einer Verantwortlichkeit führen, ist aus regulativer Sicht noch dem Bereich der staatlich-privaten Koregulierung zuzurechnen: Zwar wird das Ob eines ComplianceProgramms (oder einzelner Komponenten) nicht mehr in das Ermessen des Unternehmens gestellt. Wie jedoch das Programm im Einzelnen auszusehen hat, bleibt den Unternehmen überlassen und ermöglicht somit eine flexible Anpassung an unterschiedliche betriebliche Bedürfnisse. Insoweit operieren die gesetzlichen Normen mit Zielvorgaben (wie angemessene Überwachung oder angemessenes Risikomanagement) und grundsätzlich nicht mit starren inhaltlichen Detail- und Strukturvorgaben. VIII. Detaillierte gesetzliche Verpflichtung zu Compliance Die gesetzliche Verpflichtung zur Errichtung eines Compliance-Programms mit detaillierter Vorgabe der Programmkomponenten wäre nicht mehr der staatlichprivaten Koregulierung zuzurechnen, sondern einer rein staatlichen Regulierung. Damit würde noch ein Schritt weiter gegangen als die vorgehend beschriebene Möglichkeit zum Ausschluss der Verantwortlichkeit. Bislang existiert eine derartig umfassende Regulierung in Bezug auf Compliance-Programme weder in den USA noch in Deutschland. Einige gesetzliche Vorgaben wie beispielsweise im GwG mit seinen umfangreichen und detaillierten Einzelpunkten deuten jedoch in diese Richtung. IX. Bewertung Insgesamt zeigt die vorgehende Betrachtung, dass Compliance inzwischen auf zahlreichen Ebenen relevant wird und sich insbesondere im Bereich der staatlichprivaten Koregulierung verschiedene Herangehensweisen etabliert haben. Im Ver____________ 19
Vgl. zum Fall Siemens oben S. 2 ff.
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gleich zwischen Deutschland und den USA wird deutlich, dass im amerikanischen Recht die unterschiedlichen Möglichkeiten der Berücksichtigung von ComplianceProgrammen in größerem Maße ausgenutzt werden als im deutschen Recht. C. Parallelentwicklung zu Compliance: Kooperationsanforderungen Innerhalb des Compliance-Ansatzes ist bereits der Aspekt einer Kooperation des Unternehmens mit den Ermittlungsbehörden angelegt: Die Unternehmen sind für Maßnahmen verantwortlich, die die Aufdeckung von Straftaten der Mitarbeiter ermöglichen. Über diese Kooperationsanforderungen hinaus wird von ihnen jedoch inzwischen eine umfangreiche Mitwirkung an der Aufklärung von Straftaten erwartet. Die unklare rechtliche Lage, inwieweit sich Unternehmen auf Schutzstandards berufen können, ermöglicht es ihnen kaum, sich diesen Erwartungen ohne Konsequenzen zu entziehen. Die Gründe für derartige Entwicklungen mögen dabei in mangelnden Ressourcen staatlicher Ermittlungsorgane und der Komplexität wirtschaftsstrafrechtlicher Fälle (auch angesichts der Größe zahlreicher Unternehmen) liegen. Bei transnationalen Unternehmen wie im Fall Siemens stellt sich zudem das Problem grenzüberschreitender Ermittlungen.20 Viele Unternehmen kooperieren in der Praxis intensiv, sobald staatliche Behörden anfangen, zu ermitteln. Das Beispiel Siemens zeigt, wie weit dies gehen kann: Das Unternehmen hat mehrere Hundert Millionen Euro gezahlt, damit Anwälte und Wirtschaftsprüfer die Korruptionsvorwürfe aufklären. Die Ergebnisse haben dann die staatlichen Stellen übernommen. Honoriert wird diese Ermittlungstätigkeit mit einer substantiellen Strafmilderung. Die amerikanischen Strafzumessungsrichtlinien sehen für die „bestmögliche“ Kooperation eine höhere Strafmilderung vor als für Compliance-Programme. Darüber hinaus ermöglicht das Booker-Urteil, eine Kooperation noch stärker zu berücksichtigen als von den Strafzumessungsrichtlinien ohnehin vorgesehen. Auch die Richtlinien für die Staatsanwaltschaft messen der Kooperation hohe Priorität zu. Im Fall Siemens hielt die amerikanische Staatsanwaltschaft eine Strafe für angemessen, die zwei Drittel unter der normal vorgesehenen Mindeststrafe der Strafzumessungsrichtlinien lag. Begünstigt wird durch diese Entwicklung eine Haltung der Unternehmen, zunächst nichts zur Rechtseinhaltung durch (umfangreiche und kostspielige) Compliance-Programme beizutragen, aber dieses „Manko“ im Fall von behördlichen Ermittlungen durch eine punktuelle Kooperation auszugleichen. Das Ziel einer allgemeinen Rechtseinhaltung in Unternehmen auf langfristiger Basis wird dadurch nicht nur kaum befördert, sondern staatlicherseits sogar konterkariert.
____________ 20 Zum Fall Siemens (auch zu den im nachfolgenden Text erwähnten Fakten) siehe bereits oben S. 2 ff.
... dans ce pays-ci il est bon de tuer de temps en temps un amiral pour encourager les autres. Voltaire, Candide (1759), Kap. 23
Crime is a sociopolitical artifact, not a natural phenomenon. We can have as much or as little of it as we please, depending on what we choose to count as Criminal. Packer, H., The Limits of the Criminal Sanction (1968), S. 364
5. Kapitel: Rechtspolitische Schlussbetrachtungen § 22 Einleitende Bemerkungen Der folgende Schlussteil dient der Bewertung der aus der Rechtsvergleichung gewonnenen Erkenntnisse und führt diese fort. Hinsichtlich der anzustellenden Überlegungen rekurriert er auf die Landesberichte und den rechtsvergleichenden Teil, ist jedoch nicht darauf beschränkt. Insbesondere ermöglicht er, den Blick schlaglichtartig auf andere Staaten zu werfen, ohne diese Rechtssysteme einer eingehenden rechtsvergleichenden Betrachtung zu unterziehen. Derartige Betrachtungen dienen allein der Verdeutlichung von Gedanken, die sich aus der vorhergehenden Untersuchung ableiten. Die Ausführungen des Schlussteils können nur skizzenhaft und beispielhaft sein. Sie dienen als Denkanstöße und rechtsvergleichend orientierte Ableitungen für eine weitere rechtspolitische Entwicklung der den Untersuchungen zugrunde liegenden Sachfragen. Sie erheben nicht den Anspruch, in ihrer Fundierung und Begründung umfassend zu sein und quasi die rechtsvergleichenden Betrachtungen um einen dogmatischen Teil von gleichem Umfang zu erweitern. Um rational nachvollziehbare, dogmatisch ableitbare Ergebnisse zu erhalten, ist es notwendig, den Bewertungsrahmen zu umreißen, in den die rechtsvergleichenden Überlegungen eingestellt werden. Vorliegend orientieren sich die Schlussfolgerungen am System des Grundgesetzes, insbesondere an den Grundsätzen von Freiheit und Gleichheit.1 Dreh- und Angelpunkt des grundgesetzlichen Ausgangs___________ 1 Für das Strafrecht ist dieser Ausgangspunkt immer noch nicht selbstverständlich, aber seit den umfassenden Bearbeitungen von Appel, Verfassung (1998) und Lagodny, Grundrechte (1996) ist das Verfassungsrecht zumindest gängiger Bestandteil der Diskussion geworden.
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punkts sind die Grundrechte: Diese garantieren einen zunächst staatsfreien Betätigungsraum, der allerdings durch staatliche Maßnahmen (hier insbesondere Sanktionen) beschränkt werden kann. Jede staatliche Beschränkung als Verkürzung gewährleisteter Freiheit bedarf einer besonderen Rechtfertigung. Dies erfordert das Tätigwerden des Gesetzgebers im Hinblick auf ein verfassungsmäßiges Ziel. Die gesetzgeberische Maßnahme muss zudem insbesondere dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen, der sich aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG ergibt, sie muss also geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne sein.2 Wie der rechtsvergleichende Überblick zum Stand der derzeitigen ComplianceDiskussion gezeigt hat, ist Compliance im gesamten Feld zwischen Selbstregulierung und staatlicher Regulierung angesiedelt. Daher wird im Folgenden zunächst auf die Aspekte der Selbstregulierung, der Regulierung und insbesondere der Zwischenformen der regulierten Selbstregulierung eingegangen (§ 23). Im Anschluss daran werden die Grundlagen einer sanktionsrechtlichen Belangung des Unternehmens erarbeitet (§ 24). Davon ausgehend werden die Fragen einer Verantwortlichkeit (§ 25), mögliche Sanktionen (§ 26) und verfahrensrechtliche Aspekte (§ 27) im Hinblick auf die am Ende des Kapitels folgende gesetzgeberische Umsetzung näher dargelegt. Zudem wird auf die grundlegenden Elemente eines ComplianceProgramms eingegangen (§ 28). Die Überlegungen münden in einen ausformulierten Gesetzesvorschlag (§ 29).
____________ 2 Vgl. bspw. BVerfGE 120, 224 (239 ff.); zu diesem klassischen verfassungsrechtlichen Prüfprogramm siehe näher Zippelius/Würtenberger, Staatsrecht, § 19.
§ 23 Sanktionsrecht und regulierte Selbstregulierung A. Selbstregulierung Als Ausgangspunkt der Frage einer Regulierung von Unternehmen nimmt das Grundgesetz eine klare Stellung ein: Die Regulierung ist die Ausnahme. Die Freiheit steht im von der Aufklärung und dem Liberalismus geprägten System des Grundgesetzes im Vordergrund. Diese Freiheit beinhaltet für natürliche Personen die Möglichkeit, einer unternehmerischen Betätigung nachzugehen, insbesondere hierzu selbstständige Zusammenschlüsse in Form von Unternehmen zu schaffen.1 Sie bedeutet für einmal von der Rechtsordnung akzeptierte Unternehmen, dass sich diese die Freiheit grundsätzlich wie natürliche Personen zu eigen machen können.2 Insoweit sieht das Grundgesetz zunächst die Freiheit von Regulierung vor. Auf ein bestimmtes Wirtschaftssystem ist das Grundgesetz dabei nicht festgelegt,3 die freiheitliche Schwerpunktsetzung schließt allerdings eine Zentralverwaltungswirtschaft aus.4 Der grundgesetzliche Ausgangspunkt bedeutet, dass ein Unternehmen sich aus rechtlicher Sicht zunächst nicht aktiv um das Problem Compliance kümmern muss. Es muss zwar die bestehenden (an das Unternehmen adressierten) rechtlichen Regelungen einhalten, aber ohne besondere Vorschriften weder speziell an der Prävention gegen Rechtsverletzungen mitwirken noch repressiv bei der Aufdeckung solcher tätig werden. Die eingeräumte Freiheit beinhaltet also die Freiheit, untätig zu bleiben. ____________ 1 Hier ist die Freiheit bedingt durch die Schaffung von Rechtsformen, die eine Betätigung innerhalb eines Unternehmens ermöglichen. Die Inanspruchnahme der Freiheit (vor allem der des Art. 12 GG) ist insoweit geprägt durch das einfache Recht, das Gesellschaftsrecht. Neben Art. 12 GG sind insbes. Art. 14, Art. 9 und Art. 2 Abs. 1 GG von Bedeutung. 2 Vgl. Art. 19 Abs. 4 GG, der allerdings einschränkend nur für inländische Unternehmen gilt und zudem die Anwendung einzelner Grundrechte unter den Vorbehalt stellt, dass diese ihrem Wesen nach auf Unternehmen anwendbar sind. 3 Bei Gründung der Bundesrepublik war die Frage nach der Wirtschaftsverfassung des Grundgesetzes umstritten, da dieses im Gegensatz zur Weimarer Reichsverfassung (Art. 151–165 WRV) keinen eigenen Abschnitt über das „Wirtschaftsleben“ enthält (vgl. Rittner, Wirtschaftsrecht, S. 30 ff.). So wurde einerseits die wirtschaftspolitische Neutralität (Krüger, DVBl 1951, 361 ff., 368) andererseits aber auch die Soziale Marktwirtschaft im GG verankert gesehen (Nipperdey, WuW 1954, 211 ff.). Das BVerfG nahm bereits 1954 zu dieser Frage im „Investitionshilfeurteil“ Stellung (BVerfGE 4, 7 [17]) und hielt an den dort aufgestellten Grundsätzen auch in der Folgezeit fest (BVerfGE 50, 290 [336 ff.] – Mitbestimmungsurteil). Es betonte, dass das GG kein bestimmtes Wirtschaftssystem vorsehe und vorschreibe, der Gesetzgeber in der Wahl seiner Wirtschaftspolitik also frei sei. Insoweit ist das GG tatsächlich neutral. Nichtsdestoweniger ist auf einfachgesetzlicher Ebene die deutsche Wirtschaftsordnung als Wettbewerbsordnung festgelegt (z.B. im Stabilitätsgesetz). Auch im Staatsvertrag zwischen der BRD und der DDR wurde die Bundesrepublik auf die Marktwirtschaft festgelegt (Art. 1 Abs. 1, 4). 4 Vgl. Tiedemann, Tatbestandsfunktionen, S. 148 f.
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5. Kapitel: Rechtspolitische Schlussbetrachtungen
Bestandteil der Freiheit ist jedoch auch, die Möglichkeit zur Selbstregulierung wahrzunehmen und auf die Freiheit zur Untätigkeit zu verzichten. Eine solche Selbstregulierung ist im Bereich der Prävention von Rechtsverstößen (insbesondere von Straftaten in und aus Unternehmen heraus) seit Längerem zu finden.5 In der aktuellen Entwicklung der Compliance-Programme findet dieser Ansatz derzeit seine Fortsetzung. Die Präventionsansätze durch Selbstkontrolle bedingen eine entsprechende Motivation seitens der Unternehmen. Drei wesentliche Aspekte können hierbei eine Rolle spielen: der Erhalt des freiheitlichen Systems, ethische Erwägungen und wirtschaftliche Gründe. Der erste motivierende Faktor liegt in der Erkenntnis begründet, dass die freiheitliche Konzeption langfristig nur dann funktioniert, wenn kein Missbrauch der Freiheit erfolgt, die den Staat zum Einschreiten und zu staatlicher Regulierung bewegt. Die privatwirtschaftliche Wahrnehmung präventiver Aufgaben entspricht somit einer liberalen Wirtschaftsauffassung, bei der sich der Staat auf eine globale Steuerung und Überwachung beschränken kann.6 Dies bedeutet, je effektiver Unternehmen selbst tätig werden, desto weniger ist staatliche Regulierung notwendig. Neben dem Erhalt des freiheitlichen Bezugssystems, in dem Unternehmen tätig werden, können insbesondere moralische/ethische Erwägungen eine Selbstregulierung anstoßen. Dies ist immer dann der Fall, wenn die Aufgabe des Unternehmens nicht allein in der Vermehrung des Kapitals gesehen wird. Die Verbindung von Ethik und Ökonomie ist keine Selbstverständlichkeit, hat doch das einflussreiche Werk „Wealth of Nations“7 von Adam Smith zu einer weitgehenden Trennung von Ethik und Wirtschaft geführt, da Smith allgemeiner Wohlstand am besten dadurch erreichbar schien, dass jeder versuche, sein eigenes Glück zu maximieren.8 Insbesondere die christlichen Sozialethiken haben jedoch dazu geführt, dass ethisches Denken im 20. Jahrhundert (mit einigen Unterbrechungen) wieder einen größeren Stellenwert eingenommen hat. So konnte Tiedemann 1969 konstatieren, dass der Mensch vermehrt im Mittelpunkt stehe und sozialethische Normen und Werte Bezugspunkte wirtschaftlicher Tätigkeiten seien.9 Seit den 1980er Jahren hat der Bereich der business ethics ausgehend von den USA zudem mehr und mehr Aufmerksamkeit erfahren. Heute geht es sehr intensiv um die Frage der Verbindung von Ethik und Wirtschaft, und speziell um das Problem, wie ethische Belange im Unternehmen umzusetzen sind. ____________ 5 Vgl. zur Palette präventiver Einrichtungen privater Natur bereits Sieben/Poerting, Präventive Bekämpfung, S. 71 ff.; vgl. auch Berckbauer, in: Poerting (Hrsg.), Wirtschaftskriminalität, S. 297 (315 f.); sowie Möllering, Hdb Korruptionsprävention, S. 79 ff. 6 Berckbauer, in: Poerting (Hrsg.), Wirtschaftskriminalität, S. 297 (311); Feuerstein, Wirtschaftskriminalität, S. 50; Hauschka, NJW 2004, 257 (261). 7 Smith, Wealth of Nations (1776). 8 Vgl. Smith, Wealth of Nations, Kap. 2. 9 Tiedemann, Tatbestandsfunktionen, S. 105.
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Vorliegend kann keine eigene Begründung der Ethik geleistet werden, sodass sich die Darstellung auf einige grundlegende Aspekte beschränkt. Unternehmen sind Teil der Gesellschaft, sie generieren sich aus dieser und interagieren mit anderen gesellschaftlichen Teilbereichen. Als Teil der Gesellschaft tragen sie daher Mitverantwortung für deren Funktionieren. Da sie insbesondere machtvolle Akteure sein können,10 kommt ihnen eine spezielle Verantwortung zu: Macht verpflichtet zur Verantwortung. So haben Unternehmen (durch ihre handelnden Mitarbeiter) die moralische Pflicht, die Tragweite ihres Handelns zu berücksichtigen und in ihre Tätigkeit miteinzubeziehen.11 Insoweit besteht für sie beispielsweise die Pflicht, dafür zu sorgen, dass niemand durch ihre Geschäftstätigkeit an Leib und Leben geschädigt wird, und zwar unabhängig von den konkreten rechtlichen Verpflichtungen. Hinzu kommt die Pflicht, die Entscheidungen auch nach moralischen Leitlinien zu treffen.12 Diese Leitlinien sind oft die vorgelagerten Bedingungen, die erst eine Rechtseinhaltung sicherstellen können (aber auch bei ihrer Abwesenheit die Möglichkeit von Rechtsbrüchen erhöhen können13): Wenn Fairness und Ehrlichkeit als Leitlinien gelten und akzeptiert sind, ist moralisch z.B. die Vornahme betrügerischer Handlungen gegenüber Kunden (Verkauf von „Gammelfleisch“) ausgeschlossen. Von den ethischen Erwägungen abgesehen, bestehen aber auch originär wirtschaftliche Interessen, selbst die Rechtseinhaltung im Unternehmen sicherzustellen. Dies ist zunächst immer dann der Fall, wenn eine Rechtsverletzung zu einer unmittelbaren Schädigung des Unternehmens führt. So dienen beispielsweise Arbeitsschutzvorschriften zwar dem Schutz des Mitarbeiters, aber das Unternehmen hat auch ein Interesse daran, dass ein wegen seiner Fachkenntnisse wertvoller Mitarbeiter nicht durch einen Arbeitsunfall ausfällt. Zudem wird die Einhaltung rechtlicher und moralischer Standards eines Unternehmens auf Seiten der Kunden und der Öffentlichkeit allgemein immer mehr wahrgenommen.14 Im internationalen Bereich haben Organisationen in den letzten Jahren zahlreiche unverbindliche Regelwerke (soft law) geschaffen, die ein verant____________ Vgl. dazu näher unten S. 606 ff. Insoweit wird hier die Verantwortungsethik in den Vordergrund gestellt, die vor allem das Handeln und dessen Konsequenzen betrachtet. Vgl. näher zu diesem Aspekt den klassischen Vortrag von Weber, Politik als Beruf, S. 56 ff. 12 Somit wird vorliegend auch dem Aspekt der Gesinnungsethik Rechnung getragen, der auf die Motivation des Handelns abstellt. Dieser Ansatz hat insbes. in der Ausprägung Kants als kategorischer Imperativ (Handle so, dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könnte) große Bedeutung erlangt, vgl. Kant, Kritik der praktischen Vernunft, § 7 (S. 54). Bei Konflikten mit der Verantwortungsethik dürfte der Folgenorientierung allerdings der Vorrang einzuräumen sein, vgl. Weber, Politik als Beruf, S. 57 ff. 13 Vgl. näher zur Bedeutung des Unternehmensklimas unten S. 610 ff. 14 Vgl. zum Einfluss Dritter auf die Compliance-Anstrengungen von Unternehmen Nielsen/Parker, 35 J. Law & Soc. (2008), S. 309 ff. 10 11
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wortungsbewusstes und ethisches Verhalten von Unternehmen verlangen und auch hinsichtlich einzelner Erwartungen konkretisieren.15 Seitens der ISO wird derzeit ein Leitfaden zur gesellschaftlichen Verantwortung von Organisationen erarbeitet.16 Auch die Verbraucher erwarten zunehmend von Unternehmen, dass gewisse Standards eingehalten werden und das Wirtschaftsverhalten danach ausgerichtet wird.17 Ein Beispiel für diese Entwicklung ist die Untersuchung von Produkten bei der Stiftung Warentest nicht mehr nur nach der Qualität des Produkts, sondern auch regelmäßig danach, welche Standards Unternehmen im Bereich CSR und Unternehmensverantwortung erfüllen.18 Werden diese Erwartungen nicht erfüllt, sieht sich das Unternehmen negativer Publizität und damit zumeist negativen wirtschaftlichen Konsequenzen ausgesetzt. Die Einhaltung ethischer und rechtlicher Standards ist auch Marktfaktor. Zugleich ist er damit aber auch Marketingfaktor geworden: Verbraucher werden mit der Einhaltung von Regelungen angesprochen und umworben. Angesichts dieser Entwicklung ist daher die Einhaltung von Standards inzwischen auch ein wichtiger Bewertungsfaktor bei der Akquisition von Unternehmen.19 Insgesamt besteht somit inzwischen ein dynamisches Wechselspiel zwischen Unternehmensaktivität und Öffentlichkeit, das die Förderung der Rechtseinhaltung zum Ziel hat und so sicherlich einen nicht unwesentlichen Beitrag zur Compliance des Unternehmens leisten kann.20 ____________ 15 So sieht insbes. die „United Nations Global Compact Initiative“ Standards für multinationale Unternehmen in den Bereichen Menschenrechte, Arbeitsbedingungen, Korruption und Umwelt vor (); siehe Hillemanns, 4 GLJ (2003), S. 1065 (1066). Die OECD hat Richtlinien für multinationale Unternehmen erlassen, vgl. OECD, Guidelines for Multinational Enterprises (revised edition 2000; ). Siehe auch die „Tripartite Declaration of Principles Concerning Multinational Enterprises and Social Policy“ der ILO (fourth revised edition 2006; ). Zur Thematik näher Engelhart, in: Burchard/Triffterer/Vogel (Hrsg.), Review Conference, S. 175 (178 f.); Knox, 102 Am. J. Int. L. (2008), S. 1 ff.; Ruggie, 101 Am. J. Int. L. (2007), S. 819 ff. 16 Vgl. ISO 26000 Standard on Social Responsibility (näher dazu unter www.iso.org). 17 Bussmann, MschrKrim 86 (2003), 89 (99) nennt u.a. das Beispiel von Finanzberatungen, die mit sog. Corporate-Responsibility-Ratings börsennotierter Unternehmen auf die Einhaltung kultureller, ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit achten. 18 Vgl. nur Überschriften der Tests auf www.test.de: „Kaffee-CSR: Wer produziert ökologisch und fair?“, „Kochschinken: CSR: Bioanbieter punkten“, „Fußbälle CSR: Diese Unternehmen produzieren fair“. 19 Vgl. Peemöller/Reinel-Neumann, BB 2009, 206 ff. zur Einhaltung von Corporate Governance- und Compliance-Vorgaben. Zur Relevanz in der Insolvenz vgl. Passarge, NZI 2009, 86 (87). 20 Vgl. auch Bussmann, MschrKrim 86 (2003), 89 (100) und Palazzo, Die Kriminalprävention 2001, 52 (60), die in der Implementierung von Unternehmensrichtlinien im Verbund mit der wachsenden Sensibilisierung ihrer Umwelt die derzeit Erfolg versprechendste Ergänzung des Wirtschaftsstrafrechts sehen.
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Es gibt also gute Gründe, warum Unternehmen von sich aus die Einhaltung rechtlicher Regelungen, ggf. verbunden mit ethischen Vorgaben, verfolgen und auch durch umfangreiche Maßnahmen wie Compliance-Programme umsetzen. Die Selbstregulierung hat aber ihre klaren Grenzen. Diese ergeben sich vor allem daraus, dass die Selbstregulierung auf einer intrinsischen Motivation beruht. Die Einsicht in den Erhalt des freiheitlich basierten Systems wie auch ethische Erwägungen wird nicht durchgehend geteilt. Die auf Selbstregulierung setzenden business ethics-Bemühungen der 1980er Jahre in den USA haben sich oftmals auch mehr als Marketingoffensive denn als ernsthafte ethische Orientierung entpuppt. Wirtschaftlicher Gewinn steht häufig im Vordergrund. Wenn die Aussicht auf einen entsprechenden Gewinn nur groß genug ist, treten andere Aspekte (insbesondere ethische Erwägungen) schnell in den Hintergrund. Insbesondere die unter dem Begriff des shareholder value auf schnelle Gewinnsteigerung zielende Geschäftspolitik lässt kaum Raum für nicht monetäre Zielsetzungen, die mit einem gesamtgesellschaftlichen Aufgabenverständnis des Unternehmens verbunden sind. Die Finanzkrise mag manchen Manager geläutert haben, dass kurzfristige Gewinnorientierung dem Gesamtsystem schadet.21 Ob sich damit jedoch langfristig eine wertorientierte, dem Erhalt der Unternehmenssubstanz verpflichtete Geschäftspolitik durchzusetzen vermag, bleibt abzuwarten. Als Problem bleibt vor allem, dass gerade in Unternehmen, in denen Eigentum und Management getrennt sind, das Interesse des Managements an einem langfristigen Erhalt der Unternehmenssubstanz nicht so ausgeprägt ist wie bei Eigentümerunternehmen. Die von Berle/Means bereits vor über 70 Jahren skizzierte Problematik ist somit nach wie vor aktuell.22 Auch der Aspekt der Beeinflussung des Unternehmens durch die Öffentlichkeit hat ihre Grenzen. Vor allem deswegen, weil es weder die Öffentlichkeit noch den Verbraucher gibt. Es gibt nur zahlreiche Interessengruppen mit einer Vielzahl von Interessen, die nicht zwingend kohärent sind. Zudem ist der Druck seitens der Öffentlichkeit häufig einzelfallbezogen und selten von längerer Dauer. Die empirische Untersuchung von Nielsen/Parker zum Einfluss Dritter auf ComplianceBemühungen von Unternehmen konnte daher nur eine geringe Wirkung feststellen; die Autorinnen kommen so zu dem Ergebnis, dass dritte Parteien staatliche Überwachung nicht ersetzen, aber immerhin sinnvoll ergänzen können.23
____________ 21 Vgl. die Aussagen des langjährigen CEO Jack Welch von General Electric: „Genau betrachtet ist Shareholder Value die blödeste Idee der Welt.“, „Shareholder Value ist ein Ergebnis, keine Strategie, die wichtigsten Interessengruppen sind die eigenen Mitarbeiter, die eigenen Kunden und die eigenen Produkte“, zitiert nach Guerrera/Baer, FTD vom 13.3.2009 (Online-Ausgabe unter www.ftd.de). 22 Vgl. Berle/Means, Corporation, S. 44 ff. 23 Nielsen/Parker, 35 J. Law & Soc. (2008), S. 309 (339 f.) auf der Basis einer Umfrage unter 999 australischen Unternehmen.
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5. Kapitel: Rechtspolitische Schlussbetrachtungen
B. Regulierung Die Freiheiten des Grundgesetzes sind nicht vorbehaltlos gewährleistet, sondern können durch den Gesetzgeber, also durch gesetzliche Regulierung24 beschränkt werden. Diese kann vorgeben, wer was wann wo und wie zu tun hat. Der Gesetzgeber kann allerdings nicht wahllos regulieren, er muss dies im Hinblick auf einen verfassungsmäßigen Zweck tun. Ein solcher Zweck ist insbesondere der Schutz der Freiheiten anderer, die durch die Vornahme eines bestimmten Verhaltens beeinträchtigt werden können. Die Wahrnehmung der Freiheit des einen muss also geeignet sein, die Freiheit des anderen zu beeinträchtigen. Die Grundrechte anderer begrenzen die Reichweite der eigenen Inanspruchnahme eines Grundrechts. Insoweit kommt eine gesetzliche Regulierung bei Unternehmen in Betracht, wenn diese per se Strukturen aufweisen, die geeignet sind, die Freiheiten anderer zu beschneiden.25 Eine solche Beeinträchtigung ist vor allem durch die Konzentration von Macht in Unternehmen und durch die Verbindung natürlicher Personen im Kollektiv (Risikofaktor Kollektiv) möglich. Beide Bereiche sind nicht vollkommen zu trennen, da Macht gerade auch durch die Verbindung im Kollektiv hergestellt wird. Im Folgenden werden beide Punkte einzeln behandelt, um den jeweiligen Schwerpunkt klar herauszustellen. I. Macht rechtfertigt Kontrolle Macht ist ein Begriff mit vielen Facetten, der häufig mit einer negativen Konnotation besetzt ist, wenn er in Bezug zum Machtmissbrauch steht. Vorliegend soll er jedoch deskriptiv verstanden werden und (grundsätzlich wertungsfrei) allein die Möglichkeit bezeichnen, eigene Interessen ggf. auch gegen den Willen anderer durchzusetzen. Diese Definition orientiert sich an der von Max Weber vorgenommenen Bestimmung.26 Macht ist insoweit vor allem eine Lage, in der einer Person mehr Möglichkeiten zur Verfügung stehen als anderen. Ausgegangen wird vorliegend davon, dass dem Menschen (auch)27 ein gewisses intrinsisches Streben nach ____________ 24 Der Begriff der Regulierung wird vorliegend allein in Bezug auf die Setzung staatlicher Regelungen bezogen. Vgl. zum sonstigen (wenig einheitlichen) Begriffsverständnis Thoma, Regulierte Selbstregulierung, S. 35 ff. 25 Darüber hinaus kann die konkrete Betätigung eines Unternehmens Gefahren für die Freiheiten anderer schaffen. Diese Aspekte können ebenfalls eine gesetzliche Regulierung rechtfertigen, bleiben jedoch vorliegend außer Betracht, da es sich um sektorspezifische Regelungen (z.B. im Produkthaftungs- oder Umweltrecht) handelt. 26 Vgl. Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, S. 28: Macht ist „jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel, worauf diese Chance beruht“. 27 Damit soll nicht ausgeschlossen werden, dass der Mensch auch von anderen intrinsischen Bedürfnissen geleitet wird, die von elementaren Aspekten wie der Befriedigung von Hunger, Durst bis hin zur Herstellung einer gewissen Gleichheit in einer Gemeinschaft reichen können.
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Macht eigen ist.28 Soweit die aktuelle Lage nicht an den eigenen Interessen ausgerichtet werden kann, strebt der Mensch nach der Macht, diese Lage zu erreichen. Wenn er sie erreicht hat, bedeutet Macht die Sicherheit, die aktuelle Lage den eigenen Wünschen entsprechend zu gestalten. Aber vor allem gibt sie die Sicherheit, dass in der (ungewissen) Zukunft die eigenen Interessen weiterhin durchgesetzt werden können. Um ein System der Freiheit und Gleichheit wie das des Grundgesetzes aufrechtzuerhalten, ist Aufgabe des Staates, immer dort einer Akkumulation von Macht begrenzend und kontrollierend entgegenzutreten, wo diese geeignet ist, die Freiheit anderer nicht nur geringfügig zu beeinträchtigen. Dabei geht es gar nicht nur (aber auch) um Regulierung von Machtmissbrauch. Sie hat schon dort einzusetzen, wo Machtakkumulation zu einer spürbaren Verschiebung einer (fiktiv gedachten) Machtbalance führen kann. Regulierung dient daher dazu, eine Balance zwischen der Macht der einen und der Freiheit der anderen zu finden. Machtakkumulation ist kein alleiniges Phänomen, das nur für Unternehmen gilt. Auch einzelne natürliche Personen können große Macht auf sich vereinen. Von Interesse in Bezug auf die Notwendigkeit staatlicher Regulierung gegenüber Unternehmen ist die Macht von Unternehmen daher vor allem dort, wo sie sich von den Möglichkeiten unterscheidet, die einer einzelnen natürlichen Person zustehen. Insoweit ist die Rechtsmacht, die ein Unternehmen besitzt, nicht von Bedeutung. Denn Unternehmen stehen grundsätzlich nicht mehr rechtliche Möglichkeiten zur Verfügung als natürlichen Personen. Im Gegenteil: Da Unternehmen erst durch die Rechtsordnung geschaffene Gebilde sind, werden nicht alle Rechte natürlicher Personen auf Unternehmen erstreckt.29 Spezifische Macht besitzen Unternehmen nicht rechtlich, sondern allein faktisch. Unternehmen sind die vorherrschenden Akteure im wirtschaftlichen Bereich. Nur ausnahmsweise sind natürliche Personen bedeutendere Akteure (z.B. als Finanzinvestoren), jedoch erfolgt deren Teilnahme am Wirtschaftsleben auch hier zumeist mediatisiert über Unternehmen. Die Zurverfügungstellung rechtlicher Rahmenbedingungen seit dem 19. Jahrhundert, die Unternehmen ermöglichte, als eigenständige Rechtsteilnehmer in den Rechtssystemen national und international agieren zu können, ist von daher eine Erfolgsgeschichte.
____________ 28 Darauf hat bereits Hobbes, Leviathan, Kap. 11 hingewiesen, der dies vor allem auf den (fiktiven) Naturzustand bezieht; darauf aufbauend Höffe, Politische Gerechtigkeit, S. 315 ff. Siehe auch Schölderle, Macht, S. 48 ff. 29 Wie Art. 19 Abs. 4 GG deutlich macht, liegt dies vor allem daran, dass Rechte, die an die spezielle Personalität des Menschen anknüpfen, nicht auf Unternehmen erstreckbar sind. Zudem richten sich bestimmte Regelungen oftmals nur an Unternehmen als Normadressaten, sodass man zugespitzt sagen kann, dass Unternehmen im Vergleich zu natürlichen Personen mehr Pflichten als Rechte haben.
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5. Kapitel: Rechtspolitische Schlussbetrachtungen
Faktische Macht ist zunächst monetär sichtbar. Die Wirtschaftskraft von Unternehmen übersteigt regelmäßig die von Privatpersonen. Einige Unternehmen, vor allem international agierende Konzerne, können sogar eine Wirtschaftleistung vorweisen, die über der zahlreicher Staaten liegt.30 Diese wirtschaftliche Macht entfaltet sich in verschiedenster Weise. Zunächst bedeutet sie für das Unternehmen Handlungs- und Gestaltungsmacht. Dies heißt im Besitz der Möglichkeiten (der materiellen und personellen Ressourcen) zu sein, Veränderungen in der Umwelt tatsächlich vornehmen zu können.31 Besondere Bedeutung erlangt der Aspekt, wenn das Unternehmen über nur begrenzt vorhandene Ressourcen verfügt. Die Handlungsmöglichkeiten sind auch dort besonders wichtig, wo die Aufgaben erst durch die organisatorische Verbindung und Steuerung einer Vielzahl von Einzelfähigkeiten erreicht werden kann. Das Unternehmen kann hierbei häufig auf wertvolles Fachwissen zurückgreifen, das auch langfristig und personenunabhängig dort „gespeichert“ werden kann (Macht durch Fachwissen). Ergänzt wird das Fachwissen zudem durch die Möglichkeiten der Informationserlangung und -verbreitung (Macht durch Information). Dies betrifft nicht nur umfangreiche Möglichkeiten des Zugangs zu Informationen, der Steuerung dieses Zugangs (z.B. durch den Einkauf von Exklusivrechten) und damit der Kontrolle von Kommunikationskanälen. Es beinhaltet den Umgang mit Informationen nach außen, der gesteuert werden kann, womit Einfluss auf die diskutierten Fakten und Meinungen genommen wird. Möglich sind dabei auch die Zurückhaltung von Informationen, die partielle Weitergabe (einschließlich der verfälschenden Wiedergabe durch Vorenthalten einzelner zentraler Informationen) bis hin zur Verbreitung von Falschinformationen. Eng verknüpft mit der Handlungsmacht ist die Entscheidungsmacht, was zum einen bedeutet, aus verschiedenen vorhandenen Optionen eine auswählen zu können. Das Unternehmen kann es sich vielfach tatsächlich „leisten“, eine freie Wahl zu treffen und nicht aufgrund der möglichen Konsequenzen a priori auf eine oder wenige beschränkt zu sein. Zum anderen hat aber das Unternehmen auch die Möglichkeit, über vorhandene Entscheidungsoptionen hinaus neue Zielsetzungen festlegen zu können. Unternehmen kommt zudem häufig Mobilisierungsmacht zu, nämlich die Fähigkeit andere für eigene Zwecke zu mobilisieren, was insbesondere beim Absatz von Produkten (Werbung) relevant wird. Zuletzt kann ein Unternehmen auch Definitionsmacht besitzen und im Diskurs um die Lösungen gesellschaftlicher Probleme die Art der Lösung wesentlich durch eigene Beiträge (z.B. im Gesetzgebungsprozess) beeinflussen. ____________ 30 Vgl. näher dazu UNCTAD, World Investment Report 2007, S. 24 ff.; World Investment Report 2008, S. 26 ff. (); siehe auch Laufer, Corporate Bodies, S. 54 f. 31 Vgl. zu dieser und den nachfolgend genannten Ausprägungen von Macht Pfeffer, Harvard Businessmanager 4/1992, S. 17 ff.
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Die wirtschaftliche Macht und ihre Entfaltung versetzt Unternehmen in besonderem Maße in die Lage, unternehmenseigene Interessen durchzusetzen. Die Mittel zur Durchsetzung können dabei sehr verschieden sein. Das Unternehmen kann auf Zwang, Autorität, Anreizsetzung und Überzeugung setzen.32 Zwang entsteht dadurch, dass negative Folgen für eine andere Person herbeigeführt werden können. In Unternehmen ist dies vor allem gegenüber untergeordneten Mitarbeitern möglich (Umsetzung, Gehaltskürzung, Zuweisung unattraktiver Aufgaben, Entlassung), aber auch gegenüber Geschäftspartnern (z.B. bei Zulieferbetrieben). Autorität ist die Möglichkeit, Entscheidungen und Verhalten anderer zu beeinflussen und zu bestimmen, wobei das Gegenüber der Ansicht ist, der Beeinflussende habe das Recht hierzu. In Unternehmen besteht Autorität aufgrund der mehr oder weniger ausgeprägten hierarchischen Struktur, die bei untergeordneten Ebenen zur grundsätzlichen Akzeptanz der Entscheidungen des Vorgesetzten führt. Macht wird zudem durch die Setzung von Anreizen ausgeübt. Die deutlichste Form ist dabei die der Belohnung und bildet die positive Kehrseite des Zwangs. Hier ist von Bedeutung, dass Unternehmen in besonderem Maße Ressourcen zur Verfügung stehen, die verschiedene Arten von Belohnungen ermöglichen (z.B. Geldzuwendungen, Beförderungen, Zuweisung attraktiver Aufgaben, unternehmensinterne Belobigung). Neben dieser meist materiellen Form der Lockung stellt die Möglichkeit der Identifikation ein wichtiges Mittel zur Machtausübung dar. Das Mittel der Identifikation zielt darauf, beim Mitarbeiter ein Gefühl der Verbundenheit mit dem Unternehmen (corporate spirit) hervorzurufen, und damit zu einer höheren Einsatzfähigkeit und Akzeptanz von Vorgaben, Zielen etc. zu führen. Die Verbundenheit kann aber auch beim Verbraucher kreiert werden, dann insbesondere in Bezug auf ein Produkt oder eine Marke. Erzielt wird damit eine Produktakzeptanz (höherer Absatz) und ggf. eine längerfristige Kundenbindung. Die Macht konstituiert sich in diesen Fällen dadurch, dass das Unternehmen Symbole und Bedeutungen schaffen und kontrollieren kann. Schließlich kann Macht auch durch Überzeugung ausgeübt werden. Zwar begibt sich das Unternehmen in diesem Fall auf die Ebene der Gleichordnung im freien Wettbewerb der Meinungen. Jedoch ermöglichen die personellen und sachlichen Ressourcen ihm in besonderem Maße, fachlich fundierte, eingehend recherchierte und durchdachte Lösungen zu präsentieren. Dies ist im Hinblick auf die Überzeugungskraft vorgebrachter Meinungen nicht zu unterschätzen, vor allem in Fachmaterien, in denen beispielsweise mit der Gesetzgebung befasste Ministerien nicht die notwendigen Ressourcen für die Ausarbeitung einer Lösung besitzen. Die vorgehende Betrachtung zeigt, dass sich Unternehmen durch den Umfang wirtschaftlicher Macht und der damit verbundenen Machtmittel gegenüber natür____________ 32 Vgl. zu den unterschiedlichen Formen und Mitteln der Macht French/Raven, in: Cartwright/Zander (eds.), Group Dynamics, S. 607 ff.; Morgan, Organisation, S. 11 ff.
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5. Kapitel: Rechtspolitische Schlussbetrachtungen
lichen Personen unterscheiden. Die einzelnen Elemente sind natürlich je nach Größe und Betätigungsfeld des Unternehmens verschieden stark ausgeprägt. Konstituierender Unterschied ist jedoch das generelle Plus an Macht, das Unternehmen gegenüber natürlichen Personen aufweisen. Damit ist in der Existenz des Unternehmens bereits ein Ungleichgewicht angelegt, wenn es einer natürlichen Person gegenübertritt.33 Durch das Ungleichgewicht besteht das Risiko, dass die Macht zulasten der natürlichen Person ausgeübt wird, und das umso mehr, je stärker das Unternehmen auf Gewinnmaximierung ausgerichtet ist. Diese Gefahr – als Möglichkeit der Beschneidung der Grundrechte anderer – rechtfertigt eine Regulierung staatlicherseits.34 Plakativ zugespitzt heißt dies: Macht rechtfertigt Kontrolle. II. Risikofaktor Unternehmen Neben der Machtakkumulation stellt das Unternehmen an sich einen Risikofaktor dar. Und dies in zweierlei Hinsicht. Zum einen durch Bestandsrisiken. Dieser Aspekt steht noch in enger Verbindung zur Macht und wird daher nur kurz behandelt. Zum anderen ergeben sich durch die Verbindung natürlicher Personen besondere gruppendynamische Risiken. 1. Bestandsrisiken Bestandsrisiken entstehen allein dadurch, dass das Unternehmen existiert, konkreter aufgrund seiner wirtschaftlichen Betätigung und seiner Teilnahme am Marktgeschehen. Die Existenz des Unternehmens und seine Betätigung eröffnen für einzelne Mitarbeiter Handlungsmöglichkeiten, die im privaten Bereich nicht in vergleichbarer Weise zur Verfügung stehen. Je mehr Macht dem Unternehmen zukommt, desto zahlreicher und oft auch größer sind die Handlungsmöglichkeiten. Dies betrifft den einfachen Fließbandarbeiter, der beeinflusst, ob die Lenksäule in einem Auto richtig verschraubt wird oder nicht. Dies betrifft den Banker im mittleren Management, der entscheidet, in welche Anlageobjekte Millionenbeträge von Kundengeldern fließen. Dies betrifft den Vorstand eines Industriegüterunternehmens, der entscheidet, ob und wie in einem bestimmten Land in den Bau von Fabriken oder Vertriebsstrukturen investiert wird. Diese Tätigkeiten können bestimmen, ob sich ein Autounfall durch Ausfall der Lenkstange ereignet, ob Kundengelder in „Schrottanlagen“ wertlos werden, ob Investitionen in Staaten mit hoher Korruptionsanfälligkeit erfolgen. ____________ 33 Das Ungleichgewicht kann natürlich auch zwischen Unternehmen auftreten, hat zumeist jedoch nicht die gleiche Dimension. 34 Nicht weiter vertieft werden soll vorliegend der Aspekt, inwieweit die Grundrechte anderer nicht nur als Rechtfertigung für staatliche Eingriffe dienen können, sondern auch gerade ein staatliches Eingriffen erfordern (Grundrechte als Schutzpflichten). Leitsatz hierfür wäre dann: Macht braucht Kontrolle.
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Bestandsrisiken lassen sich nicht vermeiden, da sie der Gründung des Unternehmens und seiner Geschäftstätigkeit immanent sind. Aus regulativer Sicht besonders wichtig ist, die Risiken zu identifizieren, die eine besonders hohe Wahrscheinlichkeit hinsichtlich ihres Eintretens aufweisen und/oder besonders schwere Schäden nach sich ziehen können. Diese können dann Ansatzpunkt für eine bereichsspezifische Regelung sein.
2. Gruppendynamische Risiken – Unternehmensklima Neben den Bestandsrisiken zeichnen sich Unternehmen durch Effekte aus, die durch das Zusammenwirken mehrerer natürlicher Personen entstehen. Dass beim Zusammentreffen mehrerer Personen besondere Kräfte wirken, setzt das deutsche Recht an mehreren Stellen voraus und reagiert mit einer höheren Inanspruchnahme der Mitwirkenden bei zumeist geminderten Voraussetzungen des Nachweises (insbesondere durch Zurechnungsfiguren). Als Beispiel kann hier § 830 BGB im Rahmen der deliktischen Haftung oder die straferhöhende Wirkung der bandenmäßigen Begehung im Strafrecht (z.B. beim Diebstahl nach § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB) genannt werden. Hintergrund ist dabei die Annahme einer erhöhten Gefährlichkeit durch das Zusammenwirken mehrerer und der Möglichkeit einer gruppenspezifischen Eigendynamik, die eine von den Einzelmitgliedern unabhängige Willensbildung innerhalb der Gruppe ermöglicht.35 Besonders deutlich wird die Annahme einer erhöhten Gefährlichkeit der Gruppe bei den Straftatbeständen, bei denen allein die Beteiligung oder die Unterstützung der Gruppe unter Strafe gestellt ist.36 In Bezug auf die in Unternehmen ablaufende Dynamik wird von Strafrechtlern auf die Möglichkeit einer kriminellen Verbandsattitüde (so die von Schünemann eingeführte Terminologie37) abgestellt,38 die oftmals als Begründung für eine Regulierung des Unternehmens durch Strafrecht dient. Die Verbandsattitüde sei geeignet, eine Stimmung zu erzeugen, in der selbst an sich rechtstreue Mitarbeiter zur Begehung von Straftaten verleitet werden können. Das Klima im Unternehmen neutralisiere quasi die rechtskonforme Einstellung des Mitarbeiters. Mit diesem ____________ 35 Vgl. insbes. zum Diebstahl nach § 244 StGB BGHSt (GS) 46, 321; BGH NJW 2001, 380 (383). 36 So die Beteiligung an bewaffneten Gruppen (§ 127 StGB), Bildung krimineller oder terroristischer Vereinigungen (§§ 129, 129a StGB), Beteiligung an einem verbotenen Verein (§ 20 VereinsG). 37 Schünemannn, Unternehmenskriminalität, S. 22; ders., in: Schünemann/Suárez Gonzáles (Hrsg.), Madrid-Symposium, S. 265 (271). 38 Vgl. zur Diskussion Ackermann, Strafbarkeit, S. 45 f.; Bahnmüller, Unternehmensverantwortlichkeit, S. 10; Ch. Bauer, Verbandsstrafbarkeit, S. 34 ff.; Drope, Verbandsstrafe, S. 55 ff.; Ehrhardt, Unternehmensdelinquenz, S. 146 ff.; Eidam, Straftäter Unternehmen, S. 62 ff.; Heine, Unternehmen, S. 50; Kirch-Heim, Sanktionen, S. 46 ff.; Lampe, ZStW 1994, 682 (698, 728); Lütolf, Strafbarkeit, S. 31; Queck, Unternehmen, S. 78 ff.; Schlüter, Unternehmen, S. 27; Seelmann, FS-Schmid, S. 169 (177); Tiedemann, in: Schoch/Stoll/Tiedemann (Hrsg.), Freiburger Begegnungen, S. 30 (36); Wohlers, SJZ 96 (2000), 381 (383). Siehe auch Rotsch, Haftung, S. 28 ff.
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5. Kapitel: Rechtspolitische Schlussbetrachtungen
Aspekt rekurriert die Mehrheit der Autoren explizit oder implizit auf den von Sykes/Matza eingeführten Ansatz der Neutralisationstechniken.39 Diese strafrechtlich-kriminologische Betrachtung wird durch die in den Landesberichten angeführten empirischen Untersuchungen grundsätzlich gestützt.40 Zwei Anmerkungen sind dazu jedoch zu machen. Die eine ist zunächst terminologischer Art. Hier sollte nicht von krimineller Verbandsattitüde bzw. Korps- oder Verbandsgeist41 oder Ähnlichem gesprochen werden, da dies suggeriert, dass das Unternehmen als solches einen eigenen Willen habe. Dies ist jedoch nie der Fall, da im Unternehmen immer nur der durch die Mitarbeiter gebildete Wille auftreten kann. Eine bessere Bezeichnung ist der Begriff des Unternehmensklimas, der verdeutlicht, dass es allein um das Klima unter den natürlichen Personen innerhalb des Unternehmens geht. Das Unternehmensklima ist dabei sowohl Auswirkung der subjektiven Gegebenheiten der natürlichen Personen wie auch der objektiven Unternehmensstrukturen, innerhalb derer diese Personen agieren. Die zweite Anmerkung bezieht sich auf die Perspektive der angeführten strafrechtlich-kriminologischen Betrachtung. Diese ist zumeist stark verengt auf die alleinige Feststellung der delinquenten Verhaltensweise gerichtet, gepaart mit einer Überbetonung der Neutralisationsmechanismen. Diese sind nur ein Teil eines umfangreicheren Wirkspektrums. So zeigt denn auch die Untersuchung von Bussmann et al., dass Neutralisationsmechanismen zwar eine eigenständige Bedeutung zukommt, von noch größerer Bedeutung jedoch die moralische Einstellung der beteiligten Personen ist.42 Die moralische Einstellung nimmt deswegen eine so prominente Stellung ein, da sie entscheidend durch die Umgebung mitgeprägt wird.43 Dabei kann eine positive Beeinflussung im Sinne der Beachtung ethischer Werte und des Rechts erfolgen wie auch eine negative, die zu einer vermehrten Missachtung ethischer und rechtlicher Vorgaben führt. Welche Faktoren dabei in welcher Weise wirken, ist noch nicht völlig geklärt. Es lässt sich aber mit Sicherheit konstatieren, dass erst ein komplexes Zusammenspiel positiver wie negativer Faktoren letztlich den Ausschlag dafür gibt, ob die Schwelle zu Verstößen gegen das (Straf-) Recht überschritten wird. Ein Gesamtbild ergibt sich also nur, wenn man kriminogene und kriminoresistente Faktoren zusammen betrachtet.44 Eine besondere Frage ist, ob bei Mitarbeitern im Unternehmen eine Neigung besteht, in diesem Umfeld eher Straftaten zu begehen als im privaten Bereich. Dies wird zum Teil
____________ 39 Vgl. bspw. Hefendehl, MschrKrim 2003, 27 (31 ff.); ders., MschrKrim 2005, 444 ff. mit kritischer Analyse der Übertragung des Ansatzes auf die Wirtschaftskriminalität. 40 Vgl. dazu oben S. 279 ff. sowie S. 518 ff. 41 Busch, Verbände, S. 103. 42 Vgl. dazu oben S. 518 f. 43 Vgl. hierzu die bereits angeführten amerikanischen Studien oben S. 279 ff. 44 Diesen Schluss zieht auch Hefendehl, MschrKrim 2003, 27 (35) in Bezug auf die Neutralisationstechniken.
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bejaht.45 Hier ist jedoch zu differenzieren. Dass Mitarbeiter per se durch die Einbindung in das Unternehmen eher zu Straftaten etc. neigen, ist zu bezweifeln und viel zu pauschalisiert.46 Dass aber die konkreten Umstände des einzelnen Arbeitsplatzes und seiner Umgebung das Risiko erhöhen können, ist dagegen zu bejahen. Dabei kann es sich sowohl um Bestandsrisiken als auch um Risiken aufgrund gruppendynamischer Prozesse handeln. Abzustellen ist daher auf ein konkret erhöhtes Risikopotential und nicht auf eine generell erhöhte Deliktsneigung, die Mitarbeitern im Unternehmen eine erhöhte kriminelle Grundhaltung unterstellt.
Die strafrechtlich-kriminologischen Befunde decken sich mit den Erkenntnissen der Organisationspsychologie, die sich generell mit dem Verhalten von natürlichen Personen in Organisationen beschäftigt.47 Die psychologische Betrachtung zeigt, dass der Mitarbeiter innerhalb einer Organisation in einem komplexen Wechselspiel (häufig auch Spannungsverhältnis) zwischen ihm selbst als Individuum, der ihm konkret obliegenden Aufgabe, der Arbeitsgruppe, in die er eingebunden ist, und der Gesamtorganisation steht.48 Das Arbeitsfeld der Organisationsklimaforschung weist nach, dass es spezielle Organisationsklimata gibt, die von länger anhaltender Dauer sind, dass sie von den Mitarbeitern erlebt werden und ihr Verhalten beeinflussen.49 Empirisch ermittelbar ist dabei häufig eine Unternehmenskultur, die die gewohnte und tradierte Weise des Denkens und Handelns im Unternehmen beschreibt.50 Diese Kultur prägt insbesondere das Verhalten untergeordneter Mitarbeiter und wird maßgeblich durch Führungspersonen beeinflusst.51 Insgesamt lässt sich damit als weitgehend abgesicherte Erkenntnis festhalten, dass in Unternehmen gruppendynamische Effekte ablaufen, die entscheidenden Einfluss auf das Verhalten der einzelnen Mitarbeiter haben. Ein wesentlicher Effekt ist dabei das Unternehmensklima, das als personenunabhängige und über längere Zeit bestehende Verhaltensvorgabe bewusst oder unbewusst das Handeln der Mit____________ 45 Vgl. Ackermann, Strafbarkeit, S. 45 f.; Busch, Verbände, S. 98 ff.; Ehrhardt, Unternehmensdelinquenz, S. 150 ff.; Eidam, Straftäter Unternehmen, S. 57 ff., 65; Riebenfeld, JBJf XIII (1934), 232 (234 f.); Seiler, Personenverbände, S. 127 f.; Serres, Deliktsfähigkeit, S. 79; Weber, GA 1954, 237 (241). 46 Siehe auch krit. Lewisch/Parker, Unternehmensstrafe, S. 43 ff., die die Annahme einer vermehrten Kriminalitätsneigung weder theoretisch noch empirisch untermauert sehen. Ähnlich Hefendehl, ZStW 119 (2007), 816 (827). 47 Vgl. Rosenstiel, Organisationspsychologie, S. 5; Spieß/Winterstein, Verhalten, S. 13 f. 48 Vgl. Rosenstiel, Organisationspsychologie, S. 14 f.; Spieß/Winterstein, Verhalten, S. 23 ff. 49 Vgl. Rosenstiel, Organisationspsychologie, S. 382 ff.; Spieß/Winterstein, Verhalten, S. 135 ff. 50 Vgl. Rosenstiel, Organisationspsychologie, S. 387 (auch mit dem Hinweis, dass die Erforschung der Unternehmenskultur bislang wenig operationalisierbare Ansätze gezeitigt hat); Spieß/Winterstein, Verhalten, S. 121 ff. 51 Vgl. Rosenstiel, Organisationspsychologie, S. 388; eingehend Kasper, Organisationskultur (1987); Klein, Einfluss von Werten (1991); Schein, Organisationskultur (2006).
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5. Kapitel: Rechtspolitische Schlussbetrachtungen
arbeiter leitet. Je nach Unternehmensklima kann dadurch ethisches und rechtmäßiges Handeln befördert oder auch unterminiert werden. Aus regulativer Sicht bedeutet dies, dass Unternehmen allein aufgrund des Zusammenschlusses von mehreren natürlichen Personen insoweit einen Risikofaktor darstellen, als sie die Möglichkeit des Verstoßes gegen gesetzliche Vorschriften erhöhen können. Damit besteht auch grundsätzlich ein höheres Risiko der Beschneidung grundrechtlicher Freiheiten anderer, das ein staatliches Tätigwerden rechtfertigt. Hinzu kommt ein zweiter Aspekt, der in enger Verbindung zum bereits behandelten Aspekt der Macht steht: In Gruppen können staatliche Regeln und Wertvorstellungen durch gruppeneigene präzisiert und ergänzt, aber auch überlagert und derogiert werden. Insoweit tritt ein zweiter Regelungsgeber in Konkurrenz zur staatlichen Regelungsmacht. Um zu vermeiden, dass sich Parallelstrukturen außerhalb der Wertvorstellungen des Grundgesetzes entwickeln, ist ein staatliches Eingreifen ebenfalls zu begründen. Somit ist ein Tätigwerden des Gesetzgebers aufgrund zweier Gesichtspunkte zur Begrenzung der gruppendynamischen Risiken gerechtfertigt.52 Hinzuweisen ist an dieser Stelle darauf, dass das Ausmaß gruppendynamischer Effekte von der Größe des Unternehmens abhängt. Es muss also ein Mindestmaß an Eigenkomplexität vorhanden sein. Um gruppendynamische Prozesse auslösen zu können, bedarf es zumindest zweier natürlicher Personen. Soweit also nur eine natürliche Person in einem Unternehmen vorhanden ist (Ein-Mann-GmbH etc.) besteht keine besondere Gefährdungslage. Als Konsequenz ist daher bei einer regulativen Erfassung von Unternehmen nach der Größe des Unternehmens abzustufen oder die Norm so zu gestalten, dass dieser Aspekt bei der Anwendung berücksichtigt werden kann.
III. Bestand der Regulierung und Grenzen Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, dass die staatliche Regulierung von Unternehmen gerechtfertigt sein kann. Derartige staatliche Regulierung findet denn auch in vielfältiger Weise statt. In Bezug auf Unternehmen und speziell in Bezug auf deren Organisation und Tätigkeit ist die Regulierung in Deutschland klassischerweise weitgehend dem Verwaltungsrecht überlassen worden (dem Wirtschaftsverwaltungsrecht), das eine Vielzahl von Einzelvorgaben in Form von Geund Verboten aufstellt und entsprechende verwaltungsrechtliche Durchsetzungsmechanismen enthält.53 In bestimmten Sachbereichen wie dem Wertpapierhandelsrecht ist dabei inzwischen eine hohe Regelungsdichte erreicht. Das Zivilrecht dient (neben der Bereitstellung der rechtlichen Formen für Unternehmen, die deren ____________ 52 Da es um gruppendynamische Prozesse geht, ist das regulative Tätigwerden nicht auf Unternehmen begrenzt, sondern gilt für alle Gruppen. Insoweit ist die Dynamik keine unternehmensspezifische, wie dies die strafrechtlich-kriminologische Diskussion zur kriminellen Verbandsattitüde häufig anklingen lässt. Krit. zur Einseitigkeit der strafrechtlichkriminologische Diskussion auch Lewisch/Parker, Strafbarkeit, S. 51 f. 53 Vgl. v.a. Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, S. 15 ff.
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rechtliche Existenz erst ermöglicht) vor allem dem Ausgleich von verursachten Schäden und wirkt damit nur indirekt auf die Tätigkeit und Organisation der Unternehmen zurück.54 Dem ordnungswidrigkeiten- und strafrechtlichen Sanktionsrecht (das für Unternehmen über § 30 OWiG einbezogen ist) kommt schließlich flankierende Funktion zu, indem es besonders wichtige öffentlich-rechtliche Verund Gebote ergänzt. Besonderes Gewicht erlangt das Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht dort, wo sich indirekte Vorgaben für Organisation und Verhalten ableiten lassen. Dies sind bislang wenige prominente Tatbestände wie § 130 OWiG oder § 266 StGB, wobei zu deren Ausfüllung freilich teilweise wieder auf das Zivil- und Verwaltungsrecht zurückgegriffen wird. Diese „klassische“ Aufteilung der Regulierung hat sich in den letzten Jahrzehnten nur wenig verschoben, auch wenn gerade im Ordnungswidrigkeiten- und Strafrecht die Zunahme an Vorschriften einen anderen Eindruck erweckt. Jedoch haben im Bereich des Verwaltungsrechts die regulativen Vorgaben ebenfalls stark zugenommen, zum Teil sind neue Behörden wie die BaFin hinzugekommen, die die Umsetzung verstärkt überwachen. Insoweit setzt die Politik sowohl auf verstärkte Regulierung wie auch auf ein Mehr an Sanktionen. Ergänzt wird diese Entwicklung durch einen ebenso beständigen Ausbau des Zivilrechts, der insbesondere die Erlangung von Ersatz für erlittene Schäden vereinfacht hat und häufiger private Akteure ins Spiel bringt. Als Veränderung festzustellen ist allenfalls eine vermehrte Ausnutzung der gesetzlichen Vorgaben, die das Straf-, Ordungswidrigkeiten-, aber auch das Zivilrecht bietet. War jahrelang das Lederspray-Urteil55 das typische strafrechtliche Beispiel für Vorfälle im wirtschaftlichen Bereich, in dem allenfalls milde gegen einzelne Personen vorgegangen wurde, so drohen Mitarbeitern heutzutage weit bedeutendere Konsequenzen. Der Fall Siemens macht deutlich, dass konsequent Mitarbeiter bis in höchste Führungsebenen verfolgt werden und auch mehrjährige Haftstrafen zu erwarten haben, der Fall Mannesmann56 zeigt, dass auch bei Tatbeständen mit unklarem Gehalt wie § 266 StGB nicht auf eine Anklage verzichtet wird. Zu diesem Vorgehen kommt die vermehrte zivilrechtliche Inanspruchnahme, wie beispielsweise aufseiten der Vorstände aufgrund der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung des BGH.57 Schlussendlich wird auch gegen das Unternehmen selbst vorgegangen, auch hier ist der Fall Siemens ein prominentes Beispiel. Insgesamt lässt sich somit aufgrund der steigenden Zahl an Vorgaben und der verstärkten Durchsetzung von Regelungen konstatieren, dass die Risiken sanktionsrechtlicher ____________ Vgl. v.a. Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, S. 599 ff. BGHSt 37, 106. 56 Vgl. nur BGHSt 50, 299. 57 BGHZ 135, 244, wonach der Aufsichtsrat zur Geltendmachung von Ansprüchen gegen die Vorstände verpflichtet ist, wenn Ansprüche der Gesellschaft nach sachgerechter Prüfung erfolgversprechend erscheinen. 54
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Belangung für Unternehmen und Mitarbeiter zugenommen haben.58 Dieser Befund gilt nicht nur für Deutschland, sondern ist gleichfalls in den USA festzustellen, wo insbesondere die Vorgaben des Bundesrechts stetig angewachsen sind. Auch wenn somit ein „Mehr“ im Vergleich zu früher verbleibt, so sind nach wie vor die Grenzen der Regulierung im Blick zu behalten, die auch bei mehr Vorschriften bestehen bleiben.59 Hinsichtlich der Grenzen liegt ein Problem zunächst in der Punktualisierung der Rechtsetzung: Gesetzlich am einfachsten regelbar sind klare Sachverhaltskonstellationen, die sich denn auch unter dem Aspekt der Einzelfallgerechtigkeit am besten austarieren lassen. Die Regelung des Wertpapierhandels und die Bekämpfung der Geldwäsche sind anschauliche Beispiele für eine hoch differenzierte und punktualisierte Rechtsetzung. Damit einher geht jedoch eine Zersplitterung in unzählige Sachmaterien, deren Regelungen mit unterschiedlichen Verhaltensanforderungen meist nebeneinanderstehen und nicht in ein Gesamtsystem eingebettet sind. Die Vorgabe spezieller Einzelpunkte führt schließlich auch dazu, dass nur das eingehalten wird, was die Norm konkret vorschreibt, und nur bedingt im Gesamtkontext gedacht und agiert wird. Diese punktuelle Rechtseinhaltung ist für Unternehmen immer dann kommod, wenn die Vorgaben nicht dem wirtschaftlichen Handeln entsprechen: Die finanziellen „Verluste“ des Unternehmens können zur Einhaltung der Einzelvorschrift auf ein Minimum beschränkt werden und es muss nicht in ein aufwändiges (organisatorisches) Gesamtsystem investiert werden. Soweit dagegen allgemeine Vorgaben gemacht werden, die wie in § 130 OWiG auch sachgebietsübergreifend Geltung besitzen, sind diese insgesamt wenig konkretisiert und in der Praxis nur schwer durch Anwender und Behörden umsetzbar. Aus ihnen ergeben sich kaum klare Verhaltensvorgaben, sodass ein Verhalten auch nur bedingt auf die Einhaltung der Vorschrift ausgerichtet werden kann. Letztlich erfolgt damit eine Verhaltenssteuerung durch die Regulierung allenfalls ansatzweise. Bei der Regulierung zeigt sich das Dilemma der klassischen Programmierung von Gesetzen in der Wenn-dann-Struktur, im alleinigen Tatbestands-RechtsfolgeDenken. Insbesondere im Öffentlichen Recht beklagt man daher seit längerer Zeit die „Wirkungsschwäche imperativ-hierarchischer Steuerung“.60 Auch im Sanktionsrecht wird die Steuerungsmöglichkeit durch die Androhung von Strafe kritisch gesehen, da zumeist auf eine einfach strukturierte Form eines Abschreckungsmechanismus gesetzt wird.61 Den Defiziten versuchte man beispielsweise im Ver___________ 58 So auch Bürkle, BB 2005, 565 (566); Hauschka, NJW 2004, 257; Schneider, ZIP 2003, 645 (646). 59 Vgl. dazu auch Thoma, Regulierte Selbstregulierung, S. 66 ff. 60 Vgl. nur Voßkuhle, VerwArch 92 (2001), 184 (186). 61 Vgl. krit. Hefendehl, ZStW 119 (2007), 816 (826 ff.). Vgl. auch unten zur Steuerung S. 648 und zur negativen Generalprävention S. 661.
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waltungsrecht durch eine Zwecksetzung der Gesetze entgegenzutreten.62 Diesem Ansatz als Ausdruck eines „neuen Steuerungsmodells“63 ist es jedoch bislang nur bedingt gelungen, tatsächlich eine finale Steuerung und eine bessere Wirkungseffizienz zu erreichen.64 Das Beispiel zeigt aber, dass zu überlegen ist, ob und inwieweit die regulative Steuerung nicht durch Elemente der Selbstregulierung sinnvoll ergänzt werden kann.65 Die Regulierung durch eine steigende Anzahl von Gesetzen sieht sich auch mit dem Problem der tatsächlichen Durchsetzung seitens staatlicher Behörden konfrontiert. Dieses allgemeine Problem der Rechtsverdichtung hat gegenüber Unternehmen besondere Bedeutung. Denn die Durchsetzung bei Unternehmen ist angesichts deren Größe und komplexer Struktur oftmals nur mit erheblichen Ressourcen möglich, die der Verwaltung und der Justiz immer weniger zur Verfügung stehen. Das führt dazu, dass viele Regelungen nur noch als symbolisches Recht gelten. Dieser Befund gilt inzwischen für zahlreiche Normen des Wirtschaftsstraf- und Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrechts. Letztlich bereitet auch die Internationalisierung vieler Unternehmen praktische Probleme, insbesondere wenn es um Ermittlungen im Ausland geht, da nationale Behörden grundsätzlich nur national agieren können. IV. Erweiterung des regulativen Bereichs für Unternehmen um das Strafrecht Die Regulierung von Unternehmen durch Sanktionen findet in Deutschland bislang vor allem über § 30 OWiG statt, eine klassische Kriminalstrafe kann gegen Unternehmen nicht verhängt werden. An dieser Stelle soll daher der Frage nachgegangen werden, ob und inwieweit eine Kriminalstrafe gegen Unternehmen angezeigt ist.66 Hierbei ist zunächst darüber nachzudenken, ob nicht ausländische und supranationale Vorgaben eine solche inzwischen zwingend erfordern (1.). Sodann ist zu überlegen, ob Mängel des Individualstrafrechts die Einführung einer Unternehmensstrafe notwendig machen (2.) und ob grundsätzlich das Zivilrecht eine Alternative zum Ordnungswidrigkeiten- und Strafrecht darstellt (3.). Im Anschluss daran wird auf den Unterschied zwischen Ordnungswidrigkeiten- und Strafrecht eingegangen (4.), um schließlich klären zu können, welche Vorteile das Strafrecht ____________ 62 Vgl. Voßkuhle, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), GVwR I, § 1; eingehend Schober, Zweck, S. 74 ff. zur Steuerung von Gesetzen durch „Leitvorschriften“. 63 Vgl. Voßkuhle, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), GVwR I, § 1 Rn. 50. 64 Vgl. Schober, Zweck, S. 236 ff.; zu anderen Formen des neuen Steuerungsmodells, die vielfach der regulierten Selbstregulierung zuzurechnen sind, vgl. Franzius, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), GVwR I, § 1 Rn. 50. Siehe auch Hefendehl, ZStW 119 (2007), 816 (823 f.). 65 Vgl. dazu unten S. 645. 66 Zunächst wird noch nicht auf dogmatische Einzelfragen eingegangen, siehe dazu unten S. 658 ff.
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5. Kapitel: Rechtspolitische Schlussbetrachtungen
bietet (5.). Zum Abschluss wird erörtert, ob der ultima ratio-Grundsatz einer Unternehmensstrafbarkeit entgegenstehen kann (6.). 1. Pflicht zum Strafrecht aufgrund ausländischer und internationaler Vorgaben? Bevor auf supranationale Vorgaben eingegangen wird, sei zunächst ein Blick auf das Ausland geworfen. Die ausländischen Rechte hat man traditionell weitgehend klar den beiden großen Bereichen des civil oder des common law zuordnen können: Die civil law-Rechte, also die kontinentaleuropäischen und die an diese angelehnten Rechte, haben die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen grundsätzlich abgelehnt, während die common law-Staaten die Unternehmensstrafbarkeit akzeptiert haben. Insoweit besteht vor allem im Vereinigten Königreich, Indien,67 Südafrika, Australien, Neuseeland, Kanada und den USA eine längere Tradition der Bestrafung von Unternehmen. Diese Unterscheidung war jedoch nie ohne Ausnahmen. So kannten denn auch Staaten, die sich am civil law orientierten, die Bestrafung von Unternehmen, beispielsweise Japan oder Südkorea.68 In den letzten Jahrzehnten ist zudem eine Entwicklung zu verzeichnen, die die Trennlinie zwischen civil law- und common law-Staaten weitgehend aufgelöst hat und zwar klar zugunsten einer Verbreitung der Unternehmensstrafbarkeit in Länder, die den civil law-Staaten zuzurechnen sind: so wurde die Unternehmensstrafbarkeit in den Niederlanden 1976, in Norwegen 1991, in Frankreich 1994,69 in Finnland 1995, in Dänemark 1996, in China 1997, in Belgien 1999, in Polen70 und in der Schweiz 200371 und in Österreich 200672 eingeführt. Bedingt können auch die Reformen in Italien 200173 sowie in Spanien 200474 dazugezählt werden, wobei es in diesen ____________ 67 In Indien sieht § 11 Indian Penal Code von 1860 explizit vor, dass mit dem Begriff „Person“ auch jedes Unternehmen gemeint ist (“The word person includes any company or association of body of persons, whether incorporated or not.”). Diese Norm hat große Bedeutung, da das Gesetz von Pakistan und Bangladesh übernommen, aber auch von Burma, Sri Lanka, Malaysia, Singapur und Brunei zur Grundlage genommen wurde. 68 Diese Rechtssysteme erkennen eine Unternehmensstrafbarkeit nur im Nebenstrafrecht an, während im Kernstrafrecht eine klare Regelung nicht besteht und somit dort die Möglichkeit einer Bestrafung des Unternehmens umstritten ist. Vgl. zu Japan Byung-Sun Cho, Umweltstrafrecht in Korea und Japan, S. 1 ff.; Hatashin, in: Minkes/Minkes (eds.), Crime, S. 141 ff.; Kyoto, in: de Doelder/Tiedemann (Hrsg.), Corporations, S. 275 ff.; Shibahara, in: Eser et al. (Hrsg.), Collective Entities, S. 39 ff. Zu Südkorea siehe Byung-Sun Cho, Umweltstrafrecht in Korea und Japan, S. 1 ff. 69 Vgl. Delmas-Marty, in: Schünemann/Suárez Gonzáles (Hrsg.), Madrid-Symposium, S. 305 ff.; Koch, ZStW 107 (1995), 405 ff.; Pradel, in: Tiedemann (Hrsg.), FreiburgSymposium, S. 37 ff.; Zieschang, ZStW 115 (2003), 117 ff. 70 Vgl. Weigend/Namyslowska-Gabrysiak, ZStW 114 (2004), 541 ff. 71 Zu Nachweisen zur Literatur siehe 3. Kap., Anm. 185. 72 Zu Nachweisen zur Literatur siehe 3. Kap., Anm. 185. 73 Italien hat im Jahr 2001 eine Regelung zur Sanktionierung von Unternehmen erlassen, vgl. dazu Castaldo, wistra 2006, 361 ff.; Farina, in: DACH (Hrsg.), Unternehmensstrafrecht, S. 85 (96 ff.); Nisco, ZStW 120 (2008), 897 (914 ff.). Die Regelungen wurden
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Ländern bislang keine klare strafrechtliche Einstufung der einschlägigen Normen gibt. Die Einführung der Unternehmensstrafbarkeit in den ausländischen Rechtsordnungen zeigt, dass auch klassisch kontinentaleuropäische Strafrechtssysteme wie das in Frankreich keine unüberwindlichen Hürden sehen, Unternehmen dem Strafrecht zu unterwerfen. Freilich stehen dabei häufig mehr pragmatisch rechtspolitische Erwägungen im Vordergrund als die dogmatische Überlegung, ob dieses Institut konform mit dem bestehenden Strafrechtssystem geht.75 Immerhin verdeutlichen die Veränderungen die Entwicklungsoffenheit der jeweiligen Strafrechtssysteme und ihre zeitlich gesellschaftliche Kontextbindung. Allerdings ergibt sich aus den Entwicklungen in anderen Ländern keine zwingende Notwendigkeit, diesen Schritt auch in Deutschland zu tätigen.76 Deutschland mag mit seiner Haltung zwar auf dem Weg sein, bald einer Minderheit anzugehören, doch selbst die völlige Isolation würde nur einen rechtspolitischen Impuls liefern („Tu quoque“), anderen nachzufolgen. Anders als die Entwicklungen im Ausland können dagegen internationale Vorgaben geeignet sein, eine Rechtsänderung in Deutschland zu erzwingen, da sie verbindliche Umsetzungsverpflichtungen enthalten können. Im internationalen Bereich besteht ebenfalls eine starke Tendenz, Unternehmen strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen. Am umfangreichsten sind die Vorgaben der Europäischen Union, insbesondere der Europäischen Gemeinschaft. Hier sehen zahlreiche Gemeinsame Maßnah____________ vor allem vor dem Hintergrund der Umsetzung internationaler Vorgaben zur Korruptionsbekämpfung geschaffen. Da die verfassungsrechtliche Vereinbarkeit mit dem Schuldprinzip in Zweifel gezogen wurde (vgl. Art. 27 Abs. 1 italienische Verfassung: „Die strafrechtliche Verantwortung ist persönlich.“ [Übersetzung vom Autor]), erfolgte die Regelung nicht im Strafgesetzbuch, sondern in einem gesetzesvertretenden Dekret (D.Lgs. 8 giugno 2001, n. 231). Die Vorschriften entsprechen jedoch strafrechtlichen Grundsätzen, zudem findet das Verfahren vor einem Strafgericht statt (Art. 6, 7 D.Lgs. 231/2001; siehe dazu Castaldo, wistra 2006, 361 [362, 364 f.]; Nisco, ZStW 120 [2008], 897 [915 ff.]). Damit sollte die Einhaltung der Garantien von Art. 6 EMRK sichergestellt werden. Angesichts dieser Art der Regelung ist fraglich, ob es sich bei dem Dekret inhaltlich nicht doch um Strafrecht handelt. 74 Das spanische StGB sieht seit 1.10.2004 in § 31 Abs. 2 vor, dass Unternehmen für die gegen einen Mitarbeiter verhängte Geldstrafe gesamtschuldnerisch haften. Inwieweit diese Mithaftung strafrechtlicher Natur ist, ist umstritten. Daneben sieht das spanische StGB in § 129 schon länger vor, dass zahlreiche Nebenfolgen gegen ein Unternehmen verhängt werden können (von der Tätigkeitsbeschränkung bis hin zur Auflösung). Vgl. zur Entwicklung de la Cuesta/Pérez Machío, FS-Tiedemann, S. 527 ff.; Rodríguez Mourullo, FS-Tiedemann, S. 545 ff. 75 Vgl. v. Freier, Verbandsstrafe, S. 53; sowie speziell auf Frankreich bezogen Hartan, Unternehmensstrafrecht, S. 10, 225; Koch, ZStW 107 (1995), 405 (416); Zieschang, ZStW 115 (2003), 117 (129 f.). 76 Ebenso Lewisch/Parker, Unternehmensstrafe, S. 28 f.
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men,77 Rahmenbeschlüsse78 und Richtlinien79 die Verantwortlichkeit von Unternehmen vor. Insbesondere die zum Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft erlassenen Vorschriften beziehen Unternehmen in ein umfassendes Sanktionsregime mit ein.80 So enthält das nunmehr im Mai 2009 in Kraft getretene Zweite Protokoll zur sogenannten PIF-Konvention81 Vorschriften zur Sanktionierung juristischer Personen.82 Ergänzt wird das Protokoll durch einen erläuternden ___________ 77 Gemeinsame Maßnahme vom 24.2.1997 betreffend die Bekämpfung des Menschenhandels und der sexuellen Ausbeutung von Kindern, ABl. 1997 L 63, 2 (unter II.A.c. und d.); Gemeinsame Maßnahme vom 21.12.1998 betreffend die Strafbarkeit der Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, ABl. 1998 L 351, 1 (Art. 3); Gemeinsame Maßnahme vom 22.12.1998 betreffend die Bestechung im privaten Sektor, ABl. 1998 L 358, 2 (Art. 5 f.). 78 Rahmenbeschluss vom 28.5.2000 über die Verstärkung des mit strafrechtlichen und anderen Sanktionen bewehrten Schutzes gegen Geldfälschung im Hinblick auf die Einführung des Euro, ABl. 2000 L 140, 1 (Art. 8, 9); Rahmenbeschluss vom 28.5.2001 zur Bekämpfung von Betrug und Fälschung im Zusammenhang mit unbaren Zahlungsmitteln, ABl. 2001 L 149, 1 (Art. 7 f.); Rahmenbeschluss vom 13.6.2002 zur Terrorismusbekämpfung, ABl. 2002 L 164, 3 (Art. 7 f.); Rahmenbeschluss vom 19.7.2002 zur Bekämpfung des Menschenhandels, ABl. 2002 L 203, 1 (Art. 4, 5); Rahmenbeschluss vom 28.11.2002 betreffend die Verstärkung des strafrechtlichen Rahmens für die Bekämpfung der Beihilfe zur unerlaubten Ein- und Durchreise und zum unerlaubten Aufenthalt, ABl. 2002 L 328, 1 (Art. 2 f.); Rahmenbeschluss vom 22.07.2003 zur Bekämpfung von Bestechung im privaten Sektor, ABl. 2003 L 192, 54 (Art. 5 f.); Rahmenbeschluss vom 22.12.2003 zur Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Kindern und der Kinderpornografie, ABl. 2004 L 13, 44; Rahmenbeschluss vom 25.10.2004 zur Festlegung von Mindestvorschriften über die Tatbestandsmerkmale strafbarer Handlungen und die Strafen im Bereich des illegalen Drogenhandels, ABl. 2004 L 335, 8; Rahmenbeschluss vom 24.2.2005 über Angriffe auf Informationssysteme, ABl. 2005 L 68, 67; Rahmenbeschluss zur Verstärkung des strafrechtlichen Rahmens zur Bekämpfung der Verschmutzung durch Schiffe vom 12.7.2005, ABl. 2005 L 255, 164; Rahmenbeschluss 2008/841/JI vom 24.10.2008 zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität, ABl. 2008 L 300, 42 (Art. 5, 6). 79 Richtlinie 2003/6/DG vom 28.1.2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation, ABl. 2003 L 96, 16; Richtlinie 2008/99/EG vom 19.11.2008 über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt, ABl. 2008 L 328, 28 (Art. 6, 7). 80 Vgl. neben der nachgenannten PIF-Konvention die Entschließung des Rates vom 6.12.1994 über den Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaften, ABl. C 355/2 vom 14.12.1994 (In Nr. 7 f wurde vorgesehen, „neben strafrechtlichen Sanktionen gegen natürliche Personen für eine einschlägige Straftat auch gegen juristische Personen unter noch zu bestimmenden Voraussetzungen strafrechtliche oder andere Sanktionen zu verhängen“.) sowie den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den strafrechtlichen Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft vom 25.5.2001, ABl. C 240/E/125 vom 23.5.2001 (Art. 9, 11). 81 Übereinkommen über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften vom 26.7.1995, ABl. C 315 vom 27.11.1995 (PIF-Konvention nach der französischen Abkürzung für „protection des intérêts financiers“). 82 Zweites Protokoll aufgrund von Artikel K 3 des Vertrages der Europäischen Union vom 19.6.1997, ABl. C 221 vom 19.7.1997, S. 11 ff. (Art. 3, 4). Vgl. dazu Bahnmüller, Unternehmensverantwortlichkeit, S. 161 ff.; Lewisch/Parker, Unternehmensstrafe, S. 13 ff. Das Protokoll ist am 19.5.2009 in Kraft getreten.
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Bericht, nach dem die Mitgliedstaaten Unternehmen für bestimmte Handlungen natürlicher Personen verantwortlich machen müssen.83 Allerdings sehen die Vorschriften durchweg vor, dass nicht zwingend eine Sanktionierung der Unternehmen durch das Strafrecht erfolgen muss. So sieht beispielsweise das Zweite Protokoll zur PIF-Konvention nur vor, dass die Sanktionen strafrechtlicher, nicht strafrechtlicher und anderer Art sein können.84 Zentral ist nach den europäischen Vorgaben allein, dass die Sanktionen „wirksam, angemessen und abschreckend“ sind.85 Damit wird das deutsche Recht nicht zur Verwendung des Strafrechts verpflichtet, sondern insbesondere der Weg über die Ordnungswidrigkeiten offengehalten. Diese Haltung entspricht auch weitgehend der Rechtsprechung des EuGH. Dieser hatte in Bezug auf Sanktionen im Fall Griechischer Mais betont, dass ein Mitgliedstaat gegen Verletzungen von europäischem Recht wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen ergreifen muss.86 Er hat dabei aber dem Mitgliedstaat die konkrete Wahl der Sanktion überlassen. Diese Haltung hat das Gericht auch im Hinblick auf Unternehmen betont: Aus europäischem Recht ergibt sich grundsätzlich kein Zwang, strafrechtliche Sanktionen gegen Unternehmen einzuführen.87 Auch hier sei der Mitgliedstaat in der Wahl seiner Mittel frei. Eine mehr strafrechtlich orientierte Tendenz hat das Gericht allerdings in einem Verfahren gegen Frankreich eingenommen, in dem es um das mangelnde Vorgehen französischer Behörden gegen die Blockade von Autobahnen durch Landwirte ging.88 Hier stellte das Gericht fest, dass Frankreich nicht ausreichende und wirksame Maßnahmen gegen die Rechtsbrüche ergriffen hatte, insbesondere keine strafrechtlichen.89 Daraus kann man ableiten, dass der EuGH zumindest in Teilen eine Verpflichtung zur Sanktionierung durch Strafrecht anerkennt. Allerdings hat er bislang diese Rechtsprechung weder weiter ausgebaut noch sie auf Unternehmen angewandt. Zudem basiert der Ansatz des Gerichts auf der Annahme einer Schutz____________ 83 Erläuternder Bericht zu dem Zweiten Protokoll zum Übereinkommen über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften, ABl. C 91 vom 31.3.1999, S. 8. 84 Vgl. Art. 4 Abs. 1 des Zweiten Protokolls (Anm. 82). 85 Vgl. bspw. Art. 4 Abs. 1 des Zweiten Protokolls (Anm. 82). 86 Kommission gegen Griechenland, Rs. 68/88; EuGH, Urt. vom 21.9.1989, Slg. 1989, S. 2965 ff. 87 Vgl. den „belgischen LKW-Fahrerfall“: Strafverfahren gegen Paul Vandevenne, Marc Wilms, Jozef Mesotten und Wilms Transport NV, EuGH, Urt. vom 2.10.1991, Slg. 1991 I, S. 4371 ff. Das Gericht prüfte dabei eine Verpflichtung zum Erlass der Unternehmensstrafbarkeit aufgrund der Verordnung 3820/85 bzw. Art. 5 EWG-Vertrag. 88 Rs. C-265/95, Kommission gegen Frankreich, Urt. vom 9.12.1997, EuGH, Slg. 1997 I, 6959 (= EuZW 1997, 84). 89 Vgl. die Entscheidung Anm. 88; noch deutlicher war der Schlussantrag von GA Lenz vom 9.7.1997, Sgl. 1997 I-6959, der explizit den Mangel an notwendig gebotenen strafrechtlichen Maßnahmen betonte.
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5. Kapitel: Rechtspolitische Schlussbetrachtungen
pflicht, die sich aus den europäischen Grundfreiheiten und Grundrechten ableitet. Auch im Rahmen der Schutzpflicht ist die Verpflichtung zur Anwendung des Strafrechts nicht der erste Schritt, sondern ein weit nachgelagerter.90 Insgesamt ist damit aus diesen europäischen Vorgaben keine Verpflichtung zur strafrechtlichen Sanktionierung von Unternehmen zu entnehmen. Das Unternehmensstrafrecht bleibt insoweit politische Forderung wie in den Vorschlägen zum Corpus Juris zum strafrechtlichen Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Union.91 Neben dem Recht der Europäischen Union kennt auch das Recht des Europarats die Sanktionierung von Unternehmen. So sieht zunächst eine Empfehlung von 1988 vor, dass Unternehmen für Vorfälle in Ausübung ihrer Tätigkeit sanktionsrechtlich zur Verantwortung gezogen werden sollen.92 Die Empfehlung betont, dass strafrechtliche Sanktionen vorgesehen werden sollen, wenn die Art und Schwere der Tat sowie die Schuld des Unternehmens und die Generalprävention dies gebieten. Allerdings legt sich die Empfehlung nicht auf das Strafrecht fest, sondern lässt Alternativen zu. Neben dieser unverbindlichen Empfehlung sehen insbesondere mehrere Abkommen (als internationale Verträge) verpflichtend die Sanktionierung von Unternehmen vor.93 Ähnlich dem Recht der Europäischen Union kann die Verantwortlichkeit aber straf-, zivil- oder verwaltungsrechtlicher Art sein.94 Wichtig ist nur, dass gegen Unternehmen wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen ergriffen werden.95 Somit ergibt sich auch aus diesem Bereich des eu____________ 90 Falls man die Schutzpflichtdimension im europäischen Recht anerkennt, folgt daraus zunächst nur, dass der Staat Beeinträchtigungen der Schutzgüter zu unterbinden hat (z.B. durch Erlass von Verboten). In einem zweiten Schritt muss er geeignete Maßnahmen zum Schutz ergreifen. Diese Maßnahmen können bspw. verwaltungsrechtlicher Zwang sein. Es bedarf eines zusätzlichen Schritts, dass die Maßnahmen in einer Sanktion bestehen müssen. Und wiederum erst ein weiterer Schritt wäre der zu einer strafrechtlichen Sanktion. Das Strafrecht ist daher erst der vorletzt mögliche Schritt (der letzte wäre die Verpflichtung zur tatsächlichen Durchsetzung des Strafrechts) innerhalb der Schutzpflichten. 91 Vgl. das Corpus Juris 1998 (Art. 14), abgedruckt in: Delmas-Marty (Hrsg.), Corpus Juris, S. 44. Unverändert das Corpus Juris 2000 (Art. 13), abgedruckt in: DelmasMarty/Vervaele (Hrsg.), Corpus Juris, Bd. 1, S. 196. 92 Vgl. Empfehlung Nr. R (88) 18 betreffend die Verantwortlichkeit von Unternehmen mit Rechtspersönlichkeit für Delikte, die in Ausübung ihrer Tätigkeiten begangen wurden vom 20.10.1988. 93 Übereinkommen über den Schutz der Umwelt durch das Strafrecht vom 4.11.1998 (Art. 9), SEV Nr. 172; Strafrechtskonvention gegen Korruption vom 27.1.1999 (Art. 18, 19), SEV Nr. 173; Cybercrime Konvention vom 23.11.2001 (Art. 12), SEV Nr. 185; Übereinkommen zur Verhütung des Terrorismus vom 16.5.2005 (Art. 10), SEV-Nr. 196; Konvention gegen Menschenhandel vom 16.5.2005 (Art. 22), SEV-Nr. 197; Konvention über Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung sowie Ermittlung, Beschlagnahme und Einziehung von Erträgen aus Straftaten vom 16.5.2005 (Art. 10), SEV-Nr. 198; Übereinkommen zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch vom 25.10.2007 (Art. 26), SEV-Nr. 201. 94 Vgl. z.B. Art. 22 Abs. 3 der Konvention gegen Menschenhandel (Anm. 93). 95 Vgl. z.B. Art. 23 Abs. 2 der Konvention gegen Menschenhandel (Anm. 93).
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ropäischen Rechts keine Verpflichtung, das Institut der Unternehmensstrafbarkeit zu schaffen. Die europäische Situation spiegelt sich im außereuropäischen internationalen Recht wider. So sehen Abkommen der Vereinten Nationen96 oder anderer Internationaler Organisationen wie der OECD97 vor, dass Unternehmen sanktioniert werden müssen. Die Verpflichtungen beinhalten jedoch nicht zwingend die Einführung einer Kriminalstrafe für Unternehmen, sondern es genügen auch zivil- oder verwaltungsrechtliche Sanktionen.98 Auch der wichtigste internationale Vertrag zum Völkerstrafrecht, das IStGH-Statut, sieht keine Bestrafung von Unternehmen vor.99 Insgesamt ist damit festzustellen, dass Deutschland sich zwar im Ausland einer zunehmenden Anzahl von Rechtsordnungen gegenübersieht, die eine Unternehmensstrafbarkeit vorsehen, jedoch derzeit zur Einführung eines solchen Instituts aufgrund supranationaler Vorgaben nicht verpflichtet ist.100 2. Notwendigkeit des Unternehmensstrafrechts aufgrund von Defiziten des Individualstrafrechts? Insbesondere in der deutschen Literatur wird zur Begründung einer Unternehmensstrafe immer wieder auf die Mängel des Individualstrafrechts verwiesen. Die Hauptprobleme liegen danach in der strukturellen Unverantwortlichkeit und in Be____________ 96 Internationales Abkommen zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus vom 9.12.1999 (Art. 5); VN-Konvention gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität vom 15.11.2000 (Art. 10); VN-Konvention gegen Korruption vom 31.10.2003 (Art. 26). Vgl. zur Lage im Völkerrecht Engelhart, in: Burchard/Triffterer/Vogel (Hrsg.), Review Conference, S. 175 ff. 97 OECD Übereinkommen über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger vom 17.12.1997 (Art. 3). 98 So sieht das OECD-Übereinkommen (Anm. 97) in Art. 3 Abs. 2 vor, dass nichtstrafrechtliche Sanktionen verhängt werden können, solange diese wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sind. Ähnlich das VN-Abkommen zur Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung (Anm. 96) in Art. 5 Abs. 3, das wirksame, verhältnismäßige und abschreckende straf-, zivil- oder verwaltungsrechtliche Sanktionen verlangt. 99 Die Frage der Einbeziehung von Unternehmen wurde aber durchaus im Rahmen der Erstellung des Statuts diskutiert. In Vorentwürfen war sogar eine Verantwortlichkeit von Unternehmen vorgesehen, jedoch wurde letztlich eine Regelung wegen nationaler Vorbehalte, Schwierigkeiten der genauen Konstruktion der Verantwortlichkeit, Problemen mit dem Komplementaritätsprinzip und Zeitmangels wieder aufgegeben. Vgl. dazu Engelhart, in: Burchard/Triffterer/Vogel (Hrsg.), Review Conference, S. 175 (178, 180 f.) auch zu möglichen Optionen einer Unternehmensstrafbarkeit auf internationaler Ebene und Fragen der Durchsetzung. 100 Angesichts des unterschiedlichen Gehalts des Strafrechtsbegriffs, der sich nicht nur im Hinblick auf den Vergleich Deutschland und USA, sondern auch in Bezug auf andere Länder (wie Großbritannien oder China) ergibt, ist man auf internationaler Ebene weiterhin gut beraten, sich nicht zu voreilig auf die problematische Begrifflichkeit des Strafrechts festzulegen, sondern nationale Öffnungsoptionen vorzusehen.
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weisschwierigkeiten.101 Diese Punkte werden im Folgenden erläutert. Auf Grenzen, die dem Individualstrafrecht immanent sind und die für eine Unternehmensstrafbarkeit sprechen können, wird an späterer Stelle eingegangen.102 Ein Defizit des Individualstrafrechts wird vielfach auch darin gesehen, dass Unternehmen bisweilen die Geldstrafen ihrer Mitarbeiter zahlen.103 Dies ist nicht verboten und wird vom BGH auch nicht als Strafvereitelung angesehen.104 Das Problem stellt sich allerdings nicht nur bei Unternehmen, sondern ist ein generelles des § 258 StGB.105 Besondere Bedeutung im Unternehmenskontext erfährt die Praxis dadurch, dass sich Unternehmen gegen das Risiko von Geldstrafen versichern können.106 Zweifelsohne kann damit die Strafe gegenüber dem Mitarbeiter entwertet werden. Allerdings bleibt das Faktum der Verurteilung, ggf. mit Eintrag im Bundeszentralregister, was für den Mitarbeiter ein deutlicher Nachteil ist. Zudem hat eine Verurteilung heutzutage häufig die Konsequenz, dass ein Mitarbeiter das Unternehmen verlassen muss, zum Teil auf Druck der Verfolgungsbehörden, die gegen Unternehmen ermitteln. Hier zeigt sich ein gewisser Wandel bei den Unternehmen und in der öffentlichen Wahrnehmung, der auch durch die Compliance-Thematik angestoßen wurde: So erfordern die Strafzumessungsrichtlinien in den USA bei einer Stellenbesetzung die Prüfung, ob einschlägige Vorstrafen vorliegen. Eine (drohende) Vorstrafe ist damit für Mitarbeiter ein echter Risikofaktor. Die Übernahme von Geldstrafen hat deshalb ein wenig von ihrer Brisanz verloren. Zudem könnte eine Unternehmensstrafe in Form der Geldstrafe nur bedingt Abhilfe schaffen, da zu erwarten ist, dass diese dann auch ein versicherbares Risiko darstellt.
Das Problem der strukturellen Unverantwortlichkeit (häufig auch als „organisierte Unverantwortlichkeit“ bezeichnet107) stellt sich nach Meinung in der Literatur dadurch, dass in arbeitsteiligen, dezentralisierten Organisationen wie den modernen Unternehmen oftmals kein individueller Täter ausgemacht werden könne, da letztlich keine Einzelperson mehr ausreichend Verantwortung trage.108 Beweisschwie____________ 101 Vgl. im Überblick Kirch-Heim, Sanktionen, S. 52 ff.; Lewisch/Parker, Unternehmensstrafe, S. 59 ff. jew. m.w.N. 102 Vgl. unten S. 635 ff. 103 Vgl. dazu eingehend Hoffmann/Wissmann, StV 2001, 249; Kapp, NJW 1992, 2796 ff. Siehe auch BT-Drs. 13/9682, S. 3 sowie Ackermann, Strafbarkeit, S. 191 f.; Ehrhardt, Unternehmensdelinquenz, S. 161; Engisch, 40. DJT, S. E35 ff.; Heine, ZStrR 121 (2001), 22 (26); Hirsch, ZStW 107 (1995), 285 (287); J. Meyer, in: Eser et al. (Hrsg.), Collective Entities, S. 129 (131); Quante, Sanktionsmöglichkeiten, S. 191 f.; Schall/Schreibauer, NuR 1996, 440 (448); Schmitt, Verbände, S. 141; Scholz, ZRP 2000, 435 (436); Seiler, Personenverbände, S. 128; Zeder, ÖJZ 2001, 630 (635). 104 BGHSt 37, 226 ff. 105 Daher wird die Entscheidung des BGH kritisch gesehen, vgl. Sch/Sch-Stree, § 258 Rn. 28a. 106 Vgl. Heine, Unternehmen, S. 77. 107 Der Begriff der organisierten Unverantwortlichkeit wurde wohl von Ostermeyer, ZRP 1971, 75 f. geprägt. Zumeist werden „organisierte“ und „strukturelle“ Unverantwortlichkeit als austauschbare Begriffe verwendet, zumal vielfach gar nicht zu den Beweisfragen abgegrenzt wird. Trennend aber Kirch-Heim, Sanktionen, S. 56 und 58. 108 Vgl. Dannecker, GA 2001, 101 (104); Ehrhardt, Unternehmensdelinquenz, S. 147; Heine, 1998 St. Louis-Warsaw Transatlantic L. J. (1998), S. 173 (176 f.); ders., ÖJZ 2000, 871 (874); ders., in: Arnold et al. (Hrsg.), Grenzüberschreitungen, S. 51 (54); Hefendehl, 4 Buff. Crim. L. Rev. (2000-01), S. 283 (294 ff.); Hetzer, ZRP 1999, 529; Kirch-Heim,
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rigkeiten werden zudem darin gesehen, dass komplexe Unternehmensstrukturen Mitarbeitern ermöglichen, sich hinter der Unternehmensfassade (engl.: the corporate veil) zu verstecken und somit die Ermittlung eines individuellen Täters unmöglich werde.109 Der Unterschied zwischen beiden Konstellationen liegt im Wesentlichen darin, dass im ersten Fall kein Täter vorhanden ist, im zweiten Fall es zwar einen gibt, dieser jedoch nicht sichtbar wird. Auch wenn diese beiden Punkte geradezu als Klassiker der Argumentationslinien im Bereich der Unternehmensstrafbarkeit gelten können, so sind doch deutliche Zweifel an der Stichhaltigkeit und vor allem an der Bedeutung dieser Argumente angebracht. Erste Zweifel zeigen sich bereits bei einem Blick auf die letzten Jahre: Bei welchen Vorfällen innerhalb von Unternehmen ist eine Verfolgung von Mitarbeitern oder des Unternehmens daran gescheitert, dass kein Verantwortlicher auszumachen war? Weder in den USA bei Enron oder Worldcom noch bei Siemens oder Flowtex in Deutschland haben sich hier bedeutende Lücken aufgetan. In Unternehmen haben Ermittlungen häufig sogar den Vorteil gegenüber der Strafverfolgung einzelner Personen, dass zahlreiche Mitwisser als Zeugen in Betracht kommen.110 Zudem erleichtern unzählige Dokumentationspflichten, freiwillige Dokumentation in Archiven und faktische Nachweismöglichkeiten über Kommunikationswege (wie Telefon, Fax, E-Mail) mögliche Ermittlungen.111 Soweit angenommen wird, dass die Arbeitsteilung (insbesondere bei Dezentralisierung und Delegation von Aufgaben) eine Zurechnung einer Tat zu einer einzelnen Person vereitle,112 trägt dieses Argument nicht wirklich. Denn Arbeitsteilung führt keineswegs dazu, dass alle für alles gleichermaßen wenig verantwortlich sind.113 Arbeitsteilung durch Spezialisierung funktioniert nur dann, wenn die Pflichten des Einzelnen klar umrissen sind. Jede Diffusion von Aufgaben und Pflichten verhindert ein wirtschaftlich effektives Arbeiten, was umso mehr gilt, je komplexer die Gesamtaufgabe ist und damit zugleich die Notwendigkeit, diese auf ____________ Sanktionen, S. 58 ff.; Ostermeyer, ZRP 1971, 75 f.; Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 34 ff. 109 Ackermann, Strafbarkeit, S. 189 f.; Athanassiou, Strafbarkeit, S. 23; Busch, Verbände, S. 122; Dannecker, GA 2001, 101 (102); Deruyck, Verbandsdelikt, S. 17 ff.; ders., ZStW 103 (1991), 705 (710); Ehrhardt, Unternehmensdelinquenz, S. 159 ff.; Eidam, Straftäter Unternehmen, S. 71; Hirsch, ZStW 107 (1995), 285 (287); Otto, Strafbarkeit; S. 8; Riebenfeld, JBJf XIII (1934), 232 (234 f.); Schall/Schreibauer, NuR 1996, 440 (448); G. Schmid, ZStrR 119 (2001), 18 (21); Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 42; Seelmann, FS-Schmid, S. 169 (171 f.); Serres, Deliktsfähigkeit, S. 79 f.; Weber, GA 1954, 237 (238). 110 Darauf weist bemerkenswerterweise Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 47 hin. 111 Lewisch/Parker, Unternehmensstrafe, S. 62. 112 Vgl. Heine, Unternehmen, S. 34 ff., 78 ff.; Ostermeyer, ZRP 1971, 75 f.; Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 31 ff. 113 Krit. auch Lewisch/Parker, Unternehmensstrafe, S. 78 ff.
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5. Kapitel: Rechtspolitische Schlussbetrachtungen
eine große Zahl von Spezialisten zu verteilen. Die Arbeitsteilung hat zumeist zur Folge, dass arbeitsvertraglich in der Stellenbeschreibung möglichst detailliert festgelegt ist, welche Aufgaben in welchem Umfang wahrzunehmen sind. Lewisch/Parker sehen zu Recht die kritische Bewertung der Arbeitsteilung und den daraus gezogenen Schluss auf eine strukturelle Unverantwortlichkeit in einer weitgehend überholten Heranziehung von Ansätzen der 1950er und 1960er Jahre.114 Insbesondere die als Referenz herangezogene frühe Arbeit von Luhmann115 oder der Ansatz von Mills116 betonen einseitig stark, dass moderne Organisationsstrukturen zu einer Delegation von Verantwortung nach unten führten, sodass das obere Management als solches gar nicht mehr die Verantwortung für zahlreiche Entscheidungen trage. Dieser Befund der Verteilung von Verantwortung ist zwar richtig, bedeutet jedoch nicht, dass eine Leitungsverantwortlichkeit entfällt, sondern allein, dass der klassische Manager auf oberster Ebene, der alle Entscheidungen selbst trifft, so nicht mehr existiert. Das moderne Unternehmen ist komplexer geworden und erfordert daher auch ein komplexeres Organisations- und Managementsystem.117 Diese Entwicklung bedeutet beispielsweise, dass es nicht sinnvoll ist, sich bei Ermittlungen nur auf das Topmanagement zu konzentrieren, da dort gar nicht mehr alle Einzelentscheidungen getroffen werden. Gesucht werden müssen auch die Stellen, in denen die weiteren Entscheidungen getroffen und konkretisiert werden. Auf oberster Ebene besteht damit im Einzelfall nicht mehr die konkrete Entscheidungsverantwortlichkeit, wohl aber eine Steuerungs- und Überwachungsverantwortung, wie sie zahlreiche Gesetze auch explizit statuieren. Komplexität heißt insoweit, dass zwar verschiedene Arten von Verantwortlichkeit vorhanden sind, keinesfalls aber eine Abwesenheit von Verantwortlichkeit besteht.118 An diesem Punkt zeigt sich nun aber tatsächlich ein Problem: Die mangelnde Ausgestaltung des Strafrechts zur Erfassung von Verantwortlichkeit innerhalb größerer Gruppen.119 Das RStGB war zugeschnitten auf den unmittelbar handelnden Alleintäter und daran hat sich auch im heutigen StGB wenig geändert. Die §§ 25– ____________ 114 Vgl. Lewisch/Parker, Unternehmensstrafe, S. 82 ff., die sich kritisch insbes. mit Heine und Schünemann auseinandersetzen. 115 Vgl. Luhmann, Funktionen, S. 199 ff., 209 f., 219. Auf Luhmann beziehen sich Heine, Unternehmen, S. 41 ff.; Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 31 ff. In seiner posthum veröffentlichten Arbeit, die sich wiederum diesem Themenkomplex zuwendet, geht Luhmann bemerkenswerterweise kaum noch auf sein früheres Werk ein, vgl. Luhmann, Organisation und Entscheidung (2. Auf. 2006), insbes. S. 279 ff. 116 Vgl. Mills, Die amerikanische Elite, S. 162, 364 f., 410; ders., White Collar, S. 78, 98, 106 f., 111. Auf Mills beruft sich Ostermeyer, ZRP 1971, 75 f. 117 Vgl. bspw. Bea/Göbel, Organisation, S. 411 ff.; Malik, Strategie des Managements, S. 90 ff. sowie die Beiträge in Bullinger et al. (Hrsg.), Handbuch Unternehmensorganisation (2009), insbes. S. 25 ff., 109 ff. 118 So auch Lewisch/Parker, Unternehmensstrafe, S. 91 ff. 119 Im Ordnungswidrigkeitenrecht ist die Problematik zwar auch gegeben, aber durch den Ansatz des Einheitstäters weit weniger brisant.
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27 StGB bieten zwar Erweiterungen an, geben jedoch kaum mehr als rudimentäre Hinweise, welche Konstellationen erfasst sein sollen. Der Gesetzgeber hat somit in der Beteiligungslehre bis heute keine allgemeine Regelung geschaffen, die komplexen Gruppensituationen gerecht wird.120 Das Strafrecht ist allerdings durch Rechtsprechung und Lehre weiterentwickelt worden und hat die Abstraktheit und Ausfüllungsfähigkeit der gesetzlichen Regelungen in weitem Umfang ausgenutzt. Prominente Fälle sind hier der Lederspray-Fall,121 der Holzschutzmittel-Fall122 oder der Politbüro-Fall.123 Gerade der letztgenannte Fall hat in den vergangenen Jahren zur Etablierung einer Verantwortlichkeit von Führungspersonen als mittelbare Täter in der Form des Täters hinter dem Täter geführt, die so in Wirtschaftsunternehmen bislang nicht zu finden war.124 Insgesamt besteht durch die Ausdehnung der Beteiligungslehre, der Garantenpflichten, der Fahrlässigkeitsstandards sowie niedrige Anforderungen an Kausalität und Zurechnung ein engmaschiges Netz, um Verantwortlichkeiten zu erfassen.125 Dass somit eine Verantwortlichkeit überhaupt nicht gegeben ist, dürfte im Unternehmen eher die Ausnahme als die Regel sein. Allenfalls wenn Verursachungsbeiträge aller beteiligten Personen so geringfügig sind, dass diese alle nicht die Schwelle zur fahrlässigen Sorgfaltspflichtverletzung erreichen, könnte trotz einer Rechtsgutsverletzung außerhalb des Unternehmens keine Verantwortlichkeit gegeben sein. In diesem seltenen Ausnahmefall wird man mit einer Straflosigkeit der Mitarbeiter leben können; Schadensersatz wird in solchen Fällen häufig dennoch zu erlangen sein, da in wichtigen Bereichen wie der Produkt- oder Umwelthaftung eine verschuldensunabhängige Haftung besteht.126 Auch wenn mit der vorgenannten Thematik tatsächlich ein gewisses Problem der Zuschreibung von Verantwortlichkeit innerhalb des Unternehmens besteht, so erle-
___________ 120 Das heißt nicht, dass der Gesetzgeber untätig geblieben ist. Nur wurde die Beteiligungsfrage praktisch in den Besonderen Teil verlagert und durch bestimmte Tatbestandsformen „gelöst“, vgl. Wehnert, FS-Riess, S. 811 (819 f.). Die Lösungen reichen von bloßen Tätigkeitsdelikten, Besitzdelikten über echte Unterlassungsdelikte bis hin zu sehr weiten Gefährdungsdelikten. Zudem wird vielfach subjektiv „abgeschichtet“ und in weitem Umfang leicht nachweisbares fahrlässiges Verhalten, bei dem es ohnehin keine Binnendifferenzierung nach Beteiligungsformen gibt, unter Strafe gestellt. Krit. zur derzeitigen Lage Rotsch, Einheitstäterschaft, S. 297 ff., der daher vorschlägt, ein neues System der Einheitstäterschaft mit Abstufung nach Zuschreibung unmittelbarer und mittelbarer Rechtsgutsbeeinträchtigungen einzuführen (S. 419 ff.). 121 BGHSt 37, 106. 122 BGHSt 41, 206. 123 BGHSt 40, 218. 124 Vgl. Hefendehl, GA 2004, 575 ff.; Rotsch, NStZ 1998, 491; ders., ZStW 112 (2000), 518 (556); ders., Einheitstäterschaft, S. 313 ff., 371 ff.; Sieber/Engelhart, in: Sieber et al. (Hrsg.), Strafbare Mitwirkung, S. 434 (454); Wehnert, FS-Riess, S. 811 (818 f.). 125 Vgl. zur Thematik Rotsch, Haftung, S. 85 ff. 126 Vgl. § 1 ProdHaftG bzw. § 1 UmweltHG.
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5. Kapitel: Rechtspolitische Schlussbetrachtungen
digt sich das nicht durch die Einführung einer Unternehmensstrafbarkeit.127 Denn die Problematik der Belangung von natürlichen Personen stellt sich weiterhin und muss auch bei Vorhandensein einer Unternehmensstrafe gelöst werden.128 Die Schwierigkeiten sind also solche des gesamten Wirtschaftsstrafrechts (bzw. überhaupt der Erfassung von Verantwortlichkeiten in größeren Gruppen). Insgesamt betrachtet ist ein nennenswertes Problem der Zuschreibung von Verantwortlichkeit und deren Nachweis, das die Einführung einer Unternehmensstrafbarkeit erfordern würde, nicht gegeben.129 Zu diesem Schluss kamen sowohl die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage130 als auch die Kommission, die die Frage der Notwendigkeit einer Reform des Sanktionenrechts beurteilte.131 Das größte Problem bei Ermittlungen ist zumeist ein praktisches: Die Unternehmen sind groß, die betreffenden Sachverhalte kompliziert. Um solche Vorfälle aufzuarbeiten, sind entsprechende staatliche Ressourcen notwendig. Diese werden der Polizei (bzw. im Ordnungswidrigkeitenverfahren den Verwaltungsbehörden), vor allem aber der Staatsanwaltschaft und den Gerichten nicht zur Verfügung gestellt. Der BGH hat die Problematik unzureichender Ressourcen der Organe der Strafrechtspflege im Jahr 2005 in einer Entscheidung in aller Deutlichkeit angesprochen.132 Die im Fall Siemens sichtbare und in den USA fast schon gängige Vorgehensweise, den Unternehmen die Ermittlungen samt Kosten aufzubürden, ist eine bedenkliche Lösungsstrategie. Die mangelnde Ausstattung der Justiz kann aber kaum als Argument herhalten, eine Unternehmensstrafe einzuführen. Verbleibt als Resümee, dass das Individualstrafrecht keine Defizite aufweist, die eine strafrechtliche Ergänzung für Unternehmen zwingend erforderlich machen.
____________ 127 Allerdings stellen sich diese Probleme hinsichtlich der Unternehmensstrafe im Rahmen der kollektiven Modelle (vgl. bereits oben S. 364) kaum, diese Modelle sind jedoch aus anderen Gründen nicht als Grundansatz empfehlenswert, vgl. näher unten S. 675. Das grundlegende Problem im Rahmen der Verantwortlichkeit natürlicher Personen würde mit diesen Ansätzen aber auch nicht gelöst werden. 128 Das Individualstrafrecht sollte sich in diesem Bereich von der Fixierung auf den allein handelnden unmittelbaren Täter lösen und langfristig differenzierte Modelle entwickeln, die die verschieden großen Verantwortungsbeiträge innerhalb von Gruppen sachgerecht zu erfassen vermögen. 129 So auch Kirch-Heim, Sanktionen, S. 52 ff.; Lewisch/Parker, Unternehmensstrafe, S. 59 ff.; Volk, in: Grunsky et al. (Hrsg.), Verbraucherkauf, S. 117 (125); Wehnert, FSRiess, S. 811 (814). 130 Vgl. BT-Drs. 13/11425, S. 5, 7. 131 Vgl. den Abschlussbericht der Kommission in: Hettinger (Hrsg.), Verbandsstrafe, S. 354. 132 Vgl. BGHSt 50, 299 (308 f.).
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3. Ist das Zivilrecht eine Alternative? Im geltenden deutschen Recht kommen als ahndendes Sanktionsrecht grundsätzlich nur das Ordnungswidrigkeitenrecht und das Individualstrafrecht in Betracht.133 Es stellt sich daher die Frage, ob diese beiden Bereiche nicht um ein zivilrechtliches Instrumentarium ergänzt werden können, das eine Alternative zu einem möglichen Unternehmensstrafrecht darstellen könnte. Angesprochen ist damit insbesondere die beispielsweise im amerikanischen Recht bestehende Option, über den Schaden hinaus Kompensation als Strafschadensersatz (punitive damages) zu erlangen. Dem deutschen Schadensersatzrecht ist ein derartig punitiver Ansatz nicht völlig fremd, da sowohl das Gesetz als auch die Rechtsprechung neben dem Ausgleich des Schadens pönale Elemente einbeziehen.134 Nichtsdestoweniger liegt der Schwerpunkt des deutschen Systems auf dem reinen Schadensausgleich. Die Erweiterung des Schadensersatzrechts um einen Strafschadensersatz wäre systemfremd und kaum zu rechtfertigen:135 Zweifelhaft erscheint bereits die Frage, warum einem Geschädigten über den erlittenen Schaden hinaus ein Geldbetrag zugesprochen werden sollte (Problem des Bereicherungsverbots136). Zudem ergeben sich verfahrensrechtliche Probleme, vor allem hinsichtlich des Beweismaßstabs. Dieser ist im Zivilprozess niedriger als im Strafverfahren, da Beweislastentscheidungen zulässig und Darlegungslasten anerkannt sind. Ob dies mit den (verfassungsrechtlichen) Grundsätzen der Unschuldsvermutung, des in dubio pro reo und des nemo tenetur se impsum accusare vereinbar ist, scheint fraglich. Letztlich würde sich dann wie im amerikanischen Recht das Problem der Doppelbestrafung (ne bis in idem) in Bezug auf ordnungswidrigkeiten- und strafrechtliche Sanktionen stellen. Auch die Findung eines „schuldangemessenen“ Strafschadensersatzes ist nicht unproblematisch.137 Der zivilrechtliche Weg böte ebenfalls keine Lösung in Versuchskonstellationen oder wenn kein individueller Geschädigter auszumachen ist. ____________ Zur Besonderheit des Ordnungswidrigkeiten- und Strafrechts siehe unten S. 642. Bentert, Element, S. 58 ff.; Brockmeier, Punitive damages, S. 46 ff.; Wagner, in: Lorenz (Hrsg.), Schadenersatz, S. 5 (15 ff.); Welke, Repersonalisierung, S. 329 ff. Siehe auch Mörsdorf-Schulte, Punitive damages, S. 29 ff. 135 Vgl. i.E. ebenso Mörsdorf-Schulte, Punitive damages, S. 300; Wagner, in: Lorenz (Hrsg.), Schadenersatz, S. 5 (16 f.); Welke, Repersonalisierung, S. 343 ff. Siehe auch Brockmeier, Punitive damages, S. 88 ff. sowie Hefendehl, ZStW 119 (2007), 816 (825 f.). Der BGH hat 1992 den amerikanischen Strafschadensersatz als Verstoß gegen den ordre public-Vorbehalt qualifiziert, vgl. BGHZ 118, 312. Nicht grundsätzlich ablehnend aber Bentert, Element, S. 161 ff. 136 Vgl. zu diesem Aspekt als Kehrseite des Kompensationsprinzips Wagner, in: Lorenz (Hrsg.), Schadenersatz, S. 5 (12 ff.). 137 Das Problem stellt sich z.B. in den USA, da der Strafschadensersatz nicht grob unverhältnismäßig sein darf und damit eine schuldangemessene Bewertung deckelt: So sieht der U.S. Supreme Court ein Verhältnis von 4:1 (Strafschadensersatz zu erlittenem Scha133
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5. Kapitel: Rechtspolitische Schlussbetrachtungen
Letztlich orientiert sich die Erlangung von Schadensersatz als Akt individueller Rechtsverfolgung primär an einer wirtschaftlichen Nutzenrechnung, der verfahrensrechtlich zahlreiche Möglichkeiten zur vergleichsweisen Erledigung entgegenkommen. Der Aspekt der Ahndung eines Verstoßes gegen die Rechtsordnung, die Durchsetzung bestimmter Verhaltenspflichten bzw. Erwartungen seitens der Rechtsgemeinschaft steht nicht im Vordergrund. Eine wirksame Rechtsverfolgung wäre auf diesem Weg nur bedingt und sogar noch weniger effektiv als im Strafrecht zu erreichen. Insoweit bietet eine Erweiterung des Zivilrechts keine regulative Alternative zum Sanktionsrecht der Ordnungswidrigkeiten und der Strafen. 4. Was ist der Unterschied zwischen Strafrecht und Ordnungswidrigkeitenrecht? Jegliche Überlegung, ob das Strafrecht auch für Unternehmen eingesetzt werden soll, bedarf der Klärung, ob nicht das Ordnungswidrigkeitenrecht genügt oder sogar vorzuziehen ist. Damit ist die Frage angesprochen, in welchen Punkten sich Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht unterscheiden. Gesetzlich ist die Lage klar. Wenn der Gesetzgeber als Sanktion eine Geldbuße vorsieht, ist die Regelung eine Ordnungswidrigkeit; ist die Sanktion eine Geld- oder Freiheitsstrafe, liegt eine Straftat vor. Die Unterscheidung ist damit formal allein auf die Sanktionen bezogen. Die Frage ist nunmehr, ob der Gesetzgeber frei in der Festlegung der Sanktion ist, oder ob es Kriterien gibt, die die Einstufung (ggf. zwingend) leiten. Die Diskussion ist nicht neu, spiegelt hinsichtlich der Abgrenzung von Polizeistrafen und Kriminalstrafen sogar eine jahrhundertealte Problematik wider. Dennoch ist bis heute keine befriedigende Abgrenzung gelungen. An dieser Stelle soll nicht die gesamte Diskussion aufgegriffen, sondern lediglich auf die zentralen Aspekte eingegangen werden.138 Die Schwierigkeit, eine Unterscheidung in zwei selbstständige Bereiche Strafrecht und Ordnungswidrigkeitenrecht herbeizuführen, liegt vielfach darin, dass viele Anknüpfungspunkte oftmals nicht weiterhelfen, da sie zu einem Zirkelschluss
____________ den) an der Grenze zur Verfassungswidrigkeit (excessive), vgl. State Farm v. Campbell, 538 US 408 (2003). 138 Vgl. dazu bspw. Appel, Verfassung, S. 207 ff., 267 ff., 333 ff., 475 ff.; KK-OWiGBohnert, Einl. Rn. 92 ff.; Eser, Abgrenzung, S. 123 ff.; Göhler-Gürtler, OWiG, Vor § 1 Rn. 2 ff.; Mattes, Ordnungswidrigkeiten, Bd. 2 S. 85 ff.; Mitsch, OWi, § 3. Die Problematik zeigt sich auch auf internationaler Ebene, die bislang kaum ein Strafrecht kennt, aber zahlreiche einschneidende Maßnahmen, bei denen sich die Frage stellt, ob sie nicht doch in ihrem materiellen Gehalt strafrechtlicher Natur sind. Diese Frage stellt bspw. Satzger, Europäisierung, S. 72 ff. für das europäische Recht und nimmt dann eine Einstufung als Strafrecht vor, wenn bestimmte Einzelkriterien (vgl. a.a.O., S. 79) vorliegen. Dieses Vorgehen ermöglicht zwar eine Einstufung bestimmter Maßnahmen als Strafe im Sinne dieser Definition (z.B. hinsichtlich der europäischen Geldbußen, a.a.O., S. 80 ff.), klärt jedoch die Grundsatzfrage nicht, was Strafrecht eigentlich ist.
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führen.139 So beispielsweise das Abstellen auf die Art der Sanktion.140 Die Freiheitsstrafe als Rechtsfolge mag man traditionell und rechtsvergleichend klar und einzig dem Strafrecht zuordnen, während eine eindeutige Zuordnung hinsichtlich der Geldstrafe und Geldbuße (beides monetäre Sanktionen) schon nicht mehr möglich ist. Aber auch die Zuordnung der Freiheitsstrafe setzt Klarheit voraus, was eine Kriminalstrafe und was eine andere Sanktion ist, sodass Strafrecht letztlich mit dem Strafrecht begründet wird. Damit ist das Abstellen auf die Art der Sanktion nicht weiterführend. Für andere Kriterien gilt dies ebenfalls, da sie lediglich die Folge einer Einstufung als Strafe etc. sind. Beispielsweise die Eintragung in ein öffentliches Register. Erst wenn eine Strafe verhängt worden ist, erfolgt die Eintragung in das Strafregister. Die Eintragung selbst kann jedoch eine Norm nicht als Straftat konstituieren, zumal das Gewerbezentralregister im Bereich der Ordnungswidrigkeiten zeigt, dass Register nicht exklusive Instrumente des Strafrechts sind. Ähnlich hilft ein Verweis auf das Strafverfahren oder verfahrensrechtliche Sicherungen des Strafrechts (Verfahren vor dem Richter etc.) nicht weiter.141 Denn auch die Art des Verfahrens und die daran zu stellenden Anforderungen sind erst Folge einer vorgelagerten Klassifizierung als Straftat oder Ordnungswidrigkeit. Viele Kriterien sind damit nicht tauglich, eine Abgrenzung klar herbeizuführen. Es stellt sich die Frage, ob es überhaupt Elemente gibt, die eine echte materielle Unterscheidung zu tragen vermögen. Unterscheidungskriterien könnte man im Rechtsgüterschutz, im verwirklichten Unrecht oder in der Art der sozialethischen Einstufung suchen. Die Abgrenzung aufgrund des Rechtsgüterschutzes wirft allerdings zunächst das generelle Problem auf, dass vor allem jenseits klar benennbarer Individualrechtsgüter weitgehende Unklarheit über dessen Gehalt besteht.142 Aber auch wenn man von diesen Problemen absieht, hilft der Ansatz nicht weiter. Denn Rechtsgüter werden sowohl im Strafrecht wie auch im Ordnungswidrigkeitenrecht geschützt.143 Es ist allenfalls so, dass besonders herausragende Rechtsgüter durch Strafrecht ge____________ 139 Vgl. krit. zur Rspr. des BVerfG, die eine illustrative Zusammenstellung möglicher Kriterien bildet, Appel, Verfassung, S. 213; Volk, ZStW 83 (1971), 405 ff. 140 So aber wohl Tiedemann, Tatbestandfunktionen, S. 49 ff., der der Strafe als Rechtsfolge materielle Bedeutung zumisst. 141 Vgl. Volk, ZStW 83 (1971), 405 ff.; ders., in: Grunsky et al. (Hrsg.), Verbraucherkauf, S. 117 (123), der von der zirkulären Annahme ausgeht, dass eine Rechtsfolge eine Strafe ist, wenn sie in einem Strafverfahren als Strafe verhängt wird. 142 Das BVerfG sieht vor allem wegen der Unbestimmtheit das Element des Rechtsgüterschutzes nicht als tragfähiges Konzept zur Konkretisierung verfassungsrechtlicher Vorgaben, vgl. BVerfGE 120, 224 (241 f.). Krit. auch LK-Weigend, Einl. Rn. 7. 143 Jescheck, JZ 1959, 457 (461); Mitsch, OWi, § 3 Rn. 9; Weber, ZStW 92 (1980), 313 (315). Anders noch Goldschmidt, Verwaltungsstrafrecht, S. 539 ff., der zwischen Rechtsgut und Verwaltungsgut unterschied. Dieser Ansatz ist aber seit Mitte des 20. Jahrhunderts überholt, da insbes. die Daseinsvorsorge Rechtsgüterschutz zum Zweck hat, vgl. Eser, Abgrenzung, S. 73 ff.; Jescheck, JZ 1959, 457 (461); Roxin, AT I, § 2 Rn. 4 ff.
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schützt sind. Aber bereits hinsichtlich des Rechtsguts des Lebens besteht keine strafrechtliche Exklusivität. Zwar ist der Entzug des Lebens als unmittelbarer Eingriff in das Rechtsgut Leben strafrechtlich geschützt, Gefährdungslagen des Lebens wie Fahren mit überhöhter Geschwindigkeit jedoch dem Ordnungswidrigkeitenrecht zugeschrieben. Eine klare Zuordnung allein aufgrund des Rechtsgüterschutzes ist damit nicht möglich. Zu überlegen ist, ob sich durch das Abstellen auf das verwirklichte Unrecht nicht eher eine Abgrenzung herbeiführen lässt. Hier kann sowohl auf das Rechtsgut als auch auf die Art und Weise seiner Beeinträchtigung abgestellt werden. So ist das Unrecht bei einer Tötung als Entzug des Lebens deutlich größer als die bloße Gefährdung desselben. Allerdings ist auch dieser Ansatz nicht geeignet, eine klare Grenzziehung zu ermöglichen,144 da der Begriff des Unrechts zu vage ist und es keinen klaren Referenzpunkt für die Einordnung des Unrechts gibt: Ist das Unrecht des Wilderers, der dem Wild nachstellt (§ 292 StGB), größer als das eines Zootierpflegers, der einen wilden Löwen in der Öffentlichkeit frei herumlaufen lässt (§ 121 OWiG – Halten gefährlicher Tiere)? Auch beim letzten Punkt, der sozialethischen Einstufung, ergibt sich keine eindeutige Lösung. Zwar wurde der Ordnungswidrigkeit aufgrund ihrer Herkunft aus dem Verwaltungssanktionsrecht eine sozialethische Missbilligung abgesprochen und sie als reines Ordnungsunrecht bezeichnet.145 Dieses fehlende Unwerturteil wird seitdem regelmäßig als Abgrenzungskriterium bemüht.146 Auf der anderen Seite wurde und wird der sozialethische Unwertgehalt des Strafrechts immer wieder betont.147 Insbesondere die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hebt das der Strafe innewohnende sozialethische Unwerturteil bzw. den ethischen Schuldvorwurf hervor.148 Allerdings geht das Bundesverfassungsgericht wohl nicht davon aus, dass das sozialethische Unwerturteil bei Ordnungswidrigkeiten gänzlich fehlt, da es mit auf die Sozialschädlichkeit des Verhaltens abstellt: Diese ist auch bei Ordnungswidrigkeiten gegeben,149 bei Straftaten nur in besonderem Maße.150 ____________ 144 Vgl. auch den BGH, der sogar zweifelt, ob der Unrechtsgehalt der Ordnungswidrigkeiten generell hinter dem der Straftaten zurückbleibt, BGHSt 41, 385 (390 f.). 145 So bspw. Eb. Schmidt, Wirtschaftsstrafrecht, S. 27, der Ordnungswidrigkeiten als Zuwiderhandlungen ansieht, „deren soziale Sinnbedeutung über den Raum der verwaltungsmäßigen Interessen nicht hinausgreift“ und denen jeglicher ethischer Gehalt fehlt (S. 48). Aufgegriffen werden damit insbes. die Ideen Goldschmidts (siehe zu dessen Einfluss oben S. 325). Vgl. zur Verwaltungsstraftheorie und seiner Kritik auch Eser, Abgrenzung, S. 47 ff. 146 Vgl. Göhler-Gürtler, OWiG, Vor § 1 Rn. 9. 147 Vgl. Eser, Abgrenzung, S. 156 ff. 148 BVerfGE 27, 18 (30); 80, 182 (186); 96, 10 (26); 120, 224 (241 f.); BVerfG NJW 2009, 2267 (2287); siehe auch Appel, Verfassung, S. 220 ff. m.w.N. zur Rechtsprechung. 149 Vgl. den Beschluss vom 27.4.1973, BVerfG WuW/E VG 235 (236), auf den auch Achenbach, GA 2008, 1 (11) hinweist. 150 BVerfGE 120, 224 (241).
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Der Verweis auf die Sozialschädlichkeit deutet bereits an, dass die Annahme einer sozialethischen Wertneutralität des Ordnungswidrigkeitenrechts nicht haltbar ist.151 Gerade die Bußgeldvorschriften im Kartellrecht oder im Wertpapierhandelsrecht zeigen, dass es nicht um neutrale Verhaltensweisen geht, sondern um solche, die für das gesellschaftliche Geschehen (hier im wirtschaftlichen Bereich) von großer Bedeutung sind. Somit gilt: Auch die Verhängung einer Ordnungswidrigkeit enthält einen Vorwurf gegenüber dem Rechtsbrecher.152 Zudem ist der Rekurs auf den Begriff der Sozialethik äußerst problematisch153 insoweit er auf an sich außerrechtliche Konzepte verweist, die in ihrem Gehalt kaum näher bestimmt sind, geschweige denn, dass eine einheitliche Konzeption der Sozialethik besteht. Es kann in dem auf dem Grundgesetz als oberste Wertordnung bestehenden Rechtssystem Deutschlands beim Strafrecht auch nicht ernsthaft darum gehen, dass dem Straftäter ein Vorwurf gegen die (vorpositive und/oder sogar überpositive?) Sozialethik gemacht wird.154 Der Vorwurf kann nur darin bestehen, dass vom Grundgesetz geschützte Rechtspositionen nicht beachtet wurden. Ob diese Missachtung von Rechtspositionen auch Verletzungen einer ethischen Pflicht darstellen oder nicht, ist irrelevant. Daher trägt das Kriterium des sozialethischen Vorwurfs zur Abgrenzung von Straftat und Ordnungswidrigkeit nicht. Allerdings ist zu konstatieren, dass der in der Straftat zum Ausdruck kommende Vorwurf besonders stark ist, da im Strafrecht die bedeutendsten Güter geschützt sind; eine strafrechtliche Verurteilung und die Strafe werden auch in der Bevölkerung als besonders einschneidende Rechtsfolge wahrgenommen.155 Insgesamt ergibt sich damit, dass kein klares Abgrenzungskriterium zwischen Straftat und Ordnungswidrigkeit besteht. Erkennbar ist nur, dass das Strafrecht im Ansatz das schärfere Sanktionsrecht ist: Es schützt grundsätzlich die gewichtigeren Rechtsgüter, das erfasste Unrecht ist größer, der Vorwurf des Rechtsbruchs ist größer und mit der Freiheitsstrafe weist es die härteste körperlich wirkende Sanktion gegenüber natürlichen Personen auf. Insoweit lässt sich allein ein Stufenverhältnis zwischen Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht (ein quantitativer Unterschied) feststellen.156 Aus regulativer Sicht besteht damit grundsätzlich eine Wahlfreiheit ____________ So auch Appel, Verfassung, S. 482 ff.; Ehrhardt, Unternehmensdelinquenz, S. 65 ff. Achenbach, GA 2008, 1 (16); Appel, Verfassung, S. 505; Lagodny, Grundrechte, S. 98 f.; 100 f., 416. 153 Vgl. Appel, Verfassung, S. 482 ff.; KK-OWiG-Bohnert, Einl. Rn. 100; Ehrhardt, Unternehmensdelinquenz, S. 65 ff.; Mattes, Ordnungswidrigkeiten, Bd. 2, S. 199 ff. 154 Anders wohl bspw. Eser, Abgrenzung, S. 162 f. 155 Das BVerfG stellt dabei besonders auf die Beeinträchtigungsfähigkeit des Leumunds (heute wohl: Image) einer Person ab, vgl. BVerfGE 22, 49 (79); 27, 18 (28, 33). 156 Dieser quantitative Unterschied führt nicht wegen Art. 92 GG, der die rechtsprechende Gewalt den Richtern vorbehält, zur Verfassungswidrigkeit des derzeitigen Ordnungswidrigkeitenrechts (so aber KK-OWiG-Bohnert, Einl. Rn. 108), da der Richtervor151
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zwischen Strafrecht und Ordnungswidrigkeitenrecht, wobei der Gesetzgeber mit der Wahl des Strafrechts deutlich machen kann, dass er das schärfere Sanktionsrecht wählt. Diese Wahlfreiheit entspricht der verfassungsrechtlichen Lage, auch wenn sich aus dieser bedingt Einschränkungen ergeben, die eine freie Wahl des Gesetzgebers begrenzen. Er kann zum Schutz bestimmter verfassungsrechtlicher Rechtsgüter entscheiden,157 auf das Strafrecht zurückzugreifen. Die Verfassung kennt nur den Begriff des Strafrechts und meint damit sowohl das Kriminalstraf- als auch das Ordnungswidrigkeitenrecht. Die Zulässigkeit des Einsatzes des Strafrechts richtet sich insbesondere nach dessen Eignung und Erforderlichkeit, und ist konkret kontextbezogen (auf das jeweils konkret zu normierende Verhalten und das zu schützende verfassungsrechtliche Rechtsgut) zu beantworten.158 In der Wahl, ob das Kriminalstrafrecht oder das Ordnungswidrigkeitenrecht einzusetzen ist, ist der Gesetzgeber grundsätzlich frei.159 Dies auch deswegen, weil alle verfassungsrechtlichen Garantien für das Strafrecht gelten und somit für Kriminalstraf- wie Ordnungswidrigkeitenrecht gleichermaßen.160 Das Bundesverfassungsgericht geht allerdings davon aus, dass das Kriminalstrafrecht die schwerere Sanktionsart ist, wie dies der rechtshistorischen Entwicklung entspricht.161 Daraus ergibt sich, dass bei besonders hohen Gütern (Leben etc.) ein grundrechtlicher Schutz nur durch Kriminalstrafrecht möglich ist.162 Zum anderen bewirkt die Abstufung, dass das Kriminalstrafrecht nicht eingesetzt werden darf, wenn es wegen des Bagatellcharakters des zu sanktionierenden Verhaltens unver____________ behalt nur für die Freiheitsstrafe absolute Geltung beansprucht (siehe Appel, Verfassung, S. 554 ff.). 157 BVerfGE 120, 224 (239) spricht vom Schutz anderer oder der Allgemeinheit, vgl. auch BVerfGE 90, 145 (172, 184). 158 Vgl. BVerfGE 120, 224 (240), die deutlich macht, dass als Maßstab die „Möglichkeit der Zweckerreichung“ ausreicht; siehe auch Achenbach, ZStW 119 (2007), 789 (811 ff.) im Hinblick des Einsatzes des Strafrechts als Lenkungsinstrument der Wirtschaft. 159 BVerfGE 22, 49 (81); 27, 18 (28); 80, 182 (184). 160 Vgl. Appel, Verfassung, S. 505. 161 Vgl. Appel, Verfassung, S. 24 ff., der auch klarstellend darauf hinweist, dass sich die Abschichtung gegenüber der Ordnungswidrigkeit nicht unmittelbar aus dem GG, sondern erst aus der Rspr. des BVerfG ergeben hat (S. 91 f.). Im Übrigen entspricht das Stufenverhältnis auch insoweit der rechtsvergleichenden Lage, als das Strafrecht weltweit durchweg das schwerste zur Verfügung stehende Sanktionsrecht darstellt. 162 Vgl. BVerfGE 27, 18 (28). Verfassungsrechtlich bedeutet dies, dass zum einen ein Bereich schweren Unrechts dem Strafrecht vorbehalten ist, wenn der Gesetzgeber überlegt, eine Sanktionsnorm zu schaffen, vgl. BVerfGE 22, 49 (81); 27, 18 (28 f.). In bestimmten Fällen ist der Gesetzgeber aufgrund der Schutzfunktion der Grundrechte sogar verpflichtet, eine solche Norm zu erlassen, vgl. BVerfGE 39, 1 (46 f.); 88, 203 (254). Dies stellt jedoch außerhalb von Art. 26 Abs. 1 GG die Ausnahme dar, da die Grundrechte traditionell Abwehrrechte und nicht Schutzrechte darstellen. Achenbach, GA 2008, 1 (11) weist daher zu Recht darauf hin, dass das BVerfG noch nie in Bezug auf einen Ordnungswidrigkeitentatbestand befunden hat, dass dieser als Straftat hätte normiert werden müssen.
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hältnismäßig wäre.163 Davon abgesehen sieht das Bundesverfassungsgericht aber kein verfassungsrechtliches Gebot gegeben, das eine intensive Prüfung verlangt, ob das Kriminalstrafrecht tatsächlich geeigneter, erforderlicher oder im engeren Sinn verhältnismäßiger gegenüber dem Ordnungswidrigkeitenrecht ist.164 Damit ergibt sich für die zu regelnden Sachkonstellationen ein weiter Ermessensspielraum des Gesetzgebers, der nur in Extremfällen begrenzt ist. Vielfach wird diese begrenzte Regelungsbefugnis als gemischt qualitativ-quantitative Grenzziehung bezeichnet.165 Dies ist jedoch missverständlich, da gar kein qualitativer Unterschied zugrunde liegt. Besser ist daher, von einer „begrenzten Sanktionswahlfreiheit des Gesetzgebers“ zu sprechen.166 Insgesamt lässt sich festhalten, dass Kriminalstrafrecht und Ordnungswidrigkeitenrecht Teile eines umfassenden verfassungsrechtlichen Systems des Strafrechts sind. Es besteht kein wesensmäßiger Unterschied zwischen diesen Teilbereichen des Strafrechts, abgesehen davon, dass das Kriminalstrafrecht das traditionell schärfere Sanktionsrecht darstellt. Insoweit kann man das Kriminalstrafrecht als „Strafrecht maior“, das Ordnungswidrigkeitenrecht als „Strafrecht minor“ bezeichnen. 5. Warum Strafrecht für Unternehmen? Da Strafrecht167 und Ordnungswidrigkeitenrecht nicht wesensmäßig verschieden sind, stellt sich die Frage, wann und warum das Strafrecht eingesetzt werden soll. In Bezug auf Unternehmen bedeutet dies: Warum sollte man über § 30 OWiG hinaus auf das Strafrecht rekurrieren? Unterstellt wird hierbei zunächst, dass es auch auf Unternehmen anwendbar sein kann, und keine dogmatischen Gründe dies ausschließen.168 Zunächst kann man zur Stützung einer strafrechtlichen Belangung des Unternehmens auf die bereits erwähnten Faktoren der Machtfülle der Unternehmen und deren Risikopotential verweisen.169 Sowohl korporative Macht als auch die Risiken gruppendynamischer Effekte sind für sich genommen als Faktoren, die eine Gefährdung von Rechtsgütern des Einzelnen und der Gemeinschaft darstellen, von ____________ Vgl. KK-OWiG-Boujong, Einl. Rn. 93; Mitsch, OWi, § 3 Rn. 15. Vgl. BVerfGE 120, 224 (240). Siehe zur ultima ratio-Funktion des Strafrechts auch unten S. 642. 165 Mitsch, OWi, § 3 Rn. 11. 166 Achenbach, GA 2008, 1 (10) spricht von „eingeschränkt dezionistischer Theorie“, was hinsichtlich der Bezeichnung als „Theorie“ allerdings zu weitgehend erscheint. 167 Im Folgenden wird der Begriff „Strafrecht“ nicht weiter im verfassungsrechtlichen Sinne verwendet, sondern allein auf das Kriminalstrafrecht bezogen. 168 Vgl. zu diesen Fragen unten S. 658 ff. 169 Vgl. bspw. Eidam, Straftäter Unternehmen, S. 69; Volk, JZ 19993, 429. 163
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5. Kapitel: Rechtspolitische Schlussbetrachtungen
solchem Gewicht, dass sie verfassungsrechtlich auch den Einsatz des Strafrechts (ebenso des Ordnungswidrigkeitenrechts) rechtfertigen.170 Diese Argumentation beantwortet allerdings die Frage, warum speziell das Strafrecht heranzuziehen ist, nicht wirklich, da sie ein regulatives Tätigwerden überhaupt rechtfertigt. Ein erster Ansatz zur Beantwortung der Frage lässt sich darin finden, dass das Strafrecht, insbesondere das Wirtschaftsstrafrecht, ein wichtiges Steuerungselement des gesellschaftlichen Zusammenhalts ist.171 Der Blick auf die USA zeigt, dass das Unternehmensstrafrecht dort einen wichtigen Platz im staatlichen Regulierungssystem von Unternehmen einnimmt. Das Strafrecht flankiert das System staatlicher Verhaltensvorgaben, indem es für einen Verstoß gegen die Vorgaben einen Vorwurf erhebt, eine bestimmte Reaktion (die Strafe) vorsieht und dadurch die Einhaltung der Gesamtrechtsordnung sichert.172 Es hat eine Lenkungs- und Regulierungsfunktion, die sich insbesondere in den anerkannten Strafzwecken widerspiegelt.173 Es wird daher vertreten, dass erst die Einführung eines Unternehmensstrafrechts die Chance für eine angemessene Regulierung der Wirtschaft biete.174 Die Lenkungsfunktion ist allerdings nicht strafrechtsexklusiv, sondern gilt (wenn auch in abgeschwächter Form) gleichfalls für das Ordnungswidrigkeitenrecht. Die Frage ist daher dahin zu konkretisieren, welchen Vorteil es bietet, das Strafrecht zusätzlich zum Ordnungswidrigkeitenrecht als Lenkungsinstrument heranzuziehen, wenn doch beide Systeme durch Sanktionen auf den gleichen Mechanismus setzen. Der entscheidende Vorteil liegt in der Ausdifferenzierung. Die Trennung in die zwei Bereiche Ordnungswidrigkeitenrecht und Strafrecht ermöglicht abzuschichten, und zwar nach Art des geschützten Guts, nach Art der Handlung, die das Gut beeinträchtigt, nach Art der möglichen Sanktion, nach anzuwendendem Verfahren etc. Der Wert der Ausdifferenzierung ergibt sich vor allem in rechtsvergleichender Betrachtung auf die USA oder auch England, die diese Trennung nicht kennen. Dort sind unter dem Dach des Strafrechts die verschiedenartigsten Gesetzesverstöße vereint, für die alle die gleichen materiellrechtlichen Grundsätze sowie das gleiche Verfahren gelten. Dies bereitet nicht unerhebliche Probleme, da auch in diesen Rechtssystemen die Nichtdeklaration von Inhaltsstoffen auf einer Speisekarte nicht mit einer Körperverletzung durch fehlerhafte Produkte zu vergleichen ist. Daher wird versucht, beispielsweise mit der Anerkennung von strict liability-Delikten und dem Verzicht auf den Nachweis des mens rea-Elements eine Binnendifferenzierung zu erreichen, die auch die verfahrensrechtliche Bewältigung von Verstößen ____________ Vgl. zur damit verbundenen ultima ratio-Diskussion unten S. 642. Alwart, JZ 2006, 546 (548). 172 Vgl. Appel, Verfassung, S. 431; Tiedemann, Tatbestandsfunktionen, S. 41 ff. Zur Frage der Unterscheidung des Strafrechts gegenüber anderen staatlichen Zwangsmaßnahmen siehe unten S. 642. 173 Zur Frage der Strafzwecke siehe unten S. 660 ff. 174 Alwart, in: Löhr/Burkatzki (Hrsg.), Wirtschaftskriminalität, S. 95 (110). 170
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erleichtert. Eine derartige Binnendifferenzierung wurde bislang aber nur ansatzweise erreicht, da mangels einer klaren gesetzlichen Zuordnung keine eindeutigen Kriterien bestehen. Die enorme Erweiterung des amerikanischen Strafrechts Ende des 19. Jahrhunderts zur Regulierung wirtschaftlicher Verhaltensweisen hat daher in großen Teilen zu einer Überforderung des Strafrechts und der zu seiner Durchsetzung geschaffenen Behörden geführt. Im Vergleich zu den USA vermag dagegen die Ausdifferenzierung im deutschen Recht schwere und leichte Verstöße gegen die Rechtsordnung klar zu kennzeichnen. Damit kann der Gesetzgeber die Bedeutung, die er einem Verstoß gegen die Rechtsordnung beimisst, nicht nur in den Gesetzesmaterialien kundtun. Er hat die tatsächliche Möglichkeit, das Verhältnismäßigkeitsprinzip durch die Wahl abgestufter Sanktionssysteme umzusetzen. Die gesetzliche Einstufung schafft darüber hinaus Rechtsklarheit und Rechtsbestimmtheit. Für den Bürger als Normadressaten ist auf den ersten Blick die Einschätzung des Gesetzgebers ersichtlich. Auch für den Rechtsanwender in Form staatlicher Behörden wird durch die Zuordnung festgelegt, welche Bedeutung der Rechtsverstoß hat und wie wichtig die tatsächliche Ahndung ist. Hinsichtlich der Ahndung erlauben zwei Systeme auch zwei verschiedene Wege in Bezug auf Sanktionen und Verfahren. Diese weitgehende Differenzierung schafft in einem höheren Maße Rechtssicherheit (wer hat wo was zu beachten und hat wann was zu erwarten) als ein globales System des Strafrechts. Rechtsvergleichend lässt sich konstatieren, dass auch andere Länder das zweistufige Modell gewählt haben (beispielsweise die Niederlande, Österreich, Portugal, Schweden und Spanien) und es sich von daher bereits bewährt hat.175 Der Vorteil der Ausdifferenzierung bleibt natürlich nur so lange erhalten, wie der Gesetzgeber dem System bei der Schaffung neuer Normen treu bleibt, also nicht systemwidrig Straftaten schafft, die an sich Ordnungswidrigkeiten sein sollten und umgekehrt. Gerade die Höhe der Sanktionen einzelner Ordnungswidrigkeiten hat in den letzten Jahren zu der Frage geführt, ob diese richtig verortet wurden.176 Hier gilt aber, dass dem Gesetzgeber die Bewertung obliegt, welchen Stellenwert er einer bestimmten Handlung, Rechtsgutsverletzung etc. zumisst und wie er diese systematisch einordnen möchte. Insoweit stellt es an sich kein Problem dar, wenn der Gesetzgeber bestimmte Verstöße aufgrund ihres Unrechtsgehalts nicht dem bestehenden Strafrecht zurechnen, durch eine sehr hohe Geldbuße aber dennoch eine einschneidende Sanktion verhängen möchte. Gerade für die Bewertung des Unrechts betont das Bundesverfassungsgericht die Freiheit des Gesetzgebers, nach den aktuellen gesellschaftlichen Wertvorstellungen agieren und sich auch von früheren Vorstellungen lösen zu können.177 Dem ist grundsätzlich zuzustimmen. Wichtig ist aber, dass sich der Gesetzgeber seiner Wahl und der Konsequenzen insbesondere im Hinblick auf das Stufenverhältnis Strafrecht/Ordnungswidrigkeitenrecht bewusst ist.178
____________ So auch die Feststellung von Delmas-Marty, ZStW 101 (1989), 793. Vgl. Achenbach, GA 2008, 1 (16 f.). 177 BVerfGE 27, 18 (29 f.); 45, 282 (289). 178 Vgl. die kritische Bemerkung von Achenbach, GA 2008, 1 (15 f.), der fragt, ob es sich der Gesetzgeber bei Verhaltensweisen mit großer Sozialschädlichkeit nicht zu einfach macht, indem er die Regelungen dem Ordnungswidrigkeitenrecht zuordnet. Der Gesetz175 176
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5. Kapitel: Rechtspolitische Schlussbetrachtungen
Das deutsche Recht besitzt somit ein differenziertes System. Von diesem macht es in Bezug auf Unternehmen allerdings keinen Gebrauch. Es beschränkt sich allein auf das Ordnungswidrigkeitenrecht. Damit nützt es zunächst nur das Potential, das zur Verfügung steht, nicht aus. Darüber hinaus konterkariert aber § 30 OWiG die gesamte Ausdifferenzierung dadurch, dass das Unternehmen auch bei Anknüpfung an einer Straftat des Mitarbeiters mit einer Ordnungswidrigkeit belegt wird. Dies ist systemwidrig. Wenn das Unternehmen für eine Straftat verantwortlich gemacht werden soll, kann dies nur mit einer strafrechtlichen Sanktion geschehen. Insoweit erfordert eine systemkonforme Lösung die Schaffung einer Unternehmensstrafbarkeit. Die Alternative wäre, bei Straftaten auf die Belangung des Unternehmens zu verzichten, was jedoch schon aus Gleichheitsgesichtspunkten im Vergleich zur ordnungswidrigkeitenrechtlichen Belangung problematisch wäre. Wenn ein Rechtssystem für schwerste Rechtsverletzungen das Strafrecht vorsieht, dann ist die angemessene Reaktion auch gegenüber Unternehmen nur das Strafrecht. Insoweit ist der staatliche Mechanismus zur Sozialkontrolle von Unternehmen erst vollständig, wenn ein Unternehmensstrafecht eingeführt wird. Für die Einführung eines Unternehmensstrafrechts spricht auch, dass das Individualstrafrecht hinsichtlich der Erfassung der gesamten Dimension eines Rechtsverstoßes an seine Grenzen stößt. Aufgrund des Schuldprinzips kann ein Mitarbeiter nur für seinen persönlichen Beitrag bestraft werden. Dieser kann in Bezug auf das gesamte Geschehen groß oder klein sein, jedoch bleibt er immer nur ein Teil des Gesamtgeschehens im Unternehmen. Es können zudem grundsätzlich weder die besondere Machtfülle noch gruppendynamische Risiken in die Bewertung miteinfließen.179 Diese Begrenzung kann nicht überwunden werden, wenn man nicht das Schuldprinzip aufweichen möchte. Damit wird der wirtschaftlich und rechtlich eigentlich handelnde Akteur, das Unternehmen, nicht für das in der Tat zum Ausdruck kommende gesamte Unrecht bestraft.180 Erst wenn das Unternehmen selbst als Strafsubjekt anerkannt wird, lässt sich das gesamte Geschehen abbilden und insbesondere die Relevanz des jeweiligen Unternehmensklimas miteinbeziehen. Ob sich die Belangung des Unternehmens zudem aus einer Vergeltungserwartung der Allgemeinheit, das Unternehmen sei als wahrer Schuldiger zu bestrafen, ___________ geber muss in der Tat evaluieren, wo die neu zu schaffende Norm im Vergleich zu den bestehenden geschützten Rechtsgütern, dem erfassten Verhalten und den Sanktionen steht und diese dann entsprechend verorten. Wenn er dies unterlässt, entsteht langfristig ein System des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts, in dem kaum mehr Abstufungen erkennbar sind. 179 Wesentliche Ausnahme ist eine strafmildernde Berücksichtigung des Unternehmenskontexts, wenn dieser die individuelle Schuld des Mitarbeiters deutlich reduziert. 180 Vgl. auch Ackermann, Strafbarkeit, S. 193; Ch. Bauer, Verbandsstrafbarkeit, S. 69 f.; Busch, Verbände, S. 112 f.; Eidam, Straftäter Unternehmen, S. 69; Haeusermann, Verband, S. 162; Hirsch, ZStW 107 (1995), 285 (287); Lütolf, Strafbarkeit, S. 12; Schlüter, Unternehmen, S. 46; Scholz, ZRP 2000, 435 (436); Volk, JZ 1993, 429 (430).
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herleiten lässt,181 ist eher zweifelhaft.182 Diese Annahme ist kaum empirisch zu belegen und würde letztlich auf eine diffuse, wandelbare öffentliche Meinung abstellen. Nicht zu verkennen ist aber, dass gerade in der Öffentlichkeit Unternehmen als eigenständige soziale Gebilde angesehen werden, die auch als solche verantwortlich gemacht werden.183 Insoweit würde sich ein Unternehmensstrafrecht der sozialen Anschauung annähern.184 Für den Einsatz des Strafrechts spricht schließlich ein Aspekt, in dem sich das Strafrecht am markantesten vom Ordnungswidrigkeitenrecht abhebt: die Stärke des Vorwurfs und der daraus resultierende Makel, wenn es zu einer Verurteilung und Bestrafung kommt.185 Dieser häufig als Stigmatisierung bezeichnete Punkt bezieht sich auf die Beeinträchtigung des Rufs einer Person. Das Stigma beruht auf der negativen Wahrnehmung einer Abweichung vom Normalzustand durch die Umgebung,186 wobei die Nichtdelinquenz als Normalzustand anzunehmen ist. Der Ruf wird durch eine strafrechtliche Belangung deutlich stärker beeinträchtigt als durch eine ordnungswidrigkeitenrechtliche. Die Ursache dafür liegt darin, dass im Strafrecht grundsätzlich die wichtigeren Rechtsgüter und die gravierenderen Formen der Beeinträchtigungen erfasst sind.187 Der Vorwurf des Strafrechts ist somit der stärkste, den eine Rechtsordnung für einen Verstoß gegen Verhaltensvorgaben vorsehen kann. Erst die strafrechtliche Belangung von Unternehmen würde ermöglichen, auch gegenüber diesen wie bei natürlichen Personen den stärksten Vorwurf zu erheben und die Missbilligung eines bestimmten Verhaltens festzustellen. Man könnte an dieser Stelle zweifeln, ob Unternehmen stigmatisiert werden können oder ob dies an die Personalität des Menschen gebunden ist. Soweit man jedoch den Vorwurf darin sieht, dass bestimmte Vorgaben der Rechtsordnung nicht ____________ 181 In diese Richtung Bahnmüller, Unternehmensverantwortlichkeit, S. 15; Busch, Verbände, S. 112 f.; Fisse, 56 S. Cal. L. Rev (1982-83), S. 1141 ff. 182 Krit. auch Lewisch/Parker, Unternehmensstrafe, S. 123 ff.; Kirch-Heim, Sanktionen, S. 42 f. 183 Vgl. die Überschrift bei stern.de vom 30.3.2009 (abrufbar unter www.stern.de): „Bahn bespitzelt eigene Mitarbeiter“. 184 Vgl. auch Ackermann, Strafbarkeit, S. 229; Eidam, Straftäter Unternehmen, S. 118; Hirsch, Straffähigkeit, S. 13. 185 Vgl. auch Ch. Bauer, Verbandsstrafbarkeit, S. 82; Ehrhardt, Unternehmensdelinquenz, S. 172; Eidam, Unternehmen, S. 572 ff.; Hetzer, wistra 1999, 361 (366); Lewisch/ Parker, Unternehmensstrafe, S. 129 ff.; Queck, Unternehmen, S. 82; Schall/Schreibauer, NuR 1996, 440 (446); Stratenwerth, FS-Schmitt, S. 295 (303); Tiedemann, in: Schoch/ Stoll/Tiedemann (Hrsg.), Freiburger Begegnungen, S. 30 (42). Siehe auch den (später zurückgezogenen) Antrag Hessens im Bundesrat, BR-Drs. 690/98, S. 3. 186 Vgl. bspw. Goffman, Stigma, S. 6. 187 Einschränkend gilt dabei, dass die Stigmatisierung bei verschiedenen Tatbeständen unterschiedlich sein kann und je nach gesellschaftlicher Gruppe ggf. auch unterschiedlich wahrgenommen wird (Problem Kavaliersdelikt). Krit. zur Stigmatisierung daher KirchHeim, Sanktionen, S. 73. Vgl. auch Wehnert, FS-Riess, S. 811 (815), die die Wirkung des Strafrechts allein in der möglichen Freiheitsstrafe sieht.
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eingehalten wurden, kann ein solcher auch gegenüber Unternehmen erhoben werden. Da ein Unternehmen am Markt gerade durch seine Firma (seinen Markennamen) wahrgenommen wird, ist die Möglichkeit einer Bemakelung durch eine strafrechtliche Belangung auch gegeben.188 Eine Beeinträchtigung des „Image“ ist bei Unternehmen genauso möglich wie bei natürlichen Personen.189 Folge des stärkeren Vorwurfs im Strafrecht ist zudem ein auf Öffentlichkeit angelegtes Strafverfahren (§ 169 GVG). Besonders deutlich wird dies in der öffentlichen Verkündung des Urteils. Dies führt zu einer allgemeinen Kontrollmöglichkeit durch die Bürger, zur Publizität der Tat und des Täters. Auch wenn damit nicht eine Stigmatisierung durch Verfahren bezweckt ist, ist eine solche nicht gänzlich von der Hand zu weisen.190 Allerdings liegt der Vorteil des Strafrechts weniger in dieser belastenden Situation für den Beschuldigten (die auch die Unschuldsvermutung nicht zu beseitigen mag) als in der damit verbundenen öffentlichen Diskussion um Recht oder Unrecht bezüglich des Verhaltens einer bestimmten Person in einer bestimmten Situation. Gerade für komplizierte Vorgänge im wirtschaftlichen Bereich, die oftmals rechtlich komplex sind und bei denen häufig das Verbotene nicht klar erkennbar ist, ist eine solche öffentliche Erörterung wichtig: zum einen um die Vorgänge überhaupt publik und verständlich zu machen (Information der Öffentlichkeit), zum anderen, um Zulässiges von Unzulässigem zu scheiden und damit auch eine Debatte anzustoßen, wo die Grenze des Rechts verlaufen sollte.191 Das Strafverfahren besitzt damit eine eigene kommunikative Kraft.192 Diesen Vorteil des Strafverfahrens nutzt § 30 OWiG derzeit bereits teilweise, wenn die Anknüpfungstat eine Straftat darstellt und ein selbstständiges Verfahren mit öffentlicher Hauptverhandlung durchgeführt wird.193 Ansonsten, insbesondere ____________ 188 Die Möglichkeit einer Bemakelung wird bspw. in der Anerkennung der Beleidigungs- und Ehrfähigkeit von Unternehmen besonders deutlich. Vgl. i.E. ähnlich Ackermann, Strafbarkeit, S. 229; Bockelmann, in: Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, IV. Bd., S. 329; Ehrhardt, Unternehmensdelinquenz, S. 190; Hirsch, Straffähigkeit, S. 14; Müller, Juristische Person, S. 20. 189 Auf den Aspekt, dass der Betroffene die Sanktion leidend erfahren kann (Vorliegen einer bestimmten Leidensfähigkeit), kommt es dagegen nach heutiger allgemeiner Ansicht nicht mehr an, vgl. Freier, Verbandsstrafe, S. 58 f. Siehe auch unten S. 664 zur Vergeltung als Strafzweck. 190 Vgl. hierzu näher Ch. Bauer, Verbandsstrafbarkeit, S. 82 f.; Ehrhardt, Unternehmensdelinquenz, S. 172 f.; Kirch-Heim, Sanktionen, S. 73 f.; Queck, Unternehmen, S. 83; Tiedemann, in: Schoch/Stoll/Tiedemann (Hrsg.), Freiburger Begegnungen, S. 30 (42). 191 Hier kann bspw. auf das Mannesmann-Verfahren verwiesen werden, das die Praxis von Sonderzahlungen bei Unternehmensübernahmen publik machte und damit eine Debatte anstieß, inwieweit diese überhaupt zulässig sein sollten und wie dies rechtlich geregelt werden könnte und sollte. 192 Das Strafrecht nutzt die öffentliche Bühne, sodass man auch von der kommunikativen Kraft des Theaters sprechen kann. 193 Die öffentliche Verhandlung ist aber die Ausnahme, da im Grundsatz ein schriftliches Verfahren erfolgt, vgl. § 441 Abs. 2 StPO.
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im einheitlichen Verfahren, ist der Vorteil dagegen nur gering, da das Unternehmen lediglich Nebenbeteiligter ist und der Mitarbeiter als Angeklagter im Zentrum steht. Der Vorteil des öffentlichen Verfahrens kann daher erst dann zur vollen Geltung kommen, wenn ein eigenes Verfahren gegen das Unternehmen als Beschuldigtem durchgeführt wird. Zuletzt hat das Strafrecht auch deswegen Vorteile, weil ein spezieller Verfolgungsapparat mit eigenen (hohen) Verfahrensstandards zur Verfügung steht. Es besteht eine eigene unabhängige Instanz, deren alleinige Aufgabe die der Rechtsdurchsetzung durch Sanktionen ist. Darin liegt zunächst ein Vorteil gegenüber zivilrechtlicher Rechtsdurchsetzung, die parteiisch und zumeist finanziell motiviert ist. Aber darin liegt auch ein Vorteil gegenüber Verwaltungsbehörden, die als Bußgeldbehörde ebenfalls Sanktionen festsetzen. Denn die Bußgeldverfolgung ist nur ein Teilbereich der Arbeit der Verwaltungsbehörden, die ansonsten vor allem die zukünftige Rechtseinhaltung anstreben und dabei vielfach auf kooperative Prozesse zwischen Staat und Privaten setzen.194 Die Durchsetzung der Sanktion und die Schaffung eines bestimmten Umsetzungsdrucks werden damit nur bedingt erreicht. Einen intensiveren Umsetzungsdruck garantiert die Staatsanwaltschaft. Das Beispiel des ehemaligen New Yorker Generalstaatsanwalts Eliot Spitzer, der gegen zahlreiche Wall Street-Unternehmen wegen Verstößen gegen den Wertpapierhandel vorging und damit zahlreiche Reformen anstieß, zeigt den hohen Druck, den die Staatsanwaltschaft kreieren kann, wenn sie „tough on crime“ ist.195 Insgesamt ergibt sich damit, dass ein Unternehmensstrafrecht strukturelle Vorteile gegenüber der geltenden ordnungswidrigkeitenrechtlichen Regelung des § 30 OWiG bietet. Die Erweiterung des bestehenden Strafrechts um eine Unternehmensstrafbarkeit ist damit erwägenswert. Dieser Schritt würde dem bisherigen jahrzehntelangen einseitigen Ausbau des Wirtschaftsstrafrechts im Bereich individueller Verantwortung eine neue Dimension hinzufügen und somit das Instrumentarium staatlicher Sanktionsmöglichkeiten erweitern.196 Die vorliegenden Überlegungen zeigen, dass es nur darum gehen kann, Unternehmen zusätzlich zu einer ordnungswidrigkeitenrechtlichen Regelung strafrechtlich zu belangen und nicht darum, eine alleinige strafrechtliche Verantwortlichkeit zu kreieren. Eine alleinige strafrechtliche Regelung wäre so unterkomplex wie die derzeitige des § 30 OWiG.
____________ Vgl. auch bereits Heine, ÖJZ 1996, 211 (216). Vgl. näher Abdelal/Di Tella/Schlefer, Eliot Spitzer: Shaming Wall Street to Reform. Harvard Business School Case 708-019 vom 4.3.2008 (online abrufbar: unter http://harvardbusiness.org). 196 Vgl. zur Klage des einseitigen Ausbaus des Individualstrafrechts Achenbach, FSStree/Wessels, S. 545 (560); Tiedemann, FS-Stree/Wessels, S. 527 (543). 194
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6. Steht die ultima ratio-Funktion einem Unternehmensstrafrecht entgegen? Das Strafrecht gilt als die ultima ratio der Sozialpolitik und soll daher nur subsidiär Anwendung finden können.197 Es stellt sich somit die Frage, ob unter diesem Aspekt der Begrenzung staatlicher Eingriffsmaßnahmen ein Unternehmensstrafrecht zulässig ist.198 Die subsidiäre Anwendung ist vor allem Ausdruck des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprinzips:199 Soweit gleich effektive Maßnahmen zur Verfügung stehen, ist das mildere Mittel anzuwenden. So einleuchtend dieser Ausgangspunkt ist, so unklar ist der eigentliche Kern dieser Aussage.200 Denn stellt man auf die Sanktion ab,201 so ergibt sich oft, dass andere Sanktionen gravierender sein können als die Strafe: Ist denn bei einem 55-jährigen Beamten eine Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung wegen Bestechung schlimmer als die dienstrechtliche Sanktion der Entlassung aus dem Dienst unter Verlust sämtlicher Pensionsansprüche? Wäre ein solcher Vergleich maßgeblich, würde sich im Hinblick auf Unternehmen ergeben, dass das Strafrecht angesichts zivil- und verwaltungsrechtlicher Mittel gar nicht zwingend die schärfste Sanktion wäre.202 Strafrecht wäre dann eher sogar prima ratio denn ultima ratio. Maßgeblich kann daher nicht ein (kaum möglicher) Schwerevergleich sämtlicher staatlicher Zwangsmaßnahmen sein. Um eine Antwort auf das Problem der ultima ratio zu finden, bedarf es erst einer grundlegenden Klarstellung, was Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht von anderen staatlichen Zwangsmaßnahmen unterscheidet. Kein exklusives Wesensmerkmal des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts ist eine allgemeine präventive Zielsetzung, zur Einhaltung des Rechts beizutragen, die viele staatliche Maßnahmen im ____________ 197 Vgl. BVerfGE 120, 224 (239 f.); 39, 1 (44 ff.); Jakobs, AT, 2. Abschn. Rn. 26 f.; Roxin, AT I, § 2 Rn. 38 ff. Siehe auch eingehend Appel, Verfassung, S. 141 ff. zur Rechtsprechung des BVerfG. 198 Vgl. zu dieser Frage bspw. Hamm, NJW 1998, 662 f.; Lewisch/Parker, Unternehmensstrafe, S. 111 ff. 199 Vgl. Seher, in: v. Hirsch et al. (Hrsg.), Mediating Principles, S. 70, der darauf hinweist, dass schon die Herleitung des Prinzips nicht vollkommen klar ist. 200 Vgl. Seher, in: v. Hirsch et al. (Hrsg.), Mediating Principles, S. 70 (71 f.); Wohlers, in: v. Hirsch et al. (Hrsg.), Mediating Principles, S. 54 (69 f.). Auch das BVerfG nimmt kaum eine konkrete Bestimmung vor, vgl. krit. die abweichende Meinung von Hassemer in BVerfGE 120, 224 (256 f.). 201 So bspw. Hassemer, in: v. Hirsch et al. (Hrsg.), Mediating Principles, S. 121 (122 f.); Hörnle, in: v. Hirsch et al. (Hrsg.), Mediating Principles, S. 36 f.; Lewisch/Parker, Unternehmensstrafe, S. 62 ff., 115 ff.; Mittelsdorf, Unternehmensstrafrecht, S. 18 ff.; Roxin, AT I, § 2 Rn. 40. 202 Vgl. auch Tiedemann, Tatbestandsfunktionen, S. 144 ff.; ders., ZRP 1976, 49 (54); ders., Verfassungsrecht, S. 52, der wiederholt darauf hingewiesen hat, dass das Wirtschaftsstrafrecht nicht unbedingt die schärfste Sanktion sei, sondern der Einsatz des Wirtschaftsrechts deutlich schwerwiegender sein könne. Siehe zudem Schünemann, in: v. Hirsch et al. (Hrsg.), Mediating Principles, S. 18 (21 f.).
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Zivil- und Verwaltungsrecht ebenfalls aufweisen.203 Der zentrale Unterschied liegt in dem Vorhalt des Rechtsbruchs, dem Vorwurf, dass der Betroffene eine defizitäre Einstellung zur Rechtsordnung gezeigt hat.204 Damit hat das Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht zum primären Ziel, den Geltungsschaden auszugleichen, der durch den Bruch der Verhaltensnorm erreicht wurde und der auch die Autorität des Regelungsgebers infrage stellt (Normrehabilitierung).205 Erst an zweiter Stelle ordnen dann das Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht zur Verdeutlichung der Normrehabilitierung an, dass für den Rechtsbruch dem Rechtsbrecher ein bestimmtes Übel auferlegt wird.206 Andere staatliche Zwangsmaßnahmen ordnen zwar auch ein Übel als Rechtsfolge an, es fehlt ihnen aber an dem spezifischen Vorwurf der Normverletzung.207 Das Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht stellt daher eine spezifische Form der staatlichen Zwangsmaßnahme dar. Dieses Spezifikum hat zur Folge, dass die Anwendung des ultima ratio-Grundsatzes im Ansatz nicht weiterführt, da dem Strafund Ordnungswidrigkeitenrecht gar keine vergleichbaren Instrumentarien gegenüber stehen.208 Aufgrund dieser Einzigartigkeit ist Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht in der Tat prima ratio, sobald es darum geht, ob ein Rechtsgut überhaupt durch eine Norm geschützt werden soll, die einen Vorwurf enthält.209 Eine Einschränkung lässt sich nur dadurch erreichen, dass im Sinne einer Negativkontrolle auf einzelne Tatbestände bezogen eine ernstliche Prüfung erfolgt, ob nicht ein Verzicht auf die sanktionsrechtliche Seite möglich ist, ob sie strafwürdig und strafbedürftig erscheinen.210 Diese Prüfung kann anhand verschiedener Kriterien erfol____________ Vgl. Appel, Verfassung, S. 459 f. Vgl. Appel, Verfassung, S. 460 ff., 467 ff., 492 f. 205 Achenbach, ZStW 119 (2007), 789 (811) spricht von „Normstabilisierung“, Appel, Verfassung, S. 460 von „Normrehabilitation“. 206 Appel, Verfassung, S. 460 ff., 492 ff. sieht den Vorhalt der defizitären Einstellung als Primärsanktion und die Auferlegung des materiellen Übels als Sekundärsanktion. 207 Umstritten ist dies allerdings im Disziplinarrecht, das nach teilweiser Ansicht auch den Vorwurf des Normbruchs macht, vgl. Appel, Verfassung, S. 510 ff.; Jakobs, AT, 3. Abschn. Rn. 15 ff. 208 Vgl. auch Appel, Verfassung, S. 541 ff.; Seher, in: v. Hirsch et al. (Hrsg.), Mediating Principles, S. 70 (81). Seher weist darauf hin, dass die Nichtvergleichbarkeit insbes. dann gegeben sei, wenn man mit der herrschenden Meinung auf die spezielle sozialethische Missbilligung abstelle. Siehe auch Wohlers, in: v. Hirsch et al. (Hrsg.), Mediating Principles, S. 54 (69 f.). 209 Möglich wäre allenfalls ein Systemvergleich zwischen verschiedenen repressiven, präventiven und gemischt repressiv-präventiven Systemen, der aber vor allem daran scheitert, dass nicht klar ist, welches denn das Vergleichskriterium sein kann, vgl. Appel, Verfassung, S. 580 ff. 210 So der Vorschlag von Appel, Verfassung, S. 581, der zur Beurteilung auch rechtsvergleichende Erkenntnisse als Hilfestellung heranziehen will (S. 583 ff.). Vgl. auch Hassemer, in: v. Hirsch et al. (Hrsg.), Mediating Principles, S. 121 (122, 124 f.) mit dem Hinweis auf in dubio pro libertate. 203 204
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gen, die wesentlich von der Art des Rechtsguts sowie von Art und Umfang seiner Beeinträchtigung abhängig zu machen sind.211 Insoweit bleibt zu konstatieren, dass bezüglich der Frage, ob überhaupt ein Sanktionssystem ordnungswidrigkeiten- und strafrechtlicher Art gegen Unternehmen einzuführen ist, das ultima ratio-Prinzip nicht entgegenstehen kann: Die zivil- und verwaltungsrechtlichen Systeme stellen keine vergleichbare Alternative dar, da sie nicht auf den Vorwurf des Rechtsbruchs setzen. Die Heranziehung straf- und ordnungswidrigkeitenrechtlicher Belangung des Unternehmens lässt sich somit ausreichend auf die bereits angeführte Begründung der Begrenzung korporativer Macht und auf die gruppendynamischen Risiken sowie das Bedürfnis nach Sanktionen, die einen Vorwurf erheben, stützen. Damit verbleibt für die Annahme einer ultima ratio nur ein letzter Anwendungsbereich: die Abgrenzung zwischen grundsätzlich vergleichbaren Sanktionssystemen, also zwischen straf- und ordnungswidrigkeitenrechtlichem System.212 Wie bereits angeführt stehen hierbei Strafrecht- und Ordnungswidrigkeitenrecht in einem Stufenverhältnis. Das ultima ratio-Argument führt also auch hier nicht weiter als der ganz normale Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.213 V. Erweiterung des regulativen Bereichs um eine Verpflichtung zur Errichtung von Compliance-Programmen? Die Analyse zum deutschen Recht hat gezeigt, dass zwar bereits zahlreiche und zum Teil auch weitgehende Organisationspflichten bestehen, sich daraus aber keine allgemeine Verpflichtung zur Errichtung eines Compliance-Programms ergibt.214 Es stellt sich daher die Frage, ob nicht die Verpflichtung zur Errichtung von Compliance-Programmen mit detaillierten Vorgaben gesetzlich zu regeln ist.215 Dies würde den Einzelregelungen einen allgemeinen Rahmen geben und zudem unbestimmte Vorschriften wie § 130 OWiG mit Substanz füllen. Dieser Schritt wäre, auch wenn den Unternehmen Umsetzungsspielraum verbliebe, grundsätzlich ____________ 211 Vgl. insoweit das BVerfGE 120, 224 (239 ff.), das auf die besondere Sozialschädlichkeit und die unerträgliche Beeinträchtigung des geordneten menschlichen Zusammenlebens für die Heranziehung des Strafrechts abstellt. Ähnlich auch BVerfGE 90, 145 (172); 92, 277 (326); 96, 10 (25). Auf eine Typologie der Rechtsgüter abstellend Schünemann, in: v. Hirsch et al. (Hrsg.), Mediating Principles, S. 18 (24 ff.). Die genaue Bestimmung des Rechtsguts hervorhebend Hassemer in BVerfGE 120, 224 (256 ff.). 212 Vgl. auch Roxin, AT I, § 2 Rn. 40; Wohlers, in: v. Hirsch et al. (Hrsg.), Mediating Principles, S. 54 (69 f.). 213 Daher ist Wohlers, in: v. Hirsch et al. (Hrsg.), Mediating Principles, S. 54 (69 f.) zuzustimmen, wenn er konstatiert, dass die ultima ratio-These „ein Grundsatz ohne eigenen Aussagegehalt“ sei. 214 Siehe dazu bereits oben S. 510. 215 Zur Frage der Verpflichtung zur Erstellung eines Compliance-Programms als eigenständige Sanktion siehe unten S. 654 f.
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der Regulierung und nicht dem Bereich der regulierten Selbstregulierung zuzurechnen.216 Denn damit würde für alle Unternehmen detailliert deren interne Organisation vorgegeben. Solch eine Maßnahme erscheint jedoch wegen der Eingriffsintensität in die Struktur der Unternehmen unverhältnismäßig. Denn man würde ihnen damit unterstellen, dass sie generell zu Rechtsbrüchen neigen und daher für alle Maßnahmen erforderlich seien. Es besteht in Unternehmen jedoch keine generelle Neigung zu Rechtsbrüchen, es liegt aufgrund der gruppendynamischen Effekte nur ein erhöhtes Risiko vor, dass es zu einer solchen Neigung kommen kann. Das Risiko ist nicht mit einer tatsächlichen Neigung zu verwechseln. Die Anzahl der rechtstreuen Unternehmen ist – auch mangels anderweitiger empirischer Hinweise – als die überwiegende Mehrheit einzustufen. In Anbetracht dieses begrenzten Risikos erscheint eine umfassende Verpflichtung zur Errichtung von Compliance-Programmen bereits nicht erforderlich, da andere Möglichkeiten bestehen (vgl. im Folgenden zur regulierten Selbstregulierung). Auf jeden Fall wäre eine Verpflichtung in Abwägung des Risikos zum Eingriff unangemessen, also unverhältnismäßig im engeren Sinne. Insoweit verbleibt für ein regulatives Tätigwerden nur dort Raum, wo ein besonderes Risiko besteht.217 Dies kann sich insbesondere aus der Art der Geschäftstätigkeit und ggf. der damit verbundenen Unternehmensorganisation ergeben. In diesen Bereichen sind sektorspezifische Compliance-Vorgaben (vor allem in Form konkreter Organisationspflichten) nicht unverhältnismäßig. C. Regulierte Selbstregulierung Da sowohl Selbstregulierung als auch Regulierung ihre klaren Grenzen haben, wird in den letzten Jahrzehnten zunehmend versucht, einen Mittelweg zu gehen, der zumeist als „regulierte Selbstregulierung“ bezeichnet wird.218 Der Begriff suggeriert einen einheitlichen Ansatz, was jedoch der derzeitigen rechtlichen Lage nicht entspricht. Vielmehr handelt es sich um verschiedene Ausprägungen der Einbindung Privater in das staatliche Regelungsgefüge, um bestimmte staatliche Ziele
____________ 216 Vgl. zur Möglichkeit der Zuordnung zur regulierten Selbstregulierung bei entsprechender Umsetzung der Durchsetzung der Verpflichtung unten S. 653. 217 Vgl. dazu auch oben S. 611. 218 Andere Bezeichnungen sind bspw. regulierte Selbstregulation, Koregulierung, staatlich-private Koregulierung. Vgl. näher Hoffmann-Riem, in: ders./Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Auffangordnungen, S. 261 (300 ff.); Thoma, Regulierte Selbstregulierung, S. 39 ff. Die Diskussion wird inhaltlich auch im Bereich der Corporate Governance-Forschung geführt, zumeist unter dem Aspekt wie viel „soft law“ möglich ist und welche Wirkung es hat; vgl. Leyens, JZ 2007, 1061 (1063 f.).
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5. Kapitel: Rechtspolitische Schlussbetrachtungen
zu erreichen.219 Dies kann mit einem Rückzug des Staates (Deregulierung) verbunden sein, muss jedoch nicht. Oftmals ist der Ansatz der regulierten Selbstregulierung neben die bestehenden Regelungen getreten, um anerkannte Schutzziele (Umweltschutz, Jugendschutz etc.) effizienter und besser erreichen zu können. Wie die Bearbeitung von Thoma zum Ordnungsverwaltungsrecht zeigt, dient sie derzeit vor allem dazu, zusätzliche unabhängige Kontrollstellen zu errichten, ohne dass weitere staatliche Ressourcen eingesetzt werden müssen.220 Nicht im Vordergrund steht die Bestimmung materieller Anforderungen oder eine reine Selbstkontrolle der betroffenen Unternehmen. Dies entspricht der Situation, die sich auch in anderen Gesetzen wie dem GwG oder dem WpHG widerspiegelt: Private dienen vor allem der kostengünstigen Übernahme von staatlichen Aufgaben. Auch wenn diese monetäre Erklärung ernüchternd wirkt, so ist darin immerhin ein zusätzlicher Weg zu sehen, um die Normeinhaltung zu sichern.221 Damit hat der Ansatz der regulierten Selbstregulierung de lege lata nur einen geringen funktionalen Anwendungsbereich. Dies heißt jedoch nicht, dass sein Potential (in Bezug auf Unternehmen) nicht noch weiter auszuschöpfen ist. Dies zunächst deswegen, weil er eher dem Grundansatz des Grundgesetzes mit dessen Betonung der Freiheitsrechte entspricht: Wenn die regulierte Selbstregulierung gegenüber der Regulierung das mildere Mittel darstellt, so ist diese nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz des Art. 20 Abs. 3 GG der Regulierung vorzuziehen. Zu beachten ist aber, dass gerade die Auferlegung von Mitwirkungspflichten bei der Normüberwachung und -durchsetzung das Unternehmen stärker belasten kann als eine klassisch regulative Norm, deren Durchsetzung allein staatliche Stellen übernehmen. Wenn derartige Mitwirkungspflichten konstituiert werden, greift das Argument des milderen Mittels kaum. In diesem Fall kann der Vorzug für die Lösung der regulierten Selbstregulierung darin liegen, dass diese effektiver ist als eine reine Regulierung. Abgesehen von diesen häufig nur schwer bewertbaren Punkten des milderen Mittels und der größeren Effektivität spricht jedoch ein anderer Aspekt stark für die regulierte Selbstregulierung: Die Tatsache, dass das Unternehmen als zweites Regelungssystem neben das staatliche tritt.222 Dieser interne Regelungskomplex (Teubner spricht von „Recht ohne Staat“223) erlangt dadurch große Bedeutung, dass ____________ 219 Vgl. nur die vier Referenzgebiete (Jugendmedienschutz, Produktsicherheit, Umweltrecht, Kapitalmarktrecht), die Thoma, Regulierte Selbstregulierung, S. 26 gewählt hat und in denen Hintergrund und Umsetzung der Einbindung Privater äußerst unterschiedlich sind. Vgl. zum Jugendmedienschutz auch Sieber/Nolde, Sperrverfügungen, S. 202 ff.; Sieber, in: Waltermann/Machill (Hrsg.), Internet, S. 319 (326 ff.). 220 Thoma, Regulierte Selbstregulierung, S. 465 f. 221 So im Ergebnis auch Thoma, Regulierte Selbstregulierung, S. 466 f. 222 Vgl. auch Sieber, FS-Tiedemann, S. 449 (460 ff.). 223 Vgl. Teubner, FS-Kocka, S. 36 (38), der dies allerdings allein auf die neuere Entwicklung von corporate codes in multinationalen Unternehmen bezieht.
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dem Unternehmen große faktische Macht zukommen kann. Die Existenz zweier Regelungssysteme stellt dann kein Problem dar, wenn das unternehmensinterne System parallel mit dem staatlichen läuft, dessen Wertungen übernimmt und allenfalls konkreter ausgestaltet. In diesem Fall genügt grundsätzlich der Ansatz der klassischen Regulierung. Dadurch, dass aber vor allem durch eine stark monetäre Orientierung und die kaum kalkulierbare Gruppendynamik die Gefahr der Divergenz zwischen unternehmensinternem und staatlichem System besteht, ist zu überlegen, wie darüber hinaus staatlicherseits steuernd in die unternehmensinterne Struktur und die gruppendynamischen Prozesse eingegriffen werden kann. Dieser zusätzliche Eingriff soll die Brücke zwischen beiden Systemen schlagen. Es geht also um einen Gesamtansatz, der Unternehmen nicht mehr nur als bloßen vertraglichen Zusammenschluss oder als „black box“ wahrnimmt224. Um sich von klassischer Regulierung zu unterscheiden kann es bei der regulierten Selbstregulierung nicht um die Vorgabe spezifischer und detaillierter Verbote und Gebote gehen, sondern allein um die Vorgabe von Zielen bzw. des Rahmens, in dem diese Ziele verwirklicht werden können. Wie diese Ziele umgesetzt werden und wie der Rahmen auszufüllen ist, ist dann den Unternehmen in freier Selbstregulierung überlassen. Es geht daher weniger um Regulierung als um gezielte Steuerung. Variabel ist insbesondere das Ausmaß des regulativen Teils, der von sehr weicher bis hin zu rigider Steuerung reichen kann, die sich von der klassischen Regulierung kaum noch unterscheidet. Der Staat kann hier je nach (rechtspolitischem) Bedürfnis verschieden stark auf das Unternehmenssystem einwirken. Die vorherigen Ausführungen zeigen, dass der Compliance-Ansatz, wie er in den USA im Rahmen der Strafzumessungsrichtlinien aufgenommen worden ist, das Beispiel der regulierten Selbstregulierung par excellence ist:225 Zielvorgabe staatlicherseits ist die Prävention und Aufdeckung von Rechtsverstößen. Zur Erreichung dieses abstrakten Ziels wird in Eckpunkten ein Rahmen definiert (Vorgaben für Compliance-Programme), der eigenständig von den Unternehmen ausgefüllt wird. Wie die Übersicht zur Bedeutung von Compliance gezeigt hat,226 setzen die Strafzumessungsrichtlinien auf einen mittelharten bis harten regulativen Mix: von der Honorierung der Programme über die strafschärfende Berücksichtigung im Fall ihres Fehlens bis hin zur Möglichkeit der Auferlegung von Compliance-Programmen als Sanktion. Die von Jung als zentral angesehene Frage, ob man das Verhal-
____________ 224 Vgl. aus amerikanischer Sicht auch Dibadj, 26 Cardozo L. Rev. (2004-05), S. 1459 (1523). 225 Vgl. auch Alwart (Hrsg.), Verantwortung, S. 75 (85 ff.); Pieth, FS-Jung, S. 717 (718); Sieber, FS-Tiedemann, S. 449 (460). Siehe auch Jung, in: Regulierte Selbstregulierung, Die Verwaltung (Beiheft 4), S. 191 ff. 226 Vgl. dazu oben S. 593 ff.
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ten des Unternehmens durch Strafrecht steuern kann, ist in diesem Sinne zu bejahen.227 Ein Beispiel weicher Steuerung ist der DCGK, der das Ziel einer transparenten Unternehmensleitung und -überwachung hat. Der staatliche Einfluss beschränkt sich auf die Einsetzung der Kommission durch den Staat und den Hinweis auf den Kodex in § 161 AktG. Der Inhalt des Kodex und die Umsetzung im Unternehmen sind der Kommission bzw. den einzelnen Unternehmen zur Selbstregulierung überlassen. Spezielle Sanktionen oder staatliche Durchsetzungsmechanismen bestehen nicht. Der Ansatz einer Steuerung im Rahmen der regulierten Selbstregulierung setzt natürlich voraus, dass grundsätzlich die Möglichkeit der Steuerung besteht. Dies wird teilweise mit großer Skepsis betrachtet.228 Auch wenn vorliegend keine umfassende Kritik der verschiedenen Steuerungsansätze geleistet werden kann, erscheint die Skepsis teilweise durchaus berechtigt. Zahlreiche Steuerungsansätze folgen dem überaus simplifizierenden Modell ökonomischer Theorien. Auch wenn dabei inzwischen nicht eine ökonomische Theorie allein den Markt beherrscht, sondern mehrere,229 so bauen sie doch im Grundsatz primär auf dem rational choice-Ansatz auf: Der handelnde Mensch entscheidet rational und lässt sich allein von Nutzenerwägungen und berechenbaren Anreizen leiten. Dieser Ansatz ist zwar eine wunderbare Reduktion von Komplexität, im Ergebnis jedoch so unterkomplex, dass er letztlich dem Verhalten des Menschen nicht gerecht wird und somit auch nur eingeschränkt als Ansatz für eine Steuerung taugen kann.230 Auch wenn die ökonomischen Theorien allein nicht hinreichend zur Erklärung menschlichen Verhaltens sind, so zeigen sie doch auf, dass der Mensch zumindest teilweise rational handelt. Hinzunehmen muss man jedoch, dass der Mensch maßgeblich durch bewusste und unbewusste psychologische Umstände geprägt ist und handelt. Dazu gehören die persönliche Werteinstellung, Motivationsfaktoren und die Wahrnehmung vorhandener oder nur vermeintlich vorhandener Erwartungen der Umgebung. Die Relevanz derartiger Faktoren zeigen im Bereich der Unternehmen insbesondere die Erkenntnisse der Organisationspsychologie. Am vielversprechendsten erscheint daher der Weg, psychologisch erforschte Verhaltensmuster neben der rationalen Entscheidungsfindung miteinzubeziehen. Dies geschieht bislang teilweise bereits im Rahmen der Theorie der bounded rationality231 oder auch der behavorial law and economics-Forschung.232 Damit wird die Erklärung menschlichen Verhaltens zwar komplizierter, aber deutlich wirklichkeitsnäher. Ein Steuerungsansatz muss daher auf diese verschiedenen rationalen und psychologischen Elemente abstellen. Einen Ansatzpunkt für Überlegungen der Steuerung kann auch die Soziologie liefern. Insbesondere Luhmann und sein Ansatz der Systemtheorie, in sozialen Systemen zu den-
___________
Jung, Wirtschaftskriminalität, S. 13. Vgl. nur Hefendehl, ZStW 119 (2007), 816 (820). 229 Vgl. den Überblick bei Wittig, Der rationale Verbrecher, S. 35 ff. 230 Vgl. ebenso Wittig, Der rationale Verbrecher, S. 178: „Seitdem ich mich mit dem ökonomischen Ansatz befasse, begleitet mich das Gefühl, dass jede entscheidungstheoretische Analyse mit ihren hochformalisierten, aber inhaltsleeren Modellen der Komplexität des Menschen nicht gerecht wird.“ 231 Vgl. Gigerenzer/Selten, Bounded Rationality (2001), insbes. den Überblick von Selten, S. 13 ff. sowie von Gigerenzer, S. 37 ff. 232 Vgl. dazu Eidenmüller, JZ 2005, 216 ff. 227
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ken,233 bieten eine interessante Blickweise auf die tatsächliche Interaktion von Unternehmen und Rechtssystem. Als normative Erklärungsansätze sind die Betrachtungen nur bei einer entsprechenden Weiterentwicklung anwendbar, da sich aus dem empirischen Sein nicht ein normatives Sollen ergibt.234 Der Ansatz der sozialen Systeme ermöglicht zunächst, Unternehmen und Rechtssystem als jeweils eigene soziale Systeme zu sehen, die in Kontakt miteinander treten (systemtheoretisch: kommunizieren). Zentral ist jedoch, dass es sich dabei vor allem hinsichtlich des Unternehmens um ein autopoietisches System handelt,235 also um ein System, das sich selbst als System erzeugt.236 Es ist grundsätzlich in sich geschlossen, nach außen abgegrenzt und organisiert sich selbst. Konsequenz hinsichtlich der Steuerung ist, dass das Rechtssystem das Unternehmen in seiner Gesamtheit nicht unmittelbar steuern kann.237 Es kann jedoch von außen das Unternehmen „mehr oder weniger massiv irritieren“,238 sodass innerhalb des Unternehmens bestimmte Prozesse ausgelöst werden. Damit bestätigt die soziologische Betrachtung, dass es möglich ist, durch bestimmte Reize in das geschlossene System des Unternehmens „einzudringen“ und dieses auf konkrete Ziele hinzulenken. Festzuhalten ist, dass eine Steuerung der Unternehmen seitens des Staates im Rahmen der regulierten Selbstregulierung grundsätzlich möglich ist.239 Der Staat kann für Unternehmen bestimmte Ziele und Rahmenbedingungen für deren Umsetzung vorgeben, die die Unternehmen in Eigenregie konkretisieren, anpassen und implementieren können. Damit beeinflusst er das innere System des Unternehmens und schafft somit eine Verbindung zum Rechtssystem des Staates. Er nimmt von außen Einfluss auf die Selbstregulierung.
D. Regulierte Selbstregulierung und Compliance Im Folgenden wird der Ansatz der regulierten Selbstregulierung im Unternehmensbereich im Hinblick auf Compliance näher skizziert, wobei entsprechend dem Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit das Hauptgewicht auf dem Sanktionsbereich liegt. Der Blick wird wie in der bisherigen Darstellung aber auf das gesamte Recht gerichtet, da gerade im Unternehmensbereich eine sanktionsrechtliche Betrachtung ____________ Vgl. Luhmann, Soziale Systeme (2. Aufl. 2006). Insoweit ist die Lage strukturell ähnlich der Rechtsvergleichung, bei der auch aus dem Vergleich kein Schluss auf die bessere oder vorzugswürdigere Regelung gezogen werden kann. 235 Vgl. zur autopoietischen Betrachtung Luhmann, Recht, S. 38 ff.; ders., Wirtschaft, S. 43 ff.; ders., Organisation und Entscheidung, S. 39 ff.; Teubner, System, S. 149 ff. Auch der autopoietische Ansatz liefert nur eine empirische Beschreibung, vgl. Boers, MschrKrim 84 (2001), 337 (353). 236 Vgl. zur Definition Luhmann, Organisation und Entscheidung, S. 45. 237 Vgl. Luhmann, Organisation und Entscheidung, S. 400 f.: autopoietische Systeme können sich nicht determinieren. 238 Luhmann, Organisation und Entscheidung, S. 401. 239 Ob eine Steuerungsmöglichkeit in allen Rechtsbereichen generell zu bejahen ist, lässt sich in dieser Abstraktheit wohl kaum beantworten, da die Arten der Steuerung im Hinblick auf die Steuerungssubjekte und ihre Ausgestaltung zu unterschiedlich sind. Wie die Arbeit von Thoma, Regulierte Selbstregulierung, S. 431 ff. zeigt, ist eine Steuerung im Produktsicherheitsbereich durchaus vorhanden, im Umweltbereich dagegen eher nicht. Vgl. krit. auch Schober, Zweck, S. 240 zur Steuerungswirkung von umweltrechtlichen Leitvorschriften („Nullsummenspiel“). 233 234
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allein aufgrund der vielfältigen Querverbindungen vor allem zur Unternehmensstruktur als nicht ausreichend erscheint.240 I. Unternehmen, regulierte Selbstregulierung und Compliance 1. Ziel: Compliance Die regulierte Selbstregulierung in Bezug auf Unternehmen hat als primäres Ziel die Rechtseinhaltung zu sichern und damit die Möglichkeit zu unterbinden, dass unternehmensintern ein nicht rechtskonformes eigenes Regelungssystem etabliert wird.241 Ziel ist also, den Zustand Compliance, wie er für die vorliegende Bearbeitung definiert wurde,242 zu erreichen und zu gewährleisten. Konkretisiert man das Ziel Compliance noch näher, so ergeben sich die zwei wesentlichen Unterpunkte, die vor allem auch die amerikanische Compliance-Diskussion prägen: Erstes Unterziel ist die Prävention von Rechtsverstößen im Unternehmen. Zweites Unterziel ist die Aufdeckung derartiger Verstöße. 2. Rahmen: Compliance-Programme Um das Ziel der regulierten Selbstregulierung zu erreichen, ist es notwendig, die grundlegenden Elemente vorzugeben, die aus staatlicher Sicht innerhalb des Unternehmens notwendig sind, um das Unternehmen in Richtung der Rechtseinhaltung zu steuern. Diese Steuerelemente stellen Compliance-Maßnahmen, in ihrer Gesamtheit Compliance-Programme dar. Da über den Inhalt von Compliance-Programmen keine ausreichende Klarheit besteht, sind sie in einer Weise zu definieren, dass sie umsetzungsfähig (also praxisfähig) sind. Als Bestandteil der regulierten Selbstregulierung müssen sie grundsätzlich auch ausfüllungsfähig sein, also Unternehmen die notwendige Flexibilität zur Umsetzung im selbstregulativen Rahmen lassen. Um als taugliches Steuerungsinstrument infrage zu kommen, müssen die Vorgaben zudem geeignet sein, zu einem effektiven Programm zu führen.243
____________ 240 Vgl. zur Forderung an die weitere Forschung, ein Gesamtkonzept der Sanktionen im Blick zu haben, Leibfried et al., 7 GLJ (2006), S. 661 (672 f.). Siehe auch Hefendehl, JZ 2004, 18 (23). 241 Sekundäre Ziele in Bezug auf Unternehmen können die Erreichung bestimmter Schutzstandards etc. sein, wobei dies jeweils vom speziellen Betätigungsfeld des Unternehmens abhängt. Auf diese speziellen Aspekte wird im Folgenden nicht näher eingegangen. 242 Vgl. oben S. 650. 243 Vgl. zu den Vorgaben für ein Compliance-Programm näher unten S. 711.
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II. Ebenen der regulierten Selbstregulierung Im Folgenden werden die Ebenen und die mit diesen Ebenen verbundenen Möglichkeiten der regulierten Selbstregulierung unter dem Compliance-Aspekt näher beleuchtet. Zunächst wird dabei kurz auf das Zivilrecht und auf das Verwaltungsrecht (ohne ordnungswidrigkeiten- und strafrechtliche Sanktionen) und sodann ausführlich auf das Sanktionsrecht eingegangen. 1. Zivilrecht Das Zivilrecht bietet von seinem Ausgangspunkt als Recht zwischen gleichberechtigten Privatpersonen nur bedingt Ansatzpunkte für eine staatliche Steuerung, bei der die Rechtseinhaltung im Vordergrund steht.244 Staatliche Steuerung bedeutet hier eine Beschränkung der Vertragsfreiheit und eine Einschränkung der Dispositivität des Rechts. Eine Steuerung im Zivilrecht kann daher zunächst vor allem dort ansetzen, wo nicht mehr die Vertragsfreiheit zentraler Gegenstand ist, sondern wo es um (unerlaubte) Eingriffe in die Rechte anderer geht. Insoweit ist auch das Schadensrecht Kulminationspunkt der neueren Steuerungsdiskussion im Zivilrecht.245 Denn das Schadensrecht dient nicht nur der Kompensation eines Schadens, sondern ist auch präventiv orientiert,246 indem es auf eine Verhaltenssteuerung (Vermeidung deliktischer Handlungen) setzt.247 Durch eine Setzung entsprechender Anreize seitens des Gesetzgebers (z.B. durch positive Berücksichtigung eines Compliance-Programms) könnte diese präventive Orientierung stärker in den Vordergrund gerückt werden.248 Allerdings sind die Möglichkeiten solcher Anreize begrenzt. Zunächst und vor allem dadurch, dass sie abhängig von einem Schaden sind. In Bereichen, in denen kein individueller Schaden aufgetreten ist, kann keine Steuerung erfolgen. Zudem sind sie dadurch eingeschränkt, dass das legitime Interesse eines Geschädigten, Ausgleich zu erlangen, nicht konterkariert werden darf. Die Kompensation des Geschädigten darf nicht deshalb gekürzt werden, weil ein Unternehmen versucht hat, ____________ 244 Zum Aspekt der verpflichtenden Vorgabe eines Compliance-Programms vgl. bereits oben S. 644. 245 Eingehend Wagner, AcP 206 (2006), 352 ff.; ders., in: Lorenz (Hrsg.), Schadenersatz, S. 5 ff. 246 Die präventive Orientierung darf nicht mit der punitiven Orientierung gleichgesetzt werden, vgl. Wagner, in: Lorenz (Hrsg.), Schadenersatz, S. 5 (19). Zur Frage des Zivilrechts als punitive Sanktion siehe bereits oben S. 629. 247 Wagner, in: Lorenz (Hrsg.), Schadenersatz, S. 5 (18 ff.), der diesem Aspekt eigenständiges Gewicht neben dem des Schadensausgleichs zumisst. Ebenso Zimmer/Höft, ZGR 2009, 662 (688 ff.). Vgl. aber auch krit. Hefendehl, ZStW 119 (2007), 816 (825, 837 f.) aufgrund der bislang nicht nachgewiesenen generalpräventiven Wirkung von Sanktionen. 248 Vgl. auch Wagner, AcP 206 (2006), 352 (362 ff.); ders., in: Lorenz (Hrsg.), Schadenersatz, S. 20.
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den Schaden zu vermeiden. Für einen Ausschluss deliktischer Verantwortlichkeit gilt Ähnliches, auch hier darf ein berechtigtes Kompensationsinteresse nicht unterlaufen werden. Allenfalls bei Schadensersatznormen, bei denen primär die Verhaltenssteuerung im Vordergrund steht, ist eine positive Berücksichtigung von Compliance-Programmen denkbar. So beispielsweise bei § 15 AGG, bei dem im Fall der Nichteinstellung ohnehin kein konkreter Schaden, sondern eine pauschalisierte Entschädigung angesetzt wird. Hier ist durchaus bedenkenswert, ob ein Unternehmen, das ein effektives Compliance-Programm zur Vermeidung von Diskriminierungen etabliert hat, auch in diesem Fall herangezogen werden soll. Insoweit bietet das Schadensrecht zwar Steuerungsmöglichkeiten, jedoch nur in begrenztem Umfang. Eine stärkere Steuerung ließe sich ggf. durch den Ausbau und die Vereinfachung privater Rechtsverfolgung erreichen.249 Mit welchen Maßnahmen und inwieweit hiermit eine Steuerungswirkung erreicht werden kann, kann vorliegend (mit Ausnahme der nachfolgend unter 2. erwähnten Privatisierung der Durchsetzung von Compliance-Programmen) nicht vertieft werden. Verbleibt als letzter Aspekt ein Blick auf weiche Mechanismen wie den DCGK. Hier ist die tatsächliche Steuerungswirkung schwer zu beurteilen, zumal nur wenige staatliche Anreize und nur ein geringer staatlicher Umsetzungsdruck vorhanden sind. Allerdings hat der Kodex dazu geführt, dass eine neue Regelungsebene geschaffen wurde,250 die mittelbar Auswirkungen auf die Bestimmung des Pflichtenkreises der Unternehmensleitung hat. Damit hat die Schaffung des DCGK insbesondere die Sensibilität bei Unternehmen und der Öffentlichkeit geschärft und die Diskussion in klare Bahnen und auf bestimmbare Einzelpunkte gelenkt. Nicht zu unterschätzen ist auch die Symbolkraft, die von der verstärkten Fokussierung auf die Thematik insgesamt ausgegangen ist. Diese Erfolge ließen sich sicherlich auch mit der Einsetzung einer „Deutschen Corporate Compliance Kommission“ erzielen, die beispielsweise von der Bundesregierung berufen wird und sich insbesondere aus Vertretern der Wirtschaft rekrutieren könnte.251 Diese Kommission könnte Leitlinien für die Konzeption eines Compliance-Programms festlegen und somit einen „Deutschen Corporate Compliance Kodex (DCCK)“ schaffen. Damit würde die Unsicherheit reduziert, die derzeit in Unternehmen hinsichtlich der Umsetzung von Compliance-Vorgaben besteht. ____________ 249 Vgl. z.B. Merkt, in: Nörr (Hrsg.), Markt und Staat (im Erscheinen); Möllers, AcP 208 (2008), 1 (21 ff., insbes. 31 ff.); Zimmer/Höft, ZGR 2009, 662 ff. 250 Vgl. Schüppen, ZIP 2002, 1269 (1278). 251 Empfehlenswert ist zudem, Vertreter aus der Verwaltung einzubeziehen, die Erfahrung in Bereichen der regulierten Selbstregulierung (z.B. bei der BaFin) haben. Zudem könnten Vertreter aus der forensischen Praxis, derzeit insbes. Rechtsanwälte mit Compliance-Expertise, die Praxistauglichkeit des Kodex befördern. Vertreter aus der Wissenschaft könnten schließlich dazu beitragen, dass der Kodex in die Gesamtkonzeption des deutschen Rechts eingebunden wird.
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Neben der Schaffung eines solchen Kodex ist zu überlegen, ob nicht die Bewertung von Compliance-Programmen institutionalisiert werden könnte.252 Denkbar ist hier beispielsweise ein Zertifizierungsverfahren durch unternehmensexterne Kontrolleure. Diese könnten die Übereinstimmung eines Unternehmens mit den Vorgaben des DCCK überprüfen und dokumentieren. Dies würde eine Kontrolle von Compliance-Programmen und deren Umsetzung bis hinauf in die oberste Führungsebene ermöglichen. 2. Verwaltungsrecht Im Verwaltungsrecht bieten sich außerhalb der straf- und ordnungswidrigkeitenrechtlichen Möglichkeiten einige Ansätze, um den Compliance-Gedanken umzusetzen. Zunächst ist zu überlegen, ob eine eventuelle gesetzliche Verpflichtung zur Errichtung von Compliance-Programmen253 nicht durch eine Privatisierung der Durchsetzung so abgefedert werden kann, dass es dem Verhältnismäßigkeitsprinzip entspricht. Der Ansatz wäre: gesetzliche Verpflichtung zur Errichtung von Compliance-Programmen, Umsetzung durch private Institutionen (z.B. Verbände oder eine neu zu schaffende Institution) und Beschränkung des Staates auf eine reine Überwachung der Durchsetzungsinstitution. Abgesehen von den immensen organisatorischen Umsetzungsproblemen ist dieser Ansatz jedoch immer noch als unverhältnismäßig abzulehnen. Denn auch er verpflichtet in generalisierender Form alle Unternehmen. Dass die Durchsetzung privatisiert wäre, würde das Maß der Verpflichtung nicht mindern, sondern allenfalls den faktischen Umsetzungsdruck reduzieren. Staatliche Behörden könnten allerdings einen Anreiz dadurch setzen, dass die freiwillige Erstellung von Compliance-Programmen durch Unternehmen honoriert wird. Das könnte z.B. durch eine verminderte Aufsicht erfolgen, indem der Turnus von Überprüfungen verlängert, der Umfang der Aufsicht reduziert wird etc. Insbesondere in stark regulierten Bereichen könnte damit der staatliche Aufwand reduziert und zugleich die unternehmerische Betätigungsfreiheit gestärkt werden. Zudem besteht die Möglichkeit, dass staatliche Stellen die Einrichtung von Compliance-Programmen unterstützen. Als „intensivste“ Art ist hier die Überprüfung und Billigung von Programmen durch staatliche Behörden denkbar. Unternehmen würden ihr Programm der Behörde vorlegen und diese würde ein Positivattest ausstellen oder Verbesserungen verlangen, bis ein solches erstellt werden kann. Hierbei ist allerdings zu überlegen, welche Konsequenzen ein derartiges Attest hätte, wenn dann doch ein Verstoß erfolgt. Zumindest wäre indiziert, dass das ____________ 252 Vgl. auch Möllers, AcP 208 (2008), 1 (19), der diesen Ansatz z.B. bei Wirtschaftsprüfern als effizient ansieht, solange nicht Doppelprüfungen stattfinden und damit eine Erhöhung von Kosten gegeben ist (a.a.O., S. 20). 253 Vgl. dazu bereits oben S. 644.
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5. Kapitel: Rechtspolitische Schlussbetrachtungen
Compliance-Programm als effektiv einzustufen war. Ggf. wäre das Unternehmen von der Verantwortlichkeit freizustellen. Zudem stellen sich Fragen, wenn dann doch ein Unternehmen belangt wird, ob dieses Regress bei der Behörde aufgrund einer „Falschberatung“ nehmen könnte. Abgesehen von diesen Problemen wäre ein solcher Ansatz mit einem enormen Ressourceneinsatz verbunden, den eine Verwaltung kaum leisten kann. Hinzu kommt, dass die Gefahr besteht, dass Unternehmen letztlich der Verwaltung die Erstellung des Programms aufbürden, indem sie immer ein Minimalprogramm vorlegen, das die Behörde verbessert, bis es als effektiv einzustufen ist. Hierbei wäre von dem Ansatz, dass Unternehmen Selbstverantwortung übernehmen, kaum mehr etwas übrig. Insgesamt ist damit eine derartige Überprüfungsmöglichkeit nicht empfehlenswert. Allerdings sind andere Möglichkeiten denkbar, wie Behörden Unternehmen unterstützen können. Der Blick auf die USA zeigt, dass Behörden insbesondere durch die Erstellung von Modell-Compliance-Programmen Hilfestellungen geben können. Damit können vor allem allgemeine Vorgaben sektorspezifisch konkretisiert werden. Zudem sehen Unternehmen, welche Erwartungen die Behörden haben und können ihr Verhalten danach ausrichten. Die Möglichkeiten, die sich in diesem Bereich bieten, sind sehr unterschiedlich: Behörden können Muster für gesamte Compliance-Programme oder auch nur für besonders relevante Einzelfragen zur Verfügung stellen, sie können Tagungen organisieren, um Fragen zu diskutieren etc. Der Umfang staatlicher Beteiligung kann dabei zugunsten der Beförderung der Selbstinitiative von Unternehmen noch weiter zurückgenommen werden. So können sich Behörden darauf beschränken, dass sie Initiativen Privater zur Erstellung von Compliance-Programmen (hier ist vor allem an Verbände zu denken) durch fachkundigen Rat unterstützen. Behörden haben daher insbesondere im Rahmen weicher Steuerungsmechanismen eine Vielzahl von Möglichkeiten. 3. Sanktionsrecht Am ehesten eignen sich die sanktionsrechtlichen Normen des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts zur Umsetzung des Compliance-Ansatzes.254 Hier können sich staatlicher Anreiz und Selbstregulierung in einer Weise verbinden, ohne dass unverhältnismäßige Eingriffe bei allen Unternehmen erfolgen. Der weitreichendste Anreiz kann durch den Ausschluss der Verantwortlichkeit bei Vorliegen eines Compliance-Programms erfolgen. Dies setzt voraus, dass eine ____________ 254 Nicht mehr eingegangen wird auf eine Sanktion, die die Nichterstellung eines Compliance-Programms sanktioniert. Diese setzt für sich bereits eine Verhaltensnorm voraus, die die Erstellung eines solchen Programms zum Inhalt hat. Aufgrund der Unverhältnismäßigkeit einer solchen pauschalen Verhaltensnorm ist diese jedoch abzulehnen (vgl. bereits oben S. 644). Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich daher auf Verhaltensvorgaben, die nicht die Erstellung eines Compliance-Programms zum Gegenstand haben.
§ 23 Sanktionsrecht und regulierte Selbstregulierung
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Norm, die die Verantwortlichkeit des Unternehmens regelt, zunächst an der Verletzung bestimmter Rechtsgüter durch Akte aus dem Unternehmen heraus anknüpft, jedoch ein Compliance-Programm dazu führt, diese Verletzung nicht dem Unternehmen zuzurechnen. Das Compliance-Programm bewirkt also, dass die tabestandlichen Voraussetzungen für eine Belangung des Unternehmens hinsichtlich strafund ordnungswidrigkeitenrechtlicher Normen gänzlich ausgeschlossen werden. Die Regelung eines derartigen Verantwortungsausschlusses beinhaltet keine verpflichtende Vorgabe, Compliance-Programme zu erstellen. Damit wird auf eine Maßnahme verzichtet, die alle Unternehmen – rechtstreue wie nicht rechtstreue – gleichstellt und gleichermaßen belastet. Die Regelung erlangt nur dort Relevanz, wo aus dem Unternehmen heraus eine Rechtsgutsverletzung vorliegt. Sie ist daher eine Maßnahme mit niedriger Eingriffsintensität. Es bleibt den Unternehmen überlassen, ob sie dieses staatliche „Angebot“ annehmen oder nicht: Sie können auf ein Programm verzichten, wenn die Verletzung von Rechtsgütern aus dem Unternehmen heraus aus ihrer Sicht kein besonderes Risiko darstellt und/oder sie bereit sind, im Fall eines Verstoßes die Folgen zu tragen. Unternehmen können sich jedoch auch dem Aufwand der Konzeption und Umsetzung eines Compliance-Programms stellen und dann von der Entlastungsmöglichkeit profitieren. Eine Entlastung kann natürlich nur dann erfolgen, wenn ein effektives Compliance-Programm gegeben ist. Dieser Ansatz der regulierten Selbstregulierung lässt sich optimal in einem auf das Unternehmen zugeschnittenen Modell sanktionsrechtlicher Verantwortlichkeit verwirklichen.255 Darüber hinaus kann die positive Berücksichtigung eines Compliance-Programms im Rahmen der Sanktionierung Anreize setzen. Positiv heißt in diesem Fall mildernd bei der Bemessung einer Sanktion. Dies setzt eine Situation voraus, in der ein Unternehmen für eigene Rechtsgutsverletzungen grundsätzlich verantwortlich ist. Bei der Bemessung der Sanktion wird dann das Vorhandensein eines Programms positiver bewertet als die gänzliche Abwesenheit eines solchen. Auch bei dieser Lösung liegt der Vorteil in der Freiwilligkeit der Umsetzung, da keine generelle Verpflichtung zur Errichtung des Programms besteht. Unternehmen können entscheiden, ob sie für den Fall einer sanktionsrechtlichen Inanspruchnahme auf eine Strafmilderung setzen oder nicht. Die amerikanischen Strafzumessungsrichtlinien bilden ein anschauliches Beispiel für die Konzeption einer solchen Berücksichtigung. Die dort gewählte Konstruktion ist allerdings sehr komplex und der tatsächliche Anreiz nicht sehr groß. Hinzu kommt, dass Kooperationserfordernisse und deren einseitige Honorierung die Anreizwirkung konterkarieren können.256 Wenn man jedoch ein in sich abgestimmtes System der Strafzumessung schafft und ____________ 255 Siehe dazu näher unten S. 666 ff. (Handlungs- und Schuldfähigkeit), sowie S. 680 ff. (Konstruktion einer Verantwortlichkeit). 256 Siehe dazu bereits S. 598.
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5. Kapitel: Rechtspolitische Schlussbetrachtungen
dieses auch zu möglichen Verfahrensentscheidungen abstimmt, besteht grundsätzlich die Möglichkeit, einen deutlichen Anreiz zu setzen. Eine weitere positive Berücksichtigung ist im Rahmen von Verfahrensbeendigungen ohne Urteil möglich. Verfahrensbeendigungen dieser Art haben vor allem im amerikanischen Recht zur Vermeidung einer ausführlichen Hauptverhandlung und eines Urteils große Bedeutung. Sie stellen dort inzwischen sogar die Haupterledigungsform bei Verfahren gegen Unternehmen dar, was maßgeblich der Möglichkeit einer Einstellung mit Verhängung strafähnlicher Sanktionen zu verdanken ist. Auch wenn der derzeitigen amerikanischen Praxis kritisch gegenüberzustehen ist, so bietet sie doch grundsätzliche Anregungen, derartige Möglichkeiten zur Verfahrensbeendigung in eine Regulierung einzubeziehen. Die positive Berücksichtigung eines Compliance-Programms ist – je nach dessen Umfang und der Bedeutung in Bezug auf die erfolgte Rechtsgutsverletzung – bei einer Einstellung ohne Auflagen und bei einer Einstellung mit Auflagen möglich. Neben der sanktionsmildernden Berücksichtigung des Vorhandenseins eines Compliance-Programms kann auch dessen Abwesenheit sanktionsschärfend wirken. Hier setzt der Staat immer noch auf eine freiwillige Regelung, indem eine rechtliche Verpflichtung aller Unternehmen nicht erfolgt. Der Staat macht jedoch mit einer solchen Regelung seine Erwartungshaltung deutlich, dass dieses grundsätzlich von Unternehmen erwartet wird.257 Freiwillig bedeutet nur noch rechtlich unverbindlich. Damit wird auf Unternehmen ein stärkerer Druck ausgeübt als mit einer reinen Honorierung von Compliance-Bemühungen. Zuletzt kommt in Betracht, Compliance-Programme wie in den amerikanischen Strafzumessungsrichtlinien als eigenständige Sanktion vorzusehen. Wiederum wird damit die verpflichtende Vorgabe für alle Unternehmen vermieden. Die Androhung der Verpflichtung, ein Compliance-Programm als Folge einer Rechtsverletzung zu etablieren, trifft nur diejenigen, bei denen eine solche Maßnahme auch tatsächlich erforderlich ist. Die Erstellung verbleibt grundsätzlich freiwillige Angelegenheit der Unternehmen, auch wenn der Staat die Erwartung zeigt, dass dieses zum Bestandteil der Unternehmensstruktur gehört.258 Damit wird ein bedeutender Druck auf die Unternehmen verursacht. All den Maßnahmen im sanktionsrechtlichen Bereich gemeinsam ist, dass durch die staatliche Vorgabe der Grundstrukturen von Compliance-Programmen wie im ____________ 257 Die Art der sanktionsschärfenden Berücksichtigung bestimmt allerdings, inwieweit der Staat tatsächlich generell die Erstellung von Compliance-Programmen erwartet. Soweit einfach das Fehlen schärfend berücksichtigt wird, zeigt der Staat eine allgemeine Erwartungshaltung. Wird die schärfende Berücksichtigung jedoch an zusätzliche Bedingungen geknüpft (z.B. der Relevanz für die konkrete Rechtsgutsverletzung), macht der Staat deutlich, dass eine derartige Maßnahme nur unter bestimmten Umständen erwartet wird. 258 Auch hier hängt die Erwartungshaltung wiederum von den konkreten Umständen ab, unter denen ein Compliance-Programm als Sanktion verhängt werden kann.
§ 23 Sanktionsrecht und regulierte Selbstregulierung
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Rahmen der Schaffung eines Deutschen Corporate Compliance Kodex die derzeit herrschende Unsicherheit bei der Erstellung reduziert werden könnte. Die vorgehenden Überlegungen zeigen, dass Compliance-Programmen insbesondere im Sanktionsbereich große Bedeutung zukommt. Damit stellt sich die Frage, ob hier nicht die gleichen Bedenken zu erheben sind, die bezüglich einer Steuerung durch Sanktion insgesamt gelten. Insbesondere die Frage einer Abschreckungswirkung ist umstritten und empirisch kaum belegt.259 Allerdings wird im Gegensatz zur klassischen Sanktionsnorm nicht einfach auf den Mechanismus „Verstoß gegen Verbot/Gebot = Sanktion“ gesetzt. Dieser Mechanismus wird vielmehr um einen Motivationsaspekt ergänzt, der über die Einhaltung des Verbots/Gebots hinausgeht. Dieser Motivationsaspekt hebt die Sanktionsnorm von der klassischen Regulierung auf die Ebene der regulierten Selbstregulierung. Dies bedeutet im Hinblick auf Unternehmen, dass nicht lediglich der handelnde Mitarbeiter durch die Normen angesprochen wird, sondern zusätzlich die Leitungsebene, die für die Etablierung von Compliance-Programmen verantwortlich ist. Zudem ist der Aspekt Compliance nicht allein auf das Sanktionsrecht begrenzt, sondern ein übergreifender Ansatz, der nur seine optimale gesetzgeberische Verankerung im Sanktionsrecht haben sollte. Damit besteht eine Verbindung zu anderen Rechtsgebieten und zu Entwicklungen der Corporate Governance und der Corporate Social Responsibility. Wenig wirkungsvoll wäre daher, Compliance allein im Sanktionsrecht zu etablieren, ansonsten aber die Compliance-Entwicklung nicht voranzutreiben. Erfolgversprechend ist allein ein regulativer Mix von Maßnahmen im Sanktionsrecht, die durch entsprechende (weiche) Entwicklungen im Zivil- und Verwaltungsrecht begleitet und durch die Förderung von Initiativen der Wirtschaft (Entwicklung von best practice-Standards etc.) ergänzt werden müssen.
____________ 259
Vgl. dazu unten zur Diskussion im Rahmen der Sanktionszwecke, S. 660 ff.
§ 24 Grundlagen einer sanktionsrechtlichen Verantwortlichkeit Im Folgenden werden die Grundlagen einer sanktionsrechtlichen Verantwortlichkeit des Unternehmens im Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht näher erörtert. Es wurde schon ausgeführt, dass sich eine Ausdehnung des regulativen Bereichs auf ein Unternehmensstrafrecht empfiehlt, allerdings unter Einbeziehung selbstregulierender Elemente, die dem Ziel Compliance dienen. Daher ist nun insbesondere zu klären, ob und inwieweit das Strafrecht auf Unternehmen anwendbar ist. Bezüglich des Strafrechts sind zwei Vorbemerkungen veranlasst. Wie bereits dargelegt, unterscheiden sich Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht nicht wesensmäßig. Die Frage, ob eine strafrechtliche Belangung von Unternehmen möglich ist, hat der Gesetzgeber durch die Norm des § 30 OWiG daher bereits positiv beantwortet:1 Im „Strafrecht minor“ ist sie anerkannt, sie fehlt nur noch im „Strafrecht maior“. Die Einführung der Kriminalstrafe für Unternehmen wäre also keineswegs eine revolutionäre Neuerung. Dies zumal sie historisch schon existiert hat (wenn auch im Nebenstrafrecht) und zahlreiche strafrechtliche Maßnahmen gegen Unternehmen den Weg vorgezeichnet haben.2 Der Blick auf das Ausland und die mannigfaltige Akzeptanz lassen zudem den letzten Hauch einer Revolution verwehen. Die eigentliche Herausforderung liegt daher weniger in der Frage, ob das Strafrecht auf Unternehmen anwendbar ist, sondern wie eine angemessene Regelung gefunden werden kann. Dass eine Regelung dringlich ist, zeigen die Probleme und Friktionen, die § 30 OWiG aufwirft. Die Erweiterung des Strafrechts auf Unternehmen führt zu der allgemeinen Frage: Welches Strafrecht wollen wir im 21. Jahrhundert? Wollen wir das streng idealistisch individualistisch (auf den Menschen als Individuum) ausgelegte Strafrecht, das dem RStGB von 1871 zugrunde gelegt wurde? In dieses passt ein Unternehmensstrafrecht nur bedingt, insbesondere lässt sich danach, wie v. Freier gezeigt hat,3 keine einheitliche Strafbegründung für Unternehmen und für natürliche Personen zugleich finden.4 Legt man die streng individualistische Auffassung zugrunde, dann sind die Handlungs-, die Schuld- und auch die Straffähigkeit bei Unter___________ 1 Vgl. auch Deruyck, Verbandsdelikt, S. 123; Jescheck, JZ 1959, 457 (462); Jung, Wirtschaftskriminalität, S. 13; Günther, in: Nörr (Hrsg.), 40 Jahre, S. 381 (382); Hartung, 40. DJT, S. E44 f. (bzgl. der §§ 23, 24 WiStG 1949); Hirsch, ZStW 107 (1995), 285 (304); V. Kaiser, Verbandssanktionen, S. 110; Lang-Hinrichsen, JZ 1970, 797; PohlSichtermann, Geldbuße, S. 33 ff., 39; Schmitt, FS-Lange, 877 (878 f.); ders., Verbände, 215 ff.; LK-Schünemann, vor § 25 Rn. 20; Rütsch, Unternehmen, S. 14; Wilfferodt, 40. DJT, S. E73. 2 Auf letztgenannten Aspekt weist bspw. Scholz, ZRP 2000, 435 (437 f.) hin. 3 Vgl. v. Freier, Verbandsstrafe, S. 179 ff., der konsequent dem von Kant vorgezeichneten Idealismus folgt und daher (wenig überraschend) eine Unternehmensstrafbarkeit ablehnt. 4 Vgl. auch Gómez-Jara Díez, ZStW 119 (2007), 290 (310); Schünemann, FSTiedemann, S. 429 (435).
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nehmen kaum zu bejahen. Dies ist dogmatisch einwandfrei zu begründen. Ein Strafrecht für Unternehmen ist bei diesem Ausgangspunkt a priori nur durch eine Übertragung entsprechender Konzeptionen möglich. Hafter hat früh gezeigt,5 dass dies ein gangbarer Weg wäre. Das bedeutet aber, dass das Strafrecht für natürliche Personen nie mit dem für Unternehmen völlig identisch sein kann. So können denn Konzepte wie Handlung, Schuld und Straffähigkeit auch bei gleicher Bezeichnung nie identisch ausgefüllt sein. Die zentrale Frage ist also, ob man eine derartige Übertragung zulässt oder nicht. Das heutige Strafrecht basiert im Kern auf den Konzepten, die dem Vorläufer des heutigen StGB, dem RStGB, zugrunde lagen. Insoweit ist eine Auseinandersetzung mit diesen Punkten unumgänglich. Allerdings hat sich einiges geändert. Schlagworte wie „Präventionsstrafrecht“ oder „Risikostrafrecht“ verdeutlichen diesen Wandel. Die bedeutendste Änderung ist jedoch die Einführung des Grundgesetzes. Das Strafrecht steht nicht mehr frei im dogmatisch strukturierten Raum, sondern im Bezugssystem des Grundgesetzes.6 Dies ermöglicht, wie vorliegend das Strafrecht als regulatives System zu sehen, das von den Grundrechten aus gedacht wird.7 Dadurch sind die strafrechtlichen Ansätze nicht obsolet geworden, jedoch sind sie im verfassungsrechtlichen Kontext zu sehen. Zudem können die strafrechtlichen Ansätze zur Ausfüllung und Konkretisierung vager verfassungsrechtlicher Vorgaben dienen. Diese Veränderungen zeigen, dass das Strafrecht keine statische Angelegenheit ist, sondern immer kontextgebunden zur gesellschaftlichen Entwicklung zu sehen ist. Um mit diesen Entwicklungen Schritt zu halten, muss auch für dogmatische Konzepte eine grundsätzliche Entwicklungsoffenheit gelten. Zuletzt gilt es noch darauf hinzuweisen, dass die Anerkennung einer Unternehmensstrafbarkeit keineswegs zum Untergang des bisherigen Strafrechts führt. Denn es wird vorliegend nicht vorgeschlagen, das Strafrecht für natürliche Personen zugunsten eines Unternehmensstrafrechts aufzugeben. Vielmehr soll dieser Aspekt lediglich der Ergänzung dienen und damit ein schlüssiges Gesamtkonzept für natürliche Personen und Unternehmen ermöglichen. Im Folgenden werden die klassisch dogmatischen Fragen behandelt, die für ein Unternehmenssanktionsrecht, insbesondere ein Unternehmensstrafrecht, relevant ___________ Hafter, Personenverbände, S. 126 ff. Dies ist häufig nicht selbstverständlich. Die meisten Lehrbücher zum Strafrecht nehmen nicht einen verfassungsrechtlichen, sondern einen protostrafrechtlichen Ausgangspunkt, der sich (zumeist nicht näher bestimmt) historisch, philosophisch oder rechtstheoretisch herleitet. Sicherlich ist es eine wichtige Aufgabe der Dogmatik, übergeordnete Grundsätze zu entwickeln, jedoch sollte dies nicht in undurchsichtiger Weise mit der Rechtslage de lege lata vermischt werden. Wie im Öffentlichen Recht, das bspw. Allgemeines Staatsrecht und Deutsches Verfassungsrecht unterscheidet, sollte man eine Allgemeine Strafrechtslehre und Deutsches Strafrecht klar trennen. 7 Nicht weiterführend ist es daher, wenn Gómez-Jara Díez, ZStW 119 (2007), 290 (294 ff.) einen Paradigmenwechsel des Strafrechts zur Theorie autopoietischer Systeme vorschlägt, da diese Theorie wiederum nicht verfassungsrechtlich verankert ist. 5 6
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5. Kapitel: Rechtspolitische Schlussbetrachtungen
sind.8 Zunächst wird auf den Zweck der Sanktionierung eingegangen (A.), sodann Handlungsfähigkeit (B.), Schuldfähigkeit (C.) und Sanktionsfähigkeit (D.) behandelt. Zum Abschluss wird die Frage der Gerechtigkeit einer Unternehmenssanktion thematisiert (E.). A. Zweck der Sanktionierung Die zentrale Aufgabe des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts wurde bereits beschrieben: Sie dient der Normrehabilitierung durch Erhebung des Vorwurfs des Normbruchs und knüpft daran die Verhängung einer Sanktion an. Diese Aufgaben werden klassischerweise in Form der Sanktionszwecke erörtert und näher konkretisiert.9 Auf die Sanktionszwecke soll vorliegend näher eingegangen werden, denn sie sind für die Festlegung und Bestimmung der eigentlichen Sanktion entscheidend. Da sich Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht nicht wesensmäßig unterscheiden, wird hier davon ausgegangen, dass für beide Bereiche grundsätzlich die gleichen Sanktionszwecke gelten. Über die prinzipiell möglichen Sanktionszwecke besteht hinsichtlich natürlicher Personen weitgehende Einigkeit.10 Denkbare Zwecke sind die Generalprävention, die Spezialprävention und schließlich die Vergeltung. Eine umfassende Behandlung dieser Aspekte ist hier nicht möglich, sodass sich nachfolgend auf das Problem der Anwendung der Sanktionszwecke auf Unternehmen beschränkt wird. Die Generalprävention lässt sich im Wesentlichen auf die von Paul Johann Anselm v. Feuerbach begründete Theorie des psychologischen Zwangs zurückführen.11 Sie setzt darauf, dass Strafe vor allem auf die Allgemeinheit und nicht den einzelnen Täter einwirken soll. Nach ihrem heutigen Verständnis hat sie zwei Ausprägungen: eine positive und eine negative. Die positive Generalprävention sieht den Zweck der Strafe in der Erhaltung und Stärkung des Vertrauens in die Be___________ Vgl. dazu oben S. 348. Das Verhältnis von Aufgabe und Sanktionszwecken (insbes. den Strafzwecken) wird kaum erörtert, häufig noch nicht einmal getrennt (vgl. bspw. Jakobs, AT, Abschn. 1, der nur von „Inhalt und Aufgabe staatlichen Strafens“ spricht). Nach Roxin, AT I, § 3 Rn. 1 soll der Zweck der Strafe auf den Zweck des Strafrechts bezogen werden. Nach Calliess, NJW 1989, 1339 (1342) verbleibt für die Strafzwecke nur Raum im engen Rahmen der eigentlichen Sanktionen. Diese Unterschiede liegen in der kaum vorhandenen Abstimmung zwischen Verfassung und (vorverfassungsrechtlich entwickeltem) Strafrecht begründet. Vorliegend wird davon ausgegangen, dass die Strafzwecke innerhalb des verfassungsrechtlichen Rahmens die Aufgabe des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts näher konkretisieren und damit eine Leitungsfunktion für relevante Aspekte übernehmen können. 10 Keine Einigkeit besteht allerdings seit langer Zeit darin, welchem Sanktionszweck der Vorzug gebührt oder inwieweit die einzelnen Zwecke kombinierbar sein können, vgl. im Überblick m.w.N. Roxin, AT I, § 3. 11 Vgl. Feuerbach, Lehrbuch (14. Aufl.), S. 38 ff. 8 9
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stands- und Durchsetzungskraft der Rechtsordnung.12 Hier spiegelt sich die spezielle Funktion der Straf- und Ordnungswidrigkeiten wider, durch eine Normrehabilitierung das Vertrauen der Rechtsgemeinschaft in die fortbestehende Gültigkeit einer Rechtsnorm wiederherzustellen bzw. weiter zu festigen. Daher wird zu Recht in dieser Zwecksetzung der zentrale Aspekt der straf- und ordnungswidrigkeitenrechtlichen Sanktion gesehen.13 Die Anwendung dieses Aspekts auf Unternehmen ist unproblematisch. Durch eine Bestrafung oder Bebußung des Unternehmens würde gerade das allgemeine Rechtsbewusstsein gestärkt, da die Rechtsordnung zeigt, dass auch bei Unternehmen als handelnde soziale Einheiten ein Verstoß gegen die Rechtsordnung nicht geduldet wird.14 Der Aspekt der negativen Generalprävention setzt darauf, dass diejenigen abgeschreckt werden, die zur Begehung einer von einem Tatbestand umschriebenen Handlung neigen.15 Eine Anwendung auch dieses Aspekts auf Unternehmen wird vielfach bejaht.16 Dies entspricht der Situation in den USA, wo der Abschreckung eine bedeutende Stellung bei der Bestrafung von Unternehmen zugemessen wird. Allerdings bedarf es hier einiger Präzisierungen. Zunächst terminologisch-inhaltlicher Art. Abgeschreckt werden kann nicht das Unternehmen per se, sondern nur die im Unternehmen agierenden Personen. Hier ist es durchaus denkbar, dass ein Mitarbeiter sich von der Androhung der Sanktion gegen das Unternehmen abschrecken lässt. Da die Unternehmenssanktion neben die Sanktion des Mitarbeiters tritt, ist sogar eine höhere Abschreckungswirkung denkbar: Der Mitarbeiter möchte für sich und für das Unternehmen eine Sanktion vermeiden. Diese Möglichkeit der Abschreckung darf allerdings nicht überbewertet werden: Zum einen liegen nur geringe empirische Erkenntnisse für eine derartige Wirkung vor.17 Es ist also nicht klar, ob es einen Abschreckungsmechanismus gibt, der z.B. durch die Erhöhung von Sanktionen oder die Einführung neuer Tatbestände wirkt. ___________ 12 Vgl. Jakobs, AT, Abschn. 1 Rn. 4 ff.; Jescheck/Weigend, AT, S. 71 ff.; Roxin, AT I, § 3 Rn. 26 ff. 13 Vgl. BVerfGE 45, 187 (254); Jakobs, AT, Abschn. 1 Rn. 15. 14 So auch Ackermann, Strafbarkeit, S. 196 f.; Ch. Bauer, Verbandsstrafbarkeit, S. 143; Bertossa, Unternehmensstrafrecht, S. 63; Ehrhardt, Unternehmensdelinquenz, S. 204; Eidam, Straftäter Unternehmen, S. 119 f.; Kirch-Heim, Sanktionen, S. 173; Queck, Unternehmen, S. 102. 15 Vgl. Roxin, AT I, § 3 Rn. 25. 16 Vgl. dazu Ackermann, Strafbarkeit, S. 197; Ch. Bauer, Verbandsstrafbarkeit, S. 143; Bertossa, Unternehmensstrafrecht, S. 61 f.; Dannecker, GA 2001, 101 (114); Ehrhardt, Unternehmensdelinquenz, S. 204; Haeusermann, Verband, S. 156; Hirsch, ZStW 107 (1995), 285 (294 f.); Kirch-Heim, Sanktionen, S. 173; Lütolf, Strafbarkeit, S. 175; Queck, Unternehmen, S. 102; Schwander, FS-Gutzwiller, S. 603 (614); Tiedemann, in: Schoch/Stoll/Tiedemann (Hrsg.), Freiburger Begegnungen, S. 30 (52). 17 Vgl. Hefendehl, ZStW 119 (2007), 816 (826 f.), der der negativen Generalprävention ein „verheerendes Zeugnis“ ausstellt. Positiver dagegen Dölling, ZStW 119 (2007), 969 in der Replik auf Hefendehl. Siehe auch Roxin, AT I, § 3 Rn. 25.
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Zum anderen setzt die Abschreckung auf einen rational denkenden Täter, der sich die verbotene Handlung und die Folgen bewusst macht, also rational kalkuliert. Diese Art der Betrachtung entspricht dem aktuellen ökonomisch angehauchten Zeitgeist, der konsequenterweise die negative Generalprävention in den Mittelpunkt vieler (rechtspolitischer) Überlegungen stellt.18 Der rational denkende Täter im Unternehmen ist jedoch angesichts der gruppendynamischen Abläufe auch im wirtschaftlich agierenden Unternehmen nur eine Simplifizierung,19 die zu unterkomplex ist, als dass sich in der negativen Generalprävention ein überragend wichtiger Strafzweck ausmachen ließe. Im Ergebnis sollte daher dem Abschreckungsgedanken nur eingeschränkt Bedeutung eingeräumt und nicht einfach Automatismen wie „viele Sanktionen = viel Abschreckung“ und „hohe Sanktionen = hohe Abschreckung“ angenommen werden. Die Spezialprävention, die vor allem durch Franz v. Liszt geprägt wurde,20 sieht den Zweck der Sanktion darin, dass der Täter von künftigen Taten abgehalten wird.21 Dieser Ansatz hat drei Ausprägungen: Besserung des Täters, Abschreckung des Täters und Sicherung der Allgemeinheit vor dem Täter. In der Praxis hatten vor allem in den USA lange Zeit die Besserung des Täters und dessen Resozialisierung im Blickpunkt der Strafzweckdiskussion gestanden, bis dieser Aspekt in den 1980er Jahren zugunsten einer starken Betonung der negativen Generalprävention abgelöst wurde. In Deutschland hat die Rechtsprechung den wichtigen Stellenwert der Resozialisierung wiederholt betont;22 das Bundesverfassungsgericht hat sogar betont, dass die Möglichkeit der Resozialisierung ein grundgesetzliches Gebot ist.23 Es wird zu Recht davon ausgegangen, dass die einzelnen Aspekte der Spezialprävention auch auf Unternehmen anwendbar sind. Dies betrifft zunächst die Besserung,24 wobei davon ausgegangen werden kann, dass im Regelfall ein Unternehmen durch seine Mitarbeiter bemüht sein wird, die internen Verhältnisse so zu verändern, dass ein solcher Vorfall nicht noch einmal geschieht. Die Chancen für ___________ 18 Vgl. zur derzeitigen zentralen Stellung der Abschreckung Hefendehl, ZStW 119 (2007), 816 (826 f.); Vogel, FS-Jakobs, S. 731 (737). Beispielhaft aus dem Zivilrecht Möllers, AcP 208 (2008), 1 (33), der bei hohen Strafen unproblematisch von einer hohen Abschreckungswirkung ausgeht. 19 Vgl. dazu auch bereits oben S. 642. 20 Vgl. v. Liszt, ZStW 3 (1883), 1 (33 ff.). 21 Vgl. näher Jakobs, AT, Abschn. 1 Rn. 15; Roxin, AT I, § 3 Rn. 11 ff. 22 Vgl. bspw. BVerfGE 28, 264 (278); 32, 98 (109); 35, 202 (235 f.) 45, 187 (253 f.); BGHSt 24, 40 (42). 23 BVerfGE 35, 202 (235 f.). 24 Vgl. dazu Ackermann, Strafbarkeit, S. 197 ff.; Bertossa, Unternehmensstrafrecht, S. 63 ff.; Dannecker, GA 2001, 101 (114); Ehrhardt, Unternehmensdelinquenz, S. 204 f.; Eidam, Straftäter Unternehmen, S. 121 ff.; Haeusermann, Verband, S. 156; Hirsch, Straffähigkeit, S. 17; Lütolf, Strafbarkeit, S. 173 f.; Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 18 ff., 158; Tiedemann, in: Schoch/Stoll/Tiedemann (Hrsg.), Freiburger Begegnungen, S. 30 (52).
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eine Veränderung sind dabei größer als bei einer natürlichen Person, da andere Personen als der Individualtäter handeln können. Die Sanktionierung des Unternehmens verdeutlicht darüber hinaus für jeden Mitarbeiter, dass ein Rechtsbruch negative Konsequenzen für das Unternehmen hat und kann dadurch zu positivem Verhalten anhalten.25 Diese Aspekte setzen auf die motivierende Kraft der Sanktion (zumeist gedacht vor dem Hintergrund einer Geldsanktion). Die Motivationskraft darf allerdings nicht überbewertet werden, da innerhalb des Unternehmens auch gegenläufige Entwicklungen (gruppendynamische Entwicklungen, Kosten-NutzenVorteil des Verhaltens bei wirtschaftlicher Betrachtung) bestehen können. Allerdings ist bei Unternehmen die Wirkung der Strafe nicht allein auf die Motivation begrenzt. Wie der Blick auf das amerikanische Recht zeigt, kann die Sanktion selbst die Besserung unmittelbar herbeiführen, wenn sie entsprechend ausgestaltet ist: Eine Bewährungsstrafe (probation) kann klare Reformvorgaben für das Unternehmen machen und damit direkt in die Ursachen eingreifen. Im weitestgehenden Fall der Verhängung eines Compliance-Programms kann sogar die ganze Unternehmensstruktur verändert werden. Anders (oder zumindest viel eher) als bei natürlichen Personen kann die Strafe somit den Strafzweck der Besserung des Täters erreichen.26 Auch eine Abschreckung lässt sich bei Unternehmen erzielen.27 Die Wirkung hängt in diesem Fall wie bei der Besserung davon ab, dass die Mitarbeiter von der Begehung weiterer Taten abgeschreckt werden. Die Wirkung ist somit wie die der Motivation zur Besserung des Unternehmens Grenzen ausgesetzt, insbesondere einem gegenläufigen internen Motivationsklima. Durch entsprechende Sanktionen kann hier aber ggf. die Abschreckungswirkung vergrößert werden, wenn beispielsweise die Entlassung, Umsetzung etc. des delinquenten Mitarbeiters als Bestandteil der Strafe gegen das Unternehmen vorgesehen ist. Letztlich ist zudem eine Sicherung der Allgemeinheit vor dem Unternehmen möglich.28 Der Blick auf die USA zeigt einige Möglichkeiten wie den Entzug sämt___________ 25 Korte, Juristische Person, S. 46 f., der diese Wirkung kritisch sieht, ist darin zuzustimmen, dass dieser Aspekt nicht überbewertet werden darf, er jedoch gerade bei einer Identifikation mit dem Unternehmen auch nicht in Abrede gestellt werden kann. 26 Die Resozialisierung natürlicher Personen hat bislang nur begrenzt auf Erfolge verweisen können. Derzeit herrscht die Prämisse „nothing works“ vor, vgl. Roxin, AT I, § 3 Rn. 20. Auch wenn dies übertrieben scheint, so gilt doch, dass natürliche Personen und deren Einstellung viel schwerer beeinflussbar sind als die Struktur eines Unternehmens. 27 Vgl. dazu Ackermann, Strafbarkeit, S. 197; Ch. Bauer, Verbandsstrafbarkeit, S. 144; Bertossa, Unternehmensstrafrecht, S. 63 f.; Dannecker, GA 2001, 101 (114); Ehrhardt, Unternehmensdelinquenz, S. 205; Hirsch, ZStW 107 (1995), 285 (295); Kirch-Heim, Sanktionen, S. 172; Lütolf, Strafbarkeit, S. 173 f.; Queck, Unternehmen, S. 102; Schwander, FS-Gutzwiller, S. 603 (614). 28 Vgl. dazu Ackermann, Strafbarkeit, S. 199; Ch. Bauer, Verbandsstrafbarkeit, S. 145; Bertossa, Unternehmensstrafrecht, S. 65 f.; Ehrhardt, Unternehmensdelinquenz, S. 205; Eidam, Straftäter Unternehmen, S. 120 f.; Kirch-Heim, Sanktionen, S. 173; Korte, Juristische Person, S. 50 f.; Lütolf, Strafbarkeit, S. 174 f.
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licher Vermögenswerte als corporate death penalty, aber auch durch Auflagen wie die Entlassung der handelnden Mitarbeiter. In der Literatur werden darüber hinaus der Freiheitsentziehung entsprechende Maßnahmen wie eine Betriebsstilllegung vorgeschlagen, die eine temporäre Sicherung der Allgemeinheit bewirken würden. Ein effektiver Schutz der Öffentlichkeit wäre somit als Sanktionszweck verwirklichbar. Als Sanktionszweck am umstrittensten ist der Aspekt der Vergeltung, der den Zweck der Sanktion allein im Ausgleich der Schuld sieht.29 Dieses Talionsprinzip in der wirkmächtigen Prägung Kants30 und Hegels31 hat in Deutschland bis in die neueste Zeit insbesondere in der Rechtsprechung Niederschlag gefunden.32 Auf Unternehmen lässt sich der Vergeltungsansatz dann anwenden, wenn man für die Vergeltung nicht verlangt, dass der Täter sie als ein sinnlich erfahrbares Übel wahrnehmen und spüren muss.33 Die Möglichkeit der Rechtsgutseinbuße als Übelzufügung könnte in diesem Fall zum Ausgleich der Schuld genügen.34 Auch wenn damit im Grundsatz der Vergeltungsgedanke greifen kann, so ist dieser jedoch nur bedingt mit dem Ausgangspunkt des Verfassungsrechts vereinbar: Wenn eine Sanktion aufgrund des Eingriffs in ein verfassungsrechtlich geschütztes Gut gerechtfertigt ist, dann darf sich deren Begründung nicht von diesem Schutzgedanken lösen.35 Eine Sanktion um des Sanktionsgesetzes willen kann es daher nicht geben, was eine klare Absage an Kants Annahme des Strafgesetzes als kategorischer Imperativ ist. Soweit die Normbestätigung als solche relevanter Faktor ist, ist diese im Konzept der positiven Generalprävention zutreffend verortet, aber eben unter dem Aspekt der Prävention und nicht der der Vergeltung.36 Somit ergibt sich, dass alle „klassischen“ Sanktionszwecke auf Unternehmen anwendbar sind, jedoch nur die General- und Spezialprävention herangezogen werden sollten. Noch nicht geklärt ist damit das Verhältnis zwischen der General- und ___________ Vgl. näher Jakobs, AT, Abschn. 1 Rn. 17 ff.; Roxin, AT I, § 3 Rn. 2 ff. Vgl. Kant, Metapyhsik der Sitten, Rechtslehre, § 49 E I: „Richterliche Strafe [...] muss jederzeit nur darum wider ihn [den Verbrecher] verhängt werden, weil er verbrochen hat; [...].“ 31 Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 101: „Das Aufheben des Verbrechens ist insofern Wiedervergeltung, als sie dem Begriffe nach Verletzung der Verletzung ist.“ 32 Vgl. BVerfGE 22, 125 (132); 45, 187 (253); BGHSt 24, 132 (134). 33 Vgl. v. Freier, Verbandsstrafe, S. 58 f. 34 Vgl. Ackermann, Strafbarkeit, S. 200; Ch. Bauer, Verbandsstrafbarkeit, S. 140; Ehrhardt, Unternehmensdelinquenz, S. 206. 35 Vgl. Roxin, AT I, § 3 Rn. 8. 36 Vgl. Roxin, AT I, § 3 Rn. 44 ff. Siehe auch Jakobs, AT, Abschn. 1 Rn. 21, der darauf hinweist, dass sein Ansatz der positiven Generalprävention sich nicht bedeutend von Hegels Vergeltungsgedanken unterscheidet; diese Nähe gilt allerdings nur, wenn man die positive Generalprävention wie Jakobs als einzig relevanten Zweck versteht (krit. daher Roxin, AT I, § 3 Rn. 31). 29
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der Spezialprävention. Vorliegend wird davon ausgegangen, dass keinem dieser Zwecke der alleinige Vorzug gebührt, sondern nur eine Heranziehung beider Zwecke zu einer sachgerechten Lösung führt: Setzt man allein auf die Generalprävention, würde sich die Sanktionierung von der Person des Rechtsbrechers lösen und dieser um der Allgemeinheit willen Sanktionen unterworfen werden. Diese Entindividualisierung ist jedoch nicht mit dem Grundgesetz vereinbar, das Grundrechtsträger in den Mittelpunkt des Rechtssystems stellt. Setzt man allein auf die Person des Rechtsbrechers und insbesondere dessen Resozialisierung, kann sich der Bezug zur Tat völlig verlieren, da nur der Täter und seine Einstellung zur Rechtsordnung Ausgangspunkt sind. Insoweit können die Ansätze nur in ihrer Kombination als präventive Vereinigungstheorie37 Geltung beanspruchen. Als Leitlinie ergibt sich daraus, dass ein generalpräventives Minimum als Untergrenze der Sanktion notwendig ist.38 Vorrang ist zudem der Spezialprävention einzuräumen, wenn diese mit der Generalprävention konfligiert, da der konkreten Möglichkeit des Einflusses auf den Täter mehr Gewicht beizumessen ist als der abstrakten Ausprägung des Einflusses auf die Gemeinschaft. Mit dem Ansatz der präventiven Vereinigungstheorie sind jedoch noch nicht alle Maßstäbe geklärt. Beide Ansätze sind nicht geeignet, ein klares Maß für die Obergrenze der Sanktion bereitzuhalten, weil sie sich mit den Aspekten der Allgemeinheit und der Person des Täters von der Tat selbst lösen. Die Begrenzung nach oben ergibt sich daher aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip und insbesondere aus dem Schuldprinzip: Die Schuld des Täters, die in der Tat zum Ausdruck kommt, stellt die absolute Grenze für die maximale Strafe dar.39 Diese Rückbindung an die eigentliche Tat ist auch im amerikanischen Strafrecht unter dem Aspekt des just punishment gesetzlich anerkannt.40 Wesentlich für eine Sanktion des Unternehmens ist daher eine Bestimmung der Schuld, um damit einen Maßstab hinsichtlich der Begrenzung der Sanktion zur Verfügung zu haben. Zum Schluss ist zu fragen, inwieweit über die vorgenannten Strafzwecke und deren Ausgestaltung weitere Elemente einzubeziehen sind. Das amerikanische Recht setzt zentral auf Wiedergutmachung. Ob das deutsche Recht um diesen Aspekt als eigener Strafzweck oder als Teil der anerkannten Strafzwecke erweitert werden sollte, kann an dieser Stelle nicht abschließend beurteilt werden.41 Die Fra___________ Vgl. Roxin, AT I, § 3 Rn. 37 ff. Auch insoweit wird Roxin, AT I, § 3 Rn. 41 gefolgt. 39 Vgl. BVerfG 20, 323 (331); 120, 224 (241); Roxin, AT I, § 3 Rn. 48 ff. Wenn man hierbei zwischen Strafbegründungs- und Strafzumessungsschuld trennt (vgl. Roxin, AT I, § 19 Rn. 50), so bedeutet dies, dass die Strafbegründungsschuld Maßstab für die maximal mögliche Sanktion ist. 40 Vgl. 18 U.S.C. § 3553 (a). 41 Vgl. näher bspw. Walther, Realkonflikt, S. 115 ff. zur Integration der Wiedergutmachung in die Strafzwecke sowie zu ihrem Ansatz, die Wiedergutmachung als Aufgabe des Kriminalrechts zu etablieren (S. 158 ff.). 37
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ge stellt sich beispielsweise dann, wenn wie vorliegend eine Erweiterung des Zivilrechts um pönale Aspekte abgelehnt wird.42 Da jedoch in solch einer zentralen Frage das Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht für natürliche Personen und Unternehmen parallel laufen sollten, wird hier nicht der Versuch einer Neukonzeption allein für Unternehmen unternommen. Allerdings wird der Wiedergutmachung durchaus ein eigenständiger Stellenwert zugewiesen, da sich das Sanktionsrecht gerade von der Verletzung grundrechtlich geschützter Positionen her rechtfertigt. Insoweit werden die bestehenden Möglichkeiten der Wiedergutmachung auch auf Unternehmen erstreckt.43 Neben der Wiedergutmachung ist zu fragen, inwieweit eine Abschöpfung erlangter Vorteile als Zweck der Sanktion infrage kommt. Sowohl das amerikanische Unternehmensstrafrecht als auch das deutsche Ordnungswidrigkeitenrecht (früher auch die Geldstrafe des deutschen Strafrechts) sehen eine derartige Entziehung erlangter Vorteile vor. Das deutsche Recht zeigt zudem mit der Bruttoberechnung hinsichtlich des Erlangten, dass aufgrund einer eingeschränkten Abzugsfähigkeit die Abschöpfung deutlich pönale Elemente aufweist. Sie ist in dieser Hinsicht mehr als nur der neutrale kondiktionsrechtliche Entzug dessen, was dem Vermögen des Täters bei wirtschaftlicher Betrachtung zugeflossen ist. Wegen dieser partiell ahndenden Funktion wird vorliegend eine Verbindung der Abschöpfung mit der Sanktion grundsätzlich nicht ausgeschlossen.44 B. Handlungsfähigkeit Die Frage, ob ein Unternehmen handlungsfähig ist, muss vom sanktionsrechtlichen Handlungsbegriff des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts und dessen Funktion ausgehen: Diese liegt darin, festzulegen, ob ein von einer bestimmten Person ausgehendes Verhalten dieser zugerechnet werden kann. Es geht also allein um die wertende Zuordnung und nicht eine empirisch feststellbare natürliche Gegebenheit. Ob dies auch bei Unternehmen möglich ist, bedarf zunächst der Beantwortung der Frage, ob ein Unternehmen Person sein kann und als solche ein Verhalten äußern kann. Die Frage, ob ein Unternehmen Person mit einem entsprechenden Verhalten im sanktionsrechtlichen Sinne sein kann, bestimmt sich danach, ob eine psychischgeistige Substanz als für die Handlungsfähigkeit notwendig erachtet wird.45 Diese ___________ Vgl. bereits oben S. 629. Vgl. dazu unten S. 702. 44 Wie im Hinblick auf die Wiedergutmachung wird dieser Punkt vorliegend nicht eingehender ausgeführt, da er das komplexe Gesamtverhältnis von Sanktionen und Abschöpfungsvorschriften betrifft. Hier sollte ein Unternehmenssanktionsrecht nicht einen anderen Weg beschreiten als das Recht für natürliche Personen. 45 So Roxin, AT I, § 8 Rn. 59 bezogen auf die strafrechtliche Handlungsfähigkeit. 42
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kann unmittelbar zweifelsfrei nur eine natürliche Person aufweisen. Warum im Rahmen der wertenden Betrachtung der Handlung gerade aber allein eine psychisch-geistig Substanz die Person konstituieren soll, ist unklar. Denn die Person ist nicht Ergebnis einer naturalistischen Gegebenheit, sondern eine Eigenkonstruktion des Rechtssystems.46 Dieses kennt natürliche und juristische Personen. Genau genommen kennt es nur juristische Personen, da auch Menschen je nach Rechtsbereich jeweils im Hinblick auf einen rechtlichen Aspekt gesehen werden, der immer nur Teil der natürlichen Persönlichkeit des Menschen ist.47 Die entscheidende Frage lautet daher: Was kennzeichnet eine sanktionsrechtliche Person? Es sind drei Elemente, die sich aus dem Zweck des Sanktionsrechts als Regulierungsinstrument verfassungsrechtlich geschützter Güter und der Abgrenzung des Sanktionsrechts zu andersartigen staatlichen Zwangmaßnahmen ergeben: die Fähigkeit verfassungsrechtlich geschützte Rechtsgüter zu beeinträchtigen, die Fähigkeit Adressat des Vorwurfs eines Rechtsbruchs zu sein und letztlich die Fähigkeit Adressat einer Sanktion zu sein. Diese drei Elemente sind bei natürlichen Personen unproblematisch gegeben. Für die Beantwortung der Frage, ob sie auch auf Unternehmen zutreffen, gilt es vor allem zu klären, ob Unternehmen funktional äquivalent zu natürlichen Personen sind. Unternehmen sind eigene soziale Systeme, die als eigenständige gesellschaftliche Akteure handeln können und ansprechbar sind. Hierauf hat schon v. Gierke mit der Herausstellung der „organischen Struktur“ hingewiesen.48 Auch die Systemtheorie stützt diese Betrachtung.49 Das Unternehmen ist in der sozialen Realität mehr als die Summe seiner Mitglieder, insbesondere durch die bereits beschriebenen Wirkungen eines eigenen Unternehmensklimas. Dies ermöglicht dem Unternehmen, als eigenständiger Regelungsgeber aufzutreten und je nach Größe des Faktors Macht auch Regelungen zu bestimmen. Die systemtheoretische Bezeichnung als autopoietisches oder selbstreferenzielles System beschreibt diesen Zustand der inneren Selbstorganisation und Willensbildung sehr anschaulich. Sanktionsrechtlich relevant wird dieser Aspekt des sich selbst organisierenden sozialen Systems dadurch, dass aus dem System heraus Rechtsgutsverletzungen erfolgen können, die letztlich nicht mehr einen reinen Einzelakt des handelnden Mitarbeiters darstellen, sondern Ergebnis des Eingebundenseins im Unternehmen und des Einflusses des Unternehmensklimas sind. Damit kann das soziale System in entsprechender Weise wie eine einzelne natürliche Person eine Rechtsgutsverletzung herbeiführen. ___________ 46 Vgl. auch Gómez-Jara Díez, ZStW 119 (2007), 290 (307) m.w.N.; Jakobs, FS-Roxin, S. 793 (795). 47 Vgl. zur Relativität des Personseins Jakobs, FS-Lüderssen, S. 559 (560). 48 Vgl. v. Gierke, Privatrecht I, S. 473. 49 Vgl. zur Systemtheorie bereits oben S. 648; auf die Systemtheorie rekurrieren bspw. Bottke, wistra 1997, 241 (253); Gómez-Jara Díez, ZStW 119 (2007), 290 (302 ff.); Hefendehl, 4 Buff. Crim. L. Rev. (2000-01), S. 283 (298); Heine, Unternehmen, S. 79; Sieber, FS-Tiedemann, S. 449 (475).
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In der Gesamtheit als soziales System kann das Unternehmen auch Adressat eines Vorwurfs sein, wenn dies wie vorliegend auf den reinen Vorhalt einer Rechtsverletzung beschränkt wird. Zudem kann es Adressat einer Sanktion sein, da auch das Unternehmen für eine spürbare staatliche Reaktion zugänglich ist. § 30 OWiG und das amerikanische Recht zeigen dies bereits, die Vorschläge in der deutschen Literatur geben mannigfaltige Anhaltspunkte für eine auf Unternehmen zugeschnittene Sanktion. Somit sind hier wie bei natürlichen Personen die Voraussetzungen zu bejahen, die eine sanktionsrechtliche Person konstituieren.50 Diese ist also nicht allein auf natürliche Personen bezogen. § 30 OWiG geht genau von diesem Bild der sanktionsrechtlichen Person aus. Insoweit ist eine grundsätzliche Handlungsfähigkeit des Unternehmens zu bejahen. Wie bestimmt sich die Handlungsfähigkeit des Unternehmens näher? Hier ist darauf abzustellen, dass beim Unternehmen als soziales System der entscheidende Punkt darin liegt, dass ein Mitarbeiter unter Einfluss des Unternehmensklimas Rechtsgutsverletzungen herbeiführen kann. Es sind somit zwei Elemente relevant: das Handeln des Mitarbeiters und der Bezug zum Unternehmensklima. Das Handeln des Mitarbeiters kann nicht hinweggedacht werden, ohne dass damit das Handeln des sozialen Systems Unternehmen entfiele. Die Betrachtung des Unternehmens, das sich letztlich immer aus einem Kollektiv natürlicher Personen zusammensetzt, kann daher auf eine Anknüpfung an diese nicht verzichten. Eine sinnlich wahrnehmbare Reaktion außerhalb des Unternehmens ohne Handeln einer natürlichen Person gibt es nicht. Dieser Umstand hat dazu geführt, dass nicht nur das deutsche und das amerikanische Recht, sondern auch andere Rechtssysteme weltweit die Sanktionierung von Unternehmen durchweg an der Handlung eines Mitarbeiters anknüpfen.51 Denn das Handeln des Mitarbeiters unter Einfluss des Unternehmensklimas ist nicht privat, sondern eine Verkörperung des Unternehmens, der Mitarbeiter ist in dieser Situation faktisch das Unternehmen. Dass das Handeln des Mitarbeiters zugleich auch sein eigenes ist, ist dabei unschädlich. Dies wird zwar zum Teil bestritten,52 ist jedoch nicht tragend. Denn der Mitarbeiter hat im Unternehmen eine Doppelrolle, sowohl als Individuum als auch als Teil des Kollektivs. § 30 OWiG geht beispielsweise von dieser doppelten Rollenträgerschaft aus. Zudem ist die Doppelzurechnung von Handlungen dem Sanktionsrecht auch sonst nicht unbekannt: Die gesamte Beteiligungslehre geht davon aus, dass sich Handlungen auch mehreren Personen zuordnen lassen. Ebenso sind außerhalb des Sanktionsrechts Doppelwirkungen rechtlich anerkannt.53
___________ 50 Vgl. auch Lampe, FS-Hirsch, S. 83 (86 ff.), der von einem übergeordneten Begriff der sozialen Person ausgeht. Siehe zudem Bottke, wistra 1997, 241 (248 f.); ders., Assoziationsprävention, S. 62 ff. 51 Zum englischen Sonderweg sowie der Konstruktion von Heine siehe unten S. 675. 52 Vgl. Jakobs, FS-Lüderssen, S. 559 (564 ff.); Kindler, Unternehmen, S. 274 ff. 53 Vgl. § 31 BGB sowie die Anerkennung sog. auch-fremder-Geschäfte bei der Geschäftsführung ohne Auftrag (BGHZ 63, 167).
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Das zweite Element der Handlung ist der Bezug zum Unternehmensklima. Dieser macht deutlich, dass ein Handeln des Unternehmens nicht bei jedem Handeln jedes Mitarbeiters zu bejahen ist. Allein die Anknüpfung an jeder Handlung jedes Mitarbeiters wäre eine Zurechnung der Handlung nur aufgrund der Anstellung des Mitarbeiters bzw. dessen organschaftlicher Stellung. Eine solche Zurechnung mag in Bereichen, in denen es um Haftungsfragen im Sinne einer reinen Risikoverteilung geht, angebracht sein. Für die konstituierende Bestimmung, ob ein Handeln eines Unternehmens vorliegt, ist dieser Weg aber unterkomplex, da er das Spezifikum der gruppendynamischen Elemente, das gerade die Besonderheit des Handelns innerhalb des Unternehmens ausmacht, nicht berücksichtigt. Wie gezeigt stellen zwar § 30 OWiG und die amerikanische Unternehmensstrafbarkeit bereits ansatzweise auf den Aspekt einer besonderen Unternehmensverantwortlichkeit ab, ohne diesem jedoch zentrale Stellung einzuräumen und die tatsächlichen Umstände, die den Unternehmenskontext der Mitarbeitertat kennzeichnen, hinreichend zu bestimmen und einzubeziehen. Auf die genaue Bestimmung des Unternehmensklimas und dessen Bezug zur Handlung des Mitarbeiters wird an dieser Stelle zunächst verzichtet, da diese Aspekte auch im Rahmen der Schuldfähigkeit von Relevanz sind und dort gerade die Besonderheit eines Unternehmensverschuldens kennzeichnen, sodass sie in diesem Kontext ausführlich behandelt werden. Insofern ist hier zunächst die Handlungsfähigkeit des Unternehmens zu bejahen, wenn das Handeln eines Mitarbeiters unter Einfluss des Unternehmensklimas vorliegt. C. Schuldfähigkeit Im Folgenden wird auf die Schuldfähigkeit näher eingegangen. Dieser Begriff wird auf das Straf- wie Ordnungswidrigkeitenrecht gleichermaßen bezogen, also auf den gängigen Begriff der Vorwerfbarkeit in Bezug auf Ordnungswidrigkeiten verzichtet.54 Das Schuldprinzip ist herausragendes Element vor allem des deutschen Strafrechts und seit langer Zeit Kernpunkt dogmatischer Überlegungen.55 Daher kann sich die vorliegende Darstellung an dieser Stelle nur einiger eklektischer Überlegungen widmen. ___________ 54 Der Verzicht ist schon deswegen angebracht, da Vorwerfbarkeit und Schuld ohnehin gleichgesetzt werden, vgl. Göhler-Gürtler, OWiG, vor § 1 Rn. 30. Soweit der terminologische Unterschied mit der mangelnden sozial-ethischen Missbilligung des Ordnungswidrigkeitenrechts begründet wird (Gürtler, a.a.O.), greift dieser Aspekt vorliegend nicht, da ein solcher Unterschied hier bestritten wird. 55 Die Bedeutung in der wissenschaftlichen Bearbeitung korreliert aber nur bedingt mit der in der Praxis, in der die Schuldhaftigkeit der Tatbegehung durch tatbestandsmäßiges, rechtswidriges Handeln indiziert und die Schuld somit lediglich als Ausnahmeumstand relevant wird.
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Zunächst zur Stellung des Schuldprinzips. Das Schuldprinzip (nulla poena sine culpa) hat Verfassungsrang.56 Es begrenzt die Reichweite staatlichen Strafens, indem allein schuldhaftes Verhalten verfolgt und mit Strafe belegt werden darf; der Begriff „Strafe“ ist hierbei verfassungsrechtlich zu verstehen und umfasst sowohl Kriminalstrafen als auch Geldbußen. Das Schuldprinzip hat zwei Ausprägungen: Als Strafbegründungsschuld begrenzt es den Bereich, für den eine Person überhaupt verantwortlich gemacht werden kann, als Strafzumessungsschuld verlangt es ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Strafe und Maß der Schuld.57 Das Schuldprinzip ist kein ausdrücklich geregeltes verfassungsrechtliches Prinzip, es leitet sich laut der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus der Menschenwürde, der Freiheit der Persönlichkeitsentfaltung und dem Rechtsstaatsprinzip ab.58 Eine Anwendung des Schuldgrundsatzes auf Unternehmen kann somit unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten zumindest aufgrund der Herleitung aus dem Rechtsstaatsprinzip begründet werden.59 Aus dem Rechtsstaatsprinzip in der Form des Schuldgrundsatzes folgt, dass es ungerecht wäre, das Unternehmen zu bestrafen, wenn es „nichts dafür kann“, also keine Schuld aufweist. Viel gewonnen ist damit zunächst aber noch nicht, da zu klären ist, was „für etwas können“ heißt,60 womit man sich inmitten der umstrittenen Frage des genauen Inhalts der Schuld befindet.61 Immerhin ist damit klargestellt, dass es bei der Schuld um die Bewer___________ 56 Vgl. die st. Rspr. des BVerfG: BVerfGE 6, 389 (439); 86, 288 (313); 95, 96 (140); 120, 224 (253 f.); weitere Nachweise bei Appel, Verfassung, S. 109; Hörnle, FSTiedemann, S. 325 (326 f.); Jarass/Pieroth, GG, Art. 20 Rn. 103; Lagodny, Grundrechte, S. 386 ff. 57 Vgl. näher Appel, Verfassung, S. 109 ff.; die Unterscheidung findet sich auch in der strafrechtlichen Literatur wieder (vgl. Roxin, AT I, § 19 Rn. 50), wird aber nicht durchgehend vorgenommen, vgl. Jakobs, AT, 17. Abschn. Rn. 1 Anm. 1. Vgl. auch Hörnle, FSTiedemann, S. 325 (340 f.) zu Unterschieden des verfassungs- und strafrechtlichen Schuldbegriffs. 58 Vgl. insbes. BVerfGE 20, 323 (331); 45, 187 (259 f.); 120, 224 (253 f.). 59 Eine Herleitung aus Art. 1 Abs. 1 GG ist bei Unternehmen nicht möglich, da die Würde alleiniger Ausdruck der Personalität des Menschen ist (MD-Herdegen, Art. 1 Rn. 68 f.). Die Anwendung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts auf Unternehmen ist umstritten (vgl. MD-Di Fabio, Art. 2 Rn. 224 f.). Man wird diesbezüglich keine generelle Aussage treffen können, sondern auf die verschiedenen Ausprägungen des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts abstellen müssen. Eine Anwendung auf Unternehmen ist zumindest dann möglich, wenn nicht der Menschenwürdeaspekt im Vordergrund steht und somit primär an Art. 2 Abs. 1 GG angeknüpft wird (vgl. BVerfGE 106, 28 [43 f.]; MD-Herdegen, Art. 1 Rn. 87; MD-Di Fabio, Art. 2 Rn. 224). Im Hinblick auf das Schuldprinzip ist eine Anwendbarkeit daher zu bejahen, wenn dieses wie nachfolgend als Verantwortlichsein für ein rechtstreues Handeln definiert wird und damit nicht die spezielle Personalität des Menschen voraussetzt. 60 Vgl. bspw. zum Dafür-Können-Aspekt Welzel, Strafrecht, S. 140; krit. aber Roxin, AT I, § 19 Rn. 20 ff. 61 Vgl. im Überblick zu den Ansätzen Jakobs, AT, 17. Abschn. Rn. 5 ff.; Roxin, AT I, § 19 Rn. 20 ff.
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tung in einer Person liegender Umstände in Bezug auf eine außerweltliche Gegebenheit geht (Zurechnung), nicht allein um einen empirisch ermittelbaren Umstand. Der Gehalt der Schuld kann sich nur aus der speziellen Natur des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts ergeben. Wie gesehen liegt die Spezifität straf- und ordnungswidrigkeitenrechtlicher Maßnahmen gegenüber anderen staatlichen Zwangsmaßnahmen im Vorwurf und Vorhalt des begangenen Rechtsbruchs. Der Gegenstand der Schuld muss an diesem Umstand anknüpfen. Schuld ist daher der Vorwurf an eine Person, sie habe es an rechtstreuem Verhalten in der konkreten Situation mangeln lassen.62 Ein Mangel liegt nur dann vor, wenn eine normative Erwartungshaltung der Rechtsordnung zu rechtstreuem Verhalten einer konkreten Person in einer bestimmten Situation ausnahmslos besteht.63 Voraussetzung ist zudem, dass grundsätzlich die Möglichkeit zu rechtstreuem Verhalten vorhanden ist, also zur Steuerung von sich selbst. Die Möglichkeit zur Selbststeuerung ist dabei nicht als rein empirische Gegebenheit zu verstehen,64 sondern als empirischnormativer Standard der Rechtsordnung, der in wertender Betrachtung das Mindestmaß dessen festlegt, was für eine sanktionsrechtliche Inanspruchnahme erwartet wird.65 Der Vorwurf der mangelnden Rechtstreue setzt voraus, dass eine Pflicht zur Rechtstreue besteht.66 Diese kann nicht auf den Vorwurf oder die Schuld selbst gestützt werden, ohne auf zirkuläre Begründungen zu rekurrieren. Die Rechtstreue ergibt sich vielmehr als Ausfluss der freiheitlich-demokratischen Konzeption des Grundgesetzes: Die zeitweilige Übertragung der souveränen Macht des Volkes auf Volksvertreter stattet diese mit der Befugnis aus, durch Regelungen (positives Recht) die Beziehung der Menschen untereinander und zum Staat zu regeln. Mit der Übertragung einher geht die Zusage, Regelungen der Volks-
___________ 62 Vgl. dazu Kindhäuser, ZStW 107 (1995), 701 ff., der auch auf den Begriff der mangelnden Rechtstreue abstellt, jedoch einen anderen Ausgangspunkt wählt. Der Kritik von Roxin, AT I, § 19 Rn. 46 an Kindhäuser, dass bei unbewusster Fahrlässigkeit und [vermeidbarem] Verbotsirrtum kaum von mangelnder Rechtstreue zu sprechen sei, ist entgegenzuhalten: Auch in diesen Fällen wurde das von der Rechtsordnung erwartete Maß zur Selbststeuerung nicht eingehalten, sodass bei wertender Betrachtung durchaus von mangelnder Rechtstreue zu sprechen ist. 63 Damit erkennt die Rechtsordnung an, dass sie ausnahmsweise aufgrund persönlicher Umstände eine Rechtsgutsverletzung toleriert. Diese Erwartungshaltung kann z.B. beim entschuldigenden Notstand fehlen, da hier der psychischen Ausnahmesituation des Handelnden Rechnung getragen wird. 64 Denn ein solcher Ansatz verliert sich unweigerlich in der nicht aufzulösenden Frage des Determinismus/Indeterminismus des Menschen. 65 Dabei spielen für natürliche Personen insbes. psychologische Umstände eine Rolle. Da diese aber nicht immer eine endgültige Aussage treffen können, bedarf es der normativen Bewertung zur Bestimmung der Möglichkeit der Selbststeuerung. Es gibt weitgehend klare Fälle wie die Minderjährigkeit, bei der empirisch ermittelbar die Steuerungsfähigkeit fehlt, aber auch schwierige Fälle wie Trunkenheit oder psychische Krankheiten, bei denen aus psychologischer Sicht häufig nur eine abgestufte Bewertung der Selbststeuerungsfähigkeit besteht. In letzteren Fällen muss normativ eine Grenze gezogen werden. 66 Vgl. zu diesem Aspekt im Kontext der Unternehmensstrafbarkeit auch Gómez-Jara Díez, ZStW 119 (2007), 290 (317 f.).
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vertreter als für einen persönlich verbindlich zu akzeptieren. Denn nur unter dieser Zusage ist die Entäußerung eigener Macht zugunsten der Allgemeinheit für jedermann akzeptabel, vermeidet sie doch, dass Vorrechte einzelner begründet werden. Sie dient damit der Sicherung eines gleich großen Freiheitsraums für jedermann. Die Verpflichtung zur Rechtstreue ist somit ein wesentliches Element demokratischer Selbstorganisation. Soweit in der Rechtsordnung Handlungsakteure geschaffen werden, die wie Unternehmen neben natürliche Personen treten, sind diese ebenso wie natürliche Personen zur Rechtstreue verpflichtet, da sie sich immer nur von der Legitimation natürlicher Personen ableiten können.
Die zu stellende Frage ist somit: Kann einem Unternehmen der Vorwurf der mangelnden Rechtstreue gemacht werden? Insbesondere: Gibt es bei einem Unternehmen die Möglichkeit der Selbststeuerung im Hinblick auf ein rechtstreues Verhalten? Zur Beantwortung der Fragen ist es wie bei der Handlungsfähigkeit notwendig, den Blick auf die Art des Agierens eines Unternehmens in der Rechtswirklichkeit zu richten. Das Unternehmen agiert dadurch, dass ein Mitarbeiter unter Einfluss des Unternehmensklimas handelt. Damit ergeben sich auch hier die zwei einzelnen Anknüpfungspunkte: der Mitarbeiters und die Bedeutung des Unternehmensklimas in Hinblick auf den Mitarbeiter. Das Unternehmen handelt durch seine Mitarbeiter, diese stellen in dieser Situation faktisch das Unternehmen dar. Wenn die Mitarbeiter eine derartige Verkörperung des Unternehmens sind und einen Rechtsbruch begehen, richtet sich der Vorwurf der mangelnden Rechtstreue an den Mitarbeiter in diesem Kontext. Kindler zieht aus diesen Umständen den Schluss, dass konsequenterweise entweder das Unternehmen schuldhaft handle oder allein der Mitarbeiter, wenn dieser nur anlässlich der Tätigkeit im Unternehmen und damit diesem nicht zuschreibbar tätig werde.67 Dieser Ansatz wäre richtig, wenn der Mitarbeiter durch die Tätigkeit im Unternehmen vollkommen entindividualisiert wäre (also wie in Charlie Chaplins Film Modern Times nur ein Rädchen im Getriebe wäre). Dies entspricht jedoch nicht der Wirklichkeit; der Mitarbeiter ist immer noch Individuum, sodass er nicht aus seiner persönlichen Schuld entlassen werden kann. Da er aber nicht vollkommen selbstbestimmt und nur für sich selbst, sondern für das Unternehmen und durch dieses fremdbestimmt handelt, ist dem Unternehmen der gleiche Vorwurf der mangelnden Rechtstreue zuzuschreiben. Die Möglichkeit der Selbststeuerung zur Vermeidung ist hier intrinsisch im Mitarbeiter zu bejahen, der (im Normalfall) sich selbst als rechtstreuer Unternehmensvertreter steuern könnte, dies aber nicht tut. Vorliegend wird somit die Zurechnung der Schuld des Mitarbeiters als eigene Schuld des Unternehmens für möglich gehalten, wie sie auch der Konzeption des § 30 OWiG zugrunde liegt und vielfach rechtsvergleichend und in der Literatur akzeptiert wird. Die Kritik, dass eine derartige Begründung grundsätzlich zirkulär ist, trägt nicht.68 Denn zum einen geht es vorliegend nicht um Zurechnung fremder ___________ Vgl. Kindler, Unternehmen, S. 274 ff. Vgl. Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 234 f.; ders., FS-Tiedemann, S. 431 ff. Diesem ist allerdings zuzustimmen, dass manche von ihm kritisierte Zurech67 68
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Schuld; die Schuld des handelnden Mitarbeiters ist (zugleich auch) eigene Schuld des Unternehmens. Zum anderen ist eine Zurechnung mit dem Schuldbegriff nicht unvereinbar, da dieser per se normative Zurechnungskonstruktion ist.69 Die Kritik kann sich daher nicht an der Zirkularität entzünden, sondern allenfalls an der Annahme, dass ein Mitarbeiter durch seine Handlung zugleich für sich und das Unternehmen Schuld begründen kann. Dies ist aber gerade das besondere Merkmal des Handelns einer Person innerhalb einer Gruppe. Die Betrachtung des Mitarbeiters vermittelt jedoch nur den Ausgangspunkt zum eigentlichen Kernelement des Vorwurfs der mangelnden Rechtstreue gegenüber dem Unternehmen: das defizitäre Unternehmensklima. Die Bedeutung des Unternehmensklimas liegt darin, dass es als psychologischer Wirkmechanismus das Verhalten des Mitarbeiters beeinflussen kann. Entscheidend ist daher die Betrachtung des Handelns des Mitarbeiters in Bezug zum Unternehmensklima. Einem Unternehmen kann immer dann ein Vorwurf gemacht werden, wenn das Handeln des Mitarbeiters gerade Ausdruck eines defizitären Unternehmensklimas ist. Die Frage ist damit: Worin ist ein defizitäres Unternehmensklima zu sehen? Dieses liegt darin, dass das Unternehmen keine ausreichenden Maßnahmen ergriffen hat, um das Risiko, das sich in der Mitarbeitertat verwirklicht hat, zu verhindern. Denn wie dem Mitarbeiter die Rechtspflicht zur Rechtstreue durch psychologische Selbststeuerung obliegt, so obliegt zugleich dem Unternehmen als sozialem Gebilde die Rechtspflicht, durch seine Selbststeuerungsmechanismen Rechtsbrüche zu verhindern. Beides ist Selbststeuerung, jedoch weisen beide unterschiedliche Steuerungsmechanismen auf: die natürliche Person steuert sich über willensgetragene Prozesse, das Unternehmen durch struktur-, prozess- und motivationsorientierte Maßnahmen. Bei dem vorliegenden Ansatz greift damit zwar die Rechtspflicht des Unternehmens in ihrer Gesamtheit durch das Erfordernis präventiver Maßnahmen zeitlich über den Akt der Handlung des Mitarbeiters hinaus, der im Zeitpunkt des Handelns die Pflicht zur Rechtstreue verletzt. Dies ist jedoch unschädlich, da die Rechtspflicht des Unternehmens bis zum Zeitpunkt des Handelns des Mitarbeiters nur latent ist: Erst mit dem Akt des Mitarbeiters materialisiert sie sich als solche. Damit fallen die Zeitpunkte zur Anknüpfung des Schuldvorwurfs nicht auseinander, denn im Hinblick auf das Unternehmen kommt es allein darauf an, ob zum Zeitpunkt des Handelns des Mitarbeiters ausreichende Maßnahmen vorliegen oder nicht. Als nächste Frage stellt sich, welche Mechanismen dem Unternehmen zur Selbststeuerung zur Verfügung stehen. Eine Antwort darauf lässt sich insbesondere aus den Erkenntnissen der Organisationspsychologie und den bislang bestehenden ___________ nungslösung logische Brüche enthält und tatsächlich als quaternio terminorum zu klassifizieren ist. 69 Anders ist dies natürlich, wenn man von einer naturgegebenen Schuldfähigkeit ausgeht.
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empirischen Forschungen ableiten.70 Diese zeigen, dass erst das Zusammenspiel positiver wie negativer Einflüsse auf die Person des Mitarbeiters darüber entscheidet, ob diese rechtstreu agiert oder nicht. Das Unternehmen kann nun einerseits die Faktoren stärken, die Rechtstreue begünstigen, und andererseits die Faktoren minimieren, die Rechtsbrüche begünstigen. Aus diesen Einzelmaßnahmen ergibt sich ein Maßnahmenpaket, das das Unternehmen zur Beförderung der Rechtstreue im Unternehmen ergreifen kann. Die Frage, welche konkreten Maßnahmen erforderlich sind, kann an dieser Stelle nicht abschließend beantwortet werden. Dies insbesondere, da sich die empirische Forschung erst in den letzten Jahren verstärkt der Frage zuwendet, welche Einzelmaßnahmen (und welche Maßnahmenpakete) innerhalb von Unternehmen das Handeln von Mitarbeitern in welcher Weise beeinflussen. Nach derzeitigem Stand erscheinen aber Compliance-Programme als das bislang am besten konzipierte und durchdachte Maßnahmenpaket. Daher wird auf den Aspekt eines effektiven Compliance-Programms im Folgenden noch näher eingegangen werden.71 Ist der Rekurs auf das Unternehmensklima deswegen unzulässig, weil dahinter, insbesondere hinter der mangelnden Umsetzung von Maßnahmen zur Verhinderung von Rechtsbrüchen, wiederum nur natürliche Personen stehen können? Insbesondere Schünemann kritisiert diesen Punkt und sieht hier einen „unendlichen Regress“ gegeben.72 Unbestreitbar kann jedes Tun und Unterlassen im Unternehmen nur auf natürliche Mitarbeiter zurückgehen. Auf diesen Aspekt kommt es jedoch gar nicht an, weil es allein auf das Faktum der fehlenden Maßnahmen und deren Einfluss auf die infrage stehende Tat des Mitarbeiters ankommt. Anders formuliert: Erst wenn das Handeln eines Mitarbeiters mit den Unterlassungen anderer Mitarbeiter zusammentrifft, entsteht die Unternehmensschuld. Insoweit ist ein Unternehmen nur schuldig, wenn Versäumnisse mehrerer Personen zusammenkommen. Dass dabei die Unterlassungen der anderen nicht zur Verletzung der Rechtsgüter des Tatbestands führten, die der handelnde Mitarbeiter verletzt,73 ist nicht zutreffend, da sie zwar nicht unmittelbar in diese Rechtsgüter eingreifen, sie jedoch mittelbar durch die Versäumnisse zur Tat des Mitarbeiters beitragen und damit mittelbar die Verletzung erst ermöglichen. Die Bezugnahme auf die Maßnahmen zur Verhinderung von Rechtsbrüchen nimmt auch das Problem auf, dass gerade Führungspersonen in Unternehmen zentralen Einfluss auf die Rechtsgutsverletzungen haben. Denn nur Personen mit Entscheidungsbefugnis werden in der Lage sein, vorzugeben, ob Maßnahmen zur Verhinderung von Rechtsbrüchen erfolgen und falls ja, in welcher Weise. Damit wird die besondere Bedeutung der leitenden Mitarbeiter für eine rechtmäßige Atmosphäre im Unternehmen unmittelbar in die Beurteilung des sozialen Systems Unternehmen integriert.
Somit ergibt sich, dass sich die Schuld eines Unternehmens auf zwei Elemente stützt, die nur in dieser doppelten Berücksichtigung seiner Natur als soziale Einheit, die allein durch natürliche Personen agieren kann, gerecht wird. Unterneh___________ 70 71 72 73
Vgl. dazu bereits oben S. 613 sowie S. 279 ff., 518 ff. Vgl. dazu unten S. 711. So bspw. Schünemann, FS-Tiedemann, S. 429 (437). So der weitere Einwand von Schünemann, FS-Tiedemann, S. 429 (437).
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675
mensschuld beruht also auf einem organisationspsychologischen Schuldbegriff. Damit zeigt sich, dass reine Zurechnungsansätze zwar bereits ein wichtiges Element aufnehmen, jedoch die zentrale Eigenheit des Unternehmens übergehen. Der Aspekt des hier zugrunde gelegten Unternehmensklimas hat unverkennbar seine Wurzeln auch in dem von Tiedemann in die Diskussion eingeführten Aspekt des Organisationsverschuldens. Vorliegend wird der Gedanke jedoch auf eine andere Basis gestellt, da der Ausgangspunkt die Art der faktischen Einbindung eines Mitarbeiters im Unternehmen ist. Bei Tiedemann ist zudem das Organisationsverschulden nur Haftungsgrundlage, der Verantwortungstatbestand ist eine reine Zurechnungskonstruktion, sodass auch bei ihm in dieser Hinsicht der spezielle Unternehmenskontext ohne ausreichende Berücksichtigung bleibt. Mit dem Begriff des Organisationsverschuldens hat Tiedemann jedoch eine griffige und inzwischen weitverbreitete Bezeichnung gefunden,74 die auf die Kernelemente hinweist, mit denen ein defizitäres Unternehmensklima verhindert wird: die organisatorischen Maßnahmen zur Prävention und Aufdeckung möglicher Verstöße, die vorliegend von den Compliance-Maßnahmen miterfasst werden. Wenn der Aspekt des Unternehmensklimas von so zentraler Bedeutung ist, stellt sich die Frage, ob man dann nicht auf das konkrete Handeln des Mitarbeiters verzichten kann. Insbesondere der Vorschlag von Heine beschreitet diesen Weg.75 Dieser Ansatz hat jedoch fast die völlige Loslösung vom bestehenden Ordnungswidrigkeiten- und Strafrecht zur Folge, da er mangels Mitarbeitertat nicht mehr an die existierenden Tatbestände anknüpft.76 Damit entfällt eine Anknüpfung an all die Normen, die konkret festlegen, welche Güter geschützt sind, welche Handlung die Grenze zur Sanktionswürdigkeit übersteigt und welche Vorstellung sich der Gesetzgeber von einer angemessenen Sanktion für genau diese Handlung macht. Notwendig wäre in diesem Fall die Schaffung eines kompletten Parallelsystems für Unternehmen. Daher ist Heine auch gezwungen, festzulegen, welche Güter durch welche Beeinträchtigung erfasst sind.77 Hier zeigt sich aber die Selektivität seiner Auswahl, die stark von der Umweltschutzdiskussion der 1990er Jahre geprägt ist und sich daher auf erhebliche betriebliche Störfälle (Tötungen, schwere Körperverletzungen, Gemeingefahren und schwerwiegende Umweltschäden) beschränkt. Damit werden aber nur ansatzweise die Konstellationen erfasst, die als Taten aus dem Unternehmen heraus tatsächlich relevant sind. Beispielsweise die Korruptionsvorfälle bei Siemens wären nicht erfasst. Hinsichtlich der Begründung der Schuld kann sich Heine allein auf das Vorliegen von Großrisiken und die mangelnde Risikovorsorge in Unternehmen stützen, was die Konstruktion zu einer weitgehenden Gefährdungshaftung (ergo Risikostrafrecht) macht. Dies wird jedoch der Gesamtsituation nur bedingt gerecht, da es den Aspekt der handelnden Mitarbeiter völlig ausblendet. Deswegen bedürfte eine derartige Lösung einer besonderen Rechtfertigung. Das britische Recht hat diese in der herausragenden Bedeutung von Tötungsdelikten aus Unternehmen heraus und den Schwierigkeiten des bestehenden Rechts,
___________ Vgl. nur Paliero, FS-Tiedemann, S. 503 ff. Vgl. Heine, Unternehmen, S. 271 ff.; 316. 76 Krit. dazu auch König, in: Hettinger (Hrsg.), Verbandsstrafe, S. 60 ff. 77 Ein Problem stellt dann in der Praxis auch die mangelnde Konkretisierung der allgemeinen Vorgaben dar, für deren Auslegung kaum auf bestehende Rechtsprechung zurückgegriffen werden kann. 74 75
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5. Kapitel: Rechtspolitische Schlussbetrachtungen
eine Strafverfolgung zu gewährleisten, gesehen.78 Daher hat der Gesetzgeber eine Regelung geschaffen, die an der mangelhaften Organisation des Unternehmens ansetzt, die zu einer schweren Pflichtverletzung und zur Herbeiführung eines Todesfalls geführt haben muss.79 Der Bezug zu einem individuellen Mitarbeiter ist nicht notwendig. Insoweit sieht die Vorschrift inhaltlich eine spezielle Fahrlässigkeitsstrafbarkeit vor, die jedoch von den bestehenden Regelungen der Tötungsdelikte und von Fahrlässigkeitsgrundsätzen abgekoppelt ist. Die Bedeutung des Rechtsguts mag eine Sonderstellung gegenüber anderen Rechtsgütern rechtfertigen, sodass die Lösung in spezifischen Bereichen ihre Daseinsberechtigung haben kann. Für einen generellen Ansatz dieser Art besteht aber grundsätzlich kein Anlass.80 Der Vergleich mit diesen kollektiven Ansätzen zeigt, dass der Vorteil des vorliegenden Modells nicht nur in der Berücksichtigung des tatsächlichen Verhaltens von Mitarbeitern im Unternehmenskontext liegt, sondern durch seine Bezugnahme auf die bestehenden Straf- und Ordnungswidrigkeitentatbestände auch den acquis communitaire des deutschen Sanktionsrechts einbindet.81
D. Sanktionsfähigkeit Auf die Frage einer Sanktionsfähigkeit des Unternehmens wurde an verschiedenen Stellen bereits eingegangen, sie soll daher nur noch einmal kurz zusammengefasst werden. Sanktionszwecke können auf Unternehmen Anwendung finden. Darüber hinaus ist das Unternehmen für eine Sanktion auch empfänglich: Der Vorwurf, der allein im Vorhalt des Rechtsbruchs besteht, kann gegenüber Unternehmen erhoben werden. Als Träger von Rechten und Freiheiten kann das Unternehmen in diesen auch spürbar beschnitten werden und ist somit sanktionsfähig.
___________ 78 Zum Corporate Manslaughter and Corporate Homicide Act 2007 siehe bereits oben S. 73. Zur Begründung siehe die Ausführungen der Law Commission, Legislating the Criminal Code, Involuntary Manslaughter vom 4.3.1996 (LAW COM No 237), §§ 7.1–7.37 sowie des Home Office, Corporate Manslaughter and Corporate Homicide: A Regulatory Impact Assessment of the Government’s Bill (Juli 2006), §§ 14 ff. 79 Vgl. § 1 Corporate Manslaughter and Corporate Homicide Act 2007. 80 Auch ist die englische Regelung vor allem vor dem Hintergrund der gescheiterten Strafverfolgung des Betreibers der gesunkenen Fähre Herald of Free Enterprise zu sehen, sodass ein Fall anlassbezogener Gesetzgebung vorlag. Allerdings machte das Gerichtsverfahren die verworrene Rechtslage im Bereich der Unternehmensstrafbarkeit deutlich, die nicht wie in den USA auf einer weitgehend klaren Konzeption beruht. Eine gesetzliche Regelung war insoweit aus Gründen der Rechtssicherheit angebracht. 81 Vgl. auch Frisch, in: Hefendehl/v. Hirsch/Wohlers (Hrsg.), Rechtsgutstheorie, S. 215 (219), der darauf hinweist, dass im Wirtschaftsstrafrecht das Rad in Bezug auf Rechtsgüter nicht neu erfunden werden müsse, da die Primärordnung bereits entschieden habe, was schützenswert sei. Zustimmend Hefendehl, JZ 2004, 18 (21) allerdings mit der berechtigten Kritik am Gesetzgeber, dass die Frage des Rechtsgüterschutzes gerade bei der Schaffung von Wirtschaftsstraftatbeständen immer wieder übergangen werde.
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E. Gerechtigkeit Die Frage der Gerechtigkeit einer Sanktionierung von Unternehmen kann nur bei einer entsprechenden Konkretisierung des Begriffs der Gerechtigkeit beantwortet werden. Ausgangspunkt ist hier wiederum das Grundgesetz, das diesen Begriff gar nicht verwendet, den Aspekt aufgrund der historischen Entwicklung inhaltlich aber durch Verweis auf die Bindung der Staatsgewalten an das „Recht“ im Rahmen des Rechtsstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 3 GG) anerkennt.82 Allerdings hat der Begriff keinen über die verfassungsrechtlich anerkannten Prinzipien hinausgehenden überpositiven Gehalt.83 Insoweit sind auch bei Heranziehung der Gerechtigkeit der Prüfungsmaßstab die Grundrechte unter besonderer Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und in Bezug auf eine verbotene Doppelsanktionierung der Grundsatz des Art. 103 Abs. 3 GG. In sachlicher Hinsicht sind zwei Konstellationen zu trennen:84 zum einen die Frage der Sanktionierung Unschuldiger, zum anderen die Frage einer möglichen Doppelbestrafung. I. Sanktionierung Unschuldiger Die Sanktionierung Unschuldiger bezieht sich auf den Aspekt, dass Personen, die nicht in die Begehung der Tat involviert sind, in irgendeiner Weise von einer Sanktion gegen das Unternehmen mitbetroffen sind. Dies sind insbesondere die Unternehmensmitarbeiter und die Anteilseigner. Hier stellt sich zunächst die Frage, ob die Sanktionierung des Unternehmens auch als Sanktionierung dieser natürlichen Personen zu sehen ist, also verfassungsrechtlich als eigene „Strafe“ zu sehen ist. Dies würde als eigenständiger Vorwurf einen Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht darstellen und wäre nur unter der Bedingung zulässig, dass der Schuldgrundsatz gewahrt wäre. Der verfassungsrechtliche Begriff der Strafe ist zwar nicht präzise bestimmt und tendenziell weit gezogen,85 jedoch setzt er stets voraus, dass ein Vorwurf unmittelbar gegen eine Person erhoben wird. Bei der Sanktionierung des Unternehmens sind jedoch weder die Mitarbeiter noch die Anteilseigner Adressat, es wird auch kein Verfahren gegen diese geführt. Der Vorwurf und die unmittelbare Sanktion richten sich allein gegen das Unternehmen selbst. Somit liegt in der Sanktionierung des Unternehmens verfassungsrechtlich keine Sanktionierung der natürlichen Personen. Damit ist jedoch die Frage noch nicht beantwortet, ob durch die Mitbetroffenheit ein sonstiger verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigter Eingriff in Grundrechte der ___________ Vgl. MD-Herzog, GG, Art. 20 Abs. 3, Rn. 66. Vgl. MD-Herzog, GG, Art. 20 Abs. 3, Rn. 66. 84 So auch bspw. Mittelsdorf, Unternehmensstrafrecht, S. 85 ff. 85 Vgl. Appel, Verfassung, S. 207 ff., insbes. S. 238 f. für die in Bezug auf die vorliegende Frage maßgebliche Bestimmung als „Strafrecht im weiteren Sinne“. 82 83
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5. Kapitel: Rechtspolitische Schlussbetrachtungen
natürlichen Personen vorliegt. Als Grundrechte können hier (je nach Art der Maßnahmen gegen das Unternehmen) bei Mitarbeitern die Berufsfreiheit (Art. 12 GG), bei Anteilseignern die Eigentumsfreiheit (Art. 14 GG), zumeist aber zumindest die Allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG betroffen sein. Ein Eingriff ist vielfach nicht auszuschließen, da die natürlichen Personen zwar nicht unmittelbar Ziel der gesetzlichen Maßnahme sind, für einen Eingriff aber auch mittelbare Beeinträchtigungen ausreichen können.86 Insoweit ist eine Antwort erst auf Ebene der Rechtfertigung zu finden, insbesondere unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit. Eine Unternehmenssanktion dient verfassungsmäßigen Zwecken und ist als solche grundsätzlich (wie jede andere Sanktion auch) geeignet, diese Zwecke zu erreichen. In Bezug auf die Erforderlichkeit ist zu beachten, dass nichtsanktionsrechtliche Maßnahmen aufgrund des fehlenden Vorwurfs nicht als Vergleich im Sinne eines milderen Mittels herangezogen werden können. In Bezug auf die Betroffenheit der natürlichen Personen kommt noch hinzu, dass andere Maßnahmen, die gegen das Unternehmen gerichtet werden, mittelbar ebenfalls die natürlichen Personen treffen. Die Erforderlichkeit ist daher zu bejahen. Damit konzentriert sich die Frage auf die Angemessenheit (Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne). Hier ist zu berücksichtigen, dass Mitarbeiter und Anteilseigner freiwillig Teil des Unternehmens geworden sind. Mit dem Beitritt akzeptieren sie, positive wie negative Entwicklungen des Unternehmens mitzutragen. Je nach konkreter Stellung haben sie sogar Einfluss darauf. Gerade hinsichtlich der Anteilseigner hat die Unternehmenssanktion das Ziel, diese zu einer entsprechenden Einflussnahme auf die Geschäftstätigkeit zu veranlassen. Hinzu kommt, dass eine Sanktion sich grundsätzlich nicht von anderen Folgen unterscheidet, die das Unternehmen treffen und die auf seine Geschäftstätigkeit zurückzuführen sind (so vor allem Schadensersatzansprüche). Insoweit liegt grundsätzlich keine unangemessene Beeinträchtigung vor. Eine solche ist daher allenfalls unter besonderen Umständen zu bejahen. Dies ist insbesondere bei Sanktionen der Fall, die zum Untergang des Unternehmens führen. So kann eine Auflösung beispielsweise nur unter strengen Voraussetzungen zulässig sein. Ähnliches gilt für eine monetäre Sanktion, die die Insolvenz des Unternehmens herbeiführen kann. Von diesen speziellen Konstellationen abgesehen, liegt in der Sanktionierung des Unternehmens grundsätzlich keine Sanktionierung „Unschuldiger“. Im Rahmen der konkreten Sanktionsbemessung (die von der generellen normativen Zulässigkeit zu trennen ist) kann aber der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebieten, dass eine Abstimmung der Sanktionen erfolgt, wenn ein Anteilseigner persönlich belangt wird und zugleich eine Unternehmenssanktion verhängt wird. Im Rahmen der persönlichen Belangung können als sonstige Folgen der Tat auch finanzielle Einbußen hinsichtlich des Anteils am Unternehmen einbezogen werden. Ggf. fehlt deswegen prozessual auch ein Verfolgungsinteresse. Diese Fragen sind jedoch individuell zu beantworten und stellen nicht die legislative Zulässigkeit der generellen Regelung infrage.
___________ 86
Vgl. die st. Rspr. des BVerfG, BVerfGE 6, 273 (275); 105, 279 (300 f.).
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II. Unzulässige Doppelsanktionierung Auf die Frage einer unzulässigen Doppelsanktionierung, des Verstoßes gegen ne bis in idem, wurde bereits im Rahmen des § 30 OWiG eingegangen,87 sodass an diese Ausführungen hier in allgemeiner Form (auf straf- und ordnungswidrigkeitenrechtliche Sanktionen bezogen) angeknüpft werden kann. Das Problem der Doppelsanktionierung kann sich einerseits stellen, wenn ein Mitarbeiter, an dessen Handlung und Schuld die Unternehmenssanktion anknüpft, zugleich Kapital am Unternehmen hält und für das gleiche Verhalten auch persönlich sanktioniert wird. Andererseits kann gefragt werden, ob generell eine Doppelbestrafung darin liegt, dass der Mitarbeiter und das Unternehmen (und damit wiederum der Mitarbeiter als Teil des Unternehmens) belangt wird. Danach könnte entweder die Sanktionierung des Unternehmens oder auch des Mitarbeiters neben der jeweils anderen Belangung verboten sein. Relevanter Bezugspunkt zur Beurteilung der Doppelsanktionierung ist Art. 103 Abs. 3 GG, der als subjektives Abwehrrecht die Normierung von Vorschriften verbietet, die das gleiche Verhalten doppelt sanktionieren.88 Soweit Art. 103 Abs. 3 GG auf die Kriminalstrafe beschränkt wird,89 ist das Verhältnismäßigkeitsprinzip heranzuziehen,90 ohne dass sich daraus in Bezug auf Ordnungswidrigkeiten aber ein Unterschied im materiellen Gehalt ergibt.91 Voraussetzung ist auf jeden Fall, dass die gleiche Person für das gleiche Verhalten unmittelbar als Sanktionsadressat betroffen ist. An genau diesem Punkt wird aber deutlich, dass gerade kein Verstoß gegen das Doppelbestrafungsverbot vorliegt. Unternehmen und natürliche Person sind zwei getrennte Sanktionssubjekte. Zudem ist die natürliche Person nur bei ihrer unmittelbaren Belangung persönlich betroffen, in dem anderen Fall vermittelt über die kapitalmäßige Beteiligung am Unternehmen oder den Arbeitsvertrag. Insoweit ist das Verbot der Doppelsanktionierung nicht betroffen und steht einer Unternehmenssanktion nicht entgegen.92
___________ Vgl. oben S. 458. Vgl. Appel, Verfassung, S. 530 ff.; MD-Schmidt-Aßmann, GG, Art. 103 Abs. 3, Rn. 271 (Abwehrrecht), 273 (Gesetzgeber als Adressat). 89 So MD-Schmidt-Aßmann, GG, Art. 103 Abs. 3, Rn. 275 f. 90 MD-Schmidt-Aßmann, GG, Art. 103 Abs. 3, Rn. 276. 91 MD-Schmidt-Aßmann, GG, Art. 103 Abs. 3, Rn. 289, der auch z.T. eine analoge Anwendung für möglich hält. Schon aufgrund der Gleichstellung überzeugt der Ansatz zumindest in Bezug auf Ordnungswidrigkeiten nicht, zumal zwischen beiden Sanktionsformen keine wesentlichen Unterschiede vorhanden sind. Konsequenterweise ist daher der Begriff der allgemeinen Strafgesetze in Art. 103 Abs. 3 GG auf Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht gleichermaßen zu beziehen. 92 Zur Frage der doppelten (unmittelbaren und mittelbaren) Inanspruchnahme, die eine Abstimmung der Sanktion erfordern kann, vgl. bereits im vorgehenden Abschnitt S. 678. 87 88
§ 25 Konstruktion einer Verantwortlichkeit Im Folgenden werden die bisher skizzierten Grundlagen einer Verantwortlichkeit des Unternehmens konkretisiert und damit der Boden für die Formulierung einer entsprechenden Norm bereitet. Die ausformulierte Fassung der nachstehenden Überlegungen findet sich im Gesetzesvorschlag am Ende der Bearbeitung (§ 29). Da es hier nicht möglich ist, alle Detailfragen zu behandeln, werden nur die wichtigsten Elemente skizziert. Zunächst wird auf das Grundmodell der Verantwortlichkeit eingegangen (A.), sodann die zentralen Einzelfragen geklärt (B.) und die Frage der Konkurrenzen angesprochen (C.). Zum Abschluss wird ein möglicher Regelungsort der Vorschriften erörtert (D.). A. Grundmodell Das Modell für eine Verantwortlichkeit basiert auf den Grundlagen, die mit der Bestimmung der Handlungs- und Schuldfähigkeit des Unternehmens gelegt wurden. Handlungs- und Schuldfähigkeit basieren somit auf einer Betrachtung des handelnden Mitarbeiters im Kontext des Unternehmensklimas. Da beide Elemente für die Verantwortlichkeit konstituierend sind, handelt es sich weder um ein modifiziertes Individualtatmodell noch um ein reines Kollektivmodell,1 sondern um ein eigenständiges gemischt individuell-kollektives Modell. Da vorliegend zwischen Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht kein wesentlicher Unterschied angenommen wird, ist die Verantwortlichkeit des Unternehmens in Bezug auf Handlungs- und Schuldfähigkeit für Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht gleich zu konstruieren. B. Einzelfragen I. Erfasste Unternehmen Als Sanktionssubjekt kommt nach dem vorliegenden Ansatz jeder Zusammenschluss von natürlichen Personen in Betracht, in dem gruppendynamische Effekte ablaufen können und in dem sich Macht akkumulieren kann. Kernpunkt dieser Untersuchung sind wirtschaftlich agierende Unternehmen, da sie den Prototypus eines solchen Zusammenschlusses darstellen. Zudem stellen sie den wichtigsten rechtspraktischen Anwendungsfall dar. Insoweit sollte terminologisch an dem Begriff des Unternehmens angeknüpft werden. Da Kernelement der Verantwortlichkeit die gruppendynamischen Effekte sind, können Ein-Personen-Unternehmen nicht verantwortlich gemacht werden. Hier verbleibt es bei der Verantwortlichkeit der han___________ 1
Vgl. zur Klassifizierung bisher bestehender Modelle oben S. 361 ff.
§ 25 Konstruktion einer Verantwortlichkeit
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delnden natürlichen Person.2 Dies gilt nicht nur für den Einzelunternehmer, sondern beispielsweise auch für die Ein-Personen-GmbH.3 Damit stellt sich die Frage, ob entsprechend der bisherigen Regelung in § 30 OWiG eine genaue Definition der erfassten Unternehmen vorgenommen oder wie in den USA lediglich eine offene Aufzählung gewählt wird. Es hat sich gezeigt, dass die Art der Regelungstechnik im Ergebnis zu keinem nennenswerten Unterschied geführt hat, da jeweils praktisch alle Unternehmensformen erfasst werden. Vorliegend wird auf eine abschließende Aufzählung verzichtet, um auch problemlos ausländische Unternehmen zu erfassen, die in Deutschland tätig werden, aber eine ausländische Rechtsform gewählt haben.4 Diese könnten bei einer abschließenden Aufzählung nicht einbezogen werden, sodass sich immer das Problem einer Gleichsetzung stellen würde. Um die Rechtsanwendung zu erleichtern und die Norm ausreichend bestimmt auszugestalten, werden die wichtigsten Unternehmensformen beispielhaft aufgezählt. Um von einem Unternehmen sprechen zu können, ist in materieller Hinsicht ein wichtiger Aspekt die Rechtsfähigkeit, wobei wie bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts auch die Teilrechtsfähigkeit genügen kann. Denn diese zeigt an, ob ein Unternehmen im Rechtsverkehr als eigene soziale Einheit anerkannt ist oder nicht.5 Damit wird nicht auf jede wirtschaftlich agierende Einheit abgestellt (von denen es in größeren Unternehmen mehrere geben kann), sondern auf den eigentlichen Unternehmensträger.6 Zu klären ist, ob nur privatrechtliche Unternehmen erfasst sind oder auch öffentlich-rechtliche. Sowohl das deutsche als auch das amerikanische Recht schließen eine Einbeziehung öffentlich-rechtlicher Unternehmen derzeit nicht aus. Es besteht in der Tat kein Anlass, diese Unternehmen anders zu behandeln, wenn sie wie privatrechtliche am Markt agieren. Damit wird dem Problem vorgebeugt, dass sich ___________ 2 Die Schweiz hat sich dafür entschieden, dass auch Einzelfirmen bestraft werden können (Art. 102 Abs. 4 d. schweiz. StGB). Dies führt aber dazu, dass das gleiche Rechtssubjekt (z.B. der Einzelunternehmer) unmittelbar doppelt in Anspruch genommen wird, wenn auch aufgrund verschiedener Normen. Diese doppelte Inanspruchnahme verstößt gegen den Schuldgrundsatz. Vgl. dazu Forster, Verantwortlichkeit, S. 126 ff. 3 Soweit wie bei der Ein-Personen-GmbH zwei Rechtssubjekte bestehen, sind § 14 StGB, § 9 OWiG von Bedeutung, da sie die Brücke zwischen den beiden Rechtssubjekten schlagen. Diese beiden Normen, die bislang eng an § 30 OWiG orientiert sind, müssten bei Schaffung eines eigenständigen Unternehmenssanktionsrechts ggf. angepasst werden. 4 Zur Frage von Auslandstaten vgl. unten zur „Art der Anknüpfungstat“ (S. 684). 5 Insoweit ist v. Bubnoff, ZEuS 2004, 447 (460) zuzustimmen, wenn er aus Gründen mangelnder Bestimmtheit das zum Teil im europäischen Recht vorgesehene Kriterium der „Existenz eigener selbständiger Vermögenswerte“ als Sanktionssubjekt ablehnt. 6 Ein Sonderproblem stellen Konzerne dar, da hier zwar rechtlich verschiedene Gesellschaften vorliegen, diese aber in einem Abhängigkeitsverhältnis (Mutter-Tochterunternehmen) stehen. Da hier der Faktor Macht eine bedeutende Rolle spielt, ist zu überlegen, ob man nicht einen Durchgriff auf das Mutterunternehmen zulässt, wenn ein Beherrschungsverhältnis nach § 17 AktG vorliegt, vgl. Kirch-Heim, Sanktionen, S. 121 f.
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5. Kapitel: Rechtspolitische Schlussbetrachtungen
der Staat durch die Wahl einer Rechtsform (z.B. für kommunale Unternehmen) Wettbewerbsvorteile verschafft. Allerdings kann man nicht jegliches Handeln einer juristischen Person des öffentlichen Rechts einbeziehen. Denn der Staat ist Träger der Staatsgewalt. Insoweit ist eine staatliche Körperschaft, die originär hoheitliche Aufgaben wahrnimmt, nicht zu erfassen. Unter hoheitliche Aufgaben sind dabei nur solche zu zählen, die unmittelbar an das Gewaltmonopol des Staates anknüpfen, also nicht z.B. die Trinkwasserversorgung im Rahmen der Daseinsvorsorge. Unternehmen sind zumeist auf eine wirtschaftliche Betätigung ausgerichtet, sodass sich die Frage stellt, ob eine Gewinnerzielungsabsicht zwingend notwendig ist. Da die Verantwortlichkeit allein an Macht und Gruppendynamik anknüpft, ist dies aber zu verneinen. Es bestehen klassischerweise zahlreiche Vereine etc., die keine Gewinnerzielung beabsichtigen, die aber nichtsdestoweniger Macht ausüben (oft auch aufgrund großer wirtschaftlicher Vermögen) und in denen eine Vielzahl von Mitgliedern gruppendynamisch verbunden ist. Dies betrifft beispielsweise Gewerkschaften, Parteien, aber auch Sportvereine oder Nichtregierungsorganisationen. Als Unternehmen ist daher eine selbstständige Einheit von mindestens zwei natürlichen Personen und Sachmitteln anzusehen, die zum Zweck hat, planmäßig und auf Dauer ausgerichtet Güter oder Leistungen materieller oder immaterieller Art hervorzubringen bzw. zur Verfügung zu stellen. Unternehmen können insbesondere juristische Personen des privaten und des öffentlichen Rechts, rechtsfähige Personengesellschaften und nicht rechtsfähige Vereine sein. Da sich das Unternehmen als Rechtssubjekt ändern kann, sind Regelungen für Veränderungen zu treffen. Mit einer Auflösung eines Unternehmens erlischt grundsätzlich auch dessen sanktionsrechtliche Verantwortlichkeit. Dagegen wirken sich Änderungen in der Eigentümerstellung grundsätzlich nicht aus, solange das Unternehmen als Rechtssubjekt erhalten bleibt. Geht es dagegen unter, weil es in anderer Form weitergeführt wird, stellt sich die Frage eines Übergangs der Verantwortlichkeit. Dieses Problem stellt sich bei natürlichen Personen nicht, denn eine derartige Änderung der Rechtssubjektivität ist nicht möglich. Da ein Unternehmen sich nicht durch einen Übergang in eine andere Rechtsform etc. einer Verantwortlichkeit entziehen können soll, ist eine solche für den Rechtsnachfolger vorzusehen. Als Ansatz kann hier die Lösung des bestehenden deutschen Rechts dienen: Bei (wirtschaftlicher) Identität des Rechtsnachfolgers mit dem früheren Unternehmen kann der Rechtsnachfolger belangt werden.7 Dies ist unproblematisch, wenn ein Unternehmen von einem anderen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge übernommen wird. Schwieriger ist dies, wenn ein Unternehmen liquidiert, aber dann bei wirtschaftlicher Betrachtung als „neues Unternehmen“ weitergeführt wird. Hier ist genau zu prüfen, ob hinsichtlich des Personals, der Sachmittel und der Art und ___________ 7
Vgl. auch § 10 VbVG.
§ 25 Konstruktion einer Verantwortlichkeit
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Weise der Betätigung (ggf. auch hinsichtlich der Eigentümer) eine wirtschaftliche Fortführung zu bejahen ist oder nicht. Die Rechtsfolgen treffen somit auch ein Unternehmen, das mit einem anderen Unternehmen identisch ist, in dem die Anknüpfungstat begangen wurde und das in dieser Form als Unternehmen nicht mehr besteht. Die Identität ist insbesondere zu bejahen, wenn ein Unternehmen wirtschaftlich ein bisher bestehendes fortführt. II. Täter der Anknüpfungstat Als Täter der Anknüpfungstat kommt jede natürliche Person in Betracht, die aus dem Unternehmen heraus handelt. Da die Verantwortlichkeit des Unternehmens allein auf die Betrachtung der Mitarbeitertat in Bezug auf das Unternehmensklima abstellt, ist keine besondere Stellung des Mitarbeiters erforderlich. Denn die gruppendynamischen Effekte können auf allen Ebenen stattfinden und Auswirkungen zeigen. Daher kann die Unternehmensverantwortlichkeit sowohl an der Umweltstraftat eines Arbeiters anknüpfen, der Giftmüll im See der Gemeinde versenkt, als auch an der Untreuehandlung eines Vorstands. Eine spezielle Berücksichtigung der Leitungsebene erfolgt stets indirekt über das Kriterium des Unternehmensklimas, in dem die mangelnde Vorsorge der Leitungsebene für die konkrete Tat zum Ausdruck kommt. Wichtig ist allerdings, dass der Täter in die Organisation des Unternehmens integriert ist, da er nur so in die gruppendynamischen Prozesse eingebunden ist und an diesen teilhaben kann. Die Einbindung muss auf eine gewisse Dauer angelegt sein, sodass beispielsweise ein Kurzzeitpraktikant nicht erfasst wird. Das Erfordernis der Einbindung bedeutet, dass alle externen Personen, mögen sie auch noch so intensive Vertragsbeziehungen zum Unternehmen unterhalten, nicht als Täter der Anknüpfungstat infrage kommen. Um die Täterperson möglichst neutral zu kennzeichnen, wird hier der Begriff „Unternehmensmitglied“ verwendet. Erfasst werden unter dieser Bezeichnung zunächst die Organe der Unternehmen und sonstige vertretungsberechtigte Personen, die zumeist auf gesellschaftsrechtlicher Basis und nicht aufgrund eines Arbeitsvertrags für das Unternehmen handeln. Um diese ausreichend zu kennzeichnen, ist darauf abzustellen, dass diese Personen für das Unternehmen „verantwortlich handeln“.8 Dies bezieht sowohl die eigentliche Geschäftsführung als auch Aufsichtsgremien (wie den Aufsichtsrat einer AG) mit ein. Um die weiteren Mitarbeiter zu erfassen, wird darauf abgestellt, dass Personen aufgrund eines Rechtsverhältnisses Arbeitsleistungen für das Unternehmen erbringen.9 Diese Rechtsverhältnisse werden im Regelfall auf einem Arbeitsvertrag beruhen; dies ist jedoch z.B. zur Erfassung von arbeitnehmerähnlichen Verhältnissen nicht zwingend. Auf die Wirksam___________ 8 9
Damit wird der Begriff von § 30 OWiG übernommen. Ähnlich auch § 2 Abs. 2 des österreichischen VbVG.
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5. Kapitel: Rechtspolitische Schlussbetrachtungen
keit der Rechtsverhältnisse kommt es nicht an, da primär die Einbindung in die Organisation relevant ist. Es wird daher auch eine faktische Tätigkeit erfasst. Somit ergibt sich die folgende Definition: „Unternehmensmitglied ist, wer aufgrund eines Rechtsverhältnisses für das Unternehmen verantwortlich handelt und/oder Arbeitsleistungen erbringt und tatsächlich auf Dauer in die Unternehmensorganisation eingebunden ist. Eine Unwirksamkeit des Rechtsverhältnisses ist unbeachtlich.“ III. Art der Anknüpfungstat Die Frage, welche Arten von Anknüpfungstaten zur Belangung des Unternehmens relevant sind, werden im deutschen und amerikanischen Recht dahingehend beantwortet, dass grundsätzlich alle Straftaten bzw. Straf- und Ordnungswidrigkeiten erfasst sind. Diesen Weg haben beispielsweise auch Frankreich10 und Österreich11 gewählt. Andere Länder hingegen haben die möglichen Anknüpfungstaten viel restriktiver gefasst, indem sie eine Aufzählung der Tatbestände vorgenommen haben, so etwa Italien,12 Polen,13 zum Teil auch die Schweiz14. Die Beschränkung auf bestimmte Tatbestände überzeugt aber grundsätzlich nicht, da es keinen unternehmenstypischen Tatbestand gibt. Je nach Betätigungsfeld des Unternehmens sind die möglichen Tatbestände äußerst unterschiedlich. Sie können von der Falschetikettierung von Fleisch über Kartellabsprachen, betrügerischen Verkauf von Schrottimmobilien bis hin zur Unterstützung von Völkerstraftaten durch Waffenlieferungen reichen. Politisch stehen zwar immer wieder besondere Tatbestände im Blickfeld, so in den 1990er Jahren die Umweltdelikte oder derzeit die Korruption und das Vorgehen gegen Terrorismus. Damit kann man einige dringliche Problemkonstellationen erfassen, sollte jedoch die Weite möglicher Taten aus Unternehmen heraus nicht aus dem Blickfeld verlieren. Daher kommen als Anknüpfungstaten alle Ordnungswidrigkeiten- und Straftatbestände in Betracht. In Bezug auf die Erfassung von Auslandstaten kann auf die bestehenden Regelungen zurückgegriffen werden, die den Geltungsbereich deutschen Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts festlegen. Es ist bei einer Anknüpfung der Unternehmensverantwortlichkeit an die Taten von Mitarbeitern kein Grund ersichtlich, den ___________ Vgl. Art. 121-2 franz. CP. Vgl. § 3 Abs. 1 VbVG. 12 Vgl. Art. 24–26 D.Lgs. 231/2001. 13 Vgl. dazu Weigend/Namyslowska-Gabrysiak, ZStW 114 (2004), 541 (548). 14 Vgl. Art. 102 Abs. 2 schweiz. StGB, das die konkurrierende Unternehmenshaftung z.B. auf Geldwäsche und die Finanzierung von Terrorismus beschränkt. Anders die subsidiäre Unternehmenshaftung nach Art. 102 Abs. 1, die an alle Straftaten anknüpft, aber dafür voraussetzt, dass eine Tat keinem konkreten Täter zugerechnet werden kann. 10 11
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Geltungsbereich für Unternehmen enger oder weiter zu ziehen. Insoweit können Auslandstaten von Unternehmen verfolgt werden, wenn auch die Anknüpfungstat deutschem Recht unterliegt. VI. Notwendige Elemente der Anknüpfungstat Da die Bestimmung von Handlungs- und Schuldfähigkeit des Unternehmens im Ansatz auf der Anknüpfungstat beruht, muss diese als tatbestandsmäßige, rechtswidrige und schuldhafte Tat vorliegen. V. Kollektiver Kontext Mit der Anknüpfungstat ist nach der vorliegenden Konzeption nur der erste Schritt hin zu einer Verantwortlichkeit des Unternehmens getan. Der zweite Schritt besteht darin, den speziellen kollektiven Kontext der Anknüpfungstat abzubilden. Das Unternehmen ist nur dann verantwortlich, wenn die Tat Ausdruck eines defizitären Unternehmensklimas ist. Dieses spiegelt sich in der Nichtvornahme oder der mangelhaften Vornahme von Maßnahmen wider, die der Vermeidung und Aufdeckung von Rechtsverstößen dienen. Allerdings nur, wenn zureichende Maßnahmen die Anknüpfungstat verhindert hätten. Da der Nachweis einer solchen Verhinderung in der Praxis Probleme bereiten kann, ist auch als ausreichend anzusehen, wenn die Anknüpfungstat dadurch wesentlich erschwert worden wäre.15 Die als notwendig angesehenen Maßnahmen werden als Compliance-Programm bezeichnet. Damit ist ein Unternehmen nur verantwortlich, wenn es zum Zeitpunkt der Anknüpfungstat kein ausreichendes Compliance-Programm implementiert hat.16 Hier zeigt sich, dass sich der Compliance-Ansatz der regulierten Selbstregulierung optimal mit den Grundsätzen des Sanktionsrechts verbinden lässt. Bedarf es weiterer Elemente, um eine zu weite Verantwortlichkeit des Unternehmens für die Anknüpfungstat zu vermeiden? Der Rechtsvergleich zwischen Deutschland und den USA hat gezeigt, dass eine Reihe objektiver wie subjektiver Kriterien besteht, um eine Beschränkung zu erreichen. Die wichtigste Beschränkungsfunktion liegt in beiden Ländern darin, Taten auszuscheiden, die Mitarbeiter zwar im Unternehmen und aus diesem heraus begehen, die jedoch nur zufällig in Zusammenhang mit dem Unternehmen begangen werden. Da solche Taten weder in Bezug zur Macht noch zum Risikopotential des Unternehmens stehen, ist sicherzustellen, dass ein Unternehmen in diesen Fällen nicht belangt wird. In den USA wird auf das Element „im Rahmen des Beschäftigungsverhältnisses“ abgestellt, in Deutschland zeigt dies das Wort „als“ an. Beide Formulierungen müssen jeweils ___________ 15 Damit wird ein bei § 130 OWiG anerkannter Weg übernommen, der wesentliche Gesichtspunkte der Risikoerhöhungslehre aufgreift. Vgl. auch § 3 Abs. 3 Nr. 2 VbVG. 16 Zur Konkretisierung der Compliance-Maßnahmen siehe unten S. 711 ff.
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5. Kapitel: Rechtspolitische Schlussbetrachtungen
durch Auslegung mit Gehalt gefüllt werden, da eine generalisierende Abgrenzung der unterschiedlichen Konstellationen „privaten“ Verhaltens kaum möglich ist. Ausreichend erscheint vorliegend, einen Bezug zum Unternehmen durch den Hinweis „als Unternehmensmitglied“ herzustellen und somit eine Einzelbeurteilung zu ermöglichen. Weiterer Einschränkungen bedarf es nach der vorliegenden Konzeption nicht. Vor allem ist weder eine besondere Bereicherung des Unternehmens noch die Verletzung betriebsbezogener Pflichten erforderlich. Die Bereicherung, sei sie erfolgt oder nur angestrebt, ist nicht geeignet, ein besonderes Unrecht des Unternehmens zu kennzeichnen. Soweit einem Unternehmen Vorteile aufgrund einer Tat zugeflossen sind, ist dies ein typischer Fall der Abschöpfung und allein unter diesem Aspekt zu regeln. Die Verletzung betriebsbezogener Pflichten kann schon aufgrund der vagen Bestimmung dieser Pflichten nicht als Kriterium dienen. Angesichts der Breite von Betätigungsfeldern von Unternehmen lässt sich eine konkrete Festlegung solcher Pflichten ohnehin nicht erreichen. Soweit dieses Merkmal zur Ausgrenzung „privaten“ Handelns von Mitarbeitern gedacht ist, ist es nicht notwendig, da über die Bezeichnung „als Unternehmensmitglied“ eine ausreichende Filterwirkung erreicht wird. Zu überlegen ist, ob sich für verschiedene Führungsebenen unterschiedliche Voraussetzungen ergeben, insbesondere ob das Unternehmen für Taten von Führungskräften unter erleichterten Umständen belangt werden kann.17 Dieser Weg ist aber letztlich nicht überzeugend, da allein durch die Tatsache, dass eine Führungsperson handelt, kein spezifisches Unternehmensunrecht zutage tritt. Denn auch bei Führungspersonen ergibt sich das Unrecht aus der Betrachtung der Tat im Hinblick auf das defizitäre Unternehmensklima, also die unzureichenden Compliance-Maßnahmen. Innerhalb dieser ist aber durchaus zu berücksichtigen, dass einerseits nur Führungspersonen die Aufgabe und Möglichkeit zur Umsetzung von ComplianceMaßnahmen haben und zum anderen, dass eine Kontrolle umso schwieriger wird, je höhergestellt die Führungsperson ist. Insoweit kommt es darauf an, ComplianceMaßnahmen so zu bestimmen, dass auch die Handlungen von Führungspersonen ausreichend erfasst werden.18 Wenn also ein Compliance-Programm nur für nieder___________ Dieser Weg wurde vereinzelt im Ausland gewählt, so z.B. in Italien und Österreich. Sollte die weitere Entwicklung aber zeigen, dass für Führungspersonen keine geeigneten Compliance-Maßnahmen ergriffen werden können, dann ist der Ansatz weiter zu verfolgen, der eine Belangung von Führungspersonen unter erleichterten Bedingungen erlaubt. Hier kann das an europäische Ideen anknüpfende Modell Österreichs als Vorlage dienen, das Unternehmen allein bei Vorliegen einer Tat einer Führungsperson belangt (§ 3 Abs. 2 VbVG). Das würde bedeuten, dass jedes Handeln einer Führungsperson per se als Ausdruck eines defizitären Unternehmensklimas gewertet wird, also im Ergebnis dann allein der Zurechnungsansatz gewählt wird, wenn auch auf einer tragfähigeren Begründung. Ohne jedoch einen anderen Weg ernsthaft begangen zu haben, sollte eine solche Risikoverantwortlichkeit nicht eingeführt werden. Darüber hinaus kann bei der Strafbemessung die Stellung des Mitarbeiters besser – weil flexibler – je nach Position und 17
18
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rangigere Mitarbeiter konzipiert wird, ist ein solches Programm (mag es auch für diesen Bereich effektiv sein) nicht ausreichend für Führungspersonen, was folglich eine Verantwortlichkeit des Unternehmens begründet. Insgesamt ergibt sich damit:19 „Ein Unternehmen ist sanktionsrechtlich verantwortlich, wenn eine natürliche Person als Unternehmensmitglied eine tatbestandsmäßige, rechtswidrige und schuldhafte Tat begeht, die durch zureichende unternehmensinterne Maßnahmen zur Prävention und Aufdeckung von Taten (Compliance-Programm) verhindert oder wesentlich erschwert worden wäre.“ Für die Beantwortung der Frage, ob die Tat bei bereits vorhandenen Compliance-Maßnahmen durch weitere Compliance-Maßnahmen verhindert oder wesentlich erschwert worden wäre, ist zentral, ob die Tat des Mitarbeiters ein nicht voraussehbarer „Ausreißer“ oder Kennzeichen eines größeren Defizits des Programms war. Es geht in dieser Hinsicht vor allem dann darum, ob die konkrete Tat vorhersehbar war und damit in die Planung des Programms hätte einbezogen werden müssen. Als Anforderungen an die Vorhersehbarkeit der Tat wird man nicht generell eine neue Auslegung wählen müssen, sondern in weitem Umfang auf die Konkretisierungen und die Erfahrungen im Rahmen der Fahrlässigkeit zurückgreifen können.20 Der hier vorgeschlagene Weg wurde teilweise auch im Ausland gegangen. So wurde in Australien im Jahr 2001 die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen in das Strafgesetzbuch aufgenommen.21 Soweit ein Tatbestand knowledge oder recklessness erfordert, werden diese Elemente u.a. als gegeben erachtet, wenn das Unternehmen die Rechtseinhaltung nicht durch besondere Maßnahmen gefördert hat.22 Compliance-
____________ Aufgabenbereich einbezogen werden. Auch ist hier möglich differenziert einzubeziehen, ob die Tat durch Führungspersonen besonders erleichtert, gefördert etc. wurde. 19 Vorliegend wurde darauf verzichtet, die Verantwortlichkeit in positiver Hinsicht zu formulieren (also: Ein Unternehmen ist sanktionsrechtlich verantwortlich, wenn eine natürliche Person als Unternehmensmitglied eine Straftat begeht, die durch unzureichende unternehmensinterne Maßnahmen zur Prävention und Aufdeckung von Taten [ComplianceMaßnahmen] ermöglicht oder wesentlich erleichtert wurde.). Diesen Weg haben zwar das VbVG (§ 3 Abs. 3 Nr. 2) und das Zweite Protokoll aufgrund von Artikel K 3 des Vertrages der Europäischen Union (Art. 3 Abs. 2) gewählt. Allerdings bereitet dieser Ansatz Nachweisprobleme, wenn nicht vorhandene Maßnahmen einen realen Akt ermöglicht haben sollen, vgl. auch Boller, Verantwortlichkeit, S. 179 ff. 20 So wird man darauf abstellen müssen, was von einem durchschnittlichen Unternehmen dieser Größe in diesem Geschäftsfeld zu erwarten ist und ob die geschehene Straftat den gesamten Umständen nach erkennbar war. Vgl. zu den Anforderungen der Fahrlässigkeit z.B. Sch/Sch-Cramer/Sternberg-Lieben, § 15 Rn. 133 ff., 199 ff. 21 Vgl. Part 2.5 sec. 12 Australian Criminal Code. 22 Vgl. Part 2.5 sec. 12.3 (2) (d) Australian Criminal Code. Die Regelung geht von der aus dem englischen Recht stammenden Unterteilung der Straftat in actus reus und mens rea aus und definiert diese beiden Elemente eigenständig im Hinblick auf eine Begehung durch Unternehmen.
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5. Kapitel: Rechtspolitische Schlussbetrachtungen
Maßnahmen wirken sich somit unmittelbar im Tatbestand aus. Für die Erstellung von Compliance-Programmen wurden eigene Standards festgelegt.23 Die italienische Regelung knüpft die Verantwortlichkeit des Unternehmens an der Begehung einer Tat eines Mitarbeiters an.24 Die Taten waren zunächst auf Korruptionsdelikte und ähnliche Taten beschränkt, wurden inzwischen aber ausgedehnt und 2008 auch auf bestimmte Fahrlässigkeitstaten erstreckt. Eine Ausdehnung auf alle Straftaten ist bislang nicht erfolgt. Die Regelung sieht Compliance-Programme als Möglichkeit zum Ausschluss der Verantwortlichkeit des Unternehmens vor.25 Vorbild für diesen Ansatz war das Recht der USA.26 Zur Entlastung kann ein Programm wie in den USA aber nur dann führen, wenn es wirksam war.27 Die in Österreich im Jahr 2006 im Verbandsverantwortlichkeitsgesetz geschaffene strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen knüpft ebenfalls an Straftaten von Unternehmensmitarbeitern an. Soweit die Mitarbeiter keine Führungspersonen sind,28 ist das Unternehmen nur verantwortlich, wenn zudem Führungspersonen durch einen Sorgfaltsmangel (insbesondere das Unterlassen notwendiger Maßnahmen) die Tat ermöglicht oder wesentlich erleichtert haben.29 Diese Erleichterung wird vor allem im Unterlassen notwendiger Maßnahmen gesehen, sodass hier materiell auf den Compliance-Ansatz Bezug genommen wird. In der Schweiz liegt eine Verantwortlichkeit des Unternehmens für Taten der Mitarbeiter vor, wenn es nicht „alle erforderlichen und zumutbaren organisatorischen Vorkehren getroffen hat, solche Straftat zu verhindern“.30 Damit nimmt auch diese Regelung Elemente des Compliance-Ansatzes auf, ist allerdings auf organisatorische Maßnahmen zentriert. Die Thematik Compliance und Sanktionsrecht ist nicht nur bei bereits erfolgten Reformen, sondern auch bei Reformüberlegungen von Relevanz. So wird derzeit beispielsweise in Japan geprüft, inwieweit sich eine strafrechtliche Regulierung von Unternehmen mit Compliance-Aspekten verknüpfen lässt.31
____________ 23 Vgl. Australian StandardTM Compliance programs AS 3806-2006. Der Standard wurde von privater Seite unter staatlicher Beteiligung erstellt. 24 Art. 5-7 D.Lgs. 231/2001. Siehe auch bereits Anm. 73. 25 Art. 6-7 D.Lgs. 231/2001. 26 Castaldo, wistra 2006, 361 (364 f.); Farina, in: DACH (Hrsg.), Unternehmensstrafrecht, S. 85 (103). 27 Die Standards für ein Programm sind unterschiedlich, je nachdem, ob ein Vorgesetzter oder ein Untergebener die Straftat begangen hat. Bei Straftaten von Vorgesetzten muss das Unternehmen beweisen, dass das Programm wirksam gewesen ist. Bei Straftaten von Untergebenen muss grundsätzlich die Strafverfolgungsbehörde die Unwirksamkeit beweisen, wobei allerdings Compliance-Programme nur als Ausschlussgrund der Verantwortlichkeit und nicht als unmittelbare materielle Zurechnungsvoraussetzung geregelt sind. 28 Für Taten von Führungspersonen ist das Unternehmen ohne weitere Voraussetzungen verantwortlich, § 3 Abs. 2 VbVG. 29 Vgl. § 3 Abs. 3 VbVG. 30 Art. 102 StGB (CH). 31 Vgl. Sieber, FS-Tiedemann, S. 449 (450) sowie den Tagungsband des 21st Century Center of Excellence-Waseda Institute for Corporation Law and Society (COE), International Symposium on Corporate Crime – The Relationship Between the Compliance Programs and Legal Responsibilities of Japanese Corporations, The International Standard on Compliance and Japanese Corporation Law and Society, Tokyo Januar 2007 (hektografiert).
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C. Konkurrenzen Im Rahmen der Konkurrenzen sind mehrere Konstellationen zu unterscheiden. Zunächst kann ein Unternehmensmitglied mehrere Tatbestände verwirklichen. Dieser Fall ist unproblematisch. Wie der Mitarbeiter verwirklicht das Unternehmen mehrere Tatbestände. Jedoch kann hier durch Heranziehung der §§ 52 ff. StGB bzw. §§ 19, 20 OWiG eine den geltenden Konkurrenzregeln entsprechende Lösung gefunden und somit die Bildung einer einheitlichen Strafe ermöglicht werden.32 Unproblematisch ist auch der Fall, dass verschiedene Unternehmensmitglieder unabhängig voneinander Taten begehen, die auf unterschiedlichen Defiziten im Unternehmen beruhen. Hier werden gegen das Unternehmen mehrere Einzelstrafen verhängt, die zu einer Gesamtstrafe zusammengefasst werden können. Eine besondere Regelung ist allerdings für den Fall erforderlich, dass mehrere Unternehmensmitglieder Taten begehen, die auf demselben defizitären Unternehmensklima beruhen. Dies können Beteiligte einer Tat, aber auch Nebentäter sein. In diesem Fall liegt ein einheitlicher Kernvorwurf gegenüber dem Unternehmen vor. Die Anwendung der Vorschrift über die Tateinheit auch auf diese Konstellation ermöglicht ein sachgerechtes Ergebnis, indem nur auf eine Strafe erkannt wird. Die verschiedenen verwirklichten Anknüpfungstaten können dabei innerhalb des Strafrahmens entsprechend erschwerend berücksichtigt werden. D. Regelungsort Als Regelungsort für eine Verantwortlichkeit des Unternehmens bieten sich zunächst das StGB und das OWiG an. Damit würde eine Regelung im Kernbereich des Sanktionsrechts erfolgen und insbesondere eine Integration in den jeweiligen Allgemeinen Teil möglich sein. Der Vorteil dieses Weges liegt in der klaren Sichtbarkeit der Regelungen und in ihrer dogmatischen Aufarbeitung. Die überwiegende Anzahl von Kommentierungen beschäftigt sich allein mit dem StGB oder entsprechend dem OWiG. Die Verankerung der Umweltdelikte im StGB hat gezeigt, dass damit eine intensive Durchdringung einer Rechtsmaterie erreicht werden kann, die im Nebenstrafrecht und -ordnungswidrigkeitenrecht nicht vorhanden ist. Auch wenn diese Vorteile gesehen werden, so wird vorliegend dennoch eine Regelung außerhalb des StGB und OWiG in einem eigenen Gesetz für vorzugswürdig gehalten. Damit lässt sich wie beim VStGB ein Bereich abgeschlossen und in sich konsistent regeln.33 Klargestellt wäre damit auch, dass Individual- und Unternehmenssanktionsrecht nicht identisch, sondern als jeweils eigene Instrumentarien zu ____________ 32 Diese Lösung wird im geltenden Recht auch bereits für § 30 OWiG gewählt, vgl. oben S. 442. 33 Als Beispiele aus dem Ausland können hier Österreich (VbVG) oder Italien (D.Lgs. 231/2001) dienen.
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5. Kapitel: Rechtspolitische Schlussbetrachtungen
sehen sind. Ermöglicht wird damit auch straf- und ordnungswidrigkeitenrechtliche Regelungen zusammen zu erfassen und Besonderheiten für das Verfahrensrecht einzubeziehen. Insoweit wird hier vorgeschlagen, den Weg eines eigenständigen „Unternehmenssanktionsgesetzes“ zu beschreiten.34
____________ 34
Siehe zum Gesetzentwurf unten S. 720 ff.
§ 26 Sanktionen gegen Unternehmen Im Folgenden wird näher auf mögliche Sanktionen gegen Unternehmen eingegangen. Die Ausführungen zur regulierten Selbstregulierung haben gezeigt, dass neben der Berücksichtigung von Compliance bei der Frage der Verantwortlichkeit vor allem im Sanktionsbereich Ansatzpunkte für eine verstärkte Einbeziehung von Compliance-Maßnahmen vorhanden sind. Dieser Aspekt wird bei den einzelnen Sanktionen berücksichtigt. Die Bestimmung der Sanktionen und ihre Ausgestaltung erfolgen in Bezug auf die oben dargelegten Strafzwecke.1 Das Schuldprinzip in Verbindung mit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip bildet dabei die Grenze für das Höchstmaß der Strafe.2 A. Monetäre Sanktionen Eine monetäre Sanktion stellt zunächst den Ausgangspunkt von Sanktionen gegen Unternehmen dar. Die monetäre Sanktion entspricht dem wirtschaftlichen Kontext, in dem Unternehmen agieren. Sie entspricht auch der in der Praxis bedeutendsten Sanktion im deutschen Recht, die sowohl das Strafrecht mit der Geldstrafe als auch das Ordnungswidrigkeitenrecht mit der Geldbuße bereits kennt. Von ihrer Funktion her kann sie wie bei natürlichen Personen general- und spezialpräventive Zwecke erfüllen. Dementsprechend ist für Unternehmen auf strafrechtlicher Ebene eine Geldstrafe und auf ordnungswidrigkeitenrechtlicher Ebene eine Geldbuße vorzusehen. Die zentrale Frage ist dabei, wie die Sanktion zu bemessen ist. Ausgangspunkt sollte dabei der Tatbestand sein, der deutlich macht, welche Sanktion der Gesetzgeber für das konkret normierte Unrecht im Blick hat. Dies wird bei § 30 OWiG im Fall der Anknüpfung an eine Straftat bislang nicht berücksichtigt, da pauschalisiert für alle Straftaten der gleiche Höchstbetrag gilt und nur nach Vorsatz- und Fahrlässigkeitsdelikten getrennt wird. Unberücksichtigt bleibt – dies gilt ebenso für das amerikanische Recht – bislang weitgehend auch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Unternehmens. Es wird bei § 30 OWiG mit einem pauschalen Höchstsatz gearbeitet, der gegenüber wirtschaftlich leistungsfähigen Unternehmen kaum von ausreichender Höhe ist, um eine spürbare Sanktion zu verhängen. Es spricht daher viel dafür, für eine monetäre Sanktion ein Tagessatzsystem einzuführen. Dieser Weg wurde auch in Österreich gewählt.3 Einschränkend ist allerdings zu konstatieren, dass diese Lösung derzeit ohne größere Probleme nur im Strafrecht verwirklichbar ist, da im Ordnungswidrigkeitenrecht auch für natürliche Personen nur eine Höchstgeldbuße vorgesehen ist. Dieser Unterschied, der die Sanktions____________ 1 2 3
Vgl. oben S. 660 ff. Vgl. oben S. 665. Vgl. § 4 VbVG.
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5. Kapitel: Rechtspolitische Schlussbetrachtungen
bemessung vor allem verfahrensrechtlich erleichtert, ist aber angesichts der graduellen Abstufung von Strafrecht und Ordnungswidrigkeitenrecht gerechtfertigt. Für das Ordnungswidrigkeitenrecht wird daher an die derzeitige Regelung des § 30 OWiG angeknüpft.4 Das Tagessatzsystem der Geldstrafe sollte eine breite Differenzierung erlauben und so bemessen sein, dass gegen Unternehmen eine spürbare Sanktion verhängt werden kann. Dies ist nur bedingt aus Gründen der negativen Generalprävention gerechtfertigt,5 aber aus spezialpräventiven Erwägungen der Abschreckung zu befürworten. Insoweit sind Tagessatzhöhen zu wählen, die entsprechend hohe Sanktionen zulassen, beispielsweise von 100 bis 50.000 Euro.6 Der Tagessatz hat sich an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Unternehmens zu orientieren.7 In Analogie zu den Nettoeinnahmen bei natürlichen Personen kann man bei der Bestimmung vom durchschnittlichen Jahresgewinn der letzten drei Jahre ausgehen (um Schwankungen auszugleichen). Ansonsten ist vom frei verfügbaren Vermögen auszugehen, insbesondere bei Unternehmen ohne Gewinnerzielungsabsicht. Die Mindestzahl der Tagessätze kann wie bei natürlichen Personen bei fünf angesetzt werden. Ihre Höchstzahl ergibt sich anhand des jeweiligen Tatbestands, wobei hier die Referenzgröße der maximalen Freiheitsstrafe in Tagessätze umzurechnen ist. Die Umrechnungsnorm ist in Anlehnung an §§ 43 Satz 2, 47 Abs. 2 Satz 2 a.E. StGB zu regeln. Damit ergibt sich eine minimale Strafe von 500 Euro und eine maximale von 270 Mio. Euro. Um sicherzustellen, dass eine Geldstrafe nicht zur Insolvenz des Unternehmens führt, ist eine Flexibilisierung der Zahlungspflicht (ähnlich § 42 StGB) vorzusehen. Eine weitergehende Regelung in Bezug auf die Höhe des Tagessatzes erscheint angebracht, um klarzustellen, dass die Höhe des Tagessatzes so zu wählen ist, dass eine Insolvenz nicht allein durch die Verhängung der Geldstrafe herbeigeführt wird. Insoweit werden unverhältnismäßige Eingriffe in das Unternehmen vermieden und ausgeschlossen, dass eine Geldstrafe faktisch die Auflösung des Unternehmens zur Folge hat. Der Fortbestand des Unternehmens ist hier höher zu bewerten als die Verhängung einer staatlichen Sanktion. ____________ 4 Lediglich der Mindestbetrag wird mit 50 Euro höher als bisher angesetzt. Mit der Anknüpfung am bestehenden System werden auch die bisherigen Sanktionsobergrenzen übernommen. Diese werden vorliegend als teilweise deutlich zu niedrig angesehen, um auch gegenüber wirtschaftlich starken Unternehmen eine spürbare Sanktion zu verhängen, und sollten daher erhöht werden. 5 Vgl. bereits krit. dazu oben S. 661. Vgl. aber auch die Aussage eines Managers bei Isemann, 37 Alb. L. Rev. (1972-73), S. 61 (62), Anm. 9, der angab, dass die Strafe so hoch sein müsse, dass sich Compliance mehr lohne als der Verstoß gegen die Vorschrift. 6 Damit liegt der Höchstwert um 20.000 Euro über dem (geplanten) für natürliche Personen von 30.000 Euro. 7 In Österreich ermittelt sich der Tagessatz nach dem neu eingeführten Kriterium des „Jahresertrages“. Hiermit ist jedoch keine klar inhaltliche Festlegung verbunden, vgl. krit. Boller, Verantwortlichkeit, S. 214 ff.
§ 26 Sanktionen gegen Unternehmen
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Für die konkrete Sanktionsbemessung ist zu überlegen, ob nicht ein Richtliniensystem zu etablieren ist.8 Der Blick auf die amerikanischen Strafzumessungsrichtlinien zeigt jedoch, dass ein verpflichtendes System, das die Sanktionsbemessung strukturiert, äußerst komplex sein muss, um die unterschiedlichen Konstellationen zu erfassen. Es ist damit auch nur schwer praxistauglich. Zudem entstehen verfassungsrechtliche Probleme, wenn der Bereich, der in die originäre Kompetenz der Richter als dritte Gewalt fällt, stark eingeengt wird. Es erscheint daher wenig empfehlenswert, ein verpflichtendes und detailliertes System zur Sanktionsbemessung zu entwickeln. Allerdings ist ein Vorteil der amerikanischen Strafzumessungsrichtlinien auch unverkennbar: Sie geben Hilfestellung, welche Faktoren einzubeziehen und wie diese grundsätzlich zu bewerten sind. Dieser Aspekt wäre auch für das deutsche Recht von großem Nutzen, da für die Sanktionsbemessung bei § 30 OWiG nur sehr wenige Anhaltspunkte bestehen. Insoweit wird hier vorgeschlagen, die Sanktionsbemessung durch die Vorgabe möglicher relevanter Aspekte zu erleichtern, der Sanktionsbehörde jedoch zu überlassen, welche im Einzelfall konkret aufzunehmen und wie diese zu gewichten sind. Grundsätzlich ist die Schuld des Unternehmens die Basis für die Bemessung der Sanktion. Diese beurteilt sich insbesondere danach, in welchem Maße die Anknüpfungstat als Ausdruck eines defizitären Unternehmensklimas zu werten ist. Der Bemessungsvorgang erfolgt wie bei natürlichen Personen durch eine Abwägung mildernder und erschwerender Umstände. Um eine Doppelverwertung auszuschließen, sind Umstände, die Merkmale des gesetzlichen Tatbestands sind, nicht zu berücksichtigen. Dies gilt gleichermaßen für Umstände, die bereits die Höhe des Tagessatzes bestimmen. Als erschwerende Umstände kommen mehrere Faktoren in Betracht. Zum einen, wenn das Unternehmen besondere oder besonders hohe Vorteile aus der Tat gezogen hat. Zum anderen, wenn das Unternehmen durch die Tat einen besonders hohen Schaden erlitten hat oder dieser besonders weitreichend ist. Hier kann auch berücksichtigt werden, wenn beim Täter der Anknüpfungstat besondere Vorsatzformen oder ein gesteigerter Grad der Fahrlässigkeit vorliegen und diese nicht Ausdruck seiner Person sind, sondern auf unternehmensinterne Ursachen zurückzuführen sind. Darüber hinaus können einzelne Faktoren zeigen, dass im Unternehmen ein besonders defizitäres Unternehmensklima geherrscht hat. Dies kann (muss aber nicht) darin liegen, dass der Täter der Anknüpfungstat selbst eine Führungsperson ist. Es kann aber auch sein, dass die Tat in bedeutendem Umfang durch Führungspersonen gefördert wurde oder diese daran beteiligt waren. Als besonders schwerwiegend ist einzustufen, dass ein Unternehmen ein Compliance-Programm erstellt, das der reinen Verdeckung von Taten dient, um gegenüber Behörden und der Öffentlichkeit den Anschein der Rechtmäßigkeit zu erwecken. Gravierend ist auch, wenn ein Compliance-Programm so offensichtliche Mängel aufweist, dass es nicht ____________ 8
Dafür bspw. Reichert, Intersubjektivität, S. 249 ff.
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5. Kapitel: Rechtspolitische Schlussbetrachtungen
wirksam sein kann (z.B. eine Compliance-Abteilung mit fünf Mitarbeitern für einen Weltkonzern einzurichten). Als letzter Punkt können relevante Vorstrafen erschwerend berücksichtigt werden. Diese müssen sich aber auf einschlägige Tatbestände beziehen (wiederholter Vorfall von Korruption) und/oder Ausdruck des gleichen defizitären Unternehmensklimas sein. Als mildernder Umstand kommt zunächst das Vorhandensein eines ComplianceProgramms oder von dessen Teilen in Betracht. Voraussetzung ist dabei einerseits, dass das Programm nicht vollkommen effektiv war, da es ansonsten bereits zum Ausschluss der Verantwortlichkeit geführt hätte. Zum anderen müssen die Compliance-Bemühungen ernsthaft auf die Errichtung eines solchen Programms bezogen gewesen sein. Ist dies aber zu bejahen, dann kann flexibel bewertet werden, inwieweit ein Unternehmen sich um die Rechtseinhaltung bemüht hat. Somit wird auch ein Anreiz gesetzt, zumindest in Teilen oder für besondere Risikobereiche ein Compliance-Programm zu errichten. Darüber hinaus ist positiv zu bewerten, dass ein Unternehmen freiwillig substantiell zur Aufklärung der Tat beigetragen hat. Dies ist insbesondere bei komplizierten Sachverhalten, Unternehmensstrukturen etc. eine große Erleichterung für die Verfolgungsbehörden, um den Sachverhalt aufzuarbeiten. Angesichts der derzeitigen Entwicklung in der Praxis in Deutschland, vor allem aber in den USA, ist allerdings zu betonen, dass dieser Punkt nicht dafür missbraucht werden darf, Druck auf Unternehmen auszuüben, schon gar nicht mit der Drohung, mangelnde Kooperation erschwerend zu berücksichtigen.9 Zudem darf die Kooperation nicht so stark positiv gewichtet sein, dass der durch Compliance-Programme gesetzte Anreiz völlig unterlaufen wird. Neben der Beihilfe zur Aufklärung der Tat ist mildernd einzubeziehen, wenn Unternehmen Verantwortung für die Tat übernehmen. Dies entspricht dem Geständnis bei natürlichen Personen. Besonders deutlich werden kann die Verantwortungsübernahme, wenn das Unternehmen freiwillig Wiedergutmachung für die Folgen der Tat leistet. Als weiteres Nachtatverhalten ist zu berücksichtigen, ob das Unternehmen freiwillig Maßnahmen ergriffen hat, um zukünftig ähnliche Taten zu verhindern, insbesondere dadurch, dass es ein Compliance-Programm erstellt oder das bestehende verbessert. In die Sanktionsbemessung kann einfließen, dass aus anderen Gründen dem Unternehmen bereits erhebliche (rechtliche) Nachteile entstanden sind. Dies kann beispielsweise die Sanktionierung in anderen Ländern sein, sodass eine „Gesamtsanktion“ bestimmt werden kann. Einen besonders mildernden Umstand stellt schließlich die Förderung der Tat durch nationale oder supranationale Behörden oder geltende Vorschriften dar. Ein solcher Fall ist angesichts vieler sich über____________ 9 Dies würde wichtige prozessuale Rechte des Unternehmens konterkarieren, vgl. dazu unten S. 704 ff.
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schneidender Vorschriften oftmals nicht zu vermeiden, darf aber grundsätzlich nicht dem Unternehmen angelastet werden. B. Compliance-Sanktion Kern des Vorwurfs gegen ein Unternehmen ist das defizitäre Betriebsklima, das die Begehung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten durch Unternehmensmitglieder erst möglich macht. Ziel der Sanktion sollte daher sein, den Mangel zu beseitigen. Diese Zielsetzung erfüllt mehrere Strafzwecke: den Schutz der Öffentlichkeit vor weiteren Rechtsgutsverletzungen aus dem Unternehmen heraus, die Abschreckung der Mitarbeiter vor weiteren Taten, vor allem aber die Resozialisierung des Unternehmens. Die Geldstrafe kann diese Strafzwecke mit ihrem monetären Mechanismus nicht oder nur bedingt erfüllen. Eine entsprechende Sanktion, die unmittelbar in die Strukturen des Unternehmens eingreift, ist grundsätzlich nicht unverhältnismäßig. Wie der Überblick zu Selbstregulierung und Regulierung gezeigt hat, ist eine Sanktion zur Reform des Unternehmens das Steuerungsmittel, wenn ein Unternehmen weder von sich aus agiert noch die verschiedenen Anreizsetzungen wahrgenommen hat. Sie setzt also an, wenn ein Unternehmen trotz bestehender Notwendigkeit untätig geblieben ist. Als Steuerungsmittel ist sie gegenüber einer allgemeinen Compliance-Verpflichtung auch vorzugswürdig, da sie nicht alle Unternehmen gleichermaßen trifft. Die Sanktion zur Reform des Unternehmens reicht in andere Rechtsbereiche hinein, insbesondere in das Zivil- und Verwaltungsrecht. Da diese Rechtsgebiete aber mangels allgemeiner Compliance-Verpflichtungen keinerlei Durchsetzungsmechanismen bieten, ist dieses Übergreifen nicht bedenklich. Es ist vielmehr gerade Ausdruck dessen, dass die Sanktion nur Teil eines umfassenderen Compliance-Ansatzes der Rechtsordnung ist, der der Rechtseinhaltung im Unternehmen dient. Soweit in Einzelpunkten Überschneidungen zur Tätigkeit staatlicher Behörden möglich sind (wie z.B. zur BaFin im Bereich der Bekämpfung von Insiderhandel), ist dies ebenfalls nicht bedenklich. Die sanktionsrechtliche Seite ergänzt als punktuelle Maßnahme die dauerhafte Aufgabe der Behörde. Es ist innerhalb des Rechtssystems durchaus möglich, dass die gleichen Maßnahmen für unterschiedliche Zwecke und verschiedene Verfahren zur Verfügung gestellt werden. In diesem Fall ist lediglich notwendig, widersprüchliche Entscheidungen zu vermeiden. Als Kernelement einer Sanktion zur Reform des Unternehmens bietet sich die Verpflichtung zur Erstellung und Umsetzung eines Compliance-Programms an. Diese Sanktion ist damit genau die Kehrseite des kollektiven Vorwurfs an das Unternehmen. Die Verpflichtung sollte nicht nur als eine Nebenfolge geregelt werden, sondern als echte Hauptfolge. Da diese Sanktion einschneidende Auswirkungen hat, ist sie allerdings auf den Bereich des Strafrechts zu begrenzen (ComplianceStrafe). Dies entspricht auch der deutschen Gesetzessystematik, die nur im Strafrecht verschiedene Formen der Strafen kennt, im Ordnungswidrigkeitenrecht je-
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5. Kapitel: Rechtspolitische Schlussbetrachtungen
doch allein die Geldbuße. Damit wird auch der graduelle Unterschied zwischen der Begehung einer Straftat und der einer Ordnungswidrigkeit betont. Zudem bestehen Bedenken, einen derartigen Eingriff in Unternehmen durch Verwaltungsbehörden außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens zuzulassen. Die Sanktion zur Reform des Unternehmens sollte genügend Flexibilität für den Richter aufweisen, um den verschiedenen Konstellationen gerecht zu werden. Sie muss zunächst immer an dem in der Anknüpfungstat zutage tretenden Mangel anknüpfen, da genau dieser Ausgangs- und Legitimationspunkt der Sanktion ist. Sodann ist zu prüfen, ob die Lage im Unternehmen durch einzelne ComplianceMaßnahmen verbessert werden kann oder ob wegen der umfassenden Defizite die Erstellung eines Gesamtprogramms notwendig erscheint. Auch kann der Detaillierungsgrad zur Vorgabe des Programms deutlich unterschiedlich ausfallen und zwischen allgemeineren Zielvorgaben, die dem Unternehmen viel Flexibilität lassen, und konkreten Einzelvorgaben liegen. Letztlich kann das Gericht auch auf konkrete Vorgaben verzichten und das Unternehmen lediglich verpflichten, ein den gesetzlichen Vorgaben entsprechendes Compliance-Programm zu erstellen und umzusetzen. Hinsichtlich der Umsetzung der Sanktion bestehen verschiedene Möglichkeiten. Insbesondere können Berichtspflichten (an die Vollstreckungsbehörde) und Prüfungspflichten (z.B. durch externe Kontrolleure) vorgesehen werden, um die Umsetzungsschritte zu dokumentieren und festzustellen. Zur dauerhaften Überwachung der Umsetzung empfiehlt es sich, das Unternehmen zu verpflichten, einen externen Überwacher (Compliance-Monitor) zu bestellen. C. Auflösung Eine Auflösung des Unternehmens ist die stärkste mögliche Sanktion. Diese muss daher am stärksten Schuldvorwurf anknüpfen. Vom Gesichtpunkt der organisationspsychologischen Unternehmensschuld aus ist die maximal mögliche Schuld die, dass ein Unternehmen von der Struktur per se auf die fortgesetzte Begehung von Rechtsbrüchen ausgelegt ist. Im Fall solch maximaler Schuld ist die Auflösung gerechtfertigt. Erreicht wird damit der Zweck des ultimativen Schutzes der Öffentlichkeit vor diesem Unternehmen. Allerdings gilt bei der Auflösung wie bei der Reformverpflichtung, dass diese dem Strafrecht mit einem Verfahren vor dem Richter vorbehalten sein muss und nicht durch Verwaltungsbehörden erfolgen können sollte. Aufgelöst werden können damit nur Unternehmen, die zum Zweck die Begehung von Straftaten haben, also kriminelle Vereinigungen im Sinne von § 129 StGB sind. Die Konkurrenz zu anderen Auflösungsvorschriften (z.B. § 3 VereinsG10) ist unproblematisch, da das ____________ 10 Diese Auflösungsvorschriften sind im Fall der fortgesetzten Begehung von Ordnungswidrigkeiten relevant.
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Unternehmen nicht schutzwürdig ist und die Verdopplung der Auflösungsmöglichkeiten den Schutz der Öffentlichkeit erhöht. Mit der Anknüpfung an Straftaten sind sachlich ohnehin die Behörden der Strafrechtspflege die idealen Sanktionsstellen. D. Auflagen und Weisungen Neben der Verpflichtung, Compliance-Vorgaben umzusetzen, besteht wenig Raum dafür, dem Unternehmen spezielle Auflagen oder Weisungen zu erteilen. Soweit strukturelle Defizite vorhanden sind, können diese bis ins Detail über Compliance-Vorgaben erfasst werden. Für weitergehende Auflagen besteht in diesem Punkt kein Bedarf. Allenfalls ist zu überlegen, ob in Anlehnung an § 56b StGB weitere Auflagen infrage kommen. Diese setzen aber voraus, dass die eigentliche Strafe zur Bewährung ausgesetzt wird. Neben der Geldstrafe und den Compliance-Vorgaben erscheint es daher nicht angebracht, dem Staat oder Dritten weitere – insbesondere monetäre – Sanktionen aufzuerlegen. Entsprechende Erwägungen gelten für Weisungen. E. Aussetzung zur Bewährung Da zahlreiche Unternehmen in der Öffentlichkeit stehen, ist für diese oftmals bereits die Tatsache, dass staatliche Ermittlungen stattfinden, Anlass, entschieden gegen Vorfälle vorzugehen. Es kann daher sein, dass ein Unternehmen bereits umfangreiche Reformen ergriffen hat, wenn die Verfolgungsbehörde über eine Sanktionierung entscheidet. In diesen Fällen sollte es ermöglicht werden, dass zwar der Rechtsverstoß festgestellt und eine Sanktion festgelegt, aber die Sanktion zur Bewährung ausgesetzt wird. Das Institut der Strafaussetzung zur Bewährung im StGB kann als Beispiel für eine derartige Regelung dienen.11 Die Verurteilung mit der Auferlegung der Sanktion stellt klar, dass die Rechtsordnung dem Unternehmen einen Vorwurf macht, diesen auch sanktioniert, aber die Vollstreckung der Sanktion für die Normstabilisierung als nicht erforderlich ansieht. Die Aussetzung zur Bewährung ist allein auf die Geldstrafe zu beziehen. Neben der Anordnung von Compliance-Vorgaben ist sie nicht anzuwenden, da diese Anordnung nur ergehen soll, wenn es Defizite im Unternehmen gibt, die auch zu beseitigen sind. Jedoch kann die Aussetzung zur Bewährung in Bezug auf eine Geldstrafe erfolgen, die neben der Anordnung von Compliance-Vorgaben verhängt wird. Eine Integration der Aussetzung zur Bewährung in das Ordnungswidrigkeitenrecht ist nicht angezeigt, da dieses Institut dem OWiG gänzlich unbekannt ____________ 11 Funktional ähnlich auch § 59 StGB, der allerdings die Verhängung der Strafe selbst als entbehrlich ansieht, wenn eine Verwarnung ausreicht. Ggf. ist neben der Aussetzung zur Bewährung noch eine Verwarnung unter Strafvorbehalt aufzunehmen, die sich als noch milderes Mittel allein auf den Vorwurf und dessen öffentliche Kundmachung beschränkt.
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ist. Die Aussetzung zur Bewährung darf nicht bei einer zu hohen Geldstrafe verhängt werden, da ansonsten das in der Tat zutage tretende Unrecht zu groß ist. Die Grenze kann entsprechend der Regelung bei natürlichen Personen bei 360 Tagessätzen gezogen werden. Die Aussetzung zur Bewährung kann ausgesprochen werden, wenn anzunehmen ist, dass das Unternehmen auch ohne Vollstreckung der Geldstrafe keine weiteren Taten begeht, es zur Verteidigung der Rechtsordnung (also vor allem um Taten anderer Unternehmen entgegenzuwirken) nicht erforderlich ist sowie eine Gesamtwürdigung des Unternehmens und der Tat ergibt, dass die Vollstreckung entbehrlich ist. Wird die Geldstrafe zur Bewährung ausgesetzt, ist eine Bewährungszeit (z.B. bis zu drei Jahre) festzulegen, innerhalb derer das Unternehmen keine neuen Taten begehen darf. Zusätzlich können dem Unternehmen Auflagen und Weisungen erteilt werden. Diese sind an dieser Stelle sinnvoll, da sie eine Alternative zur eigentlichen Strafe darstellen. Eine Auflage kann hier die Zahlung einer Geldsumme an eine wohltätige Einrichtung sein, womit z.B. eine Art gesellschaftlich Wiedergutmachung erreicht wird, die insbesondere bei der Verletzung kollektiver Rechtsgüter angezeigt sein kann. Soweit individuelle Verletzte vorhanden sind, kann das Unternehmen angewiesen werden, Wiedergutmachung zu leisten. Dies erhöht den Umsetzungsdruck und steht dem jetzigen System des StGB nicht entgegen, da derartige Vorgaben in §§ 56b, 59a StGB bereits enthalten sind. Soweit das Unternehmen keine neue Tat begeht und den Auflagen und Weisungen nachkommt, wird die Geldstrafe nicht vollstreckt. Anderenfalls wird die Geldstrafe vollstreckt. F. Publizitätssanktionen (einschließlich Register) Die Publizität als Unternehmenssanktion hat prinzipiell keine Vorteile, die ihre Nachteile überwiegen würden. Sie wirkt als negative Publizität grundsätzlich monetär, da sie im Fall der Rufschädigung Auswirkungen auf den Umsatz hat und bietet damit kaum mehr Möglichkeiten als eine Geldsanktion. Allerdings ist die Auswirkung der Publizität kaum kalkulierbar: Sie kann gar nicht eintreten (dann ist sie nutzlos), besonders stark sein (dann ist sie unverhältnismäßig) oder sogar das Gegenteil durch die Erregung von Aufmerksamkeit bewirken (dann ist sie kostenlose staatliche Werbung für das Unternehmen). Aufgrund dieser Unkalkulierbarkeit ist grundsätzlich von einer solchen speziellen Sanktion abzusehen. Der Verzicht wiegt auch deswegen nicht so schwer, da im Strafrecht durch die Öffentlichkeit der Hauptverhandlung und die öffentliche Urteilsverkündung ausreichend Publizität gegeben ist. Es ist allenfalls zu fragen, ob nicht für das Ordnungswidrigkeitenrecht ebenfalls eine solche Möglichkeit geschaffen werden sollte. Das Bundeskartellamt setzt beispielsweise auf diese Öffentlichkeit. Eine solche Möglichkeit sollte jedoch nicht
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generell im Ordnungswidrigkeitenrecht geschaffen werden, sondern allein Bereichen vorbehalten sein, in denen Ordnungswidrigkeiten von großer Bedeutung sind. Dies betrifft das Kartellrecht, Entsprechendes kann für den Wertpapierhandel oder den Subventionsbereich gelten. Ohne gesetzliche Grundlage sollte eine solche Herstellung von Öffentlichkeit wegen der grundrechtsintensiven Wirkung aber nicht erfolgen. Zu überlegen ist jedoch, ob nicht die Veröffentlichung einer Verurteilung angebracht ist, um eine Information betroffener Opfer zu bewirken. Das amerikanische Recht sieht eine derartige Publikationspflicht explizit vor. In der Tat kann gerade bei einer Schädigung von sehr vielen Personen hier eine entsprechende Publikation die Opfer erreichen. Insoweit erscheint in diesem Ausnahmefall eine Verpflichtung zur Veröffentlichung z.B. in Tageszeitungen gerechtfertigt. Eine Konkurrenz zum Zivilrecht besteht nicht, da dieses kaum gleichartige Möglichkeiten vorsieht. Diese Verpflichtung würde auch keinen Systemwechsel hinsichtlich der Anerkennung der Wiedergutmachung als Sanktionszweck darstellen, da die Wiedergutmachung nur vorbereitet wird. Von daher lässt sie sich problemlos in das bestehende System integrieren. Notwendig erscheint diese Maßnahme in genereller Form nur für das Strafrecht, das die wichtigeren Rechtsgüter schützt. Soweit im Ordnungswidrigkeitenrecht eine Notwendigkeit zu bejahen ist, kann sektorspezifisch eine eigenständige Regelung getroffen werden. Eine gewisse Publizität ist darüber hinaus dadurch herzustellen, dass sanktionierte Unternehmen in einem speziellen Register erfasst werden. Dieses sollte nicht generell öffentlich sein, also nicht auch auf negative Publizität setzen. Die Zielsetzung eines Registers ist primär präventiv, um Registeranfrager über das Unternehmen zu informieren und so dessen Zuverlässigkeit bei bestimmten Vorgängen festzustellen. Dies ist beispielsweise für die Vergabe von Aufträgen besonders wichtig. Daher ist der Zugang zu einem derartigen Register auf Anfragen zu beschränken, die ein besonderes Interesse geltend machen können. Die Anfrager müssen nicht notwendigerweise öffentliche Behörden sein, sondern können auch Privatpersonen sein, die z.B. ein geschäftliches Interesse darlegen. Mit dem Gewerbezentralregister existiert bereits ein solches Register für § 30 OWiG. Diesem entsprechend kann ein Unternehmenssanktionsregister eingerichtet werden, das beim Bundesamt für Justiz geführt wird. G. Verfall und Einziehung Der Verfall zur Entziehung von Vorteilen, die das Unternehmen erlangt hat, stellt eine wichtige weitere Sanktion dar. Im Ordnungswidrigkeitenrecht wird in Bezug auf den Verfall am bestehenden System angeknüpft und somit eine Abschöpfung neben der Ahndung innerhalb der Geldbußenbemessung für möglich gehalten. Klargestellt wird lediglich, dass die Abschöpfung dem Bruttoprinzip folgt.
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Im Strafrecht ist die Situation schwieriger, da die Verfallsvorschriften dort differenzierter sind und nicht wie im OWiG lediglich auf einen Wertersatzverfall abstellen. Eine reine Erhöhung der Geldstrafe um den Wert des Erlangten scheidet somit aus. Um das Unternehmen mit natürlichen Personen gleichzustellen, werden daher die Vorschriften der §§ 73 ff. StGB auch auf Unternehmen angewandt. Da die Geldstrafe keine Abschöpfungsfunktion hat, ist die Anordnung des Verfalls (anders als im Ordnungswidrigkeitenrecht) neben der Geldstrafe möglich. Die straf- und ordnungswidrigkeitenrechtlichen Vorschriften der Einziehung werden im Hinblick auf den erweiterten Personenkreis, für den das Unternehmen verantwortlich sein kann, angepasst. § 29 OWiG und § 75 StGB sind dementsprechend aufzuheben. H. Weitere Sanktionen? Neben den vorgehend behandelten Sanktionen wird in der Literatur eine Reihe weiterer Maßnahmen vorgeschlagen.12 Dies betrifft zunächst Eingriffe in die Geschäftstätigkeit durch das Verbot oder die Beschränkung bestimmter Tätigkeiten, den Entzug von Lizenzen etc. Es geht im Kern darum, dem Unternehmen eine an sich legale Tätigkeit zu untersagen, weil es im Rahmen dieser Tätigkeit eine Tat begangen hat. Zweifelsohne könnte es dadurch in seinen Rechten beschnitten und so eine Sanktionswirkung erzielt werden. Der Grund für diese Maßnahmen liegt jedoch darin, dass man das Unternehmen für zukünftig unzuverlässig, ungeeignet etc. hält, um eine an sich legale Tätigkeit weiter auszuführen. Damit ist aber ein primär gefahrenabwehrrechtliches Element berührt, das zur zentralen Aufgabe der Verwaltungsbehörden gehört: die Überwachung bestimmter Bereiche und der Betätigung Privater in diesem Bereich. Die zukunftsgerichtete Prognose, ob die Betätigung des Unternehmens eine Gefahr in einem bestimmten Sektor darstellt oder nicht, ist eine originär polizeirechtliche Aufgabe. Diese sollte nicht durch das Sanktionsrecht überlagert werden. Entsprechendes gilt für den Vorschlag von Betriebsschließungen, sei es auch nur zeitweilig. Diese können enorme wirtschaftliche Konsequenzen haben und stellen damit einen intensiven Eingriff in die Grundrechte der Betroffenen dar. Somit können sie allenfalls im Ausnahmefall zulässig sein. Die Frage, ob eine Tat den Entzug von Betriebslizenzen rechtfertigt, oder zeigt, dass der Betreiber generell eine Gefahr für die Öffentlichkeit darstellt, ist wiederum eine gefahrenabwehrrechtliche Beurteilung. Der Unterschied zur vorgehend behandelten Auflösung ist, dass es um den legalen Betrieb einer Anlage etc. geht und nicht um eine a priori kriminelle Betätigung. Selbst wenn ein Unternehmen eine Tat begangen hat, zeugt dies nicht von einer generellen Unzuverlässigkeit des Betreibers, sondern es ist im Einzelfall ____________ 12
Vgl. die Übersicht oben S. 366 ff.
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zu beurteilen, welche Beschränkungen die begangene Tat notwendig machen. Diese komplexe Beurteilung, bei der die Tat lediglich Ausgangspunkt ist, sollte den Fachbehörden überlassen werden. Dieser Grundgedanke gilt ebenso für das Vorenthalten möglicher Vorteile, insbesondere den Ausschluss von öffentlichen Aufträgen und öffentlichen Subventionen. Hier bieten das Vergabe- und das Subventionsrecht ein differenziertes Instrumentarium zur Steuerung der Vergabe von Aufträgen und Subventionen. Zweifelsohne ist ein Unternehmen, das wegen Korruption oder Subventionsbetrugs verurteilt wird, an sich wenig geeignet, in den Genuss weiterer derartiger Vorteile zu kommen. Jedoch ist auch hier eine pauschale Beurteilung schwierig. Vielleicht hat das Unternehmen den korrupten Mitarbeiter bereits entlassen und Vorkehrungen zur Verhinderung weiterer Vorfälle getroffen. In diesem Fall wäre eine wirtschaftlich längerfristig wirkende Sanktion wie der Ausschluss von öffentlichen Aufträgen für drei Jahre als unverhältnismäßig einzustufen. Auch hier ist eher auf das differenzierte verwaltungsrechtliche Instrumentarium zu setzen, das für den Einzelfall der Vergabe von Aufträgen oder Subventionen mehr und flexible Möglichkeiten eröffnet. Notwendig ist aber eine ausreichende Information der Behörden über rechtswidriges Verhalten der Unternehmen. Dies wird mit dem vorgeschlagenen Unternehmenssanktionsregister gewährleistet, wenn einerseits alle Sanktionen an das Register gemeldet werden müssen und zudem alle Behörden Zugriff darauf erhalten, ggf. sogar vergabe- oder subventionsrechtlich zu einem Abgleich verpflichtet werden. In Bezug auf Eingriffe in die Struktur des Unternehmens ist zu überlegen, ob dem Unternehmen nicht die Entlassung des Mitarbeiters aufgegeben werden kann. Dies ist jedoch abzulehnen, da es sich hierbei primär um eine Sanktion gegen den Mitarbeiter handelt. Eine derartige Sanktion ist dem Individualstrafrecht vorbehalten und dort in § 70 StGB bereits geregelt. Falls in diesem Punkt Reformbedarf besteht, hat dieser bei § 70 StGB anzusetzen und nicht im Unternehmenssanktionsrecht. Vielfach wird eine Überwachung des Unternehmens vorgeschlagen, in neuerer Zeit zumeist unter dem Begriff der Unternehmenskuratel. Eine solche Überwachung wird vorliegend durchaus als Teil einer Sanktion anerkannt, vor allem als Compliance-Monitoring. Ansatzpunkt ist dabei jedoch nicht die Überwachung an sich, sondern die Reformvorgaben für das Unternehmen in Form eines Compliance-Programms. Eine Überwachung ohne konkrete Vorgaben für das Unternehmen erscheint wenig sinnvoll. Wenn aber konkrete Vorgaben bestehen, hat eine Überwachung eine wichtige Funktion. Abzulehnen ist allerdings eine „Überwachung“, bei der die Geschäftsführung des Unternehmens übernommen wird. Für einen so intensiven Eingriff in das Unternehmen und seine wirtschaftlichen Entscheidungen besteht kein Anlass, da es allein auf den Aspekt der Rechtseinhaltung ankommt. Zudem würde die Übernahme der wirtschaftlichen Betätigung auch die schwierige Frage aufwerfen, wer für fehlgegangene Entscheidungen einzustehen hätte. Inso-
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weit hat die Überwachung zur Durchsetzung der Compliance-Vorgaben ihre Berechtigung, jedoch nicht darüber hinaus. Zuletzt ist noch auf Sanktionen einzugehen, die die Eigentümerstruktur verändern würden. Soweit dies auf eine Zwangsverpachtung oder einen Zwangsverkauf (auch in Bezug auf den Verkauf einzelner Anteile) hinausläuft, ist eine derartige Sanktion abzulehnen. Sie richtet sich nicht gegen das Unternehmen als Rechtssubjekt, sondern an die Eigentümer und deren Rechte am Unternehmen. Insoweit sind diese Vorschläge Individualsanktionen. Auch der aus den USA stammende Vorschlag der equity fine als eine Anteilsverwässerung ist nichts anderes als eine Individualsanktion. Zwar behalten alte Eigentümer ihre Anteile, diese verlieren jedoch durch die Ausgabe neuer Anteile an Wert. Insoweit wird auch hier nicht das Unternehmen als solches sanktioniert, sondern die Anteilseigner dafür, dass sie nicht in die Abläufe im Unternehmen eingegriffen haben. Ein derartiger Ansatz ist zwar denkbar, aber nicht als Sanktion gegen das Unternehmen, sondern als Sanktion gegen Eigentümer von Unternehmen. Insgesamt ergibt sich damit, dass die in den vorhergehenden Abschnitten vorgestellten Maßnahmen nicht durch weitere Sanktionen ergänzt werden müssen. I. Wiedergutmachung Die Wiedergutmachung wird vorliegend entsprechend dem Grundansatz des deutschen Rechts nicht als eigener Sanktionszweck gesehen und daher werden auch für Unternehmen keine weitergehenden Wiedergutmachungsverpflichtungen vorgesehen. Diese bleiben dem Zivilrecht überantwortet. Vorgeschlagen wird lediglich, die bestehenden Ansätze im StGB auch für Unternehmen zu übernehmen. Dies bedeutet im Bereich der Sanktionen, die freiwillige Wiedergutmachung strafmildernd bei der Geldsanktion zu berücksichtigen und die Wiedergutmachung als Auflage bei einer Strafaussetzung zur Bewährung vorzusehen. Darüber hinaus werden die verfahrensrechtlichen Möglichkeiten des Adhäsionsverfahrens und der Einstellung gegen eine Auflage auch auf Unternehmen erstreckt.13
____________ 13 Die Erstreckung ist dabei nicht explizit zu regeln, sondern ergibt sich aus der grundsätzlichen Anwendung der StPO auch auf Unternehmen.
§ 27 Verfahren Im Folgenden wird auf die Vorschriften eingegangen, die für ein Verfahren zur Sanktionierung von Unternehmen relevant sind. Wie für das materielle Recht gilt hierbei, dass keine Notwendigkeit besteht, für Unternehmen ein gänzlich neues Verfahrensrecht zu schaffen. Es geht vielmehr darum, für unternehmensspezifische Elemente eine eigenständige Lösung zu finden. Zunächst wird auf das anwendbare Verfahrensrecht eingegangen (A.) und das Verhältnis zum Verfahren gegen den Täter der Anknüpfungstat geklärt (B.). Sodann werden Beweisfragen (C.) und die Diversion (D.) näher behandelt. Zum Abschluss werden im Überblick relevante Einzelpunkte geklärt (E.). A. Anwendbares Verfahrensrecht Zentrale Weichenstellung für das Verfahren zur Verhängung einer Unternehmenssanktion ist das anwendbare Verfahrensrecht. Der Blick auf das für § 30 OWiG geltende Verfahren hat gezeigt, dass die Gleichstellung des Unternehmens mit einem Nebenbeteiligten nicht sachgerecht ist und in zahlreichen Punkten Defizite hinsichtlich der Beteiligung und der Mitwirkungsrechte des Unternehmens am Verfahren aufweist. Der Blick auf die USA zeigt dagegen, dass die Anwendung der Strafverfahrensvorschriften für beschuldigte natürliche Personen auf Unternehmen grundsätzlich keine Probleme bereitet, es sind lediglich einige Sondervorschriften zu treffen. Auch im französischen1 und österreichischen2 Recht haben Unternehmen prinzipiell die gleiche Verfahrensstellung wie beschuldigte natürliche Personen. Die Verhängung einer originären Sanktion gegen das Unternehmen, die dem Unternehmen gegenüber einen entsprechenden Vorwurf wie gegenüber natürlichen Personen erhebt, rechtfertigt eine solche Gleichstellung im Verfahren. Damit hat das Unternehmen die gleichen Rechte wie eine beschuldigte natürliche Person, somit gelten die Verfahrensvorschriften der StPO und des OWiG. B. Verhältnis zum Verfahren gegen den Täter der Anknüpfungstat § 30 OWiG verknüpft das Verfahren gegen das Unternehmen eng mit dem gegen den Täter der Anknüpfungstat. Dem liegt zwar ein verfehltes Verständnis des § 30 OWiG zugrunde, es wirft aber die berechtigte Frage auf, wie das Verfahren gegen das Unternehmen zu führen ist, wenn seine Verantwortlichkeit so eng an die Anknüpfungstat gebunden ist. In den USA werden Unternehmen und Täter der Anknüpfungstat grundsätzlich als zwei verschiedene Beschuldigte behandelt, deren Verfahren zwar zusammen stattfinden kann aber nicht muss. ____________ 1 Siehe die Präambel der französischen Strafprozessordnung (Art. Préliminaire, Code de Procédure Pénale), dazu Hartan, Unternehmensstrafrecht, S. 201 f. 2 Vgl. § 14 Abs. 1 VbVG.
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Der amerikanische Ansatz wird auch vorliegend befürwortet, da Unternehmen und natürliche Person zwei voneinander zu unterscheidende Rechtssubjekte mit jeweils eigener Verfahrensstellung sind. Sachgerechte Ergebnisse werden hierdurch ebenfalls ermöglicht: Es kann prozessökonomisch sein, beide Verfahren zusammen zu führen, da sie im Kern denselben Sachverhalt aufweisen. Dies ist allerdings nicht hinsichtlich aller Fragen so, da gerade im Hinblick auf das Unternehmen besondere Voraussetzungen für die Verantwortlichkeit erfüllt sein müssen. Hier kann ein zusammen geführtes Verfahren sogar eine unbillige Verfahrensverzögerung für den Täter der Anknüpfungstat zur Folge haben. Diese Aspekte sind nun aber keine besonderen zwischen Unternehmen und Individualtäter, sondern können sich auch bei Verfahren gegen mehrere Beteiligte einer Tat ergeben. Die StPO bzw. das OWiG (über § 46) erlauben hier mit Trennung und Verbindung von Verfahren eine ausreichend flexible Handhabe. Weitergehender Vorschriften bedarf es in diesem Punkt nicht. Die Verurteilung des Täters der Anknüpfungstat ist nicht Voraussetzung für die Belangung des Unternehmens. Überhaupt ist eine Belangung des Täters der Anknüpfungstat, dessen Sanktion etc. für die Frage der Verfolgung des Unternehmens grundsätzlich irrelevant, wie auch ein Mittäter verurteilt werden kann, ohne dass ein anderer Mittäter zu belangen ist.3 Getrennte Rechtssubjekte sind getrennt zu betrachten. C. Beweisfragen Da das Unternehmen einem normalen Beschuldigten gleichgestellt ist, ergeben sich im Gegensatz zum bestehenden Verfahren nach § 30 OWiG keine Defizite hinsichtlich der Möglichkeit des Unternehmens, sich effektiv zu verteidigen. Auch ansonsten folgen das Verfahren und die Beweiserhebung den normalen verfahrensrechtlichen Vorschriften. Im Folgenden werden daher nur zwei Punkte angesprochen, die Unternehmen besonders betreffen: der Nachweis der Anknüpfungstat und die Frage von Mitarbeitern als Zeugen bzw. der Umfang der Herausgabe von Dokumenten. Ein zentraler Punkt im Prozess gegen das Unternehmen ist der Nachweis der Anknüpfungstat. Es wurde bereits gezeigt, dass die mangelnde Ermittlung des Täters im Gegensatz zur häufig vertretenen Meinung kein generelles Problem darstellt.4 Sollte ausnahmsweise dennoch kein Täter ermittelbar sein, ist zu fragen, ob ____________ 3 Zur Frage der Unterbrechung der Verjährung siehe unten S. 709. Zur Frage der Nichtermittelbarkeit eines Anknüpfungstäters siehe unten unter Punkt C. Beweisfragen. 4 Vgl. bereits oben S. 623 ff. Möglich ist natürlich, dass nicht alle Täter ermittelbar sind und sich die Belangung des Unternehmens ggf. nur auf eine Nebenfigur des eigentlichen Geschehens stützt. Hinsichtlich der Belangung des Unternehmens ist dies jedoch genauso (un)bedenklich wie bei der selektiven Verfolgung von mehreren an einer Tat beteiligten natürlichen Personen.
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damit zwingend eine Belangung des Unternehmens ausscheidet. Dies ist zu verneinen, da vorliegend wie bei § 30 OWiG eine anonyme Unternehmenssanktion infrage kommen kann. Dies deshalb, weil es sich nicht um ein Spezifikum des § 30 OWiG handelt (es wird in § 30 OWiG überhaupt nicht angesprochen), sondern um eine Frage der Sachverhaltsalternativität. Wenn also in allen Konstellationen eine Anknüpfungstat zu bejahen ist, dann kann das Unternehmen (bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen) verurteilt werden. Natürlich setzt dies voraus, dass entsprechende subjektive Elemente und die Schuld des Mitarbeiters feststellbar sind. Wie die vorliegende Untersuchung gezeigt hat, ergeben sich Probleme bei der Beweiserhebung dadurch, dass Unklarheiten über die Rolle von Unternehmensmitgliedern als Zeugen und hinsichtlich der Herausgabe von Dokumenten bestehen. Als Grundlinie empfiehlt sich hierbei zunächst von einer Anwendung des nemo tenetur-Grundsatzes auch auf Unternehmen auszugehen, da sich dieses wie eine natürliche Person staatlichem Zwang und drohender Sanktionierung gegenübersieht. Dieser Grundsatz muss aber konkretisiert werden, da sein Gehalt schon bei natürlichen Personen nicht unumstritten ist. Bezüglich der Zeugenaussagen von Unternehmensmitgliedern und deren Recht zu schweigen, um das Unternehmen nicht zu belasten, ist zu differenzieren. Vertretungsberechtigten Organen ist ein Schweigerecht zuzubilligen, da sie die Repräsentanten des Unternehmens sind. Anderen Unternehmensmitgliedern ist jedoch kein Schweigerecht zuzubilligen, da sie in diesem Fall nicht das Unternehmen repräsentieren. Ihnen steht nur ein Aussageverweigerungsrecht nach § 55 StPO zu, wenn die Gefahr besteht, dass sie sich selbst belasten würden. Ein spezieller Punkt ist der Schutz von Unternehmensmitgliedern, die bei unternehmensinternen Ermittlungen befragt werden, sei es im Rahmen von Compliance-Maßnahmen, sei es im Rahmen einer Kooperation mit den Ermittlungsbehörden. Diese Mitarbeiter können sich bislang grundsätzlich nicht auf den nemo tenetur-Grundsatz berufen, da keine staatlichen Ermittlungen stattfinden. Um zu vermeiden, dass Mitarbeiter Aussagen machen, in denen sie sich selbst belasten, und diese Aussagen zu einem späteren Zeitpunkt an staatliche Behörden übergeben werden, ist ein entsprechender Schutz dieser Mitarbeiter zu garantieren. Ein effektiver Schutz erscheint vorliegend dadurch möglich, dass der nemo tenetur-Grundsatz hinsichtlich unternehmensinterner Aussagen Anwendung findet, den Mitarbeitern also ein umfassendes Schweigerecht zugebilligt wird.
Bezüglich der Herausgabe von Gegenständen und Daten muss klargestellt werden, dass ein Unternehmen grundsätzlich nicht verpflichtet ist, diese von sich aus herauszugeben oder zur Verfügung zu stellen. Nur so kann garantiert werden, dass sich das Unternehmen effektiv verteidigen kann und nicht an seiner eigenen Verurteilung mitwirken muss. Wie bei natürlichen Personen ist damit eine Verpflichtung zur aktiven Mitwirkung ausgeschlossen, was die passive Duldung von Zwangsmaßnahmen (z.B. im Rahmen einer Durchsuchung) nicht ausschließt. Nicht ausgeschlossen erscheint zudem eine spezialgesetzlich angeordnete Mitwirkungspflicht in Bereichen, in denen staatliche Behörden ohne Mithilfe des Unternehmens be-
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stimmte Gegenstände und Daten nicht erlangen können.5 Hierbei kann es sich jedoch nur um eng begrenzte Ausnahmen handeln, die zudem hinreichend bestimmt geregelt sein müssen. Nicht tragbar ist eine umfassende Mitwirkungspflicht seitens der Unternehmen, die etwa vor dem Hintergrund der mangelnden Ausstattung der Verfolgungsorgane getroffen wird. Soweit ein Unternehmen aufgrund spezieller gesetzlicher Vorgaben Vorgänge dokumentiert und festhält, so ist sicherzustellen, dass die daraus hervorgegangenen Gegenstände und Daten nicht generell für ein Strafverfahren verwendet werden. Solche Dokumentationspflichten etc. erfolgen im Hinblick auf einen speziellen gesetzlichen Zweck (z.B. Steuerverfahren) und sind damit grundsätzlich darauf beschränkt, zumal sich ihre verfassungsrechtliche Rechtfertigung allein auf diesen Aspekt bezieht. Eine weitergehende Verwendung wäre eine Zweckänderung und bedürfte einer eigenständigen Rechtfertigung und Regelung. Für ein sanktionsrechtliches Verfahren dürfen diese Gegenstände und Daten daher nur verwendet werden, wenn dies (spezialgesetzlich) explizit vorgesehen ist. Ansonsten besteht dafür ein umfassendes Verwertungsverbot. Diese Lösung beschreitet keinen gänzlich neuen Weg, sondern nimmt die teilweise bereits bestehenden gesetzlichen Regelungen wie in § 15 GwG auf und führt sie fort. D. Diversion Die Beendigung eines Verfahrens ohne ausführliche Hauptverhandlung und Urteil hat sowohl im deutschen wie auch im amerikanischen Recht große Bedeutung. Welche Kriterien für eine Beendigung gelten, ist jedoch nur partiell geregelt. Um hier der Rechtspraxis nähere Anhaltspunkte zu liefern und die Verfolgungsorgane zudem rechtlich zu binden, empfiehlt es sich, ergänzende Regelungen zu treffen, die relevante Entscheidungskriterien festlegen. Im Bereich des Strafrechts bedarf es aufgrund des Legalitätsprinzips zunächst keiner Regelung bezüglich der Einleitung eines Verfahrens: Die Staatsanwaltschaft ist bei einem Anfangsverdacht verpflichtet, ein Verfahren einzuleiten. Daher konzentriert sich die Diskussion auf die Frage, unter welchen Bedingungen die Einstellung eines Verfahrens infrage kommt. Auch hier sieht die StPO in den §§ 153 ff. StPO bereits ein differenziertes Instrumentarium vor. Grundsätzlich bestehen keine Bedenken, diese Einstellungsgründe auf Unternehmen anzuwenden. Zu überlegen ist lediglich, ob § 153a StPO um den Aspekt der Vorgabe eines Compliance-Programms klarstellend ergänzt wird. Da dies eine einschneidende Maßnahme ist, ist hier zu differenzieren: Soweit ein Programm vollkommen fehlt, wäre seine Vorgabe ohne gerichtliche Feststellung der Schuld nicht zu rechtfertigen. Die Auflage ____________ 5 Zu weitgehend ist es aber wie Heine, Unternehmen, S. 292 ff., 305 eine generelle Umkehr der Beweislast anzunehmen und von einer „Bringschuld des Unternehmens“ aufgrund seiner Eigenschaft als Informationsträger auszugehen.
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und Weisung kann nicht materiell vollkommen der „Sanktion“ in einem gerichtlichen Verfahren entsprechen. Dies würde zu amerikanischen Verhältnissen mit einer Verschiebung der Machtbalance von den Gerichten zu den Verfolgungsbehörden und einer Verkürzung des Rechtsschutzes des Beschuldigten führen. Als möglich erscheint jedoch, die Verbesserung eines bestehenden ComplianceProgramms zur Beseitigung des Mangels vorzugeben, der gerade in der Anknüpfungstat zum Tragen kam, wenn das Compliance-Programm ansonsten weitgehend wirksam konstruiert worden war. Hier ist die Schuld des Unternehmens zwar zu bejahen, aber insgesamt als gering einzustufen. Ein intensives öffentliches Verfolgungsinteresse besteht in einem solchen Fall jedoch nicht. Im Ordnungswidrigkeitenrecht bietet das Opportunitätsprinzip umfassend Gelegenheit, bereits von der Einleitung eines Geldbußeverfahrens abzusehen. Welche Kriterien hier anzulegen sind, ist bislang in § 47 OWiG nicht näher bestimmt und wird in der Praxis zumeist durch eine Bezugnahme auf die §§ 153 ff. StPO gelöst. Um die Vorgaben konkreter zu gestalten, empfiehlt es sich, der Sanktionsbehörde zumindest einige relevante Anhaltspunkte zu geben: Dazu gehören die Schwere der Tat, das Ausmaß der Schuld, die Folgen der Tat, das Verhalten des Unternehmens nach der Tat und die zu erwartende Geldbuße und andere rechtliche Folgen für das Unternehmen. Klarzustellen ist auch, dass in die Entscheidung einbezogen werden kann, ob die Verfolgung mit einem Aufwand verbunden wäre, der außer Verhältnis zur Bedeutung des Falls steht. Nach dieser Maßgabe kann beispielsweise von der Verfolgung abgesehen werden, wenn aufgrund eines weitgehend effektiven Compliance-Programms das Verschulden des Unternehmens nur gering ist. Das OWiG ist bezüglich einer Einstellung gegen Auflagen deutlich restriktiver als die StPO. Eine Änderung dieser Grundauslegung des OWiG sollte nicht ausschließlich in Bezug auf Unternehmen, sondern ggf. auch in Bezug auf natürliche Personen erfolgen. Insoweit wird vorliegend der Ansatz von § 47 Abs. 3 OWiG übernommen und eine Einstellung gegen eine Geldzahlung für ausgeschlossen erachtet. Zur Klarstellung der über diese Regelung hinausgehenden Möglichkeiten empfiehlt sich jedoch, zum einen die Auflage der Wiedergutmachung explizit zu regeln und zudem wie im Strafrecht die Beseitigung des in einem ComplianceProgramm zutage getretenen Mangels aufzunehmen. Damit wird das geltende Recht nicht erweitert,6 aber der nicht ganz klare Wortlaut des § 47 OWiG präzisiert. E. Einzelfragen Von den zahlreichen Einzelfragen, die in Bezug auf ein Verfahren gegen Unternehmen relevant sind, wird nachfolgend auf die Zustellung, die Vertretung, die Verteidigung, das zuständige Gericht und die Verjährung eingegangen, da diese ___________ 6
Vgl. hierzu bereits oben S. 449 ff.
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einer klarstellenden bzw. abweichenden Regelung von den bestehenden Verfahrensvorgaben bedürfen. I. Zustellung Die Zustellung erfolgt an die vertretungsberechtigten Organe. Soweit ein Verteidiger bestellt ist, ist eine Zustellung auch an diesen möglich. Dieser Fall ist in § 145a StPO bereits ausreichend geregelt und bedarf daher keiner eigenständigen Regelung. II. Vertretung Das Unternehmen wird durch seine dazu berechtigten Organe vertreten. Soweit diese selbst Beschuldigte der Anknüpfungstat sind, ist amtlicherseits ein Übergangsvertreter zu bestellen. Dieser hat die Aufgabe und die dafür notwendigen Befugnisse, einen Gesellschafterbeschluss oder einen entsprechenden Beschluss herbeizuführen, durch den ein Vertreter des Unternehmens bestellt wird. Soweit ein Vertreter für das Unternehmen bestellt ist (z.B. ein Verteidiger), kann dieser das Unternehmen im Verfahren vertreten, sodass ein Unternehmen nicht zwingend durch eines seiner Organe repräsentiert sein muss. III. Verteidigung Die verfahrensrechtlichen Vorschriften zur Verteidigung können unproblematisch auch auf Unternehmen Anwendung finden. Ein Verteidiger kann aber nicht (anders als im derzeit geltenden deutschen Recht) Unternehmen und Täter der Anknüpfungstat zusammen vertreten. Interessenkollisionen und damit eine unzureichende Verteidigung beider Parteien sind hier nicht auszuschließen. Gerade im Hinblick auf die Strafzumessung sind die Interessen sogar grundsätzlich konträr, da es für das Unternehmen entlastend wirkt, wenn der Mitarbeiter mit hoher persönlicher krimineller Energie gehandelt hat, es andererseits den Mitarbeiter entlastet, wenn ein besonders kriminelles Unternehmensklima geherrscht hat. IV. Zuständiges Gericht Für die örtliche Zuständigkeit im Strafverfahren können grundsätzlich die Vorschriften der StPO herangezogen werden: Ein Gerichtsstand richtet sich dann nach dem Gerichtsstand der Anknüpfungstat. So ist es möglich, für den Täter der Anknüpfungstat und das Unternehmen einen gemeinsamen Gerichtsstand zu begründen. Darüber hinaus ist ein Gerichtsstand vor allem für den Fall festzulegen, dass der Täter der Anknüpfungstat nicht oder nicht mit dem Unternehmen gemeinsam verfolgt wird. In diesem Fall ist es sachgerecht, zusätzlich das Gericht am Haupt-
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sitz des Unternehmens für zuständig zu erklären. Soweit kein Sitz in Deutschland vorhanden ist, kann der Ort der Niederlassung eines Betriebes herangezogen werden. Ansonsten verbleibt es bei der Zuständigkeit, die über die Anknüpfungstat begründet wird.7 Für das Ordnungswidrigkeitenrecht können die vorstehenden Überlegungen entsprechend gelten. In sachlicher Hinsicht empfiehlt es sich, die häufig komplexen Verfahren zu konzentrieren. Infrage kommen hier im Strafverfahren die Wirtschaftsstrafkammern der Landgerichte (§74c GVG). Diese sollten für jedes Verfahren zuständig sein, an dem das Unternehmen beteiligt ist. Für Verfahren gegen den Täter der Anknüpfungstat kann es bei der bestehenden Konzeption des GVG verbleiben, also eine Strafverfolgung in Abhängigkeit von der Straftat vor allen ordentlichen Gerichten stattfinden. Soweit Verfahren gegen Unternehmen und Täter der Anknüpfungstat verbunden werden, ist aber auch das Verfahren gegen den Täter der Anknüpfungstat bei der Wirtschaftsstrafkammer zu führen. Im Ordnungswidrigkeitenrecht kann die originäre Sanktionszuständigkeit zunächst bei den Verwaltungsbehörden als Fachbehörden verbleiben. Für das gerichtliche Verfahren nach einem Einspruch ist es aber ebenfalls ratsam, eine Zuständigkeit bei der Wirtschaftsstrafkammer zu begründen. Für das Kartellrecht besteht ein derartiger Sonderweg bereits zum OLG (vgl. § 83 GWB); die Rechtsbeschwerde geht dann zum BGH (vgl. § 84 GWB). Auch hier folgt das Verfahren gegen den Täter der Anknüpfungstat dem gegen das Unternehmen, soweit diese verbunden werden. Diese Zuständigkeitskonzentration würde zur Ausbildung einer Fachinstanz führen, der die Prüfung der wirtschaftlichen Belange anvertraut werden können.8 Bei entsprechender Arbeitsbelastung der Wirtschaftsstrafkammern würde es sich empfehlen, eigene „Unternehmssanktionskammern“ einzurichten. V. Verjährung und Unterbrechung der Verjährung Die Verfolgungsverjährung von Sanktionen gegen das Unternehmen sollte sich nach der Verjährung der Anknüpfungstat richten, da somit eine nach dem Unrechtsgehalt der Tat differenzierte Verjährung erreicht wird. Entsprechendes gilt für die Vollstreckungsverjährung. Einer abweichenden Regelung für Unternehmen bedarf es nicht. Die Verjährung der Tat nach § 30 OWiG wird unterbrochen, sobald gegen den Täter der Anknüpfungstat bzw. wenn im selbstständigen Verfahren gegen das Unternehmen ermittelt wird. Eine Unterbrechung der Verjährung ist aber nicht angezeigt, wenn allein gegen den Mitarbeiter ermittelt wird. Denn Mitarbeiter und Un___________ 7 Z.B. ist es bei der Durchfuhr von Waren durch deutsches Gebiet möglich, dass ein Unternehmen eine Straftat begeht, aber keinen Standort in Deutschland hat. 8 Dies setzt natürlich voraus, dass in den Gerichten eine Spezialisierung stärker als in der bisherigen Praxis gefördert wird.
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ternehmen sind zwei getrennte Rechtssubjekte. Zudem erscheint es aus praktischen Gesichtspunkten nicht notwendig, da den Ermittlungsbehörden die Begehung der Tat im Rahmen der Tätigkeit des Mitarbeiters für das Unternehmen kaum verborgen bleiben wird. Wenn die Behörden erwägen, gegen das Unternehmen vorzugehen, sollten sie auch das Unternehmen verfahrensrechtlich zum Beschuldigten machen und diesem damit eine ausreichende Verteidigung ermöglichen. Eine Unterbrechung der Verjährung ist damit allein dann gegeben, wenn Maßnahmen gegen das Unternehmen ergriffen werden.9
___________ 9 Konsequenz ist damit, dass die Tat des Mitarbeiters und die des Unternehmens zu unterschiedlichen Zeitpunkten verjähren können.
§ 28 Ausgestaltung eines Compliance-Programms Ein Compliance-Programm muss wirksam gestaltet sein, um zur Rechtseinhaltung im Unternehmen beitragen zu können. Eine Detailvorgabe aller Komponenten durch den Gesetzgeber ist praktisch unmöglich und entspricht auch nicht dem Ansatz der regulierten Selbstregulierung. Staatlicherseits können daher nur die Grundstrukturen eines solchen Programms vorgegeben werden, die jedes Unternehmen für seinen eigenen Bereich umsetzen und anpassen kann. Ausgangspunkt für die Gestaltung eines Compliance-Programms sind organisationspsychologische und ähnliche (z.B. kriminologische) Erkenntnisse, die zeigen, welche Maßnahmen im Unternehmen zur Rechtseinhaltung beitragen und welche Faktoren sie unterminieren. Die empirische Forschung steckt in diesem Bereich noch in den Kinderschuhen, sodass bislang nur vereinzelt valide Erkenntnisse vorhanden sind.1 Ein großes Problem der Forschung ist die mangelnde Vergleichbarkeit einzelner Maßnahmen. Hier würde die Schaffung einheitlicher ComplianceVorgaben durch den Gesetzgeber die Arbeit maßgeblich erleichtern. Der eingeschränkte derzeitige Kenntnisstand bedeutet aber auch, dass eine gesetzliche Regelung nach einer bestimmten Zeit evaluiert und ggf. angepasst werden müsste. Wegen der begrenzten empirischen Erkenntnisse lassen sich bislang Ansätze für ein Compliance-Programm vor allem aus den Vorgaben gewinnen, die bereits für die Praxis entwickelt wurden. Wichtigstes Beispiel sind die amerikanischen Strafzumessungsrichtlinien, auch weil sie 2004 einer umfassenden Reform unterzogen und somit einzelne Defizite beseitigt worden sind.2 Ein weiteres wichtiges Beispiel stammt aus Australien, wo normierte Standards für die Errichtung von ComplianceProgrammen geschaffen wurden.3 Andere Beispiele bestehen vielfach sektorbezogen.4 Ein Compliance-Programm weist grundsätzlich zwei Teilelemente auf, die beide dem übergeordneten Ziel der Rechtseinhaltung dienen: die Prävention von Verstößen und die Aufdeckung möglicher Verstöße. Im Bereich der Prävention geht es darum, die Faktoren, die Rechtsbrüche begünstigen, zu minimieren, und die zu stärken, die zur Rechtseinhaltung beitragen. Hierbei ist es wichtig, ethische Aspek___________ 1 Vgl. auch Wieland, in: Löhr/Burkatzki (Hrsg.), Wirtschaftskriminalität, S. 155 ff., der ebenfalls konstatiert, dass sich erst langsam eine Diskussion entwickelt, wie ein umfassendes und effektives Compliance-Programm auszusehen hat. 2 Vgl. dazu bereits oben S. 145. 3 Australian StandardTM Compliance programs AS 3806-2006. 4 Vgl. z.B. in England die Vorschläge zur Einhaltung des Competition Act: Office of Fair Trading, How your business can achieve compliance (März 2003). Ähnlich in Kanada die Vorgaben für den Competition Act: Director of Investigation and Research, Competition Act, Corporate Compliance Programs (Juni 1997) sowie die Vorgängerversion Director of Investigation and Research, Program of Compliance, Information Bulletin No. 3 (März 1993).
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5. Kapitel: Rechtspolitische Schlussbetrachtungen
te miteinzubeziehen, da die Stärkung eines ethischen Verhaltens grundsätzlich die Normeinhaltung begünstigt. Natürlich kann staatlicherseits eine ethische Pflicht nicht begründet werden, solange diese nicht Rechtspflicht ist. Es geht an dieser Stelle jedoch nicht darum, Unternehmen zu einer bestimmten Ethik zu verpflichten, sondern allein darum, dass Unternehmen einen ethischen Bezug herstellen, um die Chance, die ethisches Handeln bietet, in den Unternehmensalltag zu integrieren. Ein wirksames Compliance-Programm ist eben nicht ein rein formalisiertes Organisationsmodell, sondern ein verhaltensorientiertes Instrument, in dem Werte und somit der gesamte Bereich der Ethik einen eigenen Stellenwert besitzen.5 Es geht damit nicht um die alleinige Schaffung von Kontrollstrukturen, sondern auch um die Schaffung notwendiger Anreizstrukturen und einer „positiven“ Atmosphäre für Unternehmensmitglieder. Im Bereich der Aufdeckung von Verstößen steht dagegen die Schaffung von organisatorischen Strukturen im Vordergrund, die eine Aufdeckung erleichtern und eine Verschleierung erschweren. Im Einzelnen steht ein wirksames Compliance-Programm auf drei Säulen, die sich in jeweils drei Unterpunkte aufteilen lassen. Die erste Säule umfasst die grundlegenden Entscheidungen, die den Bedarf analysieren und die Umsetzungsmöglichkeiten schaffen. In der zweiten Säule sind die entscheidenden Maßnahmen zur Umsetzung der Compliance-Vorgaben im Unternehmen enthalten. In der dritten Säule sind die besonderen Maßnahmen zur Durchsetzung und Weiterentwicklung des Programms erfasst: 1. Grundlegung: Erkennen – Festlegen – Strukturieren – Risikoanalyse und Risikobewertung – Niederlegung der einzuhaltenden Vorschriften und Unternehmenswerte – Schaffung einer Compliance-Struktur 2. Umsetzung: Vermitteln – Fördern – Organisieren – Kommunikation und Vermittlung der Compliance-Vorgaben – Förderung der Einhaltung von Compliance – Organisatorische Maßnahmen zur Schaffung von Compliance-Abläufen 3. Durchsetzung und Weiterentwicklung: Reagieren – Sanktionieren – Verbessern – Festlegung von Verfahren bei Vorfällen – Festlegung der Kriterien zur Sanktionierung von Vorfällen – Fortlaufende Evaluierung und Verbesserung des Programms
___________ 5
Vgl. Wieland, in: Löhr/Burkatzki (Hrsg.), Wirtschaftskriminalität, S. 155 (157 ff.).
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A. Erste Säule: Erkennen – Festlegen – Strukturieren I. Risikoanalyse und Risikobewertung Grundlage jeglichen Compliance-Programms ist die Analyse der spezifischen tatsächlichen und der damit verbundenen rechtlichen Risiken im Unternehmen. Im Hinblick auf das Unternehmenssanktionsgesetz geht es dabei um die straf- und ordnungswidrigkeitenrechtlichen Risiken. Hierbei ist zunächst ein Risikoinventar zu erstellen, das speziell auf die Unternehmensstruktur und die Tätigkeit des Unternehmens zugeschnitten ist. Die Risiken sind somit immer aus dem Blickwinkel der Unternehmensziele und der aktuellen wie zukünftigen strategischen Ausrichtung zu sehen. Hinsichtlich der rechtlichen Risiken geht es vor allem um die Identifizierung der relevanten nationalen und supranationalen Vorschriften und Vorgaben. Sodann sind die Risiken in Bezug auf ihre Bedeutung, Häufigkeit, Art und Umfang möglicher Schäden etc. zu bewerten. Die Bewertung gestattet, Hochrisikobereiche zu erkennen und eine Rangfolge festzulegen. Die Risikoermittlung und -bewertung muss auf einer fortlaufenden Basis gewährleistet werden, um Veränderungen ausreichend Rechnung zu tragen. II. Niederlegung der einzuhaltenden Vorschriften und Unternehmenswerte Ausgehend von der Risikoanalyse sind von der Unternehmensleitung die einzuhaltenden Vorschriften in schriftlicher Form niederzulegen. Hinzukommen muss die Definition der zu beachtenden Unternehmenswerte (der Unternehmensethik).6 Diese rechtlichen und ethischen Vorgaben (Compliance-Kodex) müssen erkennbar auf die Unternehmensstrategie und die Geschäftsziele abgestimmt sein. Die Festlegung hat zunächst in allgemeiner Form zu erfolgen, um in kurzer prägnanter Weise für das ganze Unternehmen gelten zu können. Darüber hinaus müssen die Vorgaben aber auch so konkretisiert werden, dass für jeden Mitarbeiter klar ersichtlich ist, welche Konstellationen welches Verhalten erfordern. Dies kann durch eine detaillierte Beschreibung konkreter Interessenkonflikte oder durch Fallbeispiele geschehen. III. Schaffung einer Compliance-Struktur Im Unternehmen muss eine eigene Compliance-Struktur etabliert werden, der die Aufgabe Compliance klar zugewiesen ist und die entsprechende Kompetenzen zur Umsetzung erhält. Die Compliance-Struktur kann je nach Größe des Unternehmens sehr unterschiedlich aussehen. In kleinen Firmen kann es ausreichend sein, wenn ____________ 6 Es genügt also nicht, nur die einschlägigen Korruptionsvorschriften aufzuzählen. Das Unternehmen muss sich z.B. auch einem ehrlichen und vertrauensvollen Umgang mit Geschäftspartnern verpflichtet fühlen.
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5. Kapitel: Rechtspolitische Schlussbetrachtungen
die Aufgabe von einer Person (beispielsweise Geschäftsführer oder Vorstand) wahrgenommen wird. In größeren ist jedoch eine ausdifferenzierte und umfangreichere Struktur notwendig. Die nachfolgenden Ausführungen mit ihren Einzelpunkten beziehen sich daher insbesondere auf große Unternehmen mit einer entsprechend komplexen Organisation. Compliance ist eine nicht delegierbare Aufgabe der gesamten Geschäftsführung. Grundlegende Entscheidungen wie die Festlegung des Compliance-Kodex können nur in der Gesamtheit getroffen und nicht delegiert werden. Für die laufende Geschäftstätigkeit ist dagegen auf der (Geschäfts-)Führungsebene ein ComplianceVerantwortlicher zu benennen (z.B. ein Compliance-Vorstand), der im laufenden Geschäftsbetrieb oberster Verantwortlicher und Ansprechpartner ist, die Gesamtgeschäftsführung über Compliance-Fragen informiert und entsprechende Entscheidungen vorbereitet.7 Sodann muss eine eigene von den übrigen Unternehmensstrukturen unabhängige Compliance-Abteilung geschaffen werden. Die Abteilung erhält einen eigenständigen Leiter (Chief Compliance Officer), der ausschließlich beispielsweise in der AG dem Compliance-Vorstand (oder ggf. auch dem Vorstandsvorsitzenden) verantwortlich ist. In der Abteilung arbeiten spezialisierte Mitarbeiter (ComplianceOfficer), die die Compliance-Vorgaben im laufenden Betrieb entsprechend umsetzen. Die Aufgaben, Zuständigkeiten und Kompetenzen der Abteilung und ihrer Mitarbeiter müssen klar festgelegt werden. Je nach Struktur und Größe des Unternehmens sind an einzelnen Standorten regionale Compliance-Abteilungen, Unterabteilungen etc. einzurichten. Zentral ist, dass die Compliance-Struktur des Unternehmens so beschaffen ist, dass eine tatsächliche Umsetzung der Compliance-Vorgaben im gesamten Unternehmen möglich ist. Hierzu gehört die Bereitstellung ausreichender personeller und sachlicher Ressourcen für die Compliance-Struktur. B. Zweite Säule: Vermitteln – Fördern – Organisieren I. Kommunikation und Vermittlung der Compliance-Vorgaben Die Compliance-Vorgaben müssen jedem Mitarbeiter so vermittelt werden, dass dieser weiß, welche rechtlichen und ethischen Vorgaben ihn in seinem konkreten Tätigkeitsfeld betreffen und wie er diese einhalten kann. Ein erster Schritt ist hier zunächst die Bekanntgabe des Compliance-Kodex. Darüber hinaus sind aber die Mitarbeiter durch spezielle Schulungen etc. fortlaufend über Compliance-Aspekte und deren Umsetzung zu informieren und weiterzubilden. Wichtig ist dabei nicht ____________ 7 Andere Geschäftsführungsmitglieder etc. sind damit nicht aus ihrer Verantwortlichkeit befreit, da sie z.B. immer noch Überwachungspflichten haben. Lediglich der Umfang der Verantwortlichkeit für das Alltagsgeschäft kann reduziert werden.
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nur die Vermittlung der fachlichen Compliance-Aspekte, sondern vor allem die Schaffung eines Bewusstseins ethischen und rechtlich korrekten Verhaltens. Der Wissensstand der Mitarbeiter muss regelmäßig überprüft werden, indem durch Feedback-Fragen, Fragebögen etc. festgestellt wird, inwieweit die Vermittlung der Compliance-Vorgaben erfolgreich war. II. Förderung der Einhaltung von Compliance Das Unternehmen hat durch Einzelmaßnahmen die Einhaltung der ComplianceVorgaben zu fördern. Hierzu gehört insbesondere das Bekenntnis der Unternehmensführung zu diesen Vorgaben und zwar auf fortwährender Basis. Dies kann durch Reden, schriftliche Mitteilungen, in Mitarbeitergesprächen etc. geschehen. Dieses Bekenntnis muss sich in der Geschäftsführung und den Leitungsentscheidungen auch sichtbar widerspiegeln. Darüber hinaus sind besondere Maßnahmen zu ergreifen, die Mitarbeitern die Einhaltung erleichtern, indem sie ihnen ausreichend Zugang zu Informationen verschaffen. Hierzu kann eine besondere Plattform im Intranet des Unternehmens geschaffen werden oder eine spezielle telefonische Compliance-Helpline eingerichtet werden. Es können auch in den Abteilungen besondere Beratungsstellen oder Compliance-Sprechstunden eingerichtet werden. Außerdem können die Compliance-Vorgaben als Teil der Personalführung genutzt werden. Die schriftliche Verpflichtung auf die Vorgaben kann hier ein erster Schritt sein, dem Mitarbeiter die Bedeutung von Compliance zu vermitteln. Zudem kann Compliance als Bestandteil der Vergütung eingeführt werden, indem das Erreichen konkreter Compliance-Ziele Bestandteil einer flexiblen Vergütung ist. Gerade bei Führungspersonen, bei denen flexible Vergütungsbestandteile häufig vereinbart sind und einen nicht unbedeutenden Anteil an der Gesamtvergütung ausmachen, kann somit ein echter Anreiz gesetzt werden, die tatsächliche Umsetzung von Compliance-Vorgaben zu unterstützen. Das Unternehmen kann auch, soweit es eine entsprechende Größe aufweist, durch besondere Würdigung guter Compliance einzelne Mitarbeiter, Gruppen oder Abteilungen auszeichnen. Diese Würdigung kann allein mit einer besonderen Belobigung (Compliance-Mitarbeiter des Monats, Compliance-Preis) verbunden sein, kann aber auch bestimmte andere Anreize monetärer und nicht monetärer Art enthalten. Letztlich ist auch bei einer konkreten Stellenbesetzung, sei es bei Neueinstellungen oder bei unternehmensinternen Umsetzungen, auf den Compliance-Aspekt zu achten. Je nach Risikopotential der zu besetzenden Stelle ist ein mehr oder weniger intensives Compliance-Screening vorzusehen. Das Screening dient dem Zweck festzustellen, ob bei dem Mitarbeiter besondere Umstände vorliegen, die eine Besetzung der Stelle mit dieser Person fraglich erscheinen lassen. Dies betrifft vor
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allem die Frage nach einschlägigen Vorstrafen, kann aber auch allgemeiner die Einstellung zu den Vorgaben des Compliance-Kodex beleuchten.8 III. Organisatorische Maßnahmen zur Schaffung von Compliance-Abläufen Die Einhaltung der Compliance-Vorgaben ist durch organisatorische Maßnahmen abzusichern. Diese dienen präventiv dazu, Gelegenheiten zu Rechtsbrüchen zu vermeiden, aber auch gleichzeitig einer erleichterten Aufdeckung von Verstößen. Die Maßnahmen sind so zu wählen, dass sie in den Arbeitsalltag integrierbar sind und somit eine dauerhafte Funktion übernehmen können. Sie sind je nach Risiko verschieden intensiv auszugestalten. Im Einzelnen können Compliance-Reportings eingeführt sowie für bestimmte Vorgänge Berichtspflichten und Berichtswege mit entsprechenden Ansprechpartnern festgelegt werden. Einzelne Vorgänge sind nach klaren Kriterien zu dokumentieren. Für Führungspersonen sind besondere Maßnahmen zu ergreifen, da bei diesen nur bedingt weitere Vorgesetzte deren Handlungen einsehen und überwachen können. Solche Maßnahmen können von einer klaren Funktionstrennung bis hin zu einer strikten Informationstrennung in Risikobereichen, Gegenzeichnungspflichten und dem Vier-Augen-Prinzip für zentrale Entscheidungen reichen. Ein spezielles Compliance-Komitee, dem die Führungspersonen regelmäßig Bericht erstatten müssen, kann zudem die Rechtseinhaltung sicherstellen. Zu den vorgenannten Maßnahmen müssen regelmäßige Kontrollen kommen, die für eine Einhaltung der Compliance-Vorgaben sorgen. Dies sollten einerseits routinemäßige, aber auch unangekündigte punktuelle Kontrollen sein. Festgelegt werden muss auch, in welcher Weise und nach welchen Kriterien die Kontrollen durchzuführen sind. Bestandteil eines Kontrollsystems ist auch, dass Mitarbeiter Hinweise auf potentielle Verstöße geben können. Solche Meldesysteme sollten Hinweise gestatten, ohne dass vorgesetzte Mitarbeiter vom Hinweisgeber eingeschaltet werden müssen, um so eine unabhängige Kontrolle zu erreichen. Die Meldung sollte zumindest vertraulich erfolgen können, um den Meldenden keinerlei Repressionen auszusetzen. Ebenso sollte die Meldestelle erhaltene Informationen vertraulich überprüfen, um eventuelle Falschmeldungen auszuschließen. Die Möglichkeit einer anonymen Meldung sollte nicht völlig ausgeschlossen, jedoch auch wegen der mangelnden Nachfragegelegenheit nicht als Standardmaßnahme gewählt werden. Im Fall einer anonymen Meldung ist in besonderer Weise Vertraulichkeit zu garantieren, um zunächst eine Nachprüfung der Verdachtsmomente zu ermöglichen. Nur so kann falschen Beschuldigungen entgegengetreten werden. Im Einzelnen besteht ein gro___________ 8 Hier ist besonders darauf zu achten, dass die Persönlichkeitsrechte des Mitarbeiters nicht verletzt werden, also keine unzulässigen Fragen gestellt werden.
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ßer Gestaltungsspielraum für Meldesysteme, vor allem hinsichtlich einer internen oder externen Meldung. Aufgrund der empirischen Erfahrung ist jedoch eine Meldung an staatliche Stellen wenig empfehlenswert.9 Vorzugswürdig ist hier eine wirklich unabhängige interne Stelle (die z.B. bei der Compliance-Abteilung angesiedelt sein kann) oder aber eine externe Stelle, wie sie inzwischen durch private Unternehmen als Dienstleistung angeboten wird. Beide Möglichkeiten lassen sich ergänzen. So kann beispielsweise eine umfassende interne Stelle eingerichtet und zusätzlich ein externer Experte (Ombudsmann etc.) benannt werden, der für Hinweise zuständig ist, bei denen eine interne Klärung nicht mehr tunlich ist. Es empfiehlt sich für mögliche Meldungen die Eskalations- und Meldewege klar zu skizzieren. C. Dritte Säule: Reagieren – Sanktionieren – Verbessern I. Festlegung von Verfahren bei Vorfällen Für den Fall von möglichen Verstößen ist das weitere Vorgehen zu planen. Dies beinhaltet die Festlegung, wer was wann wie und in welchem Umfang untersucht, wie die Ergebnisse dokumentiert werden, wer von welchen Ergebnissen informiert wird. Insbesondere sind Informationsflüsse so festzulegen, dass einerseits eine unabhängige Aufklärung möglich ist, andererseits aber auch die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen gewahrt werden. Wichtig ist in diesem Fall zudem, dass die Unternehmensleitung dauerhaft und umfänglich von Vorfällen und deren Ermittlungsstand informiert ist, damit diese Konsequenzen für das Unternehmen klären und eine Strategie für das weitere Vorgehen festlegen kann. Für den Fall der Verwicklung von Führungspersonen ist sicherzustellen, dass Ermittlungen erfolgen können, ohne dass die Führungspersonen hierauf Einfluss nehmen können. Hierbei ist ggf. zwingend die Einschaltung unabhängiger externer Ermittler (Anwälte etc.) vorzusehen. II. Festlegung der Kriterien zur Sanktionierung von Vorfällen Das Unternehmen muss Maßnahmen für den Fall vorsehen, dass ein Verstoß gegen die Compliance-Vorgaben festgestellt wurde. Diese Maßnahmen müssen abgestuft nach der Schwere und Bedeutung des Verstoßes sein und können von einer bloßen mündlichen Ermahnung über eine Abmahnung oder Versetzung bis hin zur Entlassung bei schweren Straftaten reichen.
____________ 9
Vgl. dazu bereits oben S. 520 f.
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III. Fortlaufende Evaluierung und Verbesserung des Programms Das Unternehmen muss Maßnahmen vorsehen, die eine regelmäßige und fortlaufende Überprüfung und Weiterentwicklung des Programms erlauben. Insbesondere bei Vorfällen ist das Programm auf seine Wirksamkeit zu überprüfen. Hierzu sind die Arten der Prüfung, der Zeitraum, die einzusetzenden Ressourcen, die Art der Informationserhebung und die Art der Bewertung festzulegen. In regelmäßigen Abständen sind externe Kontrolleure heranzuziehen, um eine unabhängige externe Evaluierung des Programms zur erreichen (externes Benchmarking). D. Weitere Einzelfragen Die vorgehend skizzierten Komponenten eines Compliance-Programms zeigen, dass dieses sich durch die gesamte Unternehmensstruktur hindurchzieht. Es geht nicht nur um die Schaffung einer einzelnen neuen Abteilung, sondern um eine netzartige Verwebung des Compliance-Aspekts mit der klassischen Unternehmensstruktur. Damit zeigt sich auch, dass der Bereich Compliance nicht einfach in eine bestehende Abteilung der Revision etc. zu integrieren ist. Allerdings können Teilaufgaben bestehender Abteilungen (z.B. bestimmte Überprüfungen der Revision) in den Compliance-Bereich überführt werden und so ggf. manche Abteilungen verkleinert werden. Der Umfang der vorgestellten Maßnahmen zeigt, dass Compliance einen nicht unbedeutenden Aufwand für Unternehmen darstellt. Insoweit ist es wichtig, dass staatlicherseits nur die grundlegenden Elemente vorgegeben werden und den Unternehmen ausreichend Umsetzungsspielraum verbleibt. Anzupassen ist ein Programm insbesondere nach der Größe des Unternehmens. Zu berücksichtigen ist zudem die Komplexität des Unternehmens. Und schließlich ist genau nach Risiken abzustufen, in welchem Umfang welche Maßnahmen erforderlich sind. Der entscheidende Schwerpunkt bei der Erstellung des Compliance-Programms muss daher auf die Risikoanalyse und -bewertung gelegt werden. Bei der Erstellung des Programms sind zudem die rechtlichen Grenzen möglicher Maßnahmen im Blick zu behalten.10 Gerade im Bereich der Kontrollen sind nicht alle möglichen Ermittlungsmaßnahmen auch rechtlich zulässig: Grenzen setzen hier vielfach datenschutzrechtliche Bestimmungen11 und das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen. Eine anlasslose dauerhafte geheime Überwachung ist nicht erlaubt. Da Compliance-Programme grundlegende Entscheidungen für Abläufe im Unternehmen und die Ausgestaltung einzelner Arbeitsplätze treffen, sind zudem ____________ Siehe dazu auch Sieber, FS-Tiedemann, S. 449 (478 f.). Dies vor allem aufgrund der am 3.7.2009 beschlossenen Verschärfung des BDSG in Reaktion auf Vorfälle in mehreren großen deutschen Unternehmen, vgl. Deutsch/Diller, DB 2009, 1462 ff.; Vogel/Glas, DB 2009, 1747 ff.; Wybitul, BB 2009, 1582 ff. 10 11
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vielfach arbeitsrechtliche Vorgaben – insbesondere mitbestimmungsrechtlicher Art – zu berücksichtigen.12 Klarzustellen ist im Rahmen der Beurteilung der Wirksamkeit des ComplianceProgramms, dass die begangene Tat des Mitarbeiters nicht per se die Unwirksamkeit des Programms zeigt. Darauf weisen auch die amerikanischen Strafzumessungsrichtlinien explizit hin.13 Eine solche Annahme würde nicht nur den Compliance-Ansatz ad absurdum führen, sondern auch die Tatsache übergehen, dass letztlich nicht jede Tat in einem Unternehmen verhindert werden kann. Vielmehr geht es – wie es vorliegend die Norm zur Verantwortlichkeit des Unternehmens auch vorsieht – um die genaue Bestimmung, ob die Tat des Mitarbeiters ein nicht voraussehbarer „Ausreißer“ war oder Kennzeichen eines strukturellen Defizits des Programms ist.14
____________ 12 Siehe bspw. Kock, ZIP 2009, 1406 (1407 ff.); sowie Kort, NJW 2009, 129 ff. zur Entscheidung des BAG NJW 2008, 3731. 13 Vgl. § 8 B 2.1 (a) (2) USSG. 14 Vgl. dazu oben S. 687.
§ 29 Entwurf eines Unternehmenssanktionsgesetzes Gesetz zur strafrechtlichen und ordnungswidrigkeitenrechtlichen Sanktionierung von Unternehmen (Unternehmenssanktionsgesetz – USG) Erster Teil: Allgemeine Vorschriften § 1 Anwendungsbereich § 2 Geltungsbereich § 3 Unternehmen – Begriffsbestimmung § 4 Unternehmensmitglied – Begriffsbestimmung § 5 Compliance-Programm – Begriffsbestimmung § 6 Persönliche Verantwortlichkeit des Unternehmensmitglieds § 7 Rechtsnachfolge § 8 Verjährung § 9 Unternehmenssanktionsregister Zweiter Teil: Strafrecht Erster Abschnitt: Verantwortlichkeit § 10 Verantwortlichkeit § 11 Anknüpfungstat Zweiter Abschnitt: Strafen § 12 Strafen – Überblick § 13 Geldstrafe – Bemessungsgrundlage § 14 Geldstrafe – Bemessungskriterien § 15 Aussetzung der Geldstrafe zur Bewährung § 16 Compliance-Strafe § 17 Publikationsverpflichtung § 18 Auflösung § 19 Konkurrenzen § 20 Verfall und Einziehung Dritter Abschnitt: Verfahren § 21 Anzuwendende Verfahrensregeln § 22 Gerichtsstand § 23 Gerichtliche Zuständigkeit § 24 Zustellungen § 25 Vertretung § 26 Verteidigung § 27 Anwendung des nemo tenetur-Grundsatzes § 28 Schweigerecht von Unternehmensmitgliedern § 29 Einstellung Dritter Teil: Ordnungswidrigkeitenrecht Erster Abschnitt: Verantwortlichkeit § 30 Verantwortlichkeit § 31 Anknüpfungstat Zweiter Abschnitt: Sanktionen § 32 Geldbuße § 33 Geldbuße – Bemessungsgrundsätze
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§ 34 Geldbuße – Bemessungskriterien § 35 Konkurrenzen § 36 Einziehung Dritter Abschnitt: Verfahren § 37 Anzuwendende Verfahrensregeln § 38 Gerichtliche Zuständigkeit § 39 Opportunitätsprinzip – Ausübung § 40 Einstellung Vierter Teil: Schlussvorschriften § 41 Inkrafttreten § 42 Evaluation
Erster Teil: Allgemeine Vorschriften § 1 Anwendungsbereich Das Gesetz findet Anwendung auf inländische und ausländische Unternehmen. Das Gesetz findet keine Anwendung auf juristische Personen des öffentlichen Rechts, soweit sie in Ausübung hoheitlicher Gewalt handeln. § 2 Geltungsbereich Eine Verantwortlichkeit nach diesem Gesetz ist begründet, wenn die Anknüpfungstat deutschem Recht unterliegt. § 3 Unternehmen – Begriffsbestimmung Ein Unternehmen ist eine selbstständige Einheit von mindestens zwei natürlichen Personen und Sachmitteln, die zum Zweck hat, planmäßig und auf Dauer ausgerichtet Güter oder Leistungen materieller oder immaterieller Art hervorzubringen bzw. zur Verfügung zu stellen. Unternehmen sind insbesondere juristische Personen des privaten und des öffentlichen Rechts, rechtsfähige Personengesellschaften und nicht rechtsfähige Vereine. § 4 Unternehmensmitglied – Begriffsbestimmung Unternehmensmitglied ist, wer aufgrund eines Rechtsverhältnisses für das Unternehmen verantwortlich handelt und/oder Arbeitsleistungen erbringt und tatsächlich auf Dauer in die Unternehmensorganisation eingebunden ist. Eine Unwirksamkeit des Rechtsverhältnisses nach Abs. 1 ist unbeachtlich. § 5 Compliance-Programm – Begriffsbestimmung Ein Compliance-Programm umfasst Maßnahmen zur Prävention und zur Aufdeckung von Rechtsverstößen im Unternehmen durch Unternehmensmitglieder. Das Programm fördert ein Unternehmensklima, das der Einhaltung rechtlicher und ethischer Vorgaben verpflichtet ist. Ein Compliance-Programm liegt vor, wenn mindestens die nachfolgenden Voraussetzungen erfüllt sind: 1. Das Unternehmen sieht Maßnahmen zur fortlaufenden Analyse und Bewertung der spezifischen straf- und ordnungswidrigkeitenrechtlichen Risiken vor. 2. Die Unternehmensleitung legt die einzuhaltenden rechtlichen Vorschriften und ethischen Vorgaben schriftlich und in anderen Kommunikationsmedien nieder (ComplianceKodex).
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3. Das Unternehmen schafft eine Compliance-Struktur innerhalb des Unternehmens. Diese umfasst auf oberster Führungsebene einen Compliance-Verantwortlichen, der im Unternehmensalltag für den Bereich Compliance zuständig ist und grundlegende Entscheidungen trifft. Zudem ist zumindest eine Compliance-Abteilung einzurichten, die für die Umsetzung des Compliance-Kodex im Unternehmensalltag zuständig ist und diese überwacht. Die Compliance-Struktur ist mit ausreichenden personellen und sachlichen Mitteln auszustatten. 4. Das Unternehmen kommuniziert und vermittelt den Unternehmensmitgliedern die Vorgaben des Compliance-Kodex fortlaufend durch geeignete Maßnahmen. 5. Das Unternehmen fördert die Einhaltung des Compliance-Kodex fortlaufend durch geeignete Maßnahmen. Insbesondere die Unternehmensleitung unterstützt dauerhaft die Einhaltung des Compliance-Kodex. 6. Das Unternehmen sieht geeignete organisatorische Maßnahmen vor, die der Vermeidung und der Aufdeckung von Rechtsbrüchen dienen. Diese Maßnahmen umfassen insbesondere Berichtspflichten und Dokumentationspflichten. Zudem sind regelmäßige Kontrollen eingerichtet, die die Einhaltung des Compliance-Kodex überprüfen. Für Unternehmensmitglieder besteht die Möglichkeit zur vertraulichen Meldung von Vorfällen. Das Unternehmen trifft besondere Maßnahmen zur Sicherstellung der Einhaltung des Compliance-Kodex durch Führungspersonen. 7. Das Unternehmen sieht klare Vorgaben für das weitere Vorgehen im Fall der Entdeckung möglicher Verstöße gegen den Compliance-Kodex vor. Die Vorgaben stellen eine unabhängige, zügige und vollständige Aufklärung der Vorfälle sicher. 8. Das Unternehmen sieht Sanktionen für den Fall eines Verstoßes gegen den Compliance-Kodex vor. 9. Das Unternehmen sieht geeignete Maßnahmen vor, die eine fortlaufende Bewertung und Verbesserung des Compliance-Programms insbesondere bei Verstößen garantieren. Eine Bewertung des Programms erfolgt in regelmäßigen Abständen durch Externe. Das Compliance-Programm und seine einzelnen Komponenten sind entsprechend der Größe und der Komplexität des Unternehmens sowie der Bedeutung der Risiken zu gestalten. § 6 Persönliche Verantwortlichkeit des Unternehmensmitglieds Die Verantwortlichkeit und Sanktionierung des Unternehmens nach diesem Gesetz lässt die persönliche straf- und ordnungswidrigkeitenrechtliche Verantwortlichkeit des Unternehmensmitglieds unberührt. § 7 Rechtsnachfolge Die Rechtsfolgen dieses Gesetzes treffen auch ein Unternehmen, das identisch mit einem anderen Unternehmen ist, in dem die Anknüpfungstat begangen wurde und das in dieser Form als Unternehmen nicht mehr besteht. Identität ist insbesondere gegeben, wenn ein Unternehmen wirtschaftlich ein bisher bestehendes Unternehmen fortführt. § 8 Verjährung Die Verfolgungsverjährung und die Vollstreckungsverjährung für Sanktionen nach diesem Gesetz richten sich nach der Verjährung der Anknüpfungstat. Die Verjährung wird unterbrochen, wenn verjährungsunterbrechende Maßnahmen gegen das Unternehmen ergriffen werden. § 9 Unternehmenssanktionsregister Beim Bundesamt für Justiz wird ein „Unternehmenssanktionsregister“ eingerichtet. Verurteilungen und die Verhängung von Geldbußen nach diesem Gesetz sind dem Bundesamt für Justiz mitzuteilen und in das Unternehmenssanktionsregister einzutragen.
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Zweiter Teil: Strafrecht Erster Abschnitt: Verantwortlichkeit § 10 Verantwortlichkeit Ein Unternehmen ist strafrechtlich verantwortlich, wenn eine natürliche Person als Unternehmensmitglied eine tatbestandsmäßige und rechtswidrige Straftat schuldhaft begeht (Anknüpfungstat), die durch zureichende unternehmensinterne Maßnahmen zur Prävention und Aufdeckung von Taten (Compliance-Programm) verhindert oder wesentlich erschwert worden wäre. Die Begehung der Anknüpfungstat ist nicht für sich als Beweis für unzureichende Maßnahmen anzusehen. § 11 Anknüpfungstat Das Vorliegen der Anknüpfungstat bestimmt sich nach den strafrechtlichen Vorschriften, die die Verantwortlichkeit natürlicher Personen regeln.
Zweiter Abschnitt: Strafen § 12 Strafen – Überblick Das Gericht verhängt gegen ein Unternehmen eine Geldstrafe, eine Compliance-Strafe oder eine Geldstrafe und Compliance-Strafe zugleich. Nach Maßgabe des § 17 kann zudem eine Publikationsverpflichtung angeordnet werden. Eine Auflösung des Unternehmens ist nur unter den Voraussetzungen des § 18 zulässig. Weitere Strafen werden im Falle der Auflösung nicht verhängt. § 13 Geldstrafe – Bemessungsgrundlage Die Geldstrafe wird in Tagessätzen verhängt. Sie beträgt mindestens fünf Tagessätze. Die Höchstzahl der Tagessätze bemisst sich nach der im jeweiligen Tatbestand vorgesehenen höchsten Freiheitsstrafe. Ein Monat Freiheitsstrafe entspricht 30 Tagessätzen. Eine lebenslange Freiheitsstrafe entspricht 5.400 Tagessätzen. Die Höhe des Tagessatzes bestimmt das Gericht nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des Unternehmens. In der Regel legt es dabei den auf Tage umgerechneten durchschnittlichen Unternehmensgewinn der letzten drei Jahre zugrunde. Bei nicht auf Gewinn ausgerichteten Unternehmen bemisst sich der Tagessatz insbesondere nach dem frei zur Verfügung stehenden Vermögen. Unternehmensgewinn, Vermögen und sonstige Grundlagen für die Bemessung des Tagessatzes können geschätzt werden. Die Höhe des Tagessatzes ist so zu bemessen, dass das Unternehmen durch die Geldstrafe nicht in die Gefahr der Insolvenz gerät. Das Gericht kann Zahlungserleichterungen (Zahlungsfristen, Zahlung in Teilbeträgen usw.) gewähren. § 14 Geldstrafe – Bemessungskriterien Die Schuld des Unternehmens ist Grundlage für die Bemessung der Anzahl der Tagessätze. Sie beurteilt sich insbesondere danach, in welchem Maße die Anknüpfungstat Ausdruck eines defizitären Unternehmensklimas ist. Bei der Bemessung der Anzahl der Tagessätze sind mildernde und erschwerende Umstände gegeneinander abzuwägen. Umstände, die Merkmale des gesetzlichen Tatbestands sind, sowie solche, die die Höhe des Tagessatzes bestimmen, dürfen nicht berücksichtigt werden. Als mildernder Umstand ist insbesondere zu berücksichtigen, wenn
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das Unternehmen zum Zeitpunkt der Anknüpfungstat ein weitgehend zureichendes Compliance-Programm oder Teile davon im Unternehmen implementiert hat; – das Unternehmen zur Aufklärung der Tat beigetragen hat; – das Unternehmen Verantwortung für die Tat übernommen hat; – das Unternehmen freiwillig Wiedergutmachung für die Tat geleistet hat; – das Unternehmen freiwillig Maßnahmen ergriffen hat, um ähnliche Taten zukünftig zu verhindern, insbesondere ein Compliance-Programm erstellt oder ein bestehendes verbessert hat; – die Tat bereits erhebliche Nachteile für das Unternehmen nach sich gezogen hat; – die Begehung der Tat durch nationale oder supranationale Behörden oder geltende Vorschriften gefördert wurde. Als erschwerender Umstand ist insbesondere zu berücksichtigen, wenn – das Unternehmen durch die Tat Vorteile erlangt hat; – das Unternehmen durch die Tat einen Schaden verursacht hat; – bei der Anknüpfungstat schwere Formen des Vorsatzes und ein gesteigerter Grad der Fahrlässigkeit vorliegen, die auf Umstände im Unternehmen zurückzuführen sind; – wenn die Anknüpfungstat durch eine Führungsperson begangen wurde; – wenn Führungspersonen die Anknüpfungstat gefördert haben oder daran beteiligt waren; – wenn ein unzureichendes Compliance-Programm zur Verschleierung von Rechtsbrüchen im Unternehmen erstellt wurde oder das Compliance-Programm offensichtlich unzureichend erstellt wurde; – wenn relevante Vorstrafen des Unternehmens vorliegen.
§ 15 Aussetzung der Geldstrafe zur Bewährung Bei der Verurteilung zu einer Geldstrafe, die nicht mehr als 360 Tagessätze beträgt, kann die Geldstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden. Dies gilt auch für eine Geldstrafe, die neben einer Compliance-Strafe verhängt wird. Die Geldstrafe kann zur Bewährung ausgesetzt werden, wenn anzunehmen ist, das Unternehmen werde auch ohne Vollstreckung der Geldstrafe keine weiteren Taten begehen, es zur Verteidigung der Rechtsordnung nicht erforderlich ist und eine Gesamtwürdigung des Unternehmens und der Tat ergeben, dass die Vollstreckung entbehrlich ist. Das Gericht kann dem Verurteilten Auflagen und Weisungen erteilen, die in Zusammenhang mit der begangenen Tat und dem Unternehmen stehen und weder unzumutbare Anforderungen an den Verurteilten stellen noch außer Verhältnis zu der vom Täter begangenen Tat stehen. Das Gericht kann den Verurteilten insbesondere anweisen, – den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen; – einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung zu zahlen. Das Gericht bestimmt die Dauer der Bewährungszeit. Diese beträgt mindestens ein Jahr und höchstens drei Jahre. Die Bewährungszeit beginnt mit Rechtskraft der Entscheidung über die Strafaussetzung. Die Aussetzung zur Bewährung ist zu widerrufen, wenn das Unternehmen wegen einer in der Probezeit begangenen Straftat verurteilt wird und dadurch zeigt, dass sich die Erwartung, die der Strafaussetzung zugrunde lag, nicht erfüllt hat. Die Aussetzung ist auch zu widerrufen, wenn das Unternehmen Auflagen und Weisungen nicht erfüllt und die Nichterfüllung dem Unternehmen zurechenbar ist.
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Widerruft das Gericht die Aussetzung zur Bewährung wird die Geldstrafe vollstreckt. In Erfüllung von Auflagen und Weisungen erbrachte Leistungen werden nicht erstattet. Das Gericht kann jedoch geleistete Zahlungen auf die Geldstrafe anrechnen. Wird die Aussetzung zur Bewährung nicht widerrufen, so erlässt das Gericht die Geldstrafe nach der Bewährungszeit. § 16 Compliance-Strafe Das Gericht kann das Unternehmen verpflichten, ein Compliance-Programm zu entwickeln und zu implementieren oder ein bereits bestehendes zu verbessern, um das in der Anknüpfungstat zutage getretene defizitäre Unternehmensklima zu beheben. Das Gericht kann auch selbst Vorgaben für ein Compliance-Programm oder Teile eines solchen Programms machen. Das Gericht kann Anordnungen zur Umsetzung und Durchsetzung der Compliance-Strafe treffen. Es kann insbesondere Berichts- und Prüfungspflichten auferlegen oder einen unabhängigen Compliance-Monitor bestellen. § 17 Publikationsverpflichtung Das Unternehmen kann verpflichtet werden, die Verurteilung in einem vom Gericht bestimmten Medium zu veröffentlichen, wenn dies zur Information der Opfer der Tat erforderlich scheint. § 18 Auflösung Ein Unternehmen kann aufgelöst werden, wenn dessen Zweck oder Tätigkeit darauf gerichtet ist, Straftaten zu begehen. § 19 Konkurrenzen Die §§ 52–55 StGB finden auf Unternehmen entsprechende Anwendung. Taten, die von verschiedenen Unternehmensmitgliedern begangen werden, die aber auf dem gleichen defizitären Unternehmensklima beruhen, stehen in Tateinheit (§ 52 StGB). § 20 Verfall und Einziehung Die Anordnung des Verfalls gegen das Unternehmen richtet sich nach §§ 73 ff. StGB. Hat ein Unternehmensmitglied eine Handlung begangen, die ihm gegenüber unter den übrigen Voraussetzungen der §§ 74–74c und 74f StGB die Einziehung eines Gegenstandes oder des Wertersatzes zulassen oder den Ausschluss der Entschädigung begründen würde, so wird seine Handlung bei Anwendung dieser Vorschriften dem Unternehmen zugerechnet. § 14 Abs. 3 StGB gilt entsprechend.
Dritter Abschnitt: Verfahren § 21 Anzuwendende Verfahrensregeln Für ein Strafverfahren gegen Unternehmen finden die nachfolgenden Bestimmungen Anwendung. Im Übrigen gelten die Bestimmungen für ein Strafverfahren gegen natürliche Personen, soweit sie auf Unternehmen anwendbar sind. § 22 Gerichtsstand Der Gerichtsstand ist bei dem Gericht begründet, bei dem ein Gerichtsstand für die Anknüpfungstat begründet ist.
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Ein Gerichtsstand ist auch an dem Ort begründet, an dem das Unternehmen zum Zeitpunkt der Erhebung der Anklage seinen Hauptsitz hat. Besteht kein Hauptsitz, ist ein Gerichtsstand am Ort der Niederlassung oder am Ort eines Betriebes des Unternehmens begründet. § 23 Gerichtliche Zuständigkeit Für Straftaten nach diesem Gesetz ist die Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts (§ 74c GVG) zuständig. Werden das Verfahren gegen das Unternehmen und das gegen den Beschuldigten der Anknüpfungstat verbunden, ist die Wirtschaftsstrafkammer nach Abs. 1 auch für das Verfahren gegen den Beschuldigten der Anknüpfungstat zuständig. § 24 Zustellungen Zustellungen können an alle vertretungsberechtigten Organe erfolgen. Ist ein Vertreter bestellt, können Zustellungen auch an diesen erfolgen. § 25 Vertretung Das Unternehmen wird durch seine vertretungsberechtigten Organe oder bevollmächtigten Vertreter vertreten. Soweit alle vertretungsberechtigten Organe selbst Beschuldigte einer Tat sind und kein Vertreter bestellt ist, ist amtlicherseits ein Übergangsvertreter zu bestellen, der die Aufgabe und die Befugnisse hat, einen Gesellschafterbeschluss oder einen diesem entsprechenden Beschluss herbeizuführen, durch den ein Vertreter des Unternehmens bestellt wird. § 26 Verteidigung Ein Verteidiger darf nicht das Unternehmen und den Beschuldigten der Anknüpfungstat vertreten. § 27 Anwendung des nemo tenetur-Grundsatzes Das Unternehmen ist nach Maßgabe der nachfolgenden Regelungen nicht verpflichtet, an seiner eigenen Strafverfolgung und Verurteilung mitzuwirken. Vertretungsberechtigte Organe des Unternehmens haben das Recht ihre Aussage zu verweigern, um das Unternehmen nicht zu belasten. Das Unternehmen ist vorbehaltlich spezieller gesetzlicher Regelungen nicht verpflichtet, Gegenstände oder Daten herauszugeben oder zur Verfügung zu stellen. Soweit das Unternehmen aufgrund gesetzlicher Vorschriften Gegenstände erstellt oder Daten gespeichert hat, dürfen diese Gegenstände und Daten zum Zwecke der Strafverfolgung nur verwendet werden, wenn dies gesetzlich ausdrücklich vorgesehen ist. § 28 Schweigerecht von Unternehmensmitgliedern Unternehmensmitglieder haben das Recht zu schweigen, wenn sie sich im Rahmen interner Ermittlungen, die im Hinblick auf ein staatliches Ermittlungsverfahren erfolgen, durch ihre Aussage selbst belasten würden. § 29 Einstellung Eine Einstellung des Verfahrens nach § 153a StPO ist auch gegen die Vorgabe möglich, dass das Unternehmen den Mangel des Compliance-Programms, der in der Tat zum Ausdruck gekommen ist, innerhalb einer Frist von höchstens sechs Monaten beseitigt.
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Dritter Teil: Ordnungswidrigkeitenrecht Erster Abschnitt: Verantwortlichkeit § 30 Verantwortlichkeit Ein Unternehmen ist ordnungswidrigkeitenrechtlich verantwortlich, wenn eine natürliche Person als Unternehmensmitglied eine tatbestandsmäßige und rechtswidrige Ordnungswidrigkeit schuldhaft begeht (Anknüpfungstat), die durch zureichende unternehmensinterne Maßnahmen zur Prävention und Aufdeckung von Taten (Compliance-Maßnahmen) verhindert oder wesentlich erschwert worden wäre. Die Begehung der Anknüpfungstat ist nicht für sich als Beweis für unzureichende Maßnahmen anzusehen. § 31 Anknüpfungstat Das Vorliegen der Anknüpfungstat bestimmt sich nach den ordnungswidrigkeitenrechtlichen Vorschriften, die die Verantwortlichkeit natürlicher Personen regeln.
Zweiter Abschnitt: Sanktionen § 32 Geldbuße Gegen Unternehmen wird eine Geldbuße verhängt. § 33 Geldbuße – Bemessungsgrundsätze Die Geldbuße beträgt mindestens 50 Euro. Ihr Höchstmaß bestimmt sich nach dem für die Ordnungswidrigkeit angedrohten Höchstmaß der Geldbuße. § 17 Abs. 2 OWiG sowie § 18 OWiG gelten entsprechend. Hat das Unternehmen aus der Anknüpfungstat etwas erlangt, so kann die Geldbuße um den Betrag erhöht werden, der dem Wert des Erlangten entspricht. Reicht das gesetzliche Höchstmaß hierzu nicht aus, so kann es überschritten werden. Der Wert des Erlangten ist nach dem Bruttoprinzip zu bestimmen. Die Festsetzung der Geldbuße schließt es aus, gegen das Unternehmen wegen derselben Tat den Verfall nach § 29a OWiG anzuordnen. § 34 Geldbuße – Bemessungskriterien Der Vorwurf gegen das Unternehmen ist Grundlage für die Bemessung der Geldbuße. Dieser beurteilt sich insbesondere danach, in welchem Maße die Anknüpfungstat Ausdruck eines defizitären Unternehmensklimas ist. Bei der Bemessung der Geldbuße sind mildernde und erschwerende Umstände gegeneinander abzuwägen. Umstände, die Merkmale des gesetzlichen Tatbestands sind, dürfen nicht berücksichtigt werden. Als mildernder Umstand ist insbesondere zu berücksichtigen, wenn – das Unternehmen zum Zeitpunkt der Anknüpfungstat ein weitgehend zureichendes Compliance-Programm oder Teile davon im Unternehmen implementiert hat; – das Unternehmen zur Aufklärung der Tat beigetragen hat; – das Unternehmen Verantwortung für die Tat übernommen hat; – das Unternehmen freiwillig Wiedergutmachung für die Tat geleistet hat; – das Unternehmen freiwillig Maßnahmen ergriffen hat, um ähnliche Taten zukünftig zu verhindern, insbesondere ein Compliance-Programm erstellt oder ein bestehendes verbessert hat; – die Tat bereits erhebliche Nachteile für das Unternehmen nach sich gezogen hat;
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5. Kapitel: Rechtspolitische Schlussbetrachtungen
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die Begehung der Tat durch nationale oder supranationale Behörden oder geltende Vorschriften gefördert wurde. Als erschwerender Umstand ist insbesondere zu berücksichtigen, wenn – das Unternehmen durch die Tat Vorteile erlangt hat; – das Unternehmen durch die Tat einen Schaden verursacht hat; – bei der Anknüpfungstat schwere Formen des Vorsatzes und ein gesteigerter Grad der Fahrlässigkeit vorliegen, die auf Umstände im Unternehmen zurückzuführen sind; – wenn die Anknüpfungstat durch eine Führungsperson begangen wurde; – wenn Führungspersonen die Anknüpfungstat gefördert haben oder daran beteiligt waren; – wenn ein unzureichendes Compliance-Programm zur Verschleierung von Rechtsbrüchen im Unternehmen erstellt wurde oder das Compliance-Programm offensichtlich unzureichend erstellt wurde; – wenn bereits Bußgelder gegen das Unternehmen in vergleichbaren Konstellationen verhängt wurden. § 35 Konkurrenzen Die §§ 19–21 OWiG finden auf Unternehmen entsprechende Anwendung. Taten, die von verschiedenen Unternehmensmitgliedern begangen werden, die aber auf dem gleichen defizitären Unternehmensklima beruhen, stehen in Tateinheit (§ 19 OWiG). § 36 Einziehung Hat ein Unternehmensmitglied eine Handlung begangen, die ihm gegenüber unter den übrigen Voraussetzungen der §§ 22–25 und 28 OWiG die Einziehung eines Gegenstandes oder des Wertersatzes zulassen oder den Ausschluss der Entschädigung begründen würde, so wird seine Handlung bei Anwendung dieser Vorschriften dem Unternehmen zugerechnet. § 9 Abs. 3 OWiG gilt entsprechend.
Dritter Abschnitt: Verfahren § 37 Anzuwendende Verfahrensregeln Für ein Bußgeldverfahren gegen Unternehmen finden die nachfolgenden Bestimmungen Anwendung. §§ 24–28 gelten entsprechend. Im Übrigen gelten die Bestimmungen für ein Bußgeldverfahren gegen natürliche Personen, soweit sie auf Unternehmen anwendbar sind. § 38 Gerichtliche Zuständigkeit Für das gerichtliche Verfahren nach einem Einspruch (§ 67 OWiG) ist die Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts (§ 74c GVG) zuständig. Werden das Verfahren gegen das Unternehmen und das gegen den Beschuldigten der Anknüpfungstat verbunden, ist die Wirtschaftsstrafkammer auch für das Verfahren gegen den Beschuldigten der Anknüpfungstat zuständig. Für die Rechtsbeschwerde nach § 79 OWiG ist der Bundesgerichtshof zuständig. § 39 Opportunitätsprinzip – Ausübung Die Verfolgungsbehörde berücksichtigt bei der Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens nach § 47 Abs. 1 OWiG insbesondere – die Schwere der Tat, – das Ausmaß der Schuld,
§ 29 Entwurf eines Unternehmenssanktionsgesetzes – – – – –
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die Folgen der Tat, das Verhalten des Unternehmens nach der Tat, die zu erwartende Geldbuße, andere rechtliche Folgen für das Unternehmen, und inwieweit der Aufwand der Verfolgung im Verhältnis zur Bedeutung des Falles steht.
§ 40 Einstellung Eine Einstellung des Verfahrens ist gegen die Vorgabe möglich, dass das Unternehmen innerhalb einer Frist von höchstens sechs Monaten – Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens leistet und/oder – den Mangel des Compliance-Programms, der in der Tat zum Ausdruck gekommen ist, beseitigt.
Vierter Teil: Schlussvorschriften § 41 Inkrafttreten Dieses Gesetz gilt für Anknüpfungstaten, die nach dem [...] begangen wurden. § 42 Evaluation Die Vorgaben für ein Compliance-Programm nach § 5 sind fünf Jahre nach Inkrafttreten dieses Gesetzes einer Evaluation durch eine unabhängige wissenschaftliche Untersuchung im Hinblick auf ihre Wirksamkeit zur Prävention und Aufklärung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten zu unterziehen und ggf. anzupassen.
6. Kapitel: Zusammenfassung Die Arbeit widmet sich der Sanktionierung von Unternehmen in Deutschland und den USA unter Einbeziehung der Compliance-Problematik. Die Untersuchung folgt einem klassisch rechtsvergleichenden Ansatz, der im 1. Kapitel theoretisch dargelegt und konkretisiert wird. Die Bearbeitung vermittelt zunächst durch die Länderberichte einen in sich geschlossenen Überblick der Rechtslage in den USA und in Deutschland. Sodann werden beide Länder im eigentlich rechtsvergleichenden Teil thematisch strukturiert gegenüberstellt und damit Ansatzpunkte für die abschließenden rechtspolitischen Überlegungen gewonnen. Die USA erweisen sich wegen der langjährigen Erfahrung mit der Bestrafung von Unternehmen wie auch der Umsetzung von Compliance- Maßnahmen als prototypisches Vergleichsland. Die Analyse bezieht Gesetzgebung, Literatur und Rechtsprechung sowie empirische Daten im Hinblick auf materielle, sanktionsrechtliche und prozessuale Regelungen mit ein. Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass die Bestrafung von Unternehmen in den USA zu einem zentralen Element der staatlichen Steuerung von Unternehmen geworden ist. Die im Jahr 1909 vom U.S. Supreme Court anerkannte Strafbarkeit von Unternehmen ist inzwischen fester Bestandteil des Bundesstrafrechts. Seit der Einführung spezieller Strafzumessungsrichtlinien im Jahr 1991 gehört die Prüfung einer Verantwortlichkeit von Unternehmen zur ständigen Praxis der Strafverfolgungsbehörden. Der Compliance-Ansatz hat durch seine beispielhafte Verankerung in den Strafzumessungsrichtlinien im Jahr 1991 großen Einfluss auf Rechtsetzung und Rechtspraxis erlangt. Durch die Verankerung wurden Strafrecht und an sich gesellschaftsrechtliche Fragestellungen der Struktur von Unternehmen eng miteinander verzahnt. Compliance ist inzwischen weit über den ursprünglichen Bereich der Strafzumessung hinaus von Bedeutung, insbesondere im Rahmen der Anklage- und Einstellungsentscheidung der Staatsanwaltschaft. Aber auch zahlreiche weitere Behörden und nichtstaatliche Institutionen fördern und fordern Compliance, wobei sie sich zumeist an den Compliance-Vorgaben der Strafzumessungsrichtlinien orientieren. Die ordnungswidrigkeitenrechtliche Belangung von Unternehmen in Deutschland ist nach jahrzehntelanger Erweiterung von § 30 OWiG inzwischen ebenfalls von erheblicher praktischer Bedeutung. Dagegen ist der Bereich Compliance in Deutschland noch weniger stark entwickelt, auch wenn in den letzten Jahren seit den Vorfällen im Siemens-Konzern Compliance fester Bestandteil der forensischen Praxis geworden ist. In Deutschland fehlt es allerdings an einer den Strafzumes-
Zusammenfassung
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sungsrichtlinien entsprechenden Verankerung von Compliance, sodass kein einheitlicher und übergreifender Ansatz besteht. Deutschland und den USA ist gemein, dass Compliance-Programme die Verantwortlichkeit von Unternehmen nur bedingt ausschließen, insbesondere dadurch, dass sie Verantwortungsbereiche klären und festlegen. Relevanz erlangen sie dabei fast ausschließlich im Rahmen der Anknüpfungstat, indem sie die Verantwortungsbereiche des handelnden Mitarbeiters konturieren. Bei der Frage der Zurechnung der Anknüpfungstat zum Unternehmen sind Compliance-Bemühungen der Unternehmen jedoch in beiden Ländern ohne substantiellen Einfluss. Ein Unternehmen kann auch dann verantwortlich sein, wenn es optimale Compliance betreibt. Größere Bedeutung erlangen die Bemühungen im Rahmen der Sanktionen, bei denen sie als effektive Programme mildernd berücksichtigt werden, als ineffektive Programme jedoch auch zu einer Verschärfung der Sanktion führen können. In den USA ist die Berücksichtigung durch die Strafzumessungsrichtlinien klar vorgegeben. In Deutschland besteht eine vergleichbare Regelung nicht. Jedoch ermöglicht das richterliche Ermessen, Compliance-Programme als wesentlichen Ausdruck der Unternehmensverantwortlichkeit zu berücksichtigen. Von überragender Bedeutung sind die Programme in den USA im prozessualen Bereich. Sie bestimmen zunächst mit, ob gegen ein Unternehmen Anklage erhoben wird oder nicht. Darüber hinaus dienen sie der Staatsanwaltschaft vor allem als informelle Sanktionsmöglichkeit: Ein Unternehmen kann die Einstellung eines Verfahrens erreichen, soweit es als Auflage umfangreiche Verpflichtungen zu internen Reformen und der Errichtung eines Compliance-Programms eingeht. In Deutschland bestehen vergleichbare Möglichkeiten der Verfolgungsbehörden nicht. Insgesamt macht der Rechtsvergleich deutlich, dass nur durch die Betrachtung von Verantwortlichkeit, Sanktionen und Verfahrensrecht ein vollständiges Bild der staatlichen Steuerung von Unternehmen durch Sanktionsnormen entsteht. Nur bei Einbeziehung aller Bereiche wird eine konsistente Belangung ermöglicht. Die Arbeit zeigt auch, wie das klassische Instrumentarium des Privat- und Wirtschaftsverwaltungsrechts zunehmend um unternehmensinterne Compliance-Maßnahmen ergänzt wird. Die Einbeziehung von Unternehmen im Rahmen der regulierten Selbstregulierung durch staatliche Vorgabe der Rahmenbedingungen der Compliance, die Unternehmen ausfüllen, erweist sich als vielversprechendes Mittel zur Schaffung von Unternehmensstrukturen, die der Begehung von Rechtsbrüchen tatsächlich entgegenwirken und eine Aufdeckung erleichtern können. Die abschließenden rechtspolitischen Überlegungen der Untersuchung zeigen, dass sich Compliance und Sanktionsrecht auf Ebene der Verantwortlichkeit, der Sanktionen und des Verfahrens zu einem schlüssigen Gesetzeskonzept verbinden lassen.
„Wir wollen Einfluss nehmen. […] Einfluss auf die Wirtschaft, die an Compliance mehr interessiert ist als an der Frage, mit welchem Recht ihr Verhalten eigentlich in Übereinstimmung stehen sollte.“ Volk, in: Kempf u.a. (Hrsg.), Handlungsfreiheit (2009), S. 9.
7. Kapitel: Neue Entwicklungen Das folgende Kapitel geht auf die Entwicklung des Unternehmenssanktionsrechts und von Compliance seit Beginn des Jahres 2010 ein. Die Darstellung zeigt die Dynamik in diesen Bereichen, in denen sich das Recht innerhalb kürzester Zeit deutlich verändert hat. Zunächst wird die Situation in den USA dargestellt (§ 30). Dort sind insbesondere die Reformen der Compliance-Regelungen der USSG und die staatsanwaltschaftliche Praxis von Bedeutung. Der sich daran anschließende Blick auf Deutschland widmet sich im Schwerpunkt der Institutionalisierung von Compliance (§ 31). Er greift Aspekte wie die Strafbarkeit des Compliance-Officers, Compliance Investigations und Vorgaben für Compliance-Programme auf.
§ 30 Entwicklung in den USA In den USA besteht weiterhin, auch beeinflusst durch die Finanzkrise, großes öffentliches Interesse am Unternehmensstrafrecht und der Verantwortlichkeit von Unternehmen für von Mitarbeitern begangene Straftaten. Die Rechtsentwicklung wird nicht nur in den USA, sondern verstärkt auch in Europa, vor allem in Deutschland, aufmerksam verfolgt. Im Mittelpunkt stehen die Korruptionsstraftaten des außerhalb der USA anwendbaren Foreign Corrupt Practices Act (FCPA)1 sowie die Compliance-Vorgaben der Strafzumessungsrichtlinien.2 Unternehmen prüfen daher inzwischen vielfach, auch wenn sie außerhalb der USA agieren, ob sie in den Fokus amerikanischer Strafverfolger geraten können.
____________ 1 Siehe z.B. Grau/Meshulam/Blechschmidt, BB 2010, 652 ff.; Kappel/Ehling, BB 2011, 2115 ff.; Zierenberg, FCPA (2011). Vgl. auch bereits Partsch, FCPA, S. 5 ff. sowie oben S. 290. 2 Vgl. Hauschka, Hdb. Compliance (2. Aufl.), § 1 Rn. 40 ff.; Moosmayer, Compliance, S. 7 ff.; siehe auch Partsch, FCPA, S. 40 ff.
§ 30 Entwicklung in den USA
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A. Strafrechtliche Verantwortlichkeit Die Voraussetzungen, unter denen ein Unternehmen für Straftaten seiner Mitarbeiter verantwortlich ist,3 hat die Rechtsprechung bislang nicht modifiziert. Ein Unternehmen ist nach wie vor für die Tat eines Mitarbeiters nach der vicarious liability-Konstruktion verantwortlich, ohne dass es auf ein Compliance-Programm ankäme.4 Ein Berufungsgericht des Bundes lehnte im Jahr 2009 explizit ab, die Verantwortlichkeit des Unternehmens auch von Compliance-Maßnahmen abhängig zu machen.5 Das erstinstanzliche Gericht hatte die Jury noch dahingehend belehrt, dass ein Compliance-Programm dazu führen könne, ein Handeln des Mitarbeiters im Rahmen des Beschäftigungsverhältnisses zu verneinen.6 Das Berufungsgericht weigerte sich aber, vom Präzedenzfall New York Central & Hudson River Rail Road Co. abzuweichen.7 So behält das Urteil auch über seinen hundertsten Geburtstag hinaus Geltung. Die Berücksichtigung von Compliance-Programmen wird weiterhin von Literatur und Industrie gefordert.8 Es bleibt abzuwarten, ob sich die anderen Berufungsgerichte in nächster Zeit mit der Frage befassen und sie gleichermaßen beantworten werden.
B. Strafzumessung Nach über sechs Jahren hat die USSC wieder einmal größere Änderungen an den Strafzumessungsrichtlinien für Unternehmen vorgenommen und sie hinsichtlich der Compliance-Anforderungen aktualisiert.9 Die Änderungen traten zum 1. November 2010 in Kraft.10 Sie betreffen das Verhalten des Unternehmens nach Entdeckung einer Tat, die Verwicklung leitender Mitarbeiter und Compliance-Programme als Bewährungsstrafe. ____________ 3 Vgl. dazu den aktuellen Überblick bei Kelly-Kilgore/Smith, 48 Am. Crim. L. Rev. (2011), S. 421 ff. 4 Vgl. oben S. 87 ff. 5 U.S. v. Ionia Management S.A., 555 F.3d 303 (2nd Cir. 2009). Dazu Nanda, 58 Am. J. Comp. L. 2010, S. 605 (611 f.). 6 Vgl. zur Frage des Compliance-Programms als due diligence defense oben S. 101 ff. 7 Vgl. zu dem Urteil oben unter § 5 Anm. 14. 8 Vgl. aus neuerer Zeit bspw. Hasnas, 46 Am. Crim. L. Rev. (2009), S. 1329 (1355 ff.); Thompson, 46 Am. Crim. L. Rev. (2009), S. 1323 (1326 f.). 9 Vgl. dazu Gruner, Corporate Criminal Liability, § 14.02 [8]; Kaplan/Murphy, Compliance Programs (2011-12 edn.), § 2:34; McConnell/Martin/Simon, 33 Hous. J. Int. L. (2010-11), S. 509 (553 f.); McGreal, 66 Bus. Law. (2010), S. 125 ff. Aus deutscher Sicht Engelhart, NZG 2011, 126 ff.; Withus, CCZ 2011, 63 ff. Krit. zum Schwerpunkt auf Compliance und Kooperation Eastman, 94 Minn. L. Rev. (2009-2010), S. 1620 (1628). 10 Zum 1.11.2011 erfolgten weitere Änderungen in Kap. 8 USSG, die aber lediglich redaktioneller Art waren.
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7. Kapitel: Neue Entwicklungen
I. Verhalten nach Entdeckung einer Tat Die Richtlinien erläutern nunmehr das letzte der sieben Kriterien zu den Mindestanforderungen an ein effektives Compliance-Programm, die Reaktion auf die Entdeckung einer Straftat, näher.11 Bislang war lediglich vorgegeben, dass das Unternehmen angemessen reagieren und ähnliche Vorfälle, ggf. durch Anpassung des Programms, vermeiden muss. Die Praxis wünschte sich jedoch konkretere Anforderungen.12 Die neue Kommentierung betont, dass nach der Entdeckung der Tat sowohl eine umgehende Reaktion auf das kriminelle Verhalten zu erfolgen hat als auch Schritte ergriffen werden müssen, um ein solches Verhalten künftig zu vermeiden.13 Als angemessene Reaktion nennen die Erläuterungen die Wiedergutmachung des verursachten Schadens. Damit wird der schon bestehende Schwerpunkt der Richtlinien noch weiter gestärkt,14 indem die Wiedergutmachung quasi als Automatismus bereits im Compliance-Programm verankert werden soll. Unternehmen sind daher nach einem Vorfall aufgefordert, die Frage der Wiedergutmachung proaktiv anzugehen. Sie sollten diese weder verzögern noch in unangemessen niedriger Weise leisten, um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, das Compliance-Programm sei ineffektiv. Das Compliance-Programm kann auch eine Selbstanzeige gegenüber den Ermittlungsbehörden (self-reporting) und die Zusammenarbeit mit diesen (cooperation) vorsehen. Dieses Erfordernis liegt klar auf der seit mehreren Jahren praktizierten Linie der Ermittlungsbehörden15 wie auch der bisherigen Richtlinien.16 Die Begründung der USSC verhehlt nicht, dass sie damit Anforderungen aufgenommen hat, die die Ermittlungsbehörden bereits bei ihrer Bewertung von ComplianceMaßnahmen berücksichtigen.17 Insoweit wird der Schwerpunkt, auf eine freiwillige Mitarbeit der Unternehmen zu setzen, noch verstärkt und die Privatisierung ursprünglich staatlicher Ermittlungstätigkeit vorangetrieben. Von Unternehmen wird nicht nur faktisch eine freiwillige Aufklärung und Meldung einer Tat erwartet, sondern nunmehr auch, dass diese Maßnahmen von vornherein und nachvollziehbar im Compliance-Programm verankert sind. Um weitere ähnlich gelagerte Straftaten zu vermeiden, soll das Unternehmen zudem das Compliance-Programm evaluieren und verändern, sodass ein wirksames ____________ § 8 B 2.1 Cmt. 6 USSG [Fassung ab 1.11.2011]. Vgl. oben S. 174. Vgl. USSC, Amendments, S. 31, die die Einfügung mit der Reaktion auf „public comment and testimony“ begründet. 13 Vgl. § 8 B 2.1 Cmt. 6 USSG [Fassung ab 1.11.2011]; USSC, Amendments, S. 31. 14 Vgl. zur Wiedergutmachung oben S. 152 ff. 15 Vgl. oben S. 238 ff. 16 Vgl. oben S. 174 ff. 17 USSC, Amendments, S. 31. 11 12
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Programm gewährleistet wird. Dies kann den Einsatz externer Berater bedingen. Damit legt die USSC eine gewisse Skepsis gegenüber einer rein unternehmensinternen Evaluierung und Verbesserung des Compliance-Programms an den Tag. Sie geht davon aus, dass sachverständige Personen von außen mit größerer Objektivität Schwachstellen im Programm erkennen und ausräumen können. Die Haltung der USSC spiegelt sich in den Äußerungen zahlreicher Offizieller wider, die für eine wirksame Gestaltung eine kritische externe Bewertung des ComplianceProgramms verlangen.18 Dem Ansatz der USSC ist hinsichtlich der Evaluation zuzustimmen, da Externe seltener „betriebsblind“ sind und weniger von eigenen Interessen geleitet werden können. Die Umsetzung von Reformen durch sie dürfte im Regelfall jedoch kaum Vorteile bringen, da sie nicht in die Entscheidungsstrukturen des Unternehmens eingebunden sind. Hier ist vielmehr ein nachdrücklicher Einsatz der Führungsebene gefragt. Unternehmen werden zukünftig den Punkt „Evaluierung durch Externe“ im Compliance-Programm aufnehmen müssen. Ein Rekurs auf spezialisierte Compliance-Berater wird sich häufig nicht vermeiden lassen. Wollen Unternehmen dennoch auf externen Rat verzichten, muss dies aus nachvollziehbaren Gründen geschehen und sollte klar dokumentiert werden. II. Verwicklung leitender Mitarbeiter Die zweite Änderung der Richtlinien betrifft die Beteiligung leitender Mitarbeiter an der Straftat. In solch einem Fall war bislang die Strafmilderung aufgrund eines Compliance-Programms ausgeschlossen.19 Eine Ausnahme bestand nur für kleine Unternehmen (unter 200 Mitarbeitern), bei denen widerlegbar angenommen wurde, das Compliance-Programm sei nicht wirksam. Die Neuregelung lässt die Strafmilderung nun auch allgemein bei Beteiligung einer Führungsperson eingreifen, wenn vier Voraussetzungen vorliegen: (1) Der für das Alltagsgeschäft verantwortliche Compliance-Mitarbeiter muss unmittelbar an die Unternehmensleitung berichten können, (2) das Compliance-Programm muss die Straftat aufgedeckt haben, bevor sie extern entdeckt wurde, (3) das Unternehmen muss die Tat unverzüglich an die zuständigen Ermittlungsbehörden gemeldet haben und (4) kein Compliance-Verantwortlicher darf an der Tat beteiligt sein. Die Strafmilderung wurde Unternehmen bislang allein deswegen verwehrt, weil eine Führungsperson beteiligt war, unabhängig von der Qualität des ComplianceProgramms. Ein Programm ist jedoch nicht allein deshalb ineffektiv, weil das Ma____________ 18 Vgl. bspw. Attorney General Eric Holder im Rahmen der OECD, OECD Working Group on Bribery in International Business Transactions, Recommendations of the Council for Further Combating Bribery of Foreign Public Officials in International Business Transactions, Appendix II; siehe auch Kaplan/Murphy, Compliance Programs (2011-12 edn.), §§ 6:3, 18:2. 19 § 8 C 2. 5 (f) (3) (A) USSG.
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7. Kapitel: Neue Entwicklungen
nagement beteiligt war.20 Mit der Neuregelung wird dieser Schwachpunkt der Richtlinien korrigiert und der Anreiz zur effektiven Durchsetzung des ComplianceProgramms erhöht. Voraussetzung ist vor allem ein funktionierendes ComplianceReporting. Die Richtlinien legen besonderen Wert auf einen direkten Zugang der für das Alltagsgeschäft verantwortlichen Compliance-Mitarbeiter zur Unternehmensleitung. Vorfälle sind schnell und ohne „Reibungsverluste“ der Stelle zu berichten, die eine Entscheidung über das weitere Vorgehen treffen muss.21 Diese direkte Berichtspflicht erscheint nicht zwingend. Denn zentral ist vor allem, dass die Compliance-Abteilung unmittelbar Gehör findet, was auch über den Leiter (Chief Compliance Officer) gewährleistet werden könnte. So lässt beispielsweise die deutsche BaFin die Frage in ihren Compliance-Richtlinien (MaComp) zu Recht offen.22 Mit den Neuerungen stellt die USSC insgesamt klar, dass effektive Compliance von Führungspersonen eine besondere Herausforderung darstellt. Diese muss im Compliance-Programm thematisiert und es müssen entsprechende Maßnahmen (Vier-Augen-Prinzip, Stichprobenkontrollen etc.) getroffen werden. III. Compliance-Programme als Bewährungsstrafe Die letzte Änderung der Richtlinien betrifft die Verpflichtung von Unternehmen zur Errichtung von Compliance-Programmen als Bewährungsstrafe.23 Die Neuregelung vereinfacht die Voraussetzungen für eine gerichtliche Anordnung und lässt die Erstellung von Compliance-Programmen generell als Bewährungsstrafe zu.24 Immer wenn die Voraussetzungen für eine Bewährungsstrafe vorliegen, kommt nun auch die „Compliance-Strafe“ in Betracht. Die Änderung betont den Stellenwert dieser besonderen Form der Strafe, um strukturelle Defizite im Unternehmen zu beheben. Mit der Reform integriert die USSG unternehmensinterne Compliance noch stärker in das öffentliche Sanktionsrecht. Unternehmen, die kein oder nur ein mangelhaftes Compliance-Programm haben, werden staatlicherseits dazu verpflichtet. Es ist zu erwarten, dass Gerichte nach der Änderung vermehrt auf diese Sanktion zurückgreifen werden.
____________ 20 Die USSC reagiert mit ihrer Änderung auf Kritik aus der Praxis, die Regelung sei zu weitgehend, vgl. die Begründung USSC, Amendments, S. 31. 21 Die Begründung führt an, der unmittelbare Zugang sei in der Praxis häufig schwierig, vgl. USSC, Amendments, S. 31 f. 22 Vgl. BaFin, MaComp (unten S. 777), BT 1.1 Nr. 2; vgl. dazu Engelhart, ZIP 2010, 1832 (1836); Niermann, ZBB 2010, 400 (409); Lösler, WM 2010, 1917 (1919). 23 Siehe dazu oben S. 188. 24 § 8 D 1. 4 (b) (1) USSG [Fassung ab 1.11.2011]. Vgl. auch Engelhart, NZG 2011, 126 (128).
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C. Strafverfahren Die Voraussetzungen für eine Verantwortlichkeit von Unternehmen sind unverändert gering, sodass eine Strafbarkeit in vielen Fällen zu bejahen ist. Damit liegt die entscheidende Weichenstellung innerhalb des Rechtssystems, ob eine Bestrafung tatsächlich erfolgt oder nicht, nach wie vor bei der Staatsanwaltschaft als Herrin des Verfahrens. Deren Rolle und große Entscheidungsmacht werden jedoch zunehmend kritisch gesehen.25 Problematisch ist, dass die Staatsanwaltschaft prozessual zwar die „Schwächen“ des materiellen Rechts ausgleichen kann, aber nicht muss.26 Ihre Entscheidung unterliegt weder klaren rechtlichen Vorgaben noch ist sie rechtlich ohne Weiteres überprüfbar.27 Willkürlichen Entscheidungen sind damit Tür und Tor geöffnet. Die Forderungen nach einer gesetzlichen Regelung werden daher lauter.28 Ein in den Kongress eingebrachter Gesetzentwurf, der vor allem mit der Veröffentlichung erfolgter Einstellungen und Auflagen Transparenz schaffen wollte, ist bislang aber nicht verabschiedet worden.29 Ein beherrschendes Thema im Strafverfahren bleiben der Schutz von Unterlagen und die Pflicht zu Aussagen des für das Unternehmen tätig werdenden Anwalts, insbesondere in Compliance-Fragen. Die Reichweite des Anwalts- und Beratungsgeheimnisses und die Voraussetzungen für einen Verzicht sind weiterhin umstritten.30 Inhouse-Anwälte sind nur in geringem Umfang geschützt. Unter das Anwalts- und Beratungsgeheimnis fällt ihre Tätigkeit nur, wenn diese die normalen Voraussetzungen geschützter Kommunikation erfüllt.31 Die Gerichte lehnen es ab, einen umfassenderen Schutz zu gewähren, da die Anwälte auch zahlreiche nicht juristische Aspekte bearbeiten.32 Insbesondere die reine Faktensammlung wird dann als nicht geschützt angesehen, wenn sie lediglich zur Vorbereitung einer
____________ 25 Vgl. bspw. Baer, 19 J. Law & Pol. (2010-11), S. 1 ff.; K. Copeland, 78 U. Cin. L. Rev. (2009-10), S. 1199 ff.; Gallagher, 43 Suffolk U. L. Rev. (2009-10), S. 447 ff. 26 Vgl. nur Baer, 19 J. Law & Pol. (2010-11), S. 1 (8). 27 Vgl. nur Baer, 19 J. Law & Pol. (2010-11), S. 1 (8); Barkow, 31 Cardozo L. Rev. (2009-10), S. 2089 (2098 ff.). 28 Delaney, 93 Marq. L. Rev. (2009-10), S. 875 ff.; Gallagher, 43 Suffolk U. L. Rev. (2009-10), S. 447 ff. Siehe auch Barkow, 31 Cardozo L. Rev. (2009-10), S. 2089 (2105 ff.), die spezielle Compliance-Programme für die Staatsanwaltschaft vorschlägt, sowie K. Copeland, 78 U. Cin. L. Rev. (2009-10), S. 1199 (1245 ff.), die sich für eine gerichtliche Kontrolle ausspricht. 29 Accountability in Deferred Prosecution Act of 2009, H.R. 1947, 111th Cong. (2009). Dazu Copeland, 78 U. Cin. L. Rev. (2009-10), S. 1199 (1233 ff.); Gallagher, 43 Suffolk U. L. Rev. (2009-10), S. 447 (462 ff.). 30 Vgl. nur K. Copeland, 78 U. Cin. L. Rev. (2009-10), S. 1199 (1201 ff.). Siehe auch Mann, Verschwiegenheit, S. 81 ff. 31 Vgl. bspw. Kaplan/Murphy, Compliance Programs (2011-12 edn.), § 5:24. 32 Vgl. In re Vioxx Products Liability Litigation, 501 F.Supp.2d 789 (E.D. La. 2007).
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7. Kapitel: Neue Entwicklungen
rechtlichen Beratung dient.33 Auch Dokumente, die aufgrund gesetzlicher Vorgaben (z.B. im Steuerrecht) erstellt wurden, fallen grundsätzlich nicht unter das Anwalts- und Beratungsgeheimnis, da sie nicht im Hinblick auf ein gerichtliches Verfahren geschaffen werden.34 Hinzu kommt, dass Gerichte nach wie vor die Übergabe einzelner Dokumente an Behörden als Verzicht auf das Anwalts- und Beratungsgeheimnis werten, selbst wenn eine Geheimhaltungsklausel vereinbart wurde; sie lehnen die Möglichkeit eines „selective waiver“ ab.35 Gleiches kann für die Bekanntgabe an Dritte gelten.36 Dies ist von großer Bedeutung, da die Richtlinien für die Staatsanwaltschaft in neuerer Zeit nicht mehr geändert wurden und ihr nach wie vor erlauben, auch geschützte Unterlagen herauszuverlangen.37 Damit steht das Unternehmen vor dem Dilemma, entweder als unkooperativ zu gelten oder Beweismittel herauszugeben.38 Diese Zwangslage hat ein kalifornisches Berufungsgericht bewogen, eine Kooperation mit der Staatsanwaltschaft nicht als Verzicht auf das Anwalts- und Beratungsgeheimnis zu werten.39 Dem ist jedoch ein Bundesgericht im Verfahren Balsiger explizit entgegengetreten und hat es abgelehnt, allein ein Herausgabeverlangen der Ermittlungsbehörden als Zwangslage anzuerkennen.40 Damit besteht auf Bundesebene nach wie vor kein wirksamer Schutz des Unternehmens. Außerdem ist die Frage eines ausreichenden Schutzes der Mitarbeiter bei unternehmensinternen Ermittlungen weiterhin offen. Der Inhouse-Anwalt steckt hier in dem ethischen Dilemma zwischen den Interessen des Unternehmens an einer umfassenden Aufklärung und dem Schutz des Mitarbeiters vor einer Selbstbelastung.41
____________ 33 Vgl. den Fall Allied Irish Banks v. Bank of America, 240 F.R.D. 96 (S.D.N.Y. 2007), in dem allerdings eine externe Kanzlei die Ermittlungen durchgeführt hatte. 34 U.S. v. Textron Inc. and Subsidiaries, 577 F.3d 21 (1st Cir. 2009), cert. den. 130 S. Ct. 3322 (2010). 35 In re Initial Public Offering Securities Litigation, 21 MC 92 (SAS) (S.D.N.Y., 14. Feb. 2008), 2008 WL 400933. Vgl. zu selective waivers oben S. 257. 36 Vgl. den Fall Ryan v. Gifford, 918 A.2d 341 (Del. Ch. 2007), in dem ein Anwalt im Auftrag des Unternehmens einen Bericht über Pflichtverletzungen einiger directors erstellt hatte und diesen auch an die directors übersandt hatte. Da er nicht in ihrem Auftrag handelte, stufte das Gericht dies als Veröffentlichung mit Verzicht auf das Anwalts- und Beratungsgeheimnis ein. 37 Vgl. zu den Richtlinien oben S. 259. 38 So bspw. Kaplan/Murphy, Compliance Programs (2011-12 edn.), § 15:20. 39 Regents of the University of California v. Superior Court of San Diego County, 165 Cal.App.4th 672, 81 Cal.Rptr.3d 186 (2008). 40 U.S. v. Balsiger, 2010 WL 3239340 (E.D. Wis. 2010) and 2010 WL 3239327 (E.D. Wis. 2010). 41 Vgl. hierzu Hasnas, 44 Val. U. L. Rev. (2009–2010), S. 1199 ff.
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D. Die Unternehmensstrafe in der Praxis I. Staatsanwaltschaftliche Praxis Die Verfolgung von Kriminalität aus Unternehmen heraus steht weiterhin im Fokus der staatsanwaltschaftlichen Tätigkeit, die vielfach durch die Bildung spezieller Ermittlungsteams (task forces) begünstigt wird.42 Die Behörden nehmen zunehmend auch Unternehmen außerhalb der USA ins Visier, insbesondere wegen Verstößen gegen den FCPA.43 So werden beispielsweise durch eine entsprechende „enforcement practice“ im Pharmabereich Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung und Transparenzanforderungen nicht nur bei amerikanischen, sondern auch bei ausländischen Unternehmen durchgesetzt.44 Die Tendenz, Verfahren vor einer gerichtlichen Anhörung durch eine Absprache (plea agreement) zwischen Staatsanwaltschaft und Unternehmen gegen Auflagen beizulegen, hat sich fortgesetzt.45 Die Zahlen der Auswertung von McConnell/ Martin/Simon zeigen eine im Durchschnitt steigende Anzahl von Einstellungen sowie der Vorgaben für Compliance-Programme und der Auflage, einen Compliance-Monitor zu bestellen.46 Die Absprachen sind politisch gewollt, da sie das Bedürfnis nach einer abschreckenden Sanktion erfüllen, ohne das Unternehmen einem stigmatisierenden öffentlichen Verfahren auszusetzen.47 Die Kritik, dass die Staatsanwaltschaft sich in diesen Fällen auch die Rolle des Gerichts aneigne und damit die Gewaltenteilung unterlaufe,48 ist bislang ungehört verhallt. Voraussetzung für eine Einstellung ist nach wie vor eine umfangreiche Kooperation seitens der Unternehmen.49 Zudem
____________ 42 Vgl. zum aktuellen Ansatz der Staatsanwaltschaft auf Bundesebene Ramirez, 93 Marq. L. Rev. (2009-10), S. 971 (981 ff.), die vorschlägt, eine eigene Abteilung für Unternehmensstraftaten einzuführen (a.a.O., S. 996 ff.). 43 Vgl. McConnell/Martin/Simon, 33 Hous. J. Int. L. (2010-11), S. 509 (574 ff.); McGreal, 66 Bus. Law. (2010), S. 125 (140 ff.). 44 Vgl. nur Volz, CCZ 2011, 121. 45 Vgl. Siehe auch Barkow, 31 Cardozo L. Rev. (2009-2010), S. 2089 (2102 ff.); Boozang/Handler-Hutchinson, 35 Am. J. L. & Med. (2009), S. 89 (93); Gruner, Corporate Criminal Liability, § 8.05 [1] [g]; McConnell/Martin/Simon, 33 Hous. J. Int. L. (2010-11), S. 509 (564 f.) sowie bereits Garrett, 93 Va. L. Rev. (2007), S. 853 ff. 46 McConnell/Martin/Simon, 33 Hous. J. Int. L. (2010-11), S. 509 (564 f.). 47 So bspw. der Kongressabgeordnete Chris Cannon in der Anhörung zu „Deferred Prosecution: Should Corporate Settlement Agreements Be Without Guidelines?“, Subcommittee on Commercial and Administrative Law, House Committee on the Judiciary, 110th Cong., 2nd Sess. Serial Nom. 110–174 (2008), S. 10. Vgl. auch Gruner, Corporate Criminal Liability, § 8.05 [1] [d] und [f]. 48 Vgl. nur die Kritik von Ball/Bolia, 9 Wyo. L. Rev. (2009), S. 229 (251). 49 Vgl. dazu Gold, 8 Geo. J. L. & Pub. Pol. (2010), S. 147.
740
7. Kapitel: Neue Entwicklungen
haben solche mit einem Compliance-Programm eine gute Verhandlungsposition.50 Genaue Daten zu den Anforderungen für eine Einstellung liegen bedauerlicherweise nicht vor, da die Behörden Informationen über ihre Praxis selten offenlegen.51 Eine Einstellung erfolgt kaum mehr ohne die „Vereinbarung“ umfangreicher Sanktionen. Wie die Zahlen von McConnell/Martin/Simon zeigen,52 wird hierbei insbesondere auf Vorgaben für die Erstellung oder Überarbeitung des ComplianceProgramms gesetzt.53 Zunehmend berücksichtigt die Staatsanwaltschaft auch die Kriterien der OECD,54 wie dies in der Literatur bereits seit Längerem empfohlen worden war.55 Dass die Staatsanwaltschaft für die vorgeschlagenen ComplianceMaßnahmen oftmals nicht die ausreichende (vor allem gesellschaftsrechtliche) Expertise besitzt, bleibt ein bislang ungelöstes Problem.56 Schaubild 3: Einstellungen gegen Auflagen durch die Staatsanwaltschaft 45 40 35 30
Einstellungen gegen Auflagen
25
ComplianceͲVorgaben
20 15
Monitor
10 5 0 2005
2006
2007
2008
2009
2010
____________ 50 Vgl. Gruner, Corporate Criminal Liability, § 14.01 [4]; Kaplan/Murphy, Compliance Programs (2011-12 edn.), § 22:5. 51 Vgl. Gruner, Corporate Criminal Liability, § 14.01 [4] [j] mit dem Hinweis auf eine Einschätzung von Berenbeim/Kaplan, die die Zurückhaltung auf mangelnde Expertise hinsichtlich der Beurteilung von Compliance-Programmen (die ansonsten publik und nachprüfbar wäre) und die Angst, Präzedenzfälle zu schaffen, zurückführen. 52 Vgl. McConnell/Martin/Simon, 33 Hous. J. Int. L. (2010-11), S. 509 (564 f.) sowie oben Schaubild 3. 53 Kaplan/Murphy, Compliance Programs (2011-12 edn.), § 4:19; McConnell/Martin/ Simon, 33 Hous. J. Int. L. (2010-11), S. 509 (564). 54 Berücksichtigt werden insbes. die neuerdings veröffentlichten OECD Vorgaben zu Compliance, OECD, Practice Guidance on Internal Controls, Ethics, and Compliance vom 18.2.2010 (abrufbar unter ); dazu Kaplan/Murphy, Compliance Programs (2011-12 edn.), § 24:12; McConnell/Martin/Simon, 33 Hous. J. Int. L. (201011), S. 509 (555). 55 Vgl. oben S. 149. 56 Baer, 19 J. Law & Pol. (2010-11), S. 1 (9).
§ 30 Entwicklung in den USA
741
Von den möglichen Compliance-Auflagen hat der Compliance-Monitor, der die Umsetzung der Compliance-Vorgaben der Staatsanwaltschaft überwachen soll, inzwischen eine bedeutende Rolle erlangt.57 Daher hat die Staatsanwaltschaft hierfür eigene Richtlinien (Morford-Memorandum) erlassen.58 Der Monitor soll ein eigenes Team aufstellen, Zugang zu allen Unterlagen haben und grundsätzlich auch die Aufgabe übernehmen, neue Verdachtsmomente aufzudecken.59 Er soll die Entdeckung aller schwerwiegenden Vorfälle direkt an die Behörden berichten.60 Damit wird eine intensive und fortlaufende Kontrolle des Unternehmens während der „Amtszeit“ des Monitors erreicht. Die fortgesetzte Sammlung von Beweisen birgt allerdings das Risiko neuer staatlicher Verfahren.61 Zwar werden häufig Geheimhaltungsklauseln in die Vereinbarung mit dem Monitor aufgenommen, es gibt jedoch zahlreiche Konstellationen, in denen der Monitor dennoch eine (vorrangige) Pflicht zur Offenlegung von Informationen hat.62 Er wird so zum verlängerten Arm der Staatsanwaltschaft und zum Garant der Rechtsdurchsetzung. Aus staatlicher Sicht hat dies den Vorteil, dass die Kosten vom Unternehmen und nicht vom Staat getragen werden.63 Hieran zeigt sich deutlich, wie weit die Privatisierung der Sanktionsdurchsetzung bereits fortgeschritten ist. II. Gerichtliche Praxis Die Sentencing Commission erhebt weiterhin detaillierte Daten zu den Verurteilungen von Unternehmen auf Bundesebene. Seit der letzten Bearbeitung hat sie die Zahlen für die Jahre 2009 und 2010 veröffentlicht.64
____________ 57 Vgl. Gruner, Corporate Criminal Liability, § 8.05 [1] [d], [f] und [h]; McConnell/ Martin/Simon, 33 Hous. J. Int. L. (2010-11), S. 509 (563, 578 ff.). Siehe oben Schaubild 3 sowie S. 266. 58 U.S. Department of Justice, Selection and Use of Monitors in Deferred Prosecution Agreements and Non-Prosecution Agreements with Corporations vom 7.3.2008, sog. Morford-Memorandum (nach dem Deputy Attorney General); . 59 Vgl. die Prinzipien des Morford-Memorandums (oben Anm. 58); aus der Praxis siehe die Absprachen von Hersteller orthopädischer Produkte bei Gruner, Corporate Criminal Liability, § 8.05 [1] [f] sowie zum Monitor bei Boeing, a.a.O., § 15.04 [7]. 60 So das Morford-Memorandum (oben Anm. 58), Prinzip Nr. 7. 61 Gruner, Corporate Criminal Liability, § 8.05 [1] [i]. 62 So insbes. bei börsennotierten Gesellschaften aufgrund des Wertpapierhandelsrechts und Vorgaben der SEC, vgl. Boozang/Handler-Hutchinson, 35 Am. J. L. & Med. (2009), S. 89 (121 f.). 63 Vgl. die Aussage des ehemaligen Attorney General John Ashcroft in der Anhörung vor dem Kongress (Anm. 47), S. 21 f., 29. 64 Siehe zu den Daten der Jahre 1992 bis 2008 oben S. 265 ff.
742
7. Kapitel: Neue Entwicklungen
1. Geldstrafe Für die Anzahl und die Höhe der Geldstrafen ergibt sich Folgendes: Tabelle 17: Verurteilungen mit Geldstrafe Jahr
Verurteilungen insgesamt
Verurteilungen mit Geldstrafe
Durchschnittswert (in Tsd. US-$)
Medianwert (in Tsd. US-$)
2009
177 (100 %)
131 (74,0 %)
17.293
119
2010
148 (100 %)
113 (76,4 %)
16.306
180
Anmerkungen: Die Jahresdaten beziehen sich auf das fiskalische Jahr der USSC;65 im Jahr 2010 wurden 149 Unternehmen verurteilt, in einem Fall lagen aber keine vollständigen Daten vor.
Die Zahlen zeigen einen weiteren Rückgang der Verurteilungen und bestätigen damit den Trend seit dem Jahr 2000. Darin dürfte sich die Erledigung von Verfahren durch plea agreements mit der Staatsanwaltschaft in einem frühen Verfahrensstadium widerspiegeln.66 Diese erlauben ähnliche Sanktionen und machen damit das Gerichtsverfahren zunehmend entbehrlich. Die Geldstrafe hat sich als die wichtigste Strafe etabliert. Ihre Höhe ist weiterhin gestiegen, sowohl im Durchschnitts- wie auch im Medianwert. Er liegt deutlich über der Höhe der Strafen vor zehn Jahren. Auch die Anzahl sehr hoher Geldbußen hat zugenommen: Bis 2007 gab es nur eine Geldbuße über 350 Mio. US-$, bis Anfang 2010 waren es schon acht.67 2. Compliance-Programme und Kooperation mit den Ermittlungsbehörden Für die schuldmildernden Faktoren im Rahmen der Bemessung der Geldstrafe, das Vorliegen eines Compliance-Programms und die Kooperation mit den Ermittlungsbehörden68 gilt Folgendes: Tabelle 18: Bedeutung von Compliance-Programmen und Kooperation Jahr
Verurteilungen mit Geldstrafe
effective compliance program § 8C2.5(f)
self-reporting § 8C2.5(g)(1)
cooperation § 8C2.5(g)(2)
acceptance of responsibility § 8C2.5(g)(3)
2009
96 (100 %)
0 (0 %)
1 (1,0 %)
58 (60,4 %)
29 (30,2 %)
2010
60 (100 %)
0 (0 %)
1 (1,7 %)
33 (55,0 %)
18 (30,0 %)
Anmerkungen: Die Jahresdaten beziehen sich auf das fiskalische Jahr der USSC;69 die genannte Anzahl der Verurteilungen umfasst nur Fälle, in denen die Richtlinien angewandt wurden und ausreichende Daten vorlagen.70
____________ Vgl. oben § 8 Anm. 54. Vgl. oben S. 241 ff., 739 ff. 67 Vgl. die Auswertung bei Kaplan/Murphy, Compliance Programs (2011-12 edn.), § 3:18. 68 Vgl. dazu oben S. 162 ff. (Compliance-Programme) und S. 174 ff. (Kooperation). 65 66
§ 30 Entwicklung in den USA
743
Nach wie vor sind Compliance-Programme im gerichtlichen Verfahren irrelevant.71 Dagegen hat sich die Kooperation mit den Ermittlungsbehörden als bedeutender Bestandteil der Sanktionsbemessung etabliert.72 Zwischen 80 und 90 % der Unternehmen kooperieren mit den Behörden. Wie bislang nimmt aber kaum ein Unternehmen die beste Möglichkeit zur Reduzierung des Schuldwerts durch eine Selbstanzeige wahr. Dagegen arbeiten viele Unternehmen mit den Ermittlungsbehörden zusammen und ein wesentlicher Anteil übernimmt zumindest die Verantwortung für die Tat. Für die Bedeutungslosigkeit der Compliance-Programme lässt sich weiterhin vermuten, dass die angeklagten Unternehmen kein hinreichendes ComplianceProgramm im Sinne der Richtlinien implementiert haben.73 Auch dürfte sich die starke Berücksichtigung von Compliance-Programmen bei der Staatsanwaltschaft bemerkbar machen, sodass sich die Anklagen tatsächlich auf Unternehmen mit der höchsten kriminellen Energie konzentrieren.74 Damit wird ein Unternehmen, das ein nennenswertes Compliance-Programm vorzuweisen hat, gute Chancen haben, eine Anklage (und ein gerichtliches Verfahren) zu vermeiden. Hinsichtlich der Beteiligung von Führungspersonen an den Straftaten zeichnen die neueren Daten folgendes Bild: Tabelle 19: Beteiligung von Führungspersonen Jahr
Verurteilungen mit Geldstrafe
Anzahl der Mitarbeiter liegt über 1.000
5.000
2009
96 (100 %)
23 (24,0 %)
10
10 (10,4 %)
50
16 (16,7 %)
200
1 (1,0 %)
4 (4,2 %)
2010
60 (100 %)
24 (40,0 %)
7 (11,7 %)
7 (11,7 %)
2 (3,3 %)
1 (1,7 %)
Anmerkungen: Die Jahresdaten beziehen sich auf das fiskalische Jahr der USSC;75 die Anzahl der Verurteilungen bezieht sich nur auf die Fälle, in denen die Richtlinien angewandt wurden und ausreichende Daten vorlagen.76
Die Zahlen zeigen kaum Veränderungen zu den Vorjahren. In über der Hälfte der Fälle ist eine Führungsperson involviert. Dies betrifft zumeist kleinere Betriebe mit __________ Vgl. oben § 8 Anm. 54. Vgl. oben § 8 Anm. 64 sowie Anm. 54. 71 Krit. Eastman, 94 Minn. L. Rev. (2009-10), S. 1620 (1628 ff.), die daher eine Abschaffung der Regelung vorschlägt. 72 Ebenfalls krit. diesbezüglich Eastman, 94 Minn. L. Rev. (2009-2010), S. 1620 (1628 ff.), da die Kooperation zum Nachteil des Unternehmens und der Mitarbeiter sei. 73 Siehe aber auch im nachfolgenden Abschnitt zu Möglichkeiten, ein Programm, das nicht den Richtlinien entspricht, über die allgemeinen Strafzumessungskriterien zu berücksichtigen. 74 Siehe zur Rolle von Compliance-Programmen im Rahmen der staatsanwaltschaftlichen Entscheidungsfindung oben S. 236 ff. 75 Vgl. oben § 8 Anm. 54. 76 Vgl. oben § 8 Anm. 64 sowie Anm. 54. 69
70
744
7. Kapitel: Neue Entwicklungen
wenigen Mitarbeitern, in denen die handelnden (und rechtlich handlungsberechtigten) Personen vielfach Führungskräfte sind. Da seit 2004 das Compliance-Programm bei weniger als 200 Mitarbeitern nicht automatisch als unwirksam gilt, sondern lediglich die widerlegbare Vermutung begründet, dass es nicht effektiv ist,77 werden kleine Unternehmen aber nicht unbillig benachteiligt. Die meisten Verurteilungen treten bei kleinen Unternehmen auf, es lässt sich daher aufgrund der Daten vermuten, dass diese (im Gegensatz zu vermehrt in der Öffentlichkeit stehenden Großunternehmen) besonders häufig überhaupt kein Compliance-Programm hatten. 3. Abweichungen vom Strafrahmen der Richtlinien (departures) Daten zu Abweichungen der verhängten Strafen vom nach den Richtlinien errechneten Strafrahmen (upward/downward departures) werden wie in den Vorjahren nur für natürliche Personen und Unternehmen gemeinsam erhoben.78 Danach ergibt sich Folgendes: Tabelle 20: Abweichungen vom Strafrahmen Jahr
Strafe innerhalb des Strafrahmens der Richtlinien
Strafe unterhalb des Strafrahmens der Richtlinien
Strafe oberhalb des Strafrahmens der Richtlinien
2009
56,8 %
41,2 %
2,0 %
2010
55,0 %
43,2 %
Anmerkung: Die Jahresdaten beziehen sich auf das fiskalische Jahr der
1,8 %
USSC.79
Nach wie vor liegt die Strafe zumeist innerhalb des Strafrahmens der Richtlinien.80 Sie bleiben damit auch nach dem Booker-Urteil von 200581 der zentrale Angelpunkt für die Bestimmung der Strafe.82 Allerdings hat sich der Trend, von den Richtlinien abzuweichen, seit dem Booker-Urteil fortgesetzt. Es gibt so viele Abweichungen wie noch nie seit Einführung der Richtlinien. Dabei werden nur ausnahmsweise schärfere Strafen verhängt, überwiegend wird jedoch nach unten abgewichen. Dies kann ein Zeichen dafür sein, dass die Richterschaft die Strafrahmen der Richtlinien oft als zu hoch empfindet. Die Richter nutzen verstärkt ihr richterliches Ermessen und weichen, auch ohne dass dies von der Staatsanwaltschaft angeregt wird, vom Strafrahmen ab.83 Das Booker-Urteil hat damit die ____________ Vgl. § 8 C 2.5 (f) (3) USSG. Vgl. zu den Daten den Hinweis oben § 8 Anm. 76. 79 Vgl. oben § 8 Anm. 54. 80 So betont bspw. auch Gruner, Corporate Criminal Liability, § 11.03 [6] [e] und [g] die Bedeutung der Richtlinien. 81 Siehe oben S. 194 ff. 82 So auch McConnell/Martin/Simon, 33 Hous. J. Int. L. (2010-11), S. 509 (524). 83 Im Jahr 2010 wurde bei Strafschärfungen in 1,1 % aller Fälle (Gesamtanteil der Strafschärfungen: 1,8 %) und bei Strafmilderungen in 14,7 % aller Fälle (Gesamtanteil der Strafmilderungen: 43,2 %) auf das Booker-Urteil Bezug genommen; in 17,8 % aller Fälle 77
78
§ 30 Entwicklung in den USA
745
richterliche Unabhängigkeit, insbesondere gegenüber der Staatsanwaltschaft,84 nachhaltig gestärkt. Richter scheinen vermehrt über die allgemeinen Strafzumessungskriterien des 18 U.S.C. § 3553 (a) Umstände heranzuziehen, die nicht oder nur teilweise in den Richtlinien Niederschlag gefunden haben. So kann beispielsweise auch ein nicht vollständig den Richtlinien entsprechendes ComplianceProgramm berücksichtigt werden.85 4. Wiedergutmachung Für Wiedergutmachungsanordnungen nach den Richtlinien, die allein oder neben einer Geldstrafe verhängt werden, ergibt sich Folgendes: Tabelle 21: Wiedergutmachungsanordnungen Jahr
Verurteilungen insgesamt
Verurteilungen mit Wiedergutmachung
Durchschnittswert (in Tsd. US-$)
Medianwert (in Tsd. US-$)
2009
177 (100 %)
52 (29,4 %)
1.591
310
2010
148 (100 %)
35 (23,7 %)
17.839
150
Anmerkungen: Die Jahresdaten beziehen sich auf das fiskalische Jahr der USSC;86 im Jahr 2010 wurden 149 Unternehmen verurteilt, in einem Fall lagen aber keine vollständigen Daten vor.
Der Anteil der Anordnungen in Bezug auf die Gesamtzahl der Verurteilungen ist in den letzten beiden Jahren rückläufig und hat 2010 den niedrigsten Stand seit Einführung der Richtlinien erreicht. Er liegt aber immer noch deutlich über dem Wert vor Einführung der Richtlinien.87 Die Höhe der Wiedergutmachung schwankt in den einzelnen Jahren stark, hat sich jedoch im Vergleich zu den Zeiträumen vor Einführung der Richtlinien und den ersten Jahren danach auf hohem Niveau etabliert. 5. Bewährungsstrafe Für die Anordnung zur Erstellung eines Compliance-Programms, die die wichtigste Form der Bewährungsstrafe darstellt, gilt Folgendes:
__________ erfolgte eine Strafmilderung ohne Initiative durch die Staatsanwaltschaft. Vgl. USSC, 2010 Sourcebook of Federal Sentencing Statistics, Tabelle N. Zu den Zahlen für 2008 vgl. oben § 8 Anm. 79, 80. 84 Gruner, Corporate Criminal Liability, § 11.03 [6] [f]. 85 Vgl. auch Eastman, 94 Minn. L. Rev. (2009-2010), S. 1620 (1645), die die Faktoren Compliance und Kooperation nur über die allgemeinen Kriterien berücksichtigen möchte. 86 Vgl. oben § 8 Anm. 54. 87 Vor Einführung der Richtlinien wurde nur bei ca. 10 % der Verurteilungen eine Wiedergutmachung angeordnet, vgl. oben S. 135 f.
746
7. Kapitel: Neue Entwicklungen
Tabelle 22: Bewährungsstrafe Jahr
Verurteilungen insgesamt
Verurteilungen mit Bewährungsstrafe
Anordnung von Compliance-Programmen
2009
177 (100 %)
131 (74,0 %)
9 (5,1 %)
2010
149 (100 %)
105 (70,5 %)
42 (28,2 %)
Anmerkung: Die Jahresdaten beziehen sich auf das fiskalische Jahr der USSC.88
Nachdem 2009 die Anzahl der Anordnungen von Compliance-Programmen den niedrigsten Wert seit Einführung der Richtlinien erreicht hat, hat er im Jahr 2010 den bisher höchsten Stand erreicht. Ein Trend ist damit bislang nicht erkennbar. Nach wie vor gilt aber, dass die Gerichte selbst angesichts der Zahlen von 2010 noch deutlichen Spielraum nach oben haben, da keines der verurteilten Unternehmen ein wirksames Compliance-Programm hatte. 6. Verfahrensablauf In Bezug auf den Verfahrensablauf liegen folgende Daten vor: Tabelle 23: Verfahrensablauf Jahr
Verurteilungen insgesamt
guilty plea
nolo contendere
Bench Trial/ Jury Trial
2009
177 (100 %)
170 (96,0 %)
0 (0,0 %)
7 (4,0 %)
2010
145 (100 %)
136 (93,8 %)
3 (2,1 %)
6 (4,1 %)
USSC;89
Anmerkungen: Die Jahresdaten beziehen sich auf das fiskalische Jahr der die genannte Anzahl der Verurteilungen im Jahr 2010 umfasst nur Fälle, in denen ausreichende Daten vorlagen.90
Der Anteil der Verfahren, in denen eine Hauptverhandlung vor dem Richter oder der Jury stattfindet, hat in den letzten beiden Jahren einen historischen Tiefpunkt erreicht. Dementsprechend hoch ist der Anteil der Verfahren, in denen ein Geständnis abgelegt und das Verfahren abgekürzt wird. Ein vollständiges Strafverfahren findet faktisch kaum mehr statt. Da dem Geständnis regelmäßig ein plea agreement mit der Staatsanwaltschaft vorausgeht, zeigt sich hier der massive Einfluss der Staatsanwaltschaft auch im gerichtlichen Verfahren.
____________ Vgl. oben § 8 Anm. 54. Vgl. oben § 8 Anm. 54. 90 Aufgrund fehlender Daten waren nicht in allen Fällen der Verurteilung zu Geldstrafe Daten über die relevanten Schuldfaktoren verfügbar (für Details siehe die einzelnen Geschäftsberichte). Die Anzahl der tatsächlichen Fälle mit Geldstrafe kann also über den in der Tabelle genannten Zahlen liegen (siehe zu den Angaben bereits die Tabelle 02). Vgl. auch oben Anm. 65. 88
89
§ 30 Entwicklung in den USA
747
III. Vollstreckungspraxis Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Gerichte verhängen hohe Sanktionen gegen Unternehmen. Eine Studie von Ross/Pritikin zeigt, dass jedoch nur ein geringer Teil dieser Sanktionen gezahlt und eingetrieben wird.91 So hat das Department of Justice in den letzten Jahren nur vier Prozent der Sanktionen auch tatsächlich erhalten.92 Ähnliche Zahlen gelten nach der Studie für andere Behörden. Die Gründe sind unterschiedlich: Oft ist die geringe Vollstreckung auf mangelnde Ressourcen und ineffektive Behördenstrukturen zurückzuführen,93 vielfach jedoch auch auf eine nachträgliche Reduktion der Sanktion.94 Im ersten Fall liegt ein echtes Vollzugsdefizit vor, während im zweiten Fall die verhängte Sanktion vor allem symbolischen Charakter hat. Angesichts dieser Vollzugspraxis müssen Unternehmen derzeit nicht damit rechnen, verhängte Strafen auch tatsächlich begleichen zu müssen.
E. Weitere Entwicklung von Compliance Compliance wird immer stärker in das amerikanische Recht integriert. Beispielsweise wurde im Jahr 2010 die Errichtung eines Compliance-Programms für zahlreiche Akteure im Gesundheitsbereich verpflichtend per Gesetz vorgesehen.95 Eine ähnliche Entwicklung findet in den Bundesstaaten statt.96 Durch den DoddFrank Wall Street Reform and Consumer Protection Act von 2010 wurde der Bereich des Whistleblowing gestärkt.97 Für die Meldung eines Vorfalls, der zu einer Sanktion durch die SEC führt, kann der Meldende einen Anteil (zwischen 10 und 30 %) an der Sanktion erhalten, die die SEC gegen das Unternehmen festsetzt.98 Durch diesen hohen Anreiz ist zu erwarten, dass vermehrt Meldungen erfolgen. Für Unternehmen steigt damit die Notwendigkeit, effektiv Prävention zu betreiben und mögliche Vorfälle selbst aufzuklären. Die Rechtsprechung erkennt Compliance-Programme außerhalb des Strafrechts im bisherigen Umfang unverändert an. So werden sie beispielsweise als Verteidigungsmittel (good faith defense) gegen ein Unternehmen wegen sexueller Beläs____________ Ross/Pritikin, 29 Yale L. & Pol. Rev. (2011), S. 453 ff. Ross/Pritikin, 29 Yale L. & Pol. Rev. (2011), S. 453 (456). 93 Ross/Pritikin, 29 Yale L. & Pol. Rev. (2011), S. 453 (465 ff., 496 ff.). 94 Ross/Pritikin, 29 Yale L. & Pol. Rev. (2011), S. 453 (479 ff.). 95 Vgl. den Patient Protection and Affordable Care Act von 2010, Pub. L. No. 111-148 (2010), § 6102. Dazu Kaplan/Murphy, Compliance Programs (2011-12 edn.), § 22:10. 96 Vgl. Kaplan/Murphy, Compliance Programs (2011-12 edn.), § 24:30; McGreal, 66 Bus. Law. (2010), S. 125 (129 ff.). 97 Gesetz vom 21.7.2010, Pub. L. 111-203, 124 Stat. 1376 (2010). 98 Vgl. das Gesetz unter sec. 922, der den Securities Exchange Act von 1934 ergänzt. 91
92
748
7. Kapitel: Neue Entwicklungen
tigung akzeptiert.99 Verstärkt betont wird aber, dass es sich nicht nur um einen Papiertiger handeln darf, sondern die Vorgaben auch in der Praxis um- und durchgesetzt werden müssen.100 Insgesamt analysiert das Schrifttum den Ansatz einer gesteuerten Selbstkontrolle von Unternehmen durch Compliance-Programme zunehmend differenziert und steht ihm bei einer entsprechend effizienten Gestaltung auch offen gegenüber.101 Dabei ist der immer stärkere Einfluss des Strafrechts durch die Compliance-Entwicklung auf die Unternehmensstrukturen ein wichtiges Thema.102 Die Einflussnahme wird nicht generell negativ gesehen, sondern vor allem wegen ihrer Unberechenbarkeit kritisiert.103 Verbesserungsvorschläge zielen daher vor allem auf eine Abstimmung der Entwicklung im Strafrecht mit der des Gesellschaftsrechts.104 Damit könnten die bestehenden Friktionen zukünftig beseitigt werden.
____________ Vgl. oben S. 294. Vgl. Whitten v. Fred’s, Inc., 601 F.3d 231 (4th Cir. 2010). Dazu McGreal, 66 Bus. Law. (2010), S. 125 (139). 101 Vgl. bspw. zur Praxis der Bundesbehörden Stafford, 32 Cardozo L. Rev (2010-11), S. 2293 ff. 102 Baer, 19 J. Law & Pol. (2010-2011), S. 1 (10 f.). 103 Baer, 19 J. Law & Pol. (2010-2011), S. 1 (11). 104 Baer, 19 J. Law & Pol. (2010-2011), S. 1 (11 ff.). 99
100
§ 31 Entwicklung in Deutschland Die Entwicklung in Deutschland ist vor allem durch die weite Verbreitung des Compliance-Ansatzes und dessen intensive Diskussion geprägt. Compliance ist eines der beherrschenden Themen in der Wirtschaft und im Rechtsleben geworden. Der Fall Siemens als Ausgangspunkt der Entwicklung ist weiterhin im Gespräch.1 Zudem haben zahlreiche neuere Compliance-Vorfälle in großen Unternehmen wie bei MAN, Ferrostaal oder Daimler die Diskussion am Leben gehalten und befeuert.2
A. Strafrechtliche Verantwortlichkeit Aus strafrechtlicher Sicht ist weiterhin der Verfall nach §§ 73 StGB die entscheidende Sanktion gegen Unternehmen.3 Der BGH hat seine Rechtsprechung explizit bestätigt, wonach ein Unternehmen als Dritter Adressat der Verfallsanordnung sein kann (hier: Empfänger des Kaufpreises aus einem Unternehmensverkauf, der durch Umsatzmanipulationen seitens der Organe und Eigentümer zustande kam).4 Dabei ist zwingend das Bruttoprinzip anzuwenden, sodass keine Gegenleistungen etc. abzuziehen sind; vorliegend unterlag der gesamte erhaltene Kaufpreis und nicht nur der Gewinn dem Verfall.5 Ein echtes Unternehmensstrafrecht ist in Deutschland bislang nicht eingeführt worden. Das Thema ist aber weiterhin Gegenstand zahlreicher Publikationen.6 Nach wie vor ist der Schuldgrundsatz ein entscheidendes Element in der Diskussion. Das Lissabon-Urteil des BVerfG hat betont, dass das Strafrecht auf dem ____________ 1 Vgl. eingehend Arzt, FS-Stöckel, S. 15 ff. Siehe auch Knauer/Buhlmann, AnwBl. 2010, 387 f.; Momsen, ZIS 2011, 508 (509 f.); I. Roxin, StV 2012, 116. 2 MAN SE akzeptierte im Dezember 2009 Unternehmensgeldbußen in Höhe von 150,6 Mio. Euro. Es hatte für Ermittlungen ca. 50 Mio. Euro aufgewandt und die Ergebnisse der Staatsanwaltschaft zur Verfügung gestellt. Die Daimler AG bekannte sich im April 2010 schuldig, Regierungsbeamte bestochen zu haben, um Aufträge zu erhalten. Das Unternehmen zahlte 185 Mio. US-$ Strafe in den USA und richtete ein neues Ressort Compliance ein. Die Ferrostaal AG, deren interne Ermittlungen ca. 30 Mio. Euro gekostet hatten, wurde am 20.12.2011 wegen Bestechung zu einer Geldbuße von ca. 139,8 Mio. Euro verurteilt. 3 Vgl. Korte, FS-Samson, S. 65 ff.; Kretschmer, FS-Geppert, S. 287 (301 ff.); Taschke, NZWiSt 2012, 41 (45). 4 BGH, NStZ 2011, 83. 5 BGH, NStZ 2011, 83 (85). 6 Vgl. die Monografien von Albering, Strafbarkeit (2010) und Modlinger, Unternehmensstrafrecht (2010) [mit Ausführungen zu den USA auf S. 341 ff.] sowie Kelker, FSKrey, S. 221 ff.; Laue, Jura 2010, 339 ff.; Leitner, StraFO 2010, 323 (327 f.); Ransiek, NZWiSt 2012, 45 ff.; Trüg, wistra 2010, 241; ders., StraFO 2011, 471. Siehe auch Bottke, FS-Stöckel, S. 43 (51 ff.).
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Schuldgrundsatz beruhe, der sich aus der Menschenwürdegarantie ableite.7 Daraus wurde geschlossen, dass es einer Unternehmensstrafbarkeit entgegenstehe.8 Das Urteil thematisierte jedoch allein natürliche Personen und ließ offen, wie die Schuld zu bestimmen sei. Insoweit ist die Frage der Anwendung des Strafrechts auf Unternehmen nicht entschieden worden. Nachdem die politische Diskussion darum seit der Jahrtausendwende weitgehend ruhte, steht die Unternehmensstrafe neuerdings wieder auf der rechtspolitischen Agenda. Auf der Herbstkonferenz der Justizministerinnen und Justizminister im Jahr 2011 wurde die Bundesministerin der Justiz aufgefordert, geeignete gesetzliche Regelungsvorschläge vorzulegen, um eine „wirksamere Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität“ zu erreichen. Als Maßnahmen wurden unter anderem „Elemente der Verbandsstrafe“ und die „Stärkung der Vermögensabschöpfung“ genannt.9 Es ist somit nicht auszuschließen, dass in nächster Zeit konkrete Gesetzesvorhaben zur Diskussion stehen.
B. Ordnungswidrigkeitenrechtliche Verantwortlichkeit I. Voraussetzungen 1. Compliance-Officer Unter den zahlreichen Aspekten von Compliance wurde insbesondere die Verantwortlichkeit des Compliance-Officers diskutiert. Auslöser war das BSR-Urteil des BGH im Jahr 2009,10 das zu einer inzwischen unüberschaubaren Flut von Publikationen geführt hat.11 Die Anzahl der Veröffentlichungen steht in bemerkenswertem Gegensatz zur Spärlichkeit der Ausführungen des BGH. Da er wenig ausgeführt hat, bleibt viel Raum für Spekulation. Immerhin hat das Urteil bewirkt, die bislang nicht näher definierte Position und Aufgabe des Compliance-Officers zu-
____________ Urt. vom 30.6.2009 – 2 BvE 2/08, Rn. 364 (= BVerfGE 123, 267). So aber Kretschmer, FS-Samson, S. 287 (308 f.). 9 So der Beschluss zu TOP II.2 „Gesetzliche Maßnahmen zur Stärkung der Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität“. Die Konferenz fand am 9.11.2011 in Berlin statt. 10 Vgl. BGH NJW 2009, 3137 = BGHSt 54, 44; siehe bereits oben S. 405. 11 Bei juris werden allein 54 Urteilsanmerkungen angeführt (Stand: 26.3.2012); aus der Literatur vgl. bspw. Beulke, FS-Geppert, S. 23 ff.; Bürkle, CCZ 2010, 4; Dannecker/ Dannecker, JZ 2010, 981; D. Geiger, CCZ 2011, 170 ff.; Jahn, JuS 2009, 1142; Kraft/Winkler, CCZ 2009, 29; Krüger, ZIS 2011, 1; Leitner, StraFO 2010, 323 (325); Momsen, FS-Puppe, S. 751 ff.; Moslacher/Dierlamm, NStZ 2010, 268; Ransieck, AG 2010, 147; Rönnau/Schneider, ZIP 2010, 53; Rotsch, ZJS 2009, 712; HWSt(3. Aufl.)Rotsch, I 4 Rn. 33; Schneider/Gottschaldt, ZIS 2011, 573; Warneke, NStZ 2010, 312. 7
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mindest in der Literatur und der unternehmerischen Praxis klarer zu konturieren.12 Compliance wird immer weniger nur als zusätzliche Aufgabe eines Mitarbeiters, sondern vielmehr durch einen oder mehrere Vollzeit-Compliance-Officer wahrgenommen.13 Diese treten neben die gesetzlich geregelten und mit einem klaren Aufgabenbereich versehenen Geldwäschebeauftragten und Ausfuhrverantwortlichen. Das Institut des Funktionsträgers, das sich in den 1970er Jahren zuerst im Bereich des Umweltrechts manifestierte und inzwischen über 100 gesetzlich vorgesehene Beauftragte umfasst, hat sich damit im Bereich des Wirtschaftsstrafrechts noch einmal um einen außergesetzlichen und wenig konturierten Funktionsbereich erweitert. Für § 30 OWiG ist die Frage, wofür ein Compliance-Officer einzustehen hat, von Interesse, da der BGH möglicherweise den Umfang der Unterlassensstrafbarkeit und damit des Anknüpfungspunkts für die Unternehmensgeldbuße ausdehnen wird. Somit könnte er eine indirekte Pflicht zur Schaffung einer ComplianceOrganisation begründen. Ob eine Neuausrichtung der Unterlassungsstrafbarkeit wirklich intendiert ist, lässt sich den Ausführungen des BGH jedoch nicht entnehmen.14 Die Verantwortlichkeit des Compliance-Officers bleibt damit zunächst so vage wie die strafrechtliche Geschäftsherrenhaftung, die in der Rechtsprechung über die Konturierung einiger Randfragen nicht hinausgekommen ist.15 Unklar bleibt auch das Verhältnis zwischen den Pflichten des Compliance-Officers und des Geschäftsherren,16 also auch, ob den Compliance-Beauftragten eine originäre Verantwortlichkeit trifft oder nur eine vom Geschäftsherren abgeleitete. Aus der Geschäftsherrenhaftung wird sich aber wohl nur in bestimmten Fällen eine Garantenpflicht des Compliance-Officers ableiten lassen.17 Nach dem BGH besteht eine Garantenpflicht, wenn der Compliance-Officer den entsprechenden Pflichtenkreis übernommen hat und damit eine „Sonderverantwortlichkeit“ entsteht.18 Ausgangs- und Angelpunkt der „Schutz- und Überwachungspflichten“ scheint damit die (arbeits-)vertragliche Regelung mit dem Unternehmen, ____________ 12 Vgl. die Umfrage von Fastenrath, CCZ 2011, 32 ff., nach der fast alle befragten Compliance-Verantwortlichen das Urteil kennen. Dieses hat in der Hälfte der Fälle zu Veränderungen im Unternehmen geführt. 13 Vgl. Moosmayer, AnwBl. 2010, 634 (635). Siehe auch Klopp, Compliance-Beauftragter, S. 117 ff. 14 Vgl. zum Urteil den Richter am BGH Fischer, StraFO 2010, 329 (335): „in ihren Implikationen noch nicht ganz überschaubar“. 15 Vgl. Beulke, FS-Geppert, S. 23 (25); Roxin, Strafrecht AT II, § 32 Rn. 134. 16 Vgl. Fischer, StraFO 2010, 329 (335 f.); HWSt(3. Aufl.)-Rotsch, I 4 Rn. 34 ff. 17 Dies wird man am ehesten bejahen können, wenn ein Mitglied der Geschäftsleitung Compliance-Officer ist, vgl. Schneider/Gottschaldt, ZIS 2011, 573 (574 f.). Zudem dann, wenn explizit bestimmte (übertragbare) Überwachungspflichten übertragen wurden, vgl. Dannecker/Dannecker, JZ 2010, 981 (988 ff.). 18 BGHSt 54, 44 (48 f.).
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ggf. begrenzt durch die tatsächlich übernommenen Pflichten.19 Sehen diese Pflichten vor, Straftaten im Unternehmen zu verhindern, soll dies prinzipiell eine Garantenstellung des Compliance-Officers i.S.v. § 13 StGB begründen. Dies greift dogmatisch allerdings nur für die Position des Beschützergaranten.20 Es wäre aber von nahezu uferloser Weite, wenn man mit dem BGH eine Schutzpflicht z.B. gegenüber allen Gebühren zahlenden Straßenanliegern annähme.21 Eine Pflicht zur Verhinderung von Straftaten zulasten außerhalb des Unternehmens Stehender würde den Compliance-Officer zu einem Inhouse-Polizisten machen und die Schutzpflichten beinah konturenlos werden lassen. Zudem zielt die Argumentation des BGH weniger auf den Schutzaspekt als vielmehr auf die Überwachung möglicher Risikoquellen im Unternehmen durch den Compliance-Officer. Dann ist er aber Aufsichtsgarant. Aufsichtsgarant wird man jedoch nicht automatisch durch die Zusage (etwa gegenüber dem Unternehmen), bei bestimmten Situationen einzuschreiten. Denn dies würde das Prinzip der Eigenverantwortlichkeit der zu überwachenden Personen aushebeln, weshalb derartige Garantenpflichten auf wenige Sonderkonstellationen (wie Eltern-Kind) beschränkt sind.22 Es verbliebe dann nur, eine (wie im Rahmen der Geschäftsherrenhaftung) Verantwortlichkeit für die „Gefahrenquelle Unternehmen“ anzunehmen.23 Dies ist in der Pauschalität sicherlich nicht sachgerecht. Doch selbst, wenn man mit dem BGH einen weiten Pflichtenkreis annimmt, sind letztlich für eine Unterlassungsverantwortlichkeit die Befugnisse des ComplianceOfficers entscheidend. Vielfach hat dieser (arbeitsvertraglich geregelt24) nur die Pflicht, an die Geschäftsleitung zu berichten, aber keine eigenen operativen Entscheidungs- und Weisungsbefugnisse.25 Wenn er die Berichtspflicht erfüllt, bleibt kein Raum für eine Unterlassungsstrafbarkeit.26 Die Befugnisse begrenzen somit ____________ 19 Dannecker/Dannecker, JZ 2010, 981 (985 f.); Schneider/Gottschaldt, ZIS 2011, 573 (575). 20 So auch Beulke, FS-Geppert, S. 23 (28); Rotsch, ZJS 2009, 712 (716 f.). 21 Krit. bspw. Dannecker/Dannecker, JZ 2010, 981 (984 ff.); Michalke, AnwBl. 2010, 666 (668 f.). Naheliegender wäre dann, das Unternehmen per se als schutzbedürftig einzustufen. 22 Beulke, FS-Geppert, S. 23 (28); D. Geiger, CCZ 2011, 170 (171 ff.). 23 So bspw. Dannecker/Dannecker, JZ 2010, 981 (990); Ransiek, AG 2010, 147 (150); ablehnend aber Beulke, FS-Geppert, S. 23 (33 ff.). 24 Zu den Ausgestaltungen Fecker/Kinzl, CCZ 2010, 13 ff.; Klopp, ComplianceBeauftragter, S. 133 ff. 25 Vgl. D. Geiger, CCZ 2011, 170 ff.; Klopp, Compliance-Beauftragter, S. 217 ff.; Lösler, WM 2008, 1098 (1102); Momsen, FS-Puppe, S. 751 (763); Moosmayer, AnwBl. 2010, 634 (635); Rönnau/Schneider, ZIP 2010, 53 (60). Siehe auch Engelhart, ZIP 2010, 1832 (1838). 26 So auch Bürkle, CCZ 2010, 4 (8 ff.); Deutscher, WM 2010, 1387 (1392); Kraft/ Winkler, CCZ 2009, 29 (32); Momsen, FS-Puppe, S. 751 (756 f.); Ransieck, AG 2010, 147 (153); HWSt(3. Aufl.)-Rotsch, I 4 Rn. 39; Rübenstahl, NZG 2009, 1341 (1342); Schneider/ Gottschaldt, ZIS 2011, 573 (577).
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die Erfolgsabwendungspflicht.27 Allenfalls dann, wenn eine Meldung ohne Konsequenzen bleibt, ist die Frage, ob ein Compliance-Officer die Rechtsverletzung sehenden Auges in Kauf nehmen kann oder eine Pflicht zum Tätigwerden besteht. Die mangelnden Einflussmöglichkeiten sprechen jedoch auch hier dafür, keine Pflicht zu konstatieren, sondern vielmehr ein Recht zu gewähren, z.B. Ermittlungsbehörden zu informieren.28 Die Überlegungen zeigen, dass Probleme vor allem dann entstehen können, wenn die Befugnisse des Compliance-Officers nicht klar definiert sind. Solange die Richtung des BGH aber nicht klar ist, sollten Unternehmen hier eindeutige Vorgaben machen.29 Denn es scheint nicht ausgeschlossen, dass der BGH seinen Ansatz der Unterlassungsverantwortlichkeit ohne dogmatische Verankerung fortführen wird. 2. Rechtsnachfolge/Konzernhaftung Die Frage, ob der Rechtsnachfolger eines Unternehmens verantwortlich für Vorgänge ist, die im untergegangenen Unternehmen stattfanden, hat der BGH in zwei kartellrechtlichen Entscheidungen aufgegriffen.30 Das Gericht betont zunächst, dass eine Unternehmensgeldbuße im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung auch nach Erlöschen des ursprünglichen Rechtsträgers möglich ist, wenn das neue Unternehmen Gesamtrechtsnachfolger ist und die Vermögensmassen der Unternehmen bei wirtschaftlicher Betrachtung nahezu identisch sind. Das Vermögen muss weiterhin von der gemäß § 30 OWiG verantwortlichen natürlichen Person getrennt in gleicher oder in ähnlicher Weise wie bisher eingesetzt sein und beim neuen Unternehmen einen wesentlichen Teil des Gesamtvermögens ausmachen. Nach diesen Grundsätzen sind der bloße Firmenwechsel oder auch ein Wechsel der Rechtsform unbeachtlich. Dagegen fehlt es an der notwendigen wirtschaftlichen Identität, wenn beispielsweise Unternehmen mit fast gleicher Größe und fast gleichen Marktanteilen fusionieren. Der neue Rechtsträger ist dann nicht mehr dieselbe Person wie der bisherige. Der BGH verneinte daher im ersten Fall die Verantwortlichkeit des übernehmenden Rechtsträgers bei einer Verschmelzung, da das übertragende Unternehmen annähernd gleich groß war.31 Im zweiten Fall lehnte er – ebenfalls bei einer Verschmelzung – die Verantwortlichkeit des übernehmenden ____________ 27 Vgl. auch Campos Nave/Vogel, BB 2009, 2546 (2549); Rönnau/Schneider, ZIP 2010, 53 (58); siehe zudem Fischer, StraFO 2010, 329 (335): „Zweifellos wird man zu sinnvollen Begrenzungen und Inhaltsbestimmungen […] kommen müssen.“ 28 Die Benachrichtigung würde dann keine Verletzung der betrieblichen Geheimhaltungspflicht bedeuten. 29 Vgl. auch AKEIÜ, DB 2010, 1509 (1511). 30 BGH NJW 2012, 164; BGH, Beschl. vom 10.8.2011 – KRB 2/10, juris. Dazu Heinichen, ZIS 2012, 68. 31 BGH NJW 2012, 164 (165 f.).
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Rechtsträgers ab, da die Vermögensgegenstände des übertragenden Unternehmens vor der Verschmelzung auf eine Schwestergesellschaft übertragen worden waren.32 Damit macht der BGH deutlich, dass der Gesamtrechtsnachfolger nicht generell bußgeldrechtlich verantwortlich ist. Dies lasse der Wortlaut von § 30 OWiG nicht zu. Eine Analogie verstieße gegen Art. 103 Abs. 2 GG,33 sodass nur der Gesetzgeber Abhilfe zu schaffen vermag. Vor diesem Hintergrund lehnt der BGH auch eine „Konzernhaftung“ ab, da im Konzern die Unternehmen selbstständige rechtliche Personen seien.34 Weder unter Schwestergesellschaften noch zwischen Tochterund Mutterunternehmen sei eine Verantwortlichkeit zu begründen. Damit lehnt der BGH – wenn auch nur kursorisch und als obiter dictum – die im europäischen (Kartell-)Recht bestehende allgemeine Verantwortlichkeit des Mutterunternehmens ab.35 Allerdings akzeptieren die Gerichte die europäische Rechtsfigur der wirtschaftlichen Einheit, soweit es sich um eine europäische Kartellbuße handelt und beurteilen etwa den Gesamtschuldnerausgleich nach deutschem Recht danach.36 Auch ist eine Geldbuße gegen die Muttergesellschaft dann nicht ausgeschlossen, wenn dort die mangelnde Aufsicht über die Geschäftsleitungen der Tochtergesellschaften eine Tat erst ermöglicht hat.37 Dies wird in Vertragskonzernen eher als in faktischen Konzernen der Fall sein. Die Ablehnung der Konzernhaftung im deutschen Recht bedeutet zudem nicht, dass überhaupt keine Zurechnung im Konzern erfolgt. Im Rahmen der Sanktionsbemessung kann nach der kartellrechtlichen Rechtsprechung für die Berechnung der Geldbuße (die dort bis zu 10 % des Jahresumsatzes beträgt) der Konzernumsatz maßgeblich sein.38 Es werden so Umsatzerlöse konzernangehöriger Unternehmen zugerechnet. Seit 2007 sieht dies auch § 81 Abs. 4 Satz 3 GWB vor. In vielen Fällen mag dies eine sachgerechte Berechnung der Geldbuße ermöglichen, wenn die Konzernmutter zwar die Entscheidungen trifft, das Vermögen jedoch bei den Tochtergesellschaften liegt. Nichtsdestoweniger wird über die rechtliche Selbstständigkeit der Unternehmen hinweggegangen, was in kaum auflösbarem Widerspruch zur Ablehnung einer Zurechnung von Verantwortlichkeit steht.
____________ BGH, Beschl. vom 10.8.2011 – KRB 2/10, juris Ziff. 19 f. Vgl. auch Heinichen, ZIS 2012, 68 (70 ff.). 34 BGH NJW 2012, 164 (165 f.); BGH, Beschl. vom 10.8.2011 – KRB 2/10, juris Ziff. 16. 35 So bspw. EuGH vom 10.9.2009, Rs.C-97/08 P, Ziff. 72 ff. (Akzo Nobel). Vgl. auch Bürger, WuW 2011, 130 ff.; Vogt, Verbandsgeldbuße, S. 33 ff. 36 Vgl. LG München, Urt. vom 16.3.2011 – 37 O 11927/10, juris. 37 Vgl. dazu bereits oben S. 393 f. 38 Vgl. OLG Düsseldorf, Urt. vom 26.6.2009 – VI-2a Kart 2 – 6/08 OWi (u.a.), juris Ziff. 613 ff. 32
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II. Sanktionsbemessung 1. Sanktionshöhe Der Gesetzgeber hat geringe Bußgeldrahmen in § 30 OWiG bislang unverändert gelassen. Dies wird nunmehr von der OECD gerügt. In ihrem 3. Evaluierungsbericht zur OECD Konvention über die Bestechung ausländischer Amtsträger bemängelt sie, der Ahndungsteil der Geldbuße sei nicht hoch genug.39 Die unbegrenzte Möglichkeit der Abschöpfung sieht sie nicht als ausreichend an, da das Unternehmen nur in den Zustand ex ante zurückversetzt werde. Wie der vorliegende Gesetzentwurf schlägt sie daher eine Anhebung des Bußgelds vor, um eine spürbare Sanktionierung zu ermöglichen.40 2. Kartellrechtliche Sonderregelungen Im Rahmen der Sanktionen steht die kartellrechtliche Sonderregelung in § 81 Abs. 4 Satz 2 GWB immer wieder im Blickpunkt. Diese erlaubt mit einer Sanktion von bis zu 10 % des Gesamtumsatzes des letzten Geschäftsjahres eine weit über § 30 OWiG hinausgehende Geldbuße. Wegen des Verzichts auf eine Obergrenze wird die Regelung seit ihrer Einführung als verfassungswidrig kritisiert, da sie gegen den Bestimmtheitsgrundsatz verstoße.41 Die Literatur sieht die 10-ProzentRegel nicht als Obergrenze an, sondern allein als Kappungsgrenze.42 Hierfür spricht der Wortlaut, der zunächst eine nach oben offene Geldbuße erwähnt, die jedoch dann bei 10 % des Gesamtumsatzes ihr maximales Bewenden hat. Das OLG Düsseldorf hat dagegen die Regelung einfach zur Obergrenze erklärt, da bei einer anderen Auslegung eine Bußgeldobergrenze fehle und Bedenken wegen des Bestimmtheitsgrundsatzes bestünden.43 Diese bemerkenswerte Argumentation dürfte im Sinne einer verfassungskonformen Auslegung, die Vorrang vor einer Nichtigkeit hat, die weitere Rechtsprechung bestimmen und eine Verfassungsbeschwerde wenig aussichtsreich erscheinen lassen. Hat das OLG Düsseldorf die Sonderregelung der Obergrenze noch akzeptiert, so hat es eine weitere kartellrechtliche Sonderregel für verfassungswidrig gehalten ____________ 39 OECD, Germany: Phase 3, Report on the Application of the Convention on Combating Bribery of Foreign Public Officials in International Business Transactions and the 2009 Revised Recommendations on Combating Bribery in International Business Transactions (März 2011), S. 36 ff.; abrufbar unter: . 40 Vgl. den OECD-Bericht, a.a.O., S. 70. Zum vorliegenden Vorschlag siehe oben S. 691 ff., 723. 41 Vgl. eingehend Hassemer/Dallmeyer, Kartellgeldbußen, S. 38 m.w.N. 42 Hassemer/Dallmeyer, Kartellgeldbußen, S. 38. 43 Vgl. OLG Düsseldorf, Urt. vom 26.6.2009 – VI-2a Kart 2 – 6/08 OWi (u.a.), juris Ziff. 624 ff.
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und dem BVerfG zur Entscheidung vorgelegt.44 § 81 Abs. 6 GWB sieht eine Verzinsung der Unternehmensgeldbuße vor, wenn die Kartellbehörde den Bußgeldbescheid erlässt. Dagegen ist ein kartellgerichtlich verhängtes Bußgeld ebenso wenig zu verzinsen wie alle Unternehmensgeldbußen nach § 30 OWiG. Diese willkürliche Ungleichbehandlung wird kaum Bestand haben. Möglicherweise wird dann jedoch der Gesetzgeber eine allgemeine Verzinsung einführen. Die Sonderregeln im Kartellbereich zeigen, welche Möglichkeiten zur Weiterentwicklung von § 30 OWiG bestehen. Der Gesetzgeber testet dabei immer mehr den Bereich des noch Zulässigen aus. Zu begrüßen sind die Sonderregeln allerdings nicht, da sie zu einer Zersplitterung der Unternehmensgeldbuße führen, die mit dem OWiG 1968 erst mühevoll beseitigt worden war. Vorzugswürdig wäre eine grundlegende Überarbeitung des § 30 OWiG. III. Verfahren In verfahrensrechtlicher Hinsicht standen die internen Ermittlungen im Blickpunkt, die Unternehmen selbst zur Aufklärung von Vorwürfen anstellen (dazu 1.). Der Fall Siemens war nur der Startpunkt dieser Entwicklung, Unternehmen wie Ferrostaal oder Daimler haben eine ähnlich umfangreiche Aufklärung betrieben. Für diese Art der Ermittlungen hat sich zwischenzeitlich der Begriff „Internal Investigations“ bzw. „Compliance Investigations“ durchgesetzt. Darüber hinaus sind die Kronzeugenregelung (2.), Absprachen (3.) sowie spezifische prozessuale Aspekte (4., 5.) von aktuellem Interesse. 1. Compliance Investigations Das Thema Compliance Investigations hat neben der Verantwortlichkeit des Compliance-Officers die Diskussion der letzten Jahre beherrscht.45 Die Ermittlungen dienen vielfach der Vorbereitung einer effektiven Verteidigung, nachdem staatliche Behörden ersten Verdachtsmomenten nachgegangen sind.46 Zudem setzt eine Kooperation mit den Ermittlungsbehörden eine interne Aufklärung der Vorwürfe ____________ OLG Düsseldorf, Beschl. vom 30.5.2011 – V-1 Kart 1/11 (OWi), juris. Böhm, Non-Compliance, S. 88 ff.; DAI, Internal Investigations, S. 13 ff.; Knierim, in: Rotsch (Hrsg.), Compliance-Diskussion, S. 77 ff.; Kremer, FS-Schneider, S. 701 ff.; Böttger-Minoggio, WiPra, Kap. 15 Rn. 1 ff.; Reeb, Internal Investigations, S. 6 ff.; HWSt (3. Aufl.)-Salvenmoser/Schreier, XV Rn. 46; Schneider, NZG 2010, 1201; Schürrle/ Olbers, CCZ 2010, 178; Wisskirchen/Glaser, DB 2011, 1392 ff., 1447 ff. Siehe auch BRAK-Stellungnahme-Nr. 35/2010; Hamm, NJW 2010, 1332 (1334 f.); Rudkowski, NZA 2011, 612; Schaupensteiner, NZA-Beil. 2011, 8 (14 ff.); de Vries, Kriminalistik 2011, 83 (86 f.). 46 Knierim, in: Rotsch (Hrsg.), Compliance-Diskussion, S. 77 (82 ff.); Sahan, in: Rotsch (Hrsg.), Compliance-Diskussion, S. 95 (96 f.). 44 45
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voraus.47 Darüber hinaus gibt es zahlreiche weitere Faktoren, die Motor für eine Aufklärung sein können.48 Im Regelfall handelt es sich bei den Ermittlungen um private des Unternehmens, auch wenn sie vor dem Hintergrund staatlicher Untersuchungen oder ggf. auch auf „Anregung“ der Behörden stattfinden.49 Zu offiziellen Ermittlungen durch Private werden sie erst, wenn die Behörden wesentlichen Einfluss auf Art, Umfang und Ablauf der Untersuchung nehmen.50 Eine derart starke staatliche Beteiligung erfolgt jedoch zumeist nicht. Beim Verdacht einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit ist der Arbeitgeber grundsätzlich zu einem Eingreifen berechtigt und in bestimmtem Umfang auch zu einem Eingriff in die Rechte der Beschäftigten befugt.51 Mögliche Ermittlungsmaßnahmen umfassen die Auswertung von Dokumenten und Daten, also insbesondere schriftliche Geschäftsunterlagen, Dateien und E-Mails.52 Daneben stellt die Befragung von Mitarbeitern die wichtigste Erkenntnisquelle dar.53 Aber auch eine akustische, visuelle oder telekommunikationstechnische Überwachung ist technisch machbar.54 Ebenso ist die Einschaltung externer Ermittler wie Detekteien möglich.55 Zahlreiche Maßnahmen berühren datenschutzrechtliche Belange.56 Ihre Durchführung ist oft nur begrenzt zulässig und kann ggf. eine Straftat darstellen.57 Das Unternehmen muss die Rechtmäßigkeit des Vorgehens genau prüfen. Die Maßnahmen einer Compliance-Untersuchung sind häufig mit denen eines Compliance-Programms identisch. Ein „Notfall-Management“58 des Programms sollte Berichts- und Informationspflichten, Berichtswege, Untersuchungsteams (ggf. mit Mitarbeitern, die idealerweise aussagepsychologische Kenntnisse haben), ____________ Kremer, FS-Schneider, S. 701 (705 ff.). So bspw. internationale Anforderungen, das Vergaberecht, Vorbereitung von Schadenersatzprozessen etc., vgl. Knierim, in: Rotsch (Hrsg.), Compliance-Diskussion, S. 77 (81 ff.); Böttger-Minoggio, WiPra, Kap. 15 Rn. 3 ff.; Sahan, in: Rotsch (Hrsg.), Compliance-Diskussion, S. 95 (97 ff.); HWSt(3. Aufl.)-Salvenmoser/Schreier, XV Rn. 14 ff. 49 Vgl. zur Differenzierung Reeb, Internal Investigations, S. 7 ff. 50 Die Kriterien der Abgrenzung sind im Einzelnen unklar, vgl. Reeb, Internal Investigations, S. 11 ff., der die Tatherrschaftslehre fruchtbar machen möchte. 51 Siehe aus der Sicht der Eingriffsbefugnisse Wuttke, Straftäter, S. 25 ff. 52 Kremer, FS-Schneider, S. 701 (709 f.); Böttger-Minoggio, WiPra, Kap. 15 Rn. 91 ff.; Reeb, Internal Investigations, S. 77 ff.; HWSt(3. Aufl.)-Salvenmoser/Schreier, XV Rn. 83 ff.; Wisskirchen/Glaser, DB 2011, 1447 (1450 ff.); Wuttke, Straftäter, S. 92 ff. 53 Siehe dazu nachfolgend unter a) Selbstbelastungsfreiheit 54 Dazu Böttger-Minoggio, WiPra, Kap. 15 Rn. 100 ff.; HWSt(3. Aufl.)-Salvenmoser/Schreier, XV Rn. 136 ff.; Wuttke, Straftäter, S. 167 ff. 55 Böttger-Minoggio, WiPra, Kap. 15 Rn. 23 ff.; Sahan, in: Rotsch (Hrsg.), ComplianceDiskussion, S. 95 (104 f.). 56 Vgl. bspw. Heinson, BB 2010, 3084; Thüsing, Arbeitnehmerdatenschutz, S. 75 ff.; Vogel/Glas, DB 2009, 1747 ff. 57 Brunhöber, GA 2010, 571 (579 ff.); Schuster, ZIS 2010, 68 ff. 58 Schaupensteiner, NZA-Beil. 2011, 8 (14). 47 48
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Kommunikationskonzepte nach innen und nach außen sowie die Einschaltung externer Rechtsanwälte regeln. Das Programm kann gleichfalls Maßnahmen zur Schadensbegrenzung und zur Beweissicherung beinhalten, ebenso wie eine Whistleblower-Hotline59 oder Kronzeugen- und Amnestieprogramme.60 Der Unterschied zur Compliance Investigation liegt darin, dass das Programm sie nicht anlassbezogen, sondern vorab abstrakt näher festlegt.61 Hinsichtlich der Zulässigkeit der Maßnahmen stellen sich jedoch grundsätzlich die gleichen Fragen. a) Selbstbelastungsfreiheit Die Frage, ob eine Selbstbelastungsfreiheit des Unternehmens besteht, ist kaum diskutiert worden.62 Allein v. Freier hat sich diesem Problem ausführlicher gewidmet und sieht das Schweigerecht allein von Organen als nicht stringent vereinbar mit einer Zurechnung der Taten aller Mitarbeiter.63 Jedoch müssen sich korporative Schuld und korporatives Schweigerecht nicht zwingend entsprechen. Das Schweigerecht ist Ausdruck eines rechtsstaatlichen Verfahrens, das anderen Kriterien folgt als die materiellrechtliche Begründung der Verantwortlichkeit. Anders als das Schweigerecht zugunsten des Unternehmens hat die Frage, inwieweit Mitarbeiter mitwirken müssen oder ein eigenes Recht auf Selbstbelastungsfreiheit besteht, die Diskussion der letzten Zeit geprägt.64 Denn die Befragung (verdächtiger) Mitarbeiter im Rahmen interner Ermittlungen ist eine der wichtigsten Maßnahmen zur Sachverhaltsklärung. Die Relevanz dieser Frage wird teilweise zu Unrecht bagatellisiert („akademisch“).65 Denn es geht nicht nur um eine gerechte Machtbalance im Verhältnis zwischen Mitarbeiter und Unternehmen, sondern durch die mögliche Weiterverwertung von Mitarbeiteraussagen in Strafverfahren um die Zulässigkeit der Privatisierung fundamentaler Staatstätigkeit. Ausgangspunkt der Diskussion ist die arbeitsrechtliche Pflicht von Arbeitnehmern, bei Interviews mitzuwirken und über Unternehmensbelange Auskunft zu ____________ Schürrle/Olbers, CCZ 2010, 178 (181). Kremer, FS-Schneider, S. 701 (707 ff.); Sahan, in: Rotsch (Hrsg.), ComplianceDiskussion, S. 95 (105 f.); Schürrle/Olbers, CCZ 2010, 178 (181 f.). 61 Vgl. AKEIÜ, DB 2010, 1509 (1515 f.); Wisskirchen/Glaser, DB 2011, 1392 f. 62 Vgl. dazu bereits oben S. 475 ff. 63 Vgl. v. Freier, ZStW 122 (2010), 117 (144 ff.), der dazu tendiert, eine Selbstbelastungsfreiheit überwiegend zu verneinen. 64 DAI, Internal Investigations, S. 93 ff.; Knauer/Buhlmann, AnwBl. 2010, 387; Fritz/Nolden, CCZ 2010, 170; Lützeler/Müller-Sartori, CCZ 2011, 19; Böttger-Minoggio, WiPra, Kap. 15 Rn. 137 ff.; Momsen, ZIS 2011, 508; Reeb, Internal Investigations, S. 95 ff.; Rudkowski, NZA 2011, 612; Theile, StV 2011, 381; de Vries, Kriminalistik 2011, 83 (87 f.). Spez. zum WpHG Szesny, BB 2010, 1995. 65 Vgl. Wisskirchen/Glaser, DB 2011, 1447 (1448), da in der Praxis in einem solchen Fall ohnehin „hartnäckige Erinnerungslücken“ auftreten würden. 59 60
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geben.66 Bei der Frage, wie weit diese Pflicht reicht, lässt sich differenzieren, ob der persönliche Arbeitsbereich betroffen ist oder es sich um allgemeine dienstliche Aspekte handelt. Hinsichtlich des persönlichen Arbeitsbereichs wird den Belangen des Unternehmens grundsätzlich Vorrang eingeräumt, während der Mitarbeiter bei sonstigen Aspekten nur im Rahmen des Zumutbaren aussagen soll. Im Einzelnen sind die Grenzen unklar. Beispielsweise ist umstritten, inwieweit eine Pflicht zur Offenbarung von Tatsachen besteht, die wie Straftaten kündigungsrelevant sind.67 Anerkannt ist jedoch, dass der nemo tenetur-Grundsatz am Arbeitsplatz nicht gilt,68 eine Befragung auch nicht den Regelungen der StPO unterliegt.69 So wird gegenüber dem Mitarbeiter die Frage der Selbstbelastungsfreiheit zumeist nicht näher thematisiert.70 Vielmehr wird auf die arbeitsrechtliche Verpflichtung hingewiesen, gegenüber dem Unternehmen die Wahrheit sagen zu müssen.71 Allenfalls erfolgt ein Hinweis, dass Aussagen nach Ermessen des Unternehmens auch an Behörden weitergegeben und somit gegen den Mitarbeiter verwendet werden können, was der Upjohn-Warnung des amerikanischen Rechts entspricht.72 Nach verbreiteter Ansicht gibt es bei einem einfachen Gespräch mit dem Arbeitgeber auch keinen Anspruch auf einen Anwalt als Zeugenbeistand,73 sodass der Mitarbeiter ohne weitere rechtliche Beratung aussagen muss. Für Aussagen gegenüber Privaten besteht zudem grundsätzlich kein Verwertungsverbot nach strafprozessualen Grundsätzen.74 Das Interview des Mitarbeiters kann so in einem späteren Strafverfahren gegen ihn verwendet werden. ____________ 66 Vgl. Böhm, Non-Compliance, S. 147 ff.; DAI, Internal Investigations, S. 93 f.; Fritz/Nolden, CCZ 2010, 170; Lützeler/Müller-Sartori, CCZ 2011, 19 ff.; Reeb, Internal Investigations, S. 95 ff.; Rudkowski, NZA 2011, 612; Theile, StV 2011, 381 (383 f.). 67 Rudkowski, NZA 2011, 612 (613). Zu einem Mitwirkungsverweigerungsrecht tendiert wohl das BAG NZA 2008, 809, ohne dies explizit zu erörtern. 68 DAI, Internal Investigations, S. 88 f., 95 ff.; Fritz/Nolden, CCZ 2010, 170 (172 ff.); Knauer/Buhlmann, AnwBl. 2010, 387 (389); Lützeler/Müller-Sartori, CCZ 2011, 19 (20); Momsen, ZIS 2011, 508 (513). Siehe auch bereits oben S. 474. 69 Vgl. BRAK-Stellungnahme-Nr. 35/2010, S. 10. 70 de Vries, Kriminalistik 2011, 83 (87). 71 de Vries, Kriminalistik 2011, 83 (87). 72 Lützeler/Müller-Sartori, CCZ 2011, 19 (23); Schürrle/Olbers, CCZ 2010, 178 (179). Siehe auch BRAK-Stellungnahme-Nr. 35/2010, S. 11, die den Hinweis empfehlen; vgl. auch Ignor, CCZ 2011, 143 (144). 73 Hamm, NJW 2010, 1332 (1334); Rudkowski, NZA 2011, 612 (614 f.); Schneider, NZG 2010, 1201 (1204); Schürrle/Olbers, CCZ 2010, 178 (179). Anders aber wohl BRAK-Stellungnahme-Nr. 35/2010, S. 10. 74 Vgl. LG Hamburg, NJW 2011, 942 ff., das die Beschlagnahme von Interviewprotokollen bei einer Kanzlei erlaubte und einen Schutz der interviewten Personen aufgrund des nemo tenetur-Grundsatzes ablehnte, da keine staatliche Vernehmung vorlag. Zu dieser Entscheidung siehe auch unten S. 762 sowie krit. I. Roxin, StV 2012, 116 (120); v. Galen, NJW 2011, 945; Sidhu/v. Saucken/Ruhmannseder, NJW 2011, 881. Siehe zudem Knauer/ Buhlmann, AnwBl. 2010, 387 (390); de Vries, Kriminalistik 2011, 83 (87 f.). Anders aber ohne nähere Begründung LAG Hamm CCZ 2010, 237, das einen Schutz durch eine straf-
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Zahlreiche Autoren versuchen daher, einen Schutz des Mitarbeiters zu erreichen. So wird einerseits eine Auskunftspflicht u.a. nach dem Rechtsgedanken des § 4 Abs. 9 WpHG verneint, wenn durch die Aussage die Gefahr einer straf- oder ordnungswidrigkeitenrechtlichen Verfolgung besteht.75 Andererseits wird ein Verwertungsverbot im Strafverfahren befürwortet. Dieses wird teilweise aus Fairnesserwägungen abgeleitet,76 insbesondere aus dem fair trial-Grundsatz, da sich der Mitarbeiter in einer faktischen Zwangslage befindet.77 Teilweise wird auf das Allgemeine Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG rekurriert, da ansonsten der strafprozessuale nemo tenetur-Grundsatz durch Einführung privater Befragungen nur als leere Hülle verbliebe.78 Da das Recht de lege lata nur wenig klare Anhaltspunkte liefert, wird vielfach eine Regelung durch den Gesetzgeber favorisiert. Einzelne Vorschläge zielen auch hier auf eine Begrenzung der Befragung.79 Zumeist wird jedoch für die Schaffung eines Verwertungsverbots plädiert.80 Je weiter man die Aussagepflicht ziehe, desto eher müsste ein Verwertungsverbot geschaffen werden.81 Ob jedoch ein Verwertungsverbot einen effektiven Schutz gewähren kann, ist zweifelhaft.82 Häufig wird eine Aussage im Rahmen der internen Untersuchung zur Befragung weiterer Personen oder zur „Entdeckung“ relevanter Dokumente geführt haben. Die Aussage hat dann Fakten geschaffen, die ein nachfolgendes Verwertungsverbot nicht mehr aufwiegen kann. Ein effektiver Schutz ist daher nur in ent__________ rechtliche Beweisverwertung annimmt und daher eine weite zivilrechtliche Pflicht zur Aussage bejaht; krit. dazu T. Schaefer, NJW Spezial 2010, 120. 75 Schneider, NZG 2010, 1201 (1204). Siehe auch I. Roxin, StV 2012, 116 (121). 76 DAI, Internal Investigations, S. 90. Siehe auch BRAK-Stellungnahme-Nr. 35/2010, S. 10: nemo tenetur-Grundsatz sollte nicht unterlaufen werden. 77 Vgl. Knauer/Buhlmann, AnwBl. 2010, 387 (390 ff.), die eine Zwangslage pauschal annehmen; diff. Momsen, ZIS 2011, 508 (515 f.). Vgl. auch Theile, StV 2011, 381 (385), der die Zwangslage allein nicht ausreichen lässt, i.E. jedoch auch ein Verwertungsverbot befürwortet. Auf dem 67. Deutschen Juristentag wurde es mehrheitlich (20:31:8) abgelehnt, ein strafrechtliches Verwertungsverbot aufgrund wirtschaftlichen Drucks anzuerkennen. Zudem wurde abgelehnt (25:35:4), private Ermittlungen nur dann zu verwerten, wenn sie dem staatlichen fair trial-Grundsatz genügt haben. 78 Vgl. Theile, StV 2011, 381 (385 f.), der auch eine Verwendung im Rahmen des Anfangsverdachts ausschließen möchte, da ansonsten die Staatsanwaltschaft einfach auf andere (der bei Compliance Investigations zahlreich anfallenden) Beweismittel zurückgreifen könne. Siehe auch Reeb, Internal Investigations, S. 131 ff., der ein umfassendes Beweisverwertungsverbot befürwortet (a.a.O., S. 159). 79 Vgl. de Vries, Kriminalistik 2011, 83 (88), der vorschlägt, für Arbeitnehmer das Recht zu schaffen, sich bis zum Abschluss des Verfahrens nur durch staatliche Behörden vernehmen zu lassen, und dies mit einer Anzeigepflicht für Unternehmen kombiniert, um dem Staat den ersten Zugriff zu ermöglichen. Ein Verwertungsverbot löse nicht alle Probleme, da es nur Aussagen des Beschuldigten, nicht aber normale Zeugenaussagen umfasse. 80 DAI, Internal Investigations, S. 97; Momsen, ZIS 2011, 508 (516); de Vries, Kriminalistik 2011, 83 (88). 81 Theile, StV 2011, 381 (383). 82 Zweifelnd auch Ignor, CCZ 2010, 143 f.
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sprechender Anwendung des nemo tenetur-Grundsatzes auf Compliance Investigations zu erreichen, wie dies im vorliegenden Gesetzgebungsvorschlag vorgesehen ist.83 b) Kooperation mit der Staatsanwaltschaft Ein weiteres Problem stellt die Frage einer Information und ggf. Kooperation mit der Staatsanwaltschaft dar.84 Auch wenn die internen Ermittlungen Anhaltspunkte für eine Straftat zutage fördern, muss das Unternehmen – abgesehen von der Verpflichtung nach § 138 StGB und spezialgesetzlichen Pflichten – nicht zwangsläufig die Staatsanwaltschaft informieren. Vielmehr hat die Geschäftsleitung hierüber nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden.85 Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass eine Nichtinformation sich strafschärfend auswirken kann, wenn die Tat später doch der Staatsanwaltschaft bekannt wird und das Unternehmen nichts unternommen hat. Es wird daher vielfach im Interesse des Unternehmens liegen, die Behörden von sich aus zu informieren und eine Klärung des Falls herbeizuführen. Soweit ein Rechtsanwalt eingeschaltet wurde, ist die Prüfung, wann und in welchem Umfang Kontakt zur Staatsanwaltschaft aufgenommen wird, auch dessen originäre Aufgabe.86 Neben der Frage der Information der Staatsanwaltschaft stellt die Reichweite der Zusammenarbeit mit dieser ein wesentliches Problem dar. Welche Daten sollen übermittelt werden?87 Wann soll ein Untersuchungsbericht übersendet werden?88 Sollen Ermittlungsergebnisse beauftragter Anwälte, z.B. hinsichtlich einzelner Zeugenaussagen, herausgegeben werden?89 Eine Pflicht zur Herausgabe ist aufgrund des nemo tenetur-Grundsatzes abzulehnen, wenn das Unternehmen beschuldigt wird.90 Dennoch kann eine Kooperation im Unternehmensinteresse liegen, zumal Unternehmen oft befürchten, dass sich das Zurückhalten von Dokumenten negativ auf den Verfahrensfortgang und eine Sanktion auswirkt. In der Praxis führt dies dazu, dass teilweise kein umfassender schriftlicher Untersuchungsbericht, sondern ____________ Siehe oben S. 704 ff., 726. Vgl. Kremer, FS-Schneider, S. 701 ff.; Böttger-Minoggio, WiPra, Kap. 15 Rn. 67 ff.; I. Roxin, StV 2012, 116 (117); Schaupensteiner, NZA-Beil. 2011, 8 (14 f.); Schürrle/ Olbers, CCZ 2010, 178 (182). 85 Kremer, FS-Schneider, S. 701 (712 ff.). 86 Vgl. BRAK-Stellungnahme-Nr. 35/2010, S. 6 f. 87 Hamm, NJW 2010, 1332 (1334 f.). 88 Hamm, NJW 2010, 1332 (1334); Sahan, in: Rotsch (Hrsg.), Compliance-Diskussion, S. 95 (111). 89 Hamm, NJW 2010, 1332 (1335 f.). 90 Siehe dazu oben S. 478. Siehe auch Szesny, BB 2010, 1995 ff. zu § 4 Abs. 9 WpHG, der zwar ein Schweigerecht vorsieht, zu Unterlagen jedoch keine Regelung trifft. Nach Szesny, BB 2010, 1995 (1997) spricht der nemo tenetur-Grundsatz dafür, eine Herausgabepflicht für Unterlagen gegenüber der BaFin und der Staatsanwaltschaft zu verneinen. 83 84
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7. Kapitel: Neue Entwicklungen
primär eine mündliche Berichterstattung erfolgt.91 Hier zeigt sich, dass eine Regelung der Rechte des Unternehmens und die Klarstellung, dass die Ausübung derartiger Rechte keine nachteiligen Folgen haben darf, dringend geboten sind.92 c) Einschaltung von Anwälten Da im Rahmen von internen Ermittlungen häufig Rechtsanwälte eingeschaltet werden, stellen sich vermehrt Fragen in diesem Bereich. Die BRAK hat in einer Stellungnahme die gleichzeitige Tätigkeit als Unternehmensanwalt und Verteidiger von Mitarbeitern wegen einer möglichen Interessenkollision nach § 43a Abs. 4 BRAO abgelehnt.93 Dem ist – entgegen der obergerichtlichen Rechtsprechung – zuzustimmen.94 Eine Interessenwahrnehmung, die beiden Seiten gerecht wird, ist im Regelfall nicht möglich. Je größer beispielsweise strukturelle Mängel des Unternehmens sind, desto entlastender ist dies für den Mitarbeiter. Durch ein Urteil des Landgerichts Hamburg ist das Anwalts- und Beratungsgeheimnis ins Blicklicht geraten.95 Eine Anwaltssozietät hatte für ein Unternehmen Compliance-Ermittlungen durchgeführt und diesbezügliche Unterlagen (wie Interviewprotokolle von Mitarbeitern) in der Kanzlei aufbewahrt. Das Landgericht hat eine Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung hinsichtlich dieser Unterlagen für rechtens erachtet. Ein Beschlagnahmeverbot nach § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO betreffe allein Gegenstände aus dem Verhältnis zwischen Beschuldigtem und dessen Anwalt und nicht auch zwischen Anwalt und Nichtbeschuldigten (wie hier dem Unternehmen).96 Die Kanzlei hat die Unterlagen schließlich herausgegeben.97 Die Ansicht des Landgerichts mit der einschränkenden Auslegung des § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO hat sich seit Langem in der Praxis eingebürgert und wird ebenso lange auch heftig bestritten.98 Dies zu Recht, da der Wortlaut keine Beschränkung auf Gegenstände zwischen Anwalt und Beschuldigten vorsieht und die Auslegung des Landgerichts die Vertraulichkeitsbeziehung zwischen Anwalt und Mandant unterminiert. Zwischenzeitlich hat zwar der Gesetzgeber die anwaltliche Vertraulichkeit in § 160a StPO gestärkt. Einige Autoren sehen daher das Urteil des Land____________ 91 Vgl. Sahan, in: Rotsch (Hrsg.), Compliance-Diskussion, S. 95 (109 f.); Wisskirchen/ Glaser, DB 2011, 1447 (1451). 92 Vgl. zu einem Regelungsvorschlag oben S. 705 f., 726. 93 Vgl. BRAK-Stellungnahme-Nr. 35/2010, S. 7; I. Roxin, StV 2012, 116 (117 f.). 94 Vgl. zur dazu bereits oben S. 468. 95 LG Hamburg NJW 2011, 942. Dazu v. Galen, NJW 2011, 945; Jahn, ZIS 2011, 453; Jahn/Kirsch, StV 2011, 151; Sidhu/v. Saucken/Ruhmannseder, NJW 2011, 881. 96 LG Hamburg NJW 2011, 942 (943). 97 Im Regelfall wird das Unternehmen Auftraggeber des Anwalts sein, Beschuldigte dagegen Mitarbeiter des Unternehmens, sodass der Beschlagnahmeschutz nicht greift, vgl. Mann, Verschwiegenheit, S. 59 f. 98 Vgl. bspw. Jahn, ZIS 2011, 453 ff. m.w.N.
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gerichts als überholt an.99 § 160a Abs. 5 StPO lässt jedoch ausdrücklich § 97 StPO unberührt. Die Änderung hat somit auf § 97 StPO keine Auswirkungen.100 Damit besteht bei Kanzleien nach wie vor die Gefahr, dass Unterlagen beschlagnahmt werden. Dies ist für die Strafverfolgung letztlich aber misslich, da Umgehungen wie mündliche Compliance-Berichte101 oder bei internationalen Kanzleien die Aufbewahrung in einem Land, in dem höhere Schutzstandards gelten, befördert werden. Die Schwierigkeiten des Schutzes von anwaltlichen Unterlagen zeigt schließlich eine Entscheidung des EuGH. Dieser hat entschieden, dass sich Syndikusanwälte, die Compliance-Ermittlungen vornehmen, nicht auf das Anwalts- und Beratungsgeheimnis berufen können.102 Damit wird die Compliance-Tätigkeit des Syndikus, der nach deutschem Recht den „normalen“ Schutz eines Rechtsanwalts genießt, in Unternehmen erschwert, soweit diese das europäische Kartellrecht betrifft.103 d) Bewertung Die Verbreitung der Compliance Investigations zeigt eine weitere Privatisierung der Strafverfolgung.104 Die Zulässigkeit derartiger privater Ermittlungen wird bedauerlicherweise kaum grundsätzlich, sondern zumeist hinsichtlich Sonderfragen wie dem Einsatz von Überwachungskameras etc. thematisiert.105 Im Ausgangspunkt ist das Unternehmen in Ausübung grundrechtlicher Freiheiten zwar zu Ermittlungen berechtigt. Wie weit diese Ermittlungsfreiheit jedoch reicht, ist wenig geklärt.106 Dabei stellen sich zahlreiche Probleme wie etwa die Gefahr der Verwässerung des Beweismittels bei privater (und zumeist interessengeleiteter) Vernahme ____________ 99
29 f.
Vgl. die Urteilsanmerkungen von v. Galen, NJW 2011, 945; Schuster, NZWiSt 2012,
So auch Jahn, ZIS 2011, 453 (459 f.). Aus der Praxis werden „oral download calls“ berichtet, bei denen Zwischenstände von Compliance-Ermittlungen nur mündlich referiert werden und nur ein begrenzter schriftlicher Abschlussbericht erstellt wird. 102 EuGH, Urt. vom 14.9.2010, Rechtssache C-550/07 P, NJW 2010, 3557; siehe auch die ausführlicheren Schlussanträge der Generalanwältin vom 29.4.2010, Rn. 115 ff. Dazu Kremer/Voet van Vormizeele, AG 2011, 245; Mann, DB 2011, 978; Moosmayer, NJW 2010, 3548. Zum Syndikus siehe auch Böttger-Minoggio, WiPra, Kap. 15 Rn. 62 ff. 103 Vgl. Kremer/Voet van Vormizeele, AG 2011, 245 8248 f.); Mann, DB 2011, 978 (983 f.); siehe aber auch Moosmayer, NJW 2010, 3548 (3551). 104 Vgl. bspw. Benz/Klindt, BB 2010, 2977; Bock, wistra 2011, 201 ff.; Taschke, NZWiSt 2012, 9 ff. 105 Siehe aber Brunhöber, GA 2010, 571 (572); Reeb, Internal Investigations, S. 28 ff. sowie bereits Hassemer/Matussek, Opfer als Verfolger, S. 12 ff.; Krey, Ermittlungen, S. 23 ff. 106 So wenden bspw. Brunhöber, GA 2010, 571 (572 ff.) und Reeb, Internal Investigations, S. 55 aufgrund des Offizialprinzips ein, dass bei Vorliegen eines Anfangsverdachts die StPO keine Parallelermittlungen durch den Verletzten vorsieht. 100 101
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von Zeugen.107 Diese Probleme sind strafprozessual relevant, da die Untersuchungen oft die Grundlagen für eine staatliche Sanktion schaffen. Dies gilt insbesondere, wenn staatliche Behörden eine Aufklärung „erwarten“. Da die Privatisierung den Kernbestand des staatlichen Aufklärungsmonopols berührt,108 ist eine Klärung dringend geboten. Im Einzelnen sind ebenfalls zahlreiche Fragen offen, sodass Wehnert auf dem Anwaltstag 2010 vorschlug, einen „Deutschen Corporate Investigation Kodex“ zu formulieren.109 Mit den Richtlinien der BRAK ist hierzu ein erster Schritt bereits getan.110 Die dringlichste Frage – und zwar die der ausreichenden Schutzstandards für Mitarbeiter – wird sich jedoch nicht durch einen Kodex lösen lassen, sondern nur durch den Gesetzgeber. Ebenso ist ein Schutz für Unternehmen angezeigt, die sich zunehmend „Erwartungen“ der Ermittlungsbehörden ausgesetzt sehen. Nur durch klare Regelungen ist hier ein Fortschritt zu erzielen. 2. Kronzeugenregelung Zum 1. September 2009 wurde in § 46b StGB eine Kronzeugenregelung aufgenommen. Ein Täter, der zur Aufklärung einer Tat nach § 100a Abs. 2 StPO beiträgt, kann mit einer Strafmilderung rechnen. Davon umfasst sind auch für Unternehmen relevante Tatbestände wie Geldwäsche, Betrug und Korruptionsdelikte. Die Regelung stellt für Unternehmen ein nicht unbedeutendes Problem dar, wenn Mitarbeiter Straftaten den Ermittlungsbehörden melden, bevor diese intern entdeckt und aufgearbeitet werden.111 Das Unternehmen kann damit die Möglichkeit verlieren, selbst aktiv tätig zu werden und im Rahmen der Unternehmensgeldbuße einen Bonus für seine Kooperation zu erhalten. Wenn es dagegen durch entsprechende Compliance-Maßnahmen selbst Vorfälle früh entdeckt, kann es das Vorgehen oder den Zeitpunkt einer Offenbarung gegenüber den Ermittlungsbehörden ggf. mit dem handelnden Mitarbeiter abstimmen. Dessen Interessen und die des Unternehmens sind dabei nicht unbedingt konträr. Ein vom Unternehmen unterstützter Mitarbeiter, der als Kronzeuge auftritt, kann sich auch im Rahmen von § 30 OWiG günstig auswirken.112 Voraussetzung ist jedoch stets, dass das Unternehmen möglichst früh Kenntnis von Vorfällen hat. Dies lässt sich nur durch eine effektive ComplianceStruktur erreichen. Insoweit befördert die Kronzeugenregelung direkt die Compliance-Entwicklung. ____________ 107 Vgl. de Vries, Kriminalistik 2011, 83 (88). So bereits Hassemer/Matussek, Opfer als Verfolger, S. 25 ff. 108 Vgl. de Vries, Kriminalistik 2011, 83 (87). 109 Vgl. den Tagungsbericht von Brexl, AnwBl. 2010, 498; ablehnend Schneider, NZG 2010, 1201 (1207). 110 Vgl. BRAK-Stellungnahme-Nr. 35/2010. 111 Vgl. Dann, CCZ 2010, 30; Sahan/Bernd, BB 2010, 647. 112 Vgl. Dann, CCZ 2010, 30 (34).
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3. Absprachen Mit der Regelung der Absprachen in § 257c StPO im Jahr 2009 wurde ein neues Kapitel zur konsensualen Verfahrenserledigung aufgeschlagen.113 Ob damit die Anzahl der (ohnehin schon häufig erfolgten) Absprachen bei Wirtschaftsstraftaten gestiegen ist, lässt sich noch nicht abschätzen.114 In der Praxis scheint sich eine Tendenz zu entwickeln, sowohl Absprachen formal korrekt (mit Protokollierung) vorzunehmen als auch informelle Wege zu beschreiten.115 Im Strafverfahren gegen natürliche Personen ist dies zwar illegal, aber kaum nachweisbar.116 Im Verfahren zur Verhängung der Unternehmensgeldbuße dürfte jedoch aufgrund des Opportunitätsprinzips in weitergehendem Umfang eine informelle Verständigung zulässig sein.117 Die Frage ist bislang noch nicht durch die Rechtsprechung geklärt.118 Die hohe Bedeutung der Absprachen lässt jedoch vermuten, dass die Möglichkeiten einer Einigung zugunsten des Unternehmens durch die Reform eher größer als geringer geworden sind. 4. Umfang der Feststellungen Eine Entscheidung des AG Tübingen weist auf einen (wohl häufigen) Missstand beim Erlass eines Bußgeldbescheids hin: die rudimentären Feststellungen zur Verantwortlichkeit des Unternehmen.119 Ein Bußgeldbescheid erfordert ausreichende Feststellungen zu der dem Mitarbeiter vorgeworfenen Tat und aufgrund welcher Umstände die Tat dem Unternehmen zuzurechnen ist. Es genügt nicht allein die Feststellung der Betriebsbezogenheit einer Tat,120 da somit beispielsweise nicht klar wird, ob ein von § 30 OWiG erfasster Mitarbeiter gehandelt hat. Notwendig sind hinreichende Angaben, damit das Unternehmen als Adressat des Bescheids im Einzelnen nachvollziehen und prüfen kann, wofür es verantwortlich gemacht wird.121 Ist aus dem Bescheid noch nicht einmal erkennbar, ob er sich gegen den ____________ Siehe bereits oben S. 465 ff. Vgl. zur bisherigen Lage Ransiek/Hüls, ZGR 2009, 157 (182 ff.). 115 Vgl. Fischer, StraFO 2010, 329 (330 ff.). 116 Vgl. Fischer, StraFO 2010, 329 (330 f.). 117 Siehe bereits oben S. 467 f. 118 Vgl. auch Fromm, NZV 2010, 550 und Krumm, NZV 2011, 376, die über § 257c StPO hinausgehende Absprachen (z.B. über ein Fahrverbot oder eine Punktsanktion) für zulässig halten, aber eine entsprechende Protokollierung verlangen. 119 AG Tübingen, Beschl. vom 19.8.2011 – 11 OWi 19 Js 6029/11, juris bzw. JurionRS 2011, 24033 bzw. StRR 2012, 36. Siehe auch OLG Stuttgart MDR 1993, 572 (mit ablehnender Anm. v. Göhler, NStZ-RR 1994, 72 f.); OLG Hamburg NStZ 1998, 370. 120 So aber KK-OWiG-Kurt, § 66 Rn. 50. 121 Sind diese Vorgaben nicht eingehalten, ist der Bußgeldbescheid nicht zwingend nichtig, solange nur dessen Informationsfunktion und nicht dessen Umgrenzungsfunktion betroffen ist, vgl. OLG Hamburg NStZ 1998, 370. Allein die Feststellung der Betriebsbezogenheit wird für die Umgrenzungsfunktion vielfach nicht genügen. Die Annahme von Göhler, NStZ-RR 1994, 72 (zu OLG Stuttgart MDR 1993, 572), es sei klar, dass der han113 114
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7. Kapitel: Neue Entwicklungen
Mitarbeiter oder das Unternehmen richtet, ist dieser keine geeignete Grundlage für ein Bußgeld.122 5. Selbstständiges Verfahren Ein selbstständiges Verfahren gegen das Unternehmen ist unter anderen dann zulässig, wenn das Verfahren gegen den Mitarbeiter eingestellt wird. Umstritten war bislang, ob dies auch dann gilt, wenn die Staatsanwaltschaft von einer Verfolgung nach § 154 StPO absieht.123 Dies hat das Landgericht München I zu Recht bejaht,124 da die Einstellung wie bei §§ 153, 153a StPO im Hinblick auf die Person des Mitarbeiters erfolgt und damit eine vergleichbare Interessenlage vorliegt. IV. Verfall Der Verfall ist nicht nur im Strafrecht, sondern auch im Ordnungswidrigkeitenrecht immer wieder von Bedeutung. Die neuere Rechtsprechung bestätigt auch hier die Geltung des Bruttoprinzips und dass hypothetische Kausalverläufe (wie z.B. die Genehmigungsfähigkeit bei unterlassener Einholung einer amtlichen Erlaubnis) nicht den Verfallsbetrag mindern.125 Dadurch kann mehr als der reine Gewinn aus der Tat abgeschöpft werden, sodass der Verfall eine echte Sanktion darstellt. Eine Einschränkung besteht beim Verfall allerdings insoweit, als nur unmittelbare Vorteile abgeschöpft werden können, während § 30 OWiG auch mittelbare Vorteile umfasst.126
C. Unternehmenssanktion und Compliance in der Praxis I. Unternehmenssanktion Die neueren Daten zur Wirtschaftskriminalität, der Unternehmensgeldbuße und Compliance bestätigen im Wesentlichen das bislang aufgezeigte Bild.127 Mit 1,7 % __________ delnde Mitarbeiter nicht erwähnt werden müsse, da irgendein Organ bestimmt etwas mitbekommen habe, ist reine Spekulation und zur Begründung eines vorsätzlichen Handelns nicht geeignet. 122 OLG Rostock, Beschl. vom 15.1.2008 – 2 Ss (OWi) 190/05 I 238/07 bei Korte, NStZ 2010, 22 (25). 123 Siehe oben S. 450. 124 LG München I, Urt. vom 28.7.2008/Beschl. vom 4.10.2007 – 5 Kls 563 Js 45 994/07 bei Korte, NStZ 2010, 22 (25). 125 Vgl. OLG Celle wistra 2011, 476 ff.; OLG Zweibrücken NStZ-RR 2010, 256 f. 126 Vgl. das OLG Stuttgart wistra 2009, 167, das eine Anwendung des Verfalls ablehnte, grudsätzlich aber ein Vorgehen nach § 30 OWiG für zulässig hielt. 127 Siehe oben S. 488 f. zur Wirtschaftskriminalität, S. 492 ff. zur Unternehmensgeldbuße sowie S. 515 ff. zu Compliance.
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an den insgesamt im Jahr 2010 bekannt gewordenen Straftaten bilden die Wirtschaftsstraftaten nur einen kleinen Anteil, der jedoch für die beträchtliche Schadenssumme von 4,7 Milliarden Euro und 55,4 % des registrierten Gesamtschadens verantwortlich ist.128 Die neueren Studien von Wirtschaftsberatungsunternehmen zeigen ebenfalls einen hohen durch Kriminalität in und aus Unternehmen heraus verursachten Schaden.129 Hinsichtlich der Täter festigt sich das Bild, dass ungefähr in der Hälfte der Fälle, in denen Unternehmen von Wirtschaftskriminalität betroffen sind, die Täter aus dem Unternehmen kommen.130 Dies sind die Konstellationen, die zu einer Geldbuße nach § 30 OWiG führen können. Die internen Täter arbeiten typischerweise nicht alleine.131 Sie sind überwiegend männlich, seit Längerem im Unternehmen, um die 50 Jahre alt und im mittleren Management tätig.132 Diese Täter gehören somit nicht zu dem Kreis der Führungspersonen, der von § 30 OWiG erfasst wird. Damit kommt der Aufsichtspflichtverletzung nach § 130 OWiG große Bedeutung zu, wenn das Unternehmen sanktioniert werden soll. Die Zahlen des Gewerbezentralregisters für die Jahre 2009 und 2010 liegen im Wesentlichen im Bereich der Daten der Vorjahre: Tabelle 24: Bußgelder nach § 30 OWiG seit 2009 Jahr
Neueintragungen Geldbuße
bis 300
300– 1.000
1.000– 5.000
5.000– 20.000
20.000– 50.000
über 50.000
insgesamt eingetragene Geldbußen
2009
2.617 (100 %)
405 (15,5 %)
1.143 (43,7 %)
850 (32,5 %)
136 (5,2 %)
42 (1,6 %)
41 (1,6 %)
19.623
2010
2.871 (100 %)
412 (14,4 %)
1.297 (45,2 %)
893 (31,1 %)
164 (5,7 %)
30 (1,0 %)
75 (2,6 %)
23.355
Die Anzahl der neu verhängten Geldbußen ist in den letzten beiden Jahren gestiegen, ist jedoch weit von den Höchstzahlen der Jahre 2003 und 2001 entfernt. Nach wie vor liegen über 90 % der Bußgelder unter 5.000 Euro. Hohe Geldbußen, wie beispielsweise gegen Ferrostaal wegen der Bestechung ausländischer Amts____________ 128 BKA, Wirtschaftskriminalität – Bundeslagebild 2010 (2011), S. 6 ff. sowie Bundeslagebild 2009 (2010), S. 5 ff. (1,6 % aller Straftaten mit einem Schaden von 3,4 Mrd. Euro, was 47,6 % des registrierten Gesamtschadens entspricht). 129 Vgl. bspw. KPMG, Wirtschaftskriminalität in Deutschland 2010 (2010); PwC, Wirtschaftskriminalität 2011 (2011); dies., Wirtschaftskriminalität 2009 (2009) sowie dies., Compliance und Unternehmenskultur (2010). Die Studien von PwC werden wissenschaftlich begleitet. 130 KPMG, Wirtschaftskriminalität in Deutschland 2010 (2010), S. 9. Siehe auch PwC, Wirtschaftskriminalität 2011 (2011), S. 62; dies., Wirtschaftskriminalität 2009 (2009), S. 29. 131 KPMG, Who is the typical fraudster? (2011), S. 8. 132 PwC, Wirtschaftskriminalität 2009 (2009), S. 43; siehe auch KPMG, Who is the typical fraudster? (2011), S. 3 ff.
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träger in Höhe von insgesamt 139,8 Millionen Euro, stellen damit den absoluten Ausnahmefall dar. Jedoch hat die Anzahl der Bußgelder über 50.000 Euro zugenommen und im Jahr 2010 den höchsten Stand seit der Jahrtausendwende erreicht. Damit scheint sich ein Trend zu vereinzelt hohen Bußgeldern abzuzeichnen. In der Summe wird durch die Sanktionspraxis aber immer noch kaum eine substantielle Sanktionierung erreicht. Auch die OECD rügt in ihrem 3. Evaluierungsbericht zur OECD Konvention über die Bestechung ausländischer Amtsträger, dass die Sanktionierung von Unternehmen nicht ausreichend sei. Sie bemängelt, dass nur zurückhaltend Bußgelder gegen Unternehmen verhängt und vielfach nur die Mitarbeiter verfolgt worden seien.133 Die verhängten Bußgelder könnten aufgrund ihrer geringen Höhe keine spürbare Wirkung zeigen.134 Zudem wurde die regional unterschiedliche Verfolgungspraxis (die vor allem in Bayern stattfindet) kritisiert.135 Die OECD schlägt daher wie die vorliegende Untersuchung vor, konkretere Vorgaben für die Verfolgung von Unternehmen zu erlassen.136 II. Compliance Compliance ist zwar allgegenwärtig, empirische Forschung gibt es jedoch nach wie vor kaum.137 Dieser Mangel an Forschung steht in bemerkenswertem Gegensatz zur Verbreitung von Compliance-Programmen. In der Literatur wird die Frage der tatsächlichen Auswirkungen und der Wirksamkeit von Programmen kaum thematisiert.138 Falls doch, werden Compliance-Programme als rechtsergänzende Strategie zur Beförderung der Wirksamkeit des Strafrechts eingeschätzt.139 Auch wird zunehmend konzediert, dass Werte und Regeln (wie diese in Compliance-Programmen umgesetzt werden) Einfluss auf die intrinsische wie extrinsische Motivation ____________ Vgl. den Bericht (oben Anm. 39). Vgl. den Bericht (oben Anm. 39) S. 38, 70. 135 Vgl. den Bericht (oben Anm. 39) S. 25. 136 Vgl. den Bericht (oben Anm. 39) S. 25 f. Zum vorliegenden Vorschlag siehe oben S. 707, 728 f. 137 Vgl. krit. zum Stand der Wirtschaftskriminologie und insbes. der wirtschaftskriminologischen Wirkungsforschung Schneider, in: Kempf u.a. (Hrsg.) Handlungsfreiheit, S. 61 (79). 138 Siehe aber Krause, StraFO 2011, 437 (439); HWSt(3. Aufl.)-Rotsch, I 4 Rn. 46 (mit dem Hinweis auf die krit. Beurteilung von Unternehmensrichtlinien durch Theile, ZIS 2008, 406 ff.); Pape, Compliance, S. 154 ff., der ausf. die Wirksamkeit von Corporate Compliance behandelt und sich auf die Meta-Analyse von Kaptein/Schwarz, 77 J. Bus. Ethics (2008), S. 111 und die dort genannten Studien bezieht (vgl. hierzu bereits oben S. 280 ff.); siehe auch Kölbel, MschKrim 91 (2008), 22 ff. Bock, Criminal Compliance (2011) thematisiert die Frage bedauerlicherweise nicht. 139 Vgl. Kölbel, MschKrim 91 (2008), 22 (33). 133 134
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von Mitarbeitern haben.140 Dennoch ist gerade die Frage, welche Maßnahmen wirken, weitgehend unklar und damit auch, ob viele Ansätze nicht komplex und bürokratisch sind, aber kaum das Ziel der Rechtseinhaltung befördern.141 Als empirische Erkenntnisquellen verbleiben im Wesentlichen weiterhin allein die Studien von Wirtschaftsberatungsunternehmen.142 Diese zeigen, dass die Täter überwiegend im mittleren Management tätig sind und nicht zum vom § 30 OWiG erfassten Kreis der Führungspersonen gehören, sodass die Sanktionierung des Unternehmens nur über die Verletzung der Aufsichtpflicht nach § 130 OWiG erfolgen kann.143 Das bedeutet, der notwendigen Aufsicht durch entsprechende Maßnahmen wie Compliance-Programme kommt besondere Bedeutung zu. Insgesamt hat sich die Anzahl der Unternehmen, die ein Compliance-Programm etabliert haben, weiter erhöht.144 Bei den einzelnen Maßnahmen hat hier insbesondere der Verhaltenskodex weite Verbreitung gefunden.145 Die ausführliche Studie von PricewaterhouseCoopers zu Compliance zeigt, dass die Börsennotierung deutlichen Einfluss darauf hat, ob ein Compliance-Programm existiert.146 Unternehmen, die in den USA börsennotiert sind, weisen die höchste Quote auf.147 Darin zeigen sich die Auswirkungen des amerikanischen Rechts auch in Deutschland. Nur 29 % der Unternehmen haben eine separate Compliance-Abteilung eingerichtet, die meisten delegieren die Aufgabe an die Rechtsabteilung.148 Bei 63 % der Unternehmen gibt es aber bereits einen Compliance-Officer.149 Dies ist angesichts der ge-
____________ Vgl. Eigenstetter, ZIS 2011, 129 ff. Vgl. krit. Hemeling, ZHR 175 (2011), 368 (383). 142 Vgl. KPMG, Wirtschaftskriminalität in Deutschland 2010 (2010); dies, Who is the typical fraudster? (2011); PwC, Wirtschaftskriminalität 2009 (2009); dies., Compliance und Unternehmenskultur (2010); dies., Wirtschaftskriminalität 2011 (2011). Siehe zusammenfassend auch Krause, StraFO 2011, 437 (439 ff.). Zu älteren Studien siehe oben S. 489 ff. 143 Vgl. zu den Ergebnissen der Studien bereits oben auf S. 766. 144 Vgl. PwC, Wirtschaftskriminalität 2011 (201), S. 40, wonach der Anteil von 41 % im Jahr 2007 auf 44 % im Jahr 2009 und auf 52 % im Jahr 2011 gestiegen ist; siehe auch KPMG, Wirtschaftskriminalität in Deutschland 2010 (2010), S. 18 (2010 hatten 74 % der befragten Unternehmen eine Compliance-Funktion, 2006 nur 16 %). 145 Vgl. KPMG, Wirtschaftskriminalität in Deutschland 2010 (2010), S. 19 (2010: 74 % der befragten Unternehmen, 2006: 57 %); siehe auch PwC, Wirtschaftskriminalität 2009 (2009), S. 56 (2009 hatten 72 % ethische Richtlinien; 2007 waren es 67 %); dies., Wirtschaftskriminalität 2011 (2011), S. 54 (2011 hatten 82 % ethische Richtlinien). 146 Vgl. PwC, Compliance und Unternehmenskultur (2010), S. 14 (64 % gegenüber 32 % bei nicht börsennotierten Unternehmen). 147 Vgl. PwC, Compliance und Unternehmenskultur (2010), S. 14 (77 % der Unternehmen). 148 Vgl. PwC, Compliance und Unternehmenskultur (2010), S. 22. 149 Vgl. PwC, Compliance und Unternehmenskultur (2010), S. 22. 140
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setzlich nicht vorgesehenen Funktion ein beachtlicher Wert. Die Besetzung der Abteilungen variiert stark, häufig sind nur wenige Mitarbeiter oder auch nur einer für Compliance zuständig.150 Die Besetzung ist in den letzten Jahren sogar gesunken.151 Damit sind viele Unternehmen nicht besser ausgestattet als Siemens zur Zeit der Korruptionsvorfälle.152 Dies dürfte für eine effektive Compliance kaum ausreichen.153
D. Institutionalisierung von Compliance Das Thema Compliance hat die rechtswissenschaftliche Diskussion und Praxis der letzten wesentlich Jahre bestimmt.154 Auf zentrale Aspekte wie die Verantwortlichkeit des Compliance-Officers und Compliance Investigations wurde bereits eingegangen. Diese beiden Punkte sind jedoch nur Teile eines umfassenden Compliance-Diskurses. Compliance hat sich vom Spezialthema des Wertpapierhandelsrechts zu einem eigenständigen Rechtsgebiet gewandelt:155 Aus zunächst nur in Einzelfällen vorkommenden Lösungen für Rechtsprobleme hat sich durch allgemeine Anerkennung, Verbreitung und Vertiefung ein komplexes Institut als Ausdifferenzierung des bisherigen Rechts entwickelt. Der Prozess der Verfestigung dynamischer sozialer Prozesse zu einem konturierten Ordnungsverhältnis lässt sich als Institutionalisierung bezeichnen.156 Diese führt zur Schaffung eines neuen Rechtsinstituts Compliance.157 Im Folgenden soll (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) ein Blick auf die wichtigsten Motoren und den aktuellen Stand der Institutionalisierung geworfen werden.
____________ Vgl. PwC, Compliance und Unternehmenskultur (2010), S. 23. PwC, Wirtschaftskriminalität 2011 (2011), S. 52 152 Vgl. oben S. 5. 153 Dies wird von den Unternehmen allerdings kaum wahrgenommen. 56 % sind mit ihrer Personalausstattung im Compliance-Bereich zufrieden, vgl. PwC, Wirtschaftskriminalität 2011 (2011), S. 53. 154 Vgl. aus der kaum mehr überschaubaren Literatur bspw. Bock, Criminal Compliance (2011); Görling/Inderst/Bannenberg (Hrsg.), Compliance (2010); Moosmayer, Compliance (2010); HWSt(3.Aufl.)-Rotsch, I 4 Rn. 1 ff. Im Übrigen siehe die nachfolgend zitierten Beiträge. 155 Vgl. bspw. Bock, wistra 2011, 201 („neues wirtschaftsregulierendes Rechtsgebiet“), Rotsch, ZIS 2010, 614 (617) („neuer Beschäftigungsgegenstand der Rechtswissenschaft“); skeptisch dagegen G/J/W-Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, Einf. Rn. 11. 156 Vgl. aus soziologischer Sicht Berger/Luckmann, Wirklichkeit, S. 58. 157 Diese Rechtsinstitute können Ausgangspunkt der weiteren Rechtsentwicklung sein, vgl. Larenz, Methodenlehre, S. 14, 65 mit dem Hinweis auf Savigny. 150
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I. Institutionalisierung durch Gesetzgebung und Gesetzesanwendung 1. Gesetzgebung Der Gesetzgeber hat 2011 durch das „Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz“ den Bereich Compliance im Wertpapierhandelsrecht weiter ausgebaut.158 Zunächst hat er das Unterlassen der Errichtung einer Compliance-Funktion bußgeldbewehrt. Nach § 39 Abs. 2 Nr. 17b WpHG kann ein Bußgeld verhängt werden, wenn die Errichtung der Compliance-Funktion vorsätzlich oder leichtfertig unterbleibt. Damit wird erstmals im deutschen Recht das Unterlassen von Compliance-Maßnahmen unmittelbar sanktioniert. Dementsprechend wirkt die Erstellung eines Compliance-Programms nunmehr aber auch tatbestandsausschließend. Das Gesetz fügt zudem in das WpHG einen neuen § 34d ein, der zum 1. November 2012 in Kraft treten wird. In § 34d Abs. 3 WpHG ist vorgesehen, dass ein Mitarbeiter nur dann die Compliance-Funktion übernehmen darf, wenn er sachkundig und zuverlässig ist. Zudem ist der Mitarbeiter der BaFin zu melden. Die Vorgaben werden durch eine eigene Verordnung konkretisiert.159 Zusätzlich wurde die Verordnung ergänzt, die die Vorgaben des WpHG präzisiert (WpDVerOV).160 Die Compliance-Funktion muss nunmehr angemessene Kontroll- und Überwachungshandlungen vorsehen und die damit betrauten Mitarbeiter festlegen.161 Erkannte Defizite der Compliance-Funktion müssen in angemessener Zeit behoben werden.162 Zudem muss der Compliance-Beauftragte berechtigt sein, vorläufige Maßnahmen zu treffen, um konkrete Gefahren abzuwehren.163 Diese Regelung ist nicht unbedenklich, da der Compliance-Officer somit direkt in das operative Geschäft eingreifen kann (z.B. um Insiderhandel zu verhindern).164 Als Kehrseite hat er aber auch die Verantwortung dafür zu tragen, was insbesondere dann problematisch ist, wenn sich der Verdacht nicht bestätigt und ein irreparabler Schaden entstanden ist. Insgesamt stärkt das Gesetz jedoch nicht nur die Compliance-Funktion in diesem Bereich, sondern beginnt nun auch (wichtige) Einzelfragen zu klären.
____________ 158 Gesetz zur Stärkung des Anlegerschutzes und Verbesserung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts vom 5.4.2011, BGBl. I S. 538. 159 § 34d Abs. 6 WpHG. Zur Verordnung der BaFin vgl. unten S. 777. 160 Siehe oben S. 504. 161 § 12 Abs. 1 Satz 2 WpDVerOV. 162 § 12 Abs. 2a WpDVerOV. 163 § 12 Abs. 3 Satz 2 WpDVerOV. 164 Vgl. Engelhart, ZIP 2010, 1832 (1840).
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2. Gesetzesanwendung Compliance ist in Deutschland zwar nur im Wertpapierhandelsrecht gesetzlich explizit verankert. Dennoch findet sie durch ein verändertes Verständnis von bereits bestehenden Regelungen in wachsendem Maße Berücksichtigung. Diese Institutionalisierung durch Auslegung und Anwendung wird in erster Linie durch die Literatur vorangetrieben. Diese behandelt Compliance nicht nur in Einzelbeiträgen, sondern zunehmend systematisch im Rahmen von Kommentierungen des Aktienund Ordnungswidrigkeitenrechts. Zudem erfährt Compliance einzelfallbezogen auch in der Rechtsprechung vermehrt Aufmerksamkeit. a) Aktienrecht Der Gesetzgeber hat bislang darauf verzichtet, im Gesellschaftsrecht eine allgemeine Compliance-Pflicht festzuschreiben. § 91 Abs. 2 AktG, der bereits einen passenden Ansatzpunkt in Form des Risikomanagements liefern würde, blieb bislang unverändert. Gleiches gilt für die Leitungspflicht des Vorstands nach § 76 AktG und die Pflichten eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG. Dagegen wandelt sich die Auslegung dieser Normen. Der Wandel zeigt sich beispielsweise am Münchener Kommentar zum Aktienrecht. Dieser hat bereits in der 2. Auflage 2004 die Pflicht zur Errichtung von Compliance-Programmen als mögliche Leitungspflicht des Vorstands nach § 76 AktG erwähnt.165 Auch in den Anmerkungen zu § 91 AktG erfolgt ein kurzer Hinweis, allerdings zurückhaltend („Dies mag man ‚Compliance‘-Organisation nennen“) mit der Bemerkung, es handle sich um nichts Neues.166 Diese Kommentierung wurde zwar in der 3. Auflage 2008 beibehalten,167 dennoch wird nunmehr von einer „Compliance-Pflicht“ gesprochen.168 Die bisherigen Ausführungen in § 76 AktG wurden um den Aspekt der Konzern-Compliance ergänzt.169 In § 91 AktG findet sich schließlich ein eigener Abschnitt zur Compliance-Organisation.170 Dieser verneint eine allgemeine Pflicht, eine bestimmte Compliance-Organisation einzurichten, verlangt jedoch auf das jeweilige Unternehmen zugeschnittene Maßnahmen. Auch wenn damit der Umfang der rechtlichen Verpflichtung nicht letztlich geklärt ist, wird doch klar ersichtlich, dass ein Unternehmen nicht ohne ____________ 165 166 167 168 169 170
MK-AktG (2. Aufl.)-Semler/Spindler, § 76 Rn. 17. MK-AktG (2. Aufl.)-Hefermehl/Spindler, § 91 Rn. 3. MK-AktG-Spindler, vor § 76 Rn. 48. MK-AktG-Spindler, § 91 Rn. 3. Vgl. MK-AktG-Spindler, § 76 Rn. 53 und Rn. 17 mit den beibehaltenen Hinweisen. MK-AktG-Spindler, § 91 Rn. 35–38.
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Compliance-Maßnahmen auskommen kann. Welche dies konkret sind, wird dem Ermessen (dem business judgment) des Vorstands überlassen. Noch deutlicher wird die Lage im nach langem Abstand (die 2. Auflage stammt von 1996) im Jahr 2010 in der 3. Auflage neu kommentierten Kölner Kommentar. Die Neukommentierung geht erstmals ausführlich auf Compliance ein.171 Sie konstatiert ein Gebot, bei entsprechendem Gefahrenpotential eine Compliance-Organisation einzurichten.172 Diese Pflicht wird nicht aus § 91 Abs. 2 AktG hergeleitet, sondern aus der Gesamtschau von Leitungspflicht und Organisationsverantwortung des Vorstands. Bei der Umsetzung wird auch hier dem Vorstand weites Ermessen eingeräumt. Die Kommentierung bei Hüffer bietet ein ähnliches Bild. Die 8. Auflage von 2008 hat Compliance noch nicht erwähnt, in der 9. Auflage von 2010 widmet sich ein eigener Abschnitt dem Thema.173 Die Errichtung einer Compliance-Organisation gehört nunmehr zur Leitungspflicht des Vorstands, die Umsetzung erfolgt nach seinem Ermessen. Beide Kommentierungen erwecken gerade durch die Neuaufnahme des Themas den Eindruck, es handle sich bei Compliance um in dieser Art zuvor nicht bestehende Pflichten. Das „Meinungsbild hat sich in den letzten Jahren dynamisch entwickelt“.174 Es verwundert daher nicht, wenn vermehrt festgestellt wird, das Aktienrecht sehe eine Compliance-Pflicht vor.175 b) Ordnungswidrigkeitenrecht Auch in die Kommentierungen des OWiG hat Compliance Einzug gehalten. Der Karlsruher Kommentar erwähnt Compliance in der 2. Auflage von 2000 nicht. In der aktuellen 3. Auflage von 2006 wird der Compliance-Officer in § 30 OWiG thematisiert.176 Der von Göhler begründete Kommentar hat Compliance in der 13. Auflage von 2002 nicht aufgeführt. Seit der 14. Auflage von 2005 taucht der Compliance-Officer im Rahmen von § 30 OWiG auf.177 In der 15. Auflage von 2009 wird Compliance schließlich in § 130 OWiG vertieft und – ohne dies zu ver-
____________ KölnKomm-AktG-Mertens/Cahn, § 91 Rn. 34 ff. KölnKomm-AktG-Mertens/Cahn, § 91 Rn. 35. Etwas weniger klar die Anm. in § 93 Rn. 80. 173 Hüffer, AktG (9. Aufl.), § 76 Rn. 9a. 174 So Hemeling, ZHR 175 (2011), 368 (370). 175 Vgl. P. Kindler, in: Rotsch (Hrsg.), Compliance-Diskussion, S. 1 (2 f.); Sprafke, Korruption, S. 244. Siehe auch Goette, ZHR 175 (2011), 388 (392); Krüger, ZIS 2010, 113 (115); Pietzke, CCZ 2010, 45 (50), die § 93 Abs. 1 AktG als Grundlage heranziehen. Gegen eine Compliance-Pflicht aber AKEIÜ, DB 2010, 1509 (1510 f.). 176 KK-OWiG-Rogall, § 30 Rn. 68b. In § 130 OWiG findet sich bemerkenswerterweise kein Hinweis auf Compliance. 177 Göhler-Gürtler, OWiG, § 30 Rn. 14a [14. und 15. Aufl.]. 171 172
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neinen – angeführt, dass sich aus § 130 OWiG mittelbar die Verpflichtung zur Errichtung einer Compliance-Organisation ergeben könne.178 Die Einbeziehung von Compliance hat bei § 130 OWiG dazu geführt, dass die Norm teilweise als Compliance-Pflicht zur Gewährleistung der Rechtskonformität hinsichtlich unternehmensbezogener Straftaten und Ordnungswidrigkeiten verstanden wird.179 Allerdings gilt wie im Aktienrecht, dass nicht bestimmte Maßnahmen verlangt werden, sondern es allein darum geht, ein rechtlich gefordertes Mindestniveau zu erreichen, das sich am jeweiligen Unternehmen orientiert.180 c) Strafrecht Die Compliance-Diskussion ist auch verstärkt im Strafrecht angekommen. Neben der viel diskutierten Verantwortlichkeit des Compliance-Officers lässt sich im Rahmen des subjektiven Tatbestands überlegen, ob die Einhaltung der Compliance-Vorgaben durch einen Mitarbeiter nicht den Schluss nahelegt, dieser habe nicht vorsätzlich gehandelt.181 In der Tat dürfte compliancekonformem Verhalten eine derartige Indizwirkung zukommen, wie aber auch umgekehrt die bewusste Verletzung von Compliance-Regeln den Vorsatz indizieren kann. Im Bereich der Straftatbestände lässt sich fragen, ob mangelnde Compliance eine Strafbarkeit der Unternehmensleitung nach § 266 StGB wegen Untreue begründet.182 Dies ist im Grundsatz zu verneinen, da noch keine hinreichend konkretisierte Rechtspflicht zu Compliance besteht, die ausreichen könnte, um den Blankettstraftatbestand der Untreue zu füllen.183 Zudem würde nicht jede Rechtsverletzung zugleich eine Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht nach § 266 StGB bedeuten.184 Compliance zielt primär auf die Einhaltung des Rechts, der Vermögensschutz des Unternehmens ist nur ein Reflex. Damit ergibt sich aus der Untreueregelung auch keine Pflicht, Compliance-Maßnahmen zu ergreifen. Nicht auszuschließen ist jedoch, dass ein Compliance-Programm den Pflichtenkreis einzelner Personen so weit konkretisiert, dass die Pflicht justiziabel wird. Auch kann ein Compliance-Programm den Rahmen pflichtgemäßer und pflichtwidriger Hand____________ Göhler-Gürtler, OWiG, § 130 Rn. 9. Bock, HRRS 2010, 316 ff.; B. Schmitt, Compliance, S. 70. Siehe auch Mansdörfer, Wirtschaftsstrafrecht, Rn. 644; Mosbacher, in: Rotsch (Hrsg.), Compliance-Diskussion, S. 129 (130 f.). 180 Bock, HRRS 2010, 316 (329). Siehe auch Kremer/Klahold, ZGR 2010, 113 (119); G/J/W-Niesler, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 130 OWiG Rn. 9 ff. 181 Vgl. Mosbacher, in: Rotsch (Hrsg.), Compliance-Diskussion, S. 129 (133). 182 Michalke, StV 2011, 245 ff. 183 Michalke, StV 2011, 245 (247 ff.). 184 Vgl. BGHSt 55, 288, der klarstellt, dass nicht jede gesellschaftsrechtliche Pflichtverletzung nach §§ 93, 116 AktG zugleich eine Untreue begründen kann, sondern nur dann, wenn die Pflicht vermögensschützenden Charakter hat. 178 179
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lungen bestimmen.185 Das LG Darmstadt hat im Fall Siemens/Power Generation die Pflichtwidrigkeit bei § 266 StGB aufgrund des Verstoßes gegen die Compliance-Richtlinien bejaht.186 Insoweit kann einem Compliance-Programm stafbarkeitskonstituierende Wirkung zukommen. Zudem ist zu fragen, ob nicht die unterlassene Meldung einer entdeckten Straftat beispielsweise durch einen Compliance-Officer als Strafvereitelung gewertet werden kann. Da dieser jedoch grundsätzlich keine stärkere Pflichtenbindung als ein normaler Bürger zur Zusammenarbeit mit den Behörden hat,187 ist dies zu verneinen. Anderes gilt nur, wenn der Compliance-Officer eine Funktion innehat, nach der er spezialgesetzlich zu einer Meldung verpflichtet ist, z.B. weil er zugleich Geldwäschebeauftragter ist.188 Schließlich hat Compliance auch das Korruptionsrecht erreicht. Hier lässt sich fragen, ob Ethikrichtlinien nicht die strafrechtlichen Tatbestände konturieren können.189 Dies wird im Regelfall aber zu verneinen sein, da der Bereich der zulässigen sozialadäquaten Geschenke nicht durch einzelne Unternehmensrichtlinien bestimmt werden kann.190 Anders kann dies jedoch hinsichtlich best practice-Leitlinien seitens eines Verbands etc. sein. d) Weitere Rechtsgebiete im Spiegel der Rechtsprechung Neben den Entscheidungen zum Compliance-Officer und zur Untreue191 haben sich Gerichte einzelnen Aspekten der Compliance gewidmet. Dies gilt insbesondere für arbeitsrechtliche Fragestellungen. So hat das ArbG Berlin klargestellt, dass ein Compliance-Verantwortlicher bei Ermittlungen grundsätzlich im Rahmen des datenschutzrechtlich Zulässigen auch im Unternehmen vorhandene personenbezogene Daten auswerten kann.192 Das BAG hat geklärt, dass ein konzernweiter Verhaltenskodex nur in einzelnen Teilen mitbestimmungspflichtig und der Konzernbetriebsrat hierfür zuständig ist.193 Das Hessische LAG hat den Verstoß gegen eine Compliance-Richtlinie als Kündigungsgrund anerkannt.194 ____________ HWSt(3. Aufl.)-Rotsch, I 4 Rn. 47. LG Darmstadt, Urt. vom 14.5.2007 – 712 Js 5213/04 – 9 KLs, juris. 187 So geht auch die BaFin von keiner allgemeinen Anzeigepflicht des ComplianceOfficers im Wertpapierhandel aus, vgl. H. Schäfer, BKR 2011, 187 (192). 188 Siehe zu wirtschaftlich relevanten Meldepflichten im Überblick G/J/W-Bülte, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 258 StGB Rn. 20 ff. 189 Beckemper, in: Rotsch (Hrsg.), Compliance-Diskussion, S. 113 ff. 190 Beckemper, in: Rotsch (Hrsg.), Compliance-Diskussion, S. 113 (117 ff.). 191 Vgl. zum Compliance-Officer oben S. 750 ff., bzw. zur Untreue oben S. 774 f. 192 ArbG Berlin ZIP 2010, 1191. 193 BAG, BAGE 127, 146. 194 LAG Hessen, Urt. vom 25.1.2010 – 17 Sa 21/09, MPR 2010, 137. 185
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Im Vergaberecht hat sich die Selbstreinigung eines Unternehmens nach einem Kartellrechtsverstoß etabliert, damit dieses wieder an einer Vergabe teilnehmen kann; als Teil der Selbstreinigung hat die Rechtsprechung die Restrukturierung mit Einführung von Compliance-Maßnahmen anerkannt.195 Der BGH hat in einer Entscheidung zur Anwendung des UWG klargestellt, dass ein Verstoß gegen eine nicht gesetzliche Regelung (hier: kostenlose Seminare eines Pharmaunternehmens für Ärzte, das im Widerspruch zum FS Arzneimittelindustrie-Kodex stand) nicht per se geeignet sei, die Unlauterkeit des Verstoßes zu begründen.196 Die Regelung könne zwar zeigen, dass ein Verhalten in einem bestimmten Verkehrskreis üblich sei. Dies bedeute jedoch nicht, dass jede Abweichung eine unlautere sei. Das Urteil macht deutlich, dass der BGH nur bedingt ethische Vorgaben zur Konturierung rechtlicher Kategorien anerkennt. Die Beispiele zeigen, dass Compliance und Compliance-Maßnahmen zunehmend in der Rechtsprechung Niederschlag finden. Sie dokumentieren damit nicht nur ihre Existenz in der Praxis, sondern auch ihren Einzug in das Recht auf verschiedensten Gebieten. e) Konturierung der Grenzen von Compliance Die Prävention und Aufdeckung von Gesetzesverstößen durch ComplianceMaßnahmen wird immer mehr auch unter dem Aspekt des noch Zulässigen diskutiert. Das technisch an Überwachungsmaßnahmen Mögliche reicht vielfach weiter als das rechtlich Zulässige. E-Mail- und Dokumentenscreening (auch von Geschäftsbriefen), Telefon- und Kameraüberwachung sowie der Abgleich persönlicher Daten (ggf. auch von Telekommunikationsgeräten) sind machbar. Persönlichkeitsrechte der Mitarbeiter und Dritter (wie z.B. Kunden), insbesondere hinsichtlich des Datenschutzes, ziehen Compliance-Maßnahmen wie bei den Compliance Investigations aber Grenzen.197 Da sich die Grenzen in vielen Fällen nicht klar aus dem Gesetz, sondern nur durch konkretisierte Gesetzesauslegung ergeben, gewinnen sie erst durch zunehmende Behandlung in der Literatur und der Rechtsprechung ihre Konturen.198
____________ 195 Anschaulich Vergabekammer bei der Bezirksregierung Lüneburg, Beschl. vom 14.2.2012 – VgK-05/2012, juris Ziff. 25, 58. 196 Vgl. BGH, Urt. vom 9.9.2010 – I ZR 157/08. 197 Vgl. dazu bereits oben S. 756 ff. 198 Vgl. nur Behling, BB 2010, 982; Dix, ZIS 2011, 110; Hanloser, CCZ 2010, 25; Heldmann, DB 2010, 1235 ff.; Joussen, NZA-Beil. 2011, 35; Kort, DB 2010, 651; Löwisch, DB 2009, 2782; Müller-Bonanni, AnwBl. 2010, 651; Schneider, NZG 2010, 1201 (1203); Thüsing, Arbeitnehmerdatenschutz, S. 75 ff. Weitere Nachweise oben § 28 Anm. 11.
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II. Institutionalisierung durch Normkonkretisierung bei Behörden Explizit gesetzlich geregelte Compliance-Vorgaben finden sich in Deutschland allein im Wertpapierhandelsrecht.199 Die Anwendung der Regelungen durch die zuständige Behörde, die BaFin, ist daher über diesen Bereich hinaus von Interesse. Im Jahr 2010 hat die BaFin die allgemein gehaltenen gesetzlichen Vorgaben im Rahmen eines Rundschreibens durch „Mindestanforderungen an Compliance“ (MaComp) konkretisiert.200 Das Rundschreiben wurde 2011 erweitert und aktualisiert.201 Die BaFin sieht es unter anderem als Nachfolgeregelung für die 2007 aufgehobene Compliance-Richtlinie.202 Das Rundschreiben ist nicht als normkonkretisierende Richtlinie konzipiert, sondern dient allein der Selbstbindung der Verwaltung.203 In Ermangelung anderer behördlicher/staatlicher Festlegungen hat das Rundschreiben jedoch den autoritativen Charakter eines Gesetzes. Es hat damit Vorbildfunktion für die Erstellung von Compliance-Abteilungen generell und die Definition des Aufgabenbereichs des Compliance-Officers. Inhaltlich konkretisiert es den Bereich Compliance in einer bislang nicht gekannten Weise.204 Es stellt zunächst die Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung für Compliance fest und skizziert sodann ausgehend von einer zu erfolgenden Risikoanalyse die Aufgaben und Befugnisse des Compliance-Officers. Dieser hat präventive wie repressive Funktion. Seine Aufgabe besteht primär in der Beratung, der Kontrolle und der Berichterstattung an die Geschäftsleitung.205 Eigene Entscheidungsbefugnisse sind grundsätzlich nicht vorgesehen. Insoweit geht die BaFin anders als der BGH von einem deutlich begrenzten Aufgabenbereich aus.206 Großen Wert legt die BaFin auch auf eine angemessene Größe und Ausstattung der Compliance-Abteilung sowie deren Unabhängigkeit. Die MaComp haben bereits einige Aspekte des neuen § 34d WpHG und der Ausführungsverordnung vorweggenommen.207 Die von der BaFin erlassene Verord____________ Siehe oben S. 503 ff. BaFin, Rundschreiben 4/2010 (WA), Mindestanforderungen an Compliance und die weiteren Verhaltens-, Organisations- und Transparenzpflichten nach §§ 31 ff. WpHG für Wertpapierdienstleistungsunternehmen (MaComp), vom 7.6.2010, Geschäftszeichen WA 31-Wp 2002-2009/0010. Vgl. dazu Birnbaum/Kütemeier, WM 2011, 293; Engelhart, ZIP 2010, 1832; Lösler, WM 2010, 1917; Niermann, ZBB 2010, 400; H. Schäfer, BKR 2011, 45 und 187; Sturm/Möller, ZCG 2010, 177; Zingel, BKR 2010, 500. 201 Die aktuelle Fassung datiert vom 14.6.2011. Die Änderungen betrafen die Compliance-Regelungen nur am Rande. 202 BaFin (Anm. 200), AT 2.2 in Fn. 3. Zur Compliance-Richtlinie siehe oben S. 503. 203 Vgl. Lösler, WM 2010, 1917 f.; Niermann, ZBB 2010, 400 (404 ff.). 204 Vgl. dazu Engelhart, ZIP 2010, 1832 (1834 ff.); Lösler, WM 2010, 1917 (1918 ff.); Niermann, ZBB 2010, 400 (410 ff.); H. Schäfer, BKR 2011, 187 ff. 205 Engelhart, ZIP 2010, 1832 (1838 ff.) 206 Zur Entscheidung des BGH zum Compliance-Officer vgl. oben S. 750 ff. 207 Zu § 34d WpHG siehe oben S. 771. Vgl. auch Engelhart, ZIP 2010, 1832 (1838). 199 200
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nung legt die Anforderungen an die Sachkunde und die Zuverlässigkeit näher fest.208 Der Compliance-Officer muss rechtliche sowie spezielle Kenntnisse über die Organisation der BaFin und über Compliance-Systeme haben.209 Der Nachweis wird durch ein rechtswissenschaftliches oder betriebswirtschaftliches Studium erbracht, soweit eine entsprechende Berufspraxis gegeben ist.210 Damit stärkt die BaFin vor allem den Einsatz von Juristen in der Compliance-Abteilung. Die notwendige Zulässigkeit des Compliance-Officers wird verneint, wenn er in den letzten fünf Jahren wegen eines einschlägigen Vermögensdelikts vorbestraft ist.211 Damit ist gewährleistet, dass ein Mitarbeiter in diesem Bereich auch nicht durch den Wechsel des Unternehmens weiterarbeiten kann. III. Institutionalisierung durch Vorgaben privater Institutionen Die gesetzlichen Vorgaben für Compliance-Programme sind auf den Wertpapierhandel beschränkt. In der Unternehmenspraxis besteht aber ein großes Bedürfnis nach konkreten Anwendungsregelungen über diesen Rechtsbereich hinaus. Mehrere private Institutionen haben daher die staatliche Zurückhaltung genutzt, um die Lücke durch eigene Standards zu füllen. 1. Institut der Wirtschaftsprüfer Die bedeutendste Regelung ist die Erstellung eines eigenen Prüfungsstandards für Compliance-Management-Systeme durch das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) im Jahr 2011.212 Da Wirtschaftsprüfer regelmäßig die Bilanzprüfung vornehmen, dürfte die enge Anbindung an Unternehmen für eine weite Verbreitung der Vorgaben sorgen. Für Unternehmen ermöglicht der Standard, eine externe und objektive Prüfung ihres Compliance-Systems zu erhalten. Zudem gibt er wertvolle
____________ 208 Verordnung über den Einsatz von Mitarbeitern in der Anlageberatung, als Vertriebsbeauftragte oder als Compliance-Beauftragte und über die Anzeigepflichten nach § 34d des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG-Mitarbeiteranzeigenverordnung – WpHGMaAnzV) vom 21.12.2011, BGBl. I S. 3116. Sie tritt wie § 34d WpHG am 1.11.2012 in Kraft. 209 § 3 WpHGMaAnzV. 210 § 4 Satz 1 Nr. 3 WpHGMaAnzV. 211 § 6 WpHGMaAnzV. 212 Institut der Wirtschaftsprüfer e.V. (IDW), Grundsätze ordnungsgemäßer Prüfung von Compliance-Management-Systemen, IDW PS 980 vom 11.3.2011; siehe dazu Balk/ Schulte/Westphal, ZCG 2010, 242; Böttcher, NZG 2011, 1054; Eisolt, BB 2010, 1843; Gelhausen/Wermelt, CCZ 2010, 208; Görtz, CCZ 2010, 127; Görtz/Roßkopf, CCZ 2011, 103; Hobelsberger, in: Rotsch (Hrsg.), Compliance-Diskussion, S. 29 (37 ff.); Horney/ Kuhlmann, CCZ 2010, 192; Rieder/Jerg, CCZ 2010, 201; Willems/Schreiner, CCZ 2010, 214; Withus/Hein, CCZ 2011, 125.
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Hinweise z.B. für Compliance-Abläufe und Berichtswege.213 Daher wurde die Schaffung des Standards von Seiten der Praxis begrüßt.214 Die Wirtschaftsprüfer werben für die Zertifizierung mit der entlastenden Wirkung einer durchgeführten Prüfung, beispielsweise im Rahmen von § 130 OWiG oder § 93 Abs. 1 AktG.215 Dies ist jedoch zweifelhaft.216 Der Prüfungsstandard legt den Schwerpunkt klar auf betriebswirtschaftliche Abläufe und nur in geringem Maß auf rechtliche Risiken.217 Im Wesentlichen wird überprüft, ob das Unternehmen auf von ihm benannte Risiken mit entsprechenden Maßnahmen reagiert.218 Die Risikoanalyse und Risikobewertung des Unternehmens wird nicht geprüft.219 Ein Compliance-Programm kann dann zwar als perfekt zertifiziert werden, bei einer fehlerhaften Risikoanalyse ist es aber doch das Falsche für das Unternehmen. Die Zertifizierung spiegelt damit eine Sicherheit vor, die nicht besteht, die ggf. sogar nur als „window dressing“ gedacht ist. Wird dem Unternehmen ein Vorwurf nach §§ 130, 30 OWiG gemacht, kann es – entgegen der Erwartung der Unternehmen220 – mit der Zertifizierung den Vorwurf, rechtliche Risiken nicht beachtet oder fehlerhaft eingeschätzt zu haben, nicht entkräften. Dies muss das Unternehmen auf andere Weise leisten, z.B. durch eine rechtliche Überprüfung seitens einer externen Kanzlei. Insoweit dient die Zertifizierung mehr wirtschaftlichen als rechtlichen Belangen.221
____________ 213 Vgl. Balk/Schulte/Westphal, ZCG 2010, 242 (247); Görtz, CCZ 2010, 127 (130 ff.); Hobelsberger, in: Rotsch (Hrsg.), Compliance-Diskussion, S. 29 (42); Horney/Kuhlmann, CCZ 2010, 192 (194). 214 Horney/Kuhlmann, CCZ 2010, 192 (195); krit. zur Art der Konzeption Willems/ Schreiner, CCZ 2010, 214 ff. 215 Vgl. Gelhausen/Wermelt, CCZ 2010, 208 (209); Withus/Hein, CCZ 2011, 125 (128 f.). 216 Krit. auch die Autoren aus der Anwaltschaft Böttcher, NZG 2011, 1054; Rieder/ Jerg, CCZ 2010, 201. 217 Böttcher, NZG 2011, 1054 (1057); Rieder/Jerg, CCZ 2010, 201 (204). Siehe auch das Editoral von Goette, WPg 2011, Heft 12, I. 218 Vgl. IDW, PS 980, Rn. 30: „In den Auftragsbedingungen ist darauf hinzuweisen, dass keine Prüfungssicherheit über die tatsächliche Einhaltung von Regeln erlangt wird, sondern ausschließlich die in der CMS-Beschreibung getroffenen Aussagen zum CMS beurteilt werden.“ 219 Dies gilt insbes. für zwei der drei möglichen Zertifizierungen, die keine Aussagen zur Effektivität bzw. nur die generelle Geeignetheit von Maßnahmen beurteilen. Diese Aussagen sind juristisch ohne Belang, da sie nicht konkrete Pflichten für konkrete Risiken beurteilen. Vgl. auch Rieder/Jerg, CCZ 2010, 201 (206); Willems/Schreiner, CCZ 2010, 214 sowie Goette, WPg 2011, Heft 12, I. 220 Nach der Studie von PwC, Wirtschaftskriminalität 2011 (2011), S. 56 erwarten bis zu 70 % der Unternehmen durch die Zertifizierung eine Entlastung bei zivil- und strafrechtlichen Haftungsfragen. 221 Vgl. zur „Signalwirkung“ Görtz/Roßkopf, CCZ 2011, 103 ff.
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2. TÜV Rheinland e.V. Auch der „TÜV Rheinland e.V.“ hat inzwischen einen Standard für ComplianceManagement-Systeme herausgebracht.222 Er bietet ein Assessment, das entweder online selbst oder durch den TÜV durchgeführt werden kann, und eine umfangreiche Zertifizierung durch einen TÜV-Mitarbeiter. Dabei kann die Prüfung auf einzelne Bereiche (Geldwäsche, Korruption, Datenschutz etc.) beschränkt werden. Wie der IDW-Standard bietet der TÜV konkrete Vorgaben für ComplianceProgramme und ist damit für die Praxis von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Die Zertifizierung ermöglicht zudem eine unabhängige Kontrolle. Jedoch werden auch hier die Risiken seitens des Unternehmens identifiziert und der TÜV prüft lediglich, ob ein darauf aufbauendes System den Vorgaben entspricht. So kann eine Zertifizierung nicht aufdecken, ob das Compliance-Programm ggf. schon im Grundansatz wegen einer fehlerhaften Risikoanalyse mangelhaft ist. Damit ist der rechtliche Nutzen, die Einhaltung der gebotenen Sorgfalt zu beweisen, zweifelhaft. 3. Branchenspezifische Vorgaben Die Entwicklung wird zunehmend auch branchenspezifisch außerhalb des Bankensektors vorangetrieben.223 Beispielsweise hat sich im Pharmabereich eine Compliance-Evaluierung durch den Verein „Arzneimittel und Kooperation im Gesundheitswesen“ (AKG e.V.) etabliert.224 Der Verein ist ein Zusammenschluss pharmazeutischer Unternehmen, der einen eigenen Verhaltenskodex entwickelt hat. Dieser wurde vom Bundeskartellamt als Wettbewerbsregel anerkannt. Die Einhaltung des Kodex kann durch ein Auditierungsverfahren geprüft und bei erfolgreichem Bestehen durch das „AKG Healthcare Compliance Siegel“ bestätigt werden. Die Auditierung erfolgt nicht durch den Verein, sondern durch Externe, um eine unabhängige Überprüfung zu ermöglichen.225 Der Verein bietet darüber hinaus die Möglichkeit einer Online-Schulung an. Somit werden nicht nur best practiceStandards festgelegt, sondern zugleich eine selbstregulatorische Kontrolle geschaffen, um eine Durchsetzung der Standards zu erreichen. ____________ 222 TÜV Rheinland e.V., TR CMS 101:2011, Standard für Compliance-ManagementSysteme (CMS), abrufbar unter . Vgl. dazu Withus/Hein, CCZ 2011, 125 ff. 223 Vgl. im Bankenbereich bspw. Bundesverband deutscher Banken, Best-PracticeLeitlinien für Wertpapier-Compliance (Juni 2011), abrufbar unter . Siehe auch Basel Committee on Banking Supervision, Compliance and the Compliance Function in Banks (April 2005), abrufbar unter . 224 Nähere Informationen unter . Vgl. dazu Klümper/Walther, PharmR 2010, 145 ff. 225 Nähere Informationen unter . Vgl. dazu Klümper/Walther, PharmR 2010, 145 (149 f.).
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4. Weitere Entwicklungen Die Entwicklung von Compliance wird auch durch Organisationen vorangetrieben, die nicht unmittelbar aus der Industrie stammen oder im Bereich Compliance ein eigenes Geschäftsfeld sehen. So hat beispielsweise der „Arbeitskreis Externe und Interne Überwachung der Unternehmung der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e.V.“ (AKEIÜ) Thesen zu Compliance-Vorgaben und -Standards veröffentlicht.226 Ein nicht zu unterschätzender Motor für Compliance ist auch die zunehmende Berücksichtigung von Compliance-Anstrengungen der Unternehmen bei Bewertungen seitens der großen Rating-Agenturen.227 IV. Institutionalisierung durch rechtswissenschaftlichen Diskurs Schließlich wird die Institutionalisierung wesentlich durch den wissenschaftlichen Diskurs vorangetrieben, der über die Auslegung der einzelnen Rechtsregelungen hinausgeht.228 Das Thema Compliance wird dadurch sowohl differenzierter und systematischer behandelt als auch um neue Aspekte und Impulse bereichert. Dies betrifft insbesondere die Frage, wie ein rechtlich orientiertes ComplianceProgramm zu erstellen ist. Hier werden zunehmend umfassende und detaillierte Vorschläge ausgearbeitet.229 Diese werden ergänzt durch Publikationen zu zahlreichen Einzelaspekten wie dem Ombudsmann230 oder dem Compliance-Officer.231 V. Bewertung Der vorgehende Überblick zeigt, dass Compliance in den verschiedensten Bereichen, über die verschiedensten Akteure und mit den verschiedensten Mitteln Eingang in das Recht gefunden und sich als eigenes Institut verfestigt hat. Wesentlichster Entwicklungsschritt ist bislang die Ausdifferenzierung. Diese erfolgt funktional, thematisch und unternehmensbezogen. Funktional unterteilt sie sich in präventive Compliance, die als grundlegendes System zur Vermeidung und Aufdeckung von Verstößen dauerhaft im Unternehmen etabliert ist. Als repressive ____________ AKEIÜ, DB 2010, 1509 ff. So berücksichtigt z.B. Standard and Poor‘s Compliance als Teil des “enterprise risk management”. Vgl. näher unter . 228 Zur der Auslegung von Normen vgl. bereits oben unter S. 772 ff. Zum Stand der Diskussion siehe auch Bock, in: Rotsch (Hrsg.), Compliance-Diskussion, S. 63 ff. 229 Vgl. bspw. Inderst, in: Görling/Inderst/Bannenberg (Hrsg.), Compliance, S. 103 ff.; Moosmayer, Compliance, S. 31 ff.; Pieth, Anti-Korruptions-Compliance, S. 63 ff.; B. Schmidt, Compliance, S. 137 ff.; Sprafke, Korruption, S. 247 ff. Siehe auch Bock, HRRS 2010, 316 ff.; ders., Criminal Compliance, S. 585 ff.; Kremer/Klahold, ZGR 2010, 113 (123 ff.); Schaupensteiner, NZA-Beil. 2011, 8 (9 ff.). 230 Vgl. Hild, AnwBl. 2010, 641 zur DB AG. 231 Vgl. die Nachweise oben in Anm. 11. 226
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Compliance Investigation dient sie der Aufarbeitung einzelner Verstöße (auch unabhängig von einem bestehenden Programm) und der angemessenen Reaktion hierauf (z.B. durch Verbesserung oder Etablierung eines Compliance-Programms). Thematisch differenziert sich Compliance nach einzelnen Rechtsbereichen oder besonderes relevanten Einzelproblemen aus.232 Neben dem klassischen Bereich des Banken- und Wertpapierhandelsrechts ist Compliance u.a. im Arbeitsrecht,233 Außenwirtschaftsrecht,234 Datenschutzrecht,235 Energierecht,236 Gesundheits- und Pharmarecht,237 Insolvenzrecht,238 Kartellrecht,239 Steuerrecht240 oder Versicherungsrecht241 zu finden. Aus dem strafrechtlichen Bereich stehen insbesondere das Korruptions-242 und das Insiderrecht im Blickpunkt. Diese entwickeln sich zunehmend in ein allgemeines Gebiet der Criminal Compliance.243 Unternehmensbezogen wird Compliance nach Organisationsformen wie Aktiengesellschaften,244 öffentliche Unternehmen245 oder Konzerne246 ausdifferenziert.247 Zudem ist die Differenzierung größenbezogen wie bei Compliance im Mittelstand,248 tätigkeitsbezogen wie bei Verbänden und Non-Profit-Organisationen249 oder sie folgt der internen Aufteilung im Unternehmen z.B. hinsichtlich des Einkaufs,250 des Marketings251 oder der Forschung und (Produkt-)Entwicklung.252 ____________ 232 233 234 235
§ 29.
Siehe auch bereits oben S. 514 m.w.N. Mengel, Hdb. Compliance (2. Aufl.), § 12; Pelz, Hdb. Compliance (2. Aufl.), § 20. Merz, Hdb. Compliance (2. Aufl.), § 33; Prieß/Thoms, BB 2010, 2127. Neundorf, Hdb. Compliance (2. Aufl.), § 30; Schmidl, Hdb. Compliance (2. Aufl.),
Rauch, CCZ 2011, 175. Dannecker/Bülte, NZWiSt 2012, 1 ff.; Leipold, Hdb. Compliance (2. Aufl.), § 38. 238 Passarge, NZI 2009, 86; Pelz, Hdb. Compliance (2. Aufl.), § 32. 239 Lampert/Matthey, Hdb. Compliance (2. Aufl.), § 26. 240 Besch/Starck, Hdb. Compliance (2. Aufl.), § 34. 241 Bürkle, in: ders. (Hrsg.), Compliance, S. 1 ff.; Mutter, in: Bürkle (Hrsg.), Compliance, S. 61 ff.; Preusche, Hdb. Compliance (2. Aufl.), § 37. 242 Greeve, Hdb. Compliance (2. Aufl.), § 25. 243 Rotsch, ZIS 2010, 614. Siehe auch Bock, Criminal Compliance (2011); PauthnerSeidel/Stephan, Hdb. Compliance (2. Aufl.), § 27. 244 P. Kindler, in: Rotsch (Hrsg.), Compliance-Diskussion, S. 1 ff.; Klöpper, Hdb. Compliance (2. Aufl.), § 11; B. Schmidt, Compliance, S. 1 ff.; Sänger, Whistleblowing, S. 13 ff. 245 Ohrtmann, Compliance (2009). 246 P. Kindler, in: Rotsch (Hrsg.), Compliance-Diskussion, S. 1 (8 ff.); Mosbacher, in: Rotsch (Hrsg.), Compliance-Diskussion, S. 129 (131); Mutter, in: Bürkle (Hrsg.), Compliance, S. 61 ff.; Pietzke, CCZ 2010, 45 (51 f.); Verse, ZHR 175 (2011), 401. 247 Vgl. im Überblick Epe/Liese, Hdb. Compliance (2. Aufl.), § 10. 248 Vgl. Leuthe, in: Rotsch (Hrsg.), Compliance-Diskussion, S. 17 ff. 249 Brouwer, AnwBl. 2010, 663. 250 Herb, Hdb. Compliance (2. Aufl.), § 19. 236
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Wie Rotsch zu Recht bemerkt, ist Compliance im Wirtschaftsstrafrecht von besonderer Bedeutung, da dieser Bereich stark segmentiert, unübersichtlich und ohne Lösungen für Probleme wie das Handeln mehrerer im Unternehmen geprägt ist.253 Für das Strafrecht ist Compliance insoweit neu, als es primär um Haftungsvermeidung und damit um das Problem der Antizipation strafrechtlichen Verhaltens geht.254 Compliance setzt dort an, wo Normuntreue durch fehlerhafte Attitüden ihren Ausgangspunkt nimmt: im Unternehmen.255 Damit wird der präventive Aspekt des Strafrechts in bisher nicht gekannter Weise betont. Auch wenn zahlreiche Aspekte von Compliance geklärt, zumindest aber diskutiert worden sind, so ist die Liste offener Fragen dennoch beträchtlich. In strafrechtlicher Hinsicht gilt z.B. zu klären, wie und unter welchen Umständen sich Compliance-Programme auf einzelne Tatbestände auswirken. Hier ist sicherlich zu trennen, ob sie gesetzliche Pflichten wiederholen, konkretisieren oder gar neue Pflichten begründen. Offen ist insbesondere, wie ein Compliance-Programm auszusehen hat, welche Organisationspflichten das Recht fordert. Die MaComp der BaFin haben hier zwar erste Leitlinien gegeben,256 die über das Wertpapierhandelsrecht hinaus rezipiert werden.257 Dennoch fehlen allgemeingültige Vorgaben, sodass keine Rechtssicherheit besteht.258 Es ist zu befürchten, dass Unternehmen langfristig die ComplianceAnstrengungen auf ein Mindestmaß reduzieren werden, wenn nicht erkennbar ist, welcher Standard einzuhalten ist. Der hier vertretene Vorschlag eines Deutschen Corporate Compliance Kodex ist damit nach wie vor aktuell.259 Konkret sind folgende Fragen zu klären: – Ist eine Compliance-Abteilung notwendig oder kann sie mit der Rechtsabteilung zusammengelegt werden?260 Muss der Compliance-Officer Jurist sein?261 __________ Lothert, Hdb. Compliance (2. Aufl.), § 18. Kesper, Hdb. Compliance (2. Aufl.), § 21; Veltins, Hdb. Compliance (2. Aufl.), § 22 ff. 253 Rotsch, FS-Samson, S. 141 (148 ff.). 254 Rotsch, ZIS 2010, 614 (616); ders., FS-Samson, S. 141 ff., der in Compliance den Ansatz eines Paradigmenwechsels sieht, der in ein eigenständiges Wirtschaftsstrafgesetz münden sollte (a.a.O., S. 152 ff.). 255 Vgl. Bottke, FS-Stöckel, S. 43 (52 ff.), der Compliance allerdings noch als reine Selbstregulierung der Unternehmen versteht. Siehe auch oben § 24. 256 Vgl. oben S. 777 f. 257 Vgl. Engelhart, ZIP 2010, 1832 (1840); speziell zu § 64a VAG Wirth/Paul, CCZ 2010, 95 (97 f.). 258 Vgl. bspw. Benz/Klindt, BB 2010, 2977; Bock, wistra 2011, 201 ff. 259 Siehe bereits oben S. 652; vgl. auch Burgi, CCZ 2010, 41 (45). 260 Vgl. bspw. Früh, CCZ 2010, 121 ff. 261 Vgl. Hüffer/Schneider, ZIP 2010, 55: „Juristen an die Compliance-Front!“; siehe auch AKEIÜ, DB 2010, 1509 (1516 f.). 251
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– Welche Pflichten hat der Compliance-Officer? Wie weit kann die Geschäftsleitung Pflichten innerhalb der Leitungsebene (horizontal) oder nach unten (vertikal) delegieren?262 Welche Pflichten verbleiben bei der Delegation bei der Geschäftsleitung? Wie ist zwischen den Organen (v.a. Vorstand und Aufsichtsrat) Compliance zu organisieren und zu verantworten?263 – Wie ist die Organisation im Konzern? – Ist eine Whistleblower-Hotline notwendig bzw. wie hat diese auszusehen?264 – Welche Reaktionen erfordern Verdachtsfälle? Gibt es eine Sanktionspflicht?265 – Wann sind Ermittlungsbehörden zu informieren?266 – Wie ist das Compliance-System selbst zu kontrollieren (Überwachung der Überwacher)? Sind Externe einzuschalten/Evaluationen vorzunehmen? Letztlich ist auch zu klären, wie sich Compliance zu Ansätzen mit ähnlicher Zielsetzung verhält.267 Dazu gehören das Risikomanagement, das interne Kontrollsystem, die interne Revision, aber auch ausländische Vorgaben wie die des Sarbanes-Oxley Act. Neben diesen teilweise gesetzlich vorgesehenen Maßnahmen ist eine Abstimmung aber auch zu Regimen wie der IT-Sicherheit oder dem Qualitätsmanagement sinnvoll. Hier ist zu klären, wie ein Compliance-Programm mit diesen Aspekten zu verknüpfen ist oder auch nur sinnvoll verknüpft werden kann. Ein Blick in die nahe Zukunft zeigt, dass Compliance weiterhin von großer Bedeutung sind wird. So werden beispielsweise im Versicherungsrecht aufgrund der Solvabilität II Richtlinie,268 die zum 1. Januar 2013 in Kraft tritt und bis zum 1. Januar 2016 umgesetzt sein muss, die Compliance-Pflichten für Versicherungsunternehmen ausgeweitet.269 Damit wird es nicht nur bei den bisherigen Anforderungen von § 64a VAG bleiben.270 Für Unternehmenseigentümer stellt sich Com____________ Vgl. Gößwein/Hohmann, BB 2011, 963; Pietzke, CCZ 2010, 45 ff. Vgl. zur Verantwortlichkeit des Aufsichtsrats Winter, FS-Hüffer, S. 1103 ff. 264 Vgl. zum Problem des Whistleblowing Kölbel/Herold, MschrKrim 93 (2010), 424 ff.; Momsen/Grützner/Oonk, ZIS 2011, 754; Schneider/Nowak, FS-Kreutz, S. 855 ff. Zur Frage eines prämiengestützten Systems vgl. Wrase/Fabritius, CCZ 2011, 69. 265 Vgl. Krüger, ZIS 2010, 113 (119 f.). Probleme bereitet bspw. eine außerordentliche Kündigung, die grundsätzlich innerhalb von zwei Wochen erfolgen muss, aber als bloße Verdachtskündigung mit großen Risiken für den Arbeitgeber verbunden ist (u.U. setzt er einen unschuldigen Mitarbeiter vor die Tür und macht sich schadenersatzpflichtig); dazu Göpfert/Landauer, NZA-Beil. 2011, 16 ff.; Göpfert/Drägert, CCZ 2011, 25 ff. 266 Krüger, ZIS 2010, 113 (120 f.). 267 Vgl. bspw. AKEIÜ, DB 2011, 2101 (2104 f.); DB 2010, 1509 (1515 f.); Hemeling, ZHR 175 (2011), 368 (381 f.). 268 Richtlinie vom 25.11.2009 betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und Rückversicherungstätigkeit (Solvabilität II), RL 2009/138/EG, ABl. 2009 L 335/1. 269 Weber-Rey, in: Görling/Inderst/Bannenberg (Hrsg.), Compliance, S. 576 ff. 270 Siehe dazu oben S. 505. 262 263
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pliance immer mehr als Aspekt eines umfassenden Vermögensschutzes dar,271 sodass von dieser Seite vermehrt Druck zu effektiver Compliance zu erwarten ist. Die Vielfalt von Compliance macht deutlich, dass es sich um eine Herausforderung an die gesamte Rechtsordnung handelt.272 Daher wird sie zunehmend fachübergreifend zu behandeln sein.
E. Weitere Entwicklung von CG, CSR und Regulierung I. Allgemeine Entwicklung Neben dem Thema Compliance sind auch die Bereiche der Corporate Governance und der Corporate Social Responsibility weiterhin in der Diskussion. Von Interesse sind diese vorliegend, soweit sie sich regulativer Instrumentarien bedienen. Der DCGK wurde durch die Aufnahme des Corporate Governance-Berichts in die Erklärung zur Unternehmensführung nach § 289a HGB und den Lagebericht der Gesellschaft noch weiter gesetzlich verankert. Die Publizität der Einhaltung des Kodex wie der faktische Befolgungsdruck haben sich damit vergrößert.273 Mit der Schaffung des Public Corporate Governance Kodex hat schließlich die Governance-Diskussion den Bereich öffentlicher Unternehmen erreicht.274 In der Überwachung von Unternehmensabschlüssen durch die nichtstaatliche Prüfstelle für Rechnungslegung zeigt sich eine weitere Privatisierung der Regeldurchsetzung.275 Auch die erleichterte Möglichkeit von Musterklagen von Kapitalanlegern ist eine (zunehmend erfolgreiche) Form des private enforcement.276 Als besonders erfolgreicher Regulierungsansatz erweist sich die zum 1. Januar 2007 neu geregelte Ahndung von Publizitätspflichtverletzungen durch ein Ordnungsgeld nach § 335 HGB.277 Offenlegungspflichtige Unternehmen müssen ihre jährlichen Rechnungslegungsunterlagen nach § 325 HGB beim elektronischen Bundesanzeiger einreichen und bekannt machen lassen. Zweck der Publizität ist es, der Öffentlichkeit einen Überblick über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Un____________ Vgl. bspw. Benz/Klindt, BB 2010, 2977 (2979). Vgl. Burgi, CCZ 2010, 41 (45). 273 Krit. daher Wernsmann/Gatzka, NZG 2011, 1001 (1006 f.), die den Kodex als verfassungswidrig erachten. 274 Abrufbar auf der Seite des BMF unter ; vgl. dazu Burgi, CCZ 2010, 41 ff. 275 Vgl. Müller, AG 2010, 483 ff. 276 Hess, JZ 2011, 66 ff. 277 Eingeführt durch das Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister (EHUG), BGBl. I 2006 S. 2553. Vgl. Noack, NZG 2006, 801; Schlauß, DB 2007, 2191; Seibert/Decker, DB 2006, 2446. 271 272
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7. Kapitel: Neue Entwicklungen
ternehmens zu verschaffen.278 Der Bundesanzeiger unterrichtet das Bundesamt für Justiz (BfJ), wenn die Unterlagen nicht fristgemäß oder vollständig eingereicht wurden. Das BfJ ist für das dann folgende Ordnungsgeldverfahren zuständig.279 Es setzt eine Nachfrist von sechs Wochen und droht ein Ordnungsgeld von 2.500 bis 25.000 Euro an. Erfolgt die Publikation nicht innerhalb der Frist, wird das Ordnungsgeld festgesetzt. Hat vor wenigen Jahren nur jedes zehnte Unternehmen seine Unterlagen veröffentlicht, so liegt die Rate inzwischen bei über 90 %.280 Dieser Mechanismus hat somit zu einer grundlegenden Änderung der Offenlegungskultur bei den Unternehmen geführt. Die Beispiele verdeutlichen die Ausdifferenzierung zur Regulierung der Wirtschaft, bei der auf verschiedenste zivil- und verwaltungsrechtliche Instrumentarien und vielfach auf nichtstaatliche Akteure gesetzt wird. Sie zeigen aber wie bei der mit Ordnungsgeld bewehrten Publizitätspflicht auch, dass staatlicher Zwang eine besonders starke Änderung bewirken kann. Bemerkenswert ist, dass hier allein ein verwaltungsrechtliches Zwangsgeld ausgereicht hat und nicht ein Bußgeld oder eine Geldstrafe notwendig war. So scheint ein Verzicht auf schärfere Sanktionen möglich, ein völliger Verzicht auf staatlichen Zwang jedoch nicht, wenn ein höheres Maß der Rechtseinhaltung erreicht werden soll. II. Die Finanzkrise Die Finanzkrise hat eine rege Diskussion darüber angestoßen, wie Marktstörungen und Krisen insbesondere durch in „Schieflage“ geratene Banken vermieden werden können.281 Im Zentrum stand hierbei neben dem ethischen Handeln in der Finanzbranche die Frage einer effektiven Regulierung, um zukünftig ähnliche Krisen zur vermeiden. Im Rahmen der ethischen Überlegungen wird nach dem richtigen Verhalten als Unternehmer und Manager gefragt. Dabei wird beispielsweise auf den Begriff des ehrbaren Kaufmanns rekurriert, der gesetzlich verankert ist.282 Der ehrbare Kaufmann umfasst als ethisches Leitbild, das bereits mehrere Jahrhunderte zurückreicht, zahlreiche Aspekte von Compliance und des angemessenen Verhaltens im Ge____________ 278 Das ist insbes. z.B. bei Kapitalgesellschaften erforderlich, bei denen grundsätzlich nur das Gesellschaftsvermögen haftet. Die Pflicht zur Offenlegung ist somit die Kehrseite der Haftungsbeschränkung. 279 Vgl. §§ 335, 340o, 341o HGB sowie § 21 PublG. 280 Vgl. Schlauß, DB 2010, 153 ff., 805 f. 281 Vgl. als Überblick insbes. die Gutachten zum 68. DJT 2010 von Hellwig (Gutachten E), Zimmer (Gutachten G) und Höfling (Gutachten F); zusammenfassend Mülbert, JZ 2010, 834 ff. sowie Heun, JZ 2010, 53 ff. 282 Vgl. § 1 Abs. 1 IHKG: „Die Industrie- und Handelskammern haben […] insbesondere […] für Wahrung von Anstand und Sitte des ehrbaren Kaufmanns zu wirken.“
§ 31 Entwicklung in Deutschland
787
schäftsverkehr.283 Allerdings führt die Bezugnahme hierauf nicht weiter, da Begriff und Gehalt des ehrbaren Kaufmanns noch unschärfer als der von Compliance sind.284 Die Diskussion zeigt anschaulich, dass das Bemühen um die Rechtseinhaltung und Fairness im Geschäftsverkehr kein neues Phänomen ist. Sie macht zudem deutlich, dass ohne ethische Bezugspunkte erfolgreiche Compliance nicht zu erreichen ist. Das Ringen um eine effektive Regulierung der Finanzbranche hat zahlreiche Vorschläge hervorgebracht. Diese zielen vor allem auf eine verwaltungsrechtliche Regelung,285 nur am Rande spielt das Sanktionsrecht eine Rolle.286 Vielfach wird eine anreizorientierte Regulierung befürwortet.287 Diese ist zum Teil auch bereits gesetzlich niedergelegt. So findet sich inzwischen in § 25a Abs. 1 Satz Nr. 4 KWG die Vorgabe, dass das Risikomanagement auch ein „auf eine nachhaltige Entwicklung“ ausgelegtes Vergütungssystem für die Geschäftsleitung enthalten soll. Die Maßnahme erweitert die für Aktiengesellschaften seit 2009 in § 87 AktG vorgesehene Vergütungsregelung für Vorstände, die sich an dem Maßstab einer nachhaltigen Unternehmensentwicklung orientiert. Soweit das Strafrecht einbezogen ist, wird dessen Anwendung zur Prävention von Wirtschaftskrisen weitgehend abgelehnt.288 Das Strafrecht wirke reaktiv, selektiv („fragmentarisch“) und diene insbesondere zur Absicherung der Primärordnung.289 Stattdessen werden zivil- und verwaltungsrechtliche Lösungen insbesondere über das Aufsichtsrecht befürwortet, das direkt und umfassend reguliere.290 Das Strafrecht komme als Ergänzung für schwere Verstöße gegen Primärrecht in____________ 283 Vgl. Stober, NJW 2010, 1573 ff. sowie den Tagungsband Graf/Stober (Hrsg.), Der Ehrbare Kaufmann und Compliance (2010). 284 Vgl. Kochen, in: Graf/Stober (Hrsg.), Kaufmann, S. 71 (73), der die in der Diskussion befindlichen Vorstellungen (teilweise Überschneidung beider Bereiche, Deckungsgleichheit sowie umfassenderer Begriff des ehrbaren Kaufmanns gegenüber Compliance) aufzeigt. 285 Vgl. Heun, JZ 2010, 53 (60 ff.); Mülbert, JZ 2010, 834 ff. 286 So fordert bspw. Hellwig, 68. DJT, S. E 51 eine Verschärfung der Haftung von Vorständen und Aufsichtsräten, ohne dies jedoch zu spezifizieren. 287 Vgl. Zimmer, 68. DJT, S. G 36 ff. 288 Vgl. bspw. Ackermann, in: Ackermann/Wohlers (Hrsg.), Finanzmarkt, S. 1 (13); Knierim, in: Kempf u.a. (Hrsg.), Handlungsfreiheit, S. 190 ff.; Lüderssen, in: Kempf u.a. (Hrsg.), Handlungsfreiheit, S. 241 (301 ff., 316 f.); Wohlers, in: Ackermann/Wohlers (Hrsg.), Finanzmarkt, S. 267 (283 f.); ders., ZStW 123 (2011), 791 (794, 814 f.). Etwas positiver hinsichtlich der notwendigen Aufarbeitung Schünemann, in: ders. (Hrsg.), Finanzkrise, S. 71 (80 ff.). 289 Vgl. Ackermann, in: Ackermann/Wohlers (Hrsg.), Finanzmarkt, S. 1 (13 f.); Wohlers, ZStW 123 (2011), 791 (794 f.). 290 Vgl. Lüderssen, in: Kempf u.a. (Hrsg.), Handlungsfreiheit, S. 241 (301 ff., 316 f.); Wohlers, in: Ackermann/Wohlers (Hrsg.), Finanzmarkt, S. 267 (286); ders., ZStW 123 (2011), 791 (795).
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7. Kapitel: Neue Entwicklungen
frage.291 Die Finanzkrise lasse sich somit nur in einzelnen Aspekten strafrechtlich z.B. über den Untreuetatbestand aufarbeiten,292 jedoch biete das Strafrecht kein grundsätzliches Instrumentarium zur Bekämpfung weiterer Krisen. Vereinzelt wird die Notwendigkeit des Aufbaus eines Unternehmenssanktionsrechts bejaht, um neue Maßnahmen gegen Unternehmen zu ermöglichen.293 Im Anschluss an Tiedemann294 wird darauf hingewiesen, dass aufsichtsrechtliche Maßnahmen wegen ihrer Breite nicht unbedingt den milderen Eingriff gegenüber dem Strafrecht darstellen und so besonders gerechtfertigt sein müssen.295 Dem Strafrecht kommt bei der Aufarbeitung vergangener Krisen eine nicht unbedeutende Funktion zu, da es die Linie zum Verbotenen ziehen kann, z.B. bei einer Eingehung von Klumpenrisiken durch den Vorstand.296 Diese Grenzziehung kann auch für die Zukunft relevant sein, soweit sich die Art der Geschäfte nicht bereits überholt hat. In Bezug auf die Steuerungswirkung des Strafrechts ist aufgrund der reaktiven Ausrichtung de lege lata sicherlich Zurückhaltung geboten. Die wirtschaftliche Entwicklung ist der des Rechts, vor allem der Rechtskonkretisierung durch Literatur und Gerichte, oft voraus.297 Allerdings erstaunt es doch, dass in der Diskussion die Möglichkeiten einer Steuerungswirkung des Strafrechts nicht weiter ausgelotet werden. Denn gerade die Stimulation des Wirtschaftssystems zu Selbstkontrollen, die rechtsähnliche Instrumentarien beinhalten, wird als ein erfolgversprechender Weg gesehen.298 Dies zumal das Strafrecht als sanfter Steuerungsmechanismus gegen die Inpflichtnahme aller Unternehmen durch die Wirtschaftsaufsicht Vorteile aufweist.299 Auch im Strafrecht, und nicht nur im Zivil- und Aufsichtsrecht, sind Anreizstrukturen möglich. Das hier vorgeschlagene Unternehmenssanktionsgesetz zeigt, dass ein derartiger Weg sich theoretisch begründen und rechtspraktisch umsetzen lässt.300 ____________ 291 Vgl. Wohlers, in: Ackermann/Wohlers (Hrsg.), Finanzmarkt, S. 267 (283 f.); ders., ZStW 123 (2011), 791 (798). 292 Dazu Fischer, ZStW 123 (2011), 816 ff., insbes. 825; Wohlers, ZStW 123 (2011), 791 ff. Siehe auch Ackermann, in: Ackermann/Wohlers (Hrsg.), Finanzmarkt, S. 1 (14): „rechsstaatliche Konfliktbewältigung“. Dezidiert für die Notwendigkeit der Aufarbeitung durch das Strafrecht Schünemann, in: ders. (Hrsg.), Finanzkrise, S. 71 (80 ff.). 293 Siehe Lüderssen, in: Kempf u.a. (Hrsg.), Handlungsfreiheit, S. 241 (308 ff.), der – um den Begriff „Strafe“ zu vermeiden – von „Interventionsrecht“ spricht. 294 Tiedemann, Tatbestandsfunktionen, S. 145. 295 Böse, in: Kempf u.a. (Hrsg.), Handlungsfreiheit, S. 180 ff. 296 Fischer, ZStW 123 (2011), 816 (825). 297 Siehe Kölbel, MschKrim 91 (2008), 22 (33, 35). 298 Vgl. Kölbel, MschKrim 91 (2008), 22 (35). 299 Vgl. dazu oben S. 654 ff. 300 Siehe dazu bereits oben 5. Kapitel. Vgl. auch Kölbel, MschKrim 91 (2008), 22 (35), der ein Unternehmensstrafrecht mit Bonusmodell für sachgerecht erachtet, allerdings keinen konkreten Vorschlag unterbreitet.
§ 32 Schlussbemerkungen Die Themen Compliance und Unternehmensstrafbarkeit haben die rechtliche Diskussion der letzten Jahre geprägt und werden aller Voraussicht nach auch die Entwicklung der nächsten Jahre entscheidend mitbestimmen. In den USA waren die Veränderungen aufgrund der langjährigen Erfahrung mit beiden Themen geringer als in Deutschland. Dennoch ist beispielsweise die zunehmende Fokussierung der Staatsanwaltschaft auf Unternehmen und Compliance eine Facette, die weiterhin kritisch zu begleiten ist. Aus deutscher Sicht ist auch der Stand der ComplianceDiskussion von Interesse. Solange in Deutschland keine übergreifenden Vorgaben für Compliance-Programme bestehen, sind die staatlichen Vorgaben der USSG ein wertvoller Ausgangspunkt. Die Reformen der USSG zeigen zudem, in welchen Bereichen besondere Probleme auftreten können, auf die dann ein besonderes Augenmerk gelegt werden kann. Die Verbindung von Unternehmensstrafbarkeit und Compliance steht auch außerhalb Deutschlands immer mehr im Blickpunkt. Beispielsweise hat Spanien im Jahr 2010 sein System der Unternehmensstrafbarkeit reformiert.1 Die Verantwortlichkeit knüpft an der Tat eines Organs an, die im Namen, im Auftrag oder zugunsten des Unternehmens begangen wurde. Alternativ gründet sie auf der Tat eines untergeordneten Mitarbeiters, wenn dieser die Tat verwirklichen konnte, weil er nicht ordnungsgemäß durch die Organe beaufsichtigt wurde. Compliance kann damit als erforderliche Aufsicht die Verantwortlichkeit ausschließen. Es besteht zudem ein Strafmilderungsgrund, wenn das Unternehmen vor Beginn der Hauptverhandlung Maßnahmen zur Vorbeugung und Aufdeckung von Straftaten ergriffen hat.2 Ein weiteres Beispiel ist der britische UK Bribery Act 2010.3 Das Gesetz regelt die Korruptionsstraftaten neu und sieht eine Strafbarkeit des Unternehmens vor, wenn ein Mitarbeiter eine Straftat begangen hat.4 Es ist weltweit anwendbar, solange das Unternehmen einen Geschäftsbezug zum Vereinigten Königreich hat. Das Unternehmen kann eine Strafbarkeit dadurch ausschließen, wenn es Maßnahmen zur Verhinderung von Korruption getroffen hat.5 Die notwendigen Maßnahmen werden nicht im Gesetz geregelt, sondern sind durch Leitlinien konkretisiert.6 ____________ 1 Bacigalupo, in: Rotsch (Hrsg.), Compliance-Diskussion, S. 135 ff.; Carbonell Mateu, ZStW 123 (2011), 331 ff. 2 Bacigalupo, in: Rotsch (Hrsg.), Compliance-Diskussion, S. 135 (139 f.). 3 Das Gesetz ist zum 1.7.2011 in Kraft getreten. Vgl. dazu Deister/Geier/Rew, CCZ 2011, 81 ff.; Hugger/Röhrich, BB 2010, 2643; Klengel/Dymek, HRRS 2011, 22; Pieth, Anti-Korruptions-Compliance, S. 45 ff.; Pörnbacher/Mark, NZG 2010, 1372. 4 Sec. 7 UK Bribery Act 2010. 5 Sec. 7 (2) UK Bribery Act 2010. 6 Ministry of Justice, Guidance about procedures which relevant commercial organisations can put into place to prevent persons associated with them from bribery (section 9 of
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7. Kapitel: Neue Entwicklungen
Durch ein effektives Compliance-Programm werden die Vorgaben erfüllt.7 Dabei kann auch auf den Mustervorschlag für Compliance-Programme des Office of Fair Trading zurückgegriffen werden.8 Das Office verfolgt die Compliance-Entwicklung intensiv.9 Es erachtet die Mischung aus Sanktion und Compliance-Anreiz als insgesamt effektiven Ansatz.10 Die beiden Beispiele zeigen, dass sich in Europa die Unternehmensstrafbarkeit weiter etabliert.11 Kelker spricht daher bereits von einem europäischen Konvergenzdruck auf Deutschland.12 Richtig ist, dass dem deutschen System immer mehr die Außenseiterrolle zukommt. Dies wäre nicht weiter bedenklich, wenn das deutsche Recht als solches überzeugend wäre. Jedoch ist das Normenregime von § 30 OWiG und § 75 StGB widersprüchlich und wirft zahlreiche Probleme und Friktionen auf.13 Ein zusätzliches Strafrecht für Unternehmen könnte dagegen, auch wenn es allein nur bedingt verhaltensverändernd wirkt, eine katalytische Funktion einnehmen und andere staatliche und private Regelungssysteme aktivieren.14 Dies gilt insbesondere in der Kombination mit dem Compliance-Ansatz.15 Erst ein eigenständiges Sanktionsregime für Unternehmen, wie es hier entwickelt wird, würde zu __________ the Bribery Act 2010), S. 20 ff. Abrufbar unter . 7 Vgl. dazu Deister/Geier/Rew, CCZ 2011, 81 (86 ff.); Hugger/Röhrich, BB 2010, 2643 (2645 f.); Pörnbacher/Mark, NZG 2010, 1372 (1375). 8 Siehe oben § 28 Anm. 4. Das Office ist für die Durchsetzung des englischen Competition Law zuständig. 9 Im Jahr 2010 hat das OFT einen Bericht veröffentlicht, der die Faktoren untersucht, warum die rechtlichen Vorgaben eingehalten werden oder nicht: OFT, Drivers of Compliance and Non-compliance with Competition Law (Mai 2010), OFT 1227. Der Bericht ist abrufbar unter . 10 Nach dem Bericht sind die maßgebliche Motivation der Unternehmen zur Erstellung von Compliance-Programmen die befürchteten Konsequenzen eines Verstoßes durch Reputationsverluste und Sanktionen gegen Mitarbeiter sowie das Unternehmen (OFT, a.a.O. S. 29 ff.), also bspw. durch den UK Bribery Act. Als einen Hauptgrund für Rechtsverstöße sieht der Bericht die mangelnde Einsicht in die Rechtstreue auf allen Ebenen (OFT, a.a.O. S. 36 ff.), die durch Compliance-Programme gerade verbessert werden soll. 11 Vgl. in Ergänzung der Übersicht auf S. 618 ff.: Schweden hat 1986 die Unternehmensstrafbarkeit eingeführt, Island 1993, Slowenien 1995 (mit einem konkretisierenden Gesetz zum 20.10.1999); Ungarn hat 2001 strafrechtliche Maßnahmen gegen Unternehmen erlassen. In der EU sahen der Rahmenbeschluss vom 27.1.2003 über den Schutz der Umwelt durch Strafrecht (ABl. 2003 L 29), der allerdings vom EuGH in der Rs. C-176/03 (Große Kammer) am 13.9.2005 für nichtig erklärt wurde, und der Richtlinienvorschlag vom 13.2.2007 zur Vereinheitlichung der strafrechtlichen Bestimmungen bei schweren Umweltdelikten (KOM [2007] 51) u.a. strafrechtliche Sanktionen vor. Aus neuerer Zeit hat lediglich Griechenland im Jahr 2001 nach dem Vorbild Deutschlands eine „verwaltungsrechtliche Verantwortlichkeit“ eingeführt. Siehe Kelker, FS-Krey, S. 221 ff. m.w.N. 12 Kelker, FS-Krey, S. 221 ff. 13 Vgl. auch Böse, FS-Jakobs, S. 15 (26). 14 So bereits Pieth, FS-Lüderssen, S. 317 (325) zum Verhältnis Regulierung und Selbstregulierung. 15 Vgl. auch Sieber, Rechtstheorie 41 (2010), 151 (189).
§ 32 Schlussbemerkungen
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einem geordneten und widerspruchsfreien System führen.16 Dazu bedarf es einer Weiterentwicklung des Strafrechts, das nicht einfach auf dem Stand der Nachkriegszeit verharren kann.17 Wie die vorliegende Untersuchung zeigt, bietet die Rechtsvergleichung hierzu hervorragende Lösungsansätze.18
____________ Ebenso Böse, FS-Jakobs, S. 15 (26). Vgl. Alwart, ZIS 2011, 173 ff., der die Weiterentwicklung des auf Individualtäter fokussierten Strafrechts nach 1945 fordert. Abl. bspw. v. Freier, GA 2009, 98, der eine Refeudalisierung zurück hinter die Aufklärung befürchtet. Krit. zum Stand des deutschen Strafrechts und für eine Weiterentwicklung Vogel, JZ 2012, 25 (27 ff.). Zum Wandel der normativen Steuerungssysteme siehe Sieber, Rechtstheorie 41 (2010), 151 (158 ff.). 18 Für einen Rekurs auf die Rechtsvergleichung auch Sieber, Rechtstheorie 41 (2010), 151 (197); Vogel, JZ 2012, 25 (29 f.). 16
17
Anhang* Gesetzestext – 18 U.S.C. § 3553 [Auszug] § 3553. Imposition of a sentence (a) Factors to Be Considered in Imposing a Sentence.— The court shall impose a sentence sufficient, but not greater than necessary, to comply with the purposes set forth in paragraph (2) of this subsection. The court, in determining the particular sentence to be imposed, shall consider— (1) the nature and circumstances of the offense and the history and characteristics of the defendant; (2) the need for the sentence imposed— (A) to reflect the seriousness of the offense, to promote respect for the law, and to provide just punishment for the offense; (B) to afford adequate deterrence to criminal conduct; (C) to protect the public from further crimes of the defendant; and (D) to provide the defendant with needed educational or vocational training, medical care, or other correctional treatment in the most effective manner; (3) the kinds of sentences available; (4) the kinds of sentence and the sentencing range established for— (A) the applicable category of offense committed by the applicable category of defendant as set forth in the guidelines— (i) issued by the Sentencing Commission […]; and (ii) that […] are in effect on the date the defendant is sentenced; […] (5) any pertinent policy statement— (A) issued by the Sentencing Commission […] and (B) that […] is in effect on the date the defendant is sentenced.
____________ * Die aktuelle Fassung der United States Sentencing Guidelines (USSG) findet sich auf der Webseite der USSC unter . Die aktuelle Fassung der Richtlinien des United States Attorneys’ Manual findet sich auf der Webseite des amerikanischen Justizministeriums unter .
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Anhang (6) the need to avoid unwarranted sentence disparities among defendants with similar records who have been found guilty of similar conduct; and (7) the need to provide restitution to any victims of the offense.
(b) Application of Guidelines in Imposing a Sentence.— (1) In general.— Except as provided in paragraph (2), the court shall impose a sentence of the kind, and within the range, referred to in subsection (a)(4) unless the court finds that there exists an aggravating or mitigating circumstance of a kind, or to a degree, not adequately taken into consideration by the Sentencing Commission in formulating the guidelines that should result in a sentence different from that described. In determining whether a circumstance was adequately taken into consideration, the court shall consider only the sentencing guidelines, policy statements, and official commentary of the Sentencing Commission. In the absence of an applicable sentencing guideline, the court shall impose an appropriate sentence, having due regard for the purposes set forth in subsection (a)(2). In the absence of an applicable sentencing guideline in the case of an offense other than a petty offense, the court shall also have due regard for the relationship of the sentence imposed to sentences prescribed by guidelines applicable to similar offenses and offenders, and to the applicable policy statements of the Sentencing Commission. […]
795
Richtlinien des United States Attorneys’ Manual Chapter 9-28.000 PRINCIPLES OF FEDERAL PROSECUTION OF BUSINESS ORGANIZATIONS1 9-28.100
Duties of Federal Prosecutors and Duties of Corporate Leaders
9-28.200
General Considerations of Corporate Liability
9-28.300
Factors to Be Considered
9-28.400
Special Policy Concerns
9-28.500
Pervasiveness of Wrongdoing Within the Corporation
9-28.600
The Corporation’s Past History
9-28.700
The Value of Cooperation
9-28.710
Attorney-Client and Work Product Protections
9-28.720
Cooperation: Disclosing the Relevant Facts
9-28.730
Obstructing the Investigation
9-28.740
Offering Cooperation: No Entitlement to Immunity
9-28.750
Qualifying for Immunity, Amnesty, or Reduced Sanctions Through Voluntary Disclosures
9-28.760
Oversight Concerning Demands for Waivers of Attorney-Client Privilege or Work Product By Corporations Contrary to This Policy
9-28.800
Corporate Compliance Programs
9-28.900
Restitution and Remediation
9-28.1000
Collateral Consequences
9-28.1100
Other Civil or Regulatory Alternatives
9-28.1200
Selecting Charges
9-28.1300
Plea Agreements with Corporations
9-27.001
Duties of Federal Prosecutors and Duties of Corporate Leaders
The prosecution of corporate crime is a high priority for the Department of Justice. By investigating allegations of wrongdoing and by bringing charges where appropriate for criminal misconduct, the Department promotes critical public interests. These interests
____________ 1 While these guidelines refer to corporations, they apply to the consideration of the prosecution of all types of business organizations, including partnerships, sole proprietorships, government entities, and unincorporated associations.
796
Anhang
include, to take just a few examples: (1) protecting the integrity of our free economic and capital markets; (2) protecting consumers, investors, and business entities that compete only through lawful means; and (3) protecting the American people from misconduct that would violate criminal laws safeguarding the environment. In this regard, federal prosecutors and corporate leaders typically share common goals. For example, directors and officers owe a fiduciary duty to a corporation’s shareholders, the corporation’s true owners, and they owe duties of honest dealing to the investing public in connection with the corporation’s regulatory filings and public statements. The faithful execution of these duties by corporate leadership serves the same values in promoting public trust and confidence that our criminal cases are designed to serve. A prosecutor’s duty to enforce the law requires the investigation and prosecution of criminal wrongdoing if it is discovered. In carrying out this mission with the diligence and resolve necessary to vindicate the important public interests discussed above, prosecutors should be mindful of the common cause we share with responsible corporate leaders. Prosecutors should also be mindful that confidence in the Department is affected both by the results we achieve and by the real and perceived ways in which we achieve them. Thus, the manner in which we do our job as prosecutors—including the professionalism we demonstrate, our willingness to secure the facts in a manner that encourages corporate compliance and self- regulation, and also our appreciation that corporate prosecutions can potentially harm blameless investors, employees, and others—affects public perception of our mission. Federal prosecutors recognize that they must maintain public confidence in the way in which they exercise their charging discretion. This endeavor requires the thoughtful analysis of all facts and circumstances presented in a given case. As always, professionalism and civility play an important part in the Department’s discharge of its responsibilities in all areas, including the area of corporate investigations and prosecutions.
9-28.200
General Considerations of Corporate Liability
A. General Principle: Corporations should not be treated leniently because of their artificial nature nor should they be subject to harsher treatment. Vigorous enforcement of the criminal laws against corporate wrongdoers, where appropriate, results in great benefits for law enforcement and the public, particularly in the area of white collar crime. Indicting corporations for wrongdoing enables the government to be a force for positive change of corporate culture, and a force to prevent, discover, and punish serious crimes. B. Comment: In all cases involving corporate wrongdoing, prosecutors should consider the factors discussed further below. In doing so, prosecutors should be aware of the public benefits that can flow from indicting a corporation in appropriate cases. For instance, corporations are likely to take immediate remedial steps when one is indicted for criminal misconduct that is pervasive throughout a particular industry, and thus an indictment can provide a unique opportunity for deterrence on a broad scale. In addition, a corporate indictment may result in specific deterrence by changing the culture of the indicted corporation and the behavior of its employees. Finally, certain crimes that carry with them a substantial risk of great public harm—e.g., environmental crimes or sweeping financial frauds—may be committed by a business entity,
Richtlinien des United States Attorneys Manual
797
and there may therefore be a substantial federal interest in indicting a corporation under such circumstances. In certain instances, it may be appropriate, upon consideration of the factors set forth herein, to resolve a corporate criminal case by means other than indictment. Nonprosecution and deferred prosecution agreements, for example, occupy an important middle ground between declining prosecution and obtaining the conviction of a corporation. These agreements are discussed further in USAM 9-28.1000. Likewise, civil and regulatory alternatives may be appropriate in certain cases, as discussed in USAM 9-28.1100. Where a decision is made to charge a corporation, it does not necessarily follow that individual directors, officers, employees, or shareholders should not also be charged. Prosecution of a corporation is not a substitute for the prosecution of criminally culpable individuals within or without the corporation. Because a corporation can act only through individuals, imposition of individual criminal liability may provide the strongest deterrent against future corporate wrongdoing. Only rarely should provable individual culpability not be pursued, particularly if it relates to high-level corporate officers, even in the face of an offer of a corporate guilty plea or some other disposition of the charges against the corporation. Corporations are “legal persons,” capable of suing and being sued, and capable of committing crimes. Under the doctrine of respondeat superior, a corporation may be held criminally liable for the illegal acts of its directors, officers, employees, and agents. To hold a corporation liable for these actions, the government must establish that the corporate agent’s actions (i) were within the scope of his duties and (ii) were intended, at least in part, to benefit the corporation. In all cases involving wrongdoing by corporate agents, prosecutors should not limit their focus solely to individuals or the corporation, but should consider both as potential targets. Agents may act for mixed reasons—both for self-aggrandizement (both direct and indirect) and for the benefit of the corporation, and a corporation may be held liable as long as one motivation of its agent is to benefit the corporation. See United States v. Potter, 463 F.3d 9, 25 (1st Cir. 2006) (stating that the test to determine whether an agent is acting within the scope of employment is “whether the agent is performing acts of the kind which he is authorized to perform, and those acts are motivated, at least in part, by an intent to benefit the corporation.”). In United States v. Automated Medical Laboratories, Inc., 770 F.2d 399 (4th Cir. 1985), for example, the Fourth Circuit affirmed a corporation’s conviction for the actions of a subsidiary’s employee despite the corporation’s claim that the employee was acting for his own benefit, namely his “ambitious nature and his desire to ascend the corporate ladder.” Id. at 407. The court stated, “Partucci was clearly acting in part to benefit AML since his advancement within the corporation depended on AML’s well-being and its lack of difficulties with the FDA.” Id.; see also United States v. Cincotta, 689 F.2d 238, 241-42 (1st Cir. 1982) (upholding a corporation’s conviction, notwithstanding the substantial personal benefit reaped by its miscreant agents, because the fraudulent scheme required money to pass through the corporation’s treasury and the fraudulently obtained goods were resold to the corporation’s customers in the corporation’s name). Moreover, the corporation need not even necessarily profit from its agent’s actions for it to be held liable. In Automated Medical Laboratories, the Fourth Circuit stated:
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Anhang [B]enefit is not a “touchstone of criminal corporate liability; benefit at best is an evidential, not an operative, fact.” Thus, whether the agent’s actions ultimately redounded to the benefit of the corporation is less significant than whether the agent acted with the intent to benefit the corporation. The basic purpose of requiring that an agent have acted with the intent to benefit the corporation, however, is to insulate the corporation from criminal liability for actions of its agents which may be inimical to the interests of the corporation or which may have been undertaken solely to advance the interests of that agent or of a party other than the corporation. 770 F.2d at 407 (internal citation omitted) (quoting Old Monastery Co. v. United States, 147 F.2d 905, 908 (4th Cir. 1945)).
9-28.300
Factors to Be Considered
A. General Principle: Generally, prosecutors apply the same factors in determining whether to charge a corporation as they do with respect to individuals. See USAM 927.220 et seq. Thus, the prosecutor must weigh all of the factors normally considered in the sound exercise of prosecutorial judgment: the sufficiency of the evidence; the likelihood of success at trial; the probable deterrent, rehabilitative, and other consequences of conviction; and the adequacy of noncriminal approaches. See id. However, due to the nature of the corporate “person,” some additional factors are present. In conducting an investigation, determining whether to bring charges, and negotiating plea or other agreements, prosecutors should consider the following factors in reaching a decision as to the proper treatment of a corporate target: 1. the nature and seriousness of the offense, including the risk of harm to the public, and applicable policies and priorities, if any, governing the prosecution of corporations for particular categories of crime (see USAM 9-28.400); 2. the pervasiveness of wrongdoing within the corporation, including the complicity in, or the condoning of, the wrongdoing by corporate management (see USAM 9-28.500); 3. the corporation’s history of similar misconduct, including prior criminal, civil, and regulatory enforcement actions against it (see USAM 9-28.600); 4. the corporation’s timely and voluntary disclosure of wrongdoing and its willingness to cooperate in the investigation of its agents (see USAM 9-28.700); 5. the existence and effectiveness of the corporation’s pre-existing compliance program (see USAM 9-28.800); 6. the corporation’s remedial actions, including any efforts to implement an effective corporate compliance program or to improve an existing one, to replace responsible management, to discipline or terminate wrongdoers, to pay restitution, and to cooperate with the relevant government agencies (see USAM 9-28.900); 7. collateral consequences, including whether there is disproportionate harm to shareholders, pension holders, employees, and others not proven personally culpable, as well as impact on the public arising from the prosecution (see USAM 9-28.1000); 8. the adequacy of the prosecution of individuals responsible for the corporation’s malfeasance; and 9. the adequacy of remedies such as civil or regulatory enforcement actions (see USAM 9-28.1100). B. Comment: The factors listed in this section are intended to be illustrative of those that should be evaluated and are not an exhaustive list of potentially relevant consid-
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erations. Some of these factors may not apply to specific cases, and in some cases one factor may override all others. For example, the nature and seriousness of the offense may be such as to warrant prosecution regardless of the other factors. In most cases, however, no single factor will be dispositive. In addition, national law enforcement policies in various enforcement areas may require that more or less weight be given to certain of these factors than to others. Of course, prosecutors must exercise their thoughtful and pragmatic judgment in applying and balancing these factors, so as to achieve a fair and just outcome and promote respect for the law. In making a decision to charge a corporation, the prosecutor generally has substantial latitude in determining when, whom, how, and even whether to prosecute for violations of federal criminal law. In exercising that discretion, prosecutors should consider the following statements of principles that summarize the considerations they should weigh and the practices they should follow in discharging their prosecutorial responsibilities. In doing so, prosecutors should ensure that the general purposes of the criminal law—assurance of warranted punishment, deterrence of further criminal conduct, protection of the public from dangerous and fraudulent conduct, rehabilitation of offenders, and restitution for victims and affected communities—are adequately met, taking into account the special nature of the corporate “person.”
9-28.400
Special Policy Concerns
A. General Principle: The nature and seriousness of the crime, including the risk of harm to the public from the criminal misconduct, are obviously primary factors in determining whether to charge a corporation. In addition, corporate conduct, particularly that of national and multi-national corporations, necessarily intersects with federal economic, tax, and criminal law enforcement policies. In applying these Principles, prosecutors must consider the practices and policies of the appropriate Division of the Department, and must comply with those policies to the extent required by the facts presented. B. Comment: In determining whether to charge a corporation, prosecutors should take into account federal law enforcement priorities as discussed above. See USAM 927.230. In addition, however, prosecutors must be aware of the specific policy goals and incentive programs established by the respective Divisions and regulatory agencies. Thus, whereas natural persons may be given incremental degrees of credit (ranging from immunity to lesser charges to sentencing considerations) for turning themselves in, making statements against their penal interest, and cooperating in the government’s investigation of their own and others’ wrongdoing, the same approach may not be appropriate in all circumstances with respect to corporations. As an example, it is entirely proper in many investigations for a prosecutor to consider the corporation’s pre-indictment conduct, e.g., voluntary disclosure, cooperation, remediation or restitution, in determining whether to seek an indictment. However, this would not necessarily be appropriate in an antitrust investigation, in which antitrust violations, by definition, go to the heart of the corporation’s business. With this in mind, the Antitrust Division has established a firm policy, understood in the business community, that credit should not be given at the charging stage for a compliance program and that amnesty is available only to the first corporation to make full disclosure to the government. As another example, the Tax Division has a strong preference for prosecuting responsible individuals, rather than entities, for corporate tax of-
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Anhang fenses. Thus, in determining whether or not to charge a corporation, prosecutors must consult with the Criminal, Antitrust, Tax, Environmental and Natural Resources, and National Security Divisions, as appropriate.
9-28.500
Pervasiveness of Wrongdoing Within the Corporation
A. General Principle: A corporation can only act through natural persons, and it is therefore held responsible for the acts of such persons fairly attributable to it. Charging a corporation for even minor misconduct may be appropriate where the wrongdoing was pervasive and was undertaken by a large number of employees, or by all the employees in a particular role within the corporation, or was condoned by upper management. On the other hand, it may not be appropriate to impose liability upon a corporation, particularly one with a robust compliance program in place, under a strict respondeat superior theory for the single isolated act of a rogue employee. There is, of course, a wide spectrum between these two extremes, and a prosecutor should exercise sound discretion in evaluating the pervasiveness of wrongdoing within a corporation. B. Comment: Of these factors, the most important is the role and conduct of management. Although acts of even low-level employees may result in criminal liability, a corporation is directed by its management and management is responsible for a corporate culture in which criminal conduct is either discouraged or tacitly encouraged. As stated in commentary to the Sentencing Guidelines: Pervasiveness [is] case specific and [will] depend on the number, and degree of responsibility, of individuals [with] substantial authority ... who participated in, condoned, or were willfully ignorant of the offense. Fewer individuals need to be involved for a finding of pervasiveness if those individuals exercised a relatively high degree of authority. Pervasiveness can occur either within an organization as a whole or within a unit of an organization. USSG § 8C2.5, cmt. (n. 4).
9-28.600
The Corporation’s Past History
A. General Principle: Prosecutors may consider a corporation’s history of similar conduct, including prior criminal, civil, and regulatory enforcement actions against it, in determining whether to bring criminal charges and how best to resolve cases. B. Comment: A corporation, like a natural person, is expected to learn from its mistakes. A history of similar misconduct may be probative of a corporate culture that encouraged, or at least condoned, such misdeeds, regardless of any compliance programs. Criminal prosecution of a corporation may be particularly appropriate where the corporation previously had been subject to non-criminal guidance, warnings, or sanctions, or previous criminal charges, and it either had not taken adequate action to prevent future unlawful conduct or had continued to engage in the misconduct in spite of the warnings or enforcement actions taken against it. The corporate structure itself (e.g., the creation or existence of subsidiaries or operating divisions) is not dispositive in this analysis, and enforcement actions taken against the corporation or any of its divisions, subsidiaries, and affiliates may be considered, if germane. See USSG § 8C2.5(c), cmt. (n. 6).
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9-28.700
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The Value of Cooperation
A. General Principle: In determining whether to charge a corporation and how to resolve corporate criminal cases, the corporation’s timely and voluntary disclosure of wrongdoing and its cooperation with the government’s investigation may be relevant factors. In gauging the extent of the corporation’s cooperation, the prosecutor may consider, among other things, whether the corporation made a voluntary and timely disclosure, and the corporation’s willingness to provide relevant information and evidence and identify relevant actors within and outside the corporation, including senior executives. Cooperation is a potential mitigating factor, by which a corporation—just like any other subject of a criminal investigation—can gain credit in a case that otherwise is appropriate for indictment and prosecution. Of course, the decision not to cooperate by a corporation (or individual) is not itself evidence of misconduct, at least where the lack of cooperation does not involve criminal misconduct or demonstrate consciousness of guilt (e.g., suborning perjury or false statements, or refusing to comply with lawful discovery requests). Thus, failure to cooperate, in and of itself, does not support or require the filing of charges with respect to a corporation any more than with respect to an individual. B. Comment: In investigating wrongdoing by or within a corporation, a prosecutor is likely to encounter several obstacles resulting from the nature of the corporation itself. It will often be difficult to determine which individual took which action on behalf of the corporation. Lines of authority and responsibility may be shared among operating divisions or departments, and records and personnel may be spread throughout the United States or even among several countries. Where the criminal conduct continued over an extended period of time, the culpable or knowledgeable personnel may have been promoted, transferred, or fired, or they may have quit or retired. Accordingly, a corporation’s cooperation may be critical in identifying potentially relevant actors and locating relevant evidence, among other things, and in doing so expeditiously. This dynamic—i.e., the difficulty of determining what happened, where the evidence is, and which individuals took or promoted putatively illegal corporate actions—can have negative consequences for both the government and the corporation that is the subject or target of a government investigation. More specifically, because of corporate attribution principles concerning actions of corporate officers and employees (see, e.g., supra section II), uncertainty about exactly who authorized or directed apparent corporate misconduct can inure to the detriment of a corporation. For example, it may not matter under the law which of several possible executives or leaders in a chain of command approved of or authorized criminal conduct; however, that information if known might bear on the propriety of a particular disposition short of indictment of the corporation. It may not be in the interest of a corporation or the government for a charging decision to be made in the absence of such information, which might occur if, for example, a statute of limitations were relevant and authorization by any one of the officials were enough to justify a charge under the law. Moreover, and at a minimum, a protracted government investigation of such an issue could, as a collateral consequence, disrupt the corporation’s business operations or even depress its stock price.
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Anhang For these reasons and more, cooperation can be a favorable course for both the government and the corporation. Cooperation benefits the government—and ultimately shareholders, employees, and other often blameless victims—by allowing prosecutors and federal agents, for example, to avoid protracted delays, which compromise their ability to quickly uncover and address the full extent of widespread corporate crimes. With cooperation by the corporation, the government may be able to reduce tangible losses, limit damage to reputation, and preserve assets for restitution. At the same time, cooperation may benefit the corporation by enabling the government to focus its investigative resources in a manner that will not unduly disrupt the corporation’s legitimate business operations. In addition, and critically, cooperation may benefit the corporation by presenting it with the opportunity to earn credit for its efforts.
9-28.710
Attorney-Client and Work Product Protections
The attorney-client privilege and the attorney work product protection serve an extremely important function in the American legal system. The attorney-client privilege is one of the oldest and most sacrosanct privileges under the law. See Upjohn v. United States, 449 U.S. 383, 389 (1981). As the Supreme Court has stated, “[i]ts purpose is to encourage full and frank communication between attorneys and their clients and thereby promote broader public interests in the observance of law and administration of justice.” Id. The value of promoting a corporation’s ability to seek frank and comprehensive legal advice is particularly important in the contemporary global business environment, where corporations often face complex and dynamic legal and regulatory obligations imposed by the federal government and also by states and foreign governments. The work product doctrine serves similarly important goals. For these reasons, waiving the attorney-client and work product protections has never been a prerequisite under the Department’s prosecution guidelines for a corporation to be viewed as cooperative. Nonetheless, a wide range of commentators and members of the American legal community and criminal justice system have asserted that the Department’s policies have been used, either wittingly or unwittingly, to coerce business entities into waiving attorney-client privilege and work-product protection. Everyone agrees that a corporation may freely waive its own privileges if it chooses to do so; indeed, such waivers occur routinely when corporations are victimized by their employees or others, conduct an internal investigation, and then disclose the details of the investigation to law enforcement officials in an effort to seek prosecution of the offenders. However, the contention, from a broad array of voices, is that the Department’s position on attorney-client privilege and work product protection waivers has promoted an environment in which those protections are being unfairly eroded to the detriment of all. The Department understands that the attorney-client privilege and attorney work product protection are essential and long- recognized components of the American legal system. What the government seeks and needs to advance its legitimate (indeed, essential) law enforcement mission is not waiver of those protections, but rather the facts known to the corporation about the putative criminal misconduct under review. In addition, while a corporation remains free to convey non-factual or “core” attorney-client communications or work product—if and only if the corporation voluntarily chooses to do so— prosecutors should not ask for such waivers and are directed not to do so. The critical factor is whether the corporation has provided the facts about the events, as explained further herein.
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Cooperation: Disclosing the Relevant Facts
Eligibility for cooperation credit is not predicated upon the waiver of attorney-client privilege or work product protection. Instead, the sort of cooperation that is most valuable to resolving allegations of misconduct by a corporation and its officers, directors, employees, or agents is disclosure of the relevant facts concerning such misconduct. In this regard, the analysis parallels that for a non-corporate defendant, where cooperation typically requires disclosure of relevant factual knowledge and not of discussions between an individual and his attorneys. Thus, when the government investigates potential corporate wrongdoing, it seeks the relevant facts. For example, how and when did the alleged misconduct occur? Who promoted or approved it? Who was responsible for committing it? In this respect, the investigation of a corporation differs little from the investigation of an individual. In both cases, the government needs to know the facts to achieve a just and fair outcome. The party under investigation may choose to cooperate by disclosing the facts, and the government may give credit for the party’s disclosures. If a corporation wishes to receive credit for such cooperation, which then can be considered with all other cooperative efforts and circumstances in evaluating how fairly to proceed, then the corporation, like any person, must disclose the relevant facts of which it has knowledge.2 (a) Disclosing the Relevant Facts—Facts Gathered Through Internal Investigation Individuals and corporations often obtain knowledge of facts in different ways. An individual knows the facts of his or others’ misconduct through his own experience and perceptions. A corporation is an artificial construct that cannot, by definition, have personal knowledge of the facts. Some of those facts may be reflected in documentary or electronic media like emails, transaction or accounting documents, and other records. Often, the corporation gathers facts through an internal investigation. Exactly how and by whom the facts are gathered is for the corporation to decide. Many corporations choose to collect information about potential misconduct through lawyers, a process that may confer attorney-client privilege or attorney work product protection on at least some of the information collected. Other corporations may choose a method of fact- gathering that does not have that effect—for example, having employee or other witness statements collected after interviews by non-attorney personnel. Whichever process the corporation selects, the government’s key measure of cooperation must remain the same as it does for an individual: has the party timely disclosed the relevant facts about the putative misconduct? That is the operative question in assigning cooperation credit for the disclosure of information—not whether the corporation discloses attorney-client or work product materials. Accordingly, a corporation should receive the same credit for disclosing facts contained in materials that are not protected by the attorney- client privilege or attorney work product as it would for disclosing identical facts contained in materials that are so protected.3 On this point the Report of the House Judiciary Committee, submitted in con-
____________ 2 There are other dimensions of cooperation beyond the mere disclosure of facts, of course. These can include, for example, providing non-privileged documents and other evidence, making witnesses available for interviews, and assisting in the interpretation of complex business records. This section of the Principles focuses solely on the disclosure of facts and the privilege issues that may be implicated thereby. 3 By way of example, corporate personnel are typically interviewed during an internal investigation. If the interviews are conducted by counsel for the corporation, certain notes
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Anhang
nection with the attorney-client privilege bill passed by the House of Representatives (H.R. 3013), comports with the approach required here: [A]n ... attorney of the United States may base cooperation credit on the facts that are disclosed, but is prohibited from basing cooperation credit upon whether or not the materials are protected by attorney-client privilege or attorney work product. As a result, an entity that voluntarily discloses should receive the same amount of cooperation credit for disclosing facts that happen to be contained in materials not protected by attorney-client privilege or attorney work product as it would receive for disclosing identical facts that are contained in materials protected by attorneyclient privilege or attorney work product. There should be no differentials in an assessment of cooperation (i.e., neither a credit nor a penalty) based upon whether or not the materials disclosed are protected by attorney-client privilege or attorney work product. H.R. Rep. No. 110-445 at 4 (2007). In short, so long as the corporation timely discloses relevant facts about the putative misconduct, the corporation may receive due credit for such cooperation, regardless of whether it chooses to waive privilege or work product protection in the process.4 Likewise, a corporation that does not disclose the relevant facts about the alleged misconduct—for whatever reason—typically should not be entitled to receive credit for cooperation. Two final and related points bear noting about the disclosure of facts, although they should be obvious. First, the government cannot compel, and the corporation has no obligation to make, such disclosures (although the government can obviously compel the disclosure of certain records and witness testimony through subpoenas). Second, a corporation’s failure to provide relevant information does not mean the corporation will be indicted. It simply means that the corporation will not be entitled to mitigating credit for that cooperation. Whether the corporation faces charges will turn, as it does in any case, on the sufficiency of the evidence, the likelihood of success at trial, and all of the other factors identified in Section III above. If there is insufficient evidence to warrant indictment, after appropriate investigation has been completed, or if the other factors weigh against indictment, then the corporation should not be indicted, irrespective of whether it has earned cooperation credit. The converse is also true: The government may charge even the most cooperative corporation pursuant to these Principles if, in weighing and balancing the factors described herein, the prosecutor determines that a charge is required in the interests of justice. Put differently, even the most sincere and thorough effort to cooperate cannot necessarily absolve a corporation that has, for example, engaged in an
__________ and memoranda generated from the interviews may be subject, at least in part, to the protections of attorney-client privilege and/or attorney work product. To receive cooperation credit for providing factual information, the corporation need not produce, and prosecutors may not request, protected notes or memoranda generated by the lawyers’ interviews. To earn such credit, however, the corporation does need to produce, and prosecutors may request, relevant factual information—including relevant factual information acquired through those interviews, unless the identical information has otherwise been provided—as well as relevant non-privileged evidence such as accounting and business records and emails between non-attorney employees or agents. 4 In assessing the timeliness of a corporation’s disclosures, prosecutors should apply a standard of reasonableness in light of the totality of circumstances.
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egregious, orchestrated, and widespread fraud. Cooperation is a relevant potential mitigating factor, but it alone is not dispositive. (b) Legal Advice and Attorney Work Product Separate from (and usually preceding) the fact-gathering process in an internal investigation, a corporation, through its officers, employees, directors, or others, may have consulted with corporate counsel regarding or in a manner that concerns the legal implications of the putative misconduct at issue. Communications of this sort, which are both independent of the fact-gathering component of an internal investigation and made for the purpose of seeking or dispensing legal advice, lie at the core of the attorney-client privilege. Such communications can naturally have a salutary effect on corporate behavior—facilitating, for example, a corporation’s effort to comply with complex and evolving legal and regulatory regimes.5 Except as noted in subparagraphs (b)(i) and (b)(ii) below, a corporation need not disclose and prosecutors may not request the disclosure of such communications as a condition for the corporation’s eligibility to receive cooperation credit. Likewise, non-factual or core attorney work product—for example, an attorney’s mental impressions or legal theories—lies at the core of the attorney work product doctrine. A corporation need not disclose, and prosecutors may not request, the disclosure of such attorney work product as a condition for the corporation’s eligibility to receive cooperation credit. (i) Advice of Counsel Defense in the Instant Context Occasionally a corporation or one of its employees may assert an advice-of-counsel defense, based upon communications with in- house or outside counsel that took place prior to or contemporaneously with the underlying conduct at issue. In such situations, the defendant must tender a legitimate factual basis to support the assertion of the advice-ofcounsel defense. See, e.g., Pitt v. Dist. of Columbia, 491 F.3d 494, 504-05 (D.C. Cir. 2007); United States v. Wenger, 427 F.3d 840, 853-54 (10th Cir. 2005); United States v. Cheek, 3 F.3d 1057, 1061-62 (7th Cir. 1993). The Department cannot fairly be asked to discharge its responsibility to the public to investigate alleged corporate crime, or to temper what would otherwise be the appropriate course of prosecutive action, by simply accepting on faith an otherwise unproven assertion that an attorney—perhaps even an unnamed attorney—approved potentially unlawful practices. Accordingly, where an advice-of-counsel defense has been asserted, prosecutors may ask for the disclosure of the communications allegedly supporting it. (ii) Communications in Furtherance of a Crime or Fraud Communications between a corporation (through its officers, employees, directors, or agents) and corporate counsel that are made in furtherance of a crime or fraud are, under settled precedent, outside the scope and protection of the attorney- client privilege. See
____________ 5 These privileged communications are not necessarily limited to those that occur contemporaneously with the underlying misconduct. They would include, for instance, legal advice provided by corporate counsel in an internal investigation report. Again, the key measure of cooperation is the disclosure of factual information known to the corporation, not the disclosure of legal advice or theories rendered in connection with the conduct at issue (subject to the two exceptions noted in USAM 9-28.720(b)(i-ii)).
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United States v. Zolin, 491 U.S. 554, 563 (1989); United States v. BDO Seidman, LLP, 492 F.3d 806, 818 (7th Cir. 2007). As a result, the Department may properly request such communications if they in fact exist.
9-28.730
Obstructing the Investigation
Another factor to be weighed by the prosecutor is whether the corporation has engaged in conduct intended to impede the investigation. Examples of such conduct could include: inappropriate directions to employees or their counsel, such as directions not to be truthful or to conceal relevant facts; making representations or submissions that contain misleading assertions or material omissions; and incomplete or delayed production of records. In evaluating cooperation, however, prosecutors should not take into account whether a corporation is advancing or reimbursing attorneys’ fees or providing counsel to employees, officers, or directors under investigation or indictment. Likewise, prosecutors may not request that a corporation refrain from taking such action. This prohibition is not meant to prevent a prosecutor from asking questions about an attorney’s representation of a corporation or its employees, officers, or directors, where otherwise appropriate under the law.6 Neither is it intended to limit the otherwise applicable reach of criminal obstruction of justice statutes such as 18 U.S.C. § 1503. If the payment of attorney fees were used in a manner that would otherwise constitute criminal obstruction of justice— for example, if fees were advanced on the condition that an employee adhere to a version of the facts that the corporation and the employee knew to be false—these Principles would not (and could not) render inapplicable such criminal prohibitions. Similarly, the mere participation by a corporation in a joint defense agreement does not render the corporation ineligible to receive cooperation credit, and prosecutors may not request that a corporation refrain from entering into such agreements. Of course, the corporation may wish to avoid putting itself in the position of being disabled, by virtue of a particular joint defense or similar agreement, from providing some relevant facts to the government and thereby limiting its ability to seek such cooperation credit. Such might be the case if the corporation gathers facts from employees who have entered into a joint defense agreement with the corporation, and who may later seek to prevent the corporation from disclosing the facts it has acquired. Corporations may wish to address this situation by crafting or participating in joint defense agreements, to the extent they choose to enter them, that provide such flexibility as they deem appropriate. Finally, it may on occasion be appropriate for the government to consider whether the corporation has shared with others sensitive information about the investigation that the government provided to the corporation. In appropriate situations, as it does with individuals, the government may properly request that, if a corporation wishes to receive credit for cooperation, the information provided by the government to the corporation not be transmitted to others—for example, where the disclosure of such information could lead to flight by individual subjects, destruction of evidence, or dissipation or concealment of assets.
____________ 6 Routine questions regarding the representation status of a corporation and its employees, including how and by whom attorneys’ fees are paid, sometimes arise in the course of an investigation under certain circumstances—to take one example, to assess conflict-ofinterest issues. Such questions can be appropriate and this guidance is not intended to prohibit such limited inquiries.
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Offering Cooperation: No Entitlement to Immunity
A corporation’s offer of cooperation or cooperation itself does not automatically entitle it to immunity from prosecution or a favorable resolution of its case. A corporation should not be able to escape liability merely by offering up its directors, officers, employees, or agents. Thus, a corporation’s willingness to cooperate is not determinative; that factor, while relevant, needs to be considered in conjunction with all other factors.
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Qualifying for Immunity, Amnesty, or Reduced Sanctions Through Voluntary Disclosures
In conjunction with regulatory agencies and other executive branch departments, the Department encourages corporations, as part of their compliance programs, to conduct internal investigations and to disclose the relevant facts to the appropriate authorities. Some agencies, such as the Securities and Exchange Commission and the Environmental Protection Agency, as well as the Department’s Environmental and Natural Resources Division, have formal voluntary disclosure programs in which self-reporting, coupled with remediation and additional criteria, may qualify the corporation for amnesty or reduced sanctions. Even in the absence of a formal program, prosecutors may consider a corporation’s timely and voluntary disclosure in evaluating the adequacy of the corporation’s compliance program and its management’s commitment to the compliance program. However, prosecution and economic policies specific to the industry or statute may require prosecution notwithstanding a corporation’s willingness to cooperate. For example, the Antitrust Division has a policy of offering amnesty only to the first corporation to agree to cooperate. Moreover, amnesty, immunity, or reduced sanctions may not be appropriate where the corporation’s business is permeated with fraud or other crimes.
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Oversight Concerning Demands for Waivers of Attorney-Client Privilege or Work Product Protection By Corporations Contrary to This Policy
The Department underscores its commitment to attorney practices that are consistent with Department policies like those set forth herein concerning cooperation credit and due respect for the attorney-client privilege and work product protection. Counsel for corporations who believe that prosecutors are violating such guidance are encouraged to raise their concerns with supervisors, including the appropriate United States Attorney or Assistant Attorney General. Like any other allegation of attorney misconduct, such allegations are subject to potential investigation through established mechanisms.
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Corporate Compliance Programs
A. General Principle: Compliance programs are established by corporate management to prevent and detect misconduct and to ensure that corporate activities are conducted in accordance with applicable criminal and civil laws, regulations, and rules. The Department encourages such corporate self-policing, including voluntary disclosures to the government of any problems that a corporation discovers on its own. However, the existence of a compliance program is not sufficient, in and of itself, to justify not charging a corporation for criminal misconduct undertaken by its officers, directors,
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employees, or agents. In addition, the nature of some crimes, e.g., antitrust violations, may be such that national law enforcement policies mandate prosecutions of corporations notwithstanding the existence of a compliance program. B. Comment: The existence of a corporate compliance program, even one that specifically prohibited the very conduct in question, does not absolve the corporation from criminal liability under the doctrine of respondeat superior. See United States v. Basic Constr. Co., 711 F.2d 570, 573 (4th Cir. 1983) (“[A] corporation may be held criminally responsible for antitrust violations committed by its employees if they were acting within the scope of their authority, or apparent authority, and for the benefit of the corporation, even if ... such acts were against corporate policy or express instructions.”). As explained in United States v. Potter, 463 F.3d 9 (1st Cir. 2006), a corporation cannot “avoid liability by adopting abstract rules” that forbid its agents from engaging in illegal acts, because “[e]ven a specific directive to an agent or employee or honest efforts to police such rules do not automatically free the company for the wrongful acts of agents.” Id. at 25-26. See also United States v. Hilton Hotels Corp., 467 F.2d 1000, 1007 (9th Cir. 1972) (noting that a corporation “could not gain exculpation by issuing general instructions without undertaking to enforce those instructions by means commensurate with the obvious risks”); United States v. Beusch, 596 F.2d 871, 878 (9th Cir. 1979) (“[A] corporation may be liable for acts of its employees done contrary to express instructions and policies, but ... the existence of such instructions and policies may be considered in determining whether the employee in fact acted to benefit the corporation.”). While the Department recognizes that no compliance program can ever prevent all criminal activity by a corporation’s employees, the critical factors in evaluating any program are whether the program is adequately designed for maximum effectiveness in preventing and detecting wrongdoing by employees and whether corporate management is enforcing the program or is tacitly encouraging or pressuring employees to engage in misconduct to achieve business objectives. The Department has no formulaic requirements regarding corporate compliance programs. The fundamental questions any prosecutor should ask are: Is the corporation’s compliance program well designed? Is the program being applied earnestly and in good faith? Does the corporation’s compliance program work? In answering these questions, the prosecutor should consider the comprehensiveness of the compliance program; the extent and pervasiveness of the criminal misconduct; the number and level of the corporate employees involved; the seriousness, duration, and frequency of the misconduct; and any remedial actions taken by the corporation, including, for example, disciplinary action against past violators uncovered by the prior compliance program, and revisions to corporate compliance programs in light of lessons learned.7 Prosecutors should also consider the promptness of any disclosure of wrongdoing to the government. In evaluating compliance programs, prosecutors may consider whether the corporation has established corporate governance mechanisms that can effectively detect and prevent misconduct. For example, do the corporation’s directors exercise independent review over proposed corporate actions rather than unquestioningly ratifying officers’ recommendations; are internal audit functions conducted at a level sufficient to ensure their independence and accuracy; and have the directors estab-
____________ 7 For a detailed review of these and other factors concerning corporate compliance programs, see USSG § 8B2.1.
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lished an information and reporting system in the organization reasonably designed to provide management and directors with timely and accurate information sufficient to allow them to reach an informed decision regarding the organization’s compliance with the law. See, e.g., In re Caremark Int’l Inc. Derivative Litig., 698 A.2d 959, 968-70 (Del. Ch. 1996). Prosecutors should therefore attempt to determine whether a corporation’s compliance program is merely a “paper program” or whether it was designed, implemented, reviewed, and revised, as appropriate, in an effective manner. In addition, prosecutors should determine whether the corporation has provided for a staff sufficient to audit, document, analyze, and utilize the results of the corporation’s compliance efforts. Prosecutors also should determine whether the corporation’s employees are adequately informed about the compliance program and are convinced of the corporation’s commitment to it. This will enable the prosecutor to make an informed decision as to whether the corporation has adopted and implemented a truly effective compliance program that, when consistent with other federal law enforcement policies, may result in a decision to charge only the corporation’s employees and agents or to mitigate charges or sanctions against the corporation. Compliance programs should be designed to detect the particular types of misconduct most likely to occur in a particular corporation’s line of business. Many corporations operate in complex regulatory environments outside the normal experience of criminal prosecutors. Accordingly, prosecutors should consult with relevant federal and state agencies with the expertise to evaluate the adequacy of a program’s design and implementation. For instance, state and federal banking, insurance, and medical boards, the Department of Defense, the Department of Health and Human Services, the Environmental Protection Agency, and the Securities and Exchange Commission have considerable experience with compliance programs and can be helpful to a prosecutor in evaluating such programs. In addition, the Fraud Section of the Criminal Division, the Commercial Litigation Branch of the Civil Division, and the Environmental Crimes Section of the Environment and Natural Resources Division can assist United States Attorneys’ Offices in finding the appropriate agency office(s) for such consultation.
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Restitution and Remediation
A. General Principle: Although neither a corporation nor an individual target may avoid prosecution merely by paying a sum of money, a prosecutor may consider the corporation’s willingness to make restitution and steps already taken to do so. A prosecutor may also consider other remedial actions, such as improving an existing compliance program or disciplining wrongdoers, in determining whether to charge the corporation and how to resolve corporate criminal cases. B. Comment: In determining whether or not to prosecute a corporation, the government may consider whether the corporation has taken meaningful remedial measures. A corporation’s response to misconduct says much about its willingness to ensure that such misconduct does not recur. Thus, corporations that fully recognize the seriousness of their misconduct and accept responsibility for it should be taking steps to implement the personnel, operational, and organizational changes necessary to establish an awareness among employees that criminal conduct will not be tolerated.
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Anhang Among the factors prosecutors should consider and weigh are whether the corporation appropriately disciplined wrongdoers, once those employees are identified by the corporation as culpable for the misconduct. Employee discipline is a difficult task for many corporations because of the human element involved and sometimes because of the seniority of the employees concerned. Although corporations need to be fair to their employees, they must also be committed, at all levels of the corporation, to the highest standards of legal and ethical behavior. Effective internal discipline can be a powerful deterrent against improper behavior by a corporation’s employees. Prosecutors should be satisfied that the corporation’s focus is on the integrity and credibility of its remedial and disciplinary measures rather than on the protection of the wrongdoers. In addition to employee discipline, two other factors used in evaluating a corporation’s remedial efforts are restitution and reform. As with natural persons, the decision whether or not to prosecute should not depend upon the target’s ability to pay restitution. A corporation’s efforts to pay restitution even in advance of any court order is, however, evidence of its acceptance of responsibility and, consistent with the practices and policies of the appropriate Division of the Department entrusted with enforcing specific criminal laws, may be considered in determining whether to bring criminal charges. Similarly, although the inadequacy of a corporate compliance program is a factor to consider when deciding whether to charge a corporation, that corporation’s quick recognition of the flaws in the program and its efforts to improve the program are also factors to consider as to appropriate disposition of a case.
9-28.1000 Collateral Consequences A. General Principle: Prosecutors may consider the collateral consequences of a corporate criminal conviction or indictment in determining whether to charge the corporation with a criminal offense and how to resolve corporate criminal cases. B. Comment: One of the factors in determining whether to charge a natural person or a corporation is whether the likely punishment is appropriate given the nature and seriousness of the crime. In the corporate context, prosecutors may take into account the possibly substantial consequences to a corporation’s employees, investors, pensioners, and customers, many of whom may, depending on the size and nature of the corporation and their role in its operations, have played no role in the criminal conduct, have been unaware of it, or have been unable to prevent it. Prosecutors should also be aware of non-penal sanctions that may accompany a criminal charge, such as potential suspension or debarment from eligibility for government contracts or federally funded programs such as health care programs. Determining whether or not such non-penal sanctions are appropriate or required in a particular case is the responsibility of the relevant agency, and is a decision that will be made based on the applicable statutes, regulations, and policies. Virtually every conviction of a corporation, like virtually every conviction of an individual, will have an impact on innocent third parties, and the mere existence of such an effect is not sufficient to preclude prosecution of the corporation. Therefore, in evaluating the relevance of collateral consequences, various factors already discussed, such as the pervasiveness of the criminal conduct and the adequacy of the corporation’s compliance programs, should be considered in determining the weight to be given to this factor. For instance, the balance may tip in favor of prosecuting
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811
corporations in situations where the scope of the misconduct in a case is widespread and sustained within a corporate division (or spread throughout pockets of the corporate organization). In such cases, the possible unfairness of visiting punishment for the corporation’s crimes upon shareholders may be of much less concern where those shareholders have substantially profited, even unknowingly, from widespread or pervasive criminal activity. Similarly, where the top layers of the corporation’s management or the shareholders of a closely-held corporation were engaged in or aware of the wrongdoing, and the conduct at issue was accepted as a way of doing business for an extended period, debarment may be deemed not collateral, but a direct and entirely appropriate consequence of the corporation’s wrongdoing. On the other hand, where the collateral consequences of a corporate conviction for innocent third parties would be significant, it may be appropriate to consider a nonprosecution or deferred prosecution agreement with conditions designed, among other things, to promote compliance with applicable law and to prevent recidivism. Such agreements are a third option, besides a criminal indictment, on the one hand, and a declination, on the other. Declining prosecution may allow a corporate criminal to escape without consequences. Obtaining a conviction may produce a result that seriously harms innocent third parties who played no role in the criminal conduct. Under appropriate circumstances, a deferred prosecution or non-prosecution agreement can help restore the integrity of a company’s operations and preserve the financial viability of a corporation that has engaged in criminal conduct, while preserving the government’s ability to prosecute a recalcitrant corporation that materially breaches the agreement. Such agreements achieve other important objectives as well, like prompt restitution for victims.8 Ultimately, the appropriateness of a criminal charge against a corporation, or some lesser alternative, must be evaluated in a pragmatic and reasoned way that produces a fair outcome, taking into consideration, among other things, the Department’s need to promote and ensure respect for the law.
9-28.1100 Other Civil or Regulatory Alternatives A. General Principle: Non-criminal alternatives to prosecution often exist and prosecutors may consider whether such sanctions would adequately deter, punish, and rehabilitate a corporation that has engaged in wrongful conduct. In evaluating the adequacy of non-criminal alternatives to prosecution—e.g., civil or regulatory enforcement actions—the prosecutor may consider all relevant factors, including: 1. the sanctions available under the alternative means of disposition; 2. the likelihood that an effective sanction will be imposed; and 3. the effect of non-criminal disposition on federal law enforcement interests. B. Comment: The primary goals of criminal law are deterrence, punishment, and rehabilitation. Non-criminal sanctions may not be an appropriate response to a serious violation, a pattern of wrongdoing, or prior non-criminal sanctions without proper remediation. In other cases, however, these goals may be satisfied through civil or regulatory actions. In determining whether a federal criminal resolution is appropriate, the prosecutor should consider the same factors (modified appropriately for the
____________ 8 Prosecutors should note that in the case of national or multi-national corporations, multi-district or global agreements may be necessary. Such agreements may only be entered into with the approval of each affected district or the appropriate Department official. See USAM 9-27.641.
812
Anhang regulatory context) considered when determining whether to leave prosecution of a natural person to another jurisdiction or to seek non-criminal alternatives to prosecution. These factors include: the strength of the regulatory authority’s interest; the regulatory authority’s ability and willingness to take effective enforcement action; the probable sanction if the regulatory authority’s enforcement action is upheld; and the effect of a non-criminal disposition on federal law enforcement interests. See USAM 9-27.240, 9-27.250.
9-28.1200 Selecting Charges A. General Principle: Once a prosecutor has decided to charge a corporation, the prosecutor at least presumptively should charge, or should recommend that the grand jury charge, the most serious offense that is consistent with the nature of the defendant’s misconduct and that is likely to result in a sustainable conviction. B. Comment: Once the decision to charge is made, the same rules as govern charging natural persons apply. These rules require “a faithful and honest application of the Sentencing Guidelines" and an "individualized assessment of the extent to which particular charges fit the specific circumstances of the case, are consistent with the purposes of the Federal criminal code, and maximize the impact of Federal resources on crime.” See USAM 9-27.300. In making this determination, “it is appropriate that the attorney for the government consider, inter alia, such factors as the [advisory] sentencing guideline range yielded by the charge, whether the penalty yielded by such sentencing range ... is proportional to the seriousness of the defendant’s conduct, and whether the charge achieves such purposes of the criminal law as punishment, protection of the public, specific and general deterrence, and rehabilitation.” Id.
9-28.1300 Plea Agreements with Corporations A. General Principle: In negotiating plea agreements with corporations, as with individuals, prosecutors should generally seek a plea to the most serious, readily provable offense charged. In addition, the terms of the plea agreement should contain appropriate provisions to ensure punishment, deterrence, rehabilitation, and compliance with the plea agreement in the corporate context. Although special circumstances may mandate a different conclusion, prosecutors generally should not agree to accept a corporate guilty plea in exchange for non-prosecution or dismissal of charges against individual officers and employees. B. Comment: Prosecutors may enter into plea agreements with corporations for the same reasons and under the same constraints as apply to plea agreements with natural persons. See USAM 9-27.400-530. This means, inter alia, that the corporation should generally be required to plead guilty to the most serious, readily provable offense charged. In addition, any negotiated departures or recommended variances from the advisory Sentencing Guidelines must be justifiable under the Guidelines or 18 U.S.C. § 3553 and must be disclosed to the sentencing court. A corporation should be made to realize that pleading guilty to criminal charges constitutes an admission of guilt and not merely a resolution of an inconvenient distraction from its business. As with natural persons, pleas should be structured so that the corporation may not later “proclaim lack of culpability or even complete innocence.” See USAM 9-27.420(b)(4), 9-27.440, 927.500. Thus, for instance, there should be placed upon the record a sufficient factual basis for the plea to prevent later corporate assertions of innocence.
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813
A corporate plea agreement should also contain provisions that recognize the nature of the corporate “person” and that ensure that the principles of punishment, deterrence, and rehabilitation are met. In the corporate context, punishment and deterrence are generally accomplished by substantial fines, mandatory restitution, and institution of appropriate compliance measures, including, if necessary, continued judicial oversight or the use of special masters or corporate monitors. See USSG §§ 8B1.1, 8C2.1, et seq. In addition, where the corporation is a government contractor, permanent or temporary debarment may be appropriate. Where the corporation was engaged in fraud against the government (e.g., contracting fraud), a prosecutor may not negotiate away an agency’s right to debar or delist the corporate defendant. In negotiating a plea agreement, prosecutors should also consider the deterrent value of prosecutions of individuals within the corporation. Therefore, one factor that a prosecutor may consider in determining whether to enter into a plea agreement is whether the corporation is seeking immunity for its employees and officers or whether the corporation is willing to cooperate in the investigation of culpable individuals as outlined herein. Prosecutors should rarely negotiate away individual criminal liability in a corporate plea. Rehabilitation, of course, requires that the corporation undertake to be law-abiding in the future. It is, therefore, appropriate to require the corporation, as a condition of probation, to implement a compliance program or to reform an existing one. As discussed above, prosecutors may consult with the appropriate state and federal agencies and components of the Justice Department to ensure that a proposed compliance program is adequate and meets industry standards and best practices. See USAM 928.800. In plea agreements in which the corporation agrees to cooperate, the prosecutor should ensure that the cooperation is entirely truthful. To do so, the prosecutor may request that the corporation make appropriate disclosures of relevant factual information and documents, make employees and agents available for debriefing, file appropriate certified financial statements, agree to governmental or third-party audits, and take whatever other steps are necessary to ensure that the full scope of the corporate wrongdoing is disclosed and that the responsible personnel are identified and, if appropriate, prosecuted. See generally USAM 9-28.700. In taking such steps, Department prosecutors should recognize that attorney-client communications are often essential to a corporation’s efforts to comply with complex regulatory and legal regimes, and that, as discussed at length above, cooperation is not measured by the waiver of attorney-client privilege and work product protection, but rather is measured by the disclosure of facts and other considerations identified herein such as making witnesses available for interviews and assisting in the interpretation of complex documents or business records. These Principles provide only internal Department of Justice guidance. They are not intended to, do not, and may not be relied upon to create any rights, substantive or procedural, enforceable at law by any party in any matter civil or criminal. Nor are any limitations hereby placed on otherwise lawful litigative prerogatives of the Department of Justice.
Rechtsprechungsverzeichnis Die Entscheidungen sind jeweils chronologisch und nach der Seite, auf der die Entscheidung erwähnt wird, verzeichnet. Soweit die Entscheidung eingehender behandelt wird, ist der Verweis in Fettdruck hervorgehoben.
Amerikanische Entscheidungen United States Supreme Court Marbury v. Madison, 5 U.S. 137 (1803)
58
U.S. v. Hudson and Goodwin, 11 U.S. 32 (1812)
61
Dartmouth College v. Woodward, 17 U.S. 518 (1819)
75
Bank of Augusta v. Earle, 38 U.S. 519 (1839)
75
Philadelphia & Reading R. Co. v. Derby, 55 U.S. 468 (1852)
67
Marshall v. Baltimore & Ohio Railroad Company, 57 U.S. 314 (1853)
75
Ex parte Wilson, 114 U.S. 417 (1885)
226
Mackin v. U.S., 117 U.S. 348 (1886)
226
Santa Clara County v. Southern Pacific Railroad Co., 118 U.S. 394 (1886) Alexander v. U.S., 138 U.S. 353 (1891) Lake Shore & Michigan Southern Railway Co. v. Prentice, 147 U.S. 101 (1893) Hale v. Henkel, 201 U.S. 43 (1906) New York Central & Hudson River Rail Road Co. v. U.S., 212 U.S. 481 (1909) Shevlin-Carpenter Co. v. Minnesota, 218 U.S. 57 (1910) U.S. v. Balint, 258 U.S. 250 (1922) Clark v. U.S., 289 U.S. 1 (1933) U.S. v. Dotterweich, 320 U.S. 277 (1943) U.S. v. White, 322 U.S. 694 (1944) Hickman v. Taylor, 329 U.S. 495 (1947) Williams v. People of State of New York, 337 U.S. 241 (1949)
75 256 67 249, 250 72, 534, 733 65 65, 66 256 67, 68 249, 250 255 117, 120, 128, 231
Rechtsprechungsverzeichnis Morissette v. United States, 342 U.S. 246 (1952) Curcio v. U.S., 354 U.S. 118 (1957) U.S. v. A&P Trucking Co., 358 U.S. 121, 126 (1958)
815 65 251 83, 92
Melrose Distiller, Inc. v. U.S., 359 U.S. 271 (1959)
92
U.S. v. Wise, 370 US. 405 (1962)
96
Duncan v. Lousiana, 391 U.S. 145 (1968)
191, 229
Frank v. U.S., 395 U.S. 147 (1969)
228
Dorszynski v. U.S., 418 U.S. 424 (1974)
118
U.S. v. Park, 421 U.S. 658 (1975) Muniz v. Hoffman, 422 U.S. 454 (1975)
68 198, 228
Fisher v. U.S., 425 U.S. 391 (1976)
250
U.S. v. Batchelder, 442 U.S. 114 (1979)
232
Upjohn Co. v. U.S., 449 U.S. 383 (1981)
254
Liparota v. U.S., 471 U.S. 419 (1985)
61
Wayte v. U.S., 470 U.S. 598 (1985)
232
McMillan v. Pennsylvania, 477 U.S. 79 (1986)
193
McCleskey v. Kemp, 481 U.S. 279 (1987)
120
Braswell v. U.S., 487 U.S. 99 (1988)
249, 250
Mistretta v. U.S., 488 U.S. 361 (1989)
61, 191
Blanton v. City of North Las Vegas, 489 U.S. 538 (1989)
228
U.S. v. Zolin, 491 U.S. 554 (1989)
256
Carden v. Arkoma Associations, 494 U.S. 185 (1990) Pacific Mutual Life Insurance Co. v. Haslip, 499 U.S. 1 (1991) Rowland v. California Men’s Colony, 506 U.S. 194 (1993) Staples v. U.S., 511 U.S. 600 (1994) U.S. v. Lopez, 514 U.S. 549 (1995) Koon v. United States, 518 U.S. 81 (1996)
78 67, 83 77, 94, 95 66 60 182, 195, 202
U.S. v. Ursery, 116 S. Ct. 2135 (1996)
226
U.S. v. Watts, 519 U.S. 148 (1997)
193
U.S. v. Lanier, 520 U.S. 259 (1997)
61
Hudson v. U.S., 522 U.S. 93 (1997)
226
Almendarez-Torres v. U.S., 523 U.S. 224 (1998)
192
Burlingten Industries, Inc. v. Ellerth, 524 U.S. 742 (1998) Faragher v. City of Boca Raton, 524 U.S. 775 (1998)
67, 294 294
816
Anhang
Jones v. U.S., 526 U.S. 227 (1999)
192
Kolstad v. American Dental Ass’n, 527 U.S. 526 (1999)
294
U.S. v. Morrison, 529 U.S. 598 (2000)
60
U.S. v. Hubbell, 530 U.S. 27 (2000)
251
Apprendi v. New Jersey, 530 U.S. 466 (2000)
192
Harris v. U.S., 536 U.S. 545 (2002)
193
State Farm v. Campbell, 538 US 408 (2003) Blakely v. Washington, 542 U.S. 296 (2004)
630 193, 194, 200, 268
U.S. v. Booker and U.S. v. Fanfan, 543 U.S. 220 (2005) 181, 182, 183, 184, 194, 195, 196, 197, 198, 199, 200, 202, 204, 205, 206, 208, 210, 246, 248, 268, 273, 274, 542, 561, 598, 744 f. Roper v. Simmons, 543 U.S. 551 (2005) Arthur Andersen v. U.S., 544 U.S. 696 (2005)
17 261 ff.
Dixon v. U.S., 548 U.S. 1 (2006)
68
Rita v. U.S., 551 U.S. 338 (2007)
197, 206
Kimbrough v. U.S., 128 S. Ct. 558 (2007)
197
Gall v. U.S., 128 S. Ct. 586 (2007)
197
Spears v. U.S. 129 S. Ct. 840 (2009)
197
United States Courts of Appeals John Gund Brewing Co. v. U.S., 204 F.17 (8th Cir. 1913) Grand Rapids & I. Ry. Co. v. U.S., 212 F. 577 (6th Cir. 1914) Dollar S.S. Co. v. U.S., 101 F.2d 638 (9th Cir. 1939)
225 76 103
U.S. v. General Motors Co., 121 F.2d 376 (7th Cir. 1941)
96
American Medical Association v. U.S., 130 F.2d 233 (D.C. Cir. 1942)
96
Acme Poultry Corp. v. U.S., 146 F.2d 738 (4th Cir. 1945)
226, 228
Old Monastery Co. v. U.S., 147 F.2d 905 (4th Cir. 1945)
105
U.S. v. George F. Fish, Inc., 154 F.2d 798 (2nd Cir. 1946)
93
Holland Furnace Co. v. U.S., 158 F.2d 2 (6th Cir. 1946) U.S. v. Parfait Powder Puff Co., 163 F.2d 1008 (7th Cir. 1947) U.S. v. Armour & Co., 168 F.2d 342 (3rd Cir. 1948) Inland Freight Lines v. U.S., 191 F.2d 313 (10th Cir. 1951) Magnolia Motor & Logging Co. v. U.S., 264 F.2d 950 (9th Cir. 1959) Continental Baking Co. v. U.S., 281 F.2d 137 (6th Cir. 1960)
103 93 104 97 96 100
Rechtsprechungsverzeichnis U.S. v. American Stevedores, Inc., 310 F.2d 47 (2nd Cir. 1962) Standard Oil Co. of Tex. v. U.S., 307 F.2d 120 (5th Cir. 1962) Steere Tank Lines, Inc. v. U.S., 330 F.2d 719 (5th Cir. 1963)
817 96 75, 76, 105 100, 105
Minnesota Mining & Manufacturing Co. v. Platt, 345 F.2d (7th Cir. 1965)
225
U.S. v. Hughes, 413 F.2d 1244 (5th Cir.1969)
230
U.S. v. American Radiator & Sanitary Corp., 433 F.2d 174 (3rd Cir. 1970) Texas-Oklahoma Express v. U.S., 429 F.2d 100 (10th Cir. 1970)
99, 100, 104 76
U.S. v. R. L. Polk & Co., 438 F.2d 377 (6th Cir. 1971)
198
U.S. v. Atlantic Richfield Co., 465 F.2d 58 (7th Cir. 1972)
118
U.S. v. Manufacturers’ Association of Relocatable Building Industry, 462 F.2d 49 (9th Cir. 1972)
230
U.S. v. Hilton Hotels Corp., 467 F.2d 1000 (9th Cir. 1972) U.S. v. Dye Construction Co., 510 F.2d 78 (10th Cir. 1975)
76, 84, 100, 103 89
U.S. v. Sherpix, Inc., 512 F.2d 1361 (D.C. Cir. 1975)
224
Apex Oil Co. v. U.S., 530 F.2d 1291 (8th Cir. 1976)
89
U.S. v. Clovis Retail Liquor Dealer Trade Association, 540 F.2d 1389 (10th Cir. 1976) U.S. v. Cadillac Overall Supply Co., 568 F.2d 1078 (5th Cir. 1978)
118 103 f., 105
Diversified Industries, Inc. v. Meredith, 572 F.2d 596 (8th Cir. 1978)
257
U.S. v. Keuylian, 602 F.2d 1033 (2nd Cir. 1979)
118
U.S. v. Beusch, 596 F.2d 871 (9th Cir. 1979) U.S. v. Amored Transport, Inc., 629 F.2d 1313 (9th Cir. 1980)
103, 106 228
U.S. v. Yellow Freight Systems, Inc., 637 F.2d 1248 (9th Cir. 1980)
225, 228
Federal Trade Commission v. TRW, Inc., 628 F.2d (D.C. Cir. 1980)
252
U.S. v. Cincotta, 689 F.2d 238 (1st Cir. 1982) U.S. v. Troxler Hosiery Co., 681 F.2d 934 (4th Cir. 1982) U.S. v. Mitsubishi International Corp., 677 F.2d 785 (9th Cir. 1982) U.S. v. Basic Construction Co., 711 F.2d 570 (4th Cir. 1983)
89 198, 228 118 87, 103, 106
U.S. v. John Scher Presents, Inc., 746 F.2d 959 (3rd Cir. 1984)
118
U.S. v. Bi-Co Pavers, Inc., 741 F.2d 730 (5th Cir. 1984)
100
U.S. v. Missouri Valley Constr. Co., 741 F.2d 1542 (8th Cir. 1984) U.S. v. Gold, 743 F.2d 800 (11th Cir.1984) U.S. v. Mobile Materials, Inc., 776 F.2d 1476, (10th Cir. 1985)
89, 118 105 92
818
Anhang
U.S. v. Shortt Accountancy Corp., 785 F.2d 1448 (9th Cir. 1986) U.S. v. Bank of New England, N.A., 821 F.2d 844 (1st. Cir. 1987) Muratore v. M/S Scotia Prince, 845 F.2d 347 (1st Cir. 1988)
96 97, 98 93
Federal Enterprises, Inc. v . Greyhound Leasing & Fin. Corp., 849 F.2d 1059 (8th Cir. 1988)
100
U.S. v. Harford, 870 F.2d 656 (4th Cir. 1989)
118
U.S. v. Twentieth Century Fox Film Corp., 882 F.2d 656 (2nd Cir. 1989) U.S. v. Alamo Bank, 880 F.2d 828 (5th Cir. 1989) U.S. v. Sanchez-Lopez, 879 F.2d 541 (9th Cir. 1989) U.S. v. Penagaricano-Soler, 911 F.2d 833 (1st Cir.1990)
83, 100, 104, 198, 228 92 225 97
U.S. v. Kikumura, 918 F.2d 1084 (3rd Cir. 1990)
204
U.S. v. Mourning, 914 F.2d 699 (5th Cir. 1990)
231
U.S. v. Paccione, 949 F.2d 1183 (2nd Cir. 1991)
98
U.S. v. Louisville Edible Oil Products, Inc., 926 F.2d 584 (6th Cir. 1991)
225
U.S. v. Farm & Home Sav. Ass’n, 932 F.2d 1256 (8th Cir. 1991)
97
U.S v. One Parcel of Land, 965 F.2d 311 (7th Cir. 1992)
89
U.S. v. Investment Enterprises, Inc., 10 F.3d 263 (5th Cir. 1993)
100
U.S. v. Petty, 982 F.2d 1365 (9th Cir. 1993)
230
Cox v. Administrator U.S. Steel and Carnegie, 17 F.3d 1386 (11th Cir. 1994)
105
U.S. v. Schaffer, 66 F.3d 483 (2nd Cir. 1995)
225
Nordstrom, Inc. v. Chubb & Son, Inc. 54 F.3d 1424 (9th Cir. 1995)
97
U.S. v. Sain, 141 F.3d 463 (3rd Cir. 1998)
85
U.S. v. Sun-Diamond Growers of California, 138 F.3d 961 (D.C. Cir. 1998)
90
Three Grand Jury Subpoenas Duces Tecum, 191 F.3d 173 (2nd Cir. 1999)
251
U.S. v. Hanousek, 176 F.3d 1116 (9th Cir. 1999)
68
Dellastatious v. Williams, 242 F.3d 191 (4th Cir. 2001)
296
McCall v. Scott, 239 F.3d 808 (6th Cir. 2001)
296
A.I. Credit Corp. v. Legion Ins. Co., 265 F.3d 630 (7th Cir. 2001) Myers v. Bennett Law Offices, 238 F.3d 1068 (9th Cir. 2001) U.S. v. Arthur Andersen LLP, 374 F.3d 281 (5th Cir. 2002) Tennessee Laborers Health & Welfare Fund v. Columbia/HCA Healthcare Corp., 293 F.3d 289 (6th Cir. 2002)
99 100 261 ff. 257
Rechtsprechungsverzeichnis
819
A.E. Staley Mfg. Co. v. Secretary of Labor, 295 F.3d 1341 (D.C. Cir. 2002)
98
Southland Securities Corp. v. INSpire Ins. Solutions, Inc., 365 F.3d 353 (5th Cir. 2004)
97
U.S. v. Sharpley, 399 F.3d 123 (2nd Cir. 2005) U.S. v. Potter, 463 F.3d 9 (1st Cir. 2006)
195 104, 105
Baena v. KPMG LLP, 453 F.3d 1 (1st Cir. 2006)
105
Berg Chilling Sys., Inc. v. Hull Corp., 435 F.3d 455 (3rd Cir. 2006)
92
U.S. v. McBride, 434 F.3d 470 (6th Cir. 2006)
197
In re Qwest Communications International Inc., 450 F.3d 1179 (10th Cir. 2006)
257
Jurimex Kommerz Transit G.M.B.H et al. v. Case Corp., No. 06-3524, 2007 WL 2153278 (3rd Cir. 2007)
100
U.S. v. Ross, 475 F.3d 871 (7th Cir. 2007)
196
U.S. v. BDO Seiman, LLP, 492 F.3d 806 (7th Cir. 2007)
256
In re Initial Public Offering Securities Litigation, 21 MC 92 (SAS) (S.D.N.Y., 14. Feb. 2008),
738
U.S. v. Textron Inc. and Subsidiaries, 577 F.3d 21 (1st Cir. 2009)
738
U.S. v. Ionia Management S.A., 555 F.3d 303 (2nd Cir. 2009)
733
Whitten v. Fred’s, Inc., 601 F.3d 231 (4th Cir. 2010)
748
Erstinstanzliche Entscheidungen der Bundesgerichte (United States District Courts, United States Bankruptcy Court, United States Court of Federal Claims) U.S. v. John Kelso Co., 86 F. 304 (N.D.Cal. 1898) U.S. v. Correspondence Institute of America, 125 F. 94 (D.C. Pa. 1903) U.S. v. McAndrews & Forbes Co., 149 F. 823 (C.C.N.Y 1906)
94 225 89
People v. Saline County Coal Comp., 206 Ill.App. 266 (Ill.App. 4 Dist. 1917)
224
U.S. v. Wilson, 59 F.2d 97 (W.D. Wash. 1932)
225
U.S. v. United Shoe Machinery Corp., 89 F.Supp. 357 (D.Mass. 1950)
254
U.S. v. Thompson-Powell Drilling Co., 196 F.Supp. 571 (ND Tex. 1961) U.S. v. Mirror Lake Golf & Country Club, Inc., 232 F.Supp. 167 (W.D.Mo. 1964)
104, 105 100
820
Anhang
U.S. v. Interstate Engineering Corp., 288 F.Supp. 402 (D.C. N.H 1967)
225
U.S. v. Greyhound Corp., 363 F.Supp. 525 (N.D. Ill. 1973)
104
U.S. v. T.I.M.E.-D.C., Inc., 381 F.Supp. 730 (D.C. VA 1974)
97
North Am Mortgage Investors v. First Wisconsin National Bank, 69 F.R.D. 9 (E.D. Wis. 1975)
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Abbey v. Control Data Corp., 460 F.Supp. 1242 (D.C. Minn. 1978)
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Webb v. Westinghouse Electric Corp., 81 F.R.D. 431 (E.D. Pa. 1978)
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In re Corrugated Container Antitrust Litigation, 84 F.R.D. 40 (S.D. Tex. 1979)
99
U.S. v. Danilow Pastry Co., 563 F.Supp. 1159 (D.C. NY 1983)
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Granger v. National Railroad Passenger Corp., 116 F.R.D. 507 (E.D. Pa. 1987)
252
U.S. v. Allegheny Bottling Co., 695 F.Supp. 856 (E.D. Va. 1988)
117
U.S. v. LBS Bank-New York, Inc., 757 F.Supp. 496 (ED PA 1990)
103
In re Kidder Peabody Sec. Litig., 168 F.R.D. 459 (S.D.N.Y. 1996)
254
U.S. v. Sun-Diamond Growers of California, 964 F.Supp. 486 (D.D.C. 1997)
89, 105
U.S. v. United Technologies Corp., Sikorsky Aircraft Div., 51 F.Supp.2d 167 (D. Conn. 1999)
97
In re Northgate Computer Systems, Inc., 240 B.R. 328 (Bkrcty. D. Minn 1999)
92
In re Clearwater Bay Marine Service, Inc., 236 B.R. 285 (Bkrcty. M.D. Fla. 1999)
92
U.S. v. Belgarde, 148 F.Supp.2d 1104 (D.Mont. 2001)
91
First Federal Savings Bank of Hegewisch v. U.S., 52 Fed.Cl. 774 (2002) U.S. v. Phillip Morris, Inc., 449 F.Supp.2d 1 (D.D.C. 2006) U.S. v. Ross A. Caputo et al., 459 F.Supp.2d 970 (N.D. Ill. 2006)
99 f. 97, 100 290
U.S. v. Stein, 433 F.Supp.2d 330 (S.D.N.Y. 2006)
239, 251, 259
U.S. v. Stein, 440 F.Supp.2d 315 (S.D.N.Y. 2006)
239, 251, 259
U.S. v. Stein, 495 F.Supp.2d 390 (S.D.N.Y. 2007)
239, 259
In re Vioxx Products Liability Litigation, 501 F.Supp.2d 789 (E.D. La. 2007)
737
Allied Irish Banks v. Bank of America, 240 F.R.D. 96 (S.D.N.Y. 2007)
738
U.S. v. Balsiger, 2010 WL 3239340 (E.D. Wis. 2010), 2010 WL 3239327 (E.D. Wis. 2010)
738
Rechtsprechungsverzeichnis
821
Verfahren vor Bundesgerichten U.S. v. Siemens Aktiengesellschaft, CR-08-367-RJL
2, 3, 4, 5, 7, 8, 182, 291, 298
U.S. v. Siemens S.A. (Argentina), CR-08-368-RJL
3, 7, 8
U.S. v. Siemens Bangladesh Limited, CR-08-369-RJL
3, 7, 8
U.S. v. Siemens S.A. (Venezuela), CR-08-370-RJL
3, 7, 8
U.S. SEC v. Siemens Aktiengesellschaft, case 1:08-cv-02167
2, 3, 5, 298
Entscheidungen von Gerichten der Bundesstaaten People v. Corporation of Albany, 11 Wend. 539 (N.Y. Sup. Ct. 1834)
72
State v. Presnell, 34 N.C. 103 (1851)
64
Commonwealth v. Proprietors of New Bedford Bridge, 68 Mass 339 (1854)
72
Commonwealth v. Raymond, 97 Mass. 567 (1867) State v. Missouri Pacific Railway Comp., 64 Neb. 679 (Neb. 1902) Groff v. State, 85 N.E. 769 (1908)
64 224 68
People v. Rochester Railways & Light Co., 88 N.E. 22 (N.Y. 1909)
113
Western Union Telephone Comp. v. State, 86 Neb. 17 (Neb. 1910)
224
State v. Salisbury Ice and Fuel Company, 166 N.C. 366 (1914) State v. Lehigh Valley Railway Co., 103 A. 685 (N.J. 1917) Vulcan Last Co. v. State, 217 N.W. 412 (Wis. 1928) Commonwealth v. Beneficial Finance Co., 275 N.E.2d 33, (Mass. 1971) Auerbach v. Bennett, 393 N.E.2d 994 (N.Y. 1979) Commonwealth v. McIlwain School Bus Lindes, Inc., 423 A.2d 413 (1980) Granite Construction Co. v. Superior Court, 149 Cal.App.3d 465 (1983) Aronson v. Lewis, 473 A.2d 805 (Del. 1984)
73 113 76 76, 89, 94 295 95 95, 112 265
People v. Quinn, 487 N.W.2d 194 (Mich.1992)
65
State v. Roche, Inc., 511 N.W.2d 195 (Neb.App. 1994)
76
People v. Lardie, 551 N.W.2d 656 (Mich.1996)
65
In Re Caremark International Inc. Derivative Litigation, 698 A.2d 959 (Del. Ch. 1996)
295 f., 315 f., 597
State v. Granier, 765 So.2d 998 (2000)
65
Brownsburg Community School Corp. v. Natare Corp., 824 N.E.2d 336 (Ind. 2005)
91
822
Anhang
Stone v. Ritter, 911 A.2d 362 (Del. 2006)
296
In Re Walt Disney Co. Derivative Litigation, 906 A.2d 27 (Del. 2006)
296
Ryan v. Gifford, 918 A.2d 341 (Del. Ch. 2007)
738
Regents of the University of California v. Superior Court of San Diego County, 165 Cal.App.4th 672, 81 Cal.Rptr.3d 186 (2008)
738
Englische Entscheidungen Anonymuous Case (No. 935), 88 Eng.Rep. 1518 (K.B. 1701)
71
R. v. Birmingham & Gloucester Railway Co. (1842) 3 Q.B. 223
71
R. v. Great North of England Railway Co. (1846) 9 Q.B. 315
71
Lennard’s Carrying Co Ltd v Asiatic Petroleum Co Ltd [1915] AC 705
73
Moore v. Bresler [1944] 2 All E.R. 119
73
R. v. ICR Haulage Ltd. [1944] K.B. 551
73
DPP v. Kent and Sussex Contractor Ltd. [1944] 1 All E.R. 119
73
Tesco Supermarkets Ltd. v. Nattrass (1972) AC 153
73
Meridian Global Funds Asia Ltd. v. Security Commission (1995) 2 AC 500
73
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Sach- und Personenverzeichnis –A– Abgabe 452 Abgrenzung – Ordnungswidrigkeit und Straftat 327, 328 Ablehnungsgründe 472 Abschlussprüfung 505 Abschöpfung – Bundesrecht (USA) 220 – de lege ferenda 666, 686, 750 – Rechtsvergleichung Deutschland – USA 571 – sentencing guidelines 183 – Unternehmensgeldbuße 344, 374, 416, 431, 433, 436, 462 – Sanktionszweck 666 – Verfall 337, 420, 749, 766 Abschreckung – allgemeine Strafzumessung 117, 123 – Begründung Unternehmensstrafbarkeit 82 – de lege ferenda 661 ff., 692 – due diligence defense 103 – Entwürfe der sentencing guidelines 130, 133, 139
– Rechtsvergleichung Deutschland – USA 541 ff. – Sanktionen 657 – sentencing guidelines 145, 151, 157, 206, 211, 213 f. – Wettbewerbsdelikte 184 Absehen von Strafe 450, 451 Absprachen – Deutschland 465, 765 – Rechtsvergleichung Deutschland – USA 580 – USA ĺ plea agreements Abweichungen vom Strafrahmen 179 ff., 567, 744 ĺ siehe auch departures acquis communitaire 676 actual authority 100 acts of misfeasance 72 acts of nonfeasance 72 actus reus 62 – des handelnden Mitarbeiters 95 f. Adhäsionsverfahren 574, 702 Ad Hoc Advisory Group 145
– Kartelldelikte 184, 432
Adressat 354, 667 f., 765
– ökonomische Theorie des Rechts 132
adversatorisches System 229
– rechtstatsächliche Befunde 277 ff., 661
Änderungen (sentencing guidelines) 144 Änderungsrecht 127
914
Anhang
Äquivalent, funktionales 531, 539 Ahndung – Unternehmensgeldbuße 433 – ~ von Verstößen im Rahmen des Compliance-Programms 173 f.
– USA 225, 231 f., 237, 238 f., 242, 244, 261 ff. – ~verfahren 532 Anknüpfungstat – de lege ferenda 684 f., 704, 723, 727
aiding and abetting 110
– Deutschland 385, 399, 430
Aktiengesellschaft 386, 390, 498, 782
– Rechtsvergleichung Deutschland – USA 551
Aktienkurs 278
– ~ und Bereicherung 418
Aktienrecht 499, 772
– ~ und Pflichtverletzung 416
Aktienverwässerung 370, 702
– ~ und Stellung des Mitarbeiters 408
Akzessorietät 399, 552
– USA 94
Allgemeindelikte 415, 420
Anlagen, Betrieb bestimmter 425
Allgemeine (Rechts-)Grundsätze 15
Anordnung
Allgemeines Persönlichkeitsrecht 760 alter ego theory 73 Alternativverhalten 439 Altzinkprozess 322 Alwart, Heiner 357, 365
– ~ der Beteiligung 470 f., 481, 482 – gerichtliche ~ 161 Anrechnung – ~ anderer Sanktionen 142 f. – ~ von Strafen der Mitarbeiter 142 Anreize
American Bar Association 252, 258
– Durchsetzung von Macht 609
American Law Institute 112, 295, 313 f.
– Förderung von ~n 173 f., 653 f., 787 f.
American Stock Exchange 306 Amnestie 4, 453, 455, 473, 758 Amtsgericht 471 Amtspflichtverletzung 428
– positive ~ 283 f., 651, 654 Anreizwirkung 82 ff., 102, 214, 216 f., 284
Analogie 510
Anteilsverwässerung ĺ Aktienverwässerung
Analogieverbot 395, 754
Antitrust Division 300
Anfangsverdacht 521, 706
Antitrust Division Guidelines 300
Angestellte 67, 92
Antrag der Staatsanwaltschaft 181, 204
Anhörung 470, 481, 482
Anwalt 474, 738, 758 f., 762 f.
Anklage
Anwalts- und Beratungsgeheimnis
– Deutschland 470 – ~eröffnung 299
– Deutschland 762
Sach- und Personenverzeichnis – USA ĺ attorney-client privilege
Audit Committee 173, 234, 257, 292, 306
Anwaltsverein 252
Aufbewahrungspflicht 507
Anzeige 173
Aufdeckung
Anzeigepflicht 478 f., 761 AOL, Inc. 265 apparent authority 100 Akquisition 604 ARAG/Garmenbeck 509, 615
– Anküpfungstat (gegenüber Ermittlungsbehörden) 139 – Verstöße (Compliance-Programm) 174, 218, 711, 734 Aufdeckungswahrscheinlichkeit 132, 133, 216, 300
Arbeit, gemeinnützige 372 ĺ siehe auch community service
Aufgaben, hoheitliche 682
Arbeitsdienst ĺ community service
Aufklärung
Arbeitgeber 67, 92
Aufgabenkreis 411 – ~ der Straftat 234 f., 694 – Epoche der ~ 320, 536, 601
Arbeitsgruppe 137
Aufklärungspflicht 479
Arbeitskreis 780
Auflagen
Arbeitsrecht 473, 514, 758, 775, 781
– Bewährungsauflagen 185
Arbeitssicherheit 304, 415
– Compliance-Programm 464
Arbeitsteilung 333, 624 Arbeitsvertrag 473, 476, 626, 679 Arthur Andersen LLP 261 ff. Arzneimitteldelikte 147, 155, 780 Ashcroft-Memorandum 233 asset forfeiture 221 attorney-client privilege 253 ff., 737 f. – Rechtsvergleichung Deutschland – USA 585 – sentencing guidelines 176, 235, 238 f. – Strafverfolgung 235, 238 f., 737 – Verzicht auf das ~ 256, 738 Attorney-Client Privilege Protection Act 240
915
– de lege ferenda 697 – Einstellung gegen ~ 242 ff., 264 f., 460, 464, 739 – Rechtsvergleichung Deutschland – USA 583 Auflösung 92, 220, 359, 426, 678, 682, 696, 725 Aufsicht 510, 653, 787 f. – ~ der Unternehmensleitung 169, 398, 415 – ~sbehörde 386, 503 – ~smaßnahme 380 – ~spflichtverletzung 398, 401, 402 ff., 414, 615, 773 – ~srat 393, 473, 501, 508, 783 – ~sversagen 366
916
Anhang
Aufzeichnungen 478 Ausdifferenzierung 531, 636 f., 781 Ausgleichsfunktion 615 Ausländisches Recht 618 auslandsrechtliche Darstellung 13 f., 34 Auslandstat 398, 451, 684 f. Auslegung – § 30 OWiG 399 – rechtsvergleichende ~ 17 – und Compliance ~ 771 – verfassungskonforme ~ 755 Aussageverweigerung 250 f., 472 ff., 759 Außenwirtschaftsrecht 340, 781 Ausschluss von öffentlichen Aufträgen 220, 305, 371, 426, 701 Australien 618, 687, 711 Autopoietisches System 649, 667 Autorität 609 –B– Backes, Otto/Lindemann, Michael 521
Bedeutung der Ordnungswidrigkeit 434 ff. Befragung 489, 757 f. Begrenzung der Zurechnung 554 Begründung – Festsetzung der Strafe (USA) 118 – Unternehmensstrafbarkeit (Deutschland) 350 – Unternehmensstrafbarkeit (USA) 81 behavorial law and economics 648 Behinderung der Justiz 262 f. Beiziehung von Akten 479 Bekanntmachung der Verurteilung ĺ Veröffentlichung der Sanktion Belgien 618 Benachrichtigung der Ermittlungsbehörden 162 benchmarking 30 bench trial 228, 276 Benson, Michael L. 284 Bentham, Jeremy 131
BaFin 512, 615, 695, 771, 776, 783
Beratungsgeheimnis, anwaltliches 477 ĺ siehe auch attorney-client privilege
Bagatellsache 448, 634
Bereicherung 411, 417, 555
Bande 611
Berichtspflicht 501, 696, 757, 777 f.
Bankensektor 780, 781, 786
Berle, Adolf A. 45, 605
base fine ĺ Grundbetrag
Berliner Stahlhändlerprozess 322
Basiswert 144 Bauindustrie 512
Bertelsmann-Lesering-Entscheidung 323, 353
Bayern 768
Bertelsmann-Stiftung 515
Beauftragter 394, 504, 506, 517, 751
Besatzungsrecht 538
Becker, Gary S. 131
Beschäftigungsverhältnis 99, 554 f., 685
Berufsfreiheit 678
Sach- und Personenverzeichnis Beschlagnahme 478 f., 762 Beschuldigter 467, 477, 762 Bestandserhaltung 184 Bestandsrisiken 610 Bestechung 286, 287, 335, 434, 755, 767
917
Bewährung, Aussetzung der 373, 697, 724 Bewährungsstrafe (USA) 185 ff. – Art 187 – Auflage 187 – Bewertung 213
Bestechungsdelikte 184, 372
– Compliance-Monitor 188
Bestellungsakt 390, 395
– Compliance-Programm 187 f., 736
best practices 142, 164, 512, 775, 780
– community service 187
Bestimmtheitsgrundsatz 755
– Durchsetzung monetärer Strafen 187
Bestimmung der Strafe 177, 567
– Entwürfe der sentencing guidelines 134 f., 138
Bestrafung natürlicher Personen 86, 623
– Fehlen eines ComplianceProgramms 186, 736
Betätigungserlaubnis 424
– Förderung der Tat 186
Betäubungsmitteldelikte 495
– Fortschrittsberichte 188
Beteiligung – ~ oder Tolerierung der kriminellen Aktivität 160
– gesetzliche Regelung 124 – historische Bedeutung 117 – Nichterfüllung der ~ 189
– Führungsperson 160, 162, 217, 735, 744
– Rechtsvergleichung Deutschland – USA 570
– Mehrheit von Mitarbeitern 443
– Reform des Unternehmens 187, 736
– Öffentlichkeit 137
– Statistik 275, 746
Beteiligungslehre 627 Beteiligungsregel 380 Betrieb 345, 394
– Verhältnis zu anderen Sanktionen 219 – Veröffentlichung 154, 187 ff., 213 – Voraussetzungen 186, 736
– ~sablauf 369
– Wiedergutmachung 153, 186
– ~sausgabe 433
– Wiederholungstat 186
– ~sbezogene Pflichten ĺ Pflichten
– Zweck 186
– ~sklima 695 ĺ siehe auch Unternehmensklima – ~sstilllegung 359, 368, 664, 700 Betrug 287, 417, 453 Betrugsdelikte 137, 155, 221, 267
Bewährungszeit 698 Beweis – Abkürzung Beweisaufnahme 466 – Beweisantrag 470 f., 482, 485 – Beweisfragen 471, 485, 704, 737 f., 763
918
Anhang
– Dokumente 176, 474, 477 f.
bounded rationality-Theorie 648
– Schwierigkeiten Beweiserhebung 65, 81, 330, 401, 624 ff.
Bristol-Myers Squibb Co. 265
– Standards 180, 192, 229 ff., 485 – Zeugen 472 Bewerber 170 Bewertung – sentencing guidelines ĺ ~ (sentencing guidelines) – Strafverfolgungsrichtlinien 240 Bewertung (sentencing guidelines) – Compliance-Programme 199 f., 214 ff. – Gewaltenteilung 191 – Kompatibilität mit Voraussetzungen der Unternehmensstrafbarkeit 208 – Strafen 212 ff., 219 – Unternehmen 198, 208 ff. – verfassungsrechtliche ~ 190 beyond reasonable doubt 180, 192, 229 ff. Bilanzeid 293, 498 Bilanzprüfung 778 Billigung – Behörden 432 – Vorgesetzte 100, 435 – Vorschriften 432 BilMoG 46, 502 Binnendifferenzierung 636 f. board of directors 112, 295
Bruttoprinzip 339, 341, 422, 437, 699, 749 BSR-Urteil 405, 750 Buchprüfer 394 Bürger 637 Bundesamt für Justiz 428, 699, 785 Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel 497, 503 Bundesbehörden 119, 219, 296 Bundesgerichtshof 322, 509, 750, 753 Bundeskartellamt 491, 512 ĺ siehe auch Kartellbehörden Bundeskriminalamt 507 Bundeslagebild Wirtschaftskriminalität 488 Bundesministerium der Finanzen 504 Bundesministerium der Justiz 33, 46, 324, 750 Bundesrechtsanwaltskammer 764 Bundesregierung 628 Bundesrichter 227 Bundesstaaten – Reform der Strafzumessung 122 – strafrechtliche Verantwortlichkeit 111 – Strafverfolgung 284 – Strafzumessung 222
Börse 305
Bundesstrafgesetzbuch 77, 94, 107
Börsennotierung 769
Bundestag 324
Bonusregelung 432, 462
Bundesverfassungsgericht 323, 475, 632, 634 f., 637, 662, 670, 749, 756
Boston Tea Party 307
Sach- und Personenverzeichnis Bundesverwaltungsgericht 323
919
– SEC 298 f.
Bundeszentralregister 624
Coffee Jr., John C. 577
Bush, George W. 57, 79
collective entity-Doktrin 249
business ethics 287, 602
collective knowledge-Doktrin 97, 105, 553
business judgment rule 295, 500, 772 Business Social Compliance Initiative 513
commerce clause 59 common law
Bußgeldbescheid 483, 486
– attorney-client privilege 254
Bußgeldfestsetzung 483
– Bundesrecht 57
Bußgeldrahmen 433, 755 Bussmann, Kai D. 280, 281, 489, 519 f., 592 f., 612 –C–
– Bundesstaaten 111 – Deliktsrecht 66 – public welfare offenses 64 – Strafrechtssystem 57, 111, 201 – Strafzumessung 206
CAFRA 221
– Unternehmensstrafbarkeit 618
California Corporate Criminal Liability Act 223
– Voraussetzungen der Verantwortlichkeit 62
carrot and stick 140 case law 57, 119, 528 causation 63 Chaplin, Charlie 672 charge bargaining 128, 245 China 618 Citigroup 264 Civil Asset Forfeiture Reform Act 221 civil law 618 class action 293 Code of Conduct ĺ Code of Ethics Code of Ethics 279 f., 282 – Börsen 305 f. – Definition 44 f. – FCPA 286 – Sarbanes-Oxley Act 279, 292, 306
community service 117, 153, 186 Compliance – Aktienrecht 499, 772 – Abgrenzung zu anderen Bereichen 52 ff. – Auschluss von Verantwortlichkeit 596, 654 – Behörden 296, 511, 653 f. – Begriff 40 ff. – Business Social Compliance Initiative 513 – Criminal ~ 782 – Definition 43 – Deutscher Corporate Governance Kodex 47 ff. – Entwicklung (Deutschland) 496, 770 – Entwicklung (Rechtsvergleichung) 590 – Entwicklung (USA) 285, 307, 311, 747
920
Anhang
– Grenzen 718, 776
Compliance-Bericht 763
– gesetzliche Berücksichtigung 290, 499, 597
Compliance-Committee 169
– Grundstrukturen 593 – Honorierung 595, 655
Compliance-Funktion 504, 771 Compliance-Handbuch 45, 171
– Institutionalisierung 771 ff.
Compliance-Hotline 715
– Kreditwesen 502
Compliance Investigation 473, 756 ff., 776 ĺ siehe auch Untersuchungen, interne
– private Institutionen 594 – rechtstatsächliche Befunde 279 ff., 768 – Rechtsvergleichung Deutschland – USA 527, 556, 590 – regulierte Selbstregulierung 311, 647, 649 ff. – Sachfragen von ~ 54 – Sanktionierung 595 f. – Sanktionsrecht 654 – Selbstregulierung 594, 601 ff.
Compliance-Kodex 713 Compliance-Kommission 652 Compliance-Management-System 778 Compliance-Manager 169, 215, 279, 301, 405, 714, 750, 769, 881, 774 f. Compliance-Manual ĺ Compliance-Handbuch Compliance-Maßnahme
– staatliche Unterstützung 594
– Definition 44
– Untreue 774
– sektorale ~ 402
– USA 307
Compliance-Monitor 188, 266, 696, 739
– Verfall 341 – Verpflichtung zu ~ 644, 772
Compliance-Officer 405, 750, 777, 783 ĺsiehe auch Compliance-Manager
– Verwaltungsrecht 653
Compliance-Pflicht 510, 644, 772
– verwandte Bezeichnungen 42 – Wertpapierhandelsrecht 503, 770, 776 – Wirksamkeit 518 – Zivilrecht 293, 499, 651
Compliance-Programm – Änderung der sentencing guidelines 146 f., 164, 733 – anwaltliche Beratung 253, 255 – Arbeitssicherheit 304
Compliance-Abteilung 279, 442, 769, 777, 783
– Aufdeckung von Straftaten 174, 218
Compliance-Anwalt 215, 294, 735, 737
– Auswirkung auf Geldstrafe 162 ff., 179, 215, 693 f.
Compliance-Audit 172 Compliance-Auflage 464 Compliance-Beauftragter 394, 504, 506 Compliance-Berater 735
– Aufsichtspflichtverletzung 402
– Auswirkung auf betriebsbezogene Pflichten 419 – Auswirkung eines fehlenden ~ 179, 186
Sach- und Personenverzeichnis
921
– Auswirkung im Rahmen der Mitarbeitertat 98, 402
– Rechtsvergleichung Deutschland – USA 554, 556
– Bedeutung bei der Strafverfolgung 233 ff., 236 ff., 244, 263, 739 ff.
– regulierte Selbstregulierung 650, 685
– Bedeutung im gerichtlichen Verfahren 269
– Risikoanalyse 713
– Berücksichtigung trotz fehlender Effektivität 179, 694
– Sanktionsbemessung 440
– Bewährungsstrafe 186, 736 – Börsen 305 f.
– Sanktionierung von Vorfällen 717 – SEC 298 f. – Selbststeuerung 674
– Datenschutz 718, 776
– sentencing guidelines ĺ Compliance- und Ethikprogramm
– Definition 44, 721
– Statistik 269, 279, 742
– de lege ferenda 711, 721
– Strafzumessung bei natürlichen Personen 290
– discovery privilege 218 – Effektivität 141, 146, 441
– Täterschaft kraft Organisationsherrschaft 405
– Energiebereich 304
– Umweltdelikte 302
– Entfallen des Vorsatzes 105
– Unterlassungsdelikte 404
– Entwürfe der sentencing guidelines 133, 137 f., 141, 143
– Unternehmensgeldbuße 402, 419, 440, 463
– Ethik 146 f., 164, 774
– Verbesserung des ~ 718
– Evaluierung 718, 784
– Verbreitung 214 f., 279, 592
– Fahrlässigkeitsdelikte 406
– Verfahren bei Vorfällen 717
– FCPA 290 f., 303 f.
– Verfall 341, 422
– Geldwäsche 301
– Vergabe öffentlicher Aufträge 305
– Grenzen 718, 776
– Vermittlung von Standards 714
– gesetzliche Berücksichtigung 290, 499
– Verpflichtung zur Errichtung 644
– Gesundheitsbehörde 303
– Wertpapierrecht 298 f.
– Kartellrecht 285 f., 300 f.
– zivilrechtliche Haftung 295 f., 748
– Kommunikation 170, 714
– Zusammenhang Anknüpfungstat und Stellung des Mitarbeiters 411
– due diligence defense 101
– Kontrollen 716
– Vorsatzdelikte 406
– litigation dilemma 218
Compliance-Richtlinie 497, 503, 512, 736, 777
– Offene Fragen 783
Compliance-Sanktion 656, 695
– Opportunitätsprinzip 463
Compliance-Screening 715
– Kosten 216, 288
922 Compliance-Standards 167, 780 Compliance-Strafe 695, 725, 736 Compliance-Struktur 713 Compliance- und Ethikprogramm 162 ff. – Änderungen 146 f., 164, 733 – Ahndung von Verstößen 173 – allgemeine Vorgaben 165 – Anreize 173, 214, 216 – Audit Committee 173 – Aufsicht 169 – Ausschlussgründe 162, 735
Anhang – Kooperation mit Ermittlungsbehörden 734 – Mitarbeitergespräch 171 – Motivierung 170 – Nachtatverhalten 734 – Ressourcen 169 – Risikoanalyse 166 – Selbstanzeige 734 – Statistik 269, 279, 742 – Training 170 – Überarbeitung des ~ 174, 734 – Überprüfung 171, 174 – Überwachung 169, 171
– Benachrichtigung der Ermittlungsbehörden 162
– Untersuchungen, interne 171 f.
– Beteiligung einer Führungsperson 162, 169, 271, 733, 735 f.
– Verhaltensrichtlinie 167
– Verfahrensabläufe 167
– Bewährungsstrafe 186, 188, 733, 736
– Vermittlung von Standards 170
– Bewertung 199 f., 214 ff.
– Wiedergutmachung 734
– Booker-Urteil 199 – Compliance-Audit 172 – Compliance Committee 169 – Compliance-Handbuch 171 – Compliance-Manager 169 – Compliance-Standards 167, 170 – Effektivität 141, 146, 163, 174 – Einfluss auf die Festlegung der Strafe 179 – Einstellung qualifizierten Personals 166 ff. – Einzelkriterien 166 ff. – Ethik 164 – Evaluierung 171, 173 f., 734 f. – Flexibilität 164 – Größe des Unternehmens 162, 271 – industriespezifische Praktiken 166
– Whistleblower-Hotline 172 f. Compliance-Verantwortlicher 714 Compliance-Vorstand 714, 735 Comprehensive Crime Control Act 121 conspiracy 68 constructive coporate liability-Modell 111 Controlling 53 cooperation bargaining 248 Corporate Citizenship ĺ Corporate Social Responsibility Corporate Code of Conduct 167 ĺ siehe auch Code of Ethics Corporate Code of Ethics 167 ĺ siehe auch Code of Ethics corporate death penalty 155, 543, 664
Sach- und Personenverzeichnis Corporate Defense Attorney Working Group 137
culpability score ĺ Schuldwert
corporate ethos theory 109 Corporate Governance 45 ff., 785 – Begriff 45
–D– Dänemark 618
– Börsen (USA) 306
Daimler 749, 756
– Deutscher Corporate Governance Kodex 45 ff., 785
Dannecker, Gerhard 366
– Empfehlungen des ALI 295 – öffentliche Unternehmen 785
923
Datenschutz 301, 718, 757, 761, 775 f., 779, 781
– Strafrecht 314 f.
DCGK ĺ Deutscher Corporate Governance Kodex
– USA 307, 312, 314 f.
Debevoise & Plimpton LLP 3
– rechtstatsächliche Befunde 515, 519
Corporate Manslaughter and Corporate Homicide Act 74 corporate policy-Modell 110 corporate probation ĺ Bewährungsstrafe (USA) Corporate Social Responsibility 49 ff., 288, 785
defenses – natürliche Personen 68 – Unternehmen 106 deferred prosecution agreement 243 Definitionsmacht 608 Delaware 295
– Begriff 49
Delaware-Effekt 316
– rechtstatsächliche Befunde 515
Delegation 625, 783
– Selbstregulierung 603 f.
Deliktsneigung 613
corporate spirit 609 corporate veil 625
Deliktsrecht 66, 75, 293, 508, 539, 611, 651 f.
corporation 91
Deloitte & Touche 3
Corpus Iuris 57, 620
Demokratie 672
Cramer, Peter 449
Demokratieprinzip 532
Criminal Compliance 782
Demoralisierung 171
Criminal Fine Enforcement Act 121
Department of Defense 287
criminal purpose organization 154, 212
Department of Justice 137, 291, 300, 747
Cross Compliance 41 Cullen, Francis T. 284
Department of State 303 departures
924 – Auswirkung Booker-Urteil 183, 248, 744 – Beschränkung 182 – natürliche Personen 128 – heartland ~ 181, 197
Anhang Dienstanweisungen 232 DIN-Norm 407 director 112, 295 disclosure program 286, 300
– identified ~ 180
discovery privilege 183
– Statistik 272, 744
disgorgement 183, 220
– unidentified ~ 181
Diskriminierung 294
– Unternehmen 177, 179 ff. Deregulierung 646 deterrence ĺ Abschreckung deterrence trap 213 determinate sentencing 121, 560 Deutsche Corporate Compliance Kommission 652 Deutscher Corporate Compliance Kodex 652, 657, 783 Deutscher Corporate Governance Kodex 45 ff., 785
Diskurs, wissenschaftlicher 529, 781 Dispositivität 651 district court 227 district judge 227 District of Columbia 113 Disziplinarmaßnahme 173 f. Diversion – de lege ferenda 706 – USA 203, 241 ff., 739 doctrine of identification 73
– Begriff 45
Dodd-Frank Wall Street Reform and Consumer Protection Act 747
– Compliance 47 f., 512
Dogmatik 15, 17
– Entsprechungserklärung 502, 512 – öffentliche Unternehmen 785 – Rechtsnatur 47 – regulierte Selbstregulierung 648, 652 – Risikomanagement 47 Deutscher Corporate Investigation Kodex 764 Deutscher Juristentag 324 Deutsches Reich 321 Devisenrecht 322 Denzentralisierung 624 f. Diebstahl 409
Dokumentationspflicht 479, 505, 507, 625, 706 Doppelbestrafung – de lege ferenda 679 – Deutschland 330, 350, 360, 458 – Rechtsvergleichung Deutschland – USA 582 – USA 219, 222, 225 Doppelstruktur 378 f. Doppelverteidigung 468 Doppelwirkung 668 double jeopardy ĺ Doppelbestrafung
Sach- und Personenverzeichnis Dritteigentümer 469
Eigentumsfreiheit 678
Drittverfall 341, 422
Eignung 634
Drittwirkung, mittelbare 474
Einfluss, politischer 207
Drogendelikte 221
Eingriff
dual sovereign doctrine 225 due diligence 101, 165 due diligence defense – Compliance-Programm 101 – Recht der Bundesstaaten 113
– ~ in Grundrechte 678, 700 – ~ in das Unternehmen 368, 700 – ~ in Rechte der Mitarbeiter 757 Einkauf 782 Einmaligkeit der Strafverfolgung 452
due process-Rechte 199
Einpersonengesellschaft 389
Dunkelziffer 281, 488
Einspruch 483 f.
duress 69
Einstellung ĺ siehe auch Einstellung des Verfahrens
Durchsetzung Strafanspruch 184 Durchsuchung 478, 762 –E– East India Trading Company 307 Effektivität – Berücksichtigung des ComplianceProgramms trotz fehlender ~ 179, 441, 464 – Compliance-Programm 141, 146, 163, 174, 441, 464, 748 – sentencing guidelines 145 – Kriterien der ~ (ComplianceProgramm) 163 ff. Effizienz 150 Ehrbarer Kaufmann 786 Ehrdelikte 427 Ehrfähigkeit 354, 358 Ehrhardt, Anne 35 Eidam, Gerd 449 Eigeninitiative 171
925
– ~ des Geschäftsbetriebs 425 – ~ qualifizierten Personals 169 Einstellung des Verfahrens – Auslandstat 451 – Compliance-Auflage 464 – de lege ferenda 656, 706 – Deutschland 447 ff., 460 – ~ gegen Auflagen 242, 264 f., 449, 460, 464, 702, 707, 726, 729, 737, 739 – geringe Schuld 448 – Rechtsvergleichung Deutschland – USA 582 – USA 242, 739 ff. ĺ siehe auch Diversion – zwingende Vorschriften 447 Einstufung, sozial-ethische ĺ Unwerttadel Einzelkaufmann 389 Einzelfallgerechtigkeit 205, 616
926
Anhang
Einziehung 342, 367, 408, 422, 467, 469, 480, 494, 571, 699, 725, 728 Eisenbahnbau 74 Emittenten-Compliance 504 Empirische Untersuchungen ĺ rechtstatsächliche Befunde und Statistik Energierecht 781 Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten 475, 478
Erfolgshaftung 399 Erkennbarkeit 407 Erkenntnisinteresse (Rechtsvergleichung) 13 ff., 23 ff. Erlaubnis 424 Ermessen – Anklagebehörde (USA) 119, 203, 231 f., 244 – Bußgeldbehörde 484 – Gericht (allgemein) 120
Energiebehörde 304
– Gericht (sentencing guidelines) 178, 182, 187, 189, 195, 196, 201 ff., 745
Englisches Recht
– Geschäftsleitung 761, 772
– common law 57 – Compliance 711 – Unternehmensstrafrecht 71 ff., 534, 636, 675 Enron 1, 46, 79, 168, 261 f., 283, 314, 625
– Unternehmensgeldbuße 459, 472, 484 Emissionshandel 514 Entwicklungsoffenheit 659 Ermittlung
Entindividualisierung 672
– interne ~ ĺ Untersuchungen, interne
Entlassung 664, 701
– ~ des Täters 625, 704, 756
Entschädigung 652
Ermittlungsaufwand 461
Entscheidungsmacht 608
Ermittlungsbehörden
Entsprechungserklärung 502 Entwurf (sentencing guidelines) – erster ~ 133 – zweiter ~ 135 – dritter ~ 139, 143 Entzug
– Kooperation mit ~ (sentencing guidelines) 174 – Kooperation mit ~ (Siemens) 8, 473 – Verfolgungspraxis 587 Ermittlungstaktik 450 Ernst&Young 490, 516 f., 520
– erlangte Vorteile 431
Ersatzansprüche 340, 422, 439
– Lizenzen, Erlaubnisse, Genehmigungen 368, 464, 700
Ersatzvornahme 424
equity fine 219, 370, 702 Erforderlichkeit 634
erweiterter Verfall 340 Ethik 50, 51, 146, 312, 602 f., 711 f., 776, 786
Sach- und Personenverzeichnis Ethikprogramm 51 ĺ siehe auch Compliance- und Ethikprogramm Ethik- und Compliance-Manager ĺ Compliance-Manager Euler Hermes 490 Europäische Gesellschaft 386, 391 EuGH 476, 621 Europäische Gemeinschaft 619 Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte 475 Europäische Wirtschaftsvereinigung 387, 391 Europäische Union 619 Europarat 622 Europarecht 335, 348, 496, 502 f., 507, 619 ff., 754 Evaluierung – Compliance-Programm 171, 173, 718, 729, 734 f., 784 – externe ~ 173, 735, 784 – OECD 755 Experten, externe 187, 515, 756, 784 Expertengruppe 145 Exterritorialität 455, 732 Exxon 148
faktische Organstellung 346, 395 Faktoren – Berechnung des Strafrahmens 176 – individuelle ~ 204 – kriminogene ~ 612 – strafzumessungsrelevante ~ 178 FBI 226 f. Federal Financial Institutions Examination Council 302 Federal Probation Act 117 Federal Rules of Criminal Procedure 224 Federal Trade Commission 301 Feeney-Amendment 182 Ferrostaal 749, 756, 767 Feuerbach, Paul Johann Anselm von 660 Flowtex 2, 625 FCPA ĺ Foreign Corrupt Practices Act Fiktionstheorie 320 Filip-Memorandum 235, 240, 242, 244 f., 247 Finanzbehörden 302, 322 Finanzberichterstattung 514 Finanzbranche 307
Exzesstat 409 –F– Fachwissen 608 fact bargaining 203, 246 Fahrlässigkeit 406, 627, 687 fair trial 760 faktische Macht 607 f.
927
Finanzcontrolling 394 Finanzkrise 316, 786 Finanzlage 187 Finanzmarktrichtlinie 503 Finnland 618 Firma 640, 753 Firmenpolitik 100, 102 Flexibilität 141, 164
928
Anhang
food and drug offenses 147, 155 forfeiture 220
gebotene Sorgfalt ĺ due diligence Gefährdungshaftung 675
Foreign Corrupt Practices Act 3, 98, 286, 288, 290, 303 f., 310, 732, 739
Gefahrenabwehr 357
Foreign Trade Association 513
Gefahrenvorsorge 357
Forensic Services 474
Gegenstand der Untersuchung 32 ff.
Frankreich 618 f., 621, 684, 704
Gehaltskürzung 473
Freier, Friedrich von 658, 758
Geheimhaltung 218, 738, 741
Freiheit 599, 607
Geldbuße ĺ siehe auch Unternehmensgeldbuße
Freiheitsstrafe (USA) 124 Friedman, Milton 57 Frisch, Wolfgang 18 Führungsebene 168 Führungsperson – Beschränkung der Verantwortlichkeit auf ~en 160, 271, 362, 390, 396 – Einfluss 613, 674 – ~ nach § 30 OWiG 390 ff. – Rechtsvergleichung Deutschland – USA 548 ff. – Strafzumessung USA 162, 271, 735 – Täter der Anknüpfungstat 686, 693 – Verfall 337 f.
– anonyme ~ 401, 434, 447 f. – Mindest~ 433 – Höchstbetrag der ~ 332, 335 f., 430, 432 f., 437, 566 Geldfälschung 335 Geldstrafe – Bezahlung der ~ für natürliche Personen 624 – de lege ferenda 691, 723 – Rechtsvergleichung Deutschland – USA 432 – USA ~ ĺ Geldstrafe (USA) Geldstrafe (USA)
Fürsorgepflicht 474
– Abschreckung 213
funktionale Rechtsvergleichung ĺ Rechtsvergleichung, funktionale
– Abweichung vom Strafrahmen 177
Funktionstheorie 346, 408
– Berechnung (sentencing guidelines) 155
Funktionsträger 751 Fusion 92
– Begrenzung der Höchststrafe 179
– Bestechungsdelikte 184 – Bestimmung im Regelfall 178
–G– Garantenpflicht 404 f., 627, 751 f. Gebietskörperschaft 505
– Bewertung 212 – Compliance- und Ethikprogramm 162 ff., 215 f. – corporate death penalty 155 – departures 177
Sach- und Personenverzeichnis – Einbeziehung weiterer Strafen 183
929
Gerechtigkeit
– Ermittlung Grundbetrag 156
– sentencing guidelines 134, 140, 210
– Ermittlung Schuldwert 159
– Strafzumessung 122
– Errechnung des Strafrahmens 176
– Unternehmensstrafe 348, 360
– gesetzliche Regelung 124
– Verantwortlichkeit von Unternehmen 81
– Grundbetrag 156 – Kartelldelikte 184
gerichtliche Anordnung 180, 190
– kriminelle Organisationen 154
Gerichtsstand 725
– Kooperation 174 ff.
Gesamtrechtsnachfolge 754
– ökonomische Theorie des Rechts 132
Gesamtstrafe 442
– Schuldwert 159
Geschäftsbücher 187, 757
– Statistik 267, 742
Geschäftsführer 390 ff., 508
– Strafrahmen 176
Geschäftsherrenhaftung 751
– Strafzwecke 178
Geschäftsleiter 426, 761, 772, 777
– Wettbewerbsdelikte 184 – zusätzliche ~ 183 Geldwäsche 221, 267, 298, 301, 340, 506, 779 Geldwäsche-Beauftragter 394, 506 f., 751, 775 Geldwäsche-Gesetz 506 f., 646 gemeinnützige Dienste ĺ community service Gemeinsame Maßnahme 619 Genehmigung 424 General Electric Company (GE) 4 general intent 63 Generalbevollmächtigter 334, 392 Generalprävention 131, 374, 417, 541, 544, 622, 660 ff.
Geschäftspolitik 411 Geschäftstätigkeit 368 geschichtliche Entwicklung – Compliance (Deutschland) 496, 770 ff. – Compliance (USA) 285 – Rechtsvergleichung Deutschland – USA 534 – Strafzumessungsrichtlinien 116 ff. – Unternehmensstrafbarkeit (Deutschland) 320 ff., 749 – Unternehmensstrafbarkeit (England) 71 ff., 789 f. – Unternehmensstrafbarkeit (USA) 70 ff., 732 Gesellschaft – ausländische ~ 388
– negative ~ 359, 661, 692 ĺ siehe auch Abschreckung
– deutsche ~ 388
– positive ~ 359, 660
– Gründungs~ 388
Genossenschaft 386, 391
– ~ bürgerlichen Rechts 387, 391, 429 Gesellschafter 391
930
Anhang
Gesellschaftsrecht 312, 498
Goldschmidt, James 326
Gesetzesvorbehalt 465 Gesetzgeber 637
good (corporate) citizen 78, 138, 141, 312, 543
Gesetzgebung 609, 770
good faith 104, 291, 294, 748
Gesetzgebungsbefugnis 51
good governance 30, 80
– ~ (USA) 59 Geständnis (plea bargaining) 202, 276, 746 f. Gestaltungsmacht 608 Gesundheitsbehörde 303 Gesundheitsbranche 303, 307, 747, 780 Gewaltenteilung 191, 199 Gewaltmonopol 682 Gewerbe 492 Gewerbezentralregister 428, 465, 491 ff., 631, 699, 767 Gewerkschaft 682 Gewinn – Ermittlung des Grundbetrags 156 f. – Geldstrafe de lege ferenda 692 – ökonomische Theorie des Rechts 132
Governance 317 grand jury 227 Griechenland 621 Größe des Unternehmens 142 – Einfluss der ~ 163, 166, 216 f. Große Strafrechtskommission 324 Große Strafrechtsreform 328 Großrisiken 675 Grundbetrag 156 ff., 184 f. Grundgesetz 475, 599, 601 f., 607, 633, 659, 755 Grundrechte 474, 614 Grundsätze, ethische 283 ĺ siehe auch Ethik Grundstrukturen Compliance 593 Gruppe 611, 626
Gewinnabschöpfung 331, 367
Gruppendynamik 611
Gewinnerzielungsabsicht 682
Güterbeförderung 493
Gewinnorientierung 605
guilty plea ĺ Schuldbekenntnis
Gierke, Otto von 321, 351, 377, 382, 537, 667 Gleichheit 122, 599, 607 Glossatoren 320 Glücksspiel 340 GmbH 386, 390 GmbH & Co. KG 387, 391, 393 Göhler, Erich 773
–H– Haager Landkriegsordnung 322 Härteklausel 342 Hafter, Ernst 659 Haftung – akzessorische ~ 377, 380 – zivilrechtliche ~
Sach- und Personenverzeichnis – Deutschland 508, 627
high managerial agent 93, 112
– USA 293
high-level personnel ĺ Führungsperson
– Vermeidung von ~ 782 Handelsvolumen 184
Hindernis, rechtliches 448, 453 ff.
Handlungsbevollmächtigte 334, 392
Hinweisgebersystem ĺ Whistleblower-Hotline
Handlungsfähigkeit 348, 350, 380, 666 Handlungsmacht 608 Handlungsmöglichkeit 610 Hauptverfahren 227 f., 471 Hausmacht 16 Hawthorne, Nathaniel 214 Health and Safety at Work Act 74 heartland departure 180 Hegel, Georg Friedrich Wilhelm 664 Hehlerei 453 Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation 325 Heine, Günter 352, 356, 365, 675
Hirsch, Andrew von 130 Hirsch, Hans Joachim 352, 355 f. Hoch-/Tiefbau 493 Höchststrafe 118, 179, 566, 692 Hörster, Matthias 530 Holder-Memorandum 233, 239 Holmes, Oliver Wendell 1 Holzschutzmittel-Fall 627 Homestore.com, Inc. 263 Honorierung 595 Hüffer, Uwe 773 hybrid strict liability 74
Help Desk 6 Hemmschwelle 435 Herald of Free Enterprise 74 Herausgabe von Dokumenten – de lege ferenda 705 – Kooperation mit Ermittlungsbehörden 176, 235, 238, 240, 760 – Rechtsvergleichung Deutschland – USA 585 – Schutz vor der ~ 250, 256, 478, 760 – sentencing guidelines 176 – Unternehmensgeldbuße 474, 477 Hessen 324 Hester Prynne Sanction 214
931
–I– identified departures 180 Identifikationsansatz 353 f., 362, 376 Identifizierung des Mitarbeiters 96, 401 IDW 778 Image 640 Immissionsschutz 425 Immunität 455 incapacitation 123, 212 ĺ siehe auch Schutz der Öffentlichkeit indeterminate sentencing 116, 560 Indien 618 Individualstrafrecht 623, 638, 701
932
Anhang
Individualtatmodell – modifiziertes ~ 361, 363 ff. – reines ~ 361, 362 f. in dubio pro reo 629 Industrialisierung 74 Industrielle Revolution 536 industriespezifische Praktiken 166, 168
Internes Kontrollsystem 501, 784 Interstate Commerce Act 307 Investmentberater 298 Investmentunternehmen 298 ISO-Standard 173, 303, 604 IStGH-Statut 623 Italien 618, 684, 688
Individualismus 658 Information
–J–
– Ermittlungsbehörden 175
Japan 618, 688
– Öffentlichkeit 640
Judikative 191
Inhaber 414
Jugendschutz 646
Inquisitionsmaxime 532
Jung, Heike 647
insanity 69
Juristische Personen 385 ff., 667
Insiderhandel 285, 286 f., 291, 306, 504, 514, 695, 771, 782
Jury Instructions 99
Insider Trading and Securities Fraud Enforcement Act 287 f., 291 Insolvenz 243, 390, 678, 692, 782 Insolvenzverwalter 393 Institutionalisierung 770 Interessen, wirtschaftliche 603
Jury-Verfahren 191, 194, 198, 228, 276, 532 just desert 123, 126, 130 f., 138 Justinian 57 Justizministerium (Deutschland ) ĺ Bundesministerium der Justiz
Interessenkonflikt 468, 504
Justizministerium (USA) ĺ Department of Justice
Interessentheorie 345, 409
Justizsystem 532
Internal Investigations ĺ Compliance Investigation
just punishment 123 f., 151, 210, 542
Internationale Organisation 603 Internationales (Straf-)Recht 398, 618 ff.
–K– Kahn-Freund, Otto 16 Kalifornien 223
Internationale Verträge 622
Kanada 618, 711
Internationalisierung 617
Kant, Immanuel 320, 664
Interne Revision 53, 394, 501, 517, 784
Kaplan, Buchanan 239
Sach- und Personenverzeichnis Kartellbehörde 226 f., 286, 300, 432, 452, 698 Kartelldelikt 95, 99, 184, 199, 267, 347 Kartellordnungswidrigkeit 374, 432, 435, 754, 755 Kartellrecht 94, 207, 237, 308, 322, 428, 431, 452, 462, 473, 514, 633, 754, 755, 763, 782 Kartellrechts-Compliance 512, 590, 775 Kartellverfahren 226, 285, 476
933
Kommunikationsfunktion 640 Kompensation 293, 651 Kompetenzkonflikt 60 Konferenz der Justizminister 487 Kongress 123, 126 f., 144 – politische Einflussnahme 207 Konkurrenzen – de lege ferenda 689, 725, 728 – Deutschland 442
Kaufmann 786
– Rechtsvergleichung Deutschland – USA 569
Kausalität 627
– USA 129, 159, 183
Kaution 373
KonTraG 497
Kelker, Brigitte 790
Kontrollbefugnisse 394
Kindler, Steffi 362, 673
Kontrolle 606, 736, 777
Kirch-Heim, Claudio 357
Kontrolleure, externe 696
Klumpenrisiko 788
Kontrollmaßnahmen 280 f., 716, 736, 771
Körperschaften, öffentlich-rechtliche 91, 386, 390, 505, 681, 782
Konzern 393 f., 681, 753, 782 f.
Kohlhoff, Christian 355, 366
Konzession 424
Kollektiv 606
Kooperation mit Ermittlungsbehörden 238, 312, 740
kollektiver Kontext 685 kollektiver Vorsatz 96 f., 99 kollektiver Vorwurf 695 kollektives Element 363, 365, 434 kollektive Verantwortlichkeit 356, 364 Kolonien 307 Kommanditgesellschaft 386 f., 391 Kommission ĺ Sentencing Commission Kommunikation ĺ Vermittlung von ComplianceStandards
– Anklageentscheidung 238, 263, 740 – attorney-client privilege 176, 235, 238 f., 253 ff. – Aufklärung der Straftat 234 f., 694, 756 – Aussage von Mitarbeitern 250 f., 472 ff. – Compliance- und Ethikprogramm 734 – cooperation bargaining 248 f. – Herausgabe von Dokumenten 176, 235, 238, 240, 256 ff. – Kronzeuge 764
934
Anhang
– Rechtsvergleichung Deutschland – USA 598
kriminologische Untersuchungen ĺ rechtstatsächliche Befunde und Statistik
– Schuldbekenntnis 175
Kritik (Unternehmensstrafbarkeit) 348
– SEC 300
Kronzeugenregelung ĺ leniency policy
– Offenlegung der Tat 175 f.
– Selbstanzeige 175, 269, 734 – Siemens 8, 182, 598, 628
– Compliance-Programm 758
– Statistik 269, 742
– Kartellrecht (Deutschland) 432, 435, 462, 473
– Strafmilderung 174 ff., 181, 300 – Übernahme von Verantwortung 175, 269
– Kartellrecht (USA) 185, 300 – Strafrecht (Deutschland) 764
– Unternehmensgeldbuße 435, 761
Kündigung 473, 701
– Verzicht auf Rechte 176, 239, 256 ff.
Kultur 282
– Widerspruch zu Compliance 216 f., 598 – zivilrechtliche Sanktionen 286 – Zusammenarbeit 175, 269, 756 Korruption 2, 48, 98, 290, 428, 514, 684, 688, 701, 732, 739, 775, 779, 782, 789 ĺ siehe auch Bestechung(-sdelikte) Korruptionsregister 372, 428 KPMG 5, 251, 265, 490, 518 Kreativität 530 Kreditinstitut 507 Kreditwesen 502 Kriminalitätsrate 281 Kriminalpolitik 17, 73, 133, 535, 750 Kriminalprävention 82, 101 Kriminalstrafe 326, 487, 617, 630 ĺ siehe auch Unternehmensstrafbarkeit kriminelle Organisation 154 kriminelle Vereinigung 696
Kunde 603 –L– Landesbericht 26 ff. – Darstellung 26 – Deutschland 319 ff. – Interpretation des Rechts 27 – Quellen 27 f. – USA 57 ff. Landeskriminalamt 26 ff. Landgericht 471, 509 Lange, Richard 36 law in action 20, 22 law in books 20, 22 Lean, Richard J. 8 Lebensmitteldelikte 147, 155 Lederspray-Entscheidung 615, 627 Legalitätsprinzip 231, 446, 459, 532, 706 legal tansplants 16 Leistungsfähigkeit, wirtschaftliche 691 f.
Sach- und Personenverzeichnis Leitungsaufgabe 500, 626, 772
Mannesmann 615
Leitungsperson 333, 336, 392 f., 404
MaRisk 502, 512
– Entfernung von ~ 426
Marketing 782
leniency policy 185, 298, 300
Maßnahme 342, 380
Lenkungsfunktion 636
Maßregel 358, 366, 378, 400
Lewisch, Peter/Parker, Jeffrey 626
Matschke, Sebastian 280, 592
Liberalismus 601
Mauerschützenprozess 405
Lilienthal, Karl von 33
Max-Planck-Institut 17, 487
Lissabon-Urteil 749
McCallum-Memorandum 235
Liszt, Franz von 662
McNulty-Memorandum 235, 239
Literatur 106, 346, 557, 623
Means, Gardiner C. 45, 605
– Ansätze in der Literatur 62 – ~ in Deutschland 346 ff. – ~ in den USA 106 ff. litigation dilemma 218, 252 Lobbying 207 Lütolf, Sandra Hilda 366 Luhmann, Niklas 352, 626, 648 –M– Macht 606 ff., 685 Machtmissbrauch 607 MaComp 736, 776, 783 Makel 639 mala in se 64, 66, 313 mala prohibita 64, 66, 313 MAN 749
Medianwert 267 Mehrerlösabschöpfung 344, 571 Meineid 94, 552 Meldesystem ĺ Whistleblower-Hotline Menschenwürde 349, 475, 670, 750 mens rea 63 – Beweisschwierigkeiten 81 – Handeln des Mitarbeiters 95 f. mens rea-Delikte 112 Mikro- und Makrovergleichung 21 Mills, Charles Wright 626 Ministerien 609 Missachtung einer gerichtlichen Anordnung 190
Management 83, 117, 169, 626
Missbilligung, sozial-ethische ĺ Unwerttadel
Managementbewertungssystem 173, 778
Missbrauch 602, 607
management failure 355 Mandat 129
Mitarbeiter – Anklage der ~ 261 f. – Aussage von ~n 250, 472, 758
935
936 – Definition 40 – Handeln des ~s 668, 672 – Kooperationspflicht 473, 738 – ~ mit Entscheidungsbefugnis 160 – Straftat eines ~ 90 – Stellung des ~s 90, 329, 362, 390 – Taten mehrerer ~ 442 f. Mitteilungspflicht 478 f.
Anhang Motivation 657, 663 – intrinsische 605 Motivbündel 105 Motivierung 170, 174 multinationale Unternehmen 149 Multiplikatoren 176 –N–
Mittelalter 320
Nachfolgeunternehmen 92, 389
Mittelbare Täterschaft 405 Mittelstand 782
Nachtatverhalten 432, 435, 441, 464, 694, 734
Mitwirkungspflicht 646, 705
NASDAQ 306
Mobilisierungsmacht 608
natürliche Personen
Modelle (Unternehmensstrafbarkeit) – Deutschland 361 ff. – gemischt individuell-kollektives ~ 680 ff. – Individualtat~, modifiziertes 361, 363 f., 384
– Handlungsfähigkeit 667 – Mängel des Individualstrafrechts 623 – Strafzumessungsrichtlinien 126 Nebenbeteiligter 469, 641
– Individualtat~, reines 361, 362 f.
Nebenfolge 329 f., 331, 336, 375, 377 ff., 445, 469, 540, 695
– kollektives ~ 361, 364 ff.
Nebenstrafrecht 537, 689
– Kombinations~ 384 – Rechtsvergleichung Deutschland – USA 546 – USA 108 ff.
Nebentäterschaft 443 ne bis in idem ĺ Doppelbestrafung necessity 69
Modellstrafgesetzbuch ĺ Model Penal Code
negligence 63
Model Penal Code 77, 93 f., 549, 559, 561
nemo tenetur-Grundsatz ĺ Selbstbelastung, Schutz vor
Monitor ĺ Compliance Monitor
Nettoprinzip 339, 437
Moral 603, 612
Neues Steuerungsmodell 617
Morford-Memorandum 741
Neuorganisation 369
Motiv 283
Neuseeland 618
Nettovermögen 155
Sach- und Personenverzeichnis Neutralisationstechniken 519, 611 f.
937
New York 641
Österreich 618, 637, 684, 686, 688, 691, 703
New York Stock Exchange 305
Offene Handelsgesellschaft 387, 391
Nichteinleitung 446
Offenlegung der Tat
Nichterfüllung 189 Nichtregierungsorganisation 682, 782 Niederlande 618, 637 nolo contendere 229, 276
– Compliance-Monitor 741 – Kooperation mit Ermittlungsbehörden 175, 257 offense level – Enwürfe sentencing guidelines 139
non-delegation doctrine 191
– natürliche Personen 127
nonprosecution agreement 243
– Unternehmen 156
Norddeutscher Bund 536
Offense Level Fine Table 156
Normadressat 637
Ombudsmann 6, 781
Normbestätigung 123, 664, 697
Opfer
Normbruch 130, 282, 660 Normklarheit 507 Normrehabilitierung 643, 660 Normtreue 782 Normübertretung ĺ Normbruch Norwegen 618 –O– OECD 148 f., 623, 741, 755, 768
– Bekanntmachung der Strafe an ~ 154 – Einbeziehung ins Verfahren 574 – Verluste beim ~ 157 Opportunitätsprinzip – de lege ferenda 707, 728 – Deutschland 410, 422, 447 ff., 459 ff., 471, 765 – Rechtsvergleichung Deutschland – USA 532 – USA 231
öffentliche Förderung, Ausschluss von 371, 701
optimale Strafe 132 ĺ siehe auch optimal penalties
öffentliche Interessen 451, 460
optimal penalties 126, 130 ff., 138, 300
Öffentliches Recht 616
Ordnungsgeld 385
Öffentlichkeit 603, 605, 640
Ordnungspolitik 591
öffentlich-rechtliche Körperschaften ĺ Körperschaften, öffentlich-rechtliche
Ordnungsstrafe 326 f., 537
öffentlich-rechtliche Sanktionen 424 Ökonomische Theorie des Rechts 131, 648
Ordnungsverwaltungsrecht 646 Ordnungswidrigkeitengesetz 328
938
Anhang
Ordnungswidrigkeitenrecht ĺ siehe auch Unternehmensgeldbuße – Abgrenzung zur Straftat 327, 328, 630 – Einziehung 422 – Entwicklung 327
Parmalat 1 Partei, politische 682 Parteiverfahren 532 Patient Protection and Affordable Care Act 747 Partnerschaftsgesellschaft 387, 391
– Rechtsvergleichung Deutschland – USA 537
partnership 92
– Verfall 420
patria potestas 67
Ordnungswidrigkeitentatbestand 379
Periodischer Sicherheitsbericht 488
ordre public 322, 538
Perron, Walter 22
Organ 329, 332, 350, 429, 476, 549, 683
Person, Begriff der 667
Organisation
Personalbeweis 477
– Arbeitsteilung 624 – internationale ~ 603 – kriminelle ~ 154 – sentencing guidelines 150
Personalität 639 Personengesellschaft – Deutschland 336, 385, 387, 391 – USA 92
Organisationsherrschaft 405
Personenhandelsgesellschaft 336, 387
Organisationsklimaforschung 613
petty offenses 228
Organisationsmangel 351, 366
Persönlichkeitsentfaltung 670
Organisationspflicht 499 ff., 503, 508, 783
Persönlichkeitsrecht 718
Organisationspsychologie 613, 648, 673 Organisationssystem 626 Organisationsverschulden 355 f., 364, 377, 383, 400, 412, 509, 675
Pflichtadressatenansatz 351 Pflichtdelikte 345 Pflichten – bertriebsbezogene ~ 410, 413 f., 554, 686
Organisierte Kriminalität 221, 340
– Compliance-Officer 752, 774 f.
Organtheorie 382, 399
– unternehmensbezogene ~ 413
Otto, Harro 378, 400
– Vermögensbetreuungs~ 774
overdeterrence 134, 211 – P, Q – Packer, Herbert L. 599 parole commission 201
Pflichtwidrigkeitszusammenhang 403 Pieth, Marc 366 PIF-Konvention 620 f. Pilotstudie 25, 26 plea 229
Sach- und Personenverzeichnis plea agreement 116, 244, 248, 532, 580 plea bargaining 202 f., 232, 241 ff. – Arten 245 – charge bargaining 128, 245 – cooperation bargaining 248 – fact bargaining 203, 246 – Rechtsvergleichung Deutschland – USA 580
Praxis – Gerichte (USA) 266, 742 – Strafverfolgungsbehörden (D) 768 – Strafverfolgungsbehörden (USA) 260, 739 preponderance of evidence 180, 192, 199, 231 presentence report 242, 248
– sentence bargaining 247
pretrial diversion 230
– Statistik 276, 746 f.
Preußisches Strafgesetzbuch 321
Polen 618, 684 policy statements 140 ĺ siehe auch Verbindlichkeit der sentencing guidelines Politbüro-Fall 627 Polizeiliche Kriminalstatistik 488 f.
939
PricewaterhouseCoopers 489, 517, 519 f., 769 principle of stare decisis 58 Private 594, 646, 652 f., 778 private attorney general 220
Polizeirecht 700
Privatisierung 652, 653, 734, 741, 758, 763 f., 785
Polizeistrafrecht 325, 536, 630
proactive fault-Modell 109
Portugal 637 Posner, Richard 561
probation ĺ Bewährungsstrafe (USA)
Postglossatoren 320
probation officer 203, 230, 247
Postmoderne Theorien 11
Produkthaftung 404, 627
Präjudizien 51, 528
Produktsicherheit 415
Präsident 532
Prokurist 334, 392
Prävention
PROTECT-Act 125, 182
– Geldwäsche 507 f.
Protostrafrecht 18, 25
– ~ durch Compliance 285, 313, 650, 711, 777
proximate cause 99
– Selbstregulierung 602
Prozessablauf 115 ĺ siehe auch Strafverfahren
– Strafrecht 787
Prüfung der Finanzlage 187
– Zivilrecht 651 Präventionsmaßnahmen 280 Präventionsrecht 357 Präventionsstrafrecht 659
Public Corporate Governance Kodex 785 publicity sanction 188, 213 ĺ siehe auch Publizitätssanktion und Veröffentlichung
940
Anhang
public welfare offenses 64, 313, 551, 588 Publizitätssanktion 427, 698, 725 ĺ siehe auch publicity sanction und Veröffentlichung Publizitätswirkung 243, 371, 640, 785 punitive damages 17, 87, 143, 226, 293, 629 Qualitätsmanagement 784 –R–
Rechtseinheitlichkeit 538 Rechtsfähigkeit 91 f., 387, 429, 681 Rechtsfamilie 25, 57 Rechtsform 91, 150, 385, 870 Rechtsgüter 631 f., 667 – kollektive ~ 698 – ~notstand 366, 377 – ~schutz 358, 429, 631 – verfassungsrechtliche ~ 634 Rechtsgutsverletzung 667
Racketeer Influenced and Corrupt Organizations Act ĺ RICO
Rechtsklarheit 462, 538, 637
Rahmenbeschluss 507, 620
Rechtskreise 25
Rahmenvorgabe 647
Rechtslage, unklare 461
Raleigh, Sir Walter 249
Rechtsmacht 607
Rating-Agentur 780
Rechtsmittel
ratio decidendi 58 rational choice 648 Rationalität 648, 662
Rechtskraft 456, 483 f., 486
– Prüfungsmaßstab 195, 197, 200 – Überprüfbarkeit von Entscheidungen 118, 178
reactive fault-Modell 109
– Unternehmensgeldbuße 480, 481, 485, 486
Reagan, Ronald 309
– Verzicht 480
real offense sentencing 128, 141, 203 f., 246, 544
Rechtsnachfolge 92, 389, 682, 722, 753
reasonableness-Standard 197
Rechtsphilosopie 15
Rechnungslegung 785
rechtspolitische Schlussfolgerungen 30 f.
Rechtfertigung 636, 678 rechtliches Gehör 482 Rechtsabteilung 54 Rechtsbeschwerde 484, 485 Rechtsbestimmtheit 637 Rechtsbewusstsein 661 Rechtsbruch 643, 667
Rechtsordnung 661
Rechtspolitik 81 ĺ siehe auch Kriminalpolitik Rechtsquelle 58, 528 Rechtssicherheit 141, 462, 467, 783 Rechtsstaatsprinzip 349, 533, 600, 670, 677
Sach- und Personenverzeichnis Rechtssystem 649
– rechtstatsächliche Lage 587
rechtstatsächliche Befunde ĺ siehe auch Statistik
– Sanktionen 560 – Sanktionfähigkeit 562
– Abschreckungswirkung 277 ff., 661
– Schuldprinzip 530
– Compliance-Ansatz 269, 279 ff., 515 ff., 768
– Selbstbelastung 584
– Corporate Governance 515 f.
– Verantwortlichkeit 545
– Corporate Social Responsibility 515 f.
– Verfahren 532, 580
– Rechtsvergleichung Deutschland – USA 526, 587
– volldeliktisches Handeln 552
– Strafverfolgung (USA) 260 ff., 739, 742 ff. – Unternehmensgeldbuße 487 ff., 767 – Wirtschaftskriminalität 487, 766 Rechtstreue 247, 671 ff. Rechtsverfolgung, private 652 Rechtsvergleichender Teil 522 ff. ĺ siehe auch Rechtsvergleichung – Ablauf des Verfahrens 580 – allgemeine Strukturen 523, 560 – Anknüpfungstaten 551 – Begrenzung der Zurechnung 554 – Bewährungsstrafe 570 – Compliance 556, 576,590 – Diversion 582 – Doppelbestrafung 582 – Einstellung 582 – Einziehung 571 – Entwicklung (Sanktionen) 534 – erfasste Unternehmen 547 – Geldstrafe/Geldbuße 563 – Literatur 557 – Modell der Verantwortlichkeit 546 – tabellarischer Überblick 523 ff. – Rechtsquellen 529
941
– Stellung des Mitarbeiters 548
– Verfall 571 – Wiedergutmachung 573 – wissenschaftlicher Diskurs 529 – Zweck der Sanktionierung 541 Rechtsvergleichung 10 ff. – computergestützte ~ 21 – Durchführung 19 ff. – Erkenntnisinteresse 14 f., 23 ff. – fallbasierte ~ 22 – Forschungsansatz 12 ff., 791 – funktionale ~ 10, 19, 24, 28 – Landesberichte 26 ff. – Methodik 12 f. – Mikro- und Makrovergleichung 21 – postmoderne Theorien 11 – rechtspolitische Schlussfolgerungen 30 f. – Sachfragen 23 ff. – statistische ~ 23 – Strukturvergleichung 21 – systematische ~ 21 – universale ~ 21 – vergleichender Teil 29 ff., 522 ff. – wertende (wertvergleichende) ~ 22 – Ziel 13 recklessness 63
942
Anhang
– Corporate Governance (USA) 79 f.
Reichsstrafgesetzbuch 321, 325 f., 536, 626, 658
– Sanktionenrecht 628
remedial order 153, 186
– Strafzumessung (USA) 115, 121, 145, 152, 209 f., 310 f.
Repression 777, 781
Reform
– Unternehmensstrukturen (USA) 187 Regelungsgeber 614, 667 Regelungsort 689 Regelungssystem 646 regulatory offenses ĺ public welfare offenses regulierte Selbstregulierung 645 ff. – Begriff 645 – Compliance 649 ff. – Compliance-Programm 311, 685 – Ebenen 651
Resozialisierung 116 f., 121, 201, 662 – de lege ferenda 662 f. – gesetzliche Berücksichtigung 123 – Rechtsvergleichung Deutschland – USA 542 f. – sentencing guidelines 130, 212 respondeat superior – Deliktsrecht 67 – Unternehmensstrafrecht 72, 75, 83, 89, 113, 234, 236, 535 Ressourcen, staatliche 435, 439, 462, 617, 628, 654
– Sanktionsrecht 654
restitution order 153, 186
– Steuerungswirkung 648
retribution trap 213
– Verwaltungsrecht 653
Revision 394, 501
– Ziel 650 – Zivilrecht 651 Regulierung 606 ff. – ~sbehörde 452 – ~sfunktion 636 – Grenzen 616 – Rechtsvergleichung Deutschland – USA 535 – Stand der ~ 614, 786 – Unternehmensstrafrecht 617 – USA 307, 309 – Zweck 606
Rezeption 16 Richtlinien – de lege ferenda 693 – Ethik~ 775 – europäische ~ 620 – Finanzmarktrichtlinie 503 – Insiderrichtlinie 496 – ~ des Kartellamts zur Bußgeldbemessung 432, 435, 462 – RiStBV 462 – Strafverfolgungs~ ĺ Strafverfolgungsrichtlinien
rehabilitation ĺ Resozialisierung
– Strafzumessungs~ ĺ sentencing guidelines
Reichsabgabenordnung 321 f., 537 f.
– Wertpapierdienstleistungsrichtlinie 496
Sach- und Personenverzeichnis RICO 221
Sachverhaltsalternativität 402, 705
Risiko 610 ff., 675
Saldierung 440
Risikoanalyse
Sammelklagen 293
– Compliance-Programm 713, 779 – Compliance- und Ethikprogramm 166, 172
943
Sanktion – Abgrenzung 630 f. – Abschreckungswirkung 657
Risikobewertung 713
– de lege ferenda 691
Risikomanagement 52, 514, 784
– öffentlich-rechtliche ~ 142, 424 ff.
– Aktienrecht 499, 772
– ~ gegen Mitarbeiter 473
– Deutscher Corporate Governance Kodex 47 f. – fehlerhaftes ~ 365
– ~ gegen Unternehmen ĺ Unternehmenssanktion und Veröffentlichung der Sanktion
– gesetzliche Vorgaben 499, 505, 787
– Vorschläge in der Literatur 366
– Mindestanforderungen 502
– zivilrechtliche ~ 142, 423, 429
Risikomanagementsystem 499, 501
Sanktionsarten 563, 631, 634
Risikopotential 613, 685
Sanktionsbemessung Unternehmensgeldbuße 430
Risikostrafrecht 659, 675 Risikovorsorge 675
– Ablauf 433 – Abschöpfung 436, 755
RiStBV 462
– Ahndung 433
Rogall, Klaus 375, 399, 451
– Anküpfungstat 430
Rotsch, Thomas 782
– Bedeutung der Ordnungswidrigkeit 435
Rüstungsindustrie 287, 307 Ruf des Betroffenen 328, 360, 639
– Bruttoprinzip 437 – Bußgeldrahmen 433, 755
Ruf des Unternehmens 154, 189, 372, 639, 698
– Compliance-Programm 440
Rundschreiben 502, 776
– Höchstbetrag 430, 755
–S–
– gesetzliche Grundsätze 430 – Kartellrecht 432, 755
Sachbeweis 477
– mehrfache Tatbestandsverwirklichung 442
Sachfragen der Untersuchung 37 f., 54 f.
– Rechtsvergleichung Deutschland – USA 563
Sachkunde 777
– Vorteil 438
Sachlage, unklare 461
– wirtschaftliche Verhältnisse 436 Sanktionsfähigkeit 562, 676
944
Anhang
Sanktionspraxis ĺ rechtstatsächliche Befunde und Statistik Sanktionsrahmen 563 Sanktionsrecht 615 Sanktionssubjekt 142 Sanktionszwecke 660 ĺ siehe auch Strafzwecke – Abschöpfung 666 – Generalprävention 660 – Spezialprävention 662
– Wirtschaftskriminalität 488 ff. Schadenersatz 294, 372, 429, 439, 453, 460, 473, 629 Schadensrecht 651 Schätzung 158, 339, 439 Schmidt, Eberhard 327 Schnatterly, Karen 281 Schroth, Hans-Jürgen 351 Schünemann, Bernd 355, 358, 365, 370, 378, 400, 611, 674
– Vergeltung 664
Schuld des Mitarbeiters 448
– Verhältnis der ~ 664 f.
Schuld des Unternehmens ĺ Verschulden des Unternehmens
– Wiedergutmachung 665 Sarbanes-Oxley Act 292 f.
Schuldbegriff 320, 356
– Audit Committee 234, 292
– normativer ~ 356
– Bedeutung 591
– organisationspsychologischer ~ 675
– code of ethics 279, 292, 306
Schuldbekenntnis
– Compliance-Vorgaben 234, 292, 784
– sentencing guidelines 175
– Corporate Governance 46, 79 f.
– Statistik 276
– Einzelvorgaben 79 f., 292 – Entstehungsgeschichte 261, 314 – Meldung von Verstößen 257
– Strafverfahren (USA) 229, 245 Schuldfähigkeit 329, 348 f., 353, 380, 669 ff.
– SEC 297, 299
Schuldprinzip 36, 348 f., 375, 530, 665, 670, 691, 749
– Unternehmensstrafbarkeit 79 f., 145, 147
Schuldvorwurf 632
– Whistleblowing 172 f., 280, 292 Savigny, Friedrich Carl von 320 Sayre, Francis Bowes 66 scapegoating 164 Schaden – ökonomische Theorie des Rechts 132 – ~ als Verlust 157 f.
Schuldwert – Einfluss auf konkrete Strafe 179 – Einfluss auf Strafrahmen 176 – Einführung 144 – Ermittlung 159 ff. Schulung 369 Schutz der finanziellen Interessen 620 f.
Sach- und Personenverzeichnis Schutz der Öffentlichkeit 65 – sentencing guidelines 130, 212, 543 – Strafzweck 123, 359, 662 f., 696 f. Schutzstandards für Unternehmen – Anwalts- und Beratungsgeheimnis 253, 737 – Selbstbelastung 249, 475 ff., 758 – Selbst-Evaluierung 251
Securities Exchange Act 291, 309 Selbstanzeige 175, 269, 462 Selbst-Audit 252, 302 f. Selbstauskunft 489 Selbstbelastung, Schutz vor 249, 474 f., 478, 485, 584, 629, 705, 726, 737, 758 Selbst-Evaluierung 251
– verfassungsrechtliche ~ 231, 235, 240, 249 ff.
Selbstkontrolle ĺ Selbstregulierung
– Verzicht 253, 738
selbstreferenzielles System 667
– workproduct privilege 254
Selbstregulierung 601 ff.
Schutz von Arbeitsplätzen 184
– Compliance 594, 654
Schutzzweck der Norm 418
– Deutschland 496 f.
Schweden 637 Schweigerecht 472 ff., 476, 485, 584, 705, 726 Schweiz 618, 681, 684, 688 Schwere des Delikts 138, 156, 158 Seabord Corp. 298 SEC ĺ Securities and Exchange Commission Securities Act 309 Securities and Exchange Commission 297, 310
945
– Grenzen 605 – Grundgesetz 601 f. – USA 307 ff. Selbststeuerung 671 f. selective waiver 257, 738 self-defense 69 self-reporting 139, 175 ĺ siehe auch Aufdeckung der Tat bzw. Selbstanzeige Senat 532 sentence bargaining 247 Sentencing Commission 124 f.
– Befugnisse 297
– Änderung der guidelines 144, 207
– Börsenaufsicht 305 f., 314
– Aufgabe 125
– code of ethics 299
– Erstellung der guidelines 126 f.
– Compliance-Programm 298 f.
– Errichtung 121 f.
– disclosure program 269
– politischer Einfluss 207
– Kooperationsanforderungen 257
– Statistik 266
– Strafmilderung 205
– Strafzwecke 206
– Verfahren gegen Siemens 8 f., 298 – Whistleblowing 748
Sentencing Guidelines – Änderungen 144 ff., 733
946
Anhang
– Anwendungsbereich 150 – Begrenzung richterlichen Ermessens 201 – Bewährungsstrafe 185, 275 – Bewertung 190 ĺ siehe auch Bewertung (sentencing guidelines) – Compliance ĺ Compliance- und Ethikprogramm – departure 128, 179 ff., 272 – Entstehungsgeschichte 77 ff.
Sentencing Reform Act 121, 135, 185, 189, 195, 210 sexuelle Belästigung 294, 748 shaming 189, 214 shareholder value 605 Sherman Act 83, 207, 308 Sicherung der Allgemeinheit ĺ Schutz der Öffentlichkeit Sicherungsgeld 369, 373
– equity fine 219
Sicherungsverpflichtung 369
– erster Entwurf 133
Siemens
– dritter Entwurf 139, 143
– Amnestieregelung 4
– Geldstrafe 154
– Anklagevorwurf 290
– gesetzliches Mandat 129
– Auslandstat 398
– gesetzliche Vorgaben 122
– Compliance-Programm 6, 516, 596 f., 730, 770
– Größe des Unternehmens 142, 163, 166, 216 f. – just desert 130
– Ermittlungen gegen ~ 3 ff., 473, 625, 756
– Konkurrenzen 159
– Geldbuße 6 f., 566, 597
– natürliche Personen 126
– Geldstrafe 7 f.
– offene Fragen 147
– Kooperation 8, 182, 598, 628, 756
– optimal penalties 131, 133
– Korruptionsvorfälle 2 ff., 675, 749
– Praxis 266
– plea agreement 7
– Strafen, nicht umgesetzte 219 f. – Strafzwecke 123, 151, 205 f., 210 – Systematik 149 – Umweltdelikte 147 f. – Verbindlichkeit 140, 150, 194 f., 202, 204
– Power Generation 774 – SEC-Verfahren 8 f., 298 – Strafmilderung 182 – Untreue 774 – Verfolgung von Mitarbeitern 615
– Verfassungsgemäßheit 190 ff.
Simplifizierung 662
– Verhältnis zu anderen Sanktionen 219
Sitz des Unternehmens 481, 482
– Verlagerung des Verfahrensschwerpunkts 190 ff. – Wiedergutmachung 152, 274 – zweiter Entwurf 135
Smith, Adam 602 Societas Europaea ĺ Europäische Gesellschaft soft law 603
Sach- und Personenverzeichnis sofortige Beschwerde 486
Standards 142, 778
Solvabilität II-Richtlinie 784
standards of a corporation 167 ĺ siehe auch Code of Ethics
Sonderausschuss 324 Sonderbehörde 453 Sonderdelikt 345, 404, 414 f., 420
947
Statistik ĺ siehe auch rechtstatsächliche Befunde
Sorgfaltspflicht 500, 507
– Art der Straftat 267
Sorgfaltspflichtverletzung 406
– Beteiligung einer Führungsperson 271, 744
soziale Systeme 648 f., 667 Sozialethik 633 – christliche ~ 602
– Bewährungsstrafe 275, 746 – Compliance-Programm 269, 280 ff., 742 f., 768
Sozialkontrolle 310, 638
– departure 272, 742
Sozialpolitik 642
– Geldstrafe 267
Sozialschädlichkeit 538, 632 f.
– gerichtliches Verfahren (USA) 266 ff.
Soziologie 648 Spanien 618, 637, 789
– Kooperation 269, 742 f.
specific intent 63
– Lage vor den sentencing guidelines 135
Spende 154, 372
– Polizeiliche Kriminalstatistik 488
Spezialisierung 625
– Strafen gegen Unternehmen 135
Spezialprävention 124, 131, 359, 461, 541, 662, 692 Spitzer, Eliot 641 Staatsanwaltschaft (Deutschland) 470, 480 Staatsanwaltschaft (USA) – Anklage 227, 231, 236 f., 238 – Beweislast 229 – Compliance-Programm 236 ff. – Einfluss 231 ff. – Kooperation 238 ff. – Praxis 260 ff. – Richtlinien 232 ff. – Strafzumessung 231 Städte 320
– Unternehmensgeldbuße 491, 493, 767 – Verfahrensablauf 276, 746 f. – Vollstreckungspraxis 747 – Wiedergutmachung 274, 745 f. – Wirtschaftskriminalität 488 ff., 766 statutory law 58, 112 stellvertretende Haftung ĺ vicarious liability Stellung des Mitarbeiters 90, 329, 362, 390, 548 Steuer 321, 371, 410, 433, 439 f., 479, 706, 782 Steuerung 616 f., 636, 647, 650, 788 Stewart, Martha 262
948
Anhang
Stichprobe 736 Stiftung 386, 391 Stigmatisierung 86, 214, 639 Stilllegung 425 Strafantrag 455 Strafbefehl 471 Strafbegründungsschuld 670 Strafe – Begriff 677 – gesetzliche Strafen 124 – Vorschläge in der Literatur 366 ff.
Strafrecht – Abgrenzung zur Ordnungswidrigkeit 327, 328, 630 – Compliance 774 – Entwicklungsoffenheit 659 – natürliche Personen ĺ Individualstrafrecht – Unternehmen ĺ Unternehmensstrafrecht Strafrecht (USA) – actus reus 62 – defenses 68
Straffähigkeit 348 f., 358
– Grundlagen der Verantwortlichkeit 62 ff.
Strafmilderung
– mens rea 63
– Anrechnung anderer Sanktionen 142 f.
– Sozialkontrolle durch ~ 310
– Begrenzungsversuche 182
– Überblick 57 ff.
– Compliance-Programm 141, 162 ff., 441, 655, 694
– vicarious liability 66
– Förderung durch Behörden 694 – Förderung durch Vorschriften 694 – Kooperation mit Ermittlungsbehörden 174 ff., 181, 300, 694
– strict liability 64
Strafrechtslehrer 324 Strafrechtsreform ĺ siehe unter Reform Strafregister 372, 631
– Meldung von Kartellen 286
Strafschadenersatz 629
– Nachtatverhalten 694
Strafschärfungen
– Siemens 182
– Behinderung der Justiz 161
– Unternehmen als Opfer 180
– Beteiligung oder Tolerierung der kriminellen Aktivität 160
Strafrahmen – natürliche Personen 127 – Rechtsvergleichung Deutschland – USA 693 – Unternehmen 176 Strafrahmenverschiebung ĺ departures
– Compliance-Programm 441, 656, 693 f. – Fehlen eines ComplianceProgramms 179 – Gefahren für Märkte 180 – gerichtlich angeordnetes Compliance-Programm 180
Sach- und Personenverzeichnis – Gesundheitsschädigung 180 – Verstoß gegen eine gerichtliche Anordnung 161 – Vorstrafen 161, 694 Strafsubjekt 638 Straftat
949
– Bundesstaaten 284 Strafverfolgungsrichtlinien 232 – Ashcroft-Memorandum 233 – Compliance-Programm 236 – Filip-Memorandum 235, 240, 242, 244 f., 247
– Art 267
– Holder-Memorandum 233, 239
– ~ als Anknüpfungstat (Deutschland) 397
– Kooperation 238 ff.
– ~ als Anknüpfungstat (USA) 94
– McNulty-Memorandum 235, 239
Strafvereitelung 624, 774 Strafverfahren (de lege ferenda) 725 ff. Strafverfahren (USA) 224 ff. – Ablauf 115, 226 – Anklage 225 f. – Auswirkung 278 – Beweisstandard 229 ff. – Bundesrichter 227 – Diversion 242 – grand jury 227 – jury trial 228
– McCallum-Memorandum 235 – Thompson-Memorandum 234, 236, 239, 242, 262 – Umweltstraftaten 233 Strafvollstreckung – Sicherstellung der ~ 373 Strafzumessung in den USA – Bundesrecht 115 ff. – Bundesstaaten 222 – natürliche Personen 126, 290 – Reform 121 – Verfahren 230
– Hauptverfahren 227 f.
Strafzumessungsschuld 670
– Notwendigkeit 224
Strafzumessungsrichtlinien ĺ Sentencing Guidelines
– plea 229 – plea bargaining 244, 276, 746 – Staatsanwaltschaft 227 ff., 231 ff., 260 ff., 737
Strafzwecke ĺ siehe auch Sanktionszwecke
– Statistik 276, 746
– Beachtung bei der Bewährungsstrafe 189
– Strafzumessung 230
– natürliche Personen 375
Strafverfolgungsbehörden – Bedeutungszuwachs 202 – Ermittlungen 226 – Praxis 260 ff., 732 Strafverfolgungspraxis – Bundesebene (USA) 260 ff., 732
– präventive ~ 359 – Rechtsvergleichung Deutschland – USA 541 – sentencing guidelines 151, 178, 197, 205 f., 210 f. – Strafzumessung (USA) 116, 123, 151
950
Anhang –T–
– Unternehmensgeldbuße 374 f. – Unternehmensstrafbarkeit (Deutschland) 359 – Unternehmensstrafbarkeit (USA) 81
Tadel – öffentlicher ~ 154 – sittlicher ~ 328, 562
Straßenverkehrsdelikt 419
Täter, Besserung des 662 f.
strict liability 64, 71, 530, 535, 553 strict liability-Straftaten 112
Täterkreis 332 ff., 336, 390 ff., 396, 683, 767
Struktur
Tätermerkmale 124
– Compliance 593
Täternachweis 402
– Rechtssysteme 523, 528
Täterschaft kraft Organisationsherrschaft 405
Studie ĺ rechtstatsächliche Befunde und Statistik Stufenverhältnis 633 Submissionsbetrug 334, 428 Subsidiarität 642 Subvention 371, 398, 699, 701 Subventionsbetrug 701 Südafrika 618
Tätigkeitsverbot 220, 368, 700 Täuschung 442 Tagessatzhöhe 692 Tagessatzsystem 431, 691 Talionsprinzip 664 Task force 739 Tatbegriff, prozessualer 452
Südkorea 618
Tatbestandsverwirklichung, mehrfache 442
Supranationales Recht 37, 618 ff.
Tatmehrheit 442
Suspension 368
Tatmerkmale 124
Sykes, G./Matza, D. 612
Tatproportionalität 131
Symbolisches Recht 617
Tatverdacht 448, 449, 480
Symbolkraft 652
Teilrechtsfähigkeit 429
Syndikusanwalt 477, 515, 763
Telekommunikationsbranche 307
Systematisierung 529
Territorialstaat 321
Systemtheorie 352, 648, 667
Terrorismus 506, 684
Systemwechsel 560
Teubner, Gunther 646
Systemwidrigkeit 638
Theorien – behavorial law and economics 648 – bounded rationality 648
Sach- und Personenverzeichnis –U–
– corporate ethos theory 109 – Funktions~ 346, 408
Übel 643, 664
– Interessen~ 345, 409 – Ökonomische ~ des Rechts 131, 648
Überarbeitung (ComplianceProgramm) 174
– ~ des psychologischen Zwangs 660
Überkriminalisierung 61
– ~ der gerechten Bestrafung 130 – ~ der optimal penalties 131 – ~ der realen Verbandstäterschaft 351, 354 f., 363, 377 – System~ 352, 648 – Utilitarismus 131 – Vereinigungs~ 375, 544, 665 Thoma, Anselm Christian 646
Übernahme – ~ von Unternehmen 92 – ~ von Verantwortung 175, 269 Überprüfung – Bewerber 170 – Compliance-Programm 171, 174 – Erstinstanzliche Entscheidungen 178 Übersetzung 31 f.
Thompson-Memorandum 234, 236, 239, 242, 262 f.
Übertretungen 328
three strikes rule 220
Überwachung
Tiedemann, Klaus 351, 355, 377, 383, 400, 412 f., 602, 675, 788
– Compliance-Programm 171
Tochterunternehmen 393, 754
– Unternehmen 701
Tod 455 Todesstrafe ĺ corporate death penalty Tötungsdelikt 95, 675 f. Trainingsprogramm 170 Transparenz 50 treble damages 293 Trennung 445, 704 Treuepflicht 474 Treuhänder 369 trial 227 f. TÜV 779
951
– Mitarbeiter 283, 757, 771 – ~skamera 763 – ~spflicht des Aufsichtsrats 501 – ~spflicht der Unternehmensleitung 169, 374 Überzeugung 609 UK Bribery Act 2010 789 ultima ratio 642 ultra vires 100 Umfeld, soziales 360 Umsatz 698, 754, 755 Umsetzungsdruck 641 Umwelt-Beauftragter 394 Umweltbehörde 119, 227, 252, 302 Umweltdelikte 147 f., 155, 233, 267, 302, 347, 684, 689
952
Anhang
Umwelthaftung 627
– verantwortliche ~ (Deutschland) 385
Umweltkriminalität 334, 487
– verantwortliche ~ (Rechtsvergleichung Deutschland – USA) 547
Umwelt-Management-System 303 Umweltrecht 506, 751 Umweltschutz 333, 646, 675 Unbekannt, Verfahren gegen 448 Unerreichbarkeit 451 unidentified departures 180 Uniformität 206 United States Attorneys’ Manual 232, 738 ff.
– verantwortliche ~ (USA) 90 Unternehmensgeldbuße 373 ff., 750 ff. – Anknüpfungstat 385, 397, 408 – anonyme Geldbuße 401, 434, 447, 448 – Bereicherung 416 ff. – Compliance-Officer 750 – Compliance-Programm 402, 419, 773 – Definition 39
United States Code 77, 91, 150, 152, 548
– de lege ferenda 691, 727
United States Sentencing Commission ĺ Sentencing Commission
– Elemente der Anküpfungstat 399
Unrecht der Tat 632
– Kombinationsmodell 384
Unschuldige 85, 349 f., 360, 677
– Konzeption 375
Unschuldsvermutung 629 Unterbrechung (Verjährung) 455, 457 Unterlassungsdelikt 404, 751 Unternehmen
– Entwicklung 325 ff.
– Konzeption (eigene) 378 – Konzern 753 f. – Nachweis der Anküpfungstat 401 – rechtstatsächliche Befunde 487
– ausländische ~ 681 ff.
– Rechtsvergleichung Deutschland – USA 545, 563
– Begriff bei § 14 StGB 345
– Sanktionsbemessung 430 ff., 755
– Begriff bei § 30 OWiG 394 – Bestandsrisiken in ~ 610
– sanktionsfähige Zusammenschlüsse 385, 389, 753
– Definition 39, 721
– Statistik 491, 493, 766 f.
– Größe 142, 163, 166, 217 f., 271 f.
– Stellung des Mitarbeiters 390, 408
– internationale ~ 608
– Unterlassen 404, 751
– Nachfolgeunternehmen 92
– Unternehmensverantwortlichkeit 382
– öffentliche ~ ĺ Körperschaften, öffentlichrechtliche – ~ als Risikofaktor 610 – verantwortliche ~ (de lege ferenda) 681
– Verantwortlichkeit 373 ff. – Verfahren ĺ Verfahren (Unternehmensgeldbuße)
Sach- und Personenverzeichnis – Verletzung betriebsbezogener Pflichten 413
– Entzug von Tatvorteilen 367
– volldeliktisches Handeln 398 ff.
– Handlungsfähigkeit 666
– Voraussetzungen der Verantwortlichkeit 385, 750
– monetäre ~ 367, 691
– Zusammenhang Anknüpfungstat und Stellung des Mitarbeiters 408
– Publizitiätssanktionen 371, 698
– Zurechnung 381 – Zweck 374, 419
953
– Generalprävention 660
– öffentlich-rechtliche ~ 142 – Rechtsvergleichung Deutschland – USA 525, 560 – Sanktionsfähigkeit 676
Unternehmensethik 51 f., 145 f.
– Sanktionssysteme 560
Unternehmensfassade 625
– Schuldfähigkeit 669
Unternehmensklima
– Vorenthalten von Vorteilen 371
– defizitäres ~ 673, 685, 693 f.
– Vorschläge in der Literatur 366
– Grundlagen 611 ff.
– Wiedergutmachung 372
– Handlungsfähigkeit 667 ff.
– zivilrechtliche ~ 142
– Schuldfähigkeit 672 ff.
– Zweck 660
Unternehmenskultur 435, 463, 613
Unternehmenssanktionsgesetz 690, 720
Unternehmenskuratel 370, 372, 701
Unternehmenssanktionskammer 709
Unternehmensleitung 169, 392, 404 f., 511, 736
Unternehmenssanktionsregister 699, 701, 722
Unternehmensmitarbeiter
Unternehmensschuld ĺ Verschulden des Unternehmens
– Definition 40 – Täter der Anknüpfungstat (Deutschland) 385 – Täter der Anknüpfungstat (USA) 90 Unterlassungsmitglied 683 f., 721 f. Unternehmenspolitik 110, 113 Unternehmenssanktion – anonyme ~ 705 – Aussetzung zur Bewährung 373 – Definition 39 – de lege ferenda 658, 691 – Eingriffe in das Unternehmen 368 – Entzug von Gegenständen der Tat 367
Unternehmensstrafbarkeit 39 – Ausland 618 – de lege ferenda 617 – Deutschland ĺ ~ (Deutschland) – internationale Vorgaben 618 – Rechtsvergleichung Deutschland – USA 545 – USA ĺ ~ (USA) Unternehmensstrafbarkeit (Deutschland) 319, 337 – Ansätze in der Literatur 346, 787 – de lege ferenda 346, 723, 749 f.
954 – Einziehung 342
Anhang
– Entwicklung 320
Unternehmensverfassung 45 ĺ siehe auch Corporate Governance
– Gerechtigkeit 348 f.
Untersagung 425
– Handlungsfähigkeit 348, 350 ff.
Unterschlagung 410
– Mehrerlösabschöpfung 344 – Modelle 361 – Sanktionen 366 – Schuldfähigkeit 348 f., 353 – Straffähigkeit 348 f., 358 – Tatbestand 361 – Verfall 337 Unternehmensstrafbarkeit (USA) – Alternativen 86 f. – Ansätze in der Literatur 106 ff. – Begründung 81 ff. – Betroffenheit Unschuldiger 85 – Bundesstaaten 111 ff. – Entwicklung 70 ff., 732 ff. – Geldstrafe 154
Unterstützung, staatliche 594, 653 f. Untersuchung, interne ĺ siehe auch Compliance Investigation – anwaltliche ~ 255, 738, 756, 762 – Bedeutung 172, 756 ff. – Compliance-Programm 171, 757 – Dokumentation 172, 761 – Ermittlungsbehörden 473 – Grenzen 757 Untreue 7, 95, 403, 406, 494, 615 Unverantwortlichkeit, strukturelle 624 unwarranted disparities 122 Unwerttadel, sozial-ethischer 358, 632 ĺ siehe auch Tadel
– Konzeption 88 ff.
Unzuverlässigkeit 425
– Praxis 260 ff., 733
Upjohn–Warnung 759
– Rechtsvergleichung Deutschland – USA 545
USA Patriot Act 279, 292, 301
– Strafzumessung 115 ff., 733 – Voraussetzungen 87 ff., 733 – Wiedergutmachtung 152 Unternehmensstrafe (Definition) 39 Unternehmensstruktur – Compliance-Programm 463, 718 – Eingriff in die ~ 368 – Relevanz bei § 30 OWiG 384, 417, 434
U.S. Attorney 227 U.S. Department of Justice 232, 264 U.S. Supreme Court – attorney-client privilege 254 – Beweisrecht 192 f. – Doppelbestrafung 226 – Gesetzgebungskompetenz des Bundes 59 f., 61, 310, 315 – Gewaltenteilung 191 – grand jury 227
Unternehmensträger 40, 681
– Herausgabe von Dokumenten 250
Unternehmensverantwortlichkeit 382, 400, 434, 454, 463 f., 669
– Jury-Verfahren 191 ff., 228 – real offense sentencing 128
Sach- und Personenverzeichnis
955
– respondeat superior 67
Verbannung 368
– richterliches Ermessen 120, 195
Verbindlichkeit (sentencing guidelines) 150, 194 f., 202, 204
– Schutz vor Selbstbelastung 249 – sentencing guidelines 190 ff., 194 ff.
– Booker-Urteil 194 ff.
– Unternehmensstrafbarkeit 72, 74 ff., 88 f.
– Compliance-Programm 146
U.S. Treasury Department 301 Utilitarismus 131 –V–
– Regelung im Entwurf der sentencing guidelines 140 Verbindung 445, 704 Verbot, anlagenbezogenes 425 Verbraucher 603
Verantwortlichkeit, ordnungswidrigkeitenrechtliche ĺ Unternehmensgeldbuße
Verdachtsgrad 470
Verantwortlichkeit, strafrechtliche
Verein 385 ff., 391, 427, 682, 696
– Unternehmen ĺ Unternehmensstrafbarkeit – Unternehmensmitglied 722 – USA 62 ff. Verantwortlichkeit von Unternehmen
Verdachtsanzeige 172
Vereinigtes Königreich 618, 789 ĺ siehe auch England Vereinigungstheorie 375, 544, 665 Vereinsverbot 323, 427
– Definitionen 38 ff.
Vereinte Nationen 148, 623
– de lege ferenda 658 ff., 680 ff., 687, 723, 727
Verfahren
– Einzelfragen 680 ff. – Grundlagen 658 ff. – Sachfragen 37 f. – ordnungswidrigkeitenrechtliche ~ ĺ Unternehmensgeldbuße – Rechtsvergleichung Deutschland – USA 523, 534 – strafrechtliche ~ ĺ Unternehmensstrafbarkeit
– de lege ferenda 703 – ordnungswidrigkeitenrechtliches ~ ĺ Verfahren (Unternehmensgeldbuße) – Rechtsvergleichung Deutschland – USA 526, 532, 580 – strafrechtliches ~ ĺ Strafverfahren Verfahren (Unternehmensgeldbuße) 444, 756
Verantwortung, Übernahme von 175
– Ablauf 470, 482
Verbandsattitüde, kriminelle 355, 358, 410, 611
– allgemeine ~sgesichtspunkte 444
Verbandsgeldbuße ĺ Unternehmensgeldbuße Verbandsverantwortlichkeitsgesetz 688
– Absprachen 465 – Beweisfragen 471, 482, 484, 758 – Compliance Investigation 473, 756 – Compliance-Programm 463
956
Anhang
– Dokumente 474, 477 ff.
– Rechtsmittel 481, 485, 486
– Doppelbestrafung 458
– Voraussetzungen 427
– einheitliches ~ 444, 470 ff., 482 – Einstellung 447 – Feststellungen 765 – getrenntes ~ 446 – Kooperation 435, 761
Verfahrensablauf 276, 470, 580 Verfahrensabschnitte 226 Verfahrenshindernis 447 Verfahrensprinzipien 467
– Nichteinleitung 446
Verfahrensregister 521
– Opportunitätsprinzip 459
Verfahrensschwerpunkt 202
– Rechtsmittel 480, 481, 485, 486
Verfahrensüberleitung 446
– selbstständiges ~ 331, 335, 444 ff., 480, 486, 766
Verfall 337, 420, 749, 766
– Verjährung 456 – ~ bei Ordnungswidrigkeiten 481 – ~ bei Straftaten 469 – Vertretung 468 – Zeugen 472 Verfahren, beschleunigtes 471 Verfahren, einheitliches 470 ff., 482 ff.
– Compliance-Maßnahmen 341, 422 – de lege ferenda 699, 725 – Einschränkungen 340 – Kartellrecht 462 – Ordnungswidrigkeitenrecht 420, 766 – rechtstatsächliche Befunde 494 – Rechtsvergleichung Deutschland – USA 571
– Beweisfragen 471, 482, 485
– ~ neben Geldbuße 331, 420 f., 437 f., 462
– Dokumente 474, 477 ff.
– Voraussetzungen 338, 421
– Ablauf 470, 482
– Rechtsmittel 480 – Zeugen 472 Verfahren, schriftliches 481, 484, 486 Verfahren, selbstständiges 444 ff., 480, 486, 766
Verfassung – Deutschland ĺ Grundgesetz – USA 59, 191 ff., 249 ff. Verfolgungsapparat 641
– Absehen von Strafe 451
Verfolgungsinteresse 678, 707
– Anordnung des ~ 452
Verfolgungsschwierigkeit 333
– Ausschluss 453 – Einstellung 447, 766 – Entstehungsgeschichte 331, 335 – Nichteinleitung 446 – Öffentlichkeit 640 – rechtliches Hindernis 453 ff.
Verfolgungsverjährung 334 Verfolgungszuständigkeit 452 Vergabe öffentlicher Aufträge 305, 426, 428, 775 Vergeltung 82, 206, 359, 541, 638, 664
Sach- und Personenverzeichnis Vergewaltigung 94, 552
Vermögensvorteil 183, 418, 437
Vergleichender Teil 29
Vernehmung 250, 470
Verhältnismäßigkeitsprinzip
Veröffentlichung der Sanktion
957
– Ausdifferenzierung Sanktionssystem 637
– Betrugsdelikte 154
– Begrenzung der Sanktion 665
– Kartellrecht 428, 571
– Bestrafung Unschuldiger 677 ff.
– Mittel der ~ 154
– Errichtung Compliance-Programm 644
– Rechtsvergleichung Deutschland – USA 571
– Gerechtigkeit 677
– ~ als Bewährungsstrafe 188, 213 f.
– Gesetzgebung 600
– ~ als Sanktion 371, 698
– Höhe der Geldsanktion 692
– ~ gegenüber Opfern 154
– Kriminalstrafrecht 634 f. – regulierte Selbstregulierung 646 – ultima ratio 642 Verhaltensänderung 281 Verhaltenskodex 282 f., 769, 775 ĺ siehe auch Code of Ethics Verhaltensrichtlinien 167 f.
– Ehrdelikte 427
Verpflichtung, gesetzliche 597 Verrichtungsgehilfe 429 Verschmelzung 753 Verschulden des Unternehmens – Berücksichtigung in der Literatur 107 ff., 353 ff., 557 – de lege ferenda 674, 750
Verhaltensvorgaben 615
– Ermittlung des Schuldwerts 159
Verhandlungsunfähigkeit 455
– Ermittlung des Strafrahmens 178 f.
Verjährung 332, 453 f., 456 ff., 709 f., 722
– historische Bedeutung 75 f.
Verkehrsordnungswidrigkeit 467
– mangelnde Berücksichtigung 75 f., 90, 107 f., 209
Verkehrssicherungspflicht 415
– Rechtsvergleichung Deutschland – USA 539
Verkehrssitte 407
– Strafzwecke 123
Verkörperung 668
– Unternehmensgeldbuße 380 f., 399 f., 441
Verlust – Ermittlung des Grundbetrags 156 f. – ~ des Marktwerts 278 Vermeidbarkeit 363, 407 Vermittlung von Compliance-Standards 170, 714 Vermögen 692, 784
– ~ in den Entwürfen der sentencing guidelines 139 f., 143 Versicherungsrecht 505, 782, 784 Versicherungsunternehmen 426 Versicherungsverein 386
958
Anhang
Verstoß – ~ gegen Compliance-Programm 173 f. – ~ gegen eine gerichtliche Anordnung 161
– Strafverfolgung 233, 241 – Strafzumessung 138, 140 f. – Unternehmensstrafbarkeit 73, 88, 108 – Zivilrecht 66, 293 f., 308 f.
Versuch 629
Vier-Augen-Prinzip 736
Verteidigung 468, 476, 708, 726, 762
Völkerrecht 18
– ~ der Rechtsordnung 698 Vertragspartner 67, 93 Vertragsfreiheit 651 Vertrauen 171 Vertraulichkeit 521 Vertretung 468, 708, 726 Vertretungsberechtigung 391, 395, 413, 468, 683, 726 Verurteilung, Auswirkung der 278 Verwaltungsbehörde 326, 482, 641 Verwaltungsrecht 536, 614 f., 787 Verwaltungssanktion 328, 424 Verwaltungsstrafrecht 325, 536 f., 575 Verwaltungsverfahren 380
Völkerstrafgesetzbuch 690 Völkerstraftat 398, 623, 684 Volk, Klaus 355, 732 volldeliktisches Handeln des Mitarbeiters – Deutschland 398 – Rechtsvergleichung Deutschland – USA 552 – Unternehmensstrafbarkeit 73, 88 – USA 95 f. Vollstreckung 697, 747 Voltaire 599 voluntary act ĺ actus reus
Verwaltungsvollstreckung 424
Vorhalt 643 ĺ siehe auch Vorwurf
Verwaltungsvorschrift 503 f.
Vorhersehbarkeit 687
Verwaltungszwang 71, 424, 461, 479, 575
Vorlage der Geschäftsbücher 187
Verwertungsverbot 479, 706, 759 Verzicht auf Schutzstandards 176, 239, 253, 256 ff., 738 Vetorecht 127 vicarious liability 66 – Abschreckung 82 f. – Rechtsvergleichung Deutschland – USA 530, 535, 553
Vorsatz – ~ das Unternehmen zu begünstigen 104 – ~delikte 406 – ~ des Mitarbeiters (USA) 95 f. – kollektiver ~ 96 f. Vorstand 92, 390 f., 473, 500 f., 772, 783 Vorstrafen 127, 161 Vortat 453
Sach- und Personenverzeichnis Vorteil 438 Vorteilsabschöpfung ĺ Abschöpfung Vorwerfbarkeit 330, 421 Vorwurf 434, 639, 643, 660, 667, 671 ff., 697 –W– Waffenexport 304, 398, 684
959
Whistleblower-Hotline 280, 473, 758, 783 – rechtstatsächliche Befunde 517 f. – sentencing guidelines 172 f. Widerruf der Strafe 190 Wiedereinstellung 369 Wiedergutmachung – de lege ferenda 698, 702
Wahlfeststellung 402
– Rechtsvergleichung Deutschland – USA 543, 545, 573
Wahlfreiheit des Gesetzgebers 633 f.
– Sanktion 372
Waigel, Theo 8
– Sanktionszweck 665 f.
Watson, Alan 16
– sentencing guidelines ĺ ~ (sentencing guidelines)
Washington 193, 297
– Verfahrenseinstellung bei ~ 460
Watergate 286 Weber, Max 606 Wehnert, Anne 764 Weisung 100, 461, 697 Werbeverbot 368
Wiedergutmachung (sentencing guidelines) – Anordnung 153 – Bewährungsauflage 153 – community service 152
Werbung 608, 698
– Compliance- und Ethikprogramm 734
Wertpapier-Compliance 590, 770 f.
– gesetzliche Vorgaben 152
Wertpapierdienstleistungsrichtlinie 496 f.
– restitution order 153
Wertpapierdienstleistungsunternehmen 503
– remedial order 153 – Statistik 275, 745 – Zweck 152 Wiedergutmachungsanordnung 153
Wertpapierhandel 287, 297, 309, 431, 496, 503, 614, 633, 646, 699, 760, 770, 776
Wiederholung von Verstößen 174, 186, 694
Wettbewerbsdelikte 184
Wiederholungsgefahr 364
Wettbewerbsrecht 775
Wiedervereinigung 324
Whistleblower 173, 283
Wilhelm der Eroberer 57
– Anreize für ~ 748 – Schutz des ~ 292 f.
willful blindness-Doktrin 98 Wilson, Thomas Woodrow 86
960
Anhang – X, Y, Z –
window dressing 164, 441, 779 Wirksamkeit
Zahlungsklage 224
– ~ der Bestellung von Organen 395
Zahlungsunfähigkeit 156, 184
– ~ von Compliance-Maßnahmen 441, 518
Zentralverwaltungswirtschaft 601
wirtschaftliche Verhältnisse 431, 436 Wirtschaftsaufsichtsrecht 378, 380, 400, 461, 465 Wirtschaftsberatungsunternehmen 489, 516, 767, 769 Wirtschaftsethik 51 Wirtschaftskriminalität 278, 281, 487 ff., 516, 750
Zertifizierung 653, 778 ff. Zeuge 250 ff, 472 ff., 625, 705, 759, 764 Zeugnisverweigerungsrecht 472 ff. Zinsen 756 Zivilrecht 86, 110, 429, 508, 614, 629, 651 Zunahme der Strafverfolgung 101 Zurechnung
Wirtschaftslenkung 535
– Begrenzung 554, 655
Wirtschaftsprüfer 394, 474, 505, 778
– fremde Handlungen 376, 399 f.
Wirtschaftsstrafgesetz 327 f., 344 Wirtschaftsstrafkammer 471, 709
– (fremde) Schuld 354, 376, 399 f., 671 ff.
Wirtschaftsstrafrecht 628
– Mitarbeitertat 93, 99, 104, 350, 376, 381, 669, 672 f.
Wirtschaftsstraftat 95, 145, 448
– objektive ~ 627
Wirtschaftsstrafverfahren 471 Wirtschaftssystem 601 Wirtschaftsverband 512, 654 Wirtschaftsverwaltungsrecht 309, 535, 614 Wissenschaft 529 Wissensvermittlung 170 f. Wohltätigkeitsorganisation 154 Wohnsitz 482 workproduct privilege 254 Worldcom 1, 46, 79, 261 f., 283, 314, 625
– Unternehmensstrafbarkeit 88 f., 362, 364, 412 Zusammenarbeit mit Ermittlungsbehörden 175, 269 Zusammenschlüsse – Rechtsvergleichung Deutschland – USA 547 – strafrechtlich verantwortliche ~ (Deutschland) 385 – strafrechtlich verantwortliche ~ (USA) 90 – verantwortliche ~ de lege ferenda 680 ff. Zuständigkeit, gerichtliche 708, 726, 728 Zustellung 708, 726
Sach- und Personenverzeichnis Zuverlässigkeit 777 f. Zwang 250, 609 – Theorie des psychologischen ~s 660 – unmittelbarer ~ 424 Zwangsgeld 424 Zwangsmaßnahmen 642 f. Zwangsverkauf 370, 702 Zwangsverpachtung 370, 702
961
Zweck – Bestrafung ĺ Strafzwecke – präventiver ~ 374 – Regulierung 606, 617 – repressiver ~ 374 – Unternehmensgeldbuße 374 f., 419 – Wiedergutmachung 152 Zwischenverfahren 471
Schriftenreihe des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht Die zentralen Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht werden in Zusammenarbeit mit dem Verlag Duncker & Humblot in den folgenden vier Unterreihen der „Schriftenreihe des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht“ vertrieben: x „Strafrechtliche Forschungsberichte“, x „Kriminologische Forschungsberichte“, x „Interdisziplinäre Forschungen aus Strafrecht und Kriminologie“ sowie x „Sammlung ausländischer Strafgesetzbücher in deutscher Übersetzung“. Diese Publikationen können direkt über das Max-Planck-Institut unter oder über den Verlag Duncker & Humblot unter erworben werden. Darüber hinaus erscheinen im Hausverlag des Max-Planck-Instituts in der Unterreihe „research in brief“ zusammenfassende Kurzbeschreibungen von Forschungsergebnissen und in der Unterreihe „Arbeitsberichte“ Veröffentlichungen vorläufiger Forschungsergebnisse. Diese Veröffentlichungen können über das Max-Planck-Institut bezogen werden. Detaillierte Informationen zu den einzelnen Publikationen des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht sind unter abrufbar. The main research activities of the Max Planck Institute for Foreign and International Criminal Law are published in the following four subseries of the “Schriftenreihe des MaxPlanck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht” (Research Series of the Max Planck Institute for Foreign and International Criminal Law), which are distributed in cooperation with the publisher Duncker & Humblot: x “Strafrechtliche Forschungsberichte” (Reports on Research in Criminal Law), x “Kriminologische Forschungsberichte” (Reports on Research in Criminology), x “Interdisziplinäre Forschungen aus Strafrecht und Kriminologie” (Reports on Interdisciplinary Research in Criminal Law and Criminology), and x “Sammlung ausländischer Strafgesetzbücher in deutscher Übersetzung” (Collection of Foreign Criminal Laws in German Translation). These publications can be ordered from the Max Planck Institute at or from Duncker & Humblot at . Two additional subseries are published directly by the Max Planck Institute for Foreign and International Criminal Law: “research in brief” contains short reports on results of research activities, and “Arbeitsberichte” (working materials) present preliminary results of research projects. These publications are available at the Max Planck Institute. Detailed information on all publications of the Max Planck Institute for Foreign and International Criminal Law can be found at .
Auswahl aus dem strafrechtlichen Veröffentlichungsprogramm: S 124
Almir Maljeviü ‘Participation in a Criminal Organisation’ and ‘Conspiracy’ Different Legal Models Against Criminal Collectives 2011 • 339 Seiten • ISBN 978-3-86113-839-6
S 125
Chiara Santangelo Der urheberrechtliche Schutz digitaler Werke Eine vergleichende Untersuchung der Schutz- und Sanktionsmaßnahmen im deutschen, italienischen und englischen Recht 2011 • 324 Seiten • ISBN 978-3-86113-837-2
S 126
€ 31,00
Tim Nikolas Müller Präventive Freiheitsentziehungen als Instrument der Terrorismusbekämpfung 2011 • 314 Seiten • ISBN 978-3-86113-836-5
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Philipp Reeb Internal Investigations Neue Tendenzen privater Ermittlungen 2011 • 196 Seiten • ISBN 978-3-86113-835-8
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S 128.2.1 Ulrich Sieber / Susanne Forster / Konstanze Jarvers (eds.) National Criminal Law in a Comparative Legal Context General limitations on the application of criminal law 2011 • 399 Seiten • ISBN 978-3-86113-834-1
€ 43,00
S 128.3.1 Ulrich Sieber / Susanne Forster / Konstanze Jarvers (eds.) National Criminal Law in a Comparative Legal Context Defining criminal conduct 2011 • 519 Seiten • ISBN 978-3-86113-833-4
S 129
Linus Sonderegger Die Rückkehr der Folter? Anwendung von Zwang bei der Vernehmung im deutschen und US-amerikanischen Recht 2012 • 343 Seiten • ISBN 978-3-86113-832-7
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Hans-Georg Koch (Hrsg.) Wegsperren? Freiheitsentziehende Maßnahmen gegen gefährliche, strafrechtlich verantwortliche (Rückfall-)Täter Internationaler Vergleich – Kriminologische Perspektiven 2011 • 545 Seiten • ISBN 978-3-86113-831-0
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Auswahl aus dem kriminologischen Veröffentlichungsprogramm: K 147 Wen Fan Kriminelle Karrieren
2009 • 359 Seiten • ISBN 978-3-86113-099-4
K 148 Figen Özsöz Rechtsextremistische Gewalttäter im Jugendstrafvollzug 2009 • 292 Seiten • ISBN 978-3-86113-100-7
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2010 • 314 Seiten • ISBN 978-3-86113-101-4
K 150 Ying Wang Der strafrechtliche Schutz des Urheberrechts Eine vergleichende Untersuchung zum deutschen und chinesischen Strafrecht 2011 • 262 Seiten • ISBN 978-3-86113-102-1
K 151 Carolin Quenzer Jugendliche und heranwachsende Sexualstraftäter 2010 • 292 Seiten • ISBN 978-3-86113-103-8
K 152 Tim Lukas Kriminalprävention in Großsiedlungen 2010 • 315 Seiten • ISBN 978-3-86113-104-5
K 153 Mustafa Abdelbaqi The Administration of Criminal Justice in Palestine Development, Reform and Challenges 2011 • 387 Seiten • ISBN 978-3-86113-105-2
K 154 Alke Glet Sozialkonstruktion und strafrechtliche Verfolgung von Hasskriminalität in Deutschland 2011 • 357 Seiten • ISBN 978-3-86113-112-0
K 155 Anna-Maria Getoš Politische Gewalt auf dem Balkan Schwerpunkt Terrorismus und Hasskriminalität: Konzepte, Entwicklungen und Analysen 2012 • 330 Seiten • ISBN 978-3-86113-113-7
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